Katherina Standhartinger Organische Chemie für Ahnungslose
~AHNUNG ? LOSE ln dieser Reihe sind bisher erschienen: Yara Detert I Christa Söhl, Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung fü r Ahnungslose Yara Detert, Mathematik für Ahnungslose Werner Junker, Physik für Ahnungslose Katherina Standhartmger, Chemie für Ahnungslose Katherina Standhartinger, Organische Chemie für Ahnungslose Antje Galuschka, Biochemie für Ahnungslose Christa Söhl, Biologie für Ahnungslose Michaela Aubele, Genetik für Ahnungslose
Katherina Standhartinger
ORGANISCHE CHEMIE für Ahnungslose Eine Einstiegshilfe für Studierende von Katherina Standhartinger, Memmingen Mit 150 Abbildungen und 35 Tabellen
S. Hirzel Verlag Stuttgart
Katherina Standhartinger Dickenreiser Weg 48 87700 Memmingen
[email protected] Katherina Standhartinger wurde 1959 im bayerischschwäbischen Memmingen geboren. Dort schloss sie im Jahr 1978 die Schulzeit mit dem Abitur ab. Nach dem Lehramtstudium für Biologie und Chemie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München und dem staatlichen Vorbereitungsdienst für das Lehramt am Gymnasium beendete sie ihre Ausbildung im Jahr 1988. Sie unterrichtete seitdem in München, Kaufbeuren, Füssen und Memmingen. Während einer Familienpause verfasste sie die .,Organische Chemie für Ahnungslose".
Bibliografische Information der Deutschen Niitionillbibllothek Die Deutsche Nationalbibliothek ~rzeichnet diese Publikation in der Oeutsc~en Nationalbibliograhe; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Ober http://dnb.d-nb.de abrurbar. ISBN: 978-3-777~·1640·7
Jede Verwertung des Wertces außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes 1st unzulassig und strafbu. Dies gilt insbesol\dere fUr Über~uung. Nachdruck, Mikro~rfilmung oder vergleichbne Verfilhren so-..ie für die Speicherung in Oatenverarbeitungs.Jnlagen. C 2010 S. Hirzel Vertag, Birken-..aldstraße 44, 70191 Stuttgart
Printed in Germany www.hirzelde Satz: C!audia Wild, Konstanz
Druck: Ojurcic, Schorndorf Umschlaggestaltung: deblik. Bertm
V
Vorwort Kohlenwasserstoffe .. . Alkohole... Ester... Ether. . . Aldehyde... Ketone. .. Carbonsäuren .. . Kohlenhydrate.. . Eiweißstoffe... Fette... ? Stoffgruppen der Organischen Chemie sind das. Das habe ich auch schon gehört. Alle haben Kohlenstoffgerüste, mehr weiß ich nicht! Und diesen ganzen Wust soll man bei entsprechender Betrachtung schrittweise und - mit angemessenem Engagement- nachvollziehbar strukturieren und sogar behalten können? Glaub ich nicht. Kann man nicht. Ich sowieso nicht , denn .,Chemie kapiere ich nicht" oder "Chemie habe ich noch nie kapiert". Das sind häufige Schülerworte, spätere Studentensprilche. Wie oft sind sie zu hören! Tiefe Verstörung tritt wiederholt am Beginn einer Ausbildung ein, wenn an sich wissensdurstige Menschen feststellen, dass sie die ungeliebte Chemie eben nicht am Schultor abstreifen konnten. Dass sie von dieser Disziplin auch in Ausbildungsund Studiengängen, die nicht explizit .,Chemie" heißen, erbarmungslos eingeholt werden. Dass sie, selbst wenn sie die hohe Kunst der Chemie studieren wollen, Grundlagen auffrischen oder nachschauen wollen - oder sogar müssen!? Dass es zwar gewichtige Lehrbücher in Hülle und Fülle gibt, man diesen das grundlegende Wissen jedoch nur mit viel Zeit (hat man nicht) und Mühe (scheut man) abringen könnte. Die "Organische Chemie fü r Ahnungslose" hat sich zum Ziel gesetzt, die aufwärts Strebenden und Lernbereiten - bildhaft betrachtet - an jenem Schultor mit einer "Wanderkarte" bezüglich der Chemie der Kohlenstoffverbindungen auszustatten, die das in der Schule vermittelte, prinzipiell Bekannte übersichtlich aufzeigen und geeignete Ausblicke in die unermessliche Vielfalt des Unbekannten bieten soll: Angefangen mit dem Bau der Kohlenstoffatome werden über die Bindungsbildung, die sich am besten über die Betrachtung der entsprechenden Molekülorbitale erschließt, mehratomige Verbindungen des Kohlenstoffs behandelt. Die Eigenschaften der einfacheren organischen Moleküle, bestehend lediglich aus Kohlenstoff und Wasserstoff, werden besprochen und aus der Struktur ihrer Teilchen verständlich. Die aromatischen Kohlenwasserstoffe mit ihren besonderen Eigenschaften werden dabei den "normalen", aliphatischen Kohlenwasserstoffen gegenübergestellt. Mit dem Einbau von Sauerstoffatomen gelangt ein zusätzliches, wirkungsvolles Element ins Kohlenstoffgefüge. Oie sauerstoffhaltigen organischen Verbindungen zeigen Eigenschaften und eine Form der Reaktionsbereitschaft. die auf die hohe Elektronegativität des Elements Sauerstoff zurückzuführen ist. Auf der zentralen Bedeutung der resultierenden Dipolqualitäten in den Molekülen und den folglich immer ähnlich gelagerten Reaktionsprinzipien dieser umfangreichen Gruppe von Verbindungen liegt ein Hauptaugenmerk des Buches. Die diesbezüglich wiederkehrende Fokussierung soll beim Strukturieren helfen. Im Bereich der Aldehyde und Ketone sind Aspekte beigefügt, die über das Schulwissen hinausreichen und auf die immense Vielfalt der organischen Verbindungen einstimmen können. Oie Behandlung der Kohlenhydrate schließt tiefere stereochemische Einsichten
VI ein. Hier wird versucht. die räumlichen Überlegungen möglichst nachvollziehbar zu präsentieren. Die abschließenden Kapitel zu den Eiweißstoffen und Fetten befassen sich mit deren wichtigsten chemischen Gesichtspunkten, ohne sich in der Biochemie dieser Stoffe zu verlieren. An geeigneten Stellen sind Übungen eingefügt: Die meisten von ihnen sind recht kurz und auch nicht übermäßig schwer. Sie sollen ein Innehalten bewirken und eine Reflexion des gerade Studierten ermöglichen. Das Buch richtet sich an alle, die organisch-chemisches Grundwissen wiederholen oder auch neu erwerben möchten. Die fl.ir das Verständnis unabdingbaren Aspekte aus der Allgemeinen Chemie, z. B. das Erstellen von Redoxgleichungen, werden aufgegriffen und kurz erklärt, können jedoch nicht so grundlegend behandelt werden wie in der ,.Chemie fur Ahnungslose", auf die an dieser Stelle verwiesen sei. Ferner kann ein Buch dieser Straffheit natürlich nur als Einführung dienen und Zusammenhänge nur sehr vereinfacht darstellen. Bei näherer Betrachtung stellen sich diese manchmal etwas anders dar (Beispiel: Orbitalmodell). Daher sollte der Leser fur tiefer gehende Informationen auf ein gutes Lehrbuch der Organischen Chemie zurückgreifen (Literaturliste im Anhang). Autorin und Vertag hoffen, dass dem Leser beim lesen dieses übersichtlichen Buches die (erfreulich wenigen) grundlegenden Prinzipien der Organischen Chemie klar werden, mit Hilfe derer er sich im Dickicht der Millionen organischer Verbindungen zurechtfinden kann. Memmingen, im Frühjahr 2010
Kathenna Standhartinger
VII
Inhaltsverzeichnis Vorwort • . • • . • . • • . . • • • • • • • • • • • • • • • . . • • • • • • • • • • • • • • • • • • • . • • • • • V 1
1.1
1.2 1.3
2
Einll!itung . . . . . . . . . . . . • . . . Der Begriff der Organischen Chemie . Vielfalt organischer Verbindungen . Ordnung in der Vielfalt . . . . . . . . .
. . . .
... ... ... ...
•.. ... ... ...
. . . .
. . . .
.. .•.. ...... ...... ......
.•. . . .. . .. . . . . ... ........... .. . .•.. . .•. . .• ............ ..
1 1 1 2
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5
Grundlegendes • . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Kohlenstoff hat vier Bindungen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kohlenstoff im Periodensystem der Elemente . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . Oie Elektronenhülle des Kohlenstoffatoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • Schalenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orbitalmodell . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . DasC-Atom in der Orbitalvorstellung . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . . • . . . . Hybridorbitale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . Orbitalformen fUr die Valenzelektronen des C-Atoms . . . . . . . . . . . . . . . . • . .
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2
Mehratomige Moleküle . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . • . . . . . . . . . . Moleküle mit Einfachbindungen . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . Das Methanmolekül • . . . • . . . . . • . • • . . . . . . . . • • . . . . . • . . . . . . . . . Das Ethanmolekül . • . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o-Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . t~oleküle mit Doppelbindungen . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . • • . . . . . • . Das Ethenmolekul . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lt-Bindungen . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Moleküle mit Dreifachbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . Das Ethinmolekül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bindungsverhältnisse im Ethinmolekül . • . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 11 12 13 14 14 14 15 15 16 16
4
Kohlenwasserstoffe - Alkane, Alkene, Alkine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
5
Homologe Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2 6.2.1 6.2.2
Alkane . . • . . . . . . . • . • • . . . . . . . . . Homologe Reihe . . . . . • . • . . . • . • . • . . Allgemeine Summenformel . . . . . . . . . . . Nomenklatur unverzweigter Alkanmoleküle . Strukturformeln . . . . . . . • . . . . . • . . . . Verzweigte Alkan moleküle . . . . . . . . . . . Isomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alkytgruppen . . . . . . • • • . . . . . . . . . . .
