Stefan Franz Reitbauer Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken in der Finanzindustrie am Beispiel Anlagegeschäft
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Stefan Franz Reitbauer Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken in der Finanzindustrie am Beispiel Anlagegeschäft
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Stefan Franz Reitbauer
Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken in der Finanzindustrie am Beispiel Anlagegeschäft Vorgehensmodell, Gestaltungsoptionen und Bewertung
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hubert Österle
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation der Universität St. Gallen, 2008 Dissertation Nummer 3527
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Hildegard Tischer Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1298-5
Geleitwort
V
Geleitwort Business Networking verändert die Wertschöpfungsketten in allen Bereichen der Wirtschaft. Die Finanzindustrie hat lange an ihren integrierten Geschäftsmodellen festgehalten, verändert sich jetzt aber umso schneller. Den Anfang machen kleinere und mittlere Institute. Globalisierung und Spezialisierung verlangen von ihnen eine mit grossen, globalen Marktteilnehmern vergleichbare Leistungspalette, die sie alleinstehend nicht mehr entwickeln und produzieren können. Zunehmend stossen jedoch auch grosse Unternehmen im Konkurrenzkampf mit spezialisierten Instituten an ihre Grenzen. Die Entscheidung für die Auslagerung von Teilbereichen einer Bank wie z.B. der Wertpapierabwicklung hat nicht nur Konsequenzen für die Kostenstruktur, sondern ist auch eine Entscheidung für ein bestimmtes Ecosystem, also für eine spezifische Konstellation von Kooperationspartnern. Das ist häufig auch eine Entscheidung gegen ein anderes Netzwerk und kann bis zum Verlust der Unabhängigkeit des Unternehmens führen. Entsprechend gross ist die Unsicherheit in den Geschäftsleitungen von Banken hinsichtlich zu wählender Kooperationsmodelle und –strategien. Das vorliegende Buch setzt bei diesem Entscheidungsproblem an. Stefan Reitbauer entwickelt darin am Beispiel Anlagegeschäft sowohl Gestaltungsoptionen als auch ein Bewertungsmodell zu deren Gegenüberstellung. Er nutzt dazu die in Literatur und Praxis zahlreich vorhandenen Ansätze und formuliert ein Vorgehensmodell, das einzelne Marktteilnehmer als strukturierten und flexiblen Leitfaden nutzen können, um ihre Position im Geschäftsnetzwerk zu bestimmen und Kooperationsentscheidungen zu treffen. Die vorliegende Arbeit entstand als Dissertation in einem Konsortialprojekt, in dem seit 2004 rund 15 Finanzdienstleister zusammen mit einem Forscherteam der Universität St. Gallen Konzepte zum Aufbrechen und Neuformieren der Wertschöpfungskette in der Finanzindustrie entwickeln. Dieses Konsortialprojekt nutzt die Erkenntnisse aus 20 Jahren Forschung auf dem Gebiet des Business Networking in so unterschiedlichen Branchen wie im Konsumgüterhandel oder der automobilen Zulieferung. Die besondere Stärke dieser Form der Zusammenarbeit zwischen Universität und mehreren Unternehmen liegt darin, dass die Ergebnisse sowohl den Stand der Theorie als auch die konkreten Erfahrungen und Konzepte der Wirtschaft zusammenfassen und dass sie in den mitwirkenden Unternehmen unmittelbar angewandt werden. Damit ist diese Publikation nicht nur für die Wissenschaft, sondern gerade für Finanzdienstleister interessant, die ihre Position in ihrer Wertschöpfungskette aktiv gestalten.
St. Gallen im August 2008
Prof. Dr. Hubert Österle
Vorwort
VII
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Competence Center Sourcing in der Finanzindustrie am Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen. Die Ergebnisse der Arbeit basieren auf einer intensiven Zusammenarbeit mit Praxispartnern und Kollegen, ohne deren Mithilfe die Arbeit in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Viele Rahmenbedingungen, von denen ich bei der Verfassung meiner Arbeit profitiert habe, sind nicht selbstverständlich, ich möchte mich daher an dieser Stelle bei einigen Personen bedanken, die Anteil am Gelingen der Dissertation haben. Zunächst bedanke ich mich bei Prof. Dr. Hubert Österle für die praxisnahe Forschungsumgebung, die für die bedarfsorientierte Entwicklung und Evaluierung der Resultate entscheidend war, sowie für die Betreuung meiner Dissertation. Die von ihm dabei gewährte Balance von gestalterischer Freiheit und kritischem Feedback waren wesentlich für die persönliche Prägung bzw. inhaltliche Schärfung der Arbeit. Dankbar bin ich auch für die vielfältigen Erfahrungen und Einblicke, die ich während meiner Tätigkeit an seinem Institut gewinnen durfte. Hiervon habe ich in fachlicher und persönlicher Hinsicht sehr profitiert. Prof. Dr. Rainer Alt danke ich für die Übernahme des Koreferats. Einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen meiner Arbeit hat die Kooperation mit zahlreichen Unternehmensvertretern (vgl. Appendix) geleistet. Ihnen danke ich an dieser Stelle herzlich für ihr Engagement sowie ihre Bereitschaft zur konstruktiven Diskussion und zur gemeinsamen Weiterentwicklung bzw. Validierung von Konzepten. Bei meinen Kollegen im CC Sourcing – Clemens Eckert, Felix Falkenberg, Stefan Frei, Matthias Hoffmann, Falk Kohlmann, Ken Mansfeldt, Fritz Reich und Michael Schachtner – bedanke ich mich für die freundschaftliche Zusammenarbeit sowie für den auch in arbeitsintensiven Phasen des Projektes stets respekt- und humorvollen Umgang. Beim Projektleiter des CC Sourcing Thomas Zerndt bedanke ich mich für die zahlreichen spannenden Diskussionen, das kollegiale Arbeitsverhältnis und das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ein spezieller Dank gilt Dr. Oliver Kutsch für die angenehme und lehrreiche Zusammenarbeit in verschiedenen Projekten sowie vor allem auch sein besonderes persönliches Engagement bei der Unterstützung meiner Arbeit. Bei allen anderen Kollegen am Institut, dem Geschäftsführer Dr. Ernst Ensslin sowie den Sekretärinnen Caroline Andenmatten, Katharina Brühwiler und Susanne Gmünder bedanke ich mich für die angenehme Zusammenarbeit und die Hilfsbereitschaft. Annette Glaus danke ich herzlich für die formale und sprachliche Durchsicht der Arbeit. Von Herzen bedanke ich mich bei meinen Eltern, die mir meine akademische Ausbildung ermöglicht haben, sowie meiner Schwester mit ihrem Mann für ihre grossartige Unterstützung, ihr Verständnis und ihre stete Bereitschaft zur konstruktiven Diskussion – nicht nur während der Erstellung der Arbeit. Ihnen widme ich die Dissertation. St. Gallen im Juli 2008
Stefan Reitbauer
Zusammenfassung
IX
Zusammenfassung Die Wertschöpfungskette in der Bankindustrie wird sich in den kommenden Jahren signifikant verändern. Faktoren wie veränderte Kundenbedürfnisse, (daraus resultierend) steigende Produkt- und Abwicklungskomplexität, Globalisierung und die Etablierung von Standards drängen Unternehmen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu fokussieren und komplementäre Leistungen von spezialisierten Partnern zu beziehen. Finanzdienstleister benötigen für diese Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle und die daraus resultierende Transformation ihrer Unternehmen methodische Unterstützung. Die Arbeit leistet hierzu einen Beitrag in Form eines Vorgehensmodells für die Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken. Das Vorgehen basiert auf einem umfassenden Bewertungsmodell und auf Referenzmodellen zur Vernetzung für das Anlagegeschäft. Die für dieses durchgängige Anwendungsbeispiel entwickelten Modelle (Referenzprozess, Referenznetzwerk und Gestaltungsoptionen) beruhen gemäss der Forschungsmethodik Design Science auf einer Literaturanalyse, einigen Fallbeispielen und vier ausführlichen Fallstudien zum Stand der Vernetzung in diesem Bankbereich. Schlüsselwörter: Aufbrechen der Wertschöpfungskette, Outsourcing, Referenznetzwerk, Referenzmodellierung, Bankmodell, qualitative und quantitative Bewertung, Entscheidungsmodell, Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken, Gestaltungsoptionen, Anlagegeschäft.
Summary The banking value chain is facing a structural transformation. Driven by increased complexity of products and thus execution, changing customer behaviour, the internationalization of financial markets, increased competition and ongoing value chain redesign as well as the diffusion of technical and business standards financial institutions are forced respectively enabled to focus iteratively on their core competencies and reduce their degree of vertical integration by sourcing complementary activities. Financial institutions as banks, custodians or back-office service providers are in need of methodological support for that redesign of their business models and for the following transformation. Thus the thesis introduces a procedure model for the redesign of business networks that covers all layers of business engineering – business model, process model and information systems. It is based upon a comprehensive evaluation model and reference models for the investment process. These reference models, including a detailed value chain description, a generic network model and design patterns, for the investment process have been developed upon a literature analysis, several short examples and four elaborative case studies. Key words: Business Engineering, Value Chain Redesign, Reference Modelling, Decision Model, Qualitative and Quantitative Assessment Criteria, Design Patterns for the Investment Process, Procedure Model.
Inhaltsübersicht
XI
Inhaltsübersicht 1
Einleitung ..................................................................................................... 1 1.1
Ausgangslage und Handlungsbedarf ............................................................. 1
1.2
Ziel, Adressaten und Nutzen der Arbeit........................................................ 3
1.3
Entstehung und Einordnung .......................................................................... 5
1.4
Forschungsmethodik .................................................................................... 6
1.5
Aufbau der Arbeit.......................................................................................... 7
2
Grundlagen .................................................................................................. 9 2.1
Untersuchungsframework ............................................................................. 9
2.2
Unternehmensnetzwerke ............................................................................. 17
2.3
Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken ................... 27
3
Vernetzung im Anlagegeschäft................................................................. 31 3.1
Bankenmarkt Schweiz................................................................................. 31
3.2
Grundlagen zum Anlagegeschäft ................................................................ 36
3.3
Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft.................................................... 46
3.4
Zwischenfazit zur Vernetzung im Anlagegeschäft ..................................... 65
4
Fallstudien .................................................................................................. 67 4.1
Auswahlkriterien und Analyseraster ........................................................... 67
4.2
Fallstudie Bank Vontobel............................................................................ 69
4.3
Fallstudie B-Source ..................................................................................... 81
4.4
Fallstudie Entris........................................................................................... 91
4.5
Fallstudie DZ BANK................................................................................. 103
4.6
Gegenüberstellung der Fallstudien............................................................ 113
5
Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell ....................................... 119 5.1
Gestaltungsoptionen .................................................................................. 119
5.2
Bewertungsmodell..................................................................................... 137
5.3
Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells .................................. 158
5.4
Zwischenfazit ............................................................................................ 167
XII
Inhaltsübersicht
6
Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken............. 169 6.1
Bezugsrahmen und Einordnung ................................................................ 169
6.2
Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente .............................................. 173
6.3
Ergebnisse und Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens.............................. 202
6.4
Zwischenfazit ............................................................................................ 206
7
Fazit und Ausblick................................................................................... 209 7.1
Ergebnisse der Arbeit ................................................................................ 209
7.2
Kritische Würdigung und weiterer Forschungsbedarf .............................. 210
7.3
Ausblick..................................................................................................... 213
Anhang A
Erläuterungen zu Konzepten................................................................. 217
Anhang B
Erläuterungen zur Forschungsmethodik ............................................... 221
Anhang C
Zusatzinformationen zu den Fallstudien............................................... 228
Literaturverzeichnis .................................................................................................... 239
Inhaltsverzeichnis
XIII
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung ..................................................................................................... 1 1.1
Ausgangslage und Handlungsbedarf ............................................................. 1
1.2
Ziel, Adressaten und Nutzen der Arbeit........................................................ 3
1.3
Entstehung und Einordnung .......................................................................... 5
1.4
Forschungsmethodik .................................................................................... 6
1.5
Aufbau der Arbeit.......................................................................................... 7
2
Grundlagen .................................................................................................. 9 2.1
Untersuchungsframework ............................................................................. 9
2.1.1
Drei-Ebenen-Modell des Business Engineering ......................................... 10
2.1.2
Referenzmodellierung ................................................................................. 12
2.1.3
Metamodell.................................................................................................. 15
2.2
Unternehmensnetzwerke ............................................................................. 17
2.2.1
Ursprung des Begriffs und Charakteristika ................................................. 17
2.2.2
Treiber und Enabler der Vernetzung ........................................................... 19
2.2.3
Sourcing und Transaktionskostentheorie .................................................... 20
2.2.4
Kernkompetenz, Leistungs- und Wertschöpfungstiefe ............................... 23
2.2.5
Aufbrechen von Marktstrukturen und Entstehung neuer Märkte ............... 25
2.3
Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken ................... 27
2.3.1
Bestehende BNR-Ansätze ........................................................................... 28
2.3.2
Vergleich bestehender Ansätze und Anforderungen an BNR-Vorgehen ... 29
3
Vernetzung im Anlagegeschäft................................................................. 31 3.1
Bankenmarkt Schweiz................................................................................. 31
3.1.1
Internationale Position im Anlagegeschäft ................................................. 32
3.1.2
Status quo des Aufbrechens der Wertschöpfungskette ............................... 33
3.1.3
Einsatz von Standardsoftwarepaketen......................................................... 35
3.2
Grundlagen zum Anlagegeschäft ................................................................ 36
3.2.1
Gründe für Vernetzung im Anlagegeschäft ................................................ 36
XIV
Inhaltsverzeichnis
3.2.2
Institutionen im Anlagegeschäft.................................................................. 38
3.2.3
Referenzprozess Anlegen ............................................................................ 40
3.2.4
Einordnung in ein Bankmodell.................................................................... 44
3.3
Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft.................................................... 46
3.3.1
Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft .................................................. 46
3.3.2
Beispiele für Vernetzung im Anlagegeschäft.............................................. 53
3.3.3
IS-Aspekte der Vernetzung im Anlagegeschäft .......................................... 60
3.3.3.1 Datenaustausch im Referenznetzwerk Anlegen .......................................... 60 3.3.3.2 (Standardisierte) IS-Schnittstellen im Referenznetzwerk Anlegen............. 61 3.3.4
Trends im Anlagegeschäft........................................................................... 64
3.4
Zwischenfazit zur Vernetzung im Anlagegeschäft ..................................... 65
4
Fallstudien .................................................................................................. 67 4.1
Auswahlkriterien und Analyseraster ........................................................... 67
4.2
Fallstudie Bank Vontobel............................................................................ 69
4.2.1
Zum Unternehmen....................................................................................... 69
4.2.2
Lösung – Angebot der Wertpapier-Transaktionsbank ................................ 73
4.2.3
Bewertung der Lösung ................................................................................ 79
4.2.4
Fazit und Ausblick....................................................................................... 81
4.3
Fallstudie B-Source ..................................................................................... 81
4.3.1
Zum Unternehmen....................................................................................... 81
4.3.2
Lösung – Angebot von B-Source im Anlagegeschäft................................. 84
4.3.3
Bewertung der Lösung ................................................................................ 88
4.3.4
Fazit und Ausblick....................................................................................... 90
4.4
Fallstudie Entris........................................................................................... 91
4.4.1
Zum Unternehmen....................................................................................... 91
4.4.2
Lösung – Angebot von Entris im Anlagegeschäft ...................................... 94
4.4.3
Bewertung der Lösung ................................................................................ 99
4.4.4
Fazit und Ausblick..................................................................................... 102
4.5
Fallstudie DZ BANK................................................................................. 103
Inhaltsverzeichnis
XV
4.5.1
Zum Unternehmen..................................................................................... 103
4.5.2
Lösung – Angebot der DZ BANK im Anlagegeschäft ............................. 104
4.5.3
Bewertung der Lösung .............................................................................. 110
4.5.4
Fazit und Ausblick..................................................................................... 112
4.6
Gegenüberstellung der Fallstudien............................................................ 113
5
Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell ....................................... 119 5.1
Gestaltungsoptionen .................................................................................. 119
5.1.1
Option 1: Wertpapierabwickler ................................................................. 122
5.1.2
Option 2: Streetside Provider mit Handel ................................................. 125
5.1.3
Option 3: Investment Center ..................................................................... 128
5.1.4
Option 4: WP-Abwickler plus Streetside Provider (Transaktionsbank) ... 130
5.1.5
Option 5: Spezialist für das Anlagegeschäft ............................................. 131
5.1.6
Option 6: Backoffice / Fullservice Provider (für reine Vertriebsbanken) ....................................................................... 133
5.2
Bewertungsmodell..................................................................................... 137
5.2.1
Anforderungen an die Bewertung von BNR-Vorhaben............................ 138
5.2.2
Bestehende Ansätze zur Bewertung von BNR-Vorhaben......................... 140
5.2.2.1 Qualitative Ansätze ................................................................................... 140 5.2.2.2 Quantitative Ansätze ................................................................................. 143 5.2.2.3 Kombinierte Ansätze................................................................................. 146 5.2.2.4 Gegenüberstellung der Ansätze................................................................. 148 5.2.3
Bewertungsmodell – Inhalt, Struktur und Vorgehen ................................ 149
5.2.3.1 Qualitative Elemente ................................................................................. 150 5.2.3.2 Quantitative Elemente ............................................................................... 154 5.2.3.3 Ergebnistypen des Bewertungsmodells..................................................... 157 5.3
Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells .................................. 158
5.3.1
Qualitative Bewertungskriterien für das Anlagegeschäft.......................... 158
5.3.1.1 Kriterien zur Bewertung des Potenzials von BNR im Anlagegeschäft..... 158 5.3.1.2 Risikokriterien für BNR im Anlagegeschäft ............................................. 162
XVI
Inhaltsverzeichnis
5.3.2
Beispielhafte Potenzial- und Risikoanalyse .............................................. 163
5.3.3
Fiktives Beispiel zur Anwendung des quantitativen Bewertungsrasters .. 164
5.4
Zwischenfazit ............................................................................................ 167
6
Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken............. 169 6.1
Bezugsrahmen und Einordnung ................................................................ 169
6.1.1
Bezugsrahmen ........................................................................................... 169
6.1.2
Einordnung in bestehende Ansätze ........................................................... 171
6.2
Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente .............................................. 173
6.2.1
Aufbau und Inhalt des Vorgehensmodells ................................................ 173
6.2.2
Phase 1 „Schaffen von (bankfachlichen) Grundlagen“............................. 177
6.2.2.1 AB 1.1: Analyse der WSK und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten........... 178 6.2.2.2 AB 1.2: Definition von (qual. und quant.) Bewertungskriterien............... 181 6.2.3
Phase 2 „Analyse“ ..................................................................................... 182
6.2.3.1 AB 2.1: Dokumentation des Status quo (IST)........................................... 184 6.2.3.2 AB 2.2: Identifikation von Handlungsfeldern........................................... 184 6.2.3.3 AB 2.3: Definition der Soll-Position im Netzwerk ................................... 187 6.2.4
Phase 3 „Entwurf / Konzeption“ ............................................................... 188
6.2.4.1 AB 3.1: Auswahl potenzieller Partner....................................................... 190 6.2.4.2 AB 3.2: Präzisieren der (BNR-)Handlungsalternativen............................ 191 6.2.4.3 AB 3.3: Analyse der Handlungsalternativen und Festlegen nächster Schritte........................................................................ 193 6.2.5
Kritische Erfolgsfaktoren und Besonderheiten der Phasen 4 und 5.......... 195
6.2.5.1 Phase 4 „Realisierung“.............................................................................. 195 6.2.5.2 Phase 5 „Einführung und Betrieb“ ............................................................ 197 6.2.6
Phasenübergreifende Aufgaben................................................................. 198
6.2.6.1 Transformation .......................................................................................... 199 6.2.6.2 Weitere Aspekte der Netzwerksteuerung .................................................. 201 6.3
Ergebnisse und Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens.............................. 202
6.3.1
Übersicht zu den Ergebnisdokumenten..................................................... 202
Inhaltsverzeichnis
XVII
6.3.2
Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens ....................................................... 204
6.4
Zwischenfazit ............................................................................................ 206
7
Fazit und Ausblick................................................................................... 209 7.1
Ergebnisse der Arbeit ................................................................................ 209
7.2
Kritische Würdigung und weiterer Forschungsbedarf .............................. 210
7.3
Ausblick..................................................................................................... 213
Anhang A
Erläuterungen zu Konzepten................................................................. 217
Anhang A.1 Prinzipbild der Design Science im Kontext der Arbeit ........................ 217 Anhang A.2 Elemente einer Methode ....................................................................... 217 Anhang A.3 Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung ....................................... 218 Anhang A.4 Elemente des Metamodells ................................................................... 219 Anhang B
Erläuterungen zur Forschungsmethodik ............................................... 221
Anhang B.1 Informationen zum CC Sourcing .......................................................... 222 Anhang B.2 Projekte ................................................................................................. 224 Anhang B.3 Dokumente und Interviews zu den Fallbeispielen ................................ 225 Anhang B.4 Dokumente und Interviews zu den Fallstudien..................................... 226 Anhang C
Zusatzinformationen zu den Fallstudien............................................... 228
Anhang C.1 Interviewleitfaden für die Fallstudien ................................................... 228 Anhang C.2 Unterlagen zur Fallstudie B-Source...................................................... 231 Anhang C.3 Unterlagen zur Fallstudie Entris / RBA-Service................................... 234 Anhang C.4 Unterlagen zur Fallstudie DZ BANK ................................................... 238
Literaturverzeichnis .................................................................................................... 239
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis AG
Aktiengesellschaft
AO
Application Outsourcing
ASP
Application Service Provision
ARIS
Architektur integrierter Informationssysteme
AWD
Allgemeiner Wirtschaftsdienst
AWV
Aussenwirtschaftsverordnung
BAI
Bankenarchitekturen im Informationszeitalter
B2B
Business to Business
BCBE
Banque Cantonale de Berne
BCJ
Banque Cantonale du Jura
BdG
Banca del Gottardo
BE
Business Engineering
BeBu
Betriebsbuchhaltung
BECS
Business Engineering Case Studies
BEKB
Berner Kantonalbank
BKB
Basler Kantonalbank
BLKB
Basellandschaftliche Kantonalbank
BN
Business Networking
BNR
Business Network Redesign
BO
Backoffice
BPM
Business Process Management
BPO
Business Process Outsourcing
BPR
Business Process Redesign
BSI
Banca della Svizzera Italiana
BSR
Business Scope Redefinition
BTV
Bank für Tirol und Vorarlberg
bez.
bezüglich
ca.
circa
CA
Corporate Actions
CC
Competence Center (Kompetenzzentrum)
CCP
Central Counter Party
CDQ
Corporate Data Quality
CEO
Chief Executive Officer
CHF
Schweizer Franken
Cie
Compagnie
CLS
Continuous Link Settlement
CS-FI
Credit Suisse Financial Institutions
CSD
Central Securities Depository (Zentralverwahrer)
CWO
Credit Workout
D
Deutschland
DACH
Deutschland, Österreich und Schweiz
XIX
XX
Abkürzungsverzeichnis
DL
Dienstleistungen
DS
Design Science
DTA
Datenträgeraustausch
DW
Data Warehouse
dwpbank
Deutsche WertpapierService Bank
EAI
Enterprise Application Integration
EBK
Eidgenössische Bankenkommision
EBPP
Electronic Bill Presentment and Payment
EF
Eigenfertigung
et al.
et alii
EVV
Externer Vermögensverwalter
EZB
Europäische Zentralbank
f
(die) folgende (Seite)
ff
(die) folgende(n) (Seiten)
FIX
Financial Information eXchange
FOREX
Foreign Exchange Market (auch FX Market)
FTE
Full Time Equivalent
F&E
Forschung und Entwicklung
GCM
Global Clearing Member
GEOS
Global Entity Online System (System für WP-Abwicklung in AT)
GK
Gemeinkosten
GoM
Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung
GU
Generalunternehmer
GUI
Graphical User Interface
HR
Human Resources
HSBC TuB
Hongkong and Shanghai Banking Corporation Trinkaus & Burkhardt
HSG
Hochschule St. Gallen
i.d.R.
in der Regel
i.e.S.
im engeren Sinn
ICT
Informations- und Kommunikationstechnologie
IDV
Individuelle Datenverarbeitung
IIM
Integriertes Informationsmanagement
IS
Informationssystem
ISIN
International Securities Identification Number
IT
Informationstechnologie
ITS
International Transaction Services
ITIL
IT Infrastructure Library
ITO
Information Technology Outsourcing
IWI
Institut für Wirtschaftsinformatik
KAG
Kapitalanlagegesetz
KESt
Kapitalertragssteuer
KK
Kernkompetenz
KR
Kredit
Abkürzungsverzeichnis
KUBE
Kundenberater
LCC
Life Cycle Costing
LCH
London Clearing House
LSV
Lastschriftverfahren
MA
Mitarbeiter
MAS
Market Access Services
ME
Method Engineering
MEMO
Multi-Perspective Enterprise Modeling
MiFID
Markets in Financial Instruments Directive
MIS
Management Information System
MLP
Marschollek, Lautenschläger und Partner AG
NBAD
National Bank of Abu Dhabi
NW
(Unternehmens-)Netzwerk
o.a.
oben angeführt
ODV
Operationelle Datenverarbeitung
OK
Oberkriterium / Oberkriterien
OTC
Over the Counter
OTMS
Order Trading Management System
ÖWS
Österreichische Wertpapier Service AG
PG
Produktionsgesellschaft
PKR
Prozesskostenrechnung
PSN
Private Swift Network
PROMET
Projektmethode
QI
Qualified Intermediary
RBAH
Regionalbanken Holding
RBAS
RBA-Service / Regionalbanken Service AG
RBV
Resource-based View
RfI
Request for Information
RfP
Request for Proposal
R-NW
Referenz-Netzwerk
ROR
Reuters Order Routing
RSGV
Rheinischer Sparkassen- und Giroverband
RTC
Real-Time Center
RW
Rechnungswesen
RZ
Rechenzentrum
SECOM
Settlement Communication System (Abwicklungssystem der SIS)
SGKB
St. Galler Kantonalbank
SIC
Swiss Interbank Clearing
SIS
SegaInterSettle
SLA
Service Level Agreement
SNB
Schweizer Nationalbank
SOM
Semantic Object Model
SSW
Standard Software
XXI
XXII
Abkürzungsverzeichnis
STP
Straight Through Processing
SW
Software
SWIFT
Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication
SWX
Swiss Exchange
TC
Target Costing
TCE
Transaction Cost Economics
TCHF
Tausend Schweizer Franken
TCO
Total Cost of Ownership
TRX
Transaktion
tw.
teilweise
TxB
Transaktionsbank
u.a.
unter anderem
UBS
Union de Banques Suisse
UML
Unified Modeling Language
VB
Vertriebsbank
v.a.
vor allem
vgl.
vergleiche
VONSYS
Vontobel Solutions for Your Sourcing
VR
Verwaltungsrat
VSt
Vorsteuer
VU
Virtuelles Unternehmen
WLSGV
Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband
WP
Wertpapier
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
WSK
Wertschöpfungskette
z.B.
zum Beispiel
ZB
Zentralbank
ZH
Zürich
ZV
Zahlungsverkehr
1.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf
1
1 Einleitung 1.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf “Unexpected lessons in global financial markets: Get global. Get specialized. Or get out.” [Dence et al. 2007, 1]
Als Reaktion auf eine umfassende Reorganisation ihrer Unternehmensumwelt nutzen Unternehmen in ihren Geschäftsmodellen verstärkt die Gesetze der vernetzten Wirtschaft (s. [Kagermann/Österle 2006]). Studien (z.B. [Hamprecht et al. 2004; Accenture 2006]) belegen, dass die Finanzindustrie und Banken im Speziellen im Vergleich zu Branchen wie der Automobilindustrie eine hohe Wertschöpfungstiefe1 aufweisen und bisher nur punktuell Leistungen im Netzwerk beziehen. Dieselben Studien prognostizieren in den nächsten Jahren eine signifikante Reduktion der Eigenfertigung bei Banken. Die Branche erlebt aktuell einen grundlegenden Strukturwandel, der (in der Schweiz) aufgrund von parallelen Einflüssen wie dem Aktienboom Ende der neunziger Jahre und den hervorragenden Jahresergebnissen der Jahre 2002-2006 (vgl. [Cocca/Geiger 2007, 73]) bisher nur bedingt wahrgenommen wurde. Die im Herbst 2007 ausgebrochene Hypothekarkrise mit ihren im Frühjahr 2008 noch nicht absehbaren langfristigen Folgen (vgl. [IMF 2008]) bedeutet einen Einbruch der Jahresergebnisse bzw. Aktienkurse und lässt aufgrund einer verstärkten Effizienz- / Kostenorientierung eine Beschleunigung des oben angesprochenen Strukturwandels erwarten. Ein Indikator der strukturellen Transformation ist z.B. im Schweizer Bankenmarkt die Anzahl der bei der Nationalbank registrierten Banken, die seit 1990 von 625 auf unter 350 gesunken ist. [Geiger/Hürzeler 2003] erachten diese Konsolidierungsphase als ersten Schritt, dem nun eine Spezialisierung auf Kernkompetenzen und damit eine zunehmende zwischen- und überbetriebliche Vernetzung folgen. Für das deutsche Kreditgewerbe erkennt z.B. [Weisser 2004] eine Abnahme der Fertigungstiefe2 von 69% im Jahr 1996 auf 51% im Jahr 2002. Gleichzeitig zeigen alternative Studien (z.B. [Schleuniger et al. 2004]), dass die Veränderungen bisher im wesentlichen auf nichtbankfachliche Aktivitäten, also z.B. den Betrieb und die Weiterentwicklung von ITInfrastrukturen und von Anwendungssystemen, beschränkt waren, während die Institute bankfachliche Aufgaben weiterhin mit wenigen Ausnahmen selbst erbringen. In der Literatur bereits des Längeren diskutierte und in der Praxis sukzessiv beobachtbare Konzepte wie z.B. die Vertriebsbank (vgl. [Falkenberg et al. 2006]), die schlanke Bank (vgl. [Allweyer et al. 2004]), die Industrialisierung des Bankbetriebs (vgl. [Bartmann et al. 2005]) oder die Transaktionsbank (vgl. [Zwahlen 2006]) weisen auf neue Formen der Arbeitsteilung hin. Diese sind vor allem gekennzeichnet durch eine konse1
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„Die Wertschöpfung berechnet sich als Differenz zwischen der Gesamtleistung (Umsatzerlöse und Bestandsänderungen) abzüglich der Vorleistungen (zugekauftes Material, fremde Dienstleistungen und Zinsen). Das Verhältnis von Wertschöpfung zu Gesamtleistung ergibt die Wertschöpfungstiefe.“ [Picot 1991, 337] „Die Fertigungstiefe entspricht der Anzahl der Produktions-Zwischenstufen (Elemente der Wertschöpfungskette) vom Rohteil bis zum fertigen Endprodukt.“ [Ewig 2006, 68] Die prozentuale Angabe entspricht dem Verhältnis der selbstständig durchgeführten Produktionsstufen im Verhältnis zu deren Gesamtheit.
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1 Einleitung
quente Spezialisierung der Institute auf ihre Kernkompetenzen und durch eine verstärkte zwischen- und überbetriebliche Kooperation in den übrigen Teilen der Wertschöpfungskette (WSK) (vgl. [Geiger/Hürzeler 2003]). Eine Folge dieser Kooperation von Spezialisten ist eine stärkere Differenzierung der Banken nach (zunehmender) Breite der angebotenen Dienstleistungen und (abnehmender) Tiefe der Wertschöpfung [Lamberti 2004]. Die resultierende Vernetzung stellt hohe Anforderungen an die Planung und Integration der verteilt erstellten Leistungen, da z.B. Vertriebsbanken die Produkte der anderen Spezialisten möglichst effizient und für den Bankkunden unmerklich bündeln müssen. Kooperationen in den Bereichen IT-Operations (ITO), Applikationsentwicklung und -betrieb (Application Service Provision, ASP) sowie im Interbankenbereich (vgl. z.B. Swiss Value Chain in Kapitel 3.2.2) sind bereits etabliert. Langfristig bewährte Beispiele für die Auslagerung von Geschäftsprozessen, die bisher zum Kerngeschäft einer Bank zählten, wie z.B. Kreditverarbeitung und Wertpapierabwicklung, sind in der Schweiz, u.a. im Vergleich zu Deutschland, (noch) selten. Diese als Business Process Outsourcing (BPO) bezeichnete Kooperationsart (vgl. [Alt et al. 2005]) steht im Fokus der Dissertation. Banken erachten im Zuge der Konzentration auf ihre Kernkompetenzen die Abwicklungsprozesse (Zahlungsverkehr, Kredite und Wertpapiere) als vorrangige Kandidaten für BPO (vgl. z.B. [Falkenberg et al. 2006]). Dementsprechend behandeln der praktische und wissenschaftliche Diskurs (z.B. [Eichelmann et al. 2004, 327; Kearney 2004; Lamberti 2005, 74]) primär diese Prozesse. Für eine fundierte Entscheidung über Source, Make or Deliver (vgl. [Lamberti 2004]) ist aber eine vollständige Analyse der Wertschöpfungskette vom Kundenbedürfnis über die Interbankenabwicklung bis zur Bedürfnisbefriedigung beim Bankkunden notwendig.3 Diese Arbeit betrachtet die Vernetzung am Beispiel Anlagegeschäft und damit in einem breiteren Ausschnitt des Bankgeschäfts. Mit dem Aufbrechen der Wertschöpfungskette müssen Banken und Provider ihre Geschäftsmodelle überprüfen und sich in einem Netzwerk von spezialisierten Partnern (neu) positionieren (vgl. [Kobler 2005]). Die Entwicklung und Realisierung nachhaltig erfolgreicher Geschäftslösungen erfordert die Integration von strategischen, ablaufund aufbauorganisatorischen sowie systemtechnischen Aspekten. Für diese Gestaltung und Bewertung von Unternehmensnetzwerken (NW) besteht ein Methodenmangel, da vorhandene Ansätze u.a. folgende Schwächen aufweisen (vgl. [Alt 2004; Alt 2008]): (1) keine semantische Durchgängigkeit, (2) fehlende Integration von Gestaltung und Bewertung, (3) nur partielle methodische Unterstützung sowie (4) zu abstrakte Diskussionsebene und Vernachlässigung von Branchenspezifika. Speziell zu Beginn des Aufbrechens der Wertschöpfungskette erschweren diese Mängel und deren Konsequenzen, wie z.B. Unsicherheit bez. der Messgrössen und der Vernetzungsoptionen im jeweiligen Fachbereich, die Entscheidungsfindung und stärken den (internen) Widerstand.
