Organische Chemie
Thieme
Organische Chemie Grundlagen, Stoffklassen, Reaktionen, Konzepte, Molekülstruktur Eberhard ...
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Organische Chemie
Thieme
Organische Chemie Grundlagen, Stoffklassen, Reaktionen, Konzepte, Molekülstruktur Eberhard Breitmaier und Günther Jung 5. überarbeitete Auflage
286 Abbildungen und zahlreiche Formeln 129 Tabellen
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Anschriften: Dr. Eberhard Breitmaier Professor für Organische Chemie und Instrumentelle Analytik, Universität Bonn Privatanschrift: Engelfriedshalde 46 72076 Tübingen Dr. Günther Jung Professor für Organische Chemie und Biochemie, Universität Tübingen Privatanschrift: Ob der Grafenhalde 5 72076 Tübingen
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich
Umschlag: Chemilumineszenz bei der Oxidation des 3-Aminophthalsäurehydrazid (Abschn. 29.7). Die von den Autoren durchgeführte Reaktion „zündet“ unmittelbar nach Zugabe des Eisen(III)-Komplexes (Hämin) als Katalysator im Becherglas innerhalb des vom Magnetrührer erzeugten Rührwirbels Kugel-Stab-Molekülmodell des Tetrapeptids Ala-Gly-Ala-Gly als a-Helix (Abschn. 37.3.2)
Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 1978, 2005 Georg Thieme Verlag, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart Printed in Germany Druck: Konrad Triltsch, Print und digitale Medien GmbH, 97199 Ochsenfurt-Hohestadt ISBN 3-13-541505-8
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Vorwort Das Studium der Naturwissenschaften gliedert sich meist in das Grundstudium bis zum Vordiplom und das Hauptstudium bis zum Diplom. Dementsprechend widmet sich der erste Teil dieses Buches (Kapitel 1 - 27) dem Stoff des Grundstudiums mit Haupt- und Nebenfach Chemie. Der zweite Teil (Kapitel 28 - 42) behandelt speziellere Themen des Hauptstudiums. Das vorliegende, aufgrund seiner Inhalte und Konzeption auch für Studierende anderer Naturwissenschaften (Biochemie, Lebensmittelchemie, Pharmazie, Biologie) an Hochschulen und Fachhochschulen geeignete Lehrbuch erscheint nun in der fünften Auflage. Einer Einführung in die Grundlagen der chemischen Bindung und in die KohlenwasserstoffGrundskelette (Alkane, Alkene, Diene, Alkine, Cycloalkane, Aromaten) folgt die Besprechung der elementaren Stoffklassen mit den typischen funktionellen Gruppen. Dazu gehören die Halogenalkane, die Organosauerstoff-Verbindungen wie Alkohole, Ether, Carbonsäuren, Aldehyde, Ketone, Phenole, Chinone, Amine und andere Organostickstoff-Verbindungen sowie Organoschwefel-Verbindungen und Kohlensäure-Derivate. An passenden Stellen eingefügte Kapitel über radikalische, nucleophile und elektrophile Substitutionen, Additionen und Eliminierungen sowie Umlagerungen skizzieren die elementaren organisch-chemischen Reaktionen. Themen wie Aromatizität, Chiralität und Orbitalsymmetrie vermitteln einen das Grundstudium abrundenden Einblick in einige Grundkonzepte der organischen Chemie. Der zweite, für das Hauptstudium vorgesehene Teil beginnt mit den spektroskopischen Methoden zur Strukturaufklärung sowie den durch Elektronenanregung oft induzierten Photoreaktionen und ihren präparativen Anwendungen. Es folgen nicht benzoide Aromaten, OrganometallVerbindungen, Heteroalicyclen, Heteroaromaten, Farbstoffe und synthetische Polymere als spezielle Stoffklassen. Den Abschluß bilden die aus biologischer und pharmakologischer Sicht bedeutenden Naturstoffklassen. Das sind die Aminosäuren, Peptide und Proteine, Alkaloide, Kohlenhydrate, Nucleoside und Nucleotide, Lipide, Terpene und Steroide. Dabei werden auch einige didaktisch sinnvolle, teilweise industriell durchgeführte Synthesen skizziert. Bei der Bearbeitung der fünften Auflage wurden zahlreiche Ergänzungen eingestreut, zur Kenntnis gekommene Fehler korrigiert und einige Kapitel durch Aufnahme weiterer, präparativ bedeutender Reaktionen aktualisiert. Zusätzliche Molekülmodelle, z B. konfigurationsisomerer Alkene, Konformerer des 1,3-Butadiens, von Carbonyl-Verbindungen und Aminen, der c-Helix und d-Faltblatt-Konformation von Proteinsequenzen sowie der DNA-Doppelhelix und ihrer Basenpaare veranschaulichen grundlegende Molekül- und Raumstrukturen. Eingearbeitet wurden u. a. Abschnitte über aktuelle Methoden der heteronuclearen 2D-NMR-Spektroskopie (Kap. 28), Chemi- und Biolumineszenz (Kap. 29), Azacyclobutadien und Diazepine (Kap. 32, 33), Peptidwirkstoffe und Proteinsynthesen (Kap. 37), Lipopolysaccharide und Lipoproteine (Kap. 41). Abbildungen, größere Formelschemata und Tabellen dieses Buches, Molekülmodelle sowie Übungsaufgaben zu den einzelnen Kapiteln werden wie bisher im Internet nach Erteilung eines Passworts durch den Verlag kostenlos zugänglich sein. Unser Dank gilt einigen Studenten, Kollegen und Rezensenten für nützliche Korrekturhinweise und gute Verbesserungsvorschläge, die wir weiterhin gerne entgegennehmen, um sie bei der Vorbereitung einer Neuauflage verarbeiten zu können. Tübingen, im Februar 2005
E. Breitmaier und G. Jung
s
Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5 1.6 1.7
1.11.3 1.11.4 1.12 1.12.1 1.12.2 1.12.3
Chemische Bindung in organischen Molekülen ..... 1 Einführung..................................................................... 1 Energie .......................................................................... 1 Atomorbitale .................................................................. 1 s-Orbitale....................................................................... 2 p-Orbitale....................................................................... 3 Elektronenspin und PAULI-Prinzip ................................. 4 Elektronenkonfiguration leichter Atome ........................ 4 Molekülorbitale und kovalente Bindung........................ 5 Arten der chemischen Bindung..................................... 5 Überlappung von Atomorbitlen ..................................... 5 u- und r-Molekülorbitale ............................................... 7 Bindungsdaten .............................................................. 8 Hybridisierung der Atomorbitale des Kohlenstoffs........ 8 Kovalente Bindung in einfachen organischen Molekülen.................................................................... 11 CH-Bindungen des Methans....................................... 11 CC-Einfachbindung..................................................... 12 CC-Doppelbindung ..................................................... 12 CC-Dreifachbindung ................................................... 14 Reaktive Zwischenstufen ............................................ 15 Methyl-Radikal ............................................................ 15 Methyl-Ionen ............................................................... 16 Carbene....................................................................... 17 Bindung in Ammoniak und Wasser............................. 18 Polarität kovalenter Bindungen................................... 18 Elektronegativität......................................................... 18 Dipolmomente von Molekülen .................................... 18 Polarität von Verbindungen......................................... 19 Interionische und intermolekulare Wechselwirkungen.................................................................... 20 Interionische Wechselwirkung .................................... 20 Dipol-Dipol-Wechselwirkung und Wasserstoffbrükken............................................................................... 20 Ionen-Dipol-Wechselwirkung ...................................... 21 VAN-DER-WAALS-Wechselwirkung............................... 21 Physikalische Eigenschaften, Acidität und Basizität .. 22 Kristallgitter.................................................................. 22 Schmelzpunkt, Siedepunkt, Löslichkeit ...................... 22 Säuren und Basen, Elektrophile und Nucleophile ...... 23
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.3 2.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.6
Alkane......................................................................... 24 Homologe Reihe, Konstitution, Nomenklatur.............. 24 Homologe Reihe und Molekülmodelle der Alkane ..... 24 Konstitutionsisomerie.................................................. 26 Nomenklatur................................................................ 27 Physikalische Eigenschaften ...................................... 29 Molekülbau.................................................................. 30 Konformation............................................................... 30 Industrielle Gewinnung der Alkane ............................. 32 Alkane aus Erdgas, Erdöl und Kohle .......................... 32 Treibstoffherstellung.................................................... 33 Darstellung von Alkanen ............................................. 34
1.7.1 1.7.2 1.7.3 1.7.4 1.8 1.8.1 1.8.2 1.8.3 1.9 1.10 1.10.1 1.10.2 1.10.3 1.11 1.11.1 1.11.2
2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4 2.7.5 2.7.6
Katalytische Hydrierung der Alkene ............................34 Reduktion von Halogenalkanen ..................................34 Alkylierung metallorganischer Verbindungen..............35 KOLBE-Elektrolyse........................................................36 Reaktionen...................................................................36 Vollständige Oxidation (Verbrennung) ........................37 Partielle Oxidation........................................................38 Autoxidation .................................................................38 Photohalogenierung.....................................................39 Photosulfochlorierung ..................................................40 Nitrierung von Alkanen ................................................40
3 3.1 3.2
Radikalische Substitution.........................................41 Mechanismus der Chlorierung des Methans...............41 Energetische Betrachtung der Photohalogenierung ..............................................................43 Aktivierungsenergie und Reaktionswärme..................43 Startreaktion.................................................................43 Übergangszustände der Kettenreaktionsschritte ........44 Reaktionsgeschwindigkeit ...........................................46 Äußere Einflüsse .........................................................46 Geschwindigkeitsbestimmender Schritt der Photohalogenierung ..............................................................47 Relative Reaktionsgeschwindigkeiten der Photohalogenierung ..............................................................48 Regioselektivität der Monohalogenierung ...................48 Relative Stabilität von Alkyl-Radikalen ........................49 Relative Stabilität und Energiegehalt...........................49 Modelle zur Erklärung..................................................50 Mechanismen weiterer radikalischer Substitutionen.....................................................................51
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.6
4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3
Alkene .........................................................................53 Nomenklatur und Konstitutionsisomerie der Alkene ...53 Geometrie und Molekül-Orbital-Modell........................54 Relative Konfiguration, Konfigurationsisomerie...........55 (Z,E)-Isomere Alkene...................................................55 Physikalische Eigenschaften von (Z,E)-Isomeren.......56 Darstellung...................................................................57 Pyrolytische Dehydrierung und Spaltung von Alkanen (Cracking) ......................................................57 Partielle Hydrierung von Alkinen .................................57 Alkenbildende d-Eliminierungen..................................58 Dehalogenierung von 1,2-Dihalogenalkanen ..............59 Reduktive Kupplung von Carbonyl-Verbindungen: MCMURRY-Reaktion .....................................................60 Carbonyl-Alkenylierungen ...........................................60 Reaktionen...................................................................61 Addition von Wasserstoff (Katalytische Hydrierung).........................................................................61 Addition von Boran (Hydroborierung)..........................63 Addition von Halogen (Halogenierung) .......................63
Aus E. Breitmaier, G. Jung: Organische Chemie (ISBN 3-13-541505-8) © Georg Thieme Verlag Stuttgart 2005 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!
Inhaltsverzeichnis
4.5.4 4.5.5 4.5.6 4.5.7 4.5.8 4.5.9 4.5.10 4.5.11 4.5.12 4.5.13 4.5.14 4.5.15 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 6 6.1
Elektrophile Addition von Halogenwasserstoff (Hydrohalogenierung) ................................................. 64 Elektrophile Addition von Wasser (Hydratisierung) .... 64 Elektrophile Addition von Formaldehyd (PRINSReaktion) ..................................................................... 65 cis -Dihydroxylierung mit Osmiumtetroxid und Permanganat............................................................... 65 trans -Dihydroxylierung über Oxirane ......................... 65 1,3-dipolare Cycloaddition von Ozon (Ozonolyse) ..... 66 Radikalische Addition und Substitution....................... 66 HECK-Reaktion ............................................................ 68 En-Reaktion................................................................. 68 [2+2]-Cycloaddition ..................................................... 69 Metathese.................................................................... 69 Dimerisierung, Polymerisation .................................... 69 Eliminierung und Addition ....................................... 71 Eliminierende Verbindungen, Abgangsgruppen ......... 71 Mechanismen Alken-bildender Eliminierungen .......... 71 Dehydratisierung von Alkoholen als monomolekulare d-Eliminierung .......................................... 71 Umlagerungen bei Dehydratisierungen ...................... 74 Bimolekulare d-Eliminierung (E2-Mechanismus) ....... 76 Stereoselektivität Alken-bildender dEliminierungen............................................................. 77 E1-Eliminierungen....................................................... 77 E2-Eliminierungen....................................................... 77 Elektrophile Addition ................................................... 78 Mechanismus .............................................................. 78 Reaktivität der Alkene ................................................. 79 Regioselektivität der Addition...................................... 79 Umlagerungen bei Additionen..................................... 80 Stereoselektivität von Additionen................................ 81
6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.5.5
Diene........................................................................... 82 Kumulation und Konjugation von Doppelbindungen.................................................................... 82 Struktur des 1,3-Butadiens ......................................... 82 Strukturdaten............................................................... 82 Molekülorbital-Modell, Mesomerie und thermodynamische Stabilität .................................................. 82 Konformation des 1,3-Butadiens................................. 84 Darstellung .................................................................. 85 Synthese konjugierter Diene....................................... 85 Synthese kumulierter Diene........................................ 86 Reaktionen konjugierter Diene.................................... 87 Elektrophile 1,2- und 1,4-Addition............................... 87 Radikalische Addition.................................................. 87 1,3-Dien-Polymerisation.............................................. 88 [4+2]-Cycloaddition (DIELS-ALDER-Reaktion).............. 88 [4+1]-Cycloaddition ..................................................... 88
7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.4.1
Alkine.......................................................................... 89 Nomenklatur, Konstitutionsisomerie ........................... 89 Molekülgeometrie........................................................ 89 Eigenschaften ............................................................. 89 Darstellung .................................................................. 90 Ethin-Synthesen.......................................................... 90
6.2 6.2.1 6.2.2
VII
7.4.2
Doppelte Dehydrohalogenierung von Dihalogenalkanen........................................................................ 90 7.4.3 Doppelte Dehalogenierung von Tetrahalogenalkanen........................................................................ 91 7.4.4 Alkinylierung von Halogenalkanen ............................. 91 7.5 Reaktionen.................................................................. 91 7.5.1 CH-Acidität, Bildung von Alkinyliden .......................... 91 7.5.2 Hydrierung .................................................................. 92 7.5.3 Elektrophile Addition ................................................... 92 7.5.4 REPPE-Synthesen ....................................................... 94 7.5.5 Dimerisierung von Ethin.............................................. 94 7.5.6 Cyclooligomerisierungen ............................................ 95 7.5.7 BERGMAN-Cyclisierung von Endiinen.......................... 95 7.5.8 [2+2+1]-Cycloaddition (PAUSON-KHAND-Reaktion)..... 95 7.5.9 Isomerisierungen ........................................................ 96 7.5.10 Alkenylierung und Arylierung terminaler Alkine.......... 96 7.5.11 Oxidative Kupplung terminalerAlkine (GLASERKupplung).................................................................... 97 7.5.12 Oxidative Spaltungen.................................................. 97 7.6 Natürliche Alkine ......................................................... 97 8 8.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.3.5 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.5 8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.6.4 8.6.5 8.6.6 8.7 8.7.1 8.7.2 8.7.3 8.7.4 8.8
Cycloalkane ............................................................... 98 Klassifizierung und Nomenklatur der Cycloalkane..... 98 Physikalische Eigenschaften ...................................... 99 Konformation und Stabilität......................................... 99 Cyclopropan................................................................ 99 Cyclobutan ................................................................ 100 Cyclopentan .............................................................. 102 Cyclohexan ............................................................... 102 Mittlere und große Ringe .......................................... 105 Konfigurationsisomerie der Cycloalkane .................. 105 Cyclopropan, Cyclobutan, Cyclopentan ................... 105 Cyclohexan ............................................................... 106 cis- und trans-Decalin .............................................. 107 Verbrennungswärmen .............................................. 108 Cycloalkan-Synthesen .............................................. 108 Dreiring-Synthesen ................................................... 108 Vierring-Synthesen ................................................... 110 Fünfring-Synthesen .................................................. 111 Sechsring-Synthesen................................................ 111 Siebenring-Synthesen .............................................. 113 Synthese mittlerer und großer Ringe........................ 113 Reaktionen................................................................ 115 Ringöffnungen........................................................... 116 Ringerweiterungen.................................................... 116 Transannulare Reaktionen mittlerer Ringe............... 117 Valenzisomerisierungen, Valenztautomere.............. 117 Reizvolle Ringe ......................................................... 118
9 9.1 9.2
Benzen und Aromatizität........................................ 119 Die Struktur des Benzens ......................................... 119 Hydrierwärme und Mesomerieenergie des Benzens........................................................................... 121 Valenzstrich-Formeln des Benzens.......................... 122 Molekülorbital-Modell des Benzens.......................... 123 Benzen-Formel ......................................................... 124 Die HÜCKEL-Regel..................................................... 124 Aromatische Verbindungen, Überblick ..................... 126
9.3 9.4 9.5 9.6 9.7
Aus E. Breitmaier, G. Jung: Organische Chemie (ISBN 3-13-541505-8) © Georg Thieme Verlag Stuttgart 2005 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!
VIII
10 10.1 10.1.1 10.1.2 10.2 10.2.1 10.2.2 10.3 10.4 10.4.1 10.4.2 10.4.3 10.4.4 10.5 10.6 10.6.1 10.6.2 10.6.3 10.6.4 10.6.5 10.6.6 10.6.7 10.6.8 10.7 10.7.1 10.7.2 10.7.3 10.7.4 10.8 10.8.1 10.8.2 10.8.3 10.9 10.9.1 10.9.2 10.9.3 10.10 10.11 10.11.1 10.11.2 10.11.3
Inhaltsverzeichnis
Benzoide Aromaten ................................................ 128 Nomenklatur benzoider Aromaten ............................ 128 Monosubstituierte Benzene ...................................... 128 Mehrfach substituierte Benzene ............................... 128 Gewinnung aromatischer Kohlenwasserstoffe ......... 129 Aus Steinkohle .......................................................... 129 Aus Erdöl................................................................... 129 Eigenschaften ........................................................... 130 Benzen-Derivate durch elektrophile Substitution...... 130 Elektrophile aromatische Monosubstitution .............. 131 Dipolmomente, Basizität und Reaktivität substituierter Benzene .................................................... 131 Induktive Effekte von Substituenten am BenzenKern........................................................................... 133 Mesomere Effekte von Substituenten am BenzenKern........................................................................... 134 Regioselektivität elektrophiler Zweitsubstitutionen ... 136 Darstellung von Alkylbenzenen ................................ 138 Alkylierung nach FRIEDEL-CRAFTS ............................ 138 Transalkylierung und thermodynamische Kontrolle von Alkylierungen...................................................... 139 FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung...................................... 141 Reduktion von Alkenylbenzenen .............................. 142 Cyclotrimerisierung von Alkinen ............................... 142 Cyclokondensation von Ketonen .............................. 142 Alkylbenzen-Synthese nach WURTZ und FITTIG ....... 142 Alkylierung über Arylmagnesiumhalogenide ............ 143 Reaktionen der Alkylbenzene ................................... 143 Halogenierung am Kern und in der Seitenkette........ 143 Seitenketten-Halogenierung und Benzyl-Radikal..... 143 Triphenylmethyl-Radikal ........................................... 144 Hydrierung und Oxidation ......................................... 145 Darstellung der Alkenylbenzene ............................... 146 Styren-Synthese........................................................ 146 Alkenylbenzene durch Eliminierung aus Phenylhalogenalkanen und Phenylalkanolen...................... 146 Alkenylbenzene durch Alkylierung mit 1,3-Dienen ... 147 Reaktionen der Alkenylbenzene ............................... 147 Elektrophile Addition an konjugierte Alkenylbenzene .................................................................... 147 Radikalische Additionen an Alkenylbenzenen.......... 148 Darstellung ringsubstituierter Alkenylbenzene ......... 148 Darstellung der Alkinylbenzene ................................ 148 Eigenschaften und Darstellung der Arylhalogenide................................................................. 149 Physikalische Eigenschaften .................................... 149 Herstellung der Halogenaromaten............................ 150 Chemische Eigenschaften von Halogenaromaten (Alkylhalogeniden)..................................................... 152
11.1.7 11.1.8 11.1.9 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.3 11.3.1 11.3.2
12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4 12.5 12.5.1 12.5.2 12.5.3 12.5.4 12.6 13 13.1 13.2 13.3 13.3.1 13.3.2 13.3.3 13.3.4 13.3.5 13.3.6 13.3.7 13.3.7 13.3.8 13.3.9 13.3.11 13.3.12
11 11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.1.4 11.1.5 11.1.6
Substitutionen an Aromaten.................................. 154 Mechanismus elektrophiler Substitutionen an Aromaten................................................................... 154 r-Komplex, Benzenium-Ion und Energieprofil.......... 154 Nitrierung des Benzens............................................. 155 Sulfonierung des Benzens........................................ 156 Halogenierung des Benzens..................................... 157 Alkylierung nach FRIEDEL-CRAFTS ............................ 158 Acylierung nach FRIEDEL-CRAFTS ............................. 159
13.4 13.4.1 13.4.2 13.4.3 13.4.4
Aktivierende und desaktivierende Substituenten ..... 160 Orientierende Effekte................................................ 161 Darstellung mehrfach substituierter Benzene .......... 167 Mechanismen nucleophiler Substitutionen am Aromaten .................................................................. 167 Nucleophile Substitutionen an Arylhalogeniden....... 167 Mechanismus der bimolekularen nucleophilen Substitution am Aromaten ........................................ 169 Monomolekulare nucleophile Substitution am Aromaten .................................................................. 171 Eliminierungs-Additions-Mechanismus .................... 172 Mechanismus der Aminierung des Brombenzens.... 172 Weitere nucelophile Substitutionen an nicht aktivierten Aromaten................................................. 174 Kondensierte Aromaten......................................... 175 Klassifizierung und Nomenklatur.............................. 175 Bindungszustand und Mesomerie ............................ 176 Gewinnung polycyclischer Aromaten ....................... 178 Typische Reaktionen kondensierter Aromaten ........ 178 Elektrophile aromatische Substitutionen des Naphthalens.............................................................. 178 Oxidation des Naphthalens ...................................... 180 Reduktion des Naphthalens ..................................... 180 Reaktionen des Anthracens und Phenanthrens....... 180 Ring-Synthesen kondensierter Aromaten ................ 182 HAWORTH-Synthesen von Phenanthren-Derivaten .. 182 Anthrachinon-Synthese ............................................ 182 ELBS-Reaktion........................................................... 183 DÖTZ-Reaktion .......................................................... 183 Graphit und Fullerene ............................................... 184 Halogenalkane (Alkylhalogenide) ......................... 185 Klassifizierung........................................................... 185 Eigenschaften ........................................................... 185 Darstellung ............................................................... 186 Radikalische Halogenierung von Alkanen................ 186 Addition von Halogenwasserstoff an Alkene............ 187 Addition von Halogen an Alkene .............................. 187 Additionen an Diene ................................................. 188 Addition von HX und X2 an Alkine ............................ 188 Halogenalkene durch Dehydrohalogenierung.......... 188 Radikalische Bromierung in Allyl-Stellung durch NBromsuccinimid ........................................................ 189 Darstellung von Fluoralkanen................................... 190 Darstellung von Iodalkanen ...................................... 191 Halogenalkane aus Alkoholen.................................. 191 Bromalkane durch HUNSDIECKERDecarboxylierung...................................................... 193 Darstellung und Eigenschaften von Oligohalogenmethanen .................................................................. 193 Reaktionen................................................................ 194 Nucleophile Substitution und Eliminierung in Konkurrenz................................................................ 194 Nucleophile Substitutionen ....................................... 196 GRIGNARD-Reaktion .................................................. 196 CC-Verknüpfungen mit OrganohalogenVerbindungen ......................................................... 196
Aus E. Breitmaier, G. Jung: Organische Chemie (ISBN 3-13-541505-8) © Georg Thieme Verlag Stuttgart 2005 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!
Inhaltsverzeichnis
14 14.1 14.2 14.2.1 14.2.2 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.3.5 14.4 14.4.1 14.4.2 14.4.3
Nucleophile Substitution an Aliphaten................. 198 Übersicht nucleophiler Substitutionen an Aliphaten . 198 Mechanismen............................................................ 199 Bimolekularer Mechanismus SN2.............................. 199 Monomolekularer Mechanismus SN1........................ 201 Struktur und Reaktivität............................................. 203 Effekte der Alkyl-Gruppen......................................... 203 Effekte der austretenden Gruppe.............................. 204 Nucleophilie............................................................... 205 Lösemittelabhängigkeit ............................................. 206 SN1- und SN2-Reaktionen in Konkurrenz .................. 207 Spezielle Substitutionsmechanismen ....................... 208 Substitutionen an Allyl-Verbindungen....................... 208 SNi-Mechanismus ...................................................... 209 Reaktivität von Vinyl- und Alkinyl-Verbindungen ...... 209
15 15.1 15.2 15.3 15.4 15.4.1 15.4.2 15.4.3 15.4.4 15.4.5 15.4.6
Alkohole und Glykole ............................................. 210 Klassifizierung der Alkohole...................................... 210 Nomenklatur.............................................................. 210 Struktur und thermodynamische Eigenschaften....... 211 Darstellung von Alkoholen ........................................ 214 Technische Synthesen von Methanol und Ethanol .. 214 Ethanol durch alkoholische Gärung.......................... 214 Hydratisierung von Alkenen ...................................... 214 Hydroborierung und Oxidation .................................. 215 Reduktion von Carbonyl-Verbindungen.................... 216 Alkohole aus Carbonyl-Verbindungen und Alkylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARDVerbindungen)........................................................... 217 Alkohole aus Epoxiden und Alkylmagnesiumhalogeniden............................................................... 218 Hydrolyse von Halogenalkanen ................................ 218 Darstellung von 1,2-Diolen........................................ 219 Dihydroxylierung von Alkenen .................................. 219 Hydrolyse von Halohydrinen ..................................... 219 Bimolekulare Reduktion von Aldehyden und Ketonen ..................................................................... 220 Reaktionen der Alkohole........................................... 220 Alkohole als LEWIS-Basen......................................... 220 Alkohole als Säuren .................................................. 221 Oxidation von Alkoholen ........................................... 221 Veresterung von Alkoholen....................................... 222 Nucleophile Substitution der Hydroxy-Gruppe durch Halogen........................................................... 223 Dehydratisierung von Alkoholen ............................... 225 Glykolspezifische Reaktionen................................... 227 Glykolspaltung........................................................... 227 Pinakol-Dehydratisierung und Umlagerung.............. 228
15.4.7 15.4.8 15.5 15.5.1 15.5.2 15.5.3 15.6 15.6.1 15.6.2 15.6.3 15.6.4 15.6.5 15.6.6 15.7 15.7.1 15.7.2 16 16.1 16.2 16.3 16.3.1 16.3.2
Ether ......................................................................... 229 Nomenklatur.............................................................. 229 Struktur und physikalische Eigenschaften................ 230 Darstellung ................................................................ 231 Bimolekulare Dehydratisierung von Alkoholen ......... 231 Nucleophile Substitution von Halogenalkanen durch Alkoholate und Phenolate (WILLIAMSONSynthese) .................................................................. 232 16.3.3 Veretherung von Halogenalkanen mit Silbercarbonat .................................................................... 233
IX
16.3.4 O-Methylierung von Alkoholen und Phenolen durch Diazomethan................................................... 233 16.3.5 Synthesen von Ethern mit GRIGNARDVerbindungen............................................................ 234 16.3.6 Alkenylether durch Addition von Alkoholen an Alkine ........................................................................ 234 16.3.7 Enolether durch Eliminierung von Alkohol aus Acetalen .................................................................... 234 16.4 Darstellung von Epoxiden (Oxiranen)....................... 235 16.4.1 Katalytische Oxidation von Alkenen ......................... 235 16.4.2 Eliminierung von Halogenwasserstoff aus Halohydrinen .................................................................... 235 16.4.3 Oxidation von Alkenen mit Peroxysäuren ................ 235 16.5 Reaktionen................................................................ 235 16.5.1 Bildung von Oxonium-Verbindungen........................ 235 16.5.2 Autoxidation .............................................................. 236 16.5.3 Ether-Spaltung .......................................................... 236 16.5.4 Ether-Umlagerungen ................................................ 237 16.6 Ether als Schutzgruppen .......................................... 238 16.7 Methylvinylether und Ethylenoxid als Schlüsseledukte der organischen Synthese ............................ 239 16.7.1 Synthesen mit Methylvinylether................................ 239 16.7.2 Synthesen mit Oxiran (Ethylenoxid) ......................... 239 17 17.1 17.2 17.3 17.3.1 17.3.2 17.3.3 17.3.4 17.4 17.5 17.5.1 17.5.2 17.5.3 17.6 17.6.1 17.6.2 17.6.3 17.7 17.7.1 17.7.2 17.7.3 17.7.4 17.8 17.8.1 17.8.2 17.9 17.9.1 17.9.2 17.9.3
Chiralität................................................................... 240 Asymmetrische C-Atome und Chiralität.................... 240 Optische Aktivität und spezifische Drehung ............. 240 Bezeichnung der absoluten Konfiguration................ 241 CAHN-INGOLD-PRELOG-Konvention ("CIP", R und S) ........................................................ 241 FISCHER-Konvention (D und L) ................................. 242 Übersetzung der D,L- in die R,S –Bezeichnung....... 244 Racemate.................................................................. 242 Bestimmung der absoluten Konfiguration ................ 244 Verbindungen mit mehreren Asymmetriezentren..... 245 Zwei verschiedene asymmetrische C-Atome ........... 245 Zwei gleiche asymmetrische C-Atome ..................... 246 Enantiomere Cycloalkane......................................... 247 Enantiomere ohne asymmetrische C-Atome............ 248 Asymmetrische Heteroatome ................................... 248 Axiale Chiralität ......................................................... 249 Planare Chiralität und Helicität ................................. 249 Racemat-Trennungen............................................... 250 Die klassische Methode von PASTEUR ..................... 250 Trennung nach Bildung von Diastereomeren .......... 250 Enzymatische Racemat-Trennungen ....................... 252 Chromatographische Racemat-Trennungen ............ 253 Prochiralität, Enantiotopie und Diastereotopie ......... 253 Prochiralität am tetraedrischen C ............................. 253 Prochiralität am trigonalen C .................................... 254 Stereo- und Enantioselektivität von Reaktionen....... 255 Inversion, Retention und Racemisierung ................. 255 Stereoselektivität, Stereospezifität ........................... 257 Asymmetrische (enantioselektive) Synthesen.......... 257
18 18.1 18.2 18.3 18.4
Carbonsäuren und ihre Derivate........................... 260 Nomenklatur der Carbonsäuren ............................... 260 Wasserstoffbrücken-Bindung von Carbonsäuren .... 263 Struktur der Carboxy-Gruppe ................................... 263 Carbonsäure-Derivate .............................................. 264
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X
18.5 Synthese von Carbonsäuren .................................... 264 18.5.1 Einführung der Carboxy-Gruppe durch Kohlenmonoxid (Carbonylierung)......................................... 264 18.5.2 Einführung der Carboxy-Gruppe durch Kohlendioxid (Carboxylierung) ............................................. 266 18.5.3 Acylierung von Aromaten mit Säureanhydriden ....... 266 18.5.4 Carbonsäuren durch Oxidation................................. 267 18.5.5 Hydrolyse von Carbonsäure-Derivaten .................... 268 18.5.6 Homologisierung (Kettenverlängerung) von Carbonsäuren ........................................................... 268 18.5.7 Alkylierung von Malonsäureestern............................ 269 18.5.8 c,d-Ungesättigte Carbonsäuren durch KNOEVENAGEL-Kondensation von Malondäureestern........ 270 18.5.9 c,d-Ungesättigte Carbonsäuren durch PERKINReaktion .................................................................... 270 18.5.10 i,f-Ungesättigte Carbonsäuren durch IRELANDCLAISEN-Umlagerung ................................................ 271 18.6 Acidität von Carbonsäuren........................................ 271 18.6.1 Dissoziationsgleichgewicht in wäßrigen Lösungen .. 271 18.6.2 Salze der Carbonsäuren ........................................... 272 18.6.3 Struktur und Modell des Carboxylat-Anions ............. 272 18.6.4 Einflüsse von Substituenten auf die Acidität............. 273 18.6.5 Acidität von Dicarbonsäuren..................................... 274 18.7 Reaktionen der Carboxy-Gruppe.............................. 274 18.7.1 Veresterung, Ester, Lactone ..................................... 274 18.7.2 Reduktion zu primären Alkoholen............................. 275 18.7.3 Carbonsäurehalogenierung ...................................... 276 18.7.4 Bildung von Säureanhydriden................................... 276 18.7.5 Bildung von Säureamiden......................................... 277 18.7.6 Decarboxylierung ...................................................... 278 18.8 Nucleophile Substitution von Carbonsäurehalogeniden............................................................... 278 18.8.1 Hydrolyse und Perhydrolyse..................................... 278 18.8.2 Alkoholyse................................................................. 279 18.8.3 Ammonolyse und Aminolyse .................................... 279 18.8.4 Hydrazinolyse............................................................ 280 18.8.5 Reaktion mit Hydroxylamin ....................................... 280 18.8.6 Reaktion mit Alkaliaziden.......................................... 280 18.8.7 Katalytische Hydrierung (ROSENMUND Reduktion) ... 280 18.8.8 Carbonsäurehalogenide als Reagenzien zur CAcylierung ................................................................. 281 18.9 Nucleophile Substitution von Carbonsäureestern .... 281 18.9.1 Esterverseifung ......................................................... 281 18.9.2 Ammonolyse (Aminolyse) von Estern....................... 282 18.9.3 Umesterung............................................................... 282 18.9.4 Reduktion zu primären Alkoholen............................. 283 18.9.5 Reaktion mit GRIGNARD-Verbindungen..................... 283 18.10 CH-Acidität von Carbonsäureestern, Folgereaktionen ................................................................. 284 18.10.1 C-Alkylierung von Malonestern................................. 284 18.10.2 KNOEVENAGEL-Alkenylierung..................................... 284 18.10.3 MICHAEL-Addition ...................................................... 285 18.10.4 CLAISEN-Esterkondensation ...................................... 285 18.10.5 Intramolekulare Kondensation von Diestern (DIECKMANN-Kondensation) ...................................... 286 18.11 Spezielle Reaktionen von Dicarbonsäuren und Derivaten................................................................... 287 18.11.1 Thermische Decarboxylierung und Cyclokondensation............................................................. 287 18.11.2 Bildung cyclischer Dicarbonsäureimide.................... 287
Inhaltsverzeichnis
18.11.3 Reaktionen cyclischer Dicarbonsäureimide ............. 287 18.11.4 Maleinsäureanhydrid als elektronenarmes Dienophil ........................................................................ 289 18.11.5 Maleinsäureanhydrid als elektronenarmes Enophil bei En-Reaktionen .................................................... 289 19 19.1 19.2 19.3 19.3.1 19.3.2 19.4 19.4.1 19.4.2 19.5 19.5.1 19.5.2 19.5.3
Substituierte Carbonsäuren .................................. 290 Nomenklatur substituierter Carbonsäuren................ 290 Physikalische Eigenschaften und Acidität................ 290 Halogencarbonsäuren .............................................. 292 Synthesen ................................................................. 292 Reaktionen................................................................ 294 Hydroxycarbonsäuren .............................................. 295 Synthesen ................................................................. 295 Reaktionen................................................................ 296 Oxocarbonsäuren und ihre Ester.............................. 299 Synthesen ................................................................. 299 Reaktionen der Oxocarbonsäuren ........................... 300 Oxo-Enol-Tautomerie des Acetessigesters.............. 303
20 20.1 20.2 20.2.1 20.2.2 20.3 20.4 20.5 20.5.1
Aldehyde und Ketone............................................. 305 Übersicht................................................................... 305 Nomenklatur.............................................................. 305 IUPAC-Bezeichnungen............................................. 305 Trivialnamen ............................................................. 306 Molekülorbital-Modell der Carbonyl-Gruppe............. 306 Physikalische Eigenschaften .................................... 308 Darstellung von Aldehyden....................................... 309 Oxidation von Methyl- und HydroxymethylGruppen .................................................................... 309 Überführung der Halomethyl- in die FormylGruppe ...................................................................... 310 NEF-Reaktion ............................................................ 311 Reduktion von Carbonsäure-Derivaten und Nitrilen. 311 Spaltung von Glykolen und Ozoniden ...................... 312 Hydrolyse von Sauerstoff-Heterocyclen ................... 312 Formylierung von Alkenen mit Kohlenmonoxid und Wasserstoff ............................................................... 313 Formylierung mit Orthoameisensäureestern ............ 313 Formylierung von Aromaten durch Formanilide (VILSMEIER-Formylierung) ......................................... 313 Formylierung von Aromaten durch Formylhalogenide ................................................................ 314 Formylierung von Aromaten durch Cyanid und Chlorwasserstoff ....................................................... 314 Formylierung von Aromaten durch Chloroform ........ 315 Industrielle Verfahren zur Herstellung von Acetund Benzaldehyd ...................................................... 315 Darstellung von Ketonen .......................................... 316 Oxidation sekundärer Alkohole................................. 316 Oxidation aktivierter Methylen-Gruppen................... 316 Bimolekulare Decarboxylierung und Dehydratisierung von Carbonsäuren ....................................... 316 Addition von GRIGNARD-Verbindungen an Nitrile ..... 317 Acylierung von Dialkylcadmium................................ 317 Spaltung der Ozonide von Tetraalkylethenen .......... 318 Acylierung von Alkenen ............................................ 318 Acylierung von Aromaten mit Carbonsäurehalogeniden ......................................................................... 318 Acylierung von Aromaten durch Nitrile ..................... 318
20.5.2 20.5.3 20.5.4 20.5.5 20.5.6 20.5.7 20.5.8 20.5.9 20.5.10 20.5.11 20.5.12 20.5.13 20.6 20.6.1 20.6.2 20.6.3 20.6.4 20.6.5 20.6.6 20.6.7 20.6.8 20.6.9
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Inhaltsverzeichnis
20.7 20.8
Reaktivität der Carbonyl-Gruppe .............................. 319 Reaktionen von Aldehyden und Ketonen mit Basen ........................................................................ 319 20.8.1 Bildung von Hydraten................................................ 320 20.8.2 Bildung von Acetalen und Ketalen............................ 320 20.8.3 Addition von Hydrogensulfit ...................................... 322 20.8.4 Bildung von Iminen mit Ammoniak und primären Aminen ...................................................................... 322 20.8.5 Bildung von Hydrazonen, Azinen, Oximen und Semicarbazonen ....................................................... 323 20.8.6 Bildung von Enaminen mit sekundären Aminen....... 324 20.8.7 Bildung von Silylenolethern mit Trialkylchlorsilanen. 325 20.9 Reaktionen mit Hydrid-Anionen ................................ 325 20.9.1 Reduktion mit komplexen Metallhydriden ................. 325 20.9.2 MEERWEIN-PONNDORF-VERLEY-Reduktion von Ketonen ..................................................................... 326 20.9.3 CANNIZZARO-Disproportionierung aromatischer Aldehyde ................................................................... 326 20.10 Reaktionen mit Carbanionen und CH-Säuren .......... 327 20.10.1 1,2-Addition von GRIGNARD-Verbindungen............... 327 20.10.2 Carbonyl-Alkenylierungen......................................... 327 20.10.3 Aldol-Reaktion........................................................... 329 20.10.4 Cyanhydrin-Reaktion................................................. 330 20.10.5 Benzoin- und STETTER-Reaktion der Arenaldehyde.................................................................... 331 20.10.6 Alkinylierung von Carbonyl-Verbindungen................ 332 20.10.7 Homologisierung von Aldehyden und Ketonen mit Diazomethan ............................................................. 333 20.10.8 KNOEVENAGEL-Alkenylierung..................................... 333 20.10.9 PERKIN-Reaktion........................................................ 334 20.10.10MANNICH-Reaktion..................................................... 334 20.10.11BAYLIS-HILLMAN-Hydroxyalkylierung ......................... 335 20.10.11ROBINSON-Anellierung von Cycloalkanonen ............. 335 20.11 Oxidation und Reduktion der Carbonyl-Gruppe ....... 336 20.11.1 Oxidation von Aldehyden .......................................... 336 20.11.2 BAEYER-VILLIGER-Oxidation von Ketonen ................. 336 20.11.3 WILLGERODT- UND WILLGERODT-KINDLER-Reaktion von Alkylarylketonen ................................................. 337 20.11.4 CLEMMENSEN-Reduktion............................................ 337 20.11.5 MCMURRY-Reaktion .................................................. 338 20.11.6 WOLFF-KISHNER-Reduktion ....................................... 338 20.11.7 BAMFORD-STEVENS- und SHAPIRO-Reaktion ............. 338 20.12 CH-Acidität und Keto-Enol-Tautomerie der 1,3Diketone .................................................................... 339 21 21.1 21.2 21.3 21.4 21.4.1 21.4.2 21.4.3 21.4.4 21.4.5 21.4.6 21.5 21.5.1 21.5.2 21.5.3
Phenole und Chinone ............................................. 341 Klassifizierung der Phenole ...................................... 341 Nomenklatur der Phenole ......................................... 341 Physikalische Eigenschaften der Phenole................ 342 Darstellung von Phenolen......................................... 344 Technische Phenol-Synthese (HOCK-Prozeß).......... 344 Hydrolyse von Chlorbenzen-Derivaten ..................... 345 Katalytische Oxidation methylierter Aromaten.......... 346 Alkali-Schmelze von Arensulfonaten ........................ 346 Phenole aus Arenaminen.......................................... 347 Dienon-Phenol-Umlagerung ..................................... 347 Mesomerie und Acidität der Phenole........................ 347 Mesomerie................................................................. 347 Acidität....................................................................... 348 Substituenteneinflüsse auf die Acidität ..................... 349
XI
21.6 21.6.1 21.6.2 21.6.3 21.6.4 21.6.5 21.6.6 21.6.7 21.7 21.8 21.8.1 21.8.2 21.8.3 21.9 21.9.1 21.9.2 21.9.3 21.9.4 22 22.1 22.2 22.3 22.3.1 22.3.2 22.3.3 22.3.4 22.4 22.4.1 22.4.2 22.4.3 22.4.4 22.4.5 22.4.6 22.4.7 22.4.8 22.4.9 22.4.10 22.5 22.5.1 22.5.2 22.5.3 22.5.4 22.6 22.6.1 22.6.2 22.6.3 22.6.4 22.6.5 22.6.6
Reaktionen der Phenole ........................................... 350 Veretherung .............................................................. 350 Veresterung .............................................................. 350 Phenole als Enole..................................................... 351 Oxidation zu Chinonen ............................................. 351 Oxidation zu Aroxyl-Radikalen und Peroxiden ......... 352 Elektrophile Substitutionen ....................................... 353 BUCHERER-Reaktion der Naphthole.......................... 353 Nomenklatur und einige Eigenschaften der Chinone ............................................................. 355 Darstellung von Chinonen ........................................ 356 Oxidation von Phenolen und primären aromatischen Aminen .................................................... 356 Oxidation von Arenen ............................................... 357 FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung von Arenen durch Phthalsäureanhydrid................................................. 358 Reaktionen der Chinone ........................................... 358 Redoxgleichgewicht Chinon-Hydrochinon................ 358 Additionen ................................................................. 359 Carbonyl-Reaktionen ................................................ 359 HOOKER-Oxidation .................................................... 360 Amine ....................................................................... 361 Amine als Derivate des Ammoniaks......................... 361 Nomenklatur.............................................................. 361 Struktur und physikalische Eigenschaften................ 363 Geometrie und Molekülorbital-Modell....................... 363 Inversion von Aminen ............................................... 364 Enantiomere Ammonium-Salze und Amin-N-oxide.. 364 Thermodynamische Eigenschaften .......................... 365 Darstellung................................................................ 367 Alkylierung von Ammoniak ....................................... 367 Alkylierung von Kalium-Phthalimid (GABRIELSynthese).................................................................. 368 Addition von Ammoniak und Aminen an Doppelbindungen ................................................................. 368 Addition von Ammoniak und Aminen an Oxiran....... 369 Reduktion von Nitro-Verbindungen .......................... 370 Reduktion von Oximen, Nitrilen und Carbonsäureamiden ...................................................................... 371 Reduktive Aminierung von CarbonylVerbindungen............................................................ 372 Reduktive Alkylierung von Aminen (LEUCKARDTWALLACH-Reaktion.................................................... 372 Synthese primärer Amine durch Umlagerungen ...... 373 Synthese von Benzidin-Derivaten durch BenzidinUmlagerung .............................................................. 376 Basizität..................................................................... 377 Basizitätskonstante................................................... 377 Basizität aliphatischer Amine.................................... 378 Basizität aromatischer Amine ................................... 378 Substituenteneinflüsse auf die Basizität aromatischer Amine ....................................................... 379 Reaktionen................................................................ 380 Bildung N-substituierter Ammonium-Salze............... 380 Reaktion mit salpetriger Säure ................................. 380 N-Oxidation ............................................................... 381 N-Halogenierung....................................................... 382 N-Acylierung ............................................................. 383 N-Alkylierung............................................................. 384
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XII
Inhaltsverzeichnis
22.6.7 HOFMANN-Eliminierung von Tetraalkylammoniumhydroxiden................................................................. 385 22.6.8 COPE-Eliminierung tertiärer Amin-N-oxide................ 386 22.6.9 Elektrophile Substitution aromatischer Amine .......... 387 23 23.1 23.1.1 23.1.2 23.1.3 23.2 23.2.1 23.2.2 23.3 23.3.1 23.3.2 23.4 23.4.1 23.4.2 23.5 23.6 23.6.1 23.6.2 23.6.3 23.7 23.7.1 23.7.2 23.7.3 23.7.4 23.8 23.8.1 23.8.2 23.8.3 23.9 24 24.1 24.2 24.2.1 24.2.2 24.2.3 24.3 24.3.1 24.3.2 24.4 24.4.1 24.4.2 24.5 24.5.1 24.5.2 24.6
Organostickstoff-Verbindungen............................ 388 Diazoalkane .............................................................. 388 Konstitution und Eigenschaften ................................ 388 Darstellung ................................................................ 388 Reaktionen der Diazoalkane..................................... 389 Diazocarbonsäureester............................................. 392 Bildung ...................................................................... 392 Reaktivität.................................................................. 393 Diazoketone .............................................................. 394 Bildung ...................................................................... 394 Reaktivität.................................................................. 394 Azoalkan-Derivate..................................................... 395 Klassifizierung und Bildung....................................... 395 Reaktionen ................................................................ 395 Aryldiazonium-Salze ................................................. 397 Radikalische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen ..... 397 Darstellung von Halogenaromaten aus Aryldiazonium-Salzen (SANDMEYER-Reaktion) ............... 397 Mercurierung über Aryldiazonium-Salze (NESMEJANOW-Reaktion) ....................................................... 398 Arylierung von Aromaten durch AryldiazoniumSalze (GOMBERG-BACHMANN-Reaktion).................... 398 Ionische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen ............ 399 Bildung von Phenolen über Aryldiazonium-Salze .... 399 Bildung von Fluorbenzen aus Aryldiazoniumtetrafluoroboraten (BALZ-SCHIEMANN-Reaktion)........ 400 Bildung von Arylaziden über Aryldiazonium-Salze... 400 Reduktion von Aryldiazonium-Salzen....................... 400 Azo-Aromaten, Azo-Kupplung .................................. 401 Struktur der Azo-Arene ............................................. 401 Darstellung von Azo-Arenen durch Azo-Kupplung... 401 Andere Methoden zur Darstellung aromatischer Azo-Verbindungen .................................................... 405 Organostickstoff-Verbindungen, Übersicht............... 405
Organoschwefel-Verbindungen ............................ 407 Übersicht, Nomenklatur und Vorkommen................. 407 Thiole......................................................................... 407 Darstellung ................................................................ 407 Thermodynamische Eigenschaften .......................... 409 Reaktionen ................................................................ 410 Thiophenole .............................................................. 411 Darstellung ................................................................ 411 Reaktionen ................................................................ 411 Thioether (Dialkylsulfide) .......................................... 412 Darstellung ................................................................ 412 Reaktionen ................................................................ 413 Disulfide..................................................................... 414 Darstellung ................................................................ 414 Reaktionen ................................................................ 415 Thioaldehyde, Thioketone, Thioacetale, Thioketale......................................................................... 415 24.7 Dithiocarbonsäuren, Thiol- und Thionsäuren ........... 416 24.8 Sulfoxide (S-Oxide)................................................... 417 24.8.1 Darstellung ................................................................ 417
24.8.2 24.8.3 24.9 24.9.1 24.9.2 24.10 24.10.1 24.10.2 24.11 24.11.1 24.11.2 24.11.3 24.12 24.12.1 24.12.2 24.12.3
Physikalische Eigenschaften .................................... 417 Reaktionen................................................................ 417 Sulfone (S-Dioxide)................................................... 420 Darstellung................................................................ 420 Reaktionen................................................................ 421 Sulfensäure-Derivate ................................................ 421 Bildung ...................................................................... 421 Reaktionen................................................................ 422 Sulfinsäuren .............................................................. 422 Bildung ...................................................................... 422 Stabilität, Acidität, optische Aktivität ......................... 423 Reaktionen................................................................ 423 Sulfonsäuren............................................................. 423 Darstellung der Säuren und ihrer Chloride............... 423 Acidität und Wasserlöslichkeit von Sulfonsäuren..... 425 Reaktionen der Sulfonsäuren und Sulfochloride...... 426
25 25.1 25.2 25.2.1 25.2.2 25.3 25.4 25.5 25.6 25.6.1 25.6.2 25.6.3 25.7 25.7.1 25.7.2 25.7.3 25.8 25.8.1 25.8.2 25.8.3 25.9 25.10 25.11 25.12 25.13
Kohlensäure-Derivate............................................. 428 Kohlensäure.............................................................. 428 Kohlensäurehalogenide............................................ 428 Phosgen.................................................................... 428 Reaktionen von Phosgen ......................................... 429 Kohlensäureesterchloride......................................... 430 Kohlensäureester...................................................... 430 Carbamidsäure, Urethane ........................................ 431 Harnstoffe ................................................................. 432 Bildung von Harnstoff ............................................... 432 Reaktionen von Harnstoff ......................................... 433 Alkylharnstoffe .......................................................... 434 Guanidin.................................................................... 435 Basizität und Bindungszustand ................................ 435 Darstellung................................................................ 435 Reaktionen................................................................ 436 Kohlensäurehydrazide.............................................. 436 Semicarbazid ............................................................ 437 Carbazide.................................................................. 437 Esterhydrazide der Kohlensäure .............................. 437 Azidokohlensäureester ............................................. 437 Thiokohlensäure-Derivate ........................................ 438 Dithiokohlensäure-Derivate ...................................... 439 Trithiokohlensäure .................................................... 439 Carbodiimide............................................................. 440
26 Umlagerungen......................................................... 441 26.1 Anionotrope 1,2-Verschiebungen............................. 441 26.1.1 Allgemeine Mechanismen anionotroper 1,2Verschiebungen (Sextett-Umlagerungen)................ 441 26.1.2 1,2-Verschiebungen von C zu C............................... 442 26.1.3 1,2-Verschiebungen von C zu N über Nitrene und Nitrenium-Ionen ................................................. 445 26.1.4 Verschiebungen von C zu O..................................... 446 26.2 Kationotrope 1,2-Verschiebungen über Carbanionen ..................................................................... 447 26.2.1 FAVORSKII-Umlagerung (von C nach C) ................... 447 26.2.2 STEVENS-Umlagerung (von N nach C) ..................... 448 26.2.3 WITTIG-Umlagerung (von O nach C) ........................ 448 26.3 Radikalische 1,2-Verschiebungen............................ 448 26.4 Umlagerungen an benzoiden Ringen....................... 449 26.4.1 Umlagerungen vom SE-Typ ...................................... 449 26.4.2 Umlagerungen vom SN-Typ ...................................... 450
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26.5 Sigmatrope Umlagerungen ....................................... 451 26.5.1 [1,5]-sigmatrope Verschiebung ................................. 451 26.5.2 COPE-Umlagerung als [3,3]-sigmatrope Verschiebung .................................................................. 451 26.5.3 Hetero-COPE-Umlagerungen .................................... 452 27 27.1 27.2 27.2.1 27.2.2 27.3 27.3.1 27.3.2 27.3.3 27.4 27.4.1 27.4.2 27.4.3 27.4.4 27.4.5 28 28.1 28.2 28.2.1 28.2.2 28.2.3 28.2.4 28.2.5 28.2.6 28.3 28.3.1 28.3.2 28.3.3 28.3.4 28.3.5 28.4 28.4.1 28.4.2 28.4.3 28.5 28.5.1 28.5.2 28.5.3 28.5.4 28.5.5 28.5.6 28.5.7 28.5.8 28.5.9 28.5.10 28.5.11 28.6
Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen.. 453 Phasenbeziehung von p-Orbitalen ........................... 453 Elektrocyclische Reaktionen ..................................... 455 Definitionen ............................................................... 455 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für elektrocylische Reaktionen ................................................................ 457 Cycloadditionen......................................................... 460 Definitionen ............................................................... 460 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für konzertierte Cycloadditionen......................................................... 461 Cycloreversionen ...................................................... 464 Sigmatrope Reaktionen............................................. 465 Definitionen ............................................................... 465 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für sigmatrope Reaktionen ................................................................ 466 Ausgewählte Beispiele zu den Auswahlregeln ......... 469 Inversion und Retention bei sigmatropen Verschiebungen.............................................................. 469 En-Reaktion............................................................... 471 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung .... 473 Überblick ................................................................... 473 UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie.................. 474 Spektralbereich ......................................................... 474 Meßmethodik............................................................. 475 Elektronenübergänge in organischen Molekülen ..... 476 Chromophore, Auxochrome...................................... 477 Lichtabsorption und Farbe ........................................ 479 Anwendungsbereiche ............................................... 480 Infrarotspektroskopie................................................. 482 Spektralbereich ......................................................... 482 Meßmethodik............................................................. 482 Gruppenschwingungen in organischen Molekülen... 483 Fingerabdruck-Bereich des Infrarotspektrums ......... 485 Anwendungsbereiche ............................................... 487 RAMAN-Spektroskopie ............................................... 492 RAMAN-Streuung ....................................................... 492 RAMAN-Spektrum....................................................... 492 Anwendung von RAMAN-Spektren ............................ 492 Kernmagnetische Resonanz..................................... 494 Kernpräzession und Kernspin-Zustände .................. 494 NMR-Spektrometer und NMR-Spektrum .................. 495 Chemische Verschiebungen ..................................... 496 Messung chemischer Verschiebungen..................... 496 Integration der Signale und quantitative Analyse ..... 498 Konstitutionsmerkmale und ProtonenVerschiebung ............................................................ 499 Kopplungskonstanten ............................................... 508 Strukturmerkmale und Kopplungskonstanten........... 512 Beispiel zur Herleitung der Konstitution aus dem 1H-NMR-Spektrum .................................................... 519 Chemische Methoden der Signalzuordnung ............ 521 Besondere Meßtechniken ......................................... 522 Kohlenstoff-13-Resonanz ......................................... 526
XIII
28.6.1 Wichtigste Meßmethoden ......................................... 526 28.6.2 13C-Verschiebungen.................................................. 531 28.6.3 CH-Kopplungskonstanten......................................... 533 28.6.4 Beispiel zur Konstitutionsermittlung durch Kohlenstoff-13-Resonanz..................................................... 534 28.7 Massenspektrometrie ............................................... 536 28.7.1 Meßmethodik ............................................................ 536 28.7.2 Isotopenpeaks........................................................... 538 28.7.3 Molekül-Peak, Molekül-Ion ....................................... 538 28.7.4 Fragment- und metastabile Ionen............................. 539 28.7.5 Fragmentierungen organischer Molekül-Ionen......... 540 28.7.6 Erkennung funktioneller Gruppen............................. 546 28.7.7 Herleitung der Konstitution aus dem Massenspektrum ................................................................... 546 29 29.1 29.1.1 29.1.2 29.2 29.3 29.4 29.5 29.5.1 29.5.2 29.5.3 29.5.4 29.5.5 29.5.6 29.5.7
Photoreaktionen...................................................... 550 Grundbegriffe ............................................................ 550 Energiebedarf von Photoreaktionen......................... 550 Verhalten angeregter Moleküle ................................ 550 Photosensibilisierung................................................ 553 Quantenausbeute ..................................................... 554 Blitzlicht-Photolyse.................................................... 555 Präparative Photochemie ......................................... 555 Photoinduzierte Einführung funktioneller Gruppen... 555 Photofragmentierungen ............................................ 557 Photoisomerisierungen ............................................. 558 Photodehydrocyclisierungen .................................... 559 Photoadditionen........................................................ 560 Photocycloadditionen................................................ 561 Photooxidation mit und Photoaddition von Sauerstoff ........................................................................... 564 29.5.8 Photoreduktionen...................................................... 566 29.6 Biologische Photoreaktionen .................................... 567 29.6.1 Sehvorgang............................................................... 567 29.6.2 Photosynthese .......................................................... 567 29.7 Chemilumineszenz ................................................... 568 30 30.1 30.2 30.2.1 30.2.2 30.2.3 30.3 30.3.1 30.3.2 30.3.3 30.4 30.4.1 30.4.2 30.4.3 30.5 30.5.1 30.5.2 30.5.3 30.6 30.6.1 30.6.2 30.6.3 30.7
Nichtbenzoide Aromaten ....................................... 570 Übersicht................................................................... 570 Cyclopropenium-Kationen ........................................ 570 Synthese ................................................................... 570 Molekülorbital-Modell und Strukturmerkmale ........... 571 Reaktivität ................................................................. 572 Cyclopentadienid ...................................................... 572 Herstellung................................................................ 572 Strukturmerkmale...................................................... 572 Reaktivität ................................................................. 573 Cyloheptatrienium-Kationen ..................................... 575 Strukturmerkmale und Formulierung ........................ 575 Herstellungsmethoden.............................................. 575 Reaktivität ................................................................. 576 Cyclooctatetraendiid ................................................. 577 Bildung ...................................................................... 577 NMR-Daten ............................................................... 578 Reaktionen................................................................ 578 Cyclononatetraenid................................................... 578 Bildung ...................................................................... 578 NMR-Daten ............................................................... 579 Reaktionen................................................................ 579 Vergleich der chemischen Verschiebungen ............. 579
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XIV
Inhaltsverzeichnis
30.8 30.8.1 30.8.2 30.8.3 30.9 30.10 30.10.1 30.10.2 30.10.3 30.11 30.11.1 30.11.2 30.11.3 30.11.4 30.12 30.12.1 30.12.2 30.12.3 30.12.4
Azulen ....................................................................... 580 Formulierung und physikalische Eigenschaften ....... 580 Azulen-Synthese....................................................... 581 Reaktionen ................................................................ 582 Definition aromatischer Annulene............................. 582 [10]-Annulen.............................................................. 583 Stabilität..................................................................... 583 Synthese überbrückter [10]-Annulene ...................... 583 Aromatizität des 1,6-Methano-[10]-annulens............ 584 [14]-Annulene............................................................ 584 Sterische Spannung von [14]-Annulenen ................. 584 Synthese des [14]-Annulens vom Pyren-Typ ........... 584 Synthese überbrückter [14]-Annulene ...................... 585 Aromatizität der [14]-Annulene ................................. 585 [18]-Annulen.............................................................. 586 Konformationen......................................................... 586 Synthese ................................................................... 586 Aromatizitätskriterien................................................. 587 Heteroüberbrückte [18]-Annulene und höhere Annulene ................................................................... 587 30.13 Natürliche nichtbenzoide Aromaten.......................... 588 30.13.1 Natürliche Tropolone................................................. 588 30.13.2 Azulene natürlicher Herkunft..................................... 588 30.14 Antiaromatizität ......................................................... 588
31 31.1 31.2 31.2.1 31.2.2 31.3 31.3.1 31.3.2 31.3.3 31.4 31.4.1 31.4.2 31.4.3 31.4.4 31.4.5 31.4.6 31.4.7 31.5 31.5.1 31.5.2 31.5.3 31.5.4 31.5.5 31.5.6 31.5.7 31.5.8 31.5.9 31.5.10 31.5.11 31.6 31.6.1 31.6.2
Organometall-Verbindungen ................................. 590 Definition und Nomenklatur....................................... 590 Bindungszustand ...................................................... 590 Übersicht ................................................................... 590 Molekülorbital-Modelle .............................................. 591 Eigenschaften metallorganischer Verbindungen...... 592 Alkylmetalle ............................................................... 592 Metallorganische Elektronenmangel-Verbindungen. 592 GRIGNARD-Verbindungen .......................................... 593 Allgemeine Methoden zur Herstellung...................... 593 Reaktion von Kohlenwasserstoff und Metall............. 593 Reaktion von Halogenalkan und Metall .................... 594 Reaktion von Organometall-Verbindung und Metallhalogenid ......................................................... 594 Metall-Metall-Austausch............................................ 595 Halogen-Metall-Austausch........................................ 595 Wasserstoff-Metall-Austausch .................................. 596 Addition von Metallhydriden an Alkene..................... 596 Reaktionen von Alkyl- und ArylmetallVerbindungen............................................................ 596 Reaktion mit Sauerstoff............................................. 596 Reaktion mit Halogen................................................ 596 Hydrolyse und Alkoholyse......................................... 597 Reaktion mit CH-Säuren ........................................... 598 Reaktionen zwischen Organometall-Verbindungen . 598 Reaktion mit Carbonsäurehalogeniden .................... 599 Addition an CC-Doppelbindungen ............................ 599 Addition an CX-Doppelbindungen ............................ 599 Addition an CX-Dreifachbindungen .......................... 601 Nucleophile Öffnung von Oxiran- und OxetanRingen....................................................................... 602 Nucleophile Substitution ........................................... 602 Organosilicium-Verbindungen .................................. 603 Vergleichender Überblick.......................................... 603 Herstellung der Halogensilane.................................. 605
31.6.3 Reaktion der Halogensilane ..................................... 605 31.6.4 Präparative Bedeutung einiger OrganosiliciumVerbindungen ........................................................... 607 31.6.5 Silicone ..................................................................... 609 31.7 Metall-r-Komplexe.................................................... 610 31.7.1 Bindungszustand und Struktur von SandwichKomplexen ................................................................ 610 31.7.2 Herstellung und Eigenschaften einiger Übergangsmetall-r-Komplexe.......................................... 610 31.7.3 Präparative Bedeutung von Übergangsmetallr-Komplexen ............................................................ 613 31.8 Metallchelate............................................................. 615 31.8.1 Bauprinzip ................................................................. 615 31.8.2 Metallchelat-Effekt .................................................... 616 31.8.3 Metalltemplate-Effekt ................................................ 617 31.8.4 Metallchelate makrocyclischer N4-Liganden ............ 618 31.8.5 Bedeutung von Metallchelaten ................................. 618 32 32.1 32.2 32.3 32.3.1 32.3.2 32.3.3 32.3.4 32.3.5 32.4 32.4.1 32.4.2 32.5 32.6 32.7 32.8 32.9 33 33.1 33.1.1 33.1.2 33.1.3 33.2 33.2.1 33.2.2 33.3 33.3.1 33.3.2 33.3.3 33.4 33.4.1 33.4.2 33.4.3
Heteroalicyclen ....................................................... 620 Übersicht und Ring-Nomenklatur ............................. 620 Molekülgeometrie ..................................................... 620 Allgemeine Syntheseprinzipien ................................ 622 Intramolekulare Cyclisierungen ................................ 622 Cycloadditionen ........................................................ 624 Ringerweiterung von Carbocyclen durch Stickstoff.. 625 Katalytische Hydrierung von Heteroaromaten ......... 626 Carbonyl-Derivatisierung .......................................... 626 Funktionelle Reaktionen ........................................... 627 Heteroatom als Nucleophil ....................................... 627 Carbonyl-Umpolung durch 1,3-DithianDerivatisierung.......................................................... 627 Ringöffnungen .......................................................... 628 Ringöffnende Ringerweiterungen............................. 629 Additionen an ungesättigte Heteroalicyclen ............. 629 Komplexierung durch Kronenether und Cryptanden ....................................................................... 630 Mesomerieeffekte und Aromatizität.......................... 631 Heteroaromaten ...................................................... 632 Definition, Nomenklatur, Übersicht ........................... 632 Monocyclische Heteroaromaten............................... 632 Benzokondensierte Heteroaromaten........................ 632 Heterokondensierte Heteroaromaten ....................... 635 Tautomerie der Heteroaromaten .............................. 638 Tautomerie ohne Beteiligung von Substituenten ..... 638 Tautomerie unter Beteiligung von Substituenten ..... 638 Aromatizität und Struktur von FünfringHeteroaromaten........................................................ 642 r-Elektronendichte-Verteilung.................................. 642 Molekülorbital-Modelle.............................................. 643 Bindungsausgleich und Mesomerieenergie ............. 644 Aromatizität und Struktur von SechsringHeteroaromaten........................................................ 644 r-Elektronendichte-Verteilung, Mesomerie und Bindungsausgleich.................................................... 644 Molekülorbital-Modell des Pyridins........................... 645 Sechsring-Heterocyclen mit zweibindigen Heteroatomen ...................................................................... 645
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33.5 33.5.1 33.5.2 33.6 33.6.1 33.6.2 33.6.3 33.6.4 33.6.5 33.6.6 33.6.7 33.7 33.7.1 33.7.2 33.7.3 33.7.4 33.7.5 33.7.6 33.7.7 33.7.8 33.8 33.8.1 33.8.2 33.8.3 33.8.4 33.8.5 33.9 33.9.1 33.9.2 33.9.3 33.10 33.10.1 33.10.2 33.10.3 33.10.4 33.10.5 33.10.6 33.11 33.11.1 33.11.2 33.11.3 33.11.4 33.11.5 33.11.6 33.11.7 33.11.8 33.12 33.12.1 33.12.2 33.12.3
Synthese monocyclischer FünfringHeteroaromaten ........................................................ 646 Allgemeine Methoden ............................................... 646 Spezielle Methoden................................................... 650 Synthese benzo-kondensierter FünfringHeteroaromaten ........................................................ 652 Benzo[b]furan (Cumaron).......................................... 652 Benzo[b]thiophen (Thionaphthen) ............................ 653 Benzo[b]pyrrol (Indol)................................................ 653 Benzo-1,2-azole (Indazol, Benzoisoxazol, Benzoisothiazol)........................................................ 654 Benzo-1,3-azole (Benzimidazol, Benzoxazol, Benzothiazol)............................................................. 655 Benzotriazol............................................................... 655 Carbazol .................................................................... 655 Reaktionen monocyclischer FünfringHeteroaromaten ........................................................ 656 Basizität und Reaktionen am nichtbindenden Elektronenpaar.......................................................... 656 Acidität....................................................................... 657 Dien-Reaktionen ....................................................... 658 Elektrophile Substitution............................................ 659 Nucleophile Substitutionen ....................................... 663 Carben-Cycloadditionen ........................................... 663 Ringöffnungen........................................................... 664 Besondere Reaktionen von Substituenten ............... 665 Reaktionen benzologer Fünfring-Heteroaromaten ... 666 Prognose ................................................................... 666 Heteroatom-spezifische Reaktionen......................... 667 Elektrophile Substitutionen ....................................... 667 Cycloadditionen......................................................... 668 Reaktionen der 2- und 3-Hydroxy-Derivate .............. 669 Mesoionische Fünfring-Heteroaromaten .................. 670 Mesoionische 1,2,3-Oxadiazol-Derivate ................... 670 Mesoionische Triazol-Derivate.................................. 671 Mesoionische Oxazol- und Thiazol-Derivate ............ 671 Synthese monocyclischer SechsringHeteroaromaten ........................................................ 672 Pyridin ....................................................................... 672 Phosphor-, Sauerstoff- und Schwefel-Analoge des Pyridins...................................................................... 674 Diazine ...................................................................... 676 Oxazine und Thiazine ............................................... 677 Triazine...................................................................... 678 Tetrazine ................................................................... 679 Synthese benzo-kondensierter Pyridine und Azine.. 679 Chinoline (Benzo[b]pyridine ...................................... 679 Isochinoline (Benzo[c]pyridine) ................................. 680 Benzochinoline.......................................................... 681 Benzopyridazine........................................................ 682 Chinazoline................................................................ 682 Chinoxaline und Phenazine ...................................... 683 Benzopyrone und Benzopyrylium-Salze................... 683 Phenoxazine und Phenothiazine .............................. 685 Reaktionen monocyclischer SechsringHeteroaromaten ........................................................ 685 Reaktionen am Imino-Stickstoff ................................ 685 Cycloadditionen......................................................... 687 Nucleophile Additionen, Ringöffnungen, Umheterocyclisierungen ................................................. 688
XV
33.12.4 33.12.5 33.12.6 33.13 33.13.1 33.13.2 33.13.3 33.13.4 33.13.5 33.13.6 33.14 33.14.1 33.14.2 33.14.3 33.15 33.15.1 33.15.2 33.15.3 33.15.4 33.15.5 33.15.6 33.16 33.16.1 33.16.2 34 34.1 34.1.1 34.1.2 34.2 34.3 34.3.1 34.3.2 34.3.3 34.4 34.4.1 34.4.2 34.4.3 34.4.4 34.5 34.5.1 34.5.2 34.5.3 34.5.4 34.6 34.6.1 34.6.2 34.6.3 34.6.4 34.6.5 34.6.6 34.6.7 34.7 34.7.1 34.7.2
Nucleophile Substitutionen ....................................... 689 Elektrophile Substitutionen ....................................... 690 Besondere Reaktionen von Substituenten ............... 692 Reaktionen benzologer SechsringHeteroaromaten ........................................................ 694 Reaktionen am Ring-Stickstoff ................................. 694 Katalytische Hydrierung und oxidative Ringöffnung. 694 Nucleophile Additionen ............................................. 694 Nucleophile Substitutionen ....................................... 695 Elektrophile Substitutionen ....................................... 696 CH-Acidität und andere Reaktionen von MethylGruppen .................................................................... 697 Heterokondensierte Heteroaromaten ....................... 698 Heterobicyclen mit Stickstoff als Brückenkopf.......... 698 Purine........................................................................ 699 Pteridine .................................................................... 701 Reaktionen heterokondensierter Heteroaromaten ... 702 Basizität und Acidität................................................. 702 Ringspaltungen ......................................................... 702 Nucleophile Additionen ............................................. 703 Nucleophile Substitutionen ....................................... 704 Elektrophile Substitutionen ....................................... 704 CH-Acidität von Methyl-Gruppen.............................. 704 Höhergliedrige Heterocyclen und Heteroaromaten.. 704 Ringvinyloge der Fünfring-Heteroaromaten ............. 704 Ringvinyloge des Pyridins......................................... 707 Organische Farbstoffe ........................................... 709 Farbigkeit von Verbindungen.................................... 709 Absorbiertes Licht und Farbe.................................... 709 Farbstoffe und Pigmente .......................................... 709 Bauprinzip von Farbstoffen....................................... 709 Azofarbstoffe............................................................. 711 Tautomerie................................................................ 711 Herstellung................................................................ 711 Methoden der Textilfärbung mit Azofarbstoffen ....... 712 Polymethin-Farbstoffe............................................... 717 Bauprinzip ................................................................. 717 Ausgewählte Methoden zur Herstellung................... 718 Anwendung von Polymethin-Farbstoffen ................. 719 Natürliche Polymethin-Farbstoffe ............................. 721 Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe ......... 722 Übersicht................................................................... 722 Allgemeine Methoden zur Herstellung...................... 722 Anwendung phenyloger Methin- und AzamethinFarbstoffe.................................................................. 726 Natürliche Phenoxazin-Farbstoffe ............................ 727 Carbonyl-Farbstoffe .................................................. 728 Übersicht................................................................... 728 Lichtabsorption der Carbonyl-Farbstoffe .................. 728 Synthese von Anthrachinon-Farbstoffen .................. 730 Indigo-Synthesen...................................................... 732 Textilfärbung mit Indigo- und AnthrachinonDerivaten................................................................... 733 Höher anellierte Carbonyl-Farbstoffe ....................... 734 Natürliche Carbonyl-Farbstoffe................................. 735 Polyaza[18]annulen-Farbstoffe................................. 736 Bauprinzip ................................................................ 736 Mesomerie der Porphyrine und ihrer Metallchelate............................................................. 736
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XVI
Inhaltsverzeichnis
34.7.3 34.7.4 34.7.5 34.7.6
Porphyrin-Synthesen ................................................ 737 Phthalocyanin-Synthesen ......................................... 738 Färbung mit Phthalocyanin-Derivaten ...................... 739 Natürliche Porphyrinoide........................................... 740
35 35.1 35.2 35.2.1 35.2.2 35.2.3 35.2.4 35.2.5 35.2.6 35.2.7 35.2.8 35.3 35.3.1 35.3.2 35.4 35.4.1 35.4.2 35.4.3 35.4.4 35.4.5 35.5 35.5.1 35.5.2 35.5.3 35.5.4 35.5.5 35.5.6 35.6 35.6.1 35.6.2 35.6.3 35.6.4 35.7 35.7.1 35.7.2 35.8 35.8.1 35.8.2 35.8.3 35.8.4 35.9
Synthetische Polymere .......................................... 741 Monomere, Oligomere, Polymere............................. 741 Polymerisationen....................................................... 741 Übersicht ................................................................... 741 Radikalische Polymerisation..................................... 742 Ionische Polymerisation ............................................ 744 Koordinative Polymerisation ..................................... 745 Polymerisation durch Alken-Metathese .................... 747 Epoxid-Polymerisation .............................................. 747 Hetero- und Homopolymere...................................... 747 Uni- und Multipolymere ............................................. 748 Polyadditionen........................................................... 749 Polyurethane ............................................................. 749 Polyharnstoffe ........................................................... 750 Polykondensationen.................................................. 750 Polyester ................................................................... 750 Polyamide ................................................................. 751 Phenoplaste .............................................................. 752 Aminoplaste .............................................................. 753 Epoxidharze .............................................................. 754 Molekülstruktur von Polymeren ................................ 755 Mittlere Molekülmasse .............................................. 755 Stellungsisomerie...................................................... 755 Verzweigungsgrad .................................................... 756 Relative Konfigurationsisomerie von Polyalkenen ... 756 Taktizität von Polyalkanen ........................................ 756 Rotationsisomerie ..................................................... 758 Anwendungstechnisch relevante Eigenschaften...... 759 Kristallinität................................................................ 759 Plastizität................................................................... 760 Elastizität................................................................... 760 Löslichkeit und Quellbarkeit...................................... 761 Reaktionen von Polymeren....................................... 761 Depolymerisationen .................................................. 761 Reaktionen unter Erhaltung der Polymerkette.......... 761 Funktionelle Polymere .............................................. 762 Ionenaustauscher ..................................................... 762 Elektronenaustauscher ............................................. 763 Polymere Träger ....................................................... 763 Makromolekulare Chelatbildner ................................ 765 Anwendungsformen der Polymeren ......................... 765
36 36.1 36.2 36.3 36.4 36.4.1 36.4.2 36.5 36.5.1
Aminosäuren ........................................................... 768 Proteinaminosäuren.................................................. 768 Physiologische Bedeutung ....................................... 770 Absolute Konfiguration.............................................. 770 Physikalische Eigenschaften .................................... 771 Dissoziationsgleichgewichte ..................................... 771 Schmelzpunkt und Löslichkeit .................................. 773 Chromatographische Trennung ................................ 773 Ionenaustausch-Chromatographie im Aminosäuren-Analysator..................................................... 773 36.5.2 Kapillarzonen-Elektrophorese................................... 775 36.5.3 Gaschromatographie ................................................ 776
36.6 36.6.1 36.6.2 36.6.4 36.6.3 36.6.5 36.6.6 36.6.7 36.7 36.7.1 36.7.2 36.7.3 36.7.4 36.8 36.8.1 36.8.2 36.8.3 36.8.4 36.8.5 36.8.6 36.8.7 37 37.1 37.2 37.3 37.3.1 37.3.2 37.3.3 37.3.4 37.3.5 37.4 37.4.1 37.4.2 37.4.3 37.4.4 37.5 37.5.1 37.5.2 37.5.3 37.5.4 37.6 37.7 37.7.1 37.7.2 37.7.3 37.8 37.8.1 37.8.2 38 38.1 38.2 38.2.1 38.2.2 38.2.3
Synthesen ................................................................. 776 STRECKER-Synthese ................................................. 776 BUCHERER-Synthese................................................. 777 ERLENMEYER-Synthese ............................................. 777 Aminierung von c-Halogencarbonsäuren ................ 778 Reduktive Aminierung von c-Oxodicarbonsäuren ... 779 c-Aminosäuren aus NAcylaminomalonsäurediestern ................................. 779 Enantioselektive Synthese von Aminosäuren .......... 780 Racemattrennung ..................................................... 781 Selektive Kristallisation ............................................. 781 Trennung von Diastereomeren................................. 781 Enzymatische Methoden .......................................... 781 Chromatographische Methoden ............................... 783 Reaktionen................................................................ 783 Bildung von Salzen und Komplexen......................... 783 Veresterung .............................................................. 784 Bildung von Lactamen .............................................. 785 N-Alkylierung und N-Arylierung ................................ 785 N-Acylierung ............................................................. 786 Abbau-Reaktionen und Umfunktionierungen ........... 787 Aminosäure-Derivate als chirale Auxiliare................ 788 Peptide und Proteine.............................................. 789 Klassifizierung und Nomenklatur.............................. 789 Struktur der Peptidbindung....................................... 790 Konformation (Sekundärstruktur) von PolypeptidKetten........................................................................ 790 RAMACHANDRAN-Diagramme .................................... 790 c-Helix ...................................................................... 792 c-Keratin-Struktur ..................................................... 793 d-Faltblatt.................................................................. 795 Physikalische Methoden zur Strukturbestimmung ... 796 Methoden der Peptidsynthese.................................. 797 Knüpfung der Peptidbindung .................................... 797 Schutzgruppen.......................................................... 799 Strategie und Taktik der Peptidsynthese.................. 804 Kombinatorische Synthese....................................... 806 Methoden der Peptid-Sequenzierung....................... 807 Reinigung von Peptiden ........................................... 807 Selektive Spaltungen von Peptidketten.................... 807 Endgruppenanalyse.................................................. 809 Schrittweiser Abbau nach EDMAN ............................. 809 Modifizierung von Seitenkettenfunktionen................ 810 Ausgewählte Peptidwirkstoffe................................... 812 Peptidhormone ......................................................... 812 Peptidantibiotika ....................................................... 816 Peptidtoxine .............................................................. 818 Proteine..................................................................... 819 Klassifizierung von Proteinen ................................... 819 Struktur der Proteine Myoglobin und Lysozym ........ 820 Alkaloide .................................................................. 826 Herkunft und Gewinnung der Alkaloide.................... 826 Übersicht heterocyclischer Alkaloide........................ 827 Pyrrolidin-, Piperidin- und Pyridin-Alkaloide ............. 827 Tropan-Alkaloide....................................................... 827 Pyrrolizidin-, Indolizidin- und ChinolizidinAlkaloide ................................................................... 828
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Inhaltsverzeichnis
38.2.4 38.2.5 38.2.6 38.3 38.3.1 38.3.2 38.3.3 38.4 38.4.1 38.4.2 38.5 38.5.1 38.5.2 38.5.3 38.5.4 39 39.1 39.1.1 39.1.2 39.2 39.3 39.3.1 39.3.2 39.3.3 39.3.4. 39.3.5 39.4 39.4.1 39.4.2 39.4.3 39.4.4 39.4.5 39.5 39.5.1 39.5.2 39.5.3 39.5.4 39.6 39.6.1 39.6.2 39.6.3 39.7 39.8 39.8.1 39.8.2 39.9 39.9.1 39.9.2 39.9.3 39.9.4 39.9.5 39.9.6
Indol-Alkaloide........................................................... 829 Isochinolin-Alkaloide ................................................. 831 Chinolin-Alkaloide ..................................................... 834 Übersicht nicht heterocyclischer Alkaloide ............... 835 Phenylethylamine...................................................... 835 Amide und Lactame biogener Amine........................ 836 Cyclopeptid-Alkaloide................................................ 836 Zur Biogenese der Alkaloide in Pflanzen.................. 837 Aminosäuren als biogenetische Vorstufen der Alkaloide.................................................................... 837 Biogenese der Isochinolin-Alkaloide im Schlafmohn ......................................................................... 837 Exemplarische Alkaloid-Synthesen .......................... 839 Nicotin und Coniin ..................................................... 839 Tropan ....................................................................... 840 Tryptamine ................................................................ 840 Benzyltetrahydroisochinoline .................................... 841 Kohlenhydrate ......................................................... 842 Bedeutung, Klassifizierung und Nomenklatur der Zucker ....................................................................... 842 Bedeutung................................................................. 842 Klassifizierung und Nomenklatur .............................. 842 Konstitution, relative und absolute Konfiguration ..... 844 Cyclohalbacetal-Formen und Konformation ............. 847 Halbacetal-Bildung .................................................... 847 Gleichgewichte der Pyranosen und Furanosen........ 850 Mutarotation .............................................................. 851 Konformation der Pyranosen und anomerer Effekt ......................................................................... 852 NMR-Spektroskopie .................................................. 853 Carbonyl-Reaktionen der Kohlenhydrate.................. 854 Kettenverlängerung................................................... 855 Reduktion zu Polyolen .............................................. 856 Oxidation endständiger Gruppen.............................. 857 Glycosidierungen ...................................................... 859 Reaktionen mit Thiolen und StickstoffNucleophilen.............................................................. 861 Polyol-Reaktionen ..................................................... 863 Schutzgruppen für die Hydroxy-Funktionen ............. 863 Oxidation von Hydroxy-Gruppen............................... 865 Nucleophile Substitutionen ....................................... 866 Glykolspaltung und andere Abbaureaktionen........... 867 Deoxy-, Amino-, ungesättigte und verzweigte Zucker ....................................................................... 868 Deoxyzucker ............................................................. 868 Aminozucker.............................................................. 868 Verzweigte und ungesättigte Zucker ........................ 869 Trennmethoden......................................................... 870 Oligosaccharide ........................................................ 871 Disaccharide.............................................................. 871 Trisaccharide, Cyclodextrine..................................... 873 Polysaccharide.......................................................... 873 Struktur der Cellulose................................................ 874 Technische Gewinnung und chemische Modifikation der Cellulose......................................... 874 Stärke, Amylose und Amylopektin ............................ 875 Glycogen ................................................................... 876 Chitin ......................................................................... 877 Heparin, Hyaluronsäure, Chondroitinsulfate............. 877
XVII
39.9.7 Inulin und Pektine ..................................................... 878 40 40.1 40.2 40.2.1 40.2.2 40.3 40.3.1 40.3.2 40.3.3 40.3.4 40.3.5 40.3.6 40.3.7 40.3.8 40.4 40.5 40.6 40.6.1 40.6.2 40.6.3 40.6.4 40.6.5
Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren ............... 879 Bauprinzip der Nucleinsäuren .................................. 879 Abbau der Nucleinsäuren ......................................... 882 Bedingungen der Hydrolyse von Nucleosiden und Nucleotiden........................................................ 882 Enzymatische Spaltung von Polynucleotiden........... 883 Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden.... 883 Eigenschaften der Phosphat-Gruppe ....................... 883 Löslichkeit ................................................................. 884 Tautomerie-Gleichgewichte ...................................... 884 Dissoziationsverhalten von Nucleotiden................... 885 Bildung von Basenpaaren und Komplementärprinzip........................................................................ 885 Die Doppelhelix der DNA.......................................... 886 Detektion der DNA-Denaturierung durch UVSpektroskopie ........................................................... 889 Seltene Basen und RNA-Konformation.................... 890 Replikation der DNA ................................................. 891 DNA, RNA und die Biosynthese der Proteine .......... 892 Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen ....................... 893 Phosphorylierungen.................................................. 893 Synthese von Nucleosiden ....................................... 895 Synthese von Nucleotiden........................................ 896 Synthese von Oligonucleotiden ................................ 897 Phosphorsäuretriester-Methode zur Synthese von Gen-Fragmenten....................................................... 897
41 41.1 41.2 41.2.1 41.2.2 41.3 41.4 41.4.1 41.4.2 41.4.3 41.4.4 41.5 41.6 41.6.1 41.6.2 41.6.3 41.7 41.7.1 41.7.2 41.8 41.8.1 41.8.2
Lipide........................................................................ 899 Klassifizierung der Lipide.......................................... 899 Vorkommen und Isolierung....................................... 900 Vorkommen............................................................... 900 Isolierung und Identifizierung.................................... 900 Wechselwirkungen von Lipiden mit Wasser............. 901 Fettsäuren................................................................. 902 Vorkommen und Struktur wichtiger Fettsäuren ........ 902 Physikalische Eigenschaften .................................... 904 Chemische Eigenschaften........................................ 905 Analytik der Fettsäuren............................................. 907 Wachse ..................................................................... 910 Phosphatide, Glycolipide, Aminolipide ..................... 911 Phosphatide .............................................................. 911 Sphingolipide und Glycolipide .................................. 911 Lipopolysaccharide und Lipoproteine....................... 913 Lipid-Membranen...................................................... 914 Lipid-Doppelschichten .............................................. 915 Aufbau biologischer Lipid-Membranen..................... 917 Industrielle Synthese von Detergentien.................... 918 Alkylbenzensulfonate................................................ 918 Langkettige Alkylsulfate und andere Tenside........... 920
42 42.1 42.1.1 42.1.2 42.1.3 42.2 42.2.1 42.2.2 42.2.3
Terpene und Steroide............................................. 922 Herkunft, Bauprinzip und Biogenese der Terpene ... 922 Begriff, Bauprinzip, Klassifizierung ........................... 922 Vorkommen, Bedeutung ........................................... 923 Biogenese ................................................................. 924 Übersicht der Terpene .............................................. 926 Hemi- und Monoterpene ........................................... 926 Sesquiterpene........................................................... 928 Diterpene................................................................... 930
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XVIII
42.2.4 42.2.5 42.2.6 42.2.7 42.3 42.3.1 42.3.2 42.3.3 42.4 42.5 42.5.1 42.5.2 42.5.3 42.5.4 42.5.5 42.5.6 42.6
Inhaltsverzeichnis
Triterpene.................................................................. 932 Tetraterpene (Carotenoide) ...................................... 935 Prenylchinone ........................................................... 937 Polyterpene ............................................................... 938 Ausgewählte Terpen-Synthesen............................... 938 Acylische Mono- und Sesquiterpene ........................ 938 Cyclische Monoterpene ............................................ 940 Industrielle Synthese des Diterpens Vitamin A......... 941 Stammgerüste und Nomenklatur der Steroide ......... 944 Übersicht der Steroidwirkstoffe ................................. 945 Sterole ....................................................................... 945 Gallensäuren............................................................. 947 Steroidhormone......................................................... 948 Herzglycoside............................................................ 950 Steroidsaponine ........................................................ 951 Steroidalkaloide......................................................... 951 Exemplarische Steroidsynthese ............................... 952
Kurzbibliographie ................................................... 953 Sachregister ............................................................ 957 Verzeichnis der Namen-Reaktionen ..................... 998
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1 Chemische Bindung in organischen Molekülen 1.1 Einführung Die organische Chemie behandelt Struktur, Synthese und Reaktionen organischer Verbindungen. Organische Verbindungen enthalten hauptsächlich Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor (C,H,O,N,S,P). Sie entstehen häufig beim Zerfall pflanzlicher und tierischer Organismen und sind somit auch Bestandteile des Erdöls und der Steinkohle. Derzeit sind mehr als fünfzehn Millionen organische Verbindungen dokumentiert, die man in bestimmte Stoffklassen unterteilt. Eine Stoffklasse wird entweder nach dem Vorliegen bestimmter Atomsorten oder nach funktionellen Gruppen bezeichnet, Atomgruppen also, die charakteristische physikalische Eigenschaften und chemische Reaktionen eines Moleküls hervorrufen können. Verbindungen, die nur Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten, werden z. B. Kohlenwasserstoffe genannt, und solche mit Amino-Gruppen (/NH2) nennt man Amine. In Molekülen werden die Atome durch Bindungselektronen miteinander verknüpft. Die Art dieser Verknüpfung ist Gegenstand der Theorie der chemischen Bindung. Diese führt zu Molekülmodellen, welche die physikalischen Eigenschaften und die chemischen Reaktionen der Verbindungen erklären.
1.2 Energie Jede chemische Reaktion erfordert oder erzeugt einen bestimmten Betrag an Energie, meist in Form von Wärme. Dieser Energiebetrag wird als Reaktionswärme bezeichnet, in Joule (J) oder Kilojoule (kJ) gemessen und auf ein Mol einer Verbindung (kJ/mol) bezogen. Es ist daher zweckmäßig, Stabilität und Reaktivität einer Verbindung mit Hilfe ihres Inhalts an potentieller Energie zu beschreiben. Je ärmer an potentieller Energie, desto stabiler ist eine Verbindung. Eine Substanz, die aufgrund ihrer Struktur oder ihrer Zusammensetzung einen Zustand geringer Stabilität, d. h. hoher potentieller Energie besitzt, wird durch Strukturänderung oder chemische Reaktion einen Zustand größerer Stabilität und damit geringerer potentieller Energie anstreben. Potentielle Energien können nicht als Absolutwerte gemessen werden. Differenzen an potentieller Energie sind jedoch meßbar. Geht z. B. Verbindung 1 mit der höheren potentiellen Energie E1 durch chemische Reaktion in Verbindung 2 mit der geringeren potentiellen Energie E2 über, so ist die Differenz FE = E1/"E2 unter bestimmten experimentellen Voraussetzungen als Reaktionswärme meßbar.
1.3 Atomorbitale Da die Atome im Molekülverband durch Elektronen verknüpft sind, beginnt die Diskussion der chemischen Bindung mit der Beschreibung der Elektronenzustände im Atom. Elektronenstrahlen wie Kathoden- und c-Strahlen verhalten sich unter bestimmten Versuchsbedingungen wie Wellen.
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2
1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
Man kann dies durch Elektronenbeugung und Interferenz nachweisen. Es liegt daher nahe, zu postulieren, daß auch die Elektronen eines Atoms Wellennatur zeigen. Auf diesem Postulat beruht die wellenmechanische Atomtheorie. Ihr fundamentaler mathematischer Ausdruck ist die SCHRÖDINGER-Gleichung. Sie beschreibt die Beziehung der Wellenfunktion { eines Elektrons mit seiner Energie. Wendet man diese Gleichung auf die Elektronen eines Atoms an, so ist sie nur für diskrete Energiewerte E1 , E2 , E3 , usw. lösbar. Diese Energieeigenwerte entsprechen den durch die Hauptquantenzahlen n = 1, 2, 3, usw. gekennzeichneten Energiezuständen der Elektronen in einem Atom. Die Anregung eines Elektrons vom energieärmeren Zustand E1 zum energiereicheren Zustand "E2 erfordert somit ein durch die Energiedifferenz FE = E2 /"E1 definiertes Energiequantum, das z. B. durch Strahlungsenergie aufgebracht werden kann. Bei atomaren Vorgängen wie der Elektronenanregung ist die Energie also gequantelt. Löst man die SCHRÖDINGER-Gleichung für ein Elektron und einen bestimmten Energiezustand E1, so erhält man eine Wellenfunktion { oder einen aus mehreren Gleichungen für {"bestehenden Satz von Wellenfunktionen. Die Funktion { selbst hat keine anschauliche Bedeutung. Ihr Quadrat {2 ist jedoch für einen bestimmten Energiezustand ein Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons im Atomverband. Für ein Atom und eines seiner Elektronen begrenzt {2 einen bestimmten Raum um den Atomkern, in welchem man das Elektron mit größter Wahrscheinlichkeit findet. Diese durch {2 beschriebene Ladungsdichteverteilung eines Elektrons um den Atomkern wird als Atomorbital oder Elektronenwolke bezeichnet. Wo die Elektronenwolke am dichtesten ist, hält sich das Elektron am wahrscheinlichsten auf.
1.3.1
s-Orbitale
Umriß und Ausdehnung eines Atomorbitals hängen von der Energie des Elektrons ab und werden durch die {2-Funktion beschrieben. Kugelsymmetrische Orbitale mit dem Atomkern als Zentrum werden als s-Orbitale bezeichnet (Abb. 1.1). Man findet das Elektron mit größter Wahrscheinlichkeit in einer Kugel, die den Atomkern eng umhüllt. Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron im Kern oder weit entfernt von ihm anzutreffen, ist dagegen sehr gering. Auf dem tiefsten Energiezustand E1 (Hauptquantenzahl n = 1) eines Atoms besetzt ein Elektron das 1s-Orbital. Das 2s-Orbital folgt auf dem zweiten, durch den Energieeigenwert E2 gekennzeichneten Niveau (Abb. 1.2); es umschließt das 1s-Orbital konzentrisch, hat also eine größere räumliche Reichweite.
(a)
(b)
Abb. 1.1. 1s-Orbital, (a) Umriß, (b) Querschnitt
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1.3 Atomorbitale
1.3.2
3
p-Orbitale
Für den Energiezustand E2 (n = 2) gibt es insgesamt vier Atomorbitale. Neben dem kugelsymmetrischen 2s-Orbital erstrecken sich drei Orbitale mit hantelförmigem Umriß entlang den Achsen x,y,z eines rechtwinkligen Koordinatensystems mit dem Atomkern als Ursprung (Abb. 1.2 a-c). Die {-Funktionen der p-Orbitale haben demnach je einen positiven und negativen Bereich. Wie der Querschnitt veranschaulicht, findet man das Elektron auf einem px-Orbital mit größter Wahrscheinlichkeit in einem Raum entlang der x-Achse nahe dem Kern. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit am Kern selbst oder weit von ihm entfernt ist sehr klein. Am Kern hat das Orbital einen Knoten.
(a)
(b)
(d)
(c)
(e)
Abb. 1.2. (a-c) Umrisse der p-Orbitale, (a) px-, (b) py-, (c) pz-Orbital; (d) Querschnitt durch das pz-Orbital; (e) relative Ausdehnung von 2s und 2p-Orbitalen
Die 2p-Orbitale reichen um den Faktor 31/2 weiter als die 2s-Orbitale (Abb. 1.2 e). Untereinander sind die drei p-Orbitale energetisch gleichwertig (Abb. 1.3), d. h. "entartet". Elektronen auf 2pOrbitalen sind etwas energiereicher als solche auf 2s-Orbitalen. Jedoch ist der Energieunterschied zwischen 2s- und 2p-Orbitalen sehr klein im Vergleich zur Differenz zwischen den Energiezuständen E1 und E2 (Abb. 1.3).
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4
1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
Neben s- und p-Orbitalen gibt es auf den höheren Niveaus E3, E4, usw. noch fünf d- bzw. sieben fOrbitale. Da die meisten organischen Verbindungen nur Elemente der ersten und zweiten Periode (C,H,N,O) enthalten, werden d- und f-Orbitale hier nicht näher besprochen. 2px
E
2py
2pz
E2 2s
1s
E1
Abb. 1.3. Energiezustände E1 und E2, mit 1s-, 2s- und 2p-Orbitalen
1.3.3
Elektronenspin und PAULI-Prinzip
Elektronen besitzen neben ihrer negativen Ladung und ihrem Bahndrehimpuls einen Eigendrehimpuls (Elektronenspin). Ist die Eigenrotation zweier Elektronen gleichsinnig, so sagt man, die Elektronen haben parallelen Spin und symbolisiert diesen Zustand durch zwei gleichgerichtete Pfeile (‹‹). Ist umgekehrt die Eigenrotation zweier Elektronen gegensinnig, so haben diese Elektronen antiparallelen Spin (‹fi). Höchstens zwei Elektronen mit antiparallelem Spin können dasselbe Orbital besetzen (PAULI-Prinzip). Solche Elektronen nennt man gepaart.
1.3.4
Elektronenkonfiguration leichter Atome
Die Verteilung der Elektronen auf den Orbitalen eines Atoms nennt man Elektronenkonfiguration. Diese bezieht sich auf den stabilsten (energieärmsten) Zustand des Atoms, den Grundzustand. Die häufigsten Elemente in organischen Molekülen, nämlich C,H,O,N gehören zu den ersten beiden Perioden. Elektronen dieser Atome besetzen im Grundzustand nur s- und p-Orbitale. Allgemein gelten für die Reihenfolge der Orbital-Besetzung folgende drei Regeln: ̈ ̈ ̈
Zuerst werden die energieärmsten Orbitale besetzt. Die Reihenfolge ist demnach 1s,2s,2p,3s,3p. Nur bis zu zwei Elektronen können ein Orbital besetzen (PAULI-Prinzip). Im Falle der Doppelbesetzung müssen die Spins antiparallel sein. Ist ein Satz entarteter Orbitale verfügbar (z. B. die drei 2p-Zustände, Abb. 1.3), so werden alle Orbitale einzeln belegt, bevor eines doppelt besetzt wird (HUND-Regel, vgl. die Elektronenkonfiguration der Elemente C,H,O in Tab. 1.1).
Die Elektronenkonfiguration eines Atoms (Tab. 1.1) wird durch Angabe der besetzten Orbitale in der Reihenfolge zunehmender Energie dargestellt. Die Besetzungszahl eines jeden Orbitals, 1 oder 2, wird hochgestellt, dabei die 1 meist weggelassen. Bor besitzt z. B. die Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2p, d. h. 1s- und 2s-Orbital sind je doppelt, ein 2p-Orbital ist einfach besetzt.
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1.4 Molekülorbitale und kovalente Bindung
5
Tab. 1.1. Elektronenkonfiguration leichter Atome im Grundzustand Atom 1s
B e s e t z u n g 2s 2px
Symbol 2py
2pz
H
1s
He
1s2
Li
1s2 2s
Be
1s2 2s2
B
1s2 2s2 2p
C
1s2 2s2 2p2
N
1s2 2s2 2p3
O
1s2 2s2 2p4
F
1s2 2s2 2p5 1s2 2s2 2p6
Ne
(1s2 2s2 2px2 2py2 2pz2 )
1.4 Molekülorbitale und kovalente Bindung 1.4.1
Arten der chemischen Bindung
Ionen- und kovalente Bindung sind die Grundtypen der chemischen Bindung. In anorganischen Salzen liegen keine Moleküle, sondern Ionen vor, welche im Kristallgitter durch elektrostatische Kräfte entgegengesetzt geladener Ionen zusammengehalten werden. Natriumchlorid besteht also nicht aus diskreten NaCl-Molekülen, sondern bildet im festen Zustand ein Kristallgitter aus Na+und Cl/-Ionen. Organische Verbindungen existieren dagegen meist als Moleküle, in denen Elektronenpaare zwischen den Atomkernen die chemische Bindung bewirken wie im Wasserstoff-Molekül, in dem ein Elektronenpaar die Wasserstoff-Atome zusammenhält: Elektronenpaar- oder kovalente Bindung H H zwei H-Atome
1.4.2
H H H:H ein H2-Molekül
Überlappung von Atomorbitalen
Unter Zuhilfenahme der Orbitalmodelle entsteht eine kovalente Bindung durch Überlappung von Atomorbitalen. Kommen z. B. zwei Wasserstoff-Atome zusammen, so überlappen sich ihre einfach besetzten 1s-Atomorbitale zu einem doppelt besetzten u-Molekülorbital, welches im H2Molekül beide H-Kerne umschließt (Abb. 1.4). Die Überlappung zweier s-Atomorbitale zu einem
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1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
u-Molekülorbital führt zu einem Energiegewinn. Das H2-Molekül hat eine kleinere potentielle Energie als zwei Wasserstoff-Atome, es ist stabiler.
(a)
H
(b)
H
74 pm
Abb. 1.4. Molekülorbital des Wasserstoff-Moleküls H2 , (a) Umriß, (b) Querschnitt
Mathematisch ist die Orbital-Überlappung eine Addition und Subtraktion (Linearkombination) der den überlappenden Atomorbitalen zugehörigen Wellenfunktionen {1 und {2: { = N ({1 + {2)
{* = N ({1 / {2) .
N ist ein Normierungsfaktor. Als Lösung erhält man zwei Molekülorbitale, das bindende energieärmere u-Orbital und das antibindende energiereichere u*-Orbital (Abb 1.5). Epot
Eu*
H
H
1s
1s Eu
H
H
u* : antibindend
H
H
u : bindend
Abb. 1.5. Überlappung der 1s-Orbitale des Wasserstoff-Atoms
Da {2 ein Maß für die Elektronendichte-Verteilung um den Atomkern ist, gilt für das bindende Molekülorbital mit der Wellenfunktion {" {2 = [N ({1 + {2)] 2 = N2 ({12 + {22 + 2{1{2)
und für das antibindende {*2 = [N ({1 / {2)] 2 = N2 ({12 - {2 2 / 2{1{2) . Die Elektronendichte im bindenden Molekülorbital ist demnach um 2{1{2 größer als die Summen der atomaren Dichteverteilungen, {12 + {22. Dieser Zusatzterm 2{1{2 ist maximal, wo {1 und {2 selbst am größten sind, d. h. wo die Atomorbitale überlappen, nämlich zwischen den Kernen im Zentrum der Bindung. Dort ist die Elektronenwolke am dichtetsten und überkompensiert die elektrostatische Abstoßung der Kerne. Insgesamt führt die Elektronendichte-Verteilung im u-Molekülorbital zu dem Energiegwinn, auf der die Stabilität des H2-Moleküls relativ zum H-Atom beruht. Im Grundzustand des H2-Moleküls besetzen die beiden Bindungselektronen das bindende u-Molekülorbital. Eine Hebung dieser Elektronen auf das antibindende u*-Molekülorbital ist nur durch
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1.4 Molekülorbitale und kovalente Bindung
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Zufuhr eines entsprechend großen Energiequantums (Eu,"/"Eu), z. B. in Form von RÖNTGENStrahlen möglich. Man spricht dann von einer uu*-Anregung, die eine Spaltung des H2-Moleküls in Atome (H . ) oder Ionen (H+ , H/) auslösen kann.
1.4.3
- und -Molekülorbitale
Bei den Atomen der ersten beiden Perioden (1H bis 19F) können sich nur 1s-, 2s- und 2pAtomorbitale zu Molekülorbitalen überlappen. Je nach Art der Überlappung und der Ausgangsorbitale unterscheidet man zweierlei Molekülorbitale, nämlich u- und r-Orbitale. u-Molekülorbitale entstehen nicht nur durch Überlappung von s-, sondern auch durch Endüberlappung von p-Orbitalen. Überlappen z. B. zwei s-Orbitale, so entsteht eine u-Bindung, wie sie für das H2-Molekül beschrieben wurde (Abb. 1.4). Beim Fluor stehen 2s- und 2p-Orbitale zur Verfügung. Die s-Orbitale sind aber im Grundzustand doppelt besetzt, und die p-Orbitale haben infolge ihrer größerer Reichweiten (Abb. 1.2 e) bessere Überlappungschancen als die s-Orbitale. Infolgedessen entsteht die u-Bindung im Fluor durch Endüberlappung der 2p-Orbitale (Abb.1.6 a, pp-Endüberlappung), und im Fluorwasserstoff durch Endüberlappung des 2p-Orbitals von F mit dem 1s-Orbital von H (Abb. 1.6 b, ps-Überlappung). r-Molekülorbitale resultieren aus der seitlichen Überlappung koaxialer p-Orbitale (Abb 1.7). Doppel- und Dreifachbindungen werden durch die Bildung von r- zusätzlich zu u-Orbitalen erklärt; sie enthalten außer einer u-Bindung noch eine bzw. zwei r-Bindungen. Elektronen, die rOrbitale besetzen, nennt man r-Elektronen.
(a) F
F
F
F (b)
F
H
F
H
Abb. 1.6. Überlappung von Atomorbitalen zu u-Molekülorbitalen in (a) Fluor F2 (pp-Überlappung) und (b) Fluorwasserstoff HF (ps-Überlappung)
z
y
z
x
y
z
x
y
x
Abb. 1.7. Entstehung eines r-Molekülorbitals durch seitliche Überlappung koaxialer p-Orbitale
Allgemein können nur einfach besetzte Atomorbitale zu Bindungsorbitalen überlappen. Doppelt besetzte Atomorbitale sind nicht bindend (n-Orbitale).
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1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
1.5 Bindungsdaten Die Theorie der chemischen Bindung, wie sie vorstehend und im folgenden skizziert wird, ist eine Modellvorstellung zur Erklärung experimenteller Tatbestände. Jede kovalente Bindung zwischen Atomen in einem Molekül ist z. B. durch eine Bindungslänge (Atomabstand), eine Bindungsenergie und einen bestimmten Bindungswinkel relativ zu einer anderen Bindung gekennzeichnet. Diese Bindungsdaten sind meßbare Größen, welche der Entwicklung von Bindungsmodellen zugrunde liegen. Die Bindungslänge ist der Abstand zwischen zwei gebundenen Atomkernen. Sie wird durch Elektronen- und Neutronenbeugung sowie andere physikalische Meßmethoden bestimmt und in Nanometer nm (1nm = 10/9 m) oder Picometer pm (1pm = 10/12 m) gemessen. Im H2-Molekül ist der HH-Kernabstand z. B. 0.074 nm oder 74 pm. Da eine Verbindung meist energieärmer, also stabiler ist als ihre atomaren Komponenten, erfordert die Spaltung einer Bindung meist einen bestimmten Betrag an Energie. Dieser Energiebetrag wird als Bindungs- oder Dissoziationsenergie des Moleküls bezeichnet und in kJ/mol gemessen. Bindungsenergien werden mit Hilfe spektroskopischer Verfahren oder aus thermodynamischen Daten (Verbrennungs- oder andere Reaktionswärmen) bestimmt. Sie sind Maßzahlen für die Stärke einer Bindung. So erfordert die Spaltung des H2-Moleküls mehr Energie (436 kJ/mol) als die F2-Dissoziation (155 kJ/mol). Man schließt daraus, daß die HH-Bindung stärker ist. Enthält ein Molekül drei oder mehr Atome, so werden zwei oder mehr Einfach- bzw. Mehrfachbindungen zwischen diesen Atomen notwendig. Zwei Bindungen, die in diesem Fall von einem Atom ausgehen, bilden einen bestimmten Bindungswinkel (0 – 180°). Bindungswinkel können aus Mikrowellenspektren bestimmt werden. Im H2O-Molekül bilden die beiden OH-Bindungen z. B. einen Bindungswinkel von 105°. Daraus folgt u. a., daß die OH-Bindungen nicht durch Überlappung zweier p-Orbitale des Sauerstoff- mit den s-Orbitalen des Wasserstoff-Atoms entstehen, da dies zu einem Bindungswinkel von 90° führen würde (Abschn. 1.9).
1.6 Hybridisierung der Atomorbitale des Kohlenstoffs Im Grundzustand ist die Elektronenkonfiguration des C-Atoms 1s2 2s2 2p2 (Tab. 1.1). Demnach könnten nur die beiden einfach besetzten 2p-Orbitale des Kohlenstoffs mit den Atomorbitalen zweier anderer Atome überlappen. Kohlenstoff wäre zweibindig; der einfachste Kohlenwasserstoff hätte die Summenformel CH2. Dabei würden die beiden CH-Bindungen einen Winkel von 90° einschließen, da die Achsen der p-Orbitale senkrecht aufeinander stehen (Abb. 1.2). Kohlenstoff ist jedoch vierbindig, und der einfachste stabile Kohlenwasserstoff, das Methan, hat die Summenformel CH4. Spektroskopische Messungen zeigen, daß die vier CH-Bindungen des Methans äquivalent sind und sich nach den Ecken eines regelmäßigen Tetraeders ausrichten (Abb. 1.8); alle CH-Atomabstände sind gleich (109 pm); alle CH-Bindungen schließen paarweise einen Winkel von 109°28' ein. Die CH-Bindungen des Methans entstehen daher nicht durch Überlappung der Atomorbitale. Vielmehr muß der Kohlenstoff nicht zwei, sondern vier Überlappungs-, d. h. bindungsfähige Orbitale bereitstellen. Man könnte daher zunächst annehmen, daß im Bindungszustand des C-Atoms ein 2s-Elektron in einen 2p-Zustand gehoben ("promoviert") wird (Abb. 1.9 a).
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1.6 Hybridisierung der Atomorbitale des Kohlenstoffs
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Abb. 1.8. Tetraedrische Geometrie des Methan-Moleküls (Stab-, Kugel-Stab- und Kalottenmodell)
Epot sp3-Hybridisierung
Promotion
a 2s2
2px1
2py1
2pz0
b 2s1
2px1
2py1
2pz1
sp3
sp3
sp3
sp3
3
Abb. 1.9. Promotion eines 2s-Elektrons in ein 2p-Orbital (a) und sp -Hybridisierung (b)
Nun könnte das C-Atom zwar vier u-Bindungen bilden, aber diese Bindungen wären nicht gleichwertig, denn drei davon würden einen Winkel von 90° einschließen, was wiederum den experimentellen Tatsachen (Abb. 1.8) widerspricht: Der HCH-Bindungswinkel ist 109°28'. Um diese Unstimmigkeit zwischen Orbitaltheorie und experimentellen Daten zu beseitigen, wurde die Orbitalhybridisierung (PAULING, SLATER) als weiterführende Modellvorstellung entwickelt. Unter Orbitalhybridisierung versteht man die Linearkombination von Wellenfunktionen verschiedener Form, z. B. von s- und p-Funktionen. Anschaulich ist die Hybridisierung eine Kreuzung der Atomorbitale mit symmetrischer Ladungsverteilung zu Hybridorbitalen. Diese Hybridorbitale haben andere Umrisse als die ursprünglichen Atomorbitale. Bei der Hybridisierung von s- und pOrbitalen können sp-, sp2- und sp3-Hybridorbitale entstehen, je nachdem, ob sich ein p-Orbital, zwei oder alle drei p-Orbitale an der Hybridisierung beteiligen. Zwei sp-Hybridorbitale (Abb. 1.10) entstehen durch Kreuzung eines s- und eines p-Orbitals. Die beiden Hybridorbitale haben aufgrund ihrer Herkunft 50 % s- und 50 % p-Charakter; sie erstrekken sich / wie die ursprünglichen p-Orbitale / entlang einer Achse. Senkrecht auf dieser Achse stehen nach wie vor die beiden nicht an der Hybridisierung beteiligten p-Orbitale.
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1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
(a)
(b)
(c)
Abb. 1.10. sp-Hybridorbitale, (a) hybridisierende s- und p-Atomorbitale, (b) Umrisse der beiden entstehenden sp-Hybridorbitale entlang der x-Achse, (c) verbleibende unhybridisierte p-Orbitale, py und pz
Die Kombination eines s-Orbitals mit zwei p-Orbitalen führt zu drei sp2-Hybridorbitalen (Abb. 1.11). Ein sp2-Hybridorbital hat aufgrund seiner Herkunft 33.3 % s- und 66.7 % p-Charakter. Die drei sp2-Hybridorbitale liegen auf einer Ebene (Koplanarität); ihre Achsen schließen Winkel von 120° ein und bilden die Höhen eines gleichseitigen Dreiecks (Abb. 1.11). Senkrecht auf dessen Ebene steht das an der Hybridisierung unbeteiligte p-Orbital (Abb 1.11).
(a) 2
(b)
(c) 2
Abb. 1.11. sp -Hybridorbitale, (a) hybridisierende Atomorbitale, s, px, py , (b) Umrisse der entstehenden sp 2 Hybridorbitale auf der xy-Ebene, (c) verbleibendes unhybridisiertes pz-Orbital senkrecht zur Ebene der sp Hybridorbitale
Beteiligen sich alle drei p-Orbitale an der Hybridisierung, so entstehen vier energiegleiche sp3Hybridorbitale (Abb. 1.9 b) mit jeweils 25 % s- und 75 % p-Charakter. Die vier sp3-Hybridorbitale erstrecken sich zu den Ecken eines regelmäßigen Tetraeders, wobei sie paarweise einen Winkel von 109°28' einschließen (Abb. 1.12). Tab. 1.2 vergleicht die Eigenschaften der sp-, sp2- und sp3-Hybridorbitale. Man sieht, daß die Hybridorbitale eine größere räumliche Reichweite haben als die s- und p-Atomorbitale, und daß die Reichweite mit zunehmendem p-Charakter wächst. Insofern bieten spx-Hybridorbitale (x = 1,2,3) bessere Überlappungsmöglichkeiten als s- und p-Atomorbitale.
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1.7 Kovalente Bindung in einfachen organischen Molekülen
11
(a)
(b)
3
3
Abb. 1.12. sp -Hybridorbitale, (a) Darstellung im x,y,z-Koordinatensystem, (b) Umriß eines sp -Hybridorbitals
x
Tab. 1.2. Eigenschaften von sp -Hybridorbitalen hybridisierende Orbitale
Hybridorbitale
Geometrie
Interorbitalwinkel
Charakter %s %p 50
1s
1p
2 sp
linear
180°
50
1s
2p
3 sp2
eben, trigonal
120°
33.3 66.7
1s
3p
4 sp3
tetraedrisch
109.5°
25
75
restliche p-Orbitale
relativer Radius (Bezug: s = 1, p = 1.732)
2
1.93
1
1.99
0
2.00
1.7 Kovalente Bindung in einfachen organischen Molekülen Postuliert man, daß das Kohlenstoff-Atom Hybridorbitale zur Bildung von u-Bindungen bereitstellt, so wird die experimentell gefundene Geometrie einfacher organischer Moleküle zwanglos erklärt. Dies soll im folgenden an den Kohlenwasserstoffen Methan, Ethan, Ethen und Ethin gezeigt werden.
1.7.1
CH-Bindungen des Methans
Die tetraedrische Geometrie des Methans (CH4, Abb. 1.8) wird erklärt, indem die vier sp3-Hybridorbitale des Kohlenstoff-Atoms mit vier 1s-Orbitalen des Wasserstoff-Atoms überlappen (Abb. 1.13). Diese Überlappung führt zu vier tetraedrisch angeordneten u-Molekülorbitalen (u-MO's).
Abb. 1.13. Entstehung der u-Bindungen (u-Molekülorbitale) des Methans
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1.7.2
1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
CC-Einfachbindung
Zu den Besonderheiten des Kohlenstoff-Atoms gehört seine Fähigkeit, auch seinesgleichen zu binden, d. h. CC-Bindungen zu knüpfen. Ethan (H3C/CH3) ist der einfachste Kohlenwasserstoff mit einer CC-Einfachbindung. Auch in diesem Molekül sind alle von den C-Atomen ausgehenden Bindungen tetraedrisch, wie die Molekülmodelle zeigen (Abb. 1.14). Das ergibt sich aus gleichen HCH- und HCC-Bindungswinkeln von 109.5° (Abb. 1.15). Die CH-Bindungen resultieren dann wie beim Methan aus der sp3-s-Überlappung der beteiligten Kohlenstoff- und Wasserstoff-Atome. Die CC-u-Bindung entsteht dagegen durch Überlappung zweier, den bindenden C-Atomen zugehörigen sp3-Hybridorbitale, d. h. es bildet sich ein sp3-sp3u-Molekülorbital. Da die sp3-Hybridorbitale des Kohlenstoffs weiter reichen als die 1s-Orbitale des Wasserstoffs, sind CC-u-Bindungen länger (154 pm) als CH-u-Bindungen (109 nm, Abb 1.15).
Abb. 1.14. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell des Ethans
H
H 109.5° C
154 pm
H
H
109.5°
C
H
109 pm
H H Bindungslängen, Bindungswinkel
H
H H sp3 sp3 C C sp3 u u s H H
überlappende Orbitale, u-Bindungen
Abb. 1.15. Bindungslängen (Atomabstände), Bindungswinkel und u-Bindungen des Ethans
1.7.3
CC-Doppelbindung
Ethen (Ethylen, H2C=CH2 ) ist der einfachste Kohlenwasserstoff mit einer CC-Doppelbindung, ein ebenes Molekül mit HCH- und HCC-Bindungswinkeln von rund 120°, wie die Molekülmodelle in Abb. 1.16 zeigen.
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1.7 Kovalente Bindung in einfachen organischen Molekülen
13
Abb. 1.16. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell des Ethens
Die Kohlenstoff-Hybridorbitale, welche die Geometrie des Ethens erklären, müssen demnach koplanar sein und einen Interorbitalwinkel von 120° einschließen. Die sp2-Hybridorbitale des Kohlenstoffs erfüllen diese Voraussetzungen. Sie bilden die fünf u-Bindungen des Ethens (Abb. 1.17): Zwei von den bindenden C-Atomen ausgehende sp2-Hybridorbitale überlappen zur CC-uBindung des Ethens und bilden ein sp2-sp2-u-Molekülorbital. Die vier an beiden C-Atomen verbleibenden sp2- Hybridorbitale überlappen mit den 1s-Orbitalen von vier Wasserstoff-Atomen zu den vier CH-u-Bindungen. Liegen alle fünf u-Bindungen auf einer Ebene (Abb. 1.17 a), so ist zusätzlich eine optimale seitliche Überlappung der nicht hybridisierten 2p-Orbitale beider CAtome möglich (Abb. 1.17 b). Diese Überlappung führt zu einer r-Bindung (Abb. 1.17 c), wobei sich die r-Elektronenwolke über und unter der Molekülebene verteilt. r
H
134 pm
(a) 117.5° C
H
121°
C
H
109 pm H
(b)
H H
C
C
H H
H
(c)
C
u
H
C
H H
r
Abb. 1.17. Ethen-Molekül (a) Geometrie, u-Bindungsebene (b) überlappende p-Orbitale senkrecht zur Ebene der u-Bindungen (c) resultierendes r-Molekülorbital
Die CC-Doppelbindung besteht demnach aus einer CC-u-Bindung (sp2/sp2-Überlappung, sp2/sp2u-MO) und einer CC-r-Bindung (seitliche p/p-Überlappung, p/p-r-MO). Sie ist kürzer (134 pm) als die CC-Einfachbindung (154 pm). Auch dies leuchtet ein, da sp2-Orbitale nicht ganz so weit wie sp3-Orbitale reichen (Tab. 1.2), und die zur r-Bindung notwendige seitliche Überlappung von p-Orbitalen nur möglich ist, wenn die bindenden C-Atome genügend dicht zusammenrücken.
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1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
Durch die hohe Elektronendichte zwischen den beiden C-Atomen werden die CH-u-Molekülorbitale etwas abgestoßen, was den HCH-Bindungswinkel geringfügig komprimiert.
1.7.4
CC-Dreifachbindung
Ethin (Acetylen, H/C»C/H), der einfachste Kohlenwasserstoff mit einer CC-Dreifachbindung, ist ein stabförmiges (lineares) Molekül mit dem HCC-Bindungswinkel 180° (Abb 1.18).
Abb. 1.18. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell des Ethins
Die lineare Molekülgeometrie wird erklärt, indem die bindenden C-Atome sp-Hybridorbitale bereitstellen, deren Endüberlappung zu einem u-Molekülorbital (sp-sp-u-MO) und damit zur CC-sBindung des Ethins führt. An jedem C-Atom bleibt dann noch ein sp-Orbital, welches mit dem Wasserstoff-1s-Orbital zum CH-u-Orbital (sp-sp-u-MO) überlappt. Die seitliche Überlappung der beiden an jedem C-Atom noch verfügbaren 2p-Orbitale (Abb. 1.19) erzeugt zwei r-Molekülorbitale (p-p-r-MO), deren r-Elektronenwolken die CC-u-Bindung oben und unten sowie vorn und hinten umschließen (Abb. 1.19). (a)
(b)
120 pm
H
C
106 pm
C
H
H
C
C
H
H
C
C
H
H
C
C
H
106 pm
erste r-Bindung
zweite r-Bindung
beide r-Bindungen
Abb. 1.19. Ethin-Molekül, (a) lineare Geometrie und Atomabstände, (b) Überlappung der p-Orbitale zu zwei rMolekülorbitalen
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1.8 Reaktive Zwischenstufen
15
Eine CC-Dreifachbindung besteht also aus einer CC-u-Bindung und zwei CC-r-Bindungen, welche aus der Überlappung von zwei Paaren senkrecht aufeinander stehender 2p-Orbitale resultieren. Da die Ausdehnung von spx-Hybridorbitalen mit wachsendem s-Charakter abnimmt (sp3 > sp2 > sp), werden die CC-Atomabstände mit zunehmender Bindungsordnung (Einfach-, Doppel-, Dreifachbindung) kürzer: C/C : 154 pm 3 3 sp -sp
C»C : 120 pm sp-sp
C=C : 134 pm 2 2 sp -sp
1.8 Reaktive Zwischenstufen Organische Reaktionen werden über reaktive Zwischenstufen wie Radikale, Ionen und Carbene formuliert. Diese Zwischenstufen können meist nicht isoliert, jedoch oft mit physikalischen Methoden nachgewiesen werden.
1.8.1
Methyl-Radikal
Wird eine u-Bindung so gespalten, daß beiden Bindungspartnern je ein ungepaartes Elektron zukommt (Homolyse), so entstehen zwei Radikale als Molekülfragmente mit ungepaarten Elektronen. Die Homolyse einer CH-Bindung des Methan-Moleküls liefert z. B. ein Methyl-Radikal (.CH3) und ein Wasserstoff-Radikal (.H, H-Atom): Homolyse
H3C H
H3C
+
H
Methyl-Radikal
Der vom ungepaarten Elektron herrührende Paramagnetismus des Methyl-Radikals läßt sich nachweisen, z. B. durch Elektronenspinresonanz. Spektroskopische Messungen zeigen, daß das Methyl-Radikal eben gebaut ist, wobei die HCH-Bindungswinkel 120° betragen (Abb. 1.20 a). Diese Geometrie paßt zu einem sp2-hybridisierten C-Atom.
50%
H H
H
C
H
120°
H
C 50%
(a )
H
(b)
Abb. 1.20. Methyl-Radikal, (a) Skelett, (b) Verteilung des ungepaarten Elektrons
Die CH-Bindungen entstehen durch Überlappung der Kohlenstoff-sp2-Hybridorbitale mit je einem 1s-Orbital der drei H-Atome. Das ungepaarte Elektron besetzt dann das nicht hybridisierte 2pOrbital senkrecht zur CH3-Ebene (Abb. 1.20 b). Diese exponierte Elektronenwolke erklärt die Kurzlebigkeit (ca. 10/8s), mithin die Reaktivität des Methyl-Radikals.
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1.8.2
1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
Methyl-Ionen
Die Heterolyse des Ethan-Moleküls führt formal zum Methyl-Kation und Methyl-Anion: Heterolyse
+
H3C CH3
H3C
Ethan
Methyl-Kation (ein Carbenium-Ion)
ICH 3 Methyl-Anion (ein Carbanion)
Abb. 1.21 skizziert zusammenfassend die Bildung radikalischer und ionischer Zwischenstufen durch formale homolytische und heterolytische Spaltungen des Methan- und Ethan-Moleküls. Das Methyl-Kation, der einfachste Vertreter der Carbenium-Ionen, ist aufgrund spektroskopischer Messungen eben. Die Molekülorbitale sind also denen des Methyl-Radikals analog (Abb. 1.20 b); jedoch bleiben die p-Orbital-Hälften über und unter der CH3-Ebene unbesetzt. Daher sind Carbenium-Ionen ausgeprägte Elektronen-Akzeptoren (Elektrophile). Nach OLAH unterscheidet man zwei Klassen von Carbokationen: In den ("klassischen") Carbenium-Ionen hat das positiv geladene C-Atom die Koordinationszahl 3 (R3C+); davon unterscheidet man "nichtklassische" Carbokationen mit fünf- oder vierfach koordiniertem positiv geladenem C (R5C+) und bezeichnet diese als Carbonium-Ionen. Methan
CH4 sp3 H /H
H
CH 3
/
/""e0
CH 3
sp2
H
sp2
p
H H
C
H
CH 3
Homolyse
+
Heterolyse
/
sp2
H
sp2
p
H H
C
/
:CH 3 Methyl-Anion (Carbanion)
Ionisierung (Reduktion)
Methyl-Radikal
sp2
/H -""e0
CH 3
Ionisierung (Oxidation)
Methyl-Kation (Carbenium-Ion)
sp2
/H
Heterolyse
CH 3
sp3
sp3
sp3
C
H
sp3
H
H Kation trigonal LEWIS-Säure (Elektrophil)
Radikal trigonal
Heterolyse
H 3C
CH 3
Anion pyramidal LEWIS-Base (Nucleophil)
Homolyse
H3C
CH3
Heterolyse
H3C
CH3
Ethan
Abb. 1.21. Formale Bildung reaktiver Zwischenstufen aus Methan und Ethan
Im Methyl-Anion, dem einfachsten Vertreter der Carbanionen, nimmt man an, daß das C-Atom zur Bindung mit den drei H-Atomen drei sp3-Hybridorbitale bereitstellt. Ein Elektronenpaar besetzt dann das vierte sp3-Hybridorbital (Abb. 1.22). Dieses nichtbindende Elektronenpaar macht das Carbanion zum Elektronendonor (Nucleophil).
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1.8 Reaktive Zwischenstufen
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C H
H H
Abb. 1.22. Bindungsmodell des Methyl-Anions
1.8.3
Carbene
Erhitzt oder bestrahlt man Diazomethan, so entsteht als reaktive Zwischenstufe Carben, das auch als Methylen bezeichnet wird: _ H2C N NI
H 2C:
Diazomethan
Carben (Methylen)
+
N2
Dabei lassen sich zwei Arten (Abb. 1.23) nachweisen, ein energieärmeres Carben mit HCHWinkel von 136° und ungepaarten Elektronen (Triplett-Carben) sowie ein energiereicheres, reaktiveres Carben mit einem HCH-Bindungswinkel von 130° und gepaarten Elektronen (SingulettCarben). E Singulett-Carben (doppelt angeregter Zustand)
S1
Singulett-Carben (angeregter Zustand)
S0
H
p
C
H
H 130°
u
p
C
H
u
ca. 35 kJ / mol
Triplett-Carben (Grundzustand)
T1
H 136°
p
C
H
u
Abb. 1.23. Elektronenzustände des Carbens
Substituierte Carbene R2C: sind hochreaktive Zwischenstufen vieler organischer Synthesen. Aufgrund ihres Elektronensextetts am C-Atom haben sie, wie die Nitrene RN:, ein Elektronendefizit am Zentralatom. Deshalb sind sie starke Elektrophile.
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18
1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
1.9 Bindung in Ammoniak und Wasser Auch für Stickstoff mit der Elektronenkonfiguration 1s22s22p3 und Sauerstoff (1s22s22p4) kann sp3-Hybridisierung der Atomorbitale den Bindungszustand von N und O erklären. So liegen die Bindungswinkel des Ammoniaks (107°) und Wassers (105°) (Abb. 1.24) in der Nähe der tetraedrischen sp3-Interorbitalwinkel (109°28'). NH- und OH-Bindungen in NH3 (pyramidal) und H2O (gewinkelt) resultieren demnach aus sp3-s-Überlappungen. Nichtbindende Elektronenpaare besetzen die restlichen sp3-Hybridorbitale (Abb. 1.24); in Strukturformeln werden sie als Striche oder Doppelpunkte gezeichnet.
O
96 pm
H
101 pm
N
O
105°
H
107°
H
N H
H
H
H H
(a)
H
H
(b)
Abb. 1.24. Molekülgeometrie (Atomabstände, Bindungswinkel) von Wasser (a) und Ammoniak (b)
1.10 Polarität kovalenter Bindungen 1.10.1
Elektronegativität
Sind zwei gleiche Atome durch eine kovalente Bindung verknüpft ( H/H, Cl/Cl, H3C/CH3 ), so konzentriert sich das Bindungselektronenpaar im Zentrum der Bindung beider Atome. Sind die verknüpften Atome verschieden (H/Cl, H3C/Cl), so wird die Elektronenwolke unsymmetrisch, da eines der Atome (Cl) die Bindungselektronen stärker anzieht als das andere. Man nennt das Bestreben eines Atoms, Bindungselektronen anzuziehen, Elektronegativität. Im Periodensystem nimmt die Elektronegativität von "links nach rechts" und von "unten nach oben" zu (Tab. 1.3). Die in der organischen Chemie gebräuchlichen PAULING-Elektronegativitäten (Tab. 1.3) beziehen sich auf das elektronegativste Atom Fluor, dem willkürlich der Wert 4 zugeordnet wird. Tab. 1.3. PAULING-Elektronegativitäten einiger Elemente H
2.2
Li
0.97
Na 1.0
1.10.2
C
2.5
N
3.0
O
3.5
F
4.0
Si
1.8
P
2.5
S
2.5
Cl
3.0
Br I
2.8 2.6
Dipolmomente von Molekülen
Sind zwei Atome unterschiedlicher Elektronegativität gebunden, so wird das elektronegativere die Bindungselektronen an sich ziehen. Das Chlor in Chlorwasserstoff verhält sich z. B. so. Die u-
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1.10 Polarität kovalenter Bindungen
19
Bindung in H/Cl wird dabei polar. Man formuliert dies durch eine negative Polarisierung (f/ oder f/) an Chlor und eine entsprechend positive (f+ oder f+) an Wasserstoff. f- f/ H Cl
Der Schwerpunkt der negativen Ladung liegt also nicht mehr im Zentrum der Bindung wie bei einer HH- oder CC-Verknüpfung, sondern näher beim elektronegativeren Atom. Moleküle, welche diese Eigenschaft mit HCl teilen, sind Dipole. Da sie einen negativeren und einen positiveren "Teil" haben, erfahren sie im elektrischen Feld ein als Dipolmoment bezeichnetes Drehmoment o: f- f/ H Cl
o""""= e . d [Cm]
e : Elementarladung (in elektrostatischen Einheiten, 1.6 x 10/19 C ; C: Coulomb) d : Abstand zwischen den Atomen unterschiedlicher Elektronegativität (in m)
Dieses bei kleineren Molekülen mit Hilfe der Mikrowellenspektroskopie meßbare und meist in Debye-Einheiten (1D = 3.33x10/30 Cm) angegebene Dipolmoment o ist ein vom positiven zum negativen Bindungsende gerichteter Vektor. Dipole von Molekülen richten sich im elektrischen Feld von Kondensatoren aus. Somit können Dipolmomente auch größerer organischer Moleküle über Kapazitätsänderungen eines Kondensators gemessen werden. Enthält ein Molekül drei oder mehr Atome unterschiedlicher Elektronegativität, so ist das resultierende Dipolmoment die Vektorsumme aller Bindungsmomente, wie Abb. 1.25 am Beispiel des Wassers zeigt. o4 o o3 H
f+
O
o3 o4
f/"/ H f+
Abb. 1.25. Dipolmoment-Komponenten und resultierendes Dipolmoment des Wassers (o = 1.86 Debye)
1.10.3
Polarität von Verbindungen
Mit dem Elektronegativitätsunterschied zwischen zwei gebundenen Atomen wächst die Polarität der Bindung. Im Wasserstoff-Molekül (H2) und den Halogen-Molekülen (X2) verdichten sich die Bindungselektronen im Zentrum der Bindung; solche Verbindungen sind unpolar. Die Halogenwasserstoffe (HX) sind dagegen aufgrund des Elektronegativitätsunterschieds von H und X und des daraus resultierenden Dipolmoments polare Moleküle. Unterscheiden sich die Elektronegativitäten zu stark, so bilden sich keine kovalenten Bindungen mehr, sondern Ionen mit EdelgasElektronenkonfiguration, z. B. im Natriumchlorid (Na+Cl/). Die Elementargasmoleküle Wasserstoff (H2) und Chlor (Cl2), die Halogenwasserstoffe (HX) sowie die Alkalimetallhalogenide (Na+X/) sind also typische Vertreter unpolarer, polarer und ionischer Verbindungen. H H Cl Cl kovalent, unpolar
f- f/ H Cl kovalent, polar
+
/
Na Cl ionisch
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20
1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
1.11 Interionische und intermolekulare Wechselwirkungen Je nach Temperatur und Druck kann jede Verbindung fest, flüssig oder gasförmig vorkommen. In allen drei Aggregatzuständen hängt die Art der Wechselwirkung zwischen den Teilchen von der Natur der chemischen Bindung ab.
1.11.1
Interionische Wechselwirkung
In ionischen Verbindungen ziehen sich entgegengesetzte geladene Ionen an, und gleich geladene Ionen stoßen sich ab. Diese auf der COULOMB-Kraft K zwischen den Ionenladungen e1 und e2 im Abstand r K =
1 . e1 e2
g
r2
beruhende elektrostatische Anziehung und Abstoßung nennt man interionische Wechselwirkung. Die Stärke der interionischen Wechselwirkung hängt, wie die Gleichung zeigt, von der Dielektrizitätskonstanten (DK) g des Mediums ab, in dem sich die Ionen befinden. Eine hohe DK schwächt die interionische Wechselwirkung.
1.11.2
Dipol-Dipol-Wechselwirkung und Wasserstoffbrücken
Bei polaren Molekülen beruht die Wechselwirkung hauptsächlich auf der elektrostatischen Anziehung und Abstoßung entgegengesetzt bzw. gleich geladener Molekülteile. Stäbchenförmige Dipolmoleküle werden sich z. B. bevorzugt so anordnen, daß positive und negative Molekülenden abwechseln (Abb. 1.26). Dies ist ein einfacher Fall der Dipol-Dipol-Wechselwirkung. f/
f-
f-
f/
f/
f-
f-
f/
Abb. 1.26. Wechselwirkung stabförmiger Dipol-Moleküle
O
H
O H
H
H _ O _ f+ H H f/ H O H
Abb. 1.27. Wasserstoffbrücken-Assoziation des Wassers
Viele Dipolmoleküle wie Fluorwasserstoff, Wasser und Ammoniak (HF, H2O, H3N) enthalten ein Wasserstoff-Atom, das an ein elektronegatives Atom (F, O, N) mit nichtbindenden Elektronenpaaren gebunden ist. Das dadurch positiv polarisierte Wasserstoff-Atom kann dann mit den nichtbindenden Elektronenpaaren benachbarter Moleküle wechselwirken, wie Abb. 1.27 am Beispiel des
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1.11 Interionische und intermolekulare Wechselwirkungen
21
Wassers skizziert. Man nennt diese starke Dipol-Dipol-Wechselwirkung WasserstoffbrückenBindung oder Wasserstoffbrücken-Assoziation, da viele Moleküle auf diese Weise zu "Molekülklumpen" assoziieren können. Diese sog. Cluster weisen aufgrund der räumlich gerichteten HBrücken-Bindungen einen hohen Ordnungsgrad in größeren Bezirken auf.
1.11.3
Ionen-Dipol-Wechselwirkung
Löst man eine ionische Verbindung in einem Lösemittel, dessen Moleküle Dipole sind, z. B. in Wasser, so bilden sich durch Wechselwirkung zwischen Ion und Lösemittel-Dipolen hydratisierte Ionen. So umhüllen in wäßriger Lösung von Natrium-Salzen sechs Wasser-Moleküle das NatriumKation oktaedrisch (Koordinationszahl 6) durch Ionen-Dipol-Wechselwirkung (Abb. 1.28). H H
O
H H O f+ H H f/
O Na
H H O H H
O
O H H
Abb. 1.28. Solvatation: Hydratation eines Natrium-Ions durch Ionen-Dipol-Wechselwirkung
Diese Hydratation durch Wasser, allgemein die Solvatation durch Lösemittel, beruht auf der Schwächung der interionischen Wechselwirkung durch die hohe Dielektrizitätskonstante polarer Lösemittel. Bei gelösten ionischen Verbindungen ist also neben der interionischen Wechselwirkung auch die Solvatation im Spiel. Die Lösemittelmoleküle werden dabei umso stärker gebunden, je kleiner das Ion und je höher dessen Ladung ist.
1.11.4
VAN-DER-WAALS-Wechselwirkung
Die mit der Molekülgröße zunehmende Anziehung und Abstoßung zwischen unpolaren Molekülen wird als VAN-DER-WAALS-Wechselwirkung bezeichnet. Diese rein zwischenmolekularen Kräfte rühren daher, daß ein unpolares Molekül ein momentaner Dipol ist, da die Elektronen des Moleküls ständig in Bewegung sind, so daß innerhalb eines Augenblicks die Elektronenverteilung unsymmetrisch sein kann. Der resultierende kurzlebige Dipol induziert in einem Nachbarmolekül für einen Augenblick ein Dipolmoment. Beide Dipole können dann wechselwirken wie es Abb. 1.26 skizziert. Die Reichweite der Wechselwirkung liegt bei r = 0.3 - 0.6 nm; ihre Stärke nimmt proportional zu r/6 ab. Die Stärke der Wechselwirkung nimmt mit wachsender Polarität der Verbindungen zu, ist daher für ionische Verbindungen am größten. Unter den zwischenmolekularen Kräften sind Wasserstoffbrücken dabei stärker als Dipol-Dipol-, aber schwächer als Ionen-Dipol-Wechselwirkungen. VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen sind am schwächsten.
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22
1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
1.12 Physikalische Eigenschaften, Acidität und Basizität 1.12.1
Kristallgitter
Man unterscheidet amorphe von kristallinen Verbindungen. Amorph nennt man eine Verbindung, wenn ihre Teilchen im festen Zustand ohne erkennbare Regelmäßigkeit angeordnet sind. In einer kristallinen Verbindung ordnen sich die Ionen oder Moleküle dagegen regelmäßig zu einem Ionen- bzw. Molekülgitter an. Während Ionengitter durch starke COULOMB-Kräfte zusammengehalten werden, wirken in Molekülgittern die weitaus schwächeren Dipol-Dipol- und VAN-DERWAALS-Kräfte. Auf diesen Unterschieden beruhen z. B. die sehr viel höheren Schmelzpunkte ionischer im Vergleich zu kovalenten Verbindungen.
1.12.2
Schmelzpunkt, Siedepunkt, Löslichkeit
Die am einfachsten meßbaren thermodynamischen Eigenschaften einer Verbindung sind Schmelzpunkt, Siedepunkt und Löslichkeit. Der Schmelzpunkt ist die für jede Verbindung charakteristische Temperatur, bei welcher sich feste und flüssige Phase im Gleichgewicht befinden. Bei dieser Temperatur kompensiert die thermische Energie der Teilchen die vom Bindungstyp abhängigen Gitterkräfte. Je größer diese Kräfte sind, desto mehr Energie wird zu ihrer Überwindung notwendig sein. Insofern reflektiert die Höhe des Schmelzpunkts die Stärke der Gitterkräfte. Ionische Verbindungen werden daher sehr hohe Schmelzpunkte aufweisen (Kochsalz, Na+Cl/ : 801 °C), polare kovalente erheblich tiefere (Wasser, H2O : 0 °C), und wenn im festen Zustand einer unpolaren Verbindung nur noch VAN-DERWAALS-Kräfte das Gitter zusammenhalten, so wird man einen sehr tiefen Schmelzpunkt messen (Methan, CH4 : /183 °C). Auch der Siedepunkt charakterisiert jede Verbindung. Er ist die Temperatur, bei welcher flüssige und gasförmige Phase im Gleichgewicht sind. Dabei werden die im flüssigen Zustand noch wirkenden Kohäsivkräfte (Wasserstoffbrücken, Dipol-Dipol- und VAN-DER-WAALS-, bei ionischen Verbindungen COULOMB-Kräfte) von der thermischen Energie kompensiert. Deshalb hängt auch der Siedepunkt von der Stärke der Wechselwirkung ab. Ionische Verbindungen haben wieder die mit Abstand höchsten Siedepunkte (Kochsalz: 1465 °C). Polare kovalente Verbindungen zeigen deutlich tiefere Siedpunkte, wobei Wasserstoffbrücken-Bildner wiederum höher sieden (Wasser: 100 °C) als Verbindungen, deren Moleküle nur Dipol-Dipol-Wechselwirkungen eingehen können (Diethylether: 36.5 °C). Am tiefsten sieden unpolare Verbindungen (Methan: /161.5 °C). Da die Siedepunkte exponentiell mit sinkendem Druck fallen, sollten sie nur unter Nennung des herrschenden Drucks angegeben werden. Die erwähnten Siedepunkte wurden z. B. bei Normaldruck (760 Torr = 1.013 bar) gemessen. Während Schmelz- und Siedepunkte Gitter- und Kohäsivkräfte reflektieren, hat die Angabe der Löslichkeit einer Verbindung in einem bestimmten Lösemittel auch praktische Bedeutung, spielen sich doch die meisten Reaktionen der organischen Chemie in Lösung ab. Man muß also vor Ansetzen einer Reaktion wissen, in welchem Lösemittel sich eine Ausgangsverbindung löst und wie gut. Die Löslichkeit einer Verbindung in einem Lösemittel (Wasser, Ethanol) wird in g/100 mL angegeben. Da die Löslichkeit meist stark temperatur-, aber auch leicht druckabhängig ist, muß man die Löslichkeitsangabe auf eine bestimmte Temperatur und einen bestimmten Druck beziehen (meist 20 °C und Normaldruck, 1.013 Bar). Eine Verbindung löst sich in einer anderen umso besser, je ähnlicher die Wechselwirkung in beiden Verbindungen ist. So wird sich ein unpolarer
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1.12 Physikalische Eigenschaften, Acidität und Basizität
23
Kohlenwasserstoff gut in Tetrachlormethan oder Benzin lösen, aber nicht in Wasser. Dagegen ist Wasser ein gutes Lösemittel für organische Verbindungen, die selbst auch Wasserstoffbrücken bilden können wie z. B. Alkohole. Und für ionische Verbindungen ist Wasser das beste Lösemittel, da es interionische Wechselwirkungen schwächt und die Ionen hydratisiert (Abschn. 1.11.3).
1.12.3
Säuren und Basen, Elektrophile und Nucleophile
Sowohl in der anorganischen als auch in der organischen Chemie gibt es chemische Vorgänge, die man als Säure-Base-Reaktionen einstufen kann. Bekanntlich erzeugen Säuren H3O+-Ionen und Basen OH/-Ionen, wenn man sie in Wasser löst: Säure : Base :
+
H2O
H 3O
+
Cl
NH3 +
H 2O
H 4N
+
OH
HCl
Säure-Base-Reaktionen verlaufen aber auch in nicht wäßrigen Medien. LOVRY und BRÖNSTEDT definierten daher eine Säure als Protonendonor und eine Base als Protonenakzeptor. Chlorwasserstoff ist als Protonendonor an sich schon eine Säure, und Ammoniak ist als Protonenakzeptor an sich schon eine Base. Beide reagieren bekanntlich auch ohne Wasser zu Ammoniumchlorid: HCl
+
Protonen-Donor Säure
NH3 Protonenakzeptor Base
H 4N
+
Cl
Ammoniumchlorid Salz
Die umfassendste Definition stammt von LEWIS. Demnach ist jede Verbindung, die ein vakantes Orbital hat und daher ein Elektronenpaar akzeptieren kann, eine Säure (LEWIS-Säure). Jede Verbindung, die indessen über doppelt besetzte Orbitale verfügt und insofern ein Elektronenpaardonor ist, wird als Base (LEWIS-Base) definiert. Protonen und Carbenium-Ionen sind also LEWISSäuren; Wasser, Ammoniak und Carbanionen sind dagegen LEWIS-Basen und reagieren dementsprechend mit LEWIS-Säuren. H
+
_ 2 IOH
_ H 3O
H
+
INH3
H 4N
+
ICH3 LEWIS-Base Nucleophil
H3C LEWIS-Säure Elektrophil
H3C CH3
Einige Moleküle können sich je nach Reaktionspartner als LEWIS-Säure und als LEWIS-Base verhalten. Wasser ist ein Beispiel: + H2S
H2O
+ NH3
H 3O
+
SH
(H2O als LEWIS-Base)
H 4N
+
OH
(H2O als LEWIS-Säure)
Aufgrund ihrer vakanten Orbitale greifen LEWIS-Säuren an den Elektronenpaaren von LEWISBasen an. Man bezeichnet LEWIS-Säuren daher auch als elektrophil (Elektrophile), während LEWIS-Basen Reaktionspartner mit vakanten Orbitalen suchen und daher nucleophil (Nucleophile) sind. Demnach sind Carbenium-Ionen und Protonen elektrophile, Carbanionen, Wasser und Ammoniak dagegen nucleophile Reagenzien bzw. Zwischenstufen.
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2 Alkane
2 Alkane 2.1 Homologe Reihe, Konstitution, Nomenklatur 2.1.1
Homologe Reihe und Molekülmodelle der Alkane
Kohlenwasserstoffe enthalten nur die Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff. Alkane sind gesättigte Kohlenwasserstoffe, in denen nur Einfachbindungen von den C-Atomen ausgehen. Aus Methan als einfachstem Vertreter leitet sich formal durch Einschub weiterer CH2-Gruppen die homologe Reihe der Alkane mit der gemeinsamen Summenformel CnH2n+2 ab (Tab. 2.1). Tab. 2.1. Homologe Reihe der Alkane CnH2n+2 , Bezeichnungen, Schmelz- und Siedepunkte (bei Normaldruck) n
CnH2n+2
Kurzschreibweise
Bezeichnung
Schmp. °C
Sdp.°C
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 20 30 40 50 60
CH4 C2H6 C3H8 C4H10 C5H12 C6H14 C7H16 C8H18 C9H20 C10H22 C11H24 C12H26 C13H28 C14H30 C15H32 C20H42 C30H62 C40H82 C50H102 C60H122
H3C/H H3C/CH3 H3C/CH2/CH3 H3C/(CH2)2/CH3 H3C/(CH2)3/CH3 H3C/(CH2)4/CH3 H3C/(CH2)5/CH3 H3C/(CH2)6/CH3 H3C/(CH2)7/CH3 H3C/(CH2)8/CH3 H3C/(CH2)9/CH3 H3C/(CH2)10/CH3 H3C/(CH2)11/CH3 H3C/(CH2)12/CH3 H3C/(CH2)13/CH3 H3C/(CH2)18/CH3 H3C/(CH2)28/CH3 H3C/(CH2)38/CH3 H3C/(CH2)48/CH3 H3C/(CH2)58/CH3
Methan Ethan Propan Butan Pentan Hexan Heptan Octan Nonan Decan Undecan Dodecan Tridecan Tetradecan Pentadecan Eicosan Triacontan Tetracontan Pentacontan Hexacontan
/183 /183 /190 /138 "/130 /95 /90 /59 /54 /30 /26 /10 /6 6 10 36 66 81
/164 /89 /42 0 36 69 98 126 151 174 196 216 230 251 268
Elementarer Baustein der Alkane ist der durch sp3-Hybridisierung des Kohlenstoff-Atoms erklärbare Bindungs-Tetraeder (Abschn. 1.7). Methan als einfachstes Alkan ist z. B. ein regelmäßiger Tetraeder mit dem C-Atom im Zentrum und den vier H-Atomen an den Ecken (Abb. 1.8). Zur Formulierung eignen sich verschiedene Darstellungen (Tab. 2.2), je nachdem, ob man auf Kürze, Übersichtlichkeit, Molekülorbitale und Elektronenkonfiguration oder auf den räumlichen Bau Wert legt.
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2.1 Homologe Reihe, Konstitution, Nomenklatur
25
Tab. 2.2. Formelschreibweisen einfacher Alkane Summenformel
komprimierte Strukturformel
Valenzstrichformel
H Methan
CH 4
H3C H
Elektronenpaarformel
H
H .. H : .. C:H H
H C H H
KeilstrichProjektion *
H H
C H H
H H Ethan
C2H 6
H3C CH3
H H .. .. H : .. C:C .. : H H H
H C C H H H
C 3H8
H3C CH2 CH3
C C
H H
H CH 3
H H H Propan
H H
H C C C H H H H
H H .. H .. .. H : .. C:C C:H .. : .. H H H
H H
C C
H H
H *
: in ,
: vor ,
: hinter der Zeichenebene
Abb. 2.1. Stab-Modell (links), Kalotten-Modell (Mitte) und Kugel-Stab-Modell (rechts) des Propans, jeweils im gleichen Maßstab
Zur Formulierung von Reaktionsgleichungen genügt meist die komprimierte Schreibweise (Tab. 2.2). Die Keilstrich-Projektion stellt die zur Formulierung einer Reaktion oft wesentliche tetraedrische Bindungsgeometrie des C-Atoms am besten dar. STUART-BRIEGLEB-Kalottenmodelle (Abb. 2.1 Mitte) machen den Umriß des Moleküls, seine räumliche Ausdehnung besonders anschaulich. Zum Studium von Atomabständen und Bindungswinkeln eignen sich zusammenensteckbare DREIDING-Tetraeder-, Stab- oder Kugel-Stab-Modelle (Abb. 2.1). Diese Modelle lassen sich mit PC-Programmen durch „molecular modelling“ konstruieren (Abb. 1.8, 1.14, 2.1 und 2.2).
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2.1.2
2 Alkane
Konstitutionsisomerie
Kohlenstoff-Ketten bauen das Gerüst der Alkane auf; diese Ketten können verzweigt oder unverzweigt sein. Bereits am Alkan der Summenformel C4H10 läßt sich dies zeigen: Butan besitzt eine unverzweigte Kohlenstoff-Kette und gehört zur homologen Reihe der n-Alkane (Tab. 2.1, Abb. 2.2). Isobutan (oder Methylpropan) mit derselben Summenformel hat eine verzweigte Kohlenstoff-Kette und gehört zu den verzweigten Alkanen (Abb. 2.2). n-Butan und Methylpropan (Isobutan) sind Konstitutionsisomere; Konstitutionsisomere besitzen dieselbe Summenformel, unterscheiden sich jedoch durch ihre Atomverknüpfung (verzweigt oder unverzweigt), die Konstitution. n-Butan ist ein langgestrecktes, Methylpropan ein kompaktes Molekül (Abb. 2.2). CH3
H H H H n-Butan
H C C C C H
H 3C CH2 CH 2 CH3
H H H H
C4H10
H H
C C
CH3
H Methylpropan (Isobutan)
H C H H H
CH3
H C C C H
H3C CH CH 3
H H H
H H
CH 3 H3C H
C CH3
Abb. 2.2. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell (von links nach rechts) des Butans (oben) und seines verzweigten Konstitutionsisomers Methylpropan (unten)
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2.1 Homologe Reihe, Konstitution, Nomenklatur
27
Für die Summenformel C5H12 lassen sich bereits drei Konstitutionsisomere formulieren, n-Pentan, Methylbutan (Isopentan) und Dimethylpropan (Neopentan). CH 3
C5H12
CH 3
H3C CH 2 CH2 CH2 CH 3
H 3C CH CH2 CH 3
n-Pentan
Methylbutan (Isopentan)
H 3C C CH 3 CH3 Dimethylpropan (Neopentan)
Die Anzahl möglicher Konstitutionsisomerer steigt also mit der Zahl der C-Atome. Für C10H22 gibt es 75, für C30H62 schon über vier Millionen Konstitutionsisomere. Konstitutionsisomere zeigen verschiedene physikalische Eigenschaften (Brechungsindizes, Schmelzpunkte, Siedepunkte); man kann sie aufgrund ihrer individuellen Siedepunkte durch Destillation trennen.
2.1.3
Nomenklatur
Die Nomenklatur organischer Verbindungen erfolgt nach den durch IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) festgesetzten Regeln. Tab. 2.1 enthält z. B. die IUPAC-Bezeichnungen der Alkane; ab Pentan gibt der erste Teil des Namens mit lateinischen oder griechischen Silben die Zahl der C-Atome, und die Endung "an" kennzeichnet die Zugehörigkeit zur Familie der Alkane. Zur Benennung isomerer Alkane sind oft die Präfixe n-, iso- und neo- im Gebrauch: ̈" n-Alkane besitzen eine unverzweigte (zick-zack-förmige) Anordnung ihrer C-Atome, z. B.: H 3C (CH 2)9 CH 3 n-Undecan
H3C (CH2)4 CH3 n-Hexan
̈
iso-Alkane enthalten eine Methyl-Verzweigung am Kettenende: CH3
̈"
CH 3
H3C CH CH3
H 3C CH CH2 CH 2 CH3
Isobutan
Isohexan
neo-Alkane enthalten eine doppelte Methyl-Verzweigung am Kettenende: CH 3
CH 3
H 3C C CH3
H 3C C CH2 CH2 CH 3 CH3 Neoheptan
CH3 Neopentan
Je nach Verzweigungsgrad unterscheidet man primäre (1°), sekundäre (2°) und tertiäre AlkylGruppen (3°) bzw. Kohlenstoff-Atome: CH3 H 3C CH 2
R CH2
H3C CH CH3
primäre (1°)
R CH R
sekundäre (2°) Alkyl-Gruppen
H3C C
R R C
CH 3
R
tertiäre (3°)
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28
2 Alkane
Formale Entfernung eines H-Atoms aus einem Alkan R/H führt zu einer Alkyl-Gruppe R/. Die Bezeichnung ergibt sich aus der des Alkans, in dem die Endung "an" durch "yl" ersetzt wird (Methyl aus Methan, Propyl aus Propan, Neopentyl aus Neopentan, Tab. 2.3). Tab. 2.3. Bezeichnung häufig auftretender Alkyl-Gruppen H3C Methyl-
H 3C CH 2 Ethyl-
H3C CH2 CH 2 Propyl-
H 3C CH 2 CH2 CH2 Butyl-
CH 3
H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 Pentyl-
CH3
H 3C CH Isopropyl-
CH 3
H3C CH CH 2 Isobutyl
H 3C CH CH2 CH 2 Isopentyl
H 3C CH 2 CH CH3
H3C C CH2 CH3 Neopentyl-
CH3
sec-Butyl
CH 3
CH3
H 3C CH 2 C CH 3 t-Pentyl-
H 3C C CH3 t-Butyl-
Zur Benennung substituierter Alkane nach IUPAC empfiehlt sich folgende Vorgehensweise: " ̈
Man suche die längste Kohlenstoff-Kette mit der höchsten Zahl von Substituenten. CH2 CH3 H3C CH2 CH2 CH2 CH
Die längste C-Kette hat acht C-Atome: Octan ist das Grundskelett
H3C C Br CH2 CH3
" ̈
Man beziffere die C-Atome so, daß die Substituenten kleinstmögliche Positionsziffern erhalten. 8
7
6
5
CH2 CH3
4
Das Kohlenstoff-Atom mit höchster Substituentenzahl ist C-3 (nicht C-6).
H3C CH2 CH2 CH2 CH H3C 3C Br CH2 CH3
" ̈
2
1
Man benenne die Substituenten und gebe ihre Position in der Kette durch die entsprechende Ziffer an. 8
7
6
5
CH2 CH3
4
H3C CH2 CH2 CH2 CH
3-Methyl-
3-Brom-
4-Ethyl-
H3C 3C Br CH2 CH3
" ̈"
2
1
Man bezeichne die Verbindung so, daß die Substituenten in alphabetischer Folge erscheinen. 3-Brom-4-ethyl-3-methyloctan
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2.2 Physikalische Eigenschaften
̈"
29
Zwei, drei, vier, fünf, sechs, ... identische Substituenten an der Kette werden durch die Präfixe di-, tri-, tetra-, penta-, hexa-,... gekennzeichnet. H3C Br H3C CH C CH CH(CH3) 2 Br
2,4-Dibrom-3,3,5-trimethylhexan
CH3
2.2 Physikalische Eigenschaften Alkane sind unpolare Moleküle. Ihr Zusammenhalt in der flüssigen oder festen Phase wird daher nur durch die schwachen VAN-DER-WAALS-Kräfte bewirkt. Da diese mit zunehmender Oberfläche der Moleküle ansteigen, findet man einen stetigen Anstieg der Siedepunkte um 20 - 30 °C bei Verlängerung um eine CH2-Gruppe (Tab. 2.1, Abb. 2.3). Aus demselben Grund zeigt sich ab Butan auch eine stetige Zunahme der Dichte (Abb. 2.3). Dagegen steigen die Schmelzpunkte stufenweise an (Abb. 2.3), wobei n-Alkane mit gerader Anzahl von C-Atomen jeweils höher als erwartet schmelzen. Offensichtlich bilden die "geradzahligen" n-Alkane ein dichter gepacktes Gitter mit stärkeren Gitterkräften.
[°C] 300
0.8 [g/ml]
250
Dichte ̈
200
̈
̈
Æ Æ
0.7
0.6
Æ
̈
100
Æ Æ
50
0.5 Siedepunkt
Æ
̈
0
0.4
Æ Æ
/ 50 Æ
/ 100
/ 200
̈ Æ
Æ Æ
̈
̈
Æ
̈ ̈
̈
̈
Æ
̈
150
/ 150
̈
̈
Schmelzpunkt Æ
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 13 14 15 Anzahl der C-Atome
Abb. 2.3. Beziehung zwischen Kettenlänge, Siedepunkt, Schmelzpunkt und Dichte der n-Alkane
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30
2 Alkane
Verzweigte Alkane bieten aufgrund ihrer im Vergleich zu n-Alkanen kompakteren Konstitution eine kleinere Oberfläche und somit schwächere VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen. Daher sieden verzweigte Alkane tiefer als ihre unverzweigten Isomere. Die Schmelzpunkte verhalten sich uneinheitlich. Grundsätzlich zeigen kugelförmige organische Moleküle wie Methan, Neopentan und Tetramethylbutan neben ihrer im Verhältnis zur Molmasse großen Flüchtigkeit auch sehr dicht beim Siedepunkt liegende Schmelzpunkte. Im Labor lassen sich langkettige n-Alkane (>C7) von ihren verzweigten Isomeren durch Behandeln mit Harnstoff abtrennen. Harnstoff bildet nur mit n-Alkanen kristalline Einschlußverbindungen. Dabei kristallisieren die Harnstoff-Moleküle spiralförmig um das n-Alkan, so daß die Kohlenwasserstoff-Moleküle im Kristallgitter in Röhren liegen. Aufgrund ihrer geringen Polarität lösen sich die Alkane gut in allen nicht oder schwach polaren Lösemitteln (Ether, chlorierte Kohlenwasserstoffe wie Chloroform, Benzen). In stark polaren Lösemitteln wie Wasser oder Dimethylsulfoxid sind Alkane kaum löslich, weil sich keine Solvathülle bilden kann. Da Pentan und Hexan nicht mit Wasser mischbar sind und eine wesentlich geringere Dichte besitzen, werden diese Alkane oft zur Extraktion wenig polarer Verbindungen aus wäßrigen Lösungen benutzt.
2.3 Molekülbau Im Molekülorbital-Modell entstehen die CH-Bindungen der Alkane durch Überlappung der sp3Hybrid-Orbitale des C-Atoms mit den s-Orbitalen des H-Atoms (s-sp3-u-Orbital, Abschn. 1.7.1); die CC-Einfachbindungen bilden sich durch Endüberlappung zweier von beiden Bindungspartnern ausgehenden sp3-Hybrid-Orbitale (sp3-sp3-u-Molekül-Orbital). Der sp3-Interorbitalwinkel von 109°28' erklärt die tetraedrische Bindungsgeometrie des C-Atoms in den Alkanen. Da Alkane nur CC- und CH-Bindungen enthalten, sind die Bindungswinkel und Atomabstände aller Alkane nahezu identisch. Der CH-Atomabstand ist im Methan 109 pm, in allen anderen Alkanen meist 110 pm. Die CC-Bindungslänge aller Alkane beträgt 154 pm und gleicht damit dem Abstand der C-Atome im Kristallgitter des Diamants. Die HCH-, CCH- und CCC-Bindungswinkel zeigen nur geringe Abweichungen vom Tetraederwinkel 109°28', wenn VAN-DER-WAALSAbstoßungen zwischen benachbarten Atomen wirken. So ist im Propan der CCC-Bindungswinkel auf 112° gespreizt und der HCH-Bindungswinkel am mittleren C-Atom auf 106° komprimiert.
2.4 Konformation Die "freie Drehbarkeit" von CC-Einfachbindungen läßt zunächst beliebig viele räumliche Anordnungen der Atome oder Alkyl-Gruppen eines Alkans zu. Physikalische Messungen zeigen jedoch, daß es energieärmere und energiereichere Atomanordnungen gibt. Der Begriff Konformation faßt alle durch Drehung (Rotation, Torsion) um Einfachbindungen realisierbaren Atomanordnungen einer Verbindung zusammen. Eine diskrete Atomanordnung wird als Konformer oder Rotamer bezeichnet. Zum Zeichnen von Konformeren eignen sich die Keilstrich-, die Sägebock- (seitlicher Anblick) und am besten die NEWMAN-Projektion (frontaler Anblick).
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2.4 Konformation
31
CH3
CH 3 H H
H CH 3
H H
C C
H H
H
H
H
H
H
H
H
H Keilstrich-
Sägebock-
NEWMANProjektion
Ethan kann zwei Konformere bilden, in denen die CH-Bindungen der beiden Methyl-Gruppen verdeckt (ekliptisch) bzw. gestaffelt (auf Lücke stehend) vorliegen. Die NEWMAN-Projektionen zeigen deutlich, daß der Interplanarwinkel, den die CH-Bindungen an benachbarten C-Atomen einschließen, bei gestaffelter Anordnung 60°, bei ekliptischer dagegen 0° beträgt. HH
H
H
H
HH
ekliptisch, vedeckt (eclipsed) mit viel Torsionsspannung labil
H
H
H
H
H gestaffelt, auf Lücke (staggered) ohne Torsionsspannung stabil
Das ekliptische Konformer „leidet“ wegen der VAN-DER-WAALS-Wechselwirkung der H-Atome unter einer hohen Torsionsspannung, ist energiereicher und damit labiler als das gestaffelte Konformer ohne diese Torsionsspannung. So gesehen sind Konformere die Rotations-Energiezustände der Alkane. Rotieren die Methyl-Gruppen um die mittlere CC-Bindung aus der energieärmeren spannungsfreien, gestaffelten über eine teilweise verdeckte in die energiereichere ekliptische Anordnung, so muß ein bestimmter Energiebetrag / die Rotationsbarriere / aufgewendet werden, z. B. durch Übertragung kinetischer Energie beim Zusammenstoß mit anderen Molekülen. Die innere Beweglichkeit eines Moleküls infolge der Rotation um Einfachbindungen hängt von der Temperatur, also von der äußeren Moleküldynamik ab. Bei sehr tiefer Temperatur werden die meisten Ethan-Moleküle im Zeitmittel gestaffelt vorliegen. Steigt die Temperatur, so wird die Zahl der Zusammenstöße mit Molekülen genügend hoher kinetischer Energie zunehmen, und die Methyl-Gruppen des Ethans werden durch gestaffelte, windschiefe und ekliptische Konformere rotieren. Wegen der relativ kleinen Rotationsbarrieren (12 kJ/mol) herrscht um die CC-Bindung des Ethans bei Raumtemperatur praktisch freie Drehbarkeit. Stehen größere Gruppen anstelle der H-Atome des Ethans, so erhöht sich die Rotationsbarriere. So bevorzugen 60 % der Butan-Moleküle bei Raumtemperatur das gestaffelte Konformer, in dem die beiden Methyl-Gruppen anti zueinander stehen (Abb. 2.4). Die restlichen Moleküle konzentrieren sich auf teilweise verdeckte und gestaffelte Konformationen, die vor allem aufgrund von VANDER-WAALS-Abstoßungen (sterische Wechselwirkung) eine höhere potentielle Energie besitzen. Abb. 2.4 illustriert dies und erläutert die Bezeichnung der Butan-Konformeren nach der KLYNEPRELOG-Konvention. Die Population der Konformeren hängt im übrigen von der Temperatur ab und folgt einer MAXWELL-BOLTZMANN-Verteilung.
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32
2 Alkane
Die Rotationsbarrieren der n-Alkane (Abb. 2.4) liegen weit unter den für eine Konformerentrennung erforderlichen 85-125 kJ/mol. Im Gegensatz zu Konstitutionsisomeren (z. B. n-Butan und Methylpropan) sind die Konformeren der Alkane (anti- und syn-Butan) nicht isolierbar, sondern nur bei tieferen Temperaturen spektroskopisch nachweisbar. R
RR H
RH
R
R
H
RH
R
H
R
RR H
Konformer H
HH
H
H
H
H
RH
H
Interplanarwinkel
Epot [kJ/mol]
l"?"2fl
60°
H
H
H
R
HH
H
R
120°
H
H
H
HH
H
H
180°
240°
300°
360°
14.3
27.7
3.8
deutsche Bezeichnung
ekliptisch
gestaffelt
teilweise ekliptisch
gestaffelt (anti)
teilweise ekliptisch
gestaffelt
ekliptisch
englische Bezeichnung
fully eclipsed
gauche (skew)
partially eclipsed
fully staggered
partially eclipsed
partially eclipsed
fully eclipsed
+ / synperiplanar + / sp
+ synclinal + sc
+ / antiperiplanar + / ap
/ anticlinal / ac
/ synclinal / sc
KLYNEPRELOGAbkürzung
+ anticlinal + ac
+ / synperiplanar + / sp
Abb. 2.4. Potentielle Energie und Bezeichnung der Konformeren des n-Butans (R = CH3), die bei Drehung um die C-2/C-3-Bindung entstehen
Längerkettige n-Alkane und ihre Derivate, z. B. die Fettsäuren, sind wegen der Ausbildung geordneter Strukturen im flüssigen und festen Zustand weniger beweglich. Stärkere VAN-DERWAALS-Kräfte führen hier zur Bildung quasi-kristalliner Bezirke, was nicht nur für die Eigenschaften von Schmierölen und Fetten, sondern auch bei der Bildung von Zellmembranen von Bedeutung ist Abschn. 41).
2.5 Industrielle Gewinnung der Alkane 2.5.1
Alkane aus Erdgas, Erdöl und Kohle
Erdgas, Erdöl und Kohle sind neben ihrer Funktion als fossile Energieträger auch die wichtigsten Rohstoffe der industriellen organischen Chemie. Die riesigen Vorkommen entstanden durch anaerobe Zersetzung von Mikroorganismen (Plankton), Pflanzen und Tieren in Seen und Meeren vor über 100 Millionen Jahren. Auf Kohlebasis können Alkane durch katalytische Hochdruck-Hydrierung von Braunkohle ("Kohleverflüssigung", BERGIUS-Verfahren) sowie durch katalytische Niederdruck-Hydrierung von Kohlenmonoxid (FISCHER-TROPSCH-Verfahren) hergestellt werden. Weiterentwicklungen beider Prozesse sind bei Verteuerung und Verknappung des Rohöls von Bedeutung.
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2.5 Industrielle Gewinnung der Alkane
33
Erdgas und Rohöl besitzen je nach Entstehungsweise der verschiedenen Lagerstätten auch eine verschiedene prozentuale Kohlenwasserstoff-Zusammensetzung. Erdgas enthält vorwiegend die tief siedenden Alkane Methan bis Butan. Petroleum enthält neben den höheren Alkanen auch andere flüssige Kohlenwasserstoffe und wird durch Destillation in mehrere Fraktionen nach Siedebereichen getrennt (Tab. 2.4). Tab. 2.4. Erdöl-Fraktionen (Fraktionen nach Siedebereichen) Fraktion
Siedebereich °C
Kohlenwasserstoffe C n
Verwendung
Gasfraktion
< 40
C1 - C6
Treibstoff, Heizgas
Petrolether
30 - 60
C5 - C6
Lösemittel, Benzin
Ligroin
60 - 100
C6 - C7
Kfz-Benzin
Gasolin
40 - 200
C5 - C10
Kfz-Benzin
Kerosin
180 - 230
C11 - C12
Düsentreibstoff
Gasöl (Heizöl)
230 - 300
C13 - C17
Dieselmotoren, Ölbrenner
Schmieröle
300 - 400
C20 - C30
Paraffinwachs
400 - 500
C20 - C30
Schmierstoffe
Asphalt
Destillations-
Polycyclen
Teer zum Straßenbau
Petrolkoks
rückstände
Kohlenstoff
Brennstoff, Elektroden
Vaseline
Eine weitere Trennung der Erdöl-Fraktionen gelingt durch Feindestillation (engere Siedebereiche) oder andere Trennverfahren (Extraktion, Gas-Chromatographie). Da höhere Alkane zahlreiche Isomere mit sehr ähnlichen Siedepunkten bilden, ist eine isomerenfreie Gewinnung nur bei kurzkettigen Alkanen (C1 - C5) möglich. Langkettige Alkane definierter Konstitution müssen daher mit chemischen Verfahren hergestellt werden.
2.5.2
Treibstoffherstellung
Jede Motorart erfordert zum optimalen Betrieb eine ihren Verbrennungeigenschaften angepaßte Treibstoffsorte. Ein Benzin mit einem hohen Prozentsatz an n-Alkanen kann z. B. nicht in hochverdichtenden Motoren verbrannt werden, da es ein verschleißendes "Klopfen" verursacht. Hochverzweigte niedermolekulare Alkane haben wesentlich günstigere Brenneigenschaften. Die Qualität eines Kraftstoffs wird durch seine Octanzahl charakterisiert. Normsubstanz ist 2,2,4Trimethylpentan ("Isooctan") mit der Octanzahl 100, demgegenüber n-Heptan die Octanzahl 0 aufweist. Die Qualität des Kraftstoffs läßt sich durch Zusatz von Isooctan oder Benzen verbessern (Octanzahlen über 90). „Verbleites Benzin“ mit dem giftigen und umweltbelastenden Bleitetraethyl als Antiklopfmittel-Zusatz ist nicht mehr im Handel. Motoren mit Abgas-Entgiftung durch Edelmetall-Katalysatoren (Platin auf Keramik) können nur mit "bleifreiem" Benzin betrieben werden, da Blei-Verbindungen als Katalysatorengifte wirken. Durch fraktionierte Destillation des Rohöls kann nur ein Teil der benötigten Treibstoffe bereitgestellt werden. Daher müssen auch höhersiedende Fraktionen des Erdöls mit langkettigen Kohlenwasserstoffen durch verschiedene Crackverfahren in die als Treibstoffe geeigneteren kürzerkettigen Alkan-Gemische übergeführt werden.
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34
2 Alkane
Beim thermischen Cracken werden die Erdölfraktionen bei 470 - 510 °C und Drücken von 20 - 50 bar erhitzt. Dabei entstehen über freie Radikale als Zwischenstufen aus langkettigen Alkanen kürzerkettige Alkane und Alkene. Bei den katalytischen Crack- und Isomerisierungsverfahren werden die Erdölfraktionen bei Temperaturen zwischen 430 und 500 °C und geringem Druck über Silicat-Aluminiumoxid-Katalysatoren geleitet. Dabei entstehen Benzine mit einem hohen Anteil an verzweigten Alkanen. Das katalytische Cracken verläuft im Gegensatz zum thermischen über Umlagerungen mit Carbenium-Ionen als reaktiven Zwischenstufen.
2.6 Darstellung von Alkanen 2.6.1
Katalytische Hydrierung der Alkene
Alkene addieren in Gegenwart von Metallkatalysatoren (Ni, Pd, Pt) quantitativ Wasserstoff an ihre CC-Doppelbindung. Dabei addiert das H2-Molekül an eine Seite der CC-Doppelbindung. R
Alken
R
katalytische Hydrierung
R
R
H
H
R
R C C R H H
C C
R
Alkan
Katalysator-Oberfläche (Katalysator = Ni , Pd oder Pt)
Beispiel: H 3C
CH 3
H 3C
CH3
Ni, Pd oder Pt + H2
C C
H 3C CH CH CH 2 CH2 CH2 CH 2 CH 3
CH 2 CH2 CH2 CH 2 CH 3
CH 3
2,3-Dimethyl-2-octen
2,3-Dimethyloctan
Da es viele Verfahren zur Synthese von Alkenen gibt (Abschn. 4.4), ist die katalytische Hydrierung von Alkenen eine präparative Methode zur Darstellung von Alkanen.
2.6.2
Reduktion von Halogenalkanen
Die durch Additions- und Substitutions-Reaktionen gut zugänglichen Halogenalkane können unter Ersatz des Halogens durch Wasserstoff zu Alkanen umgesetzt werden. ̈"""Hydrolyse von GRIGNARD-Verbindungen Halogenalkane R/X (X = Cl, Br, I) reagieren mit Magnesium zu Alkylmagnesiumhalogeniden. Die Kohlenstoff-Magnesium-Bindung dieser GRIGNARD-Verbindungen wird durch Wasser gespalten, wobei das Proton des Wassers an das negativ polarisierte Kohlenstoff-Atom und das Hydroxid-Anion an das positiv polarisierte Magnesium anlagert. wasserfreier Ether
R X
+
f/
f/
f++
R Mg X
R Mg X
Mg +
H2O
R H
+
Mg(OH)X
GRIGNARD-Reagenz Hydrolyse
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2.6 Darstellung von Alkanen
35
Beispiel: siedender Ether
CH3 H 5C2 CH CH2 CH 2 Br
+
CH3
H 5C2 CH CH2 CH 3
/ Mg ++ / /"OH / /"Br
3-Methylpentylmagnesiumbromid
1-Brom-3-methylpentan
CH 3
+ H 2O
H5C2 CH CH2 CH2 Mg Br
Mg
3-Methylpentan
̈"""Reduktion von Halogenalkanen durch Zink und Säure Metallisches Zink (Zinkstaub) und Mineralsäuren reduzieren Halogenalkane zu Alkanen: 2R X
+
2 Zn
+
2 HY
2R H
+
ZnX 2
+
ZnY 2
Beispiel: CH 3
CH3
0 °C
2 H 3C CH CH CH2 CH 3
+ 2 Zn +
2 HI
2 H3C CH CH 2 CH2 CH3
Br 3-Brom-2-methylpentan
+
ZnBr2
+
ZnI2
2-Methylpentan
̈"""Reduktion
von Halogenalkanen durch Metallhydride Komplexe Metallhydride wie Lithiumaluminiumhydrid (LiAlH4) oder Natriumborhydrid (NaBH4) reduzieren Halogenalkane in Ether als Lösemittel zu Alkanen. Ether
4R X
+
LiAlH4
4R H
+
LiX
+
AlX 3
4R X
+
NaBH 4
4R H
+
NaX
+
BX 3
( X = Cl, Br, I )
Beispiel: CH 3 4 H 3C
(CH2)7
CH CH2 Br
+ LiAlH4
wasserfreier Ether
CH3 4 H 3C (CH2)7 CH CH 3
1-Brom-2-methyldecan
2.6.3
+
LiBr
+
AlBr3
2-Methyldecan
Alkylierung metallorganischer Verbindungen
Metallorganische Verbindungen mit Kohlenstoff-Metall-Bindungen können durch Halogenalkane zu Alkanen alkyliert werden. ̈"""WURTZ-Synthese
Natrium reagiert mit Halogenalkan R/X zunächst zu Alkylnatrium R/Na als Organometallverbindung, die mit einem weiteren Äquivalent Halogenalkan zum symmetrischen Alkan R/R alkyliert wird. R X R Na
+
2 Na + R X
R Na
+
NaX
R R
+
NaX
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36
2 Alkane
Beispiel: H3C CH 2 CH2 CH 2 CH 2 Br
+
H 3C (CH 2)8 CH 3
2 Na
1-Brompentan
+
2 NaBr
n-Decan
̈"""Alkylierung
von GRIGNARD-Verbindungen durch Halogenalkane Halogenalkane R/X alkylieren Alkylmagnesiumhalogenide R´/MgX (GRIGNARD-Verbindungen) mit anderem Alkyl-Rest R´ zu unsymmetrischen Alkanen R/R´. wasserfreier Ether
R X
+
R´ Mg X
R R´
+
MgX2
Beispiel: CH3 + (H3C)2CH Mg Br
1-Brom-2-methyldecan
2.6.4
CH3
wasserfreier Ether
H3C (CH2)7 CH CH 2 Br
H3C (CH2)7 CH CH2 CH(CH 3)2
Isopropylmagnesiumbromid
+
MgBr2
2,4-Dimethyldodecan
KOLBE-Elektrolyse
Schwieriger zugängliche symmetrische Alkane R/R können durch KOLBE-Elektrolyse der Natrium-, Kalium- oder Calcium-Salze von Carbonsäuren mit dem entsprechenden Rest R dargestellt werden. Dabei wird das Carboxylat-Anion zunächst anodisch oxidiert; das entstandene CarboxyRadikal geht unter Kohlendioxid-Abspaltung (Decarboxylierung) in ein Alkyl-Radikal R. über, das zum Alkan R/R dimerisiert. O 2 R C .. O .. : CarboxylatAnion
Anode (Oxidation) /"e0
/
O 2 R C .. O .. CarboxyRadikal
.
Decarboxylierung / 2 CO2
2R
.
AlkylRadikal
Dimerisierung
R R symmetrisches Alkan
2.7 Reaktionen Die "gesättigten" Alkane reagieren selbst bei höheren Temperaturen im Gegensatz zu den "ungesättigten" Alkenen und Alkinen nicht mit konzentrierten Mineralsäuren, Basen, Oxidations- oder Reduktionsmitteln. Die früher wegen ihrer gleichartigen Reaktivität als Paraffine (par affinis = gleich benachbart) bezeichneten Alkane sind wenig reaktive, unpolare, inerte Verbindungen: Typische Alkan-Reaktionen wie die Oxidation und Halogenierung verlaufen bei hohen Temperaturen.
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2.7 Reaktionen
2.7.1
37
Vollständige Oxidation (Verbrennung)
Technisch von Bedeutung ist die Verbrennung der Alkane zur Energiegewinnung. In der Flamme verbrennen Alkane mit Luftsauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser. CH4 2 H 3C CH 3
+ 2 O2 +
7 O2
CO2
+
2 H2O
F H = /""883 kJ/mol
4 CO2
+
6 H2O
F H = /""1542 kJ/mol
Die exotherme Reaktion liefert eine hohe Reaktionsenthalpie FH (Verbrennungswärme). Da das System Energie an die Umgebung abgibt, hat der Betrag von FH negatives Vorzeichen. Bei einer endothermen Reaktion nimmt das reagierende System dagegen Energie von der Umgebung auf, so daß FH positiv ist. Verbrennungswärmen lassen sich im Kalorimeter messen. Interessant ist ein Vergleich zwischen den Verbrennungswärmen bezogen auf ein Mol, ein Gramm, einen Milliliter und den prozentualen Wasserstoffgehalt der n-Alkane nach Tab. 2.5. Tab. 2.5. Vergleich der Verbrennungswärmen ausgewählter n-Alkane Alkan
Formel
kJ / mol
kJ / g
kJ / mL
%H
Methan Ethan Propan Pentan Heptan n-Alkan
CH4 C2H6 C3H8 C5H12 C7H16 H3C/(CH2)n/CH3
883 1542 2204 3510 4814 ---
55 51 50 49 48 47
23 28 29 30 33 35
25.1 20.1 18.3 16.8 16.1 15.6
Die Verbrennungwärme beträgt für Wasserstoff 142 kJ/Mol, für Kohlenstoff 34 kJ/Mol und 653 kJ/Mol pro CH2-Gruppe. Da die Verbrennungswärme vorwiegend aus dem Unterschied der Summe der Bindungsenergien der Edukte und der Produkte herrührt, kann sie aus den bekannten Bindungsenergien der C/H-, O/O-, C=O- und OH-Bindung berechnet werden, wie das Beispiel des Methans zeigt: Reaktionsgleichung Stöchiometrie Energiebilanzen
CH 4 16 g
+ 2 O2 64 g
CO2 44 g
+
2 H 2O 36 g
Energiezufuhr durch Edukte (Dissoziation von Bindungen)
Energiefreisetzung durch Produkte (Bildung von Bindungen)
F H positiv 4 x 413 (C/H) = + 1652 kJ/mol 2 x 498 (O/O) = + 996 kJ/mol
F H negativ 2 x 803 (C=O) = / 1606 kJ/mol 4 x 463 (O/H) = / 1852 kJ/mol
Somit ergibt sich für die aus den Bindungsenergien berechnete Verbrennungswärme zu FHber. = 1652 + 996 / 1606 / 1852 = /"810 kJ / Mol Methan im Vergeich zum kalorimetrisch bestimmten Wert FHexp. = /"883 kJ / Mol. Der Mechanismus einer Verbrennung, ihr molekularer Ablauf, ist nicht genau geklärt. Bekannt ist, daß die Verbrennung der Alkane gezündet werden muß, z. B. durch eine Flamme oder einen Funken; bei Raumtemperatur und Normaldruck reagiert eine an sich verbrennungsfähige Mischung aus Alkan und Sauerstoff nicht.
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38
2 Alkane
Bei der Zündung einer Verbrennung wird Energie zugeführt, welche kovalente Bindungen der Edukte spaltet und so reaktive Partikel erzeugt, die mit den Alkanen Folgereaktionen eingehen. Die Zündungsenergie kann in Form von Hitze zugeführt werden. Bei der Zündungstemperatur (Flammpunkt) ist die kinetische Energie der Reaktanten so hoch, daß manche Zusammenstöße zur Bindungsspaltung und Erzeugung reaktiver ungesättigter Partikel führen. Im Falle der Verbrennung handelt es sich dabei um Radikale (Alkyl-Radikale R. , Alkoxy-Radikale R/O . u. a.). Diese Radikale können bei Zusammenstößen mit Alkan- und Sauerstoff-Molekülen neue Bindungen knüpfen und gleichzeitig neue Radikale erzeugen. Jede Neuknüpfung von Bindungen führt zur Energieabgabe in Form von kinetischer Energie oder Licht. Bei der insgesamt exotherm verlaufenden Verbrennung wird mehr Energie abgegeben als verbraucht. Die Hitzeentwicklung führt zu Zusammenstößen genügend hoher Energie, so daß weitere Reaktionen ausgelöst werden. Nach der Zündung und einer kurzen Induktionsperiode laufen die Reaktionen also autokatalytisch ab. Man spricht von einer Kettenreaktion. Kettenreaktionen sind typisch für Alkane.
2.7.2
Partielle Oxidation
Durch unvollständige Oxidation des Methans (Erdgas) mit Luft werden unter kontrollierten Reaktionsbedingungen Ethin, Wasserstoff und Kohlenmonoxid hergestellt. Diese drei Gase werden industriell in großen Mengen verarbeitet. Wasserstoff und Kohlenmonoxid bilden sich auch durch katalytische Oxidation des Methans durch Wasser. 1500 °C
6 CH 4
2H C C H
+ O2
+
10 H 2
+
2 CO
850 °C, Ni-Katalyse
CH4
2.7.3
3 H2
+ H 2O
+
CO
Autoxidation
Verzweigte Alkane mit tertiären C-Atomen (R3CH) reagieren in Gegenwart von Schwermetallspuren, Bromwassertoff oder bei leicht erhöhter Temperatur mit Luftsauerstoff, der als Biradikal (Triplett-Sauerstoff) vorliegt und sich zwischen die CH-Bindung schiebt. Bei dieser Autoxidation entstehen hochreaktive, teils explosive Alkylhydroperoxide. CH3 H3C C H CH3
140 °C
+
O2 (Luf t)
CH 3
O H H 3C C O CH 3 t-Butylhydroperoxid
n-Alkane neigen kaum zur Autoxidation. Bei verzweigten Alkanen kann die Autoxidation durch Zusatz von Antioxidantien (Inhibitoren) verhindert werden. Antioxidantien fangen die intermediär bei der Autoxidation entstehenden reaktiven Radikale ab. Bekannte Antioxidantien sind z. B. Iodwassertoff, Phenole, aromatische Amine und Organoschwefel-Verbindungen.
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2.7 Reaktionen
2.7.4
39
Photohalogenierung
Selbst gegenüber den reaktiven Halogenen Cl2 und Br2 sind die Alkane im Dunkeln und bei Raumtemperatur inert. Sobald jedoch eine Alkan-Halogen-Mischung entweder ̈ mit Licht bestrahlt oder ̈" über 300 °C erhitzt oder ̈" mit Peroxiden versetzt wird, setzt eine vielfach heftige Reaktion ein, wobei ein H (oder mehrere H) des Alkans durch Halogen substituiert wird (Substitution). Dabei entsteht ein Halogenalkan (Alkylhalogenid)) und Halogenwasserstoff, z. B. Brommethan (Methylbromid) aus Methan und Brom: Licht, Hitze oder Peroxide
H H C H
+
Br
H
Br
H C Br
+
H
Br
H Brommethan
H
Bei genügend großem Überschuß an Halogen führt die Reaktion nicht nur zur Monosubstitution; durch Polyhalogenierung können im Prinzip alle H-Atome eines Alkans durch Halogen ersetzt werden. So liefert die Photochlorierung des Methans ein Gemisch aus Monochlormethan (CH3Cl, Methylchlorid), Dichlormethan (CH2Cl2, Methylenchlorid), Trichlormethan (CHCl3, Chloroform) und Tetrachlormethan (CCl4, Tetrachlorkohlenstoff). Diese zu den Chloralkanen oder Chlorkohlenwasserstoffen (CKWs) gehörenden Verbindungen werden als vorzügliche / leider auch biologisch schlecht abbaubare und daher vorschriftsmäßig zu entsorgende / Lösemittel verwendet. CH4
+
Cl2
CH3Cl Chlormethan
+
HCl
CH3Cl
+
Cl2
CH2Cl2 + Dichlormethan
HCl
CH 2Cl2
+
Cl2
CHCl3 + Trichlormethan
HCl
CHCl3
+
Cl2
CCl4 + Tetrachlormethan
HCl
Die Zusammensetzung des Produktgemisches kann durch das Verhältnis der Edukte (Halogen : Alkan) und die Reaktionsdauer gesteuert werden. Überschüssiges Halogen begünstigt die Bildung von Polyhalogenalkanen; kurze Reaktionszeiten favorisieren dagegen die Monosubstitution, da sich zu Beginn der Reaktion viele Alkan- und wenige Halogenalkan-Moleküle im Reaktionsraum befinden. Die Reaktivität der vier Halogene nimmt vom Fluor zum Iod deutlich ab: F2 >> heftige Reaktion
Cl2
> Br2
steuerbare Reaktion
>>
I2 keine Reaktion
Elementares Fluor reagiert mit Alkanen extrem heftig unter Perfluorierung und unkontrollierbarer Bildung von Molekülfragmenten. Verdünnung des Alkan-Fluor-Gemisches mit Stickstoff, niedere Fluorkonzentrationen, niedere Drücke und tiefere Temperaturen bewirken eine bessere Kontrolle der Reaktion. Die Chlorierung eines Alkans verläuft meist unproblematisch; Bromierungen erfordern drastischere Bedingungen. Iod reagiert nicht direkt mit Alkanen; Iodalkane sind nur durch Umwandlung der funktionellen Gruppen anderer Alkan-Derivate zugänglich.
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40
2 Alkane
Der Mechanismus einer Photohalogenierung ist eine typische Kettenreaktion (Abschn. 3). Die Photodissoziation eines Halogen-Moleküls in zwei Halogen-Atome (Halogen-Radikale) löst eine Folge von Reaktionen aus, bei denen die reaktionsträgen Alkane über Alkyl-Radikale (R. , daher radikalische Substitution) zu den Produkten Chlorwasserstoff und Halogenalkan abreagieren. Die Chlorierung empfindlicherer Alkane gelingt mit Hilfe von Sulfurylchlorid, SO2Cl2. Auch diese bei moderaten Temperaturen ablaufende Reaktion ist eine radikalische Substitution, welche durch Licht oder Peroxide gestartet wird (Abschn. 3.6). O
R
hp oder R O 40 - 80 °C
R H
2.7.5
+
SO2Cl2
R Cl
+
SO2
+
HCl
Photosulfochlorierung
In Gegenwart von Basen reagieren Alkane mit Sulfurylchlorid oder einer Mischung aus Schwefeldioxid und Chlor zu Alkansulfonsäurechloriden (Alkylsulfonylchloriden). Die Hydrolyse von Alkylsulfonylchloriden führt zu Alkansulfonsäuren. Langkettige Alkansulfonsäuren sind bedeutende Detergentien. R H
+
SO2
+
Cl2
hp / Base
O R S Cl
+
HCl
O Alkansulfonsäurechlorid
2.7.6
Nitrierung von Alkanen
Die Nitrierung von Alkanen bei höheren Temperaturen mit Salpetersäure oder Distickstofftetroxid führt zu Nitroalkanen (z. B. CH3/NO2, Nitromethan), die als Lösemittel, Zwischenprodukte und Sprengstoffe Verwendung finden. > 400 °C
R H
+
HNO3
R NO2
+
H 2O
Nitroalkan
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3.1 Mechanismus der Chlorierung des Methans
41
3 Radikalische Substitution Eine Reaktionsgleichung beschreibt, welche Produkte (rechts vom Pfeil) aus welchen Edukten (Reaktanden, links vom Pfeil) in welchen stöchiometrischen Verhältnissen entstehen. Diese "Bruttogleichung" gibt keinerlei Aufschluß über den Reaktionsmechanismus. Der Reaktionsmechanismus ist der tatsächliche molekulare Ablauf einer Reaktion von den Edukten über reaktive Zwischenstufen zu den Produkten. Die grundlegenden Reaktionen der organischen Chemie verlaufen nach relativ wenigen, für bestimmte Stoffklassen typischen Mechanismen. Für Alkane typisch ist z. B. die radikalische Substitution, deren Mechanismus und Merkmale anhand der Halogenierung des Methans und anderer Alkane im folgenden behandelt werden.
3.1 Mechanismus der Chlorierung des Methans Die in der Gasphase durchgeführte Chlorierung des Methans verläuft über kurzlebige Radikale als reaktive Zwischenstufen. Radikale sind Atome oder Gruppen mit ungepaarten Elektronen, die durch ihren Paramagnetismus nachweisbar sind. Die Bruttogleichung der Chlorierung des Methans beschreibt zunächst nur, daß aus Methan und Chlor (1 : 1) Chlormethan und Chlorwasserstoff (1 : 1) entstehen. CH 4
+
hp
Cl2
CH3Cl + Chlormethan
HCl
Tatsächlich ist die Chlorierung des Methans ein Zusammenwirken dreier Teilreaktionen, der Startreaktion, den Kettenreaktionen und den Abbruchreaktionen. ̈" Startreaktion: Ein Chlor-Molekül spaltet photolytisch oder thermisch in zwei Chlor-Radikale (= Chlor-Atome, Homolyse der Chlor-Chlor-Bindung, Photodissoziation). hp oder hohe Temperatur
Cl2
2 Cl
Die hochreaktiven Cl-Atome (Cl-Radikale, Cl.) lösen eine Folge von zwei Kettenreaktionen aus. ̈" Kettenreaktionsschritt 1: Ein Chlor-Atom und ein Methan-Molekül reagieren zu einem Chlorwasserstoff-Molekül und einem Methyl-Radikal. Cl
̈
+
CH4
HCl
+
CH3
Kettenreaktionsschritt 2: Das Methyl-Radikal reagiert mit einem Chlor-Molekül; es entstehen Chlormethan und ein neues Chlor-Atom (Radikal). CH 3
+
Cl2
CH3Cl
+
Cl
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42
3 Radikalische Substitution
Das in Schritt 2 erzeugte Chlor-Atom reagiert mit einem neuen Methan-Molekül nach Schritt 1 zu Chlorwasserstoff und einem weiteren Methyl-Radikal, das in Schritt 2 erneut Chlormethan und ein Chlor-Atom erzeugt und so die Reaktionskette fortsetzt. Die Spaltung eines einzigen ChlorMoleküls durch ein Lichtquant löst demnach eine Folge von Reaktionen aus (Kettenreaktion). Jeder Kettenreaktionsschritt erzeugt außer einem Produkt (HCl, CH3Cl) ein neues reaktives Radikal (. Cl, . CH3). Unter günstigen Bedingungen kann ein Lichtquant einige tausend Reaktionsfolgen 1 und 2 auslösen. Die Photochlorierung verläuft dann mit einer hohen Quantenausbeute, da ein Lichtquant die Bildung von sehr vielen Chlormethan-Molekülen einleiten kann. Bei kontinuierlicher Prozeßführung (Durchflußreaktoren) und genügend großen Mengen an Edukten kann die Reaktion beliebig lange in Gang gehalten werden. Start und Kette werden besonders prägnant durch das folgende Schema zusammengefaßt: Edukte
Cl2
CH 4
intermediäre Radikale
Cl2
Cl
CH4
CH 3
Produkte
Cl2
Cl
HCl
CH3
CH 3Cl
Cl
HCl
CH3Cl
Jede Reaktionskette endet jedoch irgendwann infolge einer radikalvernichtenden Ketten-Abbruchreaktion, z. B. durch Rekombination, Adsorption, Disproportionierung von Radikalen oder durch Bildung weniger reaktiver Radikale. ̈"
Rekombination von Radikalen Cl
̈
+
Cl
Cl2
H 3C
+
CH 3
H 3C CH 3
H3C
+
Cl
H3C Cl
Adsorption von Radikalen an der Gefäßwand R
̈
Radsorbiert
Disproportionierung höherer Alkyl-Radikale C2H 5
+
C 2H5
H3C CH 3
Ethyl-Radikale
̈
+
H2C=CH2
Ethan
Ethen
Reaktionen mit S-Verbindungen (Radikalfänger) unter Bildung wenig reaktiver Radikale R
+
R*SH
RH
+
R*S
Auch nicht produktive Zusammenstöße, bei denen lediglich kinetische in Schwingungs- und Rotationsenergie umgesetzt wird, bremsen die Reaktionsfolge. Nicht produktiv sind ferner Austauschreaktionen, bei denen sich die Edukte zurückbilden: Cl*
+
Cl2
Cl*Cl
+
Cl
CH3*
+
CH4
CH4*
+
CH 3
Zwar sind alle Einzelschritte exotherm, so daß Wärme frei wird; jedoch müssen die Ansätze der Photochlorierung und Photobromierung ständig belichtet oder erhitzt werden, um gute Ausbeuten
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3.2 Energetische Betrachtung der Photohalogenierung
43
nach kurzen Reaktionszeiten zu erzielen. Photohalogenierungen können durch Strahlungsintensität und Temperatur sowie durch Inhibitoren geregelt werden. Inhibitoren wie SchwefelVerbindungen, Stickstoffmonoxid, Iod oder der als Biradikal vorliegende Sauerstoff reagieren mit Alkyl-Radikalen zu weniger reaktionsfähigen Radikalen (im Fall von O2 zu AlkylperoxyRadikalen). Auch sie führen zum Kettenabbruch und leiten kurz nach ihrem Zusatz eine Inhibierungsperiode ein, die mit fortschreitendem Abreagieren des Inhibitors abklingt (Abb. 3.1). CH 3
+
O CH3 O Methylperoxy-Radikal
_ _ O _ O _
O2 - Zusatz
% Ausbeute an Chlormethan
Inhibierungsperiode
Zeit
Abb. 3.1. Inhibierung bei Radikal-Reaktionen
3.2 Energetische Betrachtung der Photohalogenierung 3.2.1
Aktivierungsenergie und Reaktionswärme
Bei energetischen Betrachtungen chemischer Reaktionen ist stets von Reaktionswärme und Aktivierungsenergie die Rede. Die Reaktionswärme FH ist der Energieunterschied in kJ/mol zwischen den Energieinhalten der Edukte (Reaktanten) und der Produkte; im Energiediagramm entspricht FH dem Unterschied zwischen zwei Energieminima. Die Aktivierungsenergie FGC ist der Energieunterschied in kJ/mol zwischen den Energieinhalten der Edukte (Minimum an potentieller Energie) und einem nach Zusammenstoß der Reaktanten gebildeten Übergangszustand (Maximum an potentieller Energie). FGC ist temperaturabhängig. Bei einer exothermen Reaktion gilt: Epot (Edukte)
> Epot (Produkte) , FH negativ
Bei einer endothermen Reaktion gilt umgekehrt: Epot (Edukte)
3.2.2
< Epot (Produkte) , FH" positiv und FH" < FEA
Startreaktion
Die homolytische Spaltung eines Halogen-Moleküls in zwei Halogen-Atome erfordert die Dissoziationsenergie FJ" der Halogen-Halogen-Bindung. Die Startreaktion ist also endotherm, und die zur Homolyse erforderliche Energie wird durch Bestrahlung (Energie der Photonen) oder Erhitzen (thermische Energie) aufgebracht. FJ" aller Halogen-Bindungen liegt über 125 kJ/mol (Abb. 3.2).
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44
3 Radikalische Substitution
Daher können bei Temperaturen unter 100 °C infolge unzureichender kinetischer Energie keine Halogen-Radikale erzeugt werden. Eine Kettenstart-Reaktion ist im Dunkeln und bei Raumtemperatur nur über spezielle Ketten-Initiatoren erreichbar. Im Falle einer Homolyse ist die endotherme (positive) Reaktionswärme FJC identisch mit der Bindungsdissoziationsenergie FJ und zugleich Aktivierungsenergie FGC. Die Rekombination 2X. zu X2 erfordert keine Aktivierungsenergie und verläuft exotherm (FJ negativ, FGC = 0, Abb. 3.2). Die individuellen Bindungsdissoziationsenergien FJ der Halogene erklären keineswegs die sehr unterschiedlichen Reaktivitäten (F2 >> Cl2 > Br2 >> I2). Trotz relativ ähnlicher FJ-Werte ist Fluor extrem reaktiver als Iod. Epot
FH F/F FH Cl/Cl FH Br/Br FH I/I
2X
= 155 kJ / mol = 243 kJ / mol = 193 kJ / mol
X2
FH = FEA
2X
= 151 kJ / mol
X X Reaktionskoordinate
Abb. 3.2. Radikalische Halogenierung des Methans: Energiediagramm der Startreaktion
3.2.3
Übergangszustände der Kettenreaktionsschritte
Im Kettenreaktionsschritt 1 der Photochlorierung des Methans Cl
+
CH4
HCl
+
CH3
müssen die beiden Reaktanten Methan und Chlor-Atom mit genügend großer kinetischer Energie zusammenstoßen, um die VAN-DER-WAALS-Abstoßungskräfte zwischen ihren Elektronenhüllen zu überwinden. Es liegt also eine Energiebarriere zwischen den Edukten und Produkten dieser Teilreaktion. Diese Aktivierungsenergie FGC ist für Schritt 1 mit 17 kJ/mol relativ klein (Abb. 3.3 a). Die Kollision führt zu einem instabilen, nicht isolierbaren Übergangszustand (Übergangskomplex), in dem eine CH-Bindung des Methans gerade gespalten, während eine H/Cl-Bindung gerade geknüpft wird. Der Übergangszustand ist labil, erscheint daher im Energiediagramm (Abb 3.3 a) auf einem Maximum. H H
H C
H
H Methan mit sp3-hybridisiertem C-Atom
+
Cl
H
H
H
C H Cl
C
H
H
sp2-Übergangszustand mit nicht lokalisiertem ungepaartem Elektron
+
HCl
Methyl-Radikal mit sp2-hybridisiertem C-Atom und einfach besetztem p-Orbital
Zerfällt der Übergangszustand in die Produkte Methyl-Radikal und Chlorwasserstoff, so war der Zusammenstoß produktiv; zerfällt er vor Erreichen des Maximums wieder in die Edukte, so war die kinetische Energie der Kollision nicht ausreichend, der Stoß war unproduktiv.
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3.2 Energetische Betrachtung der Photohalogenierung
45
Abb. 3.3 a zeigt, daß Kettenreaktionsschritt 1 mit FJ = / 4 kJ/mol exotherm ist, d. h. die Produkte energieärmer (thermodynamisch stabiler) sind als die Edukte. Daraus folgt auch, daß die Rückreaktion eine größere Aktivierungsenergie (21 kJ/mol) erfordert als die Hinreaktion (17 kJ/mol). Ferner ist die Rückreaktion mit FJ = + 4 kJ/mol endotherm. Das Reaktionsgleichgewicht des Schrittes 1 liegt also auf der Produkt-Seite. Für Kettenreaktionsschritt 2 ergibt sich das Energiediagramm (Abb. 3.3 b) aus dem Energiebedarf für die Cl2-Dissoziation, der Energiefreisetzung durch die Bildung des Chlormethans und einer Aktivierungsenergie von FGC4 = 4.2 kJ/mol. H
H
H +
C
Cl
Cl
H
H H C
C Cl Cl H
H sp2, planar
sp2 / sp3 -Übergangszustand mit nicht lokalisiertem ungepaartem Elektron
H3C
+
Cl2
Cl
+
Cl
H sp3, tetraedrisch
CH3Cl
+
Cl
Energieverbrauch: FH = 243 kJ/mol Energiefreisetzung: FH = / 339 kJ/mol Reaktionswärme: FH = / 96 kJ/mol
Epot
[ H 3C Cl
Cl ] Übergangszustand
FEA2
Epot [ H 3C H Cl ]
Übergangszustand
H3C + Cl2 Edukte
FEA1 = 17 kJ / mol
~ ~
FH2 = / 96 kJ / mol
CH4 + Cl Edukte
FH1 = / 4 kJ / mol
CH3 + HCl Produkte Reaktionskoordinate
(a) Kettenreaktionsschritt 1
H 3C Cl + Cl Produkte Reaktionskoordinate
(b) Kettenreaktionsschritt 2
Abb. 3.3. Radikalische Chlorierung des Methans: Energiediagramme der Kettenreaktionsschritte 1 und 2 (a) und (b)
Nach Kenntnis aller Teilschritte (Startreaktion und Kettenreaktionen 1 und 2) läßt sich in Abb. 3.4 (S. 46) das Energiediagramm der Gesamtreaktion zusammenfassend darstellen. Man sieht, daß die Startreaktion einen hohen Energiebetrag erfordert, während die Folgeraktionen 1 und 2 in der Kette nur einer geringen Aktivierung bedürfen. Rückreaktionen sind unwahrscheinlich angesichts ungünstig hoher Aktivierungenergien. Die meisten Kettenabbruch-Reaktionen verlaufen indessen sehr leicht, da Kombinationen von Radikalen zu Molekülen nahezu keine Aktivierungsenergie erfordern.
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46
3 Radikalische Substitution
Epot
+ CH4
Cl2
Cl
/ HCl
+ Cl2
CH3
/ CH3Cl
Cl
FEA1
FEA2
FH1
~ ~
FH = FEA
Startreaktion
Kettenreaktion 1
FH2
~ ~
Kettenreaktion 2 Reaktionskoordinate
Abb. 3.4. Radikalische Chlorierung des Methans: Energiediagramm der Gesamtreaktion
3.3 Reaktionsgeschwindigkeit 3.3.1
Äußere Einflüsse
Makroskopisch und praktisch ist die Reaktionsgeschwindigkeit die pro Zeiteinheit erzeugte Produktmenge (mol/s). In der Stoßtheorie wird die Reaktionsgeschwindigkeit als die Anzahl produktiver Zusammenstöße pro Zeiteinheit definiert. Sie ist das Produkt dreier Faktoren, deren Größe von den Reaktionsbedingungen, dem Reaktionstyp und der Konstitution der Edukte abhängt: Reaktionsgeschwindigkeit = Energiefaktor x Stoßhäufigkeit x Orientierungsfaktor
Der Energiefaktor wird durch die Reaktionstemperatur sowie die Aktivierungsenergie beeinflußt; er gibt den Bruchteil der Stöße mit genügend hoher Energie. Im Reaktionsgefäß bewegen sich Atome und Moleküle mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Bei jeder Temperatur T1 stellt sich eine mittlere Verteilung der Teilchengeschwindigkeiten ein (MAXWELL-Geschwindigkeitsverteilung, Abb. 3.5). Bei höherer Temperatur T2 findet man eine breitere Streuung der Geschwindigkeiten. Da nur solche Teilchen reagieren, die mindestens eine Energie der Größenordnung von FGC besitzen, erhöht sich die Anzahl produktiver Stöße und damit die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Temperatur. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k ist nach der ARRHENIUS-Gleichung (lg k = A / B/T) eine Funktion des Druckes und der Temperatur. Eine Zunahme der Temperatur um 10 °C steigert
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3.3 Reaktionsgeschwindigkeit
47
die Geschwindigkeitskonstante um Faktor 1.3 bis 5. Wegen des exponentiellen Zusammenhangs zwischen der Temperatur, FGC und der Geschwindigkeitskonstanten k = k0 . e/"FGC / kT genügen geringe Temperaturänderungen, um die Zahl produktiver Stöße stark an- oder abschwellen zu lassen. FNE
T1
Temperatur T2 > T1
N Anzahl der Moleküle mit einer bestimmten kinetischen Energie
T2
FEkin < FEA
EA
FEkin > FEA
Ekin
Abb. 3.5. MAXWELL-Geschwindigkeitsverteilung
Die Stoßhäufigkeit hängt von der Edukt-Konzentration, der Geschwindigkeit und Größe der Moleküle ab. Große Moleküle stoßen häufiger zusammen als kleine. Nicht jeder Stoß mit genügend großer Energie (Ekin > FGC) führt zur Reaktion. Bei der Methan-Chlorierung muß z. B. das ChlorAtom direkt auf ein H-Atom des Methans treffen, um ein Eintauchen der Orbitale ineinander und damit eine Reaktion zu ermöglichen. H
H H C
H
Cl
H produktiver Stoß - günstig zur gerichteten Bildung einer Bindung
H C H
Cl
H unproduktiver (elastischer) Stoß ungünstige Orientierung
Diese Zusatzbedingung wird als Orientierungs- oder sterischer Faktor bezeichnet. Im Falle höherer Alkane tragen auch zusätzliche Freiheitsgrade der Molekülbewegung (z. B. Rotation um oder Schwingungen von CC-Bindungen) zum sterischen Faktor bei.
3.3.2
Geschwindigkeitsbestimmender Schritt der Photohalogenierung
Im Falle der Photochlorierung des kleinen kugelförmigen Moleküls Methan fallen Stoßzahl und Orientierungsfaktor weniger ins Gewicht als der Energiefaktor. Daraus ergibt sich, daß der geschwindigkeitsbestimmende Schritt (der langsamste) in der Kettenreaktion derjenige mit der höchsten Aktivierungsenergie FGC ist. Obwohl die Startreaktion den höchsten FGC-Wert erfordert, ist sie nicht geschwindigkeitsbestimmend, da in einer Kette von mehreren hundert Folgereaktionen dieser erste Schritt an Bedeutung verliert. Vielmehr ist bei der Photohalogenierung des Methans die Bildung der Methyl-Radikale, also Schritt 1 geschwindigkeitsbestimmend. Schritt 2 verläuft wieder rasch, da die reaktiven Methyl-Radikale mit allen Halogen-Molekülen ohne größere Aktivierungsenergie zu Halogenmethan und Halogen-Atom abreagieren.
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48
3.3.3
3 Radikalische Substitution
Relative Reaktionsgeschwindigkeiten der Photohalogenierung
Die unter identischen Reaktionsbedingungen (Temperatur, Druck, molares Verhältnis der Edukte) ermittelten Energiewerte aller Teilreaktionen der Photohalogenierung des Methans sind in Tab. 3.1 zusammengestellt. Die Aktivierungsenergien der Startreaktionen (FGC3) und die Reaktionswärmen FJ3.4 zeigen, daß die Reaktivität in der Folge F2 >> Cl2 > Br2 >> I2 abnimmt. Ein Anstieg von FGC3 verzögert ja zusätzlich den geschwindigkeitsbestimmenden Kettenreaktionsschritt 1. Tab. 3.1. Energiebilanzen der Halogenierung von Methan (FJ" und FGC in kJ/mol) Startreaktion X2
2X
FEA = FH Fluorierung Chlorierung Bromierung Iodierung
+ 155 + 243 + 193 + 151
Kettenreaktionsschritt 1 X
+
FHCH3-H + 427 + 427 + 427 + 427
CH4
FHH/X - 566 - 432 - 365 - 297
CH3
FEA1 + 4.2 + 16.8 + 75.4 + 129.9
Kettenreaktionsschritt 2 +
HX
CH 3
FH1
FHX/X FHCH3-X
- 138.3 - 4.2 + 62.9 + 129.9
+ 155 + 243 + 193 + 151
+
X2
- 453 - 339 - 281 - 222
CH3X
FEA2 + + + +
4.2 4.2 4.2 4.2
+
FH2 - 297 - 96 - 88 - 71
X
Reaktionswärme von 1+2
Reaktionsverlauf
FH1,2 - 436 - 101 - 25 - 59
heftig stark mäßig keine R.
Tatsächlich verläuft die Fluorierung äußerst heftig und stark exotherm. Eine hohe Dissoziationsenergie erschwert zwar den Start der Chlorierung, aber die Kettenlänge ist dafür relativ groß. Bromierungen lassen sich leichter starten, verlaufen aber über kürzere Reaktionsketten. IodAtome lassen sich am leichtesten erzeugen, aber eine Kettenreaktion kommt nicht in Gang.
3.4 Regioselektivität der Monohalogenierung Die Halogenierung höherer unverzweigter oder verzweigter Alkane führt meist zu einem Gemisch isomerer Monohalogenalkane neben Polyhalogenalkanen. Eine quantitative Analyse der Reaktionsprodukte (Tab. 3.2) zeigt, daß die relativen Ausbeuten der isomeren Produkte nicht der statistisch erwarteten Verteilung entspricht, die von einer gleichen Reaktivität aller H-Atome des Alkans gegenüber Halogen ausgehen würde. Bevorzugt sind vielmehr Substitutionen an tertiären und sekundären C-Atomen zu Lasten der Substitution an Methyl-Gruppen. Demnach kann zwar ein Chlor-Atom alle H-Atome eines Alkans mit gleicher Wahrscheinlichkeit treffen; jedoch sind Zusammenstöße mit H am tertiären C produktiver als mit H am sekundären oder primären C. Zusätzlich zum Energiefaktor spielt hier der Orientierungsfaktor eine wesentliche Rolle. Wird bei einer Reaktion wie der Photochlorierung des Butans (Tab. 3.2) von mehreren möglichen konstitutionsisomeren Produkten (1-Chlorbutan und 2-Chlorbutan) ein Isomer begünstigt (2Chlorbutan, Tab. 3.2), so spricht man von Regioselektivität (bevorzugte Orientierung einer Reaktion). Die Regioselektivität kann in Grenzen durch Wahl der Reaktionsbedingungen gesteuert werden. So bewirkt eine durch Erhöhung der Temperatur erzwungene höhere kinetische Energie der Moleküle im Falle der Chlorierung des Butans auch eine größere Zahl produktiver Zusammenstöße mit den Methyl-H-Atomen, so daß mehr 1-Chlorbutan entstehen wird. Grenzen setzt die Reaktivität des Halogens, wie das Beispiel der Halogenierung des Propans klar macht. So verläuft die Fluorierung auch bei tiefen Temperaturen heftig und unselektiv; die Chlorierung ist bei Raumtemperatur schwach selektiv, die Bromierung auch bei höherer Temperatur hochselektiv zugunsten des 2-Halogenpropans. Iod reagiert überhaupt nicht. Daraus ergibt sich die Vorhersage, daß
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3.5 Relative Stabilität von Alkyl-Radikalen
49
große Reaktivität (FGC klein) zu geringer, schwache Reaktivität (FGC groß) zu großer Selektivität führt. Tab. 3.2. Orientierung der Monosubstitution höherer Alkane und relative Ausbeuten der Isomeren Cl
+ Cl2
H 3C CH2 CH3
/"HCl
gefunden: erwartet :
H3C CH 2 CH 2 Cl 45 % 75 %
+
H3C CH 2 CH 2 CH2 Cl
+
CH 3
/"HCl
gefunden: erwartet :
H 3C CH CH2 CH 3
25 % 60 %
75 % 40 %
gefunden: erwartet :
1° : 2° ~ 6 : 15 1° : 2° ~ 6 : 4
+ H3C C CH3
H 3C CH CH2 Cl
/"HCl
oder
CH 3
CH3
+ Cl2
H3C CH CH 3
1° : 2° ~ 6 : 7 1° : 2° ~ 6 : 2
Cl
+ Cl2
H 3C CH2 CH2 CH 3
H 3C CH CH3 55 % oder 25 %
Cl 36 % 10 %
64 % 90 %
oder
1° : 3° ~ 9 : 5 1° : 3° ~ 9 : 1
3.5 Relative Stabilität von Alkyl-Radikalen 3.5.1
Relative Stabilität und Energiegehalt
Ein Vergleich der Bindungs-Dissoziationsenergien FJ" zeigt, daß der Energiebedarf zur Homolyse einer CH-Bindung mit zunehmender Alkylierung am C abnimmt: CH3/H 427
>
RCH2/H 406
>
R2CH/H 394
>
R3C/H 381
C/H-Bindung FH" [kJ/mol]
Folglich bilden sich tertiäre Alkyl-Radikale viel leichter (FGC kleiner) als Methyl-Radikale (FGC größer). Tertiäre Alkyl-Radikale sind energieärmer und damit stabiler als Methyl-Radikale. Die energiereichen und damit labilen Methyl-Radikale zeigen aber die größte Reaktivität. Insgesamt nimmt mit abnehmender Alkylierung der Radikale die Stabilität ab und die Reaktivität zu. . CH3
/OR 2 > "/F > /OR > "/NR 2 Halogene Alkinyl- , Aryl- , Alkenyl-Gruppen Nitro- und Sulfonyl-Gruppen
CarbonylGruppen
"/F > /Cl > "/Br > /I
O
O C > OH
O C > OR
Substituenten, die u-Bindungselektronen an die RingC-Atome schieben, sind weniger elektronegativ als H
_ N _ R >
_ OI _
Alkyl-Gruppen
C C R > /C 6H 5 > /CR CR 2 O > N O
f/ fC Y (-) - I -Effekt
"/C(CH 3)3 > /CH(CH 3)2 > "/CH 2CH 3 > /CH 3
S O OH O C > H
O C R
Halogenalkyl"/CCl3 > /CHCl2 > "/CH 2Cl >> /CH 2CH 2Cl Gruppen
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134
10 Benzoide Aromaten
(-)-I- und (/)-I-Effekte erhöhen bzw. erniedrigen die Basizität (Nucleophilie) des Benzen-Kerns und aktivieren bzw. desaktivieren diesen somit gegenüber Elektrophilen, was zunächst noch keine Vorhersage der Orientierung einer Zweitsubstitution ist.
10.4.4
Mesomere Effekte von Substituenten am Benzen-Kern
Das Dipolmoment einer funktionellen Gruppe hängt davon ab, ob der Substituent an einen Alkyloder Aryl-Rest gebunden ist (Tab. 10.5). Tab. 10.5. Dipolmomente (o [Debye]) von Substituenten an Ethan und Benzen (Gasphasen-Messungen) Substituent X
C2H 5
X
C 6H5 X
Vergleich
/OH /Cl /Br
1.69 2.05 2.01
1.4 1.7 1.73
oAryl < oAlkyl
/NH2 /OCH 3 /COCH3 /NO2 /CN
1.2 1.22 2.78 3.68 4.0
1.48 1.35 3.0 4.21 4.39
oAryl > oAlkyl
Diese Unterschiede erklärt der mesomere Effekt (konjugativer Effekt, engl. resonance effect) . Darunter versteht man die Polarisierung von r-Bindungen durch Fähigkeit eines Substituenten, Elektronenpaare mit der Doppelbindung eines Alkens bzw. mit dem r-Elektronensextett des Benzens auszutauschen. Eine derartige Wechselwirkung ist möglich, wenn die p-Orbitale der Ring-CAtome mit den Orbitalen der Substituenten überlappen können. Günstige Überlappungsbedingungen sind gegeben, wenn der Substituent ebenfalls p-Orbitale bereitstellt. Mesomere Effekte haben eine größere Reichweite als induktive Effekte.
̈ Mesomerie der Halogenbenzene Die verschiedenen Reaktivitäten und physikalischen Eigenschaften aromatischer und aliphatischer Halogen-Verbindungen lassen sich nur teilweise durch Beteiligung mesomerer Grenzformeln (c), (d) und (e) am Grundzustand des Brombenzens erklären. Diese Grenzformeln berücksichtigen eine Wechselwirkung eines der drei nichtbindenden 3p-Elektronenpaare des Brom-Atoms mit den r-Elektronen des Benzen-Kerns (2p-Elektronen). Allerdings ist der daraus resultierende Doppelbindungsanteil der Kohlenstoff-Brom-Bindung gering. _ IBrI
_ IBrI
_ IBr
_ IBr
_ IBr
_ I BrI
(a )
(b )
(c )
(d )
(e)
Brombenzen
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10.4 Benzen-Derivate durch elektrophile Substitution
135
Infolge dieser Wechselwirkung werden dem Benzen-Kern Elektronen durch Mesomerie zugeführt (-); daher spricht man vom (-)-M-Effekt. Die CCl-Bindungslänge des Chlorbenzens entspricht mit 169 pm der des Chlorethens (169 pm) und ist deutlich kürzer als in Chlorethan (176 pm). Dies ist hauptsächlich die Folge der unterschiedlichen C-Hybridisierung in Vinyl- und Arylhalogeniden einerseits (kompakte sp2-Hybridorbitale) und in Halogenalkanen andererseits (weiter reichende sp3-Hybridorbitale). Der (-)-M-Effekt der Halogene nimmt von Fluor zum Iod ab entsprechend einer zunehmend schlechter werdenden Überlappung der 2p-, 3p-, 4p- und 5p- Halogenorbitale mit den Ring-CAtomen. In der gleichen Folge sinkt der (/)-I-Effekt der Halogene infolge abnehmender Elektronegativitäten. Wegen großer Elektronegativitäten dominiert der (/)-I-Effekt der Halogene über ihrem (-)-M-Effekt [(-)-M < (/)-I]. Daher wirken Halogene insgesamt elektronenanziehend.
̈ Mesomerie aromatischer Amine Die Dipolmomente aromatischer Amine wie Anilin (o = 1.6 D) sind größer als die aliphatischer Amine (o = 1.0 – 1.4 D). Wie beim Brom- oder Chlorbenzen kann im Anilin das nichtbindende ("freie") Elektronenpaar auf dem Stickstoff-2p-Orbital mit dem r-Elektronensextett des PhenylRestes wechselwirken: INH2
INH 2
NH2
NH2
INH 2
NH 2 Anilin
Der (-)-M-Effekt der Amino-Gruppe dominiert [(-)-M > (/)-I]. Somit wirkt die Amino-Gruppe trotz höherer Elektronegativität des Stickstoffs aktivierend, da durch die Elektronenzufuhr die Basizität (Nucleophilie) des Phenyl-Restes erhöht wird. Entsprechend kehrt sich die Richtung des Dipolmomentes gegenüber Chlorbenzen um.
̈ Mesomerie des Nitrobenzens Das Dipolmoment des Nitrobenzens ist beträchlich höher als das eines Nitroalkans. Nitro-Gruppen haben einen sehr großen (/)-I-Effekt, da der Stickstoff aufgrund der semipolaren N/O-Bindung partiell positiv geladen ist. Der große (/)-I-Effekt einer Nitro-Gruppe kooperiert mit einem starken (/)-M-Effekt, da das 2pOrbital des Stickstoffs bei Koplanarität günstig mit dem Phenyl-Kohlenstoff überlappen kann. Die Nitro-Gruppe ist daher stark elektronenziehend [(/)-M und (/)-I], was die Basizität (Nucleophilie) des Phenyl-Restes stark erniedrigt. Im Vergleich zu Anilin kehrt sich die Richtung des hohen Dipolmoments daher um (Tab. 10.5). O
N
O
O
N
O
O
N
O
O
N
O
O
N
O
NO2 Nitrobenzen
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136
10 Benzoide Aromaten
Tab. 10.6 gibt eine Übersicht der positiven und negativen mesomeren Effekte häufiger Substituenten. Mesomere Substituenteneffekte bestimmen hauptsächlich den Grundzustand des Moleküls. Das chemische Verhalten substituierter Benzene wird durch mesomere, induktive und auch sterische Effekte geprägt.
Tab. 10.6. Substituenten mit (-)-M - und (/)-M- Effekt (-) - M - Substituenten (Elektronenpaar-Donoren)
(/) - M - Substituenten (Elektronenpaar-Akzeptoren) O
/NR 2 > /OR > /F
>
NR' C > R
CR'2 C R
> H
O C Cl
O C OR
O
O
C R O
/O
/F
> /OR
> /OR2
> /Cl > /Br > /I
C
N
> O
>
>
O C NR2
O >
O O
O
S OH >
S R
O
O
C
>
C N
>
S NR 2 O
10.5 Regioselektivität elektrophiler Zweitsubstitutionen Der Substituent eines monosubstituierten Benzens prägt einerseits dessen Reaktivität gegenüber einem Elektrophil. Je nach Wirkung der Substituenteneffekte auf die Nucleophilie des BenzenRings unterscheidet man zwischen aktivierenden und desaktivierenden Substituenten. Andererseits steuert der Erstsubstituent auch die Regioselektivität der Zweitsubstitution, indem er das Elektrophil in bestimmte Positionen dirigiert; es gibt ortho (o)- und para (p)- sowie meta (m)dirigierende Erstsubstituenten. Experimentelle Resultate vieler elektrophiler Zweitsubstitutionen am Benzen-Kern ordnen die Erstsubstituenten drei Klassen zu: ̈ ̈ ̈
Substituenten, die aktivieren und ortho und para dirigieren (Beispiel: /OH); Substituenten, die desaktivieren und meta dirigieren (Beispiel: /NO2); Substituenten, die desaktivieren und ortho und para dirigieren (Beispiel: /Cl).
Tab. 10.7 gibt eine Übersicht der Klassenzugehörigkeit häufiger Erstsubstituenten in Bezug auf die elektrophile aromatische Zweitsubstitution. Eine Methyl-Gruppe dirigiert demnach den Zweitsubstituenten in o- und p-Stellung, eine NitroGruppe dagegen in m-Stellung, wie die Nitrierungsprodukte des Toluens und Nitrobenzens zeigen (vgl. auch Abb. 10.1):
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10.5 Regioselektivität elektrophiler Zweitsubstitutionen
NO2
konz. HNO3 , H2SO4 , 60 °C
CH3
137
CH3
konz. HNO3 , H2SO4 , 30 °C
CH3
CH3
NO2
O2N NO2
gefunden (statistisch erwartet)
NO2
52 % (40 %)
4 % (40 %)
NO2
konz. HNO3 , H2SO4 , 10 °C
44 % (20 %)
NO2
NO2
NO2
O2N NO2
gefunden (statistisch erwartet)
6 % (40 %)
93 % (40 %)
1 % (20 %)
Tab. 10.7. Mesomere und induktive Effekte von Erstsubstituenten am Benzen-Ring sehr stark
O
(/) - I , (-) - M
NR2 ElektronenpaarDonoren
NHR stark
NH2 OH
= (-) - M - Substituenten
OR = aktivierende Substituenten:
mäßig stark
(/) - I < (-) - M
OCOR NHCOR
Kern wird stärker nucleophil
NHCHO schwach
C 6H5 CH3
(-) - I
CR3
F (~H) Cl, Br, I
(/) - I > (-) - M
CH CH CO2H ElektronenpaarAkzeptoren
schwach
CH CH NO2 COR CHO
= (/) - M - Substituenten
CO2R
= desaktivierende Substituenten:
CO2H
(/) - I , (/) - M
SO3H
Kern wird weniger nucleophil
stark
CN NO2 NH3
sehr stark
(/) - I
NR3
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138
10 Benzoide Aromaten
Abb. 10.1 illustriert den dirigierenden Einfluß einer größeren Anzahl von Erstsubstituenten auf die Nitrierung. Dabei sollen unterschiedliche Pfeillängen die relative Verteilung der regioisomeren Produkte andeuten.
OH CH(CH 3)2 CH 2CH 3 NHCOCH 3 CH 3 CH 2CH2NO2 CH2Cl
aktivierend
CH 2NO2
ortho- und para- dirigierend
CHCl2
F Cl Br I
meta- dirigierend COCH 3
desaktivierend CCl3 SO3H CN NO2 N(CH3)3
Abb. 10.1. Dirigierender Einfluß von Erstsubstituenten bei der Nitrierung (Regioselektivität der Nitrierung monosubstituierter Benzene)
10.6 Darstellung von Alkylbenzenen 10.6.1
Alkylierung nach FRIEDEL-CRAFTS
Neben der Isolierung aus Steinkohle und Petroleum oder der katalytischen Aromatisierung von Alkanen ist besonders die Alkylierung von Aromaten mit Halogenalkanen, Alkoholen oder Alkenen zur Gewinnung alkylsubstituierter Benzene von Bedeutung. Über die Möglichkeiten zur Darstellung monoalkylsubstituierter Benzene orientiert Tab. 10.8. LEWIS-Säuren als Katalysatoren führen zur Bildung des Elektrophils. Da ein bereits am Benzen-
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10.6 Darstellung von Alkylbenzenen
139
Ring vorhandener Alkyl-Rest den Kern gegenüber einer weiteren Substitution aktiviert, isoliert man bei FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen oft Mischungen polysubstituierter Produkte. Um die Reaktion bei der Monosubstitution anzuhalten, setzt man einen Überschuß an Benzen ein. Tab. 10.8. FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen des Benzens
Edukte C6H6 3 C6H6 3 C6H6 C6H6 C6H6 C6H6 C6H6 2 C6H6 C6H6
Katalysator(en)
H5C6/CH2/Cl CHCl3 CHCl4 H2C=CH2 H2C=CH2/CH3 H2C=C(CH3)2 C6H12 (Cyclohexen) ClCH2/CH2Cl C6H5/CH=CH2
+ + + + + + + + +
AlCl3 AlCl3 AlCl3 AlCl3, HCl H3PO4 oder HF H2SO4 HF oder H2SO4 AlCl3 AlCl3, HCl
Produkte H5C6/CH2/C6H5 (C6H5)3CH (C6H5)3CCl C6H5/CH2/CH3 C6H5/CH(CH3)2 C6H5/C(CH3)3 C6H5/C6H11 C6H5/CH2/CH2/C6H5 (C6H5)4CH/CH3
Diphenylmethan Triphenylmethan Triphenylchlormethan Ethylbenzen Cumen (Cumol) t-Butylbenzen Cyclohexylbenzen Dibenzyl 1,1-Diphenylethan
Wie einige Methylierungen zeigen, lassen sich Polyalkylbenzene einfach durch einen Überschuß an Elektrophil erhalten. Es ist sogar möglich, in das durch den (-)-I-Effekt stark aktivierte Hexamethylbenzen (hohe Elektronendichte) eine siebte Methyl-Gruppe einzuführen. Man isoliert ein relativ stabiles Phenonium-Salz.
AlCl3
+
CH 3 CH 3
CH 3 CH 3
H3C Cl
AlCl4
Hexamethylbenzen
10.6.2
CH3 CH3
Heptamethylphenonium-Salz
Transalkylierung und thermodynamische Kontrolle von Alkylierungen
FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen sind reversibel. Daher lassen sich Alkyl-Reste von Alkylbenzenen durch Erhitzen in Gegenwart von AlCl3 auf andere Benzen-Kerne übertragen. Erhitzen von Toluen mit AlCl3 führt z. B. zu einer Mischung aus Benzen, Toluen, Xylenen und geringen Mengen höher methylierter Benzene. Unter relativ milden Reaktionsbedingungen sind Alkyl-Gruppen ortho- und para-dirigierend. Bei höherer Temperatur oder in Gegenwart starker LEWIS-Säuren entstehen dagegen bevorzugt die thermodynamisch stabileren meta-substituierten Alkylbenzene: AlCl3 , 0 °C , kinetisch kontrolliert / 3 HCl
+
3 H 3C Cl AlCl3 , 100 °C , thermodynamisch kontrolliert / 3 HCl
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140
10 Benzoide Aromaten
Bei der Ethylierung des Benzens nach FRIEDEL-CRAFTS findet man bei tiefer Temperatur das thermodynamisch stabilere meta-Triethylbenzen. AlCl3 , 0 °C, 24 h
+
3 H 3C CH 2 Br
Thermodynamisch kontrolliert ist auch die Umwandlung der drei Xylene in Gegenwart von Fluorwasserstoff-Bortrifluorid. Diese katalytische Isomerisierung läßt sich durch 1,2-Methid(Methylcarbanion-) Verschiebungen erklären. CH 3 HF / BF3
HF / BF3
H CH 3
BF 4
H intermediäres Phenonium-Salz bei der 2,3-Methyl-Verschiebung des o-Xylens
Da bei FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen intermediär Carbokationen auftreten, sind neben den bereits diskutierten Umlagerungen am Ring auch solche in der Seitenkette möglich (Tab. 10.9). Die stabileren tertiären Carbokationen zeigen eine geringere Reaktivität; die primären reagieren rascher mit dem Ring und neigen daher weniger zu Umlagerungen. Umlagerungen sind jedoch auch nach der Kernsubstitution möglich, da diese Alkylierungen reversibel sind. Allgemein treten Disproportionierungen und Umlagerungen am Kern und im Alkyl-Rest in geringerem Umfang ein, wenn nur schwache LEWIS-Säuren als Katalysatoren eingesetzt werden. Dabei gilt folgende Reihung der LEWIS-Säurestärke: AlCl3 > SbCl3 > FeCl3 > SnCl4 > BF3 > ZnCl2 > HF > H2SO4 (wasserfrei) > P2O5 > H3PO4
Tab. 10.9. Umlagerungen der Seitenkette bei FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen AlCl3
C 6H6
+
H5C 6 CH 2 CH2 CH3
Cl CH 2 CH2 CH3 CH3
C 6H6
+
Cl CH 2 CH CH3
C 6H6
+
HO CH2 C CH3 CH 3
C 6H6
+
Cl C CH 2 CH 3
CH 3
CH 3
AlCl3
+
H5C 6 CH(CH 3)2
CH3 H5C 6 C CH3 CH3
BF3 / 60 °C
CH3 H5C 6 C CH2 CH3 CH3
FeCl3
CH3 H5C 6 C CH2 CH3 CH3
CH 3 AlCl3
H5C 6 CH CH(CH3)2 CH3 C6H 6
+
Cl CH2 CH 2 CH 2 CH3
AlCl3 / 0 °C
H 5C6 CH2 CH 2 CH 2 CH3
CH3 +
H 5C6 CH CH 2 CH3
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10.6 Darstellung von Alkylbenzenen
141
Probleme stellen sich oft bei der Darstellung vicinal alkylierter Benzene aufgrund sterischer Hinderung. Eine t-Butyl-Gruppe am Benzen-Ring schirmt beide ortho-Stellungen sterisch vor elektrophilen Substitutionen ab. Die raumerfüllende t-Butyl-Gruppe läßt sich gut einführen und durch Umalkylierung leicht entfernen. Auf diesem „Umweg“ können auch die sonst schwer zugänglichen 1,2,3-Trialkylbenzene hergestellt werden. C 2H 5
C 2H5 H 3C
CH 3
H3C
(CH 3) 3CCl / AlCl 3
CH3
C2H5Cl / AlCl3
t-Butylierung
H 3C
CH 3
Alkylierung
m-Xylen
m-Xylen / AlCl3
H3C
CH3
Umalkylierung
H3C C CH 3
1,2,3-Trialkylbenzen
H 3C C CH3
CH 3
CH3
Zur Synthese des ebenfalls vicinal substituierten 1,2,3,4-Tetramethylbenzens ("Prehnitol") aus dem 1,2,4,5-Tetramethylbenzen ("Durol") nützt man die Reversibilität der Sulfonierung aus. Die Isomerisierung ist als JACOBSEN-Umlagerung bekannt. SO3H H 3C
CH 3
H 3C
CH 3
Sulfonierung
SO3H
H 3C
CH 3
H 3C
CH 3
CH 3
Isomerisierung
H 3C
CH 3
Desulfonierung
H 3C
CH 3
CH 3
CH 3 1,2,3,4-Tetramethylbenzen
CH 3 1,2,4,5-Tetramethylbenzen
Technisch bedeutsam war die Acylierung und Alkylierung zweier Äquivalente des Chlorbenzens mit Trichloracetaldehyd und Schwefelsäure zu 1,1,1-Trichlor-2,2-bis(4-chlorphenyl)ethan, das als hochwirksames aber biologisch schwer abbaubares Insektizid DDT (Abkürzung für "Dichlordiphenyl-d,d,d-trichlorethan") Verwendung fand. O 2
Cl
+
(H 2SO4) , / H2O
Cl3C C
H Cl
H
10.6.3
C
Cl
CCl3 DDT
FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung
Im Gegensatz zur Alkylierung können bei Acylierungen des Benzen-Kerns unter LEWIS-SäureKatalyse (Tab. 10.2, S. 132) keine Umlagerungen eintreten. Deshalb bevorzugt man zur Synthese von Benzenen mit längerem Aliphaten-Rest (Phenylalkane) die Acylierung durch ein Carbonsäurechlorid und anschließende Reduktion des Phenylalkylketons nach WOLFF-KISHNER oder nach CLEMMENSEN (Abschn. 20.11). 1. Acylierung
+
Cl
O C CH2 CH 2 CH3
O
AlCl3 /"HCl
Butansäurechlorid (Butyrylchlorid)
C CH2 CH2 CH 3 Phenylpropylketon (Butyrophenon)
/
+ H2 N/NH2 , OH , 200 °C, / H2O, /"N2
O 2. Reduktion
C
WOLF-KISHNER-Reduktion /
CH 2 CH2 CH3
+ 2 H + , + 2 e0 ". Zn(Hg) / HCl, / H2O
CLEMMENSEN-Reduktion
CH 2 CH 2 CH2 CH 3 Butylbenzen
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142
10.6.4
10 Benzoide Aromaten
Reduktion von Alkenylbenzenen
Da der Benzen-Ring gegenüber der katalytischen Hydrierung stabiler ist als ein Alken, lassen sich Alkenylbenzene selektiv in der ungesättigten Seitenkette zu Alkylbenzenen hydrieren. Bei erhöhten Drucken und Temperaturen wird auch der Ring hydriert, und man erhält Alkylcycloalkane. CH2 CH CH2
+ H2 (Ni), 20 °C, 3 bar
Allylbenzen
10.6.5
CH2 CH2 CH3
CH 2 CH2 CH3
+ 3 H2 (Ni), 130 °C, 120 bar
Propylbenzen
Propylcyclohexan
Cyclotrimerisierung von Alkinen
In Gegenwart spezieller Katalysatoren lassen sich Alkine zu alkylsubstituierten Benzenen cyclotrimerisieren (Abschn. 7.5.6). Aus Pentin entsteht auf diese Weise 1,2,4-Tripropylbenzen. Ni(CO) 4
3 HC C CH2 CH2 CH 3 1-Pentin 1,2,4-Tripropylbenzen
10.6.6
Cyclokondensation von Ketonen
Symmetrische Trialkylbenzene wie Mesitylen, entstehen in geringen Ausbeuten durch säurekatalysierte Cyclokondensation von Ketonen. Aus Aceton bildet sich auf diese Weise Mesitylen. CH3 O CH3 H3C
CH 3
CH3 O
O H 3C
konz. H2SO4 , 5 °C
CH 3
Propanon (Aceton)
10.6.7
H3C
CH3
1,3,5-Trimethylbenzen (Mesitylen)
Alkylbenzen-Synthese nach WURTZ und FITTIG
In einer WURTZ-analogen Synthese lassen sich Alkyl- und Arylhalogenide mit Natrium zu alkylierten Aromaten umsetzen. Aus Brombenzen und 1-Brompropan entsteht u. a. Propylbenzen. Na in Ether
Br + Br
CH 2 CH 2 CH 3
CH 2 CH 2 CH3 , Propylbenzen
, H 3C Biphenyl
(CH 2)4 CH3 n-Hexan
Im Gegensatz zur WURTZ-Synthese erhält man jedoch bei dieser WURTZ-FITTIG-Synthese vorwiegend das Alkylbenzen; Biphenyl und Alkan sind nur Nebenprodukte. Intermediär tritt ein Phenyl-
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10.7
Reaktionen der Alkylbenzene
143
carbanion auf, welches in einer nucleophilen Substitution mit dem Halogenalkan reagiert. Primäre Alkyl-Gruppen gehen dabei keine Umlagerung ein. / NaBr
+ Br
Br + 2 Na
CH2
Na
CH2
CH3
CH2 CH2 CH 3
/ NaBr
Phenylnatrium
10.6.8
Alkylierung über Arylmagnesiumhalogenide
Reaktive Halogenalkane wie Benzylbromid alkylieren Arylmagnesiumhalogenide (aromatische GRIGNARD-Reagenzien). Aus Phenylmagnesiumbromid und Benzylbromid entsteht z. B. Diphenylmethan. Ether
MgBr
+
Br
Phenylmagnesiumbromid
CH 2
CH2 Benzylbromid
+
MgBr2
Diphenylmethan
10.7 Reaktionen der Alkylbenzene 10.7.1
Halogenierung am Kern und in der Seitenkette
Alkylbenzene lassen sich / je nach Reaktionsbedingungen / am Kern elektrophil (Katalysator, Kälte, Kern: KKK) und in der Seitenkette radikalisch substituieren (Siedehitze, Sonnenlicht, Seitenkette: SSS), wie die Chlorierung des Toluens zeigt: CH 2 Cl
CH 3
CH 3
+ Cl2 , Hitze , UV-Licht , /"HCl
+ Cl2 , Kälte , AlCl3 als Kat. , /"HCl
radikalische Substitution in der Seitenkette
elektrophile Substitution am Ring
c-Chlortoluen (Benzylchlorid)
10.7.2
CH 3 Cl und
o-
Chlortoluen
Cl p-
Seitenketten-Halogenierung und Benzyl-Radikal
Bei der radikalischen Bromierung des Ethylbenzens bildet sich ausschließlich 1-Brom-1-phenylethan. Die Chlorierung liefert zusätzlich etwas 2-Chlor-1-phenylethan, da Chlor-Radikale im Vergleich zu Brom-Radikalen reaktiver und weniger selektiv sind (Abschn. 3.4). + Br 2 , hp """/"HBr
CH2 CH 3
CH CH 3 Br 100 %
+ Cl2 , hp """/"HCl
CH CH3
sowie
CH 2 CH 2 Cl
Cl 92 %
8%
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144
10 Benzoide Aromaten
Die Beispiele zeigen, daß die c-H-Atome (in Benzyl-Stellung) besonders leicht substituierbar sind. Ein Grund ist die besondere Stabilität des Benzyl-Radikals, wie die Reihung klar macht: C6H 5 CH CH 3 > C 6H5
CH2 > R CH CH CH 2 >> (H 3C)3C > (H 3C)2CH > H 3C CH 2 > H3C > R CH CH
Die mit dem Allyl-Radikal vergleichbare Stabilität des Benzyl-Radikals ist eine Folge seiner Mesomeriestabilisierung: Alle (sp2-hybridisierten) C-Atome des Benzyl-Radikals liegen auf einer Ebene; senkrecht auf dieser Ebene stehen die Achsen der p-Orbitale, so daß im MO-Modell die insgesamt sieben koaxialen p-Orbitale besonders günstig überlappen können. Entsprechend kann man den Zustand des Benzyl-Radikals durch fünf mesomere Valenzstrichformeln beschreiben.
seitiche Überlappung der p-Orbitale des Benzyl-Radikals
mesomere Grenzformeln des Benzyl-Radikals
Da sich diese Elektronendelokalisation bereits im Übergangszustand der Radikalbildung bemerkbar macht, ist die Bindungsdissoziationsenergie für benzyl- und allyl-ständige CH-Bindungen sehr viel kleiner als für primäre Alkyl/CH-Verknüpfungen: CH4 H2C CH CH 3 CH3
10.7.3
/"H /"H /"H
CH3
FH = 427 kJ / mol
H2C CH CH 2
FH = 323 kJ / mol
CH2
FH = 314 kJ / mol
Triphenylmethyl-Radikal
Die Stabilität des Benzyl-Radikals läßt sich erheblich steigern, wenn sich weitere Möglichkeiten zur Delokalisation des ungepaarten Elektrons bieten. Solche bestehen z. B. im TriphenylmethylRadikal, welches von GOMBERG beim erfolglosen Versuch einer WURTZ-Synthese des Hexaphenylethans entdeckt wurde. Dabei löste er Chlortriphenylmethan in Benzen und schüttelte mit Zinkstaub unter Luftausschluß, worauf sich die Lösung gelb färbte. Die Gelbfärbung geht auf die Bildung freier Triphenylmethyl-Radikale zurück: 2 (H 5C6)3CCl + Zn
2 (H5C 6)3C
+ ZnCl2
Das gelbe Triphenylmethyl-Radikal ist nicht nur aufgrund der gegenüber dem Benzyl-Radikal erweiterten Mesomerie besonders stabil, sondern auch wegen der sterischen Abschirmung des zentralen C-Atoms durch die propellerartige Anordnung der Aryl-Reste. Diese PropellerKonformation ist eine Folge der sterischen Wechselwirkung der ortho-H-Atome und verhindert die für eine perfekte Mesomeriestabilisierung erforderliche vollkommene Koplanarität.
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10.7
Reaktionen der Alkylbenzene
145
Unter Luftausschluß und in Benzen-Lösung existiert das Triphenylmethyl-Radikal im Gleichgewicht mit seinem Dimer. Schüttelt man die gelbe Lösung mit Luft, so wird sie farblos, weil sich farblose, stabile Peroxide bilden. Verhindert man weitere Zufuhr von Luft, so färbt sich die Lösung wieder gelb, wenn überschüssiges Dimer erneut zu Triphenylmethyl-Radikalen dissoziiert.
+ O2
2
C O O C
Peroxid
C
C
Triphenylmethyl-Radikal
C H
Dimer
Auch andere Arylmethyl-Radikale zeichnen sich durch eine besondere Stabilität und damit Langlebigkeit in Lösung aus, wie eine kleine Auswahl zeigen soll. CH 3 H3C CH
H3C
C
CH 3
C
CH 3 H3C
2,4,6,2',4',6'-Hexamethyldiphenylmethyl-
10.7.4
Tribiphenylmethyl-
Difluorenylphenylmethyl-
PentaphenylcyclopentadienylRadikal
Hydrierung und Oxidation
Die metallkatalysierte Hydrierung von Alkylbenzenen ist eine Methode zur Darstellung vieler alkylsubstituierter Cyclohexane. Pt , Pd oder Ni
H 3C
CH 3
+
3 H2
CH3
H3C
CH 3
sowie
CH3 trans- und cis-1,4-Dimethylcyclohexan
p-Xylen
Die Oxidation der Seitenkette von Alkylbenzenen führt zu aromatischen Carbonsäuren. Die dazu verwendeten heißen Lösungen von Kaliumpermanganat oder Natriumdichromat in Schwefelsäure (CrO3) oxidieren Benzen-Ringe bei Einhaltung bestimmter Reaktionsbedingungen nicht. CH3
+ 2 CrO3
CO2H +
Cr2O3
+ H2O
Benzoesäure
CH2 CH 2 R +
2 CrO3
CO2H +
HO2C R + Cr2O3 + H 2O
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146
10 Benzoide Aromaten
Bei dieser Oxidation werden bevorzugt benzylische C-Atome unter intermediärer Bildung von Alkoholen, Ketonen und Enolen angegriffen. + [O]
+ [O]
H 5C 6 CH 2 CH 2 CH 3
H5C 6 CH CH2 CH 3 OH
H 5C 6 C CH CH 3
H 5C6 C CH 2 CH3
/ H2 O
OH
O
1-Phenylpropanol
Keto-Form Enol-Form Propiophenon (Ethylphenylketon)
+ 3 [O]
H5C 6 CO2H
+
HO2C CH 3
Benzoesäure
+
H2O
Essigsäure
Die besonders aktivierte benzylische CH-Bindung im Triphenylmethan wird bereits durch Luftsauerstoff in CS2-Lösung zum Alkohol oxidiert. Triphenylmethan
O2 in CS2
(H5C 6C)3C H
(H5C 6)3C OH
Triphenylcarbinol
10.8 Darstellung der Alkenylbenzene 10.8.1
Styren-Synthese
In der Industrie wird das einfachste und wichtigste Alkenylbenzen Styren (Vinylbenzen, "Styrol") durch FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierung von Benzen mit Ethen über Ethylbenzen produziert. Ethylbenzen läßt sich bei 600 °C an der Oberfläche eines Chrom(III)-/Aluminiumoxid-Katalysators zu Styren dehydrieren. H3PO4
FRIEDEL-CRAFTSAlkylierung
10.8.2
Cr 2O3 / Al2O3 , 600 °C
CH2 CH 3
+ H2C CH2
CH CH2
/ H2 Dehydrierung
Ethylbenzen
Styren
Alkenylbenzene durch Eliminierung aus Phenylhalogenalkanen und Phenylalkanolen
Die Dehydrohalogenierung von 1-Phenyl-1-halogenalkanen oder die Dehydratisierung entsprechender Alkohole führt zu 1-Phenyl-1-alkenen. Dabei bilden sich bevorzugt (E)-Alkenylbenzene, deren Doppelbindung in Konjugation zum Ring steht. KOH / C2H5OH / Hitze
H5C 6 CH CH2 CH 3 Br
CH 3
/"HBr
ZnCl2 / Hitze
H5C 6 CH CH CH 3 OH
/"H2O
H 5C6
H5C 6
H
H CH 3 (E)-1-Phenyl-1-propen (viel) H 5C6
H
H5C 6 sowie
CH 3
(E)-2-Phenyl-2-buten
C C H
(Z)-1-Phenyl-1-propen (wenig)
H C C
H 3C
CH 3
sowie
C C
CH 3 C C
H 3C H (Z)-2-Phenyl-2-buten
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10.9 Reaktionen der Alkenylbenzene
10.8.3
147
Alkenylbenzene durch Alkylierung mit 1,3-Dienen
Alkenylbenzene mit alkylischen (isolierten) Doppelbindungen können durch FRIEDEL-CRAFTSAlkylierung von Benzen mit 1,3-Butadien und anderen 1,3-Dienen dargestellt werden. CH 3
H +
C C
HF
CH2
H2C CH CH CH2
H
(E)-1-Phenyl-2-buten (Hauptprodukt)
10.9 Reaktionen der Alkenylbenzene Alkenylbenzene zeigen sowohl typische Benzen-Reaktionen, wie die elektrophile aromatische Substitution, als auch Alken-Reaktionen, wie die elektrophile Addition. Wie bei der katalytischen Hydrierung von Alkenylbenzenen (Abschn. 10.6.4) reagiert dabei die Alkenyl-Gruppe immer leichter als der Benzen-Ring. Besonders reaktiv sind konjugierte Alkenyl-Gruppen, wobei sich eine Regioselektion (bevorzugte Orientierung) der Addition ausprägt. mit Peroxiden:
CH2 CH R Br d-Bromalkylbenzen
10.9.1
ohne Peroxide:
CH CH2 R
CH CH R + HBr radikalische Addition
elektrophile Addition
Alkenylbenzen (Z oder E)
Br c-Bromalkylbenzen
Elektrophile Addition an konjugierte Alkenylbenzene
Die elektrophile Addition an die CC-Doppelbindung verläuft in zwei Stufen unter intermediärer Bildung eines Carbenium-Ions. Br H5C 6 CH CH R + HBr Alkenylbenzen
H5C 6 CH CH 2 R + Br Benzyl-Kation
H 5C6 CH CH2 R c-Bromalkylbenzen
Die leichte Bildung von Carbenium-Ionen aus konjugierten Dienen ist eine Folge der Mesomeriestabilisierung des Übergangszustandes und damit einer geringen Aktivierungsenergie. Das aus Alkenylbenzenen entstehende Benzylcarbenium-Ion ist besonders stabil, da seine positive Ladung im Grundzustand auf fünf mesomere Grenzformeln verteilt werden kann:
mesomere Grenzformeln des Benzyl-Kations
Bevorzugte Produkte dieser Reaktion sind daher c-Halogenalkylbenzene. Mit diesen c-Halogenalkylbenzenen (z. B. Benzylchlorid) lassen sich andererseits unter sehr milden Bedingungen nuc-
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148
10 Benzoide Aromaten
leophile aliphatische Substitutionen vom SN1-Typ (Abschn. 14.2.2) durchführen, bei denen die mesomeriestabilisierten Benzylcarbenium-Ionen als Zwischenstufen auftreten.
10.9.2
Radikalische Additionen an Alkenylbenzenen
Bei Additionen an Alkenylbenzenen über freie Radikale tritt bevorzugt das Benzyl-Radikal als mesomeriestabilisierte Zwischenstufe auf (Abschn. 10.7.2). Daher findet man als Reaktionsprodukt vorwiegend d-halogensubstituierte Alkylbenzene. Br
+ Br
Ar
CH CH R
Ar
Benzyl-Radikal
10.9.3
Br
+ HBr
CH CH R
/ Br
Ar
CH2 CH R
d -Halogenalkylbenzen
Darstellung ringsubstituierter Alkenylbenzene
Da unter den zu Ringsubstitutionen erforderlichen scharfen Reaktionsbedingungen auch die Alkenyl-Gruppe angegriffen würde, kann die Doppelbindung im Alkyl-Substituenten erst nach einer Ring-Substitution ("KKK"-Reaktion) eingeführt werden (durch "SSS"-Reaktion und nachfolgende d-Eliminierung). Dies wird am Beispiel der 4-Chlorstyren-Synthese aus Ethylbenzen deutlich. Cl CH2 CH3
FeCl3 / Cl2 Kälte "KKK"
CH2 CH3
Cl2 / hp" ""Hitze "SSS"
Cl
CH CH3
KOH / C 2H 5OH Hitze Eliminierung
Cl c,4-Dichlor-ethylbenzen
4-Chlor-ethylbenzen
CH CH2 Cl 4-Chlorstyren
10.10 Darstellung der Alkinylbenzene Alkinyl-substituierte Benzene bilden sich durch aufeinanderfolgende Bromierungen und Dehydrobromierungen, wie die Darstellung von Phenylethin aus Styren zeigt. + Br 2
CH CH2 Ethenylbenzen (Phenylethen, Styren)
Br
KOH
CH CH 2 Br
/ HBr
Br C CH2
NaNH2 / Hitze / HBr
C C H Ethinylbenzen (Phenylethin)
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10.11 Eigenschaften und Darstellung der Arylhalogenide
149
Die oxidative Dimerisierung terminaler Alkine in Gegenwart von Kupfer(II)-Ionen führt zu Diinen. (GLASER-Kupplung). Aus Phenylethin entsteht auf diese Weise Diphenylbutadiin. /
/ 2 H+ , / 2 e0 (Cu 2+)
2
C C H
C C C C
/ H2O
Diphenylbutadiin
10.11 Eigenschaften und Darstellung der Arylhalogenide 10.11.1 Physikalische Eigenschaften Monohalogenbenzene (Arylhalogenide) sind aromatisch riechende, ölige, farblose Flüssigkeiten. Die vom Fluor- über Chlor- und Brom- zum Iodbenzen ansteigenden Siedepunkte liegen in der Nähe der entsprechenden Hexyl- und Cyclohexylhalogenide. Eine destillative Trennung isomerer o-, m- und p-Dihalogenbenzene ist wegen zu ähnlicher Siedepunkte nicht möglich. Durch fraktionierte Kristallisation gelingt jedoch eine Trennung. Die p-Halogenbenzene schmelzen aufgrund besserer Packungsmöglichkeit im Kristallgitter 70 - 100 °C höher als die o- und m-Isomeren. Während sich Monohalogenbenzene in allen üblichen organischen Lösemitteln gut lösen, können die p-Dihalogenbenzene von den besser löslichen o-Isomeren durch fraktionierte Kristallisation getrennt werden. Aufgrund ihres wenig polaren Charakters sind Arylhalogenide wasserunlöslich, und besitzen eine höhere Dichte als Wasser. Die Monohalogenbenzene haben erheblich kleinere Dipolmomente als die Alkylhalogenide; ihre CX-Bindungslängen gleichen denen der Halogenethene (Tab. 10.10). Tab. 10.10. Bindungslängen und Dipolmomente ausgewählter Chlor-Verbindungen
Chlor-Verbindung
C-Hybridisierung
Chlorethan Chlorethen Chlorethin Chlorbenzen
sp3 sp2 sp sp2
Bindungslänge [pm] 176 169 163 169
Dipolmoment
[Debye]
2.05 1.44 0.44 1.70
Dies läßt sich durch den (-)-M-Effekt der Halogene und vor allem durch den Hybridisierungswechsel des Kohlenstoff-Atoms erklären. Der tatsächliche Doppelbindungsanteil an den CClBindungen des Chlorbenzens bzw. des Vinylchlorids beträgt nur ungefähr 5 - 6 %. Dipolare Grenzformeln mit C=X-Bindungen tragen wenig zum Grundzustand dieser Halogenide bei. Stets dominiert der (/)-I-Effekt der Halogen-Atome am Benzen über den (-)-M-Effekt. Daraus resultiert ein Dipolmoment-Vektor vom Kohlenstoff zum Halogen.
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150
10 Benzoide Aromaten
Die elektronischen Effekte der Halogene in der Reihe der Monohalogenbenzene lassen sich wie folgt zusammenfassen: C6H5/F (/)-I-Effekt (-)-M-Effekt C/X-Bindungslänge C=X-Anteil
C6H5/Cl
C6H5/Br
C6H5/I
abnehmend, da abnehmende Elektronegativität abnehmend, da ungünstigere r-Orbitalüberlappung zunehmend, da Volumen des Halogens zunimmt Bindungsenergie nimmt schneller ab als das Ionisationspotential zunimmt Immer gilt: (/)-I > (-)-M
10.11.2 Herstellung der Halogenaromaten Substituierte Chlor- und Bromaromaten lassen sich durch elektrophile Substitution herstellen, wie folgende Beispiele zeigen. a) 1,2- und 1,4-Dihalogenbenzene Br
Br
Br
Cl2 , FeCl3
und Cl
Cl
b) 1,2- und 1,4-Alkylhalogenbenzene CH3
CH3
Cl2 , FeCl3
CH3 und
Cl
Cl
c) 1,2-, 1,4- und 1,3-Alkylhalogenbenzene CH3
CH 3 HNO3 , H2SO4
CH 3 Fe , HCl
CH3 (CH3 CO) 2 O
CH 3
CH3
Br 2
H2O
Br
Br NO2 Br 2 , FeBr 3
CH 3
NH 2
O
C
N
CH 3 CH3
H
O
C
N
NH2
H
CH 3
HNO2
CH3
CH 3
Br
H3 PO2 (Cu+)
sowie
Br
Br o-Bromtoluen
Br p-Bromtoluen
m-Bromtoluen
N Cl N
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10.11 Eigenschaften und Darstellung der Arylhalogenide
151
d) 1,3,5-Tribrombenzen NI NH2
NH2 + 3 Br 2
Br
N Br
+ HNO2 , + HCl
Cl Br
Br
+ 2 H+ , + 2 e0
/"2 H2O
/ 3 HBr
/
Br
Br
"""/"N2 ,"/"HCl
Br
Br
Br
e) 2,4,6-Tribromphenol OH
OH Br
+ 3 Br 2
Br
/ 3 HBr
Br
f) 1,3-Dichlorbenzen NO2
NH2
Cl 1.) NaNO2 , HCl 2.) CuCl
Fe , HCl
HNO3 , H 2SO4
NO2
NH 2
Cl
g) Halogennitrobenzene Br
Br
Br
NO2
NO2
NO2
HNO3 , H 2SO4
Br 2 , AlCl3 , Hitze
und
Br NO2 60 %
40 %
NO2
NO2 Br 2 , Ag 2SO4 , H 2SO4
NO2
Br
NO2
Die Synthesebeispiele c, d und f zeigen Darstellungen von Halogenaromaten mit Hilfe der Desaminierung von Anilinen über Diazonium-Salze; Diazonium-Salze entstehen durch Diazotierung von Anilinen mit salpetriger Säure (Abschn. 22.6.2). + 6 H+ , + 6 e0
NO2
""""""/"2 H2O
/
+ HNO2 , + HCl
NH2
( C6H 5 N2 Cl "+ Phenyldiazonium-chlorid
N NI Cl /"2 H2O
Da die Reaktivität der Halogene in der Reihenfolge F2 >> Cl2 > Br2 >> I2 abnimmt, erfordert die Darstellung von Fluor- und Iodaromaten spezielle Methoden. Iodbenzen kann z. B. durch SAND-
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152
10 Benzoide Aromaten
MEYER-Reaktion des Phenyldiazonium-hydrogensulfats mit Kaliumiodid, BALZ-SCHIEMANN-Reaktion von Phenyldiazonium-tetrafluoroborat hergestellt + KI
N NI HSO4
I
/"KHSO4 ,"/"N2
Phenyldiazonium-hydrogensulfat
Iodbenzen + HF , + BF3
N NI Cl
Fluorbenzen durch werden.
Hitze
N NI BF 4
/"HCl
F
/"N2 , "/ BF3
Phenyldiazonium-tetrafluoroborat
Fluorbenzen
Beide Reaktionen werden als nucleophile Substitutionen der Diazonium-Gruppe am Aromaten formuliert (Abschn. 23.7). Die Darstellung der Diazonium-Salze und ihre anschließende "Verkochung" zu Halogenaromaten wird meist als "Eintopfreaktion" durchgeführt.
10.11.3 Chemische Eigenschaften von Halogenaromaten (Arylhalogeniden) elektrophile Zweitsubstitution In Halogenaromaten desaktiviert das Halogen [(/)-I, (-)-M-Substituent] den Benzen-Ring gegenüber dem elektrophilen Angriff und dirigiert in o- und p-Stellung. Halogenaromaten lassen sich durch elektrophile aromatische Substitution halogenieren, nitrieren, sulfonieren und alkylieren. Die Nitrierung des Chlorbenzens gibt z. B. o- und p-Nitrochlorbenzen. Cl
Cl
HNO3 / H2SO4
+
[ NO2 ]
Cl und
/ [H+]
o-
NO2
O2N
p-
Nitrochlorbenzen
Metallierung Viele Halogenaromaten lassen sich zu Arylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARD-Verbindungen) umsetzen. Ihre Reaktionen mit Magnesium erfolgen rasch mit den Iodiden, gut mit den Bromiden und schwer mit den Chloriden; Fluoride reagieren überhaupt nicht [(F) < Cl < Br < I]. ̈"
Cl
Br
+
Mg
f--
in Tetrahydrofuran
Cl
f/
MgBr
f/
p-Chlorphenylmagnesiumbromid
Die Bildung von Phenyllithium aus Brom- oder Chlorbenzen gelingt in wasserfreiem Ether unter Stickstoff. + H2O
in Ether
Br (Cl)
+
2 Li
/ LiBr(Cl)
H
Li / LiOH
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10.11 Eigenschaften und Darstellung der Arylhalogenide
153
Arylmagnesiumhalogenide / die GRIGNARD-Verbindungen aus Halogenaromaten / und Aryllithium-Verbindungen sind vielseitige Reagenzien zur Einführung von Aryl-Resten, u. a. bei der Herstellung von Alkoholen aus Aldehyden und Ketonen (Abschn. 15.4.6). Die Reaktion von Halogenalkanen (z. B. 1-Bromhexan) mit Phenylmagnesiumbromid oder Phenyllithium gibt alkylierte Aromaten (z. B. 1-Hexylbenzen) in Analogie zur WURTZ-Synthese der Alkane. Entsprechend lassen sich durch WURTZ-FITTIG-Synthese Aryl- und Alkyl-Gruppen verknüpfen, indem man Halogenaromaten mit Halogenalkan (z. B. R/Br) und Natrium (Metall) umsetzt. Br
+
2 Na
+
Br
R
R
+
2 NaBr
Alkylbenzen
Durch ULLMANN-Reaktion können substituierte Biphenyle aus Aryliodiden und metallischem Kupfer dargestellt werden. NO2
NO2 2
I
+
2 Cu
+
2 CuI
O2N 2,2'-Dinitrobiphenyl
Neuere Methoden der CC-Verknüpfung mit Aromaten sind die HECK-Reaktion (Abschn. 4.5.10) sowie die STILLE- und SUZUKI-Kupplung (Abschn. 13.4.4).
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154
11
Substitutionen an Aromaten
11 Substitutionen an Aromaten 11.1 Mechanismus elektrophiler Substitutionen an Aromaten 11.1.1
-Komplex, Benzenium-Ion und Energieprofil
Aromatische Verbindungen gehen wegen der Mesomerie und besonderen Stabilität des aromatischen Systems eher elektrophile Substitutionen ein als Additionen, obgleich in beiden Fällen elektrophile Reagenzien angreifen. Beim Zusammenstoß eines Elektrophils Y+ mit dem nucleophilen, elektronenreichen rElektronensextett des Benzens bildet sich zunächst reversibel ein relativ labiler r-Komplex. Dieser gehört zum Typ der Charge-Transfer-Komplexe (charge-transfer = Ladungsübertragung). Nach neueren Erkenntnissen kann das Elektrophil auch mit zwei benachbarten C-Atomen des BenzenRings eine Dreizentren-Zweielektronen-Bindung knüpfen. Y
Y + Nucleophil
[Y ]
Y H H r"- K o m p l e x
Elektrophil
Das im r-Komplex schwach gebundene Elektrophil Y+ bindet sich in einem zweiten Schritt an ein einzelnes Ring-C-Atom, wobei dieses eine Umhybridisierung von sp2 nach sp3 erfährt. Die vom Elektrophil Y+ in den Kern gebrachte positive Ladung verteilt sich über die verbleibenden fünf sp2-hybridisierten C-Atome. Sämtliche C-Atome bleiben wie im Benzen auf einer Ebene; damit sind die fünf p-Orbitale koaxial und können seitlich überlappen. Es bildet sich ein mesomeriestabilisiertes Phenonium-Kation (Benzenonium-Ion), das weniger treffend auch als u-Komplex bezeichnet wird. Die Elektronenverteilung im Phenonium-Ion läßt sich durch drei mesomere Valenzstrichformeln beschreiben, nach denen sich die positive Ladung hauptsächlich auf die o- und p-C-Atome verteilt, während die Elektronendichte in m-Stellung zum sp3-Kohlenstoff etwas größer ist. Y
H Y H
r-Komplex
Y
Y H
H
H H u-Komplex : mesomeriestabilisiertes Phenonium-Ion
Die sp3-Hybridisierung des Y-substituierten Ring-C-Atoms im Phenonium-Ion unterbricht die ursprüngliche cyclische Elektronendelokalisation des Benzen-Kerns. Daher erfordert die Ausbildung des Phenonium-Ions eine sehr hohe Aktivierungsenergie FEA2 (Abb. 11.1). Dieser Schritt ist der langsamste und damit geschwindigkeitsbestimmend.
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11.1
Mechanismus elektrophiler Substitutionen an Aromaten
155
Im dritten Schritt deprotoniert eine Base das Phenonium-Ion; die Deprotonierung regeneriert das r-Elektronensextett. Diese wahrscheinlich über einen r-Komplex aus substituiertem Benzen und Proton als Abgangsgruppe verlaufende Rearomatisierung erfordert nur eine geringe Aktivierungsenergie FEA3 und verläuft schnell. Gegenüber einer ebenfalls denkbaren Addition der Base ist die Rearomatisierung energetisch bevorzugt und exotherm. Abb. 11.1 skizziert das Energieprofil aller Schritte einer elektrophilen Substitution am Benzen-Ring. H
Y
Y H B
+B
H
X
Y
Y
H
H
H B
H H u-Komplex : mesomeriestabilisertes Phenonium-Ion
H keine Addition
Y
+B
Substitution
Epot
FEA3 FEA1
300 °C, hoher Druck
O2N
m-Nitrophenol
Aufgrund der erforderlichen hohen Temperaturen und Drucke sind solche Reaktionen im Labor nur schwierig realisierbar. Sie werden jedoch bei vielen technischen Synthesen in großen Ansätzen durchgeführt. Die ungewöhnlich geringe Reaktivität nicht aktivierter Halogenaromaten läßt sich erklären: ̈" Aryl- und Vinylhalogenide enthalten sp2-hybridisierte C-Atome, was ebenso wie der (-)M-Effekt zu einer stärkeren und kürzeren Bindung des Chlors beiträgt. Vinyl- und Arylhalogenide sind daher wesentlich stabiler als Halogenalkane, bei denen das Halogen weniger stark an ein sp3-C-Atom gebunden ist.
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11.2
Mechanismen nucleophiler Substitutionen am Aromaten
̈"
̈
169
Halogenaromaten können nicht wie Halogenalkane die für SN2-Reaktionen (Abschn. 14.2.1) erforderlichen Übergangszustände ausbilden, da kein nucleophiler Angriff von einer Rückseite her möglich ist. Auch SN1-Reaktionen (Abschn. 14.2.2) sind unwahrscheinlich, da die Mesomerie der Halogenaromaten eine heterolytische Spaltung in ArylKationen und Halogenid-Anionen erschwert. Ein nucleophiler Angriff am halogenierten C-Atom würde zu einer Aufhebung der Aromatizität im Übergangszustand führen und eine entsprechend hohe Aktivierungsenergie zur Umhybridisierung dieses C-Atoms von sp2 nach sp3 erfordern.
11.2.2
Mechanismus der bimolekularen nucleophilen Substitution am Aromaten
Die Beispiele (Abschn. 11.2.1) zeigen, daß Halogenaromaten mit Nucleophilen unter milden Bedingungen reagieren, wenn stark elektronenziehende Substituenten wie die Nitro-Gruppe in o- und p-Stellung zum Halogen stehen. Eine Nitro-Gruppe in m-Stellung zum Halogen aktiviert dagegen nicht. Die Darstellung isomerer Phenole aus o-, p- und m-Nitrochlorbenzenen demonstriert den Mechanismus und den aktivierenden Effekt der Nitro-Gruppe. Diese Reaktion verläuft über zwei Stufen nach einer Kinetik 2. Ordnung. Somit wird sie abgekürzt als SNAr2 klassifiziert. Zunächst bildet sich durch den nucleophilen Angriff des Hydroxid-Ions am chlortragenden CAtom des Nitrochlorbenzens ein mesomeriestabilisiertes Carbanion. O
NO2 Cl
+
OH
N
O
O
N
Cl OH
langsam
O
O
N
Cl OH
O Cl OH
O
N
O Cl OH
mesomeriestablisiertes Carbanion
Da dieser Schritt den aromatischen Zustand aufhebt, erfordert er eine hohe Aktivierungsenergie und bestimmt die Geschwindigkeit. In einem schnellen Folgeschritt spaltet das Carbanion ein Chlorid-Ion ab und rearomatisiert auf diese Weise zum Nitrophenol. O
N
O Cl OH
vier mesomere Grenzformeln
NO2 schnell
OH
+
Cl
o-Nitrophenol
Die aus o- und p-Nitrochlorbenzen resultierenden Carbanionen sind stärker stabilisiert, da sie ihre negative Ladung durch Mesomerie über mehr Atome delokalisieren und damit besser verteilen
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170
11
Substitutionen an Aromaten
können (vier Valenzstrichformeln) als das Carbanion des m-Nitrochlorbenzens (drei Grenzformeln) oder des unsubstituierten Chlorbenzens (ebenfalls drei Grenzformeln). Cl
+
OH
Cl OH
langsam
Cl OH
Cl OH
drei mesomere Grenzformeln Cl
+
OH
Cl OH
langsam
NO2
NO2
Cl OH
Cl OH
NO2
NO2
(/)-M-Substituenten in o- und p-Stellung zum Halogen senken die Aktivierungsenergie zur Bildung des Übergangszustands, da sie die Elektronendichte am halogenierten C-Atom erniedrigen. Indem der elektronenanziehende Substituent die negative Ladung des Carbanions teilweise übernimmt, wird diese besser verteilt, was den Übergangszustand stabilisiert. (/)-M-Substituenten erhöhen andererseits die Aktivierungsenergie zur Bildung der Carbanionen und bremsen somit die Reaktion. Sie konzentrieren die negative Ladung im Kern, erschweren einen nucleophilen Angriff am halogenierten C-Atom und destabilisieren den Übergangszustand. Die bei der nucleophilen Substitution (SNAr2) aktivierenden Gruppen desaktivieren bei der elektrophilen aromatischen Substitution. Entsprechend kehren sich bei SNAr2-Reaktionen die in Tab. 10.7 (S. 137) skizzierten Substituenteneffekte auf die Reaktivität um. Von allen SNAr2-aktivierenden Resten hat die Nitro-Gruppe den stärksten Einfluß. Gewichtige mesomere Grenzformeln einiger Carbanionen zeigen, daß der aktivierende Substituent im Übergangszustand stets die negative Ladung des Nucleophils übernimmt (Nu = Nucleophil, X = austretende Gruppe): Nu X
O C
Nu X
O C
O
Nu X
Nu X
CH 3
N
O
C NI _
Zusätzliche Nitro-Gruppen in o- und p-Stellung begünstigen SNAr2-Reaktionen vehement. So kann das 2,4,6-Trinitrochlorbenzen bereits durch Wasser hydrolysiert werden, und das als Reagenz auf Amino-Gruppen benutzte 2,4-Dinitrofluorbenzen (SANGER-Reagenz) reagiert mit primären Aminen rasch unter milden Bedingungen. O O2N
F
+
H2N CH2 C NH 2
NO2 2,4-Dinitrofluorbenzen
Glycinamid
/"HF
O O2N
NH CH2 C
NH 2 NO2 N-(2,4-Dinitrophenyl)glycinamid
Im Gegensatz zu SN1-Reaktionen der Halogenalkane hat bei SNAr2-Reaktionen die Art des Halogens kaum einen Einfluß auf die Geschwindigkeit. Nur die Fluoraromaten reagieren etwas rascher
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11.2
Mechanismen nucleophiler Substitutionen am Aromaten
171
aufgrund des starken (/)-I-Effekts von Fluor, der die Elektrophilie des verknüpften C-Atoms erhöht. Eine Gegenüberstellung der drei Typen nucleophiler Substitutionen, SN1 und SN2 (Substrate: Halogenalkane R/X) und SNAr2 (Substrate: Halogenaromaten, Ar/X) faßt die Kennzeichen dieser Reaktionen zusammen (Abb. 11.9). Epot
Epot X
+ [R ]
HO
Epot
X
X Ar
+ OH
OH
C
R
C
X + OH
X + OH
Ar
HO
R OH + X
SN1 : Halogenalkan (Alkylhalogenid) unimolekulare Reaktion Carbenium-Ion als Zwischenstufe
C
X + OH
+ X
SN2 : Halogenalkan (Alkylhalogenid) bimolekulare, konzertierte Reaktion instabiler Übergangszustand
Ar
OH + X
SNAr2 : Halogenaren (Arylhalogenid) bimolekulare Reaktion Carbanion als Zwischenstufe
Abb. 11.9. Vergleich der Aktivierungsenergien nucleophiler Substitutionen an Halogenalkanen und Halogenaromaten
Das Lösemittel kann andererseits die Reaktionsgeschwindigkeit entscheidend beeinflussen. So reagieren in Dimethylsulfoxid (DMSO) auch nicht aktivierte Halogenaromaten mit tertiären Alkoxiden. in (CH3) 2SO
Cl
+
O C(CH 3)3
/ Cl
/
t-Butanolat-Anion
11.2.3
C(CH3)3 O
t-Butylphenylether
Monomolekulare nucleophile Substitutionen am Aromaten
Die aus Aminobenzenen zugänglichen Phenyldiazonium-Salze können mit Nucleophilen unter Stickstoff-Abspaltung reagieren (SANDMEYER-Reaktion), wie einige Beispiele zeigen (Abschn. 10.11.2) . NH2 Anilin
HNO2
N2 Phenyldiazonium-Ion
/ N2
+ Cl
Phenyl-Kation
/
Cl Chlorbenzen
In unpolaren oder basischen Lösungen kann diese Reaktion auch radikalisch ablaufen. In sauren, polaren Lösungen dominiert jedoch der beschriebene ionische Mechanismus. Dieser gehört zum
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172
11
Substitutionen an Aromaten
Typ einer monomolekularen aromatischen Substitution, da die nach erster Ordnung verlaufende Zersetzung des Phenyldiazonium-Salzes geschwindigkeitsbestimmend ist. Das entstehende ArylKation reagiert demnach in einem schnellen Schritt mit Nucleophilen wie Halogenid-, Hydroxidoder Alkoxid-Ionen. Heterolytische Spaltungen der CN-Bindung im Diazonium-Salz werden durch elektronenabgebende Gruppen im Phenyl-Rest erleichtert und durch elektronenanziehende erschwert. Die Reaktivität m-substituierter Phenyldiazonium-Salze (Y = meta-Substituent) nimmt in der Folge OH > CH3 > H > Cl > NO2 ab. Y
Y
X
N NI X
+
N2
Die Substituenten OH oder OCH3 wirken in p-Stellung jedoch desaktivierend, da ihr (-)-M-Effekt über den Benzen-Kern eine partielle CN-Doppelbindung zur Diazonium-Gruppe mit (/)-M-Effekt bildet. Diese Mesomerie stabilisiert die Bindung der Diazonium-Gruppe am Benzen-Ring. H3C _ O _
H 3C N NI
O _
N NI _
p-Methoxyphenyldiazonium-Ion
11.3 Eliminierungs-Additions-Mechanismus 11.3.1
Mechanismus der Aminierung des Brombenzens
Die Aminierung des Brombenzens durch Natriumamid in flüssigem Ammoniak als Lösemittel folgt einem Eliminierungs-Additions-Mechanismus. Im ersten und geschwindigkeitsbestimmenden Schritt bildet sich durch Eliminierung ein Arin (Dehydrobenzen); dabei entzieht das Amid-Ion als starke Base dem Benzen-Ring ein Proton in o-Stellung zum Halogen. H Br
/"NH3
+
Br
/"Br
/
INH 2
H Brombenzen
Carbanion
Dehydrobenzen (Arin)
Im zweiten schnellen Reaktionsschritt addiert das Amid-Ion an das Arin unter Bildung von Anilin (Addition). NH 2 +
INH 2
NH2
+ NH3
/"""INH2
Carbanion
Anilin
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11.3
Eliminierungs-Additions-Mechanismus
173
Das kleinste noch stabile Cycloalkin ist Cyclooctin. Das Dehydrobenzen-Intermediat ist somit eine hochreaktive, gespannte Zwischenstufe, deren Dreifachbindung von der in Alkinen üblichen linearen Geometrie abweicht: Die dritte Bindung resultiert aus der seitlichen Überlappung von sp2Hybridorbitalen zweier benachbarter benzoider C-Atome.