2.1 2.2
... ••. ... ... ... ... ... ...
•.•. .. . . . . •. ...... . .•. .. •. .. .. ...... ...... •. •...
. . . . . . . .
3 3
3 4 4 5 6 7
7 9 9
. . • • • . . . . . • . • 19 . . . . • . • . . . . . . 19 . . . . . . . . . . • . . 19 . . . . . . • . . . . . . 19 . . • • . . . . . . . . . 19 . . . . . . • . . . . . . 21 . . . . . . • . . . . . . 21 . . . . . . • . • . . . . 23
VIII 6.2.3 6.2.4 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4
6.3.5 6.4 6.4.1 6.4.2 6.5 6.6 6.6.1 6.6.2 1 7.1 7.1.1 7.1.2
lnhaltswruichnis Nomenklatur verzweigter Alkanmolekule ........ . .........•....... Van-der-\Yaals-Kräfte •................... • .........•.•..... Eigenschaften der Alkane ....... • .... . • .... • ........••.•..... Schmelz- und Siedetemperaturen .............................. . Viskosität ................ •. ......... •.......•.•....... Losliehkelt ................•.....•....•.......••........ Brennbarkeit ......... ..... .•..........•.......•......... .Energieträger" . . . . . . • . . . . . . • . . . . • . . • . . • . . . . .•.•......... Reaktionsverhalten der Alkane ... .•....•... . .......•.•......... Halogenalkane ......................................... . Reaktionsmechanismus der Halogenierung- radikalisehe Substitution .•...•.. Konformationen des Ethanmolekilts- Konformationsisomerie .... .....•... Cyctoalkane ........................................... . Homologe Reihe .....................•................... Wichtige Konformere des Cyclohexans ........•...................
23
25 26 26 27 27 28 28 28 28
29 31 33 33
34 36
Alkene ..........•.......•.....•..•.....•.•... · . · · · · · · Homologe Reihe ..........•.......•...................... Eigenschaften der Alkene ................................... . Nomenklatur und Konstitutionsisomerie •.......................... cis-trans-Isomerie- Konfigurationsisomerie ..............•......... Additionsreaktionen ................. •.............. .. •.... Elektrophile Addition an Ethen ............................... . Elektrophile und nucleophile Teilchen .. , ....•..... , ......• • .••...
39 40
8.1 8.1.1 8.1.2 8.2
Alki ne .............•.....•.• • · · • · · · · · · · · · · · · · · • · · · · · · Ethin -ein bedeutsames Alkin ...........•.....•........•....•. Additionsreaktion an die Dreifachbindung ...•.... .. .......... ..... Acetylen als Schweißgas ..............•...................•. Acetylide ..•........•.......•..........................
41 41 41 42 42
9
Aromatische Verbindunge n ................................. .
43
10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.4.1 10.5
Benzol .....................................•..... .... Eigenschaften .................•.•.•......•.•••. •... ..... Strukurformeln fiir das Benzolmolekül ............•......•........ Bindungsverhältnisse im Benzolmolekül ................. • ....... . . ..... ·hb'l' Mesomene 1 tSJ.erung . ... ..... . ... ...... ......... . ... ... . Nachweis der Mesomerieenergie durch das Verhalten von Benzol gegenüber Brom . Eleklrophile aromatische Substitution ........................... . Mechanismus der elektrophilen aromatischen Substitutton ...........••.. Nitrobenzol- ein Benzolderivat ............................... . Zusammenfassung ....................................... .
44 44
7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 8
10.5.1 105.2 10.5.3
36 36 36
37 38
44
46 47 48 48 48 50 51
IX
Inhal~wruichnis
ll.S
Wichtige Benzolderivate . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phenole . • . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . . Erst· und Zweitsubstituenten . . • . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . Phenol als Säure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . Mesomeriestabilisierung des Phenolations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Toluol • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . Benzolsulfonsäure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . Anilin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . BenzylalkohoL Benzaldehyd und Benzoesäure- Oxidatiomo"'dukte von Toluol . .
S2 52 52 53 53 54 SS 55 56
12 12.1 12.2 12.3
Weitere aromatische Verbindungen • • . . . . . Kondensierte Aromaten . . . . . . . . . . . . . . . . Heteroaromaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oie .Hückei-Regel" für den aromatischen Zustand
. . . .
57 S7 58 59
13
Sauerstoffhaltige organische Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . .
60
14 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8 14.9
Alkohole . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . • • . . . . Homologe Reihe . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . • • . . . . Methanol . . . . . . . . . • . . . • . . • . . . . • . . . • • • . . . . . . . . . . . . . . . . . Ethanol . • . . . . . . • . • . . • . . . . . • . . • . . . . . . . • • . . • . . . . . . . . • . • Eigenschaften von Alkoholen . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • • • . . . . . . . . . . Isomerie und Nomenklatur bei Alkoholmolekülen . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . Alkoholate • . . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrwertige Alkohole- Ethandiol und Propantrial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktion von Alkoholen mit Säuren- Esterbildung . . . . • . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61 61 62 62 63 64 66 68 69 71
15
Ether . • . . . • . . . . . • . • . . . • . . . • . . . . . • . • . • • • . • . . . . . . • . . . .
72
16
Oxidationsprodukte von Alkoholen . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
17 17.1 17.2 17.3 17.4
Grundlegendestu Redoxreaktionen .. .. .. .. .. .. .. .. Begriffe und Definitionen . • . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . AUgemeine Regeln zur Zuordnung von Oxidationszahlen . . . . . Oxidationszahlen für C-Atome in organischen Molekülen . . . . . Die Erstellung von Redoxgleichungen . . . . • . . . • . . . . . . .
.. .. .. .. • .. . . .. . .. . . .. . . .. . .. . . .. ........... . . .••.. .. . .
75 75 75 76 78
18 18.1 18.2
Redoxvorgänge am Beispiel verschiedener Alkohole . . . • • . . . . . . . . . . . Oxidation eines primären Alkohols zum Aldehyden . • . • . . • . • • . . . . . . . . . Oxidation eines sekundaren Alkohols zum Keton . . . . . . . . • • • . . • . • . . . . .
79 79 81
19 19.1 19.1.1
Carbonylverbfndungen . • . . . . . • . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . Nomenklatur und Struktur............................ . . . . . . . Aldehyde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83 83 83
11 11.1
11.1.1 11.1.2 11.1.3
11.2
11.3 11.4
.... .... .... ....
. . .. . • •. .... ....
.•. ... .•. ...
... ... ... .•.
.. .. .. ..
.•. ... ... ...
X
lnhaltswruichnis
19.1.2 19.2 19.2.1 19.2.2 19.3 19.3.1 19.3.2 19.3.3 19.3.4 19.3.5 19.3.6 19.3.7 19.4 19.5 19.5.1 19.5.2
Ketone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . Siedetemperaturen . . . • • . • • . . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . • • • . . Löslichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . Nucleophile Additionsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nucleophile Addition von Methanol an Acetaldehyd- Halbacetale . . . . . . • . . . Nucleophile Addition an Ketone- Halbk!tale . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . Nucleophile Addition von Wasser an Carbonylverbindungen . . . . . . . . . . • . . . . Nudeophile Addition von Ammoniak und Eliminierung von Wasser . . . • . . . . . . Additions·Eiiminierungs· Reaktionen mit Derivaten des Ammoniaks . . . • . . . . . . Zusammenfassung ............................... , . . . . . . . . Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . • • • . . . . . . • . • . . . . . . . • . • . • . . . . . . Der in duktive Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . Nachweisreaktionen rür Aldehyde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . Silberspiegelprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . • . . . Fehlingsc~ Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . .
20 20.1 20.1.1 20.1.2 20.1.3 20.1.4 20.1.5 20.1.6 20.2 20.2.1
Carbon~uren
20.2.2 20.3 20.3.1 20.3.2 20.3.3 20.3.4 20.4 20.4.1 20.4.2 20.4.3 20.5 20.5.1 20.5.2 20.6
und Cubonsäurederivate . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . Monocarbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homologe Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . Eigenschaften . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . • . . Ameisensaure . . . • . . . . . . • . • . . . . • . • • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . Essigsäure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . Acidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • . • . . . . . • . . . . . . . • . . saurestärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nucleophile Substitutionsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veresterung von Essigsäure mit Methanol- Beispiel einer nudeophilen Substitutionsreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verseifung- Esterspaltung in alkalisc~r Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • Derivate der Carbonsäuren . . . . . . . • . • . . . . . • . . • . . • . • . . . . . . . . . • Carbonsäureester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carbonsäurechloride . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . Carbonsäureanhydride . . . • . . . . . . . • . . . . . • . . • . • . • . . . . . . . . • . . . Carbons~ureamide . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . DicarbonsliUren . . . . . . . . . . . • . . . • . • . . • • . . . • • . . . . . . • . • . . . . . Gesättigte Dicarbonsäuren . . . . . . . . • . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungesättigte Oicarbonsciuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . Aromatische Dicarbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carbonsäuren mit zusätzlichen funktionellen Gruppen . . . . . . . • . . . . . . . . . Hydroxycarbonsliuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ketocarbonsäuren . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84 85 86 86 86 87 88 89 90 91 92 93 96 98 99 99 101 101 101 102 103 104 104 106 109 110 112 114 114 115 116 116 118 119 119 120 120 121 122 122
•
21
Arten von Isomerie - eine . standortbestimmung" • . • . . . . . . . . • . . . .