1.2 Ziel, Adressaten und Nutzen der Arbeit
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1.2 Ziel, Adressaten und Nutzen der Arbeit Das Ziel dieser Dissertation ist, die Potenziale der Vernetzung in Leistungsprozessen für die Finanzindustrie anhand des Beispiels Anlagegeschäft zu präzisieren und ein Vorgehens- und Bewertungsmodell für die Neugestaltung eines Unternehmensnetzwerks4 zu entwickeln. Dazu liefert die Arbeit folgende Ergebnisse: Den Stand und Entwicklungsperspektiven der Vernetzung im Anlagebereich mit unterschiedlichen Vernetzungsansätzen beschreiben sechs Fallbeispiele und vier Fallstudien5 aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zur Darstellung von Vernetzungsoptionen im bankfachlichen Bereich Anlegen entwickelt die Arbeit einen Referenzprozess und darauf aufbauend ein Referenznetzwerk mit Rollen wie z.B. Vertriebsbank, Händler und Valorenzentrale. Ausgehend von der Rolle des Abwicklers leitet die Arbeit Gestaltungsoptionen für die Vernetzung im Anlagegeschäft aus den Fallbeispielen und -studien ab, detailliert diese auf den Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme und bildet sie im Referenznetzwerk Anlegen ab. Das mehrdimensionale Bewertungsmodell zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken basiert auf qualitativen und quantitativen Ansätzen aus Literatur und Praxis. Das am Beispiel Anlagegeschäft entwickelte Modell ist allgemein für BNRVorhaben verwendbar und umfasst sowohl einen qualitativen Teil für die Bewertung von Potenzial- und Risikoaspekten als auch einen quantitativen Teil zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit alternativer Netzwerk-Konstellationen. Das Vorgehensmodell zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken kombiniert bzw. erweitert bestehende Ansätze zu einem für BNR geeigneten referenzmodellbasierten Ansatz, der mit dem o.a. Bewertungsmodell abgestimmt ist. Das Vorgehensmodell wird am Beispiel Anlagegeschäft beschrieben, ist aber ebenso für andere Fachbereiche nutzbar.
3
4 5
Banken verstehen die Abwicklung von Transaktionen oft primär als Kostenfaktor (vgl. analog dazu die Diskussion zum Wert der IT in [Carr 2003]). Eine umfassende Betrachtung der Wertschöpfungskette hat auch den Vorteil, die Auswirkungen bzw. den Nutzen einer Neugestaltung für den Bankkunden aufzeigen zu können. In der Folge wird der Begriff Business Network Redesign (BNR) synonym zur Neugestaltung von (Unternehmens-)Netzwerken verwendet. Zur Verdeutlichung des Vorgehens bei der Erhebung von Praxisfällen werden nachfolgend die Typen Fallstudie und Fallbeispiel unterschieden. Fallstudien sind umfassende mit den jeweiligen Unternehmen abgestimmte Beschreibungen einer Netzwerk-Konstellation auf Basis eines einheitlichen Analyserasters (vgl. Kapitel 4.1). Fallbeispiele (vgl. Kapitel 3.2.3) sind kurze Darstellungen ausgewählter Sachverhalte auf Basis von Fachartikeln und Publikationen der Unternehmen.
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1 Einleitung
Im Sinne der dualen Zielsetzung der angewandten Betriebswirtschaftslehre nach [Ulrich 1984, 168f] strebt die Arbeit sowohl einen Beitrag zum theoretischen Erkenntnisfortschritt als auch die Formulierung umsetzbarer Handlungsempfehlungen an und soll für Vertreter aus Wissenschaft und Praxis von Nutzen sein. Tabelle 1-1 nennt dazu entsprechende Beispiele je Zielgruppe. Zielgruppe
Praxis
Akademia
Wissenschaftler
Dozenten und Studenten
Business Development, Beratung und Fachbereich
Nutzen
Referenzmodelle und Vernetzungsoptionen für das Anlagegeschäft
Strukturierter Überblick zum Stand der Vernetzung im Anlageprozess
(Semantische) Basis für einen Diskurs zur Gestaltung des Anlageprozesses
Umfassender Katalog mit Potenzial- und Risikokriterien für NetzwerkKonstellationen (im Anlageprozess) und deren Transformation
Fallstudien als Anschauungsmaterial im Unterricht
Das Referenznetzwerk Anlegen in Kombination mit Fallbeispielen und Gestaltungsoptionen als Beispiel für das Aufbrechen der Wertschöpfungskette in der Finanzindustrie
Anschauliche Beispiele zur Nutzung von Referenzmodellen
Durchgängige Terminologie für den Anlageprozess als Grundlage für Projekte
Allgemeine und in den Fallstudien beschriebene spezifische Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft (vergleichbar anhand des Referenznetzwerks)
Ein Vorgehensmodell als Anleitung für die (Neu-)Gestaltung eines Unternehmensnetzwerks aus Sicht eines Unternehmens
Ergebnisdokumente zur Strukturierung von Ideen und Konzepten
Ein flexibel auf den Projektkontext und das Zielsystem anpassbares Bewertungsmodell mit spezifischen Kriterien und einem abgestimmten Vorgehen
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Tabelle 1-1: Adressaten und Nutzen der Arbeit Die übergreifende Einordnung der Arbeit auf den Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme birgt neben der Chance eines ganzheitlichen Ansatzes die Gefahr einer Defokussierung. Dies sollen folgende Abgrenzungen vermeiden: Die Arbeit entwickelt keinen neuen Ansatz zur Unternehmensmodellierung, sondern kombiniert und adaptiert bestehende. Das Vorgehensmodell bietet die Flexibilität, Elemente (z.B. Ergebnisdokumente) aus anderen Ansätzen einzubinden. Bei den Vernetzungstendenzen im Anlageprozess (vgl. Kapitel 3) berücksichtigt die Arbeit internationale Entwicklungen. Die Ausarbeitung der Gestaltungsoptionen und Bewertungsaspekte in Kapitel 5 konzentriert sich – u.a. aufgrund gesetzlicher Spezifika und der zugrunde liegenden Fallstudien – primär auf die Schweiz. Die vorrangigen Zielgruppen im Unternehmen sind der Fachbereich und die Unternehmensentwicklung.
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[Alt 2004, 128] nennt u.a. folgende Nutzenpotenziale von Vorgehensmodellen für Reengineering-Projekte: Berücksichtigen aller Gestaltungsaspekte und Stakeholder, Gewährleisten systematischer Ergebnisse als Basis weiterer Projekte sowie einen effizienten Entwicklungsprozess mit reduziertem Zeit- und Kostenaufwand.
1.3 Entstehung und Einordnung
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1.3 Entstehung und Einordnung Die Dissertation entstand im Rahmen der Kompetenzzentren Sourcing in der Finanzindustrie 1 und 2 am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen (IWIHSG). Die Projekte bauen chronologisch (CC Sourcing 1: 2004-2006, CC Sourcing 2: 2006-2008) und inhaltlich aufeinander auf und sind Teil des Forschungsprogramms Business Engineering (BE-HSG) des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen (IWI-HSG) (vgl. [Österle et al. 2004]). Der Autor hat von Juli 2004 bis August 2007 in diesen Projekten mitgearbeitet. Das Konzept der Kompetenzzentren (CC) sieht vor, dass Wissenschaftler in einer Kooperation mit Unternehmensvertretern an strategischen Fragestellungen der Wirtschaftsinformatik forschen. Im CC Sourcing 1 und 2 arbeiten 12 bzw. 18 Unternehmen (vgl. Anhang B.1) aus der Bankenbranche zusammen in Kooperation mit den beiden Instituten für Wirtschaftsinformatik der Universitäten Leipzig und St. Gallen, mit dem Institut für Banken- und Versicherungswesen der Universität St. Gallen sowie mit den Unternehmensberatungen IMG AG und Comit AG. Anhang B enthält eine Aufstellung der für die Ergebniserarbeitung wesentlichen Workshops (2-3-tägige Arbeitstreffen) mit jeweils ca. 25 Unternehmensvertretern. Schwerpunkte der beiden Forschungsprojekte sind die Gestaltung und Bewertung von Sourcing-Projekten: von bilateralen Sourcing-Kooperationen in CC Sourcing 1 und von Unternehmensnetzwerken in CC Sourcing 2. Die Dissertation entstand in Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Arbeiten im Rahmen des Forschungsprogramms BE-HSG und baut zum Teil auf deren Ergebnissen auf. Aufgrund der thematischen Nähe bestehen u.a. Anknüpfungspunkte mit den Ergebnissen der Kompetenzzentren Business Networking 1-3 (CC BN 1-3, 2000-2006), Bankenarchitekturen im Informationszeitalter (CC BAI, 2000-2002), Integriertes Informationsmanagement (CC IIM, ab 2002) sowie Corporate Data Quality (CC CDQ, ab 2006). Hervorzuheben sind hierbei unter anderem: Das Business Engineering Modell (vgl. [Österle/Blessing 2003]) als Forschungsparadigma und Strukturierungsrahmen (vgl. Kapitel 2.1). Die in [Alt 2004] beschriebene Business Networking Architektur sowie das Anforderungsprofil für Methoden des Business Network Redesign, das [Alt 2008] im Rahmen einer Methode zur Gestaltung von Portalarchitekturen erläutert. Die Methode zum Entwurf überbetrieblicher Prozessnetzwerke nach [Benz 2001]: Die Arbeit behandelt primär die Konzeption und Koordination von unternehmensübergreifenden Ablauforganisationen, die Ebenen Strategie und Systeme werden nicht umfassend behandelt. Die Methode für das inter-Business Networking nach [Alt et al. 2000]. Die Fallstudienmethodik PROMET BECS nach [Senger 2004], die als Grundlage für die Erhebung und Präsentation der Fallstudien in Kapitel 4 dient.
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1 Einleitung
1.4 Forschungsmethodik Die Arbeit folgt dem Forschungsansatz der Design Science (vgl. [March/Smith 1995; Hevner et al. 2004]): Der Fokus des Dissertationsprojektes liegt folglich auf der Konstruktion und Bewertung von Artefakten (Konzepte, Modelle, Methoden und Instanzen) zur Lösung von (bestehenden) Problemen und weniger auf der Entwicklung oder Begründung von Theorien zur Erklärung bestehender Phänomene (behavioristischer Ansatz). Als besonderes Merkmal der Design Science (DS) können Untersuchungsergebnisse noch während ihrer Erarbeitung von Umweltfaktoren (z.B. durch neue Technologien) beeinflusst werden. Anhang A zeigt die typische Vorgehensweise der Design Science, angewandt auf das Forschungsumfeld der Dissertation. [Hevner et al. 2004, 83ff] nennen sieben Qualitätskriterien für Ergebnisse gemäss Design Science. Tabelle 1-2 erläutert wie der Ansatz der Dissertation jedes dieser Prinzipien berücksichtigt. Prinzip
Ansatz der Dissertation
Gestaltung eines Artefakts
Die zentralen Dissertationsergebnisse wie die Referenzmodelle und Gestaltungsoptionen zur Vernetzung im Anlagegeschäft sowie das Vorgehensmodell zur Gestaltung von Unternehmensnetzwerken sind Artefakte im Sinne der Design Science.
Problemrelevanz
Die Relevanz des Themas Vernetzung in der Finanzindustrie belegt neben aktuellen Studien (z.B. [Accenture 2006; Falkenberg et al. 2006]) auch das breite Interesse von Unternehmen an der Mitarbeit im CC Sourcing.
Ergebnisbeurteilung
Die Forschungsergebnisse werden beurteilt anhand von Kriterien zur Modellqualität (z.B. [Schütte 1998, 166ff; Fettke/Loos 2004b]). Die Nützlichkeit und Anwendbarkeit der Ergebnisse werden im Dialog mit den Partnerunternehmen geprüft. Dadurch sollen die Anwendbarkeit, der praktische Nutzen und der Transfer in die Unternehmen gewährleistet werden.
Forschungsbeitrag
Die enge Kooperation des CC Sourcing und damit des Autors mit den Partnerunternehmen bietet die Voraussetzung für eine zielgerichtete Ergebniserarbeitung und die Evaluierung der Nützlichkeit von Artefakten durch Praktiker. Durch die Ableitung aus bestehenden Ansätzen kann der wissenschaftliche Beitrag der Arbeit beurteilt und das Delta im Sinne eines Wissensfortschritts aufgezeigt werden.
Research Rigor
Die Ergebnisse sind systematisch mittels etablierter Methoden abzuleiten. Die Dissertation basiert hierzu auf einer Kombination der Methoden Fallstudienforschung, Literaturanalyse und Aktionsforschung. Dabei bildet i.d.R. eine Literaturanalyse die Basis der Artefakte, die in den Workshops (vgl. Anhang B.1) und Projekten des CC Sourcing sowie in Fallstudien mehrfach angewendet und evaluiert werden.
Forschung als Suchprozess
Die Forschungsergebnisse entstehen iterativ in Feedbackschleifen mit den Praxispartnern. Im Zuge der Beschreibung der Ergebnisse wird eine Abgrenzung zu bestehenden Ansätzen und alternativen Lösungen vorgenommen.
Kommunikation der Ergebnisse
Die Forschungsergebnisse stehen den Praxispartnern im Rahmen des CC Sourcing zur Verfügung und werden bzw. wurden von den Unternehmen teilweise bereits in Projekten genutzt. Zudem verweist diese Arbeit auf weitere Forschungsaktivitäten des Kompetenzzentrums und ordnet die o.a. Ergebnisse in diese ein. Die Darstellung der Ergebnisse anhand des durchgängigen Anwendungsbeispiels Anlagegeschäft und deren beispielhafte Anwendung (vgl. z.B. Kapitel 5.3) soll die Lesbarkeit und Verständlichkeit der Arbeit fördern.
Tabelle 1-2: Forschungsansatz gemäss den Prinzipien der Design Science
1.5 Aufbau der Arbeit
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1.5 Aufbau der Arbeit Die sieben Kapitel der Arbeit reflektieren sowohl den Forschungsprozess als auch die Kernergebnisse. Abbildung 1-1 visualisiert den Aufbau. Kapitel 1 erklärt ausgehend vom Handlungsbedarf die Zielsetzung der Arbeit und zeigt den Nutzen für die Adressaten sowie die Forschungsmethodik auf. Kapitel 2 schafft mit dem Untersuchungsframework (2.1) und den Grundlagen zu Unternehmensnetzwerken (2.2) die Basis für ein einheitliches Begriffsverständnis. Ein Vergleich bestehender Ansätze zur Gestaltung von Unternehmensnetzwerken (2.3) ist die Basis für die Ableitung eines Anforderungsprofils für das Vorgehensmodell in Kapitel 6. Kapitel 3 erklärt zunächst den Stellenwert des Anlagegeschäfts in der Schweiz und den Stand der Vernetzung im Raum Deutschland, Österreich und Schweiz (3.1). Anschliessend beschreibt es bankfachliche Grundlagen zum Anlagegeschäft (3.2), leitet daraus ein Referenznetzwerk ab (3.3) und stellt darauf aufbauend konkrete Vernetzungsmodelle anhand von sechs Fallbeispielen vor. Kapitel 4 greift die Rolle des Abwicklers als Bezugspunkt aus dem Referenznetzwerk heraus. Davon ausgehend erläutert und vergleicht es vier bezüglich der Ausgangssituation vergleichbare Fallstudien zur Vernetzung im Anlagegeschäft. Kapitel 5 kombiniert bestehende Ansätze zur Gestaltung und Bewertung von Unternehmensnetzwerken mit praktischen und theoretischen Erkenntnissen für das Anlagegeschäft. Es entwickelt als Ergebnisse sechs Gestaltungsoptionen im Anlagegeschäft für eine (Vertriebs-)Bank (5.1) sowie ein qualitatives (Potenzial, Risiko) und quantitatives (Kosten und Erträge) Bewertungsmodell (5.2) für Unternehmensnetzwerke und deren Transformation. Kapitel 6 präsentiert ein Vorgehensmodell für die Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken ausgehend vom Projektauftrag über die Konzeption von alternativen Netzwerk-Konstellationen bis zum Entscheid über das weitere Vorgehen. Auf Basis einer Einordnung und der Diskussion bestehender Ansätze (6.1) beschreibt das Kapitel die Aktivitäten und Ergebnisdokumente des Vorgehensmodells (6.2) und zeigt Einsatzmöglichkeiten (6.3) auf. Die Ergebnisse aus den Kapiteln 3-5 entsprechen Teilergebnissen der einzelnen Schritte des Vorgehensmodells. Kapitel 7 beinhaltet eine Zusammenfassung der Ergebnisse, inklusive einer Reflexion der Potenziale und Grenzen ihrer Anwendung und skizziert mögliche künftige Entwicklungen und Forschungsthemen.
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1 Einleitung Kapitel 1: Einleitung Kapitel 2: Grundlagen
2.1 Untersuchungsframework 2.1.2 Referenzmodellierung
2.1.1 Drei-Ebenen-Modell des BE
2.2 Unternehmensnetzwerke 2.2.1 Ursprung des Begriffs und Charakteristika 2.2.2 Treiber der Vernetzung 2.2.3 Sourcing und Transaktionskostentheorie 2.2.4 Kernkompetenz, Leistungs- und WS-Tiefe 2.2.5 Aufbrechen von Marktstrukturen und Entstehung neuer Märkte
Kapitel 3: Vernetzung im Anlagegeschäft
2.1.3 Metamodell
2.3 Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken 2.3.1 Bestehende BNR-Ansätze 2.3.2 Vergleich bestehender Ansätze und Anforderungen an BNR-Vorgehen
3.1 Bankenmarkt Schweiz 3.1.1 Internationale Position im Anlagegeschäft 3.1.2 Status quo des Aufbrechens der WSK
3.1.3 Einsatz von Standardsoftwarepaketen
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft 3.2.1 Gründe für Vernetzung im Anlagegeschäft 3.2.2 Institutionen im Anlagegeschäft
3.2.3 Referenzprozess Anlegen 3.2.4 Einordnung in ein Bankmodell
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft 3.3.1 Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft 3.3.2 Beispiele für Vernetzung im Anlagegeschäft
3.3.3 IS-Aspekte der Vernetzung 3.3.4 Trends im Anlagegeschäft
3.4 Zwischenfazit
Kapitel 4: Fallstudien
4.1 Auswahlkriterien und Analyseraster 4.2 Fallstudie Bank Vontobel
4.3 Fallstudie B-Source
4.4 Fallstudie Entris
4.5 Fallstudie DZ BANK
4.6 Gegenüberstellung der Fallstudien
Kapitel 5: Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
5.1 Gestaltungsoptionen
5.2 Bewertungsmodell
5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4
Option 1: Wertpapier-Abwickler Option 2: Streetside Provider mit Handel Option 3: Investment Center Option 4: WP-Abwickler plus Streetside Provider (Transaktionsbank) 5.1.5 Option 5: Spezialist für das Anlagegeschäft 5.1.6 Option 6: Backoffice/Fullservice Provider (für reine Vertriebsbanken)
5.2.1 Anforderungen an die Bewertung 5.2.2 Bestehende Bewertungsansätze 5.2.3 Bewertungsmodell – Inhalt, Struktur und Vorgehen 5.3 Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells 5.3.1 Qualitative Bewertungskriterien für das Anlagegeschäft 5.3.2 Beispielhafte Potenzial- u. Risikoanalyse 5.3.3 Anwendung d. quant. Bewertungsrasters
5.4 Zwischenfazit
Kapitel 6: Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
6.1 Bezugsrahmen und Einordnung 6.1.1 Bezugsrahmen
6.1.2 Einordnung in bestehende Ansätze 6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente 6.2.1 Aufbau und Inhalt des Vorgehensmodells
6.2.2 Phase 1: Schaffen (bankfachlicher) Grundlagen 6.2.3 Phase 2: Analyse 6.2.4 Phase 3: Entwurf / Konzeption
6.2.5 Kritische Erfolgsfaktoren und Besonderheiten der Phasen 4 und 5 6.2.6 Phasenübergreifende Aufgaben
6.3 Ergebnisse und Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens 6.3.1 Übersicht zu den Ergebnisdokumenten
6.3.2 Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens 6.4 Zwischenfazit
Kapitel 7: Fazit und Ausblick
Abbildung 1-1: Struktur der Dissertation
2.1 Untersuchungsframework
2
9
Grundlagen
Dieses Kapitel beschreibt den Bezugsrahmen, in dem die Arbeit die Vernetzung in der Finanzindustrie am Beispiel des Anlagegeschäfts betrachtet. Er umfasst drei Bereiche: Untersuchungsframework: Auf Basis des Business Engineering (BE) als Forschungsrahmen der Arbeit ordnet das erste Teilkapitel die Ergebnisse der Dissertation in die Ergebnistypen der Wirtschaftsinformatik ein. Als ein wesentliches Konzept für die Herleitung und auch für die Beurteilung der erarbeiteten Artefakte werden im Anschluss Grundlagen zur Referenzmodellierung und der Evaluierung von Referenzmodellen beschrieben. Ein Metamodell zeigt abschliessend die wesentlichen Gestaltungselemente sowie deren Beziehungen zueinander auf und bildet so den terminologischen Rahmen der Arbeit. Dieses Begriffssystem baut auf dem Metamodell des BE-HSG auf und ist geringfügig an die Themenstellung angepasst. Unternehmensnetzwerke: Das zweite Teilkapitel erklärt den Ursprung und die Charakteristika des Begriffs Netzwerk, diskutiert ausgewählte Aspekte der Vernetzung und verweist auf umfassende Grundlagenbeiträge zu diesem Thema. Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken: Dieses Teilkapitel greift bestehende Literaturanalysen auf und spiegelt deren Erkenntnisse an branchenspezifischen Ansätzen. Abschliessend werden die Anforderungen an das im Rahmen der Arbeit zu entwickelnde Vorgehensmodell für Business Network Redesign (BNR) präzisiert. 2.1 Untersuchungsframework Das Aufbrechen der Wertschöpfungskette (vgl. Kapitel 1.1) drängt Unternehmen in der Finanzindustrie dazu, ihre Strategie zu überdenken und sie dem veränderten Marktumfeld anzupassen. Eine nachhaltig erfolgreiche Realisierung neuer Geschäftslösungen erfordert die Abstimmung von Geschäftsmodell, Organisation und verwendeten Technologien (vgl. [Leist 2002, 4]). Daraus entsteht der Bedarf nach Methoden und Modellen, welche die Entwicklung und Realisierung dieser abgestimmten Lösungen mit einem umfassenden Ansatz zur Unternehmensmodellierung unterstützen. Der Ansatz BE-HSG erfüllt diese Anforderung. Er bildet den Forschungsrahmen für die Ergebnisse des CC Sourcing (vgl. Kapitel 1.3) und damit auch für diese Arbeit. Wesentliche Gründe für die Wahl von BE-HSG sind die Durchgängigkeit des Ansatzes, die Ganzheitlichkeit bei gleichzeitiger Einfachheit, die betonte Ausrichtung auf Transformationsprojekte sowie die Bereitstellung eines integrierten Ansatzes zur Konzeption von Architekturen und Methoden. Die folgenden Teilkapitel umfassen eine Einordnung und Grundlagen zu BE-HSG (vgl. Kapitel 2.1.1), eine Einführung in die Referenzmodellierung (vgl. Kapitel 2.1.2) als einem für die Arbeit wesentlichen Forschungskonzept sowie die Erläuterung eines für die Arbeit geringfügig adaptierten BEMetamodells (vgl. Kapitel 2.1.3).
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2 Grundlagen
2.1.1 Drei-Ebenen-Modell des Business Engineering „Der Prozess ist der Schlüssel. … Business Engineering integriert die Strategie- und die Systementwicklung über die Prozessentwicklung.“ [Österle 1995, 21]
Analog zu anderen Ansätzen7 der Unternehmensmodellierung wie z.B. ARIS, SOM und MEMO erkennt BE-HSG die drei Ebenen8 Strategie, Prozesse und Systeme9 als zentrale Gestaltungsebenen [Österle/Blessing 2005, 10ff]. Je nach Fokus der Betrachtung weisen weitere Ansätze zum Teil eine detailliertere Gliederung auf. Abbildung 2-1 zeigt, dass gemäss BE-HSG neben den drei Ebenen auch die Beachtung von Politik und Kultur (vgl. Block Führung, Verhalten, Macht in Abbildung 2-1) wesentlich ist. [Fleisch 2001, 280] stellt fest, dass „soziale, kulturelle und politische Kräfte … bestimmende Faktoren bei der Gestaltung von Prozessnetzwerken und Applikationsarchitekturen“ sind, und verdeutlicht damit die entscheidende Rolle „weicher“ Faktoren für den Erfolg von Netzwerkunternehmen. Da die Arbeit vorrangig auf den Fachbereich ausgerichtet ist, sind diese Aspekte bei der Entwicklung von Referenzmodellen (z.B. Gestaltungsoptionen für das Anlagegeschäft) weitgehend ausgeklammert. Bei den Kriterien des Bewertungsmodells sind sie aber explizit berücksichtigt. Die Konzeption künftig erfolgreicher Geschäftslösungen erfordert eine Vorstellung über die Regeln, denen das Unternehmen im Informationszeitalter zu folgen hat. Dazu sind weniger ein detailliertes „Verständnis des Innenlebens der Technik, als vielmehr klare Vorstellungen über die Benutzung der informationstechnischen Werkzeuge“ [Österle/Winter 2003, 16] und damit der Rolle der IT als Katalysator der Transformation des Unternehmens notwendig. Der Nutzen eines BE-Projekts resultiert aus der neuen Geschäftslösung und nicht aus der IT10 (vgl. [Österle 1995, 9]). BE-HSG beschäftigt sich mit Fragestellungen zur Transformation von Unternehmen im Übergang von der Industrie- in die Informationsgesellschaft (vgl. Abbildung 2-1) und umfasst Instrumentarien für eine umfassende Neugestaltung eines Unternehmens (vgl. [Österle/Winter 2003, 4ff]). Eine Besonderheit dieser Arbeit ist, dass sie die Konzepte des BE primär auf die Gestaltung eines Unternehmensnetzwerks anwendet. Da7
8
9 10
[Leist 2002, 11ff; Österle/Blessing 2005, 9] präsentieren jeweils eine Gegenüberstellung der Ansätze ARIS (Architektur integrierter Informationssysteme, vgl. [Scheer 2002]), SOM (für Semantic Object Model, vgl. [Ferstl/Sinz 1997]), MEMO (für Multi-Perspective Enterprise Modeling, vgl. [Frank 2002]) und BE-HSG (vgl. [Österle/Winter 2003]). Aufgrund der Vielzahl der relevanten Komponenten einer Unternehmensarchitektur unterscheiden Ansätze zur Unternehmensmodellierung in der Regel mehrere Architekturschichten, um die Anzahl der Elemente pro Ebene zu reduzieren. Gemäss dem Prinzip „IT follows Business“ ist die Unternehmensstrategie in quasi allen Ansätzen die oberste Ebene und damit der Ausgangspunkt (vgl. [Winter/Fischer 2007, 8]). [Winter/Fischer 2007] schlagen z.B. für die Ebene Systeme eine Dreiteilung in Integrations-, Applikationsund Infrastrukturarchitektur vor. Der nachfolgend diskutierte Ansatz von [Alt 2004] sieht dies ebenfalls vor. Der Nutzen von IS/IT ist aufgrund ihrer Unterstützungsfunktion schwer messbar. So stellt z.B. [Beccalli 2007, 2229] fest, dass es keinen direkten Zusammenhang von IT-Investitionen und Profitabilität von Banken gibt. Er folgt jedoch nicht der Argumentation von [Carr 2003], der die These „IT doesn’t matter“ geprägt hat, sondern schlägt vor, den indirekten Nutzen der IT anhand von geschäftsmodellbasierten Messkriterien wie z.B. Ein/Ausstiegsbarrieren und Time to Market zu beurteilen. [Bartmann 2005] erklärt zwei Eigenschaften von IT, aus denen strategische Ressourcen für den Bankvertrieb entwickelt werden können: Die Enabler-Eigenschaft (für Geschäftsmodelle mit First Mover Advantage und Lock In Effekt bei technologischen Entwicklungssprüngen) sowie die Rechenfähigkeiten (für Zwecke der Optimierung und der künstlichen Intelligenz).
2.1 Untersuchungsframework
11
bei wird das Netzwerk aus Sicht des jeweiligen Unternehmens betrachtet und nicht aus einer aggregierten Netzwerkperspektive. Die Arbeit folgt diesbezüglich der Argumentation von [Fleisch 2001, 260], dass auch Netzwerk-Unternehmen individuelle Nutzenmaximierer sind. IT und neue Wirtschaft Strategie
Prozesse
Transformation des Unternehmens
Führung Verhalten Macht
Systeme
Abbildung 2-1: Ebenen des Business Engineering nach [Österle/Winter 2003, 14] Für die vernetzten Geschäftsmodelle des Informationszeitalters sind vorrangig die Potenziale von Business Engineering in der überbetrieblichen Koordination zutreffend. [Alt 2004, 122ff] unterscheidet hierbei die folgenden Koordinationsformen: Institutionelle Integration11 (Leistungsflüsse zwischen Unternehmen, BE-Ebene Strategie): Die Geschäftsarchitektur beschreibt die erbrachte Marktleistung, das zu bedienende Kundensegment, die Rollen der Netzwerkpartner sowie die von jedem Unternehmen zu erbringenden Leistungen (vgl. [Winter 2003, 95ff]). Organisatorische Integration (Informationsflüsse zwischen Prozessen, BE-Ebene Prozesse): Die Prozessarchitektur ordnet jedem Partner ausgehend von seiner Rolle im Unternehmensnetzwerk Aufgaben zu und strukturiert so Abläufe zwischen den Netzwerk-Partnern zeitlich und logisch. Des Weiteren zeigt sie Abhängigkeiten zwischen Prozessen auf und kategorisiert sie in lokale und globale Prozesse (vgl. [Fleisch 2001, 235f]). Technische Integration (Informationsflüsse zwischen Applikationen, BE-Ebene Systeme): Die Systemarchitektur kann nach [Alt 2004, 184f] wieder in drei Ebenen unterteilt werden. Die Applikationsarchitektur bildet die Verbindung zur Prozessarchitektur und zeigt auf, welche Applikationen die Prozesse unterstützen. Die Integrationsarchitektur gewährleistet den reibungslosen Ablauf von Transaktionen über Applikationsgrenzen. Die Infrastrukturarchitektur stellt Funktionen (Plattform- und Netzwerk-Komponenten) für den Betrieb von Applikationen und Integrationskomponenten bereit. Diese Funktionalität ist weitgehend standardisiert verfügbar, birgt kaum Differenzierungspotenzial12 und ist daher nicht Gegenstand dieser Arbeit. 11
12
Nach [Kosanke et al. 1999, 83] zielt Integration auf die verbesserte Effizienz eines Systems durch die Kooperation der beteiligten Elemente. [Rosemann 1996, 155] unterscheidet Integration im Sinne des Vereinigens und Integration im Sinne des Verbindens. Letzteres ist Gegenstand dieser Arbeit. Studien belegen, dass der Betrieb von IT-Infrastruktur einer der Bereiche bei Banken mit den niedrigsten Kernkompetenz-Werten und dem höchsten Auslagerungsgrad ist (vgl. z.B. [Falkenberg et al. 2006, 71]).
12
2 Grundlagen
Die Ergebnisse der Wirtschaftsinformatik im Allgemeinen und des BE im Speziellen umfassen Architekturen und Methoden. Architekturen13 haben eine statische Sicht auf einen Sachverhalt im Sinne von Erklärung, Beschreibung und Gestaltung, während Methoden14 eine dynamische Sicht in Form eines systematischen Umsetzungsinstrumentariums mit einem Vorgehen inklusive dazugehöriger Ergebnisdokumente und Techniken darstellen. Die Nutzung von Ergebnissen dieser beiden Typen unterscheidet arbeitsteiliges, ingenieurmässiges Konstruieren von individualistischem Schaffen [Winter 2003]. Die vorliegende Arbeit beinhaltet Ergebnisse beider Typen. Ein Resultat des Typs Architektur ist z.B. das Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft in Kapitel 3.3.1. Ein zentrales Element einer Methode15 (vgl. Method Engineering nach [Gutzwiller 1994]) ist ein Vorgehensmodell wie z.B. jenes zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken in Kapitel 6. 2.1.2 Referenzmodellierung Ein Problem zwischenbetrieblicher Vernetzung ist oft das Fehlen einer einheitlichen Terminologie. Bei den Praxispartnern des CC Sourcing (Banken, Provider und Universitäten) und in der Literatur existieren viele Ideen16 zur Neugestaltung der Wertschöpfungskette in der Finanzindustrie. Die Ansätze sind jedoch aufgrund einer nicht systematischen Beschreibung und / oder einer uneinheitlichen Syntax und Semantik kaum vergleichbar. Daraus entsteht der Bedarf nach Referenzmodellen sowohl für die Funktionsweise des jeweiligen Fachbereichs als auch für die in der Praxis umgesetzten bzw. theoretisch-möglichen Vernetzungsoptionen. Diese Referenzmodelle können in BNRMethoden z.B. als Hilfsmittel bei der Konzeption von Netzwerk-Konstellationen verwendet werden und damit die Anforderung (vgl. Kapitel 2.3.2) erfüllen, Branchenspezifika zu berücksichtigen. Referenzmodelle sind ein wesentlicher Ergebnistyp in der Wirtschaftsinformatik. Nach der allgemeinen Modelltheorie (vgl. [Stachowiak 1973]) ist ein Modell ein abstraktes Abbild der Wirklichkeit, das bestimmte Merkmale bewusst vernachlässigt, um die für den Modellierer oder den Modellierungszweck wesentlichen Modelleigenschaften hervorzuheben (vgl. Ebenenbildung im Business Engineering). Ein Referenzmodell ist 13
14
15
16
Der Begriff Architektur wird in der Literatur kontrovers diskutiert. [Alt 2004, 124f] beleuchtet dessen Ursprung, nennt alternative Definitionsansätze und schlägt folgende Definition einer Architektur vor: „Modell, welches die Bestandteile eines betrachteten bzw. zu gestaltenden Systems mit ihren Beziehungen darstellt.“ In Analogie zur Architekturlehre spricht [Sinz 1997, 875] als Synonym für Architektur auch von einem Bauplan. Methoden zeigen den Weg bei der Lösung einer Aufgabenstellung (z.B. beim Prozessentwurf oder der Softwareentwicklung). Sie beschreiben das Vorgehen (als Summe von Aktivitäten), die Rollen sowie die Ergebnisse und enthalten Anleitungen, wie die Ergebnisse erzielt werden können (vgl. [Österle/Blessing 2003, 10]). Die Verwendung einer Methode garantiert in der Wirtschaftswissenschaft nicht die Entwicklung der besten Lösung (vgl. [Braun 2003]), sondern verfolgt den Zweck, den Anwender beim Prozess der Lösungsfindung zu unterstützen und alle wesentlichen Aspekte zu berücksichtigen (vgl. [Malik 2005, 26ff]). [Heym 1993] ergänzt zum Nutzen eines methodengestützten Ansatzes u.a. noch eine zeitliche und logische Strukturierung des Vorgehens und damit eine Reduktion der Komplexität, eine schnelle, kostengünstige und zielgerichtete Projektabwicklung sowie eine höhere Unabhängigkeit von ausführenden Personen. Die in der Literatur vorhandenen Konzepte sind grossteils abstrakt und beschränken sich i.d.R. auf eine allgemeine Dreiteilung der Wertschöpfungskette in Vertriebs-, Transaktions- und Portfolio- bzw. Produktbank (vgl. z.B. [Betsch/Thomas 2005, 74; Lukas 2005, 158ff]).