:
oder
oder
Im Gegensatz zur rotationssymmetrischen Elektronendichteverteilung in den Molekülorbitalen von Ethin ist beim Dehydrobenzen die seitliche Überlappung der beiden sp2-Orbitale entlang einer der sechs Seiten des Rings und senkrecht zur r-Elektronenwolke gering. Arine lassen sich als starke Dienophile u. a. durch DIELS-ALDER-Reaktion abfangen. Einen weiteren experimentellen Hinweis für den Arin-Mechanismus liefert die Aminierung von 14C-ringmarkiertem Chlorbenzen mit Kaliumamid in Ammoniak. * Cl
* NH2
+ 2 KNH2 in NH3, / 33 °C
*
+ / 2 KCl
* : 14C markiertes Ring-C-Atom
48 %
52 %
NH2
*
Würde die Reaktion den Mechanismen der nucleophilen Substitution (Abschn. 11.2) folgen, so entstünde nur ein Reaktionsprodukt, nämlich Anilin mit 14C-markiertem C-1. Die gefundene geringfügige Abweichung vom theoretisch zu erwartenden 50 : 50 Verhältnis für die C-1- und C-2Markierung ist eine Folge des kinetischen Isotopie-Effekts. Solche Isotopie-Effekte treten auf, weil wegen der größeren Masse die Reaktionsgeschwindigkeit an 14C-Atomen etwas geringer ist. Im Falle substituierter Halogenaromaten verlaufen die Eliminierungs- und Additions-Teilschritte immer über das stabilere Carbanion. Abb. 11.10 skizziert die Aminierung von o- und m-Chloranisol, die nur zu einem Reaktionsprodukt führt. In diesem Fall sind die CarbanionenZwischenstufen durch den (/)-I-Effekt der Methoxy-Gruppe stabilisiert. Da dieser induktive Effekt nur über wenige Atome hinweg wirkt, sind Carbanionen mit negativer Ladung nahe der Methoxy-Gruppe etwas stabiler als andere. OCH3 - NH2
Cl
OCH3
OCH 3
/
Cl
/"NH 3
/ Cl
/
OCH3 / Cl
/
- NH2
Cl
/"NH 3
OCH3
/
Cl
o-Chloranisol
m-Chloranisol - NH2
OCH3 H2N
/
OCH 3 + NH 3 /"NH 2
/
H 2N
OCH 3
H 2N
m-Methoxyanilin (m-Anisidin) einziges Produkt
OCH3 Cl weniger stabil
Abb. 11.10. Aminierung von o- und m-Chloranisol
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174
11
11.3.2
Substitutionen an Aromaten
Weitere nucelophile Substitutionen an nicht aktivierten Aromaten
Durch Wahl der Reaktionsbedingungen kann man oft denselben Halogenaromaten sowohl nach einem SNAr2 als auch nach dem Arin-Mechanismus zur Reaktion bringen. Viele Phenole und aromatische Amine können auf diese Weise hergestellt werden. Der Arin-Mechanismus erklärt die dabei beobachteten Umlagerungen; deshalb werden diese Reaktionen auch als cine-Substitutionen bezeichnet (griechisch mkpgkp = bewegen). OH + 2 NaOH (H2O, 340 °C, Druck)
2 H 3C
Cl
/ 2 NaCl
H 3C
p-Chlortoluen
OH
+
p-Kresol (50 %) + 2 KNH2 (NH3, / 33 °C)
2 H 3C
/ 2 KCl
Cl
m-Kresol (50 %)
+
H 3C H 2N o-Toluidin (50 %)
o-Chlortoluen
H3C
H3C NH2 m-Toluidin (50 %)
+ 2 NaNH2 (NH3, / 33 °C)
H 3CO
H 3CO
/ 2 NaI
I
NH2 m-Aminoanisol (m-Anisidin)
o-Iodanisol
N(C 2H5)2
Cl + Li
+/
2
N(C2H 5)2
N(C2H5) 2 in Ether
+
/ LiCl
1-Chlornaphthalen
1-(N,N-Diethylamino)naphthalen (40 %)
2-(N,N-Diethylamino)naphthalen (60 %)
Phenyllithium kann auch an nicht substituiertem Fluorbenzen Reaktionen vom Arin-Typ auslösen, wie am Beispiel einer Synthese der Biphenyl-o-carbonsäure klar wird. Im allgemeinen reagieren Arylfluoride jedoch bevorzugt nach dem SNAr2-Mechanismus. CO2H
Li F
F
+ C6H5Li in Ether /"C6H6
/"LiF
+
+ CO2, + [H ]
+ C6H5Li
/"Li
Li
+
Biphenylo-carbonsäure
Polychlorphenole ("PCP", z. B. 2,4,5-Trichlorphenol) können bei hohen Temperaturen nach SNAr2- oder Eliminierungs-Additions-Mechanismen cyclisieren. Dabei bilden sich u. a. die hochtoxischen, teratogenen, mehrfach chlorierten Dibenzodioxine, darunter das Seveso-Dioxin TCDD. Chlorierte Dibenzodioxine können wie viele andere biologisch schwer abbaubare Halogenalkane und Halogenaromaten nur in besonderen Verbrennungsanlagen entsorgt werden. Cl
Cl
HO
Cl
Cl
Cl
+ Cl
OH
2,4,5-Trichlorphenol
> 300 °C, / 2 HCl
Cl
O
Cl
Cl
O
Cl
2,3,7,8-Tetrachlordibenzo[b,e]-[1,4]dioxin (TCDD)
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12.1 Klassifizierung und Nomenklatur
175
12 Kondensierte Aromaten 12.1 Klassifizierung und Nomenklatur In kondensierten, auch als mehrkernig oder polycyclisch bezeichneten aromatischen Kohlenwasserstoffen sind mehrere Benzen-Ringe aneinander geknüpft. Einfachster Vertreter ist Naphthalen (Tab. 12.1). Es besteht aus zwei Benzen-Ringen, die über eine gemeinsame Bindung (zwei gemeinsame C-Atome) miteinander verknüpft sind. Drei Benzen-Ringe lassen sich linear oder gewinkelt ("angular") kondensieren ("anellieren"), wie die Beispiele Anthracen und Phenanthren (Tab. 12.1) zeigen. Alle kondensierten Aromaten erfüllen wegen des gemeinsamen Strukturelements Benzen die Aromatizitätskriterien. Ihre typische Reaktion ist daher die elektrophile aromatische Substitution. Im Vergleich zu Benzen sind sie jedoch reaktiver und neigen mehr zu Additionen. Für die wichtigsten mehrkernigen Aromaten gelten individuelle Bezeichnungen und eine festgelegte Ring-Bezifferung (Tab. 12.1). Größere Ringsysteme werden als Benzenhomologe angesehen. Positionsziffern oder Buchstaben kennzeichnen verknüpfende C-Atome am Grundskelett, wobei [a] eine 1,2-Fusion (Verknüpfung) und [b] eine 2,3-Fusion bedeuten. Tab. 12.1. Nomenklatur und Ringbezifferung ausgewählter kondensierter Aromaten (Für jeden Aromaten steht nur eine Valenzstrichformel, die den tatsächlichen Bindungszustand des Moleküls nicht wiedergibt) 8a
7a 6 5
7
8
1 2
3
4
5
3a
Inden dinuclear
9
9a 8
1
8a
8a
5
8
9
1
4
5
10
4
4a
Naphthalen dinuclear
Fluoren trinuclear
10 7
6a
11
11a
12a 12
6
5a
5
4a
1 4
1
8a 5
4b 4a 4
Phenanthren trinuclear gewinkelt kondensiert
8a
4b 5
12
4c 4a
5 4a
1,2-Benzophenanthren Benzo[a]phenanthren
4a
9 10 10a 1
9 10 10a
8
1 12b 4
7 6b 6a 6
Naphthacen (Tetracen) Benzo[b]anthracen
12b
11 12 12a
10a 10
10a
Anthracen trinuclear linear kondensiert 8a
10a
9a
1
8
4b 4a 4
8
10 10a 1
12a
4
1
Chrysen Benzo[c]phenanthren
5a 5
3a
Pyren Benzo[d,e,f]phenanthren
12
4
10 10a
4a
12a 4b 12 5 8b 8a 8 9
Triphenylen Benzo[ l ]phenanthren
7 6a 6
12 12a 1 12b 11b
1
11a
5a 5
2b
2a
3a
Benzopyren Benzo[a]pyren
Coronen Hexabenzobenzen
Hexahelicen Phenanthro[a]phenanthren
Die positionsisomeren, an C-1 bzw. C-2 monosubstituierten Naphthalene werden auch als c- und d-Isomere bezeichnet. Naphthalene mit identischen Substituenten in den 1,8- oder 2,6-Stellungen können durch die Präfixe peri- bzw. amphi- gekennzeichnet werden.
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176
12 Kondensierte Aromaten
12.2 Bindungszustand und Mesomerie Naphthalen als einfachster kondensierter Aromat ist ein ebenes Molekül, wie die Modelle zeigen (Abb. 12.1). Seine u-Bindungen kommen durch Überlappung der sp2-Hybridorbitale von zehn trigonalen C-Atomen zustande. Durch seitliche Überlappung der senkrecht zur Molekülebene stehenden zehn p-Orbitale resultiert oberhalb und unterhalb der Ebene der C-Atome eine delokalisierte r-Elektronenwolke, die zehn Elektronen enthält (Abb. 12.2). Im Valenzstrich-Formalismus kann Naphthalen als Hybrid dreier mesomerer Grenzformeln a, b und c betrachtet werden.
Abb. 12.1. Stab-, Kugel-Stab- und Kalottenmodell des Naphthalens r
u
r (a)
(b)
(c)
(d)
Abb. 12.2. Mesomere Grenzformeln (a - c) und Entstehung des r-Elektronensystems von Naphthalen durch Überlappung koaxialer p-Orbitale (d)
Eine häufig verwendete, die benzoide Struktur des Naphthalens andeutende Formel mit zwei einbeschriebenen Kreisen ist nicht korrekt: Naphthalen hat nur ein vollständiges r-Elektronensextett.
oder
nicht korrekt:
Die durch Messung der Verbrennungswärme bestimmte Mesomerieenergie des Naphthalens beträgt 255.6 kJ/mol. Das bedeutet eine Mesomeriestabilisierung von 127.8 kJ/mol pro Ring verglichen mit 150.8 kJ/mol für Benzen. Naphthalen und besonders die höheren Acene sind daher weniger stabil und weniger aromatisch als Benzen. Die geringere Stabilisierung pro Ringeinheit bedeutet andererseits eine Erhöhung der Reaktivität.
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12.2
Bindungszustand und Mesomerie
177
Relative Stabilitäten kondensierter Aromaten lassen sich mit Hilfe der CLAR-Regel vorhersagen, nach der die Polycyclen umso stabiler (energieärmer) sind, je mehr autonome r-Elektronensextetts sie enthalten, wie die Beispiele des Anthracens und Phenanthrens zeigen (Tab. 12.2).
Anthracen (linear anelliert) ein autonomes r-Elektronensextett
Phenanthren (angular anelliert) zwei autonome r-Elektronensextetts
Tab. 12.2. Mesomerieenergien einiger mehrkerniger Aromaten M e s o m e r i e e n e r g i e insgesamt
pro
Benzen-
Ring kcal / mol 36.0 61.0 85.9 99.2 130.0 134.4
Benzen Naphthalen Anthracen Phenanthren Tetracen Chrysen
kJ / mol 150.8 : 255.6 : 360.0 : 415.6 : 544.7 : 563.1 :
1 2 3 3 4 4
kJ / mol 150.8 127.8 120.0 138.5 136.2 140.8
= = = = = =
Isomere meso-substituierte Pentacene sind weitere Beispiele: stabiler sind die Tautomeren (Isomeren) mit der größeren Anzahl autonomer r-Elektronensextetts. In den Formeln kennzeichnet "b" einen benzoiden Ring mit r-Elektronensextetts, "q" einen chinoiden mit nur zwei konjugierten Doppelbindungen ("q" von englisch "quinone" für Chinon). CH3 q
q
b
CH2 q
q
q
b
OH q
b H H stabil
labil
q
q
b
O q
unbekannt
q
q
b
b
q
H H stabil
Die gegenüber Benzen verkürzten Bindungslängen des Naphthalens und Anthracens spiegeln den höheren Alken-Charakter der C-1/C-2-Bindung in mehrkernigen Aromaten wider. 136 142
136
137 143
140 134
139
Naphthalen
140
142
144
139
Anthracen Benzen Bindungslängen in pm
H2C CH2 Ethen
Dieser Tatsache trägt die Beschreibung des Naphthalens durch die drei Formeln a, b und c (Abb. 12.2) Rechnung, in denen die 1,2-Doppelbindung zweimal und die 1,2-Einfachbindung nur einmal auftritt. Analoge Betrachtungen lassen sich für andere polynucleare Aromaten anstellen. So findet man einen besonders ausgeprägten olefinischen Charakter für die 9,10-Bindung des Phenanthrens.
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178
12 Kondensierte Aromaten
12.3 Gewinnung polycyclischer Aromaten Einige kondensierte Aromaten kommen im Steinkohlenteer und in den Rückständen der ErdölDestillation vor. Naphthalen, Anthracen, Phenanthren und ihre Alkyl-Derivate werden durch "Teerverwertung" in technischem Maßstab gewonnen. Teere (auch die des Tabakrauches) enthalten u. a. mehrere stark carcinogene polynucleare Kohlenwasserstoffe, z. B. Benzo[a]pyren (Tab. 12.1). Aus Cycloalkanen oder hydroaromatischen Kohlenwasserstoffen wie Tetralin lassen sich vollaromatische Ringsysteme durch katalytische Dehydrierungen in Gegenwart von Pt-, Pd- oder NiKatalysatoren herstellen. Alternativ kann man auch in der Hitze oder in Gegenwart von Selen, Schwefel oder Disulfiden dehydrieren. Umgekehrt sind viele Hydroaromaten durch Hydrierung mehrkerniger Aromaten zugänglich. Hydrierung
Hydrierung
Dehydrierung Hydrierung
Decalin (cis- + trans-)
Tetralin
1,4-Dihydronaphthalen
Naphthalen
12.4 Typische Reaktionen kondensierter Aromaten 12.4.1
Elektrophile aromatische Substitutionen des Naphthalens
Naphthalen ist aufgrund seiner geringeren Mesomeriestabilisierung leichter substituierbar als Benzen. Dementsprechend läßt sich Naphthalen unter moderaten Bedingungen nitrieren, bromieren, sulfonieren und acetylieren (Abb. 12.3). Die Produkte sind attraktive Edukte industrieller organischer Synthesen. Die Substitution durch ein Elektrophil Y+ ist in c-Stellung energetisch etwas günstiger als in dStellung, wie die mesomeren Valenzstrich-Formeln der intermediären Naphthonium-Ionen zeigen: Y H
Y H
Y H
H
H
c-Substitution H Aromatizität eines Ringes unversehrt : stabiler
H
d -Substitution
Aromatizität beider Ringe gestört : weniger stabil
Y
Y H
Y H H
H H
Die positive Ladung der Naphthonium-Ionen verteilt sich demnach bei c-Substitution günstiger (zwei benzoide Grenzformeln) als bei d-Substitution (eine benzoide Grenzformel). Trotz dieses elektronisch günstigeren c-Angriffs wird oft die Bildung des d-Produkts bevorzugt, besonders
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12.4 Typische Reaktionen kondensierter Aromaten
179
wenn raumfüllende Substituenten eingeführt werden, oder wenn bei höherer Reaktionstemperatur substituiert wird. Einige Beispiele zur Herstellung industriell wichtiger Naphthalen-Derivate machen dies deutlich. NH2
NO2 HNO3 / H2SO4 50 - 60 °C
Diazoniumsalze Azofarbstoffe c-Naphthole Nitrile Naphthylhalogenide
Fe / HCl (Reduktion)
c-Nitronaphthalen
c-Naphthylamin
Br
Br 2 / CCl4 Rückfluß ohne Kat.
Alkohole CarbonylVerbindungen
über GRIGNARD-Verbindungen
c-Bromnaphthalen
SO3H Naphthalen
SO3H
konz. H2SO4
c-Naphthol d-Naphthylamin
sowie
reversibel
c-Naphthalensulfonsäure 96 % 15 % O
C
d-Naphthalensulfonsäure bei 80 °C 4% bei 160 °C 85 %
CH 3
O C
CH3COCl / AlCl3
sowie 1-Acetylnaphthalen
CH 3
2-Acetylnaphthalen bei /15 °C in CS2 25 % Hauptprodukt bei 25 °C in C6H5NO2
75 % Nebenprodukt
Abb. 12.3. Ausgewählte elektrophile Monosubstitutionen des Naphthalens
Zur Vorhersage der Orientierung einer Zweitsubstitution gelten im wesentlichen die Regeln der Zweitsubstitution von Benzen-Derivaten (Abschn. 11.1.8), wie drei Beispiele zeigen; dabei deuten Pfeile die bevorzugten Positionen für Zweitsubstitutionen an. D
A D
(A)
Ein aktivierender Donor-Erstsubstituent D mit (-)-M- und/oder (-)-I-Effekt wird eine elektrophile aromatische Substitution vorwiegend in dem gleichen Ring dirigieren. Ein desaktivierender Akzeptor-Erstsubstituent A mit (/)-M- und/oder (/)-I-Effekt wird eine elektrophile aromatische Substitution überwiegend in den zweiten Ring lenken.
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180
12.4.2
12 Kondensierte Aromaten
Oxidation des Naphthalens
Durch katalytische Luftoxidation bei hoher Temperatur läßt sich aus Naphthalen das u. a. zur Herstellung von Polymeren und Chinon-Farbstoffen benötigte Phthalsäureanhydrid gewinnen. O V2O5, 470 °C
+
O
9/2 O2
+
2 CO2
+
2 H2O
O Phthalsäureanhydrid
Chromsäure oxidiert d-alkylsubstituierte Naphthalene zu 1,4-Naphthochinonen. Unter ähnlichen Oxidationsbedingungen wird Toluen zu Benzoesäure oxidiert. Eine weitere Oxidation des 1,4Naphthochinons führt auch hier unter Ringspaltung zu Phthalsäure. O CH 3 +
2 CrO3
starke Oxidationsmittel hohe Temperaturen
CO2H
/ Cr 2O3
CO2H O 2-Methyl-1,4-naphthochinon
2-Methylnaphthalen
12.4.3
CH 3
CH3CO2H, 25 °C
Phthalsäure
Reduktion des Naphthalens
Aufgrund der geringeren Mesomerieenergie pro Ring kann ein Ring des Naphthalens chemisch reduziert werden. Die BIRCH-Reduktion mit Natrium in flüssigem Ammoniak führt z. B. zum Isotetralin. Eine vollständige Reduktion beider Ringe erfordert jedoch wie beim Benzen eine metallkatalysierte Hydrierung unter drastischen Bedingungen. Na , (H3C)2CHOH , Rückfluß , 132 °C
1,4-Dihydronaphthalen H2, Ni H2 / Pt oder Ni
Na , C2H5OH , Rückfluß, 78 °C
und Hitze , Druck
Tetralin
Naphthalen
cis- und trans-Decalin
Na , flüss. NH3 , / 78 °C
Isotetralin
12.4.4
Reaktionen des Anthracens und Phenanthrens
Sowohl beim Anthracen als auch beim Phenanthren sind die meso-Positionen C-9 und C-10 bevorzugte Reaktionszentren, weil dabei zwei Benzen-Ringsysteme erhalten bleiben. Die Oxidation
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12.4 Typische Reaktionen kondensierter Aromaten
181
liefert daher 9,10-Chinone, und beide tricyclische Aromaten neigen zu Additionen an den 9,10Stellungen, wie Bromierungen und katalytische Hydrierungen zeigen. Dabei genügen im Vergleich zu analogen Reaktionen des Naphthalens wesentlich mildere Reaktionsbedingungen. O
H H + 2 Na , + 2 C2H5OH
+ 3/2 O2 (Dampfphase)
/ 2 C2H5ONa
/" H2O
H H 9,10-Dihydroanthracen H H
O 9,10-Anthrachinon
H
O
O
H + H2 , Cu , Cr 2O3
+ 2 CrO3 /""Cr 2O3
9,10-Dihydrophenanthren
9,10-Phenanthrenchinon
Durch Addition von Brom und nachfolgende Dehydrobromierung lassen sich 9-Bromanthracen und 9-Bromphenanthren herstellen. 9-Bromphenanthren entsteht auch unter den Bedingungen einer elektrophilen aromatischen Halogenierung. Br
Br
H KOH, 100 °C
+ Br 2
/"HBr
Br H 9,10-Dibrom-9,10-dihydroanthracen H Br
9-Bromanthracen Br
Br H KOH, 100 °C
+ Br 2
/"HBr
9,10-Dibrom-9,10-dihydrophenanthren
9-Bromphenanthren
+ Br 2 (FeBr 3) , / HBr (Substitution)
Durch [2+4]-Cycloaddition von Dehydrobenzen an die 9,10-Stellung des Anthracens entsteht das pentacyclische Triptycen, wenn man die hochreaktive Dehydrobenzen-Zwischenstufe aus 2Bromfluorbenzen in einer Anthracen-Lösung erzeugt. Br F
+ Mg
MgBr F / MgBrF
H
Cl
H Triptycen
H Triptycylchlorid
+
Dehydrobenzen
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12 Kondensierte Aromaten
Am Brückenkopf-C halogenierte Triptycen-Derivate / wie das durch Addition von Dehydrobenzen an 9-Chloranthracen zugängliche Triptycylchlorid / sind viel weniger reaktiv als andere Halogenalkane: Sterische Effekte behindern hier die Bildung des planaren Carbenium-Ions einer SN1-Zwischenstufe und des Übergangszustands einer SN2-Reaktion. Auch andere Dienophile wie Maleinsäureanhydrid oder p-Benzochinon cycloaddieren an die 9,10Stellung des Anthracens. Entsprechende DIELS-ALDER-Cycloadditionen werden weder bei Benzen noch bei Naphthalen beobachtet. H H
O H +
O O O
O H
O Maleinsäureanhydrid
2,3:5,6-Dibenzobicyclo[2.2.2]octan7,8-dicarbonsäureanhydrid
12.5 Ring-Synthesen kondensierter Aromaten 12.5.1
HAWORTH-Synthesen von Phenanthren-Derivaten
Zur Synthese von Phenanthren nach HAWORTH wird Naphthalen nach FRIEDEL-CRAFTS in c- oder d-Stellung des Naphthalens durch Bernsteinsäureanhydrid acyliert; CLEMMENSEN-Reduktion der Ketosäure mit Zinkamalgam und Salzsäure, anschließende elektrophile Cyclisierung mit Schwefelsäure, erneute CLEMMENSEN-Reduktion und Dehydrierung mit Selen liefert Phenanthren. Über analoge Reaktionsfolgen lassen sich auch substituierte Naphthalene aus Benzen herstellen. O O +
O
AlCl3 Acylierung
CO2H
CO2H
Zn x Hg , HCl CLEMMENSENReduktion
O Acylierung
12.5.2
Se
Zn x Hg , HCl
Dehydrierung
CLEMMENSENReduktion
H2SO4
O
Anthrachinon-Synthese
Die in der Farbstoffindustrie benötigten größeren Mengen von Anthrachinon-Abkömmlingen sind durch Oxidation von Anthracen (Abschn. 12.4.4) und durch FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung des Benzens mit Phthalsäureanhydrid über o-Benzoylbenzoesäure zugänglich.
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12.5
Ring-Synthesen kondensierter Aromaten
183
O
O
H2SO4 oder HF
AlCl3
+
O
O
Acylierung
/"H2O
CO2H
O
O 9,10-Anthrachinon
o-Benzoylbenzoesäure
12.5.3
ELBS-Reaktion
Methylsubstituierte Aromaten wie m-Xylen reagieren nach FRIEDEL-CRAFTS mit Benzoylchlorid in Gegenwart von Aluminiumchlorid zu einer Mischung von Ketonen. Deren Pyrolyse bei 400 °C ergibt durch intramolekulare Redox-Reaktionen und Dehydratisierung mehrkernige Aromaten (ELBS-Reaktion). H3C C
Cl
CH 3
+
H 3C
AlCl3
+ Cl
O
CH3
/ 2 HCl
C O
O
O
/"4 H2O
400 °C
Cu, 380 °C / H2
Pentacen
12.5.4
6,13-Dihydropentacen
DÖTZ-Reaktion
Eine neuere Methode der Anellierung von Aromaten ist die DÖTZ-Reaktion. Edukte sind die aus Chromhexacarbonyl und Aryllithium entstehenden Chrom-Carben-Komplexe. Diese cycloaddieren nach Decarbonylierung Alkine. Die Primär-Cycloaddukte lagern sich über Vinylketen und Dienon-Komplexe zu den 1,4-Dihydroxyaren-Komplexen um. Demetallierung setzt das polycyclische Aren frei. O Li
Ether
Cr(CO)6 + LiC6H 5
H5C 6
C
+ (H3C) 3O+ BF4
Cr(CO)5
/
/ LiF , / BF3 , / (H3C) 2O
OCH3 Cr(CO)5 Chrom-Carben-Komplex + R C C R / CO
OCH 3
OCH3
R
R Cr(CO) 3
Cr(CO) 3
HO R 1-Methoxy-4-hydroxynaphthalen-Komplex
O
R
Dienon-Komplex
OCH3 R (OC) 3Cr
O
C
H3CO
R R Cr (CO)4
R
Vinylketen-Komplex
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184
12 Kondensierte Aromaten
12.6 Graphit und Fullerene Die Kohlenstoff-Modifikation Graphit kann man als die am höchsten kondensierte aromatische Verbindung ansehen. Graphit bildet ein Schichtgitter (Abb. 12.4 a) und zeigt eine mit den Metallen vergleichbare elektrische Leitfähigkeit, die jedoch wegen der nur innerhalb der Schichten beweglichen r-Elektronen anisotrop ist. Senkrecht zu den Schichten ist diese Leitfähigkeit um den Faktor 104 geringer. Auch in Benzen und allen mehrkernigen Aromaten läßt sich mit physikalischen Methoden ein anisotroper r-Elektronenstrom nachweisen. Dieser auch ohne angelegte Spannung vorhandene paramagnetische Ringstrom des Benzens ist ein Charakteristikum der Aromaten.
(a)
(b)
Abb. 12.4. (a) Kristallgitter (Schichtgitter) des Graphits; (b) Kohlenstoff-Skelett des C60-Fullerens (benzoide CCDoppelbindungen sind nicht eingezeichnet)
Als vierte Kohlenstoff-Allotrope (Modifikationen neben Ruß, Diamant und Graphit) erscheinen die in Benzen-Lösung weinroten bis braunen, im festen Zustand schwarzen Fullerene mit interessanten Eigenschaften (elektrische Leiter und Supraleiter). Fullerene (C60, C70 und C80) bilden sich bei der Verdampfung von Graphit durch Laserbestrahlung. Die Strukturanalyse ergibt Fußballähnliche Moleküle mit Untereinheiten, in denen fünf benzoide Sechsringe um einen Fünfring kondensiert sind, wie Abb. 12.4 b am Beispiel des C60-Fullerens zeigt. Das kleinste, bisher bekannte Fulleren (C20) enthält nur kondensierte Fünfringe; es bildet sich bei der Debromierung von partiell bromiertem Dodecahedran in einer Gasentladung. Fullerene lassen sich vielfältig abwandeln und mit funktionellen Gruppen versehen; sie reagieren mit Nucleophilen, Elektrophilen, Radikalen, Oxidations- und Reduktionsmitteln; auch Cycloadditionen gehen sie ein.
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13.1 Klassifizierung
185
13 Halogenalkane (Alkylhalogenide) 13.1 Klassifizierung Verbindungen R/X, bei denen ein Halogen-Atom (X = F, Cl, Br, I) an einen Alkyl-Rest gebunden ist, nennt man Halogenalkane, Halogencycloalkane, Halogenalkene sowie Halogenalkine (Alkyl-, Cycloalkyl-, Alkenyl- und Alkinylhalogenide). Die Nomenklatur der Halogenalkane folgt den besprochenen IUPAC-Regeln (Abschn. 2.1.3). Je nach Alkylierungsgrad des halogenierten CAtoms unterscheidet man primäre, sekundäre und tertiäre Halogenalkane: RCH2/X primär
R2 CH X sekundär
R3 C X tertiär
Alkyl- und Arylhalogenide zeigen sehr unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften. So neigen Halogenalkane zu Eliminierungen und nucleophilen Substitutionen, während Halogenaromaten unter gleichen Reaktionsbedingungen ziemlich stabil sind.
13.2 Eigenschaften Halogenalkane sieden deutlich höher als Alkane mit demselben Kohlenstoff-Gerüst jedoch tiefer als die entsprechenden Alkohole. Die Siedepunkte von Halogenalkanen und Alkanen mit ähnlicher molarer Masse unterscheiden sich dagegen kaum. Ausnahmen sind niedermolekulare Vertreter; niedermolekulare Perfluoralkane sieden trotz ihrer höheren molaren Massen tiefer als Alkane mit gleicher Anzahl von C-Atomen. Die Monohalogenalkane CH3/X (X = F, Cl, Br) sowie C2H5/X (X = F, Cl) sind bei Raumtemperatur gasförmig. Alle anderen Halogenalkane bis C18 sind Flüssigkeiten. Innerhalb homologer Serien steigt die Flüchtigkeit ̈ mit abnehmender molarer Masse des Halogenalkans, ̈ mit abnehmender Größe bzw. molarer Masse des Halogens und ̈ mit zunehmender Verzweigung der Alkyl-Gruppe. Halogenalkane sind polare Moleküle mit Dipolmomenten von o » 2 Debye. Von Fluoralkanen zu Iodalkanen nehmen die Dichten zu. Monochlor- und Monofluoralkane sind leichter, Brom- und Iodalkane sowie Polyhalogenalkane dagegen schwerer als Wasser. Halogenalkane lösen sich praktisch nicht in Wasser und sind ausgezeichnete Lösemittel für die meisten organischen Verbindungen. Zur Extraktion und zum Umkristallisieren werden insbesondere Dichlormethan (Methylenchlorid), Trichlormethan (Chloroform) und Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff) benutzt. Tetrachlormethan und Trichlorethen werden zur Textilreinigung verwendet. 2-Brom-2-chlor-1,1,1-trifluorethan (Halothan, CF3CHBrCl) dient als Inhalationsnarcoticum.
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186
13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
In Fluor-, Chlor-, Brom- und Iodalkanen, -alkenen sowie -alkinen nehmen die Kohlenstoff-Halogen-Bindungslängen mit wachsender Ausdehnung der Halogen-Atomradien zu (Tab. 13.1) . Tab. 13.1. C-Halogen-Atomabstände in Halogenalkanen, -alkenen und -alkinen (in pm)
Halogen-
-alkan
-alken
-alkin
C/F C/Cl C/Br C/I
136 179 195 214
133 172 188 209
130 164 180 199
Die Bindungswinkel (Interorbitalwinkel) an halogensubstituierten sp3-hybridisierten C-Atomen weichen bereits bei Fluoralkanen wie Fluormethan oder Difluormethan vom Tetraederwinkel 109°28' ab. 108.5°
Fluormethan
108.3°
H H C F
F H C F Difluormethan
110.5°
111.9°
H
H
Zeichnet man Energiediagramme für die Rotation der 1,2-Dihalogenethane um deren CC-Bindung (vgl. Butan, Abb. 2.4, S. 32), so findet man je nach Größe und Elektronegativität der beiden Halogene sowie ihrer Stellung relativ zueinander Dipol-Dipol-Wechselwirkungen, VAN-DERWAALSAbstoßung oder -Anziehung zwischen den Halogen-Atomen. Daher ist beim 1,2-Dichlorethan die windschiefe, beim 1,2-Dibromethan dagegen die anti-Konformation begünstigt. Beim Tetrabrom- und Tetrachlorethan ist das gauche-Konformer um ca. 4 kJ / mol stabiler als die anti-Form. Auch (Z)-1,2-Dichlorethen ist um 2 kJ / mol stabiler als das (E)-Isomer; nur beim 1,2Diiodethen ist das (E)-Alken stabiler. Diese Abweichungen vom "Normalverhalten" der unsubstituierten Alkane sind eine Folge der erwähnten, zur Anziehung führenden Wechselwirkungen zwischen den Halogen-Atomen.
13.3 Darstellung 13.3.1
Radikalische Halogenierung von Alkanen
Tiefsiedende Chloralkane und einige Bromalkane werden industriell überwiegend durch Halogenierung von Alkanen in der Gasphase hergestellt (Photochlorierung oder thermische Chlorierung; Abschn. 3.1). Beispiele sind Synthesen der t-Butyl-, Neopentyl-, Allyl- und Benzylhalogenide: Br 2 , hp", 120 °C
(H 3C)3CH
(H3C)3C Br Cl2 , 300 °C
(H 3C)4C H2C=CH/CH 3
(H3C)3C CH 2 Cl Cl2 (oder Br 2) , 400 °C
H2C=CH /CH2/Cl (oder Br)
Cl2 (oder Br 2) , hp", Rückfluß
H5C 6 CH3
H5C6 CH 2 Cl (oder Br)
Zur Herstellung von Fluor- und Iodalkanen eignen sich andere Verfahren (Abschn. 13.3.8, 13.3.9).
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13.3 Darstellung
13.3.2
187
Addition von Halogenwasserstoff an Alkene
Alkene addieren HX unter Bildung von Halogenalkanen. Die dabei möglichen Mechanismen / elektrophile Addition oder Addition über freie Radikale / wurden in Abschn. 4.5.4, 4.5.10 und 5.4 besprochen. Elektrophile Addition Die in zwei Schritten ablaufende elektrophile Addition an Alkene findet unter Lichtausschluß, bei tiefer Temperatur und in Lösung statt. Dabei addiert das Halogen so an die Doppelbindung, daß als Zwischenstufe das stabilste Carbenium-Ion auftritt (MARKOWNIKOFF-Regel).
̈
X
/
+ [H+]
+ X
R CH CH2
R CH CH 3
R CH CH 3
( X = Cl , Br , I )
̈ Addition über freie Radikale In Gegenwart von Licht, von Peroxiden oder bei höherer Temperatur in der Gasphase addiert das Halogen an das mit mehr H-Atomen verknüpfte C-Atom der Doppelbindung ("anti-MARKOWNIKOW-Produkte"), weil unter diesen Bedingungen das stabilste Radikal als Intermediat auftritt. +X
R CH CH2
13.3.3
+ HX
R CH CH 2
X
R CH 2 CH2
X
+
X
( X = Cl, Br )
Addition von Halogen an Alkene
Elektrophile Addition Über einen ionischen Mechanismus, der unter Ausschluß von Licht, bei tiefen Temperaturen und in Lösung abläuft, addieren Br2 oder Cl2 an Alkene. Dabei bilden sich 1,2-Dihalogenalkane.
̈
X C C
+
X2
C C
( X = Cl, Br )
X
Addition von X2 über freie Radikale Bei hohen Temperaturen in der Gasphase konkurrieren radikalische Substitutionen in AllylStellung mit radikalischen 1,2-Additionen.
̈
Substitution
C C C
+
X2
C C
HX
X
X
Addition
und
C C C
C H
+
+
X2
C C C X
H
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188
13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
13.3.4
Additionen von HX und X2 an Diene
Eine allgemein anwendbare Methode zur Darstellung von Halogenalkanen ist die elektrophile Addition von HX (X = Cl, Br, I) oder X2 (X = Cl, Br) an 1,3-Diene (Abschn. 6.5.1). Bei tiefer Temperatur bilden sich dabei vorzugsweise 1,2-, bei höherer dagegen 1,4-Additionsprodukte. X
+ HX
X
H3C CH CH CH2 H2C CH CH CH2
+
H3C CH CH CH2
1,2-Addukt
1,4-Addukt
+ X2
H2C CH CH CH2
+
X X
H2C CH CH CH2 X
X
Dieselben Produkte sind auch durch radikalische Addition von HX oder X2 an konjugierte Diene zugänglich (Abschn. 6.5.2).
13.3.5
Additionen von HX und X2 an Alkine
Zur Darstellung von Vinylhalogeniden und 1,1-Dihalogeniden eignen sich elektrophile Additionen von HX an Alkine (Abschn. 7.5.3). R
+ HX (HgX 2)
R C C R
X
+ HX , Hitze
RCH C
R CH2 C R X
X
Die Addition von Halogenen X2 (X = Cl, Br) an Alkine öffnet den Zugang zu 1,2-Dihalogenalkenen und 1,1,2,2-Tetrahalogenalkanen. + X2 (FeX 3)
X
R C C R
R
+ X2 (FeX 3)
C C R
X R C
X
X
X C R X
Chlorethen (Vinylchlorid) und Tetrachlorethan werden durch Hydrohalogenierung bzw. Halogenierung des Ethins technisch hergestellt: H C C H + HCl
13.3.6
H2C CH Cl Chlorethen (Vinylchlorid)
H C C H + 2 Cl2
Cl2CH CHCl2 1,1,2,2-Tetrachlorethan
Halogenalkene durch Dehydrohalogenierung
Vinylchlorid und -bromid sowie andere Halogenethene sind durch partielle Dehydrohalogenierung von 1,1- oder 1,2-Dihalogenalkanen zugänglich. Vinylchlorid ist das Monomer des synthetischen Polymers Polyvinylchlorid (PVC). Trichlorethen (Trichlorethylen) wird zur Textilreinigung als Lösemittel technisch hergestellt.
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13.3 Darstellung
189
KOH
H3C CHCl2 oder ClCH2 CH 2Cl
/ HCl
H 2C CH Cl
Chlorethen (Vinylchlorid)
H 2C CH Br
Bromethen (Vinylbromid)
ClCH CCl2
Trichlorethen (Trichlorethylen)
KOH in Ethanol
BrCH 2 CH 2Br
/ HBr
Ca(OH) 2
Cl2CH CHCl2
13.3.7
/ HCl
Radikalische Bromierung in Allyl-Stellung durch N-Bromsuccinimid
Allylständige CH2-Gruppen können bei mäßigen Temperaturen mit Hilfe von N-Bromsuccinimid (NBS) unter Bestrahlung mit Licht oder in Gegenwart von Peroxiden bromiert werden. 3-Bromcyclohexen und c-Bromtoluen (Benzylbromid) sind so zugänglich: O +
N Br
O CCl4 , Rückfluß
Br
+
H 3-Bromcyclohexen
O
O
O CH3
+
N Br
N H
O CCl4 , Rückfluß
CH2 Br
+
c-Bromtoluen (Benzylbromid)
O
N H O
Diese als WOHL-ZIEGLER-Reaktion bekannte, schonende Allyl-Bromierung mit NBS ist ein Analogon der radikalischen Substitution von Propen durch Cl2 oder Br2 bei hoher Temperatur (Abschn. 4.5.10). Peroxide starten dabei eine Kettenreaktion über intermediäre Radikale. Die homolytische Spaltung der N/Br-Bindung des N-Bromsuccinimids führt zum Brom-Radikal; dieses bildet im ersten Schritt der Kettenreaktion mit dem Alken ein Allyl-Radikal, das im zweiten Schritt mit Brom zu Allylbromid und Brom-Radikal abreagiert. (1) (2)
Br
+
R CH2 CH CH R
R CH CH CH R
+ Br2
R CH CH CH R R CH CH CH R
R CH CH CH R +
+ HBr
Br
Br
Infolge der Bildung mesomeriestabilisierter Allyl-Radikale können aus unsymmetrisch substituierten Alkenen isomere Allylbromide entstehen. 1-Buten ergibt z. B. 1-Brom-2-buten als Hauptprodukt neben 3-Brom-1-buten: H3C CH2 CH CH 2
NBS , CCl4 , Peroxide
H3C CH CH CH2 Br 3-Brom-1-buten
sowie
H 3C CH CH CH 2 Br 1-Brom-2-buten (Hauptprodukt) (E + Z)
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190
13.3.8
13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
Darstellung von Fluoralkanen
Die direkte Fluorierung von Alkanen verläuft stark exotherm und führt zu perfluorierten Verbindungen sowie CC-Spaltungen. Die heftige Reaktion läßt sich durch Tiefkühlung und durch Verdünnung des Fluors mit Helium steuern. Nur wenige einfache Fluoralkane sind durch Addition von Fluorwasserstoff an Alkene zugänglich. Alle anderen Fluoralkane müssen durch spezielle Methoden dargestellt werden. Fluorierung durch anorganische Fluoride Als Fluorierungsmittel eignen sich einige anorganische Fluoride wie Kobalt(III)-fluorid. Strömt ein Alkan über CoF3, so wird dieses vom Alkan unter Bildung von Fluoralkanen und Flußsäure zu CoF2 reduziert. Das Kobalt(II)-fluorid kann anschließend mit elementarem Fluor zum CoF3 regeneriert werden. ̈
CnH2n+2
+
2 (2n+2) CoF3 2 CoF 2
+
CnF2n+2 + (2n+2) HF + 2 (2n+2) CoF 2
F2
2 CoF3
Fluorierung durch Halogenaustausch in Halogenalkanen Durch Halogen-Austausch können Chlor- oder Bromalkane bei Einwirkung starker LEWIS-Säuren wie HgF2 oder SbF3 in Fluoralkane übergeführt werden. ̈
2 CH 3Br
+
0 °C
HgF 2
3 CCl4
+
2 SbF 3
3 CCl4
+
SbF 3
SbCl3
+
3 HF
SbCl5 SbCl5
2 CH3F
+
HgBr2
3 CCl2F 2
+
2 SbCl3
3 CFCl3
+
SbCl3
SbF 3
+
3 HCl
Das als Freon-12 bekannte Dichlordifluormethan wurde wegen seiner hohen Verdampfungswärme als Kühlflüssigkeit für Kühlaggregate eingesetzt. Auch als Treib- und Lösemittel in Spraydosen fand es Verwendung, bevor man erkannte, daß alle in die Atmosphäre entweichenden "Fluorchlorkohlenwasserstoffe" ("FCKWs") in einer Photoreaktion Halogen-Radikale freisetzen, die das UV-absorbierende Ozon spalten und so die Ozon-Konzentration in der Stratosphäre vermindern ("Ozonloch"). CCl2F 2 Cl ClO
hp
+ O3 +
O
CClF2
+
Cl
ClO
+
O2
O2 +
Cl
Der chemisch inerte Polymer-Werkstoff Polytetrafluorethen (Teflon, [/CF2/]n), wird durch radikalische Polymerisation von Tetrafluorethen großtechnisch erzeugt. Tetrafluorethen entsteht aus Chloroform und Antimontrifluorid über Chlordifluormethan: 3 CHCl3
+
2 SbF 3
2 CHClF 2
SbCl5 700-800 °C
3 CHClF 2
+
2 SbCl3
F 2C CF 2
+
2 HCl
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13.3 Darstellung
191
Teflon wird als Werkstoff für Pumpen und Laborgeräte sowie zur Beschichtung von Töpfen und Pfannen verwendet. Höhere Perfluoralkane dienen als chemisch inerte Spezialschmieröle. Die geringe Reaktivität der Polyfluoralkane beruht auf der außerordentlich starken CF-Bindung, was sich in sehr kurzen C/F-Atomabständen (135 pm) äußert. Monofluoralkane zeigen dagegen weitgehend die chemischen Eigenschaften der anderen Halogenalkane und haben C/F-Bindungslängen von 142 pm.
13.3.9
Darstellung von Iodalkanen
Iodalkane sind durch Halogen-Austausch vom Typ der nucleophilen Substitution aus Brom- oder Chloralkanen zugänglich (FINKELSTEIN-Reaktion). NaI , Aceton
R X
+
I
R I
+
X"""""""
( X = Cl, Br )
Iodmethan (Methyliodid) als Methylierungsreagenz wird aus dem Carcinogen-verdächtigen Dimethylsulfat und Kaliumiodid hergestellt. (CH3O)2SO2
+ 2 KI
CaCO3 in H2O
2 CH 3 I
+
K2SO4
13.3.10 Halogenalkane aus Alkoholen Die Darstellung von Halogenalkanen aus Alkoholen ist eine allgemein anwendbare und die bedeutendste Darstellungsmethode. Dabei wird die Hydroxy-Gruppe des Alkohols nucleophil durch ein Halogenid-Anion ersetzt (nucleophile Substitution, SN, Abschn. 14). HX oder PX3
R OH
R X
( X = Cl, Br, I )
Halogenierung mit Phosphortribromid und -iodid Phosphortrihalogenide reagieren mit Alkoholen zu Halogenalkanen. ̈
Pyridin
3 R OH
+
PBr3 ( P + Br2 )
3 R Br
+
H 3PO3
3R I
+
H 3PO3
Pyridin
3 R OH
+
PI 3 ( P + I 2 )
Zu dieser Reaktion können primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole einschließlich der Cycloalkanole sowie Benzyl- und Allylalkohol eingesetzt werden. Wegen der mäßigen Ausbeuten werden die Chloride nur selten mit PCl3 dargestellt.
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192
13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
Umsetzung mit Thionylchlorid Thionylchlorid (SOCl2) als Reagenz zur Chlorierung bietet gegenüber PCl3 den Vorteil, daß die Reaktionsmischung sich infolge gasfömiger Nebenprodukte einfacher aufarbeiten läßt. Pyridin (Kat.)
R OH
+
SOCl2
R Cl
+
SO2
+
HCl
Pyridin (C5H5N) beschleunigt die Halogenierung über intermediäre Chlorsulfinsäureester. R
R OH + SOCl2 + C5H5N
O
S
O
+
C5H5NH Cl
R Cl + SO2 + C5H5N
+ HCl
Cl Chlorsulfinsäureester
Halogenierung mit Halogenwasserstoffen Tertiäre Halogenalkane sind aus den entsprechenden Alkoholen durch Behandlung mit Halogenwasserstoff (HCl, HBr) zugänglich. Die Darstellung primärer Halogenalkane erfordert schärfere Reaktionsbedingungen und wird durch den Zusatz einer LEWIS-Säure wie ZnCl2 erleichtert. Die aus c,y-Diolen zugänglichen c,y-Dibromalkane sind wichtige Zwischenprodukte organischer Synthesen. CH 3
CH 3
0 °C
H3C CH2 C OH
+
HCl
H3C CH2 C Cl
CH 3
+
H 2O
+
H2O
CH 3 2-Chlor-2-methylbutan 80 °C
OH
+
HBr
Br Bromcyclohexan
HO (CH2)n OH
+ 2 HBr
135 °C
Br (CH 2)n Br c,y-Dibromalkan
+ 2 H 2O
Umlagerungen und Eliminierungen sind Nebenreaktionen. Die relativen Reaktivitäten der Alkohole sinken in der Folge Allyl, Benzyl > tertiär > sekundär > primär.
Die Reaktivitäten der Halogenwasserstoffe nehmen von HI über HBr zu HCl ab. Chlorierungen von Alkoholen durch HCl werden nach RYDON durch Triphenylphosphit katalysiert, das in situ aus Phenol und Phosphortrichlorid entsteht. 3 H5C 6 OH
+
PCl3
+
HCl
Phenol
(H 5C6O)3 P
+
R OH
(H 5C6O)3 P + Triphenylphosphit R Cl
+
3 HCl
(H 5C6O)3POH
+
H5C 6 OH
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13.3 Darstellung
193
Mit Trichloracetonitril können Alkohole sogar bei 0 °C zu Chloralkanen umgesetzt werden. R OH
+
NH Cl3C C OR
Cl3C C N Trichloracetonitril
NH 2 Cl Cl3C C O R
NH 2 + R Cl Cl3C C O Trichloracetamid Chloralkan
13.3.11 Bromalkane durch HUNSDIECKER-Decarboxylierung Silbersalze langkettiger Carbonsäuren decarboxylieren in der Hitze oder bei UV-Bestrahlung zu langkettigen Bromalkanen (HUNSDIECKER-Decarboxylierung). Als Katalysatoren eignen sich Quecksilberoxid und Blei(IV)-acetat. CCl4 , Hitze
R CH 2 CO2 Ag
+
Br2
R CH 2 Br
+
CO2
+
AgBr
Die Bildung des Silberbromids aus Silbercarboxylat und Brom startet eine Kettenreaktion über intermediäre Radikale: Start
R
CO2 Ag
+
Br2
R COOBr +
R COOBr
R COO
R COO Kette
R
+ R COOBr
AgBr
+
Br
R
+
CO2
R Br
+
R COO
13.3.12 Darstellung und Eigenschaften von Oligohalogenmethanen Oligochlormethane Di-, Tri- und Tetrachlormethan entstehen durch Photochlorierung von Methan. Tetrachlormethan wird industriell auch über Schwefelkohlenstoff erzeugt. Die Chlorierung des Schwefelkohlenstoffs kann durch SbCl5, AlCl3 oder FeCl3 katalysiert werden. AlCl3
C (Koks) +
2S
CS2
CS2
+
CCl4
3 Cl2
+
S2Cl2
Haloform-Reaktion Eine typische Reaktion von Methylketonen ist die Haloform-Reaktion, bei der durch Einwirkung von Halogenen Cl2, Br2 oder I2 in Natronlauge die farblosen und flüssigen Haloforme, Chloroform (Trichlormethan) und Bromoform (Tribrommethan), sowie das gelbe kristalline Iodoform (Triiodmethan) entstehen. O R C CH 3
/
O
+ 3 OH .""+ 3 Cl2 / 3 H2O , / 3 Cl
/
R C CCl3
+ NaOH
R CO2 Na Carboxylat
+
HCCl3 Chloroform
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194
13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
Der "Iodoform-Test" dient als chemischer Nachweis von Methylketonen. Da die Reaktion unter milden Bedingungen Carbonsäuren gibt, nutzt man sie zur Darstellung spezieller Carbonsäuren. Schlüsselschritt ist ein elektrophiler Angriff des Halogens X2 am Enolat-Anion (R = Alkyl). O R C CH3
/
+ OH , / H 2O
O R C CH2
O R C CH _ 2
Enolat-Anion
Carbanion
/
+ X2 , / X
O R C CH 2 X
O + NaOH R C CX3
O R C
+
HCX3
O Na
̈ Dihalogenmethane (Methylenhalogenide) Dibrom- und Diiodmethan lassen sich durch Reduktion (z. B. mit Natriumarsenit) des entsprechenden Haloforms darstellen. CHI 3 (CHBr3)
+
Na3 AsO3
+
CH 2I 2 (CH 2Br2)
NaOH
+
Na3 AsO4
+
NaI (NaBr)
Dihalogencarbene Chloroform oder Bromoform können bei Einwirkung von Alkalihydroxid durch c-Eliminierung (1,1-Eliminierung) in Dichlorcarben bzw. Dibromcarben übergehen.
CHCl3
+
/ H2O
HO
:CCl3
/ Cl
/
:CCl2 Dichlorcarben
Carben-typisch addiert Dichlorcarben an CC-Doppelbindungen unter Bildung von CyclopropanDerivaten ([2+1]-Cycloaddition, Cyclopropanierung, Abschn. 8.6.1): C C
+
:CCl2 Cl Cl 1,1-Dichlorcyclopropan
13.4 Reaktionen 13.4.1
Nucleophile Substitution und Eliminierung in Konkurrenz
Der induktive Effekt des Halogens polarisiert die CX-Bindung im Halogenalkan: Das gebundene C-Atom (C-c) wird elektrophil (f+), das Halogen (f/) kann als Halogenid-Anion X/ austreten und durch ein Nucleophil ersetzt werden. Kennzeichen eines Nucleophils ist mindestens ein nichtbindendes Elektronenpaar. Nucleophile können Anionen oder Neutralmoleküle sein, die als LEWISBasen dazu neigen, mit den elektrophilen C-c-Atomen der Halogenalkane Bindungen zu knüpfen.
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13.4
Reaktionen
195
Tab. 13.2. Nucleophile Substitution von Halogenalkanen R/X Nucleophil Sauerstoff
Schwefel
OH
Hydroxid
R OH
OH 2
Wasser
R OH
Alkohol
OR'
Alkoxid
R O R'
Ether
OOC R'
Carboxylat
R O CO R'
Ester
SH
Hydrogensulfid
R SH
Thiol
SR'
Thiolat
R S R'
Thioether (Dialkylsulfid)
Dialkylsulfid
R SR'2 X
Sulfoniumsalz
Thiocyanat (Rhodanid)
R SCN
Alkylthiocyanat
NH 2
Amid
R NH 2
primäres Amin
NH 3
Ammoniak
R NH 2
primäres Amin
H 2N R'
primäres Amin
R NH R'
sekundäres Amin
NHR'2
sekundäres Amin
R NR'2
tertiäres Amin
NR'3
tertiäres Amin
R NR'3 X
quartäres Ammoniumsalz
N3
Azid
R N3
Alkylazid
NO2
Nitrit
R NO2
Nitroalkan
C N
Cyanid
R C N
Nitril (Alkylcyanid)
C C H
Ethinylid
R C C H
1-Alkin
C C R'
Alkinylid
R C C R'
Alkin
R'
Carbanion
R R'
Alkan
CH(CO2R')2
Malonsäurediester-Anion
R CH(CO2R')2
R'
S R'
SCN
Stickstoff
Kohlenstoff
Reaktionsprodukt
CH(COCH 3)(CO2R') Acetessigester-Anion Ar
H (AlCl3)
R CH(COCH 3)(CO2R')
Alkohol
Alkylmalonsäurediester (Malonester-Synthese)
Alkylacetessigester (Acetessigester-Synthese)
Aren
R Ar
Alkylaren
Halogen
K
Iodid
R I
Iodalkan (Alkyliodid)
Phosphor
P(C 6H 5)3
Triphenylphosphan
R P(C 6H 5)3 X
Alkyltriphenylphosphoniumsalz
Andererseits zieht im Halogenalkan die durch den induktiven Effekt des Halogens an C-c induzierte, positive Partialladung Elektronen von C-d an. Dadurch können die CH-Bindungen an C-d so polarisiert werden, daß ein Proton von C-d unter Alken-Bildung abgespalten wird. H
+ harte Base B :
H B + X
+
C C
Eliminierung E
d
cC C
X
H
+ weiche Base B :
C C Substitution SN
+
X
B
Halogenalkan
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196
13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
Nucleophile Substitution und Eliminierung konkurrieren also, wenn Basen (Nucleophile) B/ auf ein Halogenalkan (als Elektrophil) einwirken. Welche Reaktion dominiert, folgt aus dem HSABPrinzip (hard soft acid base): Demnach reagieren Basen (Nucleophile) und Säuren (Elektrophile) bevorzugt nach der Regel "hart mit hart" und "weich mit weich". Hart sind kompakte Ionen mit hoher Ladungskonzentration wie Acyl-Kationen und Protonen als Elektrophile (Säuren) bzw. Hydroxid- und Alkoholat-Ionen als Nucleophile (Basen). Weich sind dagegen polarisierbare, voluminöse Spezies wie Halogenalkane, Carbene und Carbenium-Ionen als Elektrophile (Säuren) bzw. Alkene, Aromaten, Cyanid- und Carbanionen als typische Nucleophile (Basen). So wird ein Halogenalkan mit einer harten Base (B = OH/) bevorzugt zum Alken dehydrohalogenieren (Eliminierung), durch ein weiches Nucleophil (B = CN/) dagegen bevorzugt (zum Nitril) substituiert.
13.4.2
Nucleophile Substitutionen
Tab. 13.2 orientiert über die vielfältigen Möglichkeiten zur Einführung funktioneller Gruppen durch nucleophile Substitutionen von Halogenalkanen. Fast jedes der resultierenden Produkte ist seinerseits wieder in viele Derivate überführbar, welche die Alkyl-Gruppe des Halogenalkans tragen. Somit sind die aus Alkanen und Alkenen zugänglichen Halogenalkane als Alkylierungsmittel Schlüsseledukte organischer Synthesen.
13.4.3
GRIGNARD-Reaktion
Halogenalkane, Halogenalkene, Halogenalkine und Halogenarene (Arylhalogenide) reagieren mit Magnesium in Ether-Suspension zu Alkylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARD-Verbindungen), die mit Dialkylmagnesium im SCHLENK-Gleichgewicht vorliegen: f+ f/
2 R X
f/ f++
Ether
+
2 Mg
f/
2 R Mg X
SCHLENKGleichgewicht
Alkylmagnesiumhalogenid ( X = Cl , Br , I )
f/ f++ f/
R Mg R
+
MgX2
Dialkylmagnesium
Diese Metallierung polt das c-C-Atom vom Elektrophil (f+) zum Nucleophil (f/) um. Auf dieser Umpolung beruhen vielseitige präparative Anwendungen der GRIGNARD-Verbindungen im Bereich der CC-Verknüpfungen, u. a. zur Synthese von Alkoholen (Abschn. 15.4.6).
13.4.4
CC-Verknüpfungen mit Organohalogen-Verbindungen
Das zum Nucleophil umgepolte C-Atom einer GRIGNARD-Verbindung reagiert mit dem elektrophilen C-Atom einer Organohalogen-Verbindung unter Knüpfung einer neuen CC-Einfachbindung: f+
R1
f/
X
Halogenalkan, Halogenaren, Halogenalkin, Halogenaren elektrophiles R1
+
f/
f++
f/
in Ether
R2 Mg X
R1 R2
+
MgX2
Alkyl-, Alkenyl-, Alkinyl-, Arylmagnesiumhalogenid ( X = Cl , Br , I ) nucleophiles R2
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13.4
Reaktionen
197
Demselben Prinzip folgt die WURTZ-Reaktion zur Synthese von Alkanen aus Halogenalkanen über Alkylnatrium (Abschn. 2.6.3). Phenylcyclopentan könnte z. B. entweder aus Bromcyclopentan und Phenylmagnesiumbromid (aus Brombenzen und Magnesium in Ether) oder aus Brombenzen und Cyclopentylmagnesiumbromid (aus Bromcyclopentan und Magnesium) dargestellt werden: Br
+
Bromcyclopentan
/ MgBr2
Br Mg
/ MgBr2
Phenylmagnesiumbromid
Phenylcyclopentan
Mg Br
+
Cyclopentylmagnesiumbromid
Br Brombenzen
Neuere Methoden Palladium(0)-katalysierter CC-Verknüpfungen mit Organohalogen-Verbindungen und Triflaten (Trifluormethansulfonaten) als Elektrophile sind die SUZUKI-Kupplung mit Boronsäuren Pd(0)-Komplex
R1
X
R 1 R2
R2 B(OH)2
+
+
XB(OH)2
Alkylboronsäure, Arenboronsäure
X = I, Br, OSO2CF3
sowie die STILLE-Kupplung mit Organozinn-Verbindungen (Stannane) über Katalysecyclen, die denen der HECK-Reaktion (Abschn. 4.5.11) sehr ähnlich sind. Pd(0)-Komplex
R1
X
X = I , Br , OSO2CF3
R1 R2
R2 SnR3
+
+
XSnR3
Stannan R2 = Alkyl-, Alkenyl-, Alkinyl-, Aryl-
3-Methoxybiphenyl kann z. B. aus m-Bromanisol nach STILLE mit Trimethylphenylstannan und nach SUZUKI mit Phenylboronsäure dargestellt werden in Gegenwart des Palladium(0)-Triphenylphosphan-Komplexes, der im Falle der STILLE-Kuppplung in situ durch Reduktion der Palladium(II)-Salze mit überschüssigem Stannan erzeugt wird. H 3CO
H 3CO
H 3CO Br +
m-Bromanisol
(H 3C)3Sn
Pd(0)
Pd(0)
STILLE
SUZUKI
Trimethylphenylstannan
Br + (HO)2B
3-Methoxybiphenyl
Phenylboronsäure
Die SUZUKI-Kupplung bewährt sich zur stereoselektiven Darstellung konjugierter Polyene unter Erhaltung der relativen Konfiguration beider Edukte (Retention). Die Synthese des Bombykols, Sexuallockstoff des Seidenspinner-Weibchens (Bombyx mori), gelingt z. B. durch SUZUKI-Kupplung des (E)-1-Iod-1-undecen-11-ols mit (Z)-1-Pentenyl-1-boronsäure: HO
I (E)-1-Iod-1-undecen-11-ol
Pd(0)
+
(HO)2B (Z)-1-Pentenyl1-boronsäure
HO
/ I B(OH) 2 Bombykol
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198
14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
14.1 Übersicht nucleophiler Substitutionen an Aliphaten Bei der nucleophilen Substitution ersetzt das Nucleophil B in einem Substrat (Halogenalkan) einen Substituenten X (z. B. ein Halogen), der als Anion (Nucleofug, z. B. ein Halogenid-Anion) austritt. Je nach Art des Nucleophils (Anion, Neutralmolekül) gibt es drei Möglichkeiten: Substrat
Nucleophil
Produkt
Nucleofug
eintretende Gruppe künftiger Substituent
austretende Gruppe z. B. Halogenid-Anion
R X
+
IB
R B
+
X
R X
+
IB
R B
+
X
R X
+
IB H
R BH
+
X
Einfache Substitutionen ohne konkurrierende Eliminierungen, in denen man die drei NucleophilTypen erkennt, sind z. B. die Bildung des Methylcyanids (Acetonitril) aus Iodmethan, des Methylammonium-bromids aus Brommethan, des Chlormethans aus protoniertem Methanol und des Tetramethylammonium-Ions aus dem Trimethylsulfonium-Ion: H 3C
+
IC N
H 3C C N
+
I
H 3C Br
+
INH3
H 3C NH 3
+
Br
H3C OH 2
+
Cl
H 3C Cl
+
H2O
(H 3C)3S
+
(H3C)4N
+
(H3C)2S
I
IN(CH3)3
Nucleophile Substitutionen sind keineswegs auf Halogenalkane beschränkt; jede AlkylVerbindung mit einer geeigneten Abgangsgruppe X kann mit Nucleophilen reagieren (Tab. 14.1). Besonders gut austretende Gruppen sind Tosylat, Brosylat sowie Onium-Ionen (Tab. 14.1). Solvolysen sind nucleophile Substitutionen, bei denen Lösemittel als Nucleophile wirken. Man unterscheidet dabei je nach Art des Solvens die Hydrolyse (H2O), Methanolyse (Methanol, CH3/OH), Ethanolyse (Ethanol, C2H5/OH), Acetolyse (Essigsäure, CH3/COOH), Formolyse (Ameisensäure, H/COOH), Ammonolyse (NH3) oder Aminolyse (primäre Amine, R/NH2, als Lösemittel und Nucleophile). Wie bei anderen Reaktionstypen hängt die Reaktionsgeschwindigkeit einer nucleophilen Substitution von äußeren Einflüssen wie Temperatur, Konzentration und Lösemittel ab. Struktur und Nucleophilie des angreifenden Agens, Struktur des Substratmoleküls, Basizität der austretenden Gruppe sowie Salzeffekte spielen eine weitere entscheidende Rolle. Zusätzlich komplizieren konkurrierende Eliminierungen eine Analyse der Kinetik und Stereochemie nucleophiler Substitutionen. Dennoch bieten einige Regeln und Beziehungen Orientierungshilfe bei der Interpretation des Reaktionsverlaufs.
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14.2 Mechanismen
199
Tab. 14.1. Nucleophile Substitutionen verschiedener Alkyl-Verbindungen Alkyl-Verbindung
Nucleophil
Produkt
Nucleof ug
O
O Sulfat
R O S O R
CH3O
R OCH3
Methylether
O S O R
O
O O
O R O S
CH3
Tosylat
H2O
R OH
Alkohol
HO S
CH3
O
O O
O
R O S
Br
Brosylat
H2O
R OH
Alkohol
O
HO S
Br
O Alkohol
HCl (HBr, HI)
R Cl (Br, I)
Halogenalkan
O R O C R'
Ester
H2O
R OH
Alkohol
R O R'
Ether
HBr
R Br
Bromalkan
HO R'
Oxoniumsalz
H2O
R OH
Alkohol
R' O R'
Sulfoniumsalz
Br
R Br
Bromalkan
R OH
R' R O R'
H2O O HO C R'
R'
R' R S
S R'
R' R NR'3
Ammoniumsalz
OH
R OH
Alkohol
R N N
Diazoniumsalz
H2O
R OH
Alkohol
NR'3 N2 + [H ]
14.2 Mechanismen Für nucleophile Substitutionen (SN) gibt es zwei Grenz-Mechanismen. Einerseits können sie einstufig nach einem bimolekularen Mechanismus verlaufen, den man als SN2 bezeichnet; SN2 ist die Abkürzung für Substitution (S), nucleophil (N), bimolekular (2). Andererseits können sie auch zweistufig ablaufen; dabei ist der erste, geschwindigkeitsbestimmende Schritt monomolekular; daher spricht man vom SN1-Mechanismus (S für Substitution, N für nucleophil, 1 für monomolekular).
14.2.1
Bimolekularer Mechanismus SN2
Beim SN2-Mechanismus greift das in die Verbindung eintretende Nucleophil B/ direkt am positivierten C-Atom der polarisierten CX-Bindung an. Im Übergangszustand dieser Reaktion (Abb. 14.1) ist die neue Bindung BC fast geknüpft und die frühere Bindung CX nahezu gelöst. Während der Bildung von B/C unter gleichzeitiger Lösung von C/X liegen die drei an der Substitution unbeteiligten Substituenten auf einer Ebene.
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200
14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
Epot B
C
X
Übergangszustand
FEA
C
X +B
FH
B
R X
B R
+ X
C
Reaktionskoordinate
Abb. 14.1. Energiediagramm der SN2-Reaktion
Aufgrund des synchronen Verlaufs der SN2 Reaktion hängt die Reaktionsgeschwindigkeit r von der Konzentration beider Reaktionspartner (Halogenalkan als Substrat und Nucleophil) ab; die bimolekulare Reaktion folgt einem Geschwindigkeitsgesetz zweiter Ordnung: rS 2 = N
dc(Substrat) /""""""""""""""" = k dt
x c(Substrat) x c(Nucleophil)
k ist die spezifische Reaktionsgeschwindigkeitskonstante und wird wie r selbst in mol / Liter x Sekunde angegeben.
Die Bildung jedes einzelnen Moleküls R/B erfordert den Zusammenstoß eines Nucleophils B/ mit einem Substrat-Molekül R/X. Verdopplung der Konzentration beider Edukte vervierfacht die Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenstoß und damit auch die Reaktionsgeschwindigkeit. Befindet sich bei einer Solvolyse das Nucleophil in sehr hohem molarem Überschuß gegenüber dem Substrat, so geht nur die Konzentration des Substrats in die Geschwindigkeitsgleichung ein, d. h. die nach SN2 ablaufenden Reaktionen folgen einer Kinetik pseudo-erster Ordnung. dc(Substrat) /""""""""""""""" = k´ dt
rS 2 = N
x c (Substrat)
Stereochemischer Verlauf Betrachtet man den stereochemischen Verlauf der SN2-Reaktion (Abb. 14.2), so ist leicht einzusehen, daß aufgrund sterischer und elektrostatischer Einflüsse das Nucleophil B/ eher von der Rückseite als frontal zum Nucleofug angreifen wird. ̈
R
R BI
f+
+
C R' R"
Nucleophil
Substrat
f/
X
FEA groß
f/
B
C
R f/
X
B
C
+
X
R'
R'
R" R"
Produkt
Nucleofug
Übergangszustand mit elektronischem Ladungsausgleich
Abb. 14.2. Sterischer Verlauf einer SN2-Reaktion
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14.2 Mechanismen
201
Die kinetische Analyse der alkalischen Hydrolyse von Halogenalkanen zu Alkoholen ergab z. B., daß die Bildung von Methanol aus Brommethan nach 2. Ordnung verläuft (SN2-Mechanismus, Abb. 14.3). H H H HO
f+
+
C
f/
f/
Br
HO
H
f/
C
H Hydroxid
H
H Br
HO
C
+
Br
H
H
Brommethan
Methanol
Bromid
Übergangszustand
Abb. 14.3. Alkalische Hydrolyse von Brommethan
Ein Angriff des Nucleophils von der Seite der austretenden Gruppe X wäre wegen der elektrostatischen Abstoßung energetisch ungünstiger. Da somit im Übergangszustand die Konfiguration invertiert (Abb. 14.2), wird die SN2-Reaktion stereospezifisch unter Inversion der Konfiguration verlaufen (WALDEN-Inversion, Abschn. 17.10.1). Umlagerungen des Kohlenstoff-Skeletts werden bei den synchron verlaufenden SN2-Reaktionen nicht beobachtet.
14.2.2
Monomolekularer Mechanismus SN1
Die monomolekulare nucleophile Substitution (SN1) verläuft nach dem in Abb 14.4 gezeichneten Energiediagramm in zwei Schritten: Im ersten Reaktionsschritt bildet sich durch Austritt der Gruppe X unter Mitwirkung der Lösemittelmoleküle ein Carbenium-Ion; der zweite Schritt ist eine schnelle Ionen-Reaktion des elektronenreichen Nucleophils B/ mit dem elektronenarmen, planaren Carbenium-Ion zum Produkt R/B. Epot
R
X
Übergangszustand 1
R
B
Übergangszustand 2
FEA R
(solvatisiert)
+ X + B R
X
FH R
R
X
R Schritt 1
+ X
R
+ B
B R
B
Reaktionskoordinate
Schritt 2
Abb. 14.4. Energiediagramm der SN1-Reaktion
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202
14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
Kinetik Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt einer SN1-Reaktion ist die Bildung des CarbeniumIons. Somit hängt die Reaktionsgeschwindigkeit allein von der Substratkonzentration ab. ̈
dc(Substrat) /""""""""""""""" = k dt
r = SN1
x c(Substrat)
Dieser Substitutionstyp folgt demnach einer Kinetik erster Ordnung; die Änderung der Konzentration des Nucleophils hat keinen Einfluß auf die Geschwindigkeit. Die Bildung von t-Butylalkohol aus t-Butylbromid folgt z. B. einer Kinetik 1. Ordnung (SN1-Mechanismus, Abb. 14.5).
H 3C H 3C
2. Schritt schnelle Ionenreaktion
1. Schritt langsame Dissoziation
f+
C
/ Br
f/
/
- OH
/
(H 3C)3C OH
Br
H 3C 2-Methyl-2-propanol t-Butylalkohol
2-Brom-2-methylpropan t-Butylbromid C a r b e n i u m -I o n positive Ladung auf vakantem p-Orbital
Abb. 14.5. Alkalische Hydrolyse von t-Butylbromid
Eindeutige Ergebnisse sind bei kinetischen Analysen keineswegs die Regel, da bei einer Reaktion oft mehrere Mechanismen konkurrieren können. In solchen Fällen trägt die systematische Variation der Reaktionsbedingungen (Temperatur, Lösemittel, Konzentration der Edukte) zur Klärung der Reaktionsordnung bei. ̈ Stereochemischer Verlauf Geschwindigkeitsbestimmend bei SN1-Reaktionen ist die mit hoher Aktivierungsenergie FEA ablaufende Bildung des Carbenium-Ions (Abb. 14.4, 14.5). Wäre der nachfolgende Angriff des Nucleophils B/ an beiden freien Seiten des Carbenium-Ions gleich wahrscheinlich, so hätte die Substitution vollständige Racemisierung zur Folge (Inversion und Retention der Konfiguration, Abb. 14.6, Abschn. 17.10.1). Dies trifft im Experiment nicht immer zu.
2. Schritt schnelle Ionen-Reaktion von Nucleophil und Carbenium-Ion nicht geschwindigkeitsbestimmend
1. Schritt: Bildung des Carbenium-Ions geschwindigkeitsbestimmend R" R"
R" R'
R'
R"
R'
langsam
C R Substrat
schnell
+
X
R'
X
C
+ IB R Carbenium-Ion (solvatisiert)
Nucleofug
R"
R'
R
R Retention
B und / oder B
C R Inversion
Abb. 14.6. Sterischer Verlauf einer SN1-Reaktion
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14.3 Struktur und Reaktivität
203
Bei Substitutionen an Cycloalkanen ist der sterische Verlauf aufgrund der fixierten Geometrie dieser Verbindungen besonders leicht zu verfolgen, da Inversionen dort auch cis-trans-Konfigurationswechsel auslösen. So führt die nucleophile Substitution des cis-1-Chlor-3-ethylcyclopentans durch Hydroxid unter vollständiger Inversion der Konfiguration am substituierten CAtom zum trans-3-Ethylcyclopentanol. Demnach fand eine SN2-Reaktion statt; ein SN1Mechanismus hätte cis- und trans-3-Ethylcyclopentanol hervorgebracht. H HO
H
SN2 , vollständige Inversion
+ Cl C2H 5 cis-1-Chlor-3-ethylcyclopentan
HO
H
+ H C2H 5 trans-3-Ethylcyclopentanol
Cl
14.3 Struktur und Reaktivität 14.3.1
Effekte der Alkyl-Gruppen
Die Reaktivität von Alkyl-Verbindungen gegenüber einem bestimmten Nucleophil hängt stark von der Art der Alkyl-Gruppe ab. Bei den SN2-Reaktionen verläuft der rückwärtige Angriff des Nucleophils erwartungsgemäß am besten bei primären Halogenalkanen. Zunehmende Häufung von Alkyl-Gruppen an C-c hemmt die Neigung des Substrats zur SN2-Reaktion. Dagegen sinkt die Tendenz zur SN1-Substitution mit abnehmender Stabilität des intermediären Carbenium-Ions. Zunehmende sterische Behinderung und abnehmende Reaktivität bei SN2: Methyl > primär > sekundär > tertiär >> Vinyl, Aryl Abnehmende Stabilität des Carbenium-Ions und abnehmende Reaktivität bei SN1: tertiär > Benzyl, Allyl >> sekundär > primär > Methyl >> Vinyl, Aryl
Für tertiäre Halogenalkane findet man eine weitere Feinabstufung der Reaktivität in Abhängigkeit von der d-Substitution. Dabei zeigt es sich, daß bei starker Häufung der Alkyl-Substituenten die Bildung des Carbenium-Ions sterische Spannungen abbaut. H 3C CH 2 CH3 H 3C C C Cl
CH3
CH 3 >>
H 3C CH 2 CH 3
H3C CH2 C Cl
>
H3C C Cl CH3
CH 3
Halogen-Atome an Brückenkopfatomen, wie z. B. in Triptycylchlorid oder 1-Chloradamantan, widerstehen der nucleophilen Substitution: wegen der Starrheit dieser Polycyclen kann sich kein planarer Übergangszustand bilden. Cl
Cl Triptycylchlorid
1-Chloradamantan (Adamantylchlorid)
H
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204
14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
Bei SN1-Reaktionen sind je nach Substrat alle bereits beschriebenen Umlagerungen durch Hydrid-, Alkyl- oder Allyl-Verschiebungen möglich. Zusätzlich eintretende partielle Inversionen bzw. Racemisierungen komplizieren das Bild.
14.3.2
Effekte der austretenden Gruppe
Beim Vergleich der SN1- und SN2-Reaktivitäten der Substrate R/X mit gleichem Alkyl-Rest und variablem X zeigt sich, daß X umso leichter austritt, je schwächer seine Bindung zum c-C-Atom ist. Das voluminöse Iodid-Ion ist z. B. eine gute Abgangsgruppe; Hydroxid- und Alkoxid-Ionen sind dagegen wegen ihrer starken Cc/O-Bindung schlechte Abgangsgruppen; ihr Austritt aus Alkoholen und Ethern wird durch Protonierung am Sauerstoff wesentlich erleichtert, weil dabei die viel leichter abgehenden Moleküle H2O und ROH vorgebildet werden. Besonders leicht können p-Toluensulfonat (Tosylat), p-Brombenzensulfonat (Brosylat) und Trifluormethylsulfonat (Triflat) ausgetauscht werden. Daher benützt man diese Gruppen häufig als Schutzgruppen sowie zu mechanistischen Untersuchungen. O
O
R S O
H3C
O R F 3C S O
R S O
Br
O Brosylat
O Tosylat
O Triflat
Auch d-Substituenten beeinflussen die Reaktivität erheblich. So nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit primärer Halogenalkane mit zunehmender Anzahl d-ständiger Alkyl-Gruppen ab: CH 3
CH3 H 3C CH 2 Br
>
H2C CH2 Br
>
CH 3
HC CH 2
Br
>>
H 3C C CH2
CH 3
Br
CH 3
Der SN1-Mechanismus ist gegen elektronische Einflüsse viel sensibler als gegen sterische. Ionisierungen nach SN1 werden demnach überwiegend durch induktive und mesomere Effekte beeinflußt. Wenn diese Effekte die Elektronendichte am c-Kohlenstoff erhöhen, und so das intermediäre Carbenium-Ion stabilisieren, erleichtern sie die Abdissoziation der austretenden Gruppe. Mit abnehmender Basizität am Heteroatom der CX-Bildung beobachtet man eine zunehmende Reaktivität gegenüber Nucleophilen: O F 3C S O O
O > Br
O
S O
> H 3C
S O
O O H3C C O
> I
> Br
> Cl
> F
>
O >
R 3N
>
R O
>
H O
>
H 2N
In derselben Reihenfolge nimmt die Stärke der korrespondierenden Säuren ab: Trifluormethansulfonsäure > p-Toluensulfonsäure > HI > HBr > HCl > HF >CH3COOH > R/OH > R/NH2
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14.3 Struktur und Reaktivität
205
SN1-Reaktionen werden durch LEWIS-Säuren beschleunigt. Dabei erzeugt man durch Komplexbildung am austretenden Halogenid mit Ag+ oder Hg2+ bzw. SnCl4 einen zusätzlichen Elektronenzug. langsam
schnell
R Cl
14.3.3
+
Ag
[ R Cl
Ag ]
+ OH
/
[R ]
/ AgCl
R OH
Nucleophilie
Nucleophilie ist ein Ausdruck für die Fähigkeit eines Nucleophils zur Koordination mit einem elektronenarmen Atom. Dabei stellt das Nucleophil ein Elektronenpaar für die neue Bindung zur Verfügung. In Wasser, Ethanol und wäßrig-organischen Lösemitteln findet man folgende annähernde Reihung der Nucleophilie: SH .""CN > I
O > CO32 > N3 " > Br > Cl
NH 2 > OH >
> SCN >
>
SO3
I
Halogenide :
RSe
Chalcoxide :
>
Br
> RS
>
Cl
>
Br
> H3C/CO2 >
SO3
> H 2O > ClO4
O2N
NH2
F
> RO , HSe
> HS
> HO
R 2Se > R2S > R2O
Ether : Amine :
H 2N
NH2 ,
> H 3N >
N
>
Jedoch gilt diese Reihenfolge nicht allgemein. So kehrt sie sich für die Halogenide in Dimethylformamid als Lösemittel um: Cl/ > Br/ > I/ (Abschn. 14.3.4). Carbanionen mit ihrem nicht-bindenden Elektronenpaar am C-Atom sind ausgesprochen starke Nucleophile: IC NI
,
IC CH
,
IC C R
,
ICH2 CO2CH 3
Sie sind stärker nucleophil als Amid-, Alkoxid- oder Fluorid-Anionen: R3C/ > R2N/ > RO/ > F/. Auch das Hydrid-Anion H/, das z. B. durch LiAlH4 bereitgestellt wird, ist stark nucleophil. Dagegen hängt die Geschwindigkeit von SN2-Reaktionen sehr stark von der Art des eintretenden Substituenten ab. Ein Vergleich verschiedener Nucleophile gegenüber einem Halogenalkan zeigt, daß die Reaktivitäten nicht immer mit den Basizitäten gegenüber Protonen einhergehen. Sehr schwache Basen wie I/ sind nach dem HSAB-Prinzip (Abschn. 13.4.1) gegenüber schwachen Elektrophilen durchaus wirksame Nucleophile. Nucleophile gleicher Basenstärke reagieren im SN2-Mechanismus langsamer, wenn sie sterisch behindert sind. Infolge der Inversion am Stickstoff ist Triethylamin ein schwächeres Nucleophil als das starre Amin Chinuclidin. H 5C2
H NI
H5C 2
NI
H5C 2 Chinuclidin
C2H 5 IN
C 2H 5
C 2H5
Triethylamin : Inversion am N-Atom
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206
14.3.4
14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
Lösemittelabhängigkeit
SN1- und SN2-Reaktionen hängen von der Lösemittelpolarität ab. SN1-Reaktionsgeschwindigkeiten spiegeln die Bildungstendenz des Carbokations wider. Die Ionisierung von R/X zu R+ + X/ hängt nicht nur von R/X selbst, sondern vor allem von der Fähigkeit des Lösemittels zur Solvatation der Ionen ab. Polare Lösemittel besitzen eine hohe Dielektrizitätskonstante g. Freie Elektronenpaare und protische Gruppen befähigen sie zur Solvatation. Polare Lösemittel erleichtern die SN1-Reaktion, weil sie die Trennung entgegengesetzter Ladungen durch Ausbildung von Solvathüllen um Carbenium- und Abgangs-Ion fördern. Die Geschwindigkeiten von SN1-Reaktionen nehmen demnach mit der Polarität des Lösemittels zu. Ausnahmen sind die SN1-Reaktionen von Onium-Ionen, z. B. Sulfonium-Ionen; sie verlaufen in polaren Lösemitteln langsamer: R3S
[R ]
+
R2S
Bei SN2-Reaktionen in ausgesprochenen polaren Lösemitteln sind Nucleophil und austretende Gruppe besonders stark solvatisiert und so voneinander abgeschirmt, also weniger reaktiv. Dadurch erhöht sich die Aktivierungsenergie. Zudem wird ein SN2-Übergangszustand aufgrund seiner verteilten Ladung in polaren Lösemitteln wenig stabilisiert. Die Geschwindigkeit typischer SN2-Reaktionen nimmt also mit steigender Lösemittelpolarität ab. Allgemein nimmt die Nucleophilie eines Nucleophils wie X/ oder OH/ mit abnehmender Solvatisierung zu. Kleinere nucleophile Ionen sind stärker solvatisiert als größere; die Zerstörung ihrer Solvathülle erfordert mehr Energie. Daher nimmt in protischen Lösemitteln (Wasser, Ethanol) die Nucleophilie vom Iodid zum Fluorid ab, weil das voluminöse Iodid die schwächste Hydrathülle besitzt. Umgkehrt ist in aprotischen Lösemitteln (Aceton, Dioxan, Dimethylformamid, abgek. DMF) Chlorid stärker nucleophil als Bromid und Iodid. Einige einfache Beispiele zeigen dies: in CH3OH : langsam
Cl
+
H 3C I
in DMF : sehr schnell
+
I
(H3C)3C OH +
X
H3C Cl
in H2O / C2H5OH : SN1
(H 3C)3C X
+
OH
+
OH
in CH3CO2CH3 : SN 2
in H2O / C2H5OH : SN2
H3C X
in HCO2H : SN 1
H 3C OH
+
X
Als Lösemittel für nucleophile Substitutionen bewähren sich a) protische Lösemittel mit hohem g: Ammoniak, Wasser, Alkohole, Carbonsäuren; b) aprotische Lösemittel mit hohem g: Schwefeldioxid, Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid, Aceton, Acetonitril, Sulfolan, Nitrobenzen; c) Mischungen von Wasser mit Alkoholen, Aceton, Dioxan, Dimethylformamid.
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14.3 Struktur und Reaktivität
207
Aprotische Lösemittel mit niedrigem g wie Alkane, Benzen oder Tetrachlormethan eignen sich schlecht als Medien für Substitutionen. Jedoch laufen auch in Tetrachlormethan oder Benzen nucleophile Substitutionen erstaunlich rasch ab, wenn man als Nucleophil Fluorid-Ionen in Form von KF oder Hydroxid als KOH einsetzt, und diese normalerweise in organischen Lösemitteln unlöslichen Verbindungen durch Zusatz von Kalium-spezifischen Komplexbildnern wie Kronenethern in Lösung bringt. Die dadurch bedingte Schwächung der interionischen Kräfte erzeugt äusserst reaktive, nicht durch Solvathüllen behinderte ("nackte") Anionen. KF (unlöslich in Chlorof orm) + Kronenether
[Kronenether-K]
+
F
KMnO4 (unlöslich in Benzen) + Kronenether
[Kronenether-K]
+
MnO4 """"""(v iolette Lösung)
O O
O O
O
O K
O
(klare Lösung)
O
O
O [18]-Krone-6
X O
O [18]-Krone-6-Kalium-Komplex mit "nacktem" Anion X
Zur Durchführung nucleophiler Substitutionen mit wasserlöslichen Nucleophilen in ZweiphasenReaktionen eignen sich Tetraalkylammonium-Salze als Katalysatoren. Durch ihre positive Ladung und den langen, lipophilen Alkyl-Rest transportieren sie Anionen aus der wäßrigen in eine lipophile Phase, wo diese als Nucleophile mit Substraten reagieren können (PhasentransferKatalyse). Die Alkyl-Reste (>C4) am Ammonium-Stickstoff verhindern dabei störende KationenAnionen-Wechselwirkungen.
14.3.5
SN1- und SN2-Reaktionen in Konkurrenz
Primäre, sekundäre und tertiäre Halogenalkane zeigen gegensinnige SN1- und SN2-Reaktivitäten: primäre (1°)
sekundäre (2°)
tertiäre (3°) Halogenalkane
Zunahme der SN1-Tendenz Abnahme der SN2-Tendenz
Sekundäre Halogenalkane reagieren im allgemeinen nach beiden Mechanismen, tertiäre überwiegend nach SN1 und primäre bevorzugt nach SN2. Durch Auswahl geeigneter Reaktionsbedingungen läßt sich ein SN1- oder SN2-Mechanismus begünstigen. Dies kann bei einer Syntheseplanung nützen, wenn im speziellen Fall Umlagerungen, Inversionen, Retentionen, Racemisierungen oder Eliminierungen zu verhindern oder erwünscht sind. SN2-Reaktionen werden begünstigt durch hohe Konzentration des Nucleophils, starke Nucleophilie und Lösemittel geringer Polarität. SN1-Reaktionen werden dagegen begünstigt durch geringe Konzentration des Nucleophils, schwache Nucleophilie und hohe Lösemittelpolarität.
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208
14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
Auch Salze wirken auf die Reaktionsgeschwindigkeit. Ein positiver Salzeffekt wird z. B. bei der Hydrolyse von t-Butylbromid in wäßrigem Aceton nach Zusatz von Natriumperchlorat beobachtet. In diesem Lösemittel hoher Dielektrizitätskonstante nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit mit zunehmender Ionenstärke zu.
14.4 Spezielle Substitutionsmechanismen 14.4.1
Substitutionen an Allyl-Verbindungen
Sowohl bei SN1- als auch bei SN2-Reaktionen sind Allyl- und Propargyl- sowie Benzylhalogenide wesentlich reaktiver als gesättigte Halogenalkane. Ein Grund ist die Mesomerie dieser Verbindungen, welche die Aktivierungsenergie für Substitutionen nach SN1 und SN2 senkt. Wie die Hydrolyse des Allylchlorids als Beispiel zeigt, ist bei SN1 das intermediär entstehende Allyl-Kation mesomeriestabilisiert, und bei SN2 bewirkt der Übergangszustand eine energetisch günstige Ladungsverteilung. mesomeriestabilisiertes Allyl-Kation
H 2C CH CH 2
SN1 / Cl
/
H 2C CH CH 2 H2C CH CH 2 OH
H2C CH CH 2 Cl Allylchlorid (1-Chlor-2-propen)
- OH
Allylalkohol (2-Propen-1-ol)
f/Cl
/
H 2C CH CH 2
SN2
f/OH Übergangszustand mit verteilter Ladung
Wird der normale Ablauf einer Substitution durch sterische Hinderung am allylischen C-Atom gestört, so findet stattdessen oder konkurrierend eine "SN2'-Reaktion" am zugänglicheren terminalen C-Atom der Doppelbindung statt: SN2' : / Cl
SN2'
(H 5C2)2NI
+
1-(N,N-Diethylammonium)-2-buten
/
(H5C 2)2N CH2 CH CH CH 3 H
CH3
H 2C CH C Cl
H SN2
H SN2 : / Cl
(H5C 2)2N CH CH CH2
/
H CH3 3-(N,N-Diethylamino)-1-buten
Bei der Solvolyse von c,c-Dimethylallylchlorid beobachtet man keinen normalen SN1-Mechanismus, da neben Solvolyseprodukten auch i,i-Dimethylallylchlorid gefunden wird. Hier ereignet sich offensichtlich eine intramolekulare Allyl-Isomerisierung unter "innerer Rückkehr": Cl H 2C CH C CH3 i
d
c
CH3 3-Chlor-3-methyl-1-buten (c.c-Dimethylallylchlorid)
in H2O / C2H5OH oder CH3CO2H
H 2C
Cl "innere Rückkehr"
HC
C CH3
CH3 Übergangszustand mit verteilter Ladung zwischen Allyl-Kation und Chlorid-Anion
Cl
CH 3 CH 2 CH C i c d CH 3
1-Chlor-3-methyl-2-buten
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14.4
Spezielle Substitutionsmechanismen
14.4.2
209
SNi-Mechanismus
Bei der Darstellung von Chloralkanen durch nucleophile Substitution der Alkohole mit Thionylchlorid wird ein SNi-Mechanismus diskutiert. Diese Substitution führt im wenig polaren aprotischen Lösemittel 1,4-Dioxan unter Retention der Konfiguration zum Chloralkan. In Pyridin beobachtet man dagegen Inversion nach dem üblichen SN2-Mechanismus. R'
R"
O O
C
+
Cl
Cl
H
R
S
/ HCl
R ' R"
SNi , in Dioxan
R'
R" C R
Cl S O O
R' C
/"SO2 , Retention
R" Cl
14.4.3
R" C
Cl
R
R
SN2 , in Pyridin / SO2 , Inversion
Cl
R'
C R
Reaktivität von Vinyl- und Alkinyl-Verbindungen
Reaktionsträge zeigen sich Halogenalkene (R/CH=CH/X) und Halogenalkine (R/C»C/X) bei SN1- und SN2-Reaktionen. Aufgrund der elektronenanziehenden Wirkung sp2- und sp-hybridisierter C-Atome erhöht sich zwar die CH-Acidität; andererseits ist die Ausbildung von Übergangszuständen mit partieller positiver Ladung am Kohlenstoff sehr erschwert. Aus demselben Grund zeigen sich auch nicht weiter substituierte (aktivierte) Halogenaromaten gegenüber den meisten Nucleophilen wenig reaktiv. Metallorganische Nucleophile reagieren dagegen mit Halogenalkenen, Halogenalkinen und Halogenaromaten unter milden Bedingungen, teilweise in Gegenwart von Pd(0)-Katalysatoren (Abschn. 13.4.4).
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210
15 Alkohole und Glykole
15 Alkohole und Glykole 15.1 Klassifizierung der Alkohole Ersetzt man ein H-Atom eines Alkans durch eine Hydroxy-Gruppe, so entsteht formal ein Alkohol. Alkohole lassen sich also durch die allgemeine Formel R/OH beschreiben. Dabei ist R eine Alkyl- oder Cycloalkyl-Gruppe. Sitzt die Hydroxy-Gruppe am Benzen-Ring, so handelt es sich um ein Phenol; ist sie mit einem Alken-C-Atom verknüpft, so spricht man von einem Enol. Phenole und Enole zeigen andere Eigenschaften als Alkohole und werden daher getrennt besprochen. CH2 OH
H3C CH2 OH
H
H
H C C
OH H
H2C CH CH 2 OH
H
O
OH
Enol (-Form des Acetaldehyds)
Alkohole
OH
OH
H3C C
Phenole
Man unterscheidet primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole, je nachdem, ob eine, zwei oder drei Alkyl-Gruppen mit dem C-Atom verknüpft sind, das die Hydroxy-Gruppe trägt: H 3C CH 2 CH2 CH2 OH
oder
R CH2 OH
H3C CH2 CH OH CH 3
oder
R CH OH
CH3
sekundärer Alkohol (2°)
R'
CH3 H3C C OH
primärer Alkohol (3°)
R" oder
R C OH
tertiärer Alkohol (3°)
R'
Alkohole mit zwei, drei oder mehr Hydroxy-Gruppen bezeichnet man als Di-, Tri- bzw. Polyole: HO CH 2 CH2 OH
H3C CH CH 2 OH
HO CH2 CH2 CH 2 OH
OH Diole
HO CH2 CH CH 2 OH OH T r i o l (Glycerol)
15.2 Nomenklatur Die IUPAC-Bezeichnung eines Alkohols folgt aus der längstmöglichen, die Hydroxy-Gruppe tragenden Kohlenwasserstoff-Kette. Dabei wird die Endung "ol" an die IUPAC-Bezeichnung des entsprechenden Alkans, Alkens oder Alkins gesetzt und die Stellung der OH-Gruppe in der Kette durch die kleinstmögliche arabische Ziffer gekennzeichnet, z. B.: OH H 3C CH 2 CH2 CH2 CH 3 Pentan
H 3C CH 2 CH2 CH 2 CH 2 OH 1-Pentanol
H3C CH2 CH2 CH CH3 2-Pentanol
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15.3 Struktur und thermodynamische Eigenschaften
211
Analog benennt man Cycloalkanole und Bicycloalkanole, z. B.: OH OH Cyclohexan
Cyclohexanol
Bicyclo[2.2.1]heptan
Bicyclo[2.2.1]heptan-2-ol
Bei verzweigten und ungesättigten Alkoholen sowie Cycloalkanolen hat die kleinstmögliche Bezifferung der Stellung einer OH-Gruppe Vorrang gegenüber Alkyl-Gruppen und Mehrfachbindungen, z. B.: 5
4
3
2
1
5
H3C CH CH 2 CH CH 3 CH3 OH 4-Methyl-2-pentanol (nicht 2-Methyl-4-pentanol)
4
3
2
1
H2C CH CH 2 CH CH 3 OH 4-Penten-2-ol (nicht 1-Penten-4-ol)
5
4
3
2
1
H3C C C CH CH3 OH 3-Pentin-2-ol
H3C
3
OH
1
cis-3-Methylcyclohexanol (nicht cis-1-Methylcyclohexan-3-ol)
(nicht 2-Pentin-4-ol)
Enthält ein Alkohol zwei oder drei OH-Gruppen, so wird die Nachsilbe -ol durch -diol bzw. -triol ersetzt, z. B.: HO CH 2 CH CH2 OH OH 1,2,3-Propantriol (Glycerol)
H 3C CH CH 2 CH 2 OH OH 1,3-Butandiol
H3C CH CH CH 2 OH OH OH 1,2,3-Butantriol
Anstelle der Alkanol-Bezeichnung nach IUPAC kann man auch von Alkylalkoholen sprechen. Man beginnt dabei mit der Bezeichnung der Alkyl-Gruppe, an welche die OH-Gruppe geknüpft ist, und fügt "...alkohol" hinzu:
CH3 H3C CH CH 3 OH
i-Propylalkohol
H3C C OH CH3
t-Butylalkohol
CH 3 H 3C C CH 2 OH
C OH
CH 2 OH
CH 3
neo-Pentylalkohol
Benzylalkohol
Triphenylcarbinol
Schließlich können Alkohole formal auch als Methanol- = Carbinol-Derivate betrachtet werden. Hierbei fängt die Bezeichnung mit Anzahl (Di-, Tri-) und Art der Alkyl-Gruppen an, welche die Wasserstoff-Atome des Methanols ersetzen, und endet mit dem Wort "...carbinol". Triphenylcarbinol ist demnach ein Synonym für Triphenylmethanol.
15.3 Struktur und thermodynamische Eigenschaften Der aus spektroskopischen Daten zugänglichen Geometrie des Methanol-Moleküls (Abb. 15.1) entnimmt man einen C/O/H-Bindungswinkel von 107°. Demnach wird der Bindungszustand des
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212
15 Alkohole und Glykole
Methanols am besten durch ein sp3-hybridisiertes Sauerstoff-Atom erklärt, um das sich H, CH3 und die n-Elektronenpaare tetraedrisch gruppieren (Abb. 1.24, Ersatz von einem H durch CH3). 143 pm 92 pm
O 107°
f/"/
CH 3
f-
O
CH 3
f- H
H
Abb. 15.1. Geometrie und Polarität des Methanol-Moleküls
Aufgrund der hohen Elektronegativität des Sauerstoffs und dessen kleinem Atomvolumen sind die CO- und besonders die OH-Bindungen von Alkoholen stark polarisiert [(/)-I-Effekt, Abb. 15.1] . Das Wasserstoff-Atom einer Hydroxy-Gruppe ist demnach positiviert, so daß es elektronisch durch das negativ polarisierte Sauerstoff-Atom eines benachbarten Alkohol-Moleküls angezogen wird: Es bilden sich Wasserstoffbrücken (Abb. 15.2) mit einer "Bindungsenergie" von etwa 21 kJ / mol. Alkohole liegen also assoziiert vor, zumindest im flüssigen Zustand. R
R H O
O H
H O
O H
R
R
Abb. 15.2. Wasserstoffbrücken-Bindung der Alkohole
Beim Übergang vom flüssigen in den Dampfzustand muß daher zusätzlich Energie aufgebracht werden, um die Wasserstoffbrücken zu brechen. Alkohole zeigen infolgedessen im Vergleich zu den Alkanen, Halogenalkanen und den Ethern sehr hohe Siedepunkte (Beispiele: Dimethylether, H3C/O/CH3: Sdp. /24 °C bei 1011 mbar; Ethanol, H3C/CH2/OH : Sdp. 78.2 °C bei 1011 mbar). Selbst im Dampfzustand können die Alkohol-Moleküle noch etwas assoziieren, so daß man erhebliche Abweichungen vom idealen Gasverhalten findet. Da geradkettige Moleküle eine größere Oberfläche haben und somit stärker wechselwirken können als kugelförmige, zeigen unverzweigte Alkohole etwas höhere Siedepunkte als ihre verzweigten Isomeren: 1-Butanol 2-Methyl-1-propanol
H3C CH2 CH 2 CH2 OH
Sdp. 118 °C (1011 mbar)
H 3C CH CH 2 OH
Sdp. 108 °C (1011 mbar)
CH3
Die gute Wasserlöslichkeit der kürzerkettigen Alkohole (bis Butanol, Tab. 15.1) beruht im wesentlichen darauf, daß die Wasser- und Alkohol-Moleküle auch untereinander Wasserstoffbrücken bilden können. Wird die Alkyl-Gruppe eines Alkohols zu voluminös, so kann sie die Wasserstoffbrücken-Bindung sterisch behindern. Der Siedepunkt dieses Alkohols liegt dann tiefer. Seine Löslichkeit in Wasser nimmt ab, abgesehen davon, daß höhere Alkohole mehr alkanartige Eigenschaften zeigen, also hydrophob sind.
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15.3 Struktur und thermodynamische Eigenschaften
213
Nomenklatur und Eigenschaften ausgewählter Alkohole sind in Tab. 15.1 zusammengestellt. Tab. 15.1. Nomenklatur und Eigenschaften einiger Alkohole Klasse
aliphatisch gesättigt
primär
Konstitutionsformel
IUPACBezeichnung
Trivialname -alkohol
H3C OH
Methanol
Methyl-
/ 97
64.5
unbegrenzt
H3C CH 2 OH H3C CH2 CH2 OH H3C [CH2] 2 CH 2 OH
Ethanol 1-Propanol
Ethyln-Propyl-
/ 115 / 126
78.2 97
unbegrenzt unbegrenzt
1-Butanol
n-Butyl-
/ 90
118
7.9
H3C
[CH2] 3 CH 2 OH
1-Pentanol
n-Amyl-
/ 78.5
138
2.3
H3C
[CH2] 4 CH 2 OH [CH2] 5 CH 2 OH
1-Hexanol
n-Hexyl-
/ 52
156
0.6
1-Heptanol
n-Heptyl-
/ 34
176
0.2
[CH2] 6 CH 2 OH [CH2] 8 CH 2 OH
1-Octanol
n-Octyl-
195
0.05
1-Decanol
n-Decyl-
/ 15 6
288
unlöslich
2-Propanol
i-Propyl
/" 86
82.5
2-Butanol
sec-Butyl-
/ 114
99.5
Cyclopentanol
Cyclopentyl-
/ 19
140
gut
Cyclohexanol
Cyclohexyl-
24
161
5.7
2-Methyl2-propanol
t-Butyl-
25.5
2-Methyl2-butanol
t-Pentyl-
/ 12
H2C CH CH 2 OH
2-Propen-1-ol
Allyl-
/ 129
H3C CH CH CH 2 OH
2-Buten-1-ol
Crotyl- (trans-)
CH2 OH
Phenylmethanol
Benzyl-
CH
Diphenylmethanol
Triphenylmethanol
H3C H3C H3C sekundär
H3C CH CH 3 OH H3C CH2 CH CH 3 OH H OH OH
Schmelzpunkt Siedepunkt °C °C (1011 mbar)
Löslichkeit g/100g H2O
unbegrenzt 12.5
H CH3 tertiär
H3C C OH CH3 CH3 H3C CH2 C OH
83
102
unbegrenzt
12.5
CH3 aliphatisch ungesättigt primär aliphatischaromatisch primär sekundär
97
unbegrenzt
118
16.6
/ 15
205
4
Benzhydrol (Diphenylcarbinol)
69
298
0.05
Triphenylcarbinol
162.5
OH
tertiär
C
unlöslich
OH 1,2-Diole
HO CH2 CH2 OH
1,2-Ethandiol
Ethylenglykol
/ 17
197
unbegrenzt
H3C CH CH 2 OH
1,2-Propandiol
Propylenglykol
/ 59
188
unbegrenzt
1,2,3-Propantriol
Glycerol
18
290
unbegrenzt
OH 1,2,3-Triole
HO CH2 CH CH 2 OH OH
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15 Alkohole und Glykole
15.4 Darstellung von Alkoholen 15.4.1
Technische Synthesen von Methanol und Ethanol
Methanol wird technisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff bei hohen Temperaturen und Drükken in Gegenwart von Übergangsmetalloxiden als Katalysatoren hergestellt: CO
+
2 H2
ZnO / Cr 2O3 , Hitze, Druck
H3C OH
Methanol ist ein wichtiges Lösemittel und Zwischenprodukt für organische Synthesen. Sein Genuß sowie das längere Einatmen seiner Dämpfe (Sdp. 64.5 °C bei 1011 mbar) kann zur Erblindung führen. Ethanol wird in großem Maßstab durch katalytische Hydratisierung von Ethin zu Acetaldehyd (Abschn. 7.5.3) und dessen katalytische Hydrierung hergestellt: O
HgSO4
H C C H
+
H2O
+ H2 / RANEY-Ni
H3C C
H 3C CH 2 OH
H Ethanal
Ethanol
Wie Methanol findet Ethanol als Lösemittel (Sdp. 78.2 °C bei 1011 mbar) und Ausgangsprodukt für organische Synthesen verbreitete Anwendung. Darüberhinaus ist Ethanol der berauschende Bestandteil alkoholischer Getränke.
15.4.2
Ethanol durch alkoholische Gärung
Bei der alkoholischen Gärung vergärbarer Zucker, z. B. der Glucose, in Gegenwart von Hefepilzen entsteht Ethanol, wie eine sehr vereinfachte Bruttogleichung zeigt: Hefe
C6H 12O6 Glucose
2 C 2H5OH Ethanol
+
2 CO2
Nicht nur Früchte können zu Weinen und Weinbrand-Rohprodukten vergoren werden. Auch die in Getreide und Kartoffeln gespeicherten Kohlenhydrate, z. B. die Stärke, lassen sich enzymatisch zu vergärbarer Glucose abbauen. Darauf beruht die Herstellung von Bieren aus Gerste und Hopfen, sowie die Vergärung von Getreide und Kartoffeln und die anschließende Destillation zu Gin, Whisky oder Wodka mit Ethanol-Gehalten zwischen 35 und 55 %. Übermäßiger Konsum alkoholischer Getränke führt zur lebensgefährlichen Alkoholintoxikation.
15.4.3
Hydratisierung von Alkenen
Bei der Hydratisierung von Alkenen durch wäßrige Säuren addiert Wasser an ein durch Protonierung entstandenes Carbenium-Ion. Deprotonierung des Oxonium-Ions führt zum Alkohol. + [H+]
C C
H Alken
/ [H+]
+ H2O
C C Carbenium-Ion
C C
C C
H2O H Oxonium-Ion
HO H Alkohol
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15.4
Darstellung von Alkoholen
215
Durch säurekatalysierte Hydratisierung des 2-Methylpropens kann sich z. B. 2-Methyl-2-propanol (Weg 1) oder 2-Methyl-1-propanol (Weg 2) bilden:
H 3C
Weg 1
OH 2
+ H2O
H 3C
H 3C C CH 2
+
/ [H+]
H 3C C CH 3
C CH 3
2-Methyl-2-propanol (t-Butylalkohol) OH H 3C C CH 3
CH 3
CH 3
[H ]
H 3C H 3C
H CH C H 3C H
Weg 2
2-Methylpropen (Isobutylen)
+ H2O
H 3C
/ [H+]
H 3C CH CH 2 OH
CH CH 2 OH 2 H 3C
H 3C 2-Methyl-1-propanol
Da Weg 1 über das stabilere t-Butyl-Kation verläuft (MARKOWNIKOFF-Regel), führt die Hydratisierung des 2-Methylpropens regioselektiv zu 2-Methyl-2-propanol (t-Butylalkohol). Die Hydratisierung von Alkenen läßt sich auch mit Schwefelsäure durchführen, wobei als Zwischenprodukte Alkylhydrogensulfate auftreten, deren Hydrolyse die Alkohole ergibt. Auf diese Weise kann Ethanol aus Ethen, 2-Propanol aus Propen hergestellt werden. Infolge der MARKOWNIKOFF-Regel führt die Hydratisierung des Propens mit Schwefelsäure bevorzugt zum 2-Propanol (Weg 1). Weg 1
+ H2O
H3C CH CH 3
H3C CH CH2 Propen
OSO3H i-Propylhydrogensulfat
+ H 2SO4
OH 2-Propanol
+ H2O
Weg 2
H 3C CH 2 CH2 OSO3H n-Propylhydrogensulfat
15.4.4
H3C CH CH 3
/ H2SO4
H3C CH2 CH 2 OH 1-Propanol
/ H2SO4
Hydroborierung und Oxidation
Alkylborane entstehen allgemein durch Addition von Diboran, B2H6, an Alkene, wobei Diboran als Boran (BH3) reagiert. Diese Hydroborierung verläuft wahrscheinlich über einen VierzentrenMechanismus, wobei elektrophile Addition des Bors und nucleophile Addition von Hydrid gleichzeitig erfolgen: R2C CR2 + H BH 2
+ R2C
R2CH CR 2 BH 2
CR2
+ R2C
(R 2CH CR2
Alkylboran
CR2
)2 BH
(R2CH CR 2
Dialkylboran
)3 B
Trialkylboran
Das zunächst entstandene Alkylboran reagiert mit weiterem Alken zum Trialkylboran. Wasserstoffperoxid oxidiert ein Mol Trialkylboran zu drei Mol Alkohol und einem Mol Borsäure: (R 2CH CR2
)3 B
+
3 H 2O2
3 R 2CH CR2 OH
+
B(OH)3
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216
15 Alkohole und Glykole
Die nucleophile Addition des Bors an Alkene wird durch Alkyl-Gruppen sterisch behindert. Daher führt die Hydroborierung der Alkene und die anschließende Oxidation mit H2O2 im Gegensatz zu der direkten unter MARKOWNIKOFF-Orientierung verlaufenden Hydratisierung von Alkanen regioselektiv zu primären oder sekundären Alkoholen. Während z. B. die direkte Hydratisierung des 2Methylpropens bevorzugt t-Butylalkohol ergibt, führt die Hydroborierung dieses Alkens und die anschließende Oxidation zu 2-Methyl-1-propanol: H 3C H
H 3C sterisch günstig
C CH2 H 3C + H BH2
+ 2 (CH3) 2C
CH2
[(H3C)2CH CH 2
H3C C C H
H 3C
15.4.5
/ B(OH) 3
+ 3 H2O
bevorzugt gegenüber sterisch ungünstig
] 3B
H BH2
3 (H3C)2CH CH 2 OH
C CH2 H 3C + H2B H
2-Methyl-1-propanol
Reduktion von Carbonyl-Verbindungen
Carbonyl-Verbindungen mit der CO-Doppelbindung als funktioneller Gruppe, z. B. Carbonsäureester, Ketone und Aldehyde, werden bei der Reaktion mit komplexen Metallhydriden wie Lithiumaluminiumhydrid (Li+[AlH4]/, meist als LiAlH4 formuliert) durch nucleophile Addition eines Hydrid-Anions an das Carbonyl-C-Atom zu Alkoxiden (Alkoholaten) reduziert. Dabei addiert das Hydrid-Anion nucleophil an die Carbonyl-Doppelbindung: _ C OI _
C O
+
_ C OI _
IH
H Alkoxid-Anion (Alkoholat-Anion)
Carbonyl-Mesomerie
Die Aufnahme eines Protons aus Wasser führt zum Alkohol. _ C OI _
+
H 2O
H
C OH
+
OH
H Alkohol
Primäre Alkohole bilden sich bei der Reduktion von Aldehyden sowie Carbonsäuren oder Carbonsäureestern mit Lithiumaluminiumhydrid in wasserfreiem Ether: O Aldehyd
+
4R C
Li AlH 4
wasserfreier Ether
H
(R CH2 O)4 Al Li + 4""H2O"""""""/ Al(OH) 3 , / LiOH
4 R CH2 OH
/"4 R'OH , / 2 Al(OH) 3 , / 2 LiOH
+ 8 H2O , + LiAlH4
O Carbonsäureester
4R C
+ OR´
Li AlH 4
wasserfreier Ether
primärer Alkohol
H (R C O)4 Al Li OR´
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15.4
Darstellung von Alkoholen
217
Analog entstehen sekundäre Alkohole durch Reduktion von Ketonen mit Lithiumaluminiumhydrid. O 4R C
H
wasserfreier Ether
+
Li AlH4
R´
H
+ 4""H2O
(R C O)4 Al Li
4 R C OH
/ Al(OH) 3 , / LiOH
R´
R´ sekundärer Alkohol
Keton
Der Rest R kann nicht nur eine Alkyl- sondern auch eine Aryl-Gruppe sein. So kann man mit Li+[AlH4]/ 4-Hydroxybenzaldehyd zu 4-Hydroxybenzylalkohol, 4-Hydroxyacetophenon zu 1-(4Hydroxyphenyl)ethanol reduzieren: O C H
HO
Li AlH4
HO
4-Hydroxybenzaldehyd
15.4.6
CH2 OH
O C CH3
HO
4-Hydroxybenzylalkohol
Li AlH4
4-Hydroxyacetophenon
OH HO
CH CH 3
1-(4-Hydroxyphenyl)ethanol
Alkohole aus Carbonyl-Verbindungen und Alkylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARD-Verbindungen)
Die nucleophile Addition der carbanionisch polarisierten Alkyl-Gruppe eines Alkylmagnesiumhalogenids (GRIGNARD-Verbindung) führt zum Magnesiumhalogenidalkoholat, dessen Hydrolyse einen Alkohol ergibt: _ C OI _
C O
Carbonyl-Verbindung
+
f/ f--
f/
/
/"Mg 2+ , / X
_ C OI _
R Mg X
+ H2O
R Alkoholat
Alkylmagnesiumhalogenid
/ OH
C OH
/
R Alkohol
Dabei gelingt die gezielte Synthese primärer, sekundärer oder tertiärer Alkohole aus Formaldehyd, einem anderen Aldehyd oder einem Keton, jeweils über die entsprechende Magnesiumhalogenidalkoholat-Zwischenstufe. So führt die Reaktion von i-Propylmagnesiumbromid ̈"mit Formaldehyd zu 2-Methyl-1-propanol (primärer Alkohol), O H C
+ H2O
+ H
H 3C CH MgBr CH 3
CH2 OMgBr CH CH 3 CH3
̈
/ Mg 2+ / / OH / /""Br
CH2 OH CH CH 3 CH3
mit Benzaldehyd zu 2-Methyl-1-phenylpropanol (sekundärer Alkohol), O C H
+ H2O
+
H 3C CH MgBr CH 3
CH OMgBr CH CH 3 CH3
/ Mg 2+ / / OH / /""Br
CH OH CH CH3 CH 3
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218
̈
15 Alkohole und Glykole
und mit Acetophenon zu 3-Methyl-2-phenyl-2-butanol (tertiärer Alkohol). CH3
O C + H 3C CH MgBr CH3 CH 3
C OH
/ Mg 2+ / / OH / /""Br
CH CH 3 CH3
15.4.7
CH 3
+ H2O
C OMgBr
CH CH3 CH 3
Alkohole aus Epoxiden und Alkylmagnesiumhalogeniden
Die nucleophile, ringöffende Substitution des O-Atoms im Oxiran (Epoxid-Ring) durch die AlkylGruppe einer GRIGNARD-Verbindung führt über ein Magnesiumhalogenidalkoholat zum entsprechenden Alkohol: f/ f--
f/
R Mg X
R +
C
C O
R
+ H2O
C C
C C
/ Mg 2+ / / OH / /""X
OMgX
OH
Ethylenoxid verknüpft demnach die 2-Hydroxyethyl-Funktion (/CH2/CH2/OH) mit der AlkylGruppe einer GRIGNARD-Verbindung, z. B.: wasserfreier Ether
H3C CH MgBr
+
CH 3 i-Propylmagnesiumbromid
15.4.8
H2C CH 2 O
+ H2O
H3C CH CH 2 CH 2 OMgBr CH 3
H3C CH CH 2 CH 2 OH
/ Mg 2+ / / OH / /""Br
CH 3 3-Methyl-1-butanol
Hydrolyse von Halogenalkanen
Die nucleophile Substitution des Halogenid-Anions eines Halogenalkans durch Hydroxid kann zu einem Alkohol führen, insbesondere wenn keine Eliminierung zu Alkenen möglich ist, wie bei der einem SN1-Mechanismus folgenden Hydrolyse des Benzylbromids: CH2 Br
+
OH
SN1
CH2 OH
Benzylbromid
+
Br
Benzylalkohol
Dagegen führt die analoge Reaktion bei t-Butylhalogeniden unter Eliminierung zu 2-Methylpropen, CH3 H3C C Cl CH3
/"Cl
/
CH 3 H 3C C
CH 3
/"]H+]
H 2C C CH 3
CH 3 2-Methylpropen
und primäre Halogenalkane reagieren oft träge mit wäßrigen Alkalihydroxiden.
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15.5 Darstellung von 1,2-Diolen
219
15.5 Darstellung von 1,2-Diolen 15.5.1
Dihydroxylierung von Alkenen
Alkene können durch Permanganat (MnO4/) oder Osmiumtetroxid (OsO4) zu Glykolen dihydroxyliert werden. Die Addition von MnO4/ oder OsO4 verläuft von einer Seite über cyclische EsterZwischenstufen, die in wäßrigem Medium das 1,2-Diol ergeben. Infolgedessen führt die Hydroxylierung mit MnO4/ oder OsO4 bei Cycloalkenen zu den cis-1,2-Diolen (cis-Dihydroxylierung, Abschn. 4.5.7), z. B.:
+
OsO4
O O Os O O
OH
/ H2OsO4
cis-1,2-Cyclohexandiolosmiumsäureester
Cyclohexen
OH
+ 2 H2O
cis-1,2-Cyclohexandiol
Die Dihydroxylierung von Alkenen gelingt auch über die Oxirane (Epoxide) und deren säurekatalysierte Hydrolyse. Da die nucleophile Addition des Wassers an das protonierte Oxiran von der "Rückseite" erfolgt, führt diese Dihydroxylierung bei Cycloalkenen zum trans-1,2-Diol (transDihydroxylierung, Abschn. 4.5.8). So führt die Epoxidation (Abschn. 4.5.8, 16.4.3) des Cyclohexens mit einer Peroxycarbonsäure über Cyclohexenoxid (1-Oxabicyclo[4.1.0]heptan) zum trans-1,2-Cyclohexandiol: + H3O+
+ OH2 O Cyclohexenoxid + RCO3H
OH 2 OH
O H + H2O
/ RCO2H
/ H3O+
OH OH trans-1,2-Cyclohexandiol
Cyclohexen
15.5.2
Hydrolyse von Halohydrinen
Halohydrine, welche durch Addition von hypochloriger oder hypobromiger Säure an Alkene entstehen, können mit Hydroxid als Nucleophil in Glykole übergeführt werden: /
+ HOX
R CH CH R ( X = Cl , Br )
Alken (E- oder Z-)
+ HO
R CH CH R X OH Halohydrin
/
/X
R CH CH R OH OH 1,2-Diol
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220
15 Alkohole und Glykole
Die Synthese des Glycerols (Glycerin) aus Propen über Allylchlorid (radikalische Substitution), Allylalkohol (nucleophile Substitution), und Glycerolchlorhydrin (Addition) nutzt im letzten Schritt die Halohydrin-Hydrolyse im technischen Maßstab: Propen
H3C CH CH 2
Glycerol
CH2 CH CH2 OH
500 - 600 °C , + Cl2
"/ HCl
+ OH (NaOH) /
+ OH (NaOH)
CH2 CH CH 2
/ Cl
Cl Allylchlorid (1-Chlor-2-propen)
15.5.3
OH OH
/
/"Cl
/
+ HOCl
CH 2 CH CH 2
/
CH2 CH CH2
OH Allylalkohol (2-Propen-1-ol)
OH OH Cl Glycerolchlorhydrin (3-Chlor-1,2-propandiol)
Bimolekulare Reduktion von Aldehyden und Ketonen
Die Reduktion zweier Moleküle eines Aldehyds oder Ketons mit metallischem Magnesium in Benzen ergibt über ein cyclisches Magnesiumalkoholat symmetrische 1,2-Diole (Pinakole): R
C
R
R' + Mg +
O
C
in Benzen
R'
O
R'
R
R
C C O
R'
R R
+ 2 H2O / Mg(OH) 2
O
R' C C R' HO OH c,d-Diol
Mg
2,3-Dimethyl-2,3-butandiol (Pinakol) wird auf diese Weise aus Aceton dargestellt:
2 H 3C
C
1.) Mg in Benzen 2.) + 2 H2O , / Mg(OH) 2
CH3
H 3C CH 3 H3C
2,3-Dimethyl-2,3-butandiol
C C CH 3 HO OH
O
15.6 Reaktionen der Alkohole 15.6.1
Alkohole als LEWIS-Basen
Infolge der nichtbindenden Elektronenpaare am Sauerstoff-Atom sind Alkohole Protonenakzeptoren (LEWIS-Basen). Sie werden durch Mineralsäuren zu Alkyloxonium-Salzen protoniert: _H R O _
+
[H ]
_H R O
Alkyloxonium-Ion
H
Ethyloxonium-chlorid entsteht z. B. durch Einleiten von Chorwasserstoff-Gas in wasserfreies Ethanol: H3C CH2 OH
+
HCl
H3C CH2 OH 2 Cl
Ethyloxonium-chlorid
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15.6 Reaktionen der Alkohole
221
Die meisten Alkyloxonium-Salze sind nur in wasserfreier Lösung beständig und lassen sich nicht rein isolieren.
15.6.2
Alkohole als Säuren
Gegenüber Alkali- und Erdalkalimetallen reagieren Alkohole als Säuren, d. h. unter Bildung von Alkoxiden (Alkanolaten oder Alkoholaten), z. B.: H3C CH2 OH
+
Na
(H 3C)3C OH
+
K
_ H3C CH2 OI _ Na Natriumethanolat _ (H3C)3C OI _ Na Kalium- t-butylalkoholat
+
1/2 H 2
+
1/2 H 2
Alkohole sind jedoch weit schwächere Säuren als Wasser. Die Alkoxide werden daher leicht zu den Alkoholen und Hydroxid hydrolysiert. _ R OI _
+
R OH
H2O
+
OH
Die Acidität von Alkoholen gegenüber Alkali- und Erdalkalimetallen nimmt mit zunehmendem Alkylierungsgrad des Kohlenstoffs, der die Hydroxy-Gruppe trägt, ab, also in der Reihenfolge: H 3C OH
> R CH2 OH
> R 2CH OH
> R3C OH
Mit Methanol reagiert Kalium z. B. explosionsartig, mit t-Butylalkohol dagegen sehr träge. Ein Grund ist, daß der induktive Effekt der Alkyl-Gruppen die Elektronendichte am hydroxylierten CAtom erhöht. Hierdurch wird das Alkoxid-Anion destabilisiert. Darüberhinaus werden mit zunehmender Alkylierung des Hydroxy-substituierten C-Atoms die Reaktionen der OH-Gruppe sterisch erschwert.
15.6.3
Oxidation von Alkoholen
Primäre Alkohole werden durch Oxidationsmittel (Permanganat MnO4/ in alkalischer, Dichromat Cr2O72/ in saurer Lösung) über die Aldehyde zu den Carbonsäuren oxidiert: / 2 [H+] , / 2 e0
R CH 2 OH primärer Alkohol
/
O R C H Aldehyd
+ 1/2 O2
O R C OH Carbonsäure
Die Aldehyd-Zwischenstufe läßt sich oft durch kontinuierliches Abdestillieren aus der Reaktionslösung gewinnen. Selektive Oxidationen primärer Alkohole zu Aldehyden gelingen mit verschiedenen Reagenzien, z. B. mit Dimethylsulfoxid als Oxidationsmittel in Gegenwart von Oxalsäuredichlorid (SWERN-Oxidation, Abschn. 24.8.9).
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222
15 Alkohole und Glykole
Bei der Dehydrierung primärer Alkohole zu Aldehyden durch metallisches Kupfer bei höheren Temperaturen spielen beide Kupferoxide (Cu2O und CuO) die Rolle des Sauerstoff-Überträgers: 2 Cu
+
1/2 O2
Cu
+
1/2 O2
R CH 2 OH
+
Cu2O
300 - 500 °C
Cu2O
300 - 500 °C
CuO O
300 - 500 °C
R C
+
2 Cu
+
H2O
+
Cu
+
H2O
H O
300 - 500 °C
R CH 2 OH
+
R C
CuO
H
Sekundäre Alkohole werden zu Ketonen oxidiert: / 2 [H+] , / 2 e0
R CH OH
/
R C O R Keton
R sekundärer Alkohol
Die Oxidation primärer und sekundärer Alkohole ist eine allgemeine Methode zur Darstellung von Carbonyl-Verbindungen (Abschn. 20.5.1, 20.6.1).
15.6.4
Veresterung von Alkoholen
Alkohole und Mineral- oder Carbonsäuren reagieren zu Estern, z. B.: O
Veresterung
H3C CH2 OH
+
Ethanol
H3C CH2 OH
R OH
Alkohol
HO SO3H
Verseifung
Schwefelsäure
+
+
O HO C CH 3 Essigsäure
Veresterung
O HO C R'
Veresterung
Carbonsäure
Verseifung
Verseifung
H3C CH2 O S OH
+
H 2O
O Ethylhydrogensulfat (Schwefelsäuremonethylester) O H3C CH2 O C CH3 Ethylacetat (Essigsäureethylester)
+
H 2O
O R O C
+
H 2O
R' Alkylcarboxylat (Carbonsäureester)
Veresterungen sind reversibel; es stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den Estern und Wasser einerseits und den Alkoholen und Säuren andererseits ein. Dieses Gleichgewicht läßt sich durch kontinuierliches Abdestillieren des Reaktionswassers, zugunsten der Ester verschieben. Die Rückreaktion der Veresterung wird als Verseifung bezeichnet. Veresterung und Verseifung sind säurekatalysierte Reaktionen (Abschn. 18.7.1). Einige Carbonsäureester riechen angenehm fruchtartig. Bedeutende Ester anorganischer Säuren sind das cancerogene Methylierungsmittel Dimethylsulfat [(H3CO)2SO2, Schwefelsäuredimethyl-
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15.6 Reaktionen der Alkohole
223
ester], sowie das nicht korrekt als "Nitroglycerin" bezeichnete, hochexplosive, gefäßerweiternd wirkende Glyceroltrinitrat. Es bildet sich bei der Veresterung des Glycerols mit konzentrierter Salpetersäure und Schwefelsäure. Kieselgel saugt Glyceroltrinitrat auf; dabei entsteht der feste, kontrolliert zündbare Sprengstoff Dynamit (NOBEL, 1867). O CH2 HO
OH +
CH CH2
O 3 HO N
Glycerol
N
/ 3 H2O
O
OH
CH2
O
(H2SO4)
O
O
O N
CH2
CH2 O O
CH
O2NO
O N
ONO2
CH CH2
ONO2
O Glyceroltrinitrat ("Nitroglycerin", ein Ester der Salpetersäure, keine Nitroverbindung)
Salpetersäure
Auch mit Säurehalogeniden bilden Alkohole Ester. Die Charakterisierung von Alkoholen durch Reaktion mit 3,5-Dinitrobenzoylchlorid zu den kristallinen Alkyl-3,5-dinitrobenzoaten (Ester der 3,5-Dinitrobenzoesäure) ist ein Beispiel: NO2
NO2
Cl R OH
Base , / HCl
C
+
R O C
O
O
NO2 3,5-Dinitrobenzoylchlorid
15.6.5
NO2 Alkyl-3,5-dinitrobenzoat
Nucleophile Substitution der Hydroxy-Gruppe durch Halogen
Die Reaktion von Alkoholen mit Halogenwasserstoffen kann unter nucleophiler Substitution der Hydroxy-Gruppe durch Halogenid zu Halogenalkanen führen, z. B.: NaBr , H2SO4 Rückfluß
H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 OH 1-Pentanol
+
HBr
OH
+
HBr
H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 Br 1-Brompentan
+
H2O
HBr-Gas
Cyclohexanol
Br
+
H2O
Bromcyclohexan
Thionylchlorid (SOCl2) sowie Phosphortrihalogenide (PX3 , X = Cl, Br, I) eignen sich zur Überführung von Alkoholen in Halogenalkane, z. B.: 3 H3C CH2 OH
+
PI 3
3 H3C CH2
I
+
P(OH)3
Iodethan (Ethyliodid)
Die nucleophile Substitution der Hydroxy-Gruppe durch Halogenid X/ (X = Cl, Br, I) verläuft über ein Carbenium-Ion, von dessen Stabilität die Reaktivität der Alkohole abhängt. Während Allyl- und Benzyl-Kationen mesomeriestabilisiert sind, kommen für eine Stabilisierung der anderen Alkyl-Kationen nur die weit schwächeren induktiven und sterischen Einflüsse in Betracht, deren Wirksamkeit mit zunehmender Alkylierung wächst. Infolgedessen nimmt die Reaktivität von Alkoholen gegen Halogenwasserstoff nach folgender Reihung ab: Allyl-, Benzyl- > tertiär > sekundär > primär
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224
15 Alkohole und Glykole
Ist die Bildung des Carbenium-Ions infolge zu schwacher Stabilisierung erschwert, so erfolgt vorzugsweise SN2-Substitution von der Rückseite in Bezug auf die abgehende Gruppe (H2O). Nach diesem Mechanismus reagieren die meisten primären Alkohole einschließlich Methanol (nicht jedoch Allyl- und Benzylalkohol). H C O H
schnell
C OH
+
HX
X
+
f/
langsam
X
Alky loxoniumhalogenid
C
f+
OH 2
X C
+
H 2O
Übergangszustand
Ist das als Zwischenstufe auftretende Carbenium-Ion stabiler, wie es z. B. für Benzyl- und Allylalkohole sowie für tertiäre Alkohole zutrifft, so wird die Dissoziation zum geschwindigkeitsbestimmenden Schritt. Die Substitution verläuft dann nach einem SN1-Mechanismus. /
"/ H2O langsam
/X schnell
C OH
+
HX
/
-""X
C
C OH2 Oxonium-Ion
C X
Carbenium-Ion
Führt die Abspaltung von Wasser aus einem protonierten Alkohol zu einem weniger stabilen Carbenium-Ion, so kann dieses sich unter Verschiebung einer Alkyl-Gruppe stabilisieren. Entsteht z.B. ein sekundäres Carbenium-Ion in c-Stellung zu einem quartären C-Atom, so wird sich durch 1,2-Alkyl-Verschiebung ein tertiäres, d. h. stabileres Carbenium-Ion bilden: R
R
"/ H2O
R
R C CH R
R C CH R
R C CH R
R OH 2
R weniger stabil
R stabiler
Als Folge dieser WAGNER-MEERWEIN-Umlagerung haben die durch Reaktion von Halogenwasserstoffen mit Alkoholen dargestellten Halogenalkane nicht immer die dem Ausgangs-Alkohol entsprechende Konstitution. Die nucleophile Substitution des 2,2-Dimethyl-3-hexanols durch Chlorwasserstoff führt z. B. überwiegend zu 2-Chlor-2,3-dimethylhexan: /
/ Cl schnell
CH3 H3C C CH CH 2 CH2 CH3
+
HCl
H3C OH
CH 3 H 3C C CH CH2 CH2 CH 3 H 3C OH 2 langsam
WAGNER-MEERWEINUmlagerung
CH3 H3C C CH CH 2 CH2 CH3 CH3 -" Cl
CH 3 H 3C C CH CH2 CH2 CH 3 H 3C
/
CH3 H3C C CH CH 2 CH2 CH3 Cl CH3 2-Chlor-2,3-dimethylhexan
"/ H2O
-" Cl
/
CH 3 H 3C C CH CH2 CH2 CH 3 H 3C Cl 3-Chlor-2,2-dimethylhexan
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15.6 Reaktionen der Alkohole
15.6.6
225
Dehydratisierung von Alkoholen
Die Ablösung von Wasser aus einem protonierten Alkohol unter Bildung des Carbenium-Ions kann sowohl eine nucleophile Substitution als auch die Abspaltung eines d-Protons unter Bildung eines Alkens zur Folge haben. /
+ X , SN1
C C
"/ H2O langsam
+ [H+]
C C
C C
C C
H OH
H OH2
H
H X Halogenalkan / [H+] , E1
C C Alken
Dementsprechend ergibt 2-Methyl-2-propanol (t-Butylalkohol) bei der Reaktion mit Bromwasserstoff neben 2-Brom-2-methylpropan (t-Butylbromid) bevorzugt Methylpropen (Isobutylen), insbesondere bei höheren Temperaturen: /
+ X , SN1
H 3C H3C C OH H3C
+ [H+]
H 3C H3C C OH 2 H3C
"/ H2O langsam
H 3C CH 3
H3C H 3C C Br H 3C
C / [H+] , E1
CH3
H3C C CH2 H3C
Da die Bildung des Carbenium-Ions durch Ablösung von Wasser aus einem Molekül des protonierten Alkohols die Geschwindigkeit der Dehydratisierung bestimmt, zumindest bei tertiären und manchen sekundären Alkoholen, spricht man von einer monomolekularen d-Eliminierung (E1Reaktion). Tab. 15.2. Dehydratisierungstendenz von Alkoholen Alkohol
CH CH 3 OH CH 3 H 3C C OH CH 3
Carbenium-Ion CH 3 C H CH 3 H 3C C CH 3
relative Stabilität
Bildungstendenz
groß
groß
mittel
mittel
CH 3 H3C CH2 CH CH 3 OH H3C CH2 CH 2 CH2 OH
H3C CH2 C
CH CH 2
CH 3 H 2C C CH 3 H 3C
Dehydratisierungsbedingungen 90 °C 20 % H2SO4
90 °C 20 % H2SO4
geringer
klein
H C C CH3 H
100 °C 60 % H2SO4
sehr gering
sehr klein
H 3C CH 2 CH CH 2
170 °C 90 % H2SO4
H H H3C CH2 CH 2 C H
Alken
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226
15 Alkohole und Glykole
Die Dehydratisierungstendenz der Alkohole nimmt mit zunehmender Stabilität der nach Ablösung von H2O entstehenden Carbokationen zu (primär < sekundär < tertiär < Benzyl-, Allyl-), wie Tab. 15.2 zeigt. Kann die Eliminierung eines d-Protons aus einem Carbenium-Ion von zwei C-Atomen ausgehen, so wird die Orientierung bevorzugt, bei welcher das stabilere Alken entsteht. Stabiler sind höher alkylierte Alkene (SAYTZEFF-Regel, Abschn. 5.2.2) oder im Falle von Dienen und Phenylalkenen die konjugierten Verbindungen: +
/ [H ]
+
+ [H ]
H3C CH 2 CH CH 3 OH 2-Butanol
/ H2O
H3C CH2 CH CH 3
H3C CH CH CH 3 2-Buten ( E + Z ) höher alkyliert (Hauptprodukt)
+
CH2 CH CH3
/ H2O
OH
H3C CH 2 CH CH 2 1-Buten
/ [H ]
+ [H+]
CH2 CH CH3
+
CH CH CH3
+
CH2 CH CH2
1-Propenylbenzen ( E + Z ) konjugiert (Hauptprodukt)
1-Phenyl-2-propanol
2-Propenylbenzen (Allylbenzen)
Schließlich eliminiert das d-Proton bevorzugt aus dem stabilsten Carbenium-Ion. Führt die Dehydratisierung des protonierten Alkohols zunächst zu einem weniger stabilen Carbenium-Ion, so kann dieses sich unter 1,2-Verschiebung einer Alkyl-Gruppe stabilisieren:
R
+ [H+]
R C CH R R OH
/ H2O
1,2-Alkyl-Verschiebung (WAGNER-MEERWEINUmlagerung)
R
o
R C CH R
R
/ [H+]
R C CH R R stabiler
R weniger stabil
R
R C C R R
Diese als WAGNER-MEERWEIN-Umlagerung bekannte 1,2-Alkyl-Verschiebung bei der Dehydratisierung von Alkoholen spielt besonders bei Cycloalkanolen eine Rolle, z. B.:
OH
+ [H+]
CH 3 H
CH 3 2,2-Dimethylcyclohexanol
/ H2O
CH 3 H CH 3
1,2-Methyl-Verschiebung (WAGNER-MEERWEINUmlagerung)
/ [H+]
H
o
CH 3
CH 3 CH 3
CH 3 1,2-Dimethylcyclohexen
Auf die Bedeutung der Dehydratisierung von Alkoholen als Methode der Alken-Synthese wurde in Abschn. 4.4.3 hingewiesen.
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15.7 Glykolspezifische Reaktionen
227
15.7 Glykolspezifische Reaktionen 15.7.1
Glykol-Spaltung
Die Bindung zwischen den hydroxylierten C-Atomen eines 1,2-Diols kann oxidativ unter Bildung von zwei Carbonyl-Verbindungen gespalten werden, entweder mit Periodsäure, HIO4, (MALAPRADE-Spaltung) oder mit Bleitetraacetat (CRIEGEE-Spaltung): R' R"
R'
HI O4 oder (CH3CO2) 4Pb
R C C R*
C
R
HO OH 1,2-Diol
R" +
O
O
C
R*
Carbonyl-Verbindungen
Da cis-Glykole leichter gespalten werden als die trans-Isomeren, verläuft die Glykol-Spaltung wahrscheinlich über cyclische Zwischenstufen (cyclische Periodate und Blei(IV)-diolat-diacetat): O
O Pb 2
IO3H O
2 CH 3CO2
O
Die Spaltung eines Glykols mit Bleitetraacetat könnte demnach in drei Schritten ablaufen: C OH
+
C OH
2
Pb(O2C CH 3)4
C O
/"CH3CO2H
/ Pb (CH3CO2) 2
C O
/"CH3CO2H
C O Pb (O2C CH 3)3
C O
C OH
Pb (O2C CH3)2
Bekanntlich bilden sich Glykole durch Dihydroxylierung von Alkenen (Abschn. 4.5.6, 4.5.7), entweder mit Permanganat bzw. Osmiumtetroxid, oder über Oxirane. Daher ermöglichen die bei der Glykol-Spaltung entstehenden Carbonyl-Verbindungen nicht nur Rückschlüsse auf die Konstitution des gespaltenen Glykols, sondern auch des hydroxylierten Alkens, z. B.:
H 3C H 2C
CH 3 C C
H
CH 2 CH3
a
H CH3 H3C CH2 C C CH2 CH 3 HO OH
trans-3-Methyl-3-hexen a : Dihydroxylierung
b : Glykol-Spaltung
b
H
CH 3 C O
H3C CH2 Propanal (Propionaldehyd)
+
O C CH 2 CH3 2-Butanon (Ethylmethylketon)
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228
15 Alkohole und Glykole
15.7.2
Pinakol-Dehydratisierung und Umlagerung
Tertiäre 1,2-Diole, die Pinakole (Abschn. 15.5.3), werden in Gegenwart von Säuren unter 1,2Alkyl-Verschiebung zu Ketonen dehydratisiert: H3C CH 3
+ [H+]
H 3C C C CH 3 HO OH 2,3-Dimethyl-2,3-butandiol (Pinakol) CH3
/ H2O
C C CH 3 O CH 3 3,3-Dimethyl-2-butanon (Pinakolon, t-Butylmethylketon) O
+ [H+]
CH3 HOOH
CH 3
H 3C
CH 3
/ H2O
CH 3
1,2-Dimethyl1,2-cyclohexandiol
2,2-Dimethylcyclohexanon
Die Pinakol-Umlagerung beginnt mit der Protonierung einer Hydroxy-Gruppe. Das nach Abspaltung von Wasser erzeugte Carbenium-Ion lagert sich unter anionotroper 1,2-Alkyl-Verschiebung zu einem protonierten Keton um. Die 1,2-Alkyl-Verschiebung selbst verläuft nicht unter Bildung eines "freien" Alkyl-Anions, sondern über einen Zwischenzustand, bei dem sich die positive Ladung des Carbenium-Ions auf alle an der Umlagerung beteiligten Atome verteilt.
R OH R C C R HO R
+ [H+]
R OH2 R C C R HO R
/ H2O
R R C C R
o
HO R R R C C R HO R
R
/ [H+]
R
HO R
R C C R
R C C R O
R
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16.1 Nomenklatur
229
16 Ether 16.1 Nomenklatur Die allgemeine Formel der Ether ist R/O/R´. Dabei unterscheidet man zwischen aliphatischen Ethern (R = Alkyl) und den Phenolethern (R = Aryl, R´ = Alkyl oder R = R´ = Aryl). Nach IUPAC benennt man Ether als Alkoxy- oder Aryloxy-Derivate der Alkane, z. B.: H3C CH2 CH O CH 3 CH3
2-Methoxybutan
O CH CH2 CH 3 3-Phenoxypentan CH 2 CH3
Die Trivialnamen beginnen mit den Bezeichnungen der am Sauerstoff gebundenen Alkyl- oder Aryl-Gruppen in der Reihenfolge zunehmender Größe und schließen mit der Endung ..."ether". H3C CH O CH 3 CH3
Methyl-i-propylether (Methylisopropylether)
O CH 2 CH3
Ethylphenylether (Phenetol)
In cyclischen Ethern (Sauerstoff-Heteroalicyclen) schließen sich die Reste R zum Ring. Sie leiten sich formal von den Cycloalkanen ab und werden als Oxiran, Oxetan, Tetrahydrofuran, Tetrahydropyran, Oxepan oder Polymethylenoxide bezeichnet. Oxirane werden auch Epoxide genannt. 2H- und 4H- kennzeichnen im Pyran die Position der Ring-Methylen-Gruppe. 3,4-Dihydro-2Hpyran ist ein cyclischer Enolether, 5,6-Dihydro-2H-pyran ein cyclischer Allylether.
Oxiran (Ethylenoxid)
Oxetan (Trimethylenoxid)
O
Tetrahydrofuran (Tetramethylenoxid)
Tetrahydropyran (Pentamethylenoxid)
O
O 1 4
1
2 3
4
2H-Pyran
O
O
O
O
Oxepan (Hexamethylenoxid) O
O 1
2 3
4
4H-Pyran
1
2 3
3,4-Dihydro-2H-pyran
4
2 3
5,6-Dihydro-2H-pyran
Ersetzt man im Cyclohexan zwei Methylen-Gruppen durch Sauerstoff, so ergeben sich formal die drei isomeren Dioxane. Vom cyclischen Bis-enolether 1,4-Dioxin leitet sich Dibenzo[b,e]1,4-dioxin ab, Stammverbindung des Seveso-Gifts (Abschn. 11.3.2). O
O
O O
1,2-Dioxan
1,3-Dioxan
O
O
O
O 1,4-Dioxan
O 1,4-Dioxin
O Dibenzo[b,e]1,4-dioxin
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230
16 Ether
16.2 Struktur und physikalische Eigenschaften Wie Alkohole sind die Ether gewinkelte Moleküle und zeigen Dipolmomente (Abschn. 1.10.2) von 1.2 bis 1.3 Debye. Der C/O/C-Bindungswinkel in den Ethern ist 110° und damit gegenüber dem C/O/H-Winkel der Alkohole (107°, Abb. 15.1, Abschn. 15.3) etwas aufgespreizt. Abb. 16.1 zeigt Molekülmodelle des Dimethylethers im Vergleich zum konstitutions- und funktionsisomeren Ethanol.
Abb. 16.1. Stab- und Kalottenmodell des Dimethylethers (links) und des konstitutions- und funktionsisomeren Ethanols (Kohlenstoff : schwarz; Sauerstoff : grau; Wasserstoff : weiß)
Die niedermolekularen Ether sind sehr flüchtig (Siedepunkt des Dimethylethers: / 24 °C bei 1011 mbar) und sieden erheblich tiefer als Alkohole vergleichbarer molarer Massen (Siedepunkt des Ethanols: 78.2 °C bei 1011 mbar), da sie keine Wasserstoffbrücken bilden können. Infolge schwacher Dipol-Dipol-Wechselwirkung liegen die Siedepunkte der Ether jedoch geringfügig höher als jene vergleichbarer Alkane. Ether lösen sich kaum in Wasser, jedoch sehr gut in Alkoholen und unpolaren organischen Medien. Sie sind selbst vorzügliche Lösemittel und dienen daher oft zum Extrahieren organischer Verbindungen aus festen Substanzgemischen oder wäßrigen Lösungen (Ausethern). Untereinander können Ether gleicher Summenformel eine spezielle Art der Konstitutionsisomerie aufweisen. Diese sog. Metamerie rührt daher, daß bei gleicher Summenformel verschiedene Alkyl-Gruppen mit dem Ethersauerstoff verknüpft sein können. Für die Summenformel C4H10O können z. B. drei Metamere formuliert werden, nämlich Diethylether, Methyl-n-propylether und Methyl-i-propylether: CH 2 CH3 Diethylether O CH 2 CH3
CH 3 Methyl-n-propylether O CH 2 CH2 CH3
CH 3 Methyl-i-propylether O CH CH3 H 3C
Diese drei Metamere sind ihrerseits Konstitutionsisomere der vier Butanole (1-Butanol, 2-Methylpropanol, 2-Butanol, 2-Methyl-2-propanol).
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16.3 Darstellung
231
16.3 Darstellung 16.3.1
Bimolekulare Dehydratisierung von Alkoholen
Die säurekatalysierte, bimolekulare Dehydratisierung von Alkoholen ist eine auch industriell genutzte Methode zur Darstellung symmetrischer Ether. Als Dehydratisierungsmittel werden u. a. Schwefelsäure und Hydrogensulfate, Bor-, Phosphor- sowie Arsensäure eingesetzt. Bei der Darstellung von Diethylether und Divinylether über d,d'-Dichlordiethylether verwendet man z. B. Schwefelsäure. Diethylether und einige andere Ether werden in technischem Maßstab hergestellt, indem die Alkohol-Dämpfe über heiße Metalloxid-Katalysatoren (Aluminiumoxid, Titandioxid, 200 °C) geleitet werden. H2SO4 , 140 °C
2 H 3C CH 2 OH
H3C CH2 O CH 2 CH 3 Diethylether
/ H2O
(mit Ethen als Nebenprodukt)
H2SO4 , 140 °C
2 Cl
CH2 CH2 OH 2-Chlorethanol
KOH
Cl
/ H2O
CH2 CH2 O CH 2 CH 2 Cl d,d´-Dichlordiethylether
H2C CH O CH CH2 Divinylether
/ 2 HCl
Primärschritt der Dehydratisierung ist ein Protonierungsgleichgewicht: R OH
+
[H ]
R OH2
Bei primären Alkoholen greift dann ein zweites Alkohol-Molekül nucleophil nach einem SN2Mechanismus an: SN2
_ R O _
+
R R O H
R OH _ 2 / H2O
H
/""[H+]
R R O
Dagegen neigen protonierte sekundäre und tertiäre Alkohole eher zur Wasserabspaltung unter Bildung von Carbenium-Ionen. Diese deprotonieren dann zu einem Alken, oder ein zweites Alkohol-Molekül addiert nucleophil, aber nun nach einem SN1-Mechanismus: H R'
CH 2
R'
/ H2O
CH2
CH OH2
/ [H+]
R' C
C H
R
C R
R
Alken
H H
+ I OI R*
R'
CH2
H CH O R* R
/ [H+]
R'
CH 2 R
Ether CH O R*
Infolgedessen konkurrieren insbesondere bei der Dehydratisierung sekundärer Alkohole Alkenund Ether-Bildung; tertiäre Alkohole dehydratisieren überwiegend zu Alkenen.
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232
16 Ether
16.3.2
Nucleophile Substitution von Halogenalkanen durch Alkoholate und Phenolate (WILLIAMSON-Synthese)
Ein allgemeiner Weg zu aliphatischen, gemischt aliphatisch-aromatischen und aromatischen Ethern ist die als WILLIAMSON-Synthese bekannte nucleophile Substitution des Halogens in Halogenalkanen (oder Alkylhydrogensulfat in Dialkylsulfaten) durch Alkoholate und Phenolate: _ _ R OI
Na
f/ f-
+
X R'
R O R'
+
Na X
X = Cl , Br , I , /O/SO2/OR'
Diese nucleophile Substitution geht am besten mit den Alkoholaten aus sekundären sowie tertiären Alkoholen und mit primären Halogenalkanen (/CH2/X, H3C/X), wobei die Iod- und Bromalkane am reaktivsten sind (I > Br >> F). Beispiele sind die Darstellung des Methyl-i-propylethers aus Natrium-i-propanolat und Methyliodid sowie die technische Herstellung des 1,4-Dioxans aus Oxiran und 2-Chlorethanol (Ethylenchlorhydrin) über eine intramolekulare WILLIAMSONSynthese. _ Na (H 3C)2CH OI _ Natrium- i-propanolat
I CH 3
+
(CH3)2CH O CH3 Methyl-i-propylether O
O Oxiran
+
OH
O
+ NaOH
HO CH2 CH 2 Cl 2-Chlorethanol (Ethylenchlorhydrin)
NaI
+
Cl
/NaCl , / H2O
O 1,4-Dioxan
Sekundäre und tertiäre Halogenalkane eignen sich weniger zur Alkylierung der Alkoholate, da diese als Basen die Halogenalkane zu Alkenen dehydrohalogenieren: H3C CH CH 3
+
H3C CH CH 2
C 2H5O Na
+
C2H 5OH
+
Na X
Br
Die Synthese von Phenolethern aus Phenolen verläuft in alkalischen Lösungen sowohl mit primären Halogenalkanen als auch mit Dialkylsulfaten (Schwefelsäuredialkylestern): + NaOH , / H2O
O ""Na
OH Phenol
CH3
+ CH3 I , / Na I " oder
O
+ (H3CO) 2SO2 , / CH3OSO3 Na
Natriumphenolat
Methylphenylether (Anisol)
Die Darstellung von Diarylethern nach WILLIAMSON aus Arylhalogeniden und Phenolaten gelingt nur in mäßigen Ausbeuten unter schärferen Bedingungen und bei Gegenwart von Katalysatoren: O "K
+
Br
Cu , 220 °C , Druck
O
Diphenylether
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16.3 Darstellung
233
Die Reaktion unsymmetrisch substituierter Hydrochinone mit y,y'-Dibromalkanen [X/(CH2)n/X , n > 8] in alkalischer Lösung führt zu atropisomeren (Abschn. 17.7.2) Hydrochinonpolymethylenethern, sog. Ansa-Verbindungen (lat. ansa = Henkel):
CH 3
CH 3
HO
OH
+
Br
(CH 2)12 Br
CH3
Br O Na
+ 2 NaOH
O
/ NaBr
O
O
/ NaBr , / 2 H 2O
CH 2 CH3 2-Ethyl-6-methyl1,12-Dibromdodecan hydrochinon
CH 2 CH3
CH 2 CH 3 2-Ethyl-6-methylhydrochinondodecamethylenether
Der zweite Schritt dieser Reaktion ist eine intramolekulare WILLIAMSON-Synthese. Er muß in verdünnter Lösung durchgeführt werden, um intermolekulare Reaktionen möglichst weitgehend zu unterdrücken (RUGGLI-ZIEGLER-Verdünnungsprinzip).
16.3.3
Veretherung von Halogenalkanen mit Silbercarbonat
Die Veretherung von Halogenalkanen mit Silbercarbonat oder Silberoxid bewährt sich besonders zur Darstellung von Ethern mit sekundären und tertiären Alkyl-Gruppen, z. B.: CH3 2 H3C C Cl CH3
CH3 +
Ag2CO3
CH3
H3C C O C CH3 CH3 CH3
+
2 AgCl
+
CO2
Di-t-butylether
16.3.4
O-Methylierung von Alkoholen und Phenolen durch Diazomethan
Primäre und sekundäre Alkohole können durch Diazomethan in Gegenwart von Tetrafluorborsäure oder Bortrifluoridetherat O-methyliert werden, z. B.: /
HBF4 oder F3B "+O(C2H5) 2
OH
+
CH 2N2
O CH 3 Methoxycyclohexan
Cyclohexanol
+
N2
BF3-Katalysatoren acidifizieren dabei die OH-Gruppe der Alkohole. Dies erübrigt sich bei den im Vergleich zu Alkoholen stärker sauren Phenolen, die in etherischer Lösung spontan mit Diazomethan zu den Arylmethylethern reagieren: OH
Diethylether
+ Phenol
O
CH2N 2
CH3
+
N2
Anisol
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234
16 Ether
16.3.5
Synthesen von Ethern mit GRIGNARD-Verbindungen
c-Halogenether lassen sich mit Hilfe von Alkylmagnesiumhalogeniden homologisieren, z. B.: CH 2 Br H 3C CH2 CH 2 O Brommethyl-n-propylether
+
Br Mg CH2 CH 2 CH 3
/ MgBr 2
CH 2 CH 2 CH 2 CH 3 H 3C CH 2 CH 2 O n-Butyl-n-propylether
t-Butylperbenzoat reagiert mit Alkyl- oder Arylmagnesiumhalogeniden zu den entsprechenden t-Butylethern, z. B.: C(CH3)3 C
O
O
C(CH 3)3
C
O + Br Mg
O
+
O
OMgBr
t-Butylphenylether
+ H2O
CO2H
16.3.6
Mg2
+
+
OH
+
Br
Alkenylether durch Addition von Alkoholen an Alkine
Vinylether werden durch Addition von Alkoholen an Alkine unter Druck in Gegenwart von Alkoholaten als Katalysatoren dargestellt, z. B.: CH3O Na , Druck
H C C H
16.3.7
+
HOCH 3
CH 3 H2C CH O Methylvinylether , ein Enolether
Enolether durch Eliminierung von Alkohol aus Acetalen
Acetale gehen beim Erhitzen in Gegenwart von Katalysatoren (Phosphorsäure, Pt-Asbest) unter Abspaltung eines Äquivalents Alkohol in Enolether über, z. B.: O CH 2 CH 3
H3PO4 , Rückfluß , / C2H5OH
H 3C CH 2 CH 2 CH O CH 2 CH 3 Butanaldiethylacetal
CH2 CH 3 H3C CH2 CH CH O Ethyl-1-butenylether ( E + Z )
" d-Halogenacetale eliminieren zunächst ein Äquivalent Alkohol, dann in alkalischem Medium ein
Äquivalent Halogenwasserstoff. Dabei entstehen die reaktiven Ethinylether: H3PO4 , Rückfluß , / C2H5OH
Br
CH 2 CH(OC2H 5)2 Bromacetaldehyddiethylacetal
Br CH CH OC2H 5 2-Bromvinylethylether
KOH , / HBr
H C C OC2H 5 Ethinylethylether (Ethoxyethin)
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16.4 Darstellung von Epoxiden (Oxiranen)
235
16.4 Darstellung von Epoxiden (Oxiranen) 16.4.1
Katalytische Oxidation von Alkenen
Einige Alkene, z. B. Ethen, lassen sich durch Sauerstoff am Silberkontakt in Epoxide überführen: Ag , 260-290 °C
2 H2C CH2
16.4.2
+
2
O2
O Oxiran (Ethylenoxid)
Eliminierung von Halogenwasserstoff aus Halohydrinen
Halohydrine (Abschn. 15.5.2) spalten in wäßrig-alkalischer Lösung Halogenwasserstoff ab, so daß Oxirane entstehen: X OH Halohydrin ( X = Cl , Br )
16.4.3
R
+ NaOH
R CH CH R'
/ Na X , / H2O
R' O
substituiertes Oxiran
Oxidation von Alkenen mit Peroxysäuren
Die allgemeinste Methode zur Darstellung von Epoxiden ist die Reaktion von Alkenen mit Peroxysäuren, z. B. Peroxybenzoesäure oder m-Chlorperoxybenzoesäure (PRILEZHAEV-Epoxidation). Nach dem „Butterfly-Mechanismus“ addiert das elektrophile Peroxy-O-Atom der Persäure über einen spirocycischen Übergangszustand an die r-Bindung, während die Carbonyl-Gruppe das OHProton übernimmt. Die relative Konfiguration des Alkens bleibt im Oxiran erhalten. C
O +
C
O H
R C
C
O
C
O
R C
C
O H
C
O
O +
O
H
Alken Peroxycarbonsäure (E oder Z)
subst. Oxiran (trans- oder cis-)
C
R
O
Carbonsäure
16.5 Reaktionen 16.5.1
Bildung von Oxonium-Verbindungen
Infolge der Elektronenpaare am Ether-Sauerstoff sind die Ether Elektronenpaar-Donoren, d. h. LEWIS-Basen. Sie reagieren daher mit Protonen und LEWIS-Säuren wie BF3 zu Oxonium-Salzen: R
R O R
+
HCl
R
R O _ H
Cl
R Dialkyloxonium-chlorid
O R
+
BF 3
O _ BF 3 R Bortrifluorid-etherat
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236
16 Ether
Die Oxonium-Salze können ein Alkohol-Molekül (als Abgangsgruppe) abspalten und sind insofern Vorstufen von Alkyl-Kationen: R _ H O
R
O H
+ R
R
Die Donoreigenschaften des Ether-O-Atoms sind auch der Grund für die Bildung von Komplexen zwischen Ethern und GRIGNARD-Verbindungen, die sich ihrerseits sehr gut in Ethern lösen: R'
R O R
16.5.2
Mg X
R O R
Autoxidation
Unter Lichteinwirkung reagieren die Ether mit Luftsauerstoff, der als Biradikal („Triplett-Sauerstoff“) vorliegt, zu Etherhydroperoxiden: R O C H
_ _ _ O _ O
+
R O C O OH Etherhydroperoxid
Etherhydroperoxide sind entweder selbst explosiv, oder sie lagern sich zu hochexplosiven Produkten um. Die Peroxid-Bildung und damit die Explosionsgefahr läßt sich vermeiden, indem man die Ether über Reduktionsmitteln (Na-Amalgam, Zn, Fe2+) aufbewahrt.
16.5.3
Ether-Spaltung
Die Einwirkung starker Säuren führt zur Spaltung der Ether. Zur gezielten Spaltung von Ethern verwendet man meist HBr oder HI: R
+ HX
O R'
+ HX
R'
X
+
R OH
R'
X
+
R X
( X = Br , I )
+
H 2O
Auf dieser Ether-Spaltung beruhte die quantitative Bestimmung der Methoxy-Gruppen (z. B. in Naturstoffen) nach ZEISEL: Der Methylether wurde durch Iodwasserstoffsäure gespalten und die dabei entstehende Menge Iodmethan gemessen. R
Rückfluß
O CH3
+
HI
R OH
+
CH3
I
Erster Schritt der Ether-Spaltung ist die Bildung des Dialkyloxonium-Salzes: R
R O R
+
O _ H
HX
X
R
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16.5 Reaktionen
237
Dieses spaltet ein Äquivalent Alkohol ab und geht mit dem Halogenid-Anion unter nucleophiler Substitution in das Halogenalkan über, bei Ethern mit tertiären Alkyl-Gruppen vorwiegend nach einem SN1-, bei Ethern mit primären Alkyl-Gruppen vorwiegend nach einem SN2-Mechanismus: H
SN1 , / ROH O _ R
R
R
/
/
+X
H
+X
SN2 , / ROH O R
R X
X R
Der entstehende Alkohol wird meist ebenfalls in das Halogenalkan übergeführt. Eine weitere Folgereaktion der Ether-Spaltung ist die d-Eliminierung zum Alken, insbesondere bei Ethern mit tertiären Alkyl-Gruppen. 1,4-Dichlorbutan als Edukt der Nylon-Synthese wird in technischem Maßstab durch EtherSpaltung des Tetrahydrofurans mit Chlorwasserstoff hergestellt: O
+ HCl
HO
Cl
+ HCl
Cl Tetrahydrofuran
4-Chlorbutanol
CH2 CH2 CH 2 CH 2 Cl 1,4-Dichlorbutan
Außer den Halogenwasserstoffsäuren können auch LEWIS-Säuren (BF3, BCl3, BBr3, AlCl3) sowie Triphenyldibromphosphoran [(C6H5)3PBr2] und Pyridinium-chlorid als Reagenzien zur Etherspaltung verwendet werden. N H Cl
16.5.4
Pyridinium-chlorid
Ether-Umlagerungen
Allylalkenylether lagern sich beim Erhitzen in i,f-ungesättigte Aldehyde oder Ketone um. Diese zu den [3,3]-sigmatropen Verschiebungen (Abschn. 26.5.2) gehörende Oxa-COPE-Umlagerung vollzieht sich als CLAISEN-Umlagerung mit Allylphenylethern, wobei das zunächst durch konzertierte Verschiebung von u- und r-Bindungen entstehende Keton als Übergangszustand zum oAllylphenol rearomatisiert, so daß die Allyl-Gruppe vom Phenoxy-O- zum ortho-C-Atom wandert. R
O
R
i,f-ungesättigter Aldehyd (R = H) i,f-ungesättigtes Keton (R = Alkyl)
Allylalkenylether
CLAISEN Umlagerung
O
o
Oxa-COPE -
O
O
langsam
o
schnell
OH
H Allylphenylether
Übergangszustand
o-Allylphenol
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238
16 Ether
Phenolether mit gesättigten O-Alkyl-Gruppen lagern in Analogie zu den O-Acylphenolen (Abschn. 21.6.2) bei Gegenwart von LEWIS-Säuren wie AlCl3 zu den p-Alkylphenolen um: R O
AlCl3
R
OH
z. B. R =
CH 2 CH2 CH2 CH 3
p-Alkylphenol
Alkylphenylether
Die WITTIG-Umlagerung von Ethern in Gegenwart sehr starker Basen wie Alkyllithium führt unter 1,2-Verschiebung einer O-Alkyl-Gruppe (vom O- zum C-Atom) zu Alkoholaten: R CH 2 O R'
+
R' _ _ R CH OI
R*Li
Alkylether
Li
+
R* OH
Alkoholat
Mehrere Mechanismen werden diskutiert. So könnte sich das bei der Einwirkung starker Basen entstehende Carbanion durch nucleophilen Angriff an der O-Alkyl-Gruppe unter Bildung eines Alkoxid-Anions stabilisieren. Substituenten, welche wie die Phenyl-Gruppe (R = C6H5) die negative Ladung des intermediären Carbanions durch Mesomerie verteilen, erleichtern die Reaktion. / [H+]
R CH _ O R'
R CH O R' H
_ R CH OI _
o
R'
16.6 Ether als Schutzgruppen Bei der Synthese organischer Verbindungen ist häufig ein Schutz der alkoholischen OH-Gruppe notwendig. Hierzu kann man die Alkohole verethern; jedoch muß nach der Reaktion, für welche ein Schutz der OH-Gruppe erforderlich ist, der Ether auch möglichst leicht und ohne Nebenreaktionen spaltbar sein. Als Schutzgruppen für die OH-Funktion haben sich außer den bereits besprochenen Methylethern die Benzyl-, Trityl- und Trimethylsilylether bewährt, die meist durch Varianten der WILLIAMSON-Synthese dargestellt werden und durch Hydrierung oder Hydrolyse spaltbar sind. Bildung R O Na
+
Cl CH2 C 6H5
/ NaCl
Benzylchlorid
Spaltung + H2 / Pt
+
Cl C(C6H 5)3 Chlortriphenylmethan
/ HCl
R O C(C6H 5)3
+
Cl Si(CH3)3 Chlortrimethylsilan
/ HCl
R O Si(CH 3)3 Trimethylsilylether
H 3C C6H 5 Toluen
+ H2O
R OH
+
Tritylether
Triethylamin
R OH
+
Benzylether Pyridin
R OH
R OH
R O CH 2 C 6H5
HO C(C6H 5)3 Triphenylcarbinol
+ H2O
R OH
+
HO Si(CH3)3 Trimethylsilanol
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Methylvinylether und Ethylenoxid
239
16.7 Methylvinylether und Ethylenoxid als Schlüsseledukte der organischen Synthese Methoxyethen (Methylvinylether) und Oxiran (Ethylenoxid) sind Ausgangsprodukte zur Herstellung zahlreicher technisch bedeutender organischer Verbindungen. Viele wichtige Lösemittel sowie einige Monomere für Polymere sind aus diesen Schlüsselverbindungen zugänglich, wie die folgenden Beispiele (ohne stöchiometrisch korrekte Formulierung der Gleichungen) zeigen sollen.
16.7.1
Synthesen mit Methylvinylether OR
+ ROH
O H3C C H
+ H2O
H 3C O CH CH3
H3C OH
+
Acetaldehydalkylmethylacetal
Acetaldehyd
X H3C O CH CH 2
H3C O
+ X2
X
+ HX
H3C O CH2 CH 2
CH CH 2
c,d-Dihalogenether
O
(
H3C O CH2 CH 2 O C O-Acylglykolmethylether
16.7.2
OCH3
Polymerisation
+ R CO2 H
X
d-Halogenether
R
)n
CH CH2
Polymethoxyethen
Synthesen mit Oxiran (Ethylenoxid) + ROH
+ H 2O
RO CH 2 CH 2 OH
HO CH 2 CH 2 OH
Glykolmonoalkylether
Ethandiol (Glykol) + H2 S
+ HCl
+ HCl
HS CH2 CH2 OH
HO CH 2 CH 2 Cl
Mercaptoethanol
Ethylenchlorhydrin
O + NH 3
/ H2 O
Cl
CH 2 CH 2 Cl 1,2-Dichlorethan
/ H 2O
+ HCN
N C CH2 CH2 OH
H 2N CH2 CH2 OH
N C CH CH 2
Aminoethanol
Acrylnitril
+ HO CH 2 CH 2 O CH 2 CH 2 OH Diethylenglykol
O
+
[H ]
Polymerisation +
/
[H oder OH ]
HO (CH 2 CH 2 O )nCH2 CH2 OH Polyethylenglykol (mit terminalen OH-Gruppen)
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240
17 Chiralität
17 Chiralität 17.1 Asymmetrische C-Atome und Chiralität Ein tetraedrisches C-Atom mit vier verschiedenen Substituenten wird als asymmetrisch bezeichnet. Wie das Beispiel des 2-Butanols zeigt, gibt es dann zwei Isomere, die sich wie Bild und Spiegelbild voneinander unterscheiden und nicht zur Deckung gebracht werden können, wie die Molekülmodelle zeigen (Abb. 17.1). Diese Spiegelbildisomere werden als Enantiomere bezeichnet. Spiegelebene C2H 5 H3C
C 2H5
C
H OH Bild
2-Butanol
C H CH3 HO Spiegelbild
Abb. 17.1. Stab- und Kalottenmodelle der Enantiomeren des 2-Butanols (Kohlenstoff : schwarz; Sauerstoff : grau; Wasserstoff : weiß)
Ein asymmetrisches C-Atom ist eine, nicht die einzige Voraussetzung für Chiralität (vom griechischen Wort für Händigkeit, weil sich Enantiomere wie rechte und linke Hand unterscheiden). Jedes Molekül, das mit seinem Spiegelbild nicht deckungsgleich ist, wird als chiral bezeichnet. Die meisten physikalischen Eigenschaften (Siedepunkte, Schmelzpunkte, Brechungsindizes) von Enantiomeren sind gleich; Enantiomere unterscheiden sich jedoch durch ihre optische Aktivität.
17.2 Optische Aktivität und spezifische Drehung Unter optischer Aktivität versteht man die Fähigkeit einer Verbindung, die Ebene linear polarisierten Lichts um einen bestimmten Winkel c zu drehen, der in einem Polarimeter gemessen wird. Die spezifische Drehung [c] ist der auf eine bestimmte Konzentration und Schichtdicke bezogene
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17.3 Bezeichnung der absoluten Konfiguration
241
Drehwert. [c]D bedeutet, daß als monochromatische Lichtquelle die D-Spektrallinie des Natriums diente, [c]20, daß die spezifische Drehung bei 20 °C gemessen wurde. l : Schichtdicke in dm c : Konzentration in g / 100 mL
[c] = c"gemessen 100 [ ° ] lc
[c] 20 : spezifischer Drehwert , gemessen bei 20 °C, D Lichtquelle : D-Linie des Natrium-Spektrums ( n = 546.1 nm )
Enantiomere drehen die Ebene linear polarisierten Lichts um denselben Betrag, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen, wie die enantiomeren 2-Butanole zeigen. C 2H5 2-Butanol
H 3C
C
C2H 5
H OH
H HO
C
CH 3
20
[c] D = / 15°
20
[c] D = + 15°
17.3 Bezeichnung der absoluten Konfiguration Enantiomere (Spiegelbildisomere) unterscheiden sich durch die absolute Konfiguration der Substituenten am asymmetrischen C-Atom. Zur Bezeichnung der absoluten Konfiguration asymmetrischer C-Atome gibt es die allgemein anwendbare CAHN-INGOLD-PRELOG Konvention sowie die traditionelle FISCHER-Konvention.
17.3.1
CAHN-INGOLD-PRELOG-Konvention ("CIP", R und S)
Nach der CAHN-INGOLD-PRELOG-Konvention ("CIP") zur Angabe der absoluten Konfiguration ordnet man den Substituenten am asymmetrischen C-Atom mit Hilfe dreier Regeln Prioritäten zu. (1)
Die Priorität der mit dem asymmetrischen C-Atom verknüpften Atome (erste Sphäre) sinkt mit abnehmender Ordnungszahl (Atommasse bei Isotopen) im Periodensystem, z. B.: H F C
I
Br I > Br > F > H
(2)
Cl
CH3
D
C H
F C H
I I > Cl > C > H
Br Br > F > D > H
Sind zwei oder mehr mit dem asymmetrischen C direkt verknüpfte Atome identisch, so sinkt die Priorität mit abnehmender An- und Ordnungszahl der benachbarten Atome (zweite Sphäre), z. B.: CH 3 CH 3 HO C H CH 2 CH3 OH > C2H 5 > CH 3 > H
CH 2Cl H 3C CH2 C CH3 H CH 2Cl > C 2H5 > CH 3 > H
H 3C C H H C Br CH 2 CH 3 Br > (CH3)2CH > C2H5 > H
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242
17 Chiralität
(3)
Doppelt und dreifach gebundene Zweitatome zählen je doppelt bzw. dreifach; eine Aldehyd-Gruppe (/CH=O) hat demnach eine höhere Priorität als eine Alkohol-Funktion (/CH2/OH): O Glyceraldehyd
C
H OH > CH=O > CH2/OH > H
HO C H CH2 OH
Nach Bestimmung der Prioritätenfolge um das asymmetrische C-Atom wird das Molekül so betrachtet bzw. gedreht, daß die Gruppe mit geringster Priorität (meist H) hinter der Zeichenebene steht. Sinkt dann die Priorität der Substituenten im Uhrzeigersinn (Gegenuhrzeigersinn), so liegt die R-Konfiguration (S-Konfiguration) vor; R folgt aus lat. rectus = rechts, S aus lat. sinister = links. Die Enantiomeren des 2-Butanols verdeutlichen dies und zeigen, daß die Rechts- bzw. Linksdrehung der Ebene linear polarisierten Lichts nicht mit der absoluten KonfigurationsBezeichnung zusammenhängt, R-Konfiguration also nicht rechtsdrehend (+) und S-Konfiguration nicht linksdrehend (/) bedeuten muß. So dreht (R)-2-Butanol nach links [(R)-(/)-2-Butanol], das (S)-Enantiomer dagegen nach rechts [ (S)-(+)-2-Butanol]: Abnahme der Priorität im Gegenuhrzeigersinn
C2H 5 C
C 2H5
H OH (S)-2-Butanol
C H CH3 HO (R)-2-Butanol
[c] 20 = + 15° D
[c] 20 D = / 15°
H3C
daher (S)-(+)-2-Butanol
Abnahme der Priorität im Uhrzeigersinn
( c = 10 g / 100 mL in Methanol )
daher (R)-(/)-2-Butanol
Im Falle des Glycerinaldehyds (Glyceraldehyds) dreht das (R)-Enantiomer nach rechts und das (S)-Enantiomer nach links: CH 2OH H C O
17.3.2
C
H OH
CH2OH H HO
C
H C
(R)-(+)-Glyceraldehyd
O (S)-(/)-Glyceraldehyd
[c] 25 = + 8.7° D
[c] 20 D = / 8.7°
( c = 2 g / 100 mL in Wasser )
FISCHER-Konvention (D und L)
Grundlage der FISCHER-Konvention ist die Projektion des Kohlenstoff-Tetraeders in die Ebene (FISCHER-Projektion). Dabei wird der Tetraeder so betrachtet, daß die längste Kohlenstoff-Kette vertikal und die schwerere Alkyl-Gruppe oben steht (Abb. 17.2 a, 2-Butanol, Ethyl oben, Methyl unten). Die horizontal geschriebenen Gruppen (H und OH in Abb. 17.2 a) stehen dann vorne, an der dem Beobachter zugewandten Tetraederkante. Die Keilstrich-Projektion bringt diesen Sachverhalt klarer zum Ausdruck (Abb. 17.2 b) und führt zur FISCHER-Projektion (Abb. 17.2 c), indem die Keilstriche durch einfache Valenzstriche ersetzt werden. Steht in der FISCHER-Projektion (Abb. 17.2 c) die funktionelle Gruppe nach rechts, so liegt das D-Enantiomer vor (D von dextro = rechts); steht die funktionelle Gruppe nach links, so spricht man vom L-Enantiomer (levo = links).
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17.3 Bezeichnung der absoluten Konfiguration
243
Die FISCHER-Projektionen (Abb. 17.2 c) können innerhalb der Papierebene verschoben werden, ohne daß sich die dargestellte absolute Konfiguration ändert; dagegen würde Herausnahme aus oder Drehung in der Papierebene die absolute Konfiguration ändern. Spiegelebene C 2H5
C2H 5 (a)
HO
H
C2H 5 HO C H CH 3
C 2H5 H C OH
Keilstrich-Projektion
CH3
C2H 5 (c)
Tetraeder (Außenansicht, Tetraederkanten)
OH CH3
CH 3
(b )
H
C 2H5
HO C H
H C OH
CH 3 L-2-Butanol
CH3 D-2-Butanol
FISCHER-Projektion
Abb. 17.2. Bezeichnung der absoluten Konfiguration nach der FISCHER-Konvention (D- und L-2-Butanol); die Verbindungslinien in (a) sind Tetraederkanten und keine Bindungen
17.3.3
Übersetzung der D,L- in die R,S -Bezeichnung
Abb. 17.3 illustriert am 2-Butanol, wie die D,L- Konfigurationsangabe nach FISCHER in die R,SBezeichnung nach CAHN-INGOLD-PRELOG übersetzt wird: Man schreibt die ebene FISCHERProjektion (Abb. 17.3 a) in die Keilstrich-Projektion um (Abb. 17.3 b) und dreht dann den Tetraeder so, daß der Substituent geringster Priorität (meist H) hinter der Zeichenebene steht (Abb. 17.3 c). Abb. 17.3 zeigt auf diese Weise für 2-Butanol, daß L- = (S)- und D- = (R)- ist. Dies gilt jedoch nicht allgemein; ersetzt man z. B. im 2-Butanol (Abb. 17.2) Methyl durch Brommethyl (/CH2/Br), so ist das resultierende L-1-Brom-2-butanol wegen Regel (2) der "CIP"-Konvention identisch mit (R)-1-Brom-2-butanol. L-2-Butanol C2H 5 (a)
HO C H CH 3
C2H 5 (b )
(c)
HO C H
D-2-Butanol C 2H5 H C OH CH3
CH3
C 2H5
C 2H5
C
Tetraeder (Außenansicht, Tetraederkanten)
C 2H5 H C OH
CH 3
H OH (S)-2-Butanol H 3C
Spiegelebene
C H CH3 HO (R)-2-Butanol
Keilstrich-Projektion
Keilstrich-Projektion (H hinter der Zeichenebene)
Abb. 17.3. Übersetzung der D,L- in die R,S-Bezeichnung der absoluten Konfiguration
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244
17 Chiralität
17.3.4
Racemate
Eine äquimolare Mischung von (R)- und (S)-Enantiomeren wird als racemische Mischung oder Racemat bezeichnet; so bedeutet die Angabe (RS)- oder (DL)- oder (±)-2-Butanol, daß eine racemische Mischung der Verbindung vorliegt. Ein Racemat ist, im Gegensatz zu den beiden Enantiomeren, aus denen es besteht, optisch inaktiv ([c] = 0) und besitzt andere physikalische Eigenschaften (Schmelzpunkt, Dichte, Löslichkeit, Tab. 17.1, S. 246).
17.4 Bestimmung der absoluten Konfiguration Die tatsächliche räumliche Anordnung der Atome eines Enantiomers läßt sich durch RÖNTGENBeugung (Kristallstrukturanalyse mit RÖNTGEN-Diffraktometer, RÖNTGEN-Diffraktometrie) bestimmen. Hierzu ist ein Einkristall erforderlich, der nur aus Molekülen eines Enantiomers besteht. J.M. BIJVOET führte erstmals 1951 am Natrium-Rubidium-Salz des rechtsdrehenden Enantiomers der Weinsäure eine solche Bestimmung durch. Die Kenntnis der absoluten Konfiguration dieser einen Verbindung ermöglichte dann die Zuordnung der absoluten Konfigurationen einer Vielzahl von Verbindungen durch Bestimmung ihrer relativen Konfiguration zur Weinsäure. COO Na H C OH HO C H COO Rb Natrium-Rubidium-(+)-tartrat
Eine Verbindung A hat dieselbe relative Konfiguration wie eine Verbindung B, wenn sich A ohne Inversion seiner Asymmetrie-Zentren in B umwandeln läßt. So gelingt die Umwandlung der (/)Weinsäure in (+)-Glyceraldehyd [(+)-Glycerinaldehyd] über eine Folge sterisch einheitlich verlaufender chemischer Reaktionen, bei denen keine der Bindungen am asymmetrischen C-Atom C-2 gebrochen und neu geknüpft wird. Somit besitzt (+)-Glyceraldehyd die gleiche relative Konfiguration wie (/)-Weinsäure an C-2. COOH H C OH HO C H COOH L-(+)-Weinsäure
COOH CH=O HO C H CH2OH L-(/)-Glycerinaldehyd = (S)-(/)-Glyceraldehyd
HO C H H C OH COOH D-(/)-Weinsäure
CH=O H C OH CH2OH D-(+)-Glycerinaldehyd = (R)-(+)-Glyceraldehyd
Als Spiegelbilder dieser Enantiomeren besitzen rechtsdrehende Weinsäure und linksdrehender Glycerinaldehyd entgegengesetzte absolute Konfigurationen.
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17.5 Verbindungen mit mehreren Asymmetriezentren
245
17.5 Verbindungen mit mehreren Asymmetriezentren 17.5.1
Zwei verschiedene asymmetrische C-Atome
Moleküle mit zwei Asymmetrie-Zentren wie 3-Brom-2-butanol bilden vier (22 = 4) Stereoisomere a-d. Aus den Projektionsformeln ergeben sich nach Abb. 17.3 die absoluten Konfigurationen. In Isomer a nehmen z. B. die Prioritäten der Substituenten an beiden asymmetrischen C-Atomen in einer Linksfolge ab, so daß es sich bei a um (2S,3S)-3-Brom-2-butanol handelt: C-1
CH3
C-2
H C OH
C-3 C-4
Br
C H
CH3 a (2S,3S)
CH 3 HO C H
CH 3
CH 3
H C OH
H C Br
H C Br
CH 3 b (2R,3R)
CH 3 c (2S,3R)
HO C H Br
C H
CH 3 d (2R,3S)
Bei Aminosäuren und Kohlenhydraten wird die traditionelle FISCHER-Konvention bevorzugt. Kohlenhydrate mit mehreren Asymmetriezentren ordnet man je nach Konfiguration des am höchsten bezifferten und der CH2OH-Gruppe am nächsten liegenden asymmetrischen C-Atoms der DReihe (OH nach rechts) oder der L-Reihe (OH nach links) zu. Glyceraldehyd (Abschn. 17.4) sowie die Aldotetrosen Threose und Erythrose sind einfache Beispiele hierzu: Threose CH=O HO C H H C OH CH2OH FISCHER (D,L) CIP (R,S)
a D (2S,3R)
Erythrose
C-1
CH=O
CH=O
H C OH
H C OH
HO C H
C-2
H C OH
HO C H
C-3
HO C H CH2OH b L (2R,3S)
CH2OH c D (2R,3R)
CH=O
CH 2OH d L (2S,3S)
C-4 Konfiguration an C-3
Die Aldotetrosen a und b sowie c und d sind jeweils ein Enantiomeren-Paar, das man als threoDL-Paar bezeichnet, da jedes Paar für sich eine Bild-Spiegelbild-Beziehung aufweist. In einem Enantiomer mit mehreren Asymmetrie-Zentren sind die Konfigurationen aller asymmetrischer CAtome gegenüber dem Gegen-Enantiomer invertiert. Jede der vier Aldotetrosen ist optisch aktiv. Eine äquimolare Mischung von a und b bzw. c und d ist racemisch und optisch inaktiv. Dabei unterscheiden sich die beiden Racemate durch ihre relative Konfiguration (threo- und erythro-) und zeigen daher verschiedene Schmelzpunkte. Die Konfigurationsbeziehung zwischen den Isomeren a und c (b und d) ist diastereomer, da a und c (b und d) Inversionsisomere ohne Bild-Spiegelbild-Beziehung sind. Auch die Isomeren a und d, b und c sowie b und d sind Diastereomere. Zwei Diastereomere weisen die gleiche Konfiguration an mindestens einem Asymmetriezentrum und zusätzlich die umgekehrte Konfiguration an mindestens einem weiteren Asymmetriezentrum auf. Somit sind Diastereomere verschiedene Verbindungen mit unterschiedlichen physikalischen und ähnlichen chemischen Eigenschaften. Eine äquimolare Mischung zweier Diastereomerer ist kein Racemat. Allgemein werden Stereoisomere als Diastereomere bezeichnet, wenn sie keine Enantiomere sind. Alle Isomere mit zwei und mehr asymmetrischen C-Atomen, die sich durch ihre relative Konfiguration unterscheiden, sind somit auch Diastereomere.
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246
17 Chiralität
Für Moleküle mit n verschiedenen asymmetrischen C-Atomen existieren 2n Stereoisomere und 2n/2 Enantiomerenpaare. Aldotetrosen mit zwei asymmetrischen C-Atomen (n=2) bilden somit wie gezeigt vier Stereoisomere, die zwei Enantiomerenpaare sind.
17.5.2
Zwei gleiche asymmetrische C-Atome
Verbindungen mit zwei identischen Asymmetriezentren existieren in zwei Enantiomeren, (RR) und (SS), sowie einer meso-Form, (RS) und (SR) (meso von griech. oguqu = Mitte). MesoIsomere (RS) und (SR) lassen sich aus Symmetriegründen zur Deckung bringen und sind daher keine Enantiomere. Sie unterscheiden sich also sowohl vom (RR)- und (SS)-Enantiomer als auch vom Racemat (RS). Ein Beispiel sind die verschiedenen Weinsäuren in Tab. 17.1. CO2H
CO2H
H C OH
HO C H
HO C H
H C OH
CO2H
(2R,3R)L-(+)-Weinsäure
CO2H
HO C H
H C OH
HO C H
CO2H
(2S,3S)D-(/)-Weinsäure
CO2H
H C OH CO2H
CO2H
(2R,3S)(2S,3R)meso-Weinsäure
Tab.17.1. Physikalische Eigenschaften der Weinsäuren spez. Drehwert [c] 20 (c = 17.4 in H 2O) D
Schmelzpunkt [°C]
Dichte bei 20 °C [ g/mL]
Löslichkeit [ g/100 g H2O ]
/ 12.7 + 12.7 0 0
171-174 171-174 206 146
1.7598 1.7598 1.788 1.666
139 139 20.6 125
D-Enantiomer L-Enantiomer DL-Verbindung (Racemat) meso-Isomer
Keilstrich- und NEWMAN-Projektionen der konfigurationsisomeren Weinsäuren illustrieren in Abb. 17.4), daß die Konformere der meso-Weinsäuren im Gegensatz zu denen der Enantiomeren zur Deckung gebracht werden können. 2,4-Dibrom-3-methylpentan besitzt eine ungerade Zahl asymmetrischer C-Atome. Von den drei Asymmetriezentren sind zwei identisch. Daher gibt es zwei meso-Formen (c und d) sowie zwei Enantiomere (a und b); dabei sind die Paare a/c, a/d, b/c, b/d und c/d jeweils Diastereomere. Diastereomere nennt man epimer (Epimere), wenn sie sich in der absoluten Konfiguration nur eines asymmetrischen C-Atoms unterscheiden. So sind a und c Epimere, nicht jedoch b und c. CH 3 H C Br H C CH 3 Br
C H CH 3
a aktiv Enantiomer
CH 3 Br
C H
H 3C C H H C Br CH 3
b aktiv Enantiomer
CH 3
CH 3 H C Br H C CH 3 H C Br
Br
C H
H 3C C H Br
C H
CH 3
CH 3
c inaktiv meso-
d inaktiv meso-
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17.5 Verbindungen mit mehreren Asymmetriezentren
247
OH H
OH OH
HO2C
HO
H CO2H
HO2C
OH CO2H
HO2C
H
HO2C
H H
H
OH
L-(+)-Weinsäure HO2C H HO
C
C
HO2C H HO
OH
OH
H HO
CO2H H
C
HO2C
H
D-(/)-Weinsäure
CO2H
H HO
CO2H C
C
HO2C
C
H
CO2H CO2H
HO2C H
C
H OH
HO2C
OH
H
CO2H
H
HO2C
H
HO2C
OH CO2H
CO2H CO2H OH
OH
CO2H OH
HO2C
H
OH
C
OH
OH CO2H
OH CO2H
H
H HO
H
OH
C
H
OH H
HO2C
HO2C
OH CO2H
OH HO
H
C
H HO
C
H C
H
OH
H
H
meso-Weinsäure HO2C H HO
C
C
OH H
HO2C H HO
CO2H
H C
C
HO2C
CO2H
H HO
OH
C
C
CO2H H OH
Abb. 17.4. Konformere der drei Weinsäuren
17.5.3
Enantiomere Cycloalkane
Enthalten Cycloalkane zwei identische asymmetrische C-Atome, so bilden die cis-Isomeren mesoFormen, die trans-Isomeren dagegen Enantiomere, wie Abb. 17.5 (S. 248) für 1,2-disubstituierte Cycloalkane sowie für 1,3-disubstituierte Cyclohexane klar macht. Unterscheiden sich die beiden asymmetrischen C-Atome, so gibt es stets cis- und trans-Isomere, die ihrerseits je als ein Paar von Enantiomeren existieren. Beispiele sind die Isomeren des 1-Brom2-methylcyclopropans: H 3C H
H
Br
Br
H
H
H
H H
cis-Isomere Enantiomere
CH 3 H
Br H
H H
H CH 3
H H3C
H H
Br H
trans-Isomere Enantiomere
1,3-disubstituierte Cyclobutane und 1,4-disubstituierte Cyclohexane enthalten aus Gründen der Molekülsymmetrie keine asymmetrischen C-Atome und bilden daher nur cis-trans-Isomere.
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248
17 Chiralität
cis-
trans-
(S,R)
(R,S)
(R,R)
(S,S)
X 1,2-disubstituiertes Cyclopropan
X
X
X
X
X
X
X
X 1,2-disubstituiertes Cyclobutan
X
X
X
X
X X
1,2-disubstituiertes Cyclopentan
X
X
X X
X
X X
X
X
1,2-disubstituiertes Cyclohexan
X
X X
X
X
X
X 1,3-disubstituiertes Cyclohexan
X
X
X
X
X
X X
meso-Formen
X
Enantiomere
X
Abb. 17.5. Meso-Formen und Enantiomere einiger disubstituierter Cycloalkane
17.6 Enantiomere ohne asymmetrische C-Atome 17.6.1
Asymmetrische Heteroatome
Anstelle eines asymmetrischen C-Atoms kann ein asymmetrisches Heteroatom treten. Beispiele hierzu sind Silane und Tetraalkylammonium-Salze mit je vier, Amin-N-oxide und SulfoniumSalze mit je drei verschiedenen Alkyl- oder Aryl-Resten: C6H 5 N
H3C O C 3H7 Methylphenyl-i-propylamin- N-oxid
H Si H3C C 6H5
S
H3C C6H 5 C 3H 7 Methylphenyl-i-propylsulfonium-Ion
Methyl-d-naphthylphenylsilan
Auch tertiäre Amine mit drei verschiedenen Substituenten bilden Enantiomere. Die Enantiomeren der TRÖGER-Basen mit zwei identischen asymmetrischen N-Atomen lassen sich mit diversen Methoden trennen. N enantiomere TRÖGER-Basen (R = CH3 , OCH3 )
R
N N
N
R
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17.6 Enantiomere ohne asymmetrische C-Atome
249
Ein asymmetrisches C- oder Heteroatom ist eine, aber nicht die einzig mögliche Ursache der Chiralität (Dissymmetrie). Alle Moleküle, die weder Symmetrieebenen, Symmetriezentren noch Drehspiegelachsen besitzen, sind chiral (dissymmetrisch). Fehlen zudem noch Symmetrieachsen Cn, so sind die Moleküle asymmetrisch (ohne Symmetrie). So gibt es viele Verbindungen, die, obwohl sie keine Asymmetriezentren besitzen, doch optisch aktive Enantiomere bilden. Hexachlor- sowie Hexahydroxycyclohexan (Inosit) enthalten zwar keine asymmetrischen C-Atome; jedoch gibt es von beiden Verbindungen Konfigurationsisomere, die als Enantiomerenpaare existieren.
17.6.2
Axiale Chiralität
Axiale Chiralität kann in Verbindungen auftreten, die "gestreckte" Tetraeder bilden. Die Strekkung wird z. B. in Allenen durch eine gerade Anzahl kumulierter Doppelbindungen realisiert; mit ungerader Anzahl kumulierter Doppelbindungen gibt es dagegen (E,Z)-Isomere. Spirocyclen sind bei geeigneter Substitution ebenfalls axial chiral. Br
Br H
Br H3C
H
H3C
CH 3
Br C C C CH3 Br
C C C Br
2,4-Dibrom-2,3-pentadien
Br
Br H
H 3,3'-Dibromspiro[3,3]heptan
Axial chiral sind ferner Biaryl-Derivate, in denen sperrige o,o'-ständige Substituenten die Rotation der Aryl-Ringe sterisch so behindern, daß sie orthogonal oder zumindest verdrillt stehen bleiben. Diesen Fall axialer Chiralität bezeichnet man als Atropisomerie. Enantiomere (Atropisomere) des 2,2'-Dibrom-6,6'-dimethylbiphenyls und 2,2'-Dihydroxybinaphthyls können z. B. getrennt werden.
H 3C H3C
Br Br
Br Br
CH3 CH3
2,2'-Dibrom-6,6'-dimethylbiphenyl
17.6.3
OH OH
HO HO
2,2'-Dihydroxybinaphthyl
Planare Chiralität und Helicität
Andere Beispiele von Enantiomeren ohne tetraedrische Asymmetriezentren sind 2,2'-Dialkyl-pcyclophane (planare Chiralität) und die Helicene wie Hexahelicen, deren Benzen-Ringe in Linksund Rechtsschrauben-Form (helical) anelliert sind (helicale Chiralität, Helicität)).
R R 2,2'-Dialkyl-p-cyclophan
Hexahelicen
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250
17 Chiralität
17.7 Racemat-Trennungen Die Trennung einer optisch inaktiven racemischen Mischung in zwei optisch aktive Enantiomere ist schwierig, weil die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Enantiomeren identisch sind mit Ausnahme ihres Verhaltens gegenüber polarisiertem Licht (chiroptische Eigenschaften) und anderen chiralen Molekülen.
17.7.1
Die klassische Methode von PASTEUR
L. PASTEUR fand 1848, daß das Natrium-Ammonium-Salz der racemischen Weinsäure zweierlei asymmetrische Kristalle bildet, die sich wie Bild und Spiegelbild unterscheiden. Nach manuellem Sortieren dieser spiegelbildlichen (enantiomorphen) Kristalle im Mikroskop zeigten die wäßrigen Lösungen der beiden Kristallformen spezifische Drehungen der Ebene linear polarisierten Lichts um den gleichem Betrag, aber mit entgegengesetztem Vorzeichen. Eine Mischung gleicher Anteile beider Lösungen führte zum Verlust der optischen Aktivität. Diese von PASTEUR benutzte mechanische Trennung konnte nur in wenigen anderen Fällen verifiziert werden. Die Lösung eines Racemats kristallisiert höchst selten spontan als Mischung enantiomorpher Kristalle aus. Häufiger, auch technisch, gelingt dagegen die Auskristallisation eines Enantiomers aus übersättigten Lösungen durch Animpfen mit seinen Kristallen.
17.7.2
Trennung nach Bildung von Diastereomeren
Eine allgemein anwendbare Methode der Racematspaltung ist die Überführung der Enantiomeren in Diastereomere sowie deren Trennung und Reinigung durch fraktionierte Kristallisation oder Chromatographie. Anschließende Spaltung der getrennten und gereinigten Diastereomeren liefert die Enantiomere in optisch reiner Form. Die Trennung einer racemischen Säure, einer racemischen Base und eines racemischen Alkohols illustrieren die Methodik. Trennung racemischer Säuren Racemische Säuren wie (±)-Milchsäure (= DL-Milchsäure), lassen sich mit einer enantiomerenreinen (optisch aktiven) Base, z. B. mit den toxischen Alkaloiden (/)-Brucin oder (/)-Strychnin aus dem Brechnußbaum sowie (/)-Chinin oder (/)-Cinchonidin aus der Chinarinde, in zwei diastereomere Salze "(+,/)" und "(/,/)" überführen; aufgrund ihrer unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften (Löslichkeit, Schmelzpunkte) können die diastereomeren Salze getrennt werden. Saure Hydrolyse der getrennten Salze gibt die enantiomeren Milchsäuren (Abb. 17.6).
HO
H
H
H
R N
R
N H
R N
N R = OCH3 : (/) - Chinin R = H : (/) - Cinchonidin
H
H
O H R = H : (/) - Strychnin R = OCH3 : (/) - Brucin O
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17.7 Racemat-Trennungen
251
Liefert die erste Trennung noch keine enantiomerenreinen Produkte, wird eine zweite Trennung mit einer anderen Base nachgeschaltet. Den verwendeten natürlich vorkommenden enantiomerenreinen Alkaloiden gemeinsam ist ein im starren Ringsystem inversionsfreies asymmetrisches Stickstoff-Atom, in dessen unmittelbarer Nähe sich ein Benzen-Ring und asymmetrische C-Atome befinden.
CO2H
Enantiomere gemischt
CO2H
HO C H
H C OH
CH3 CH 3 L-(+)-Milchsäure D-(/)-Milchsäure Racemat in Wasser gelöst Zugabe von (/)-Brucin-Lösung diastereomere Salze Trennung durch fraktionierte Kristallisation
Diastereomere gemischt
CO2
CO2
[(/)-Brucin/H] Diastereomere getrennt
CH 3
CH3 / [( /)-Brucin/H]+ Cl
Enantiomere getrennt
/
[(/)-Brucin/H]
H C OH
HO C H
+ HCl
+ HCl
CO2H
/ [( /)-Brucin/H]+ Cl
/
CO2H
HO C H
H C OH
CH3 enantiomerenreine L-(+)-Milchsäure (S)-(+)-2-Hydroxypropansäure
CH 3 enantiomerenreine D-(/)-Milchsäure (R)-(/)-2-Hydroxypropansäure
Abb. 17.6. Trennung racemischer Säuren mit einer enantiomerenreinen Base über diastereomere Salze
Trennung racemischer Basen Umgekehrt gelingt die Trennung racemischer Basen durch Bildung diastereomerer Salze mit enantiomerenreinen Säuren. Bewährte und in ausreichender optischer Reinheit zugängliche Säuren sind z. B. (/)-Äpfelsäure, (/)-Mandelsäure, (+)-Weinsäure, (+)-Campher-10-sulfonsäure und (+)3-Bromcampher-10-sulfonsäure. ̈
D-Base L-Base Racemat
+ 2 D-Säure
D-Base/D-Säure L-Base/D-Säure Gemisch diastereomerer Salze
Trennung
D-Base/D-Säure L-Base/D-Säure
getrennte diastereomere Salze
+ HCl + HCl
D-Base/HCl +"""D-Säure L-Base/HCl
+ D-Säure
getrennte enantiomere Basen (Hydrochloride)
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252
17 Chiralität
Racemische Alkohole können nach Veresterung zu diastereomeren Estern mit einer enantiomerenreinen Säure getrennt werden. Individuelle Verseifung der getrennten diastereomeren Ester ergibt optisch reine Alkohole, aus denen weitere chirale Verbindungen hergestellt werden können. L - R'
L - R'
+ Na OH
C O
D - R OH + 2 L- R/CO2H
/ 2 H2O
D -R
C O
O
D -R
Trennung
L - R'
O
L - R'
C O
L - R OH L-R
racemischer Alkohol
/ L-R/CO2 Na
+ Na OH
C O L-R
O
Gemisch diastereomerer Ester
/ L-R/CO2 Na
O
getrennte diastereomere Ester
D - R OH
L - R OH
getrennte enantiomere Alkohole
Alternativ werden racemische Alkohole mit Phthalsäureanhydrid zu racemischen Phthalsäurehalbestern derivatisiert und letztere mit enantiomerenreinen Basen (s. o.) zu den trennbaren diastereomeren Salzen umgesetzt. D-R
O
+ H2O / (/)-Brucin / Phthalsäure
C O DL - R
O DL - R OH
C O
O
+
O AlkoholRacemat
O
Phthalsäureanhydrid
1.) + (/)-Brucin 2.) Trennung
CO2H
D - R OH
CO2 [(/)-Brucin/H] L-R
O + H2O / (/)-Brucin / Phthalsäure
C O
racemischer Phthalsäurehalbester
CO2 [(/)-Brucin/H] getrennte diastereomere Phthalsäurehalbester-( /)-Brucin-Salze
L - R OH
getrennte enantiomere Alkohole
Ähnliche Verfahren gestatten die Trennung racemischer Aldehyde und Ketone, z. B. mit Hilfe enantiomerenreiner Hydrazine über diastereomere Hydrazone.
17.7.3
Enzymatische Racemat-Trennungen
Bestimmte Mikroorganismen (Bakterien, Hefen, Pilze) und vor allem Enzyme verhalten sich oft unterschiedlich und spezifisch gegenüber Enantiomeren. Acetylierte DL-c-Aminosäuren, auch synthetische mit nicht in der Natur vorkommenden Seitenketten, werden z. B. durch das aus Schweinenieren gewonnene Enzym Nierenacylase getrennt. Nierenacylase spaltet N-Acetyl-Laminosäuren bedeutend schneller als die D-Enantiomeren. Aus dem Gemisch wird die noch acetylierte D-Aminosäure durch Extraktion mit einem organischen Lösemittel von der freien, in der Wasserphase verbleibenden L-Aminosäure abgetrennt. CO2 CH NH 3 CH3 DL-Alanin (Racemat)
CO2H H Acylase, + H2O CH N / CH3/CO2H CH 3 C CH3 O N-Acetyl-DL-alanin (Racemat)
CO2 H3N C H CH3 L-Alanin
CO2H +
H C NHCOCH3 CH3 N-Acetyl-D-alanin
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17.8 Prochiralität, Enantiotopie und Diastereotopie
17.7.4
253
Chromatographische Racemat-Trennungen
Chromatographische Trennverfahren basieren auf der selektiven und reversiblen Adsorption der Enantiomeren an chiralen Adsorbentien, die als stationäre Phasen in der Flüssigkeits- oder Gaschromatographie eingesetzt werden. Unter optimierten Bedingungen tritt ein Enantiomer weniger stark in diastereomere Wechselwirkung mit der stationären Phase und wird somit zuerst eluiert. Die flüssigkeitschromatographische Trennung vieler chiraler Wirkstoffe gelingt in präparativem Maßstab auf Säulen, die mit modifizierten Cyclodextrinen (Abschn. 39.8.2) als chiralen Phasen belegt sind. Gaschromatographisch läßt sich an chiralen Phasen auch die absolute Konfiguration und das Enantiomerenverhältnis chiraler Alkohole, Amine, Aminoalkohole und Aminosäureester nach Trifluoracetylierung bestimmen (chirale GC). Manche Racemate lassen sich durch Säulenchromatographie trennen, wobei die Säulen mit Polymeren gepackt werden, an die Enzyme kovalent gebunden sind.
17.8 Prochiralität, Enantiotopie und Diastereotopie 17.8.1
Prochiralität am tetraedrischen C
Ein tetraedrisches C-Atom mit drei verschiedenen Substituenten a, b und c ist nicht asymmetrisch; es wird als prochiral bezeichnet. Wandelt sich einer der beiden identischen Substituenten a in d um, so entsteht aus dem prochiralen ein asymmetrisches C-Atom: b
b
a C a
a C d c asymmetrisch (chiral)
c prochiral
Die Bezeichnung zweier Substituenten am prochiralen C-Atom, z. B. der H-Atome an der prochiralen Methylen-Gruppe des Ethanols, ist nach den CAHN-INGOLD-PRELOG-Regeln pro-R bzw. pro-S. Dabei werden die beiden H-Atome als H' und H" markiert, wobei H' willkürlich die höhere Priorität erhält. OH H'
C H'' CH 3
H' > H''
H3C
OH
OH
HS C HR
C
H''
CH 3
H' OH > CH3 > H' : (S)
H' ist also pro-S oder HS
Die beiden H-Atome am prochiralen C des Ethanols, allgemein zwei Gruppen X in R1/CX2/R2, unterscheiden sich durch ihre topographische Lage im Molekül (Topie, Topizität). Die Umgebung des oberen (vorderen) H-Atoms ist im Vergleich zu der des unteren (hinteren) enantiomer. Daher nennt man die identischen Substitutenten eines prochiralen C-Atoms auch enantiotop. CH3
H enantiotope Methylen-H-Atome des Ethanols
HO H3C
C H
C
H O H H3C
C
H
diastereotope Methylen-H-Atome des Acetaldehyddiethylacetals
OC2H 5
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254
17 Chiralität
Enantiotope Gruppen wie die H-Atome des prochiralen Methylen-Fragments in Ethanol können mit den meisten physikalischen Meßmethoden nicht unterschieden werden. Befindet sich die prochirale Gruppe /CX2/ jedoch in der Nähe eines (von X aus gesehenen) asymmetrischen C-Atoms, so liegen die beiden identischen Substituenten X in verschiedender Umgebung; sie sind nicht mehr enantiotop, sondern diastereotop und daher mit physikalischen (spektroskopischen) Methoden unterscheidbar. Bekannte Beispiele sind die O-Methylen-H-Atome der Diethylacetale. Durch Reaktion einer prochiralen Verbindung mit einem chiralen Reagenz werden enantiotope Gruppen am prochiralen C-Atom stets diastereotop. Ein Beispiel ist Verknüpfung des N-Acetyl-2methylalanins (enantiotope Methyl-Gruppen) mit der enantiomerenreinen Aminosäure L-Alanin [(S)-2-Aminopropansäure] zum Dipeptid (diastereotope Methyl-Gruppen). Die Reaktion gelingt mit kondensierenden Reagenzien. enantiotope Methyl-Gruppen H3C O H 3C C C OH H3C C N H O
diastereotope Methyl-Gruppen H
+
N-Acetyl-2-methylalanin achiral
H 3C O H H3C C C CH3 N C H 3C C N CO2CH 3 H H O
/ H2O
CH3 H2N C CO2CH3 L-Alaninmethylester chiral
N-Acetyl-2-methylalanyl-L-alaninmethylester chiral
Als homotop (ununterscheidbar) bezeichnet man zwei Substituenten, wenn sie durch Drehung um eine Cn-Achse zur Deckung gebracht werden können. Homotop sind z. B. die Wasserstoff- und Chlor-Atome in (Z)- und (E)-1,2-Dihalogenalkenen. Cl
Cl C C H H
17.8.2
homotope H- und Cl-Atome des (Z)-1,2-Dichlorethens
Prochiralität am trigonalen C
Auch die trigonale Carbonyl-Gruppe in Aldehyden oder unsymmetrischen Ketonen ist prochiral. Entsprechend sind die beiden Seiten der Carbonyl-Bindungsebene nicht identisch; man nennt sie enantiofacial. Zur Unterscheidung blickt man auf die Ebene der Carbonyl-Gruppe und ordnet die Priorität der Substituenten nach den CAHN-INGOLD-PRELOG-Regeln. Sinkt die Priorität im Uhrzeigersinn, so blickt man auf die Re-Seite; eine Abnahme im Gegenuhrzeigersinn kennzeichnet die Si-Seite: O
OH
OH
+ H: H
C
M
+ :H C
Re
M
E (S)-2-Butanol
Si
C
M
H
E (R)-2-Butanol
E E = C 2H5 ; M = CH3
Enantiomerenreine Reagenzien unterscheiden Re- und Si-Seite. So gelingt die Reduktion des Butanons mit einem enantiomeren komplexen Metallhydrid zum (R)-2-Butanol, wenn das Hydrid von der Si-Seite an die Carbonyl-Gruppe addiert.
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17.9 Stereo- und Enantioselektivität von Reaktionen
255
17.9 Stereo- und Enantioselektivität von Reaktionen 17.9.1
Inversion, Retention und Racemisierung
Inversion Hat eine Reaktion an einem Asymmetrie-Zentrum den Konfigurationswechsel dieses Atoms zur Folge (R zu S, S zu R oder R,S zu S,R), so spricht man von Inversion. Eine Inversion muß nicht notwendigerweise das Vorzeichen der spezifischen Drehung umkehren, da (R)-Konfiguration nicht rechtsdrehend und (S)-Konfiguration nicht linksdrehend bedeutet. Eine bekannte Inversion ist die WALDEN-Umkehr bei nucleophilen Substitutionen, die nach dem SN2-Mechanismus ablaufen. Die Beobachtung der WALDEN-Umkehr bei nucleophilen Substitutionen an enantiomerenreinen Substraten ist somit ein experimenteller Hinweis auf den SN2Mechanismus. So läßt sich z. B. linksdrehendes enantiomerenreines (R)-(/)-2-Bromoctan unter vollständiger Inversion (SN2) am asymmetrischen Kohlenstoff mit konzentrierter Natronlauge in rechtsdrehendes, enantiomerenreines (S)-(+)-2-Octanol überführen: ̈
C6H 13 (R)-(/)-2-Bromoctan [a]D = / 36°
C
H
/
+ OH , / Br
/
C 6H13
SN2
CH3
H3C
Br
(S)-(+)-2-Octanol [a]D = + 10.3°
C
H OH
Retention Vollzieht sich eine Reaktion ohne Konfigurationsumkehr der Asymmetriezentren (R bleibt R, S bleibt S und RS bleibt RS), also unter Erhaltung der absoluten Konfiguration (stereokonservative Reaktion), so spricht man von Retention. Die Derivatisierung des 1-Phenyl-2-propanols zum Tosylat verläuft z. B. unter Retention; dagegen führt die anschließende Substitution des Tosylat-Anions durch Acetat nach SN2 zur vollständigen Inversion, die Hydrolyse des Acetats (Essigsäureesters) erneut zur Retention (Abb. 17.7). ̈
CH 3 CH2 C O H H
SO2Cl , / HCl
+ H3C
keine Inversion, C/O-Bindung bleibt intakt
[c]D = + 33.2° optische Reinheit : 98 %
CH 3
O
CH 2 C O S
CH 3
O
H
[c]D = + 31.1° enantiomerenrein SN2 , vollständige Inversion C-O-Bindung wird gespalten
+ CH3/CO2
/
/ H3C
SO3
/
O OH CH2 C CH3 H [c]D = / 32.2° enantiomerenrein
/
+ OH ", / CH3/CO2
/
keine Inversion, C/O-Bindung bleibt intakt
O
C
CH3
CH 2 C CH 3 H [c]D = / 7.1° enantiomerenrein
Abb. 17.7. Nucleophile Substitutionen des 1-Phenyl-2-propanols mit bzw. ohne Konfigurationsumkehr
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256
17 Chiralität
Racemisierung Bei einer Racemisierung führt die chemische Reaktion einer enantiomerenreinen Verbindung zu einem racemischen Gemisch (R wird R,S ; S wird R,S). Mit Racemisierungen ist zu rechnen, wenn enantiomerenreine Verbindungen in Reaktionen verwickelt werden, die unter intermediärer Bildung von Carbenium-Ionen, Carbanionen oder Radikalen an asymmetrischen C-Atomen ablaufen. Je langlebiger das intermediär auftretende Carbenium-Ion ist, desto wahrscheinlicher wird eine vollständige Racemisierung enantiomerenreiner Substrate. SN1-Reaktionen sind deshalb im Gegensatz zu SN2-Reaktionen nicht stereospezifisch. So verläuft die Hydrolyse des enantiomerenreinen c-Chlorethylbenzens über das mesomeriestabilisierte (relativ langlebige) c-PhenylethylKation in wäßrigem Ethanol unter vollständiger Racemisierung: CH 3
CH 3
60 % C2H5OH / H2O , SN1
C Cl
C OH
H
CH3 sowie HO C
H
enantiomerenreines (R)-c-Chlorethylbenzen
H
Produktverhältnis 1 : 1 vollständige Racemisierung : [c]D = 0°
Weniger stabile (relativ kurzlebige) Carbenium-Ionen werden durch die austretende Gruppe etwas abgeschirmt, so daß ein Angriff des Nucleophils von der Rückseite wahrscheinlicher wird; anstelle vollständiger Racemisierung wird dann teilweise Inversion beobachtet wie bei der Hydrolyse des enantiomerenreinen (R)-3-Chlor-3,7-dimethyloctans: CH 3 (H 3C)2CH
CH 3
60 % C2H5OH / H2O , SN1
(H 3C)2CH
(CH 2)3 C C 2H 5
OH
(CH 2)3 C C2H5 sowie (H 3C)2CH
Cl
(CH 2)3 C C 2H 5
OH
(R)-3-Chlor-3,7-dimethyloctan enantiomerenrein
CH 3
(R)- und (S)-3,7-Dimethyloctan-3-ol Produktmischung geringer Enantiomeren-Reinheit (Inversion und etwa 75 % Racemisierung)
Bei Substitutionen an asymmetrischen Atomen chiraler Moleküle kann man durch Bestimmung der enantiomeren Reinheit (chirale GC oder Drehwertmessungen) und der Reaktionsordnung (kinetische Messungen) Rückschlüsse auf den Mechanismus ziehen. Zum Studium einfacher Austauschraten läßt sich die radioaktive Markierung, beispielsweise mit radioaktivem Iod, heranziehen, wie die unter vollständiger Inversion verlaufende SN2-Reaktion am 2-Iodbutan zeigt: CH3
H3C I* """"""""-
H H5C 2
C
I
I*
C
H C 2H5
+
I
Die beobachtete Racemisierungsgeschwindigkeit des 2-Iodbutans ist doppelt so groß wie die Einbaurate des radioaktiven Iods, da z. B. 100 Moleküle des (R)-2-Iodbutans vollständig racemisiert sind, wenn davon 50 durch SN2-Reaktion in Moleküle der (S)-Konfiguration übergeführt sind.
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17.9 Stereo- und Enantioselektivität von Reaktionen
17.9.2
257
Stereoselektivität, Stereospezifität
Reaktionen, bei denen nicht asymmetrische Moleküle in Stereoisomere übergeführt werden, die statistisch gesehen in gleicher Anzahl gebildet werden, werden als nicht stereoselektiv bezeichnet. Man beobachtet dies normalerweise bei Reaktionen über freie Radikale. Dagegen ist eine Reaktion stereoselektiv, wenn sie vorwiegend oder ausschließlich ein Stereoisomer liefert. Beispiele sind cis-Hydrierungen von Alkinen, trans-Hydrierungen der Alkine mit Natrium in flüssigem Ammoniak sowie trans-Eliminierungen (E2) von Halogenalkanen. Stereospezifisch ist eine Reaktion, die ein stereochemisch einheitliches Edukt in ein stereochemisch einheitliches Produkt umwandelt. Beispiele sind die elektrophile Addition von Brom an Cycloalkene (mit cis-Konfiguration an der Doppelbindung) zu trans-1,2-Dibromcycloalkanen, die WALDEN-Inversion der SN2-Reaktion, sowie die Dihydroxylierungen von Cycloalkenen mit Osmiumtetroxid oder Peroxiden. Stereospezifisch in Bezug auf die Konfigurationen von Dien und Dienophil sind auch DIELS-ALDER-Reaktionen.
17.9.3
Asymmetrische (enantioselektive) Synthesen
Chirogene Reaktionen, bei denen ein achirales Edukt in ein chirales Produkt mit einem asymmetrischen C-Atom übergeht, führen normalerweise zum Racemat. Lithiumaluminiumhydrid reduziert 2-Butanon zu racemischem 2-Butanol (Abschn. 17.8.2), weil das Hydrid-Anion mit gleicher Wahrscheinlichkeit von der Re- und der Si-Seite der Carbonyl-Funktion angreifen kann. Reduziert man jedoch 2-Butanon mit LiAlH4, das durch einen chiralen Liganden komplexiert wird, so entsteht ein Enantiomer im Überschuß; die Reaktion wird enantioselektiv. Die Qualität einer enantioselektiven Reaktion wird durch den Enantiomeren-Überschuß (enantiomeric excess, e.e.) beurteilt: Enantiomeren-Überschuß
e.e. = % R / % S =
[R] / [S] [R] - [S]
100 [%]
Substituierte Alkene enthalten prochirale C-Atome und bieten den Reagenzien enantiofaciale Seiten. Die SHARPLESS-Epoxidation von Allylalkoholen mit t-Butylhydroperoxid in Gegenwart eines chiralen Hilfsreagenzes [(+)- oder (/)-Weinsäurediethylester, komplexiert durch Titantetra-ipropylat] ist ein Beispiel. Addition von der Si-Seite führt zum (S)-Oxiran; von der Re-Seite aus entsteht das (R)-Oxiran.
+ [O]
O H R (R)-Hydroxymethyloxiran
+ [O]
Re
Si
C H R
R = CH 2OH
O H R (S)-Hydroxymethyloxiran
Zunächst bildet Titantetra-i-propylat mit dem Weinsäureester-Enantiomer einen dimeren, chiralen Komplex. Anschließend substituieren t-Butylhydroperoxid und Allylalkohol die verbliebenen iPropylat-Liganden (1), so daß Titan(IV) geometrisch definiert sowohl den Allylalkohol als auch das epoxidierende Peroxid bindet, wobei es als LEWIS-Säure ein Peroxy-O-Atom komplexiert und dadurch das andere zum Elektrophil polarisiert (2). Das elektrophile Peroxy-O-Atom addiert dann an die CC-Doppelbindung (3); im Komplex entsteht dabei das Oxiran-Enantiomer, während das
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258
17 Chiralität
ehemalige, komplexierte Peroxy-O-Atom eine kovalente Bindung zum Titan(IV) knüpft (4). Die Aufarbeitung in Wasser (5) setzt t-Butylalkohol und das Oxiran-Enantiomer frei. O * Ti
O * O Ti O
(2)
O
O * O Ti O
(3)
O * O Ti O
(4)
O
(1)
O
(5)
/ 2 (CH3) 2CH/OH
+ (CH3) 3C/O/OH + H
OC 2H5 O
* OCH(CH 3)2 Ti OCH(CH 3)2
(H 3C)2CHO (H 3C)2CHO
Ti
O O
CO2C2H 5
OH
OCH(CH3)2 O Ti O OCH(CH3)2
O
O H5C 2O2C OC 2H5
Einige Aminosäuren werden z. B. durch enantioselektive Hydrierung von Acetylaminoacrylsäureestern mit Hilfe chiraler Katalysatoren hergestellt (enantioselektive Katalyse). Rhodium(I)-Chelate chiraler Diphosphinoethan-Liganden [Bauprinzip: (R)- oder (S)- R2P/CHR'/CH2/PR2] sind besonders effektive chirale Hydrierkatalysatoren (e.e.-Werte zwischen 90 und 99 %). CH 3 H
C
+ H2 (Kat.)
Y
CH 3
+ H2 (Kat.)
Re
C
Si
(S)-N-Acetylalaninmethylester
H
X (R)-N-Acetylalaninmethylester
X X = NHCOCH 3
C
Y
Y
X
Y = CO2CH 3
Bei der Synthese enantiomerenreiner Verbindungen (EPC-Synthese, EPC für enantiomeric pure compounds nach SEEBACH) haben sich gut zugängliche chirale Hilfsreagenzien (Auxiliare) bewährt, die man kovalent an ein achirales Edukt bindet. Durch die Verknüpfung des Edukts mit dem chiralen Auxiliar senkt sich die Aktivierungsenergie FEA zur Bildung eines der beiden Enantiomeren (Abb. 17.8). Epot FFEA
FEA(S)
FEA(R) Edukt/R* (R*: chirales Auxiliar)
(S)-Enantiomer
(R)-Enantiomer Reaktionskoordinate
Abb. 17.8. Energiediagramm einer auxiliar-gesteuerten asymmetrischen Synthese (Favorisierung des (R)Enantiomers)
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17.9 Stereo- und Enantioselektivität von Reaktionen
259
Ohne Auxiliar wäre die Aktivierungsenergie zur Bildung beider Enantiomeren gleich (FEA(R) = FEA(S) ), so daß ein Racemat entstünde. Streng genommen sind auxiliar-gesteuerte asymmetrische Synthesen diastereoselektiv. Im Falle eines Auxiliars mit (R)-Konfiguration beträgt der Diasteromerenüberschuß [RR] / [SR]
Diastereomeren-Überschuß d.e. = % RR / % SR = bei (R)-Konfiguration des Auxiliars
[RR] - [SR]
100 [%]
.
Exemplarisch und besonders klar ist ein von TROST gefundenes Prinzip zur auxiliar-gesteuerten asymmetrischen DIELS-ALDER-Reaktion. Chirales Hilfreagenz ist (R)- oder (S)-O-Methylmandelsäure; durch Einbau des (R)-Methylmandeloxy-Restes in 1,3-Butadien entsteht ein "chirales" Dien, in dem die Re-Seite sterisch und durch charge-transfer-Wechselwirkung von Phenyl-Rest und Dien vor der Addition eines Dienophils geschützt wird (Seitendifferenzierung). Das Dienophil addiert dann bevorzugt von der Si-Seite. Mit Acrolein als Dienophil ensteht (3S,4S)-3-Alkoxycyclohexen-4-aldehyd. Da das Primärprodukt die chirale Hilfsgruppe mit (R)-Konfiguration noch enthält, ist die Reaktion diastereoselektiv; der erzielte Diastereomerenüberschuß beträgt d.e. = % SSR / % RRR = 64 % .
H
C
O OR* (3S,4S)3-Alkoxycyclohexen-4-aldehyd 64 % d.e.
+
H C
+ Si
O
H C
Re
O C
O Acrolein
C
H OCH 3
C
H
OR* O (3R,4R)-
O (R)-1-O-Methylmandeloxy-1,3-butadien
Ein gutes Auxiliar erzielt gute chemische Ausbeuten, hohe Diastereomerenüberschüsse, läßt sich unter möglichst milden Bedingungen abspalten und zur weiteren Verwendung zurückgewinnen. Die stereochemische Kontrolle der Ausbildung weiterer asymmetrischer Zentren durch sterische und elektronische Faktoren bereits vorhandener Asymmetrie-Zentren ist von grundlegender Bedeutung bei Biosynthesen. So werden die Proteine ausschließlich aus L-Aminosäuren über stereospezifische biochemische Reaktionen aufgebaut. Pflanzen erzeugen bei der Photosynthese nur DGlucose, und nur diese wird im tierischen Organismus metabolisiert, nicht das L-Enantiomer.
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260
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
18 Carbonsäuren und ihre Derivate 18.1 Nomenklatur der Carbonsäuren Die Carboxy-Gruppe (/COOH oder /CO2H) kennzeichnet Carbonsäuren mit den allgemeinen Formeln R/CO2H oder Ar/CO2H; dabei symbolisiert R eine gesättigte oder ungesättigte Alkyloder Cycloalkyl-Gruppe, Ar eine Aryl-Gruppe, z. B. Phenyl- oder Naphthyl-. Eine Di-, Tri-, Tetra- oder Polycarbonsäure enthält zwei, drei, vier oder noch mehr Carboxy-Funktionen. Die IUPAC-Bezeichnung einer Carbonsäure ergibt sich aus der längstmöglichen KohlenstoffKette einschließlich der Carboxy-Gruppe. Dabei fügt man die Endung "-säure" an die Bezeichnung des Alkans, Alkens oder Alkins, von welcher sich die Carbonsäure ableitet. Bei Dicarbonsäuren ist diese Endung "-disäure". Vom Hexan, trans-2-Hexen und 2-Hexin leitet man z. B. durch formalen Ersatz einer bzw. zweier CH3-Gruppen durch /CO2H folgende Mono- bzw. Dicarbonsäuren ab: H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 CH3 n-Hexan
H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 CO2H Hexansäure (Capronsäure)
H 3C
HO2C CH2 CH 2 CH 2 CH2 CO2H Hexandisäure (Adipinsäure)
HO2C
H C C CH 2 CH2 CH3 H (E)-2-Hexen
HO2C
H C C CH 2 CH2 CH3 H (E)-2-Hexen-1-säure
H3C C C CH 2 CH2 CH3 2-Hexin
H C C CH 2 CH2 CO2H H (E)-2-Hexendisäure
HO2C C C CH2 CH 2 CH 3 2-Hexin-1-säure
HO2C C C CH2 CH 2 CO2H 2-Hexindisäure
Die Stellung einer Alkyl-Seitenkette oder einer anderen funktionellen Gruppe wird unter Vorrang der Carboxy-Gruppe mit arabischen Ziffern bezeichnet, z. B.: 6
5
4
3
2
1
H3C CH2 CH 2 CH CH CO2H
2-Brom-3-methylhexansäure
CH 3 Br
Benzoide Arencarbonsäuren bezeichnet man als Benzoesäuren, z. B.: CO2H
Benzoesäure
CO2H HO 4-Hydroxybenzoesäure
Br
CO2H
HO 3-Brom-4-hydroxybenzoesäure
Gängige Trivialbezeichnungen vieler Carbonsäuren leiten sich von ihrer natürlichen Herkunft ab, wie Tab. 18.1 für einige Vertreter zeigt.
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18.1 Nomenklatur der Carbonsäuren
261
Tab. 18.1. Trivialbezeichnungen und natürliche Herkunft einiger Carbonsäuren Formel
Trivialname
natürliche Herkunft
Ameisensäure
Drüsensekret der Ameise
H 3C CO2H
Essigsäure
Essig
H3C CH2 CH 2 CO2H
Buttersäure
ranzige Butter
H CO2H
Valeriansäure
Baldrian (Valeriana officinalis)
Capronsäure
Ziegenfett [caper (lat.) die Ziege]
Salicylsäure
Weidenrinde [ salix (lat.) die Weide]
H3C CH2 CH2 CH 2 CO2H H 3C CH 2 CH2 CH2 CH 2 CO2H CO2H OH
Die Position einer weiteren funktionellen Gruppe oder einer Seitenkette wird im Trivialnamen durch griechische Buchstaben gekennzeichnet, wobei man bei dem der Carboxy-Gruppe benachbarten C-Atom mit c beginnt: g
f
i
d
c
H2N CH2 CH2 CH 2 CH 2 CH CO2H
c,g-Diaminocapronsäure (2,6-Diaminohexansäure)
NH2
Bei cycloaliphatischen, aromatischen oder heteroaromatischen Säuren setzt man üblicherweise die Endung "-carbonsäure" an die IUPAC-Bezeichnung des die Carboxy-Gruppe(n) tragenden Kohlenwasserstoff-Restes (Tab. 18.2). Die Anwesenheit mehrerer Carboxy-Gruppen wird durch die Vorsilben "di", "tri", "tetra"- usw. gekennzeichnet, ihre Stellung durch die kleinstmöglichen arabischen Ziffern. Bei Ring-Systemen mit definierter Bezifferung hat diese Vorrang (vgl. Naphthalen- und Pyridincarbonsäuren in Tab. 18.2) . Tab. 18.2. Nomenklatur cyclischer Carbonsäuren Stammverbindung
Monocarbonsäure
Dicarbonsäure
CO2H
Cyclobutan 8
Cyclobutancarbonsäure
1
CO2H
2
7
CO2H
CO2H cis-1,2-Cyclobutandicarbonsäure HO2C
CO2H
3
6 4
5
Naphthalen
Naphthalen-2-carbonsäure (2-Naphthoesäure)
2,6-Naphthalendicarbonsäure
1
N
2 3
4
Pyridin
N
N CO2H Pyridin-3-carbonsäure (Nicotinsäure)
CO2H CO2H
Pyridin-2,3-dicarbonsäure
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262
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
Tab. 18.3. Nomenklatur und physikalische Eigenschaften ausgewählter Carbonsäuren Klasse
aliphatische gesättigte Monocarbonsäuren
aliphatische ungesättigte Monocarbonsäuren
Konstitutionsformel
Methan-
Ameisen-
H 3C CO2H
Ethan-
Essig-
CH 2 CO2H
Propan-
Propion-
H CO2H H 3C
unbegrenzt
17.7
118
unbegrenzt
1.7
/ 22
141
unbegrenzt
1.3
unbegrenzt
1.5
Butan-
Butter-
/ 6
144
H 3C
[CH 2] 3 CO2H
Pentan-
Valerian-
/ 34
187
3.7
1.6
H 3C
[CH 2] 4 CO2H
Hexan-
Capron-
205
1.0
1.4
H 3C
[CH 2] 6 CO2H
Octan-
Capryl-
/" 3 16
239
0.07
1.4
Propen-
Acryl-
12
140
unbegrenzt
5.6
(E)-2-Buten-
Croton-
71.5
189
(Z)-9Octadecen-
Öl-
16
--
unlöslich
H 2C CH CO2H H H 3C C C CO2H H
H 5C6
2.0
Phenylmethan-
Benzoe-
122
249
0.34
6.5
CO2H
2-Hydroxyphenylmethan-
Salicyl(o-Hydroxybenzoe-)
158
--
0.22
1.1
CH 2 CO2H
Phenylethan-
Phenylessig-
76
265
1.56
5.2
H C C H CO2H
(E)-3-Phenyl- trans-Zimtpropen-
135
300
löslich
3.65
Ethandi-
Oxal-
189
Zersetzung
9
5400
5.2
Propandi-
Malon-
136
Zersetzung
74
140
0.2
HO2C CO2H HO2C
8.3
CO2H
OH
aliphatische ungesättigte Dicarbonsäuren
100.5
8 16.6
[CH 2] 2 CO2H
Aren-Monocarbonsäuren
aliphatische gesättigte Dicarbonsäuren
Löslichkeit Dissoz. konst. g/100g H2O k1 x10/5 k2 x10/5
H 3C
C17H 33 CO2H
aliphatischaromatische Monocarbonsäuren
IUPAC-Name Trivialname Schmelzpunkt Siedepunkt ... -säure ... -säure °C °C (1011 mbar)
CH 2 CO2H
HO2C
[CH 2] 2 CO2H
Butandi-
Bernstein-
185
Zersetzung
6
6.4
0.23
HO2C
[CH 2] 3 CO2H
Pentandi-
Glutar-
98
Zersetzung
64
4.5
0.38
HO2C
[CH 2] 4 CO2H
Hexandi-
Adipin-
151
--
2
3.7
0.39
HO2C
[CH 2] 5 CO2H
Heptandi-
Pimelin-
105
--
5
3.1
0.37
HO2C HO2C HO2C
[CH 2] 6 CO2H [CH 2] 7 CO2H [CH 2] 8 CO2H
OctandiNonandiDecandi-
SuberinAzelainSebacin-
144 106 134
----
0.2 0.3 0.1
3.0 2.9 2.6
0.39 0.39 0.4
(E)-2-Butendi- Fumar-
302
Zersetzung
0.7
(Z)-2-Butendi- Malein-
130.5
Zersetzung
CO2H
1,2-Benzendi- Phthal-
231
Zersetzung
CO2H
1,3-Benzendi- Isophthal-
348.5
CO2H
1,4-Benzendi- Terephthal-
300
HO2C
H C C CO2H H H H C C CO2H HO2C
79
96
4.1
1000
0.05
0.7
110
0.4
Sublimation
0.07
24
Sublimation
0.001
29
CO2H
Aren-Dicarbonsäuren
25
HO2C HO2C
3.5
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18.2 Wasserstoffbrücken-Bindung von Carbonsäuren
263
18.2 Wasserstoffbrücken-Bindung von Carbonsäuren Im Vergleich zu Alkoholen ähnlicher Molekülgröße zeigen die Carbonsäuren außergewöhnlich hohe Siedepunkte (Tab. 18.3), weil sie in Form von Wasserstoffbrücken-Dimeren existieren. Bestimmt man die molare Masse der niedermolekularen Carbonsäuren nach der DampfdichteMethode, so ergibt sich das Doppelte der molaren Masse. Daraus folgt, daß diese Carbonsäuren selbst im Dampfzustand als cyclische Dimere vorliegen, welche durch zwei Wasserstoffbrücken zusammengehalten werden. Alternativ werden offenkettige Strukturen für die Dimeren diskutiert. O R
H O
C
O C R
O H
O C
O
Carbonsäure-Dimer
H
H
O H
R
O H O
C
R Wasserstoffbrücken zwischen Carbonsäuren und Wasser
Die Carbonsäuren können auch mit anderen zur Assoziation fähigen Molekülen Wasserstoffbrücken bilden, z. B. mit Alkoholen oder Wasser als Lösemittel. Somit beeinflußt die Wasserstoffbrücken-Assoziation nicht nur die Siedepunkte der Carbonsäuren, sondern auch ihre Wasserlöslichkeit (Tab. 18.3). Mit wachsender Größe der Alkyl-Gruppe überwiegt zunehmend deren hydrophobes Verhalten, so daß die Wasserlöslichkeit abnimmt. Die Siedepunkte (Tab. 18.3) steigen mit der Molmasse. Parallel zur Abnahme der Flüchtigkeit ändert sich der Geruch: Ameisen-, Essigund Propionsäure riechen stechend, Butter-, Valerian- und Capronsäure unangenehm schweißartig, die höheren Carbonsäuren sind dagegen fast geruchlos.
18.3 Struktur der Carboxy-Gruppe Elektronen- und Neutronenbeugung sowie mikrowellenspektrometrische Untersuchungen zeigen, daß alle Atome der Carboxy-Gruppe auf einer Ebene liegen, wie die Molekülmodelle zeigen (Abb. 18.1).
Abb. 18.1. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell der Essigsäure
Die CO-Doppelbindung ist etwas kürzer (123 pm) als die COH-Bindung (136 pm), und alle Bindungswinkel betragen 120° (Abb. 18.2 a). Das Molekülorbital-Modell der Carboxy-Gruppe entspricht weitgehend dem einer CC-Doppelbindung. Um zu erklären, weshalb die CO-Einfachbindung in der Carboxy-Gruppe kürzer ist (136 pm) als in Alkoholen und Ethern (143 pm), schreibt man der CO-Einfachbindung partiellen r-Charakter zu; das Hydroxy-O-Atom der Carb-
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264
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
oxy-Gruppe nutzt demnach sp2-Hybridorbitale zur Bildung der u-Bindungen. Die trigonalkoplanaren sp2-Hybridorbitale des Carboxy-C-Atoms überlappen dann mit je einem sp2Hybridorbital der beiden O-Atome und mit einem (sp3-, sp2- oder sp-) Hybridorbital des c-CAtoms. Senkrecht auf dem so entstandenen ebenen u-Bindungsgerüst stehen die drei p-Orbitale (Abb. 18.2 b); deren seitliche Überlappung führt zur delokalisierten r-Bindung der CarboxyGruppe. Mesomere Grenzformeln beschreiben diese delokalisierte r-Bindung: O
f/
O
O
C
oder
C O H
C
O H
O H
f-
r 123 pm
(a)
C
O
O
(b)
C 120°
136 pm
O
C
Cu O
H
H
r
Abb. 18.2. Carboxy-Gruppe : (a) Geometrie, (b) Überlappung koaxialer p-Orbitale zum delokalisierten r-System
18.4 Carbonsäure-Derivate In Carbonsäure-Derivaten ersetzt ein Halogen oder eine andere Gruppe die OH-Funktion. Salze (Carboxylate), Peroxy- oder Persäuren, Carbonsäureanhydride, Diacylperoxide, Ester, Halogenide, Amide, Hydrazide, Azide sowie Hydroxamsäuren sind Beispiele. Tab. 18.4 gibt allgemeine Formeln dieser Derivate, ihre Beziehung zu den Carbonsäuren sowie die von der Benzoesäure abgeleiteten Vertreter. Carbonsäure-Derivate enthalten die Acyl-Gruppe; einige wirken daher als Acylierungsreagenzien (Abschn. 10.6.3, 11.1.6). O Carbonsäure
R
O
O Carbonsäure-Derivat
C
R
OH
Acyl-Gruppe
C
R
C
X , X = Cl, Br, OR', NH 2
18.5 Synthese von Carbonsäuren 18.5.1
Einführung der Carboxy-Gruppe durch Kohlenmonoxid (Carbonylierung)
Bei höheren Temperaturen und Drücken reagiert Kohlenmonoxid mit Alkalihydroxiden zu Formiaten, mit Alkoholaten dagegen zu den Natriumsalzen der Carbonsäuren (Carboxylaten) mit dem Alkyl-Rest des Alkoholats: 100 °C , Druck
HO Na
+
CO
RO Na
+
CO
H CO2 Na
Natriumformiat
R CO2 Na
Natriumcarboxylat
100 °C , Druck
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18.5 Synthese von Carbonsäuren
265
Tab. 18.4. Carbonsäure-Derivate Ersatz von OH O in R C OH durch
allgemeine Formel ( R = Alkyl oder Aryl)
O H O O C R' O
Bezeichnung
O R C H O O
Benzoesäure-Derivat Formel Bezeichnung
O C H O O
Peroxycarbonsäure
O O R C O C R'
O C O O C C6H 5
Carbonsäureanhydrid
Peroxybenzoesäure
Benzoesäureanhydrid
Diacylperoxid
O O C C O O
Dibenzoylperoxid
O R C OR'
Carbonsäureester
O C O CH2 CH 3
Benzoesäureethylester
O R C X
Carbonsäurehalogenid
O C Cl
Benzoylchlorid
NH2
O R C NH 2
Carbonsäureamid (Carboxamid)
O C NH2
Benzamid
NHR'
O R C NHR'
N-Alkylcarbonsäureamid
O R C N R' R'
N,N-Dialkylcarbonsäureamid
O C N CH3 H O C N CH3 H3C
O C R' O O
O O R C C R' O O
OR'
X ( X = F, Cl, Br, I)
NR'2
N-Methylbenzamid
N,N-Dimethylbenzamid
NH NH 2
O R C NH NH 2
Carbonsäurehydrazid
O C NH NH 2
Benzhydrazid
NH OH
O R C NH OH
Hydroxamsäure
O C NH OH
Benzhydroxamsäure
O R C N3
Carbonsäureazid
O C N3
Benzoylazid
_ N _ N N _
Bei noch höheren Temperaturen und Drücken, sowie in Gegenwart von Nickeltetracarbonyl addieren Kohlenmonoxid und Wasser an Alkene unter Bildung gesättigter Carbonsäuren, z. B.: H2C CH2
+
CO
+
H2O
250 °C , Ni(CO)4 , 150 bar
H3C CH 2 CO2H Propansäure (Propionsäure)
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18 Carbonsäuren und ihre Derivate
18.5.2
Einführung der Carboxy-Gruppe durch Kohlendioxid (Carboxylierung)
Kohlendioxid ist ein in Form von "Trockeneis" leicht einsetzbares elektrophiles Reagenz zur Carboxylierung von C-Nucleophilen. Mit Natriumalkinyliden reagiert es z. B. unter Bildung von Alkinsäuren: O R C CI
Na
+
O R C C C O Na
O
C
C O
O
Na-Salz einer Alkinsäure
Die Carboxylierung von Alkylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARD-Verbindungen) führt bei Raumtemperatur zu Carbonsäuren: (CH3)3C Br + Mg
Ether
CH 3
O
H 3C C MgBr
+
C
O
CH 3
CH 3 O
O
C
CH 3
H 3C C C O
H 3C C CO2H
CH 3 OMgBr
CH 3 2,2-Dimethylpropansäure (Pivalinsäure)
Phenolat (Phenol in alkalischer Lösung) ist wegen des (-)-M-Effekts des Phenolat-O-Atoms in ound p-Stellung nucleophil und läßt sich mit Kohlendioxid als Elektrophil durch elektrophile Substitution zum Natriumsalz der Salicylsäure (2-Hydroxybenzoesäure) carboxylieren (KOLBESCHMITT-Synthese): _ IOl
_ IO
_ IO
_ IO
_ IO O Na
+
_ IOI H
O
C
C
O
C O
O mesomere Grenzformeln des Phenolat-Anions + NaOH
/ H2O
_ IOH
OH CO2 Na Phenol
18.5.3
Natriumsalicylat
Acylierung von Aromaten mit Säureanhydriden
Durch FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung von Benzen und seinen Derivaten mit cyclischen Dicarbonsäureanhydriden in Gegenwart einer LEWIS-Säure erhält man durch elektrophile Substitution Oxocarbonsäuren (Ketocarbonsäuren), z. B.: O
O +
Benzen
AlCl 3
O O Bernsteinsäureanhydrid
c C d CH 2 CH 2 CO2H
"d-Benzoylpropionsäure (3-Benzoylpropansäure)
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18.5 Synthese von Carbonsäuren
18.5.4
267
Carbonsäuren durch Oxidation
Methyl- und Ethyl-Gruppen am Benzen-Ring lassen sich katalytisch zur Carboxy-Gruppe oxidieren; Toluen- und Ethylbenzen-Derivate ergeben entsprechend substituierte Benzoesäuren: Co , Pb , Mn-Acetat , 150-180 °C
Cl
CH 2 CH3
+
3 O2
Cl
p-Chlorethylbenzen
CO2H
+
CO2 +
H2O
p-Chlorbenzoesäure
Starke Oxidationsmittel oxidieren Cycloalkene zu Dicarbonsäuren, z. B.: /
+
MnO4 , OH
2 O2
/
CO2H CO2H
Cyclohexen
Adipinsäure
Polycyclische Aromaten oder Heteroaromaten können katalytisch oder durch Oxidationsmittel zu aromatischen oder heteroaromatischen 1,2-Dicarbonsäuren gespalten werden, z. B.:
+
CO2H
V2O5
9/2 O2
+
2 CO2
+
H2O
+
2 CO2
+
H2O
CO2H Phthalsäure
Naphthalen /
+
MnO4 , OH
9/2 O2
/
CO2H N CO2H Pyridin-2,3-dicarbonsäure
N Chinolin
Die Oxidation primärer Alkohole führt über die Aldehyde zu den Monocarbonsäuren, z. B.: CH 3
/
+ [O] , MnO4 , OH
H3C CH2 CH CH2 OH 2-Methyl-1-butanol
/
CH3 O H 3C CH 2 CH C H 2-Methylbutanal
CH3 O H 3C CH 2 CH C OH 2-Methylbutansäure (c-Methylbuttersäure)
+ [O]
Dagegen spalten (sekundäre) Cycloalkanole und Cycloalkanone bei der Oxidation in Dicarbonsäuren. Adipinsäure entsteht auf diese Weise aus Cyclohexanol über Cyclohexanon: + [O]
OH H Cyclohexanol
/ H2O
+ 3 [O] , V2O5 , 30 °C
O Cyclohexanon
HO2C
(CH 2)4 CO2H
Adipinsäure (Hexandisäure)
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268
18.5.5
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
Hydrolyse von Carbonsäure-Derivaten
Die Hydrolyse von Estern, Halogeniden, Anhydriden und Amiden kann zur Darstellung der entsprechenden Carbonsäuren herangezogen werden: O R C OR'
Carbonsäureester
+ H2O
/ R'OH
O R C X
Carbonsäurehalogenid
Carbonsäureanhydrid R
O
O
C
C
O
+ H2O
/ HX
+ H2O
R
O R C OH O R C OH O 2R C OH
"
Auch die Hydrolyse der Nitrile (Alkyl- oder Arylcyanide), R/C»N, die nach KOLBE aus Halogenalkanen und Cyanid (SN) dargestellt werden, führt über die Säureamide zu Carbonsäuren: + CN
R X
/
/
+ H2O (H3O+)
R C N
O R C NH 2
Nitril
Carbonsäureamid
"""/ X
Halogenalkan ( X = Cl, Br, I )
O R C OH
+ H2O
/ NH3
Oxalsäure entsteht z. B. aus Dicyan, Malonsäure aus Cyanessigsäure oder Malonsäuredinitril: + 2 H2O (H3O+)
H 2N
O C C NH2 O Oxamid
N C C N Dicyan
O N C CH 2 C NH2
+ H2O (H3O+)
N C CH2 C N Malonsäuredinitril (Malodinitril) + 3 H2O (H3O+)
/ NH3
18.5.6
O
HO
O C C OH O Oxalsäure
+2 H2O
/2 NH3
+ H2O
N C CH2 CO2H Cyanessigsäure
/ NH3
+ H2O
C CH 2 CO2H H 2N Malonsäuremonoamid
/ NH3
HO2C CH2 CO2H Malonsäure
Homologisierung (Kettenverlängerung) von Carbonsäuren
Carbonsäurehalogenide reagieren mit Diazomethan in Gegenwart von metallischem Silber oder Kupfer unter nucleophiler Substitution des Halogenid-Anions zu Diazoketonen. /
R
Ag , Cu , / X
C X
+
O Carbonsäurehalogenid
R
C CH 2 N NI O
Diazomethan
/ [H+]
R
ICH2 N NI
_ C CH N NI
O Diazoketon
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18.5 Synthese von Carbonsäuren
269
Die Diazoketone spalten Stickstoff ab unter Bildung von Acylcarbenen, die sich unter 1,2-AlkylVerschiebung in Ketene umlagern (WOLFF-Umlagerung): R
R
/ N2
_ C CH N NI
_ C CH
R O C C H Keten
o
O Acylcarben
O
Die Hydrolyse des Ketens führt zu einer Carbonsäure, R CH C O
+
O R CH2 C OH
H 2O
welche gegenüber dem ursprünglich eingesetzten Säurehalogenid um eine CH2-Gruppe länger ist (Homologisierung). Die gesamte Reaktionsfolge ist als ARNDT-EISTERT-Homologisierung bekannt: R O
18.5.7
R
+ CH2N2
C Cl
/ HCl
/ N2
_ C CH N NI
+ H2O
R CH C O
R CH 2 CO2H
O
Alkylierung von Malonsäureestern
Die Methylen-Gruppe der Malonsäure und ihrer Derivate ist CH-acide (Abschn. 18.10). Malonsäurediester reagieren daher mit starken Basen wie Natriumethanolat zu mesomeriestabilisierten Carbanionen in Form ihrer Natrium-Salze. Deren Reaktion mit Halogenalkanen führt unter elektrophiler Addition der Alkyl-Gruppe an das Malonat-Anion zum Alkylmalonester. Die Hydrolyse des Alkylmalonesters und die anschließende Decarboxylierung (CO2-Abspaltung) ergibt eine alkylierte Essigsäure. CO2R Malonsäurediester H 2C CO2R + NaOR
R'
X
+
Na
"/ ROH
CO2R IC H CO2R
CO2R
/ NaX
Natrium-Dialkylmalonat
R'
C H CO2R
CO2H
+ 2 H2 O
R'
/"2" ROH
Alkylmalonsäurediester
Hitze / CO2
C H
R'
CH 2 CO2H
CO2H Alkylmalonsäure
Alkylessigsäure
Diese Reaktionsfolge ermöglicht die Einführung der Gruppe /CH2/COOH. 3-Phenylpropansäure (Benzylessigsäure) wird z. B. aus Benzylchlorid und Malonsäurediethylester dargestellt:
CH2
Cl +
Na
CO2C2H5 IC H CO2C2H5
Natrium-Diethylmalonat
/ NaX
CO2C2H5 1.) Esterhydrolyse
2.) Decarboxylierung
CH 2 C H
CH 2 CH2 CO2H
CO2C2H5 Benzylmalonsäurediethylester
3-Phenylpropansäure
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270
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
18.5.8
, -Ungesättigte Carbonsäuren durch KNOEVENAGEL-Kondensation von Malonsäureestern
In Gegenwart starker Basen greifen Dialkylmalonate auch nucleophil am Carbonyl-C-Atom eines Aldehyds oder eines Ketons an. Auf diese Weise entstehen zunächst d-Hydroxyalkylmalonsäurediester, welche leicht zu Alkylidenmalonsäurediestern dehydratisieren (KNOEVENAGEL-Kondensation). Die Hydrolyse des Diesters zur Dicarbonsäure und deren Decarboxylierung ergibt eine c,d-ungesättigte Carbonsäure: _ C OI _
C O
CO2R +
H C H CO2R
Carbonyl-Mesomerie
Aldehyd oder Keton Base
H
CO2R
"/ H 2O
C C CO2R
/ 2 ROH
CO2R
HO CO2R """d-Hydroxyalkylmalonsäurediester
CO2H
+ 2 H2O
C C
Hitze / CO2
C C
H C C
CO2H
CO2H c,d-ungesättigte Carbonsäure
Alkylidenmalonsäurediester
Zimtsäure läßt sich auf diese Weise aus Benzaldehyd und Malonsäurediethylester darstellen: H
CO2C 2H5 C O
+
H2C CO2C 2H5
Benzaldehyd
Piperidin
/ H2O
Malonsäurediethylester
H
1.) Esterhydrolyse 2.) Decarboxylierung
CO2C 2H5 C C CO2C 2H5
Benzylidenmalonsäurediethylester
H
CO2H C C H
trans-Zimtsäure (+ cis-Isomer)
Die c.d-ungesättigten Carbonsäuren können katalytisch zu den entsprechenden gesättigten Carbonsäuren hydriert werden. Zimtsäure ergibt dabei 3-Phenylpropansäure.
18.5.9
-Ungesättigte Carbonsäuren durch PERKIN-Reaktion
Aromatische Aldehyde reagieren mit Acetanhydrid in Gegenwart von Basen zu c.d-ungesättigten Carbonsäuren. Diese PERKIN-Reaktion ist der KNOEVENAGEL-Kondensation weitgehend analog: Eine c-Methylen-Gruppe des Acetanhydrids greift nucleophil am Carbonyl-C des Arenaldehyds an. Durch Wasserabspaltung aus dem entstandenen d-Hydroxycarbonsäureanhydrid und nachfolgende Hydrolyse erhält man eine c.d-ungesättigte Carbonsäure und Essigsäure. Zimtsäure läßt sich also auch durch PERKIN-Reaktion von Benzaldehyd mit Acetanhydrid darstellen: H + C O
Benzaldehyd
H
O CH 2 C O H3C C O Acetanhydrid
Base
H
O C CH2 C O OH H 3C C O
O "/ H 2O
H
C O C C C CH 3 H O
+ H2O /"CH3CO2H
H
CO2H C C H
trans-Zimtsäure (+ cis-Isomer)
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18.6 Acidität von Carbonsäuren
271
PERKIN-Reaktion und KNOEVENAGEL-Kondensation ermöglichen somit die Überführung eines Aldehyds (R/CH=O) in ein Acrylsäure-Derivat (R/CH=CH/COOH).
18.5.10 , -Ungesättigte Carbonsäuren durch IRELAND-CLAISEN-Umlagerung Bei der als IRELAND-CLAISEN-Umlagerung bekannten Variante der Oxa-COPE-Umlagerung (Abschn. 16.5.4) wird ein Carbonsäureallylester mit Lithiumdiisopropylamid (Li[CH(CH3)]2, LDA) als Base und t-Butyldimethylchlorsilan (TBDMSCl) in das O-t-Butyldimethylsilylenolat übergeführt. Letzteres lagert beim Erhitzen sigmatrop zum i,f-ungesättigten Trialkylsilylester um, dessen Hydrolyse die i,f-ungesättigte Carbonsäure freisetzt. O O
OH O
OTBDMS
"/78 °C, LDA, + TBDMSCl
O
OTBDMS o
OH + H2O
O
O
/ TBDMSOH
/ HCl Oxo-Tautomer Enol-Tautomer Carbonsäureallylester
O-t-Butyldimethylsilylenolat
i,f-ungesättigte Carbonsäure (TBDMS-Ester)
i,f-ungesättigte Carbonsäure
18.6 Acidität von Carbonsäuren 18.6.1
Dissoziationsgleichgewicht in wäßrigen Lösungen
Carbonsäuren sind stärkere Protonendonatoren als Wasser. Löst man sie in Wasser, so stellt sich daher ein dynamisches Dissoziationsgleichgewicht zwischen der Carbonsäure und Wasser einerseits und Carboxylat-Anion und Hydroxonium-Ion andererseits ein: R CO2H + Carbonsäure
H2O
R CO2 + Carboxylat-Anion
H3O
Wäßrige Carbonsäure-Lösungen reagieren infolgedessen sauer. Die Dissoziationskonstante (Aciditätskonstante) KA ist nach dem Massenwirkungsgesetz der Quotient aus den Konzentrationen der Ionen (R/COO/ und H3O+) und undissoziierter Säure (R/COOH); dabei wird die bei verdünnten Lösungen annähernd konstante Wasserkonzentration c(H2O) in die Konstante KA einbezogen. /
KA =
c (RCO2 ) c (H3O+) c (RCO2H)
Im Vergleich zu den Mineralsäuren (Salzsäure, Schwefelsäure) sind Carbonsäuren sehr viel schwächer. Die Dissoziationskonstanten KA unterscheiden sich um mehrere Zehnerpotenzen, z. B.: 8
HCl : KA = 10 ;
CH3CO2H : KA = 1.7 10/ .
5
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272
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
18.6.2
Salze der Carbonsäuren
Die Neutralisation der Carbonsäuren mit Alkalihydroxiden oder anderen Basen führt zu den entsprechenden Salzen, den Carboxylaten: R CO2H
+
NaOH
R CO2 Na Natriumcarboxylat
+
H2O
Zur Benennung der Salze kann man von den IUPAC-Namen der Säuren ausgehen. Dabei wird die Endung "-säure" durch "-oat" ersetzt. Die Bezeichnung des Salzes einer Carbonsäure kann man auch von der lateinischen Form ihres Trivialnamens (Tab. 18.1 und 18.3) ableiten: H 3C CH 2 CH 2 CO2 Na
H3C CH2 CH 2 CO2H IUPAC : Trivial :
Butansäure Buttersäure (lat.: acidum butyricum)
Natriumbutanoat Natriumbutyrat
Salze der Ameisen-, Essig- und Propionsäure werden als Formiate, Acetate und Propionate bezeichnet; Palmitate, Stearate und Oleate sind die Salze der Palmitin-, Stearin- und Ölsäure (Abschn. 41.4.1). Für Salze cyclischer Dicarbonsäuren ist die Bezeichnung Dicarboxylate üblich, z. B.: CO2 K
CO2H CO2H
CO2 K
CO2H
CO2 K CO2 K
CO2H cis-1,2-Cyclobutandicarbonsäure
18.6.3
Dikalium-cis-1,2-cyclobutandicarboxylat
1,4-Naphthalendicarbonsäure
Dikalium-1,4-naphthalendicarboxylat
Struktur und Modell des Carboxylat-Anions
Durch Messung der Bindungslängen im Natriumformiat mit Hilfe der RÖNTGEN- und Elektronenbeugung ergab sich, daß beide Kohlenstoff-Sauerstoff-Bindungen des Formiat-Anions dieselbe Länge von 127 pm haben. Die beiden CO-Bindungen sind also nicht unterscheidbar; offensichtlich findet ein völliger Ausgleich zwischen der u- und der r-Bindung statt (Abb. 18.3). r
(a)
O R
C O
OI
(b)
C O
O
O oder
C OI
C O
r
Abb. 18.3. Überlappung koaxialer p-Orbitale zum r-System des Carboxylat-Anions (a) und Mesomerie des Carboxylat-Anions (b)
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18.6 Acidität von Carbonsäuren
273
Carboxylat-C-Atom und die beiden Carboxylat-O-Atome bilden die u-Bindungen durch Überlappung von sp2-Hybridorbitalen. An jedem der beteiligten Atome verbleibt je ein 2p-Orbital. Diese insgesamt drei 2p-Orbitale überlappen zu einer delokalisierten r-Bindung über und unter der uBindungsebene (Abb. 18.3).
18.6.4
Einflüsse von Substituenten auf die Acidität
Eine Carbonsäure ist umso stärker sauer, je größer der Energiegewinn bei der Abdissoziation des Protons, je stabiler also das Carboxylat-Anion ist. Ein Carboxylat-Anion wiederum ist besonders stabil, wenn die negative Ladung durch eine benachbarte positive stabilisiert wird, z. B. durch induktive oder mesomere Effekte. Bei aliphatischen Carbonsäuren werden daher solche Substituenten die Acidität erhöhen, welche über induktive Effekte die negative Ladung am Carboxylat-C durch eine benachbarte positive Partialladung stabilisieren. Halogencarbonsäuren sind also stärker sauer als die vergleichbaren unsubstituierten Carbonsäuren (Tab. 18.5). O f/ fCl CH 2 C O
Chloressigsäure: (/)-I-Effekt stabilisiert das Chloracetat-Anion
Die Säurestärke wächst mit zunehmender Anzahl und Elektronegativität der Halogene (Tab. 18.5) und sinkt mit zunehmender Entfernung des Halogens von der Carboxy-Gruppe: i- und d-Halogencarbonsäuren sind schwächere Säuren als c-Halogencarbonsäuren (Tab. 18.5). Im Gegensatz zu Halogenen destabilisieren Alkyl-Gruppen über induktive Effekte das Carboxylat-Anion. So ist in der homologen Reihe der Alkansäuren die Ameisensäure am stärksten, Essigsäure deutlich schwächer aber etwas stärker als die höheren Homologen (Tab. 18.3). Tab. 18.5. Aciditätskonstanten einiger Halogencarbonsäuren und substituierter Benzoesäuren /5
Verbindung Essigsäure Iodessigsäure Bromessigsäure Chloressigsäure Fluoressigsäure Dichloressigsäure Trichloressigsäure Buttersäure c-Chlorbuttersäure d -Chlorbuttersäure i-Chlorbuttersäure
KA x 10
H 3C CO2H ICH 2 CO2H BrCH 2 CO2H ClCH 2 CO2H FCH 2 CO2H Cl2CH CO2H Cl3C CO2H H 3C CH 2 CH2 CO2H H 3C CH 2 CH CO2H Cl H 3C CH CH2 CO2H Cl CH 2 CH 2 CH2 CO2H Cl
1.75 67 125 136 260 5530 23200 1.5 139
/5
Verbindung Benzoesäure
KA x 10
CO2H
p-Nitrobenzoesäure
O2N
CO2H
p-Hydroxybenzoesäure
HO
CO2H
o-Nitrobenzoesäure
CO2H
6.8
40 2.9
620
NO2 8.9 2.96
o-Hydroxybenzoesäure
CO2H
100
OH
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274
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
Bei substituierten Benzoesäuren und anderen Arencarbonsäuren können neben induktiven auch mesomere Effekte von Substituenten das Carboxylat-Anion stabilisieren. 4-Nitrobenzoesäure ist stärker sauer, 4-Hydroxybenzoesäure dagegen schwächer sauer als Benzoesäure (Tab. 18.5). Der mesomere Effekt (Elektronenzug) der 4-Nitro-Gruppe stabilisiert; dagegen destabilisiert der Elektronenschub der 4-Hydroxy-Gruppe: O
O C O p-Hydroxybenzoesäure: (-)-M-Effekt destabilisiert das p-Hydroxybenzoat-Anion
O C O
N O
HO
p-Nitrobenzoesäure: (/)-M-Effekt stabilisiert das p-Nitrobenzoat-Anion
I
Steht der Substituent (/NO2, /OH) in o-Stellung zur Carboxy-Gruppe, so wirkt wegen des geringeren Abstandes zusätzlich der induktive Effekt. 2-Nitrobenzoesäure ist daher noch stärker sauer als das p-Isomer, und in 2-Hydroxybenzoesäure (Salicylsäure) dominiert die Stabilisierung durch den induktiven Effekt von OH gegenüber dem destabilisierenden mesomeren Effekt (Tab. 18.5).
18.6.5
Acidität von Dicarbonsäuren
Die Dissoziation von Dicarbonsäuren erfolgt stufenweise. Daher mißt man zwei Aciditätskonstanten KA1 und KA2 wie das Beispiel der Oxalsäure zeigt: 1. Stufe : 2. Stufe :
HO2C CO2H HO2C CO2
+ +
H2O H 2O
HO2C CO2 O2C CO2
+ +
H3O H3O
KA1 = 5400 KA2 =
/5
x 10
/5
5.2 x 10
Allgemein gilt für Dicarbonsäuren KA1 > KA2 , da die Dissoziation eines Protons vom Monoanion aus elektrostatischen Gründen mehr Energie erfordert (oder weniger freisetzt) als von der Disäure.
18.7 Reaktionen der Carboxy-Gruppe 18.7.1
Veresterung, Ester, Lactone
Carbonsäuren reagieren mit Alkoholen in Gegenwart katalytischer Mengen einer Mineral- (HCl) oder LEWIS-Säure (BF3) zu Carbonsäureestern und Wasser (Abschn. 15.6.4). Die Reaktion ist ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Veresterung (Hinreaktion) und Verseifung (Rückreaktion). O + R C OH Carbonsäure
Veresterung
HO R' Alkohol
Verseifung
O + R C OR' Carbonsäureester
H2O
Dieses Gleichgewicht unterliegt dem Massenwirkungsgesetz. Die Esterausbeute erhöht sich daher entweder durch Einsetzen eines großen Überschusses an Alkohol bzw. Carbonsäure oder durch
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18.7 Reaktionen der Carboxy-Gruppe
275
kontinuierliche Entfernung des gebildeten Esters bzw. Wassers aus dem Reaktionsgemisch. Das Reaktionswasser läßt sich z. B. durch wasserentziehende Reagenzien oder durch Abdestillieren eines azeotropen Gemisches aus Wasser und einem organischen Lösemittel als "Schlepper" entziehen (z. B. Toluen oder Chloroform). Die säurekatalysierte Veresterung (und Verseifung) ist meist eine Folge von Gleichgewichtsreaktionen. Dabei wird die Carbonsäure zunächst protoniert und so der nucleophile Angriff eines Alkohol-Moleküls erleichtert. Dieser Angriff führt zu einem Orthocarbonsäuremonoester, welcher nach Protonierung unter Wasser- und Protonen-Abspaltung in den Ester übergeht. O R C OH
OH OH R C R C OH OH protonierte Carbonsäure
+ H
O
OH
R'
R C OH H
O
R' / [H+]
OH Verseifung
Orthocarbonsäuremonoester R C OH
Veresterung
OR' - [H+]
protonierter Ester O R C OR'
/ [H+]
OH R C OR'
OH2
/ H2O
OH R C OR'
R C OH OR'
Als Lactone werden "innere Ester" bezeichnet, die durch intramolekulare Dehydratisierung von iund f-Hydroxycarbonsäuren unter Bildung fünf- und sechsgliedriger Ringe entstehen. i-Butyround f-Valerolacton sind typische Beispiele.
CO2H OH
/ H2O
O
"i-Hydroxybuttersäure (4-Hydroxybutansäure)
18.7.2
/ H2O
C O
CO2H OH
i-Butyrolacton
O
f-Hydroxyvaleriansäure (5-Hydroxypentansäure)
C
O
f-Valerolacton
Reduktion zu primären Alkoholen
Carbonsäuren widerstehen der katalytischen Hydrierung, können aber / ebenso wie ihre Ester / mit Lithiumaluminiumhydrid in wasserfreiem Ether oder Tetrahydrofuran über die meist nicht faßbaren Aldehyde zu den primären Alkoholen reduziert werden. O R C OH
+ IH LiAlH4
H _ R C OI _ OH
+ H 2O / OH
H R C OH OH Aldehyd-Hydrat
H
/ H2 O
R C O Aldehyd
+ IH LiAlH 4
H _ R C OI _ H prim. Alkoholat
+ H2O / OH
R CH 2 OH prim. Alkohol
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276
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
18.7.3
Carbonsäurehalogenierung
Carbonsäurehalogenide bezeichnet man als Acyl-Derivate (z. B. Acetyl-, Benzoyl-, Propionylhalogenide): O H 3C C
O H 3C CH 2 C
Acetyl-
Propionyl-
O H3C C Cl Acetyl-
O C Benzoyl-Gruppe
O H3C CH2 C Cl Propionyl-
O C Cl Benzoylchlorid
Zur Halogenierung von Carbonsäuren eignen sich Phosphorhalogenide (PCl3, PCl5, POCl3), z. B.:
3
O2N
O C OH
+ PCl3
O C OH
+ PCl5
O C + P(OH)3 Cl Benzoylchlorid (Benzoesäurechlorid) 3
O C + Cl p-Nitrobenzoylchlorid O2N
POCl3
+
HCl
Säurechloride und Bromide in genügender Reinheit entstehen durch Umsetzung der Carbonsäuren mit Thionylchlorid oder Thionylbromid. Diese Reaktion führt zu gasförmigen Nebenprodukten (SO2 und HCl oder HBr), so daß das Säurechlorid oder Bromid als Rückstand verbleibt: O H2C CH C OH
+
SOCl2
O H 2C CH C + SO2 Cl Acryloylchlorid (Acrylsäurechlorid)
+
HCl
Präparativ sind die überaus hydrolyseempfindlichen Säurehalogenide als Reagenzien zur Darstellung fast aller Carbonsäure-Derivate und zur elektrophilen Acylierung von Bedeutung.
18.7.4
Bildung von Säureanhydriden
Die Abspaltung von Wasser aus zwei Molekülen einer Monocarbonsäure in Gegenwart eines wasserentziehenden Mittels führt zur Bildung eines Carbonsäureanhydrids, z. B.: O F 3C C OH
O +
P2 O5 , / H 2 O
C CF 3 HO
O O F 3C C O C CF 3
Trifluoracetanhydrid (Trifluoressigsäureanhydrid)
Gemischte Anhydride erhält man durch Reaktion äquimolarer Mengen eines Halogenids der Carbonsäure mit Rest R und eines Alkalisalzes der Carbonsäure mit Rest R´: O R C X X = Cl , Br
O +
/ NaX
C R' NaO
O O C C R' R O
gemischtes Carbonsäureanhydrid
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18.7 Reaktionen der Carboxy-Gruppe
277
Dicarbonsäuren wie Bernstein- und Phthalsäure können intramolekular Wasser abspalten und bilden dabei cyclische Säureanhydride: O H2C H2C
C
OH
C O
/ H2O
OH
C
O
O Hitze oder P2O5
C O Bernsteinsäureanhydrid (Succinanhydrid)
O
O OH
Hitze
OH
/ H2O
O O Phthalsäureanhydrid
O
Nur 1,4- oder 1,5-Dicarbonsäuren bilden cyclische Anhydride. Liegen die Carboxy-Gruppen weiter auseinander, so können polymere Anhydride entstehen: O
n
18.7.5
O C (CH 2)x C OH HO x>3
O
O C (CH 2)x C O ]n [O
/ n H2O
Bildung von Säureamiden
Carbonsäureamide entstehen über Ammoniumcarboxylate aus Carbonsäuren und Ammoniak: O R C OH
O +
NH 3
O
Hitze , / H2O
R C O NH 4 Ammoniumcarboxylat
R C NH2 Carbonsäureamid
Bei Einwirkung stark wasserentziehender Mittel (Diphosphorpentoxid oder Triphenylphosphan in Tetrachlormethan) dehydratisieren die Säureamide unter Bildung von Nitrilen. Diese Reaktion ermöglicht die Darstellung von Nitrilen, z. B.: CH3
CH3
O C NH 2
H3C
P2O5 , Hitze
/ H2 O
CH3
H 3C
C N
CH3 2,4,6-Trimethylbenzonitril (Mesitylcyanid)
Als Lactame werden „innere Säureamide“ bezeichnet, die durch intramolekulare Dehydratisierung von i- und f-Aminocarbonsäuren unter Bildung fünf- und sechsgliedriger Ringe entstehen. iButyro- und f-Valerolactam sind Beispiele. Aus den heterocyclischen Grundskeletten Pyrrolidin und Piperidin ergeben sich die Alternativbezeichnungen Pyrrolidin-2-on und Piperidin-2-on.
CO2H NH2 "i-Aminobuttersäure (4-Aminobutansäure)
/ H2O
N
C O
H "i-Butyrolactam (Pyrrolidin-2-on)
/ H2O
CO2H NH 2 f-Aminovaleriansäure (5-Aminopentansäure)
N
C
O
H f-Valerolactam (Piperidin-2-on)
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18.7.6
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
Decarboxylierung
Unter Decarboxylierung versteht man die Abspaltung von Kohlendioxid (CO2) aus einer Carbonsäure: R CO2H
R H
+
CO2
Diese CO2-Eliminierung erfordert bei unsubstituierten Carbonsäuren hohe Temperaturen. Ist das c-C-Atom der Carbonsäure jedoch mit einem elektronenziehenden Substituenten (Halogen, /NO2, /CN, /COOH) verknüpft, so setzt bereits bei moderaten Temperaturen die Decarboxylierung ein: 100 - 150 °C
Cl3C CO2H Trichloressigsäure
O2N CH2 CO2H
100 - 150 °C
Nitroessigsäure
N C CH2 CO2H
100 - 150 °C
Cyanessigsäure
Cl3C H Chloroform
+
CO2
O2N CH 3 Nitromethan
+
CO2
N C CH 3
+
CO2
+
CO2
Acetonitril
CO2H
100 - 150 °C
R CH CO2H subst. Malonsäure
R CH 2 CO2H subst. Essigsäure
Auch das Silbersalz einer Carbonsäure decarboxyliert bei der Reaktion mit einem Halogen unter Bildung des entsprechenden Halogenalkans (HUNSDIECKER-Decarboxylierung): R CO2 Ag
+
Br2
R Br
+
Ag Br
+
CO2
Diese Reaktion eignet sich zur Darstellung schwer zugänglicher Alkyl- oder Cycloalkylhalogenide.
18.8 Nucleophile Substitution von Carbonsäurehalogeniden Das Halogenid von Carbonsäurehalogeniden läßt sich als Halogenid-Anion leicht nucleophil substituieren, besonders in Gegenwart einer Base: O R C X
(Base)
+
H Y
O R C Y
+
X = Cl , Br
H X
Diesem Prinzip folgt die Darstellung nahezu aller Carbonsäure-Derivate aus Carbonsäurehalogeniden (Tab. 18.4).
18.8.1
Hydrolyse und Perhydrolyse
Die Hydrolyse von Carbonsäurehalogeniden führt zu den entsprechenden Carbonsäuren, z. B.: O
O C C
Cl Cl Oxalylchlorid
O +
2 H 2O
O C C
+
2 HCl
OH HO Oxalsäure
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18.8 Nucleophile Substitution von Carbonsäurehalogeniden
279
In Gegenwart einer Base reagieren Säurehalogenide mit konzentrierter WasserstoffperoxidLösung ("Perhydrol") zu Diacylperoxiden, z. B.: /
O C Cl
2
O O C C O O Dibenzoylperoxid
(OH +
+
H2O2
/ 2 HCl
Diacylperoxide zerfallen beim Erhitzen in Radikale. Sie werden daher als Initiatoren bei radikalischen Vinyl-Polymerisationen verwendet.
18.8.2
Alkoholyse
Alkohole reagieren mit Carbonsäurehalogeniden in Gegenwart einer Base zu Estern: O R C Cl
O R C OR'
(Base)
+
HO R'
+
H Cl
Mit 3,5-Dinitrobenzoylchlorid lassen sich Alkohole als 3,5-Dinitrobenzoate auskristallisieren und anhand der charakteristischen Schmelzpunkte identifizieren: O2N O C Cl
O2N
/
O C O CH2 CH 3
(OH +
+
HO CH 2 CH3
/ HCl
O2N
O2N
Ethyl-3,5-dinitrobenzoat (3,5-Dinitrobenzoesäureethylester)
18.8.3
Ammonolyse und Aminolyse
Die Umsetzung von Carbonsäurehalogeniden mit Ammoniak (Ammonolyse) oder primären und sekundären Aminen (Aminolyse) ergibt Carbonsäureamide (Carboxamide): /
O R C X
+
2 NH 3
O R C X
+
2 H2N R'
O R C X
+
R' 2H N R'
/ NH4+ X
/
/ R'NH3+ X
/
/ R' 2NH2+ X
O R C NH2
Carboxamid (Carbonsäureamid)
O R C NHR'
N-Alkylcarboxamid
O R C NR'2
N,N-Dialkylcarboxamid
Primäre und sekundäre Amine reagieren z. B. mit Benzoylchlorid in Gegenwart einer Base (OH/, Pyridin) zu den kristallinen Benzamiden (SCHOTTEN-BAUMANN-Benzoylierung). O C Cl
+
C2H 5 H N C2H 5
(Pyridin) / HCl
O C N C 2H 5 H 5C2 N,N-Diethylbenzamid
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18.8.4
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
Hydrazinolyse
Durch Reaktion von Hydrazin mit Carbonsäurehalogeniden erhält man Carbonsäurehydrazide; überschüssiges Hydrazin bindet den freigesetzten Chlorwasserstoff als Hydrazinhydrochlorid: O H3C C Cl
18.8.5
/ H2N
+
NH3+ Cl
2 H2N NH2
/
O H 3C C NH NH2 Acethydrazid (Essigsäurehydrazid)
Reaktion mit Hydroxylamin
In Gegenwart einer Base (OH/, Pyridin) reagieren Carbonsäurehalogenide mit Hydroxylamin zu Hydroxamsäuren, die in zwei tautomeren Formen existieren (Hydroxamsäure-Oximino-Tautomerie) und mit Eisen(III)salzen rotviolette Chelate bilden: O R C Cl
18.8.6
/ HO
+
+
NH3 Cl
/
2 H 2N OH
O R C N H OH HydroxamsäureTautomer
+ 1/3 Fe+++
OH R C N OH OximinoTautomer
H O C Fe/3 N O HydroxamsäureEisen(III)-Chelat R
Reaktion mit Alkaliaziden
Das Azid-Anion, N3/, substituiert das Halogenid-Anion in Säurehalogeniden nucleophil. Dabei entstehen die explosiven Säureazide, z. B.: O C Cl
+
Na
O C_ N _ N N _
O C _ N _ N N _
"/ Na Cl
_ _ N _ N N _
mesomere Grenzformeln des Benzoylazids
18.8.7
Katalytische Hydrierung (ROSENMUND Reduktion)
Eine allgemeine Methode zur Darstellung von Aldehyden (R/CH=O) ist die katalytische Hydrierung von Carbonsäurehalogeniden. Als Katalysator dient mit Bariumsulfat desaktiviertes Palladium. Die Desaktivierung unterdrückt eine Weiterreduktion des Aldehyds. O C C
O Cl Cl
O o-Phthaloyldichlorid (Phthalsäuredichlorid)
Pd / BaSO4
+
H2
/ 2 HCl
C C
H H
O o-Phthaldialdehyd
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18.9 Nucleophile Substitution von Carbonsäureestern
18.8.8
281
Carbonsäurehalogenide als Reagenzien zur C-Acylierung
In Gegenwart von LEWIS-Säuren als Katalysatoren (AlCl3) reagieren Carbonsäurehalogenide mit aromatischen Kohlenwasserstoffen zu aromatischen Ketonen (Phenonen). Diese Art der elektrophilen Substitution ist als FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung (Abschn. 11.1.6) bekannt, z. B.: AlCl3
C
+
Cl
/ HCl
C
O Benzoylchlorid
O Benzophenon
18.9 Nucleophile Substitution von Carbonsäureestern 18.9.1
Esterverseifung
Sowohl Säuren als auch Basen katalysieren die Esterhydrolyse: Die säurekatalysierte Verseifung ist die Rückreaktion der säurekatalysierten Veresterung (Abschn. 18.7.1). Die basenkatalysierte Verseifung von Carbonsäuren verläuft als SN2-Substitution des Hydroxid-Anions am Carbonyl-C unter nachfolgender Spaltung der Acyl-Sauerstoff-Bindung. Bei dieser O-Acyl-Spaltung bleibt die absolute Konfiguration am Alkohol-C-Atom erhalten (Retention). Dies läßt sich an identischen spezifischen Drehungen eines enantiomerenreinen Alkohols vor Reaktion mit dem Carbonsäurechlorid R/COCl und nach basenkatalysierter Verseifung des resultierenden Esters nachweisen: HO
O H C R' O C
R
+
R
H
O H C O
+
O C
R'
R"
R" / HCl
R
(Base)
H
O C Cl
+
HO C
R'
H +
R CO2
R" (S)-Alkohol (R" > R')
HO C
R'
R" (S)-Alkohol
Der Angriff des Hydroxid-Anions am asymmetrischen Alkoxy-C hätte dagegen die Spaltung der O-Alkyl-Bindung und damit WALDEN-Umkehr oder Racemisierung zur Folge:
R
O H C R' O C R" (S)-Ester
WALDEN-Umkehr oder Racemisierung
+
OH
R CO2
+
H R'
C OH
R" (R)-Alkohol
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282
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
Die Verseifung von Fetten, den Glycerolestern (Glyceride) langkettiger Carbonsäuren (Fettsäuren, Abschn. 41.4) wie Palmitin-, Stearin- und Ölsäure, mit Natron- bzw. Kalilauge ergibt neben Glycerol die Natrium-Salze dieser Säuren als Kernseife und die Kalium-Salze als Schmierseife, z. B.: O H 2C O C O C17H 35 C O CH O H35C 17 H 2C O C C17H 35 Glyceroltristearat
H2C OH +
3 NaOH
3 C17H 35 CO2 Na
+
HO CH H2C OH
Natriumstearat
Glycerol
Seifen senken die Oberflächenspannung des Wassers und emulgieren Schmutzteilchen durch Bildung von Micellen (Abschn. 41.7). Darauf beruht ihre reinigende Wirkung.
18.9.2
Ammonolyse (Aminolyse) von Estern
Nach einem der basenkatalysierten Verseifung analogen Mechanismus (SN2) verläuft die zu Amiden führende Ammonolyse (Aminolyse) der Carbonsäureester mit Ammoniak (Aminen), z. B.: O H3C C OC2H 5 Ethylacetat
18.9.3
+
O H3C C NH2 Acetamid
NH 3
+
C2H 5OH
Umesterung
Unter Umesterung versteht man die Reaktion des Esters R/COOR´ mit einem Alkohol R"/OH unter Bildung des Esters R/COOR" und des Alkohols R´/OH: O R C OR'
[H+]
+
R" OH
O R C OR"
+
R'
OH
Die Umesterung ist basen- oder säurekatalysiert und eine Gleichgewichtsreaktion. Säurekatalysiert verläuft sie nach dem für die säurekatalysierte Veresterung und Verseifung beschriebenen Mechanismus (Abschn. 18.7.1). Um das Gleichgewicht zugunsten des neuen Esters R/COOR" zu verlagern, muß ein großer Überschuß an Alkohol R"/OH eingesetzt und eines der Reaktionsprodukte (R/COOR" oder R´/OH) durch Destillation oder Fällung der Rückreaktion entzogen werden. Eine Umesterung technischen Maßstabs ist die Herstellung des Polyesters "Dacron" aus Terephthalsäuredimethylester und Glykol. Dabei wird das gebildete Methanol kontinuierlich abdestilliert. O n
C H3CO
O C + OCH3
Terephthalsäuredimethylester (Dimethylterephthalat)
[ HCl ] / 2n CH3OH
O
n HO CH 2 CH2 OH [
O C C CH2 CH2 O O ]n Polyglykolterephthalat
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18.9 Nucleophile Substitution von Carbonsäureestern
18.9.4
283
Reduktion zu primären Alkoholen
Carbonsäureester lassen sich im Labormaßstab in guten Ausbeuten mit Lithiumaluminiumhydrid oder Natriumborhydrid zu den primären Alkoholen reduzieren. Bei dieser Reduktion addiert ein Hydrid-Anion nucleophil an das Carbonyl-C-Atom. O + IH R C OR' Carbonsäureester
LiAlH 4 oder NaBH4
H
/
H R C O Aldehyd
/ R'O
R C O OR'
H
+ H 2O
+ HI
R C O
/ OH
H
R CH 2 OH
/
prim. Alkohol
In technischem Maßstab werden Carbonsäureester bei hohen Temperaturen und Drücken katalytisch zu den primären Alkoholen hydriert, z. B.: O C OC2H 5 2-Methylpropansäureethylester (H 3C)2 CH
18.9.5
+
2 H2
CuO / CuCr 2 O4 , Druck , Hitze
(H 3C)2 CH
CH 2
OH
+
C 2H5OH
2-Methylpropanol
Reaktion mit GRIGNARD-Verbindungen
Der nucleophile Angriff der Alkyl- oder Aryl-Gruppe einer GRIGNARD-Verbindung R"MgX am Carbonyl-Kohlenstoff eines Esters R/COOR´ ergibt zunächst ein Keton: O R C + R" Mg X OR' CarbonsäureAlkylester magnesiumhalogenid
O R C R" Keton
+
R'O
+
Mg 2
+
X
Die anschließende nucleophile Addition eines weiteren Äquivalents Alkylmagnesiumhalogenid an das Keton führt zu einem tertiären Alkohol: O R C R"
R" +
R" Mg X
+ H2O
R C R"
R" R C R"
O Mg X
+
OH
+
Mg 2
+
X
OH tert. Alkohol
Diese Reaktionsfolge ist ein Weg zur Synthese tertiärer Alkohole mit Substituenten R und R", welche durch die Edukte R/COOR´ und R"MgX vorgegeben sind. Zur Synthese von 4-Isopropyl4-heptanol geht man z. B. von Isobuttersäureethylester und Propylmagnesiumbromid aus: O (H 3C)2CH C OC2H 5 2-Methylpropansäureethylester (Isobuttersäureethylester)
+ H3C
CH2
"/ C2H5O , / Mg 2+ , / Br
CH 2 CH 2 CH3 4-i-Propyl-4-heptanol
/
(H3C)2CH C CH 2 CH 2 CH3 + H3C
OH (H 3C)2CH C CH 2 CH 2 CH3
O
CH2 MgBr
/
/ OH , / Mg 2+ , / Br
CH2 MgBr
O Mg Br
+ H2O /
CH2
/
(H 3C)2CH C CH2 CH 2 CH 3 CH2 CH 2 CH 3
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284
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
18.10 CH-Acidität von Carbonsäureestern, Folgereaktionen Die c-CH-Fragmente von Carbonsäureestern sind schwach sauer; gegenüber sehr starken Basen wie Alkalialkoholaten oder Alkaliamiden sind die Carbonsäureester daher Protonendonoren und bilden dabei Carbanionen. Die c-CH-Acidität von Estern ist eine Folge der Mesomeriestabilisierung der durch Deprotonierung entstehenden Carbanionen, wobei das Carbonyl-O-Atom die negative Ladung unter Bildung eines Enolat-Anions teilweise übernimmt. RO
RO C O
+
RO
_ C OI CI H
IB
C H H
_ C OI _
+
H B
C H
Carbanion
Enolat-Anion
Die c-CH-Acidität ist besonders ausgeprägt bei 1,3-Dicarbonsäureestern (Malonestern), da in diesen Fällen zwei Carbonyl-O-Atome die negative Ladung des Carbanions übernehmen können. Mit Natriumalkoholaten erhält man z. B. das mesomeriestabilisierte Carbanion im Natriumsalz des Malonsäurediesters. RO
RO C O H2C C O
RO C OI _
+ NaOR
RO
_ C OI _
RO C OI _
O Na
H CI H C H C _ C OI C OI C OI _ _ _ RO RO RO mesomere Grenzformeln des Dialkylmalonat-Anions
/ ROH
RO
oder
Na
H O RO
Aufgrund ihrer c-CH-Acidität sind Carbonsäureester und insbesondere die Malonsäurediester der elektrophilen Substitution in c-Stellung zugänglich, wie die folgenden Reaktionen zeigen.