123
22 22.1 22.1.1 22.1.2 22.1.3 22.2 22.3 22.3.1 22.3.2 22.4 22.4.1 22.4.2 22.4.3
Spiegelbildisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . Weitere fachbegriffe zur Spiegelbildisomerie . . . . . . . . • . . . . • . . • . . . . . Molekükhiralitlit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . • . Chiralitlitszentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • • . . . . . • . • • . . . . . . . . Enantiomere . . . . . . . . . • . . . • . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . Oie .Fischer-Projektion"- einheitliche Darstellung räumlictr Molekülstruktur . Mehrere Chiralitätszentren in einem Molekül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwei Chiralitlitszentren- Diastereomere • . . . • . . . . • . . . . . . . . • . • . . . . Weinsäure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . Optische Aktivität . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . Polarimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . Drehsinn . . . . . . . . . . . • . . . • . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . Racemat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . • . . . . . . .
125 126 126 126 126 126 128 129
23 23.1 23.2 23.2.1 23.2.2 23.2.3 23.2.4 23.2.5 23.2.6 23.3 23.3.1 23.3.2 23.3.3 23.3.4 23.3.5 23.4 23.4.1 23.4.2 23.4.3 23.4.4
Kohlenhydrate . . . . . . . • . • . . . . . • • . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . 135 Einteilung der Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . 135 Monosaccharide . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . 136 Die Familie der Aldosen . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 D(+)·Glucose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . 141 Anomerie und Mutarotation- anomere Glucosemoleküle . . . . . . . . . . . . . . . 143 Darstellung von Monosaccharidmolekillen- Fischer-Projektn, Haworth·Formel, Sesselform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Ausgewahlte Ketosen- Oihydroxyaceton und Fructose . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Pyranosen und Furanosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . 149 Disaccharide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Glycosidbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . • . . . 150 Maltose - ein reduzierendes Disaccharid . • . • . • . . . . . . . . . . . . . . . • . . . 151 Cellobiose- ein weiteres reduzierendes Disaccharid . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Saccharose- ein nicht reduzierendes Disaccharid . . . . . . . . . . . . . . . • . . . 154 Inversion des Roh!4uckers . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . 156 Polysaccharide . . . . . . . . . . . • . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . 156 Stärke . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Glykogen . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Cellulose . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . • • • . . . . . 158 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
24 24.1 24.1.1 24.1.2 24.1.3 24.1.4 24.1.5
Peptide und Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • • . . . . . . . . Molekulbau der a-Aminocarbonsäuren . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . Optische Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L·Konfiguration . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . Zwitterionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
....• ... .. ..... ..... .. •. . ..... .. . . .
130 131 131 133 134
161
161 161
162 162 163
164
Xll 24.1.6 24.1.7
InhJltsveruichnis Säure-Ba~!-Verhalt!n
164 166 167 169 169
24.7
. . .. .. . .. ... . .. .. . . .. . .. . ••••. . . . . . . . Elektrophorese und isoelektrischer Punkt . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . Peptidbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . Strukturen .. . .....•• . ........ . . , • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärstruktur ......... . , ........ , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärstruktur . . . ....•......• . . , . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . Tertiärstruktur . . . . . . . . . • . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . QuartAirstruktur ............................ _ . . . . . . . . . . . . Proteine und ihre biologisc~e Funktion- Beispiele . . . . . . • . . . . . . . . . . . . Nachw!is • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . • . Denaturierung . ....... . .... , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . .
25
Fette . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . • . . . • . • . • • .
178
25.1 25.2 25.3
Vielfalt der Fettmoleküle .... . . .......... . ...... . _ . . . . . . . . . . Gesättigt! und ungesättigte Fettsäuren . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . • . Löslichkeit . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . • Aggregatzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . • . . Brennbarkeit • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . • . . . . . . . . . Essentielle Fettsäuren . ....• . . ..... .. . . . . . . . . ..• _ . . . . . . . . . . Seife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Margarine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178
24.2
24.3 24.4 24.4.1
24.4.2 24.4.3 24.4.4
24.5 24.6
25.3.1
25.3.2 25.3.3 25.4
25.5 25.6
Quintessenz ... • .............. . .. _ .... . . ... , ..... , . . . . . . . . . . . Anhang ..•................. , . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister .............................•.......... _ . . • . . . . .
170
171 173 174 175 176 177
179 180 180 181 182
182 182 183 184 185
189
1
1
Einfejtung
Oie Organische Chemie befasst sich mit der enormen Zahl der chemischen Verbin-
dungen des Elementes Kohlenstoff.
1.1
Der Begriff der Organischen Chemie
Ursprünglich verdankt die Organische Chemie ihren Namen der Überzeugung, dass bei der Bildung der Stoffe, aus denen die Organismen der Flora und Fauna auf der Erde bestehen, eine geheimnisvolle ,.vis vitalis" (lat. Lebenskraft) am Werk sein müsse: Diese Kraft glaubte man vor ungefähr 200 Jahren jedoch an den lebenden Organismus gebunden! Und so ging man davon aus, dass die vielfältigen Stoffkomponenten von Lebewesen nicht von Menschenhand auf dem Weg der chemischen Synthese erschaffen werden könnten. Im Jahr 1828 war es der deutsche Chemiker Friedrich Wöhler, dem mit der HerstelLung von Harnstoff, so genanntem Hcyansaurem Ammoniak", die erste Synthese einer organischen Substanz gelang. Der Forscher hatte dazu ausdauernd mit flüssigen Ausscheidungen - also Urin! aller möglichen Lebewesen experimentiert. Man mag die Begeisterung für diese Art von Forschung nicht teilen, doch handelte es sich bei Wöhlers Erkenntnissen um den Auftakt einer Entwicklung, die die Welt umfassend prägen sollte.
1.2
Die Vielfalt organischer Verbindungen
Die Chemie des Kohlenstoffs ist von einer unermesslichen Verbindungszahl geprägt: Bisher wurden ungefahr 19 Millionen organisch-chemische Verbindungen gefunden und dokumentiert. Erforscht sind bei weitem noch nicht alle. Eine Vorstellung von der Bedeutung und der Vielzahl der Kohlenstoffverbindungen vermittelt die Aufzählung einiger Stoffgruppen aus den organisch-chemischen Bereichen: • Stoffwechselverbindungen in allen Lebewesen • Rohstoffe und Produkte der fossilen Bodenschätze wie Kohle, Erdöl und Erdgas • Lebensmittel • Arzneistoffe • Kunststoffe und textile Fasern • Farbstoffe und Waschmittel u. v. a. Seit Friedrich Wöhlers Harnstoffsynthese haben die Lebensgewohnheiten der Menschen grundlegende Veränderungen erfahren: Mobilität, Medizin, Ernährung, Kleidung, Hygiene, Kosmetik und viele andere Lebensbereiche sind von den Errungenschaften der Organischen Chemie geprägt.
2
1.3
Eonleitung
Ordnung in der Vielfalt
19 Millionen Verbindungen! Dem Anfänger mag sich angesichtsdieser gewaltigen Zahl ein Gefühl der Mutlosigkeit aufdrängen. Allerdings ermöglicht eine systematische Annäherung an die Komplexität der Materie gerade in der Organischen Chemie die Bildung einer sinnvollen und folgerichtigen Ordnung, die sich tatsächlich dauerhaft im Gedächtnis verankern lässt: • Die chemische Reaktionsbereitschaft des Elements Kohlenstoff birgt die Möglichkeit. die grundlegenden organischen Verbindungen eindeutig in Stofffamilien mit ähnlichen Eigenschaften einzuordnen. • Aus den Verbindungen einer Stofffamilie ergeben sich durch chemische Reaktionen neue Verbindungen; auf diese Weise entstehen neue Stofffamilien und lassen in der Folge eine Art Stammbaum wachsen.
3
2
Grundlegendes
In dieses Buch können lediglich die für die Belange der Organischen Chemie relevanten Aspekte des Elementes Kohlenstoff und seiner Reaktionsfahigkeit Eingang finden. Für die Wiederholung von allgemeinen Grundlagen, beispielsweise zum Periodensystem der Elemente, zum Aufbau der Elektronenhülle, zur chemischen Bindung oder zum Orbitalmodell, empfiehlt sich das Studium der .,Chemie für Ahnungslose" oder eines anderen Lehrbuches für Einsteiger (siehe Literaturempfehlungen im Anhang).
2.1
"Kohlenstoff hat vier Bindungen"
Diesen griffigen Satz schreiben Sie sich am besten an markanter, häufig frequentierter Stelle auf, denn Anfänger straucheln beim Formelnschreiben regelmäßig wegen dieser .. NebensächlichkeW: Meinen Schülern empfehle ich stets, sich die Worte eintätowieren zu lassen. Gemacht hat das natürlich nie jemand, doch die dauerhafte Platzierung im Gedächtnis funktioniert auf diesem Weg in aller Regel sehr gut! Also: Kohlenstoffatome bilden in aller Regel vier Bindungen zu weiteren (-Atomen oder zu Atomen anderer Elemente aus. Vergessen Siedas bitte nie wieder! Sie ersparen sich eine Menge vermeidbarer Fehler.