2.1 Untersuchungsframework
13
ein Modell, welches für die Entwicklung individueller Modelle einer bestimmten Unternehmensklasse einen Bezugspunkt (vgl. [Schütte 1998, 69; Fettke/Loos 2004b, 1]) bzw. einen generell gültigen und wieder verwendbaren Ordnungsrahmen für mehrere Unternehmen darstellt (vgl. [Fettke/Loos 2004a]). Eine unternehmensübergreifende Verwendung eines Referenzmodells erleichtert die Kommunikation und Koordination zwischen den beteiligten Akteuren. Business Engineering ist ein erprobtes Anwendungsfeld der Referenzmodellierung. BE könnte ohne Konzepte, welche die Potenziale der Wiederverwendung explizit ansprechen, nicht als reife Ingenieursdisziplin gelten (vgl. [Fettke/Loos 2005, 20]). Referenzmodelle existieren für beide Kernergebnisse der Wirtschaftsinformatik, Architekturen und Methoden (hier im Speziellen ReferenzVorgehensmodelle). Nach dem Zweck der Modellnutzung unterteilt [Schütte 1998, 71] Referenzarchitekturen in Anwendungssystemmodelle und Organisationsmodelle. Zweitere stehen im Fokus der Arbeit. Abbildung 2-2 zeigt im linken Teil den Konstruktions- und im rechten Teil den Anwendungsprozess von Referenzmodellen. Das Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis bei der Referenzmodellierung (vgl. [vom Brocke/Buddendick 2004, 345]) entspricht dem Forschungsansatz der Design Science (vgl. Kapitel 1.4). Bei der Entwicklung von Referenzmodellen sind in diesem Sinne neben bestehenden theoretischen Ansätzen auch Praxisbeispiele zu berücksichtigen.
Konstruktionsprozess von Referenzmodellen
Anwendungsprozess von Referenzmodellen
Abbildung 2-2: Konstruktions- und Anwendungsprozess von Referenzmodellen nach [Fettke/Loos 2005, 22] [Schütte 1998, 309ff] unterscheidet zwei prinzipielle Anwendungsbereiche von Referenzmodellen: Den Einsatz als Idealmodell, an das sich ein Unternehmen anzunähern versuchen sollte, und die Nutzung als Ordnungsrahmen oder Konstruktionshilfe für unternehmensspezifische Modelle. Diese Arbeit entwickelt bzw. präsentiert die in Tabelle 2-1 genannten Referenzmodelle, die jeweils als Input bzw. beispielhafte Ergebnisdokumente in das abschliessend genannte (Referenz-)Vorgehensmodell für BNR einfliessen. [Fettke/Loos 2004b, 1f] unterstreichen die hohe theoretische und praktische Bedeutung einer systematischen Konstruktion und Evaluation von Referenzmodellen. Sie betonen
14
2 Grundlagen
die Möglichkeit einer produkt- und/oder prozessbezogenen Analyse17 und nennen im Rahmen der multiperspektivischen Evaluierung alternative Ansätze zur Validierung von Referenzmodellen. Dabei unterscheiden sie analytische und empirische Ansätze. Die Referenzmodelle in dieser Arbeit wurden aus analytischer Perspektive18 deskriptiv-merkmalsbasiert beurteilt und empirisch19 via Kombination aus Befragung, Fallstudien und Aktionsforschung auf ihre Gültigkeit und Praxistauglichkeit geprüft. Referenzmodell
Kap.
Inhalt / Verwendung
Prozess Anlegen
3.2.3
Bankmodell
3.2.4
Netzwerk Anlegen
3.3.1
Das Prozessmodell mit Fokus auf der Abwicklung von Wertpapier-Transaktionen (TRX) bildet den begrifflichen Rahmen für die Diskussion des Anlagegeschäfts. Das Bank-Prozessmodell mit Fokus auf den drei kundenbezogenen Prozessen Zahlen, Anlegen und Finanzieren erlaubt eine Einordnung des Anlagegeschäfts in den Gesamtbankkontext. Das Referenznetzwerk zeigt mögliche Vernetzungsszenarien im Anlagegeschäft anhand von Rollen auf und bildet die Grundlage für unternehmensspezifische Varianten im Rahmen der Fallbeispiele und Fallstudien. Die Gestaltungsoptionen für Unternehmensnetzwerke im Anlagegeschäft gehen von der Rolle des Abwicklers aus. Diese Referenzmodelle bilden eine Konstruktionshilfe für die konkrete Auswahlentscheidung und Gestaltung von Anwendungsmodellen in der Praxis. Das Vorgehensmodell für die (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken bietet Unterstützung für BNR-Vorhaben. Die Arbeit dokumentiert einzelne Schritte und Ergebnisse daraus für das Beispiel Anlagegeschäft. Zudem spiegelt das BNR-Vorgehen die Struktur der Arbeit wider und fasst deren Ergebnisse zusammen. Dies soll den Transfer vom Anlagegeschäft auf andere Bereiche erleichtern.
Gestaltungsoptionen
5.1
BNR-Vorgehen
6
Tabelle 2-1: Referenzmodelle der Arbeit [Fettke/Loos 2004b, 8] weisen im Rahmen der merkmalsbasierten Evaluierung auf die Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung (GoM)20 als Merkmale zur Analyse von (Referenz-)Modellen hin. Für jeden dieser Grundsätze sind in Tabelle 2-2 beispielhafte Bewertungskriterien21 angeführt. Diese Kriterien sind die Grundlage für die Beurteilung der Güte der Referenzmodelle der Arbeit. In Kapitel 5.1 ist die Anwendung der GoM beispielhaft für die Gestaltungsoptionen beschrieben. Grundsatz
Kriterien
Richtigkeit / Sprachadäquanz Relevanz / Konstruktionsadäquanz Wirtschaftlichkeit Klarheit Vergleichbarkeit
Semantische Mächtigkeit, Formalisierungsgrad, Sprachverständlichkeit, Sprachrichtigkeit Konsens über die Problemdefinition, Intra- und Intermodellkonsistenz, Berücksichtigung relevanter Informationsobjekte, Minimalität Kosten/Nutzen-Relation, Robustheit, Anpassbarkeit, Übertragbarkeit Hierarchisierung, Filterung, Abgrenzbarkeit Semantische Vergleichbarkeit
Systematischer Aufbau
Konsistente Inter-Modellsichtbeziehungen
Tabelle 2-2: Kriterien zur Erfüllung der Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung 17 18 19 20 21
[Fettke/Loos 2004b, 3] unterscheiden die Qualität des Prozesses der Konstruktion bzw. der Anwendung sowie die Qualität des Produktes der Konstruktion (Referenzmodell) bzw. der Anwendung (Anwendungsmodell). Die Arbeit klammert die theoriegeleitete analytische Perspektive im Rahmen der Evaluierung aus. Mögliche Ansätze dazu beschreiben [Wand/Wang 1996; Fettke/Loos 2004b, 9ff]. Die Referenzmodelle der Arbeit wurden iterativ mit Unternehmen abgestimmt. Die Arbeit beschreibt diese Evaluation nicht explizit für alle Modelle, sondern zeigt nur Besonderheiten und Gestaltungsvarianten auf. Anhang A beinhaltet eine allgemeine Beschreibung jedes Grundsatzes. Die Kriterien basieren auf der Evaluation von IT Infrastructure Library (ITIL) als Referenzmodell für das IT Service Management in [Hochstein et al. 2004, 383ff] und werden ergänzt um weitere Anforderungen an Referenzmodelle z.B. in [Fettke/Loos 2004b].
2.1 Untersuchungsframework
15
2.1.3 Metamodell der Arbeit Ein Metamodell22 spezifiziert „die verfügbaren Arten von Bausteinen (Meta-Objekte), die Beziehungen zwischen diesen Bausteinen (Meta-Beziehungen) sowie Konsistenzbedingungen für die Verwendung von Bausteinen und Beziehungen“ [Sinz 1997, 875]. Grundlage des Metamodells der Arbeit in Abbildung 2-3 ist die in [Höning 2008] als Core Business Engineering Metamodell beschriebene Weiterentwicklung des Modells für BE-HSG nach [Österle et al. 2007]. Das Modell enthält jene Gestaltungsobjekte, die typischerweise in jedem Business Engineering Projekt zu berücksichtigen sind und setzt diese zueinander in Beziehung. Ein wesentlicher Aspekt der Weiterentwicklung besteht darin, dass das Metamodell in [Höning 2008] die bisher primär unternehmensinterne Sicht auf ein Transformationsprojekt dahingehend erweitert, dass die Netzwerkperspektive, die im Fokus dieser Arbeit steht, besser abbildbar wird. Die Elemente des BE-Metamodells und deren Beziehungen waren für die Arbeit geringfügig an die spezifischen Anforderungen der Themenstellung BNR anzupassen. Tabelle 2-3 stellt die wesentlichen23 Änderungen im Vergleich zum Core BE-Modell nach [Höning 2008] dar und erläutert die Anpassungen jeweils stichwortartig. Das Metamodell ist analog zu früheren Metamodell-Ansätzen aus dem BE-HSG ([Österle/Blessing 2003, 81; Alt 2004, 140]) nach den drei Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme gegliedert. Diese Ebenen sind, mit Ausnahme der Ebene Prozesse24 deckungsgleich mit den Sichten in [Höning 2008]. Anhang A enthält eine Definition der Elemente des Metamodells. Objekt
Änderung
Erläuterung
Unternehmensnetzwerk
Neues Element
Das Unternehmensnetzwerk ist als Aggregation von Unternehmen modelliert. Unternehmensnetzwerke können selbst wiederum als Organisationen direkt am Markt auftreten. Die Mitgliedschaft in einem Netzwerk wird jeweils via Kooperationsbeziehung (hier Geschäftsbeziehung als rekursive Beziehung zwischen Organisationen) spezifiziert. Diese Modellierung erlaubt die Abbildung von Beziehungen zwischen allen Arten von Organisationen (Unternehmen, Netzwerke und Weitere, wie z.B. Privatpersonen).
Standards
Neues Element mit Unterelementen
Dieses Element repräsentiert Rahmenbedingungen des Marktes, wie z.B. Regulatorien, anerkannte Kommunikationsstandards (z.B. SWIFT) und die Anbindung an Marktinfrastrukturen (z.B. Börsen).
Applikationskomponente
Anpassung Unterelemente
Unterelemente Applikationsfunktion / Geschäftslogikkomponente, Benutzerschnittstelle und Datenbehälter / Datenhaltungskomponente wurden entfernt.
Stelle
Element entfernt
Das Element Stelle auf Ebene Prozesse ist für den Kontext dieser Arbeit nicht erforderlich und wurde daher entfernt.
Tabelle 2-3: Unterschiede zum BE-Metamodell nach [Höning 2008; Österle/Osl 2008] 22
23
24
Der Begriff Metamodell ist nicht mit dem des Referenzmodells gleichzusetzen. Ein Metamodell beschreibt die Semantik („gemeinsame Sprache“) des Modellsystems und blendet dabei die Modellsyntax weitgehend aus. Bei der Referenzmodellierung (vgl. Kapitel 2.1.2) hingegen wird die Syntax der entsprechenden unternehmensspezifischen Modelle eher vernachlässigt und aus den semantischen Gemeinsamkeiten ein Referenzmodell konstruiert. [Schütte 1998, 72ff] Das BE-Metamodell ist umfangreicher als jenes für diese Arbeit. Die aus Gründen der Einfachheit weggelassenen Elemente sind nicht einzeln aufgeführt, sofern ihre Nichtberücksichtigung keine direkte Auswirkung auf die verbleibenden Elemente hat. Die Ebene Prozesse fasst die Sichten Zielsystem/Führung und Prozesse nach [Höning 2008] zusammen.
16
2 Grundlagen
Das Modell in Abbildung 2-3 ist in Anlehnung an die Notation eines UMLKlassendiagramms (vgl. z.B. [Oesterreich 2005]) modelliert, d.h. es enthält Klassen als Gestaltungselemente und Beziehungen zwischen diesen Klassen. Die verwendeten Beziehungstypen sind Generalisierung, Aggregation und Assoziation. Zugunsten der Einfachheit enthält das dargestellte Metamodell keine Kardinalitäten.
Abbildung 2-3: Metamodell in Anlehnung an [Höning 2008; Österle/Osl 2008]
2.2 Unternehmensnetzwerke
17
2.2 Unternehmensnetzwerke 2.2.1 Ursprung des Begriffs und Charakteristika „Das Leben ist leichter, wenn sich verschiedene Menschen zusammenfinden und sich die unterschiedlichsten Arbeiten teilen, als wenn jeder alles allein erledigen muss. Die Spezialisierung schafft einen höheren Wohlstand, bedeutet aber auch, dass die so entstehende Gemeinschaft nach Regeln und Gesetzen zusammenleben muss.“ [Platon 370 v. Chr.]
Diese Analogie aus dem antiken Griechenland zur Vorteilhaftigkeit des Staates belegt die Fundamentalität des Netzwerk-Gedankens. Lange Zeit waren Markt und Hierarchie die grundlegenden Mechanismen der Koordination wirtschaftlichen Handelns. Seit einigen Jahren gelten diese beiden nicht mehr als ausschliessliche Alternativen, sondern als Extrempunkte auf einem Kontinuum (vgl. [Hirnle 2006, 13]). Zwischen diesen Extremen existieren zahlreiche Kooperationsvarianten, die alternative Arten oder Klassen25 von Unternehmensnetzwerken darstellen. Strategische Netzwerke vereinen als eine dieser Mischformen Eigenschaften von Markt und Hierarchie. Die Charakteristika der Form Markt sind Funktionsspezialisierung und marktseitiger Effizienzdruck (im Vergleich zur Funktionsintegration und dem Schutz vor freiem Wettbewerb in der Hierarchie). Die hierarchischen Charakteristika eines Unternehmensnetzwerks sind wechselseitiges Vertrauen und die Integration von Informationen (im Gegensatz zu Opportunismus und Informationsinseln bei marktlicher Koordination). (vgl. [Köhne 2006]) Die Literatur bietet eine Vielzahl an Grundlagenbeiträgen zu Unternehmensnetzwerken (vgl. [Provan et al. 2007, 479]). Eine allgemein anerkannte Definition des Netzwerk-Begriffs fehlt, u.a. weil das Konzept in vielen Disziplinen wie der Organisationslehre, dem strategischen Management, der Soziologie und der Informatik verwendet wird (vgl. [Köhne 2006, 34; Provan et al. 2007]). Eine Abgrenzung der Strömungen der Netzwerktheorie ist nicht Inhalt dieser Dissertation. Dieses Kapitel behandelt die für die vorliegende Arbeit wesentlichen Aspekte und verweist auf weiterführende Quellen26. [Köhne 2006] analysiert eine Reihe von Ansätzen und aggregiert deren Gemeinsamkeiten zur folgenden Begriffsdefinition, die als Grundlage27 dient: „In einem (strategischen) Unternehmensnetzwerk arbeiten mindestens drei rechtlich unabhängige und wirtschaftlich teils abhängige Netzwerkpartner unternehmensübergreifend auf gewissen Gebieten langfristig kooperativ in Wertschöpfungspartnerschaften zusammen und bringen dabei ihre jeweiligen Kernkompetenzen ergänzend ein. … Das übergeordnete Ziel der Zusammenarbeit ist die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen, die sich aus der Kombination marktlicher und hierarchischer Koordinationsprinzipien ergeben.“ [Köhne 2006, 37]
Aus dieser Definition und der Analyse von [Sydow 2005] sind folgende fünf konstituierenden Eigenschaften eines Unternehmensnetzwerks ableitbar:
25 26 27
Klassifikationen von Netzwerken beschreiben [Snow et al. 1992; Köhne 2006, 47ff]. Eine umfassende Literaturanalyse bieten [Fleisch 2001; Swoboda 2003; Sydow 2005; Köhne 2006]. Alternative Definitionen bieten [Klein 1996, 88; Picot et al. 2003; Sydow 2005].
18
2 Grundlagen
(1) Organisiertheit: Unternehmensnetzwerke haben eine klare Struktur, die z.B. mit Kriterien zur Grösse (z.B. Anzahl Partner), der Funktionsteilung, der Dichte (z.B. Intensität des Austauschs) und der Diversität (z.B. Anzahl artverschiedener Partner) beschrieben werden kann. Diese Attribute nutzt die Arbeit zur Abgrenzung alternativer Lösungen im Rahmen der Fallstudien und Gestaltungsoptionen. Zudem fliessen sie bei der Definition der Kriterien zur qualitativen Bewertung mit ein. (2) Verhältnis von Autonomie und Interdependenz: Ein wesentliches Ziel der Vernetzung ist die Erweiterung des wirtschaftlichen Handlungsspielraums des eigenen Unternehmens. Gleichzeitig bedeutet die Vernetzung eine Einschränkung desselben, da das Ziel der Aufrechterhaltung der Partnerbeziehungen einen Teil der Handlungsoptionen ausschliesst. Diesen Wirkungszusammenhang bezeichnet [Boettcher 1974] als „Paradoxon der Kooperation“. Die Komplexität des Anlagegeschäfts bedingt, dass quasi keine Bank eine breite Leistungspalette ohne Kooperation mit anderen Banken anbieten kann. Der Grad der Abhängigkeit divergiert je Leistungsart signifikant. Im interbanknahen Brokerage- und Custody-Geschäft ist der Wechsel von Kooperationspartnern relativ einfach, eine Auslagerung der Abwicklung ist (noch) mit hohen Ein- und Ausstiegsbarrieren verbunden. Wie die Fallbeispiele und Fallstudien zeigen, tendieren Banken dazu, mit ihren Abwicklern eine strategische Partnerschaft mit signifikanten (einseitigen) Kapitalverflechtungen einzugehen. (3) Koexistenz von Kooperation und Wettbewerb (Coopetition): [Corsten 1999] umschreibt den Begriff Coopetition als „Kooperieren, um den gemeinsamen Kuchen zu vergrössern, und konkurrieren, um den Kuchen zu verteilen.“ Ein wesentliches Hindernis für die Vernetzung in der Finanzindustrie ist z.B. die Skepsis vieler Banken, Kunden(stamm)daten an einen potenziellen Konkurrenten auszulagern. Die Fallstudien und Handlungsoptionen enthalten Ansätze zur Gewährleistung einer Trennung von Kooperations- und Konkurrenzaspekten (z.B. Provider ohne Bankstatus und Kapselung von Kundenstammdaten). (4) Reziprozität und Stabilität von Interorganisationsbeziehungen: Netzwerkunternehmen sind individuelle Nutzenmaximierer28. Die Stabilität von zwischenbetrieblichem Leistungsaustausch erfordert jedoch im Gegensatz zum innerbetrieblichhierarchischen Austausch Reziprozität29 im Sinne eines wechselseitigen Ausgleichs der Unternehmensinteressen (vgl. [Fleisch 2001, 276]). Diese Arbeit betrachtet die Einhaltung dieses Gegenseitigkeitsprinzips im Rahmen der Fallstudien30 (vgl. Kapitel 4) und Gestaltungsoptionen (vgl. Kapitel 5.1). Zudem beinhaltet das in Kapitel 5.2 beschriebene Bewertungsmodell Kriterien zur Beurteilung der Ausgewogenheit und Stabilität des Netzwerks bzw. des Nutzens für die Netzwerkpartner. 28
29 30
[Hirnle 2006, 17] weist auf die Notwendigkeit hin, bei der Analyse von Netzwerken stets die individuelle (Realisierung individueller Ziele und langfristig positiver Kosten/Nutzen-Saldo) und die kollektive Ebene (Wettbewerbsfähigkeit des Netzwerks und als gerecht empfundene Kosten/Nutzen-Verteilung) zu berücksichtigen. [Alt 2004, 75f] beschreibt Arten wie z.B. balancierte, generalisierte und negative Reziprozität. Vgl. z.B. für die Fallstudie Vontobel Tabelle 4–3 zum jeweiligen Nutzen der Kooperation für eine Vertriebsbank und Transaktionsbank Vontobel.
2.2 Unternehmensnetzwerke
19
(5) Stets subjektiver (unternehmensspezifischer) Charakter der Abgrenzung des Netzwerks zu seiner Umwelt: Ein Unternehmensnetzwerk hat keine fixen Grenzen, und ein Unternehmen kann Teil von mehreren Unternehmensnetzwerken sein. Wie der Vergleich von Ansätzen zum Aufbrechen der Wertschöpfungskette in Kapitel 3.3.1 zeigt, ist der Analysekontext ein bedeutender Parameter zur Bestimmung der für ein Netzwerk zu berücksichtigenden Elemente. Zudem beeinflusst der jeweilige Standpunkt des Betrachters den Inhalt und die Grenzen des Netzwerks. 2.2.2 Treiber und Enabler der Vernetzung Eine wesentliche Frage im Zusammenhang mit dem Aufbrechen der Wertschöpfungskette ist – neben jener nach einer Definition und den Eigenschaften von Unternehmensnetzwerken – die Frage nach dem Warum. Kapitel 1.1 thematisiert beispielhaft Treiber der Vernetzung in der Finanzindustrie. [Snow et al. 1992, 6ff; Fleisch 2001, 17ff; Ewig 2006, 51ff; Ghose 2006, 15; Köhne 2006, 28ff] beschreiben branchenunabhängige Faktoren für die Bildung von Unternehmensnetzwerken. Weitere branchenspezifische Treiber der Vernetzung zeigen die Arbeiten von [Geiger/Hürzeler 2003, 95ff; Betsch 2005, 5f; Geib 2006, 11] auf. Tabelle 2-4 fasst diese Ansätze zusammen. Allgemeine Faktoren
Branchenspezifische Faktoren
Zunehmender Kostendruck sowie Fixkostensenkung und -variabilisierung.
Verbreitung von Standardsoftware (vgl. z.B. Kapitel 3.1.3 für Bankplattformen in der Schweiz).
Veränderte Kundenbedürfnisse aufgrund der demographischen Entwicklung und gestiegener Ansprüche (z.B. Individualisierung).
Zunehmende Konkurrenz durch das Verschwimmen von Marktgrenzen und den Markteintritt von Nichtbanken.
Shareholder-Value Orientierung.
Physische Desintegration der Märkte (Internationalisierung und Globalisierung).
Fortschritte in der Finanztheorie in Form von neuen, komplexen Produkten.
Technologischer Fortschritt („IT als Enabler“).
Liberalisierung, (De-)Regulierung.
Disintermediation: Der Marktanteil der Banken gemessen am Anteil an den Aktiva der gesamten Branche nimmt kontinuierlich ab.
Veränderte Produktumwelt (z.B. kürzere Lebenszyklen, komplexere Produkte).
Ausgleich von Volumenschwankungen.
Standardisierung.
Tabelle 2-4: Wesentliche Treiber der Vernetzung Ansätze zur Netzwerkökonomie (vgl. [Fleisch 2001, 99ff]) spielen eine wesentliche Rolle bei der Erklärung des Erfolgs von Unternehmensnetzwerken. Die meisten Ansätze zur Ökonomie wissensbasierter Leistungen gründen dabei auf positiven Skaleneffekten31, bei denen die Erhöhung des Faktoreinsatzes zu einer stärkeren Steigerung des Outputs führt. Abbildung 2-4 zeigt diese positive Rückkopplung z.B. für den Zusammenhang Marktanteil – Herstellkosten und macht deutlich, dass sich die Faktoren der Marktmacht gegenseitig verstärken und so Dominanz begünstigen. Die Wirkung der Netzwerkeffekte und Standardisierungseffekte beeinflussen die Marktmacht eines Unternehmens und damit dessen langfristigen Erfolg (vgl. [Ewig 2006; Kager31
Dies steht im Gegensatz zu konventionellen Theorien, die auf negativen bzw. sinkenden Skalenerträgen aufbauen, d.h. der Abnahme des Outputs bei erhöhtem Faktoreinsatz. Als Beispiel nennt [Fleisch 2001, 100] den Wettbewerb um Marktanteile von Kohle- und Wasserkraftwerken.
20
2 Grundlagen
mann/Österle 2006, 178]). Ein Beispiel für einen Netzwerkeffekt ist der in Abbildung 2-4 dargestellte Zusammenhang von Marktanteil und Zugriff auf Kunden. Je grösser die Kundenanzahl ist, desto grösser ist der Marktanteil und je grösser der Marktanteil, desto mehr Kunden interessieren sich für das Produkt. Bekannte Beispiele für die Etablierung eines Standards32 sind das Telefonnetzwerk, die Spurweite von Eisenbahnschienen oder das Bankomatensystem. Die Angst vor Monopolen und vor der Abhängigkeit von dominanten Kooperationspartnern wirkt den Gesetzen der vernetzten Wirtschaft entgegen. In der Schweiz ist die Wirkung der Netzwerkgesetze in den letzten Jahren z.B. bei der Diffusion von Bank-Standardsoftware-Paketen zu beobachten (vgl. Kapitel 3.1.3). Produkt- und Service-Reichweite
Geographische Reichweite
Zugriff auf Anbieter
Herstellkosten
Marktmacht Marktanteil
Beschaffungskosten
Zugriff auf Kunden
Produkt- und Service-Reichweite
Geographische Reichweite
Abbildung 2-4: Gesetze der vernetzten Wirtschaft nach [Kagermann/Österle 2006, 177]
2.2.3 Sourcing und Transaktionskostentheorie Die Make-or-Buy-Entscheidung im Kontext des wirtschaftlichen Umgangs mit knappen Ressourcen ist in Wissenschaft und Praxis ein zeitloses Thema [von JouanneDietrich 2004, 125]. Eine verteilte Prozessarchitektur als Konsequenz der Neugestaltung der Wertschöpfungskette bedingt die Auslagerung von Teilen der Leistungserbringung. Der Begriff Sourcing bezeichnet genau diese Verschiebung der Unternehmensgrenzen (vgl. Abbildung 2-5). [Fuss 2007, 9] definiert Outsourcing als den Transfer von bisher intern erbrachten Funktionen und Prozessen eines Unternehmens an ein oder mehrere Drittunternehmen auf vertraglicher Basis. [Gottfredson et al. 2005, 151] bezeichnen ergänzend Strategic Sourcing als die über operative Massnahmen hinausreichende Neuausrichtung der gesamten Wertschöpfungskette, wobei jedes Unternehmen seine Kernkompetenzen wahrnimmt und für die übrigen Aktivitäten auf Partnerressourcen zurückgreift. 32
Standards mindern die Spezifität und die Unsicherheit der ausgetauschten Leistung und senken so die Transaktionskosten in der Anbahnung, im Betrieb und bei der Veränderung von Kooperationen. Ein Beispiel aus der Finanzindustrie ist die Verwendung des Kommunikationsstandards SWIFT im Auslandszahlungsverkehr.
2.2 Unternehmensnetzwerke
21
Ausgangssituation
A
B
C
D
Outsourcing
A
B
C
D
Insourcing
A
B
C
D
X … Aktivität
… Unternehmen
… Insourcer
E
E
E
… F … Unternehmensgrenze
Abbildung 2-5: Richtung des Leistungsbezugs Rund um das Wort Sourcing sind in den letzten beiden Jahrzehnten zahlreiche Wortschöpfungen entstanden, wie z.B. totales Insourcing, Nearshore-Sourcing und Multi(Vendor-)Sourcing. [von Jouanne-Dietrich 2004; Braun/Winter 2005] nehmen jeweils eine Klassifikation von Komposita des Wortes Sourcing vor, die Dissertation greift daraus die Abgrenzungen nach der Richtung des Leistungsflusses und nach dem Gegenstand der Auslagerung heraus: Richtung / zeitliche Ordnung des Leistungsbezugs: Den Kern vieler SourcingDiskussionen bildet eine unsaubere Abgrenzung von In- und Outsourcing33. Beide bezeichnen den Prozess der Etablierung einer Kunden-Lieferanten-Beziehung. Während beim Insourcing ein Unternehmen seine Unternehmensgrenze nach aussen verschiebt und so sein Leistungsportfolio erweitert, findet beim Outsourcing eine Reduktion der Leistungstiefe statt (vgl. Kapitel 2.2.4).34 Komponente / Gegenstand der Auslagerung: Je nachdem welche Leistungen ein Unternehmen auslagert, unterscheiden [Braun/Winter 2005] die Auslagerung von Infrastruktur, von Applikationsbetrieb und -wartung, von einzelnen Aufgaben (Outtasking) sowie von Geschäftsprozessen (Business Process Outsourcing, BPO). [Zarnekow/Brenner 2004, 18ff] beschreiben in ihrem Gesamtmodell des integrierten Informationsmanagements die zunehmende Markt- und Produktorientierung bei ITDienstleistungen im Zuge der Industrialisierung in diesem Bereich aufgrund derer nicht mehr nur die interne Planung, sondern vermehrt die Vernetzung mit Spezialisten im Vordergrund steht. Die wesentlichen Aktivitäten in diesem direkt auf die zunehmende Vernetzung in der Finanzindustrie übertragbaren Modell sind die marktgerichteten Aktivitäten Source und Deliver, die interne Leistungserstellung Make sowie die Querschnittsfunktionen Plan (Führung, Governance) und Enable.
33 34
[von Jouanne-Dietrich 2004, 127ff] nennt zusätzlich den Begriff Backsourcing für die Wiedereingliederung von ausgelagerten Aktivitäten (d.h. Zurücknahme einer Verschiebung der Unternehmensgrenzen nach innen). Synonym zu den Begriffen Sourcing-Beziehung, Insourcer und Outsourcer verwendet die Arbeit Kooperation, Lieferant / Provider und Kunde / Mandant.
22
2 Grundlagen
Die Transaktionskostentheorie (Transaction Cost Economics, TCE) nach [Coase 1937; Williamson 1998] ist ein Teil der Neuen Institutionenökonomie35 und spielt eine zentrale Rolle für die Frage Make, Buy or Deliver und somit für das Aufbrechen der Wertschöpfungskette. Ausgangspunkt von TCE ist die Annahme, dass der zwischenbetriebliche Leistungsaustausch generell mit zusätzlichen Kosten im Vergleich zur internen Leistungserstellung verbunden ist. Diese Kosten fallen u.a. bei der Anbahnung, Durchführung und Abwicklung von Transaktionen an. Diese als Transaktionskosten bezeichneten Kosten der Interaktion mit externen Partnern sind beim Entscheid zwischen interner Leistungserbringung und einer Auslagerung mit zu berücksichtigen. Die Höhe dieser Kosten ist nach [Jensen/Meckling 1976] abhängig vom gegenseitigen Verhalten der Akteure (u.a. Opportunismus, individuelle Nutzenmaximierung, Informationsasymmetrien), von Umweltfaktoren wie der Unsicherheit, der Spezifität und dem (Stellen-)Wert der Leistung, von der Komplexität der Tauschbeziehung, von den Rahmenbedingungen der Transaktionen (technisch, rechtlich und sozial) sowie von der Transaktionshäufigkeit. (vgl. [Alt 2004, 81ff])
Delta-Gesamtkosten (Produktions- und Transaktionskosten) Delta-Transaktionskosten Delta-Produktionskosten
Outsourcing realisiert
Zeit
Abgrenzung
n und Bewertung • Abgrenzung der auszugründenden Leistung • Kostenmäßige Bewertung (Personal-, Sach-, indirekte Kosten) • Wirtschaftlichkeitskalkulation
o
Ausschreibung und Partnerauswahl
• Definition Auswahlkriterien • Ausschreibung • Bewertung der Angebote • Due Dilligence
und q ÜbergangspVertragsverhandlung und Vorbereitung Anpassungsphase • • • • •
Verhandlungsstrategie Vertragsverhandlungen Vertragsunterschrift Risikoanalyse Vorbereitung der Unternehmung auf die Ausgründung
Betrieb / r Operativer Vendor Mgmt.
• Erfüllung vertraglicher • Kontrolle und Steuerung Anpassungspflichten des Outsourcing • Mgmt. Personal• Leistungserbringung durch /Vermögensübergang Lieferant/Dienstleister • Übernahme Leistungserbringung durch Lieferant/Dienstleister
Abbildung 2-6: Outsourcing-Phasenmodell nach [Wintergerst/Welker 2007, 947] [Wintergerst/Welker 2007, 947] haben auf Basis von TCE ein Phasenmodell für Outsourcing entwickelt, das zeigt, welche Kosten bei einem Sourcing-Vorhaben zu welchem Zeitpunkt zu berücksichtigen sind. Abbildung 2-6 zeigt zudem idealtypisch den (Delta36-)Kostenverlauf 37 für die Realisierung des Outsourcing-Vorhabens im Vergleich zum Beibehalten des Status quo über fünf Phasen von der Anbahnung einer Kooperation bis zum operativen Betrieb. In den Phasen 1 bis 4 entstehen dem Unternehmen beim Outsourcing-Projekt zeitlich befristetete Transaktionskosten. Mit dem Ressourcenbedarf für das Projekt steigen auch diese TRX-Kosten sukzessive (z.B. 35
36 37
Neben der Transaktionskostentheorie umfasst die Neue Institutionenökonomie die Property-Rights-Theorie und die Prinzipal-Agent-Theorie. Eng verwandt mit diesen Ansätzen ist die Informations- und Netzwerkökonomie. (vgl. [Alt 2004, 81f]) Die Kostenkurven zeigen jeweils das Delta zwischen Outsourcing und Status quo. Der Kostenverlauf ist fiktiv und basiert weder auf empirischen Untersuchungen noch einem konkreten Fall.