18.10.1 C-Alkylierung von Malonestern In Gegenwart äquimolarer Mengen Natriumalkoholat lassen sich Dialkylmalonate durch Halogenalkane in die Alkylmalonsäurediester überführen. Diese C-Alkylierung wurde bereits als Methode zur Darstellung von Carbonsäuren besprochen (Abschn. 18.5.7). RO O R'
X
+
Na
H
CO2R
/ Na X
R' O RO
CH
CO2R Alkylmalonsäurediester
18.10.2 KNOEVENAGEL-Alkenylierung Dialkylmalonat-Anionen können nucleophil an das Carbonyl-C eines Aldehyds oder Ketons addieren. Die dabei entstehenden d-Hydroxyalkylmalonsäurediester dehydratisieren unter Bildung
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18.10 CH-Acidität von Carbonsäureestern, Folgereaktionen
285
der Alkylidenmalonsäurediester. Diese KNOEVENAGEL-Alkenylierung (auch KNOEVENAGEL-Kondensation) ist u. a. eine Methode zur Darstellung c,d-ungesättigter Carbonsäuren (Abschn. 18.5.8). CO2R C O
+
C OI
H
Base
H C H CO2R
Carbonyl-Mesomerie
CO2R C C CO2R Alkylidenmalonsäurediester
"/ H2O
C C CO2R HO CO2R
Aldehyd oder Keton
18.10.3 MICHAEL-Addition Als C-Nucleophile können Dialkylmalonate an die elektrophile (aktivierte) Doppelbindung eines Alkens addieren (MICHAEL-Addition). Dabei entstehen C-alkylierte Malonester: CO2R
CO2R X CH CH 2
X CH CH 2
+
IC H H CO2R C-Nucleophil
aktiviertes (elektrophiles) Alken
CH 2
X CH 2
C H
CO2R C-alkylierter Malonsäurediester
Acrylsäurenitril (X = CN) ist z. B. ein elektrophiles Alken und addiert Malonsäurediethylester als Nucleophil unter Bildung des d-Cyanoethylmalonsäurediethylesters: _ IN C CH CH2
IN C CH CH2
Acrylnitril (Cyanoethen)
CO2C2H5 +
Elektrophil
d
H2C
N C CO2C 2H5
CO2C2H 5
c
CH2
C H
CH 2
CO2C2H5 """"d-Cyanoethylmalonsäurediethylester [(2-Cyanoethyl)-malonsäurediethylester]
18.10.4 CLAISEN-Esterkondensation Genügend starke Basen (OC2H5/, NH2/) abstrahieren auch das c-Proton eines Monoesters unter Bildung eines mesomeriestabilisierten Carbanions: R H H
O
R O IC C H OR' Carbanion
/ R'OH
C C
+
R'O
OR'
R
O C C
H OR' Enolat-Anion
Ein solches Carbanion kann nucleophil am Carbonyl-C eines anderen Ester-Moleküls angreifen. Durch Abspaltung eines Alkoxid-Anions bildet sich ein d-Ketoester (CLAISEN-Esterkondensation). OR' +
R CH 2 C O
R O IC C H OR'
OR' R CH2 C CH CO2R' IOI _ R
/ R'O
R CH2 C CH CO2R' OI _ R d-Ketoester
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286
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
Der einfachste Fall einer Esterkondensation ist die Reaktion zweier Moleküle Essigsäureethylester zu Acetylessigsäureethylester ("Acetessigester"): OC 2H5 H3C
C O
OC2H 5 +
CH 2 H
NaOC2H5 , / C2H5OH
C O
H 3C
CH 2 CO2C 2H5
C
O 3-Oxobutansäureethylester (Acetessigester)
Die CH-Acidität der von beiden Carbonyl-Funktionen flankierten CH2-Gruppe des Acetessigesters macht eine intramolekulare Protonenwanderung vom c-C zum Carbonyl-O-Atom möglich. Der d-Ketoester existiert daher als Gleichgewichtsgemisch aus Keto- und Enol-Tautomer (KetoEnol- oder Oxo-Enol-Tautomerie, Abschn. 19.5.3) : H H H3C
C O
C
C
H H 3C
OC2H 5
O
C O
C _ H
H C
OC2H 5
H3C
O
C
C
C
OC 2H5
O H Enol-Tautomer O
Keto-Tautomer (Oxo-Form)
18.10.5 Intramolekulare Kondensation von Diestern (DIECKMANN-Kondensation) Nach einer der CLAISEN-Kondensation analogen Reaktion cyclisieren vor allem 1,4- und 1,5-Dicarbonsäurediester zu cyclischen fünf- bzw. sechsgliedrigen d-Ketoestern: CH 2 CO2R (CH 2)n OR C
+ RO / ROH
CH CO2R _ (CH 2)n OR C O
O
n=3,4
CH CO2R (CH 2)n OR C
/ RO
CH CO2R (CH 2)n C O
IOI _
Die DIECKMANN-Cyclokondensation des Adipinsäurediethylesters führt z. B. zu 2-Ethoxycarbonylcyclopentanon; nach Verseifung dieses d-Ketoesters und Decarboxylierung der d-Ketosäure erhält man Cyclopentanon: CO2C 2H5 / CO2C2H 5 CH2 NaOC2H5 , / C2H5OH - H2O (OH ) OC 2H5 / C2H5OH C O O Adipinsäurediethylester 2-Ethoxycarbonylcyclopentanon
CO2H O
/ CO2
O Cyclopentanon
Die DIECKMANN-Esterkondensation ist ein Weg zur Synthese substituierter Cyclopentane und Cyclohexane. Bei kleineren und größeren Ringen sind die Ausbeuten zu gering.
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18.11 Spezielle Reaktionen von Dicarbonsäuren und Derivaten
287
18.11 Spezielle Reaktionen von Dicarbonsäuren und Derivaten 18.11.1 Thermische Decarboxylierung und Cyclokondensation Erhitzt man Dicarbonsäuren HOOC/(CH2)n/COOH, so hängen die Reaktionsprodukte von der Anzahl n der C-Atome zwischen beiden Carboxy-Gruppen ab. Ist n = 0 oder 1, so erfolgt eine thermische Decarboxylierung. Oxalsäure (n = 0) ergibt Ameisensäure, Malonsäure (n = 1) Essigsäure: HO2C CO2H HO2C CH 2 CO2H
190 °C 140 °C
H CO2H
+
CO2
H3C CO2H
+
CO2
Ist n = 2 oder 3, so bilden sich aus den Dicarbonsäuren unter intramolekularer Dehydratisierung fünf- oder sechsgliedrige cyclische Dicarbonsäureanhydride. Bernsteinsäure, Phthalsäure (Abschn. 18.7.4) sowie Maleinsäure und Glutarsäure cyclokondensieren beim Erhitzen unter Bildung der cyclischen Anhydride: O H H
C C
C C
O OH
/ H2O
OH
O
CO2H
O C
O Maleinsäureanhydrid
O
/ H2O
O
OH
O Glutarsäureanhydrid
O
18.11.2 Bildung cyclischer Dicarbonsäureimide In Analogie zu den Säureamiden (Abschn. 18.7.5) bilden sich durch Erhitzen der DiammoniumDicarboxylate cyclische Dicarbonsäureimide, sofern sich zwei oder drei C-Atome zwischen den Carboxy-Gruppen befinden, so daß Fünf- oder Sechs-Ringe entstehen, z. B.: O H 2C H 2C
C C
O
O O O
NH 4 NH 4
O Diammoniumsuccinat
C
100-150 °C / NH3 , / H2O
NH C O
Succinimid (Bernsteinsäureimid)
O O O
NH4 NH4
O Diammoniumphthalat
100-150 °C / NH3 , / H2O
NH O Phthalimid
18.11.3 Reaktionen cyclischer Dicarbonsäureimide Carbonsäureimide sind NH-Säuren, da die O-Atome der beiden benachbarten Carbonyl-Gruppen die negative Ladung des durch Deprotonierung entstehenden Imid-Anions übernehmen können.
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288
18 Carbonsäuren und ihre Derivate
Das Imid-Anion ist also mesomeriestabilisiert: O
O + OH
NH
O
O
/
INI
/ H2O
NI
O
O
NI
O
O
mesomere Grenzformeln des Succinimid-Anions
Das bei der Neutralisation von Phthalimid mit KOH entstehende Kaliumphthalimid reagiert mit Halogenalkanen als Stickstoff-Nucleophil zur Einführung der primären Amino-Gruppe (/NH2). Diese GABRIEL-Synthese primärer Amine R/NH2 führt zunächst zum N-Alkylphthalimid, das in Gegenwart von Mineralsäuren zu Phthalsäure sowie dem primären Amin in Form seines Salzes hydrolysiert. Die Freisetzung des primären Amins gelingt auch mit Hydrazin unter Bildung des Phthalsäurehydrazids. O
O /KX
INI
K
+
CO2H
+ 2 H2O
R
X
+
N R CO2H
O Kaliumphthalimid
O N-Alkylphthalimid
H2N R primäres Amin
Die Reaktion von Succinimid mit Brom in wäßriger Natronlauge führt zu N-Bromsuccinimid: O
O NH
+
Br2
+
N Br
NaOH
+
NaBr
H2O
+
O N-Bromsuccinimid
O
N-Bromsuccinimid spaltet beim Erhitzen homolytisch Brom ab. Die dabei langsam entstehenden Brom-Radikale substituieren selektiv am Allyl-Kohlenstoff eines Alkens (NBS-Bromierung nach WOHL-ZIEGLER), z. B.: O H 3C
H C C H CO2CH 3
+
trans-Crotonsäuremethylester
O Hitze
Br H2C
H C C H CO2CH3
N Br O
+
trans-i-Bromcrotonsäuremethylester
N H O
Zudem können mit N-Bromsuccinimid sekundäre Alkohole schonend zu Ketonen oxidiert werden (BARAKAT-Dehydrierung): O
R' R C OH H sek. Alkohol
O R'
+
N Br O
C O R Keton
+
N H O
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18.11 Spezielle Reaktionen von Dicarbonsäuren und Derivaten
289
18.11.4 Maleinsäureanhydrid als elektronenarmes Dienophil Maleinsäureanhydrid und seine Analoga wie Maleinsäureimid sind wegen des (/)-M-Effekts der beiden Ring-Carbonyl-Gruppen elektronenarme Dienophile, d. h. sie cycloaddieren an elektronenreiche 1,3-Diene (DIELS-ALDER-Reaktion oder [4+2]-Cycloaddition). Mit 1,3-Butadien entstehen so Tetrahydrophthalsäureanhydrid (Y = O) bzw. Tetrahydrophthalimid (Y = NH, Abschn. 6.5.4, 8.6.4): O
O
H +
Y H
1,3-Butadien (s-cis-Konformer)
H
Y
Y
O
O
Y = O , NH
O
H O Tetrahydrophthalsäureanhydrid (Y = O) Tetrahydrophthalimid (Y = NH)
18.11.5 Maleinsäureanhydrid als elektronenarmes Enophil bei En-Reaktionen Prädestiniert als Enophile zur En-Reaktion (Abschn. 4.5.11) sind Verbindungen mit elektronenarmen Doppelbindungen wie Maleinsäureanhydrid, dessen En-Reaktion mit Propen zum (R,S)Allylbernsteinsäureanhydrid führt: O H
+
Propen
O
O
H
O O Maleinsäureanhydrid
O O
O O Allylbernsteinsäureanhydrid
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19
Substituierte Carbonsäuren
19 Substituierte Carbonsäuren 19.1 Nomenklatur substituierter Carbonsäuren Die wichtigsten substituierten Carbonsäuren tragen in c-, d-, i-, f-Stellung zur Carboxy-Gruppe Halogene, Hydroxy- oder Amino-Funktionen sowie Oxo-Gruppen. Entsprechend nennt man sie Halogencarbonsäuren (Halogensäuren), Hydroxycarbonsäuren (Hydroxysäuren), Aminosäuren (Abschn. 36) und Oxocarbonsäuren (Oxosäuren, früher: Ketosäuren). Die Bezeichnungen substituierter Carbonsäuren leiten sich von denen unsubstituierter Säuren ab (Abschn. 18.1). Die Position der Substituenten wird gemäß IUPAC mit arabischen Ziffern angegeben. Bei den Trivialnamen werden stattdessen oft die griechischen Buchstaben c, d, i, f,... benützt. Vermieden werden sollte eine Kombination von IUPAC-Bezeichnungen mit c-, d-, iPositionsangaben; so kann d-Brompropionsäure konsequent durch 3-Brompropansäure (jedoch nicht durch d-Brompropansäure) ersetzt werden. 3
2
1
4
3
2
1
5
H 3C CH CH 2 CO2H
H3C CH CO2H
F
Cl 2-Chlorpropansäure (c-Chlorpropionsäure)
4
OH
3-Fluorbutansäure (d-Fluorbuttersäure)
3
2
1
CH2 CH2 C CH 2 CO2H
O
4(1)
CO2H
O
5-Hydroxy-3-oxopentansäure (f-Hydroxy-d -ketovaleriansäure)
4-Oxocyclohexancarbonsäure (f-Oxocyclohexancarbonsäure, Cyclohexanon-4-carbonsäure)
Aufgrund ihrer lange bekannten natürlichen Herkunft sind für einige bedeutende Säuren fast nur Trivialnamen in Gebrauch (Bezeichnung des Säure-Anions in eckigen Klammern): H 3C CH CO2H
HO CH2 CH CO2H
H3C C CO2H
OH 2-Hydroxypropansäure (Milchsäure) [Lactat]
OH 2,3-Dihydroxypropansäure (Glycerinsäure) [Glycerat]
O 2-Oxopropansäure (Brenztraubensäure) [Pyruvat]
HO2C CH 2
CH CO2H
OH 2-Hydroxybutandisäure (Äpfelsäure) [Malat]
HO2C CH
CH CO2H
H 3C C CH 2 CH2 CO2H
OH OH 2,3-Dihydroxybutandisäure (Weinsäure) [Tartrat]
O 4-Oxopentansäure (Lävulinsäure) [Lävulat]
19.2 Physikalische Eigenschaften und Acidität Die Einführung von Heteroatomen in Carbonsäuren erhöht deren Polarität; damit verstärken sich die intermolekularen Wechselwirkungen. Somit liegen die Schmelz- und Siedepunkte substituierter Carbonsäuren deutlich höher als die vergleichbarer unsubstituierter Carbonsäuren.
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19.2 Physikalische Eigenschaften und Acidität
291
Die Acidität der Hydroxy-, Oxo- und besonders der c-Halogensäuren ist stärker als die von unsubstituierten Carbonsäuren (Tab. 19.1). Dies läßt sich auf den Elektronenzug des elektronegativen Sauerstoffs der Hydroxy- und Oxo-Gruppe bzw. der Halogen-Substituenten zurückführen. Dieser Effekt stabilisiert die Carboxylat-Anionen durch eine bessere Verteilung ihrer negativen Ladung (Abschn. 18.6.4). Tab. 19.1. Substituenteneffekte auf Schmelz- und Siedepunkte sowie Aciditäten ausgewählter Ethanund Propansäuren Schmp. °C
Sdp. °C (1013 mbar)
Aciditätskonstante Ka ( x 10/5 )
Ethan-
16.6
118.0
1.7
Cl CH2 CO2H
Chlorethan-
61.0
189.0
136.0
HO CH2 CO2H
Hydroxyethan-
80.0
100.0
15.0
Oxoethan-
98.0
Zersetzung
47.0
/ 22.0
141.0
1.3
2-Chlorpropan- (R,S)
---
185.0
13.2
2-Hydroxypropan- (R,S)
18.0
122.0
14.0
2-Oxopropansäure
14.0
165.0
320.0
Formel
H 3C
CO2H
O CH CO2H H 3C CH2 CO2H H 3C CH CO2H
IUPAC-Bezeichnung
Propan-
Cl H 3C CH CO2H OH H 3C C CO2H O
Die Säurestärke der Halogensäuren nimmt mit zunehmendem (/)-I-Effekt (I < Cl" "Br < F) und der Anzahl elektronenziehender Substituenten zu. Wächst der Abstand zwischen dem (/)-ISubstituenten und der Carboxy-Gruppe, so verringert sich die Acidität (Tab. 19.2). Tab. 19.2. pK-Werte einiger Halogenalkansäuren in Abhängigkeit vom (/)-I-Substituenten Halogenalkansäuren
pK-Wert
Formel
Monohalogenethansäuren
F Cl Br I
Mono-, Di-, Trichlorethansäure
Cl
y-Chloralkansäuren
Cl
CO2H CO2H CO2H CO2H
2.66 2.86 2.69 3.12
CH2 CO2H Cl2CH CO2H Cl3C CO2H
2.86 1.30 0.65
Cl CH2 CO2H Cl CH2 CH2 CO2H CH2 CH2 CH2 CO2H
2.86 4.08 4.52
CH2 CH2 CH2 CH2
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292
19
Substituierte Carbonsäuren
19.3 Halogencarbonsäuren 19.3.1
Synthesen
-Halogencarbonsäuren durch -Halogenierung Carbonsäuren lassen sich in c-Stellung zur Carboxy-Gruppe halogenieren. So werden Essigsäure und Phenylessigsäure durch Chlor im UV-Licht radikalisch zu den c-Halogencarbonsäuren substituiert: H3C CO2H
+
Cl2
C6H 5 CH 2 CO2H
+
Cl2
hp , Rückfluß
hp
Cl
CH 2 CO2H Chloressigsäure
+
HCl
C 6H5 CH CO2H
+
HCl
Cl
c-Chlorphenylessigsäure
Auch in Gegenwart katalytischer Mengen an rotem Phosphor reagieren Carbonsäuren mit Halogenen (Cl, Br) zu c-Halogencarbonsäuren (HELL-VOLHARD-ZELINSKII-Reaktion): R CH 2 CO2H
+
X2
PX3 oder P
R CH CO2H
+
HX
X
X = Cl , Br
Der Phosphor beschleunigt die Reaktion, indem er mit dem Halogen das Trihalogenid bildet, welches die Carbonsäure zum Säurehalogenid derivatisiert: 2 P + 3 X2
O 3 R CH 2 C + OH
2 PX 3
O 3 R CH 2 C X
PX 3
+
P(OH)3
In Gegenwart von Halogenwasserstoff HX als Protonendonor enolisiert das Säurehalogenid, und das Halogen X2 addiert an die Doppelbindung des Enols: O
+ [H+]
R CH2 C
O H C X
R CH X
H
/ [H +]
O H R CH
+ X2
C
f/
f- O H
Xf-
X
R CH
X enolisiertes Säurehalogenid
O
/ HX
C
R CH X
C X
X f/
Das entstandene c-Halogensäurehalogenid reagiert mit einem Molekül Carbonsäure unter Halogen-Austausch zur c-Halogencarbonsäure und dem Säurehalogenid, welches seinerseits wieder in den Reaktionskreislauf eintritt. O R CH X
C
+ X
O R CH 2 C OH
R CH X
O + C OH
O R CH2 C X
Bei Ausschluß von Bedingungen, unter denen sich Radikale bilden können, führt die HELLVOLHARD-ZELINSKII-Halogenierung selektiv zur c-Halogencarbonsäure, z. B.: H3C CH2 CH 2 CH 2 CO2H Valeriansäure
+ Br 2 , P , / HBr
Br H3C CH2 CH 2 CH CO2H DL-c-Bromvaleriansäure (R,S)-2-Brompentansäure
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19.3 Halogencarbonsäuren
293
Bromierungen CH-acider 1,3-Dicarbonsäuren, z. B. Malonsäure und deren c-Alkyl-Derivate, gelingen ohne Phosphortribromid (PBr3). Die thermische Decarboxylierung der gebildeten cBromdicarbonsäure führt zur c-Bromcarbonsäure: CO2H
CO2H
+ Br2 , / HBr
R C CO2H
130-150 °C , / CO2
R C CO2H
R CH CO2H
Br
H c-Alkylmalonsäure
Br
c-Brom-c-alkylmalonsäure
c-Bromcarbonsäure
- und -Halogencarbonsäuren aus , -ungesättigten Carbonsäuren d-Halogencarbonsäuren entstehen durch elektrophile Addition von Halogenwasserstoff an c,d-ungesättigte Carbonsäuren (Abschn. 18.5.8, 18.5.9), z. B.: H3C CH CH CO2H
+
HBr
H3C CH CH2 CO2H Br
(E- oder Z-)-2-Butensäure
(R,S)-3-Brombutansäure
Die selektive d-Bromierung erfolgt aufgrund einer Cd-Positivierung bei der intermediären Bildung eines mesomeriestabilisierten Oxonium-Carbenium-Ions: OH R CH CH
C OH OH
+
+ [H ]
R CH CH CO2H
R CH CH
+ Br
/
O
OH
C
R CH CH OH
Br
R CH CH2 C
C OH
OH
Br
OH R CH CH
C OH
" c,d-Ungesättigte Carbonsäureester können in Allyl-Stellung mit N-Bromsuccinimid selektiv bro-
miert werden (WOHL-ZIEGLER-Bromierung, Abschn. 13.3.7). O
O CCl4 , 25 °C
H3C CH CH CO2CH 3
+
(E- oder Z-)-2-Butensäuremethylester
N Br O
Br CH2 CH CH CO2CH 3
+
(E- oder Z-)-4-Brom-2-butensäuremethylester
N H O
-Halogencarbonsäureester aus Lactonen Wasserfreie Halogenwasserstoffe in alkoholischer Lösung öffnen Lacton-Ringe (cyclische Ester von Hydroxysäuren) unter Bildung von y-halogensubstituierten Carbonsäureestern: O
O
+ HBr , + C 2H5 OH
O Br
O
CO2C 2H 5
/ H2O i-Butyrolacton (4-Butanolid)
+ HCl , + CH 3OH / H2O
4-Brombutansäureethylester (i-Brombuttersäureethylester)
f-Valerolacton (5-Pentanolid)
Cl
CO2CH 3
5-Chlorpentansäuremethylester (f-Chlorvaleriansäuremethylester)
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294
19
19.3.2
Substituierte Carbonsäuren
Reaktionen
Halogensäuren zeigen sowohl Carbonsäure-spezifische Reaktionen wie Neutralisation, Säurehalogenid-Bildung und Veresterung, als auch die für Halogenalkane typischen Reaktionen wie nucleophile Substitutionen und Eliminierungen. Nucleophile Substitutionen des Halogens in c-Halogencarbonsäuren öffnen den Weg zu c-substituierten Derivaten wie c-Hydroxy-, c-Amino-, cCyanocarbonsäuren und Malonsäuren (Abb. 19.1). Halogenalkan-Reaktionen
Carbonsäure-Derivatisierungen
+ NaOH , / NaCl
R CH2 CH CO2H
+ NaOH , / H2O
Hydrolyse
OH
Neutralisation
2-Hydroxyalkansäure
X
+ 2 NH3 , / NH4Cl
R CH2 CH CO2
R CH2 CH CO2 Na Natrium-2-halogenalkanoat
2-Halogenalkansäure
Ammonolyse
+
+ R'OH , / H2O [H ]
NH3 2-Aminoalkansäure (Aminosäure)
R CH2 CH CO2H
X
X
+ KCN , / KCl
R CH2 CH CO2H
R CH2 CH CO2R'
Veresterung
2-Halogenalkansäureester
KOLBE-Nitrilsynthese
CN
+ SOCl2 , / SO2 , / HCl
2-Cyanoalkansäure / HX
R CH CH CO2H
Säurehalogenierung
X
Dehydrohalogenierung
2-Alkensäure
R CH2 CH COCl 2-Halogenalkansäurechlorid
Abb. 19.1. Reaktionen der Halogencarbonsäuren
Präparative Anwendungen sind die Darstellung der Milchsäure, des Alanins und der Methylmalonsäure über 2-Cyanopropansäure aus 2-Brompropansäure, + NaOH , / NaBr
H 3C CH CO2H
+ 2 NH3 , / NH4Br
H3C CH CO2H
OH
H3C CH CO2H
Br
(R,S)-2-Hydroxypropansäure (DL-Milchsäure)
NH2 (R,S)-2-Aminopropansäure (DL-Alanin)
(R,S)-2-Brompropansäure
+ NaCN , / NaBr + 2 H2O , / NH3
H3C CH CO2H
H3C CH CO2H
CN
CO2H Methylmalonsäure
(R,S)-2-Cyanopropansäure (DL-Methylmalonsäuremononitril)
sowie eine Synthese der c-Aminosäure DL-Leucin durch Ammonolyse der 2-Brom-4-methylpentansäure, dem Decarboxylierungsprodukt der durch Bromierung der Isobutylmalonsäure zugänglichen c-Bromisobutylmalonsäure. CO2H (H 3C)2CH CH2 C CO2H H
+ Br2 / HBr
CO2H (H 3C)2CH CH2 C CO2H Br
130 - 150 °C / CO2
(H3C)2CH CH 2 CH CO2H Br
Isobutylmalonsäure + 2 NH3
/ NH4Br
(H3C)2CH CH 2 CH CO2 NH3 DL-Leucin
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19.4 Hydroxycarbonsäuren
295
19.4 Hydroxycarbonsäuren 19.4.1
Synthesen
-Hydroxycarbonsäuren durch Cyanhydrin-Synthese Aldehyde können durch Addition von Blausäure in Cyanhydrine (Abschn. 20.10.4) übergeführt werden, deren Hydrolyse c-Hydroxycarbonsäuren liefert: H
H
+ HCN
O Acetaldehyd
H
+ 2 H2O [H+] , / NH3
H3C C C N
H3C C
H 3C C CO2H
OH
OH
Acetaldehyd-cyanhydrin
DL-Milchsäure (2-Hydroxypropansäure)
Hydroxylierung von Halogencarbonsäuren In alkalisch wäßriger Lösung lassen sich Halogensäuren durch nucleophile Substitution in Hydroxysäuren umwandeln: H
/
+ OH , / Br
H
/
H3C C CO2 Na
H3C C CO2 Na
OH
Br c-Brompropionat
DL-Lactat (2-Hydroxypropanoat)
Reduktion von Oxocarbonsäuren Aus Oxosäuren oder Oxosäureestern entstehen durch katalytische Hydrierung in Gegenwart von RANEY-Nickel Hydroxysäuren: O
O
RANEY-Ni , 100 °C, Druck
H 3C C CH 2 C
+
H3C CH CH2 C
H2
OC 2H5
O
OC2H 5
OH
Acetessigester
DL-d-Hydroxybuttersäureethylester
REFORMATSKY-Synthese von -Hydroxycarbonsäureestern c-Halogencarbonsäureester reagieren mit Zinkstaub in aprotischen Lösemitteln zu Alkylzinkhalogeniden. Diese addieren an Carbonyl-Verbindungen; durch Hydrolyse der Addukte entstehen dHydroxyester. in Ether oder Benzen
R1 CH CO2R2 +
R1 CH CO2R2
Zn
X
ZnX
c-Halogencarbonsäureester ( X = Cl , Br , I )
R4
C O
R3
R4
C O
R3
R1 +
f/ CH f- ZnX
R3 R 1
1,2-Addition
R2
CO2
R4
R2
C CH CO2 OZnX
+ H2O / ZnX(OH)
R3 R 1 R4
C CH CO2R 2 OH
d-Hydroxycarbonsäureester
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296
19
Substituierte Carbonsäuren
Die 1,2-Addition der Organozink-Verbindung RZnX an die CO-Doppelbindung eines Aldehyds oder Ketons führt in formaler Analogie zur Addition von GRIGNARD-Reagenzien (RMgX) an Carbonyl-Verbindungen zu d-Hydroxycarbonsäureestern. Da die reaktiveren Alkylmagnesiumhalogenide auch an die Ester-Funktion addieren würden, eignen sie sich nicht zur Darstellung von dHydroxyestern. Organocadmium-Verbindungen RCdX sind andererseits gegenüber Aldehyden und Ketonen zu wenig reaktiv. Die REFORMATSKY-Reaktion von Bromessigsäureethylester mit Benzaldehyd führt im "EintopfVerfahren" mit guter Ausbeute zu d-Hydroxy-d-phenylpropionsäureethylester, der unter milden Bedingungen zum c,d-ungesättigten Ester dehydratisiert werden kann: H
H
CH2 CO2C2H 5
C CH2 CO2C 2H5
C CH2 CO2C2H 5
ZnBr
OZnBr
H +
C O
OH
d-Hydroxy-d-phenylpropionsäureethylester [H+]
+ Zn
Br
/ H2O
CH2 CO2C2H 5
H
Bromessigsäureethylester
Zimtsäureethylester
C C H
19.4.2
CO2C2H 5
Reaktionen
Neben typischen Reaktionen der Carboxy- und der Hydroxy-Gruppe zeigen Hydroxysäuren charakteristische ambidente Reaktionen, die auf gleichzeitige Anwesenheit von Hydroxy- und Carboxy-Gruppen zurückzuführen sind.
Reaktionen der Hydroxy-Gruppe Säurechloride wie Acetyl- oder Benzoylchlorid acylieren Hydroxysäuren in Gegenwart einer Hilfsbase zur Bindung des freigesetzten Chlowasserstoffs: O H3C CH CO2 Na
+
C 6H5
C Cl
OH Natriumlactat
+ NaOH
H 3C CH CO2 Na
/ NaCl , / H2O
O
Benzoylchlorid
C
O
C6H 5 O-Benzoyl-Natriumlactat
Zur Überführung der Hydroxysäuren oder Hydroxyester in die entsprechenden Oxosäuren bzw. deren Ester kann die Hydroxy-Funktion mit Oxidationsmitteln oxidiert werden, z.B. mit Kaliumpermanganat: / 2 [H+] , / 2 e0
R CH
(CH2)n CO2H
OH Hydroxysäure
/
R C
(CH2)n CO2H
O Oxosäure
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19.4 Hydroxycarbonsäuren
297
d-Hydroxyester werden wesentlich leichter dehydratisiert als Alkohole, da der entstehende c,d-un-
gesättigte Ester mesomeriestabilisiert ist. R
R
- [H+]
R C
R C
CH 2 CO2R'
R
/ H2 O
CH 2 CO2R' R
OH 2
OH
H
R
/ [H+]
C C
H C C
CO2R'
R
CO2R'
c,d-ungesättigter Ester
Reaktionen der Carboxy-Gruppe Hydroxysäuren sind aufgrund des (/)-I-Effekts der Hydroxy-Gruppe etwas acider als entsprechende Alkansäuren (Essigsäure: pK = 4.75; Glykolsäure: pK = 3.83; Tab. 19.1). Sie lassen sich auf die übliche Weise mit Alkoholen durch Katalyse mit wasserfreier Mineralsäure verestern.
Ambidente Reaktionen Bei der Reaktion mit Thionylchlorid zur Herstellung von Säurechloriden wird auch die HydroxyGruppe substituiert: O R CH
(CH2)n CO2H
+
2 SOCl2
R CH
OH
2 SO2
+
2 HCl
Cl
Cl
y-Hydroxycarbonsäure
+
(CH2)n C
y-Chlorcarbonsäurechlorid
Langkettige c-Hydroxysäuren lassen sich thermisch unter Abspaltung von Kohlenmonoxid und Wasser zu Aldehyden abbauen. R
(CH 2)n
H
200 °C , CO2-Atmosphäre
* CH CO2H
R
(CH 2)n
* CO
+
C
+
H2O
O
OH
Erhitzt man c-Hydroxycarbonsäuren, so spalten sie Wasser ab. Dabei entstehen durch intermolekulare Cyclodehydratisierung Lactide: OH
O
HO
R H
+ H R
OH
HO
F".""/ 2 H2O
O
O H
O
R
R H O
O
Lactid (3,6-Dialkyl-2,5-dioxo1,4-dioxan)
" d-Hydroxysäuren dehydratisieren intramolekular zu c,d-ungesättigten Carbonsäuren: F".""/ H2O
HO CH 2 CH2
CO2H
d-Hydroxypropionsäure
H 2C CH
CO2H
Acrylsäure
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298
19
Substituierte Carbonsäuren
Andererseits bilden i,"f,"g...-Hydroxysäuren bereits beim gelinden Erhitzen durch intramolekulare Cyclodehydratisierung Lactone (innere Ester). Besonders leicht entstehen fünf- und sechsgliedrige Lacton-Ringe: F".""/ H2O
HO
HO
F".""/ H2O
C O
C O O
"i-Hydroxybuttersäure (4-Hydroxybutansäure)
HO
i-Butyrolacton (4-Butanolid)
HO
C
O
O
f-Hydroxyvaleriansäure (5-Hydroxypentansäure)
C
O
f-Valerolacton (5-Pentanolid)
Synthesen und Reaktionen der Lactone c-Lactone können nur mit Hilfe spektroskopischer Methoden in Lösung nachgewiesen werden. dPropiolacton (Karzinogen) sowie i-Butyrolacton als bedeutende Zwischenprodukte für industrielle Synthesen werden durch [2+2]-Cycloaddition aus Formaldehyd und Keten bzw. durch intramolekulare Cyclodehydrierung aus 1,4-Butandiol hergestellt. H2C O +
ZnCl2 oder BF3
Cu (Kat.) , 200 °C
O
H2C C O
OH
HO
O
"/ 2 H2
d-Propiolacton (3-Propanolid)
O
C O
i-Butyrolacton (4-Butanolid)
Makrocyclische Lactone (Makrolide) entstehen durch MITSUNOBU-Cyclodehydratisierung der yHydroxycarbonsäuren mit Azodicarbonsäurediester und Triphenylphosphan (Abschn. 23.4.2). Ein Verfahren der Riechstoffindustrie ist die c-Oxidation und Ringerweiterung höhergliedriger Ketone mit Peroxoschwefelsäure (H2SO5): + H2SO5 , / H2SO4
O O
O O
Cyclopentadecanon
O
Exaltolid (15-Pentadecanolid) mit trans-Konfiguration
Der Duftstoff Exaltolid des Angelikawurzelöls ist ein 16-gliedriges Lacton mit stabiler transKonfiguration an der Lacton-Bindung. Kleine Lacton-Ringe besitzen dagegen eine durch die Ringstruktur erzwungene energiereichere cis-Konfiguration. Der Lacton-Ring ist daher besonders bei d-Propiolacton außerordentlich reaktiv; die Lacton-Bindung kann reduktiv sowie mit Mineralsäure, Ammoniak, Cyanid oder Hydrogensulfit gespalten werden. Na / Hg / H2O
HCl / CH3OH
O
C O
i-Butyrolacton (4-Butanolid)
KCN
KHSO3
NH3
H3C CH 2 CH 2
CO2H
Butansäure
CH 2
CH 2 CH 2
CO2H
4-Chlorbutansäure
NC CH 2
CH 2 CH 2
CO2 K
4-Cyanobutanoat
HO3S CH 2
CH 2 CH 2
CO2H
4-Sulfobutansäure
HO CH 2
CH 2 CH 2
CONH 2
4-Hydroxybutansäureamid
Cl
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19.5 Oxocarbonsäuren und ihre Ester
299
Das durch Ammonolyse des i-Butyrolactons entstehende i-Hydroxybuttersäureamid kann zum fünfgliedrigen Lactam (inneres cis-Säureamid) dehydratisiert werden: H HO H2N C O
N
/ H2O
C O
"i-Butyrolactam (2-Pyrrolidinon)
Wie die höhergliedrigen Lactone bevorzugen Lactame mit mehr als zehn Ringatomen die stabilere trans-Konfiguration.
19.5 Oxocarbonsäuren und ihre Ester 19.5.1
Synthesen
-Oxocarbonsäuren Die wichtigste c-Oxosäure ist die aus racemischer Weinsäure (Traubensäure) beim Erhitzen („Brenzen“) in Gegenwart von Kaliumhydrogensulfat (KHSO4) durch Dehydratisierung und Decarboxylierung entstehende Brenztraubensäure (BERZELIUS 1835): CO2H
CO2H
CH OH
KHSO4
C OH
C O
CH OH
/ H2O
CH
CH2
CO2H
CO2H
CO2H
CO2H Traubensäure
Hydroxymaleinsäure
CO2H / CO2
C O CH3 Brenztraubensäure
Oxalessigsäure
c-Oxosäuren können auch durch Oxidation der c-Hydroxysäuren mit Kaliumpermanganat herge-
stellt werden: +
/ 2 [H ] , / 2 e0
/
H 3C C CO2H
H 3C CH CO2H
O
OH Milchsäure
Brenztraubensäure (2-Oxopropansäure)
Ausgehend von Säurehalogeniden werden nach Substitution des Halogenids durch Cyanid und anschließender Hydrolyse ebenfalls c-Oxosäuren (c-Ketosäuren) hergestellt: O R
C Cl
Carbonsäurechlorid
O
+ KCN / KCl
R
C CN
Acylcyanid
O
+ 2 H2O / NH3
R
C
CO2H c-Oxocarbonsäure
c-Oxosäuren bilden sich auch aus metallierten 1,3-Dithianen und Kohlendioxid (Abschn. 32.4.2).
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300
19
Substituierte Carbonsäuren
-Oxocarbonsäuren Freie d-Oxosäuren sind unbeständig. So decarboxyliert Acetessigsäure (3-Oxobutansäure) bereits bei Raumtemperatur zu Aceton: 25 °C ."/ CO2
H3C C CH2 CO2H
H 3C C CH 3 O
O
Bedeutender als die freie Säure ist Acetessigester (Acetylessigsäureethylester, 3-Oxobutansäureethylester), der aufgrund seiner CH-aciden Methylen-Gruppe bzw. seiner Keto-Enol-Tautomerie (Abschn. 19.5.3) als Synthesereagenz für viele organische Synthesen Anwendung findet. Acetessigester entsteht durch CLAISEN-Esterkondensation des Essigsäureethylesters mit starken Basen wie Natrium-ethanolat (Abschn. 18.10.4). Technisch wird er durch Addition von Ethanol an Diketen hergestellt. Diketen, Dimer des Ketens, entsteht durch katalytische Pyrolyse des Acetons: H3C
Cr , Ni , 180 °C
H2C C O Keten
C O H3C Propanon (Aceton)
C
+
O
H 2C
CH 4
H
H2C
H 2C
+
- C2H5OH
H 3C
O
C
C
OC 2H5
O O Acetessigester
O Diketen
O
C
H C
-Oxocarbonsäuren Die CH-Acidität der d-Oxoester nützt bei der Synthese von i-Oxosäuren. Dabei wird unter Basenkatalyse die Methylen-Gruppe mit Chloressigsäureethylester alkyliert. Anschließende Verseifung und Decarboxylierung ergibt (aus Acetessigester) i-Oxopentansäure (Lävulinsäure), die auch aus Rohrzucker (Abschn. 39.8.1) durch Erhitzen mit Salzsäure unter Druck entsteht. /
+ C2H5O
H 3C C CH 2 CO2C 2H5 O
/"C2H5OH
_ H 3C C CH CO2C 2H5 O
+ Cl
CH 2 / Cl
CO2 C 2H 5 /
H 3C C CH CO2C 2H5 O CH 2 CO2C 2H 5 + 2NaOH
* / CO H 3C C CH 2 CH 2 CO2H O
Lävulinsäure (4-Oxopentansäure = i-Ketovaleriansäure)
19.5.2
2
* H 3C C CH CO2H O CH 2 CO2H
/ 2 C2H5OH
+ 2 HCl , / 2 NaCl
H 3C C CH CO2 Na O CH 2 CO2 Na
Reaktionen der Oxocarbonsäuren
Thermische Umwandlungen Je nach Position der Oxo-Gruppe entstehen aus Oxosäuren beim Erhitzen Aldehyde, Ketone oder Lactone.
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19.5 Oxocarbonsäuren und ihre Ester
301
c-Oxosäuren decarboxylieren beim Erhitzen in wäßriger Säure unter Bildung von Aldehyden: H
150 °C, verd. H2SO4
R CH 2
C CO2H
/ CO2
O
R CH2
C O
"
d-Oxosäuren decarboxylieren beim mäßigen Erwärmen unter Bildung von Methylketonen: R CH 2
F"."/ CO2
C CH2 CO2H O
R CH2
C CH 3 O
" " i-Oxosäuren cyclisieren beim Erhitzen durch nucleophile Addition der Carboxy-OH-Funktion an das Carbonyl-C-Atom zu Lactolen, die zu ungesättigten Lactonen dehydratisieren. Ungesättigte i-
Lactone sind Teilstrukturen einiger Terpene und Steroide; man bezeichnet diese Verbindungsklasse auch als Butenolide. R HO O C
R HO
C O
O
F"."/ H2O
O
R
O
O
und
O
R
O
c,d- und d,i-ungesättigtes Butyrolacton (Butenolid)
Lactol
Reduktion Durch katalytische Reduktion können Oxosäuren und Oxoester in Hydroxysäuren übergeführt werden: -" H2 (Kat.) oder
R CH 2
C (CH 2)n CO2H(R') O
Reduktionsmittel
R CH2
CH (CH 2)n CO2H(R') OH
Derivatisierungen Oxosäuren lassen sich verestern, zu Säurehalogeniden derivatisieren sowie als Hydrazone, Oxime oder Semicarbazone isolieren und identifizieren. d-Oxoester wie Acetessigester reagieren mit Hydrazinen über die Hydrazon-Stufe durch Cyclokondensation leicht weiter zum FünfringHeterocyclus Pyrazolon (Abschn. 33.5.1). Diese Reaktion findet bei der Herstellung einiger Farbstoffe (Pyrazolon-Farbstoffe) und Pharmaka (Pyramidon, Antipyrin) Anwendung. R2 OC 2H5 O C
O
+ H2N NH R2
OC2H 5 O C
N NH R2
/ C2H5OH
O
N
N
/ H2O
R1
R1 Hydrazon
R1 5-Pyrazolon (5-Oxo-4,5-dihydropyrazol)
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302
19
Substituierte Carbonsäuren
CH-Acidität der -Oxocarbonsäureester und Folgereaktionen Präparativ bedeutend sind C-Alkylierungen und Acylierungen der CH-aciden Methylen-Gruppe der d-Oxoester. Wie mit anderen 1,3-Dioxo-Verbindungen können auch KNOEVENAGEL-Alkenylierungen und MICHAEL-Additionen durchgeführt werden. Diese vier für Malonsäurediester typische Reaktionen (Abschn. 18.10) sind auf d-Oxoester übertragbar. ‚
C-Alkylierung von d-Oxoestern mit Halogenalkanen und C-Acylierung mit Carbonsäurehalogeniden: C-Alkylierung + R Br
""/ Br
H 3C C CH CO2C 2H5
/
O R + C2H5O
H3C C CH2 CO2C 2H5
/
/"C2H5OH
O
""""c-Alkylacetessigester (2-Alkyl-3-oxobutansäureethylester)
_ H3C C CH CO2C2H 5 O
O
C-Acylierung + C6H5/CO/Cl
""/ Cl
C
C 6H5
H 3C C CH CO2C 2H5
/
O
"""c-Benzoylacetessigester (2-Benzoyl-3-oxobutansäureethylester)
‚
KNOEVENAGEL-Kondensation mit Aldehyden oder Ketonen: R
CO2C 2H 5
R C O
C OI
R
+
R O
Aldehyd oder Keton
‚
C
R H
Base
H C H
R C C CO2C 2H5
R
"/ H2O
R
HO COCH3
CH3
CO2C2H 5 C C COCH 3
Alkylidenacetessigester
MICHAEL-Addition an aktivierte Doppelbindungen: _ IN C CH CH 2
IN C CH CH 2
CO2C 2H5 +
d
NaOC2H5
H 2C
N C
CH 2
CO2C2H 5
c
CH2
C H
C CH 3
Elektrophil
C CH3 O
O
d-Cyanoethylacetessigester
Acrylnitril (Cyanoethen)
Das in den beiden ersten Reaktionen formulierte Carbanion existiert in Form des Natrium-Salzes, welches sich aus Acetessigester und metallischem Natrium unter Wasserstoff-Entwicklung bildet. Dabei entsteht der ambidente, mesomeriestabilisierte Natriumacetessigester, sowohl Carbanion als auch Enolat-Anion mit konjugierten CC- und CO-r-Bindungen: + Na , / 1/2 H2
H 3C C CH 2 C OC 2H5 O
O
_ H3C C CH C OC2H 5 O
H 3C C CH C OC 2H5
O
IO _I
Na
O
Natriumacetessigester
Natriumacetessigester bildet mit Säure Acetessigester zurück; dieser liegt als Gleichgewichtsgemisch der tautomeren Oxo- und Enolformen vor.
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19.5 Oxocarbonsäuren und ihre Ester
303
Spaltung von -Oxocarbonsäureestern Ein d-Oxoester ist wesentlich stabiler als die freie d-Oxosäure. Oxoester können aber in wäßrig saurer (85 % H3PO4) oder mäßig basischer Lösung in Methylketone, Alkohole und Kohlendioxid gespalten werden (Keton-Spaltung). Unter diesen Bedingungen wird die Ester-Gruppe hydrolysiert, worauf die entstehende freie Oxosäure decarboxyliert. Alkalihydroxide spalten dagegen in Alkylacetat, Acetat und Alkohol. Da zwei Säuren entstehen, ist diese Reaktion als Säure-Spaltung bekannt. Die Säure-Spaltung wird durch nucleophilen Angriff eines Hydroxid-Ions an der Oxo-Gruppe eingeleitet, was eine Spaltung der C-2/C-3-Bindung zur Folge hat. Keton-Spaltung
H3C C CH2 R
+ H2O [H3O+]
H3C C CH CO2C 2H5 + 2 NaOH
O R
R CH2 CO2 Na
Säure-Spaltung
19.5.3
+
C2H 5OH
+
CO2
O +
H 3C CO2 Na
+
C2H 5OH
Oxo-Enol-Tautomerie des Acetessigesters
Spektroskopische und chemische Untersuchungen zeigen, daß Acetessigester unter normalen Bedingungen ein Gemisch aus 92.5 % Oxo-Form (Acetessigester) und 7.5 % Enol-Form (dHydroxyalkensäureester) ist. Oxo- und Enol-Form sind Tautomere; das sind Isomere, die sich durch die Stellung eines H-Atoms und der r-Bindungen unterscheiden. Beide Tautomere wandeln sich durch Protonenwanderung (Prototropie) ständig ineinander um (dynamisches, prototropes Gleichgewicht, Protonentautomerie). Intermediär treten mesomeriestabilisierte Carbanionen und Enolat-Anionen auf: Anionen des Acetessigesters mesomeriestabilisiert , ambidente Reaktivität , sowohl Carbanion als auch Enolat-Anion
H H 3C
C O
C _ H
H C
OC2H 5
O
H 3C
C
H IO _I
C
H C
OC 2H5
H 3C
O
C O
C O
C
C
C
OC 2H5
IO _I H
H
H H H 3C
C
OC2H 5
O
Keto-Tautomer (Oxo-Form) CH-acide 1,3-Dioxo-Verbindung
H3C
C
C
C
OC 2H5
O H Enol-Tautomer O
mit konjugierten Doppelbindungen, stabilisiert durch intramolekulare Wasserstoffbrücke
Die beiden Tautomeren können bei tiefen Temperaturen (/78 °C) isoliert werden. Sie äquilibrieren bei Raumtemperatur nach kurzer Zeit wieder in das ursprünglichen Mischungsverhältnis, besonders in Gegenwart katalytischer Mengen Säure oder Base. Das prozentuale Verhältnis von Oxo- zur Enol-Form ist lösemittel-, temperatur- und konzentrationsabhängig. So steigt der EnolAnteil in lipophilen Solventien (Hexan) auf bis zu 46.4 % und sinkt in protischen polaren Löse-
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304
19
Substituierte Carbonsäuren
mitteln (Wasser) auf 0.4 %. Die verstärkte Enolisierung in unpolaren Medien ist u. a. durch die energetisch günstige intramolekulare Wasserstoffbrücke erklärbar. Die Oxo-Enol-Äquilibrierung verläuft allerdings nicht so rasch, daß chemische Analysen durch Abfangen einer Form ein völlig falsches prozentuales Verhältnis ergeben würden. Durch schnelle Titration mit Brom (Addition an die CC-Doppelbindung des Enols) gelingt die quantitative Ermittlung der Gleichgewichtslage. Präziser sind allerdings nicht invasive spektroskopische Methoden (Abschn. 28.5.5). Nach diesen Messungen enolisieren normale Aldehyde und Ketone nur geringfügig (< 1 ppm). Deutlich höher liegen die Enol-Gehalte der 1,3-Dioxo-Verbindungen wie Malondialdehyd und Acetylaceton (Tab. 19.3, Abb. 28.21, S. 498). Tab. 19.3. Oxo-Enol-Gleichgewichte von Carbonyl-Verbindungen Carbonyl-Verbindung
O x o - Form
E n o l - Form
CH 3 Aceton
H3C
CH2
C
H3C
0.00025
C
O
OH OC 2H5
OC2H 5
CH 2 C Acetessigester
H3C
CH C O
C
H3C
OH CH 3
CH3
CH 2 C H3C
CH C O
C
8.0
O
C
O
Acetylaceton
Enol-Gehalt [%]
H3C
O
87.0
O
C OH
Den unterschiedlichen Enolisierungsgrad kann man aufgrund der Bindungsenergiedaten verstehen: Bei der Enolisierung des Acetons ändert sich die molare Enthalpie um FHm + 84 kJ / mol; die Änderung der molaren Entropie (FSm) ist dagegen gering; die molare freie Enthalpie FGm sollte somit positiv sein. Experimentell ergibt sich K = 10/6 und FGm = + 34 kJ / mol. Beim Acetessigester enthält die Enol-Form dagegen eine konjugierte Doppelbindung (Zugewinn etwa 17 kJ / mol); zusätzlich stabilisiert eine intramolekulare Wasserstoffbrücke (Zugewinn etwa 25 kJ / mol). Somit beträgt der Enthalpiegewinn bei der Enolisierung etwa 84 /"42 = 42 kJ / mol. Qualitativ-chemische Nachweise der Enol-Form sind die Entfärbung einer Lösung von Brom in Tetrachlormethan oder Ethanol sowie die Bildung eines roten Eisen(III)-Chelates mit Eisen(III)chlorid. H Br H 3C Br C C C OC 2H5 O
H
O
Bromaddukt
H
Br 2 / CCl4
H 3C
C O
C H
H
FeCl3 / C2H5OH
C
OC 2H5
O
Acetessigester
H3C
C
C
C
OC 2H5
O
O Fe _
3 Eisen(III)-Chelat
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20.1 Übersicht
305
20 Aldehyde und Ketone 20.1 Übersicht Verbindungen mit der Formyl-Gruppe (/CH=O) bezeichnet man als Aldehyde. Ersetzt man das HAtom der Aldehyd-Funktion durch einen Alkyl- oder Aryl-Rest, so ergibt sich formal ein Keton: O
O
R C
(CH2)n C O
R C
H Aldehyd (R = Alkyl oder Aryl)
R Keton (R = gleiche oder verschiedene Alkyl oder Aryl)
Cycloalkanon (Cyclanon) n>1
Im Falle der Ketone können die Reste R zusammen auch einen cycloaliphatischen Ring bilden. Dann handelt es sich um cyclische Ketone oder Cycloalkanone (Cyclanone). Aldehyde und Ketone gehören mit den Carbonsäuren (R/COOH) aufgrund der gemeinsamen Carbonyl-Gruppe (C=O) zu den Carbonyl-Verbindungen. Von den Carbonsäuren unterscheiden sich die Aldehyde und Ketone sehr deutlich durch ihre Reaktivität. Untereinander zeigen sie jedoch weitgehend analoge Reaktionen. Daher sollen sie gemeinsam besprochen werden.
20.2 Nomenklatur 20.2.1
IUPAC-Bezeichnungen
Die IUPAC-Endsilben für Aldehyde und Ketone sind "-al" bzw. "-on", bei Dialdehyden und Diketonen sinngemäß "-dial" bzw. "-dion". Diese Endungen folgen der IUPAC-Bezeichnung des längstmöglichen Alkans, von dem sich der Aldehyd bzw. das Keton herleiten läßt, z. B.: O H3C CH2 CH2 CH 2 CH3
H3C CH2 CH 2 CH2 C
Pentan
Pentanal O
O
H O
H Cyclobutanon
H Pentandial
CH 3
2-Pentanon O
O C CH 2 C
C CH2 CH 2 CH2 C Cyclobutan
O H3C CH2 CH2 C
H3C CH3 2,4-Pentandion
Die Position von Seitenketten, Substituenten und Mehrfachbindungen wird durch arabische Ziffern gekennzeichnet. Dabei hat die Carbonyl-Gruppe Priorität; sie bekommt also die kleinstmög-
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306
20 Aldehyde und Ketone
liche Bezifferung. Infolge ihrer terminalen Stellung steht die Aldehyd-Gruppe stets in Position 1; diese Angabe erübrigt sich in der Bezeichnung: H Br
H Br H3C
C
H3C
CH2 CH 3
H
CH3
(2R)-(Z)-2-Brom-4-methyl-3-hexen
20.2.2
H 3C
CH 2 C
6
H
C C
C C H
O
C
CH 3
(5R)-(Z)-5-Brom-3-methyl-3-hexenal
Br H O C CH 3 5 2 1 4 C C3 H CH3 C
(5S)-(Z)-5-Brom-3-methyl3-hexen-2-on
Trivialnamen
Die Trivialbezeichnungen der Aldehyde werden meist von den (lateinischen) Namen der entsprechenden Carbonsäuren hergeleitet. Sie tragen die Endung "-aldehyd", z. B.: acidum acet icum (Essigsäure) acidum propion icum Benz oesäure p-Tolu ylsäure
Acet aldehyd Propion aldehyd Benz aldehyd p-Tolu aldehyd
Die Trivialnamen der Ketone enden mit "-keton". Die Bezeichnungen der beiden mit der Carbonyl-Gruppe verknüpften Alkyl-Gruppen werden vorangestellt, und zwar in der Reihenfolge zunehmender Größe, z. B.: H3C
H3C
H3C C CH2 CH 3
C CH3
H3C C CH CH 2 O Methylvinylketon (Butenon)
O Methyl-i-propylketon (3-Methylbutanon)
O Methylethylketon (Butanon)
O Dimethylketon, Aceton (Propanon)
CH3 C CH CH 3
Arylketone nennt man Phenone, z. B.: O C
O C
O HO
CH 3 Benzophenon
Acetophenon
C CH 3
p-Hydroxyacetophenon
Bezeichnungen ausgewählter Aldehyde und Ketone sowie ihre physikalischen Eigenschaften sind in den Tabellen 20.1 und 20.2 zusammengestellt.
20.3 Molekülorbital-Modell der Carbonyl-Gruppe Für das Formaldehyd-Molekül wurde ein H/C/O-Bindungswinkel von 120° und ein CO-Atomabstand von 120 pm bestimmt. Diese der Carboxy-Gruppe (Abschn. 18.3) analoge Geometrie wird durch ein entsprechendes Molekülorbital-Modell erklärt: Das Carbonyl-C-Atom nutzt zur Bildung der koplanaren u-Bindungen mit Sauerstoff, Wasserstoff und den Alkyl-C-Atomen sp2-Hybridorbitale. Über und unter der so gebildeten u-Bindungsebene führt die seitliche Überlappung der beiden 2p-Orbitale des Carbonyl-C- und des Carbonyl-O-Atoms zur r-Bindung (Abb. 20.1 a).
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20.3 Molekülorbital-Modell der Carbonyl-Gruppe
307
r (a)
C
u
O
(b)
_ C OI _
C OI _
Carbonyl-Mesomerie
Abb. 20.1. Seitliche Überlappung koaxialer p-Orbitale zur r-Bindung der Carbonyl-Gruppe (a) und mesomere Grenzformeln (b)
Infolge seines (/)-M-Effekts zieht der Carbonyl-Sauerstoff jedoch die r-Elektronen an sich, so daß die Carbonyl-Gruppe polarisiert wird. Im Valenzstrich-Formalismus schreibt man die CarbonylGruppe daher am besten als Hybrid zweier mesomerer Grenzformeln, von denen eine polar ist (Abb. 20.1 b). Die polare Grenzformel erklärt das Dipolmoment aller Carbonyl-Verbindungen sowie die Elektrophilie des Carbonyl-C-Atoms, welcher zahlreiche Reaktionen der Aldehyde und Ketone zugrunde liegen. Tab. 20.1. Nomenklatur und physikalische Eigenschaften ausgewählter Aldehyde Klasse
Konstitutionsformel
aliphatisch gesättigt
H CHO H3C CHO H3C CH2 CHO CH2 CH2 CHO H3C [CH2] 3 CHO
Trivialname -aldehyd
Schmelzpunkt Siedepunkt °C °C (1011 mbar)
Methanal
Form-
/ 92
Ethanal
AcetPropion-
/ 121 / 81
Propanal Butanal
/ 21 20 49
Löslichkeit g/100g H2O 55 unbegrenzt 16
Butyr-
/ 99
76
7
ValerCapron-
/ 91
[CH2] 4 CHO
Pentanal Hexanal
103 128
0.2 unlöslich
H2C CH CHO
Propenal
Acrolein
/ 88
52
40
(E)-2-Butenal
Croton-
/" 76.5
104
18
Propinal
Propiol-
55
löslich
/ 56
170
0.3
/ 7
197
1.7
(4-Hydroxy-3methoxybenz-, aus Vanille)
80
170
1.0
15
H3C
H3C aliphatisch ungesättigt
IUPACBezeichnung
H
CHO C C H H3C H C C CHO CHO
aromatisch
BenzCHO Salicyl(2-Hydroxybenz-)
OH CHO
Vanillin
HO OCH3 Dialdehyde aliphatisch
OHC
OHC CHO
Ethandial
Glyoxal
CH2 CH2 CHO
Butandial
Succindi-
Dialdehyde aromatisch
CHO
1,2-Benzendicarbaldehyd
Phthaldi-
50
löslich
170
löslich
56
50
unlöslich
116
245
unlöslich
CHO CHO
1,4-Benzendicarbaldehyd
Terephthaldi-
OHC
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308
20 Aldehyde und Ketone
Tab. 20.2. Nomenklatur und physikalische Eigenschaften ausgewählter Ketone Klasse
Konstitutionsformel
aliphatisch gesättigt
H3C
CO CH3
Trivialname
Schmelzpunkt Siedepunkt °C °C (1011 mbar)
Propanon
Aceton (Dimethylketon)
/ 94
unbegrenzt löslich
H3C
CH2 CO CH 3
Butanon
Ethylmethylketon
/ 86
80
CH2 CO CH 3
2-Pentanon
Methylpropylketon
/ 78
102
O
Cyclopentanon
/ 51
131
wenig löslich
O
Cyclohexanon
/ 32
156
9
O
Cycloheptanon
/ 21
179
wenig löslich
Suberon
H2C CH CO CH3
3-Buten-2-on
Methylvinylketon
H2C CH CO CH CH2
1,4-Pentadien3-on
Divinylketon
3-Pentin-2-on
Methylethinylketon
H C C CO CH3 O
aliphatischaromatisch
Löslichkeit g/100g H2O
56
H3C CH 2 cycloaliphatisch gesättigt
aliphatisch ungesättigt
IUPACBezeichnung
81
löslich
49 (100 mbar)
löslich
75 (95 mbar)
löslich
1-Phenylethanon
Acetophenon (Methylphenylketon)
21
202
unlöslich
1-Phenyl1-propanon
Propiophenon (Ethylphenylketon)
21
218
unlöslich
C
Diphenylmethanon
Benzophenon (Diphenylketon)
48
306
unlöslich
CO CO CH 3
2,3-Butandion
Biacetyl (Diacetyl)
C
CH3
O C
O
aromatisch
Diketone aliphatisch
H3C H 3C CO H3C CO
Diketone aromatisch
CH2 CH 3
CH 2 CO CH 3
[CH2] 2 CO CH 3 O C
C
2,4-Pentandion Acetylaceton 2,5-Hexandion
Acetonylaceton
Diphenylethandion
Benzil
/" 2.4 / 23
95
88
25
139
12.5
194
unlöslich
346
unlöslich
O
20.4 Physikalische Eigenschaften Infolge der Polarität der Carbonyl-Gruppe wirken zwischen Aldehyd- und Keton-Molekülen starke Dipol-Dipol-Kräfte. Aldehyde und Ketone sieden daher höher als unpolare Verbindungen vergleichbarer Größe (Tab. 20.3). Da Wasserstoffbrücken stärker sind als Dipol-Dipol-Kräfte, sieden Aldehyde und Ketone tiefer als die assoziierten Alkohole und Carbonsäuren vergleichbarer molarer Masse (Tab. 20.3). Aldehyde und Ketone können dagegen gemischte intermolekulare Wasserstoffbrücken mit Wasser bilden, manchmal sogar sehr stabile Hydrate (z. B. Trichloracetaldehyd- und Hexafluoraceton-Hydrat). Sie lösen sich dann sehr gut in Wasser. Mit zunehmender Größe der Alkyl-Gruppen nimmt die
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20.5 Darstellung von Aldehyden
309
Wasserlöslichkeit jedoch rasch ab, und aromatische Aldehyde und Ketone sind praktisch wasserunlöslich (Tab. 20.1, 20.2). H
CF 3
Cl3C C OH
F 3C C OH
OH Trichloracetaldehyd-Hydrat (Chloralhydrat)
OH Hexafluoraceton-Hydrat
Tab. 20.3.Siedepunkte von Verbindungen vergleichbarer Molekülgröße und unterschiedlicher Polarität Konstitutionsformel
IUPAC-Bezeichnung
Molmasse [g/Mol]
Polarität
Siedepunkt °C (1011 mbar)
unpolar
0
H 3C CH 2 CH2 CH 3
Butan
58
H 3C O CH 2 CH 3 O H 3C CH 2 C H O H 3C C CH 3
Methoxyethan
60
schwach polar
8
Propanal
58
dipolar
49
Propanon
58
dipolar
56
Propanol
60
WasserstoffbrückenBildner
97
Ethansäure
60
WasserstoffbrückenBildner (Dimer)
118
H 3C CH 2 CH2 OH O H 3C C OH
Höhere Alkanale und Alkanone der Summenformel CnH2nO bilden ab n = 3 Paare von Konstitutions- und zugleich Funktionsisomeren. Die Molekülmodelle des Propanals (Propionaldehyd) und Propanons (Aceton) in Abb. 20.2 zeigen dies.
(a)
(b)
Abb. 20.2. Stab- und Kalotten-Modelle der Carbonyl-Verbindungen Propanal (a) und Propanon (b)
20.5 Darstellung von Aldehyden 20.5.1
Oxidation von Methyl- und Hydroxymethyl-Gruppen
Methyl-Gruppen an aromatischen und heteroaromatischen Ringen lassen sich leicht zur FormylGruppe oxidieren. 4-Chlortoluen wird durch Chromtrioxid oder Chromylchlorid in Eisessig zu 4-
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310
20 Aldehyde und Ketone
Chlorbenzaldehyd oxidiert (ETARD-Oxidation). Pyridin-2-carbaldehyd entsteht durch katalytische Oxidation von 2-Methylpyridin (c-Picolin) mit Luftsauerstoff (SAUERMILCH-Oxidation): V2O5 , MoO3
N
+
CH 3
O2
N
C
O
+
H2O
H Pyridin-2-carbaldehyd
2-Methylpyridin (c-Picolin)
Methylketone werden durch Selendioxid zu c-Oxoaldehyden oxidiert (RILEY-Oxidation). Phenylglyoxal kann auf diese Weise aus Acetophenon dargestellt werden: O C
O CH 3
C +
SeO2
C
H +
O
Acetophenon
Se
+
H2O
Phenylglyoxal
Die Hydroxymethyl-Gruppe primärer Alkohole wird katalytisch (Cu) durch Luftsauerstoff oder durch Oxidationsmittel (Cr2O7 2/ in saurer Lösung) zur Formyl-Gruppe oxidiert: Cu oder Cr 2O7 , [H+]
O
2/
R CH 2 OH
+
R C
[O]
+
H2O
H
20.5.2
Überführung der Halomethyl- in die Formyl-Gruppe
Die durch BLANC-Reaktion (Tab. 10.2, Abschn. 10.4.1) zugänglichen Chlormethyl- oder Brommethylarene werden durch Oxidationsmittel (Dimethylsulfoxid, Mangandioxid, Selendioxid) in die Arenaldehyde übergeführt, z. B.:
N C
CH2 Cl
+
O
MnO2
[O]
N C
C
+
HCl
H 4-Cyanobenzaldehyd
4-Chlormethylbenzonitril
Die KRÖHNKE-Reaktion ist eine weitere, allgemeine Methode zur Darstellung substituierter Benzaldehyde aus den Benzylhalogeniden, z. B.: N(CH3) 2
N(CH 3)2 + CH2Br NO2 o-Nitrobenzylbromid
O
N Br
+ N
CH2 NO2 N-(o-Nitrobenzyl)pyridiniumbromid
O
N
/
N C
O H
+ H2O (H2SO4 ) N(CH3) 2
NO2 /
N H Br
C
H
NO2 o-Nitrobenzaldehyd
Nitron NHOH
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20.5 Darstellung von Aldehyden
20.5.3
311
NEF-Reaktion
Aldehyde können durch die NEF-Reaktion aus primären Nitroalkanen dargestellt werden. Ketone bilden sich entsprechend aus sekundären Nitroalkanen. R
H R
R CH2 NO2
C
O Aldehyd
primäres Nitroalkan
R
R CH NO2
R
C
O Keton
sekundäres Nitroalkan
Dabei wird das c-CH-acide Nitroalkan zunächst durch eine Base zum Nitronat deprotoniert. Doppelte Protonierung der beiden Nitro-O-Atome und anschließende Dehydratisierung führt zur cHydroxynitroso-Verbindung, die unter Säurekatalyse zu Distickstoffmonoxid, Wasser und Carbonyl-Verbindung zerfällt. - [H+]
OH
OH
- H2O, / [H+]
C N
C N
OH
OH
O
OH OH
/ [H+]
OH
C N
/ HNO
N2O + H2O )
H
O
C NO2
C
OH
/ [H+]
C
CarbonylVerbindung
c-CH-Nitroalkan
Nitronat
OH
- [H+]
c-Hydroxynitroso-Verbindung
( 2 HNO
O _ C N O
O
C N
- [H+]
20.5.4
OH
/ H2O
C N
Reduktion von Carbonsäure-Derivaten und Nitrilen
Carbonsäurehalogenide lassen sich katalytisch zu Aldehyden hydrieren (Abschn. 18.8.7). Um eine weitere Reduktion der Aldehyde zu vermeiden, wird der Katalysator (Pd) mit Bariumsulfat oder Chinolin und Schwefel gebremst (ROSENMUND-Reduktion). Intermediär treten wahrscheinlich Acylpalladiumchloride auf. O
O
+ Pd (BaSO4)
R C
R C Cl
PdCl
O R C H
+ H2 / Pd , /"HCl
Carbonsäure-imidazolide und -anilide werden durch das Hydrid-Anion als Nucleophil in Form komplexer Metallhydride ebenfalls zu Aldehyden reduziert: O R
C
N
O
LiAlH 4 , Tetrahydrofuran
N
+
Li H
R
C
H
Li
N
Li
N
+
N
Carbonsäure-imidazolid O R
C
N
CH 3
O
LiAlH 4 , Tetrahydrofuran
+
Li H
R
C
H
CH 3
+
Carbonsäure-N-methylanilid
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312
20 Aldehyde und Ketone
Nitrile, die im weitesten Sinne ebenfalls Carbonsäure-Derivate sind, weil ihre Hydrolyse über Carbonsäureamide zu Carbonsäuren führt, können mit Zinn(II)-chlorid in Salzsäure über die Aldimine zu Aldehyden reduziert werden: /
Cl R C NH
+ HCl
R C N
+ 2 H+ , + 2 e0 (SnCl2) / HCl
Imidoylchlorid (Carboximidoylchlorid)
H R C NH
H R C O
+ H2O (H3O+) / NH3
Aldimin
Die Reduktion von Nitrilen zu Aldehyden gelingt auch mit komplexen Metallhydriden wie z. B. LiAlH4 und NaBH4.
20.5.5
Spaltung von Glykolen und Ozoniden
Die Spaltung sekundärer Glykole mit Bleitetraacetat in wasserfreiem Benzen führt zu Aldehyden: / (CH3CO2) 2Pb , / 2 CH3CO2H
+
R CH CH R'
(CH 3CO2)4Pb
OH OH
H R C O
H +
C R' O
Entsprechend können Alkene über die Ozonide (Abschn. 4.5.9) in Aldehyde übergeführt werden, sofern die olefinischen C-Atome nicht vollständig alkyliert sind (sonst entstehen Ketone); die Weiteroxidation zu Carbonsäuren wird durch Zugabe eines Reduktionsmittels unterbunden.
R
Alken (Z oder E)
20.5.6
+ H2O , / H2O2
O O
+ O3
R CH CH R'
R' O Ozonid
H R C O
H +
C R' O
Hydrolyse von Sauerstoff-Heterocyclen
Die c,c'-Dialkoxy-Derivate von Sauerstoff-Heteroalicyclen reagieren als cyclische Acetale. Ihre säurekatalysierte Hydrolyse führt daher zu Dialdehyden. Succindialdehyd (Butandial) läßt sich auf diese Weise durch Hydrolyse von 2,5-Dimethoxytetrahydrofuran mit verdünnter wäßriger Salzsäure darstellen: (HCl)
H3CO
O
OCH3
2,5-Dimethoxytetrahydrofuran
+
H2O
+ C H O O Butandial (Succindialdehyd) H C
2 CH 3OH
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20.5 Darstellung von Aldehyden
20.5.7
313
Formylierung von Alkenen mit Kohlenmonoxid und Wasserstoff
Unter Formylierung versteht man die Einführung der Aldehyd- oder Formyl-Gruppe. Terminale Alkene (Vinyl-Verbindungen) lassen sich z. B. durch Kohlenmonoxid und Wasserstoff in der Hitze katalytisch formylieren: O
[Cr(CO) 4]2
R CH CH2
+
CO
+
H2
R CH2 CH 2 C H
20.5.8
Formylierung mit Orthoameisensäureestern
Orthoameisensäureester reagieren mit Alkylmagnesiumhalogeniden zu Acetalen, die zu den Aldehyden hydrolysiert werden können: + H2O (H3O+)
/ R'OMgX
R
Mg X
+
R'O
R
CH(OR')2
Orthoameisensäuretriester
CH(OR')2
H R C O Aldehyd
/ 2 R'OH
Acetal
" c-Naphthaldehyd kann z. B. in guter Ausbeute aus c-Naphthylmagnesiumbromid und Ortho-
ameisensäuretriethylester dargestellt werden: MgBr +
C
O
+
/ C2H5OMgX
H 5C 2O
+ H 2O (H3O )
CH(OC2H 5)2
/ 2 C2H5OH
""""""c-Naphthylmagnesiumbromid
20.5.9
H
CH(OC2H 5)2
c-Naphthaldehyddiethylacetal
c-Naphthaldehyd
Formylierung von Aromaten durch Formanilide (VILSMEIER-Formylierung)
Donor-substituierte Aromaten und Heteroaromaten lassen sich unter elektrophiler Substitution durch N,N-Dimethylformamid oder N-Alkylformanilide in Gegenwart von Phosphoroxidchlorid formylieren. 4-Methoxybenzaldehyd wird nach dieser VILSMEIER-Formylierung aus Anisol und NMethylformanilid dargestellt: O H C H 3CO
+ H 3C
Anisol
O
(POCl3)
N
N-Methylformanilid
H3CO
H +
C H
p-Methoxybenzaldehyd ( + o-Isomer )
N H3C
N-Methylanilin
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314
20 Aldehyde und Ketone
Dabei bilden N-Methylformanilid und POCl3 zunächst ein mesomeriestabilisiertes Carbenium-Ion: Cl
O
R C N H R'
+
POCl3
_R C N
Cl
R'
H
H
R
Cl +
C N
O P O Cl
R'
Dieses greift elektrophil an einer aktivierten (nucleophilen) Position des Aromaten an und führt zu einem Primärprodukt, dessen Hydrolyse den Aldehyd und N-Methylanilin-Hydrochlorid ergibt: H
Cl _ X
Cl + H
_ R C N
X
C N H
R'
R
R'
/ [H +]
Cl X
R
+ H2O
C N H
R
O X
C
+ H
R'
H2N
Cl R
20.5.10 Formylierung von Aromaten durch Formylhalogenide Die als GATTERMANN-KOCH-Reaktion bekannte Formylierung von Aromaten durch Kohlenmonoxid und Chlorwasserstoff in Gegenwart einer LEWIS-Säure bewährt sich zur Einführung der Aldehyd-Gruppe in p-Stellung von Alkylbenzenen. Kohlenmonoxid und Chlorwasserstoff reagieren dabei wahrscheinlich als Formylchlorid in einer Art FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung: HCl + CO O +
R
Cl
AlCl3 , CuCl
C
O R
C
+
HCl
H
H Formylchlorid
Im Gegensatz zum instabilen Formylchlorid ist Formylfluorid relativ stabil und reagiert insbesondere mit Alkylbenzenen in Gegenwart von Bortrifluorid bevorzugt zu p-Alkylbenzaldehyden: O R
+
F C H Formylfluorid
BF3
O R
C
+
HF
H
20.5.11 Formylierung von Aromaten durch Cyanid und Chlorwasserstoff Bei der GATTERMANN-Synthese aromatischer Aldehyde werden Blausäure [aus Zn(CN)2 und HCl] und Chlorwasserstoff als Formylierungsreagenzien eingesetzt. Diese bislang wenig untersuchte
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20.5 Darstellung von Aldehyden
315
elektrophile Substitution verläuft wahrscheinlich über ein protoniertes Benzaldimin, das zum Benzaldehyd hydrolysiert wird. RO
+
HCN
+
NH2 Cl
ZnCl2
HCl
RO
C
O
+ H2O , / NH4Cl
H protoniertes Benzaldimin
RO
C
H p-Alkoxybenzaldehyd (Hauptprodukt)
Die GATTERMANN-Synthese eignet sich besonders zur Darstellung von Phenol- sowie Phenoletheraldehyden.
20.5.12 Formylierung von Aromaten durch Chloroform Phenole und einige Heteroaromaten können in alkalischer Lösung durch Chloroform formyliert werden, z. B.: OH
OH CHCl3 , OH
O C
/
CH3 4-Methylphenol (p-Kresol)
H
CHCl3 , OH
_ N _ K
CH 3 2-Hydroxy-5-methylbenzaldehyd
Kaliumpyrrolid
/
O N
C
H
H
Pyrrol-2-carbaldehyd
Diese REIMER-TIEMANN-Formylierung führt auch zu Nebenprodukten. Sie ist ebenfalls eine elektrophile Substitution, wobei das aus Chloroform durch c-Eliminierung in alkalischem Medium entstehende Dichlorcarben :CCl2 elektrophil am Ring angreift: CHCl3 + OH / H2O ,
O
+
/ Cl
/
O
I CCl2
O
CCl2 H
R
R
OH CH Cl2
R
O C
+ H3O+ , / 2 HCl
H
R
20.5.13 Industrielle Verfahren zur Herstellung von Acet- und Benzaldehyd Die für organische Synthesen wichtigen Schlüsselverbindungen Acetaldehyd und Benzaldehyd werden in technischem Maßstab dargestellt, Acetaldehyd durch katalytische Hydratisierung von Ethin (Abschn. 15.4.1), Benzaldehyd durch Chlorierung von Toluen über Benzalchlorid: O CH3
hp , Hitze
+ Toluen
2 Cl2
CHCl2
+ 2 H2O
CH(OH)2
/ H2O
C
H
/ 2 HCl
- 2 HCl
c,c-Dichlortoluen (Benzalchlorid)
Benzaldehydhydrat
Benzaldehyd
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316
20 Aldehyde und Ketone
20.6 Darstellung von Ketonen 20.6.1
Oxidation sekundärer Alkohole
Sekundäre Alkohole können nach mehreren Verfahren zu Ketonen oxidiert werden, so mit Chromtrioxid in Eisessig: R
R
CH3CO2H
3 R C OH
+
3
2 CrO3
C O
+
Cr2O3
+
3 H 2O
R
H
Ein milderes Verfahren beruht auf der Redoxreaktion, welche sekundäre Alkohole mit Aceton in Gegenwart von Aluminium-t-butanolat eingehen (OPPENAUER-Oxidation): R R C OH
CH3 O C CH3
+
H
CH 3
R
Al [OC(CH3) 3]3
C O
+
R
HO C CH 3 H
Schließlich können sekundäre Alkohole auch mit N-Bromsuccinimid zu Ketonen dehydriert werden (BARAKAT-Oxidation).
20.6.2
Oxidation aktivierter Methylen-Gruppen
Methylen-Gruppen in c-Stellung zu Carbonyl-Gruppen werden durch Selendioxid zu CarbonylGruppen oxidiert. Diese RILEY-Reaktion (Abschn. 20.5.1) eignet sich auch zur Darstellung von 1,2-Diketonen, z. B.: O
O
1,4-Dioxan
+
SeO2
+
Se
+
H2O
O Cyclohexan-1,2-dion
20.6.3
Bimolekulare Decarboxylierung und Dehydratisierung von Carbonsäuren
Flüchtige Carbonsäuren ergeben unter intermolekularer Decarboxylierung und Dehydratisierung Ketone, wenn man sie in Gegenwart von Mangan(II)-oxid auf 300 °C erhitzt: O R C OH + OH
MnO , 300 °C
R C O
+
CO2
+
H 2O
R
R C O
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20.6 Darstellung von Ketonen
317
Ebenso werden die durch Acylierung von Malonsäurediestern (Abschn. 18.10) entstehenden Acylmalonester nach der Esterverseifung schrittweise zu Methylketonen decarboxyliert: O R C C CO2R' R'O2C H Acylmalonsäurediester
+ H2O / R'OH
O R C C CO2R' HO2C H Acylmalonsäuremonoester
O R C CH 3 Methylketon
/ CO2
/ CO2
O
O R C CH 2 CO2H
+ H2O
R C
/ R'OH
CH2 CO2R'
d-Ketoester
20.6.4
d-Ketosäure
Addition von GRIGNARD-Verbindungen an Nitrile
Alkylmagnesiumhalogenide addieren an Nitrile unter Bildung von Iminylmagnesiumhalogeniden, die in saurer Lösung zu Ketonen hydrolysieren: NMgX R C N
+
R' Mg X
R C
2+
/ Mg / / OH / /X / NH3
R' Iminylmagnesiumhalogenid
20.6.5
O
+ 2 H2O
R C
R'
Acylierung von Dialkylcadmium
Die Reaktion von Carbonsäurehalogeniden mit Dialkyl- oder Diarylcadmium führt unter nucleophiler Substitution von Halogen durch Alkyl oder Aryl zu Ketonen: O 2R C
+
R' Cd R'
X
O 2R C R'
+
CdX2
1-Phenyl-2-butanon kann auf diese Weise aus Dibenzylcadmium und Propionylchlorid dargestellt werden: O 2 H3C CH2 C Cl
+
CH 2 Cd CH2
O
/ CdCl2
2 H 3C CH 2 C CH2 1-Phenyl-2-butanon
Die toxischen Organocadmium-Verbindungen sind durch Reaktion von Alkylmagnesiumhalogeniden mit wasserfreiem Cadmiumhalogenid zugänglich: 2 R Mg X
+
Cd X 2
R 2 Cd
+
2 Mg X 2
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318
20.6.6
20 Aldehyde und Ketone
Spaltung der Ozonide von Tetraalkylethenen
Die Ozonide (Abschn. 4.5.9) von Tetraalkylethenen werden zu Ketonen gespalten, entweder durch katalytische Hydrierung oder durch Zinkstaub in Essigsäure: R
R C C R R
20.6.7
+
R
O3
R
O O O
R
+ H2
R
2 / H2O
R
C O R
Acylierung von Alkenen
Carbonsäurechloride addieren in Gegenwart von LEWIS-Säuren (AlCl3) elektrophil an Alkene unter Bildung von d-Chlorketonen: O
O
AlCl3
+
R C
C C
20.6.8
d-Chlorketon
C C C Cl
Cl
R
Acylierung von Aromaten mit Carbonsäurehalogeniden
Die elektrophile FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung von Aromaten mit Carbonsäurehalogeniden in Gegenwart einer LEWIS-Säure ist eine allgemeine Methode zur Darstellung von Arylketonen, den Phenonen. 2,4-Dihydroxyacetophenon entsteht z. B. aus Resorcin und Acetylchlorid in Gegenwart von wasserfreiem Aluminiumchlorid: CH 3 + HO
OH
O Cl C CH 3
/ HCl
Resorcin
20.6.9
C
AlCl3
O
HO OH 2,4-Dihydroxyacetophenon
Acylierung von Aromaten durch Nitrile
Analog zur GATTERMANN-Formylierung (Abschn. 20.5.11) können Phenole und ihre Derivate durch Nitrile in Gegenwart von Chlorwasserstoff und einer LEWIS-Säure, meist ZnCl2, zu Phenonen acyliert werden. Diese HOUBEN-HOESCH-Reaktion verläuft wahrscheinlich ähnlich wie eine FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung unter Bildung des protonierten Ketonimins als Zwischenstufe: NH Cl HO
+
ZnCl2
R C NH Cl
C
NH2 Cl HO
C R
R + H2O
RCN
+
/ NH4Cl
O
HCl HO
C R
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20.7 Reaktivität der Carbonyl-Gruppe
319
20.7 Reaktivität der Carbonyl-Gruppe Die Carbonyl-Gruppe ist Aldehyden und Ketonen gemeinsam. Ihre Reaktivität beruht auf dem (/)M-Effekt des Carbonyl-O-Atoms, welcher das Carbonyl-C zum elektrophilen Reaktionszentrum polarisiert: _ C OI _
C OI _
Carbonyl-Mesomerie
Infolgedessen verlaufen die meisten Reaktionen der Aldehyde und Ketone unter nucleophiler Addition am Carbonyl-Kohlenstoff: _ Nu
+
_ C OI _
C OI _
_ Nu C OI _
Das Nucleophil B kann neutral oder negativ geladen sein, muß jedoch mindestens ein nicht bindendes Elektronenpaar besitzen. Dies trifft z. B. für Basen im weitesten Sinne (Hydroxid-Anion, Ammoniak, Wasser), Carbanionen und Hydrid-Anionen (in komplexen Metallhydriden) zu. Die nucleophile Addition am Carbonyl-C ist säurekatalysiert; bei der Protonierung wird die Elektrophilie des Carbonyl-C-Atoms durch Kompensation der Basizität des Carbonyl-O-Atoms erhöht: C OI _
+
_ C OI H
C OI H
[H ]
Dagegen wirkt sich eine Kompensation der positiven Ladung am Carbonyl-C (wie etwa der vollständige r-Bindungsausgleich im Carboxylat-Anion) desaktivierend auf die Elektrophilie der Carbonyl-Gruppe aus. Infolgedessen zeigen Aldehyde im Vergleich zu Ketonen mit ihrer zweiten, elektronenschiebenden Alkyl-Gruppe eine erhöhte Reaktivität: O R C
O
FH1 NH3 + [H ]
FHmes (Ar/NH2)
Ar
NH 2 + [H ]
Abb. 22.4. Mesomeriestabilisierung von Anilin und Anilinium-Ion; Vergleich der Protonierungsenergie von Anilin und Ammoniak
22.5.4
Substituenteneinflüsse auf die Basizität aromatischer Amine
Ein aromatisches Amin ist umso basischer, je mehr sich das n-Elektronenpaar am Amino-N-Atom lokalisiert. Donor-Substituenten D in o- und p-Stellung, deren (-)-M-Effekt Elektronenpaare in den Benzen-Ring schiebt, erhöhen demnach die Basizität. Typische Donor-Substituenten sind z. B. /OH, /OCH3, /NR2 (R = H oder Alkyl), weniger ausgeprägt /CH3. Aus diesem Grund ist pPhenylendiamin basischer als Anilin (Tab. 22.1). INH 2
NH3 D
D +
D = /OH , /OCH 3 , /NR 2 , /CH 3 : stärker basisch als Anilin
[H ]
D
D
Andererseits schwächen Akzeptor-Substituenten A die Basizität, da sie über ihren (/)-M-Effekt die Elektronendichte im Benzen-Ring und am Stickstoff senken, das Anilin zusätzlich stabilisieren, das Anilinium-Ion dagegen destabilisieren. Typische Akzeptor-Substituenten sind /NO2, /COOH, /COOR, /COR, /CHO, /CN. 4-Nitroanilin ist deshalb schwächer basisch als Anilin (Tab. 22.1). INH 2
NH3 A
A +
A
[H ]
A = /NO2 , /CO2H , /CO2R , /COR , /CHO , /CN , /Halogen : schwächer basisch als Anilin
A
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380
22 Amine
22.6 Reaktionen 22.6.1
Bildung N-substituierter Ammonium-Salze
Infolge ihrer Basizität bilden die Amine mit Säuren Alkyl- oder Arylammonium-Salze, z. B.: NH2
+
NH3 HSO4
H2SO4
Anilinium-hydrogensulfat (Phenylammonium-hydrogensulfat)
Auch mit stark sauren Phenolen reagieren die Amine zu Salzen. Pikrinsäure (2,4,6-Trinitrophenol) fällt z. B. die Amine aus Lösungen in Ethanol oder Ether als gelbe, kristallisierte Pikrate, die man aufgrund ihrer charakteristischen Schmelzpunkte zur Identifizierung der Amine heranzieht: O2N Ethanol
(H 5C2)3NI
+
HO
(H 5C2)3NH
O2N Pikrinsäure
Triethylamin
22.6.2
NO2
O2N _ IO _
NO2
O2N Triethylammonium-pikrat
Reaktion mit salpetriger Säure
Primäre aliphatische und aromatische Amine reagieren mit Natriumnitrit in saurer Lösung zu Diazonium-Salzen (Diazotierung); als Elektrophil agiert das durch Protonierung der salpetrigen Säure oder aus Distickstofftrioxid gebildete Nitrosonium-Kation (Nitrosyl-Kation +NO): primäres Amin (Nucleophil)
R
NH 2
Nitrosonium-Kation (Elektrophil)
+
H R
N O
N
O
H
N
O O
+
+ [H ]
H
O H
salpetrige Säure
N
N
R
/
/ H 2O
O
O
H
N
/ NO2
OH2
+ [H +]
N
R
H / H 2O
OH N
O
N O
N
N
N
R = Alkyl oder Aryl
N
R N N
R mesomere Grenzformeln eines Alkyl- oder Aryldiazonium-Ions
Distickstofftrioxid
Aryldiazonium-Salze Ar/N2+ X/ sind isolierbare, vielseitig anwendbare Reagenzien der organischen Synthese (Abschn. 23.5 - 8). Dagegen zersetzen sich die Alkyldiazonium-Salze R/N2+ X/ spontan nach ihrer Bildung unter Entwicklung von Stickstoff über intermediäre Carbenium-Ionen in ein Gemisch aus Alkoholen und Alkenen: R NH2
R N N
X """""+
H 2O
N2
+
HX
+
R OH ( + Alkene )
Alkyldiazonium-Salz (instabil)
Diese VAN SLYKE-Reaktion wird zur quantitativen Bestimmung primärer aliphatisch verknüpfter Amino-Gruppen durch gasvolumetrische Messung des entwickelten Stickstoffs genutzt.
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22.6 Reaktionen
381
Die N-Nitrosierung sekundärer aliphatischer und aromatischer Amine mit salpetriger Säure gibt gelbe, ölige, krebserregende N-Nitrosamine, z. B.: H3C
H3C
NaNO2 , HCl
N H
+
HNO2
O N N
+
H2O
N N + O N-Nitroso-N-methylanilin
H2O
H3C
H3C N-Nitrosodimethylamin
NaNO2 , HCl
N H
+
HNO2
H 3C
H3C
Tertiäre aliphatische Amine reagieren mit salpetriger Säure unter Oxidation zu einem Gemisch aus N-Nitrosodialkylaminen, Aldehyden und Ketonen. Tertiäre aromatische Amine werden dagegen am Benzen-Ring elektrophil nitrosiert. Die Nitrosierung des N,N-Dimethylanilins ergibt z. B. pNitroso-N,N-dimethylanilin, eine grüne, kristalline Verbindung. Als Elektrophil fungiert wieder das aus salpetriger Säure entstehende Nitrosonium-Kation. H 3C N O
/ [H+]
H 3C
22.6.3
H3C
NaNO2 , H2SO4
+
N
O N
N
H3C p-Nitroso-N,N-dimethylanilin
N -Oxidation
Wasserstoffperoxid und Peroxycarbonsäuren können in situ bei Gegenwart geeigneter Reaktionspartner elektrophilen (atomaren) Sauerstoff mit Elektronensextett abspalten: H O O
O
_ [ OI _ ]
R C
H
H O O
An die Elektronenlücke dieses Sauerstoff-Atoms kann ein Amino-N-Atom nucleophil addieren; dabei entsteht ein Amin-N-oxid: NI
+
_ [ OI _ ]
_
N OI _ Amin-N-oxid
So reagieren einige tertiäre Amine wie Pyridin mit Peroxiden oder Peroxycarbonsäuren zu stabilen Amin-N-oxiden. _
NI
+
H 2O2
N
OI _
+
H2O
Pyridin-N-oxid
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382
22 Amine
Oft zersetzen sich die N-Oxide tertiärer Amine beim Erhitzen. Die N-Oxidation sekundärer Amine ergibt unter Tautomerisierung der zunächst entstehenden N-Oxide N,N-Dialkylhydroxylamine: R R
NI
+
H
O H R C O O
R R
/ R/CO2H
R R
_
N OI _
N OH
H
sekundäres Amin
Amin-N-oxid
N,N-Dialkylhydroxylamin
Entsprechend bilden sich auch bei der Reaktion von primären Aminen mit Persäuren zunächst NAlkylhydroxylamine, die jedoch meist zu den Nitroalkanen weiteroxidiert werden. R H
NI
+
H
O H R C O O
R
/ R/CO2H
+ 2 R/CO3H
N OH
/ 2 R/CO2H , / H2O
H
primäres Amin
N-Alkylhydroxylamin
R NO2 Nitroalkan
Die N-Oxidation primärer Amine ist keine allgemeine Methode zur Darstellung von NitroVerbindungen. Nitroalkane werden besser durch radikalische, Nitroaromaten besser durch elektrophile Nitrierung dargestellt.
22.6.4
N-Halogenierung
Primäre und sekundäre aliphatische Amine werden bei der Reaktion mit Natriumhypochlorit oder t-Butylhypobromit in alkalischer Lösung N-halogeniert: Cl
NaOH , Cl2
R NH 2
+
2 Cl2
/ 2 HCl
R N Cl N,N-Dichloralkylamin
R
NaOH , Cl2
N H
+
Cl2
R
/ HCl
R N Cl R N-Chlordialkylamin
N-Fluoramine werden als Raketentreibstoffe verwendet. N-Halogenamine explodieren beim Erhitzen; ihre Hydrolyse in wäßriger Säure führt zu Alkylammonium-Salz und Halogen: Cl +
R N
3 HCl
H2O
R NH3 Cl
+
2 Cl2
Cl N,N-Dichloralkylamin
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22.6 Reaktionen
22.6.5
383
N-Acylierung
Primäre und sekundäre Amine reagieren in Gegenwart einer Base mit Carbonsäurehalogeniden zu N-Alkyl- bzw. N,N-Dialkylcarbonsäureamiden. N,N-Dimethylformamid (DMF, R´= H, R = CH3) und N,N-Dimethylacetamid (DMA, R = R´= CH3) als Beispiele sind vielseitig anwendbare Lösemittel. O R NH 2
Base
C R'
+ X
R
O N H
+
Base
C R'
R
/ HX
X
/ HX
R
O N C
H R' N-Alkylcarboxamid R
O N C
R R' N,N-Dialkylcarboxamid
Analog verläuft die Reaktion mit Sulfonsäurehalogeniden, z. B. Benzensulfochlorid unter Bildung von N-Alkyl- bzw. N,N-Dialkylsulfonamiden: O R NH 2
+
Cl
Base
S
/ HCl
O
O
R N H R
+
Cl
Base
S
/ HCl
O
R
O N S
H O N-Alkylbenzensulfonamid R
O N S
R O N,N-Dialkylbenzensulfonamid
Tertiäre Amine reagieren nicht, denn treibende Kraft der N-Acylierung ist die Bildung von Halogenwasserstoff, der seinerseits nur aus einem Amin entstehen kann, das noch ein NH-Atom enthält. Aufgrund der benachbarten elektronenziehenden Carbonyl- oder Sulfonyl-Gruppe sind die NHGruppen der N-Alkylamide nicht basisch, sondern sauer. Die nach Deprotonierung hinterbleibenden Amid-Anionen sind mesomeriestabilisiert: R
O N C H R'
R
O N S
H
O
+ OH
/
/ H2O
+ OH
/
/ H2O
_
R_ O _ C N R' R_ O N _ S O
O _I
R _ C N
R'
R
O N _ S IOI _
N-Alkylcarbonsäure und -sulfonamide lösen sich daher in wäßrigem Alkalihydroxid unter Salzbildung im Gegensatz zu den N,N-Dialkylamiden, welche kein acides NH bieten. Auf diesem Unterschied beruht die HINSBERG-Trennung primärer, sekundärer und tertiärer Amine: Primäre und sekundäre Amine reagieren mit Benzensulfonylchlorid zu N-Alkylbenzensulfonamiden bzw. N,N-
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384
22 Amine
Dialkylbenzensulfonamiden, von denen sich nur die N-Alkylamide in wäßrigem Alkalihydroxid lösen; tertiäre Amine geben keine Benzensulfonamide. Einige Sulfonamide aus 4-(Acetylamino)-benzensulfochlorid wirken als Chemotherapeutika gegen bakterielle Infektionen: NH2
O H3C C N H
22.6.6
O
R
R=
S N O
S
C
R= N
NH Guanidyl-Rest : Sulfaguanidin
H
Thiazolyl-Rest : Sulfathiazol
N -Alkylierung
Halogenalkane alkylieren Amine sukzessive bis zum Tetraalkylammonium-Salz: + R /X
R NH2
+ R /X
R2NH
/ HX
primäres
+ R /X
/ HX
sekundäres
R3N
R 4N X
tertiäres Amin
Tetraalkylammonium-Salz
Die N-Alkylierung verläuft unter nucleophiler Substitution des Halogenids durch das Amin. Ist das Halogenalkan primär, so folgt der Mechanismus dem SN2-Typ: H NI
+
H
H
H
SN2
C
X
H H f-
N
R
H
H X
f/
C
X
N
C
/ HX
H
_
N
H
R
R
R
H C
Die letzte Stufe der N-Alkylierung von Aminen führt zum Tetraalkylammonium-Salz. Man bezeichnet diesen Schritt als Quaternisierung oder erschöpfende Alkylierung. Die erschöpfende Methylierung wird durch Reaktion mit überschüssigem Methyliodid erzielt, z. B.: H3C H 3C CH 2 NI
+
CH3
H 3C H 3C CH 2 N
I
H 3C CH 2
CH 3
I
H 3C CH 2
Diethylmethylamin
Diethyldimethylammonium-iodid
Base
N
+
2 CH 3
I
H
N
/ HI
+
CH 3
N
I H3C
CH3
Pyrrolidin
N-Methylpyrrolidin
I CH3
N,N-Dimethylpyrrolidinium-iodid
Die N-Methylierung von Aminen gelingt auch mit Diazomethan in Gegenwart von Bortrifluorid: ICH2
N NI
+
R 2N H
BF3
R2N CH3
+
N2
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22.6 Reaktionen
385
Im Gegensatz zu den unvollständig alkylierten Ammonium-Salzen, aus welchen sich die Amine durch Alkalihydroxid in Freiheit setzen lassen, NaOH
R3NH X """"""+
R3N
OH
+
H 2O
+
X
werden die Tetraalkylammonium-Ionen von Alkalihydroxiden in der Kälte nicht angegriffen. Mit einer Suspension von Silberoxid in Wasser entsteht jedoch das Tetraalkylammonium-hydroxid, das in wäßriger Lösung verbleibt, während Silberhalogenid ausfällt: R4N X """""""+
AgOH in H2O
R 4N OH """""""+
OH oder Anionen-Austauscher
X
Tetraalkylammoniumhydroxid
Dieser Ionenaustausch läßt sich auch mit Hilfe eines Anionen-Austauschers durchführen. Tetraalkylammonium-hydroxide sind bei Raumtemperatur stabil und aufgrund ihres OH/-Ions den Alkalihydroxiden an Basizität ebenbürtig.
22.6.7
HOFMANN-Eliminierung von Tetraalkylammonium-hydroxiden
Die durch erschöpfende Methylierung von Aminen zugänglichen Tetraalkylammonium-hydroxide spalten beim Erhitzen in Wasser in ein tertiäres Amin und ein Alken, z. B.: CH3
Hitze
C CH 2
CH 2 CH2 N CH3 OH
+
N(CH3)3
+
H 2O
H
CH3 (2-Cyclobutylethyl)trimethylammoniumhydroxid
Ethenylcyclobutan (Vinylcyclobutan)
Diese als HOFMANN-Eliminierung bekannte Reaktion verläuft meist als (in Bezug auf OH/ und R4N+) bimolekulare d-Eliminierung (E2-Reaktion) eines zum Stickstoff d-ständigen Protons durch das Hydroxid-Anion:
_ H OI _ """""""+"
d
C
NR3 C
c
Hitze
d
c
C
C
+
H2O
+
INR 3
H
Das Hydroxid-Ion greift umso leichter am d-Proton an, je geringer die sterische Behinderung am d-C-Atom ist. Die Eliminierungstendenz nimmt also mit abnehmender Alkylierung am d-C-Atom zu (/CHR2 60 °C
N
N C NC
CH3 CH3
/ N2
H 3C
H 3C
C C NI
C C NI H 3C
H 3C
Azobisisobutyronitril ist daher bereits bei tiefen Temperaturen ein Radikalgenerator und eignet sich u. a. zum Starten der radikalischen Polymerisation von Vinyl-Verbindungen R/CH=CH2.
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396
23 Organostickstoff-Verbindungen
Azodicarbonsäurediester, z. B. Diethylazaodicarboxylat (DEAD) und Triphenylphosphan sind die Reagenzien der MITSUNOBU-Reaktion zur Veresterung und Veretherung. Dabei addiert Triphenylphosphan nucleophil an die Azo-Gruppe. Das zwitterionische Phosphoniumhydrazid wird durch die Carbonsäure R1/CO2H protoniert. Nach nucleophiler Substitution des Diethoxycarbonylhydrazins am P-Atom durch den Alkohol R2/OH bildet sich das AlkoxyphosphoniumCarboxylat, das seinerseits durch SN2-Reaktion des Carboxylat-Anions am Alkoxy-C-Atom in Triphenylphosphanoxid und Carbonsäureester zerfällt. H5C 2O2C N N CO2C 2H5
Diethylazodicarboxylat
+ P(C6H5) 3
_ H5C 2O2C N N _ CO2C 2H5 Phosphonium-Hydrazid (H5C 6)3P + R1 CO2H / (H5C6) 3P O
+ R2 OH
(H 5C6)3P OR 2 +
H5C 2O2C N NH CO2C2H 5 (H5C 6)3P
R1 CO2
/
HN CO2C2H5
R 1 CO2
R 1 CO2R 2
Alkoxyphosphonium-Carboxylat
Carbonsäureester
HN CO2C2H5
Der SN2-Mechanismus im letzten Schritt hat bei enantiomeren Alkoholen eine WALDEN-Inversion der absoluten Konfiguration zur Folge, so daß sich die MITSUNOBU-Reaktion auch zur Umwandlung enantiomerer sekundärer Alkohole ineinander eignet, denn die Esterverseifung ändert nichts an der absoluten Konfiguration.
(H 5C6)3P O H + CH 3 CO2 C H5C 6 CH3
/ (H5C6) 3P
CH 3 H O C O C H5C 6 CH3
O
(S)-1-Phenylethoxyphosphonium-Acetat
+ H2O (NaOH) / CH3/CO2H
(R)-1-Phenylethylacetat
H OH C H 5C6 CH3
(R)-1-Phenylethanol
Intramolekulare Varianten der MITSUNOBU-Reaktion sind die Synthese makrocyclischer Lactone aus den entsprechenden Hydroxycarbonsäuren sowie makrocylischer Ether aus den entsprechenden Diolen:
O O Undecalacton
DEAD, P(C6H5) 3
CO2H
OH
DEAD, P(C6H5) 3
O
OH OH 11-Hydroxyundecansäure
Hexan-1,6-diol
Oxepan
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23.5 Aryldiazonium-Salze
397
23.5 Aryldiazonium-Salze Aren- oder Aryldiazonium-Salze entstehen durch Reaktion primärer aromatischer Amine mit salpetriger Säure (Nitrit in mineralsaurer Lösung); diese Reaktion ist als Diazotierung bekannt. + HNO2 (NaNO2 , HX)
Ar
NH 2
+
HX
Ar
NH3 X
Ar N2 X Aryldiazonium-Salz
/ 2 H2O
Während die Alkyldiazonium-Salze auch bei tiefen Temperaturen quantitativ Stickstoff abspalten (VAN-SLYKE-Reaktion, Abschn. 22.6.2), sind Aryldiazonium-Salze verhältnismäßig stabil. Sie lassen sich in manchen Fällen kristallisieren, z. B. als Tetrafluorborate: N 2 BF 4
Phenyldiazonium-tetrafluorborat
Ihre Stabilität verdanken die Aryldiazonium-Salze der Mesomerie des Aryldiazonium-Ions: NI N _
N NI _
N NI
N NI _
N NI _
mesomere Grenzformeln des Phenyldiazonium-Ions
Viele Aryldiazonium-Salze, insbesondere Nitrate und Perchlorate, zerfallen in trockenem Zustand unter Explosion. Bei Synthesen werden daher meist die nach der Diazotierung entstandenen frischen Lösungen der Diazonium-Salze verwendet. Aryldiazonium-Salze können unter Abspaltung von Stickstoff je nach den Reaktionsbedingungen sowohl Aryl-Radikale als auch Aryl-Kationen bilden. Die Folgereaktionen dieser Zwischenstufen ermöglichen zahlreiche Synthesen. Das Diazonium-Ion selbst ist ein Elektrophil und eignet sich insofern zur Einführung der Arylazo-Gruppe Ar/N=N/ (Azo-Kupplung, Abschn. 23.8).
23.6 Radikalische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen 23.6.1
Darstellung von Halogenaromaten aus Aryldiazonium-Salzen (SANDMEYER-Reaktion)
Aryldiazonium-halogenide reagieren in Gegenwart von Kupfer(I)-halogenid unter Abspaltung von Stickstoff zu Arylhalogeniden. Diese SANDMEYER-Reaktion bewährt sich zur Darstellung von Chlor- und Bromaromaten: Cu X
Ar
N2 X
Ar
X
+
N2
X = Cl , Br
Anstelle von Kupfer(I)-halogenid kann auch Kupferpulver verwendet werden (GATTERMANNVariante). Im ersten Schritt der SANDMEYER-Reaktion reduziert Kupfer(I) das Aryldiazonium-Ion zu Stickstoff und Aryl-Radikalen. Bei seiner anschließenden Reaktion mit dem Halogenid-Anion
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398
23 Organostickstoff-Verbindungen
überträgt das Aryl-Radikal ein Elektron auf das im ersten Schritt entstandene Kupfer(II). Dabei entsteht ein Halogenaromat unter Regeneration von Kupfer(I). Ar
N2 X "
+
Cu
+
X
+
Cu2
X
+
e0
+
Cu 2
Ar
X
+
Cu
Ar
Ar
Die SANDMEYER-Reaktion eignet sich gut zur Bromierung und Chlorierung, nicht jedoch zur Fluorierung und Iodierung von Aromaten. Pseudohalogenide wie Cyanide (CN/), Thiocyanate (SCN/) und Nitrite reagieren mit Aryldiazonium-Salzen in Analogie zur SANDMEYER-Reaktion unter Bildung von Cyano-, Thiocyanato- und Nitroaromaten. Eine präparative Anwendung ist die Darstellung des 2-Thiocyanatobenzaldehyds aus o-Nitrobenzaldehyd in drei Stufen: NO2 C
Reduktion Fe2+ , NH3
NH 2
O
C
H
23.6.2
1.) HCl 2.) NaNO2
N2 Cl
O
C
H
SCN
+ Cu SCN
O
/ Cu Cl , / N2
H
C
O
H 2-Thiocyanatobenzaldehyd
Mercurierung über Aryldiazonium-Salze (NESMEJANOW-Reaktion)
Phenyldiazonium-Chlorid reagiert mit Quecksilber(II)-chlorid zunächst zum Trichlormercurat(II), welches bei Gegenwart von metallischem Kupfer in Phenylquecksilberchlorid übergeht: N 2 Cl
+
+ 2 Cu
N 2 [ HgCl3 ]
HgCl2
Hg Cl
/ 2 Cu Cl
Phenyldiazonium-trichlormercurat
+
N2
Phenylquecksilberchlorid
Auch diese NESMEJANOW-Reaktion verläuft wahrscheinlich über Aryl-Radikale, welche durch reduktive Spaltung der Aryldiazonium-Ionen entstehen.
23.6.3
Arylierung von Aromaten durch Aryldiazonium-Salze (GOMBERG-BACHMANN-Reaktion)
Macht man die durch Diazotierung entstandene zunächst saure Lösung eines AryldiazoniumSalzes unter Zusatz eines aromatischen Kohlenwasserstoffes alkalisch, so bildet sich ein Biaryl: /
(OH )
Ar
N2 X
X = Cl , Br
+
H Ar´ / HX
Ar Ar´ Biaryl
+
N2
Biphenyl (Ar = /C6H5 ) erhält man z. B. durch Reaktion von Phenyldiazoniumchlorid mit Benzen in Gegenwart von Alkalihydroxiden. Diese GOMBERG-BACHMANN-Reaktion ist eine allgemeine Methode zur direkten Verknüpfung aromatischer Ringe; sie läßt sich auch intramolekular durch-
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23.7 Ionische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen
399
führen, so daß sich ein Ring schließt (PSCHORR-Variante der GOMBERG-BACHMANN-Reaktion). Aus 2-Amidodiphenylmethan entsteht z. B. über das Diazonium-Salz Fluoren: Cl N2
1.) HCl 2.) NaNO2
NH 2
/
(OH ) / HCl , / N2
Fluoren
2-Aminodiphenylmethan
Die GOMBERG-BACHMANN-Reaktion verläuft über Aryl-Radikale (Ar .) welche unter den Reaktionsbedingungen (alkalische Lösung) wahrscheinlich durch Spaltung der Diazoanhydride entstehen. Letztere bilden sich in alkalischer Lösung über die Diazonium- bzw. die Diazohydroxide: 2 Ar
+ 2 OH
N 2 X"
/ HX
/
N OH 2 Ar
N2 OH"
2 Ar
Diazonium-hydroxid
N
Diazohydroxid N O N
O N N N Ar Diazoanhydrid
Ar
Ar
+
Aryl-Radikal
Ar
N
Azoxy-Radikal
Die Aryl-Radikale reagieren mit einem Aromaten zu einem mesomeriestabilisierten BiarylRadikal, welches mit dem Azoxy-Radikal Ar/N?N/O. unter Regeneration des Diazohydroxids das Biaryl bildet: H
H Ar
H
Ar
N O
H
Ar
Ar
+ Ar
N
/ Ar
N
Ar
+ N OH
23.7 Ionische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen Die ionische Spaltung von Aryldiazonium-Salzen führt zu Stickstoff und Aryl-Kationen, welche der nucleophilen Substitution durch einen Elektronendonator (Anion, Base) zugänglich sind: /
/ N2
Ar
N2
+ IB oder IB
Ar
[ Ar ]
B oder Ar
B
Dieses allgemeine Reaktionsschema liegt den folgenden Reaktionen zugrunde.
23.7.1
Bildung von Phenolen über Aryldiazonium-Salze
Beim Erwärmen („Verkochen“) wäßriger Lösungen von Aryldiazonium-Salzen bilden sich Phenole, Ar/OH. Die Reaktion läßt sich als nucleophile Substitution durch Wasser formulieren: +
/"[H ]
+ H2O , / N2
Ar
N2
[ Ar ]
+
OH2
Ar
OH 2
Ar OH Phenol
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400
23 Organostickstoff-Verbindungen
3-Chlorphenol wird z. B. aus 3-Chloranilin über dessen Diazonium-Salz dargestellt: 1.) HCl 2.) NaNO2
+ H2O , 80 °C
NH2
N 2 Cl
Cl 3-Chloranilin
23.7.2
OH
/ HCl , / N2
Cl 3-Chlorphenyldiazonium-chlorid
Cl 3-Chlorphenol
Bildung von Fluorbenzen aus Aryldiazonium-tetrafluoroboraten (BALZ-SCHIEMANN-Reaktion)
Erhitzt man Aryldiazonium-tetrafluoroborate, so bilden sich Fluoraromaten, wobei ein Fluorid als Nucleophil reagiert: Hitze , / N2
Ar
N2 [BF 4]
[Ar ]
+
F BF 3
Ar
F
+
BF 3
Die Reaktion eignet sich gut zur Darstellung substituierter Fluorbenzene, z. B.: Hitze
F
N2 [BF 4]
N2
+
BF 3
Cl 3-Fluorchlorbenzen
Cl 3-Chlorphenyldiazonium-tetrafluoroborat
23.7.3
+
Bildung von Arylaziden über Aryldiazonium-Salze
Als Nucleophil kann auch das Azid-Anion die Diazonium-Gruppe von Aryldiazonium-Ionen verdrängen. Dabei entstehen die explosiven Arylazide, welche ihre begrenzte Stabilität einer Mesomerie verdanken: / N2 , / Na X
Ar
N2 X
+
Na N3
Ar _ N _ N NI
Ar N _ N NI _
Ar _ _ N _ N
mesomere Grenzformeln der Arylazide
23.7.4
NI
Reduktion von Aryldiazonium-Salzen
Mit Alkoholen, hypophosphoriger Säure oder komplexen Metallhydriden (Na+[BH4]/) werden Aryldiazonium-Salze Ar/N2+X/ zu den entsprechenden Kohlenwasserstoffen Ar/H reduziert. Dabei wirkt das Hydrid-Anion wahrscheinlich als Nucleophil: NaBH4
Ar N 2
+
IH
Ar
H
+
N2
Diese reduktive Spaltung der Aryldiazonium-Salze erlaubt die Entfernung einer Amino-Gruppe aus einem aromatischen Ring. Durch mildere Reduktionsmittel wie Natriumhydrogensulfit oder Zinn(II)-chlorid in saurer Lösung wird die Diazonium-Gruppe /N2+ nicht vom Ring abgespalten,
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23.8 Azo-Aromaten, Azo-Kupplung
401
sondern zur Hydrazino-Gruppe /NH/NH2 reduziert. Auf diese Weise gelingt die Darstellung von Arylhydrazinen: NI Ar
N _
Ar
N NI
+
4 [H ]
+
4 e0
Ar
NH NH3 Cl
Arylhydrazin-hydrochlorid
23.8 Azo-Aromaten, Azo-Kupplung 23.8.1
Struktur der Azo-Arene
In Azo-Arenen (Azo-Aromaten, aromatische Azo-Verbindungen) sind zwei Aryl-Gruppen mit der Azo-Gruppe /N=N/ verknüpft. Die allgemeine Formel für diese Verbindung ist also Ar/N=N/Ar. Der einfachste Vertreter ist das orange Azobenzen, welches als trans-Isomer isoliert wird und durch Ultraviolett-Bestrahlung in das cis-Isomer mit höherem Schmelzpunkt und Dipolmoment o, sowie kürzerwelligem Lichtabsorptionsmaximum nmax übergeht (Photoisomerisierung):
trans- Azobenzen o = 0 Debye ; Schmp. 68 °C nmax = 315 nm
hp
N N
cis - Azobenzen o = 3.0 Debye ; Schmp. 71.5 °C nmax = 255 nm
N N
Substituierte Derivate des Azobenzens sind als Azo-Farbstoffe bekannt; sie zählen zu den bedeutendsten Farbstoffklassen. Die wichtigste Methode zu ihrer Herstellung ist die Azo-Kupplung.
23.8.2
Darstellung von Azo-Arenen durch Azo-Kupplung
Als Kation ist das Aryldiazonium-Ion elektrophil. Es kann daher mit nucleophilen Aromaten unter Bildung der farbigen Azo-Arene reagieren (kuppeln). Diesen Spezialfall der elektrophilen Substitution nennt man Azo-Kupplung. Ar Ar Ar N NI
N _ NI
+
H
_ D
Ar
N N D
N N
_ D
H Aryldiazonium-Salz
nucleophiler Aromat
Arylazo-Verbindung
Donor-Substituenten D mit (-)-M-Effekt wie /OR und /NR2 (R = H oder Alkyl) drücken ihre nichtbindenden Elektronenpaare in die o-, o´- und p-Stellung und aktivieren dort den Benzen-Ring zum Nucleophil. Daher beobachtet man Azo-Kupplungen meist mit Phenolen, Phenolethern und aromatischen Aminen. Dabei kuppelt das Diazonium-Kation aus sterischen Gründen bevorzugt in p-Stellung zum Substituenten X. Die Azo-Kupplung verläuft in schwach sauren, neutralen oder sehr schwach alkalischen Lösungen. In stark alkalischer wäßriger Lösung reagieren die Aryldiazonium-Salze über Diazonium-
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402
23 Organostickstoff-Verbindungen
Hydroxide und Diazohydroxide (Abschn. 23.6.3) zu den Diazotaten, welche in der Wärme zu den stabileren iso-Diazotaten isomerisieren: Ar
Ar
+ NaOH
N N
/ H2O
OH Diazohydroxid
O Na
Wärme
Ar
N N
N N O Na iso-Diazotat
Diazotat
Die cis-trans-isomeren Diazotate sind nicht mehr elektrophil. Daher erfolgt in stärker alkalischen Lösungen keine Azo-Kupplung. Auch in stärker sauren Lösungen unterbleibt meist die AzoKupplung, da unter diesen Bedingungen die (-)-M-Effekte der Substituenten /X infolge Protonierung abgeschwächt werden. Amine bilden z. B. Ammonium-Salze, Phenole und Phenolether Oxonium-Ionen: _ NR 2
+ [H +]
Ar
+ [H ]
Ar
_ OR _
Ar
NHR 2
Arylammonium-Ion
Ar
OHR
Aryloxonium-Ion
+
Kupplung mit primären und sekundären aromatischen Aminen Die Kupplung von Diazonium-Ionen an primäre und sekundäre aromatische Amine führt oft nicht direkt zu den Azo-Verbindungen, sondern zu den Diazoamino-Verbindungen oder Diaryltriazenen: Ar´ N N Ar
Diaryltriazen
R
N
Phenyldiazoniumchlorid reagiert z. B. mit Anilin in der Kälte zunächst unter nucleophiler Addition des Amino-N-Atoms an der Diazonium-Gruppe zum isolierbaren farblosen Diazoaminobenzen: _ N N _
N NI
Cl
_ + H 2N
H / HCl
N N N
H
N
Cl
N N H
Diphenyltriazen (Diazoaminobenzen)
Diaryltriazene (Diazoamino-Arene) bilden zwei Tautomere, die sich nachweisen und isolieren lassen, sofern verschieden substituierte Benzen-Ringe an das Triazen-System gebunden sind, z. B.:
N N H3C
N
N N H
H3C
N H
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23.8 Azo-Aromaten, Azo-Kupplung
403
Beim Erwärmen in schwach saurer Lösung isomerisieren die Triazene in die AminoazoVerbindungen. Aus Diazoaminobenzen entsteht dann z. B. das gelbe 4-Aminoazobenzen. Diese Umlagerung schließt die Azo-Kupplung ein: H
_ N
N N N
H
_ NH2
+
N _
Cl
/ [H+]
N
N N
N
NH2 H
NH 2
4-Aminoazobenzen
Kupplung mit tertiären aromatischen Aminen Bei tertiären aromatischen Aminen ist der nucleophile Angriff des Amino-N-Atoms an der Diazonium-Gruppe durch die N-Alkyl-Gruppen sterisch behindert. Infolgedessen führt die Kupplung direkt zu den Azo-Verbindungen. Ein Beispiel ist die Synthese der 4-(N,N-Dimethylamino)azobenzen-4´-sulfonsäure aus diazotierter Sulfanilsäure und N,N-Dimethylanilin.
O3S
HO3S
NH 3
+ HNO2
O3S
/ 2 H2 O
N N O3S
+
N2
N N
_ N(CH3)2
N(CH3)2 H N(CH 3)2
diazotierte Sulfanilsäure (Zwitterion)
N,N-Dimethylanilin
4-(N,N-Dimethylamino)azobenzen-4'-sulfonsäure
Das Natrium-Salz dieser Azo-Verbindung ist als Indikatorfarbstoff "Methylorange" bekannt. Die gelbe Lösung dieses Salzes schlägt bei Säurezusatz nach rot um. Der Farbumschlag beruht auf der reversiblen Bildung eines mesomeriestabilisierten Zwitterions (Betain). HO3S
HO3S
HO3S
+ [H+]
N N
N N / [H+]
IN(CH3)2
N N
H
H
N(CH 3)2
IN(CH3)2 benzoide Grenzformel
gelb
p-chinoide Grenzformel
rot
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404
23 Organostickstoff-Verbindungen
Kupplung mit Phenolen Die Kupplung von Phenolen (Ar/OH) oder Phenolethern (Ar/OR) führt ebenfalls direkt zu AzoVerbindungen. Sie gelingt mit Phenolen besonders leicht in schwach alkalischer Lösung, da dann Phenolate Ar/O/ vorliegen. In diesen ist das /O/-Anion ein im Hinblick auf die elektrophile Substitution wirksamerer Elektronendonor als die OH-Gruppe, wie es die mesomeren Grenzformeln (Abschn. 21.5.1) beschreiben. Während für Phenol die Grenzformeln zwitterionisch sind, sind jene des Phenolats nucleophile Anionen (Abschn. 21.5.1). Ein Beispiel einer Azo-Kupplung mit Phenolen ist die Reaktion von diazotierter Sulfanilsäure mit d-Naphthol zu dem Azofarbstoff "d-Naphthylorange" in alkalischer Lösung. Na
O3S
+
N _ N _ Na
Na
O3S
NaOH
N N
_ IO _
diazotierte Sulfanilsäure
O3S
H
N N H
IO _
O 1-Phenylazo-2-naphthol4'-natriumsulfonat (d-Naphthylorange)
Natrium-dnaphtholat
Kupplung mit CH-aciden Verbindungen Aryldiazonium-Salze als Elektrophile reagieren mit Carbanionen CH-acider Carbonyl-Verbindungen. Mit Malonsäurediethylester entsteht Phenylazomalonsäurediethylester, der zum Phenylhydrazon des Mesoxalsäurediethylesters tautomerisiert: H
Ph Ph
H N _ N _
+
CO2C 2H5
NaOC 2H5 / HCl
CO2C 2H5
Ph = Phenyl
Ph N
CO2C 2H5 C
C H
Cl
N N
CO2C2H 5
CO2C2H 5 O C
N C
H CO2C2H 5 Phenylazomalonsäurediethylester
CO2C 2H 5 Mesoxalsäurediethylesterphenylhydrazon
CO2C 2H 5 Mesoxalsäurediethylester (Oxomalonsäurediester)
Enthält die Phenylazo-Verbindung kein tautomerisierbares H-Atom, so spielt sich die JAPPKLINGEMANN-Reaktion ab. Dabei entfernt sich eine Ester-Funktion im alkalischen Milieu als Kohlendioxid und Alkohol. Das verbleibende mesomeriefähige Carbanion reagiert bei der Aufarbeitung in neutralem bis saurem Medium mit einem Proton zum Arylhydrazon. Ar N N C R
CO2C 2H5
+ OH
E
/
Ar
O N N
OC 2H5 OH
C R
E
Ar N N
N N C E
/ C 2H5OH
+
C E
R
R +
+ H3O
CO2C2H 5
Ar Cl
Ar
/ HCl
NaOC 2H5
N _ N _
"""/ CO2
H C R E
E = CO2C2H 5, COCH 3, CN
Arylhydrazon eines c-Ketoesters (E = CO2C2H5) 1,2-Diketons (E = COCH3) c-Ketonitrils (E = CN)
/ H2O
Ar N N H
C E R
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23.9 Organostickstoff-Verbindungen, Übersicht
23.8.3
405
Andere Methoden zur Darstellung aromatischer Azo-Verbindungen
Die Azo-Kupplung als Methode zur Darstellung aromatischer Azo-Verbindungen ist auf Aromaten beschränkt, welche durch elektronenschiebende Gruppen substitutiert sind. Azobenzen selbst läßt sich z. B. nicht durch Kupplung von Phenyldiazonium-Salzen an Benzen darstellen. Es entsteht jedoch bei der Reduktion von Nitrobenzen mit Natriumamalgam oder komplexen Metallhydriden (Li+[AlH4]/), durch Oxidation bzw. Dehydrierung von Hydrazobenzen (1,2-Diphenylhydrazin) oder durch Kondensation von Nitrosobenzen mit Anilin: Hydrazobenzen NH NH / 2 [H+] ,
- 8 [H+] , - 8 e0
2
/ 2 e0
/
/
NO2
/ H2O
Nitrobenzen
+
N O
N N
Azobenzen
H 2N
Nitrosobenzen
Anilin
Die allgemeinste Methode zur Darstellung aromatischer Azo-Verbindungen ist neben der AzoKupplung die Kondensation von Nitroso-Verbindungen (Ar/N=O) mit primären aromatischen Aminen (Ar/NH2). Nitrosoaromaten erhält man entweder durch elektrophile Nitrosierung nucleophiler Aromaten (Abschn. 22.6.2) oder durch Oxidation von Arylhydroxylaminen, die ihrerseits bei der Reduktion von Nitroaromaten entstehen (Reduktionsschema von Nitrobenzen nach HABER, Abschn. 22.4.5). /
Cr 2O72 , H2SO4 / "/ 2 [H+] , / 2 e0
Zn , NH4Cl / - 4 [H+] , - 4 e0
Ar
NO2
Nitroaren
Ar
NH OH
Arylhydroxylamin
O Ar
N
Nitrosoaren
23.9 Organostickstoff-Verbindungen, Übersicht Organostickstoff-Verbindungen umfassen außer den bisher besprochenen Aminen, Diazo- und Azo-Verbindungen zahlreiche weitere Stoffklassen, darunter auch einige Kohlensäure-Derivate (Abschn. 25). Tab. 23.1 gibt eine kleine Auswahl der wichtigsten Vertreter sowie allgemeiner Verfahren zu ihrer Darstellung.
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406
23 Organostickstoff-Verbindungen
Tab. 23.1. Organostickstoff-Verbindungen , Übersicht Stoffklasse Nitrate Nitrite
funktionelle Gruppe
Beispiel
Bezeichnung
Allgemeine Darstellungsmethoden
O NO2
H 3C CH 2 O NO2
Ethylnitrat
Veresterung von Salpetersäure
O NO
H 3C CH 2 O NO
Ethylnitrit
Veresterung von salpetriger Säure
H 3C CH 2 CH 2 NO2
NitroVerbindungen
(Ar) R NO2
NitrosoVerbindungen
(Ar) R NO NH OH
Hydroxylamine
1-Nitropropan
Nitroalkane : radikalische Nitrierung v. Alkanen
NO2
Nitrobenzen
Nitroarene : elektrophile Nitrierung v. Arenen
N O
Nitrosobenzen
Reduktion von Nitro-Verbindungen Oxidation von Hydroxylaminen elektrophile Nitrosierung von Arenen
N,N-Dimethylhydroxylamin
Alkyl : COPE-Eliminierung
(CH3)2N OH NH OH
Nitrile (Cyanide)
H 3C C N
C N
Amine
Aminosäuren (c-Aminocarbonsäuren)
Acetonitril
R CN + X
Dehydratisierung von Carboxamiden O P2 O5 Ar CN + H2O Ar C NH 2 Dehydratisierung von N-Alkylformamiden H POCl 3 R N R N C + H 2O C O H
N C
H 3C N C
Methylisocyanid
R NH2 R NHR R NR2
H3C NH 2 (H 3C)2NH (H 3C)3N
Methylamin Dimethylamin Trimethylamin
Abschn. 22.4
R CH CO2
H 3C CH CO2
Alanin (2-Aminopropansäure)
R CH CO2H
Glycyl-alanin
Abschn. 37
N,N-Dimethylacetamid
Abschn. 18.7.5 , 18.8.3
NH 3
NH3 H
Peptide, Proteine
N
H
O
O H 2N
C
C
n
R
X
/ HX
R CH CO2 NH 3
CH 3 N
CO2H
O
C
R
+ NH3
H
O Carboxamide
Aryl : Reduktion von Nitro-Verbindungen KOLBE-Synthese: R X + CN
Benzonitril
C N
Isonitrile (Isocyanide)
Phenylhydroxylamin
N
H 3C
C
N
CH 3
CH 3 R Cyanate
H3C O C N
O C N
Methylcyanat
N C O
Phenylisocyanat
Abschn. 22.4.9 , 25.2.2
Diazomethan
Abschn. 23.1.2
Phenyldiazonium-chlorid
Abschn. 23.5
Azodicarbonsäurediethylester
Abschn. 23.4
Azobenzen
Abschn. 23.8
H 5C6
R Isocyanate
N C O
Diazoalkane
IC N N
AryldiazoniumSalze
Ar
AzoVerbindungen
N N
CH 2 N N
N N X
N N Cl CO2C 2H 5 N N H5C 2O2C
C 6H 5 N N
H 5C 6 Hydrazine
Azide
NH NH 2
H5C 6 NH NH2
Phenylhydrazin
Abschn. 23.7.4
NH NH
H5C 6 NH NH C 6H 5
Hydrazobenzen
Reduktion von Azoarenen
Phenylazid
Abschn. 23.7.3
Trimethylsilylazid
(H 3C)3Si
Carbonsäureazid
Abschn. 22.4.9
(Ar)R
N3
N N N (H 3C)3Si O R C N3
N3
+ NaN 3
Cl
/ NaCl
(H 3C)3Si
N3
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24.1 Übersicht, Nomenklatur und Vorkommen
407
24 Organoschwefel-Verbindungen 24.1 Übersicht, Nomenklatur und Vorkommen Da Schwefel in der sechsten Gruppe des Periodensystems dem Sauerstoff folgt, lassen sich für die meisten Verbindungen mit zweibindigem Sauerstoff (Alkohole, Phenole, Ether, Ketone, Carbonsäuren) auch entsprechende Schwefel-Analoga formulieren (Tab. 24.1). Im Unterschied zu Sauerstoff kann Schwefel jedoch mit Hilfe seiner 3d-Orbitale auch mehr als divalent, d. h. in höheren Oxidationsstufen vorliegen. Tetra- bzw. hexavalent ist Schwefel z. B. in den Sulfinsäuren und Sulfoxiden bzw. Sulfonsäuren und Sulfonen (Tab. 24.1). Tab. 24.1 gibt eine Übersicht der wichtigsten Verbindungsklassen mit di-, tetra- und hexavalentem Schwefel, jeweils mit einem Vertreter und dessen Trivial- und IUPAC-Bezeichnung. Die flüchtigen Thiole, Thiophenole, Thioether und Thiocarbonsäuren erkennt man an ihrem penetranten Geruch. Alle Organoschwefel-Verbindungen wirken als Katalysatorengifte, was manche organische Synthese erschwert, z. B. in der Petrochemie, da im Erdöl einige schwer abtrennbare Schwefel-Verbindungen vorkommen. Auch der pflanzliche und tierische Organismus produziert Thiole. So entweicht 1-Propanthiol aus frisch geschnittenen Zwiebeln; 2-Furylmethanthiol prägt das Kaffeearoma; 1-Butanthiol schockiert im Skunk-Sekret. Die Mercaptoaminosäure L-Cystein, eine der essentiellen Aminosäuren, ist ein Baustein natürlicher Polypeptide und Proteine. NH3
O H3C CH2 CH 2 CH 2 SH
CH 2 SH
1-Butanthiol
HS CH2 C CO2
2-Furylmethanthiol
Zwitterionen-Form des L-Cysteins
H
24.2 Thiole 24.2.1
Darstellung
Nucleophile Substitution von Halogenalkanen Als Methoden zur Darstellung von Thiolen aus Halogenalkanen eignen sich " die nucleophile Substitution des Halogens X durch SH in Form des HydrogensulfidAnions: NaSH
R X
"
+
R SH
SH
X
die Hydrolyse von Alkylthiosulfaten (BUNTE-Salzen): /
R X
+
S2O32
/X
Thiosulfat
"
+
+ H2O
R S SO3 BUNTE-Salz
/ HSO4
/
R SH
sowie die Reaktion von Schwefel mit Alkylmagnesiumhalogeniden: Ether
R X
+
Mg
+ [H+]
+ S
R MgX
R S Mg X
R SH
+
Mg
2
+
X
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408
24 Organoschwefel-Verbindungen
Tab. 24.1. Einige Organoschwefel-Verbindungen O-Verbindung allg. Formel
S-Analogon
Vertreter
allg. Formel
Bezeichnung
Formel
Bezeichnung
Alkohol
R SH
Thiol (Mercaptan)
H3C SH
Methanthiol (Methylmercaptan)
Phenol
Ar
Thiophenol
SH
R O R'
Ether
R S R'
Dialkylsulfid (Thioether)
S CH3
R O OH
Hydroperoxid
R S OH
Sulfensäure (instabil) Sulfensäure-Derivate
R OH
Ar
OH
Bezeichnung
SH
Phenylthiol (Thiophenol) Methylphenylsulfid (Methylphenylthioether)
NO2 S Cl
O2N
2,4-Dinitrophenylsulfenylchlorid
NO2 R O O R'
Dialkyl- oder Diarylperoxid
R S S R'
Dialkyl- oder Diaryldisulfid
2,2'-Dinitrodiphenyldisulfid
S S O2N
Oxonium-Salz
R 3S
O R C H
Aldehyd
S R C H
O R C R
Keton
R C R
O R C OH
Carbonsäure
R C
R3O X
O HO C OH
X
Sulfonium-Salz
(H5C2)3S S C H
Thioaldehyd
Thioketon
Thiobenzophenon
S Dithiocarbonsäure
O R C SH
Thiolsäure
O H 3C C SC 2H 5
Ethanthiolsäureethylester
S R C OH
Thionsäure
S H 3C C OC 2H 5
Ethanthionsäureethylester
Xanthogensäure (instabil)
S H5C2S C OC2H5
Diethylxanthogenat
Trithiokohlensäure (instabil)
H5C2S C
S HS C OH S SH
S Diethyltrithiocarbonat SC 2H 5 O
O Sulfinsäure
R S
OH O
O /"/"/
Sulfoxid
R S O
/"/"/
R S R
O Sulfon
O /"/"/
R S OH O
H3C S CH 3
Dimethylsulfon
O
O /"/"/
Dimethylsulfoxid
H 3C S CH 3
R /"/"/
Ethansulfinsäure
H3C CH2 S
OH /"/"/
Ethanthionthiosäure (Dithioessigsäure)
H 3C C SH
SH
/"/"/
Thiobenzaldehyd
C
S
HS C
/"/"/
Triethylsulfoniumiodid
S
S
Kohlensäure
I
O Sulfonsäure
S OH
Benzensulfonsäure
O
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24.2 Thiole
409
TSCHUGAJEFF-Reaktion Die Thermolyse von Alkylxanthogenaten wird zur Darstellung mancher Alkene und Thiole aus Alkoholen genutzt: H C
H
+ CS2 , + NaOH
C OH
C
/ H2O
C O
C
/ Na I
C
100 - 250 °C
C O
S
S Na Natrium-xanthogenat
Alkohol
H
+ R/I
C
O
/ C C
S
C
SH
SR
SR Alkylxanthogenat O C S
+
R SH
Addition von H2S an Oxirane, Aziridine und Alkene c-Mercaptoalkohole erhält man bequem durch nucleophile Addition von Schwefelwasserstoff oder Hydrogensulfid an Oxirane: SH O
+
SH
+
C
H2O
C
+
OH
OH c-Mercaptoalkohol (c-Hydroxythiol)
c-Aminoethanthiol"*c-Mercaptoethylamin, Cysteamin) stellt man entsprechend durch Addition von Schwefelwasserstoff an Aziran (Ethylenimin) her: +
N
H 2S
HS CH 2 CH 2 NH2 c-Aminoethanthiol (Cysteamin)
H Aziran
Analog zur Hydratisierung von Alkenen (Abschn. 15.4.3) lassen sich tertiäre Thiole durch säurekatalysierte Addition von Schwefelwasserstoff an Alkene des Typs R2C=CH2 darstellen, z. B.: H 3C
(H2SO4)
C CH 2
+
H 2S
H 3C
CH3 H3C C
SH
CH3 2-Methylpropan-2-thiol
Thiole können auch aus Thioharnstoff und Trithiocarbonat hergestellt werden.
24.2.2
Thermodynamische Eigenschaften
Schwefel ist voluminöser, weniger elektronegativ und daher ein schwächerer WasserstoffbrückenAkzeptor als Sauerstoff. Wegen ihrer schwächeren H-Brücken-Assoziation sieden Thiole tiefer als vergleichbare Alkohole (CH3OH : 64.5 °C, CH3SH : 5.9 °C, jeweils bei 1011 mbar). Allerdings nimmt dieser Unterschied mit wachsender Kettenlänge der Alkanole und Alkanthiole ab. Die SH-Bindung ist schwächer und länger (133 pm) als die OH-Bindung (96 pm). Infolgedessen ist die Dissoziationsenergie der Thiole kleiner als jene der Alkohole. Thiole sind also stärker sauer (Aciditätskonstante Ka ~ 10/11) als Alkohole (Ka ~ 10/17).
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410
24 Organoschwefel-Verbindungen
24.2.3
Reaktionen
Thiolat-Bildung Während die Alkoholate in wäßriger Lösung hydrolysieren (Abschn. 15.6.2), reagieren die Thiole bereits mit wäßrigen Alkalihydroxiden zu Thiolaten (Mercaptiden): R SH
+
OH
R S
+
H2O
Thiolat-Anion (Mercaptid-Anion)
Viele Schwermetallmercaptide sind wie die Sulfide in Wasser schwer löslich. Eine charakteristische Reaktion auf Thiole ist z. B. ihre Fällung durch Quecksilber(II)-oxid als Quecksilber(II)mercaptide (Thiolate): 2 R SH
+
HgO
(R S)2 Hg + Quecksilber(II)-thiolat [Quecksilber(II)-mercaptid]
H 2O
Diese Reaktion führte zur Bezeichnung Mercaptane für Thiole (lat. "corpus mercurio aptum").
Oxidation Während die Alkohole durch Oxidation meist in Carbonyl-Verbindungen und praktisch nie in Peroxide übergehen, werden die Thiole sehr leicht, bereits durch Luftsauerstoff, zu den Disulfiden oxidiert: H R C
/ 2 [H +] , / 2 e0
/
OH
H
O
2R C
R C R'
R' primärer oder sekundärer Alkohol
Aldehyd oder Keton
/ 2 [H+] , / 2 e0
H
/
SH
R C
R'
H S S C R
R'
primäres oder sekundäres Thiol
R'
Dialkyldisulfid
Die Reaktion beruht darauf, daß Schwefel mehr zur Oxidation neigt als Kohlenstoff, und daß die S/H-Bindung leichter spaltet (Bindungsenergie 348 kJ / mol) als die O/H-Bindung (463 kJ / mol). So ist z. B. durch Reaktion mit Luft-Sauerstoff die Bildung von Thiolyl-Radikalen möglich, deren Kombination zum Disulfid führt: R S H
+
O O
R S
+
H O O
Thiolyl-Radikal
2R S
HydroperoxyRadikal
R S S R
Die Oxidation ist auch als nucleophile Substitution einer intermediären Sulfensäure denkbar: /
+ R/S
R S H
+
1/2 O2
[ R S OH ] Sulfensäure
"/"OH
/
R S S R
Stärkere Oxidationsmittel (Wasserstoffperoxid, Salpetersäure, Permanganat) führen über Sulfinsäuren oder Disulfone immer zu den Sulfonsäuren:
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24.3 Thiophenole
411
R S H
Disulfid
R S S R
Disulfon
R S S R
Thiol
R S OH
Sulfensäure
R S OH
Sulfinsäure
O O O O
O
O R S OH
Sulfonsäure
O
24.3 Thiophenole 24.3.1
Darstellung
Thiophenole werden meist durch Reduktion der Arylsulfonsäurechloride, O Ar
LiAlH 4
S Cl
+
6 [H ]
+
6 e0
Ar SH + Thiophenol
O
HCl
+
2 H2O
oder der Diaryldisulfide dargestellt. So entsteht o-Aminothiophenol aus o-Chlornitrobenzen und Natriumdisulfid (nucleophile Substitution) über 2,2'-Dinitrodiphenyldisulfid durch dessen Reduktion mit Zink in saurer Lösung: O2N S
Zn , HCl
+
S
14 [H ]
+
2
14 e0
SH
+
4 H2O
NH2 o-Aminothiophenol (als Hydrochlorid)
NO2 2,2'-Dinitrodiphenyldisulfid
Auch die Reaktion der Aryldiazonium-Salze mit Hydrogensulfid eignet sich zur Darstellung mancher Thiophenole: Ar
24.3.2
N2
+
SH
Ar
SH
+
N2
Reaktionen
Thiophenole reagieren wie die Thiole und bilden aufgrund ihrer Acidität hydrolysestabile Thiophenolate. In Analogie zu den Phenolen lassen sie sich S-acylieren und S-alkylieren (Abschn. 24.4.1). Im Gegensatz zu den Phenolen werden sie durch Luftsauerstoff zu den Diaryldisulfiden oxidiert.
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412
24 Organoschwefel-Verbindungen
24.4 Thioether (Dialkylsulfide) 24.4.1
Darstellung
Alkylierung von Thiolaten In Analogie zur Ether-Synthese nach WILLIAMSON (Abschn. 16.3.2) können Thioether durch Alkylierung von Alkalimercaptiden oder Thiophenolaten dargestellt werden. Als Alkylierungsmittel eignen sich die Iodalkane oder Dialkylsulfate, z. B.: H 3C S Na
+
S Na
+
K
CH2 CH3
H3C O
H 3C S CH2 CH 3 Ethylmethylsulfid (Ethylmethylthioether)
O SCH 3
S
H3C O
O
+
+
Methylphenylsulfid (Methylphenylthioether, Thioanisol)
Na
Na I
O
O S
H3C O
O
Alkylierung von Alkalisulfiden Symmetrische Dialkylsulfide entstehen auch durch doppelte Alkylierung von Alkalisulfiden mit Halogenalkanen in der Hitze: 2R X
+
K2S
R S R
+
2 KX
Addition von Thiolen an Alkene In Gegenwart von Radikalbildnern wie Dibenzoylperoxid addieren Thiole unter anti-MARKOWNIKOFF-Orientierung an Alkene, z. B.: hp , Dibenzoylperoxid
H3C SH
+
Methanthiol
H3C S CH 2 CH2 CH2 CN Methyl-3-cyanopropylsulfid
H2C CH CH 2 CN Allylcyanid
Reduktion von Sulfoxiden Triphenylphosphan oder komplexe Metallhydride reduzieren Sulfoxide zu Sulfiden: O R
S
R
+
Dialkylsulfoxid
(H5C 6)3P
R
Triphenylphosphan
S
R
Dialkylsulfid
+
(H5C 6)3P O Triphenylphosphanoxid
Darstellung von Diarylsulfiden Diarylsulfide entstehen durch elektrophile Substitution unter FRIEDEL-CRAFTS-Bedingungen aus Aromaten und Schwefeldichlorid: AlCl3
Ar
H
+
S2Cl2
Ar
S Ar
+
2 HCl
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24.4 Thioether (Dialkylsulfide)
413
Auch die (wahrscheinlich nucleophile) Substitution von Aryldiazonium-Salzen durch Sulfide macht einige Diarylsulfide zugänglich: 2 Ar
N2
S2
+
Ar
S Ar
+
2 N2
Darstellung cyclischer Thioether Sulfide können durch Dihalogenalkane zu cyclischen Thioethern alkyliert werden. Aus 1,4Dihalogenalkanen entstehen z. B. Tetrahydrothiophen-Derivate: R CH CH 2 CH 2 CH R' X X
S2
+
+ R' S 2,5-Dialkyltetrahydrothiophen R
X = Cl , Br
2X
Die den Oxiranen (Epoxiden) analogen Thiirane (Episulfide) entstehen durch Reaktion von Schwefel mit Diazoalkanen, R
_ 2 R2C N NI
+
S
R
+ S R Thiiran (Episulfid)
2 N2
R
oder durch Reaktion von Oxiranen mit Thiocyanat, z. B.:
O
24.4.2
+
SCN
SI O CN I_
S
+
OCN
Reaktionen
Bildung von Trialkylsulfonium-Salzen Durch (erschöpfende) Alkylierung der Thioether mit Halogenalkanen (meist Iodide) erhält man Trialkylsulfonium-halogenide, die den Oxonium-Salzen analog sind: R
_ S _
R
+
R'
I
_ S R' I R Trialkylsulfonium-iodid R
Enthalten die Trialkylsulfonium-Salze drei verschiedene Alkyl- bzw. Aryl-Gruppen, so lassen sie sich in Enantiomere trennen, z. B.: H 3C S CH CH 2 3 HO2C H2C
H3C H 2C
S CH 3 CH2 CO2H
Enantiomere des Ethyl-carboxymethyl-methylsulfonium-Ions
Der Bindungszustand des trivalenten Schwefels entspricht dem des dreibindigen Stickstoffs in Aminen (Abschn. 22.3.1), d. h. das nichtbindende Elektronenpaar besetzt das vierte sp3-Hybridorbital des Schwefels.
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414
24 Organoschwefel-Verbindungen
In Analogie zu den Tetraalkylammonium-Salzen reagieren die Trialkylsulfonium-Salze mit Silberhydroxid zu Trialkylsulfonium-Hydroxiden, die beim Erhitzen unter Dehydratisierung in Alkene und Dialkylsulfide zerfallen: H
H
+R I
C C SR
R
HO H
+ AgOH
C C S
C
/ Ag I
R
Hitze
C
/ H2O , / R2S
S
I
C C
R R Trialkylsulfonium-hydroxid
Oxidation Die Thioether lassen sich durch Wasserstoffperoxid, Salpetersäure, Permanganat oder Luftsauerstoff über die Sulfoxide (S-Oxide) zu den Sulfonen (S-Dioxiden) oxidieren: R
+ H2O2 (1 : 1)
S
+ H2O2 (Überschuß)
O
R S
S O
/ H2O
R Dialkylsulfid
R
/ H2O
R Dialkylsulfoxid
O R Dialkylsulfon
Reaktionen von Thiiranen Thiiran reagiert wie Oxiran und ist somit wie dieses ein vielseitiges Reagenz in der organischen Synthese, insbesondere bei der Darstellung substituierter Ethandiole: + H2O (H3O+)
HO CH 2 CH2 SH
Thioglykol
RO CH 2 CH2 SH
d-Alkoxyethanthiol
+ ROH (RO-Na+)
S
+ R2NH
R 2N CH 2 CH2 SH
d-(N,N-Dialkylamino)ethanthiol
24.5 Disulfide 24.5.1
Darstellung
Disulfide entstehen nicht nur durch Oxidation der Thiole (Abschn. 24.2.3), sondern auch durch Alkylierung des Disulfid-Anions mit Halogenalkanen: R 2R X R = Alkyl
+
S S
S S
+
2X
R Dialkyldisulfid
Die Arylierung von Disulfid wird durch Substituenten begünstigt, welche durch ihren (/)-MEffekt (Abschn. 11.2.2) die nucleophile Substitution des Halogens erleichtern. Ein solcher Substituent ist z. B. die Nitro-Gruppe (Abschn. 10.4.4):
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24.6 Thioaldehyde, Thioketone, Thioacetale, Thioketale
415
NO2
NO2 Ethanol , 70 °C
O2N
Cl
+
Na2S2
O2N
NO2
S
O2N 2,2',4,4'-Tetranitrodiphenyldisulfid
2,4-Dinitrochlorbenzen
24.5.2
S
/ 2 Na Cl
Reaktionen
Disulfide sind erheblich stabiler (Bindungsenergie 306 kJ / mol) als Peroxide (155 kJ / mol). Nur starke Oxidations- oder Reduktionsmittel führen zu einer Spaltung. Die Oxidation von Disulfiden führt über die Disulfone zu Sulfonsäuren (Abschn. 24.2.3). Durch Zink in verdünnten Säuren erfolgt Reduktion zu Thiolen: R
S
S
Zn , HCl
R
+
2 [H ]
+
2 e0
2 R SH
Trialkylphosphite, P(OR)3, reduzieren indessen zu Sulfiden: R
S
S
R
+
R
P(OR)3
S
R
+
S P(OR)3
Wasserstoff in Gegenwart von RANEY-Nickel entschwefelt die Disulfide zu Alkanen: R
S
S
RANEY-Ni
R'
+
3 H2
R H
+
R' H
+
2 H2S
Die RANEY-Nickel-Entschwefelung gelingt auch bei Thiolen und Sulfiden: R
S
RANEY-Ni
R'
+
2 H2
R H
+
R' H
R H
+
H2S
+
H2S
RANEY-Ni
R SH
+
H2
24.6 Thioaldehyde, Thioketone, Thioacetale, Thioketale Die Reaktion von Aldehyden und Ketonen mit Schwefelwasserstoff führt überwiegend zu 1,3,5Trithiacyclohexan-Derivaten. Thioaldehyde und Thioketone werden am besten durch Thiierung der Carbonyl-Verbindungen mit 2,4-Bis(4-methoxyphenyl)-1,3-2,4-dithiadiphosphetan-2,4-disulfid (LAWESSONS-Reagenz) hergestellt. S
H3CO
O R
C
S
P
P
S
OCH3
S
S
R'
R
C
R'
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24 Organoschwefel-Verbindungen
Diphosphorpentasulfid in Schwefelkohlenstoff eignet sich gut zur Thiierung der Phenone: S
O C
C
P2 S5 in CS2
Thiobenzophenon
Benzophenon
Thioaldehyde bzw. Thioketone sind wahrscheinlich die Zwischenstufen der Reaktion von Schwefel mit Diazoalkanen zu Thiiranen (Abschn. 24.4.1). Mit Thiolen reagieren die Carbonyl-Verbindungen wie mit Alkoholen. Es bilden sich Thioacetale und Thioketale (Abschn. 20.8.2), die ebenso wie Acetale und Ketale nur in wäßrig saurer Lösung hydrolysieren. Die Mercaptalisierung zum Schutz und zur Umpolung der Carbonyl-Funktion (Abschn. 20.8.2) ist eine nützliche Hilfsreaktion bei vielen Synthesen.
24.7 Dithiocarbonsäuren, Thiol- und Thionsäuren Von den Carbonsäuren leiten sich Thiol-, Thion- und Dithiocarbonsäuren ab, wobei Thiol- und Thionsäuren Tautomere sind: S
O R
R
C
S
C
R
OH Thionsäure
SH Thiolsäure
C
SH Dithiocarbonsäure
Der Carboxylierung von GRIGNARD-Verbindungen durch Kohlendioxid (Abschn. 18.5.2) entspricht die Dithiocarboxylierung von Alkylmagnesiumhalogeniden mit Schwefelkohlenstoff (Kohlenstoffdisulfid) zu Dithiocarbonsäuren: S R
MgX
+
C
S
S S
S
S
+ [H+] , wasserfrei
R C
C
R
/
SMgX
/ Mg 2+ , / X
C
SH Dithiocarbonsäure
Thiolsäuren und ihre Ester erhält man durch Acylierung von Schwefelwasserstoff bzw. Thiolen mit Carbonsäurechloriden: O R
C
O
Base
+
H2S
Cl
/ HCl
R
O
C
R
SH Thiolsäure
C
O
Base
+
HS R'
/ HCl
Cl
R
C
SR' Thiolsäureester
Die Addition von Thiolen an Ketene führt ebenfalls zu Thiolsäureestern. Das bei der FettsäureBiosynthese aktive Acetyl-Coenzym A ist ein natürlich vorkommendes Thiolessigsäure-Derivat. O C C O Keten
+
HS R
C C SR H Thiolsäureester
O H3C C SH Thiolessigsäure
O H3C C S CoA Acetyl-Coenzym A
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24.8 Sulfoxide (S-Oxide)
417
Thionsäureester und Thioamide erhält man am besten durch Thiierung der Carbonsäureester bzw. der Carboxamide mit LAWESSONS-Reagenz: S
H3CO
O C
R
S
P
P
S
OCH3
S
S
R
C
OR' (NR'2) Thionsäureester (Thiocarboxamid)
OR' (NR'2)
24.8 Sulfoxide (S-Oxide) 24.8.1
Darstellung
Eine allgemeine Methode zur Darstellung der Sulfoxide ist die bereits erwähnte Oxidation von Sulfiden (Abschn. 24.4.2), z. B. durch Wasserstoffperoxid. Dabei greift der Sulfid-Schwefel nucleophil an einem der Peroxid-Sauerstoff-Atome an. Durch nachfolgenden Protonenaustausch entsteht das Sulfoxid, ein Schwefel-Analogon der Ketone, wie die mesomeren Grenzformeln zeigen: _ _H O _ O _
R +
S R Dialkylsulfid
24.8.2
R
_H S _ O _
+
_ IO _ H
S O _ R
R
H
R
R
/ H2O
_ S O _
R Dialkylsulfoxid
Physikalische Eigenschaften
Dimethylsulfoxid ("DMSO") und Diethylsulfoxid sind hochsiedende hygroskopische Flüssigkeiten, die als vorzügliche Lösemittel polarer und unpolarer organischer Verbindungen Verwendung finden. Die höheren Sulfoxide sind kristallin. Infolge ihrer pyramidalen Geometrie können Sulfoxide mit verschiedenen Gruppen in Enantiomere getrennt werden: R'
_ S R
O
O
_ S R' R
enantiomere Sulfoxide
24.8.3
Reaktionen
Spaltung Sulfoxide mit einem H- in d-Stellung zum S-Atom zerfallen beim Erhitzen oder in Gegenwart einer Base unter Bildung eines Alkens: O C
C
S
R H Sulfoxid
+
OR'
C C Alken
+
[ R SO ]
+
R'
OH
Sulfenat-Anion
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418
24 Organoschwefel-Verbindungen
Kondensation mit Carbonyl-Verbindungen Sulfoxide sind Heteroanaloga der Ketone; dementsprechend verhalten sich c-Methylen- bzw. Methyl-Gruppen der Sulfoxide gegenüber genügend starken Basen (Alkoholate) als CH-Säuren, weil sie mesomeriestabilisierte Carbanionen bilden: R H H
O
R O IC S H R'
/ R'OH
C S
+
R'O
R'
R
O C S
H
R'
mesomeriestabilisiertes Carbanion
Diese reagieren als C-Nucleophile mit Carbonyl-Verbindungen. Durch KNOEVENAGEL-Kondensation von Sulfoxiden mit Aldehyden und Ketonen bilden sich Alkenylsulfoxide. R C O
+
R
CH3O Na
H 2C
/ H2O
S O
Alkenylsulfoxid
C C S O
R'
R'
Oxidation Wasserstoffperoxid oxidiert Sulfoxide (S-Oxide) zu Sulfonen (S-Dioxiden). In neutralem oder schwach saurem Medium verläuft diese Reaktion wie die Oxidation der Sulfide (s. o.): R_ _ _H + S O _ O _ O H R Dialkylsulfoxid
_ O _ H
R S R
R
_ IO _ H
+
O +
S
O
H2O
R O Dialkylsulfon
In alkalischer Lösung wirkt das Peroxid-Anion als Nucleophil: R S _ O
_ _H IO _ O _
+
_ OI _
R
/ OH
S _ R
R
/
R
O S
O OH
R
O
Stärkere Oxidationsmittel wie siedende Salpetersäure oxidieren die Sulfoxide und Sulfone zu den Sulfonsäuren. Reduktion Die Reduktion der Sulfoxide führt wieder zu den Sulfiden. Als Reduktionsmittel eignen sich komplexe Metallhydride: R_ _ S R
R +
S _ O
IH
R
_ _ OH
/ OH
/
R S R
Auch Schwefel reduziert die Sulfoxide und wird dabei zu Schwefeldioxid oxidiert: R
R 2
S O R
+
S
2
S
+
SO2
R
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24.8 Sulfoxide (S-Oxide)
419
SWERN-Oxidation Präparativ relevant ist die SWERN-Oxidation primärer und sekundärer Alkohole zu Aldehyden bzw. Ketonen mit Dimethylsulfoxid als Oxidationsmittel, das durch Oxalychlorid zu SulfoniumIonen (I und II) aktiviert wird. Diese reagieren mit Alkoholen als Nucleophilen zum SulfoniumIon III. Triethylamin deprotoniert das Sulfonium-Ion III zum Sulfonium-Ylid, das unter d-Eliminierung in die Carbonyl-Verbindung (Aldehyd oder Keton) und Dimethylsulfid spaltet. Die unter Kühlung ablaufende Oxidation liefert gasförmige Nebenprodukte, was die Aufarbeitung vereinfacht; im Falle primärer Alkohole unterbleibt die Weiteroxidation der Aldehyde. O H 3C
O S
H 3C
O
+
O
H 3C
C C
S Cl
Cl
O C C
O
Cl
H 3C
H 3C Cl
O O CH3 C C S O Cl
/
H3C
/ CO2, / CO, / Cl
S
Cl
H3C
Cl
Sulfonium-Ion I
Sulfonium-Ion II
R2 + R1
/
/ Cl
C OH H
R2
R2
CH3 C O
+
R1
S
R1
CH3
R2
CH 3
C O
S CH 2
H
+ NR3 / NHR3+
Sulfonium-Ylid
R1
C O H
CH 3 S CH 3
Sulfonium-Ion III
PFITZNER-MOFFAT-Oxidation Bei der PFITZNER-MOFFATT-Oxidation primärer und sekundärer Alkohole mit Dimethylsulfoxid und Dicyclohexylcarbodiimid (DCC, Abschn. 25.13) wirkt ein Acyloxysulfonium-Ion oxidierend. An letzteres addieren Alkohole nucleophil; unter Abspaltung von Dicyclohexylharnstoff entstehen Alkoxysulfonium-Ionen; deren Deprotonierung ergibt einen Aldehyd (R1 = H, R2 = Alkyl oder Aryl), der nicht zur Carbonsäure weiteroxidiert wird, oder ein Keton (R1 = R2 = Alkyl oder Aryl) sowie Dimethylsulfid. Acyloxysulfonium-Ion C6H11 H+ + N H11C6
H3C
C N + O S
CH3
H N H11C6
N
C6H11
O
S(CH3) 2
C H H
H
.""/
+ O CHR1 R2
DCC + DMSO
S(CH3) 2 O CR1 R2 H Alkoxysulfonium-Ion
N N
H11C6
/ [H+]
C6H11
C O R1 O
C
R2 Aldehyd oder Keton
+
S(CH3) 2 Dimethylsulfid
PUMMERER-Umlagerung Dialkylsulfoxide mit c-ständigem H-Atom reagieren mit Acetanhydrid zu c-Acetoxythioethern. Bei dieser als PUMMERER-Umlagerung bekannten 1,2-Acetoxy-Verschiebung bildet sich zunächst das im Falle des Dimethylsulfoxids isolierte S-Acetoxysulfonium-Ion, welches zu einem Thia-
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420
24 Organoschwefel-Verbindungen
enolacetat deprotoniert; letzteres dissoziiert in ein mesomeriestabilisiertes Carbenium-Kation und ein Acetat-Anion, die zum c-Acetoxydialkylsulfid kombinieren. R
S
CH 2 R'
O Dialkylsulfoxid mit c-H
-" (CH 3CO) 2O / CH 3CO2
R
CH 2 R'
S
/
R +
/ [H ]
OCOCH 3
S-Acetoxysulfonium-Ion
S
CH
R
R'
S
CH
R'
R
S
CH
R'
CH 3CO2
OCOCH 3 Thiaenolacetat OCOCH 3 c-Acetoxydialkylsulfid
R
S
CH
R'
24.9 Sulfone (S-Dioxide) 24.9.1
Darstellung
Oxidation von Sulfiden und Sulfoxiden Die Oxidation von Sulfiden und Sulfoxiden nach Abschn. 24.8.1 und 24.8.3 eignet sich zur Darstellung von Sulfonen. Nucleophile Substitution durch Sulfinate Die nucleophile Substitution des Halogenids von Halogenalkanen durch Sulfinat ergibt ein Sulfon: R SO2 Sulfinat-Anion
+
R'
X
R SO2 R' Dialkylsulfon
+
X
Halogenaromaten reagieren analog, sofern sie durch (/)-M-Substituenten (/NO2) zur nucleophilen Substitution aktiviert werden. Einführung von Alkyl- und Arylsulfonyl-Gruppen Alkyl- und Arylsulfonsäurechloride eignen sich zur Einführung von Alkyl- und ArylsulfonylGruppen in Aromaten, entweder durch elektrophile Substitution im Sinne einer Acylierung, Ar
H
+
AlCl3
R SO2 Cl
Ar
SO2 R
+
HCl
Sulfonsäurechlorid, R = Alkyl oder Aryl
oder durch Umsetzung mit Arylmagnesiumhalogeniden: Ar
SO2
X
+
Ar SO2 Ar' Diarylsulfon
Ar' MgX
X = Cl , Br
+
MgX2
Radikalische Addition von Sulfonsäurechloriden an Alkene Schließlich addieren Sulfonsäurechloride in Gegenwart eines Radikalinitiators [am besten Kupfer(I)-halogenid] an Doppelbindungen; dabei bilden sich d-Halogensulfone: X C C
Cu X
+
R SO2
X X = Cl , Br
C
C
d-Halogensulfon
SO2 R
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24.10 Sulfensäure-Derivate
24.9.2
421
Reaktionen
Die Sulfone zeigen eine den Sulfoxiden weitgehend analoge Reaktivität: In Gegenwart von Alkoholaten spalten sie unter Bildung von Alken, Sulfinat und Alkohol, sofern sie ein d-Proton enthalten: H C
C
+
OR'
+
C C
SO2 R
R SO2 Sulfinat-Anion
+
R' OH
Die c-Methylen-Gruppen sowohl der Sulfoxide (Abschn. 24.8.3) als auch der Sulfone sind CHacide und alkenylieren Carbonyl-Verbindungen nach KNOEVENAGEL zu Alkenylsulfonen: R C O
+
R
NaOR"
H 2C
/ H2O
SO2 R'
Alkenylsulfon
C C SO2 R'
Bei der RAMBERG-BÄCKLUND-Reaktion von c-Halogensulfonen deprotoniert eine Base in c´Stellung zu einem Carbanion, das durch intramolekulare nucleophile Substitution des HalogenidAnions zum faßbaren Episulfon cyclisiert. Dessen cheletrope Schwefeldioxid-Extrusion ergibt ein Alken. X R
CH 2
/ [H+]
R
SO2 CH R'
c-Halogensulfon
X _ CH CH R' S O O
/
Hitze /" SO2
H H
/" X
R CH CH R'
R C C R' S O O Episulfon
Alken (E) + (Z)
Sulfone werden zu Sulfonsäuren oxidiert. Gegen komplexe Metallhydride sind sie im Gegensatz zu den Sulfoxiden stabil; Erhitzen mit Schwefel reduziert sie jedoch ebenfalls zu Sulfiden. R R
R
O +
S
S
O
S
+
SO2
R
24.10 Sulfensäure-Derivate 24.10.1 Bildung Sulfensäuren, R/S/OH oder Ar/S/OH, sind an sich instabil. Jedoch entstehen die Sulfensäureoder Sulfenylchloride durch radikalische Substitution aus Alkanen und Schwefeldichlorid: R H
+
SCl2
R S Cl + Alkylsulfenylchlorid
HCl
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422
24 Organoschwefel-Verbindungen
Arensulfenylchloride bilden sich durch Reaktion der Diaryldisulfide mit Chlor in Gegenwart von Eisen oder Eisen(III)-chlorid, z. B.: NO2 O2N
NO2 Fe , FeCl3
S NO2
S
+
Cl2
2 O2N
O2N 2,2',4,4'-Tetranitrodiphenyldisulfid
S Cl
2,4-Dinitrophenylsulfenylchlorid
24.10.2 Reaktionen Die Sulfenylchloride können durch Alkoholyse in die Sulfensäureester, durch Ammono- oder Aminolyse in die Sulfensäureamide übergeführt werden: R S Cl
+
R' OH
R S Cl
+
R' 2H N R'
R S OR' Alkylsulfenat
+
HCl
+
H2NR'2 Cl
R' R S N R' Sulfenamid
R' = H , Alkyl , Aryl
Durch Addition von Sulfenylchloriden an Alkene bilden sich d-Chlorthioether: C C
+
R S Cl
Cl
C
C
SR
d -Chlorthioether
24.11 Sulfinsäuren 24.11.1 Bildung Sulfoxylierung von GRIGNARD-Verbindungen Sulfinsäuren, R/SO2H, sind Schwefelanaloge der Carbonsäuren, R/CO2H. In Analogie zur Synthese der Carbonsäuren durch Carboxylierung von GRIGNARD-Verbindungen (Abschn. 18.5.2) sulfoxyliert Schwefeldioxid Alkyl- oder Arylmagnesiumhalogenide: O (Ar) R
MgX
+
S O
O
O (Ar) R S
S O
OMgX
O
+ [H+] , wasserfrei / Mg
2+
(Ar) R
/
,/X
S
OH Sulfinsäure
Reduktion von Sulfochloriden Ein weiteres Verfahren zur Darstellung von Sulfinsäuren ist die Reduktion der Sulfochloride durch Sulfit oder Zinkstaub in Wasser, z. B.: + 2 [H+] , / Zn 2+
/ ZnCl2
2
SO2 Cl
+
2 Zn
SO2
2 2 Zn
2
SO2H
Benzensulfinsäure
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24.12 Sulfonsäuren
423
Die basenkatalysierte Spaltung von Sulfonen (Abschn. 24.9.2) führt über Sulfinate ebenfalls zu Sulfinsäuren.
24.11.2 Stabilität, Acidität, optische Aktivität Im Gegensatz zu Sulfensäuren sind Sulfinsäuren stabil, werden jedoch leicht zu Sulfonsäuren oxidiert. Die Aciditäten (Ka ~ 10/2) entsprechen der schwefligen Säure. Wie in Carbonsäuren (Abschn. 18.3) sind beide O-Atome infolge von Mesomerie und Protonenaustausch nicht unterscheidbar: O R
O H
S
R O H
O
oder
S
R
O
H
S O
Daher ist der Schwefel in den Sulfinsäuren nicht asymmetrisch. Dies gilt jedoch nicht für die Sulfinsäureester; Benzensulfinsäureethylester läßt sich z. B. in optisch aktive Enantiomere trennen: S
O O C2H 5
S O H5C 2 O
Enantiomere des Benzensulfinsäureethylesters
24.11.3 Reaktionen Wie Carbonsäuren reagieren Sulfinsäuren mit Alkoholen in einer Gleichgewichtsreaktion zu Sulfinsäureestern (R/SOOR´). Metallhydroxide neutralisieren Sulfinsäuren zu den Sulfinaten. Das Sulfinat-Anion reagiert als Nucleophil. Hierauf beruht die bereits erwähnte Darstellung von Sulfonen aus Alkyl- und Arylhalogeniden (Abschn. 24.9.1).
24.12 Sulfonsäuren 24.12.1 Darstellung der Säuren und ihrer Chloride Oxidation von Thiolen und Disulfiden Fast alle bisher besprochenen Organoschwefel-Verbindungen können zu Sulfonsäuren oxidiert werden. Die Oxidation von Thiolen oder Disulfiden wird zur Darstellung mancher Sulfonsäuren angewendet. Als Oxidationsmittel eignen sich Permanganat, Dichromat oder Salpetersäure: S CH 2 CH(CH3)2 (H 3C)2CH CH2 S Di-i-butyldisulfid [Bis(2-methylpropan-1-yl)-disulfid]
+ 10 HNO3 / 10 NO2 , / 4 H2O
2 (H3C)2CH
CH 2 SO3H
2-Methylpropan-1-sulfonsäure
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424
24 Organoschwefel-Verbindungen
Nucleophile Substitution von Halogenid durch Sulfit in Halogenalkanen Die nucleophile Substitution des Halogens in Alkylhalogeniden durch Sulfit ergibt Alkylsulfonate, aus denen die Sulfonsäuren durch Einleiten von Chlorwasserstoff gefällt werden können, z. B.: 200 °C
H3C
(CH 2)5 Cl
+
Na2SO3
+ HCl
H3C
/ NaCl
1-Chlorhexan
(CH 2)5 SO3 Na
H 3C
/ NaCl
(CH2)5 SO3H
Hexan-1-sulfonsäure
Addition von Hydrogensulfit an Alkene Das Hydrogensulfit-Anion addiert an Alkene mit Elektronenakzeptor-Substituenten E. Dabei entstehen Sulfonate: E
E C C
+
H C C SO3
HSO3
E = CO2CH 3 , CN
substituiertes Alkansulfonat-Anion
Diese Reaktion wird zur Herstellung des Feuchthaltemittels Natriumdi-n-octylsulfosuccinat aus Maleinsäuredi-n-octylester und Natriumhydrogensulfit (Bisulfit) angewendet: O H
H O
+
2 H 3C
(CH2)7 OH H
H O Maleinsäureanhydrid
C C
H
CO2C 8H17
+ NaHSO3
H C CO2C 8H17
CO2C 8H17
SO3 Na
Maleinsäuredi- n-octylester
Octanol
H C CO2C 8H17
Natriumdi- n-octylsulfosuccinat
Sulfochlorierung und Sulfoxidation von Alkanen Technisch werden die Sulfochloride durch licht- oder peroxid-induzierte radikalische Substitution der Alkane mit Chlor und Schwefeldioxid nach dem in Abschn. 3.1 skizzierten Mechanismus hergestellt. Die Sulfochlorierung eines Alkans ist nicht selektiv, d. h. man erhält oft ein Gemisch regioisomerer Sulfochloride. Durch Erhitzen mit Wasser können die Sulfochloride zu den Sulfonsäuren hydrolysiert werden: 100 °C
R SO2 Cl
+
R SO3H
H2O
+
HCl
Die radikalische Sulfoxidation der Alkane mit Schwefeldioxid und Sauerstoff führt direkt zu den Sulfonsäuren: R H
+
SO2
+
R SO3H
1/2 O2
Elektrophile Sulfonierung von Aromaten Die meisten Arensulfonsäuren werden durch elektrophile Sulfonierung von Aromaten hergestellt (Abschn. 11.1.3): H2S2O7
Ar
H
+
SO3
Ar
SO3H
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24.12 Sulfonsäuren
425
Als Sulfonierungsreagenzien eignen sich rauchende Schwefelsäure (H2SO4 x SO3 oder H2S2O7) und Addukte von LEWIS-Basen wie Pyridin oder 1,4-Dioxan mit Schwefeltrioxid: O
Pyridin-SO3
1,4-Dioxan-SO3
N
O
SO3
SO3
Unter sehr milden Bedingungen gelingt die Sulfonierung von Aromaten mit konz. Schwefelsäure und Thionylchlorid: 20 °C
Ar
H
+
H2SO4
+
SOCl2
Ar
SO3H
+
SO2
+
2 HCl
Benzensulfonate mit langkettigen Alkyl-Gruppen (C10 - C14) in p-Stellung zum Sulfonat-Rest sind biologisch abbaubare Detergentien (Abschn. 41.8). Sie werden durch Sulfonierung der entsprechenden Alkylbenzene hergestellt: H 3C
(CH2)n CH CH3
1.) + SO3 2.) + NaOH
H 3C
(CH2)n CH CH3
/ H2O
SO3 Na
n = 7 - 10
Sulfochlorierung von Aromaten Arylsulfonsäurechloride (Sulfo- oder Sulfonylchloride) sind wie die Carbonsäurechloride durch Derivatisierung der Sulfonsäuren mit Thionylchlorid, Phosphorpentachlorid oder Phosphoroxidchlorid zugänglich. Meist werden die Arylsulfonylchloride jedoch direkt durch elektrophile Substitution der Aromaten mit Chlorsulfonsäure dargestellt, z. B.: O H 3C
H
+
O
/ HCl
2 HO S Cl O Chlorsulfonsäure
S Cl
H3C
+
H2SO4
O p-Toluensulfonsäurechlorid ("Tosylchlorid")
24.12.2 Acidität und Wasserlöslichkeit von Sulfonsäuren Die Sulfonsäuren zeigen eine der Schwefel- und Perchlorsäure vergleichbare Acidität und bilden stabile Salze. Ihre Salzbildung mit p-Toluidin zu den scharf schmelzenden p-Toluidinium-sulfonaten ist eine Methode zur Charakterisierung von Aminen und Sulfonsäuren: Ar
SO3H
+
H 2N
CH3
p-Toluidin
Ar
SO3
H3N
CH 3
p-Toluidinium-arylsulfonat
Die meisten Sulfonsäuren sind gut wasserlöslich und kristallisieren als stabile Hydrate. Sulfonsäure-Gruppen werden oft zur Erhöhung der Wasserlöslichkeit und der Reaktivität in organische Moleküle eingebaut, z. B. in Farbstoffe.
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426
24 Organoschwefel-Verbindungen
24.12.3 Reaktionen der Sulfonsäuren und Sulfochloride Derivatisierungen Sulfonsäurechloride erhält man durch Reaktion der Alkalisulfonate mit Phosphorpentachlorid: 3 R SO3 Na
+
PCl5
3 R SO2 Cl + Sulfonsäurechlorid
NaPO3
+
2 NaCl
Aus den Sulfonsäurechloriden lassen sich weitere Sulfonsäure-Derivate darstellen. Die Alkoholyse ergibt Sulfonsäureester, (Base)
R
SO2 Cl
+
R'
R SO2 OR' + Sulfonsäureester
OH
HCl
und die Ammono- bzw. Aminolyse führt zu den bei der HINSBERG-Trennung primärer und sekundärer Amine (Abschn. 22.6.5) bereits erwähnten Sulfonamiden: R' (Ar) R
SO2 Cl
+
R'
(Amin-Überschuß oder Base)
H N
(Ar) R SO2 N
/ HCl
R'
Sulfonamid
R' = H , Alkyl oder Aryl
R'
Weitere Derivate sind die Sulfhydroxamsäuren und Sulfhydrazide: (Base)
(Ar) R
SO2 Cl
+
H 2N OH
(Ar) R
SO2 Cl
+
H 2N NH R'
/ HCl
(Ar) R SO2 NH OH Sulfhydroxamsäure
(Base) / HCl
(Ar) R
SO2 NH NH R' Sulfhydrazid
Das cyclische Imid des 2-Carboxybenzensulfonamids ist in Form seines Natriumsalzes als der Süßstoff "Saccharin" bekannt. Es wird aus Toluen durch Sulfochlorierung und Oxidation des als Zwischenstufe gebildeten o-Toluensulfonamids hergestellt: + Cl
CH 3
+ 2 NH3
S 2Cl SO
SO3H
ClO2S Nebenprodukt :
/ HCl
CH3
CH3
/ NH4 Cl
O
O S
NH2
CH 3 o-Toluensulfonamid
+ 3/2 O2 (KMnO4 ) 35 °C / H2 O
O
O S C
NH2
O / H2 O
OH
O 2-Carboxybenzensulfonamid
O
O
S
+ NaOH
N H O
/ H2 O
O S INI Na
O "Saccharin"
Ein weiterer Süßstoff ist das als "Calciumcyclamat" bekannte Cyclohexylamid der Schwefelsäure.
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24.12 Sulfonsäuren
427
Die Herstellung erfolgt durch N-Sulfonierung des Cyclohexylamins durch Chlorsulfonsäure in Gegenwart von Calciumhydroxid: NH3+ Cl
/2
6
NH2
+
2 Cl
/
H N SO 3
2
SO3H
+ Ca(OH) 2
H3N
/2
NH2 , / 2 H2O
H Calciumcyclamat
N SO "" "Ca 2 3 2
Die aus p-Tosylamid und Hypochlorit zugänglichen N-Chlorsulfonamide wirken antiseptisch: + 2 NH3
H 3C
SO2 Cl
H3C
/ NH4Cl
SO2 NH2 / NaOH
+ NaOCl
H H3C
Cl
+ NaOCl
SO2 N
/ NaOH
Cl "Chloramin T" (N-Chlortoluensulfonamid)
H3C
SO2 N
Cl "Dichloramin T" (N,N-Dichlortoluensulfonamid)
Nucleophile Austauschreaktionen Nucleophile können die Sulfonsäure-Gruppe substituieren, auch in Aromaten. Beispiele sind außer der bereits erwähnten Darstellung von Phenolen durch Alkalischmelze der Sulfonate (Abschn. 21.4.4) die Bildung von Arylcyaniden aus Sulfonat und Kaliumcyanid, Ar
SO3 K
+
K CN
Ar CN + Arylcyanid (Nitril)
K2SO3
sowie die Bromdesulfonierung, z. B. zur Darstellung des 4-Bromanilins: NH 2
NH 2 Br
SO3 Na 4-Aminobenzennatriumsulfonat
NH 2 / SO3 , / Na Br
+ Br 2
Br
SO3 Na
Br 4-Bromanilin
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25 Kohlensäure-Derivate
25 Kohlensäure-Derivate 25.1 Kohlensäure In wäßriger Lösung ist das Gleichgewicht zwischen gelöstem Kohlendioxid und Kohlensäure (H2CO3) zugunsten des Dioxids verschoben: O CO2 (gelöst)
+
HO C
H 2O
OH
Das Dissoziationsgleichgewicht der Kohlensäure entspricht dem einer schwachen zweibasigen anorganischen Säure: H2CO3
+
H 2O
HCO3
+
H3O
Ka =
HCO3
+
H2O
CO3 2
+
H3O
Ka =
c
/
(HCO3 ) c (H3O+)
c c
/4
~ 2 x 10
(H2CO3) /
(CO32 ") c (H3O+)
c
/
(HCO3 ")
~
/8
10
Die Kohlensäure läßt sich bei tiefen Temperaturen als Dimethyletherat vom Schmelzpunkt /"47 °C kristallisieren, das sich ab 5 °C zersetzt. Dagegen sind die Halogenide, Ester und Amide der Kohlensäure stabile Verbindungen. Tab. 25.1 stellt bedeutende Kohlensäure- und KohlendioxidDerivate zusammen.
25.2 Kohlensäurehalogenide 25.2.1
Phosgen
Von der Kohlensäure leiten sich zwei Halogenide ab, das nicht korrekt als Chlorameisensäure bezeichnete Kohlensäuremonochlorid, und ein Dichlorid, das Phosgen (Tab. 25.1). Kohlensäuremonochlorid ist nur in Form seiner Ester stabil. Das stabile Phosgen wird durch katalytische Chlorierung des Kohlenmonoxids O
Aktivkohle , 100 - 150 °C
CO
+
Cl2
Cl C Cl
oder durch Reaktion von Tetrachlormethan mit Schwefelsäure / Schwefeltrioxid hergestellt. O
80 °C
CCl4
+
H 2SO4
+
SO3
Cl C
+ Cl
2 Cl SO3H Chlorsulfonsäure
Phosgen riecht strohartig, setzt beim Einatmen in Bronchien und Lunge Salzsäure frei, bildet daher Lungenödeme und wurde militärisch als Giftgas eingesetzt.
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25.2 Kohlensäurehalogenide
429
Tab. 25.1. Einige Kohlensäure-Derivate Stammverbindung Formel Bezeichnung
Derivat Formel O
O Kohlensäure
HO C
Beispiel Bezeichnung
Formel
OH O OR O
Cl C O CH3 O
Kohlensäuredihalogenide
X C
Phosgen
Cl C
O
Kohlensäureester (Dialkylcarbonat)
RO C
O
O
Harnstoffe (Kohlensäurediamide)
R2N C NR2
(H3C)2N C N(CH 3)2
O
Guanidin
H 2N C
Hydrazide (Carbazide)
O Ph NH NH C
NH NH R O
NH NH Ph Esterhydrazide (Carbazate)
R NH NH C OR' O
O O C(CH 3)3 O N3 C
OR'
O C(CH 3)3
O OR O H2N C NH NH R S
H2N C
Carbamidsäurehydrazid (Semicarbazid)
H2N C
25.2.2
49
Semicarbazid
96
Thiophosgen
Thioharnstoff
H2N C
S
S Xanthogenate
Na
OR
185
73
182
Natriumethylxanthogenat
S C O C 2H5
R O C N
Isocyanate
C 6H5 O C N
Phenylisocyanat
Carbodiimide
C 6H11 N C N
Dicyclohexylcarbodiimid
C 6H5 S C N
Phenylisothiocyanat
/ 30
163
34
H 11C6
R Schwefelkohlenstoff
Ethylurethan
NH 2
R N C N
S C S
75 (93.1 mbar)
S Thioharnstoffe
S C
Kohlendioxid
t-Butoxycarbonylazid (BOC-Azid)
Cl
NR2
O C O
40
S Cl C
S
M
164
NH NH 2
X R2N C
Dithiokohlensäure (Thion- und SH Thiol-Tautomer)
50
O C2H5 O
Thiokohlensäurehalogenide
X C
S
133
O
Carbamidsäureester (Urethane)
H2N C
Diphenylcarbazid (Ph = C6H5) t-Butylcarbazat
R NH NH C
Kohlensäureesterazide
N3 C
HO C
Tetramethylharnstoff
NH2
R NH NH C
Thiokohlensäure (Thion- und OH Thiol-Tautomer)
76 (1.06 mbar)
NH Guanidine
NR2
S
8
O C6H5 O
NR R2N C
HO C
/ 118
t-Butylphenylcarbonat
(H3C)3C O C
OR
OH
71
Cl
X
Carbamidsäure
Kohlensäuremethylesterchlorid (Chlorameisensäuremethylester)
O
Kohlensäureesterhalogenide
X C
O
Schmelz Siedepunkt °C punkt (1011 mbar) °C
Kohlensäuremonohalogenide
X C
OH
H 2N C
Bezeichnung
R S C N
Isothiocyanate
221
Reaktionen von Phosgen
In warmem Wasser hydrolysiert Phosgen zu Kohlendioxid und Chlorwasserstoff: O Cl C
+
H2O
CO2
+
2 HCl
Cl
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430
25 Kohlensäure-Derivate
Eine technisch bedeutende Reaktion ist die Umsetzung von Phosgen mit primären Aminen zu Isocyanaten, die ihrerseits Schlüsselverbindungen der organischen Synthese sind. H Cl 3 R NH 2
+
/ R NH3+ Cl
/
R N
C O
/ R NH3+ Cl
C O
Cl
+
/
R
R NH2
N C O
Cl Chlorkohlensäure- N-alkylamid
Isocyanat
Derivatisierungen des Phosgens führen zu einigen der nachfolgend besprochenen KohlensäureDerivaten.
25.3 Kohlensäureesterchloride Kohlensäureesterchloride bilden sich aus Phosgen und Alkoholen, wenn man keine Base zur Bindung des entstehenden Chlorwasserstoffs verwendet. O
O +
Cl C
HO R
Cl
Cl C
+ HCl O R Kohlensäureesterchlorid (Chlorameisensäureester)
Das als Benzyloxycarbonylchlorid oder Carbobenzoxychlorid bekannte Kohlensäurebenzylesterchlorid wird z. B. aus Phosgen und Benzylalkohol dargestellt: O
O +
Cl C
HO CH 2
Cl C
Cl
+ O
HCl
CH2
Kohlensäurebenzylesterchlorid (Benzyloxycarbonylchlorid)
Kohlensäureesterchloride werden irreführend als Chlorameisensäureester bezeichnet. Korrekterweise sind sie Derivate der Kohlensäure (C-Atom mit vier C/Heteroatom-Bindungen) und nicht der Ameisensäure (Carboxy-C-Atom mit einer C/H- und drei C/Heteroatom-Bindungen); dieser Unterschied der Oxidationsstufe prägt die Reaktivität.
25.4 Kohlensäureester Kohlensäureester oder Dialkylcarbonate erhält man durch Alkoholyse des Phosgens in Gegenwart einer Base (Triethylamin, Pyridin): Cl
O R +
O C Cl
2 R OH
+
2 NR'3
O C
+
2 R'3NH Cl
O R R = C2H5 : Diethylcarbonat
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25.5 Carbamidsäure, Urethane
431
Kohlensäureester mit verschiedenen Alkoxy-Gruppen entstehen durch Alkoholyse der Kohlensäureesterhalogenide in Gegenwart einer Base. t-Butylphenylcarbonat wird z. B. aus Kohlensäurephenylesterchlorid und t-Butylalkohol in Gegenwart von Chinolin dargestellt: CH 3
CH 3
O
H 3C C OH
+
+
Cl C
N
O
CH 3
O +
H 3C C O C CH 3
Kohlensäurephenylesterchlorid (Chlorameisensäurephenylester)
N
O
H Cl
t-Butylphenylcarbonat
25.5 Carbamidsäure, Urethane Das Monoamid der Kohlensäure ist die an sich instabile Carbamidsäure (Tab. 25.1). Ihr aus Kohlendioxid und Ammoniak entstehendes Ammoniumsalz kann jedoch isoliert werden: NH 2 O C O
+
+ NH3
O C
NH3
OH Carbamidsäure
NH 4
NH 2 O C_ OI _
NH 2 _ IO _ C O
NH2 _ IO _ C_ OI _
+ H2O 60°C
mesomere Grenzformeln des Carbamat-Anions im Ammonium-carbamat
CO32
+
2 NH 4
CO2
+
2 NH3
+
H2O
Mit wenig Wasser hydrolysiert Ammoniumcarbamat beim Erhitzen über Ammoniumcarbonat in Kohlendioxid und Ammoniak. Die Ester der Carbamidsäure und ihrer N-Alkyl- oder Aryl-Derivate werden als Urethane bezeichnet. Urethane entstehen durch Ammonolyse der Kohlensäuresterchloride, z. B.: Cl
NH2
/ NH4Cl
+
O C
O C
2 NH 3
OC2H 5
OC2H 5
Ethylurethan (Ethylcarbamat)
Durch Aminolyse von Kohlensäurebenzylesterchlorid ("Chlorameisensäurebenzylester") wird die Amino-Funktion von c-Aminosäuren bei Peptidsynthesen geschützt (Abschn. 37.4.2). Der so eingeführte N-Benzyloxycarbonyl-Rest gehört zu den Urethan-Schutzgruppen: H
O C Cl CH 2
O
+
H 2N C CO2 R
c-Aminosäure (Anion)
O
H C NH C CO2
/ HCl
CH2
O
R
N-Benzyloxycarbonylaminosäure (Anion)
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432
25 Kohlensäure-Derivate
N-Alkyl- oder N-Arylurethane erhält man durch Addition von Alkoholen an Isocyanate, z. B.: H O C N
N
_ HO _ C2H 5
+
O C OC 2H5 Ethyl-N-phenylurethan
Phenylisocyanat
Die Bildung der kristallinen, scharf schmelzenden Alkyl-N-arylurethane aus Arylisocyanaten und Alkoholen eignet sich zur Identifizierung von Alkoholen.
25.6 Harnstoffe Diamide der Kohlensäure (Tab. 25.1) werden als Harnstoffe bezeichnet. Sie sind im Gegensatz zur Carbamidsäure sehr stabil.
25.6.1
Bildung von Harnstoff
Harnstoff entsteht durch Ammonolyse von Phosgen, Kohlensäureesterchloriden (Chlorameisensäureestern) und Dialkylcarbonaten: Cl Phosgen
O C Cl + 4 NH3
Cl
NH 2
+ 3 NH3
O C
/ NH4Cl , / R OH
OR
Kohlensäureesterchlorid
/ 2 NH4Cl
OR
+ 2 NH3
O C
O C
/ 2 R/OH
NH 2
OR
Harnstoff
Dialkylcarbonat
Aus Kohlendioxid und Ammoniak entsteht unter Druck ebenfalls Harnstoff über Ammoniumcarbamat (Abschn. 25.5) als Zwischenstufe: NH2 O C O
+
O C
2 NH 3
+
H2O
NH2
Eine weitere Harnstoff-Synthese geht aus von Kohlenmonoxid, Schwefel und Ammoniak, wobei Carbonylsulfid, Ammoniumthiocarbamat und Ammoniumisocyanat als Zwischenstufen auftreten: + NH 3
CO
+
S
O C S
O C_ SI _
NH 2 _ O _ C S
Ammonium-thiocarbamat
/ H 2S / NH3
NH 4
H O C N
+ NH3
SH
Carbonylsulfid
NH 2
NH 2 O C Thiocarbamidsäure
+ NH 3
_ O C N _
NH 2
Hitze
NH 4
O C NH 2
Ammonium-isocyanat
Harnstoff
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25.6 Harnstoffe
433
Der letzte Schritt, die thermische Umlagerung von Ammonium-isocyanat zu Harnstoff, ist die historische WÖHLER-Synthese der organischen Verbindung Harnstoff aus einem anorganischen Salz. Biologisch entsteht Harnstoff als Hauptabbauprodukt der Stickstoff-Verbindungen im Säugetierorganismus. Er kann aus Urin isoliert werden.
25.6.2
Reaktionen von Harnstoff
Harnstoff-Addukte Harnstoff bildet mit längerkettigen unverzweigten Kohlenwasserstoffen, Halogenalkanen und Fettsäuren Addukte. Diese Reaktion kann zur Trennung der geradkettigen Verbindungen von ihren verzweigten Isomeren herangezogen werden. Wie sich durch Röntgenbeugung zeigen ließ, sind die unverzweigten Kohlenstoff-Ketten in die sechseckigen Kanäle des HarnstoffKristallgitters eingebettet. Für verzweigte Verbindungen sind diese Kanäle zu eng.
Hydrolyse In Gegenwart starker Mineralsäuren oder Basen wird Harnstoff beim Erhitzen hydrolysiert: CO32
+ 2 OH
+
/
NH2
+ 2 H3O+
O C
2 NH 3
CO2
+
2 NH 4
+
H2O
NH2
Harnstoff ist bei Raumtemperatur auch ein schwacher Protonenakzeptor, d. h. eine Base. Das durch Protonierung entstehende, mesomeriestabilisierte Harnstoff-Kation liegt in Uronium-Salzen vor. NH2
NH 2
/ H2O
+
O C
H 3O
HO C NH 2
NH2
NH2
NH 2
HO C
HO C NH2
NH 2 HO C
NH 2
NH 2
Reaktion mit salpetriger Säure Wie primäre aliphatische Amine und Säureamide reagiert Harnstoff mit Nitrit in saurer Lösung zu Kohlendioxid, Stickstoff und Wasser. NH2 O C
+
OH 2O N
CO2
+
2 N2
+
3 H2O
NH2
Auf dieser Reaktion beruht eine quantitative Harnstoff-Bestimmung durch gasvolumetrische Messung der freigesetzten Stickstoffmenge (VAN SLYKE-Reaktion, Abschn. 22.6.2).
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434
25 Kohlensäure-Derivate
Bildung von Ureiden Mit Carbonsäurehalogeniden und Anhydriden sowie mit einigen Estern reagiert Harnstoff zu den als Ureide bezeichneten Acylharnstoffen, z. B.: O
O +
H 3C C Cl
O
/ HCl
C NH 2
O
H3C C N C NH2
H2N
H Acetylharnstoff, ein Ureid
Die Barbitursäure ist ein cyclisches Ureid aus Harnstoff und Malonsäure. Sie leitet sich vom Heteroaromaten Pyrimidin (Abschn. 33.10.1) ab und kann, ebenso wie ihre Derivate, TautomerieGleichgewichte eingehen;: Oxo-Enol-Tautomere der Barbitursäure O O
O H
N N
H
N
O
N
O
O
H
N N
OH
OH
N
HO
N N
OH
HO
N
OH
H
H Monoenol-Form : 2,4-Dioxo-6-hydroxy-1,2,3,4-tetrahydropyrimidin
Pyrimidin
Barbitursäure ist stärker sauer als Essigsäure. Ihre Acidität beruht auf ihrer Enolisierbarkeit, die bei Ersatz beider Methylen-H-Atome durch Alkyl- oder Aryl-Reste unterbunden wird, so z. B. in den Barbiturat-Schlafmitteln "Luminal" (Phenobarbital, Phenylethylbarbitursäure) und "Barbital" (Diethylbarbitursäure, frühere Bezeichung "Veronal"). Barbitursäure und ihre Derivate werden durch Reaktion von Harnstoff mit den entsprechend substituierten Malonsäurediestern in Gegenwart von Natriumalkoholat hergestellt: O NH 2 O
H5C 2O
+
NH2
H 5C2O
O
R R'
NaOC2H5
O
/ 2 C2H5OH
H O
R R'
N N
O
H R = R' = H : Barbitursäure R = R' = C2H5 : Barbital (Veronal) R = C6H5 , R' = C2H5 : Luminal
25.6.3
Alkylharnstoffe
Di- und Tetraalkylharnstoffe entstehen durch Aminolyse des Phosgens. Die Phosgenierung sekundärer Amine führt direkt zu den Tetraalkyl- oder Tetraarylharnstoffen: Cl O C
NR 2 +
Cl
4 HNR 2 R = Alkyl oder Aryl
+
O C
2 H2NR2 Cl
NR 2
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25.7 Guanidin
435
Dagegen reagieren primäre Amine mit Phosgen zunächst zu Isocyanaten (Abschn. 25.2.2), die jedoch überschüssiges Amin unter Bildung der Dialkylharnstoffe addieren: Cl
/ R/NH3+ Cl
+
O C Cl
/
_ + R/NH2
R
3 HNR2
NH R O C
O C N
NH R Dialkylharnstoff
R = Alkyl oder Aryl
Die hier zunächst als Teilreaktion beschriebene Addition von Aminen an Isocyanate ist als solche eine weitere Methode zur Darstellung gemischt substituierter N,N'-Dialkylharnstoffe: NH R
R O C N
+
O C
R' NH2
NH R'
Dialkylharnstoffe entstehen auch durch Addition von Wasser an Carbodiimide (Abschn. 25.13).
25.7 Guanidin 25.7.1
Basizität und Bindungszustand
Ersetzt man im Harnstoff die Carbonyl- durch eine Imino-Gruppe, so ergibt sich formal Guanidin, eine der stärksten organischen Basen. N-Alkyl-Gruppen verstärken die Basizität, welche als Folge der Mesomeriestabilisierung des bei der Protonierung entstehenden Guanidinium-Kations erklärt wird ("Y-Stabilisierung"): NH 2 HN C
NH2
/ H2O
+
H3O
NH 2
H2N C
NH 2 Guanidin
H 2N C NH2
NH2
NH2
H2N C
H2N C
NH 2 NH2 mesomere Grenzformeln des Guanidinium-Kations
NH2
Demnach sind die CN-Bindungen im Guanidinium-Kation nicht unterscheidbar, was die RÖNTbestätigt: Alle CN-Atomabstände sind gleich (118 pm).
GEN-Diffraktometrie
25.7.2
Darstellung
Eine technische Synthese des Guanidins geht aus von Calciumoxid (gebrannter Kalk) und Koks; sie liefert zunächst Calciumcarbid (1), das bei hohen Temperaturen mit Stickstoff zu Calciumcyanamid reagiert (2). 1000 °C, / CO
CaO CaC2
+ +
3C N2
1000 °C, / C
CaC 2
(1)
CaCN2
(2)
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436
25 Kohlensäure-Derivate
Weitere Zwischenstufen sind Cyanamid (3) und Dicyanamid (4), welches bei der Reaktion mit Ammoniumnitrat in Guanidiniumnitrat (5) spaltet: CaCN2
+
/ CaSO4
H2SO4
NH 2
Hitze
2 N C NH2
(3)
N C NH 2
(4)
HN C NH C N
NH 2 HN C
NH 2 +
2 NH 4NO3
NH C N
25.7.3
NO3
2 H2N C
(5)
NH 2
Reaktionen
Guanidiniumnitrat reagiert mit kalter Schwefelsäure unter Wasserabspaltung zu der SprengstoffKomponente Nitroguanidin: NH 2
NH NO2
H2SO4 (konz.) , /"H2O
NO3
H 2N C
HN C
NH 2
NH2 Nitroguanidin
Nitroguanidin kann zu Aminoguanidin reduziert werden: NH NO2 HN C
NH NH 2
Zn , CH3CO2H
+
6 [H ]
+
6 e0
HN C
/ 2 H2O
NH 2
NH2 Aminoguanidin
Aminoguanidin kondensiert mit Aldehyden und Ketonen zu kristallinen Guanylhydrazonen und eignet sich daher als Reagenz auf diese Carbonyl-Verbindungen: NH N C NH 2 C N H
R
H 2N HN C O
R
+
C NH
/ H2O
H2N
R
R Guanylhydrazon
25.8 Kohlensäurehydrazide Von der Kohlensäure leiten sich drei Hydrazide ab, die Carbamidsäurehydrazide oder Semicarbazide, die Dihydrazide oder Carbazide sowie die Kohlensäureesterhydrazide: NH NH R
NH2 O C NH NH R Semicarbazid
O C NH NH R Carbazid
OR' O C NH NH R Kohlensäureesterhydrazid
Die Bezeichnungen Semicarbazid und Carbazid sind üblich, aber nicht korrekt, da es sich nicht um Kohlensäureazide, sondern um Hydrazide handelt.
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25.9 Azidokohlensäureester
25.8.1
437
Semicarbazid
Semicarbazid entsteht durch kathodische Reduktion von Nitroharnstoff in verdünnter Schwefelsäure. NH2 +
O C
6 [H ]
+
6 e0
Pb-Kathode , H2SO4
NH 2 +
O C
2 H2O
NH NH 2 Semicarbazid
NH NO2
Es kondensiert mit Carbonyl-Verbindungen zu kristallinen Semicarbazonen und eignet sich deshalb wie Aminoguanidin zur Charakterisierung von Aldehyden und Ketonen (Abschn. 20.8.5).
25.8.2
Carbazide
Carbazide entstehen durch Hydrazinolyse des Phosgens; das auf diese Weise zugängliche Diphenylcarbazid bildet mit Übergangsmetall-Kationen farbige Chelate. Cl
NH NH
O C
+
4 H 2N NH
+
O C
Cl
2 Cl H3N NH
NH NH Diphenylcarbazid
25.8.3
Esterhydrazide der Kohlensäure
Esterhydrazide (andere Bezeichnungen: Carbazate, Hydrazinoformiate) der Kohlensäure entstehen durch Hydrazinolyse von Alkylphenylcarbonaten, z. B.: O C(CH3)3
O C(CH 3)3 O C
+
O C
H2N NH2
+
HO
NH NH 2
O t-Butylphenylcarbonat
t-Butylhydrazinocarbonat (t-Butylcarbazat)
25.9 Azidokohlensäureester Während das Diazid der Kohlensäure [O=C(N3)2] instabil ist, sind manche Azidokohlensäureester (nicht korrekte Bezeichnung: Azidoameisensäureester) isolierbar, obschon explosiv. Azidokohlensäureester bilden sich durch Nitrosierung der Esterhydrazide mit salpetriger Säure, z. B.: O C(CH 3)3 O C
+ NH NH2
HNO2
/ 2 H2O
O C(CH3)3 O C_ N _ N _ NI
O C(CH3)3 O C_ N _ N NI
O C(CH 3)3 O C
_ N _ N NI
t-Butylazidocarbonat (t-Butoxycarbonylazid, "Boc-Azid") mesomere Grenzformeln
Mit t-Butylazidocarbonat (t-Butoxycarbonylazid, "Boc-Azid") wurden Aminosäuren in die N-tButoxycarbonyl-Derivate ("Boc-Aminosäuren") übergeführt, bevor sich Di-t-butylcarbonat und Di-t-butylpyrocarbonat ("Boc-Anhydrid") als bessere, nicht explosive Reagenzien zur Einführung dieser Urethan-Schutzgruppe erwiesen (Abschn. 36.8.5, 37.4.2).
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438
25 Kohlensäure-Derivate
25.10 Thiokohlensäure-Derivate Die nicht beständige Thiokohlensäure existiert in Form einiger Derivate wie Thiophosgen, Thionocarbonate (Thiokohlensäureester), Thioharnstoff, Thiosemicarbazid und Thiocarbohydrazide: Cl
OH
NH 2
OR
Thiophosgen
NH2
Thionocarbonat
NH NH R
S C
S C
S C Cl
OH Thiokohlensäure
NH 2
OR
S C
S C
S C NH NH 2
Thioharnstoff
NH NH R
Thiosemicarbazid
Thiocarbohydrazid
Das flüssige, toxische Thiophosgen bildet sich aus Schwefelkohlenstoff und Chlor. Es reagiert mit 1,2-Diolen in Gegenwart von 4-N,N-Dimethylaminopyridin als Hilfsbase zu cyclischen Thionocarbonaten. Diese fragmentieren nach COREY-WINTER mit Trialkylphosphiten in der Hitze zu Alkenen, Kohlendioxid und Trialkylthiophosphaten. Dabei addiert Trialkylphosphit nucleophil an das S-Atom zum 1,3-Dioxolan-2-S-ylid, das nach Abspaltung von Trialkylthiophosphat über 1,3Dioxolan-2-carben mit Trialkylphosphit ein 1,3-Dioxolan-2-ylid ergibt. Die syn-Eliminierung von Kohlendioxid und Trialkylphosphit führt schließlich zum Alken. O O
O
/ S P(OCH3) 3
O
S
O
P(OCH 3)3
S P(OCH 3)3
O
+ P(OCH3) 3
P(OCH 3)3 O
1,3-Dioxolan-2-S-ylid
O
Carbena-1,3-dioxolan
1,3-Dioxolan-2-ylid / CO2 , / P(OCH3) 3
+ P(OCH3) 3
O
Cl
OH
/ 2 HCl
+
S OH
O
S Cl
Thionocarbonat
Thioharnstoff bildet sich aus Cyanamid und Schwefelwasserstoff unter Druck: NH 2
Druck
N C NH 2
+
S C
H 2S
NH 2
Er ist wie Harnstoff mesomeriestabilisiert und steht im Tautomerie-Gleichgewicht mit der Isothioharnstoff-Form: NH 2
NH 2 _ IS _ C NH 2
S C NH 2
NH2 _ IS _ C NH2
NH HS C NH 2 Isothioharnstoff
mesomere Grenzformeln des Thioharnstoffs
Thioharnstoff und Isothioharnstoff sind Schwefel-Nucleophile; sie reagieren daher mit Halogenalkanen zu S-Alkylisothiuronium-Halogeniden:
R
X
+
NH 2 _ HS _ C NH
Isothioharnstoff-Tautomer
NH 2
R X
S C
NH 2
R S C
NH 2
NH2
R S C
NH 2
NH2
mesomere Grenzformeln des S-Alkyliosthiuronium-Ions
NH 2
R S C
O2N _ IO _
NO2
NH 2
O2N S-Alkylisothiuronium-pikrat
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25.11 Dithiokohlensäure-Derivate
439
Ist bei dieser Reaktion Pikrinsäure zugegen, so entstehen durch Ionenaustausch die gelben, kristallinen S-Alkylisothiuronium-Pikrate zur Charakterisierung der Halogenalkane.
25.11 Dithiokohlensäure-Derivate Auch die Dithiokohlensäure ist nur in Form einiger Derivate beständig, z. B. in Form ihres Anhydrids Schwefelkohlenstoff, oder als Ester, den Xanthogensäuren und deren Salzen, den Xanthogenaten: _ SI _
SH
SH S C
S C
S C S
OH Dithiokohlensäure
OR Xanthogensäure
Schwefelkohlenstoff
M
S C OR Xanthogenat
Schwefelkohlenstoff, das Schwefel-Analogon des Kohlendioxids, ist eine leicht entflammbare, tief siedende, farblose und stark lichtbrechende Flüssigkeit, die sich als Lösemittel für wenig polare organische Verbindungen eignet. Er bildet sich aus den Elementen bei hoher Temperatur (900 °C), oder aus Methan und Schwefeldampf in Gegenwart von Aluminiumoxid: 750 °C , Al2O3
CH 4
+
4S
CS2
+
2 H2S
Salze der Xanthogensäure entstehen durch Addition von Alkoholaten an Schwefelkohlenstoff: S Na S C S
+
Na
O CH2 CH3
S C O CH 2 CH 3 Natrium-ethylxanthogenat
Ethylxanthogenat und seine höheren Alkylhomologen zersetzen sich beim Erhitzen unter Bildung von Ethen bzw. Alkenen (TSCHUGAJEFF-Reaktion, Abschn. 24.2.1).
25.12 Trithiokohlensäure Im Gegensatz zur Thio- und Dithiokohlensäure ist die Trithiokohlensäure bis etwa 80 °C stabil. Ihr Ammoniumsalz entsteht aus Schwefelkohlenstoff und Ammoniumhydrogensulfid in absolutem Ethanol bei 0 °C. S S C S
+
NH4 SH
NH 4
S C SH Ammoniumhydrogentrithiocarbonat
Der Monoethylester bildet sich aus Schwefelkohlenstoff und Ethanthiol in wäßriger Natronlauge: SH S C S
+
HS CH 2 CH3
S C S CH 2 CH3 Monoethyltrithiocarbonat
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440
25 Kohlensäure-Derivate
25.13 Carbodiimide Carbodiimide gehören als Stickstoff-Analoga des Kohlendioxids wie Isocyanate und Isothiocyanate zu den Heterocumulenen: R N C NH2
Ar
HN C NH
N C N
Carbodiimid
R Dialkylcarbodiimid
Cyanamid
O C O
N C N Ar Diarylcarbodiimid
Kohlendioxid
Carbodiimid und Cyanamid stehen in einem spektroskopisch nachweisbaren Tautomerie-Gleichgewicht, das sich bei Dialkyl- oder Diarylcarbodiimiden meist nicht einstellt. Diaryl- oder Dialkylcarbodiimide gewinnt man technisch durch bimolekulare Decarboxylierung von Isocyanaten in Gegenwart von Phospholinoxid als Katalysator, Ar +
N C O
(Kat.)
O C N
Ar N C N
+
Kat. = Phospholinoxid
CO2
Ar
Ar
P O
R
durch Oxidation von N,N'-Dialkylthioharnstoffen mit Quecksilber(II)-oxid,
R
H
H
N
N
C
R R
+
HgO
N C N
+
HgS
+
H2O
R
S
sowie durch Dehydratisierung tosylierter Harnstoffe in Gegenwart starker Basen wie Diisopropylethylamin (DIPEA). Umgekehrt addieren Carbodiimide leicht Wasser unter Bildung der N,N'-Dialkylharnstoffe, z. B.: R N C N R
+
H2O
RHN
C O
NHR
R= Dicyclohexylharnstoff
Daher sowie zwecks Carboxy-Aktivierung werden Dicyclohexylcarbodiimid (abgek. "DCC") und andere Carbodiimide als Kupplungsreagenzien bei Veresterungen und Polypeptid-Synthesen verwendet (Abschn. 37.4.1).
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26.1 Anionotrope 1,2-Verschiebungen
441
26 Umlagerungen Umlagerungen (Symbol: Reaktionspfeil mit Schleife) sind Reaktionen bzw. Teilreaktionen, bei denen Bindungen gelöst und neu geknüpft werden, so daß sich die Konstitution ändert (Isomerisierungen). Zahlreiche Umlagerungen sind als 1,2-Verschiebungen von Alkyl-, Aryl-Resten oder Bindungen zu verstehen. Je nachdem, ob die wandernde Gruppe sich als Anion, Kation oder Radikal verschiebt, spricht man von Anionotropie, Kationotropie oder radikalischen Umlagerungen.
26.1 Anionotrope 1,2-Verschiebungen Die weitaus meisten Umlagerungen lassen sich in die anionotropen 1,2-Verschiebungen einordnen. Anionotrope 1,2-Verschiebungen gehen aus von reaktiven Zwischenstufen, bei denen ein Atom (C, N oder O) ein Elektronendefizit (Elektronensextett) aufweist. Carbenium-Ionen, Carbene, Nitrenium-Ionen, Nitrene sowie Oxenium-Ionen sind solche reaktive Zwischenstufen.
26.1.1
Allgemeine Mechanismen anionotroper 1,2-Verschiebungen (Sextett-Umlagerungen)
Elektronensextett am C (Carbenium-Ionen, Carbene) Viele Umlagerungen werden durch labile Carbenium-Ionen (Elektronensextett am C) ausgelöst, die sich unter 1,2-Alkyl-Anionotropie in stabilere Carbenium-Ionen umlagern: R
R
C C
1
o
C C
2
1
2
Auch Acylcarbene lagern sich durch 1,2-Anionotropie in Ketene um: O
_ C CH
H o
O C C
R Acylcarben
R
Keten
Die mehr aus didaktischen Gründen formulierten Ionen bzw. Carbene treten nicht frei auf; experimentelle Befunde weisen vielmehr darauf hin, daß bereits die Abgangsgruppe X einen cyclischen Übergangszustand hinterläßt, in dem sich die ursprüngliche Bindung unter gleichzeitiger Knüpfung der neuen löst: R
X
C C
/ XI
R
C C
R
C C
Entsprechendes gilt auch für die folgenden 1,2-Verschiebungen von oder zu Heteroatomen.
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442
26 Umlagerungen
Elektronensextett am N (Nitrenium-Ionen, Nitrene) Nitrenium-Ionen und Acylnitrene sind Intermediate mit Elektronensextett am Stickstoff. Sie lagern sich unter 1,2-Alkyl-Anionotropie in Carbenium-Ionen bzw. Isocyanate um: R
R
_ C N
o
R Dialkylnitrenium-Ion
O
_ C NI
C N R Carbenium-Ion
o
R Acylnitren
O C N R Isocyanat
Elektronensextett am O (Oxenium-Ionen) Oxenium-Ionen als Intermediate mit Elektronensextett und Koordinationszahl 2 am O-Atom lagern sich unter 1,2-Alkyl-Anionotropie zu stabileren Carbenium-Ionen um: R
R
R C OI _
o
R
_I C O R Carbenium-Ion
R Oxenium-Ion
Bei allen 1,2-Verschiebungen ist die relative Stabilität der Ionen und Radikale treibende Kraft der Umlagerung (tertiär > sekundär > primär), z. B.: H 3C
o
H3C C C H 3C
H3C
H CH 3
sekundäres Carbenium-Ion
CH3 C C H
H3C
CH3
tertiäres Carbenium-Ion
Die Wanderungstendenz der Gruppe R ist umso größer, je besser der cyclische Zwischenzustand stabilisiert wird. Gegenüber Alkyl-Gruppen und Wasserstoff wandern z. B. Aryl-Gruppen bevorzugt, weil der cyclische Übergangszustand mesomeriestabilisiert ist, wie das Beispiel des intermediären Phenonium-Ions bei anionotropen 1,2-Phenyl-Verschiebungen zeigt. Entsprechende Formulierungen gelten auch für Carbanionen und Radikale.
26.1.2 ̈"
1,2-Verschiebungen von C zu C WAGNER-MEERWEIN-Umlagerung
Das im ersten Schritt elektrophiler Additionen sowie von E1- und SN1-Reaktionen gebildete Carbenium-Ion kann sich durch 1,2-Alkyl-Verschiebung stabilisieren. Bei diesen WAGNER-
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26.1 Anionotrope 1,2-Verschiebungen
443
MEERWEIN-Umlagerungen (Abschn. 5.2.2, 15.6.5) entstehen umgelagerte Substitutionsprodukte oder Alkene: R 1 OH
R1
+ [H+]
C C C R2
/"H 2O
R3
R1 o
C C C R2
C C C R2
R3
R3 d-Eliminierungen
Substitutionen + H2O
/
+
/ [H ]
+
+X "
/ [H ]
R2 = H
+
/ [H ]
+
/ [H ]
R3 = H
R1 OH R1
X R1
C C C R2
C C C R2
C C
R3
R3
R3 umgelagerter Alkohol
R1
C R2
C C R2 C
umgelagertes Halogenalkan
umgelagerte Alkene
Pinakol-Umlagerung Die Pinakol-Umlagerung alkyl-substituierter 1,2-Diole (Mechanismus: Abschn. 15.7.2) führt zu Ketonen: R OH
C C OH
R
+ [H+]
R
o
C C
/"H2O
R
/ [H+]
C C
OH
H
C C O
O
Aldehyd-Keton-Isomerisierung Der Pinakol-Umlagerung nahe steht die säurekatalysierte Isomerisierung von Aldehyden (R4 = H) in Ketone und von Ketonen (R4 = Alkyl) in isomere Ketone, wobei zwei Mechanismen nachgewiesen wurden: R4
R2
C C R1
R2
C R3
R4
R1
+ [H+]
R2
C O
C
o
R4
R3
R1
OH
o
C OH
R3
R4
R2 o
R2 R3 C
R4 C R1
C R3
o
R1
R4
/ [H+]
R2
C OH
C R3
R1
C O
O H
Auch c-Hydroxyaldehyde und Ketone können unter 1,2-Alkyl-Verschiebung isomerisieren: R1
R2
C OH
R3
O
R3
[H+]
o
C
R2
C OH
R1
C O
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444
26 Umlagerungen
DEMJANOW-Umlagerung Die nach Diazotierung primärer Amino-Gruppen in c-Stellung zum oder am Cycloalkan-Ring verbleibenden Carbenium-Ionen neigen zu 1,2-Alkyl-Verschiebungen unter Beteiligung von RingCC-Bindungen. Diese DEMJANOW-Umlagerung kann präparativ zu Ringerweiterungen (Abschn. 8.7.2) und Ringverengungen genutzt werden. Ringerweiterung: OH - H2O , / [H+]
+ HX + HNO2
CH2 NH 2
1
CH2
2
o
2
1
/ 2 H2O / N2 / /X
Cyclopentanol
CH 2 / [H+]
Cyclopenten
Ringverengung: - H2O , / [H+]
+ HX + HNO2
NH2
2 2
o
1
CH 2
CH 2 OH
Hydroxymethylcyclobutan
1
/ 2 H2O / N2 / /X
/ [H+]
CH 2
Methylencyclobutan
WOLFF-Umlagerung Die WOLFF-Umlagerung der aus c-Diazoketonen entstehenden Acylcarbene zu Ketenen ist eine präparative Methode zur Homologisierung von Carbonsäuren (Abschn. 18.5.6): O R
C Cl
O
+ CH2N2 / N2
R
O
C
R
C
CH N2 _ c-Diazoketon
_ CH
Acylcarben
o
H O C C R Keten
Benzil-Benzilsäure-Umlagerung Vor allem aromatisch substituierte 1,2-Diketone (Benzil) lagern sich nach nucleophiler Addition des Hydroxid-Anions an eines der Carbonyl-C-Atome unter 1,2-Aryl-Anionotropie in c.c-Diarylc-hydroxycarbonsäuren (Benzilsäuren) um: Ar
Ar
/
Ar
Ar
O
Ar = /C6H5 : Benzil
IOI
HO o
HO C C
C C O
+ OH
O
Ar
_ IO _
C C Ar
C C Ar O
IOI
Ar
O
OH
Benzilsäure (als Salz)
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26.1 Anionotrope 1,2-Verschiebungen
445
Dienon-Phenol-Umlagerung Die säurekatalysierte 1,2-Alkyl-Anionotropie der 4,4-Dialkylcyclohexa-2,5-dienone zu 3,4-Dialkylphenolen eignet sich zur Darstellung spezieller Phenole (Mechanismus: Abschn. 21.4.6): O
OH o R
R
26.1.3
R
R
1,2-Verschiebungen von C zu N über Nitrene und Nitrenium-Ionen
Anionotrope 1,2-Alkyl-Verschiebungen von Nitrenium-Ionen und Acylnitrenen wurden bereits als Methoden zur Darstellung von primären Aminen und Carboxamiden besprochen (Abschn. 22.4.9), so daß eine zusammenfassende Formulierung genügt. HOFMANN-Abbau von Carboxamiden LOSSEN-Abbau von Hydroxamsäuren CURTIUS-Abbau von Carbonsäureaziden HOFMANN-, LOSSEN- und CURTIUS-Umlagerung führen über die den Acylcarbenen analogen Acylnitrene zu Isocyanaten, deren Hydrolyse primäre Amine ergibt: O R C 1 2 NH 2 Carboxamid + Br 2 , / 2 HBr
O R C 1 2NH OH
LOSSEN / H2O
Hydroxamsäure
HOFMANN
O R C _ 1 2N _
O
CURTIUS
R C_ 1 2N _ N NI
/ N2
Acylnitren
Carbonsäureazid
R R 1
2
N H O C OH
+ H2O
O C N Isocyanat
/ CO2
R
N-Alkylcarbamidsäure
NH2
primäres Amin
K.F. SCHMIDT-Reaktion von Carbonsäuren Bei der SCHMIDT-Reaktion von Carbonsäuren mit Stickstoffwasserstoffsäure lagert ein intermediäres protoniertes Acylnitren durch anionotrope 1,2-Alkyl-Verschiebung in ein protoniertes Isocyanat um: ̈"
R
O C OH
+ HN3 , + [H+] / H2O , / N2
R 1 O C2 NI H protoniertes Acylnitren
o
1
2
R
O C N H protoniertes Isocyanat
+ H2O / CO2
H 3N
R
AlkylammoniumIon
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446
26 Umlagerungen
K.F. SCHMIDT-Reaktion von Ketonen, BECKMANN-Umlagerung von Ketoximen Intermediat der SCHMIDT-Reaktion von Ketonen mit Stickstoffwasserstoffsäure ist ein Dialkylnitrenium-Ion, das durch anionotrope 1,2-Alkyl-Verschiebung in ein Carbenium-Ion übergeht. Dessen Hydrolyse führt zu einem N-Alkylcarboxamid. Bei der BECKMANN-Umlagerung bildet sich das intermediäre Dialkylnitrenium-Ion durch Protonierung der Ketoxime. K.F. SCHMIDT + HN3 , + [H+]
R
R C
/ H2O , / N2
O
R 1
R C R
+ [H+]
R C
R C
2
N
2
/ H3O+
N R
O
1
R C
2
N R H
/ H2O BECKMANN
N OH
+ 2 H2O
1
o
Dialkylnitrenium-Ion
Carbenium-Ion
N-Alkylcarboxamid
NEBER-Umlagerung von Ketoxim-Tosylaten Die NEBER-Umlagerung der Ketoximtosylate zu c-Aminoketonen folgt nicht dem allgemeinen Schema der 1,2-Alkyl-Verschiebungen von C nach N: Das nach Deprotonierung des Ketoximtosylats gebildete Carbanion addiert nucleophil am Imino-N-Atom und drückt ein Tosylat-Anion aus dem Molekül. Das isolierbare Azirin wird zum c-Aminoketon hydrolysiert. H H R1
C
H
/
1
C N2
+ RO
R2
/ R/OH
O
R1
C
R2
1
C N2
SO3
O
SO2
SO2
CH3 Ketoxim-tosylat
CH 3
26.1.4
R1
o
1
+ H2O
R2
1
R1
/
CH
N2
/
2
R2
C
NH2
O
c-Aminoketon
Azirin CH3
Verschiebungen von C zu O
Hydroperoxid-Umlagerungen Prominentes Beispiel einer Hydroperoxid-Umlagerung unter 1,2-Aryl-Verschiebung von C nach O über ein mesomeriestabilisiertes Phenonium-Ion als cyclischem Übergangszustand (Abschn. 21.4.1) ist die HOCK-Synthese des Phenols und des Acetons: Ar
R1 C O
O H
Ar _ R 1 1C O _ 2
R2
R2
R1 o
Ar
C O 1
R2
2
OH
+ 2 H2O
Ar
R1 C O 1
/ H3O+
2
R2 Halbketal
R1 C O
+
HO Ar
R2 Keton
Phenol
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26.2 Kationotrope 1,2-Verschiebungen über Carbanionen
447
BAEYER-VILLIGER-Oxidation Wesentlicher Schritt der BAEYER-VILLIGER-Oxidation von Ketonen mit Peroxycarbonsäuren zu Carbonsäureestern (Abschn. 20.11.2) ist eine anionotrope 1,2-Alkyl-Verschiebung vom ehemaligen Carbonyl-C zum ehemaligen Peroxy-O: O Keton
R
R'
C
O
+
C
O
O
R
_ IOI
/ [H+]
R'
H
O R
1
C
O
/ R´ /CO2
O
/
O R
C R
C 1
O R 2
2
Carbonsäureester
Peroxycarbonsäure
26.2 Kationotrope 1,2-Verschiebungen über Carbanionen Bei den weniger häufigen kationotropen 1,2-Verschiebungen bildet sich im ersten Schritt ein Carbanion, das sich im zweiten durch 1,2-Verschiebung eines Kations stabilisiert: R H
R
/ [H+]
26.2.1
R
_ C1 C 2
C1 C 2
o
R _ C1 C 2
o
C 1 C2
Folgereaktionen
FAVORSKII-Umlagerung (von C nach C)
Bei der FAVORSKII-Umlagerung der c-Halogenketone deprotoniert ein Alkoholat-Ion als Base in d-Stellung zum Carbanion, während das c-Halogen als Halogenid-Anion abdissoziiert und dort ein Carbenium-Ion hinterläßt. Resultat ist ein Ringschluß von Carbenium-Ion und Carbanion zum Cyclopropanon-Intermediat. Nucleophile Addition eines Alkoholat-Anions am Carbonyl-C führt zum umgelagerten Ester. R R _ R C C C R Cl O /
+ R'O
/
o
R
R
R
R O
/
+ R'O
R R R'O
R
R _ OI _
R C _
R
R'O
/ R' /OH
H R R C C C R Cl O
R
/ Cl
+ R'OH
R c-Halogenketon
umgelagerter Ester
R C H
R C R C
O /
/ R'O
R C R CO2R'
Die FAVORSKII-Umlagerung der c-Halogencycloalkanone verengt Ringe, was vor allem zur Darstellung von Fünf- aus Sechsringen präparativ genutzt wird. Aus c-Chlorcyclohexanon entsteht z. B. Cyclopentancarbonsäureester:
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448
26 Umlagerungen
H _
/ Cl
Cl
/
_ IO _
O
O /
/
O
OR
C OR
+ RO
o
/ R/OH
+ RO
/
+ R/OH
/ RO
O
CO2R
Cl c-Chlorcyclohexanon
26.2.2
Cyclopentancarbonsäureester
STEVENS-Umlagerung (von N nach C)
Bei der STEVENS-Umlagerung wird ein quartäres Ammonium-Ion zum Stickstoff-Ylid deprotoniert. Fördernd wirkt dabei ein Elektronenakzeptor E in c-Stellung zum N-Atom. Die kationotrope 1,2Verschiebung einer N-Alkyl-Gruppe im Ylid führt zum umgelagerten tertiären Amin. Formal könnte sich letzteres auch durch anionotrope 1,2-Verschiebung über ein Immonium-Ion bilden. R
R 2
E
1
CH 2
R
1
E
N R
CH _
2
o
N R
E
1
CH
N _
2
R
R quartäres Ammonium-Ion
R
R
umgelagertes tertiäres Amin
Stickstoff-Ylid
O E = R
26.2.3
C , RO2 C/ , N
C/
R = /CH2/CH=CH 2 (Allyl) , /CH2/C6H5 (Benzyl) , /CH(C 6H5)2 (Benzhydryl)
WITTIG-Umlagerung (von O nach C)
In Analogie zur STEVENS-Umlagerung werden Allyl- und Benzylether durch starke Basen zu Carbanionen deprotoniert, die unter kationotroper 1,2-Verschiebung der O-Alkyl-Gruppe in Alkoholate übergehen. WITTIG-Umlagerungen eignen sich zur Darstellung sekundärer und tertiärer Alkohole mit Alkenyl- und Aryl-Resten. 2
R
Base , /"[H+]
1
1
R
CH2 O
o
_ CH O
R
_1 2 CH OI _
2
R'
R'
R'
Carbanion
Ether , R = Alkenyl oder Aryl
Alkoholat
26.3 Radikalische 1,2-Verschiebungen Radikalische 1,2-Verschiebungen sind ziemlich selten; sie folgen den für Anionotropie und Kationotropie angegebenen Schemata: R
X
C1 C 2
/ [X ]
R
C1 C 2
R
o
C 1 C2
R
o
Folgereaktionen
C1 C 2
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26.4 Umlagerungen an benzoiden Ringen
449
Es gibt allerdings experimentelle Anhaltspunkte für Radikal-Mechanismen einiger Spezialfälle der bisher besprochenen Reaktionen, z. B. der STEVENS-Umlagerung.
26.4 Umlagerungen an benzoiden Ringen Substituierte benzoide Aromaten gehen eine Reihe von Reaktionen ein, bei denen sich Substituenten von einer Ringposition in eine andere oder von der Seitenkette in den Ring verschieben. Die meisten dieser Umlagerungen sind Wanderungen eines von der Seitenkette abgelösten Elektrophils nach dem Muster intermolekularer elektrophiler Substitutionen (SE) mit der üblichen o : pProduktverteilung.
26.4.1
Umlagerungen vom SE-Typ
JACOBSEN-Umlagerung von Polyalkylaromaten Bei der JACOBSEN-Umlagerung hat die Sulfonierung eines Polyalkylaromaten die Verschiebung einer Alkyl-Gruppe als Elektrophil im Ring zur Folge (Abschn. 10.6.2): SO3H H 3C
CH 3
H 3C
CH 3
H 3C
H2SO4
+
o
SO3
H 3C
CH 3 CH3
FRIES-Umlagerung von Acylphenolen Die durch LEWIS-Säuren katalysierte FRIES-Umlagerung von O-Acylphenolen durch AcylWanderung (Acyl als Elektrophil) in o- und p-Acylphenole eignet sich zur Darstellung zahlreicher Phenone (Abschn. 21.6.2): O
C
R
o
O
OH
OH
AlCl3
R
sowie C
C R
O O-Acylphenol
O
p-Hydroxyphenon
o-Hydroxyphenon
In der Kälte bildet sich (kinetisch kontrolliert) überwiegend das p-Produkt, während in der Wärme oft das durch Chelatbildung mit der LEWIS-Säure stabilisierte o-Isomer dominiert. Phenolether-Umlagerung Die durch LEWIS-Säuren katalysierte Umlagerung von Phenolethern durch Alkyl-Wanderung (Alkyl als Elektrophil) führt überwiegend zum p-Produkt: O
R
o
sowie R
R Phenolether
OH
OH
AlCl3
p-Alkylphenol
o-Alkylphenol
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450
26 Umlagerungen
Diaryltriazen-Arylazo-Umlagerung Die Diaryltriazen-Arylazo-Umlagerung ist ein wesentlicher Schritt der Azo-Kupplung primärer und sekundärer aromatischer Amine (Phenyldiazonium-Ion als Elektrophil, Abschn. 23.8.2): R N
R N
N
Ar
[ H +]
N
o Ar
Diaryltriazen
N
H
N
p-Aminoazobenzen
FISCHER-HEPP-Umlagerung von N-Nitrosoanilinen N-Nitrosoaniline lagern sich bei Gegenwart von Säuren unter Wanderung des Nitrosyl-Kations als Elektrophil zu p-Nitroso-N-alkylanilinen um. R N
R O
N
[ H +]
o
N O
N-Nitrosoanilin
H
N p-Nitrosoanilin
HOFMANN-MARTIUS-Umlagerung von Anilinium-Salzen Mono- und Dialkylaniliniumchloride lagern sich bei höheren Temperaturen überwiegend in die pAlkylaniline um. Dabei spielt ein zunächst abgespaltenes Chloralkan die Rolle des Elektrophils. R N
H
[ H +]
NH2
o R
N-Alkylanilin
p-Alkylanilin
Benzidin-Umlagerung von Diarylhydrazinen Die bereits skizzierte Benzidin-Umlagerung der 1,2-Diarylhydrazine (Benzidine) verläuft intramolekular über einen r-Komplex aus einer nucleophilen und einer elektrophilen Anilin-Hälfte (Mechanismus: Abschn. 22.4.10). NH NH
o
Hydrazobenzen (Diphenylhydrazin)
26.4.2
H2N
NH2
( sowie Isomere )
Benzidin (4,4'-Diaminobiphenyl)
Umlagerungen vom SN-Typ
SOMMELET-HAUSER-Umlagerung Die SOMMELET-HAUSER-Umlagerung quartärer Benzyl- oder Benzhydrylammonium-Ionen konkurriert mit der STEVENS-Umlagerung (Abschn. 26.2.2). Sie wird als eine intramolekulare nucleophile aromatische Substitution durch ein terminales Carbanion über einen fünfgliedrigen Übergangszustand beschrieben:
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26.5 Sigmatrope Umlagerungen
451
H C _
CH 2
NR 2
NR2 ICH2
CH 3 + H2N
/
CH2
o
H _ CH2 NR 2
/"NH3
CH 2
NR2 CH3
Methyldialkylbenzylammonium-Ion
CH3
(2-Methylbenzyl)N,N-dialkylamin
CH2 NR2
WALLACH-Umlagerung von Azoxybenzen Schlüsselschritt der säurekatalysierten WALLACH-Umlagerung von Azoxybenzenen in 4-Hydroxyazobenzene ist wahrscheinlich der nucleophile Angriff von Hydroxid (oder Wasser) in p-Stellung zur Azo-Gruppe: _ IO _
N
Ar
H
Ar
N
O
N
H
+
+ H3O
N
Ar
Ar
N N
/ H2O
+
/ [H ]
N
N
_ + IOH _ HO H
OH
Azoxybenzen
4-Hydroxyazobenzen
26.5 Sigmatrope Umlagerungen Bei den in Abschn. 27 näher besprochenen sigmatropen Verschiebungen reorganisieren sich benachbarte Einfach- und Doppelbindungen in einer Einschritt-Reaktion.
26.5.1
[1,5]-sigmatrope Verschiebung
Die thermische Umlagerung des 1-Methylcyclopentadiens in das 2-Methyl-Derivat ist ein typisches Beispiel einer [1,5]-H-Verschiebung: H 5
H
4
o
1 3
5
Hitze
1
1-Methylcyclopentadien
26.5.2
CH3
CH 3
2
2-Methylcyclopentadien
COPE-Umlagerung als [3,3]-sigmatrope Verschiebung
Unter [3,3]-sigmatropen Verschiebungen versteht man die thermisch induzierte Reorganisation eines 1,5-Dien-Systems über zwei intermediäre Allyl-Radikale (daher "3,3"). R
R
R
R
o 1,5-Dien
umgelagertes 1,5-Dien
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452
26 Umlagerungen
Diese COPE-Umlagerung der 1,5-Diene fand viele reizvolle Anwendungen, u. a. bei der Synthese des 1,4-Cycloheptadiens aus Divinylcyclopropan (Abschn. 8.6.5). Ist R H (z. B. Phenyl oder Acyl), so sind Ausgangs- und Umlagerungsprodukt verschieden; die Umlagerung gibt sich an der Konstitution des Produkts zu erkennen. Ist dagegen R = H, so sind Ausgangs- und Endprodukt identisch; die Umlagerung ist chemisch nicht nachweisbar (entartete COPE-Umlagerung), z. B.:
1,5-Hexadien
Homotropiliden
Die Kernresonanzspektroskopie zeigt jedoch, daß bei höheren Temperaturen (100 - 200 °C) die Isomerisierung mit großer Frequenz erfolgt (103 mal pro Sekunde und schneller). Solche Moleküle mit fluktuierenden u"- und r"-Bindungen nennt man Valenztautomere. Bekannte Beispiele sind außer Homotropiliden Bullvalen (Abschn. 8.7.4) und Hypostrophen:
Hypostrophen
26.5.3
Hetero-COPE-Umlagerungen
Die Oxa-COPE-Umlagerung der Allylvinylether führt zu i,f-ungesättigten Carbonyl-Verbindungen (R = H : Aldehyde) oder Ketonen (R = Alkyl oder Aryl : Ketone): R
R Hitze
O
O
o
i.f-ungesättigte CarbonylVerbindung
Allylalkenylether
Bei der CLAISEN-Umlagerung der Allylphenylether (Abschn. 16.5.4) entsteht unter Mitwirkung einer benzoiden r-Bindung durch eine Art Oxa-COPE-Umlagerung intermediär ein Cyclohexadienon, das zum o-Allylphenol rearomatisiert:
Hitze
O
O
o
HO
H
Allylphenylether
o-Allylphenol
Auch andere [3,3]-sigmatrope Verschiebungen unter Mitwirkung von C-Heteroatom-Doppelbindungen sind bekannt, z. B. die Indol-Synthese nach FISCHER (Abschn. 33.6.3) oder die DiazaCOPE-Umlagerung arylsubstituierter 2,5-Diaza-1,5-hexadiene: Ar1
N
Ar2
Ar1
N
Ar2
Ar1
N
Ar2
Ar1
N
Ar2
1,3,4,6-Tetraaryl-2,5-diaza-1,5-hexadiene (Diimine aus 1,2-Diaryl-1,2-diaminoethan und Arenaldehyd)
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27.1 Phasenbeziehung von p-Orbitalen
453
27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen 27.1 Phasenbeziehung von p-Orbitalen Bekanntlich lassen sich die Elektronenzustände in Atomen und Molekülen als stehende Wellen deuten (Abschn. 1.3). Das Quadrat der Wellenfunktion [ beschreibt dabei den als Orbital bezeichneten Aufenthaltsbereich der Elektronen. Die Überlappung von Atomorbitalen führt zu Bindungsorbitalen. Dabei überlappen s-Orbitale wegen ihrer Kugelsymmetrie ohne Vorzugsrichtung zu u-Orbitalen. Dagegen können die hantelförmigen p-Orbitale (Abschn. 1.3.2) mit ihren Enden oder Seiten überlappen. Im ersten Fall entstehen u-, im zweiten r-Bindungsorbitale (Abschn. 1.4.3). Zusätzlich spielt bei der Überlappung von p-Orbitalen noch deren Phasenbeziehung eine Rolle. Wie stehende Sinuswellen haben die p-Orbitale je eine Knotenebene, die den negativen vom positiven Bereich der [-Funktion trennt. Wie stehende Sinuswellen mit zeitgleichen Bereichen positiver und negativer Amplitude (Abb. 27.1 a) bezeichnet man p-Orbitale mit gleicher Vorzeichensymmetrie als in Phase oder symmetrisch. Überlagert man Sinuswellen entgegengesetzter Phase, so erfolgt Auslöschung (Abb. 27.1 b). Dagegen führt die Interferenz bei gleicher Phase zur Verdoppelung der Amplitude (Abb. 27.1 a). Ähnlich überlappen zwei p-Orbitale gleicher Phase zu einem bindenden, solche entgegengesetzter Phase zu einem antibindenden r-Molekülorbital, z. B. im Ethen (Abb. 27.2 a und b).
+ (a)
+
/
+ (b)
/
+
/
/
+
+
+
/
/
+
/
+
+
+
/
/
+
/
Abb. 27.1. Phasenbeziehung zweier stehender Sinuswellen: (a) Bei symmetrischer Phase führt die Überlagerung zur Verdoppelung der Amplitude; (b) bei antisymmetrischer Phase führt die Interferenz zur Auslöschung
Im Grundzustand des Ethens besetzen beide r-Elektronen das bindende r-Orbital (Abb. 27.2). Ethen hat demnach die r-Elektronenkonfiguration r2. Durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht
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27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
wird ein r-Elektron auf den antibindenden r*-Zustand angeregt (rr*-Übergang, Abb. 27.2), so daß die energetisch labilere Elektronenkonfiguration r1r*1 entsteht. E
r,
(b) antisymmetrisch
r,
antibindend
rr* - Übergang
r
(a)
Grundzustand
symmetrisch
bindend
Überlappungsart
Molekül-Orbitale
r angeregter Zustand
Abb. 27.2. Phasenbeziehung zweier koaxialer p-Orbitale : (a) Die Überlappung zweier koaxialer p-Orbitale mit gleicher Phase führt zum bindenden r-Molekülorbital, z. B. des Ethens. (b) Die Überlappung zweier koaxialer p-Orbitale mit antisymmetrischer Phase führt zum antibindenden r*-Molekülorbital, das nur im angeregten Zustand besetzt ist
In konjugierten Polyenen sind vier oder mehr p-Orbitale an der Bildung von r-Bindungen beteiligt. Durch Überlappung von vier p-Orbitalen entstehen z. B. im 1,3-Butadien zwei bindende und zwei antibindende r-Orbitale. Das energetisch günstigste dieser r-Orbitale resultiert aus vier pOrbitalen gleicher Symmetrie, das energetisch ungünstigste dagegen aus vier paarweise antisymmetrischen p-Orbitalen (Abb. 27.3, Abb. 6.1, 6.2, S. 83). E
r,
r,
r,
r,
antibindende Molekülorbitale
rr* - Übergang
r
r
r
r
bindende Molekülorbitale
Überlappungsart
Grundzustand
1. angeregter Zustand
Abb. 27.3. Überlappungsmöglichkeiten der pz-Orbitale in 1,3-Butadien, resultierende r-Molekülorbitale und deren Besetzung im Grund- und ersten angeregten Zustand
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27.2 Elektrocyclische Reaktionen
455
Nur die symmetrischsten Überlappungen der Atom- oder Hybridorbitale führen nach diesen Betrachtungen zu energiearmen bindenden Molekülorbitalen. WOODWARD, HOFFMANN, FUKUI und LONGUET-HIGGINS entwickelten diesen Gedankengang weiter zu dem Konzept, daß bei konzertierten Reaktionen, in deren Verlauf mehrere Bindungen gleichzeitig gelöst und gebildet werden, die Orbitalsymmetrie den Ablauf und die Orientierung der Reaktion steuert. Gut untersuchte Beispiele konzertierter Reaktionen sind neben Cycloadditionen die elektrocyclischen und sigmatropen Reaktionen, die man unter dem Begriff der pericyclischen Reaktionen zusammenfaßt.
27.2 Elektrocyclische Reaktionen 27.2.1
Definitionen
1,3,5-Hexatriene isomerisieren unter Einwirkung von Wärme oder Licht zu 1,3-Cyclohexadienen: R
R
R
R 1,3,5-Hexatrien 6 r-Elektronen (k = 6)
1,3-Cyclohexadien 4 r-Elektronen
Entsprechend können 1,3,5,7-Octatetraene in 1,3,5-Cyclooctatriene übergehen: R
R
R 1,3,5,7-Octatetraen 8 r-Elektronen (k = 8)
R 1,3,5-Cyclooctatrien 6 r-Elektronen
Bei diesen Umwandlungen schließt sich zwischen den Enden eines offenkettigen Polyens mit k rElektronen ein Ring mit (k /"2) r-Elektronen. Solche Reaktionen und ihre Umkehrungen nennt man elektrocyclisch. Auch die Öffnungen (Cycloreversionen) mancher Cycloalkene zu Polyenen sind demnach elektrocyclische Reaktionen, z. B.: R R
R R Cyclobuten 2 r-Elektronen
1,3-Butadien 4 r-Elektronen (k = 4)
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27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
Elektrocyclische Reaktionen verlaufen stereospezifisch. So ergibt die thermische Cyclisierung (F) des (Z,E)-2,4-Hexadiens (Z)-3,4-Dimethylcyclobuten (und umgekehrt). (Z)-3,4-Dimethylcyclobuten entsteht aber auch bei der Bestrahlung von (E,E)-2,4-Hexadien mit ultraviolettem Licht (hp), während dieses Dien beim Erhitzen in (E)-3,4-Dimethylcyclobuten übergeht (Abb. 27.4). CH3 F
(Z,E) -2,4-Hexadien
H 3C
CH3 (Z) -3,4-Dimethylcyclobuten
CH3 hp
CH3 F
(E,E) -2,4-Hexadien
H 3C (E) -3,4-Dimethylcyclobuten
CH3 CH3
Abb. 27.4. Orientierung thermischer (F) und photochemischer (hp) elektrocyclischer Reaktionen isomerer 2,4Hexadiene
(E,Z,E)-2,4,6-Octatrien cyclisiert thermisch zu (Z)-5,6-Dimethyl-1,3-cyclohexadien, photochemisch dagegen zum (E)-Isomer, das thermisch wiederum nur aus (E,Z,Z)-2,4,6-Octatrien entsteht (Abb. 27.5). CH3 F
(E,Z,E) -2,4,6-Octatrien
CH3
CH3
(Z) -5,6-Dimethyl1,3-cyclohexadien
CH3 hp
CH3 (E,Z,Z) -2,4,6-Octatrien
CH3
F
CH3
(E) -5,6-Dimethyl1,3-cyclohexadien
CH3
Abb. 27.5. Orientierung thermischer und photochemischer elektrocyclischer Reaktionen isomerer 2,4,6Octatriene
Diese Beispiele zeigen, daß der sterische Verlauf elektrocyclischer Reaktionen (1) von der Anzahl der Doppelbindungen im Polyen und (2) von der Reaktionsführung (thermisch oder photochemisch) abhängt. Bei der Isomerisierung der offenkettigen zur cyclischen Verbindung (und umgekehrt) können sich die Substituenten A, B, C und D gegen- oder gleichsinnig drehen. Man spricht daher von disrotatorischen oder konrotatorischen Isomeriebeziehungen (Abb. 27.6).
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27.2 Elektrocyclische Reaktionen
457
A
A
D
B
C
D B C
disrotatorisch (gegensinnige Drehung)
A
B C
A
A
D
B
C
D
A
C
B
D
D B C
konrotatorisch (gleichsinnige Drehung)
A
B C
A
C
B
D
D
Abb. 27.6. Konrotatorische und disrotatorische Isomeriebeziehungen bei elektrocyclischen Reaktionen
27.2.2
WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für elektrocyclische Reaktionen
Die neue u-Bindung des Cycloalkans entsteht aus zwei r-Elektronen des Polyens. Zur Klärung der Frage, welche r-Elektronen die u-Bindung schließen, wurde aufgrund quantenmechanischer Überlegungen zunächst zweierlei postuliert: (1)" Thermische elektrocyclische Reaktionen gehen aus vom höchsten besetzten MolekülOrbital des Grundzustandes von Polyen bzw. Cycloalken. (2) Photochemische elektrocyclische Reaktionen gehen aus vom tiefsten nicht besetzten Molekül-Orbital der angeregten, d. h. antibindenden Zustände von Polyen bzw. Cycloalken. Die thermische Cyclisierung von 1,3-Dienen zu Cyclobutenen geht nach Postulat (1) vom höchsten besetzten Molekül-Orbital (Abb. 27.3) aus. Drehen sich die endständigen p-Orbitale (mit den Substituenten) konrotatorisch, so kommen Orbitallappen gleicher Phase zur Überlappung (Abb. 27.7 a), und nach Abschn. 27.1 entsteht ein bindendes Molekül-Orbital (abgek. MO). Drehen sich die endständigen p-Orbitale dagegen disrotatorisch, so gelangen Orbitallappen entgegengesetzter Phase zur Überlappung (Abb. 27.7 b), und es entsteht ein antibindendes MO.
konrotatorisch
disrotatorisch
bindend (a)
(b)
antibindend
Abb. 27.7. Konrotatorische (a) und disrotatorische (b) Drehung der endständigen p-Orbitale bei der thermischen Cyclisierung von 1,3-Butadienen
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27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
Die in Abb. 27.4 skizzierte Orientierung der thermischen Isomerisierung von 2,4-Hexadienen zu Cyclobutenen folgt z. B. aus einer konrotatorischen Drehung der Substituenten. F , konrotatorisch
H 3C
CH 3
H 3C H3C (Z) -
(Z,E) -
F , konrotatorisch
H 3C
H 3C
CH3 CH 3 (E) 3,4-Dimethylcyclobuten
(E,E) 2,4-Hexadien
Die Photocyclisierung von 1,3-Dienen geht nach Postulat (2) vom tiefsten unbesetzten MO (Abb. 27.3) aus. Eine u-Bindung kann wiederum nur entstehen, wenn Orbitallappen gleichen Vorzeichens überlappen, die endständigen p-Orbitale sich also disrotatorisch drehen (Abb. 27.8).
konrotatorisch
disrotatorisch
antibindend
(b)
(a)
bindend
Abb. 27.8. Konrotatorische (a) und disrotatorische Drehung (b) der endständigen p-Orbitale bei der Photocyclisierung von 1,3-Butadienen
Orbitalsymmetrie-Betrachtungen erlauben somit die Voraussage, daß die Photocyclisierung des (E,E)-2,4-Hexadiens zu (Z)-3,4-Dimethylcyclobuten führt: hp , disrotatorisch
H 3C
H 3C
CH 3
CH3
(E,E) -2,4-Hexadien
(Z) -3,4-Dimethylcyclobuten
Entsprechende Überlegungen führen zu den in Abb. 27.9 entwickelten Vorhersagen über die Orientierung der elektrocyclischen Reaktionen von 1,3,5-Trienen zu 1,3-Cyclohexadienen (vgl. auch Abb. 27.5). Abb. 27.9 erklärt, weshalb die Cyclisierung des (E,Z,E)-2,4,6-Octatriens thermisch zum cis-5,6-Dimethyl-1,3-cyclohexadien, photochemisch dagegen zum trans-Isomer führt. F disrotatorisch
H3C
H 3C
hp
CH 3
konrotatorisch
H 3C
CH 3 cis-5,6-Dimethyl1,3-cyclohexadien
H3C
CH 3 CH3 trans-5,6-Dimethyl1,3-cyclohexadien
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27.2 Elektrocyclische Reaktionen
459
E
hp konrotatorisch
antibindend
r-r*Übergang
bindend
F disrotatorisch
(a)
(b)
Abb. 27.9. (a) Molekül-Orbitale von 1,3,5-Trienen und ihre Besetzung im Grund- und ersten angeregten Zustand. (b) Bei der thermischen Cyclisierung von 1,3,5-Trienen führt die disrotatorische Drehung der p-Orbitale des Grundzustandes zur u-Bindung. Die entsprechende Photoreaktion geht vom tiefsten antibindenden MO aus. Dabei führt die konrotatorische Drehung der p-Orbitale zur u-Bindung
Tab. 27.1 faßt die Ergebnisse in Form der WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für elektrocyclische Reaktionen zusammen. Tab. 27.1. WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für elektrocyclische Reaktionen
Polyen
Cyclopolyen
Anzahl k der r-Elektronen im Polyen
Orientierung der elektrocyclischen Reaktion thermisch aus Grundzustand
photochemisch (aus 1. angeregtem Zustand)
4 (4n , n = 1)
konrotatorisch
disrotatorisch
6 (4n+2 , n = 1)
disrotatorisch
konrotatorisch
8 (4n , n = 2)
konrotatorisch
disrotatorisch
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27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
Diese Regeln erklären z. B. die Stereospezifität der Photocyclisierungen von 2,3-Dihydrooxepin, 1-(1-Cyclohexenyl)cyclohexen und (Z)-Stilben: H
H hp , disrotatorisch
X
4
1
O
( X = H , Cl )
2
H
H 2,3-Dihydrooxepin
5
3
7
O
X
6
cis-2-Oxabicyclo[3.2.0]hept-6-en
hp , disrotatorisch
H H
H H
cis-Bis-(tetramethylen)cyclobuten
1-(1-Cyclohexenyl)cyclohexen
9
hp , disrotatorisch
1 4b 5
(Z) -Stilben
10
4a
H H
4
(E) -4a,4b-Dihydrophenanthren
27.3 Cycloadditionen 27.3.1
Definitionen
Reaktionen, bei denen zwei r-Bindungen zweier ungesättigter Moleküle unter Bildung zweier neuer u-Bindungen einen Ring schließen, bezeichnet man als Cycloadditionen. Bekannte Beispiele sind die Entstehung von Cyclobutanen durch Cyclodimerisierung von Alkenen oder die DIELSALDER-Reaktion von Dienen mit Alkenen zu Cyclohexenen: r2s + r2s-Cycloaddition
+ 2r"-
r4s + r2s-Cycloaddition hp
2r"-
Elektronen
Cycloaddition
+ Cycloreversion
6r"-
2r"-
Elektronen
Zur genaueren Bezeichnung von Cycloadditionen stellt man die Art des Molekül-Orbitals, nämlich r, vor die Anzahl der beteiligten r-Elektronen. Die Cyclodimerisierung des Ethens ist demnach eine [r2 + r2]-, die DIELS-ALDER-Reaktion eine [r4 + r2]-Cycloaddition. Weiterhin können die gebildeten oder die geöffneten u-Bindungen (letztere bei Cycloreversionen, den Umkehrungen von Cycloadditionen) auf der gleichen oder der entgegengesetzten Seite des reagierenden rSystems liegen. Im ersten Fall wird die Reaktion suprafacial und durch einen nachgestellten Index s gekennzeichnet im Gegensatz zu einem antarafacialen Prozeß mit Index a.
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27.3 Cycloadditionen
C
461
C
C
r2s
r4s
C
r2a
u-Bindungen schließen sich von derselben Seite : supra (facial)
r4a
"""u-Bindungen schließen sich von entgegengesetzten Seiten : antara (facial)
Die vollständige Bezeichnung der Cyclodimerisierung des Ethens ist demnach [r2s + r2s], die der DIELS-ALDER-Reaktion [r4s + r2s]. Beide Cycloadditionen sind supra-supra-Prozesse.
27.3.2
WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für konzertierte Cycloadditionen
Bei einer konzertierten Cycloaddition entstehen zwei neue u-Bindungen durch Überlappung der pOrbitale beider Reaktionspartner. Zur Frage, welche r-Orbitale wechselwirken, gibt es wiederum quantenmechanisch begründbare Postulate: (1) (2)
(3) (4)
Bei thermischen Cycloadditionen reagiert ein Cycloadditions-Partner aus dem höchsten besetzten Molekül-Orbital des Grundzustands. Da dieses Orbital bereits besetzt ist, kann sich eine neue u-Bindung nur durch Wechselwirkung mit einem vakanten Orbital des anderen Reaktionspartners bilden. Dabei wird das energieärmste, also das tiefste unbesetzte Molekül-Orbital bevorzugt. Erlaubt sind konzertierte Cycloadditionen, bei denen die r-Molekül-Orbitale beider Edukte mit gleicher Vorzeichensymmetrie, d. h. in Phase wechselwirken. Photocycloadditionen gehen vom höchsten besetzten Molekül-Orbital im angeregten Zustand eines der Reaktionspartner aus.
Die thermische Cycloaddition zweier Moleküle Ethen ist somit als Überlappung des besetzten bindenden r-Molekül-Orbitals des einen mit dem leeren antibindenden r*-Orbital des anderen Moleküls zu verstehen. Wie Abb. 27.10 zeigt, führt eine konzertierte supra-supra-Verknüpfung zweier Moleküle Ethen zu einer antibindenden Wechselwirkung. Die thermische [r2s + r2s]Cycloaddition ist daher symmetrie-verboten. Eine supra-antara-Verknüpfung, also die [r2s + r2a]-Cycloaddition könnte dagegen konzertiert zu zwei neuen u-Bindungen führen. Die Reaktion wäre zwar symmetrie-erlaubt. Diese Art der Cyclobutan-Bildung ist jedoch aus geometrischen Gründen schwierig.
r*-Orbital
r-Orbital
supra-supra [r2s + r2s] antibindend
antara-supra [r2a + r2s] bindend
Abb. 27.10. Orbitalsymmetrie bei der thermischen Cycloaddition zweier Moleküle Ethen. Symmetrie-erlaubt aber geometrisch schwierig ist nur die [r2a + r2s]-Cycloaddition
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27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
Die konzertierte [r2s + r2s]-Photocycloaddition zweier Moleküle Ethen ist symmetrie-erlaubt. Nach (2) und (4) überlappt dabei das höchste besetzte Orbital eines angeregten Ethen-Moleküls mit dem tiefsten unbesetzten Orbital des zweiten Ethens. Somit überlappen zwei r*-Orbitale (Abb. 27.2). Diese Wechselwirkung ist bindend (Abb. 27.11), weil Orbitalbereiche gleicher Vorzeichensymmetrie überlappen. r* (höchstes besetztes Orbital im angeregten Zustand)
r* (tiefstes unbesetztes Orbital im angeregten Zustand)
supra-supra [r2s + r2s] bindend
Abb. 27.11. Orbitalsymmetrie bei der Photocycloaddition zweier Moleküle Ethen. Symmetrie-erlaubt und geometrisch möglich ist die [r2s + r2s]-Cycloaddition
Bei der thermischen [r4 + r2]-Cycloaddition von 1,3-Dienen an Alkene können sich die beiden neuen u-Bindungen durch zwei supra,supra-Überlappungen bilden (Tab. 27.2): a) b)
Das höchste besetzte r-Orbital des Ethens überlappt mit dem tiefsten unbesetzten r*Orbital des 1,3-Diens (Abb. 27.12 a). Das höchste besetzte r-Orbital des 1,3-Diens überlappt mit dem tiefsten unbesetzten r*Orbital des Ethens (Abb. 27.12 b).
Entsprechende Symmetrie-Betrachtungen lassen sich auf die [4+2]-Photocycloaddition übertragen (Abb. 27.12 c, d). Es ergibt sich, daß in den angeregten Zuständen nur supra-antara-Cycloadditionen Symmetrie-erlaubt sind (Tab. 27.2).
r* Butadien
r* Ethen
r* Butadien
r* Ethen
r Ethen supra-supra [r4s + r2s]
r"" Butadien supra-supra [r4s + r2s]
r* Ethen antara-supra [r4a + r2s]
r* Butadien antara-supra [r4a + r2s]
(a)
(b)
(c)
(d)
Abb 27.12. Orbitalsymmetrie bei der thermischen (a,b) und photochemischen (c,d) [4+2]-Cycloaddition. Symmetrie-erlaubt sind die thermische supra-supra- [r4s + r2s]- und die photochemische antara-supra- [r4a + r2s]Cycloaddition
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27.3 Cycloadditionen
463
Tab. 27.2. WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für konzertierte Cycloadditionen
[m + n] - Cycloaddition
a)
thermisch aus Grundzustand verboten
photochemisch aus angeregtem Zustand
erlaubt
erlaubt
verboten
+ m=2,n=2 m+n=4 (allgemein : m + n = 4q b) für q = 1)
r2a + r2a antara - antara
r2s + r2a supra - antara
r2s + r2s supra - supra
r2a + r2s antara - supra
r4a + r2s antara - supra
r4s + r2s supra - supra
r4s + r2a supra - antara
r4a + r2a antara - antara
+ m=4,n=2 m+n=6 (allgemein : m + n = 4q + 2 b) für q = 1) a)
m und n sind die Anzahlen der r-Elektronen beider Edukte ; .
b)
q ist eine ganze Zahl, z. B. q = 1, 2, 3 .
Die bekannte Stereospezifität thermischer DIELS-ALDER-Reaktionen folgt zwanglos aus den WOODWARD-HOFFMANN-Regeln: Da diese Cycloaddition nach Abb. 27.12 und Tab. 27.2 nur bei suprafacialer Anordnung von Dien und Dienophil im Übergangszustand abläuft, bleibt die relative Konfiguration beider Edukte im Cycloaddukt erhalten.
Epot
1,3-Dien
Dienophil
1,3-Dien
Dienophil
1,3-Dien
Dienophil
LUMO
HOMO
oder
normale
(a )
neutrale DIELS-ALDER-Reaktion (b)
inverse
(c )
Abb. 27.13. Energiebeziehungen der Molekül-Orbitale von Dien und Dienophil bei normalen (a), neutralen (b) und inversen (c) DIELS-ALDER-Reaktionen
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27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
Orbitalsymmetrie-Betrachtungen werden oft im HOMO-LUMO-Jargon beschrieben; dabei bezeichnet man das höchste besetzte Molekülorbital als HOMO von "highest occupied molecular orbital", das tiefste unbesetzte Molekülorbital entsprechend als LUMO von "lowest unoccupied molecular orbital". Verschiedene relative HOMO-LUMO-Energiebeziehungen von Dien und Dienophil kennzeichnen z. B. die drei Typen der DIELS-ALDER-Reaktion: Bei einer neutralen DIELS-ALDER-Reaktion unterscheiden sich die HOMO-LUMO-Abstände von Dien und Dienophil kaum (Abb. 27.13 b). Bei der besonders häufigen normalen DIELS-ALDER-Reaktion wechselwirkt das HOMO eines elektronenreichen 1,3-Diens mit dem LUMO eines elektronenarmen Dienophils (Abb. 27.13 a). Bei einer DIELS-ALDER-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf überlappt dagegen das HOMO eines elektronenreichen Dienophils mit dem LUMO eines elektronenarmen 1,3Diens (Abb. 27.13 c). Donor- oder (-)-M-Substituenten (z. B. Methoxy) machen elektronenreich, Akzeptor- oder (/)-M-Substituenten (z. B. Carbonyl) machen elektronenarm.
27.3.3
Cycloreversionen
Konzertierte Cycloadditionen können reversibel sein. Die Rückreaktionen bezeichnet man als Cycloreversionen. Cyclobutan könnte z. B. eine Cycloreversion unter Bildung zweier Moleküle Ethen eingehen. Nach Tab. 27.2 müßten sich hierbei zwei u-Bindungen suprafacial lösen. Man spricht daher von einem retro- [r2s + r2s] oder einem [u2s + u2s]-Prozeß: R2 R2
R2
R2
R2
[u2s + u2s] +
R1 oder
+ R2
R1
R1
R1
R1 R1
Der analoge Vorgang führt bei Cyclobuten-Derivaten zu Alken und Alkin. Ein experimentelles Beispiel ist die stereospezifische Photocycloreversion von (Z)- und (E)-Tricyclo[6.4.0.02,7]-1dodecen zu den Cycloalkeninen entsprechender Konfiguration: 3
12 1
11
2
8
10 9
4 7
H H (Z) -
1 8
hp [u2s + u2s]
1
2
8
7
5 6
(Z) hp [u2s + u2s]
2
1
7
2
7 8
H H (E) -
(E) -
Tricyclo[6.4.0.0 2,7]-1-dodecen
7-Cyclododec-en-1-in
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27.4 Sigmatrope Reaktionen
465
Die Umkehrung der [4+2]-Cycloaddition wird Retro-DIELS-ALDER-Reaktion genannt. Man kann diese Cycloreversion durch das Kürzel [r4s + r2s] kennzeichnen. Ein Beispiel ist der thermische Zerfall des cis-9-Methyl-1,2,3,4,5,8,9,10-octahydronaphthalen-1-ons mit cis-ständigen Substituenten an den Brückenkopf-C-Atomen (C-9 und C-10). Das trans-Isomer könnte keine Symmetrieerlaubte [r4s + r2s]-Cycloreversion eingehen. H 3C
/ [ r4s + r2s ]
+
CH3 6 7
9 10
H
CH3
O 3-Methyl-2cyclohexenon
1,3-Butadien 1
H
O 9-Methyl-1,2,3,4,5,8,9,10-octahydronaphthalen-1-on
cis-
O
trans-
27.4 Sigmatrope Reaktionen 27.4.1
Definitionen
Die intramolekulare Wanderung eines mindestens von einer r-Bindung flankierten Substituenten R innerhalb eines Alkens oder Polyens unter gleichzeitiger Verschiebung der r-Bindung(en) bezeichnet man als sigmatrope Reaktion: R
1
C )n
1
sigmatrope Reaktion
o
C (C
(C
R
C )n C
Alkene und Diene können [1,3]-, [1,5]- und [3,3]-sigmatrope Verschiebungen eingehen: R
R
R
1
3 2
1
3
1
3 2
2
[1,3]-sigmatrope Reaktion eines Alkens
1
R 5
2
R
4 3
1
R 5
2
[1,5]-sigmatrope Reaktion eines 1,3-Diens
4 3
[3,3]-sigmatrope Reaktion eines 1,5-Diens
[3,3]-sigmatrope Verschiebungen sind als COPE-, Diaza-COPE-, Oxa-COPE- sowie CLAISENUmlagerung bekannt (Abschn. 26.5).
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466
27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
Sigmatrope Reaktionen können nach zwei stereochemischen Alternativen ablaufen, nämlich suprafacial und antarafacial, wie die [1,5]-Verschiebung eines Wasserstoff-Atoms zeigt: Bei der suprafacialen Verschiebung liegen Ausgangs- und Endposition des wandernden H-Atoms auf derselben Seite des Molekülgerüstes. Im entgegengesetzten Fall, einer antarafacialen Verschiebung, wandert das H-Atom von der Oberseite im Edukt zur Unterseite im Produkt. H
H
suprafaciale [1,5]-Verschiebung
A
BC
D
A
BC
D
A
B C
D
H antarafaciale [1,5]-Verschiebung
A
BC
D H
27.4.2
WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für sigmatrope Reaktionen
Wie bereits formuliert, ist die wandernde Gruppe R im Übergangszustand durch eine Art Dreizentren-Bindung an Ausgangs- und Endpunkt der Wanderung geknüpft. Zur Beschreibung des Übergangszustandes geht man von drei Voraussetzungen aus: (1)
(2) (3)
Die wandernde R-Gruppe und das r-System werden im Übergangszustand als Radikalpaar betrachtet. Gleichwohl verläuft die Verschiebung konzertiert, also nicht unter intermediärer Bildung und Rekombination von freien Radikalen. Im Übergangszustand liegt das r-System als Allyl- oder vinyloges Allyl-Radikal vor. Zur Überlappung gelangen jeweils das höchste besetzte Molekül-Orbital der wandernden (radikalischen) Gruppe R und des Allyl-Radikals. Da diese beiden Orbitale jeweils einfach besetzt sind, liefern sie zusammen das bindende Elektronenpaar.
Daraus ergibt sich die Frage, welches das höchste besetzte Molekül-Orbital eines Allyl-Radikals ist. Die drei Molekül-Orbitale des Allyl-Systems entstehen durch Überlappung dreier benachbarter p-Orbitale (Abb. 27.14). E antibindend
nicht bindend
bindend
Kation Radikal Anion im Grundzustand
Abb. 27.14. Linearkombinationen der Atom-Orbitale des C-Atoms zu den Molekül-Orbitalen des Allyl-Systems und Elektronenkonfiguration im Allyl-Kation, Allyl-Radikal und Allyl-Anion
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27.4 Sigmatrope Reaktionen
467
Überlappen diese mit gleicher Vorzeichensymmetrie, so resultiert das bindende Molekül-Orbital. Überlappen sie mit benachbart-entgegengesetzter Phase, so entsteht das antibindende MolekülOrbital. Beteiligt sich das mittlere p-Orbital nicht an der Überlappung, so ergibt sich ein nicht bindendes Molekül-Orbital mit einem Knoten ( ) am mittleren Kohlenstoff-Atom (Abb. 27.14) und dem Energieinhalt eines isolierten p-Orbitals. Dieses nicht bindende Orbital ist im AllylKation vakant, im Anion doppelt und im Radikal einfach besetzt (Abb. 27.14). Für vinyloge Allyl-Radikale entstehen die nicht bindenden Molekül-Orbitale analog (Abb. 27.15): Zur Überlappung kommen nur p-Orbitale entgegengesetzter Phase an ungeradzahligen CPositionen. p-Orbitale geradzahliger C-Atome beteiligen sich nicht; dort bilden sich Knoten ( ).
2
2
1
4
2
1
3
Allyl-
5
4
6
1
1,3-Pentadienyl-
7
1,3,5-Heptatrienyl-Radikal
Abb. 27.15. Symmetrie nicht bindender Molekül-Orbitale des Allyl-Radikals und seiner Vinylogen
Soll die sigmatrope Reaktion thermisch, also vom Grundzustand ausgehend erfolgen, so ist wie bei den anderen konzertierten Reaktionen die Symmetrie des höchsten besetzten Molekül-Orbitals im Allyl-r-System entscheidend. Ist die Anzahl der r-Bindungen des Allyl-Systems gerade, so haben die endständigen p-Orbitale gleiche Vorzeichensymmetrie (Abb. 27.15). Eine Dreizentrenbindung zwischen Allyl-System und wandernder Gruppe R (z. B. einem H-Atom) wäre von derselben Seite aus möglich, da Orbitallappen gleicher Phase überlappen könnten (Abb. 27.16 b). Eine suprafaciale [1,5]-sigmatrope Verschiebung ist also Symmetrie-erlaubt (Tab. 27.3).
4 2
2 1
H
4 2
3
1
H
5
6 1
H
antarafacial
suprafacial
antarafacial
(a )
(b)
(c )
7
Abb. 27.16. Erhaltung der Orbitalsymmetrie im Übergangszustand sigmatroper H-Verschiebungen. (a) Die antarafaciale [1,3]-Verschiebung ist Symmetrie-erlaubt aber geometrisch schwierig. (b) Die suprafaciale [1,5]-Verschiebung ist Symmetrie-erlaubt und geometrisch möglich. (c) Die antarafaciale [1,7]-Verschiebung ist Symmetrie-erlaubt und geometrisch weniger erschwert als die antarafaciale [1,3]-Verschiebung
Ist die Anzahl der r-Bindungen des Allyl-Systems dagegen ungerade, so haben die endständigen p-Orbitale im nicht bindenden Zustand entgegengesetzte Vorzeichensymmetrie (Abb. 27.15). Das s-Orbital eines Wasserstoff-Atoms könnte also nur von der Oberseite des einen zur Unterseite des
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468
27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
anderen Radikal-Endes überlappen (Abb. 27.16 a und c). Symmetrie-erlaubt wäre somit eine antarafaciale [1,3]- oder [1,7]-sigmatrope Verschiebung (Tab. 27.3). Diese würde aber eine Verdrillung des Allyl-r-Systems erfordern und ist im Falle des Dreikohlenstoff-Gerüstes geometrisch unwahrscheinlich. Dagegen ist die Symmetrie-erlaubte [1,7]-Verschiebung geometrisch möglich. Tab. 27.3. WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für sigmatrope Verschiebungen symmetrie-erlaubte Orientierungen thermisch aus Grundzustand
photochemisch aus angeregtem Zustand
sigmatrope Reaktion
i
j
[1,3] -
1
3
4 (q=1)
antara
supra
[1,5] -
1
5
6 (=4+2) (q=1)
supra
antara
[1,7] -
1
7
8 (=4x2) (q=2)
antara
supra
[3,3] -
3
3
6 (=4+2) (q=1)
supra - supra antara - antara
antara - supra supra - antara
4q
antara - supra supra - antara
supra - supra antara - antara
4q+2
supra - supra antara - antara
antara - supra supra - antara
i+j
[i, j] -
Die Regeln in Tab. 27.3 gelten für sigmatrope Verschiebungen aus dem Grundzustand; sie kehren sich wie bei den Cycloadditionen und elektrocyclischen Reaktionen für Photoreaktionen um. Im Übergangszustand einer [3,3]-sigmatropen Reaktion wechselwirken zwei Allyl-Radikale so, daß zwei Dreizentren-Bindungen entstehen. Diese bilden sich entweder durch supra-supra- oder antara-antarafacial-Überlapppung der nicht bindenden Allyl-Orbitale (Abb. 27.17). Die relative Symmetrie der nichtbindenden Molekül-Orbitale beider r-Systeme dirigiert demnach auch alle [i,j]-sigmatrope Verschiebungen (i und j sind größer als 1 wie im Beispiel mit i = j = 3).
oder
supra - supra
antara - antara
Abb. 27.17. Erhaltung der Orbitalsymmetrie im Übergangszustand [3,3]-sigmatroper Verschiebungen : Sowohl die supra-supra-, als auch die antara-antara-Überlappung der nichtbindenden Molekül-Orbitale zweier AllylRadikale ist Symmetrie-erlaubt
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27.4 Sigmatrope Reaktionen
27.4.3
469
Ausgewählte Beispiele zu den Auswahlregeln
Die Voraussage, daß [1,3]-sigmatrope Verschiebungen unmöglich, [1,5]-Verschiebungen dagegen Symmetrie-erlaubt sind, zeigt sich an vielen Beispielen. So ist 5-Methylen-1,3-cyclohexadien eine stabile Verbindung, weil ihre Aromatisierung zu Toluen eine [1,3]-sigmatrope Verschiebung wäre: CH 3
CH 2
Beim Erhitzen von 7,8-Dideutero-1,3,5-cyclooctatrien verteilt sich das Deuterium nur auf die CAtome 3, 4, 7 und 8, wie es [1,5]-Verschiebungen entspricht. Reversible [1,3]-Verschiebungen über das isomere 1,3,6-Cyclooctatrien würden das Deuterium auf alle Positionen verteilen: D
[1,5] - D
D
(D)
(D)
(D)
(D)
[1,3] - D
(D)
(D)
(D)
(D) D
(D)
D
D
(D)
(D)
(D)
(D) (D)
(D)
Thermische [1,5]-Verschiebungen von Pentadienen, wie die des 1,1-Dideutero-1,3-pentadiens, [1,5] - D
D2C
CH 3
D 2HC
CH 2
sind nach Tab. 27.3 suprafaciale Synchronprozesse und verlaufen daher stereospezifisch. Dies zeigt sich am Beispiel der stereospezifischen Thermolyse des 2-Deutero-6-methyl-2,4-octadiens: H 3C H5C 2
H 3C H5C 2
D H 3C H
Hitze
HD H 3C
H H 5C 2 H3C D
H5C 2 Hitze
H 3C
H 3C
H D H3C
(2E,4Z) -2-Deuterio-6-methyl-2,4-octadien (Konformere)
27.4.4
Inversion und Retention bei sigmatropen Verschiebungen
Wandert bei der sigmatropen Verschiebung nicht Wasserstoff, sondern Kohlenstoff, so gibt es im Übergangszustand zwei Möglichkeiten der Orbital-Überlappung:
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470
(1)
27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
Überlappt im Übergangszustand ein s-Orbital, so wird das wandernde C-Atom vor und nach der Verschiebung über denselben Orbital-Bereich gebunden. Alle Bindungen bleiben dann auf der gleichen Seite des wandernden C-Atoms. Die Verschiebung verläuft also unter Retention der Konfiguration (Abb. 27.18).
2
2 1
3
[1,3]-Alkyl-Verschiebung antarafacial
4
1
5
[1,5]-Alkyl-Verschiebung suprafacial
Abb. 27.18. Erhaltung der Orbitalsymmetrie im Übergangszustand [1,3]- und [1,5]-sigmatroper Allyl-Verschiebungen. Bei Beteiligung eines s-Orbitals ist die antarafaciale [1,3]- und die suprafaciale [1,5]-Verschiebung Symmetrie-erlaubt. In beiden Fällen bleibt die Konfiguration am wandernden C erhalten (Retention)
(2) Enthält das wandernde C-Atom ein zugängliches p-Orbital, wie z. B. in Alkyl-Radikalen, so kann sich auch dieses am Übergangszustand beteiligen, sofern sperrige Substituenten sterisch nicht im Wege stehen. Bekanntlich liegen im p-Zustand Orbitallappen entgegengesetzten Vorzeichens auf gegenüberliegenden Seiten eines C-Atoms. Daraus folgt, daß bei Teilnahme eines p-Orbitals am Übergangszustand die Konfiguration des wandernden C-Atoms wie bei SN2-Reaktionen invertiert (Abb. 27.19).
1
[1,3]-Alkyl-Verschiebung suprafacial
3
1
5
[1,5]-Alkyl-Verschiebung antarafacial
Abb. 27.19. Bei Beteiligung eines p-Orbitals des wandernden C-Atoms sind die suprafaciale [1,3]- und die antarafaciale [1,5]-Verschiebung Symmetrie-erlaubt. In beiden Fällen erfolgt Inversion der Konfiguration am wandernden Kohlenstoff
[1,3]- und [1,5]-Verschiebungen lassen keine Verdrillung des r-Gerüstes zu, so daß antarafaciale Überlappungen behindert sind. Symmetrie-erlaubt und geometrisch möglich sind also suprafaciale [1,3]- sowie [1,5]-Alkyl-Verschiebungen, [1,3]-Wanderungen unter Beteiligung von p-Orbitalen und Inversion, [1,5]-Wanderungen unter Beteiligung von s-Orbitalen und Retention. Für [1,3-]Alkyl-Verschiebungen kehren sich die Auswahlregeln in Tab. 27.3 demnach um.
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27.4 Sigmatrope Reaktionen
471
Unter den wenigen bekannten thermischen [1,3]-Alkyl-Verschiebungen zeigt die Thermolyse von 6-Acetyl-7-deuterobicyclo[3.2.0]hepten Inversion an C-7: Aus dem Edukt mit Acetyl-Gruppe und Deuterium auf entgegengesetzten Seiten von C-6 und C-7 entsteht ein Bicyclo[2.2.1]hepten, bei dem Acetyl-Gruppe und Deuterium auf derselben Seite (exo) von C-6 und C-7 stehen: 7 4 5 1
H D
2 6 7
O
1
O C
4
5
1
3
2
300 °C
3
H
CH 3
H
6 7
H
2
O
6
O C CH 3 D
5
3
4
H
O CH3 C D O
H
2-Acetoxy-3-deuteriobicyclo[2.2.1]hept-5-en (Acetoxy und D zusammen, exo, exo)
6-Acetoxy-7-deuteriobicyclo[3.2.0]hept-2-en (Acetoxy und D entgegen)
Daß [1,5]-Alkyl-Verschiebungen unter vollständiger Retention der Konfiguration am wandernden C ablaufen, zeigt die thermische Umlagerung des (Z)- und (E)-Isomers von 6,9-Dimethylspiro[4,4]nona-1,3-dien zu den Dimethylbicyclo[4.3.0]nonadienen gleicher Konfiguration: H 3C 1
6
2
7
(Z) - 6,9-Dimethylspiro[4.4]nona-1,3-dien
5 8
3 9
4
H 3C [1,5] - C - Verschiebung
1
5
3
6
H
1
CH 3
2
CH3
2
[1,5] - H - Verschiebung
4
3
H
5
6
H [1,5] - H - Verschiebung
4
1
CH3
2 3
5 4
H
H 9
H3C Primärprodukt
27.4.5
H 3C (Z) - 6,9-Dimethylbicyclo[4.3.0]nona-1(2),4(5)-dien (Hauptprodukt)
H 3C
En-Reaktion
Bei der En-Reaktion (Abschn. 4.5.12) handelt es sich um eine intermolekulare [1,5]-sigmatrope H-Verschiebung. Dabei addiert ein Alken mit allylständigem H-Atom (En) an eine elektronenarme Doppelbindung (Enophil). Enophil
X Y
X
H
H
En
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472
27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
En und Enophil bilden dabei einen bootförmigen pericyclischen Übergangszustand, an dem sich zwei u-Elektronen der CH-Einfachbindung und die vier r-Elektronen der beiden Doppelbindungen beteiligen. Demnach ist die En-Reaktion ein [u2s + r2s + r2s]-Prozeß. LUMO (En)
H
H
HOMO (Enophil)
Als Folge dieses konzertierten Ablaufs wird die absolute Konfiguration eines Asymmetriezentrums im En auf das Addukt übertragen. Aus (R)-3-Phenyl-1-buten entsteht z. B. (R)-5-Phenyl-4hexen-1,2-dicarbonsäureanhydrid: O + H5C 6 H 3C
H
O
O H 5C6
H O
(R) -3-Phenyl1-buten
O
CH 3 O
Maleinsäureanhydrid
(R) - 5-Phenyl-4-hexen1,2-dicarbonsäureanhydrid
Als gute Enophile gelten Carbonyl-Verbindungen (R2C=O) und Singulett-Sauerstoff (O=O im Gegensatz zum Biradikal .O/O., dem Triplett-Sauerstoff), von denen auch intramolekulare EnReaktionen bekannt sind; für Terpen-Synthesen interessant ist z. B. die durch LEWIS-Säuren katalysierte intramolekulare En-Reaktion des Citronellals zu Isopulegol:
ZnBr 2 , 5 - 10 °C
O
OH
H Citronellal
Isopulegol (Hauptprodukt)
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28.1
Überblick
473
28 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung 28.1 Überblick Konstitution und funktionelle Gruppen einer unbekannten Verbindung können chemisch durch Abbaureaktionen und Derivatisierungen bestimmt werden. Rascher, bequemer und häufig genauer ergeben sich diese Informationen aus den Molekülspektren der Verbindung. Molekülspektren entstehen durch Wechselwirkung der molekularen Materie / meist in Lösung / mit elektromagnetischer Strahlung (ultraviolettes, sichtbares und infrarotes Licht sowie längerwellige Strahlung, z. B. Radiowellen), aber auch durch Elektronenbeschuß oder andere Arten der Ionisation (Massenspektrometrie). Die Wechselwirkung elektromagnetischer Wellen mit Materie beruht auf der Anregung von Elektronen, Molekülschwingungen, Molekülrotationen sowie der Richtungsänderung von Elektronenspin- und Kernspin-Präzession in magnetischen Feldern. Welcher Vorgang angeregt wird, hängt von der Strahlungsenergie ab, wie Tab. 28.1 zusammenfassend zeigt. Tab. 28.1. Anregende elektromagnetische Strahlung (Wellenlänge n, Wellenzahl p, Strahlungsenergie FG) und zugehörige spektroskopische Methode
n [cm]
p [cm/1]
FE [kJ / mol]
Bezeichnung
Anregungsart
-Spektroskopie
RÖNTGEN
inneratomare Elektronenübergänge Photoemission
RÖNTGENPhotoelektronen-
UV (ultraviolett) sichtbar
ElektronenSchwingungs- und Rotationsübergänge
Lichtabsorptions-
IR (infrarot)
Schwingungs- und Rotationsübergänge
IR- und RAMAN-
10/6
106
12 000
10/5
105
1 200
10/4 10/3
104 103
120 12
10/2 10/1
102 10
1.2 0.12
Mikrowellen
Rotationsübergänge
Mikrowellen-
100
100
0.012
cm-Wellen
Umklappen der Elektronenspin-Präzession im Magnetfeld
ElektronenspinResonanz (ESR)
101
10/1
0.0012
Radiowellen (UKW)
Umklappen der Kernspin-Präzession im Magnetfeld
Kernmagnetische Resonanz (NMR)
RÖNTGEN-Strahlen können einerseits inneratomare Elektronenübergänge anregen. Hierauf beruht die RÖNTGEN-Spektroskopie, welche Aussagen über die Energiedifferenzen inneratomarer Elektronenzustände erlaubt. RÖNTGEN-Strahlen können aber auch die Emission von Elektronen aus Molekülorbitalen einer organischen Verbindung auslösen (Photoemission, PhotoelektronenSpektroskopie). Die meßbare Energie der Photoelektronen reflektiert den Energieinhalt der Molekülorbitale und damit den Bindungszustand des Probenmoleküls.