2.2
Der Kohlenstoff im Periodensystem der Elemente
Im Periodensystem der Elemente (• PSE) werden die bekannten Elemente in einer charakteristischen Art und Weise angeordnet. welche sich aus ihrem atomaren Aufbau und den daraus resultierenden Eigenschaften herleitet. Jedes Element ist in einem Kästchen platziert, dem wichtige Informationen über die Beschaffenheit seiner Atome zu entnehmen sind.
:c(wie in Abb. 2.1) üblich.
Fürdas Element Kohlenstoffist die Darstellung 1 Massenzahl Nucleonenzahl
•••
hi"f9lH botop
Ordnungszahl • Protonenzahl
c
Kohlenstoff
' Abb. 2.1 Kennzahlen des Kohlenstoffs- Schreibweise im PSE
4
Grundlegendes
• Das Symbol für das Element Kohlenstoff ist C. In den weiteren Ausführungen werden Kohlenstoffatome stets als C-Atome bezeichnet. • Der Kohlenstoff trägt die Ordnungszahl 6. Damit steht das Element an der sechsten Stelle in der Reihe der Elemente. Die Ordnungszahl gibt an, dass C-Atome 6 positiv geladene Protonen in ihrem Kern und 6 negativ geladene Elektronen in ihrer Hülle besitzen. • Im Atomkern gibt es neben den Protonen die elektrisch neutralen Neutronen. Man fasst die Kernbestandteile auch unter dem Begriff Nucleonen zusammen. Die meisten (-Atome besitzen 6 Protonen und 6 Neutronen. • Es gibt C-Atome mit mehr oder weniger als 6 Neutronen im Kern. Das sind Isotope des Elementes Kohlenstoff, die sich nur in der Zahl der Neutronen unterscheiden. C-Atome mit 6 Neutronen findet man am häufigsten. Das drückt die Sprache der Chemiker in dem Begriff "häufigstes Isotop" für diese C-Atome aus. • Die Massenzahl ergibt sich aus der Addition der Protonen- und der Neutronenanzahl. Sie hat für das häufigste Isotop des Elements Kohlenstoff den Wert 12, denn in den Kernen der 12C-Atome befinden 6 Protonen und 6 Neutronen.
2.3
Die Elektronenhülle des Kohlenstoffatoms
Die 6 Elektronen des Kohlenstoffatoms befinden sich in der Elektronenhülle, die den Atomkern umgibt.
2.3.1 Schalenmodell Eine einfache Darstellung der Elektronenhülle verwendet im so genannten Schalenmodell konzentrisch um den Atomkern gepackte Kugeloberflächen, auf denen die Elektronen(- e· ) angeordnet sind. Oie 6 Elektronen des (-Atoms verteilen sich auf die ersten beiden Schalen der Elektronenhülle (Abb. 2.2). Dabei handelt es sich um eine Modellvorstellung, die nichts mit der räumlichen Realität zu tun hat! Wie jedes Modell stellt es jedoch eine gute Hilfe dar.
5
Oot Htlrtrontnhillle dts l~"
,o/
Nitrylkation n-Komplex
Hydrogensulfat· Ion aus H2S0 4
51
Elektrophile aromatische Substitution
Elektrophile Wechselwirkung - Ausbildung einer a-Bindung: Das Nitrylkation bildet mit dem Benzolmolekül den n-Komplex aus und knüpft unter Auflösung des delokalisierten Systems eine Bindung zu einem C-Atom. H
Nitrogruppe
/;01
@ ~ N
"o'e
""
a-Komplex
..
Hso.-
0
+
H~o •
Nitrobenzol
a-Komplex- Wiederherstellung des aromatischen Zustands: Aus dem instabilen a -Komplex wird ein W-Ion abgespalten, das sich mit dem Hydrogensulfat-Ion zum Schwefelsäure-Molekül vereint. Im Benzolring vermögen die wieder vollständigen Jt-Elektronen das delokalisierte System auszubilden. Innerhalb der Nitrogruppe sind die Bindungselektronen ebenfalls delokalisiert. HzS04 fungiert als Katalysator.
10.5.3 Zusammenfassung • Oie elektrophile aromatische Substitution ist ein wichtiger Reaktionstyp in der Organischen Chemie, da auf diese Weise - ausgehend vom Benzol - eine ganze Reihe von bedeutsamen Derivaten (s. Kap. 11) hergestellt werden kann. • Um die Reaktion in Gang zu setzen, ist ein Katalysator erforderlich. Katalysatoren sind Stoffe, die an einer Reaktion teilnehmen, am Ende jedoch unverändert aus ihr hervorgehen. • Oie neu in den Benzolring eingetretenen Atome oder Atomgruppen heißen Substituenten. • Am Benzolring vorhandene Substituenten wirken sich auf den Austausch weiterer H-Atome gegen neue Atome oder Atomgruppen aus: Oie Erstsubstituenten beeinflussen die Platzierung von Zweitsubstituenten am Ring oder auch die Geschwindigkeit von Reaktionen, die zu einer Zweitsubstitution am Benzol fUhren können.
52
11
Wichtige Benzolderivate
Viele der schon früher bekannten Benzolderivate werden noch heute mit ihren so
genannten ..Trivialnamen" benannt: Das sind die Bezeichnungen, die die Verbindungen von ihren Erforschern zu deren Zeit bekamen, als es noch keine IUPAC-Regeln für die Benennung chemischer Stoffen gab.
11.1 Phenole Tauscht man im Gerüst des Benzolrings ein oder mehrere H-Atome gegen Hydroxyl-Gruppen -OH, wie sie auch für Alkohole (s. Kap. 14) typisch sind, aus, erhält man aromatische Hydroxyverbindungen, die Phenole (Abb. 11.1). lO-
H
lo-H
lO-H OH
OH
Phenol Monohydroxy· benzol
Brenzkatechin 1,2-0ihydroxybenzol ortho-Oihydroxybenzol
Resorcin 1,3-0ihydroxybenzol meta-Oihydroxybenzol
Hydrochinon 1.4-0ihydroxybenzol para-Oihydroxybenzol
Abb. 11.1
Phenole mit einer oder zwei Hydroxylgruppen
Oie schwach sauer reagierende, wässrige Lösung des nach Teer riechenden, kristallinen Phenols ("Karbolwasser") wurde früher zum Desinjizieren benutzt. Von den drei Dihydroxybenzolen wird das Hydrochinon als fotografischer Entwickler eingesetzt.
11.1.1 Erst- und Zweitsubstituenten Der Erstsubstituent- in diesem Fall die Hydroxylgruppe am C1-Atom - bestimmt die Zugehörigkeit zur Stofffomilie, hier zur Gruppe der Phenole oder Hydroxybenzole. Zweitsubstituenten wird entweder mit der Nummer "ihres" C-Atoms eine eindeutige Position zugewiesen, wobei die Platzziffer 4 die höchstmögliche darstellt. oder- sogar gebräuchlicher- sie erhalten" Vomomen" entsprechend ihres Platzes in ortho-, meta- oder para-Ste/lung zum Erstsubstituenten (s. Abb. 11.1).
53
11.1.2 Phenol als Säure Säuren sind Protonendonatoren, Basen sind Pratonenakzeptoren. Säuren sind also Verbindungen, deren Moleküle Protonen H" an andere Moleküle, die als Basen wirken, abzugeben vermögen. Oie Protonenabgabe heißt Protolyse. Phenol gehört zu den schwachen Säuren, d. h. Phenolmoleküle geben Protonen in einem geringen Umfang an Wassermoleküle ab. Es stellt sich demzufolge in der Lösung ein Gleichgewicht zwischen den Edukten und Produkten ein. Dieser Umstand drückt sich im Doppelpfeil in der Reaktionsgleichung aus (Abb. 11.2).
_e
101
H
le I
lO-H
H
Phenol
Wasser
als
als
Säure
Base
Phenolation
Hydroxoniumion
Abb. 11.2
Bildung des Phenolations durch Protolyse
11.1.3 Mesomeriestabilisierung des Phenolations Oie negative Ladung des Phenolations ist nicht am 0-Atom lokalisiert, sondern kann sich über das gesamte Molekülgefüge verteilen. Ohnehin vermag der Benzolring einen gewissen Sog auf Elektronen auszuüben. Das Phänomen dieses so genannten mesomeren Effektes stabilisiert den Zustand des Ions (Abb. 11.3). -El IOI
Ladung in ortho-Stellung
9
Ladung in para-Stellung
Abb. 11.3
Mesomere Grenzstrukturen des Phenolat·Ions
Ladung in Ortho-Stellung
54
Wichtige Benzolderivate
Die Gren2formeln geben den Zustand des Phenolat-Ions jeweils nur in .,Momentaufnahmen" wieder. Die wirkliche Ladungsverteilung - wir haben es auch hier mit einemdelokalisierten System von Elektronen zu tun - muss man sich als Übereinander-Projektion der Grenzstrukturen vorstellen. Die Doppelpfeile (..Mesomeriepfeile") zwischen den Grenzstrukturen sollen auf diesen Sachverhalt hinweisen. Im Ergebnis ist das negativ geladene Gebilde Phenolat-Ion durch die Delokalisation mesomeriestabilisiert: Nur aus diesem Grund ist es möglich, dass aus dem Phenolmolekül überhaupt ein Proton abgespalten werden kann.