2.2 Unternehmensnetzwerke
23
Such-, Anbahnungs-, Verhandlungs- und andere Koordinationskosten der Umsetzung) bis Phase 4. Ab Phase 4 kommen die laufenden Kosten der Kontrolle und Steuerung hinzu, dementsprechend erreichen die TRX-Kosten zu diesem Zeitpunkt ihren Höhepunkt. Ab Phase 4 realisiert das Unternehmen erste Kostenvorteile im Vergleich zum Status quo und profitiert zudem von sinkenden TRX-Kosten. Eine Konsequenz der zunehmenden Vernetzung ist die Abkehr von hierarchisch geführten Unternehmen. Auf Basis der Transaktionskostentheorie sind in der Literatur drei alternative Entwicklungsrichtungen entstanden (vgl. [Alt 2004, 67f]): Die These Move to the Hierarchy sieht die Ungleichheit der Kooperationspartner als Grund für die Etablierung von zentralen Unternehmen, die Austauschbeziehungen aufgrund ihrer Marktmacht dominieren. Nach der These Move to the Middle führt eine Abnahme der TRX-Kosten dazu, dass Leistungen aus Unternehmen herausgelöst und einem Partner im Rahmen einer längerfristigen Kooperation übergeben werden. Gemäss der These Move to the Market werden koordinationsintensive Leistungen mit hoher Komplexität und Spezifität bei tieferen TRX-Kosten i.d.R. über Märkte abgewickelt. [Malone et al. 1987] postulieren, dass durch Forschritte in der IT die institutionelle Form des Marktes an Bedeutung gegenüber Hierarchien gewinnt, und nennen als Grundlage dafür drei Effekte: (1) Nach dem electronic communication effect bewirkt IT, dass (über)betriebliche Kommunikation billiger und einfacher wird. Dadurch sinken z.B. die TRX-Kosten für die Beschreibung spezifischer Leistungen. (2) Gemäss dem electronic brokerage effect erlauben moderne IT-Systeme eine breitere Suche (z.B. im Internet), bessere Suchergebnisse (z.B. durch Parametrisierung) und niedrigere Suchkosten. (3) Der electronic integration effect beschreibt die engere Kopplung von Prozessen und Integrationseffekte wie die Eliminierung von Medienbrüchen durch elektronische Schnittstellen. Ein Kritikpunkt an TCE ist, dass es sich um ein theoretisches Konstrukt handelt. [Shelanski/Klein 1995] haben eine Reihe empirischer Arbeiten zu TCE untersucht und sind zum Schluss gekommen, dass die Kernaussagen von der Empirie weitgehend bestätigt wurden. In der vorliegenden Arbeit fliesst TCE v.a. in die Konzeption der Gestaltungsoptionen (Kapitel 5.1) sowie in das Bewertungsmodell (vgl. Kapitel 5.2) ein. 2.2.4 Kernkompetenz, Leistungs- und Wertschöpfungstiefe Als Folge der Diskussion über Eigen- und Fremdfertigung ist der Begriff der Fertigungstiefe entstanden, der darlegt, welchen Anteil der Leistung ein Unternehmen intern erbringt. Der Begriff stammt aus der produzierenden Industrie, wo anhand von Stücklisten messbar ist, welches Unternehmen welche Teile zum Endprodukt beisteuert. Das Äquivalent auf Prozessebene ist die Leistungstiefe, welche der „Spannweite der Kosten verursachenden und Wert schöpfenden Prozesse in der Unternehmung“ [Ewig 2006, 82] bezogen auf das gesamte Wertschöpfungssystem entspricht. Diese Arbeit wählt in den Folgekapiteln den Begriff der Leistungstiefe38, da er auf Prozesse 38
Vgl. Leistungstiefe in [Picot 1991].
24
2 Grundlagen
ausgerichtet und damit auf eine Dienstleistungsbranche wie die Finanzindustrie besser anwendbar ist. Der Begriff der Wertschöpfungstiefe ist davon abzugrenzen. Er bezieht sich auf die finanziell bewertbare Differenz zwischen der Gesamtleistung eines Unternehmens und den von Partnern zugekauften Vorleistungen. [Ewig 2006] unterscheidet die oben genannten Begriffe der Fertigungs- und Leistungstiefe nach ihrem Wertschöpfungsparadigma (vgl. Transformationsprozesse der Unternehmung nach [Ewig 2006, 238]): Das Paradigma der ersten Revolution der Wertschöpfung war die Gestaltung der Produktivität mit den Ansätzen von Ford und Taylor zur Arbeitsteilung und Automation. Die Leistungserbringung erfolgt auf dieser Stufe vollständig intern (vertikale Integration). Die zweite Revolution war gekennzeichnet durch Verschlankung und Bezug von Support-Aktivitäten wie Human Ressources und Buchhaltung vom Markt. Im Fokus stand nicht, die im Unternehmen verbleibenden Teile zu verbessern und Drittparteien anzubieten, sondern eine Reduktion der Fertigungs-/Leistungstiefe39 zur Kostensenkung und Erhöhung der Agilität des Unternehmens. Die dritte Revolution des Wertschöpfungsparadigmas betrifft die Gestaltung der Leistungstiefe40, bei der im Gegensatz zur Verschlankung eine Verbesserung der Marktposition im Vordergrund steht. [Ewig 2006, 192f] beschreibt das Collaborative Business als „Strategie einer unternehmens- und wertschöpfungskettenübergreifenden Prozessintegration unter Nutzung der Kernkompetenzen und des spezifischen Wissens der kooperierenden Partner“. Eine Kompetenz definieren [Amit/Schoemaker 1993] als die Fähigkeit, strategische Ressourcen einzusetzen. Diese enthalten wiederum z.B. Patente und Know-how, finanzielle und / oder physische Vermögensgegenstände sowie das Humankapital einer Organisation (vgl. [Amit/Schoemaker 1993, 35]). Die Theorie der Resource-based View (RBV) nach [Mata et al. 1995, 491ff] erklärt das Konzept der Kernkompetenzen. RBV basiert auf zwei Annahmen: (1) Die Ressourcen und Fähigkeiten von Unternehmen unterscheiden sich (resource heterogenity) und (2) diese Unterschiede sind nicht einfach nachahmbar (resource immobility). Neben den Kriterien Exklusivität, Spezifität und Dauerhaftigkeit als Konsequenz der o.a. Heterogenität und Immobilität von Ressourcen muss eine Kernkompetenz auch dem Kriterium Erfolgsrelevanz genügen. Abbildung 2-7 zeigt eine Klassifikationsmatrix von Geschäftsprozessen einer Bank mit den Kriterien Spezifität und strategische Bedeutung.
39
40
Eine Extremform dieser Reduktion der Fertigungs- / Leistungstiefe sind virtuelle Unternehmen, die theoretisch keine Leistungen selbst erbringen, sondern Leistungen der beteiligten Unternehmen koordinieren. [Bea et al. 2004, 42] definieren ein virtuelles Unternehmen als „ein zeitlich begrenztes Kooperationsnetz selbstständiger Produktionsbetriebe“. In virtuellen Unternehmen wird jeweils ein Projekt bearbeitet, wofür jeweils neue Organisationsstrukturen gebildet werden. [Picot 1991, 353ff] beschreibt ein einfaches Vorgehen zur Durchführung einer Leistungstiefenanalyse.
Kernprozesse
Strategische Bedeutung
25
„Commodity“ Kernprozesse • Zahlungsverkehr • Wertpapierabwicklung • Massenkreditgeschäft (Produktion und Abwicklung)
Kerngeschäftsprozesse • Kundenberatung • Vertrieb • Produktentwicklung • Risikomanagement
Allgemeine Prozesse
2.2 Unternehmensnetzwerke
Infrastrukturen • Rechenzentrum • Netzwerke • Telefonie • Desktop Services
Allg. Geschäftsprozesse • Gebäudemanagement • Beschaffung • Buchhaltung
Kommodisierte Prozesse
Spezifität
Spezialisierte Prozesse
Abbildung 2-7: Kerngeschäftsprozesse des Bankbetriebs nach [Lamberti 2004, 372] 2.2.5 Aufbrechen von Marktstrukturen und Entstehung neuer Märkte Gemäss einer Literaturanalyse von [Hennig 2007, 58] besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Transformation der Finanzindustrie und einer verstärkten Kooperation zwischen Finanzdienstleistern. Das Aufbrechen der Wertschöpfungskette ist gekennzeichnet durch den Bezug von Leistungen, für die (noch) kein Markt besteht. Dieses Teilkapitel beleuchtet Faktoren, welche die Entstehung neuer Märkte und damit die hybride Organisationsform Netzwerk begünstigen. Aufbauend auf dem Prinzip der permanenten Entstehung, Veränderung und schöpferischen Zerstörung von Märkten nach Schumpeter41 besteht eine Vielzahl von Ansätzen zur Erklärung der Zusammenhänge zwischen der Dynamik von Marktsystemen und der Entwicklung von Variablen wie Innovationsrate, Wettbewerbsintensität, Marktperformance. Empirische Analysen (vgl. [Bernet 2006, 24f]) zeigen, dass der auslösende Faktor für die Entstehung eines neuen Marktes fast immer die horizontale oder vertikale Desintegration bisher integrierter Wertschöpfungssysteme ist (z.B. das Aufbrechen der Wertschöpfungskette in der Finanzindustrie). [Jacobides 2005] nennt drei Faktoren für die mehrfach angesprochene Desintegration von Wertschöpfungsstrukturen und damit für die Entstehung neuer Märkte: (1) die Erfüllung notwendiger Rahmenbedingungen (Vereinfachung der Koordination und Standardisierung), (2) eine reife Prozessarchitektur, welche die innerbetriebliche Effizienz und zwischenbetriebliche Arbeitsteilung unterstützt, sowie (3) klare Motive in Form von Spezialisierungsgewinnen sowie Austausch- und Netzwerkeffekten.42 [Jacobides/Winter 2005] präsentieren darauf aufbauend ein Modell, das auf Basis von vier Mechanismen erklärt, wie sich die Aufgabenverteilung in einer Wertschöpfungskette verändert. Grundlegende Parameter des Modells sind die Kompetenzen (als Kombination von Ressourcen und Fähigkeiten) der Marktteilnehmer (capabilitiy distribution), die Transaktionskosten zur Beschaffung von Leistungen am Markt, die jeweils aktuelle Wertschöpfungstiefe (vertical scope) und die Entwicklungspfade der be41 42
Vgl. [Schumpeter 2006]. Vgl. [Jacobides 2005, 489] für eine graphische Darstellung der Zusammenhänge der drei o.a. Faktoren.
26
2 Grundlagen
teiligten Unternehmen (capability development process). Abbildung 2-8 zeigt diese vier Parameter und die folgenden Wirkungszusammenhänge zur Transformation von Marktstrukturen: (1) Selektionsmechanismen (z.B. Wettbewerb und Nachahmung) beeinflussen die vertikale Aufgabenteilung und den Fokus der einzelnen Unternehmen. Den Ausgangspunkt dieser Marktsegmentierung bildet die Verteilung von Ressourcen und Fähigkeiten unter den Marktteilnehmern. (2) Die heterogene43 Verteilung von Kompetenzen motiviert Unternehmen, die Transaktionskosten zu deren Austausch zu senken. Tiefe TRX-Kosten begünstigen (moderate) wiederum den externen Bezug von Leistungen. (3) Die jeweilige Position in der Wertschöpfungskette bedingt Anpassungen der vorhandenen Kompetenzen (z.B. Abbau von nicht wettbewerbsfähigen Kompetenzen und Ausbau von Kernkompetenzen). (4) Die am Markt verfügbaren Kompetenzen verändern sich dynamisch (z.B. aufgrund von Anpassungen des Geschäftsmodells einzelner Unternehmen und durch Eintritt neuer Marktteilnehmer) und verschieben damit das bisherige Marktgleichgewicht. (2) Motivate change of
Transaction Costs
moderate
Capability Distribution
Vertical Scope (1) Through selection shape
(4) Dynamically determines
Capability Development Process
(3) Affect the nature of
Abbildung 2-8: Co-Evolution von Kompetenzverteilung, Transaktionskosten und Marktstruktur nach [Jacobides/Winter 2005, 400] Neue Märkte entstehen nach dem o.a. Modell, sobald die Koordination zwischen autonomen Organisationseinheiten innerhalb der bisherigen Struktur so vereinfacht wird, dass sie bzw. ihr Wertschöpfungsbeitrag gegen denjenigen anderer Marktteilnehmer ausgetauscht werden kann und damit die Transaktionskosten der einzelnen Institution und des gesamten Transaktionssystems gesenkt werden können. Ein wesentlicher Faktor ist die Standardisierung der zwischen den Netzwerkpartnern auszutauschenden Informationen, die wiederum von der Verbreitung von IT-Systemen begünstigt wird. [Ade/Moormann 2004] bezeichnen die seitens der Marktteilnehmer eingesetzte Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) bzw. die darauf aufbauenden ISArchitekturen sogar als Schlüsselfaktor44 zur Erklärung der Transformation von Wertschöpfungssystemen. (vgl. [Bernet 1997, 25ff]) 43
44
Die Theorie der (vertikalen) Desintegration berücksichtigt im Gegensatz zur Transaktionskostentheorie explizit die Heterogenität der Verteilung von Ressourcen und Fähigkeiten und ist damit kompatibel mit der Kernkompetenzargumentation gemäss Resource-based View (vgl. [Hennig 2007, 63]). Kapitel 3.1.3 skizziert die Verbreitung von Standardsoftware bei Bankplattformen in der Schweiz. Die Fallstudien erläutern auch die Rolle der IT als Wegbereiter der Vernetzung im Anlagegeschäft.
2.3 Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken
27
2.3 Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken Der potenzielle Nutzen einer Transformation steigt direkt proportional mit dem Grad der Veränderung (vgl. Abbildung 2-9). [Venkatraman 1994] erachtet dabei BNR als Zwischenstufe von Business Process Redesign45 (BPR) und der Neuausrichtung des Geschäftsmodells (Business Scope Redefinition, BSR). Nach einer Phase des BPR ab Anfang der 90er Jahre stehen nun zunehmend Aspekte des Value Chain bzw. Business Network Redesign im Fokus der Unternehmen (vgl. [Alt 2008]). Dies spiegeln auch bestehende Ansätze wider, die tendenziell entweder strategie- (BSR) oder effizienzorientiert (BPR) sind. [Alt 2004, 130] charakterisiert diese Kategorien als (1) Ansätze zu (institutionellen) Organisationsformen und zur Rollenverteilung zwischen Unternehmen (z.B. [Stabell/Fjeldstad 1998]46) und (2) Ansätze mit Fokus auf der Analyse und (effizienteren) Gestaltung von Aufgabenverteilung und Abläufen zwischen Unternehmen (z.B. [Schad 2000]47).
Neue Geschäftsnetzwerke (BNR) Neue Geschäftsprozesse (BPR)
Interne Integration
Funktionale Automation
Evolutionäre Stufen
= = = =
Business Process Redefinition Business Network Redesign Business Scope Redefinition Einordnung der Dissertation
Strategische Neuausrichtung (BSR)
BPR BNR BSR
gering
Revolutionäre Stufen
Legende:
Grad der Transformation durch IT-Einsatz
hoch
hoch
Potenzieller Nutzen
niedrig
Abbildung 2-9: Stufen der Unternehmenstransformation nach [Venkatraman 1994, 74] Die vorliegende Arbeit kombiniert für die Entwicklung des BNR-Vorgehens Aspekte beider Kategorien. Daher ist die Dissertation bezogen auf die Stufen der IT-gestützten Unternehmenstransformation nach [Venkatraman 1994] über die Stufen BPR, BNR und BSR einzuordnen. Die Arbeit konzentriert sich (im Gegensatz zu [Venkatraman 1994]) nicht primär auf die Rolle der IT als Wegbereiter von BNR, sondern sie verfolgt gemäss dem Forschungsrahmen einen ganzheitlichen Ansatz über die Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme.
45 46 47
Eine Analyse von [Tennant/Wu 2005] zum Status quo von BPR in UK bestätigt die vorrangig kosten- und effizienzgetriebene Perspektive des BPR. Die bedeutendsten Faktoren sind Wettbewerbs- und Kostendruck. Die Autoren nennen neben der Value Chain zwei weitere Wertschöpfungskonzepte, Value Shop (Ziel: Probleme des Kunden zu lösen) und Value Network (Ziel: durch Vernetzung Synergien zu erzielen). Die Autorin erläutert Grundlagen des zwischenbetrieblichen BPR und schafft einen Bezugsrahmen mit den Dimensionen Umwelt, Unternehmen und Reorganisationsvorgang, wobei die Dimension Umwelt überbetriebliche Gestaltungselemente (z.B. Branchenstruktur) sowie die Dimension Reorganisationsvorgang ein Vorgehensmodell zur Gestaltung überbetrieblicher Prozesse umfasst.
28
2 Grundlagen
Die Dissertation verweist für eine umfassende Gegenüberstellung bestehender BNRAnsätze auf die Arbeiten von [Alt 2004, 130ff; Alt 2008]. Dieses Kapitel greift diese Analysen auf und ergänzt sie um ausgewählte (institutionelle) Ansätze. Das folgende Teilkapitel diskutiert zwei branchenfremde und zwei branchenspezifische Ansätze. Das zweite Teilkapitel leitet aus der Gegenüberstellung dieser vier Ansätze und beispielhafter Ansätze aus [Alt 2004; Alt 2008] ein Anforderungsprofil für ein ganzheitliches Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken ab. 2.3.1 Bestehende BNR-Ansätze Frühe BNR-Ansätze beruhen primär auf Ansätzen wie Transaktionskostentheorie oder Resource-based View und abstrahieren von einer expliziten Prozessbetrachtung. Die Analysen umfassen vorrangig Akteure, Beziehungen, Rollen und Leistungen. Auch wenn spätere Ansätze die Prozessebene explizit mit berücksichtigen, steht doch die institutionelle Integration von Geschäftspartnern im Fokus (vgl. [Alt 2004, 130f]). Die folgende Aufzählung beschreibt je zwei institutionelle Ansätze mit und ohne48 Branchenfokus Finanzindustrie:49 Unbundling the Corporation: [Hagel III/Singer 1999] erachten eine Trennung der drei Kompetenzbereiche Infrastruktur und Verarbeitung, Produktentwicklung sowie Pflege der Kundenbeziehung als wesentlich für den künftigen Erfolg eines Unternehmens. Die Argumentation basiert auf der Annahme, dass sich diese drei Bereiche so stark in ihren ökonomischen Mechanismen, kulturellen Eigenheiten und Wettbewerbsfaktoren unterscheiden, dass eine Kopplung negative Folgen hat. Smart Business Networks: [Van Heck/Vervest 2007] vergleichen traditionelle mit digitalen Unternehmensnetzwerken. Die Verfügbarkeit von IS und IT zur Vernetzung von Geschäftspartnern erlaubt z.B. eine losere Kopplung, eine verteilte Erstellung komplexerer Leistungen (u.a. aufgrund tieferer Transaktionskosten), dezentrale Netzwerk-Steuerung und leichteren Informationsaustausch. Der NetzwerkAnsatz umfasst neben den traditionellen Schichten Transaktion und Logistik zusätzlich die Schicht Geschäftsprozess / -logik. Der Ansatz beschreibt nicht nur Besonderheiten dieser smart networks, sondern zeigt auch potenzielle Schattenseiten (Verlust von Kontrolle) und kritische Fragen (z.B. Welche Technologie wird sich als Unterstützung digitaler Netzwerke durchsetzen?) auf. Postuliert werden ein Abwenden von etablierten Netzwerk-Strukturen und eine flexiblere Kombination von Leistungsbausteinen durch Standardisierung und dezentrale NetzwerkKoordination.
48
49
Der erste (branchenfremde) Ansatz entspricht der in der Finanzindustrie häufig diskutierten Dreiteilung der Wertschöpfungskette. Der zweite Ansatz befasst sich mit Vernetzungsmöglichkeiten durch Digitalisierung bzw. technologischen Fortschritt, einem lt. [Jacobides 2005] bedeutenden Wegbereiter der vertikalen Disintermediation. In der Theorie besteht eine Reihe von Ansätzen zum Aufbrechen der Wertschöpfungskette. [Alt 2008] beschreibt weitere allgemeine Ansätze, [Frei/Reitbauer 2006] nennen zusätzliche Ansätze mit Fokus auf die Finanzindustrie.
2.3 Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken
29
Deconstruction in der Bankenbranche: [Petry/Rohn 2005] diskutieren auf Basis des Ansatzes von [Heuskel 1999] vier alternative Ausgestaltungsmöglichkeiten der Wertschöpfungsarchitektur von Banken: (1) den Integrator als hierarchisch organisierten Marktteilnehmer mit hoher Leistungstiefe, (2) den Orchestrator als Konfigurator von Lieferanten und Bündler von Leistungen, (3) den Layer Player als Spezialisten und (4) den Market Maker als Innovator. Der Ansatz basiert nicht auf detaillierten Prozessbeschreibungen, sondern beschreibt primär die vier Positionierungsalternativen an Beispielen (z.B. die Commerzbank als Integrator oder ein ZV-Transaktionsinstitut als Layer Player). Der Ansatz bringt keine konkreten Aussagen zu den Tätigkeiten der Ausgestaltungsmöglichkeiten, sondern grenzt sie nach ihrer Positionierung voneinander ab. Geschäftsarchitektur für Retailbanking im Informationszeitalter: [Leist/Winter 2002] beschreiben vier Rollen, die jedes Unternehmen in einer vernetzten Finanzindustrie spielen kann und ergänzen sie um die Rolle der Konsumenten als Initiatoren des Bedarfs nach (neuen) Leistungen („vom Produkt zur Problemlösung“). Die übrigen vier Rollen sind (1) der Service Integrator als Bündler von Leistungen (z.B. MLP), (2) der Shared Service Provider als Zulieferer für andere Service Provider und Integratoren (z.B. Transaktionsbanken, Broker), (3) Exclusive Service Provider mit klar abgegrenzter Zielkundschaft (z.B. für eine spezifische SoftwarePlattform) und (4) Public Services als nicht branchenspezifische Dienstleister (z.B. ITO, ASP). Neben diesen Rollen illustriert das Konzept wesentliche Implikationen der Transformation des Retailbanking im Informationszeitalter und diskutiert die Rolle von Standards und IS/IT-Systemen als Wegbereiter der Vernetzung. 2.3.2 Vergleich bestehender Ansätze und Anforderungen an BNR-Vorgehen Tabelle 2-5 beinhaltet eine Gegenüberstellung der o.a. BNR-Ansätze anhand einer angepassten50 Version der Kriterienkataloge zur Beurteilung von BNR-Ansätzen nach [Alt 2004, 137; Alt 2008, 14]. Als Ergänzung sind beispielhaft zwei Ansätze mit grosser Kriterienabdeckung aus der Bewertung in [Alt 2004] angeführt. Der Vergleich der Ansätze bestätigt die Aussage der o.a. Untersuchungen, dass keiner der bestehenden Methoden- und Vorgehensansätze die Anforderungen zur durchgängigen und umfassenden Unterstützung eines BNR-Vorhabens erfüllt und begründet damit den Forschungsbedarf für das in dieser Arbeit erläuterte Vorgehensmodell (vgl. Kapitel 6). Das Zielbild dieses zu entwickelnden Modells ist ebenfalls in Tabelle 2-5 enthalten und zeigt, dass das BNR-Vorgehensmodell keine vollständige Abdeckung der Anforderungen erreichen soll. Dafür gibt es v.a. zwei Gründe: (1) Die Arbeit konzentriert sich auf fachlich-konzeptionelle Aspekte und behandelt daher die BE-Ebene Politik / Kultur nicht umfassend. (2) Die Entwicklung einer Methode ist nicht Gegenstand der Arbeit, weshalb z.B. die Anforderungen Rollenmodell und Techniken nicht zu erfüllen 50
Die Kriterien sind geringfügig an die Fragestellung der Arbeit angepasst. So enthält Tabelle 2-5 z.B. zusätzlich den Aspekt Branchenfokus und löst den Block Fokus der (Neu-)Gestaltung (vgl. Elemente des BE in Abbildung 2-1) aus der methodischen Unterstützung heraus.
30
2 Grundlagen
sind. Das BNR-Vorgehen in Kapitel 6 hat den Fokus auf die Finanzindustrie, wobei diese Spezialisierung über für den jeweiligen Anwendungsbereich spezifische Referenzmodelle (z.B. Gestaltungsoptionen in Kapitel 5.2) erfolgt und daher nicht im Widerspruch zur Übertragbarkeit des Modells auf andere Branchen steht.
[Leist/Winter 2002]
E
;
;
Quantitative Kriterien
Qualitative Kriterien
Aktivitäten
Metamodell
Transformation
Politik
Systeme
Prozesse
Strategie
E
Branchenfokus
[Petry/Rohn 2005]
;
Weitere Zeitraumbetrachtung
[Hagel III/Singer 1999] [Van Heck/Vervest 2007]
Geschäftsprozess
Ansätze
Geschäftsnetzwerk
Kriterien
Bewertung
Techniken
Methodische Unterstützung Allg, Rollenmodell
Fokus der (Neu)Gestaltung
Ergebnisdokumente
Analyseobjekt
;
E
E
E
;
E ; ;
;
;
; ;
;
E
E ; ; ; ;
;
;
; ;
;
;
E
Beispielhafte Ansätze aus dem Vergleich von [Alt 2004] [Benz 2001]
;
E
; E ;
[Hammer 2001]
;
E
E ;
Zielbild BNR-Vorgehen
E
E
E E E ; ; ; E ;
Legende:
E = umfassende Abdeckung
; E E E E E ;
; = teilw. Abdeckung
; ;
E
E
E
= keine/geringe Abdeckung
Tabelle 2-5: Vergleichende Analyse von BNR-Ansätzen Die Auswertung der Tabelle 2-5 ergibt – als Grundlage für die Konzeption des BNRVorgehens in Kapitel 6 – folgende Anforderungen an eine methodische Unterstützung der Neugestaltung eines Unternehmensnetzwerks: (1) Integrierte Betrachtung der Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme ergänzt um Politik und Transformation (BNR-Vorhaben sind Veränderungsprojekte). (2) Aufeinander abgestimmte Aktivitäten und Ergebnisdokumente zur Gestaltung und Bewertung. (3) Einbeziehen von qualitativen und quantitativen Bewertungskriterien. (4) Berücksichtigung eines Branchen- und Prozessfokus. (5) Zeitraumbetrachtung anstelle einer Zeitpunktbetrachtung. (6) Berücksichtigung von mehreren Handlungsalternativen (Status quo, Wunschzustand, alternative Netzwerk-Konstellationen). (7) Modularer Aufbau zur flexiblen Anwendbarkeit des Modells (z.B. zur Standortbestimmung oder zur Evaluation von Provider-Offerten).
3.1 Bankenmarkt Schweiz
31
3 Vernetzung im Anlagegeschäft Dieses Kapitel beschreibt die Potenziale einer verstärkten zwischenbetrieblichen Kooperation in der Finanzindustrie beispielhaft für das Anlagegeschäft. Dieser Geschäftsbereich wurde insbesondere wegen seiner inhärenten Vernetzung (z.B. Börsen), der hohen strukturellen Komplexität sowie des hohen Kooperations- und Ertragspotenzials für die Schweiz (s. [Geiger/Hürzeler 2003; Dang/Lau 2006]) als Anwendungsbeispiel für BNR gewählt. Die Schwerpunkte der drei Teilkapitel sind: (1) Bankenmarkt Schweiz: Präsentiert einen kennzahlenbasierten Vergleich des Anlagegeschäfts in der Schweiz mit anderen Ländern, analysiert den Status quo des Aufbrechens der Wertschöpfungskette bzw. der Vernetzung bei Schweizer Banken und beschreibt die zunehmende Verbreitung von Standardsoftware bei Banken. (2) Grundlagen zum Anlagegeschäft: Erläutern Motive für die Vernetzung, wesentliche Institutionen (z.B. Börse, Zentralverwahrer), einen Referenzprozess sowie dessen Einordnung in ein Bankmodell. (3) Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft: Zeigen Vernetzungsoptionen anhand generischer Rollen auf und diskutieren deren Charakteristika und Beziehungen. Das Teilkapitel schlägt durch die Anwendung des Referenznetzwerks auf Fallbeispiele eine Brücke zwischen dem Modell und der aktuellen Marktsituation und zeigt eine Übersicht zu Datenaustausch und Standards im Anlagegeschäft. Den Abschluss bildet eine Erläuterung von aktuellen Entwicklungen in diesem Geschäftsbereich. 3.1 Bankenmarkt Schweiz Die Schweiz ist prädestiniert als geographischer Fokus der Arbeit, nicht nur aufgrund der meist Schweizer Praxispartner des CC Sourcing, sondern auch aufgrund der guten Marktposition im Private Banking51 und damit im Anlagegeschäft. Dieses Teilkapitel betrachtet den Schweizer Bankenmarkt in Relation zu ausgewählten Märkten52 weltweit mit Fokus auf Kennzahlen des Anlagegeschäfts53, stellt den Status quo der Vernetzung im Anlagegeschäft dar und gibt einen Überblick über gängige SoftwarePakete als Wegbereiter des Aufbrechens der Wertschöpfungskette.
51
52 53
Hans J. Bär definiert Schweizer Private Banking gemäss [Geiger/Hürzeler 2003, 94] als “the full range of services that a client may wish to obtain and this therefore extends way beyond wealth management. Swiss private banking starts at the three international airports at Zurich, Geneva and Basel and continues via the railway stations and luxury hotels of our country right up to the doors of Sprüngli’s cake shop. Swiss private banking encompasses our hospitals, cultural institutions, media, lawyers, shops, schools, universities and, of course, our banks and asset managers.” Die vorliegende Arbeit betrachtet primär das Anlagegeschäft und klammert die übrigen Faktoren des Private Banking aus. Vgl. auch [Bernet 2007a, 274f] zu den Eigenschaften von Finanzplätzen als geographische Cluster. Die Ausführungen des ersten Abschnitts basieren primär auf den Arbeiten von [Geiger/Hürzeler 2003; Falkenberg et al. 2006; Cocca/Geiger 2007; Regniet 2007].
32
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
3.1.1 Internationale Position im Anlagegeschäft „Schweizer Banken sind im Private Banking weiterhin die Champions.“ [Pfiffner 2007] Eine Ende 2007 veröffentlichte Studie von [Cocca/Geiger 2007] untersuchte die Wettbewerbsfähigkeit von 253 Banken aus 11 Ländern anhand von Kriterien wie Profitabilität, Grösse und Wachstum (vgl. Tabelle 3-1). Im Ländervergleich werden die Vermögensverwalter aus der Schweiz im Durchschnitt am besten bewertet. Die eidgenössischen Institute waren nicht zuletzt aufgrund der ausländischen Vermögenswerte im Jahr 2006 auch Marktführer hinsichtlich der Höhe des verwalteten Geldes (über CHF 5.000 Mrd.) und erwirtschafteten pro Mitarbeiter den höchsten Gewinn (TCHF 260 p.a.). Ein Problem des Schweizer Bankenmarktes sind die hohen Personalkosten, die die Gesamtkosten der Banken mit überdurchschnittlichen 64,4% belasten und wesentlich zur im schlechteren Drittel liegenden Cost/Income-Ratio von 65,7% beitragen. Switzerland
Austria
Benelux
France
Germany
Italy
Liechtenstein
UK
USA
Japan
Nordic countries
Figures for 2006
Return on equity (after taxes) in %
21.3
15.3
32.3
20.5
17.6
20.0
17.0
26.8
25.7
23.5
27.6
Adjusted gross margin on assets under mgt.
80.2
76.8
77.5
96.5
77.2
98.0
69.8
95.6
60.7
78.6
128.2
Cost/income ratio (before depreciation) in %
65.7
62.0
51.9
64.3
72.6
57.1
58.4
64.5
67.7
66.4
58.3
Total revenue per employee (in TCHF)
621
330
473
343
406
346
669
457,
582
790
376
Personnel costs per employee (in TCHF)
241
137
137
119
154
125
188
175
270
197
84
Gross profit per employee (in TCHF)
260
146
213
144
148
143
323
176
221
263
215
Caption: growth (from 2004 to 2006) of more than 10%
growth between 0-10%
decrease
Tabelle 3-1: Auszug aus Kennzahlen nach Ländern gemäss [Cocca/Geiger 2007, 7] In den Jahren 2002-2006 war die Marktentwicklung für das Private Banking aufgrund des spürbaren Aufschwungs sehr gut, und das internationale54 Anlagegeschäft ist in dieser Zeit signifikant gewachsen. Eine wirkliche Prüfung für das Geschäftsmodell steht gemäss [Cocca/Geiger 2007, 73f] bevor, sobald sich das Marktumfeld verschlechtert und die Erträge abnehmen. Bei einem Einbruch der Erträge wären viele Banken weiterhin mit hohen Kosten konfrontiert. Daher sind die Institute bestrebt, ihre Fixkostenblöcke durch Veränderungen in der Wertschöpfungskette weitgehend in variable Kosten umzuwandeln55, um in Rezessionsphasen bestehen zu können. Ein Weg einer Ertragskrise auszuweichen, ist verstärktes Wachstum in neuen Anlageformen wie 54 55
Schweizer Banken investieren aktuell verstärkt in das Offshore-Geschäft, das aber nach [Cocca/Geiger 2007, 58f] bisher unterproportional zum Onshore-Geschäft (d.h. Europa) gewachsen ist (z.B. 1,8% vs. 4% in 2006). Die UBS als weltweit grösster Vermögensverwalter (mit 4.3% Marktanteil und Assets under Management von CHF 1.609 Mrd.) beziffert die flexiblen Kostenanteile für den gesamten Konzern mit 53%. (s. [Cocca/Geiger 2007; Regniet 2007; Willmeroth 2007]).