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474
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Durch ultraviolettes und sichtbares Licht werden Elektronen auf bindenden und nichtbindenden Molekülorbitalen (u-, r- und n-Elektronen) angeregt. Diese Meßmethodik bezeichnet man als UVund Lichtabsorptions- oder Elektronen-Spektroskopie. Zusätzlich zur Elektronenanregung werden durch ultraviolettes und sichtbares Licht auch Molekülschwingungen und Rotationen angeregt. Dieser Umstand ist für die Banden-Natur, in einzelnen Fällen auch für die Feinstruktur der UV- und Lichtabsorptionsspektren verantwortlich. Bei optisch aktiven Verbindungen hängt die spezifische Drehung ([c], Abschn. 17.2) der Ebene linear polarisierten Lichts von der Wellenlänge n ab (optische Rotationsdispersion, ORD). Hierauf beruhen der für Konfigurationszuordnungen chiraler Verbindungen wertvolle Circulardichroismus (CD) sowie die ORD-Spektroskopie (chiroptische Methoden). Durch infrarote Strahlung werden ausschließlich Molekülschwingungen und Rotationen angeregt (Infrarot- oder IR-Spektroskopie). Die noch energieärmeren Mikrowellen reichen lediglich zur Anregung von Molekül-Rotationen aus. Auf dieser Anregungsart beruht die u. a. zur Bestimmung von Bindungswinkeln wertvolle Mikrowellen-Spektroskopie. Längerwellige elektromagnetische Strahlungen wie Zentimeter- und Radiowellen regen Umklappvorgänge der Elektronen- und Kernspin-Präzession in Magnetfeldern an. Diese Vorgänge sind als Elektronenspin-Resonanz (ESR) sowie kernmagnetische Resonanz (nuclear magnetic resonance, NMR) bekannt. Während die ESR-Spektroskopie eine spezielle Methode zum Studium von Verbindungen mit ungepaarten Elektronen (Radikale) ist, eignet sich die NMR-Spektroskopie zur Untersuchung fast aller organischer Verbindungen, sofern sie Atomkerne mit mechanischem Drehimpuls (Kernspin), z.B. Wasserstoff (1H) oder Kohlenstoff-13 (13C), enthalten. Zur Identifizierung und Aufklärung organischer Verbindungen werden die Elektronen-, Infrarotsowie vor allem die NMR- und Massenspektroskopie eingesetzt.
28.2 UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie 28.2.1
Spektralbereich
Die Absorption ultravioletten (UV) und sichtbaren Lichts (UV-Vis) durch Moleküle beruht auf der Anregung von u-, r- und n-Elektronen; n-Elektronen besetzen nichtbindende, sog. n-Molekülorbitale. UV- und Lichtabsorptions-Spektren umschließen einen Wellenlängenbereich von 1.5 bis 8x10/7m (Abb. 28.1). Die Wellenlänge wird in Nanometer nm angegeben (1 nm = 10/9 m); früher wurde diese Wellenlängeneinheit auch als "millimü" mo bezeichnet.
Abb. 28.1. Wellenlängenbereich der UV- und Lichtabsorptionsspektren
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28.2
UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie
28.2.2
475
Meßmethodik
Abb. 28.2 zeigt das vereinfachte Schema eines Lichtabsorptionsspektrometers. Es besteht aus ̈" einer Strahlungsquelle (zwischen 320 und 800 nm: Wolframdrahtlampe; zwischen 180 und 400 nm: Wasserstoffbogenlampe), ̈" einem Monochromator (sichtbares Licht: Glasprisma oder Gitter; UV-Licht: Quarzprisma), ̈" einer Proben- und Vergleichszelle (Probenküvette mit Meßlösung; Vergleichsküvette mit Lösemittel), ̈" einem Strahlungsdetektor (Photoelektronenvervielfacher) und einem Rechner mit Drucker zur Aufzeichnung der Absorptionskurven (Abb. 28.3), Abzisse: Wellenlänge (n); Ordinate: Absorption (A) oder Absorptionskoeffizient (g"). Strahlungsquelle
Vergleichsküvette
Amperemeter
I0 I0
Monochromator
d
Probenküvette
I Photoelektronenvervielfacher
Rechner/Drucker
I0 Strahlungsintensität aus der Vergleichsküvette I Strahlungsintensität aus der Probenküvette d Küvettenlänge (Schichtdicke)
Abb. 28.2. Vereinfachtes Schema eines UV- und Lichtabsorptionsspektrometers
Abb. 28.3. UV-Spektrum von Aceton (
___
; nmax = 280 nm, gmax = 15) und Butandion ( . . . ) in Hexan
Die vom Monochromator erzeugte monochromatische Strahlung (mit einer bestimmten Wellenlänge) wird in zwei Strahlengänge zerlegt (Zweistrahlspektrometer). Ein Strahl durchquert die Probenküvette, der andere die Vergleichsküvette. In beiden Zellen wird absorbiert, jedoch wählt man meist ein Lösemittel, das zwischen 200 und 800 nm möglichst keine Eigenabsorption zeigt
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476
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
(z. B. Wasser, Ethanol). Dann entspricht die meßbare Differenz zwischen den Strahlungsintensitäten aus Vergleichs- und Probenküvette praktisch der Probenabsorption K0/K. Der Photoelektronenvervielfacher erzeugt aus der Intensitätsdifferenz einen Differenzstrom, der rechnergesteuert als Funktion der Wellenlänge n aufgezeichnet wird. Ist g der substanzspezifische Absorptionskoeffizient, c die Konzentration in mol/L und d die Schichtdicke in cm, so gilt bei einer bestimmten Wellenlänge für die Absorption A das LAMBERTBEERsche Gesetz A = lg I0 / I = g c d
(28.1)
Demnach wird bei einer Wellenlänge n die Absorption Cn"= 1, wenn für eine 1 molare Lösung (c = 1 mol / L) bei einer Schichtdicke von d = 1 cm K0 das zehnfache von I ist. Moderne Spektrometer zeichnen g als Funktion der Wellenlänge n auf, wie Abb. 28.3 am Beispiel zweier Ketone zeigt. Als Parameter entnimmt man dem Spektrum die Koordinaten des Absorptionsmaximums (nmax in nm und gmax). Für Aceton ergibt sich z. B. aus Abb. 28.3 nmax = 280 nm und gmax = 15. In Molekülen sind die durch ultraviolettes und sichtbares Licht angeregten Elektronenübergänge mit der Anregung von Molekülschwingungen und Rotationen verbunden. Die Schwingungs- und Rotationsstruktur der Absorptionskurven kann jedoch bei Lösungen infolge der Wechselwirkung zwischen Lösemittel und gelösten Molekülen nur selten (z. B. bei Benzen) aufgelöst werden. Daher mißt man meist breite und geglättete Absorptionsbanden.
28.2.3
Elektronenübergänge in organischen Molekülen
Man unterscheidet vier Grundtypen der Elektronenanregung: 1) Bei einem nr*-Übergang wird ein n-Elektron eines nichtbindenden (n-) Elektronenpaares auf ein antibindendes r*-Orbital einer Doppelbindung angeregt. Diese Übergänge sind in allen Verbindungen mit Heteroatomen und benachbarten Doppelbindungen möglich, z. B. in Carbonyl-Verbindungen, Iminen und Heteroaromaten oder Azo-Verbindungen. Infolge der geringen nr*-Übergangswahrscheinlichkeit sind die zugehörigen Absorptionsbanden wenig intensiv. So hat die nr*-Bande der Carbonyl-Gruppe des Acetons mit nmax = 280 nm nur einen molaren Absorptionskoeffizienten von 15 (Abb. 28.3). _ _ C O Carbonyl-Verbindung
C N _
_ N N _
Imin
Azo-Verbindung
2) Ein rr*-Übergang regt das r-Elektron einer r-Bindung auf ein r*-Orbital an. rr*-Übergänge sind in allen ungesättigten Verbindungen möglich, also in Alkenen, Aromaten, Alkinen, aber auch in allen Verbindungen, in welchen nr*-Übergänge stattfinden können (s. o.!). rr*Anregungen erfolgen mit großer Übergangswahrscheinlichkeit. Dementsprechend groß sind die molaren Absorptionskoeffizienten (g > 10000). 3) nu*-Übergänge regen n-Elektronen auf antibindende Orbitale benachbarter u-Bindungen (u*Orbitale) an. nu*-Übergänge geschehen in gesättigten Verbindungen mit Heteroatomen, z. B. in Alkoholen, Aminen oder Halogenalkanen (X = Halogen). _ _ C OH Alkohol
_ C NR2 Amin
C
_ X _I ,
X = Cl, Br, I
Halogenalkan
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28.2
UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie
477
4) Bei uu*-Übergängen werden u-Elektronen auf u*-Orbitale angeregt. Diese Übergänge sind in allen organischen Verbindungen, also auch in Alkanen, möglich. Vergleicht man diese Elektronenübergänge nach Lage der zugehörigen Absorptionsmaxima in einfachen Verbindungen (Tab. 28.1), so ergibt sich eine Verschiebung nach kleineren Wellenlängen in der Folge nr*."rr*."nu*."uu*0"uu*-Übergänge erfordern also die größten, nr*-Übergänge die kleinsten Anregungsenergien. Während nr*- und rr*-Übergänge noch im langwelligen UVBereich angeregt werden, erfordern uu*-Übergänge bereits die Energie von RÖNTGEN-Strahlen (Tab. 28.2). Tab. 28.2. Elektronenübergänge und UV-Absorptionsdaten einfacher organischer Moleküle Verbindung
Lösemittel / Zustand Cyclohexan Cyclohexan
15 15
162 217
10 000
gasförmig
21 000
n-Hexan
258
35 000
n-Hexan
nu*
204 184 227
200 2 250 900
gasförmig gasförmig gasförmig
uu*
122 135
intensiv intensiv
gasförmig gasförmig
nr*
H2C CH2 H2C CH CH CH2 H 2C CH CH CH CH CH2
rr*
CH 4 H3C CH3
g"max
n"max [nm] 280 279
(H3C)2C O (H3C)2C NOH
H3CBr (H 3C)2O (H 3C)3N
28.2.4
Übergang
Chromophore, Auxochrome
Strukturelemente und funktionelle Gruppen, die im nahen UV oder im sichtbaren Bereich Absorption verursachen, werden als Chromophore bezeichnet. Man unterscheidet zwei wichtige Arten von Chromophoren aufgrund der möglichen Elektronenübergänge: n,r-Chromophore wie
_ C O _
_ C S _
C N _
_ N N _
_ O _I N O _I
r-Chromophore wie
C C
C C
und andere Aromaten
Substituenten, welche das Konjugationssystem eines Chromophors erweitern und infolgedessen seine Absorptionsmaxima nach längeren Wellen verschieben, nennt man Auxochrome. Die AminoGruppe des Anilins ist z. B. ein Auxochrom, weil sie sich als *-+-M-Substituent an der Mesomerie des Benzen-Ringes beteiligt und dessen Absorptionsmaxima nach längeren Wellen verschiebt (Tab. 28.3).
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478
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Tab. 28.3. Absorptionsmaxima substituierter Benzene in Methanol
n"max [nm]
g"max
n"max [nm]
g"max
204
7 500
254
205
_ NH2
230
8 600
280
1 430
NH3
203
7 500
254
160
270
7 800
375
16 000
Verbindung
O N O O N
_ NH2
229
500
O2N
NO2
260
13 000
O
Substituenten mit n-Elektronen, jedoch ohne r-Bindungen, so z.B. /OH, /OR, /SH, /SR, /NH2, /NHR, /NR2, sind typische Auxochrome. Auxochrome sind demnach Elektronendonoren [(-)-M-
Substituenten], Chromophore indessen Elektronenakzeptoren [(/)-M-Substituenten]. Die Verschiebung von Absorptionsmaxima nach längeren Wellen, z. B. durch Auxochrome, bezeichnet man auch als Rot- oder Bathochromverschiebung. Im Gegensatz hierzu nennt man Blauverschiebungen auch hypsochrom. Veränderungen in der Meßlösung, z. B. der Wechsel des Lösemittels oder der Salzbildung, können Verschiebungen der Absorptionsmaxima hervorrufen. Infolgedessen muß bei der Angabe von Absorptionsdaten auch das Lösemittel erwähnt werden. Ein typischer Lösemitteleffekt (Solvatochromie) ist z. B. die Blauverschiebung des Absorptionsmaximums von Aceton, wenn man anstelle von Hexan (280 nm) Wasser als Lösemittel (265 nm) verwendet. Der Effekt wird darauf zurückgeführt, daß die Wasserstoffbrücken-Assoziation zwischen Aceton und Wasser den angeregten Zustand des Acetons stärker destabilisiert (seine potentielle Energie stärker erhöht) als den Grundzustand. Auf diese Weise erhöht sich die Anregungsenergie. Bei farbigen Verbindungen kann die Solvatochromie dazu führen, daß bei Wechsel der Lösemittel auch verschiedene Lösungsfarben beobachtet werden. Einen typischen Salzeffekt (Halochromie) findet man beim Vergleich der Absorptionsmaxima von Anilin und Anilinium-Ion: Im Anilinium-Ion ist die durch den (-)-M-Effekt des Stickstoffs erklärbare auxochrome Wirkung auf den Benzen-Chromophor blockiert, weil das n-Elektronenpaar am N-Atom eine zusätzliche NH-Bindung knüpft. Infolgedessen mißt man annähernd die Absorptionsdaten des Benzens (Tab. 28.3).
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28.2
UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie
28.2.5
479
Lichtabsorption und Farbe
Farbige Verbindungen absorbieren sichtbares Licht (400 bis 800 nm). Ihre Eigenfarbe ist komplementär zur Farbe des Lichtes, das sie absorbieren. Der Absorptionsbereich einer gelben Verbindung wird z. B. im Violetten (um 420 nm) liegen. Das Absorptionsmaximum einer farbigen Verbindung muß nicht im Sichtbaren erscheinen. Eine Substanz kann auch farbig sein, wenn ihr Absorptionsmaximum im Ultravioletten liegt, die Absorptionskurve sich jedoch mit hinreichender Intensität in den sichtbaren Bereich erstreckt. Da selbst die längstwelligen nr*-Übergänge noch im Ultravioletten liegen (nmax < 300 nm), ist eine Verbindung nicht farbig, wenn sie nur einen Chromophor enthält. Auch die isolierte Anordnung mehrerer Chromophorer, z. B. von r-Bindungen führt nur zu einer der Anzahl dieser rBindungen proportionalen Erhöhung der Bandenintensität (gmax) ohne Einfluß auf nmax, wie ein Vergleich von Ethen und 1,5-Hexadien (Tab. 28.4) zeigt. Tab. 28.4. Längstwellige Lichtabsorption von Polyenen in Abhängigkeit von der Anzahl n konjugierter CCDoppelbindungen (Lösemittel: Ethanol) Verbindung
n
n"max [nm]
g"max
Farbe
Ethen
H2C CH2
1
185
10 000
farblos
1,5-Hexadien
H2C CH CH2 CH2 CH CH2
2
185
20 000
farblos
1,3-Butadien
H2C CH CH CH2
2
217
21 000
farblos
1,3,5-Hexatrien
H2C CH CH CH CH CH2
3
258
35 000
farblos
2,4,6,8-Decatetraen
H3C
(CH CH)4 CH3
4
310
76 000
farblos
2,4,6,8,10-Dodecapentaen
H3C
(CH CH)5 CH3
5
342
122 000
farblos
d -Caroten
11
450
140 000
orange
Naphthalen
5
314
316
farblos
11
580
12 600
Pentacen
blauviolett
Dagegen bewirkt die Konjugation mehrerer Doppelbindungen in einem Polyen nicht nur eine überproportionale Vervielfachung der Bandenintensität (gmax , Hypochromie), sondern auch eine mit der Anzahl der konjugierten Chromophoren zunehmend wachsende Bathochromverschiebung von nmax (vgl. Ethen, 1,3-Butadien, 1,3,5-Hexatrien, d-Caroten, Naphthalen und Pentacen in Tab 28.4). Alle Einflüsse (z. B. sterische), welche dagegen die Koplanarität eines Moleküls und somit die Konjugation stören, werden zu einer Blauverschiebung (Hypsochromie) des Absorptionsmaximums führen. Mit zunehmender Anzahl von konjugierten Chromophoren sinkt offenbar die Anregungsenergie. Dies wird so erklärt, daß der angeregte Zustand durch die Konjugation stärker stabilisiert wird als der Grundzustand, und zwar in zunehmendem Ausmaß bei wachsender Anzahl von konjugierten Chromophoren.
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480
28.2.6
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Anwendungsbereiche
Nachweis von Chromophoren Zeigt eine Verbindung im nahen UV ein Absorptionsmaximum, so enthält sie eine CX-Mehrfachbindung (nmax > 250 nm, gmax klein) oder eine bzw. mehrere olefinische Doppelbindungen (nmax >180 nm, gmax sehr groß). Noch längerwelligere Absorptionsmaxima sprechen entweder für eine durchkonjugierte Anordnung mehrerer Chromophorer (z. B. in Polyenen oder kondensierten Aromaten) oder für die Anwesenheit auxochromer Gruppen. Zieht eine auxochrome Gruppe und schiebt die andere (pushpull-System), so ist die Rotverschiebung des Absorptionsmaximums besonders deutlich, wie die Gegenüberstellung substituierter Benzene in Tab 28.3 zeigt. Nachweis der Konjugation von Chromophoren Der in Tab. 28.4 erkennbare Konjugationseinfluß auf die Lichtabsorption gestattet eine Unterscheidung zwischen Dienen mit konjugierten und isolierten r-Bindungen. So absorbiert 2,4-Hexadien (227 nm) deutlich längerwellig als 1,5-Hexadien (185 nm). Nachweis sterischer Wechselwirkungen Sterische Wechselwirkungen in konjugierten Systemen werden die Lichtabsorption nach kürzeren Wellenlängen verschieben, wenn sie die Konjugation behindern. Ein Beispiel ist cis-Stilben, in dem die VAN-DER-WAALS-Abstoßung der o,o'-H-Atome einen Phenyl-Ring aus der Koplanarität des restlichen Moleküls hinauszwängt. Infolge der Verdrillung eines Phenyl-Ringes können sich die Kohlenstoff-p-Orbitale im cis-Stilben nicht mehr optimal (koaxial) überlappen. Cis-Stilben absorbiert daher kürzerwellig als trans-Stilben.
H
H
H trans-Stilben:
cis-Stilben:
H H
nmax = 280 nm
nmax = 295 nm
H
Auch die Tatsache, daß 1,2-Dimethylencyclohexan kürzerwellig absorbiert als 1,2-Dimethylencyclopentan, wird durch eine Störung der Koplanarität beider Doppelbindungen erklärt, die im Sechsring stärker ist. 1,2-Dimethylencyclohexan: nmax = 220 nm , gmax = 5 500
1,2-Dimethylencyclopentan: nmax = 248 nm , gmax = 15 800
Quantitative Analyse Nach dem LAMBERT-BEERschen Gesetz A = g c d = const. c
(28.1)
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28.2
UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie
481
ist die bei einer bestimmten Wellenlänge (z. B. nmax) gemessene Absorption (A") einer Verbindung mit dem substanzspezifischen Absorptionskoeffizienten g bei konstanter Lösungs-Schichtdicke (d) der Konzentration (c) proportional. Die Beziehung gilt allerdings nur, wenn sich in der Meßlösung keine chemischen Gleichgewichte oder Reaktionen einstellen. Auf dem LAMBERT-BEERschen Gesetz beruht die quantitative Analyse durch Absorptionsmessung (Kolorimetrie, Photometrie). Hierzu werden bei einer konstanten Wellenlänge (meist nmax mit großem gmax) für bekannte Konzentrationen (c) die Absorptionen C gemessen. Aus den Wertepaaren C und c ergibt sich eine Eichkurve wie in Abb 28.4. Diese ist bei Gültigkeit des LAMBERTBEERschen Gesetzes und hinreichend kleinen Konzentrationen (noch keine intermolekularen Wechselwirkungen) eine Gerade. Sie ermöglicht bei einer Lösung unbekannten Gehaltes die Ermittlung der Konzentration c aus der gemessenen Absorption. A
n = const. c [ mol / L ]
Abb. 28.4. Anwendung des LAMBERT-BEERschen Gesetzes zur quantitativen Analyse
Abb. 28.5. Zeitabhängigkeit des UV-Spektrums von Salicylsäuremethylester bei der alkalischen Hydrolyse. Die Spektren wurden in Intervallen von zwei Minuten wiederholt
Kinetik chemischer Reaktionen Sofern Edukt A und Produkt B einer chemischen Reaktion (A › B) verschiedene Absorptionsmaxima aufweisen, kann die Zeitabhängigkeit der Reaktion durch wiederholte Messung der Ab-
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482
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
sorptionsspektren nach bestimmten Zeitintervallen verfolgt werden. Aus der zeitlichen Änderung der Absorptionswerte ergibt sich die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion. Ein Beispiel ist die Verseifung des Salicylsäuremethylesters: CO2
CO2CH 3 +
OH
OH Salicylsäuremethylester
nmax = 330 nm
+
CH 3OH
OH Salicylat
nmax = 305 nm
Mißt man die Absorptionsspektren der alkalischen wäßrig-methanolischen Lösung im Abstand von jeweils zwei Minuten, so ergibt sich eine Schar von Absorptionskurven, die sich in einem isosbestischen Punkt schneiden (Abb. 28.5). Zu Beginn der Verseifung wird das Absorptionsspektrum des längerwellig absorbierenden Esters (330 nm) aufgezeichnet. Dieses verschiebt sich mit fortschreitender Reaktionszeit stetig zum Maximum des Carboxylats bei 305 nm. Untersuchung von Gleichgewichten Sofern die Antagonisten A und B eines Gleichgewichtes verschiedene Absorptionsmaxima aufweisen, kann man aus der Temperaturabhängigkeit der Absorption Gleichgewichtskonstanten und freie Aktivierungsenthalpien bestimmen. Entsprechend ergeben pH-abhängige Absorptionsspektren von Säuren und Basen pK-Werte und Aciditäts- bzw. Basizitätskonstanten. Typisch für alle Gleichgewichte ist, daß die zeit-, temperatur- und pH-abhängigen Absorptionskurven sich in isosbestischen Punkten schneiden.
28.3 Infrarotspektroskopie 28.3.1
Spektralbereich
Die Infrarotabsorption von Molekülen beruht auf der Anregung von Molekülschwingungen (und Molekülrotationen). Die zur Anregung erforderliche IR-Strahlung umschließt den Wellenlängenbereich von 2.5 bis 15 mo (Mikrometer: 1 mo"= 10/6 m; ältere Bezeichnung für dieselbe Einheit: 1o). Es ist jedoch üblich, die Lage von IR-Absorptionsbanden nicht in Wellenlängen, sondern in reziproken Wellenlängen, der sog. Wellenzahl (die Anzahl der Wellen pro cm) in cm/1 anzugeben. In dieser Maßeinheit erstreckt sich der IR-Absorptionsbereich von 4000 bis 200 cm/1.
28.3.2
Meßmethodik
Abb. 28.6 illustriert vereinfacht das Bauprinzip eines Infrarotspektrometers. Strahlungsquelle ist meist ein elektrisch auf Rotglut erhitzter Metallstreifen (Nickel-Chrom), dessen Strahlung durch zwei Hohlspiegel in eine Hälfte für die Probenzelle und eine für die Vergleichszelle geteilt wird. Probenlösungen und Flüssigkeiten werden in Küvetten (Schichtdicke: 0.1-1 mm) mit Natriumchlorid-Fenstern gemessen; Glas hätte eine zu starke IR-Eigenabsorption. Die zu untersuchende Verbindung wird in einem gegenüber Natriumchlorid inerten Lösemittel (z. B. CCl4) gelöst. Zum Vergleich wird eine zweite Küvette gleicher Schichtdicke mit diesem Lösemittel im zweiten
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28.3
Infrarotspektroskopie
483
Strahlengang befestigt. Bei festen Substanzen verwendet man eine etwa 0.5 mm dicke Kaliumbromid-Pille (100 mg KBr / 1.5 mg Probe), deren IR-Absorption relativ zu einem Preßling aus reinem Kaliumbromid gemessen wird. Ein Strahlungsteiler bringt Meß- und Vergleichsstrahl alternierend auf den Monochromator, ein Natriumchlorid-Prisma oder Gitter. Als Detektor dient ein Thermoelement. Den Thermostrom als Funktion der Wellenzahl registriert ein Drucker. Ein Rechner steuert Monochromator und Wellenzahlvorschub. Aufgezeichnet wird die prozentuale Durchlässigkeit als Funktion der Wellenlänge (obere Skala) bzw. der Wellenzahl (untere Skala, z. B. in Abb. 28.10). Modernere FourierIR-Spektrometer sind Einstrahl-Geräte mit Lasern als Lichtquellen. Probe Teiler
Monochromator (NaCl)
Rechner/Drucker
I Thermoelement
Strahlungsquelle
I0 Vergleich
Abb. 28.6. Vereinfachtes Schema eines Infrarotspektrometers
28.3.3
Gruppenschwingungen in organischen Molekülen
Von den vielen Schwingungen, die in einem größeren Molekül möglich sind, können einige in erster Näherung als lokalisierte Schwingungen von Einzelbindungen aufgefaßt werden. Bei diesen Schwingungen unterscheidet man zwischen Valenz- und Deformationsschwingungen, wie es Abb. 28.7 für eine Methylen-Gruppe illustriert. Deformationsschwingungen in plane out of plane
Valenzschwingungen
H C
H H
C
H H
symmetrische antisymmetrische
C
H+
H H
Spreiz(bending)
C
H
Pendel(rocking)
C
H+ H/
Torsions(twist)
C
H+
Kipp(wagging)
Abb. 28.7. Schwingungsmöglichkeiten einer Methylen-Gruppe mit den gebräuchlichen Kürzeln p, f und i" für Valenz- sowie in plane- und out of plane-Deformationsschwingungen
Molekülschwingungen verursachen hinreichend starke Infrarotabsorptionen jedoch nur, sofern sie Dipolmomente im Molekül zeitlich verändern. Bekanntlich können nur schwingende Dipole mit dem elektrischen Feldvektor elektromagnetischer Strahlung wechselwirken. Daraus folgt, daß in Molekülen mit Symmetriezentrum alle zu diesem Zentrum symmetrischen Schwingungen keine oder nur sehr schwache IR-Absorptionen auslösen. Man bezeichnet solche Schwingungen als IR-
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484
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
inaktiv. Von den fünf möglichen Schwingungen des Ethins führen z.B. nur eine Valenz- und eine Deformationsschwingung zu IR-Absorptionsbanden (Abb. 28.8).
H
C
C
H
IR-inaktive C/H-Valenzschwingung (symmetrisch)
H
C
C
H
IR-aktive C/H-Valenzschwingung ( 3287 cm /1 )
H
C
C
H
IR-inaktive C/C-Valenzschwingung (symmetrisch)
H
C
C
H
IR-inaktive Deformationsschwingung
H
C
C
H
IR-aktive Deformationsschwingung ( 729 cm /1 )
Abb. 28.8. IR-aktive und inaktive Molekülschwingungen des Ethins
(Valenzschwingungen)
OH NH CH SH
C C , C X, X X C C C , C C X , X C X (X = O,N) C X (X = O,N) C C X Y (X,Y = O,N,S) C X (X = O,N) C X (X = F,Cl,Br,I) NH in plane
CH
(Deformationsschwingungen)
OH
out of plane
NH CH cm/1
3 500
3 000
2 500
~
2 000
1 500
1 000
500
Abb. 28.9. Bereiche einiger Valenz- und Deformationsschwingungen in organischen Molekülen
Valenzschwingungen sind höherfrequent als Deformationsschwingungen derselben Gruppe (Abb. 28.9). Die wichtigsten Valenzschwingungen organischer funktioneller Gruppen und die zugehörigen IR-Absorptionsbereiche sind in Tab. 28.5 zusammengestellt. Viele funktionelle Gruppen können aufgrund der typischen Lage ihrer Valenzschwingungen im IR-Spektrum mit großer Treffsicherheit erkannt werden. So ist im IR-Spektrum des Phenylisothiocyanats (Abb. 28.10) die
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28.3
Infrarotspektroskopie
485
zur Isothiocyanat-Valenzschwingung gehörende Absorption bei 2100 cm/1 nicht zu übersehen. Darüberhinaus charakterisieren die C=C-Valenzschwingungen bei 1595 und 1490 cm/1 ein monosubstituiertes Benzen. Während die für den Benzen-Ring erwarteten C/H-Valenzschwingungen bei 3100 cm/1 eben angedeutet sind, erkennt man die erheblich längerwelligen C/H-Deformationsschwingungen als starke Absorptionen bei 690 und 755 cm/1. Ihre Lage ist wiederum typisch für ein monosubstituiertes Benzen.
Abb. 28.10. IR-Spektrum des Phenylisothiocyanats (gemessen als Flüssigkeitsfilm)
Da die Schwingungsfrequenz mit abnehmender (reduzierter) Masse der gegeneinander schwingenden Atome und mit zunehmender Bindungsstärke wächst, kann man sich die Folge der in Abb. 28.9 dargestellten Valenzschwingungs-Bereiche gut einprägen. So sind die C/H- und X/HValenzschwingungen wegen der kleinen Masse des Wasserstoff-Atoms sehr hochfrequent (p" 3000 cm/1). Ferner schwingen dreifach gebundene Atome höherfrequent als doppelt gebundene, und letztere wiederum schneller als durch Einfachbindungen verknüpfte Atome, weil die Kraftkonstante mit der Bindungsstärke zunimmt.
28.3.4
Fingerabdruck-Bereich des Infrarotspektrums
Die meisten Valenzschwingungen organischer funktioneller Gruppen liegen oberhalb 1400 cm/1 und sind im IR-Spektrum relativ sicher zuzuordnen. Unterhalb 1400 cm/1 erscheinen neben den Absorptionen einiger C/X-Valenzschwingungen (X = O, N, Halogen, Tab. 28.5) jene der Deformationsschwingungen (Abb. 28.9). In diesem Bereich liegen jedoch auch Absorptionen von Schwingungen, die das Molekülgerüst teilweise oder als Ganzes erfassen. Diese niederfrequenten Gerüstschwingungen können meist nicht zugeordnet werden und erschweren zudem häufig die Zuordnung der Gruppenschwingungen unterhalb 1400 cm/1. Das Absorptionsmuster ist jedoch gerade dort charakteristisch für jedes Molekül. Deshalb bezeichnet man den Bereich zwischen 1400 und 400 cm/1 als das Fingerabdruck-Gebiet des Infrarotspektrums.
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486
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Tab. 28.5. Typische IR-Absorptionsbereiche (Valenzschwingungen) einiger funktioneller Gruppen IR-Absorptionsbereich Intensität * [cm /1]
Gruppe
Verbindungsklasse(n)
3 700 / 3 500 3 600 / 3 200 3 200 / 2 500
s s breit v breit
OH OH OH
3 500 / 3 300
m
NH 2 ,
NH ,
NH
3 400 / 3 100
s breit
NH 2 ,
NH ,
NH (assoziiert)
2 600 / 2 550
w
SH
Thiole, Thiophenole
3 400 / 3 100
s
3 100 / 3 000
w
C H CH 2 X
Cyclopropane, Oxirane
3 100 / 2 900
m
Alkohole, Phenole, Enole, Carbonsäuren (intermolekulare H-Brücke) (intramolekulare H-Brücke) Amine, Amide, Imine
terminale Alkine
C H
Alkene, Aromaten
O 2 900 / 2 700
w
C H
Aldehyde
2 900 / 2 800
m
C H
Alkyl-Gruppen (an C- und Heteroatomen)
2 320 / 2 230
s
N N
Diazonium-Salze
2 300 / 2 200
v
C N, N C O
Nitrile, Isocyanate
2 260 / 2 100
w
C C
Alkine
2 160 / 2 130
s
N C N
Carbodiimide
2 190 / 1 990
s breit
N C S
Isothiocyanate
2 000 / 1 900
m
C C C
Allene (Kumulene)
1 800 / 1 600
s
C O
Carbonsäure und Derivate, Aldehyde, Ketone, Harnstoffe, Urethane, Thiocarbonyl-Verbindungen
1 700 / 1 450
v
C C
Alkene, Aromaten
1 680 / 1 630
v
C N
Imine
1 600 / 1 400
s
N O
Nitroso-Verbindungen
1 600 / 1 300
s
N O
Nitro-Verbindungen
O 1 580 / 1 550
v
N N
Azo-Verbindungen
1 400 / 1 100
s
S O, O S O
Sulfoxide, Sulfone, Sulfonsäuren, Sulfite
1 300 /
900
s
C O
Alkohole, Ether, Ester, Lactone
1 200 /
900
s
C N
Amine, Amide
s
C
1 400 / 1 050 600
s
X, X= F X = Cl
Fluoralkane
800 / 750 /
500 < 600
s
X = Br
Bromalkane
s
X= I
Iodalkane
Chloralkane
* Intensitätsangaben : s : stark ; m : mittel ; v : variierend; w (von weak) : schwach
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28.3
Infrarotspektroskopie
28.3.5
487
Anwendungsbereiche
Identitätsprüfung Zahlreiche IR-Spektren authentischer Verbindungen sind in Spektrenkatalogen und auf Datenträgern gesammelt. Mit Hilfe solcher Kataloge und Dateien ist es möglich, die Identität einer Verbindung durch (Computer-)Vergleich ihres IR-Spektrums mit dem einer authentischen Probe sicherzustellen. Die Aufnahmebedingungen für die zu vergleichenden Spektren müssen gleich sein. Identitätsprüfungen durch IR-Spektrenvergleich sind treffsicherer als viele andere Methoden, denn die Übereinstimmung sämtlicher der oft zahlreichen IR-Banden zweier gleicher Verbindungen beweist mehr als z. B. die Einzelinformation des Mischschmelzpunktes oder des Brechungsindexes. Identifizierung funktioneller Gruppen Zahlreiche funktionelle Gruppen können anhand der Lage ihrer Valenzschwingungs-Banden im IR-Spektrum identifiziert werden (Tab. 28.5). So zeigt Abb. 28.11 die Nitril-Funktion (2240 cm/1) sowie die C/O-Schwingung der Ethoxy-Gruppe (1020 cm/1) neben den C/H-Valenzschwingungen der olefinischen und gesättigten CH-Fragmente (3060 und 2970 cm/1), der C=C-Valenzschwingung (1620 cm/1) und der olefinischen C/H-out-of-plane-Schwingung (890 cm/1) des Ethoxymethylenmalodinitrils.
Abb 28.11. IR-Spektrum des Ethoxymethylenmalodinitrils (KBr-Preßling)
Bei manchen funktionellen Gruppen erhöht sich die Treffsicherheit der Zuordnung, weil sie mehrere typische Absorptionsbanden aufweisen. Gruppen vom Typ XY2 zeigen z. B. je eine asymmetrische und eine symmetrische Valenzschwingung. Beispiele sind Methylen-, primäre Aminosowie Nitro-Gruppen, wobei asymmetrische Schwingungen höherfrequent liegen als symmetrische (Tab. 28.6). Tab. 28.6. Asymmetrische und symmetrische Valenzschwingungen von XY2-Gruppen
p"as
p"s
XY 2
~ [cm/1]
~ [cm/1]
CH 2 NH 2 NO2
3 000 3 350 1 500
2 900 3 150 1 350
Beispiel Abb. 28.13 CONH2 , SO2NH2 Abb. 28.12
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488
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Unterscheidung von Isomeren (E)-(Z)-isomere Alkene Wie die Vergleiche in Tab. 28.7 zeigen, erkennt man die (G")-Alkene oft an einer C/HDeformationsbande zwischen 850 und 1000 cm/1, die bei den (Z )-Isomeren deutlich längerwellig verschoben ist. Tab. 28.7. C-H-Deformationsschwingungen (iCH) einiger (E)- und (Z)-Alkene X
Verbindung
X
2,5-Dimethyl-3-hexen Stilben 1,2-Dimethoxyethen 1,2-Dichlorethen
CH(CH3)2 C6H 5 OCH3 Cl
H C C H X ~ [cm/1] 969 958 953 890
X
X C C H H ~ [cm/1] 947 921 909 845
Probe rein in Cyclohexan rein rein
Abb. 28.12. IR-Spektren von o-Nitroacetanilid (N-Acetyl-2-nitroanilin) (a), 1,3-Diacetylbenzen (b) und pXylylendichlorid [1,4-Bis-(chlormethyl)-benzen] (c); Proben: KBr-Preßlinge
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28.3
Infrarotspektroskopie
489
Stellungsisomere Benzen-Derivate Zwei C/H-Deformationsschwingungen (iCH) mit 750 ± 20 und 700 ± 20 cm/1 kennzeichnen monosubstituierte Benzen-Ringe (Abb. 28.10). Bei mehrfach substituierten Benzen-Derivaten hängt die Frequenz dieser Schwingungen vom Substitutionsmuster ab, wie Tab. 28.8 zeigt. Die Lage der Banden zwischen 700 und 900 cm/1 ermöglicht daher eine Unterscheidung zwischen o-, m- und pdisubstituierten Benzenen (Abb. 28.12, a - c). Tab. 28.8. Substitutionsmuster des Benzens und Lage der C/H-Deformationsschwingungen (iCH) zwischen 700 1 und 900 cm/
i"CH [cm/1] 700 750 690 830 880
+ / + / + / + /
20 20 30 30 + / 20
Substitutionsmuster
und 750 + / 20
monosubstituiert o-disubstuiert m-di- sowie 1,2,3-trisubstituiert p-disubstituiert 1,2,4-trisubstituiert
und 780 + / 20 und 830 + / 30
Nachweis von Konstitutionsmerkmalen Konjugation von Mehrfachbindungen Die Valenzschwingungen der CC- und CX-Mehrfachbindungen sind meist intensiver und immer nach längeren Wellen verschoben, wenn sie sich in Konjugation zu einer anderen i-Bindung befinden. Einige Beispiele illustrieren in Tab. 28.9 und Abb. 28.13 diese zum Nachweis einer Konjugation nützliche Bandenverschiebung. Tab. 28.9. Konjugationseinflüsse auf die Valenzschwingungen von CC- und CX-Mehrfachbindungen eine Mehrfachbindung
zwei Mehrfachbindungen konjugiert
pCC = 1 650 cm /1
1-Buten
isoliert pCC = 1 597 cm /1
1,3-Butadien
C N Propionitril
pCN = 2 246 cm /1
pCN = 2 227 cm /1 pCC = 1 607 cm /1
C N Acrylnitril
pCC = 1 652 cm /1
Cyclohexen
pCC = 1 576 cm /1
1,3-Cyclohexadien O
pCC = 1 639 cm /1
1,4-Cyclohexadien pCO = 1 680 cm /1 pCC = 1 620 cm /1
2-Cyclohexenon O
O pCO = 1 710 cm /1
Cyclohexanon
O pCO = 1 643 cm /1
O 1,2-Cyclohexandion
pCO = 1 730 cm /1
O 1,4-Cyclohexandion
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490
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Abb. 28.13. IR-Spektren von Cyclohexanon (a) und 2-Cyclohexenon (b); Proben: Flüssigkeitsfilme. Man beachte die Konjugationsverschiebung der Carbonyl-Bande in Spektrum (b)
Kumulation von Doppelbindungen Kumulierte Doppelbindungen schwingen erheblich höherfrequent (pCC, pCX < 1800 cm/1), wie Tab. 28.5 u. a. für die vergleichbaren Paare Alken / Allen und Imin / Carbodiimid zeigt. Ringspannung von Cycloalkanen Ein nützlicher Test auf die Ringgröße bzw. Ringspannung bei Cycloaliphaten beruht auf der Zunahme der Frequenz asymmetrischer und symmetrischer CH2-Valenzschwingungen vom Cyclohexan zum Cyclopropan (Tab. 28.10). Auch die Carbonyl-Bande von Cycloalkanonen wird mit wachsender Ringspannung höherfrequent (Tab. 28.10). Weniger gespannte sechs- und höhergliedrige Ringe zeigen dagegen nur geringfügige Unterschiede. Tab. 28.10. Einfluß der Cycloalkan-Ringspannung auf die CH2- und C=O-Valenzschwingungen Ringgröße
12 8 7 6 5 4 3
Cycloalkan pCH [cm/1] asymmetrisch symmetrisch 2 909 2 915 2 922 2 924 2 963 2 970 3 026
2 870 2 850 2 853 2 852 2 868 2 929 3 015
Cycloalkanon pCO [cm/1] 1 704 1 702 1 700 1 710 1 742 1 784 ----
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28.3
Infrarotspektroskopie
491
Wasserstoffbrücken Lage und Form der OH-Valenzbande im IR-Spektrum von Alkoholen, Phenolen, Enolen und Carbonsäuren gestatten Rückschlüsse auf Ausmaß und Art der Wasserstoffbrückenbindung in diesen Stoffklassen. Liegt die OH-Bande scharf zwischen 3500 und 3700 cm/1, so ist die Hydroxy-Gruppe nicht assoziiert. Diese Bande findet man z. B. in den IR-Spektren von Alkoholdämpfen. Erscheint sie auch im flüssigen Zustand, so ist die Bildung von Wasserstoffbrücken behindert, z. B. durch sperrige Gruppen. Findet man eine breite OH-Bande zwischen 3600 und 3200 cm/1, so sind die Hydroxy-Gruppen über intermolekulare Wasserstoffbrücken assoziiert (polymere OH-Bande). Die Assoziationsverschiebung der OH-Bande beruht auf einer Verlängerung der OH-Bindung, wodurch sich die O/HSchwingungsfrequenz erniedrigt. Die intermolekularen Wasserstoffbrücken eines Alkohols brechen, wenn man mit Lösemittel (z. B. CCl4) stark verdünnt. Die breite Absorption durch assoziiertes OH (3200 - 3500 cm/1) nimmt dann zugunsten der freien OH-Bande bei 3600 - 3650 cm/1 ab (Abb. 28.14).
Abb. 28.14. O/H- und C/H-Valenzschwingungen im IR-Spektrum von Ethanol, aufgenommen in Reinsubstanz (/) und verdünnt (2 Vol. %) in Tetrachlormethan (...)
Verbindungen mit intramolekularen chelatartigen Wasserstoffbrücken, z. B. Salicylaldehyd oder die Enol-Form des Acetylacetons, zeigen dagegen konzentrationsunabhängige OH-Banden zwischen 3200 und 2500 cm/1. Insofern kann man durch IR-Messungen bei verschiedenen Konzentrationen zwischen inter- und intramolekularen Wasserstoffbrücken unterscheiden.
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492
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Quantitative Analyse Da das LAMBERT-BEERsche Gesetz (Gl. 28.2) für alle Absorptionsspektren gilt, kann man auch die IR-Spektroskopie zur quantitativen Analyse (Gehaltsbestimmung) heranziehen. Hierzu wird im IR-Spektrum der zu bestimmenden reinen Verbindung eine Bande gesucht, die nur bei dieser Verbindung vorkommt. Dann mißt man für diese Analysenbande bei bekannten Konzentrationen (c) die Eichkurve (z. B. % Durchlässigkeit = f(c), vgl. Abb. 28.4), aus der sich anhand der gemessenen Durchlässigkeiten Konzentrationen bestimmen lassen.
28.4 RAMAN-Spektroskopie 28.4.1
RAMAN-Streuung
Die Frequenzen von Molekülschwingungen können auch unter Anwendung des RAMAN-Effektes bestimmt werden. Dieser zu den Streuerscheinungen gehörende Effekt beruht darauf, daß die Quanten sichtbaren Lichts mit der Energie hp0 beim Einfall in eine Meßlösung deren Moleküle zu Schwingungen anregen. Dabei verlieren sie Energie an das Molekül, d. h. sie werden als energieärmere Lichtquanten mit hp' < hp0 gestreut (STOKES-Streuung). Da sich bei Lichteinfall die meisten Moleküle im Schwingungsgrundzustand befinden, ist der umgekehrte Vorgang, nämlich die Abgabe von Schwingungsenergie an Photonen, weit weniger wahrscheinlich (hp > hp0), AntiSTOKES). Im seitlichen Streulicht der Meßlösung werden somit starke, relativ zur Erregerstrahlung (hp0) längerwellige Streumaxima hp' < hp0 beobachtet, die sog. STOKES-Banden. Wesentlich intensitätsschwächer ist indessen das im Vergleich zum einfallenden Licht kürzerwellige Anti-STOKESSpektrum (hp > hp0) der Streuung.
28.4.2
RAMAN-Spektrum
Das RAMAN-Streuspektrum wird meist durch monochromatische Laser-Bestrahlung der Probe angeregt. Die Laser-Anregung erhöht die Empfindlichkeit der Methode wesentlich. Zur Aufnahme des Spektrums wird das durch die Probe senkrecht zur einfallenden Strahlung gestreute Licht durch einen Monochromator (Prisma) analysiert. Der vom Monochromator gesteuerte Schreiber registriert die photometrisch ermittelte Intensität der intensiveren STOKES-Banden als Funktion ihres Abstandes von der Erregerlinie in Wellenzahlen (cm/1). Man erhält so das für die gemessene Substanz spezifische (Laser-) RAMAN-Spektrum.
28.4.3
Anwendung von RAMAN-Spektren
Da die Energiedifferenzen (hp0 – hp´ ) von STOKES-Banden und Erregerstrahlung die Schwingungsfrequenzen des Moleküls wiedergeben, entspricht das RAMAN-Spektrum dem Schwingungsspektrum des Moleküls und ergänzt die Aussagen der IR-Spektroskopie. Eine Molekülschwingung ist bekanntlich IR-aktiv und damit im IR-Spektrum als intensive Bande erkennbar, wenn sie das Dipolmoment (Abschn. 28.3.3) zeitlich verändert. RAMAN-aktiv ist die Schwingung, wenn sie die Polarisierbarkeit (die Deformierbarkeit der Elektronenorbitale) des Moleküls zeitlich ändert. Viele Schwingungen sind sowohl IR- als auch RAMAN-aktiv. Andere sind jedoch aus Gründen der Molekülsymmetrie IR-inaktiv, so z. B. die C»C-Valenzschwingung symmetrischer Alkine (Abb.
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28.4
Raman-Spektroskopie
493
28.8). Gerade bei diesen Schwingungen ändert sich jedoch häufig die Polarisierbarkeit, so daß man im RAMAN-Spektrum eine starke Streuung beobachtet. Daher vervollständigt das RAMANSpektrum die Analyse des Infrarotspektrums. So erscheint im IR-Spektrum des Acetylendicarbonsäurediethylesters (Abb. 28.15 a) aus Symmetriegründen keine Absorption für die CC-Dreifachbindung. Die RAMAN-Streuung ist jedoch gerade bei dieser Frequenz (pC»C = 2248 cm/1) am intensivsten (Abb. 28.15 b).
Abb. 28.15. Infrarot (a) und Laser-RAMAN-Spektrum (b) von Acetylendicarbonsäurediethylester nach SCHRADER, B. und MEIER, W. (1974), Raman-IR-Atlas, Verlag Chemie, Weinheim
Mono-, 1,3-di- und 1,3,5-trisubstituierte Benzen-Ringe und vergleichbar substituierte Pyridine erkennt man im RAMAN-Spektrum an der "Davidstern"-Bande bei 1000 cm/1; eine bei 1030 cm/1 zusätzlich auftretende schwächere Bande kennzeichnet dabei einen monosubstituierten BenzenRing. Cycloalkan-Derivate zeigen im RAMAN-Spektrum eine intensive "Ringatmungs"-Bande, deren Frequenz mit der Ringspannung zunimmt (Cyclohexan: 800, Cyclopentan: 900, Cyclobutan: 1000, Cyclopropan: 1200 cm/1). Auch die im IR-Spektrum nur schwachen Gruppenschwingungen symmetrischer Alkyl-Reste geben sich im RAMAN-Spektrum durch intensive Banden zu erkennen (iPropyl-: 800 - 850 cm/1; t-Butyl: 700 - 750 cm/1). Ebenso wie die IR-Absorption ist die Intensität der RAMAN-Streuung der Konzentration an Substanz proportional. Daher wird die RAMAN-Spektroskopie in beschränktem Umfang auch als Hilfsmittel der quantitativen Analyse genutzt. Ihr wesentlicher Vorteil gegenüber der IRSpektroskopie ist das Fehlen der Alkalihalogenid-Optik, so daß die Schwingungsspektren von Molekülen auch in wäßrigen Lösungen gemessen werden können.
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494
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
28.5 Kernmagnetische Resonanz 28.5.1
Kernpräzession und Kernspin-Zustände
Kernmagnetische Resonanz (englisch: nuclear magnetic resonance, daher die Abkürzung NMR) beobachtet man bei Atomkernen, die einen mechanischen Drehimpuls, den Kernspin (p), besitzen. Solche Atomkerne sind z. B. das Proton 1H, das seltene Kohlenstoff-Isotop 13C, Fluor 19F und Phosphor 31P, nicht jedoch die häufigsten Isotopen des Kohlen- und Sauerstoffs, 12C und 16O. Die durch den Spin bewegte Kernladung verleiht dem Atomkern ein magnetisches Moment (o), dessen Betrag das i - fache des mechanischen Drehimpulses p ist ( o = i p ). Die Kernkonstante i bezeichnet man als gyromagnetisches Verhältnis. Ein Kern mit Spin kann also mit Magnetfeldern wechselwirken. Bringt man ihn in ein statisches (= zeitlich konstantes) Magnetfeld der Kraftflußdichte B0, so präzessiert seine Drehimpulsachse um die Richtung dieses Feldes (Abb. 28.16). Die Frequenz p0 dieser Kernpräzession ist auch als Larmorfrequenz bekannt und umso größer, je stärker man das Magnetfeld B0 einstellt: p0
i
=
___ B 0 2r
(Larmor-Gleichung 28.2)
B0
E
z
B0
p0 FE y x
0
Abb. 28.16. Kernspin-Präzession im statischen Magnetfeld
B0
Abb. 28.17. Kernspin-Energiezustände (Präzessionseinstellungen) von Atomkernen mit I = 1/2 im statischen Magnetfeld der Kraftflußdichte B0
Die Präzessionsfrequenzen liegen im MHz-Bereich (UKW) und unterscheiden sich infolge der charakteristischen gyromagnetischen Koeffizienten von Kernsorte zu Kernsorte. In einem Feld mit B0 = 9.2 T (Tesla) präzessieren die Protonen z. B. mit 400 MHz, Kohlenstoff-13-Kerne dagegen nur mit 100 MHz. Die Anzahl m der Präzessionseinstellungen bezüglich der Richtung des Magnetfeldes wird nach der quantenmechanischen Beziehung (28.3) m=2I-1
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
495
durch die Kernspinquantenzahl I festgelegt. Infolge dieser Richtungsquantelung gibt es für die bereits erwähnten Kerne 1H, 13C, 19F und 31P mit I = 1/2 entsprechend m=2x½ -1
(28.4)
zwei Möglichkeiten der Präzession, um die Magnetfeldrichtung und entgegengesetzt (Abb. 28.17). Diese beiden Kernspin-Zustände unterscheiden sich durch ihre potentielle Energie, wobei der Energieunterschied mit der Kraftflußdichte B0 des Magnetfeldes wächst (Abb. 28.17). Der energieärmere Zustand, d. h. die Präzession um Feldrichtung, wird von den Atomkernen bevorzugt. Bringt man also eine Kernmenge als Probe in das Magnetfeld, so werden mehr Kerne energieärmer präzessieren (Abb. 28.17). Der Besetzungsunterschied und die davon abhängige Empfindlichkeit des NMR-Experiments steigen mit der Kraftflußdichte B0 des Magnetfelds.
28.5.2
NMR-Spektrometer und NMR-Spektrum
Im Kernresonanzexperiment regt man die Atomkerne auf den energiereicheren Präzessionszustand an. Diese Anregung erfordert Energiequanten (hp1) elektromagnetischer Strahlung. Die Frequenz (p1) dieser Strahlung muß sich dabei in Resonanz mit der Kernpräzession (p0) befinden (hp1 = hp0) und somit im Radiofrequenzbereich liegen. Das Umklappen der Präzessionsrichtung erzeugt in der Probe ein magnetisches Wechselfeld, das man mit Hilfe einer Induktionsspule als Kerninduktionsstrom nachweisen kann. Daraus ergibt sich die in Abb. 28.18 skizzierte Grundanordnung eines Kernresonanzspektrometers. Zentraler Bauteil moderner NMR-Spektrometer ist ein Kryomagnet, dessen mit flüssigem Helium auf Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt gekühlte supraleitende Magnetspule (meist aus einer Niob-Titan-Legierung) im zylindrischen Innenraum ein starkes Magnetfeld längs der Spulenachse erzeugt. Dieses Magnetfeld führt die bevorzugte Besetzung des energieärmeren KernspinEnergiezustands nach Abb. 28.17 herbei und macht das Kernspin-System in der Probe anregbar. Die zur Anregung erforderliche Radiofrequenz p1 erzeugt man mit einem rechnergesteuerten Sender und führt sie durch eine Spule der im Probenkopf befindlichen Probe im Glasröhrchen zu. Den Kerninduktionsstrom, das NMR-Signal, empfängt man mit der im „timesharing“ auf Sendung und Empfang schaltbaren, konzentrisch um die Probe gewickelten Spule (Senderspule = Empfangsspule) und verarbeitet das Signal über den Empfänger im Rechner des Spektrometers.
flüssiges Helium flüssiger Stickstoff
B0 Rechner
Probenröhrchen Probenkopf supraleitende Magnetspule
Sender
Empfänger Drucker
Abb. 28.18. Vereinfachtes Bauprinzip eines Kryomagnet-Kernresonanzspektrometers
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496
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Zur Beobachtung der Kernresonanz kann man zwei Verfahren anwenden: Das ältere Frequenzabtast-Verfahren (engl.: frequency sweep) variiert langsam die Frequenz des Senders. Ein Schreiber, dessen Vorschub der Sender ansteuert, registriert die Signalintensität als Funktion der Frequenz, die als NMR-Spektrum bezeichnete Folge der Präzessionsfrequenzen (NMR-Signale, Abb. 28.19) . Der Kernresonanzvorgang kann auch durch einen kurzzeitigen Radiofrequenz-Impuls angeregt werden. Nach dessen Ende registriert der Empfänger ein exponentiell abklingendes Signal F(t), das aus der Überlagerung aller möglichen Resonanzen einer Kernspinsorte entsteht. Dieses Impulsinterferogramm läßt sich mit Hilfe eines Rechners in das NMR-Spektrum, die Funktion der Frequenzen f(p), FOURIER-transformieren. Der große Vorteil dieses in fast allen NMR-Spektrometern angewendeten Puls-Fourier-Transformations-Verfahrens (PFT- oder FT-NMR) ist ein wesentlich geringerer Meßzeitaufwand.
28.5.3
Chemische Verschiebungen
Im Protonen-Kernresonanzspektrum (1H-NMR-Spektrum) der Phenylessigsäure erkennt man für die drei chemisch verschiedenen Protonensorten drei Signale (Abb. 28.19 a,b). Die Präzessionsfrequenz eines Atomkerns im Magnetfeld hängt also von seiner chemischen Umgebung im Molekül ab. Man bezeichnet dies als die chemische Verschiebung, auf der u. a. die Anwendbarkeit der NMR-Spektroskopie bei der Strukturaufklärung beruht. Zur Erklärung der chemischen Verschiebung stellt man sich vor, daß ein Atomkern im Molekülverband durch innermolekulare Felder vom äußeren Magnetfeld (B0) abgeschirmt wird. Das Abschirmfeld ist dem äußeren Feld B0 entgegengerichtet; ein starkes Abschirmfeld verringert, ein schwaches vergrößert die Larmorfrequenz eines Kerns im Molekül.
28.5.4
Messung chemischer Verschiebungen
Nach Gl. 28.3 wird ein NMR-Spektrum proportional zur Magnetfeldstärke aufgespreizt, wie ein Vergleich der Spektren a und b in Abb. 28.19 bestätigt. Es gibt also keine Absolutskala chemischer Verschiebungen. Daher definiert man das Signal einer Standardsubstanz, die man der Probenlösung zugibt, als "Nullpunkt" der Verschiebungsskala. Bezugspunkt der Protonenresonanz ist das 1H-Signal der Methyl-Protonen des Tetramethylsilans [(CH3)4 Si, "TMS", Abb. 28.19]. Das einzige Signal dieses chemisch weitgehend inerten Standards liegt außerhalb des Bereichs der häufigsten Protonensignale organischer Verbindungen und ist infolge zwölf äquivalenter MethylProtonen so intensiv, daß es auch bei geringen Konzentrationen beobachtet werden kann. Zur Messung der Verschiebung eines Protonen-Signales bestimmt man zunächst den Frequenzabstand (Fp) in Hz zum TMS-Signal. Dieser Wert hängt jedoch von der Magnetfeldstärke ab (Abb. 28.19 a,b). Um feld- und damit geräteabhängige Parameter zu bekommen, dividiert man die Differenzen (Fp) durch die der Magnetfeldstärke proportionale Präzessionsfrequenz p0(TMS) der TMSProtonen, die Meßfrequenz des Spektrometers. So ergibt sich die feldunabhängige f-Skala der chemischen Verschiebung: f =
Fp ______ p0(TMS)
(28.6)
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
497
1
Abb. 28.19. H-NMR-Spektrum der Phenylessigsäure in Deuteriochloroform als Lösemittel mit Tetramethylsilan (TMS) als Standard; (a) bei 1.4 Tesla magnetischer Kraftflußdichte (60 MHz-Gerät); (b) bei 2.1 Tesla (90 MHzGerät); (c) Integral des Spektrums (b). Die Spektren (a) und (b) wurden im gleichen Frequenzmaßstab aufgezeichnet. Die Frequenzdispersion in Spektrum (b) erhöht sich im Vergleich zu (a) um 1.5, weil das Magnetfeld um diesen Faktor verstärkt wurde
f-Werte sind als Quotienten zweier Frequenzen dimensionslose Einheiten von 10/6 oder ppm (Hz:MHz = 1 : 106 oder 1 part per million, daraus das Kürzel ppm). Konventionsgemäß werden f-
Werte ohne "ppm" angegeben; für das Carboxy-Proton der Phenylessigsäure (Abb. 28.19) schreibt man fCOOH = 11.75. Abb. 28.20 zeigt die von der Kraftflußdichte B0 unabhängige f-Skala der Protonen-Verschiebung. Beispiele zur Ermittlung von f-Werten finden sich in Abb. 28.19.
feldabhängig
Hz 4800 4400 4000 3600 3200 2800 2400 2000 1600 1200
800
400
Hz 1200 1100 1000 900
300
200
100
3
2
1
ppm 12
11
10
9
800
700
8
7
600
500
400
6 5 4 feldunabhängig
0 /"400 /"800 Fp 0 /"100 /"200 Fp 0 TMS
1
2
400 MHz100 MHzSpektrometer - Skala
Abb. 28.20. f-Skala der H-Verschiebung (fH) 1
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498
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Ein großer f-Wert (große Larmorfrequenz) ist nach Gleichung 28.3 die Folge eines schwachen Abschirmfeldes. Man bezeichnet das zugehörige Proton als wenig abgeschirmt oder entschirmt; sein Signal erscheint bei "tiefem Feld". Umgekehrt sind kleine f-Werte die Folge großer Abschirmfelder (abgeschirmte Kerne; Signale bei "hohem Feld"). Zur Gewöhnung an diese Ausdrucksweise kann man das 1H-NMR-Spektrum der Phenylessigsäure (Abb. 28.19) durch die folgenden gleichbedeutenden Formulierungen beschreiben: f"(CO2H) > f"(C6H5) > f"(CH2) 1) 2) Die Abschirmung nimmt in der Folge Carboxy-, Aryl-, Methylen-Protonen zu. 3) Das Carboxy-Proton erscheint bei tiefstem, die Methylen-Protonen liegen bei höchstem (Abschirm-) Feld; dazwischen liegt das Signal der Aryl-Protonen.
28.5.5
Integration der Signale und quantitative Analyse
Mit Hilfe eines im Spektrometers eingebauten Integrators kann man die Flächenintegrale aller Signale aufzeichnen. Man erhält eine Treppenkurve wie in Abb. 28.19 c, aus deren Stufenhöhe das Zahlenverhältnis der chemisch verschiedenen Protonen folgt. Für Phenylessigsäure ist das Verhältnis der Stufenhöhen z. B. COOH : C6H5 : CH2 = 1 : 5 : 2 (Abb. 28.19 c); es bestätigt die Zuordnung der Signale. Eine weitere Anwendung findet die Integration von NMR-Spektren bei der quantitativen Analyse von Gemischen. Die Auswertung der Integrale im 1H-NMR-Spektrum des Acetylacetons (Abb. 28.21) ergibt z. B., daß dieses 1,3-Diketon zu 87 % in der Enol-Form vorliegt.
H 3C
C C
C
O
E-CH3
H
H H CH 3
H 3C
O
C C O
K 13 %
CH 3
C H
O
E 87 % 87 %
13 % E-CH E-OH
K-CH2
K-CH3 TMS
ppm 16
fH
15
5
4
3
2
1
0
1
Abb. 28.21. 80 MHz H-NMR-Spektrum des Acetylacetons; durch Integration der Methyl-Signale ergibt sich 13 % Keto-Form (K) und 87 % Enol-Form (E)
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
28.5.6
499
Konstitutionsmerkmale und Protonen-Verschiebung
Bei der Strukturaufklärung nützt u. a. die Kenntnis der Zusammenhänge zwischen Konstitutionsmerkmalen und Protonen-Verschiebung. Polarität des gebundenen C-Atoms Die chemische Verschiebung eines Protons wird umso größer, je geringer die Ladungsdichte an einem benachbarten C-Atom ist, wie ein Vergleich der Werte von Propan und i-Propyl-Kation zeigt. Die Ladungsdichte am Kohlenstoff wird auch durch die Elektronegativität gebundener Substituenten erniedrigt (induktiver Effekt). Infolgedessen nimmt die Verschiebung eines Protons annähernd linear mit der Elektronegativität des Substituenten am c-Kohlenstoff zu, wie man an einigen Ethyl-Verbindungen in Tab. 28.11 erkennt. ̈"
Tab. 28.11. H-Verschiebungen fH von Propan, i-Propyl-Kation und einigen Ethyl-Verbindungen 1
CH 3
CH 3 Propan und i-Propyl-Kation
1.45 H 2C
13.50 H
0.91
3.20
3.43
H3C CH 2
I
1.83
5.06
CH 3
CH 3 H3C CH 2
C
3.57
Br
1.67
4.35
H 3C CH2
Cl
H3C CH 2
1.48
F
1.27
Ethyl-Verbindungen 1.26
2.51
2.51
3.42
(H3C CH 2)2CH2
(H3C CH 2)2S
(H 3C CH2)2NH
(H3C CH 2)2O
0.89
1.23
1.03
1.15
Anisotropieeffekte von Mehrfachbindungen Die r-Elektronen von Mehrfachbindungen erzeugen anisotrope (d. h. richtungsabhängige) innermolekulare Magnetfelder. Infolgedessen hängt die chemische Verschiebung eines Protons von seiner räumlichen Anordnung bezüglich einer Mehrfachbindung ab. Werden abschirmende Feldregionen in der Nähe von r-Bindungen als "+", entschirmende als "/" gekennzeichnet, so läßt sich die anisotrope Feldeinwirkung von Mehrfachbindungen auf die 1H-Verschiebung anhand doppelkegelförmig begrenzter Feldbereiche (Abb. 28.22) einprägen. Ein Alkin-H- (fH = 2 - 3) ist demnach stärker abgeschirmt als ein Alken-H-Atom (fH = 4.5 - 6.5).
̈"
/ : Entschirmung
+ : Abschirmung /
R
+ C C H
Alkine: fH = 2-3
R
R
+ C
C
R
R
/ H
/ H
Alkene: fH = 4.5-7
+ C
O
Aldehyde: fH = 9-10
Abb. 28.22. Anisotrope innermolekulare Magnetfelder von CC-Dreifach-, CC- und CO-Doppelbindungen
Besonders große Verschiebungen (fH > 8) zeigen die Aldehyd-Protonen, weil sie erstens im entschirmenden Feldbereich der Carbonyl-r-Bindung liegen (Abb. 28.22) und zweitens von der geringen Elektronendichte am Carbonyl-C betroffen sind (Carbonyl-Mesomerie): Carbonyl-Mesomerie
C OI _
_ C OI _
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500
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Die anisotropen Felder haben eine beachtliche Reichweite. So liegen die von der CarbonylGruppe flankierten Methyl-Protonen des Pulegons noch im Entschirmungs-Bereich der Carbonylr-Bindung, wie man an der 1H-Verschiebung erkennt:
Pulegon
O 1.77 H 3C
CH3 1.95
Im Vergleich zu Alken-Protonen zeigen Benzen-Protonen deutlich größere Verschiebungen (fH = 7.3). Zur Erklärung geht man davon aus, daß das r-Elektronensextett des Benzens im Magnetfeld zirkuliert, also einer Stromschleife gleicht. Das so erzeugte "Ringstrom-Feld" ist dem angelegten äußeren Magnetfeld am Ort der Benzen-Protonen gleichgerichtet, so daß sich die Larmorfrequenz erhöht (Entschirmung, Abb. 28.23). Inner-, ober- und unterhalb der Ebene des Benzen-Ringes wird das angelegte Magnetfeld dagegen geschwächt (Abb. 28.23). Dort befindliche Protonen werden abgeschirmt. Dementsprechend erscheint das Signal der zwölf äußeren Protonen des [18]Annulens (Abb. 28.23) bei fH = 8.9, während die inneren sechs Protonen stark abgeschirmt sind (fH = /1.8). Auch die Protonen-Verschiebungen von Ansa-Verbindungen zeigen den Einfluß des Ringstrom-Feldes: Die über der Ebene des Benzen-Ringes liegenden Methylen-Protonen des 1,4-Decamethylenbenzens (fH = 0.8) sind im Vergleich zu den anderen (fH = 2.6, Abb. 28.23) deutlich abgeschirmt. H
B0 H
H
H H
7.3
0.8
H H
2.6
H H
H
/ 1.8
8.9
H
H H
Benzen
H
H
H
H
H H
H H
H H [18]Annulen bei 0 °C
1,4-Decamethylenbenzen 1
Abb. 28.23. Ringstrom-Modell des Benzens und H-Verschiebungen des [18]Annulens sowie des 1,4Decamethylenbenzens
Die durch das Ringstrom-Modell erklärbare und im Vergleich zu Alkenen größere ProtonenVerschiebung von Aromaten (fH > 7) gilt als eines der experimentellen Aromatizitätskriterien. Mesomerie Die Ladungsdichte am C-Atom unterliegt vor allem in konjugierten Systemen dem Einfluß der Mesomerie. So findet man für c,d-ungesättigte Carbonyl-Verbindungen (Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren und Derivate) eine deutliche Entschirmung der d-Protonen, weil durch Mesomerie die Ladungsdichte am d-C-Atom erniedrigt wird: ̈"
OI _
_ OI _
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
501
Beispiele hierzu sind 2-Cyclohexenon und Fumarsäurediethylester. In Maleinsäurediethylester behindern dagegen zwei cis-ständige Ethoxy-Gruppen die Koplanarität der CC- und CO-Doppelbindungen, so daß die Alken-Protonen wieder stärker abgeschirmt werden. O
O
OC2H 5
6.05 H
6.83 H
O
7.05 H
6.28 H
O
OC 2H 5 OC 2H 5
H
H
O
OC 2H5 2-Cyclohexenon
Fumarsäurediethylester
Maleinsäurediethylester
Ähnlich können die Substituenteneffekte (Zi) auf die 1H-Verschiebungen der Protonen am BenzenRing erklärt werden: Typische (-)-M-Substituenten wie die Methoxy- und Dimethylamino-Gruppe erhöhen die Ladungsdichte insbesondere in o- und p-Stellung. Entsprechend stärker als im unsubstituierten Benzen werden die o- und p-Protonen abgeschirmt (Tab. 28.12). ID
D
D
D
(-)-M-Substituent (Elektronen-Donor D) am Benzen-Ring
Umgekehrt setzen (/)-M-Substituenten wie die Formyl-, Methoxycarbonyl- oder Cyano-Gruppe die Ladungsdichte in o- und p-Stellung herab, so daß die o- und p-Protonen im Vergleich zu denen des Benzens entschirmt sind (Tab. 28.12). A
A
A
A
(/)-M-Substituent (Elektronen-Akzeptor A) am Benzen-Ring
Tab. 28.12. Substituenteneffekte ( Zi = fC6H5X / f C6H6 ) auf die 1H-Verschiebung der Benzen-Protonen ( f C6H6 = 7.3 )
Substituent Klasse Beispiel
S u b s t i t u e n t e n e f f e k t e Zi Zo Zm Zp
(-)-M(Donor)
/CH2OH /CH3 /OCH 3 /N(CH3)2 /NH2
/ 0.1 / 0.17 / 0.43 / 0.6 / 0.6
/ 0.1 / 0.09 / 0.09 / 0.1 / 0.1
/ 0.1 / 0.18 / 0.37 / 0.62 / 0.62
/CN /CHO /CO2CH3 /NO2
0.27 0.58 0.74 0.95
0.11 0.21 0.07 0.17
0.3 0.27 0.2 0.33
(/)-M(Akzeptor)
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502
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Intramolekulare elektrische Felder und VAN DER WAALS-Abstoßungen Die Ladungsverteilung entlang einer CH-Bindung kann sich unter dem Einfluß intramolekularer elektrischer Felder von polaren Gruppen verzerren. Ein Beispiel ist die überraschend große Entschirmung der o-Protonen des Nitrobenzens (Tab. 28.12). Offensichtlich wirkt der (/)-M-Effekt mit dem elektrischen Feld der Nitro-Gruppe zusammen. Letzteres verschiebt die u-Elektronen der o-CH-Bindungen zum Kohlenstoff hin; dies entschirmt die o-Protonen, erkennbar an ihrer erhöhten Verschiebung: ̈"
H O
das elektrische Feld der Nitro-Gruppe polarisiert die o-CH-Bindungen (Entschirmung an H, Abschirmung an C)
N O H
VAN DER WAALS-Wechselwirkungen resultieren aus der Überlagerung der VAN DER WAALSRadien einander zu nahe kommender H-Atome; dabei stoßen sich die s-Elektronenwolken der HAtome ab. Die damit verbundene sterisch induzierte Polarisierung der CH-Bindungen entschirmt die CH-Protonen. So sind die Methyl-Protonen des 1-Methylnaphthalens infolge der VAN DER WAALS-Abstoßung durch das peri-Proton deutlich weniger abgeschirmt als in 2-Methylnaphthalen, dessen Methyl-Verschiebung mit der des Toluens gut übereinstimmt. 2.75
H
H
H
H
2.40
H
H
2.36
H
H
H H H 1-Methylnaphthalen
2-Methylnaphthalen
H H H Toluen
Wasserstoffbrücken Ein H-Atom, welches eine Wasserstoffbrücke bildet, ist weniger abgeschirmt als ein "freies" H. Die Hydroxy-Protonen der Enole, Phenole und Carbonsäuren zeigen z. B. sehr große Assoziationsverschiebungen (fH = 9 - 17); Alkohol-Hydroxy-Gruppen weisen kleinere Protonen-Verschiebungen (fH < 6) auf. Da die Wasserstoffbrücke eine elektrostatische Bindung mit etwas kovalentem Anteil ist, erklärt man die Assoziationsverschiebung durch ein elektrisches Feld, welches die Ladungsdichte am Brücken-Proton senkt. Während bei intermolekularen Wasserstoffbrücken die Verschiebung des betroffenen Protons von der Konzentration abhängt, ist die Signallage der an intramolekularen Wasserstoffbrücken beteiligten Protonen nahezu konzentrationsunabhängig. So findet man für Methanol bei Verdünnung mit Tetrachlormethan eine Verschiebung nach höherem Feld, weil die WasserstoffbrückenAssoziation infolge Solvatation durch das Lösemittel abnimmt (Abb. 28.24 a). Dagegen ändert das 1 H-Signal des intramolekular gebundenen Enol-Protons in Hexafluoracetylaceton seine Lage kaum, wenn man verdünnt (Abb. 28.24 b). ̈"
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
503
1
Abb. 28.24. 90 MHz H-NMR-Spektren von (a) Methanol und (b) Hexafluoracetylaceton, jeweils in Reinsubstanz (oben) und in verdünnter Tetrachlormethan-Lösung, 5 Vol. % (unten)
Für Amino- und Mercapto-Protonen beobachtet man ebenfalls Assoziationsverschiebungen. Selbst das H-Atom des Chloroforms kann mit starken Elektronenpaar-Donoren wie Acetonitril oder Pyridin eine schwache Wasserstoffbrücke bilden. Infolgedessen beobachtet man in diesen Lösemitteln eine etwas größere Verschiebung des Chloroform-Protons als in der reinen Probe. Cl3C H
I N C CH3
Cl3C H
IN
Wasserstoffbrücken von Chloroform mit Acetonitril und Pyridin
Protonen-Verschiebungen hängen demnach oft vom Lösemittel und von der Konzentration ab.
Chiralitätseinflüsse Enthält ein chirales Molekül der allgemeinen Konstitution
̈
Z Y
C
CH2
R
X
ein asymmetrisches Kohlenstoff-Atom (X Y Z), so befindet sich jedes der beiden MethylenProtonen H1 und H2 in jeder möglichen Konformation in unterschiedlicher (diastereotoper) chemischer Umgebung, wie die NEWMAN-Projektionen zeigen:
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504
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
H1
R Y
Z
Y
H2
H1
H2
X
H2 Z
Y
Z
R
R
H1
X
X
Beispiele für diese Diastereotopie sind die Methylen-Protonen des d-Acetoxybuttersäuremethylesters, OCOCH 3
H1
OCOCH 3 H 3C
CH2
C H
fH = 2.5 2.7
H2
CO2CH 3 H3C
H CO2CH 3
(S)-d-Acetoxybuttersäuremethylester
sowie die Isopropyl-Methyl-Protonen der c-Aminocarbonsäure Valin: H
H3C
H H 3N
C
CH3
CH(CH 3)2
fH = 0.83
CO2
NH3
O2C
0.9
H
D-Valin
Diastereotopie für Methylen-Protonen beobachtet man nicht nur bei Verknüpfung mit einem asymmetrischen C-Atom. Vielmehr wird die chemische Umgebung prochiraler Methylen-Protonen (Abschn. 17.9.1) trotz Molekülsymmetrie diastereotop, CH 2R R
CH 2
C Z
H2
H1
X CH 2
R X
Z R
weil die eine Methylen-Gruppe das benachbarte Kohlenstoff-Atom asymmetrisch "sieht", obwohl das Molekül insgesamt nicht chiral ist.
Dynamische Einflüsse Das 1H-NMR-Spektrum des N,N-Dimethylacetamids (Abb. 28.25) zeigt für die beiden N-MethylGruppen bei Temperaturen unterhalb 80 °C zwei Signale. Diese fallen bei 80 °C unter Verbreiterung zusammen. Man sagt, sie koaleszieren. Oberhalb 80 °C addieren sie sich zu einem einzigen, mit zunehmender Temperatur schärfer werdenden Signal. Der Temperatureinfluß auf die Lage der Protonen-Signale beruht im beschriebenen Beispiel darauf, daß die Amid-Bindung wegen der in Abb. 28.25 formulierten Mesomerie partiellen rCharakter hat; infolgedessen wird die Rotation der Dimethylamino-Gruppe behindert. Eine Methyl-Gruppe (fH = 3.0) steht nun cis, die andere trans zum Carbonyl-O-Atom (fH = 2.9). Bei tiefer ̈"
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
505
Temperatur ist die Austauschfrequenz, d. h. die Geschwindigkeitskonstante (kr) der Dimethylamino-Rotation, im Vergleich zum Verschiebungsunterschied (Fp) der Methyl-Gruppen (fH = 0.1 oder 8 Hz bei 80 MHz in Abb. 28.25) klein. Erhöht man die Temperatur, so nimmt die Rotationsfrequenz zu, bis sie bei der Koaleszenztemperatur (Tc) nach Gleichnung 28.6 die Größenordnung des Verschiebungsunterschiedes Fp erreicht: kr =
r 2
Fp
(28.6)
1
Abb. 28.25. Temperaturabhängigkeit des H-NMR-Spektrums von N,N-Dimethylacetamid (75 Vol % in Hexadeuteriodimethylsulfoxid, 80 MHz)
Aus dieser Beziehung (28.6) kann man die Geschwindigkeitskonstante (kr) der Methyl-Rotation am Koaleszenzpunkt (Tc) ermitteln. Mit Fp"= 8 Hz (Abb. 28.25) ergibt sich z. B. kr = 17.8 s/1 bei 80 °C. Eine zweite Beziehung für kr ist die aus der Theorie der absoluten Geschwindigkeitskonstanten folgende EYRING-Gleichung (28.7): kr =
kT /FG/RT e h
(28.7)
k : BOLTZMANN-Konstante h : PLANCKsches Wirkungsquantum T : Temparatur in K R : Gaskonstante FG : freie Akltivierungsenthalpie (bei T in K)
Nach Logarithmieren, Einsetzen der Zahlenwerte für die Konstanten und Umrechnung auf Zehnerlogarithmus gestattet Gleichnung 28.7 die Ermittlung der freien molaren Aktivierungsenthalpie (FG) am Koaleszenzpunkt (Tc): FG = 19.1Tc (10.32 + lg Tc / kr ) . 10/3 [kJ / mol]
(28.7 a)
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506
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Für die freie molare Aktivierungsenthalpie der Dimethylamino-Rotation in Dimethylacetamid ergibt sich z. B. mit kr = 17.8 s/1 und der Koaleszenztemperatur Tc = 353 K (80 °C, Abb. 28.25): FG353 = 78.5 kJ / mol = 18.7 kcal / mol
(28.7b)
Weitere Beispiele, auf welche die temperaturabhängige NMR-Spektroskopie im Bereich zwischen /"150 und +150 °C zum Studium dynamischer Einflüsse anwendbar ist, sind u. a. die behinderte Rotation in sperrig substituierten Ethan-Derivaten: H
V X
H
Y
X
W
W
Z
W Y
X
V
V
Z
Y
H Z
die Inversion am Amino-N-Atom, z. B. in Aziridinen, R N
N R
die Ringinversion von Cyclohexanen, R R
sowie die Valenztautomerisierungen, z. B. im Homotropiliden:
Empirische Auswertung von Protonen-Verschiebungen Protonen-Verschiebungen im 1H-NMR-Spektrum einer unbekannten Substanz gestatten oft direkte Aussagen über Ab- oder Anwesenheit bestimmter Gruppen. Besonders typische 1H-Verschiebungen zeigen u. a. Cyclopropan-, Alkin-, Methylenoxy-, Benzen- und Aldehyd-Protonen. Dagegen hängt die Lage der Signale von XH-Protonen (z. B. X = O, NH, NR, S) stark vom Lösemittel ab. Abb. 28.26 orientiert zusammenfassend über typische Bereiche der ProtonenVerschiebungen in organischen Stoffklassen. Viele organische Verbindungen kann man formal als Methan-Derivate auffassen. In diesen Fällen bewähren sich zur Zuordnung der Spektren empirisch ermittelte Substituenteninkremente zi (Tab. 28.13). Mit ihrer Hilfe und dem Verschiebungswert des Methans (fH = 0.23) kann man nach Gleichung 28.8 die chemische Verschiebung der CH2- und CH-Protonen in di- und trisubstituierten Methanen (X/CH2/Y bzw. XCHYZ) vorhersagen (SHOOLERY-Regel). Additivität der Inkremente wird dabei vorausgesetzt. fH = 0.23 + Uzi (28.8) ̈"
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
507
Die Verschiebung der Methylen-Protonen in Phenylessigsäure ergibt sich z. B. nach Gleichung 28.8 und Tab. 28.13 als fH = 0.23 + zPhenyl + zCarboxy = 0.23 + 1.8 + 1.5 = 3.53 in guter Übereinstimmung mit der Messung (Abb. 28.19). Enol-OH Carbonsäure-OH Phenol-OH mit D2O austauschbare Alkanol-OH Protonen Amid-NH Amin-NH Thiol-/Thiophenol-SH Aldehyd-CH Heteroaromaten Aromaten Alken-CH Alkin-CH Acetal-CH R2CH/O/, RCH2/O/ CH3O/ CH3N< CH3S/ CH3 an C=C oder C=X Cyclopropan CH3 an Metall
r-Elektronenmangel (/)-M-substituiert (/)-M-substituiert
r-Elektronenüberschuß (-)-M-substituiert (-)-M-substituiert
R2CH/O/
H 15 14 13 12 11 10
9
8
7
6
RCH2/O/
5
4
3
2
1
0 /1
Abb. 28.26. Bereiche der Protonen-Verschiebungen in organischen Stoffklassen
Tab. 28.13. Substituenten-Inkremente zi (ppm) zur Vorhersage der f-Werte von Protonen in di- und trisubstituierten Methanen nach SHOOLERY Substituent CH3 CF 3 CR1 CR 2R3 C C H CO2R CONH2 COR C N C 6H5
zi 0.47 1.14 1.32 1.44 1.55 1.59 1.70 1.70 1.83
Substituent NR1R 2 SR I Br OR Cl OH OCOR OC6H 5
zi 0.57 1.64 1.82 2.33 2.36 2.53 2.56 3.13 3.23
Entsprechend gelingt die Vorhersage der 1H-Verschiebung benzoider Protonen in mehrfach substituierten Benzenen nach Gleichung 28.9 und Tab. 28.12: Man addiert zum Verschiebungswert des Benzens (fH = 7.26) je nach Stellung des Substituenten zum betrachteten Proton die ortho-, meta- oder para-Inkremente des bzw. der Substituenten: fH = 7.26 + Uzi z i = zo , zm , zp (28.9)
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508
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Die gemessenen Verschiebungswerte (fH = 8.72, 8.47 und 7.28) der Ring-Protonen des 2,4Dinitroanisols lassen sich z. B. mit Hilfe der Methoxy- und Nitro-Inkremente nach Tab. 28.12 und Gleichung 28.10 befriedigend zuordnen. OCH 3 H 6 5
H
1 4
NO2 2 3
H
OCH3
+ 2 zo
NO2
= 7.26 / 0.1 + 1.8
= 8.96 (8.72)
f5-H = 7.26 + zmOCH + zo NO + zp NO = 7.26 / 0.1 + 0.9 + 0.3 = 8.36 (8.47) 3 2 2 = 7.26 / 0.4 + 0.4 = 7.26 (7.28) f6-H = 7.26 + zo OCH + 2 zm NO 3
NO2
28.5.7
f3-H = 7.26 + zm
2
Kopplungskonstanten
Spin-Spin-Kopplung Im H-NMR-Spektrum des Acetylaminomalonsäurediethylesters (Abb. 28.27) erscheint das Signal der durch die Carboxy-Gruppe von den übrigen Wasserstoff-Atomen des Moleküls isolierten Acetyl-Methyl-Protonen als Singulett (Einzelsignal) bei fH = 2.1. Alle anderen Signale des Spektrums spalten in Multipletts auf, offensichtlich, weil die zugehörigen H-Atome von chemisch verschiedenen Nachbar-Protonen flankiert sind.
̈"
1
1
Abb. 28.27. 90 MHz H-NMR-Spektrum des Acetylaminomalonsäurediethylesters in Deuteriochloroform (CDCl3) bei 30 °C
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
509
Die Signalaufspaltung in Lösung ist eine Folge der indirekten Spin-Spin-Kopplung. Darunter versteht man eine durch kovalente Bindungen übertragene magnetische Wechselwirkung zwischen chemisch nicht äquivalenten Kernen. Die direkte Kopplung zwischen zwei Kernen durch den Raum wird nur im festen Zustand beobachtet. In der hochauflösenden NMR-Spektroskopie, die man zur Strukturaufklärung fast ausschließlich heranzieht, werden Lösungen untersucht. In Lösung wird die direkte Kopplung zwischen zwei Kernen durch die Molekülbewegung zeitlich ausgemittelt.
E
a
b
c hJAX / 4
E2
E2
B0 hJAX / 4
E1 E1
hJAX / 4
hJAX / 4
A
AX
AX
Einspin-System
Zweispin-System AX ohne Kopplung
Zweispin-System AX mit Kopplung JAX
zugehörige NMR-Spektren
fA
a
fX
fA
b
JAX
fX
fA
X-Dublett
A-Dublett
c
Abb. 28.28. Zur Erklärung der indirekten Spin-Spin-Kopplung: (a) Kernenergiezustände von Kern A im B0-Feld; (b) Aufspaltung der A-Zustände infolge der Präzession von Kern X im B0-Feld; (c) Stabilisierung (Senkung) und Destabilisierung (Hebung) der Energiezustände in (b) um die Energiebeträge hJAX / 4, infolgedessen unterschiedliche Energiebeträge FE1 und FE2 der beiden Übergänge und Aufspaltung der A- und X-Signale in Dubletts
Auf einen Kern A wirkt (neben B0 und innermolekularen Abschirmfeldern) auch das Zusatzfeld eines gebundenen Kernes X. Dieses entsteht, indem der Kern X mit IX = 1/2 seinerseits um die Feldrichtung präzessieren kann oder entgegengesetzt (Abb. 28.17). Infolgedessen spalten die Energiezustände von Kern A jeweils um denselben Energiebetrag auf (Abb. 28.28 a - b), wobei die Zustände energieärmer sind, bei denen auch Kern X um die Feldrichtung präzessiert. Nach der quantenmechanischen Auswahlregel (FIA = 1 und FIA = 0) sind für den Kern A zwei Übergänge möglich (vgl. die Pfeile in Abb. 28.28 b). Diese sind jedoch frequenzgleich und addieren sich im NMR-Spektrum zu einem Signal. Die Kerne A und X präzessieren infolge ihrer Wechselwirkung mit den Bindungselektronen jedoch nicht unabhängig voneinander (Kopplung). Im Falle der posi-
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510
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
tiven Kopplung stabilisieren die Bindungselektronen wegen des PAULI-Prinzips die antiparallele Präzession der Kerne A und X; gleichzeitig destabilisieren sie die Parallelpräzession um denselben Energiebetrag hJAX / 4 (Abb. 28.28 c). Die beiden möglichen Übergänge unterscheiden sich jetzt durch ihre Frequenz. Nach Abb. 28.28 c ergibt sich JAX als Frequenzdifferenz (FE2/"FE1) / h beider Übergänge, weil FE1 um zwei Teilbeträge hJAX / 4 ab-, FE2 dagegen um zwei Teilbeträge hJAX / 4 zunimmt. Als Folge der Kopplung mit Kern X spaltet das Signal von Kern A somit in ein Dublett mit dem Frequenzabstand JAX auf. Entsprechendes gilt für den Kern X. Die koppelnden Kerne A und X bilden ein aus zwei Dublettsignalen bestehendes AX-System (Abb. 28.28 c). Der Frequenzabstand (JAX) der Multiplettsignale wird als Kopplungskonstante bezeichnet und in Hz gemessen. JAX reflektiert ausschließlich die Wechselwirkung der Kerne A und X über die Bindungselektronen. Insofern ist die Kopplungskonstante im Gegensatz zum Frequenzbetrag der chemischen Verschiebung (Gl. 28.3) unabhängig von der Kraftflußdichte B0 . Spektren erster Ordnung und Aufspaltungsregeln Sind mehrere Kerne X mit IX = 1/2 an der Kopplung mit Kern A beteiligt, so gelten drei Aufspaltungsregeln: 1) Die Multiplizität (der Aufspaltungsgrad) des A-Signals folgt aus der Anzahl aller verschiedenen Gesamtspin-Präzessionen relativ zum Feld B0. Für n koppelnde Kerne X mit IX = 1/2 ergibt sich eine (n+1)-fache Aufspaltung (Abb. 28.29). 2) Die Intensitäten der Multiplett-Signale folgen aus der Anzahl energiegleicher GesamtspinEinstellungen. Sie verhalten sich für koppelnde Kerne X mit IX = 1/2 wie die n-ten Binominalkoeffizienten (1 : 1-Dublett; 1 : 2 : 1- Triplett; 1 : 3 : 3 : 1-Quartett; vgl. Abb. 28.29). 3) Sind mehrere Kerne magnetisch äquivalent, weil sie dieselbe chemische Verschiebung haben und mit allen anderen Kernen des Moleküls nicht koppeln oder gleiche Kopplungskonstanten zeigen, so beobachtet man keine Aufspaltung. Die Kopplung der MethylProtonen untereinander bewirkt also keine Aufspaltung des Methyl-Signals. Das AcetylSignal in Abb. 28.27 ist daher ein Singulett. ̈"
A-Teilspektren
B0 X-Spin-Kombinationen
relative Häufigkeit
1 : 1 A
Teilstruktur
CH CH
Spinsystem
AX
1 : 2 : 1 X
A
X
1 : 3 : 3 : 1 A
X
CH CH2
CH CH3
AX 2
AX 3
Abb. 28.29. Zur Erklärung der einfachen Aufspaltungsregeln für Kerne mit I = 1/2. Der X-Teil des Spektrums ist in allen drei Fällen ein Dublett
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
511
Allgemein beobachtet man eine (2nIX + 1)-fache Aufspaltung. Das Signal des Protons im Dideuteriochlormethan CHD2/Cl"spaltet z. B. in ein Quintett auf, weil Deuterium die Kernspin-Quantenzahl ID = 1 besitzt und somit (2nIX+1) = 2 x 2 x 1 + 1 = 5 ist. Die Aufspaltungsregeln gestatten die Auswertung von NMR-Spektren erster Ordnung. Solche Spektren liegen vor, wenn die Verschiebungsunterschiede (pX/pA) im Frequenzmaßstab erheblich größer sind als die Kopplungskonstanten JAX (JAX / (pX/pA) Jae , Jae isomere Cyclohexan- und Tetrahydropyran-Derivate (Pyranoside) unterscheiden. d-Methyl-D-glucopyranosid zeigt z. B. eine deutlich größere Kopplungskonstante der vicinalen Protonen an C-1 und C-2 als das c-Isomer (Abb. 28.33 b).
Ha
Ha
He He
He
He
Ha
geminal : axial-axial : axial-äquatorial : äquatorial-äquatorial :
HO HO HO
= / 12 Hz 3J = 13 Hz aa 3J = 3 Hz ae 3J = 3 Hz ae ae
a
O H
cJea = 4 Hz
OH OCH 3
Ha 2J
H
HO HO HO
H
dOCH 3 Jaa = 9 Hz
O
OH H Methyl-D-glucopyranosid
b
Abb. 28.33. (a) Kopplungskonstanten vicinaler Protonen in Cyclohexan-Derivaten; (b) Unterscheidung von cund d-Methyl-D-glucopyranosid anhand der vicinalen H,H-Kopplungskonstanten
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
515
Ringgröße der Cycloalkene Die Kopplungskonstanten der vicinalen (cis) Alken-Protonen steigt in der Folge Cyclopropen (0.2 Hz), Cyclobuten, Cyclopenten, Cyclohexen an und erreicht bei höhergliedrigen Ringen Werte von 9 bis 14 Hz. Dieser Befund ist vor allem für die Identifizierung kleiner Cycloalken-Ringe wertvoll.
̈"
H
H
0.2
H
2- 4
H
5- 7 H
H
H 9 - 10
H 9 - 14
H
H
(Z)- und (E)-Isomerie von Alkenen In Alkenen unterscheidet man zwischen Geminal-, cis-, trans- und Allyl-Kopplungen:
̈"
H4
C
1H
geminal cis trans
C C 2H
H3
2J
1,2
3J
2,3
3J
1,3
= / 3 bis + 3 Hz 5 bis 14 Hz = = 11 bis 19 Hz
Allyl
3J 3,4 4J 1,4 4J 2,4
= 4 bis 10 Hz = / 0.5 bis / 3 Hz = / 0.5 bis / 3 Hz
Die Beziehung Jtrans > Jcis gestattet eine Unterscheidung zwischen (Z)- und (E)-Alkenen, sofern die Alken-C-Atome mit vicinalen H-Atomen verknüpft sind. Abb. 28.34 zeigt als Beispiel das 1HNMR-Spektrum eines Gemisches aus cis- und trans-Ethyl-i-pentenylether (1-Ethoxy-3-methyl-1buten). Im Bereich der olefinischen Protonen (fH > 4) erkennt man zwei AX-Systeme, von welchen das mit den größeren Kopplungskonstanten (17 Hz) zum trans-, das mit den kleineren (6 Hz) zum cisIsomer gehört. Die Integration der X-Teilspektren mit den großen Verschiebungen fH = 6.2 und 5.75 ergibt 45% trans- und 55% cis-Isomer. Tab. 28.15 informiert über die weitere, aus Kopplungen und Integralen folgende Zuordnung des Spektrums.
Stellungsisomerie mehrfach substituierter Benzene und Pyridine In Benzen liegen die Kopplungen o-ständiger Protonen zwischen 6 und 10 Hz. Die Kopplungskonstanten m-ständiger Protonen sind erheblich kleiner (1 - 3 Hz), und p-Kopplungen (< 1 Hz) werden im Spektrum oft nicht aufgelöst. Ähnliche Beziehungen gelten für die Protonen des Pyridin-Ringes.
̈"
3J
4J
H
6 - 10 N
H
H
H
H H
1-3 N
H
N
H 7-9
N
H H
H
H
5-6
5J
H
1-2
N H
2-3
0 - 1 Hz H
H
0.5 - 1 Hz
Mit Hilfe dieser deutlichen Unterschiede kann man die Stellung von Substituenten am BenzenRing bestimmen (Abb. 28.35 a - c).
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516
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
1
Abb. 28.34. 90 MHz- H-NMR-Spektrum von cis- und trans-Ethyl-i-pentenylether in Deuteriochloroform. Die Zuordnung entnehme man der Tab. 28.15 1
Tab. 28.15. Zuordnung des H-NMR-Spektrums von cis- und trans-Ethyl-i-pentenylether (Abb. 28.34) H 6
1
2
3
fH
Zuordnung
trans45 %
6.2
2-H
cis55 %
4
CH(CH3)2
1-H
4
Kopplungskonstante(n) [Hz] 13 1 13 7.5 7 7 1
3.7 2.2
5-H 3-H
1.2 0.95
6-H 4-H
7 7
5.8
2-H
6 1.2 6 8
Kopplungsart 3J
(trans)
4J 3J
(trans)
3J 3J 3J 4J 3J 3J 3J
Doppeldublett Doppeldublett Quartett1) Octett von Dubletts Triplett Dublett Doppeldublett Doppeldublett Quartett1) Oktett von Dubletts Triplett Dublett
5-H 3-H
7 8 1.2
1.17
6-H
7
3J
0.93
4-H
7
3J
3-H
4J 3J 3J 3J 3J 4J
(cis)
Multiplizität
1-H 3-H 2-H 3-H 6-H 2-H , 4-H 1-H 5-H 3-H
3.6 2.75
1-H
(cis)
Kopplungspartner
1-H 3-H 2-H 3-H 6-H 2-H , 4-H 1-H 5-H
4.15
1)
2
CH(CH3)2
Isomer
4.7
3
1
C C 6 5 H 3C CH 2 O H cistransEthyl-i-pentenylether (1-Ethoxy-3-methyl-1-buten)
C C
5
H 3C CH 2 O
H
H
zwei überlappende Quartetts im Abstand der Kopplungskonstanten, keine Quintetts
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
517
So zeigt 2-Nitrophenol (Abb. 28.35 a) als o-disubstituiertes Benzen für die den Substituenten benachbarten Kerne 3-H und 6-H je eine o-Kopplung (o-Dubletts). Die benzoiden Protonen 4-H und 5-H sind dagegen von je zwei H-Atomen flankiert (ortho zu 4-H stehen z. B. 3-H und 5-H); sie zeigen daher zwei o-Kopplungen (o-Doppeldubletts). Alle H-Atome koppeln zusätzlich mit je einem m-Proton, so daß man für sämtliche Signale noch eine weitere Aufspaltung von 2 bis 2.5 Hz beobachtet. Die vollständige Zuordnung folgt aus dem Kopplungsschema (Abb. 28.35 a), wobei 3-H und 5-H wegen des (/)-M-Effektes der Nitro-Gruppe (Tab. 28.12) jeweils weniger abgeschirmt sind als 6-H und 4-H, welche vorwiegend dem (-)-M-Effekt der Hydroxy-Gruppe ausgesetzt sind.
3-H fH = 8.05
H H 5 4
6 3
OH 1 2
H
8.5 2.5
6-H 7.03
4-H 6.86
J6,5 J6,4
J5,6 J5,4 J5,3
J3,4 J3,5
NO2
H
5-H 7.50
8.5 2.0
8.5 6.7 2.5
8.5 6.7 2.0 Hz
J4,3 J4,5 J4,6
a ppm
10
9
8
7
6
fH 5
4
3
2
1
0
1
Abb. 28.35. (a) 100 MHz- H-NMR-Spektrum von 2-Nitrophenol in Deuteriochloroform mit Zuordnung und Kopplungsschema der benzoiden Protonen (über dem gespreizten Teilspektrum)
m-Disubstituierte Benzene wie 3-Nitrobenzaldehyd (Abb. 28.35 b) erkennt man daran, daß ein Proton wie 2-H (fH = 8.75) nur m-Kopplungen (mit 4-H und 6-H) und ein anderes wie 5-H (fH = 7.82) nur o-Kopplungen (mit 4-H und 6-H) zeigen kann. Zwei weitere 1H-Signale (4-H und 6-H) spalten infolge Kopplung mit je einem o-Proton und je zwei m-H-Atomen in je ein Dublett von Ferndoppeldubletts (bzw. -tripletts) auf, wie das Kopplungsschema (Abb. 28.35 b) zeigt. Da die Nitro-Gruppe in o-Stellung stärker entschirmt als die Aldehyd-Funktion, beide Substituenten jedoch ähnliche p-Effekte aufweisen (Tab. 28.12), erscheint 4-H bei fH = 8.5, 6-H bei 8.27. p-Disubstituierte Benzene wie 4,4'-Dimethoxybenzil erkennt man an einem symmetrischen 1HNMR-Spektrum der benzoiden Protonen (Abb. 28.35 c). Diese bilden kein (AX)2-, sondern ein nicht mehr nach den Regeln erster Ordnung analysierbares AA'XX'-System: Trotz der durch die Molekülsymmetrie bedingten chemischen Äquivalenz (pA = pA´ und pX = pX´) sind die Protonen A
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518
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
und A' bzw. X und X' magnetisch nicht äquivalent, denn die Kopplungen von A und A' mit Kern X (oder X') sind verschieden: 3JAX ist z. B. eine ortho-, 5JA'X dagegen eine viel kleinere para-Kopplung.
5 4
6 3
2-H fH = 8.75
H
H H
6-H 8.27
5-H 7.82
O
1 2
J2,4 J2,6
H
H
4-H 8.5
J4,5 J4,2
NO2
J6,5 J6,2
J4,6
J5,4 ~J5,6
~J6,4
3.0 2.5
7.5 3.0 2.5
7.5 Hz
7.5 2.5
b ppm 10
9
8
7
6
fH 5
4
3
2
1
0
1
Abb. 28.35. (b) 100 MHz- H-NMR-Spektrum von 3-Nitrobenzaldehyd in Deuteriochloroform mit Zuordnung und Kopplungsschema der benzoiden Protonen (über dem gespreizten Teilspektrum)
HX
XX´ HA 5 4
6 3
1 2
H X´
H 3CO
XX´
AA´
O
H A´
2
4
3
AA´
c ppm 8
7
6
5
fH 2
1
0
1
Abb. 28.35. (c) 100 MHz- H-NMR-Spektrum von 4,4'-Dimethoxybenzil in Deuteriochloroform
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
519
Die Spektren in Abb. 28.35 zeigen auch die 1H-Resonanzen der Hydroxy-Gruppe eines Phenols mit intramolekularer Wasserstoffbrücke (fH = 10.55), einer Aldehyd-Funktion (10.2) sowie von Methoxy-Protonen (3.8).
28.5.9
Beispiel zur Herleitung der Konstitution aus dem 1H-NMR-Spektrum
Wie man die Konstitution einer Verbindung aus ihrem 1H-NMR-Spektrum herleiten kann, soll das folgende einfache Beispiel zeigen. Gegeben sei eine Substanz der Elementarzusammensetzung C8H10N2O3, welche das 1H-NMR-Spektrum in Abb. 28.36 ergibt. Doppelbindungsäquivalente Einen ersten vom Spektrum unabhängigen Hinweis zur Konstitution gibt die Anzahl der Doppelbindungsäquivalente; ein Doppelbindungsäquivalent kann sowohl für eine r-Bindung als auch für einen Ring stehen. Zur Ermittlung ersetzt man die gegebene Summenformel formal durch CnHx und vergleicht mit dem Kohlenwasserstoff CnH2n+2. Stickstoff wird durch CH, Halogen durch H ersetzt, Sauerstoff und zweiwertiger Schwefel entfallen. Aus C8H10N2O3 ergibt sich C10H12; C10H12 hat zehn H-Atome weniger als C10H22; dies entspricht fünf Doppelbindungsäquivalenten. ̈"
Anzahl der chemisch verschiedenen Protonen Das 1H-NMR-Spektrum zeigt sechs getrennte 1H-Signale mit dem Integral-Verhältnis 5:5:5:10:10:15. Somit enthält das Molekül sechs chemisch verschiedene Protonen im Verhältnis 1:1:1:2:2:3. Die Protonensumme beträgt folglich 10, was mit der gegebenen Summenformel übereinstimmt. ̈"
Art der Protonen, Kohlenstoff-Skelett, Substituenten Die Verschiebungen der Signale bei fH = 6.7, 7.05 und 7.5 sowie ihr Integral-Verhältnis (1 : 1 : 1) deuten auf ein trisubstituiertes Benzen hin. Damit sind vier der fünf Doppelbindungsäquivalente vergeben (drei r-Bindungen sowie ein Ring). Eine Ethoxy-Gruppe ergibt sich aus dem Quartett bei fH = 3.97 und dem Triplett bei 1.37. Man vergleiche hierzu die ähnlich liegenden Signale der Ethoxy-Gruppen in Abb. 28.27 sowie die Verschiebungsbereiche in Abb. 28.26. Das breite Signal bei fH = 5.9 paßt nach Verschiebung (5.9) und Intensität (H2) zu einer primären Amino-Gruppe. Die Signalverbreiterung ist eine Folge der Kopplung mit 14N und von Austauschvorgängen, z. B. Wasserstoffbrücken. Trisubstituiertes Benzen (C6H3), Ethoxy- und Amino-Gruppe (/OC2H5 und /NH2) ergeben die Teilsumme C8H10NO, der zur gegebenen Summenformel (C8H10N2O3) ein Rest NO2 fehlt. Eine Nitro-Gruppe, welcher das zusätzliche Doppelbindungsäquivalent zukommt, ist daher der dritte Substituent. ̈"
Substitutionsmuster Es gibt drei Typen trisubstituierter Benzene:
̈"
X
X 1 2 3
Y
1,2,3-
1 5
Z
X
Z
1 2 4
3
Y
Y
1,3,5trisubstituiertes Benzen
Z 1,2,4-
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520
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
1
Abb. 28.36. 90 MHz- H-NMR-Spektrum der Verbindung C8H10N2O3 in Deuteriochloroform
Das 1H-NMR-Spektrum eines 1,2,3-trisubstituierten Benzens sollte für alle H-Atome o-Kopplungen zeigen (je eine für 4-H und 6-H, zwei für 5-H). Im 1,3,5-trisubstituierten Benzen sind andererseits nur m-Kopplungen möglich. Zu keiner dieser Möglichkeiten paßt das vorliegende Spektrum (Abb. 28.36). Vielmehr spaltet das benzoide Proton bei fH = 7.05 in ein Doppeldublett mit 9Hz (ein Proton in o-Stellung bei fH = 6.7) und 3Hz (ein Proton in m-Stellung bei fH = 7.5) auf. Ein Proton (fH = 7.5) ist somit von zwei Substituenten flankiert. Die beiden anderen (fH = 6.7 und 7.05) stehen ortho zueinander. Demzufolge ist die Verbindung ein 1,2,4-trisubstituiertes Benzen. Substituentenfolge Die Substituentenfolge läßt sich aus den Verschiebungen des AB-Systems für 5-H und 6-H (nach Gleichung 28.9, S. 507) herleiten. Dabei werden die durchweg kleinen m-Effekte (< 0.2) zunächst vernachlässigt. Dann können die Protonen 5-H und 6-H jeweils von einer Nitro- oder Ethoxyoder Amino-Gruppe flankiert sein. Anhand der o-Effekte aus Tab. 28.12 (S. 501) lassen sich die zugehörigen 1H-Verschiebungen abschätzen:
̈"
Abschätzung o-Nitroo-Ethoxyo-Amino-
fH ~ 7.3 + 0.9 ~ 8.2 fH ~ 7.3 / 0.4 ~ 6.9 fH ~ 7.3 / 0.7 ~ 6.6
Meßwerte 7.05 6.7
NH 2 6.7 H 7.05 H
1 2 4
NO2 H 7.5
OC 2H5
Ein Vergleich von Schätz- und Meßwerten auf beste Übereinstimmung zeigt, daß das H-Atom mit fH = 7.05 und m-Kopplung ortho zur Ethoxy- und jenes mit fH = 6.7 ohne m-Kopplung ortho zur Amino-Gruppe steht. Demnach ist die Verbindung 4-Ethoxy-2-nitroanilin.
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
521
28.5.10 Chemische Methoden der Signalzuordnung Verschiebungs-Reagenzien Mit Hilfe einiger Lanthanid-Chelate (Verschiebungs-Reagenzien) gelingt die Aufspreizung des Verschiebungsbereiches. Kopplungskonstanten bleiben dabei unbeeinflußt, solange die Wechselwirkung zwischen Verschiebungs-Reagenz und Substanz deren Konformation oder Konfiguration nicht verändert. Übliche Verschiebungs-Reagenzien sind Europium(III)-1,3-Diketon-Chelate. Sie lösen sich gut in den meisten NMR-Lösemitteln (CCl4, CDCl3, CD3OD). Die sonst durch paramagnetische Zusätze induzierte Signalverbreiterung ist bei den Verschiebungs-Reagenzien klein, so daß sich die Auflösung der Spektren nur wenig verschlechtert.
̈"
F 3C F 2C F 2C
(H3C)3C
C O
C O H
Eu/ 3
C
H
C O
C O (H3C)3C Tris-(dipivaloylmethanato)Europium(III)-Chelat [Eu(dpm)3]
Eu/ 3
C
(H3C)3C Tris-(6,6,7,7,8,8,8-heptafluor-2,2-dimethyl3,5-octandionato)-Europium(III)-Chelat [Eu(fod)3]
Die Wirkungsweise der Verschiebungsreagenzien erkennt man in Abb. 28.37: Nach Zusatz von Eu(fod)3 werden ursprünglich überlappende Resonanzen des 1-Hexanols getrennt. Dabei hängt die induzierte Kontaktverschiebung in grober aber praktisch brauchbarer Näherung vom Abstand zwischen der koordinationsfähigen Gruppe (hier der Hydroxy-Funktion) und der betrachteten Protonensorte ab, wie Abb. 28.37 b zeigt.
1
Abb. 28.37. 90 MHz- H-NMR-Spektrum des 1-Hexanols in Deuteriochloroform, (a) ohne und (b) mit Zusatz von Eu(fod)3, Gewichtsverhältnis 1 : 1; (c) nach Schütteln mit D2O (Deuterium-Austausch)
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522
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Deuterium-Austausch Acide Wasserstoff-Atome wie in den Gruppen OH, NH, NH2 und SH lassen sich gegen Deuterium austauschen, indem man die Lösung der Substanz im Meßröhrchen mit Deuteriumoxid schüttelt (Deuterium-Austausch). Nach Phasentrennung wird das 1H-NMR-Spektrum erneut gemessen. Die Signale der OH-, NH- und SH-Gruppen verschwinden dann infolge des DeuteriumAustauschs (R/XH und D2O äquilibrieren zu R/XD und HDO). Abb. 28.37 c zeigt z. B. die Lokalisierung des OH-Signals im 1H-NMR-Spektrum des 1-Hexanols durch Deuterium-Austausch. ̈"
28.5.11 Besondere Meßtechniken Hochfeld-Kernresonanz Da die Larmorfrequenz p2 nach Gleichung (28.3) von der magnetischen Kraftflußdichte B0 abhängt, die Kopplungskonstante J jedoch nicht, kann man durch Erhöhung der Feldstärke das Verhältnis J/Fp verkleinern. Gleichzeitig erhöht sich der Besetzungsunterschied der KernspinEnergiezustände und die davon abhängige Empfindlichkeit des NMR-Experiments. Die mit Hilfe supraleitender Magnetspulen (Abb. 28.18) z. Zt. (2005) erreichbaren Magnetfeldstärken (B0 = 21.1 Tesla) gestatten die Aufnahme von 1H-NMR-Spektren mit Meßfrequenzen bis zu 900 MHz.
̈"
HA C
N
HB HC 3J AB 3J AC 2J BC
= 11.5 Hz (cis) = 17.9 Hz (trans) = 2.0 Hz (geminal)
a fH
HC 17.9 2.0 Hz
ppm
6.2
6.0
HB 11.5 2.0 Hz
5.8
5.6
5.4
HA 17.9 11.5 Hz
b fH
ppm
6.2
6.0
5.8
5.6
1
Abb. 28.38. H-NMR-Spektrum von Acrylnitril in Deuteriochloroform; (a) bei 80 MHz, (b) bei 200 MHz, jeweils im gleichen Frequenzmaßstab. Die Zuordnung ergibt sich aus den Multipletts und den angegebenen HHKopplungskonstanten.
Die Aufspreizung des NMR-Spektrums im Frequenzmaßstab durch stärkere Magnetfelder (Fp""\"B0) ohne Änderung der Kopplungskonstanten (J = const.) bietet einen wesentlichen Vorteil: Kleine Verschiebungsunterschiede werden besser aufgelöst, wobei Multipletts höherer Ordnung in einfacher auswertbare Aufspaltungen erster Ordnung übergehen. Abb. 28.38 zeigt zum Vergleich
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
523
das 80 MHz- und das 200 MHz-1H-NMR-Spektrum des Acrylnitrils im gleichen Frequenzmaßstab. Man erkennt, daß die Erhöhung der Feldstärke von 1.87 (80 MHz-) auf 4.67 Tesla (200 MHzSpektrometer) eine Aufspreizung der Verschiebungen (in Hz) um den entsprechenden Faktor (2.5) bewirkt. Dabei ändern sich die Kopplungskonstanten nicht, so daß aus dem ABC-System höherer Ordnung (Abb. 28.38 a) ein sehr übersichtliches Spektrum (Abb. 28.38 b) entsteht, das nach den Regeln 1. Ordnung mit Hilfe der Kopplungskonstanten problemlos zugeordnet werden kann.
Spin-Entkopplung (Doppelresonanz) Die indirekte Spin-Spin-Kopplung eines Kernes A mit Kern X wird nur beobachtet, wenn X auf seinen Präzessionszuständen genügend lange verweilt. Wechselt der Kern X seine Präzessionseinstellungen zu schnell, z. B. weil man ihn gerade mit seiner Resonanzfrequenz anregt, so wird sein Feld zeitlich ausgemittelt. Kern A verspürt das Feld von X dann nicht mehr; sein Signal erscheint als Singulett. Zur praktischen Durchführung dieser Spin-Entkopplung strahlt man eine konstante, in Resonanz mit dem zu entkoppelnden Kern befindliche Radiofrequenz p2 ein, während zur Beobachtung des Kernes A das NMR-Spektrum gemessen wird (Doppelresonanz). Durch Spin-Entkopplung gelingt es, den Kopplungspartner eines jeden Kerns in einem Molekül zu lokalisieren, wie Abb. 28.39 für die CH-Protonen des 3-Aminoacroleins zeigt. ̈"
1
Abb. 28.39. 90 MHz- H-NMR-Spektren des 3-Aminoacroleins in Tetradeuteriomethanol, (a) ohne Entkopplung, (b) und (c) mit Entkopplung der Protonen bei fH = 8.5 und 7.3. Aus (b) und (c) folgt, daß 1-H und 3-H jeweils mit 2-H koppeln. Anstelle des entkoppelten Signals treten exponentiell ansteigende und abfallende Schwebungsinterferenzen auf (Überlagerung zweier ähnlicher Frequenzen p1 und p2)
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524
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Kern-OVERHAUSER-Effekt (NOE-Differenzspektroskopie) Die Spin-Entkopplung eines Protons X hat auch Änderungen der Signalintensitäten räumlich naher Protonen A zur Folge. Diese Kern-OVERHAUSER-Effekte (NOE von nuclear OVERHAUSER effect) sind umso größer, je kleiner der direkte, räumliche Abstand zweier Kerne A und X im Molekül ist, unabhängig davon, wie viele Bindungen diese Kerne voneinander trennen, und ob sie im Spektrum Kopplungen aufweisen oder nicht. Mit dem NOE können daher Atomkern-Abstände innerhalb eines Moleküls, z. B. zur Bestimmung der relativen Konfiguration gemessen werden. Da Kern-OVERHAUSER-Effekte in der Protonenresonanz sehr klein sind, ihre Messung durch Integration folglich zu ungenau wäre, wendet man die NOE-Differenzspektroskopie an. Dazu wird ein erstes 1H-NMR-Spektrum unter Einstrahlung der Larmorfrequenz eines Protons X aufgenommen und ein zweites mit weit weg liegender Entkopplungsfrequenz ("off-resonance") vom ersten subtrahiert. Das resultierende NOE-Differenzspektrum zeigt nur dort Signale, wo der NOE die Intensitäten erhöht (positive Signale) oder vermindert (negative Signale). Wie Abb. 28.40 am trans-2-Methylcyclopentanol zeigt, kann man durch NOE-Differenzspektroskopie die relative Konfiguration bestimmen, wenn komplexe oder überlappende Multipletts nicht ausgewertet werden können, und zu geringe Unterschiede der Kopplungskonstanten syn- und antiständiger Protonen keine klaren Aussagen zulassen. Bei Einstrahlung der Larmorfrequenz der Methyl-Protonen, also bei fH = 0.74 (Abb. 28.40 c), "antwortet" das CHO-Proton bei fH = 3.43 durch eine Signalverstärkung, einen NOE, was die räumliche Nähe dieser Protonen und damit die trans-Konfiguration von Methyl-Gruppe und OH-Funktion beweist. ̈"
Abb. 28.40. H-NMR- (a) und HH-NOE-Differenzspektren (b: Einstrahlung bei fH = 3.43, c: Einstrahlung bei fH= 0.74) von trans-2-Methylcyclopentanol (400 MHz, Deuteriochloroform). NOEs zwischen dem CH/O-Proton (fH = 3.43) und den Methyl-Protonen (fH = 0.74) beweisen die trans-Konfiguration von OH- und Methyl-Gruppe 1
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28.5
Kernmagnetische Resonanz
525
Zweidimensionale HH-Korrelationsspektroskopie (HH-COSY) Die zweidimensionale Protonen-Korrelation (HH-COSY, COSY von correlation spectroscopy) stellt alle HH-Kopplungsbeziehungen, die "Konnektivitäten" der Protonen eines Moleküls in einem quadratischen Diagramm dar; Abzisse und Ordinate skalieren die Protonen-Verschiebungen. Das 1H-NMR-Spektrum zweier Kerne A und X wird auf die Diagonale des Quadrats projiziert (Diagonalsignale mit fAfA und fXfX); Kopplungen beider Kerne A und X werden durch zusätzliche Kreuzsignale mit gemischten Verschiebungen fAfX und fXfA nachgewiesen (Abb. 28.41). Die Kreuzsignale liegen auf Orthogonalen (senkrecht zur Diagonalen). Ein AX-System mit der Kopplungskonstanten JAX bildet im HH-COSY-Diagramm ein Quadrat; dessen Ecken sind die Diagonal- (fAfA und fXfX) und Kreuzsignale (fAfX und fXfA). Im HH-COSY-Diagramm des cis-3-Hexen1-ols finden sich z. B. die Kopplungspartner des Protons mit fH = 5.42 auf einer Parallelen zur Abszisse durch das Diagonalsignal dieses Protons, also bei fH = 5.24 und 1.97 (Abb.28.41, unten). Die weitere, vollständige Auswertung führt zu einem Satz von vicinal-Beziehungen der Protonen (z. B. fH = 0.83 i 1.97 i 5.42 i 5.24 i 2.21 i 3.50 in Abb. 28.41), an dem man die Konstitution des Moleküls erkennt. ̈"
Abb. 28.41. HH-COSY-Konturdiagramm des cis-3-Hexen-1-ols (Deuteriochloroform, 400 MHz, "Höhenlinienkarte" der Diagonal- und Kreuzsignale)
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526
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
28.6 Kohlenstoff-13-Resonanz 28.6.1
Wichtigste Meßmethoden
Das einzige magnetische Kohlenstoff-Isotop 13C kommt nur zu 1.1 % natürlich vor und hat ein kleines magnetisches Moment. Die Aufnahme von 13C-NMR-Spektren erfordert somit längere Meßzeiten mit dem in Abschn. 28.5.2 skizzierten Puls-Fourier-Transformations Verfahren. Andererseits bewirkt die geringe natürliche Konzentration (10/2), daß die unmittelbare Verknüpfung zweier 13C-Kerne sehr selten ist (10/2 x 10/2 = 10/4). Deshalb verbergen sich die 13C-13C-Multipletts im elektronischen Grundlinien-Rauschen der Spektren, sofern keine angereicherten Proben gemessen oder spezielle Meßmethoden angewendet werden. Dies vereinfacht die Auswertung. Protonen-Breitbandentkopplung Am häufigsten gehen die im 13C-NMR-Spektrum beobachteten Aufspaltungen auf Kopplungen mit den Protonen zurück. Diese CH-Multipletts überlagern sich bei größeren Molekülen, was die Bestimmung der 13C-Verschiebungen erschwert. Daher nimmt man die 13C-NMR-Spektren meist unter Einstrahlung eines Frequenzbandes auf, welches den gesamten Bereich der ProtonenResonanzen umschließt. Durch dieses als Protonen-Breitbandentkopplung bezeichnete Doppelresonanz-Verfahren wird erreicht, daß die 13C-Kerne im NMR-Spektrum als Singulett-Signale erscheinen (Abb. 28.42 a). Damit sind die 13C-Verschiebungen (gegen TMS als Standard) einfach zu messen, und die Anzahl der chemisch verschiedenen C-Atome eines Moleküls ergibt sich auf den ersten Blick (z. B. 10 C-Atome in Abb. 28.42 a). 27.9 H 3C
23.8 CH 3 38.5
C10 H18 O
42.1 34.2
13
39.1 70.7 20.9 OH CH3 48.2 47.4
1
Abb. 28.42. C-NMR-Spektren des Isopinocampheols (C10H18O , Deuteriochloroform, 50 MHz), (a) Hbreitbandentkoppelt, (b) CH-Subspektrum, (c) CHn-Subspektrum (CH und CH3 positiv, CH2 negativ); die Subspektren (b) und (c) wurden mit der DEPT-Impulssequenz gemessen
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28.6
Kohlenstoff-13-Resonanz
527
Zusätzlich profitiert man bei der Protonenentkopplung von einem Empfindlichkeitsgewinn, nicht nur, weil sich alle Übergänge eines Multipletts zu einem Singulett addieren. Vielmehr kann der bei 1H-Entkopplung von 13C-NMR-Spektren stets wirksame heteronucleare Kern-OVERHAUSEREffekt (NOE) die Intensität der CH-, CH2- und CH3-Signale nahezu verdreifachen. Multiplizitätsanalyse Die zur Strukturaufklärung wertvollen CH-Multiplizitäten (C, CH, CH2, CH3) können durch Messung gekoppelter 13C-NMR-Spektren bestimmt werden (Abb. 28.46, S. 531). Eine Analyse der CH-Multipletts wird bei größeren Molekülen jedoch durch Überlappungen erschwert. Besser eignen sich CHn-Subspektren (Abb. 28.42 b, c), die u. a. mit der DEPT-Impulssequenz erzeugt werden. Ein Subspektrum (Abb. 28.42 b) enthält nur die CH-Fragmente; ein weiteres (Abb. 28.42 c) unterscheidet zwischen CH und CH3 mit positiver und CH2 mit negativer Amplitude. Quartäre C-Atome erscheinen nicht in diesen Subspektren; man findet sie als zusätzliche Signale im 1Hbreitbandentkoppelten 13C-NMR-Spektrum (z. B. bei fC = 38.5 in Abb. 28.42 a). Abb. 28.42 zeigt zugleich den Wert von CH-Multiplizitäten zur Strukturaufklärung: Die Addition aller CH-Fragmente (ein C, vier CH, zwei CH2 und drei CH3) ergibt eine Teilsummenformel (C10H17), die alle an C gebundenen H-Atome enthält. Zusätzliche in der Summenformel (C10H18O) auftretende H-Atome sind folglich an Heteroatome gebunden. In Abb. 28.42 gehört das achtzehnte H-Atom zur OH-Gruppe. Zweidimensionale Korrelationsspektroskopie CH-Korrelation Die zweidimensionale CH-Korrelation (CH-COSY) korreliert 1H- und 13C-Verschiebungen auf Basis der 1JCH -Kopplungen in einem Koordinatensystem mit den 13C-Verschiebungen als Abszisse und den 1H-Verschiebungen als Ordinate (Abb. 28.43). Modernere Methoden der "inversen" zweidimensionalen CH-Korrelation (HC-COSY) wie das in Abb. 28.43 gezeigte Experiment nutzen das Proton als viel empfindlichere Meßsonde. Koordinaten der Kreuzsignal-Konturen sind die 1H- und 13C-Verschiebungen (CH-Konnektivitäten) der CHn-Fragmente des Moleküls. CH- und HC-COSY beantworten die Frage, welche HAtome mit welchen C-Atomen des Moleküls verknüpft sind, ordnen also alle CH-Bindungen eines Moleküls zu, wie es Abb. 28.43 (S. 528) am c-Pinen 1 vorführt. Dort zeigen sich z. B. für die CAtome mit fC = 31.3 und 31.5 je zwei Kreuzsignale zu den Protonen bei fH = 2.17 und 2.21 bzw. fH = 1.16 und 2.34, weil diese C-Atome je ein endo- und ein exo-Proton binden, die chemisch nicht äquivalent sind. Die zweidimensionale CH-Korrelation läßt sich auch auf die kleineren 2JCH - und 3JCH -Kopplungen abstimmen, so daß von einem Proton aus C-Atome in zwei, drei und (selten) mehr Bindungen Abstand innerhalb des Moleküls lokalisiert werden können. Abb. 28.44 (S. 529) zeigt ein solches Experiment zum Vergleich ebenfalls für c-Pinen. Dort weisen z. B. die Methyl-Protonen mit der 1 H-Verschiebung fH = 0.84 Kreuzsignale zu den C-Atomen mit den Verschiebungswerten fC = 26.4, 38.0, 40.9 und 47.2 auf; diese C-Atome sind zwei bzw. drei Bindungen von den MethylProtonen entfernt; daraus ergibt sich die Teilstruktur 1a (Abb. 28.44). Die Auswertung der intensiven Kreuzsignale in Abb. 28.44 führt zu einem Satz von Teilstrukturen 1a-g, die sich zur Molekülstruktur des c-Pinens zusammenfügen. Die Kreuzsignale mit fH / fC = 0.84 / 20.9, 1.27 / 26.4 und 1.67 / 23.0 gehören zu den aus Abb. 28.43 bereits bekannten CH-Bindungen dieser MethylGruppen; sie lassen sich im Experiment nicht vollständig unterdrücken. ̈"
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528
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Abb. 28.43. HC-Korrelation zur Zuordnung der CH-Bindungen des c-Pinens 1 [Deuteriochloroform, 25 °C, 125 13 1 MHz für C, 500 MHz für H, 4 Scans, 256 Experimente, HSQC-Methode]; Konturdiagramm mit eindimensiona1 13 13 1 len Spektren parallel zur Ordinate ( C, fC) und Abszisse ( H, fH, kursiv); die H- und C-Verschiebungen der im Experiment erkennbaren CH-Bindungen sind in die Strukturformel 1 eingetragen
Zuordnung der CH-Bindungen des c-Pinens 1 nach Abb. 28.43 und Teilstrukturen 1a-g aus den HC-Konnektivitäten nach Abb. 28.44 20.9 CH3 0.84 26.4 1.27 H3C
23.0 CH3 1.67 H 2.17
47.2 1.94 H 2.34 H
CH3 0.84
116.1 31.3
40.9 H 2.07
31.5
1.27 H 3C
38.0
38.0 144.5
H 5.20
47.2
47.2 40.9
H 2.21
1
H 1.16
20.9
26.4
CH3 1.67 116.1
47.2 40.9
1a
1b
1c
20.9 26.4 38.0 144.5
144.5
23.0 CH3
144.5 116.1
47.2 40.9
31.3
1.94 H
116.1
47.2
40.9
40.9 H 2.07
H 1.16
1d
1e
47.2
1f
31.3
2.34 H
1g
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28.6
Kohlenstoff-13-Resonanz
529
Abb. 28.44. HC-Korrelation zur Zuordnung der CH-Beziehungen über zwei und drei Bindungen des c-Pinens 13 1 [Deuteriochloroform, 25 °C, 125 MHz für C, 500 MHz für H, 16 Scans, 256 Experimente, HMBC-Methode]; 13 1 Konturdiagramm mit eindimensionalen Spektren parallel zur Ordinate ( C, fC) und Abszisse ( H, fH , kursiv); 1 13 Koordinaten der Kreuzsignale sind die H- und C-Verschiebungen von Protonen und C-Atomen, die durch zwei oder drei Bindungen voneinander getrennt sind; aus diesen "HC-Konnektivitäten" ergeben sich die zur Molekülstrukur des c-Pinens 1 konvergierenden Teilstrukturen 1a-g
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530
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
CC-Korrelation (CC-INADEQUATE) Alle CC-Bindungen ("CC-Konnektivitäten") eines Moleküls und damit sein Kohlenstoff-Skelett kann man aus dem CC-Korrelationsdiagramm (CC-INADEQUATE) ablesen. Die Messung ist wegen der geringen natürlichen Häufigkeit von 13C/13C-Bindungen (10/4, s. o.) unempfindlich aber besonders aussagekräftig, weil sie die AB- bzw. AX-Systeme aller 13C/13C-Bindungen eines Moleküls trennt und in einem dem HH-COSY-Diagramm analogen Format (Abb. 28.45) darstellt.
Abb. 28.45. CC-INADEQUATE-Konturdiagramm (a) des trans-2-Methylcyclopentanols (Deuteriochloroform, 100 MHz). Die Auswertung der Kreuzsignale ergibt sechs CC-Bindungen, von denen sich fünf zum Ring schlies1 13 sen. Das H-breitbandentkoppelte C-NMR-Spektrum (b), das CH-Subspektrum (c) sowie das CHnSubspektrum (d, CH und CH3 positiv, CH2 negativ) zeigen, daß ein CH-Fragment mit einem Heteroatom (O) verknüpft ist
Die Kreuzsignale in Abb. 28.45 weisen insgesamt sechs CC-Bindungen der C-Atom-Paare mit den 13C-Verschiebungswerten fC = 79.2 / 41.5, 79.2 / 33.2, 41.5 / 31.0, 41.5 / 17.9, 33.2 / 20.9 sowie 31.0 / 20.9 nach. Diese sechs CC-Bindungen fügen das Kohlenstoff-Skelett des zweifach substituierten Fünfrings von trans-2-Methylcyclopentanol zusammen. Die DEPT-Subspektren entschlüsseln das C-Atom bei fC = 79.2 als CH-Fragment; da nur zwei CC-Bindungen von diesem C-Atom
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28.6
Kohlenstoff-13-Resonanz
531
ausgehen, verknüpft die offene Bindung ein Heteroatom (O). Die Dublettaufspaltungen der Kreuzsignale in Abb. 28.45 resultieren aus den 13C13C-Kopplungen (1JCC) gebundener C-Atome. 31.0
aus dem CC-INADEQUATE-Diagramm abgelesene CC-Bindungen des trans-2-Methylcyclopentanols
20.9 33.2
28.6.2
17.9 41.5 79.2
OH
13C-Verschiebungen
Beim Vergleich von 1H- und 13C-NMR-Spektren, die bei derselben Magnetfeldstärke und im gleichen Frequenzmaßstab aufgenommen wurden (Abb. 28.46 a und b), fällt auf, daß die Verschiebungsunterschiede der 13C-Signale bei vergleichbarer Linienbreite erheblich größer sind als die der Protonen-Resonanzen. Das Kohlenstoff-Isotop 13C zeigt somit Unterschiede der chemischen Umgebung im NMR-Spektrum sehr viel deutlicher an als das Proton und ist die direkte Sonde zum Studium des Kohlenstoff-Gerüstes organischer Verbindungen. Quartäre C-Atome und viele funktionelle Gruppen wie Cyano oder Isocyanato (/CN oder /N=C=O), welche im 1H-NMRSpektrum nicht erscheinen, sind im 13C-NMR-Spektrum treffsicher zu erkennen. Tab. 28.16 orientiert über typische Bereiche der Kohlenstoff-Verschiebung in organischen Verbindungen.
1
13
Abb. 28.46. H-und C-NMR-Spektren des 3-Ethoxy-2-methylacroleins in Hexadeuterioaceton bei gleicher 1 Magnetfeldstärke und im gleichen Frequenzmaßstab. (a) 80 MHz- H-NMR-Spektrum, (a') gleiches Spektrum, 1 13 jedoch gespreizt; (b) H-entkoppeltes 20 MHz- C-NMR-Spektrum mit Verschiebungen und Zuordnungen
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532
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Tab. 28.16. Typische Bereiche der C-Verschiebungen (fC) organischer Verbindungen gegen Tetramethylsilan (TMS) als Standard 13
C
200
150
100
50
0 (TMS)
Carbenium-Ionen Ketone
konjugiert
Aldehyde
konjugiert
Acetale, Ketale Chinone Carbonsäuren und Derivate
konjugiert
Thioharnstoffe Harnstoffe, Carbonate Oxime Imine Isocyanide Cyanide Isothiocyanate Thiocyanate Isocyanate Cyanate Carbodiimide
r-Elektronen-Mangel
Heteroaromaten
r-Elektronen-Überschuß
(/)-M-substituiert
Aromaten
(-)-M-substituiert
(/)-M-substituiert
(Cyclo-) Alkene
(-)-M-substituiert
(Cyclo-) Alkine (Cyclo-) Alkane
Cyclopropan
alkyliert
R3C/O/ R3C/NR2 R3C/S/ R3C/Halogen
F
I
R2CH/O/ R2CH/NR2 R2CH/S/ R2CH/Halogen
F
I
H3C/O/ H3C/NR2 H3C/S/ H3C/Halogen
F
I
Alkyl/Metall C
200
150
100
50
0 (TMS)
Die 13C-Verschiebung nimmt mit der positiven Ladungsdichte am betrachteten Kohlenstoff zu. Die Ladungsdichte wiederum wird u. a. von induktiven, sterischen und mesomeren Effekten beeinflußt. Induktive und sterische Effekte erkennt man beim Vergleich von 1-Pentanol mit dem Stammkohlenwasserstoff n-Hexan: Nach Einführung einer Hydroxy-Gruppe in eine Kohlenstoff-Kette nimmt die Verschiebung des C-Atoms in c-Stellung zum Substituenten um fR/OH /"fR/H = 40 - 50 ppm zu, was die positive Polarisierung des c-C-Atoms durch den induktiven Effekt der Hydroxy-
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28.6
Kohlenstoff-13-Resonanz
533
Gruppe widerspiegelt. Am i-C schirmt der Substituent dagegen um /3 bis /6 ppm ab (fR/OH /"fR/H < 0), weil er durch sterische Wechselwirkung mit den i-H-Atomen die u-Elektronen der i-C-HBindung zum Kohlenstoff hin verschiebt (sterische Polarisierung der CH-u-Bindung). Dadurch nimmt die negative Ladungsdichte am C-Atom zu und fC demzufolge ab. i
1-Hexanol fROH
14.2
22.8
32.0
Substituenteneffekte fROH /"fRH
Hexan (Bezugssubstanz)
fRH
3-Hexanol fROH Substituenteneffekte fROH /"fRH
d
c
H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 CH2 OH 25.8
32.8 10.0
/ 6.1
61.9 48.2
H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 CH3 13.7
22.8
31.9
i
d
31.9
OH
c
22.8 d
13.7 i
H3C CH2 CH 2 CH CH2 CH3 14.0
19.4
39.4
72.3
/ 3.4
7.5
40.4
30.3
9.9
7.5 / 3.8
Die Einflüsse von Substituenten auf die Verschiebung der Ring-C-Atome des Benzens lassen sich übersichtlich anhand mesomerer Effekte erklären: Elektronenschiebende (-)-M-Substituenten wie die Amino-Gruppe erhöhen die negative Ladungsdichte in o- und p-Position. Dementsprechend werden die o- und p-Ring-C-Atome des Anilins stärker abgeschirmt als in Benzen (fC < 128.5). INH 2 13C-Verschiebungen
NH 2
NH2
NH 2
148.7 114.4
und mesomere Grenzformeln des Anilins 129.1 116.3
Elektronenziehende (/)-M-Substituenten wie die Formyl-Gruppe erhöhen dagegen die positive Ladungsdichte an den o- und p-Ring-C-Atomen, so daß deren 13C-Verschiebungen sich gegenüber Benzen vergrößern (fC > 128.5): H
C
O
H
C
O
H
C
O
H
C
O
136.7 129.7
13C-Verschiebungen und mesomere Grenzformeln des Benzaldehyds 128.9
134.3
Diese Substituenteneffekte auf die nung der Spektren.
28.6.3
13
C-Verschiebung ermöglichen oft eine weitgehende Zuord-
CH-Kopplungskonstanten
Die Kopplungskonstanten der 13C-Kerne mit unmittelbar gebundenen Protonen (1JCH) betragen zwischen 120 und 300 Hz. Kopplungen mit geminalen, vicinalen und weiter entfernten Protonen sind meist kleiner als 20 Hz.
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28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Die unmittelbaren CH-Kopplungen (über eine Bindung, 1JCH) nehmen mit zunehmendem sCharakter der Kohlenstoff-Bindungs-Hybridorbitale, d. h. in der Folge Ethan < Ethen < Ethin zu. Für Kohlenwasserstoffe gilt JCH 500 s: Ethan
Ethen
C
C
H
sp3 (s = 0.25) JCH = 125
Ethin
C H H
sp2 (s = 0.33) JCH = 156
sp (s = 0.5) JCH = 249 Hz
Die Beträge hängen also vom Bindungszustand des koppelnden C-Atoms ab. So spiegelt die im Vergleich zu den anderen Cycloalkanen sehr große CH-Kopplung des Cyclopropans einen höheren s-Charakter der Kohlenstoff-Bindungsorbitale im Dreiring wider:
JCH = fC =
161 / 2.8
134 23.1
128 26.3
123 Hz 27.6
Auch zunehmende Positivierung des C-Atoms durch elektronegative Substituenten erhöht den Betrag der CH-Kopplung, wie die Serie der Chlormethane zeigt: JCH = fC =
CH 4 125 / 2.3
CH 3Cl 150 25.1
CH2Cl2 178 53.9
CHCl3 211 Hz 78.0
Geminale CH-Kopplungen (2JCH, zwei trennende Bindungen) liegen zwischen 2 und 50, die am häufigsten beobachteten vicinalen CH-Kopplungen (3JCH, drei trennende Bindungen) zwischen 4 und 12 Hz. 3JCH-Kopplungen hängen wie die vicinalen HH-Kopplungen 3JHH von der relativen Konfiguration der Kopplungspartner ab. Als Faustregel gilt 3JCH 2/3 3JHH . Auch die CHKopplungskonstanten informieren über den Bindungszustand eines C-Atoms und identifizieren Teilstrukturen in unbekannten Verbindungen.
28.6.4
Beispiel zur Konstitutionsermittlung durch Kohlenstoff-13-Resonanz
Die Bestimmung funktioneller Gruppen und der Konstitution einer einfachen Verbindung mit Hilfe der Kohlenstoff-13-Resonanz soll das Beispiel einer Substanz der Summenformel C5H7NO2 illustrieren. Abb. 28.47 zeigt ihr 13C-NMR-Spektrum mit und ohne Breitbandentkopplung der Protonen. Doppelbindungsäquivalente Aus C5H7NO2 folgt nach Abschn. 28.5.9 die Ersatzsummenformel C6H8; sie weist gegenüber C6H14 ein Wasserstoff-Defizit von 6 auf; dies entspricht drei Doppelbindungsäquivalenten. Anzahl der chemisch verschiedenen C-Atome Das C-NMR-Spektrum (Abb. 28.47 a) zeigt fünf Signale in Übereinstimmung mit der gegebenen Summenformel. 13
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28.6
Kohlenstoff-13-Resonanz
535
Funktionelle Gruppen Das Signal bei fC = 164 paßt am besten zu einem Carboxy-C-Atom (/COO, Tab. 28.16). Ein weiteres mit fC = 114.7 gehört zu einer Cyan-Gruppe (/C»N, Tab. 28.16). In diesen beiden funktionellen Gruppen sind bereits alle drei Doppelbindungsäquivalente enthalten (kein Ring, keine zusätzliche r-Bindung).
13
Abb. 28.47. C-NMR-Spektrum (100 MHz) von C5H7NO2 in Deuteriochloroform (Triplett für das CD-Fragment in 1 1 CDCl3 bei fC = 77.1); (a) H-breitbandentkoppelt; (b) ohne H-Entkopplung
CH-Multiplizitäten Das Triplett bei fC = 63 (Abb. 28.47) paßt zu einer Methylenoxy-Teilstruktur (vgl. C-c in 1Hexanol mit fC = 61.9, S. 533). Diese ist mit der Carboxy-Gruppe verknüpft, denn mehr als zwei O-Atome läßt die Summenformel nicht zu. Ein weiteres Triplett (fC = 25) gehört zu einer Methylen-Gruppe. Die dem Quartett mit fC = 14.15 entsprechende Methyl-Gruppe ergibt mit allen bisher gefundenen Gruppen die Summenformel: CO2 + CN + CH2 + CH2 + CH3 = C5H7NO2
Konstitution Die gefundenen Gruppen kann man entweder zu Cyanameisensäurepropyl- oder zu Cyanessigsäureethylester verknüpfen: O N C
C
O CH2 CH 2 CH 3 Cyanameisensäurepropylester
O N C CH2
C
O CH 2 CH3 Cyanessigsäureethylester
Die Fern-Triplett-Aufspaltung (2JCH = 10.5 Hz) des Nitril-Signals bei fC = 114.7 deutet auf eine der Cyan-Funktion benachbarte Methylen-Gruppe hin. Daß es sich demnach um Cyanessigsäure-
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536
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
ethylester handelt, zeigt ein Verschiebungsvergleich authentischer Ester; vor allem die gemessene Methyl-Verschiebung von fC = 14.15 paßt besser zum Ethylester (fC = 14.4): 20.8 170.9 O
CH3
C
66.2
22.4
10.5
O CH 2 CH2 CH3 Essigsäurepropylester
20.9 170.7 CH3 C
O 60.4
14.4
O CH 2 CH3 Essigsäureethylester
28.7 Massenspektrometrie 28.7.1
Meßmethodik
UV-, IR- und NMR-Spektroskopie beruhen auf einer Anregung von Molekülen mit elektromagnetischer Strahlung. Dagegen erzeugt man in der Massenspektrometrie aus Molekülen im Gaszustand einen Ionenstrom, z. B. durch Elektronenbeschuß, und bestimmt die Massen und Häufigkeiten der Ionen. Der Substanzbedarf ist meist kleiner als 0.1 mg. Abb. 28.48 skizziert die am häufigsten verwendete Meßanordnung. Folgende Schritte tragen zur Messung bei: Probenverdampfung Leicht flüchtige Verbindungen werden in einer evakuierten Verdampfungskammer verdampft, aus welcher der Dampf durch eine Fritte in die Ionisationskammer strömt. Schwer flüchtige Substanzen verdampft man durch Erhitzen auf etwa 250 °C direkt in der Ionenquelle. Ionenquelle und Analysatoren (Abb. 28.48) sind hochevakuiert (p = 10/3 Pa), um Stöße zwischen Ionen und nicht ionisierten Molekülen sowie die damit verbundene Streuung des Ionenbündels zu unterdrücken.
Abb. 28.48. Vereinfachtes Bauprinzip eines doppelt fokussierenden Massenspektrometers
Ionisation In der Ionisationskammer trifft der Probendampf auf einen Elektronenstrahl, den eine Glühkathode emittiert und ein elektrisches Feld (70 eV) stark beschleunigt hat. Dabei entstehen sehr viel mehr positive als negative Ionen. Diese Elektronenstoß-Ionisation (EI) wird besonders häufig zur mas-
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28.7
Massenspektrometrie
537
senspektrometrischen Strukturaufklärung eingesetzt, weil sich aus typischen Zerfallsreaktionen der Ionen die Molekülstruktur ableiten läßt. Man kann auch mit einem Strahl schneller Edelgas-Atome oder Alkalimetall-Kationen ionisieren (fast atom bombardment, daher FAB-Massenspektrometrie); diese Methode bewährt sich bei höhermolekularen und schwer verdampfbaren Proben. Schonende Verfahren zur Ionisation großer Moleküle wie die als Elektrospray-Ionisierung (ESI) bezeichnete Zersprühung in einem elektrischen Feld sowie die Matrix-unterstützte Laserdesorptions-Ionisation (MALDI) eignen sich zur Molmassenbestimmung von Proteinen und anderen Biopolymeren. Ionenbeschleunigung Ein elektrisches Feld, welches meist in die Ionisationskammer integriert ist, beschleunigt die Ionen, bevor sie zur Massentrennung das Analysatorsystem des Spektrometers erreichen. Massentrennung der Ionen Nach der Beschleunigung durchfliegen die Ionen ein Magnetfeld, dessen Feldlinien senkrecht zur Bewegungsrichtung der Ionen verlaufen. Das Magnetfeld lenkt die Ionen unter Erhaltung ihrer Geschwindigkeit auf Kreisbahnen ab, deren Radius von Feldstärke, Masse, Ladung und Geschwindigkeit abhängt. Verändert man die Feldstärke, so treten Ionen unterschiedlicher Massen nacheinander durch den Kollektorspalt (Massentrennung) auf den Verstärker, einen Sekundärelektronen-Vervielfacher. Der Magnet fokussiert zunächst nur Ionen gleicher Masse und unterschiedlicher Ausbreitungsrichtung. Auf Ionen verschiedener Energie wirkt er indessen dispergierend. Da die in der Ionenquelle gebildeten Ionen gleicher Masse infolge unterschiedlicher thermischer Energie mit verschiedenen Geschwindigkeiten fliegen, ist das am Kollektorspalt "abgebildete" Ionenbündel verbreitert und die Auflösung entsprechend schlecht. Eine bessere Auflösung erreicht man durch Vorschalten eines elektrischen Sektorfeldes. Dieses hat keinen Massentrenneffekt, wirkt jedoch wie das Magnetfeld richtungsfokussierend und energiedispergierend. Kompensiert man die Energiedispersion des Magnetfeldes durch eine entgegengesetzt gleiche des elektrostatischen Analysators (Doppelfokussierung), so wird das Ionenbündel scharf abgebildet. Aufzeichnung Verändert man die Beschleunigungsspannung (bei konstantem Magnetfeld) oder die Magnetfeldstärke (bei konstanter Beschleunigungsspannung), so treten die Ionen aller m/e-Werte nacheinander durch den Kollektorspalt. m/e ist der Quotient aus relativer Masse m (Bezugsatom 12C mit m12C = 12.000) und der Elementarladung e (in Einheiten der Elektronenladung, z. B. 1 für einfach positive Ionen). Anstelle von m / e wird auch die Bezeichnung m / z verwendet, wobei z für die Anzahl der Elementarladungen steht. Die der Häufigkeit jeder Ionensorte entsprechende Stromstärke (Intensität) wird nach Verstärkung durch einen Vervielfacher als Funktion der Masse (m/e) gemessen. Die Ionenströme werden als Zahlenwerte (digitalisiert) auf Datenträgern gespeichert. Ein Rechner verarbeitet diese Werte dann zu übersichtlichen Strichspektren, wie sie nachfolgend abgebildet sind. Aufgetragen wird die Häufigkeit der Ionen in % (Ordinate) als Funktion ihres m/e-Wertes (Abzisse). Normierung der Intensität, Basispeak Die gemessenen Maxima der Ionenströme bezeichnet man als Peaks. Der höchste Peak entspricht dem am häufigsten vorkommenden Ion. Er wird als Basispeak bezeichnet. Auf seine Intensität, die
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28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
als 100 % festgesetzt wird, bezieht man die Häufigkeiten aller anderen Ionenmassen des Spektrums, gibt sie also in % relativ zum Basispeak an (Abb. 28.51 ff.). Die Peak-Intensitäten hängen auch von den Geräteparametern ab, z. B. von der Beschleunigungsspannung oder der Ionisationsart. Insoweit sind Massenspektren schwieriger reproduzierbar als andere Spektren.
28.7.2
Isotopenpeaks
Bis auf wenige Ausnahmen wie 19F,31P und 127I kommen die natürlichen Elemente als Isotopengemische konstanter Zusammensetzung vor. Dabei überwiegt meist das leichteste Isotop. Natürlicher Kohlenstoff enthält z. B. 98.9 % 12C und 1.1 % 13C; natürliches Brom ist ein Gemisch aus 50.5 % 79Br und 49.5 % 81Br. Im Massenspektrum werden die in Ionen vorkommenden Isotopenkombinationen nach Massenzahlen getrennt. Ein aus n Kohlenstoff-Atomen bestehendes Ion zeigt z. B. außer dem 12C-Peak der Masse (m) einen 13C-Satelliten der Masse (m+1) mit der Intensität n x 1.1 % bezogen auf den 12 C-Peak (Abb. 28.49 a). Sehr viel schwächer ist der (m+2)-Peak, weil die Anwesenheit zweier 13 C-Atome im Cn-Ion noch seltener ist (Abb. 28.49 a). Enthält das Ion noch ein Brom-Atom, so sind 12Cn79Br (m) und 12Cn81Br (m+2) die häufigsten Kombinationen (Abb. 28.49 b). Daneben findet man die 13C-Satelliten (m+1) und (m+3) mit den Häufigkeiten n x 1.1 % sowie noch seltenere 13C2-Ionen, (m+2) und (m+4), wobei (m+2) massengleich mit dem 12Cn81Br-Ion erscheint.
Abb. 28.49. Intensitätsverhältnis eines Ions mit zehn C-Atomen (a) und einem zusätzlichen Brom-Atom (b)
Isotopenpeaks beobachtet man für fast alle Ionen. Aus ihren relativen Intensitäten kann die Isotopenzusammensetzung der am Ion beteiligten Elemente zurückgerechnet werden.
28.7.3
Molekül-Peak, Molekül-Ion
Der m/z-Wert des Molekül-Peaks entspricht dem Zahlenwert der Molekülmasse, sofern das zugehörige Molekül-Ion einfach positiv geladen ist (M-.), was meistens zutrifft. Insofern eignet sich die Massenspektrometrie zur sehr genauen Bestimmung der relativen Molekülmasse.
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28.7
Massenspektrometrie
539
Das Molekül-Ion entsteht durch (Elektronenstoß-induzierte) Entfernung eines Elektrons aus dem Molekül. Dabei verbleibt ein Radikal-Kation, das man durch die Schreibweise M+. formuliert, wobei der Punkt das ungepaarte Elektron andeutet. Das Molekül-Ion benötigt eine bestimmte Zeit (> 10/5 s), um von der Ionenquelle zum Kollektor zu fliegen. Überlebt es diese Zeitspanne infolge zu raschen Zerfalles nicht, so entzieht es sich der Messung. Daraus folgt, daß der Molekül-Peak nur bei hinreichender Lebensdauer (Stabilität) des Molekül-Ions mit genügender Intensität beobachtet wird. Mit Ausnahme von 12C als Bezugs-Atom sind die Atommassen der Elemente nicht ganzzahlig. Infolgedessen können durch exakte Massenbestimmung (Hochauflösung) die Elementarzusammensetzungen des Molekül-Ions und aller Fragment-Ionen ermittelt werden. Ein einfaches Beispiel wäre die Unterscheidung von C6H10O und C7H14 mit derselben Nominalmasse 98. Die präzise Massenbestimmung des Molekül-Ions ergibt 98.0732 für C6H10O und 98.1095 für C7H14. Bei Ionen höherer Massen benötigt man zur eindeutigen Herleitung der Summenformel weitere Informationen, z. B. die Intensitäten der Isotopen-Peaks, sofern der Meßwert innerhalb der Fehlergrenze mehrere Elementarzusammensetzungen zuläßt.
28.7.4
Fragment- und metastabile Ionen
Das Molekül-Ion kann sehr schnell, d. h. bereits in der Ionenquelle zerfallen (Lebensdauer < 10/6 s). Solche Fragmentierungen können homolytisch, heterolytisch und unter Umlagerung ablaufen. Homo- und Heterolysen des Molekül-Ions führen zu Kationen und Radikalen, während Umlagerungen Radikal-Kationen und Neutralmoleküle ergeben, wie das Schema (Abb. 28.50) zusammenfassend zeigt. Da homolytische Spaltungen Einelektronen-Verschiebungen sind, kennzeichnet man sie durch Halbpfeile, um sie von Heterolysen zu unterscheiden.
C C
C C
C C
C
C
C
C
C
C
+ X
Homolyse
+ X
Heterolyse
Y
+ X Y
C C
Y
C C
Umlagerung
C C
C
+
C
+
X
Y
+ X
C+
C
C
Y
+ X
Y
Folgereaktion
C
C
+ X
Y
+
C
C
C
Abb. 28.50. Grundtypen der Fragmentierung organischer Molekül-Ionen
Die so entstandenen Fragment-Ionen werden beschleunigt, da sie noch in der Ionenquelle entstehen. Bei hinreichender Stabilität (Lebensdauer > 10/5 s) erscheinen sie im Massenspektrum.
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540
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Ionen, die sich langsamer, also erst auf dem Weg zwischen Ionisationskammer und Kollektor bilden, bezeichnet man als metastabil. Die zugehörigen "metastabilen Peaks" sind verbreitert und haben meist nicht ganzzahlige Massenwerte m*. Diese erhält man für die Sektorfeld-Spektrometer (Abb. 28.48) in guter Näherung nach Gleichung 28.11 aus den Massenzahlen des Mutter-Ions (m1) und des Tochter-Ions (m2) : (28.11) m* = m22 / m1 Aus Gleichung 28.11 folgt, daß metastabile Ionen (m*) bei Sekundärzerfällen die Herkunft eines Folgefragment-Ions (m2 aus m1) enthüllen und daher wertvolle Zuordnungshilfen sind. So findet man in den Massenspektren von Benzoyl-Verbindungen Benzoyl- (C6H5CO+ mit m2 / z = 105) und Phenyl-Kationen (C6H5+ mit m2 / z = 77). Das metastabile Ion bei m* / z = 772/105 56.5 beweist dann den Sekundärzerfall des Benzoyl-Kations in Phenyl-Kation und Kohlenmonoxid: +
+
C6H 5 CO
28.7.5
+
C 6H5
CO
Fragmentierungen organischer Molekül-Ionen
Die Spaltung des Molekül-Ions (Primärfragmentierung) sowie die Folgereaktionen (Sekundärfragmentierungen) erfolgen bevorzugt so, daß 1. die positive Ladung in den Fragment-Ionen durch induktive oder mesomere Effekte stabilisiert wird, und 2. möglichst energiearme Radikale oder Neutralmoleküle (H2O, H2S, NH3, C2H4, CO, CO2, HCN, u. a.) entstehen. Mindestens eine dieser beiden Triebkräfte steckt hinter jeder der nachfolgend beschriebenen häufigsten Fragmentierungen organischer Verbindungen. Spaltung von CC-Einfachbindungen Grundfragmentierung aliphatischer Molekül-Ionen ist der Bruch einer CC-Einfachbindung: + C
C+
C
+
C
Diese Reaktion ist zunächst für alle nicht endständigen CC-Bindungen eines Alkans gleich wahrscheinlich. Infolgedessen erscheinen im Massenspektrum eines Alkans (Abb. 28.51) AlkylKationen CnH2n+1+ im Abstand von vierzehn Masseneinheiten (m / z = 29, 43, 57, 71, 85, 99, 113, usw.) Durch Sekundärfragmentierungen entstehen jedoch mehr kleinere Bruchstücke. Entsprechend nimmt die Intensität der CnH2n+1+-Fragmente mit abnehmender Masse zu und erreicht ein Maximum bei m / z = 57, also für C4H9+ (Abb. 28.51). Ist das Alkan verzweigt, so sind Bindungen an quartären C-Atomen bevorzugte Bruchstellen, da Carbenium-Ionen mit zunehmender Alkylierung stabiler werden: +
R3C
+
> R2CH
+
> RCH2
+
> H3C
"Sollbruchstellen" im 5,5,8,11,15-Pentamethylhexadecan, C21H44, sind z. B. die von C-5 ausgehenden Bindungen. Im Massenspektrum (Abb. 28.51) erscheinen dementsprechend FragmentIonen mit m / z = 99, 197, 239 und 281. Dabei sind die Massen 99 und 239 besonders intensiv, weil
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28.7
Massenspektrometrie
541
erstens die Ladung bevorzugt am höher alkylierten Kohlenstoff bleibt (99 > 197), und zweitens der größere Rest günstiger als Radikal abgespalten wird (99 > 239 > 281; > jeweils im Sinne von intensiver). Die Bruchstücke 99 und 239 lokalisieren somit das quartäre C-Atom (Abb. 28.51).
Abb. 28.51. Massenspektrum des 5,5,8,11,15-Pentamethylhexadecans
Spaltung von CX-Einfachbindungen CX-Einfachbindungen (z. B. X = Halogen) können heterolytisch spalten. Wegen der größeren Elektronegativität von X bleibt dabei die positive Ladung am Kohlenstoff: C
+ X
C+
+
_ X
Nach diesem Schema spalten Nitro-Verbindungen und Halogenalkane außer den Fluoriden. Hydroxy- und Carbonyl-Gruppen lösen sich als Radikale nur ab, wenn das verbleibende Carbenium-Ion tertiär ist. Alle durch Fragmentierung von Alkan und Alkyl-Derivaten entstandenen Kationen können Alkene CnH2n eliminieren: C C C+
C+
+
C C
-Spaltung und Folgereaktionen Heteroatome mit nichtbindenden Elektronenpaaren lösen c-Spaltungen aus. Sie stabilisieren durch ihren (-)-M-Effekt das entstehende Kation: R
c
C
+ X
R
+
+ C X
+ C X
Aus c-Spaltungen resultieren die häufigsten Ionen in den Massenspektren von Halogenalkanen, Alkoholen, Thiolen, Ethern, Thioethern und Aminen. Besonders leicht erfolgt die c-Spaltung bei
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542
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Acetalen, Ketalen und anderen geminal disubstituierten Verbindungen, weil die positive Ladung durch die beiden (-)-M-Heteroatome noch besser verteilt wird: +
OR'
/R
R C OR'
+ OR' R
OR'
C
R OR'
R
OR'
C+
R
C
OR'
OR' +
Das dominierende Fragment im Massenspektrum des Pentylmalondialdehyd-tetraethylacetals (Abb. 28.52) mit der Masse 103 entsteht z. B. durch c-Spaltung. Dabei geht der größere Rest R als Radikal ab. Die bevorzugte c-Spaltung macht den Molekül-Peak sehr schwach. H +
OC 2H5 H C OC 2H5 R
/R
H
O CH 2 CH2 C+
/ C2H4
*
OC 2H5
-
m / z = 103
M / z = 290
OH H
C+
OH H C+
/ C2H4
*
OC 2H5
OH
m / z = 75
m / z = 47
Das mesomeriestabilisierte Carbenium-Oxonium-Ion mit m / z = 103 zerfällt unter zweimaliger Ethen-Abspaltung zu Ionen der Massen 75 und 47 (Onium-Reaktionen). Metastabile Peaks bei m* = 54.6 für den Zerfall 103/28 = 75 und m* = 29.5 entsprechend 75/28 = 47 weisen auf diese Folgefragmentierungen hin. Ein weniger häufiges Ion im oberen Massenbereich (M /"46 = 244) entsteht durch Abspaltung von Ethanol. Dieses spaltet durch Folgefragmentierungen Ethyl- (29), Ethoxy- (45) sowie PentylRadikale (71) ab, wie die Auswertung der metastabilen Fragmente (m*) in Abb. 28.52 zeigt.
Abb. 28.52. Massenspektrum des Pentylmalondialdehydtetraethylacetals
Allyl- und Benzyl-Spaltung Die Molekül-Ionen der Alkene zerfallen in mesomeriestabilisierte Allyl-Kationen: + C C C C
C C C+
+C C C
+
C
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28.7
Massenspektrometrie
543
Solchen Allyl-Spaltungen sind häufig Isomerisierungen von Doppelbindungen vorgelagert. Infolgedessen ist ihr Aussagewert zur Konstitutionsbestimmung gering. Eindeutiger und somit aussagekräftiger sind die Benzyl-Spaltungen alkylierter Aromaten: + CH 2
C
+ CH 2
/ C
CH 2 +
+
CH 2
CH 2
+
So ist im Massenspektrum des i-Butylbenzens (1-Phenyl-2-methylpropan, Abb. 28.53) das durch Benzyl-Spaltung entstehende Benzyl-Kation mit m / z = 91 (100 %) häufigstes Fragment. Es ist mesomeriestabilisiert (s. o.) und kann sich zum Tropylium-Ion umlagern: CH3 CH2
C CH3 H
m / z = 134
+
H3C / C CH3 H
+ CH2 + m / z = 91
Abb. 28.53. Massenspektrum des i-Butylbenzens
Die für Benzen-Derivate charakteristische Bildung von Phenyl-Ionen C6H5+ (m / z = 77) ist im Vergleich zur Benzyl-Spaltung (m / z = 91) weit weniger häufig, wie ein Intensitätsvergleich in Abb. 28.53 zeigt. Neben C6H5+ treten bei substituierten Benzenen meist stark ungesättigte Ionen wie C5H5+ (m / z = 63), C4H3+ (m / z = 51) und C3H3+ (m / z = 39) auf. Typisch für Aromaten ist auch das relativ stabile und daher intensive Molekül-Ion (Abb. 28.53). Substituenten mit (-)- / (/)-MEffekt in o- oder p-Stellung begünstigen die Benzyl-Spaltung.
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28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Retro-DIELS-ALDER-Spaltung Die Molekül-Ionen von Cyclohexen-Derivaten zerfallen bevorzugt durch Retro-DIELS-ALDERReaktion. Diese mechanistisch komplizierte doppelte Allyl-Spaltung wird meist ohne Lokalisierung von Ladung und Elektron formuliert: +
+ + +
oder
+
Ob Alkene oder Diene als Neutralmoleküle abgespalten werden, hängt von der Stabilisierung der positiven Ladung in den zurückbleibenden Radikal-Kationen ab. Der Basispeak im Massenspektrum des 2-Cyclohexenons (Abb. 28.54) mit m / z = 68 paßt zu einem Keten-Radikal-Kation, das durch Retro-DIELS-ALDER-Abspaltung von Ethen entsteht. Die Folgereaktion führt unter Eliminierung von Kohlenmonoxid zum C3H4+. -Radikal-Kation mit m / z = 40. Die Abspaltung von Ethen und Kohlenmonoxid ergibt sich aus metastabilen Ionen bei 48.2 (96 /"28 = 68) und 23.5 (68 /"28 = 40, Abb. 28.54). O +
/ C2H4
C
+ O
* m / z = 96
/ CO
* m / z = 68
C 3H4
+
m / z = 40
Abb. 28.54. Massenspektrum des 2-Cyclohexenons
MCLAFFERTY-Umlagerung Eine der bedeutendsten Fragmentierungen ist die MCLAFFERTY-Umlagerung. Sie gehört zu den Wasserstoff-Verschiebungen und kann bei allen ungesättigten Verbindungen stattfinden, welche in i-Stellung zur Mehrfachbindung ein Wasserstoff-Atom enthalten:
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28.7
Massenspektrometrie
R
545
H
+ X
H
R +
H
+ X
X+
Bei Aromaten und Heteroaromaten konkurriert die MCLAFFERTY-Umlagerung häufig mit der Benzyl-Spaltung. So fällt im Massenspektrum des i-Butylbenzens (Abb. 28.53) das intensive Ion mit der geradzahligen Masse m / z = 92 auf; es entsteht durch MCLAFFERTY-Umlagerung: CH2 CH(CH3)2
+
+
CH 2
+
H +
M-"/ z = 134
CH3
CH 2
H H m / z = 92
H
C
Bei Carbonyl-Verbindungen und deren Heteroanaloga (Thiocarbonyl-Verbindungen, Imine, Nitrile) konkurriert die MCLAFFERTY-Umlagerung mit der c-Spaltung.
Abb. 28.55. Massenspektrum des 2-Pentanons
Im Massenspektrum des 2-Pentanons (Abb. 28.55) erkennt man z. B. zwei c-Spaltungen: Die eine verläuft unter Abspaltung eines Methyl-Radikals zum Kation der Masse 71 (86 /"15 = 71), welches in Kohlenmoxid und das Propyl-Kation zerfällt (71 /"28 = 43). Die andere führt unter der begünstigten Abspaltung des größeren Propyl-Radikals direkt zum Ion der Masse 43 (86 /"43 = 43). Metastabile Ionen mit den Massen 58.6 (712/ 86), 26.0 (432/ 71) und 21.5 (432/ 86) bestätigen diese mit Stern (*) markierten Zerfallsreaktionen. + H3C CH2 CH 2 m / z = 43
* / CO
H3C CH2 CH 2 m / z = 71
+ C O
O
* / CH3
H3C CH2 CH2
+
*
C CH3
/ C3H7
+ H 3C C O m / z = 43
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Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Ein weiteres häufiges Fragment mit m / z = 58 (Abb. 28.55) entsteht durch MCLAFFERTY-Umlagerung des Molekül-Ions. Die zugehörige Ethen-Abspaltung (M /"28) ist aus dem metastabilen Ion der Masse 39.1 (582 : 86) erkennbar. H
+ OI
* CH3
CH2 CH2
H +
M / z = 86
28.7.6
H2C
+ OI C
H + OI CH3
H 2C
C
CH 3
m / z = 58
Erkennung funktioneller Gruppen
Charakteristische Fragment-Ionen, die sog. Schlüsselbruchstücke (Tab. 28.17 a, S. 548) identifizieren im Massenspektrum bestimmte Stoffklassen (funktionelle Gruppen). Ebenso typisch sind die (M / X)-Fragmente, die durch Abspaltung kleiner Neutralteile der Masse X aus dem MolekülIon entstehen (Tab. 28.17 b, S. 549). Allerdings ist die Intensität dieser Fragmente im Massenspektrum nicht immer genügend groß, so daß ihr Fehlen kein sicherer Beweis für die Abwesenheit einer bestimmten Gruppe ist. Trotzdem gibt die sinnvolle Anwendung der Fragment-Tabellen häufig eindeutige Aussagen zur Konstitution einer Verbindung. Hinweise auf die Art und Anzahl mancher Heteroatome kann bereits das Molekül-Ion geben. Ein Isotopenmuster von M : (M -"2) "1 spricht z. B. für eine Monobrom-Verbindung (vgl. Abb. 28.49). Monochlor-Verbindungen zeigen demgegenüber ein Isotopen-Verhältnis von M : (M -"2) ""3 : 1. Weiterhin sind die Molekülmassen von Stickstoff-Verbindungen geradzahlig (ungeradzahlig), wenn das Molekül eine gerade (ungerade) Anzahl von Stickstoff-Atomen enthält: Stickstoff ist das einzige Element mit gerader Massenzahl (14) und ungerader Anzahl von Bindungen (3); bei allen anderen Elementen ist beides entweder gerad- oder ungeradzahlig. So hat Anilin (C6H7N) eine Molekülmasse von 93 gegenüber dem Wert von 138 für die o, m, p-Nitroaniline (C6H6N2O2).
28.7.7
Herleitung der Konstitution aus dem Massenspektrum
Wie man dem Massenspektrum Hinweise zur Konstitution einer Verbindung entnimmt, soll ein einfaches Beispiel (Abb. 28.56) zeigen. Relative Molekülmasse Ist das schwerste Ion auch Molekül-Ion, so beträgt die Molekülmasse 262 (oder 260, Abb. 28.56). Isotopenmuster Die Verbindung enthält Brom, denn das Molekül-Ion (260 : 262 "1 : 1) zeigt eine für MonobromVerbindungen typische Isotopenverteilung (vgl. Abb. 28.49). Ebenso enthalten die Fragmente 183:185 "1 : 1 sowie 155:157 "1 : 1 je ein Brom-Atom. Schlüsselbruchstücke Neben der relativ hohen Intensität des Molekül-Peaks deuten die stark ungesättigten Fragmente mit m / z = 50, 51, 76, 77 und 78 nach Tab. 28.17 a auf ein Benzen-Derivat hin. Das bromfreie Basis-Fragment mit m / z = 105 gehört nach Tab. 28.17 a zum Benzoyl-Ion. Die Verbindung ist somit ein bromhaltiges Benzoyl-Derivat.
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28.7
Massenspektrometrie
547
Abb. 28.56. Massenspektrum zur Konstitutionsbestimmung
Konstitution Subtrahiert man die Masse des Benzoyl-Ions C6H5CO+ (105) von der Molekülmasse (260 / 262), so ergibt sich ein Rest von 155 bzw. 157, der ebenfalls im Massenspektrum auftritt (Abb. 28.56) und aufgrund seines Isotopenmusters ein Brom-Atom enthält. Subtrahiert man dementsprechend 79Br bzw. 81Br von 155 bzw. 157, so ergibt sich ein Bruchstück der Masse 76 entsprechend C6H4 (Tab. 28.17 a, Abb. 28.56). Das Fragment mit m / z = 155 : 157 = 1 : 1 gehört somit zu einem BromphenylRest. Benzoyl- und Bromphenyl-Rest geben zusammen ein Brombenzophenon. Zuordnung der Fragment-Ionen Das Massenspektrum und die auftretenden metastabilen Ionen lassen sich durch zwei cSpaltungen sowie die zugehörigen Folgefragmentierungen nach folgendem Schema erklären: +
C O
/ CO
* m/e = 105
/ C2H2
+
C6H 5
*
m/e = 77
+
C 4H3
m/e = 51
c
*
+
O C
/ Br
Br
*
+
C 13H9O
/ CHO
*
m/e = 181
m/e = 260 / 262
C12H 8
+
weniger bedeutende Fragmentierung
m/e = 152
c +
C O Br
m/e = 183 / 185
/ CO
*
+
BrC6H 4
m/e = 155 / 157
/ Br
*
C6H 4
+
m/e = 76
/ C2H2
*
C 4H2
+
m/e = 50
Folgefragmentierungen, die sich aus den metastabilen Ionen in Abb. 28.56 ergeben, sind durch einen Stern (*) gekennzeichnet.
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548
28
Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
Tab. 28.17 a. Auswahl häufig auftretender Fragment-Ionen in den Massenspektren organischer Moleküle: Schlüsselbruchstücke m/z
Fragment-Ion(en)
30 (44, 58 ...)
R CH NH2 , H2C NHR +
31 (45, 59 ...) 39
mögliche Verbindungsklasse (n) +
+
+
44
+
R CH OH , H2C OR
primäre Alkohole, Ether (R = H, CH 3, C2H5, ...)
C3H 3
Aromaten, Heteroaromaten, Diene
H2C CH OH +
45
Amine (R = H, CH3, C2H5, ...)
+
Aldehyde (McLAFFERTY-Produkt) Methylether
H2C OCH 3 +
45
H3C CH OH
47
H2C SH
Thiole, Thioether
CH 2Cl + C4H 2
Aromaten, Heteroaromaten
49 : 51 (3 : 1)
+
+
50 51
+
Chlormethyl-Verbindungen
C4H 3 OH
58
Alkohole ( H3C/CH(OH)/ )
+
Aromaten, Heteroaromaten Methylketone (McLAFFERTY-Produkt)
H2C C CH 3
59
+
OH 60
Carbonsäuremethylester
CO2CH 3 +
Carbonsäuren (McLAFFERTY-Produkt)
H2C C OH
61 63
+
65
+
73
+
73
+
OH H3C C + OH
Essigsäureester (außer Methylester)
C5H 3
benzoide Aromaten
C5H 5
benzoide Aromaten (Benzyl-Verbindungen)
CO2C2H 5
Carbonsäureethylester
OH 74
Trimethylsilyl-Verbindungen
Si(CH3)3 +
Carbonsäuremethylester (McLAFFERTY-Produkt)
H2C C OCH3
76 77
C6H 4 +
78 +
93 : 95 (1 : 1)
+
105
benzoide Aromaten
+
benzoide Aromaten
benzoide Aromaten
C6H 5 C6H 6
91
+
Benzyl-Verbindungen
C7H 7
Brommethyl-Verbindungen
CH 2Br +
C6H 5CO
Benzoyl-Verbindungen
Stellung von Substituenten Die Stellung des Broms kann aus dem Massenspektrum nicht hergeleitet werden. Jedoch erscheinen im IR-Spektrum u. a. die in Tab. 28.18 zugeordneten Absorptionsbanden. Banden bei 1655, 735 und 705 cm/1 bestätigen den bereits massenspektrometrisch nachgewiesenen Benzoyl-Rest.
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28.7
Massenspektrometrie
549
Tab. 28.17 b. Auswahl häufig auftretender Fragment-Ionen in den Massenspektren organischer Moleküle: Fragment-Ionen der Masse (M /"X), die durch Abspaltung stabiler Neutralteile der Masse X (Radikale und Moleküle) aus dem Molekül-Ion M- entstehen. M /"X - Ion
Neutralteilchen X
mögliche Verbindungsklasse (n)
M /"15
CH3
Verbindungen mit Alkyl-Gruppen
M / 29
C 2H5
M / 43
C 3H7
M / 57 usw.
C 4H9
M / 16
O
M / 17
OH
Carbonsäuren, seltener Alkohole
NH3
primäre Diamine, seltener primäre Monoamine
M / 18
H 2O
Alkohole, Phenole, Ketone, seltener Aldehyde
M / 19
HF
Fluoralkane
M / 26
C 2H2
kondensierte Aromaten
M / 27
HCN
Stickstoff-Heteroaromaten
M / 28
CO
Carbonyl-Verbindungen einschl. Chinone, Phenole
C 2H4
Verbindungen, die Mc-LAFFERTY-Umlagerungen und RetroDIELS-ALDER-Spaltungen eingehen können
CnH2n+2
Nitroaromaten, N-Oxide
M / 29
CHO
Phenole
M / 30
CH2O
Arylmethylether, cyclische Ether
NO
Nitroso- und Nitro-Verbindungen
M / 31
OCH 3
Methylester, Methylether
M / 32 M / 33
CH3OH SH
Methylester, Methylether Thiole, Thioether
CH3 + H2O
Alkohole (stufenweise Abspaltung von Methyl-Radikal und Wasser)
M / 34
H 2S
Thiole, Thioether
M / 35 , 37 (3 : 1)
Cl
Chloralkane
M / 36 , 38 (3 : 1)
HCl
Chloralkane
M / 42
CH2 C O
Phenol- und Enolacetate, N-Arylacetamide
M / 43
HN C O
M / 44
OC CH 3 CO2
Lactame, Ureide, Urethane (/CO/NH/) Acetyl-Verbindungen (einschließlich Methylketone)
M / 45
OC2H 5
Ethylester, Ethylether, Ethylacetale, Ethylketale
M / 46
NO2
aromatische Nitro-Verbindungen
M / 59
CO2CH3
Methylester
Carbonate, Anhydride, ungesättigte Carbonsäureester
Tab. 28.18. Einige IR-Absorptionsbanden des Brombenzophenons (KBr-Preßling) p~ [cm/1]
Schwingung
1655
p"C=O
Carbonyl-Gruppe
1590 1580 1485
p"C=C
Benzen-Ring
855
i CH
p-disubstituierter Benzen-Ring
735 705
i CH
monosubstituierter Benzen-Ring
zugehörige Teilstruktur
Ergänzend spricht die CH-Deformationsbande bei 855 cm/1 für einen zusätzlichen p-disubstituierten Benzen-Ring (Tab. 28.8). Somit ist die Verbindung als p-Brombenzophenon identifiziert.
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550
29 Photoreaktionen
29 Photoreaktionen 29.1 Grundbegriffe 29.1.1
Energiebedarf von Photoreaktionen
Unter Photoreaktionen versteht man chemische Umwandlungen, die durch UV-Licht ausgelöst werden. Nach der EINSTEIN-Beziehung FG""= hp""= hc / n"""""""""(29.1)" (Lichtgeschwindigkeit c = 3 x 108 m/s; Wirkungsquantum h = 6.625 x 10/34 Js)
ergibt sich z. B. für ultraviolette Strahlung der Wellenlänge n"= 286 nm eine Anregungsenergie von
FG""= 420 kJ / mol oder 100 kcal / mol. Dieser Energiebetrag liegt im Bereich der Bindungsenergien
von CH- und CC-Bindungen. Daraus folgt, daß die Elektronenanregung von Molekülen durch UV-Licht Bindungen spalten und als Folge Reaktionen, eben Photoreaktionen auslösen kann.
29.1.2
Verhalten angeregter Moleküle
Photoreaktionen beginnen also mit der Elektronenanregung von Molekülen. Wie ein / der Einfachheit halber / zweiatomiges Molekül (AB) mit Atomkern-Abstand rAB auf die Elektronenanregung reagiert, hängt davon ab, wie sich die Potentialverläufe (Energieprofile) im Grund- und angeregten Zustand unterscheiden, und von welchem Schwingungsniveau des Grundzustandes der Elektronenübergang ausgeht. Da die Bindung im angeregten Zustand AB* schwächer ist als im Grundzustand AB, liegt das Minimum der Potentialkurve im angeregten Molekül beim größeren Kernabstand rAB* > rAB (Abb. 29.1).
E A
R
+
B
Dissoziation
Q
A
B*
A
B
P hp
Abb. 29.1. Potentialkurven eines zweiatomigen Moleküls im Grund- und angeregten Zustand A /B und A/B*
rAB
rAB*
r
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29.1
Grundbegriffe
551
Photodissoziation Die A/B-Bindung bleibt bei der Elektronenanregung erhalten, wenn der Elektronenübergang einen Schwingungszustand innerhalb der Potentialmulde des angeregten Moleküls (AB*) erreicht. Ausgehend von dem energiereichen Schwingungszustand (P, Abb. 29.1) müßte sich dann der Kernabstand beim Elektronenübergang vergrößern (Übergang PQ in Abb. 29.1). Dem widerspricht jedoch das FRANCK-CONDON-Prinzip: Wegen der im Vergleich zu Atommassen sehr kleinen Elektronenmasse ändert sich die Anordnung der Atomkerne eines Moleküls bei der Elektronenanregung praktisch nicht. Vom Schwingungszustand P aus erfolgt der "senkrechte" Übergang PR, und dieser ist bereits eine Photodissoziation, weil der erreichte Energiezustand außerhalb der Potentialmulde des angeregten Moleküls AB* liegt (Abb. 29.1). Singulett- und Triplett-Zustände Abgesehen von freien Radikalen enthalten organische Moleküle eine gerade Anzahl von Elektronen, die im Grundzustand alle paarweise antiparallelen Spin besitzen. Molekülzustände, bei denen sämtliche Elektronen auf diese Weise gepaart sind, nennt man Singuletts (S), weil sie im Magnetfeld zu keinem resultierenden magnetischen Moment führen und daher die Energieniveaus nicht weiter aufspalten. In angeregten Molekülen können die Elektronen sowohl gepaart (Singulett-Zustände) als auch ungepaart vorliegen. Bei ungepaarter Anordnung zweier Elektronen auf demselben Orbital spaltet im Magnetfeld jedes Energieniveau dreifach auf; man vergleiche hierzu analoge TriplettAufspaltung des Protons A infolge Kopplung mit zwei Protonen X in Abb. 28.29. Die ungepaarte Anordnung wird daher als Triplett-Zustand (T) bezeichnet. Erlaubt sind nur Elektronenübergänge zwischen Zuständen gleicher Multiplizität, also S-S- oder T-T-Übergänge. Für Photoreaktionen bedeutend ist jedoch, daß bei vielen Molekülen im angeregten Zustand auch verbotene strahlungslose Singulett-Triplett-Übergänge auftreten, die als "Intersystem Crossing" (Multiplizitäts-Wechsel) bekannt sind. Die Energiezustände mehratomiger Moleküle müssen durch mehrdimensionale Energieflächen anstelle der Potentialkurven des AB-Moleküls in Abb. 29.1 beschrieben werden. Vereinfacht stellt man die Singulett- und Triplett-Zustände sowie die Elektronenübergänge mehratomiger Moleküle in JABLONSKI-Diagrammen dar (Abb. 29.2). Schwingungs-Relaxation und Innere Konversion Regt man ein Molekül durch UV-Licht an, so wird bei einer bestimmten Wellenlänge (n0) von einem Schwingungsniveau des Grundzustandes (S0) aus das Schwingungsniveau eines angeregten Singulettzustandes (S2) erreicht. Der Zeitbedarf für diesen erlaubten S0 ›"S2 -Elektronenübergang liegt bei 10/13 s. Unmittelbar nach dieser Anregung / innerhalb von 10/11 s / können in Lösung drei weitere Vorgänge ablaufen (Abb. 29.2): Das angeregte Molekül gibt vom S2-Zustand aus Schwingungsenergie durch Stoß an ein Nachbarmolekül ab (Schwingungs-Relaxation 1), geht anschließend in einen schwingungs-angeregten Singulettzustand S1 über (innere Konversion 2) und gibt schließlich weitere Schwingungsenergie an die Umgebung ab (3). Auf diese Weise erreicht es den energieärmsten angeregten Singulettzustand. Dessen Lebensdauer (etwa 10/8 s) wird durch zwei weitere Vorgänge begrenzt, Fluoreszenz und Intersystem crossing. Fluoreszenz Geht das Molekül vom energieärmsten angeregten Singulett-Zustand (S1) in den Grundzustand S0 über 4 , so setzt es den nach Schwingungs-Relaxation und innerer Konversion verbleibenden Rest
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552
29 Photoreaktionen
der Anregungsenergie in Form eines Lichtquants hpF < hp0 frei. Man beobachtet diesen S1 ›"S0Übergang als Fluoreszenz, eine Emission sichtbaren Lichtes, während die Lösung durch kürzerwelliges (unsichtbares) UV-Licht bestrahlt wird. Die Farbe des Leuchtens ist substanzspezifisch. E
1 S2 T2
2
3
5 6
S1
4
T1
7 8 Fluoreszenz
Phosphoreszenz
Anregung
S0
S0
Abb. 29.2. JABLONSKI-Diagramm eines mehratomigen Moleküls. Erläuterungen zu 1 bis 8 finden sich im Text
Intersystem Crossing und Phosphoreszenz Ist der Energieunterschied zwischen Singulett- und Triplett-Zustand klein, wie z. B. für Benzophenon (20 kJ / mol, Abb. 29.3), so erfolgt der spinverbotene S1 ›"T1 -Übergang 5 , das Intersystem Crossing. Der T1 ›"S0 -Übergang zum Grundzustand kann nach weiterer SchwingungsRelaxation 6 strahlungslos ablaufen 7 , wenn kein großer Energieunterschied mehr freizusetzen ist. Häufig erfolgt der T1 ›"S0 -Übergang jedoch unter Emission eines Lichtquants (hpP < hpF , 8 ). Diesen Vorgang beobachtet man als Phosphoreszenz, die zeitlich verzögerte Emission sichtbaren Lichts durch eine Lösung kurz nach Bestrahlung mit UV-Licht. O C
S1 220
S1 296
T1
460
20
T1 240
276
S0
S0 (a)
(b)
Abb. 29.3. Grund- und angeregte Zustände von Benzophenon ( a) und 1,3-Butadien ( b); relative Energieniveau-Unterschiede FE sind in kJ / mol angegeben
Aus dem relativ langsamen Abklingen der Phosphoreszenz ergibt sich eine große Lebensdauer der Triplett-Zustände T1 (bis zu einigen Sekunden), die man als Folge des Übergangsverbots (T1 ›"S0) auch verstehen kann. Wegen ihrer Langlebigkeit sind die Triplett-Zustände angeregter Moleküle oft Ausgangspunkt von Photoreaktionen.
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29.2
Photosensibilisierung
553
29.2 Photosensibilisierung Photoreaktionen gehen häufig von angeregten Triplett-Zuständen aus, da diese langlebig sind. Photoreaktiv werden somit Verbindungen sein, die stark zum Intersystem Crossing neigen. Die Voraussetzung für diesen zunächst verbotenen Übergang ist ein geringer Energieunterschied zwischen den tiefsten angeregten Singulett- und Triplett-Zuständen. Er beträgt z. B. für Benzophenon 20, für 1,3-Butadien dagegen 225 ± 30 kJ / mol (Abb. 29.3). Entsprechend zeigt Benzophenon 100, 1,3-Butadien 0 % Intersystem Crossing. Dazwischen liegen die Aromaten. Benzophenon ist somit leichter zu Photoreaktionen anregbar als Aromaten und 1,3-Diene. Die Energie des Triplett-Zustandes 3D eines leicht anregbaren "Donor"-Moleküls (D) kann jedoch auf ein schwieriger anregbares Akzeptor-Molekül (A) übertragen werden, wenn der TriplettZustand des Donors (D) mindestens 12 kJ / mol energiereicher ist als der des Akzeptors (A). Dann führt jeder Zusammenstoß zwischen 3D und A zur Energieübertragung nach folgendem Mechanismus: D
+
hp 1D
3D
+
A
Anregung Intersystem Crossing Sensiblisierung
3A
1D 3D
D
+
3A
Produkte
Man bezeichnet diese zur Reaktion führende diffusionskontrollierte Energieübertragung als Photosensibilisierung. Entstehen bei Bestrahlung des Donors (D) und Akzeptors (A) nur Reaktionsprodukte aus D, so spricht man dagegen von einer Lösch- oder Quench-Reaktion. Die präparative Bedeutung der Photosensibilisierung erkennt man an einem Beispiel. 1,3-Butadien reagiert aus dem Singulett-Zustand elektrocyclisch zu Cyclobuten (neben Bicyclo[1.1.0]butan): 1
rr*
+ Cyclobuten
Eine Dimerisierung zu cis- und trans-1,2-Divinylcyclobutan ([2+2]-Cycloaddition) oder zu 4Vinylcyclohexen ([4+2]-Cycloaddition) ist dagegen nur aus dem Triplett-Zustand möglich: 3
+ sowie
[ 2+2 ] transcis1,2-Divinylcyclobutan
3
+ [ 4+2 ] 4-Vinylcyclohexen
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554
29 Photoreaktionen
Die UV-Bestrahlung von 1,3-Butadien in Lösung ergibt neben Cyclobuten und Bicyclo[1.1.0]butan sehr wenig Dimere, da 1,3-Butadien wegen des zu großen Energieunterschieds zwischen S1und T1-Zustand nach Abb. 29.3 kein Intersystem Crossing eingeht und daher aus dem rr*angeregten Singulett-Zustand abreagiert. In Gegenwart von Benzophenon führt die UV-Bestrahlung jedoch zu einem Dimeren-Gemisch (trans- neben wenig cis-1,2-Divinylcyclobutan sowie 4-Vinylcyclohexen), weil Benzophenon die Dimerisierung photosensibilisiert: Das Keton geht zunächst durch nr*-Anregung in einem angeregten Singulett-Zustand über, der strahlungslos zum langlebigen Triplett desaktiviert. (C6H 5)2CO
366 nm , nr*
1 [(C
6H 5)2CO]
3 [(C
6H 5)2CO]
Intersystem Crossing 1 [(C
6H 5)2CO]
Da der Triplett-Zustand des Benzophenons um über 30 kJ / mol energiereicher ist als der des 1,3Butadiens (Abb. 29.3), findet eine diffusionskontrollierte Energieübertragung auf 1,3-Butadien statt: Sensibilisierung 3 [(C
6H 5)2CO]
(C6H 5)2CO +
+
3
Das so entstandene Triplett-Butadien cycloaddiert ausschließlich zu Dimeren.
29.3 Quantenausbeute Ein Maß für die Ergiebigkeit einer Photoreaktion ist die Quantenausbeute (H). Man kann sie auf den Umsatz an Ausgangsverbindung oder auf die Produktmenge beziehen und entsprechend definieren: HUmsatz =
Anzahl der umgesetzten Eduktmoleküle
HProdukt =
Anzahl der gebildeten Produktmoleküle
Anzahl der absorbierten Lichtquanten
(29.2) Anzahl der absorbierten Lichtquanten
HUmsatz und HProdukt sind identisch, wenn die Photoreaktion nur ein Produkt ergibt. Entstehen mehrere Produkte, so summieren sich alle Produktausbeuten zur Umsatzausbeute (UHProdukt = HUmsatz). Quantenausbeuten werden u. a. aus dem Einfluß einer Löschsubstanz (Quencher) auf die Geschwindigkeitskonstante der Photoreaktion bestimmt. Als (Triplett-) Löscher wirken dabei freie Radikale, z. B. Di-t-butylnitroxid: Di-t-butylnitroxid
(H3C)3C _ _ N O _ (H3C)3C
Photoreaktionen, die einen Kettenmechanismus auslösen, z. B. Photohalogenierungen von Alkanen (Abschn. 3), können mit Quantenausbeuten von einigen Tausend ablaufen. Bei allen anderen Photoreaktionen liegen die Quantenausbeuten dagegen zwischen 0 und 1.
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29.4
Blitzlicht-Photolyse
555
29.4 Blitzlicht-Photolyse Während präparative Photoreaktionen unter kontinuierlicher Bestrahlung ablaufen, wird bei der Blitzlicht-Photolyse nur sehr kurzzeitig durch einen Blitz der Dauer 10/4 bis 10/5 s angeregt, den man in einer Gasentladungsröhre erzeugt. In verschiedenen Zeitabständen nach dem Blitz werden die UV-Spektren der Photolyseprodukte (photographisch) registriert. Auf diese Weise gelingt es, UV-Spektren und Lebensdauer kurzlebiger Moleküle zu messen. Die Blitzlicht-Photolyse des Benzendiazonium-2-carboxylats und des 2-Iodphenylquecksilberiodids ergab für Dehydrobenzen das Absorptionsmaximum von nmax = 240 nm und eine Lebensdauer von 10/5 bis 10/4 s, innerhalb der es zu Biphenylen dimerisiert. HgI
hp - Blitz
2
/ 2 Hg I 2
I
N2
hp - Blitz
2
/ 2 CO2 , / 2 N2
2-Iodphenylquecksilberiodid
2 CO2 Benzendiazonium2-carboxylat
Biphenylen
29.5 Präparative Photochemie Photoreaktionen haben viele Synthesen bis in den technischen Bereich einfacher oder überhaupt erst durchführbar gemacht. Der folgende Abschnitt gibt eine Auswahl typischer Beispiele. Dabei werden mehr präparative Anwendungen als die teilweise noch ungeklärten Mechanismen betont.
29.5.1
Photoinduzierte Einführung funktioneller Gruppen
Photohalogenierung Die Photohalogenierung von Alkanen ist eine technisch anwendbare Methode zur Herstellung von Halogenalkanen (Abschn. 2.7.4; 13.3.1). Die Regioselektivität der Reaktion nimmt mit zunehmender Temperatur ab, ist jedoch bei genügend tiefen Temperaturen so groß, daß eine gezielte Herstellung bestimmter Halogenalkane über die stabilsten Radikale als reaktive Zwischenstufen möglich ist, z. B.: H3C CH2 CH 3
+
Cl2
hp (/60 °C)
73 %
H 3C CH CH 3
+
HCl
+
HBr
Cl 2-Chlorpropan
CH 3 H3C
CH C CH 3 CH3 CH 3
Br CH 3
hp (80 °C)
+
Br2
>90 %
H 3C
C C CH3
H 3C CH 3 2-Brom-2,3,3-trimethylbutan
Photobromierungen werden durch Sauerstoff und Peroxide beschleunigt, sie gelingen auch gut mit N-Bromsuccinimid. Gute Photochlorierungs-Reagenzien sind Sulfuryl-, Trichlormethansulfonylund Trifluormethansulfonylchlorid.
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556
29 Photoreaktionen
Photocyanierung Alkane und Ether werden mit Chlorcyan zu Nitrilen photocyaniert: +
Cl CN
hp
CN
+
HCl
Cyanocyclohexan
H3C CH2 O CH 2 CH 3
+
Cl CN
hp
H3C CH2 O CH CH 3
+
HCl
CN 2-Ethoxypropannitril
Photonitrosierung und Photooximierung Die Photoreaktion von Gemischen aus Stickoxid und Chlor mit Cycloalkanen ergibt je nach Zusammensetzung des Reaktionsgemisches 1-Chlor-1-nitrosocycloalkane oder Cycloalkanoxime: Cl + Cl2
+ NO
hp , / HCl
Cl + 1/2 O2 (HNO3)
NO 1-Chlor-1-nitrosocyclohexan
Cl2 : NO = 1 : 8
NO2 1-Chlor-1-nitrocyclohexan
hp
H
N
O
[H+]
OH
NO
BECKMANNUmlagerung
Cyclohexanonoxim
N H g-Caprolactam
Die Photooximierung des Cyclohexans ist von technischer Bedeutung, da Cyclohexanonoxim eine BECKMANN-Umlagerung (Abschn. 22.4.9) zu g-Caprolactam eingeht, welches Ausgangsprodukt zur Synthese der Polyamid-Faser "Perlon" ist. Eine weitere Methode zur photoinduzierten Einführung einer Nitroso-Gruppe am KohlenstoffAtom ist die BARTON-Reaktion der aus Distickstofftrioxid und Alkoholen gut zugänglichen Alkylnitrite. Die Photolyse der Alkyl/O/N-Bindung ergibt zunächst ein Alkoxy-Radikal und Stickoxid. Durch i-Wasserstoffübertragung lagert sich das Alkoxy-Radikal zum Alkyl-Radikal um, welches mit Stickoxid zum 4-Nitrosoalkanol kombiniert: N O
O hp
H
O
NO H
OH
i-H-Übertragung
NO
R
R
OH NO
R
Alkylnitrit
R 4-Nitrosoalkanol
Das Nitrosoalkanol liegt im Tautomeriegleichgewicht mit dem entsprechenden Oxim vor. Letzteres läßt sich zur Carbonyl-Verbindung hydrolysieren. Hierauf beruht die präparative Bedeutung der BARTON-Reaktion. N O
O hp
H R
Alkylnitrit
OH NO R
OH OH N R
+ H2O (H3O+) / NH2OH
OH O R i-HydroxycarbonylVerbindung
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29.5
Präparative Photochemie
557
Photosulfoxidation Neben der lichtinduzierten Sulfochlorierung (Abschn. 2.7.5) ist die Photosulfoxidation der Alkane und Cycloalkane eine brauchbare Methode zur Herstellung von Sulfonsäuren, z. B.: hp (15 - 25 °C)
+ SO2
+ 1/2 O2
SO3H
80 - 90 % Cyclohexansulfonsäure
29.5.2
Photofragmentierungen
Bei einer Photofragmentierung zerfällt eine Verbindung lichtinduziert in zwei oder mehr stabile Folgeprodukte. Aldehyde und Ketone neigen zu solchen Fragmentierungen, die als NORRISHReaktionen bekannt sind. NORRISH-Typ-I-Reaktionen sind c-Spaltungen; sie brechen die Bindung zwischen CarbonylGruppe und c-C-Atom. Nach der Absorption des Photons kann die Spaltung von Singulett- und Triplett-Zuständen ausgehen; Arylketone spalten wegen des schnellen Intersystem-crossings meist aus dem Triplett-Zustand. Folgereaktionen der NORRISH-Typ-I-Reaktion sind neben der Rekombination der Radikale die Decarbonylierung zu einem Alkan und eine Wasserstoff-Verschiebung zwischen den Radikalen unter Bildung eines Ketens. NORRISH-Typ- II
NORRISH-Typ- I O H
C
O
hp
H
C
C
.
C
+
.C
O
H
hp
O
.
R
H
.
R
/""CO
OH C
C
O
+ H C
H
C
O
R
C
H +
R
Ketone mit i-ständigem H-Atom neigen zu den NORRISH-Typ-II-Reaktionen über einen sechsgliedrigen Übergangszustand. Dabei entsteht ein 1,4-Biradikal. Folgereaktionen sind die Kombination zum Cyclobutanol oder, wie bei der MCLAFFERTY-Umlagerung (Abschn. 28.7.5), die dSpaltung in ein Alken und ein zum Keton tautomerisierendes Enol. Cycloalkanone decarbonylieren nach der NORRISH-Typ-I-Spaltung unter Ringverengung um ein CAtom. 3,5-Cycloheptadienon öffnet sich dagegen über ein Bis-Allyl-Radikal zum 1,3,5-Hexatrien: hp , nr*
/ CO
O
O
In 1,3-Diphenyl-2-indanonen erschwert die benzoide Mesomeriestabilisierung eine 1,3-DienBildung; daher führt die Photodecarbonylierung quantitativ zu Benzocyclobuten-Derivaten: H hp , / CO
1,2-Diphenylbenzocyclobuten
sowie
O
1,3-Diphenyl-2-indanon
H cis-
trans-
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558
29 Photoreaktionen
29.5.3
Photoisomerisierungen
Di- -Methan-Umlagerung Die Photoisomerisierung von 3,3-Dialkyl-1,4-dienen zu Vinylcyclopropanen ist als Di-r-MethanUmlagerung bekannt. Reaktive Zwischenstufen sind Diradikale, welche durch die Substituenten in 3-Stellung stabilisiert werden. hp 3,3-Dialkyl-1,4-dien
2,2-Dialkyl-1-vinylcyclopropan
Bei der Di-r-Methan-Umlagerung der Allybenzene erübrigen sich die Alkyl-Gruppen, da die Intermediate mesomeriestabilisierte Allyl-Radikale sind: hp
Allylbenzen
Cyclopropylbenzen
trans-cis-Isomerisierungen Sperrig substituierte Alkene sind präparativ bevorzugt als (E)- oder trans-Isomere zugänglich. Durch Bestrahlung mit UV-Licht in Gegenwart eines Photosensibilisators (Benzophenon, Benzil) ist häufig eine trans-cis-Isomerisierung aus dem langlebigen angeregten Triplett-Zustand des Alkens möglich. Dieser reaktive Zustand wird durch Energieübertragung entsprechend dem bereits skizzierten Sensibilisierungsmechanismus (Abschn. 29.2) erreicht: H Intersystem Crossing
hp , n r* 1 [(C
(C 6H 5)2CO
R
+ C C 3 [(C
6H 5)2CO]
6H 5)2CO]
R
3
H
H
R C
/ (C6 H5) 2 CO
R
Isomerisierung
R
R C
C
H
H
C
H
Phenyl-Reste (R), Carbonyl-Gruppen sowie deren Heteroanaloga verlängern die Lebensdauer des Triplett-Zustands infolge Mesomeriestabilisierung, was die Ausbeuten der Isomerisierung steigert. N H
hp , ( Benzophenon)
H
N H
H
hp , ( Benzil) 80 %
H
H
N
cis-Stilben
N H
H
cis-2,2'-Diazastilben
Ist die Carbonyl-Gruppe ein Rest R, so gelingt die Photoisomerisierung ohne Photosensibilisator: H 3CO
H 3CO H H
CO2H
hp
74 %
CO2H H
H
cis-4-Methoxyzimtsäure
Analog photoisomerisieren Azobenzen-Derivate (Abschn. 23.8.1) und Oxime.
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29.5
Präparative Photochemie
559
Valenztautomerisierung cyclischer 1,3-Diene Die photoinduzierte Valenztautomerisierung cyclischer 1,3-Diene ist ein allgemeines Prinzip zur Darstellung bicyclischer Cyclobuten-Derivate:
7
O
O
1
hp , ( Ether)
hp , ( Ether)
4
6
6
1
Bicyclo[4.2.0]oct-7-en
2
OCH3 1-Methoxybicyclo[3.2.0]hepta-2,6-dien-4-on
H 3CO
Bicyclisierung höhergliedriger Cycloalkanone Bei Bestrahlung höhergliedriger Cycloalkanone entstehen in präparativ brauchbaren Ausbeuten am Brückenkopf hydroxylierte Bicyclen unter trans-annularer Wasserstoff-Verschiebung: O
OH hp
OH sowie
H
H
64 % cis11 % transBicyclo[8.2.0]dodecan-1-ol
Cyclododecanon
Cyclodecanon bicyclisiert auf diese Weise zum cis-Decahydro-4a-naphthol, während die analoge Reaktion des 1,2-Cyclodecandions das bicyclische Acyloin 1-Hydroxybicylo[6.2.0]decan-10-on ergibt: O 4
hp
O
HO
4a 5
6
3
2
O
8a 1 8
OH hp
7
cis-Decahydro-4a-naphthol
29.5.4
O
1-Hydroxybicyclo[6.2.0]decan-10-on
Photodehydrocyclisierungen
In Gegenwart von Oxidationsmitteln [Eisen(III)-chlorid, Iod, Luft-Sauerstoff] dehydrocyclisieren trans-Stilbene über die cis-Isomeren zu Phenanthren-Derivaten: hp
R
R
R
subst. trans-Stilben
hp
(I2 oder FeCl3)
R
/ 2 [H+] , / 2 e0
/
H
R
H
H
R
H
subst. Phenanthren
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560
29 Photoreaktionen
Das Ringschlußprinzip ist auf Heteroanaloge des Stilbens übertragbar. Aus Benzalanilinen entstehen z. B. Phenanthridine, aus Azobenzenen entsprechend Benzo[c]cinnoline: R R
hp
N
R N
/ 2 [H +] , / 2 e0
N
/
Phenanthridin
R = H , C 6H5
N
hp
N
/ 2 [H +] , / 2 e0
N
/
R
Benzo[c]cinnolin
R = H , CO2CH 3
Auch N-Alkyl- oder N-Arylcarbazole sind durch Photodehydrocyclisierung von Diphenylalkyloder Triphenylaminen zugänglich, z. B.: CH 3
CH3
N
N
hp
N
(Luft-O2)
I
/ 2 [H+] , / 2 e0
H H
Methyldiphenylamin
29.5.5
CH3
/
N-Methylcarbazol
Photoadditionen
Addition an CC-Mehrfachbindungen Eine präparative Methode zur Einführung von Trichlor- und Trifluormethyl-Gruppen ist die Photoaddition von Tetrahalogenmethanen (BrCCl3; ICF3). Die Addition folgt einem Radikal-Kettenmechanismus, wobei primär Trihalogenmethyl-Radikale an die Mehrfachbindung addieren: hp
Z
Z CX3 +
R CH CH2 R CH CH2 CX3
+
+
CX3
CX3
R CH CH 2 CX3
Z CX3
R CH CH 2 CX3 Z
X = Br, Cl, F ; Z = Br, I
+
CX3
Anwendungen dieser Photoaddition sind die Herstellung des 1,1,1,3-Tetrabromnonans aus 1Octen und Tetrabrommethan, C6H 13
CH CH 2
+
CBr4
hp
88 %
C6H 13
CH CH 2 CBr3 Br
1,1,1,3-Tetrabromnonan
und der 4,4,4-Trifluor-2-butensäure (E und Z) aus Acrylnitril über 2-Iod-4,4,4-trifluorbutyronitril: H2C CH CN
+
F 3C I
hp
+ KOH
F 3C CH2 CH CN I
F 3C CH CH CN
/ K K ", / H2O
+ H2O , + H3O+
/ NH4+
F 3C CH CH CO2H
Die Photoaddition von Perhalogenalkanen an Alkine ist ebenfalls möglich.
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29.5
Präparative Photochemie
561
Eine milde Methode zur Einführung der Carboxamid-Funktion ist die Photoaddition von Formamiden an Vinyl-Verbindungen, z. B.: O C5H 11
+
CH CH 2
hp
H C
60 %
NH 2
1-Hepten
C 5H11
O CH2 CH2 C NH 2
Octansäureamid
Addition von Aldehyden an Chinone Während die Photoaddition von Aldehyden an o-Chinone O-Acylbrenzcatechine ergibt, O + O
O H C R
O
hp
C
R
OHO O-Acylbrenzcatechin (2-Acyloxyphenol)
führt die entsprechende Reaktion der p-Chinone zu einem C-acylierten Hydrochinon, z. B.: OH O C
O +
O H C CH3
hp
O
CH3
OH 2,5-Dihydroxyacetophenon
29.5.6
Photocycloadditionen
[2+2]-Cycloadditionen zu Cyclobutan-Derivaten Die [2+2]-Cycloaddition substituierter Ethene ist eine bekannte und vielseitige CyclobutanSynthese, welche sowohl thermisch als auch photochemisch möglich und Orbitalsymmetrieerlaubt ist (Abschn. 27.3.2). Sie führt zu cis-trans-Isomerengemischen. H5C 6 H5C 6
H 5C6 H5C 6
hp
C 6H5 C 6H5
H5C 6
C6H 5
sowie
C 6H5 C6H 5 cis-trans-cis(Hauptprodukt)
H5C 6
C6H 5
trans-trans-trans(Nebenprodukt)
1,2,3,4-Tetraphenylcyclobutan
und ist auf Cycloalkene übertragbar, wobei tricyclische Cyclobutan-Derivate entstehen, z. B.: 2
hp Sensibilisator 55 %
trans-Tricyclo[5.3.0.0 2,6 ]decan
Bei s-cis-1,3-Dienen konkurriert die [4+2]-Cycloaddition (DIELS-ALDER-Reaktion).
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562
29 Photoreaktionen
[2+2]-Cycloadditionen zu Oxetan-Derivaten (PATERNO-BÜCHI-Reaktion) Die mit vergleichsweise wenig Energie nr*-anregbaren Ketone und Aldehyde (Benzophenone, Acetophenone, Benzaldehyde) cycloaddieren an Alkene unter Bildung von Oxetanen (PATERNOBÜCHI-Reaktion). Besonders gute Ausbeuten erhält man aus Benzophenonen und mehrfach verzweigten oder cyclischen sowie heterocyclischen Ethen-Derivaten: O H 5C 6
H3C
C
C6H 5
+ H3C
C C
CH3
CH3
hp
O
CH3
O C
C6H 5
C6H6 , hp
+
O
H 5C6 4,4-Diphenyl-3-oxatricyclo[4.2.1.0 2,5]nonan C 6H 5
H 5C6
O
C6H 5
C
H 5C6
80 % Bicyclo[2.2.1]hept-2-en
H 5C 6
CH 3
H5C 6 CH3 4,4-Diphenyl-2,2,3,3-tetramethyloxetan
2,3-Dimethylbuten
H 5C 6
CH 3
H 5C 6
70 %
hp
+
O
O
94 %
O
Furan
6,6,Diphenyl-4,7-dioxabicyclo[3.2.0]hept-2-en
Die Orientierung der Cycloaddition läßt sich oft durch Stabilitätsbetrachtungen des als Zwischenstufe zu erwartenden Biradikals vorhersagen (Abb. 29.3). Das Biradikal entsteht wahrscheinlich durch Zerfall eines als "Exciplex" bezeichneten, sehr schnell entstehenden Komplexes aus Alken und Triplett-Zustand des angeregten Ketons (Abb. 29.4). Einen Hinweis darauf liefern die im Vergleich zu anderen Photoadditionen meist erheblich höheren Geschwindigkeitskonstanten der PATERNO-BÜCHI-Reaktion. Ar Ar
weniger stabil
C H Ar
O
CR 2
C
H
Ar C O Ar
hp
Ar
Intersystem
C O Ar
Crossing
3
H
R
+ C C
Ar C O
R
R
Nebenprodukt
R C
C
C
O
R Ar
R
Ar
O
H R R
R
1
Ar
R
Exciplex
Ar
Ar stabiler (höher alkyliertes Biradikal)
Ar C R Ar
O
CHR
C R
Ar
O R
R R H
Hauptprodukt
Abb. 29.4. Zum Mechanismus der PATERNO-BÜCHI-Reaktion
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29.5
Präparative Photochemie
563
Die PATERNO-BÜCHI-Reaktion von Alkinen mit Diarylketonen führt / wahrscheinlich über Oxetene / zu c.d-ungesättigten Ketonen, z. B.:
(C 6H5)2CO
+
C 4H9
hp
C 4H9 C C C4H 9
O
O H5C 6
C4H 9
H 5C6
C 6H5 C 4H9
C4H 9 C6H 5
2-Butyl-1,1-diphenyl-1-hepten-3-on
Die [2+2]-Cycloaddition elektronegativ substituierter Alkene mit Ketonen folgt nicht dem in Abb. 29.4 skizzierten Biradikal-Mechanismus. Zwischenstufe ist vielmehr ein nucleophiler nr*-angeregter Singulett-Zustand. Zwar sind die Ausbeuten weniger gut, jedoch ermöglichen solche Cycloadditionen die Einführung funktioneller Gruppen in das Oxetan-System: H3C
H3C
+ O
CN
H 3C
C
O , hp
CN
CN
CN
H3C
NC
H3C
+
C
O , hp
O
H3C
CN
H3C
CN
CN
H 3C cis-2,3-Dicyano-4,4-dimethyloxetan
trans-2,3-Dicyano-3,3-dimethyloxetan
[4+2]- und andere Cycloadditionen von Dien-Systemen Die Photodimerisierung cisoider 1,3-Dien-Systeme verläuft unter Konkurrenz von [2+2]- und [4+2]-Cycloadditionen, wie bereits das Beispiel des 1,3-Butadiens zeigt. Bei Bestrahlung von Benzen mit Maleinsäureanhydrid entsteht zunächst ein Bicyclus durch [2+2]-Cycloaddition, der mit weiterem Dienophil durch [4+2]-Cycloaddition zum tricyclischen Dianhydrid abreagiert: O O +
2
O
O O
[2+2]
O
O
O +
O
7 6
hp
O
8
O
1 5
10
[4+2]
9
O
4
O
2 3
O O Tricyclo[4.2.2.01,6 ]dec-9-en-exo,endo3,4:7,8-tetracarbonsäuredianhydrid
Die Photodimerisierung kondensierter Aromaten und Heteroaromaten erfolgt oft als [4+4]-Cycloaddition und führt dann zu Achtringen, wie die Beispiele illustrieren: R 2
R
R R
hp
2
[4+4]
R 9,10,11,16-Tetrahydro-9,10[9',10']anthracenoanthracen-Derivate
N
N
hp
N
[4+4]
R 2,6-Diazatricyclo[4.2.2 1,4.2 5,8 ]dodeca-2,6,9,11-tetraen-Derivate
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564
29 Photoreaktionen
[4+2]-Cycloadditionen von 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen Ungesättigte 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen photocycloaddieren an Alkene (Stilbene, Styrene). Die Reaktion ist eine heteroanaloge [4+2]-Cycloaddition und eröffnet einen Zugang zu zahlreichen Derivaten des 1,4-Dioxins, z. B.:
+
62 %
O 9,10-Phenanthrenchinon
O
hp
O
O
O
O
Ethylvinylether
2-Ethoxy-2,3-dihydrophenanthro[9,10-b]1,4-dioxin
Cycloreversionen Eine Umkehrung der [2+2]-Cycloaddition (Retro-Cycloaddition, Cycloreversion) kann interessante Ringsysteme zugänglich machen, wenn die Reaktion energetisch von der Bildung eines besonders stabilen Nebenproduktes profitiert. Ein bekanntes Beispiel ist die ergiebige Synthese von Bullvalen durch Photolyse des Cyclooctatetraen-Dimeren unter Benzen-Abspaltung: hp", 24 h
+
80 % Bullvalen Cyclooctatetraen-Dimer
29.5.7
Photooxidation mit und Photoaddition von Sauerstoff
Dehydrierungen Durch Photodehydrierung von Alkenen mit Chinonen (9,10-Phenanthrenchinon, Tetrachlor-pbenzochinon) ist die Einführung einer CC-Doppelbindung möglich. Die Dehydrierung gelingt gut, wenn bestehende r-Systeme um eine zusätzliche konjugierte r-Bindung erweitert oder aromatisiert werden, z. B.: O
OH
hp
+
+ OH
O Tetrahydronaphthalen (Tetralin)
Dihydronaphthalen
C6H 5
Cl
+ H5C 6
C6H 5 C6H 5
1,2,3,4,5-Pentaphenyl-1,3-cyclohexadien
Cl
Cl O
OH
C6H 5
O Cl
H5C 6
hp
Cl
H5C 6
Cl
+ H5C 6
C6H 5 C6H 5
Cl
Cl OH
Pentaphenylbenzen
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29.5
Präparative Photochemie
565
Hydroperoxidation Vor allem sekundäre Alkohole und offenkettige sowie cyclische Ether neigen zur Photohydroperoxidation in c-Stellung zum Sauerstoff: CH3 HO C H
CH3
hp", Benzophenon
+
O2
25 %
R
O +
HO C OOH
O2
O
hp", Benzophenon
OOH
46 %
R
2-Hydroperoxytetrahydrofuran
R = CH3 : 2-Hydroperoxy-2-propanol
Die entstandenen Hydroperoxide sind meist explosiv. Hydroperoxide des Typs R2CH/OOH reagieren mit Wasser zu den entsprechenden Carbonyl-Verbindungen R2CO und Wasserstoffperoxid.
Transannular-Peroxidation Transannulare Peroxide (Dihydro-1,2-dioxine) entstehen durch sensibilisierte Photocycloaddition von Sauerstoff an substituierte und kondensierte 1,3-Dien-Systeme. Ein bis zur technischen Reife entwickeltes Beispiel ist die Synthese des Wurmmittels Ascaridol aus c-Terpinen. Gut gelingt die Transannular-Peroxidation auch bei 9,10-disubstituierten Anthracenen. Die gebildeten Epidioxide zerfallen beim Erhitzen oft in die Edukte.
+
O2
hp", Chlorophyll
O
c-Terpinen
hp", CS2
O
+
O2
O
> 200 °C
O
Ascaridol 9,10-Diphenylanthracen
9,10-Epidioxy-9,10-diphenylanthracen
Photooxidation von Schwefel-Verbindungen Sauerstoff oxidiert Sulfoxide in Gegenwart eines Sensibilisators zu Sulfonen: 2 R1
SO R2
+
O2
Dialkylsulfoxid
hp", Sensibilisator > 90 %
2 R1
SO2 R 2 Dialkylsulfon
Die Photoaddition von Sauerstoff an Thioharnstoff führt zur entsprechenden Sulfinsäure: HN
H 2N
C SH
C S H 2N
H 2N Thioharnstoff-Tautomere
+ O2 / hp", Sensibilisator 60 %
HN
O C S
OH H2N Aminoiminomethansulfinsäure
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566
29 Photoreaktionen
29.5.8
Photoreduktionen
Reduktion von Phenonen Benzophenone werden in 2-Propanol bei Gegenwart von etwas Natrium-i-propanolat photochemisch zu Benzhydrolen reduziert: H OH
O C +
C
hp" / Alkoholat
(H3C)2CHOH
+
90 %
H3CO
(H 3C)2CO
H3CO
4-Methoxybenzophenon
4-Methoxybenzhydrol
Die Photoreduktion von Benzophenonen mit Benzhydrolen in Benzen als Lösemittel ist eine lange bekannte Methode zur Herstellung von Tetraaryl-1,2-ethandiole: Ar
H C O
+
Ar C
HO
Ar
HO OH
hp" (C6H6)
Ar C C Ar
Ar
Ar Ar
Der Mechanismus dieser Photoreduktion ist gut untersucht. Nach nr*-Anregung des Benzophenons und Intersystem Crossing wird Wasserstoff vom Benzhydrol auf den angeregten TriplettZustand des Benzophenons übertragen. Dabei entstehen zwei Diphenylhydroxymethyl-Radikale, die zum Tetraaryl-1,2-ethandiol kombinieren: H
+ Ar C O
hp
1
Ar
Intersystem
C O
Ar
3
Crossing
Ar
Ar
Ar C
HO
Ar
C O
HO OH
Ar 2
Ar
C OH
Ar
Ar
C C Ar Ar Ar
Reduktion von Iminen Auch Imine können photochemisch durch sekundäre Alkohole als Wasserstoff-Donatoren zu Aminen reduziert werden. Diese Photoreduktion bewährt sich bei der Synthese mancher hydrierter Heterocyclen, z. B. zur Herstellung des Hexahydrocarbazols aus dem Tetrahydro-Derivat: N +
(H3C)2CHOH
H N
hp
+
CH 3
(H 3C)2CO
CH 3 4a-Methyl-1,2,3,4,4a,9a-hexahydrocarbazol
Hydrierung von CC-Doppelbindungen Die Photohydrierung von CC-Doppelbindungen in Gegenwart von Wasserstoff-Donatoren wie 2Propanol oder Diphenylmethan ist im wesentlichen auf c.d-ungesättigte Carbonyl-Verbindungen beschränkt. 1-Phenalenon wird z. B. durch 2-Propanol zu 2,3-Dihydro-1-phenalenon reduziert: O
O +
(H3C)2CHOH
hp
+
(H3C)2CO
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29.6
Biologische Photoreaktionen
567
29.6 Biologische Photoreaktionen 29.6.1
Sehvorgang
Der lichtempfindliche Farbstoff der Sehzellen des Auges ist der Sehpurpur Rhodopsin. Rhodopsin ist die SCHIFFsche Base aus einem Lysin-Rest des Proteins Opsin und 11-cis-Retinal. Schlüsselreaktion des Sehvorganges ist die Isomerisierung des labilen 11-cis-Retinal-Opsins zum stabilen trans-Retinal-Opsin, sobald die Sehzellen von einem Lichtquant getroffen werden. Diese cistrans-Isomerisierung hat Konformationsänderungen des Opsins zur Folge, welche in der Sehzelle über eine Enzymkette einen Nervenimpuls auslösen. Das all-trans-Retinal (Abschn. 42.2.3) wird innerhalb des Proteins enzymatisch zu 11-cis-Retinal regeneriert. hp
N (CH2)4
Rhodopsin (SCHIFFsche Base aus Opsin und 11- cis-Retinal)
29.6.2
Opsin
Nervenimpuls
N (CH 2)4 Opsin
Photosynthese
In den Chloroplasten der Pflanzen liegt Chlorophyll (Abschn. 34.7.6) an ein Protein gebunden als Chloroplastin vor. Bei der Photosynthese von Kohlenhydraten in Pflanzenzellen wirkt das grüne Chloroplastin als Photosensibilisator, welcher die photolytische Spaltung des Wassers energetisch möglich macht. Dabei wird Sauerstoff freigesetzt; ein Wasserstoff-Atom wird an das Coenzym Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid (NAD) gebunden, das andere als Proton abgespalten: H
O C
H2O +
H H NH2
O C
hp""(Chloroplasten)
N
N
R NAD
R NADH
NH2
NH2
N + [H ]
Adenin
+ 1/2 O2 O
R=
O
N
O P O P O HO
O
OH OH OH Diphosphorsäure
D-Ribose
N
N O
O HO
O P OH
D-Ribose
OH
Das Coenzym im reduzierten Zustand NADH ist dann das eigentliche Reduktionsmittel des Kohlendioxids. Dieses carboxyliert zunächst eine Ketose zur 3-Phosphoglycerinsäure, welche durch das (NADH + H+)-System zum 3-Phosphoglycerinaldehyd reduziert wird (Dunkelreaktion): CH 2 O P C O H C OH
+ CO2 , + H2O
CH 2 O P
NAD+
CH 2 O P
H C OH CO2H
R Ketosephosphat
NADH + [H+]
3-Phosphoglycerinsäure
H C OH H2O
CHO
O P =O P OH
OH
3-Phosphoglycerinaldehyd
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568
29 Photoreaktionen
29.7 Chemilumineszenz Licht kann einerseits durch Elektronenanregung Photoreaktionen entfachen. Andererseits gibt es Reaktionen, die ohne äußere Energiezufuhr sichtbares Licht (n"= 770 - 380 nm) erzeugen. Bei diesem als Chemilumineszenz bezeichneten Vorgang setzt die chemilumineszente Reaktion Energiebeträge frei, die zur Elektronenanregung ausreichen (154 - 315 kJ/mol). Während sie in den Grundzustand übergehen, emittieren die angeregten Moleküle sichtbares Licht wie bei der Fluoreszenz (Abschn. 29.1.2). Chemilumineszenz ist somit chemisch angeregte Fluoreszenz und kann auftreten, wenn bei einer Reaktion fluoreszierende Verbindungen zugegen sind oder entstehen. Chemilumineszenz wird beim Zerfall einiger organischer Peroxide beobachtet. Ein Beispiel ist die durch Eisen(III)-Komplexe katalysierte Oxidation des aus 3-Nitrophthalsäureanhydrid zugänglichen 3-Aminophthalsäurehydrazids (Luminol) mit Wasserstoffperoxid in alkalischer Lösung. Über intermediäre Peroxide entsteht am Ende das (fluoreszierende) 3-Aminophthalat im angeregten Zustand, der unter Emission blauen Lichts (n = 425 nm) in den Grundzustand übergeht. H2N
O
H2N
O NH NH
+ 4 OH
, + H2O2 (Fe3
)
O
/ 4 H2O , /"N2 ,"/ 2 e0
O
O
*
O 3-Aminophthalat im angeregten Zustand
3-Aminophthalsäurehydrazid (Luminol)
3-Aminophthalsäurehydrazid ist als Bislactam eine zweibasige NH-Säure. Ihre Neutralisation mit Natronlauge führt zum Dianion, das katalytisch durch Wasserstoffperoxid zum Phthalazin-1,4dion oxidiert wird. Die nucleophile Addition von Wasserstoffperoxid an eine der CarbonylFunktionen ergibt ein Peroxyhydrat, welches sich nach Deprotonierung zum Dianion der Acyldiazenperoxycarbonsäure öffnet. Das durch intramolekulare nucleophile Addition des Peroxycarboxylats an die andere Carbonyl-Funktion entstehende Intermediat entaromatisiert unter Abspaltung von Stickstoff zum Endoperoxid. Dessen elektrocyclische Rearomatisierung unter simultaner Bildung zweier Carbonyl-Gruppen liefert die Energie zur Anregung des 3-Aminophthalats. H2N
Deprotonierung
O
H2N
NH
Oxidation
O
+ 2 OH
NH
/ 2 H 2O
O 3-Aminophthalsäurehydrazid
N
H 2O2 (Fe 3
N
/ 2 e0
H2N
O
)
N N
O
O Phthalazin-1,4-dion
nucleophile Addition
O
H2N
O
O
O O
N
H2N
N
N
N O Acyldiazenperoxycarbonsäure (Dianion)
O
O
O O
H2N
O O
N N
/ N2
HO
Deprotonierung
O
+ 2 OH
H
N
H2N
/ 2 H2O
O
N
O Phthalazin-1,4-dion-peroxyhydrat
O
H2N
O
+ H2O2
elektrocyclische Rearomatisierung
H2N
O O O
O O Endoperoxid
*
O 3-Aminophthalsäure-Dianion (angeregt)
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29.7
Chemilumineszenz
569
Eisen(III)-Komplexe wie Hämin (aus Blut, Abschn. 34.7.6) oder Kaliumhexacyanoferrat(III) sind die Katalysatoren dieser chemilumineszenten Oxidation (Umschlagfoto). Die Reaktion findet zum Nachweis verborgener Blutspuren bei der Verbrechensaufklärung Anwendung. Die Perhydrolyse von Oxalsäurediarylestern mit Aryl-Resten, welche durch elektronenziehende Gruppen substituiert sind, entfacht in Gegenwart fluoreszierender Arene eine sensibilisierte Chemilumineszenz, welche in Form chemischer Leuchtröhren ("light sticks") zu Beleuchtungszwecken angewendet wird. Das "kalte Licht" entsteht nach RAUHUT wahrscheinlich durch Perhydrolyse des Diesters über 1,2-Dioxetandion; dessen Cycloreversion zu Kohlendioxid liefert die durch gleichzeitige Genese zweier Carbonyl-Gruppen erzeugte Energie zur Anregung eines fluoreszierenden Aromaten Arf wie 5,6,11,12-Tetraphenylnaphthacen (Rubren). Beim Übergang in seinen Grundzustand emittiert der angeregte Aromat Arf* intensiv gelbes Licht. Andere Sensibilisatoren Arf ändern die Farbe des emittierten Lichts (9,10-Diphenylanthracen: blau). O
O
O C C Ar
O
+
O C
H 2O2
O Ar
C
O
+
OC5 H11
2 Ar OH
O
Cl
O
1,2-Dioxetandion
Ar =
+ Ar f 2 CO2
C
+
Ar f
Cl ; Ar f = Cl
*
Biolumineszenz ist eine enzymatische Chemilumineszenz in vivo, die Bakterien, Insekten, Pilze und Meerestiere (Fische, Krebse, Quallen, Schwämme, Würmer) zum Leuchten bringt, um Artgenossen zu erkennen, zur Paarung anzulocken oder Fraßfeinde abzuschrecken. Dabei werden die meist heterocyclischen Luciferine in Gegenwart der als Luciferasen bezeichneten Enzyme mit Sauerstoff zu Primärprodukten im angeregten Zustand oxidiert. Das Licht, mit dem die Weibchen der Leuchtkäfer Photinus pyralis ("firefly" in Amerika) und Lampyris noctiluca ("Glühwürmchen" in Europa) die Männchen zur Paarung anlocken, entstammt z. B. der Oxidation des Photinus-Luciferins, (R)-4,5-Dihydro-2-(6-hydroxy-2-benzothiazolyl)-4thiazolcarbonsäure, mit dem Sauerstoff der Luft zu einem instabilen c-Peroxylacton (1,2-Dioxetan-3-on) durch die Photinus-Luciferase in Gegenwart von Magnesium-Ionen. Als Energielieferant wirkt Adenosintriphosphat (ATP, Abschn. 40.3.1), das zu Adenosinmonophosphat (AMP) und Diphosphorsäure abreagiert. Das Endprodukt, 4,5-Dihydro-2-(6-hydroxy-2-benzothiazolyl)thiazol-4-on, bildet sich durch Cycloreversion des c-Peroxylactons im angeregten Zustand und emittiert gelbgrünes Licht (n = 562 nm).
HO
N
N
S
S
CO2H
O
+ O2 + ATP
Luciferase , Mg2+
N
N
/ AMP , / H4P2O7
S
S
HO
C
O
OH OH O
C O / H2O
HO
N
N
S
S
Photinus-Luciferin
O
/ CO2
HO
N
N
S
S
*
O
4,5-Dihydro-2-(6-hydroxy-2-benzothiazolyl)thiazol-4-on
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570
30 Nichtbenzoide Aromaten
30 Nichtbenzoide Aromaten 30.1 Übersicht Unter nichtbenzoiden Aromaten versteht man ionische oder neutrale Cyclopolyene, die benzenähnliche physikalische Eigenschaften und Reaktivitäten aufweisen. Die Anzahl ihrer r-Elektronen folgt der (4n+2)-Regel nach HÜCKEL (Abschn. 9.6). Ihre r-Bindungen sind bei koplanarer Anordnung aller Ring-C-Atome cyclisch durchkonjugiert. Die Verschiebungen ihrer Protonen in den 1HNMR-Spektren lassen sich durch den als experimentelles Aromatizitätskriterium bekannten Ringstrom-Effekt (Abb. 28.23) erklären. Tab. 30.1 vermittelt eine Übersicht nichtbenzoider Aromaten. Die folgenden Abschnitte behandeln Herstellung, Bindungsverhältnisse und ggf. typische Reaktionen der monocyclischen aromatischen Ionen und Annulene. Zusammenfassend werden für jede der beiden Stoffklassen NMR-spektroskopische Eigenschaften skizziert, welche die Verbindungen als Aromaten kennzeichnen.
30.2 Cyclopropenium-Kationen 30.2.1
Synthese
Das Cyclopropenium-Ion entsteht in Form des stabilen Hexachlorantimonats bei der Reaktion von 3-Chlorcyclopropen mit Antimonpentachlorid. 3-Chlorcyclopropen erhält man neben weiteren Mono- und Dichlorcyclopropenen durch Reduktion von Tetrachlorcyclopropen mit Tributylzinnhydrid. Cl
Cl 3H
/ 3 Cl
Cl
+ SbCl5
(C4H9) 3SnH
+
[ SbCl6 ]
/
Cl
Cl
H
Cyclopropeniumhexachlorantimonat
Das Triphenyl-Derivat bildet sich bei der Einwirkung von Bortrifluorid-Etherat auf 1,2,3Triphenylcyclopropen-3-carbonitril, welches durch [2+1]-Cycloaddition von Phenyldiazoacetonitril an Diphenylethin zugänglich ist: C6H 5 + C6H 5
CN IN _ N C C 6H5
/ N2
H5C 6
H 5C6 CN C 6H5 H 5C6
+ H 2 O / BF3 O(C 2 H 5 ) 2
C6H 5
/ HCN
H5C 6
BF 3OH
Triphenylcyclopropeniumhydroxytrifluorborat
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30.2
Cyclopropenium-Kationen
571
Tab. 30.1. Übersicht nichtbenzoider Aromaten. Die angegebenen Formeln beschreiben nur einen mesomeren Grenzzustand sowie das cyclisch delokalisierte r-Elektronensystem
monocyclisches aromatisches Ion
mesomere Grenzformeln
Cyclopropenium-Kation
Cyclopentadienid-Anion
_
Cycloheptatrienium-Kation
Cyclooctatetraendiid-Dianion
2
n
2r
2
0
6r
6
1
6r
6
1
10r 2
10
2
10
2
10r
Cyclononatetraenid-Anion
Anzahl der r-Elektronen (4n+2)
_
Annulen
30.2.2
mesomere Grenzformel
Anzahl der r-Elektronen (4n+2)
n
[10]-Annulen
10
2
[14]-Annulen (Anthracen-Typ)
14
3
[14]-Annulen (Pyren-Typ)
14
3
[18]-Annulen
18
4
[22]-Annulen
22
5
Molekülorbital-Modell und Strukturmerkmale
Das C-NMR-Spektrum des Cyclopropenium-Ions zeigt ein Signal bei fC = 177, wie es einem Carbokation mit delokalisierter positiver Ladung entspricht. Die 13C-1H-Kopplungskonstante spiegelt mit 265 Hz einen sehr hohen s-Charakter der C/H-Bindungsorbitale wider. Dementsprechend erklärt man den Bindungszustand durch das in Abb. 30.1a skizzierte Molekülorbital-Modell: Zur Knüpfung der u-Bindungen benutzt das C-Atom ein sp-Orbital für eine CH-Bindung und zwei 13
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572
30 Nichtbenzoide Aromaten
sp2-Orbitale, um den Ring über CC-Bindungen zu schließen. An jedem Ring-C-Atom verbleibt ein nicht hybridisiertes p-Orbital senkrecht auf der u-Bindungsebene, welches zum delokalisierten rSystem beiträgt. Die RÖNTGEN-Strukturanalyse des 1,2,3-Triphenylcyclopropenium-Ions ergab nicht nur dessen symmetrische Struktur, sondern zeigte auch, daß sich die Phenyl-Ringe um 21° aus der Dreiringebene herausdrehen (Abb. 30.1 b). Dieser Umstand behindert eine völlige Delokalisierung der positiven Ladung über die drei Phenyl-Ringe.
Abb. 30.1. Cyclopropenium-Ion (a) Molekülorbital-Modell, (b) Struktur des Triphenylcyclopropenium-Kations nach SUNDARALINGHAM, M., JENSEN, L. H. (1966), J. Am. Chem. Soc. 88, 198
30.2.3
Reaktivität
Das Triphenylcyclopropenium reagiert elektrophil, z. B. mit Methanol zu Methoxytriphenylcyclopropen, läßt sich jedoch häufig aus den Additionsprodukten regenerieren: H5C 6 - CH3OH
C6H 5 H5C 6
H5C 6 OCH 3
/ CH3OH
X
+
HX
C 6H5 H5C 6
30.3 Cyclopentadienid 30.3.1
Herstellung
Das Cyclopentadienid-Anion bildet sich leicht durch Deprotonierung des Cyclopentadiens in Gegenwart von Alkalimetallen oder Alkalihydroxiden: / [H+]
_ H
30.3.2
H
H
Strukturmerkmale
Entsprechend der durch die Mesomerie erklärbaren Gleichwertigkeit aller Ring-Methin-Gruppen H
H oder
H
6r
H
H
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30.3
Cyclopentadienid
573
zeigen die 1H- und 13C-NMR-Spektren des Cyclopentadienid-Anions jeweils nur ein Signal (1H : fH = 5.57; 13C : fC = 102). Die Verschiebungen sind wegen der erhöhten negativen Ladungsdichte (6 / 5 Elektronen pro C) erheblich kleiner als die für Benzen gemessenen Werte (fH = 7.28, fC = 128.5). Im Molekül-Orbital-Modell entstehen die koplanaren CC- und CH-"u-Bindungen durch sp2Hybrid-Orbitale des Kohlenstoffs. Die senkrecht auf der u-Bindungsebene stehenden, koaxialen pz-Orbitale überlappen seitlich und führen zu einer dem Benzen analogen 6r-Elektronenwolke, die sich jedoch nur über fünf Ring-C-Atome verteilt.
30.3.3
Reaktivität
Elektrophile Additionen Elektrophile Reagenzien addieren leicht an das Cyclopentadienid. Alkyl- und Arylhalogenide alkylieren bzw. arylieren, und Kohlendioxid carboxyliert. Bei beiden Reaktionen cycloaddieren die Primärprodukte zu DIELS-ALDER-Dimeren. Die Addition an Carbonyl-Verbindungen (KNOEVENAGEL-Alkenylierung) führt dagegen zu den Fulvenen, welche nicht dimerisieren: CO2H
H
H
CO2H
CO2H
2
H
CH3
H
CH 3
2
/2I
H H
+ 2 CH3I
+ 2 C6H5Br
6r
2
/
/ 2 Br
2
/
C 6H5
H
+ 2 CO2 , + 2 [H+]
C6H 5 H H
CH3
+ 2 R2C=O , + 2 [H+]
/"2 H2O
C 6H5
R 2
R = H , Alkyl , Aryl
C R
Mit p-Tosylazid reagiert das Cyclopentadienid zum Diazocyclopentadien: 6r
_ N _ SO2
+ _ N N
CH3
Ether
H
_ N _ SO2
CH 3
N
H Li
N N
N _ N
Li
SO2 / H3 C
CH 3
/
SO2 NH Li+
N N
N N _I
Diazocyclopentadien (rot)
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574
30 Nichtbenzoide Aromaten
Das stabile Diazocyclopentadien läßt sich als Diazoniumcyclopentadienid und als FulvenAnalogon formulieren. Man kann es nitrieren, bromieren, mercurieren und mit AryldiazoniumSalzen kuppeln, z. B.: 6r
N _
+
_ N
6r
CH3OH / H2O , 0 °C / HBF4
BF 4
N N
N2 2-Phenylazodiazocyclopentadien
N2
Diazocyclopentadien gehört zur Klasse der Cyclopentadienylide, die sich durch hohe Dipolmomente und eine beachtliche Stabilität auszeichnen: 6r 6r
6r
N P(C 6H5)3
N(CH 3)3 Trimethylammonium-
Pyridiniumcyclopentadienylid
Triphenylphosphonium-
Bildung von -Komplexen (Metallocene) Cyclopentadienide reagieren mit verschiedenen Übergangsmetall-Salzen zu Metallocenen. Mit Eisen(II)-Salzen entsteht z. B. das orange Ferrocen: von vorn
von oben
+ FeCl2 (THF, N2)
6r
Na
Fe
Fe
/ 2 NaCl
Ferrocen
Die antiprismatische, auch als "Sandwich" bezeichnete Struktur des Ferrocens und anderer Metallocene, bei der die C-Atome der beiden Fünfringe auf Lücke stehen, wurde durch RÖNTGENDiffraktometrie bestätigt. Im Molekül-Orbital-Modell erklärt man die Bindung zwischen MetallKation und r-System durch Überlappung der p-Orbitale des Kohlenstoffs mit den 3d-Orbitalen des Metalls. Während die Cyclopentadienid-Ringe im kristallinen Zustand die SandwichKonfiguration einnehmen, sind sie in Lösung frei drehbar. Die Reaktionen der Metallocene sind denen des Benzens weitgehend analog. Häufigster Reaktionstyp ist die elektrophile Substitution, wie eine Auswahl in Abb. 30.2 zeigt.
H
Fe
O C H
C O Ferrocen-1,1'-dialdehyd
H 3C
Fe
H2SO4 , CH3CO2H
Fe HO3S Ferrocen-1,1'-disulfonsäure
O C CH 3
C O 1,1'-Diacetylferrocen
SO3H (H3C) 2N/CH=O POCl3
(CH3CO) 2O , AlCl3
Fe HgCl2
HgCl Fe ClHg Ferrocen-1,1'-diquecksilberchlorid
Abb. 30.2. Elektrophile Substitutionen des Ferrocens
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30.4
Cyloheptatrienium-Kationen
575
Die direkte Nitrierung oder Halogenierung des Ferrocens scheitert an der Oxidation von Eisen(II) zu Eisen(III) durch Salpetersäure bzw. Halogen. Dabei entsteht reversibel das im Gegensatz zu Ferrocen paramagnetische und blaugrüne Ferricenium-Ion: / e0
/
Fe + e0
Fe
/
Ferrocen
Ferricenium-Ion
30.4 Cyloheptatrienium-Kationen 30.4.1
Strukturmerkmale und Formulierung
Im Cycloheptatrienium-Kation (C7H7¸, Tropylium-Ion) verteilt sich ein r-Elektronensextett auf sieben koplanare C-Atome, deren chemische Äquivalenz aus dem 1H- und 13C-NMR-Spektrum hervorgeht: Es erscheint jeweils nur ein Signal, das infolge der geringen r-Elektronendichte pro C-Atom (6r"/ 7C) gegenüber den Benzen-Resonanzen (6r"/ 6C) deutlich größere Verschiebungswerte aufweist (fH = 9.2; fC = 155.4). Dementsprechend wird das Cycloheptatrienium-Ion durch sieben energiegleiche mesomere Grenzformeln beschrieben, die sich in einer Formel mit delokalisiertem r-Elektronensextett und delokalisierter positiver Ladung zusammenfassen lassen: 6r Cycloheptatrienium-Ion
30.4.2
Herstellungsmethoden
Cycloheptatrienium-Salze Die meisten Synthesen des Cycloheptatrienium-Kations sind Hydrid-Abspaltungen aus Cycloheptatrien, z. B. durch Carbokationen, wie man sie aus Trityl- und tert-Butylchlorid sowie Tetrachlormethan erhält, meist in Gegenwart von LEWIS-Säuren. Ein weiteres allgemeines Herstellungsprinzip ist die 1,4-Addition von Brom an Cycloheptatrien unter anschließender thermischer Dehydrobromierung. 1.) (H5C6) 3C/Cl (CH3CN) 2.) (H3C) 3C/Cl (AlCl3) 3.) CCl4 (PCl3)
H
H
6r
F , / HBr
X
Br H
H Br
+ Br 2
X = Cl , Br
Cycloheptatrieniumoxid (Tropyliumoxid) Aufgrund seines sehr hohen Dipolmoments und seiner Spektren liegt Cycloheptatrienon als Cycloheptatrienium- oder Tropyliumoxid vor. Es entsteht durch photoinduzierte Homologisierung des Brombenzens mit Diazomethan. Nach 1,4-Addition von Brom an das gebildete 1-Brom-1,3,5-
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576
30 Nichtbenzoide Aromaten
cycloheptatrien und anschließender Brom-Abspaltung erhält man Bromcycloheptatrieniumbromid, das zum Cycloheptatrienon hydrolysiert wird: Br
_ OI _
Br
Br + CH2N2 (hp)
+ Br 2
/ N2
/ HBr
6r
+ H2O
O
6r
/ HBr
Cycloheptatrienium-oxid (Cycloheptatrienon)
-Hydroxycycloheptatrieniumoxid (Tropolon) 2-Hydroxycycloheptatrienon (Tropolon) zeigt aufgrund seiner Spektren und Reaktionen eine Äquivalenz der Kohlenstoff-Paare 1 / 2 , 3 / 7 sowie 4 / 6. Offensichtlich tauscht das HydroxyProton so rasch zwischen Hydroxy- und Carbonyl-Gruppe aus, daß diese nicht unterscheidbar sind. Dieser Zustand wird am besten durch die Formulierung als c-Hydroxycycloheptatrieniumoxid erklärt: O
O
O
6r
H
H
H
O
O
O Tropolon
Die Synthese des Tropolons gelingt durch Oxidation des Cycloheptanons mit Selendioxid zum 1,2-Cycloheptandion. Anschließende Bromierung und Dehydrobromierung führt zum Bromtropolon, dessen Brom durch Wasserstoff abhydriert wird: O
+ SeO2
/ Se, /"H 2O
O O
+ 3 Br 2
OH
6r
/ 4 HBr
OH
/
( OH )
O
/ HBr
OH
Br
+ H2 / Pd
6r
/ HBr
O H O
Br
In guten Ausbeuten wird Tropolon durch Hydrolyse der Tetrafluorcycloheptadien-Isomeren hergestellt. Letztere bilden sich bei der Cycloaddition von Tetrafluorethen an Cyclopentadien und anschließender Thermolyse des Cycloaddukts: +
30.4.3
CF 2
CF 2
CF 2
CF 2
700 °C
CF 2 CF 2
sowie
CF 2
+ 2 H 2O (CH3 CO2 H / CH3 CO2 K)
CF 2
/ 4 HF
6r
O H O
Reaktivität
Reaktion mit Nucleophilen Als Elektrophil reagiert das Tropylium-Kation mit zahlreichen Nucleophilen, wie eine Auswahl in Abb. 30.3 zeigt. Mit Kohlenstoff-Nucleophilen wie Cyanid, Phenyllithium und Alkylmagnesiumhalogenid erhält man auf diese Weise Cyano-, Aryl- und Alkylcycloheptatriene.
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30.5
Cyclooctatetraendiid
577
O
Ditropylether
S
H2O
H CN
CN
/
H2S Ditropylsulfid
7-Cyano-1,3,5cycloheptatrien
6r
H
NH3
C6H5Li
N
H C6H 5
N
in (C2H5) 2O
RMgX
7-Phenyl-1,3,5cycloheptatrien
Ditropylamin
Tritropylamin
H R 7-Alkyl-1,3,5-cycloheptatrien
Abb. 30.3. Nucleophile Substitutionen am Tropylium-Kation
Ringverengungen zu Benzen-Derivaten Starke Oxidationsmittel oxidieren das Tropylium-Kation unter Ringverengung über Benzaldehyd zu Benzoesäure, in welche sich Tropolon auch durch Erhitzen auf 200 °C umlagert: O 6r
+ [ O ] (Cr 2O72/ , CH3CO2H)
C
O H
+ [O]
C
200 °C
OH
6r
O H O
Bildung von -Komplexen Die aus Cycloheptatrien und Chrom- bzw. Molybdänhexacarbonyl entstehenden r-Komplexe reagieren mit Triphenylchlormethan unter Hydrid-Abspaltung zu Tropylium-r-Komplexen: +
(H5C 6)3C X
M(CO)3
X M = Cr, Mo
+
(H5C6)3CH
M(CO)3
30.5 Cyclooctatetraendiid 30.5.1
Bildung
Als nicht ebenes 8r-Elektronensystem ist Cyclooctatetraen kein Aromat. Die Reduktion des Cyclooctatetraens mit Alkalimetallen in Ether oder Tetrahydrofuran führt jedoch unter Einebnung des Achtringes zum aromatischen 10r-Elektronensystem, dem Cyclooctatetraendiid (Cyclooctatet-
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578
30 Nichtbenzoide Aromaten
raen-Dianion). Die Reduktion ist das Ergebnis zweier Einelektronen-Übertragungen; die erste führt unter Ringeinebnung zum Radikalanion; dieses disproportioniert schnell zu Cyclooctatetraen und seinem Dianion: + e0
30.5.2
/
+ e0
/
10r 2
NMR-Daten
Ein r-Elektronenüberschuß von 1/4 pro C-Atom sollte sowohl die 1H- als auch die 13C-Kerne in den NMR-Spektren deutlich abschirmen. Dementsprechend beobachtet man kleine Verschiebungswerte (fH = 5.7;"fC = 85.3). Die 1H-Verschiebungen des Cyclooctatetraens und seines Dianions sind nahezu gleich, weil die Abschirmung durch den r-Elektronenüberschuß den Ringstromeffekt des r-Elektronendezetts ausgleicht.
30.5.3
Reaktionen
Das Cyclooctatetraenyl-Dianion reduziert z. B. Tropyliumbromid zu Bitropyl: 10r 2
+
2
H
6r
+ H
Andererseits reagiert es als bifunktionelles Nucleophil und wird daher durch Methyliodid zu den (E-/Z-)-Isomeren des 1,2-Dimethyl-3,5,7- und 1,4-Dimethyl-2,5,7-cyclooctatriens dialkyliert: 2
10r 2
CH3 +
H3C +
4 CH3 I
CH3 +
4I
CH3
Auch Sandwich-r-Komplexe mit Uran und Thorium sind bekannt. Die RÖNTGEN-Struktur zeigt, daß im Uran-Komplex die beiden Achtringe ekliptisch angeordnet sind: U
30.6 Cyclononatetraenid 30.6.1
Bildung
Das Cyclononatetraenid-Anion entsteht bei der Disproportionierung von Cyclononatetraen, z. B. mit Kalium-2-methyl-2-propanolat, sowie durch elektrocyclische Ringerweiterung von Bicyclo-
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30.7
Vergleich der chemischen Verschiebungen
579
[6.1.0]nonatrien-Derivaten mit Alkalimetallen (X = Cl, OCH3) oder starken Basen, z. B. mit den Alkalisalzen des CH-aciden Dimethylsulfoxids (X = H): + MOC(CH3) 3
+ 2 M (THF)
10r
M
/ (H3C) 3COH
+ M
ICH2SOCH3
X
/ MX
/ (H3C) 2SO
M = Li, Na, K
H
30.6.2
NMR-Daten
Das in Form des kristallinen Tetramethylammonium-Salzes isolierbare Cyclononatetraenid zeigt wegen des geringeren r-Elektronenüberschusses pro Kohlenstoff-Atom größere 1H- und 13CVerschiebungen (fH = 7;"fC = 109) als das Cyclooctatetraendiid.
30.6.3
Reaktionen
Als Elektronenpaar-Donor reagiert Cyclononatetraenid wie eine LEWIS-Base. Die Reaktion mit Wasser führt zu Cyclononatetraen, das sich thermisch zu cis-8,9-Dihydroinden umlagert. Dieser elektrocyclische Ringschluß ist auch eine Folgereaktion der Alkylierung und Carboxylierung des Cyclononatetraenid-Anions. H F
H + H2O
/ OH
cis-3a,7a-Dihydroinden
/
H H CH3
H H CO2 + CH3I /I
H cis-1-Methyl-3a,7a-dihydroinden
10r
+ CO2
/
H cis-3a,7a-Dihydroinden1-carboxylat
30.7 Vergleich der chemischen Verschiebungen Bekanntlich nimmt mit abnehmender Elektronendichte am Kohlenstoff sowohl die 1H- als auch die 13C-Verschiebung zu (Abschn. 28.5.6, 28.6.2). In Abb. 30.4 sind hierzu die 1H- und 13CVerschiebungen der aromatischen Ionen als Funktion der r-Elektronendichte (Ft) pro C-Atom aufgetragen. Dabei kommt Benzen als Referenz der Wert Ft"= 1.0 zu, weil sich hier sechs r-
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580
30 Nichtbenzoide Aromaten
Elektronen auf ebensoviele Ring-C-Atome verteilen. Entsprechend hat das Tropylium-Kation ein Elektronendefizit von Ft"= 6 / 7 , das Cyclopentadienid-Anion dagegen einen Elektronenüberschuß von Ft"= 6 / 5. Für die 1H-Verschiebungen der Ionen C3H3+, C5H5/ und C7H7+ erkennt man in Abb. 30.4 a den erwarteten linearen Zusammenhang zwischen Verschiebung und r-Ladungsdichte. Die 10rElektronen-Ionen zeigen jedoch deutliche Abweichungen von der Linearität. Man führt dies auf diamagnetische Ringströme zurück, die stärker sind als in den 2r- und 6r-Elektronen-Aromaten. Da Ringstromfelder die Ring-C-Atome praktisch nicht beeinflussen, beobachtet man für die 13CVerschiebungen deutlich geringere Abweichungen von der Linearität (Abb. 30.4 b).
Abb. 30.4. (a) H- und (b) C-Verschiebung aromatischer Ionen als Funktion der r-Ladungsdichte (Ft) 1
13
30.8 Azulen 30.8.1
Formulierung und physikalische Eigenschaften
Azulen ist ein tiefblauer Kohlenwasserstoff, in dem Cyclopentadien mit Cycloheptatrien fulvenartig kondensiert ist. Sein Bindungszustand kann dementsprechend durch eine Mesomerie formuliert werden, wobei der Fünfring eine negative, der Siebenring eine positive Ladung übernimmt. Diese Formulierung erklärt das Dipolmoment des Moleküls und seine Reaktivität. 8
1
8a
3
3a
7 6
2 4
5
Den Beitrag dipolarer Grenzformeln erkennt man im 13C-NMR-Spektrum des Azulens (Abb. 30.5a) an einer deutlichen Abschirmung der C-Atome C-1 und C-5 (fC = 118 - 123) sowie einer Entschirmung von C-4 und C-6 (fC = 137) im Vergleich zu den Ring-C-Atomen des isomeren Naphthalens (Abb. 30.5 b).
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30.8
Azulen
581
1
13
Abb. 30.5. H-breitbandentkoppelte C-NMR-Spektren (20 MHz) des Azulens (a) und des isomeren Naphthalens (b) in Deuteriochloroform
30.8.2
Azulen-Synthese
Eine Synthese des Azulens startet mit 5-(N-Methyl-N-phenyl)-amino-2,4-pentadienal ("ZINCKEAldehyd"), das durch Reaktion von 1-(2,4-Dinitrophenyl)-pyridiniumchlorid mit N-Methylanilin über das KÖNIGsche Salz entsteht: H3C
N Cl NO2 + 2 N H NO2
N
Cl
N
CH3
+ NaOH
NH2
CH3
NO2
/ NO2
O
H
N
CH 3
NHCH3
/
.""/"NaCl
ZINCKE-Aldehyd
KÖNIGsches Salz
Die KNOEVENAGEL-Kondensation des "ZINCKE-Aldehyds" mit Cyclopentadien liefert ein FulvenDerivat, dessen Pyrolyse unter Abspaltung von N-Methylanilin zum Azulen führt: H +
O
(NaOH)
250 °C (Vakuum)
/ H2O
H 3C N
NHCH3
H 3C N
/
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582
30.8.3
30 Nichtbenzoide Aromaten
Reaktionen
Der bereits formulierten r-Elektronenverteilung (Abschn. 30.8.1) folgend wird der Siebenring des Azulens bevorzugt nucleophil, der Fünfring indessen vorwiegend elektrophil angegriffen. Nucleophile Reaktionen am Azulen sind wegen dessen Alkali-Empfindlichkeit wenig untersucht. Die elektrophile Halogenierung, Nitrierung, Sulfonierung, Acylierung und Azo-Kupplung des Azulens gelingt in der 1,3-Stellung. Y 1
/ [H+]
+ [Y ]
2 3
Y = Halogen , NO2 , SO3H , COR , /N=N/C6H5
In saurer Lösung addiert ein Proton an C-1 (3) unter Bildung des blaßgelben Azulenium-Kations, dessen Stabilität auf das 6r-Elektronen-System des Cycloheptatrienium-Ions zurückgeht: H
1
H 6r
+ [H ]
2 3
Bei hohen Temperaturen isomerisiert Azulen zum stärker mesomeriestabilisierten und isoelektrischen Naphthalen, dessen 13C-Verschiebungen (Abb. 30.6 b) den mehr benzoiden, im Vergleich zum Azulen weniger polarisierten Zustand der Ring-C-Atome reflektieren. > 350 °C
200 kJ / mol
Mesomerieenergie
250 kJ / mol
30.9 Definition aromatischer Annulene Unter [n]-Annulenen versteht man monocyclische vollständig konjugierte Kohlenwasserstoffe der allgemeinen Formel CnHn (n "4). Die vorangestellte eckig eingeklammerte Zahl kennzeichnet Ringgröße und Anzahl der r-Elektronen. Der kleinste Vertreter ist Cyclobutadien; die nächsten Homologen sind Benzen, Cyclooctatetraen, Cyclodecapentaen oder [10]-Annulen, sowie [12]-, [14]-, [16]-, [18]-, [20]-, [22]-Annulen, usw. Aromatisches Verhalten ist nur von ebenen Annulenen zu erwarten, deren r-Elektronenzahl der HÜCKELschen (4n + 2)-Regel gehorcht. HÜCKELAromaten sind außer Benzen z. B. [10]-, [14]-, [18]- und [22]-Annulen (Tab. 30.1). Von diesen verhalten sich nur die ebenen Ringe nachweisbar aromatisch, wie die folgenden Beispiele zeigen.
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30.10 [10]-Annulen
583
30.10 [10]-Annulen 30.10.1 Stabilität Für [10]-Annulen können drei Konfigurationsisomere formuliert werden:
H all-cis-
H
mono-trans[10]-Annulen
H
bis-trans-
Die all-cis-Konfiguration wird durch eine zu große Bindungswinkelspannung destabilisiert. Der innere Winkel ist mit 144° erheblich größer als der optimale sp2-Interorbitalwinkel von 120°. In der mono-trans-Konfiguration hat sich eine Molekülhälfte entspannt; in der anderen wirkt nach wie vor die Winkelspannung. Die bis-trans-Form hat zwar keine Winkelspannung, wird aber durch die starke sterische Wechselwirkung der beiden inneren H-Atome destabilisiert. Aus diesen Gründen ist [10]-Annulen selbst bis jetzt nicht faßbar.
30.10.2 Synthese überbrückter [10]-Annulene Dagegen gelang die Synthese 1,6-überbrückter bis-trans-[10]-Annulene, in denen die sterische Wechselwirkung der Wasserstoff-Atome in 1,6-Stellung wegfällt. X dargestellte überbrückte [10]-Annulene X = CH2 , O , NH
1,6-Methano-[10]-annulen entsteht nach VOGEL in drei Schritten aus 1,4,5,8-Tetrahydronaphthalen, welches durch BIRCH-Reduktion (Na, flüssiges NH3) von Naphthalen zugänglich ist. Die Addition von Dichlorcarben und anschließende Reduktion liefert das Tricyclo[4.4.1.01,6]undeca-3,8-dien. Das mit Brom entstehende Tetrabrom-Addukt geht durch doppelte Dehydrobromierung in das nicht faßbare Tricyclo[4.4.1.01,6]undeca-2,4,7,9-tetraen über, welches zum bicyclischen 1,6-Methano-[10]-annulen valenztautomerisiert: + ICCl2 (CHCl3 , KOH)
+ 4H (Na / NH3)
Cl
Cl + 4H (Na / NH3) / 2 HCl
Tricyclo[4.4.1.01,6 ]undeca-3,8-dien
+ Br2
Br Br
Br
/ 4 HBr (KOH)
Br 1,6-Methano-[10]-annulen
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584
30 Nichtbenzoide Aromaten
30.10.3 Aromatizität des 1,6-Methano-[10]-annulens Im 1H-NMR-Spektrum weist das Signal bei fH = 7.1 für die acht Zehnring-Protonen auf einen benzenähnlichen Ringstrom hin. Die elektrophile Substitution des 1,6-Methano-[10]-annulens gelingt leicht in Position 2, während die [4+2]-Cycloaddition mit Maleinsäureanhydrid unterbleibt. 1,6-Methano-[10]-annulen zeigt also das für einen Aromaten typische regenerative Verhalten. Y
+ [ Y+ ] / [ H+ ]
Y = Br , NO2 , COCH3
30.11 [14]-Annulene 30.11.1 Sterische Spannung von [14]-Annulenen Für [14]-Annulen können zwei Isomere formuliert werden, die frei von Winkelspannung sind. Es handelt sich um den Pyren- und Anthracen-Typ:
Pyren-Typ
HH HH
Anthracen-Typ
H
H
H
H
Sowohl im Pyren- als auch im Anthracen-Typ wird die sterische Wechselwirkung der inneren HAtome eine völlige Koplanarität der Ringe verhindern, so daß aromatisches Verhalten zunächst nicht zu erwarten ist.
30.11.2 Synthese des [14]-Annulens vom Pyren-Typ [14]-Annulen wurde durch Cyclodehydrierung von 4,10-Tetradecadien-1,7,13-triin (GLASERKupplung) und anschließender katalytischer Hydrierung hergestellt: 13 10
1.) Cu(CH3CO2) 2 , Pyridin 2.) KOC(CH3) 3 , HOC(CH3) 3 / H2
7
HH HH
1 4
[14]-Annulen wird als kristallisiertes Gemisch zweier Konfigurationsisomerer isoliert. Das bevorzugt entstandene Isomer ist aufgrund der RÖNTGEN-Strukturanalyse annähernd eben und besitzt die pyrenanaloge Geometrie.
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30.11 [14]-Annulene
585
30.11.3 Synthese überbrückter [14]-Annulene Überbrückte [14]-Annulene vom Anthracen-Typ entstehen durch Cycloaddition von Peroxycarbonsäuren oder Carben an das durch BIRCH-Reduktion des Anthracens zugängliche 1,4,5,6,9,10Hexahydroanthracen, Bromierung der Cycloaddukte mit N-Bromsuccinimid und Dehydrobromierung mit Kalium-t-butanolat: O
+ 6 Na , + 6 NH3
O
+ 2 C6H5CO3H
/ 6 NaNH2
/ 2 C6H5CO2H
+ 2 Br 2 (NBS)
/ 4 HBr [KOC(CH3) 3]
O
O
Entsprechend wurden C-überbrückte [14]-Annulene dargestellt, z. B. das anti-1,6:8,13-Bis(methano)-[14]-annulen, während die Synthese des syn-Isomers bisher nicht gelang, vermutlich infolge zu starker sterischer Wechselwirkung der Methylen-Protonen, die durch eine zusätzliche Methylen-Brücke beseitigt werden kann: H H H
HH
H
H
H
Ethanoüberbrückte [14]-Annulene vom Pyren-Typ sind durch photochemische und thermische Umlagerung von Bisdehydrometacyclophanen zugänglich, z. B.: H hp
R R
H
F R
hp R R = CH3
30.11.4 Aromatizität der [14]-Annulene Im 1H-NMR-Spektrum des [14]-Annulens erscheint bei Raumtemperatur nur ein Signal, dessen Verschiebung (fH = 5.58) zunächst auf keine Aromatizität hinweist. Bei Abkühlung verbreitert es sich, bis bei /60 °C zwei neue Signale auftauchen, deren Verschiebungen (fH = 7.6 für H10 außen und fH = 0 für H4 innen) eine Entschirmung der zehn äußeren und eine Abschirmung der vier inneren Protonen durch einen aromatischen Ringstrom anzeigen. Bei Raumtemperatur tauschen innere und äußere Protonen durch Konformationswechsel zu rasch aus, so daß ein zeitlich gemitteltes Signal registriert wird. Von den überbrückten [14]-Annulenen des Anthracen- und Pyren-Typs erwiesen sich aufgrund der 1H-NMR-Spektren nur die syn-überbrückten [14]-Annulene vom Anthracen-Typ und die
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586
30 Nichtbenzoide Aromaten
15,16-Dihydropyrene als aromatisch, während die Verschiebungen der Vierzehnring-Protonen des anti-1,6:8,13-Bis-(methano)-[14]-annulens (fH = 5.7 – 6.6) keine Aromatizität erkennen lassen, weil das Molekül nicht eben ist.
H
H H fH = 0.6 - 1.2 H
R fH = 8.2
fH = 7.6 - 7.9
R = CH3 : f"H = 4
fH = 5.7 - 6.6
R
30.12 [18]-Annulen 30.12.1 Konformationen Im [18]-Annulen ist die der Koplanarität des Moleküls entgegenwirkende sterische Wechselwirkung so gering, daß Aromatizität möglich wird. Allerdings ist durch Konformationsänderungen ein Austausch zwischen den sechs inneren und den zwölf äußeren H-Atomen denkbar: B
C
A
A
B
B
C C
A
C C
A
C C
B
B A
A
B
B
B C
A A
B
C
A A
B
A A
C
C
C
B B B
C B
B
A
A
C
C
A
A B
B B
C
C
A A
C
Ein NMR-spektroskopischer Nachweis der Aromatizität (Entschirmung der äußeren, Abschirmung der inneren Protonen) gelingt daher nur, wenn die Aktivierungsbarriere der Konformationsumwandlung hinreichend groß ist.
30.12.2 Synthese Nach SONDHEIMER entsteht das C-Skelett des [18]-Annulens / neben anderen Produkten / durch Cyclodehydrierung (GLASER-Kupplung) von drei Äquivalenten 1,5-Hexadiin über 1,3,7,9,13,15Cyclooctadecahexain. Dieses isomerisiert basenkatalysiert zum voll durchkonjugierten Cyclooctadecahexaentriin, dessen katalytische Teilhydrierung [18]-Annulen als rotbraune Kristalle liefert:
Cu(CH 3CO2 ) 2 / Pyridin
3
+
/ 6 [H ] , / 6 e0
/
KOC(CH3 ) 3
+ 3 H2
(CH 3) 3 COH / C6 H6
Pd / C in C6 H6
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30.12 [18]-Annulen
587
30.12.3 Aromatizitätskriterien [18]-Annulen läßt sich nitrieren und acylieren, obschon diese Reaktionen möglicherweise nicht nach dem für benzoide Aromaten bekannten elektrophilen Substitutionsmechanismus ablaufen. Die annähernde Koplanarität des [18]-Annulens konnte durch RÖNTGEN-Strukturanalyse nachgewiesen werden. Dabei ergab sich allerdings, daß die cisoiden Bindungen etwas länger als die transoiden sind, so daß keine perfekte Bindungsalternanz (wie im Benzen) vorliegt:
18r
cisoid : 141.9 pm transoid : 138.2 pm
Im 1H-NMR-Spektrum findet man bei und unterhalb 20 °C zwei Signale mit dem Intensitätsverhältnis 2 : 1. Das intensive Signal bei fH = 8.9 gehört zu den zwölf äußeren, das schwächere bei fH = /1.8 zu den sechs inneren Protonen (Abb. 28.23, S. 500). Diese Verschiebungswerte sind durch den Ringstromeffekt erklärbar und spiegeln so die Aromatizität des [18]-Annulens wider. Jedoch ist das 1H-NMR-Spektrum wegen des besprochenen Austausches der inneren und äußeren HAtome temperaturabhängig. Bei 110 °C ist dieser Austausch so rasch, daß nur ein 1H-NMR-Signal bei der gemittelten Verschiebung fH = 5.45 gemessen wird.
30.12.4 Heteroüberbrückte [18]-Annulene und höhere Annulene Die im [18]-Annulen noch geringfügig vorhandene sterische Wechselwirkung der inneren HAtome entfällt, wenn man die drei Wasserstoff-Paare durch je ein Schwefel- oder SauerstoffAtom ersetzt. Diese Furan- und Thiophen-Derivate konnten hergestellt werden. Während die durch Sauerstoff überbrückten Makrocyclen [18]-Annulen-analoge 1H-Verschiebungen aufweisen, stehen die durch Schwefel überbrückten Derivate aufgrund der Spektren dem Thiophen näher als dem [18]-Annulen. Offensichtlich behindern die voluminösen Schwefel-Brücken eine Koplanarität des [18]-Annulen-Systems. heteroüberbrückte [18]-Annulene S
O S
O
S
O [18]-Annulen-analog
Thiophen-analog
Als Homologe des [18]-Annulens wurden [22]- und [30]-Annulen hergestellt. Das 1H-NMRSpektrum des [22]-Annulens (Tab. 30.1) ist temperaturabhängig und zeigt bei /90 °C die auf einen Ringstrom hinweisenden Verschiebungswerte von fH = 8.5 bis 9.6 für die äußeren und /0.4 bis /1.2 für die inneren H-Atome.
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588
30 Nichtbenzoide Aromaten
30.13 Natürliche nichtbenzoide Aromaten 30.13.1 Natürliche Tropolone Substituierte Tropolone kommen natürlich vor. Beispiele sind Stipitatsäure, die Thujaplicine, Purpurogallin sowie Colchicin, das als Zellteilungsgift wirkende Hauptalkaloid der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale). O
O
O
O
HO OH
OH
CH(CH 3)2
HO2C
c-
Stipitatsäure (aus Schimmelpilzen)
CH(CH3)2 d-
i-
H 3CO
Purpurogallin OH (als Glucosid aus der Erbsengalle)
O
OH (H3C)2CH
Thujaplicin (aus dem Holz der roten Zeder)
OH
HO
OH
Colchicin H 3CO (Alkaloid der Herbstzeitlose)
NHCOCH 3 H
H 3CO
OH
O OCH 3
30.13.2 Azulene natürlicher Herkunft Alkylierte und hydrierte Azulene der Sesquiterpen-Reihe (Abschn. 42.2.2) kommen in etherischen Ölen vor. Sie entstehen in einigen Pflanzen und Pilzen durch Cyclisierung offenkettiger Sesquiterpene, z. B. von Farnesol und aromatisieren bei der Verarbeitung, so daß Azulene oft als Artefakte entstehen:
HO Farnesol
Vetivazulen (violett
30.14 Antiaromatizität Als aromatisch gilt ein cyclisch konjugiertes Polyen, wenn seine Mesomerieenergie erheblich größer ist als die eines offenkettig konjugierten Analogen, wenn seine 1H-Verschiebungen durch den Ringstrom-Effekt erklärbar sind (Beispiel: Benzen im Vergleich zu 1,3,5-Hexatrien), und wenn seine Reaktionen bevorzugt unter Erhaltung des r-Elektronensystems (regenerativ) ablaufen (Substitution statt Addition). Nicht aromatisch ist ein konjugiertes Cyclopolyen, wenn seine Mesomerieenergie und 1H-Verschiebungen sich nicht oder nur wenig von den Daten eines vergleichbaren acyclisch konjugierten
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30.14 Antiaromatizität
589
Polyens unterscheiden (Beispiel: Cyclooctatetraen im Vergleich zu 1,3,5,7-Octatetraen). Obwohl diese Abgrenzungen kritisierbar sind, haben sie sich praktisch bewährt. Eine Weiterentwicklung dieser Vergleiche führte zum Begriff der Antiaromatizität für konjugierte Cyclopolyene, deren Mesomerieenergie kleiner ist als jene der offenkettig konjugierten Analogen. Durch cyclische Konjugation wird ein Antiaromat also nicht stabilisiert, sondern destabilisiert. Den aromatischen (4n+2)"r-Elektronen-Ionen aus Tab. 30.1 können zunächst formal antiaromatische (4n)"r-Elektronen-Ionen gegenübergestellt werden, deren einfachster Vertreter das Cyclopropenid-Anion ist:
_
_ antiaromatische (4n) r-Elektronen-Ionen
Das Cycloheptatrienid-Anion, ein aromatisches 8r-Elektronen-System, wird z. B. als Zwischenstufe des basenkatalysierten Deuterium-Austauschs von Cycloheptatrien vermutet. Bei /20 °C kann es in Tetrahydrofuran durch Reaktion von Triphenylmethylcycloheptatrien mit NatriumKalium-Legierung in Form einer tiefblauen Lösung kurzzeitig erhalten und elektrophil protoniert oder deuteriert werden: / [H+]
- [D+]
_ H H
H D
H /" (C6H5) 3C
+
K / Na / THF
H C(C 6H5)3
Das nur in Form seiner Komplexe stabile Cyclobutadien ist ein kurzlebiges, als antiaromatisch bezeichnetes 4r-Elektronensystem mit rechteckiger Geometrie im Grundzustand. Es bildet sich u. a. bei der Oxidation seines Eisentricarbonyl-r-Komplexes und kann durch Dienophile abgefangen werden. Dabei entstehen Bicyclo[2.2.0]hexadiene ("DEWAR-Benzene"), die sich thermisch zu den stabileren Benzen-Derivaten umlagern, z. B.: CO2CH3 Ce4+
Fe(CO)3 Cyclobutadieneisentricarbonyl
+ CO2CH 3
CO2CH 3
2-Methoxycarbonylbicyclo[2.2.0]hexa-2,5-dien
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590
31 Organometall-Verbindungen
31 Organometall-Verbindungen 31.1 Definition und Nomenklatur In einer metallorganischen Verbindung sind organische Gruppen (Alkyl- oder Aryl-) mit einem Metall verknüpft. Man bezeichnet die Verbindungen als Alkyl- oder Arylmetalle, z. B.: Li
H3C CH2 CH 2 CH 2 Li Butyllithium
Phenyllithium
Sind mehrere organische Reste an das Metall gebunden, so kommt dies durch die Präfixe Di-, Tri-, Tetra-, Penta- usw. zum Ausdruck: (H 3C CH 2 CH2 CH2)2 Zn
(H3C CH2 CH 2)3 Al
(H3C CH2)4 Pb
Dibutylzink
Tripropylaluminium
Tetraethylblei
Bor-, silicium- und zinnorganische Verbindungen bezeichnet man als Derivate der Hydride Boran (BH3), Silan (SiH4) und Stannan (SnH4): (C6H 5)3 B Triphenylboran
(H3C CH2)4 Sn
(H 3C)4 Si Tetramethylsilan (TMS)
Tetraethylstannan
Alkylmetall-halogen-Verbindungen, von denen die GRIGNARD-Reagenzien am bekanntesten sind, nennt man Alkylmetallhalogenide: H3C CH2 Mg Br Ethylmagnesiumbromid
(H3C CH2)2 Al Cl Diethylaluminiumchlorid
H5C 6 Hg Cl Phenylquecksilberchlorid
Zu den Organometall-Verbindungen im weiteren Sinne gehören auch die in Kap. 30 bereits erwähnten Metall-r-Komplexe sowie die Metallchelate. N N Dibenzenchrom (ein r-Komplex)
2
N
Ni
Cr
2 Cl N
Bis-(2,2´-bipyridyl)-nickel(II)-dichlorid (ein Metallchelat)
31.2 Bindungszustand 31.2.1
Übersicht
Metalle sind elektropositiv; ihre Elektronegativitätswerte EM sind kleiner (EM 2) als die des Kohlenstoffs (EC = 2.5). Daher ist das C-Atom einer C-Metall-Bindung carbanionisch und damit nucleophil im Sinne der folgenden Schreibweisen:
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31.2
Bindungszustand
591
R
M
R
+
f/ R
oder
M
f+ M
Das Ausmaß der Bindungspolarisierung nimmt mit abnehmender Elektronegativität des Metalls zu. Entsprechend liegen die alkali- und erdalkaliorganischen Verbindungen (EM < 1.5) überwiegend ionisch vor. Die metallischen Elemente der Hauptgruppen (EM > 1.5) bilden indessen weniger polarisierte, mehr kovalente Bindungen zu Kohlenstoff. Übergangsmetalle, Lanthaniden und Actiniden neigen in der Mehrzahl zur Bildung von r-Komplexen mit Alkenen und Aromaten. Bei den Edelmetallen gibt es sowohl r-Komplex- (Pd, Pt) als auch Metallorganyl-Bildner (Cu, Ag, Au, Hg) mit vorwiegend kovalenten Metall-Kohlenstoff-Bindungen. Tab. 31.1 skizziert diese Verhältnisse. Tab. 31.1. Charakter von Metall-Kohlenstoff-Bindungen H
He
Li
Be
B
C
N
O
F
Ne
Na
Mg
Al
Si
P
S
Cl
Ar
K
Ca
Sc
Ti
V
Cr
Mn
Fe
Co
Ni
Cu
Zn
Ga
Ge
As
Se
Br
Kr
Rb
Sr
Y
Zr
Nb
Mo
Tc
Ru
Rh
Pd
Ag
Cd
In
Sn
Sb
Te
I
Xe
Cs
Ba
La
Hf
Ta
W
Re
Os
Ir
Pt
Au
Hg
Tl
Pb
Bi
Po
At
Rn
Fr
Ra
Ac Ce
Pr
Nd
Pm
Sm
Eu
Gd
Tb
Dy
Ho
Er
Tm
Yb
Lu
Th
Pa
U
Np
Pu
Am
Cm
Bk
Cf
Es
Fm Md
No
Lr
überwiegend ionisch
31.2.2
überwiegend r-Komplexbildner
überwiegend kovalent
Molekülorbital-Modelle
Im Molekülorbital-Modell käme die Alkalimetall-Kohlenstoff-Bindung durch Überlappung der Hybridorbitale des Kohlenstoffs mit dem kugelsymmetrischen voluminösen s-Orbital des Alkalimetalls zustande. Eine solche Überlappung wäre wenig effektiv, die entsprechende kovalente Alkalimetall-Kohlenstoff-Bindung somit schwach (Abb. 31.1 a); der tatsächliche Bindungszustand ist überwiegend ionisch. Dagegen bilden im anderen Extremfall die schweren Elemente der vierten Hauptgruppe (Si, Ge, Sn, Pb) wenig polare kovalente Alkylmetall-Bindungen, die durch intensive räumlich gerichtete Überlappung von sp3-Hybridorbitalen entstehen (Abb. 31.1 b).
Abb. 31.1. Schwache 2sp3/2s-Überlappung im Methyllithium (a) und starke 2sp3/6sp3-Überlappung im Tetramethylplumban ( b) mit kovalenter Kohlenstoff-Blei-Bindung
H H
C H
CH3 CH 3 Pb
H Li H
a
C H
b
CH3
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592
31 Organometall-Verbindungen
Die r-Komplexbildung vieler Übergangsmetalle und ihrer Kationen wird durch Überlappung besetzter r-Molekülorbitale des Alkens, Polyens oder Aromaten mit leeren d-Orbitalen der Metalle oder Metall-Kationen erklärt. In einer der fünf mesomeren Grenzformeln des CyclopentadienidAnions C5H5/ (Abschn. 30.3.2) resultieren die beiden r-Bindungen z. B. aus der Überlappung je zweier pz-Orbitale gleicher Vorzeichensymmetrie (Abb. 31.2 a,b). Das unbesetzte dyz-Orbital hat die hierzu passende Symmetrie, so daß eine dative pr-dr-Überlappung zustande kommt, durch welche man die Bindung des Eisen(II)-Ions an zwei Cyclopentadienid-Anionen im Ferrocen erklärt. z
Abb. 31.2. (a) Überlappende pz-Orbitale des Cyclopentadienids und ( b) dyz-Orbitale des Eisen(II)-Ions mit kompatibler Vorzeichensymmetrie
a
y z
b
y
Metall-Kohlenstoff-Doppelbindungen klassischer Prägung sind nicht bekannt, selbst nicht mit Silicium, dem kohlenstoffähnlichsten Element. Jedoch gibt es dative r-Bindungen, welche durch seitliche Überlappung zwischen besetzten p-Orbitalen des Benzens (Donator) und vakanten dOrbitalen eines Metalls wie Zinn (Akzeptor) erklärt werden (Abb. 31.3).
Abb. 31.3. Bildung des Molekülorbitals einer dativen pr"-"dr"-Bindung von Kohlenstoff ( a) an Zinn (b) in Tetraphenylstannan (zur Vereinfachung wurde nur eine der vier C-Sn-Bindungen gezeichnet) b
a
31.3 Eigenschaften metallorganischer Verbindungen 31.3.1
Alkylmetalle
Die alkali- und erdalkaliorganischen Verbindungen mit überwiegend ionischer Bindung sind salzartig, dementsprechend schwer flüchtig und wenig löslich in unpolaren Lösemitteln. Durch Wasser werden sie rasch hydrolysiert. An der Luft entflammen sie oft spontan.