11 .2 Toluol Über die elektrophile aromatische Substitutionsreaktion (s. Kap. 10.5) können H-Atome des Benzolrings auch durch Alkylreste ersetzt werden. Man spricht dann von einer Alkylierung am aromatischen Ringsystem. Beim Toluol ist die Substitution eines H-Atoms durch eine Methylgruppe - CH3 erfolgt. Phenylrest
0
1
+ H-~-CI
fAICJJl
H
Chlormethan
Toluol Methylbenzol Phenylmethan
Chlorwasserstoff
Abb. 11.4
Friedet-Crafts-Reaktion von Benzol zum Toluol
Diese auch als Fn'edel-Crofts-Alkylierung (Abb. 11 .4) bezeichnete Reaktion wird vorwiegend dazu verwendet, um Methyl- oder Ethylgruppen einzufUhren und läuft unter der Katalyse von Aluminiumchlorid AlCl3 ab: Durch die Wechselwirkung eines Halogenalkans, im Beispiel Chlormethan, mit diesem Salz wird die Bindung zwischen C und Cl so stark polarisiert, dass in der Folge ein elektrophiler Angriff des C-Atoms mit seiner positiven Teilladung o+ auf das JT-Elektronensystem des Benzolrings möglich wird. Der weitere Reaktionsverlauf entspricht der Bromierungsreaktion (s. Kap. 10.5.1). Alkylbenzole werden beispielsweise zur Kunststofferzeugung gebraucht.
55
11.3 Benzolsulfonsäure Oie schwefelhaltige Verbindung Benzolsulfonsöure C6H5S03H, eine starke, wasserlösliche Säure, und ihre Derivate sind Zwischenprodukte für Farbstoffe, Wasch- und Arzneimittel. In einer als Sulfonierung bezeichneten, elektrophilen Substitutionsreaktion mit rauchender, konzentrierter Schwefelsäure lasst sich die Gruppterung - S03H am Benzolring platzieren (Abb. 11.5).
Benzolsulfonsäure Abb. 11.5 Sulfonierungsrealction- Benzolsulfonsäure
11.4 Anmn Nitrobenzoi 4H 5N02 (s. Kap. 10.5.2) reagiert mit Eisenspänen in salzsaurer Lösung (in einer Reduktionsreaktion) zu Anilin 4H 5NH 2, einem Derivat des Benzols, in dem eine Aminogruppe enthalten ist (Abb. 11.6).
Nitrobenzol
Anilin Aminobenzol
Abb. 11.6 Anilin - Derivat des Benzols bzw. des Ammoniaks
Anilin ist Ausgongsstoff für die Synthese von Farbstoffen und besitzt damit eine fundamentale Bedeutung in allen Bereichen des Einsatzes von synthetischen Farben. Als Abkömmling des Ammoniaks NH 3 gehort Anilin zur Stoffgruppe der Amine: Unter diesem Blickwinkel handelt es sich beim Anilin um ein substituiertes AmmoniakmoleküL bei dem ein H-Atom durch einen Phenylrest (s. Kap. 11.2) ersetzt wurde ("Phenylamin") .
11.5 Benzylalkohol, Benzaldehy d und Benzoesäure Oxidationsprodukte von Toluol Oxidationsreaktionen (s. Kap. 17) an der Seitenkette des Toluols, der Methylgruppe -CH 3, führen zu weiteren aromatischen Verbindungen (Abb. 11.7). 0~
OH I CH 2
CH3
+ [0)
Toluol
~c/
OH
~c/
+ [0)
- 2[H]
Benzylalkohol
0~
H
Benzaldehyd
~ Benzoe· säure
Abb. 11.7
Toluol - stufenweise Oxidation
[0] und [H] in Abb. 11.7 weisen darauf hin, dass so genannte ,.Reaktionsöquivalenteu von den reagierenden Molekülen aufgenommen oder abgegeben werden. Die eckigen Klammern enthalten die Aussage: Einzelatome treten während des Reaktionsverlaufs nicht auf. Eine Faustregel in der Organischen Chemie lautet: Nimmt ein Molekül Sauerstoff auf oder gibt es Wasserstoff ob, so handelt es sich um einen Oxidotionsvorgang. Umgekehrt gilt: Gibt ein Molekül Sauerstoff ob oder nimmt es Wasserstoff auf, so liegt ein Reduktiansvargang vor.
Die durch Oxidation aus dem Toluol hervorgehenden Verbindungen sind Repräsentanten Sauerstoffhaitiger organisch-chemischer Stofffamilien: Alkohole, Aldehyde und Carbansäuren (Einzelheiten s. die entsprechenden Kap. 14, 19.1.1, 20).
57
12
Weitere aromatische Verbindungen
Das Wissen um die organisch-chemischen Verbindungen wuchs vor allem im 20. Jahrhundert ins Unermessliche und man fand zusätzlich zum Benzol und seinen Abkömmlingen eine Vielzahl von Verbindungen, die- bei der näheren Betrachtung ihres Reaktionsverhaltens - "aromatischen Charakter" aufwiesen, obwohl sie sich strukturell deutlich vom Benzol unterschieden: Man hatte die charakteristischen Eigenschaften mittlerweile bei Molekülen gefunden, die beispielsweise mehrere Benzolringe in sich vereinten oder innerhalb der Ringe "Fremdatome" wie Stickstoff, Sauerstoff oder Schwefel enthielten.
12.1 Kondensierte Aromaten Aromatische Systeme, die aus mehreren Ringen bestehen, heißen dann kondensierte oder mehrkernige Aromaten, wenn die einzelnen Ringe mindestens zwei gemeinsame C-Atome besitzen (Tab. 12.1). Tab. 12. 1 Mehrkernige Aromaten
Formel Name
Merkmale
Naphthalin
Anthracen
Phenanthren
• zwei kondensierte Benzolringe • 10 Jt-Eiektronen • kristalline Verbindung • charakteristischer Geruch nach f;lottenkugeln • die Verbindung ist ein kondensiertes System aus zwei Benzolringen • drei kondensierte Benzolringe • 14 1f-Eiektronen • fest bei Raumtemperatur • wichtige Ausgangsstoffe für Farbstoffe • beide Verbindungen sind kondensierte Ringsysteme
58
Wertere aromatische Verbindung~n
12.2 Heteroaromaten Ringförmige Moleküle, die innerhalb des Ringsystems neben Kohlenstoff Atome anderer Elemente enthalten, gehören den so genannten heterocyclischen Verbindungen an. Unter diesen Heterocyclen findet man Verbindungen, deren Moleküle ebenfalls den aromatischen Charakter aufweisen (Tab. 12.2). Tab. 12.2 Heterocyclische Ringsysteme
Formel Name
Merkmale
0 -N
• sechsgliedriger Heteroaromat • Stickstoff Nist Heterootom • 6 :t-Elektronen bilden ein delokalisiertes System
Pyridin
0 0 0
• fünfgliedriger Heteroaromat • Heteroatom: Sauerstoff 0 • 6 1t-Elektronen unter Einbeziehung eines freien e· -Paars des 0-Atoms
Furan
N
• fünfgliedriger aromatischer Ring • Heteroatom: Stickstoff N • 6 1t-Elektronen durch freies e· -Paar am N-Atom
I
H
Pyrrol
0
-s Thiophen
• funfgliedriger aromatischer Ring • Heteroatom: SchwefelS • 6 n-Elektronen durch freies e -Paar am S-Atom
Die .Hückei·Regcl• rur den aromatischen Zustand
12.3
59
Die "Hückel-Reger; für den aromatischen Zustand
Durch quantenmechanische Berechnungen konnte Erich Hückel im Jahr 1931 den Haromatischen Zustand" eines Moleküls in Bezug zur Anzahl der delokalisierten n-Elektronen setzen, die im Gefüge ringförmiger Moleküle vorhanden sind. Hückel stellte fest dass ringförmige, möglichst eben gebaute Moleküle stets dann energetisch besonders stabil (s. Kap. 10.4) sind, wenn die Anzahl der delokalisierten n-Elektronen der nachstehenden Formel entspricht: Summe der n-Elektronen • ( 4n + 2)
(n =Anzahl der Ringe im Molekül) Diese hilfreiche Hilckel-Rege/ ermöglicht eine relativ unproblematische Zuordnung von ringförmigen Molekülen zu den Aromaten (vgl. Tab. 12.1 und Tab. 12.2) oder schließt sie entsprechend vom aromatischen Zustand aus. Benzol C6 H6 zählt zu den Aromaten, da es über 6 x-Elektronen verfügt und aus einem Ring besteht: 6 • 4 · 1 + 2. Übung:
Testen Sie die Moleküle in Tab. 12.1 und Tab. 12.2 auf Aromatizität! Heteroatome tragen in Fünfringen ein Elektronenpaar zur Rechnung bei, in Sechsringen nicht.
60
13
Sauerstoffhaltige organische Verbindungen
Am Beispiel der Aromaten wurde bereits erkennbar, dass in den Molekülen organischer Verbindungen neben C- und H-Atomen auch Atome anderer Elemente vorhanden sein können. Tatsächlich findet man in den organischen Verbindungen in HNatur und Technik" neben Cund H hauptsächlich die folgenden Elemente: • Sauerstoff 0 • Stickstoff N • SchwefelS • Phosphor P • die Halogene Auor F, Chlor Cl, Brom Br, Iod I. Sind in die aliphatischen(= kettenförmigen) oder auch aromatischen (• ringförmigen) Kohlenwasserstoffmoleküle zusätzlich Sauerstoffatome eingebaut, so spricht man dementsprechend von sauerstoffhaltigen organischen Molekülen. Die homologen Reihen, die sich aus solchen Molekülen entwickeln lassen, gehen vorzugsweise durch Redoxvorgänge (vgl. Kap. 16) auseinander hervor.
Souerstoff hat im Vergleich zu C und Heine wesentlich stärkere Neigung, die Elektronen einer Atombindung anzuziehen, verfügt also über eine relativ hohe Elektronegativität EN: Diese Eigenschaft führt im Gefüge der sauerstoffhaltigen Molekille zum Auftreten von Teilladungen (ö• und o· ) und in der Folge zu Polarisierungen. Beide Phänomene beeinflussen entscheidend die Eigenschaften und das Reaktionsverhalten der sauerstoffhaltigen Moleküle.