3.1 Bankenmarkt Schweiz
33
strukturierten Produkten oder Produkten im Bereich alternative Anlagen, da hier signifikant höhere Margen zu erzielen sind. Empirische Daten weisen darauf hin, dass auch in reifen Märkten wie der Schweiz durch die Verbreitung von eben diesen neuen und margenstärkeren Produkten bisher übergreifend56 keine signifikante Margenerosion im Private Banking zu beobachten ist. (vgl. [Cocca/Geiger 2007]) [Geiger/Hürzeler 2003] nennen drei Pfeiler57 des nachhaltigen Erfolgs von Private Banking in der Schweiz: (1) Wohlbekannte, traditionelle Erfolgsfaktoren eines Zentrums für Private Banking (z.B. eine stabile Währung, die Freiheit der Kapitalmärkte, eine etablierte Bankenlandschaft im Sinne von Professionalität, der Schutz der Anleger und Kunden, die bereit / bestrebt sind, in internationale Wertpapiere zu investieren), (2) die Swiss Value Chain als durchgängige, automatisierte Marktinfrastruktur für den Handel, die Abrechnung (Clearing) und die Verbuchung (Settlement) von WertpapierGeschäften sowie (3) führendes Markt-Know-how und die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Arbeitskräfte. 3.1.2 Status quo des Aufbrechens der Wertschöpfungskette Zur Fundierung und Versachlichung der Diskussion rund um das Voranschreiten des Aufbrechens der Wertschöpfungskette im deutschsprachigen Raum hat das CC Sourcing 2005 eine Studie unter leitenden Angestellten von Finanzdienstleistern durchgeführt. [Falkenberg et al. 2006] beschreiben die Situation der befragten Banken bezüglich Kernkompetenzen, Umfang der Eigenfertigung, Fremdbezug (als Folge von Outsourcing) und Leistungsangebot für Drittbanken (Insourcing). Tabelle 3-2 vergleicht für die Jahre 2005 und 2010 die Kernkompetenzen von 54 teilnehmenden Banken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) in Prozent der Nennung für die Prozesse des Bankmodells in Kapitel 3.2.4. Diese Werte unterstreichen die Aussage, dass sich Finanzdienstleister vermehrt auf einzelne Wertschöpfungsstufen konzentrieren und sich in den nächsten Jahren auf ihre Vertriebs- und Produktkompetenzen ausrichten wollen. Ein Vergleich der Aussagen für DACH (n=54) mit jenen nur für die Schweiz (n=28) ergibt für das Jahr 2005 ein relativ homogenes Bild mit geringen Abweichungen. Für das Jahr 2010 ist das Profil der Schweiz jedoch noch ausgeprägter als jenes für DACH. Nur in den Bereichen Private Banking (83%) und dem Asset Management (69%) wollen künftig mehr als 2/3 der Banken Kernkompetenzen aufrecht erhalten und / oder aufbauen. Eine Zunahme der Kompetenz prognostizieren Schweizer Banken für alle transaktionsübergreifenden Leistungen, wie z.B. für die Finanzplanung mit einem Anstieg von 25% auf 36%.
56 57
In Teilbereichen ist durchaus eine Margenerosion zu beobachten (z.B. im Fondsbereich). Ein Grund dafür ist der durch die höhere Transparenz und Kundenbedürfnisse verstärkte Wettbewerb. [Bernet 2007b] nennt alternativ eine Reihe von Bausteinen für eine zukunftstaugliche Positionierung der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb. Dazu zählen z.B. eine kompetitive Marktplattform und Finanzmarktinfrastruktur, innovative und auf Wachstumsmärkte ausgerichtete Produkte und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.
34
3 Vernetzung im Anlagegeschäft 2005 CH
DACH
CH
Private Banking
69%
75%
83%
82%
(Übriges) Retailbanking
52%
54%
52%
54%
Institut. Vermögensverwaltung
50%
50%
48%
46%
Prozessbereiche
24%
18%
28%
14%
Kundenreporting
31%
32%
35%
32%
Depotführung
24%
14%
13%
11%
Stammdaten (Kunde, Konto)
19%
18%
20%
14%
Kredite
46%
36%
46%
39%
Wertpapiere
28%
21%
24%
18%
Zahlungsverkehr
17%
14%
17%
11%
Übergreifende Leistungen
Produktentwicklung
50%
43%
59%
50%
Finanzplanung
30%
25%
44%
36%
Research
20%
11%
19%
11%
Asset-/Portfolio-Management
48%
54%
69%
57%
Rechnungswesen
13%
7%
11%
4%
Beschaffung
7%
7%
0%
0%
IT, Infrastruktur
24%
21%
19%
14%
Ausführung / Abwicklung
Investment Banking
Support
Vertrieb / Beratung
2010
DACH
Legende: fett = Zunahme von 2005 auf 2010; kursiv = Abnahme von 2005 auf 2010
Tabelle 3-2: Auswahl aus dem Kernkompetenzprofil für DACH und die Schweiz im Vergleich 2005 zu 2010 nach [Falkenberg et al. 2006, 12] Ein Vergleich des Anteils der Prozesse, die als Kernkompetenz (KK) gesehen werden, mit dem Anteil jener, die Banken heute noch grossteils selbst erbringen (Eigenfertigung, EF) zeigt für das Jahr 2005 eine deutliche Divergenz sowohl für die Schweiz als auch für DACH (vgl. Tabelle 3-3). Trotz einer Annäherung der Werte für Kernkompetenzen und Eigenfertigung in allen vier (auslagerbaren) Prozessbereichen im Vergleich zu 2005 liegt die für 2010 prognostizierte Differenz nach wie vor zwischen 12% und 50%. In Experteninterviews zur Studie von [Falkenberg et al. 2006] wurden u.a. das bisher fehlende BPO-Angebot und die guten Ergebnisse der vergangenen Geschäftsjahre bzw. der zu geringe wirtschaftliche Druck als Gründe genannt, die Eigenfertigungswerte nur marginal an die Vorstellungen bez. Kernkompetenzen anzupassen. 2005
2010
Prozessbereiche
EF
KK
EF-KK
EF
KK
EF-KK
Beratung / Vertrieb
69%
47%
22%
61%
49%
12%
Produkte & Kompetenzzentren
84%
32%
52%
71%
43%
28%
Ausführung / Abwicklung
79%
27%
52%
60%
26%
34%
Support
82%
19%
63%
67%
17%
50%
Legende: fett = Zunahme von 2005 auf 2010; kursiv = Abnahme von 2005 auf 2010
Tabelle 3-3: Vergleich von Kernkompetenz und Eigenfertigung für DACH nach [Falkenberg et al. 2006]
3.1 Bankenmarkt Schweiz
35
3.1.3 Einsatz von Standardsoftwarepaketen „Je mehr Software in Produkten und Dienstleistungen steckt, desto stärker tritt der Standardisierungseffekt zutage. Geschäftsleitungen erhalten aus der IT einen erweiterten Handlungsspielraum zur Gestaltung ihres Ecosystems.“ [Kagermann/Österle 2006, 179 bzw. 200]
Gemäss [Falkenberg et al. 2006, 74] erachten Banken die Standardisierung von IT als einen wesentlichen Wegbereiter58 des Aufbrechens der Wertschöpfungskette. Da das Standardisierungspotenzial von Leistungen wie z.B. Produktentwicklung und Kundenberatung als eher gering eingeschätzt wird, hat die Wahl der Bankplattform signifikante Auswirkungen auf die Kompatibilität einer Bank mit potenziellen NetzwerkPartnern. Die Anbieter von Standard-Software (SSW) versuchen daher, für ihr Produkt eine Plattform-Community zu schaffen (z.B. Avaloq-Bus). In den letzten Jahren ist in der Schweiz bei Bankplattformen ein signifikanter Trend zu SSW59 erkennbar. Laut einer Studie der Active Sourcing Group (vgl. [Regniet 2007]) über Zusammenhänge zwischen der eingesetzten Kernapplikation und Sourcing-Entscheidungen haben sich in den Jahren 2004-2006 42 (27%) der 15760 grössten Banken aus der Schweiz und Liechtenstein für einen Wechsel ihrer Bankplattform zu einer SSW entschieden. Die Gewinner waren v.a. Finnova mit 21 und Avaloq mit 11 neuen Mandanten. Diese beiden SSW-Anbieter nehmen nun nach Anteilen bezogen auf die betrachteten 157 Banken die Positionen zwei (Finnova) und drei (Avaloq) ein (vgl. Abbildung 3-1). Marktführer nach Anzahl Banken ist per Ende 2006 Ibis mit 37% Marktanteil. Gesamtmarkt (n=157): Kernapplikationen nach Anzahl Banken
Banken 500 MA (n=38): Kernapplikationen nach Anzahl Banken unbekannt: 11%
unbekannt 4% übrige: 16%
Finnova: 5%
Ibis: 37% Boss: 6%
übrige: 29%
Olympic: 8% Avaloq: 14%
Ibis: 16%
Finnova: 15%
Boss: 5%
Avaloq: 29% Olympic: 5%
Abbildung 3-1: Marktanteil der Bankplattformen Ende 2006 nach [Regniet 2007, 8] Im Rahmen einer Marktstudie (vgl. [Kutsch et al. 2007]) hat das CC Sourcing die drei nach Anzahl der Installationen bzw. Kundenbanken führenden Bankplattformen Ibis, 58 59
60
Für 36% der befragten Banken ist auch die Ablösung von Altsystemen ein bedeutender Faktor. [Mertens et al. 2005, 154] definieren (traditionelle) Standardsoftware als Programm, das für eine Gruppe von Kunden mit ähnlichen Problemstellungen geschrieben wurde und die Möglichkeit für nutzende Unternehmen bietet, individuelle Anpassungen vorzunehmen (Customizing) und so die Diskrepanzen zwischen betrieblichen Anforderungen und dem Funktionsumfang des Standardpakets zu begrenzen. Die Gruppe von Banken mit mehr als 500 Mitarbeitern umfasst 38 Unternehmen und jene mit weniger als 500 Mitarbeitern 119 Banken.
36
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Finnova und Avaloq untersucht. Dazu wurde jeweils ein Interview mit dem SoftwareAnbieter und einer Kundenbank, die das System bereits operativ im Einsatz hatte, geführt. Die drei Bankplattformen befinden sich in unterschiedlichen Phasen des Produktlebenszyklus: Während sich Avaloq und Finnova in der Phase Wachstum sehen, steht Ibis bereits seit einiger Zeit in der Reifephase und soll nun im Rahmen eines umfassenden Reengineering-Projektes erneuert werden. Ein wesentlicher Unterschied liegt auch im Geschäftsmodell: Während die Anwenderbanken von Ibis auch deren Eigentümer sind und RTC als Betreiber und Entwickler der Plattform als Cost Center geführt wird, positionieren sich Avaloq und Finnova als unabhängige Softwarelieferanten, deren Bankplattform von Spezialisten eingeführt und betrieben wird. Im Jahr 2007 hat sich das Marktgewicht weiter Richtung Avaloq und Finnova verschoben, die in diesem Zeitraum neben Drittinstituten (z.B. wechseln B-Source und Bank Vontobel zu Avaloq) auch bisherige Ibis-Mandanten gewinnen konnten (z.B. Migrosbank zu Finnova und Basler Kantonalbank zu Avaloq). 3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft Das Anlagegeschäft umfasst die Wertpapierabwicklung sowie deren vor- und nachgelagerten Prozesse (z.B. Beratung, Produktentwicklung, Depotführung). Die Wertpapierabwicklung beinhaltet alle Schritte, die zwischen der Auftragserteilung durch den Kunden und der Kundenabrechnung ausgeführt werden [Büschgen/Börner 2003]. An einer Wertpapiertransaktion sind in der Regel neben Käufer und Verkäufer auch folgende Finanzintermediäre beteiligt: Banken, ein Börsensystem als Marktplatz, Broker, Custodians sowie die angeschlossenen Stellen für Clearing und Settlement [Guadamillas/Keppler 2001, 6]. Das Kapitel umfasst vier Teilkapitel: (1) eine Liste von Motiven für Vernetzung im Anlagegeschäft, (2) eine Erläuterung wesentlicher Institutionen, (3) einen Referenzprozess als semantische Basis und damit eine Konstruktionshilfe61 für unternehmensspezifische Modelle und (4) die Einordnung des Referenzprozesses in ein Bankmodell. 3.2.1 Gründe für Vernetzung im Anlagegeschäft “With the exception of a handful of very large brokerage and banking institutions, Datamonitor expects the majority of the industry to gravitate towards an asset gathering model, which will cause the practice of self-clearing (i.e. in-house securities processing) to gradually diminish.” [Datamonitor 2004, 4]
Gemäss der 2005 durchgeführten Marktstudie von [Falkenberg et al. 2006] ist im Raum DACH eine starke Zunahme der Sourcing-Aktivitäten in der WertpapierAbwicklung zu erwarten. So soll z.B. der Anteil der auslagernden Banken in der Schweiz bis zum Jahr 2010 von 25% auf 61% steigen. Analog wird eine starke Reduktion der Eigenfertigung von 82% auf 56% prognostiziert. Die genannten Gründe für eine Auslagerung sind vielfältig, [Zmuda 2006, 24] führt z.B. als Ergebnis einer Literaturanalyse rund 40 allgemeine Motive für Outsourcing an. Tabelle 3-4 nennt – als 61
Vgl. [Schütte 1998, 309ff] bzw. Kapitel 2.1.2 zu den Anwendungsbereichen von Referenzmodellen.
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft
37
Fazit aus Expertengesprächen und aus einer Literaturanalyse – elf wesentliche Gründe für das Aufbrechen der Wertschöpfungskette im Anlagegeschäft.62 Steigende Anforderungen an Produkte
Marktzugang / Marktabdeckung
Portfoliomanagement
Kosteneinsparung
Variabilisierung von Fixkosten Synergieeffekte
Neben der Anforderung, auf Märkten weltweit präsent zu sein, führen insbesondere neue Anlageprodukte, die dem Trend von Kassainstrumenten (z.B. Aktien, Schuldverschreibungen und Währungen) zu derivativen Finanzinstrumenten folgen, zu steigenden Knowhow-Anforderungen in Research, Produktentwicklung und Vertrieb [Alt/Zerndt 2008, 7]. Für Banken, welche die Wertpapier-Abwicklung nicht als Kernkompetenz erachten, sind die globale Präsenz und eine breite Produktpalette unverhältnismässig teuer. Sowohl bei Mitgliedschaften in Gemeinschaftswerken als auch beim Unterhalt eines eigenen, umfangreichen Netzwerks stimmt das Kosten/Nutzen-Verhältnis für volumenmässig kleine Institute meist nicht überein. Diese Institute streben daher oft eine Kooperation mit Spezialisten an, um ihren Kunden einen umfangreichen Marktzugang profitabel anbieten zu können. Für Brokerage und Custody ist dieser Ansatz bereits weit verbreitet. Der Unterhalt eines professionellen Portfoliomanagements lohnt sich für Banken erst ab einem bestimmten Volumen. Speziell bei retailorientierter Stammkundschaft und hohen Anforderungen (weniger) sehr vermögender Kunden sind oft signifikante Zusatzinvestitionen in den Aufbau von Know-how und in die Anpassung der bestehenden Bankenlösung erforderlich. Eine Studie von McKinsey und Xchanging (s. [Xchanging 2004]) begründet den Auslage63 rungswillen deutscher Banken primär mit wirtschaftlichen Aspekten. Im Anlagegeschäft spielen v.a. Skaleneffekte eine wesentliche Rolle für die Realisierung von Synergieeffekten. Gemäss einer von [Zwahlen 2006] zitierten Studie von Maerki Baumann betragen die IT- und Backoffice-Kosten der Schweizer Banken per 2006 rund CHF 8 Mrd. p.a. Das Umsatzpotenzial von Transaktionsbanken beträgt ca. CHF 5,5 Mrd. p.a. Um in einem zyklischen Geschäft wie dem Anlagegeschäft nachhaltig profitabel zu sein, müssen Unternehmen ihre Kostenbasis zunehmend variabilisieren (vgl. [Datamonitor 2004, 6ff; Cocca/Geiger 2007, 74]). Voraussetzung für diese Flexibilisierung der Kostenstrukturen ist, dass die NW-Partner bereit sind, Leistungen (tw.) variabel zu verrechnen. Der Bereich Anlegen bietet grosses Synergiepotenzial. Dies beginnt beim HändlerNetzwerk, wo eine Zusammenarbeit mehrerer Banken zu niedrigeren (Einkaufs-)Preisen aufgrund der gebündelten Volumina führt. Weiters sind die Pflege des Valorenstamms und die Abwicklung von Corporate Actions prädestiniert für Skaleneffekte, da hier einmalige Aufwände auf mehrere Banken verteilt werden können. [Xchanging 2004, 29] bezeichnet die Wertpapierabwicklung nicht zuletzt aufgrund dieser Synergieeffekte als First Mover Markt: „Wer als Erster durchs Ziel läuft, kann den Markt für sich erobern“.
Volatiles Auftragsvolumen
Ein Abwicklungsspezialist für mehrere Institute kann Volumenschwankungen einzelner Kunden leichter ausgleichen und so Phasen der Unter- und Überauslastung reduzieren.
Reduktion operationeller Risiken
Auch wenn eine Bank bei einer Auslagerung die gesetzliche Verantwortung für die betroffenen Prozesselemente stets weiter trägt, kann sie sich gegen den finanziellen Schaden aus operativen Fehlern (z.B. bei der Ausführung von Corporate Actions oder der Reconciliation bzw. aus Fehlspekulationen im Eigenhandel) absichern. Die Abwicklung von komplexen Produkten und die Erstellung einer Performancerechnung stellen hohe Anforderungen an die Backoffice-Mitarbeiter und die Systemlandschaft. Die Kunden fordern höhere Qualität und wünschen tendenziell immer umfangreichere Auswertungen des Portfolios. Vor allem aus Sicht kleiner Institute sprechen die kontinuierlichen Veränderungen der gesetzlichen und marktseitigen Rahmenbedingungen für eine Auslagerung der Wertpapierabwicklung (z.B. zunehmende Reporting-Anforderungen). Besonders der Aufwand für die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben (z.B. MiFID, QI) steigt, und die Auswirkungen dieser Normen auf das Anlagegeschäft sind signifikant (vgl. [Weatherill et al. 2007]). Die Betrachtung von Finanzprodukten als Lösungen und nicht als Bündel von Einzelleistungen ist eine wesentliche Veränderung im Bankproduktdesign. Das Ziel muss sein, zunehmend individuelle Nachfragebedürfnisse mit standardisierten Produktbausteinen zu befriedigen („Legobaukasten“). Um eine umfassende Lösung anbieten zu können, kooperieren Banken verstärkt mit Spezialisten (vgl. [Bernet 1998, 28ff]).
Professionelle Abwicklung Dynamische Rahmenbedingungen Lösungen statt Produkte
Tabelle 3-4: Gründe für das Aufbrechen der Wertschöpfungskette im Anlagegeschäft 62 63
Vgl. dazu auch [Middendorf/Göttlicher 2003; Datamonitor 2004; Xchanging 2004; Dang/Lau 2006]. Wesentliche Ansatzpunkte zur Verbesserung der Cost/Income-Ratio sehen Banken gemäss [Xchanging 2004] insbesondere in den Bereichen Zahlungs- und Wertpapierabwicklung sowie IT-Infrastruktur und -Betrieb, die im Retail-Banking etwa 25% der Gesamtbetriebskosten verursachen.
38
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
3.2.2 Institutionen im Anlagegeschäft Dieser Abschnitt beschreibt den Ablauf eines Wertpapiergeschäfts und die daran beteiligten Institutionen. Das Wertschöpfungsnetz der Wertpapierabwicklung besteht generell zwischen Käufer, Verkäufer und Emittent. Zwischen Käufer und Verkäufer basiert die Wertschöpfung auf der schnellen und sicheren Abwicklung von Wertpapiergeschäften (Lieferung gegen Zahlung). Zwischen Emittent und Zentralverwahrer bzw. Börsenplatz besteht sie in einer sicheren Verwahrung des Bestands und einer schnellen und sicheren Abwicklung der Corporate Actions des Emittenten. (vgl. [Middendorf/Göttlicher 2003, 4]) Intermediäre Käufer I
Bank 1
Börse
Bank 2
Verkäufer I
CCP* ZB
CSD Inland Emittent
Käufer A
Intermediäre CSD Ausland
Aus Vereinfachungsgründen direkt dargestellt, wird idR indirekt über einen Intermediär „vermittelt“
Emittent
CROSS-CSD Verkäufer A * ab 2003 IdR Richtung der Kontoführung / des Vertragsverhältnisses
Abbildung 3-2: Institutionelle Beziehungen im Wertpapiergeschäft nach [Middendorf/Göttlicher 2003, 5] Ausgangspunkt für einen Kauf oder Verkauf von Wertpapieren ist i.d.R.64 der Kundenauftrag, den das Finanzinstitut des Bankkunden entgegennimmt und anschliessend im Handelssystem erfasst. Der Auftrag wird vom Händler im Auftragsbuch der Börse platziert und bleibt dort, bis ein passender Gegenauftrag auf dem Marktplatz gefunden wird oder weitere durch den Kunden erteilte Weisungen (z.B. Gültigkeitsdatum, Storno) wirksam werden. Bei einer Übereinstimmung (Matching) von Angebot und Nachfrage gibt das Börsensystem eine Handelsbestätigung65 an die beteiligten Finanzinstitute sowie die Ausführungsdaten (z.B. Käufer- und Verkäuferbank, Handelskurs) an die Clearing- und Settlement-Systeme weiter. Dadurch werden die Übertragung des Besitzes sowie die Abrechnung des Geschäfts initiiert. Daraufhin bestätigen die Kundenbanken den Kunden die Ausführung. Bei Börsen, zu denen der Händler keinen direkten (elektronischen) Zugang hat, nutzt er einen Intermediär (Broker). Die Verwahrung aller Wertpapiere eines Börsenplatzes übernimmt der Zentralverwahrer (Central Securities Depository, CSD). Der Zentralverwahrer stimmt auch die Bestände mit den jeweiligen Custodians der involvierten Banken ab, die für die 64 65
Aufträge werden auch von der Bank (Eigenhandel) und Portfolio Managern (im Auftrag des Kunden) erteilt. Bei Parkettbörsengeschäften bestätigen sich Käufer und Verkäufer zusätzlich die gehandelten Geschäfte (z. B. durch die Lieferfreigabe) und bei Over-the-Counter Geschäften i.d.R. die Abwicklungsbedingungen.
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft
39
Bestandsführung auf Bankebene zuständig sind. Abbildung 3-2 zeigt die genannten Institutionen66 und deren Beziehungen. Die eingezeichnete Abwicklungsvariante67 mit einer Central Counter Party (CCP) stellt eine Besonderheit fortschrittlicher Abwicklungssysteme dar, bei der die Abrechnung (Clearing) und der Übertrag der Eigentumsverhältnisse an Geld und Titeln (Settlement) integriert sind. (vgl. [Guadamillas/Keppler 2001, 6ff; Middendorf/Göttlicher 2003; Weber et al. 2004]) Die Fallbeispiele und Fallstudien beziehen sich vorrangig auf Unternehmen mit Domizil in der Schweiz und nutzen das in Abbildung 3-3 dargestellte Netzwerk des Schweizer Markts zur Abwicklung von Wertpapier-Transaktionen. Die Schweiz verfügt mit der Swiss Value Chain68 über eine Infrastruktur, die den Handel, die Abwicklung69 und die Zahlungsströme mit Nationalbankgeld voll automatisiert und in Echtzeit umsetzt. Der Zentralverwahrer SIS SegaInterSettle erhält nach jedem Handelsabschluss von der Börse (Trading) eine entsprechende Abwicklungsinstruktion, die er über das SECOMSystem verarbeitet. Die Transaktion wird dabei als simultane und unwiderrufliche Lieferung (Titelbuchung) gegen Zahlung abgewickelt. Wie in Abbildung 3-3 dargestellt, koordiniert die SIS die Abwicklung mit internationalen Zentralverwahrern und stösst im Sinne einer CCP die aus der Transaktion resultierenden Zahlungsströme via Swiss Interbank Clearing (SIC) bzw. euroSIC an. (vgl. [Bruchez et al. 2004; SWX 2007]) European Exchange
(Terminbörse für Finanzderivate)
Swiss Exchange (SWX)
virt-X
(internationale Blue Chip Börse)
x-clear
(WP-Clearing und Risk Management)
clearstream
Settlement Communicat. System SIS
euroSIC
Swiss Interbank Clearing (SIC)
(internationaler Zentralverwahrer)
(Schnittstelle der SIC in die EuroZone)
Target
(ZV-Netzwerk der Euro-Zone)
CREST
(Zentralverwahrer Londoner Börse)
London Clearing House (LCH)
Euroclear
(internationaler Zentralverwahrer)
Legende:
Continuous Link Settlement (CLS)
Abbildung 3-3: Internationale Vernetzung der Swiss Value Chain in Anlehnung an [Bruchez et al. 2004, 50] 66 67 68 69
Die Zentralbank (ZB) ist zuständig für die Geldpolitik der Handelswährung und daher im Referenznetzwerk zu berücksichtigen. Abbildung 3-7 in Kapitel 3.3.1 zeigt eine alternative Darstellung der wesentlichen Institutionen im Anlagegeschäft bei einer getrennten Ausführung von Clearing und Settlement. Die Swiss Value Chain ist eine gemeinsame Entwicklung von SWX Group (Handel), SIS Group AG (WPAbwicklung und -Verwahrung) und der Swiss Interbank Clearing AG (Zahlungsverkehr) (vgl. [SWX 2007]). Neben der Schweizer Börse (SWX) umfasst die Swiss Value Chain auch die virt-x als Handelsplatz. Die Settlement-Partner der virt-x sind CREST, Euroclear Bank und SIS SegaInterSettle AG, diejenigen der SWX sind Clearstream International, Euroclear Bank und SIS SegaInterSettle AG (vgl. [SWX 2007]).
40
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
3.2.3 Referenzprozess Anlegen In Anlehnung an [Alt 2004, 266f] erkennt die Arbeit den Prozess als zentrales Gestaltungselement und wesentlichen Bestandteil der Umsetzung von Vernetzungsstrategien mit Kunden, Lieferanten und Dienstleistern. Der in diesem Abschnitt vorgestellte Referenzprozess bildet daher die Grundlage für viele Ergebnisse der Arbeit. Der Prozess ist gemäss dem Ansatz der Design Science in Abstimmung mit bestehenden Ansätzen aus der Literatur und auch den Unternehmen (v.a. Partnern des CC Sourcing) entstanden. Der dabei konzipierte Ansatz wurde nachfolgend in mehreren Abstimmungen mit Praxisvertretern angepasst und verfeinert sowie in Workshops des CC Sourcing (erstmals in Workshop 3 von CC Sourcing 1) in einem Gremium von ca. 25 Fachvertretern mehrfach diskutiert und validiert. Der Referenzprozess ist ergo mehr als eine Vereinigungsmenge bestehender Ansätze, auch wenn er auf einer Generalisierung mehrerer Vorarbeiten basiert. Die in der Theorie (vgl. z.B. [Pöhler 2004; Schrauth 2004]) und Praxis (vgl. z.B. [Middendorf/Göttlicher 2003], Abbildung 4–8 aus der Fallstudie zu Bank Vontobel) verfügbaren Prozessbeschreibungen für das Anlagegeschäft erfüllen die Anforderungen einer Grundlage für die Problemstellung Analyse des Aufbrechens der Wertschöpfungskette nur teilweise, sie waren jedoch eine wesentliche Basis für die Entwicklung des in der Folge beschriebenen Referenzprozesses. Kritikpunkte an den bestehenden Ansätzen sind der zu geringe Detaillierungsgrad (z.B. Auftragsverarbeitung als ein nicht weiter detaillierter Block), fehlende Sourcing-Adäquanz (z.B. kein expliziter Prozessschritt Auftragsfreigabe70) und / oder ihr eingeschränkter Umfang (z.B. Fokus auf interne Abwicklung, Ausklammerung des Interbankengeschäfts). Eine weitere Anforderung an den Prozess ist das Aufzeigen von wechselseitigen Abhängigkeiten der Abwicklungsprozesse zu vor- und nachgelagerten Tätigkeiten (z.B. Produktentwicklung, Depotführung) sowie zu anderen Bankprozessen (z.B. Zahlungsverkehr). Der Prozessvorschlag deckt diese Verbindung zu Tätigkeiten, die der Abwicklung einer Wertpapiertransaktion vor- bzw. nachgelagert sind, über die transaktionsbezogenen71 und transaktionsübergreifenden72 Teilprozesse ab, jene zu den anderen Kernprozessen einer Bank durch die Einordnung in ein Bankmodell (vgl. Abbildung 3-6). Die Ableitung des Referenzprozesses aus bestehenden Ansätzen beschreiben [Frei et al. 2006] im Detail. Abbildung 3-4 zeigt eine vereinfachte Gegenüberstellung der Makroprozessschritte des Referenzprozesses (vgl. Abbildung 3-5) und ausgewählter Alternativansätze. Die bei der Analyse identifizierten Abweichungen und Parallelitäten sind in der Folge beispielhaft beschrieben: Der Vergleich der Prozesse zeigt, dass der erarbeitete Referenzprozess (vgl. oberste Zeile in Abbildung 3-4) sämtliche Makroprozessschritte der 70
71 72
Speziell im Private Banking haben es die Partnerunternehmen des Kompetenzzentrums als essentiell erachtet, dass der Teilprozess Auftragsfreigabe explizit einem der Netzwerkteilnehmer zugeordnet werden kann. Motive sind u.a. die Risikosteuerung (z.B. bei grossen Auftragsvolumina) und die Pflege der Kundenschnittstelle. Prozesse, die sich auf die Überwachung oder die Ergebnisse einer Einzel-Transaktion beziehen. Prozesse, die sich losgelöst von einzelnen Transaktionen auf die Aggregation aller getätigten Transaktionen beziehen (z.B. basieren die Beratung und das Kundenreporting auf der Gesamtsicht auf den Kunden).
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft
41
anderen Ansätze abdeckt. Fast alle betrachteten Prozesse beginnen mit einem Teilschritt, welcher inhaltlich der Initialisierung entspricht, lediglich [Schrauth 2004] wählt Research als Ausgangspunkt. Im weiteren Prozessverlauf sind die unterschiedlichen Blickwinkel der Autoren erkennbar. [Middendorf/Göttlicher 2003] gliedern z.B. die Teilschritte mit Fokus auf die Kostentreiber und bilden daher als einzige den Teilschritt Auftragshandel detailliert ab, während alle anderen Alternativprozesse diesen Schritt ausklammern bzw. unter Order Routing subsumieren. Der Prozess der [dwpbank 2005, 23] basiert wie auch jener von [Pöhler 2004] auf einem modularen Providerkonzept, bei dem der Leistungsbezug mit einem Teilschritt zwischen Auftragserfassung und Auftragsverarbeitung beginnt und auch wieder unterbrochen werden kann. ReferenzProzess
A Auftragsinitialisierung
[Pöhler 2004]
A
FrontOffice
B Auftragserfassung
Order- B/D Routing & Ausführung
C
D
E
Auftragsprüfung
Auftragsfreigabe
Auftragshandel
Externe Abwicklung / Interbanken
Depot- Z buchhaltung / Verwahrung
Kundeninformation
C
Execution Support
F
Settlement/ Clearing
F
G
G Auftragsverarbeitung
Z
transaktionsbezogene / -übergreifende Prozesse
Z
Sonderleistungen
[dwpbank 2005]
[Pöhler 2004] analysiert die Wertschöpfungskette anhand der Kooperation der Deutschen Bank AG mit ihrer Abwicklungstochterfirma etb. Sie definieren dabei ein modulares Konzept zur Festlegung von Tiefe und Breite des Leistungsbezugs. E
A-D
Verkauf
E/F
Handelsabschluss
Ordermanagement
G
Abrechnung / Buchung
F
Clearing & Settlement
Z
Z
Backoffice
Depotservice
[Schrauth 2004]
[dwp bank 2004] gliedert das Angebotspektrum des Unternehmens anhand von drei Mandantenmodellen, welche jeweils auf dem dargestellten Prozess aufbauen. Z
A
B/C
Research
Beratung
Erfassung
D
Orderrouting
G
Ordernachbearbeitung
Z
Z
Abwicklung / Verwahrung / Lieferung Depotservice
[Middendorf/ Göttlicher 2003]
Die Plattform der TxB wird von [Schrauth 2004] exemplarisch für eine Wertpapier-Order dargestellt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Berücksichtigung aller geforderten Vertriebskanäle. A
OrderAufgabe
B/C
Kundendisposition
D/E
Orderrouting
E/F
Trade
G Pre- G Delivery Settlement Risk Mgm. Management
F/G
Settlement
Z
Z
Custody
Surveillance
[Middendorf/Göttlicher 2004] untersuchen anhand des dargestellten Prozesses Kostentreiber und Ineffizienzen im Anlagegeschäft.
Legende:
Pretrade Phase
Trade / Externe Abwicklung
Abwicklung /Post-Trade
TRX-übergreifende und -angrenzende Prozesse
Abbildung 3-4: Vergleich des Referenzprozesses mit bestehenden Ansätzen73 Der Fokus des in Abbildung 3-5 dargestellten Referenzprozesses liegt auf der Abwicklung von Wertpapiertransaktionen als vorrangig auslagerbarer Leistung (vgl. [Xchanging 2004]). Da der Prozessvorschlag die angrenzenden Teilprozesse mit berücksichtigt, ist er für das gesamte Anlagegeschäft anwendbar. Der Referenzprozess ist wie folgt strukturiert: Die Makroprozesse74 für die Abwicklung einer Transaktion (TRX) reichen von A bis G, die vor- und nachgelagerten Prozesse von H bis U. 73
74
Erklärung zur Legende mit Buchstaben: Jedem Makro-Prozessschritt des Referenzprozesses wird ein Buchstabe zugewiesen (analog zu Abbildung 3-5). Diese Buchstaben werden den analysierten Prozessvorschlägen zugeordnet, um einen Vergleich der Schritte zu erleichtern. Das Element transaktionsbezogene/-übergreifende Prozesse hat den Buchstaben Z, weil es mehrere Schritte des Referenzprozesses (Schritte H bis U in Abbildung 3-5) umfasst. Die Makroprozesse des Anlagegeschäfts sind mit Buchstaben gekennzeichnet, die in weiterer Folge alternativ zur Prozessbezeichnung verwendet werden.
42
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Die Transaktionsabwicklung umfasst drei Phasen: Die Pre-Trade Phase von A bis E, die Trade Phase (vorrangig Interbankenabwicklung) im Prozessschritt F und die Post-Trade Phase im Prozessschritt G. Prozesse, die nicht im engeren Sinne zur Abwicklung einer Wertpapiertransaktion gehören, sind aufgeteilt in transaktionsbezogene (von H bis K) und transaktionsübergreifende (von L bis U) Prozesse.75
Instrumente: - Beteiligungspapiere - Zinspapiere - Fonds - Derivate - strukturierte Produkte - Edelmetalle (nicht physisch) - Geldmarkt - Devisen
Verwaltungshandlungen
Investigations / Berichtigungen
Reconciliation
Monitoring
Auftragsverarbeitung
N
O
P
Q
R
S
T
U Research
Konformkontrolle
M
PortfolioManagement
Verbuchung
L
Kundenreporting
Spesen- / Gebühren - / VSt-Ermittlung
Compliance
Platzierung
TRX-übergreifende Prozesse
ExposureManagement
Externe Abwicklung Interbanken
Auftragshandel
Kursstellung Devisen
Kanäle: - persönlich - schriftlich - elektronisch
K
Entgegennahme Ausführung
Pooling
Bestandsprüfung
J
Valorenstammpflege
Limiten / Bonitätsprüfung
TRXbezogene Prozesse
Gebührenpflege
Authentisierung
Leitweg- Ausführung bestimmung (Trade)
I
H
Produktentwicklung
AuftragsDatenHandelentgegen- übernahme barkeit nahme (elektronisch)
Auftragsfreigabe
Auftragsprüfung Reg. Prüfung
G
Vertrieb / Beratung
Datenerfassung (manuell)
F
E
Kundenführung
Teilprozesse
Auftragserteilung (Kunde)
D
C
B
Auftrags erfassung
A
Auftragsinitialisierung
Makro-Prozesse
Tabelle 3-5 beschreibt die Makroprozesse des Referenzprozesses, und Tabelle 3-6 erläutert die auf einzelne Transaktionen bezogenen und die transaktionsübergreifenden Prozesse (vgl. rechter Teil von Abbildung 3-5).