31.3.2
Metallorganische Elektronenmangel-Verbindungen
Die Trialkyl- und Triarylmetall-Verbindungen der dritten Hauptgruppe des Periodensystems sind infolge ihres Elektronen-Defizits starke Elektronen-Akzeptoren (LEWIS-Basen). Dementsprechend bilden die Trialkyl-Derivate des Bors und Aluminiums in Analogie zu ihren Hydriden Dimere, welche durch Dreizentren-Bindungen miteinander verknüpft sind, z. B.: Trimethylaluminium-Dimer Schmp. 15 °C
H 3C H 3C
Al
H3C CH3
Al
CH 3 CH 3
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31.4
Allgemeine Methoden zur Herstellung
593
Auch die leichten Metalle der zweiten Hauptgruppe des Periodensystems, vor allem Beryllium, weniger Magnesium, bilden Dialkyl-Derivate, welche aufgrund ihrer Elektronenlücken Dreizentren-Bindungen knüpfen können. Ein bekanntes Beispiel ist Dimethylberyllium, das selbst im Dampfzustand polymer vorliegt: Dimethylberyllium-Polymer Sublimationspunkt : 217 °C Bindungssymmetrie an Be : tetraedrisch
H3C
Be
CH 3
H 3C CH3
H3C
Be
CH 3
Die Organometall-Verbindungen der dritten (B, Al, ...), vierten (Si, Ge, ...), fünften (As, Sb, Bi) und sechsten Hauptgruppe (Te) des Periodensystems mit überwiegend kovalenter Bindung sind dagegen flüchtig und lösen sich gut in unpolaren organischen Lösemitteln. Hydrolysiert werden sie weniger heftig (Trialkylborane) oder überhaupt nicht (Tetraalkylsilane).
31.3.3
GRIGNARD-Verbindungen
Alkylmagnesiumhalogenide lösen sich in Ethern, weil sie als LEWIS-Säuren durch Koordination mit den Ether-Sauerstoff-Atomen als LEWIS-Basen ihr Oktett am Magnesium auffüllen können. R
Elekronenlücke
R
Mg
R
X
R
Elekronenlücke
O Mg O
R X
AlkylmagnesiumhalogenidEther-Komplex
R
Mit 1,4-Dioxan reagieren GRIGNARD-Verbindungen in Diethylether zu schwer löslichen Komplexen. NMR-spektroskopisch wurde nachgewiesen, daß sich die Alkylmagnesiumhalogenide im SCHLENK-Gleichgewicht befinden, wobei ein Halogen-Alkyl-Austausch stattfindet: R 2 Mg . Mg X2
2 R Mg X
Die Verknüpfung zu diesen Dimeren erfolgt über zwei Mg---X---Mg-Dreizentren-Bindungen. Auch die Dimeren lösen sich in Ethern, wobei das positiver geladene Magnesium die Komplexierung der Ether-Moleküle übernimmt: X
R Mg R
OR 2 Mg
X
OR2 OR2
OR 2
31.4 Allgemeine Methoden zur Herstellung 31.4.1
Reaktion von Kohlenwasserstoff und Metall
Alkalimetalle addieren an Stilbene unter Bildung tieffarbiger Salze: H C
H C H
+
2 Na
C
C
+ 2 Na
H
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594
31 Organometall-Verbindungen
CH-Säuren reagieren mit Alkalimetallen unter Wasserstoff-Entwicklung zu den entsprechenden Salzen: 2 (H 5C6)3CH
2 H C C H
+
2 K
2 (H5C 6)3C K + Kaliumtriphenylmethylid
H2
2 H C C
H2
+ 2 Na
Na
+
Natriumethinylid
31.4.2
Reaktion von Halogenalkan und Metall
Die Metallierung von Halogenalkanen ist die am häufigsten angewandte Methode zur Herstellung metallorganischer Verbindungen, wobei die Iod- und Bromalkane am besten reagieren (I>Br>Cl>>F). Da die meisten Organometall-Verbindungen luft- und feuchtigkeitsempfindlich sind und mit vielen Lösemitteln (z. B. Ethanol und Aceton) reagieren, müssen die Reaktionen in inerten, wasserfreien Lösemitteln (Ether, Tetrahydrofuran, Kohlenwasserstoffe) unter Luftausschluß durchgeführt werden. Folgende Beispiele geben eine kleine Auswahl: H3C CH 2 CH2 CH2 Br
+
2 Li
Ether
H3C CH2 CH 2 CH 2 Li
+
LiBr
Butyllithium
H5C 6 Br 2 H3C CH 2
I
+
2 Li
+
2 Zn
H 5C6 Li + Phenyllithium
LiBr
(H 3C CH2)2 Zn
+
ZnI2
Diethylzink
(H3C)2CH Br
+
Mg
(H 3C)2CH MgBr i-Propylmagnesiumbromid
Organokalium- und -natrium-Verbindungen können nicht auf diese Weise hergestellt werden, da diese durch WURTZ-Reaktion zu Alkanen (Abschn. 2.6.3) weiterreagieren: R R
Br
+
M
+
2 M R Br
R
M
+
MBr
R
R
+
MBr
( M = Na , K )
Metall-Legierungen reagieren mitunter besser als die reinen Metalle. Bekannte Beispiele sind die Herstellungsverfahren von Dimethylquecksilber und Tetraethylblei (Tetraethylplumban). 2 CH3
I
4 H 3C CH2 Cl
+
HgNa2
(H3C)2 Hg
+
+
PbNa4
(H3C CH 2)4 Pb
2 NaI +
4 NaCl
Tetraethylblei wurde früher als Antiklopf-Additiv im Benzin verwendet. Die Antiklopfwirkung beruht auf einer thermischen Homolyse (PbR4 › R3Pb‚ + R‚) in Radikale, die ihrerseits bei der Verbrennung entstehende Radikale binden.
31.4.3
Reaktion von Organometall-Verbindung und Metallhalogenid
Die Reaktion einer Organometall-Verbindung / oft ein GRIGNARD-Reagenz / mit Metallhalogeniden in Ether, Tetrahydrofuran oder Benzen als Lösemittel ist ein weitere vielseitige Synthese.
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31.4
Allgemeine Methoden zur Herstellung
595
Zugrunde liegt ein Gleichgewicht, dessen Lage vom Normalpotential der beiden Metalle abhängt. Bevorzugt entsteht die Organometall-Verbindung des weniger elektropositiven, edleren Metalls: H3C CH2 CH 2 CH 2 Li
+
H3C CH2 CH2 CH 2 HgBr
HgBr2
+
LiBr
n-Butylquecksilberbromid
R CH CH MgCl
+
HgCl2
R CH CH HgCl
+
MgCl2
Alkenylquecksilberchlorid
2 C2H 5 MgBr
+
(C2H 5 )2 Cd Diethylcadmium
CdBr2
+
2 MgBr2
Die Darstellung der Silane, Germane und Stannane folgt diesem Prinzip:
31.4.4
4 CH3 MgCl
+
SiCl4
4 CH3 MgCl
+
SnCl4
(H3C)4 Si + Tetramethylsilan
4 MgCl2
(H3C)4 Sn + Tetramethylstannan
4 MgCl2
Metall-Metall-Austausch
Auch zwischen einer Organometall-Verbindung (RM1) und einem Metall (M2) stellt sich ein Gleichgewicht zugunsten des weniger elektropositiven ("edleren") Metalles (M1) ein, R M1
+
M2
R M2
+
M1
das sich gelegentlich zur Herstellung einer Organometall-Verbindung nutzen läßt, z. B.: ( 65 °C , 3 Tage , Ligroin )
(C 2H5 )2 Hg
31.4.5
+
2 Li
2 C 2H5 Li
+
Hg
Halogen-Metall-Austausch
Alkyl-Gruppen sind labiler an Metalle gebunden als Aryl-, Vinyl- und Alkinyl-Reste. Offensichtlich nimmt die Elektronegativität des Kohlenstoffs mit zunehmendem s-Charakter seiner Bindungs-Hybridorbitale zu. Hierauf beruht die Herstellung einiger Aryl- und Alkenylmetalle nach dem Schema R X
+
R Li
R' Li
+
R'
X
R = Aryl-, Alkenyl-, Alkinyl- ; R' = Alkyl- ; X = I > Br > Cl
Ein Beispiel ist die Herstellung von p-Chlorphenyllithium aus p-Chlorbrombenzen: Cl
Br
+
H 3C CH 2 CH 2 CH2 Li
Cl
Li
+
H 3C
CH 2 CH2 CH2 Br
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596
31.4.6
31 Organometall-Verbindungen
Wasserstoff-Metall-Austausch
Der Wasserstoff-Metall-Austausch ist eine gängige Methode zur Herstellung von GRIGNARDVerbindungen aus CH-Säuren, indem man diese mit einem gut zugänglichen Alkylmagnesiumhalogenid reagieren läßt. Cyclopentadienyl- und Alkinylmagnesiumbromide werden z. B. auf diesem Weg hergestellt: H
31.4.7
CH2
+
R C C H
+
H3C CH2 MgBr
+
C 2H6
MgBr
H3C CH2 MgBr
R C C MgBr
+
C 2H6
Addition von Metallhydriden an Alkene
Hydride der dritten Hauptgruppe wie Boran addieren als Elektronenmangel-Verbindungen glatt an Alkene: R CH CH2 + H MH2
+ 2R
CH CH2
R CH 2 CH 2 MH2
(R CH 2 CH 2)3 M
M = B , Al
Trialkylaluminium und die präparativ vielseitig anwendbaren Trialkylborane (Hydroborierung, Abschn. 15.4.4) sind auf diese Weise zugänglich.
31.5 Reaktionen von Alkyl- und Arylmetall-Verbindungen 31.5.1
Reaktion mit Sauerstoff
Zahlreiche Alkyl- und Arylmetall-Verbindungen reagieren mit Sauerstoff. Alkaliorganyle, Trialkylborane, Trialkylammonium-Verbindungen sowie Dialkylzink-Verbindungen entzünden sich spontan an der Luft und können dementsprechend nur unter Schutzgas (Stickstoff, Argon) aufbewahrt bzw. umgesetzt werden: Zn(C2H 5)2
+
7 O2
ZnO
+
4 CO2
+
5 H2O
Dagegen sind die Tetraalkylsilane, -germane, -stannane und -plumbane an der Luft stabile Flüssigkeiten, die erst nach Zündung oder Erhitzen entflammen.
31.5.2
Reaktion mit Halogen
Mit Halogen reagieren die meisten Organometall-Verbindungen unter Bildung von Halogenalkanen und Metallhalogenid: RM
+
X2
R X
+
MX
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31.5
Reaktionen von Alkyl- und Arylmetall-Verbindungen
597
Diese präparativ unbedeutende Reaktion ist eine elektrophile Substitution am Alkyl-C-Atom, die bei ionischen Organometall-Verbindungen mono-, bei wenig polaren dagegen bimolekular abläuft: f/ f-
X X
31.5.3
f/ f-
+
SE2
R M
langsam
f/
f-
X.... X.... R .... M
R X
schnell
+
MX
Hydrolyse und Alkoholyse
Organometall-Verbindungen reagieren mit Wasser umso heftiger, je elektropositiver das Metall ist. Dabei entstehen Alkan und Metallhydroxid durch SE-Protonierung des Alkyl-C-Atoms: f/ f-
HO H
f/ f-
+
Zn(C2H 5)2
H3C Li +
2 H2O
CH 4
+
2 C2H 6
LiOH +
Zn(OH)2
Auch mit Alkoholen, Phenolen, Carbonsäuren, Thiolen und Aminen erfolgt die entsprechende Solvolyse: C 2H5OH
C4H 10 +
[(H 3C)2CH] 2NH
C4H 10 +
C4H 9 Li
C4H 9 Li
+
+
C2H 5O Li Lithiumethanolat
[(H3C)2CH] 2N Li Lithium-N,N-diisopropylamid (LDA)
Hierauf beruht die quantitative Bestimmung des "aktiven Wasserstoffs" (/OH, /NH/) einer Verbindung mit Methylmagnesiumbromid oder -iodid durch gasvolumetrische Messung des freigesetzten Methans (ZEREWITINOFF-Verfahren): R XH
+
CH3 Mg I
R XMg I
+
CH4
X = O , S , NH , NR
Präparative Bedeutung hat die Hydrolyse metallorganischer Verbindungen durch Deuteriumoxid, weil dabei spezifisch deuterierte Alkane entstehen (Deuterium-Markierung): H 3C
CH2 Mg Br
+
D2O
H 3C
CH 2 D
+
DO Mg Br
c-Deuterio-p-xylen
p-Xylylmagnesiumbromid
Tetraalkylsilane, -germane, -stannane und -plumbane sowie quecksilberorganische Verbindungen sind in Wasser stabil. Jedoch reagieren sie mit Halogenwasserstoffen sowie in saurer Lösung, z. B.: (H 3C)4Si
+
4 HCl
SiCl4
+
4 CH 4
Mit Halogenwasserstoff setzen fast alle Alkylmetalle den entsprechenden Kohlenwasserstoff frei: RM
+
HX
MX
+
RH
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598
31.5.4
31 Organometall-Verbindungen
Reaktion mit CH-Säuren
Die leicht zugänglichen Arylmagnesium- und Aryllithium-Verbindungen reagieren mit CHSäuren unter Bildung der entsprechenden Salze, z. B.: R C C H
+
H5C 6 MgBr
R C C
MgBr
+
C 6H6
Auf diese Weise gelingt die Metallierung schwacher CH-Säuren.
31.5.5
Reaktionen zwischen Organometall-Verbindungen
Als Elektronenmangel-Verbindungen (Akzeptoren) reagieren die Trialkyl-Derivate des Bors und Aluminiums mit alkaliorganischen Verbindungen als Donoren zu Tetraalkylboraten und -aluminaten, z. B.: (H 3C)3 B
+
H3C Li
[(H3C)4 B]
Li
Lithiumtetramethylborat
(H 5C6)3 B
+
H5C 6 Na
[(H5C 6)4 B]
Na
Natriumtetraphenylborat
(H 5C2)3 Al
+
H5C 2 Li
[(H5C 2)4 Al]
Li
Lithiumtetraethylaluminat
Die entstehenden Komplexe zeigen Elektrolyt-Charakter. Natriumtetraphenylborat ("Kalignost") reagiert mit Kalium-Salzen in wäßriger Lösung unter Fällung von Kaliumtetraphenylborat, worauf eine quantitative Kalium-Bestimmung beruhte. Als neuere Synthesereagenzien, u. a. zur Herstellung von Ketonen aus Säurehalogeniden, spielen die Lithiumdialkylcuprate eine Rolle: O 2R C Cl
+
O 2R C R'
R'2Cu Li
+
CuCl
+
LiCl
Sie entstehen durch Reaktion von Alkyllithium- und Alkylkupfer-Verbindungen Li R
+
Cu R
R2 Cu Li
oder einfacher aus Kupfer(I)-iodid und zwei Äquivalenten Alkyllithium, z. B.: 2 C4H 9 Li
+
Cu I
/ Li I
C 4H9 Cu
+
C 4H9 Li
(C 4H9)2 Cu Li Lithium-dibutylcuprat
Der erste Schritt ist ein Metall-Metall-Austausch (Abschn. 31.4.4), getrieben durch die Tendenz des elektropositiven Lithiums, ein Salz zu bilden.
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31.5
Reaktionen von Alkyl- und Arylmetall-Verbindungen
31.5.6
599
Reaktion mit Carbonsäurehalogeniden
Viele Organometall-Verbindungen reagieren mit Carbonsäurechloriden zu Ketonen. Bekannt sind die Keton-Synthesen mit Dialkylcadmium (Abschn. 20.6.5) und Lithiumdialkylcupraten. c.dUngesättigte Ketone entstehen durch Reaktion von Alkenylquecksilberhalogeniden mit Carbonsäurehalogeniden: R
O
H +
C C H
R
CH2Cl2 , AlCl3
Cl
HgCl
H C C
C R´ H
+
HgCl2
C O R'
31.5.7
Addition an CC-Doppelbindungen
Die Addition metallorganischer Verbindungen an Alkene ist präparativ ohne Bedeutung, denn die Hydrolyse der Primäraddukte führt zu Alkanen: R C C
+
R Mg X
R
+ H2O
C
C
C
/
/ OH / Mg 2+ / / Br
Mg X
C H
Alkane sind einfacher durch direkte katalytische Hydrierung der Alkene zugänglich. Dagegen ist die stereoselektive, wahrscheinlich konzertiert ablaufende Addition von Iodmethylzinkiodid an Alkene (SIMMONS-SMITH-Reaktion) eine bekannte Cyclopropan-Synthese: CH 2I2 + Zn Ether
R H
31.5.8
C C
H
R
ZnI +
H 2C
R
C
H
H ZnI
R
I
H
+
CH 2
K
H
C
R
ZnI2
R
Addition an CX-Doppelbindungen
GRIGNARD-Synthesen Metallorganische Verbindungen addieren nucleophil an Carbonyl-Verbindungen oder deren Heteroanaloga: C X
+
C XM
RM
X = O , S , NR' ; M = Li , MgBr
R
Das Primäraddukt hydrolysiert in Wasser, C R
XM
+
H 2O
C
XH
+
MOH
R
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600
31 Organometall-Verbindungen
wobei die ursprüngliche CX-Doppelbindung zur CRXH-Gruppe umfunktioniert wird. Die Addition der leicht zugänglichen GRIGNARD-Verbindungen an CX-Mehrfachbindungen findet viele präparative Anwendungen. Bekannte Beispiele sind ‚ Synthesen primärer, sekundärer und tertiärer Alkohole aus Formaldehyd, anderen Aldehyden und Ketonen: + H2O
C O
+
C O Mg Br
R Mg Br
‚
X +
R MgBr
R
X
+ [H+]
C XMg Br
X= O,S
/ Mg / / Br
R
2+
C XH
Synthesen sekundärer und tertiärer Amine aus Iminen und Immonium-Salzen: R'
R' +
C N
R MgBr
R' C N
+
Br
C N
/
MgBr
/ OH / Mg 2+ / / Br
R
H
NH
C
R'
/ MgBr 2
R MgBr
R'
+ H2O
C N R
C N
R'
‚
R
Synthesen von Carbonsäuren und Dithiocarbonsäuren aus Kohlendioxid und Schwefelkohlenstoff: X C X
‚
C OH
/
/ OH / Mg 2+ / / Br
R
R'
R
sowie Synthesen von N-Alkylcarbonsäureamiden aus Isocyanaten: R'
R' N C O
+
R MgBr
N
OMgBr C R
O
+ [H+] / Mg / / Br
R'
2+
R
Bei der Reaktion von GRIGNARD-Verbindungen mit Carbonsäureestern konkurrieren Addition an der Carbonyl-Doppelbindung und Substitution der Alkoxy-Gruppe. Als Endprodukt entsteht ein tertiärer Alkohol mit zwei gleichen Alkyl-Resten: O R1
O MgBr
+ H2O
+
C
2 R MgBr
R1 C
/
/ OR2 / Mg 2+ / / Br
OR 2
R
OH
+ H2O
R
R1 C
/
/ OH / Mg 2+ / / Br
R
R
Alkyl- und Arylalkali-Verbindungen sind meist noch reaktiver als die GRIGNARD-Verbindungen. Alkyllithium-Verbindungen lassen sich z. B. sehr gut carboxylieren: O R
Li
+
C O
O
O R
C O
C OLi
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31.5
Reaktionen von Alkyl- und Arylmetall-Verbindungen
601
REFORMATSKY-Synthesen Auch die Zink-Analoga der GRIGNARD-Verbindungen addieren an die Carbonyl-Doppelbindung. Hierauf beruht die REFORMATSKY-Synthese von d-Hydroxy- und c.d-ungesättigten Carbonsäureestern. Im ersten Schritt entstehen aus c-Halogenester und Zink mesomeriestabilisierte Alkylzinkhalogenide: Zn
+
f/ f-
Br
f- f/
Br Zn C CO2R
C CO2R
H
H
Diese addieren nucleophil an Aldehyde oder Ketone: C O
+
f- f/
Br Zn C CO2R
C
H
C CO2R
BrZnO
H
Im Gegensatz zu GRIGNARD-Verbindungen greifen die Alkylzinkhalogenide dabei nicht am EsterCarbonyl-C-Atom an. Die Hydrolyse des Primäradduktes führt zu d-Hydroxyestern (Abschn. 19.4.1), welche zu c.d-ungesättigten Estern dehydratisieren können, sofern ein c-WasserstoffAtom vorhanden ist: RO O C BrZnO
+ H2O
C C
/
/ OH / Zn2+ / / Br
OR
H
O C
C O
/ H2O
C C
C C
HO
OR
H
Eine Variante der REFORMATSKY-Reaktion erzeugt das Enolat-Anion mit Lithiumdiisopropylamid (LDA) bei tiefen Temperaturen. Nach Zugabe der Carbonyl-Verbindung entstehen d-Hydroxyester mit guten Ausbeuten, z. B.: O
O
+ LiNR2
H3C C OC 2H5
/ HNR2
H2C C
Li
+
O
O
H2C C OC 2H5
+ H2O
OH
/ LiOH
OC 2H5
CH2 CO2C2H 5 1-Ethoxycarbonylmethylcyclopentanol
R = CH(CH3) 2
31.5.9
Addition an CX-Dreifachbindungen
CC-Dreifachbindungen bleiben bei der Reaktion mit Organometall-Verbindungen meist intakt. Dagegen addieren GRIGNARD-Verbindungen leicht an Nitrile. Durch Hydrolyse der Primäraddukte entstehen Ketone (Abschn. 20.6.4): N MgBr R' C N
+
R MgBr
R'
C R
O
+ 2 H2O
/ NH 3 /
/ OH 2+ / Mg / Br
R'
C R
/
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602
31 Organometall-Verbindungen
Die Darstellung des c-Methoxyacetophenons aus Methoxyacetonitril und Phenylmagnesiumbromid ist eine Anwendung: O
+ 2 H2O
H3CO CH 2
C N
+
C 6H5 MgBr
/ NH3 / / OH / Mg 2+ / / Br
H3CO CH 2 C C6H 5
Eine analoge Keton-Synthese gelingt mit Alkyllithium-Verbindungen: N Li R' C N
+
R'
R Li
C
O
+ 2 H2O
R'
/ NH3 / LiOH
R
C R
31.5.10 Nucleophile Öffnung von Oxiran- und Oxetan-Ringen Alkylmetalle, vor allem Lithium-Derivate und GRIGNARD-Verbindungen, reagieren mit Oxiranen und Oxetanen unter nucleophiler Ringöffnung: f/ f-
RM
O
+
+ H2O
R
O M
R
OH
/ MOH
Die Reaktion ist eine Methode zur Einführung von Hydroxyethyl- bzw. Hydroxypropyl-Gruppen durch Oxiran (Ethylenoxid) bzw. Oxetan. So gelingt die Synthese von 3-(2-Pyridyl)-propanol aus metalliertem 2-Methylpyridin (c-Picolin) und Oxiran: N
CH 2 Li +
Ether
O
N
O "Li
+ H2O
N
OH
/ MOH
31.5.11 Nucleophile Substitution Nucleophile Alkylierungen durch GRIGNARD-Reagenzien gelingen am besten mit Allyl- und Benzylhalogeniden als Substraten. Die Reaktionen haben die Kennzeichen von SN2-Substitutionen, wobei mesomeriestabilisierte Übergangszustände durchlaufen werden: H2C CH CH 2
X
+
f/ f-
H2C
R Mg X
CH
R CH 2
/ MgX2
H2C CH CH 2
R
X Mg X
Nach diesem Prinzip kann man Allyl-Gruppen einführen, z. B.: Ether
Br
+
Br Mg
/ MgBr 2
Allylcyclohexan
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31.6 Organosilicium-Verbindungen
603
Die dabei konkurrierende Bildung des 1,5-Hexadiens aus Allylbromid und Allymagnesiumbromid läßt sich nur durch hohe Verdünnung unterdrücken. Ether
Br
+
Br Mg
/ MgBr 2
1,5-Hexadien
Eine weitere nucleophile Substitution von präparativer Bedeutung ist die Alkylierung des Orthoameisensäuretriethylesters durch Alkylmagnesiumhalogenide: OC2H 5
f- f/
X Mg R
+
H C OC2H 5 OC2H 5
O
+ H2O
R CH(OC 2H5)2
2+
/ Mg / /X / / C2H5O
/ 2 C 2 H 5 OH
R C H
Die Reaktion ermöglicht elegante Synthesen aliphatischer und aromatischer Aldehyde, z. B. des 3,3-Dimethylbutanals aus 1-Brom-2,2-dimethylpropan: (H 3C)3C CH 2 CH O
(H 3C)3C CH 2 Br + Mg
+ H2O
/ 2 C 2 H 5 OH
+ CH(OC 2 H 5 ) 3
(H 3C)3C CH 2 Mg Br
(H3C)3C CH2 CH(OC2H 5)2
2+
/ Mg / /X / / C2H5O
Als Beispiele nucleophiler Substitutionen am aromatischen bzw. heteroaromatischen KohlenstoffAtom sind Alkylierungen und Phenylierungen des Pyridins und der Azine durch Alkyl- und Aryllithium bekannt (Abschn. 33.12.4). Enthält der elektrophile Aromat jedoch eine CH-acide Gruppe, so findet deren Metallierung viel leichter statt: H 5C6
N
CH 3
N +
LiH
CH3
N +
Li C6H 5
CH2 Li
C 6H6 +
31.6 Organosilicium-Verbindungen 31.6.1
Vergleichender Überblick
Organosilicium-Verbindungen kann man auch den Organonichtmetall-Verbindungen zuordnen, weil einige Vertreter ähnliche Eigenschaften aufweisen wie die Kohlenstoff-Analogen. Tetramethylsilan, der NMR-Standard (Abschn. 28.5.4), hat z. B. die tetraedrische Molekülgeometrie und das inerte Reaktionsverhalten des vergleichbaren Kohlenwasserstoffs Neopentan (Tab. 31.2).
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604
31 Organometall-Verbindungen
Bei asymmetrisch substituierten Silanen wie Methyl-c-naphthylphenylsilan gelingt die Trennung in optisch aktive Enantiomere: R3
R3 R4 R1
Si S
R2
R2
enantiomere Silane
Si
z. B. R1 = 1-Naphthyl-, R2 = Phenyl-, R3 = Methyl-, R4 = H
R4 R1
R
Im Gegensatz zu den Alkanen CnH2n+2 entflammen die einfachen Silane SinH2n+2 spontan an der Luft. Die Herstellung der Alkylsilane gelingt nach der für typische Alkylmetalle beschriebenen Methode (Abschn. 31.4). Während Halogenmethane gegen Wasser inert sind, werden Siliciumhalogenide rasch hydrolysiert. Die Bindung zwischen Silicium und Elektronendonor-Heteroatomen (Halogene, Sauerstoff, Schwefel, Stickstoff) hat nicht den normalen u-Charakter. Vielmehr erfolgt unter Beteiligung unbesetzter 3d-Orbitale des Siliciums eine pr/dr-Rückbindung: Si
X
Si
X = Cl , Br , OR , SR , NR
X
Tab. 31.2. Ausgewählte Organosilicium-Verbindungen und ihre Kohlenstoff-Analogen Organosilicium-Verbindung Klasse Bezeichnung Formel Silane
Silan Disilan Methylsilan Tetramethylsilan
Halogen- Dichlorsilan silane Trichlorsilan Siliciumtetrachlorid Methyltrichlorsilan Chlortrimethylsilan Silanole
SiH 4 H 3Si SiH 3 H 3C SiH 3 (CH 3)4Si SiH 2Cl2 SiHCl3 SiCl4 H 3C SiCl3 (H 3C)3SiCl
Trimethylsilanol Dimethylsilandiol
(CH 3)3SiOH (CH 3)2Si(OH)2
Siloxane
Dimethylsiloxan Methyltrimethylsilylether
(CH 3SiH 2)2O (CH 3)3SiOCH 3
Silazane
Trimethyltrisilazan Hexamethylsilazan
(CH 3SiH 2)3N [(CH 3)3Si] 2NH
Sdp. °C
Kohlenstoff-Analogon Sdp. °C Formel Bezeichnung
(1013 mbar)
(1013 mbar)
/ 112 / 14.5 / 57.5 27
/ 162 / 88.3
8.3 33 57.6 65.7 57
40 61 76.8 74 51
9.5
98.6 100 (Schmp.) 34.5 56 109 126
82.8 ""/ 35 106
CH 4 H 3C CH 3
Methan Ethan
(CH 3)4C
Neopentan
CH 2Cl2 CHCl3 CCl4 H 3C CCl3 (H 3C)3CCl
Dichlormethan Halogenalkane Trichlormethan Tetrachlormethan 1,1,1-Trichlorethan 2-Chlor-2-methylpropan
(CH 3)3COH (CH 3)2C(OH)2
2-Methyl-2-propanol Acetonhydrat (instabil)
Diethylether (CH 3CH 2)2O (CH 3)3COCH 3 t-Butylmethylether
89.5
Klasse
(CH 3CH 2)3N [(CH 3)3C] 2NH
Triethylamin Di-t-butylamin
Alkane
Alkohole Ketonhydrate Ether
Amine
Entsprechend erhält die SiX-Bindung partiellen r-Charakter. Im Einklang damit stehen eine größere Bindungsenergie (FH), ein kleineres Dipolmoment o und deshalb tiefere Siedepunkte der SiX- im Vergleich zu den CX-Verbindungen: Bindungsenergie FH [kJ / mol] Dipolmoment o" [Debye] Siedepunkt [°C , 1013 mbar]
Si/Cl : 380 1.28
H3Si/Cl : SiHCl3 :
33
C/Cl : 340 1.87
H 3C/Cl :
CHCl3 : 61
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31.6 Organosilicium-Verbindungen
605
Im Unterschied zu Kohlenstoff gibt es hexavalentes Silicium wie das Komplex-Ion SiF62/. Stabile Mehrfachbindungen zwischen Silicium und anderen Atomen, z. B. ,
Si Si
Si C
,
,
Si O
Si C
,
die durch seitliche Überlappung koaxialer p-Orbitale erklärt werden können, waren lange nicht bekannt. So existieren Silicium-Analoga der Ketone nur als Hydrate (Tab. 31.2). Dagegen gibt es jetzt Silylen-Metallkomplexe mit Metall-Silicium-Doppelbindungen, z. B. R2Si=Cr(CO)5, die u. a. mit Carbonyl-Verbindungen Sila-WITTIG-Alkenylierungen eingehen. Tab. 31.2. gibt einen Überblick der Nomenklatur und Siedepunkte einiger OrganosiliciumVerbindungen im Vergleich zu den Kohlenstoff-Analogen.
31.6.2
Herstellung der Halogensilane
Die wichtigsten Ausgangsprodukte zur Synthese fast aller siliciumorganischer Verbindungen sind die Halogensilane. Man erhält sie allgemein durch GRIGNARD-Alkylierung des Siliciumtetrachlorids z. B.: SiCl4
+
C6H 5 Mg Cl
C6H 5SiCl3 + Trichlorphenylsilan
MgCl2
C6H 5SiCl3
+
C6H 5 Mg Cl
(C 6H5)2SiCl2 + Dichlordiphenylsilan
MgCl2
(C 6H5)2SiCl2
+
C6H 5 Mg Cl
(C6H 5)3SiCl + Chlortriphenylsilan
MgCl2
Halogensilane werden technisch nach MÜLLER-ROCHOW durch Reaktion von Chlormethan mit Silicium in Gegenwart von Kupferpulver hergestellt: (Cu-Pulver, 300 - 400 °C)
2 CH 3Cl
+
Si
(H3C)2SiCl2
Das primär entstehende Dichlordimethylsilan disproportioniert, 2 (H 3C)2SiCl2
(H3C)3SiCl
+
H 3CSiCl3
so daß die Synthese auch Chlortrimethylsilan und Methyltrichlorsilan liefert.
31.6.3
Reaktionen der Halogensilane
Nucleophile Substitution am Silicium Das Halogen der Halogensilane ist leicht nucleophil substituierbar. Da es keine experimentellen Beweise für die Existenz von Siliconium-Ionen als Analoga der Carbokationen gibt, geht man davon aus, daß die nucleophile Substitution des Halogens einem SN2-Mechanismus folgt, wobei im Übergangszustand 3d-Orbitale des Siliciums zur Bindung beitragen.
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606
31 Organometall-Verbindungen
Wie üblich kann das Nucleophil hinter der Abgangsgruppe angreifen: Nu B Nu
+
A
langsam
C
Si
B A
Nu
Si
C
Si
B
X
+
C
A
X
X
Dementsprechend erwartet man bei enantiomeren Substraten stets eine Inversion der Konfiguration am Silicium. Tatsächlich gibt es aber Reaktionen, die unter Retention ablaufen, was durch einen flankierenden Angriff des Nucleophils erklärt wird: C B Nu
+
A
Si
langsam
C
A
Si
B
B
A
Nu
X
C
Si
+
X
Nu
X
Die meisten funktionellen Organosilicium-Verbindungen sind durch SN-Reaktionen der Halogensilane zugänglich, wie einige Reaktionen des Chlortrimethylsilans zeigen. ‚ Mit Hydrid als Nucleophil entsteht Trimethylsilan: LiAlH4 in Ether
(H 3C)3SiCl
‚
+
H
/ Cl
(H3C)3SiH
/
Alkylmagnesiumhalogenide alkylieren zum Alkyltrimethylsilan: Ether
Ether
(H 3C)3SiCl + Cl Mg
/ MgCl2
(H 3C)3SiCl + Cl Mg
(H 3C)3Si
(H 3C)3Si
/ MgCl2
Allyltrimethylsilan
Trimethylsilylcyclopropan
‚
Wasser als Nucleophil hydrolysiert zu Trimethylsilanol, welches wie ein Alkohol bimolekular zum Hexamethyldisiloxan dehydratisieren kann: (H 3C)3SiCl
+
H 2O
/ HCl
[H+]
(H 3C)3Si
OH
2 (H3C)3Si
OH
Trimethylsilanol
‚
/ H2O
(H3C)3Si
O Si(CH 3)3
Hexamethyldisiloxan
Mit Alkoholen entstehen bei Gegenwart einer Hilfsbase wie Triethylamin Alkyltrimethylsilylether. Diese der WILLIAMSONschen Ether-Synthese entsprechende Reaktion wird angewendet, um die Hydroxy-Funktion durch Trimethylsilylierung zu schützen. N(C2H5) 3
(H 3C)3SiCl
‚
+
HO R
/ HCl
(H 3C)3Si
O R
Alkyltrimethylsilylether
Enolisierbare Ketone reagieren mit Chlortrimethylsilan zu Silylenolethern, besonders gut bei Gegenwart von Kalium-nonafluorbutansulfonat ("Nonaflat") und Triethylamin: O (H 3C)3SiCl
+
OH CH 2
/
[C4F9SO3 K+ , N(C2H5) 3
H
/ HCl
O
Si(CH 3)3 H
Silylenolether
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31.6 Organosilicium-Verbindungen
‚
607
Auch Epoxide reagieren als Sauerstoff-Nucleophile. Unter Öffnung des Oxiran-Ringes bilden sich d-Chloralkyltrimethylsilylether: (H 3C)3SiCl
O
+
Cl
(H 3C)3SiO
2-Chlorethyltrimethylsilylether
‚
Ammoniak als Stickstoff-Nucleophil gibt vorwiegend Hexamethyldisilazan: / NH4Cl
(H3C)3SiCl
+
2 NH3
(H 3C)3Si NH 2 Trimethylsilylamin + NH3
(H 3C)3SiCl
‚
+ H 2N Si(CH 3)3
(H3C)3Si
/ NH4Cl
NH Si(CH 3)3
Hexamethyldisilazan
Amino-Gruppen, auch in Heterocyclen, werden durch Chlortrimethylsilan und Hexamethyldisilazan zu flüchtigen Derivaten trimethylsilyliert (Schutz der Amino-Funktion): Si(CH 3)3
H N
/ NH3
2
+ N
(H3C)3Si
NH Si(CH3)3
N 2 N 1-Trimethylsilylimidazol
‚
Natriumazid reagiert mit Chlortrimethylsilan in Chinolin zum auffallend thermostabilen Trimethylsilylazid: / NaCl
(H 3C)3SiCl
‚
+
(H3C)3Si N 3 Trimethylsilylazid
Na N3
Typische C-Nucleophile wie Natriumcyanid und Natriumalkinylide reagieren mit Trimethylchlorsilan zu Trimethylsilylcyanid bzw. Trimethylsilylalkinen: N
(H 3C)3SiCl
31.6.4
+
NaCN
O
CH3
(H 3C)3Si CN Trimethylsilylcyanid
/ NaCl
Präparative Bedeutung einiger Organosilicium-Verbindungen
Reagenzien zur Einführung der Trimethylsilyl-Schutzgruppe Neben Chlormethylsilan und Hexamethyldisilazan eignet sich N-Methyl-N-trimethylsilylacetamid sehr gut zur Trimethylsilylierung von XH-Funktionen (X = O, S, NH), wenn man diese bei Synthesen vor unerwünschten Reaktionen schützen muß, z. B.: O H3C C N Si(CH3)3 H3C
O
R
/ H3C C
R
NHCH 3
+
H 3N CH CO2
(H 3C)3Si
NH CH CO2H N-Trimethylsilylaminosäure
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31 Organometall-Verbindungen
Trimethylsilylazid als Ersatzreagenz Das thermostabile Trimethylsilylazid ersetzt die explosiven Alkylazide und Stickstoffwasserstoffsäure, u. a. bei 1,3-dipolaren Cycloadditionen: Si(CH 3)3
R1 + R2
Si(CH3)3 N N N
R1
N N N
R2
1-Trimethylsilyl-1,2,3-triazol
Carbonsäurechloride und Trimethylsilylazid reagieren mit hohen Ausbeuten zu Carbonsäureaziden, deren CURTIUS-Abbau Isocyanate ergibt (Abschn. 22.4.9). O R
C Cl
+ (H3C) 3Si / (H3C) 3Si
O
N3
R Cl
C
50 - 80 °C , / N2
R N C O
> 90 %
N3
Das Verfahren ist eine bequeme Alternative zur Phosgenierung der Amine (Abschn. 25.2.2), wenn an deren Stelle die Carbonsäurechloride zugänglich sind.
Silylenolether als Synthesereagenzien Enolisierbare Ketone lassen sich über die Siloxyalkene (Silylenolether) in c-Stellung substituieren. c-Hydroxyenone erhält man z. B. durch Epoxidation von 2-Trimethylsiloxydienen mit 3-Chlorperoxybenzoesäure und anschließende Hydrolyse des Oxirans in wässriger Säure: OSi(CH 3)3 O
OSi(CH3)3
O
O OH
+ RCO3H
+ H2O
/ RCO2H
/ (CH3) 3SiOH
Cl R=
c-Methylenketone entstehen aus Silylenolethern und Chlordimethylether (starkes Cancerogen)
über das d-Methoxyketon als Primärprodukt: OSi(CH3)3
O H3C
C5H 11
H3C
C 5H11
+ ClCH2OCH 3 (Zn , CuCl , CH2Cl2) / ClSi(CH3) 3
O H3C H3CO
O C 5H11 CH 2
KHSO4 , 100 °C / CH3OH
H 3C
C5H11
CH2 3-Methylen-octan-2-on
Die c-tert-Alkylierung von Ketonen gelingt, wenn man Silylenolether bei tiefen Temperaturen mit einem tertiären Halogenalkan in Gegenwart einer starken LEWIS-Säure wie Zinkchlorid, Eisen(III)-chlorid oder Titantetrachlorid umsetzt. Selbst Verbindungen mit zwei benachbarten quar-
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31.6 Organosilicium-Verbindungen
609
ternären Kohlenstoff-Atomen wie 2-t-Butyl-2-methylcyclohexanon sind auf diese Weise mit hoher Regioselektivität zugänglich: O
OSi(CH 3)3 CH 3
O + (H3C) 3CCl (TiCl4 , / 40 °C)
CH 3
CH 3 C(CH3)3
/ (H3C) 3SiCl
Im Gegensatz hierzu werden Carbonyl-Enolate durch tertiäre Halogenalkane nicht c-alkyliert: O
O + R/X
C
/
C
R = /C(CH3)3 ;
/""X
;
CH3
R
SAKURAI-Reaktion der Allylsilane Die CC-Doppelbindung von Allylsilanen ist nucleophil. Sie addiert an die elektronenarme CCDoppelbindung c,d-ungesättigter Carbonyl-Verbindungen in Gegenwart von Titantetrachlorid als LEWIS-Säure, die das Carbonyl-O-Atom komplexiert. Intermediär bildet sich ein CarbeniumEnolat-Zwitterion, das mit Wasser zur f,g-ungesättigten Carbonyl-Verbindung abreagiert (SAKURAI-Reaktion). 5-Pentenal wird auf diese Weise aus Acrolein und Allylsilan zugänglich. + TiCl4
TiCl4
O
O
Si(CH3)3
Si(CH3)3
O
+ 3 H2O
+
O
Allylsilan + Acrolein
31.6.5
"""""""/ TiO2, / HOSi(CH3)3, / 4 HCl
5-Pentenal
Silicone
Dialkyldichlorsilane (Abschn. 31.6.2) hydrolysieren in Wasser und wäßrigen organischen Lösemitteln zu Dialkylsilandiolen. Unter Katalyse der dabei gebildeten Salzsäure polykondensieren die Silandiole zu hochmolekularen Polydialkylsiloxanen: R n Cl
Si R
+ 2n H2O
Cl
/ 2n HCl
R n HO Si
/ n H2O
OH
R Dialkylsilandiol
R Si
O
R
n Polydialkylsiloxan
Die als "Silicone" besser bekannten Polydialkylsiloxane sind vielseitig anwendbare Werkstoffe. Aus Dialkyldichlorsilanen entstehen ölige Polymere, die wegen ihrer Temperaturbeständigkeit als Heizflüssigkeiten verwendet werden. Da sie wasserabweisend wirken, verwendet man sie auch zur Imprägnierung von Textilien sowie zum Korrosionsschutz. Polyphenylalkylsiloxane sind wachsbis fettartig und finden als Hochtemperaturschmiermittel und Hochvakuumfett Verwendung. Vernetzte Silicone erhält man durch Mischpolykondensation von Silandi- und -triolen. Je nach rela-
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610
31 Organometall-Verbindungen
tiver Molekülmasse und Vernetzungsgrad entstehen plastische, elastische und harte Silicone, die als Werkstoffe in der plastischen Chirurgie, Kautschuk-Ersatz und Isolatoren verwendet werden.
31.7 Metall- -Komplexe 31.7.1
Bindungszustand und Struktur von Sandwich-Komplexen
Bei den bisher besprochenen Organometall-Verbindungen waren die Metalle überwiegend ionisch oder kovalent an bestimmte C-Atome gebunden. Dagegen bestehen bei den Metall-r-Komplexen keine lokalisierten Bindungen zwischen Metall und bestimmten Kohlenstoff-Atomen. Metall und r-System bilden vielmehr ein Molekül definierter Geometrie, wobei r-Elektronen eines Aromaten oder Polyens vakante d-, p- und s-Orbitale des Übergangsmetalls oder -metallions auffüllen. Neben Ferrocen (Abschn. 30.3.3) ist Dibenzenchrom ein bekanntes Beispiel. In beiden Verbindungen werden die sechs vakanten d 2sp3-Hybrid-Orbitale des Eisen(II)-Ions und des Chroms durch die beiden r-Elektronensextette der beiden Aromaten (Cyclopentadienid und Benzen) zur stabilen Krypton-Elektronenkonfiguration aufgefüllt (Abb. 31.4). d 2 sp 3 - Hybridorbitale 2
2r 2r
Fe
b
2r
2r 2r 2r
a
Cr°
c
Abb. 31.4. Elektronen-Konfiguration (a) von Ferrocen (b) und Dibenzenchrom (c)
Ferrocen und Dibenzenchrom sind ihrer Elektronenkonfiguration (Abb. 31.4 a) zufolge diamagnetisch. Dibenzenvanadin hat dagegen ein Elektron weniger im 3d-Zustand und ist daher paramagnetisch. Metallocene wie Ferrocen sowie Dibenzenchrom werden aufgrund ihrer Struktur (Abb. 31.4 b, c) als "Sandwich"-Komplexe bezeichnet. Im Ferrocen stehen die Ring-C-Atome auf Lücke, im Dibenzenchrom dagegen verdeckt. Die Fünfringe des Ferrocens bilden eine Ebene, die Sechsringe des Dibenzenchroms dagegen einen flachen Sessel, wie durch Neutronenbeugung nachgewiesen wurde.
31.7.2
Herstellung und Eigenschaften einiger Übergangsmetall- -Komplexe
Aromaten- -Komplexe Metall-r-Komplexe des Benzens entstehen unter reduzierenden und FRIEDEL-CRAFTS-analogen Bedingungen. Zur Herstellung des Dibenzenchroms wird z. B. wasserfreies Chrom(III)-chlorid, Aluminiumchlorid und Aluminiumpulver mit Benzen erhitzt. Das zunächst gebildete Dibenzenchrom(I)-Ion wird durch zusätzliches Reduktionsmittel (Hypophosphit) zum tiefbraunen, unter Luftausschluß bis 300 °C stabilen Dibenzenchrom(0) reduziert. 2 C6H 6
+
Cr 3
+
2 e0
CrCl3 , AlCl3 , Al , 180 °C
/
(C6H 6)2Cr
+ e0 (H3PO2)
(C 6H6)2Cr
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31.7
Metall-(-Komplexe
611
Die als Metallocene bekannten Sandwich-r-Komplexe mit Cyclopentadienid erhält man allgemein durch Reaktion der wasserfreien Metallhalogenide mit zwei Äquivalenten Cyclopentadienylmagnesiumbromid: 2 C5H 5
MgBr
+
MgBr2
M
+
2 MgBr2
Tripeldecker-Sandwich-r-Komplexe mit zwei verschiedenen Metallen bilden sich u. a. aus Metallocen und Cyclopentadienyl-Metall(II)-tetrafluoroboraten: Ni (C 5H5)2Ni
+
[C 5H5Pd]
BF 4
BF 4 Pd
Alken- und Allyl- -Komplexe Zur Bildung von Alken- und Allyl-r-Komplexen neigen vor allem die Dihalogenide der Platinmetalle. Das seit 1827 bekannte ZEISE-Salz erhält man z. B. durch Einleiten von Ethen in eine Lösung von Tetrachlorplatin(II)-säure und Kaliumchlorid in Ethanol:
H2C CH2
+
H2PtCl4
+
KCl
Cl Cl
/ 2 HCl
Pt
Cl
CH2 K CH2
ZEISE - Salz
Allyl-r-Komplexe bilden sich aus Allylmagnesiumbromid und den wasserfreien Metallhalogeniden. Das gelborange, kristalline, an der Luft entflammende Bis-r-allyl-nickel entsteht z. B. aus wasserfreiem Nickelbromid und Alkylmagnesiumbromid in wasserfreiem Diethylether unter Schutzgas bei /10 °C: H 2C Ether , / 10 °C
2 H2C CH CH 2 MgBr
+
NiBr2
/ MgBr 2
H 2C HC
CH Ni CH 2 CH 2
Cyclopolyen- -Komplexe Cyclopolyen-r-Komplexe der Übergangsmetalle bilden sich aus den Metallhalogeniden und Cyclopolyenen, z. B.: +
PtCl2
PtCl2 Cyclooctadien-platindichlorid (farblos, krist., stabil bis 220 °C)
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31 Organometall-Verbindungen
Eine weitere Methode ist die Kohlenmonoxid-Verdrängung aus Metallcarbonylen durch das Cyclopolyen. So entsteht aus Molybdänhexacarbonyl und Cycloheptatrien der Halbsandwich-rKomplex Cycloheptatrienmolybdäntricarbonyl:
+
Mo(CO)6
+
3 CO
Mo(CO)3
Auf ähnlichem Weg kann auch das an sich nicht faßbare Tetramethylcyclobutadien als Nickelkomplex abgefangen werden. Er entsteht durch Reaktion von Dichlortetramethylcyclobuten und Nickeltetracarbonyl unter Inertbedingungen. Bei der Enthalogenierung mit Alkaliamalgamen bilden sich dagegen die Cyclobutadien-Dimeren.
+ 2 LiHg , Ether
H3C H3C
CH3
H 3C
CH3
H 3C H 3C
Cl
H3C
Cl / 4 CO
CH3
H3C
CH3
CH 3
CH3
H 3C
+ Ni(CO)4
CH3
CH 3
1/2
/ 2 LiCl , / 2 Hg
CH3
H 3C
H 3C
CH 3 NiCl2
Unter reduzierenden Bedingungen gelingt die Herstellung einiger Metall(0)-r-Komplexe aus Metallsalzen oder Metallkomplexen und Cyclopolyenen. Ein Beispiel ist die Reaktion von all-trans1,5,9-Cyclododecatrien mit Nickelacetylacetonat in Gegenwart von Trialkylaluminium als Reduktionsmittel. Es entsteht all-trans-1,5,9-Cyclododecatrien-centro-nickel(0):
+ Ni 2
Ni(C5H7O2) 2 , AlR3
+
2 e0
Ni
all-trans-1,5,9-Cyclododecatrien-centro-nickel(0) (tiefrot, beständig unter N2 bis 140 °C)
Übergangsmetall-Carben-Komplexe Die nucleophile Addition von Lithiumalkylen an Metallcarbonyle ist eine Möglichkeit zur Darstellung von Übergangsmetall-Carben-Komplexen: CO OC OC
M CO
CO CO CO
+ LiR , (C2H5)2O
OC OC R
M C
/
CO
+ [(H3C) 3O]+ BF4
CO
/ LiF , / BF3 , / (H3C) 2O
O
Li
CO OC OC R
M C
CO CO OCH 3
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31.7
Metall-(-Komplexe
31.7.3
613
Präparative Bedeutung von Übergangsmetall- -Komplexen
Übergangsmetall-r-Komplexe finden hauptsächlich als Katalysatoren Anwendung. So gelingt die Hydroformylierung terminaler Alkene (=CH2) in Anwesenheit von Ferrocen oder des Rhodiumcyclooctadienchlorid-Dimeren: R CH CH 2
+
CO
+
H2
+
CO +
H2
Kat.
R CH2 CH 2 CH O
Kat. =
Fe
Cl
Kat.
Kat. =
O
2,6-Dimethyl-1,5-heptadien
Rh
Rh Cl
Citronellal
Cyclodi- und -trimerisierungen des Butadiens werden durch Bis-(cyclooctadien)-nickel(0) katalysiert. Auf diese Weise entstehen vier-, fünf-, sechs-, acht- und zwölfgliedrige Alicyclen (Abb. 31.5).
cis-cis-1,5-Cyclooctadien
4-Vinylcyclohhexen
.2
.2
Kat. =
Ni
.2 .3
1-Vinyl-3-methylencyclopentan
all-trans-1,5,9-Cyclododecatrien
.2
1,2-Divinylcyclobutan
Abb. 31.5. Katalytische Cyclodi- und trimerisierungen des 1,3-Butadiens
Die stereoselektive Polymerisation des 1,3-Butadiens zu cis-Polybutadien gelingt in Anwesenheit von all-trans-1,5,9-Cyclododecatrien-centro-nickel(0) als Katalysator: Ni
97 % cis-
n
n
Als Methode der CC-Verknüpfung bewährt sich die als HECK-Reaktion (Abschn. 4.5.11) bekannte Vinylierung von Arylhalogeniden (X = Cl, Br) oder Triflaten (X = O/SO2/CF3) durch Alkene in Gegenwart von Pd(0)-Komplexen [L2Pd(0)] als Katalysator und einer Base als "Protonenschwamm": X +
Base , L2Pd(0) / HX
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614
31 Organometall-Verbindungen
Mit Cycloalkenen und deren Heteroanaloga wird die HECK-Reaktion chirogen, weil das Intermediat für die d-Eliminierung nur ein syn-ständiges H-Atom bereitstellt. Enantioselektive HECK-Reaktionen gelingen dementsprechend mit Pd(0)-Komplexen aus chiralen Liganden L. H H
*
X +
/ HX , - L2Pd(0)
L2 Pd X
L2Pd(0)
Eine elegante Steroid-Synthese wird durch den Halbsandwich-Komplex Dicarbonyl-cobalt-cyclopentadienid katalysiert. Basis dieser Synthese ist eine Alkin-Cyclotrimerisierung zum Benzocylobuten, dessen elektrocyclische Ringöffnung und anschließende, orbitalsymmetrie-kontrollierte Recyclisierung 2,3-Bis-(trimethylsilyl)-1,3,5-estratrien-17-on ergibt (Abb. 31.6). O
1.) TosCl 2.) NaI
OH
K O LiNH2 / NH3
O
1.) MgBr / Cu I 2.) (H3C)3SiCl
H3C
H 3C
OSi(CH 3)3
Si(CH 3)3 Kat. =
Kat. Co(CO) 2
+ Si(CH 3)3
O
O O
(H 3C)3Si
Kat.
(H 3C)3Si
(H 3C)3Si
(H 3C)3Si
(H 3C)3Si
(H 3C)3Si
Abb. 31.6. r-Komplex-katalysierte Steroid-Synthese nach FUNk und VOLLHARDT
Übergangsmetall-Carben-Komplexe setzen zwar keine Carbene frei, eignen sich jedoch als (elektrophile) Carben-Überträger für CC-Verknüpfungen und Cyclisierungen. So aromatisiert Pentacarbonyl[methoxy(phenyl)carben]chrom (Abschn. 31.7.2) nach DÖTZ unter milden Bedingungen mit Alkinen zum 4-Methoxynaphthol-tricarbonyl-r-Komplex (Abschn. 12.5.4). CO OC OC
Cr C
CO CO 50 °C , / CO
OCH 3
+
R1 C C R2
OCH 3 R1 Cr(CO)3 R2 OH
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31.8
Metallchelate
615
31.8 Metallchelate 31.8.1
Bauprinzip
Donor-Moleküle wie Ammoniak und Wasser können Metall-Kationen koordinativ binden. Dabei füllen die nichtbindenden (n-) Elektronenpaare des Donors vakante Hybridorbitale des MetallKations. So werden bei einer Koordinationszahl von sechs und Oktaeder-Konfiguration sechs d 2sp3-Hybridorbitale durch sechs Donoren-Elektronenpaare aufgefüllt. Unter bestimmten Bedingungen entstehen die Komplex-Ionen des stärkeren Donors. In wäßriger Lösung ist z. B. Ammoniak der stärkere Donor und verdrängt das Wasser aus den Hexaaquo-Komplexen: NH3 6 INH3
+
stärker
H3NI
[ Ni(OH 2)6 ] 2
H3NI
schwächer
INH 3 M INH 3 _ NH3
2
+
6 H2O
Metallchelate entstehen aus Metall-Kation und Molekülen mit mindestens zwei Donor-Gruppen. Häufige Donor-Gruppen sind Amino-, Imino- und Carbonyl-Funktionen. NH _ 2
,
C N _
,
_ C O _
Je nach Anzahl der Donor-Gruppen unterscheidet man zwei-, drei- und mehrzähnige Chelatliganden. Entsprechend bilden sie mit einem Metall-Kation zwei- oder mehr Donor-Bindungen, nehmen das Kation also zwei- oder mehrfach in die Zange. Daraus folgte die Bezeichnung Chelate (griech. egng" = Krebsschere). Bekannte zweizähnige Liganden sind z. B. 1,2-Diamine (Ethylendiamin = 1,2-Diaminoethan), 1,2-Diimine [Butandion-dioxim = Biacetyl-dioxim = Bis-(2,3dihydroxyimino)-butan] und 1,3-Diketon-Enole (Acetylaceton = 2,4-Pentandion): H3C H2 N
O 2
Cu N H2
H2 N N H2
Bis-(ethylendiamin)-kupfer(II)-Ion (blauviolett)
H3C
N
H 2
O N
CH 3
H3C
Ni H3C
N O
N H
CH 3
O
Bis-(butandion-dioxim)-nickel(II) (rot)
H3C
CH 3
O O O
Cr O
O O CH3
H3C Chrom(III)-acetylacetonat (rotviolett)
Die entstehenden Metallchelat-Ringe sind fünf- und sechsgliedrig; Neutralliganden wie Ethylendiamin geben Metallchelat-Ionen, anionische Liganden, wie das Acetylaceton-Enolat führen zu Neutralchelaten, sofern sich entgegengesetzte Ladungen intramolekular kompensieren. Definiert man als metallorganisch nur Verbindungen mit Metall-Kohlenstoff-Bindungen, so sind Metallchelate nicht metallorganisch. Dennoch werden Metallchelate häufig bei den OrganometallVerbindungen eingeordnet.
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616
31.8.2
31 Organometall-Verbindungen
Metallchelat-Effekt
Komplexierungen und Chelat-Bildungen sind Gleichgewichtsreaktionen. Die Verdrängung von Wasser aus Hexaaquo-Komplexionen durch Ethylendiamin (abgek. en) verläuft z. B. in drei Gleichgewichten mit den Konstanten K1, K2 und K3 (wobei in wäßrigen Lösungen die Änderung der H2O-Konzentration vernachlässigt wird). [ Ni(OH 2)6 ] 2
+
en
[ Ni(OH2)4 en ] 2
+
2 H 2O
K1 =
[ Ni(OH2)4 en ] 2
+
en
[ Ni(OH2)2 en2 ] 2
+
2 H 2O
K1 =
[ Ni(OH2)2 en2 ] 2
+
en
[ Ni en3 ] 2
+
2 H 2O
K1 =
c [Ni(OH2) 4 en ] 2+ c [Ni(OH2) 6 ] 2+ c en c [Ni(OH2) 2 en 2 ] 2+ c [Ni(OH2) 4 en ] 2+ c en c [Ni en 3 ] 2+ c [Ni(OH2) 3 en 2 ] 2+ c en
Die Komplexbildungskonstante ergibt sich rechnerisch als Produkt aller Gleichgewichtskonstanten. d = K1 K2 K3
Das Tris-(ethylendiamin)-nickel(II)-Ion als Metallchelat hat eine um 10 Zehnerpotenzen größere Komplexbildungskonstante als das Komplexion [Ni(NH3)6 ]2+: [ Ni(OH 2)6 ] 2 [ Ni(OH 2)6 ]
2
+ +
[ Ni(NH 3)6 ] 2
6 NH3 3 en
[ Ni en3 ]
2
+
6 H 2O
: d = 10 9
(1)
+
6 H 2O
: d = 1019
(2)
Diese gegenüber vergleichbaren Metallkomplexen wesentlich erhöhte Stabilität von Metallchelaten ist als Chelat-Effekt bekannt. Der Chelat-Effekt beruht auf einer viel stärkeren Entropiezunahme bei der Chelat-Bildung, weil hier die Anzahl der unabhängig beweglichen Moleküle stark zunimmt. Die Komplex-Bildung (1) verläuft z. B. mit der Molekülbilanz 0 (aus sieben Molekülen entstehen sieben); bei der Chelat-Bildung (2) entstehen dagegen aus vier Eduktmolekülen sieben Produktmoleküle. Besonders groß wird der Chelat-Effekt, wenn Koordinationszahl des Metallions und Zähnigkeit des Liganden zusammenpassen. So paßt Tris-(2-aminoethyl)-amin zu Metall-Kationen der Koordinationszahl vier mit tetraedrischer oder quadratisch planarer Konfiguration der Donor-Gruppe: N N NH2
NH2
M NH2
H 2N
M
NH 2 NH 2
Sechszähnige Chelat-Liganden wie Tetrakis-(2-aminoethyl)-ethylendiamin oder Ethylendiamintetraacetat (EDTA) komplexieren Metall-Kationen mit der sehr häufigen Koordinationszahl sechs:
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31.8
Metallchelate
617
O 2
2
O
NH2
O N
M
N
NH2
N
NH 2
N
NH2
M O
O O O
O Tetrakis-(2-aminoethyl)-ethylendiamin-Metall(II)-chelat
31.8.3
EDTA-Metall(II)-chelat
Metalltemplate-Effekt
Viele Makroheterocyclen und ihre Metallchelate verdanken ihre Entstehung dem die Ausbeute erhöhenden kinetischen Metalltemplate-Effekt. Er beruht darauf, daß ein Metall-Kation die EduktMoleküle wie eine Schablone durch Chelat-Bildung in einer für den Ringschluß günstigen Geometrie fixiert (template = Schablone). Ein übersichtliches Beispiel ist die Synthese der 1,8Dihydro-1,4,8,11-tetraaza[14]-annulen-2,3,9,10-tetranitrile aus Diaminomaleinsäuredinitril und 3Ethoxyacrolein (Abb. 31.7): NC
NH 2
NC
NH 2
+
M 2 X2
R
R R
NC NC
N
HN
NH
N
CN CN
R 70 pm > rM > 70 pm
+ 2 H5C2O "/ 2 C2H5OH , / 2 H2O , / MX
O
NC
H2 N
2
H2 N
R
CN
M NC
N H2
X2
N H2
CN
+ 2 H5C2O
O
/ 2 C2H5OH , "/ 2 H2O
NC
N
N
CN
N
CN
M NC
N
R rM = 70 pm
Abb. 31.7. Synthese von 1,8-Dihydro-1,4,8,11-tetraaza[14]annulen-2,3,9,10-tetranitrilen und ihrer Metallchelate unter Ausnutzung des Metalltemplate-Effekts
Infolge von Konkurrenzreaktionen, z. B. Polykondensationen, liegen die Ausbeuten je nach Lösemittel zwischen 0 und höchstens 30 %. Führt man den Ringschluß indessen bei Gegenwart von Nickel(II)-acetat durch, so entsteht das Nickel(II)-chelat mit 90 % Ausbeute. Offensichtlich zwingt Nickel(II) zwei Moleküle Ausgangs-Diamin durch Chelat-Bildung in eine für den Ringschluß optimale Anordnung (Abb. 31.7). Verwendet man Chrom(III)-sulfat anstelle von Nickel(II)-acetat als Template-Salz, so bildet sich der metallfreie Makroheterocyclus mit 60 % Ausbeute. Wieder wird das Ausgangs-Diamin für den Ringschluß günstig orientiert. Aber das Templat-Ion paßt nicht mehr in den für Ionen mit Radius um rM = 70 pm selektiven Hohlraum; es ist zu klein (rCr3+ = 63 pm). Deshalb entsteht der freie Ligand, aber mit dem Ausbeutebonus des Metalltemplate-Effekts (Abb. 31.7).
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618
31 Organometall-Verbindungen
31.8.4
Metallchelate makrocyclischer N4-Liganden
Metallchelate des Porphyrins und Chlorins erfüllen als Häm und Chlorophyll biologische Funktionen bei Atmung und Photosynthese (Abschn. 34.7.6). Bedeutende synthetische N4-Liganden sind die Tetrabenzotetraazaporphine (Phthalocyanine, Abschn. 34.7.4), die Dihydrotetraaza[14]annulene sowie das durch Selbstkondensation von 2-Aminobenzaldehyd in Gegenwart von Nikkel(II)-perchlorat als Template-Salz entstehende Tetrabenzotetraaza[16]annulen.
N
N
N
M N
N
N
Porphin-Metallchelate M = Fe, Co, Ni, Zn
31.8.5
N
N
2
N
Ni
Ni N
N
Dibenzo[b,i]dihydrotetraaza[14]-annulen-nickel(II)-chelat
2 ClO4 N
Tetrabenzotetraaza-[16]-annulennickel(II)-perchlorat
Bedeutung von Metallchelaten
Metallanalytik, Metalltrennung Nicht nur als Farbstoffe (Abschn. 34.7.2) und bei einigen Verfahren der Textilfärbung (Abschn. 34.3.3), sondern auch in der Metallanalytik und bei Metalltrennungen spielen Metallchelate eine bedeutende Rolle. Selektive Chelat-Liganden wie Butandion-dioxim oder 8-Hydroxychinolin sind seit langem als Fällungsreagenzien bei gravimetrischen Metall-Bestimmungen bekannt. Auf der Bildung von EDTA-Metallchelaten mit Ethylendiamintetraacetat beruht die komplexometrische Titration der Metall-Kationen. Die tiefe Farbe einiger Metallchelate, d. h. die hohe Intensität ihrer Lichtabsorptionsmaxima im sichtbaren Bereich, ermöglicht empfindliche photometrische Bestimmungen vieler Metall-Kationen unter Anwendung des LAMBERT-BEERschen Gesetzes (Abschn. 28.2.6). Ein bekanntes Beispiel ist die quantitative Bestimmung des Eisen(II)-Ions mit 2,2'-Bipyridin als tiefrotes c-Diimin-Chelat (Abschn. 33.12.1). OH H3C
N
H3C
N
O
H N
F 3C N
N
CF 3 O
H
O
OH Butandion-dioxim (Biacetyldioxim)
8-Hydroxychinolin ("Oxin")
2,2-Bipyridin (2,2'-Bipyridyl)
Hexafluoracetylaceton
Mit Hilfe von Ethylendiamintetraacetat als Elutions-Reagenz gelang die Trennung der Lanthaniden durch Ionenaustausch-Chromatographie. Mit Hexafluoracetylaceton entstehen flüchtige Metallchelate. Hierauf stützen sich Verfahren zur gaschromatographischen Trennung von Metallen. Metallkomplexe und Metallchelate als Katalysatoren Bei vielen Reaktionen werden Metallkomplexe mit organischen Liganden als Katalysatoren eingesetzt. Tris-(triphenylphosphan)-rhodiumchlorid ist z. B. ein Katalysator, der aufgrund seiner Lös-
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31.8
Metallchelate
619
lichkeit in organischen Lösemitteln bei Hydrierungen, Hydroformylierungen und Cyclisierungen in homogener Phase vielseitig Anwendung findet: H 3C
O
H 3C
H3C
O CH CH2 C CH 3 H3C
(H5C6) 3PRhCl
CH C
+
H2
CH 3
4-Methyl-2-pentanon
(H5C6) 3PRhCl
C4H 9
CH CH2
+
CO
+
H2
C 4H9
O CH C H CH
3 2-Methylhexanal
(H5C6) 3PRhCl
O
H
O Cyclopentanon
Zur Herstellung heterogener Rhodium-Komplexe verwendet man polymere Liganden mit Polystyren-Gerüst. Auf diese Weise gelingt eine sparsamere Nutzung des Katalysators: CH
L
CH
CH2
Cl
OC
+ CH CH2
Rh(CO)2Cl
CO
L
Rh(CO)2Cl
Rh
Rh
CO
Cl
OC
L
CH 2
L
CH
L = /NR 2 , /PR2 , /SH
CH 2
Übergangsmetallchelate sind selten katalytisch aktiv. Häufig werden katalytische Eigenschaften der Metalle, ihrer Salze oder r-Komplexe sogar durch Chelat-Bildung unterdrückt. Ein Beispiel ist die SCHIFFsche Base aus Salicylaldehyd und 1,2-Diaminopropan. Sie komplexiert MetallKationen (Co2+, Fe2+), welche die Autoxidation von Kohlenwasserstoffen in Verbrennungsmotoren katalysieren. Aus diesem Grund wird Bis-(2-hydroxyphenylmethyliden)-1,2-diaminopropan als Benzinstabilisator in Konzentrationen von 10/2 omol / L Benzin verwendet. OH 2
O
+
H2N
NH2
OH
/ 2 H2O
N H
H3C
H
HO N H
H3C Bis-(2-hydroxyphenylmethyliden)1,2-diaminopropan
Diese Inhibierung der Kohlenwasserstoff-Autoxidation beruht wahrscheinlich auf einer Oxygenierung der Metallchelate: Die als Salcomine oder Cosalene (Abkürzungsvarianten aus Cobalt, Salicylaldehyd und Ethylendiamin) bekannten Cobalt(II)-Chelate der SCHIFFschen Basen aus Salicylaldehyd und 1,2- sowie 1,3-Diaminen komplexieren Sauerstoff, besonders gut bei Gegenwart von Pyridin als Zusatzligand.
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620
32 Heteroalicyclen
32 Heteroalicyclen 32.1 Übersicht und Ring-Nomenklatur Heteroalicyclen sind cyclische Analoga von Ethern, Enolethern, Thioethern, Aminen und Enaminen, aber auch von Estern (Lactone) und Amiden (Lactame). Im weitesten Sinne kann man sie als Organoelement-Alicyclen auffassen, zu deren Bezeichnung ein für das Heteroatom stehender Präfix vor den Namen des analogen Cycloalkans gestellt wird, z. B.: X
X=O S Se Te
: : : :
OxaThiaSelenaTellura-
X = NR PR AsR SiR2
: : : :
AzaPhosphaArsaSilacyclohexan
Für die am weitesten verbreiteten Heteroatome Sauerstoff, Schwefel und Stickstoff gelten die in Tab. 32.1 zusammengestellten Endungen, welche man den Heteroatom-Präfix (Aza-, Oxa-, Thiafür N, O, S) anschließt, wobei das End-"a" entfällt, weil die Endungen mit einem Vokal beginnen. Aziridin, Azetidin, Oxiran, Oxetan, Thiiran, Thietan sind demnach die Bezeichnungen für Dreiund Vierringe mit Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel als Heteroatom (Tab. 32.2). Für zwei- oder drei gleiche Heteroatome stehen die zusätzlichen Vorsilben Di- und Tri-. Oft wird der Heteroalicyclus auch als hydriertes Derivat der ungesättigten Heterocyclen bzw. der Heteroaromaten bezeichnet (z. B. Tetrahydrofuran, Tetrahydrothiophen, Tab. 32.2). Tab. 32.1. Nomenklatur von Heteroalicyclen, Endungen (HANTZSCH-WIDMANN-System; die in Klammern angegebenen Endungen gelten für Stickstoff als Heteroatom) Ringgröße
max. ungesättigt
max. gesättigt
Ringgröße
max. ungesättigt
max. gesättigt
3
iren (irin)
iran (iridin)
4
et
etan (etidin)
7
epin
epan
8
ocin
5
ol
ocan
ol (olidin)
9
onin
6
in
onan
an (inan)
10
ecin
ecan
32.2 Molekülgeometrie Wie Tab. 32.3 zeigt, sind die Atomabstände und die äußeren H/C/H-Bindungswinkel der heteroalicyclischen Dreiringe mit den Daten des Cyclopropans und acyclischer Ether, Thioether und Amine weitgehend vergleichbar. Im Gegensatz zu Cyclobutan sind Oxetan und Thietan eben, was als Folge verminderter sterischer Wechselwirkung bei Ersatz einer Methylen-Gruppe durch ein zweibindiges Heteroatom erklärt wird. Entsprechende Änderungen der Molekülgeometrie aufgrund des Wegfalls ekliptischer Wechselwirkungen sind auch bei Fünfring-Heteroalicyclen denkbar, jedoch wenig untersucht.
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32.2
Molekülgeometrie
621
Tab. 32.2. Nomenklatur von Heteroalicyclen, einfache Beispiele
Ringgröße
Heteroatom O
S
max. ungesättigt
3
gesättigt
N
max. ungesättigt
gesättigt
max. ungesättigt
gesättigt
O
O
S
S
N
H N
H N
Oxiren
Oxiran
Thiiren
Thiiran
2H-Azirin
1H-Azirin
Aziran (Aziridin)
O
O
S
S
N
Oxet
Oxetan
Thiet
Thietan
Azet
Azetan (Azetidin)
O
O
S
S
H N
H N
Furan
Tetrahydrofuran
Thiophen
Tetrahydrothiophen
Pyrrol (Azol)
Pyrrolidin
S
H N
H N
H N
4
5
O
S
O 1,3-Dioxolan
O
O
O
2H-Pyran
4H-Pyran
Tetrahydropyran
N
1,3-Dithiolan
S
S
NH
Imidazol (1,3-Diazol)
Imidazolidin (1,3-Diazolidin)
H N
H N
1,4-Dihydropyridin
Piperidin
N
S
6 2H-Thiapyran 4H-Thiapyran Tetrahydrothiapyran
O
O
S
S
O
O
1,4-Dioxin
1,4-Dioxan
1,4-Dithiin
O
O
S
S
Oxepin
Oxepan
Thiepin
Thiepan
H N
N
S
S
Pyridin
1,4-Dithian
N
N H
Pyrazin
Piperazin
H N
N
H N
2H-Azepin
Azepan
7 1H-Azepin
Tab. 32.3. Bindungsdaten von Dreiringen und acyclischen Ethern, Thioethern und Aminen Ring
O NH S
äußere H/C/H-Bindungswinkel
A t o m a b s t ä n d e [pm] cyclisch offenkettig
116°
143
116.4°
147
144
142
116.6°
148
148
147
116°
149
182
181
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622
32 Heteroalicyclen
Sechsring-Heteroalicyclen liegen wie Cyclohexan als Sessel-Konformere vor. Dementsprechend sind Ring-Inversionen und / bei Piperidin-Derivaten / zusätzlich Inversionen am Ring-Stickstoff möglich, wie temperaturabhängige NMR-Messungen zeigen: R N R
R
N
N
N
R Inversion am Stickstoff
Ringinversion
32.3 Allgemeine Syntheseprinzipien 32.3.1
Intramolekulare Cyclisierungen
DARZENS-Reaktion Oxiran-2-carbonsäureester (Glycidester) bilden sich bei der DARZENS-Reaktion von c-Halogencarbonsäureestern mit Carbonyl-Verbindungen in Gegenwart von Alkoholat. Das Alkoholat deprotoniert den c-Halogenester zum nucleophilen Carbanion, das mit dem elektrophilen Carbonyl-C-Atom eine CC-Bindung knüpft. Das intermediäre Alkoholat-Anion schließt durch SNReaktion den Oxiran-Ring.
̈"
Cl CH 2 CO2C2H 5 /" C2H5OH
+ C2H5O
R1
R 2 Cl
R2 + Cl CH CO2C2H 5
R1
C
O
CH
R2
/" Cl
CO2C2H 5
R1
O
H CO2C2H 5
O
2-Ethoxycarbonyl-3,3-dialkyloxiran
Intramolekulare Alken-Metathese Die intramolekulare Alken-Metathese (Abschn. 4.5.14) von Diallylethern, Diallylsulfiden und Diallylamiden führt zu den entsprechenden Fünfring-Heterocycloalkenen. Die Metathese des N,NDiallyl-p-tosylamids in Gegenwart von Ruthenium-Komplexen ergibt z. B. N-Tosyl-3-pyrrolin: Ts
Ts
N
N
Kat.
+
Ts =
SO2
CH3
Cyclische Ether aus Diolen und -Halogenalkoholen Die intramolekulare MITSUNOBU-Reaktion (Abschn. 23.4.2) von Diolen macht drei- bis siebengliedrige cyclische Ether zugänglich: CO2 C2 H5 HO (CH 2)n OH
N N
+
H5 C2 O2C
CO2 C2 H5
H +
(C6 H5 )3 P
(CH2)n O
n=2-6
N N
+
H5 C2 O2 C
+
H
(C6 H5 )3 P O
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32.3
Allgemeine Syntheseprinzipien
623
Viele cyclische Ether entstehen nach dem Prinzip der WILLIAMSON-Ether-Synthese (Abschn. 16.3.2) durch intramolekulare Halogenwasserstoff-Abspaltung aus y-Halogenalkoholen:
Br
Ausbeuten n = 2 (Oxiran) n = 3 (Oxetan) n = 4 (Tetrahydrofuran) n = 5 und größer
/ HBr (NaOH)
(CH2)n OH
(CH2)n O
: gut : mäßig : gut : mäßig bis schlecht
Die Ergiebigkeit solcher Cyclisierungen hängt von Ringspannung und Ringschlußwahrscheinlichkeit ab, wie es auch von den Cycloalkan-Synthesen (Abschn. 8.6) bekannt ist. Eine intermolekulare Variante dieses Ringschlußprinzips kommt häufig bei der Synthese makrocyclischer Poly- oder Kronenether zur Anwendung. Dibenzo[18]krone-6, ein symmetrisch benzokondensierter 18-gliedriger Ring mit sechs O-Atomen, wird z. B. aus Brenzcatechin und Bis-(2-chlorethyl)-ether in Gegenwart von Natronlauge unter Verdünnungsbedingungen hergestellt: O
OH 2
O +
2 Cl
Cl
O
+ 4 NaOH / 4 NaCl / 4 H2O
OH
O
O
O O
Dibenzo[18]krone-6
Cyclische Thioether aus -Halogenthiolen In Analogie zu cyclischen Ethern können cyclische Thioether durch intramolekulare Dehydrohalogenierung aus y-Halogenthiolen erhalten werden. Dabei entsteht das y-Halogenthiol oft erst im Reaktionsverlauf und wird dann nicht isoliert: Cl SH
NaHCO3 / HCl
SH
+ H2S
S
O
CH2Cl HO
S
Ba(OH) 2
CH2
Cl
/ HCl
Thiabicyclo[3.1.0]hexan
HO 3-Hydroxythietan
Cyclische Amine aus -Halogenalkylaminen Die intramolekulare Dehydrohalogenierung aus y-Halogenalkylaminen liefert aufgrund geringer Ringspannung und günstiger Ringschlußwahrscheinlichkeit für Pyrrolidine (n = 4) die größten Ausbeuten, wie ein Vergleich der Ringschluß-Geschwindigkeitskonstanten zeigt: n
Br
(CH2)n NH 2
/ HBr (NaOH)
(CH2)n NH
relative Geschwindigkeitskonstante
2 3 4 5 6
70 1 60 000 1 000 2
Aus diesem Vergleich folgt auch, daß Dreiringe leichter entstehen als Vierringe, wenn das Edukt beide Ringschlüsse zuläßt, z. B.: H 3C
/ HBr (NaOH)
SO2 NH CH 2 CH CH 2Br Br
CH 2Br H 3C
SO2 N
2-Brommethyl-1-p-tosylaziran (kein Azetan)
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624
32 Heteroalicyclen
32.3.2
Cycloadditionen
[2+1]-Cycloadditionen Heterocyclische Dreiringe bilden sich durch [2+1]-Cycloadditionen. Dabei kann ein Heteroatom an eine (elektronenreiche) CC- oder CX-Doppelbindung addieren. Beispiele hierzu sind Epoxidationen von Alkenen und Iminen durch Persäuren (PRILEZHAEV-Epoxidation, Abschn. 16.4.3): H 3C
H +
O
C
O
H 3C
H 3C
/ RCO2H
O
H +
O
R
(Z)-2-Buten
H3C (H3C)3C
H 3C
O
N
/ RCO2H
O C
O
H3C N
R
O
(H 3C)3C
cis-2,3-Dimethyloxiran
cis-2-t-Butyl3-methyloxaziridin
Als C1-Baustein werden oft Carbene aus Diazomethanen eingesetzt. An Ketone, Thioketone und Imine als CX-Komponenten cycloaddieren sie zu Oxiranen, Thiiranen und Aziridinen: R2 R1
C
R2
+
CH2N2
F , / N2
R2
R1
R1 O
O
N
C
C6H5
+
(H 5C 6)2CN2
F , / N2
+
CH2N2
F , / N2
R1 N R3
R3
2,2-Dialkyloxiran
H5C 6
C
R2
1,2,2-Trialkylaziran
C6H5 C6H5
H 5C 6
S
C6H5 Tetraphenylthiiran
S
[2+2]-Cycloadditionen Oxetane bilden sich in guten Ausbeuten durch [2+2]-Photocycloaddition von Ketonen an Alkene (PATERNO-BÜCHI-Reaktion, Abschn. 29.5.6): +
hp O
O
d-Lactam-Ringe, die Strukturelemente der Penicilline, bilden sich durch [2+2]-Cycloaddition von Keten an Imine: R1 R1
C C O R1
+
R2
R2
N R2
C N R2
O
R1
R3
R3
Azetidin-2-on (d-Lactam)
[3+2]-Cycloadditionen Die Cycloaddition eines 1,3-Dipols an eine CC- oder CX-Mehrfachbindung (1,3-dipolare Cycloaddition) führt zu ungesättigten stickstoffhaltigen Fünfringen. Diazoalkane und Azide als 1,3-
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32.3
Allgemeine Syntheseprinzipien
625
Dipole cycloaddieren an Alkene z. B. zu Pyrazolinen und Triazolinen. Diese neigen in der Hitze zu Stickstoff-Abspaltungen, was sich zur Synthese von Dreiringen ausnutzen läßt: Diazomethan
Phenylazid
N H 2C
R
N
N R
R
(Z)-Alken
N
H5C6
F , / N2
R
R
N N
H5C6 N N N
N
R
cis-2,3-Dialkylcyclopropan
N H5C 6
H5C 6
H5C 6
cis-3,4-Dialkylpyrazolin
C6H 5
F , / N2
Styren
1,5-Diphenyltriazolin
1,2-Diphenylaziran
[4+1]-Cycloaddition Heteroalicyclische Fünfringe bilden sich durch [4+1]-Cycloaddition. 2,5-Dihydrothiophen-1,1-dioxide werden auf diese Weise aus 1,3-Dienen und Schwefeldioxid dargestellt. Die thermische Cycloreversion setzt die 1,3-Diene wieder frei, z. B. für DIELS-ALDER-Reaktionen. H 3C
H3C +
SO2
SO2 3-Methyl-2,5-dihydrothiophen-1,1-dioxid (maskiertes Isopren)
[4+2]-Cycloadditionen Pyran-Derivate und deren Heteroanaloga sind durch [4+2]-Cycloaddition aktivierter Alkene an Heterodiene zugänglich. Die technisch durchgeführte "Dimerisation" des Acroleins zu 2-Formyl2,3-dihydro-4H-pyran folgt diesem Konzept, + H
6r
H
O
H
O
O
H
O O
O
das auch auf r-Systeme mit zwei Heteroatomen, z. B. Nitroso-Verbindungen, übertragbar ist: +
N
C 6H5
N
C6H 5
O
O
2-Phenyl-3,6-dihydro2H-1,2-oxazin
32.3.3
Ringerweiterung von Carbocyclen durch Stickstoff
Die Ringerweiterung von Cyclohexylaziden durch eine Variante der CURTIUS-Umlagerung (Abschn. 22.4.9) ermöglicht die Herstellung von Azepin-Derivaten: N N N R
/ N2
N
R N
( + wenig
N
)
R R 2-Alkyltetrahydro-7H -azepin
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626
32 Heteroalicyclen
Die Thermolyse des 3-Azido-1,2,3-tri-t-butylcyclopropens ergibt nach demselben Prinzip Tri-tbutylazet (Tri-t-butylazacyclobutadien). Dessen thermische [2+2]-Cycloreversion ist Symmetrieverboten (Abschn. 27.3.2), und die t-Butyl-Gruppen schützen das Molekül vor der Polymerisation. R
R
R
N
R
R
R
/ N2
N N N
N
R
R
R Tri-t-butylazet
R = C(CH3) 3
Auch bei der BECKMANN-Umlagerung von Cyclohexanonoxim und der K.F. SCHMIDT-Reaktion von Cyclohexanon zu g-Caprolactam (Abschn. 22.4.9) wird der Cyclohexan-Ring durch Stickstoff erweitert: + HN3
NH
N
O
/ N2
OH O g-Caprolactam
32.3.5
Katalytische Hydrierung von Heteroaromaten
Die katalytische Hydrierung leicht zugänglicher Heteroaromaten öffnet den Weg zu zahlreichen Heteroalicyclen. Substituierte Piperidine werden z. B. bequem durch katalytische Hydrierung der Pyridine hergestellt: N R
32.3.5
+ 3 H2 / Kat.
R
NH
Carbonyl-Derivatisierung
Fünf- und sechsgliedrige Heteroalicyclen mit zwei Heteroatomen in 1,3-Stellung bilden sich durch Derivatisierung von Aldehyden und Ketonen mit Diolen, Dithiolen, Diaminen, Aminoalkoholen und Aminothiolen: XH (CH2)n YH
+
[H+] , / H2O
O C
X (CH 2)n Y
X O O S S NH O S
Y O O S S NH NH NH
n 2 3 2 3 2 2 2
Heteroalicyclus 1,3-Dioxolan 1,3-Dioxan 1,3-Dithiolan 1,3-Dithian Imidazolidin Oxazolidin Thiazolidin
1,3-Dioxolane sowie 1,3-Dithiolane und 1,3-Dithiane sind in Analogie zu den Acetalen und Ketalen vorzügliche Carbonyl-Schutzgruppen, wenn bei Synthesen Carbonyl-Reaktionen verhindert werden müssen.
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32.4
Funktionelle Reaktionen
627
32.4 Funktionelle Reaktionen 32.4.1
Heteroatom als Nucleophil
Mit Ausnahme der Oxirane zeigen die meisten Heteroalicyclen die für Ether, Thioether und Amine typischen Reaktionen. So läßt sich Thietan durch Wasserstoffperoxid zum Sulfoxid und Sulfon oxidieren und durch Iodmethan zum Sulfonium-Salz alkylieren. LiAlH4
S
CH3
+ CH3 I
S
I
+ H2O2
O
O
+ H2O2
S
/ H2O
S O
/ H2O
Aziridin reagiert als Stickstoff-Nucleophil mit Halogenalkanen und addiert an aktivierte CCDoppelbindungen (MICHAEL-Addition): / HBr (Base)
NH NH
+
+
1-Alkylaziran
N R
R Br
N CH 2 CH 2 C N
H2C CH C N
1-(2-Cyanoethyl)-aziran
Der Oxiran-Ring neigt dagegen nicht nur infolge hoher Ringspannung, sondern auch durch den elektronegativen Sauerstoff besonders leicht zu Ringöffnungen. So addiert Aziran nucleophil unter Erhaltung seines Ringes an Oxiran, das sich hierbei öffnet: NH
+
O
N CH 2 CH 2 OH 1-(2-Hydroxyethyl)-aziran
32.4.2
Carbonyl-Umpolung durch 1,3-Dithian-Derivatisierung
Präparativ nützlich ist, daß die H-Atome in Position 2 des 1,3-Dithiolan- oder 1,3-Dithian-Ringes gegenüber starken Basen wie Butyllithium sauer sind, weil das verbleibende Carbanion unter Beteiligung der d-Orbitale des Schwefels mesomeriestabilisiert wird (Abschn. 20.8.2). Das ursprünglich elektrophile Carbonyl-C-Atom eines Aldehyds wird somit durch 1,3-Dithian-Derivatisierung und anschließende Metallierung zu einem carbanionischen und damit nucleophilen C-Atom umgepolt (Carbonyl-Umpolung nach COREY-SEEBACH, Abschn. 20.8.2), das an elektrophile Substrate addiert. Danach läßt sich die 1,3-Dithianyl-Gruppe mit Quecksilber(II)-Salz oder N-Bromsuccinimid abspalten. 1,3-Dithian läßt sich zweimal metallieren und alkylieren, worauf eine elegante CycloalkanonSynthese beruht. Cyclobutanon entsteht z. B. aus 1,3-Dithian und 1-Brom-3-chlorpropan: S _ H Li S
+
Br
(CH2)3 Cl
/ LiBr
H S
(CH2)3 Br S
+ LiC4H9 / C4H10 / LiCl
+ HgCl 2 , + H2 O
S S
S /
O Hg ."/"2 HCl S
Cyclobutanon
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628
32 Heteroalicyclen
Aldehyde werden über die entsprechenden 1,3-Dithiane zu Ketonen alkyliert (Abschn. 20.8.2). Carbonyl-Verbindungen als Elektrophile ergeben Acyloine, und mit Kohlendioxid entstehen cOxosäuren: S _ R Li
+
R1 O C R2
R S
S
O Li C
S
S _ R Li
+
R1 R2
S /
R
/ LiX
O C O
OH + HgCl2 , + H2O
S
S
R
Hg ."/ LiOH S
O
S
S
/
C
R2 R1
Acyloin
+ HgCl2 , + H2O
CO2 Li
C
R C
Hg .""/ LiCl , / HCl S
CO2H
O c-Oxosäure
32.5 Ringöffnungen In Analogie zum Cyclopropan sind vor allem die Dreiring-Heteroalicyclen nucleophilen Ringöffnungen zugänglich, wobei das Nucleophil rückwärtig zum Heteroatom angreift und dieses als intramolekulare Abgangsgruppe abstößt (SN2-Stoßmechanismus): Nu Nu
Nu
+ X
X
X
Bei unsymmetrisch substituierten Dreiringen wird das Nucleophil, z. B. ein GRIGNARD-Reagenz, an der sterisch zugänglichsten Stelle angreifen: O CH 3 Methyloxiran
OH
+ H2O
+
H 5C6 Mg Br
/
/ Mg 2+ , / OH , / Br
/
H 5C6
CH 2 CH CH 3
1-Phenyl-2-propanol
Viele Dreiringspaltungen verlaufen säurekatalysiert. Treibende Kraft ist dann das protonierte Heteroatom, welches seine Bindung im Ring löst und so ein Nucleophil von der Rückseite anzieht: -"[H+]
Nu
+ NuH +
X
X
/ [H ]
XH
H
Dem SN2-Zugmechanismus folgt z. B. die säurekatalysierte Oxiran-Spaltung zu trans-1,2-Diolen (Abschn. 4.5.8). Die Ringöffnungstendenz vier- und höhergliedriger Ringe ist erheblich geringer. Sulfone neigen jedoch bei höheren Temperaturen zu ringverengenden Schwefeldioxid-Extrusionen. Diese Pyrolyse von Cyclosulfonen ("Sulfonpyrolyse") ist eine Methode zur Synthese spezieller Cycloalkane, z. B. in der Cyclophan-Reihe. (CH 2)n SO2
F
(CH2)n
+
SO2
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32.6
Ringöffnende Ringerweiterungen
629
32.6 Ringöffnende Ringerweiterungen Die thermische Umlagerung von Vinylcyclopropan zu Cyclopenten F
ist auf manche heterocyclische Dreiringe übertragbar, auch wenn anstelle der Vinyl- eine Carbonyl-Gruppe tritt, z. B.: R
R N
F
F
N N
O
N
R 1-Alkyl-2-vinylaziran
1-Alkyl-3-pyrrolin
O R
1-Acylaziran
2-Alkyl-2-oxazolin
Da die treibende Kraft der Ringspannung bei Vierring-Heteroalicyclen geringer ist, erfordern deren ringerweiternde Öffnungen schärfere Bedingungen: HCl (10 Tage)
N
S
S N
H 5C6 1-Thiobenzoylazetan
C6H 5
2-Phenyl-5,6-dihydro-4 H-thiazin
Die COPE-Umlagerung des instabilen 1,2-Divinylcyclopropans zu 1,4-Cycloheptadien (Abschn. 8.6.5, 26.4) ist auf 2,3-Divinyloxiran übertragbar und öffnet den Zugang zu Oxepin-Derivaten: F O
O 1,2-Divinyloxiran
4,5-Dihydrooxepin
Technisch von Bedeutung ist die katalytische, unter Wasserabspaltung verlaufende Ringerweiterung des 2-Hydroxymethyltetrahydrofurans (Tetrahydrofurfurylalkohol) zu 5,6-Dihydro-4H-pyran: Al2O3 , 35 °C , / H2O
H O
CH2OH
O 5,6-Dihydro-4H-pyran
32.7 Additionen an ungesättigte Heteroalicyclen Die Polarisierung der Doppelbindung durch das Heteroatom aktiviert cyclische Enamine und Enolether zu Additionen: + X
H Y
H Y
X
X = O , NR
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630
32 Heteroalicyclen
Alkohole addieren z. B. sehr leicht an 5,6-Dihydro-4H-pyran zu einem cyclischen Acetal: Br
OH
+
Br
O
4-Brombutanol
O
O
O-Tetrahydro-4H-pyranyl-4-brombutanol
Eine intermediär eingeführte Tetrahydropyranyl-Gruppe schützt die Alkohol-Funktion vor nucleophilen Substitutionen, wenn diese selektiv, z. B. an der Brommethyl-Gruppe des 4-Brombutanols, durchgeführt werden müssen. Milde Hydrolyse in wäßriger Säure regeneriert den Alkohol. Während monocyclische Enamine wie ihre offenkettige Analoga säurelabil sind, widerstehen bicyclische Enamine wie Chinucliden infolge der BREDTschen Regel der Hydrolyse in Säuren:
N
N
32.8 Komplexierung durch Kronenether und Cryptanden Die als Kronenether bekannten makrocyclischen Polyether können in ihrem zentralen Hohlraum Alkalimetall-Ionen durch Ionen-Dipol-Wechselwirkung komplexieren (Abb. 32.1). Dabei hängt die Spezifität und Stabilität der Komplexbildung vom Radius des Kations im Verhältnis zum Hohlraum des Kronenethers ab.
Abb. 32.1. Struktur des Komplexes aus Kaliumiodid und Dibenzo[30]krone-10
Alkalisalze, wie Kaliumpermanganat, Kaliumrhodanid oder Kaliumphthalimid, lösen sich nach Zusatz von Kronenethern (KE) in unpolaren organischen Lösemitteln. Daher sind Kaliumpermanganat-Oxidationen oder Substitutionen mit unsolvatisierten ("nackten") Nucleophilen, deren Kation (z. B. K+) durch den Kronenether komplexiert wird, in organischen Lösemitteln unter milden Bedingungen möglich (Anionen-Aktivierung). Ein Beispiel unter vielen ist die Herstellung des Benzylthiocyanats aus Benzylchlorid und Kaliumrhodanid in Gegenwart von Dibenzo[18]krone-6 (Abschn. 32.3.1); diese Reaktion würde mit dem solvatisierten Rhodanid-Anion nicht gelingen. O O CH2 Cl + [ KEK]
SCN
CH2 SCN Benzylthiocyanat
+ [ KEK]
Cl
O
KE = O
O O
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32.9
Mesomerieeffekte und Aromatizität
631
Bicyclische Aminopolyether sind als Cryptanden bekannt und bilden mit in den Hohlraum passenden Kationen Cryptate, jedoch nur in neutraler bis alkalischer Lösung. In saurem Medium entstehen bicyclische Ammonium-Ionen, die das Metall-Kation elektrostatisch und sterisch abstoßen. Makrobicyclische Ammonium-Ionen ohne Polyether-Brücken schließen Anionen wie Chlorid ein und sind insofern die Gegenspieler der Kronenether und Cryptanden. Man bezeichnet die makrocyclischen Ammonium-Ionen auch als Catapinanden, weil sie Anionen wie Cl/ in ihren Hohlräumen verschlingen (griech. mcvcrkpgkp = verschlingen). Entsprechend sind die entstehenden Einschlußverbindungen auch als Catapinate bekannt.
N
N O
O
O
O
N
H O
H
O
Rb O
O
Cl O
O
N
H
O
H
O
N
N
Rubidium-Cryptat
Cryptand in saurer Lösung
Chlorid-Catapinat
32.9 Mesomerieeffekte und Aromatizität Bei acht- bis zehngliedrigen stickstoffheteroalicyclischen Ketonen 1 wurde die "transannulare Amid-Resonanz" formuliert: O
O
N
N
R 1
R 2
Eine zusätzliche längerwellige Carbonyl-Absorption im Infrarotspektrum weist auf den Beitrag des dipolaren Zustandes 2 hin, der in polaren Lösemitteln stabilisiert wird. Die auffallend große 1H-Verschiebung (fH 10) des olefinischen Protons von 2-Methyl-1,1thiirendioxid, welche dem für 2-Methylcyclopropenon gemessenen Wert sehr nahe kommt, spricht für ein heteroaromatisches 2r-Elektronensystem: 2r
CH 3 S O
CH3
CH3
2r
CH3
S O
O
2-Methylthiiren-1,1-dioxid
O
O
O 2-Methylcyclopropenon
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632
33 Heteroaromaten
33 Heteroaromaten 33.1 Definition, Nomenklatur, Übersicht 33.1.1
Monocyclische Heteroaromaten
Die meisten Fünf- und Sechsring-Heteroaromaten stammen formal vom Cyclopentadienid(-Anion) sowie vom Benzen ab: Anstelle von Ring-CH-Fragmenten treten Heteroatome, meist Stickstoff, Sauerstoff oder Schwefel, z. B.: H N
N 6r
Pyrrol
6r
6r
Pyridin
6r
Pyrylium-Ion
6r
Thiapyrylium-Ion
6r
Benzen
CyclopentadienidAnion
O
O Furan
6r
Thiophen
6r
S
S
Zur Bezeichnung der monocyclischen Heteroaromaten haben sich überwiegend Trivialnamen durchgesetzt, die häufig mit der natürlichen Herkunft der Verbindungen zusammenhängen. Systematisch ist die Unterscheidung zwischen Fünf- und Sechsringen mit Stickstoff und weiteren Heteroatomen im Ring: Die Fünfringe werden als Azole, die Sechsringe als Azine bezeichnet. Tab. 33.1 stellt die Bezeichnungen einiger monocyclischer Heteroaromaten zusammen.
33.1.2
Benzokondensierte Heteroaromaten
Auch für benzokondensierte (benzologe) Heteroaromaten gelten überwiegend Trivialnamen. Tab. 33.2 (S. 635) gibt eine Auswahl. Steht kein Trivialname zur Verfügung, so wird die verknüpfende Bindung durch einen eckig eingeklammerten Kleinbuchstaben gekennzeichnet, der den kürzesten Abstand zur Position 1 des Stammheterocyclus angibt, z. B.: 8 7 6
g
8a
h 4a
8
a d c
f e 5
1
N2
b
g
N
3
6
4
Isochinolin
7
g
f e 5
Benzo[g]isochinolin
1 8a
N a
h 4a
d c
N
2
b
N3
f
N
4
Chinazolin
Benzo[f]chinazolin
Benzo-kondensierte Stickstoff-Sechsring-Heteroaromaten werden manchmal auch als AzaDerivate der kondensierten Aromaten gleicher Geometrie bezeichnet (z. B. 2-Azaanthracen anstelle von Benzo[g]isochinolin).
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33.1
Definition, Nomenklatur, Übersicht
633
Tab. 33.1. Übersicht monocyclischer Heteroaromaten
a) Fünfringe ein Heteroatom
H N1
5 4
O
S
Se
Furan
Thiophen
Selenophen
O
S
2 3
Pyrrol
mehrere Heteroatome
H N1 N2
N
Pyrazol
Isoxazol
Isothiazol
H N1
O
S
N3
N
N
Oxazol
Thiazol
O
S
N
1,2,4-Triazol
1,2,4-Oxadiazol
H N
H N
N N N Tetrazol
N
5
N
1,2,4-Thiadiazol
N
N N Pentazol
1
N
N Selenazol
N
N
4N
6
Se
Imidazol
H N1 N2
b) Sechsringe ein Heteroatom
N
P
O
S
Phosphabenzen
Pyrylium-Ion
Thiapyrylium-Ion
2 3
4
Pyridin
mehrere Heteroatome
1
1
N
1
N
N2
N N3
N 4
Pyridazin (1,2-Diazin)
Pyrimidin (1,3-Diazin)
1
N
Pyrazin (1,4-Diazin)
1
N
N2 N3
N
1
N
N2 3
5N
N3
4
1,2,3-Triazin
1,2,4-Triazin 1
1
N N
1,3,5-Triazin
N2 N3
1,2,3,4-Tetrazin
N 5N
1
N2 N3
N 5N
N2
N 4
1,2,3,5-Tetrazin
1,2,4,5-Tetrazin
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634
33 Heteroaromaten
Tab. 33.2. Übersicht benzo-kondensierter Heteroaromaten
a) Benzo-kondensierte Fünfring-Heteroaromaten ein Heteroatom, ein Benzen-Ring
H N1
7a
O
S
2 3a
4
3
Benzo[b]pyrrol (Indol)
ein Heteroatom, zwei Benzen-Ringe
H N9
8a
Benzo[b]furan (Cumaron)
Benzo[b]thiophen (Thionaphthen)
O
S
Dibenzofuran
Dibenzothiophen
1 2
4b 4a
3
4
Carbazol (Dibenzopyrrol)
zwei Heteroatome, ein Benzen-Ring
7a
4
H N1 N2
3a
O
S N
N
3
Benzo[d]pyrazol (1H-Indazol)
Benzo[d]isoxazol (Indoxazol)
Benzo[d]isothiazol
N O Benzo[c]isoxazol (Anthranil) 7a
H N1
S
O 2
4
3a
N3
b) Benzo-kondensierte Sechsring-Heteroaromaten ein Heteroatom, ein Benzen-Ring
8
5
Benzoxazol
1
8a
4a
N
N
Benzimidazol
Benzothiazol
1
N
O
N2
2
S
3 4
Chinolin
Isochinolin
Benzopyrylium-Ion
Thiabenzopyrylium-Ion 1
ein Heteroatom, zwei Benzen-Ringe
9
9a
10
10a
1
1 g
b 6
5a
N
4a
5
1
N
N5 Benzo[g]chinolin
Benzo[g]isochinolin
1
8a
4a
N
3
5a
N 10a N 5
N
Phthalazin 1
N
Chinazolin
N g
b 6
N
4
10 9a
Phenanthridin (Benzo[c]chinolin)
N
N N
N2
Cinnolin 9
4 4a
4
Acridin (Benzo[b]chinolin, Dibenzo[b,e]pyridin)
zwei Heteroatome
c
N2
g
N
Chinoxalin
N
N
g
g
N
4a 4
Phenazin (Benzo[b]chinoxalin)
Benzo[g]cinnolin
Benzo[g]chinazolin
N Benzo[g]chinoxalin
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33.1
Definition, Nomenklatur, Übersicht
33.1.3
635
Heterokondensierte Heteroaromaten
Für manche mit Heterocyclen kondensierte (heterokondensierte) Heteroaromaten werden Trivialnamen bevorzugt. Pyrido[b]- und [c]pyridine sind z. B. als Naphthyridine, Pyrido[g]chinoline als Phenanthroline bekannt. Auch für einige heterocyclisch kondensierte Heteroaromaten, von denen sich viele Naturstoffe und Pharmaka ableiten, sind eher Trivialnamen als systematische Bezeichnungen in Gebrauch (Tab. 33.3). Tab. 33.3. Übliche Bezeichnungen einiger heterocyclisch kondensierter Heteroaromaten a) Pyrido[b]- und [c]pyridine 1
8
6
N 5
N
8a
7
N
2
N
N
N
N
N
4a
N
N
N
N 4
1,5-
1,6-
1,71,8Naphthyridin
2,6-
2,7-
a) Pyrido[h]chinoline
N 7
4
N N
N
4a
h 6a
N
N
1N 10 10b
N
5 6
1,7-
1,8-
Phenanthrolin
1,9-
1,10-
c) Naturstoff-Grundskelette
7
NH
8
1
7a
N
N
4
6
N
5
4
3
Purin
H N7 N9
9a
1
5
Indolizin
N 5
1
8a
4a
N
2 4
H N
O
Pteridin
Alloxazin
O NH
N
4
N H
3
c-Carbolin
N N3
1
N
4b 4a 4
4H-Chinolizin
8
N
H N9
8a
N
4
3
3H-Pyrrolizin
1N
9
1
8a
Ergolin
H N
N
O NH
N O
Isoalloxazin (Flavin)
Zur systematischen Nomenklatur heterokondensierter Heteroaromaten wird zunächst der Stammheterocyclus ausgewählt und die vom Heteroatom ausgehende, der Kondensationsstelle am nächsten stehende Bindung mit a, die folgenden mit b, c, d usw. markiert. Soll z. B. ein Pyridin-Ring als Stammheterocyclus an den Positionen 2 und 3 kondensiert werden, so handelt es sich um ein "[b]pyridin": 1
N
a b
2
3
Den Verknüpfungspositionen des ankondensierten Ringes werden die geringstmöglichen Ziffern zugeordnet. Soll z. B. ein Pyrrol mit den Kohlenstoff-Atomen C-2 und C-3 an die b-Bindung des Pyridins geknüpft werden, so ergibt sich als Bezeichnung Pyrrolo[2,3-b]pyridin:
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636
33 Heteroaromaten
N b
-b]pyridin
2 3
H N
H N
N
Pyrrolo[2,3-
Pyrrolo[2,3-b]pyridin
Zur Unterscheidung von Konstitutionsisomeren ist die gleichsinnige vom Stammheterocyclus definierte Folge von Buchstaben und Ziffern an der verknüpfenden Bindung wesentlich, z. B.: N
2
H N
N
3
Pyrrolo[2,3-b]pyridin im Gegensatz zu Pyrrolo[3,2-b]pyridin 3
2
N H
Stammheterocyclus ist 1. der größtmögliche benennbare Stickstoff-Heterocyclus, z. B.: a
b
N Benzo[h]chinolin (nicht Pyrido[2,3-a]naphthalen)
h
e
g
2.
c d f
der Heterocyclus mit dem höher bewerteten Heteroatom, wenn kein N vorhanden ist, z. B.: Se
Selenopheno[3,2-b]furan (nicht Furo[3,2-b]selenophen)
2 b
O
3
Die Prioritätenfolge der wichtigsten Heteroatome ist O > S > Se > Te > N > P > As > Si > Ge > Sn. 3.
der Heterocyclus mit der größten Anzahl kondensierter Ringe, z. B.: N 2
N
Pyrazino[2,3-a]phenazin (nicht Chinoxalino[5,6-b]chinoxalin)
a
N 3
N
4.
der Heterocyclus mit dem größten Einzelring, z. B.: N
2
Pyrrolo[2,3-b]pyridin (nicht Pyrido[2,3-b]pyrrol)
H N
b 3
5.
der Heterocyclus mit der größten Anzahl von Heteroatomen, z. B.: Pyrido[2,3-d]pyrimidin (nicht Pyrimido[4,5-b]pyridin)
6.
N a
N
d
N
2 3
der Heterocyclus mit der größten Vielfalt von Heteroatomen, z. B.: 1H-Pyrazolo[4,3-d]thiazol (nicht Thiazolo[5,4-c]1H-pyrazol)
S
3
N
H N N
d 4
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33.1
7.
Definition, Nomenklatur, Übersicht
637
der Heterocyclus mit der größten Anzahl der höher bewerteten Heteroatome, z. B.: O
Thiazolo[4,5-f]benzoxazol (nicht Oxazolo[5,4-f]benzothiazol
N
8.
N
2
N
N
N
3
N
besteht Auswahl zwischen den Regeln 1 bis 8, so gilt 1 vor 2 vor 3 usw., z. B.: 4
N
b
N
S
5
für einige ankondensierte Heterocyclen sind gekürzte Präfixe üblich, wie Furo- (nicht Furano-), Thieno-, Imidazo-, Pyrido-, Pyrimido-, Chino-, Isochino-, z. B.:
Thieno[2,3-d]pyrimidin (nicht Thiopheno...)
S
3
N
2
Pyrido[2,3-c]cinnolin (nicht Pyridino-...)
d
N
3
11.
4
c
Isothiazolo[5,4-b]chinolin (nicht Chino[3,2-d]isothiazol, Regel 1 gilt vor 7)
10.
S
der Heterocyclus, welcher an sich die am geringsten bezifferten Heteroatome enthält, wenn zwei Stammheterocyclen gleicher Größe, Art und Anzahl von Heteroatomen zur Wahl stehen, z. B.: Pyrazino[2,3-c]pyridazin (nicht Pyridazino[3,4-b]pyrazin)
9.
5
f
N c
2
N
N
verknüpfende Heteroatome werden beiden Einzelringen zugeordnet, z. B.: 2 N N
N
Pyrazolo[2,3-c]pyrimidin
c
3
12.
Bezifferung a) Heteroatomen wird die geringstmögliche Ziffer unter Beachtung der Prioritätenfolge (Regel 2) zugeordnet, z. B.: Thieno[3,2-d]oxazol
6S
O1
4
N3
5
2
b) verknüpfenden C-Atomen wird die kleinere Nachbarziffer unter Zusatz des Buchstabens "a" zugeordnet; dabei ist die durch die Priorität der Heteroatome definierte Bezifferungsfolge maßgebend, z. B.: 6
S
Thieno[3,2-d]oxazol
6a
O1
5
2 3a
4
, nicht
6
S
1a
O1
4
3a
N3
5
N3
2
c) verknüpfende Heteroatome werden durchgehend und ohne "a" beziffert, z. B.: 5
Imidazo[1,2-c]pyrimidin
6N
4
N
7 8
8a
4
3 2
N1
, nicht
5N
3a
N
6 7
7a
3 2
N1
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638
33 Heteroaromaten
d) NH-Wasserstoff-Atomen des Pyrrols, Pyrazols oder Imidazols wird die geringstmögliche Ziffer zugeordnet, z. B.: C6H 5
H N1 N
1H-Pyrazolo[4,3-b]pyridin
N
1-Phenyl1H-pyrazolo[4,3-b]pyridin
N N
N
e) bei dreifacher Kondensation wird die zusätzliche verknüpfende Bindung gestrichen beziffert, z. B.: N
N
a
2
Furo[2,3-b]chinolin
b
Chinolin
N
O 5
3
c
O
Pyrido[4´,3´:4,5]furo2,3-b]chinolin
5 3´ 4´ 4
4
2´
N 1´
33.2 Tautomerie der Heteroaromaten 33.2.1
Tautomerie ohne Beteiligung von Substituenten
Für Pyrazol und Imidazol sind identische NH-Tautomere formulierbar, während CH2-Formen nur als substituierte tautomerieunfähige Derivate bekannt sind: Pyrazol
H N
Imidazol
N N
NH
H N
N NH
N 1H-Tautomer
2H-Tautomer
N
1H-Tautomer
identisch
3H-Tautomer
CH3
N
CH2 N
N
2H-Tautomer (unbekannt)
CH3
2,2-Dimethyl2H-imidazol (bekannt)
identisch
Die Triazole sowie das Tetrazol existieren in physikalisch nachweisbaren Tautomerie-Gleichgewichten. 1,2,3-Triazol liegt bevorzugt in der 2H-Form vor; dagegen überwiegt im 1,2,4-Isomeren sowie im Tetrazol die 1H-Form: 1,2,3-Tri azol
H N
N N N
1H-
33.2.2
1,2,4-Tri azol
NH N
2H-Tautomer
H N
N N
N 1H-
Tetrazol
N
HN 4H-Tautomer
H N
N N N 1H-
N
NH N N 2H-Tautomer
Tautomerie unter Beteiligung von Substituenten
Fünfring-Heteroaromaten Bei Fünfring-Heteroaromaten mit einem Heteroatom kann für Substituenten des Typs /XH (X = O, S, NH, NR) die Oxo-Enol-, Thioketo-Thioenol- und Imin-Enamin-Tautomerie auftreten: CH2
CH
C O
C OH
Oxo-
Enol-
CH2
CH
CH2
C S
C SH
C NR
Thioketo-
Enthiol-
Imino-
CH C NHR EnaminoTautomer
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33.2
Tautomerie der Heteroaromaten
639
Dementsprechend sind für in 2-Stellung durch XH substituierte Furane (Y = O), Thiophene (Y = S) und Pyrrole (Y = NR) drei, für 3-substituierte Derivate dagegen zwei Tautomere formulierbar: Y
Y
XH
H
1
H
X
H
Y
Y
X
H
Y
X
2
3
H H X
4
5
Obwohl Enol-, Thioenol- und Enamin-Form die Aromatizität des Furans, Thiophens und Pyrrols erhalten, existieren viele XH-substituierte Fünfring-Heteroaromaten in den Carbonyl- oder Heterocarbonyl-Formen. So liegt 2-Hydroxyfuran (X = Y = O) in Naturstoffen als Lacton 2 und 3 vor. 2Hydroxythiophene und 2-Hydroxypyrrole wurden als Oxo-Formen identifiziert. Ebenso existieren 2- und 3-Hydroxyindole aufgrund ihrer Spektren als Oxo-Formen. Das Phenol-Tautomer kann jedoch wie im 2-Acetyl-3-hydroxyindol durch eine intramolekulare H-Brücke stabilisiert werden: H
H
H
N
N
N
CH3
O O O H 2-Acetyl-3-hydroxyindol
O 2-Hydroxyindol (Oxindol)
3-Hydroxyindol (Indoxyl)
Während Thiophen-2- und 3-thiole aufgrund ihrer NMR-Spektren heteroaromatische Thiophenole sind, kann 3-Aminofuran als Enamin und Imin reagieren: O
O
NH2
H H NH
Zusätzliche Stickstoff-Atome im Ring können sich an der Tautomerie beteiligen. So ist in 5-Oxo4,5-dihydropyrazolen (5-Pyrazolonen) bei der 1,3-Dicarbonyl-analogen Oxo-Enol-Tautomerie (CH- und OH-Form) zusätzlich eine NH- oder Enon-Form möglich:
O H
H
R1
R1
N
N
N R2
CH(Oxo-)
HO
R1 N R2
H OH(Enol-)
N
O H
NH R2
NH-Tautomer (Enon-Form)
Dieses Tautomerie-Gleichgewicht ist durch NMR nachweisbar (Abb. 33.1). Seine Lage hängt vom Lösemittel ab. In Chloroform überwiegt beim 3-Methyl-1-phenyl-Derivat (R1 = C6H5, R2 = CH3) die CH-Form. In Dimethylsulfoxid dominiert die OH-, in Wasser dagegen die NH-Form.
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640
33 Heteroaromaten
13
Abb. 33.1. Protonen-breitbandentkoppelte C-NMR-Spektren (20 MHz) des 3-Methyl-5-oxo-1-phenyl-4,5dihydropyrazols. In Hexadeuteriodimethylsulfoxid (Spektrum a) liegen etwa 90 % OH- und 10 % CH-Form vor. In Deuteriochloroform (Spektrum b) ist nur die CH-Form erkennbar
Sechsring-Heteroaromaten Ersetzt ein Stickstoff- das C-Atom in c-Position eines Enols, so ergibt sich formal ein Lactim ("Azaenol"), wie es z. B. im 2-Hydroxypyridin vorliegt: H C
H C
Enol-
OH
H
H C
C
Oxo-
O
N
C
OH
Azaenol-
N
H C
O
OH
2-Hydroxypyridin (Lactim)
C
O
Amid-Tautomer (Amid-Mesomerie)
H N
N
N
H O
N
O
1,2-Dihydro-2-oxo-pyridin (2-Pyridon, Lactam, dominant)
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33.2
Tautomerie der Heteroaromaten
641
Im Infrarotspektrum des 2-Hydroxypyridins spricht eine Carbonyl-Bande bei 1680 cm/1 für die Oxo-analoge Amid-Form. Das Amid-Tautomer ist mesomeriestabilisiert. Die Amid-Resonanz konserviert das r-Elektronensextett und damit die Aromatizität des 2-Hydroxypyridins. Auch 4Hydroxypyridin liegt aufgrund seines IR-Spektrums (pCO 1630 cm/1) als vinyloges mesomeriestabilisiertes Amid vor: H
H
N
N
N
OH
O
O
4-Hydroxypyridin
Die größere Stabilität der Amid-Form des 2-Hydroxypyridins im Vergleich zur gekreuzt konjugierten vinylogen Amid-Form des 4-Hydroxypyridins zeigt sich daran, daß 2,4-Dihydroxypyridin als 4-Hydroxy-2-pyridon existiert. Letzteres ist zugleich der ausgedehntere Chromophor: H OH
N
H O
N
2,4-Dihydroxypyridin
OH
N nicht
OH
O
OH
Die Oxo-Formen des 3-Hydroxypyridins sind keine mesomeriefähigen Amide. Im IR-Spektrum fehlt die Carbonyl-Absorption. Daher liegt 3-Hydroxypyridin als Phenol vor, wobei es Hinweise auf eine zwitterionische Form gibt. H N
N O
N O
N O
N OH
O
3-Hydroxypyridin
Zusätzliche Stickstoff-Atome im Ring erhöhen die Anzahl der Tautomeren wie im Falle des 4Hydroxypyrimidins. Dessen Spektren sprechen für das Amid-Tautomer a. Offenbar ist der ausgedehntere Chromophor des Lactams a stabiler als das gekreuzt konjugierte vinyloge Lactam b: H N
N 4-Hydroxypyrimidin
N NH
N
N
O a
OH
O b
Im stabilsten Tautomer ist demnach erstrangig die Amid-Resonanz und zweitrangig die längstmögliche Konjugation realisiert. Entsprechend kann man die dominanten Tautomeren des 2-Hydroxypyrimidins, Uracils, der Barbitur- und Cyanursäure vorhersagen: O N N H
O NH
NH O
2-Hydroxypyrimidin
N H Uracil
O
O
O
N H
O
Barbitursäure
HN O
NH N H
O
Cyanursäure
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642
33 Heteroaromaten
Das Konzept ist auch auf benzo- und heterocyclisch kondensierte Pyrimidine übertragbar, z. B.: O NH N H
O
O N
O
N
2,4-Dihydroxychinazolin (Bislactam-Tautomer)
HN
NH N H
O N
O
O
N H
N H
2,4-Dihydroxypteridin (Bislactam-Tautomer)
HN O
Xanthin
H N O
N H
N H
Harnsäure
In Analogie zu den Hydroxypyrimidinen und Pyrimidinen liegen Pyridin-2-thiol und Pyrimidin-2thiol als Thioamide (Thioxo-Tautomere) vor, während Pyridin-3-thiol ein heterocyclisches Thiophenol ist: H N
H N
S
S
N
N 2-Thioxo-1,2-dihydropyridin
SH
2-Thioxo-1,2-dihydropyrimidin
Pyridin-3-thiol
Die Amine des Pyridins und Pyrimidins bilden keine Imino-Tautomere (Amidine). So zeigt das IR-Spektrum des 2-Aminopyridins die symmetrische und asymmetrische NH-Valenzschwingung (pas 3450 cm/1, psym 3300 cm/1), wie es zur primären Amino-Gruppe paßt. Entsprechendes gilt für Aminopyrimidine und Triazine: N
N
NH 2
H2N
NH 2 N
N
NH 2 2,4-Diaminopyrimidin
2-Aminopyridin
NH 2
N N
NH2 Triamino-1,3,5-triazin (Melamin)
Ein hoher Anteil der Imino-Form konnte dagegen im Benzensulfonamid des 2-Aminopyridins nachgewiesen werden. Offenbar stabilisiert die Phenylsulfonyl-Gruppe das Imin durch Konjugation: N
H N
O NH S
O N
O
S O
2-(Phenylsulfonylamino)pyridin
33.3 Aromatizität und Struktur von Fünfring-Heteroaromaten 33.3.1
-Elektronendichte-Verteilung
Furan, Pyrrol und Thiophen (Tab. 33.1) sind formale Analoga des Cyclopentadienid-Anions, wobei ein Heteroatom (X = O, NH, S) an die Stelle eines carbanionischen Ring-C-Atoms tritt. Das nichtbindende Elektronenpaar des Heteroatoms ist dann Teil des r-Elektronensextetts, welches
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33.3
Aromatizität und Struktur von Fünfring-Heteroaromaten
643
sich wie im Cyclopentadienid-Anion (Abschn. 30.3.2) im Sinne der folgenden mesomeren Grenzformeln auf fünf Ring-Atome verteilt: _X
X
X
/
\
X
X
X oder
\
6r
/
Auf Kosten des Heteroatoms erhöht sich die r-Elektronendichte an den Ring-C-Atomen. Aus diesem Grund bezeichnet man Furan und seine Heteroanalogen auch als r-ElektronenüberschußHeteroaromaten. In Einklang damit ergeben Molekülorbital-Berechnungen für die Ring-C-Atome des Pyrrols eine erhöhte (negative) r-Ladungsdichte (qr"< 0) im Vergleich zu Benzen (qr = 0): + 0.32
o = 1.84 D
H N
/ 0.1
Pyrrol
/ 0.06
Dipolmoment
H N
/ 0.1 / 0.06
r-Ladungsdichte-Verteilung ( Bezug : Benzen mit qr = 0 )
Dementsprechend zeigen die Protonen und Kohlenstoff-Kerne des Pyrrols im 1H- und 13C-NMRSpektrum trotz des elektronegativen Ring-Stickstoffs kleinere Verschiebungswerte als in Benzen (Tab. 33.4, S. 644). Ferner weist der Dipolmoment-Vektor des Pyrrols vom Stickstoff zum Ring.
33.3.2
Molekülorbital-Modelle
Im Molekülorbital-Modell des Furans und Pyrrols entstehen die vom Heteroatom ausgehenden uBindungen durch sp2-Hybridorbital-Überlappung. Ein doppelt besetztes unhybridisiertes p-Orbital des Heteroatoms überlappt seitlich mit den koaxialen einfach besetzten p-Orbitalen der vier RingC-Atome, so daß sich sechs r-Elektronen auf fünf überlappende Orbitale verteilen:
Überlappung der p-Orbitale in Furan und Pyrrol
X
Im Molekülorbital-Modell des Thiophens können auch 3d-Orbitale des Schwefels an der Hybridisierung teilnehmen: Zwei von drei pd2-Hybridorbitalen des Schwefels überlappen mit den vier einfach besetzten r-Orbitalen der Ring-C-Atome. Dann verteilen sich wie im Benzen sechs rElektronen auf sechs überlappende Orbitale. Die Benzen-Analogie des r-Elektronensextetts wird u. a. durch die auffallend benzenähnlichen 1H- und 13C-Verschiebungen des Thiophens (Tab. 33.4) unterstrichen. In der Valenzstrichschreibweise bringt man dies durch eine zusätzliche Grenzformel mit vierbindigem Schwefel zum Ausdruck: S
S \
\
/
S
S
S
S
/
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644
33 Heteroaromaten
33.3.3
Bindungsausgleich und Mesomerieenergie
Im Vergleich zu den Tetrahydro-Derivaten haben Furan, Pyrrol und Thiophen kleinere C/XBindungsabstände (Tab. 33.4). Die Kohlenstoff-Heteroatom-Bindung hat also partiellen rCharakter, wie er in den mesomeren Grenzformeln zum Ausdruck kommt. Auch die C/CBindungslängen (Tab. 33.4) sind ähnlich und liegen wie im Benzen zwischen Doppel- und Einfachbindung. Das Verhältnis der Atomabstände, C-2/C-3 : C-3/C-4, nimmt parallel zur Mesomerieenergie in der Folge Thiophen > Pyrrol > Furan zu (Tab. 33.4). Weitestgehender Bindungsausgleich und höchste Mesomerieenergie weisen wiederum Thiophen als benzenähnlichsten Fünfring-Heteroaromaten aus. Das weniger aromatische Verhalten von Pyrrol und Furan ergibt sich auch als Folge der im Vergleich zum Schwefel elektronegativeren Heteroatome: Stickstoff und insbesondere Sauerstoff lokalisieren das zur Bildung des r-Elektronensextetts notwendige n-Elektronenpaar stärker als Schwefel. Tab. 33.4. Strukturmerkmale und Aromatizitätskriterien der Fünfring-Heteroaromaten A t o m a b s t ä n d e [ pm ] Verbindung
X/C
C-2/C-3
C-3/C-4
Tetrahydrofuran Furan Pyrrolidin Pyrrol Tetrahydrothiophen Thiophen
143 136 147 138 182 171
154 136 154 137 154 137
154 143 154 143 154 142
Benzen
C-2/C-3 : C-3/C-4
Mesomerieenergie [ kJ/mol ]
0.951
7.42
6.37
142.7 109.6
71
0.958
6.68
6.22
116.5 106.5
92
0.964
7.30
7.10
124.4 126.2
126
128.5
151
1.000
139
chemische Verschiebung fH fC 2-H 3-H C-2 C-3
7.28
33.4 Aromatizität und Struktur von Sechsring-Heteroaromaten 33.4.1
-Elektronendichte-Verteilung, Mesomerie und Bindungsausgleich
Pyridin und die Azine (Tab. 33.1) leiten sich vom Benzen ab, wobei trivalente Stickstoff-Atome die Ring-Kohlenstoffe ersetzen. Das r-Elektronensextett des Benzens sollte demnach erhalten bleiben. Der elektronegative Stickstoff stört jedoch die Gleichverteilung der r-Elektronen, indem er in c- und i-Stellung positiv polarisiert, wie es die mesomeren Grenzformeln beschreiben: _ N
_ N
_ N _
_ N _
_ N _
Im Gegensatz zu Pyrrol ist Pyridin demnach ein r-Elektronenmangel-Heteroaromat. Dementsprechend ergeben Molekülorbital-Berechnungen für die Ring-C-Atome C-2,6 und C-4 eine zugunsten
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33.4
Aromatizität und Struktur von Sechsring-Heteroaromaten
645
des Stickstoff verminderte r-Ladungsdichte. Diese erklärt ein zum Stickstoff gerichtetes Dipolmoment sowie erhöhte chemische Verschiebungswerte der Ring-C-Atome C-2,6 und C-4 bzw. der mit ihnen verknüpften H-Atome in den 13C- und 1H-NMR-Spektren. Der induktive Effekt des Stickstoffs verstärkt die positive Polarisierung in c-Stellung. / 0.50
N
N
+ 0.15
N o = 2.2 D
+ 0.05
N
149.6 124.2
+ 0.10
H 7.0
136.2
r-Ladungsdichte-Verteilung
H 8.6
H 7.6 fC fH chemische Verschiebungen
Dipolmoment
Die aus den Hydrierwärmen zugänglichen Mesomerieenergien des Pyridins und der Azine sind im Vergleich zu Benzen (151 kJ / Mol) geringer: N
N
N N
FH res = 133
N 100 kJ / mol
110
Für einen benzenanalogen Bindungsausgleich im Pyridin spricht dennoch, daß der C/NAtomabstand mit 134 pm zwischen CN-Doppel- (128 pm) und CN-Einfachbindung (147 pm) liegt, und alle CC-Bindungen des Ringes den vom Benzen bekannten Wert (139 pm) aufweisen.
33.4.2
Molekülorbital-Modell des Pyridins
Im Molekülorbital-Modell des Pyridins entstehen die vom Stickstoff ausgehenden u-Bindungen durch sp2-Hybridorbital-Überlappung. Das dritte sp2-Hybridorbital des Stickstoffs wird von dessen nicht bindendem Elektronenpaar besetzt. Das p-Orbital des sp2-hybridisierten Pyridin-NAtoms überlappt seitlich und cyclisch fortlaufend mit den fünf koaxialen p-Orbitalen der Ring-CAtome, so daß sich wie im Benzen sechs r-Elektronen auf drei bindende Molekülorbitale verteilen (Abschn. 9.3, 9.4).
33.4.3
Sechsring-Heterocyclen mit zweibindigen Heteroatomen
Zweibindige Elemente der sechsten Gruppe des Periodensystems (X = O, S) können in den benzoiden Sechsring eingebaut werden, wenn sie eines ihrer n-Elektronenpaare zum r-Elektronensextett beisteuern und dadurch eine positive Ladung übernehmen. Beispiele hierzu sind Pyryliumund Thiapyrylium-Ionen sowie c- und i-Pyrone bzw. Thiapyrone, deren Carbonyl-Gruppe eher Phenol- als Carbonyl-Funktion hat: X
X
X
O
X
O
X
O X = O : Pyrylium-Ion X = S : Thiapyrylium-Ion
X = O : c-Pyron X = S : c-Thiapyron
X
O X = O : i-Pyron X = S : i-Thiapyron
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646
33 Heteroaromaten
Da Schwefel unter Beteiligung seiner d-Orbitale tetravalent wird, sind Thiabenzen-Derivate denkbar. Die Spektren der S-Methyl-Verbindung sprechen jedoch für das Vorliegen des Ylid-Zustands mit dreibindigem Schwefel: CH3
CH 3
CH 3
CH3
CH3
S
S
S
S
S
H 5C6
C6H 5
H5C 6
C6H 5
H 5C6
C 6H5
H 5C6
C 6H5
H 5C6
C 6H5
33.5 Synthese monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten 33.5.1
Allgemeine Methoden
Heterocyclisierung von 1,4-Dicarbonyl-Verbindungen 1,4-Dicarbonyl-Verbindungen cyclokondensieren unter Säurekatalyse zu Furan-Derivaten (PAALKNORR-Synthese). Zwischenstufen sind wahrscheinlich die Dienole. 2,5-Hexandion (Acetonylaceton, R1 = R4 = CH3; R2 = R3 =H) cyclokondensiert z. B. zu 2,5-Dimethylfuran. R3
R3
R2
R2
R3
[H+] , / H2O
R4
R4
R1
R1
O O
O O H H
Dioxo-Tautomer
Diendiol-Tautomer
R4
R2
O
R1
In Gegenwart von Ammoniak oder primären Aminen entstehen aus 1,4-Dicarbonyl-Verbindungen Pyrrole; mit Tetraphosphorheptasulfid erhält man Thiophene. Das Ringschlußprinzip ist auf cAcylaminoketone übertragbar und öffnet dann den Zugang zu 1,3-Azolen wie Imidazol, Oxazol und Thiazol: N Furan
Oxazol
O
O [H+]
P4S7
R
[H+]
N
R NH2
S
O O
N R
H
Thiophen
1,4-Dicarbonyl-Verbindung
Pyrrol
Imidazol
N
NH3
R
NH
N
P4 S10
R O O
S
c-Acylaminoketon
Thiazol
R
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33.5
Synthese monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
647
Heterocyclisierung von 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen 1,2-Azole wie Pyrazole und Isoxazole entstehen mit guten Ausbeuten aus 1,3-Diketonen über deren Enol-Form (Abschn. 20.12) und Hydrazinen bzw. Hydroxylamin: R1 R2
O O R1
R1 + R3 NH NH2
R2
N
N
R2
/ 2 H2O
R3
R1 + HO NH2
O
R2
/ 2 H2O
OH
O
N
R3 = H, Alky l, Ary l
Pyrazol
Isoxazol
Diesem Ringschlußprinzip folgt auch die Synthese von 5-Oxo-4,5-dihydropyrazolen (5-Pyrazolonen) aus d-Oxoestern (19.5.1) und Hydrazinen, z. B.: CH3 O
O OC2H 5
CH 3 +
/ C2 H5 OH , / H2 O
NH 2
HN
O
C 6H5 Acetessigsäureethylester
N
N
C6H 5 3-Methyl-5-oxo-1-phenyl4,5-dihydropyrazol
Phenylhydrazin
Heterocyclisierung von 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen Edukte der Thiophen-Synthese nach HINSBERG sind 1,2-Diketone (Abschn. 20.6.2) und 3-Thiaglutarsäurediester: R1
R2 R1
O R3O2C H2C
+ S
R2
(Base) , / 2 H2O
O
R 3O2C
CH 2 CO2R 3
CO2R 3
S
Thiophen-2,5-dicarbonsäurediester
Die Cyclokondensation von 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen mit Ammoniak und Aldehyden ergibt Imidazole (RADZISZEWSKI-Synthese): R1
R1
O
H +
R2
O
2 NH 3
+
O R3
/ 3 H2O
N R2
N H
R3
Diesem Ringschlußprinzip folgt die erstmalige Synthese des unsubstituierten Imidazols (Glyoxalin, R1 = R2 = R3 = H) aus Glyoxal, Ammoniak und Formaldehyd.
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648
33 Heteroaromaten
Heterocyclisierung von Acyloinen Anstelle der 1,2-Diketone cyclokondensieren nach BREDERECK auch c-Hydroxyketone (Acyloine) mit Formamid in guten Ausbeuten zu Imidazolen. Folgende Schritte führen zum Ringschluß: R1 R2
O
R1
N
OH
R2
N H
H O + H
/ HCO2H
C NH2
CHO
CHO
NH R1
OH
R2
OH
/ H2O
H
O
CHO
R1
NH
R1
NH
R2
OH
R2
O
+ H
R1
NH2
CHO
CHO
H
C
NH
R2
/ H2O
OH
R1
NH
R2
NH CHO
NH CHO
H
Die Cyclokondensation O-acylierter Acyloine mit Ammoniak aus Ammoniumacetat ist ein ergiebiger Weg zu Oxazol-Derivaten: R1
R1
C OO C
R2 H
C O
/
N
+ NH3 (CH3CO2 NH4+ , CH3CO2H)
R3
R2
/ 2 H2O
O
R3
Heterocyclisierung von -Halogenketonen Die Furan-Synthese nach FEIST-BENARY aus c-Halogenketon und 1,3-Dicarbonyl-Verbindung verläuft über ein Aldol-Addukt, das unter Chlorwasserstoff- und Wasser-Abspaltung cyclisiert: R1
H
O +
R2
H
Cl
H O
HO R1
COR3
R2
R4
COR3 H
COR3
R2
R4
COR3
R1
/ H2O , /"HCl
R2
R4
Cl O
H
HO R1
H Cl HO
O
R4
Aldol-Addukt
Bei der Pyrrol-Synthese nach HANTZSCH wird der aus d-Oxoester und Ammoniak entstehende dEnaminoester durch das c-Halogenketon C-alkyliert. Das intermediäre Enaminoketon cyclokondensiert zum Pyrrol: R1
H
H
Cl
CO2R3
+ R2
O
H2N
/ Cl
R4
/
R1 H R2
H CO R3 2
O H2N
R4
-
/ [H _
R1 H R2
O H2N
CO2R3 R4
/ H 2O
CO2R3
R1 R2
N H
R4
- NH3 , /"H2O
H H O
CO2R3 R4
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33.5
Synthese monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
649
Mit Amiden, Thioamiden und Amidinen cyclisieren c-Halogenketone zu Oxazolen, Thiazolen und Imidazolen. H2N
+
R2 N R1
H2N C
R3
R2
S
Cl
C
R3
N
/ HCl, / H2O
R1
subst. Thiazol
R2
O
/ HCl, / H2O
R3
S
+
H
O
R1
O
R3
subst. Oxazol
H2N / HCl, / H2O
+
R3
C HN
R2 N R1
R4
N H
subst. Imidazol
Heterocyclisierung von Acetylendicarbonsäurediestern Furan, Pyrrol und Thiophen entstehen durch MICHAEL-Addition von c-Hydroxy-, c-Amino- und c-Mercaptocarbonyl-Verbindungen an Acetylendicarbonsäurediester und anschließende Cyclokondensation: R1
CO2R 3
O
O H
R1
+ R2
H
R1
CO2R3
OH CO R 3 2
R2
XH
R2
CO2R 3
X H
H
R3
CO2
X
R1
CO2R3
/ H2O
CO2R 3
R2
X
CO2R3
X = O , NH , S
1,3-Dipolare Cycloadditionen Die 1,3-dipolare Cycloaddition ist eine allgemeine Methode zur Herstellung von Azolen aus Alkinen oder Nitrilen als Dipolarophile und Nitriloxiden, Diazoalkanen sowie Aziden als 1,3Dipole. Passende Cycloadditionspartner ergeben sich aus dem gewünschten Heterocyclus, z. B.: Alkinon
R1
C C COR2
R1
COR2
+ O
Nitriloxid
Alkinon
R1
N
4-Acyl-3,5-dialkylisoxazol
C
O R3
C C COR2
R3
N
R1
COR2
R1
COR 2
+ Diazoalkan
R3
CH
N
R3
N
H
N
N
R3
N
NH
5-Acyl-3,4dialkylpyrazol
Alkin
R1
C C
R2
R1
R2
+ Azid
R3 Nitril
N
R1
N
1,4,5-Trialkyl-1,2,3-triazol
N
C N +
Azid
R2
N
N
N
R2 N N N R1 N R2 N N N
1,5-Dialkyltetrazol
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650
33 Heteroaromaten
33.5.2
Spezielle Methoden
Furan-Derivate Furan-2-aldehyd (Furfural) entsteht in technischem Maßstab durch säurekatalysierte Dehydratisierung aus Pentosen, z. B. bei der Destillation von Kleie (lat.: furfur) mit verdünnter Schwefelsäure. Furan selbst wird technisch durch thermische Decarbonylierung des Aldehyds gewonnen. Es entsteht auch bei der Decarboxylierung der Furan-2-carbonsäure (Brenzschleimsäure). ZnO , Cr 2O3 , 400 °C , / CO
HO
OH O
HO HO
[H+] , / 3 H2O
H
/ CO2
+ 1/2 O2
O
H
O
CO2H
O
O
Pentose (aus Kleie)
Furan-2-aldehyd
Furan-2-carbonsäure
Pyrrol-Derivate Technisch wird Pyrrol durch Erhitzen von 2-Butin-1,4-diol mit Ammoniak unter Druck oder aus Furan und Ammoniak hergestellt: HO CH2 C C CH2 OH +
/ H2O
NH3
/ H2O
N H
O
+ NH 3
Das Prinzip der vielseitig anwendbaren Pyrrol-Synthese nach KNORR ist die Cyclokondensation von d-Oxoestern mit c-Aminocarbonyl-Verbindungen. Letztere bilden sich aus den d-Oxoestern durch Nitrosierung der c-Methylen-Gruppe und nachfolgende Reduktion der Isonitroso-Funktion. R1
R1 O
R2O2C
CH2
+ HNO2 / H2O
O R2O2C Zn , CH3CO2H
N
OH /
+
+ 4 [H ] , + 4 e0 .""/"H2O
O H R 2O2C
R1
CO2R2
R1
NH 2
+
H2C O
/ 2 H2O
R1
CO2R 2
R1
CO2R2
H R 2O2C
N
R1
R2O2C
N H
R1
3,5-Dialkoxycarbonyl2,4-dialkylpyrrol
Aus Acetessigsäureethylester (R1 = CH3, R2 = C2H5) kann man auf diese Weise 3,5-Diethoxycarbonyl-2,4-dimethylpyrrol herstellen, dessen Ester-Verseifung und Decarboxylierung 2,4-Dimethylpyrrol ergibt. Thiophen-Derivate Thiophen wird in technischem Maßstab aus Butan und Schwefel in der Dampfphase hergestellt: 500 - 600 °C
H3C CH2 CH 2 CH 3
+
4S
/ 3 H2S
S
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33.5
Synthese monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
651
2,5-Dialkyl-Derivate entstehen durch Addition von Schwefelwasserstoff an 1,3-Diine in alkalischem Medium: OH
R 1 C C C C R2
+
/
H2S
R1
R2
S
Pyrazole, Isoxazole und Isothiazole aus -Aminocrotonsäurenitril d-Aminocrotonsäurenitril, das durch basenkatalysierte aldolanaloge Dimerisierung von Acetonitril hergestellt wird, H H3C C N
+
H 3C
H CH2 C N
C
H3C
CH2 C N
NH
C
C
CN
NH2 d-Aminocrotonsäurenitril (3-Amino-2-butennitril)
heterocyclisiert mit Hydrazinen nach MICHAEL-Addition und Ammoniak-Abspaltung zu 5-Aminopyrazol-Derivaten: CH 3 H
CH3 C
+
C
C
H 2N NH R
H 2N
NH2
R = H , Alkyl , Phenyl
N CH 3 C
R
CH 3
C C
NH HN
N
N
HN
HN
N
R
R
N
CH3
/ NH3
C NH2 N
N
N
R
Die entsprechende Reaktion mit Hydroxylamin führt zu 5-Amino-3-methylisoxazol: CH 3 H
CH3 C
C
+
C
H 2N OH
/ NH3
H 2N
NH2
O
N
N
5-Amino-3-methylisothiazol erhält man durch oxidativen Ringschluß des d-Aminocrotonsäurenitrils mit Schwefelwasserstoff: H
CH3 C
C N
H +
C NH2
H 2S
CH 3
H
C C H2N
C
C C NH 2
S
CH 3
H2N
C
NH
CH 3
- H2O2 / 2 H2O
H 2N
S
N
SH
d-Aminocrotonsäurethioamid (3-Amino-2-butensäurethioamid)
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652
33 Heteroaromaten
1,2,4-Triazole und Tetrazole aus Aminoguanidin 3-Amino-1,2,4-triazol, ein Herbizid, wird durch Erhitzen von Aminoguanidin (Abschn. 25.7.3) mit Ameisensäure in Gegenwart von Alkalihydroxid hergestellt: HN
C HN
NH 2
O +
/ H2O
C H
C HN
HO
NH 2
HN
NH2 O
( OH +
C
/ H2O
N H
/
H
Formylaminoguanidin
H2N
N N N H
3-Amino-1,2,4-triazol
5-Aminotetrazol entsteht durch Diazotierung des Aminoguanidins und oxidativen Ringschluß: NH H 2N
C
N N
+ HNO2
N H
NH 2
/ 2 H2O
N
H 2N
N H
N N
+ HNO2 / 2 H2O
N N
+ C2H5OH
N
N2
N
/ CH3/CHO / N2
N
N H
5-Aminotetrazol
Die weitere Diazotierung des 5-Aminotetrazols führt zum Diazonium-Zwitterion, das durch Ethanol zum Tetrazol reduziert wird.
33.6 Synthese benzo-kondensierter Fünfring-Heteroaromaten 33.6.1
Benzo[b]furan (Cumaron)
Benzo[b]furane (Cumarone) werden durch Ringverengung der Cumarine hergestellt. Teilschritte dieser Synthese sind Brom-Addition, Dehydrobromierung, Lacton-Ringspaltung, Cyclodehydrohalogenierung und Decarboxylierung der zunächst entstandenen Cumarilsäure (2-Carboxybenzo[b]furan): R
subst. Cumarin
O
subst. Cumaron
R O
O
/ CO2
+ Br 2
Br Br R O
O
(KOH, Kälte) / HBr
Br R
(KOH , F) + H2O
CO2H R
O
O
Br OH
(KOH) / HBr
CO2H
R O
subst. Cumarilsäure
Ein bequemerer Weg zum Cumaron ist die intramolekulare Cyclokondensation von 2-Acylphenoxyessigsäureestern: R1
R1 O
OH
/
(Base)
+
Cl
CH2 CO2R 2
/ HCl
O
O CH2 CO2R 2
R1
( OR ") / H2O
CO2R2 O
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33.6
Synthese benzo-kondensierter Fünfring-Heteroaromaten
33.6.2
653
Benzo[b]thiophen (Thionaphthen)
Das naphthalenähnliche Benzo[b]thiophen (Thionaphthen) wird technisch durch katalysierte Cyclodehydrierung von Styren und Schwefelwasserstoff hergestellt. Im Labormaßstab entsteht es durch oxidative Heterocyclisierung von 2-Mercaptozimtsäure: / CO2
600 °C , Fe2S3 / Al2O3
+ H 2S
33.6.3
/ 2 H2
CO2H
K3[Fe(CN) 6]
CO2H
/ 2 [H+] , / 2 e0
S
S
/
SH
Benzo[b]pyrrol (Indol)
Die Indol-Synthese nach FISCHER aus Phenylhydrazin und 2-Alkanon verläuft über das Phenylhydrazon, dessen Tautomer 1 durch [3,3]-sigmatrope Verschiebung (Diaza-COPE-Umlagerung) in das 1,4-Diimin 2 übergeht. Das nach Rearomatisierung entstehende d-(o-Aminophenyl)iminoethan 3 cyclisiert zum 2-Amino-2,3-dihydroindol 4. Letzteres eliminiert Ammoniak. Daß der d-Stickstoff des Phenylhydrazins als Ammoniak abgeht, ist erwiesen, weil mit 15Nd-angereichertem Phenylhydrazin (vgl. Stern-Markierung) 15N-freies Indol entsteht. R3
R3 H2C N H
R1 / H2O
C *N
R1
Kat.
R3 H
R2
R2
1
N H
H R3 R2
* NH NH2
* NH NH
*NH R1
2
H R3
R2
R1
R1
3
N H
4
R2 * NH
2
* 3 / NH
Kat. = ZnCl 2 , H2SO4 oder BF3
R3 R3
R1
N H
*NH2 +
substituiertes Phenylhydrazin
H 2C
C
R2
R2 N H
R1
O """""""c-Methylencarbonyl-Verbindung
Indol
Neben dieser vielseitig anwendbaren Methode sind weitere Verfahren bekannt, z. B. die Reduktion von Indoxyl (Abschn. 33.2.2) sowie die Cyclokondensation von N-Formyl-o-toluidin (MADELUNGSynthese): O +
/
/
/
(RO , N2 , 350 °C)
+ 2 [H ] , + 2 e0 ( Zn , OH )
N H Indoxyl
/ H2O
N H
/ H2O
+
CH3 O N H
H 3C
C O
H
O
C O
/ CH3CO2H
H
CH 3 NH 2
N-Formyl-o-toluidin
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654
33 Heteroaromaten
33.6.4
Benzo-1,2-azole (Indazol, Benzoisoxazol, Benzoisothiazol)
Der Indazol-Ring kann auf drei Wegen a - c geschlossen werden: N
N N
N N
N
a
b
c
Auf Weg a entstehen Indazole (Benzopyrazole) durch Heterocyclisierung diazotierter o-Toluidine: CH 3
CH3
+ HNO2 , / 2 H2O
R
/ [H+]
R
N
R
NH 3
N H
N2
Ein Beispiel zum Ringschlußprinzip b ist die intramolekulare Cyclokondensation von 2-Aminophenonoximen: R2
R2 + H2N
O
R1
OH , / H2O
R2 / H2O
N
R1 N H2
NH2
R1
OH
N N H
Weg c wird bei der intramolekularen nucleophilen Substitution von 2-Chlorphenonhydrazonen realisiert, besonders wenn (/)-M-Substituenten in o- oder p-Stellung zum Halogen die cyclisierende SN-Reaktion erleichtern: R
R O2N
+
O
O2N
/ H2O
H2N
HN Cl C 6H5
HN
Cl
R (Base)
N
C6H 5
O2N N
/ HCl
N C6H 5 3-Alkyl-5-nitro1-phenylindazol
Benzoisoxazole entstehen entsprechend aus 2-Bromphenonoximen in Gegenwart einer Base, R
Br
R N
(KOH)
OH
/ HBr
N O
und nach Weg b verläuft die Synthese von Benzoisothiazolen aus 2-Acylphenylsulfenylbromid und Ammoniak: R O2N
R O
S
Br
+ NH3 , / H2 O
O2N
R NH
S
Br
+ NH3 , / NH4 Br
O2N N S 3-Alkyl-5-nitrobenzoisothiazol
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33.6
Synthese benzo-kondensierter Fünfring-Heteroaromaten
33.6.5
655
Benzo-1,3-azole (Benzimidazol, Benzoxazol, Benzothiazol)
Benzimidazol-Derivate werden in technischem Maßstab durch Kondensation von o-Phenylendiamin mit wasserfreien Carbonsäuren hergestellt: NH 2
HO +
R1
H N
/ 2 H2O
C R2
NH 2
R1
R2 N
O
Das einfache Verfahren ermöglicht auch die Synthese von Benzoxazolen und Benzothiazolen: NH 2
O +
R1 XH
R1
R2 X
Y Y = OR , Cl ; R2 = H , Alkyl , Aryl
X=O,S
33.6.6
N
/ H2O , / HY
C R2
X = O : subst. Benzoxazol X = S : subst. Benzothiazol
Benzotriazol
Benzotriazole als cyclische Triazene (Abschn. 23.8.2) entstehen durch intramolekulare Cyclisierung diazotierter o-Phenylendiamine: N N
N
NH 2
NH 2
/ [H+]
N
N N N H 1H-Benzotriazol
2-Phenyl-2H-benzotriazol bildet sich bei der Reduktion von 2-Nitroazobenzen mit Triethylphosphit, wobei Nitrene (Abschn. 22.4.9) als Zwischenstufen diskutiert werden: N
+ 2 P(OC2 H5 ) 3
N
/ 2 O=P(OC2 H5 ) 3
N
N
NO2
N 2-Phenyl-2H-benzotriazol
33.6.7
Carbazol
Carbazol (Dibenzopyrrol) und seine substituierten Derivate werden nach GRAEBE-ULLMANN durch (radikalische) Photodediazotierung von 1-Phenylbenzotriazolen hergestellt. 1-Phenylbenzotriazole sind durch intramolekulare Kupplung von diazotierten o-Aminodiphenylaminen zugänglich. NH 2 R2
R1 NH
+ HNO2 / 2 H2O
hp , / N2
N R1
N N
R1
R2 N H
R2
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656
33 Heteroaromaten
Eine neuere einfache Synthese ist die reduzierende Cyclisierung von 2-Nitrobiphenyl-Derivaten mit Triethylphosphit: + 2 P(OC2H5) 3 / 2 O=P(OC2H5) 3
N H
NO2
33.7 Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten 33.7.1
Basizität und Reaktionen am nichtbindenden Elektronenpaar
Pyrrol ist eine sehr schwache Base, weil es bei der Protonierung sein r-Elektronensextett und damit seine Aromatizität verlieren würde: H
H
H N
N 6r
Dementsprechend gering ist der pKa-Wert des Pyrrols (/3.8) im Vergleich zum Pyrrolidin (pKa = 11.27) oder Anilin (4.63), obwohl sich sein r-Elektronenpaar an der Mesomerie beteiligt. NMRMessungen ergeben, daß Pyrrol nicht am Stickstoff, sondern an den Ring-C-Atomen protoniert wird. Die Kationen oligo- und polymerisieren zu roten Harzen. H H N
+
H
sowie
[H ]
H
N
N
H
H
H
Auch Furan wird durch Säuren an den Ring-Kohlenstoff-Atomen protoniert und polymerisiert. Bei der säurekatalysierten Hydrolyse unter sehr milden Bedingungen erhält man Butandial (Succindialdehyd). Thiophen ist dagegen ziemlich säurestabil; nur sehr starke Säuren führen zur Oligomerisation. H H O
+
H3O
O
/ [H+]
+
H2O
H
H O O
Die 1,2- und 1,3-Azole sind wegen des zusätzlichen Ring-Stickstoffs mit seinem n-Elektronenpaar erheblich stärker basisch als Pyrrol. Die schwache Acidität des Imidazols (pKa = 6.95) im Vergleich zu anderen 1,3-Azolen (z. B. Triazol: pKa = 2.44) oder Pyrazol (pKa = 2.50) wird als Folge der cyclischen Amidin-Struktur erklärt. Diese erhöht nicht nur die Nucleophilie des zweiten Ring-
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33.7
Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
657
Stickstoffs im Sinne zwitterionischer Grenzformeln, sondern ermöglicht auch eine optimale Delokalisierung der positiven Ladung im Kation: N
- [H+]
N
NH
NH
6r
oder
N H
N H
N H
NH
N H
N H
N-Alkylpyrrole können nicht erschöpfend alkyliert werden. Dagegen lassen sich N-alkylierte Pyrazole und Imidazole ohne Störung des r-Elektronensextetts quaternisieren. Auch die N-Alkylimmonium-Salze der Sauerstoff- und Schwefel-Analogen wurden hergestellt. R
R
N N
N R
N
N
X
N R
X X=O,S
R
R
Im Gegensatz zu Furan reagiert Thiophen mit Trimethyloxonium-tetrafluorborat ("MEERWEINSalz") zum S-Methylthiophenium-Ion, welches als Hexafluorphosphat isolierbar ist. + (H3C) 3O+BF4
S
/
+ PF6
/ (H3C) 2O , /"BF3
/F
S F CH 3
/
/
S PF 6 CH 3
Als cyclisches Sulfid wird Thiophen durch Persäuren zum Thiophen-1,1-dioxid mit Dien-Eigenschaften oxidiert: Persäure
+
S
[O2 ]
S O
33.7.2
O
Acidität
Pyrrol und seine Aza-Analogen (Pyrazol, Imidazol, Triazole) sind schwache Säuren im Sinne des Gleichgewichts Ka
N
+
[H ]
N
H
Die Acidität des Pyrrols entspricht etwa der des Methanols. Demzufolge reagiert Pyrrol mit Alkalimetallen oder Alkalimetallhydriden zu Salzen (Alkalipyrrolide oder "Pyrrylmetalle"), die durch Wasser in Analogie zu den Alkoholaten hydrolysiert werden: + K (LiH)
N H
/ 1/2 H2 (/ H2)
+ H2O
+
KOH (+ LiOH)
N
N K (Li )
H
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658
33 Heteroaromaten
Mit GRIGNARD-Verbindungen reagiert Pyrrol aufgrund seines "aktiven Wasserstoff-Atoms" zu salzartigen Pyrrylmagnesiumhalogeniden und Alkanen (ZEREWITTINOFF-Reaktion). +
R Mg X
MgBr
+
RH
N
N H
Pyrrylmagnesiumbromid
(/)-M-Substituenten oder ein zweiter Stickstoff in Position 3 des Pyrrols erhöhen dessen NHAcidität, da sie die negative Ladung des Anions delokalisieren. 3-Nitropyrrol und Imidazol sind daher stärker sauer als Pyrrol: O
O N O
NO2
N O N
Ka
N
N
N
N
3-Nitropyrrolid-Anion
H
N
N
Ka
N
N Imidazolid-Anion
H
Die Mesomerie des Pyrrol-Anions gleicht der des Cyclopentadienids (Abschn. 30.3.2): N
N
N
N
N
Sie erklärt die ambidente Reaktivität des Anions, z. B. daß N- und C-Alkylierung konkurrieren. So führt die Alkylierung des 2,3,4,5-Tetramethylpyrrolid-Anions mit Methyliodid nicht zum Pentamethylpyrrol, sondern zum nicht aromatischen 2,2,3,4,5-Pentamethyl-2H-pyrrol: H3C
H3C
CH 3
CH 3
H3C + CH3 I , /"I
+ CH3 Mg Br
H 3C
N H
CH 3
/ CH4 , / Mg 2+, /Br
/
H3C
N
CH3
/
CH3
CH3 H3C
N
CH3 2,2,3,4,5-Pentamethyl2H-pyrrol
Als Stickstoff-Analogon des Cyclopentadienids bildet Pyrrol mit Cyclopentadien und Eisen(II)chlorid in Gegenwart von Kalium das rote Azaferrocen (vgl. Abschn. 30.3.3): + 2 K , + FeCl2
+
Fe
/ 2 KCl , / H2
N H
N Azaferrocen
33.7.3
Dien-Reaktionen
Die Abnahme des aromatischen Verhaltens in der Folge Thiophen > Pyrrol > Furan (Abschn. 33.3.3) erklärt einige typische 1,3-Dien-Eigenschaften des Furans. Seine Reaktion mit Brom in Methanol zum 2,5-Dimethoxy-2,5-dihydrofuran entspricht der 1,4-Addition an 1,3-Diene: + Br 2 , + CH3 OH
O
/ 2 HBr
H 3CO
O
OCH 3
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33.7
Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
659
Wie 1,3-Diene cycloaddieren Furan und einige N-substituierte Pyrrole an Acetylendicarbonsäurediester unter Bildung der 7-Oxa- bzw. 7-Azabicyclo[2.2.1]hepta-2,5-dien-Derivate: CO2R X
X [4-2]-Cycloaddition
CO2R
+
CO2R
CO2R
X = O , NCO2R , nicht S
[4+2]-Cycloadditionen einiger Oxazol-Derivate sind ebenfalls bekannt, wobei die SauerstoffBrücke der zur Aromatisierung neigenden Addukte säurelabil ist: O OCH 3
OCH3
OH
CO2C2H 5 N
O
CO2C 2H5
+
[H ] , / CH3OH
+
N
CO2C2H 5
N
CO2C2H 5 CO2C2H 5
2,3-Diethoxycarbonyl-1-methoxy5-aza-7-oxabicyclo[2.2.1]hept-5-en
CO2C 2H5
3-Hydroxypyridin-4,5dicarbonsäurediethylester
Thiophen cycloaddiert unter Normalbedingungen nicht an Dienophile. Thiophen-1,1-dioxid, dem ein Elektronenpaar zum r-Elektronensextett fehlt, reagiert dagegen als Dien und Dienophil: Es cycloaddiert unter Schwefeldioxid-Extrusion zum 4-Thiabicyclo[4.3.0]nona-2,6,8-trien-4,4-dioxid: SO2 [4-2]-Cycloaddition
O +
S
S
O O
33.7.4
H / SO2
O
S H O2
O2S
Elektrophile Substitution
Übersicht Als r-Überschuß-Heteroaromaten (Abschn. 33.3.1) verhalten sich Thiophen, Pyrrol und Furan wie Benzen mit einem elektronenschiebenden Substituenten. Gegenüber Elektrophilen sind sie daher reaktiver als unsubstituiertes Benzen. Die positive Ladung der u-Komplexe verteilt sich bei 2Substitution auf drei, bei 3-Substitution nur auf zwei mesomere Grenzformeln; in Einklang damit ist die c- oder 2(5)-Substitution bevorzugt: H
H Y
X +
Y
Y
/ [H+]
X
X
3- oder d-Substitution
[Y ]
X H X
Y
H X
Y
H X
Y
/ [H+]
X
Y
2- oder c-Substitution
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660
33 Heteroaromaten
Daß die elektrophile Substitution vom Elektronenschub des Heteroatoms mehr begünstigt wird als von der Aromatizität, zeigt ein Vergleich der Geschwindigkeitskonstanten: Sie sind für NMethylpyrrol am größten und für Thiophen bzw. Benzen am kleinsten: N-Methylpyrrol > Pyrrol > Furan > Thiophen > Benzen
Daher läßt sich Thiophen unter den für Benzen bekannten Bedingungen elektrophil substituieren. Die säurelabilen Heteroaromaten Furan und Pyrrol können dagegen nur mit möglichst neutralen Elektrophilen substitutiert werden. Die elektrophile Bromierung und Acetylierung des Pyrrols gelingt z. B. bereits ohne LEWIS-Säuren als Katalysatoren. Zur Nitrierung wird Nitroniumacetat, zur Sulfonierung das Pyridin-Schwefeltrioxid-Addukt verwendet (Abb. 33.2).
2-Nitropyrrol , 2-Nitrofuran
NO2
X Br
/"CH3CO2H
+ CH3CO2 NO2
Br
Pyrrol- und Furan-2-sulfonsäure
Br
X
Br
+
N
SO3
+ 4 Br 2 / 4 HBr
2,3,4,5-Tetrabrompyrrol (X = NH)
SO3H
X
/
N O
X
+
+ (CH3CO) 2O / CH3CO2H
X
C
O
O
O
CH3 H3C CH3 C + O
O 2-Acetylpyrrol (X = NH)
X
/ H2O
H 3C
X X
X X
CH3 CH3
oder
O
X
O
O
O
2-Pyrrylbernsteinsäureanhydrid X = NH
H 3C CH 3
H 3C
O
7-Oxabicyclo[2.2.1]hept-5-en2,3-dicarbonsäureanhydrid X=O
Octamethylhexahydroporphyrin (X = NH) Octamethylhexahydrotetraoxaporphyrin (X = O)
H 3C CH 3
Abb. 33.2. Einige elektrophile Substitutionen des Pyrrols und Furans
Selbst schwache Elektrophile wie Aceton und andere Carbonyl-Verbindungen können Pyrrol substituieren. Der Ringschluß des Pyrrols mit Aceton zum Octamethylhexahydroporphyrin (Abb. 33.2) sowie des Pyrrol-2-aldehyds zum unsubstituierten Porphyrin (= Porphin) sind Beispiele. Dipyrrylmethen-2-aldehyd
H + N H
O
H N H
HCO2H / H2O
HCO2H
NH
/ 2 H2O
N
O
H O
Pyrrol-2-aldehyd
NH N
N HN
2 Porphin
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33.7
Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
661
Während Maleinsäureanhydrid sich gegenüber Pyrrol als Elektrophil verhält, reagiert es mit Furan als Dienophil (Abb. 33.2). Die im Vergleich zu Pyrrol und Thiophen größere Tendenz des Furans zur Addition kommt auch am Additions-Eliminierungs-Mechanismus zur Geltung, wie er für die Nitrierung dieses Heteroaromaten begründet wird: +
CH 3CO2 " NO2
H
O
O
C O
/ CH3CO2H
H O
O
NO2
NO2
H 3C
Substituenteneffekte Beim Benzen leiten elektronenschiebende Gruppen D (wie Donor) den Zweitsubstituenten in ortho- und para-Position. Elektronenziehende Erstsubstituenten A (wie Akzeptor) dirigieren dagegen in die meta-Stellung. Diese Orientierungsregeln kann man zunächst auf die FünfringHeteroaromaten übertragen, wenn das Heteroatom formal an die Stelle einer CC-Doppelbindung des Benzens tritt (Abb. 33.3): D D X a
D
X b
Abb. 33.3. Durch Pfeile angedeutete Orientierung der Zweitsubstitution am Benzen und an Fünfring-Heteroaromaten
A A X c
A
X d
Die tatsächliche Orientierung (Regioselektivität) der Zweitsubstitution wird durch das Zusammenwirken von Erstsubstituent und Heteroatom bestimmt: a
Ein schiebender Substituent in Stellung 2 (Abb. 33.3 a) verstärkt den (-)-M-Effekt des Heteroatoms auf die Position 5, welche somit bevorzugt substituiert wird, z. B.: NO2 + [NO2+]
S
/ [H+]
CH 3
O2N
S
2-Methyl-5-nitrothiophen (70 %)
b
+
CH3
S
CH3
2-Methyl-3-nitrothiophen (30 %)
Ein schiebender Substituent in Stellung 3 (Abb. 33.3 b) unterstützt in Position 2 den (-)-MEffekt des Heteroatoms, so daß ein 2,3-disubstituiertes Derivat als Hauptprodukt anfällt: CH 3
CH 3 + (H3C/CO) 2O
O
/ CH3CO2H
CH 3 O O 2-Acetyl-3-methylfuran
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662
33 Heteroaromaten
Wird die Substitution in Position 2 sterisch behindert, so dominiert die c-dirigierende Wirkung des Heteroatoms, z. B.: C(CH 3)3
C(CH 3)3 + (H3C/CO) 2O
H 3C
/ CH3CO2H
S
S O 2-Acetyl-4-t-butylthiophen
Ein ziehender Substituent in Stellung 2 (Abb. 33.3 c) dirigiert den Zweitsubstituenten in Stellung 4 wie bei der Nitrierung des 2-Acetylpyrrols, wenn unter den Reaktionsbedingungen der c-dirigierende Einfluß des Heteroatoms nicht überwiegt, wie bei der Nitrierung des 2-Nitrofurans:
c
O2N CH3 N H
+ [NO2+]
+ [NO2+]
CH 3
/ [H+]
NO2
O
N H
O
/ [H+]
O2N
O
O
NO2
2,5-Dinitrofuran
2-Acetyl-4-nitropyrrol
Das Zusammenwirken eines ziehenden Substituenten in Stellung 3 und der c-dirigierende Effekt des Heteroatoms (Abb. 33.3 d) begünstigen die Zweitsubstitution in Position 5, wie bei der Nitrierung des Furan-3-aldehyds:
d
CH O
CH O +
+ [NO2 ] +
/ [H ]
O
O2N
O
4-Formyl-2-nitrofuran
Die Drittsubstitution 2,3- und 2,4-disubstituierter Furane, Pyrrole und Thiophene erfolgt unter dem vorherrschenden Einfluß des Heteroatoms an der noch freien c-Stellung: D
X
D D
A
X
D
X
A D
A
X
Einfluß zusätzlicher N-Atome im Ring Die Einführung eines zusätzlichen Ring-N-Atoms in Furan, Pyrrol und Thiophen wirkt wie ein elektronenziehender Substituent an der betreffenden Stelle. So führt die Nitrierung des Pyrazols und Imidazols zu den 4-Nitro-Derivaten: +
+ [NO2 ] HNO3 / H2SO4
N H
N
+
/ [H ]
+
O2N
N N H
N
4-Nitropyrazol
N H
+ [NO2 ] HNO3 / H2SO4 +
/ [H ]
NH
N O2N
N H
O2N
N
4-Nitroimidazol
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33.7
Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
663
Die Reaktivität gegenüber Elektrophilen sinkt in der Folge N > O > S und ist bei den 1,3-Azolen größer als bei den 1,2-Isomeren, die trotzdem immer noch reaktiver sind als das unsubstituierte Benzen: Imidazol > Oxazol > Thiazol, Pyrazol > Isoxazol > Isothiazol > Benzen
In Gegenwart starker Basen werden die CH-aciden 1,3-Azole in 2-Stellung elektrophil substituiert, z. B. deuteriert: /
N
N
+B
/ [H ]
H
X
+ [D+]
N
+
X
D
X
Triazole, Oxadiazole und Thiadiazole können nur dann elektrophil substituiert werden, wenn ein starker Elektronendonor Erstsubstituent ist. Lediglich die Halogenierung des 1,2,4-Triazols in Gegenwart von Basen ist bekannt: Br
/
N NH
N N
+ 3 Br 2 (OH ) / 3 HBr
N
Br
Br
N
1,3,5-Tribrom1,2,4-triazol
33.7.5
Nucleophile Substitutionen
Halogene an Furan, Pyrrol und Thiophen sind ebenso schwierig nucleophil substituierbar wie am Benzen-Ring. Jedoch kann ein elektronenziehender Substituent in einer ortho- oder para-analogen Position wie bei Benzen eine SN-Reaktion ermöglichen. So reagiert 2-Brom-5-nitrothiophen mit Methanolat zum 2-Methoxy-Derivat, während sich 2-Bromthiophen inert verhält: + KOCH3
O2N
Br
S
/ KBr
O2N
OCH 3
S
zum Vergleich : O2N
Br
+ KOCH3
/ KBr
2-Methoxy-5-nitrothiophen
O2N
OCH 3 p-Nitroanisol
An die Stelle des Akzeptor-Substituenten kann auch ein Azamethin-Ring-Stickstoff treten. 2Chlorthiazol geht z. B. bei der milden Aminolyse in 2-Alkylaminothiazol über: NO2 N S
N
+ 2 R/NH2
Cl
/ R/NH3+Cl
/
zum Vergleich :
S
Cl
NHR
NO2 + 2 R/NH2 / R/NH3+Cl
/
2-Alkylaminothiazol
33.7.6
NHR N-Alkyl-2-nitroanilin
Carben-Cycloadditionen
Carbene cycloaddieren an Furan, Thiophen und N-Acylpyrrol unter Bildung von Heterobicyclen: H
/ N2
+ N2 X X = O , S , NCOR
CH CO2C 2H5 X
CO2C 2H5
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664
33 Heteroaromaten
Die Cycloaddition von Dichlorcarben an unsubstituiertes Pyrrol führt unter Ringerweiterung und Heteroaromatisierung zum 3-Chlorpyridin in Konkurrenz zur Bildung des Pyrrol-2-aldehyds nach der REIMER-TIEMANN-Formylierung (Abschn. 20.5.12). Cl +
N
N
H
H
H
Cl
/ HCl
CHCl3 , KOH
CCl2
Cl
N 3-Chlorpyridin
+ H2O
N
CHCl2
H
/ 2 HCl
N
H
H
C O
Pyrrol-2-aldehyd
33.7.7
Ringöffnungen
Eine Umkehrung der PAAL-KNORR-Synthese (Abschn. 33.5.1) ist die säurekatalysierte Ringöffnung von Furan- und Oxazol-Derivaten zu 1,4-Dicarbonyl-Verbindungen: + H3O+
R
O
+
/ [H ]
R
+ H3O+
N R
R
R
O O
/ [H ]
R
O
NH R
+
R O O
Auch der Pyrrol-Ring kann in saurer Ethanol-Lösung durch Hydroxylamin geöffnet werden. Als Derivat des Bernsteinsäuredialdehyds entsteht dabei das Dioxim: + 2 NH2OH / NH3 , / H2O
N
N OH
H
N OH
Thiophen läßt sich nicht hydrolytisch öffnen. Jedoch gelingt seine Entschwefelung bei der Hydrierung mit RANEY-Nickel als Katalysator: RANEY-Ni
H 5C6
S
C6H 5
+
3 H2
H5C 6
2,5-Diphenylthiophen
C6H 5
+
H 2S
1,4-Diphenylbutan
Isoxazole öffnen sich unter Basenkatalyse zu d-Oxonitrilen. Diese entstehen auch durch Decarboxylierung der Isoxazol-3-carbonsäuren in saurer Lösung: H+ B R
O
N
O C O
/ HB + [H+]
C N R
O
+ H3O+ / CO2 , / H2O
R
O
N
3-Oxonitril (d-Ketonitril)
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33.7
Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
665
Die katalytische Hydrierung des Isoxazols führt dagegen zum 3-Aminoacrolein: H
O
+
N
H2
Pd
H
H
NH2 O
3-Aminoacrolein
33.7.8
Besondere Reaktionen von Substituenten
N-Acyl-Gruppen Die Reduktion der Carbonsäureimidazolide mit Lithiumaluminiumhydrid wurde bereits als Methode zur Herstellung von Aldehyden beschrieben (Abschn. 20.5.4).
̈"
-Alkyl-Gruppen Die c-Methyl-Gruppen des Furans, Thiophens und Pyrrols sind schwierig substituierbar. So wird durch Brom bevorzugt am Ring bromiert; eine Seitenkettenbromierung gelingt nur mit N-Bromsuccinimid. Die c-Methyl-H-Atome sind nicht acide, so daß Aldehyde elektrophil am Ring substituieren, wie die Reaktion des Benzaldehyds mit 2-Methylthiophen zeigt: ̈"
O
+
2 H3C
C
H
ZnCl2
H3C
/ H2O
S
H S
S
C
CH3
2-Methylthiophen
Bis-(5-methylthien-2-yl)phenylmethan
Ein zusätzliches Imino-N-Atom in 3-Stellung acidifiziert dagegen die c-Methyl-Gruppe, so daß eine KNOEVENAGEL-Alkenylierung stattfinden kann wie im Fall des 2-Methylthiazols: H
N S
CH 3
+
O
C
H
N H3PO4
S
/ H2O
H (E)-2-Styrylthiazol
Die katalytisch wirksame Phosphorsäure protoniert den Stickstoff, der dabei elektronegativer wird und so das carbanionische Methyl-C-Atom zusätzlich stabilisiert. Denselben Einfluß hat die Quaternisierung; dementsprechend gelingt die KNOEVENAGEL-Alkenylierung des 2,3-Dimethylthiazolium-Ions bereits in Gegenwart von Pyridin: CH 3
H
N S
CH 3
+
O
C
N N
CH3
S
/ H2 O (E)-3-Methyl-2-styrylthiazolium-Ion
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666
33 Heteroaromaten
̈" -Hydroxymethyl-Gruppen Die Hydroxy-Gruppe des c-Hydroxymethylfurans, -thiophens und -pyrrols spaltet sich nach der Protonierung als Wasser leicht ab, weil das verbleibende Kation durch den (-)-M-Effekt des Heteroatoms stabilisiert wird: / H2O
X
CH 2 OH
+ [H ]
X
CH2
X
CH 2
Als Elektrophil kann das Kation die andere c-Stellung substituieren. Auf diese Weise entstehen Polymere. Äquimolare Mengen 2-Hydroxymethylpyrrol und Pyrrol reagieren aus diesen Gründen säurekatalysiert zum 2,2´-Dipyrrylmethan: [H+]
N H
+
CH 2 OH
N H
/ H2O
NH HN 2,2'-Dipyrrylmethan
Carbonyl- und Carboxy-Gruppen Während sich die Aciditäten der Benzoe-, Furan- und Thiophencarbonsäuren nicht wesentlich unterscheiden, ist Pyrrol-3-carbonsäure als vinyloge Carbamidsäure (Abschn. 25.5) eine sehr schwache Säure, weil die undissoziierte Form mesomeriestabilisiert wird:
̈"
HO C O
HO C O
N H
N H
Dagegen ist Pyrrol-2-aldehyd ein doppelt vinyloges Formamid und geht daher im Gegensatz zu den Furan- und Thiophen-2-aldehyden meist nicht die typischen Aldehyd-Derivatisierungen ein. Entsprechendes gilt auch für 2-Acetylpyrrol. H N H
O
H N H
O
33.8 Reaktionen benzologer Fünfring-Heteroaromaten 33.8.1
Prognose
Man unterscheidet zwischen den häufigeren Benzo[b]- und den selteneren Benzo[c]-kondensierten Furanen, Pyrrolen und Thiophenen: B e n z o [b ] - D e r i v a t e X=O : Cumaron X = NH , NR : Indol X=S : Thionaphthen
X
B e n z o [c ] - D e r i v a t e X=O : Isocumaron X = NH , NR : Isoindol X=S : Isothionaphthen
X
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33.8 Reaktionen benzologer Fünfring-Heteroaromaten
667
Benzo[c]-Derivate sind nicht mehr benzoid, sondern haben als o-chinoide Verbindungen mehr scis-1,3-Dien-Charakter. Die Mesomerie der Benzo[b]-Derivate läßt nur eine zwitterionische Grenzformel zu, bei der das r-Elektronensextett des ankondensierten Benzen-Ringes ungestört bleibt.
X
X
Aus diesen Gründen zeigen die Benzo[b]- und [c]-kondensierten Derivate oft verschiedene Reaktivitäten und Regioselektivitäten.
33.8.2
Heteroatom-spezifische Reaktionen
Der ankondensierte Benzen-Ring macht Indol noch schwächer basisch (pKa = /3.5) als Pyrrol (pKa = / 0.27), und eine Protonierung erfolgt in Position 3 unter Erhaltung des benzoiden r-Elektronensextetts, wie 1H-NMR-Messungen gezeigt haben: H
H
H nicht
+ [H ] N H
N H
N H
H
Thionaphthen (Benzo[b]thiophen) kann wie Thiophen zum Dioxid oxidiert werden, das wegen des ankondensierten Benzen-Ringes jedoch erst bei sehr hoher Temperatur cycloaddiert: / SO2
> 200 °C
SO2 +
SO2
SO2
SO2
SO2
Thionaphthen-S,S-dioxid
33.8.3
2,3-Dihydronaphtho[b]thionaphthen-S,S-dioxid
Elektrophile Substitutionen
Die elektrophile Substitution des Indols (sowie des Benzo[b]thiophens) gelingt ausnahmslos in Stellung 3, wie Abb. 33.4 (S. 668) zeigt. Mit Alkylmagnesiumhalogeniden reagiert Indol zum mesomeriestabilisierten Anion, an dem Elektrophile wie Kohlendioxid bevorzugt in Position 3 angreifen: CO2H 1.) + CO2 , 2.) + [H+]
+ R Mg X ,
N H
/ RH , / Mg 2+ , / Br
/
N
N
N H Indol-3-carbonsäure
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668
33 Heteroaromaten
Im Gegensatz zum Indol und Thionaphthen wird Cumaron in Position 2 substituiert, was man teilweise auf die geringere Donorwirkung des elektronegativen Sauerstoffs zurückführt: /
/ [H+]
S
/
NO2
(CH3CO2 " NO2+) + [NO2+]
(CH3CO2 " NO2+) + [NO2+]
NO2
/ [H+]
O
S
O
3-Nitrobenzo[b]thiophen
2-Nitrobenzo[b]furan
Benzo-1,2-diazole wie Indazol werden wie Indol in Position 3 substituiert, während der Angriff bei Benzo-1,3-diazolen wie Benzimidazol in 4- und 5-Stellung, d.h. am Benzen-Ring stattfindet. SO3H Indol-3-sulfonsäure
N H +
H
C O
N
SO3
/
N MANNICHAminoalkylierung
+ O=CH/N(CH3) 2 (POCl3) / HN(CH3) 2
N H
/ H2O
N H
VILSMEIERFormylierung
Indol-3-aldehyd
CH2 N(CH3)2
+ H2CO , + HN(CH3) 2
MICHAELAddition
N H 3-(N,N-Dimethylamino)methylindol
O + H2C CH
C CH3
CH2 CH2 C O 4-(3-Indolyl)-2-butanon H3C
N H
Abb. 33.4. Beispiele zur elektrophilen Substitution des Indols
33.8.4
Cycloadditionen
Am Indol, Benzo[b]furan und -thiophen sind Carben-Cycloadditionen in 2,3-Stellung möglich. Als Folgereaktionen konkurrieren Ringerweiterungen und Ringöffnungen der Primäraddukte. So führt die Cycloaddition von Dichlorcarben an 2,3-Dimethylindol zu 3-Chlor-2,4-dimethylchinolin und 3-Dichlormethyl-2,3-dimethylindol: H 3C Cl
CH 3
CH 3 Cl
CHCl3 , KOH
CH 3
CH 3
N
N H
H
H3C
CCl2 H
Cl
/ HCl
N CH 3 3-Chlor-2,4-dimethylchinolin
H 3C
CHCl2
CH3 N
CH 3 N 3-Dichlormethyl-2,3-dimethylindol
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33.8 Reaktionen benzologer Fünfring-Heteroaromaten
669
[4+2]-Cycloadditionen sind von den o-chinoiden Benzo[c]-Derivaten zu erwarten. Als Dienophil reagiert z. B. Maleinsäureanhydrid; treibende Kraft dieser Cycloaddition ist die Regeneration des benzoiden Ringes. X
O X
+
O
O
O
O O 7-Thiabenzobicyclo[2.2.1]heptan-2,3-dicarbonsäureanhydrid (X=S)
33.8.5
Reaktionen der 2- und 3-Hydroxy-Derivate
2- und 3-Hydroxy-substituierte Benzo[b]pyrrole, -furane und -thiophene können als Phenol- und Oxo-Tautomere vorliegen: OH OH
O
O
X
X
X 2-Oxo-Tautomer
X 3-Oxo-Tautomer
Die 2-Oxo-Tautomeren reagieren wie Lactame (X = NH: Oxindol), Lactone (X = O) und Thiolactone (X = S). Dagegen reagieren 3-Oxo-Tautomere wie Ketone; sie können alkyliert und mit Aldehyden der KNOEVENAGEL-Alkenylierung unterzogen werden. H + O
O
N H
O
O CH 3
+ 2 CH3I (NaOH)
CH 3
/ 2 HI
2,2-Dimethyl-3-oxo2,3-dihydroindol
H / H2O
N H
N H 2-Benzyliden-3-oxo2,3-dihydroindol
3-Oxo-2,3-dihydroindol (Indoxyl)
Die Methylen-Gruppe des als "Indoxyl" (Abschn. 33.2.2) bekannten "3-Hydroxyindols" kann leicht oxidiert werden. Dabei entsteht Isatin, welches die Methylen-Gruppe des "Indoxyls" zu Indirubin, einem Regioisomer des Indigo (Abschn. 34.6), nach KNOEVENAGEL alkenyliert:
O O
O + O2
N H
/ H2O
+ O
O N H Isatin
/ H2O
NH
NH
O N H Indirubin
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670
33 Heteroaromaten
Auch Phenol-Reaktionen der 3-Hydroxy-Derivate sind bekannt. Mit Dimethylsulfat in wäßrigem Medium gelingt z. B. die Herstellung von Methylethern: OCH3
OH
O
+ (CH3O) 2SO2 (NaOH) / H3COSO3H
N H
N H
N H
33.9 Mesoionische Fünfring-Heteroaromaten Als mesoionische Verbindungen werden / meist fünfgliedrige / Heteroaromaten bezeichnet, deren Zustand sich nur durch zwitterionische Grenzformeln beschreiben läßt.
33.9.1
Mesoionische 1,2,3-Oxadiazol-Derivate
Besonders bekannt sind mesoionische 1,2,3-Oxadiazole, welche nach ihrem Entdeckungsort Sydney auch Sydnone genannt werden. Sie entstehen beim Erhitzen von N-Alkyl- oder N-Aryl-N-nitrosoglycinen in Acetanhydrid. Die N-Nitrosoglycine werden durch Alkylierung eines primären Amins mit Chloressigsäureestern, anschließender Esterhydrolyse und Nitrosierung hergestellt. R / HCl
R NH 2 + Cl CH 2 CO2R'
R
N O
a
O
O
b
O
O HO N-Nitrosoglycin
N
N
O
O
/ H2 O
N
R N
N
N
- HNO2
R NH CH 2 CO2H
/ ROH
N
N
/"2" CH3CO2H
R NH CH 2 CO2R'
R
R - (CH3CO) 2O
- H2O
O
c
N O
O
d
N-Alkyl- und N-Arylsydnon
Die beiden Grenzformeln c und d, in denen der Fünfring die positive, der Oxo-Sauerstoff die negative Ladung übernimmt, werden meist in der r-Elektronensextett-Schreibweise zusammengefaßt: R 4
3N
5
2N
O
O 1
Für einen Beitrag des dipolaren Zustands a spricht die 1,3-dipolare Cycloaddition einiger 3,4disubstituierter Sydnone an Acetylendicarbonsäurediester. Die Decarboxylierung der Cycloaddukte ist eine Methode zur Herstellung einiger Pyrazol-Derivate: H3C
H5C 6
O
N
O N
CO2C2H 5
H 3C
+ H 5C6 CO2C2H 5
N
O
CO2C 2H5
O N
H3C
CO2C2H 5
/ CO2
CO2C 2H5
H5C 6 N N
CO2C2H 5
5-Methyl-1-phenyl-pyrazol3,4-dicarbonsäurediethylester
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33.9
Mesoionische Fünfring-Heteroaromaten
671
Präparative Bedeutung hat auch die saure Hydrolyse der N-Alkylsydnone zu Alkylhydrazinen: O [H+]
N
R
H N
+ 2 H2O
O
R
N
N-Alkylsydnon
33.9.2
+
HCO2H
NH 2
+
CO2
Alkylhydrazin
Mesoionische Triazol-Derivate
Durch Cyclokondensation von 1,3-Diphenyl-2-phenylaminoguanidin mit Ameisensäure bildet sich ein mesoionisches 1,2,4-Triazol-Derivat: N HN
C
H N
C 6H 5
C6H 5 C 6H5
O +
NH
/ H 2O
C H
N N
H N
/ H2 O
H
N N
N N C 6H 5 C 6H 5
N
OH C6H 5 C 6H 5
HO
C 6H 5 C 6H 5
C6H 5
N N
N N C 6H 5 C 6H 5
Nitron
Die gut wasserlösliche Verbindung bildet mit Salpetersäure ein schwerlösliches Nitrat. Diese zur quantitativen Bestimmung der Salpetersäure geeignete Reaktion führte zur Bezeichnung "Nitron".
33.9.3
Mesoionische Oxazol- und Thiazol-Derivate
Auch mesoionische Oxazolone a und Thiazolthione b sind bekannt: R
R
Ar R = Alkyl , Ar = Aryl
5
Ar
Ar
3N
3N
O
O
5
Ar
1
S
S
1
a
b
Die nach HUISGEN als Münchnone bezeichneten mesoionischen Oxazolone bilden sich durch Cyclodehydratisierung von N-Acyl-c-aminosäuren mit Acetanhydrid. Als 1,3-Dipole cycloaddieren die Münchnone wie die Sydnone an Acetylendicarbonsäurediester; die Cycloaddukte decarboxylieren zu Pyrrolen mit dem durch die Edukte festgelegten Substitutionsmuster. H HN H 5C6
C O
C
H 3C
C 6H5 2,5-Diphenyl-1-methylpyrrol3,4-dicarbonsäurediethylester
N-Benzoylphenylglycin
O HO
C6H 5 N
H5C 6
CO2C2H 5 CO2C 2H5
/ H2O
H N H5C 6
O
C6H 5 O
/ CO2
CO2C2H5
H3C / HI
C 6H5 N
+ CH3I (NaOH)
H5C 6
+
H 3C
O
O
C6H 5 N
CO2C2H5
H 5C6
C O O
CO2C 2H5
CO2C2H 5
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672
33 Heteroaromaten
33.10 Synthese monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten 33.10.1 Pyridin Pyridin und seine Methyl-Derivate wie die Picoline, Lutidine und das Collidin CH3
CH3
N i-
2,4-
CH3
CH 3 N c-
N d-
CH3
N
CH 3
H3C
N
CH 3
H3C
N
CH 3
2,6-
Picolin
Lutidin
Collidin
werden in technischem Maßstab bei der fraktionierten Destillation des Braun- und Steinkohlenteers gewonnen. Einige Synthesen mit einleuchtenden Konzepten haben präparative Bedeutung:
Cyclokondensation von -Oxoestern mit Ammoniak und Aldehyden Symmetrisch substituierte Pyridine werden durch Cyclokondensation von d-Oxoestern mit Aldehyden und Ammoniak unter oxidierenden Bedingungen hergestellt (HANTZSCH-Synthese). Die zunächst entstehenden d-Enaminoester und c,d-ungesättigten Ketone cyclisieren zum 1,4Dihydropyridin-Derivat, welches zum Heteroaromaten oxidiert wird. R3 R2 O2C R1
CH C
H
NH 2 +
C O
R3 C C
CO2R 2 R1
/ H2O
CO2R 2 2C H C C H C
R2 O
R1
C
N
/ 2 H2O
R1
CH + H C
C
C
CO2R2
R3
R3
H O + H2C
OH + NH 3 + O
R1
/ 2 H2O
R3 R 2 O2C
C
R 2 O2C
CO2R2
+
R1
R1
N
R1
R 2 O2C
HNO3 / 2 (H ] , / 2 e0
CO2R 2
/
R1
N
R1
H
Acetessigsäureethylester (R1 = CH3; R2 = C2H5), Acetaldehyd (R3 = CH3) und Ammoniak liefern z. B. Collidindicarbonsäurediethylester, aus dem nach Verseifung und Decarboxylierung Collidin (2,4,6-Trimethylpyridin) zugänglich ist.
Cyclokondensation von 1,3-Diketonen mit Cyanacetamid Die Cyclokondensation von 1,3-Diketonen mit Cyanacetamid liefert 3-Cyano-2-pyridone (GUARESCHI-Synthese). Nachfolgende Hydrolyse in wäßriger Säure, Decarboxylierung, Chlorierung und katalytische Hydrierung ergibt 2,4-Dialkylpyridine.
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33.10 Synthese monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
R 4,6-Dialkyl-3-cyano-2-pyridon
R
N
R
- 2 H2 O (H3O+)
CN
/ NH 3
O
673
R
N
- PCl5
/ CO2
O
R
O
O
R
Cl
-" H2 (Kat.)
/ HCl
R O
R
N
4,6-Dialkyl-2-pyridon
R O
R
/ POCl3 / HCl
H
/ 2 H2O
R
N
H
H
R
R CO2H
H2C
+
H2N
OH
CN O
R
N
2,4-Dialkylpyridin
Cyclokondensation von 3-Aminoacroleinen mit -Methylenketonen Eine naheliegende Methode zur Synthese von Pyridin-Derivaten ist die Cyclokondensation von 3Aminoacroleinen mit c-Methylencarbonyl-Verbindungen: R1
O
+
H 2C O
NH2 R1 = CH3 3-Amino-2-methylacrolein
R3
CH3CO2
/ +
R1
NH4
/ 2 H2O
R2
R3 R2
N
R2 = CH3 , R3 = COCH3 Acetylaceton
R1 = R2 = CH3 , R3 = COCH3 3-Acetyl-2,5-dimethylpyridin
3-Aminoacroleine sind aus den Malondialdehydtetraacetalen über 3-Alkoxyacroleine und deren Ammonolyse zugänglich: H R1
CH(OR)2
+ H2O [H+]
R1
O
/ 3 ROH
CH(OR)2 Alkylmalondialdehydtetraalkylacetal
OR
R1
+ NH3 / ROH
O
NH2 3-Amino-2-alkylacrolein
3-Alkoxy-2-alkylacrolein
Cyclisierung von Ethin und Nitrilen Ein neueres Verfahren ist die durch Cobalt-r-Komplexe, z. B. Cyclopentadienyl-Cobalt-Cyclooctadien, katalysierte Cyclisierung von Alkinen mit Nitrilen: +
Kat. Kat. =
R N
N
Co
R
Auf diese Weise kann z. B. das als Chelatbildner für Eisen(II)-Ionen bekannte c,c'- oder 2,2'Bipyridin aus Ethin und 2-Cyanopyridin hergestellt werden: Kat. (s.o.)
+ N
N
95 %
N N 2,2'-Bipyridin
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674
33 Heteroaromaten
33.10.2 Phosphor-, Sauerstoff- und Schwefel-Analoge des Pyridins Phosphabenzen Phospha-, Arsa-, Stiba- und Bismabenzen entstehen aus 1,4-Pentadiin und Dibutylzinnhydrid, wenn der primär gebildete Zinn-Heterocyclus mit den Trihalogeniden der einzuführenden Heteroatome behandelt wird. + XBr 3
+
/ (C4H9) 2SnBr 2 / HBr
Sn
(C 4H9)2SnH 2 H9C 4
C4H 9
X=P X = As X = Sb X = Bi
X
: Phosphabenzen : Arsabenzen : Stibabenzen : Bismabenzen
2,4,6-Triphenylphosphabenzen ist durch Reaktion des Pyryliumtetrafluorborats mit Tris-(hydroxymethyl)-phosphan zugänglich: C6H 5 + H 5C6
O
C 6H5
C 6H5
/ CH2O / HBF4
P(CH2OH)3
C 6H5
H5C 6
BF 4
O
C6H 5 P(CH2OH)2
H5C 6
/"4" CH2O
C6H 5 O P(CH2 OH)2
/ H2O
C6H 5 2,4,6-Triphenylphosphabenzen
H 5C6
P
C 6H5
Pyrylium- und Thiapyrylium-Ionen Pyrylium-Ionen bilden sich bei der Cyclokondensation meist aromatisch substituierter 1,5-Diketone unter oxidierenden Bedingungen. Als Oxidationsmittel eignet sich u. a. Eisen(III)-chlorid. C 6H 5
C 6H 5
C 6H 5
C 6H 5 (CH3 CO) 2 O
H 5C 6
O O
C 6H 5
H 5C 6
/ H2O
C 6H 5
O O H H
FeCl3
H 5C 6
O
+
/ [H ] , / 2 e0
C 6H 5
/
H 5C 6
O
C 6H 5
2,4,6-Triphenylpyrylium-Ion
Nach Zusatz von Perchlorsäure lassen sich die kristallinen Pyryliumperchlorate isolieren, die nach einem neueren Verfahren auch durch Cyclokondensation von 1,3-Diketonen mit Acetophenon in Gegenwart von Perchlorsäure entstehen: R
R CH3 C
O
+ HClO4
O + HO
R
1,3-Diketon (Enol-Tautomer)
/"2 H2O
H5C 6
O
R ClO4
4,6-Dialkyl-2-phenylpyrylium-perchlorat
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33.10 Synthese monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
675
Führt man die Cyclokondensation der 1,5-Diketone unter Einleiten von Schwefelwasserstoff durch, so entstehen Thiapyrylium-Salze: C6H 5
C 6H5
H C6H 5
+ H2S (CH3CO) 2O
H5C 6
/"2 H2O / / [H+] , / 2 e0
C6H 5
O O
Nebenprodukt :
H 5C6
S
C 6H5
H 5C6
S
C 6H5
2,4,6-Triphenylthiapyrylium-Ion
Thiapyrylium-Salze bilden sich auch bei der Thiierung der Pyrylium-Salze nach LAWESSON (Abschn. 24.6) sowie durch Dehydrierung von Thiacyclohexan-Derivaten mit Tritylium-acetat: + 5 (C6H5) 3C+ CH3CO2 / + ClO4
H 5C6
S
/
/""5 (C6H5) 3CH, / 5 CH3CO2H
C 6H5
H 5C6 S C 6H5 ClO4 2,6-Diphenylthiapyrylium-perchlorat
-Pyrone und -Thiapyrone i-Pyrone, in denen als Folge der Mesomerie das Pyrylium-System verwirklicht ist, erhält man durch Kondensation von d-Oxoestern. Das zunächst entstehende d,d'-Dioxolacton wird unter Säurekatalyse zur d-Oxosäure geöffnet, welche über ihre Enol-Form zur i-Pyron-d-carbonsäure recyclokondensiert. Durch Decarboxylierung entsteht schließlich das 2,6-Dialkyl-i-pyron, dessen Carbonyl-Gruppe eher Phenolat- als Keton-Funktion aufweist, wie die zwitterionische Grenzformel mit r-Elektronensextett zeigt. O
O
O R
R
O
- H2O
O CO2H
R R
O
CO2H OH
R
OHO
R
R
O
+
H2C
C
O R
d-Oxoester
O
2,6-Dialkyl-i-pyron
CO2C2H 5
OH
R / CO2
O OC2H5
CO2H
/ H2O
/ 2 C2H 5OH
NaHCO3
O
R
O
O
R
O
R
R
O
R
" i-Thiapyrone entstehen durch Dehydrierung der i-Thiapyranone mit Phosphorpentahalogeniden, i-Thiapyranone durch DIECKMANN-Kondensation von Bis-(2-ethoxycarbonylethyl)-sulfan. O OC2H 5 CO2C 2H5 R H
S
R H
O
O CO2C2H 5
Na / C2H5OH
R
S
R
+
- H2O (H3O ) / C2H5OH , / CO2
R
S
R
Bis-(2-ethoxycarbonylethyl)-sulfan PCl5
/""4 [H+] , / 4 e0
O
R
S
/
O
R
R
S
R
2,6-Dialkyl- oder 2,6-Diaryl- i"-thiapyron
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33 Heteroaromaten
33.10.3 Diazine Pyridazine (1,2-Diazine) Ein naheliegender Weg zu Pyridazinen ist die Cyclokondensation von 1,4-Diketonen mit Hydrazin unter oxidierenden Bedingungen: R R
O
O
R
/ 2 H2O
+
NH 2
H2N
R
N
R
Oxidationsmittel +
/""2 [H ] , / 2 e0
N
/
R
N
N
Unsubstituiertes Pyridazin entsteht aus 3-Hydroxy-6-oxopyrazin (Maleinsäurehydrazid) durch Halogenierung und anschließende Abhydrierung des Halogens. O
O
OH
+ H2N/NH2
NH
/ H2O
NH
O O
O
Cl
N
+ 2 PCl5
N
- 2 H2 (Pd)
N
NH
/ 2 POCl3 / 2 HCl
N
/ 2 HCl
N
O
Maleinsäurehydrazid
Cl
3-Hydroxy-6-oxopyridazin
3,6-Dichlorpyridazin
Pyrimidine (1,3-Diazine) Die über d-Enaminoketone verlaufende Cyclokondensation von 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen und deren Derivaten mit Formamid ist eine vielseitig anwendbare Methode zur Herstellung von Pyrimidinen (BREDERECK-GOMPPER-Synthese): R O R
O
R
NH2
O
O
R
OH
- H2O
O
/ H2O
R
R
NH2
N
/ 2 H2O
NH2
d-Enaminocarbonyl-Verbindung
O
R
+H C
O
/ HCO2H
NH H
1,3-Dicarbonyl-Verbindung
O
R
R
+H C
R
N
4,6-Dialkylpyrimidin
Nach einem analogen Konzept gelingt die Einführung funktioneller Gruppen in Stellung 2: R R R
R NH 2
O NH2
+
R = H , Alkyl
HN
C
/ H2O , / NH3
N R
X
X = Alkyl : Amidin X = NH2 : Guanidin X = SH : Thioharnstoff
N
X
2-Alkyl2-Amino2-Mercaptopyrimidin
Viele Pyrimidine werden auch über die aus Malonsäurediethylester und Harnstoff zugängliche Barbitursäure hergestellt: O C O
C
O NH 2
OC2H 5
OC2H 5 +
H2N
C
O
Cl NH
/ 2 C2H5OH
O
N H
O
Barbitursäure
N
+ POCl3 / H3PO4
Cl
N
Cl
2,4,6-Trichlorpyrimidin
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Pyrazine (1,4-Diazine) Pyrazine bilden sich durch Selbstkondensation von c-Aminoketonen an der Luft. c-Aminoketone sind durch katalytische Hydrierung der Diazoketone (Abschn. 18.5.6, 23.3) zugänglich: HC 2 R
C
N2
- 6 H2 (Pd) /"2 NH3
O
R
O
NH 2
H2C
+
C
H2N
O
C
R
N
/"2 H2O
CH 2
R
R
N
+ 1/2 O2
/"H2O
N
R
R
N
2,5-Dialkylpyrazin
Einfacher ist die Herstellung von Pyrazinen aus 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen und 1,2-Diaminen unter oxidierenden Bedingungen: H R1
NH 2
R2
O +
R1 H
NH 2
H
/"2 H2O
R1
R2
O
R2
N
R1
/""2 [H+] , / 2 e0
R2
N
H
Oxidationsmittel
R1
N
R2
R1
N
R2
/
R1 = R2 = CH3 2,3-Diaminobutan Butandion
Tetramethylpyrazin
33.10.4 Oxazine und Thiazine Oxazinium- und Thiazinium-Salze 1,3-Oxazinium-Salze entstehen durch Cycloaddition von Nitrilen an d-Chlorvinylketone oder von Alkinen an N-Acylimidoylchloride: R1
R4
O
R1
R1
O Cl R 4
+ Cl
R2
R4
O +
N
N
R2
R3
R3
d-Chlorvinylketon
N
Cl R2
1,3-Oxazinium-chlorid
R3 N-Acylimidoylchlorid
1,3-Oxazinium- und 1,3-Thiazinium-Salze sind präparativ vielseitig anwendbare Elektrophile. Besonders stabil sind phenylsubstituierte Derivate sowie die Perchlorate. 1,3-Thiazinium-Salze bilden sich durch Addition von Schwefelwasserstoff an 1,3-Oxazinium-Salze: R2
R1
O
-" H2S
R2 HS
/""[H ]
N
R1
O
+
S O
R2
N
NH
R2
-" HClO4
R1
S
/" H2O
N ClO4
R3
R3
R3
R1
R3 2,4,6-trisubstituiertes 1,3-Thiazinium-perchlorat
Partiell hydrierte Derivate Partiell hydrierte 1,2-Oxazine und 1,2-Thiazine erhält man durch [4+2]-Cycloadditionen: + O
N
C6H 5
Nitrosobenzen
O
N
+ C 6H5
2-Phenyl-2,3-dihydro6 H-1,2-oxazin
O
S
N
CO2R
N-Sulfinylcarbamat
S
N
CO2R
O 2-Alkoxycarbonyl-2,3dihydro-6 H-1,2-thiazin-1-oxid
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33 Heteroaromaten
Ein allgemeines Verfahren zur Herstellung von 1,3-Oxazin-Derivaten ist die Dehydratisierung der d-Acylaminoketone: NH R2
R1
O O
R2
N
P2O5
N
/ H2O
R1
O O H H
R2
O
R1
2,6-Dialkyl-4 H-1,3-oxazin
Dihydro-1,3-thiazine bilden sich durch Cyclisierung von 1,3-Dihalogenalkanen mit Thioamiden, X
NH 2
+
X
C
S
/ 2 HX
N S
R
X = Cl , Br
R
2-Alkyl-5,6-dihydro-4 H-1,3-thiazin
oder von i-Halogen- sowie i-Hydroxyaminen mit Isothiocyanaten: NH2
+ S
X
C
N R
/ HX
N S
X = Cl , OH
NHR
2-Alkylamino-5,6-dihydro-4H-1,3-thiazin
Von einigen speziellen Synthesen des 1,4-Oxazin- und 1,4-Thiazin-Ringes ist die Cyclodehydrohalogenierung von Cysteamin mit 2,3-Dibromalkansäureestern erwähnenswert: NH2
Br
R2
H2 N R 2 Br
Br
CO2R 1
S Br
+ SH
H
/ HBr
CO2R1
H N
H N R2 Br S
H
CO2R 1 Br
S
R2
/ HBr
CO2R2 H
H N
R2
S
CO2R1
2-Alkoxycarbonyl-3-alkyl5,6-dihydro-4H-thiazin
Nach allgemeineren Verfahren zugänglich sind dagegen die gesättigten Derivate 1,4-Oxazan und 1,4-Thiazan (Morpholin und Thiomorpholin): X
/ 2 HCl
+
X
H2N R N
ClCl
R Bis-(2-chloralkyl)-ether (X = O) bzw. -thioether (X = S)
X = O : subst. Morpholin X = S : subst. Thiomorpholin
33.10.5 Triazine Von den drei konstitutionsisomeren Triazinen hat das 1,3,5- oder s-Triazin beachtliche Bedeutung: N
N N
1,2,3- oder vic-
N
N
N
N 1,2,4- oder asymTriazin
N
N
1,3,5- oder sym-
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33.11 Synthese benzo-kondensierter Pyridine und Azine
679
1,3,5-Triazin erhält man durch säurekatalysierte Trimerisierung von Blausäure, die am besten bei der Reaktion aus geeigneten Vorstufen, z. B. Formamidin-Hydrochlorid, erzeugt wird: H NH2 C Cl NH2
3H
/ 3 NH4Cl
N
N
+
N
[H+]
H
N
N
H
N
Entsprechend wird das bei der Reaktivfärbung (Abschn. 34.3.3) benötigte Trichlor-1,3,5-triazin durch Trimerisierung von Chlorcyan hergestellt.
33.10.6 Tetrazine Von den drei konstitutionsisomeren Tetrazinen N
N
N N
N
N
1,2,3,4-
N
N N
N
1,2,3,5Tetrazin
N
N
1,2,4,5-
ist das 1,2,4,5-Isomer durch 1,3-dipolare Cycloaddition des Diazoessigsäureethylesters in alkalischer Lösung zugänglich: N RO2C
N
H +
H
N
CO2R
/
(OH )
N
N RO2C
H N N H
CO2R
/
+ 2 H2O (OH ) / 2 ROH
N
N HO2C
H N N H
CO2H
+ 1/2 O2 / 2 CO2 / H2O
N
N
N N
N
1,2,4,5-Tetrazin (violett)
33.11 Synthese benzo-kondensierter Pyridine und Azine 33.11.1 Chinoline (Benzo[b]pyridine) Cyclokondensation von Anilin mit , -ungesättigten Carbonyl-Verbindungen Chinoline entstehen durch MICHAEL-Addition von Anilin an c,d-ungesättigte Aldehyde oder Ketone sowie anschließendem elektrophilem Ringschluß und Oxidation des zunächst entstandenen 1,2-Dihydrochinolins (SKRAUP-Synthese): R3
O
ZnCl2 / FeCl3
H
HO R3
R2
R2 N H
N H R1 H
R3
H
R2
/ H2O
R1
N H / 2 [H+] , / 2 e0
R3 + NH 2
O
/
FeCl3 oder C6H5NO2
R3
R2
R2
R1 = R2 = R3 = H , Alkyl , Aryl
R1
R1
N
R1
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680
33 Heteroaromaten
Chinolin selbst wird durch Erhitzen von Anilin, wasserfreiem Glycerol, konz. Schwefelsäure und Eisen(II)-sulfat in Nitrobenzen als Dehydrierungsmittel hergestellt. Die Dehydratisierung des Glycerols liefert dabei Acrolein als den c,d-ungesättigten Aldehyd. Cyclokondensation von Anilin mit 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen Der SKRAUP-Synthese analog verläuft die Cyclokondensation von Anilin mit 1,3-Diketonen bzw. Malonsäurediestern zu 2,4-Dialkyl- und 4-Hydroxy-2-oxo-1,2-dihydrochinolinen: R2 +
H 2SO4 , F
O
NH 2
O
R2
O
+
/ 2 H 2O
R1
N
R1
OH F
RO
NH 2
RO
O
/ 2 ROH
2,4-Dialkylchinolin
N H
O
4-Hydroxy-2-oxo1,2-dihydrochinolin
Cyclisierung von 2-Aminophenyl- mit -Methylencarbonyl-Verbindungen 2-Aminophenone sowie 2-Aminobenzaldehyd cyclokondensieren mit c-MethylencarbonylVerbindungen zu Chinolinen (FRIEDLÄNDER-Synthese): R1
R1 O
+
NH 2
H 2C O
R2
R2
+
[H ] / 2 H2O
R3
R1 = R2 = R3 = CH3 2-Aminoacetophenon Butanon
N
R3
2,3,4-Trimethylchinolin
Anstelle der 2-Aminoacylbenzene kann auch Isatin (2,3-Dioxo-2,3-dihydroindol) eingesetzt werden, welches sich in alkalischer Lösung zur 2-Aminophenylglyoxylsäure öffnet: CO2
CO2
O + OH
/
O
O N H
+
NH 2
H2C O
R1 R2
R1
[H+] / 2 H2 O
N
R2
R1
[H+] /" CO2
N
R2
2,3-Dialkylchinolin
Isatin
33.11.2 Isochinoline (Benzo[c]pyridine) Heterocyclisierung von 2-Phenylethylamin-Derivaten N-Acyl-2-phenylethylamine cyclisieren in Gegenwart von LEWIS-Säuren zu 3,4-Dihydroisochinolinen, deren Dehydrierung Isochinoline ergibt (BISCHLER-NAPIERALSKI-Synthese): O +R C Cl
NH2
/ HCl
NH O R
2-Phenylethylamin
/ 2 [H+] , / 2 e0
PCl5
/
N
/ H2O
R
N R 1-Alkylisochinolin
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33.11 Synthese benzo-kondensierter Pyridine und Azine
681
Demselben Prinzip folgt die elektrophile Cyclisierung von N-Alkyliden-2-phenylethylamin (PICTET-SPENGLER-Synthese), welche man u. a. zur Herstellung von Tetrahydroisochinolin-Alkaloiden (Abschn. 38.5.4) anwendet: O C
+R
[H+]
H
NH2
/ 4 [H+] , / 4 e0
NH
N
/ H2O
/
N
R
R
R
N-Alkyliden-2-phenylethylamin
1-Alkylisochinolin
Heterocyclisierung aromatischer Aldehyde mit Aminoacetaldehyddiacetal Aminoacetaldehyddiethylacetal kondensiert mit Benzaldehyden zu Iminen, die in saurer Lösung elektrophil den Isochinolin-Ring schließen (POMERANZ-FRITSCH-Synthese), z. B.: OC 2H5
H3CO [H+]
OC 2H5
H
N
H
H
HO
- H2O (H2SO4)
O
/ 2 C2H5OH
N
H3CO
[H+]
/ H2O
N
H 3CO / H2O
OC 2H5
O
H3CO
+ H 2N
H
OC 2H5
Aminoacetaldehyddiethylacetal
H 3-Methoxybenzaldehyd
N
H 3CO
7-Methoxyisochinolin
33.11.3 Benzochinoline Acridin (Benzo[b]chinolin) ist durch Oxidation des Acridans zugänglich. Acridan entsteht bei der Reduktion des Acridons, dem Cyclisierungsprodukt der Diphenylamin-2-carbonsäure: O C OH
O
N H
/ H2O
+
N H
+
- 4 [H ], - 4 e0
H 2SO4
/"2 [H ],
/
/ 2 e0
/ H 2O
Acridon
/
N H
N
Acridan
Acridin
Phenanthridin (Benzo[c]chinolin) wird in Analogie zur Isochinolin-Synthese nach BISCHLER-NAPIERALSKI durch intramolekulare elektrophile Cyclisierung von 2-Formylaminobiphenyl hergestellt:
/ H2O
PCl5
N H
CH O
2-Formylaminobiphenyl
N H
OH H
N Phenanthridin
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682
33 Heteroaromaten
33.11.4 Benzopyridazine Cinnoline (Benzo[c]pyridazine) erhält man am bequemsten durch intramolekulare Cyclisierung diazotierter 2-Aminostyren-Derivate: R1
R1 R2
NH 2
R1
R1 H
R2
+
- HNO2, + [H ] / H2O
N
/ [H ]
R2
N
N
R2
+
N
N
subst. 2-Aminostyren
N
subst. Cinnolin
Phthalazine (Benzo[d]pyridazine) sind die Diazine der 1,2-Diacylbenzene sowie der o-Phthaldialdehyde und bilden sich dementsprechend bei deren Kondensation mit Hydrazin: R
R O O
+
H 2N
/"2 H2O
N N
H 2N
R
R
R = H , Alkyl , Aryl
subst. Phthalazin
33.11.5 Chinazoline 2-Aminophenone cyclokondensieren mit Amiden zu Chinazolinen (Benzo[d]pyrimidine): R1
R1 O
+
NH 2
/"2 H2O
H 2N O
C
N R2
N
R2
2-Aminophenon
subst. Chinazolin
Demselben Prinzip folgt die Synthese von 3H-Chinazolin-4-onen aus Anthranilsäure und Carbonsäureamiden, z. B.: O
O OH
+
NH 2
/"2 H2O
H2N O
C
NH N
R
R
2-Alkyl-3H-chinazolin-4-on
Geht man von Anthranilamiden aus, so schließt sich der 3H-Chinazolin-4-on-Ring bereits mit einer Carbonsäure als C1-Elektrophil, z. B.: O
O NHCH3
NH 2
/"2 H2O
OH
+ O
C
R
N N
CH3 R
3-Methyl-3H-chinazolin-4-on
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33.11 Synthese benzo-kondensierter Pyridine und Azine
683
33.11.6 Chinoxaline und Phenazine Chinoxaline (Benzo[b]pyridazine) sowie Phenazine (Dibenzo[b,e]pyridazine) bilden sich durch Kondensation von o-Phenylendiaminen mit 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen bzw. o-Chinonen: NH 2
O
R
O
R
/"2 H2O
+ NH 2
R = H , Alkyl , Aryl
NH 2
R
N
R
2,3-Dialkylchinoxalin
O
N
/"2 H2O
+ O
NH 2
N
N
o-Benzochinon
Phenazin
Auch die milde Oxidation des o-Phenylendiamins führt zum Phenazin-System: NH 2
NH 2
- 6 Fe3+(CH3CO2H)
+
2+
/ 6 Fe
NH 2
NH 2
N
NH2
N
NH2
+
, / 6 [H ]
2,3-Diaminophenazin
33.11.7 Benzopyrone und Benzopyrylium-Salze Das als Cumarin bezeichnete Benzo[b]-c-pyron ist der Riechstoff des Waldmeisters und Grundskelett der cancerogenen Aflatoxine aus Schimmelpilzen (Aspergillus flavus). Benzo[b]-i-pyron ist als Chromon bekannt; es verkörpert das Grundskelett der Flavone (2-Phenylchromone) und Isoflavone (3-Phenylchromone). Glycoside der Polyhydroxyflavone und Isoflavone kommen als gelbe Farbstoffe (lat. flavus = gelb) in Pflanzen und deren Blüten vor. OCH3
O
O
O
O
O
O
O O
O
Cumarin Benzo[b]-c-pyron
O O
O O R R = H : Aflatoxin B 1 R = OH : Aflatoxin M1
Chromon Benzo[b]-i-pyron
Flavon
Isoflavon
In Analogie zur Chinolin-Synthese aus Anilin und 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen (Abschn. 33.11.1) bilden sich Cumarine aus Phenolen und Malonsäurediestern (FRIEDLÄNDER-PECHMANNSynthese), O + OH
OH [H+] , F
RO RO
O
/ 2 ROH
O
O
4-Hydroxycumarin
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684
33 Heteroaromaten
oder aus 2-Hydroxyphenonen und c-Methylencarbonsäureestern, z. B.: O
CH 3 O
H2C
+
OH
C
H 5C2O
2-Hydroxyacetophenon
CH3 O CH 3
C
+
[H ] , F / H2O , / C2H5OH
O
Acetessigester
O
CH 3
O
3-Acetyl-4-methylcumarin
Chromone sind durch elektrophile Cyclisierung von Phenolen mit d-Oxoestern zugänglich. Flavone (2-Phenylchromone), deren Hydroxy-Derivate in Form von Glycosiden als gelbe Farbstoffe in vielen Blüten, Hölzern, Rinden und Wurzeln vorkommen, erhält man z. B. aus Phenolen und Benzoylessigsäureethylester (SIMONIS-Synthese): O H5C 2O
+ OH
C
O H
P2O5 / H2O , / C2H5OH
HO Benzoylessigsäureethylester (Enol-Tautomer)
O Flavon (2-Phenylchromon)
Eine einfache Synthese der ebenfalls in Pflanzen (Sojabohne) vorkommenden Isoflavone (3Phenylchromone) ist die Formylierung von o-Hydroxydesoxybenzoinen mit Orthoameisensäuretriethylester als C1-Baustein und die anschließende elektrophile Cyclisierung: O
O Base
C H2
+
HC(OC 2H5)3
OH
/ 3 C2H5OH
o-Hydroxydesoxybenzoin
O Isoflavon (3-Phenylchromon)
Benzopyrylium- oder Flavylium-Salze kommen als Komponenten blauer und roter Farbstoffe (Anthocyanidine) in vielen Früchten und Blüten vor. Ihre Synthese gelingt durch KNOEVENAGELKondensation von Salicylaldehyden mit c-Methoxyacetophenonen. Das Primärprodukt cyclisiert zum Halbketal, dem c-Flavanol (Oxo-Cyclo-Tautomerie), welches nach Zusatz von Säure unter Aromatisierung zum Flavylium-Salz dehydratisiert (ROBINSON-Synthese): OCH3
OCH 3
OCH3
OCH 3
H3CO OHO
OCH 3
O
H3CO
OH OCH3
Oxo-Cyclo-Tautomerie
/ H2O
H3CO
H
+ HCl
OCH 3 O
H3CO
/ H2O
(HCl)
OH
+
H2C O
OCH 3
OCH 3
C
H3CO OCH 3
O Cl
OCH3
Pelargonidinium-chlorid-tetramethylether
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33.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
685
33.11.8 Phenoxazine und Phenothiazine Phenoxazin (Dibenzo[b,e]4H-1,4-oxazin) ist durch Erhitzen von 2-Aminophenol und dessen Hydrochlorid zugänglich (GILMAN-MOORE-Synthese): NH 2
Cl H3N
H N
/ H2O , / NH4Cl
+ OH
O
HO
Phenoxazin
Phenothiazin (Dibenzo[b,e]4H-1,4-thiazin) entsteht beim Schmelzen von Diphenylamin und Schwefel: H N
H N
+ 2 S , / H2S
S Phenothiazin
Phenoxazin und Phenothiazin sind Grundskelette synthetischer und natürlicher Farbstoffe (Abschn. 34.5.2, 34.5.4).
33.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten 33.12.1 Reaktionen am Imino-Stickstoff Basizität In aliphatischen Aminen besetzt das nicht bindende Elektronenpaar am Stickstoff ein sp3-, in Pyridin und seinen Analogen dagegen ein sp2-Hybridorbital. Da die Reichweite der sp2-Orbitale etwas kleiner ist (Abschn. 1.6), liegen die n-Elektronen des Pyridins und seiner Analogen näher am NAtom und sind elektrophilen Angriffen / etwa durch ein Proton / weniger zugänglich als in aliphatischen Aminen. Dies erklärt die im Vergleich zu aliphatischen Aminen (pKa 10) kleinere Basizität des Pyridins (pKa = 5.25). Andererseits gehört das n-Elektronenpaar des Pyridin-N-Atoms nicht zum r-Elektronensextett wie im Pyrrol. Daher ist Pyridin viel stärker basisch als Pyrrol. Elektronenschiebende Substituenten (z. B. /NH2) in 2- und vor allem in 4-Stellung des Pyridins erhöhen die Basizität, während elektronenziehende Gruppen (z. B. /CHO) das Gegenteil bewirken: NH2
NH2 H
N N
N
4-Aminopyridin : pKa = 9.11
H
N
O
O
Pyridin-2-aldehyd : pKa = 3.80
Auf der durch den (-)-M-Effekt der Dimethylamino-Gruppe stark erhöhten Basizität des 4-Dimethylaminopyridins (DMAP) beruht dessen Anwendung als hochwirksamer Acylierungskatalysator. Zusätzliche Imino-Stickstoff-Atome im Ring wirken wie (/)-M-Substituenten. Daher
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686
33 Heteroaromaten
sind Pyridazin, Pyrimidin und Pyrazin deutlich schwächere Basen als Pyridin (pKa = 5.25), wobei (-)-M-Substituenten die Basizität reaktivieren können: N
N N
N
pKa = 2.24
N
N
pKa = 1.30
pKa = 0.65
N
N N
NH2
N
pKa = 3.45
NHCH3
pKa = 3.39
Imino-Stickstoff als Donor und Nucleophil Pyridin und seine Derivate komplexieren Metall-Kationen. Besonders bekannt ist das beim Nachweis von Eisen(II)-Ionen mit 2,2´-Bipyridin entstehende tiefrote Chelat: 2
N
N
N
N
2
+
3
Fe
Fe
N
N
N
N Tris-(2,2'-bipyridin)eisen(II)-Ion (Hauptprodukt)
Mit Halogenalkanen und Dialkylsulfaten reagiert Pyridin zu N-Alkylpyridinium-Salzen. Diazine werden meist monoalkyliert, wobei die Orientierung durch Substituenten gesteuert wird: CH3
CH3 + N
CH3 I N
N
I
N
+
CH3 nicht
CH3 I
N I CH3 N
CH 3
N
N CH3 I
Auch gegenüber Carbonsäurehalogeniden, Bromcyan, Distickstoffpentoxid und Schwefeltrioxid verhält sich Pyridin als Stickstoff-Nucleophil:
N
NO3
+ N2O5
1-Nitropyridiniumnitrat
N
+ RCOCl
NO2
O + SO3
N
+ BrCN
C
Cl R
1-Acetylpyridiniumchlorid
N
N
SO3
CN
Pyridinium-1-sulfonat
1-Cyanopyridiniumbromid
Br
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33.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
687
Die dabei entstehenden Pyridinium-Salze sind milde Acylierungs-, Cyanierungs-, Nitrierungs- und Sulfonierungs-Reagenzien, z. B.: O N C
O
Cl
+
R'
OH
R
+
C
N
OR'
R
Cl
H
N-Oxidation Mit Peroxiden und Peroxysäuren reagieren Pyridin und die Diazine zu N-Oxiden, in denen die Mesomerie eine Umkehrung der Polarisierung des Ringes beschreibt:
̈
O +
R
/ RCO2H
C O OH
N
N
N
N
N
O
O
O
O
Diese "Umpolung" der c- und i-C-Atome begünstigt die elektrophile Substitution des Pyridins in 2- und 4-Stellung. Die Regeneration des Pyridin-Ringes aus dem N-Oxid gelingt mit Triphenylphosphan oder Phosphortrichlorid. Iodalkane regenerieren ebenfalls und werden dabei zu Aldehyden umfunktioniert. + R /CH2/I
+ (C6H5) 3P oder PCl3
N
/ (C6H5) 3PO oder POCl3
Base , / H I
+ N
N
I
O
O
R C H
N
O
C
R
H
H
33.12.2 Cycloadditionen c-Pyrone neigen zu [4+2]-Cycloadditionen, z. B. mit Maleinsäureanhydrid, O O
O
O +
O
O
O
O
8-Oxo-7-oxabicyclo[2.2.2]oct5-en-2,3-dicarbonsäureanhydrid
O O
während von i-Pyronen [2+2]-Photocycloadditionen bekannt sind, die zu "Vogelkäfig-Verbindungen" (Dioxaasteranen) führen: O H3C
O
CH 3
hp
+ H 3C O
O
H3C O H 3C
CH3 O
O
CH3 O CH3
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688
33 Heteroaromaten
33.12.3 Nucleophile Additionen, Ringöffnungen, Umheterocyclisierungen Pyrylium- und Thiapyrylium-Salze sind nucleophilen Additionen in Stellung 2 und 4 gut zugänglich, wie die Reaktion des Thiapyrylium-Ions mit komplexen Hydriden zeigt: H H LiAlH4
+
[H
]
sowie
S
S
S
4H-
H H
2H-Thiapyran
Entsprechend verhalten sich Pyridinium-Salze: LiAlH4
+
[H
]
N
N
R
R
H H
Aus Pyridinen selbst entstehen dagegen die 1,2,5,6-Tetrahydro-Derivate, und die RANEY-NickelHydrierung ergibt bereits unter Normaldruck Piperidine (Abschn. 32.3.4). Die nucleophile Addition von Benzylmagnesiumbromid an N-Alkylpyridinium-Salze führt zu 1,2Dialkyl-1,2-dihydropyridinen, z. B.: C 6H5 +
H2C
/ MgBr2
Mg Br
N
N
CH 3 Br
H CH 2 C6H 5
CH 3 2-Benzyl-1-methyl-1,2-dihydropyridin
Mit Hydroxid als Nucleophil erhält man unter oxidierenden Bedingungen 1-Alkyl-2-pyridone: +
K3[Fe(CN) 6]
OH
N
N
CH 3
CH3
/"2"] H+] , /"2 e0
H OH
/
N
O
CH3 1-Methyl-2-pyridon
Als Folgereaktionen nucleophiler Additionen werden häufig Ringöffnungen beobachtet. So ergibt die nucleophile Addition von Cyanid an Pyrylium-Salze 5-Cyano-1,3-dienone: CN + O
CN O
CN
O
Mit Ammoniak und primären Aminen führt die nucleophile Ringöffnung zu Umheterocyclisierungen. Aus Pyrylium-Salzen entstehen so Pyridin-Derivate, und die Ammonolyse von 1,3-Oxazinium-Salzen öfnnet einen weitereren Weg zu Pyrimidinen:
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33.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
+
689
/ H2O
NH 2 R
H 2N R
O
O
O
NH 2 R
N R N-Alkylpyridinium-Ion
N
+
/ H3O+
NH3
N
O
substituiertes Pyrimidin
N
Die Synthese des 2,4,6-Triphenylphosphabenzens gelingt nach diesem Konzept aus 2,4,6-Triphenylpyryliumtetrafluoroborat und Trihydroxymethylphosphan (Abschn. 33.10.2). Auf der nucleophilen Ringöffnung des 1,3,5-Triazins beruht dessen Verwendung als Methinylierungsreagenz, u. a. bei der Synthese des Benzothiazols aus 2-Aminothiophenol: N
N
SH +
S
3
+
3
N 1,3,5-Triazin
3 NH3
N
NH 2 2-Aminothiophenol
Benzothiazol
33.12.4 Nucleophile Substitutionen Hydrid als Abgangsgruppe Die mesomeren Grenzformeln des Pyridins (Abschn. 33.4.1) zeigen eine positive Polarisierung der c- und i-C-Atome. Dementsprechend läßt sich Pyridin durch das Amid-Ion als Nucleophil in Position 2 aminieren (TSCHITSCHIBABIN-Reaktion). Das sich abspaltende Hydrid-Anion bildet mit einem Proton der eingeführten Amino-Gruppe Wasserstoff. Die Weiterreaktion führt zu 2,6-Diaminopyridin. Die Einführung der Amino-Gruppe in Position 4 gelingt nur, wenn die Stellungen 2 und 6 bereits substituiert sind. + Na
/ H2
"NH2
N
N
H NH2
- H 2O
Na
N
NH Na
/ NaOH
Natrium-2-pyridylamid
N
NH 2
2-Aminopyridin
Nucleophile Alkylierungen und Arylierungen durch Alkyllithium und Phenyllithium verlaufen ebenfalls unter Hydrid-Abspaltung, z. B.: / LiH
+ N
Li N
H C6H 5
Li
N
2-Phenylpyridin
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690
33 Heteroaromaten
Zusätzliche Stickstoff-Atome im Ring fördern aufgrund ihres (/)-M-Effekts die nucleophile Substituierbarkeit. Daher lassen sich auch die Diazine nucleophil alkylieren, arylieren und aminieren. C6H 5
N
+
N
C 4H9
/ LiH
Li C4H 9
N
N
N
+
Li C 6H5
/ LiH
N N
N
3-Butylpyridazin
4-Phenylpyridin
N +
LiNH2
N
/ LiH
NH 2
N
N
2-Aminopyrazin
Halogenid als Abgangsgruppe Die nucleophile Substitution des Halogenids in 2-Stellung verläuft unter milden Bedingungen: / NaCl
+ N
ZnCl2
NaOCH 3
+
Cl
N
N OCH3 2-Methoxypyridin
NaNH 2
Br
/ NaBr
N NH 2 2-Aminopyridin
In 4-Stellung gelingt die Substitution von Halogenid mit Natriumamid über 3,4-Dehydropyridin (Pyridyn). Dementsprechend wird ein Gemisch aus 3- und 4-Aminopyridin isoliert: NH 2
Cl H
- NaNH2 / NaCl / NH3
N
H2N
- NH3
N
sowie
N
N
Aktivierung der nucleophilen Substitution Durch O-Alkylierung von Pyridin-N-oxid (Abschn. 33.12.1) erhält man N-AlkoxypyridiniumSalze, die leichter substituierbar sind als Pyridin selbst. So ergibt die Reaktion von Cyanid mit dem N-Methoxypyridinium-Ion ein Gemisch aus 2- und 4-Cyanopyridin nach einem AdditionsEliminierungs-Mechanismus. CN
H CN + CH 3
I
+ CN
N
N
O
O
/I
/
/ CH 3OH sowie
/
I CH 3
N OCH3
sowie
H N CN OCH3
N
N
CN
33.12.5 Elektrophile Substitutionen Allgemeiner Trend Die positive Polarisierung der c- und i-C-Atome des Pyridin-Ringes im Sinne seiner mesomeren Grenzformeln (Abschn. 33.4.1) läßt für elektrophile Angriffe nur die d-Position zu. Demzufolge gelingen elektrophile Substitutionen wie Bromierung, Nitrierung und Sulfonierung des Pyridins nur in 3,5-Stellung und unter verschärften Bedingungen.
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33.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
H2S2O7 / H2SO4
SO3H
691
KNO3 / H2SO4 (370 °C)
N
NO2 N
N
Pyridin-3-sulfonsäure
3-Nitropyridin Br 2
300 °C
Br
Br
Br
sowie
N
N
3-Brom-
3,5-Dibrompyridin
Einfluß von Substituenten und weiteren Ring-N-Atomen Elektronenziehende Substituenten und weitere Ring-N-Atome führen zu einer zusätzlichen Desaktivierung. Elektronenschiebende Substituenten reaktivieren dagegen die elektrophile Substituierbarkeit, wie die folgenden Beispiele zeigen. In Position 3 dirigieren sie in 2-Stellung, während 2-substituierte Pyridine und Pyrimidine in 5-Stellung angegriffen werden. NHCH 3
NHCH 3
- [NO2+] , /"[H+]
HNO3 / H2SO4
N
N NO2 3-Methylamino-2-nitropyridin O2N
- [NO2+] , /"[H+]
N
HNO3 / H2SO4
NH 2
Br
- Br 2 , /"HBr
N N
N NH 2 2-Amino-5-nitropyridin N
N NH 2 2-Amino-5-brompyrimidin
NH 2
Die relativ leichte Bromierung der i-Pyrone wird dem phenolatanalogen (-)-M-Einfluß der Carbonyl-Funktion zugeschrieben: O
O
O
O
O
O
O
Br
- 2 Br 2 , /"2 "HBr
O
Br
Br
O
Br O
3,5-Dibrom-i-pyron
Reaktivierung durch N-Oxidation Auch die N-Oxidation reaktiviert den Pyridin-Ring zur elektrophilen Substitution in 2-, 4- und 6Stellung, wie die bereits formulierte Mesomerie der N-Oxide zeigt (Abschn. 33.12.1). Allerdings behindert die elektrostatische Abstoßung des positiven Ring-N-Atoms elektrophile Angriffe in cStellung, so daß bevorzugt am i-C substituiert wird, selbst bei Anwesenheit schwacher Elektronendonoren wie Alkyl-Gruppen in c-Stellung: NO2 - [NO2+] , /"[H+]
N O
CH 3
HNO3 / H2SO4
N
CH3
O 2-Methyl-4-nitropyridin- N-oxid
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692
33 Heteroaromaten
Starke (-)-M-Substituenten wie die Dimethylamino-Gruppe dirigieren dagegen in eine "p"Position: O2N
- [NO2+] , /"[H+]
N
HNO3 / H2SO4
N(CH 3)2
N
O
N(CH3)2
O 2-(N,N-Dimethylamino)-5-nitropyridin- N-oxid
N-Oxide der Diazine sind ebenfalls milder substituierbar als die freien Heteroaromaten: NO2 - [NO2+] , /"[H+]
N
N
HNO3 / H2SO4
N
O
N
O 4-Nitropyridazin-1-oxid
Die Abspaltung des N-Oxid-Sauerstoff-Atoms gelingt am besten mit Triphenylphosphan oder Phosphortrichlorid.
33.12.6 Besondere Reaktionen von Substituenten CH-Acidität von Alkyl-Gruppen 2- und 4-Methylpyridine verkörpern heteroanaloge Methylketone und deren Vinyloge: H2C N
wie
CH 2
O
H + B 2-Methylpyridin
H + B
H 2C
H + B
wie
CH 2 N
H + B Methylketon
O
4-Methylpyridin
vinyloges Methylketon
2- und 4-Methyl-Gruppen am Pyridin-Ring sind daher CH-acide und deprotonieren mit Basen zu nucleophilen Carbanionen. Dementsprechend gelingt nach Metallierung mit Phenyllithium die Carboxylierung der 2-Methyl-Gruppe: 1.) + O=C=O 2.) + H2O , / LiOH
- C6H5 Li
N
/ C6H6
CH 3
Li N
CH2
N
CH2
N CH2 CO2H 2-Pyridylessigsäure
Aldehyde alkenylieren die Methyl-Gruppen in 2- und 4-Stellung nach KNOEVENAGEL: R R
CH3 + N
H
C
ZnCl2
C H H2C OH
R
/ H2O
O N
N
R=H : 4-Vinylpyridin R = C6H5 : 4-Stryrylpyridin (E+Z)
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33.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
693
Entsprechend reagieren auch die Methyl-Gruppen der Diazine, z. B.: R CH3
R
N H3C
+
N
3H
C
ZnCl2
O
/ 3 H2O
CH3
R = C6H5 :
N N
R
2,4,6-Tristyrylpyrimidin
R
Auch der verhältnismäßig leichte Deuterium-Austausch von 2,4,6-Trimethylpyrylium-Salzen geht auf CH-acide Methyl-Gruppen zurück. CD3
CH 3 -""9 D2O
H3C
O
/""9 HDO
CH 3
D 3C
O
CD 3
2,4,6-Tris-(trideuteriomethyl)pyrylium-Ion
Wie Methyl- und Methylen-Gruppen c zu einer Carbonyl-Funktion lassen sich 2-Methyl-Gruppen am Pyridin-Ring leicht zu Aldehyd-Funktionen oxidieren (SAUERMILCH-Oxidation): Luft , V2O5
+ N
O2
CH 3
/ H2O
N
C
H
O Pyridin-2-aldehyd
-Vinyl-Gruppen als Elektrophile 2-Vinylpyridin ist in Analogie zu c,d-ungesättigten Carbonyl-Verbindungen der nucleophilen Addition (MICHAEL-Addition) zugänglich: CO2C 2H5 O
+
O
CO2C 2H5 CO2C 2H5
N
NaOR
H C H
+
CO2C 2H5 C H CO2C 2H5
NaOR
H C H
N
CO2C 2H5
CO2C 2H5 C H CO2C 2H5
2-(2-Pyridyl)ethyl-malonsäurediethylester
Oxo- und Hydroxy-Gruppen Die Carbonyl-Funktion in i-Pyronen und i-Thiapyronen hat mehr Phenolat- als CarbonylCharakter. Aus diesem Grund reagiert sie nicht zu Oximen oder Hydrazonen wie Aldehyde und Ketone. Dagegen gelingt die O-Alkylierung wie bei Phenolaten, z. B.: O
O
OCH3 +
H 3C
O
CH3
H 3C
O
CH3
CH 3 I H3C
O
I CH 3
2,6-Dimethyl-4-methoxypyrylium-iodid
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694
33 Heteroaromaten
33.13 Reaktionen benzologer Sechsring-Heteroaromaten 33.13.1 Reaktionen am Ring-Stickstoff Der ankondensierte Benzen-Ring führt nur im Falle des Chinazolins zu einer deutlichen Erhöhung der Basizität im Vergleich zum Monocyclus. Offenbar kompensiert der Benzen-Ring den (/)-MEffekt des zweiten Pyrimidin-N-Atoms. Daß sich der c-Stickstoff tatsächlich an der Mesomerie des Benzen-Ringes beteiligt, zeigt sich daran, daß Chinolin etwas schwächer, Isochinolin geringfügig stärker basisch ist als Pyridin. Chinolin
Isochinolin
N
Cinnolin
N
N
Chinazolin
Chinoxalin
N
N
N N
pKa = 4.90 (5.25)
5.42 (5.25)
2.37 (2.24)
N
3.43 (1.30)
0.56 (0.65)
(eingeklammert sind die pKa -Werte der Monoheterocyclen)
Wie die Monocyclen (Abschn. 33.12.1) bilden die benzokondensierten Derivate quartäre Immonium-Salze und N-Oxide.
33.13.2 Katalytische Hydrierung und oxidative Ringöffnung Chinolin und Isochinolin werden katalytisch unter Erhaltung des Benzen-Ringes zu den 1,2,3,4Tetrahydro-Derivaten hydriert: + 2 H2
Pd
N
N H
N
+ 2 H2
Pd
1,2,3,4-Tetrahydrochinolin
NH 1,2,3,4-Tetrahydroisochinolin
Dagegen greifen Oxidationsmittel bevorzugt den Benzen-Ring an, da dieser elektronenreicher ist als der Pyridin-Ring mit Elektronen-Defizit. So führt die Permanganat-Oxidation des Chinolins und Isochinolins zu Pyridin-2,3- bzw. Pyridin-3,4-dicarbonsäure: CO2H N
CO2H
Pyridin-2,3dicarbonsäure aus Chinolin
Pyridin-3,4dicarbonsäure aus Isochinolin
CO2H CO2H N
33.13.3 Nucleophile Additionen Am elektronenarmen Pyridin-Ring des Chinolins und Isochinolins finden nucleophile Additionen verhältnismäßig leicht statt. So führt die Reduktion des Chinolins mit komplexen Metallhydriden (Hydrid-Anion als Nucleophil) zu 1,2-Dihydrochinolin. Die Quaternisierung des Pyridin-N-Atoms stimuliert Chinolin und Isochinolin zur nucleophilen Addition, wie einige Beispiele zeigen:
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33.13 Reaktionen benzologer Sechsring-Heteroaromaten
695
H CN + CN
N
4-Cyano-1-methyl1,4-dihydrochinolin
N
N
CH 3
CH 3
+ RCOCl / Cl
/
+ CN
/
/
N
N O
C
H CN
O
R
C
R = C6H5 : 1-Benzoyl-2-cyano1,2-dihydrochinolin
R
+ CH3 Mg I
N
CH3
/ Mg 2+ , / I
/
N
1,2-Dimethyl-1,2dihydroisochinolin
CH3 H CH 3
Ebenso sind Benzopyrylium-Salze nucleophilen Additionen in 2-Stellung zugänglich: + O
/ HX
HN
N
O
X
H
2-Piperidyl-2 H-chromen
Ist die Position 2 sterisch gesperrt, so wird in 4-Stellung addiert: H OC 2H5 +
OC 2H 5
O
O
Flavylium-Ion
4-Ethoxy-2-phenyl-4 H-chromen
33.13.4 Nucleophile Substitutionen Auch nucleophile Substitutionen benzokondensierter Pyridine, z. B. durch das Amid-Anion oder durch Alkyl- und Aryllithium, finden ausschließlich am elektronenarmen Pyridin-Ring statt. Chinoline werden bevorzugt in 2-, Isochinoline dagegen in 1-Stellung substituiert: / NaH
2-Aminochinolin
+ NaNH2 N
N
NH 2
/ NaH
N
+ NaNH2
1-Aminoisochinolin
N NH2 / Li H
N
+ H 9C4Li
1-Butylisochinolin
N C 4H9
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696
33 Heteroaromaten
Außer Hydrid- sind Halogenid-Ionen gute Abgangsgruppen. Auf diese Weise können 2-Chlorchinoline umfunktioniert werden, z. B. durch Wasser, Alkoholat oder WITTIG-Ylide als Nucleophile: + H2O
N H
O
+ NaOC2H5
/ HCl
N
2-Chinolon + R
CH P(C6H5) 3
/ NaCl
Cl
/ HCl
R'
+ H2O ( OH ")
CH2
2-Alkylchinolin
OC 2H5
+ O C
/
N
N
2-Ethoxychinolin
R'
R'
/ OP(C6H5) 3
P(C 6H5)3
N
/ OP(C6H5) 3
N
R' R
R
R
2-Alkenylchinolin
33.13.5 Elektrophile Substitutionen Elektrophile Substitutionen benzo-kondensierter Pyridine und Diazine erfolgen durchweg am elektronenreicheren Benzen-Ring. Chinolin wird meist in Stellung 5 und 8, sehr selten in Stellung 3, Isochinolin fast ausschließlich in Position 5 substituiert: NO2 NO2
/ -
CH3CO2 "" NO2
HNO3 / H2SO4
N
sowie
N
N
3-Nitrochinolin
N NO2
SO3 / H2SO4
5-Nitrochinolin
8-Nitrochinolin
Chinolin-8-sulfonsäure
N SO3H
Die Benzodiazine werden ebenfalls ausschließlich am Benzen-Ring substituiert: NO2 HNO3 / H2SO4
N
N
N
N
5-Nitrocinnolin
sowie
N
N
NO2 8-Nitrocinnolin
NO2 N
HNO3 / H2SO4
N N
N
5-Nitrochinazolin
Wie im Falle des Pyridins erleichtert die N-Oxidation (Abschn. 33.12.5) elektrophile Substitutionen. Dennoch wird unter milden Bedingungen bevorzugt am Benzen-Ring substituiert: NO2 - [NO2+] , /"[H+]
N NO2 O 8-Nitrochinolin-N-oxid
HNO3 / H2SO4 , < 10 °C
- [NO2+] , /"[H+]
N O
HNO3 / H2SO4 , > 60 °C
N O 4-Nitrochinolin-N-oxid
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33.13 Reaktionen benzologer Sechsring-Heteroaromaten
697
Entsprechendes gilt für Isochinolin: NO2
- [NO2+] , /"[H+] HNO3 / H2SO4
N
N
O
O
5-Nitroisochinolin- N-oxid
33.13.6 CH-Acidität und andere Reaktionen von Methyl-Gruppen Methyl-Gruppen in 2- und 4-Stellung zum Heteroatom benzo-kondensierter Sechsring-Heteroaromaten sind CH-acide und gehen KNOEVENAGEL-Alkenylierungen und Esterkondensationen ein. Sowohl Benzopyrylium-Salze, H O
CH 3
+
ZnCl2
O
O
/ H2O
2-Styrylbenzopyrylium-Ion
als auch Chinoline und Isochinoline reagieren dementsprechend mit Carbonyl-Verbindungen: H
N CH 3
+
N ZnCl2
O
/ H2O
1-Styrylisochinolin
O N
CH 3
+
H5C 2O
C
NaOC2H5
C
OC2H 5
O
/ C2H5OH
N
O
CO2C 2H5
2-Chinolylbrenztraubensäureethylester
Analoge Reaktionen sind mit den 2-Methyl-Gruppen der Benzodiazine möglich. 4-Methylchinazolin und 4-Nitrobenzaldehyd kondensieren z. B. zu 4-(4-Nitrostyryl)-chinazolin. Eine Besonderheit ist die [4+2]-Cycloaddition des Chinodimethen-Tautomers von 2,3-Dimethylchinoxalin an Maleinsäureanhydrid. Diese Reaktion reflektiert die im Vergleich zum Benzen-Ring schwächere Aromatizität des Pyrazin-Systems. O + N
CH 3
N
CH 3
H N N H
CH 2 CH 2
O O
H N
H
O O
N H
H
O
1,2,3,4,5,10-Hexahydrophenazin2,3-dicarbonsäureanhydrid
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698
33 Heteroaromaten
33.14 Heterokondensierte Heteroaromaten Die große, bereits in Abschn. 33.1.3 erkennbare Vielfalt bicyclischer Heteroaromaten mit Heteroatomen in beiden Ringen zwingt zu einer Auswahl der Heterobicyclen, welche als solche oder hydriert die Grundskelette bedeutender Naturstoffklassen und einiger Arzneimittel bilden.
33.14.1 Heterobicyclen mit Stickstoff als Brückenkopf Die einfachsten aromatischen Heterobicyclen mit Stickstoff als beide Ringe verknüpfendes Heteroatom sind Dehydropyrrolizinium- und Dehydrochinolizinium-Ion sowie Indolizin: 7 6
7a 4
N 3H-Pyrrolizin
2
N
5
8
1
6
9
8a
8 2
N 4
3
Dehydropyrrolizinium-Ion
9a
2
5N 6
Indolizin
N 4
Dehydrochinolizinium-Ion
9aH-Chinolizin
Die vollständig hydrierten Derivate Pyrrolizidin, Indolizidin und Chinolizidin sind Grundgerüste einiger Alkaloide (Abschn. 38.2.3): N
N
Pyrrolizidin
N
Indolizidin
Chinolizidin
Indolizine 2-Alkylindolizine werden nach TSCHITSCHIBABIN aus c-Halogenketonen durch KNOEVENAGELAlkenylierung und Dehydrohalogenierung der zunächst entstandenen N-2-OxoalkylpyridiniumSalze hergestellt: O
CH3 N
C
+
CH3 N
R
Br c-Picolin
Br
c-Bromketon
O
NaHCO3 / HBr , / H2O
R
N
R 2-Alkylindolizin
Pyrrolizin-Derivate Pyrrolizine sind in Form partiell oder vollständig hydrierter sowie kondensierter Derivate stabil. Pyrrolo[2,1,5-c,d]indolizin (Cycl[3.2.2]azin) bildet sich nach BOECKELHEIDE durch Formylierung von metalliertem 5-Methylindolizin und anschließendem elektrophilen Ringschluß: H3C
+ N
CH2 Li
H N
H3C
O
C O
/ LiN(CH3)2
N
H
HO N
H
2
/ H2O
2a
3 4
1 7a
N
4a 5
7 6
Cycl[3.2.2]azin
Chinolizin-Derivate Chinolizin entsteht in Form des 9aH-Tetracarbonsäureesters durch 1,4-dipolare Cycloaddition von Acetylendiester an Pyridin:
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33.14 Heterokondensierte Heteroaromaten
699
O N
OCH3
C
+
N
CO2CH 3
H3CO2C CO2CH 3
CO2CH 3 CO2CH3
CO2CH 3
H3CO2C CO2CH 3
+
N
CO2CH3
9aH-Chinolizin-1,2,3,4-tetracarbonsäuretetramethylester
CO2CH 3
N
H3CO2C
CO2CH3 CO2CH 3
Ein weiterer Weg zu 2-Alkyldehydrochinolizinium-Salzen ist die Cyclisierung metallierter c-Picoline mit 2,2-Dimethoxyethylketonen: O Li R N
OH R
- HBr / LiBr
CH(OCH3)2
N H3CO
H
OH R
- HBr / 2 CH3OH
N Br
OCH3
/ 2 CH3CO2H
+ (CH3CO) 2O
O
CH2 Li +
N
(H 3CO)2CH
C
R
R
2-Alkyldehydrochinolizinium-bromid
N
CH2
Br
33.14.2 Purine Die als Purine bekannten Imidazo[4,5-d]pyrimidine kommen als Nucleobasen der Nucleinsäuren, als Phytohormone, Harnsäure und Xanthin-Derivate natürlich vor (Tab. 33.5). Sie können in Form der 9H- und 7H-Tautomeren vorliegen: 6 1N
N 9
N
H N
7 5
4
3
N
8
N H
7
N
N
9H-Purin
9
7H-Purin
Der letzte Schritt fast aller Purin-Synthesen ist, in Analogie zur Benzimidazol-Synthese, ein Ringschluß von 4,5-Diaminopyrimidin-Derivaten mit einem Ameisensäure-Derivat als C1-Elektrophil: R
R O
NH2
N
+ N
NH2
/ H2O
C H HO
N N
H N
R C O
NH 2
H
N N
H N N H
R H OH
/ H2O
N
N N
N H
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700
33 Heteroaromaten
Tab. 33.5. Purin-Derivate natürlicher Herkunft NH2 Nucleobasen (aus Nucleinsäuren)
O N
N N
O N
HN
N H
H2N
N H
N
Adenin
HN N
N
N H
N Zeatin
O
N N H
N H
O
Purin-Stimulantien O
O N
N
O N H
N H
Harnsäure (Harn- , Blasen- , Nierensteine, Gelenkablagerungen bei Gicht)
O N
H N
HN
Xanthin (Blut, Harn, Leber)
H 3C
N H
O
O Stoffwechselprodukte
CH 2OH N
N
Kinetin
HN
N H
Hypoxanthin
CH 3
HN N
N
Guanin
O Phytohormone (Zellteilung, Pflanzenwachstum)
N
HN
HN
N H
O
N
H 3C
N
O
CH 3 N
N N
N
CH 3
CH3
Theobromin (Tee , Kakao , Colanuß)
Coffein (Tee , Kaffee , Mate)
CH3 Theophyllin (Tee)
O
CH3 N
Bei der Guanin-Synthese nach TRAUBE werden Guanidin und Cyanessigsäureethylester zum 2,4Diamino-6-oxo-1,6-dihydropyrimidin cyclisiert. Anschließende Nitrosierung und Reduktion führt zum 6-Oxo-2,4,5-triamino-1,6-dihydropyrimidin, das mit Ameisensäure zu Guanin cyclokondensiert: O H5C 2O NH H 2N
C
C +
O CH2 C
NH 2 N
NaOC2H5 / C2H5OH
O NaNO2
HN H 2N
N
NH 2
-""[NO+] , /"] H+]
NO
HN H2N
N
-""6"[H+] , -""4 e0
NH4SH oder Na2S2O4
O N
HN H 2N
N Guanin
N H
+ HCO2H (CH3CO) 2O / 2 H2O
NH2 /
/"6 H2O
O NH2
HN H2N
N
NH2
Zur Synthese des Adenins nach TODD cyclisiert man Formamidin mit Phenylazomalodinitril zu 4,6-Diamino-5-phenylazopyrimidin, hydriert letzteres zum 4,5,6-Triaminopyrimidin und schließt den Imidazol-Ring mit Dithioformiat:
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33.14 Heterokondensierte Heteroaromaten
N NH H
C
NH 2
H C +
C
701
N
N
C6H 5
/
C4H9O
N
N
C
N
C6H 5 4,6-Diamino-5-phenylazopyrimidin
NH2
N
NH2 N
/ C6H5NH2
+ H2 / Ni
S
NH 2
+H
NH2
N N
NH 2
C S Na
N
/ NaSH
NH2
H N
NH2 C
H
/ H2S
S NH 2
N
N
N N
4,5,6-Triaminopyrimidin
N H
Adenin
33.14.3 Pteridine Derivate der Pteridine (Pyrazino[2,3-d]pyrimidine) finden sich als Flügelpigmente einiger Schmetterlinge sowie als Wirkstoffe der Vitamin-B-Gruppe mit Pterin-Grundskelett (Tab. 33.6). O
5 4a
3N
N Pteridin
N 1
8a
N
H 2N
8
N
HN
Pterin
N
N
Tab. 33.6. Pteridin-Derivate natürlicher Herkunft H
O Flügelpigmente von Schmetterlingen
Xanthopterin weiß (Kohlweißling)
HN H 2N
O
N N
O
Leucopterin gelb (Zitronenfalter)
N
HN H2N
N
H N
O
N
O
H O Wirkstoffe der Vitamin-B-Reihe
6-Methylpterin
C
O Folsäure (Spinat , Leber, Bakterienwuchsstoff)
N
HN H2N
N
C
O
C
N
HN N
CO2H
H O
O
H2N
N H
N
N H
N-Formyltetrahydrofolsäure , Folinsäure , Citrovorum-Faktor (Wachstumsfaktor , Coenzym F, C1-Überträger , "F" steht für Formylierung)
CO2H
CO2H N H
N
CO2H
H
N
p-Aminobenzoesäure
H
L-Glutaminsäure
5-Formyl-6-methyl5,6,7,8-tetrahydropterin
R Vitamin-B2 , Riboflavin (Milch , Eiklar , Baustein von Enzymen der Atmungskette)
H3C
N
H3C
N
CH2OH N
O NH
O 7,8-Dimethyl-10-ribitylisoalloxazin (7,8-Dimethyl-2,4-dioxo-10-ribityl2,3,4,10-tetrahydrobenzo[g]pterin
HO C H R = HO C H HO C H CH2 (Ribityl-)
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702
33 Heteroaromaten
In Analogie zur Synthese der Chinoxaline und Phenazine (Abschn. 33.11.6) erhält man Pteridine durch Cyclokondensation von 4,5-Diaminopyrimidinen mit 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen: NH 2
N
O
R1
O
R2
/ 2 H2O
+ N
NH 2
N N
N
R1
N
R2
Entsprechend gelingt die Synthese von 10-Alkylisoalloxazinen aus o-Phenylendiaminen und Alloxan, das man durch oxidative Spaltung der Harnsäure mit Salpetersäure erhält (Abschn. 33.15.2): CH 3
CH 3 H3C
NH
HO +
H3C
NH 2
O
N
/ 2 H2O
NH
O
H3C
N
H3C
N
N
NH O
O N,4,5-Trimethyl-o-phenylendiamin
O
Alloxan
7,8,10-Trimethylisoalloxazin
7,8,10-Trimethylisoalloxazin (Lumiriboflavin) entsteht auch durch UV-Bestrahlung des Riboflavins. Diese Photoreaktion trug zur Klärung der Riboflavin-Struktur bei.
33.15 Reaktionen heterokondensierter Heteroaromaten 33.15.1 Basizität und Acidität Während der pK-Wert des Purins (pKa = 2.30) zwischen den Werten des Pyrimidins und Imidazols liegt, ist Pteridin stärker basisch (pKa = 4.05) als Pyrimidin und Pyrazin. Purin ist außerdem eine relativ starke NH-Säure (pKa = 8.96), weil sich die negative Ladung des Anions auf alle vier Ring-N-Atome verteilen kann: 6 1N
5
7
9
N 3
4
/ [H+]
N 8
N H
N
N N
N
N
N N
N
N
N
N
N
N
N
N
N
Purin-Anion
Alkylierungen des Purins erfolgen leicht in Stellung 9. Quaternisierungen des Pteridins finden bevorzugt am Pyrimidin-Ring statt.
33.15.2 Ringspaltungen Nucleophile wie Alkylmagnesiumhalogenide öffnen die Dehydrochinolizinium-Salze: R
/ MgBr 2
N Br
+
R Mg Br
N R = CH3 : 1-(2-Pyridyl)-1,3-pentadien
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33.15 Reaktionen heterokondensierter Heteroaromaten
703
Bei der Spaltung von Pteridinen in saurer oder alkalischer Lösung öffnet sich bevorzugt der Pyrimidin-Ring; dabei bilden sich Imino-Derivate des 2-Aminopyrazin-3-aldehyds: N
N
HO +
N
N
N
H2N OH
N
N H 2N
N H
Die Ringöffnung von Purinen gelingt nur oxidativ. Welcher Ring gespalten wird, hängt vom Oxidationsmittel ab, wie das Beispiel der Harnsäure zeigt: O
O H2N O
H N
O
PbO2
O
HN
N H
N H
H N
O
Allantoin
HNO3
O N H
O
HN
N H
O
N H
O
Alloxan
Harnsäure
33.15.3 Nucleophile Additionen Nucleophilen Additionen sind vor allem Pteridin-Derivate zugänglich. Dabei wird der PyrimidinRing bereits von schwachen Nucleophilen angegriffen, z. B. durch Wasser oder durch Malonat als C-Nucleophil: HO H N
N
+ N
N
HN
H 2O
N
N
N
Pteridin-Hydrat
N
N O
CO2C 2H5
Base
+ H2C N H
CH2C 2H5
N
H CH(CO2C 2H5)2 N
HN O
N H
N
4-(Diethoxycarbonylmethyl)-2-oxo1,2,3,4-tetrahydropteridin
Komplexe Metallhydride reduzieren selektiv den 1,2-Dicarbonyl-analogen Pyrazin-Ring des Pteridins: R
R N
N R
LiAlH4
+ N
N
N
4[H] R
N
H N N H
2,4-Dialkyl-5,6,7,8tetrahydropteridin
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704
33 Heteroaromaten
33.15.4 Nucleophile Substitutionen Halogenpteridine und Halogenpurine lassen sich nucleophil substituieren. Purine werden fast nur in Stellung 6 und 2 substituiert (6 > 2 >> 8): Cl
O H N
HN O
+ 3 PCl 5
O N H
N H
O N
N
/ 3 POCl 3 / 3 HCl
Cl
Harnsäure
+ OH
Cl N H
N
/ Cl
/
O N
HN
+ NH3
Cl
/
Cl
/ HCl
N H
N
H2N
2,8-Dichlorhypoxanthin
2,6,8-Trichlorpurin
N
HN
Cl N
N H
8-Chlorguanin
33.15.5 Elektrophile Substitutionen Elektrophile Substitutionen an heterocyclisch kondensierten Heteroaromaten sind selten. Sie gelingen / wenn überhaupt / nur am elektronenreicheren Fünfring, z. B. in Stellung 8 des Purins. So kann man 9-Methylxanthin zum 8-Nitro-Derivat nitrieren: O
O N
HN O
HNO3
+
[NO2 ]
N
N H
N
HN
NO2
+
/ [H ]
O
N H
CH3
N CH3
9-Methyl-8-nitroxanthin
33.15.6 CH-Acidität von Methyl-Gruppen Auch die zum Stickstoff c- und i-ständigen Methyl- und Methylen-Gruppen heterocyclisch kondensierter Pyridine sind CH-acide. 2-Methyldehydrochinolizinium-Salze kondensieren z. B. mit Benzaldehyden nach KNOEVENAGEL zu Styryldehydrochinolizinium-Salzen: N(CH3)2
N(CH 3)2 CH 3 N
Br
+
O
/ H2O
C H
N
Br
2-[4-(N,N-Dimethylamino)styryl]dehydrochinolizinium-bromid
33.16 Höhergliedrige Heterocyclen und Heteroaromaten 33.16.1 Ringvinyloge der Fünfring-Heteroaromaten Eine Übersicht in Tab. 33.7 zeigt, daß die kleineren und größeren Ringhomologen des Furans, Pyrrols und Thiophens 4, 8, 10,..."r-Elektronensysteme sind, wenn man ein nichtbindendes Elektronenpaar des Heteroatoms mit einbezieht. Die dreigliedrigen Ringe Oxiren, 1H-Azirin und Thiiren sollten als 4r-Elektronensysteme nicht aromatisch sein. Sie wurden bisher nicht dargestellt. 2H-Azirine, von denen einige Vertreter bekannt sind, lagern sich nicht in die 1H-Tautomeren um.
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33.16 Höhergliedrige Heterocyclen und Heteroaromaten
705
Tab. 33.7. Einige Ringhomologe der Fünfring-Heteroaromaten (CH CH)m
Allgemeine Formel 1 2
Anzahl der CC-Doppelbindungen Anzahl der r-Elektronen
Formel
X
2 6
X 3 8
4 10
X
X
X
Oxepin Azepin Thiepin
Oxonin Azonin Thionin
....... .......
8 18
X
Bezeichnung
Oxiren 1H-Azirin Thiiren
X=O X = NH X=S
Furan Pyrrol Thiophen
Oxa[17]annulen 1H-Aza[17]annulen Thia[17]annulen
Als 8r-Elektronensysteme und Heteroanaloga des Cycloheptatrienid-Anions sind alle "Epine" nicht aromatisch; sie liegen als nicht planare, rasch invertierende Pseudo-Wannenformen vor, z. B.: O Ringinversion des Oxepins
O
Oxepine, Thiepine, Azepine Von den Siebenringen wurden Oxepine, Thiepine sowie einige N-substituierte Azepine dargestellt. Oxepin ist das Valenztautomer des Benzenoxids; dementsprechend gelingt seine Synthese: + R/CO3H
O
/"R/CO2H
Br
+ Br 2
O
CH3ONa
4,5-Epoxycyclohexen
O
/"2 HBr
Br 4,5-Dibrom-1,2-epoxycyclohexan
O
Benzenoxid (5,6-Epoxy-1,3-cyclohexadien)
Oxepin
Thiepine entstehen durch [2+2]-Cycloaddition von Ethindicarbonsäurediestern an 3-N,N-Dialkylaminothiophene und elektrocyclische Öffnung des intermediären Thiabicyclo[3.2.0]heptadiens:
CO2R
N
N
N
CO2R
CO2R
CO2R
+ S
S
CO2R
CO2R
S 3,4-Diethoxycarbonyl-5-(1-pyrrolidinyl)thiepin
Azepine bilden sich aus Arenen durch [2+1]-Cycloaddition elektronenarmer Nitrene, die in situ aus der Photolyse Akzeptor-substituierter Azide hervorgehen. Das primär entstehende Azanorcaradien isomerisiert durch COPE-Umlagerung zum Azepin: R
+
R
N A hp"""
R
N A
/ N2
N N N A
N A
N-(p-Methoxybenzyloxycarbonyl)1H-azepin
A=
CO O CH2
OCH3
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706
33 Heteroaromaten
Diazepine 1,2-, 1,3- und 1,4-Diazepine sind Ring-Vinyloge des Pyrazols und Imidazols. Von diesen bilden die 1,2-Diazepine 1H-, 3H- und 4H-Tautomere; das 5H-Tautomer existiert allerdings nur in Form des valenztautomeren Diazanorcaradiens. N
H
N 1H-
N
N
N
N
N
N
N
N
3H4HTautomere des 1,2-Diazepins
N
H
N
5H-
Diazanorcaradien
1H-1,3-Diazepin
N
H
N 1H-1,4-Diazepin
Benzo[b]-1,4-diazepine sind bequem aus Aren-1,2-diaminen und 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen zugänglich: H
R NH 2
O +
NH 2
/ 2 H2O
O
R
N
(CH3CO2H)
N
R
R
2,4-Dialkylbenzo[b]1,4-diazepin
Benzo[e]-1,4-diazepin ist Stammheterocyclus des Diazepams und anderer von diesem abgeleiteten Psychopharmaka. Diazepam wird durch Cyclokondensation des 5-Chlor-2-aminobenzophenons mit Glycinethylester als Hydrochlorid in Pyridin und nachfolgende N-Methylierung hergestellt. H
O NH2 Cl
O
H5C 2O + H 2N
Pyridin / C2H5OH / H2O
CH 3
O
N
+ CH3 / HI
N
Cl
C 6H5
Cl
C6H 5
O
N
I
N C6H 5 Diazepam
Oxonine, Thionine, Azonine Die Neunringe Oxonin, Thionin und Azonin können als 10r-Elektronensysteme aromatisch sein. Oxonin und Azonin sowie benzo-kondensierte Thionine sind faßbar. Oxonin entsteht bei der Belichtung des Epoxycyclooctatriens bei tiefer Temperatur in Form eines cis-trans-Isomerengemisches. Beide Isomere lagern sich bei höherer Temperatur zu cis- bzw. trans-3a,7a-Dihydrocumaron um, wobei das cis-Isomer etwas thermostabiler ist: mono-trans-
cishp"."/"" 80 °C
O
O
Oxonin
O / 15 °C
30 °C
H
H
O
O
H cis-
H 3a,7a-Dihydrocumaron
trans-
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33.16 Höhergliedrige Heterocyclen und Heteroaromaten
707
Azonin entsteht als N-Ethoxycarbonyl-Derivat bei der Belichtung von N-Ethoxycarbonyl-9azabicyclo[6.1.0]nona-2,4,6-trien. Die Verseifung und Decarboxylierung liefert das unsubstituierte Azonin, dessen katalytische Hydrierung Azacyclononan ergibt: + KOC(CH3) 3 THF
hp"
N CO2C2H 5
N CO2C2H 5 N-Ethoxycarbonylazonin
/"CO2 /"(H3C) 2C=CH2 /"KOC2H5
+ 4 H2 , Kat.
NH
NH
Azonin
Azacyclononan
Im Gegensatz zu Oxonin ist Azonin bis 50 °C stabil. Sein Protonenresonanz-Spektrum zeigt drei Signale zwischen fH = 5.75 und 7.15; Stabilität und 1H-Verschiebungswerte deuten auf die Aromatizität des 10r-Elektronensystems hin. Hetero[17]annulene Als makrocyclische Ringhomologe der Fünfring-Heteroaromaten wurden die Oxa- und Aza[17]annulene durch Belichtung der Epoxide und Aziridine des Cyclooctatetraen-Dimers erhalten: hp"."/"" 90 °C
X X X=O : Oxa[17]annulen X = N/CO2C2H5 : N-Ethoxycarbonylaza[17]annulen
Die 1H-Verschiebungen sprechen allerdings gegen eine Aromatizität dieser Heteromakrocyclen.
33.16.2 Ringvinyloge des Pyridins Von den in Tab. 33.8 ausgewählten Ringvinylogen des Pyridins wurde das Azaanalogon des Cyclobutadiens in Gestalt des Tri-t-butylazets (Abschn. 32.3.3) bereits erwähnt. Dagegen gelang die Herstellung von Derivaten des Azocins und des Aza[10]annulens, Polyaza[18]annulen-Systeme sind in den Porphyrinen und Phthalocyaninen verwirklicht (Abschn. 34.7). Tab. 33.8. Einige Ringhomologe (Vinyloge) des Pyridins Anzahl der r-Elektronen
4
6
8
10
.......
18 N
Formel
Bezeichnung
N
Azet
N Pyridin
N Azocin
N Aza[10]annulen
Aza[18]annulen
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708
33 Heteroaromaten
Azocin Während das unsubstituierte Azocin sich oberhalb 50 °C zersetzt, ist das 2-Methoxy-Derivat eine beständige Verbindung, die man nach PAQUETTE durch Allylbromierung und anschließende Dehydrobromierung des 8-Methoxy-7-azabicyclo[4.2.0]octa-3,7-diens erhält: +
N
SO2Cl
N
C
SO2Cl
+ H2 , Kat.
NH
/"SO2 /"HCl
O
O
+ (H3C) 3O+ BF4
O
/
N
/"(H3C) 2O /"HF , / BF3
Chlorsulfonylisocyanat
OCH 3
NBS-Bromierung in CCl4
N
KOC(CH3) 3
N
OCH3
N
/"HBr
Br
OCH 3
2-Methoxyazocin
OCH 3
2-Methoxyazocin bildet wahrscheinlich eine Wannenform. Seine 1H-Verschiebungen sprechen für ein Azacyclopolyen. Die katalytische Hydrierung liefert 2-Methoxy-1-azacycloocten. Elektrochemisch oder durch Alkalimetalle wird es zum planaren Azocin-Dianion reduziert. Aza[10]annulene Nicht überbrückte Aza[10]annulene ebnen sich wegen der inneren H-Atome ebenso wenig ein wie die [10]Annulene (Abschn. 30.10.1); sie sind daher keine Aromaten und bisher unzugänglich. Methano-überbrückte Aza[10]annulene bilden sich dagegen nach VOGEL aus Cycloheptatrien-1,6dialdehyd im Verlauf einer sechsstufigen Synthese. Überzeugendstes Argument für die Aromatizität dieses 10r-Elektronensystems sind die den Ringstromeffekt widerspiegelnden chinolinähnlichen 1H-Verschiebungen.
O O
1.) + (C 6H5) 3P=CH2 2.) + As2O
1.) + SOCl2 2.) + NaN3
1.) /"(C 6H5) 3P=O 2.) / 2 As
1.) /"SO2 , /"HCl 2.) / NaCl
CO2H
CON 3 Toluen , F
N H
N
O
/ N2
N
O
C
O
+ H 3C/C6H 4/SO2Cl / KOH / HCl 0.4 ; 0.65
11 7 9
1
6
5
N
3
+ H2 , Kat.
OTs
/"TsOH
7.38
6.6 - 7.2 7.38
6.5
N
8.23
1,6-Methano-2-aza[10]annulen mit Protonen-Verschiebungen
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34.1
Farbigkeit von Verbindungen
709
34 Organische Farbstoffe 34.1 Farbigkeit von Verbindungen 34.1.1
Absorbiertes Licht und Farbe
Absorbiert eine Verbindung einen bestimmten Bereich des sichtbaren Spektrums (380 - 770 nm, Abb. 28.1), so ist sie farbig. Vom menschlichen Auge wird der nicht absorbierte, gestreute und reflektierte Teil des Spektrums wahrgenommen. Er entspricht der Komplementärfarbe des absorbierten Lichts (Tab. 34.1). Tab. 34.1. Absorbiertes und gestreutes Licht farbiger Verbindungen (Komplementärfarben) absorbiertes Licht Wellenlängenbereich [nm] 380 - 430 430 - 480 480 - 490 490 - 500 500 - 560 560 - 580 580 - 595 595 - 605 605 - 750 750 - 770
34.1.2
zugehörige Farbe violett blau grünblau blaugrün grün gelbgrün gelb orange rot purpur
gestreutes und reflektiertes Licht wahrgenommene Farbe
gelbgrün gelb orange rot purpur violett blau grünblau blaugrün grün
Farbstoffe und Pigmente
Ein Farbstoff ist eine farbige Verbindung, welche aufgrund ihrer funktionellen Gruppen oder ihres Molekülbaus mit einem Träger (Substrat) chemisch reagiert, an ihm absorbiert wird oder in ihn hineindiffundiert. Der Farbstoff überträgt dabei seine Eigenfarbe auf den Träger, er färbt z. B. eine Textilfaser. Pigmente sind Substanzen, deren Eigenfarbe man durch Beimischen oder Beschichten auf einem Träger mechanisch verankert. Die optischen Eigenschaften eines Pigments hängen von seinem Absorptions- und Streuvermögen ab; Weißpigmente adsorbieren im gesamten sichtbaren Bereich sehr wenig, streuen dagegen stark. Umgekehrt ist bei Schwarzpigmenten die Absorption sehr groß gegen die Streuung. Buntpigmente absorbieren selektiv.
34.2 Bauprinzip von Farbstoffen Um farbig zu sein, muß eine Verbindung bekanntlich mehrere konjugierte Chromophore enthalten (Abschn. 28.2.5). Farbstoff ist eine Verbindung jedoch erst, wenn sie an einem Trägermaterial, z. B. einer Faser, so haftet, daß dieses dauerhaft gefärbt wird. Ein Farbstoff wird vom Träger somit fest adsorbiert oder chemisch gebunden. Chemische Bindungen sind am einfachsten mit funktio-
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710
34 Organische Farbstoffe
nellen Gruppen knüpfbar, z. B. den Nucleophilen /NH2, /NHR, /NR2, /OH. Diese reaktiven Gruppen sind häufig zugleich Auxochrome (Abschn. 28.2.4): Sie verschieben die Lichtabsorption weiter in den sichtbaren Bereich. Azobenzen, die Stammverbindung der Azofarbstoffe, ist z. B. eine farbige Verbindung. Ihre Farbigkeit beruht hauptsächlich auf einer sehr intensiven rr*- und einer wesentlich schwächeren nr*-Anregung (Tab. 34.2). Da Azo-Gruppe und Phenyl-Ringe an sich nicht reaktiv sind, ist Azobenzen selbst kein Farbstoff. Erst durch Einführung einer auxochromen Gruppe wie /N(CH3)2 in p-Stellung entsteht ein Azofarbstoff, das als "Buttergelb" bekannte 4-(Dimethylamino)azobenzen. Die basische Dimethylamino-Funktion kann z. B. mit sauren Gruppen einer Faser Salze bilden und auf diese Weise färben. Zusätzlich verschiebt die Dimethylamino-Gruppe die intensive rr*Bande nach längeren Wellen, wo sie die weniger zur Lichtabsorption beitragende nr*-Bande überdeckt (Tab. 34.2). Die Einführung einer Nitro-Gruppe als Chromophor in p'-Stellung ergibt schließlich eine weitere Bathochromverschiebung (Tab. 34.2). Tab. 34.2. Farbverursachende Lichtabsorptionsbanden von Azobenzen-Derivaten Verbindung
N Azobenzen
N N
4-(Dimethylamino)azobenzen
4-(Dimethylamino)4'-nitroazobenzen
nmax
Emax [mol/1 cm/1]
Übergang
[nm]
n-Hexan
330 450
17000 465
rr* nr*
Ethanol
408
27500
rr*
Ethanol
478
33100
rr*
Lösemittel
N(CH3)2
N N O2N
N(CH3)2
N
An den in Tab. 34.2 beschriebenen Azobenzen-Derivaten erkennt man das Bauprinzip eines Farbstoffs: Die Farbigkeit verursacht ein System konjugierter Chromophorer, das Chromogen. Die Farbstoffeigenschaft erzeugt eine reaktive Gruppe wie /N(CH3)2, welche zugleich Auxochrom ist und sich an der Mesomerie des r-Systems beteiligen kann. Ein zusätzlicher Chromophor am anderen Ende des r-Systems wie die Nitro-Gruppe gleicht den Elektronendruck des Auxochroms aus, übernimmt dessen eingebrachte negative Ladung, erweitert so das r-System und verschiebt das Lichtabsorptionsmaximum nach längeren Wellen. Farbstoffe sind somit ausgedehnte "push-pull"Systeme, wie die Mesomerie des 4-(Dimethylamino)-4´-nitroazobenzens zeigt: O O
O
N
O N
N
N N
N(CH 3)2
N N(CH3)2
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34.3
Azofarbstoffe
711
In das Bauprinzip "Elektronendonator-konjugiertes-r-System-Elektronenakzeptor" oder gleichbedeutend "Auxochrom-Chromogen-Chromophor" lassen sich alle im folgenden besprochenen Farbstoffklassen einordnen.