61
14
Alkohole
Alkohole, gemäß der IUPAC-Nomenklatur als Alkanale bezeichnet, können von den Alkanen dadurch abgeleitet werden, dass mindestens ein H-Atom gegen eine Hydroxylgruppe - OH ausgetauscht wird. Eine oder mehrere Hydroxylgruppen sind das Charakteristikum eines jeden Alkoholmoleküls. Atomgruppen, die die Eigenschaften von Molekülen in typischer Weise prägen, nennt man funktionelle Gruppen. Einen Überblick über die im Folgenden betrachteten Vertreter aus der Stoffgruppe der Alkohole bietet Tab. 14.3.
14.1 Homologe Reihe Betrachtet man Alkohole, deren Moleküle mit einer Hydroxylgruppe -OH ausgestattet sind, so ergibt sich folgende Summenformel:
Die Benennung der jeweils um eine Methylengruppe - (Hz- wachsenden Glieder der Reihe leitet sich von den Namen der Alkane ab, indem an die Zahlwörter die Endung -ol angehängt wird (Tab. 14.1 ). Viele Alkohole sind schon sehr lange bekannt. Deswegen sind gerade für die niedrigen Homologen nach wie vor Trivialnomen wie beispielsweise "Methylalkohol" für Methanol gebräuchlich. Tab. 14.1
Homologe Reihe der Alkanole von ( 1 bis ( 10 Formel H
I -0 IH
8'
Formeltyp
Name
Strukturformel mit Teilladungen
Methanol
Halbstrukturformel mit Teilladungen und nummerierten C-Atomen Halbstrukturformel mit nummerierten C-Atomen
Ethanol
H- C- 0 - H
2
1
0
-
H-CH2-CH 2- 0-
3
H3C-
2 I CH2-CH2-0H
1)+
H
Propanel
62
Allcohole
Formel
Formeltyp
Name
Halbstrukturformel verkürzt
Butanol
0H
HJ--CIJ
der Phenylrest ist elektronenanziehend, begünstigt Protolyse
\ OH
Übung: Oie drei ungesättigten, ali phatischen Carbonsäuren Vinylessigsäure, Crotonsäure und Acrylsäure in Abb. 20.7 sollen hinsichtlich ihrer Molekülstruktur betrachtet und die pK5-Werte verglichen werden. 0
0
a
/j
~C=C-HzC-C
H
a H3C-C=
H
\
H
\ OH
OH
But-3-en-säure Vinylessigsäure pK5 • 4,35
/j
C-C
But-2-en-säure Crotonsäure pKs•4,70
Vinylgruppe
o
~~
~\OH Propensäure Acrylsäure pKs • 4,26
Abb. 20.7
Beispiele unges~ttigter Alkansäuren
Ordnen Sie die drei Säuren nach zunehmender Säurestärke und interpretieren Sie die steigende Tendenz, das H-Atom aus der Carboxylgruppe abzugeben! Lösung: Oie Säurestärke nimmt von der Crotonsäure (pKl- 4, 70) über die Vinylessigsäure (pK, = 4,35) zur Acrylsäure (pK, = 4,26) zu.
Nudeophite Substitutionsreaktionen
109
Die Tatsache, dass die meisten Protonen Waus Acrylsäuremolekülen an die Brönsted-Base Wasser abgegeben werden. erklärt sich durch den nicht durch weitere Substituenten beeinträchtigten -I-Effekt der Vinylgruppe -CH- CH 2 (vgl. auch Propionsäure, pKs • 4,88). Betrachten wir daneben die Moleküle der Vinylessigsäure mit einer Vinylgruppe und einer Methylengruppe -CH 2 - und vergleichen sie mit den Crotonsäure-Molekülen, an deren Doppelbindung auf der Gegenseite zur Carboxylgruppe eine Methylgruppe vorhanden ist: Erstaunlicherweise nimmt die Säurestärke - vielleicht entgegen einer ersten Annahme- mit der Entfernung der Doppelbindung von der Carboxylgruppe zu! Damit liegt der Schluss nahe, dass der -I-Effekt der Doppelbindung durch die Methylengruppe und die Distanz zur Carboxylgruppe in der Vinylessigsäure weniger gedämpft wird als in der Crotonsäure, in deren Molekülen der +I-Effekt der Methylgruppe vermehrt Elektronen in den Bereich der Doppelbindung verlagert. Wir halten fest: Die Auswirkungen Elektronen ziehender oder schiebender Effekte unterschiedlicher Substituenten auf die Stärke organischer Säuren können sich wechselseitig verstärken oder vermindern.
20.2 NucleophUe Substitutionsreaktionen DasC-Atom der Carboxylgruppe trägt- wie das Carbonyl-C-Atom der Aldehyde und Ketone- eine positive Teilladung (Abb. 20.8). 0
ö·l! \ OH
R-C
Abb. 20.8 Das (-Atom der Carboxylgruppe als Ziel fur einen nucleophilen Angriff
Damit bietet dieses C-Atom eine ..Elektronenlücke" und in der Folge ein Ziel für den Angriff nucleophiler Agenzien (s. a. Kap. 19.3). Anders als bei den nucteophiten Additionsreaktionen bleibt im Endprodukt die Doppelbindung erhalten! Deswegen bezeichnet man die Reaktion von Carbonsäuren mit Nucteophilen als Substitutionsreoktion, denn im Endeffekt wird die Hydroxylgruppe der Carboxylgruppe unter Wasserabspaltung gegen einen neuen Substituenten ausgetauscht
110
Carbonsäuren und Carbonsauredenvate
(Abb. 20.9). Neue Substituenten (• Nu) können aus einem Atom bestehen oder von einem Molekülrest gebildet werden. 0
Nucleophile Substitution
s~l!
R-C
I Nu
+
\ OH
;l
R-C
\ Nu
I
H
Nucleophiles Teilchen
HP
•
Derivat einer Carbonsäure
Abb. 20.9
Vereinfachtes Reaktionsschema einer nucleophilen Substitution bei Carbonsauren
Die nucleophile Substitution ist einefur Cerbonsäuren typische Reaktion. Viele Derivate der Carbonsäuren (s. Kap. 20.3, Kap. 25) entstehen auf diesem Weg. Nucleophile Substitutionsreaktionen gehören zu den ausführlich erforschten Reaktionswegen in der Organischen Chemie. Ihr tieferes Verständnis setzt einige Vorkenntnisse aus den Bereichen der Reaktionskinetik und der Stereochemie voraus. Oie Vermittlung derselben übersteigt allerdings deutlich den Anspruch der vorliegenden .Einstiegshilfeu: Studierenden der Chemie sei an dieser Stelle das Studium der Lehrbücher für Organische Chemie empfohlen, die sich der Reaktionsmechanismen für die nucleophilen Substitutionen erschöpfend annehmen.
20.2.1 Veresterung von Essigsäure mit MethanolBeispiel einer nucleophilen Substitutionsreaktion Im Kapitel 14.8 wurden die Produkte der Gleichgewichtsreaktion zwischen Säuren und Alkoholen bereits angesprochen: Es entstehen dabei - neben Wasser - Moleküle aus der Stoffgruppe der Ester. Reagiert nun eine Carbonsäure mit einem Alkohol. so entsteht in einer nucleophilen Substitutionsreaktion ganz entsprechend ein Corbonsäureester. Die Hinreaktion heißt Veresterung, die Rückreaktion wird als Esterhydrolyse - eine Hydrolyse ist ein Spaltungsvorgang unter Verbrauch von Wassermolekülen - bezeichnet (Abb. 20.10). 0
s·l!
R-C
\ OH
Carbonsäure
0
Veresterung •
10 -
I
H
Alkohol
I!
R-C
R'
Esterhydrolyse
+
\ 0 - R' Carbonsäureester
Abb. 20.10
Vereinfachtes Reaktionsschema ftir Veresterung und Esterhydrolyse
Wasser
111
Nudeophile Substitutionsreaktionen
Da sich in einem Reaktionsgemisch, in dem sich Carbonsäure und Alkohol bei Raumtemperatur befinden, die Einstellung des .,Estergleichgewichts" über Tage hinzieht, bedient man sich zur Förderung der Reaktionsgeschwindigkeit eines Katalysators in Form einer starken anorganischen Säure. In der Regel verwendet man Schwefelsäure H2S04 , die den Carbonsäuremolekülen als schwache Säuren ihre Protonen aufzunötigen vermag. Am Beispiel der Veresterung von Essigsäure mit Methanol wird der Reaktionsmechanismus deutlich:
Protonierung:
Die Zugabe der starken, anorganischen Säure erzwingt die Protonenaufnahme in die Moleküle der schwachen Essigsäure. Es entstehen mesomeriestabilisierte Teilchen, welche die Merkmale eines Carbenium-Ions - eines Ions mit positiver Ladung am C-Atom- tragen.
1>-H
e/J
H~-c
\, 0-H '
Carbenium-Ion mesomere mesomere Grenzstruktur I Grenzstruktur II
Nuc/eophiler Angriff: Ein freies Elektronenpaar des 0-Atoms aus dem Methanol greift am C-Atom mit dem Elektronenmangel an. Es entsteht eine neue Bindung. Dieser Abschnitt der Reaktion kann als Additionsschritt betrachtet werden.