Clearing & Settlement Aufbereitung Kundenoutput Druck Kundenoutput Archivierung
Anmerkungen zum Prozess: Die Kombination von Kanal und Instrument beeinflusst den Ablauf des Prozesses. Weder das Befolgen der Ablaufreihenfolge noch ein vollständiges Durchlaufen aller Teilprozesse sind zwingend erforderlich.
Abbildung 3-5: Referenzprozess für das Anlagegeschäft (mit Fokus Abwicklung) [Frei et al. 2006, 8ff] erläutern die in Abbildung 3-5 neben den Prozessen zur Wertpapierabwicklung angeführten Instrumente (z.B. strukturierte Produkte) und Kanäle (persönlich, schriftlich, elektronisch). Kanalbedingte Unterschiede in der Verarbeitung der Instrumente bewirken auch alternative Sourcing-Modelle. So sind beispielsweise die Anforderungen bei der schriftlichen Auftragserteilung andere als beim elektronischen Kanal (z.B. keine Unterschriftenprüfung).
75
Die Unterscheidung in transaktionsbezogene und –übergreifende Prozesse basiert auf der Systematisierung in auftragsbezogene und –übergreifende Aktivitäten nach [Hess 2002].
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft Prozessschritt
43
Beschreibung
Prozesse der Transaktionsabwicklung A Auftragsinitialisierung
Ausgangspunkt des Prozesses ist die Auftragserteilung durch den Bankkunden. Im Rahmen eines Mandats zur Vermögensverwaltung kann der Bankkunde diese Aufgabe an einen Spezialisten (z.B. Kundenberater oder externen Vermögensverwalter) delegieren. Im Zuge der Auftragsentgegennahme ist die Identität des Auftraggebers zu prüfen (Authentisierung).
B Auftragserfassung
Der Ablauf ist abhängig vom Kanal, über welchen der Auftrag entgegengenommen wird. Die Auftragsdaten werden entweder manuell oder elektronisch erfasst. Im ersten Fall unterstützt ein Bankmitarbeiter den Kunden (Order Enrichment) und erfasst die Daten im System, im zweiten Fall übernimmt das System die Daten direkt (z.B. via eBanking).
C Auftragsprüfung
Die Reihenfolge der Prüfungen ist von Institut zu Institut unterschiedlich, oft finden sie parallel zur Auftragserfassung statt. Im abgebildeten Prozess erfolgen zunächst die regulatori76 schen Prüfungen und die Kontrolle der Handelbarkeit der betroffenen Titel, welche bankintern und / oder von Marktseite aus eingeschränkt sein kann (z.B. Verfall, Sperrung). Bei der Limiten- und Bonitätsprüfung prüft die Bank neben der Liquidität des Auftraggebers und der Konformität des Auftrags mit internen Limiten auch Compliance-Regeln, die den Handel bestimmter Instrumente (z.B. für ausgewählte Kundensegmente) verbieten. Zudem wird bei einem Verkauf geprüft, ob der Kunde über die Titel verfügt (Bestandsprüfung) oder die Voraussetzungen für einen Leerverkauf erfüllt.
D Auftragsfreigabe
Nach erfolgreicher Prüfung des Auftrags im vorhergehenden Prozessschritt wird er direkt an den Handel weitergeleitet. Im Falle einer nicht erfolgreichen Prüfung kann eine berechtigte Person den negativen Entscheid übersteuern (z.B. ein Kundenberater setzt das Limit des Kunden für den aktuellen Auftrag ausser Kraft) oder der Auftrag wird vom System mit einer Meldung an den Auftraggeber zurückgewiesen.
E Auftragshandel
Der Auftragshandel betrifft die Aufbereitung des Auftrags, unmittelbar bevor er an die Börse gelangt. Als erster Schritt wird anhand von vorgegebenen Regeln der Leitweg bestimmt. Dabei werden zunächst in den Auftragsdaten enthaltene Instruktionen (z.B. Handelsplatz) berücksichtigt. Daran anknüpfend greifen von der Bank definierte Regeln, die beispielsweise Transaktionen über einem festgesetzten Volumen an bestimmte Broker leiten. Das Pooling bezeichnet die Zusammenfassung von Aufträgen mit identischen Gegenparteien oder ähnlichen qualifizierenden Übereinstimmungen. Zum Abschluss platziert die Bank entsprechend der zuvor festgestellten Merkmale (Instrument, Leitweg, usw.) die Order im Orderbuch des externen Handelssystems, bei einem Broker oder an der Börse.
F
Externe Abwicklung Interbanken
Nach dem Auftragshandel erfolgt die externe Abwicklung (z.B. via SWX), bei welcher der Auftrag entweder bei einem Matching von Angebot und Nachfrage ausgeführt oder aufgrund von (weiteren) Kundenweisungen (z.B. Verfall der Auftragsgültigkeit) storniert wird. Die Ausführung veranlasst eine Abschlussmeldung an die Bank inklusive wesentlicher Informationen wie Kurs, Zeit, Voll/Teil und Kontrahent. Eine Ausführung über elektronische Handelsysteme oder ein darüber fixiertes OTC-Geschäft stösst zusätzlich automatisierte Clearing- und Settlement-Prozesse auf externer Ebene an. Vollständig ausserbörsliche Geschäfte müssen nachträglich von der Bank abgeglichen werden.
G Auftragsverarbeitung
Im letzten Prozessschritt nimmt das Backoffice die Ausführungsbestätigung entgegen und wickelt die ausgeführte Transaktion ab. Bei Geschäften, deren Titelwährung nicht mit der Kontowährung übereinstimmt, stellt die Bank den Devisenkurs gemäss festgelegten Tabellen oder über den Devisenhandel fest. Um die interne Abrechnung zu vervollständigen, müssen die für den Kunden anfallenden Spesen und Gebühren berechnet werden. Sind diese Teilprozesse abgeschlossen, erfolgt die Verbuchung der Titel im Depot und die des Geldes auf dem zugeordneten Konto. Im Zuge der Conformkontrolle prüft der Auftraggeber die Ausführungsbestätigung der Gegenpartei. Die Aufträge werden so von beiden Kontrahenten überprüft und gegebenenfalls reklamiert. Wenn durch das Handelssystem noch keine Instruktionen abgesetzt wurden (z.B. Telefongeschäft), stösst die Bank das Clearingund Settlement-Verfahren über eine zentrale Stelle oder direkt mit dem Kontrahenten an. Nach der vollständigen Abrechnung und Abwicklung des Auftrags erstellt die Bank die Ausführungsbestätigung inklusive der Depotabrechnung für den Kunden. Sie gibt diese in Druck und in den Versand – falls in der Kundenbeziehung vorgesehen. Um den Auftrag endgültig abzuschliessen, archiviert die Bank sowohl die Transaktionsdaten als auch die kundenseitigen Nachrichten.
Tabelle 3-5: Beschreibung der Makroprozesse der Transaktionsabwicklung 76
Für den Handel an amerikanischen Börsenplätzen muss der Kunde ein Formular bez. der Weitergabe von Daten (Qualified Intermediary) an eine amerikanische Depotstelle oder Steuerbehörde unterzeichnet haben.
44
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Prozessschritt
Beschreibung
Transaktionsbezogene Prozesse H Monitoring
Überwachung des Auftragsstatus.
I
Reconciliation
Abstimmung der Titelbestände mit den Depotstellen sowie der Kontostände der NostroKonten mit den Korrespondenzbanken.
J
Verwaltungshandlungen
Ausführung von Verwaltungshandlungen (Corporate Actions) wie z.B. Einladungen zur Generalversammlung, ein Aktiensplit und eine Dividenden-Auszahlung.
K Investigations / Berichtigungen
Durchführung von Nachforschungen und Richtigstellung im Falle von fehlerhaft ausgeführten Aufträgen.
Transaktionsübergreifende Prozesse L
Vertrieb / Beratung
Unterstützung der Bankkunden bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse sowie proaktiver Verkauf von Produkten und Dienstleistungen.
M Kunden-/ Konto-/ Depotführung
Dieser Prozessschritt betrifft im Anlagegeschäft v.a. das Führen der Kundendepots. Es bestehen Schnittstellen zur Kunden- und Kontoführung, die auch für die Prozessbereiche Zahlen und Finanzieren / Kredite relevant sind.
N Produktentwicklung
Entwicklung von Wertpapierprodukten aufgrund von Kundenbedürfnissen und des Marktumfeldes.
O Gebührenpflege Führung der Stammdaten zu den Spesen- und Gebührentarifen (z.B. Courtage). P Valorenstammpflege
Pflege und Führung des Valorenstammes (Stamm- und Preisinformationen).
Q ExposureManagement
Anwendung finanzieller Analysen und verschiedener Finanzierungsinstrumentarien zur Steuerung und Verkleinerung von Risiken.
R Compliance
Überwachung von bankeigenen, gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Weisungen.
S Kundenreporting Erstellung des Kundenoutputs wie z.B. Jahresabschluss für Wertpapier-Depots und Adhoc-Reporting. T PortfolioManagement
Betreuung von Mandaten resp. Verwaltung eines Bestandes an Investitionen im Sinne der mit dem Investor vereinbarten Anlagestrategie.
U Research
Analyse und Einschätzung der volkswirtschaftlichen Situation und der wirtschaftlichen Situation einzelner Branchen. Bewertung der Entwicklung an den Finanzmärkten und der Marktsituation einzelner Unternehmen.
Tabelle 3-6: Beschreibung der transaktionsbezogenen und –übergreifenden Prozesse 3.2.4 Einordnung in ein Bankmodell Das Anlagegeschäft ist nur ein Teil der klassischen Prozesslandkarte einer Bank. Im Zuge einer Vernetzung im Anlagegeschäft sind daher Auswirkungen auf andere Bankbereiche wie z.B. den Zahlungsverkehr mit zu beachten. Das CC Sourcing hat gemeinsam mit den Partnerunternehmen ein umfassendes Bankmodell entwickelt (vgl. [Alt/Zerndt 2008]). Dieses in Abbildung 3-6 dargestellte Modell unterscheidet ausgehend von den Bedürfnissen des Bankkunden die drei Prozessbereiche Zahlen, Anlegen und Finanzieren. Das Referenzmodell soll allgemein als Bezugsrahmen für die Diskussion von Sourcing-Modellen dienen und wird im Rahmen dieser Arbeit als Ordnungsrahmen für die Diskussion von Schnittstellen des Anlagegeschäfts zu anderen Prozessen sowie für die Einordnung von Fallstudien, die über das Anlagegeschäft hinausgehen, verwendet. Wie auch für andere Anwendungsbereiche (z.B. für den Einzelhandel in [Becker/Meise 2004, 106]) gibt es für Banken bereits eine Reihe von Referenzmodellen – sowohl aufbau- als auch ablauforganisatorischer (vgl. z.B. [Frei 2005, 34]) Na-
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft
45
tur. Eine Analyse dieser Bankmodelle zeigt, dass eine anbieterunabhängige, generalisierte Übersicht77 zu den wesentlichen Bankprozessen noch nicht existiert. Daher hat das CC Sourcing auf Basis des Konzepts der Wertschöpfungskette nach [Porter 2001, 74f] und der vier Typen von Unternehmensprozessen nach [Alt 2004, 141ff] (Kunden-, Führungs-, Leistungs- und Unterstützungsprozesse) das in diesem Abschnitt beschriebene Modell entwickelt. Das Modell ist in Form einer Matrix aufgebaut, wobei horizontal die Prozessbereiche Zahlen, Anlegen und Finanzieren und vertikal die oben angeführten Typen von Unternehmensprozessen angeordnet sind. Ausgehend von den nicht auslagerbaren Führungsprozessen und den vereinfacht dargestellten Vertriebsprozessen liegt der Fokus des Modells auf den Leistungs- und Unterstützungsprozessen. Erstere sind analog zum Referenzprozess Anlegen gegliedert in Ausführung & Abwicklung sowie in auf Einzeltransaktionen (transaktionsbezogen) und auf der Summe der getätigten Transaktionen (transaktionsübergreifend) aufbauende Prozesse. Prozesse
Wertschöpfungskette
Zahlen
Anlegen
Planung & Steuerung Führungsprozesse Architektur-Mgt, Controlling,
Finanzieren
Kein Sourcing vorgesehen
Risikosteuerung
TRXbezogene Prozesse
Überwachung Bewirtschaftung Transaktionen Exception Handling
schriftlich
Investigations / Berichtigungen
Monitoring Reconciliation Verwaltungshandlungen Investigations / Berichtigungen
Unternehmensfinanzierung Betriebs- und Investitionskredite Verpflichtungskredite
Lombardkredite
Titeltransfer
Monitoring Reconciliation
elektron.
Akquisition / Beratung / Betreuung Produkte & DL
Baukredite
Devisen
Geldmarkt
Edelmetalle
Fonds (eigene & fremde) Derivate & Strukturierte Produkte
persönlich
Hypotheken
elektron.
Privatfinanzierungen & Leasing
schriftlich
Akquisition / Beratung / Betreuung Produkte & DL Zinspapiere
EBPP
persönlich
Beteiligungspapiere
elektron.
Check / Wechsel
Freigabe Verarbeitung
LSV
Erfassung Prüfung
schriftlich
Akquisition / Beratung / Betreuung Produkte & DL Karten (Kredit und Debit)
Initialisierung
persönlich
DTA
Ausführung und Abwicklung
Kanal Retail-/ Privat-/ Corporate Banking
Zahlungsauftrag (Bar und Giro) Dauerauftrag & Stammliste
Vertriebsprozesse
Kreditüberwachung Kommission / Zinsbelastung Rückzahlung Investigations / Berichtigungen
Eröffnung, Bewirtschaftung, Saldierung, Research (z.B.: Narilo) Kd / Kto. / Depotführung Produktentwicklung
TRX-übergreifende Prozesse
Produktstammpflege Risikomanagement Compliance
Partneradministration (Depotstellen, SIC, Telekurs, Korrespondenzbanken, Gegenparteien) ZV-Produktentwicklung ZV-Gebührenpflege
WS-Produktentwicklung
KR-Produktentwicklung
WS-Gebührenpflege
KR-Gebührenpflege
Valorenstammpflege Exposure-Management
KR-Risiken & CWO
Liquiditäts-Management (Liquiditätsplanung, Repo-Geschäft, Refinanzierung, etc.) Bankeigene, gesetzliche & aufsichtsrechtliche Weisungen
Kundenreporting
Kundenoutput (Depot-, Kontoauszüge, Performanceausweise, etc.)
Kompetenzzentrumsprozesse
Analyse und Research (Wertschriften, Branchen, Volkswirtschaften, Finanzmärkte)
Portfolio-Management
Kredit-Portfolio-Management
Finanzplanung, Steuerberatung, usw. für natürliche Personen Unternehmensbewertung, Nachfolgeregelungen, Finanzplanung, usw. für juristische Personen
Supportprozesse
Human Ressources
Personalwesen
RW & BeBu
Erstellung Bilanz, Erfolgsrechnung, Buchhaltung, Eigenhandel (Nostro, Market Maker), Taxation/Gebühren, etc.
Marketing
Auftritt nach aussen (Broschüren, Muster, Kampagnen, etc.)
Dokumenten-Mgmt.
Vorlagen, Archivierung, etc.
MIS & DW
Kennzahlen, Auswertungen, internes Reporting
Legal Reporting
Externes Reporting (SNB, SWX, EBK, QI, EU-Zinsbesteuerung, etc.)
Beschaffung
Büromaterial, Software, Hardware, etc.
Informatik
Betrieb und Entwicklung IT-Infrastruktur und Applikationen
Sicherheit
Berechtigungen, Infrastrukturüberwachung
Abbildung 3-6: Bankmodell CC Sourcing und Einordnung des Anlagegeschäfts 77
[Alt/Zerndt 2008, 12f] präzisieren die Zielsetzung des CC Sourcing bei der Konstruktion des Bankmodells.
46
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Der gestrichelte Rahmen in Abbildung 3-6 zeigt die Einordnung des Anlagegeschäfts in das Bankmodell. Die Prozessschritte entsprechen mit Ausnahme von bankprozessübergreifenden Komponenten wie z.B. dem Personalwesen und den Führungsprozessen jenen des Referenzprozesses in Abbildung 3-5. Der im Referenzprozess detaillierte Bereich der Transaktionsabwicklung ist im Bankmodell anhand der fünf Wertschöpfungsprozesse Initialisierung – Erfassung – Prüfung – Freigabe – Verarbeitung dargestellt. Anstelle einer Präzisierung der Teilschritte pro Prozessbereich führt das Modell die Kategorien von Bankinstrumenten78 (z.B. Beteiligungspapiere) an. Die folgende Aufzählung nennt beispielhaft wesentliche Schnittstellen zwischen den Teilschritten des Anlagegeschäfts und weiteren bankfachlichen Prozessen: Die Schnittstellen zur Kunden-/ Konto-/ Depotführung sind zahlreich, so werden zum Beispiel für die Plausibilitätsprüfungen bei der Transaktionsabwicklung die Kunden- und Kontostammdaten (Sperrinformationen, Kundentyp, etc.) benötigt. Von der Auftragsverbuchung besteht eine direkte Schnittstelle zum Zahlungsverkehr (Clearing) sowie von der Auftragsprüfung zur Kunden(stamm)führung (z.B. für die Prüfung von Sperrungen der Titel aufgrund von Belehnungen). Der Bestandsabgleich in den Prozessbereichen Zahlen und Anlegen baut häufig auf einem nicht überschneidungsfreien Partnernetzwerk auf. Viele Korrespondenzbanken für Auslandszahlungsverkehr treten auch als Broker und / oder Custodian auf. Schnittstellen bestehen zudem von der Transaktionsabwicklung und der Depotführung zu den übergreifenden Prozess(bereich)en Vertrieb, Gebührenpflege und Kundenreporting sowie zu sämtlichen Supportprozessen. 3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft „It is important to first articulate the larger business network that contains the critical business processes and then adopt a more holistic approach to redesign.” [Short/Venkatraman 1992, 19]
Das Aufbrechen der Wertschöpfungskette führt zu neuen Rollen und zu einer Neuordnung bestehender Rollen. Dieses Teilkapitel präsentiert ein Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft und beschreibt dessen Herleitung (3.3.1), zeigt die Anwendbarkeit des Netzwerks und die Vernetzungspotenziale im Anlagegeschäft anhand von sechs kurzen Fallbeispielen auf (3.3.2), erläutert den Status quo der IS/IT-Unterstützung der Vernetzung im Anlagegeschäft anhand der Rollen des Referenznetzwerks (3.3.3) und weist auf Trends hin, welche künftig die Vernetzung beeinflussen werden (3.3.4). 3.3.1 Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft Als Grundlage für die Ableitung generischer Rollen im Anlagegeschäft berücksichtigt die Arbeit sowohl spezifische Ansätze für das Anlagegeschäft (vgl. Kapitel 3.2.2.) als auch allgemeine institutionelle Ansätze zum Aufbrechen der Wertschöpfungskette (vgl. Kapitel 2.3.1). Die Analyse dieser Ansätze dient nicht nur der Validierung der 78
Einzige Ausnahme ist der Titeltransfer. Dieser Prozessschritt ist spezifisch für das Anlagegeschäft und meint den Transfer von Depotinhalten z.B. im Rahmen einer Saldierung oder Schenkung.
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
47
einzelnen Rollen, sondern zeigt auch deren Unvollständigkeit in Bezug auf die Fragestellung der Arbeit und damit den Mehrwert des entwickelten Referenzmodells. Die Relevanz und die beispielhaften Einflüsse dieser Ansätze sind nachfolgend beschrieben. Neben dem Vergleich mit bestehenden theoretischen Ansätzen basiert das Referenznetzwerk auf einer Analyse von etablierten Kooperationen in der Praxis (vgl. z.B. Kapitel 3.3.2 und 4) sowie auf zahlreichen Expertengesprächen im CC Sourcing und einer Validierung im Rahmen des 2. Workshops von CC Sourcing 2 im Januar 2007. Ausgangspunkt der Entwicklung des Referenznetzwerks ist die in Kapitel 3.2.2 dargestellte bestehende Vernetzung in der Abwicklung von Wertpapier-Aufträgen (vgl. Abbildung 3-2). Der Ansatz in Abbildung 3-7 präzisiert diese Rollen und erklärt deren Verbindungen (vgl. für Details [Guadamillas/Keppler 2001]). Als dritten domänenspezifischen Ansatz berücksichtigt der Vergleich des Referenznetzwerks mit den oben genannten Ansätzen (vgl. Tabelle 3-7) die Studie zum Potenzial der Schweiz als Outsourcing-Standort für Private Banking von [Dang/Lau 2006]. Deren Arbeit beschreibt nicht primär die Funktionsweise des Anlagegeschäfts, sondern eine grobe Marktaufteilung von BPO-Providern und bezieht dabei z.B. die Rollen Asset bzw. Portfolio Manager, externer Vermögensverwalter und (Global) Custodian mit ein. Buying Customer
1,5,8
Buying Broker
2,3
8
4,6,7,8
Custodian Bank
7
Exchange
Selling Broker
2,3
3
8 7
Settlement Agent
Paying Agent
8
Custodian Bank
8
7,8 8
Selling Customer
4,6,7,8
Clearing Agent 8
1,5,8
8 Paying Agent
9 Central Bank
1
Customers place their orders with their respective brokers.
4
Buying and selling brokers send to the Clearing Agent trade details.
7
The Cl. Agent sends securities and fund balances. In case of mistakes the flow continues until the balances are correct.
2
Brokers execute client‘s orders at the Exchange.
5
Brokers deliver confirmation to their customers (details of execution).
8
The securities are delivered in exchange of funds.
3
Exchange sends to the Clearing Agent and brokers the details of the transactions executed.
6
The Clearing Agent compares each side of the trade and provides a report to each broker.
9
The funds are finally registered in the Central Bank accounts.
Abbildung 3-7: Prozesse und Institutionen der Abwicklung von Wertpapieraufträgen in Anlehnung an [Guadamillas/Keppler 2001, 6] Der Ansatz von [Hagel III/Singer 1999] (vgl. Kapitel 2.3.1) ist auf das Referenznetzwerk übertragbar, indem jene Rollen identifiziert werden, welche die drei zu trennenden Kompetenzbereiche repräsentieren. Dies sind z.B. die Rollen externer Vermögensverwalter für die Pflege der Kundenbeziehung und Produktentwickler für die Entwicklung von innovativen Konzepten. Der Ansatz von [Van Heck/Vervest 2007] ist sehr generisch hinsichtlich der Netzwerkrollen und bietet wenig Anhalts-
48
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
punkte für die Evaluierung des Referenznetzwerks. Die einzige Gemeinsamkeit ist die Betonung des Stellenwerts des Risikomanagements in verteilten Architekturen. Die Risikobetrachtung ist im Anlagegeschäft nicht zuletzt aufgrund der hohen Transaktionsvolumina (sowohl nach Anzahl als auch nach Umfang) und des Gegenparteirisikos wesentlich. Das Referenznetzwerk beinhaltet keine separate Rolle Risiko-Manager, da jeder Netzwerkteilnehmer diese Rolle in einem gewissen Ausmass ausüben muss. Die konkrete Ausgestaltung des Netzwerks hat aber durchaus Auswirkungen auf die Verteilung der Risiken (vgl. Kapitel 5.3 zur Bewertung von Risiken bei BNR-Vorhaben). Die Ausgestaltungsmöglichkeiten für eine Bank-Wertschöpfungsarchitektur nach [Petry/Rohn 2005] beziehen sich zwar nicht direkt auf das Anlagegeschäft, der Beitrag umfasst jedoch eine Bankwertschöpfungskette sowie beispielhafte Architekturen, die einzelne Rollen des Referenznetzwerks widerspiegeln. Auch die Architektur für Retailbanking im Informationszeitalter nach [Leist/Winter 2002] enthält konkrete Rollen, die mit Elementen des entwickelten Modells für das Anlagegeschäft übereinstimmen. Das Referenznetzwerk in Abbildung 3-8 soll die (Neu-)Gestaltung von zeitgemässen und / oder innovativen Geschäftsmodellen unterstützen, die auf der Kombination individuell auslagerbarer Dienstleistungspakete basieren. Folglich verteilt das Modell den Referenzprozess Anlegen (vgl. Abbildung 3-5) auf feingranulare, betriebswirtschaftlich überlebensfähige79 Rollen. Eine Prüfung, ob die (Makro-)Prozessschritte die wesentlichen Rollen des Referenznetzwerks abdecken (vgl. rechte Spalte in Tabelle 3-7), schliesst daher die konzeptionelle80 Phase der Entwicklung des Referenznetzwerks ab. Dieser Schritt ergänzt neben der Bestätigung der meisten Rollen das Referenznetzwerk um die Rolle des Archivars. Im Rahmen des Anlagegeschäfts ist die Archivierung von grosser Bedeutung, da an vielen Stellen Informationen anfallen, die langfristig aufzubewahren sind. Neben gesetzlichen und operativen Fragen muss der Archivar auch jene nach dem Schutz der Bankkundendaten beantworten. Das Modell in Abbildung 3-8 umfasst die generischen Rollen im Netzwerk sowie die wesentlichen Informations- und Finanzflüsse, welche diese verbinden. So erhält beispielsweise der Bankkunde als möglicher Initiator des Auftrags nach erfolgreicher Ausführung seiner Order eine Bestätigung. Die Finanzflüsse zwischen dem Kunden und der Vertriebsbank sind asynchron zu verstehen, da in der Regel einzelne Anlageentscheide bzw. Wertpapiertransaktionen entkoppelt von Finanzflüssen sind. Eine Einzelabrechnung ist auch zwischen Vertriebsbank und Broker oder Custodian nicht üblich. Zwecks Reduktion der Komplexität sind Gebühren als Finanzflüsse z.B. zwischen Custodian und Vertriebsbank oder Broker und Händler nicht eingetragen. Die Informationsflüsse zwischen den Rollen sind eindeutig mit Ausnahme der Auftragserteilung an den Händler oder Abwickler und der Platzierung des Auftrags an der Börse (via Broker oder direkt).
79 80
Betriebswirtschaftlich überlebensfähig meint hier, dass die Leistungen der Rolle für sich marktfähig sind. Im Sinne der Design Science (vgl. Kapitel 1.4) wurde das Referenznetzwerk iterativ mit Praxispartnern des CC Sourcing diskutiert, welche die vorliegende Version für vollständig, verständlich und konsistent erklärten.
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
49
Die Rollen in Abbildung 3-8 zeigen die grundsätzlichen Möglichkeiten eines Aufbrechens der Wertschöpfungskette im Anlagegeschäft. Als Erläuterung beschreiben Tabelle 3-8 und Tabelle 3-9 die den Rollen zugeordneten Makroprozesse des Referenzprozesses (vgl. Abbildung 3-5), deren Aufgaben und Charakteristika sowie Schnittstellen zu den anderen Rollen. Die Angabe von beispielhaften Unternehmen soll der Verständlichkeit der jeweiligen Netzwerk-Rolle dienen. Dabei ist zu beachten, dass diese Unternehmen i.d.R. nicht ausschliesslich diese eine Rolle innehaben, sondern in diesem Bereich „nur“ eine besondere Kompetenz aufweisen.
Externer Vermögensverwalter Abwickler Händler (Execution) Broker Börse Clearing-Zentrale National-/Zentralbank Zentralverwahrer Custodian ValorendatenProvider Valorenzentrale Portfolio Manager Research Provider Produktentwickler Finanzplanung Software Provider Application Manager IT-Provider / RZ Archivar
E E ;
E E 82
E
; E
;
; E E
E E ;
Referenzprozess81 Referenzprozess / Bankmodell
[Van Heck/Vervest 2007]
[Hagel III/Singer 1999]
E E
[Leist/Winter 2002]
Vertriebsbank
Aufbrechen der Aufbrechen der WSK - allgemein WSK bei Banken [Petry/Rohn 2005]
Bankkunde
[Dang/Lau 2006]
Rollen im Referenznetzwerk (Abbildung 3-8)
Vernetzung im Anlagegeschäft [Guadamillas/Keppler 2001] [Middendorf/Göttlicher 2003]
Ansätze_
E E ;
E
E
E
E
E
E E E E E E
E E E ; E E E
; ; E
; ; ; ; ;
E ; ; ; ;
E ; E E ;
E ; ; ; E
;
; E E
; E ; ;
E E E E ; E E E E
Legende: E = sehr ähnliche bzw. namensgleiche Rolle
; = ähnliche Rolle
= keine ähnliche Rolle
Tabelle 3-7: Vergleich der Rollen im Referenznetzwerk mit bestehenden Ansätzen 81
82
Legende für die Spalte (Referenzprozess): E = Inhalt der Rolle im Prozess und/oder Bankmodell berücksichtigt / ; = teilweise berücksichtigt / = nicht berücksichtigt. Der Vergleich dient der Prüfung, ob sich alle Rollen des Referenznetzwerks in den Prozessgrundlagen zum Anlagegeschäft widerspiegeln. Die Abdeckung ist nicht vollständig, da es Rollen gibt, die eine Bank nicht wahrnehmen kann wie z.B. Börse, Zentralverwahrer. Die umgekehrte Prüfung, ob die Rollen alle Schritte des Referenzprozesses abdecken, ermöglicht die Zuweisung der Prozessschritte im Rahmen der Rollenbeschreibungen in Tabelle 3-8 und Tabelle 3-9. [Middendorf/Göttlicher 2003] diskutieren neben der Funktionsweise der Abwicklung von Wertpapier-Transaktionen auch mögliche Kooperationsmodelle für die Abwicklung.
Statusinformation
Bestätigung / Status
Auftrag
Auftrag, Mandat
Bestätigung Research Provider
Produktentwickler
Ausführungsbestätigung
Aufträge / Block Orders Modell-Portfolio (Empfehlungen)
Report
Auftrag, Mandat
Abbildung 3-8: Referenznetzwerk Anlegen Application Management
Rohdaten
Börsenplatz Börsenplätze (Trading) (Trading)
Interbanken
Archivierung
Zentralverwahrer Zentralverwahrer (CSD) (CSD)
National-/Zentralbank (z.B. SNB, EZB)
Clearing Cash-Seite (z.B. SIC)
Valorendaten Valorendaten Provider Provider
IT-Provider / Rechenzentrum
Depotstellenabgleich
Rohdaten
Software Provider
Valorendatenaufbereitung (Valorenzentrale)
Titelfluss
(Global) (Global) Custodian Custodian
Bestätigung (Confirmation) / Statusinformation
Bestätigung (Confirmation) / Statusinformation
Rohdaten / Finanzinformationen (z.B. Bloomberg, Telekurs)
Finanzplaner
Angereicherte Daten
Depotstellenabgleich
Clearing
Platzierung des Auftrags
Broker Broker
Platzierung des Auftrags
Settlement-Instruktionen
Portfolio Manager
(Änderungs-) Auftrag Abwickler
Auftrag
Auftrag
Bestätigung (Ausgeführter Trade)
Vertriebsbank
Händler / Execution Desk
Auftrag
Bestätigung / Status
SettlementInstruktionen
Bestätigung / Status
Auftrag
Externer Vermögensverwalter
Informationsfluss
Geld- und Titelfluss
SettlementInstruktionen
BankBankkunde Kunde
Rolle im Referenznetzwerk
Legende:
50 3 Vernetzung im Anlagegeschäft Dienstleistungen & Services
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft Rol- Prozess- Beschreibung le schritte
Beispiele in CH
A, B, D, H, Externe Vermögensverwalter (EVV) konzentrieren sich ausschliesslich auf die L, M, Q, S, Kundenbeziehung und die Verwaltung des Kundenvermögens. Weil ein EVV T i.d.R. keine Banklizenz besitzt, müssen die Kunden stets auch eine Beziehung zu einer VB unterhalten, über welche die Kunden-/ Konto-/ Depotführung erfolgt.
InvestPartners, Gebser & Partner B-Source, Vontobel, RBA Service, Incore Bank, Sourcag Incore Bank, Vontobel, Credit Suisse, UBS
C, G, H, I, Der Abwickler übernimmt administrative Aufgaben, wie die Auftragsprüfung und J, K, M, R, -abwicklung von Transaktionen, die Verwaltung von Kunden- und Bankdepots S inklusive Verwaltungshandlungen sowie Investigations (soweit ohne Kundenkontakt möglich). Er ist in den meisten Fällen verantwortlich für die operative Schnittstelle zum Händler und dem / den Global Custodian(s). Wer von beiden den Vertrag mit diesen beiden Rollen hat, hängt vom Geschäftsmodell und (Bank-)Status von Abwickler und VB ab. E, F, H, I, Der Händler erhält die geprüften Aufträge von VB oder Abwickler und ist verJ, O antwortlich für deren Platzierung sowie für die Entgegennahme der ausgeführten Trades. Er repräsentiert die “central counter-party” (CCP) der VB und stellt direkt oder via Vermittler (Broker) den Zugang zu den Börsen sicher. Der Händler übernimmt für die Kundenbanken ebenfalls oft den Abgleich der Konten bei den Handelsplätzen (Reconciliation). E, F
Der Broker vermittelt den Zugang zu (nicht elektronischen) Börsen und verfügt Swissquote über Wissen von lokalen Gegebenheiten und Handelsgepflogenheiten.
F
Ein Börsenplatz ist ein organisierter Markt für fungible (vertretbare) Güter – d.h. SWX, für Waren, Devisen oder Effekten (vgl. [Albisetti et al. 1990, 219f]). Börsen ha- virt-X ben die Funktion einer Kapitalumschlagstelle, einer Kapitalbewertungsstelle und eines Indikators für die volkswirtschaftliche Entwicklung (vgl. [Eilenberger 1997, 33]). Börsen sind Informationsplattformen zur Bestimmung von Marktpreisen anhand von Angebot und Nachfrage (vgl. [Bruchez et al. 2004, 49]).