34.3 Azofarbstoffe 34.3.1
Tautomerie
Azofarbstoffe existieren meist als trans-Azobenzen-Derivate (Abschn. 23.8.1), die in 2-Aminound 2-Hydroxyazobenzenen durch eine intramolekulare Wasserstoffbrücke stabilisiert werden. Zusätzlich liegt ein Tautomerie-Gleichgewicht zwischen Azo- und Hydrazon-Form vor, z. B.: O
H
O H N
N
N
N
Azo-Tautomer 1-Phenylazo-2-naphthol
34.3.2
Hydrazon-Tautomer
Herstellung
Eine allgemeine Methode zur Herstellung von Azofarbstoffen ist die Azo-Kupplung von Aryldiazonium-Salzen mit Aromaten (Abschn. 23.8), die durch Elektronendonoren (Auxochrome) zur elektrophilen Substitution aktiviert werden, also nucleophil sind. Heterocyclische Azofarbstoffe entstehen durch oxidative Kupplung. Hierbei wird ein heterocyclisches Amidrazon zum elektrophilen Azenium-Ion oxidiert. Dieses kuppelt mit Nucleophilen zum Hydrazon, dessen Oxidation zur Azo-Verbindung führt. Amidrazone sind u. a. durch Hydrazinolyse heterocyclischer Thioether zugänglich, z. B.: S
S S
+ 2 (H3CO) 2 SO2
SH
N H
N
/ H3COSO3H
S SCH 3 N
+ N2H4
S
/ CH3 SH
N
CH 3 CH 3OSO3
N NH 2 H CH 3 CH 3OSO3
/ H3 COSO3 H
H
H N
S
N(CH 3)2
+
N(CH3 ) 2
NH
S
N
N
N
/ [H+] , / 2 e0
/
N
CH 3
N N
CH 3
CH 3 Amidrazon
Azenium-Ion
+
NH 2
S
/ [H ]
H N
S N N CH 3
/
N(CH 3)2 +
/ [H ] , / 2 e0
N
S
+X
N(CH 3)2
N
/
N CH 3 X
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712
34 Organische Farbstoffe
Das Prinzip der oxidativen Kupplung des Hydrazino-Heterocyclus mit dem Nucleophil INuH läßt sich in folgendem Schema zusammenfassen: H
H N
N
+ NuH
N
N
/ [H+] , / 2 e0
N
34.3.3
N
N
N
Nu
H
/ [H+]
H
N
/
/ [H+] , / 2 e0
NH 2
N
N
Nu
/
N
N
N
Nu
Methoden der Textilfärbung mit Azofarbstoffen
Direkt-Färbung Eine hauptsächlich für Baumwollgewebe (Cellulose, Abschn. 39.9.1) anwendbare Färbemethode ist die Direkt- oder Substantiv-Färbung. Wie die Kristallstrukturanalyse zeigt, ordnen sich die kettenförmigen Makromoleküle des Polysaccharids Cellulose zu Bündeln an. In die Hohlräume dieser Bündel lagern sich die zunächst wasserlöslichen langgestreckten Moleküle der Substantiv-Farbstoffe ein. Dort aggregieren sie und sind dann nicht mehr auswaschbar (waschechte Färbung). Als Substantiv-Farbstoffe werden langgestreckte Bisazo-Verbindungen auf Basis der bisdiazotierten 4,4'-Diaminostilben-2,2'-disulfonsäure eingesetzt, so z. B. das gelbe Chrysophenin. Die als rote Substantiv-Farbstoffe ("Kongorot") bekannten Kupplungsprodukte des bisdiazotierten Benzidins mit Naphthylamin-Derivaten werden infolge der Carcinogenität von Benzidin und Naphthylaminen nicht mehr verwendet. SO3 H3N NH3 O3S + 2 HNO2
/ 2 H2O
SO3H
SO3 + 2
N2
OC2H5
H5C2O
N N N
N2
N O3S
Chrysophenin
OC2H5
HO3S
4,4´-Diaminostilben-Derivate werden wegen ihrer intensiv blauen Fluoreszenz auch vielen Waschmitteln als optische Aufheller beigemischt. Dispersions-Färbung Dispersions-Farbstoffe enthalten keine dissoziierenden Funktionen wie /SO3H oder /COOH, sondern hydrophobe Gruppen wie /OR, /NR2, /NO2, /CN, die oft auch Wasserstoffbrücken-
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34.3
Azofarbstoffe
713
Donoren oder Akzeptoren sind. Dementsprechend lösen sich diese Farbstoffe nur wenig in Wasser, ohne jedoch ganz unlöslich zu sein. Farbstoffe mit diesen Eigenschaften eignen sich zum Färben hydrophober Fasern (Polyester, Acetylcellulose). Sie ziehen aus wäßriger Dispersion auf die Faser und haften dort, wahrscheinlich infolge von Wasserstoffbrücken, Dipol-Dipol- und VAN DER WAALS-Kräften zwischen Faser und Farbstoff. Dispersion ist ein Verteilungszustand zwischen kolloider Lösung und Suspension. Viele gelbe bis rote Dispersionsfarbstoffe sind 4-Dialkylamino-4´-nitroazobenzene. Wasserlöslichkeit bzw. Hydrophobie lassen sich durch hydrophobe oder hydrophile N-Alkyl-Gruppen (/C2H5 und /CH2/CH2/CN bzw. /CH2/CH2/OH) beeinflussen. Zur Herstellung der DiazoniumSalze geht man von Nitro-amino-substituierten Aromaten bzw. Heteroaromaten aus, z. B.: CN O2N
O2N
NH 2
O2N
NH 2
S
NH 2 N
4-Nitroanilin
2-Amino-5-nitrobenzonitril
2-Amino-5-nitrothiazol
Nucleophile Kupplungsreagenzien sind meist Derivate des N,N-Diethylanilins, z. B.: C 2H5
C 2H5 CH 3
N
CH 2 CH 2 CN
N
CH 2 CH 2 C
N CH2 CH2 OH
CH 2 CH2 OH
O N-Ethyl-N-(3-oxobutyl)anilin
N-Ethyl-N-(2-hydroxyethyl)anilin
N-(2-Cyanoethyl)-N-(2-hydroxyethyl)anilin
Ein einfaches Beispiel ist das durch Kupplung von diazotiertem 4-Nitroanilin mit N-Ethyl-N-(2hydroxyethyl)anilin zugängliche Cellithonscharlach B: Cellithonscharlach B
O2N
C2H5
N N
N CH2
CH2
OH
Ionenaustausch-Färbung Ionenaustausch-Farbstoffe sind wasserlöslich und enthalten einen oder mehrere ionische Substituenten wie Sulfo- oder Carboxy-Gruppen. Sie werden hauptsächlich zum Färben von Protein- und Polyamid-Fasern aus wäßrigen Lösungen verwendet. Die Makromoleküle dieser Fasern enthalten Amino- und Carboxy-Funktionen, die wie Aminosäuren meist zwitterionisch vorliegen: H3N
CO2
Zur Färbung einer Protein- oder Polyamid-Faser neutralisiert man die Carboxylat-Gruppen teilweise durch Zugabe einer Säure HX (X = Cl, CH3COO) und erhält auf diese Weise ein makromolekulares Ammonium-Salz. Der Färbevorgang ist ein Ionenaustausch von X/ gegen ein FarbstoffAnion (Sulfonat oder Carboxylat). H3N X
CO2H
+
Farbstoff
H3N CO2H Farbstoff
+
X
Ionenaustausch-Farbstoffe müssen alkali- und säureecht sein. Phenolische Hydroxy-Gruppen schützt man daher durch Alkylierung, wenn sie nicht durch intramolekulare Wasserstoffbrücken stabilisiert sind. Amino-Gruppen werden meist durch Acylierung geschützt. Aminonaphtholrot ist
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714
34 Organische Farbstoffe
z. B. ein Ionenaustausch-Azofarbstoff, in dem die Hydroxy-Funktion durch eine Wasserstoffbrücke, die Amino-Gruppe durch Acetylierung gegen moderate pH-Veränderungen geschützt ist. O N
H
O
HN
C
CH3
N
Aminonaphtholrot (Dinatrium-Salz)
NaO3S
SO3Na
Entwicklungs-Färbung Bei der Entwicklungs-Färbung werden die Azo-Farbstoffe durch Azo-Kupplung auf der Faser gebildet. Hierzu wird eine Kupplungskomponente verwendet, die als Anion wasserlöslich ist, als Neutralmolekül jedoch auf Cellulose-Fasern infolge zwischenmolekularer Kräfte haftet, das 2Hydroxy-3-naphthoesäureanilid ("Naphthol AS"). Nach dem "Aufziehen" dieser Kupplungskomponente wird auf der Faser mit einem Diazonium-Salz zu einem weitgehend wasserunlöslichen Farbstoff gekuppelt. Die Wasserunlöslichkeit ist die Folge des Fehlens saurer und basischer Funktionen, einer die Acidität schwächenden, intramolekularen Wasserstoffbrücke der phenolischen Hydroxy-Gruppe mit der Azo-Funktion und zusätzlicher hydrophober Gruppen (AlkoxyarylReste). Ein typischer Entwicklungsfarbstoff ist Variaminblau, das durch Kupplung von diazotiertem 4-Amino-4´-methoxydiphenylamin mit Naphthol AS auf dem Gewebe entsteht: OCH3 HN
OH H3CO
NH
N2 X
+ C
/ HX
H N
N
H O
O 4-Amino-4´-methoxydiphenylamin, diazotiert
N
"Naphthol AS"
C
H N
Variaminblau O
Färbung durch Komplexbildung Die Färbung durch Komplexierung beruht darauf, daß viele Fasern Donorgruppen enthalten (Cellulose: D = /OH; Proteine: D = /NH2), die unter Mitwirkung eines zur Chelatbildung befähigten Farbstoffs ein Metallion (vorzugsweise Cr3+ mit der Koordinationszahl 6) komplexieren. Zur Färbung wird das Gewebe entweder mit Chrom(III)-Salzen oder mit Dichromat, welches durch die Faser zu Cr3+ reduziert wird, behandelt. Nach dieser "Chromierung" wird mit einem chelatbildenden Azofarbstoff gefärbt. Chelatbildende Azo-Farbstoffe sind Derivate der 5-Phenylazosalicylsäure, z. B.: D
O
H O
O2N
N N
O
O
N
Cr O D
N
NO2
O
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34.3
Azofarbstoffe
715
In 2,2'-Dihydroxyazo-Verbindungen beteiligt sich auch die Azo-Gruppe an der Ausbildung der Chelat-Ringe, z. B. in Neolanblau ZG. D O3 S
O3S
OH
OH + Cr 3+, + 2 D
N
OH
NH
SO3
N
O
HO3 S
O
SO3
N
N
Cr
D SO3H
O
N Neolanblau ZG
D
Beizenfärbung Bei der an Bedeutung verlierenden Beizenfärbung wird auf dem Gewebe mit Hilfe hydrolysierbarer Salze [Al(III)-; Cr(III)-; Fe(III)-acetate] ein Metallhydroxid gefällt. Das basische Metallhydroxid kann mit sauren Farbstoffen, z. B. mit Polyhydroxyanthrachinonen, "Farblacke" (Metallchelate) bilden. Umgekehrt kann man "sauer beizen", z. B. die Polyphenole der Gerbstoffe auf der Gewebeoberfläche ausfällen. Derart präparierte Gewebe binden basische Farbstoffe. Die Gerbstoffe (Tannine) leiten sich von 3,4,5-Trihydroxybenzoesäure, der Gallussäure ab. Ein saurer Azofarbstoff, der zur Färbung hydroxidgebeizter Baumwolle verwendet wurde, ist z. B. d-Naphthylorange (Abschn. 23.8.2). Zur Färbung tanningebeizter Materialien (Baumwolle, Leder, Papier) wurde der erste synthetische Azofarbstoff, das orange Chrysoidin, verwendet: H
H2N N2
X
NH2
+
H N
/ HX
N NH2
N Chrysoidin
Reaktiv-Färbung Die Reaktiv-Färbung ist eine vielseitige und moderne Färbemethode für Gewebe. Dabei reagieren Farbstoff und Faser unter Knüpfung einer kovalenten Bindung. Die zur Bindung führende Reaktion ist entweder eine nucleophile Substitution oder eine nucleophile Addition. Der nucleophilen Substitution gut zugängliche Reaktiv-Gruppen sind 2,4,6-Trichlortriazin (Cyanurchlorid) mit der Imidochlorid-Funktion im heterocyclischen Ring sowie 4,5-Dichlor-1,6dihydropyridazin-6-on: H Cl
N N
N
O
Cl N
N
Cl
HO
N
Cl
Cl
Cl
2,4,6-Trichlortriazin
N
Cl
4,5-Dichlor-1,6-dihydropyridazin-6-on (Tautomere)
Diese Reaktiv-Gruppen werden in einen Farbstoff eingeführt, der als Nucleophil z. B. eine Amino-Gruppe enthält: Cl
F
NH2
+
N N
Cl N
Cl
Base / HCl
F
NH
N N
Cl N
Cl
+ H2NR / Base / HCl
F
NH
N N
Cl N
NHR Reaktiv-Farbstoff auf 2,4,6-Trichlortriazin-Basis
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716
34 Organische Farbstoffe
Der so entstandene Reaktiv-Farbstoff reagiert beim Färbeprozeß mit nucleophilen Gruppen der Faser (Hydroxy bei Cellulose-, Amino bei Polyamid- und Polypeptid-Fasern): Base
F
NH
N N
Cl
+
HO Cellulose
F
/ HCl
NH
N
O Cellulose
N N
NHR
N NHR
Base
F
NH
N N
Cl
+
H 2N Polyamid
F
/ HCl
NH N
N
NH Polyamid
N N NHR
NHR
Ein Azo-Reaktivfarbstoff mit 2,4,6-Trichlortriazin-"Anker" ist z. B. das Cibacronbrillantrot 3B, in dem vier Sulfonat-Gruppen eine für die Anwendung ausreichende Wasserlöslichkeit bewirken: Cl NaO3S
O C
N
H
O
H
N
N
N
N
H
N
N H Cibacronbrillantrot 3B
SO3Na
NaO3S
SO3Na
N
Der nucleophilen Addition zugängliche Reaktiv-Gruppen sind die Vinylsulfonyl- und AcrylamidFunktionen: O SO2 CH CH 2
NH C CH CH2
Vinylsulfon
Acrylamid
Acrylamid-Farbstoffe können durch Aminolyse von Acrylsäure-Derivaten hergestellt werden. F
NH2
+
X C CH CH 2 O
/ HX
F
X = /OR , /Cl
NH C CH CH 2 O
Vinylsulfonyl-Gruppen werden in den Farbstoff (oder eine Farbstoff-Vorstufe) eingeführt, z. B. durch nucleophile Addition eines Farbstoff-Thiols an Oxiran, anschließende Oxidation des dHydroxysulfids zum d-Hydroxysulfon, Veresterung der Hydroxy-Funktion zum Hydrogensulfat und thermische d-Eliminierung von Schwefelsäure: +
F
SH
O
+ 2 H2O2
F
S CH2 CH2 OH
/ 2 H2O
F
SO2 + H2SO4
F
SO2
CH CH2
F / H2SO4
F
SO2
CH2 CH2 OH / H2O
CH2 CH2 OSO3H
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34.4
Polymethin-Farbstoffe
717
Die Knüpfung der Bindung zwischen Vinylsulfonyl- oder Acrylamid-Farbstoff und Faser erfolgt als MICHAEL-Addition eines Fasernucleophils an die aktivierte Vinyl-Gruppe: F
Z
CH CH 2
+
HO Cellulose
F
Z
CH2 CH 2 O Cellulose
F
Z
CH2 CH 2 NH Polyamid
Z = SO2 , NHCO
F
Z
CH CH 2
+
H2N Polyamid
Ein wasserlöslicher Reaktiv-Farbstoff mit Vinylsulfon-"Anker" ist das durch Kupplung von diazotiertem 4-Amino-2,5-dimethoxyphenyl-2-hydroxyethylsulfon mit 1-(2-Chlor-6-methyl-4-sulfophenyl)-3-methyl-5-pyrazolon und nachfolgende Veresterung mit konz. Schwefelsäure entstehende Remazolgoldgelb G: HO3SO
CH2
CH2
SO2
OCH3 CH3
H3CO
N H
Remazolgoldgelb G
N N N
O
CH3
Cl
SO3H
Die reaktive Vinylsulfonyl-Gruppe wird meist erst beim Färbevorgang erzeugt, der dann ein Eliminierungs-Additions-Prozeß ist.
34.4 Polymethin-Farbstoffe 34.4.1
Bauprinzip
Unter Polymethin-Farbstoffen versteht man konjugierte Polyene, in denen ein Elektronenakzeptor X über eine ungeradzahlige Kette von Methin-Gruppen mit dem Elektronendonor Y verknüpft ist. Durch Mesomerie können X und Y ihre Rollen als Akzeptor bzw. Donor tauschen: q
X
X
nY
nY
Man erkennt deutlich das in Abschn. 34.2 besprochene Bauprinzip eines Farbstoffs. Meist sind die Doppelbindungen sowie die Substituenten X und Y Teil eines heterocyclischen Ringes, z. B. des Chinolins im blauvioletten Pinacyanol:
N
N
C 2H5
C 2H5
Pinacyanol
N
N
C 2H5
C 2H5
I
Man unterscheidet kationische (q positiv), anionische (q negativ) und neutrale Polymethine (keine Ladung, q = 0). Kationische Polyene werden als Cyanine bezeichnet, wenn X und Y Teile je eines heterocylischen Ringes sind. Ist nur X oder Y Teil eines Heterocyclus, so liegt ein Hemicyanin
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718
34 Organische Farbstoffe
vor. Streptocyanine sind dagegen offenkettig. Neutrale Polymethine sind als Neutro- oder Merocyanine bekannt. Anionische Polymethin-Farbstoffe sind Vinyloge des Carboxylat-Ions und werden als Oxonole bezeichnet. Tab. 34.3 gibt die allgemeinen Formeln sowie typische Vertreter der wichtigsten Polymethin-Farbstoffklassen wieder. Tab. 34.3. Polymethin-Farbstoffe (in Azacyaninen tritt anstelle der CC- eine CN-Doppelbindung) Bezeichnung
Bauprinzip
Streptocyanin
N
Beispiel H3C
N
nN
X
N
CH 3
CH3
Z
Hemicyanin
N Astrazonrot
N X
nN
Z
Cyanin
N,N,N,N-Tetramethyl5-amino-2,4-pentadienylimmonium-perchlorat
CH 3
ClO4
H3C
CH 3
N CH3 H3C CH3
Z
N X
N
n
Cl CH3 CH3
Astraphloxin
N H C N 3 CH3 OC 2H5
Merocyanin (Neutrocyanin)
X
O
mY
n
Cl
C CN
N
O
X
O
n
O
34.4.2
O N
HN
Oxonol O
Cellitonechtgelb
N H
O O
NH4 NH N H
Murexid
O
Ausgewählte Methoden zur Herstellung
Ein Ausgangsprodukt mehrerer Polymethin-Farbstoffe ist das als FISCHER-Base bekannte 2Methylen-1,3,3-trimethyl-2,3-dihydroindol, sowie dessen Vorstufe, das 1,2,3,3-Tetramethyl-3Hindolium-Salz. Die Herstellung dieser Verbindungen gelingt durch FISCHER-Indol-Synthese aus Phenylhydrazin und Methylethyl- oder Methylisopropylketon: H 3C H 3C N H
/ H2O
NH 2 + O
N H
/ NH3
N
CH 3 N + (CH3O) 2SO2 """""/ CH3OSO3
H3C 2-Methylen-1,3,3-trimethyl2,3-dihydroindol (FISCHER-Base)
CH3
CH(CH3)2
H3C
CH(CH 3)2
CH3
H3C
CH3
CH3
Base
CH2 N
H 3C
CH 3 CH 2
N CH3
/ [H+]
/
CH 2 H N CH 3
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34.4
Polymethin-Farbstoffe
719
Weitere Vorstufen sind u. a. stickstoff- und schwefelhaltige Heterocyclen mit aciden MethylGruppen, z. B. 2- und 4-Methylchinoline sowie 2-Methylbenzothiazole, meist in Form ihrer NAlkylammoniumiodide: CH3
R N I
N
S
CH3 N
I
CH 3
R
I
R
2-Methylchinolin
4-Methylchinolin (N-Alkylimmonium-iodide)
2-Methylbenzothiazol
Die Verknüpfung der Heterocyclen durch eine Polyen-Kette gelingt für n = 1 mit AmeisensäureDerivaten, z. B. Orthoameiseisensäuretriethylester in Gegenwart einer Base: OC2H5 Base , / [H+]
N
+ HC(OC2H5) 2
CH2
N
CH2
N
CH2
N
CH2 CH(OC 2H 5)2
H + H2O """""/ 2 C2H5OH + H3C
N
N
N
/ H3O+
N
OH
N
CH2 CH O
Demnach erhält man z. B. Pinacyanol aus 1-Ethyl-2-methylchinoliniumiodid und Orthoameisensäuretriethylester in Gegenwart von Pyridin als Base: + N
CH3
HC(OC2H 5)3
Pyridin / 3 CH2H5OH / HI
C2H 5 I
N C 2H5
N I
C 2H5
Pinacyanol
Analog entsteht Astraphloxin aus dem 1,2,3,3-Tetramethyl-3H-indolium-Salz und Orthoameisensäuretriethylester in Acetanhydrid oder Pyridin. Zum Einbau längerer Polymethin-Ketten werden vinyloge Ameisensäure-Derivate eingesetzt.
34.4.3
Anwendung von Polymethin-Farbstoffen
Textilfärbung Polymethin-Farbstoffe sind nicht sehr lichtecht. Insofern werden sie nur sehr vereinzelt zur Textilfärbung verwendet. So ist Astraphloxin (Tab. 34.3) ein fluoreszierender roter Farbstoff, der aus leicht alkalischer Lösung gut auf Wolle und Polyamid-Fasern zieht (Ionenaustausch-Färbung). Einige Merocyanine wie Cellitonechtgelb 7G (Tab. 34.3) werden zur Dispersionsfärbung von Polyesterfasern eingesetzt. Polymethin-Farbstoffe als Sensibilisatoren in der Photographie Zur Photographie verwendet man einen mit einer lichtempfindlichen Schicht belegten Film. Als lichtempfindliche Schicht dient eine Silberhalogenid-Emulsion, welche proportional zur Intensität des einfallenden Lichtes geschwärzt wird. An sich sprechen Silberhalogenide nur auf ultraviolettes
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720
34 Organische Farbstoffe
und blaues Licht an. Andererseits liegt der Lichtempfindlichkeitsbereich des menschlichen Auges zwischen 400 und 800 nm mit einem Maximum bei 555 nm. Um ein Bild zu erhalten, welches einen für den Menschen natürlichen Schwarz-Weiß- und Farbeindruck gibt, muß der Empfindlichkeitsbereich der Silberhalogenid-Schicht auf den sichtbaren Spektralbereich ausgedehnt werden. Zu dieser spektralen Sensibilisierung verwendet man überwiegend Cyanine und Merocyanine (Tab. 34.3), weil bei diesen Farbstoffen durch Verlängerung der Polymethin-Kette die Absorptionsmaxima bis ins Infrarote verschoben werden können (120 nm pro /CH=CH-Gruppe):
H 5C2 N
CH CH n CH
H 5C2 N
N C 2H5
längstwelliges Absorptionsmaximum :
n 0 1 2
CH CH nCH
N C2H 5
nmax 590 710 930
Die Polymethin-Farbstoffe werden an den Silberhalogenid-Kristallen adsorbiert. Bei Belichtung des Films absorbieren sie Licht und geben die absorbierte Lichtenergie nach einem noch nicht vollständig geklärten Mechanismus an das Silberhalogenid ab. Letzteres wird dabei im Absorptionsbereich des Farbstoffs lichtempfindlich. Durch Adsorption mehrerer Cyanine mit Maxima über den gesamten Spektralbereich kann die Empfindlichkeit des Silberhalogenids dem menschlichen Auge weitgehend angepaßt werden. In der Farbphotographie werden die Farben des photographierten Gegenstandes zunächst in die drei Grundfarben blau, grün und rot zerlegt. Auf diese Weise entstehen drei Teilfarbbilder, die bei der Entwicklung wieder zum Gesamtbild vereint werden. Die Farbzerlegung gelingt, indem das Objekt gleichzeitig auf drei verschiedene Silberhalogenid-Schichten photographiert wird, von denen je eine für blau, grün und rot sensibilisiert ist. Auch für die hierzu notwendige selektive Sensibilisierung werden überwiegend Cyanine und Merocyanine verwendet. Photochrome Polymethine Einige Hemicyanine zeigen Photochromie, d. h. die reversible, mindestens in einer Richtung lichtinduzierte Umwandlung zweier Formen einer Verbindung. Da die beiden Formen unterschiedliche Lichtabsorptionsspektren aufweisen, ist die Umwandlung mit einer Farbänderung verbunden. Einen photochromen Polymethin-Farbstoff erhält man z. B. durch Reaktion von 5-Nitrosalicylaldehyd mit der FISCHER-Base: NO2 H 3C
CH 3
N
O CH 2 + HO
CH 3
H3C
H
CH 3
/ H2 O
NO2
N
O
CH 3
H 3C
CH 3
hp , UV
NO2 hp , sichtbar
N
O
CH3 1,3,3-Trimethyl-2,3-dihydroindol-2-spiro-2´-(6-nitro-2 H-chromen)
Photochrome Polymethin-Farbstoffe werden als dekorative Zusätze in Gläsern und PolymerWerkstoffen sowie in der Datenspeicher- und Lasertechnologie verwendet.
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34.4
Polymethin-Farbstoffe
34.4.4
721
Natürliche Polymethin-Farbstoffe
Neben den Carotenoiden, die als terpenoide Polyene klassifiziert werden (Abschn. 42.2.5), kann man die Flavone (Synthese: Abschn. 33.11.7) und Anthocyanidine (Synthese: Abschn. 33.11.7) als Polymethin-Derivate auffassen. Diese Pflanzenfarbstoffe sind Derivate des 4H-Chromens und zählen zur Klasse der Hemioxonole, in denen phenolische, d. h. nicht heterocylische Hydroxyoder Hydroxylat-Gruppen zur vinylogen Carboxylat-Konstitution beitragen. O
O
O OH
O
O Chromon
O
Flavon (2-Phenylchromon)
Flavonol
Flavonole sind 3-Hydroxy-Derivate des 2-Phenylchromons. Das Quercetin genannte 5,7,3',4'Tetrahydroxyflavonol kommt z. B. frei und als 3-Glucosid in der Eichenrinde (lat. Quercus = Eiche) sowie in gelben Blüten vor (Goldlack, Stiefmütterchen, Löwenmaul, Rose). Durch Reduktion des Pyron-Rings im Quercetin bildet sich das zu den Gerbstoffen gehörende Catechol. O
H
O
O
H O
H
OH HO
OH OH
OH OH
O
HO
O
O
HO
OH
O
H O
OH
OH
Quercetin , Tautomere
Catechol (frühere Bez.: Catechin)
Anthocyanidine sind hydroxylierte Derivate des vom 2-Phenyl-4H-chromen abstammenden mesomeriestabilisierten Flavylium-Ions:
O
O
O
2-Phenyl-4H-chromen
Flavylium-Ion
Sie sind als Glycoside (Abschn. 39.4.4) sowie als Glycosid-Metallchelate (Fe3+, Al3+) die Farbträger zahlreicher roter, violetter und blauer Blüten (Rose, Malve, Kornblume) und Früchte (Kirsche). Nach saurer oder enzymatischer Spaltung dieser Chromosaccharide isoliert man die freien Flavylium-chloride als Aglyca (Abschn. 39.4.4). Je nach Hydroxylierungsgrad des Phenyl-Rings unterscheidet man zwischen Pelargonidin-, Cyanidin- und Delphinidin-chlorid: OH
OH
OH
OH : Pelargonidinrotorange R1 = R2 = H rotviolett R1 = OH , R2 = H : Cyanidin: Delphinidinchlorid blauviolett R1 = R2 = OH
HO
R2
O
HO
R2
O
Cl OH
OH R1
R1
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722
34 Organische Farbstoffe
34.5 Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe 34.5.1
Übersicht
Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe sind Derivate des Di- und Triphenylmethans sowie des Di- und Triphenylamins. Da die phenylogen Methin-Farbstoffe als Carbenium-Ionen mit delokalisierter positiver Ladung vorliegen, nennt man sie auch Di- und TriphenylcarbeniumFarbstoffe (n = 0 bzw. 1). Die Verbindungen lassen sich allgemeinen als Hybride mehrere mesomerer Grenzformeln beschreiben, wobei die Gesamtladung q positiv, negativ oder null sein kann (Tab. 34.4). U' U
U' U X
Y
Y
X
Z
Z
Y Z
V
V
W
U' U
X
n
V
n
W
n=0,1
n
W
Phenyloge Methin- und Azamethin-Derivate folgen dem in Abschn. 34.2 skizzierten Bauprinzip eines Farbstoffs: Die Substituenten X, Y und W sind Elektronendonoren. Der Elektronenakzeptor Z ist ein trigonales C- oder N-Atom. N
N
Als Chromogene wirken chinoide und benzoide r-Systeme. Die wichtigsten Vertreter phenyloger Methin- und Azamethin-Farbstoffe lassen sich von der allgemeinen Formel herleiten. Je nach Substituenten und Heteroatomen U, V, W, X, Y und Z unterscheidet man zwischen den in Tab. 34.4 aufgeführten Derivaten.
34.5.2
Allgemeine Methoden zur Herstellung
Di- und Triphenylmethan-Derivate Di- und Triphenylmethan-Farbstoffe werden durch elektrophile Substitution nucleophiler Aromaten aufgebaut. Als nucleophile Aromaten kommen hauptsächlich Phenol- und Anilin-Derivate in Betracht. Geeignete Vorstufen von Elektrophilen sind Tetrachlormethan, Chloroform und phenyloge Amidchloride, : Tetrachlormethan R1 = R2 = R3 = R4 = Cl R1 = R2 = R3 = Cl , R4 =H : Chloroform R1 = (CH3)2N/C6H4/ , : 4-(N,N-Dimethylamino)benzalchlorid R2 = R3 = Cl , R4 =H
R2
R2
R1 C R3
R1 C
+
R3
R4
R4
oder Carbonyl-Verbindungen, z. B. Formaldehyd, Phosgen, aromatische Aldehyde und Ketone: : Formaldehyd R1 = R2 = H : Phosgen R1 = R2 = Cl R1 = H, R2 = Aryl : Arenaldehyd : subst. Benzophenon R1 = R2 = Aryl
R1
+ [H+]
R1
C O R2
H C O
R2
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34.5
Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe
723
Tab. 34.4. Typische Vertreter der phenylogen Methin- und Azamethin-Farbstoffe; zur Vereinfachung wird nur eine mesomere Grenzformel gezeichnet; Substituenten und Heteroatome werden nach der allgemeinen Formel, Abschn. 34.5.1, benannt. -Farbstoff
n
q
Diphenylmethan-
0
+
Chinonimina) IndaminTyp
0
b) IndanilinTyp
0
c) IndophenolTyp
0
+
Substituenten, Heteroatome
typisches Beispiel
X = Y = NR2 U = U´ = H Z= C
(H3C)2N
X = Y = NR2 U = U´ = H Z= N
(H3C)2N
N(CH3)2
Cl
Auramin-O (gelb) C NH 2 N(CH3)2
Cl
Bindschedler-Grün N O
Triphenylmethana) MalachitgrünTyp
1
0
0
+
N(CH3)2
X = O , Y = NR2 U = U´ = H Z= N X = O , Y = OH U = U´ = H Z= N X = Y = NR2 U = U´ = V = W = H Z=C
Fettblau Z
N O
OH Indophenol N
(H3C)2N
N(CH3)2
Cl
Malachitgrün C C6H5 (H3C)2N
b) KristallviolettTyp
1
c) FuchsonTyp
1
+
N(CH3)2
Cl
X = Y = W = NR 2 U = U´ = V = H Z=C
Kristallviolett
C
N(CH3)2 0
X = Y = O , OH U = U´ = V = W = H Z=C
O
OH Benzaurin C C6H5
O c) PhthaleinTyp
(Thio-) Xanthen(Heterophthalein-)
Acridin-
Azina) PhenazinTyp
b) PhenoxazinTyp
c) PhenothiazinTyp
1
0
2/
/
od. 1
meist 0
meist 0
meist 0
meist 0
+
+
+
+
O
X=Y=O,O U = U´ = V = H V = CO2 Z=C
CO2
Br X=Y=O,O U , U´ = O oder S V = CO2 Z=C
X = Y = NH2 , NR2 U , U´ = NR Z = CH , C
X = Y = OH od. NR2 U , U´ = NR Z=N
Phenolphthalein
C
O Br
Br O
OH
C
Br CO2
Eosin (rot) ohne Brom: Fluorescein (orange)
CH3 Cl H2N
N
NH 2 Acridiniumgelb
H3C
CH 3 C 6H5 Cl
H2N
N
NH 2
H3C
N
CH 3
O
N(CH 3)2
Safranin T (rot) OH
X = Y = OH od. NR2 U , U´ = O Z=N
X = Y = NR2 U , U´ = S Z=N
HO
Cl
Gallocyanin (blau)
N CO2H (H 3C)2N
S
N(CH 3)2 Cl
Methylenblau
N
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724
34 Organische Farbstoffe
Die elektrophile Substitution läßt sich je nach Elektrophilie des zentralen C-Atoms bis zu dreimal wiederholen. R2
R2
/ [H+]
+ H
R1 C
X
+ H
R4
R2
X
X
R1 C
X
/ R1 H
R4
X
C R4
Ist das Elektrophil eine aromatische Carbonyl-Verbindung, so verläuft die Substitution über ein Benzhydrol. Diese "Leukobase" dissoziiert in saurer Lösung glatt zum Triphenylcarbenium-Farbstoff: R1 + H
C OH
R2
/ [H+]
X
R1
R2
R1
- [H+]
X
C
/ H2O
OH
R1 = R2 = Aryl
R1 X
C
Benzhydrol (Leukobase)
X
C
R2
R2
mesomeriestabilisiertes Triphenylcarbenium-Ion
Häufig läßt sich ein Triphenylmethan-Farbstoff auf beiden Wegen herstellen. So entsteht Kristallviolett entweder aus N,N-Dimethylanilin und Tetrachlorkohlenstoff über die phenylogen Amidchloride (Weg 1) oder aus Phosgen und N,N-Dimethylanilin über N,N-Dimethylaminobenzoylchlorid, MICHLER-Keton und MICHLER- Hydrol (Weg 2). N(CH3) 2
N(CH3) 2
N(CH3) 2
+
N(CH3) 2
+
N(CH3) 2 H
H C
/ HCl
Cl (H3C) 2N
(H3C) 2N
CCl3
C
/ HCl
Cl Cl
N(CH3) 2
+ CCl4 / ZnCl2 , /"HCl
Weg 1
N(CH3) 2 N(CH3) 2
Kristallviolett
Cl
C
H (H3C) 2N + O=CCl2 , / HCl
Weg 2
N(CH3) 2
+
C
Cl
O
N(CH3) 2
N(CH3) 2
H
C
+ H
C
/ H2O
- HCl
N(CH3) 2 N(CH3) 2
N(CH3) 2
O
(H3C) 2N MICHLER-Keton
OH (H3C) 2N
N(CH3) 2 MICHLER-Hydrol
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34.5
Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe
725
Bei der Synthese von Phthaleinen, z. B. des Phenolphthaleins, reagiert Phthalsäureanhydrid als elektrophile Carbonyl-Verbindung, und p-unsubstituierte Phenole sind die nucleophilen Aromaten. Dabei entsteht zunächst die farblose Lacton-Form. In alkalischer Lösung (pH > 8) dissoziieren die phenolischen Hydroxy-Protonen. Der (-)-M-Effekt der Phenolat-Gruppe öffnet den Lacton-Ring zur mesomeriestabilisierten chinoiden Form, dem roten Triphenylmethan-Farbstoff. Zugabe von Mineralsäure regeneriert die farblose Lacton-Form. Auf diesem reversiblen Farbumschlag beruht die Anwendung des Phenolphthaleins als Farbindikator bei Säure-Base-Titrationen. HO
OH
HO
/ 2 [H+]
/ H2O
H + H
O
OH C
O O
O
O
C
C
- 2 [H+]
O
O
CO2
CO2
O Phenolphthalein farblose Lacton-Form (Phthalid) in saurer Lösung
O
rote chinoide Form in alkalischer Lösung
Der Phthalein-Synthese analog verläuft die Bildung der Xanthene: Anstelle von Phenol wird ein m-Diphenol eingesetzt (Resorcin › Fluorescein, Tab. 34.4); das gebildete o,o'-Dihydroxyphthalein cyclodehydratisiert zum Xanthen-Ring.
Chinonimin-Derivate Chinonimin-Farbstoffe entstehen bei der Substitution eines Phenols oder Anilins (als nucleophile Aromaten) durch die elektrophile Nitroso-Funktion eines N,N-Dialkyl-4-nitrosoanilins oder 4Nitrosophenols und einer Dehydratisierung als Folgereaktion: XH
XH
X
X
[H+]
+ O
/ H2O
H N O
N
H N HO Y
Y
X = O : Phenol ,Y = NR2 : N,N-Dialkyl-4-nitrosoanilin X = O : Phenol , Y = OH : 4-Nitrosophenol
Y
N Y X = O , Y = NR2 X = O , Y = OH
: Indanilin : Indophenol
Chinonimin-Farbstoffe bilden sich im Laufe der Entwicklung von Farbfilmen, z. B. durch Oxidation eines 1,4-Diaminoarens zum p-Chinondiimin mit Silber-Ionen in Gegenwart von metallischem Silber als Katalysator. SO3 p-Chinondiimin
NR 2
NR 2 + 2 Ag
NR 2
+
R' OH
+
/ [H ] / 2 Ag
NH 2
R 2N
+
R 2N N
H + 2 Ag
N
/ 2 [H ] / 2 Ag
/ SO3
NH
+
+
NH
R' OH
R' O
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726
34 Organische Farbstoffe
Das Chinondiimin kuppelt unter elektrophiler Substitution mit 4-Hydroxynaphthalensulfonat, wobei sich Schwefeltrioxid ablöst. Die dabei entstandene Leukoform wird durch weitere SilberIonen zum Indanilin-Farbstoff oxidiert. Acridin- und Azin-Derivate Phenazin-, Phenoxazin- und Phenothiazin-Farbstoffe werden meist durch oxidativen Ringschluß o-substituierter Chinonimine hergestellt. Das Heteroatom U wird durch nucleophile Substitution des Chinonimins eingeführt. R X
Y
+
+ RUH , / [H ]
RU H
X
N
X
Y
U N H
N
+
/ [H ] , / 2 e0
R
R X
U
Y
X
U
N
Y
+
/ [H ] , / 2 e0
/
/
R
R
H
X
Y
U
N
X
Y
U
Y
N
N
So bildet sich Methylenblau [X = Y = N(CH3)2 , UR = S, Tab. 34.4] aus 4-Amino-N,N-dimethylanilin und Natriumthiosulfat (Einführung des Schwefels) in Gegenwart von Zinkchlorid, Salzsäure und Dichromat als Oxidationsmittel. Safranin T (Tab. 34.4) entsteht analog aus 2,5-Diaminotoluen, 2-Aminotoluen und Anilin in Gegenwart von Dichromat. Ein allgemeiner Weg zu Acridin-Farbstoffen ist die elektrophile Substitution von m-substituierten Anilinen durch einen Aldehyd. Der Ringschluß zum 9,10-Dihydroacridin erfolgt unter intramolekularer Ammoniak-Abspaltung. Anschließend wird zum Acridinium-System oxidiert.
X
R
R NH
H2N
Y
O
R
+ R
H
C
/ H2O
R
NHNH2 X R
Y H R'
/ NH3
R
X
N
R
Y R
H R'
R / [H+] , / 2 e0
/
R Acridinium-Farbstoff ( X = Y = NH2 , R = CH3 : Acridiniumgelb)
X
N
R
Y R
R
34.5.3
Anwendung phenyloger Methin- und Azamethin-Farbstoffe
Textil- und Polymer-Färbung Triphenylmethan-Farbstoffe wie Kristallviolett und Malachitgrün sind nicht sehr lichtecht. Man verwendet sie hauptsächlich zur Anfärbung von Polymeren, die zur Herstellung von Folien (Bürobedarf, Verpackungen) benötigt werden. Die meist stark fluoreszierenden Xanthen-Farbstoffe wie
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34.5
Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe
727
Eosin und Fluorescein finden als Signalfarben für Verkehrsmarkierungen und Plakate Verwendung. Zur Färbung von Seide, Wolle, Papier sowie zur Herstellung von Druckfarben dienen u. a. die lichtechten kationischen Phenothiazin-Farbstoffe wie Methylenblau. Farbindikatoren Phenolphthalein und seine Derivate werden als Farbindikatoren in der Acidimetrie verwendet. Der Farbumschlag beruht auf der reversiblen Umwandlung der farblosen Lacton-Form in den meist roten Triphenylmethan-Farbstoff (Abschn. 34.5.2). Das Xanthen-Derivat Eosin (Tab. 34.4) hat in Lösung eine andere Farbe (rot) als im adsorbierten Zustand (rotviolett). Hierauf beruht seine Anwendung als Adsorptionsindikator der HalogenidTitration mit Silbernitrat: Unmittelbar nach dem Äquivalenzpunkt laden überschüssige SilberIonen den Silberhalogenid-Niederschlag positiv auf. Infolgedessen wird das Eosin-Anion auf der Oberfläche des Niederschlags durch COULOMB-Kräfte adsorbiert. Eine damit verbundene schlagartige Farbänderung des Niederschlags markiert den Äquivalenzpunkt. Druckempfindliche Kopierpapiere Einige Triphenylcarbinole und Lactone der Phthalein- und Xanthen-Reihe reagieren im Kontakt mit sauer oder basisch imprägniertem Papier zu den Triphenylcarbenium-Farbstoffen. Hierauf beruht ihre Anwendung zur Herstellung druckempfindlicher Kopierpapiere für Formulare. Biologische und medizinische Anwendungen Eosin und Methylenblau finden in der medizinischen Diagnostik Anwendung; Eosin färbt Leukozyten und Gewebe; Methylenblau färbt als Vitalfarbstoff selektiv die graue Substanz des peripheren Nervensystems. Einige Triphenylmethan-Farbstoffe vom Kristallviolett-Typ wirken bakterizid und werden zur Desinfektion von Wunden eingesetzt.
34.5.4
Natürliche Phenoxazin-Farbstoffe
Chinoniminartige Derivate des Phenoxazins, die Phenoxazone, bilden die Chromophore der toxischen aber stark antibiotisch und cytostatisch wirkenden Actinomycine (Abschn. 37.7.2). Actinomycine sind Stoffwechselprodukte der Actinomyceten. Phenoxazone wurden ferner als Ommochrom-Farbstoffe aus Augen-, Haut- und Flügelpigmenten sowie aus Sekreten von Insekten isoliert, z. B. Xanthommatin aus dem Schlupfsekret des kleinen Fuchses. R HN
R C
O
O
C
HO2C
NH
N
NH2
O
O
H3C
H
H 2C Actinomycin D ( R ist ein Pentapeptid-Lacton-Ring )
NH 2 C
O HO
CO2H
N
Xanthommatin
CH3
O
O
Das beiden Naturstoffen zugrunde liegende 2-Amino-3-phenoxazon-System ist durch milde Oxidation von 2-Aminophenolen mit p-Benzochinon oder Luft-Sauerstoff zugänglich. R
R NH2 + OH
R'
+
/"6 [H ] , / 6 e0
/
N
OH R'
R
R NH2
NH 2
O R , R' = H , Alkyl , CO2H
R'
O R'
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728
34 Organische Farbstoffe
34.6 Carbonyl-Farbstoffe 34.6.1
Übersicht
Carbonyl-Farbstoffe enthalten als wesentliches Bauelement zwei über eine oder mehrere rBindungen in Konjugation stehende Carbonyl-Gruppen: X C C O
C
O
O
O
Y
X
C meist
n
n=1
X
X O Indigo-Farbstoff
O Anthrachinon-Farbstoff
X = NH , O , S , Se
Y ist ein Donor-Substituent
Sind die Substituenten X Heteroatome (X = NH, O, S, Se) als Teile von Fünfring-Heterocyclen, so liegen Indigo-Derivate vor. Anstelle der Substituenten X können auch weitere CC-Doppelbindungen im Verband aromatischer Ringe mit (-)-M-Substituenten YI treten; dann handelt es sich um Chinon-Farbstoffe. Von diesen haben vor allem die 9,10-Anthrachinon-Derivate technische Bedeutung. In beiden Farbstoff-Typen ist wieder die Sequenz Elektronendonor-r-SystemAkzeptor (Abschn. 34.2) verwirklicht. Als Akzeptoren wirken die Carbonyl-Gruppen. Heteroatome (X) bzw. Substituenten (YI ) sind die Donoren, wie es mesomere Grenzformeln beschreiben: O
O
X
O
X X
X X
O
X
O
O
Indigo O
Y
O
O
Y
O donor-substituiertes Anthrachinon
34.6.2
Lichtabsorption der Carbonyl-Farbstoffe
Das Anthrachinon-System (nmax = 327 nm) wird bereits durch Einführung eines Elektronendonors zum Farbstoff (nmax 400 nm). Je nach Stärke der Donoren YI (OH < NH2 < NR2 < NHAryl) und ihrer Anzahl erhält man verschiedenfarbige Verbindungen, die fast in jedem gewünschten Teil des sichtbaren Spektrums absorbieren (Tab. 34.5). Bei Indigo-Derivaten hängt das Lichtabsorptionsmaximum nicht nur vom Heteroatom X, sondern auch von Art und und Position des Substituenten an den Benzen-Ringen ab (Tab. 34.6). Dies erklärt die Farbenvielfalt der Indigo-Derivate. Die Abhängigkeit der Lichtabsorption von der Substituenten-Stellung an den Benzen-Ringen in Anthrachinon- und Indigo-Derivaten (Tab. 34.5, 34.6) folgt dem Verteilungssatz der Auxochrome:
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34.6
Carbonyl-Farbstoffe
729
Enthält ein Benzen-Derivat einen Elektronen-Akzeptor A in Stellung 1 sowie einen Donor D, so verschiebt ein weiterer Donor das längstwellige Absorptionsmaximum bathochrom in der Folge 1,4- < 1,2,4- < 1,3,4- < 1,2,5- (Tab. 34.7). O 8
Tab. 34.5. Längstwellige Absorptionsbanden substituierter Anthrachinone in Dichlormethan
1
7
9
6
10
2
Y
3 4
5
O
Y
an
C-1
C-2
C-4
nmax [nm]
C-5
405 465 504 508
OH NH2 N(CH3)2 NHC 6H5
OH NH2
OH NH 2 N(CH 3)2
365 410 470
OH NH 2
416 480
OH NH2 NHC 6H5
476 550 620
OH NH2 NHC 6H5
OH NH2
428 480
OH NH 2
7
Tab. 34.6. Längstwellige Absorptionsbanden einiger Indigo-Derivate in Ethanol
6 5
1
O
X
3'
3 4
O
4' 5
X 1'
6
Y
7
nmax [nm]
Einfluß
Verbindung
X
Y
Heteroatom Heteroatom Heteroatom Heteroatom Heteroatom
Oxindigo Thioindigo Selenindigo Indigo N,N´-Dimethylindigo
O S Se NH NCH3
H H H H H
432 543 562 606 656
Position des Substituenten am BenzenRing
6,6´-Dichlorindigo 7,7´-Dichlorindigo 4,4´-Dichlorindigo 5,5´-Dichlorindigo
NH NH NH NH
Cl Cl Cl Cl
570 590 612 615
Da die Energie eines Moleküls im angeregten Zustand nicht durch Resonanzbetrachtungen vorhersagbar ist, kann man den Verteilungssatz der Auxochrome nicht anhand mesomerer Grenzformeln, sondern besser durch quantenmechanische Rechnungen erklären. Letztere haben auch gezeigt, daß die zur blauen Farbe des Indigos führende Lichtabsorption allein auf das bis jetzt nicht dargestellte push-pull-System des "Ur-Indigos" zurückgeht. O H
C
Ur-Indigo
NH2 C
C
H2N
C
H
O
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730
34 Organische Farbstoffe
Tab. 34.7. Verteilungssatz der Auxochrome bei Anthrachinon- und Indigo-Derivaten Bathochromie D
D Verteilungssatz der Auxochrome
A
A
A
250 °C
-"1/2 O2 , /"H 2O CH 3
1.) + 2 H2N
+ 3 NH3
H
O
N
N O
O
CH 3 Chinizarin (rot)
Alizarincyaningrün
Indanthren (blau)
Flavanthren (gelb)
Abb. 34.1. Synthese ausgewählter Anthrachinon-Farbstoffe
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732
34 Organische Farbstoffe
In Gegenwart von Oxidationsmitteln (Luft-Sauerstoff, Schwefeltrioxid) und Katalysatoren (Borsäure) erhält man als Produkt der Alkalischmelze die Polyhydroxyanthrachinone Alizarin, Chinizarin und Alizarincyanin, in welchen die Hydroxy-Funktionen wiederum durch Nucleophile, z. B. Amine, substituierbar sind. Auf diese Weise ist Alizarincyaningrün zugänglich (Abb. 34.1).
34.6.4
Indigo-Synthesen
Abb. 34.2 skizziert die wichtigsten Synthesen des Indigos. Alle Wege führen über ein 3-Oxo-2,3dihydroindol (Indoxyl) als Intermediat, welches durch Luft-Sauerstoff (Indigo) oder Schwefel (Thioindigo) zum Indigo-Farbstoff oxidiert wird. Von den als HEUMANN-Synthesen bekannten Verfahren 1 und 2 dient die Variante 1a zur Herstellung vieler substituierter und anellierter Indigo-Derivate in technischem Maßstab. Thioindigo-Derivate (X = S) sind vor allem auf Weg 2 zugänglich, während Weg 3 eine spezielle aber ergiebige Synthese des Indigos (R = H) selbst ist. SO3Na
SO3Na R
OH /"H2O
X
1a
+ H2C
R XH
-""NaCN"."/"Na2SO3
1
CN
-"4"H2O
X
/ NH3
R
CO2H R X
1
/"H2O (NaNH2)
O
O /"2"NaH
R
-""Cl /"CH2 /"CO2H , / HCl
O /"2 [H+] , / 2 e0
R
/
X 1/2 R
X
N
R X O
Indoxyl-Derivat
3
"-""2"NaNH2 , / 2 NH3
2 OH R
/"CO2
O H
R N H
3
Indigo-Derivat
+
X O
CO2H
NaOHSchmelze /"H2O
2
CO2H R X
-""Cl /"CH2 /"CO2H
CO2H
/ HCl
CO2H R
R NH2
XH
Abb. 34.2. Allgemeine Indigo-Synthesen
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34.6
Carbonyl-Farbstoffe
34.6.5
733
Textilfärbung mit Indigo- und Anthrachinon-Derivaten
Auf Anthrachinon-Derivate sind nahezu alle bereits besprochenen Färbetechniken anwendbar. Besonders verbreitet sind Aminoanthrachinone als Ionenaustausch-, Dispersions- und ReaktivFarbstoffe, wie die folgende Auswahl zeigt: O
H
N
H
H
O
O
H
OH
N
O
H
N
H
SO3 Na
SO3Na NHR N
O
H
N
O
C12 H25 Carbolanblau (Ionenaustauschfarbstoff für Protein- und Polyamid-Fasern)
H
O
H
N
O
OH
H
N
N
NH N SO3Na
Cellitonechtblaugrün (Dispersionsfarbstoff)
NH2
Anthrachinon-Reaktiv-Farbstoff
Als roter Beizenfarbstoff vor allem für Baumwolle hatte Alizarin früher erhebliche Bedeutung. Es bildet wie alle Polyhydroxyanthrachinone mit Aluminiumhydroxid ein tiefrotes Metallchelat ("Farblack") und zieht daher auf Baumwolle, die mit Aluminiumhydroxid gebeizt wurde. Cellulose O
O Al
Bindung zwischen Cellulose und Alizarin bei der Beizenfärbung mit Aluminiumhydroxid
O
O OH
O
Eine für Indigo- und Anthrachinon-Derivate typische Färbetechnologie ist die Küpenfärbung. Sie beruht auf der reversiblen Reduktion der meist wasserunlöslichen Carbonyl-Farbstoffe zu den häufig farblosen "Leukoverbindungen", die als Alkali-Salze gut wasserlöslich sind. Reduktion (Verküpung) eines Carbonyl-Farbstoff
O
+ 2 e0
O n
/ 2 e0
/
/
Carbonyl-Farbstoff
O
O
n
Polyendiolat-Dianion ("Leukoverbindung")
Indigo- und Anthrachinon-Derivate werden z. B. durch Natriumdithionit in alkalischer Lösung reduziert (verküpt): O
H
R
R N H
O
O
Na2S2O4 / NaOH / + 2 e0
N
/ 2 e0 O2
/
H N R
R N H
O
Indigweiß- (Leukoindigo-) Dianion
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734
34 Organische Farbstoffe
O
O
Na2S2O4 / NaOH / + 2 e0
R
R
/ 2 e0 O2
O
R
/
R O
9,10-AnthrahydrochinonDianion
Die bei der Verküpung entstehenden Diendiolat-Anionen ziehen aus wäßriger Lösung (Küpe) auf Baumwoll-Fasern. Zur Haftung auf der Faser tragen hauptsächlich Wasserstoffbrücken und IonenDipol-Kräfte bei. Durch "Verhängen" der mit Küpe getränkten Faser an der Luft werden die Dianionen der Leukoverbindungen reoxidiert. Hierbei entsteht der Farbstoff direkt auf der Faser in feinster Verteilung. Da fast alle Indigo- und Anthrachinon-Derivate nicht lichtempfindlich und wenig wasserlöslich sind, erhält man licht- und fast waschechte Färbungen.
34.6.6
Höher anellierte Carbonyl-Farbstoffe
Einige sehr langwellig absorbierende, höher anellierte Anthrachinon-Derivate sind weitere technisch anwendbare Küpenfarbstoffe. Dazu gehören u. a. kondensierte Derivate des Benzanthrons. Man erhält sie über FRIEDEL-CRAFTS-Cyclisierungen der aus aromatischen Carbonsäuren entstehenden Acylium-Ionen. Auf diesem Weg entstehen z. B. Anthanthron-Derivate aus 1,1'-Binaphthyl-8,8'-dicarbonsäuren:
CO2H HO2C
X
X
X
+ [H+] / H2O
CO2H O
CO2H
H
C
X
/ [H+]
O
X
X
X
CO2H O
X / H2O
X
O
Anthron Benzanthron (Stammverbindungen)
O
Anthanthron ( X = H , Halogen , OH )
O
O
X
Heteroanaloge Anthron-Derivate, die anellierten Acridone, bilden intermolekulare Wasserstoffbrücken. Die Assoziate sind äußerst schwer löslich. Infolgedessen gewinnen anellierte Acridone Bedeutung als lösemittelechte Pigmente, so z. B. das rotviolette linear anellierte Chinacridon. O
H N
Chinacridon N H
O
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34.6
Carbonyl-Farbstoffe
34.6.7
735
Natürliche Carbonyl-Farbstoffe
Indigo ist seit langem bekannt und wurde früher aus dem im Indigostrauch (Indigofera tinctoria) und Färberwaid (Isatis tinctoria) vorkommenden Glucosid (Abschn. 39.4.4) Indican gewonnen. OH CH2OH
OH HO O
Indoxyl-Tautomere
O
OH
O
+ H2O (H3O+) / D-Glucose
N H
N
Indican
Indigo (vgl. Abb. 34.2)
N
H
H
Der rotviolette 6,6'-Dibromindigo wurde bereits in der Antike aus Purpurschnecken (z. B. Murex brandaris) des Mittelmeerraums isoliert (antiker Purpur). O
H Br
N 6,6´-Dibromindigo N
Br
H
O
Terpenoide Derivate des 2,3-Dimethoxy-5-methylbenzochinons wirken als Hilfssubstrate der Atmungskette; die Koagulationsvitamine der K-Reihe (Abschn. 42.2.6) leiten sich vom 2-Methyl1,4-naphthochinon (Menadion) ab. Auch Flechten und Pilze enthalten Chinone. Das Terphenylchinon Polyporsäure kommt z. B. in Flechten und Porlingen vor, und die vom Dihydro-2H-pyran2,5-dion ableitbaren Grevilline sind die leuchtend gelben Farbstoffe der Röhrlinge. O
O H3CO
CH3
H3CO
R
H
OH
O O
O
H
2,3-Dimethoxy-5-methyl-p-benzochinon
O
HO
O
O
O
O
H
Grevillin A
Polyporsäure
Naphthochinone, Anthrachinone und Tetracenchinone sind als natürliche Farb- und Wirkstoffe weit verbreitet. Sie zählen ebenso wie die Flavonoide (Abschn. 34.4.4), Cumarine und Aflatoxine (Abschn. 33.11.7) zu den Polyketiden, weil sie sich durch Kondensation aus Acetat- oder Malonat-Einheiten über Poly-d-ketosäuren bilden. 5-Hydroxy-1,4-naphthochinon (Juglon) entsteht z. B. in den Fruchtschalen der Walnüsse (Juglans regia) an der Luft und färbt die Haut braunschwarz. 3-Methyl- und 3-Hydroxymethyl-1,6,8-trihydroxyanthrachinone (Emodine) sind die laxierenden Wirk- und Farbstoffe von Aloe und Faulbaumrinde. Von Tetracen (Abschn. 12.1) bzw. Tetracenchinonen leiten sich die gelben, antibiotisch wirkenden Tetracycline aus Streptomyces-Arten ab. O
OH
O
O
OH
OH
CH3
R O
H
O
Juglon
O 2-Methyl-1,4-naphthochinon
O
OH O OH
O NH2
HO
R O
R = CH3 : Frangula-Emodin R = CH2OH : Aloe-Emodin
OH H H N(CH3) 2 R HO CH3 R' R = R' = H : Tetracyclin (Achromycin) R = H, R' = OH : Oxytetracylin (Terramycin) R = Cl, R' = H : Chlortetracyclin (Aureomycin)
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736
34 Organische Farbstoffe
34.7 Polyaza[18]annulen-Farbstoffe 34.7.1
Bauprinzip
Unter Polyaza[18]annulen-Farbstoffen versteht man Porphyrine natürlicher und synthetischer Herkunft sowie deren Metallchelate. In der Stammverbindung Porphin schließen vier PyrrolRinge in den c,c´-Stellungen mit insgesamt vier Methin-Gruppen einen Ring. Tetraazaporphyrine (Phthalocyanine) enthalten vier Imino-N-Atome anstelle der Methin-Brücken. Als Chelatliganden komplexieren Porphyrine und ihre Tetraaza-Derivate Metall-Kationen mit Ionenradien um 70 pm. R
R
R
X
R
R X
H
R
X
/ 2 [H+]
N
N
N
+ M 2+
H
X
R
N
N
R
34.7.2
X
M
R
N R
X
R
R
X = CH : Porphyrine X = N : Tetraazaporphyrine (Phthalocyanine mit R /"R =
R N
N
R
X
R X
R
X = CH : Porphyrin-Metallchelat X = N : Phthalocyanin-Metallchelat
)
Mesomerie der Porphyrine und ihrer Metallchelate
Im H-NMR-Spektrum des Pyrrols erscheinen die CH-Protonen bei fH = 6 - 7, die NH-Protonen bei fH = 8. Dagegen zeigt Porphin (R = H, X = CH) 1H-Verschiebungen von fH = 9 - 10 für die äußeren Ring-CH-Protonen und fH = /4 für die inneren NH-Protonen. Dieselbe Aromatizitätscharakteristik zeigen die äußeren und inneren Protonen des HÜCKEL-Aromaten [18]-Annulen (Abschn. 30.12.3). Porphyrine (X = CH) und ihre Metallchelate entpuppen sich somit als aromatische 18r-Elektronensysteme vom Typ der Diaza[18]annulene; Phthalocyanine (X = N) sind dementsprechend Hexaaza[18]annulene. 1
R
R
R
X
R N
R X R
R
R
R
R
X
X R
R
R
R
R
R
X
X R
R Metallchelate mit M
X
M N
R
R N
N
X
Porphyrine (X = CH) , Phthalocyanine (X = N)
R X
N
N
X
R
N
M
N
R
R X N
H N
X
R
H
X
N
N
R
N
N
H
R
R
N
H
X
R X
N
R
X R
R
2+
Die besonders intensive SORET-Bande (nmax 410 nm) in den Lichtabsorptionsspektren der Porphyrine sowie noch längerwellige Absorptionen (nmax > 500 nm) können durch eine tetramere cyclisch konjugierte Anordnung des 3-Aminoacroleinimin-Fragments erklärt werden, 3-AminoacroleiniminTeilstruktur
N
N
4
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34.7
Polyaza[18]annulen-Farbstoffe
737
einem weiteren Beispiel zum push-pull-Bauprinzip der Farbstoffe: Die Amino-Funktion schiebt, die über eine r-Bindung verknüpfte Imino-Gruppe zieht, und diese Wechselwirkung pflanzt sich cyclisch fort. Porphyrine fluoreszieren in Lösung rot und bilden metallisch glänzende, dunkelrote bis violette Kristalle. Der Kupfer(II)-Komplex des Tetrabenzotetraazaporphins (Kupfer-Phthalocyanin, Abschn. 34.7.4) ist eine tiefblaue Verbindung (nmax = 678 nm, lg g = 5.3, Dampfzustand).
34.7.3
Porphyrin-Synthesen
Zur Darstellung substituierter Porphyrine eignen sich die in Abb. 34.3 formulierten oxidativen Cyclisierungen. Edukte der Monopyrrol-Synthesen sind Hydroxymethyl- bzw. Aminomethylpyrrole [X = OH, NH2, N(CH3)2] als Vorstufen elektrophiler Carbenium-Ionen sowie alternativ 2,2´-unsubstituiertes Pyrrol und ein Arenaldehyd (ROTHEMUND-TREIBS-Cyclisierung), wobei die Arenaldehyde meso-Tetraarylporphyrine ergeben. Meso-Tetraphenylporphyrin wird z. B. aus Pyrrol und Benzaldehyd in siedendem Eisessig unter Luft-Sauerstoff hergestellt. H H
O
O N
N
N
2 + 2Methoden
H H
H H
+
N
N
N H + H H H
2,2'-Dipyrrylmethan ("Dipyrran" , "2")
N
N
O H
O
H / 2 H2O , / 2 [H+] , /"4 e0
MonopyrrolSynthesen
biomimetisch "/ 4 HX ,
4
X
N
/"6 e0
H
/
N
N
"/ 4 H2O ,
H H
+
/ 4 [H ] ,
/
N
/ 2 H2O , / 2 [H+] , /"4 e0
/"6 e0
+ 4
4
/ 4 [H+] ,
N
N
/
H
O
H
/
O O
H
N
N 3 + 1Methoden
H H
O H
+
N
N H HH
+H
H N
N
N H HH
5-(2-Pyrryl)-methyl-2,2'-dipyrrylmethan O ("Tripyrran", "3")
N
Abb. 34.3. Porphyrin-Synthesen
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738
34 Organische Farbstoffe
Cyclisierungen der 2,2´-Dipyrrylmethane (2-2-Methoden) gelingen entweder mit 2,2´-Dipyrrylmethan-5,5´-dialdehyden (MCDONALD-Cyclisierung) oder mit zwei Äquivalenten eines Arenaldehyds in Gegenwart von Chinonen (2,3-Dichlor-5,6-dicyano-p-benzochinon = DDQ oder Tetrachlor-p-benzochinon = Chloranil) als Oxidationsmittel. Zu den 3-1-Methoden gehören die Cyclisierung der als "Tripyrrane" bekannten 5-(2-Pyrrylmethyl)-2,2´-dipyrrylmethane mit Pyrrol-2,5dialdehyden bzw. der Tripyrran-5,5´-dialdehyde mit 2,5-unsubstiuierten Pyrrolen in Gegenwart von DDQ oder Chloranil) als Oxidationsmittel (Abb. 34.3). 2,2´-Dipyrrylmethane bilden sich u. a. aus 3,4-Dialkylpyrrol-2- und 2-Acetoxymethyl-3,4-dialkylpyrrol-5-carbonsäureestern, Vorstufen der als Elektrophil benötigten Carbenium-Ionen, anschließende Verseifung und Decarboxylierung zur Entfernung der zur Blockierung von Nebenreaktionen notwendig gewesenen AlkoxycarbonylGruppen. O H 3C
O
H
1.) + 2 H2O / 2 ROH
[H+]
+
N RO2C
C
N
/ CH3CO2H
N H
RO2C
CO2R
2.) F"."/ 2 CO2
N HH
N
2,2´-Dipyrrylmethan-5,5´-dicarbonsäurediester
N HH
CO2R
2,2´-Dipyrrylmethan
Ringvinyloge und Isomere des Porphyrins sind bekannt. Die zu den Porphyrinen isomeren Porphycene entstehen nach VOGEL durch doppelte MCMURRY-Reaktion (Abschn. 20.11.5) des 2,2'Bipyrrol-5,5'-dialdehyds und anschließende DDQ-Oxidation zum Diaza[18]annulen-Aromaten mit ausgeprägtem Ringstrom-Effekt im NMR-Spektrum und extrem intensiver Lichtabsorption.
H
N H O O
O O
+ H N
H
H
N H H N
+ 2 Ti (TiCl 4 , LiAlH4 ) / 2 TiO2
N H H N
H
2,2´-Bipyrrol-5,5´-dialdehyd
34.7.4
N H H N
DDQ +
/ 2 [H ] , / 2 e0
/
N H N
N H N
N H N
N H N
Porphycen-Tautomere
Phthalocyanin-Synthesen
Die Synthese der Phthalocyanine verläuft aufgrund isolierter Intermediate wahrscheinlich nach dem in Abb. 34.4 skizzierten Schema. Edukte sind entweder Phthalsäureanhydrid oder die daraus zugänglichen Derivate Phthalimid und Phthalodinitril. Phthalodinitril kann zu einem zwitterionischen 3H-Isoindol-Derivat cycloaddieren, welches oligomerisiert. Das Tetramer schließt unter dem reduzierenden und orientierenden Einfluß der Kupfer(I)-Ionen (Metalltemplate-Effekt) den Phthalocyanin-Ring. Eine andere färbetechnisch anwendbare Methode führt über 1-Amino-3imino-3H-isoindol. Dieses ist aus Phthalsäureanhydrid über Phthalimid und 1,3,3-Trichlor-3Hisoindol zugänglich (Abb. 34.4). 1-Amino-3-imino-3H-isoindol kann unter Ammoniak-Abspaltung oligomerisieren. Der Ringschluß des Tetrameren zum Phthalocyanin-Metallchelat gelingt in Gegenwart von Metallsalzen unter oxidierenden Bedingungen (Abb. 34.4).
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34.7
Polyaza[18]annulen-Farbstoffe
739
Substituierte Phthalocyanine und ihre Metallchelate entstehen nach Abb. 34.4 aus substituierten Phthalimiden. Durch Substitution am Benzen-Ring (/Cl, /SH, /C6H5 ) ändert sich die Eigenfarbe der Kupfer(II)-Chelate von blau nach grün. Ersatz des Benzen-Rings durch 1,4-Dithian führt zu roten Phthalocyaninen. + O=C(NH 2) 2
O
O + NH3 , / H2O
O
/ NH3 , / CO2
NH
O
O
O
C
C
N H CO2H
NH2
O
Phthalsäureanhydrid
Phthalimid
+ NH 3 , / 2 H 2O
/ H2O
+ NH 3
OH CN
/ H2O
+ 2 PCl5 , / 2 POCl3 , /"HCl
Cl
O
N
N
NH
CN NH
Phthalodinitril
NH
Cl -" 2 NH3
N
Cl / 3 HCl
NH2
NH + NH3
N
N
NH NH
NH 1-Amino-3-imino-3H-isoindol
4
/ 3 NH3
4
N N
N
N
N
N
N + M 2+ , + 2 e0
N 2
N
N
/
+ M 2+ , / 3 [H +] , / e0
H
N
N
NH 2
N
M N
N
/
4
N Phthalocyanin (M = 2 H) bzw. Metallchelat (M = Metall(II)-Ion)
Abb. 34.4. Phthalocyanin-Synthesen
34.7.5
Färbung mit Phthalocyanin-Derivaten
Phthalocyanin-Metallchelate werden wegen ihrer guten Wasch-, Licht- und Temperatur-Echtheit als Pigment-, Mineral-, Druck- und Lackfarben verwendet. Phthalocyaninsulfonsäure-Metallchelate eignen sich zur türkisblauen Direktfärbung von Cellulose-Fasern. Reaktiv-Färbungen mit Vinylsulfon-Ankern sind ebenfalls möglich. Im Baumwoll-Textildruck bildet sich das Phthalocyanin-Metallchelat auf der Faser (PhthalogenFärbung). Hierzu wird eine Paste aus 1-Amino-3-imino-3H-isoindol, Metallsalz und Lösemitteln (N,N-Dimethylformamid, Triethanolamin, Glykole) auf das Gewebe gedruckt. Der Farbdruck entwickelt sich auf den Gewebeflächen beim Erhitzen auf 120 - 150 °C.
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740
34 Organische Farbstoffe
34.7.6
Natürliche Porphyrinoide
Im Hämoglobin der roten Blutkörperchen ist der farbtragende, funktionelle Molekülteil (die prosthetische Gruppe "Häm") ein substituierter Eisen(II)-Porphyrin-Komplex. Hämoglobin übernimmt im Blutkreislauf den Sauerstoff-Transport von der Lunge zu den Geweben. Es bindet reversibel (vom O2-Partialdruck abhängig) enzymatisch aktivierten Sauerstoff an die sechste Koordinationsstelle des Eisen(II)-Porphyrin-Protein-Komplexes in der schützenden hydrophoben "Tasche", die das gebundene Protein bildet. Hämin (Abb. 34.5) ist der proteinfreie Porphyrin-Eisen(III)-Komplex, der beim Einfließen von Blut in mit Natriumchlorid gesättigten, heißen Eisessig kristallisiert.
N
N
N
N
N
N
N
H
H
N
N
N
Porphin (Stammskelett der Porphyrine)
Chlorin (Stammskelett des Chlorophylls)
Hämin
Chlorophyll a CH 3 H 3C
N
N
N CH3
N
H 3C
N CH 3
H
CO2H
CH 3
CONH2
Co N
N
CH 3
CH 3 CH 3
O
CONH2 NH
CH 3
R = C20H 39 =
CONH 2
CH 3
H O CO2CH 3 CO2R
N
N CN N
H 2NOC
H
H
Corrin (Decahydrocorrol) (N4-Ligand des Vitamins B12)
H2NOC H 3C H3C H
Mg
Cl HO2C
N
Vitamin B 12 CONH 2 CH 3 CH 3
N
N
Fe
N
N
Corrol
C 2H5
N
N
H
CH 3
H 3C
H 3C
N
H
H
CH 3 2
CH 3
H 3C
O
O P O H
Phytyl-Rest
HO
O
N
CH 3
N
CH 3
O HOH 2C
Abb. 34.5. Natürliche Porphyrinoide
Der grüne Chloroplasten-Farbstoff Chlorophyll liegt als Magnesium(II)-Chelat des Chlorins (Abb. 34.5) vor. Chlorin ist ein einfach hydriertes Porphin. In den Chloroplasten der grünen Pflanzen ist Chlorophyll an ein Protein gebunden (Chloroplastin). In diesem Zustand wirkt es bei der Photosynthese. Natürliches Chlorphyll besteht aus zwei chromatographisch trennbaren Komponenten a und b. In Chlorophyll b ersetzt eine Aldehyd-Funktion die vom Ethyl-Rest flankierte MethylGruppe des Chlorophylls a (Abb. 34.5). Die Veresterung mit dem Diterpenalkohol Phytol verleiht dem Chlorophyll eine wachsartige Konsistenz. Vitamin B12 ist ein Cobalt(II)-Chelat eines substituierten Corrins (Abb. 34.5). Das vom nicht aromatischen Corrol abgeleitete Corrin verkörpert ein 15-gliedriges Ringsystem, in dem alle vier Pyrrol-Ringe teilhydriert und zwei Pyrrol-Ringe direkt verknüpft sind. Die fünfte und sechste Koordinationsstelle des Cobalt(II)-Ions werden durch ein Cyanid-Ion sowie das nucleotidartig kovalent gebundene 5,6-Dimethylbenzimidazol belegt. Vitamin B12 bildet dunkelrote Kristalle. Es wirkt gegen perniciöse Anämie und kann aus Leber, Milchpulver und Fleischextrakten isoliert werden.
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35.1
Monomere, Oligomere, Polymere
741
35 Synthetische Polymere 35.1 Monomere, Oligomere, Polymere Unter bestimmten Bedingungen (Hitze, Druck, Katalysator) entsteht aus dem Gas Ethen / formal über Di-, Tri-, Tetramere, usw. / der feste "Kunststoff" Polyethen (frühere Bezeichnung Polyethylen): n 2
n H 2C CH 2
CH 2 CH2
Ethen (Ethylen) Monomer
n 3
2
CH 2 CH 2
CH 2 CH 2
3
n
Polyethen (Polyethylen) Polymer
Ol igomere
Bei diesem als Polymerisation bezeichneten Vorgang verknüpft sich Ethen mit seinesgleichen zur makromolekularen Verbindung Polyethen. Ethen wird als das Monomer bezeichnet. Polyethen ist dementsprechend das Polymer. Die dazwischenliegenden Stufen, Di-, Tri-, Tetra-, Pentamere usw., werden unter dem Begriff Oligomere zusammengefaßt. Monomere (M) bilden die sich wiederholenden Einheiten der Oligo- und Polymeren, wie es die allgemeine Gleichung einer Polymerisation formuliert: n 2
nM
n MMM 3
MM
. . . MMMMMMMM . . .
Neben der Polymerisation führen auch andere Reaktionstypen wie Polyadditionen und Polykondensationen zu Polymeren.
35.2 Polymerisationen 35.2.1
Übersicht
Verbindungen mit mindestens einer CC-Doppelbindung können polymerisieren. Die VinylPolymerisation führt zu einem gesättigten Polymer: H n
H C
Vinyl-Polymerisation
CH
C
R H Vinyl-Verbindung
CH2 n
R Vinyl-Polymer
Dagegen entstehen bei der 1,3-Dien-Polymerisation durch 1,4-Verknüpfung ungesättigte Polymere, an deren Doppelbindungen Additionen möglich sind. R n
R
1,3-Dien-Polymerisation
CH2 1,3-Dien
C
CH
CH2
n
Dien-Polymer (cis- und trans-Konfiguration möglich)
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742
35 Synthetische Polymere
Polymerisationen sind Kettenreaktionen, die in der Schrittfolge Start-, Wachstums- und AbbruchReaktionen ohne Bildung von Nebenprodukten und ohne Skelettumlagerung ablaufen. Man unterscheidet je nach den verwendeten Katalysatoren zwischen radikalischer, ionischer und koordinativer Polymerisation.
35.2.2
Radikalische Polymerisation
Start Startreaktion radikalischer Polymerisationen ist die Erzeugung von Initiator-Radikalen. Da die Spaltung der Monomeren in Radikale erst bei sehr hohen Temperaturen oder durch kurzwellige Strahlung (i-Strahlen) einsetzt, wird die Polymerisation meist durch Zusatz von Initiatoren gestartet. Diese zerfallen unter milden Bedingungen (< 100 °C, UV-Licht) in Radikale. Wichtige Starter sind Diacylperoxide und Azo-Verbindungen. O Diacylperoxid
R
O
C
C O
O
F
R
2 R
/ 2 CO2
C
2 R O
O
R = CH3 : Spaltung bei 100 - 120 °C R = C6H5 : Spaltung bei 70 - 80 °C
H3C Azobisisobutyronitril
C H3C NC
N N
H3C
H3C
ab 40 °C
CN CH3 C
C
/" N2
C
N
C
H3C
C
N
H3C
CH3
Zum Starten einer Vinyl-Polymerisation setzt man den Starter dem reinen oder gelösten Monomer zu und bringt die Reaktion durch gelindes Erhitzen in Gang. Kettenwachstum Nach der Startreaktion, In2 › 2 In. , addiert das Initiator-Radikal (In.) an die Doppelbindung des Alken-Monomers. Dabei bildet sich ein neues Radikal. Im Falle nicht symmetrisch substituierter Alkene addiert das Initiator-Radikal am sterisch zugänglicheren C-Atom der Doppelbindung, so daß bevorzugt das höher alkylierte Folgeradikal entsteht: R CH2
C
ungünstig
In
R In
+
H2C
bevorzugt
C
R In
CH2
C
H
H
H
Die Addition des Folgeradikals an ein weiteres Alken erzeugt ein dimeres Radikal. Sukzessive Wiederholung dieses Schrittes führt über oligomere zu polymeren Radikalen (Makroradikale): R In
CH2
C H
+ H2C
CHR
R In
CH2
C H
R CH2
C
+ H2C
CHR
R In
CH2
H
R
C 2
CH2
C H
H
+ ( n/2) H2C R Makroradikal
In
CH2
C H
CHR
R n
CH2
C H
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35.2
Polymerisationen
743
Da die Reaktivität der Oligo- und Makroradikale bereits nach wenigen Wachstumsschritten unabhängig von der Kettenlänge wird, ist das Kettenwachstum praktisch eine Reaktion. Die Kettenlänge wird weniger durch die Temperatur als durch Kettenabbruch-Reaktionen begrenzt. Kettenabbruch Kettenabbrüche desaktivieren die Makroradikale und beenden das Kettenwachstum, meist durch Kombination und Disproportionierung. Unter Kombination versteht man die Verknüpfung zweier aktiver Oligo- oder Makroradikale zu einem inerten Polymer: R In
CH2
x
CH2
+
C
R
R
R
R
CH
C
CH2
CH
CH2
y
In
In
CH2
CH
x
CH2
R
R
CH
CH
H H aktiv
R CH2
CH
CH2
y
In
inert
Als Disproportionierung wird die Übertragung eines Wasserstoff-Atoms von einem zum anderen Oligo- oder Makroradikal bezeichnet. Dabei entsteht ein gesättigtes (Hydrierung) und ein endständig ungesättigtes Oligo- oder Polymer (Dehydrierung): R In
CH2
CH
R
R x
CH H
+
CH2
R
CH
H
CH2
CH
x
+
R
R C
In
Dehydrierung
C
CH2
y
In
Hydrierung
R
CH2
CH2
CH
C H
R CH
CH2
y
In
H
Kettenübertragung Bei der Kettenübertragung reagiert ein Makroradikal mit einem Monomer R'/H unter Wasserstoff-Übertragung zu Makromolekül und Radikal R'., welches seinerseits eine neue Kette startet: R Ende der alten Kette
In
CH2
CH
R
R x
CH2
+
C
H
R'
In
CH2
CH
x
CH2
CH2
R
+
R'
H R R'
Start einer neuen Kette
+
H2C
R
C
CH2
R'
C
H
H
Kettenüberträger sind demnach Verbindungen, die / wie Thiole / leicht Radikale bilden: R
SH
+
C
C
H
+
R
S
polymeres Radikal
Sie begrenzen die Kettenlänge der Polymeren und können zu diesem Zweck den Monomeren zugesetzt werden. Verändern diese Zusätze die Polymerisationsgeschwindigkeit nicht, so bezeichnet man sie als Regler (Beispiel: Thiole). Wird dagegen die Polymerisation durch Zusätze verzögert oder beendet, so nennt man diese Inhibitoren bzw. Stabilisatoren. Um Vinyl-Monomere längere Zeit haltbar zu machen, versetzt man sie u. a. mit etwas Hydrochinon als Stabilisator.
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744
35 Synthetische Polymere
Praktische Durchführung radikalischer Polymerisationen Homogene Polymerisationen laufen in Substanz oder Lösung in homogener Phase ab. Bei der Substanz- oder Massenpolymerisation wird das unverdünnte reine Monomer eingesetzt. Substanzpolymerisationen sind auch im kristallinen Zustand möglich und verlaufen dann gitterkontrolliert. Eine Lösungspolymerisation spielt sich ab, wenn in einem Lösemittel polymerisiert wird, welches Mono- und Polymer löst. Heterogene Polymerisationen verlaufen in heterogener Phase. Geschieht die Polymerisation in einem Lösemittel, in dem das Polymer ausfällt, so spricht man von Fällungspolymerisation. Polymerisiert das Monomer in Form kleiner Tröpfchen, die in Wasser durch starkes Rühren und Zusätze (Dispergatoren, Schutzkolloide) an der Koagulation gehindert werden, so handelt es sich um eine Perlpolymerisation. Die Perlpolymerisation ist eine "Substanzpolymerisation mit Wasserkühlung", denn das Wasser führt die Polymerisationswärme ab. Als Produkt erhält man ein Perlpolymerisat (Kügelchen). Besonders feinkörnige Polymerisate (Durchmesser 40 - 400 nm) entstehen durch Emulsionspolymerisation. Dabei polymerisiert das wasserunlösliche Monomer in Wasser, welches einen Emulgator (z. B. Kieselgel / Ethanol) und den Initiator enthält. Die zunächst entstehenden Polymer-Micellen wirken als Keime, an denen sich das Polymerisat abscheidet. Wird das Monomer schließlich als Gas polymerisiert, so spricht man von einer Gasphasen-Polymerisation. Nach diesem Verfahren wird z. B. Hochdruckpolyethen bei 3000 bar und 300 °C technisch hergestellt.
35.2.3
Ionische Polymerisation
Vinyl-Polymerisationen sind auch mit sauren oder basischen Katalysatoren möglich. Je nach dem Vorzeichen der Ladung des Starter-Ions handelt es sich um eine kationische oder anionische Polymerisation. Kationische Polymerisation Kationische Polymerisationen werden durch Säuren (H2SO4, KHSO4) oder durch Komplexe aus LEWIS-Säuren und Wasser bzw. Alkoholen als Cokatalysator gestartet. Häufig verwendet wird z. B. das System Bortrifluorid / Alkohol. R
R O
+
O
BF3
BF3
H
H
Als Starter-Ion wirkt das Proton der komplexen Säure: Es addiert an das Vinyl-Monomer. Dabei entsteht im ersten Schritt der Wachstumsreaktionen das (stabilere) Carbenium-Ion, an welches sich nacheinander weitere Monomere binden: R [H
]
+
H2 C
C
R
bevorzugt
H3C H
C
+ H2C
R
CHR H3C
H
C
R CH2
C H
H + n H2C R Makrokation
H3C
C H
R CH2
C H
CHR R
n
CH2
C H
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35.2
Polymerisationen
745
Diese Wachstumsschritte erzeugen ein Makrokation, dessen Vergrößerung durch KettenabbruchReaktionen begrenzt wird. Kettenabbrüche können nicht durch Disproportionierung oder Kombination, sondern durch zugesetzte polare Verbindungen, z. B. Alkohole oder Wasser, ausgelöst werden. Diese reagieren mit den Makrokationen zu neutralen Polymeren, z. B.: R H3C
C
R CH2
H
C
R n
CH2
H3C
/ [H+]
H
H
R
+ R'OH
C
R
R
C
CH2
H
C
n
CH2
C
OR'
H
H
Anionische Polymerisation Anionische Polymerisationen werden durch Addition eines Anions an die Doppelbindung des Monomeren gestartet. Als Starter-Anionen werden neben Hydroxid- und Amid-Anionen vorwiegend Carbanionen aus metallorganischen Verbindungen (z. B. Butyllithium) verwendet. Im ersten Wachstumsschritt addiert dann ein Metallorganyl an die Vinyl-Gruppe unter Bildung des stabileren Carbanions; das Primär-Carbanion addiert an weitere Moleküle des Vinyl-Monomers, so daß ein Makroanion ensteht: R R' Li
+
H2C
R
C
R'
CH2
C
H
+ n H2C
Li
R
CHR R'
CH2
H
R
C
n
CH2
C
H Makroanion
Carbanion
Li H
Zugesetzte polare Verbindungen brechen unter Bildung eines neutralen Polymers die Kette ab: R R'
CH2
C
n
C
H
R
R
R CH2
Li
+
H2O
R'
CH2
H
C
n
CH2
H
C
H
+
Li OH
H
Kettenübertragungen beenden auch bei der anionischen und kationischen Polymerisation das Wachstum. Dabei wird die Ladung vom Makroion auf ein Monomer übertragen, wodurch eine neue Kette startet.
35.2.4
Koordinative Polymerisation
Koordinative Polymerisationen werden durch Metall-Komplexe mit freier Koordinationsstelle gestartet (ZIEGLER-NATTA-Katalysatoren). Ein gut untersuchter Katalysator-Komplex entsteht z. B. durch Reaktion von Titan-dicyclopentadienid-dichlorid mit Diethylaluminiumchlorid in Toluen unter Stickstoff als Inertgas: H3C Cp
+
Ti Cp
Cp
H2C
(Toluen , N2)
Cl
Cl
(C2H5) 2AlCl
Al
CH2 Ti
CH3
Cp =
Cl
Cl Cl
Cp
freie Koordinationsstelle
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746
35 Synthetische Polymere
Erster Schritt (a) der Polymerisation ist die r-Komplexierung des Alken-Monomers an der freien Koordinationsstelle des Katalysator-Komplexes: CH3
CH2 Ti
+
CH3
CH2 Ti
a
r-Komplex
Durch nucleophilen Angriff des r-komplexierten Ethens am Titan(IV) und der benachbarten Ethyl-Gruppe am Ethen wird eine freie Koordinationsstelle zum Angriff des nächsten AlkenMoleküls regeneriert (b): neue freie Koordinationsstelle CH2
CH3
Ti
b
Ti CH2
CH3
u-Komplex
Die Kette wächst, indem sich die Schritte a und b unter fortlaufendem Wechsel der Koordinationsstelle wiederholen: + Ti C 2H 5
C2H5
a,b
+
Ti
Ti
a,b
C 2H 5
Da sich das neue Alken-Monomer jeweils zwischen die im vorhergegangenen Schritt gebildete Alkyl-Titan-Bindung einschiebt, nennt man die koordinative Polymerisation auch Polyinsertion. Während bei radikalischen und ionischen Polymerisationen der Initiator seine Funktion (Elektron oder Ladung) an die wachsende Kette überträgt, regeneriert jeder Wachstumsschritt der koordinativen Polymerisation die Koordinationsfähigkeit des Starter-Komplexes. Kettenabbrüche werden durch Homolyse der Alkyltitan-Bindung oder durch Hydrid-Übertragung von der Alkyl-Kette zum Titan unter Bildung eines terminalen Alkens ausgelöst. H Ti
H Ti
+
Die Bedingungen der koordinativen Polymerisation sind sehr mild: Unter Stickstoff als Inertgas wird eine Lösung des Monomers einer Suspension (heterogene Katalyse) oder Lösung (homogene Katalyse) des Katalysatorkomplexes zugesetzt. Die Polymerisation findet bereits unter Normaldruck bei /70 °C statt.
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35.2
Polymerisationen
35.2.5
747
Polymerisation durch Alken-Metathese
Ein spezielleres Verfahren der Polymerisation ist die Alken-Metathese (Abschn. 4.5.13). Diese Art der Umalkylidenierung gestattet nicht nur die ringerweiternde Oligomerisierung (Makrocyclisierung) von Cycloalkenen, +
Cyclopenten
Kat. 1,6-Cyclohexadien
Dodecahydro[20]annulen
sondern auch deren ringöffnende Polymerisation. Dabei entstehen Polyalkene: (CH2) x
n
CH
(CH2) x
CH
x = 2 , 3 , 5 , 6 , ... (nicht 4)
35.2.6
CH
CH
n
x = 3 : Polypententamer
Epoxid-Polymerisation
Neben Vinyl- und Dien-Monomeren sind die Epoxide polymerisierbar. Sie polymerisieren in Gegenwart von Säuren oder Basen als Starter zu Polyethern nach Mechanismen, die denen der kationischen und anionischen Polymerisation von Alkenen weitgehend analog sind: + HO CH2 CH2
O
+n
HO CH2 CH2 O CH 2 CH2
O
(Wachstum)
HO CH 2 CH 2
O CH2 CH2 + H2O
Säurekatalyse
O
HO CH 2 CH 2
O
/ [H+] (Kettenabbruch)
+n
Basenkatalyse OR
O CH2 CH2
n
O CH2 CH2 OH
Polyether
RO CH2 CH 2 O CH 2 CH2 O
O
O CH2 CH2
+ [H+]
H
+
n
+
O
(Wachstum)
RO CH 2 CH2
+ ROH
O
RO CH 2 CH2 O
O CH 2 CH2
RO CH 2 CH2
n
O CH2 CH 2 O
/ [RO ] (Kettenabbruch)
O CH 2 CH2
n
O CH2 CH 2 OH
Polyether
35.2.7
Hetero- und Homopolymere
Das bei der Epoxid-Polymerisation entstehende Polyethylenoxid [weitere Bezeichnungen: Polyoxyethylen (POE), Polyethylenglycol (PEG)] enthält zwei Arten von Kettenatomen (C, O) und wird daher als Heteropolymer eingeordnet. Dagegen bestehen die Hauptketten der Vinyl-
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748
35 Synthetische Polymere
Polymeren nur aus Kohlenstoff. Vinyl-Polymere wie Polyethen, Polystyren, Polyvinylchlorid oder Polyacrylnitril bezeichnet man daher als Homopolymere: Heteropolymer HO CH2 CH 2
O CH2 CH2
n
Homopolymer O CH2 CH2 OH
n
R
Polyethylenoxid
35.2.8
CH2 CH R=H R = C6H5 R = Cl R = CN
: : : :
Polyethen Polystyren Polyvinylchlorid Polyacrylnitril
Uni- und Multipolymere
Alle bisher besprochenen Polymeren haben sich aus einem Monomer gebildet und werden daher als Unipolymere klassifiziert. Beteiligen sich zwei oder mehr Monomere an der Polymerisation, so spricht man von Multi- oder Copolymeren. Copolymere aus zwei Monomeren A und B, sog. Bipolymere, haben eine große anwendungstechnische Bedeutung. Man unterteilt sie in alternierende und statistische Copolymere, sowie in Block-, Pfropf- und vernetzte Polymere. In alternierenden Copolymeren wechseln die Bausteine A und B regelmäßig ab entsprechend der Sequenz ...ABABAB... . Alternierende Copolymere werden gezielt durch Metathese unsymmetrisch substituierter Cyclodiene hergestellt, z. B.: n
CH2 CH CH CH2
CH2 CH C CH 2
n
CH 3 CH 3
Butadien-Einheit A
Isopren-Einheit B
Statistische Copolymere enthalten die Monomer-Bausteine in statistischer Folge entsprechend der Sequenz ...ABBABABBBAABAAA... . Sie entstehen durch Mischpolymerisation verschiedener Monomerer, z. B. von 1,3-Butadien und Isopren. Block- oder Sequenzpolymere bestehen aus Ketten, deren Bausteine A und B in Blöcken aufeinander folgen im Sinne der Sequenz ...AAAA...BBBBBB... . Blockpolymere entstehen durch Mehrschritt-Polymerisation. Dabei wird einem frisch durchpolymerisierten Ansatz des Monomers A, bestehend aus Makroradikalen (...AAA...A.) oder Makroionen (...AAA...A+), das Monomer B zugesetzt. Die Kettenübertragung (Abschn. 35.2.2) führt zur Anpolymerisation des Monomers B. Pfropfpolymere sind verzweigte Copolymere, bei denen auf eine Hauptkette der MonomerBausteine A Seitenzweige eines oder mehrerer anderer Monomeren B gepfropft werden: ...AAAAAAAAAAA... B B B B B B B B .. B . .. .
Vernetzte Copolymere entstehen durch Mischpolymerisation mono- und bifunktioneller Monomerer. Dabei werden die Ketten des monofunktionellen Monomers in statistischer Folge durch Einheiten des bifunktionellen Monomers verknüpft (Vernetzung): A : aus monofunktionellem Monomer B : aus bifunktionellem Monomer
...AAAAAAAAAAA... B B ...AAAAAAAAAAAAA...
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35.3
Polyadditionen
749
Ein technisch bedeutendes Beispiel ist die Copolymerisation des Styrens mit 1,4-Divinylbenzen:
...
CH CH 2
CH CH2 CH CH2
...
CH CH 2
zwei durch eine Divinylbenzen-Einheit vernetzte Polystyren-Ketten
...
CH CH 2
CH CH2 CH CH2
CH CH 2
...
Der Vernetzungsgrad, von dem Löslichkeit, Quellbarkeit und mechanisches Verhalten abhängen, wächst mit dem Prozentsatz an 1,4-Divinylbenzen. Die Vernetzung bereits bestehender Polymer-Ketten mit reaktiven Gruppen (Doppelbindungen) zu großen Polymernetzen hoher mechanischer Resistenz bezeichnet man als Härtung. Ein Spezialfall der Härtung ist die Vulkanisation von Polydienen. Dabei addiert Schwefel an die Doppelbindungen der Polydiene und verknüpft deren Ketten durch Sulfid-Brücken:
S8
S S
Polydien
S S vulkanisiertes Polydien
Dieser Prozeß macht aus den meist klebrig-plastischen Dien-Polymeren elastische Werkstoffe, wie sie in Gummi- und Reifenindustrie verwendet werden. Aus Natur- oder synthetischem Kautschuk (cis-Polyisopren) entsteht z. B. je nach Vulkanisationsgrad, der mit zunehmendem SchwefelGehalt steigt, Weich- oder Hartgummi.
35.3 Polyadditionen Unter Polyaddition versteht man die Reaktion zweier verschiedener bi- oder mehrfunktioneller Verbindungen zu Polyaddukten ohne Abspaltung von Nebenprodukten.
35.3.1
Polyurethane
Die bekannte Addition von Alkoholen oder Phenolen an Isocyanate zu Urethanen (Abschn. 25.5) H R1 O C N
+
_ HO _ R2
N R1 O C OR2 Urethan
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750
35 Synthetische Polymere
läßt sich auch bifunktionell durchführen. Diese technisch bedeutende Polyaddition von Diolen oder Diphenolen an Diisocyanate führt zu Polyurethanen. O nO C
N
R
N C O
+
n HO
Diisocyanat
R'
OH
O C N
R
Diol
N
C
O O
R'
O
C
H
O R
N
N
H
C
H
O
R'
OH
n/1
Polyurethan (mit reaktiven Endgruppen) R =
(CH2) x
;
R' =
(CH2) x
;
35.3.2
CH2
;
Polyharnstoffe
In Analogie zu den Polyurethanen entstehen Polyharnstoffe durch Polyaddition von Diaminen an Diisocyanate: O nO C
N
R
N C O
+
n H 2N
Diisocyanat
R'
NH 2
O C N
Diamin
R
N H
O
C
N H
R'
N H
C
O N H
R
N H
C
N H
R'
NH 2
n/1
Polyharnstoff (mit reaktiven Endgruppen)
An der Bildung von Polyurethanen und Polyharnstoffen sind nur zwei Arten von bifunktionellen Ausgangsmolekülen beteiligt. Man spricht daher von Unipolyadditionen. Da die entstandenen Unipolyaddukte jedoch reaktive Endgruppen tragen, können sie mit anderen Primäraddukten unterschiedlicher Größe zu Blockpolyaddukten weiterreagieren. Mit weiterem Diamin oder Diol reagieren die Primäraddukte unter Kettenverlängerung, mit trifunktionellen Aminen oder Diolen unter Vernetzung.
35.4 Polykondensationen Als Polykondensation wird die Reaktion bi- oder mehrfunktioneller Verbindungen zu Polykondensaten unter Abspaltung eines Nebenprodukts definiert. Polykondensationen an sich verlaufen unter Abspaltung von Wasser. Ähnliche Reaktionen sind Polyumesterungen unter Abspaltung leicht flüchtiger Alkohole sowie Polyacylierungen unter Freisetzung von Halogenwasserstoff. Da diese Reaktionen Gleichgewichte sind, muß man die Nebenprodukte abtrennen oder chemisch binden.
35.4.1
Polyester
Polyester können durch Selbstkondensation einer y-Hydroxyalkansäure, O n HO
(CH2) x
C
OH y-Hydroxyalkansäure
O
/ (n/1) H2O H
O
(CH2) x
C
O O
n/1
(CH2) x
C OH
Polyester (aus einer Einheit)
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35.4
Polykondensationen
751
oder durch Kondensation von Disäuren mit Diolen oder Biphenolen hergestellt werden.
n HO
O
O
C
C
R
OH
+
n HO
Disäure R =
(CH2) x
R' =
(CH2) y
R'
/ (2n/1) H2O HO
OH
O
O
C
C
R
Diol, Biphenol
O O
R'
C
O
O C
R
R
O
OH
n/1
Polyester (aus zwei Einheiten)
; CH3 C
;
CH3
Meist ist eine Säure als Katalysator und ein höher siedendes Lösemittel (Toluen) als Schlepper notwendig, um das Reaktionswasser azeotrop abzudestillieren. Wird anstelle des Diols ein Triol (z. B. Glycerol) eingesetzt, so liefert die Polykondensation einen vernetzten Polyester. Häufig werden Polyester durch Polyumesterung eines Diesters aus einem flüchtigen Alkohol (Methanol, Ethanol) mit einem Di- oder Triol hergestellt. Auch diese Reaktion verläuft säurekatalysiert. Der freigesetzte flüchtige Alkohol wird kontinuierlich abdestilliert.
n R2 O
O
O
C
C
R1
OR2
+
n HO
Diester
R
/ (2n/1) ROH OH
R2 O
O
O
C
C
R1
O R
O
Diol
O
C
O
R1
C
O
R
n/1
OH
Polyester
Terephthalsäuredimethylester (R1 = p-C6H4 , R2 = /CH3 ) wird z. B. mit Glykol (R = /CH2/CH2/) zu dem als Terylen oder Dacron bekannten Terephthalsäurepolyglykolester umgeestert. Eine dritte Methode zur Herstellung von Polyestern ist die Polyacylierung von Dihydroxy-Verbindungen mit Disäuredichloriden in Gegenwart einer Base:
n X
O
O
C
C
R
X
+
n HO
R'
/ (2n/1) HX X
OH
O
O
C
C
R
O O
Disäuredihalogenid (meist X = Cl , Br)
R'
O
C
Polyester
O R
C
O
R
OH
n/1
Polycarbonate wie Makrolon werden nach diesem Prinzip durch Phosgenierung von Diolen oder Diphenolen hergestellt, z. B.: O
CH3 n HO
C
OH
+
CH3 2,2-Bis-(4-hydroxyphenyl)-propan (Bisphenol A)
35.4.2
n Cl
C
Cl
/ (2n/1) NaCl / (2n/1) H2O
O
CH3
+ 2n NaOH H
O
C
O
CH3 Makrolon (ein Polycarbonat)
C
OH n
Polyamide
Polyamide bilden sich nach Verfahren, die denen der Polyester-Synthese analog sind. Das als Perlon bekannte Polyamid wird technisch durch Selbstkondensation der 6-Aminohexansäure (g-
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752
35 Synthetische Polymere
Aminocapronsäure) hergestellt. Letztere ist durch BECKMANN-Umlagerung (Abschn. 22.4.9) von Cyclohexanonoxim über g-Caprolactam zugänglich.
n H2N
C
/ (n/1) H2O
OH
H2N
C
O
H N
C
N H
CO2H
n/2
O
O 6-Aminohexansäure (g-Aminocapronsäure)
Perlon
Durch Polykondensation der Adipinsäure mit Hexamethylendiamin entsteht die Synthesefaser Nylon: O n HO
C
C
OH
/ (n/1) H2O
O HO
Nylon
C
C
NH2
+ n H 2N
O
H N
N H
O
O C
C
NH2
N H
n/2
O
Daneben können Polyamide durch Polyaminolyse von Diestern mit Diaminen oder durch Polyacylierung von Diaminen mit Disäuredichloriden hergestellt werden. Reaktive Endgruppen der Polyester und Polyamide (/COOH, /OH, /NH2) ermöglichen die Anwendung einiger der in Abschn. 34.3.3 skizzierten Färbemethoden, die Vernetzung mit Diisocyanaten sowie die Herstellung von Block-Copolykondensaten.
35.4.3
Phenoplaste
Die Phenoplaste (Bakelite u. a.) sind seit 1907 bekannt und werden bis heute zu Formteilen verarbeitet. Sie entstehen durch eine in mehreren Schritten ablaufende Polykondensation von Phenolen mit Formaldehyd. Erster Schritt ist die mehrfach elektrophile Substitution des Phenols durch Formaldehyd: O
H
OH
OH CH2OH
+
2 CH 2 O
CH 2OH +
CH2 O CH2OH
In der zweiten Phase spaltet ein Teil der hydroxymethylierten Phenole intramolekular Wasser ab: O
H
O CH 2OH
HO
CH 2
CH2OH
/ H2O
CH2
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35.4
Polykondensationen
753
Das entstandene Chinonmethin verknüpft sich im dritten Schritt mit einem weiteren Phenol im Sinne einer MICHAEL-analogen Addition: OH
O CH 2OH O
H CH 2OH
CH2
H
+
OH CH 2OH
CH 2OH
O
OH CH 2OH
CH 2OH
CH2OH CH 2OH
CH 2OH
Mehrfache Wiederholung des zweiten und dritten Schrittes führt im sauren Medium zu den zweidimensional vernetzten, schmelzbaren Novolacken, in alkalischer Lösung überwiegend zu dreidimensional vernetzten, harten und schmelzbaren Resiten (Bakelite, Abb. 35.1). OH
OH
OH
OH
OH
HO
OH
OH
OH
OH
OH
a
OH
OH
b
Abb. 35.1. Phenoplast-Netzwerk-Ausschnitte der Bakelite, (a) Novolack, (b) Resit
35.4.4
Aminoplaste
Aminoplaste sind Polykondensationsprodukte aus Formaldehyd und Harnstoff-Derivaten. Dabei werden die Amino-Gruppen durch Formaldehyd zunächst hydroxymethyliert: NH 2
NH CH2OH + CH 2 O
O C
O C
NH 2
NH 2
Der gebildete Hydroxymethylharnstoff polykondensiert zu einer Polyharnstoff-Kette: O
O / (n/1) H2O
C n H2N
N H
OH
O
C H2N
N H
C N N OH H H n /1 Polyharnstoff
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754
35 Synthetische Polymere
Die Ketten werden durch überschüssigen Formaldehyd vernetzt. Dabei erhält man Werkstoffe, wie sie u. a. zur Schall- und Wärmedämmung benötigt werden: O
O
C
C N H
N H x
H N
+
2 x CH2
N
/ 2x H2O
O
H N
N
CH2
CH2
N
N C
C O
O x vernetztes Formaldehyd-Harnstoff-Polykondensat
x
Auch das aus Harnstoff zugängliche, als Melamin bekannte Triamino-1,3,5-triazin läßt sich mit Formaldehyd über die N-Hydroxymethyl-Derivate zu den Melaminharzen polykondensieren. Melaminharze werden zu Isolatoren und Gebrauchsgegenständen verarbeitet. NH2 / 3 H2O
N
(Kat.) H2N
O H2N
N
NH2
O NH2 NH2 + O
H2N
NH2
O
+ CH2
N N
N
(Überschuß)
NH2
N
N N
N
N N
N
N N
N
Melamin Melamin-Harz-Teilstruktur
35.4.5
Epoxidharze
Epoxidharze bilden sich durch eine Folge von Additions-Eliminierungs-Schritten aus Epichlorhydrin und Diphenolen. Im ersten Schritt öffnet das Diphenol zwei Oxiran-Ringe. Dann eliminiert das entstandene Bis-chlorhydrin zweimal Chlorwasserstoff. Dabei regeneriert sich ein Diepoxid, an welches weitere Moleküle Diphenol addieren können (Abb. 35.2). CH3 n Cl
CH2
O
+
n HO
C
OH
+
n
CH2
O
Cl
CH3 Additionsschritte
CH3 n Cl
CH2
CH
CH2
O
C
OH
O
CH2
CH
(NaOH , 100 °C) / 2n HCl
Cl
CH2
OH
CH3 Eliminierungsschritte
CH3 n
CH2
O
O
C
O
CH2
O
CH3 CH3 C
+ n HO Ar OH , Ar =
CH3
O
CH2
O
Ar
O
CH2
CH OH
CH2
O
Ar
O 2n/1
CH2
CH
CH2
O
Ar
OH
O
CH2
O
Abb. 35.2. Schema der Bildung eines Epoxidharzes
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35.5
Molekülstruktur von Polymeren
755
Die schließlich entstandenen makromolekularen Diepoxide haben eine verhältnismäßig kleine mittlere Molekülmasse, lassen sich jedoch mit difunktionellen Verbindungen (Diamine, Dicarbonsäuren) verknüpfen bzw. vernetzen und dadurch härten. Sie finden u. a. als Lackrohstoffe (Einbrennlacke), Klebstoffe und Gießharze Verwendung.
35.5 Molekülstruktur von Polymeren 35.5.1
Mittlere Molekülmasse
Die mittlere Molekülmasse von Polymeren, mithin ihre Molekülgröße, kann aus der Viskosität, dem Diffusionskoeffizienten, dem osmotischen Druck und der Lichtstreuung der PolymerLösungen bestimmt werden. Oft wird die relative Molekülmasse aus der Sedimentationsgeschwindigkeit ermittelt. Dabei wird die Lösung, Dispersion oder Suspension des Polymers in der Ultrazentrifuge sehr starken Zentrifugalbeschleunigungen (105 - 106 g , g = 9.8 ms/2 ) ausgesetzt. Die Zentrifugalkraft auf ein Molekül, seine Sedimentationsgeschwindigkeit, hängt u. a. von seiner Masse ab. Da die Moleküle eines Polymers verschieden groß sind, ergibt die Auswertung der Sedimentationsgeschwindigkeiten eine Molekülmassen-Verteilungskurve, deren Maximum die häufigste Molekülmasse ist. In Einzelfällen gestatten RÖNTGEN-Struktur und Elektronenmikroskopie fester Polymerproben eine direkte Abbildung der Makromoleküle.
35.5.2
Stellungsisomerie
Monomere mit geringerer Symmetrie als Ethen, wie Vinyl- oder Vinyliden-Verbindungen, H
H
H C
H
R C
C
C
H R Vinyliden-Monomer
R Vinyl-
haben "leichte" und "schwere" Alken-C-Atome, die als "Schwanz" (=CH2 ) und "Kopf" (=CHR, =CR2 ) bezeichnet werden. Bei der Polymerisation sind zunächst Kopf-Schwanz-(KS) und KopfKopf- bzw. Schwanz-Schwanz- (KK; SS)-Verknüpfungen möglich: CH2
CH R K
CH2
CH
S
R K
CH2
CH
S
R K
CH2
CH
S
R K
CH2
CH
CH
R K
R K
CH2 S
CH2
CH
CH
S
R K
R K
CH2
Diese beiden Verknüpfungsarten sind ein Beispiel der Konstitutionsisomerie von Polymeren. Aus sterischen und energetischen Gründen ist die Kopf-Schwanz-Verknüpfung viel häufiger. Andererseits führt die als Abbruchreaktion bedeutende Kombination (Abschn. 35.2.2) von Makroradikalen zwangsläufig zu einer Kopf-Kopf-Verknüpfung. Ein weiteres Beispiel von Stellungs- oder Konstitutionsisomerie ist die bei den Dien-Polymeren mögliche 1,2- und 1,4-Verknüpfung:
1,2-Verknüpfung
1,4-Verknüpfung
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756
35 Synthetische Polymere
35.5.3
Verzweigungsgrad
Polymere aus demselben Monomer können sich nicht nur durch relative Molekülmasse und Verknüpfungsart, sondern auch durch den Verzweigungsgrad unterscheiden. Eine Kurzketten-Verzweigung entsteht häufig durch intramolekulare Wasserstoff-Verschiebung: H Kette
H
Kette
CH2
H
+ x H2C
CH2
Kette
CH3
CH2
CH
CH2
(CH2) 3
CH2
CH2
x/1
CH3
Da fünfgliedrige Übergangszustände spannungsfrei und daher stabil sind, treten beim HochdruckPolyethen häufig Butyl-Gruppen als Kurzketten-Verzweigungen auf. Langketten-Verzweigungen entstehen durch Reaktion eines Radikals (Initiator- oder Makroradikal) mit einem Makromolekül und Anpfropfung weiterer Monomerer: R Kette1
CH2
CH
Kette 2
+M / MH
R Kette1
CH2
+ x H2C
C
R
R
CHR Kette1
CH2
Kette 2
CH2
C
CH
R CH2
x/1
Kette 2
C H
Ein Spezialfall der Verzweigung ist die Vernetzung von Polymer-Ketten (Abschn. 35.2.8).
35.5.4
Relative Konfigurationsisomerie von Polyalkenen
Polyalkene, die sich durch 1,4-Polymerisation von Dienen (1,3-Butadien, Chloropren, Isopren) bilden, können als cis-trans-Isomere [(Z)-(E)-Isomere] auftreten: cis-1,4-Polybutadien
trans-1,4-Polybutadien
Natürlich vorkommende cis-trans-Isomere des Polyisoprens sind Naturkautschuk und Guttapercha (Abschn. 42.2.7) mit sehr verschiedenen Eigenschaften.
35.5.5
Taktizität von Polyalkanen
Die Polymerisation aller nicht symmetrischer Vinyl-Monomerer führt asymmetrische KohlenstoffAtome in die Polymerkette ein: nR
CH CH2
* CH R
CH2
x
* CH R
CH2
* CH
CH2
y
R
Den beiden relativen Konfigurationen benachbarter asymmetrischer Kohlenstoff-Atome entsprechend definiert man zwei stereoisomere Polymerketten (Abb. 35.3): Ist die relative Konfiguration aller asymmetrischer Kohlenstoff-Atome gleich, so nennt man die Kette rein isotaktisch. Alterniert die Konfiguration dagegen regelmäßig, so ist die Kette rein syndiotaktisch.
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35.5
Molekülstruktur von Polymeren
757
Neben iso- und syndiotaktischen Sequenzen gibt es noch Ketten geringerer Stereoregularität. Ketten ohne jegliche Stereoregularität, also mit statistisch wechselnden Konfigurationen, bezeichnet man als ataktisch.
C
von der Seite
C
C R
C
C R
C
C R
R
C
C
C
C
C
C
R
R
C
C
C
C C
R R
C C
R R
R
R
von oben R
R
R
R
R
R
R
isotaktisch
R
syndiotaktisch
Abb. 35.3. Iso- und syndiotaktische Polyalkan-Ketten
Zur Unterscheidung der Konfiguration von Vinylpolymeren des Typs [/CHR/CH2/]n definiert man meso- oder m-Diaden mit gleicher und racemische- oder r-Diaden mit entgegengesetzter Konfiguration aufeinanderfolgender asymmetrischer C-Atome: R
m-Diade
r-Diade R
R
R
13
Abb. 35.4. Protonen-breitbandentkoppelte C-NMR-Spektren gesättigter Lösungen von linearem Polystyren in Deuteriochloroform bei 20.115 MHz; (a) isotaktische, (b) ataktische Probe
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758
35 Synthetische Polymere
In beiden Diaden unterscheiden sich die chemische Umgebungen der mittleren Methylen-Gruppe. Die zugehörigen Kerne (1H; 13C) haben somit unterschiedliche Verschiebungswerte in den Kernresonanzspektren, wie die Gegenüberstellung der 13C-NMR-Spektren von iso- und ataktischem Polystyren zeigt (Abb. 35.4). Für isotaktisches Polystyren mit der einheitlichen Sequenz ...mmm... wird nur ein Signal für jede Kohlenstoff-Sorte registriert (Abb. 35.4 a). Dagegen zeigt die ataktische Probe für die den Asymmetriezentren benachbarten C-Atome (Methylen und Phenyl-C-1') mehrere Signale (Abb. 35.4 b). Zur Erklärung zeichnet man alle im ataktischen Polystyren möglichen Triaden, die Dreierfolgen asymmetrischer C-Atome, auf. Von den insgesamt möglichen vier Triaden sind zwei, nämlich mr und rm, ununterscheidbar (Abb. 35.5). Infolgedessen beobachtet man für die den Asymmetriezentren benachbarten C-Atome mindestens drei Signale, mindestens, weil auch alle möglichen Tetraden, Pentaden usw. sowie ihre statistischen Gewichte berücksichtigt werden müßten. R R
R
R
R
mm
R
mr
R
R
R
R R
rm
R
rr
Abb. 35.5. Triaden eines ataktischen Vinyl-Polymers [ (CHR/CH2 )n , z. B. Polystyren mit R = /C6 H5 ]
Die Taktizität der Vinyl-Polymeren hängt von der Polymerisationsart ab. Überwiegend ataktische Polyalkane entstehen bei der radikalischen Polymerisation. Dagegen führt die koordinative Polymerisation zu überwiegend isotaktischen Polymerisaten.
35.5.6
Rotationsisomerie
Bekanntlich gibt es bei den Ethan-Derivaten des Typs R/CH2/CH2/R drei Rotationsisomere mit gestaffelter Anordnung der Substituenten R (Abschn. 2.4): Zweimal stehen die Substituenten synclinal (gauche), einmal liegen sie antiperiplanar (trans) zueinander. Dank schwächerer sterischer Wechselwirkung ist das anti-Konformer stabiler. Entsprechend ist die all-trans- oder gestreckte Zick-Zack-Form der Hauptkette eines Polyalkans (Abb. 35.6) am stabilsten.
Abb. 35.6. Rotationsisomere Polyalkan-Ketten
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35.6
Anwendungstechnisch relevante Eigenschaften
759
Ordnen sich die C-Atome der Polymerkette dagegen regelmäßig schraubenförmig an, so spricht man von einer Helix. Helices bilden sich als Sekundärstrukturen von Polyamiden und Polypeptiden (Abschn. 37.3.2). Sie werden überwiegend durch Wasserstoffbrücken zwischen benachbarten Amid-Gruppen zusammengehalten. O
H N
C N
H
O
C
Gitterfehler in Polymerkristallen gehen u. a. auf Rotationsisomere zurück, die zu einer Versetzung (f) der Polymerketten-Längsachsen führen. Ist die Versetzung (f) kleiner als der Gitterabstand (d) der Ketten im Polymerkristall, so spricht man von einer Kinke im Gegensatz zum Jog, für den f"> d gilt. Kinken sind eine Folge zweier, Jogs eine Folge zweier oder mehrerer gauche-Konformationen in einer all-trans-Kette (Abb. 35.6).
35.6 Anwendungstechnisch relevante Eigenschaften 35.6.1
Kristallinität
Manche Polymere erstarren aus der Schmelze glasartig, sobald bei der Abkühlung eine bestimmte "Einfriertemperatur" unterschritten wird. Da die RÖNTGEN-Struktur keine Ordnung erkennen läßt, spricht man von amorphen Polymeren. Beispiele sind ataktisches Polystyren und Polymethylmethacrylat. CH3 Polymethylmethacrylat-Einheit
CH2
C n CO2CH3
Wenn verschiedene Bereiche des festen Polymers parallele Ketten zeigen, jedoch ohne einheitliche Richtung, so spricht man von nicht orientierter Teilkristallinität (Abb. 35.7 a). Durch Verstrecken läßt sich oft ein Zustand orientierter Teilkristallinität (Abb. 35.7 b) erreichen. Dieser Prozeß findet bei manchen teilkristallinen Polyesterfasern Anwendung.
Abb. 35.7. Teilkristalline Polymerketten
In kristallinen Polymeren ordnen sich die Makromoleküle zu einem dreidimensional-periodischen Kristallgitter an. Voraussetzungen hierzu sind u. a. ̈ eine möglichst lineare Struktur, ̈ wenig Kurzketten-Verzweigungen und ̈ hohe Taktizität bei Polymeren mit Stereoisomerie.
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760
35 Synthetische Polymere
Abb. 35.8 skizziert die Idealstruktur des Polyethens, dessen orthorhombische Modifikation durch die Elementarzelle mit den Gitterkonstanten c0 = 736 pm, d0 = 492 pm und i0 = 253 pm gekennzeichnet ist. Allerdings wird die Kristallinität im Realfall durch mehrere Gitterfehler gestört. Gitterfehler werden u. a. durch Kinken, abgebrochene Ketten und dadurch induzierte Jogs verursacht (Abb. 35.9).
a
b
Abb. 35.8. Idealstruktur des Polyethens; (a) Schrägprojektion, (b) Aufsicht (Kettenpackung)
Abb. 35.9. (a) Ungestörtes Gitter; (b) Gitterdefekt durch eine Kinke; (c) Gitterdefekt durch Kettenende und induzierten Jog-Block d
a
35.6.2
b
c
Plastizität
Polymere mit schwachen intermolekularen Wechselwirkungen, z. B. Dien-Polymere, sind bei Raumtemperatur oft plastisch, behalten also jede mechanisch erzwungene Form bei. Wird die Plastizität erst bei höheren Temperaturen erreicht (> 60 °C), so spricht man von Thermoplastizität. Fast alle Polyalkane, Polyalkene, Polyester, Pheno- und Aminoplaste werden zwischen 60 °C und 150 °C thermoplastisch und lassen sich dann zu Gebrauchsgegenständen formen.
35.6.3
Elastizität
Etwas vernetzte Polymere mit schwachen Wechselwirkungen zwischen den Ketten sind bei Raumtemperatur oft elastisch, gehen also nach mechanisch erzwungener Verformung in den Ausgangszustand zurück. Aus plastischen Dien-Polymeren entstehen durch Vernetzung (z. B. mit Schwefel bei der Vulkanisation von Kautschuk) elastische gummiartige Werkstoffe. Die Elastizität nimmt mit sinkender Temperatur ab. Zeigt sie sich erst bei höheren Temperaturen, so spricht man von Thermoelastizität. Elastische Polymere nennt man Elastomere.
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35.7
Reaktionen von Polymeren
35.6.4
761
Löslichkeit und Quellbarkeit
Viele Polymere lösen sich in organischen Lösemitteln. Lineares (nicht quervernetztes) Polystyren löst sich z. B. in Toluen und Chloroform. Mit solchen Polymeren können in Lösung Reaktionen durchgeführt werden (Homogene Reaktionen). Andere Polymere lösen sich zwar nicht, können aber in bestimmten Lösemitteln quellen. Polystyren-Divinylbenzen-Copolymere (98 : 2 %) lösen sich nicht, aber quellen in Chloroform, weil die kleinen Lösemittel-Moleküle in das Netzwerk eindringen. Durch die Quellung vergrößert sich die Oberfläche, was Reaktionen in heterogener Phase etwas erleichtert. Wird der Vernetzungsgrad durch höhere Divinylbenzen-Konzentrationen erhöht, so nimmt die Quellfähigkeit des Copolymers rasch ab.
35.7 Reaktionen von Polymeren 35.7.1
Depolymerisationen
Als Depolymerisation wird der Abbau von Polymeren zu den Monomeren bezeichnet. Manche Polyalkene (Dienpolymere) lassen sich z. B. durch Metathese-Reaktionen zu niedermolekularen Alkenen abbauen. Depolymerisationen werden thermisch (> 450 °C), seltener durch Ultraschall oder mechanische Beanspruchung ausgelöst. Meist konkurrieren dabei Nebenreaktionen, welche nur zurückgedrängt werden, wenn die Bindungen in der Hauptkette weniger stabil als in der Seitenkette sind, und zudem ein mesomeriestabilisiertes Monomer entsteht. Polymethylmethacrylat als passendes Beispiel depolymerisiert bei 450 °C fast quantitativ zum Monomer: CH3 CH2 H3CO
35.7.2
C
CH3
450 °C n H2C
n
C C
C O
O
H3CO
Reaktionen unter Erhaltung der Polymerkette
Reaktionen unter Erhaltung der Polymerkette werden auch als "polymeranaloge Reaktionen" bezeichnet. Technisch wichtige Reaktionen an Polymerketten sind Umfunktionierungen von Seitenketten wie die Verseifung des Polyvinylacetates zu Polyvinylalkohol, den man nicht durch Polymerisation von Vinylalkohol herstellen kann, da dieser nur in Form des Acetaldehyd-Tautomers existiert. CH2
CH
+
n
KOH
CH2
H3C
C
CH
+
n
CH3CO2K
OH
O
Polyvinylalkohol O
Von technischer Bedeutung sind elektrophile Substitutionen an den Phenyl-Ringen von Polystyren-Divinylbenzen-Perl-Copolymerisaten: CH2
CH
n
+
[Y ]
Kat.
CH2
CH
Y
n
+
[H ]
substituierte Polystyren-Einheit
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762
35 Synthetische Polymere
Tab. 35.1 gibt eine Auswahl der am Polystyren und seinen Copolymeren durchführbaren elektrophilen Substitutionen. Tab. 35.1. Elektrophile Substitutionen an Polystyren und Polystyren-Divinylbenzen-Copolymeren Reaktion
Reagenz
Elektrophil [Y ]
Sulfonierung
H2SO4 / SO3
SO3
Nitrierung
HNO3 / H2SO4
[NO2 ]
Substituent Y
Verwendung
/SO3H
Kationenaustauscher
/NO2
Ausgangsprodukt zur Herstellung polymerer Pigmente
Reduktion
/NH2
Chlormethylierung Cl/CH2/OCH3 / SnCl4
/CH2Cl
[ CH2Cl SnCl5 ]
Träger für FestphasenSynthesen; Ausgangsprodukt zur Herstellung von Anionenaustauschern
35.8 Funktionelle Polymere 35.8.1
Ionenaustauscher
Sulfonierte Polystyren-Divinylbenzen-Perl-Copolymerisate ("PS-DVB") finden als Kationenaustauscher Verwendung. Der Ionenaustausch beruht auf den folgenden Gleichgewichten: Austausch
SO3H
+
M
+
M
Regeneration
SO3 M
+
[H ]
SO3 M
+
Na
: Polymer Austausch
SO3 Na
Regeneration
Weitere Kationenaustauscher sind Phenolsulfonsäure-Formaldehyd-Polykondensate (Wofatite) oder Phenol-Formaldehyd-Harze mit Methylensulfonsäure-Funktionen (Amberlite). Polymere Ammoniumhydroxide werden als Anionenaustauscher eingesetzt. Man erhält sie durch Hydroxyalkylierungen polymerer Amine (Aminoplaste, Aminomethylpolystyren-DivinylbenzenCopolymere) mit Oxiran: CH2 + 2 R2NH
Chlormethyl-Polystyren-Divinylbenzen-Copolymer
Cl
/ 2 R2NH2 Cl R CH2
N
+
O
CH2
R polymeres Trialkylamin
N
R R
+ H2O
CH2
CH2
CH2
N
R R
OH CH2 CH2 OH polymeres Tetralkylammonium-hydroxid
O
Anionenaustausch und Regeneration vollziehen sich im Gleichgewicht zwischen Hydroxid und Salz: CH2
N
R R CH2
Austausch
OH CH2
OH
+
A Regeneration
CH2
N
R R CH2
A CH2
+
OH
OH
polymeres Tetralkylammonium-Salz
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35.8
Funktionelle Polymere
763
Eine Vollentsalzung oder Demineralisierung des Wassers erreicht man durch aufeinanderfolgenden Anionen- und Kationenaustausch.
35.8.2
Elektronenaustauscher
Makromolekulare p-Benzochinon-Hydrochinon-Systeme, z. B. auf Polystyren-Basis, sind als Elektronenaustauscher oder Redoxite bekannt: CH2
CH
n
+
CH2
M
CH
O
+
n
M3
O O
O
Man erhält sie u. a. durch Reduktion von Nitropolystyrenen, Diazotierung der Amine, Reaktion der makromolekularen Diazonium-Salze mit Natriumazid und Umsetzung des Polystyrylazids mit p-Benzochinon: O + Reduktion
NaNO2 / HCl
NO2
NH2
=
35.8.3
CH2
CH
n
NaN3 N2
Cl
Polystyryldiazoniumchlorid
O N3 Polystyrylazid
/ HN3
O O Polystyrylp-benzochinon
Polymere Träger
Polymere Träger sind Polymere mit funktionellen Gruppen, die durch Reaktion andere Moleküle an sich binden. Am häufigsten werden funktionalisierte Copolymere aus Polystyren und Divinylbenzen (1 %) in Form von Perlpolymerisaten eingesetzt. Die Polymerkügelchen (engl. beads) mit etwa 100 om Durchmesser quellen in organischen Lösemitteln, ohne sich dabei zu lösen. Polymere Träger werden zu Festphasen-Reaktionen in der kombinatorischen Synthese (Abschn. 37.4.4) angewendet, eine Methodik, die sich aus der Festphasen-Peptidsynthese nach MERRIFIELD entwickelte. Dabei wird die C-terminale Aminosäure mit dem Chlormethyl-Copolymer verestert und die Peptid-Sequenz vom C-Terminus aus aufgebaut (Abschn. 37.4.3). Die ChlormethylGruppen werden durch elektrophile Chlormethylierung der Phenyl-Ringe des PolystryrenDivinylbenzen-Copolymers in Gegenwart einer LEWIS-Säure (SnCl4) eingeführt (Tab. 35.1). Anstelle des festen Chlormethylpolystyrens können Polyethylenoxide (mit Hydroxy-Gruppen) als lösliche Trägerpolymere für Peptid- und andere Synthesen in homogener Phase eingesetzt werden. Durch Knüpfung von Enantiomeren an flüssige oder feste Polymere entstehen chirale Phasen, mit deren Hilfe chromatographische Racemattrennungen gelingen. Entsprechend kann man polymergebundene Enzyme herstellen, die einfacher handhabbar, oft stabiler und so aktiv sind wie die freien Enzyme.
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764
35 Synthetische Polymere
Der Vorteil organischer Festphasen-Synthesen liegt in der automatisierbaren Aufreinigung des trägergebundenen Produkts durch einfaches Abfiltrieren und Waschen. Außerdem kann durch zwei- bis zehnfachen Überschuß der löslichen Edukte oft eine fast quantitative Umsetzung am festen Träger erreicht werden. Auch mehrstufige Synthesen sind automatisiert und in parallelen Ansätzen durchführbar. Während der verschiedenen Syntheseschritte muß die Bindung zum Polymerträger stabil bleiben. Am Ende der Synthese muß das Produkt unzersetzt abspaltbar sein. Deshalb wird statt der ursprünglich von MERRIFIELD eingesetzten Benzyl-Verknüpfung eine breite Palette spezieller "Linker" zwischen Polymer und Synthesesubstrat angeboten, die für viele gängige Synthesebedingungen maßgeschneidert sind. Als Linker bieten sich alle aus der Schutzgruppenchemie bekannten, kovalent mit dem Träger verknüpfbaren Gruppen an. Ein typisches Beispiel ist die Festphasen-Synthese regioisomerer 1,3,5-Trialkylpyrazol-5-carbonsäuren nach Abb. 35.10, die den Aufbau kombinatorischer Verbindungskollektionen in guten Ausbeuten und Reinheiten möglich macht. Die Synthese wird an einem p-AlkoxybenzylalkoholPolystyren-Divinylbenzen-Copolymer (1 % Divinylbenzen, Beladung 1.1 mmol OH-Gruppen pro g Polymer) durchgeführt, das die Synthesebedingungen toleriert und die Produktabspaltung mit Trifluoressigsäure zuläßt. Kombinierbare Edukte für tausende verschiedener Pyrazole sind dKetoester zur Harzbeladung durch Umesterung, aliphatische und aromatische Aldehyde zur KNOEVENAGEL-Alkenylierung im zweiten Schritt sowie Phenylhydrazine zum Ringschluß.
Polystyren
O
CH2
CH2 OH
Linker
OH O R1
H3CO
Umesterung
O O R2
O R1
O
O H
R1
O
KNOEVENAGEL-
O
Reaktion
R2
Hydrazon-Bildung
H2N
NH
MICHAEL-Addition
R3
O
O R1
O R2
O
N N
O R1
O R2
N
R2 N
HN
R3
R3
O R1
O
O NH R3
R2
O
R1 N N
H
CF3CO2H
R2
CF3CO2H
R1
HO2C
R1
HO2C
N
R2
N R3
R3
N N
R3
1,3,5-Trialkylpyrazol-4-carbonsäuren
Abb. 35.10. Darstellung regioisomerer 1,3,5-Trialkylpyrazol-4-carbonsäuren am polymeren Träger
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35.9
Anwendungsformen der Polymeren
35.8.4
765
Makromolekulare Chelatbildner
Durch Reaktion chlormethylierter Styren-Divinylbenzen-Copolymerer mit Polyaminen erhält man mehrzähnige makromolekulare Amin-Liganden, deren Zähnigkeit durch Weiterreaktion mit Chloressigsäure erhöht werden kann: CH2
Cl
+
CH2
CH2
NH2
CH2
CH2
NH2
HN sieben- und sechszähniger Ligand
/ HCl CH2 CH2
CH2
CH2
NH2
+ 4 Cl
CH2
CH2 CH2
N
NH2
CH2
CH2
CH2
CO2H
CH2
CO2H
CH2
CO2H
CH2
CO2H
N
CO2H
N
CH2
CH2
N
dreizähnger Ligand
Auch Kronenether und andere makrocyclische Chelat-Liganden wurden mit Polystyren-Divinylbenzen-Copolymerisaten verknüpft. Die makromolekularen Komplexbildner eignen sich zur Extraktion von Metall-Kationen aus Lösungen.
35.9 Anwendungsformen der Polymeren Polymere sind unentbehrliche Werkstoffe, die sich zu zahlreichen Gebrauchsgegenständen und Bauteilen verarbeiten lassen. Tab. 35.2 gibt eine abschließende Auswahl häufig verarbeiteter Polymerer und ihrer Verwendung. Die meisten synthetischen Polymeren sind thermoplastisch und lassen sich bei Temperaturen oberhalb 60 °C zu Gefäßen und Gegenständen formen. Einige Polymere mit Faserstruktur, z. B. Perlon, müssen vor dem Verspinnen erst verstreckt werden, damit durch Kristallit-Bildung (Abb. 35.7) die Faser verfestigt wird. Spröde oder harte Polymere werden durch Zusatz von Weichmachern, welche die Wechselwirkungen zwischen den Makromolekülen schwächen, plastisch und damit formbar. Außer Polyethylenoxiden werden Phthalsäuredialkylester als Weichmacher verwendet. Polyethen kann z. B. erst nach Zusatz von Diisooctylphthalat zu Schläuchen verarbeitet werden. O C Dialkylphthalate als Weichmacher C
R= OR
CH2 CH2
OR
CH2 CH
CH2 CH2
(Butyl-)
CH3 CH2
CH2
CH3
(Isooctyl-)
CH2 CH3
O
Schaumstoffe erhält man durch Zusatz treibgasbildender Hilfsstoffe bei der Polymerisation, Polyaddition oder Polymeren-Verarbeitung. Vulkanisiert man Kautschuk oder Dien-Polymere z. B. unter Zusatz von Azobisisobutyronitril, so entwickelt sich Stickstoff als Treibgas, und man erhält Schaumgummi. Polyurethan-Schaumstoffe, die als Polsterfüllung und zur Schall- und Wärmedämmung verarbeitet werden, entstehen, wenn bei der Polyurethan-Bildung Wasser zugesetzt wird. Das Wasser reagiert mit den Diisocyanaten über die entsprechenden Dicarbamidsäuren unter Entwicklung von Kohlendioxid als Treibgas: R
R N
C
O + H2O
N
CO2H
R
NH2
+
CO2
H N-Alkylcarbamidsäure
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766
35 Synthetische Polymere
Tab. 35.2. Auswahl vielseitig anwendbarer synthetischer Polymerer, Teil 1: Vinyl-Polymere Klasse
Monomer(e)
Polymer-Einheit
Vinyl- oder H2C CH2 AlkenH Polymere (Polyalkane) H2C C
Eigenschaften
Anwendungsformen
PE
Baylon, Lupolen, Hostalen, Vestolen
amorph bis kristallin
Formteile, Folien, Rohre, Schläuche
Kürzel
CH2
CH2
Polyethen (Polyethylen)
CH2
CH
Polypropen (Polypropylen)
PP
Novolen, Hostalen PP, Vestolen PP
amorph bis kristallin ataktisch bis isotaktisch
Formteile, Folien, Rohre, Schläuche
Polyisobuten (Polyisobutylen)
PIB
Oppanol, Vistanex
vorwiegend amorph
Beschichtungen
PS
Polystyrol, Hostyren, amorph bis Vestyron, Styropor kristallin ataktisch bis isotaktisch
leichte Formteile und Verpackungen, Wärmedämmplatten
Vinoflex, Hostalit, Trosiplast
vorwiegend ataktisch und teilkristallin
Behälter, Folien, Beschichtungen, Rohre, Schläuche, Bodenbeläge
CH3
CH3 CH3
CH3 H2C
Handelsbezeichnungen
Bezeichnung
CH2
C CH3
C CH3
H H2C
C
H2C
C
CH2
CH
Polystyren (Polystyrol)
CH2
CH
Polychlorethen PVC (Polyvinylchlorid)
H Cl
F2 C
CF2
H2C
C
Cl
CF2
CF2
Polytetrafluorethen (Polytetrafluorethylen)
PTFE
Teflon, Hostaflon
teilkristallin, hochschmelzend, chemikalienresistent
Folien, Dichtungen, Ventile, Hähne, Beschichtungen, Behälter
CH2
CH
Polyacrylnitril
PAN
Dralon, Dolan, Orlon
vorwiegend ataktisch und teilkristallin, Faserstruktur
Formteile, Fasern
Polymethylmethacrylat
PMMA Degalan, Plexiglas
vorwiegend ataktisch, amorph, glasartig
Formteile, Glasersatz
Polyvinylacetat
PVAC
Movilith, Vinapas
vorwiegend ataktisch, amorph
Bindemittel, Klebstoffe, Lacke
Polyvinylalkohol
PVAL
Moviol, Polyviol
amorph
Klebstoffe, Lacke
StyrenButadienCopolymer
SB, SBR
Buna-Hüls, Kraton
amorph, elastisch
GummiErsatz
StyrenAcrylnitrilCopolymer
SAN
Novodur, Terluran
überwiegend amorph
Formteile, Isolatoren
Styren1,4-DivinylbenzenCopolymer
PSDVB
Lewatite
teilvernetztes Perlpolymerisat, quellbar
Edukt zur Herstellung von Ionenaustauschern und polymeren Trägern
Viton
überwiegend amorph, elastisch
GummiErsatz
H CN
CN CH3
CH3 H2C
CH2
C CO2 CH3
C CO2 CH3
H H2C
C
CH2 OCOCH3
CH OCOCH3
CH2
CH OH
H VinylCopolymere H2C C
H2 C CH
CH2
CH
CH2
CH
teilvernetzt
CH CH2
CH2
CH
CH2
CH
CN
CH 2
CH
CH CH2
H H2C
H2C
C
CH
CN
H H2C
C
CH2
H2 C CH
H 2C
CF2
F2 C
CF
CH CH2
CH
CH CH2
CF3
CH2
CF2
CF
CF2
CF3
1,1-DifluorethenHexafluorpropenCopolymer
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35.9
Anwendungsformen der Polymeren
767
Tab. 35.2. Teil 2: Dien-Polymere, Polyadditions- und Polykondensationsprodukte Klasse
Monomer(e)
DienPolymere
Polymer-Einheit
H CH2
C
C
H2C H
Anwendungsformen
CH 2
Polybutadien
PB
Buna CB
überwiegend amorph
NaturkautschukErsatz, Gummi
cisPolyisopren
PI
Natsyn
klebrig, elastisch
NaturkautschukErsatz, Gummi
Baypren, Neopren
überwiegend amorph, elastisch
NaturkautschukErsatz
H H
C
CH2
C
C
H3C
CH 2
koordinative Polymerisation
C
CH2
CH 2
H
H C
H 2C
Eigenschaften
C
H H 3C
Kürzel Handelsnamen
H C
H 2C
Bezeichnung
CH2
C
C
H2C
C
O
CH2
Cl
CH 2
Polychloropren
Cl
Polyether O
CH 3
O
CH2
O
CH2
CH
PEG
terminale OH-Gruppen
Polyethylenoxid, (Polyethylenglykol)
terminale OH-Gruppen
Polypropylen- PPO oxid
terminale OH-Gruppen
Polyoxymethylen
Polywachs flüssig bis wachsartig, je nach Polymerisationsgrad Polywachs
CH3
H2 C O
H2 C
O
Weichmacher, Textil- und LackHilfsstoffe
Weichmacher flüssig bis fest, je nach Polymerisationsgrad
POM
Hostaform, amorph bis Ultraform, kristallin, durchsichtig Delrin
Fasern, Folien
EP
Araldit, Lekutherm Epikote
zähflüssig bis fest, je nach Härtungsgrad
Kleb- und Lackrohstoffe (Epoxidlacke)
Bisphenol-Apolycarbonat
PC
Makrolon, Lexan, Merlon
amorph, glasartig
Formteile (Haushaltsartikel)
Polyethylenglykolterephthalat
PETP Diolen, Pocan, Trevira, Vetsan
amorph, teilkristallin, faserartig
Synthesefasern, Folien
Vulcollan, Corfam
überwiegend kristallin, elastisch, hohe mechanische Resistenz
Synthesefasern (Perlon U), Dichtungen, Bremsbeläge, Lederersatz
PA Polyadipinsäurehexamethylendiamid
Nylon-6,6
teilkristallin, faserartig, hochschmelzend
Synthesefasern, Schläuche, Formteile
Polysebacin- PA säurehexamethylendiamid
Nylon-6,10
teilkristallin, faserartig, hochschmelzend
Synthesefasern, Schläuche, Formteile
g-Aminocapronsäurepolyamid
Perlon, Trogamid, Vestamid
teilkristallin, faserartig, hochschmelzend
Synthesefasern, Schläuche, Formteile
CH 2Cl
Epoxidharze
O
vgl. Abb 35.2
CH 3 C CH3
NaO
ONa O
Polyester
CH 3
C
Cl
Cl CH 3
HO
C CH 3
O
C CH3 O OH
O O
HO
CH 2
C
CH 2
OH
H 3CO2C
O C
C O
CO2CH3
H2C CH2
HO
CH 2
CH
H 3CO2 C
OH (CH 2) 4
O C N
Ar
Ar =
CH 2
OH
O
CH2
CH
CH2
O O
OH
C
(CH 2) 4
O
O Polyglyceroladipat PGA
CO2CH3
N C
O
O
CH 2
CH
CH 2
O
C
(CH 2) 4
C
O
urethanvernetztes Polyglyceroladipat
HN
Polyamide
H2N
(CH 2) 6
NH2
HO2 C
(CH 2) 4
CO2 H
H2N
(CH 2) 6
NH2
HO2 C
(CH 2) 8
CO2 H
HN
HN
(CH 2) 6 NH C zwei Bausteine O
(CH2 ) 4
(CH 2) 6 NH C zwei Bausteine O
(CH2 ) 8
H 2N (CH 2) 5
CO2 H
C O
O NH
C O
O
O
CH 2
C
(CH 2) 5 NH C ein Baustein O
C O
PA
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768
36 Aminosäuren
36 Aminosäuren 36.1 Proteinaminosäuren Aminosäuren sind aliphatische und aromatische Carbon- und Sulfonsäuren, welche mindestens eine c-, d-, i- bzw. o-, m-, p-ständige Amino-Gruppe tragen. Sie gehören zu den Ampholyten, deren Eigenschaften durch die Präsenz einer sauren und basischen Gruppe geprägt werden. H 3C
C
H2N
CH 3
H CO2H
H 2N C CO2H
H 2N
SO3H
H2N CH2 CH2 CO2H
CO2H
H
NH2 (S)-2-Aminopropansäure
L-Alanin (eine c-Aminosäure)
3-Aminopropansäure (d-Alanin, eine d -Aminosäure)
3-Aminobenzensulfonsäure (m-Aminobenzensulfonsäure)
4-Aminobenzoesäure (p-Aminobenzoesäure)
Die natürlichen c-Aminosäuren bilden sich durch Hydrolyse der Proteine. Diese Proteinaminosäuren werden nach IUPAC mit ihren herkömmlichen Namen und deren Drei- oder Ein-Buchstaben-Symbolen bezeichnet (Tab. 36.1). Sie werden vereinfacht als Aminocarbonsäuren formuliert, obwohl sie im neutralen pH-Bereich als Zwitterionen existieren, R
R
H 2N C CO2H
H 3N C CO2
H
H
übliche Schreibweise
Zwitterionen-Form
und unterscheiden sich in ihrer sogenannten Seitenkette R (Tab. 36.1). Anhand dieser Seitenkette lassen sich die zwanzig Proteinaminosäuren zu folgenden Gruppen zusammenfassen: ̈ aliphatische Aminosäuren: Gly, Ala, Val, Leu, Ile; ̈ Hydroxyaminosäuren: Ser, Thr; ̈ Aminodicarbonsäuren und deren y-Amide: Asp, Asn, Glu, Gln; ̈ basische Aminosäuren: Lys, Arg, His; ̈ schwefelhaltige Aminosäuren: Cys, Met; ̈ cyclische Aminosäuren: Pro; ̈ aromatische bzw. heteroaromatische Aminosäuren: Phe, Tyr, Try. Zu den Guanidylaminosäuren gehört die Proteinaminosäure Arginin (Arg, Tab. 36.1). Eine vom N-Methylglycin (Sarkosin) abgeleitete Guanidylcarbonsäure ist die als Kreatin bezeichnete NMethylguanidylessigsäure aus dem Muskelsaft der Wirbeltiere. Kreatinin, neben Harnstoff ein Proteinabbauprodukt im Urin, bildet sich durch säurekatalysierte Cyclodehydratisierung des Kreatins. H N
NH2 HN H3C
NH
CH2
CO2H
/ H2O
C N
CH2
H3C N-Methylglycin (Sarkosin)
Kreatin
CO2H
HN
O C
C N
CH2
H3C Kreatinin
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36.1
Proteinaminosäuren
769
Tab. 36.1. Formeln der Proteinaminosäuren, ihre Bezeichnungen und Drei- sowie Einbuchstaben-Symbole H
H3N CH2
H3N C CO2
Glycin
Gly
G
CH2
H
CH2
CH3
CH2
H3N C CO2
Alanin
Ala
A
H3N C CO2
CH(CH 3)2 H3N C CO2
Lys
K
Arginin
Arg
R
Histidin
His
H
Cystein
Cys
C
Methionin
Met
M
Phenylalanin
Phe
F
Tyrosin
Tyr
Y
Tryptophan Trp
W
H2N Valin
Val
V
C
NH CH2
H2N
H
CH2 CH2
CH(CH 3)2
H3N C CO2
CH2 H3N C CO2
Leucin
Leu
H
L N
H
NH
C2H5
CH2
CH CH3 H3N C CO2
Isoleucin
Ile
I
H3N C CO2 H
H
N H2
Lysin
H
H
CO2
Prolin
Pro
P
H3N C CO2
OH
H
CH2 H3N C CO2
SH CH2
Serin
Ser
S
CH3
H
S
OH
CH2 CH2
CH CH3 H3N C CO2
Threonin
Thr
T
H3N C CO2 H
H CO2 CH2 H3N C CO2 H
Asparaginsäure
Asp
D CH2 H3N C CO2
CONH2
H
CH2 H3N C CO2
Asparagin
Asn
N
OH
H CO2H CH2
CH2
CH2 H3N C CO2 H
H3N C CO2 Glutaminsäure
Glu
E
H NH
CONH2 CH2
CH2
CH2 H3N C CO2 H
Glutamin
Gln
Q
H3N C CO2 H
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770
36 Aminosäuren
36.2 Physiologische Bedeutung Pflanzen sowie verschiedene Mikroorganismen (Algen, einige Bakterien) sind in der Lage, Aminosäuren aus CO2, H2O, NO3/, NH4+, N2, SO42/ aufzubauen. Der tierische Organismus kann dagegen nicht jede der 20 c-Aminosäuren selbst synthetisieren und ist deshalb auf Proteinzufuhr in Form eiweißreicher Nahrung angewiesen. Man unterscheidet somit zwischen essentiellen Aminosäuren wie Lys, Leu, Val, Phe, Ile, Thr, Met, His, Try, die für die menschliche Ernährung notwendig sind, und den nicht essentiellen wie Gly, Ala, Pro, die der Körper selbst aufbauen kann. Im Körper werden laufend Proteine durch Endo- und Exopeptidasen in Aminosäuren gespalten. Diese Aminosäuren werden wieder zum Proteinaufbau verwendet oder durch Reaktionen wie ̈" ̈" ̈" ̈"
Seitenkettenumbau unter Erhaltung des Aminosäure-Rumpfes, Decarboxylierung zu biogenen Aminen, Transaminierung zu c-Oxocarbonsäuren, oxidative Deamininierung zu c-Oxocarbonsäuren
umgewandelt. Als Endprodukt des Stoffwechsels erscheint der Aminosäure-Stickstoff schließlich in Form von Harnstoff und Harnsäure in den Ausscheidungsprodukten. Für Aminosäuren sind in den Zellmembranen bestimmte Transportsysteme vorhanden. Sie bestehen aus in die LipidSchicht eingebetteten Proteinkomplexen. Aminosäuren haben im Körper nicht nur zentrale Bedeutung als Energiequelle in Form des mit der Nahrung zugeführten Proteins; sie sind auch funktionelle Bausteine in Peptidhormonen und Enzymen sowie wichtige Vorstufen für andere Verbindungen. Die über den genetischen Code gesteuerte Proteinbiosynthese gewährleistet eine unvorstellbar große Variationsmöglichkeit der Sequenz und eine exakte Reproduzierbarkeit. Bestimmte ungewöhnliche Aminosäuren, die zum Teil von Mikroorganismen produziert oder chemisch synthetisiert werden, finden als Antibiotika Verwendung. Sie können u. a. als spezifische Inhibitoren von Enzymen wirken und so in den Stoffwechsel von Bakterien eingreifen.
36.3 Absolute Konfiguration Mit Ausnahme des achiralen Glycins besitzen alle Proteinaminosäuren vier verschiedene Substituenten am c-C-Atom. Aufgrund dieses Asymmetriezentrums sind sie chiral und bilden optisch aktive (R )- und (S)-Enantiomere. Zur Bezeichnung der absoluten Konfiguration von Aminosäuren ist die FISCHER-Konvention (D und L) üblich. Sie beruht auf der ursprünglich willkürlich festgelegten Konfiguration der beiden enantiomeren Glyceraldehyde als Bezugsverbindungen (DGlyceraldehyd = (R)-Glyceraldehyd, Abschn. 17.4). Optisch aktive c-Aminosäuren lassen sich stereospezifisch in einen der beiden Glyceraldehyde umwandeln und auch stereospezifisch aus dem D-oder L-Glyceraldehyd synthetisieren. Nachdem die absolute Konfiguration der Glyceraldehyde über die RÖNTGEN-Strukturanalyse der Weinsäure (Abschn. 17.4) bekannt war, konnte das (S)-Enantiomer des Alanins als L-Alanin bezeichnet werden. CO2H H2N C H
H H3C
CH3 L-Alanin
=
CO2H
CO2H
C
C NH2
(S)-Alanin
H 2N
CO2H H C NH2
H CH3
D-Alanin
CH3 =
(R)-Alanin
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36.4
Physikalische Eigenschaften
771
In den Proteinen aller Pflanzen und Tiere findet man nur c-Aminosäuren der absoluten Konfiguration L bzw. (S). L-Cystein und sein Disulfid L-Cystin müssen allerdings wegen der höheren Priorität des Schwefels an dem d-C-Atom gegenüber den Carboxy-O-Atomen als (R)-Cystein bzw. (R)-Cystin bezeichnet werden (Abschn. 17.4.2). CO2H
CO2H H2N C H CH2
C L-Cystein
=
(R)-Cystein
SH
H2C SH
H NH 2
CO2H
CO2H
H2N C H H2N C H CH2 S S CH 2 L-Cystin = (R)-Cystin
D-Aminosäuren findet man häufig in Peptidantibiotika, die als Stoffwechselprodukte einiger Bakterien und Pilze isoliert werden (Abschn. 37.7.3). D-Glutaminsäure und D-Alanin sind Bausteine des Mureins, ein Biopolymer, das einen Teil der Zellwand von Bakterien aufbaut. Wie alle Enantiomere zeigen D- und L-c-Aminosäuren identische physikalische und chemische Eigenschaften mit zwei Ausnahmen: ̈" ̈"
D- und L-c-Aminosäuren drehen die Ebene des linear polarisierten Lichts um den gleichen Betrag aber mit verschiedenen Vorzeichen. D- und L-Aminosäuren reagieren verschieden schnell mit anderen chiralen Molekülen.
Diese zweite Eigenschaft ist von fundamentaler Bedeutung: Da die aus Aminosäuren aufgebauten Enzyme ebenfalls chiral sind, können sie enantiomere Substrate unterscheiden. Meist wird nur ein Enantiomer erkannt und ist biologisch aktiv; das andere kann inaktiv sein oder sogar als Hemmstoff (Inhibitor) wirken. Im Zusammenhang mit der Evolution stellt sich die Frage nach dem Ursprung der als Homochiralität bezeichneten Dominanz von L-Aminosäuren in der belebten Natur. Man nimmt heute an, daß vor den Proteinen die Nucleinsäuren als autokatalytisch sich selbst über die Doppelhelix (Abschn. 40.3.6, 40.5) vervielfachende Moleküle entstanden sein müssen. Viele Experimente zur "Urzeugung" zeigten, daß sich racemische c-Aminosäuren unter primitiven Bedingungen aus einfachen C,H,O,N-haltigen Gasen durch Einwirkung elektrischer Entladungen bzw. von Strahlungsenergie bildeten. Die Dominanz der L-Konfiguration ist nach vorherrschender Ansicht ein Zufall. D- und L-System hätten sich auch parallel entwickeln können; das L-System hat zufällig durch günstigere präbiotische Umgebungsbedingungen gewonnen. Über den genetischen Code sind die Proteinaminosäuren in außerordentlich stabiler Weise sowohl in der Zahl zwanzig als auch in ihrer Struktur (Konstitution, absolute Konfiguration) festgelegt. Die Biosynthese der Proteine erforderte eine einheitliche Konfiguration, sonst wären sowohl die Synthesemechanismen als auch die Produkte und ihr biologischer Abbau viel zu komplex geworden, um in der Evolution zu überleben.
36.4 Physikalische Eigenschaften 36.4.1
Dissoziationsgleichgewichte
Fast alle für die Aminosäuren typischen Eigenschaften sind vom Dissoziationszustand der Aminound Carboxy-Gruppen und damit vom pH der wäßrigen Lösung abhängig. Die c-Aminosäuren mit
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772
36 Aminosäuren
c-Alkyl-Seitenketten zeigen aufgrund ihrer c-Carboxy-Funktion einen pK zwischen 1.5 und 2.5 und aufgrund ihrer c-Amino-Funktion einen pK zwischen 8 und 10 (Tab. 36.2). R
+
R
+
H 3N C CO2
/ [H ]
C CO2H
H3N
+ [H ]
H
R
+
H2N C CO2
+ [H ]
H
protonierte Aminosäure Aminosäure-Kation
+
/ [H ]
"neutrale" Aminosäure Zwitterion
H deprotonierte Aminosäure Aminosäure-Anion
Im neutralen pH-Bereich liegen somit die meisten Aminosäure-Moleküle als Zwitterionen vor, d. h. sie tragen sowohl eine positive als auch eine negative Ladung. Die Dissoziationsgleichungen zeigen eindeutig, daß bei keinem pH (auch nicht im Festzustand) Aminosäuren die ungeladene Form H2N/CHR/CO2H annehmen. Diese übliche Formel ist daher nicht korrekt; freie Aminosäuren tragen permanent Ladungen. Mit potentiometrischen Titriergeräten unter Verwendung von Mikrostab-Elektroden lassen sich innerhalb von Minuten im Mikromolbereich Titrationskurven von Aminosäuren aufnehmen (Abb. 36.1).
12
H2N CH 2 CO2 Amino-Form (Anion)
pK2 = 9.78
10 8 pI = 6.07
6
isoelektrischer Punkt
H3N CH 2 CO2 Zwitterion (neutral)
pH 4 2
pK1 = 2.35
0
H3N CH 2 CO2H 1
0.5 mol HCl
0.5 mol NaOH
0
1
Ammonium-Form (Kation)
Abb. 36.1. Titrationskurve der c-Aminosäure Glycin (als Zeichenhilfe wurden auch die pK-Werte bei 0.1 und 0.9 mol Lauge oder Säure eingezeichnet)
Im Bereich zwischen pH = 4 und 7 gibt es einen pH-Wert, bei dem neben der Zwitterionenform gleiche Mengen an Kationen und Anionen vorhanden sind. Diesen Punkt in der Titrationskurve bezeichnet man aufgrund der dabei insgesamt auftretenden Ladungsneutralität als isoelektrischen Punkt und den dazugehörenden pH-Wert als pI (Abb. 36.1). Für bifunktionelle Aminosäuren kann der pI aus den Dissoziationskonstanten K1 und K2 wie folgt berechnet werden. K1 = c(H3O-) c(Zwitterion) / c(Kation) (1) ; K2 = c(H3O-) c(Anion) / c(Zwitterion) (2) .
.
Gleichung (1) löst man nach c(Zwitterion) auf und setzt das Ergebnis in Gleichung (2) ein: K1 K2 = c(H3O-) c(Anion) / c(Kation) (3) 2.
.
Wegen c(Anion) = c(Kation) gilt am isoelektrischen Punkt pI: K1 K2 = c (H3O-) oder c(H3O-) = (K1 K2) .
2
.
1/2
oder pH = pI = 1/2 (pK1 - pK2)
(4) .
Sind die beiden pK-Werte bekannt, so läßt sich der pI nach Gl. (4) berechnen.
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36.5
Chromatographische Trennung
773
Mehrfunktionelle Aminosäuren, z. B. Glutaminsäure, Lysin, Histidin und Cystein, zeigen aufgrund ihrer zusätzlichen dissoziablen Gruppen weitere pK-Werte. Bei gleichzeitigem Vorliegen zweier Carboxy-Gruppen (Glu und Asp) oder zweier Amino-Gruppen (Lys) besitzen diese jeweils unterschiedliche, jedoch relativ nahe beieinander liegende pK-Werte. Deshalb läßt sich z. B. Lysin nur dann selektiv an der Seitenkettenfunktion (/NH2-Gruppe) zur Reaktion bringen, wenn die cAmino-Gruppe z. B. durch Komplexbildung mit Cu2+ geschützt ist. Tab. 36.2. pK- und pI-Werte einiger Aminosäuren
36.4.2
Aminosäure
pK1
pK2
pI
Aminosäure
pK1
pK2
Gly Ala Ser Pro Asn Gln Phe
2.3 2.3 2.2 2.0 2.0 2.2 1.8
9.6 9.7 9.2 10.6 8.8 9.1 9.1
6.0 6.0 5.7 6.3 5.4 5.7 5.5
Cys Lys Arg His Asp Glu Tyr
1.7 2.2 2.2 1.8 1.9 2.2 2.2
8.3 SH 9.1 c 9.0 c 6.0 im 3.7 d 4.3 i 9.1 c
pK3 10.8 10.5 g 12.8 g 9.2 9.6 10.0 10.1
pI 5.0 9.8 10.8 7.6 2.8 3.2 5.7
Schmelzpunkt und Löslichkeit
Von allen Carbonsäuren zeigen die Aminosäuren die höchsten Schmelzpunkte. Mit durchschnittlich 350 °C liegen sie zwischen den Schmelzpunkten organischer Verbindungen (Essigsäure, Schmp. 16.6 °C) und anorganischer Salze (Natriumchlorid, Schmp. 803 °C). Wäßrige Lösungen der Monoaminomonocarbonsäuren reagieren neutral und zeigen hohe Dielektrizitätskonstanten. In neutraler Lösung besitzen die Aminosäuren somit aufgrund ihrer Zwitterionenstruktur ein hohes Dipolmoment. Die meisten Protein-Aminosäuren sind in Alkoholen weniger löslich als in Wasser. Wie anorganische Salze sind sie in unpolaren Lösemitteln praktisch unlöslich: Glycin Alanin Valin Cystin
253 g / L H2O 167 74 0.1
0.4 g / L C2H5OH 1.6 6 unlöslich
Individuelle Unterschiede dieser Eigenschaften sind wichtig für die Isolierung und Trennung von Aminosäuren in präparativem Maßstab durch Umfällen und Umkristallisieren. Die Löslichkeit hängt vom pH und der Temperatur ab; am isoelektrischen Punkt (Abb. 36.1) ist sie am geringsten.
36.5 Chromatographische Trennung 36.5.1
Ionenaustausch-Chromatographie im Aminosäuren-Analysator
Die mit Abstand wichtigste quantitative Analysenmethode für Aminosäuren war die Aminosäuren-Analyse nach STEIN und MOORE (1958). Dazu wird eine Proteinprobe mit 6 N HCl 24 h auf 110 °C erhitzt. Nach Abdampfen der Salzsäure wird das so gewonnene Totalhydrolysat im automatischen Aminosäuren-Analysator durch Säulenchromatographie an Polystyren-Ionenaustauschharzen mit Sulfonsäure-Gruppen getrennt. Die Aminosäuren werden dabei mit Puffern von stei-
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774
36 Aminosäuren
gendem pH und steigender Ionenstärke primär aufgrund ihrer unterschiedlichen pK-Werte, aber auch anderer Wechselwirkungen chromatographiert. Dem Eluat wird Ninhydrin-Reagenz zugepumpt. Die Aminosäure-Ninhydrin-Mischung wird dann zur Entwicklung der blauvioletten Farbe mittels einer langen Kapillare (Reaktionsschleife) durch ein 100 °C heißes Bad geführt. Die dabei ablaufende Ninhydrin-Reaktion führt zu einem blauen Imin: O OH OH
R
+
H 3N CH CO2
R
O / 2 H2O
CH CO2H N
O
O / CO2
H N CH R O
O
Ninhydrin (Indantrion-Hydrat)
+ H2O
/ R
CH O
O OH OH
+
OH O
O O
O H
O
N
N O
H
/ 2 H2O
O
O
O
NH 2 O
blaues Imin
Anschließend wird die Farbintensität (Extinktion bei 550 nm) kolorimetrisch im Durchflußphotometer gemessen und aufgezeichnet. Ein typisches Aminosäuren-Chromatogramm oder Elutionsprofil (Abb. 36.2) zeigt, daß zunächst die mehr sauren Aminosäuren, dann die neutralen cAlkylaminosäuren und nach den aromatischen die basischen Aminosäuren eluiert werden. Zu Routineanalysen werden Mengen von etwa 20 nmol bei Ninhydrin-Detektion benötigt. Bei Trennung auf Kapillarsäulen und Detektion durch fluoreszierende Derivate genügen sogar picomolare Mengen. Nach jeder Trennung wird die Säule automatisch regeneriert.
Abb. 36.2. Chromatogramm einer Aminosäuren-Analyse (Fluoreszenzdetektion)
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36.5
Chromatographische Trennung
775
Tryptophan zersetzt sich unter den stark sauren Reaktionsbedingungen durch Hydrolyse am IndolHeterocyclus und ist nur nach alkalischer Proteinhydrolyse durch 5 N Bariumhydroxid-Lösung erfaßbar. Glutamin und Asparagin verlieren bei der Hydrolyse Ammoniak und erscheinen deshalb als Glutaminsäure und Asparaginsäure. Das labile Cystein muß vorher mit Perameisensäure zur stabilen Cysteinsäure (/SH › /SO3H) oxidiert werden, um Schwefelwasserstoff-Eliminierungen zu vermeiden. Prolin gibt mit Ninhydrin einen gelben Farbstoff und wird im Eluat bei einer zusätzlichen Wellenlänge gemessen. Durch Einsatz von Standardmischungen bekannter Aminosäure-Zusammensetzung wird die Effizienz und Reproduzierbarkeit (etwa 3 %) der einstündigen Trennung überprüft. Zur spektrometrischen Detektion der Aminosäuren eignen sich einige Derivatisierungen. Gelbe 2,4-Dinitrophenyl-Derivate (DNP-Aminosäuren) werden z. B. durch Arylierung der AminoFunktion mit 2,4-Dinitrofluorbenzen (DNFB, SANGER-Reagenz) erzeugt: CH(CH3)2 O2N
F
+
H 2N CH CO2
CH(CH 3)2
pH = 8 /F
O2N
NH CH CO2H
NO2 DNP-Valin [N-(2,4-Dinitrophenyl)-valin]
NO2
Stark fluoreszierende Derivate zur Detektion im subnanomolaren Bereich erhält man durch Dansylierung mit 5-N,N-Dimethylaminonaphthalensulfonsäurechlorid (Dansylchlorid). Diese Derivate eignen sich auch zur quantitativen Analyse von Aminosäuren-Mischungen durch Hochdruckflüssigkeitschromatographie (High-Performance-Liquid-Chromatography, HPLC). Alle DansylDerivate sind hydrolysestabiler, und ihr Nachweis ist im Vergleich zu DNP-Aminosäuren um den Faktor 100 empfindlicher. (H3C)2N
CH 3 SO2 Cl
+
H 2N CH CO2
Dansylchlorid 5-(N,N-Dimethylamino)naphthalensulfonsäurechlorid
(H 3C)2N / Cl
CH3 SO2
NH CH CO2H
Dansylalanin
Dinitrophenylierung und Dansylierung werden besonders zur Bestimmung der N-terminalen Aminosäure in Peptiden eingesetzt (Endgruppenbestimmung, Abschn. 37.5.3). Für trifunktionelle Aminosäuren wie Cystein, Histidin oder Arginin gibt es verschiedene spezifische Nachweismethoden, bei denen die Seitenfunktionen mit selektiven Reagenzien umgesetzt werden.
36.5.2
Kapillarzonen-Elektrophorese
Die Elektrophorese wird als Dünnschicht- oder Kapillarzonen-Elektrophorese weniger für Aminosäuren als für Peptide eingesetzt. Das Prinzip ist jedoch gleich. Eine Aminosäuren-Mischung zeigt im elektrischen Feld unterschiedliche Wanderungsrichtungen und -geschwindigkeiten, je nachdem, ob basische, saure oder neutrale Aminosäuren vorliegen, und welcher pH in der ElektrolytLösung eingestellt ist. Ein Aminosäure-Anion wie Glutamat bei pH = 7 wird zur Anode, ein Aminosäure-Kation wie Lysin wird zur Kathode, und ein Zwitterion wie Alanin wird wenig vom Startfleck weg wandern.
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776
36 Aminosäuren
36.5.3
Gaschromatographie
Die gaschromatographische Trennung von Aminosäuren nützt u. a. bei der Strukturaufklärung von Peptidantibiotika, die unbekannte Aminosäuren enthalten. Da die Zwitterionen im Peptidhydrolysat nicht flüchtig sind, müssen sie durch Veresterung der Carboxy-Gruppe und Acylierung der Amino-Funktion in flüchtige Derivate übergeführt werden. Besonders bewährt hat sich die Gaschromatographie von N-Trifluoracetylaminosäurebutylestern an Glaskapillarsäulen und die Kopplung der Trennsäule an ein Massenspektrometer (GC-MS-Kopplung). R
HCl , 100 °C
H3N C CO2
+
C4H 9OH
/ H2O
H
R
H 2N CH CO2C4H 9
+ (F3C/CO) 2O / F3C/CO2H
R
O
C NH CH CO2C 4H9 F 3C N-Trifluoracetylaminosäurebutylester
Bei Trennzeiten von etwa 1 h können von jeder unbekannten Fraktion (Elutionspeak) zur Identifizierung der vielleicht neuen Aminosäure Massenspektren aufgenommen werden. Mit Hilfe einer chiralen stationären GC-Phase lassen sich auch Enantiomere quantitativ bestimmen (Abb. 36.5).
36.6 Synthesen Früher beanspruchten chemische Aminosäure-Synthesen rein akademisches Interesse, da die Isolierung aus natürlichen Quellen meist weitaus billiger war. Das gilt auch heute noch für Aminosäuren wie Cystin, Histidin und Leucin. Daneben hat sich eine Aminosäure-Industrie entwickelt, die z. B. großtechnische Synthesen von DL-Glutaminsäure aus Acrylnitril mit nachfolgender Racemattrennung durchführt. Chemisch synthetisierte Aminosäuren und Derivate werden außer in der Futtermittel- und Nahrungsmittelindustrie als Therapeutika sowie als Rohstoffe in der chemischen Industrie (Tenside, Polymere) benötigt. Industriell werden Aminosäuren durch ̈" ̈" ̈"
Extraktion natürlicher Aminosäuren aus Proteinhydrolysaten, mikrobiologisch durch Fermentation und enzymatisch sowie durch chemische Synthesen der Struktur +H3N/CHR/CO2/ produziert.
Da fast jede industriell produzierte Aminosäure enantiomerenrein vorliegen muß, sind ökonomische Methoden der Racemat-Trennung unerläßlich.
36.6.1
STRECKER-Synthese
Nach STRECKER (1850) werden c-Aminosäuren durch Addition von Ammoniak und Blausäure an Aldehyde hergestellt. Durch Addition von Ammoniak an den Aldehyd entsteht dabei zunächst das Aldimin (Abschn. 20.8.4). Dessen Cyanhydrin-Reaktion (Abschn. 20.10.4) ergibt anschließend das c-Aminonitril, das zur c-Aminosäure hydrolysiert wird. H R C O
+ NH3 / H2O
H R C NH Aldimin
+ HCN
H R C CN NH 2 c-Aminonitril
+ 2 H2O / NH3
H R C CO2 NH3 c-Aminocarbonsäure
Diesem Konzept folgt die industrielle Herstellung der Glutaminsäure. Dabei wird Acrylnitril durch Oxo-Synthese in 3-Cyanopropanal übergeführt. Letzteres reagiert mit Ammoniak und Blau-
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776
36 Aminosäuren
36.5.3
Gaschromatographie
Die gaschromatographische Trennung von Aminosäuren nützt u. a. bei der Strukturaufklärung von Peptidantibiotika, die unbekannte Aminosäuren enthalten. Da die Zwitterionen im Peptidhydrolysat nicht flüchtig sind, müssen sie durch Veresterung der Carboxy-Gruppe und Acylierung der Amino-Funktion in flüchtige Derivate übergeführt werden. Besonders bewährt hat sich die Gaschromatographie von N-Trifluoracetylaminosäurebutylestern an Glaskapillarsäulen und die Kopplung der Trennsäule an ein Massenspektrometer (GC-MS-Kopplung). R
HCl , 100 °C
H3N C CO2
+
C4H 9OH
/ H2O
H
R
H 2N CH CO2C4H 9
+ (F3C/CO) 2O / F3C/CO2H
R
O
C NH CH CO2C 4H9 F 3C N-Trifluoracetylaminosäurebutylester
Bei Trennzeiten von etwa 1 h können von jeder unbekannten Fraktion (Elutionspeak) zur Identifizierung der vielleicht neuen Aminosäure Massenspektren aufgenommen werden. Mit Hilfe einer chiralen stationären GC-Phase lassen sich auch Enantiomere quantitativ bestimmen (Abb. 36.5).
36.6 Synthesen Früher beanspruchten chemische Aminosäure-Synthesen rein akademisches Interesse, da die Isolierung aus natürlichen Quellen meist weitaus billiger war. Das gilt auch heute noch für Aminosäuren wie Cystin, Histidin und Leucin. Daneben hat sich eine Aminosäure-Industrie entwickelt, die z. B. großtechnische Synthesen von DL-Glutaminsäure aus Acrylnitril mit nachfolgender Racemattrennung durchführt. Chemisch synthetisierte Aminosäuren und Derivate werden außer in der Futtermittel- und Nahrungsmittelindustrie als Therapeutika sowie als Rohstoffe in der chemischen Industrie (Tenside, Polymere) benötigt. Industriell werden Aminosäuren durch ̈" ̈" ̈"
Extraktion natürlicher Aminosäuren aus Proteinhydrolysaten, mikrobiologisch durch Fermentation und enzymatisch sowie durch chemische Synthesen der Struktur +H3N/CHR/CO2/ produziert.
Da fast jede industriell produzierte Aminosäure enantiomerenrein vorliegen muß, sind ökonomische Methoden der Racemat-Trennung unerläßlich.
36.6.1
STRECKER-Synthese
Nach STRECKER (1850) werden c-Aminosäuren durch Addition von Ammoniak und Blausäure an Aldehyde hergestellt. Durch Addition von Ammoniak an den Aldehyd entsteht dabei zunächst das Aldimin (Abschn. 20.8.4). Dessen Cyanhydrin-Reaktion (Abschn. 20.10.4) ergibt anschließend das c-Aminonitril, das zur c-Aminosäure hydrolysiert wird. H R C O
+ NH3 / H2O
H R C NH Aldimin
+ HCN
H R C CN NH 2 c-Aminonitril
+ 2 H2O / NH3
H R C CO2 NH3 c-Aminocarbonsäure
Diesem Konzept folgt die industrielle Herstellung der Glutaminsäure. Dabei wird Acrylnitril durch Oxo-Synthese in 3-Cyanopropanal übergeführt. Letzteres reagiert mit Ammoniak und Blau-
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36.6
Synthesen
777
säure zum 2-Aminopentandinitril. Die neben Mononatriumglutamat anfallenden Hydrolyseprodukte, Ammoniak und racemisierte D-Glutaminsäure, werden dem Prozeß wieder zugeführt. OxoSynthese
O C CH 2 CH2 CN
CO + H 2 + H 2C CH C N
d-Cyanopropionaldehyd (3-Cyanopropanal)
H -""NH3 , / H2O c-Aminoglutarsäuredinitril (2-Aminopentandinitril)
NC CH CH 2 CH2 CN
NH4CN + O2 , CH4 (partielle Oxidation)
NH 2
+ 2 H2O (NaOH), / 2 NH3
O2C CH CH 2 CH2 CO2H NH 3
H2SO4 (30-50 %) 170 -190 °C Racemisierung
DL-Glutaminsäure Racemattrennung durch bevorzugte Kristallisation
D-Glutaminsäure
36.6.2
L-Glutaminsäure
BUCHERER-Synthese
Aldehyde lassen sich nach BUCHERER mit Blausäure und Ammoniumcarbonat über Aminonitrile in stabile kristallisierbare Hydantoin-Derivate überführen, die mit Hydroxid unter Druck und höherer Temperatur zu c-Aminosäuren hydrolysierbar sind. H R C O
(NH4) 2CO3 , NaCN
H N
R
O
+ H2O
NH
NH3 R
CH CO2
O Hydantoin
Industriell wird über diese modifizierte STRECKER-Synthese DL-Methionin aus Acrolein hergestellt, das auch ohne vorherige Racemattrennung als Nahrungs- oder Futtermittel Verwendung findet. H3C + H3C/SH
H
C
O
MICHAELAddition
H3C
S
H 2C H
CH2 C
(NH4) 2CO3 , NaCN
O
H 3C
S
H2C
/
+ H2O (OH )
CH2 O
HN
S
H 2C
CH 2
H3N CH CO2
NH Acrolein
36.6.3
d-Methylthiopropionaldehyd (3-Methylthiopropanal)
O
DL-Methionin
5-Methylthioethylhydantoin
ERLENMEYER-Synthese
Vorzugsweise Arenaldehyde lassen sich nach ERLENMEYER (1893) mit CH-aciden MethylenGruppen alkenylieren (KNOEVENAGEL-Alkenylierung), wobei Essigsäureanhydrid als Lösemittel
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778
36 Aminosäuren
und Natriumacetat als basischer Katalysator eingesetzt werden. Katalytische Hydrierung des entstandenen Alkens und anschließende Hydrolyse führt zur Aminosäure. O
H Ar
C
+ H 2C
O
X
N
Arenaldehyd
H Kat.
Ar
/ H2O
+ H2 / Kat.
O
C C N
O Ar
+ H2O
CH2 CH C
X
/ HX
X
N
Ar
CH2 CH CO2 N
H
Methylenkomponente
N-Acetylglycin, Azlactone, Hydantoine, Dioxopiperazine und Thiohydantoine eignen sich als Methylen-Komponenten: O H2C
HN
C
C
O OH
H2C
O
H2C
O
N
R
CH3 N-Acetylglycin
H2C
NH
HN
NH
HN
H2C
NH
HN
CH2
S
O
Azlacton
O
O
O
Hydantoin
O
Thiohydantoin
Dioxopiperazin
Ein Beispiel ist die Synthese des DL-Phenylalanins aus Benzaldehyd und N-Acetylglycin: O H +
C O
H2C N H
O
CH3CO2Na (CH3CO) 2O
OH O
Benzyliden-azlacton (4-Benzyliden-2-methyl5-oxo-4,5-dihydrooxazol)
O
CH
/ 2 H2O
N
CH3
CH3
+ NaOH
+ H2 (RANEY-Ni)
O CH
CO2 Na O N H CH 3
N + 2 H2O (H3O+)
+ H2 (RANEY-Ni)
CH2
36.6.4
CO2 Na O N H CH 3
O
CH 2
+ H2O (H3O+) / CH3CO2Na
CH3
/ CH3CO2H
CO2 CH 2
CH NH3
DL-Phenylalanin
Aminierung von -Halogencarbonsäuren
Die Aminierung von c-Halogencarbonsäuren (Abschn. 19.3.2) wird seit 1858 zur Synthese von Glycin durch Umsetzung von Chloressigsäure mit Ammoniak benützt. Dieses Verfahren wurde auch zur Herstellung von d-Hydroxy-c-aminosäuren verwendet, da c-Brom-d-hydroxysäuren leicht durch Addition von Hypobromid an c,d-ungesättigte Carbonsäuren zugänglich sind (Halohydrin-Reaktion). Die wasserlöslichen d-Hydroxy-c-aminosäuren werden vom anorganischen Salz über Ionenaustauscher befreit. + 2 NH3
+ HOBr
R CH CH CO2H
R CH CH CO2H OH Br
/ NH4Br
R CH CH CO2 OH NH 3
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780
36 Aminosäuren
Bei der technischen Tryptophan-Synthese geht man vom 3-Cyanopropanal aus, überführt dieses in das 5-(3-Cyanoethyl)-hydantoin und schließt mit Phenylhydrazin den Indol-Ring nach dem Prinzip der FISCHER-Indol-Synthese. O
CN CH2
CH O
CH 2
+ NH4 CN
H 2C
HN
H2C
/ 2 NH3 / H2O
CN
NH
CH2
+ (NH4) 2CO3
NH2
H2C
/ H2O
CN
CH
3-Cyanopropanal
-""H2O / NH3
+ H2 (RANEY-Ni)
O CH2
HN
+ 3 NaOH
CO2 Na
/ Na2CO3 , / NH3
N H
O NH
CH2
CH NH2
O
CN
NH NH2
O
HN
H2C
/ H2O , / NH3
N H
NH
CH2
+
O
C H O
DL-Tryptophan, Na-Salz
Serin läßt sich durch Addition von Acetylaminomalonsäurediethylester an Formaldehyd herstellen: CO2C2H 5
H O C
+ H
36.6.7
CO2C2H 5
/
(OH )
HO CH2
H C NH COCH3 CO2C 2H5
+ 3 H2O (H3O+)
C NH COCH3
/"4 C2H5OH /" CH3CO2H /" CO2
CO2C2H 5
CO2 HO CH2 CH NH 3 DL-Serin
Enantioselektive Synthese von Aminosäuren
Die asymmetrische Hydrierung von (Z)-Acylaminoacrylsäure-Derivaten mit chiralen Rhodium-1,2diphosphionopropan-Komplexen führt nach BRUNNER mit hoher chemischer Ausbeute und grossem Enantiomerenüberschuß zu den (S)-N-Acylaminosäuren. Diesem Prinzip folgt u. a. die Synthese des (S)-Dihydroxyphenylalanins [(S)-Dopa, R1 = 3,4-Dihydroxyphenyl-, MONSANTO-Prozeß].
H
CO2H +
R1
H2
Kat., 1 bar, Raumtemp. Ethanol
H5C6
CO2H R 1 CH2 C H NHCOR2
NHCOR 2
Kat. = H C 5 6
P H
(S)-N-Acylaminosäure
(Z)-2-Acylaminoacrylsäure
Rh
P
H3C
C6H5
C6H5
Nach HARTWIG und SCHÖLLKOPF wird aus L-Valin und Glycin über das Dioxopiperazin mit Trimethyloxonium-tetrafluorborat (MEERWEIN-Salz) der Bislactimether hergestellt; nach Deprotonierung wird am prochiralen Glycin-c-C mit Halogenalkan alkyliert, wobei die gegenüberliegende sperrige i-Propyl-Gruppe des Valins die Seitendifferenzierung bewirkt. Die Hydrolyse des diastereospezifisch alkylierten Bislactimethers führt zum Aminosäure-Enantiomer: OCH 3
O NH HN
(H3C) 3OBF4
CH2
O Dioxopiperazin aus L-Valin und Glycin (Bislactam)
N N
CH2
OCH 3 Bislactimether
OCH3 1.) + Base 2.) + R/X , / HX
+ 3 H2O (H3O+)
N N
R OCH3
C-alkylierter Bislactimether
/"4 CH3OH /" L-Valin
NH3 O2C
R H
(R)-Aminosäure
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36.7
Racemattrennung
781
Einer analog sterisch bedingten, asymmetrischen Induktion folgt die enantioselektive Synthese von Aminosäuren über (S)-1-t-Butyloxycarbonyl-2-t-butyl-3-methyl-1,3-imidazolidin-4-on ("BocBMI") nach SEEBACH: CH3 N Boc N
O
"/"[H+] (Base)
CH 3 N Boc N
O
CH3
+ R/X / HX
N Boc N H
O R
H3O+
H 3N H
CO2 R
(S)-Aminosäure
36.7 Racemattrennung Da asymmetrische Synthesen (diastereospezifische oder enantioselektive Synthesen) nicht für alle Aminosäuren technisch ausgereift sind, müssen nach chemischen Aminosäure-Synthesen oft Racemattrennungen durchgeführt werden. Ferner ist eine in den Syntheseprozeß integrierte Racemisierung des unerwünschten Enantiomers mit Rückführung des Racemats in die Trennungsoperation erforderlich, wie das Beispiel der Glutaminsäure-Synthese bereits zeigte (Abschn. 36.6.1).
36.7.1
Selektive Kristallisation
Die selektive Kristallisation ist die bei weitem günstigste Trennung im technischen Maßstab. Dabei wird eine übersättigte Lösung der racemischen Aminosäure mit Kristallen des gewünschten Enantiomers angeimpft. Diese Methode führt allerdings nur zum Erfolg, wenn die Löslichkeit des Racemats größer ist als die der Enantiomeren, bzw. wenn das Racemat als Konglomerat kristallisiert (Mischung aus Kristallen des D- und L-Enantiomers). Entstehen jedoch racemische Verbindungen durch Einbau von D- und L-Molekülen in denselben Einkristall, so gelingt keine Trennung. Durch selektive Kristallisation wurden u. a. Asparagin, Histidin, Glutaminsäure, Threonin, Valin-Hydrochlorid und Asparaginsäure in die Enantiomeren getrennt.
36.7.2
Trennung von Diastereomeren
Zur Trennung racemischer Aminosäuren im Labormaßstab hat sich die fraktionierte Kristallisation diastereomerer Salze bewährt, wie Abb. 36.3 zeigt. Unter den vielen Varianten der Bildung und fraktionierten Kristallisation von Diastereomeren finden sich z. B. die Trennungen des N-Benzoyl-DL-alanins als Brucin- und Strychnin-Salze, Trennungen von Salzen des DL-Lysins und DL-Histidins mit (+)-Weinsäure sowie von Salzen des DL-Prolins, DL-Isoleucins mit L-Tyrosin-hydrazid. Die industrielle Herstellung von L-Lysin aus g-Caprolactam über das DL-Nitro- und DL-Amino-Derivat kombiniert chemische Synthese und Racemattrennung (Abb. 36.4).
36.7.3
Enzymatische Methoden
Mit enzymatischen Methoden lassen sich viele DL-Aminosäuren trennen, wobei chirale Substrate selektiv sowohl auf- als auch abgebaut werden können. Beispiele hierzu sind:
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782
36 Aminosäuren
̈
die asymmetrische Synthese von Acyl-L-aminosäureaniliden mit dem Enzym Papain aus Acyl-DL-aminosäuren und Anilin, sowie asymmetrische Hydrolysen von DL-Aminosäureestern durch Esterasen, von DLAminosäureamiden durch Amidasen und von Acyl-DL-aminosäuren durch Aminoacylasen.
̈
CO2H
Enantiomere gemischt
CO2H
H3CCO NH C H
H C NH COCH3
CH 3 (S)-(+)-N-Acetylalanin
CH 3 (R)-(/)-N-Acetylalanin
Racemat in Wasser gelöst
Zugabe von (S)- (/)-Phenylethylamin
diastereomere Salze Trennung durch fraktionierte Kristallisation
Diastereomere gemischt
Diastereomere getrennt
CO2
CO2
H 3N CH C 6H5
CH 3 H3CCO NH C H (S/S)-Salz
CH 3
CH 3
/ (S)-PhenylethylaminHydrochlorid
+ HCl
+ HCl
CO2H
Enantiomere getrennt
H 3N CH C 6H5
H C NH COCH3 CH 3 (R/S)-Salz
/ (S)-PhenylethylaminHydrochlorid
CO2H
H3CCO NH C H
H C NH COCH3
CH 3 (S)-(+)-N-Acetylalanin (enantiomerenrein)
CH 3 (R)-(/)-N-Acetylalanin (enantiomerenrein)
Abb. 36.3. Racemattrennung von DL-Alanin [(R,S)-Alanin] durch fraktionierte Kristallisation der diastereomeren N-Acetyl-L- und -D-Alanin-(S)-phenylethylammonium-Salze
Cl
H N
O + COCl2
C N
O
H Cl
N
+ HNO3 (H2SO4) / CO2 , / 2 Cl
g-Caprolactam
/
O NO2
g-DL-c-Nitrocaprolactam
/"2 H2O
+ 3 H2
H N
O NH 2
Racemisierung durch Erhitzen
g-DL-c-Aminocaprolactam
L-5-Pyrrolidinon-2-carbonsäure O
D / L - Salz g-D-c-Aminocaprolactam
H N
CO2H
L / L - Salz g-L-c-Aminocaprolactam
(H3O+)
H3N
(CH 2)4 CH CO2 L-Lysin
NH3
Abb. 36.4. Synthese von L-Lysin über diastereomere g-DL-Aminocaprolactam / L-5-Pyrrolidon-2-carbonsäureSalze
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36.8
Reaktionen
783
Die Aminoacylase-Spaltung (Abschn. 17.7.3) ist sehr breit einsetzbar. Auch mit immobilisierten Enzymen (Enzyme, die an unlösliche polymere Träger kovalent fixiert sind) werden diese Acylabspaltungen im Säulendurchlaufverfahren durchgeführt.
36.7.4
Chromatographische Methoden
Die analytische Trennung enantiomerer Aminosäuren sowie die Identifizierung ihrer absoluten Konfiguration gelingt durch Gaschromatographie. Dazu werden flüchtige N-trifluoracetylierte Aminosäureisopropylester auf einer Kapillarsäule, die mit einer chiralen stationären Phase belegt ist, chromatographiert (Abb. 36.5). Gaschromatographische Trennungen flüchtiger, diastereomerer Aminosäure-Derivate gelingen an achiralen Trennsäulen. Günstige Trennfaktoren werden z. B. bei der Trennung der diastereomeren N-Trifluoracetyl-D- und -L-aminosäure-(/)-2-butylester erhalten. Verstärkt setzen sich Racemattrennungen mit Hilfe der Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie (HPLC) durch, wobei u. a. modifizierte Cyclodextrine (Abschn. 39.8.2) als Trennphasen eingesetzt werden.
Abb. 36.5. Gaschromatogramm einer Standardmischung von N-Pentafluorpropionyl-DL® aminosäureisopropylester (Trennbedingungen: Glaskapillare belegt mit Chirasil-Val = N-Propionyl-L-valin-tbutylamid-polysiloxan, Temp. 90 - 200 °C, 4 °C / min, Flammenionisationsdetektor)
36.8 Reaktionen 36.8.1
Bildung von Salzen und Komplexen
Als Ampholyte bilden Aminosäuren sowohl mit Säuren als auch mit Laugen Salze. CH 3
+ HCl
CH3
H3N CH CO2H Cl
H 3N CH CO2
Alanin-hydrochlorid
Alanin
+ NaOH / H2O
CH3 H 2N CH CO2 ""Na Alanin-Natriumsalz
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784
36 Aminosäuren
Trifunktionelle basische Aminosäuren wie Lysin, Histidin, aber auch Cystein kommen weniger als Basen, sondern meist in Form der stabileren Hydrochloride in den Handel, während Glutaminsäure meist als "Glutamat" (Mononatriumsalz) gehandelt wird. Beim Erhitzen wäßriger Aminosäure-Lösungen mit Kupfer(II)-oxid oder Kupfer(II)-Salzen kristallisieren tiefblaue Komplexsalze. O
H2 N
O
O
H2 N
O
NH2
Cu
Cu N O O H2 Diglycin-Kupfer(II)-Komplex
N O O H2 Dilysin-Kupfer(II)-Komplex
H2N
Diese Komplexierung kann man z. B. beim Lysin für selektive Reaktionen an der g-Amino-Gruppe ausnützen, da durch den im alkalischen pH-Bereich stabilen Komplex die c-Amino- und c-Carboxy-Funktionen geschützt sind. Für die Wasserenthärtung bzw. zu Titrationen setzt man die polyvalenten Aminosäuren und Komplexbildner Nitrilotriessigsäure [Trilon A, Tris-[carboxymethyl)amin, N(CH2COOH)3] und Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA, Trilon B, Titriplex III) ein. Beide bilden im Gegensatz zu den Proteinaminosäuren auch mit Calcium(II)- und Magnesium(II)-Ionen stabile, wasserlösliche und farblose Komplexe. H2N CH 2 CH2 NH2 + 4 CH2O , + 4 HCN
Ethylendiamin
STRECKER-Synthese 1.) + 8 H2O , / 4 NH3 2.) + 4 NaOH , / 4 H2O
CH2 CN
NC H 2C N CH 2 CH2 N
CH2 CN Ethylendiamintetraessigsäurenitril
N CH 2 CH2 N CH2 CO2 Na Ethylendiamintetraessigsäure-Tetranatriumsalz
NC H 2C
36.8.2
CH2 CO2 Na
Na O2C H 2C Na O2C H 2C
Veresterung
Von den Estern der Aminosäuren sind die Methyl-, Ethyl-, t-Butyl- und Benzylester von Bedeutung. Als stabile Ammonium-Salze sind sie nach üblichen Methoden zugänglich, z. B.: CH 3 H3N CH CO2
CH 2 CO2 + 2 C2H 5OH
Asparaginsäure
CH 2 OH H3N CH CO2 Serin
Benzylalkohol
CH(CH 3)2 H3N CH CO2 Valin
Alaninmethylester-hydrochlorid
CH 2 CO2C 2H 5
+ 2 SOCl2 / HCl , / 2 SO2
+ H3C
+ HO CH2
H3N CH CO2CH3 Cl
/ H2 O
Alanin
H3N CH CO2
CH 3
+ HCl
+ CH3OH
SO3H
/ H2 O azeotrope Destillation
H2SO4 (konz.)
+
H3N CH CO2C2H5 Cl Asparaginsäurediethylesterhydrochlorid
CH 2 OH H3N CH CO2CH2
H 3C
SO3
Serinbenzylester-tosylat
CH(CH 3)2
H2C C(CH 3)2
H3N CH CO2C(CH3)3 HSO4
Isobuten (Methylpropen)
Valin-t-butylester-hydrogensulfat
+ 2 NaOH (H2O) / Na2SO4
CH(CH 3)2 H2N CH CO2C(CH3)3 Valin-t-butylester
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36.8
Reaktionen
785
Freie t-Butylester sind aufgrund der sterisch abgeschirmten Ester-Gruppe im alkalischen Bereich stabil; sie können aber leicht durch Protonierung (z. B. mit Trifluoressigsäure) wieder in Isobuten, Kohlendioxid und Aminosäure zerlegt werden. Benzylester haben den Vorteil, daß sie durch katalytische Hydrierung (H2 / Pd) oder durch Bromwasserstoff / Eisessig spaltbar sind. Die Methyl-, Ethyl- und Benzylester besitzen als freie, farblose, ölige Basen einen charakteristischen Amin-Geruch und sind instabil. Sie dimerisieren unter Alkohol-Austritt zu Dioxopiperazinen oder polymerisieren. NH2 O
OC2H 5
H5C 2O +
O
H N
/ 2 C2H 5OH
H 2N
O
O
NH 3
/ 2 H2O
O
O
+ O
N H
O
H3N
2,5-Dioxopiperazin
36.8.3
Bildung von Lactamen
In Analogie zu i- und f-Hydroxysäuren, die intramolekular zu Lactonen (Abschn. 19.4.2) cyclokondensieren, entstehen i- und f-Lactame durch thermische Dehydratisierung bzw. Abspaltung von Alkoholen aus i- und f-Aminosäuren bzw. -estern. Die Peptidbindungen der Lactame liegen in der energiereichen cis-Konfiguration vor. In Gegenwart von Säuren oder Basen werden die Lactame zu den Aminosäuren hydrolysiert. H2N
OC2H 5
H N
/ C2H5OH
O
O
H 2N
- H2O
OH O
/ H2O i-Butyrolactam (2-Pyrrolidinon)
c- und d-Lactame können auf diesem Wege nicht erhalten werden. Der siebengliedrige Ring des
zur Polyamid-Herstellung benötigten g-Caprolactams entsteht aus Cyclohexanonoxim durch BECKMANN-Umlagerung (Abschn. 22.4.9).
36.8.4
N-Alkylierung und N-Arylierung
In basischem Medium wirkt die Amino-Gruppe von Aminosäuren als Nucleophil und kann das Halogenid in Alkylhalogeniden und aktivierten Arylhalogeniden ersetzen. R R'
X
+
R
- NaOH
H 2N CH CO2
/ H2O , / NaX
R'
NH CH CO2
N-Alkylaminosäure
Die Permethylierung der Amino-Gruppe liefert Betaine, "permanente" Zwitterionen, die nach dem Betain (Trimethylglycin) aus der Zuckerrübe (Beta vulgaris) benannt sind. -" 3 CH3I
H2N CH2 CO2
/ 3I
- N(CH3) 3
(H3C)3N CH 2 CO2 Betain
Cl / Cl
CH2 CO2
N-Benzylaminosäuren sind durch reduktive Aminierung von Benzaldehyden mit Aminosäureestern zugänglich. Die Arylierung von Amino-Gruppen mit 2,4-Dinitrofluorbenzen (DNFB) verläuft als nucleophile Substitution an diesem durch die Nitro-Gruppen aktivierten Fluoraren besonders leicht (Abschn. 11.2.2).
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786
36 Aminosäuren
36.8.5
N-Acylierung
Durch Säureanhydride, Säurehalogenide und aktivierte Ester lassen sich Aminosäuren in N-Acylaminosäuren überführen. O H3C
CH 3
C +
O H3C
C
/ CH3/CO2H N-Acetylierung
CH 3 O O
C
C NH C CO2H H3C CH3 N-Acetyl- c-aminoisobuttersäure O
(NaOH) + [H+]
+
H2N CH2 CO2
C NH CH 2
/ HCl N-Benzoylierung
Cl
CH3
O
Pyridin als Base
H 2N C CO2
CO2H
N-Benzoylglycin (Hippursäure)
Das als Hippursäure bekannte N-Benzoylglycin findet sich als Metabolit der Benzoesäure im Harn der Pferde (griech. jkrrqw"qwtqp = Pferdeharn) und anderer Pflanzenfresser. N-Acetyl-L-cystein spaltet die Disulfid-Brücken in den Mucoproteinen des Bronchialsekrets, senkt dadurch dessen Viskosität und wirkt daher als Sekretolytikum (Schleimlöser) bei Erkältungskrankheiten. Enterobactin, das Lacton-Cyclotrimer des N-(2,3-Dihydroxybenzoyl)-L-serins, wird von Coli-Bakterien (Escherichia coli), Salmonellen (Salmonella typhimurium) und Klebsiellen (Klebsiella pneumoniae) abgegeben, um bei Eisenmangel ("Stress") Eisen-Ionen aus der umgebenden Lösung durch die sechs O-Atome der drei Catechol-Reste in einem sehr stabilen, octaedrischen Komplex zu binden. HO
HO
OH
H3C
OH
O
O H H
N
H
N
N O
O O
SH
O
OH
O
OH OH
N-Acetylcystein
N
O
N-(2,3-Dihydroxybenzoyl)-L-serin
HO HO
N O
H
O O
O
O
OH
H Enterobactin
OH
Die Trifluoracetylierung der Aminosäuren liefert flüchtige und lipoidlösliche N-Trifluoracetylaminosäuren (Tfa-Aminosäuren). O F 3C
C
F 3C
C
CH 3 O O
+
H 3N CH CO2H
in CF3/CO2H / CH3/CO2H
O
CH3 C NH CH CO2H
F 3C N-Trifluoracetylalanin
Neben N-Trifluoracetyl- werden N-Benzyloxycarbonyl- (Z-Gruppe) und N-t-ButyloxycarbonylGruppen (Boc-Gruppe) zum Schutz der Amino-Funktion bei der Synthese von Peptiden angewendet (Abschn. 37.4.2). Zur Einführung der Boc-Gruppe wird anstelle des t-Butyloxycarbonylazids (Abschn. 25.9) der Pyrokohlensäuredi-t-butylester (Boc-Anhydrid) verwendet. Die Urethan-
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36.8
Reaktionen
787
Schutzgruppen (Z und Boc) können schonend und racemisierungsfrei eingeführt und leicht wieder abgespalten werden. O (H3C)3C O C O (H3C)3C O C O
O CO2
H
NaOH ( pH = 8 )
N
+
(H3C)3C O C
CO2 N
/ (H3C) 3C/OH N-t-Butoxycarbonyl-L-prolin (Anion)
Pyrokohlensäuredi -t-butylester
O
O CH2 CH(CH 3)2
CH 2 O C Cl
+
NaOH ( pH = 9 ) / NaCl , /"H2O
H 2N CH CO2
NH
Chlorkohlensäureester (Benzyloxycarbonylchlorid)
36.8.6
CH 2 CH(CH 3)2
CH 2 O C
CH CO2
N-Benzyloxycarbonylleucin
Abbau-Reaktionen und Umfunktionierungen
Salpetrige Säure diazotiert c-Aminosäuren zu den instabilen Diazosäuren, die in c-Hydroxysäuren und Stickstoff zerfallen (VAN SLYKE-Reaktion, Abschn. 23.2.1). Aus dem gasvolumetrisch gemessenen Stickstoff wurde früher der Gehalt an Aminosäuren bestimmt. Durch Diazotierung des Glycinethylester-hydrochlorids bildet sich der als Synthesereagenz nützliche mesomeriestabilisierte Diazoessigester (Abschn. 23.2.1). Beim Erhitzen mit wasserfreiem "Natronkalk" werden c-Aminosäuren zu Aminen decarboxyliert: R NaOH / CaO
H3N CH CO2
/ CO2
H2N CH 2 R
d-Aminosäuren eliminieren beim Erhitzen in der Schmelze Ammoniak. / NH3
H3N CH 2 CH2 CO2
- NH3
d-Alanin
H2C
CH
CO2H
Acrylsäure
Aminosäuren können durch Reduktion der Carboxy-Funktion mit Natriumborhydrid in Aminoalkohole übergeführt werden; diese sind auch aus Aminosäureestern mit Lithiumaluminiumhydrid zugänglich: R
NaBH4
R
LiAlH4
H 2N CH CH2OH
H3N CH CO2
R H3N CH CO2CH 3 Cl
Aminoalkohol
2-Aminoethanol [R = /H], L-Valinol [R = /CH(CH3)2] und L-Phenylalaninol [R = /CH2/C6H5] bilden den C-Terminus einiger Peptidantibiotika (Abschn. 37.7.2). Peroxyameisensäure oxidiert das Cystein zur Cysteinsäure. Der enzymatische oxidative Abbau des Cysteins im Säugetier-Organismus führt über Cysteinsäure durch deren Decarboxylierung zum Taurin, das als Taurocholsäure (Abschn. 42.5.2) in der Galle vorkommt. CO2 H3N C H CH 2 SH L-Cystein
+ 3 HCO3H / 3 HCO2H
CO2 H3N C H CH 2 SO3H L-Cysteinsäure
/ CO2
H 3N CH2 CH 2 SO3 Taurin (2-Aminoethansulfonsäure) Zwitterionen-Form
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788
36 Aminosäuren
36.8.7
Aminosäure-Derivate als chirale Auxiliare
Aminosäuren tragen chirale Information. Deshalb werden einige Aminosäure-Derivate als chirale Auxiliare bei asymmetrischen Synthesen eingesetzt. Der Bislactimether des Dioxopiperazins aus L-Valin und Glycin war ein Beispiel (Abschn. 36.6.7); ein weiteres ist das als SAMP bezeichnete Prolin-Derivat (S)-1-Amino-2-methoxymethylpyrrolidin und sein Enantiomer RAMP. SAMP wird aus (S)-Prolinmethylester durch eine vierstufige Synthese hergestellt: a
b
CO2CH3
N
N
CH2OH
N
H
H (S)-Prolinmethylester
c CH2OCH 3
H
(S)-Prolinol
d N
CH 2OCH3
NO
(S)-2-Methoxymethylpyrrolidin
CH2OCH 3
N
NH 2 (S)-1-Amino-2methoxymethylpyrrolidin "SAMP"
(S)-1-Nitroso-2methoxymethylpyrrolidin
a : LiAlH 4 , b : (H 3CO)2SO2 , c : NaNO2 / H 2SO4 , d : H2 / Pd / C
Mit SAMP und RAMP gelingt nach ENDERS u. a. die asymmetrische c-Alkylierung von Ketonen. Ein Beispiel ist die dreistufige Synthese des Alarmpheromons der Blattschneiderameise, (+)-(S)-4Methyl-3-heptanon. Hierbei wird 3-Pentanon mit SAMP zum SAMP-Hydrazon derivatisiert. Deprotonierung und Metallierung in c-Stellung zur Imino-Funktion des SAMP-Hydrazons gibt den intermediären Lithium-Komplex, der die diastereospezifische Alkylierung durch 1-Iodpropan steuert. Die Abspaltung des Auxiliars gelingt durch Hydrolyse des methylierten SAMP-Hydrazons mit wäßriger Salzsäure. Die Zielverbindung wird mit n-Pentan aus dem Ansatz extrahiert.
+ LiNR2 (LDA)
N N
OCH3 H H
SAMP-Hydrazon des 3-Pentanons
+
N
CH2OCH3
/ H2O
/ R2NH
+ n-C3H7 K
N N
OCH 3 Li
/ Li K asymmetrische Induktion
N OCH3
N
H SAMP-Hydrazon Li-Komplex
SAMP-Hydrazon des (S)-4-Methyl-3-heptanons 1.) + CH3 K 2.) + H2O (HCl) , Pentan
/
N
CH2OCH3
NH2CH3 I
NH2
O
O H H
3-Pentanon
H (S)-4-Methyl-3-heptanon
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37.1
Klassifizierung und Nomenklatur
789
37 Peptide und Proteine 37.1 Klassifizierung und Nomenklatur Peptide entstehen durch Verknüpfungen von Aminosäuren über Peptidbindungen (Amid-Gruppen, /CO/NH/) zu einem Polyamid. Peptide aus 2 - 9 Aminosäuren (Di-, Tri-, Tetra- bis Nonapeptide) bezeichnet man als Oligopeptide. 10 - 100 Aminosäure-Bausteine bilden Polypeptide, und Proteine bestehen aus mehr als 100 Aminosäure-Resten. Für kleinere Peptidhormone und Peptidantibiotika werden Drei-Buchstaben-Symbole für Aminosäuren verwendet. Proteinsequenzen werden mit den Ein-Buchstaben-Symbolen angegeben (Tab. 36.1). Die Nomenklatur der Peptide läßt sich am Beispiel eines Tetrapeptids mit N-terminalem Alanin, C-terminalem Cystein, Serin in Position 2 und Glutaminsäure in Position 3 zeigen: Seitenketten
CO2 CH 2 CH3
N -Terminus CH (protonierte H3N C Amino-Gruppe) O
H
O
CH 2
N
C
CH
H N
CH
N
C
CH
CH2
H
O
CH2
C -Terminus CO2 (Carboxylat-Gruppe)
SH
OH
Peptid-Bindungen
Ala
Ser
Glu
Cys
Typisch für Peptide aus c-Aminosäuren ist demnach eine Polyamid-Kette mit verschiedenen Seitenketten. Die Kette ohne die Reste R wird als Rumpf oder Rückgrat (engl. backbone) bezeichnet. Die Reihenfolge der Aminosäuren ausgehend vom N-Terminus bezeichnet man als Sequenz des Peptids; bei Proteinen wird die Sequenz auch als Primärstruktur bezeichnet. Die BeispielSequenz läßt sich mit vollem Namen oder abgekürzt schreiben: Alanyl-seryl-glutamyl-cystein bzw. Ala-Ser-Glu-Cys oder A S E C. Vor der C-terminalen Aminosäure stehende AminosäureReste werden somit N-Acyl-Gruppen entsprechend mit den Endungen -yl versehen. Läßt man die Konfigurationsbezeichnung weg, so bedeutet dies, daß alle c-Aminosäuren L-Konfiguration besitzen. Kommen wie in Peptidantibiotika D-Konfigurationen vor, so werden diese entsprechend gekennzeichnet, z. B. Thr-D-Glu-Val. Besonders bezeichnet werden auch selten vorkommende Verknüpfungen über Seitenkettenfunktionen, wie z. B. über die i-Carboxy-Gruppe der Glutaminsäure im Glutathion: i-L-Glutamyl-cysteinyl-glycin, Glu-i-Cys-Gly oder H-Glu(Cys-Gly)-OH. Ionisationszustand oder Derivatisierung von funktionellen Gruppen an N- oder C-Termini bzw. an Seitenketten können entsprechend gekennzeichnet werden: -" H2-Ala-Ser-Val-OH -" H2-Ala-Ser-Val-O/ /
H-Ala-Ser-Val-O H3C-CO-Ala-Ser-Val-OCH3 Ac-Ala-Ser-Val-OMe
oder
protoniertes Tripeptid Zwitterionenform Tripeptid-Anion N-acetylierter Tripeptidmethylester
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790
37 Peptide und Proteine
37.2 Struktur der Peptidbindung RÖNTGEN-Strukturanalysen von Peptiden ergeben in der Amid-Ebene meist eine trans-Konfiguration der c-C-Atome von zwei über eine Peptidbindung c-C-CONH-c-C verknüpften cAminosäuren (Abb. 37.1). In der (E/Z)-Nomenklatur hat die trans-Peptidbindung (Z)-Konfiguration bezüglich des im Vergleich zum c-C-Atom höherrangigen Carbonyl-O-Atoms. Die cisKonfiguration ist weniger günstig; sie wird oft in Prolylpeptiden gefunden.
Abb. 37.1. Bindungslängen (in nm) und Bindungswinkel der trans-Peptidbindung
Die planare Anordnung, Bindungswinkel um 120° sowie eine CN-Bindungslänge von 132.5 pm (CN-Einfachbindung 148.7 pm, CN-Doppelbindung 127 pm) machen deutlich, daß die PeptidBindung partiellen Doppelbindungscharakter besitzt. Eine (E)/(Z)-Isomerisierung benötigt daher eine Aktivierungsenergie von etwa 90 kJ / mol. 1
Cc
H C
O
FE ~ 90 kJ / mol
1
2
Cc
Cc C
N 2
E/Z-Isomere
cis (E) selten
H C
H
O
Cc
trans (Z) begünstigt
Cc
N O
Cc
N
H C
Cc
O
N Cc
mesomere Grenzformeln
Die Elektronendichteverteilung läßt sich durch zwei mesomere Grenzformeln bzw. ein r-Molekülorbital beschreiben. Dessen Knotenebene ist die Ebene der sechs Atome einer Peptid-Bindung, der Teilstruktur c-C/CONH/c-C mit sp2-Hybridisierung des Carbonyl-C- und Amid-N-Atoms. Wie andere Carbonsäureamide oder Ester sind Peptide in stark sauren oder alkalischen Lösungen hydrolyseempfindlich. Dies ist aufgrund der leichten Protonierbarkeit des Carbonyl-O- bzw. dem durch Nucleophile angreifbaren Carbonyl-C-Atom verständlich.
37.3 Konformation (Sekundärstruktur) von Polypeptid-Ketten 37.3.1
RAMACHANDRAN-Diagramme
Die relativ starre, planare trans-Konfiguration der Peptidbindung und eingeschränkte Rotationsfreiheiten bei Drehung um die c-CN-Bindung (Parameter: Interplanarwinkel l) sowie um die cCC-Bindung (Parameter: Interplanarwinkel {) führen zu bevorzugten räumlichen Strukturen von Polypeptidketten.
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37.3
Konformation (Sekundärstruktur) von Polypeptid-Ketten
791
Abb. 37.2. Rotationen um die c-CN- und c-CC-Bindung einer Aminosäure in einer Peptidkette
Abb. 37.3. RAMACHANDRAN-{"1"l -Diagramm (vereinfacht) mit erlaubten (dunkel) und verbotenen (weiß) Winkelgebieten: cR rechtsgängige (z. B. Myoglobin) und cL linksgängige c-Helix; d antiparalleles d-Faltblatt wie in Seide; C-Tripelhelix wie in Kollagen; P Polyprolin-Helix; 310-Helix und r-Helix
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792
37 Peptide und Proteine
Betrachtet man bei einem Tripeptid die Rotationen l und {, welche vom c-C-Atom der zentralen Aminosäure aus gesehen jeweils im Uhrzeigersinn möglich sind, so ergeben sich bei einer Reihe von Winkelkombinationen energetisch besonders ungünstige Konformationen. Es überlappen sich z. B. bei { = 0°, l = 180° die Berührungsradien der beiden Carbonyl-O-Atome, bei { = 180°, l = 0° dagegen die an N gebundenen H-Atome (Abb. 37.2). Begünstigte Konformationen resultieren andererseits bei l- und {-Winkeln um 120°. Mit Hilfe von Modellrechnungen unter Berücksichtigung der VAN DER WAALS-Radien lassen sich alle Winkelkombinationen untersuchen. Es resultiert ein {/l-Diagramm (RAMACHANDRAN-Diagramm), das erlaubte und verbotene Winkelkombinationen darstellt (Abb. 37.3). Eine Peptidkette einer bestimmten Sequenz (Primärstruktur) ist somit entsprechend der Art ihrer Bausteine in den Freiheitsgraden der Rotationen um c-C/N und c-C/C eingeschränkt. Es bilden sich neben "ungeordneten" Bereichen energetisch besonders stabile Strukturen aus. Ausgehend von diesen geordneten Sekundärstrukturen kann eine Peptidkette bei ihrer durch Wärme, Lösemittel oder Salze induzierten Auffaltung eine t-Konformation (t von random = zufällig; statistisches Knäuel) einnehmen. Polypeptid-Ketten aus gleichen Bausteinen (Homopolypeptide) kehren bei Wiederherstellung der früheren Parameter (Temperatur, Lösemittel, Salzkonzentration, pH u. a.) wieder in die energetisch günstigere, geordnete Konformation zurück. Auch viele natürliche Proteine sind zu solchen reversiblen Konformationsänderungen befähigt. Zwei dieser geordneten Sekundärstrukturen, c-Helix und d-Faltblatt, sind von besonderer Bedeutung.
37.3.2
-Helix
Polypeptid-Ketten können sich in verschiedenen Typen von Helices (schraubenförmige Konformationen) anordnen. Die c-Helix als rechtsgängige Schraube (Abb. 37.4) tritt häufig auf, z. B. im Keratin der Haare und in vielen Proteinen wie Hämoglobin, Myoglobin und Enzymen. Vier, genau genommen 3.6 Aminosäure-Reste beteiligen sich an einer Windung der c-Helix. Die planaren Peptidbindungen sind so angeordnet, daß sich die Dipole aller Carbonyl-Gruppen in gleicher Richtung entlang der Helixachse erstrecken, während sich alle N/H-Bindungen entgegengesetzt ausrichten (Abb. 37.4). Dies ermöglicht eine spannungsfreie stabile Konformation, die durch Wasserstoffbrücken stabilisiert wird. Jede Wasserstoffbrücke schließt einen 13-gliedrigen Ring (Abb. 37.5, 37.6). Systematisch wird die c-Helix daher auch als 3.613-Helix bezeichnet.
Abb. 37.4. Stab- und Kugel-Stab-Modell der c-Helix des Tetrapeptids Ala-Gly-Ala-Gly. Das eingezeichnete Spiralband im Kugel-Stab-Modell zeigt, daß sich vier (3.6) Aminosäuren an einer Helixwindung beteiligen
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37.3
Konformation (Sekundärstruktur) von Polypeptid-Ketten
793
Abb. 37.5. Die c-Helix in zwei perspektivischen Ansichten. Links ist der 13-gliedrige Ring dieser 3.613-Helix durch Bezifferung der Ringglieder angedeutet (vgl. dazu Abb. 37.6, nach DICKERSON und GEIS)
Abb. 37.6. Schematische Darstellung einer der Wasserstoff-Brücken von einer Helixwindung zur nächsten bei verschiedenen Helixtypen (nach DICKERSON und GEIS)
37.3.3
-Keratin-Struktur
Mit Hilfe der Licht- und Elektronenmikroskopie und durch RÖNTGEN-Beugungsmuster ließ sich nachweisen, daß die längs in der Faser angeordneten, abgestorbenen Zellen eines Haares Makro-
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37 Peptide und Proteine
fibrillen enthalten (Abb. 37.7). Makrofibrillen sind Faserbündel, die aus Hunderten von Mikrofibrillen bestehen. Mikrofibrillen sind Kabel aus elf Strängen von Protofibrillen. Sie enthalten drei rechtsgängige c-Helices (Sekundärstruktur), die wie in einem Seil schraubenförmig umeinander gewunden sind. Diese supramolekulare Struktur verkörpert eine linksgängige Superhelix. Die Helices sind über Disulfid-Brücken von Cystin-Resten miteinander verbunden (Quervernetzung in der sog. Tertiärstruktur). Bei der elastischen Dehnung eines Haares werden die parallel zur Faserachse liegenden Helices gestreckt, bis die Wasserstoffbrücken (Abb. 37.65) brechen. Die Peptidketten können jedoch in ihre ursprüngliche Konformation zurückkehren, da sie über Disulfid-Brücken kovalent quervernetzt sind und so ihre Lage nicht allzu sehr verändern. Bei der Herstellung von Dauerwellen bleiben andererseits die Helices im Haar weitgehend intakt, die Disulfid-Brücken werden reduziert und ordnen sich entsprechend der äußeren Krafteinwirkung neu an. Die harten Keratine der Hörner, Krallen und Hufe enthalten besonders viel Cystin; Hautkeratine sind weniger stark quervernetzt.
Abb. 37.7. Schematischer Aufbau eines Haares mit Zellen, Makrofibrillen, Mikrofibrillen, Protofibrillen und chelikalem c-Keratin (nach DICKERSON und GEIS)
Auch im Kollagen von Haut und Sehnen bilden helikale Strukturen (Tropokollagen) die Grundelemente. Tropokollagen enthält drei linksgängige einsträngige Helices, die sich umeinander winden und eine Superhelix (Tripelhelix) bilden. Diese Kollagen-Tripelhelix besteht aus Sequenzen mit alternierenden Bausteinen, z. B. (/Gly/X/Pro/)n ; sie enthält oft auch Hydroxyprolin. Im Gegensatz zur c-Helix, die keinen Prolin-Einbau zuläßt, sind die Kollagen-Helices etwas gestreckt, und die Wasserstoffbrücken liegen zwischen den Helixsträngen.
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37.3
Konformation (Sekundärstruktur) von Polypeptid-Ketten
37.3.4
795
-Faltblatt
In der d-Faltblatt-Konformation ordnen sich Peptid-Bindungen und c-C-Atome wellblechartig an, so dass die Seitenketten alternierend auf oder unter dem "Wellblech" liegen (Abb. 37.8). Verbindet man zwei in einer Ebene parallel nebeneinander, aber mit entgegengesetzter Sequenzrichtung angeordnete Peptidketten durch Wasserstoffbrücken, so erhält man eine antiparallele Faltblattstruktur (Abb. 37.9). Auch diese Konformation erinnert an ein Wellblech, auf dessen schrägen Ebenen jeweils längs die Wasserstoffbrücken der Peptidbindungen liegen. Auf den Erhebungen und in den Rillen sitzen die c-C-Atome mit ihren nach oben bzw. unten abstehenden Seitenketten.
Abb. 37.8. Stab- und Kugel-Stab-Modell der d-Faltblatt-Konformation des Hexaalanins
Abb. 37.9. Antiparallele d-Faltblattstruktur (nach DICKERSON und GEIS)
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796
37 Peptide und Proteine
In natürlicher Seide sind viele wellblechartig angeordnete Monoschichten (Sekundärstruktur) zu sehr stabilen Proteinpolyschichten (Tertiärstruktur) übereinandergestapelt (Abb. 37.10). Da sich in der Seide die Sequenz /(Gly/Ser/Gly/Ala)n/ periodisch wiederholt, ergibt sich bei der dreidimensionalen Schichtung ein hoher Ordnungsgrad. Die Methyl-Gruppen von Alanin bzw. die H-Atome von Glycin liegen abwechselnd zwischen den "Wellblechen". Somit ergibt sich eine Verzahnung der Schichten durch VAN-DER-WAALS-Kräfte, aus der die Geschmeidigkeit der Seidenfaser herrührt. Aufgrund der bereits weitgehend ausgestreckten Peptidketten ist die Faser sehr kräftig, da die Zugbeanspruchung direkt auf die kovalenten Bindungen wirkt. Seidenfasern mit einem hohen Anteil an der erwähnten Sequenz und wenig sperrigen Gruppen zwischen den Schichten sind sehr elastisch und wenig dehnbar.
Abb. 37.10. Ineinandergreifen der Alanin-Seitenketten in der Monoschichten-Struktur der Seide (nach DICKERSON und GEIS)
37.3.5
Physikalische Methoden zur Strukturbestimmung
Aus der RÖNTGEN-Struktur von Kristallen und durch NMR-Spektroskopie von Lösungen der Peptide und Proteine folgt, daß die im Kristall gefundene Konformation in Lösung weitgehend erhalten bleibt. Es sei denn, man zerstört die Sekundärstruktur durch drastische Lösemittel- oder Temperatureinflüsse. Zur Konformationsbestimmung von Peptiden und Proteinen in Lösung eignet sich die hochauflösende, zwei- und dreidimensionale NMR-Spektroskopie (500 - 900 MHz). Die räumliche Nachbarschaft von Atomen bzw. Atomgruppen im (13C,15N-markierten) Protein ergibt sich durch quantitative Auswertung der Kern-OVERHAUSER-Effekte (NOE, Abschn. 28.5.11) und des H-Brückenmusters; der resultierende Datensatz ist die Basis einer Moleküldynamiksimulation des Proteins. Einfach und schnell gelingt die Konformationsanalyse von Polypeptiden mit dem Circulardichroismus (CD). Sofern sich in der Nachbarschaft eines Chromophors Asymmetriezentren befinden, wird links- und rechts circular polarisiertes Licht unterschiedlich stark absorbiert. Der CarbonylChromophor der Peptidbindung befindet sich in asymmetrischer Umgebung. Daher werden im UV zwei CD-aktive Elektronenübergänge, ein schwacher nr*-Übergang und ein starker rr*-Übergang
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37.4
Methoden der Peptidsynthese
797
beobachtet. Die Wechselwirkung des eingestrahlten circular polarisierten Lichts mit den Elektronen der Peptidcarbonyl-Gruppe hängt von der Lage der Carbonyl-Gruppe und damit der Konformation ab. CD-Banden werden als COTTON-Effekte bezeichnet.
a
b
Abb. 37.11. (a) Circulardichroismus-Spektren von Polypeptiden in c-helikaler 1, d-Faltblatt 2 und "ungeordneter" t-Konformation 3; (b) CD-Spektrum von Myoglobin aus Pottwal ( 70 % c-Helix)
Rechtsgängig c-helikale Polyaminosäuren liefern CD-Spektren (Abb. 37.11) mit einem negativen COTTON-Effekt bei n = 223 nm (nr*-Übergang), einer weiteren negativen CD-Bande bei 207 nm sowie einer positiven bei 193 nm. Die beiden kürzerwelligen CD-Banden gehören zum Carbonylrr*-Übergang, welcher infolge der Helix in zwei Komponenten aufspaltet ("exciton-splitting"). Polypeptide, die bei 215 - 220 nm ein Minimum (nr*-Übergang) und bei 195 nm ein Maximum (rr*-Übergang) besitzen, haben dagegen eine antiparallele d-Faltblatt-Konformation (Abb. 37.11 a). Auch die "ungeordnete" Konformation eines Peptids spiegelt sich in einem charakteristischen CD-Spektrum wider. Die Auswertung des CD-Spektrums eines Proteins erfolgt durch Vergleich mit Standards bekannter c, d, und t-Konformationen. Die Konformationsanteile in Prozent können berechnet werden.
37.4 Methoden der Peptidsynthese 37.4.1
Knüpfung der Peptidbindung
Eine Peptidbindung entsteht formal durch Kondensation der Carboxy-Gruppe einer Aminosäure mit Rest RA (= Carboxy-Komponente) und der Amino-Gruppe einer zweiten Aminosäure mit Rest
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37 Peptide und Proteine
RB (= Amino-Komponente). Bringt man eine N-terminal geschützte Carboxy-Komponente und eine carboxygeschützte Amino-Komponente zusammen, so bildet sich nur ein Salz: CH 3
O Ac-Gly-OH N-Acetylglycin
CH3
O
H3C C NH CH2 CO2H + H2N CH CO2CH 3
H 3C C NH CH 2 CO2 H 3N CH CO2CH 3 / Ac-Gly -O ""/ +H2-Ala-OMe
H-Ala-OMe Alaninmethylester
Die als Peptidkupplung bezeichnete Knüpfung einer kovalenten Peptidbindung erfolgt immer durch nucleophilen Angriff der Amino-Gruppe mit ihrem freien Elektronenpaar am elektronenarmen, "aktivierten" Carboxy-C-Atom. Stark elektronenziehende Reste am Carboxy-C-Atom bewirken diese Aktivierung durch Destabilisierung der CO-Acyl-Bindung, z. B. in Aziden, Aktivestern, gemischten Anhydriden und Carbodiimid-Addukten (Abb. 37.12). Bei der Kupplung der C-terminal über das Säureazid aktivierten Carboxy-Komponente mit einer Amino-Komponente wird das Azid-Ion freigesetzt. Aus Carboxy-Komponente und einem Chlorkohlensäurealkylester entstehen in Gegenwart einer tertiären Base gemischte Anhydride; als Kohlensäure-Derivate setzen diese bei der Peptidkupplung mit der Amin-Komponente Kohlendioxid und Alkohol frei. 2-Nitrophenylester aktivieren (positivieren) die Carboxy-Gruppe wegen des (/)M-Effekts der Nitro-Gruppe unter Mitwirkung des Carbonyl-Sauerstoff-Atoms, so daß die AminoGruppe das Phenolat leicht substituiert.
RA
+
C
N
O O
Aminolyse des Esters ("Kupplung")
H
O
RA
RB
H
O
H
C
N
O
H
RB
RA
H
C
N
O RB
RA
C
OH
N
RB
H
/ O2N
O2N
N
O
Peptid-Bindung
O
O
a
R
+ H2N/NH2
C
/ R'/OH
O R'
O
O
+ HO/N=O
C
R
NH NH2
R
/ 2 H2O
Azid
C N N N
O Cl
O
b
R
[( H5C2) 3N ]
+ R1 O C
C
/ HCl
O
O H
R
C
O
C
gemischtes Anhydrid
O R1
O R2
O
c
R
+
C O H
N C N
O R
R2
Carbodiimid-Addukt
N R2
C O C
NH R 2 F
O
d
R
F
+ HO
C O H
O F
F
F
R
C
F
F
O
Pentafluorphenylester F
F
F 1
Abb. 37.12. Methoden der Carboxy-Aktivierung zur Peptidkupplung (R : geschützter Peptid-Rest; R = i-Butyl-; 2 R = i-Propyl-)
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37.4
Methoden der Peptidsynthese
799
Vorteilhaft ist die Kombination von N,N'-Diisopropylcarbodiimid (DIC) kombiniert mit äquimolaren Mengen N-Hydroxysuccinimid (Abb. 37.13) oder l-Hydroxybenzotriazol (HOBt). Aus der Ngeschützten Carboxy-Komponente bildet sich dabei zuerst der 1-Hydroxybenzotriazol-Aktivester, der dann nucleophil durch die Amino-Komponente angegriffen wird. Diese Kombination unterdrückt die Racemisierung und gibt nach kürzeren Kupplungszeiten bessere Ausbeuten. H7C3
R X
NH
O
CH
+
C O H
HO
+
N N
R
N C
X
NH
O +
C O
N
N
CH
C3H7
1-Hydroxybenzotriazol (HOBt)
N N
N
O
NH
C3H7
NH
C3H7
C
HOBt-Ester DIC
Neue Kupplungsreagenzien auf der Basis von Uronium-Salzen wie 2-(1H-Benzotriazol-1-yl)1,1,3,3-tetramethyluronium-tetrafluoroborat (TBTU) reagieren ohne Zusatz von Carbodiimid direkt mit der N-geschützten Aminosäure zum HOBt-Aktivester und Harnstoff. (H3C) 2N TBTU
(H3C) 2N
C O
N
N
BF4
N
Aminosäuren sind di- und trifunktionell; deshalb müssen alle Gruppen, die nicht an der chemischen Kupplungsreaktion teilnehmen dürfen, vorübergehend durch Schutzgruppen blockiert werden. Eine chemische Peptidsynthese umfaßt somit folgende Schritte (Abb. 37.13, S. 800): ̈" ̈" ̈"
Einführung von Schutzgruppen, Aktivierung und Kupplung, Abspaltung der Schutzgruppen.
Bei der exemplarischen Dipeptidsynthese nach Abb. 37.13 werden die t-Butyloxycarbonyl-Gruppe (Amino-Schutzgruppe) und der Methylester (Carboxy-Schutzgruppe) eingesetzt. Die t-Butyloxycarbonyl-Schutzgruppe (Boc) hat den Vorteil, daß sie in saurem Medium quantitativ unter Freisetzung von gasförmigem Isobuten (Methylpropen) und Kohlendioxid abspaltbar ist. Peptidmethylester lassen sich wie andere Carbonsäureester mit 1 N NaOH in Dioxan verseifen. Entfernt man auf der Stufe des vollgeschützten Dipeptids selektiv nur die Methylester-Gruppe durch Verseifung, so kann das entstandene N-terminal geschützte und C-terminal freie Dipeptid nach Aktivierung seiner Carboxy-Gruppe mit einem weiteren Aminosäureester zum Tripeptid gekuppelt werden. Nach selektiver acidolytischer Entfernung der t-Butyloxycarbonyl-Gruppe wäre andererseits eine N-terminale Kettenverlängerung möglich.
37.4.2
Schutzgruppen
Die technische Herstellung eines größeren Peptids erfordert sorgfältige Überlegungen zur "Strategie" (Reihenfolge der Verknüpfungsstellen) und "Taktik" (Schutzgruppenkombinationen).
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800
37 Peptide und Proteine
N -terminale Aminosäure
C -terminale Aminosäure
CH 3
H 3N
H 3N
Einführung der Schutzgruppen
CO2 CH
CH CO2
CH(CH3)2
(H3C) 3C O +
C O
/ H2O
+ CH3OH [HCl]
pH = 8 - 10
(H3C) 3C O
CH3
H 3N
CO2CH3 CH
CH (H 3C)3C O CO N
CO2H
CH(CH3)2
H O
Aktivierung
- HO N
/ HCl
DIPEA
, DIC
O
CH3
O
CH (H 3C)3C O CO N
C
H
O
O
+
N
H 2N
CO2CH3 CH CH(CH3)2
O
N-Hydroxysuccinimidyl-Aktivester
O / HO N
Kupplung O
H
CH3
N
CH
CO2CH3
(H 3C)3C O CO N
C
CH
H
O
CH(CH3)2
N- und C- geschütztes Dipeptid
Abspaltung der Schutzgruppen
/
a) Hydrolyse [ OH _ b) Acidolyse [H+]
+ H2O , / CH3OH / CO2 , / (H3C) 2C=CH2
H
CH3
N
CH H3N
CO2
C
CH
O
CH(CH3)2
Abb. 37.13. Schema der Synthese des Dipeptids Alanyl-valin unter Verwendung des t-Butyloxycarbonyl- und Methylester-Schutzes sowie der Hydroxysuccinimid/Carbodiimid-Aktivester-Kupplung (DIC = N,N'-Diisopropylcarbodiimid; DIPEA = Diisopropylethylamin)
Die Amino-Funktion wird durch Urethan-Schutzgruppen wie t-Butyloxycarbonyl- (Boc), Benzyloxycarbonyl- (Z) und Fluorenylmethoxycarbonyl- (Fmoc), gelegentlich auch durch Acylierung (Trifluoracetyl, Tfa) geschützt (Tab. 37.1). Zum Schutz der Carboxy-Funktion bewährten sich die alkalisch verseifbaren Methyl- und besonders die Benzyl- (Bzl) und t-Butylester (tBu) (Tab. 37.2). Letztere sowie die Urethan-Schutzgruppen (Z und Boc) der Amino-Funktion lassen sich nach dem Peptidaufbau hydrogenolytisch (H2 / Pd) bzw. acidolytisch (HBr / CH3COOH oder HF) abspalten (Tab. 37.1 und 2); Piperidin eliminiert die Fmoc-Gruppe.
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37.4
Methoden der Peptidsynthese
801
Tab. 37.1. Die wichtigsten Schutzgruppen für die Amino-Funktion Reagenz zur Einführung
geschützte Aminosäure
Abspaltungsbedingungen starke Säuren
O
O F3 C
F3 C
O
C
NH
O C (Tfa)2O CF3
CH2
O
CH2
O
R
C
NH CH Benzyloxycarbonyl- , Z/
/
+
/
+
+
/
/
+
+
+
+
/
/
/
/
/
+
+
+
CO2H
O
(H3C) 3C O (H3C) 3C
C O
O
R
C
(H3C) 3C O
NH
Di-t-butylcarbonat, OC(OtBu)2
CO2H
O Fluorenyl
O C
CH
t-Butyloxycarbonyl- , Boc-
O CH2
/ CO2H
O C6H5
C
Cl Benzyloxycarbonylchlorid , Z /Cl
Fluorenyl
CH
Na / NH3
Trifluoracetyl- , Tfa-
O C6H5
R
C
schwache Alkali- H2 / Kat. Säuren hydroxid
CH2
O
R
C
Cl
NH CH CO2H Fluorenylmethoxycarbonylchlorid , Fmoc /Cl Fluorenylmethoxycarbonyl- , FmocFluorenyl =
Die Einführung der in Tab. 37.1 gezeigten Schutzgruppen gelingt in schwach basischen Medien unter nucleophilem Angriff der c-Amino-Gruppe am Carbonyl-C-Atom der Reagenzien. Die hydrogenolytische bzw. acidolytische Abspaltung der am häufigsten verwendeten Schutzgruppen Z und Boc setzt flüchtige Produkte frei (Toluen bzw. Isobuten und CO2). Bei der Abspaltung in saueren Medien intermediär auftretende Kationen (t-Butyl und Benzyl) werden durch Zusatz von Scavengern (Thioanisol, Ethandithiol) abgefangen, damit sie nicht die Seitenketten von Tyr und Trp alkylieren. Tab. 37.2. Carboxy-Schutzgruppen Reagenz zur Einführung
geschützte Aminosäure
Abspaltungsbedingungen starke schwache Alkali- H2 / Kat. Na / NH3 Säuren Säuren hydroxid
CH3OH / HCl oder SOCl2 CH2N2
O R
C O O
C2H5OH / HCl oder SOCl2
R
C O
C6H5/CH2OH, p-Toluensulfonsäure, in Toluen, 120 °C
R
(H3C) 2C=CH2 / H2SO4
R
/
/
+
/
Amid
/
/
+
/
Amid
+
/
+
+
+
+
+
/
/
/
OMe
CH3
CH2
CH3
OEt
CH2
C6H5
OBzl
O C O O C O
C(CH3) 3
OBut
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802
37 Peptide und Proteine
Zum Schutz trifunktioneller Aminosäuren mit Hydroxy-, Thiol- oder heterocyclischer AminoFunktion wie in Serin, Threonin, Tyrosin, Cystein und Histidin eignet sich die Benzyl-Gruppe [als Benzylether, -thioether, N-Benzylimidazolyl- (Nim-Bzl)]. Diese Seitenketten-Schutzgruppen (Tab. 37.3) müssen über viele Reaktionsschritte stabil bleiben. Andererseits sollen am Schluß der Synthese alle Schutzgruppen ohne Zerstörung des Peptids abspaltbar sein.
Tab. 37.3. Schutzgruppen für Hydroxy-, Thiol-, Imidazolyl- und Guanidino-Funktionen Seitenketten-Funktion
g e s c h ü t z t e Seitenketten-Funktion
Abspaltungsbedingungen
CO2 CH3
Ser , Thr , Tyr /OH
H3N
CH
H3N
CH
H3N
CH
H3N
CH
CH
O
C6H5
CH2
O-Benzylthreonin
H2 / Kat. oder HF oder HBr / CF3CO2H oder Na / NH3
O-t-Butylserin
CF3CO2H
O-Benzyltyrosin
H2 / Kat. oder HF oder HBr / CF3CO2H oder Na / NH3
S-Benzylcystein
nur Na in flüss. NH3
S-Tritylcystein
HCl oder CF3CO2H
S-Acetylaminomethylcystein
(SCN) 2
symmetrische Cystinpeptide
Thiolyse mit HS CH2 CH2 OH oder Dithioerythrit
Nim-Benzylhistidin
H2 / Pt oder Na / NH3
CO2 CH2
O
C(CH3) 3
CO2 O
CH2
CH2
C6H5
CO2
Cys /SH
CH2
S
CH2
C6H5
CH2
S
C(C6H5) 3
CH2
S
CH2
CO2 H3N
CH CO2
H3N
CH
O NH
C CH3
CO2 H3N
CH
H3N
CH
CO2 CH2
S
S
CO2
His
CH2
CH
CH2
C6H5
N
CH2 N
NH N
NH3
NO2
CO2 H3N
CH
N
CH2
NO2
N
Nim-Dinitrophenylhistidin
Thiolyse mit HS CH2 CH2 OH
O CO2 H3N
CH
C N
CH2
N
N CO2
Arg
H3N
CH
OH , H2O oder N2H4
Protonierung ( pK = 13.2)
entfällt
Ng -Nitroarginin
HF oder H2 / Pt
NH (CH2) 3
NH
C
NH NH
/
Nim-Piperidinocarbonylhistidin
NH3
C
CO2
NH2 H3N
CH
N (CH2) 3
NH
NO2
C NH2
Nim: N-Atom des Imidazolyl-Restes; N g : N-Atom der Guanidino-Gruppe
Schutzgruppen müssen folgende Bedingungen erfüllen:
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37.4
Methoden der Peptidsynthese
803
̈"
Die Synthese des geschützten, gut kristallisierbaren, lagerfähigen Aminosäure-Derivats muß racemisierungsfrei unter milden Bedingungen mit hoher Ausbeute und Reinheit ablaufen.
̈
Die Schutzgruppe muß unter Bedingungen abspaltbar sein, die keine Peptidbindungen spalten oder umlagern, oder die säureempfindliche Aminosäuren wie Tryptophan zerstören.
̈
Die Schutzgruppen für Seitenkettenfunktionen müssen die Bedingungen zur Abspaltung der c-Amino- und c-Carboxy-Schutzgruppen überstehen.
̈
Schließlich sollten Schutzgruppen nicht die Löslichkeit einer wachsenden Peptidkette in den bei der Synthese verwendeten Lösemitteln herabsetzen.
In der Peptidsynthese stehen für die Seitenkettenfunktionen der Glutaminsäure und Asparaginsäure oder des Lysins brauchbare Carboxy- bzw. Amino-Schutzgruppenkombinationen zur Verfügung (Tab. 37.1 und 37.2). Die Drittfunktionen von Serin, Threonin, Histidin, Tyrosin, Cystein und Arginin müssen ebenfalls geschützt werden (Tab. 37.3). Wegen der besseren Löslichkeit und zur Vermeidung von Wasserabspaltungen werden auch die Amid-Gruppen der Seitenketten von Asparagin und Glutamin geschützt, z. B. mit dem Trityl-Rest. Die in Tab. 37.1 - 3 beschriebenen Schutzgruppen bewähren sich auch bei Total- und Partialsynthesen von Peptidmimetika und anderen Naturstoffen. Abb. 37.14 verdeutlicht an einem Octapeptid den Aufwand zur Synthese einer relativ kurzen Sequenz, wenn mehrere trifunktionelle Aminosäuren unter Schutz der Seitenkettenfunktionen eingesetzt werden müssen (Tab. 37.3).
Schutz der Amino-Funktion
Schutz der Imidazol-Funktion
Schutz der PhenolHydroxy-Funktion
NH Z
H
O
CH 2
N
H
O
CH 2
H
N
C
H
O
CH 2 O
CH2
C
H
NH Trt
H
O
N
N O
CH 2
H
CH 2
Trt
N
N O
CH 2
Schutz der N-terminalen Amino-Funktion
S
N
N H
Bzl
N
CH2 Boc
Schutz der C-terminalen Carboxy-Funktion
N
CH2 CH2
O
Bzl
CH2
Schutz der Thiol-Funktion
OtBu
N O
CH2 O
H
O
CH2 CH2
t Bu O
NH NO2
C
Ot Bu
HN Schutz der Guanidino-Funktion
Schutz der Carboxamido-Funktion
Schutz der Alkohol-Funktion
Schutz der
y-Carboxy-Funktion
Lysyl /" Arginyl / Histidyl /" Asparaginyl / Tyrosyl / Seryl / Cysteinyl /" Glutaminsäure Abb. 37.14. Zu schützende funktionelle Gruppen der Aminosäuren zur Synthese eines Octapeptids t ( Bu = t-Butyl; Bzl = Benzyl; Trt = Trityl; Z = Benzyloxycarbonyl)
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804
37 Peptide und Proteine
37.4.3
Strategie und Taktik der Peptidsynthese
Fragmentkondensation in Lösung Größere Polypeptide werden durch Fragmentkondensation aufgebaut, d. h. man verknüpft geeignet geschützte Oligopeptide an günstigen Kupplungsstellen der Sequenz. Die Oligopeptide mit je 3 - 10 Aminosäure-Resten werden durch schrittweisen Anbau von carboxyaktivierten N-geschützten Bausteinen an die jeweils freigesetzten Amino-Komponenten synthetisiert. Diese konventionelle Peptid-Synthese ist die am häufigsten benutzte Strategie bei der technischen Synthese hochreiner Peptidwirkstoffe, da jedes Zwischenprodukt isoliert, gereinigt und analysiert werden kann. Die Grenzen dieser Methode liegen in nicht vorhersehbaren Löslichkeitsänderungen der wachsenden, meist vollgeschützten Peptidketten. Dem versucht man durch geeignete Kombinationen von solubilisierenden hydrophilen oder lipophilen Schutzgruppen zu begegnen. Ligation ungeschützter Peptide zum Aufbau von Proteinen Die Synthese von Proteinen gelingt durch Verknüpfung (Ligation) ungeschützter Peptid-Teilsequenzen unter der Voraussetzung, daß eines der Fragmente (Peptid II) N-terminales Cystein enthält. Dabei wird der Thiolester des Peptids I mit dem N-terminalen Cystein des Peptids II als Thiolat-Nucleophil im Einfang-Schritt (1) zum Peptid-Thiolester umgeestert, der als Aktivester unter SiN-Acyl-Verschiebung (2) die Peptid-Bindung zwischen den Fragmenten I und II knüpft. ̈"
O Carboxy-Komponente H2N Peptid I
S + S
R
Amino-Komponente
CH2
C6H5
N
Peptid II CO2H
NH 3 H
/ RSH
(1) O H2N Peptid I
R =
O
S
SH H
O
O N
NH 2 H Peptid-Thiolester
Peptid II CO2H
(2) H 2N Peptid I
N
N H
Peptid II CO2H
O
Synthese von Peptiden unter Verwendung von Polymer-Trägern Zur Synthese von Peptiden an fester Phase (Festphasen-Peptid-Synthese nach MERRIFIELD, 1963) wird die C-terminale Aminosäure mit einem in allen Lösemitteln unlöslichen Polymer-Träger (hydroxymethyliertes Polystyren, mit 1 % Divinylbenzen zur Quervernetzung, Abschn. 35.8.3) verestert. An diesen Aminosäure-Polymer-Ester wird eine Aminosäure nach der anderen geknüpft. Die schrittweise aufgebaute Peptidkette wird nach beendeter Synthese von dem polymeren Trägermaterial abgespalten (Abb. 37.15). Zwischen Träger und Peptid können Ankergruppen unterschiedlicher Reaktivität und Spezifität z. B. auch für eine Peptidamid-Synthese eingebaut werden. Eine Festphasen-Synthese bietet mehrere Vorteile: Die während der gesamten Synthese kovalent mit dem unlöslichen Polymer verbundene Peptidkette wird nach jedem Reaktionsschritt durch einfaches Abfiltrieren und Auswaschen von überschüssigen Reaktionskomponenten und Nebenprodukten befreit. Die Zugabe der Reagenzien und Lösemittel, das Schütteln der heterogenen Reaktionsmischung und das Abfiltrieren ist in einer automatischen Peptidsynthese-Apparatur programmier- und steuerbar.
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37.4
Methoden der Peptidsynthese
805
Unlöslicher Träger (Polystyren-Divinylbenzen-Copolymer, PS-DVB)
Einführung der Ankergruppe
Chlormethylierung
R1
ClCH 2
O CH 3 / SnCl4
CH (H3C)3C O CO NH
+
CO2 Cs
Veresterung der ersten Aminosäure mit dem Träger
(1)
Cl
CH 2
/ CsCl
R1 CH (H3C)3C O CO NH
C
O
CH 2
O Abspaltung der N-Schutzgruppe und Neutralisation
(2)
1.) + CF3CO2H , / CO2 , / (H3 C) 2C=CH2 2.) + N(C2H 5) 3 , / CF3CO2
/+
NH(C2H 5) 3
R1 (H3C)3C O CO NH CH
CH
CO2H
+
H2N
C
Kupplung der zweiten Aminosäure
(3)
1.) + H7 C3/"N=C=N/C3H 7(DIC) 2.) / H7 C3/NH/CO/NH/C 3H7
R1
O (H 3C)3C O CO NH
Aufbau der Sequenz durch Wiederholung der Schritte (2) und (3) mit jeweils neuer Aminosäure
CH
C CH
N
C
R2
H
O
(H 3C)3C O CO NH
C CH R2 - n
gleichzeitige Entfernung der N-Schutzgruppen und Abspaltung vom Träger
(4)
CO2
+
H NH
C CH R2 - n
CH 2
CH N
C
O
CH 2
nH
O
Br
CH 2
HBr / CF3CO2H
R1
O +
CH 3
O
R1
O
H2C C
CH 2
O
R2
CH 3
O
CH N
+ CO2H
nH
Abb. 37.15. Reaktionsschritte bei der Festphasen-Peptidsynthese nach MERRRIFIELD (1963). Ein Synthesezyklus zur Kettenverlängerung um eine Aminosäure (Reaktionsschritte 2 und 3) dauert etwa 20 min (PS-DVB = Polystyren, quervernetzt mit 1-2 % Divinylbenzen). Anstelle der Boc- werden zunehmend Fmoc-Aminosäuren bei Festphasen-Synthesen eingesetzt, da die Fmoc-Abspaltung mit Piperidin einen zusätzlichen Neutralisierungsschritt erspart
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806
37 Peptide und Proteine
Selbst bei einem Überschuß von Reagenzien sind quantitative Umsetzungen oft nicht erzielbar. Deshalb können durch unvollständige Kupplungsreaktionen laufend kürzere Fragmente entstehen; auch unkontrollierbare Nebenreaktionen an den Seitenketten laufen ab. Dies führt besonders beim Aufbau längerer Peptide (mehr als 40 Aminosäuren) zu einem nicht mehr zu reinigenden Peptidgemisch. Da die Synthesefehler zu sehr nahe verwandten Analoga der gewünschten Sequenz führen, ist ihre Detektion ausgesprochen schwierig. Hydrophile Polymerträger eignen sich sowohl für repetitive Synthesen als auch für Bioassays direkt am Harzkügelchen. Zur repetitiven Peptid-Synthese nach BAYER und RAPP wird Polyethylenglykol (PEG), H/[O/CH2/CH2/]nOH, am polymeren Träger Polystyren aufgepfropft, eingesetzt. Das in Wasser und fast allen organischen Lösemitteln, ausgenommen in Ether und Alkanen, lösliche PEG erfüllt die Funktion eines Peptid-Trägers mit solubilisierenden Eigenschaften auf die wachsende Peptidkette. Druckstabile Peptidträger dieser Art erlauben automatisierte Durchflußsynthesen von Peptiden und Oligonucleotiden mit Kupplungszeiten von nur wenigen Minuten. Das auf den ersten Blick überraschend einfache Festphasen-Syntheseprinzip bietet Möglichkeiten zur gleichzeitigen, automatisierten Herstellung von mehreren hundert definierten Peptiden (simultane bzw. multiple, parallele und kombinatorische Synthese von Peptiden).
37.4.4
Kombinatorische Synthese
Die Chance, ein neues als hochwirksames Medikament anwendbares Oligopeptid zu finden, ist gering; gleiches gilt für andere Wirkstoffklassen. Zahlreiche Varianten einer Leitstruktur müssen hierzu einzeln hergestellt, gereinigt und auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Dieses Vorgehen bei der Suche nach neuen Wirkstoffen ist ziemlich ineffizient. Eine zeitsparende Alternative ist die kombinatorische Synthese. Dieser Begriff steht für verschiedene Methoden zur simultanen Darstellung vieler Varianten eines Grundgerüstes ("Scaffolds"). Ziele solcher Synthesen sind kombinatorische "Verbindungsbibliotheken", die bezüglich ihrer Wirkungen auf ein biologisches Zielmolekül ("Target"), z. B. auf die Hemmung eines Enzyms, untersucht werden. Zeigt sich ein Test positiv, werden die wirksamen Verbindungen ("Hits") identifiziert und gezielt hergestellt. Die kombinatorische Synthese entwickelte sich aus der Festphasen-Synthese von Peptiden nach MERRIFIELD. Bei der "Split-Mix"-Methodik (Abb. 37.16) werden die Edukte A1, A2 und A3 in drei getrennten Reaktionen ("split") kovalent an ein Polymer ( ) gebunden. Es entstehen drei Produkte ( A1, A2, A3), die als Gemisch in drei getrennten Reaktionsgefäßen ("split") jeweils mit den Edukten B1, B2 und B3 zu neun neuen Produktvarianten des Typs AB reagieren. Diese werden erneut zusammengegeben ("mix") und in drei Reaktionsgefäßen in drei Reaktionen mit den Edukten C1, C2 und C3 zu 27 Produkten (neun pro Reaktionsgefäß) umgesetzt. Nach Abspaltung der Produkte vom Polymerträger erhält man eine "Bibliothek" von 27 Verbindungen. Die Durchführung einer kombinatorischen Festphasen-Peptid-Synthese würde z. B. aus neun Aminsäuren A1, A2, A3, B1, B2, B3 und C1, C2, C3 am Polystyren-Divinylbenzen-Träger nach kurzer Bearbeitungszeit (wenige Stunden) eine kombinatorische Bibliothek aus 27 Tripeptiden ergeben. Ein wichtiges Merkmal der Split-Mix-Methode ist, daß auf jedem Polymerkügelchen (engl. bead) nur ein Produkt entsteht ("one bead – one compound"), dessen Menge bereits für Tests und Analytik ausreicht. Somit können einzelne Polymerkügelchen auf ihre Wirksamkeit untersucht werden. Durch gleichzeitige Kupplung aller 20 Proteinaminosäuren in allen Positionen eines Hexapeptids sind 206 = 64.000.000 verschiedene Hexapeptide als Mischung herstellbar. Mit solchen Mischungen in Form von Subbibliotheken und mit Peptidmimetika wird systematisch nach neuen Leitstrukturen für die Pharmaentwicklung gesucht.
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37.5
Methoden der Peptid-Sequenzierung
807
Polymer 3 Reaktionen mit A1, A2, A3 3 Produkte in drei Kölbchen
" A1
" A2
" A3
3 Produkte in einem Kölbchen ("Mix")
" A1
" A2
" A3
3 Reaktionen mit B1, B2, B3 ("Split") 9 Produkte in drei Kölbchen
9 Produkte in einem Kölbchen ("Mix")
" A1B1 " A2B1 " A3B1
" A1B2 " A2B2 " A3B2
" A1B3 " A2B3 " A3B3
" A1B1 " A2B1 " A3B1
" A1B2 " A2B2 " A3B2
" A1B3 " A2B3 " A3B3
3 Reaktionen mit C1, C2, C3 ("Split")
27 Produkte in drei Kölbchen
Abspaltung vom Polymerträger
" A1B1C1 " A2B1C1 " A3B1C1 " A1B2C1 " A2B2C1 " A3B2C1 " A1B3C1 " A2B3C1 " A3B3C1
" A1B1C2 " A2B1C2 " A3B1C2 " A1B2C2 " A2B2C2 " A3B2C2 " A1B3C2 " A2B3C2 " A3B3C2
" A1B1C3 " A2B1C3 " A3B1C3 " A1B2C3 " A2B2C3 " A3B2C3 " A1B3C3 " A2B3C3 " A3B3C3
"Bibliothek aus 27 Verbindungen"
Abb. 37.16. Split-Mix-Methode zur kombinatorischen Synthese einer Bibliothek von 27 Verbindungen des Typs ABC. Schwarze Punkte bedeuten die als Perlpolymerisate eingesetzten Polymerträger, Rechteck-Umrandungen die Reaktionsgefäße.
37.5 Methoden der Peptid-Sequenzierung 37.5.1
Reinigung von Peptiden
Zur Aufklärung der Primärstruktur von Proteinen wurden spezielle Abbaumethoden und Endgruppenbestimmungen entwickelt. Vor jeder Sequenzierung müssen die Peptide mit verschiedenen Methoden gereinigt werden (Tab. 37.4). Der Erfolg der Reinigungsoperationen und die Detektion des Peptids in chromatographischen Fraktionen wird anhand seiner charakteristischen Eigenschaften verfolgt. Dazu eignen sich u. a. spezifische Seitengruppenreaktionen, die UV-Absorption, enzymatische oder andere biologische Eigenschaften, das Fragmentmuster nach der Hydrolyse, die
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808
37 Peptide und Proteine
Aminosäuren- und die Übergangsmetall-Analyse bei Metallproteinen sowie die HochleistungsFlüssigkeits-Chromatographie in Kombination mit massenspektroskopischen Methoden.
37.5.2
Selektive Spaltungen von Peptidketten
Die Sequenzierung von 10 - 100 pmol Peptid kann nur bis zu einer Kettenlänge von etwa 30 Aminosäuren mit genügender Sicherheit durchgeführt werden. Daher müssen größere Proteine vorher in einheitliche Spaltstücke, sog. Partialsequenzen bzw. Fragmente übergeführt werden. Diese sollten möglichst über einige Aminosäure-Reste in ihren Sequenzen überlappen. Zu dieser Fragmentierung werden proteolytische Enzyme, sog. Proteasen bzw. C/N-Hydrolasen herangezogen. Man unterscheidet Enzyme, die mittelständige Peptidbindungen spalten (Endopeptidasen), von solchen, die schrittweise nur vom N- oder C-Terminus her spalten (Exopeptidasen). Die Endopeptidase Trypsin spaltet z. B. nur hinter den basischen Aminosäuren Lysin und Arginin; Chymotrypsin spaltet bevorzugt hinter den aromatischen Aminosäuren Tyrosin und Phenylalanin, und Pepsin liefert Di- und Tripeptid-Fragmente. Carboxypeptidasen spalten als Exopeptidasen Cterminale CONH-Bindungen. Aminopeptidasen spalten als Exopeptidasen N-terminale CONHBindungen (mit Ausnahme des N-terminalen Prolins). Tab. 37.4. Die wichtigsten Methoden zur Isolierung und Reinigung von Peptiden und Proteinen M e t h o d e
P r i n z i p
Umfällen, Umkristallisieren
Löslichkeitsunterschiede aufgrund von pH, Lösemittel u. a.
Dialyse, Membranfiltration
Diffusion durch Membranporen aufgrund unterschiedlicher Molekülgröße, als sog. Elektrodialyse aufgrund von Ladung und Molekülgröße
Gelfiltration
Chromatographische Trennung auf Säulen aufgrund der Molekülgröße (Molekularsiebe auf Polyacrylamid- oder Polyglucosid-Basis)
Ionenaustauscher-Chromatographie
Säulenchromatographische Trennung aufgrund unterschiedlicher Ladungen, Elution mit Puffern unterschiedlicher pH-Werte und Tonizität
Elektrophorese
Trennung im elektrischen Feld aufgrund unterschiedlicher Ladungen auf Polyamidgelen und in Glaskapillaren
Multiplikative Gegenstromverteilung
Automatische Vielfach-Extraktion in der CRAIG-Apparatur aufgrund unterschiedlicher Verteilungskoeffizienten in zwei nicht mischbaren Lösemittelsystemen
Verteilungschromatographie
Übertragung des Prinzips der multiplikativen Gegenstromverteilung auf Säulen; ein hydrophiles Säulenfüllmaterial aus Cellulose oder Silicagel umgibt sich mit einer Hydrathülle und bildet die stationäre, wäßrige Phase, welche die polaren Moleküle länger festhält; lipophilere Moleküle wandern mit dem organischen Lösemittel rascher durch die Säule
Reversed Phase Chromatographie
Prinzip der Verteilungschromatographie, jedoch mit lipophiler stationärer Phase (z. B. alkyliertes Kieselgel), in Form der HPLC (High Performance Liquid Chromatography) als wichtigster Trennmethode
Ultrazentrifugation
Trennung der Partikel kolloidaler Proteinlösungen bei Gravitationsbeschleunigungen von 10 4 g
Affinitätschromatographie
Adsorptionschromatographie aufgrund starker spezifischer Wechselwirkungen eines zu reinigenden Enzyms mit dem z. B. an einem unlöslichen Träger kovalent gebundenen Inhibitor oder Antikörper
Chemische Partialhydrolysen unter sauren oder basischen Bedingungen liefern ein schwer trennbares Gemisch vieler Oligopeptide. Deshalb ist diese Art der Partialhydrolyse nur bei kurzen Peptiden erfolgreich. Größere Bedeutung haben einige nichtenzymatische, selektive chemische Fragmentierungen an bestimmten Aminosäuren, wie die Spaltung der C-ständigen Peptidbindung des Methionins mit Bromcyan (BrCN). Der Sulfid-Schwefel des Methionins wird durch Bromcyan
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37.5
Methoden der Peptid-Sequenzierung
809
zum stark Elektronen anziehenden Sulfonium-Schwefel oxidiert. Dadurch wird das i-C-Atom des Methionins positiviert und kann in einer nucleophilen Substitution mit dem Carbonyl-Sauerstoff cyclisieren. Die anschließende hydrolytische Spaltung liefert Fragmente, die an der Stelle des Methionins carboxyständiges Homoserin tragen. S
NC
CH3
CH 2 H2C
CH2 H 2C
R
O
C NH CH C
C NH CH
CH3
S
O
O
+ BrCN / Br
C NH CH
/
R
O
C NH CH C O
O
Methionyl-Peptid / H3C S C N
CH 2OH CH 2 C NH CH CO2H O
37.5.3
R +
H 3N CH C
Homoserin
O
R
O
+ 2 H2O
C NH CH C NH CH C
PeptidSpaltung
O
O
Endgruppenanalyse
Zur Identifizierung der N-terminalen Aminosäure kann das Peptid mit 2,4-Dinitrofluorbenzen (DNFB) oder mit 5-(Dimethylamino)-1-naphthalensulfonsäurechlorid (Dansylchlorid) umgesetzt werden (Abb. 37.17). Nach Totalhydrolyse lassen sich die hydrolysestabilen gelben 2,4Dinitrophenyl- bzw. die fluoreszierenden Dansylaminosäuren im Aminosäuren-Gemisch durch chromatographischen Vergleich mit bekannten Derivaten identifizieren. H / Ala / Ser / Val / Gly / OH
Dinitrophenylierung
+ DNFB
/ HF
Dansylierung
+ Dansyl-Cl
Hydrazinolyse
/ HCl
+ H2N/NH2 6 N HCl
110 °C
Dnp/Ala/OH und Ser, Val, Gly
6 N HCl
/"H2O
110 °C
Dansyl/Ala/OH und Ser, Val, Gly
Veresterung und Reduktion
+ CH2N2 + LiBH4 6 N HCl
Ala, Ser, Val /NHNH2 und Gly
/"N2
110 °C
Ala, Ser, Val und H 2N CH 2 CH 2 OH
Abb. 37.17. Endgruppenbestimmungen am Beispiel eines Tetrapeptids
C-terminale (Carboxy-ständige) Aminosäuren lassen sich dagegen durch Spaltung der Peptidbindungen mit wasserfreiem Hydrazin bestimmen. Diese Hydrazinolyse wandelt mit Ausnahme der C-terminalen alle Aminosäuren in Aminosäurehydrazide um (Abb. 37.17). Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des C-Terminus besteht in der Methylierung des Peptids mit Diazomethan zum Peptidmethylester. Die Reduktion des Peptidmethylesters mit Lithiumborhydrid führt zum Cterminalen Aminoalkohol. Durch vergleichende Aminosäuren-Analysen von Totalhydrolysaten vor und nach der Reduktion kann dieser identifiziert werden.
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810
37.5.4
37 Peptide und Proteine
Schrittweiser Abbau nach EDMAN
Zur schnellen Peptid- und Protein-Sequenzierung ("Proteomics") werden chromatographische Trennverfahren (Gelelektrophorese, HPLC) in Kombination mit massenspektrometrischen Methoden eingesetzt [HPLC-Tandem-Electrospray-MS, matrixunterstützte Laserdesorptions-FlugzeitMassenspektrometrie (MALDI-TOF-MS) sowie HPLC-Ionencyclotron-Resonanz-MS]. Diese Methoden verdrängen die chemische Sequenzierung der Proteine in vollautomatischen Sequenatoren nach dem von EDMAN 1950 entwickelten, schrittweisen, N-terminalen Abbau. Beim EDMAN-Abbau wird das auf einer Glasmatrix fixierte Peptid zunächst mit Phenylisothiocyanat in das Phenylthiocarbamoylpeptid übergeführt. Die so modifizierte N-terminale Aminosäure spaltet durch Reaktion mit Trifluoressigsäure unter Cyclisierung ab. Das primär gebildete, instabile 2-Anilinothiazolin-5-on hydrolysiert in Trifluoressigsäure zur Phenylthiocarbamoylaminosäure, die zum 5-substituierten 3-Phenyl-2-thiohydantoin cyclisiert. Dieses von der Nterminalen Aminosäure abstammende Thiohydantoin wird extrahiert und chromatographisch identifiziert. Die nun um eine Aminosäure kürzere Peptidkette wird im nächsten Schritt des Abbaus erneut mit Phenylisothiocyanat umgesetzt. R2
H R1 R1
R2 Base
N
C S + H2N
CH
C
NH
CH
O
C
N
H
N N
Phenylisothiocyanat
CH
C O
O C
O
C
CH S
Phenylthiocarbamoylpeptid H (Phenylaminothiocarbonylpeptid)
Peptid-Spaltung
CF3CO2H
R1
N
H
S
S NH
R1 O 3-Phenyl-2-thiohydantoin aus der N-terminalen Aminosäure
/ H2O
C
N
R1
N C H O HO Phenylthiocarbamoylaminosäure
- H2O (H3O+)
R2 O
N S N
-"""""" H3N
CH
C
O verkürzte Peptid-Kette
H 2-Anilinothiazolin-5-on
37.6 Modifizierung von Seitenkettenfunktionen Um die Bedeutung einzelner Aminosäuren in der Sequenz eines Peptidhormons oder Enzyms bezüglich seiner Wirkung erkennen zu können, werden gentechnologisch Aminosäuren ausgetauscht oder trifunktionelle Aminosäuren chemisch modifiziert (Tab. 37.5). Bei der chemischen Modifikation versucht man, selektiv die Amino-Gruppe der Lysin-Seitenkette zu acylieren, Tyrosin zu nitrieren oder mit Diazonium-Salzen einer Azo-Kupplung zu unterziehen. Seitenkettenfunktionen können so in positiv oder negativ geladene, in neutrale oder lipophile Gruppen übergeführt werden. Danach mißt man die dadurch ausgelösten Veränderungen der Wirksamkeit.
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37.6
Modifizierung von Seitenkettenfunktionen
811
Tab. 37.5. Modifizierung von Aminosäure-Seitenketten in Proteinen (Auswahl) Aminosäure-Seitenketten-Funktion
Reagenz
modifizierte Aminosäure
NH2 Cl
Ly s :
(CH2) 4
NH 2
H5C 2
O
C
/ C2H 5OH , / HCl
R' Imidoester
O
pH > 9.5""."/ CH 3OH
C
O S
C
NH2 (CH 2) 4
NH
C
NH2 Guanidino-Gruppe
NH2 O-Methylisoharnstoff H5C 2
NH
R' Amidino-Gruppe
NH2 H3 C
NH (CH 2) 4
pH = 10 , / C 2H 5SH
C
O (CH 2) 4
NH
C
CF3 Trifluoracetyl-Derivat
CF3 Ethanthioltrifluoracetat
O
O
/
H
+ OH , / H2O
O
(CH 2) 4
NH
C H
H
O2C
O
H N-Maleinyl-Derivat
Maleinsäureanhydrid H O C
NH2
Arg :
(CH 2) 3
NH
1 m Na OH , / 2 H2O
NO2
C
C
N
H Nitromalondialdehyd (Anion) CH 2
His :
CH 2
(CH2) 2
CO2H
H2 N
CO2H
CH 2
5-Nitropyrimidinyl-Derivat EDC * , / 2 H 2O
CONH 2
Glycinamid
(CH 2) 1,2
CH2
CH2
CONH2
N
pH = 5 - 6 , / HI I
CO NH
Glycinamidpeptid
N NH
NO2
NH
O C
NH2
Asp : Glu :
N (CH 2) 4
CO2
CH 2
N
CH 2 CO2 3-Carboxymethyl-Derivat
Iodacetat
O
Met :
(CH2) 2
S CH 3
H 2O2
(CH 2) 2
O CH3 und
S
S-Oxid
I
Cy s :
CH 2
pH > 4
CH2 CONH2 Iodacetamid NH
pH = 8
Na2SO3
CH3 (CH 2) 2
S
CH 2
S
CH 2
O pH = 7
C 2H5
H O N-Ethylmaleinimid
S S
CH2
CONH 2
CH2
NH2
CH 2 S SO3 S-Sulfonat
O H
O2N
CH 3
S,S-Dioxid O
S-2-Aminoethyl-Derivat
Ethylenimin
N
S
Sulfonium-Salz pH = 8 - 9
SH
(CH2 ) 2
CH 2
N
S
C2 H5
O S-(1-Ethyl-3-succinyl)-Derivat
NO2
O2C CO2 Bis-(3-carboxy-4-nitrophenyl)-disulfan [3,3´-Dithiobis(6-nitrobenzoesäure), DTNB] ELLMAN-Reagenz
pH = 8 / Thiophenolat
CH 2
S
S
NO2
CO2 S-(3-Carboxy-4-nitrophenylthio)-Derivat
* EDC : wasserlösliches 3-(3-Dimethylaminopropyl)-1-ethylcarbodiimid [ H5C2/N=C=N/(CH2)3/N*CH3)2 ] zur Knüpfung der Peptid-Bindung
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812
37 Peptide und Proteine
Bei Proteinen gelingt eine Unterscheidung der Aminosäure-Reste an der Oberfläche von solchen, die im Proteininnern verborgen sind. Dazu läßt man vor der Sequenzierung gruppenspezifische Reagenzien zur Markierung (engl. label) einwirken, die zu hydrolysestabilen Derivaten führen. Bei der Sequenzierung werden dann die leicht zugänglichen Aminosäuren markiert erscheinen. Von Bedeutung sind auch Markierungsreagenzien, die stabile Radikale für Elektronenspinresonanz-Experimente oder fluoreszierende Gruppen zu Fluoreszenzmessungen einführen. Schließlich können "Affinitätslabel" eingebaut werden, die aufgrund spezifischer Wechselwirkungen, z. B. mit bestimmten Chromatographiematerialien, selektivere Trennungen ermöglichen. Die SH-spezifischen Reagenzien N-Ethylmaleimid und 3,3'-Dithiobis-(6-nitrobenzoat) (Tab. 37.5) eignen sich zur quantitativen spektrophotometrischen Thiol-Titration von Cystein-Seitenketten. In der modernen Proteinchemie können wichtige Informationen durch chemische Modifikation in Verbindung mit instrumentellen Methoden u. a. über substratspezifische Bereiche, Konformationsänderungen, sowie Energieübertragungen durch Photonen erhalten werden.
37.7 Ausgewählte Peptidwirkstoffe 37.7.1
Peptidhormone
Hormone sind hochaktive Regulatoren von Zellvorgängen, die aus endokrinen Drüsen (glanduläre Hormone, Drüsenhormone), von anderen Organen und aus Gewebeflüssigkeiten (Gewebshormone) abgegeben werden. Durch den Blutkreislauf werden sie ihrem Wirkort (Targetzelle) zugeführt. Dort lösen sie durch hochspezifische Wechselwirkungen mit Rezeptoren eine Veränderung der Permeabilität der Zellmembran aus oder können Enzymaktivitäten, z. B. eine Proteinphosphorylierung bewirken (Signaltransduktion). An der Zielzelle kann u. a. durch Hormon-RezeptorWechselwirkung das membrangebundene Adenylatcyclase-System aktiviert werden. Die Cyclisierung des AMP (Abschn. 40.1) löst im Inneren der Zelle den Hormoneffekt, z. B. eine sekretorische Aktivität, aus. Hormone werden anschließend rasch abgebaut, ausgeschieden bzw. inaktiviert. Peptid- und Proteinhormone bilden sich im Hypothalamus, in der Hypophyse, Nebenschilddrüse, Schilddrüse, Placenta und dem Pankreas (Tab. 37.6). Oligo- und Polypeptidhormone mit bis zu 40 Aminosäuren werden durch chemische Peptidsynthesen aufgebaut und in ihrer Struktur abgewandelt. Zahlreiche Peptidhormone sind industriell für Anwendungen in der Human- und Tiermedizin synthetisch oder biotechnologisch zugänglich. Adrenocorticotropes Hormon (ACTH) Durch Synthesen und Struktur-Aktivitätsuntersuchungen an einer großen Anzahl von ACTHAnaloga ist bekannt, daß mindestens ein N-terminales Tridecapeptidamid-Fragment vorhanden sein muß, um noch ACTH-Aktivität auszulösen. Synthetische Präparate der Sequenz 1 - 24 sind im Handel. 1
10
20
Ser/Tyr/Ser/Met/Glu/His/Phe/Arg/Trp/ Gly/Lys/Pro/Val/Gly/Lys/Lys/Arg/Arg/Pro/ Val/Lys/Val/Tyr/ Pro/Asn/Gly/Ala/Glu/Asp/Glu/Ser/Ala/Glu/Ala/Phe/Pro/Leu/Glu/Phe (ACTH)
Als essentiell gelten der Bereich 7 - 10 und der stark basische Abschnitt 15 - 18, da ein Aminosäure-Austausch hier zu erheblichen Aktivitätsverlusten führt. Aktivitätssteigerungen sind andererseits möglich, z. B. durch N-terminalen Einbau enzymatisch schwer abbaubarer Aminosäuren wie D-Serin, D-Alanin, d-Alanin oder 2-Methylalanin in Position 1.
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37.7
Ausgewählte Peptidwirkstoffe
813
Tab. 37.6. Ausgewählte Peptid- und Proteohormone Bezeichnung
Bildungsort
Wirkort : Wirkung
Charakterisierung
Follikelstimulierendes Hormon (FSH)
HypophysenVorderlappen
Ovar : Follikelwachstum Hoden : Spermatogenese
Glycoprotein mit zwei Untereinheiten
Prolactin Luteotropes Hormon (LTH)
Hypophyse
Milchdrüse : Wachstum und Milchsekretion
Protein mit 198 Aminosäuren
Somatotropin, Somatotropes Hormon (STH, Growth hormone)
HypophysenVorderlappen
Wachstum, Stimulation des zellulären Stoffwechsels, Nucleinsäure- und Protein-Biosynthese
Protein mit 191 Aminosäuren und zwei S-S-Brücken
Adrenocorticotropin (ACTH)
HypophysenVorderlappen
Nebenniere : Wachstum Glucocorticoid-Bildung
lineares Peptid mit 35 Aminosäuren
Oxytocin
HypophysenHinterlappen
Uterus und Milchdrüsen : Kontraktion
Nonapeptid mit Disulfid-Brücke
Vasopressin
HypophysenHinterlappen
Niere : antidiuretisch, blutdrucksteigernd
Nonapeptid mit Disulfid-Brücke
Releasing-Faktoren (RF) Hypothalamus FRF = FSH-RF; CRF = ACTH-RF u. a. Nervenzellen
Hypophysen-Vorderlappen : Ausschüttung von FSH, ACTH
Oligopeptide
Releasing-Inhibiting-Faktoren (RIF, z. B. PIF = LTH-RIF)
Hypothalamus
Hypothalamus : Hemmung der LTH-Ausschüttung
Peptid
Insulin
Pankreas als Preproinsulin
Leber, Fettgewebe, Muskel : Senkung des Blutzuckerspiegels
zwei durch S-S-Brücken verknüpfte Ketten A mit 21 und B mit 30 Aminosäuren
Glucagon
Pankreas
Blutzuckerspiegel : Mobilisierung Adenylatcyclase-Aktivierung
lineares Peptid mit 29 Aminosäuren
Parathormon
Nebenschilddrüse
Osteoklasten : BlutCalciumspiegel
lineares Peptid mit 84 Aminosäuren
Oxytocin Das Nonapeptidhormon Oxytocin (Strukturaufklärung und Synthese als erstes Peptidhormon von V. DU VIGNEAUD, 1953) stimuliert die Kontraktion der glatten Muskulatur der Gebärmutter und wird bei der Geburtshilfe eingesetzt. Oxytocin besitzt eine essentielle 20-gliedrige cyclische Struktur mit einer intrachenaren (in der Kette befindlichen) Cystin-Disulfidbrücke. S
S
H / Cy s / Ty r / Ile / Gln / Asn / Cy s / Pro / Leu / Gly / NH2
Hypothalamische Releasing Faktoren Die Releasing Faktoren (auch Releasing Hormone) sind vom Hypothalamus abgegebene Kontrollsubstanzen, welche die Sekretion von Hormonen der Adenohypophyse steuern. Um 1 mg Thyreoliberin (Thyreotropin Releasing Faktor, TRF oder TRH) zur Strukturaufklärung zu erhalten, mußten 270.000 Hypothalami vom Schaf aufgearbeitet werden (SCHALY, GUILLEMIN, 1969). H
O
N
N TRF
H
O
O
O N CH2
NH2 LH - RH
1Pyroglu
/ His / Trp / Ser / 5Tyr / Gly / Leu / Arg /"Pro"/ 10Gly / NH2
NH N
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814
37 Peptide und Proteine
TRF ist Pyroglutamyl-histidyl-prolinamid (Pyroglu/His/Pro/NH2). Der Luteinisierungs-HormonReleasing-Faktor (= LH/RH, Gonadoliberin) ist ein Decapeptidamid mit TRF-gleichem NTerminus. Insulin Unter den Hormonen des Pankreas kommt dem Insulin (Struktur von SANGER, 1955) größte Bedeutung zu, da viele Stoffwechselvorgänge (Kohlenhydrate, Fette, Proteine) insulinabhängig sind, und Patienten mit schwerer Diabetes Insulin zugeführt werden muß. Schematisch läßt sich die Insulin-Struktur (Abb. 37.18) anhand der beiden Peptidketten (A-Kette mit 21 und B-Kette mit 30 Aminosäuren) mit den Cystin-Disulfidbrücken skizzieren. 1
S
S
21
A -Kette H2N
B -Kette
1
1
H2N
S
S
S
S
SH
CO2H
Oxidation
SSO3
21
CO2H
Reduktion 30
SH
H2N
CO2H
1
H2N
SH
SH
SH
SH
Na2 SO3 30
CO2H
getrennte Ketten (Thiol-Form)
SSO3 CO2H
H2N Oxidation H2N
SSO3
SSO3
SSO3
SSO3 CO2H
getrennte Ketten (S-Sulfonat-Form)
Abb. 37.18. Primärstruktur von menschlichem Präproinsulin (Sequenz –24 bis 86) und enzymatische Spaltstellen: Signalpeptid (Sequenz –24 bis –1), Proinsulin (Sequenz 1 bis 86 mit C-Peptid 31 bis 65) sowie Insulin (A-Kette 1 bis 21 bzw. 66 bis 86 und B-Kette 1 bis 30)
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37.7
Ausgewählte Peptidwirkstoffe
815
Nach Reduktion der Cystin-Reste zum Cystein (Thiol-SH) oder S-Sulfonat (/S/SO3/), Trennung der A- und B-Ketten und Resynthese durch nachfolgende Oxidation kann Insulin in geringer Ausbeute (10 %) zurückerhalten werden. Die Insulin-Biosynthese aus dem Präproinsulin (110 Aminosäure-Reste) verläuft nach Abspaltung des Signalpeptids (/24 bis /1, Abb. 37.18) über den einkettigen Insulin-Vorläufer Proinsulin (STEINER, 1968) mit 86 Aminosäuren. Aus Proinsulin wird ein die spätere A- und B-Kette verbindendes Fragment, das C-Peptid (C steht für connecting) mit 35 Aminosäuren, enzymatisch herausgeschnitten. Mehrere chemische Insulin-Synthesen (erste Totalsynthese: ZAHN et al., 1963) sowie die biotechnologische Produktion im Tonnenmaßstab durch genetisch veränderte Mikroorganismen dokumentieren die Bedeutung dieses Peptidwirkstoffs. Gastrin Hormone, die den Verdauungsapparat steuern, werden im Magen-Darm-Trakt (gastrointestinale Hormone, Gewebshormone) und in den Schleimhäuten gebildet. Eines der wichtigsten ist Gastrin: Gastrin
1Pyroglu
/ Gly / Pro / Trp / Leu / (Glu)5 / 11Ala / Tyr / Gly / Trp / Met / Asp / 17Phe / NH2
Bereits das C-terminale Tetrapeptidamid entfaltet die physiologische Wirkung des Gastrins, d. h. eine Verstärkung der Magensäureproduktion, starke Enzymsekretion im Pankreas und Erhöhung der Magenmotilität. Aus der Schleimhaut des Zwölffingerdarms läßt sich Secretin, ein dem Glucagon sehr ähnliches Peptid isolieren, das die Produktion eines HCO3/"-haltigen Pankreassekrets und des Gallenflusses stimuliert. Bradykinin Im Gegensatz zu Angiotensin II sorgen die Bradykinine u. a. für Blutdrucksenkung. Auch diese Wirkstoffe werden, wie offensichtlich die meisten niedermolekularen Peptidhormone, aus inaktiven Proteinvorstufen (Prohormonen) freigesetzt. Bradykinin
H /1Arg / Pro / Pro / Gly /5Phe / Ser / Pro / Phe / 9Arg / OH
Angiotensine Aus einem Protein des Blutplasmas (Angiotensinogen in der c-Globulin-Fraktion) wird durch das Enzym Renin ein biologisch inaktiver Decapeptidhormon-Precursor, das Angiotensin I, abgespalten. Angiotensin wird durch enzymatische Abspaltung des Dipeptids His-Leu in das stark blutdrucksteigernde Angiotensin II umgewandelt. H /1Asp / Arg / Val / Ty r / Ile / His / Pro / Phe / His /10Leu / Leu /"Val /"Ty r"/"Ser . . . Angiotensinogen
Renin
H /1Asp / Arg / Val / Ty r / Ile / His / Pro / Phe / His /10Leu / OH Angiotensin I
Angiotensin converting enzyme (ACE)
H /1Asp / Arg / Val / Ty r / Ile / His / Pro /8Phe / OH Angiotensin II Angiotensinase inaktive Fragmente
Inhibitoren dieses "Angiotensin Converting" Enzyms (ACE-Inhibitoren) sind als Blutdrucksenker im Handel. Das Hormon Angiotensin II wird andererseits zur Blutdruckregulation bei postoperati-
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816
37 Peptide und Proteine
vem Kreislaufkollaps angewandt. Ein spezifisch Angiotensin II abbauendes Enzym (Angiotensinase) hydrolysiert zu inaktivem Material. Peptidanaloge Renin-Inhibitoren werden als HerzKreislauf-Therapeutika (Blutdrucksenker) entwickelt.
37.7.2
Peptidantibiotika
Mikroorganismen produzieren nicht ribosomal mit Hilfe großer Multienzymkomplexe antibiotisch wirksame Oligo- und Polypeptide mit oft ungewöhnlichen Aminosäure-Resten. Häufig besitzen diese Peptidantibiotika cyclische Strukturen und D-Aminosäuren; daher können sie nicht enzymatisch abgebaut werden. Viele enthalten auch nichtpeptidische Komponenten wie Hydroxycarbonsäuren, Fettsäuren, Zucker, Heterocyclen, phosphorhaltige Gruppen. Aufgrund der nichtribosomalen und somit weniger streng kontrollierten Biosynthese tritt häufig ein AminosäureAustausch auf, so daß vom gleichen Stamm eines Bakteriums oder Pilzes meist eine Reihe eng verwandter Analoga produziert werden. Penicilline und Cephalosporine aus Kulturen verschiedener Pilze sowie synthetische Analoga dieser d-Lactame gehören zu den wichtigsten therapeutisch eingesetzten Antibiotika. H H
H H S
R CO NH N O
CH 3 CH 3
Penicilline
Cephalosporine
R1 CO NH
S
N
R2
O
CO2H
CO2H
Die Farbe der etwa 30 als Actinomycine bezeichneten Chromopeptide aus Strahlenpilzen (Actinomyceten) prägt eine Phenoxazon-Dicarbonsäure, das rote Actinocin. Es z. B. im Actinomycin D mit zwei identischen Pentapeptidlactonen verknüpft, die N-Methylaminosäuren (Sarkosin und NMethylvalin) enthalten. Actinomycine wirken antibakteriell und cytostatisch; sie hemmen durch Einschub (Intercalation) in die DNA die (DNA-abhängige) RNA-Synthese. Sar MeVal Actinomycin D Sar = Sarkosin (N-Methylglycin) MeVal = N-Methylvalin
O
Pro
Pro D-Val
D-Val Thr HN
MeVal
Thr
C
O
O
C
O
NH
NH2
N O H 3C
Sar
O CH 3
Beispiele für lineare Polypeptidantibiotika sind Gramicidin A (aus Bacillus brevis) und Alamethicin (aus Trichoderma viride). Gramicidin A
Formyl-L-Val(L-Ile) / Gly / L-Ala / D-Leu /"L-Ala /"D-Val / L-Val / D-Val / L-Trp / D-Leu / L-Trp(L-Phe, L-Tyr) / D-Leu / L-Trp / D-Leu / L-Trp / Glycinol Alamethicin
Acetyl-Aib / L-Pro / Aib / L-Ala(Aib) /"Aib(L-Ala) /"L-Ala(Aib) / L-Gln / Aib / L-Val(Aib) / Aib / Gly /"L-Leu"/"Aib"/" L-Pro / L-Val / Aib(Val) / Aib(Val) / L-Glu(Gln) / L-Gln / Phenylalaninol ( Aib = c- Aminoisobuttersäure = 2-Methylalanin; eingeklammerte Aminosäuren kommen in natürlichen Analoga vor )
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37.7
Ausgewählte Peptidwirkstoffe
817
Beide Peptidantibiotika besitzen unterschiedliche helikale Konformationen und amphiphile Eigenschaften. Sie sind besonders wegen ihrer membranmodifizierenden Eigenschaften von Interesse, da sie in Lipid-Doppelschicht-Membranen spannungsabhängige, ionenleitende Strukturen in Form von K+-selektiven Kanälen (Gramicidin A) bzw. Poren variabler Größe (Alamethicin) ausbilden. Im Gegensatz dazu kann Valinomycin, ein cyclisches Peptidantibiotikum, hochselektiv KaliumKationen komplexieren und als Trägermolekül (Carrier) durch Lipidmembranen transportieren. Valinomycin ist ein aus L- und D-Valin, L-Milchsäure und D-c-Hydroxyvaleriansäure bestehendes Depsipeptid. Depsipeptide enthalten sowohl Peptid- als auch Esterbindungen und sind deshalb weniger hydrolysestabil als Peptide. Die Sauerstoff-Liganden des Valinomycins komplexieren Kalium-Ionen 50.000 mal stärker als Natrium-Ionen (Abb. 37.19). Valin
Milchsäure
CH3
CH3 H3C CH
Valin
CH3
H3C CH
c-Hydroxyisovaleriansäure
CH 3 H 3C CH
CH 3 H 3C CH
CH 3
HN CH CO O CH CO NH CH CO O CH CO NH CH CO Valinomycin
D
L
L
D
L
L
OC CH O OC CH HN OC CH O H3C CH CH3
H 3C CH CH 3
CH3
D D
OC CH HN H 3C CH CH 3
O
D
H 3C CH CH3
CO
L
D
OC CH
CH L
O
OC
CH
NH
H 3C CH CH 3
Abb. 37.19. Konformation des Kalium-Valinomycin-Komplexes (nach V.T. IVANOV, et al. (1969) Biochem. Biophys. Res. Commun. 34, 810).