Carbenium-Ion
Eliminierung:
Methanol
Aus dem instabilen Zwischenprodukt spaltet sich Wasser ob.
lO-H
I
CH
-L
H3C-~-~
IV
J
~
Eliminationsprodukt
112
u rbon
mbghth'
Abb. 23.22 Maltose- Mutarotation am .rreien• anomeren C-Atom C1
Das eine der beiden anomeren Zentren - ( 1 der linken Glucoseeinheit von dem die glycosidische Bindung ausgeht - liegt im Maltosemolekül in der ct-Form vor, das andere anomere (-Atom - C1 der rechten Glucoseeinheit - vorwiegend in der sterisch gefälligen ß-Form. An diesem C-Atom ist Mutarotation (s. Kap. 23.2.3) möglich, d. h. es gibt in einer Maltoselösung zu einem geringen Anteil offene Glucoseeinheiten in den Maltosemolekülen! Damit verläuft die Fehling-Probe mit Maltose positiv und man spricht von einemreduzierenden Disaccharid. Um dieser Eigenheit in der Formeldarstellung Rechnung zu tragen, wird zur .mutarotierenden" Hydroxylgruppe oft eine wellenförmige Bindungslinie gezeichnet.
23.3.3 Cellobjose - e;n wdteres reduzierendes o;saccharid Im Disaccharid Ce/lobiose sind zwei Moleküle der ß-0-Glucose glykosidisch miteinander verbunden. Cellobiose bildet sich neben Glucose beim Abbau von Cellulose (s. Kap. 23.4.3). Auch bei der Cellobiose wird die glykosidische Bindung zwischen C1 des ersten und 4 des zweiten Glucosemoleküls ausgebildet. Für die Formeldarstellungen der Disaccharide ist es üblich, die Ringe vor der Glykosidbildung räumlich so zu drehen, dass die beiden an der Reaktion beteiligten Hydroxylgruppen in dieselbe Richtung weisen- entweder nach oben oder unten: Vor der Bildung des Cellobiosemoleküls wird die rechte Glucoseeinheit also um eine Achse gedreht, die in der Papierebene liegt. Diese Achse "durchbohrt" C1 und C4 • Der Winkelbetrag, um den gedreht wird, beträgt 180", das Molekül ..geht in den Kopfstand". In der Folge gelangen C2 und C3 hinter die Ebene, 4, (6 und die ..Sauerstoffbrücke" davor, die an die (-Atome gebundenen Hydroxylgruppen tauschen die Positionen: .Vorne• wird zu .hinten·, .oben" zu "unten" und umgekehrt (Abb. 23.23).
153 eC~H
•
6C Hz()H
~--······)
4
3
3
OH e CHz()H
Drehung um 180°
OH
CHz()H
Jl·D· Glucose
~-o-Gtucose
Abb. 23.23 Räum liche Ausrichtungzweier Moleküle ß·O-Glucose für die Glykosidbildung
Im Cellobiosemolekül sind die Glucoseeinheiten ß(1 ,4)-glykosidisch miteinander verknüpft (Abb. 23.24).
3
5
Cellobiose
8CH~H
C1• MuUroUtiOII moglich!
Abb. 23.24 CeUobiose - e1n reduzierendes Disaccharid
Wie bei der Maltose existiert auch bei der Cellobiose am .,freien" anomeren C1-Atom der rechten Glucoseeinheit die Möglichkeit zur Mutarotation. Die in einer Lösung vorliegenden, offenkettigen Teilchen mit Aldehydfunktion bedingen auch hier eine Rotfärbung der Fehlingschen Lösung: Cellobiose ist ein reduzierendes Disaccharid.
154 23.3.4 Saccharose- ein nicht reduzierendes Disaccharid
Das im gängigen Haushaltszucker enthaltene Disaccharid ist die Saccharose. die auch Rohrzucker heißt, da sie vorzugsweise aus Zuckerrohrpflanzen hergestellt wird. In einem Saccharosemolekül vereinen sich ein Sechserring a-o-Giucopyranose und ein Fünferring ß-D-Fructajuronose (Abb. 23.25), wobei sich die Glykosidbindung zwischen C1 der Glucose und (z der Fructose ausbildet. 6 CH 20H
3
ß·O- Fructose
u-o-Glucose Abb. 23.25
Bausteine des Disacchllrids Saccharose
Übung: Überlegen Sie, wie eine räumliche Drehung eines Bausteins (s. a. Kap. 23.3.3} stattfinden muss, um eine gefallige Ausbildung der Glykosidbindung zu ermöglichen ! Zeichnen Sie das gedrehte Molekül auf. Lösung: Abb 23.26. CH.pH •, 8
... ', OH
...
. .......... ..
•
OH
l •
.. . uo·(l• • •
•
p-o-Fructo~e
m•t Dreh~'ltse durch C und eine C-0-Bmdung
P· o-Fructose tm .Kop~Ynd"
gedreht um 180"
Abb. 23.26 Drehung des ß-D·fructosemolekuls um eir>e senkrecht zur Papierebene gelagerte Achse
155
Disaccharide
Der ,.Kopfstand" des ß-D-Fructosemoleküls (Abb. 23.26) führt an C2 zu einer Orientierung der Hydroxylgruppe nach ,.unten·: Damit weist sie in dieselbe Raumrichtung wie die Hydroxylgruppe an C1 der a-0-Glucose (Abb. 23.27).
1CH~H
0-----..
+
4
3
u-D-Glucose
•H~ 1l-H
OH
P-D-Fructose
2
0
a(l, 2)·gl~kDsid•sche
Bindung 6 CH~H
4
3
Saccharose a-D·Glucopyranosyl-ß-D-Fructofuranosid Abb. 23.27
Saccharose - Glykosidbildung
Im Saccharosemolekül sind die beiden anomeren C-Atome an der a(1,2)-glykosidischen Bindung beteiligt. Damit entfällt die Möglichkeit zur Ringöffnung und Mutarotation: Saccharose bewirkt mit Fehling-Lösung keine Rotfarbung! Damit ist dieser Zucker ein nicht reduzierendes Disaccharid. Namensungetüme wie "a-D-Glucopyronosyl-ß-D-Fructofuronosid" für Saccharose finden bei der Benennung von Glykosiden dann Verwendung, wenn man auf das Vorliegen von Fünfer- oder Sechserringen in der Struktur besonderes Augenmerk Legen möchte.
156
Kohlenhydr.~te
23.3.5 Inversion des Rohrzuckers
Saccharoselösung dreht die Ebene des linear polarisierten Lichts nach rechts. Gibt man zur Lösung Säure, so spaltet sich das Disaccharid in die Monosaccharide auf: (+}-Saccharose
S•urelUgabe,
0(+)-Glucose
0(-)-Fructose
Hydroly~
Während diese Hydrolyse die Saccharosemoleküle verbraucht, ändert sich der Drehwinkel der Lösung. Schließlich beobachtet man im Hydrolysat mit den Monosacchariden eine Linksdrehung, denn die Fructose ist stärker linksdrehend als die Glucose rechtsdrehend. Damit überwiegt im Endeffekt die Drehwirkung der Fructose. Die Ursprünglich rechtsdrehende Saccharoselösung geht unter Säureeinwirkung also in ein insgesamt linksdrehendes Gemisch aus Monosacchariden über. Die Spaltung der Saccharose in die Monosaccharide wird aufgrunddieser Tatsache als ,,Inversion des Rohrzuckers" bezeichnet. Das entstehende äquimolare Gemisch aus den Monosacchariden - die Zahl der Glucoseeinheiten stimmt mit der der Fructoseeinheiten überein - heißt Invertzucker.
23.4 Polysaccharide Bei den Polysacchariden handelt es sich um biologische Polymere: Polymere sind Makromoleküle, die dadurch entstehen, dass sich gleichartige Bausteine in großer Zahl aneinander binden. Oie Bausteine eines Polymers nennt man Monomere. In den Polysacchariden sind es zahlreiche Glucoseeinheiten, die - glykosidisch miteinander verknüpft- Naturstoffe wie Stärke, Glykogen und Cellulose bilden. 23.4.1 Stärke
Die Photosynthese liefert die energiereiche Glucose, die in Wurzeln, im Spross und in den Samen der Pflanzen in Form von Stärke gelagert wird. Diese Stärke kann dann im pflanzlichen oder tierischen Stoffwechsel wieder zu Glucose abgebaut und in den Energiestoffwechsel eingeschleust werden. Stärke - beispielsweise aus Getreide oder Kartoffeln- ist Hauptlieferant für Kohlenhydrate in der Nahrung. Oie weiße, geruch- und geschmacklose, mehlige Substanz ist nur zum Teil in Wasser löslich. Stärke besteht demnach aus zwei Bestandteilen: Wasserlöslich ist die so genannte Amylose, wasserunlöslich ist das Amylopektin. In 50 ° ( heißem Wasser bildet Stärke durch Quellung so genannten Stärkek/eister.
157
Polywccha ride
Amylose besteht aus nicht verzweigten Glt~coseketten. in denen die Monosaccharide durch a(1.4)-glykosidische Bindun~en verknüpft sind (Abb. 23.28}.
··\ O
0
H0•--.:~.,.,-"".-~~1
glylto5id•schcs C ' tom /.
OH
Ja H0--.:~.,.,-"".-~ . ~-H 0
o.(1,4)-glykosidische Bindung
OH
OHI
o-__"4........_·
0
HO-..:~:""-.-.....- ""~~-H OH I
o -...