F
Das Clearing impliziert die Abwicklung der mit einer Wertpapier-Transaktion SIC verbundenen Abrechnung. Im Schweizer Markt leitet hierzu die SIS als Zentralverwahrer eine entsprechende Zahlungsanweisung an die SIC weiter, die dann die Zahlung(en) veranlasst. Je nach Reife der Marktinfrastruktur erfolgt ein integriertes Clearing und Settlement (vgl. Kapitel 3.2.2) oder die Zahlung wird alternativ über Korrespondenzbanken bzw. nationale Clearing-Institute abgewickelt, zu denen Händler oder Broker eine Beziehung unterhalten. Die National-/Zentralbank ist als Hüterin der Geldpolitik und als ein Regulator 84 der Streetside ein wesentlicher Netzwerk-Teilnehmer im Anlagegeschäft.
Clearing (National-/Zentralbank)
Börsenplatz
83
Abwickler
Bank Linth, Clientis Banken, Bank Reichmuth
Händler / Execution Desk
A, B, C, D, Die Vertriebsbank (VB) konzentriert sich auf die Kundenbeziehung und stellt H, K, L, N, daher Beratungsservices in den Vordergrund. Produkte und AbwicklungsaktiviO, Q, R, S täten bezieht sie von Spezialisten. Auch das Handling von Interbankenbeziehungen (z.B. Handelsnetz, Zahlungsverkehr) gehört nicht zu ihren selbst erbrachten Aufgaben. Einen Sonderfall stellen Aufträge des Eigenhandels dar. Der Eigenhändler ist nicht als separate Rolle berücksichtigt, da seine NetzwerkPosition analog zu jener der VB ist.
Broker
Vertriebsbank
Der Bankkunde erteilt Wertpapieraufträge entweder direkt durch eine Order an seine Vertriebsbank oder indirekt via Vermögensverwaltungsmandat (bei seiner Bank oder einem externen Vermögensverwalter). Weitere Schnittstellen sind Beratung und Nachforschungen bei nicht ordnungsgemäss abgewickelten Transaktionen. [Guadamillas/Keppler 2001, 4] unterscheiden private Bankkunden (Haushalte und Firmen) und institutionelle Kunden (vor allem Banken, Pensionsfonds und Versicherungen). Beide Kategorien sind in ihrer Rolle als Kunden im Anlagegeschäft entweder Käufer, Verkäufer oder Inhaber von Wertpapieren und nehmen nicht direkt an der (Interbanken-)Abwicklung teil.
EVV
Bankkunde
A, K, L, S
51
Tabelle 3-8: Wesentliche85 Rollen im Referenznetzwerk Anlegen (1/2) 83
84
[Middendorf/Göttlicher 2003, 3] umschreiben den Abwickler als Transaktionsbank, die alle BackofficeTätigkeiten rund um das Wertpapiergeschäft übernimmt. Die Leistungspalette reicht den Autoren zufolge von Ordermanagement, Abwicklung, Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren bis hin zur Durchführung von Kapitalmassnahmen (Corporate Actions, CA). Streetside meint sämtliche nicht bankkunden-, sondern interbankenbezogenen Aktivitäten im Anlagegeschäft.
52
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Der Zentralverwahrer (Central Securities Depository, CSD) verwaltet Wertpapie- SIS re, die an (einer) bestimmten Börse(n) gehandelt werden. Er unterhält keine Geschäftsbeziehungen zu Endkunden, sondern lediglich zu Instituten, die unter finanzmarktrechtlicher Aufsicht stehen. Im Referenznetzwerk hat der Zentralverwahrer auch die Funktion eines Settlement Agent (vgl. [Guadamillas/Keppler 2001, 5]), der die Verbuchung der gehandelten Wertpapiere und die Abrechnung ausgeführter Aufträge überwacht. (vgl. auch [Chan et al. 2007, 6ff])
F, I, J
Ein (Global) Custodian hält ein Konto bei mindestens einem Zentralverwahrer und bietet Finanzinstituten an, ihre Wertpapiere am jeweiligen Finanzmarkt zu verwahren. Das Serviceangebot reicht von der Administration der Depotbestände (z.B. CA, Aufbereitung regulatorischer Berichte) bis zu ergänzenden Services (z.B. FOREX). Der Custodian übernimmt die Reconciliation für seine Kunden und wickelt Transaktionen mit den Zentralverwahrern ab. Viele Gross87 banken positionieren sich als sogenannte Global Custodians, d.h. sie arbeiten mit Zentralverwahrern weltweit zusammen. Synergiepotenzial birgt eine Kombination mit den Rollen Broker und/oder Händler. Eine Schnittstelle zum ZV ist die oft parallel ausgeübte Rolle als Korrespondenzbank für Auslandszahlungen.
UBS, SIS, Credit Suisse, BNP Paribas, Citibank
J, P
Die Valorenzentrale übernimmt die Aufbereitung (Filtern und Anreichern um bankindividuelle Felder) der Datenströme von Providern wie Telekurs, Reuters oder WMData. Diese Finanzmarkt-Rohdaten umfassen v.a. Valorenstammdaten wie die ISIN-Nummer, Preise, Unternehmensinformationen und Informationen zu Verwaltungshandlungen. Da die Tätigkeiten und Anforderungen zur Aggregation, Pflege und Bereitstellung dieser Daten für Gruppen von Banken in der Regel gleich oder ähnlich sind, bietet die Konzentration der Aufgaben bei einem Spezialisten Synergiepotenzial. Oftmals sind die Daten (teilweise) manuell in die IT-Systeme der Banken zu übertragen. Ein einheitliches Software-System bietet weiteres Synergiepotenzial (vgl. Fallbeispiel ÖWS in Kapitel 3.3.2).
BEKB, Comit mit Fin-Log, Accenture
(Global) Custodian Valorenzentrale Portfolio Manager
B, D, H, Q, Der Portfolio Manager entscheidet gemäss den Vorgaben des Eigentümers über T die Zusammensetzung des Portfolios. Er benötigt dafür eine integrierte Sicht auf alle Positionen des Portfolios und analysiert es hinsichtlich der Gesamtrendite („Performance“), des Risikos und der Liquidität unter Beachtung der verfolgten Anlageziele. In vielen Fällen berät der Portfolio-Manager den Bankkunden nicht direkt, sondern erstellt Berichte, die der Kundenberater oder Finanzplaner dem Kunden bei der Beratung erläutert (vgl. [Spremann/Gantenbein 2005, 13ff]).
Vontobel, MBC, SGKB via Investment Center
U
Der Research Provider bietet volkswirtschaftlich orientierte Analysen zur relati- ZKB, Credit ven Attraktivität von Ländern, Finanzmärkten, Währungen und Wirtschaftssekto- Suisse, ren. Die Finanzanalyse beschäftigt sich hingegen mit einzelnen Wertpapieren, UBS stellt dazu Informationen bereit und trägt so zu einer fundierten Anlageentscheidung bei. Wesentliche Aspekte im Research sind z.B. Zinssatz, Inflation, politisches Risiko und Konjunktur. (vgl. [Spremann/Gantenbein 2005, 12f])
N
Der Produktentwickler konzipiert innovative Produkte, oftmals verbunden mit der Möglichkeit für Banken, diese unter ihrem eigenen Namen zu verkaufen (whitelabelled). Differenzierungsfaktoren sind der Innovationsgrad, die Geschwindigkeit der Umsetzung / Lancierung (Time to Market) und v.a. die Performance.
L
Der Finanzplaner bietet dem Kunden eine umfassende Analyse seiner finanziel- MLP, AWD len Gesamtsituation. Die Beratung der Kunden kann je nach Segment (z.B. Firmenkunden) andere Schwerpunkte aufweisen. Fokussierte Beratung wie z.B. Wertpapierauswahl ist denkbar. Einen Bestandteil der Analyse bildet in der Regel auch ein Vergleich unterschiedlicher Anlageformen und -strategien.
Research Provider Produktentwickler Finanzplanung
Beispiele in CH
F, I, J
86
Zentralverwahrer
Rol- Prozess- Beschreibung le schritte
Bank Wegelin, Vontobel, UBS, CS, MBC
Tabelle 3-9: Wesentliche Rollen im Referenznetzwerk Anlegen (2/2) 85 86
87
In der Tabelle nicht berücksichtigt sind die nicht-spezifischen Rollen National-/Zentralbank, Software Provider, Application Manager, IT Provider / Rechenzentrum, Archivar und Valorendaten Provider. „Custodians are entities that undertake the safekeeping of securities and other financial instruments on behalf of others. They may provide other services such as clearance and settlement, securities lending, etc. A Global Custodian provides those services in respect of securities traded and settled not only in the country where the custodian is located but also in other countries throughout the world.” [Guadamillas/Keppler 2001, 4] Ein Global Custodian ist i.d.R. nicht in allen angebotenen Finanzmärkten direkt vertreten, sondern nutzt Partnerschaften mit anderen Custodians, bei denen er selbst nur Sub-Custodian ist (vgl. [Chan et al. 2007, 15]).
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
53
3.3.2 Beispiele für Vernetzung im Anlagegeschäft Dieser Abschnitt beschreibt die Position (Ist-Zustand) ausgewählter Unternehmen im Referenznetzwerk (vgl. Kapitel 3.3.1). Die Fallbeispiele decken die Rollen geordnet nach dem Ablauf des Referenzprozesses (vgl. Kapitel 3.2.3) weitgehend ab. Tabelle 3-10 zeigt die Rollenabdeckung für die maximale Leistungspalette der Fallbeispiele. St. Galler Kantonalbank (SGKB)
Vertriebsbank, Abwickler, Händler / Execution Desk, Portfolio Manager
International Transaction Services (ITS)
Direkt: Abwickler, Valorenzentrale via HSBC TuB: Research Provider, Produktentwickler, (Global) Custodian, Broker, Händler / Execution Desk
Sourcag
Abwickler, Application Management
Credit Suisse Financial Institutions (CS-FI)
Broker, (Global Custodian), Händler / Execution Desk, Research Provider, Produktentwickler – Das Angebot anderer Bereiche der CS ist hier ausgeklammert.
Österreichische Wertpapier Service AG (ÖWS)
Valorenzentrale
SegaInterSettle (SIS)
Zentralverwahrer, Global Custodian
Tabelle 3-10: Position der Fallbeispiele im Netzwerk Anlegen Der Einstieg in das Anlagegeschäft erfolgt abgesehen vom Eigenhandel stets über den Kunden bzw. dessen EVV bzw. Vertriebsbank. Das erste Fallbeispiel, St. Galler Kantonalbank (SGKB), repräsentiert eine aktuell bei Schweizer Banken häufige Geschäftsarchitektur, bei der die Bank neben der Vertriebsrolle eine Reihe weiterer Netzwerk-Rollen innehat. Die SGKB ist als Kantonalbank traditionell stark im Retailgeschäft und mit 37 Niederlassungen bei ca. 30% Marktanteil in den Kantonen St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden stark verankert. Per Ende 2006 beschäftigte das Unternehmen 1091 Mitarbeiter (972 FTE). In den Jahren 2001-2006 konnte die SGKB den Betriebsertrag von CHF 350 Mio. auf CHF 555 Mio. steigern und gleichzeitig die Cost/Income-Ratio von 63% auf 48% senken. Mit einer Bilanzsumme von CHF 19,8 Mrd. ist die SGKB die neuntgrösste Schweizer Bank. Im Anlagegeschäft verwaltet die SGKB für ihre 280.000 Kunden insgesamt knapp CHF 39 Mrd. (vgl. [SGKB 2007]) Die Bank betreibt Private Banking sowohl Onshore mit speziellen Niederlassungen im Bodenseeraum als auch Offshore via ihre Privatbank-Tochter HYPOSWISS mit Sitz in Zürich für die übrige Schweiz und das Ausland (vgl.). Im Vergleich der Jahre 2001 und 2006 sind die verwalteten Kundenvermögen im Private Banking von CHF 9,7 auf 26,9 Mrd. gewachsen. Das Investment Center der HYPOSWISS ist als gruppenweites Kompetenzzentrum zuständig für die Anlagepolitik, die Führung von Vermögensverwaltungsmandaten (Portfolio Management), umfassende Finanzplanung (inklusive Steuer, Ehegüter- und Erbrechtsberatung), die Lancierung von strukturierten Produkten und Fondsmanagement. (vgl. [Ryser/Spieler 2007, 115]) Die SGKB führt in einer eigenen Handelsabteilung die Devisen- und Wertpapiergeschäfte der Bankkunden sowie den Eigenhandel durch. Im Geschäftsbericht 2006 nennt die SGKB die Positionierung als führende Anlagebank in der Ostschweiz als eine von drei künftigen Herausforderungen. Im Referenznetzwerk deckt das Unternehmen eine Reihe von Rollen selbst ab. Nur auf der Streetside (Interbankenbereich), bei
54
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
der Valorenaufbereitung und bei den Support-Leistungen Research, Produktentwicklung, Applikationsentwicklung und Rechenzentrum arbeitet die SGKB mit Spezialisten zusammen (z.B. mit der Zürcher Kantonalbank im Brokerage- und mit SIS im Custody-Geschäft). Die Valorenzentrale ist bisher bei der Luzerner Kantonalbank zentralisiert. Auf der neuen88 Bankplattform Avaloq ist geplant, dass die Comit in Koproduktion mit Fin-Log89 diese Rolle übernehmen wird.
Ein primärer Kandidat für eine Auslagerung ist gemäss Studien (z.B. [Schleuniger et al. 2004]) die Abwicklung der Backoffice-Aktivitäten. Die Sourcag90 ist im Markt Schweiz ein etablierter Spezialist in diesem Bereich. Das Unternehmen wurde im April 1998 von den Kantonalbanken Baselland (BLKB) und Baselstadt (BKB) als selbstständige Aktiengesellschaft mit Sitz in Münchenstein gegründet. Beide Eigentümer halten je 50% des Aktienkapitals in Höhe von CHF 3 Mio. Bei der Gründung übernahm die Sourcag etwa 190 Mitarbeiter aus den Backoffices von BKB und BLKB. Aktuell bedient das Unternehmen 15 Kunden stark variierender Grösse (Bilanzsumme von einigen hundert Mio. CHF bis ca. CHF 25,7 Mrd.) in den Segmenten Retail und Private Banking mit Dienstleistungen in den Geschäftsfeldern Wertpapierabwicklung, Zahlungsverkehr und Informatik. Im Anlagegeschäft bietet die Sourcag bereits seit einigen Jahren Dienstleistungen rund um die Rolle des Abwicklers an. Das Unternehmen erbringt für drei Kundenbanken sämtliche Leistungen des Backoffice im Anlagegeschäft mit Ausnahme der Streetside (d.h. Handel, Custody, Brokerage und Börsenabrechnung für die Bank). Die Leistungspalette umfasst u.a. das Settlement, das Zins- / Dividendeninkasso, die Titellieferung, Fondstransaktionen, die Abstimmung mit Aktienregistern und Depotstellen sowie sämtliche unter den Begriff Corporate Actions fallende Tätigkeiten. Als besonders attraktiv für einen Ausbau des Leistungsangebots erachtet die Sourcag die Bereiche Valorenzentrale und Börsen-Backoffice (v.a. Abwicklung und Abrechnung von Aufträgen mit den Netzwerk-Partnern im Interbankenbereich). Die Sourcag betreibt keine eigene Banksoftware, sondern arbeitet auf der Plattform ihrer Mandanten. Im Wertpapierbereich ist aktuell die Bankplattform Ibis von RTC im Einsatz, mittelfristig plant das Unternehmen, seine Leistungen auch auf der Plattform Finnova91 anzubieten. Die International Transaction Services GmbH (ITS) ist ein Gemeinschaftsunternehmen der HSBC Trinkaus & Burkhardt AG (HSBC TuB) und der Telekom-Tochter TSystems International GmbH. Die im Frühjahr 2005 gegründete Kooperation92 erbringt 88
Die SGKB wechselt per Ostern 2008 auf die Bankplattform Avaloq und verlässt die AGI-Community, eine Gruppe von acht Kantonalbanken, die ihre IT-Systeme gebündelt haben und gemeinsam betreiben (lassen). 89 Die Fin-Log ist nicht zu verwechseln mit der Finanzlogistik AG, die bisher für den RBA-Verbund Teile der Wertpapier-Abwicklung übernimmt (vgl. Kapitel 4.5). 90 [Reitbauer/Mansfeldt 2007] beschreiben das Unternehmen Sourcag und sein Leistungsangebot im Detail. 91 Im Zahlungsverkehr erbringt die Sourcag schon heute nicht nur Leistungen für ihre Ibis-Kunden, sondern auch für die 13 Finnova-Banken der Esprit-Gruppe und künftig für die Genfer Kantonalbank. 92 HSBC TuB wird rückwirkend zum 1.1.2008 die Anteile der T-Systems an ITS (49%) erwerben und ist damit künftig Alleineigentümer.
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
55
Securities Services
seit August 2005 BPO-Leistungen im Anlagegeschäft und hat zum Ziel, Banken hochwertige Wertpapier-Abwicklungsservices anzubieten. HSBC TuB bringt Kompetenz in Wertpapier-Abwicklung, -verwahrung und -administration ein, T-Systems ITExpertise und mit GEOS (Global Entity Online System) das Wertpapierabwicklungssystem. Diese Zusammenarbeit einer Bank mit einem IT-Dienstleister ist nach [Datamonitor 2004, 13] eine Besonderheit des deutschen Marktes, die neben der Bündelung von Know-how auch die Unabhängigkeit des Providers stärkt. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass ITS im Auftrag der Kundenbank Wertpapier-Geschäfte abwickelt und Depotservices durchführt (vgl. Abbildung 3-9). Dazu beauftragt die Kundenbank ITS mit der Bearbeitung ihrer Wertpapier-Geschäfte (Settlement, Clearing und Buchung) und Depots (z.B. Verwaltungshandlungen), schliesst einen Depotvertrag mit HSBC TuB ab und kann den Leistungsbezug optional um Handels- und Clearing-Funktionalität ergänzen. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass ITS die Rollen Finanzdatenanbieter (Valorenzentrale) und Servicemandant (Abwickler) übernimmt und im Auftrag der auslagernden Kundenbank weitere Leistungen (Brokerage, Settlement, Custody) direkt bei HSBC TuB bezieht. Order Routing
Abwicklung
Order Entry Order Routing
Order Abwicklung Abrechnung Settlement
Depotservices
Verwahrung Verwaltungshandlungen Registrierung Namensaktien
Legal Reporting Depotübertrag Tax, Reconciliation
Support und Application Services
Wertpapierstammdatenmanagement Kundenbetreuung und spezifische Projekte IT-Entwicklung
IT-Wartung
IT-Betrieb
IT-Migration
Abbildung 3-9: Leistungen und Services gemäss [ITS 2008] Custody Services: Die HSBC-Gruppe ist ein bedeutender Anbieter im Global Custody Geschäft. Das Unternehmen deckt aktuell mehr als 83 Märkte ab und verwaltet ein Wertpapiervermögen von mehr als USD 5,4 Billionen. Das Ziel der Grossbank ist, einen Global Custody Service anzubieten, der flexibel auf die Bedürfnisse der Kundenbanken anpassbar ist. Das Global Custody Team von HSBC TuB bietet in diesem Rahmen umfangreiche Produkte und Serviceleistungen an. Durch die Einbindung in die HSBC-Gruppe kann TuB ein effizientes und kostengünstiges globales Netzwerk sowie zahlreiche Zusatzprodukte zur Verfügung stellen. „Automatisierte Abläufe und die Möglichkeit, bankinterne Order-Management- und BackendSysteme direkt mit einem globalen Broker zu verbinden, lassen das klassische Modell des hauseigenen Execution Desk vermehrt zum Auslaufmodell werden.“ [CS-FI 2007, 2]
Viele Banken denken nicht nur über eine Auslagerung des Wertpapier-Backoffice nach, sondern auch über ein Outsourcing (von Teilen) ihres Interbankennetzwerks. Die Liste der Anbieter von Brokerage- und / oder Custody-Leistungen – an einzelnen Bör-
56
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
senplätzen und auch weltweit – umfasst eine Vielzahl von Unternehmen wie Citybank, Deutsche Bank, BNP Paribas oder StateStreet. Das Fallbeispiel von Credit Suisse Financial Institutions (CS-FI) zeigt den Ansatz und die Vorteile eines zentralen Ansprechpartners für die Leistungen auf der Streetside. In den letzten Jahren hat die Credit Suisse (CS) alle drittbankbezogenen Geschäfte im Geschäftsbereich CS-FI gebündelt, um die institutionellen Kunden aus einer Hand zu bedienen. CS-FI betreute per Ende 2007 mit 70 Mitarbeitern ca. 4.000 Banken in 164 Ländern. Das bestehende Angebot93 basiert primär auf der Produkt- und Netzwerkkompetenz der CS in den Bereichen Zahlen und Anlegen und umfasst neben den Dienstleistungen im Anlagegeschäft z.B. auch Zahlungsverkehr, Cash Management und Devisenhandel. Die bedeutendsten Konkurrenten sind international tätige Grossbanken wie z.B. Merill Lynch, Lehman Brothers, UBS. Im Anlagegeschäft bietet CS-FI Straight Through Processing (STP) Leistungen in den Bereichen Execution / Brokerage, Settlement und Custody sowie SupportDienstleistungen im Order Entry (z.B. via webfähigem GUI). Dies entspricht den Rollen Händler, Broker und (Global) Custodian. Die Leistungen sind aus Sicht der Kundenbank weitgehend frei kombinierbar. Abbildung 3-10 vergleicht die heutige Situation vieler Banken mit einer Reihe von Brokern und einem davon losgelösten Custody-Netzwerk mit dem Lösungsvorschlag von CS-FI, der einem Single Solution Provider für das Interbankengeschäft im Anlagegeschäft entspricht. Nachteile der aktuellen Situation (vgl. linke Seite in Abbildung 3-10) sind der hohe Koordinationsaufwand mit Brokern und Custodians, hohe bankinterne Infrastrukturkosten für die Handels- und Schnittstellenarchitektur sowie die Settlement-Risiken durch Trennung von Brokerage und Custody. Bei der Lösung von CS-FI (vgl. rechte Seite in Abbildung 3-10) kann die Bank prinzipiell alle (Standard-)Geschäfte im Brokerage (durchgezogene Linien) sowie das gesamte Custody-Geschäft (gestrichelte Linien) via CS-FI abwickeln. Auf Wunsch der Kundenbank können Börsenverbindungen im heimischen Markt (z.B. SWX in der Schweiz) von der Kooperation mit CS-FI ausgeklammert werden. Das institutionelle Geschäft kann die Bank über Broker ihrer Wahl abwickeln, das Geschäft wird auch hier via CS-FI verbucht. Bei dieser Lösung entfallen aufgrund der Integration von Broker und Custodian Risiken und Kosten beim Settlement. Zudem wird das operationelle Risiko durch die Vermeidung von Mehrfacherfassung der Aufträge bei mehreren Partnern und weniger zwischenbetriebliche Abstimmung gesenkt. Die Fixkosten der auslagernden Kundenbank können dabei grossteils in variable Transaktionspreise umgewandelt werden. Ein Vorteil der o.a. Integration von Brokerage und Custody ist der Wegfall des Abgleichs von Settlement-Instruktionen (in der Regel SWIFT-Nachrichten) zwischen Broker und Custodian und damit die Ersparnis von signifikantem (grossteils manuellem) Aufwand. Zusätzliches Potenzial bietet die durch die Integration mögliche Verarbeitung in Echtzeit, welche im Vergleich zu den aktuell üblichen Verarbeitungszeiten 93
Der Fokus dieses Kapitels liegt auf dem Anlagegeschäft, die Ausführungen beschreiben nicht alle Dienstleistungen von CS-FI (vgl. ausführlich www.credit-suisse.com/financialinstitutions).
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
57
von t+2 oder t+3 (t bezeichnet den Zeitpunkt der Auftragserteilung) bis zur Buchung ein Differenzierungsmerkmal ist. Zudem minimiert die Integration die SettlementRisiken. Aktuelle Situation: Viele Partner
CS-FI: Ein Partner für den gesamten Prozess
Anlagegeschäft für Retailkunden und Institutionelle Kunden Custodian A Custodian … Custodian X
Lokale / einheimische Börsenanbindung (SWX) Broker 1 Broker … Broker 25
Bank
Bank
Lokale / einheimische Börsenanbindung (SWX)
Anlagegeschäft für Retailkunden Institutionelles Geschäft
Credit Suisse Broker / Custodian
Broker 1
Credit Suisse Broker … Broker 25
Abbildung 3-10: STP-Angebot von CS-FI im Anlageprozess nach [Münch 2006] Abbildung 3-11 zeigt die Einordnung des Angebots in eine vereinfachte Version des Referenznetzwerks Anlegen durch CS-FI. Die Flächen in Abbildung 3-11 symbolisieren die Aufteilung des Anlagegeschäfts in die Verantwortungsbereiche von Vertriebsbank, Backoffice Provider und Bank Service Provider. Das Angebot von CS-FI entspricht jenem des Bank Service Providers. Ein Ausbau des Angebots zum Full Service Provider (Backoffice plus Bank Service Provider) ist am Widerstand der Banken gescheitert. Gründe waren das Aufbauen einer starken Abhängigkeit von einem Partner, die Angst vor einer Konkurrenzierung durch einen Provider und die Sensibilität der Kundenstamm- und Auftragsdaten. Gemäss CS-FI bringt die Konzentration aller Gegenparteien der Streetside auf einen oder wenige Partner signifikante Kostenvorteile94, und diese Zentralisierung ist dank standardisierten Schnittstellen (Reuters, Bloomberg, SWIFT und FIX) ohne hohe Projektkosten umsetzbar. Neben den transaktionsbezogenen Services wie Execution und Custody bietet CS-FI eine breite Palette mit Finanzprodukten und Research-Dienstleistungen. Aktuell wird ein Wertpapierauftrag meist vom Kunden direkt bzw. via Kundenberater erteilt, an den Handel (Execution Desk) weitergeleitet und dort börsenseitig abgewickelt. Eine der Hauptfunktionen ist, den besten Preis im Markt zu finden, entweder direkt an der Börse oder via Broker. Mit dem Trend zur Best Execution (verstärkt durch die Finanzmarktrichtlinie MiFID im EU- und EWR-Raum) fällt diese Aufgabe zunehmend weg, da global agierende und elektronisch mit sämtlichen Börsenplätzen vernetzte Broker den besten Preis im Markt garantieren (vgl. [CS-FI 2007]).
94
Einsparungspotenziale bestehen gemäss CS-FI in der Zusammenlegung der Broker-Beziehungen, Depotstellen und Nostro-Konten sowie in den nicht differenzierenden Tätigkeiten Depotstellenabgleich, Nachforschungen und Management des Interbanken-Netzwerks. Die Kosten für ein Nostro-Konto (ohne Gebühren) schätzt CSFI auf CHF 20.000 p.a. (vgl. [Münch 2007])
58
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Mit dem Angebot Execution Desk bietet CS-FI Drittbanken an, die Schnittstelle zur Streetside für sie zu übernehmen. Der Eigenhandel der Bank läuft in diesem Modell also ebenfalls über das Netzwerk der Credit Suisse.
Abbildung 3-11: Position von CS-FI (Bank Service Provider) im Netzwerk Anlegen95 Speziell im Custody-Geschäft arbeiten die Anbieter eng mit den Zentralverwahrern der jeweiligen Börsenplätze zusammen. Die Ähnlichkeit der Tätigkeiten dieser beiden Rollen führt oft dazu, dass Zentralverwahrer auch Custody-Leistungen anbieten, wie das auch beim Schweizer Zentralverwahrer SIS SegaInterSettle der Fall ist. Die SIS Swiss Financial Services Group AG ist ein Gemeinschaftswerk der Banken in der Schweiz und ist auch in deren Besitz96. SIS SegaInterSettle (in der Praxis und in der Arbeit als SIS abgekürzt) ist eine von vier Töchtern des Unternehmens und beschäftigt 285 der 465 Mitarbeiter. Das Kerngeschäft der SIS ist die Abwicklung von Wertpapiergeschäften auf der Streetside sowie die Verwahrung von Wertpapieren im In- und Ausland. Als Zentralverwahrer bildet die SIS einen integrierten Bestandteil der Schweizer Finanzplatzinfrastruktur (vgl. Abbildung 3-3). Per Ende September 200797 verwahrte das Unternehmen Wertpapiere mit einem Wert von CHF 3.138 Mrd. (davon CHF 2.504 Mrd. für den Schweizer Markt), setzte im Zahlungsverkehr CHF 10.085 Mrd. im SIC um und pflegte über 115.000 Valoren (davon rund 34.000 für den Schweizer Markt). Die Marktstrategie der SIS als Cost-Center der Schweizer Banken ist die Kostenführerschaft, basierend auf dem Angebot standardisierter Dienstleistungen im Kapitalmarkt Schweiz als Zentralverwahrer und als Custodian sowie aktuell in 52 weiteren Kapitalmärkten als Global Custodian. Das Custody-Angebot für die Schweiz erbringt SIS bereits für über 100 internationale Kunden, was etwa 25% der 95 96 97
Die Darstellung stammt aus dem Vortrag von CS-FI im Rahmen des Finance Forums 2007 (vgl. [Münch 2007]). Die Rollen basieren auf jenen des Referenznetzwerks in Abschnitt 3.3.1. Wesentliche Shareholder: UBS 32,99%, CS 22,19%, Kantonalbanken 18,69%, Privatbanken 10,28%. Vgl. https://www.sec.sisclear.com/sec/cm/de/index/pub-about-about/pub-about-whoweare-organisation/pubabout-whoweare-organisation-facts.htm, Abruf: 17. Januar 2008.
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
59
Kundenbasis ausmacht. Etwa ein Drittel der Kunden bezieht das gesamte internationale Geschäft (mehr als 20 Märkte) bei dem Unternehmen. Mandanten, die neben der Verwahrung von Wertpapieren auch an Leistungen wie dem Handel, Massenzahlungsverkehr und Geldmarktanlagen interessiert sind, empfiehlt SIS, sich an eine lokale Universalbank zu wenden. Zudem pflegt das Unternehmen nur Beziehungen mit Finanzdienstleistern und bietet keine Abwicklung und Verrechnung auf Stufe Bankkunde an. [SegaInterSettle 2006; SIS 2007] „Mit der Erkenntnis, dass die österreichischen Banken nicht mit der Qualität der Wertpapierdaten im Backoffice konkurrieren wollen, wurde mit der ÖWS ein höchst effizientes Kooperationsmodell ins Leben gerufen, welches heute eine zentrale Rolle in der österreichischen Wertpapierinfrastruktur spielt.“ [Hödl 2007]
Ein gut gepflegter Valorenstamm ist ein wesentlicher Qualitätsfaktor im Anlagegeschäft. Da alle Banken eine Reihe ähnlicher Tätigkeiten zur Aufbereitung und Veredelung der Rohdaten von Providern für Finanzinformationen wie z.B. Telekurs durchführen müssen, hat sich die Idee einer Zentralisierung dieser Leistungen etabliert. Das in der Folge beschriebene Fallbeispiel über die Österreichische Wertpapier Service AG (ÖWS) erreicht in Österreich mit ihrem Angebot als Valorenzentrale eine fast vollständige Marktabdeckung. Die ÖWS bezeichnet sich selbst als „DatenDrehscheibe in Sachen Wertpapiere für praktisch alle Bankstellen in Österreich“ [ÖWS 2008]. Das heute in Österreich marktführende System (ca. 80% Marktanteil) für die Wertpapierabwicklung GEOS wurde Anfang der 90er Jahre von einigen einheimischen Banken in Auftrag gegeben. Nach der Einführung dieses Systems entstand im Juni 1996 die ÖWS zur zentralen Pflege der Wertpapierstammdaten durch den Zusammenschluss der Datenservices einiger Banken (Bank Austria, Erste Bank AG, GiroCredit, Raiffeisen Zentralbank, Österreichische Kontrollbank und Creditanstalt). Die ÖWS wird als Cost-Center geführt und soll durch die zentrale Beschaffung, Pflege und Verteilung der Daten einen Beitrag zur Kosteneffizienz für den Bankplatz Österreich leisten. Die meisten Mandanten sind auch Gesellschafter der ÖWS. Per Ende 2007 versorgte die ÖWS mehr als 97% der in Österreich tätigen Banken auf mittlerweile drei unterschiedlichen Wertpapier-Systemen mit 25 Mitarbeitern bei einem Jahresumsatz von ca. € 3,2 Mio. Die Kernaufgabe des Unternehmens ist der zentrale Einkauf und die Erhebung von Daten98, deren Aufbereitung (Fehlerkorrektur und Anreicherung um Länder99bzw. Bankenspezifika) und die Übertragung der Daten in die Wertpapier-Systeme der Mandanten. (vgl. [Hödl 2007; ÖWS 2008]) In der Schweiz existieren bereits Beispiele für Valorenzentralen wie z.B. Entris und die Finanzlogistik AG für die Mandanten der Plattform Ibis (vgl. Kapitel 4.4) oder die 98
99
Die Erhebung der Daten der nationalen Finanzinstrumente erfolgt direkt von der Primärquelle am lokalen Markt, wie z. B. von Banken und einschlägigen, gesetzlich befugten Printmedien. Bei internationalen Finanzinstrumenten kooperiert die ÖWS mit renommierten Datenanbietern, vorrangig dem WM Datenservice. Ein Beispiel für diese „Austrifizierung“ ist die Daten-Anreicherung um österreichische KESt-Informationen.