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818
37 Peptide und Proteine
Gramicidin S aus Bacillus brevis ist ein Cyclodecapeptid-Antibiotikum, das keinerlei strukturelle Verwandtschaft mit Gramicidin A besitzt. Es setzt sich aus zwei identischen Pentapeptiden zusammen; vier intramolekulare Wasserstoffbrücken stabilisieren seine Konformation. Bei der enzymatischen Biosynthese des Gramicidin S erfolgt eine Cyclisierung aus den zwei identischen, antiparallel angeordneten Pentapeptiden, die bereits durch Wasserstoffbrücken konformativ fixiert sind. H
R
O
H
R
O
N H2 N CH
N
N
N O
H
R
CH O
H
R
CO 2H
frei beweglich
L-Val
biosynthetische Cyclisierung
R
L-Orn
L-Leu D-Phe
L-Pro
frei beweglich
R HO 2C CH
H
O
R
N
H
R
N
CH
O
N N
H
O
R
H
L- Pro
D-Phe L-Leu
NH 2
L-Val
Gramicidin-S
O
R
L-Orn
Das tricyclische Glycoheptapeptid Vancomycin aus dem Strahlenpilz Amycolatopsis orientalis mit fünf aromatischen Aminosäuren (A-E), L-Asparagin und N-Methyl-D-leucin sowie einem als Phenol-Glycosid verknüpften Disaccharid aus D-Glucose und Vancosamin wird als Notfall-Antibiotikum gegen Staphylokokken und weitere Gram-positive Bakterien eingesetzt, wenn andere Antibiotika wegen Resistenzentwicklung versagen. Vancomycin bindet reversibel an die Sequenz -Lys-D-Ala-D-Ala- des Peptidoglycans der Zellwand und stoppt infolgedessen das Wachstum der Bakterien. O
Zucker
O D
H
H CO2
N
B
37.7.3
OH OH
O O
O
H N
N O
A HO
O
N
N
HO HO HO
E
Cl H
O O
D-Glucose
O
C
HO
Zucker =
Cl
H O
N O
CH3 N H H
H
Vancosamin
H3C
HO
CH3 O NH2
NH2
Vancomycin
Peptidtoxine
Manche Schlangen, Unken, Skorpione und Insekten, ferner Pilze und Pflanzen produzieren Giftstoffe mit Peptid-Struktur und letaler Wirkung im Bereich von wenigen mg / kg Körpergewicht. Bis auf das Knollenblätterpilzgift sind sie oral unwirksam, da sie rasch hydrolysiert werden. Die aus Schlangengift isolierbaren Toxine sind Proteine mit neurotoxischer (Lähmung, Krämpfe, Blockierung des Atemzentrums) und cardiotoxischer Wirksamkeit (Kreislauf). Die komplexen Protein-Gemische entfalten zusätzlich hämolytische und enzymatische Aktivität. Auffallend ist ein hoher Vernetzungsgrad der Proteinketten über Disulfidbrücken. Aus dem grünen Knollenblätterpilz wurden von TH. WIELAND strukturell nahe verwandte bicyclische Peptidtoxine isoliert: Phallotoxine und Amatoxine. Die Giftwirkungen, z. B. der Toxinkomponenten Phalloidin und c-Amanitin, beginnen mit der Zerstörung des endoplasmatischen Reticulums der Leber (LD50 : 0.5 - 2 mg / kg Maus). Besonders interessant ist der ebenfalls im
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37.8
Proteine
819
grünen Knollenblätterpilz gefundene Peptidwirkstoff Antamanid. Dieses cyclische Decapeptid kann bei gleichzeitiger (!) Verabreichung die letale Wirkung von Phalloidin und c-Amanitin aufheben. Antamanid komplexiert auch Natrium-Ionen. CH 2OH CH 3 HC
CO
NH
CO
NH
CH 2
NH
HO
CH
CO
S
CH
CH2
N H
CH 2OH
HO CH
CH 2 C CH 3
H3C CH
CH
OH
HC
CO
NH
NH
CO
CH CH 3 HO
N OC CH HN OC CH HN OC
CO
NH
CH
CO
NH
H2C
NH CH 3 CH CH C 2H5
NH O S
CH N
CO
CH 2
NH
HO CH OC CH HN OC CH HN
CH 3
CH 2
OH CO
OC CH2
CH 2 Phalloidin
CONH 2
c-Amanitin
L-Pro /" L-Phe / L-Phe / L-Val / L-Pro L-Pro /" L-Phe / L-Phe / L-Ala / L-Pro Antamanid
Aus dem Bienengift sind neben Enzymen wie Hyaluronidase und Phospholipase B mehrere toxische Peptide isolierbar, darunter Melittin, ein helikales, amphiphiles und hämolytisch wirkendes Hexacosapeptid, Apamin, ein neurotoxisch wirkendes Octadecapeptid mit zwei Disulfid-Brücken sowie das Mastzellen degranulierende Peptid (MCD-Peptid). Melittin H / Gly / Ile / Gly / Ala / Val / Leu / Ly s / Val / Leu / Thr / Thr / Gly / Leu / Pro / Ala / Leu / Ile / Ser / Trp / Ile / Ly s / Arg / Ly s / Arg / Gln / Gln / NH 2 Apamin
S
S
H / Cy s / Asn / Cy s / Ly s / Ala / Pro / Glu / Thr / Ala / Leu / Cy s / Ala / Arg / Arg / Cy s / Gln / Gln / His / NH2 S MCD-Peptid
S
S
S
H / Ile / Ly s / Cy s / Asn / Cy s / Ly s / Arg / His / Val / Ile / Ly s / Pro / His / Ile / Cy s / Arg / Ly s / Ile / Cy s / Gly / Ly s / Asn / NH2 S S
37.8 Proteine 37.8.1
Klassifizierung von Proteinen
Die herkömmliche Klassifizierung der Proteine anhand ihrer Löslichkeit und aufgrund ihrer zusätzlichen Strukturkomponenten hat sich bewährt, da sich die meisten Proteine damit einordnen und grob charakterisieren lassen (Tab. 37.7). Diese Klassifizierung sagt allerdings wenig über die biologische Funktion aus. Eine weiterführende Klassifizierung müßte Strukturmerkmale wie Mo-
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820
37 Peptide und Proteine
lekülmasse, Aminosäuren-Zusammensetzung, Sekundärstruktur unter Einbeziehung der Funktion berücksichtigen (Gerüstproteine, Membranproteine, Enzyme, Antikörper, Hormone, Rezeptoren). Enzyme werden nach den sechs Reaktionstypen, die sie katalysieren, klassifiziert (Tab. 37.8). Die Funktion eines Enzyms läßt sich aus seinem systematischen dreiteiligen Namen ablesen. Dieser enthält im ersten Teil die Substratbezeichnung, im zweiten Teil das Cosubstrat oder die neue Verbindung und im dritten Teil die katalysierte Reaktion. So ist z. B. Lysozym eine N-Acetylmuramid : Glucano-Hydrolase (Abschn. 37.8.2), und eine Exopeptidase wäre eine Peptid : AminosäureHydrolase. Tab. 37.7. Einteilung der Proteine Nichtkonjugierte Proteine : enthalten nur Aminosäuren werden klassifiziert nach Löslichkeit
Konjugierte Proteine (Konjugate) : enthalten außer der Peptidkette z. B. Lipid, Kohlenhydrat , Heterocyclus
Albumine : wasserlöslich Globuline : löslich in verd. Salzlösung Prolamine : unlöslich in Wasser, löslich in 50 % Ethanol Gluteline : nur in Säuren und Basen löslich Scleroproteine : unlöslich Protamine : reagieren basisch (enthalten viel Arg) Histone : reagieren basisch
Nucleoproteine : Komplexe aus Nucleinsäuren und Protamine oder Histonen Lipoproteine : enthalten kovalent gebundene Lipide Glycoproteine : enthalten Kohlenhydrate Chromoproteine : enthalten Chromophore Metalloproteine : enthalten komplexierte Übergangsmetall-Kationen
Tab. 37.8. Enzyme und durch diese katalysierte Reaktionen Enzym
Katalysierte Reaktion
Oxidoreduktasen (Oxidasen, Reduktasen, Dehydrogenasen) Transferasen
Redox-Reaktionen mit Coenzymen
Hydrolasen Lyasen Isomerasen Ligasen (Synthetasen)
37.8.2
Gruppenübertragung von Donor auf Akzeptor, z. B. Transaminierung (Transaminasen), Transphosphorylierung (Kinasen) Hydrolyse von Estern ( Esterasen), Peptiden (Peptidasen), Proteinen (Proteasen), Glycosiden (Glycosidasen) Addition an Doppelbindungen und Eliminierungen (Decarboxylasen, Dehydratasen) Intramolekulare Umlagerungen (Racemasen, Epimerasen) Bildung von CO- , CN- , CC-Bindungen durch Kondensation unter Mitwirkung des Energielieferanten ATP
Struktur der Proteine Myoglobin und Lysozym
Die RÖNTGEN-Strukturanalysen der Proteine Myoglobin, Hämoglobin, Cytochrom C sowie der Enzyme Lysozym, Ribonuclease A und S, c-Chymotrypsin, Papain und Carboxypeptidase A lieferten Aussagen zur Erklärung der Funktion dieser Proteine bzw. der katalytischen Wirkung der Enzyme. Pottwal-Myoglobin mit 153 Aminosäuren war das erste Protein, dessen Struktur bestimmt wurde (KENDREW und PERUTZ, 1959). Es hat die Funktion eines Sauerstoff-Speicherproteins im Muskel und benützt dazu eine Häm-Gruppe. "Häm" ist eine prosthetische Gruppe (nichtpeptidische Strukturkomponente), die Sauerstoff unter Mitwirkung des Peptidteils reversibel binden kann (Abb. 37.20). Myoglobin hat die kastenförmigen Dimensionen 4.4 x 4.4 x 2.5 nm; seine Sekundärstruktur liegt zu über 70 % in Form von acht c-Helices vor (A bis H in Abb. 37.20). Strukturmerkmale des Myoglobins charakterisieren auch andere globuläre Proteine:
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37.8
̈ ̈ ̈" ̈"
Proteine
821
Polare Seitenketten der Aminosäuren befinden sich auf der Oberfläche. Nichtpolare Seitenketten sind im Innern des Proteins und nicht dem Wasser ausgesetzt. Es ist ein sehr kompaktes Molekül mit sehr wenig Wassermolekülen im Innern. Prolin-Reste und andere nicht helikogene (helixbildende) Aminosäuren kommen überwiegend an Knickstellen (d-Turns oder d-Bends) vor, welche die c-Helices und d-Faltblätter unterbrechen.
Die Faltung der Peptidketten im Raum (Myoglobin, Abb. 37.20) führt zur Tertiärstruktur des Proteins. Manche Proteine wie Hämoglobin, der Sauerstoff-Träger in den roten Blutkörperchen, bestehen zudem aus Untereinheiten. Diese Aggregate aus Oligomeren / beim Hämoglobin ist es ein Tetramer / bezeichnet man als Quartärstruktur eines Proteins (Abb. 37.21).
Abb. 37.20. Die Faltung der Peptidkette des Myoglobins, nach DICKERSON und GEIS
Sowohl beim Myoglobin als auch beim Hämoglobin haben die Peptidketten die Funktion, optimale Voraussetzungen für die sauerstoffbindende Funktion der Proteine zu schaffen. Die hydrophobe
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37 Peptide und Proteine
Tasche, in der die Häm-Gruppe sitzt, erlaubt reversible Oxygenierungen des Häms, ohne daß dieses wie in wäßriger Umgebung sofort zum Hämin oxidiert. Zwei hydrophile Histidin-Liganden koordinieren hierzu das Eisen(II) der Häm-Gruppe.
Abb. 37.21. Illustration der Begriffe Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärstruktur des Proteins Hämoglobin, nach DICKERSON und GEIS
Wechselwirkungen, welche die Konformation und Tertiärstruktur von Proteinen prägen, sind bereits in der Primärstruktur (und damit im genetischen Code auf DNA-Ebene, Genom) festgeschrieben und führen zu einer funktionsgerechten Anordnung der Ketten. Wasserstoffbrückenbindungen stabilisieren die Konformation (vgl. c- und d-Konformation, Abb. 37.5 und 37.8). Wasserstoffbrücken bilden sich aber auch zwischen polaren Seitengruppen aus.
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37.8
Proteine
823
Sie sind besonders stabil, wenn sie sich in nicht-wäßriger Umgebung im Innern des Proteins befinden. VAN DER WAALS-Kräfte zwischen nicht kovalent miteinander verbundenen Atomen verursachen im Innern von Proteinen starke Wechselwirkungen zwischen apolaren Seitengruppen im Abstand von etwa 0.3 nm. Elektrostatische Wechselwirkungen zwischen geladenen Gruppen besitzen große Reichweiten. Die ionischen Carboxylat-, Ammonium- und Guanidinium-Gruppen liegen selten im hydrophoben Innern eines Proteins, sondern in dessen hydrophiler Hülle. Die Disulfid-Brücken des Cystins werden oft als kovalente Verknüpfung der Proteinketten gefunden. Diese zusätzliche Stabilisierung des Proteingerüsts wird aber offensichtlich nicht bei Myoglobin, sondern nur bei den extrazellulären Plasmaproteinen oder Enzymen des Magen- und Darmtraktes benötigt. Ihr Einfluß auf die Konformation ist gering. Von großer Bedeutung für die Ausbildung von Proteinkonformationen ist die Wechselwirkung des Proteins mit dem umgebenden Wasser. Auch Proteinkristalle enthalten oft bis zu 30 % Wasser. Somit muß eine relativ starke Hydrathülle um die hydrophilen Gruppen vorhanden sein, die ihrerseits wieder hydrophobe Gruppen zusammendrängt. Als treibende Kraft dieser Wasser/Protein-Wechselwirkungen wird die Zunahme der freien Energie angesehen, die beim Übertritt einer apolaren Seitenkette aus dem Wasser in das Proteininnere auftritt ("hydrophober Kollaps"). Dabei werden ca. 20 kJ/mol überwiegend als Entropiezunahme frei. Insgesamt wird bei einer globulären Auffaltung von Peptidketten deren Oberfläche erheblich kleiner. Damit vermindert sich der Ordnungsgrad des Solvens; vorher geordnete (Nahordnung durch fixierte Cluster) und solvatisierende Wassermoleküle werden von der Peptidkette abgedrängt. Vergleicht man Myoglobin mit Enzymen, so fällt deren geringerer c-Helix- (< 30 %) und größerer d-Konformationsanteil auf. Ferner besitzen Enzyme eine Furche oder Vertiefung, in welche Substratmoleküle wie maßgeschneidert hineinpassen. Die Funktion der Enzyme beruht somit auf der Überführung des Substrats in eine relativ unpolare Umgebung, in der sehr spezifische Reaktionen über wenige funktionelle Gruppen ermöglicht werden. Dabei bildet sich intermediär ein EnzymSubstrat-Komplex. Enzym-Substrat-Komplex
Enzym + Substrat
Enzym + Produkt
Die räumliche Anordnung des Substrats in der Furche des Enzyms ("aktive Seite") konnte in vielen Fällen aufgeklärt werden. Substratanaloge Verbindungen (Inhibitoren), die sich mit relativ hoher Bindungskonstante an die aktive Seite anlagern, erlaubten die Darstellung kristalliner Inhibitor-Enzymkomplexe, deren RÖNTGEN-Strukturen untersucht wurden. Abb. 37.22 zeigt als Beispiel die Wirkungsweise des Polysaccharide spaltenden Enzyms Lysozym anhand des Enzym-Substrat-Komplexes. Man erkennt deutlich die Furche zur Aufnahme des Substrates, ein Hexasaccharid aus den Bausteinen NAG (= N-Acetylglucosamin, Ringe A, C, E) und NAM (= N-Acetylmuraminsäure, Ringe B, D, F, Abb. 37.22). CH2 OH OH
O
OH HO HO
HO
CH 2OH O NH
NH
COCH3
N-Acetylglucosamin (NAG) (2-N-Acetylamino-2-deoxy- d-glucopyranose)
O2 C OH COCH 3
CH3 CH2 OH OH CH O O HO NH
COCH3
CH2 OH O
HO H3 C
CH
O
CO2
NH
OH COCH3
N-Acetylmuraminsäure (NAM) (3-O-D-Lactatether des NAG)
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824
37 Peptide und Proteine
Abb. 37.22. Bindung des Hexasaccharids im Enzym-Substrat-Komplex (Blick von oben auf das in der Einkerbung liegende Substrat), nach außen zeigende Zucker-Ringkanten sind fett, der Enzymspalte zugewandte dünner gezeichnet, nach DICKERSON und GEIS
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37.8
Proteine
825
Für die Bindung des Hexasaccharids und die katalytische Wirkung wesentlich sind die bezeichneten Seitenketten von Asp- und Trp-Resten. Die Art der Wechselwirkungen bei der Substratbindung beruht hier vorwiegend auf Wasserstoffbrücken (Abb. 37.22). Das Substrat wird "in die Zange genommen" und von dem kompakten Enzym zerlegt. Sowohl bei der Bindung des Substrats, der Reaktion und der Produktablösung treten partielle Konformationsänderungen der Peptidketten auf (Allosterie, "induced fit"). Pro Enzymmolekül und pro Minute können bis zu 106 Substratmoleküle umgesetzt werden (Beispiel: Katalase). Normalerweise liegt diese Wechselzahl (turnover number) jedoch bei 103 bis 104. Die enzymkatalysierte Polysaccharid-Hydrolyse zwischen Ring D und E (Abb. 37.23) wird durch die Protonierung des Brückensauerstoff-Atoms durch das Proton und Glu35-i-COOH induziert (a). Die protonierte und damit geschwächte CO-Bindung öffnet sich unter Bildung des Kations an Ring D (Halbsessel-Konformer), das durch die benachbarte Asp52-Carboxylat-Gruppe stabilisiert wird (b). Eine besondere Fixierung des Substrats erniedrigt die Aktivierungsenergie für diesen Schritt. Das Proton von Glu35-i-COOH wird durch ein Wasserproton ersetzt, und das HydroxidAnion greift das Kation an (c). Das u. a. auch im Nasenschleim vorkommende Lysozym kann durch diese Katalyse die Auflösung (Lyse) der Mucopolysaccharid-Strukturen in der Zellwand von Bakterien bewirken. 52Asp
52Asp
O C
HO O
52Asp
O C
O
HO O
O C
O
D
D H
O
D O
O
O
O
H
H
H
HO O
H O
E
O H
OH
35Glu
O
H
OH H O
O
E
OH
35Glu
O
O
E
O
O
a
b
35Glu
OH O
c
Abb. 37.23. Reaktionsfolge bei der Spaltung der Polysaccharid-Bindung durch Lysozym
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38 Alkaloide
38 Alkaloide 38.1 Herkunft und Gewinnung der Alkaloide Als Alkaloide werden knapp 10000 stickstoffhaltige Verbindungen pflanzlicher, seltener tierischer Herkunft bezeichnet, die häufig alkalisch reagieren, bereits in kleinen Dosen pharmakologisch vielseitig wirksam sind und u. a. als Rausch-, Betäubungs- und Genußmittel Anwendung finden. Der Begriff "Alkaloide" steht für alkaliähnlich (von arabisch kalaja = brennen und griechisch gkfqu""= aussehen). Dennoch reagieren keineswegs alle Alkaloide alkalisch, und nicht alle stickstoffhaltigen, teilweise basischen Naturstoffe, z. B. Nucleotide, Purine, Pyrimidine, Aminosäuren, Peptide, Aminozucker sowie Antibiotika, gehören zu dieser Naturstoffklasse. Spezielle Peptide (Peptidalkaloide), einige Polyamine und mehrere Phenylethylamin-Derivate werden aufgrund ihrer berauschenden bis betäubenden Wirkung den Alkaloiden zugeordnet. Jedoch enthalten nicht alle Rausch- und Betäubungsmittel Stickstoff; Ethanol (Abschn. 15.4.2) und die Tetrahydrocannabinole (Abschn. 42.2.3) sind Beispiele. Die meisten Alkaloide enthalten einen Heterocyclus als Grundskelett. Man spricht von heterocyclischen Alkaloiden und unterteilt sie nach ihren Stammheterocyclen. Eine kleinere Gruppe bilden acyclische Amine, zu denen z. B. die Phenylethylamine gehören. Weitere durch ihr KohlenstoffGerüst ausgewiesene Klassen sind die Polyamin-, Peptid-, Diterpen- und Steroid-Alkaloide. Basische Alkaloide kommen in den Pflanzen selten als Glycoside, meist als Salze vor. Beteiligte Säuren sind häufig Essig-, Oxal-, Milch-, Äpfel-, Wein-, Citronen-, Aconit- und Chinasäure: CO2H HO C H CH2 CO2H
CO2H CH2 HO C CO2H CH 2 CO2H
L-(/)-Äpfelsäure
Citronensäure
H HO2C
C C
CO2H CH2 CO2H
Aconitsäure
HO HO
CO2H OH
OH
Chinasäure
Manche Alkaloidklassen sind als Inhaltsstoffe für bestimmte Pflanzenfamilien so typisch, daß sie als Bestimmungskriterium in der systematischen Botanik geeignet sind (Chemotaxonomie der Pflanzen). Zur Isolierung der Alkaloide werden die getrockneten Pflanzenteile (Blätter, Stiele, Rinde, Wurzeln, Samen) meist mit Methanol extrahiert. Der Methanol-Extrakt wird konzentriert. Das Konzentrat versetzt man mit einem Überschuß an wäßriger Säure. Aus der wäßrig sauren Lösung werden nicht basische organische Verbindungen durch Ether-Extraktion entfernt. Die verbleibende wäßrige Phase wird bis zur deutlich alkalischen Reaktion mit Natronlauge versetzt. Manchmal kristallisieren dabei die Alkaloide aus. Meistens muß man jedoch mit Chloroform oder Methylenchlorid extrahieren und den so erhaltenen Extrakt eindampfen. Die Auftrennung und Reinigung des Eindampf-Rückstandes erfolgt durch Gas-, Dünnschicht-, Säulen- sowie HochdruckFlüssigkeits-Chromatographie (HPLC). Die direkte Detektion von Alkaloiden in Pflanzenextrakten gelingt durch Kombination von HPLC und Massenspektrometrie.
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38.2
Übersicht heterocyclischer Alkaloide
827
38.2 Übersicht heterocyclischer Alkaloide 38.2.1
Pyrrolidin-, Piperidin- und Pyridin-Alkaloide
Einfache Derivate des Pyrrolidins kommen in Form des 3-Methoxyzimtsäureamids im schwarzen Pfeffer (Piper nigrum), sowie als Hygrin in den Blättern des Cocastrauches (Erythroxylon coca) vor. Inhaltsstoff des früher als Mesembryanthemum bezeichneten Eiskrautgewächses Sceletium tortuosum, das im Südwesten Afrikas zur Zubereitung der halluzinogenen Droge Channa verwendet wird, ist das bicyclische Pyrrolidin-Alkaloid Mesembrin. OCH 3 OCH 3
O N
OCH3
O
CH3
N CH3
H
N H3C H
H 3-Methoxyzimtsäurepyrrolid
O
(/)-Mesembrin
(+)-Hygrin
(-)-Coniin [(S)-(+)-2-Propylpiperidin] als einfachstes Piperidin-Alkaloid ist der infolge zentraler Atemlähmung zum Tod führende Inhaltsstoff des Schierlings (Conium maculatum). (/)-Lobelin, ein Derivat des P-Methylpiperidins, wird aus Lobelia inflata isoliert und zur Atemanregung sowie Tabakentwöhnung verwendet. Piperin, das Hauptalkaloid und zugleich der scharfe Geschmackstoff des schwarzen Pfeffers (Piper nigrum), ist das Piperidid der Piperinsäure. OH
O N
N
N
H
CH 3
(-)-Coniin
O
O
(/)-Lobelin
Piperin
O
Nicotin und Anabasin sind die bekanntesten Pyridin-Alkaloide. Beide kommen in den Blättern und Wurzeln des Tabaks (Nicotiana tabacum) vor. Das linksdrehende (/)-Nicotin regt das Nervensystem an und steigert den Blutdruck; die für den Menschen tödliche Dosis liegt bei 100 mg. In grossem Maßstab wird es aus Tabakabfällen isoliert und wie Anabasin zur Schädlingsbekämpfung verwendet. Das dem Nicotin und Anabasin ähnliche Epibatidin aus dem in Ecuador lebenden Giftfrosch Epipedobates tricolor wirkt viel stärker schmerzbetäubend als Morphin (Abschn. 38.2.5). Der als Arecolin bezeichnete N-Methyltetrahydronicotinsäuremethylester ist Inhaltsstoff der Betelnuß Areca catechu. Ricinusöl aus Ricinus communis enthält N-Methylpyridone wie Ricinin. CO2CH 3
NH N CH3
N (/)-Nicotin
38.2.2
N N
H
(/)-Anabasin
H Cl
N (/)-Epibatidin
OCH 3 CN
N
N
CH 3
CH3
Arecolin
Ricinin
O
Tropan-Alkaloide
Tropan-Alkaloide sind Derivate des 8-Methyl-8-azabicyclo[3.2.1]octans (Tropan) und kommen als Inhaltsstoffe einiger Erythroxylum-Arten und Solanaceen vor. Man unterteilt sie in die Atropin-
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828
38 Alkaloide
und Cocain-Gruppe. Die Bausteine der Atropin-Derivate sind Tropin (Tropan-3c-ol) und Tropasäure. H 3C N
H 3C N
H 3C N
HO2C CH
H3CN H
OH
OH Tropan-3c-ol
Tropan
CH 2OH
H Tropan-3d -ol
(R,S)-Tropasäure
Atropin, das Alkaloid der Tollkirsche (Atropa belladonna), ist der Ester aus Tropin und racemischer Tropasäure. In (/)-Hyoscyamin aus Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) ist dagegen das (S)-(/)Enantiomer der Tropasäure mit Tropin verestert. Im Scopolamin (aus Scopolia-Arten) erweitert ein in 6,7-Stellung angeknüpfter Oxiran-Ring das Tropin-System des Atropins zum Heterocyclus. Atropin wurde in der Augenheilkunde zur Pupillenerweiterung, Scopolamin als Beruhigungsmittel und Narkotikum verwendet. H 3C N
H 3C N H O
CH 2OH
Atropin
Scopolamin
O
H O
CH2OH
O
O
Ein Derivat des Tropan-3d-ols ist das als (/)-Cocain wohlbekannte (2R,3S)-2d-Methoxycarbonyl3d-benzoyloxytropan. Als Hauptkomponente des Alkaloid-Gemisches der Blätter des Cocastrauches Erythroxylon coca kommt es als Hydrochlorid in den Drogenhandel. (/)-Cocain wirkt als Lokalanästhetikum und Rauschmittel mit hohem Suchtpotential. Seine Hydrolyse liefert Ecgonin (3d-Hydroxytropan-2d-carbonsäure), Methanol und Benzoesäure: CO2CH 3
H3C N
CO2H
H3C N
/
+ 2 H2O (OH )
OH
O H
O
(/)-Cocain
38.2.3
+
CH3OH
+
HO2C
H (/)-Ecgonin
Pyrrolizidin-, Indolizidin- und Chinolizidin-Alkaloide
Als teilweise krebserregende Naturstoffe verdienen die Pyrrolizidin-Alkaloide besondere Beachtung. Sie kommen in Asteraceen, Leguminosen, Boraginaceen und Orchideen vor. Substituierte Pyrrolizidine wie (/)-Tussilagin aus dem Huflattich Tussilago farfara treten selten auf. Viel häufiger sind Ester verschiedener 2-Hydroxymethylpyrrolizidine. Eines dieser Esteralkaloide ist Phalaenopsin aus der Orchidee Phalaenopsis amabilis, der Ester aus (/)-Trachelanthamidin und (R)2-Hydroxy-2-benzylbutandisäure. HO
H N Pyrrolizidin
N
CO2CH 3 OH CH3
(/)-Tussilagin
H
OH
N (/)-Trachelanthamidin
O
HO2C CO2H (R)-2-Hydroxy-2benzylbutandisäure
H
HO
O CO2CH3
N Phalaenopsin
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38.2
Übersicht heterocyclischer Alkaloide
829
Einige Indolizidin-Alkaloide wurden bekannt, weil sie das Tumorwachstum hemmen. Beispiele sind Slaframin und Swainsonin, Metaboliten des phytopathogenen Pilzes Rhizoctonia leguminicola, sowie das zu den Hauptalkaloiden des Baumes Tylophora crebriflora gehörende Tylocebrin. OCH3
O H
HO
O C
OH
H
CH3 N
H2N
Indolizidin
H3CO H OH
N
N
Slaframin
(/)-Swainsonin
N
H3CO H3CO
(/)-Tylocebrin
Chinolizidin-Alkaloide sind toxische Inhaltsstoffe zahlreicher Leguminosen. Hierzu gehört (/)Lupinin aus der Lupine und das ähnlich wie Nicotin wirkende Cytisin aus dem früher als Cytisus laburnum bezeichneten Goldregen Laburnum anagyroides. OH
NH N
N
N
N
H
H
H
OH (/)-Lupinin
Chinolizidin
38.2.4
H
O
(/)-Cytisin
Indol-Alkaloide
Es gibt mehr als 3000 Indol-Alkaloide. Sie leiten sich vom Indol und dessen teilhydrierten, hydroxylierten, benzo- und pyridokondensierten Derivaten ab. Zu den wichtigsten Indol-Alkaloiden gehören Tryptamine, d-Carboline und deren Tetrahydro-Derivate sowie die Ergoline. Tryptamine Von der Aminosäure Tryptophan über deren Decarboxylierungsprodukt Tryptamin stammen die als Tryptamine bezeichneten Indol-Alkaloide ab. Die 4-Hydroxytryptamin-Derivate Psilocin und dessen Phosphorsäureester Psilocybin sind die halluzinogenen Inhaltsstoffe des mexikanischen Zauberpilzes Psilocybe mexicana. Das als Serotonin bezeichnete 5-Hydroxytryptamin kommt im Blut sowie in Geweben des Menschen und der Säugetiere vor. Serotonin wirkt gefäßverengend. Seine N-Methyl-Derivate wirken halluzinogen, z. B. das als Bufotenin bekannte Hautabwehrsekret der Aga-Kröte Bufo marinus. NH3
NH2
O2C
N(CH3)2 OH
N H L-Tryptophan
N
HO N
H Tryptamin
O
H Psilocin
O P
NH(CH3)2
NH 2
N(CH3)2
O HO N H
Psilocybin
HO N
N
H
H
Serotonin
Bufotenin
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830
38 Alkaloide
Carbazole Carbazol-Alkaloide mit intakten Benzen-Ringen gehören zu den Raritäten der Pflanzeninhaltsstoffe. Beispiele sind die tumorhemmend wirkenden Pyridocarbazole Olivacin aus der Rinde von Aspidosperma olivaceum und sein Konstitutionsisomer Ellipticin aus Ochrosia elliptica in der gleichen Pflanzenfamilie (Apocynaceae). H 3C
H 3C
N
N
Olivacin
N H
Ellipticin
N H
CH 3
CH3
-Carboline Pyrido[3,4-b]indol (d-Carbolin) ist das Stammgerüst der d-Carbolin-Alkaloide. 1-Methyl-d-carbolin (Harman) findet sich in mehreren Pflanzenfamilien, z. B. in der Passionsblume. Das halluzinogen wirkende 1-Methyl-7-methoxy-d-carbolin (Harmin) und seine Dihydro-Derivate Harmalol und Harmalin sind Inhaltsstoffe der Steppenraute Peganum harmala. N
N N
N
N
H3CO N
CH3
H
H
d-Carbolin
Harman
N
RO N
CH 3
H
CH 3
H
Harmin
R = H : Harmalol R = CH3 : Harmalin
Polycyclische Monoterpen-Indol-Alkaloide Viele polycyclische Indol-Alkaloide setzen sich, auch biogenetisch, aus Tryptamin und einer Monoterpen-Einheit (C10, Abschn. 42.2.1) zusammen. Das gilt z. B. für die Alkaloide des Brechnußbaumes Strychnos nux vomica und anderer Strychnos-Arten wie das bitter schmeckende, in geringer Dosis euphorisierende, in höherer Dosis Muskelstarre erregende (/)-Strychnin. Sein schwächer wirkendes Dimethoxy-Derivat (/)-Brucin dient zur Trennung racemischer Säuren über diastereomere Salze (Abschn. 17.7.2). H R R = H : (/) - Strychnin R = OCH3 : (/) - Brucin
N H
R N
Monoterpen-Teilstrukturen fett
O
H N
NH H Tetrahydrod -carbolin
N N
N
N H3CO2C
H OH
(+)-Vincamin
CH 3
H
(+)-Yohimbin
H
O H 3CO
H3CO H
OH
OCH 3
H3CO N H N
H
H H3CO2C
H
H
H
H H 3CO2C
O
O
OCH3
(/)-Reserpin
Zu den polycyclischen monoterpenoiden Tryptaminen zählen auch Tetrahydro-d-carboline wie (+)-Vincamin, das Hauptalkaloid des Immergrüns Vinca minor; es wirkt blutdrucksenkend, regt
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38.2
Übersicht heterocyclischer Alkaloide
831
die cerebrale Durchblutung an und findet entsprechende Anwendung. (+)-Yohimbin, ein Alkaloid des Yohimehe-Baumes Coryanthe yohimbe, wird gegen Impotenz sowie als Aphrodisiakum in der Veterinärmedizin eingesetzt. (/)-Reserpin, eines der Alkaloide des Strauches Rauwolfia serpentina, wirkt blutdrucksenkend und beruhigend, allerdings auch depressiv verstimmend, potenzstörend und krebserregend. Ergoline Das als Mutterkorn bezeichnete Dauermycel des auf Getreide (Roggen) und Gräsern schmarotzenden Schlauchpilzes Claviceps purpurea enthält etwa 30 Alkaloide mit dem tetracyclischen Ergolin-Grundskelett, das auch biogenetisch vom Tryptamin und einer Isopren-Einheit abstammt. (/)-Ergotamin und (/)-Ergobasin sind die Hauptalkaloide des Mutterkorns, die in Form der Tartrate wegen ihrer wehenfördernden Wirkung in der Geburtshilfe und als Gefäßverenger gegen Migräneanfälle Verwendung finden. Beide Wirkstoffe werden industriell aus Mutterkorn gewonnen. (/)-Ergotamin ist ein Lysergsäurecyclotripeptidamid aus Phenylalanin, Prolin und c-Hydroxyalanin. Ergobasin ist das Amid aus Lysergsäure und L-2-Amino-1-propanol (L-Alaninol). (+)-Lysergsäure bildet sich bei der Hydrolyse des (/)-Ergotamins. Das unter dem Kürzel LSD bekannte (+)-Lysergsäure-N,N-diethylamid entsteht ebenfalls bei der Hydrolyse des (/)-Ergotamins sowie durch Aminolyse der (+)-Lysergsäure mit Diethylamin. Es ist ein bereits in sehr geringer Dosis (0.05 mg LSD-Tartrat) intensiv wirkendes, die Sinne verschmelzendes Halluzinogen. Phe
O
N N
CH3
HO2C
H
N H Ergolin (Isopren-Teilstruktur fett)
38.2.5
N
CH 3 H
N H (+)-Lysergsäure
O
N
CH3 H
N H (+)-LysergsäureN,N-diethylamid (LSD)
CH2OH H H N H3C O
N HO N
O
Pro
N
CH 3 H
N H
(/)-Ergobasin (Ergometrin)
N H O H3C O
H
(/)-Ergotamin
N
CH 3 H
N H
Isochinolin-Alkaloide
Die meisten der etwa 2500 bekannten Isochinolin-Alkaloide leiten sich vom 1,2,3,4-Tetrahydroisochinolin ab, sind N-methyliert und enthalten Methoxy-Gruppen oder 1,3-Dioxolan-(Methylendioxy-)Ringe. Zu den wichtigsten Vertretern gehören die 1-Benzylisochinolin-, Phthalidisochinolin-, Berbin-, Aporphin- und Proaporphin- sowie die Morphin-Alkaloide. Rohstoff vieler Isochinolin-Alkaloide ist die Droge Opium, das an der Luft verharzte Milchsaftkonzentrat, welches durch Anritzen unreifer Kapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnen wird. 1-Benzylisochinoline Vom 1-Benzylisochinolin leiten sich die meisten Isochinolin-Alkaloide ab. Das als Papaverin bekannte 3´,4´,6,7-Tetramethoxy-1-benzylisochinolin ist z. B. ein Inhaltsstoff des Opiums (Gehalt
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832
38 Alkaloide
bis zu 1 %); es wirkt gefäßerweiternd und als Muskelrelaxans. Weniger prominente OpiumAlkaloide sind die N-Methyl-1,2,3,4-tetrahydroisochinolin-Derivate (+)-Laudanosin und (+)-Reticulin, die als Zwischenstufen bei der Alkaloid-Biogenese im Schlafmohn auftreten. H3CO N
H 3CO N
H3CO
H 3CO N
H 3CO OCH3
CH 3
OCH 3
OCH3 Benzylisochinolin
N
HO
CH 3
OH
OCH 3
Papaverin
OCH 3
(S)-(+)-Laudanosin
(S)-(+)-Reticulin
In den Bisbenzylisochinolin-Alkaloiden sind zwei Benzylisochinolin-Reste über Ether-Brücken miteinander verknüpft. Bekanntestes Beispiel ist das (+)-Tubocurarinchlorid. Bezeichnet man die Tetrahydroisochinolin-Substruktur als "Kopf", den Benzyl-Rest als "Schwanz", so sind im Tubocurarinchlorid zwei Benzyltetrahydroisochinolin-Einheiten durch zwei Ether-Brücken KopfSchwanz- und Schwanz-Kopf verknüpft. Tubocurarinchlorid ist der Wirkstoff des sirupösen Pfeilgiftes Curare, den südamerikanische Indianerstämme aus der Liane Chondodendron tomentosum gewinnen. Das vom Pfeil getroffene Opfer wird durch Muskel- und Atemlähmung fluchtunfähig. Bei chirurgischen Eingriffen wird Tubocurarinchlorid intravenös als Muskelrelaxans gespritzt. H3CO
Kopf
O
N
CH 3
O H
(+)-Tubocurarinchlorid Schwanz
N(CH3)2 Cl
HO O
BisbenzylisochinolinAlkaloid (Bauprinzip)
Cl (H3C)2N
H HO O OCH3
Phthalidtetrahydroisochinoline In den Phthalidtetrahydroisochinolinen schließt sich ein Lacton-Ring zwischen Benzyl-Stellung und einer o-ständigen Carboxy-Funktion des Benzyltetrahydroisochinolins. Zwei Beispiele sind dHydrastin aus der Berberitze (Berberis vulgaris) und dem Hahnenfuß Hydrastis canadensis sowie das schmerzbetäubend und hustenstillend wirkende Opium-Alkaloid Narcotin (Noscapin). O N O O Phthalidtetrahydroisochinolin
O H
O O
N
H
CH3
O H 3CO
H
O H 3CO (/)-d-Hydrastin
OCH3
O
N
CH3
H
O H 3CO
OCH 3
(/)-Narcotin
Berbine Schließt eine Methylen-Gruppe vom N-Atom zur o-Position des Phenyl-Restes im 1-Benzyl1,2,3,4-tetrahydroisochinolin einen zusätzlichen Sechsring, so entsteht formal das Grundskelett Berbin der Berbin- oder Protoberberin-Alkaloide. Zu diesen gehören das (/)-Canadin aus kanadi-
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38.2
Übersicht heterocyclischer Alkaloide
833
schen Erdrauchgewächsen (Fumariaceae), das gelbe, antibakteriell, antipyretisch und gegen Malaria-Erreger wirkende Immonium-Hydroxid Berberin aus der Berberitze Berberis vulgaris sowie das ebenfalls gelbe Hauptalkaloid Coptisin des Schöllkrauts Chelidonium majus. O N
O N
O
O
H
OCH3 OCH3
(/)-Canadin
Berbin
O N OH
N OH
O OCH3
O O
OCH3
Berberin
Coptisin
Aporphine und Proaporphine Schließen beide benzoide Ringe des 1-Benzyl-1,2,3,4,-tetrahydroisochinolins durch eine Biphenyl-Bindung einen Sechsring, so entsteht formal das tetracyclische Grundskelett der AporphinAlkaloide. Wirkstoff der in Chile und Peru als "Boldo" gegen die Chagas-Infektion verwendeten Blätter von Peumus boldus ist das Aporphin-Alkaloid (+)-Boldin. (/)-Multifloramin aus einer Lilienart (Kreysigia) gehört zu den Homoaporphin-Alkaloiden mit zentralem Siebenring. HO NH
H3CO N
H 3CO
CH 3
NH
HO H3CO
N
CH 3
HO H 3CO
H3CO
OH Aporhin
(+)-Boldin
(/)-Multifloramin
Homoaporphin
In den Proaporphin-Alkaloiden ist der Phenyl-Ring des Benzyl-Restes entaromatisiert und spirocyclisch durch einen Fünfring mit beiden Ringen des Tetrahydroisochinolins verbunden. (+)-Pronuciferin, Inhaltsstoff einiger Wolfsmilch- und Mohnarten, verkörpert ein Proaporphin-Alkaloid. (+)-Bulbocodin aus Liliengewächsen gehört zu den Homoproaporphin-Alkaloiden mit homologisiertem Spirocyclus. H3CO NH
H3CO N
H3CO
CH3
NH
HO
N
CH3
O O Proaporphin
(+)-Pronuciferin
Homoproaporphin
(+)-Bulbocodin
Morphinane Eine 180°-Drehung des 1-Benzyldecahydroisochinolins um die C-1/C-8a-Bindung und Knüpfung einer zusätzlichen Bindung von C-4a nach C-2´ führt zum tetracyclischen Morphinan, dem Grundskelett des bekanntesten Alkaloids (/)-Morphin und seiner Derivate.
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834
38 Alkaloide
H '
' '
NH
'
H
NH
' '
'
H
'
N H
N H
H N
H (1R)-1-Benzyldecahydroisochinolin
Morphinan
Die Droge Opium aus Schlafmohn Papaver somniferum enthält bis zu 20 % (/)-Morphin als Hauptalkaloid. Der als (/)-Codein bekannte Monomethylphenylether des Morphins ist ein weiteres Opium-Alkaloid. Durch Acetylierung des (/)-Morphins entsteht das als (/)-Heroin bezeichnete, nicht genuine Diacetylmorphin. RO
OR
O
H
H
R = OCH 3 ; R' = H : (/) - Codein
O
N
H 3C
N
CH3
R'O
R = R' = H : (/) - Morphin
R = R' = COCH 3 : (/) - Heroin
OR'
ROBINSON-Formel
Stereoformel mit Ringbezifferung
(/)-Morphin war das erste, aus einer pflanzlichen Droge kristallisierte Alkaloid (SERTÜRNER 1806). Die von ROBINSON (1925) vorgeschlagene Strukturformel bringt die für die Wirkung wesentliche Molekülform nicht so deutlich zum Ausdruck wie die durch RÖNTGEN-Beugung bestätigte Stereoformel. (/)-Morphin und (/)-Codein sind die weltweit am häufigsten verschriebenen Wirkstoffe pflanzlicher Herkunft. Sie wirken schmerzbetäubend, verstopfend, euphorisierend, halluzinogen und hustenstillend wie (/)-Codein, bis atemlähmend bei höherer Dosierung wie (/)Morphin. Schnell und intensiv schmerzbetäubend bis berauschend wirkt das auf dem illegalen Rauschgiftmarkt begehrte (/)-Heroin mit seinem ausgeprägten Suchtpotential.
38.2.6
Chinolin-Alkaloide
Man kennt etwa 200 Alkaloide, die vom Chinolin und Furo[2,3-b]chinolin abstammen. Die pharmakologisch wichtigsten Chinolin-Alkaloide sind etwa 30 als China-Alkaloide bezeichnete Stereoisomere und Derivate des (/)-Chinins aus der Rinde des Cinchona-Baumes Cinchona officinals (Chinarinde).
HO CO2H H3CO
CrO3
+ N Chininsäure
H
H
RS
N
HO H N
S
R
N H
H3CO
R
R
O
H
N HO2C
H
Merochinen
N R = OCH3 : (/) - Chinin R = H : (/) - Cinchonidin
N R = OCH3 : (+) - Chinidin R = H : (+) - Cinchonin
N (+) - Chinotoxin
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38.3
Übersicht nicht heterocyclischer Alkaloide
835
Chinin besteht aus einem 6-Methoxychinolin-Ring, der in 4-Stellung über ein asymmetrisches CAtom (sekundärer Alkohol) mit 3-Vinylchinuclidin verknüpft ist. Sein Chromsäure-Abbau liefert Chininsäure und das Piperidin-Derivat Merochinen, woraus sich die durch Totalsynthese bewiesene Konstitution ergab (WOODWARD, 1945). Als Chinuclidin bezeichnet man 1-Azabicyclo[2.2.2]octan, das in einigen China-Alkaloiden geöffnet vorliegt, z. B. im (+)-Chinotoxin. (+)-Chinidin und (+)-Cinchonin sind Diastereomere des (/)-Chinins bzw. des (/)-Cinchonins. Das blaugrün fluoreszierende, angenehm bitter schmeckende Hauptalkaloid (/)-Chinin der Chinarinde (Gehalt bis zu 8 %) wirkt als Antipyreticum sowie gegen Malaria.
38.3 Übersicht nicht heterocyclischer Alkaloide Nicht heterocyclisch sind Alkaloide, die sich von den in Abschn. 42 besprochenen Terpenen und Steroiden, von Cyclopeptiden und offenkettigen Aminen ableiten. Als Leitstrukturen bedeutend sind die Phenylethylamine.
38.3.1
Phenylethylamine
Neben einigen Derivaten des Aminoethanols, die in Leguminosen vorkommen, spielen Phenylethylamine (Phenethylamine) aufgrund ihres Wirkungsspektrums eine herausragende Rolle. Ein Beispiel ist (/)-Ephedrin aus Meerträubel (Ephedra distachya) und anderen Ephedra-Arten, das antiasthmatisch, blutdrucksteigernd und stimulierend wirkt wie das in den Nebennieren gebildete (/)-Adrenalin, welches jedoch nicht als Alkaloid eingeordnet wird. Gleiches gilt für das Antibiotikum Chloramphenicol (Chloromycetin) aus dem Pilz Streptomyces venezuelae. OH
OH
OH CH3
HO HO
H
N
CH 3
(R)-(/)-Adrenalin
H
N
CH3
(1R,2S)-(/)-Ephedrin
CH2OH O2N
H
N
O
CHCl2 (1R,2R)-(/)-Chloramphenicol
Ein bekanntes Phenylethylamin pflanzlicher Herkunft ist das im Vergleich zu LSD schwach halluzinogen wirkende Mescalin aus dem in Mexico wachsenden und dort als "Peyotl" oder "Peyote" bezeichneten Kaktus Lophophora williamsii. Phenylethylamine sind durch einfache Synthesen gut zugänglich. Sie finden als suchterregende synthetische Weckamine, Appetitzügler und Halluzinogene ("Designer-Drogen" mit Phenylethylamin-Leitstruktur) illegale Anwendung. Bekannte Beispiele sind Amphetamin und seine als "Speed" und "Ecstasy" bekannten N-Methyl-Derivate. CH3
H3CO NH2
H3CO OCH3 Mescalin
H
N
R
R = H : rac. Amphetamin R = CH3 : rac. N-Methylamphetamin ("Speed")
CH3
O O
N
H CH 3 rac. 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin ("Ecstasy")
Zu den Alkaloiden mit exocyclischem Stickstoff zählt auch das Tropolon-Derivat Colchicin (Abschn. 30.13.1), ein Alkaloid der Herbstzeitlose und anderer Liliaceen.
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836
38.3.2
38 Alkaloide
Amide und Lactame biogener Amine
Offenkettige sowie cyclische Fett- und Zimtsäureamide der biogenen Amine Putrescin, Spermidin und Spermin, finden sich als Inhaltsstoffe einiger Pflanzenfamilien (Leguminosen, Apocynaceen). Sie werden als Alkaloide eingeordnet. Blätter, Stengel und Wurzeln des indischen Hanfs Cannabis sativa var. indica enthalten z. B. neben den bekannten terpenoiden Cannabinolen (Abschn. 42) die bicyclischen SpermidinLactame (+)-Cannabisativin und (+)-Anhydrocannabisativin. H H2N
H2N
N
H
H2N
N
H
N N
O
H
H R NH2
NH2 Putrescin
H
Spermidin
N
NH 2
Spermin
R = HO C H H C OH C5H11 (+)-Cannabisativin
38.3.3
N
R = CH2 C O C5H11 (+)-Anhydrocannabisativin
Cyclopeptid-Alkaloide
Manche Mutterkornalkaloide, z. B. Ergotamin (Abschn. 38.2.4) kann man als Indol- und PeptidAlkaloide betrachten. Einige makrocyclische Cyclopeptidalkaloide mit p-Hydroxystyrylaminoder Phenylethylamin-Untereinheiten sind schwach antibiotisch und fungizid wirkende Inhaltsstoffe der Rhamnaceen. Der Makrocyclus dieser Alkaloide bildet sich einerseits durch eine d-Phenoxy-Ether-Bindung zur N-terminalen d-Hydroxyaminosäure (z. B. d-Hydroxy-L-valin, d-Hydroxy-L-phenylalanin) eines Dipeptids. Die Carboxy-Funktion der C-terminalen Aminosäure schließt andererseits mit der Styryl- bzw. der Phenylethylamino-Funktion den vierzehngliedrigen Cyclodipeptid-Ring. Eine dritte Aminosäure (z. B. N,N-Dimethylisoleucin oder N,N-Dimethylvalin) verbindet über eine dritte Peptidbindung die Seitenkette. Beispiele sind Frangulanin und Integerrin aus dem New Jersey-Tee Ceanothus americanus. d -HydroxyL-phenylalanin
N,N-Dimethyl-L-valin
N,N-Dimethyl-L-isoleucin d-Hydroxy-L-valin
O
(CH3)2N HN HN
HN
O O 4-Hydroxystyrylamin
O L-Leucin
O
(CH 3)2N
HN
Frangulanin
HN HN
O O O
L-Tryptophan
HN
Integerrin
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38.4
Zur Biogenese der Alkaloide in Pflanzen
837
38.4 Zur Biogenese der Alkaloide in Pflanzen 38.4.1
Aminosäuren als biogenetische Vorstufen der Alkaloide
Unter Alkaloid-Biogenese versteht man den Aufbau von Alkaloiden im pflanzlichen oder tierischen Organismus. Biosynthesewege werden durch Verfütterung 14C-markierter Vorstufen ("Precursors") an Pflanze oder Tier und nachfolgende Analyse der Markierungspositionen im Alkaloid verfolgt ("Tracer"-Technik). Alternativ baut man stabile Isotope wie 13C und 15N in die Vorstufen ein und lokalisiert die Markierungen im Naturstoff durch 13C- oder 15N-NMR. Biogenetische Vorstufen der meisten heterocyclischen Alkaloide sowie vieler Phenylethylamine sind die Aminosäuren L-Ornithin, L-Lysin, L-Tyrosin und L-Tryptophan. Abb. 38.1 orientiert über die biogenetische Herkunft der besprochenen Alkaloide. L-Orn
L-Lys
CO2H
AminosäureVorstufe
L-Trp NH2 CO2H
CO2H
NH2 H2N
L-Tyr
NH 2
O
HO2C
NH 2 N H
NH 2
N O N
N
N
N H
O Alkaloide
PyrrolidinPyrrolizidinTropan-
PiperidinPyridinIndolizidinChinolizidin-
"d -PhenylethylaminBenzylisochinolinPhthalidisochinolinBenzoisochinolinAporphinProapaorphinMorphinBisbenzylisochinolin-
TryptaminDihydroindolMonoterpenindolCarbazolß-CarbolinTetrahydro-ß-carbolinErgolinChinolin- A l k a l o i d e
Abb. 38.1. Aminosäure-Vorstufen heterocyclischer Alkaloide
38.4.2
Biogenese der Isochinolin-Alkaloide im Schlafmohn
Durch Markierungsexperimente und auf enzymatischer Ebene fast vollständig aufgeklärt wurde die Biosynthese der Benzylisochinolin-Alkaloide (Abb. 38.2) und des Morphins (Abb. 38.3) aus Tyrosin im Schlafmohn Papaver somniferum. Demnach wird Tyrosin einerseits zum 4-Hydroxyphenylacetaldehyd desaminiert und decarboxyliert, andererseits nach Decarboxylierung über Tyramin zu Dopamin (3,4-Dihydroxyphenylethylamin) hydroxyliert. 4-Hydroxyphenylacetaldehyd und Dopamin cyclisieren enzymatisch in Analogie zur Isochinolin-Synthese nach PICTET-SPENGLER (Abschn. 33.11.2) zum (S)-Norcoclaurin. Aus diesem entsteht nach drei Methylierungen und einer Hydroxylierung das (S)-(+)Reticulin, die Vorstufe der über 2500 bisher aufgeklärten Isochinolin-Alkaloide (Abb. 38.2).
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838
38 Alkaloide
HO 4-Hydroxyphenylbrenztraubensäure
HO 4-Hydroxyphenylacetaldehyd O
COOH
O
H HO
HO
NH2
(S)-Tyrosin
HO
COOH H
H
NH
HO (S)-Norcoclaurin HO
NH2
HO
NH2
HO Tyramin
HO
Dopamin
HO H
NH
H3CO (S)-Coclaurin
H3CO
HO
HO
HO
HO
HO H
N
H3CO
CH3
HO H
N
H3CO (S)-Reticulin
(S)-3'-HydroxyN-methylcoclaurin
CH3
HO H
N
CH3
H3CO (S)-N-Methylcoclaurin
Abb. 38.2. Biogenese des (S)-Reticulins als Vorstufe zahlreicher Isochinolin-Alkaloide
Im Schlafmohn wird das (S)-Reticulin über sein Dehydro-Derivat zum (R)-Enantiomer isomerisiert. Ein Cytochrom-P-450-Enzym cyclisiert das (R)-Reticulin durch oxidative Phenol-Kupplung zum Salutaridin (Abb. 38.3). Das Redox-Coenzym NADH+H+ reduziert Salutaridin zum Salutaridinol, nach dessen Acetylierung (Acetyl-Coenzym A) die Ether-Brücke des Thebains geknüpft wird. Demethylierung des Thebains führt über Neopinon zum Codeinon, nach Reduktion (NADH+H+) zum Codein und nach weiterer Demethylierung zum Morphin (Abb. 38.3). Wesentliche Schritte der Morphin-Biosynthese gaben sich nach Verfütterung 14C-markierter Zwischenstufen an die Pflanze zu erkennen. So wurden zum Beweis der für den sterischen Ablauf der Biosynthese notwendigen Konfigurationsumkehr von (S)- nach (R)-Reticulin beide Enantiomere in 1-Stellung mit Tritium markiert und dann verfüttert. Dabei ergab sich, daß (R)-1-3H-Reticulin in ein Morphin übergeht, welches 60 % der ursprünglichen Tritium-Konzentration enthält, während aus dem (S)-1-T-Enantiomer tritiumfreies Morphin entsteht. (S)-(-)-Reticulin muß demnach über das Dehydro-Derivat zum (R)-(/)-Enantiomer isomerisieren (Abb. 38.3), bevor es durch das Enzym zum (-)-Salutaridin mit (/)-Morphin-Konfiguration oxidiert werden kann. Die Irreversibilität einiger Stufen wurde durch weitere Einbauexperimente abgesichert. So demethyliert die Pflanze markiertes Morphin zu Normorphin; dagegen unterbleibt eine Remethylierung zu Codein. Als O- und N-Methylierungsmittel wurde durch zusätzliche Markierungsversuche die Aminosäure L-Methionin erkannt. Füttert man der Mohnpflanze 2-14C-markiertes Dopa, so ist in den isolierten Thebain-, Codein- und Morphin-Präparaten nur die 16-Stellung (CH2 neben N)
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38.5
Exemplarische Alkaloid-Synthesen
839
markiert. Demnach kann die Pflanze das Dopa in den Tetrahydroisochinolin-Teil einbauen aber nicht zum Phenylacetaldehyd umsetzen. H3CO
H3CO
H3CO
HO
HO HO H
N
CH3
HO
HO
N
CH3
H3CO
H3CO (S)-Reticulin
HO H (R)-Reticulin
H3CO
H3CO
HO
HO
HO
N CH3
H3CO
H
N CH3
H
H3CO
H3CO
H OH Salutaridinol
(R)-Reticulin
H3CO
H3CO
HO
O
O H
N CH3
H3CO
H
N CH3
Thebain
H3CO
O
O H
O
N CH3
H
N CH3
HO
HO Morphin
N CH3
Neopinon
H3CO
HO
H O
H3CO
H OCOCH3 Salutaridinol-7-O-acetat
N CH3
OH O Salutaridin
H3CO
CH3
H3CO
1,2-Dehydroreticulin
H3CO
H
N
H
N CH3
O Codein
Codeinon
Abb. 38.3. Morphin-Biogenese aus (S)-Reticulin im Schlafmohn
38.5 Exemplarische Alkaloid-Synthesen 38.5.1
Nicotin und Coniin
Die weitaus meisten Alkaloid-Synthesen dienten als Strukturbeweis. Sie gewannen infolge schlechter Gesamtausbeuten und schwieriger technischer Durchführbarkeit einzelner Stufen meist keine industrielle Bedeutung. So ist z. B. die Gewinnung des (/)-Nicotins aus Tabakabfällen viel wirtschaftlicher als alle bisher durchgeführten Synthesen. Das gilt auch für eine neuere biomimetische Synthese des racemischen Nicotins aus Glutardialdehyd, Ammoniak und N-Methyl-F1pyrrolinium-iodid über 1,4-Dihydropyridin:
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840
38 Alkaloide
L-Lysin
CO2H
/ CO2
+
Biosynthese
N
N
N
(aus Prolin)
H
N-Methylierung, Dehydrierung
N H
N N
H
(/)-Nicotin
1,4-Dihydronicotinsäure
biomimetische Synthese
N CH 3
+
N
N
N
H
CH 3
H
CH 3
/ 3 [H+] , / 2 e0
/
N N
CH 3
rac. Nicotin
1,4-Dihydropyridin + NH3
H
/ 2 H2O
O O
H
Glutardialdehyd
Historisch von Bedeutung als erste Alkaloid-Synthese (LADENBURG, 1886) ist die Herstellung des racemischen Coniins durch KNOEVENAGEL-Kondensation von c-Picolin (2-Methylpyridin) mit Acetaldehyd zu 2-Propenylpyridin und dessen katalytische Hydrierung. / H2O
H N CH 3 2-Methylpyridin (c-Picolin)
38.5.2
+
O
+ 4 H2 (Kat.)
N
CH 3
N H
2-Propenylpyridin
rac. Coniin
Tropan
Ein Beispiel zur Synthese eines Alkaloid-Grundskeletts unter Bedingungen, wie sie auch die Pflanzenzelle bietet, ist der Ringschluß durch doppelte MANNICH-Reaktion von Succindialdehyd, Methylamin und Acetondicarbonsäure zum Tropan-3-on bei pH = 5 - 6 und Zimmertemperatur (ROBINSON, SCHÖPF). Die Reduktion des Tropinons mit komplexem Metallhydrid gibt Tropan-3cund Tropan-3d-ol. H 3C H
CO2H O O
pH = 5-6
+
H2N CH3
H Succindialdehyd
+
O CO2H
Acetondicarbonsäure
/ 2 H2O / 2 CO2
H 3C N
LiAlH4
O
N
HO Tropan-3c-ol
H 3C N
Tropan-3-on Tropan-3d-ol
38.5.3
OH
Tryptamine
Einige Indol-Alkaloide lassen sich nach dem Prinzip der FISCHER-Indol-Synthese (Abschn. 33.6.3) darstellen. Ein Beispiel ist die einstufige Synthese des dem Bufotamin der Aga-Kröte sehr
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38.5
Exemplarische Alkaloid-Synthesen
841
ähnlichen synthetischen Halluzinogens 5-Methoxy-N,N-dimethyltryptamin aus 4-Methoxyphenylhydrazin und 4-(Dimethylamino)butanal-dimethylacetal: N(CH 3)2
H 3CO
OCH 3 N H
38.5.4
N(CH 3)2
NH 2
+
H 3CO
/ 2 CH3 OH , / NH3
H 3CO
N H 5-Methoxy-N,Ndimethyltryptamin
Benzyltetrahydroisochinoline
Zur Darstellung der zahlreichen Alkaloide mit Benzylisochinolin-Grundskelett eignen sich vor allem die Cyclisierungen von d-Phenylethylaminen (Phenethylaminen) mit Carbonsäure-Derivaten (Chloride, Ester) über die N-Acylamine nach BISCHLER-NAPIERALSKI (Abschn. 33.11.2) oder biomimetisch (Abb. 38.2) mit Aldehyden über die N-Alkylimmonium-Salze nach PICTETSPENGLER (Abschn. 33.11.2). Die chirogenen Hydrierungs- und Deprotonierungsschritte führen zu racemischen 1,2,3,4-Tetrahydroisochinolinen. BISCHLERNAPIERALSKI
NH O
PICTETSPENGLER
N
NH2
R
d-Phenylethylimin
d-Phenylethylamin
N-Acyl-d-phenylethylamin
R/X
POCl 3 , RX ( X = Cl, Br, I )
H2 / Pd / C
N
NaBH4
N
R
N
R
N-Alkylimmonium-Ion
1,2,3,4-Tetrahydroisochinolin
Die enantioselektive Darstellung von Tetrahydroisochinolinen gelingt u. a. aus Phenylethylaminen, die am N-Atom durch eine chirale Hilfsgruppe alkyliert sind. Man erhält sie durch Acylierung von (R)- oder (S)-c-Phenylethylamin mit Phenylessigsäurechlorid und Reduktion des Amids mit Diboran. Die BISCHLER-NAPIERALSKI-Cyclisierung des (R)-N-(c-Phenylethylamino)-d-phenylethylamins führt zum Immmonium-Salz, das durch Borhydrid diastereoselektiv zum (R,R)-N-(cPhenylethylamino)-tetrahydroisochinolin reduziert wird. Katalytische Abhydrierung der Hilfsgruppe setzt das (R)-1-Alkyltetrahydroisochinolin frei. CH3 C6 H5
H 2N
O
H
Cl
(R)-N-(c-Phenylethylamino)d-phenylethylamin
O H
B2H6 / THF
CH 3 C 6H 5
N
H
H Phenylacetylchlorid
CH 3 C 6H 5
N H
chirales Phenylacetamid BISCHLER-NAPIERALSKI
O
Cl R
H2 / Pd / C
NaBH4
NH R (R)-1-Alkyltetrahydroisochinolin
CH 3 C 6H 5
N R
H
N R Cl H
CH 3 C 6H 5
(R,R)-N-(c-Phenylethylamino)-tetrahydroisochinolin
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842
39 Kohlenhydrate
39 Kohlenhydrate 39.1 Bedeutung, Klassifizierung und Nomenklatur der Zucker 39.1.1
Bedeutung
Die als Traubenzucker bekannte Glucose [C6H12O6 oder (CH2O)6] als Grundsubstanz der Kohlenhydrate wird in Pflanzen durch Photosynthese aus Kohlendioxid und Wasser unter Freisetzung von Sauerstoff aufgebaut. Zu dieser enzymatischen Synthese wird Lichtenergie benötigt, die durch das Chlorophyll a (Abschn. 34.7.5) absorbiert wird. Durch Abbau der Glucose bei der Atmung werden Energie, Kohlendioxid und Wasser frei. Photosynthese
6 CO2 + 6 H 2O + Energie
Atmung
(CH2O)6 + 6 O2
Aufgrund der Summenformel (CH2O)n wurde für die Zucker 1844 der Begriff "Kohlen-Hydrat" Cn(H2O)n geprägt, zumal Glucose mit konzentrierter Schwefelsäure tatsächlich zu "Kohle" dehydratisiert. Glucose wurde 1747 aus Traubenmost und 1792 aus Honig kristallisiert. Saccharose (griech. uceejctqp = Zucker) aus Zuckerrohr oder Rüben wurde bereits 640 v. Chr. in Ägypten beschrieben. In Form von Polysacchariden, wie Stärke (Pflanze) und Glykogen (Tier), wird das durch Photosynthese entstandene, wichtigste Kohlenhydrat Glucose gespeichert (Energiespeicher). Zusammen mit Fetten und Proteinen bilden Kohlenhydrate (Zucker) die Grundlage unserer Nahrung.
39.1.2
Klassifizierung und Nomenklatur
Kohlenhydrate sind aliphatische Polyhydroxycarbonyl-Verbindungen. Je nach Stellung der OxoGruppe unterscheidet man Aldosen (Aldehyd-Zucker, endständige Oxo-Funktion) und Ketosen (Keto-Zucker, mittelständige Oxo-Funktion). Aldosen und Ketosen mit gleicher Kohlenstoff-Zahl sind Konstitutionsisomere der Summenformel CnH2nOn, die formal durch Oxidation einer c- bzw. d-ständigen Hydroxy-Gruppe eines Polyols (Zuckeralkohol) CnH2n+2On entstehen. H
C
O
CH2OH C O
CH 2OH
(HC OH) m
(HC OH) m / 1
(HC OH) m
CH2OH Aldose Polyhydroxyaldehyd
CH 2OH
CH2OH Polyol
Ketose Polyhydroxyketon
Je nach Anzahl der C-Atome in der Kette werden Aldosen und Ketosen als Triosen C3, Tetrosen C4, Pentosen C5, Hexosen C6 und Heptosen C7 bezeichnet. Glucose (Traubenzucker) und Fructose (Fruchtzucker) sind somit konstitutionsisomere Hexosen der Summenformel C6H12O6 (Traubenzucker); Glucose ist demnach eine Aldohexose, Fructose dagegen eine Ketohexose. Die kürzeste Aldose ist der D-Glyceraldehyd (frühere Bezeichnung Glycerinaldehyd), die kürzeste Ketose das 1,3-Dihydroxyaceton.
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39.1
Bedeutung, Klassifizierung und Nomenklatur der Zucker
H
843
O
C
CH2OH
H C OH
C O
HO C H H
O
C
H C OH
HO C H
H C OH
CH 2OH
H C OH
H C OH
C O
H C OH
CH 2OH
CH 2OH
CH2OH
D-Glyceraldehyd eine Aldotriose
D-Glucose eine Aldohexose
CH2OH
1,3-Dihydroxyaceton eine Ketotriose
D-Fructose eine Ketohexose
Aus den Triosen können durch schrittweise CC-Verknüpfungen die Familien der Aldosen und Ketosen (Abb. 39.1 und 39.2) abgeleitet werden. Trivialnamen ausgenommen, tragen Aldosen die Endsilbe -osen und Ketosen die Endsilbe -ulosen. Eine systematische Nomenklatur wurde auch für Kohlenhydrate vorgeschlagen, doch werden mit wenigen Ausnahmen die traditionellen Trivialnamen nach Abb. 39.1 und 39.2 bevorzugt. H
C
O
H
H C OH
C
O
H
HO C H
C
O
H
H C OH
O
H
H C OH H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
(+)-D-Allose H
C
(+)-D-Altrose
CH2OH
H
H C OH
C
HO C H H C OH
H C OH
H C OH
CH 2OH
C
H
H C OH
H C OH
C
O
HO C H HO C H
HO C H
HO C H
H C OH
CH2OH
H C OH
CH2OH
CH2OH
(/)-D-Idose (+)-D-Galactose (+)-D-Talose 8 Hexosen
C
O
H
H C OH
O
HO C H H C OH
CH2OH
CH2OH
(+)-D-Xylose
(/)-D-Lyxose HO
O
C
HO C H
H C OH
(/)-D-Arabinose
O
HO C H
HO C H
CH2OH
(/)-D-Ribose
H
HO C H
CH2OH
H
O
H C OH
H C OH
O
C
HO C H
HO C H
CH2OH
H C OH
C
H
(+)-D-Glucose (+)-D-Mannose (/)-D-Gulose
O
H
O
HO C H
H C OH
CH 2OH
C
HO C H
H C OH
CH 2OH
HO C H
C
C
4 Pentosen
O
HO C H
H C OH
H C OH
H C OH
CH2OH
CH 2OH
(/)-D-Erythrose
(+)-D-Threose H
C
2 Tetrosen
O
H C OH CH2OH
(+)-D-Glyceraldehyd (Glycerose)
1 Triose
Abb. 39.1. Stammbaum der diastereomeren D-Aldosen. Mnemotechnische Hilfe: Die Namen der Aldohexosen kann man sich durch folgenden (albernen) Satz einprägen: "All/e Alt/en G/änse M/öchten G/ern I/m Ga/rten Ta/nzen". Die Stellung der OH-Gruppen der Glucose-Formel ist von oben nach unten durch "tatütata" einprägbar (ta: OH-Gruppe nach rechts, tü: OH-Gruppe nach links)
Triosen und Tetrosen treten nur als Metaboliten (Stoffwechsel-Abbauprodukte) auf. Heptosen sowie höhere Zucker sind seltene Bestandteile von Zellwänden in Bakterien.
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844
39 Kohlenhydrate
CH2OH
CH 2OH
CH2OH
CH 2OH
C O
C O
C O
C O
H C OH
HO C H
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
CH2OH
(+)-D-Psicose (D-Allulose)
H C OH
HO C H
HO C H
HO C H
H C OH
CH 2OH
H C OH
CH2OH
(/)-D-Fructose (Levulose)
CH 2OH
(+)-D-Sorbose
(/)-D-Tagatose
CH2OH
CH2OH
C O
C O
H C OH
4 Hexulosen
HO C H
H C OH
H C OH
CH2OH
CH2OH
D-Ribulose (D-erythro-Pentulose, Adonose)
D-Xylulose (D-threo-Pentulose, D-Lyxulose)
2 Pentulosen
CH 2OH C O H C OH CH 2OH
D-glycero-Tetrulose (D-Erythrulose, D-Threulose)
1 Tetrulose
CH 2OH C O CH2OH
Dihydroxyaceton
Abb. 39.2. Familien der D-Ketosen
Wie andere Biopolymere teilt man Kohlenhydrate nach der Anzahl ihrer Bausteine ein: ̈" Monosaccharide sind freie Aldosen und Ketosen, die nicht weiter zu einfacheren Zuckern hydrolysieren; ̈" Oligosaccharide sind Di-, Tri-, Tetra-...-saccharide mit 2 bis 15 Zuckerbausteinen, die durch hydrolytische Spaltung frei werden; ̈" Polysaccharide sind Biopolymere mit über 15 bis zu mehreren Tausend Zuckerbausteinen; ̈" Homopolysaccharide enthalten eine Sorte von Monomeren, im Gegensatz zu Heteropolysacchariden mit verschiedenen Zuckerbausteinen. Glycoside enthalten acetalartig gebundene Nichtzucker-Komponenten; in Aminozuckern ersetzt eine Amino-Funktion eine Hydroxy-Gruppe.
39.2 Konstitution, relative und absolute Konfiguration Aldosen (Abb. 39.1) und Ketosen (Abb. 39.2) mit gleicher Summenformel unterscheiden sich durch die Stellung ihrer Oxo-Gruppe; solche Aldosen und Ketosen sind daher Konstitutions- und Funktionsisomere. Fructose (eine Ketose) ist z. B. ein Konstitutions- und Funktionsisomer der Glucose (eine Aldose).
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39.2
Konstitution, relative und absolute Konfiguration
845
Wird die Kette eines Kohlenhydrats unter Erhaltung der Konstitution und Konfiguration des Edukts verlängert, so gehört das resultierende Produkt in dieselbe Kohlenhydrat-Familie. Die Pentose (/)-Arabinose und die Hexose (+)-Mannose sind z. B. stereochemisch miteinander verwandt; sie gehören beide zur Familie der D-Aldosen. Arabinose und Mannose sind somit homologe Aldosen (Abb. 39.1). Die Aldohexosen (Abb. 39.1) enthalten vier asymmetrische C-Atome. Daher gibt es 24 = 16 Stereoisomere; diese sind acht Diastereomere mit unterschiedlicher relativer Konfiguration; dabei existiert jedes Diastereomer als ein Enantiomerenpaar. Abb 39.1 zeigt jeweils das D-Enantiomer der acht diastereomeren Aldohexosen. Die Ketohexosen mit drei asymmetrischen C-Atomen bilden 23 = 8 Stereoisomere, d. h. vier Diastereomere als Enantiomerenpaare (Abb. 39.2). Die absolute Konfiguration der Kohlenhydrate läßt sich nach der CAHN-INGOLD-PRELOGKonvention angeben; die korrekte Bezeichnung der rechtsdrehenden D-Glucose (Abb. 39.1) wäre z. B. (+)-2R,3S,4R,5R-2,3,4,5,6-Pentahydroxyhexanal. Bei Aminosäuren und Kohlenhydraten üblich ist dennoch die FISCHER-Konvention (Abschn. 17.4.1). Hierzu zeichnet man die FISCHERProjektionsformeln mit vertikaler Kohlenstoff-Kette so, daß die am höchsten oxidierten C-Atome (Aldehyd- oder Keto-Funktionen) oben liegen (Abb. 39.1, 39.2); alle horizontal gezeichneten Bindungen von den tetraedrischen C-Atomen zu OH und H ragen dann aus der Papierebene heraus. Die Bezifferung der C-Atome erfolgt von oben nach unten. Über die Zugehörigkeit zur D- bzw. L-Familie entscheidet allein die Konfiguration des letzten asymmetrischen C-Atoms der Kette (unten). Steht dort die Hydroxy-Gruppe nach rechts, gehört der Zucker zur D-Reihe (wie im D-Glyceraldehyd als Bezugssubstanz); steht die Hydroxy-Gruppe nach links, so ist es ein L-Monosaccharid. Abgesehen von wenigen Ausnahmen gehören alle natürlichen Zucker und ihre Derivate der D-Reihe an. H
1C
H
O
HO C H 5 CH
2OH
(/)-L-Xylose
O
H C OH
HO C H H C OH
1C
H
1C
O
HO C H 3 CH
2OH
(/)-L-Glyceraldehyd
H
1C
O
H C OH 3 CH
2OH
(+)-D-Glyceraldehyd
H C OH H C OH 5 CH
2OH
(/)-D-Ribose
E. FISCHER setzte bereits 1891 willkürlich die Konfiguration des Traubenzuckers als (+)-D-Glucose fest. Die Korrelation der D- und L-Reihen der Monosaccharide mit D- und L-Glyceraldehyd (Abb. 39.1) wurde von ROSANOFF (1906) vorgeschlagen und später durch RÖNTGEN-Strukturanalyse bestätigt (J. M. BIJVOET et al. 1951; Abschn. 17.5). In der D- und L-Reihe wird somit jeweils die Konfiguration am zweitletzten Kohlenstoff-Atom beibehalten. Entsprechend der Anzahl asymmetrischer C-Atome gibt es in der D-Reihe außer acht diastereomeren Hexosen vier diastereomere Pentosen und zwei diastereomere Tetrosen (Abb. 39.1). Vertauscht man zwei Substituenten an einem asymmetrischen C-Atom, so entspricht dies einer Konfigurationsumkehr (Epimerisierung). (+)-D-Glucose und (+)-D-Mannose sind z. B. 2-Epimere, weil sie durch Konfigurationsumkehr an C-2 (2-Epimerisierung) ineinander umwandelbar sind. DGlucose und D-Galactose sind dagegen 4-Epimere. Epimere sind Diastereomere mit mehreren Asymmetriezentren, die sich durch die absolute Konfiguration nur eines asymmetrischen C-Atoms unterscheiden.
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846
39 Kohlenhydrate
H
C
O
H
1C
H
O
2
H C OH
2
HO C H
4-Epimerisierung
4
HO C H
2-Epimerisierung
4
HO C H H C OH
O
HO C H
H C OH
HO C H
C
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
CH 2OH
CH 2OH
(+)-D-Galactose
(+)-D-Glucose
CH2OH (+)-D-Mannose
Von den Zuckernamen leiten sich einige Konfigurationskürzel ab (Tab. 39.1), die meist auf Zukkerderivate, aber auch auf andere Verbindungen übertragen werden. Die Konfiguration des "Mittelstücks" einer Aldose kann in Form eines Präfix vor die Bezeichnung der Verbindung gestellt werden. Oft benutzte Konfigurations-Präfices sind "erythro-" und "threo-". Tab. 39.1. Konfigurationsbezeichnungen von Polyol-Fragmenten, die sich aus der Aldose-Reihe ableiten C-Atome
Formel und Präfix Y
Y
H C OH 4
Y
HO C H
Y
H C OH HO C H
Y
H C OH
HO C H
Y
HO C H
H C OH
Y
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
X
X
X
X
X
X
X
X
D-allo-
D-altro-
D-gluco-
D-manno-
D-gulo-
D-ido-
D-galacto- (gala)
D-talo-
HO C H
Y
Y
H C OH
HO C H
H C OH
HO C H
HO C H
H C OH H C OH
H C OH
X
X
X
HO C H
HO C H
D-arabino- (arabo)
H C OH
Y
H C OH
HO C H H C OH X
D-xylo-
D-lyxo-
Y
Y
H C OH
2
HO C H
HO C H
H C OH
H C OH D-ribo-
HO C H
Y
HO C H
H C OH 3
Y
HO C H
HO C H
H C OH
H C OH
X
X
D-erythro-
D-threo-
Y 1
H C OH X D-glycero-
Die absolute Konfiguration ist vor allem für enzymatische Umwandlungen von Bedeutung. So führt die enzymatische Phosphorylierung des prochiralen Triols Glycerol als Substrat zum chiralen Phosphorsäureester (/)-Glycerolphosphat. Nach Anheftung an das chirale Enzym wird selektiv eine der beiden Hydroxymethyl-Gruppen des symmetrischen Glycerols phosphoryliert. prochirales Glycerol
ATP
HO
HOH 2C
ADP C
HOH 2C HO
chirales Enzym
HO
H
O P
chirales Glycerolphosphat
O H 2C C HOH 2C HO
H
chirales Enzym
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39.3
Cyclohalbacetal-Formen und Konformation
847
Ist auch das Substrat chiral, wie Glyceraldehyd, so setzt ein Enzym, hier Glycerin-Kinase, selektiv eines der beiden Enantiomeren um. In diesem Fall reagiert nur der Enzym/Substrat-Komplex des (+)-D-Glyceraldehyds, nicht jedoch der dazu diastereomere Komplex mit dem enantiomeren LGlyceraldehyd. O H
ATP
C
C HOH2C
O D-Glyceraldehyd
H
H
O
OH
Kinase
HO P O H 2C Enantiomere
H
ATP
C
H
OH
O
Kinase-D-Substrat-Komplex
Diastereomere
C
C
OH L-Glyceraldehyd
HOH2C C H O
keine Phosphorylierung
Kinase
Kinase-L-Substrat-Komplex
39.3 Cyclohalbacetal-Formen und Konformation 39.3.1
Halbacetal-Bildung
Zuckermoleküle enthalten sowohl eine Oxo-Funktion als auch alkoholische Hydroxy-Gruppen. Eine typische Reaktion beider Gruppierungen ist die nucleophile Addition des Alkohols an die Oxo-Gruppe zum Halb- oder Hemiacetal. Hemiacetale und Acetale [R1/CH(OR2)2] werden in wäßrig saurem Medium hydrolysiert und sind gegen Alkali stabil. OH
O R1
+ 2 R2
C
R1
OH
H
C
OR2
/ H2O
OR2
+
R2
R1
OH
C
OR2
H Acetal
H Hemiacetal
Im Kristall und in Lösungen cyclisieren alle freien Monosaccharide (Aldosen und Ketosen) überwiegend zu Halbacetalen. Die Cyclisierung bedeutet einen Gewinn an freier Energie gegenüber der acyclischen (nicht ringförmigen, offenkettigen) Form. So liegt Glucose in wäßriger Lösung nur zu 0.0026 % acyclisch vor. Je nach Ringgröße der Halbacetale (Hemiacetale) unterscheidet man Furanosen (Fünfring, von Furan abgeleitet) und Pyranosen (Sechsring, von Pyran abgeleitet). H
1
C
OH
H C OH HO C H 4
H C
1
C
O
H C OH HO C H
O
H C OH 6
CH2OH
D-Glucofuranose mit TetrahydrofuranRing
O
H
4
H
1
C
O
H C OH HO C H
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
6
CH 2OH
D-Glucose Hemiacetal mit 4-OH
5 6
CH2OH
D-Glucose Hemiacetal mit 5-OH
H
1
C
OH
H C OH HO C H H C OH 5
H C
O
6
CH 2OH
D-Glucopyranose mit TetrahydropyranRing
O
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848
39 Kohlenhydrate
Die Cyclohalbacetal-Formen der Glucose bilden sich durch intramolekulare nucleophile Addition der Hydroxy-Gruppe an C-5 bzw. C-4 an die Aldehyd-Funktion. Der Übergang von der offenkettigen "al-Form" (al von Aldehyd) kann durch zweimalige Substituentenvertauschung an C-5 bzw. C-4 korrekt formuliert werden (eine zweimalige Substituentenvertauschung an einem asymmetrischen C-Atom ändert dessen absolute Konfiguration nicht). H
H H
H
H
6
CH2OH 5 O C1 OH OH H H
HO HO
1. Substituententausch an C-5
H
HO HO
OH
O
5 6
H
CH2 OH OH
C1
H 6 HO CH2 H OH HO 5 O HO C1 H OH H H
2. Substituententausch an C-5
H
Cyclisierung
H
1
C
H
O HO HO HO
H C OH HO C H
H
6
CH2
H 1
H
H C OH
OH
H
H
O
5
OH
H
OH
H
-D-Glucopyranose
5
H C OH
6
CH 2
HO HO und HO
O
5
D-Glucose (al-Form)
4
H
1
OH
H
-D-Glucopyranose
6
CH2OH 6
CH 2OH
4
HO HO
6
CH2OH O C1 OH OH H
1. Substituententausch an C-4
4
OH OH
O 1
OH 6
CH 2OH
H
HO
2. Substituententausch an C-4
4
OH OH
O 1
OH
H
OH Cyclisierung
CH2OH
CH2OH HO
OH O
OH
OH O
HO und
OH OH
OH
-D-Glucofuranose
-D-Glucofuranose
Abb. 39.3. Cyclisierung der D-Glucose zu c- und d-D-Glucopyranosen sowie c- und d-D-Glucofuranosen
Konformationsanalysen zeigen, daß die beiden D-Glucopyranosen als Sesselkonformere vorliegen, wie sie vom Cyclohexan bekannt sind (Abb. 39.3). Zur einfacheren Darstellung der Pyranosen werden anstelle der Sessel-Konformeren oft die HAWORTH-Projektionsformeln gezeichnet: - D - Gl u c o p y r a n o s e
HO HO
-D-Glucopyranose
CH 2OH
CH2OH
5
O
OH
5 1
OH
OH
Sessel-Form
O 1
OH
OH
CH2OH
CH 2OH
OH HAWORTH-Projektion
HO HO
5
O 5
OH
OH OH
1
Sessel-Form
O
OH 1
OH OH HAWORTH-Projektion
Die Bildung des Cyclohalbacetals (Lactols) erzeugt am ehemaligen Carbonyl-C-Atom ein zusätzliches Asymmetriezentrum. Da die C-5/OH-Funktion von beiden Seiten an die prochirale Carbonyl-Gruppe addieren kann, entstehen zwei Diastereomere, die c-D-Glucopyranose mit axialer OH-Funktion an C-1 cis zur OH-Gruppe an C-2 und die d-D-Glucopyranose mit äquatorialer OHFunktion an C-1 trans zur OH-Gruppe an C-2 (Abb. 39.3). Die als Halbacetal maskierte CarbonylFunktion C-1 ist das "anomere Kohlenstoff-Atom"; c- und d-D-Pyranose-Paare können als Ano-
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39.3
Cyclohalbacetal-Formen und Konformation
849
mere bezeichnet werden. In dieser Terminologie ist die Konfigurationsumkehr an C-1 von der czur d-D-Glucopyranose eine Anomerisierung oder 1-Epimerisierung. Tab. 39.2 stellt die Aldopyranosen und Aldofuranosen, Tab. 39.3 die Ketopyranosen und Ketofuranosen als Cyclohalbacetale bzw. -ketale der wichtigsten Monosaccharide zusammen. Gezeichnet sind die HAWORTH-Projektionsformeln ohne Festlegung der Konfiguration (c- oder d-) am anomeren C-Atom. Die beiden diastereomeren D-Glucopyranosen werden als c-D-Glucopyranose (anomere Hydroxy-Gruppe unterhalb der Ringebene, Abb. 39.3) und d-D-Glucopyranose (anomere Hydroxy-Gruppe oberhalb der Ringebene), die beiden weniger stabilen Furanosen als c- und dD-Glucofuranosen (Tab. 39.2) bezeichnet. Tab. 39.2. Cyclohalbacetal-Formen der D-Aldosen (Aldopyranosen und Aldofuranosen) D-Aldopyranosen O
O HO
OH OH
OH
OH
O
OH
OH OH D-Arabino-
OH D-Xylo-
CH2OH
CH2OH
CH2OH
O
O HO
O
OH
OH
OH
OH
CH2OH OH
O HO
OH OH OH D-Gulo-
CH2OH O OH HO
OH
D-Mannopyranose CH2OH
CH2OH OH OH
OH
OH
O OH
OH D-Galacto-
OH D-Ido-
OH
OH OH D-Gluco-
CH2OH OH
O
D-Lyxopyranose
OH OH D-Altro-
OH OH D-Allo-
OH
OH
OH OH D-Ribo-
OH
O OH HO
OH
O OH HO
OH
D-Talopyranose
D-Aldofuranosen O
O OH
OH
OH OH D-ErythroHOH2C
OH D-Threofuranose HOH2C
O
OH
HOH2C
O HO
OH
OH D-Arabino-
OH OH D-RiboHOH2C
HO
O
OH
OH OH D-AlloO
O HO
O HO
OH
D-Gulo-
HO OH
HOH2C OH D-Ido-
HO
O OH
O OH HO
OH
O OH HOH2C
OH
D-Lyxofuranose
OH D-GlucoOH
O OH HO
HOH2C OH
D-Mannofuranose O OH HO
OH
OH
HO
HO
HO
HOH2C OH
OH
HOH2C
OH D-AltroOH
HO
HOH2C
O OH OH D-Xylo-
HOH2C
HO
OH
OH D-Galacto-
HOH2C D-Talofuranose
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850
39 Kohlenhydrate
Tab. 39.3. Cyclohalbketal-Formen der Ketohexosen und Ketopentosen (Ketopyranosen und Ketofuranosen) D-Ketopyranosen OH
O
CH 2OH
OH
OH
O HO
OH
CH 2OH
OH
D-Ketofuranosen
OH
O
O OH
CH 2OH
HOH2 C
OH
O
CH 2OH OH OH D-Psico-
39.3.2
OH
O OH HO
CH 2OH
OH
OH D-Sorbo-
OH OH D-RibuloHOH2 C
OH CH 2OH
OH
OH D-Fructo-
OH OH D-Psico-
O
D-Tagatopyranose
OH CH 2OH
OH D-Xylulofuranose HOH2C
OH
O HO
CH 2OH
O OH
HOH2C
OH CH 2OH
OH D-Sorbo-
OH D-Fructo-
OH
O OH HO
CH 2OH
D-Tagatofuranose
Gleichgewichte der Pyranosen und Furanosen
Die acyclische al-Form der Glucose ist nicht isolierbar, tritt jedoch in wäßriger Lösung als Intermediat eines Gleichgewichts zwischen c- und d-D-Glucopyranose auf. Beide Stereoisomere sind kristallisierbar (c aus Wasser, d aus Pyridin), besitzen neben verschiedenen spezifischen Drehwerten (Abb. 39.4) auch unterschiedliche Schmelzpunkte (c: 146 °C, d: 150 °C) und Spektren, weil sie diastereomer sind.
OH an C-1 unterhalb des Rings bzw. nach rechts in der FISCHER-Projektion H
1
C
H
C
HO C H H
4 5 6
C
OH an C-1 oberhalb des Rings bzw. nach links in der FISCHER-Projektion H 1 O C
OH CH2OH
OH H OH
H
O
O
C
HO C
OH OH OH
H
OH
C
H
4 5 6
CH2OH c-D-Glucopyranose ,
H 6 CH2
HO HO HO
20 [c] D = + 113°
O 5
H
H
H
OH
C
OH
C
OH
O
CH2OH d-D-Glucopyranose ,
HO O
5
1
H H
H H
H C1
OH H
HO HO
C
HO C
OH
OH
HO HO
H
OH
OH
H 6 CH2
OH
H OH OH- an C-1 axial : weniger stabil
OH
D-Glucose (al-Form)
HO
H
1
HO C H CH2OH
H 6 CH2
4 5
C
OH H
O
OH
C
6 CH2OH 20 [c] D = + 19°
H O
5
H
OH 1
OH
H H OH an C-1 äquatorial : stabile all-äquatorial-Konfiguration
Abb. 39.4. Gleichgewicht zwischen der al-Form und der c- sowie d-D-Glucopyranose (FISCHER-TOLLENSRingformeln, HAWORTH-Projektionsformeln und Stereoformeln)
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39.3
Cyclohalbacetal-Formen und Konformation
851
Wie die Aldohexose Glucose liegt die Ketohexose (/)-D-Fructose in Lösung überwiegend als cund d-Anomerenmischung der Pyranose-Form vor (Abb. 39.5). Aus Lösungen kristallisiert nur die d-D-Fructopyranose. O HO
CH2OH
O HO CH2OH
OH
OH
OH c-D-Fructopyranose
C HO C
HOH2C
O HO
CH2OH
CH2OH OH """"""""""d -D-Fructopyranose (stabilste Form, kristallisierbar) OH
O H
H
C
OH
H
C
OH HOH2C
CH2OH D-Fructose (instabile Keto-Form)
OH
OH
O HO
OH CH2OH
OH c-D-Fructofuranose
OH d -D-Fructofuranose
Abb. 39.5. Gleichgewicht zwischen der Keto-Form und den anomeren Pyranosen und Furanosen der Ketohexose (/)-D-Fructose
39.3.3
Mutarotation
Löst man Kristalle der c- und der d-D-Glucopyranose in getrennten Gefäßen in Wasser und mißt jeweils nach gleichen Zeiten die spezifische Drehung der Lösungen mit einem Polarimeter, so sinkt der Drehwert der c-Pyranose-Lösung von zunächst +113° auf den Endwert +52.5°, während er bei der d-Pyranose-Lösung von zunächst +19° auf ebenfalls +52.5° ansteigt. Die in wäßriger Lösung offensichtlich stabilere d-D-Glucopyranose dominiert im Gleichgewicht mit 62 % gegenüber der c-Form (38 %), unabhängig vom kristallinen Anomer, aus dem die Lösung hergestellt wird. Das über die offenkettige Polyhydroxycarbonyl-Zwischenstufe (Abb. 39.4) ablaufende Gleichgewicht zwischen c- und d-Glucopyranose ist als Mutarotation bekannt (lat. mutare = ändern, DUBRUNFANT 1846) und eine Variante der Oxo-Cyclo-Tautomerie. Die Mutarotation wird durch Temperaturerhöhung oder in alkalischen Lösungen (pH > 7) beschleunigt. Tab. 39.4 gibt Zusammensetzungen wäßriger Aldose-Lösungen nach Einstellung des Mutarotations-Gleichgewichts. Tab. 39.4. Gleichgewichtszusammensetzungen (Gew. %) wäßriger Aldose-Lösungen c-Pyranose
d-Pyranose
c-Furanose
d -Furanose
Allose Altrose Glucose Mannose Gulose Idose Galactose Talose
18 27 36 67 22 31 27 40
70 40 64 33 78 37 73 29
5 20
7 13
Ribose Arabinose Xylose Lyxose
21.5 61 35 71
58.5 35 65 29
Monosaccarid
Furanosen insgesamt
3)
H C OH
/ H 2O (pH < 3)
H C OH
CH2OH D-Gluconsäure als Salz (Gluconat) isolierbar
HOH 2C HO
O OH
O OH
D-Gluconsäure-i-lacton stabil
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858
39 Kohlenhydrate
Die 1-He-Atome am anomeren C der c-Pyranosen sind oxidativ schwerer angreifbar als die 1-HaAtome der d-Anomeren; zudem bilden d-Pyranosen leichter Pyranosid-Anionen als c-Pyranosen. Daher werden c-Pyranosen langsamer zu Onsäuren oxidiert. Die aus Aldosen erzeugten Aldolactone können zu Aldarsäuren weiter oxidiert und mit Natriumamalgam in alkalischen Medium zu Alditolen, in saurem Medium dagegen wieder zu den Aldosen reduziert werden. Durch Erhitzen mit Basen wie Pyridin epimerisieren Onsäuren leicht in c-Stellung zur CarboxyFunktion; daher kann D-Glucose in D-Mannose übergeführt werden: Pyridin
Oxidation
D-Glucose
Reduktion
D-Gluconsäure
D-Mannonsäure
D-Mannose
Stärkere Oxidationsmittel (konz. HNO3) oxidieren Aldosen bis zur Stufe der Arsäuren (Polyhydroxydicarbonsäuren, Zuckersäuren, Glykarsäuren). CHO H C OH
CO2H
HNO3 / NaNO2 0 °C
CHO
H C OH
H C OH
H C OH
CH 2OH
HO C H H C OH
H C OH
CO2H
D-Erythrose
CO2H
HNO3 / NaNO2 0 °C
HO C H
CO2H D-Weinsäure
CH2OH
meso-Weinsäure
D-Threose
CO2H
CO2H HO HO
HO
H C OH
CH 2OH O
HNO3 (50 %)
HO C H
OH
HNO3 (50 %)
HO
H C OH
OH
H C OH
CH2OH O
HO C H
OH
HO C H
OH
H C OH
H C OH CO2H D-Galactarsäure (Schleimsäure; Salze: Mucate)
CO2H D-Glucose
D-Glucarsäure (L-Gularsäure)
D-Galactose
Diese sind als Salze isolierbar; in freier Form liegen nur die aus Erythrose und Threose entstehenden Weinsäuren vor. Längerkettige Arsäuren wie D-Glucarsäure (Zuckersäure) können verschiedene Mono- und Dilactone bilden. O
O
C
H C OH HO C H H C
HO
H C OH HO C H
O
H C OH C
O
C
O
D-Glucarsäure1,4-monolacton
C
H C OH O
O
OH
C H
O
C
H C OH O
C H
O
H C OH
H C OH
H C
H C
H C OH
H C OH
C
C
HO
C
O O
D-Glucarsäure1,5-monolacton
O
D-Glucarsäure3,6-monolacton
O
O
D-Glucarsäure1,4;3,6-dilacton
C
H C OH C H
H C OH H C C
O O
D-Glucarsäure1,5;3,6-dilacton
Die Oxidation der endständigen Hydroxymethyl-Gruppe von Glycosiden (Abschn. 39.4.4), in denen das anomere C-Atom durch Acetalisierung geschützt ist, führt mit Distickstofftetroxid in wasserfreiem Medium zu den als Glycuronide bezeichneten Glycosiden der Glycuronsäuren. Aus den Glycuroniden erhält man die freien Glycuronsäuren durch säurekatalysierte Hydrolyse.
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39.4
Carbonyl-Reaktionen der Kohlenhydrate
HO HO
859
CO2H
CH2OH O
+ N2O4 / N2O, / H2O
CO2H O
HO HO
HO HO
/ CH3OH
OH
OH
OCH 3 Methyl-c-D-glucopyranosid (ein Glycosid)
+ H2O (HCl)
O OH OH
OCH3
Methyl-c-D-glucuronid (ein Glycuronid)
""""""""""""""c- und d-D-Glucuronsäure (eine Glycuronsäure, Cyclohalbacetal-Form)
Durch vorsichtige Oxidation können auch Onsäuren in Uronsäuren übergeführt werden. Andererseits bilden sich Uronsäuren durch Reduktion (Na/Hg) aus Arsäuremonolactonen. Glucuronsäure bewirkt im Organismus u. a. die Ausscheidung toxischer Verbindungen in Form wasserlöslicher Glucuronide. Phenol wird z. B. als Phenylglucuronid im Harn (renal) ausgeschieden.
39.4.4
Glycosidierungen
O-Glycoside (O für Sauerstoff) sind Furanose- oder Pyranose-Derivate, welche am anomeren CAtom statt der Hydroxy-Gruppe Alkyloxy- oder Aryloxy-Reste tragen. Den Nichtzuckerteil des Moleküls bezeichnet man als Aglykon, den Zuckerteil als Glykon. O-Glycoside sind im Vergleich zu den Cyclohalbacetal-Formen (Furanosen und Pyranosen) Vollacetale. Substituiert eine AminoFunktion die Halbacetal-Hydroxy-Gruppe von Furanosen oder Pyranosen, so resultiert ein NGlycosid. Auch S- und C-Glycoside sind bekannt. HO HO
CH2OH O
HO HO
O
OH
HOH2C
N
R
O
HO HO
S
R
OH
O-Glycosid
R
CH 2OH O R
S-Glycosid
OH
OH
CH 2OH O C
OH
N-Glycosid
C-Glycosid
Zur Darstellung der O-Glycoside nach FISCHER werden Aldosen in Alkohol (Aglykon) unter Rückfluß in Gegenwart von wasserfreiem Chlorwasserstoff erhitzt oder mit einem trockenen H+Ionenaustauscher in Alkohol erwärmt. HOH 2C HO O HO 2 HO
[H+] , Hitze
OH + 2 CH3OH
"c- und d -D-Mannopyranose (anomere Cyclohalbacetale)
HOH 2C HO O HO HO
+
HOH 2C HO O HO HO
OCH3
OCH3
"c- und d -D-Methyl-D-mannopyranosid (anomere Vollacetale)
Diese thermodynamisch kontrollierte Reaktion ist umkehrbar, d. h. die aus Aldosen oder Ketosen erzeugten Glycoside sind durch Erhitzen in wäßriger Säure wieder zu Alkohol und Zucker hydrolysierbar (säurekatalysierte Glycosid-Hydrolyse). Bei der Glycosidierung mit Alkoholen entstehen zuerst Furanoside (kinetisch begünstigt), die sich über acyclische Carboxonium-Ionen in die konformativ stabileren Pyranoside umlagern. Durch analytische Kontrolle kann das Maximum der Furanosid-Bildung ermittelt werden. Die Glycosidierung ist somit ein Gleichgewicht: c-Furanosid
c-Pyranosid
d -Furanosid
d -Pyranosid
Aldose
Beim Auflösen eines Glycosids erfolgt keine Mutarotation, da sich die Konfiguration an C-1 vom Kristall zur Lösung nicht ändern kann. Unter den sauren Bedingungen der FISCHER-Glycosid-
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860
39 Kohlenhydrate
Synthese tritt allerdings Anomerisierung über mesomeriestabilisierte cyclische CarboxoniumIonen auf, wobei sich wegen des anomeren Effekts (Abschn. 39.4.4) meist mehr c-Glycosid mit axialem Aglykon bildet. HO HO
CH2OH O
H
/ CH3OH
O CH 3
OH
CH 2OH
HO HO
O
HO HO
H
CH2OH
- CH3OH
O
OH
H
CH 2OH O OH O H CH 3
OH
Carbenium-Ion Oxonium-Ion (Carboxonium-Ion)
Methyl-d-D-glucopyranosid protoniertes äquatoriales Aglykon
HO HO
Methyl-c-D-glucopyranosid protoniertes axiales Aglykon
Glycosidierungen und Anomerisierungen an peracetylierten Zuckern gelingen in Gegenwart von p-Toluensulfonsäure oder LEWIS-Säuren (ZnCl2, AlCl3, Schmelzen) in präparativem Maßstab (HELFFERICH-Synthese). Peracetylierte oder perbenzoylierte d-D-Glycoside lagern unter Titan(IV)-chlorid- oder Zinn(IV)-chlorid-Katalyse in apolaren Medien quantitativ in die wegen des anomeren Effekts stabileren c-D-Glycoside um. Die LEWIS-Säuren favorisieren die Dissoziation in intermediäre Carboxonium-Ionen und Alkoholat- bzw. Phenolat-Ionen. Setzt man bei diesen Anomerisierungen einen anderen Alkohol (oder ein Phenol) zu, so erfolgt ein Aglykon-Austausch (Transglycosidierung). AcO AcO
CH 2OAc O
R' OAc
+
O
ZnCl2
AcO AcO
CH2OAc O
+
OR'
H
OAc
CH3CO2H
OAc 2,3,4,6-Tetra-O-acetyl- d-D-glucopyranosid
Penta-O-acetyl-D-glucose
" d-Glycoside entstehen stereoselektiv nach KÖNIGS-KNORR über Glycosylhalogenide. Zur Synthese
von d-D-Glucopyranosiden wird das als Acetobromglucose bekannte Schlüsseledukt Tetra-Oacetyl-c-D-glucopyranosylbromid mit Alkohol oder Phenol an C-1 nucleophil substituiert. Acetobromglucose mit axialem (c-ständigem) Brom bildet sich wegen des anomeren Effekts stereospezifisch durch Reaktion der 2,3,4,6-Tetra-O-acetyl-D-glucose mit Bromwasserstoff. Verläuft die Reaktion nach SN2, so greift das Nucleophil unter Inversion der Konfiguration an C-1 äquatorial (d) an; auch im Falle eines SN1-Mechanismus attackiert das Nucleophil am Carboxonium-Ion von der d-Seite, da die O-Acetyl-Gruppe am benachbarten C-2 die c-Seite aus sterischen und elektrostatischen Gründen sperrt (Nachbargruppen-Effekt). 2 AcO AcO
CH 2OAc O
R' +
2O
+
2 AcO AcO
Ag2CO3
CH2OAc O OR'
H
O Br
+
2 AgBr + CO2 + H2O
OAc
H3C Acetobromglucose O
2,3,4,6-Tetra-O-acetyl- d -D-glucopyranosid
Eine neuere Methode zur Darstellung von Glycosiden ist die Trichloracetimidat-Methode nach R.R. SCHMIDT. Die c- und d-Trichloracetimidate bilden sich durch nucleophile Addition der anomeren OH-Funktion von Aldosen, deren Alkohol-Funktionen zum Schutz acetyliert oder verethert sind. Nach kurzen Reaktionszeiten entstehen die d-Trichloracetimidate, welche nach längeren Reaktionszeiten zu den c-Anomeren isomerisieren: RO RO
CH 2OR O ORO
RO RO NH
c-Trichloracetimidat CCl3
CH 2OR O
(Base)
OH OR
R = CH 2C 6 H 5 ; COCH3
+ Cl3C
C N
RO RO
CH2OR O O OR
NH CCl3
d-Trichloracetimidat
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39.4
Carbonyl-Reaktionen der Kohlenhydrate
861
In Gegenwart moderater LEWIS-Säuren wie Bortrifluorid-Etherat substituieren Alkohole die Trichloracetimidat-Gruppe als Trichloracetamid. Dabei erhält man unter milden Bedingungen bevorzugt die d-Glycoside. RO RO
CH2OR O
R'
CH2Cl2 , BF3 . O(C2H5) 2 , / 40 °C
+ O ORO
RO RO
CH 2OR O
H
NH
+
OR'
O
NH2 CCl3
OR geschütztes d -Glycosid
CCl3
39.4.5
Reaktionen mit Thiolen und Stickstoff-Nucleophilen
Den FISCHER-, KÖNIGS-KNORR- und SCHMIDT-Synthesen von O-Glycosiden analog können Thiolglycoside (S-Glycoside) dargestellt werden. Bei der säurekatalysierten Umsetzung von Monosacchariden mit Propan-1,3-dithiol in der Kälte, entstehen überwiegend 1,3-Dithianyl-Derivate. HO HO
CH2OH O
HS OH
+
/ H2O
HS
OH
HO HO
konz. HCl , 0 °C
CH2OH O
S
OH S 1-(1,3-Dithian-2-yl)-D-glucopyranose
1,3-Dithian-Derivate können durch Behandlung mit Quecksilber(II)-chlorid in Wasser/Aceton wieder in freie Zucker oder mit Alkohol in Di-O-acetale übergeführt werden. Dithian-Derivate geschützter und ungeschützter Kohlenhydrate sind Zwischenstufen der präparativen Zuckerchemie. Monosaccharide mit freier Oxo-Gruppe addieren wie Aldehyde und Ketone Stickstoff-Nucleophile, wobei über acyclische Iminozucker Glycosylamine (N-Glycoside) als Pyranoside oder Furanoside entstehen können. H
C
O
H
R
C
O
+ H2N
+
H 2N R'
OH
R'
H C NH R'
R
instabiles Aminal
R
Aldose / H2O
+ H2O
O
O NHR'
N-Pyranoside
d-
H
C
N
c-
R'
NHR'
R NHR' O N-Furanoside
d-
Iminozucker
O c-
NHR'
N-Glycoside zeigen in wäßriger Lösung im Gegensatz zu O- und S-Glycosiden Mutarotation, da cyclische Glycosylamine und acyclische Imine miteinander im Gleichgewicht stehen. 2-Aminozucker wie Galactosamin (2-Amino-2-deoxy-D-galactose) können aus einer Aldose durch Umsetzung mit Anilin zum Iminozucker, nachfolgender Addition von Cyanwasserstoff an
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862
39 Kohlenhydrate
die C=N-Bindung (Cyanhydrin-Reaktion) und Entfernung des Phenyl-Restes durch Hydrierung unter gleichzeitiger Hydrolyse der Cyano-Gruppe hergestellt werden.
H
C
O
+ H2N C6H5
H
/ H2O
C
N C 6H5
H C NH C6H 5
HO C H
HO C H
/ NH4Cl , / C6H6
HO C H
R
R
+ H2 (Pd /BaSO4) + H2O, + 2 HCl
CN
+ HCN
H
C
O
H C NH 3 Cl HO C H
R
R 2-Amino-2-deoxyD-galactose (Hydrochlorid)
D-Arabinose R = H C OH H C OH CH2OH
Hydrazone, Osazone, Oxime und Semicarbazone waren früher analytisch bedeutende ZuckerDerivate. Mechanistisch interessant ist die noch nicht völlig aufgeklärte Reaktion von Monosacchariden mit drei Äquivalenten Phenylhydrazin zu Osazonen. Zunächst gebildetes Phenylhydrazon tautomerisiert in Gegenwart von Säuren zum Enhydrazin. Das nach Eliminierung von Anilin entstehende c-Oxoimin reagiert mit zwei Äquivalenten Phenylhydrazin zum gelben Osazon. Zur Charakterisierung von Zuckern stellt man aus den Osazonen die gut kristallisierenden, roten Osotriazole her: H
C
N NH C6H5
H
+
+ [H ]
H
H C OH R
C
N NH C6H5
+
/ [H ]
H C OH R
Phenylhydrazon
H R
C C
NH NH C 6H5
C
H
/ H2 O
O
C
NH
C O
H
R
AMADORI-Umlagerung
+ H 2N NH C 6H5 / H 2O
H
/ H 2N C 6H 5
+ 2 H 2N NH C 6H5 / H2 O , / NH3
O
H
N
R
N
H N C6H5
H C OH R
CuSO4 / H 2N C 6H 5
N NH C6H 5
C N NH C6H5 R
Osotriazol
Aldose
C
Osazon
Die als AMADORI-Umlagerung bezeichnete Tautomerisierung der Zucker-Phenylhydrazone ist ein Analogon der LOBRY-DE-BRUYN-VAN-EKENSTEIN-Umlagerung. Dabei handelt es sich um ein durch Pyridin katalysiertes Gleichgewicht zwischen Glyceraldehyd und Dihydroxyaceton. H
C
O
H C OH CH 2OH Glyceraldehyd
H H 2C OH
C C
OH OH
CH 2OH C O CH 2OH Dihydroxyaceton
Beim Backen und Braten addieren Amino-Gruppen der Proteine nuceleophil an die AldehydFunktionen reduzierender Zucker. Durch AMADORI-Umlagerungen bilden sich intermediär 1Amino-1-desoxyketosen und 2-Amino-2-desoxyaldosen; deren komplexe Folgereaktionen führen zu den gelben bis braunen, höhermolekularen Produkten, die Farbe und Aroma des Gebackenen und Gebratenen prägen (MAILLARD-Reaktion).
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39.5
Polyol-Reaktionen
863
39.5 Polyol-Reaktionen Die Hydroxy-Funktionen der Zucker reagieren wie Alkohole, insbesondere nach Blockierung der Carbonyl-Funktion. Entsprechend gelingen Acylierung, Alkylierung, Acetalisierung, Oxidation, Substitution und Eliminierung. Solche Reaktionen sind für Synthesen und Analytik nützlich.
39.5.1
Schutzgruppen für die Hydroxy-Funktionen
Selektive Umwandlungen an einer funktionellen Gruppe einer mehrfunktionellen Verbindung erfordern einen stabilen Schutz aller an der Reaktion nicht beteiligten reaktiven Gruppen. Die Schutzgruppen müssen nach der Reaktion schonend abspaltbar sein. Die Hydroxy-Funktionen der Pyranosen können z. B. mit Essigsäureanhydrid/Zinkchlorid oder mit Acetylchlorid verestert werden. Man erhält peracetylierte Zucker. Die Wiederabspaltung der Acetyl-Schutzgruppen gelingt mit Natriumalkoholat in alkoholischer Lösung. HO HO
CH2OH O
+ 5 (H3CCO) 2O (ZnCl2) / 5 CH3CO2H
OH OH
AcO AcO
+ 5 NaOH , - 5 CH3CO2Na
c- und d -D-Glucopyranose
CH 2OAc O OAc
C
OAc
c- und d -D-Glucopyranosepentaacetat
O
H 3C H 3C
O Cl
Adamantoylchlorid
C
Cl
H3C Pivaloylchlorid
Neben Acetyl- (H3C/CO/) sind Benzoyl- (C6H5/CO/), Methansulfonyl- (H3C/SO2/) und Tosyl(p-H3C/C6H4/SO2/) Schutzgruppen von Bedeutung. Zum selektiven Schutz endständiger primärer Hydroxy-Gruppe eignen sich die sperrigen Adamantoyl- und Pivaloyl-Gruppen, die durch Acylierung mit den Säurechloriden eingeführt und in basischen Medien abgespalten werden können. Selektive Acylierungen mittelständiger Hydroxy-Gruppen sind nach Schutz cis-ständiger OHFunktionen als Cycloacetale bzw. Cycloketale erreichbar, z. B. als Benzyliden- und IsopropylidenDerivate. Hierzu werden die Zucker unter Säurekatalyse (H2SO4, p-Toluensulfonsäure, ZnCl2) mit Benzaldehyd bzw. Aceton (auch Acetaldehyd oder Cyclohexanon) derivatisiert. Die unter dehydratisierenden Bedingungen eingeführten Acetal- und Ketal-Schutzgruppen sind durch Hydrolyse mit verdünnten wäßrigen Säuren abspaltbar; alkalischem Medium widerstehen sie auch beim Erhitzen. CH3 HO CH OH 2 O HO
+ (H 3C) 2CO (H2SO4 oder ZnCl2) / 2 H2O
H3C
O CH OH 2 O O
OH OH
H C
HO CH 2
3 + (H3 C) 2CO H 3C (H2SO4 )
HO CH O OH
/ 2 H2O
O CH 2 O CH O OH
OH OH
O O H 3C
O
CH 3
c-D-Galactopyranose
1,2:3,4-Di-O-isopropylidenD-galactopyranose (Diacetonid)
CH 3
O
CH 3
c-D-Glucofuranose
1,2:5,6-Di-O-isopropylidenD-glucofuranose (Diacetonid)
Glycosid-Bindungen bleiben unter den milden Bedingungen der Einführung und Abspaltung des Isopropyliden-Schutzes stabil: CH3 H3C
O CH OH 2 O O
50 % CH3CO2H, 90 °C
H 3C
CuSO4 / H2SO4 , 20 °C
H 3C
OCH 3 + H 2O OH
3,4-O-Isopropyliden-methyl- d-D-galactopyranosid
C O +
HO CH OH 2 O HO
OCH3
OH
Methyl-d -D-galactopyranosid
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864
39 Kohlenhydrate
Benzaldehyd reagiert ebenfalls unter milden Bedingungen, z. B. mit d-D-Glucopyranosiden zu 4,6-O-Benzyliden-d-D-glucopyranosiden mit trans-Decalin-Konfiguration. H C
HO HO HO
O +
O
O O HO
(ZnCl2)
OCH 3
/ H2O
O OCH3 OH
OH
4,6-O-Benzyliden-d -D-glucopyranosid
Als Beispiel einer Anwendung des Isopropyliden-Schutzes sei die selektive Acylierung der Glucose in 3-Stellung erwähnt. Acetoxy-Gruppen können ihrerseits wieder durch Ammonolyse oder basenkatalysierte Umesterung in Methanol entfernt werden. H 3C
O CH 2
H 3C
O CH O OH
+ (CH 3CO) 2O Pyridin
H3C
O CH 2
H3C
O CH O OAc
/ CH 3CO2 H
O
HO AcO
/ 2 (H 3C) 2CO
O
CH3
O
+ 2 H2O H 2O/CH 3CO2H (1:1)
OH OH
CH3
O
CH 3
1,2;5:6-Di-O-isopropyliden- CH 3 c-D-glucofuranose
CH2OH O
3-O-Acetyl-c- und -dD-glucopyranose
1,2- und 1,3-cis-Diol-Gruppierungen sind auch als cyclische Boronsäureester geschützt. Zur Einführung eignet sich die Phenylboronsäure in Form ihres trimeren Anhydrids Triphenylboroxin. Triphenylboroxin
HOH 2C 3 HO
O
H 5C6
OCH3 + OH
B O
O B
B
C 6H5
azeotrope Destillation mit Benzen
HOH2C
OCH3 O
3
O
O
O B
C 6H5 + 3 H2O , / 3 H5C6/B(OH) 2
Methyl-d -D-ribofuranosid
C 6H5 Methyl-d-D-ribofuranosid2,3-phenylboronsäureester
Zu Methylierungen der Hydroxy-Funktionen eignen sich verschiedene Alkylierungsmittel, z. B. Dimethylsulfat in Natronlauge (HAWORTH) oder in flüssigem Ammoniak, Iodmethan und Bariumoxid mit Silberoxid, Dimethylformamid und Natriumhydrid (PURDIE) sowie Diazomethan mit Bortrifluorid-Etherat. HO HO
CH 2OH O
+ 5 (H3CO) 2SO2 , + 10 NaOH
OH OH
/ 5 Na2SO4 , / 10 H2O
2 H3CO H 3CO
CH 2OCH3 O OCH3 OCH 3
Methyl -c- und d-2,3,4-tetraO-methyl-D-glucopyranosid
Verdünnte wäßrige Säuren hydrolysieren selektiv am anomeren C-Atom zur Tetra-O-methylaldose (Spaltung des Acetals). Die restlichen Methylether-Gruppen lassen sich nur durch Bortrichlorid oder Bortribromid in Dichlormethan entfernen. Permethylierte oder trimethylsilylierte Zucker lassen sich gaschromatographisch trennen. Hierauf beruht eine Methode zur Identifizierung von Kohlenhydraten durch Kombination von Gaschromatographie und Massenspektrometrie. O-Benzyl-Schutzgruppen sind aufgrund ihrer leichten Abspaltbarkeit durch katalytische Hydrierung interessant. Erwähnenswert ist schließlich die volumi-
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39.5
Polyol-Reaktionen
865
nöse Triphenylmethyl-Schutzgruppe (Trityl-Schutz), welche durch Tritylchlorid/Pyridin selektiv an primäre Hydroxy-Gruppen eingeführt wird.
39.5.2
Oxidation von Hydroxy-Gruppen
Die Oxidation endständiger Hydroxy-Gruppen führt zu Glycarsäuren und Glycuronsäuren (Abschn. 39.4). Fehlen endständige primäre Hydroxy-Gruppen und die Lactol-Funktion, wie im Falle der Pentopyranoside, so können durch katalytische Oxidation (Pt/O2, Dehydrierung) axiale bevorzugt gegenüber äquatorialen Hydroxy-Gruppen oxidiert werden. OH HO
O
/
/ 2 [H+] , /"2 e0 " (Pt / O2)
O
O HO
OCH3
OCH 3 OH
OH Methyl- c-L-arabinopyranosid
Methyl- c- L-threo-pentopyranos-4-ulosid
Andere Oxidationsmittel zur Einführung von Oxo-Gruppen in Monosacchariden sind Chrom(VI)oxid in Pyridin, Dimethylsulfoxid mit Elektrophilen (Dicyclohexylcarbodiimid, Acetanhydrid oder Diphosphorpentoxid) sowie Rutheniumtetroxid (aus Rutheniumdioxid und Natriumhypochlorit). Die selektive Oxidation bestimmter C-Atome erfordert den vorherigen Schutz der anderen Hydroxy-Gruppen, z. B. durch Isopropyliden-, Phenylboronat- oder Benzyl-Reste. Primäre Alkohol-Funktionen werden nach PFITZNER-MOFFATT (Abschn. 24.8.3) nur bis zur Aldehyd-Stufe oxidiert, wie das Beispiel des Isopropyliden-geschützten d-Methylribopyranosids zeigt. HOH 2C
OCH 3
DCC / DMSO / H3PO3 / / 2 [H+] , / 2 e0
O O
O C
H OCH3 O O
O
H 3C
CH 3
O
H3C CH3 2,3-Di-O-isopropylidenmethyl-d-D-ribofuranosid
Derart geschützte Monosaccharide mit Oxo-Funktionen sind Zwischenstufen zu Kettenverlängerungen und Kettenverzweigungen sowie zur Einführung von Amino-Gruppen. Ein Beispiel hierzu ist die Synthese der Streptose, einer der Zuckerkomponenten des Antibiotikums Streptomycin. H OH O H 3C
O
(1)
O O
CH3
CH 3 5-Deoxy-1,2-O-isopropylidend -L-arabinofuranose
H 3C O
O
(2)
O O
CH3
CH 3
O C
H3C
(3,4)
O OH
O
CH 3
CH 3
H 3C
O
OH
OH OH
Streptose
(1) Oxidation mit DMSO/DCC; (2) Addition von H2C=CH/MgBr; (3) Ozonolyse der CC-Doppelbindung; (4) Abspaltung der Schutzgruppe mit H 3O+
Epimerisierungen mittelständiger Hydroxy-Gruppen gelingen durch selektive Oxidation zur OxoGruppe und anschließende stereoselektive Reduktion zur Hydroxy-Gruppe. Diese Methode er-
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866
39 Kohlenhydrate
möglicht die Darstellung seltener Zucker, die nicht aus natürlichen Quellen isolierbar sind. Ein Beispiel ist die Darstellung der D-Allose aus D-Glucose (3-Epimerisierung). O O
O OH O
O
O
(1) O
(3)
O
O
O
O
O
(2)
O
CH 2OH O
HO
OH
O
O
O
HO
OH
OH
1,2;5,6-Dicyclohexylidenc-D-glucofuranose
D-Allose +
(1) Oxidation mit DMSO / DCC ; (2) Reduktion mit NaBH 4; (3) Abspaltung der Schutzgruppen mit H 3O
39.5.3
Nucleophile Substitutionen
Zur nucleophilen Substitution der schlecht nucleofugen Hydroxy-Gruppe an den nicht anomeren C-Atomen müssen diese zunächst in sehr gut nucleofuge p-Toluensulfonyloxy-Gruppen (TosylSchutz und Aktivierung) übergeführt werden. Zur Substitution des Tosyl-Restes kommen in der Kohlenhydrat-Chemie besonders folgende Nucleophile in Betracht: ̈ ̈ ̈ ̈
Hydrid (H/), Thiolat (R/S/), Iodid (I/) zur Synthese von Deoxymonosacchariden; Amine (R/NH2) und Azid (N3/) zur Synthese von Aminodeoxyzuckern; Carbanionen zur Synthese verzweigter Zucker; Alkoholate für Epimerisierungen
Ohne Nachbargruppenbeteiligung erfolgt meist eine SN2-Reaktion (z. B. an C-6 von Hexosen). O + Cl S
CH3
O (Base)
6
H C OH
/ HCl
O
/
6
H C O S
+ Nu
CH3 /
O
6
H C Nu
O
/" O S
CH3
O
Geschützte und tosyloxy-aktivierte Monosaccharide können unter milden Bedingungen zu Deoxyoder Aminozuckern umfunktioniert werden, wie zwei Beispiele zur Darstellung geschützter Derivate von Deoxy- und Aminozuckern zeigen: TosO AcO AcO
NaI , (CH3CO) 2O Hitze
O OCH 3
K AcO AcO
H2 / Ni in CH3OH
O OCH 3
OAc
OAc
TosO
N 3 H 2C NaN3 / DMF
OTos
2,3,4-Tri-O-tosylmethyl-d -D-ribopyranosid
OCH3
2,3,4-Tri-O-acetyl-6-deoxymethyl-d-D-glucopyranosid
OCH 3 O
O OAc
2,3,4-Tri-O-acetyl-6-O-tosylmethyl-d-D-glucopyranosid
TosO H 2C
H 3C AcO AcO
TosO
H2N H 2C
OCH3 H2 / Pd / C
O OTos
OCH3 O
TosO
OTos
2,3-Di-O-tosyl-5-amino-5-deoxymethyl-d -D-ribopyranosid
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39.5
Polyol-Reaktionen
39.5.4
867
Glykol-Spaltung und andere Abbaureaktionen
Von den früher zur Strukturaufklärung genutzten Abbaureaktionen der Kohlenhydrate findet die Glykol-Spaltung (Abschn. 15.7.1) mit Natriumperiodat (NaIO4) in wäßriger Lösung oder mit Bleitetraacetat [Pb(CH3COO)4] in organischen Lösemitteln bis heute Anwendung. R1
R1
R1 H C OH
O +
H C OH
H C O
O
I O
K
/ H2O
OH
H H
OH H C O O R2
O
R2 1,2-Diol
O
C + C
O
O +
O
O
I O
R2
Periodat
Aldehyd 1 und 2
Iodat
Aus den entstehenden Carbonyl-Verbindungen läßt sich die Konstitution der Monosaccharide rekonstruieren (Tab. 39.5). Tab. 39.5. Produkte der Periodat-Spaltung von Kohlenhydraten Strukturelement
Periodat-Spaltprodukte
R
R
H C OH
Polyol
H C* OH
H
C
O + O
H
*C
O +
H
C
OH
H
CH2OH R
R
H C OH
Aldosen
H
C*
H
C
O HO
R H C
NH R'
CH2OH H C OH H
C
*C OH
C
O + O
H
*C H
R
*CH2OH
allgemein
H
R
* CH2OH
Aminozucker
O +
O
O
R
Ketosen
C
H
C
O +
O
H
*C
+
H2N
R'
H
HCHO HCO2H
O
H C OH
HCO2H
CH2OH
Die Spaltung mit Periodat kann quantitativ durch Titration des entstandenen Iodats verfolgt werden. Unter den Bedingungen der Periodat-Spaltung werden demnach bei folgenden Methyl-Omethylglycosiden zwei, ein und null mol Periodat verbraucht.
Glucosid
H3CO H2C HO HO
O OCH3
HO H 2C H 3CO HO
OH NaIO4-Verbrauch
2 mol
O OCH 3 OH
1 mol
HO H2C HO H 3CO
O OCH3
OH 0 mol
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868
39 Kohlenhydrate
Mit dem Abbau nach WOHL kann eine Aldose über Oxim, Nitril und O-Acetylhemimethylacetal (Methanolat als Nucleophil) schrittweise vom anomeren C-Atom aus abgebaut werden. H
C
O
H (1)
H C OH
C
N
NOH
C
(2)
H C OH
R
R
(4)
H
H C OCOCH 3
R
Oxim
Aldohexose
OCH 3
(3)
H C OCOCH3
C R
R O-Acetylhemiacetal
Acetoxyglyconsäurenitril
O
Aldopentose +
(1) NH 2OH ; (2) (CH3CO)2O , Py ridin ; (3) NaOCH 3 ; (4) H3O
Bessere Ausbeuten liefert der Abbau nach MCDONNALD und H.O.L. FISCHER durch Oxidation der Diethylmercaptale zu Disulfonen mit Peroxypropionsäure und deren Spaltung mit Ammoniak. H
C
O (1)
H C OH
S C2H 5
SO2 C 2H5
H C S C2H 5
H C SO2 C 2H5
(2)
H C OH
R
R
Aldohexose
(3)
H C O H
SO2 C 2H5 H 2C SO2 C2H 5
+ H
O
R
R
Diethylthioacetal
C
Aldopentose
Bis-(ethylsulfonyl)-Derivat
+
(1) C 2H5SH [H ] ; (2) C 2H5CO3H ; (3) NH3 , H2O
39.6 Deoxy-, Amino-, ungesättigte und verzweigte Zucker 39.6.1
Deoxyzucker
Zu den bedeutenden, natürlich vorkommende Kohlenhydraten gehören Deoxyzucker wie L-Fucose und L-Rhamnose. In ihnen tritt anstelle der Hydroxy-Gruppe an C-6 ein Wasserstoff-Atom. H
C
O
HO C H H C OH
H
C
O
H
C
O
O
CH 2
CH2
H C OH
H C OH
H C OH H C OH
HO C H
H C OH
HO C H
H C OH
CH 3
CH 3
(/)-L-Fucose (6-Deoxy-L-galactose)
C
H C OH
HO C H
H C OH
H
(+)-L-Rhamnose (6-Deoxy-L-mannose)
CH2OH
CH3 D-Digitoxose
2-Deoxy-D-ribose
Digitoxose, eine 2,6-Dideoxy-D-allose, ist die Kohlenhydrat-Komponente des HerzglycosidWirkstoffes Digitoxin (Abschn. 42.5.4). Prominentester Deoxyzucker ist die Aldopentose 2Deoxy-D-ribose, der Zuckerbaustein der Deoxyribonucleinsäuren (DNA, Abschn. 40.1).
39.6.2
Aminozucker
Aminozucker sind Aldosen, in denen die Amino-Funktion eine Hydroxy-Gruppe ersetzt. Bedeutend sind die Aminozucker D-Glucosamin und D-Galactosamin, die aus Blut, Gehirn-Gangliosiden
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39.6 Deoxy-, Amino-, ungesättigte und verzweigte Zucker
869
(Abschn. 41.6.2), Glycoproteinen und Heteropolysacchariden isoliert werden. N-Acetyl-D-glucosamin ist das Monomer des Polysaccharids Chitin (Abschn. 39.9.5). Der biogenetisch einer AldolReaktion von D-Mannosamin und Brenztraubensäure entstammende C9-Aminozucker Sialinsäure (N-Acetylneuraminsäure) tritt als Baustein membranbildender Glycolipide auf (Abschn. 41.6.2). CO2H H
C
H
O
H C NH 2
C
H
O
HO C H H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
CH2OH
CH 2OH
O C
O H C NH C CH 3 HO C H
H C NH2 HO C H
HO C H
O
C
CO2H
CH2
H
H C OH
O
H3C
C NH C H H3C
D-Glucosamin (2-Amino2-deoxy-D-glucose)
N-Acetyl-D-glucosamin
OH
O HO
R = H C OH H
H C OH D-Galactosamin (2-Amino2-deoxy-D-galactose)
N
O
HO C H H C OH
CH 2OH
C
R
C
OH
CH2OH
CH2OH
N-Acetylneuraminsäure (Sialinsäure)
N-Methyl-L-glucosamin ist eine glycosidisch gebundene Komponente des aus Pilzen der Gattung Streptomyces stammenden Antibiotikums Streptomycin. Das Peptidantibiotikum Vancomycin (Abschn. 37.7.2) enthält den Aminozucker Vancosamin. Der Dimethylaminozucker Desosamin sowie der C-Methylzucker Cladinose sind mit zwei Hydroxy-Funktionen des makrocyclischen Lactons Erythronolid A zum Makrolid-Antibiotikum Erythromycin A aus dem Pilz Streptomyces erythreus glycosyliert. O
H
C
O
H3C
O
H C OH HO C H
CH 3
H3C
H 3C HN C H
CH 2OH Erythronolid A
HO
OH
O
CH 2OH
O
O
OCH3
CH3
N-Methyl-L-glucosamin
CH 3 OH
O
Erythromycin A
39.6.3
Desosamin [3,4,6-TrideoxyCH 3 3-(N,N-dimethylamino)D-xylohexose]
N(CH3) 2
OH HO O
H3C O
H5C 2
NHCH 3
HO C H
CH 3 OH
HO
Cladinose [3-O-Methyl-2,6-dideoxy3-C-methyl-L-ribohexose]
CH 3
Verzweigte und ungesättigte Zucker
Zu den verzweigten Kohlenhydraten gehört die in Flavonglycosiden der Sellerie und Petersilie vorkommende D-Apiose sowie die Cordycepose. CC-Doppelbindungen in ungesättigten Kohlenhydraten treten oft als Folge der Oxo-Enol-Tautomerie in Form von Endiol-Gruppierungen auf, wie das Beispiel der Ascorbinsäure zeigt. H
C
O
H C OH H C CH 2OH CH 2OH Cordycepose
H
C
CH 2OH
O
H C OH
HO O
OH
D-Apiose
HO
O i-Lacton-Teilstruktur Endiol-Teilstruktur
HOH2C C OH CH2OH
H C OH O
OH
O
O
H mit intramolekularen
H L-Ascorbinsäure
Wasserstoffbrücken
C C
OH OH
cis-Endiol
Das ungesättigte Kohlenhydrat (+)-L-Ascorbinsäure (Vitamin C) ist ein stark sauer schmeckendes, farbloses, wasserlösliches Vitamin aus frischem Gemüse und Obst. Ein Mangel an Vitamin C führt
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870
39 Kohlenhydrate
zu Skorbut, einer Avitaminose mit Schädigungen der Blutgefäße und verminderter Abwehrkraft gegen Infektionen. Infolge der Endiol-Funktion ist (+)-L-Ascorbinsäure eine Säure und ein starkes Reduktionsmittel. Ascorbinsäure wird als Nahrungszusatz (täglicher Bedarf 75 mg) und Konservierungsstoff (Antioxidans) im Tonnen-Maßstab technisch aus D-Glucose synthetisiert unter Anwendung eines mikrobiellen Syntheseschrittes. Dabei wird D-Glucose zuerst katalytisch zum Zuckeralkohol D-Sorbit (D-Sorbitol) hydriert. Die mikrobielle Dehydrierung dieses Polyols (Acetobacter suboxidans) führt zur L-Sorbose. Diese wird direkt oder nach Einführung von Isopropyliden-Schutzgruppen zu 2-Oxo-L-gulonsäure oxidiert. Das Endiol-Tautomer der 2-Oxo-L-gulonsäure dehydratisiert zum iLacton L-Ascorbinsäure. H
C
O
CH2OH (1)
HO C H
HO C H
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
CH2OH (+)-D-Glucose
CH 2OH
CH 2OH
H C OH
H C OH
HO C H
HO C
HO C H
CH2OH CH 2OH 2-Oxo-L-gulonsäure-Tautomere
L-Sorbose
(4)
(5)
O (1) H2 (Kat.) ; (2) Acetobacter suboxidans ; (3) Pt / O2 ; (4) (H 3C)2CO ; (5) / H2O ; (6) KMnO4 ; (7) H 2O
O O
O
O
H C OH
HO C H
CH 2OH
CH 2OH
HO C
H C OH
HO C H
C O
CH2OH D-Sorbit
(3)
H C OH
H C OH
CO2H
O C
HO C H
HO C H
(2)
CO2H
O C
H C OH
CH 3
HO
CH3
(6,7)
HO
OH
O O
HO C H
H3C
CH2OH L-(+)-Ascorbinsäure
CH 3 2,3:4,6-Di-isopropylidensorbofuranose
39.7 Trennmethoden Präparative Trennungen nicht derivatisierter Mono- und Oligosaccharide gelingen an Säulen mit Aktivkohle und Celit (Kieselgur) durch Adsorptionschromatographie sowie durch Gelchromatographie z. B. an Sephadex G 15. Blockieren Schutzgruppen und andere Reste die hydrophilen Funktionen, so sind dünnschichtchromatographische Trennungen auf Kieselgel-Platten erfolgreich, wobei meist durch "Brenzen" mit konzentrierter Schwefelsäure detektiert wird. Quantitative Zuckeranalysen nutzen die Reaktion der Zucker mit Hexamethyldisilazan zu flüchtigen O-Trimethylsilyl-Derivaten, die sich gaschromatographisch sowie durch Hochdruckflüssigkeits-Chromatographie (HPLC) trennen lassen. Borsäure [B(OH)3] bildet mit cis-1,2-Diolen saure Borsäureester (BÖSEKEN-Reaktion). HO HO
O OH OH
c-D-Xylopyranose (cis-1,2-Diol)
HO HO + B(OH)3
O O O (HO)2B H 3O
saurer Borsäureester
HO HO
O OH
OH + B(OH)3
keine Reaktion
d-D-Xylopyranose (trans-1,2-Diol)
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39.8
Oligosaccharide
871
Die Zucker-Borsäureester werden im "Zucker-Analysator" mit Ionenaustauscher-Säulen aufgrund ihrer individuellen Wechselwirkungen chromatographisch getrennt. Einige Monosaccharide lassen sich durch spezifische enzymatische Methoden quantitativ bestimmen, z.B. Glucose im Serum und Urin von Diabetikern mit Hilfe der Glucose-d-D-Oxidase.
39.8 Oligosaccharide Die wichtigsten natürlichen Oligosaccharide enthalten zwei bis vier Monomere. Di-, Tri- und Tetrasaccharide zeigen die typischen Eigenschaften der Monosaccharide: sie schmecken süß, sind wasserlöslich und kristallisierbar.
39.8.1
Disaccharide
Zu den häufigsten Disacchariden (Tab. 39.6) zählen Lactose aus Milch (Milchzucker) und Saccharose aus Zuckerrüben oder Zuckerrohr (Rohrzucker). Je nach Präsenz oder Fehlen einer Cyclohalbacetal-Funktion können Disaccharide reduzierend oder nicht reduzierend wirken. In reduzierenden Disacchariden wie Maltose, Lactose, Cellobiose sind die beiden Monosaccharide glycosidisch so miteinander verknüpft, daß die als Cyclohalbacetal maskierte Aldehyd-Funktion verfügbar ist (Maltose-Typ). In nichtreduzierenden Disacchariden, wie Trehalose und Saccharose, sind die beiden Monosaccharide über ihre Carbonyl-C-Atome glycosidisch so verbunden, daß keine Carbonyl-Reaktionen (Reduktion, Bildung von Osazonen) mehr möglich sind (Trehalose-Typ). HO HO HO HO
HO HO HO
O 1c
OH HO O HO 4
OH
O 1d
OH
HO O 4 HO
OH O
HO HO HO
OH
O 1c
O
OH O
OH
1c
HO O
Maltose
HO HO
4-O-(c-D-Glucopyranosyl)-D-glucopyranose C-1c/O/C-4-Verknüpfung eine Glycosyl-glycose
Cellobiose
Trehalose
4-O-(d-D-Glucopyranosyl)-D-glucopyranose C-1d/O/C-4-Verknüpfung eine Glycosyl-glycose
c-D-Glucopyranosyl)-c-D-glucopyranose C-1c/O/C-1c-Verknüpfung ein Glycosyl-glycosid
Die beiden Disaccharid-Typen können somit entstehen durch ̈ Dehydratisierung einer halbacetalischen mit einer alkoholischen Hydroxy-Gruppe (Maltose-Typ), ̈ Dehydratisierung zweier halbacetalischer Hydroxy-Gruppen (Trehalose-Typ). (+)-Maltose bildet sich bei der enzymatischen Spaltung der Stärke (Abschn. 39.9.3) mit Diastase. Durch verdünnte Säure oder mit dem spezifisch c-Glycoside spaltenden Enzym c-D-Glucosidase (Maltase) entstehen aus dem Disaccharid zwei mol D-Glucose. Maltose zeigt Mutarotation und bildet ein Osazon, beides Hinweise auf eine Halbacetal-Gruppe. (+)-Cellobiose, Teilstruktur der
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872
39 Kohlenhydrate
Cellulose, ist das 1d-Stereoisomer der Maltose. (+)-Trehalose enthält keine Halbacetal-Gruppe mehr und mutarotiert daher nicht. Trehalose kommt in Pilzen (einschließlich der Hefen) vor. Tab. 39.6. Eigenschaften bedeutender Disaccharide (C12H22O11) Bezeichnung (trivial und systematisch)
Vorkommen
Eigenschaften
Hydrolyseprodukte
Rohrzucker = Saccharose c-D-Glucopyranosyld -D-fructofuranosid
Zuckerrübe 12-20 % Zuckerrohr 14-21 %
süß, nicht reduzierend keine Mutarotation [c]D = + 66.5° Schmp. 187 °C (aus H2O)
D-Glucose + D-Fructose
Milchzucker = Lactose 4-O-(c-D-Galactopyranosyl)D-glucopyranose
Kuhmilch 4-5 % Frauenmilch 5-7 %
schwach süß, reduzierend Mutarotation Endwert [c]D = + 53.3° Schmp. 223 °C (c) ; 252 °C (d )
D-Glucose + D-Galactose
Malzzucker = Maltose 4-O-(c-D-Glucopyranosyl)D-glucopyranose
Samenkeimlinge (Gerstenmalz) Spaltprodukt der Stärke (Diastase)
reduzierend Mutarotation [c]D = + 112° (Endwert + 137°) Schmp. 103 °C
D-Glucose + D-Glucose
Cellobiose 4-O-(d -D-Glucopyranosyl)D-glucopyranose
Acetolyseprodukt der Cellulose
reduzierend Mutarotation, d -Anomer: [c]D = + 14° (Endwert + 35°) Schmp. 239 °C
D-Glucose + D-Glucose
Trehalose c-D-Glucopyranosylc-D-glucopyranosid
Algen, Bakterien, Pilze "Blutzucker" der Insekten
nicht reduzierend keine Mutarotation [c]D = + 197° Schmp. 204 °C
D-Glucose + D-Glucose
Der Rohrzucker (Saccharose) enthält wie Trehalose keine Halbacetal-Funktion, mutarotiert demzufolge auch nicht. Er ist das für unsere Ernährung bei weitem wichtigste Disaccharid und wird etwa je zur Hälfte aus Zuckerrüben und Zuckerrohr gewonnen. Diese Pflanzen können einen Zuckergehalt von 15 - 20 % erreichen. In den Zuckerraffinerien wird die Saccharose mit Wasser herausgelöst und die Zuckerlösung mit Ca(OH)2 versetzt, um Säuren und Proteine auszufällen; anschließend wird eingedampft, bis der Zucker auskristallisiert. HO
1c
OH O
HO
O
OH 1d
HO O 4 HO
OH O
HO O OH 1d
OH O
OH
Lactose
HO OH HO OH S a c c h a r o s e (Rohrzucker)
4-O-(d-D-Galactopyranosyl)-D-glucopyranose C-1d/O/C-4-Verknüpfung eine Glycosyl-glycose
(c-D-Glucopyranosyl- d-D-fructopyranosid = d-D-Fructofuranosyl- c-D-glucopyranosid) ein Glycosyl-glycosid
OH
Die durch Säuren katalysierte Hydrolyse der Saccharose liefert ein äquimolares Gemisch von Glucose und Fructose. Da sich bei dieser Hydrolyse das Vorzeichen der Drehwerte umkehrt, bezeichnet man die entstandene Glucose/Fructose-Mischung als Invertzucker (Endwert [c]D = /20°). Kunsthonig ist technisch durch Hydrolyse "invertierter" Rohrzucker, Bienenhonig ist natürlicher Invertzucker. Rohrzucker selbst zeigt keine Mutarotation, weil die Verknüpfung der Aldohexose mit der Ketohexose die Aldehyd- und Keto-Funktionen maskiert. Der Fructofuranosid-Ring des Rohrzuckers geht bei der Hydrolyse in die stabilere Fructopyranosid-Form über. Der Milchzucker (+)-Lactose liefert nach Hydrolyse durch wäßrige Säuren D-Glucose und DGalactose im Molverhältnis 1 : 1. Lactose zeigt Mutarotation, wirkt reduzierend und liefert nach
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39.9
Polysaccharide
873
Oxidation mit anschließender Hydrolyse D-Gluconsäure sowie D-Galactose. Lactose ist gegenüber Maltase stabil und wird nur durch die d-D-Glucosidase (im Emulsin) gespalten.
39.8.2
Trisaccharide, Cyclodextrine
Das einzige Trisaccharid von Bedeutung ist die Raffinose aus der Zuckerrübe. Glucose und Fructose sind in diesem Trisaccharid wie im Rohrzucker miteinander verknüpft. OH HO
O
HO
O
OH O HO HO
OH O HO
OH O
Raffinose [6-O-(c-D-Galactopyranosyl)c-D-glucopyranosyl]- d-D-fructofuranosid
OH
HO
Cyclodextrine entstehen durch enzymatischen Abbau der Stärke. Sie enthalten cyclisch c-(1›4)verknüpfte Glucose-Einheiten mit zylindrischen, chiralen Hohlräumen (Durchmesser 500 - 850 pm), bilden daher molekulare Einschlußverbindungen und eignen sich nach Modifikation der OHGruppen zur Trennung von Enantiomeren durch Gas- und Flüssigkeitschromatographie (GC und HPLC). HO
HO HO
O
O
OH
O OH HO
O
HO
O
OH
O HO OH HO
O
OH
OH O HO
HO
OH OH O HO
O OH HO
O
O OH
OH O HO
OH HO
c-
O
O
O
OH HO
HO O
HO OH O
OH OH
O HO
OH
dCyclodextrin
O
OH
OH
O
HO O
HO O
O O OH OH
O
HO
OH
HO O OH
OH O O
OH OH
O HO
O
HO O
OH
OH
OH O
HO O OH
O
O OH HO
O HO
HO
O
HO
HO OH O O
i-
OH
O
O OH
39.9 Polysaccharide Polymere Kohlenhydrate werden als Polysaccharide oder Glycane bezeichnet. D-Glucose ist alleiniger Baustein der wichtigsten Polysaccharide Cellulose, Stärke, und Glykogen, die daher als Glucosane oder Homoglycane bezeichnet werden. Hunderte bis Tausende von GlucopyranoseRingen sind kettenförmig durch Acetal-Bindungen, also Glucosid-Bindungen verknüpft. Die Summenformel ist daher (C6H10O5)n.
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874
39 Kohlenhydrate
Polysaccharide sind, verglichen mit Proteinen und Nucleinsäuren, einfach aufgebaute Biopolymere. Sie können daher in der lebenden Natur keine vielfältigen und komplexen Aufgaben erfüllen. Sie dienen vielmehr als unlösliche gerüstbildende Biopolymer-Fasern (Cellulose bei Pflanzen, Chitin bei Insekten) oder Nahrungsdepot (Stärke bei Pflanzen, Glykogen bei Tieren).
39.9.1
Struktur der Cellulose
Pflanzliche Zellwände bestehen vorwiegend aus Cellulose. Baumwolle enthält 98 % Cellulose, während man aus Holz 50 % und aus Stroh etwa 30 % Cellulose gewinnen kann. Die in Wasser und organischen Lösemitteln unlösliche Cellulose wird aus dem pflanzlichen Material durch Herauslösen der alkalilöslichen Pektine (Abschn. 39.9.3), Wachse und Öle und durch Bleichen mit Natriumhypochlorit-Lösung erhalten. Die Totalhydrolyse der Cellulose (C6H10O5)n mit wäßriger Salzsäure liefert nur D-Glucose (n C6H12O6). Die Partialhydrolyse mit wäßriger Essigsäure führt zum Disaccharid Cellobiose (Abschn. 39.8.1). Somit enthält Cellulose d-1›4-glycosidisch verknüpfte Monomere (K. FREUDENBERG und E. BRAUN, 1928). Die Kettenlänge variiert von mehreren hundert bis zu mehreren tausend Einheiten. Die Kettenlänge ergibt sich z. B. durch Permethylierung und quantitative Bestimmung des Verhältnisses von 2,3,6-Tri-O-methyl-D-glucopyranose zu Tetra-O-methylglucose. HO HO HO
O OH
OH HO O HO
O
HO O HO
O
HO O OH n HO
OH OH O
Cellulose-Teilstruktur
Die sehr zugfesten Baumwollfäden bestehen aus Cellulosefasern, welche in Längsrichtung ineinander verdrillt sind. Jede Faser besteht aus Bündeln von Celluloseketten, die sich strukturbedingt um eine Achse regelmäßig anordnen. Die Ketten werden durch Wasserstoffbrücken zusammengehalten. Die Glucose-Moleküle der Länge 510 pm sind alternierend und jeweils um 180° gegeneinander versetzt angeordnet. So entsteht eine regelmäßige Biopolymer-Struktur mit (Cellobiose-) Einheiten, die sich nach 1030 pm wiederholen.
39.9.2
Technische Gewinnung und chemische Modifikation der Cellulose
Cellulose findet vielseitige technische Verwendung (Abb. 39.9). Zu ihrer Herstellung wird ein saures (Sulfit-Verfahren) und ein basisches (Sulfat-Verfahren) Aufschlußverfahren angewandt. Sulfit-Verfahren: Holzstücke werden unter Druck mit Ca(HSO3)2-Lösung erhitzt. Lignin (ein Gemisch quervernetzter Phenole) wird dabei sulfoniert, geht als Sulfonsäure in Lösung und bleibt zusammen mit den Hemicellulosen (Gemisch verschiedener Polysaccharide) und Harzen in der Sulfitlösung. Der Rückstand ist unlöslicher Zellstoff, welcher nach Waschen und Bleichen etwa 90 % Cellulose enthält. Sulfat-Verfahren: Holz wird mit einer Lauge aus NaOH, Na2S und Na2SO4 ebenfalls unter Druck erhitzt. Aufgearbeitet wird wie beim Sulfit-Verfahren. Zellstoff wird zu Papier, Zellwolle und Watte weiterverarbeitet. Als Zellwolle wird Cellulose oft synthetischen und natürlichen Fasern zugemischt. Die im Holz enthaltene Cellulose kann auch in wäßriger Säure zu Glucose hydrolysiert werden; diese Holzverzuckerung findet zur Herstellung des Ethanols durch alkoholische Gärung und der Futterhefe Anwendung. Ein anderer Teil der Cellulose wird unter Erhaltung der Biopolymerkette chemisch modifiziert.
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39.9
Polysaccharide
875
Als Schießbaumwolle bekannt ist der Salpetersäureester der Cellulose (Cellulosetrinitrat). Partiell "nitrierte" Cellulose läßt sich in Ethanol/Ether auflösen; Eindampfen solcher Lösungen liefert Kollodiumwolle. Nach Vermischen mit Campher wurde daraus der erste brauchbare Kunststoff, das Celluloid, hergestellt. Auch für Filme und Nitrolacke wurden Cellulosenitrate verwendet. Cellulose löst sich in ammoniakalischer Kupfer(II)-hydroxid-Lösung [Cu(NH3)4(OH)2 , SCHWEIZERs Reagenz]. Die Löslichkeit beruht auf Komplexierung. In Mineralsäure wird dieser Komplex zerstört, und Cellulose fällt wieder aus. Die halbsynthetische Faser Kupfer-Seide (Kupfer-Reyon, Glanzstoff) wird durch Lösen von Cellulose in SCHWEIZERs Reagenz, Verspinnen in Wasser (Naßspinnverfahren), Strecken und Entkupfern mit verdünnter Schwefelsäure hergestellt. Viscose-Seide (Viscose- Reyon) erhält man durch Reaktion von Cellulose mit 20 proz. NaOH und CS2 zum löslichen Cellulosexanthogenat (Abschn. 25.11). Zur Regeneration der Cellulose wird die Lösung durch Spinndüsen in ein Schwefelsäure-Bad gepreßt (/"CS2). Dabei entstehen seidenartige Cellulose-Fäden. Auch in Form von Cellophan-Folien oder als Schaumstoff läßt sich Cellulose aus dem Xanthogenat verarbeiten. Acetat-Seide (Acetat-Reyon) entsteht durch Acetylierung der Hydroxy-Gruppen von Cellulose mit Essigsäureanhydrid. Eine mit 2 bis 2.5 O-Acetyl-Gruppen (pro Glucose-Einheit) beladene Cellulose kann in AcetonLösung unter Verdampfen des Acetons versponnen werden (Trockenspinn-Verfahren). Acetylcellulose wird meist nach Zumischung anderer Stoffe zu Folien, Filmen und Lacken verarbeitet. Auch als Adsorbens zur Chromatographie findet substituierte Cellulose Verwendung. So werden zur Reinigung von Proteinen häufig 2-Diethylaminoethyl-cellulose (DEAE) und Carboxymethyl-cellulose (CM) als basische bzw. saure Ionenaustauscher verwendet. Beide stellt man durch Veretherung der Hydroxy-Gruppen mit 2-Dimethylamino-1-chlorethan oder Chloressigsäure her: Papier, Zellstoff, Watte HNO3 NaOH / CS2 [Cu(NH3) 4] (OH) 2
Cellulose
(CH3CO) 2O / H2SO4 CH3Cl , C2H5Cl / NaOH /
ClCH2CO2 Na+ / NaOH H2O / H2SO4 oder H2O / HCl
Cellulosenitrat : Schießbaumwolle, Celluloid, Collophonium Cellulosexanthogenat : Viscose-Seide, Cellophan Celluloselösung
H2SO4
Kupferseide (Glanzstoff)
Celluloseacetat : Acetatseide, Filme Methyl- und Ethylcellulose : Emulgatoren, Wasserfestes Papier Carboxymethylcellulose : Verfestiger, Chromatographiematerial D-Glucose
Ethanol, Tierfutter
Abb. 39.9. Technische Produkte auf Cellulose-Basis
39.9.3
Stärke, Amylose und Amylopektin
Stärke (C6H10O5)n ist das Reservekohlenhydrat höherer Pflanzen. Sie entsteht über D-Glucose als Assimilationsprodukt in den Chloroplasten aus dem Kohlendioxid der Luft und Wasser durch Photosynthese unter Abgabe von molekularem Sauerstoff. Aus den Chloroplasten wird es durch Abbau, Translokation (Überführung) und Resynthese in Speicherorganen (Amyloplasten) als Reservestärke abgelagert. Stärkekörner findet man in Wurzeln, Knollen, Mark und Samen. Die Stärke der Kartoffeln und von Getreide liefert den Hauptanteil des Kohlenhydrat-Bedarfs (etwa 500 g täglich) unserer Nahrung; 1 g Stärke gibt 17 kJ. Stärkekörner enthalten zwei unterschiedliche Polysaccharide. Ihre Hülle besteht aus wasserunlöslichem Amylopektin (80 %), das Innere aus wasserlöslicher Amylose (20 %). Amylose bildet unverzweigte c-(1›4)-Glucosid-Ketten (rel. Molekülmasse 17000 – 225000 entsprechend 100 – 1400
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876
39 Kohlenhydrate
D-Glucose-Einheiten), die sich helical anordnen. Amylopektin enthält ebenfalls c-(1›4)-GlucosidKetten, von denen jedoch zusätzlich kürzere Seitenketten mit 20 - 25 Monomeren abzweigen. Die Verzweigung erfolgt über c-(1›6)-glucosidische Bindungen. Amylopektin sollte nicht mit den gelatinierenden Pektinen (Abschn. 39.9.7) verwechselt werden, welche aus D-GalacturonsäureKetten aufgebaut sind. OH HO O HO
O
OH HO O O HO HO HO OH O O O O HO HO HO OH OH O O O HO Amylopektin OH O HO
HO HO
O HO
OH O HO
O HO
O n HO
O HO
OH
Amylose
O OH HO O HO
OH
O OH HO O HO
O HO OH O HO
O OH O
Außer als Nahrungs- und Futtermittel findet Stärke als Kleister Verwendung. Partiell hydrolysierte Stärke dient in Form von Dextrinen als Kleber und Appreturmittel. Durch Erhitzen auf 90 °C quillt Amylopektin mit Wasser auf, und Amylose geht kolloid in Lösung. Die lösliche Stärke, also Amylose, kann mit Ethanol aus der Lösung wieder ausgefällt werden. Amylose zeigt mit Iod/Kaliumiodid-Lösung eine spezifische Blaufärbung, die auf einer kettenförmigen Einlagerung des I2 in die kanalartige Struktur der Amylose-Helix beruht. Diese Iod-Stärke-Reaktion ist ein empfindlicher Nachweis von Stärke oder von Iod.
39.9.4
Glycogen
Tiere können Kohlenhydrate in der Leber (bis 15 Gew. %) und in Muskeln (bis 1 Gew. %) in Form des Glycogens speichern. Die saure Hydrolyse des Polysaccharids Glykogen liefert D-Glucose. Die Glucose-Einheiten des Glycogens sind wie im Amylopektin c-(1›4)-glucosidisch verknüpft; allerdings mit dichterer Kettenverzweigung und kürzeren Ketten. Die hohe relative Molekülmasse 4 - 14 x 106 entspricht 25000 - 90000 Glucose-Einheiten. Glycogen wird enzymatisch durch cAmylase in das Disaccharid Maltose (Abschn. 39.8.1) gespalten. Weitere Glucosane sind Laminarin [d-(1›3)-Verknüpfung] aus dem Seetang Laminaria, Lichenin [d-(1›4)- und d-(1›3)-Verknüpfung] aus Flechten, sowie verschiedene Dextrane [c-(1›2)-, c(1›3)- und c-(1›4)-Verknüpfungen] aus Bakterien. Dextrane finden nach partieller Hydrolyse u. a. Verwendung als Zusatz zu Blutersatzmitteln. Nach Modifizierung werden aus Dextranen stationäre Phasen zur Gelchromatographie und Biosensor-Beschichtungen hergestellt.
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39.9
Polysaccharide
39.9.5
877
Chitin
Nach der Cellulose ist Chitin mengenmäßig die zweitgrößte, sich stets erneuernde Rohstoffquelle. Chitin fällt besonders aus Fermentationsmycel sowie bei der Verwertung von Crustaceen (Shrimps, Krill) und Muscheln an. Es bildet die Gerüstsubstanz der Insekten und Pilze. Chitin besteht aus d-(1›4)-glucosidisch verknüpften N-Acetyl-D-glucosamin-Resten. Seine Primärstruktur entspricht somit der Cellulose, wobei eine Acetylamino-Gruppe die Hydroxy-Funktion an C-2 ersetzt. CH3 O HO HO HO
NH
O NH
HO O HO
O
O OH NH
n
O CH3
HO O HO O
CH3
Chitin
Die Hydrolyse des Chitins in Salzsäure liefert D-Glucosamin und Essigsäure. Hydrolysiert man die Acetyl-Gruppe des Chitins in wäßrig-alkalischer Lösung, so resultiert das technisch interessante polykationische Polymer Chitosan. Chitosan kann u. a. als Zusatz zu Tierfutter, Papier- und Färbehilfsmittel, Bindemittel, Flockungshilfsmittel, Klebstoff sowie als Dialysemembran verwendet werden.
39.9.6
Heparin, Hyaluronsäure, Chondroitinsulfate
Polysaccharide finden sich in Schleimhäuten, Organen sowie im Stütz- und Bindegewebe. Diese Mucopolysaccharide enthalten D-Glucuronsäure, sowie D-Glucos- und D-Galactosamin als Bausteine. Ein Beispiel ist das aus Lunge und Leber isolierbare Heparin; es enthält c-glycosidisch verknüpfte D-Glucuronsäure, D-Glucosamin und deren Sulfate als Einheiten. Heparin wird aus Rinderlungen gewonnen; es hemmt u. a. die Zusammenlagerung von Thrombozyten zu Thromben. CO2 O
O HO
O O3S
OH O
O
O3S
O NH O O3S HO
[Glucuronsäure-D-glucosamin]n Heparin
CO2 O
OSO3
OH O HO
O
O3S
NH O
Im Gegensatz zu Heparin enthalten Hyaluronsäure und Chondroitinsulfate c-glycosidisch (1›3 und 1›4) verknüpfte Monosaccharid-Einheiten. Die stark viscose Hyaluronsäure dient als interzelluläre Kittsubstanz, hält die Oberfläche des Eies zusammen und kommt in der Nabelschnur
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878
39 Kohlenhydrate
sowie im Glaskörper des Auges vor. Knorpel und Sehnen bestehen hauptsächlich aus den Chondroitinsulfaten. CH3 O 4
CO2
O HO 3
HO 4 O HO O 1d OH
3
O 3
NH
HO O
4
1d
O
OH1d
O O HO 4 HO CO2
CH3 [D-Glucuronsäure-N-acetyl-D-glucosamin] n Hyaluronsäure
39.9.7
3
OSO3
HO
NH 1d
OH
O
O
HO O
O
O
NH
CO2
O n
O O
CH3 n [N-Acetyl-D-galactosaminsulfat)-D-glucuronsäure] n Chondroitinsulfat
Inulin und Pektine
Inulin ist ein Reservekohlenhydrat, das aus Wurzeln (Knollen) von Dahlien, Artischocken sowie Alant (Inula helenium, Asteraceae) gewonnen wird und als glucosefreie Diabetikernahrung Verwendung findet. Die Inulinkette besteht aus 30 bis 60 D-Fructofuranose-Einheiten (lineares Polyfructosan), die d-(1›2)-glycosidisch verknüpft sind und einen terminalen c-D-GlucopyranoseRest am Kettenende tragen. Aus Pflanzenteilen (Wurzeln, grüne Stengel, Blätter, fleischige Früchte wie Äpfel) können ferner Pektine isoliert werden, die als Gelier- und Verdickungsmittel bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, zur Therapie von Durchfällen sowie in der pharmazeutischen Technologie vielseitige Verwendung finden. Die Pektin-Ketten bestehen aus einigen hundert c-(1›4)-glycosidisch verknüpften D-Galacturonsäure- und D-Galacturonsäuremethylester-Einheiten (Polyuronide, Pektinsäuren). HO
O
HO HO
1c
HO O
O
OH HO O
HO2C O
1d
HO
2
HO
HO O
O OH CO2CH 3 O
HO
n HO O 1d
1c
OH O OH 4 CO2H
OH
HO
O HO
Inulin
Pektin (Ausschnitt)
Hemicellulosen, die zusammen mit Cellulose die Zellwandstruktur der Pflanzen bilden (Pflanzengummen), sind Polysaccharide, die D-Xylose (Xylane aus Hölzern), D-Mannose (Mannan) und DGalactose (Galactane aus Weinbergschnecken) enthalten. In Getreidestroh und Kleie sind 20 - 30 % Pentosane (Xylan, Araban) enthalten.
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40.1
Bauprinzip der Nucleinsäuren
879
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren 40.1 Bauprinzip der Nucleinsäuren Nucleinsäuren sind die Träger der genetischen Information. Ihre Aufklärung begann 1871, als F. MIESCHER eine Substanz aus Eiterzellkernen isolierte, die er herkunftsgemäß als "Nuclein" bezeichnete. Dieses Nuclein zeigte saure Reaktion ("Nucleinsäure"), war schwer löslich in Säuren, leicht in Alkalihydroxid und enthielt 10 % Phosphor. Nucleinsäuren sind Biopolymere, die zutreffender als hochmolekulare Polynucleotide bezeichnet werden. Ihre Hydrolyse liefert die Nucleotide, in denen Stickstoff-Heterocyclen, Pentosen und Phosphorsäure miteinander verknüpft sind (Abb. 40.1). Durch Abspaltung der Phosphorsäure aus Nucleotiden entstehen die Nucleoside, in denen Pentosen an Stickstoff-Heterocyclen der Pyrimidin- und Purin-Reihe gebunden sind (Abb. 40.1). Diese Heterocyclen bezeichnet man als Nucleobasen. Adenosinmonophosphat (abgek.: AMP, ältere Bezeichnung: Muskeladenylsäure) ist z. B. ein Nucleotid, in dem das Nucleosid Adenosin an der primären Alkohol-Gruppe des Ribose-Restes mit Phosphorsäure verestert ist. Im Adenosin ist der Heterocyclus Adenin an das C-1-Atom der Ribose N-glycosidisch gebunden (Abb. 40.1). Nucleinsäure (Polynucleotid) NH2 O
OH
N
O
N
N
P
Nucleotid (Nucleosid-Phosphat)
O
z. B.
N
O OH
HO
Adenosinmonophosphat (AMP)
NH2
H3PO4 N Nucleosid (N-Glycofuranosid)
N
HO
z. B.
N N
O HO
OH
Adenosin
NH2 N
HO Pentose + Nucleobase
O
z. B.
N HO
N
OH + OH
D-Ribose
H
N
Adenin
Abb. 40.1. Bauprinzip der Nucleinsäuren
Nucleinsäuren sind somit Polynucleotide mit einem Polypentofuranose-3',5'-phosphat als Skelett, an deren anomeren C-Atomen die Pyrimidin- bzw. Purin-Nucleobasen d-N-glycosidisch gebunden sind. Je nach Art der Pentose (D-Ribose oder 2-Deoxy-D-ribose) unterscheidet man zwischen
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880
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
Ribonucleinsäuren (RNS oder engl. RNA) und Deoxyribonucleinsäuren (DNS oder DNA). Je ein Fragment einer Ribonucleinsäure (Abb. 40.2a) bzw. einer Deoxyribonucleinsäure (Abb. 40.2b) illustriert den Aufbau der alternierend aus Phosphat und Zucker bestehenden Polymerketten. An diesem Rückgrat, (Rib-P)m , hängen in genetisch festgelegter Folge jeweils die heterocyclischen Purinbasen Guanin und Adenin (DNA und RNA) und die Pyrimidinbasen Cytosin sowie Thymin (nur DNA) bzw. Cytosin und Uracil (nur RNA). Die Folge der Basen wird als NucleinsäureSequenz bezeichnet. NH 2 O P
OH
N
O
N
N
P O
NH 2
Adenin (A)
P
N
OH
N
O
N
O
Rib P
OH N
O
P
O
A
a
G
C
P
P
N
O
N
NH N
O
dRib
Guanin (G)
NH2
HO U
P
O
O P
O
A
3'
P
O
O O
Uracil (U)
Thymin (T)
NH N
O
OH
HO
abgekürzte Formulierung P
O P
O
O
Rib
O
H3C
dRib
NH N
O
O
O
P O
N
O
P
Cytosin (C)
N
P
O
Cytosin (C)
Adenin (A)
NH2
O
dRib
OH
N N
O
O
O
O
N
P
O
O
Rib O
Guanin (G)
NH 2
N
P O
O
O
NH 2
O
O
N
dRib NH
P O
OH P
O O
O
O
P
N
O
Rib
O
OH
b
5'
C
T
G 3'
abgekürzte Formulierung P
P
P
P
OH
5'
Abb. 40.2. Nucleinsäure-Fragmente: (a) RNA-Fragment, Tetraribonucleotid, Kürzel p-5'-AGCU-3'-OH; (b) DNA-Fragment, Tetradeoxyribonucleotid, Kürzel p-5'-dACTG-3'-OH
Zur abgekürzten Formulierung der Nucleotide werden die Einbuchstaben-Symbole A, C, G, T und U der Basen nach Abb. 40.2 verwendet, wie einige Beispiele zeigen: NH2
O O
OH
NH
P O
N
O
O P
O
O P
N
OH
O
OH
N
O
P O
N
OH
NH
P N
O O
O
O O
O
OH
O
N
O
N
O
N
O
NH2
O HO
OH
HO
O
OH
P
O
OH 3´,5´-UDP
(5´-)ADP
2´,5´-GDP
Für 5'-Phosphate entfällt konventionsgemäß die Bezifferung; das Kürzel ADP steht z. B. für Adenosin-5'-diphosphat. Sequenzschreibweisen wie P-5'-dATCGAU-3'-OH für eine DNA-Partialsequenz oder P-5'-ACG[UAG-3'-OH ([ = Pseudouridin mit 1'-Uracil-C-6-Bindung) für eine tRNA-Sequenz eignen sich zur Beschreibung längerer Nucleinsäure-Fragmente. Bezeichnungen für synthetische Homopolynucleotide sind z. B. Poly-A (Polyadenylsäure), Poly-dC (Polydeoxycytidylsäure), für Sequenzpolymere z. B. Poly-AUCG.
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40.1
Bauprinzip der Nucleinsäuren
881
Tab. 40.1. Nucleinsäure-Bausteine: Nucleobasen, Nucleoside, Nucleotide und ihre Symbole Pyrimidin-Derivate
NH 2
O
N
Nucleobasen
NH
N
O
N
H
N
OH (H)
OH
HO Deoxyribosylthymin (Thymidin) dT
Uridin U
Nucleotide
O
O O
N
O
O
O
OH
OH (H)
HO
N
O
Nucleobasen
HO
O N
N
NH
N
N
N H Adenin
H
N
HO
Nucleoside
O N
N N
N
HO
O
N
OH
N
P
Nucleotide
O
NH 2
Guanosin (Deoxyadenosin) G (dG)
O
NH 2 O
N
OH (H)
HO
Adenosin (Deoxyadenosin) A (dA)
NH
O
OH (H)
HO
NH 2
N Guanin
NH 2 N
O
Deoxyribosylthymin-5´-monophosphat (Thymidin-5´-monophosphat) dTMP (nur in DNA)
NH 2 N
N
O O
Uridin-5´-monophosphat Uridylsäure (nur in RNA)
Purin-Derivate
NH
P
OH
HO
Cytidin-5´-monophosphat Cytidylsäure CMP bzw. dCMP
OH
O
O
O
O
H 3C O
NH
P
O
O
O
OH
HO
N
P
NH N
HO
O
O
NH 2 O
O
H 3C
NH
Cytidin (Deoxycytidin) C (dC)
O
Thymin
N
HO
O
O HO
N
O
N
NH
H
Uracil
NH 2
Nucleoside
O
H
Cytosin
HO
O H 3C
O
N
OH
NH
P
N
O
N
O HO
OH (H)
Adenosin-5´-monophosphat Adenylsäure AMP (dAMP)
O
N
O
N
O HO
NH 2
OH (H)
Guanosin-5´-monophosphat Guanylsäure GMP (dGMP)
Tab. 40.1 enthält eine Zusammenstellung der Bausteine beider Nucleinsäure-Typen (RNA und DNA); Tab. 40.2 orientiert über ihre Nomenklatur und Klassifizierung.
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882
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
Tab. 40.2. Nomenklatur und Klassifizierung der Nucleinsäuren Nucleinsäuren
Deoxyribonucleinsäuren (DNS oder DNA) meist Doppelhelix rel. Molekülmasse etwa 10 6 - 109 etwa 5000 Nucleotid-Einheiten charakteristisches Basenverhältnis: A : T und G : C = 1 : 1 ; (A + G) = (C + T)
Ribonucleinsäuren (RNS oder RNA) Einstrangform mit Helixanteil rel. Molekülmasse etwa 10 4 - 105 je nach Funktion m-RNA , t-RNA , r-RNA m für messenger, t für transfer , r für ribosomal
Nucleotide
Deoxyribonucleotide Polydeoxyribotide (> 10 Monomere) Oligodeoxyribotide (2 - 10 Monomere) Monodeoxyribotide dAMP , dGMP , dCMP , dTMP d : Präfix für Deoxy-
Ribonucleotide Polyribotide (> 10 Monomere) Oligoribotide (2 - 10 Monomere) Monoribotide AMP , GMP , CMP , UMP
Nucleoside
Deoxyriboside Deoxyadenosin (dA) , Deoxyguanosin (dG) Deoxycytidin (dC) , Deoxyribosylthymin (dT)
Riboside Adenosin (A) , Guanosin (G) , Cytidin (C) Uridin (U bzw. rU)
Nucleobasen
Purine : Adenin (Ade) , Guanin (Gua) Pyrimidine : Cytosin (Cyt) , Thymin (Thy)
Purine : Adenin (Ade) , Guanin (Gua) Pyrimidine : Cytosin (Cyt) , Uracil (U)
Pentosen
2-Deoxy-D-ribose
D-Ribose
Polynucleotide (3´ 5´) Oligonucleotide (3´ 5´) Mononucleotide Nucleosid-2´,3´- und 5´-monophosphate
40.2 Abbau der Nucleinsäuren 40.2.1
Bedingungen der Hydrolyse von Nucleosiden und Nucleotiden
Die O-Glycoside von Deoxyribose werden in sauren Medien schneller gebildet und schneller hydrolysiert als diejenigen der Ribose. Zum einen sind sterische Gründe dafür verantwortlich, da der glycosidische Kohlenstoff in Deoxyribosiden leichter zugänglich ist; zum anderen erzeugt das Fehlen der Hydroxy-Gruppe an C-2 einen gegenüber der Ribose verminderten (/)-I-Effekt an C-1. Entsprechendes gilt für die N-Glycoside (Nucleoside). Während zur Ringspaltung des Heterocyclus äußerst drastische Bedingungen erforderlich sind, können die Phosphorsäureester-Bindungen leicht im alkalischen und die N-Glycoside im sauren pH-Bereich gespalten werden (Abb. 40.3). Auf der unterschiedlichen Hydrolyse-Stabilität der Ribotide und Deoxyribotide beruht eine Methode zur Trennung von DNA und RNA.
Phosphat
O Pentose
0.3 N KOH denaturiert DNA / aber spaltet RNA bei 37 °C H 2O , OH
Heterocyclen widerstehen Hydrolyse und Hydrazinolyse
Base
+
H 3O
Verdünnte wäßrige Säure spaltet Purinyl-N-glycoside bei DNA , konz. Säure bei RNA
N 2H 4 Hydrazin spaltet Purinyl-N-glycoside
Abb. 40.3. Chemischer Abbau von Nucleotiden
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40.3
Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden
883
Je nach Stellung der Phosphat-Gruppe an C-2', C-3' oder C-5' der Pentose findet man eine abnehmende Stabilität, z. B. gegenüber 0.01 normaler Natronlauge in der Reihe: Rib-2-P > Rib-3-P > Rib-5-P. Rib-5-P ist relativ labil aufgrund der erhöhten Nucleophilie an C-5 und geringerer sterischer Hinderung. Der hydrolytische Abbau von Ribonucleinsäuren mit konzentriertem, wäßrigem Ammoniak bei 180 °C liefert die vier Ribonucleoside Adenosin, Guanosin, Cytidin und Uridin. Unter diesen Bedingungen geben Deoxyribonucleinsäuren kein Hydrolysat; RNA ist also gegenüber Alkali weniger stabil als DNA. Bei Einwirkung von wäßriger Mineralsäure resultieren nur Pyrimidin-5'deoxyribotide. Alle anderen Nucleotide werden zerstört.
40.2.2
Enzymatische Spaltung von Polynucleotiden
Bedeutender als chemische Abbaumethoden sind enzymatische Verfahren. Als Nucleasen bezeichnete Enzyme spalten in der DNA oder RNA innerhalb der Polynucleotid-Kette (Endonucleasen) oder an den Enden (Exonucleasen). Diese spezifisch spaltenden Enzyme ermöglichen Sequenzanalysen von Nucleinsäuren und molekularbiologische Arbeiten.
40.3 Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden 40.3.1
Eigenschaften der Phosphat-Gruppe
Orthophosphat bildet schwerlösliche Metallkomplexe mit Ca2+, Fe3+, Al3+, während die Alkaliphosphate leicht löslich sind. Diese Tatsache nützt man auch bei der Isolierung und Reinigung von Nucleotiden aus. Durch ihre negativen Ladungen induzieren Phosphat-Gruppen starke elektrostatische Wechselwirkungen mit hochmolekularen, polaren Molekülen, z. B. mit positiv geladenen Proteinen (DNA-Bindeproteine). Eine der wesentlichen Eigenschaften der Phosphatgruppe ist ihr in Zusammenwirkung mit dem Zucker-Rest ausgeprägter hydrophilisierender Einfluß auf die nur wenig wasserlöslichen heterocyclischen Basen. Kaum ein Vorgang in der Zelle läuft ohne Phosphat-Umsetzungen ab. Unter den gruppenübertragenden Prozessen in der Biochemie hat deshalb das Phosphat-Gruppen-Transferpotential des ATP besondere Bedeutung. Der Wert FG = / 30 kJ / mol liegt im Vergleich zu Zuckerphosphaten (Glucose-6-phosphat: FG = / 6.6 kJ / mol) relativ hoch. Dieser Energiebetrag wird frei, wenn 1 mol der terminalen Gruppe des Donators ATP auf das Akzeptormolekül H2O (Standard-Akzeptor) übertragen wird. Er deckt gerade den Energiebedarf der Phosphorylierung des Kreatins, wie die folgende Energiebilanz zeigt: ATP + Kreatin +
H 2O 2/ HPO4
ADP + ADP +
ATP +
Kreatin
ADP +
2/
HPO4 2/ HPO4 Kreatin-P
F G = / 30 kJ / mol F G = - 30 kJ / mol FG =
0 kJ / mol
Die in ATP gespeicherten sogenannten Standard-Energiemengen sind je nach Art der PhosphatFreisetzung unterschiedlich: ATP + ATP + PP +
H 2O H 2O H 2O
2/
ADP + HPO4 AMP + PP 2/ 2 HPO4
F G = / 30 kJ / mol F G = / 36 kJ / mol F G = / 28 kJ / mol
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884
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
40.3.2
Löslichkeit
Pyrimidin- und Purinbasen, Nucleoside und Nucleotide zeigen sehr unterschiedliche Löslichkeiten, deren Kenntnis bei Isolierungen, chromatographischen Trennungen und spektroskopischen Untersuchungen nützt. Die Stammheterocyclen Pyrimidin und Purin lösen sich sehr gut in Wasser, während alle Hydroxy- und Amino-Derivate zum Teil erheblich schlechter löslich sind. Alle schwer löslichen Purine oder Pyrimidine lösen sich nach Zusatz von verdünntem Alkali oder Säure gut in Wasser und lassen sich durch Neutralisation wieder fällen. Zum Auflösen von 1 g Uracil werden 280 g, von 1 g Harnsäure 39 480 g Wasser benötigt.
40.3.3
Tautomerie-Gleichgewichte
Soweit die Nucleobasen Hydroxyprimidine und Hydroxypurine sind, können sie als LactamLactim-Tautomere auftreten, wie die Beispiele Thymin und Guanin zeigen: OH N HO
O
OH CH3
CH 3
N
N
O
Dilactim (Bislactim)
CH3
HN O
N H
Lactim-Lactam
N H
Dilactam (Bislactam)
Tautomere des Thymins O
OH N
N H 2N
HN
N H
N
H2N
Aminolactim
O N
N
N
HN
N H
HN
Aminolactam
N H
N H
Imidolactam
Tautomere des Guanins
Dagegen ist IR- und NMR-spektroskopisch erwiesen, daß die Amino-Gruppe in allen Nucleobasen als solche vorliegt, also kein Imino-Tautomer auftritt: NH 2
NH N
N N
N H
Amino-
N
HN N des Adenins
N H
Imino-Tautomer
Die Existenz der Hydroxy-Nucleobasen als Oxo-Tautomere ist u. a. entscheidend für die Wasserstoffbrücken-Bindung zwischen komplementären Nucleobasen (Abschn. 40.3.5). Durch pH-Änderungen kann das Gleichgewicht stark beeinflußt werden. Der pK-Wert der Lactam-Gruppe von U, T und G liegt bei 9.5. Im alkalischen Bereich besteht somit ein Dissoziationsgleichgewicht, welches mit einem Tautomeriegleichgewicht gekoppelt ist. Im übrigen kann der elektronische Grundzustand des Strukturelements (/NHCO/) ähnlich wie bei Säureamiden und der Peptid-Bindung durch mesomere Grenzformeln beschrieben werden. O H
N
O H
OH
N
Lactam, stabilisiert durch Amid-Mesomerie
O
Dissoziation
O
/ [H+]
Tautomerie
N Lactim
-" [H+]
N
N
mesomeriestabilisiertes Amid-Anion
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40.3
Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden
40.3.4
885
Dissoziationsverhalten von Nucleotiden
Durch Titrationsmethoden können die pK-Werte und Dissoziationskonstanten der polyfunktionellen Nucleotide ermittelt werden. So findet man für die Phosphat-Gruppe des 2'-AMP einen größeren pK-Wert als im 3'-AMP. Der Grund ist die kleinere Ladungsdichte des 2'-AMP und somit eine geringere Ladungstrennung; 3'-AMP besitzt eine größere Ladungsdichte und eine entsprechend weitergehende Ladungstrennung. Die pK-Werte der Amino-Gruppe in 6-Stellung des Adenins ändern sich deutlich beim Übergang zum Nucleosid und Nucleotid, was weniger durch induktive Effekte bei der Substitution an N-7 und mehr durch Änderungen der Hydrathülle ausgelöst wird. 4.15 NH2
N 5 7
pK-Werte 9.8
N
3.45 NH 2
N
3N 1
N
H
N
HO
1. 0.7 - 1.6 2. 6.2
HO
N
OH
N
P
N
O
N
O OH
HO
40.3.5
N
N
O
12.5
Adenin
3.8 NH2
O
OH
HO
Adenosin
Adenosin-5´-monophosphorsäure
Bildung von Basenpaaren und Komplementärprinzip
Nucleobasen enthalten Amino- und Amido-Funktionen als Wasserstoffbrücken-Donoren sowie Carbonyl- und Imino-Gruppen als Akzeptoren, wie das Beispiel Cytosin zeigt. Daher gibt es drei Möglichkeiten zur Bildung von Wasserstoffbrücken:
H
Donor
N
H
Akzeptor N Akzeptor O
N H N H Donor
Amino-Gruppe von A , G , C
O C Oxo-Gruppe von T , C , G
N Ring-IminoGruppe von A , C
H N Ring-AminoGruppe von G , T
N Ring-IminoGruppe von A , C
-
H N Ring-IminoGruppe von C
Cytosin
Je nach vorliegendem Tautomer kann dieselbe Stelle eines Moleküls als WasserstoffbrückenDonor und Akzeptor wirken. Ein Beispiel ist Cytosin, wobei Protonenakzeptor-Stellen einen zum Molekül hinführenden Pfeil, Donor-Stellen einen nach außen weisenden tragen. Ein solcher Wechsel der Cytosin-Affinität gegenüber Protonen spielt möglicherweise bei der Konformation der RNA eine Rolle. Abb. 40.4 illustriert die Ausbildung von Wasserstoffbrücken am Beispiel der Basenpaare A=T (zweifach) und G»C (dreifach). Man nennt die Nucleobasen dieser Paare komplementär. Infolge dieser Basenpaarung lassen sich die Amino-Gruppen der Cytosin-Reste nicht mehr titrieren. Zusätzliche Wasserstoffbrücken existieren zwischen Zucker-Hydroxy- und Oxo-Gruppen bzw. Nhaltigen Akzeptoren, sowie zwischen Phosphat-Anionen und Ammonium-Kationen, wobei interionische Wechselwirkungen die Hauptrolle spielen.
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886
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
Die Wasserstoffbrücken-Bildung zwischen den komplementären Nucleobasen (Abb. 40.4) hat folgende Konsequenzen: ̈" ̈" ̈"
Es bildet sich ein ebenes Basenpaar; hydrophile Zucker- und Phosphat-Reste stehen nach außen ins wäßrige Medium ab (Abb. 40.4, 40.6). Es ergibt sich ein Energiegewinn von rund 3 bzw. 2 x 22 kJ/mol bei jeder Basenpaarung. Es resultiert eine Senkung der Entropie des Systems gegenüber den dissoziierten Basen. H
N R
284
O
N
N H N N H H
H
H N
284 284
N
N R
N O
H
282
291
N
H
C
O
CH3
N
N
N O
R
1085 pm
G
N
N
R
1085 pm
A
T
Abb. 40.4. oben: Basenpaare mit Wasserstoffbrücken in der DNA, unten: Stab-Modelle der Desoxyriboside mit eingezeichneten Wasserstoffbrücken der Nucleobasen. Die jeweils rechts gezeichneten Nucleoside C und T sind in den nach oben laufenden Strang der DNA (Abb. 40.5 b von unten) eingebaut, G und A befinden sich im nach unten führenden Strang (Atomabstände in pm; R = 2-Desoxyribosyl wie in den Modellen)
40.3.6
Die Doppelhelix der DNA
Nach dem von WATSON und CRICK entwickelten Modell (Abb. 40.5) bildet die DNA eine Doppelhelix. Diese besteht aus zwei sequenzgleichen gegenläufig spiralig aufgewundenen PolynucleotidSträngen. Innerhalb der helikalen Struktur des Deoxy-D-ribosepolyphosphat-"Rückgrats" befinden sich die Nucleobasen. Dabei steht einem Adenin stets ein Thymin, einem Cytosin stets ein Guanin gegenüber. Diese innerhalb der Doppelhelix liegenden Basenpaare sind durch drei (C»G) bzw. zwei (A=T) Wasserstoffbrücken-Bindungen verbunden und liegen jeweils auf einer Ebene. Die Polynucleotid-Stränge sind demnach in Bezug auf die Sequenzen ihrer Nucleobasen komplementär, damit sie durch die Basenpaare A=T und G»C stabil zusammengehalten werden. Die Doppelhelix (Abb. 40.5, 40.6) hat einen konstanten Durchmesser von 2.2 nm, weil jeder Purin- eine Pyrimidin-Base gegenübersteht. In der DNA ist die Summe (A+G) gleich der Summe (C+T). Stets gilt A:T und G:C = 1:1. Dagegen kann das Verhältnis der komplementären Basen, (A+T) / (G+C), variieren. Stets bilden 10 Basen eine Umdrehung der Spirale, was in der Längsrichtung einen Abschnitt von 3.4 nm bedeutet. Die beiden (in allen Lebewesen der Erde rechts-
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40.3
Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden
887
händigen) Stränge der Doppelhelix laufen entgegengesetzt in der Spirale (Abb. 40.6) als stereochemische Folge der Komplementarität.
Abb. 40.5. WATSON-CRICK-Modell: Schematische Darstellung der 3',5'-Internucleotid-Bindungen der DNADoppelhelix mit den Windungen der auf- und abwärts laufenden Zuckerphosphat-Stränge und den innerhalb der Helix liegenden aufeinandergeschichteten Basenpaaren (A, T, G, C = Nucleobasen; D = Deoxyribose; P = Phosphat). (a) bandförmige Darstellung der Zuckerphosphat-Helices mit dazwischen liegenden Basenpaaren, (b) Darstellung in Symbol-Schreibweise, (c) Skizze des Kalottenmodells [nach BENNETT (1966) in FRIEDEN, Modern Topics in Biochemistry, MacMillan Publishing Co. Inc., New York]
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888
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
Abb. 40.6. Berechnete Stab- und Kalotten-Modelle der Sequenz ATGCATGCATGC, Stab-Modell mit eingezeichneten Helix-Bändern (C: schwarz; H: weiß; O: rot; N: blau; P: orange)
An der Stabilisierung der Doppelhelix sind neben den zwei- und dreifachen Wasserstoffbrücken zwischen den Basen weitere Effekte beteiligt. Zum einen sind das hydrophobe Wechselwirkungen, die durch Stapelung der Heterocyclen (Basenstapelung, stacking) hervorgerufen werden; zum anderen ist es ein stabilisierendes Netzwerk, das durch Wasserstoffbrücken zwischen Wassermolekülen und den gegenläufigen Phosphat-Zucker-Ketten geknüpft wird. Die Stabilisierung durch Wassermoleküle soll aus der Schwächung der elektrostatischen Abstoßung zwischen den Phosphat-Anionen beider Ketten resultieren (dielektrische Abschirmung). Für diese Annahme spricht auch die Stabilisierung der DNA durch einen höheren Salzgehalt (ionische Abschirmung).
40.3.7
Detektion der DNA-Denaturierung durch UV-Spektroskopie
HPLC und UV-Spektroskopie sind die wichtigsten Reinheitstests für Nucleotide. Sie ermöglichen eine schnelle quantitative Bestimmung. Die vier RNA-Basen zeigen im Bereich von 260 - 280 nm eine starke, pH-abhängige UV-Absorption.
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40.3
Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden
889
In der DNA-Doppelhelix (Abb. 40.5) liegen die Heterocyclen-Paare planar aufeinander (Basenstapelung). Daraus resultiert eine starke Hypochromie (Abnahme der Absorption, Abschn. 28.2.2), welche bis zu 35 % betragen kann. Dieser Effekt ist erheblich größer als die Summe der molaren Absorptionen monomerer DNA-Stränge. Bricht die Basenstapelung infolge Zerstörung der Doppelhelix durch Erhitzen zusammen, so zeigt sich dies an einer Hyperchromie im UV-Spektrum (Absorptionserhöhung bei 260 nm, Abb. 40.7). Diese thermische Denaturierung kommt der Auflösung einer geordneten Struktur gleich (Abb. 40.8). Dabei werden ähnlich starke spektrale Änderungen innerhalb eines engen Temperaturbereichs beobachtet wie beim Schmelzen von Kristallen. Deshalb bezeichnet man Kurven wie in Abb. 40.7 als Schmelzkurven und den Wendepunkt bei dem steilen Anstieg der Absorption sinngemäß als Schmelzpunkt (Lm, m = engl. melting).
Abb. 40.7. Nachweis der thermischen Denaturierung einer DNA durch temperaturabhängige UVAbsorptionsmessungen bei 260 nm (Schmelzkurven). Kurve a resultiert beim Erwärmen. Beim anschließenden langsamen Abkühlen (Kurve b) läßt sich die Doppelhelix weitgehend renaturieren, während rasches Abkühlen (Kurve c) eine bleibende Denaturierung bewirkt.
Abb. 40.8. Verschiedene Stufen der thermischen Denaturierung der DNA
Ist dieser Konformationswechsel reversibel, so beobachtet man bei der Wiederbildung einer Doppelhelix Hypochromie (Abb. 40.7). Die Hypochromie bei der Stapelung wird als Folge von COULOMB-Wechselwirkungen zwischen Dipolen, die durch die Lichtabsorption induziert werden, erklärt. Das Ausmaß dieser Wechselwirkung hängt von der Orientierung der Dipole relativ zuein-
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890
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
ander ab. Da bei "random coil"-Strukturen (statistisch verteilte Knäuel-Strukturen) nur eine zufällige Orientierung existiert, resultiert keine gerichtete Wechselwirkung und somit keine Hypochromie. Bei paralleler Orientierung der Dipole wie in der ursprünglichen, sogenannten nativen DNA erfolgt andererseits ein Abfall der molaren Extinktion. Der Lm-Punkt in der Temperaturskala, bei dem der scharfe Übergang von der Doppelhelix in die random-coil-Struktur stattfindet, kann je nach Herkunft der DNA sehr unterschiedlich liegen. Die Schmelzpunkte Lm verschiedener DNAs hängen linear vom Prozentgehalt an G»C-Paaren ab, was sich als Folge der stärkeren Paarung durch eine dreifache Wasserstoffbrückenbindung zwischen G und C gegenüber der nur zweifachen der T=A-Paare erklären läßt. Ferner hängt Lm vom pH, von zugesetzten organischen Lösemittel und von der Ionenstärke ab. Die Schmelzkurve verschiebt ihren Wendepunkt Lm nach tieferen Temperaturen z. B. mit abnehmender Ionenstärke. Die Doppelhelix stabilsiert sich, wenn positiv geladene Gegenionen die anionischen Phosphat-Reste von außen neutralisieren. Bereits destilliertes Wasser führt bei Raumtemperatur zur irreversiblen Zerstörung der DNA.
40.3.8
Seltene Basen und RNA-Konformation
Zur Aufklärung seltener Nucleotide trägt hauptsächlich die Gaschromatographie-Massenspektrometrie flüchtiger Trimethylsilylether (TMS) von Nucleinsäure-Hydrolysaten bei. In der t-RNA (t von transfer), aber auch im Intermediär-Metabolismus erfüllen diese seltenen Basen spezielle Funktionen. Wären nur die drei Pyrimidine Uracil, Thymin, Cytosin und die beiden Purine Adenin und Guanin als Nucleobasen einer RNA verfügbar, so würde nach dem WATSON-CRICK-Modell aufgrund des Komplementärprinzips ausschließlich die einheitliche Konformation einer Doppelhelix resultieren. t-RNAs sind jedoch so variabel und relativ komplex gebaut, weil sie seltenere Basen enthalten, welche die Tertiärstruktur und damit auch die Spezifität prägen (Abb. 40.9). Verbreitete Pyrimidin-Basen der RNA sind außer dem Schwefelanalogon 2-Thiouracil methylierte Pyrimidine wie 5-Methylcytosin und 5-Hydroxymethylcytosin (in DNA), 1-Methylcytosin, 1Acetylcytosin, 1-Methyluracil (in RNA), Dihydrouracil, das C-Glycosid Pseudouridin ({."in tRNA). NH2 H3C
N N
NH 2
NH2
N
N
HOH2C N
O
N
O
H
H 5-Methylcytosin
O NH N
O
CH3
5-Hydroxymethylcytosin
O NH N
O
CH3
1-Methylcytosin
O
1-Methyluracil
NH N
O
S
CH 3
H
Dihydrouracil
Thiouracil
Von den Purin-Basen sind neben Hypoxanthin wiederum methylierte Derivate wie 1-Methylhypoxanthin (in t-RNA), 1- und 7-Methylguanosin sowie 1-, 2- und 7-Methyladenosin bedeutende Komponenten der RNA. O
O N
HN N
N H
Hypoxanthin
H3C
N N
O N
H 3C
N
H 2N
H 1-Methylhypoxanthin
N N
NH2
O N N H
1-Methylguanin
N
HN H2N
N
N CH3
7-Methylguanin
N
N N
N CH 3
7-Methyladenin
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40.4
Replikation der DNA
891
Methyl-Gruppen behindern die Ausbildung von Wasserstoffbrücken zwischen T=A-, U=A- und G»C-Paaren, so daß sich nichthelikale, auch makrocyclische Bereiche in den RNA-Strängen bilden können (Abb. 40.8). Man bezeichnet makrocyclische Bereiche, die besonders in den t-RNAs auftreten, auch als Loops (Schleifen). Loops sind bevorzugte Angriffsstellen für abbauende oder modifizierende Enzyme sowie chemische Reagenzien.
G
A
U
G
hU
C
G
C
C
G C
G
G
G hU
G
C
G
C
G
U
C
G
A
Ala
C U
G
C
A
G
G C
C
U
C
U
C
C
G
U U
A
G {
C
G A G
U
A
Helix C
G
C
G
C
G
U
{
U
m1 I I
G
T
U*
C m2 G
Loop
C
U
C
Abb. 40.9. Sequenz der Alanin-transfer-RNA mit ungewöhnlichen Basen in nicht helicalen Bereichen: m 1G = 1-Methylguanosin, hU = Dihydrouridin, m 2G = Dimethylguanosin, m 1 I = 1-Methylinosin, { = Pseudouridin, U* = Uridin und Dihydrouridin
C
G
m1G G
A
A
G
C
40.4 Replikation der DNA Bei der enzymatisch gesteuerten Replikation (Verdoppelung) öffnet die DNA-Doppelhelix die Wasserstoffbrücken zwischen ihren Basenpaaren. Dabei bilden sich getrennte DNA-Stränge, die komplementäre Nucleotide durch Basenpaarung an sich heften und erneut über DiphosphatBindungen verknüpfen, so daß zwei neue, identische DNA-Doppelhelices entstehen (Abb. 40.10). T
A
T
A
T
G
C
G
C
G
T
C
G
C
G
C
C
G
A
T
A
T
A
G
C
T
A
A
DNA-Doppelhelix
Trennung der Doppelhelix
Bindung komplementärer Nucleotide
Knüpfung der DiphosphatBindungen
A
A
T
A
T
C
C
G
C
G
G
G
C
G
C
T
T
A
T
A
getrennte DNA-Stränge
Stränge mit komplementären Nucleotiden
duplizierte DNA (Doppelhelices)
Abb. 40.10. Vereinfachtes Schema zur Replikation der DNA
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892
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
Die fadenförmige, im Elektronenmikroskop auf den Chromosomen des Zellkerns sichtbare DNA trägt in Form von Teilsequenzen der Nucleobasen die als Gene bezeichneten Erbinformationen. Die biologische Funktion der DNA beruht auf ihrer einzigartigen Sekundärstruktur, der Doppelhelix, und ihrer damit verbundenen Fähigkeit zur Replikation (Abb. 40.10) bei der Zellteilung. Dadurch wird die genetische Information in völliger Identität auf die neue Zelle übertragen; Sequenzveränderungen durch Mutation oder Genmanipulation werden so auf neue Zellkerne vererbt. Von den an der Replikation beteiligten Enzymen spielt die DNA-Polymerase eine Hauptrolle bei der Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction nach MULLIS, abgek. PCR). PCR vervielfältigt enzymatisch in vitro selektiv und schnell eine bestimmte DNA-Sequenz, z. B. aus einem Haar oder Speichelrest, und macht sie dadurch der Gentechnologie und Analyse zugänglich, auch zur "genetischen Erkennung". Hierzu wird die DNA mit der gesuchten Sequenz thermisch (94 °C) in die beiden Einzelstränge zerlegt (1). Beim Abkühlen auf 50 °C blockieren zugesetzte synthetische Oligonucleotide (Primer) durch Basenpaarung Anfang und Ende der gewünschten Sequenz und unterbinden so die Reassoziation (2). Beim Erhitzen auf die optimale Wirkungstemperatur (72-75 °C) der DNA-Polymerase aus hitzeresistenten Bakterien, z. B. Thermus aquaticus, wird die zwischen den Primern liegende DNA-Sequenz dupliziert (3). Erneutes Erhitzen auf 94 °C startet einen neuen Verdoppelungscyclus (1-3). Automatisiert sind innerhalb kurzer Zeit im "Thermocycler" 20 Cyclen möglich, so daß die Sequenz um 220 vervielfacht wird.
40.5 DNA, RNA und die Biosynthese der Proteine Die als Gene bezeichneten Teilsequenzen der DNA verschlüsseln u. a. die Aminosäure-Sequenzen der Proteine (genetischer Code). Spezifische Basentripletts (Codons, 43 = 64 pro Aminosäure) in der DNA legen dabei den Einbau einer bestimmten Aminosäure in der Sequenz fest. Zum Lesen des genetischen Codes wird die DNA-Sequenz nach Trennung der Doppelhelix durch Basenpaarung in eine komplementäre m-RNA-Sequenz (m steht für messenger = Bote) umgeschrieben (Transkription), wobei Adenin A durch Uracil U ersetzt wird (Abb. 40.11). Aus den die Aminosäure Phenylalanin codierenden DNA-Sequenzen AAA und AAC werden z. B. die m-RNACodons UUU und UUG. Die Codons der m-RNA steuern nach Übertritt in das Cytoplasma die Protein-Synthese in den Ribosomen durch Aufbau der t-RNA (t steht für transfer = übertragen), wobei jedes Aminosäurecodon der m-RNA in das komplementäre Anticodon der t-RNA übersetzt wird (Translation); aus UUG als Codon für Phenylalanin in der m-RNA wird z. B. das Anticodon AAC in der t-RNA (Abb. 40.11). DNA-Doppelhelix
DNAEinzelstrang
m-RNA mit Codons
t-RNA auf Ribosom
Zellkern
Cytoplasma
RibonucleotidMonomere
A U
Transport zum Cytoplasma
U
A
A U
U
A
C
G
C
G
aktivierte Aminosäuren Proteinbiosynthese
Phe Phe
komplementäre m-RNA mit Codons
komplementäre t-RNA mit Anticodons
Ribosom mit Phe-haltiger Proteinsequenz
Phe-haltige Proteinsequenz
Abb. 40.11. Sehr vereinfachtes Schema zur Biosynthese der Proteine
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40.6
Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen
893
Die Proteinbiosynthese vollzieht sich in den Ribosomen als "Zellreaktoren". Dabei wird eine der 20 Proteinaminosäuren durch die hochspezifische Aminoacyl-t-RNA-Synthetase zunächst an die 5'-Phosphat-Gruppe des AMP gebunden. Die im gemischten Anhydrid aktivierte Aminosäure wird enzymatisch auf die 3'-Hydroxy-Gruppe der Transfer-Ribonucleinsäure (t-RNA) übertragen. In dieser Form spielt der Aminosäure-3'-ribosylester die Rolle des Aktivesters, welcher mit der Amino-Gruppe der wachsenden Peptid-Kette reagieren kann. Aminosäure-5´-AMP (gemischtes Anhydrid)
H3 N
R
O
O
CH
C
O P
O
Adenyl
CH2
/
Aminosäure-3´-t-RNA (Aktivester)
tRNA
tRNA
AMP
O
CH2
Adenyl
O
O
O R
Enzym HO
H3 N
OH
CH
C
O
OH R'
O ADP
H2 N Enzym
Peptid
tRNA
R CH
CO
Enzym
ATP
H2 N
CH
R'
R H2 N
CO2H
CH
C
NH
CH
CO
Peptid
O
40.6 Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen Zur Synthese von Nucleotiden in vitro müssen die Nucleobasen zu den Nucleosiden Nglycosyliert und die Nucleoside nach Einführung von Schutzgruppen zu den Nucleotiden phosphoryliert werden.
40.6.1
Phosphorylierungen
Die zur Synthese von Nucleotiden notwendigen Veresterungen von Alkohol-Funktionen in Ribose und Deoxyribose mit Phosphorsäure-Derivaten bezeichnet man als Phosphorylierungen. Wegen ihrer Trifunktionalität kann Phosphorsäure mit Alkoholen Mono-, Di- und Triester bilden: O HO P OH OH
+ ROH, / H2O
O HO P OR OH Monoester
+ ROH, / H2O
O HO P OR OR Diester
+ ROH, / H2O
O RO P OR OR Triester
Daher ist der Einsatz von Chloriden, Anhydriden, gemischten Anhydriden und aktivierten Estern der Phosphorsäure als Reagenzien zur Veresterung komplizierter als bei Carbonsäuren. Gebräuchliche Phosphorylierungs-Reagenzien sind Phosphorsäureesterhalogenide, Phosphorsäureamidhalogenide sowie Carbodiimide und Triisopropylbenzensulfonsäurechlorid.
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894
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
Phosphorylierungen mit Phosphorsäureesterhalogeniden Aus Phosphoroxidchlorid (Phosphorylchlorid) und Phenol läßt sich eine destillativ trennbare Mischung der Phosphorsäureesterhalogenide Phenyldichlorphosphat und Diphenylchlorphosphat herstellen. O 3
OH
Cl P Cl
+
O
(Base)
O
C 6H5O P Cl
/ 3 HCl
Cl
+
C6H 5O P Cl OC 6H5
Cl
Beide reagieren mit Alkoholen zu Triestern, aus denen durch selektive Abspaltung des PhenylRestes (Hydrierung mit Pt/H2 oder alkalische Verseifung) Phosphorsäuremono- bzw. diester hervorgehen. O C6H 5O P Cl
R +
H O
Pyridin / HCl
OC 6H5
C6H 5O P OR
+ H2 / Pt / oder OH
O HO P OR
OC 6H5
Diphenylchlorphosphat
Pyridin
+ 2 HO R
Cl Phenyldichlorphosphat
/ 2 HCl
+
2 C 6H5OH
+
C 6H5OH
OH
gemischter Triester
O C6H 5O P Cl
O
Monoester
O
O C6H 5O P OR
+ H2 / Pt
HO P OR OR
OR gemischter Triester
Diester
Im Falle von Nucleosiden als Alkohol-Komponente reagiert aus sterischen Gründen selektiv die primäre 5'-Hydroxy-Gruppe. Monophosphate können auch über (4-Nitrophenyl)-dichlorphosphat durch Umsatz mit Alkoholen und anschließende Abspaltung von 4-Nitrophenolat durch Verseifung erhalten werden. Als geeignet erweist sich ferner Tetrakis-(4-nitrophenyl)-diphosphat [(Np)2P/P(Np)2], welches aus Bis-(4-nitrophenyl)-phosphat durch Kondensation mit Di-p-tolylcarbodiimid (DTC) zugänglich ist. Aufgrund des starken Elektronenzugs der Nitro-Gruppe reagiert dieser aktivierte Ester besonders leicht mit Alkoholen. O O2N
O P Cl
O O2N
O
O P O P O
Cl
O
O
NO2
NO2
NO2
4-(Nitrophenyl)-dichlorphosphat Tetrakis-(4-nitrophenyl)diphosphat (Np)2P/P(Np)2
Ein Vorteil der Phosphorsäurebenzylester ist die Abspaltbarkeit der Benzyl-Gruppe durch milde Hydrogenolyse (Pd/H2) nach erfolgter Phosphorylierung, wenn z. B. Phenylester nicht einsetzbar sind.
Phosphorylierung mit Dimorpholinobromphosphat Der Einsatz von Phosphorsäurediamidhalogeniden wie Dimorpholinobromphosphat bietet eine weitere Variation zur Freisetzung bestimmter OH-Funktionen. Während sich Phenyl- und BenzylGruppen nur durch basische Verseifung oder katalytische Hydrierung abspalten lassen, kann der Morpholin-Rest unter milden sauren Bedingungen hydrolytisch entfernt werden. Bei dieser acido-
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40.6
Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen
895
lytischen Spaltung wird nach Protonierung eines Morpholin-Stickstoffs der Phosphor nucleophil durch Wasser angegriffen. O O
O
+ ROH
N P Br
O
/ HBr
N O
HO
+
+ H3O
N P OR
O
/ H2O
O
N P OR + OH
N
N
O
O
HO P OR /2O
OH
NH
Phosphorsäuremonoester
Dimorpholinophosphorsäureester (Diamidoester)
Dimorpholinobromphosphat (Diamidohalogenid)
Phosphorylierung mit Triisopropylbenzensulfonsäurechlorid Ein dem früher verwendeten N,N'-Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) mindestens ebenbürtiges Reagenz zur Phosphorylierung ist Triisopropylbenzensulfonylchlorid (TPS-Cl), welches ohne Ausbeuteverluste die Reaktionszeit erheblich verkürzt. TPS-Cl reagiert selektiv mit 5'-MonophosphatGruppen, da die ortho-ständigen sperrigen Isopropyl-Reste eine Reaktion mit 3'-Hydroxy-Gruppen von Nucleotiden verhindern. Bei dieser Aktivierung werden Metaphosphate als intermediäre Phosphorylierungsreagenzien erzeugt, an die Alkohol-Hydroxy-Gruppen nucleophil zu Phosphorsäurediestern addieren. O
O S Cl
+
/ Cl
O
O
O
/
O P OR
O
O
O
O TPS S O ""-
TPS S O P OR O
P
OR
O
O
Metaphosphat
2,4,6-Triisopropylbenzensulfonylchlorid (TPS-Cl)
+ ROH
O Phosphorsäurediester
HO P OR OR
40.6.2
Synthese von Nucleosiden
Wie das Beispiel Thymidin zeigt, gelingen N-Glycosidierungen nach dem Prinzip der KÖNIGSKNORR-Synthese aus Glycosylhalogeniden und Nucleobasen, deren zu glycosidierendes N-Atom aktiviert werden muß, weil die in den Basen oft vorliegenden Lactam-N-Atome nicht nucleophil sind. Bei Pyrimidin-Nucleobasen wie Thymin wird diese Aktivierung durch die QuecksilberKomplexe realisiert, welche das nucleophile Lactim-Tautomer stabilisieren. Nicht glycosidische OH-Funktionen müssen vor der Glycosidierung geschützt werden, z. B. durch Acylierung mit pToluoylchlorid. Nach der N-Glycosidierung läßt sich die Toluoyl-Schutzgruppe durch Alkalihydroxid abspalten. CH3
CH3 O H3C
N / 1/2 HgCl2
O C Cl +
O
O
C O
O
N
N
O
O
C
+ 2 H2 O / ( OH ")
O
CO2H /2
O CH 3
O
H3C
NH
O C
Hg
O
O
H 3C
CH3
NH N
HO
O
O
HO CH 3
Thymidin
O
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896
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
40.6.3
Synthese von Nucleotiden
Zur Synthese von Nucleotiden müssen alle nicht zur Phosphorylierung vorgesehenen OHFunktionen geschützt werden. Soll z. B. 2'-Deoxycytidin-5'-phosphat dargestellt werden, so darf vor der Phosphorylierung nur die 5'-Hydroxy-Gruppe freiliegen. Dazu wird zuerst für die 5'Hydroxy-Gruppe selektiv und intermediär der Trityl- (Trt, Triphenylmethyl), besser noch der 4,4'Dimethoxy-substituierte Triphenylmethyl-Schutz verwendet. Die 3'-Hydroxy-Gruppe kann dann zusammen mit der Amino-Funktion durch Acylierung blockiert werden. Nach Phosphorylierung werden Benzyl- und Acetyl-Reste durch Hydrierung bzw. Verseifung entfernt. NH 2
NH2
N N
HO
O
NHAc
N (1)
O
HO
N (2)
N
TrtO
O
O
N
TrtO
O
O AcO
HO
2´-Deoxycytidin
(3) NHAc NH 2
O
O
O
N
P HO
NHAc
N
O O
O CH2 C6H5
N
P
(5,6) C6H5 CH 2 O
O
AcO
N
O O
N N
HO
(4)
O
O
O AcO
AcO
2´-Deoxycytidin-5´-phosphat
(1) + Trt Cl, / HCl; (2) + 2 (CH3CO)2O / C5H5N, / 2 CH 3CO2H; (3) + H2O (warme CH3CO2H), / Trt OH; (4) + Cl
/
P (OCH2C 6H5)2, / HCl; (5) + 2 H2 / Pt, - 2 C6H5CH3; (6) + 2H2O (OH ), / 2 CH3CO2H O
Zur Herstellung von 3'-Mononucleotiden muß die 5'-Hydroxy-Gruppe ebenfalls trityliert werden. Nach Phosphorylierung mit (2-Cyanoethyl)-phosphat und Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) wird durch alkalische Hydrolyse die Cyanoethyl-Gruppe und acidolytisch der Trityl-Rest entfernt. CN CH2
NH2
TrtO
O HO
+ HO
O
P OH
DCC / H2O
NH2 /
O
N N
NH 2
CH2
N O
N
TrtO
O
O
1.) + OH , / HOCH2CH2CN 2.) + H2O (CH3CO2H) / Trt/OH
O O P O CH2 CH2 CN OH
N N
HO
O
O
O O P O OH 2´-Deoxycytidin-3´-phosphat
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40.6
Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen
897
Zur Synthese von 5'-Ribonucleotiden eignen sich die Isopropyliden- oder Benzyliden-Schutzgruppen, welche die 2',3'-Hydroxy-Gruppen gleichzeitig schützen und leicht abspaltbar sind. O
O
OBzl P
OCH2C6H 5
Base
HO
O
+ Cl
P
BzlO
Base
O
O
O
OCH2C6H 5
O
O
O
2,3-IsopropylidenCH 3 oder 2,3-Benzylidenribonucleosid C6H 5
H 3C H
1.) + 2 H2 / Pt , / 2 C6H5CH3 2.) + H 2O (CH3CO2H), / (H3C) 2CO
OH P
HO
Base
O
O HO
O
OH
5´-Ribonucleotid
H 3C CH 3 Bzl = CH2/C6H5
2'- und 3'-Ribonucleotide sind relativ einfach als Gemisch durch Hydrolyse aus 2',3'-Cyclophosphaten herzustellen. Die Trennung gelingt durch Ionenaustauschchromatographie.
40.6.4
Synthese von Oligonucleotiden
Zur Synthese eines 3',5'-Dinucleosidphosphats muß ein 5'-geschütztes Nucleosid mit einem 3'geschützten Mononucleotid verknüpft werden. Als Schutzgruppen sind z. B. Kombinationen der 5'Trityl- und 3'-Acetyl-Gruppe sinnvoll, da die Trityl-Gruppe selektiv acidolytisch abgespalten und die Acetyl-Gruppe selektiv durch Alkalihydroxid verseift werden kann. Somit könnte das 3',5'Dinucleosidphosphat sowohl an der 5'- als auch an der 3'-Position gezielt zum Trinucleotid verlängert werden. Zur Aktivierung der 5'-Phosphat-Gruppe wird häufig Triisopropylbenzensulfonsäurechlorid (TPS-Cl) verwendet (Abschn. 40.6.1). Base A
TrtO
O 3´
O
O
O
P
P
TrtO
Base A
5´
O
Base B
5´
O
O 3´
HO 5´-geschütztes Mononucleosid
40.6.5
O
O
+
3´
AcO 3´-geschütztes Mononucleotid
+ TPS/Cl
O
O
Base B
5´
O
/ TPS/OH
AcO geschütztes 3´,5´-Dinucleosidphosphat
Phosphorsäuretriester-Methode zur Synthese von Gen-Fragmenten
Vollautomatische, der MERRIFIELD-Synthese von Peptiden analoge Verfahren unter Einsatz von polymeren Trägern werden in Oligonucleotid-Synthesizern eingesetzt, überwiegend unter Anwendung der Triester-Methode mit einer zusätzlichen Schutzgruppe am Phosphorsäurediester der Hauptkette. Dazu werden u. a. die o- oder p-Chlorphenyl-Gruppen auf der Nucleosid-Stufe 1 eingeführt (Reagenz: 4-Chlorphenyldichlorphosphat). Gleichzeitig erfolgt die Phosphorylierung und die Umsetzung mit 2-Cyanoethanol in Pyridin zum Triester 2. Zur Verlängerung am 3'-Ende spaltet man die Cyanoethyl-Gruppe alkalisch ab (3). Zur Verlängerung am 5'-Ende wird die Bis-(4methoxyphenyl)-phenylmethyl-Gruppe [(H3CO)2Tr] sauer entfernt (4). Die Verlängerung erfolgt meist mit geschützten 3'-Nucleotiden, wobei zur Triester-Kondensation Triisopropylbenzolsulfonylchlorid (TPS-Cl) zusammen mit Tetrazol (oder TPS-Tetrazolid) verwendet wird (5). Gegen-
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898
40 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
über der Diester-Methode verlaufen die Umsetzungen schneller, mit höheren Ausbeuten und weniger Kettenbrüchen in der Oligonucleotid-Synthese. Base
(H3CO)2TrO
partiell geschütztes Nucleosid
O HO
1
O
Cl P
Cl
HO
Base
(H3CO)2TrO
O
(C2 H5) 3 N Pyridin
CH2
O
CH2
CN
H3 O+
O
O
O
O
Cl
O
O CH2 CH2 CN
Cl
Triester
3
O P
P O HN(C2H5)3
Base
HO
/ (H3 CO) 2TrH
O
O P
Cl
Cl
Base
(H3CO)2TrO
/ H2C=CH/CN
O
O
O
O CH2 CH2 CN
4
2 TPS/Cl , Tetrazol Chromatographie (Kieselgel)
Base
(H3CO)2TrO
O
O geschütztes Dinucleotid
5
O P
Cl
O
Base
O O O
O P
Cl
O
O CH 2 CH2 CN
Chemisch synthetisiert man Oligonucleotide mit bis zu acht Nucleosid-Bausteinen, die an Kieselgel in organischen Laufmitteln gereinigt werden. Zwei Octamere werden zu Hexadecameren kondensiert. Nach Abspaltung der Schutzgruppen werden die Blöcke enzymatisch mit PolynucleotidLigasen zum gewünschten Gen-Fragment gekuppelt. Diese chemisch-enzymatische Synthese öffnet den Weg zu Genen für Proteine mittlerer Größenordnung. Solche Oligonucleotide finden u. a. bei der Herstellung von Plasmiden zur gezielten Aminosäure-Mutation in Proteinen (site directed mutagenesis) und für DNA-Bibliotheken zur zufälligen Mutation (random libraries) bestimmter Proteinbereiche Verwendung. Zunehmende Bedeutung gewinnen RNA-Synthesen zur Herstellung von Impfstoffen und in der Krebstherapie. Zur Partialsynthese größerer, künstlicher Gene spaltet man DNA mit spezifischen Restriktionsenzymen, verändert die freigelegten Enden der chromatographisch gereinigten Partialsequenzen und verknüpft die Polynucleotid-Stränge wieder enzymatisch durch Ligasen.
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41.1
Klassifizierung der Lipide
899
41 Lipide 41.1 Klassifizierung der Lipide Gemeinsames Merkmal der Lipide ist ihre Wasserunlöslichkeit und gute Löslichkeit in organischen Lösemitteln wie z. B. Chloroform und Methanol. Ursache dieser Hydrophobie bzw. Lipophilie sind langkettige, aliphatische Reste. In diesem Kapitel werden nur Lipide (griech. nkrqu = Öl, Fett) im engeren Sinne, also Fettsäuren, Wachse, Glyceride und verwandte Verbindungen behandelt. Die oft bei den Lipiden eingeordneten Terpene und Steroide werden aufgrund ihres besonderen Bauprinzips aus Isopren-Einheiten (Isoprenoide) separat beschrieben (Abschn. 42). Die technisch und physiologisch dem Umsatz nach wichtigsten Lipide sind Fette, deren Bauprinzip in Gestalt der Glycerolester langkettiger Carbonsäuren schon seit 1813 bekannt ist. Verbindungen, die den Fetten ähnlich sind, bezeichnet man auch als Lipoide. Eine Übersicht der Lipide mit typischen Beispielen gibt Abb. 41.1.
Lipide Biosynthese aus Acetyl-CoA über Malonyl-CoA
Fettsäuren H3C (CH2)n CO2H
Wachse R1
CO OR2
Glycolipide
Aminolipide
CH2 O CO R1
Fette
CH2 O CO R1
Phosphatide
CH2 O CO R1
R1 CO NH
CH O CO R2
CH O CO R2 O
CH O CO R2
CH2 O CO R3
CH2 O P O Cholin O
Säuren, Ester, Amide gesättigt, ungesättigt unverzweigt, verzweigt hydroxyliert, C-Anzahl meist geradzahlig
Wachsester aus Fettsäure und langkettigem Alkohol
a Glycerolphosphatide
Triglyceride
(c-Lecithin)
R1
O
CH CH2 O P O NH
Cholin O
1
2
Galactose
a Glycerolglycolipide
(Galactosyldiglycerid)
CH2 O CO R2 Ornithinlipid
R1 CH CH2 O NH
Galactose
CO
R2
R2 b Sphingoglycolipide (Cerebrosid)
(Sphingomyelin)
(CH2)3 CH CH2 O CO
CO
b Sphingophosphatide
H3N
CH2 O
3
Abb. 41.1. Einteilung der Lipide (R , R und R sind langkettige Alkyl- oder Alkenyl-Gruppen)
Die systematische Nomenklatur der kurzkettigen Carbonsäuren und ihrer Derivate wurde bereits in Abschn. 18.1 behandelt. Die wichtigsten Fettsäuren besitzen Trivialnamen wie Palmitin-, Stearinoder Ölsäure. Die Stellung von CC-Doppelbindungen wurde bisher durch das Symbol F mit hochgestellter Positionsangabe angezeigt. Substituentenpositionen werden wie üblich durch Zahlen oder griechische Buchstaben angegeben. Wie Aminosäuren und Nucleotide können Fettsäuren durch Kurzschreibweisen formuliert werden. Dabei werden tiefgestellt die Zahl der C-Atome (z. B.
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900
41 Lipide
16) sowie Anzahl (z. B. 0, 1, 2, ...), Lage (z. B. 9) und Isomerie von Mehrfachbindungen (c für cis, t für trans) sowie Verzweigungen (br für engl. branched = verzweigt) angegeben. Palmitinsäure (Hexadecansäure) wird abgekürzt als C16:0 , da sie 16 C-Atome und keine Doppelbindungen besitzt. C18:2(9c,12c) bezeichnet eine Octadecadiensäure (Linolsäure) mit 2 Doppelbindungen zwischen C-9 und C-10 (cis-Konfiguration) sowie C-12 und C-13 (ebenfalls cis-Konfiguration). 8
H3C (CH2)14 CO2H
H 3C (CH 2)16 CO2H
Hexadecansäure, C16:0 (Palmitinsäure)
Octadecansäure, C18:0 (Stearinsäure)
7-Methyloctansäure, C8:br (Isononansäure, Isopelargonsäure, im Antibiotikum Polymyxin B1)
1
13 18
1
CO2H
7
CO2H
12 9 10
F9,12-Octadecadiensäure, C18:2(9c,12c) (Linolsäure)
H 3C (CH2)21 CH CO2H OH 2-Hydroxytetracosansäure (c-Hydroxytetracosansäure, Cerebronsäure)
41.2 Vorkommen und Isolierung 41.2.1
Vorkommen
In Pflanzensamen und im tierischen Fettgewebe kann der Lipid-Gehalt bis über 50% der Trockenmasse betragen. Außer in diesen speziellen Reservestoffspeichern (Lipid-Speicher) kommen Lipide in jeder normalen Zelle vor. Sie bilden neben Proteinen und Polysacchariden den Hauptbestandteil der biologischen Zellmembranen (Mitochondrien, endoplasmatisches Retikulum, cytoplasmatische Membran). Außer in Milch, Blutplasma und Galle finden sich nur wenig Lipide in extrazellulären Körperflüssigkeiten. Unveresterte Fettsäuren im Blutplasma haben die kurze Halbwertszeit von 2 - 4 Minuten.
41.2.2
Isolierung und Identifizierung
Lipide lassen sich durch Extraktion mit Methanol/Chloroform oder Ethanol/Diethylether aus biologischem Material isolieren. Fette werden industriell durch Ausschmelzen, Auspressen oder Auskochen gewonnen. Natürliche Lipide besitzen große Bedeutung zur Herstellung von Nahrungsfetten, Seifen, Kerzen, Linoleum, Lacken, Farben, Putzmitteln, Ölen, Arzneimitteln und Kosmetika. Die Reinigung der Rohlipid-Extrakte kann durch Gelchromatographie an Sephadex G-25 mit Chloroform/Methanol/Wasser erfolgen. Eine Feinreinigung unter Abtrennung der Neutrallipide von den polaren Lipiden wird meist säulenchromatographisch an Kieselgel (Adsorptions-Chromatographie) mit Chloroform, gefolgt von Methanol, als Elutionsmittel durchgeführt. Der Nachweis einzelner Lipide kann nach Dünnschichtchromatographie durch Ansprühen der Platten mit Wasser (Fettfleck!) oder Anfärbung mit Ioddampf (Gelbfärbung) geführt werden. Die quantitative Bestimmung gelingt nach Hydrolyse bzw. Umesterung (Methanol, Chlorwasserstoff) durch Gaschromatographie der Fettsäuren, Fettsäureester, Fettalkohole bzw. anderer Lipid-Bestandteile. Zur Aufklärung der Struktur unbekannter Lipide bewährt sich die Gaschromatographie in Kombination mit Massenspektrometrie.
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41.3
Wechselwirkungen von Lipiden mit Wasser
901
41.3 Wechselwirkungen von Lipiden mit Wasser Je nach ihrem chemischen Aufbau aus lipophilen und hydrophilen Gruppen können Lipide unterschiedliche Wechselwirkungen mit Wasser zeigen. Man unterscheidet drei Arten: ̈ nicht-spreitende Lipide bilden mit Wasser zwei getrennte Phasen; die Oberflächenspannung des Wassers bleibt unverändert; diese wasserunlöslichen Lipide besitzen keine polaren bzw. ionischen Gruppierungen (Beispiele: Wachse, Paraffine, Carotine). ̈ spreitende, wasserunlösliche Lipide bilden auf der Wasseroberfläche stabile monomolekulare Filme (Monoschichten); sie zeigen amphiphiles Verhalten, sind also infolge ihres langen Alkyl-Restes lipophil; aufgrund polarer bzw. dissoziabler Gruppen sind sie gleichzeitig hydrophil. Spreitende Lipide senken die Oberflächenspannung des Wassers drastisch (Beispiele: Di- und Triglyceride, Fettalkohole, Fettsäuren, Sterole). ̈ spreitende wasserlösliche Lipide bilden zuerst instabile Oberflächenfilme, aus denen Micellen (Aggregate von Lipiden) oder echte Lösungen in Wasser entstehen; diese Lipide enthalten stark hydrophile Gruppierungen. Zur Erniedrigung der Oberflächenspannung werden größere Konzentrationen als von spreitenden wasserunlöslichen Lipiden benötigt (Beispiele: Phosphatide, Detergentien wie Alkansulfonate). Die Fähigkeit eines Lipids, die Oberflächenspannung des Wassers zu erniedrigen, bezeichnet man als Oberflächenaktivität oder Tensid-Wirkung (lat. tendere = spannen). Natürliche oberflächenaktive Verbindungen (Tenside) besitzen einen hydrophoben Alkyl-Rest und einen ionischen hydrophilen Teil mit Carboxy-Gruppen (Fettsäuren), Ammonium- bzw. Phosphat-Gruppen (Phosphatide, Aminolipide) oder eine neutrale hydrophile Komponente wie bei den Glycolipiden (Abb. 41.1). Synthetische oberflächenaktive Verbindungen (Detergentien) enthalten oft Ammonium- oder Sulfonat-Gruppen. Je nach positiver oder negativer Ladung bzw. Neutralität der hydrophilen Gruppen teilt man in anionaktive, kationaktive und neutrale grenzflächenaktive Stoffe ein. Alle Tenside reichern sich an der Wasseroberfläche (Phasengrenzfläche) an, weil ihr hydrophober Teil aus dem Wasser gedrängt wird und durch VAN DER WAALS-Kräfte mit den Nachbarn parallel geordnete Strukturen bildet. Da eine teilweise und nur monomolekulare Bedeckung der Phasengrenzfläche genügt, sind minimale Mengen Tensid erforderlich, um die Oberflächenspannung drastisch zu erniedrigen. Grundsätzlich richten sich Moleküle an Phasengrenzflächen so aus, daß insgesamt größtmögliche zwischenmolekulare Wechselwirkung resultiert. Dabei treten immer strukturell ähnliche Gruppen bevorzugt miteinander in Kontakt, sofern keine elektrostatische Abstoßung wirkt (gleichsinnige Ladungen wie bei Fettsäure-Carboxy-Gruppen). Spreitungsexperimente (Spreitungsdruck-Messungen mit der LANGMUIR-Waage) mit langkettigen Alkoholen, Carbonsäuren und Sulfonsäuren zeigten, daß jedes Molekül unabhängig von seiner Kettenlänge stets ein Oberflächenstück von 0.21 nm2 bedeckt. Da der Querschnitt durch eine n-Alkan-Kette etwa 0.2 nm2 beträgt, kann dies als Beweis für eine parallele Lagerung der Alkyl-Reste in Monoschichten gelten. Tenside mit verzweigten oder olefinischen Alkyl-Resten benötigen erheblich größere Flächen. Amphiphile Lipide mit besonders starker hydrophiler Gruppe werden nach anfänglicher Monoschichtbildung in die wäßrige Phase gezogen und formen im Wasser (Subphase) neue geordnete Strukturen. Diese hängen stark von der Temperatur und Konzentration der Lipid/WasserMischung ab. Man unterscheidet: ̈ kristallin unlösliche Lipid-Phasen ̈" flüssige Kristalle mit lamellaren (schichtartigen) und hexagonal stabartigen Aggregationen von Lipiden
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902
41 Lipide
̈"
Lösungen aggregierter Lipid-Moleküle enthalten hohlkugelförmige Doppelschichten (Micellen, Vesikel, Liposomen), in denen polare Lipid-Regionen nach außen und innen zum Wasser gerichtet sind, und Alkyl-Ketten zweier Monoschichten Kopf an Kopf stehen.
Die Vesikel-Bildung ist u. a. deshalb interessant, weil Vesikel mikroskopische, einfache Zellen mit Lipid-Membranen darstellen (Kompartimente) und somit als Biomembranmodelle (Abschn. 41.7.2) dienen können. Amphiphile Lipide finden als Wasch-, Netz-, Dispergier- und Emulgiermittel Verwendung. Ihre Wirkung beruht auf der monomolekularen Umhüllung des zu netzenden oder zu dispergierenden Stoffes. Die Waschwirkung beruht auf der Aufnahme des Schmutzes in Lipid-Micellen und LipidDoppelschichten. Auch die Schaumblasen wirken bei der Schmutzablösung mit, da sie aus LipidDoppelschichten bestehen. Zu den technisch genutzten, wasserlöslichen, micellenbildenden Lipiden gehören vier Typen von Detergentien: ̈ anionogene Detergentien wie Seifen (R/CO2/ Na+), Alkansulfonate (R/SO3/ Na-), O-Alkylsulfate (R/OSO3/ Na+) ̈ kationogene Detergentien: Ammoniumalkyl-Verbindungen wie Cetyltrimethylammoniumbromid (H3C/(CH2)15N+(CH3)3 Br/ ). ̈ amphotere Detergentien wie Zwitterionen (Betaine) des Typs /O2C/(CH2)n/N+(R)3 ̈ nicht ionogene Detergentien wie Saponine (Abschn. 42) und Glycolipide.
41.4 Fettsäuren 41.4.1
Vorkommen und Struktur wichtiger Fettsäuren
Gesättigte Fettsäuren Von den über 300 verschiedenen in der Natur vorkommenden Fettsäuren sind die häufigsten langkettige, unverzweigte, gesättigte und ungesättigte Säuren mit gerader Anzahl von C-Atomen (meist C14 , C16 , C18 ; Tab. 41.1). Fettsäuren mit ungerader Anzahl von C-Atomen sind in natürlichen Lipiden sehr selten (weniger als 1 % aller Fettsäuren). Das wesentlich häufigere Vorkommen geradzahliger Vertreter ist eine Folge ihrer Biosynthese aus C2-Einheiten über Acetyl-CoA und Malonyl-CoA vom Methyl-Ende her. Tab. 41.1. Ausgewählte unverzweigte, gesättigte Fettsäuren Formel gerade C-Zahl: H 3C H 3C H 3C H 3C H 3C H 3C H 3C ungerade C-Zahl: H 3C
(CH 2)10 (CH 2)12 (CH 2)14 (CH 2)16 (CH 2)18 (CH 2)20 (CH 2)22
CO2H CO2H CO2H CO2H CO2H CO2H CO2H
(CH 2)7 CO2H H 3C (CH 2)15 CO2H
IUPACBezeichnung
Trivialname
Kurzform
Schmelzpunkt [°C, 1011 mbar]
Dodecansäure Tetradecansäure Hexadecansäure Octadecansäure Eicosansäure Docosansäure Tetracosansäure
Laurinsäure Myristinsäure Palmitinsäure Stearinsäure Arachinsäure Behensäure Lignocerinsäure
C12:0 C14:0 C16:0 C18:0 C20:0 C22:0 C24:0
45 54 62 70 76 80 84
Nonansäure Heptadecansäure
Pelargonsäure Margarinsäure
C9:0 C17:0
12 61
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41.4
Fettsäuren
903
Fettsäuren mit Methyl-Verzweigungen am vorletzten C-Atom, wie z. B. 7-Methyloctansäure (Abschn. 41.1), kommen in Antibiotika, Bakterien, im Wollfett und der Baldrianwurzel (Isovaleriansäure = 3-Methylbutansäure aus Valeriana officinalis) vor. Methyl-Verzweigungen in Fettsäuren werden oft am drittletzten C-Atom aber auch an anderen Positionen beobachtet: 1
D-(/)-10-Methylstearinsäure (C19H38O2) (Tuberkulostearinsäure in Tuberkelbakterien)
CO2H
10
Ungesättigte Fettsäuren Auch unter den ungesättigten Fettsäuren überwiegen solche mit C16, C18, C20, C22 . Man teilt sie in Monoen- und Polyensäuren ein. Am häufigsten stehen CC-Doppelbindungen am siebenten und neunten C-Atom (y7- und y9-Stellung) von der endständigen Methyl-Gruppe (sog. y-Stellung) aus gesehen. Die Biosynthese erfolgt vom y-Ende her in C2-Schritten bis zum Carboxy-Ende. Am häufigsten sind Polyenfettsäuren mit isolierten Doppelbindungen, seltener solche mit konjugierten, kumulierten oder Alkin-Mehrfachbindungen. Auch Cyclopropan-, Cyclopropen- und CyclopentenRinge werden in Fettsäure-Ketten gebildet. Tab. 41.2. Bedeutende ungesättigte Fettsäuren Formel
Bezeichnung 1
9
18
CO2H 1
9
CO2H
Kurzform
Familie
Schmp. [°C]
Ölsäure
C18:1(9c)
y9
12
Elaidinsäure
C18:1(9t)
y9
46
Palmitoleinsäure C16:1(9c)
y7
Linolsäure
C18:2(9c,12c)
y6
/5
Arachidonsäure
C20:4(5c,8c,11c,14c)
y6
/49
c-Linolensäure
C18:3(9c,12c,15c)
y3
/14
18 16
1
9
12
CO2H 1
9
CO2H
0.5
18 14
11
8
5
1
CO2H
20 18
15
12
9
1
CO2H
Zu den ungesättigten Fettsäuren gehören die weit verbreitete Ölsäure (y9), die seltenere Palmitoleinsäure (y7) und die für Säugetiere essentielle Linolsäure (y6, Tab. 41.2). Linolsäure kommt im kalt gepreßten Öl der Sonnenblumen-, der Sesam- und Baumwollsamen vor. Linolensäure ist die Hauptfettsäure des Leinsamenöls. Arachidonsäure, ein Baustein tierischer Phosphatide, ist die Biosynthese-Vorstufe der Prostaglandine (z. B. Prostaglandin E2) im menschlichen Organismus. Prostagladine sind hochwirksame, ungesättigte Hydroxy- und Oxocarbonsäuren mit 20 C-Atomen. Sie können u. a. die Muskulatur stimulieren und wirken blutdrucksenkend.
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904
41 Lipide
1
CO2H 8
5
O
1
CO2H
5
8
20 11
12
H OH
14
Arachidonsäure (5,8,11,14-Eicosantetraensäure)
HO H Prostaglandin E 2
Essentielle Fettsäuren sind in der Nahrung notwendige ungesättigte Fettsäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann und deren Fehlen Mangelerscheinungen hervorruft. Sie besitzen hypolipämische Wirkung (Herabsetzung des Cholesterol- und Triglycerid-Spiegels im Blut) und haben eine stabilisierende Funktion als Strukturbestandteil in Biomembranen. Ferner besitzen sie die bereits erwähnte Bedeutung für die Biogenese der Prostaglandine über Arachidonsäure. Hydroxyfettsäuren Zu den zahlreichen Hydroxyfettsäuren tierischer, pflanzlicher und bakterieller Herkunft gehört die Cerebronsäure in Cerebrosiden, die Ricinolsäure aus Ricinusöl sowie die in Myko- und Corynebakterien vorkommenden Mykolsäuren als verzweigte c-Hydroxycarbonsäuren. Unter den Lipoiden des Futtersaftes der Weiselzellen ("Gelee royale") spielt neben verschiedenen C10-Dicarbonsäuren und Duftstoffen besonders die Königinnensubstanz (E)-9-Oxo-2-decensäure eine dominierende Rolle im Leben eines Bienenstockes. 1
CO2H
OH 18
12
1
9
CO2H
24
2-Hydroxytetracosansäure, C24H48O3 , (Cerebronsäure in Cerebrosiden und Triglyceriden)
OH
OH
(R)-(+)-12-Hydroxy-( Z)-9-octadecensäure , C18H34O3 , y9 (Ricinolsäure in Ricinusöl aus Ricinus communis)
O
1
CO2H
9 2
CO2H (+)-Corynemykolsäure , C32H66O3 , (aus Corynebacterium diphtheriae)
(E)-9-Oxo-2-decensäure (Königinnensubstanz)
Viele andere Lock- und Abwehrstoffe von Insekten sind Derivate höherer Carbonsäuren und Alkohole mit Terpen-Grundskeletten (Abschn. 42).
41.4.2
Physikalische Eigenschaften
Zwischen Schmelzpunkt und Kettenlänge der Fettsäuren gilt die bereits bei Alkanen (Abschn. 2.2) und anderen langkettigen Verbindungen diskutierte Beziehung. Fettsäuren mit gerader Zahl von C-Atomen schmelzen höher als solche mit ungerader Kohlenstoff-Anzahl. Dies ist auf eine dichtere und somit stabilere Packung in Kristallen der Fettsäuren mit gerader C-Anzahl zurückzuführen. Fettsäuren mit CC-Doppelbindungen schmelzen wesentlich tiefer (vgl. Tab. 41.1 und 41.2) als gesättigte. Unter den ungesättigten Fettsäuren schmelzen cis-Säuren (Ölsäure, C18:1(9c) ) tiefer als trans-Säuren (Elaidinsäure C18:1(9t) , Tab. 41.2). Cis- und trans-Fettsäuren können IR-spektroskopisch unterschieden werden. Vergleicht man Monoenfettsäuren gleicher Kettenlänge, aber verschiedener Stellung der Doppelbindung, so findet man die tiefsten Schmelzpunkte für Säuren mit mittelständigen cis-CC-Doppelbindungen (Tab. 41.2). Die cis-Konfiguration in der Kettenmitte
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41.4
Fettsäuren
905
beansprucht im Kristall offensichtlich den größten Raum und erniedrigt somit die intermolekulare VAN DER WAALS-Wechselwirkung, wie die Formeln zeigen: geringer Raumbedarf, kompakte Packung im Kristallgitter, hohe Schmelzpunkte
CO2H
CO2H Stearinsäure (gesättigte Fettsäure)
Elaidinsäure (trans-Monoenfettsäure)
großer Raumbedarf, lockere Packung im Kristallgitter, tiefe Schmelzpunkte CO2H
CO2H
Ölsäure (cis-Monoenfettsäure)
Lactobacillussäure (cis-Cyclopropanfettsäure)
CO2H Arachidonsäure (all-cis-Polyenfettsäure)
Während Alkinfettsäuren aufgrund ihres linearen Baus gegenüber n-Alkansäuren wenig geänderte Schmelzpunkte aufweisen, schmelzen verzweigte Fettsäuren wieder erheblich tiefer. Auch Fettsäureester und Fettsäureglyceride schmelzen tiefer als die zugehörigen freien Säuren. Diese Beziehungen sind von großer Bedeutung für die Eigenschaften und Zusammensetzung von Speisefetten, Pflanzenölen sowie von biologischen Lipid-Membranen. Ein Fett mit Triglyceriden aus überwiegend gesättigten Fettsäuren ist bei Raumtemperatur fest (z. B. Talg), während Triglyceride mit ungesättigten Fettsäuren Öle sind. Langkettige n-Alkansäuren wie Stearinsäure C18:0 können je nach Lösemittel, aus dem umkristallisiert wird, verschiedene Kristallformen annehmen (Polymorphie). Eine Fettsäure kann somit auch verschiedene Phasenumwandlungen vor dem eigentlichen Schmelzpunkt erfahren. Diese lassen sich durch kalorimetrische Messungen mit Hilfe der Differential-Thermoanalyse (DTA) ermitteln. n-Alkansäuren über C6 sind praktisch wasserunlöslich. Gute Lösemittel für C10:0 bis C15:0 sind Benzen, Methanol, Ethanol, Aceton und Chloroform. Ab C15:0 nimmt die Löslichkeit auch in organischen Lösemitteln nach und nach ab. Löslichkeit und Schmelzpunkte zeigen analoge Beziehungen bezüglich Ungesättigtheitsgrad und Konfiguration der Fettsäuren; so sind cis-Monoensäuren leichter löslich als trans-Säuren.
41.4.3
Chemische Eigenschaften
Fettsäuren zeigen an ihrer Carboxy-Gruppe die in Abschn. 18 dargelegten Reaktionen der Carbonsäuren. Gesättigte Fettsäuren können typische Alkan-Reaktionen und ungesättigte typische AlkenReaktionen eingehen. Da Hydroxysäuren bereits in Abschn. 19.4 behandelt wurden, werden hier nur die mit der Lipid-Chemie zusammenhängenden Reaktionen und technischen Prozesse besprochen. Ausgeschmolzene tierische und ausgepreßte pflanzliche Fette werden, sofern sie nicht als Nahrungs- und Futtermittel dienen, weiterverarbeitet durch Verseifung, Umesterung oder Fetthärtung.
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906
41 Lipide
Verseifung der Triglyceride Die Verseifung wasserunlöslicher Fettsäureester, z. B. der Triglyceride, erfolgt meist alkoholisch (0.3 bis 1.0 normale methanolische Kalilauge mit etwas Wasser, Erhitzen), wobei die wasserlöslichen Seifen (Kalium- oder Natrium-Salze der Fettsäuren) entstehen (Abschn. 18.9.1). Nach Ansäuern können die freien Fettsäuren mit Ether extrahiert werden. Bei der technischen Fettspaltung werden die Ester-Bindungen zum Glycerol hydrolysiert durch basische Verseifung (H2O, Druck, 170 °C, 8 h, CaO-Katalyse) oder saure Verseifung (H2SO4 / H2O, 100 °C, 24 h, Emulgatoren zur besseren Benetzung, TWITCHELL-Verfahren) sowie enzymatische Spaltung mit Lipase (40 °C). Handelsübliche Seifen sind meist aus Talg hergestellte Natrium-Salze der Fettsäuren (Natronseifen, Kernseifen). Diese fallen nach dem Verseifungspozeß auf Kochsalz-Zusatz aus (Aussalzen) und können so vom Wasser und Glycerol getrennt werden. Seifen erniedrigen nur dann die Oberflächenspannung und zeigen gute Wascheigenschaften, wenn sie gut löslich sind (Abschn. 42.3). So sind Salze von Alkansäuren über C22 unlöslich, während Salze der Laurin- und Myristinsäure (C12 und C14) selbst in Meerwasser gut geeignet sind. Meerwasser und "hartes" Wasser enthalten zweiwertige Kationen wie Ca2+ , Mg2+. Diese bilden mit Palmitin- und Stearinsäure schwer lösliche Salze. Um trotzdem genügend Waschwirkung zu erzeugen, muß daher im harten Wasser mehr Seife verwendet werden. Alternativen sind synthetische Tenside (Abschn. 41.8.2), deren Ca- und Mg-Salze nicht ausflocken, oder der Zusatz von Komplexbildnern, welche Ca2+ und Mg2+ in Lösung halten. Die als Komplexbildner meist verwendeten Meta- und Polyphosphate bezeichnet man als Enthärter. Umesterung Die säurekatalysierte Umesterung der aus Rapsöl gewonnenen Glyceride führt zu Rapsölmethylestern ("RME"), die als Ersatz oder Zusatz zu Dieselkraftstoffen ("Bio-Diesel" als "nachwachsender" Treibstoff) eingesetzt werden. H3C
(CH 2)16
CO O CH2
H3C
(CH 2)14
CO O CH
H3C
(CH 2)14
CO O CH2
[H +]
+
3 CH3OH
HO CH2 HO CH + 2 H 3C HO CH2
(CH2)14
CO2CH3 + H3C (CH 2)16 Palmitin- und Stearinsäuremethylester (Komponenten der Rapsölmethylester)
CO2CH3
Fetthärtung Durch Hydrierung unter Nickel-Katalyse kann man ungesättigte Fettsäuren, wie Ölsäure C18:1(9c) (Schmp. 12 °C) in feste Fettsäuren, wie Stearinsäure C18:0 (Schmp. 69.5 °C), überführen. CO2H
+ H2 Ni, 180 °C, 5 bar
CO2H
Diesen Prozeß bezeichnet man als Fetthärtung. Triglyceride ungesättigter Fettsäuren in Pflanzenölen (Erdnuß, Baumwollsamen, Sojabohne) und Tranen werden nach Hydrierung zu festen Produkten wie Seifen, Kochfetten (Margarine), Kerzenwachs u. a. verarbeitet. Die Hydrierung führt zu haltbareren Produkten; dabei verschwindet der oft ranzige Geruch.
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41.4
Fettsäuren
907
Autoxidation und Polymerisation ungesättigter Fettsäuren Ungesättigte Fettsäuren autoxidieren an der Luft über Hydroperoxide zu bräunlichen viskosen Oxidationsprodukten. Diese Autoxidation (Abschn. 2.7.3) ist die Ursache des Ranzigwerdens von Speiseölen und -fetten, die einen hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren enthalten. Ungesättigte Fettsäuren sind auch in den sogenannten "trockenen" Ölen und Firnissen für Anstrichfarben enthalten. Die Trocknung (besser Härtung) von Ölfarben ist eine oxidierende Polymerisation, wobei cis- eher als trans-Doppelbindungen reagieren. Man kann den Härtungsprozeß durch Sikkative (Trockner) wie Cobalt-, Mangan- und Blei-Salze beschleunigen. Die Sikkative wirken dabei als Sauerstoff-Überträger (Prooxidantien). So verläuft die Autoxidation von Ölsäure über ein mesomeriestabilisiertes Allyl-Radikal durch Abspaltung eines H-Atoms an einer der zur Doppelbindung c-ständigen Methylen-Gruppen. hp , Radikalbildner
H 3C
(CH2)7 CH CH CH2
(CH 2)6 CO2H
/H
+ O2
+R H /R
H 3C
(CH2)7 CH CH CH
(CH 2)6 CO2H
H 3C
(CH2)7 CH CH CH
(CH 2)6 CO2H
H 3C
O O (CH2)7 CH CH CH (CH 2)6 CO2H O OH
Linolsäure C18:2 (9c,12c) wird wesentlich rascher autoxidiert als Ölsäure C18:1 (9c), da der Primärschritt aufgrund der besseren Mesomeriestabilisierung eine geringere Aktivierungsenergie erfordert. Unter den Folgeprodukten der instabilen Hydroperoxide findet man Epoxide, Mono-, Dihydroxyund Oxosäuren mit gleicher und kürzerer Kettenlänge sowie Polymerisationsprodukte. Polymerisate können auch ohne Sauerstoff beim langen Erhitzen von Polyensäuren auf hohe Temperatur (300 °C) entstehen. Deshalb sollte nur bis 200 °C und mit frischem Speiseöl fritiert werden. Die Autoxidation von Lipiden der Zellmembran soll mit ein Grund für Alterungsprozesse von Zellen sein. Durch Antioxidantien (Abschn. 2.7.3) kann die Autoxidation gehemmt werden. Antioxidantien sind Metallkomplexbildner oder Radikalfänger, die eine Kettenreaktion dadurch verhindern (Inhibitoren), daß sie Schwermetall-Katalysen unterbinden oder stabilere, weniger reaktive Radikale bilden. Zu diesem Zweck können Speisefetten Phenole wie 2,6-Di-t-butyl-4-methylphenol oder Vitamin E zugesetzt werden. Die Wirkung derartiger Antioxidantien wird durch Phosphorsäure, Zitronensäure und Ascorbinsäure verstärkt (synergistische Wirkung).
41.4.4
Analytik der Fettsäuren
Quantitative Bestimmungen von Fettsäuren und Fettsäure-Mustern werden in der Lebensmittelchemie, Biochemie und Medizin durchgeführt. Ständig werden neue Lipid-Moleküle aufgeklärt. Dazu müssen sowohl chemische als auch instrumentelle Methoden herangezogen werden. Chemische Analytik Der Gehalt an freien Fettsäuren kann nach Titration durch die Säurezahl (mg verbrauchtes KOH / g Lipid) angegeben werden. Esterartig gebundene Fettsäuren werden nach quantitativer Verseifung durch die Verseifungszahl (mg verbrauchtes KOH / g Lipid) identifiziert. Verseifungszahl abzüglich Säurezahl ergibt die Esterzahl.
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908
41 Lipide
Der Gehalt an Doppelbindungen wird durch die Iodzahl (g addiertes Iod / 100 g Lipid) bestimmt. Dazu wird das Lipid in Chloroform-Lösung mit einem Überschuß an Brom titriert, unverbrauchtes Brom iodometrisch bestimmt und das Ergebnis auf addiertes Iod umgerechnet. Auch die Hydrierzahl (mg verbrauchter Wasserstoff / 10 g Lipid bei katalytischer Hydrierung) charakterisiert den Ungesättigtheitsgrad. Polyenfettsäuren des Divinylmethan-Typs (/CH=CH/CH2/CH=CH/), wie Linolsäure oder Linolensäure, können durch UV-Absorptionsspektroskopie nach Isomerisierung in alkalischem Medium erfaßt werden, da konjugierte Polyensäuren längerwellig absorbieren. isolierte Diensäure (Linolsäure)
H 3C
(CH 2)4 CH CH CH 2 CH CH (CH 2)7 CO2H + 2 KOH , / 2 H2O
H 3C
/
(CH 2)4 CH CH CH CH CH (CH 2)7 CO2
nmax < 200 nm
20 % KOH , HO/CH2/CH2/OH 180 °C , 30 min
H 3C
(CH 2)4 CH CH CH CH CH (CH 2)7 CO2
2K
+ 2 HCl , / 2 KCl
H 3C
konjugierte Diensäure
(CH 2)4 CH 2 CH CH CH CH (CH 2)7 CO2H
nmax > 250 nm
Ölsäure C18:1(9c) kann als (Z)-Alken in Gegenwart von Stickstoffoxiden zur Elaidinsäure C18:1(9t) mit (E)-Konfiguration isomerisieren. Diese cis-trans-Isomerisierung führt, gleichgültig von welcher der beiden Säuren man ausgeht, zu Gleichgewichtkonzentrationen von 34 % Ölsäure (thermodynamisch labiler) und 66 % Elaidinsäure (stabiler). CO2H
CO2H 34 % Ölsäure (Schmp. 12 °C)
66 % Elaidinsäure (Schmp. 46 °C)
Zur Lokalisierung einer CC-Doppelbindung kann eine oxidative Spaltung mit Kaliumpermanganat (Abschn. 4.5.6) oder eine Ozonolyse (Abschn. 4.5.8) durchgeführt werden. Die Spaltprodukte lassen sich gaschromatographisch und massenspektrometrisch identifizieren. Arbeitet man bei der Permanganat-Oxidation mit wenig KMnO4 und reoxidiert entstandenes Manganat durch viel gleichzeitig zugesetztes Natriumperiodat laufend zu KMnO4, so entstehen vorwiegend c-Hydroxyketone und wenig 1,2-Diole. Beide werden in Folgeschritten durch NaIO4 oxidativ gespalten und mit KMnO4 schließlich zu Carbonsäuren oxidiert: R2 R1
CH OH
R1
R2 C
C
KMnO4
C O
R1 = H3C/(CH2) 7/
R1
R2
= /(CH2) 7/CO2H
NaIO4
CH R 2
R1
OH
CH OH
+ HO2C
R2
R1
CO2H +
OHC
+
OHC
CHO
a
R2
b
c
OH CH
CHO
a
O
R1
H
H
R1
C
d
R2
KMnO4
R1
CO2H + HO2C
c
b
R2
R2
d
Aus Ölsäure entstehen so primär 9,10-Hydroxy- und Oxostearinsäuren. Deren Spaltung mit Periodat ergibt Pelargonaldehyd (H3C/(CH2)7/CHO) a, Nonandisäure b, Nonansäure c sowie Azelainaldehydsäure (OHC/(CH2)7/COOH) d. Weiteroxidation dieser Mischung mit Permanganat ergibt nur noch Nonansäure c und Nonandisäure b.
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41.4
Fettsäuren
909
Durch Ozonolyse einer ungesättigten Fettsäure entsteht ein Ozonid, das reduktiv (LiAlH4 oder NaBH4; Zn / HCl; H2 / Pd) oder oxidativ (H2O2 / HCOOH; Ag2O) spaltbar ist. Ölsäuremethylester liefert dabei die in Abb. 41.2 aufgeführten C9-Spaltprodukte. H
H CO2CH3 O3
H
O O
H
CO2CH 3
O CH2OH HOH 2C
H2O2 , HCO2H oder Ag 2O
CH2OH CH2OH
HOH2C
LiAlH4
CO2CH 3
CO2H HO2C
NaBH4
Zn / HCl oder H2 / Pt
CO2H CHO
OHC
CO2CH3
Abb. 41.2. Reduktive und oxidative Ozonolyse des Ölsäuremethylesters C18:1(9c)
Gaschromatographie und Massenspektrometrie Die wichtigste quantitative und qualitative Analysenmethode für Lipide und insbesondere Fettsäuren ist die Gaschromatographie (GC). Fettsäuren werden dabei als Methylester chromatographiert, die durch saure Methanolyse (1 normale methanolische Salzsäure, 1-2 h Rückfluß) oder Methylierung mit Diazomethan in Diethylether oder Veresterung mit 7 % Bortrifluorid in Methanol gewonnen werden. Günstige Bedingungen zur GC-Trennung von Fettsäuren bieten Kapillarsäulen mit polaren stationären Phasen, wie Polyester von Diolen mit Dicarbonsäuren und Temperaturen bis 170 - 195 °C unpolaren stationären Phasen, wie Apiezon L (Kohlenwasserstoff) oder Silicon SR-30 und Temperaturprogramm bis 240 °C. Polare Säulen trennen z. B. die ungesättigten Methylester C18:1 , C18:2 und C18:3 gut (Abb. 41.3a); diese erscheinen dabei nach den C18:0 und C16:0-Methylestern. Bei unpolaren Säulen werden die ungesättigten Derivate ohne Trennung vor den C18:0-Estern eluiert (Abb. 41.3b). Eine Anwendung von Kapillarsäulen zur Trennung der Komponenten von Heringsöl zeigt Abb. 41.3c. In den Massenspektren erkennt man gesättigte Fettsäuren und ihre Ester an c-Spaltungen unter Bildung stabiler Fragmentionen des Typs R/C»O+ sowie an MCLAFFERTY-Umlagerungen (dSpaltungen) unter Beteiligung der Carbonyl-Doppelbindung (Abschn. 28.7.5). Ungesättigte Fettsäuren gehen zusätzlich Allyl-Spaltungen und MCLAFFERTY-Umlagerungen unter Beteiligung der CC-Doppelbindungen ein.
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910
41 Lipide
Abb. 41.3. GC-Trennung eines Fettsäuregemisches (a) an einer polaren Säule (DEGS), (b) an einer unpolaren Säule (Apiezon L; LM = Lösemittel); (c) GC-Analyse von Heringsöl (Probenmenge 1 ol) an einer Kapillarsäule; aufgegeben wurden jeweils die mit Diazomethan hergestellten Methylester
41.5 Wachse Fettsäuren C16 - C36 , die mit langkettigen primären einwertigen Alkoholen C16 - C36 verestert sind, kommen als Wachse in verschiedenen tierischen und pflanzlichen Produkten vor. O O Myricylpalmitat (Palmitinsäuremyricylester)
Bienenwachs besteht zu 75 % aus Myricylpalmitat (C15H31CO2C30H61); weitere Komponenten sind 10 % Myricylcerotinat (C25H51CO2C30H61) (lat. cera = Wachs), Paraffin (15 %) sowie Myricylalkohol [H3C/(CH2)28/CH2OH]. Cetylpalmiat (C15H31CO2C16H33) kommt im Walrat vor. Auf den Blättern der brasilianischen Wachspalme entstehen schuppenartige Absonderungen von Myricylcerotinat.
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41.6
Phosphatide, Glycolipide, Aminolipide
911
41.6 Phosphatide, Glycolipide, Aminolipide Phosphatide, Glyco- und Aminolipide sind Triglyceride, die esterartig zwei Fettsäuren sowie einen polaren Rest an Glycerol gebunden tragen (Abb. 41.1). Die Fettsäuren dieser Lipide unterscheiden sich und werden daher in Formeln vereinfacht mit Stearinsäure in c-Stellung und der ungesättigten Ölsäure in ß-Stellung wiedergegeben, eine der häufigsten Kombinationen.
41.6.1
Phosphatide
Phosphatide sind Triglyceride, in denen anstelle einer Fettsäure ein Ethanolamin über eine Phosphorsäurediester-Brücke mit Glycerol verbunden ist. Die Amino-Funktion ist protoniert oder permethyliert und damit positiv geladen. Da ein Sauerstoff-Atom des Phosphat-Restes negativ geladen ist, besitzt der polare Kopf Zwitterionenstruktur und stark hydrophilen Charakter, während die langen Fettsäure-Reste einen Molekülschwanz mit stark lipophilen Eigenschaften bilden (Abb. 41.4). lipophiler Schwanz polarer Kopf
O O O CH2 O CH Fettsäuren
Glycerol Cholin
O
CH3 CH 3
CH2 O P O CH 2 CH2 N O
CH3
Phosphorsäureester
Abb. 41.4. Phosphatidylcholin (L-c-Lecithin), ein typisches Phosphatid mit polarem Kopf aus Cholin und Phosphorsäurediester-Brücke mit lipophilem Fettsäure-Schwanz
Die bekanntesten Glycerollipide sind das in Pflanzen und Tieren verbreitete Phosphatidylcholin (Lecithin), Phosphatidylethanolamin (Colaminkephalin) und Phosphatidylserin (Serinkephalin) (Tab. 41.3). Alle drei besitzen als gemeinsamen Grundkörper Diacyl-L-c-glycerolphosphorsäure (Phosphatidsäure) als Zwischenprodukt der Biosynthese. Cardiolipin ist ein höhermolekulares Phospholipid, das u. a. im Herzmuskel vorkommt. Die Lysolecithine entstehen aus Lecithin durch enzymatische Abspaltung (Phosphatidasen aus Schlangen- und Bienengift) von Acyl-Resten. Sie lysieren die Zellmembran von Erythrocyten, so daß Hämoglobin austritt. Phosphatide (Phospholipide, Phospholipoide) sind die wesentlichen Bausteine der Lipid-Doppelschichten von Biomembranen; sie können daher aus allen Zellen isoliert werden. Angereichert findet man sie in Nervengewebe, Gehirn, Herz, Leber, Eidotter und Sojabohnen.
41.6.2
Sphingolipide und Glycolipide
Unter den Sphingolipiden (Tab. 41.4) verkörpert das Fettsäureamid Ceramid die Kernstruktur, welche sich von dem langkettigen Aminoalkohol Sphingosin ableitet. Vom Ceramid leiten sich
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912
41 Lipide
alle komplexeren Sphingolipide wie Sphingomyeline (Sphingophosphatide) und Cerebroside (Sphingoglycolipide) ab. Trägt der Zucker-Rest des Cerebrosids noch eine Schwefelsäuremonoester-Gruppe, so liegt ein sogenanntes Sulfatid vor.
Tab. 41.3. Bedeutende Phosphatide und ihre Alkohol-Komponenten (R = Fettsäurealkyl-Reste) Phosphatid
Alkohol-Komponente Phosphatidylcholin (L-c-Lecithin)
R CO O CH2 R CO O CH
O
CH2 O P O CH2 CH2 N(CH3)3
HO CH2 CH2 N(CH3)3
Cholin
HO CH2 CH2 N(CH3)3
Cholin
HO CH2 CH2 NH3
Ethanolamin (Colamin)
HO CH2 CH2 NH3
Ethanolamin (Colamin)
HO CH2 CH NH3
L-Serin
O Lysophosphatidylcholin (Lysolecithin)
R CO O CH2 HO CH
O
CH2 O P O CH2 CH2 N(CH3)3 O Phosphatidylethanolamin (Colaminkephalin)
R CO O CH2 R CO O CH
O
CH2 O P O CH2 CH2 NH3 O Plasmalogen (Enoletherphosphatid)
R CH CH O CH2 R CO O CH
O
CH2 O P O CH2 CH2 NH3 O Phosphatidylserin (Serinkephalin)
R CO O CH2 R CO O CH
O
CH2 O P O CH2 CH NH3 O
CO2
O
OH OH
CO2 Phosphatidylinosit (Inositphosphatid)
R CO O CH2 R CO O CH
HO
OH OH HO
OH OH
CH2 O P O
OH OH
HO
myo-Inosit
O Cardiolipin (Diphosphatidylglycerol)
R CO O CH2 R CO O CH
O
CH2 O P O CH2 O HO CH
O
CH2 O CO R
HO CH2
CH O CO R
HO CH
CH2 O CO R O
CH O CO R
CH2 O P O CH2
CH2 O P O CH2
O
O
Phosphatidylglycerol
Sphingolipide kommen in Tieren und Pflanzen vor. Bei verschiedenen Gehirnkrankheiten werden bestimmte Sphingolipide im Gehirn vermehrt gespeichert. Das Bauprinzip der Sphingoglycolipide ist auch in den Gangliosiden vorhanden. Die aus dem Gehirn und der Erythrocytenmembran isolierbaren wichtigsten Ganglioside können anhand ihrer an Ceramid gebundenen Sialinsäure- (N-Acetylneuraminsäure) und Zucker-Reste charakterisiert werden. Man unterscheidet zahlreiche Mono- bis Trisialoganglioside. Ganglioside spielen eine
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41.6
Phosphatide, Glycolipide, Aminolipide
913
wichtige Rolle bei interzellulären und Zell-Virus-Wechselwirkungen sowie bei der synaptischen Reizübertragung. CH OH C NH
CH
O
CH2 O Glucose Galactose-N-acetylneuraminsäure
Gangliosid, ein Ceramidpolyhexosid
N-Acetylgalactosamin
Galactose-N-acetylneuraminsäure
Tab. 41.4. Sphingo- und Glycolipide CH OH H2N
Sphingosin (ungesättigter Aminoalkohol C 18)
CH CH 2 OH CH OH
C
NH
O
Ceramid (N-Acylsphingosin)
CH CH 2 OH CH OH
C
NH
O
CH
Sphingomyelin (Sphingosinphosphatid)
O
CH 2 O P O CH2 CH2 N(CH 3)3 O CH OH
C O
NH
CH CH 2 O
OH OH
HO
Cerebrosid (Sphingoglycolipid mit D-Galactose-Rest)
O CH2 OH
Glycolipide tragen ebenfalls einen hydrophilen, jedoch ungeladenen Kopf aus einem Zucker-Rest. Aminolipide sind dagegen wiederum geladen und besitzen anstelle des dreiwertigen Alkohols Glycerol den mit einer basischen Aminosäure und einer Fettsäure veresterten zweiwertigen Alkohol Ethylenglykol (Abb. 41.1).
41.6.3
Lipopolysaccharide und Lipoproteine
Lipopolysaccharide (LPS) wie Lipid A (Endotoxin) sind im Gegensatz zu den Phospholipiden in der äußeren Lipidmembran am Peptidoglycan Murein der Zellwand Gram-negativer Bakterien befestigt. Zwei d(1i6)-verknüpfte Glucosamin-Reste, deren funktionelle Gruppen in 2,3-Stellung mit Fettsäuren der Kettenlänge C12-C16 acyliert sind, bilden das Gerüst; die den Stickstoff acylierende 3-Hydroxytetradecansäure (3-Hydroxymyristinsäure) ist ihrerseits O-acyliert. Lipid A kann bei bakteriellen Infektionen, z. B. durch Salmonellen, noch in Konzentrationen von 1 ng/kg hohes Fieber verursachen.
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41 Lipide
Lipoproteine sind ebenfalls über Murein in der äußeren Lipidmembran von Bakterien verankert. Kopfgruppe ist das (RR)-Diastereomer der durch zwei oder drei Fettsäuren acylierten Aminosäure S-(2,3-Dihydroxypropyl)cystein. H3N
OH O
HO
O
O OH
O
P O O
HO
O NH O O
O O
O
O O
O O
NH 3
O O
O O
NH O
HO
O
O
P O
P
O
O
O
O O
O CH 2 O O *CH C16:0 C18:1(11c)
45 % 24 %
CH 2
O
S CH 2
O C16:0 C16:1(9c) C18:1(11c)
Lipopolysaccharid (LipidA , Endotoxin) aus Salmonella minnesota
65 % 11 % 11 %
P r o t e i n Murein * (58 Aminosäuren) H O H (RR) N
Lipoprotein aus Escherichia coli
Lipopolysaccharide und Lipoproteine wirken als Liganden bestimmter Rezeptoren auf das adaptive Immunsystem. Sie sind daher starke Immunstimulatoren (Adjuvantien). Kurze synthetische Analoga des nicht toxischen Lipoproteins aus Escherichia coli sind hochwirksame Komponenten synthetischer Impfstoffe. Diese Lipopeptide aktivieren schnell Makrophagen und Antikörper produzierende Zellen. Sie können als Transmembrantransporter Peptide in die Zelle schleusen, die dann eine zelluläre Immunantwort auslösen.
41.7 Lipid-Membranen Die amphiphilen Eigenschaften polarer Lipide führen in wäßriger Umgebung zur Ausbildung von geordneten Strukturen, die man als Lipid-Doppelschichten (engl. Bilayer) bezeichnet. Diese können je nach Präparation planare oder kugelförmige Gestalt besitzen (Abb. 41.5). Kugelförmige Aggregate nennt man Micellen, Vesikel und Liposomen; sie entstehen bei der Ultraschall-Behandlung einer wäßrigen Suspension von polaren Lipiden. In das Innere von Liposomen werden Wirkstoffe zur besseren Bioverfügbarkeit eingeschlossen. Planare Doppelschichten entstehen spontan unter Wasser beim Überpinseln einer etwa 1 mm großen Durchbohrung mit einer Lipid-Lösung in Chloroform. Die so erzeugte Lipid-Membran kann z. B. zur Abtrennung von Elektrolytzellen für biophysikalische Untersuchungen dienen.
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41.7
Lipid-Membranen
915
Derartige polare Lipid-Strukturen (Abb. 41.5) verkörpern neben Proteinen und Polysacchariden das Bauprinzip der Lipid-Membran jeder lebenden Zelle.
Abb. 41.5. Schnitt durch dreidimensionale Doppelschicht-Strukturen, zu denen sich amphiphile Lipid-Moleküle zusammenlagern können
41.7.1
Lipid-Doppelschichten
Aufgrund der intermolekularen VAN DER WAALS-Kräfte resultieren in den Aggregaten langkettiger LipidMoleküle in wäßriger Umgebung bevorzugte Konformationen. Die molekulare Packung von polaren Lipiden mit Alkyl-Resten besteht aus parallel nebeneinander liegenden, zick-zack-förmigen Kohlenwasserstoff-Ketten. Alle CC-Bindungen haben dabei die energetisch günstige gestaffelte antiperiplanare Konformation (Abschn. 2.4), welche gegenüber der synclinalen Konformation bevorzugt ist. Die Kohlenwasserstoff-Ketten orientieren sich dabei so, daß sie möglichst wenig mit Wasser wechselwirken und sich "ineinander lösen". Somit wird die thermische Bewegung der Lipide gedämpft. Die Entropie des ungebundenen Wassers nimmt dabei zu durch die Freisetzung von solchen Wassermolekülen, welche sich ansonsten um die Kohlenwassserstoff-Ketten in geordneter Struktur organisieren würden. Diese Entropiezunahme ist aus thermodynamischer Sicht die Hauptursache der Aggregatbildung. Phospholipide "binden" andererseits durch Ionen-Dipol-Wechselwirkung auch erhebliche Mengen Wasser, z. B. 1,2-Dipalmitoylphosphatidylcholin bis zu 20 %. Dieses "gebundene" Wasser wird zur Erhaltung organisierter Strukturen und Funktionen der natürlichen Membran benötigt. Die Länge einer Fettsäure wie Palmitinsäure C16:0 beträgt im "gestreckten" Zustand (sog. all-trans-Form, zick-zack-förmig) etwa 2.1 nm. Für Lipid-Doppelschichten, wie sie auch für natürliche Membranen angenommen werden, ergibt sich damit unter Einbeziehung des Phosphoglycerol-Restes eine Mindestdicke von etwa 5 nm. Bei den dünnsten Membranen (Mitochondrien) wurden 5 - 6 nm, bei den dicksten (Plasma) 9 - 10 nm Dicke gemessen. Natürliche Lipide kommen stets als Mischungen vor. Die Fettsäuren von Phospholipiden zeigen meist verschiedene Kettenlängen und eine wechselnde Anzahl von CC-Doppelbindungen. Besonders in Bakterienmembranen können auch verzweigte Fettsäuren auftreten. Somit führt bereits die Lipid-Zusammensetzung zur Vielfalt der Membran-Bausteine.
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916
41 Lipide
Das Ausmaß intermolekularer Wechselwirkung ist andererseits am größten bei einheitlicher Zusammensetzung eines Lipids. Bei Zumischung anderer ähnlicher Komponenten erfolgt z. B. stets eine Schmelzpunktserniedrigung. Die Schmelzpunkte hochreiner Phospholipide liegt extrem hoch (200 bis 230 °C). Reine Fettsäuren mit gleichen Kohlenwasserstoff-Ketten schmelzen wesentlich niedriger (Tab. 41.1). Andererseits liegt der Schmelzpunkt des Salzes Natriumstearat bei 300 °C; Phospholipide liegen also in ihrem Schmelzverhalten zwischen den Fettsäuren und den Fettsäure-Salzen. Die relativ hohen Schmelzpunkte der Phospholipide sind mit der Wirkung starker ionischer Kräfte zwischen den polaren Köpfen der Lipide erklärbar. In den Salzen der Fettsäuren sind diese Ionen-Bindungen noch wesentlich ausgeprägter. Lipid-Strukturen zeigen bereits unterhalb ihres Schmelzpunktes eine gewisse Beweglichkeit. Erwärmt man Lipide langsam, so können mit verschiedenen instrumentellen Methoden Umordnungen der Struktur beobachtet werden. Diese bezeichnet man als Phasenübergänge, und die Temperatur, bei der eine derartige Umwandlung eintritt, nennt man Übergangstemperatur. Die Beweglichkeit der Phospholipide nimmt mit steigender Temperatur stetig zu, bis bei der Übergangstemperatur plötzlich eine sehr starke Mobilität (Fluidität) eintritt. Die Kohlenwasserstoff-Kette des Lipids "schmilzt", jedoch ohne daß dadurch die gesamte "Kristall"Struktur mit einbezogen wird. Man spricht daher von flüssigen Kristallen. Bei der Übergangstemperatur werden die Kohlenwasserstoff-Ketten flexibler, und die vorher durchgehend trans-planare Anordnung der Ketten wird teilweise unterbrochen (Abb. 41.6).
a
b
c
d
Abb. 41.6. Schematische Darstellung der Konformationen von Kohlenwasserstoff-Ketten eines Lipids (nur Monoschicht) (a) perfekte Packung im Kristall, (b) erhöhte Beweglichkeit kurz unterhalb des Phasenübergangs, (c) und (d) hohe Beweglichkeit und geringere Membrandicke beim Phasenübergang
Enthalten Phospholipide kurze Alkyl-Ketten oder Doppelbindungen, so beobachtet man eine Verschiebung des Phasenübergangs nach niedrigerer Temperatur. Interessanterweise verhalten sich die Phasenübergangstemperaturen etwa wie die Schmelzpunkte entsprechender Fettsäuren. Somit liegen die Übergangstemperaturen hoch bei gesättigten langkettigen Phospholipiden, niedriger bei trans-Doppelbindungen und noch niedriger bei cis-Doppelbindungen. Natürliche Phospholipid-Mischungen, z. B. aus Erythrocyten-Membranen, enthalten viel Fettsäuren mit cis-Doppelbindungen. Deshalb zeigen sie Phasenübergänge bei oder unterhalb der Raumtemperatur. Beim Phasenübergang hat das Lipid die geringste Dichte, und durch die vermehrte "Schlangen-Struktur" verkürzt sich die Dicke der Lipid-Schicht gegenüber dem kristallinen Zustand (Abb. 41.6). Experimentell ließ sich zeigen, daß der gesamte Raumbedarf eines Lipids durch den Phasenübergang nicht zunimmt. Oberhalb, bei und unterhalb der Phasenübergangstemperatur von Phospholipiden werden unterschiedliche Permeabilitätseigenschaften z. B. für Elektrolyte beobachtet. Cholesterol und zweiwertige Kationen (Mg2+, Ca2+) stabilisieren Phosphatid-Doppelschichten oberhalb der Übergangstemperatur; unterhalb dieser Temperatur wirkt ein Cholesterol-Zusatz fluidisierend. Cholesterol baut sich idealer in die KohlenwasserstoffRegion ein.
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41.7
Lipid-Membranen
41.7.2
917
Aufbau biologischer Lipid-Membranen
Bereits 1925 wurden aus Erythrozyten-Membranen Lipide extrahiert und eine Lipid-Doppelschicht als Zellumhüllung vermutet (GORTER und GRENDEL). Diese Vorstellung wurde von DANIELLI und DAVSON (1935) unter Einbeziehung angelagerter Proteine erweitert. Von ROBERTSON (1959) wurde durch Elektronenmikroskopie ein lamellarer Membranaufbau gezeigt. Erst auf der Grundlage des von SINGER und NICOLSON (1965) vorgestellten Mosaikmodells konnte sich ab 1972 das heute akzeptierte "fluid-mosaic"-Modell entwickeln (Abb. 41.7).
Abb. 41.7. Aufbau einer biologischen Membran ("fluid mosaic model") aus einer Lipid-Doppelschicht mit intrinsischen und extrinsischen Membran-Proteinen. Innerhalb einer Lipid-Doppelschicht "schwimmen" einzelne oder aggregierte Proteinmoleküle. An einige der Lipid- bzw. Proteinmoleküle sind Zucker-Ketten geknüpft, die nach außen in die Umgebung der Zelle ragen
Eine biologische Membran besteht aus einer Lipid-Doppelschicht mit angelagerten (peripheren) und eingelagerten (integralen) globulären Proteinen sowie aus Polysacchariden und einem wechselnden Wasseranteil von etwa 20 %. Biologische Membranen enthalten ohne Wasser in Gewichtsprozent: ̈ ̈ ̈ ̈"
Lipide 45 %; Proteine 45 %, integrale und periphere; Kohlenhydrate 10 %, peripher, nur außerhalb der Zelle; Ionen (Ca2+, Mg 2+).
Das Verhältnis integraler und peripherer Proteine beträgt etwa 60 : 40. Biomembranen sind asymmetrisch aufgebaut, da u. a. die Verteilung der Phosphatid-Typen der äußeren und inneren Monoschicht ungleich ist.
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918
41 Lipide
Die Biomembran ist in einem quasifluiden Zustand, der eine schnelle laterale Bewegung der Proteine innerhalb der Lipid-Schicht ermöglicht. Die Membran-Proteine sind aufgrund ihrer besonderen Aminosäuren-Zusammensetzung und Konformation (hoher Helix- und Knäuelstrukturanteil, wenig Faltblattstruktur) zu intensiven Wechselwirkungen mit der polaren Region und der Kohlenwasserstoff-Schicht der Doppelschicht befähigt. Etwa 50 % der Aminosäuren von Membran-Proteinen sind Glu, Leu, Asp, Ala, Val. Die membrangebundenen Proteine sind die eigentlichen Träger der wichtigen Funktionen einer Biomembran: Erkennen von Verbindungen durch LigandRezeptor-Wechselwirkungen, aktiver und passiver Transport von Molekülen durch Transportproteine sowie Umwandlung von Molekülen durch Enzyme. Integrale Membran-Proteine können mit Detergentien wie Natriumdodecylsulfat aus der Lipid-Doppelschicht herausgelöst werden. Auf diese Weise isolierte MembranEnzyme verlieren dabei aber meist irreversibel ihre enzymatische Aktivität, da deren Konformation durch Lipide stabilisiert ist. Zellmembranen dienen somit nicht nur als Barrieren zur Abgrenzung extrazellulären Raums oder zur Unterteilung innerhalb der Zelle in Kompartimente (Reaktionsräume). Zellmembranen sind auch Enzym- und Antigenitätsträger. Ferner sind sie in Verbindung mit Energieträgern und Enzymen äußerst wirkungsvolle Pumpen, die einen Transport von Molekülen und Ionen entgegen ihrem Konzentrationsgefälle bewirken. Ein derartiger aktiver Transport ist bei der Na+-Pumpe der Nervenzellmembranen verwirklicht und bei der synaptischen Übertragung von Nervenimpulsen wesentlich. Die besonderen Eigenschaften einer Biomembran lassen sich kurz zusammenfassen: ̈ ̈ ̈ ̈ ̈ ̈ ̈ ̈"
selektive Permeabilität (semipermeabel) für kleinere Moleküle und Ionen sehr gute Permeabilität für Gase: Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid gute Permeabilität für Wasser geringe Permeabilität für Ionen, Elektrolyte, Kohlenhydrate impermeabel für Biopolymere (nur durch Endozytose möglich) hohe Oberflächenspannung, etwa 103 - 105 N / m hoher elektrischer Widerstand, etwa 103 - 105 W cm2 Aufrechterhaltung einer Zellkapazität von 0.5 - 1 F/cm2.
41.8 Industrielle Synthese von Detergentien 41.8.1
Alkylbenzensulfonate
Alkylbenzensulfonate sind die am meisten produzierten synthetischen Tenside. Ihre technische Herstellung umfaßt drei Schritte: / Alkylierung von Benzen mit Alkenen oder chlorierten Alkane, / Sulfonierung des Benzen-Kerns der Alkylbenzene, / Neutralisation der Alkylbenzensulfonsäure mit Natronlauge zum Sulfonat. Abb. 41.8 informiert über zwei Verfahren (A und B) zur Herstellung von n-Alkylbenzenen aus Erdöl. Verfahren A: Nach Chlorierung langkettiger n-Alkane C10 - C13 aus Erdöl +
Cl2 Unterschuß
100 °C / HCl
Cl
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41.8
Industrielle Synthese von Detergentien
919
können die resultierenden Chloralkane das Benzen nach FRIEDEL-CRAFTS (Abschn. 10.6.1) alkylieren. AlCl3
+
/ HCl
Cl
Verfahren B: Die Chloralkane werden katalytisch dehydrohalogeniert. Fe (Kat.) / HCl
Cl
Die gebildeten Alkene alkylieren Benzen zu Alkylbenzenen. Der exotherme Prozeß wird mit zehnfachem Überschuß an Benzen gefahren. HF (Kat.)
+
Bei beiden Verfahren erfolgt eine kontinuierliche Reaktionsführung unter Rückgewinnung überschüssiger Edukte. Erdöl Kerosin-Fraktion
Paraffinwachse C20 - C40
Ethen
Molekularsieb-Verfahren n-Paraffine C10 - C13 Chlorierung + Cl2
/ HCl
Chlorparaffine C10 - C13 Verfahren A + Benzen (AlCl3)
ZIEGLERVerfahren
Cracking / H2
Dehydrierung / HCl (Fe als Kat.)
Dehydrochlorierung n-Alkylbenzen
Alkene C10 - C13 + Benzen (HF) Verfahren B
Abb. 41.8. Möglichkeiten zur Herstellung von n-Alkylbenzen, ein Zwischenprodukt der Tensid-Fabrikation
Die Sulfonierung des Benzen-Kerns der n-Alkylbenzene erfolgt mit einem Schwefeltrioxid / LuftGemisch (2 - 6 % SO3). Die n-Alkylbenzensulfonsäure wird mit Natronlauge zum Endprodukt nAlkylbenzensulfonat neutralisiert. SO3 / Luft
+ NaOH / H2O
SO3H
SO3 Na
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41 Lipide
Die gegenwärtig produzierten n-Alkylbenzensulfonate (ABS) besitzen eine wesentlich bessere biologische Abbaurate (90 - 95 %) in Abwässern als das früher verbreitete Tensid Tetrapropylenbenzensulfonat (TPS). CH 3
CH3
(H 3C)2CH CH 2 CH CH CH CH(CH 3)2
Tetrapropylenbenzensulfonat (TPS) [4(2,3,5,7-Tetramethyl-5-octyl)-benzensulfonat]
SO3 Na
Nach dem deutschen Waschmittelgesetz von 1975 müssen alle anionischen und nicht anionischen Tenside zu mindestens 80 % abbaubar sein. Synthetischen Waschmitteln werden Bleichmittel wie Perborat oder Percarbonat, optische Aufheller und andere Textilhilfsmittel wie Faserschutzstoffe aus Metasilikat zugesetzt.