Abb. 23.28 Amylose- Ausschnitt aus dem Makromolekül (ohne Berücksichtigung dera-Helix)
Oie Bindungswinkel im Bereich der ..glykosidischen Sauerstoffbrücken" sorgen dafür, dass die Makromoleküle aus 60 bis 300 Glucosemolekülen nicht linear vorliegen, sondern eine Spirale bilden, die sich a-Helix nennt und durch Wasserstoffbrückenbindungen zusammengehalten wird. In ihre Windungen können sich manche anderen Moleküle einlagern. Im Fall des Einschlusses von Iod-Molekülen I2 ergibt sich dabei eine charakteristische Blaufärbung, die als Nochweis für Amylose dient. Die als Iod-Stärke-Reaktion bezeichnete Nachweismethode mit der als Lugalsehe Lösung etablierten Iodlösung spielt in biochemischen Untersuchungen zur Photosynthese eine bedeutende Rolle.
Amylopektin enthält in einem Makromolekül mehr als 300 Glucoseeinheiten und zeichnet sich durch Verzweigungen über zusätzliche a(1,6)-glykosidische Bindungen in den Ketten aus (Abb. 23.29}.
158
Kohlenhydrate
\ 0
H
0
·~~----~~\-H I
OH
-
u( 1,6)-glykosidische Bindung
OH
o-~-·
o
~~~~:::~~\-H
~ ~ ~~~" o-Abb. 23.2 9
Amylopektin - Ausschnitt aus dem verzweigten Makromolekül
Man rechnet mit ungefähr einer Verzweigung auf 25 Glucoseeinheiten. An den Verzweigungsstellen gehen von einem Glucosemolekül drei glykosidische Verbindungen zu weiteren Glucosemoleküle aus. Dadurch entsteht eine innere Vernetzung bei den ohnehin großen Molekülen, und damit erklärt sich auch die Wasserunlöslichkeit. 23.4.2 Glykogen
Im tierischen Organismus wird Glucose in Form des Polysaccharids Glykogen gespeichert. Glykogen findet man beim Menschen in der Leber und in den Muskeln. Auch Glykogen ist ausschließlich aus u-0-Glucoseeinheiten aufgebaut. Es ähnelt im Wesentlichen dem Amylopektin, besitztjedoch deutlich mehr Glucoseeinheiten (5000 - 10000) und einen stärkeren Verzweigungsgrad. 23.4.3 Cellulose
Cellulose ist der Gerüststoff in den Wänden der Pflanzenzellen. Sie ist ein unverzweigtes Polysoccharid, in dem viele ß-D-Glucoseeinheiten über ß(1.4 )-glykosidische Bindungen miteinander verknüpft sind. In einem Cellulosemolekül der Baumwolle beträgt die Anzahl der Glucoseeinheiten ungefähr 3000. Oie Makromoleküle der Cellulose bestehen aus linearen Ketten. Wir betrachten das zugrunde liegende Verknüpfungsprinzip der Glucoseeinheiten am Zusammenschlussdreier Moleküle ~-D-Glucose (Abb. 23.30).
159
Polysaccharid~
Drehung um
~o'w
HOHO; ;·,·\_QOH OH l
Jl-0-Glucose
OH
l
-2 H,O
OH
OH
ß(l,4)-glylcosidische Bindung
Abb. 23.30 Verknüpfungsprlnzip der ß-D-Glucoseeinheiten in der Cellulose
Die Tatsache, dass in der Cellulose jede zweite ß-D-Glucoseeinheit um 180" gedreht vorliegt, verhindert eine Krümmung der Makromoleküle durch die gewinkelten ,.SauerstoffbrückenM, wie sie im Molekülverband der Amyloseketten (s. Kap. 23.4.1) die Ausbildung der a -Helix bedingt. Damit bildet sich die Kettenstruktur bei der CelluLose tatsächlich linear aus und bedingt die hoch geordneten Eigenschaften, die sie als Gerüst- und Fasersubstanz der Pflanzenzellen auszeichnet.
160
23.4.4 Übersicht Die Eigenschaften der Polysaccharide sind in Tab. 23.4 zusammengestellt. Tab. 23.4
Eigenseitaften der Polysaccharide
Amylose Kap. 23.4.1 Summenforme I Monomeres Verkniipfung
Kettenstruktur
Amylopektin Kap. 23.4.1
Glykogen Kap. 23.4.2
Cellulose Kap. 23.4.3
(C6 H1o0s)n a-O-Glucose a(1,4 )· glykosidisch unverzweigt, spiralig • a -Helix
a-0-Glucose a(1,4)- und a(1,6)glykosidisch schwach verzweigt
a-0-Glucose a(1,4)- und a(U)glykosidisch stark
verzweigt
~+Glucose ~(1,4)·
glykosidisch unverzweig t, gestreckt
161
24
Peptide und Proteine
Peptide und Proteine sind Eiweißstoffe. Aufgebaut sind diese Biopolymere (s. a. Kap. 23.4) aus Monomeren, die Aminocorbonsäuren heißen. Im gesamten Tier- und Pflanzenreich besitzen die Eiweißverbindungen fundamen tale Bedeutung, denn sie sind aus dem Körpergefüge und dem Stoffwechselgeschehen der Lebewesen nicht wegzudenken. Hergestellt werden die mannigfachen Proteine in den Zellen der Lebewesen über den hochkomplexen Vorgang der Proteinbiosynthese: Dabei werden die Informationen aus den Genen der DNA (• Desoxyribonucleinsäure) im Zellkern in die tatsächliche Eiweißstruktur umgesetzt.
24.1 Aminosäuren Die Bausteine der Proteine sind Aminocarbonsäuren mit mindestens einer Aminogruppe - NH2 bzw. Carboxylgruppe - COOH. Am Aufbau der Proteine sind im Wesentlichen 20 verschiedene, so genannte a-Aminocarbonsäuren beteiligt. Darüber hinaus kennt man über 150 Aminosäuren, die nicht in Eiweißmolekülen zu finden sind. Im chemischen Sprachgebrauch hat sich im Allgemeinen der gefalliger zu merkende und auszusprechende Name Aminosäuren für die monomeren Einheiten der Eiweißstoffe du rchgesetzt.
24.1.1 Molekülbau der a-Aminocarbonsäuren Die Aminosäuren aus den natürlichen Eiweißstoffen haben in ihrem molekularen Gefüge einige Merkmale gemeinsam (Abb. 24.1) . ..................
(~~ /~~··:-----Carboxylgruppe . "c ·· ... 1_... -··
Aminogruppe
#
., ....... . ..
-- ~--~~--· rR~u -t-H --- -
0-
charakterisierender Rest
Abb. 24.1 Grundstruktur ei ner a -Aminocarbonsäure
In einer AS (im Folgenden: Abkürzung für a-Aminocarbonsäure aus den Proteinen der Lebewesen) gibt es die Carboxylgruppe, die C1 integriert und die Aminogruppe am a -C-Atom, das gleichzeitig C2 darstellt. An C2 sind des Weiteren ein H-Atom und der die AS charakterisierende Rest gebunden. Betrachtet man C2 bei den einzelnen AS-Typen genau, so hat man es bei 19 der 20 einschlägigen AS mit einem asymmetrischen (-Atom zu tun.
162
Peptide und Protein@
Übung:
Überlegen Sie, wie die AS gebaut sein muss, bei der C2 kein Chiralitätszentrum darstellt! Lösung: Abb. 24.2. 0~
/OH
Die AS Glydn besitzt an C2 mit den beiden H-Atomen zwei gleiche Substituenten. Damit ist die Voraussetzung für Chiralität nicht erfüllt und C2 kein asymmetrisches C-Atom.
c
I
r
Hf'J-C-H H
Glycin Abb. 24.2 Glycin - Molekillbau und Chiralität
24.1.2 Optische Aktivität Die Lösung der einfachsten AS Glycin vermag also im Gegensatz zu allen anderen die Ebene linear polarisierten Lichtes nicht zu drehen (s. Kap. 22.4, optische Aktivität) oder anders ausgedrückt:
Alle Aminosäuren außer Glycin sind optisch aktiv!
24.1.3 !-Konfiguration Stellt man Aminosäuren in der Fischer-Projektion (s. Kap. 23.2.4} dar, so besitzen alle aus natürlichen Proteinen isotierbaren AS L-Konfiguration (Abb. 24.3). Carboxylgruppe oben
COOH
8 -c
H
Aminogruppe links Charakterisierende Gruppe unten
R
Abb. 24.3 L· Konfiguration der natürtichen Ami nosäuren
Im Gegensatz zu den Kohlenhydratmolekillen entscheidet bei den AS grundsätzlich die Konfiguration der Aminogruppe am a-C-Atom über ihre Zugehörigkeit zur L·Reihe:
163
Aminosluren
Alle in den natUrliehen Proteinen vorkommenden Aminosäuren sind L-Aminasäuren.
24.1.4 Einteilung Die 20 AS können nach der Beschaffenheit von Rin vier Gruppen eingeteilt werden (Tab. 24.1). Tab. 24. 1 Unpolare, polare. saure und alkalische Aminosäuren
A5-
Der RestR.
Anzahl
Namen
...ist ein
7
Glycin Alanin Valin• Leu ein* lsoleudn* Protin Phenylalanin* Cystein Methionin* Serin Threonin• Tyrosin Asparagin Glutamin Tryptophan • Asparaginsäure Glutaminsäure
Gruppe
unpolar
unpolarer
Kohlenwasserstoffrest.
polar
...enthält eine 8 ungeladene, polare
Gruppe.
sauer
...trägt eine
2
zusätzliche
Carboxylgruppe.
Abkürzungen Gly Ala Val Leu Ile Pro Phe Cys Met Ser Thr Tyr Asn Gln TJY Asp Glu
Beispiel 0~/0H
c
H/