41.8.2
Langkettige Alkylsulfate und andere Tenside
Tab. 41.5 orientiert über verschiedene Tensid-Typen und ihre Anwendungsgebiete. Zur Herstellung der n-Alkylsulfate geht man von primären Fettalkoholen aus, die durch Hydrierung von Fettsäuren und Fettsäuremethylestern oder durch Oligomerisierung von Ethen (nach ZIEGLER, Abschn. 35.2.4) gewonnen werden. CO2CH 3
CO2H Fettsäuren
Fettsäuremethylester (aus Talg und Kokosfett)
(aus Fetten oder durch Oxidation von Paraffinen) + 2 H2 / CuO / Cr2O3
/ H2 O
+ 2 H2 / Ni , 200 °C, 300 bar
/ CH3OH + 1.5 H2SO4
CH 2OH
/ 0.5 Al2(SO4)3
Fettalkohole
Al[O (CH 2
CH 2)n C2H5] 3 Aluminiumalkoholate O2
1.) + H2SO4 (konz.) , / H2O 2.) + NaOH , / H2O
O
Al[(CH 2
CH 2)n C2H5] 3
Trialkylaluminium
CH 2 O S O Na
Al(C 2H5) 3
O
Natrium-n-alkylsulfat
H2C CH 2
Tenside vom Typ der sek-Alkylsufate stellt man aus Monoalkenen der Erdöl-Crackung durch Addition von Schwefelsäure (Abschn. 4.5.5) und Neutralisation der Alkylhydrogensulfate her. + H2SO4
+ NaOH / H 2O
OSO3 Na
Die als Textilhilfsmittel verwendeten Alkylsulfonate (Mersolate) werden weniger über Alkylsulfochloride als vielmehr durch Sulfoxidation von Alkanen hergestellt (Abschn. 24.12.1). Kationenaktive Tenside (Invertseifen) sind durch Alkylierung tertiärer Amine zugänglich. Sie finden vielseitige Anwendung in der Textilchemie. N(CH3)2
+
Cl CH 2
H3C CH3 N Cl
Zephirol (kationenaktives Tensid)
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41.8
Industrielle Synthese von Detergentien
921
Tab. 41.5. Ausgewählte synthetische Tenside Bezeichnung
F o r m e l
Anwendungen
anionenaktive Tenside n-Alkylbenzensulfonate
H3C
(CH 2)n CH
(CH2)m CH3 Waschmittelrohstoffe, Geschirrspülmittel, industrielle Reinigungsmittel, Textilhilfsmittel, Erzflotation, Galvanotechnik
SO3 Na sek-Alkansulfonate
H3C
(CH 2)n CH
(CH2)m CH3
SO3 Na Alkensulfonate
H3C
(CH 2)n CH CH CH2 SO3 Na
flüssige Geschirrspülmittel, Waschmittelrohstoff
Fettalkoholsulfate
H3C
(CH 2)n CH2 O SO3 Na
Schaumbäder, Haarschampoos, Spülmittel
Carboxylate (Seifen)
H3C
(CH 2)n CO2 Na (oder K )
Körperpflege
kationenaktive Tenside quartäre AlkylammoniumSalze
Weichspüler, Desinfektionsmittel, Antistatika, Flotationsmittel, Korrosionsinhibitoren, Asphaltzusätze
(H 3C)2NR 1R2 Cl (R1 und R2 langkettig)
N-Alkylpyridinium-Salze
N
(R langkettig)
R Cl
nichtionische Tenside Alkylpolyglykolether
H3C
(CH 2)n
Alkylphenolpolyglykolether
H3C
(CH 2)n
PolypropylenoxidPolyethylenoxidBlockpolymerisate
HO (CH 2 CH 2 O)x
Waschmittelrohstoffe, Textilhilfsmittel, Erzflotation, Metallbearbeitung, Emulgatoren für Pflanzenschutzmittel, Fotographie, Kautschukindustrie
O (CH 2 CH 2 O)m H O (CH 2 CH 2 O)m H CH 3 [CH CH 2 O] y
(CH 2 CH 2 O)z H
Ampholyte Alkylammoniumalkancarboxylate
H3C
(CH 2)n NH2 CH 2 CH 2 CO2
Alkylbetaine
H3C
(CH 2)n N(CH3)2 CH 2 CO2
Fluortenside
Körperpflege
O
(F 5C 2)3C
SO3 Na
Galvanotechnik
C C F 5C2
C2F 5 CH3
Silicontenside
]n
H5C 2 Si{ O [Si O
(CH2 CH 2 O)y
(CH 2 CH 2 CH 2 O)z C 4H9}3 Feuerlöschmittel
CH3
Unter den nicht ionogenen Tensiden sind besonders die durch Polymerisation von Ethylenoxid (Oxiran) erhältlichen Polyethylenglykole (Polyethylenoxide, Polyoxyethylene) von Bedeutung. Polyethylenglykole sind sowohl in Wasser als auch in den meisten organischen Lösemitteln gut löslich. Ihre Addukte mit Fettalkoholen, Alkylphenolen und Fettsäuren (Tab. 41.5) finden vielfältigen Einsatz. n
O
+
HO (CH2)m CH 3
OH
nichtionisches Tensid
/
HO CH2 CH2
(O CH2 CH2)n O CH2 CH2 O (CH2)m CH3 1.) + H2SO4 2.) + NaOH
Na
O3S O CH2 CH2
/ H2 O / H 2O
(O CH2 CH2)n O CH2 CH2 O (CH2)m CH3 anionenaktives Tensid
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922
42 Terpene und Steroide
42 Terpene und Steroide 42.1 Herkunft Bauprinzip und Biogenese der Terpene 42.1.1
Begriff, Bauprinzip, Klassifizierung
Der Begriff Terpene entspringt der Bezeichnung Balsamum terebinthinae für Terpentin. Terpentin ist der zähflüssige Balsam, der beim Anschneiden oder Einkerben aus der Rinde und dem jungen Holz der Kiefern fließt ("Kiefernharz") und u. a. einige wohlriechende, ungesättigte Kohlenwasserstoffe (= Terpene) ausströmt. Traditionell sind Terpene Naturstoffe (Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Ether, Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren, Ester, Amine) überwiegend pflanzlicher Herkunft, die sich durchweg aus Isopren-Einheiten zusammensetzen und daher auch als Isoprenoide bezeichnet werden (Isopren-Regel nach RUZICKA und WALLACH). Isopren ist 2-Methyl-1,3-butadien; 2-Methylbutan bildet eigentlich die Untereinheit der Terpene (Tab. 42.1). Um die etwa 30000 bekannten Terpene zu klassifizieren, unterscheidet man je nach Anzahl n der 2-Methylbutan-Einheiten (C5)n zwischen Hemi- (C5), Mono- (C10), Sesqui- (C15), Di- (C20), Sester(C25), Tri- (C30), Tetra- (C40) und Polyterpenen (C5)n>8 (Tab. 42.1). Tab. 42.1. Stammkohlenwasserstoffe der Terpene (2-Methylbutan- bzw. Isopren-Einheiten fett gedruckt)
C5 Hemi-
Kopf
Schwanz
2-Methylbutan
2-Methyl-1,3-butadien (Isopren)
C10 Mono-
2,6-Dimethyloctan
C15 Sesqui-
2,6,10-Trimethyldodecan (Farnesan)
C20 Di-
2,6,10,14-Tetramethylhexadecan (Phytan) Schwanz
C25 Sester-
Kopf
2,6,10,14,18-Pentamethylicosan
Schwanz
C30 Tri-
Schwanz
2,6,10,15,19,23-Hexamethyltetracosan (Squalan) Schwanz
C40 Tetra-
(C5)n Polyterpene
{,{-Caroten
Schwanz
n all-trans-Polyisopren (Guttapercha)
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42.1
Herkunft Bauprinzip und Biogenese der Terpene
923
Definiert man im 2-Methylbutan die Isopropyl-Gruppe als "Kopf", die Ethyl-Gruppe als "Schwanz", so sind Tri- und Tetraterpene in der Mitte Schwanz-Schwanz-, alle anderen Terpene durchweg Kopf-Schwanz-verknüpft (Tab. 42.1). Umlagerungen und Abbaureaktionen (Abspaltungen von C-Atomen) bewirken gelegentlich Abweichungen von der Isopren-Regel. Zwei Isopren-Einheiten können durch eine, zwei oder mehr Bindungen miteinander verknüpft sein. Dementsprechend gibt es acyclische sowie mono-, di-, tri-, tetra-, pentacyclische (polycyclische) Terpene. Einfache Beispiele sind die Grundskelette vieler mono- und bicyclischer Monoterpene: acyclisch
2,6-Dimethyloctan
monocyclisch
p-Menthan
Eucarvan
bicyclisch
Thujan
Camphan (Bornan)
Die Nomenklatur der Terpene und ihrer Kohlenwasserstoff-Grundskelette orientiert sich oft an der natürlichen Herkunft. Camphan, Stammkohlenwasserstoff des Camphers, stammt von der botanischen Bezeichnung Cinnamomum camphora (Lauraceae) des Campherbaums; p-Menthan, Grundskelett der Inhaltsstoffe des Pfefferminzöls, entspringt dem botanischen Namen der Pfefferminze, Mentha piperita (Labiatae).
42.1.2
Vorkommen, Bedeutung
Terpene spielen als Duft- und Geschmackstoffe in etherischen Ölen eine wichtige Rolle. Etherische Öle werden durch Auspressen, Extraktion oder Wasserdampfdestillation von Pflanzen oder Pflanzenteilen (Blüten, Blätter, Wurzeln) gewonnen. Sie finden als Duftstoffe in der Parfümerie, oder zur Geruchs- und Geschmackverbesserung von Speisen vielseitige Verwendung. Neben etherischen Ölen dienen Bitterstoffe und andere terpenoide Wirkstoffe zur Herstellung pflanzlicher Arzneimittel (Phytopharmaka). Darunter finden sich auch Antibiotika, Entzündungsund Tumorhemmer sowie insektizid und fungizid wirkende Terpene für den Pflanzenschutz. Zu den Prenylchinonen gehören redoxaktive Vitamine (E und K). Die Carotenoide als Tetraterpene sind Vorstufen des Vitamins A, kommen als gelbe, orange und rote tetraterpenoide Polyenfarbstoffe in Blättern, Blüten, Früchten (Tomaten), Wurzeln (Karotte) vor und nützen als Lebensmittelfarbstoffe und Antioxidantien. Das Polyterpen Naturkautschuk war der Rohstoff zur Herstellung von Gummi, bevor das Naturprodukt durch den identischen Synthesekautschuk ersetzt wurde. Terpene sind Komponenten der Harze und Balsame (in etherischen Ölen gelöste Harze) verletzter Bäume wie Weihrauch (ein Harz) und Terpentin (ein Balsam). Wird aus dem Balsam Terpentin der wasserdampfflüchtige Anteil (das Terpentinöl als etherisches Öl) entfernt, so verbleibt als Rückstand das Harz Kolophonium. Insekten verbreiten flüchtige Monoterpene und deren Stoffwechselprodukte als Pheromone zur Kommunikation, z. B. zur Versammlung (Aggregationspheromone), Markierung von Wegen (Spurpheromone), Warnung (Alarmpheromone) und Paarung (Sexualpheromone), die sich im umweltfreundlichen Pflanzenschutz einsetzen lassen.
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924
42 Terpene und Steroide
Die Pflanzen selbst nutzen Terpene als Signalstoffe zur Kommunikation untereinander, als Lockstoffe für Insekten zwecks Bestäubung, als Phytohormone (Wachstumsregulatoren) sowie zur Abwehr von Fraßfeinden. Tab. 42.2 faßt Herkunft, Inhaltsstoffe und Wirkung dieser pflanzlichen Produkte zusammen. Tab. 42.2. Terpene in pflanzlichen Produkten, ihre Eigenschaften und Wirkungen Stoffgruppe
Herkunft
Inhaltsstoffe, Eigenschaften, Verwendung
Etherische Öle
höhere Pflanzen (Blütendüfte)
Mono- und Sesquiterpene (Gemische) intensiver, charakteristischer Geruch Duftstoffe für die Riechstoffindustrie Duft- und Geschmackstoffe für Lebensmittel
Bitterstoffe
höhere Pflanzen wie Enzian (Wurzel) Tausendgüldenkraut, Bitterklee
Mono- und Sesquiterpenlactone bitterer Geschmack, Arzneimittel zur Anregung von Magen- und Speichelsekretion
Pheromone
Drüsen von Insekten; Vorstufen pflanzlicher Herkunft (Wirtsplanzen)
meist flüchtige Monoterpene (Alkohole, Aldehyde, Carbonsäuren, Ester) Aggregations-, Alarm-, Sexual- und Spurpheromone
Phytohormone
Pflanzen
Hemi-, Mono- und Diterpene Signalstoffe, Wachstumsregulatoren
Phytopharmaka
Pflanzen, Pilze, Insekten
Mono-, Sesqui-, Di- und Triterpene Insektizide und Fungizide, Vitamine (A) Antibiotika, Entzündungs- und Tumorhemmer
Prenylchinone
ubiquitär in Prokaryonten und Eukaryonten
Chinone mit Isoprenoid-Kette, Redox-Systeme Vitamine (E und K), biologische Funktion in Atmungskette und oxidativer Phosphorylierung
Carotenoide
Pflanzen, Bakterien
Tetraterpene (Gemische), gelb bis rot, licht- und oxidationsempfindlich, lichtabsorbierend bei der Photosynthese, Schutz vor Singulett-Sauerstoff, Vitamin A-Vorstufen, Lack- und Lebensmittelfarben
Harze und Balsame
Sekrete verletzter Bäume (Weihrauch, Terpentin)
Harze: Di- und Triterpene (Gemische), Harzsäuren transparente, amorphe, spröde-, oft geruch- und geschmacklose, lipophile Verbindungen, Balsame: Lösungen der Harze in etherischen Ölen
Polyterpene
als Kautschuk im Milchsaft (Latex) des Gummibaums Hevea brasiliensis Guttapercha im Milchsaft von Sapotaceae
Polyisoprene aus bis zu 5000 C 5-Einheiten Kautschuk: klebrig, nach Vulkanisation elastisch Guttapercha: hart und unelastisch, weich ab 50 °C
42.1.3
Biogenese
Terpene sind sekundäre Stoffwechselprodukte (Sekundärmetabolite) der Pflanzen, die biosynthetisch von Kohlenhydraten, Fetten und Aminosäuren abstammen. Die Herkunft ihrer C-Atome wurde durch Isotopenmarkierung mit 14C und 13C ermittelt. Als biogenetische Vorstufe der Terpene entpuppte sich das Acetyl-Coenzym A, die aktivierte Essigsäure (Abb. 42.1). Nach einer Art CLAISEN-Kondensation zweier Äquivalente Acetyl-CoA entsteht Acetoacetyl-CoA, eine biologische Version des Acetessigesters. Acetoacetyl-CoA reagiert mit einem weiteren Äqui-
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42.1
Herkunft Bauprinzip und Biogenese der Terpene
925
valent Acetyl-CoA als C-Nucleophil in Analogie zur Aldol-Reaktion zum d-Hydroxy-d-methylglutaryl-CoA weiter, bevor eine enzymatische Reduktion in Gegenwart von Wasser die (R)Mevalonsäure ergibt. Deren Phosphorylierung (mit ATP) führt über Mevalonsäuremono- und diphosphat (= pyrophosphat) unter Decarboxylierung und Dehydratisierung zum Isopentenyldiphosphat (IDP), das durch eine SH-Gruppen enthaltende Isomerase zum i,i-Dimethylallyldiphosphat (DMADP, Prenyldiphosphat) isomerisiert. Verknüpfung der elektrophilen Allyl-CH2-Gruppe des i,i-Dimethylallyldiphosphats mit der nucleophilen Methylen-Gruppe des Isopentenyldiphosphats führt zum Geranyldiphosphat als Monoterpen. Dessen Weiterreaktion mit einem Äquivalent Isopentenyldiphosphat liefert Farnesyldiphosphat als Sesquiterpen (Abb. 42.1).
aktivierte Essigsäure
CoAS
Acetoacetyl-CoA HSCoA
CH 3
O H
+
C-Nucleophil
CoAS
C
O
O
CoAS
CH 3
d-Hydroxy-d-methyl-glutaryl-CoA
O H
SCoA , H2 O
HO CH 3O HO2C
O HSCoA
C-Elektrophil
SCoA
(NADPH + H+) HSCoA
HO CH 3 (R)-Mevalonsäure HO2C
OH
(ATP)
O PP =
O
P O P OH OH
(R)-MevalonsäureHO2C diphosphat
HO CH 3 OPP
OH
CO2, H2O 1 DMADP
OPP
IDP
2
Monoterpene C10 Geranyldiphosphat
OPP
OPP
3 [H+] , Kopf-Schwanz HOPP
Sesquiterpene C 15
OPP Farnesyldiphosphat
Steroide
Triterpene C30
4 [H+] , Kopf-Schwanz
Schwanz-Schwanz HOPP
Diterpene C20
OPP Geranylgeranyldiphosphat
Tetraterpene C40
4 ( [H+] , Kopf-Schwanz )n
Schwanz-Schwanz HOPP
Polyterpene C5n
n Polyprenyldiphosphat
OPP
Abb. 42.1. Biosynthese der Terpene mit den wichtigsten Zwischenstufen; Abkürzungen: CoA = Coenzym A; DMADP = i,i-Dimethylallyldiphosphat, IDP = Isopentenyldiphosphat, 1 = Isopentenyldiphosphat-D-Isomerase, 2 - 4 = Dimethylallyl-Transferasen
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926
42 Terpene und Steroide
42.2 Übersicht der Terpene 42.2.1
Hemi- und Monoterpene
Hemiterpene Neben Isopentenyldiphosphat als Intermediat der Terpen-Biosynthese kommen etwa 25 Hemiterpene (C5) natürlich vor, darunter ein Sexualpheromon des Borkenkäfers, 2-Methyl-3-buten-2-ol, die Säurekomponenten zahlreicher natürlicher Ester wie Isovalerian-, Senecio-, sowie die cistrans-Isomeren Tiglin- und Angelicasäure. CO2H
CO2H
HO 2-Methyl-3-buten-2-ol
Isovaleriansäure
HO2C
Seneciosäure
HO2C
Tiglinsäure
Angelicasäure
Acylische Monoterpene Viele acyclische Monoterpene (C10) sind Inhaltsstoffe etherischer Öle. Citrus-, Lorbeer- und Hopfenöl enthalten Konstitutionsisomere (c- und d-) des Myrcens und Ocimens. Die Ocimene treten zusätzlich als (E)- und (Z)-Isomere auf. 9 4 5
3
2
1
6 7 10
c-
8
Myrcen
d-
(Z)-c-
Ocimen
(E)-c-
(Z)-d-
Ocimen
(E)-d -
Die konstitutionsisomeren Terpenole Linalool und Geraniol (C10H18O) sowie dessen (Z)-Isomer Nerol sind blumig duftende Komponenten des Rosen-, Palmarosa- und Lavendelöls. Das in der Parfümerie als Träger von Citrusdüften verwendete Citral ist ein Gemisch der (E)- und (Z)isomeren Aldehyde Geranial und Neral. (+)-Citronellol ist ein weiterer Inhaltsstoff des Rosenöls; Melissenöl enthält den entsprechenden Aldehyd (+)-Citronellal. Geranial ist ein Spur- und Abwehrpheromon der Honigbiene, Citronellal ein Alarmpheromon einiger Ameisenarten. OH OH
O OH
rac. Linalool
Geraniol (E)
Nerol (Z)
O
Geranial (E)
Neral (Z)
OH (R)-(+)Citronellol
O (R)-(+)Citronellal
Monocylische Monoterpene Kleine Ringe sind seltene Teilstrukturen der Monoterpene. Cyclopropan-Monoterpene wie Chrysanthemumsäure und Chrysanthemol kommen in Chrysanthemen und anderen Korbblütlern (Asteraceae) vor. Ester der Chrysanthemumsäure finden als Insektizide Verwendung.
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42.2
Übersicht der Terpene
927
Chrysanthemumsäure
(+)-Chrysanthemol
OH
CO2H
Die meisten monocyclischen Terpene stammen vom p-Menthan ab, dessen trans-Isomer im Terpentinöl vorkommt. Von den ungesättigten monocyclischen Terpenkohlenwasserstoffen sind die Enantiomeren des Limonens, DIELS-ALDER-Addukt von Isopren, bekannte Aroma- und Duftstoffe. (R)-(+)-Limonen ist der duftprägende Hauptbestandteil des Orangen- und Mandarinenöls; das nach Tannennadeln duftende (S)-(/)-Enantiomer überwiegt im Edeltannenzapfenöl. Vom pMenthan-3-ol mit drei asymmetrischen C-Atomen gibt es 23 = 8 Stereoisomere; das sind die vier als Menthol, Isomenthol, Neomenthol und Neoisomenthol bezeichneten Enantiomerenpaare. Unter diesen hat das (/)-Menthol genannte (1R,3R,4S)-Enantiomer als Hauptkomponente des Pfefferminzöls (aus Mentha piperita und Mentha arvensis, Labiatae) die größte Bedeutung. Es duftet und schmeckt süß-minzig-frisch, stark kühlend im Gegensatz zum herb-krautig-minzig riechenden, weniger kühlenden (+)-Enantiomer, findet daher als Aroma- und Duftstoff (Pfefferminzkonfekt, Parfümerie) Verwendung. (/)-Menthol wirkt auch schleimhautabschwellend (Inhalationsmittel), leicht schmerzbetäubend (mildes Lokalanästhetikum und Analgetikum), antipruritisch und carminativ. (+)-Neomenthol findet sich im japanischen Pfefferminzöl, (/)-Neoisomenthol im Geraniumöl. 7
6 5
1 4
S
R
2 3
R
S
R
S
OH
S
R R
S
OH
S
OH
S
S
OH
8 9
10
OH
OH OH
trans-p-Menthan
(-) - Limonen
(/) - Menthol
(/) - Isomenthol
(+) - Neomenthol
OH (/) - Neoisomenthol
Bicylische Monoterpene Der Cyclobutan-Bicyclus Pinan sowie die Bicyclo[2.2.1]heptane Camphan und Fenchan sind die Grundskelette der bekanntesten, natürlich vorkommenden bicyclischen Monoterpene. Die Regioisomeren"c- und d-Pinen finden sich verbreitet in Nadelbäumen (Pinaceae) und bilden die Hauptkomponenten des in der Holzindustrie anfallenden Terpentinöls. Das ebenfalls im Terpentinöl vorkommende (+)-Verbenol ist ein Sexualpheromon der Borkenkäfer. Spanisches Verbena-Öl enthält (+)-Verbenon; dessen Regioisomer (/)-Pinocarvon kommt in verschiedenen Eucalyptusölen vor und gehört zu den Sexualpheromonen des Kiefernspanners. 10 9 1
O 3
7
Pinan
OH
5
(+)-c-Pinen
(+)-Verbenol
O (+)-Verbenon
(+)-d-Pinen
(/)-Pinocarvon
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928
42 Terpene und Steroide
Camphane natürlicher Herkunft sind die Borneole mit endo-OH-Gruppe, die Isoborneole mit exoOH-Gruppe und die als Campher bezeichneten enantiomeren Camphan-2-one (2-Bornanone). 10 1 9 7
5
O
HO
O
OH
3
HO (/)-
(+)Camphan (Bornan)
(1R,2R)-(/)(1S,2S)-(+)Isoborneol
Campher
OH
(1R,2S)-(+)(1S,2R)-(/)Borneol
(+)-Borneol aus dem in Ostasien wachsenden Campherbaum und der Curcuma-Wurzel ist als Borneo-Campher bekannt. (/)-Isoborneol läßt sich aus einigen Korbblütlern isolieren. (+)-Campher (Japancampher) ist Hauptinhaltsstoff des Campherbaumes, kommt auch in anderen Pflanzenfamilien vor, z. B. in den Blättern des Rosmarins und Salbeis, hat den typischen (campherartigen) Geruch kugelförmiger Moleküle, wirkt analeptisch, lokalanästhetisch, atmungsanregend, antipruritisch, antirheumatisch und findet vielseitige Anwendung, u. a. als Weichmacher für Celluloid. Zur technischen Gewinnung wird das zerkleinerte Holz älterer Campherbäume wasserdampfdestilliert, wobei der (+)-Campher teilweise aus dem Destillat kristallisiert. Fenchane treten als Fenchone und Fenchole in mehreren etherischen Ölen auf. Fenchelöl aus Fenchel enthält neben den Monoterpenen Limonen und c-Pinen bis zu 20 % (+)-Fenchon; (/)Fenchon wird aus dem als Heckenthuja kultivierten abendländischen Lebensbaum isoliert. Die in der Parfümerie begehrten Enantiomeren des c-Fenchols mit endo-OH-Funktion finden sich im frischen Saft der Zitronen und im Terpentin. 10 1
O 7 5
O
3
OH
9
(/)-
(+)Fenchan
Fenchon
HO
(1R,2R,4S)-(+)(1S,2S,4R)-(/)c-Fenchol
Cannabinoide sind Benzopyran-Derivate, die biogenetisch von einem Monoterpen und einem Phenol abstammen. Im (/)-F9-Tetrahydrocannabinol schließen die C-Atome C-3 und C-8 des pMenth-1-ens (S. 927) mit 5-n-Pentylresorcin (Olivetol) einen Dihydrobenzopyran-Ring. Cannabinoide sind Inhaltsstoffe des indischen Hanfs (Cannabis sativa var. indica), aus dem die Drogen Marihuana (tabakartiges, fermentiertes Gemisch getrockneter Blätter und Blüten) und Hashisch (Harzsekret aus den Drüsenschuppen in den Blattachseln der Blütenstände) gewonnen werden. Die halluzinogenen Wirkstoffe, F8- und F9-Tetrahydrocannabinol ("THC"-Regioisomere mit unterschiedlicher Position der Alken-CC-Doppelbindung) bilden sich beim Altern und Trocknen (Rauchen) der Drogen durch Decarboxylierung der genuinen Tetrahydrocannabinolcarbonsäuren.
OH
H
CO2H
OH
H / CO2
6a
H
H
O
O
*/+"-"F9 - Tetrahydrocannabinolcarbonsäure
9 10 8 H 10a 7
H
6 5
*/+"-"F9 - THC
OH 1 2 4 3
O Tetrahydrocannabinole (THC)
*/+"-"F8 - THC
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42.2
Übersicht der Terpene
42.2.2
929
Sesquiterpene
Acylische Sesquiterpene Stammverbindung der rund 10000 bekannten Sesquiterpene (C15) ist das im Ölschiefer vorkommende Farnesan, von dem sich u. a. die in der Parfümerie benötigten, offenkettigen Terpenole (S)-(+)-Nerolidol aus Orangenblüten sowie das nach Maiglöckchenblüten duftende Farnesol aus Bergamott-, Jasmin- und Rosenöl ableiten lassen. 13
HO
15 11
9
7
5
3
1
OH Farnesan
(S)-(+)-Nerolidol
Farnesol
Monocylische Sesquiterpene Eine kleine Auswahl der Vielfalt monocyclischer, vom Farnesan abgeleiteter SesquiterpenGrundskelette sind (6,11-)Cyclofarnesan und die Isomeren Bisabolan (= 1,6-), Humulan (= 1,11-) und Germacran (= 1,10-Cyclofarnesan). Die vom Cyclofarnesan abgeleitete (+)-Abscisinsäure ist ein in vielen jungen Pflanzen (Rosen, Kohl, Kartoffeln, Baumwolle) vorkommender Wachstumsregulator. Bekannte Bisabolan-Derivate sind (/)-Zingiberen aus Ingwer (Zingiber officinalis) sowie c- und d-Bisabolol aus Bergamottöl. Monocyclische Sesquiterpene der Humulan-Reihe wie c- und d-Humulen sowie von diesen abstammende Epoxide, Alkohole und Ketone finden sich als Inhaltsstoffe des Hopfens (Humulus lupulus). Bemerkenswerte Vertreter der Germacran-Sesquiterpene sind die als Periplanone bekannten Sexualpheromone der amerikanischen Küchenschabe (Periplaneta americana). H
OH 11
HO
OH
H
6 6
CO2H
O Cyclofarnesan
1
(+)-Abscisinsäure (/)-Zingiberen
Bisabolan
(+)-c-Bisabolol
O
1
10
(+)-d-Bisabolol
O
O O
O
1 11
Humulan
c-Humulen
d-Humulen
Germacran
Periplanon A
Periplanon B
Bi- und polycylische Sesquiterpene In der großen Vielfalt bicyclischer Sesquiterpene ragen die Eudesmane und Guajane als häufig auftretende Grundskelette heraus. Eudesman (= Selinan) und Guajan resultieren formal aus Germacran durch zusätzliche Ringschlüsse zum Bicyclo[4.4.0]decan (Decalin) bzw. Bicyclo[5.3.0]decan; 1,2-Methyl-Verschiebungen führen vom Eudesman zum Eremophilan und vom Guajan zum Pseudoguajan. 14 14 1 3 14
15
10 5
7
3 11
9
1 5
7 11
15
13
15
13
Eremophilan
Eudesman (Selinan)
Germacran
Guajan
Pseudoguajan
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930
42 Terpene und Steroide
Als Aroma- und Riechstoffe besonders bekannte Eudesmane sind c- und d-Selinen aus Sellerie-, Hanf- und Hopfenöl sowie (+)-c- und (+)-d-Eudesmol aus einigen Eucalyptusölen. (+)-Valerianol aus der Baldrianwurzel ist nur ein Beispiel der etwa 150 Eremophilane in höheren Pflanzen und einigen Pilzen.
H (/)-c-Eudesmen (c-Selinen)
H (/)-d-Eudesmen (d-Selinen)
H
OH
(+)-c-Eudesmol (3-Selinen-11-ol)
H
OH
OH
(+)-1(10)-Eremophilen-11-ol (Valerianol)
(+)-d-Eudesmol (4(15)-Selinen-11-ol)
Interessante Vertreter der zahlreichen Guajane sind das antibiotisch wirksame, purpurrote AzulenDerivat Lactaroviolin aus dem als echter Reizker bekannten Speisepilz Lactarius deliciosus, verschiedene Guajadiene wie c-Guajen aus Guajakholz- und Patchouliöl, sowie die variationsreich in Korbblütlern auftretenden, als Guajanolide bezeichneten Sesquiterpenlactone, z. B. Artabsin aus Wermutkraut (Absinth), Achillicin aus der Schafgarbe (Achillea millefolium), Matricin aus der Kamille (Matricaria chamomilla) und als Pseudoguajan-Derivat das entzündungshemmende Helenalin aus Arnika-Blütenständen. OH H
H R
8
6
H
H O (/)-1(5),11-Guajadien (c-Guajen)
8
6
HO
O 12
H
12
O
O 12
O Lactaroviolin
H O
OH HO
O
H
O
R=OH: 8,10-Dihydroxy-1,4guajadien-12,6-olid (Achillicin) R=H , 10d-OH: (/)-Artabsin
(/)-4,8-Dihydroxy-1(10),2guajadien-12,6-olid (8-O-Acetyl-Derivat: Matricin)
(/)-6-Hydroxy-4-oxo-2,11(13)pseudoguajadien-12,8-olid (Helenalin)
Beispiele der zahlreichen polycyclischen Sesquiterpene sind die als Aromadendrane und Patchoulane bezeichneten 6,11- und 1,11-Cycloguajane. Salbeiöl enthält u. a. (+)-1(10)-Aromadendren-7ol; c-Patchoulen und (/)-Patchoulenon sind Komponenten des Zypressenöls; weitere, auch umgelagerte Patchoulan-Derivate finden sich im (namensgebenden) Patchouliöl. OH H
H R
8
6
H
H O
O 12 O
Lactaroviolin
(/)-1(5),11-Guajadien (c-Guajen)
H O
OH
8
6
R=OH: 8,10-Dihydroxy-1,4guajadien-12,6-olid (Achillicin) R=H , 10d-OH: (/)-Artabsin
HO
H
12
O 12
O
HO
H
O
O (/)-4,8-Dihydroxy-1(10),2guajadien-12,6-olid (8-O-Acetyl-Derivat: Matricin)
(/)-6-Hydroxy-4-oxo-2,11(13)pseudoguajadien-12,8-olid (Helenalin)
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42.2
Übersicht der Terpene
42.2.3
931
Diterpene
Acyclische Diterpene Die rund 5000 bekannten Diterpene leiten sich vom Stammkohlenwasserstoff Phytan ab, dessen (3R,7R,11R)-Enantiomer in Meteoriten, in Sedimenten wie Ölschiefer und in der menschlichen Leber vorkommt. Chlorophyll (Abschn. 34.7.6) in den Chloroplasten der Pflanzen ist ein Ester des als Phytol bezeichneten (+)-(2E,7R,11R)-2-Phyten-1-ols. 17 15
18 13
11
19 9
20 5
7
3
11
1
(3R,7R,11R)-Phytan
7
OH
1
(+)-(2E,7R,11R)-2-Phyten-1-ol (Phytol)
Monocyclische Diterpene Vom 10,15-Cyclophytan leiten sich die bekanntesten Vertreter monocyclischer Diterpene ab, die Vitamine der A-Reihe. Dazu gehören die konjugierten Pentaene Axerophthen, Retinol (Vitamin AAlkohol, Vitamin A1), das beim Sehvorgang (Abschn. 29.6.1) isomerisierende Retinal (Vitamin A-Aldehyd) und Tretinoin (Vitamin-A-Säure). Vitamin-A-Mangel in der Nahrung hat Nachtblindheit, Gewichtsabnahme, Hautschäden, Knochenwachstumsstörungen und Schleimhautaustrocknung der Augenepithelien (Xerophthalmie) zur Folge. 20
17 15
10
19
17 1
1
7
3
9
20 11
13
15
5
Phytan
10,15-Cyclophytan
18
Axerophthen
H
OH O
OH Retinol (Vitamin A-Alkohol)
O
Retinal (Vitamin A-Aldehyd)
Tretinoin (Vitamin A-Säure)
Polycyclische Diterpene Aus der Vielfalt polycyclischer Diterpene geben die vom Phytan ableitbaren bicyclischen Labdane, und die vom Labdan durch weiteren Ringschluß und durch Methyl-Verschiebung entstehenden Pimarane und Abietane eine kleine Auswahl.
20
1
11
6 11 15
10
10
19
15
11 13
16
14
1
5
Phytan
20
15 17
1
17
17
16
10 5
Labdan (mit neuer Bezifferung)
OH
H (/)-Labdanolsäure
Abietan
Pimaran (mit neuer Bezifferung)
CO2H
H
CO2H (+)-Pimarsäure
H
CO2H
(/)-Abietinsäure
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932
42 Terpene und Steroide
Labdane wie die Labdanolsäure sind Inhaltsstoffe des Labdanumöls und -harzes aus dem mediterranen Zistrosenstrauch (Cistus labdaniferus) und verschiedenen Nadelgehölzen, in denen auch Pimarane und Abietane mit vielen Substitutionsmustern auftreten. Beispiele sind die Harzsäuren Pimarsäure aus Kiefern (Pinus-Arten) und Abietinsäure aus Tannen (Abies-Arten). Grundskelett der als Gibberelline bezeichneten pflanzlichen Wachstumshormone ist das Tetracyclophytan Gibberellan. Unreife Samen des Hasenklees enthalten z. B. (/)-Gibberellin A18. Prominentester Vertreter ist die aus Kulturen des Pilzes Gibberella fujikuroi in größeren Mengen isolierbare Gibberellinsäure; diese gehört, wie die meisten Gibberelline, zu den C-20-Norditerpenen, in denen C-20 fehlt. 20
20
1 3
9 8
5
19
O
H
18
7
H
O
11 13
15
HO 17
HO
OH
HO2C
OH H
H
CO2H
CO2H
(/)-Gibberellin A 18
Gibberellan
(+)-Gibberellin A 3 (Gibberellinsäure)
Taxan verkörpert das tricyclische Diterpen-Grundskelett einiger Inhaltsstoffe der Eiben (Taxaceae). Beispiele sind (/)-10-Desacetylbaccatin aus der europäischen Eibe (Taxus baccata) sowie das gegen Leukämie und verschiedene Krebserkrankungen wirkende, dementsprechend angewendete Diterpen-Alkaloid (/)-Taxol aus den pazifischen Eiben (Taxus brevifolia und T. cuspidata). H 3C HO
19 10
18 12 14
15 1
16 17 2
O OH
O
8
6
O
4
HO
20
Taxan
H OH O O
HO
O
H
CH3
H 5C 6
O
N
C 6H 5
O O
(/)-10-Desacetylbaccatin
42.2.4
O OH
O
O
C 6H 5
H OH O O H 5C 6 O O
O CH 3
(/)-Taxol
Triterpene
Acyclische Triterpene Die rund 5000 bekannten Triterpene stammen überwiegend vom Squalen ab. Es ist das wichtigste der wenigen acyclischen Triterpene, geht biogenetisch aus der Schwanz-Schwanz-Verknüpfung zweier Farnesen-Einheiten hervor und kommt im Fischlebertran sowie in vielen pflanzlichen Ölen wie Raps- und Baumwollsamenöl vor. 25
26 2
27 6
10
Schwanz
15
19
23
Schwanz 28
29
30
Squalen (2,6,10,15,19,24-Hexamethyl-2,6,10,14,18,22-tetracosahexaen)
2,3-Epoxysqualen ist die Biosynthese-Vorstufe der zahlreichen polycylischen Triterpene. Seine konzertierte, enzymatische Tetracyclisierung durch Squalen-Cyclase führt zum Dammaran-Kation
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42.2
Übersicht der Terpene
933
mit dem tetracyclischen Grundskelett des vom Cyclopentanoperhydrophenanthren abgeleiteteten Gonans (Tab. 42.6), das in vielen Triterpenen sowie in den Steroiden präsent ist.
2,3-Epoxysqualen (protoniert)
O H
HO
HO 3d-Hydroxydammaran-20-Kation
Polycyclische Triterpene Von der großen Vielfalt der weit verbreiteten tetra- und pentacyclischen Triterpene skizziert Tab. 42.3 nur wenige, besonders häufig auftretende Grundskelette. Dies sind zunächst tetracyclische Dammarane mit Gonan-Kernstruktur, aus denen durch zweifache Methyl-Verschiebung das Lanostan hervorgeht. Durch Verlust dreier C-Atome (28 - 30) geht Lanostan in Cholestan über, dessen weiterer Abbau zu den anderen Steroiden führt. Oleanan und das durch Methyl-Verschiebung daraus resultierende Ursan sind zwei weitere pentacylische Triterpen-Grundskelette. Tab. 42.3. Bedeutende Grundskelette tetra- und pentacyclischer Triterpene und deren Ringbezifferung 21
21 20 23 11 13 30
19 1 3
10 5
29
17
11 13
26
1 3
Dammaran
28
25
29
10
28
7
23
25
17
11 13 19
26
5
20
18
27
23 17
19
18
7
18
27 25
21 20
1
30 3
26 10 7
5
Lanostan
Cholestan und andere Steroide 30
30
29 20
20
29
19 21 23
18
25
30 1
6 3
2 25
1
Squalan
21
24
14 11
19
Gonan-Skelett
24
11 13 26
17
25
28
15
1
10 5 23
7
3
27
Oleanan
24
11 13 26
17
28
15
10 5 23
7
27
Ursan
Viele polycyclische Triterpene sind Aglyca schaumbildender Glycoside pflanzlicher Herkunft; man nennt solche Glycoside Saponine (lat. sapo = Seife) und ihre Aglyca Sapogenine. Dammarane treten u. a. in Form der Ginseng-Sapogenine auf; das sind die Aglyca der Ginseng Saponine (Ginsenoside oder Panaxoside) aus den Wurzeln der hauptsächlich in Ostasien heimischen "Kraftwurz" Panax Ginseng (Araliaceae). Hierzu gehören das als Protopanaxatriol bekannte Dammar-24-en-3d,6c,12d,20R-tetrol als Sapogenin und sein 6,20-Diglucopyranosid als Saponin. Zubereitungen, meist Teeaufgüsse aus der zerkleinerten, getrockneten Ginseng-Wurzel werden
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934
42 Terpene und Steroide
zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeit und Schwäche sowie zur Steigerung der körperlichen Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit verabreicht. OH
HO OH
OH
OH HO
HO
O OH
OH H HO
12
OH H 12
20 17
H
20
3
17
6
H
1
OH
OHO
8
3
O
6
OH
HO
H
OH
OH
(+)-Dammar-24-en-3d,6c,12d.20R-tetrol (Protopanaxatriol, ein Ginseng-Sapogenin)
24
12
H
HO
H
24
H
1
24
H
HO
20 17
19
1 3
O
(+)-Lanosta-8,24-dien-3d-ol (Lanosterol)
(+)-Dammar-24-en-3d,6c,12d.20Rtetrol-6,20-Di-O-ß-D-glucopyranosid (Panaxosid A, ein Ginseng-Saponin)
Lanostane findet man in vielen Pilzen und höheren Pflanzen. Prominentester Vertreter ist Lanosterol aus Wollfett (Adeps lanae), Wolfsmilchgewächsen und anderen Pflanzenfamilien; es ist die Biogenese-Vorstufe der Steroide und Herzglycoside. Oleanan-Triterpene (Tab. 42.3, 42.4) sind als Sapogenine weit verbreitet. Oleanolsäure ist das Aglycon der Saponine in Olivenblättern, Zuckerrüben, Ginseng und der Mistel. Tab. 42.4. Pentacyclische Triterpene mit Oleanan- und Ursan-Skelett 30
Oleanane
29 20
12 26
28
H
12 26
CO 2H
H
3
HO 24
23
23
Ursane
H
28
3
24
12 26
25
CO 2H
5
H
3
7
H
(+)-3d-Hydroxy-12-ursen-28-säure (Ursolsäure)
HO 24
28
7
H
(+)-3c-Hydroxy-12-oleanen-24-säure (c-Boswellinsäure) 30 29
20
H
20
X
28
25
CO 2H
1
1
HO
H
29
HO
20
12 26
5
30
30 29
25
H
1 3
(+)-Quillaja-Säure
12 26
25
HO HO2 C
H O
H
(+)-3d-Hydroxy-12-oleanen-28-säure [(+)-Oleanolsäure]
28
CO 2H OH
H
3
HO
H
H16
11
26
H
28
1 5
H
7
H
(+)-3d,19c-Dihydroxy-12-ursen-28-säure (Pomolsäure)
3
HO HO2 C
5
H
7
H
X = H2 : (+)-3c-Hydroxy-12-ursen-24-säure (d-Boswellinsäure) X = O : (+)-3c-Hydroxy-11-oxo-12-ursen-24-säure (Ketoboswellinsäure)
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42.2
Übersicht der Terpene
935
Kommerzielle Bedeutung haben die Quillaja-Saponine aus Rinde und Holz des chilenischen Seifenbaums (Quillaja saponaria) zur Herstellung von Shampoos, Schaumbädern, Zahnpasta sowie als Fettemulgatoren für die Lebensmittel- und pharmazeutische Technologie. Die Hydrolyse der Quillaja-Saponine setzt die Quillajasäure mit Oleanan-Skelett frei, das auch der c-Boswellinsäure aus dem (entzündungshemmend wirkenden) Weihrauch (Boswellia serrata) zugrunde liegt. Ursan (Tab. 42.3, 42.4) ist das pentacyclische Triterpen-Grundskelett der Ursolsäure aus dem Schalenwachs verschiedener Früchte, der Pomolsäure aus Apfelschalen und der d- und Ketoboswellinsäure aus dem Weihrauch. Ursol- und Pomolsäure finden als Emulgatoren Verwendung.
42.2.5
Tetraterpene (Carotenoide)
Die etwa 200 bekannten Tetraterpene natürlicher Herkunft werden als Carotenoide (früher Carotinoide) bezeichnet, weil sie durchweg Strukturvarianten des d-Carotens aus der Karotte Daucus carota (Umbelliferae) mit meist 11 konjugierten CC-Doppelbindungen sind. Stammbezeichnung ist "Caroten" (früher Carotin); zwei griechische Buchstaben (d."i."g."l."m."e und {) definieren die insgesamt sieben bekannten Endgruppen, wie Tab. 42.5 an Beispielen erläutert.
d-
i-
g-
l-
e-
m-
{-
Das offenkettige, rote Tetraterpen Lycopen aus der Tomate (Lycopersicon esculantum, Solanaceae), anderen Früchten (Hagebutten, Rosaceae), Pilzen und Bakterien wird demnach als {,{Caroten, das orangerote d-Caroten aus der Karotte als d,d-Caroten bezeichnet. Weit verbreitet in Pflanzen ist auch das als d,{-Caroten zu bezeichnende rote i-Caroten aus der Karotte und sein orangegelbes 7´,8´-Dihydro-Derivat aus Mais mit verschiedenen Endgruppen (Tab. 42.5). Carotenoide kommen in Blättern, Früchten, Sprossen und Wurzeln aller höheren Pflanzen vor (bis zu 0.1 % des getrockneten Pflanzenmaterials). Sie bewirken u. a. im Herbst die Gelb- bis Rotfärbung der Blätter, weil sie langsamer abgebaut werden als das grüne Chlorophyll. Viele Früchte enthalten Carotenoide, z. B. Paprika (Capsicum annuum, Solanaceae, Tab. 42.5). Als Blütenfarbstoffe spielen sie im Vergleich zu den Anthocyanidinen und Flavonoiden eine Nebenrolle; in Rosen und Lilien tragen sie zu Gelb- und Rottönen der Blüten und Früchte bei. Der tierische Organismus metabolisiert die mit der Nahrung aufgenommenen Carotenoide; zur de novo-Synthese ist er nicht in der Lage. Carotenoide und ihre Metaboliten finden sich u. a. als Chromoproteine im Blutplasma, im Eidotter, in Forellenhaut sowie im Fleisch mancher Fische (Lachse, Lachsforellen) und in den Panzern der Crustaceen. So färbt sich der Hummer beim Kochen rot, weil durch Denaturierung eines dunkelgrünen Chromoproteins das rote d,d-Carotenoid Astaxanthin (Tab. 42.5) freigesetzt wird. Einige Carotenoide, darunter d,d-Caroten, sind Vitamin A-aktiv (Tab. 42.5), indem sie in den Mucosa-Zellen des menschlichen und Säugetier-Darms enzymatisch-oxidativ zu dem für den Sehvorgang bedeutenden Vitamin A-Aldehyd abgebaut werden. Sie können Zellschädigungen durch Abfangen von Singulett-Sauerstoff (1O2 ) verhindern.
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936
42 Terpene und Steroide
Tab. 42.5. Struktur, Bezeichnung, Eigenschaften und Vorkommen ausgewählter Carotenoide 17 16
18
1
3
19 7
5
9
20 11
13
15
15'
13'
11'
7'
9'
20'
5'
3'
18'
19'
16'
1'
rote Kristalle Tomate
17 '
{.{-Caroten (Lycopen, früher Lycopin) 18' 16
17 1 3
19 7
9
20 11
13
5' 15
15'
5
13'
11'
9'
20' 18
7'
19'
3' 1'
17 '
16'
rote Kristalle Karottenwurzel
d.d-Caroten (d-Caroten, früher d-Carotin) 8'
7'
rote Kristalle Karottenwurzel
d.{-Caroten (i-Caroten, früher i-Carotin)
OH OH rote Kristalle Arctodiaptomus salinus und andere Crustaceae
HO
3d,3d',4c,4c'-Tetrahydroxy-d,d-caroten (Crustaxanthin)
OH
O OH violette metallisch glänzende Kristalle Crustaceae
HO
3d,3d'-Dihydroxy-d,d-caroten-4,4'-dion (Astaxanthin)
O
violette Kristalle weit verbreitet, Vitamin A-aktiv
H (+)-d.g-Caroten (c-Caroten)
OH kupferrote Kristalle Eidotter, Blätter höherer Pflanzen Staphylococcus aureus
H HO
(+)-3c,3c'-Dihydroxy-d,g-caroten (Lutein, Xanthophyll)
O 6'
1 3
HO
1'
3'
OH
rote Kristalle Paprika, Capsicum annuum
1'
3'
OH
rote Kristalle Paprika, Capsicum annuum
(/)-3d,3d'-Dihydroxy-d,m-caroten-6'-on (Capsanthin)
O 1
6'
O
3
HO (-)-5c,6c-Epoxy-3d,3d'-dihydroxy-d,m-caroten-6'-on (Capsanthin-5,6-epoxid)
HO
3
O
1 6
6' 1'
O
3'
OH
violettrote Kristalle Paprika, Capsicum annuum, Lilium bulbiferum und andere Lilien
3d,3d'-Dihydroxy-m,m-caroten-6,6'-on (Capsorubin)
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42.2
Übersicht der Terpene
42.2.6
937
Prenylchinone
Prenylchinone enthalten Terpenyl-Reste mit bis zu zehn Isopren-Einheiten, gehen durch Reduktion in Hydrochinone über und können zu Chromenolen und Chromanolen cyclisieren. Einige biogenetisch von den Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin abstammende Prenylchinone kommen in allen pflanzlichen und tierischen Zellen vor und werden daher als Ubichinone bezeichnet (lat. ubique = überall). Sie wirken u. a. als Enzym-Cofaktoren beim Elektronentransport in der Atmungskette in den Mitochondrien mit. Der Einfachheit halber nennt man sie der Anzahl ihrer Isopren-Einheiten entsprechend Ubichinone UQ-n oder Coenzyme CoQn , wie das Beispiel des als Coenzym Q10 bekannten Ubichinons UQ-10 zeigen soll. OH
O CH3
H3CO H3CO
CH 3
H3CO
+ 2 [ H+], + 2 e0 /
H3CO
9
9
O
OH
Ubichinon-10 (UQ-10, Coenzym Q10, CoQ10)
OH
OH CH 3
H3CO
Ubihydrochinon
CH 3
H 3CO
H3CO
H 3CO O
O 8
8
Ubichromenol-10
Ubichromanol-10
Die Chloroplasten höherer Pflanzen und Algen enthalten die mit den Ubichinonen verwandten Plastochinone (PQ). Auch diese wirken als Elektronenüberträger bei der Photosynthese. Vitamine der K-Reihe (Koagulationsvitamine) sind als Prenyl-1,4-naphthochinone einzuordnen Sie werden mit der Nahrung aus allen grünen Pflanzen aufgenommen, wirken bei oxidativen Phosphorylierungen in der Atmungskette mit und sind zur Biosynthese der als Gerinnungsfaktoren des Blutes bezeichneten Glycoproteine in der Leber notwendig. Ihr Mangel stört die Blutgerinnung. O
O H 3C H 3C
O CH 3
CH 3
CH 3
8
n
2
O
O Plastochinon A
O
Vitamin K 1 (2-Methyl-3-phytyl-1,4-naphthochinon)
Vitamine K 2 (35) (n=5) und K 2 (30) (n=4)
Das besonders in Weizenkeimen und Pflanzenölen angereicherte, auch als (+)-c-Tocopherol bekannte Vitamin E ist ein Prenylchromanol: O
OH H3C
H3C
CH 3
CH 3
Oxidation
H3C
Reduktion
H3C
2
O
O
HO
2
(+)-c-Tocopherol (Vitamin E)
Tocochinon
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938
42 Terpene und Steroide
Aufgrund seiner Oxidierbarkeit zum Tocochinon schützt Vitamin E Carotenoide und Polyenlipide in Biomembranen sowie die SH-Gruppen des Cysteins in Enzymproteinen vor Oxidation durch Peroxide. Manchen Lebensmitteln wird Vitamin E daher als Antioxidans zugesetzt. Es wirkt zudem entzündungshemmend, antirheumatisch und fungiert als Fruchtbarkeitsvitamin; so ist bei Mangel an Vitamin E in der Nahrung die Ratte steril, und die Honigbiene kann sich nicht zur Königin entwickeln.
42.2.7
Polyterpene
Isoprenoide mit mehr als acht Isopren-Einheiten werden als Polyterpene bezeichnet. Bekannt und bedeutend für die Gummiindustrie war der im wesentlichen aus cis-Polyisopren bestehende Naturkautschuk aus dem Milchsaft (Latex) des im Amazonas-Gebiet Brasiliens heimischen Baums Hevea brasiliensis. Gummi wurde durch Vulkanisation (Abschn. 35.2.8) des Naturkautschuks mit Schwefel hergestellt; dabei werden die Polymer-Ketten des cis-Polyisoprens durch Addition von Schwefel unter Bildung von Disulfid-Brücken vernetzt (GOODYEAR 1838). Zur Herstellung von Gummi wird heute der mit dem Naturprodukt identische Synthesekautschuk vulkanisiert; Synthesekautschuk wird durch Dien-Polymerisation (Abschn. 35.2.1) des Isoprens hergestellt. Trans-Polyisopren ist Hauptbestandteil des als Werkstoff weniger bedeutenden, unelastischen, harten, gegen aggressive Chemikalien wie Flußsäure beständigen Guttapercha, das sich beim Eintrocknen des Milchsafts tropischer Palaquium-Arten (Sapotaceae) bildet. H n cis-Polyisopren (Natur- und Synthesekautschuk)
n trans-Polyisopren (Guttapercha)
OH
n
Betulaprenole n = 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13)
Betulaprenole sind eine Reihe von trans-Oligoterpenolen aus der Birke Betula verrucosa (Betulaceae), die man entsprechend der Anzahl ihrer Isopren-Einheiten kennzeichnet. Betulaprenol-9 kommt auch im Tabak vor. Betulaprenol-11 und -12 finden sich in den Blättern des Maulbeerbaums Morus nigra (Moraceae) und in den Faeces des die Blätter fressenden Seidenspinners Bombyx mori. Ähnliche Polyprenole existieren in den Geweben endokriner Organe der Säugetiere und in Bakterien, wo sie neben anderen Funktionen die Zellwände stabilisieren.
42.3 Ausgewählte Terpen-Synthesen 42.3.1
Acyclische Mono- und Sesquiterpene
Acyclische Mono- und Sesquiterpene sind begehrte Riech- und Aromastoffe. Industriell gewinnt man sie u. a. in repetitiven Syntheseschritten aus Aceton und Ethin nach Abb. 42.2. Die Ethinylierung des Acetons liefert zunächst 3-Butin-2-ol. Dessen Hydrierung führt zum 3-Buten-2-ol, aus dem das Zwischenprodukt 6-Methyl-5-hepten-2-on (C8) auf zwei Wegen hergestellt werden kann, entweder durch Umetherung mit Methylpropenylether und anschließende Oxa-COPE-Umlagerung oder durch Umesterung mit Acetessigsäuremethylester und anschließende CARROL-Reaktion. Die
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42.3
Ausgewählte Terpen-Synthesen
939
Ethinylierung des 6-Methyl-5-hepten-2-ons führt über Dehydrolinalool (C10) durch Hydrierung mit gebremstem Katalysator (LINDLAR-Kat.) zum Riechstoff Linalool, aus dem Geraniol durch säurekatalysierte Allyl-Umlagerung hergestellt wird. Umesterung des Linalools mit Acetessigsäuremethylester und nachfolgende CARROLL-Reaktion führt zum 6,10-Dimethylundeca-5,9-dien-2on (C13), das zum Dehydronerolidol (C15) ethinyliert wird, aus dem die Sesquiterpene Nerolidol (durch Hydrierung) und Farnesol (anschließende Allyl-Umlagerung) hergestellt werden.
O +
H C C H
(R/NH2 / Na2CO3)
3-Butin-2-ol
HO
+ H2 (LINDLAR-Katalysator) + H3CO
+ H3CO
O / CH3OH
O
O
/ CH3OH
HO
O O
O
CARROLL-Reaktion / CO2
Oxa-COPE-Umlagerung
O 6-Methyl-5-hepten-2-on + H
rac. Dehydrolinalool
C
C
H (R/NH2 / Na2CO3)
HO + H2 (LINDLAR-Katalysator) (H3O+) rac. Linalool
AllylUmlagerung
HO + H3CO
OH
Geraniol
.""/ CH3OH
O
O
O O CARROLL-Reaktion
O
/ CO2
6,10-Dimethylundeca-5,9-dien-2-on
O + H
C
C
H (R/NH2 / Na2CO3)
rac. Dehydronerolidol
HO + H2 (LINDLAR-Katalysator) (H3O+)
rac. Nerolidol
HO
AllylUmlagerung
OH Farnesol
Abb. 42.2. Industrielle Synthesen offenkettiger Mono- und Sesquiterpene
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940
42 Terpene und Steroide
Edukt einer enantioselektiven Synthese des (R)-Citronellals ist das in der Holzindustrie anfallende d-Pinen, dessen thermische Cycloreversion zum Myrcen führt. Das durch Lithiierung des Myrcens mit Butyllithium und Diethylamin über das Lithium-Chelat entstehende Allylamin wird in Gegenwart eines chiralen Rhodium(I)-Komplexes [Ligand: (S)-2,2´-Bis-(diphenylphosphino)-1,1´-binaphthyl = (S)-BINAP] als Katalysator enantioselektiv zum (R)-Enamin umgelagert, dessen Hydrolyse (R)-(+)-Citronellal freisetzt. Li N(C2H5) 2 n-C4H9Li , (C2H5)2NH
F
(+)-d-Pinen
Myrcen
N(C 2 H 5)2 H2O / H2SO4
O
N(CH 3 )2 (3R)-1(E)-1-Dimethylamino3,7-dimethyl-1,6-octadien
(R)-(+)-Citronellal 98 % ee
42.3.2
Kat. 100 °C
N,N-Diethylgeranylamin
Cyclische Monoterpene
Eine enantiospezifische Synthese des (1R,3R,4S)-(/)-Menthols als Hauptkomponente der Pfefferminzöle gelingt aus dem nach Abschn. 42.3.1 synthetisierten (R)-(+)-Citronellal durch eine LEWIS-Säure-katalysierte intramolekulare Carbonyl-En-Reaktion (Abschn. 27.4.5). Deren Primärprodukt (/)-Isopulegol wird katalytisch zum (/)-Menthol hydriert. (R)-(+)-Citronellal
OH O
OH
H + H2 / Ni
+ ZnBr 2
Br2Zn
H O
H
CarbonylEn-Reaktion
O H
/ ZnBr 2
OH (1R,3R,4S)-(/)-Isopulegol
Racemischer Campher ist aus c-Pinen zugänglich. Nach Protonierung der CC-Doppelbindung unter MARKOWNIKOW-Orientierung zum Carbenium-Ion und dessen WAGNER-MEERWEIN-Um-
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42.3
Ausgewählte Terpen-Synthesen
941
lagerungen zum nichtklassischen Bornyl-Kation (Carbonium-Ion) addiert letzteres Acetat. Die Hydrolyse des gebildeten Isobornylacetats gibt Isoborneol, dessen Oxidation zu Campher führt. Das als Zwischenprodukt der Campher-Synthese auftretende Camphen ist technisch durch Isomerisierung von c-Pinen mit Titandioxid bei 180 °C zugänglich. WAGNERMEERWEINUmlagerung
+ [H+]
Camphen
Carbonium Ion /
+ [H+]
+ CH3CO2
O
+ 1/2 O2
(/)-c-Pinen
Campher
+ H2 O
OH
/ H2O
O
/ CH3CO2H
C
CH3
O Isobornylacetat
Isoborneol
DL-Campher kann nach Racemattrennung und Sulfonierung in (+)-Campher-10-sulfonsäure übergeführt werden. Diese wird häufig als Hilfsverbindung zur Racemattrennung chiraler Amine über diastereomere Salze eingesetzt. Die Reduktion der Oxo-Gruppe des (+)-Camphers führt zu den natürlich vorkommenden bicyclischen Terpenolen (+)-Borneol (Lavendel, Rosmarin, Campherbaum) und (/)-Isoborneol.
42.3.3
Industrielle Synthese des Diterpens Vitamin A
Intensive Tierhaltung und moderne Nahrungsmitteltechnologie entfachten einen hohen Bedarf an Vitamin-A (80 % für Futtermittel und 20 % für Humannahrung), der durch eine in Planung und Durchführung gut nachvollziehbare, industrielle Synthese gedeckt wurde. Synthesen plant man rückwärts, d. h. vom Produkt zum Edukt (Retrosynthese), indem "strategische" Bindungen gedanklich so zerlegt werden, daß diese Bindungen mit machbaren Reaktionen und verfügbaren Edukten knüpfbar sind. retrosynthetische Zerlegung
retrosynthetische Zerlegung
Produkt
Zwischenprodukt
Edukt
Dabei strebt man bei komplexeren Zielverbindungen konvergente Synthesen mit zwei oder mehr Synthesezweigen an, da diese höhere Gesamtausbeuten erzielen als lineare Synthesen mit gleicher Anzahl von Stufen, wie es das theoretische Beispiel einer insgesamt fünfstufigen konvergenten und linearen Synthese von X aus A mit einer Ausbeute von 80 % je Stufe deutlich macht: lineare Synthese:
A
80 %
B
64 %
C
51 %
D
41 %
E
33 %
X
A
80 %
H
80 %
konvergente Synthese:
F
64 %
I
64 %
G
51 %
X
J
Die retrosynthetische Zerlegung der C-11/C-12-Doppelbindung des Diterpens Retinolacetat nach einer WITTIG-Reaktion führt zum C15-WITTIG-Salz und zum C5-Acetat (Abb. 42.3). Das C15-Salz
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942
42 Terpene und Steroide
ist über d-Ionylidenethanol, Vinylionol, Ethinylionol, d-Ionon, Pseudoionon aus Dehydrolinalool nach den bei der industriellen Synthese von Monoterpenen (Abschn. 42.3.1, Abb. 42.2) besprochenen Methoden zugänglich. Das C5-Acetat bildet sich durch eine Allyl-Umlagerung des 4,4Dialkoxy-3-methyl-1-buten-3-ols. Letzteres ist das Hydrierungsprodukt des 4,4-Dialkoxy-3methyl-1-butin-3-ols, welches bei der Ethinylierung des durch Oxidation des Acetonketals zugänglichen Dialkoxyacetons entsteht. Dies ist das Prinzip einer konvergenten industriellen Synthese des Retinolacetats nach POMMER. O H
P(C 6 H 5)3 Br
O 12
11
WITTIGReaktion
O
+
O
H
O H
Retinolacetat
C5-Acetat
C15-Salz
OH RO OH OR
HO d -Ionylidenethanol
Vinylionol
4,4-Dialkoxy-3-methyl-1-buten-3-ol
RO
O
HO d -Ionon
Ethinylionol
O
OH OR 4,4-Dialkoxy- 3-methyl-1-butin-3-ol
O
RO
O OR
Dialkoxyaceton
Pseudoionon
CARROLL-Reaktion
O Dehydrolinalool
Aceton
OH
Abb. 42.3. Retrosynthetische Zerlegung des Retinolacetats
Zur praktischen Durchführung (Abb. 42.4) wird racemisches Dehydrolinalool mit Acetessigsäuremethylester umgeestert und das resultierende Dehydrolinaloylacetoacetat der CARROLL-Decarboxylierung zu Pseudoionon unterzogen. Pseudoionon cyclisiert unter Säurekatalyse zu dem als Veilchen-Riechstoff attraktiven d-Ionon. In Gegenwart von Natronlauge als Base ethinyliert Ethin zum Ethinylionol. Das nach partieller katalytischer Hydrierung mit gebremstem Katalysator entstehende Vinylionol wird nach Allyl-Umlagerung in Bromwasserstoffsäure über das d-Ionylidenbromethan mit Triphenylphosphan in das auskristallisierende C15-WITTIG-Salz übergeführt.
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42.3
Ausgewählte Terpen-Synthesen
943
Zur Synthese des C5-Acetats (Abb. 42.4) wird das durch Oxidation des Acetons zugängliche Dimethoxyaceton in Gegenwart von Natronlauge als Base zum 4,4-Dimethoxy-3-methyl-1-butin-3ol ethinyliert. Nach katalytischer Partialhydrierung bildet sich 4,4-Dimethoxy-3-methyl-1-buten-3ol als C5-Alkohol, der in Acetanhydrid zum C5-Acetalester umlagert. Die Freisetzung der Aldehyd-Funktion vor der WITTIG-Reaktion gelingt thermisch unter Kupfer(II)-Salz-Katalyse.
CARROLLReaktion 150-190 °C
+ H3 CO O
O
O
/ CH3 OH
HO
/ CO2
O
rac. Dehydrolinalool
C
O
O
Dehydrolinaloylacetoacetat H2 / Pd / C / CaCO3 + H
HO
C C H (NaOH)
O
H 2SO4
O d-Ionon
Ethinylionol
Pseudoionon
H2 / Pd / C / CaCO3
O
1.) + HBr, / H2O 2.) + P(C6H5)3
O
P(C6 H5)3 Br
HO
O H
Vinylionol
C15-Salz
C5-Acetat 2+
120 °C , Cu
H 3C O
+ H C C H (NaOH)
H O
H 3C O
H 3C O
H 3C O
Dimethoxyaceton
H2 / Pd / C / CaCO3
H OH
H 3C O
H
H 3C O
+ (CH 3CO) 2O
OH
H 3C O
H
/ CH 3CO2H
O H 3C O
C5-Alkohol
4,4-Dimethoxy-3-methyl-1-butin-3-ol
/ 2 CH3OH
O
C5-Ester
Abb. 42.4. Synthese des C15-Salzes und des C5-Acetats
Die WITTIG-Alkenylierung des C5-Acetats [(E)-4-Acetoxy-2-methylbut-2-enal] mit dem C15-Salz in Gegenwart einer Base zur Erzeugung des Ylids verläuft nahezu quantitativ. Das im Verleich zu Vitamin A-Alkohol (Retinol) stabilere Retinolacetat wird durch Umkristallisieren aus n-Hexan gereinigt. Das cis-Isomer verbleibt in der Mutterlauge und wird mit Iod in die gewünschte alltrans-Verbindung isomerisiert. O P(C6 H5 )3 Br
+
O
O H
C15-Salz
C5-Acetat
(Base) / HBr / O=P(C6H 5) 3
H O H
O
Vitamin-A-acetat (Retinolacetat)
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944
42 Terpene und Steroide
Eine intermolekulare MCMURRY-Reaktion des durch Oxidation von Retinol zugänglichen Retinals (Vitamin-A-Aldehyd) ergibt d-Caroten. H
H O
2
TiCl3, LiAlH4
H Vitamin-A-aldehyd (Retinal)
d-Caroten
42.4 Stammgerüste und Nomenklatur der Steroide Steroide sind aufgrund ihrer Biogenese Isoprenoide; ihre biogenetische Vorstufe ist das durch Cyclisierung des 2,3-Epoxysqualens über 3d-Hydroxydammar-24-en entstehende Triterpen Lanosterol, das zum bedeutendsten Steroid Cholesterol abgebaut wird (Abschn. 42.1.3 und 42.2.4). Tetracyclische Kernstruktur aller Steroide (Tab. 42.6) ist das bereits erwähnte Gonan (Abschn. 42.2.4, Tab. 42.3). Je nach Art der funktionellen Gruppen am Steroid-Gerüst (meist Ring A und D) unterscheidet man zwischen Sterolen (mit Hydroxy-Gruppen), Steronen (mit Oxo-Gruppen) und Gallensäuren (mit Carboxy-Gruppen). CC-Doppelbindungen können an verschiedenen Positionen auftreten. In Estranen (C18) mit meist benzoidem Ring A fehlt die Methyl-Gruppe an C-10, in Androstanen (C19) ist sie vorhanden; je nach Länge der Seitenkette an C-17 unterscheidet man zwischen Pregnanen (C21), Cholanen (C24), Cholestanen (C27), Ergostanen (C28) und Stigmastanen (C29, Tab. 42.6). Über die Zugehörigkeit zur 5c- oder 5d-Reihe entscheidet die Art der Verknüpfung, cisoder trans-, zwischen den Ringen A und B (Tab. 42.7, Modell: cis- und trans-Decalin, Abschn. 8.4.3). Grundsätzlich ist für jedes Ringpaar AB, BC und CD der gesättigten Steroide entweder eine trans- oder cis-Verknüpfung möglich. Tab. 42.7 skizziert die ingesamt 23 = 8 Verknüpfungsmöglichkeiten. In den meisten natürlichen Steroiden sind die Ringe trans-trans-trans-verknüpft. Gallensäuren enthalten cis-trans-trans- und Cardenolide cis-trans-cis-verknüpfte Ringe. Gemeinsam ist allen natürlichen Steroiden die BC-trans-Konfiguration. Oberhalb des Steroid-Ringsystems stehende angulare (lat. angulus = Winkel, Ecke) MethylGruppen, meist in 10- und 13-Stellung, bezeichnet man als d-ständig (ausgezogene Bindungsstriche), unterhalb angeordnete als c-ständig (gestrichelte Bindungsstriche). Bezugspunkt ist die angulare Methyl-Gruppe an C-10, d. h. Substituenten auf derselben Seite wie diese MethylGruppe sind d-, die anderen c-ständig. Die Bezifferung der C-Atome wird am Stigmastan-Skelett erläutert (Tab. 42.6), die Nomenklatur exemplarisch am Cholesterol (von griech. ejqng = Galle, uvgtqu = fest). Cholesterol (früher Cholesterin) mit der systematischen Bezeichnung 5-Cholesten-3d-ol besitzt acht Asymmetriezentren und könnte theoretisch 28 = 256 Stereoisomere (128 Enantiomerenpaare) bilden.
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42.5
Übersicht der Steroidwirkstoffe
945
Tab. 42.6. Stammgerüste der Steroide R3
R2 R1
H
R2
H
R1
R2 R1
H H
H
H
R3 H
R3
R3
H H
H
R2
H
R1 H
H
H
H
H
H
H
5c-Reihe
5d -Reihe
R1
R2
R3
5c-Gonan (früher Steran) 5d -Gonan
H
H
H
5c-Estran (früher Östran) 5d -Estran
H
CH3
H
5c-Androstan (früher Testan) 5d -Androstan (früher Ätiocholan)
CH3
CH3
H
5c-Pregnan (früher Allopregnan) 5d -Pregnan
CH3
CH3
C2H5
5c-Cholan (früher Allocholan) 5d -Cholan
CH3
CH3
CH(CH3) CH2 CH 2 CH 3
5c-Cholestan 5d -Cholestan (früher Koprostan)
CH3
CH3
CH(CH3) CH2 CH 2 CH 2 CH(CH 3)2
5c-Ergostan 5d -Ergostan
CH3
CH3
CH(CH3) CH2 CH 2 CH(CH3) CH(CH 3)2
5c-Stigmastan 5d -Stigmastan
CH3
CH3
CH(CH3) CH2 CH 2 CH(C 2H5) CH(CH 3)2
29 21 18 19 1 3
A 5
10
11 9
B
C
20 17
13
28
22
D
15
23
27
*
26
24 25
* *
7
HO Ringbezifferung des Stigmastans
H
* * *
*H * asymmetrische C-Atome 5-Cholesten-3d-ol (Cholesterol) *
H
5
42.5 Übersicht der Steroidwirkstoffe 42.5.1
Sterole
Sterole sind Hydroxysteroide, die früher als Sterine bezeichnet wurden. Stigmasterol (Tab. 42.8) ist z. B. ein Inhaltsstoff der Sojabohnen; von diesem auch in anderen Pflanzen auftretenden Phytosterol gehen die Partialsynthesen einiger Steroid-Hormone aus. Das in der Hefe vorkommende Ergosterol (Tab. 42.8) isomerisiert bei UV-Bestrahlung unter Öffnung seines Ringes A zum antirachitisch wirkenden Vitamin D2. Cholesterol (Tab. 42.8) wurde bereits 1769 in Gallensteinen entdeckt. Es findet sich in den Gefäßablagerungen bei Arteriosklerose und kommt in Eigelb, Butter, Hirn sowie Rückenmark in besonders großer Menge vor. Der menschliche Körper enthält durchschnittlich 250 g Cholesterol und nutzt es als Vorstufe aller Steroidhormone. Cholesterol ist zusammen mit den Phospholipiden ein Strukturbildner der Membran; es lagert sich fast ideal in die Monoschichten der Phospholipide ein.
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946
42 Terpene und Steroide
Tab. 42.7. Ringverknüpfungen der Steroide Verknüpfung zwischen den Ringen A/B
B/C
Stereoformel
C/D
Projektionsformeln
H
C
trans
trans
A
trans
C H
D
B
H B
A
H
H
H
D H
C A
D
B
H H H
cis
trans
trans
H H
H
H
H
H
H
trans
cis
H
trans
H
H H
H
H
H H
H
trans
trans
H
cis
H
H
cis
cis
trans
H
H
H H
H H
H
H
H
H H H H H
cis
trans
cis
H
H
H
H
H
H
trans
cis
cis
H H
H H
H
H
H
cis
cis
cis
H H
H
H
H
H
H H
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42.5
Übersicht der Steroidwirkstoffe
42.5.2
947
Gallensäuren
Cholesterol ist auch die Vorstufe der Gallensäuren. Prominentester Vertreter dieser Steroidcarbonsäuren mit 5d-Cholan-Grundskelett ist die Cholsäure (Tab. 42.8). Der systematisch als 3c,12c-Dihydroxy-5d-cholansäure bezeichneten Deoxycholsäure fehlt die Hydroxy-Gruppe an Ring B. Gallensäuren sind wie Tenside oberflächenaktiv und emulgieren Fette. Sie spielen daher eine wichtige Rolle bei der Verdauung (Lipase-Aktivierung und Resorption). In der Galle sind die Gallensäuren amidartig mit Glycin und Taurin (2-Aminoethansulfonsäure) verknüpft. Tab. 42.8. Biologisch wirksame Steroide Klasse Sterole
Ringverknüpfung
Projektionsformel
transtranstrans H H
Trivialname (syst. Bezeichnung)
Vorkommen
Funktion, Wirkung
Stigmasterol (5,22-Stigmastadien3d -ol)
Sojabohne, Mohrrübe, viele Pflanzen
Phytosterol
Ergosterol (5,7,22-Ergostatrien3d -ol, Provitamin D 2)
Hefe
Vitamin-D 2-Vorstufe
Vitamin D 2
Hefe
antirachitisch
Cholesterol (5-Cholesten-3 d -ol)
Hirn, Eidotter, alle Gewebe, Gallensteine
ZellmembranBaustein, SteroidhormonVorstufe
c-Ecdyson
Insekten (Seidenspinner)
Häutungshormon
Progesteron (4-Pregnen-3,20-dion)
Gelbkörper, Placenta bei Schwangerschaft
Gestagen (Antagonist der Estrogene)
Cortison (17c,21-Dihydroxy-4pregnen-3,11,20-trion)
Nebennierenrinde, Glykogenspeicherung, Blut, Urin Blutzuckererhöhung, entzündungshemmend, antiallergisch, antirheumatisch
H
HO
H
H
HO hp (UV)
H HO
H H
H
HO OH
OH HO H HO
Sterone
H
OH
O O
transtranstrans H H
H
O O O
OH H H
H
OH
O
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948
42 Terpene und Steroide
Tab. 42.8. Biologisch wirksame Steroide, Fortsetzung Ringverknüpfung
Klasse Sterone
Trivialname (syst. Bezeichnung)
Projektionsformel
Vorkommen
Funktion, Wirkung
Androsteron (3c-Hydroxy-5candrostan-17-on)
Hoden, Urin
Androgen, männliches Sexualhormon
Testosteron (17d-Hydroxy4-androsten-3-on)
Hoden, Urin
Androgen, männliches Sexualhormon
Estron (3-Hydroxy-1,3,5(10)estratrien-17-on
Ovarien, Urin
Estrogen, weibliches Sexualhormon
Ovarien, Urin
Estrogene, weibliche Sexualhormone
Cholsäure (3c,7c,12c-Trihydroxy5d-cholansäure)
Galle
Fettverdauung, Fettemulgator
R = CH3 : Digitoxigenin R' = H
als 3-Glycosid in Digitalis purpurea
R = CH=O : Strophantidin R' = OH
als 3-Glycosid in Strophanthus-Arten
O
R1 = CH3 , R2 = OCOCH3 : Bufotalin
Kröten
R2
R1 = CH=O, R2 = H : Hellebrigenin
Rhizom von Helleborus niger (Christrose)
O
transtranstrans
H H HO
H
H
OH H H
H
O O H H
H
HO
R = H : Estradiol (3,17d-Dihydroxy1,3,5(10)-estratrien
OH H H
R
R = OH : Estriol (3,16c,17d-Trihydroxy1,3,5(10)-estratrien)
H
HO
Gallensäuren
OH
cistranstrans
H H HO
Cardenolide
CO2H
H OH
H
O
O
cistranscis R
H H
HO
Cardenolide, Regulierung der Herztätigkeit
OH
R' O
Bufadienolide
R1
H H
HO
42.5.3
OH
Hautabwehrsekret
H
Steroidhormone
Corticosteroide (Pregnane) Die als Corticoide (von lat. cortex = Rinde) bekannten Nebennierenhormone mit Pregnan-Grundskelett C21 entstehen biosynthetisch aus Cholesterol C27 durch oxidative Abspaltung der Seitenkette an Ring D. Dabei bildet sich über Pregnenolon (3d-Hydroxy-5-pregnen-20-on) Progesteron, die
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42 Terpene und Steroide
Sexualhormone Steroid-Sexualhormone umfassen die weiblichen Gestagene mit Pregnan- (C21), die Estrogene mit Estran- (C18) sowie die männlichen Androgene mit 5c-Androstan-Grundskelett (C19). Peptidhormone regulieren Biosynthese und Sekretion der Steroidhormone. Estradiol ist neben Estron und Estriol (Tab. 42.8) der wichtigste Vertreter der Estrogene (Follikelhormone). Besonderes Merkmal der Estrogene ist der benzoide Ring A mit phenolischer und daher saurer Hydroxy-Gruppe an C-3 (Tab. 42.8). Während der Schwangerschaft verhindern die Gestagene (Schwangerschaftshormone) den Eisprung. Wichtigstes Gestagen ist Progesteron. Progesteron selbst ist allerdings als Ovulationshemmer per os appliziert unwirksam. Oral wirksame Ovulationshemmer (hormonale Kontrazeptiva) sind meist Kombinationspräparate aus synthetisch modifizierten Estrogenen und Gestagenen, z. B. 17c-Ethinylestradiol und Norgestrel. OH C C
OH H A
H
H
H
H
17c-Ethinylestradiol (chemisch modifiziertes Estrogen)
H
C
C
H
H
H
HO Estradiol (natürlich)
OH
H
D
HO
O
H
H
H
H
O
O Progesteron (natürlich)
Norgestrel (chemisch modifiziertes Gestagen)
Progesteron ist auch die Vorstufe der Androgene Androsteron einschließlich des besonders wirksamen Testosterons (Tab. 42.8). Derivate des 19-Nortestosterons werden als Anabolika eingesetzt. Die Konzentration der Steroidhormone im Blut ist sehr gering, und die Halbwertszeiten im Organismus sind kurz. Man weist sie durch biologische Methoden, gaschromatographisch oder durch Radioimmunoassay im Serum und Urin nach, woraus die Steroide auch isoliert werden können. Zwecks renaler Ausscheidung über die Niere werden sie zu den wasserlöslichen Steroid-3glucuroniden und 3-Hydrogensulfaten (Steroid-Konjugate) metabolisiert. Auch in Insekten können Steroide zusammen mit dem Juvenilhormon eine Hormonwirkung in Form der Metamorphose entfalten. Als erstes Häutungshormon wurde das c-Ecdyson (Tab. 42.8) aus dem Seidenspinner Bombyx mori aufgeklärt (BUTENANDT u. KARLSON, 1954). Insekten können Steroide nicht selbst aufbauen; sie überführen das mit der Nahrung aufgenommene Cholesterol enzymatisch in c-Ecdyson.
42.5.4
Herzglycoside
Einige herzaktive Steroid-Wirkstoffe wurden als Glycoside (Saponine) bzw. Aglyca (Sapogenine, Genine) aus Digitalis-Arten wie dem roten Fingerhut (Digitalis purpurea) bzw. aus StrophanthusArten oder Maiglöckchen (Convallaria) isoliert. Beispiele sind Digitoxigenin und Strophantidin (Tab. 42.8). Diese Aglyca gehören zur Untergruppe der Cardenolide C23 mit einfach ungesättigtem i-Lacton-Ring an C-17. Zur Isolierung der als Phytopharmaka eingesetzten Inhaltsstoffe werden die Pflanzen mit Petrolether entfettet, anschließend mit 50 - 70 proz. Ethanol oder Essigester extrahiert und die Wirkstoffe durch Säulen-Chromatographie an SiO2 bzw. Al2O3 getrennt. Cardenolide wirken positiv inotrop, d. h. sie stärken die Kontraktionskraft des insuffizienten Herzmuskels. Die toxische Wirkung überwiegt bereits ab 1.5-facher Überdosierung.
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42.5
Übersicht der Steroidwirkstoffe
951
Bufadienolide (Tab. 42.6) sind C24-Steroide mit zweifach ungesättigtem f-Lacton-Ring an C-17. Sie kommen teilweise verestert in Krötengift (lat. Bufo = Kröte) und in den Rhizomen der Christrosen (Helleborus niger) vor. Cardenolide und Bufadienolide stammen biosynthetisch vom Pregnenolon und Progesteron ab.
42.5.5
Steroidsaponine
Wie alle Saponine entfalten auch die als sekundäre Pflanzeninhaltststoffe häufig vorkommenden Steroid-Saponine eine stark oberflächenaktive Wirkung. Sie destabilisieren, im Gegensatz zum Cholesterol, die Lipidschichten und zerstören die Membranen der roten Blutkörperchen (Hämolyse). Viele Saponine wirken antibiotisch, antimykotisch und insektizid. Saponin-haltige Pflanzenteile wurden von Ureinwohnern als Waschmittel und zum Fischfang benutzt, weil Saponine "fischgiftig" sind. Gemeinsames Strukturmerkmal der meisten C27-Steroid-Sapogenine ist eine mit C-16 und C-17 verbundene Spiroketal-Gruppe (Ringe E und F) sowie eine 3d-Hydroxy-Funktion, die eine Zukker-Kette bindet (Monodesmoside). Seltener als diese hexacyclischen Spirostane sind die pentacyclischen Furostane, die einen zusätzlichen Zucker-Rest binden können (Bisdesmoside). Diosgenin, das Sapogenin (Hydrolysat) des Saponins Dioscin aus mexikanischen DioscoreaArten, dient als Rohstoff zur Partialsynthese von Progesteron und anderen Steroid-Hormonen. Tigonin, das 5,6-Dihydro-Derivat des Diosgenins, ist ein Aglycon der Digitalis-Saponine. Das u. a. zu Steroid-Fällungen angewandte Saponin-Gemisch "Digitonin" aus den Samen des roten Fingerhuts Digitalis purpurea enthält etwa 40 % Digitonin. Digitonin ist ein stark schaumbildendes Pentasaccharid-Glycosid mit Digitogenin als Aglycon. Es ist im Gegensatz zu den Cardenoliden aus Digitalis nicht herzwirksam. Dioscin (Saponin, Glycosid)
HO CH3 HO
O
c-L-Rhamnopyranose
HO
E
OH
4
O HO
H O
d-D-Glucopyranose
A
2 1
c-L-Rhamnopyranose
O
H
D
O
H
H
O
H
F
O
17
Hydrolyse
H
/"2""c-L-Rhamnose "/"d-D-Glucose 3
H
16
O
H
H
HO Diosgenin (Sapogenin, Aglycon) Kurzschreibweise:
O OH H3C HO
O
H
1
OH
1/3
1/4
c-L-Rha/d-D/Glc/Diosgenin
O
H
2/1
c-L-Rha
O
H
HO H
H
OH
HO
H Digitogenin (Aglycon des Digitonins)
42.5.6
Steroidalkaloide
Steroidalkaloide sind biogenetisch vom Cholesterol abstammende, sekundäre Inhaltsstoffe einiger Pflanzen mit Cholestan-(C27)- oder Pregnan-(C21)-Grundskelett. Man unterscheidet die Aminosteroide mit Amino-Funktionen und die Azasteroide mit Stickstoff-Heterocyclen (Pyrrolidin, Piperidin, Indolizidin), welche die terpenoide Seitenkette an Ring D des Gonan-Grundskeletts enthalten.
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42 Terpene und Steroide
Holarrhimin aus Holarrhena-Arten ist z. B. ein Aminosteroid, exakt 3d,20-Diamino-5-pregnen, während das gegen Amöben wirksame Conessin aus derselben Pflanzenfamilie zugleich ein Amino- und Azasteroid der Pregnan-Reihe verkörpert. H3C HO
H2N
N H H
H H H2N
H
H (H3C)2N
(/)-Holarrhimin
H
(/)-Conessin
Azasteroide mit Cholestan-Grundskelett treten als Glycoside in Kartoffeln und Tomaten (Nachtschattengewächse, Solanaceae) auf. Blätter und unreife Früchte der Tomate und Kartoffel enthalten z. B. das insektizid wirkende Solanin (Saponin, Glycosid), während das zugehörige Aglycon Solanidin (Sapogenin) in den Kartoffelknollen und Trieben vorkommt. Dessen Dihydro-Derivat Demissidin soll die Wildkartoffel vor dem Kartoffelkäfer als Fraßfeind schützen. Solasodin und sein Dihydroderivat Tomatidin sind spirocyclische Aglyca der Saponine in den Blättern und unreifen Früchten der Wildtomate Solanum marginatum, die zwecks Gewinnung des Solasodins als Alternativ-Edukt zur Partialsynthese von Steroidwirkstoffen kultiviert wird. (/)-Solanidin (Sapogenin, Aglycon) H
H
d-D-Galactopyranose OH OH
HO O d-D-Glucopyranose
N
H H
(/)-Solanin (Saponin, Glycosid)
OH
HO
1
OH
2 1
H H
O
H
3
H3C HO
H
H
O Kurzschreibweise:
OH
N H
1
c-L-Rhamnopyranose O
H
H
HO
O
3
HO H
N
H
O
H
H
H
H
OH
1/3
1/3
d-D-Glc /d-D/Gal/Solanidin 2/1
c-L-Rha
H
(/)-Demissidin
H
H
-
O
H H
N
H
H
H
H
HO
H HO
(/)-Solasodin
N O H
H
H
H
(/)-Tomatidin
42.6 Exemplarische Steroidsynthese Viele natürliche Steroide wurden wegen ihrer Wirkungen durch Partial- oder Totalsynthese hergestellt. Eine r-Komplex-katalysierte Estrogen-Synthese wurde bereits in Abschn. 31.7.3 beschrieben. Abb. 42.6 skizziert eine gut nachvollziehbare Totalsynthese des racemischen Estrons 11 aus
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6-Methoxytetralon 1, das in der ersten Stufe ethinyliert wird. Katalytische Hydrierung des Alkinols 2 ergibt den Allylalkohol 3. Erhitzen in Chinolin dehydratisiert zum 1,3-Dien 4. Das 1,3-Dien cycloaddiert nach DIELS-ALDER mit p-Benzochinon als Dienophil zum tetracyclischen Cyclohexen-1,4-dion 5. Nach Reduktion der elektronenarmen CC-Doppelbindung und Schutz einer Carbonyl-Funktion als Dimethylketal wird die in 6 ungeschützte Keto-Funktion durch WOLFFKISHNER-Reduktion beseitigt und die geschützte Keto-Funktion wieder freigelegt. Die KNOEVENAGEL-Alkenylierung des resultierendenden Monoketons 7 mit Furan-2-aldehyd führt zum Enon 8, das anschließend am aciden CH in c-Stellung zur Carbonyl-Funktion methyliert wird. Die Oxidation spaltet das Enon 9 zur tricyclischen Dicarbonsäure 10, die thermisch zum racemischen Estron 11 nach dem Prinzip der DIECKMANN-Kondensation cyclodehydratisiert und decarboxyliert. Die Racemattrennung gelingt über diastereomere Ester mit (+)-Menthoxyacetylchlorid.
H
HO
O
HO
a
H
b
H 3CO
c
H 3CO
H3CO
1
d
H H3CO
H3CO
2
O
3
4
O
5 e
H
O
O H H
H
H
H
g
H
f
H
H H 3CO
H3CO OCH3
O
H3CO
8
H H3CO
7
O
6
h
O
O
O H
H
H
i
H H 3CO
H H3CO
9
O OH
H
H
j
CO2H
H H3CO
10
H
11
O
a) Li , H C C H
b) H 2 / Pd / C
c) Chinolin, Hitze
d)
e) 1. Zn / CH3CO2H ; 2. CH3OH / CH 3CO2H O
/
+
f) N2H4 , OH , Hitze, H3O
H , OH
g)
/
h) CH 3I / (CH3)2CO
/
i) 1. H 2O2 / OH ; 2. H 2 / Pd / C
+
/
j) PbCO3, 300°C ,C 6H 5NH 3 Cl
O O
Abb. 42.6. Totalsynthese des racemischen Estrons
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Namen-Reaktionen T. LAUE, A. PLAGENS, Namen- und Schlagwort-Reaktionen der Organischen Chemie, 4. Aufl., B. G. Teubner, Stuttgart, Leipzig, Wiesbaden, 2004; Named Organic Reactions, Wiley, Chichester, 2005
Nomenklatur D. HELLWINKEL, Die systematische Nomenklatur der organischen Chemie, 4. Aufl., Springer, Berlin, Heidelberg, 1998
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Polymere M. BRAHM, Polymerchemie kompakt – Grundlagen – Struktur der Makromoleküle – Technisch wichtige Polymere und Reaktivsysteme, S. Hirzel, Stuttgart, Leipzig 2004 B. VOLLMERT, Grundriß der Makromolekularen Chemie, 2. Aufl., Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 1980
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Wirkstoffe M. J. O´NEIL (und andere Hrsg.), The MERCK-Index, An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals, 13. Aufl., MERCK & Co., Inc., Whitehouse Station, N.J., 2001 A. GRINGAUX, Introduction to Medicinal Chemistry / How Drugs Act and Why, Wiley-VCh, Weinheim, 1996
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Sachregister
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Sachregister
Sachregister A Abbruchreaktionen der Photohalogenierung 42
Abgangsgruppe (Nucleofug) 71, 198 Abgas-Entgiftung durch Katalysatoren 33
Abietan(e) 931 Abietinsäure 932 ABS 920 Abschirmung(s) (NMR) 496 feld 496, 498
Abscisinsäure 929 Absorption(s) 476 banden 476 koeffizient 476
Acetaldehyd 93, 307 Synthese 239
Acetale 320, 847 Darstellung 313 Massenspektren 542
Acetamid 282 N,N-Dimethyl- 383 NMR, 1H- 504
Acetanhydrid Trifluor- 276 zur PERKIN-Reaktion 270
Acetanilid 387 Acetat-Seide 875 Acetessigester aus Diketen 300 Darstellung 286 Enol-Gehalt 304 Keto-Enol-Tautomerie 286 Natrium-Salz 302 Oxo-Enol-Tautomerie 303 Spaltung 303
Acetoacetyl-CoA 924 Acetolyse 198 Aceton 308 dinitrophenylhydrazon, -2,4- 323 Enol-Gehalt 304 HOCK-Synthese 345 Pyrolyse 300 UV-Spektrum 476
Acetonitril 278
Acetonylaceton 308 Acetophenon 308 Acetylamino-, p- 387 Darstellung 159 Dihydroxy-, 2,4- 318 Hydroxy-, p- 351
Acetylaceton 308 Enol-Gehalt 304, 498 Hexafluor- 618 NMR, 1H- 502 Keto-Enol-Tautomerie 339, 340 Metallchelate 615 NMR, 1H- 498
Acetylacetonate 340 Acetyl-CoA Siehe AcetylCoenzym A Acetyl-Coenzym A 416, 924 Acetylen Siehe Ethin -dicarbonsäurediester 112 Heterocyclisierung 649
Acetylessigsäureethylester Siehe Acetessigester Acetylnaphthalen, 1- und 2- 179 Acetylsalicylsäure (ASS) 350 Acidität, CHdes Cyclopentadiens 572 terminaler Alkine 91 Acidität, c-CHvon Carbonsäureestern 284 von Malonsäurestern 284 von Methyl-Gruppen 665, 692, 697, 704
Aconitsäure 826 Acridin(e) 681 Farbstoffe 726
Acridiniumgelb 726 Acridon(e) 681 Farbstoffe 734
Acrolein 307 3-Amino- 665 NMR, 1H- 523 3-Ethoxy-2-methylNMR, 1H- und 13C- 531 Dimerisierung 625
Acrylamide zur Reaktiv-Färbung 716
aus Oxiran 239 NMR, 1H- 523
Acrylsäure 262 Acylamino- 780 chlorid 276 ester 94
ACTH 812 Actinocin 816 Actinomycin(e) 727, 816 AcylGruppe 159, 264 Schutzgruppe 800, 863
Acylcarbene 441, 444 Acylhalogenide 276 Acylharnstoffe Siehe Ureide Acylierung des Benzens 141, 159 des Naphtalens 178 von Malonsäurediestern 302
Acylium-Ionen 159 Acylnitrene 374, 442 Acyloine Heterocyclisierung 648 Synthese 115, 628
Acylphenole, o- und p- 449 Adamantan 1-Chlor- 203 Synthese 118
AdamantoylSchutzgruppe 863
Additionen, elektrophile 187 an 1,3-Diene 1,2- und 1,4- 87, 188 an Alkene 64, 78 an Alkenylbenzene 147 an Alkine 93, 188
Additionen, nucleophile 285, 369 an benzokondensierte Sechsring-Heteroaromaten 694 an Carbonyl-Verbindungen 327, 331 an Pteridine 703
Additionen, radikalische 66, 88 an Alkenylbenzene 148
Acrylnitril 94
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Adenin 879 pK-Werte 885 Synthese 700
Adenosin 879, 883 -diphosphat 880 Methyl-, 1-, 2- und 7- 890 -monophosphat 879 -triphosphat 569, 883
Adipinsäure 262, 267 aus Cyclohexanon 267 -polyamide 752
Adjuvantien 914 ADP 880 Adrenalin 835 Aflatoxine 683 Aglykon, Aglyka 859, 933 Aktivester 799 der Proteinbiosynthese 893 HOBt- 799
Aktivierungsenergie 43, 154, 160, 162 bei enantioselektiven Reaktionen 258 Senkung durch Katalyse 61
Aktivierungsenthalpie freie molare aus NMR-Daten 506
Alamethicin 816 Alanin 294, 770, 773 absolute Konfiguration 770 Racemattrennung 252, 781
Alaninol 831 Alanylvalin Dipeptid-Synthese 799
Aldarsäuren Siehe Arsäuren Aldehyde 305 Acetalisierung 320 Alkenylierung 60, 327 Alkinylierung 333 Alkylierung 327 aus Acetalen 312 aus Alkenen 312 aus Carbonsäurehalogeniden 280 aus Diolen 312 aus Halogenalkanen 603 aus c-Hydroxycarbonsäuren 297 aus c-Oxosäuren 301 Bildung von Iminen 322 Bisulfit-Addition 322 Darstellung 309 Disproportionierung 326 durch Formylierung 313 durch NEF-Reaktion 311 durch Oxidation 309 mit DMSO 419
Sachregister
durch Reduktion 311 Homologisierung 333, 392 Hydrate 308 Hydratisierung 320 Hydroxy-, cdurch Cyanhydrin-Synthese 330 NMR, 1H-Verschiebung 499 Nomenklatur 305 Oxidation 336 Photoadditionen 561 physikalische Eigenschaften 308 Reaktionen 319 Reduktion 325, 337
Aldehyd-Keton-Isomerisierung 443 Alditole Siehe Polyole Aldofuranosen 849 Aldohexosen 842 Konfiguration 845
Aldol-Kondensation 329 Aldol-Reaktion 329, 335 gerichtete 330
Aldonsäuren Siehe Onsäuren Aldopyranosen 849 Aldosen 842 Alizarin 732, 733 Alkaloide 826 Amid- und Lactam- 836 Aporphin- und Proaporphin- 833 Berbin- 832 Bisbenzylisochinolin- 832 Carbazol- 830 Carbolin-, d- 830 China- 835 Chinolin- 834 Chinolizidin-, Indolizidin-, Pyrrolizidin- 829 Cyclopeptid- 836 Definition 826 Diterpen- 932 Indol- 829 IsochinolinBenzyl- 831 Isolierung 826 Morphinan- 833 Mutterkorn- 831 nicht heterocyclische 835 Phenylethylamin- 835 Phthalidisochinolin- 832 Piperidin-, Pyrrolidin- 827 Pyridin- 827 Steroid- 951 Strychnos- 830 Synthesen 839 Tropan- 827 Tryptamin- 829
Alkane 24 als Energieträger 37 aus Alkenen 34 aus Erdgas, Erdöl, Kohle 32 aus GRIGNARD-Verbindungen 36 aus Halogenalkanen 34 Cracking 85 Darstellung 34 durch KOLBE-Elektrolyse 36 Fluorierung 190 Formelschreibweise 24 homologe Reihe 24 industrielle Gewinnung 33 IUPAC-Nomenklatur 27 Konstitutionsisomere 26 Löslichkeit 30 Massenspektren 540 Molekülbau 30 n- und iso- 26 Trennung 30 Nitrierung 40 Photosulfochlorierung 40 physikalische Eigenschaften 29 Reaktionen 36 Schmelz- und Siedepunkte 29 Verbrennung 37 Verbrennungswärmen 37 verzweigte, Autoxidation 38 verzweigte, unverzweigte 26 WURTZ-Synthese 35
Alkanolate 221 Alkansäuren 260 Alkansulfonsäurechloride 51 Darstellung 40
Alkene 53 Additionen 61 aus 1,2-Dihalogenalkanen 59 aus 1,2-Diolen 438 aus Alkanen 57 aus Alkinen 57 aus Alkoholen 58 aus Carbonyl-Verbindungen 60 aus Halogenalkanen 59 aus Sulfonen 421 aus Thioethern 414 Cycloaddition, [2+2]- 69 Darstellung 57 Dihalogen-, 1,2- 254 Dihydroxylierungen cis- und trans- 65 Dimerisierung 69 Dipolmomente 56 durch HOFMANN-Eliminierung 386 durch TSCHUGAJEFF-Reaktion 409 durch WITTIG-Alkenylierung 328 durch d-Eliminierungen 58 Halogenierung 63
Aus E. Breitmaier, G. Jung: Organische Chemie (ISBN 3-13-541505-8) © Georg Thieme Verlag Stuttgart 2005 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!
Sachregister
homologe Reihe 53 Hydratisierung 64, 214 Hydrierwärmen 62 Hydroborierung 63, 215 Hydrohalogenierung 64 IR-Absorption 488, 489 Isomere (Z)- / (E)-, cis- / trans- 56 IUPAC-Nomenklatur 53 katalytische Hydrierung 34 Konfigurationsisomere 55 Beispiele 56 Konstitutionsisomere 53 Kopplungskonstanten, HH- 515 Metathese 69, 747 Molekülgeometrie 54 Molekülorbital-Modell 54 NMR, 1H-Verschiebung 499 Ozonolyse 66 PATERNO-BÜCHI-Reaktion 562, 624 Photohydrierung 566 Polymerisation 70 radikalische Addition 66 radikalische Substitution 67 Reaktionen 61 Schmelz- und Siedepunkte 56 substituierte durch HECK-Reaktion 68
Alken-Metathese 69, 114, 622, 747 Alkensäuren 260 Alkenylallylether Oxa-COPE-Umlagerung 237
Alkenylbenzene 146 Reaktionen 147 Reduktion 142 ringsubstituierte Synthese 148 Synthese 146, 147
Alkenylether Darstellung 234
Alkenyl-Gruppen 54 Alkine 89 aus Dihalogenalkanen 90 aus Tetrahalogenalkanen, 1,1,2,2- 91 cis-Hydrierung 57 Cyclotetramerisierung 95 Cyclotrimerisierung 95, 142 Eigenschaften 89 Halogenierung 92 homologe Reihe 89 Hydroborierung 92 Hydrocyanierung 94 Hydrohalogenierung 93 IR- und RAMAN-Spektren 493 IUPAC-Nomenklatur 89 Konstitutionsisomere 89
959
Molekülgeometrie 89 Naturstoffe 97 oxidative Spaltung 97 partielle Hydrierung 92 Reduktion 92 Synthesen 90 terminale als CH-Säuren 91 NMR, 1H-Verschiebung 499 oxidative Kupplung 97 Trimethylsilyl- 607
Alkinole 94, 333 Alkinsäuren 260 Herstellung 266
Alkinylbenzene Synthese 148
Alkinylide 91, 332 Alkinylierung von Carbonyl-Verbindungen 333, 953 von Halogenalkanen 91
Alkoholate 221 Alkohole 210 Acidität 349 als LEWIS-Basen 220 als Säuren 221 aus Alkenen 64, 214 aus Carbonyl-Verbindungen 217 aus GRIGNARD-Verbindungen 217 aus Halogenalkanen 218 aus Oxiranen (Epoxiden) 218 aus Trialkylboranen 216 Dehydratisierung 58, 225 Dehydratisierungstendenz 226 Dinitrobenzoate, 3,5- 223, 279 Enantiomere Inversion 396 Identifizierung 432 IUPAC-Nomenklatur 210 Nitroso-, i- 556 nucleophile Substitutionen 223 Oxidation 221 primäre aus Aldehyden 216 aus Carbonsäure-Derivaten 275 aus Carbonsäureestern 283 Oxidation 221, 267, 310 primäre, sekundäre, tertiäre 210 aus Aldehyden und Ketonen 327 aus Alkylmagnesiumhalogeniden 327 racemische Trennung 252 sekundäre aus Ketonen 217, 326
Oxidation 222, 316 Siedepunkte 212 tertiäre aus Carbonsäureestern 283 Veresterung 222 Wasserlöslichkeit 212 Wasserstoffbrücken 212
Alkoholintoxikation 214 alkoholische Gärung 214 Alkoxide 221 Alkylammonium-Salze 380 Alkylarylketone WILLGERODT-KINDLERReaktion 337
Alkylbenzene 138 aus Alkinen 142 aus Halogenbenzenen 142 Darstellung 142 Hydrierung 145 Kern-Substitution 143 Seitenketten-Oxidation 145 Seitenketten-Substitution 143 Synthesen 138 WURTZ-FITTIG-Synthese 153
Alkyl-Gruppen Beispiele 28 Nomenklatur 28 primäre, sekundäre, tertiäre 27
Alkylhalogenide Siehe Halogenalkane Alkylhydrogensulfate 64 Alkylhydroperoxide 38 Alkylierung C- 284, 302, 340 diastereospezifische 788 Nerschöpfende 384 O- 232 S- 412
Alkylierungsmittel 158 Alkyllithium-Verbindungen 598 Carboxylierung 600
Alkylmagnesiumhalogenide 34, 196, 313, 327 Carboxylierung 266 Komplexierung durch Ether 236 Reaktion mit Estern 283 zur Darst. von Alkoholen 217 zur Darst. von Thiolen 407
Alkyloxonium-Salze 221 Alkyl-Radikale relative Stabilität 49
Alkylsulfate n- und sekals Detergentien 920
Alkylsulfonate als Detergentien 920
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960
Alkyl-Verschiebungen anionotrope 1,2- 75, 441 kationotrope 1,2- 447
Alkylzinkhalogenide 295 REFORMATSKY-Reaktion 601
Allen(e) Darstellung 86 Enantiomere 249
Allose 843 aus Glucose 866
Allosterie 825 Allylalkohol(e) 208 enantioselektive Epoxidation 257
Allylbromide 189 Allylchlorid(e) 1-Chlor-2-propen Hydrolyse 208 c,c-DimethylSolvolyse 208
Allyl-Gruppe 54 Allylhalogenide 67, 186 Allyl-Kation 208 Allylphenol, o- 237, 452 Allylphenylether CLAISEN-Umlagerung 237, 452
Allyl-Radikale 67, 451, 466 mesomeriestabilisierte 189
Allylsilane SAKURAI-Reaktion 609
Allylvinylether Oxa-COPE-Umlagerung 452
Allyl-r-Komplexe 611 Aloe 735 Altrose 843 AMADORI-Umlagerung 862 Amanitin, c- 818 Amberlite 762 ambidente Reaktionen 296 Ameisensäure 262 als Reduktionsmittel 373 Herstellung 264
Amide 264 Amid-Mesomerie 504, 641 transannulare 631
Amidrazon(e) 711 Amine 367 aus Alkenen 368 aus Ammoniak 367 aus Carbonsäureamiden 371 aus Carbonyl-Verbindungen 372 aus Halogenalkanen 367 aus Nitro-Verbindungen 370 aus Oxiranen 369 Basizität 377 Substituenteneinflüsse 379
Sachregister
biogene 836 cyclische 620 Synthese 623 Darstellung 367 Di-, Tri-, Poly- 361 Diazotierung 380 durch Additionen 368 durch reduktive Aminierung 372 Enantiomere 364 Geruch 367 Inversion 364 Konstitutionsbestimmung 386 Molekülgeometrie 363 Molekülorbital-Modell 363 N-Alkylierung 384 N-Halogenierung 382 Nomenklatur 361 Phthaloyl- 368 physikalische Eigenschaften 365 Pikrate 380 primäre aus Nitrilen 371 aus Oximen 371 durch DELÉPINE-Reaktion 367 durch GABRIEL-Synthese 368 durch Reduktion 370 durch Umlagerungen 373 IR-Absorption 487 Phosgenierung 430 primäre und sekundäre N-Acylierung 383 primäre, sekundäre, tertiäre 361 durch reduktive Aminierung 372 Reaktionen 380 tertiäre N-Oxidation 381 Wasserstoffbrücken 365
Aminierung nucleophile 689
Amin-N-oxide 381 COPE-Eliminierung 386 Enantiomere 248, 365
Aminoacylasen. zur Racemattrennung 782
Aminoalkohole 787 Aminoalkylierung, dCH-acider Verbindungen 335
Aminoethanol aus Oxiran 239
Amino-Gruppe
(-)-M-Effekt 135
Aminoguanidin 436 Aminolipide 899 Aminolyse 198 Aminonaphtholrot 713
Aminoplaste 753 Aminosäuren 405 Abbaureaktionen 787 absolute Konfiguration 770 -Analyse 773 Dansyl- 775, 809 Derivate als chirale Auxiliare 788 Dinitrophenyl-, 2,4- 775, 809 Dissoziationsgleichgewichte 771 enantioselektive Synthese 258 essentielle 770 in Peptid-Alkaloiden 836 Komplexierung 784 mehrfunktionelle 773 N-Acylierung 786 N-Alkylierung und Arylierung 785 N-Trifluoracetyl- 775 n-butylester 776 physikalische Eigenschaften 773 Protein- 768 Racemattrennungen 252, 781 Reaktionen 783 Reduktion 787 ribosylester, -3´- 893 Schutzgruppen 800 Sequenz 789 Synthesen 776 enantioselektive 780 Trennung 773 Trifluoracetylierung 786 Veresterung 784 Zwitterionen 772
Aminosteroide 951 Aminozucker 844, 861, 866, 868 Ammoniak Alkylierung 368 Molekülgeometrie 18
Ammonium-iodid Diethyldimethyl- 384
Ammonium-Ionen quartäre 384 Umlagerungen 448, 450
Ammonolyse 198 amorph 22 AMP Siehe Adenosinmonophosphat Amphetamine 835 amphi- 175 Ampholyte 768, 921 Amylopektin Struktur 876
Amylose Struktur 875
Anabasin 827 Anabolika 950 Androgene 950
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Sachregister
Androstan(e) 944 Androsteron 950 Angelicasäure 926 Angiotensine 815 Anilin(e) 362, 367
(-)-M-Effekt 135 aus Halogenaromaten 168, 368 aus Nitrobenzen 370 Azo-Kupplung 402 Brom-, p- 427 Desaminierung 151 Diazotierung 397 Dimethyl-, N,N- 367 Azo-Kupplung 403 Nitrosierung 381 elektrophile Substitutionen 387 Ethoxy-2-nitro-, 41H-NMR 520 Fluor-, m- 371 Mesomerie und Basizität 378 Methyl-, N- 367 Methyl-N-nitroso-, N- 381 Nitrierung 161 Nitro-, o-, m-, p- 161, 387 Nitroso-, p- 450 zur Chinolin-Synthese 679
Anilinium-Salze 380 Anionen-Aktivierung 630 Anionenaustauscher 762 Anionotropie 75, 441 Anisol 232 m-Amino- 174
Anisotropieeffekte (NMR) 499 Annulen(e) 126 [10]- 583 1,6-Methano- 583 überbrückte 583 [14]Dihydrotetraaza- 617, 618 Pyren-und Anthracen-Typ 584 überbrückte 584 [16]Tetrabenzotetraaza- 618 [18]- 586 Diaza- 736 NMR, 1H-Verschiebung 500 Polyaza- 736 [n]- 582 Aza[10]-, überbrückte 708 Aza[17]- 707 heteroüberbrückte 587 Oxa[17]- 707 Anomere, c- und d- 849
anomerer Effekt 852 Anomerisierungen 849, 860 Ansa-Verbindungen 233
961
Antamanid 819 antarafacial 460, 466 Anthanthron 734 Anthocyanidine 684, 721 Anthracen 126, 175 Benzo[b]- 175 Brom-, 9- 181 Cycloadditionen, [4+2]- 182 Diphenyl-,9,10- 569 -epidioxide 565 Photodimerisierung 563 Reaktionen 180
Anthrachinon(e), 9,10- 181, 356 Amino- 732 Farbstoffe 728 Lichtabsorption 728 Synthesen 730 natürlicher Herkunft 735 Polyhydroxy- 732 substituierte Synthesen 732 Synthese 182, 358, 730
Anthranilsäure 371 Antiaromatizität 589 Antibiotika 835 Peptid- 816
Anticodon(s) 892 Antiklopfmittel 33, 594 anti-MARKOWNIKOW-Produkte 187 Antioxidantien 38, 907, 938 Apamin 819 Äpfelsäure 290, 826 Apiose 869 äquatoriale Substituenten am Cyclohexan 104
Äquivalenz chemische und magnetische 517
Arabinose 843 Homologisierung 855
Arachidonsäure 903 Arachinsäure 902 ARBUZOV-MICHAELIS-Reaktion 328 Arecolin 827 Arencarbonsäuren 260 Arene 128 aus Alkanen 130 aus Erdöl 129 aus Steinkohlenteer 129 Lichtabsorption 479 polycyclische 126, 175 Sulfochlorierung 425
Arenoxide 130 Arginin 770
Arine Abfangreaktionen 173 Zwischenstufen 172, 555
Arin-Mechanismus nucleophiler Substitutionen 172, 174, 346
ARNDT-EISTERT-Homologisierung der Carbonsäuren 269, 394
Arnika 930 Aromadendran(e) 930 Aromastoffe Hopfen 929 Pfefferminz 927
Aromaten Aza- 632 benzoide 126, 128 Nomenklatur 128 Umlagerungen 449 Hetero- 127, 632 kondensierte 126, 175 aus Erdöl 178 aus Steinkohlenteer 178 carcinogene 178 Reaktionen 178 nicht benzoide 126, 570 Verschiebungen 1H- und 13C- 580 polycyclische 126
Aromatisierung Photo- 564
Aromatizität 122, 570 Aromatizitätskriterien 126 NMR, 1H- 500
Aroxyl-Radikale 352 ARRHENIUS-Gleichung 46 Arsäuren 857, 858, 865 Lactone 858
Artabsin 930 Arylazide aus Aryldiazonium-Salzen 400
Arylazo-Gruppe 397 Arylcyanide 427 Aryldiazonium-Halogenide Mercurierung 398 SANDMEYER-Reaktion 397
Aryldiazonium-Ionen als Elektrophile 401 Mesomerie 397
Aryldiazonium-Salze Azo-Kupplung 401, 711 durch Diazotierung 397 ionische Spaltung 399 radikalische Spaltung 397 Reduktion 400 Verkochung 399
Arylendiamine 362
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962
Arylhalogenide 185 Eigenschaften 149
Arylhydrazine aus Aryldiazonium-Salzen 401
Aryl-Kationen 399 Arylmagnesiumhalogenide 153 Arylmethyl-Radikale 145 Aryl-Radikale 399 Ascaridol Darstellung 565
Ascorbinsäure 869 Synthese 870
Asparagin 770 -säure 770
Asphalt 33 Aspirin (ASS) 350 Astaxanthin 935 Asteran 118 Astraphloxin 718, 719 Astrazonrot 718 asymmetrische C-Atome 240 in Polymeren 758
asymmetrische Heteroatome 248 ataktisch 757 ätherische Öle Siehe etherische Öle Atomabstände 8, 524 Atomorbitale 2 Besetzung 4 entartete 4 Hybridisierung 9 Überlappung 5
ATP 883, 925 Atropin 828 Atropisomerie 249 Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons 2
Aufheller, optische 712 Aufspaltungsregeln (NMR) 510 Auramin T 724 Aureomycin 735 Autoxidation verzweigter Alkane 38 von Ethern 236
Auxiliare chirale 258, 788
Auxochrome 477, 710 Verteilungssatz der 729
Axerophthen 931 axiale Substituenten am Cyclohexan 104
Azaferrocen 658 Azasteroide 951 Azelainsäure 262
Sachregister
Azepan(e) 622 Azepin(e) Darstellung 705 Tetrahydro-7H- 625
Azet Tri-t-butyl- 626
Azetan(e) 622 Azide 405 Cycloadditionen 1,3-dipolare 649
Azidoameisensäureester Siehe Azidokohlensäureester Azidokohlensäureester 437 Azine 323, 632 Mesomerie 644
Aziran(e) 365, 369, 622, 625 Reaktionen 627 Synthese 623, 624
Aziridin Siehe Aziran Azirine 446 1H- und 2H- 704
Azlactone 778 Azoalkane als Radikal-Vorstufen 395 Darstellung 395
Azo-Aromaten (Azo-Arene) 401
Azobenzen Amino-, p- 403 Darstellung 405 Dialkylamino-4´-nitro-, 4-N,N713 Dimethylamino-, 4-N,N- 710 4´-nitro- 710 4´-sulfonsäure 403 Isomere cis- und trans- 401
Azobisisobutyronitril 395 Radikalstarter 742
Azocin(e) 708 Azodicarbonsäurediester Siehe Diethylazodicarboxylat Azo-Farbstoffe 401 chelatbildende 714 Entwicklungs- 714 Tautomerie 711
Azo-Gruppe 401 Azo-Kupplung 401, 711 nucleophile Kupplungsreagenzien 713 oxidative 711
Azole 632 1,2Synthese 654 1,3Synthese 655
durch 1,3-dipolare Cycloaddition 649
Azomethine 322 Azonin 707 Azoxybenzene WALLACH-Umlagerung 451
Azulen(e) 580 Isomerisierung 582 natürlicher Herkunft 588, 930 NMR, 13C- 580 Reaktionen 582 Synthese 581
B Backprozeß 387 BAEYER-VILLIGER-Oxidation 336, 447 Bakelite 353, 752 Baldrian 903, 930 Balsame 923 BALZ-SCHIEMANN-Reaktion 152, 400 BAMFORD-STEVENS-Reaktion 339 Bananen-Bindung des Cyclopropans 100
BARAKAT-Oxidation 288, 316 Barbiturate 434 Barbitursäure 676 Tautomere 434
BARTON-Reaktion 556 Basen 23 Basenpaare, Basenpaarung in Nucleinsäuren 885
Basenstapelung in Nucleinsäuren 888
Basenstärke 76 Basentripletts 892 Basketan 118 bathochrom 478 Baumwolle 874 Färbung 715, 734
BAYLIS-HILLMANHydroxyalkylierung 335 BECKMANN-Umlagerung 375, 446 Benzaldehyd 307 Amino-, 2- 398 Benzoin- und STETTER-Reaktion 331 Cyano-, 4- 310 Hydroxyo-, m-, p- 342 Hydroxy-5-methyl-, 2- 315 industr. Synthese 315 Methoxy-, 4- 313 Nitro-, 2- 310
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Sachregister
Nitro-, 3NMR, 1H- 517 -semicarbazon 324 Thiocyanato-, 2- 398
Benzamide 279 Benzanthron -Farbstoffe 734
Benzaurin 724 Benzen Allyl- 226 Di-r-Methan-Umlagerung 558 Arsa- 674 aus Ethin 95 aus n-Hexan 129 Bisma- 674 Bromierung, Chlorierung 157 Butyl-, n- 337 -Derivate nucleophile Substitutionen 167 Dinitro-, m- 136 Eigenschaften 130 elektrophile Substitution 154 Ethinyl- 148 Fluorierung 158 Hydrierwärme 121 Iodierung 158 mesomere Grenzformeln 122 Mesomerieenergie 122 Molekülgeometrie 119 Molekülmodelle 119 Molekülorbital-Modell 120, 123 Monohalogen- 150 Nitrierung 155 NMR, 1H-Verschiebung 500 oxid 705 Phospha- 674 Photocycloaddition 563 Stiba- 674 Sulfonierung 156 -sulfonsäure 157 Toxizität 130
Benzene AlkylMassenspektren 543 Kopplungskonstanten, HH- 515 mehrfach substituierte Darstellung 167 n-Alkylzur Synthese von Detergentien 919 substituierte Dipolmomente 131 durch BERGMAN-Cyclisierung 95 durch elektrophile Substitution 130 IR-Spektren 489
963
Lichtabsorption 477 NMR-Spektren, 1H- 515, 520 Nomenklatur 128 RAMAN-Spektren 493 Unterscheidung durch IR 489
Benzensulfinsäure 422 Benzensulfonate n-AlkylDetergentien 920
Benzensulfonsäure 2,3,4,5-Tetramethyl- 449 -chlorid, Triisopropyl- 895
Benzhydrole 566 Benzidine 376, 450 Benzidin-Umlagerung 377, 450 Benzil 308, 332 Dimethoxy-, 4,4´NMR, 1H- 517
Benzil-BenzilsäureUmlagerung 444
Benzimidazol(e) Synthese 655
Benzo[a]pyren 175, 178 Benzo[b]furan(e) Siehe Cumaron(e) Benzo[b]pyrrol(e) Siehe Indol(e) Benzo[b]thiophen(e) Siehe Thionaphthen(e) Benzochinon o- und p- 356 Darstellung 356 pDichlor-5,6-dicyano-, 2,3738 -dioxim 359 Tetrachlor- 738
Benzodiazepine 706 Benzodiazine elektrophile Substitutionen 696
Benzoesäure(n) 145, 260, 262, 828 amide 279 azid 280 Chlor-, 4- 267 Chlorperoxy-, m- 235 durch Oxidation 267 Hydroxy-, 2- und 4- 273 Nitrierung 166 Nitro-, 2- und 4- 273 Trihydroxy-, 3,4,5- Siehe Gallussäure
Benzoin 331 -Reaktion 332
Benzol Siehe Benzen Benzonitril
Benzophenanthren, 3,4- 175 Benzophenon(e) 281, 308 als Photosensibilisator 554 Brom-, 4Massenspektrum 547 Photoreduktion 566
Benzopyrylium-Salze Siehe Flavylium-Salze Benzothiazol(e) 655, 689 2-Methyl- 719
Benzotriazol(e) 655 1-HydroxyAktivester 799
Benzoxazol(e) 655 Benzoylchlorid 276, 279 3,5-Dinitro- 279
Benzylalkohol 167, 213 4-Hydroxy- 217 aus Benzylbromid 218
Benzylamin 2-Methyl- 371 N,N-Dialkyl- 450 N,N-Dimethyl- 373
Benzylbromid Siehe Bromtoluen, cBenzylether 238 Benzylhalogenide 186 BenzylidenSchutzgruppe für OH 863
Benzylisochinolin(e) Alkaloide Biosynthese 837 Synthese 841
Benzyl-Kation im Massenspektrum 543 Mesomerie 147
Benzyl-Radikal Mesomerie 144 Molekülorbital-Modell 144
Berberin 833 Berberitze 832 Bergamottöl 929 BERGIUS-Verfahren 32 BERGMAN-Cyclisierung 95 Bernsteinsäure 262 anhydrid (R,S)-Allyl- 289 imid Siehe Succinimid
Betaine 785 Betelnuß 827 Betulaprenole 938 Biacetyl (Butandion) 308 Biaryle durch GOMBERG-BACHMANNReaktion 398
2,4,6-Trimethyl- 277
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durch STILLE- und SUZUKIKupplung 197 durch ULLMANN-Reaktion 153
Bicyclo[4.4.0]decan Siehe Decalin
Bicyclo[5.3.0]decan 113 Bicycloalkanole 211 Bicylen 98 Bienengift 819, 911 Bienenhonig 872 Bienenwachs 910 Biere 214 Bilsenkraut 828 BINAP 940 Binaphthyle Enantiomere 249
BINDSCHEDLERs Grün 724 Bindungen CCNachweis durch NMR 530 CC-Doppel- 12 CC-Dreifach- 14 CC-Einfach- 12 CH- 12 Nachweis durch NMR 527 r- 13, 15, 54 cyclisch konjugierte 120 delokalisierte 120 u- 11, 12
Bindungsenergie Messung 8
Bindungslänge Messung 8
Bindungswinkel Messung 8
Bio-Diesel 906 Biolumineszenz 569 Biomembran 918 Biopolymere 874 Biphenyl(e) -carbonsäure, 2- 174 Dinitro-, 2,2´- 153 Enantiomere 249 Methoxy-, 3- 197
Biphenylen 555 Bipyridin, 2,2´- 673 Chelatligand 618, 686
BIRCH-Reduktion 112, 180, 583 Bisabolan(e) 929 Bisabolol 929 BISCHLER-NAPIERALSKI-Synthese der Isochinoline 680, 841
Bisdesmoside 951 Bislactimether 780 Bisulfit-Addukte der Aldehyde 322
Sachregister
Bis-r-allyl-nickel 611 Bitropyl 578 Bitterstoffe 923 BLANC-Chlormethylierung 131 Bleitetraacetat 227 zur Glycol-Spaltung 867
Blitzlicht-Photolyse 555 Blütenfarbstoffe 721, 935 Boc-Anhydrid 786 Boc-Schutzgruppe 800 Boldin 833 Bombykol 197 Boot-Konformer des Cyclohexans 102
Borkenkäfer 926, 927 Bornan Siehe Camphan Borneol 941 Borneol, endo-, exoEnantiomere 928
Boronsäure(n) 197 ester 864 Phenyl- 864
Bortrifluorid-etherat 235 BÖSEKEN-Reaktion 870 Boswellinsäure(n) 935 Bradykinine 815 Brechnußbaum 830 BREDERECK-GOMPPER-Synthese der Pyrimidine 676
BREDERECK-Synthese der Imidazole 648
BREDTsche Regel 74, 630 Breitbandentkopplung Protonen- (NMR) 526
Brenzcatechin 342 Brenzschleimsäure Siehe Furan-2-carbonsäure Brenztraubensäure 290, 299 Briefumschlag-Konformer des Cyclopentans 102
Bromalkane Darstellung 193
Brombenzen Aminierung 172 elektrophile Substitutionen 165
Bromcyan-Abbau von Peptiden 808
Bromcyclohexen, 3Darstellung 189
Bromdesulfonierung 427 Bromethan 64 Bromethen 188 Bromfluorbenzen, 2Dehydrobenzen-Vorstufe 181
Bromierung des Benzens 157 des Naphthalens 178 in Allyl-Stellung 189
Brommethan 201 Bromnaphthalen, c- 179 Bromonium-Ion 63, 81 Brompropan 1 und 2- 66
Bromsuccinimid, Nzur Bromierung 189
Bromtoluen, cDarstellung 189
Brosylate 198, 204 Brucin 250, 830 BUCHERER-Reaktion 347, 353 BUCHERER-Synthese der Aminosäuren 777
Bufadienolide 951 Bufotenin 829 Bulbocodin 833 Bullvalen 118, 452 Darstellung 564
BUNTE-Salze 407 Butadien, 1,3Addition, 1,2- und 1,4- 87 aus Acetaldehyd 330 aus Ethin 86 Bindungsdaten 82 chirales 259 Cycloaddition, [4+2]- 88 Cyclooligomerisierungen 613 Elektrocyclisierung 553 Elektronenzustände 454 Konformere s-cis- und s-trans- 84 mesomere Grenzformeln 83 Mesomerie 83 Methyl-, 2- 86 Molekülorbital-Modell 82, 454 Photoreaktionen 554 UV-Absorption 479
Butadiin Diphenyl- 149
Butan 2-Amino- 371 2-Brom-2-methyl- 202 2-Chlor-2-methyl- 192 2-MethylTerpen-Untereinheit 922 Konstitutionsisomere 26 n- 24 Konformere 32 n- und isoMolekülmodelle 26
Butan-2,3-diol 2,3-Dimethyl-
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Sachregister
Darstellung 220 Pinakol-Umlagerung 228
Butanal 307 (2S)-2-MethylCyanhydrin-Reaktion 331
Butandial 307 Darstellung 312
Butandiol, 1,3- 65 Butandion (2,3-) 308 dioxim Metallchelate 615, 618 UV-Spektrum 475
Butanol 1- 213 3-Methyl- 218 2- 213 2-Methyl- 213 3,3-Dimethyl- 75 3-BromKonfigurationsisomere 245 3-Methyl-2-phenyl- 218 Enantiomere 240, 241, 242
Butanon 308 1-Phenyl-2- 317 3,3-Dimethyl-2- 228
Butansäureethylester, 4-OxoSiehe Acetessigester Buten 1- 226 3-Brom- 189 1- und 2- 53, 73, 86, 386 22,3-Dimethyl- 75 2-Methyl- 76 cis- und trans- 57, 62
Buten-1-ol, 2- 213 Buten-2-on, 3- 308 Butenal, (E)-2- 307 Butenolide aus i-Oxosäuren 301
Butin, 1- und 2- 89 Butterfly-Mechanismus 235 Buttersäure 262 Brom-, d- 293 Chlorc-,d-, i- 273 i- 291 Methyl-, c- 267
Butylalkohol Siehe Butanol, 1Butylalkohol, t- Siehe Propanol, 2-Methyl-2Butylazidocarbonat, t- 437 Butylbenzen n- 141 t- 139
965
Butylbromid, t- Siehe Butan:2Brom-2-methylButylether, tDarstellung 234
Butylhalogenide, t- 186 Butylhydrazinocarbonat, t- 437 Butylhydroperoxid, tDarstellung 38
Butyl-n-propylether, n- 234 Butylphenylcarbonat, t- 431 Butylphenylether, t- 171 Butyraldehyd 307 Butyrolactam, i- 277, 299 Butyrolacton, i- 275, 298 Butyrophenon 141 C CAHN-INGOLD-PRELOGKonvention 241, 254 Calciumcyclamat Herstellung 426
Camphan(e) 923, 928 Camphen 941 Campher Enantiomere 928 sulfonsäure, -10- 941 Synthese 940
Campherbaum 928 Canadin 832 Cannabinoide 928 Cannabisativin 836 CANNIZZARO-Disproportionierung 326 Caprolactam, g- 375, 556, 626, 752, 785 Capronaldehyd 307 Capronsäure 261, 262 Caprylsäure 262 Capsanthin 935 Capsarubin 935 Carbamidsäure 431 -hydrazide 436 N-Alkyl- 374
Carbamidsäureester Siehe Urethan(e) Carbanionen 16, 173, 238, 284, 321 mesomeriestabilisierte 169, 325
Carbazol(e) Alkaloide 830 durch Photodehydrocyclisierung 560 partiell hydrierte 566 Synthese 655
Carben(e) Cycloadditionen [2+1]- 194, 390, 663 Dichlor- 194 Singulett- und Triplett- 17 Vorstufen 51, 108
Carben-Einschiebungen 390 Carbenium-Immonium-Ionen 335 Carbenium-Ionen 16, 58, 65, 228, 256, 345, 441 aus Alkoholen 223 bei SN1-Reaktionen 202 mesomeriestabilisierte 87, 147, 208, 666 Molekülorbital-Modell 72 nichtklassische 16, 941 relative Stabilität 72, 79, 203, 224
Carben-Komplexe 612 Carbide Hydrolyse 90
Carbinole 211 Carbodiimide 799, 894 Darstellung 440 zur Phosphorylierung 893
Carbokationen 16, 140 Carbolin, dAlkaloide 830
Carbonium-Ionen 16, 941 Carbonsäureamide 264, 277, 383 aus Carbonsäureestern 282 aus Carbonsäurehalogeniden 279 durch WILLGERODT-Reaktion 337 HOFMANN-Abbau 373 Reduktion 311
Carbonsäureanhydride 264 cyclische 277, 287 gemischte 276
Carbonsäureazide 264 aus Carbonsäurehalogeniden 280 CURTIUS-Abbau 374
Carbonsäure-Derivate 264 Hydrolyse 268 Reduktion 275
Carbonsäureester 222, 264, 391 Acidität, c-CH- 284 Ammonolyse, Aminolyse 282 aus Carbonsäurehalogeniden 279 durch BAEYER-VILLIGEROxidation 337 durch MITSUNOBU-Reaktion 396 Halogen-, y- 293
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966
Reduktion 283 Thiierung 417 ungesättigte c,d- 297 Verseifung 281
Carbonsäurehalogenide 264, 276 Alkoholyse 279 Ammonolyse, Aminolyse 279 Hydrazinolyse 280 Hydrolyse 278 nucleophile Substitutionen 278 ROSENMUND-Reduktion 280, 311 zur FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung 281
Carbonsäurehydrazide 264 aus Carbonsäurehalogeniden 280
Carbonsäuren Acidität 271 Substituenteneinflüsse 273 Aciditätskonstanten 271, 273 Allylester 271 Amino-, 2- 294 Amino-, i- und fLactambildung 277 aus Carbonsäure-Derivaten 268 aus Carbonsäurehalogeniden 278 aus GRIGNARD-Verbindungen 266 aus Malonsäurediestern 269 aus Nitrilen 268 aus primären Alkoholen 221, 267 Cyano-, 2- 294 Darstellung 264 Decarboxylierung 278 durch Carbonylierung 264 durch Carboxylierung 266 durch Oxidation 267 Geruch 263 Halogen-, c-, d-, i- 293 Halogenierung 276 Homologisierung 268 Hydroxy-, 2- 294, 295 Hydroxy-, cdurch Cyanhydrin-Synthese 330 Hydroxy-, c-, d-, i- 296 Hydroxy-, i- und fLactonbildung 275 Mono- und Di- 260 natürliche Herkunft 260 NMR, 1H- 497 Nomenklatur 260 Peroxy- 65 physikalische Eigenschaften 263 Reaktionen 274
Sachregister
Reduktion 275 Salze Nomenklatur 272 SCHMIDT-Reaktion 374 substituierte 290 c- 294 Substitution am c-C 292 Synthesen 145 ungesättigte c,d- 294, 297 durch KNOEVENAGELAlkenylierung 270 i,f- 271 Veresterung 274 Wasserstoffbrücken-Dimere 263
Carbonsäurethioamide 337 Carbonyl-Alkenylierungen 60, 327 PO-aktivierte 329 zur Monosaccharid-Synthese 856
Carbonyl-En-Reaktion 472, 940 Carbonyl-Farbstoffe 728 anellierte 734 natürliche 735
Carbonyl-Funktion Siehe Carbonyl-Gruppe Carbonyl-Gruppe 305 Bindungsdaten 306 Mesomerie 307, 319 Molekülorbital-Modell 306 Prochiralität 254 Reaktivität 319 Schutz 321, 626 Umpolung 321
Carbonylierung 264 Carbonyl-Umpolung 321, 332, 627 Carbonyl-Verbindungen 305, 545 durch BARTON-Reaktion 556 durch Glykolspaltung 227 durch Ozonolyse 66 Enolisierung 304 Massenspektren 545 reduktive Kupplung 60 i,f-ungesättigte 452
Carboxamide Siehe Carbonsäureamide Carboxy-Gruppe 260 Bindungsdaten 263 Mesomerie 263 Molekülmodelle 263 Molekülorbital-Modell 263 Schutz 800
Carboxylat(e) 272 Anion
Bindungsdaten 272 Mesomerie 273
Carboxylierung 266, 600 Carboxypeptidasen 808 Cardenolide 950 Caroten (Carotin) c- 935 d-,"d,d- 935 Lichtabsorption 479 Synthese 944 d,{- 935 {,{- 935
Carotenoide (Carotinoide) 935 Vitamin A-Vorstufen 935
CARROLL-Reaktion 939, 942 Catapinanden, Catapinate 631 Catechin Siehe Catechol Catechol 721 CD Siehe Circulardichroismus Cellithonscharlach 713 Cellobiose 871 Cellophan 875 Cellulose Acetyl- 875 DEAE- und CM- 875 Struktur 874 technische Gewinnung 874 -trinitrat 875 -xanthogenat 875
Cephalosporine 816 Ceramid 911 Cerebronsäure 904 Cerebroside 912 Channa 827 Charge-Transfer-Komplexe 154, 358 Chelat-Liganden 616 Beispiele 618 makromolekulare 765 N4- 618, 736
cheletrope Reaktionen 88, 109, 421 Chemilumineszenz 568 sensibilisierte 569
chemische Verschiebung (NMR) 496 C- 531 H- 499 Messung, Standard 496 Skala, f- 496 Struktureinflüsse 499 13 1
Chemotaxonomie der Pflanzen 826
Chinacridon 734 Chinarinde 834
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Sachregister
Chinazolin(e) Synthesen 682
Chinhydron 358 Chinin 250, 834 Chinizarin 732 Chinodimethen 697 Chinolin(e) Alkaloide 834 Alkyl-, 2- 323 Basizität 694 elektrophile Substitutionen 696 FRIEDLÄNDER-Synthese 680 Hydrierung 694 Methyl-, 2- und 4- 719 N-Oxide 696 nucelophile Substitutionen 695 nucleophile Additionen 694 SKRAUP-Synthese 679 Synthesen 679 Tetrahydro- 694
Chinolizidin(e) 698 Alkaloide 829
Chinolizin(e) 9aH- 698
Chinolizinium-Ionen und Salze Dehydro- 698 Ringöffnung 702 Synthese 699
Chinolperoxide 352 Chinone 351 Additionen 359 als Dienophile 359 als Oxidationsmittel 738 aus Anilinen 357 aus Arenen 181, 357 aus Phenolen 356 Carbonyl-Reaktionen 359 Cycloadditionen 359 Diimine 726 durch FRIEDEL-CRAFTSAcylierung 358 durch Oxidation 356 HOOKER-Oxidation 360 Nomenklatur 355 Photoadditionen 561 Reaktionen 358 Reduktion 358 Terphenyl- 735 zur Photodehydrierung 564
Chinonimin-Farbstoffe 725 Chinoxalin(e) 683 2,3-Dimethyl- 697
Chinucliden 630 Chinuclidin 205, 835 chirale Hilfsreagenzien 258 Chiralität 240 axiale 249
967
Detektion durch NMR 504 helicale 249 planare 249
chirogene Reaktionen 257 Chitin 877 Chitosan 877 Chloralhydrat 309 Chloralkane Darstellung 40 langkettige 919
Chlorameisensäureester Siehe Kohlensäureesterchloride Chloramphenicol 835 Chloranil 738 Chloranilin, o-, m-, p- 367 Chloranisol o- und m-, Aminierung 173
Chlorbenzen 149, 157, 171 (-)-M-Effekt 134 3-Fluor- 400 Hydrolyse 345 Nitroo- und p- 152 o-, m-, p- 162
Chlorethan 149 Chlorethen 93, 149 aus Ethin 188 Darstellung 188
Chlorethin 149 Chlorierung des Benzens 157
Chlorin 740 Chlorkohlenwasserstoffe (CKWs) 39 Chloroform Siehe Trichlormethan Chlorophyll a und b 740 Chloroplastin 567, 740 Chloropren 95 Chlorphenol m- 400 o-, m-, p- 342
Chlorsulfinsäureester 192 Chlortrimethylsilan nucleophile Substitutionen 606
Cholan(e) 944 Cholestan(e) 944 Cholesterol 944, 945 Cholsäure 947 Chondroitinsulfate 877 Chromen(e) 2H-, spirocyclische 720 4H- 721
Chromogen 710 Chromon(e)
Synthese 683
Chromophore 477 Nachweis 480
Chromoproteine 935 Chromosaccharide 721 Chromosomen 892 Chrysanthemol 926 Chrysanthemumsäure 926 Chrysen 175 Chrysoidin 715 Chrysophenin 712 Cinchona-Baum 834 Cinchonidin 250 Cinchonin 834 cine-Substitutionen 174 Cinnolin(e) 682 Benzo[c]- 560
CIP Siehe CAHN-INGOLDPRELOG-Konvention Circulardichroismus (CD) 474, 796 cis- oder (Z)- 55 cisoid Siehe s-cisCitral 926 Citronellal 613, 926 (R)-(+)-, Synthese 940 En-Reaktion 472
Citronellol 926 Citronensäure 826 Citrusdüfte 926 CKWs 39 CLAISEN-Esterkondensation 285 CLAISEN-Umlagerung 237, 452, 465 CLAR-Regel 127, 177 CLEMMENSEN-Reduktion 141, 182, 337 Cluster 21 Cocain 828 Cocastrauch 827, 828 Codein 834 Biosynthese 838
Codeinon 838 Codon 892 Coenzym Q10 937 Coffein 700 Colaminkephalin 911 Colchicin 588, 835 Collidin 672 Conessin 952 Congressan 118 Coniin 827 Synthese 840
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COPE-Eliminierung 386 COPE-Umlagerung 113, 117, 390, 452 Diaza- 653 entartete 452
Copolymere 766 Block-, Pfropf-, vernetzte 748 Polystyren-Divinylbenzen- 763
Copolymerisationen 749 Coptisin 833 Cordycepose 869 COREY-WINTERFragmentierung 438
Coronen 175 Corrin 740 Corrol 740 Corticoid(e) 949 Corticosteron 949 Cortisol 949 Cortison 949 COSY (NMR) CH-, HC- 527 HH- 525
COTTON-Effekt(e) 797 COULOMB-Kraft 20 Cracken 57 katalytisches 34 thermisches 34
CRAMsche Regel 331 CRIEGEE-Spaltung der 1,2-Diole 227
Crotonaldehyd 307 Crotonsäure 262 -nitril, d-Amino- 651
Crustaxanthin 935 Cryptanden, Cryptate 631 Cuban 118 Cumarin(e) Ringverengung 652 Synthese 683
Cumaron(e) 634 Nitrierung 668 Synthese 652
Cumen 128, 139 Hydroperoxid 344
Cumol Siehe Cumen Curare 832 CURTIUS-Abbau der Carbonsäureazide 374, 445, 608
Cyanamid 436 Cyanessigsäure 268 ethylester NMR, 13C- 535
Cyanhydrin(e) 295, 855
Sachregister
-Reaktion 330 Diastereoselektivität 331 -Synthese der Kohlenhydrate 855
Cyanide Siehe Nitrile Cyanidin 721 Cyanine 717 Cyanurchlorid Siehe Triazin, 2,4,6-TrichlorCycl[3.2.2.]azin 698 Cyclanone 305 Synthese 114
Cycloadditionen 65 [2+1]- 108, 390, 624 an Fünfring-Heteroaromaten 663 [2+2]- 69, 110, 460, 624 [2+2+1]- 95 [2+2+2]- 95 [3+2]- 624 [4+1]- 88, 625 [4+2]- 88, 111, 181, 460, 625, 667, 697 von Fünfring-Heteroaromaten 659 [5+2]- 113 [r2 + r2]- 460 [r2s + r2s] 461 [r4 + r2]- 460 [r4s + r2s] 461 1,3-dipolare 66, 392, 393 zur Synthese von Azolen 649 1,4-dipolare 698 symmetrie-erlaubte 461 symmetrie-verbotene 461 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln 461
Cycloalkancarbonsäuren 261 Cycloalkandiole cis- und trans- 65
Cycloalkane Bildungstendenzen 108 Enantiomere 247, 248 IR-Absorption 490 Isomere cis- und trans- 105, 247, 248 Konfigurationsisomere 105, 247 Konformation 99 meso-Formen 248 mittlere und große 105 Nomenklatur 98 physikalische Eigenschaften 99 Reaktionen 115 Ringatmungsschwingung (IR) 493 Synthesen 108
Cycloalkanole 211
Cycloalkanone 305 Photocyclisierung 559 Photodecarbonylierung 557 Synthese 627
Cycloalkene 98 durch Ringschluß-Metathese 114 Kopplungskonstanten, HH- 515
Cycloalkenine 464 Cycloalkine 98 Cycloaromatisierungen 95 Cyclobutadien 125, 589 AzaTri-t-butyl- 626 r-Komplex 612
Cyclobutan(e) Cycloreversionen 464 Dicyano-, 1,2- 110 Divinyl-, 1,2- 553 Ethenyl- (Vinyl-) 385 Hydroxymethyl- 444 Konformation 100 Methylen- 444 Molekülgeometrie 100 Molekülmodelle 100 Synthesen 110, 561
Cyclobutanol 116 Cyclobutanon 627 Cyclobuten(e) 553 Benzo- 557 bicyclische 559 Cycloreversionen 455, 464 durch Elektrocyclisierung 456, 458
Cyclodecan 105 Cyclodextrine 873 Cyclodiene, Cyclotriene durch Elektrocyclisierung 455
Cyclodiine, 1,3- 114 Cyclododecatrien 1,5,9-, all-trans- 114 centro-nickel(0)-Komplex 612
Cyclofarnesan(e) 929 Cyclohalbacetal-Formen der Glucose 848
Cyclohalbketale der Ketosen 849
Cycloheptadien, 1,4Synthese 113
Cycloheptadienon, 3,5Photofragmentierung 557
Cycloheptanol 117 Cycloheptanon 113, 308, 333 Cycloheptatrien, 1,3,5- 390 1,6-dialdehyd 708 Synthese 113
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Sachregister
Cycloheptatrienid-Anion 589 Cycloheptatrienium-Kation 125 Darstellung 575 Reaktionen 576
Cycloheptatrieniumoxid 575 Cyclohepten 113 Cyclohexa-2,5-dienone 4-4-Dialkyl- 445
Cyclohexadien(e) 1,4- 112 5-Methylen-1,3- 469 durch Elektrocyclisierung 458
Cyclohexan(e) aus substituierten Benzenen 112 Boot- (Wannen-) Konformere 102 Brom- 115, 192, 223 Darstellung 111, 145 Dibrom-, 1,2-trans- 105, 115 disubstituierte 1,2-, 1,3-, 1,4- 106 Halbsessel-Konformere 103 Isomere cis-(Z)- und trans-(E)- 106 Konformation 102 Kopplungskonstanten, HH- 514 Methoxy- 233 Molekülmodelle 103 Photooximierung 556 Ringinversion 104, 506 Sessel-Konformere 102 Twist-Boot-Konformere 103
Cyclohexan-1,3,5-trion trioxim 351
Cyclohexandiol cis-und trans-1,2- 219
Cyclohexandion 1,2- 316 1,42,3,5,6-Tetrabrom- 359
Cyclohexanol 213 1-Ethinyl- 333
Cyclohexanon 308 Allyl-, 2- 325 Chlor-, c- 447 Dimethyl-, 2,2- 228 -oxim 324, 375 Trimethylsilylenolether 325
Cyclohexen(e) Alkoxy-4-aldehyd, 3- 259 Bromierung 115 Darstellung 88, 111 Dimethyl-, 1,2- 226 Massenspektren 544 oxid 219 Piperidino-, 1- 324 Trimethylsilyloxy-, 1- 325
969
Vinyl-, 3- 553
Cyclohexenon, 2Massenspektrum 544
Cyclohexylamine primäre, sekundäre, tertiäre 372
Cyclohexylbenzen 139 Cyclononan Aza- 707
Cyclononatetraenid-Anion 578 Cycloocta-1,3,6-trien 469 Cyclooctadien, 1,5- 114 Cyclooctan 105 Cyclooctandiol cis-1,4- 117 trans-1,2- 117
Cyclooctanon 117 Cyclooctatetraen 125, 577 aus Ethin 95 -diid, Dianion 125, 577 Dimere 707
Cyclooctin 173 Cyclooligomerisierungen 113 Cyclopentadien DIELS-ALDER-Reaktion 112 Dimer 118 Methyl-, 1- und 2- 451
Cyclopentadienid-Anion 125 Darstellung, Reaktionen 572 Hetero-Analoga 642
Cyclopentadienylide 574 Cyclopentan Briefumschlag-Konformere 102 carbonsäureester 447 Molekülgeometrie 102 Phenyl- 197 Synthesen 111
Cyclopentanol 213, 444 Ethyl-, cis- und trans-3- 203 Methyl-, trans-2NMR 13C- 530 1H- 524
Cyclopentanon 308 2-Ethoxycarbonyl- 111 Darstellung 286
Cyclopenten 111, 444 Cyclopentenon(e) durch NAZAROVCyclisierung 336 durch PAUSON-KHANDReaktion 95
Cyclophane Enantiomere 249
Cyclopolyene antiaromatische 588 cyclisch konjugierte Aromatizität 125
r-Komplexe 611
Cyclopropan 1-Brom-2-methyl- 247 carbonsäure 110 Molekülgeometrie 99 Molekülmodelle 99 NMR-Daten 13C- 534 1H- 506 Synthesen 108 Vinyl- 111, 113, 558 WALSH-Modell 100
Cyclopropanierung 194 Cyclopropen Synthese 109 Tetrachlor- 112
Cyclopropenium-Kation 125, 570 Struktur 571
Cyclopropyl-Allyl-Umlagerung 116 Cycloreversionen 455, 460, 464, 940 [r4s + r2s] 465
Cyclotetradeca-1,3-diin 114 Cystein 407, 770 absolute Konfiguration 771 Acetyl-, N- 786 -säure 775, 787
Cystin 771, 773, 794, 823 absolute Konfiguration 771 in Insulin 815
Cytidin 883 Cytisin 829 Cytosin 880 1-Acetyl-, 1-Methyl- 890
D DABCO 335 Dammar-24-en, (/)-3d,12d,20S-triol 933 Dammaran(e) 933 Dansylchlorid 775, 809 DARZENS-Reaktion 622 Davidstern-Schwingung (IR) 493
DCC 440 DDQ 738 DDT Synthese 141
DEAD 396 Decalin, cis- und trans- 98 aus Naphthalen 178, 180 Molekülmodelle 107
Decan 24 2-Methyl- 35
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970
Decanol 1- 213
Decarboxylierung 269, 293, 300 HUNSDIECKER- 193, 278
Decensäure (E)-9-Oxo-2- 904
Deformationsschwingungen (IR) 483 Dehydratisierung 71 bimolekulare 231 E1-Mechanismus 71 monomolekulare 71 von 1-Phenylalkanolen 146 von Alkoholen 58, 225
Dehydratisierungstendenz von Alkoholen 58
Dehydrierungen aromatisierende 178
Dehydrobenzen [4+2]-Cycloadditionen 181 Zwischenstufe 172, 555
Dehydrohalogenierung 71 basenkatalysierte 59 Regioselektivität 76 Stereoselektivität 78 von 1-Phenylhaloalkanen 146 von Alkenen 76 von Halogenalkanen 59
Dehydromatricariasäure methylester 97
DELÉPINE-Reaktion 367 Delphinidin 721 Demissidin 952 DEMJANOW-TIFFENEAUUmlagerung 117 DEMJANOW-Umlagerung 116, 444 Deoxycholsäure 947 Deoxycytidin-5'-phosphat Synthese 896
Deoxy-D-ribose, 2- 868, 879 polyphosphatDNA-Rückgrat 886
Deoxyribonucleinsäuren 880 Denaturierung 889 Doppelhelix 886 Knäuel-Strukturen 890 Replikation 892 Schmelzpunkte 890 UV-Spektroskopie 889
Deoxyzucker 866, 868 Depolymerisationen 761 Depsipeptide 817 DEPT (NMR) 527 Designer-Drogen 835 Destillation, fraktionierte 33
Sachregister
Detergentien 425, 901, 902 industr. Synthese 918
Deuterium-Austausch 693 NMR 522, 853
Deuterium-Markierung 75, 597 DEWAR-Benzen 589 Synthese 123
DEWAR-Formeln des Benzens 122
Dextrane 876 Dextrine 876 Diacetyl (Butandion) 308 Diacylperoxide 51, 264, 279 Radikalstarter 742
Dialdehyde 307, 339 Dialkylcarbonate Siehe Kohlensäureester Dialkylmagnesium 196 Dialkylmalonat-Anion mesomere Grenzformeln 284
Dialkylnitrenium-Ionen 375 Dialkylphosphonate 328 Dialkylsulfate als Alkylierungsmittel 232, 412
Dialkylsulfide Siehe Thioether Diamine aus Aziran 369
Diaminobiaryle, 4,4'- 376 Diaminoethan, 1,2- 365 Diaminohexan, 1,6- 365 Diaminopropan, 1,3- 365 Diarylhydrazine, 1,2- 376 Diaryltriazen(e) 402 -Azobenzen-Umlagerung 403
Diastase 871 Diastereomere 245, 845 Diastereomerenüberschuß 259 Diastereoselektivität 259, 331 Diastereotopie 254, 504 Diaza-COPE-Umlagerung 452 Diazen 62 Diazepam 706 Diazepine 1,2-, 1,3-, 1,4-, Benzo- 706
Diazine Basizität 686 nucleophile Substitutionen 690 Synthesen 676
Diazirine 388 Diazoalkane als 1,3-Dipole 649 als Alkylierungsmittel 390 aus Harnstoff-Derivaten 388 Cycloadditionen 1,3-dipolare 392, 649
Darstellung 388 Mesomerie 388 Reaktionen 389
Diazocarbonsäureester 392 Diazoessigsäureethylester 393, 679, 787 Dimerisierung 393
Diazohydroxide 402 Diazoketone 269, 444 Darstellung 394
Diazomethan 17, 388 Darstellung 389 Thermolyse 51 zur Homologisierung 268, 333, 392 zur N-Methylierung 384 zur O-Methylierung 233, 350, 391
Diazonium-Hydroxide 402 Diazonium-Salze 152, 172, 380 Diazotate 402 Diazotierung 380, 397 Diazo-Verbindungen Carben-Vorstufen 108
Dibenzenchrom Elektronenkonfiguration 610
Dibenzoylperoxid 279 Dibenzyl 139 Dibrombenzen o-, m-, p- 166
Dibrommethan 194 Dibutylether, -t- 233 Dibutylpyrocarbonat, -t- 786 Dicarbonsäureimide cyclische 287 NH-Acidität 287
Dicarbonsäuren Acidität 274 Decarboxylierung 287 intramolekulare Dehydratisierung 287
Dicarbonyl-Verbindungen 1,2Heterocyclisierung 647, 677, 683, 702 1,3Heterocyclisierung 647, 672, 674, 676, 680 Oxo-Enol-Tautomerie 340 1,4Heterocyclisierung 646, 648
Dichlordifluormethan 190 Dichlorethan, 1,2aus Oxiran 239
Dichlorethen 1,2-, Konfigurationsisomere 56
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Sachregister
Dichlormethan 39 Dicyanamid 436 Dicyclohexylcarbodiimid 419, 440 DIECKMANN-Esterkondensation 111, 286 Diederwinkel Siehe Interplanarwinkel DIELS-ALDER-Reaktionen 88, 111, 173, 460 enantioselektive 259 mit Chinonen 359 mit inversem Elektronenbedarf 112, 464 mit Maleinsäure-Derivaten 289 neutrale, normale 463 Stereospezifität 257, 463
Diene 1,2- 82 Darstellung 86 1,3- 82 Additionen, 1,2- und 1,4- 87 aus Alkanen 85 aus Diolen 86 Cycloadditionen 88 IR-Absorption 489 Konformere 84 Photocyclisierung 458 Photodimerisierung 563 Polymerisation 88 1,4-, 3,3-DialkylDi-r-Methan-Umlagerung 558 1,5COPE-Umlagerung 451 isolierte 82 konjugierte (1,3-) 82 Darstellung 85 kumulierte (1,2-) 82 Darstellung 86 terminale Ringschluß-Metathese 114
Dienon-Phenol-Umlagerung 347, 445 Dienophile elektronenarme 112, 289
Dien-Polymere 88 Dieselkraftstoff 33 Diethylacetale Diastereotopie 254
Diethylamin 365 Diethylazodicarboxylat zur MITSUNOBU-Reaktion 396
Diethylenglykol aus Oxiran 239
Diethylether Darstellung 231
971
Konstitutionsisomere 230 d,d'-Dichlor- 231
Diethylsulfoxid 417 Difluormethan 186 Digitalis-Saponine. 951 Digitonin, Digitogenin 951 Digitoxigenin 950 Digitoxose 868 Dihalogenalkane, 1,2Darstellung 187
Dihalogenalkene, 1,2Darstellung 188
Dihalogenbenzene Darstellung 150
Dihalogencarbene Bildung 194
Dihalogencyclohexane trans-1,2Konformere 105
Dihalogenmethane Darstellung 194
Dihydronaphthalen aus Naphthalen 180
Dihydropyran Konstitutionsisomere 229
Dihydroxyaceton 862 Dihydroxylierungen von Alkenen 65
Diimine Diaza-COPE-Umlagerung 452
Diine 1,3Heterocyclisierung 651 Darstellung 149 c,y- 97
Diiodmethan 194 Diisopropylcarbodiimid, N,N'799 Diketen 300 Diketone 307 1,2- 316 1,3- 339
Dimethylallylpyrophosphat, i,i925 Dimethylamin 365 N-Nitroso- 381
Dimethylether 212 Molekülmodelle 230
Dimethylsulfat 222 zur O-Methylierung 350
Dimethylsulfoxid 417 als Oxidationsmittel 419
Dinitrobenzen o-, m-, p- 164
Dinitrofluorbenzen
2,4- 170
Dinitrophenol, 2,4- 342, 346 Dinitrophenylhydrazin 2,4- 168
Dinitrophenylhydrazone 2,4- 323
Di-n-propylamin 365 Diole 210 1,2aus Aldehyden oder Ketonen 220 aus Alkenen 219 aus Halohydrinen 219 aus Oxiranen (Epoxiden) 219 COREY-WINTERFragmentierung 438 Pinakol-Umlagerung 228 Spaltung 227 1,3- 65 doppelte Dehydratisierung 86
Diolen 766 Dioscin, Diosgenin 951 Dioxan, 1,4Darstellung 232 Konstitutionsisomere 229
Dioxetandion, 1,2- 569 Dioxin, 1,4- 622 -Derivate durch Photocycloaddition 564 Dibenzo[b,e]- 229
Dioxolan(e), 1,3- 626 Dipeptide 254 Synthese 799
Diphenole 751, 754 Diphenylcarbazid 437 Diphenylethan, 1,1- 139 Diphenylmethan 139 Darstellung 143 -Farbstoffe 722
Dipolarophile 649 Dipol-Dipol-Wechselwirkung 20 Dipolmoleküle 20 Dipolmoment 19 der Pyranosen 852
Dipyrrylmethan(e), 2,2´- 666, 738 Disaccharide 871 Disproportionierung CANNIZZARO- 326 von Makroradikalen 743 von Radikalen 42
disrotatorisch 456 Dissymmetrie Siehe Chiralität
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Disulfid(e) 410 -Brücken in Polypeptiden 794 Darstellung 414 Reaktionen 415
Disulfone 410 Diterpene acyclische 931 monocyclische 931 polycyclische 931 Synthesen 941
Dithian(e), 1,3- 321, 626 als Synthesereagenzien 628 Metallierung 627
Dithian, 1,3-, 2-yl-aldopyranosen 861
Dithiocarbonsäuren 416 aus Alkylmagnesiumhalogeniden 416
Dithiokohlensäure-Derivate 439 Dithiolan(e), 1,3- 626, 627 Divinylether 231 Divinylketon(e) 308 NAZAROW-Cyclisierung 336
Di-r-Methan-Umlagerung 558 DMA 383 DMAP Acylierungskatalysator 685
DMF 383 DMSO 417 DNA, DNS 880 Dodecahedran 118 Dodecan n- 24
Dopa 780 Dopamin 837 Doppelbindungen CCMolekülorbital-Modell 13 isolierte 82 konjugierte 82 kumulierte 82 partielle 82
Doppelbindungsäquivalent 519 Doppelhelix der DNA 886
Doppelresonanz (NMR) 523 DÖTZ-Reaktion 183, 614 Drehung, spezifische 240 DREIDING-Stabmodelle 25 Dreifachbindung CCin Arinen 173 Molekülorbital-Modell 15
Dreiringe heterocyclische 624
Sachregister
Synthesen 109, 390, 624
Dreizentren-Bindung 592 Duftstoffe 923 Blüten 929 Citrus 926 Maiglöckchen 929 Orange 927 Pfefferminz 927 Rosen 926 Synthesen 938 Tannennadeln 927 Veilchen 942
Dynamit 223 E Ecdyson, c- 950 Ecgonin 828 Ecstasy 835 EDA-Komplexe 358 Edeltannenzapfenöl 927 EDMAN-Abbau der Peptide 810
EDTA 616 Eibe 932 Eicosan 24 Einbrennlacke 755 Einfachbindungen CCfreie Drehbarkeit 30 Molekülorbital-Modell 12
Einschlußverbindungen 631 ekliptisch (verdeckt) 31 Elaidinsäure 903 Elastomere 760 ELBS-Reaktion 183 Elektrocyclisierungen 455 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln 457
Elektronegativität 18 Elektronen(-) Anregung 476, 550 nr*- 476, 710 nu*- 476 rr*- 454, 476, 710 uu*- 7, 477 austauscher 763 konfiguration 4 Spektroskopie 474 spin 4 Übergänge 476, 551 zustände im Atom 1
ElektronenpaarAkzeptoren und Donoren 131
Elektronenspin-Resonanz 474 Elektrophile 23, 154
harte und weiche 196
Eliminierungen, d- 59, 71 alkenbildende 58 basenkatalysierte 76 bimolekulare 76 E1-Mechanismus 71 E2-Mechanismus 76 Ei-Mechanismus 386 konzertierte 76 Regioselektivität 74 Stereoselektivität 77
Ellipticin 830 Emodine 735 Enamine 324 cyclische 629
enantiofaciale Seiten 257 Enantiomere 240 der Amin-N-oxide 248 der Cycloalkane 247 der Silane 248 der Sulfinsäuren 423 der Sulfoxide 417 der Tetraalkylammonium-Salze 248 der Trialkylsulfonium-Salze 413 mit mehreren Asymmetriezentren 245, 246 ohne Asymmetriezentren 248 Trennung 250
Enantiomeren-Überschuß 257 enantiomeric excess, e.e. Siehe Enantiomeren-Überschuß enantiomorphe Kristalle 250 Enantioselektivität 257 Enantiotopie 254 Endiine BERGMAN-Cyclisierung 95
Endiol(e) 869 Endopeptidasen 808 endotherme Reaktion 43 Energieeigenwerte 2 Energiegewinnung 37 Energieträger fossile 32
Enine 86, 93, 94 Enol(e) 92, 210 -Tautomer 286 chemischer Nachweis 304 NMR-Nachweis 498
Enolat(e) Silyl- 271
Enolat-Anionen 284, 325 Enolether 329, 391 cyclische 229 Darstellung 234 Silyl- 606, 608
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Sachregister
Enone 563 Enophil 68, 472 En-Reaktion 68, 289, 471 intramolekulare 472 Stereospezifität 472
Enterobactin 786 Entschirmung (NMR) 498 Entschwefelung von Thiophen-Derivaten 664
Entwickler zur Fotographie 352
Enzyme aktive Seite 823 Klassifizierung 820
Enzym-Substrat-Komplex(e) 823, 847 Eosin 724, 727 EPC-Synthese 258 Ephedrin 835 Epibatidin 827 Epidioxide 565 Epimere 246, 845 Epimerisierungen 845, 865, 866 Episulfide Siehe Thiirane Epoxide Siehe Oxirane Epoxidharze 754 Erdgas 33 Erdöl 32 -Fraktionen 33
Eremophilane 929 Ergobasin 831 Ergolin-Alkaloide 831 Ergostan(e) 944 Ergosterol 945 Ergotamin 831 ERLENMEYER-Synthese der Aminosäuren 777
Erstsubstituenten am Benzen aktivierende und desaktivierende 136 dirigierende Wirkung 136
erythro- und threo- 245, 846 Erythrogensäure 97 Erythromycin A 869 Erythrose 245, 843 ESR 474 Essigester Siehe Essigsäureethylester Essigsäure 262 aktivierte 924 Alkyl- 269, 278 amid 282 Brom- 291 Chlor- 291, 292 Dichlor- 291
973
Dichlor-, Trichlor- 273 Fluor- 291 Halogen- 273 hydrazid 280 Iod- 291 N-Methylguanidyl- Siehe Kreatin PhenylNMR, 1H- 496, 497 Trichlor- 291
Essigsäureethylester 222 CLAISEN-Esterkondensation 286
Ester 222, 264 durch BAEYER-VILLIGEROxidation 336 Poly- 750
Estradiol 950 17c-Ethinyl- 950
Estran(e) 944 Estriol 950 Estrogene 950 Estron 950 Synthese 614, 952
ETARD-Oxidation 310 Ethan 24 Bindungsdaten 12 Konformere 31 Molekülmodelle 12 Molekülorbital-Modell 12 Verbrennung 37
Ethanal 307 Ethandial 307 Ethandiol, 1,2- 213 aus Oxiran 239
Ethandion, Diphenyl- 308 Ethanol 212, 213 Amino-, 2- 369 Brom-, 2- 64 durch alkoholische Gärung 214 Hydroxyphenyl-, p-, 1- 217 industr. Synthese 214 IR-Spektren 491 Molekülmodelle 230 Phenyl-, 1Enantiomere 256 Phenyl-, 1-, (R)- und (S)- 396 Prochiralität 253
Ethanolyse 198 Ethen 53, 57 Darstellung 57, 58 Dichlor-, 1,2-, cis- und trans- 57 Elektronenzustände 453 Molekülgeometrie 13, 54 Molekülmodelle 13, 54 Molekülorbital-Modell 13, 54, 453 Tetra-i-propyl- 60
Ether 229 als LEWIS-Basen 235 als Schutzgruppen 238 aus Alkoholaten 232 aus Alkoholen 231 aus Halogenalkanen 232, 233 Autoxidation 236 cyclische 229, 620 Darstellung 64 durch MITSUNOBU-Reaktion 396 Eigenschaften 230 IR-Absorption 487 Nomenklatur 229 Reaktionen 235 Spaltung 236 Umlagerungen 237 WILLIAMSON-Synthese 232
Etherhydroperoxide (Etherperoxide) 236
etherische Öle 923 Ethin 89 Carboxylierung 94 Dimerisierung 86, 94 Hydratisierung 93 industr. Synthese 38, 90 Molekülgeometrie 14 Molekülmodelle 14 Molekülorbital-Modell 14 Molekülschwingungen 484
Ethinylethylether 234 Ethinylierung von Carbonyl-Verbindungen 94, 942
Ethyl-1-butenylether 234 Ethylacetat 222 Ethylalkohol Siehe Ethanol Ethylamin 365 Ethylbenzen 139 Darstellung 159 Seitenketten-Halogenierung 143
Ethylen Siehe Ethen Ethylendiamin 365 -tetraessigsäure 784
Ethylenimin Siehe Aziran Ethylmethylketon 308 Ethylmethylsulfid 412 Ethyloxonium-chlorid 220 Ethylxanthogenat 439 Eucalyptusöl 927, 930 Eudesmane 929 Eudesmol (+)-c-, (+)-d- und (+)-i- 930 epi-i- 930
Evolution 771 Exaltolid 298 Exopeptidasen 808
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exotherme Reaktion 43 Extinktion Siehe Absorption EYRING-Gleichung 505 F Faltblattstruktur von Peptiden und Proteinen 795
Farbe und Lichtabsorption 709
Farbindikatoren 725, 727 Farblacke 715, 733 Farbphotographie 720 Farbstoffe 709 Acridin- 726 Azin- 726 Azo- 401, 711 Bauprinzip 709 Beizen- 715, 733 Carbonyl- 728 Chinon- 728 Chinonimin- 725 Cyanin- 717 Diphenylmethan- 722 Dispersions- 712 Entwicklungs- 714 Ionenaustausch- 713 Küpen- 733 Phenoxazon- 727 Phenyloge Methinund Azamethin- 722 Anwendungen 726 Phthalein- 725 Polyaza[18]annulen- 736 Polymethin- 717 Reaktiv- 715 Substantiv- 712 Triphenylmethan- 722 Xanthen- 725
Färbung Phthalogen- 739
Farnesan(e) 929 Farnesol 929 Synthese 939
Farnesylpyrophosphat 925 Faulbaumrinde 735 FAVORSKII-Umlagerung 447 FCKWs 190 FEHLING-Reagenz 336 FEIST-BENARY-Synthese der Furane 648
Fenchan 928 Fenchel 928 Fenchol, Fenchon Enantiomere 928
Ferrocen Aza- 658 Elektronenkonfiguration 610
Sachregister
elektrophile Substitutionen 575 Molekülorbital-Modell 592 Sandwich-Struktur 574
Festphasen-Synthese kombinatorische 806 von Peptiden 804 von Pyrazolen 764
Fettblau 724 Fette 282, 899 Härtung 906
Fettsäuren 282, 899 Analytik 907 essentielle 904 gaschromatographische Trennung 909 gesättigte unverzweigte 902, 905 verzweigte 903, 905 Hydroxy- 904 Kurzschreibweisen 899 Länge 915 physikalische Eigenschaften 904 Polyen- 903 ungesättigte Autoxidation 907 cis- und trans- 904 cis-trans-Isomerisierung 908 Kurzschreibweise 903 oxidative Spaltung 908 Ozonolyse 909
Feuchthaltemittel 424 Fingerabdruck-Bereich (IR) 485 Fingerhut, roter 950 FINKELSTEIN-Reaktion 191 FISCHER-Base 718 FISCHER-HEPP-Umlagerung 450 FISCHER-Konvention 242 für Aminosäuren 770 für Kohlenhydrate 245, 845
FISCHER-Projektion 242 FISCHER-Synthese der Glycoside 859 des Indols 653, 718, 780, 840
FISCHER-TROPSCH-Verfahren 32 Flavon(e) Synthese 684
Flavonole Tautomere 721
Flavylium-Ionen und Salze 721 nucleophile Additionen 695 Synthese 684
Flechtenfarbstoffe 735 Flügelpigmente 727 von Schmetterlingen 701 fluktuierende u,r-Systeme 118,
452
Fluoralkane Bindungsdaten 186 Darstellung 190
Fluorbenzen(e) 158 aus Diazonium-Salzen 151, 400 Dinitro-, 2,4- 775, 785, 809 Reaktionen vom Arin-Typ 174
Fluoren 175, 399 Fluorescein 724, 727 Fluoreszenz 552, 712 Fluorierung der Alkane 190 des Benzens 158
Fluorierungsmittel 190 Fluormethan 186, 190 Fluortenside 921 Fmoc-Schutzgruppe 799 Follikelhormone 950 Folsäure 701 Formaldehyd 307 -hydrat 320 Protonierung 65
Formamid(e) Alkyl-, Nzur Synthese von Isonitrilen 405 Dimethyl-, N,N- 383 Photoadditionen 561
Formanilide zur VILSMEIER-Formylierung 313
Formolyse 198 Formylierung 313 FOURIER-Transformation (NMR) 496 Fragmentierungen im Massenspektrum 539
FRANCK-CONDON-Prinzip 551 Frangulanin 836 Freon-12 190 FRIEDEL-CRAFTS-Acylierungen 141, 158, 159, 182, 266, 281, 314, 318 FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen 139, 140, 146, 147, 158, 344 FRIEDLÄNDER-PECHMANNSynthese der Cumarine 683
FRIEDLÄNDER-Synthese der Chinoline 323, 680
FRIES-Umlagerung (Verschiebung) 351, 449
FROST-MUSULINDiagramme 125
Fructofuranose 878 Fructopyranose c- und d-D- 851
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Sachregister
Fructosan 878 Fructose 842 Reduktion 857
Fucose 868 Fullerene (C20, C60, C70 und C80) 184 Fulven(e) 573, 581 Fumarsäure 262 Fünfring-Synthesen 95, 111, 447 funktionelle Gruppen 1 Identifizierung durch 13C-NMR 531 durch 1H-NMR 506 durch IR 487 durch MS 546
Funktionsisomere 230, 309, 844 Furan(e) 127, 632 aldehyd, -2- 650 als 1,3-Diene 658, 659, 661 Bindungsdaten 644 carbonsäure, -2- 650 elektrophile Substitution 660 Mesomerie 642 Nitrierung 661 NMR, Verschiebungen 644 Protonierung 656 Synthesen 646, 648, 650
Furanosen 847 Furfural Siehe Furan-2-aldehyd Furostane 951 Fusion, 1,2- und 2,3von Benzen-Ringen 175
G GABRIEL-Synthese primärer Amine 288
Galactane 878 Galactosamin 868, 877 Galactose 843 Galacturonsäure 878 Gallensäuren 944, 947 Gallocyanin 724 Gallussäure 715 Ganglioside 912 Gastrin 815 GATTERMANN-KOCHFormylierung 314
GATTERMANN-Synthese der Arenaldehyde 314
Gelee royale 904 Gene 892 genetischer Code 892 Gen-Fragmente Synthese 898
Geranial 926
975
Geraniol 926 Synthese 939
Geraniumöl 927 Geranylpyrophosphat 925 Gerbstoffe 721 Germacran(e) 929 Germane 595 Geruch der Amine 367 der Carbonsäuren 263 der Thiole 407
Geschmackstoffe 923 Geschwindigkeitskonstante 46 gestaffelt (auf Lücke) 31 Gestagene 950 Getreide -stärke 875
Gibberelline 932 Gießharze 755 GILMAN-MOORE-Synthese der Phenoxazine 685
Gin 214 Ginseng Saponine und Sapogenine 933
Ginsenoside 933 GLASER-Kupplung 97, 114, 149, 586 Gleichgewichte Untersuchung durch UV 482
Glucagon 812 Glucarsäure 857 Glucit 856 Glucofuranose c- und d-D- 849
Gluconolacton 857 Gluconsäure 857 Glucopyranose c- und d-D- 848, 850 Konformation 852
Glucopyranosid(e) Kopplungskonstanten, HH- 514 Methyl-c- und d-D- 860
Glucosamin 877 N-Acetyl- 823, 868, 877 N-Methyl-L- 869
Glucosane 873 Glucose 842, 843 Acetobrom- 860 Acylierung, selektive 864 Cyclohalbacetal-Form 848 D-, absolute Konfiguration 845 Epimerisierungen 845 Mutarotation 851 NMR, 13C- 853 Glucosidase, d-D- 873
Glucuronide, Glycuronide 858 Glucuronsäure 857, 877 Glühwürmchen 569 Glutamin 770 säure 770 Synthese 776
Glutarsäure 262 -anhydrid 287
Glycane (Glykane) 873 Glycarsäuren Siehe Arsäuren Glyceraldehyd 842, 862 (R)-(+)- und (S)-(/)- 242 Bezugssubstanz 770, 845 Enantiomere 242
Glyceride 282, 899 Glycerin Siehe Glycerol Glycerinaldehyd Siehe Glyceraldehyd Glycerinsäure 290 Glycerol 213 -phosphat 846 Synthese 220 -trinitrat 223
Glycidester 622 Glycin 770, 773 Acetyl-, N- 778 Benzoyl-, N- 786 Kupfer(II)-Komplex 784 Methyl-, N- 768 Titrationskurve 772
Glycolipide 899, 913 Glyconsäuren Siehe Onsäuren Glycopeptide 818 Glycoside 844, 859, 951 Metallchelate 721 N- 861, 882 Oxidation 865
Glycosidierungen 859 N- 895
Glycosylamine 861 Glycosylhalogenide 860 Glycuronsäuren Siehe Uronsäuren Glykogen 876 Glykolether aus Oxiran 239
Glykolsäure 297 Glykol-Spaltung 227, 312 der Kohlenhydrate 867
Glyoxal 307 Glyoxalin 647 Goldregen 829 GOMBERG-BACHMANN-Reaktion 398 Gonan 933
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976
GRAEBE-ULLMANN-Synthese der Carbazole 655
Gramicidin A 816 S 818
Graphit 184 Grevilline 735 GRIGNARD-Verbindungen 34, 153, 196 Komplexierung durch Ether 236, 593 präparative Anwendungen 600 Reaktion mit Estern 283 SCHLENK-Gleichgewicht 593 zur CC-Verknüpfung 602
Guajane 929 Guajanolide 930 Guajen, c- 930 Guanidin(e) Basizität 435 industr. Synthese 435
Guanidinium-Kation Mesomerie 435
Guanidylaminosäuren 768 Guanin 700, 880 Synthese 700 Tautomere 884
Guanosin 883 1- und 7-Methyl- 890
Guanylhydrazone 436 GUARESCHI-Synthese der Pyridine 672
Gulit 856 Gulose 843 Gummi 749, 938 GUSTAFSON-Synthese des Cyclopropans 109
Sachregister
Halogenalkane 278 Alkinylierung 91 aus Alkoholen 191, 223 Bindungsdaten 186 Darstellung 186 durch Photohalogenierung 39, 186, 555 Eigenschaften 185 GRIGNARD-Reaktion 196 Metallierung 594 nucleophile Substitutionen Übersicht 194 PerPhotoadditionen 560 primäre, sekundäre, tertiäre 185 Reaktionen 194 Reduktion 34
Halogenalkene 209 Bindungsdaten 186
Halogenalkine 209 Bindungsdaten 186
Halogenamine, N- 382 Halogenaromaten durch SANDMEYER-Reaktion 398 elektrophile Zweitsubstitution 152 Metallierung 152 Nitrierung 162 nucleophile Substitutionen 167
Halogenbenzene
(-)-M-Effekt 134 Synthese 150
Halogene
induktiver Effekt, (/)-I- 195 Photodissoziation 40, 44 Reaktivität 48 Selektivität 48
Halogenierung von Alkenen 63
Guttapercha 938 gyromagnetisches Verhältnis 494
Halogen-Metall-Austausch 595 Halogennitrobenzene
H HABERsches Reduktionsschema
Halogenonium-Ionen 64, 81, 93 Halogensilane
des Nitrobenzens 371
Hagebutte 935 Halbacetale 321, 847 Halbaminale 322 Halbketale 345 Halbsandwich-Komplex 612 Halbsessel-Konformer des Cyclohexans 103
Halluzinogene 829, 831, 928 Halochromie 478 Haloform-Reaktion 193
Darstellung 151
Darstellung 605 nucleophile Substitutionen 605, 606
Halogenwasserstoffe zur Halogenierung 192
Halohydrine 64, 219 Halomethyl-Gruppen Oxidation 310
Halothan 185 Häm 740 in Myoglobin 820
Hämin 740 Hämoglobin 740
Hämolyse 951 Hanf, indischer 836, 928 HANTZSCH-Synthese der Pyridine 672 der Pyrrole 648
HANTZSCH-WIDMAN-System 620 Harmalin, Harmalol 830 Harnsäure 700 Ringöffnung 703
Harnstoff(e) -Addukte 433 aus Carbodiimiden 440 Basizität 433 Dialkyl- 434 Einschlußverbindungen 30 Herstellung 432 Hydrolyse 433 Poly- 750 Tetraalkyl- 434 VAN-SLYKE-Reaktion 433
Harze 923 Harzsäuren 932 Hashisch 928 Hauptquantenzahlen 2 Hausan 118 HAWORTH-Projektionsformeln 848 HAWORTH-Synthese kondensierter Aromaten 182
HECK-Reaktion 68, 614 enantioselektive 614
Heizöl (Gasöl) 33 Helenalin 930 HELFFERICH-Synthese der Glycoside 860
Helicene 175 Enantiomere 249
Helicität 249 Helix 759 Doppel- (DNA) 886 Tripel- 794 cder Polypeptide 792 Nachweis 797
HELL-VOLHARD-ZELINSKIIHalogenierung 292 Hemiacetale Siehe Halbacetale Hemicellulosen 874, 878 Hemicyanine 717 photochrome 720
Hemiterpene 926 Heparin 877 HeptamethylphenoniumSalz 139
Heptan, n- 24
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Sachregister
Heptanol 1- 213 4-i-propyl-4- 283
Heptanon 4-Methyl-3-, (S)Synthese 788
Heptosen 842 Herbstfärbung der Blätter 935
Herbstzeitlose 835 Heroin 834 Herzglycoside 950 Heteroalicyclen Darstellung 623 durch Carbonyl-Derivatisierung 626 Nomenklatur 620 Reaktionen 627 ringöffnende Ringerweiterungen 629 Ringöffnungen 628 Sauerstoff- 229 Stickstoff- 361 ungesättigte Additionen 629
Heteroaromaten benzokondensierte 632 benzokondensierte FünfringCycloadditionen 668 Reaktionen 666 Synthese 652 Tautomerie 669 benzokondensierte SechsringReaktionen 694 Synthese 679 FünfringAromatizität 644 elektrophile Substitutionen 659 mesoionische 670 Molekülorbital-Modelle 643 nucleophile Substitutionen 663 Ringöffnungen 664 Ringvinyloge 704 Substituenteneffekte mesomere 661 Tautomerie 638 heterokondensierte Bezifferung 637 Darstellung 698 Nomenklatur 635 Reaktionen 702 Mesomerie 127, 642, 644 monocyclische 632 SechsringAromatizität 644
977
elektrophile Substitutionen 690 Reaktionen 685 Synthesen 672 Tautomerie 640 r-Elektronenmangel- 644 r-Elektronenüberschuß- 643
Heteroatome asymmetrische 248
Heterobicyclen aromatische 698
Heterocumulene 440 HEUMANN-Synthesen von Indigo-Derivaten 732
Hexadiene, 1,5- 452 2,5-Diaza- 452
Hexafluoraceton-Hydrat 308 Hexahelicen 175 Enantiomere 249
Hexakontan 24 Hexamethylendiamin 365 Hexamethylentetramin 323, 367 Hexan Chlor-2,3-dimethyl-, 2- 224 n- 24 sulfonsäure, 1- 424
Hexanal 307 Hexandion, 2,5- 308 Hexanol 1- 213 NMR, 1H- 521
Hexatrien(e) 1,3,5- 557 Elektrocyclisierung 455
Hexen 1-, 2- und 3- 53 2-Methyl-2- 66 3,4-Dimethyl-3- 69
Hexen-1-ol, cis-3NMR, 1H- 525
Hexin 1-, 2- und 3- 89
Hexosen 842 Hexulosen 843 HINSBERG-Synthese der Thiophene 647
HINSBERG-Trennung der Amine 383, 426
Hippursäure 786 Histidin 770 HOBt-Aktivester 799 HOCK-Synthese des Acetons und Phenols 344, 446
HOFMANN-Abbau der Carbonsäureamide 373, 445
HOFMANN-Eliminierung 385 HOFMANN-MARTIUS-Umlagerung 450 Holarrhimin 952 Holz 874 Verzuckerung 874 HOMO 464 Homochiralität 771 Homoglycane 873 Homologisierung der Alkane 51 der Carbonsäuren 269 der Cycloalkanone 333 durch Diazoalkane 390
Homotopie 254 Homotropiliden 118, 452 Honig 872 Honigbiene 926, 938 HOOKER-Oxidation 360 Hopfen 926, 929 Hormon(e) adrenocorticotropes 812 gastrointestinale 815 Pankreas- 814 Peptid- 812 Protein- 812 Releasing- 813 Steroid- 949
HORNER-EMONS-Alkenylierung 328 HOUBEN-HOESCH-Reaktion 318 HPLC 775 HSAB-Prinzip 196, 205 HÜCKEL-Regel 124, 570 Huflattich 828 Humulene 929 HUND-Regel 4, 124 HUNSDIECKER-Decarboxylierung 193, 278 Hyaluronsäure 877 Hybridisierung Beziehung zu CH-Kopplungen 534 von Atomorbitalen 9
Hybridorbitale Eigenschaften 10 sp- 9 sp2- 10 sp3- 10, 24
Hydantoine 778 Hydrastin 832 Hydratation 21 Hydratisierung von Aldehyden und Ketonen 320 von Alkenen 64
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Hydrazine, Alkyl- 671 Hydrazobenzene 376 Hydrazone 301, 323 Aryl- 323, 404 Dinitrophenyl-, 2,4- 323 RAMP- und SAMP- 788 Tosylzur Alken-Synthese 339
Hydrid-Anion als Nucleophil 283, 325
Hydrid-Verschiebungen 74 Hydrierungen enantioselektive 258 heterogene 61 homogene 62 katalytische 61
Hydrierwärmen 84 von Alkenen 62
Hydrierzahl 908 Hydroborierung von Alkenen 63, 215 von Alkinen 92
Hydrochinon 342 als Stabilisator 743 -dimethylether 350
Hydrohalogenierung von Alkenen 64
Hydrolyse 198 Hydroperoxide 38, 565 Hydroxamsäuren 264 aus Carbonsäurehalogeniden 280 O-AcylLOSSEN-Abbau 373 Tautomerie 280
Hydroxyalkylierung elektronenarmer Alkene 335 Hydroxyester, dREFORMATSKY-Synthese 601
Hydroxylamin(e) 405 N,N-Dialkyl- 382 durch COPE-Eliminierung 386 N,N-Dimethyl- 386 N-Alkyl- 382 Phenyl- 405
Hygrin 827 Hyoscyamin 828 Hyperkonjugation 50, 72 Hypostrophen 452 Hypoxanthin 1-Methyl- 890
hypsochrom 478 I Identitätsprüfung durch IR 487
Sachregister
Idose 843 Imidazo[4,5-d]pyrimidine Siehe Purine Imidazol(e) Acidität 658 Basizität 656 Nitrierung 662 Ring-Vinyloge 706 Synthese 646, 647, 648, 649 Tautomerie 638 Trimethylsilyl-, 1- 607
Imidochlorid(e) 715 Imine 322 Photoreduktion 566
Iminozucker 861 Immergrün 830 Immunstimulatoren 914 INADEQUATE (NMR) CC- 530
Indanilin 725 Indanone Photofragmentierung 557
Indazol(e) Synthese 654
Inden 175 Indican 735 Indigo Dibrom-, 6,6´- 735 Farbstoffe 728 Lichtabsorption 728 Isomer 669 Synthesen 732
Indikatorfarbstoffe 403 Indirubin 669 Indol(e) 634 Alkaloide 829 Basizität 667 Carben-Cycloaddition 668 Dihydro-2-methylen-, 2,3- 718 elektrophile Substitutionen 667 HydroxyTautomerie 639 Synthese 653
Indolium-Salze 718 Indolizidin(e) 698 Alkaloide 829
Indolizin(e) 698 2-Alkyl- 698
Indophenol 724, 725 Indoxyl 669, 732 induktiver Effekt
(-)-I- 51, 72 (/)-I- 51, 212, 273 Detektion durch NMR 499, 532
Infrarot (IR-) Spektroskopie 474, 482
Meßmethodik 482
Ingwer 929 Inhibierung der Photohalogenierung 43
innere Rückkehr 208 Inosite 249 Insektizide 926 Insulin 814 Präpro- und Pro- 815
Integerrin 836 interionische Wechselwirkung 20 Interplanarwinkel von Bindungen 31, 513
Intersystem Crossing 551 Intraannular-Spannung 105 Inulin 878 Inversion 470 der absoluten Konfiguration 255
Invertseifen 920 Invertzucker 872 Iodalkane Darstellung 191
Iodbenzen 151, 158 Iodethan 223 Iodierung des Benzens 158
Iodmethan Darstellung 191
Iodoform-Test 194 Iod-Stärke-Reaktion 876 Iodzahl 908 Ionenaustauscher 385, 762, 875 Ionenbindung 5 Ionen-Dipol-Wechselwirkung 21 Ionon, dSynthese 942
IR-aktiv, -inaktiv 484 IRELAND-CLAISEN-Umlagerung 271 Isatin 669, 680 Isoalloxazin(e) 702 Isoborneol 941 endo-, exoEnantiomere 928 Synthese 941
Isobutylalkohol Siehe Butanol, 2Isochinolin(e) Alkaloide 831 Synthese 841 Basizität 694 elektrophile Substitutionen 696 Hydrierung 694 N-Oxide 697
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Sachregister
nucleophile Additionen 694 nucleophile Substitutionen 695 Styryl-, 1- 697 Synthesen 680 Tetrahydro- 694 enantioselektive Synthese 841
Isocyanate 374, 435, 442 Darstellung 430, 608 Di- 749
Isocyanide Siehe Isonitrile isoelektrischer Punkt 772 Isoflavon(e) Synthese 684
Isoindol(e) 738 Isoleucin 770 Isomenthol 927 Isomere, Isomerie Atrop- 249 Funktions- 230, 309 Konfigurations- 55, 105, 241 Konstitutions- 27, 53, 82, 89 Spiegelbild- 240
Isomerisierungen contrathermodynamische 96
Isonitrile 405 Isooctan Darstellung 70
Isopentenylpyrophosphat 925 Isophthalsäure 262 Isopinocampheol NMR, 13C- 526
Isopren Herstellung 86 maskiertes 625 Polymerisation 938 -Regel 922
Isoprenoide 922 Isopropylalkohol Siehe Propanol, 2IsopropylidenSchutzgruppe für OH 863
Isopulegol 940 durch En-Reaktion 472
isosbestischer Punkt 482 isotaktisch 756 Isotetralin aus Naphthalen 180
Isothiazol(e) Benzo- 654 Synthese 651
Isothiocyanate IR-Absorption 485
Isothioharnstoff 438 Isothiuronium-Salze S-Alkyl- 438
979
Isotope(n) Markierung 837
Isotopie-Effekt kinetischer 173
Isovaleriansäure 926 Isoxazol(e) Benzo- 654 Ringöffnungen 664 Synthese 647, 649, 651
J JABLONSKI-Diagramm 551 JACOBSEN-Umlagerung 141, 449 JAPP-KLINGEMANN-Reaktion 404 Jog 759 Juglon 735 K Kaffee-Aroma 407 Kalium-t-butylat 221 Kamille 930 Karotte 935 KARPLUS-CONROY-Beziehung 513, 853 Kartoffel 952 -stärke 875
Katalysatoren 61 Edelmetall- 33
Katalyse enantioselektive 258
katalytische Hydrierungen 61 Kationenaustauscher 762 Kationotropie 447 Kautschuk Ersatzstoffe 88 Synthese- 749
Keilstrich-Projektion 25, 242 KEKULÉ-Formeln des Benzens 122
Kephaline 911 Keratine 794 Kerninduktion 495 Kernmagnetische Resonanz (NMR) 474, 494 Kern-OVERHAUSER-Effekt NOE (NMR) 524 Kernpräzession 494 Kernseife 282 Kernspin(-) 494 Präzessionsfrequenz 494 Quantenzahl 495 Zustände 495
Kerosin 33 Ketale 320 Keten(e) 300, 441, 444
Dimerisierung 110 durch WOLFF-Umlagerung 269, 394 Photolyse 51
Keto-Enol-Tautomerie 93, 286, 340 Analyse 304 durch NMR 498 Ketoester, ddurch CLAISENEsterkondensation 285 Heterocyclisierung 672, 675
Ketofuranosen 849 Ketohexosen 842 Ketone 305 Alkenylierung 60, 327 Alkinylierung 333 Alkylierung 327 Amino-, c- 446 aus Alkinen 92 aus Carbonsäuren 316 aus Nitrilen 317, 601 aus Organometall-Verbindungen 317 aus sekundären Alkoholen 288 aus d-Oxosäuren 301 BAEYER-VILLIGER-Oxidation 336 Bildung von Iminen 322 Chlor-, d- 318 Darstellung 316 durch Acylierung 317 durch FRIEDEL-CRAFTSAcylierung 318 durch NEF-Reaktion 311 durch Oxidation 316 Homologisierung 333, 392 Hydrate 308 Hydratisierung 320 IR-Absorption 489 Ketalisierung 320 Massenspektren 545 Nomenklatur 305 PATERNO-BÜCHI-Reaktion 624 Photofragmentierung 557 physikalische Eigenschaften 308 Reaktionen 319 Reduktion 326, 337 SCHMIDT-Reaktion 375 ungesättigte, c,d- 563
Ketopyranosen 849 Ketosen 842 Kettenabbrüche 42, 743, 746 Kettenreaktionen der Photohalogenierung 41 der Polymerisation 743
Kettenübertragungen 743 Kfz-Benzin 33 Kiefernharz 922
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KILIANI-Synthese der Kohlenhydrate 330, 855
Kinetik 1. Ordnung 202 2. Ordnung 200 pseudo 1. Ordnung 200
Kinke 759 KKK-Reaktion 143, 148 Klebstoffe 755 Kleie 878 Klopfen von Treibstoffen 33
KLYNE-PRELOG-Konvention 31 KNOEVENAGEL-Alkenylierung 60, 270, 285, 302, 333, 340, 418, 421, 692, 697 Knollenblätterpilzgift 818 Knorpel 878 KNORR-Synthese der Pyrrole 650
Knoten von Orbitalen 3
Koaleszenztemperatur 505 Kohäsivkräfte 22 Kohle 32 Kohlendioxid Heteroanaloga 440 zur Carboxylierung 266
Kohlenhydrate 842 Abbaureaktionen 867 Carbonyl-Reaktionen 854 Cycloacetale, Cycloketale 863 Cylohalbacetal-Formen 848 Glykolspaltung 867 O-Acylierung 863 O-Methylierungen 864 O-Trimethylsilylierung 864 Oxidation 865 Polyol-Reaktionen 863 Schutzgruppen für OH 863
Kohlenmonoxid 38 zur Carbonylierung 264
Kohlensäure 428 -benzylesterchlorid 430 -dichlorid Siehe Phosgen -dihydrazide 436 Dissoziationsgleichgewicht 428 -ester Darstellung 430 -esterchloride Darstellung 430 -esterhydrazide 436, 437
Kohlenstoff-13-Verschiebung (NMR) Bereiche, Übersicht 531 induktive Effekte 531
Sachregister
Mesomerieeffekte 532, 533 sterische Effekte 532
Kohlenstoff-Modifikationen 184 Kohlenwasserstoffe 1 Alkane 24 Alkene 53 Alkine 89 Arene 128 Benzen, Aromaten 119 Cycloalkane 98 gesättigte 24 kondensierte Aromaten 175 polycyclische 98, 118 ungesättigte 53, 89
Kohleverflüssigung 32 KOLBE-Elektrolyse 36 KOLBE-SCHMITT-Synthese der Salicylsäure 266
KOLBE-Synthese der Nitrile 268
Kollagen 794 Kolophonium 923 Kolorimetrie 481 kombinatorische Synthese 763, 806 Komplementärfarbe 709 Komplementarität der Nucleobasen 885, 887
Komplex u-, r- 131
Konfiguration, absolute Bestimmung 244, 253 Bezeichnung nach CIP 241 Bezeichnung nach FISCHER 241 D- und L- 243 D,L- und R,S- 243 der Aminosäuren 770 der Cycloalkane 247 der Kohlenhydrate 845 mehrerer asymmetrischer CAtome 245 R- und S- 242 WALDEN-Umkehr 201, 255, 257, 281
Konfiguration, relative 55 aus HH-Kopplungskonstanten 513 aus IR-Spektren 488 aus NOE-Messungen 524 der Alkene 55 der Cycloalkane 105, 107, 247 der Kohlenhydrate 845 erythro- und threo- 245 Inversion bei SN2-Reaktionen 203 Präfices 846
Konfigurationsisomere (Z)- und (E)-, cis- und trans- 55 Unterscheidung durch IR 488 der Alkene 55 der Cycloalkane 105 des Decalins 107 disubstituierter Cyclohexane 106 ungesättigter Fettsäuren 903 c- und d- 849
Konformation 30 Boot- (Wanne-) 102 Briefumschlag (envelope) 102 der Pyranosen 848, 852 Halbsessel-, Sessel- 103
Konformere C - und 1C4der Pyranosen 852 a- und e- 104 der Alkane 30 der Cycloalkane 101 der Diene 84 des Cyclohexans 102 ekliptische, gestaffelte, windschiefe 31 Population 31, 513 s-cis- und s-trans- 84 von Polymeren 758 4 1
Kongorot 712 Königinnensubstanz 904 KÖNIGS-KNORR-Synthese der Glycoside 860 der N-Glycoside 895
Konjugation Nachweis durch IR 489 Nachweis durch UV 480
Konnektivitäten CC- 530 CH- 527 HH- 525
konrotatorisch 456 Konstitutionsaufklärung durch 13C-NMR 530, 534 durch 1H-NMR 519, 525 durch IR 489 durch Massenspektrometrie 546 von Alkenen 66
Konstitutionsisomere 26 der Aldosen und Ketosen 844 der Alkane 26 der Alkene 53 der Alkine 89 der Alkylbenzene 128 der Ether 230 des Pentans 27 von Polymeren 755
Konstitutionsisomerie 26 Kontrazeptiva
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Sachregister
hormonale 950
Kopf-Schwanz-Verknüpfung der Terpene 923
Kopplungskonstanten (NMR) 510 CHunmittelbare 533 vicinale 534 HHbenzoide 515 geminale, vicinale 512 Konstitutionsisomerie 515 Struktureinflüsse 512 und Konformation 513 und relative Konfiguration 513, 515 und Ringgröße 515
Korrelationsspektroskopie (NMR), zweidimensionale CC- 530 CH-, HC- 527 HH- 525
kovalente Bindung 5 in organischen Molekülen 11 Polarität 18
Kreatin 768, 883 Kreatinin 768 Kresol, o-, m-, p- 174, 342 Kreuzsignale (NMR) CC- 530 CH- 527 HH- 525
Kristalle flüssige 916 kristallin 22 Kristallviolett 724, 726 KRÖHNKE-Reaktion 310 Krone-6, [18]Dibenzo- 623 Kalium-Komplex 630 Kalium-Komplex 207
Kronenether 207, 623 als Komplexliganden 630 Darstellung 623
Krötengift 951 Kryomagnet (NMR) 495 Kumulene aus Alkinen 96 Enantiomere 249 Nachweis durch IR 490
Kunsthonig 872 Küpenfärbung 733 Kupfer-Seide 875 L Labdan(e) 931 Labdanolsäure 932
981
Lactame 277, 299, 884 d- 816 Synthese 624 i- und f- 785
Lactaroviolin 930 Lactat 295 Lactide 297 Lactime 640, 884 Lactole 301 Lactone 275, 298, 950 Aldo- 858 durch MITSUNOBU-Reaktion 396 Peroxy-, c- 569 Ringöffnung 293 Sesquiterpen- 930 ungesättigte 301
Lactose 871, 872 LADENBURG-Synthese des Coniins 840
LAMBERT-BEERsches Gesetz 476, 480 Laminarin 876 Lanostan(e) 933 Lanosterol 934, 944 Laudanosin 832 Laurinsäure 902 Lavendelöl 926 Lävulat 290 Lävulinsäure 290, 300 LAWESSONS-Reagenz 415, 417, 675 LDA 601 Lebertran 932 Lecithin 911 Leitfähigkeit, elektrische des Graphits 184
Leuchtkäfer 569 Leucin 294, 770 LEUCKART-WALLACHReaktion 372
Leukoverbindungen 733 LEWIS-Basen 23 LEWIS-Säuren 23 als Katalysatoren 158 zur Ether-Spaltung 237
Licht sichtbares und UV 475
Lichtabsorption(s) Maxima 475 spektren 474 spektrometer 475 und Farbe 479, 709
Lichtstäbe 569 Ligation ungeschützter Peptide 804
Lignin 874 Lilien 833 Limonen 927 Linalool 926 Dehydro- 939 Synthese 939
LINDLAR-Katalysatoren 57, 92 Linker 764 Linolensäure, c- 903 Linolsäure 900, 903, 907 Lipide 899 amphiphile 901 Analytik 900 Doppelschichten 902, 914 Glyco- 913 Monoschichten 901 Sphingo- 911 spreitende 901 Vorkommen 900 Wechselwirkung mit Wasser 901
Lipid-Membran biologische Mosaikmodell 917
Lipopolysaccharide 913 Lipoproteine 914 Liposomen 902, 914 Lithiumdialkylcuprate 598 Lobelin 827 LOBRY-DE-BRUYN-VAN-EKENSTEINUmlagerung 862
Loops in RNA 891
Lösemittel als Nucleophil 198
Löslichkeit 22 LOSSEN-Abbau der Hydroxamsäuren 373, 445
LSD 831 Luciferase(n) 569 Luciferin(e) 569 Luminol Chemilumineszenz 568
Lumiriboflavin 702 LUMO 464 Lupine 829 Lupinin 829 Lutidin, 2,4-, 2,6- 672 Lycopen 935 Lysergsäure 831 N,N-diethylamid 831
Lysin 770 Kupfer(II)-Komplex 784 Racemattrennung 781
Lysozym 825 Lyxose 843
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982
M MADELUNG-Synthese des Indols 653
MAILLARD-Reaktion 862 Mais 935 Makro- und Mikrofibrillen 794 Makroanionen 745 Makrokationen 745 Makrolide 298, 869 Makrolon 751, 766 Makroradikale 743 Malachitgrün 724, 726 MALAPRADE-Spaltung der 1,2-Diole 227
Maleinsäure 262 -anhydrid 112, 287 als Dienophil 112, 289 als Enophil 289, 472 Photocycloaddtionen 563 -imid als Dienophil 289
Malodinitril 268 Malondialdehyd Keto-Enol-Tautomerie 339, 340 tetraethylacetal, PentylMassenspektrum 542
Malonsäure 262, 293 Darstellung 268
Malonsäurediester AcetylaminoNMR, 1H- 508 Acidität, c-CH- 284 Alkyliden- 285 Azo-Kupplung 404 C-Alkylierung 269, 284 Cyanoethyl-, d- 285 KNOEVENAGEL-Alkenylierung 284 MICHAEL-Addition 285 N,N-Dimethylaminomethyl- 335 N-Acylaminozur Aminosäure-Synthese 779 Phenylazo- 404
Maltase 871 Maltose 871 -Typ 871
Mandarinenöl 927 Mannan 878 MANNICH-Reaktion 334, 779, 840 Mannit 857 Mannopyranosid Methyl-c- und d-D- 859
Mannosamin 869 Mannose 843 Margarinsäure 902
Sachregister
Marihuana 928 Markierung, 14C- 173, 837 MARKOWNIKOFF-Regel 80, 187, 215 Massenspektrometrie 536 Allyl-Spaltung 543 Basispeak, Basis-Ion 537 Benzyl-Spaltung 543 EI-, ESI-, FAB-, MALDI- 537 Fragmentierungen 540 Fragment-Ionen 540 Isotopenpeaks 538, 546 MCLAFFERTY-Umlagerung 544 Meßmethodik 536 metastabile Ionen 540 Molekül-Ion 538 Retro-DIELS-ALDER-Spaltung 544 Spaltung von Einfachbindungen 540 c- 541
Massenwirkungsgesetz 274 Matricin 930 Maulbeerbaum 938 MAXWELL-Geschwindigkeitsverteilung 46
MCDONALD-Synthese der Porphyrine 738
MCDONNALD-H.O.L. FISCHERAbbau der Kohlenhydrate 868
MCD-Peptid 819 MCMURRY-Reaktion 60, 338, 738, 944 MEERWEIN-PONNDORF-VERLEYReduktion 326 MEERWEIN-Salz 780 Melamin 642 harze 754
Melissenöl 926 Melittin 819 Menadion 735 Menthan(e), p- 923, 927 Menthol (1R,3R,4S)-(/)Synthese 940 Konfigurationsisomere 927
Menthoxyacetylchlorid zur Racemattrennung 953
Mercaptane Siehe Thiole Mercaptide Siehe Thiolate Mercaptoethanol aus Oxiran 239
Merocyanine 718
MERRIFIELD-FestphasenSynthese der Peptide 763, 804
Mersolate 920 Mescalin 835 Mesembrin 827 Mesitylen 128 aus Aceton 142
mesoionische Fünfring-Heteroaromaten 670
meso-Isomere (Formen) 246 mesomere Effekte (-)-M-, (/)-M- 274 NMR, Verschiebung 13C- 532 1H- 500
Mesomerie 83 des 1,3-Butadiens 83 des Benzens 122
Mesomerieenergie des 1,3-Butadiens 84 des Benzens 121 polycyclischer Aromaten 177 von Fünfring-Heteroaromaten 644
Mesomeriestabilisierung 84, 156 Mesoxalsäure -diethylester Phenylhydrazon 404
Metall-Carben-Komplexe 69, 183, 614 Metallcarbonyle für Synthesen 95, 183
Metallchelate 590, 615 Chelat-Effekt 616 der 1,3-Diketone 340 Komplexbildungskonstante 616 Salcomine (Cosalene) 619 zur Metallanalytik 618
Metallhydride, komplexe Reduktionsmittel 35, 217, 325
Metallierung 196 von CH-Säuren 598 von Halogenalkanen 594 von Halogenbenzenen 152
Metallkomplexe als Katalysatoren 618
Metall-Metall-Austausch 595, 598 Metallocene 574, 610 Metallorganische Verbindungen 35, 590 Metalltemplate-Effekt 617, 738 Metall-r-Komplexe 574, 577, 590, 610 des Benzens 610
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Sachregister
Molekülorbital-Modelle 592 präparative Anwendungen 613 zur koordinativen Polymerisation 745
Metamerie 230 Metaphosphate intermediäre 895
Metathese Alken- 69, 622, 747 Ringschluß- 114
Methan 24, 57 Bindungsdaten 8 Molekülmodelle 8 Molekülorbital-Modell 11 NMR, 1H-Verschiebung 506 partielle Oxidation 38 Photochlorierung 39, 41, 193 Verbrennung 37 Verbrennungswärme 37
Methanal 307 -hydrat 320
Methanol 213 aus Brommethan 201 Diphenyl- 213 industr. Synthese 214 Molekülgeometrie 211 NMR-, 1H- 502 Triphenyl- 213
Methanolyse 198 Methionin 770 Synthese 777 Transmethylierung 838
Methoxy-Gruppen
(/)-I-Effekt 173 quant. Bestimmung 236
Methylalkohol Siehe Methanol Methylamin 365 Methyl-Anion 16 Methylenblau 724, 727 Methylether aus Diazomethan 233
Methyl-Gruppen diastereotope 254 enantiotope 254
Methylierung erschöpfende von Aminen 384 Omit Diazomethan 233, 350 mit Dimethylsulfat 350
Methyl-i-propylether 232 Methyl-Kation 16 Methylketone 317 Haloform-Reaktion 193
Methylorange 403 Methylphenylsulfid 412 Methylpropan
983
Molekülmodelle 26
Methylpropen Dimerisierung 70
Methylpropylketon 308 Methyl-Radikal 15, 41 Methylthiophenium-Ion 657 Methylvinylether 234 Synthesen mit 239
Methylvinylketon 308 Methyl-d-naphthylether 350 Mevalonsäure 925 Micellen 902, 914 MICHAEL-Addition 285, 302, 335, 340, 369, 627, 651, 693, 717 MICHLER-Hydrol und Keton 724 Milchsäure 290, 294, 295 Racemattrennung 250
Mineralsäureester 222 MITSUNOBU-Reaktion 298, 396, 622 Mohn 831, 833, 834 molecular modelling 25 Moleküldynamik 31 Molekülmasse, relative 538 Molekülmodelle Kalotten-, Kugel-Stab-, Stab- 8, 12, 14, 25, 26, 55, 85, 100, 102, 107, 119, 176, 230, 240, 263, 309, 363
Molekülorbitale antibindende 6 bindende 6 des Benzens 123 u- und r- 7
Molekülschwingungen (IR) 482 asymmetrische und symmetrische 487 Bereiche 484
Molekülspektren 473 Monochlormethan 39 Monodesmoside 951 Monohalogenbenzene Eigenschaften 149
Monomere 70, 741 Monosaccharide 844 Borsäureester 870 Cyanhydrin-Synthese 855 Cyclohalbacetale 849 Konstitutionsbestimmung 867 O-Trimethylsilyl-Derivate 870 Reduktion 856 tosyloxy-aktivierte 866
Monoterpene acyclische 926 bicyclische 927 Biosynthese 925
monocyclische 926 Synthesen 938
MONSANTO-Prozeß 780 Morphin 834 Biosynthese 838
Morphinan 833 Morpholin 678 MUKAIYAMA-Variante der Aldol-Reaktion 330
MÜLLER-ROCHOW-Synthese der Halogensilane 605
Multifloramin 833 Multipletts (NMR) 508 Multiplizität (NMR) 510 CH- 527 HH- 508
Münchnone 671 Muraminsäure N-Acetyl- 823
Murexid 718 Muskeladenylsäure 879 Mutarotation 851 Kinetik (13C-NMR) 854
Mutterkorn 831 Mycomycin 97 Myoglobin Struktur 820
Myrcen(e) 926 Synthese 940
Myricylalkohol Wachskomponente 910
Myricylpalmitat 910 Myristinsäure 902 N Nachbargruppen-Effekt 860 Nachtschattengewächse 952 NAD, NADH 567 NADPH + H+ 925 Nanometer 474 Naphthacen 175 Tetraphenyl-, 5,6,11,12- 569
Naphthaldehyd, c- 313 Naphthalen(e) 126, 175 Acetyl-, 1- und 2- 179 carbonsäuren 261 Darstellung 183 Dimethylamino1- und 2-N,N- 174 elektrophile Substitutionen 178 mesomere Grenzformeln 176 Molekülmodelle 176 Nitro-, c- 179 NMR, 13C- 580 Oxidation 180 Reduktion (Hydrierung) 180
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984
sulfonsäurechlorid, 5Dimethylamino 775 sulfonsäuren, c- und d- 179 Zweitsubstitution elektrophile 179
Naphthochinon(e) 1,2-, 1,4-, 2,6- 356 1,4- 735 4a,5,8,8a-Tetrahydro- 359 aus Naphthalenen 180 HOOKER-Oxidation 360 2,6- 356
Naphthol c- 346, 347, 355 BUCHERER-Reaktion 353 c-, d- 341 dAzo-Kupplung 404
Naphthol-AS-Farbstoffe 714 Naphthonium-Ionen 178 Naphthylamin c- 179, 353, 371 durch BUCHERER-Reaktion 355 Naphthylorange, d- 404
Naphthyridin(e) 635 Narcotin 832 Natriumethanolat 221 Natrium-Rubidium-tartrat 244 Naturkautschuk 938 NAZAROW-Cyclisierung 336 NBS Siehe Succinimid, N-BromNebennierenrinde Hormone 948
NEBER-Umlagerung 446 NEF-Reaktion 311 zur Monosaccharid-Synthese 856
Neoisomenthol 927 Neolanblau 715 Neomenthol 927 Neopinon 838 Neral 926 Nerolidol 929 Dehydro- 939 Synthese 939
NESMEJANOW-Reaktion 398 Neuraminsäure N-Acetyl- 869, 912
NEWMAN-Projektion 30, 246 Nicotin 827 Synthese 839
Nicotinamid-adenin-dinucleotid 567 NIEWLAND-Katalysator 94
Sachregister
Ninhydrin-Reaktion 774 Nitrene Acyl- 374
Nitrenium-Ionen 375, 442 Nitridotriessigsäure 784 Nitriersäure 155 Nitrierung der Alkane 51 des Anilins 161 des Benzens 155 des Naphthalens 178 des Nitrobenzens 163 monosubstituierter Benzene 166 von Alkanen 40 von Halogenbenzenen 162
Nitrile 405 aus Carbonsäureamiden 277 Cycloadditionen 677 durchPhotocyanierung 556 IR-Absorption 487 Reduktion zu Aldehyden 312
Nitriloxide als 1,3-Dipole 649
Nitroalkane 51 Darstellung 40 zur NEF-Reaktion 311, 856
Nitroanilin, o-, m-, p- 367 Nitrobenzen 156 (-)-M-Effekt 135 Nitrierung 136, 163 Reduktionsschema 405
Nitroglycerin Siehe Glyceroltrinitrat Nitro-Gruppe
(/)-M- und (/)-I-Effekt 135
Nitroguanidin 436 Nitrolacke 875 Nitromethan 40, 278 Nitron 671 Nitronium-Ion als Elektrophil 155
Nitronium-Salze 156 Nitrophenol, o-, m-, p- 168, 342 Acidität 349 Wasserstoffbrücken 344
Nitrosamine, N- 381 Nitrosierung N- 381 nucleophiler Aromaten 381
Nitrosoaniline, N- 450 Nitrosonium-Ion als Elektrophil 381
Nitroso-Verbindungen [4+2]-Cycloaddition 625
Nitro-Verbindungen IR-Absorption 487
NMR(-) 494 C- 526 H- 496 dynamische Effekte 506 FT- 496 Hochfeld- 522 Integral 498 Kreuzsignale 525 Signal 495 Signalzuordnung 521 Spektren 496 erster Ordnung 511 höherer Ordnung 511 temperaturabhängige 506 Spektrometer 495 Subspektren 527 zweidimensionale 525, 527 13 1
NOE (NMR) 524, 527, 796 -Differenzspektroskopie 524
Nonan n- 24
Norbornan 98 Norbornyltosylat 74 Norcaradien Diaza- 706
Norcaran 98 Darstellung 109
Normorphin 838 NORRISH-Typ-I- und IIReaktionen 557
Noscapin Siehe Narcotin Novolacke 753 Nucleasen Endo- und Exo- 883
Nucleinsäuren 879 Abbau 883 Basenpaarung, Basenstapelung 885 biologische Funktion 892 Fragmente 879 Klassifizierung 881 Sequenz 880
Nucleobasen 699, 879 komplementäre 885 seltene 890 Tautomerie 884 Wasserstoffbrücken 885
Nucleophil und Nucleofug 198 Nucleophile 23 harte und weiche 196 nackte 630 Übersicht 194
Nucleophilie 160, 205 Aktivierung durch Komplexierung 207 des Benzen-Rings 136 Lösungsmitteleinflüsse 206
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Sachregister
Nucleoside 879 Synthese 895
Nucleotide 879 Dissoziationsverhalten 885 Formulierung 880 Mono-, Oligo-, Poly- 881 Synthese 896
NYLANDER-Reagenz 336 Nylon 752, 766 O Oberflächenaktivitität 901 Ocimen(e) 926 Octan Dimethyl-, 2,3- 34 n- 24
Octanol (S)-(+)-2- 255 1- 213
Octanzahl 33 Octatetraene, 1,3,5,7Elektrocyclisierung 455
Octylsulfosuccinat Natriumdi-n- 424
Öle aus Ölsaaten 903 etherische 923
Oleanan(e) 933 Oleanolsäure 934 Ölfarben Härtung 907
Oligomere 741 Oligonucleotide Synthese 897, 898
Oligopeptide 789 Oligoradikale 743 Oligosaccharide 844, 871 Olivacin 830 Ölsäure 262, 282, 903, 907 Autoxidation 907 Hydrierung 906 -methylester Ozonolyse 909
Onium-Ionen 198 Onium-Reaktion im Massenspektrum 542
Onsäuren 857 Opium 831, 834 OPPENAUER-Oxidation 316, 326 Opsin 567 optische Aktivität 240 Orangenöl 927 Orbitale Hybrid- 9 nicht bindende 7 p- 3
985
Endüberlappung 7 Phasenbeziehung 453 seitliche Überlappung 7 relative Radialausdehnung 3 s- 2
Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen 453
Orchideen 828 Organocadmium-Verbindungen 317 Organometall-Verbindungen 590 Addition an Alkene 599 als Nucleophile 599 aus GRIGNARD-Reagenzien 594 Bindungszustand 591 Darstellung 593 Hydrolyse 597 Molekülorbital-Modelle 591 Reaktionen 596
Organoschwefel-Verbindungen 407 Organosilicium-Verbindungen 603 Organostickstoff-Verbindungen 388 Organozinn-Verbindungen 197 Osazone 862 Osmiumtetroxid 65 Osotriazole 862 Östrogene Siehe Estrogene Ovulationshemmer 950 Oxa-COPE-Umlagerung 452 Oxadiazole, 1,2,3mesoionische 670
Oxalsäure 262 Acidität 274 Darstellung 268 diarylester Chemilumineszenz 569
Oxaphosphetan 328 Oxazan, 1,4- Siehe Morpholin Oxazin(e) Synthesen 677
Oxazinium-Salze, 1,3- 677 Oxazol(e) als 1,3-Diene 659 mesoionische 671 Synthese 646, 648, 649
Oxazolin(e) 629 Oxazolon(e) mesoionische 671
Oxenium-Ionen 345, 442 Oxepan(e) 396, 622
Oxepin(e) Darstellung 629 Synthese 705
Oxetan(e) 620 durch PATERNO-BÜCHI-Reaktion 562, 563 nucleophile Ringöffnung 602 Synthese 624
Oxidation von Alkanen 37
Oxime 324 BECKMANN-Umlagerung 375 durch Photooximierung 556 NEBER-Umlagerung 446
Oxiran(e) 65, 392, 620, 629 aus Peroxysäuren 235 Carbonsäureester, 2- 622 Darstellung 235 Hydroxyalkyl Enantiomere 257 nucleophile Ringöffnung 602 Ringöffnungen 628 Synthese 624 Synthesen mit 239
Oxiren 704 Oxocarbonsäuren durch FRIEDEL-CRAFTSAcylierung 266
Oxo-Enol-Tautomerie 93, 286, 340 Analyse 304 durch NMR 498
Oxoester Siehe Ketoester Oxonin 706 Oxonium-Ionen und Salze 58, 221, 235 Carbenium-Ionen-Vorstufen 236
Oxonole 718 Oxosäuren 296 c- 628, 779 c-, d-, i- 299
Oxygenierung des Häms 822
Oxytocin 813 Ozon 66 loch 190
Ozonide 66, 312 Ozonolyse 312 ungesättigter Fettsäuren 909 von Alkenen 66
P PAAL-KNORR-Synthese der Fünfring-Heteroaromaten 646 Umkehrung 664
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986
Palladium(0)-Komplexe als Katalysatoren 68, 197 zur HECK-Reaktion 68
Palmitinsäure 282, 900, 902 -ester 910
Palmitoleinsäure 903 Panaxoside Siehe Ginsenoside Papaverin 831 Papier 874 Paprika 935 Paraffine 36 Paraffinwachs 33 Patchoulane 930 Patchoulen, c- 930 Patchoulenon 930 Patchouliöl 930 PATERNO-BÜCHI-Reaktion 562, 624 PAULING-Elektronegativität 18 PAULI-Prinzip 4, 510 PAUSON-KHAND-Reaktion 95 PCP 174 PCR 892 Pektine 876, 878 Pelargonidin 721 Pelargonsäure 902 Penicilline 816 Pentacen(e) 177 Darstellung 183
Pentadecan n- 24
Pentadien-3-on, 1,4- 308 Pentadiene 1,2-, 1,3-, 1,4- 82 1,3- 469
Pentakontan 24 Pentan 1-Brom- 223 2- und 3-Methyl- 35 Konstitutionsisomere 27 n- 24
Pentan-1,4-dion 1-Phenyl- 332
Pentanal 307 Pentandion, 2,4- 308, 339 NMR, 1H- 498
Pentanol, 1- 213 Pentanon, 2- 308 Massenspektrum 545
Penten 1durch En-Reaktion 68 1- und 2- 53 2- 76
Pentin, 1- und 2- 89
Sachregister
Pentin-2-on, 3- 308 Pentosen 842 Pentulosen 843 PeptidAntibiotika 816 Bindung 790 Konfiguration 790 Hormone 812 Kupplung 798 Sequenzierung 807 Synthese 797 exemplarische 803 Festphasen- 763, 804 Fragmentkondensation 804 MERRIFIELD- 804 Schutzgruppen 799 Strategie und Taktik 799 Toxine 818
Peptide 405 chemische Modifikation 810 Depsi- 817 Konformation 790 Nomenklatur 789 Oligo- und Poly- 789 Reinigung 807 Quartärstuktur 823 Sekundärstruktur 790 Struktur 790, 796 Tertiärstruktur 823
peri- 175 pericyclische Reaktionen 455 Periodat zur Glykol-Spaltung 867
Periplanone 929 PERKIN-Reaktion 270, 334 Perlon 375, 751, 766 Permanganat 65, 97 Peroxide Chemilumineszenz 568 stabile 145
Peroxycarbonsäuren 264 PETERSON-Alkenylierung 60 Petrolkoks 33 Peyotl-Kaktus 835 Pfeffer 827 Pfefferminzöl 927, 940 PFITZNER-MOFFATT-Oxidation 419, 865 Pflanzengummen 878 Pflanzenöle 905, 906, 932 Pflanzenschutz 923 Phalaenopsin 828 Phalloidin 818 Phasentransfer-Katalyse 207 Phenalenon, 1- 566 Phenanthren 126, 175, 559
Benzo[c]- 175 Brom-, 9- 181 Darstellung 182 Reaktionen 180
Phenanthrenchinon 9,10- 181, 356 Darstellung 357
Phenanthridin 681 Phenanthrolin(e) 635 Phenazin(e) Farbstoffe 726 Synthesen 683
Phenol(e) 210, 342 Acidität Substituenteinflüsse 349 Acyl-, o- und p- 449 Alkyl-, p- 238 als Antioxidantien 907 als Enole 351 Amino-, o- 371 aus Anilinen 347 aus Aryldiazonium-Salzen 399 aus Chlorbenzenen 346 aus Halogenaromaten 168 aus Sulfonaten 346 Azo-Kupplung 404 Dialkyl-, 3,4- 347 durch Oxidation 346 elektrophile Substitutionen 353 -Formaldehyd-Harze 353 HOCK-Synthese 344 Kupplung, oxidative 838 Mesomerie und Acidität 347 Nitro-, oNMR, 1H- 517 Nomenklatur 341 Oxidation 351 physikalische Eigenschaften 342 Reaktionen 350 substituierte Darstellung 353 Tri-t-butyl-, 2,4,6- 352 Veresterung 350 Veretherung 350
Phenolat-Anion Mesomerie 348
Phenolester 350 Phenolether 229, 350, 391 Darstellung 232
Phenolphthalein 725 Phenone 306 o- und p-Hydroxy- 449
Phenonium-Ionen 131, 154, 157, 159, 161, 442 mesomeriestabilisierte 345
Phenonium-Salze 139 Phenoplaste 752 Phenothiazin(e) 685
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Sachregister
Farbstoffe 726
Phenoxazin(e) 685 Farbstoffe 726
Phenoxazon -Farbstoffe 727
Phenoxyl-Radikal 2,4,6-Tri-t-butyl- 352
Phenylalanin 770 Anticodon, Codon 892 Dihydroxy- 780 Synthese 778
Phenylalkane 129 Phenylalkene 129 Phenylalkine 129 Phenylboronsäure 197 Phenyldiazonium-Salze 172 Phenyldiazonium-tetrafluorborat 397 Phenylendiamin, o-, m-, p- 362, 367 Phenylessigsäure 262 NMR, 1H- 496, 497
Phenylethylamin(e) 1- 372 Alkaloide 835
Phenylglyoxal Darstellung 310
Phenylhydrazine aus Halogenaromaten 168
Phenyllithium Bildung 152
Phenylmagnesiumbromid 197 p-Chlor- 152
Phenylquecksilberchlorid 398 Pheromone 923, 926 Sexual- 927
Phloroglucin 351 Phosgen Herstellung 428 Reaktionen 429
Phosphabenzen(e) 674, 689 Phosphatide 899, 911 Sphingo- 912
Phosphonsäurediester 328 Phosphoreszenz 552 Phosphorsäure -ester 893, 894 -esterhalogenide 894
Phosphortrihalogenide zur Halogenierung 191
Phosphorylierungen 893 Reagenzien 895
Photochlorierung geschwindigkeitsbestimmender Schritt 47
987
Photochromie 720 Photocyclisierungen Orientierungen 460
Photodissoziation 551 Photohalogenierung von Alkanen 39, 555
Photometrie 481 Photoreaktionen 550 Addition 560 biologische 567 Cyanierung 556 Cyclisierung 559 Cycloaddition 69, 462, 561 Cycloreversion 564 Dehydrierung 564 Dehydrocyclisierung 559 Dimerisierung 563 Di-r-Methan-Umlagerung 558 Fragmentierungen 557 Halogenierung 555 Hydrierung 566 Hydroperoxidation 565 Isomerisierungen trans-cis- 558 Nitrosierung 556 Oximierung 556 Reduktion 566 Sulfoxidation 557 Transannular-Peroxidation 565 Valenztautomerisierung 559
Photosensibilisierung 553 Photosulfochlorierung von Alkanen 40
Photosynthese 567, 842, 875 Phthalazin(e) 682 -1,4-dion 568
Phthaldialdehyd, o- 307 Phthaleine 725 Phthalimid 738 als N-Nucleophil 288, 368 Tetrahydro- 289
Phthalocyanin(e) 736 Metallchelate 739 Synthesen 738
Phthalodinitril 738 Phthalsäure 262 -anhydrid 277, 287, 738 aus Naphthalen 180 Tetrahydro- 289 Darstellung 267 -ester Weichmacher 765 -halbester-Methode zur Racemattrennung 252 hydrazid 3-Amino- 568
Phytan(e) 931
Phytohormone 699, 924 Phytol 740, 931 Picolin, c-, d-, i- 672 PICTET-SPENGLER-Synthese der Isochinoline 681, 841
Pigmente 709 Pikrate 380 Pikrinsäure 342, 380 Pilzfarbstoffe 735 Pilztoxine 818 Pimaran(e) 931 Pimarsäure 932 Pimelinsäure 262 Pinacyanol 717, 719 Pinakol(e) 220, 228 -Umlagerung 228
Pinen cHC-Korrelation (NMR) 527 c- und d- 927
Pinocarvon 927 Piperazine Dioxo- 778, 780, 785
Piperidin(e) 277, 365 Alkaloide 827 aus Pyridinen 626 Inversion 622
Piperidinocyclohexen, 1- 324 Piperin 827 Piperinsäure 827 Pivalinsäure Siehe Propansäure, 2,2-DimethylPivaloylSchutzgruppe 863
Plastochinone (PQ) 937 Platforming-Prozeß 130 Platinmetalle Katalysatoren 61
Polarimeter 240 Polarität chemischer Verbindungen 19
Polyacrylnitril 94, 766 Polyacylierung 751 Polyadditionen 749 Polyalkane Konformere 758
Polyalkene cis-trans-Isomerie 756 durch Alken-Metathese 747
Polyamid(e) 751 -Fasern Färbung 713
Polyamine Metallchelate 616
Polybutadien 766
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988
Polycarbonate 751 Polychlorethen Siehe Polyvinylchlorid Polychloropren 95 Polychlorphenole 174 Polycyclen Nomenklatur 98
Polydialkylsiloxane (Silikone) 609 Polydiene Vulkanisation 749
Polyene Lichtabsorption 479
Polyenfettsäuren 903 UV-Absorption 908
Polyester 750 durch Umesterung 282
Polyethen 741, 766 Idealstruktur 760
Polyether 239 Polyethylen Siehe Polyethen Polyethylenglykol 766 als Polymerträger 806 aus Oxiran 239 sulfate als Tenside 921
Polyethylenoxid Siehe Polyethylenglykol Polyfluoralkane 70, 191 Polyharnstoffe 750 Polyinsertion 746 Polyisopren cis- 766, 938 trans- 938
Polyketide 735 Polykondensation 750, 752 Polymerase-Kettenreaktion 892 Polymere 70, 741 Bio- 874 Co- und Uni- 748 Diaden, Triaden 757 Dien- 749 Elastizität und Plastizität 760 Hetero- und Homo- 747 Konstitutionsisomerie 755 Kristallinität 759 Quellbarkeit 761 Reaktionen 761 synthetische 741 Taktizität 756 Trägerharze 763 ungesättigte 741 Vernetzung 748 Verzweigung 756
Polymerisationen 67, 70, 741 anionische 745
Sachregister
Dien-, 1,3- 741 durch Alken-Metathese 747 Epoxid- 747 Fällungs-, Massen-, Perl- 744 kationische 744 koordinative 745 radikalische 742 Regler und Inhibitoren 743 Starter-Radikale 279 Vinyl- 741
Polymerträger 806 Polymethin-Farbstoffe 717 Anwendungen 719 photochrome 720 Synthese 718
Polymorphie 905 Polynucleotide 879 Homo- 880
Polyole 210, 842, 856 Polypentofuranose-3´,5´phosphat in Nucleinsäuren 879
Polyporsäure 735 Polypropen 70, 766 Polypropylen Siehe Polypropen Polysaccharide 873 Hetero- und Homo- 844 Hydrolyse enzymkatalysierte 825 Muco- 877
Polystyren 766 elektrophile Substitution 762 NMR-Spektren, 13C- 758 Taktizität 758
Polystyren-Divinylbenzen -Copolymer Chlormethylierung 763 -Perlpolymerisate 762
Polystyrol Siehe Polystyren Polyterpene 938 Polytetrafluorethen 190, 766 Polyumesterung 751 Polyurethane 750 Schaumstoffe 765
Polyvinylacetat 766 Polyvinylalkohol 766 Polyvinylchlorid (PVC) 70, 93, 188, 766 POMERANZ-FRITSCH-Synthese der Isochinoline 681
Pomolsäure 935 Porphin 660, 736 Porphycene 738 Porphyrin(e) 736 Aromatizität 736 Chelatliganden 736
Hexahydro- 660 Isomere 738 Synthesen 737
Porphyrinoide natürliche 740
Prednison 949 Pregnan(e) 944 Pregnenolon 948 PRELOG-STOLLAcyloin-Synthese 115
Prenylchinone 937 PRILEZHAEV-Epoxidation 235, 624 Primärstruktur der Peptide und Proteine 789
PRINS-Reaktion 65 Prioritätenfolge zur CAHN-INGOLD-PRELOGKonvention 242
Prisman 118 Prochiralität 253 Progesteron 948, 950 Prolactin 812 Prolin 770, 788 Promotion von Elektronen 8
Pronuciferin 833 Propan 24 Molekülmodelle 25 sulfonsäure, 1-, 2-Methyl- 423
Propan-2-thiol 2-Methyl- 409
Propanal 307 Propandial Siehe Malondialdehyd Propandiol 1,2- 213
Propanol 1- 213 2-Methyl- 216, 217, 283 2-Methyl-1-phenyl- 217 2- 64, 213, 215 2-Methyl- 64, 202, 213, 215 1-PhenylEnantiomere 255 nucleophile Substitutionen 255
Propanon 308 Propansäure 2,2-Dimethyl- 266
Propantriol 1,2,3- 213
Propellan 118 Propen 53, 57, 59 1,1-Diphenyl- 328 1,2-Diphenyl-1-, (E)- und (Z)- 78
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Sachregister
En-Reaktion 289 Methyl- 58, 225
Propen-1-ol 2- 213
Propenal 307 Propensäure 262 chlorid 276 Diphenyl-, 3,3- 334 ester 94, 335
Propin 89 Propinal 307 Propiolacton, d- 298 Propiolaldehyd 307 Propionaldehyd 307 d-Bromdiethylacetal 320
Propionitril d-N,N-Dimethylamino- 369
Propionsäure 262 Benzoyl-, d- 266 Chlor-, c- und d- 291 Herstellung 265 Phenyl-, d- 269
Propiophenon 308 Propylalkohol Siehe Propanol, 1Propylamin, n- 365 Propylendiamin 365 pro-R -, pro-S- 253 Prostaglandine 903 prosthetische Gruppe 820 Proteine 789 Biosynthese 893 Klassifizierung 819 konjugierte, nicht konjugierte 819 Membran- 918 Partialsequenzen 808 Quartärstruktur 821 Struktur 796 Tertiärstruktur 821
Protein-Fasern 796 Färbung 713
Protonen-Verschiebung (NMR) Anisotropieeffekte 499 Assoziationseffekte (H-Brücken) 502 Bereiche, Übersicht 506 Chiralitätseffekte 504 induktive Effekte 499 Mesomerieeffekte 501 Ringstromeffekt 500 sterische Effekte 502 Temperatureffekte 504
Pseudoionon 942 Psilocin, Psilocybin 829
989
Pteridin(e) 701 nucleophile Additionen 703 Ringöffnung 703 Synthese 702
Pterin(e) 701 PUMMERER-Umlagerung 419 Purin(e) 699 Acidität 702 Alkylierung 702 elektrophile Substitutionen 704 Nucleobasen 880, 890 nucleophile Substitutionen 704 Ringöffnung 703 Stimulantien 700 Synthesen 699 Tautomerie 884
Purpur, antiker 735 Purpurogallin 588 Putrescin 836 PVC Siehe Polyvinylchlorid Pyran 2,3-Dihydro-4H- 625, 629 2H- und 4-H- 622 Benzo-Derivate 928 Konstitutionsisomere 229
Pyranosen 847 NMR-Daten 853 Sessel-Konformere 4C1 und 1C4 852
Pyrazin(e) Synthesen 677
Pyrazino[2,3-d]pyrimidin Siehe Pteridin Pyrazol(e) aus Diazoalkanen 392 aus Diazoestern 393 Nitrierung 662 Ring-Vinyloge 706 Synthese 647, 649, 651, 670 Festphasen- 764 Tautomerie 638
Pyrazolin(e) 625 Pyrazolon(e), 5- 301 NMR-Spektren, 13C- 639 Synthesen 647 Tautomerie 639
Pyren 175 Benzo[a]- 175
Pyridazin(e) Synthesen 676
Pyridazin-6-on 4,5-Dichlor-1,6-dihydro- 715
Pyridin(e) 127, 632 aldehyd, 2Darstellung 310 Alkaloide 827
Alkylierungen, Phenylierungen 603, 689 Amino- 689 aus Alkinen und Nitrilen 673 Basizität 685 -carbonsäuren 261 Cyano- 690 Dehydro- 690 dicarbonsäure, 2,3- 267, 694 Dihydro1,2- 688 Dimethylamino-, 4Acylierungskatalysator 685 elektrophile Substitutionen 690 HANTZSCH-Synthese 672 Hetero-Analoge 674 katalytische Hydrierung 626 Ladungsdichte-Verteilung 644 Mesomerie 644 Molekülorbital-Modell 645 NMR, Verschiebungen 645 N-Oxide 381, 687 elektrophile Substitution 691 nucleophile Substitutionen 689 Ringvinyloge 707 Stickstoff-Nucleophile 686 substituierte Tautomerie 641 Synthesen 672
Pyridinium-Salze 687 Reaktionen 688 zur Etherspaltung 237
Pyridon(e), 2- 640, 688, 827 Pyridyn(e) 690 Pyrimidin(e) Basizität 686 elektrophile Substitution 691 HydroxyTautomerie 641 Nucleobasen 880, 890 substituierte Tautomerie 642 Synthesen 676, 688 Tautomerie 884 Triamino- 700
Pyrokohlensäure -di-t-butylester 786
Pyrone 645 Cycloadditionen 687 i- 693 Aromatizität 691 Synthese 675
Pyrrol(e) 127, 632 Acidität 657 aldehyd, -2- 315, 664, 666 Bindungsdaten 644 elektrophile Substitution 660 KNORR-Synthese 650 Mesomerie 642
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990
Metallierung 657 NMR, Verschiebungen 644 Protonierung 656 REIMER-THIEMANN-Formylierung 664 Synthesen 646, 648, 650, 671
Pyrrolidin(e) 277 Alkaloide 827 Dimethyl-, 1,2- 386 Methyl-, N- 384
Pyrrolin(e) 629 Pyrrolizidin(e) 698 Alkaloide 828
Pyrrolizin(e) 3H- 698
Pyrrylmagnesiumhalogenide 658 Pyruvat 290 PyryliumIonen und Salze 632, 645 Reaktionen 688 Synthese 674
Q Quantelung der Energie 2
Quantenausbeute 42, 554 quantitative Analyse durch IR 492 durch NMR 498 durch Photometrie 481
Quartärstruktur der Proteine 821
Quaternisierung heterocyclischer Imine 665 tertiärer Amine 384
Quellung von Polymeren 761
Quencher 554 Quench-Reaktion 553 Quercetin 721 Quillaja -Saponine 935 säure 935
R Racemat 244 Racemattrennungen 250, 781, 941, 953 chromatographische 253, 783 enzymatische 252, 783 gaschromatographische 873
racemische Basen Trennung 251
racemische Säuren Trennung 250
Racemisierung 256
Sachregister
Radialen 118 Radikale 15, 474 Initiator- 395, 742 mesomeriestabilisierte 87, 144, 352 relative Stabilität 49 sterisch stabilisierte 49
radikalische Substitutionen 41 Mechanismen 51
RADZISZEWSKI-Synthese der Imidazole 647
Raffinose 873 RAMACHANDRAN-Diagramm 792 RAMAN-aktiv 492 RAMAN-Spektroskopie 492 RAMBERG-BÄCKLUND-Reaktion 421 RAMP, SAMP 788 RANEY-Nickel 61 -Entschwefelung 415
Rapsölmethylester 906 RASCHIG-Prozeß 346 Reaktionen elektrocyclische 455 WOODWARD-HOFFMANNRegeln 457 sigmatrope WOODWARD-HOFFMANNRegeln 466
Reaktionsgeschwindigkeit 46 Reaktionsmechanismus 41 Reaktionswärme 1, 43 Reaktiv-Farbstoffe 716 Reaktiv-Gruppen zur Textilfärbung 715
Reaktivität bei nucleophilen Substitutionen 203 und Selektivität 49
Reaktivität, relative der Alkene bei Additionen 79
Rearomatisierung 131, 155, 162, 164 Redoxite 763 reduktive Aminierung 372, 779 REFORMATSKY-Reaktion 296, 601 Regioselektivität 48 der Dehydratisierung 73 elektrophiler Additionen 80 elektrophiler Zweitsubstitutionen 136, 161, 165, 179, 661 Lösungsmitteleinflüsse 166 Substituenteffekte 138 Temperatureinflüsse 166
REIMER-TIEMANN-Formylierung 315 von Pyrrol 664
Rekombination von Radikalen 42
Remazolgoldgelb 717 Replikation der DNA 891
REPPE-Synthesen 94 Re-Seite 254 Reserpin 831 Resite 753 Resonanz Siehe Mesomerie Resonanzenergie Siehe Mesomerieenergie Resorcin 342 Retention 255, 470 Reticulin 832, 838 biogenetische Morphin-Vorstufe 837 Biosynthese 837
Retinal 931, 944 11-cis- und 11-trans- 567
Retinol 931 -acetat Retrosynthese 941 Synthese 943
Retro-DIELS-ALDER-Reaktion 465 im Massenspektrum 544
Retrosynthese 941 Rhamnose 868 Rhodopsin 567 Riboflavin 701 Ribonucleinsäuren 880 messenger (m-RNA) 892 Struktur 891 transfer (t-RNA) 892
Ribonucleotide 897 Ribopyranosid Methyl-d-DOxidation 865
Ribose 843, 879 D- 845
Ribosomen 893 Richtungsquantelung 495 Ricinin 827 Ricinolsäure 904 Ricinusöl 827, 904 Riechstoffe Synthesen 938
RILEY-Oxidation 310, 316 Ringatmungs-Schwingung (IR) 493
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Sachregister
Ringe benzoide und chinoide 177 große und mittlere Synthese 114 reizvolle 118
Ringerweiterung 444, 625 Ring-Homologisierung 113 Ringinversion des Cyclohexans 103
Ringöffnungen 116 Ringschluß-Metathese 114 Ringspannung 99, 113, 115 Einfluß auf CHKopplungskonstante 534 Nachweis durch IR 490
Ringstrom-Modell (NMR) 500 Ringverengung 444, 447, 557, 577 RNA, RNS 880 ROBINSON-Annelierung 335 ROBINSON-Synthese der Flavylium-Salze 684
Rohr- und Rübenzucker Siehe Saccharose ROSENMUND-Reduktion 280, 311 Rosenöl 926 Rosmarin 928 Rotation, behinderte 506 Rotationsbarriere 31 Rotationsdispersion optische (ORD) 474
ROTHEMUND-TREIBS-Synthese der Porphyrine 737
Rubren 569 RUGGLI-ZIEGLERVerdünnungsprinzip 114, 233
S Saccharin Herstellung 426
Saccharose 842, 871, 872 Safranin T 726 Sägebock-Projektion 30 SAKURAI-Reaktion 609 Salbei 928 Salcomine 619 Salicylaldehyd 307, 342, 344 5-Nitro- 720
Salicylaldimin N-Cyclohexyl- 323
Salicylsäure 261, 262, 273, 342 -methylester Kinetik der Verseifung 482 Phenylazo- 714 Synthese 266
991
Salpetersäureester (Nitrate) 405 Salpetrigsäureester (Nitrite) 405 Salutaridin 838 SAMP-Hydrazone 788 SANDMEYER-Reaktion 152, 171, 397 Sandwich-r-Komplexe 578, 611 SANGER-Reagenz 170, 775 Sapogenine 933, 951 Saponine 933, 951 Sarkosin 768, 816 SAUERMILCH-Oxidation 310 des 2-Methylpyridins 693
Säure-Base-Reaktionen 23 Säuren 23 CH- 91, 284
Säurezahl 907 SAYTZEFF-Regel 74, 226 Scaffold 806 Scavenger 801 Schaumgummi 765 Schaumstoffe 765 Schierling 827 Schießbaumwolle 875 SCHIFF-Basen 322 Schlafmohn 831, 834, 837 Schlangengift 818, 911 SCHLENK-Gleichgewicht 196 Schlepper 275 Schmelzpunkt 22 Schmetterlinge Flügelpigmente 701
SCHMIDT-Reaktion der Carbonsäuren 374, 445 der Ketone 375, 446
SCHMIDT-STAUDINGER-Regel 85 SCHMIDT-Synthese der Glycoside 860
Schmierseife 282 Schöllkraut 833 SCHOTTEN-BAUMANNBenzoylierung 279
SCHRÖDINGER-Gleichung 2 Schutzgruppen für Amino- 800 für Aminosäuren 800 für Carbonyl- 321, 626 für Carboxy- 800 für Hydroxyin Alkoholen 238 in Nucleosiden 895 Urethan- 800
Schwangerschaftshormone 950 Schwefelkohlenstoff 439
Schwefeltrioxid als Elektrophil 156
SCHWEIZERs Reagenz 875 Schwingungsspektroskopie 482 s-cis- 85 Scopolamin 828 Sebacinsäure 262 Sechsring-Synthesen 88, 111, 458 Sedoheptulose 856 Sehpurpur 567 Sehvorgang 567 Seide, Natur- 796 Seidenspinner 938, 950 Seifen 282, 906 Seifenbaum chilenischer 935
Seitendifferenzierung 259, 780 Seitenketten-Schutzgruppen 802 Sekundärstruktur der Peptide und Proteine 790
Selenazol 632 Selenophen 632 Selinen, c-, d- 930 Sellerie 930 Semicarbazid 437 Semicarbazone 324, 437 Semichinon-Radikal-Anion 359 Seneciosäure 926 Sensibilisatoren zur Photographie 720
Sequenz Peptid-, Protein- 789
Serin 770 Synthese 780
Serinkephalin 911 Serotonin 829 Sesquiterpene acyclische 929 bi- und polycyclische 929 monocyclische 929 Synthesen 938
Sesquiterpenlactone 930 Sessel-Konformer des Cyclohexans 102
Seveso-Dioxin 174 Sexualhormone 950 SHAPIRO-Reaktion 339 SHARPLESS-Epoxidation der Allylalkohole 257
SHOOLERY-Regel (NMR) 506 Sialinsäure 869, 912 Siebenring-Synthesen 113
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992
Siedepunkt 22 sigmatrope Reaktionen (Verschiebungen) 111, 117, 465, 653
Signalaufspaltung (NMR) 509 Signalfarben 727 Silane 595, 604 Enantiomere 248
Silazan(e) Hexamethyldi- 607
Silicone (Polydialkylsiloxane) 609 Silicontenside 921 Siloxyalkene 608 Silylenolether 325, 606 als Synthesereagenzien 608
SIMMONS-SMITH-Reaktion 109, 599 SIMONIS-Synthese der Flavone 684
Singulett -Sauerstoff 472 -Zustand 551
Si-Seite 254 SKRAUP-Synthese der Chinoline 679
Skunk-Sekret 407 Slaframin 829 SN1- und SN2-Mechanismus Konkurrenz 207
SN1-Mechanismus 201, 231, 237 Racemisierung 256 stereochemischer Verlauf 202
SN2-Mechanismus 199, 231, 237, 866 stereochemischer Verlauf 200 WALDEN-Umkehr 255, 396
SN2'-Mechanismus 208 SNAr1-Mechanismus 171 SNAr2-Mechanismus 169 SNi-Mechanismus 209 Sojabohnen 911, 945 Solanin 952 Solasodin 952 Solvatation 21 Solvatochromie 478 Solvolysen 198, 208 SOMMELET-HAUSERUmlagerung 450
SONOGASHIRA-Reaktion 96 Sorbit 856 Sorbose 856 SORET-Bande 736
Sachregister
Speed 835 Speisefette 905 Spermidin 836 Spermin 836 Sphingo -glycolipide 912 -lipide 911 -myeline 912
Sphingosin 911 Spiegelbildisomere 240 SpinEntkopplung (NMR) 523 Spin-Kopplung (NMR) 509 Systeme (NMR) A3X2 511 AA´XX´ 517 AB 511 ABC 523 AX 510
Spirocyclen Enantiomere 249 Nomenklatur 98
Spirostane 951 Split-Mix-Methodik der kombinatorischen Synthese 806
Squalen 932 SSS-Reaktion 143, 148 Stannane 197, 595 Stärke 875 enzymatische Spaltung 871 lösliche 875 Nachweis 876
Startreaktion der Photohalogenierung 41, 43 der Polymerisation 742
Stearinsäure 282, 900, 902 Tuberkulo- 903
Steinkohle Verkokung 129
Steinkohlenteer 672 Steppenraute 830 Stereoisomere Diastereomere und Enantiomere 246
stereokonservative Reaktionen 255
stereoselektive Reaktionen 57
Stereoselektivität 65 Beispiele 257 von Additionen 81 von d-Eliminierungen 78
Stereospezifität Beispiele 257 der SN2-Reaktion 201
elektrocyclischer Reaktionen 456 von DIELS-ALDER-Reaktionen 463
Sterine Siehe Sterole sterische Effekte auf die Konformation 31 bei nucleophilen Substitutionen 203
Steroid(e) Alkaloide 951 Amino- 952 Biosynthese 933 cis- und trans-Verknüpfung 944 Grundskelette 944 Hormone 949 Saponine 951 Stereoisomere 944 Synthese 614, 952
Sterole 944, 945 Sterone 944 STETTER-Reaktion 332 STEVENS-Umlagerung 448 Stigmastan(e) 944 Stigmasterol 945 Stilben(e) cis- und trans- 129 UV-Maxima 480 Diamino-, 4,4´- 712 2,2´-disulfonsäure 712 Photodehydrocyclisierung 559 Photoisomerisierung 558
STILLE-Kuppplung 197 Stipitatsäure 588 Stoffklasse 1 STORK-Enamin-Alkylierung 324 s-trans 85 STRECKER-Synthese der Aminosäuren 776
Streptocyanine 718 Streptomycin 869 Streptose 865 Stroh 874 Strophantidin 950 Strychnin 250, 830 STUART-BRIEGLEBKalottenmodelle 25 Styren 129 4-Chlor- 148 Synthese 146
Styrol Siehe Styren Suberinsäure 262 Substituenten aktivierende und desaktivierende 136, 160
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Sachregister
Substituenteneffekte
(-)-I- und (/)-I- 51, 72, 133, 212 (-)-M- 324 (-)-M- und (/)-M- 131, 134 (-)-M, (/)-M, (/)-I- 160, 163, 179 an Heteroaromaten Fünfring- 661 Sechsring 691 auf die Lichtabsorption 478 auf die Regioselektivität 138 mesomere 136 NMR, 13C- 532 NMR, 1H- 501
Substitutionen, elektrophile an Aromaten 131 Beispiele 150, 178 an Heteroaromaten Fünfring- 659 benzokondensierten 667 Sechsring- 690 benzokondensierten 696 an Polymeren 761 Azo-Kupplung 401 der Metallocene 574 der Phenole 353 der Purine 704 des Anilins 387 des Anthracens 181 des Naphthalens 178 des Phenanthrens 181 Mechanismus 154, 661 Regioselektivität 161, 661
Substitutionen, nucleophile an Heteroaromaten Fünfring- 663 Sechsring- 689 benzokondensierten 695 an Kohlenhydraten 866 bimolekulare 169, 199 des Tropylium-Ions 576 Einfluß der Abgangsgruppe 204 elektronische Einflüsse 204 Eliminierungs-AdditionsMechanismus 172 Lösemitteleinflüsse 206 Mechanismen 167, 199 monomolekulare 172, 201 Stoß- und Zugmechanismus 628 Substituenteneffekte 170 Übersicht 199 von Glycosylhalogeniden 860 von Halogenalkanen 91, 195, 196, 198 Mechanismen 199 von Halogenaromaten 167 Mechanismen 167 von Halogenpurinen 704 von Halogensilanen 606
993
Substitutionen, radikalische in Allyl-Stellung 189 in Benzyl-Stellung 143, 189 in der Seitenkette von Aromaten 143 Mechanismen 51 von Alkanen 40, 41, 186 von Alkenen 67
Succinanhydrid Siehe Bernsteinsäureanhydrid Succindialdehyd 307 Succinimid 287 N-Brom- 288, 555 N-HydroxyAktivester 799
Sulfaguanidin 384 Sulfanilsäure 387 diazotierte 403, 404
Sulfathiazol 384 Sulfat-Verfahren zur Cellulose-Gewinnung 874 Sulfensäure 410, 421 -amide 422 -chloride Darstellung 421 Reaktionen 422 -ester 422
Sulfenylchlorid(e) 421 Dinitrophenyl-, 2,4- 422
Sulfhydrazide 426 Sulfhydroxamsäuren 426 Sulfinsäuren 410, 565 Acidität 423 aus Sulfonsäuren 422 Darstellung 422 Enantiomere 423 Reaktionen 423
Sulfit-Verfahren zur Cellulose-Gewinnung 874 Sulfochlorierung der Alkane 51, 424 von Arenen 425
Sulfolan(e) 88 Sulfonamide Siehe Sulfonsäureamide Sulfone 414, 418, 565 Alkenyl- 421 aus Sulfinaten 420 aus Sulfonsäurechloriden 420 Darstellung 420 Halogenc- 421 daus Alkenen 420 Oxidation und Reduktion 421 Reaktionen 421
Sulfonierung des Anilins 387 des Benzens 156 des Naphthalens 178 von Arenen 424
Sulfonierungsreagenzien 425 Sulfonium-Salze Enantiomere 248
Sulfonpyrolyse 628 Sulfonsäure(n) 410, 423 Acidität 425 -amide 383, 426 aus Alkenen 424 aus Arenen 424 -chloride Derivatisierungen 426 Darstellung 423 durch Photosulfoxidation 557 -ester 426 nucleophile Austauschreaktionen 427
Sulfonsäuren aus Alkanen 424 aus Halogenalkanen 424
Sulfoxidation der Alkane 424
Sulfoxide 414 Alkenyl- 418 Darstellung 417 Enantiomere 417 KNOEVENAGEL-Alkenylierung 418 Oxidation 418 Photoxidation 565 physikalische Eigenschaften 417 Reaktionen 417 Reduktion 418 Spaltung 417
Sulfurylchlorid 40, 51 Superbasen 96 suprafacial 460, 466 Süßstoffe 426 SUZUKI-Kupplung 197 Swainsonin 829 SWERN-Oxidation 221, 419 Sydnone 670 syndiotaktisch 756 Synthesekautschuk 938 Synthesen kombinatorische 763, 806 konvergente und lineare 941
T Tabak 938 Alkaloide 827
Taktizität von Polymeren 756
Talg 905
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994
Talose 843 Taurin 787, 947 Tautomerie, Tautomere 93, 280, 286, 303, 416, 440 der Flavonole 721 der Nucleobasen 884 der Purine 699 des 1,2-Diazepins 706 Lactam-Lactim- 884 Oxo-Cyclo- 684, 851 von Azo-Verbindungen 404 von Heteroaromaten 638, 669
Taxan(e) 932 Taxol 932 TCDD 174 TEBBE-Alkenylierung 329 Teer Destillation 129
Teflon 70, 190, 766 Tenside 901 industr. Synthese 918 nicht ionogene 921 synthetische 921
Terephthaldialdehyd 307 Terephthalsäure 262 -polyester 282, 751
Terminus, N- und C- 789 Terpene Bauprinzip 922 Biosynthese 924 Di- 931 Hemi- 926 Alkaloid-Substruktur 831 Mono- 926 Alkaloid-Substruktur 830 Nomenklatur 923 Poly- 938 Sesqui- 929 Stammkohlenwasserstoffe 922 Tetra- 935 Tri- 932 Vorkommen 923
Terpentin 922, 923 -öl 927
Terramycin 735 Tertiärstruktur der Proteine 821
Testosteron 950 Tetraalkylammonium-hydroxide HOFMANN-Eliminierung 385
Tetraalkylammonium-Salze 384 Enantiomere 248, 364 Phasentransfer-Katalysatoren 207
Tetraalkylsilane 60 Tetracen 175
Sachregister
Tetrachloethan, 1,1,2,2- 188 Tetrachlorkohlenstoff Siehe Tetrachlormethan Tetrachlormethan 39, 193 Tetracyanoethen 112 Tetracycline 735 Tetradec-1-in 96 Tetradecan n- 24
Tetraederwinkel 10, 30 Tetrafluorethen industr. Synthese 190
Tetrahalogenalkane, 1,1,2,2Darstellung 188
Tetrahedran 118 Tetrahydrocannabinol 928 Tetrahydrofuran 237, 620 TetrahydropyranylSchutzgruppe 630
Tetrakontan 24 Tetralin 178 aus Naphthalen 180
Tetralon 6-Methoxy- 953
Tetramethylbenzen, 1,2,3,4Synthese 141
Tetraterpene Carotenoide 935
Tetrazin(e) 632 1,2,4,5- 679
Tetrazol(e) Synthese 649, 652 Tautomerie 638
Tetrosen 842 Tetrulosen 843 Textilfärbung Beizen- 715 Direkt- 712 Dispersions- 712 durch Komplexbildung 714 Entwicklungs- 714 Ionenaustausch- 713 Küpen- 733 Reaktiv- 715
Tfa-Schutzgruppe 800 THC 928 Thebain 838 Theobromin 700 Theophyllin 700 Thermoelastizität 760 Thermoplastizität 760 Thiapyrone 645 i- 675 ThiapyryliumIonen und Salze 632, 645, 675
Reaktionen 688
Thiazin(e) 677 5,6-Dihydro, 4H- 629
Thiazinium-Salze, 1,3- 677 Thiazol(e) 569 mesoionische 671 Synthese 646, 649
Thiepan(e) 622 Thiepin(e) Darstellung 705
Thietan(e) 620 Reaktionen 627
Thiierung 416, 417 Thiiran(e) 622 aus Oxiranen 413 Darstellung 413 Reaktionen 414 Synthese 624
Thiiren 704 Thioacetale 321, 416 Thioaldehyde 415 Thiobenzophenon 416 Thioether Acetoxy-, c- 419 Alkylierung 413 aus Alkenen 412 aus Aryldiazonium-Salzen 413 aus Halogenalkanen 412 aus Schwefeldichlorid 412 aus Sulfoxiden 412 aus Thiolaten 412 aus Thiophenolaten 412 Chlor-, d- 422 cyclische 620 Darstellung 413, 623 Darstellung 412 Oxidation 414 Reaktionen 413
Thioglykol 414 Thioharnstoff(e) als Schwefel-Nucleophil 438 Tautomerie 438
Thiohydantoine 778, 810 Thioindigo 732 Thioketale 321, 416 Thioketone 415 Thiolate 410 Thiole Acidität 409 als Kettenüberträger 743 als Regler 743 aus Alkenen 409 aus Aziran 409 aus Halogenalkanen 407 aus Oxiran 409 Darstellung 407
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Sachregister
durch TSCHUGAJEFF-Reaktion 409 Oxidation 410 physikalische Eigenschaften 409 Reaktionen 410
Thiolessigsäure 416 Thiolglycoside 861 Thiolsäure(n) 416 ester 416, 804
Thiomorpholin 678 Thionaphthen(e) 634 dioxid, -S,S- 667 Nitrierung 668 Synthese 653
Thionocarbonate 438 Thionsäuren 416 Ester 417
Thionylchlorid zur Halogenierung 192
Thiophen(e) 127, 632 Bindungsdaten 644 dioxid, 1,1- 657, 659 2,5-Dihydro- 625 elektrophile Substitution 660 Entschwefelung 664 Mesomerie 642 NMR, Verschiebungen 644 Synthesen 646, 650 Tetrahydro- 413
Thiophenol(e) Amino-, o- 411 aus Aryldiazonium-Salzen 411 aus Diaryldisulfiden 411 aus Halogenaromaten 168 aus Sulfonsäurechloriden 411 Darstellung 411 Reaktionen 411
Thiophenolate 411 Thiophosgen 438 THORPE-ZIEGLERCyclisierung 114
threo- und erythro- 245 Threonin 770 Threose 245, 843 Thuja 928 Thujaplicine 588 Thymidin Synthese 895
Thymin 880 Tautomere 884
Thyreoliberin 813 Tiglinsäure 926 Tigonin 951 TISCHTSCHENKO-Reaktion 327 Titan tetra-i-propylat
995
zur SHARPLESSEpoxidation 257 r-Komplexe zur koordinativen Polymerisation 745
Titrationskurven von Aminosäuren 772
TMS 496 Tocopherol, (+)-c- 937 TODD-Synthese des Adenins 700
Tolan (Diphenylethin) 129 Tolidin 376 TOLLENS-Reaktion 336 Tollkirsche 828 Toluen aus n-Heptan 130 Nitrierung 136 Nitro-, o- und p- 136
Toluensulfonamid, pN-Methyl-N-nitroso- 389
Toluensulfonsäure, pchlorid 425 ester Siehe Tosylate
Toluidin, o-, m-, p- 174, 362, 367 Toluidinium-sulfonate p- 425
Tomate 935, 952 Tomatidin 952 Topie, Topizität 253 Torsionsspannung 99, 100, 103 Tosylate 77, 198, 204, 866 TPS 920 Tracer-Technik) 837 Träger, polymere 763 trans- oder (E)- 55 Transalkylierungen 139 Transaminierung 779 transannulare Reaktionen 117 Transglycosidierung 860 Transkription 892 Translation 892 transoid Siehe s-transTraubensäure 299 Traubenzucker Siehe Glucose TRAUBE-Synthese des Guanins 700
Trehalose 871, 872 -Typ 871
Treibstoffe Herstellung 33
Tretinoin 931 Triacontan 24 Trialkybenzene, 1,2,3-
Synthese 141
Trialkylammonium-Salze 363 Trialkylborane 63, 596 TrialkylsulfoniumHydroxide 414 Salze Enantiomere 413
Triazen(e) 402 Diphenyl- 402
Triazin(e), 1,3,5- 642, 678, 689 2,4,6-Triamino- 754 2,4,6-Trichlorzur Reaktiv-Färbung 715 Hexahydro- 323
Triazol(e) 1,2,3Synthese 608, 649 Tautomerie 638 1,2,4mesoionische 671 Synthese 652 Tautomerie 638
Triazolin(e) 625 Tribrombenzen, 1,3,5Darstellung 151
Tribrommethan durch Haloform-Reaktion 193
Tribromphenol, 2,4,6Darstellung 151
Trichloracetaldehyd-Hydrat 308 Trichloracetimidate zur Glycosid-Synthese 860
Trichloracetonitril zur Halogenierung 193
Trichlorethen Darstellung 188
Trichlorethylen Siehe Trichlorethen Trichlorfluormethan 190 Trichlormethan 39, 278 durch Haloform-Reaktion 193
Trichlorphenol, 2,4,5- 174 Tridecan n- 24
Triene 1,2,3aus 2-Alkin-1,4-diolen 86 1,3,5Elektrocyclisierung 458 Molekülorbitale 458
Triethylamin 205, 365 Triethylbenzen, 1,3,5- 140 Triflate 204 Triglyceride Verseifung 906
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996
Trihalogenmethyl-Gruppen Einführung 560
Trimethylamin 365 TrimethylsilylSchutzgruppe 607
Trimethylsilylazid 374, 607, 608 Trimethylsilylcyanid 607 Trimethylsilylether 238, 606 Trimethylsilylierungen 606 Tri-n-propylamin 365 Triole 210 Triosen 842 Trioxane 320 Tripeldecker-SandwichKomplexe 611 Triphenylcarbinol 146 Triphenylchlormethan 139 Triphenylen 175 Triphenylmethan 139 -Farbstoffe 722 Oxidation 146
Triphenylmethyl-Radikal 144 Triphenylphosphan 327 zur MITSUNOBU-Reaktion 396 zur WITTIG-Alkenylierung 327
Triplett -Sauerstoff 472 -Zustand 551
Triptycen Darstellung 181
Triptycylchlorid 182, 203 Tripyrran(e) 738 Trisaccharide 873 Triterpene acyclische 932 Biosynthese 932 polycyclische 933
Trithiocarbonat Monoethyl- 439
Trithiokohlensäure 439 TritylSchutzgruppe für OH 238, 865, 896
TRÖGER-Basen 364 Enantiomere 248
Tropan -3-on Synthese 840 -Alkaloide 827
Tropasäure 828 Tropin 828 Tropinon Siehe Tropan-3-on Tropolon(e) 576 natürlicher Herkunft 588 Synthese 576
Sachregister
Tropylium-Ion 575 im Massenspektrum 543
Tropyliumoxid 575 Trypsin 808 Tryptamin(e) 829 Synthese 841
Tryptophan 770 Synthese 779
TSCHITSCHIBABIN-Reaktion 689 TSCHUGAJEFF-Reaktion 409 Tubocurarinchlorid 832 Tussilagin 828 Twistan 118 Twist-Boot-Konformere des Cyclohexans 103
TWITCHELL-Verfahren der Verseifung 906
Tylocebrin 829 Tyrosin 770 biogenet. Alkaloid-Vorstufe 837
U Übergangsmetall-r-Komplexe Katalysatoren 613
Übergangszustände 76 cyclische 75, 81 der En-Reaktion 472 radikalischer Substitutionen 44 sigmatroper Reaktionen 468 SN2-Mechanismus 199
Ubichinone UQ-n 937 ULLMANN-Reaktion 153 Ultraviolett (UV-) Spektroskopie 474
Umalkylidenierungen 69, 747 Umesterung 282 Poly- 751 von Triglyceriden 906
Umheterocyclisierungen 688 Umlagerungen 441 Aldehyd-Keton- 443 Allyl- 939, 942 AMADORI- 862 anionotrope 441 BAEYER-VILLIGER-Oxidation 447 BECKMANN- 375, 446, 626, 752 bei Additionen 80 bei Dehydratisierungen 74 Benzidin- 377, 450 Benzil-Benzilsäure- 444 CLAISEN- 237, 452 COPE- 117, 390, 452 Diaza- 452, 653 Oxa- 237, 452, 938 CURTIUS- 445, 625 DEMJANOW- 116, 444 DEMJANOW-TIFFENEAU- 117
Diaryltriazen-Azobenzen- 403, 450 Dienon-Phenol- 347, 445 FAVORSKII- 447 FISCHER-HEPP- 450 FRIES- 351, 449 HOFMANN-Abbau 445 HOFMANN-MARTIUS- 450 IRELAND-CLAISEN- 271 JACOBSEN- 449 kationotrope 447 LOBRY-DE-BRUYN-VANEKENSTEIN- 862 LOSSEN- 445 MCLAFFERTY- 545 NEBER- 446 Phenolether- 449 Pinakol- 228, 443 PUMMERER- 419 radikalische 449 SCHMIDT-Reaktion 445 Sextett- 441 sigmatrope 451 SOMMELET-HAUSER- 450 STEVENS- 448 WAGNER-MEERWEIN- 75, 224, 443, 941 WALLACH- 451 WITTIG- 238, 448 WOLFF- 269, 394, 444
Umpolung 196, 321, 332, 687 Undecan n- 24
Undecansäure 11-Hydroxy- 396
Uracil 880 1-Methyl- 890
Ureide 434 Urethan(e) Alkyl- und Aryl-, N- 432 Darstellung 431 Ethyl- 431 Poly- 750 -Schutzgruppen 431, 787, 800
Urethan(e)-Schutzgruppen 437 Uridin 883 Ur-Indigo 729 Uronsäuren 857, 858, 865 Urotropin 323, 367 Ursan(e) 933 Ursolsäure 935 Urzeugung 771 UV-Vis-Spektroskopie 474 V Valenzschwingungen (IR) 483
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Sachregister
Valenztautomere 118, 452, 506, 705 Valeraldehyd 307 Valerianol 930 Valeriansäure 261, 262 Valerolactam, f- 277 Valerolacton, f- 275, 298 Valin 770, 773 N-Methyl- 816
Valinomycin 817 VAN SLYKE-Reaktion der Aminosäuren 787 des Harnstoffs 433 primärer Amine 380
Vancomycin 818 VAN-DER-WAALSSpannung 103, 104 Wechselwirkungen 21, 29, 31, 186, 901 in Proteinen 823 Nachweis durch NMR 502
Vanillin 307 Variaminblau 714 Vaseline 33 Vasopressin 812 Verbenol 927 Verbenon 927 Verbrennung Mechanismus 37 von Alkanen 37, 38
Verbrennungswärmen der Cycloalkane 108
verdeckt (ekliptisch) 31 Verdünnungsprinzip RUGGLI-ZIEGLER- 114, 233
Veresterung(en) 222 säurekatalysierte Mechanismus 275
Verküpung 734 Vernetzung von Polymeren 748
Verschiebungen sigmatrope [1,3]- 465, 471 [1,5]- 451, 465 [3,3]- 117, 451, 465 symmetrie-erlaubte 467 symmetrie-verbotene 467 WOODWARD-HOFFMANNRegeln 466
Verschiebungsinkremente NMR 506, 533
Verschiebungs-Reagenzien (NMR) 521 Verseifung 222, 281 von Triglyceriden (Fetten) 906
997
Verseifungszahl 907 Verzweigung von Polymeren 756
Vesikel 902, 914 Vierring-Synthesen 110, 458 Vierzentren-Reaktionen 81 VILSMEIER-Formylierung 313 Vincamin 830 Vinylalkohol 93 Vinylchlorid Siehe Chlorethen Vinylester 94 Vinylether 94 Siehe Alkenylether Vinyl-Gruppe 54 Vinylierungen 94 Vinylogie 666, 692, 704 Vinyl-Polymere 766 Vinylsulfone zur Reaktiv-Färbung 716
Viscose-Seide 875 Vitamine A 931 Synthese 941 B 701 B12 740 C 869 D2 945 E 937 K1, K2 937
Vogelkäfig (Polycycloalkan) 118 Vollentsalzung des Wassers 763
Vulcollan 766 Vulkanisation 749 W Wachse 899, 910 WAGNER-MEERWEINUmlagerungen 75, 224, 443 WALDEN-Umkehr 201, 255, 257, 281 WALLACH-Umlagerung 451 WALSH-Modell des Cyclobutans 101 des Cyclopropans 100
Wannen-Konformer des Cyclohexans 102
Wärmedämmung 765 Wasser Molekülgeometrie 18
Wasserenthärtung 784, 906 Wasserstoffbrücken 21 der Alkohole 212 der Amine 365 der Carbonsäuren 263
der Nucleobasen 885 der Phenole 344 in Proteinen 822 inter- und intramolekulare 491, 502 Nachweis durch IR 491 Nachweis durch NMR 502
Wasserstoff-Metall-Austausch 596 Wasserstoff-Molekül 6 WATSON-CRICK-Modell der DNA 886
Watte 874 Wechselwirkungen 1,3-diaxiale 104 Dipol-Dipol- 20, 186 elektrostatische in Proteinen 823 interionische 20 Ionen-Dipol- 21 sterische Nachweis 480 VAN-DER-WAALS- 21, 29, 31, 186, 901
Weichmacher 765 Weihrauch 935 Weine 214 Weinsäure 290 (+)- und (/)- 244 D-, L-, DL- 246, 247, 299 Ester, Enantiomere zur SHARPLESSEpoxidation 257 Konformere 246 meso- 246, 247
Wellenfunktionen 2 Linearkombination 6
Wellenlänge Einheit 474
Wellenzahl 482 Wermut 930 Whisky 214 WILKINSON-Katalysator 62 WILLGERODT-KINDLERReaktion 337
WILLIAMSON-Synthese der Ether 232, 623 der Thioether 412
Winkelspannung 99, 101 Wirkstoffbibliotheken kombinatorische 806
WITTIG-Alkenylierung 60, 327, 941, 943 WITTIG-Umlagerung 238, 448 Wodka 214 Wofatite 762
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998
WOHL-Abbau der Kohlenhydrate 868
WÖHLER-Synthese des Harnstoffs 433
WOHL-ZIEGLER-Bromierung 189, 288, 293 WOLFF-KISHNER-Reduktion 141, 338 WOLFF-Umlagerung 269, 394, 444 Wolfsmilch-Gewächse 833 Wollfett 934 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln Cycloadditionen 461 elektrocyclische Reaktionen 459 sigmatrope Verschiebungen 467
WURTZ-FITTIG-Synthese der Alkylbenzene 142, 153
WURTZ-Reaktion 35, 594 X Xanthen-Farbstoffe 725 Xanthin 700 9-Methyl-8-nitro- 704
Xanthogenate 439, 875 Xanthogensäure 439
Verzeichnis der Namen-Reaktionen
Xanthommatin 727 Xanthophyll 935 Xylane 878 Xylen, o-, m-, p- 128, 140 Xylopyranose c- und d-D- 870
Xylose 843 D- 845
Y Ylid und Ylen 438 Mesomerie 328 Schwefel- 646
Yohimbehe-Baum 831 Yohimbin 831 Y-Stabilisierung 435 Z Zauberpilz mexikanischer 829
ZEISE-Salz 611 Zellstoff, Zellwolle 874 Zellteilung 892 Zephirol 920 ZEREWITINOFF-Verfahren 597 Zerlegung
retrosynthetische 941
ZIEGLER-NATTA-Katalysatoren 745 Zimtsäure cis-
4-Methoxy- 558 ethylester Dibromdihydro, threo1H-NMR 513 trans- 296 trans- 262 Darstellung 270 -pyrrolid, 3-Methoxy- 827
ZINCKE-Aldehyd 581 Zingiberen 929 Zitronensäure Siehe Citronensäure Zucker Siehe Kohlenhydrate rohr, -rübe 872
Zuckeralkohole Siehe Polyole Zuckersäuren Siehe Arsäuren Zwiebel-Geruch 407 Zwischenstufen reaktive 17
Zypressenöl 930
Verzeichnis der Namen-Reaktionen
Verzeichnis der Namen-Reaktionen A AMADORI-Umlagerung 862 ARBUZOV-MICHAELIS-Reaktion 328 ARNDT-EISTERT-Homologisierung der Carbonsäuren 269, 394
B BAEYER-VILLIGER-Oxidation 336, 447 BALZ-SCHIEMANN-Reaktion 152, 400 BAMFORD-STEVENS-Reaktion 339 BARAKAT-Oxidation 288, 316 BARTON-Reaktion 556
BAYLIS-HILLMANHydroxyalkylierung 335 BECKMANN-Umlagerung 375, 446 BERGIUS-Verfahren 32 BERGMAN-Cyclisierung 95 BIRCH-Reduktion 112, 180, 583 BISCHLER-NAPIERALSKI-Synthese der Isochinoline 680, 841
BLANC-Chlormethylierung 131 BÖSEKEN-Reaktion 871 BREDERECK-GOMPPER-Synthese der Pyrimidine 676
BREDERECK-Synthese der Imidazole 648
BUCHERER-Reaktion 347, 353 BUCHERER-Synthese der Aminosäuren 777
C CANNIZZARO-Disproportionierung 326 CARROLL-Reaktion 939, 942 CLAISEN-Esterkondensation 285 CLAISEN-Umlagerung 237, 452, 465 CLEMMENSEN-Reduktion 141, 182, 337 COPE-Eliminierung 386
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Verzeichnis der Namen-Reaktionen
COPE-Umlagerung 113, 117, 390, 452 Diaza- 653 entartete 452 Oxa- 452
COREY-WINTERFragmentierung 438
CRIEGEE-Spaltung der 1,2-Diole 227
CURTIUS-Abbau der Carbonsäureazide 374, 445, 608
D DARZENS-Reaktion 622 DELÉPINE-Reaktion 367 DEMJANOW-TIFFENEAUUmlagerung 117 DEMJANOW-Umlagerung 116, 444 DIECKMANN-Esterkondensation 111, 286 DIELS-ALDER-Reaktionen 88, 111, 173, 460 enantioselektive 259 mit Chinonen 359 mit inversem Elektronenbedarf 112, 464 mit Maleinsäure-Derivaten 289 neutrale, normale 463 Retro- 465, 544 Stereospezifität 257, 463
999
FRIEDEL-CRAFTS-Acylierungen 141, 158, 159, 182, 266, 281, 314, 318 FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen 139, 140, 146, 147, 158, 344 FRIEDLÄNDER-PECHMANNSynthese der Cumarine 683
FRIEDLÄNDER-Synthese der Chinoline 323, 680
FRIES-Umlagerung (Verschiebung) 351, 449
G GABRIEL-Synthese primärer Amine 288
GATTERMANN-KOCHFormylierung 314
GATTERMANN-Synthese der Arenaldehyde 314
GILMAN-MOORE-Synthese der Phenoxazine 685
GLASER-Kupplung 97, 114, 149, 586 GOMBERG-BACHMANN-Reaktion 398 GRAEBE-ULLMANN-Synthese der Carbazole 655
GRIGNARD-Reaktion 196 präparative Anwendungen 34, 283, 600, 602
GUARESCHI-Synthese der Pyridine 672
Di-r-Methan-Umlagerung 558 DÖTZ-Reaktion 183, 614
GUSTAFSON-Synthese
E EDMAN-Abbau
H HANTZSCH-Synthese
der Peptide 809
ELBS-Reaktion 183 ERLENMEYER-Synthese der Aminosäuren 777
ETARD-Oxidation 310
des Cyclopropans 109
der Pyridine 672 der Pyrrole 648
HAWORTH-Synthese kondensierter Aromaten 182
HECK-Reaktion 68, 614 enantioselektive 614
F FAVORSKII-Umlagerung 447 FEHLING-Reaktion 336 FEIST-BENARY-Synthese der Furane 648
FINKELSTEIN-Reaktion 191 FISCHER-HEPP-Umlagerung 450 FISCHER-Synthese des Indols 653, 718, 780, 840 der Glycoside 859
FISCHER-TROPSCH-Verfahren 32
HELFFERICH-Synthese der Glycoside 860
HELL-VOLHARD-ZELINSKIIHalogenierung 292 HINSBERG-Synthese der Thiophene 647
HINSBERG-Trennung der Amine 383, 425
HOCK-Synthese des Acetons und Phenols 344
HOFMANN-Abbau der Carbonsäureamide 373, 445
HOFMANN-Eliminierung 385 HOFMANN-MARTIUS-Umlagerung 450 HOOKER-Oxidation 360 HORNER-EMONS-Alkenylierung 328 HOUBEN-HOESCH-Reaktion 318 HUNSDIECKER-Decarboxylierung 193, 278 I,J IRELAND-CLAISEN-Umlagerung 271 JACOBSEN-Umlagerung 141, 449 JAPP-KLINGEMANN-Reaktion 404 K KILIANI-Synthese der Kohlenhydrate 330, 855
KNOEVENAGEL-Alkenylierung 60, 270, 285, 302, 334, 340, 418, 420, 692, 697 KNORR-Synthese der Pyrrole 650
KOLBE-Elektrolyse 36 KOLBE-Synthese der Nitrile 268
KOLBE-SCHMITT-Synthese der Salicylsäure 266
KÖNIGS-KNORR-Synthese der Glycoside 860 der N-Glycoside 895
KRÖHNKE-Reaktion 310 L LADENBURG-Synthese des Coniins 840
LEUCKART-WALLACHReaktion 372
LOBRY-DE-BRUYN-VAN-EKENSTEINUmlagerung 862
LOSSEN-Abbau der Hydroxamsäuren 373, 445
M MADELUNG-Synthese des Indols 653
MAILLARD-Reaktion 862 MALAPRADE-Spaltung 227 MANNICH-Reaktion 334, 779, 840 MCLAFFERTY-Umlagerung 544 MCDONALD-Synthese der Porphyrine 738
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1000
MCDONNALD-H.O.L. FISCHERAbbau der Kohlenhydrate 868
MCMURRY-Reaktion 60, 338, 738, 943 MEERWEIN-PONNDORF-VERLEYReduktion 326 MERRIFIELD-FestphasenSynthese der Peptide 763, 804
MICHAEL-Addition 285, 302, 335, 340, 369, 627, 651, 693, 717 MITSUNOBU-Reaktion 298, 396, 622 MONSANTO-Prozeß 780 MUKAIYAMA-Variante der Aldol-Reaktion 330
MÜLLER-ROCHOW-Synthese der Halogensilane 605
Verzeichnis der Namen-Reaktionen
R RADZISZEWSKI-Synthese der Imidazole 647
RAMBERG-BÄCKLUND-Reaktion 420 RASCHIG-Prozeß 346 REFORMATSKY-Reaktion 296, 601 REIMER-TIEMANN-Formylierung 315, 663 REPPE-Synthesen mit Ethin 94
RILEY-Oxidation 310, 316 ROBINSON-Annelierung 335 ROBINSON-Synthese der Flavylium-Salze 684
ROSENMUND-Reduktion 280, 311 ROTHEMUND-TREIBS-Synthese der Porphyrine 737
N NAZAROW-Cyclisierung 335 NEBER-Umlagerung 446 NEF-Reaktion 311 zur Monosaccharid-Synthese 856
NESMEJANOW-Reaktion 398 NORRISH-Typ-I- und IIReaktionen 557
NYLANDER-Reaktion 336 O,P,Q OPPENAUER-Oxidation 316, 326 PAAL-KNORR-Synthese der Fünfring-Heteroaromaten 646 Umkehrung 664
PATERNO-BÜCHI-Reaktion 562, 624 PAUSON-KHAND-Reaktion 96 PERKIN-Reaktion 270, 334 PETERSON-Alkenylierung 60 PFITZNER-MOFFATT-Oxidation 419, 865 PICTET-SPENGLER-Synthese der Isochinoline 681, 841
POMERANZ-FRITSCH-Synthese der Isochinoline 681
PRILEZHAEV-Epoxidation 235, 624 PRINS-Reaktion 65 PUMMERER-Umlagerung 419
S SAKURAI-Reaktion 609 SANDMEYER-Reaktion 152, 171, 397 SAUERMILCH-Oxidation 310 des 2-Methylpyridins 693
SCHLENK-Gleichgewicht 196 SCHMIDT-Reaktion der Carbonsäuren 374, 445 der Ketone 375, 446
SCHMIDT-Synthese der Glycoside 860
SCHOTTEN-BAUMANNBenzoylierung 279
SHAPIRO-Reaktion 339 SHARPLESS-Epoxidation 257 SIMMONS-SMITH-Reaktion 109, 599 SIMONIS-Synthese der Flavone 684
SKRAUP-Synthese der Chinoline 679
SOMMELET-HAUSER-Umlagerung 450 SONOGASHIRA-Reaktion 96 STETTER-Reaktion 332 STEVENS-Umlagerung 448 STILLE-Kuppplung 197 STORK-Enamin-Alkylierung 324 STRECKER-Synthese der Aminosäuren 776
SUZUKI-Kupplung 197 SWERN-Oxidation 222, 419
T TEBBE-Alkenylierung 329 THORPE-ZIEGLERCyclisierung 114
TISCHTSCHENKO-Reaktion 327 TODD-Synthese des Adenins 700
TOLLENS-Reaktion 336, 870 TRAUBE-Synthese des Guanins 700
TSCHITSCHIBABIN-Reaktion 689 TSCHUGAJEFF-Reaktion 409 TWITCHELL-Verfahren der Verseifung 906
U,V ULLMANN-Reaktion 153 VAN SLYKE-Reaktion der Aminosäuren 787 des Harnstoffs 433 primärer Amine 380
VILSMEIER-Formylierung 313 W WAGNER-MEERWEINUmlagerungen 75, 224, 442 WALDEN-Umkehr 201, 255, 257, 281 WALLACH-Umlagerung 451 WILLGERODT-KINDLER-Reaktion 337 WILLIAMSON-Synthese der Ether 232, 623 der Thioether 412
WITTIG-Alkenylierung 60, 327, 940, 942 WITTIG-Umlagerung 238, 448 WOHL-Abbau der Kohlenhydrate 868
WÖHLER-Synthese des Harnstoffs 433
WOHL-ZIEGLER-Bromierung 189, 288, 293 WOLFF-KISHNER-Reduktion 141, 338 WOLFF-Umlagerung 269, 394, 444 WURTZ-FITTIG-Synthese der Alkylbenzene 142, 153
WURTZ-Reaktion 35, 594 X,Y,Z ZEREWITINOFF-Verfahren 597
Aus E. Breitmaier, G. Jung: Organische Chemie (ISBN 3-13-541505-8) © Georg Thieme Verlag Stuttgart 2005 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!