60
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Urner Kantonalbank auf der Finnova-Plattform für sich und die Kantonalbanken von Nidwalden, Glarus, Obwalden und Appenzell (vgl. [Finnova 2005]). Ein ökonomisches Hindernis für eine Zentralisierung der Valorendatenverfeinerung ist in der Schweiz, dass Telekurs als primärer Valorendaten-Provider nur Einzelverträge mit Banken anbietet und dadurch wesentliche Synergieeffekte im Einkauf nicht realisierbar sind. 3.3.3 IS-Aspekte der Vernetzung im Anlagegeschäft “There has been a quantum shift in the importance of IT, and the drive for quality and efficiency continues apace. Wealth managers are investing heavily in this area and it is rapidly becoming a battlefield for differentiation and profitability.“ [Weatherill et al. 2007, 27]
Dieser Abschnitt betrachtet in Anlehnung an [Alt 2004, 140] Daten und Standards als zentrale Gestaltungselemente der BE-Ebene Systeme. Die Bedeutung und zunehmende Verbreitung von Standardsoftware bei Schweizer Banken wird in Kapitel 3.1.3 erläutert. Der Stellenwert von IT im Anlagegeschäft ist hoch und Privatbanken planen – gemäss der Global Private Banking/Wealth Management Survey 2007 mit 265 teilnehmenden Organisationen aus 43 Ländern – ihre Ausgaben in IT weiter zu erhöhen, um die Prozesse und Systeme an die steigenden Anforderungen anzupassen (vgl. [Weatherill et al. 2007, 23ff]): Oftmals behindern monolithische (Alt-)Systeme das Wachstum der Banken, und die bestehenden Lösungen in den Bereichen Beratungssysteme (CRM), Risikomanagement und Reporting erfüllen die Anforderungen seitens der Kunden, der zu verarbeitenden Volumina (erwartetes Wachstum von 70% im Private Banking bis 2010) und der Regulatoren nur bedingt. Die meistgenannten ITProjekte mit höchster Priorität für die Banken sind gemäss [Weatherill et al. 2007] CRM-Systeme (62%), Kundenreporting (62%) und die Erhöhung der STP-Rate in Handel und Abwicklung (43%). Für die Vernetzung im Anlagegeschäft sind besonders die ausgetauschten Daten und die zwischenbetrieblichen Schnittstellen relevant. Die folgenden Teilkapitel behandeln diese Aspekte. 3.3.3.1 Datenaustausch im Referenznetzwerk Anlegen „Die internationale Gefährdung der Vertraulichkeit der Kundendaten führt dazu, dass die Outsourcing-Partner in der Schweiz arbeiten werden. Das Bankgeheimnis bleibt damit aktuell.“ [Geiger 2006]
Ein Charakteristikum der Finanzindustrie ist die Sensibilität der Daten, wobei deren Schutz nicht nur aus Gründen der Vertraulichkeit gegenüber dem Kunden, sondern auch wettbewerbspolitisch eine grosse100 Rolle spielt. Die im Anlagegeschäft wesentlichen Datenarten werden nachfolgend nach selten zu verändernden Stammdaten und bestandsverändernden Bewegungsdaten101 unterschieden.
100 101
„Der Besitz der Stammdaten ist bereits innerhalb eines Unternehmens eine Machtposition, bedeutet überbetrieblich aber eine starke Wettbewerbsmacht.“ [Kagermann/Österle 2006, 190] Vgl. [Mertens et al. 2005, 55] zur Klassifizierung von Daten.
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
61
Wesentliche102 Stammdaten sind neben den o.a. Kundenstammdaten (z.B. Name, Adresse) Konto- und Depotstammdaten (z.B. Währung), Valorenstammdaten (z.B. Valorennummer, Valorenname) und Prüflisten (z.B. für Geldwäscherei). Die beiden letztgenannten sind i.d.R. weniger vertraulich und ähnlich für alle Banken. Typische Bewegungsdaten sind Kauf- und Verkaufaufträge, Statusmeldungen, Storni, Ausführungsbestätigungen, der Kontostand, der Depotbestand und Corporate Actions. Tabelle 3-11 nennt für jede Datenart jene Rollen des Referenznetzwerks, die sie benötigen. Datenart
Rollen aus dem Referenznetzwerk, welche die Daten benötigen
Stammdaten
Kundenstamm
Vertriebsbank, EVV, Abwickler
(Kunden-)Kontostammdaten
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Portfolio-Manager
(Kunden-)Depotstammdaten
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Portfolio-Manager
Valorenrohdaten
Valorendaten Provider, Valorenzentrale, (Global) Custodian, Zentralverwahrer, Händler
Valorenstammdaten
Vertriebsbank, Abwickler, Valorenzentrale
Prüflisten (z.B. Geldwäscherei) Abwickler, Händler, (Global) Custodian, Zentralverwahrer
Bewegungsdaten
Gebühren (kundenbezogen)
Vertriebsbank, EVV, Abwickler
Kauf- und Verkaufaufträge,
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Händler, Broker, Börse
Statusmeldungen / Storni
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Händler, Broker, Börse
Ausführungsbestätigungen
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Händler, Broker, Börse, Zentralverwahrer, Clearing-Institut, (Global) Custodian
Kontostand
Vertriebsbank, EVV, ev. Abwickler (modellabhängig)
Depotbestand Bankkunde
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Portfolio Manager
Depotbestand Vertriebsbank
Vertriebsbank, Abwickler, (Global) Custodian
Informationen Actions
zu
Corporate Vertriebsbank, EVV, Abwickler, (Global) Custodian, Zentralverwahrer
Tabelle 3-11: Zuordnung wesentlicher Datenarten zu den Rollen im Anlagegeschäft 3.3.3.2 (Standardisierte) IS-Schnittstellen im Referenznetzwerk Anlegen „Standards und Plattformen initiieren eine Welle des Value Chain Redesign.“ [Kagermann/Österle 2006, 23]
Kapitel 3.1.3 erläutert die zunehmende Ablösung von (proprietären) Altsystemen durch die Verbreitung von Standard-Bankplattformen, in diesem Abschnitt steht nun die Standardisierung der Schnittstellenlandschaft im Anlagegeschäft und ihre Rolle als Wegbereiter / Hemmnis des Aufbrechens der Wertschöpfungskette im Fokus103. Standardschnittstellen104 sind eine wesentliche Voraussetzung für Vernetzung (vgl. [Guadamillas/Keppler 2001, 3; Leser 2005, 31ff] zur Rolle von Standards), da sie 102 103 104
Auch interne Regeln wie z.B. Prüfvorschriften zur Auftragsfreigabe sind im weiteren Sinne Stammdaten. Allgemeine technische Standards wie TCP/IP oder MQ Series sind nicht spezifisch und daher ausgeblendet. [Kübler 2007, 44] erklärt die Bedeutung von Standards am Beispiel der Beziehung von Fondsgesellschaften und Depotbanken: „Viele … haben bilateral technische Schnittstellen realisiert … Gerade grosse Depotbanken und Fondsgesellschaften, die mit vielen Partnern kommunizieren … stossen dadurch jedoch an Grenzen, wenn es ihnen nicht gelingt, mit mehreren Partnern über einheitliche Protokolle zu kommunizieren.“ Für die angesprochene Kommunikation zwischen Fondsgesellschaft und Depotbanken ist gemäss [Kübler 2007] SWIFT der bei den Depotbanken am meisten verbreitete Standard.
62
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
den zwischenbetrieblichen Informationsaustausch (m:n-Fähigkeit) begünstigen, eine Automation von Prozessen über Unternehmensgrenzen ermöglichen, eine Migration von Teilen der Leistungserstellung zu einem neuen Partner erleichtern und damit die Abhängigkeit von Netzwerkpartnern (z.B. Wechsel eines Brokers) reduzieren. Eine Studie zum Stand der Vernetzung bei Schweizer Banken weist darauf hin, dass die heutigen IT-Standards ungenügend sind (vgl. [Schleuniger et al. 2004, 35f]). Der Grossteil der Befragten (n=44 Banken, Provider und Kooperationen) erachtet nur die Standards in der Zahlungsverkehr- und Wertpapier-Abwicklung als genügend bis gut. Die Befragten sehen v.a. Standardisierungsbedarf bei Commodity-Prozessen als Bedingung für das weitere Aufbrechen der Wertschöpfungskette in der Abwicklung, bei Vorgaben zu Datenfeldern (z.B. für das Geschäftsobjekt Kunde) für den zwischenbetrieblichen Datenaustausch und bei einer Harmonisierung von Produkt(beschreibung)en als Basis für eine effizientere Verarbeitung neuer / fremder Produkte (vgl. [Schleuniger et al. 2004, 36]). Als Input für die Ableitung der Gestaltungsoptionen in Kapitel 5.1 zeigt Abbildung 3-12 einen Überblick zu wesentlichen in der Schweiz im Anlagegeschäft eingesetzten Standards anhand des Referenznetzwerks Anlegen. Neben offiziellen Standards (de jure oder über Gremien) enthält die Abbildung auch Quasi-Standards (de facto), die durch gängige Marktpraxis oder weit verbreitete Applikationen entstanden sind (z.B. Reuters und Bloomberg als Handelsterminals). Oftmals verfügen Banken neben dem eigentlichen Handelskanal noch über Ersatzkanäle als Backup (z.B. Telefon, Fax).
Abbildung 3-12: Etablierte (Standard-)Schnittstellen im Netzwerk Anlegen Wie Abbildung 3-12 zeigt, sind im Anlagegeschäft der Interbankenbereich und das Order Routing, v.a. über FIX105- und SWIFT106-Schnittstellen, weitgehend standardi-
105
Das FIX-Protokoll hat sich in den vergangenen Jahren als Datenaustauschformat im Wertpapier-Bereich etabliert und wird weltweit von mehreren hundert Finanzinstituten und rund 30 Börsen verwendet. Die Variante ist v.a. für kleinere Teilnehmer eine kostengünstige Variante, da sie sich schon bei geringeren Auftragsvolumen lohnt und vergleichsweise einfach zu implementieren ist (vgl. [SWX 2005, 22]).
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
63
siert. Für die Anbindung einer Vertriebsbank an den Handel gibt es sogar eine Reihe von Möglichkeiten. „Die technischen Möglichkeiten, die internen Systeme einer Bank … direkt mit den … Abwicklungssystemen eines globalen Brokers zu verbinden, erlauben eine STP-Lösung ohne eigenes Execution Desk. Dabei wird der … Auftrag vom Kundenberater oder direkt vom Kunden (via E-Banking) erfasst und dann ohne weitere manuelle Intervention an den Broker übermittelt. Die Ausführungsbestätigungen können mit Hilfe des FIX-Protokolls oder als SWIFT-Meldung automatisiert in das Backend-System der Bank zurückfliessen, um dort direkt dem richtigen Kunden zugeordnet und entsprechend verbucht zu werden.“ [CS-FI 2007, 2]
Standardisierungsbedarf besteht für weniger transaktionsorientierte Elemente wie die Beschreibung eines Kunden oder eines Preis-/Gebührenmodells. Die von der Valorenzentrale angereicherten Daten werden i.d.R. direkt in das Bankensystem der Vertriebsbank bzw. des Abwicklers eingepflegt (vgl. Fallbeispiel ÖWS in Kapitel 3.3.2). Abbildung 3-13 zeigt die Anbindungsmöglichkeiten im Aktienhandel für eine Vertriebsbank bei einer Kooperation mit CS-FI (vgl. Kapitel 3.3.2). Je nach Bedarf kann die Anbindung via Bloomberg, Reuters (ROR/RTEX), SWIFT, eigenem GUI (WebSolution EAMnet) oder mit einer FIX-Direct-Lösung erfolgen.107 EQUITIES
FIX FIX Engine existing? YES
(CS) GUI SWIFT
NO
YES
SWIFT Infra existing?
HTML
NO Radianz Network
FIX IN direct
FIX ROR
BB Terminal
SWIFT Network
FIX Bloomberg
SWIFT
Internet
SWIFT PSN
Web Solution
Abbildung 3-13: Anbindungsmöglichkeiten im Aktienhandel nach [CS-FI 2005, 23]
106
Das Unternehmen SWIFT betreibt ein elektronisches NW zur Rationalisierung des internationalen Wertpapiergeschäfts und Zahlungsverkehrs sowie anderer Finanztransaktionen (vgl. http://www.ubs.com/1/g/about/bterms.html). 107 Vgl. https://entry.credit-suisse.ch/csfs/p/b2b/de/banks/about/media/pdf/nl_april07_de.pdf, Abruf 20.02.2008.
64
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
3.3.4 Trends im Anlagegeschäft Die nachfolgende Aufzählung umfasst aktuelle Entwicklungen in der Finanzindustrie mit speziellem Fokus auf die Vernetzung und das Anlagegeschäft: Wandel des Stellenwerts des Handels von einem Differenzierungsfaktor zu einer Administrations- und Monitoring-Stelle. Das traditionelle Aufgabengebiet des Händlers wird verschwinden [Dence et al. 2006]. Die Konkurrenz im Interbankenbereich sowie die steigenden (regulatorischen) Anforderungen an Transparenz und Effizienz (z.B. Schlagwort Best Execution als Teil der MiFID-Richtlinie) verursachen sinkende Margen und erfordern damit eine weitreichende Automation, um den Wertpapierhandel profitabel betreiben zu können. Die Margen auf Standardprodukte (z.B. Aktienorder) sinken. Banken begegnen diesem Trend mit einem Ausbau des Geschäfts mit strukturierten Produkten, die von diesem Margendruck bisher kaum betroffen sind (vgl. [Cocca/Geiger 2007, 74]). Nicht nur die Margen108 bei den Banken gehen zurück, auch die Gebühren von Börsenplätzen (z.B. für das Listing von Produkten) und Zentralverwahrern geraten zunehmend unter Druck. So hat eine Gruppe von internationalen Grossbanken das Projekt Turquoise (vgl. [Cohen 2007]) initiiert, um einen Teil der Aufträge nicht mehr über Börsen als (kostspielige) Intermediäre, sondern direkt untereinander abzuwickeln und auf diese Art Gebühren zu sparen. Risikomanagement wird zunehmend zur Kernkompetenz der Finanzdienstleister. Ein Beispiel für die Folgen falscher Risikoeinschätzung ist die Krise am USHypothekenmarkt (vgl. [Starbatty 2008]). Eine Kooperation (in bankfachlichen Leistungsprozessen) stellt zusätzliche Anforderungen an das Risikomanagement.109 Neben dem Marktrisiko sind im Anlagegeschäft auch operationelle Risiken von signifikanter Bedeutung wie z.B. bei der Abwicklung von Corporate Actions und dem Settlement (vgl. [Chan et al. 2007, 29f]). Im Interbankenbereich ist eine stetige Konsolidierung der global110 agierenden Broker und Custodians im Gange. Das Geschäft ist stark volumenabhängig, die Kosten sind grossteils fix (v.a. stetig hohe Investitionen in die IT-Infrastruktur) und daher ist die Realisierung von Skaleneffekten entscheidend für die Rentabilität trotz tiefer Marktpreise [Chan et al. 2007, 20ff]. Die Top-15 Global Custodians verwahren fast
108
109
110
“Financial markets firms have consistently earned more than the average company over the last decade. As one CEO told us, I was lamenting to my board that my margins had decreased from 36 percent to 33 percent; one of my board members, the head of a grocery chain, stage whispered to his neighbor, ‘Yeah, times are tough for me, too: mine went from two percent to a point and a half!” [Dence et al. 2006, 1] “Risk officers are significantly upgrading their risk management frameworks and systems: The regulatory impact of expanding into new jurisdictions and introducing new products is a real challenge. Risk management is still not fully embedded in wealth managers, nor is it being monitored in outsourced operations. Regulators are no longer sympathetic, and fines or sanctions can be increasingly serious.” [Weatherill et al. 2007] Vgl. [Chan et al. 2007, 9f] zur Internationalisierung von Zentralverwahrern (z.B. Euroclear, Clearstream).
3.4 Zwischenfazit zur Vernetzung im Anlagegeschäft
65
90% der verwalteten Wertpapier-Vermögen von insgesamt rund USD 88 Billionen (vgl. [Chan et al. 2007, 14]). Neue Geschäftspartner drängen in den Markt: von Direktbanken und Direktbrokern auf Bankkundenseite über Institutionelle Kunden (z.B. Pensionskassen als direkte Kunden von Zentralverwahrern), Börsen111 und Zentralbanken (z.B. EZB) im Custody-Geschäft bis zu Ideen wie dem Projekt Turquoise zur Substitution von Börsen durch bankenübergreifende Handelstätigkeit. Speziell bei den vertriebsorientierten Markteintritten besteht neben der Konkurrenzierung auch ein Ertragspotenzial, da z.B. Discounter wie Tchibo oder Lidl (vgl. z.B. [Becker 2008] zur Kooperation von Lidl mit der VW Bank) für ihre Angebote wie Kreditkarten oder Giro-Konten eine Bank als Kooperationspartner benötigen. Bisher findet der Wettbewerb im Anlagegeschäft v.a. beim Kunden, im Interbankenbereich und in der Produktentwicklung statt. Die zunehmende Standardisierung und die Verbreitung von Standardsoftware-Paketen (vgl. Kapitel 3.1.3) führen dazu, dass die Austauschbarkeit der Provider auch im Backoffice zunimmt. 3.4 Zwischenfazit zur Vernetzung im Anlagegeschäft Die Arbeit diskutiert die zunehmende Vernetzung in der Finanzindustrie am Beispiel des Anlagegeschäfts. Dafür schafft dieses Kapitel die bankfachlichen Grundlagen. Besonders hervorzuheben sind dabei die folgenden beiden Referenzmodelle: Der Referenzprozess als Ausgangspunkt für die Analyse des Anlagegeschäfts: Die Vorschläge in der Literatur und Praxis erfüllen die Anforderungen von BNR im Anlagegeschäft nicht vollständig, daher entwickelt die Arbeit einen Referenzprozess und erläutert dessen Aufbau und Schritte. Weil eine isolierte Betrachtung aufgrund zahlreicher Schnittstellen des Anlagegeschäfts zu anderen Bankbereichen wie z.B. Kundenführung und Zahlungsverkehr nicht sinnvoll ist, wird der Prozess in ein (Gesamt-)Bankmodell eingebettet. Das Referenznetzwerk als Bezugsrahmen für die Diskussion von Vernetzungsalternativen im Anlagegeschäft: Der Prozess bildet die Grundlage für die Beschreibung von Positionierungsmöglichkeiten (Rollen) und deren Beziehungen. Das Referenznetzwerk wird aus bestehenden (fachspezifischen und -fremden) Ansätzen konstruiert und an sechs Fallbeispielen beispielhaft angewendet (vgl. z.B. die Einordnung des Angebots von CS-FI in Abbildung 3-11). Diese beiden Ergebnisse wurden jeweils aus bestehenden Ansätzen aus der Literatur und Unternehmen abgeleitet, anhand von Praxisfällen geprüft sowie in mehreren Diskussionsrunden mit Delegierten des CC Sourcing weiterentwickelt und validiert.
111
„Banken und Börsenbetreiber sehen sich verstärkt als direkte Konkurrenten um Kundengebühren und Nachfolgegeschäfte. Etablierte Marktpositionen und ehemals dominante Rollen sind infrage gestellt.“ [Heinz/Schüller 2007, 16]
66
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Dieses Kapitel begründet auch die Wahl des Anwendungsbeispiels Anlagegeschäft, u.a. mit dessen Komplexität sowie dessen Stellenwert für Banken allgemein und die Schweiz im Besonderen. Wesentlichen Aussagen dazu sind: Die Schweiz hat eine exponierte Stellung in der internationalen Vermögensverwaltung, die zum Teil auf der historischen Entwicklung und zum Teil auf der aktiven und leistungsfähigen Bankenlandschaft beruht. Im internationalen Vergleich nimmt der Bankenmarkt Schweiz eine führende Position im Anlagegeschäft ein. Die Banken im deutschsprachigen Raum weisen – nicht nur im Anlagegeschäft – eine signifikante Divergenz zwischen ihren deklarierten Kernkompetenzen und der weitaus umfassenderen Eigenfertigung auf. Da die Breite des Leistungsangebots zumindest beibehalten werden soll, ist eine Zunahme der Vernetzung zu erwarten. Das Anlagegeschäft birgt eine Vielzahl von Vernetzungsoptionen. Die sechs Fallbeispiele beleuchten die Bandbreite der in diesem Geschäftsbereich tätigen Unternehmen und deren Bestrebungen, sich neu zu positionieren. Die Ausgangssituation (z.B. Kundensegment, IS-Landschaft) spielt dabei eine wesentliche Rolle. Die Vernetzung bedingt einen umfassenden Datenaustausch zwischen den Netzwerk-Partnern, für den im Interbankenbereich bereits eine weitreichende Abdeckung mit Standard-Schnittstellen erreicht ist. Für den Austausch von Stammdaten zu Geschäftsobjekten wie Kunde, Konto und Depot fehlen etablierte Schnittstellen. Die Banken erhoffen sich von der Verbreitung von Standardsoftware-Paketen eine Erleichterung der zwischenbetrieblichen Vernetzung aufgrund der dadurch einheitliche(re)n Datenmodelle der Netzwerk-Partner. Im Anlagegeschäft herrscht starker Wettbewerb. Die steigenden Volumina und rechtlichen112 Anforderungen sowie das dynamische Marktumfeld (z.B. neue Marktteilnehmer, veränderte Kundenbedürfnisse) zwingen auch etablierte Unternehmen, permanent in ihre Infrastruktur zu investieren und ihr Geschäftsmodell zu überdenken. Dieses Kapitel ist für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel wesentlich. Kapitel 4-6 bauen nicht nur auf den o.a. Referenzmodellen zum Prozess und Netzwerk auf, sondern referenzieren z.B. auch auf die beschriebenen Institutionen (z.B. aus der Swiss Value Chain), die Fallbeispiele und die in der Schweiz gängigen Bankplattformen.
112
Aufgrund des hohen wirtschaftlichen Stellenwerts sind staatliche Interessen in diesem Geschäftsbereich besonders ausgeprägt.
4.1 Auswahlkriterien und Analyseraster
67
4 Fallstudien Dieses Kapitel schafft mit einer Untersuchung von Lösungsansätzen in der betrieblichen Praxis eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung von Handlungsoptionen für die Vernetzung im Anlagegeschäft und einem darauf abgestimmten Bewertungsansatz in Kapitel 5. Wie schon die Fallbeispiele in Kapitel 3.3.2 zeigen, birgt das Anlagegeschäft vielfältiges Vernetzungspotenzial. Eine zentrale Bedeutung im Netzwerk hat der Abwickler, da dieser sowohl die Kundendepots der Vertriebsbank führt als auch für die Abstimmung mit dem Interbankennetzwerk („Streetside“ – v.a. Brokerage, Custody) verantwortlich ist. Der Auslagerung dieser Rolle attestieren Banken in Deutschland, Österreich und der Schweiz hohes Wachstumspotenzial.114 Das zentrale Unternehmen115 jeder Fallstudie hat die Abwicklung als Teil seines Dienstleistungsangebots für Drittbanken. Dies erleichtert auch die Vergleichbarkeit der Fallstudien. Das Kapitel stellt zunächst die Auswahlkriterien und den Analyseraster vor, der den Fallstudien zugrunde liegt. Darauf aufbauend beschreiben die anschliessenden Teilkapitel die vier Fallstudien. Zum Abschluss zeigt eine vergleichende Analyse die Schwerpunkte und Unterschiede der vier Vernetzungsansätze auf. Die Fallstudien haben den Stand vom 1. Januar 2008. Spätere Änderungen sind nicht berücksichtigt. 4.1 Auswahlkriterien und Analyseraster Gemäss der in Kapitel 1 beschriebenen Themenstellung der Arbeit basiert die Auswahl der Fallstudien auf folgenden Kriterien: Das zentrale Unternehmen erbringt am Markt etablierte BPO-Leistungen für Drittbanken, wobei die BPO-Dienstleistungspalette zumindest die Rolle des Abwicklers gemäss dem Referenznetzwerk Anlegen umfasst. Die Fallstudien unterscheiden sich in wesentlichen Punkten und decken somit eine grosse Bandbreite möglicher Vernetzungsszenarien ab. Massgeblich für diese Unterschiede sind u.a. die Abdeckung von Instituten mit und ohne Bankstatus, die Bedienung von Banken aus dem In- und Ausland bzw. aus den Segmenten Privatund / oder Retailbank sowie die Berücksichtigung von Unternehmen unterschiedlicher Grösse (z.B. nach Anzahl Mitarbeiter). Das Unternehmen steht in einer langjährigen Vertrauensbeziehung zum IWI-HSG und / oder dem CC Sourcing. Dies erhöht die Chancen eines umfassenden Einblicks auch bei sensiblen Themen. Zudem stützen sich alle Fallstudien auf eine mehrjährige Beobachtung des analysierten Unternehmens und seines Marktumfelds. 114
115
Gemäss einer 2005 durchgeführten Marktstudie [Falkenberg et al. 2006] wird in der Schweiz, aber auch in Deutschland, eine (weitere) starke Zunahme der Sourcingaktivitäten im Bereich Wertpapierabwicklung erwartet. Der Anteil der auslagernden Banken in der Schweiz (n=28) steigt von durchschnittlich 25% auf künftig 61%. Gleichzeitig wird mit einer Reduktion der Eigenfertigung gerechnet (heute: 82%, künftig: 56%). Jede Fallstudie betrachtet das jeweilige Netzwerk im Anlagegeschäft analog zur These von [Fleisch 2001, 260] (vgl. Kapitel 2.1.1, Netzwerk-Unternehmen als individuelle Nutzenmaximierer) aus Sicht eines Unternehmens.
68
4 Fallstudien
Die Fallstudien basieren auf einem einheitlichen Raster, um die Vergleichbarkeit der Lösungsansätze zu gewährleisten. Zudem umfassen die Fallstudien eine Beschreibung des Unternehmens und seines Umfelds, um dem Leser die Einordnung der Erkenntnisse in den jeweiligen Kontext zu ermöglichen.
1. 2. 3. 4. 5.
Unternehmen Überblick und Herausforderungen Ausgangssituation Strategie, Prozesse, Systeme Leidensdruck Projekt Projektziele Durchführung Kritische Erfolgsfaktoren Neue Lösung Strategie, Prozesse, Systeme Kosten und Nutzen Geplante Weiterentwicklungen Erkenntnisse
Struktur der Fallstudien in der Arbeit
Struktur nach PROMET BECS
Für den Ansatz des BE-HSG als Forschungsrahmen der Arbeit (vgl. Kapitel 2.1) bietet die Methode PROMET BECS [Senger 2004a] eine einheitliche Struktur für Fallstudien. Diese Struktur sieht vor, dass eine Fallstudie jeweils ein Transformationsprojekt beleuchtet und neben dem Unternehmen stets die Ausgangssituation, das Projekt und die neue Lösung beschreibt (vgl. Tabelle 4-1). 1. Unternehmen Kurzportraits Unternehmenshistorie Geschäftsfelder Kundensegmente 2. Lösung (Vernetzungsoptionen) Strategie, Prozesse, Systeme 3. Bewertung der Lösung Motivation / Notwendigkeit zur Veränderung Kosten und Nutzen 4. Fazit und Ausblick Erkenntnisse Ausblick / geplante Weiterentwicklungen
Tabelle 4-1: Vergleich der Fallstudienstruktur der Arbeit mit PROMET BECS Für die vorliegende Arbeit wurde, wie Tabelle 4-1 zeigt, die Struktur von Fallstudien nach PROMET BECS (vgl. [Senger 2004b, 52]) teilweise angepasst, um der Fragestellung „Darstellung von Vernetzungsoptionen“ gerecht zu werden.116 So beinhalten die Fallstudien z.B. kein Transformationsvorhaben. Anstelle der Ausgangssituation des Projekts und der neuen Lösung wird die vorgeschlagene Lösung inklusive der alternativen Vernetzungsoptionen117 beschrieben. Neben den Gründen für die Veränderung stellen die Fallstudien im Abschnitt Bewertung explizit den Nutzen der neuen Lösung für die Stakeholder dar. Die vier Abschnitte der Fallstudien können somit wie folgt charakterisiert werden: Die Angaben unter Unternehmen umfassen Eckdaten (z.B. Unternehmenshistorie, Geschäftsfelder, Kundensegmente) und Kurzportraits von für das Verständnis der Fallstudie wesentlichen Unternehmen.
116 117
Anhang C beinhaltet den Interviewfragebogen und weiterführende Informationen zu den Fallstudien. In Anhang B.4 sind die Interviewpartner und -termine bei den Unternehmen angeführt. Jedes der analysierten Unternehmen bietet mehrere BPO-Leistungspakete im Anlagegeschäft.
4.2 Fallstudie Bank Vontobel
69
Die Lösung (Vernetzungsoptionen) beschreibt die alternativen NetzwerkKonstellationen, die der befragte Provider einer Vertriebsbank bietet. Dieser Teil der Fallstudie ist nach den Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme gegliedert. Der dritte Abschnitt beinhaltet eine Bewertung der Lösung. Er erläutert den Leidensdruck für einen Wechsel auf die neue Lösung und den daraus entstandenen Nutzen für die beteiligten Netzwerkpartner. Im Abschnitt Fazit und Ausblick wird zunächst im Abschnitt Erkenntnisse die Fallstudie mit ihren Eckpunkten und Besonderheiten in den Kontext der Arbeit eingeordnet. Der Ausblick behandelt die individuellen Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Unternehmens sowie eine Prognose zur Marktentwicklung. Abbildung 4-1 zeigt als generische Ausgangssituation für die Fallstudien das IstNetzwerk für Schweizer Banken. Dieses soll die Einordnung der nachfolgend beschriebenen Lösungen erleichtern sowie deren Relevanz und Anknüpfungspunkte zum Status quo hervorheben. Die Grundlage der Darstellung ist eine im Rahmen des CC Sourcing durchgeführte Delphi-Studie zum Thema „Wertschöpfungsmodelle der Zukunft – Banken und Provider 2010“ (vgl. [Falkenberg et al. 2006]), gemäss der (Schweizer118) Banken heute (noch) eine weitgehend integrierte Wertschöpfungskette haben, sich künftig jedoch vorrangig auf den Vertrieb konzentrieren möchten.
Abbildung 4-1: Generisches Ist-Netzwerk auf Basis von [Falkenberg et al. 2006] 4.2 Fallstudie Bank Vontobel 4.2.1 Zum Unternehmen Das Unternehmen wurde 1924 als Börsenagentur Haeberli & Cie gegründet. Im Jahr 1936 übernahm es Jacob Vontobel, der es in die gleichnamige Bank umfirmierte. Heute ist Bank Vontobel eine international ausgerichtete Schweizer Privatbank mit Fokus 118
An der o.a. Studie haben 28 Schweizer Banken teilgenommen, 11 Privatbanken und 17 Retailbanken.
70
4 Fallstudien
auf Vermögensmanagement für private und institutionelle Kunden. Die ursprüngliche, in vielen Jahren gestärkte Expertise eines Brokerhauses bez. Handel und Abwicklung von Wertpapieren (Streetside) erachtet Bank Vontobel nach wie vor als eine Kernkompetenz, die auch künftig aufrechterhalten werden soll. Folgende Zahlen widerspiegeln den Stellenwert des Anlagegeschäfts für Vontobel: die Abwicklung von ca. 9 Mio. Transaktionen pro Jahr (davon ca. 5 Mio. an der Börse), die Führung von ca. 32.000 aktiven Valoren sowie ein Portfolio von mehr als 4.400 eigenen strukturierten Produkten. Das Produktspektrum der Bank Vontobel ist damit das grösste unter den Anlagespezialisten im Schweizer Markt. Private Banking Private Banking
Investment Banking Investment Banking
Verwaltungsrat
Vermögensverwaltung
Financial ¨Products
Gruppenleitung
Anlageberatung
Brokerage
Integrale Finanzberatung Corporate Finance
Private Banking
Investment Banking
Asset Management
Finanzplanung (CH, (CH, DE) D) Finanzplanung Partnermanagement Steuerberatung Betreuung Vorsorge unabhängiger Nachlassplanung Vermögensverwalter Immobilienberatung/ Transaction Banking Domizilwechsel Solutions Trusts / Stiftungen
Asset Management Asset Management Group Services Operations Finance & Risk
Mandate von institutionellen Anlegern Management und Distribution von Vontobel Anlagefonds Private-Label-Lösungen für Anlagefonds Nischenprodukte
Abbildung 4-2: Geschäftsfelder der Vontobel-Gruppe Die Fallstudie betrachtet das Angebot von Vontobel als Wertpapiertransaktionsbank (vgl. Transaction Banking Solutions in Abbildung 4-2). Zusätzlich zu den in Kapitel 4.2.2 beschriebenen Leistungen bietet Vontobel Drittbanken eine Reihe von Zusatzleistungen aus den Geschäftsfeldern Investment Banking und Asset Management an, wie z.B. mandantenspezifische Produkte, die unter dem jeweiligen Kundennamen verkauft werden (u.a. ist Vontobel verantwortlich für das Design und den Unterhalt des Produkts Raiffeisen Classic Portfolio). Bank Vontobel hat bisher mit Raiffeisen Schweiz einen Kunden im Geschäftsfeld Transaction Banking. Der folgende Abschnitt beschreibt die Geschäftsbeziehung dieser beiden Unternehmen, die in einigen Bereichen mehr als die Leistungen der Wertpapiertransaktionsbank umfasst und über das im Transaction Banking angestrebte Kunden-Lieferanten-Verhältnis hinausgeht. Vontobel erachtet diese Zusammenarbeit daher als strategische Kooperation. Aus technischer Sicht ist das Avaloq Banking System, das Vontobel künftig sowohl intern als auch für Mandanten der Transaktionsbank im Einsatz haben wird, ein wesentlicher Wegbereiter der Zusammenarbeit. Tabelle 4-2 beinhaltet Kurzportraits der Unternehmen Vontobel, Raiffeisen und Avaloq.
4.2 Fallstudie Bank Vontobel
71
Bank Vontobel Gründung
1924
Firmensitz Branche
Raiffeisen Schweiz
Avaloq
1899
1985
Zürich
St. Gallen
Zürich
Privatbank
Genossenschaftlich organisierte Retailbanken
Software Hersteller
Geschäftsfelder
Private Banking, Investment Banking, Investment Fonds & Asset Management
Zahlen, Anlegen, Finanzieren und Vorsorgen
Entwicklung und Verkauf der gleichnamigen Bankplattform
Firmenstruktur
Holding, AG
395 Raiffeisenbanken mit ca. 1200 Niederlassungen
AG
Homepage
www.vontobel.com
www.raiffeisen.ch
www.avaloq.ch
Bilanzsumme
CHF 14 952 Mio.
CHF 113 998 Mio.
keine Angabe
CHF 108 300 Mio.
keine Angabe
keine Angabe
Marktanteil
keine Angabe
18,6% bzw. 13,8%120
keine Angabe
Gewinn vor Steuern
CHF 301,5 Mio.
CHF 23,6 Mio.
keine Angabe
Shareholder
Familie Vontobel und Stiftungen (ca. 52%), Raiffeisen (12,5%), Mitarbeiter (1%), Publikum (ca. 34%)
1,4 Mio. Genossenschafter
Management und nahestehende Personen
Mitarbeiter
1 151
6 764
217
Kunden / Kundenvermögen
Kundenvermögen: CHF 71 400 Mio.
3 Mio. Bankendkunden (davon 1,4 Mio. Genossenschafter)
22 Universal- und Privatbanken
Depotvolumen
119
Tabelle 4-2: Kurzportraits121 von Bank Vontobel, Raiffeisen Schweiz und Avaloq Exkurs zur Kooperation mit Raiffeisen. Von 2004 bis 2006 haben Bank Vontobel und Raiffeisen die bestehende122 Zusammenarbeit im Bereich InvestmentfondsProdukte sukzessive erweitert. Mit der Abwicklung von Wertpapier-Transaktionen, dem Handel und der Verwahrung von Wertpapieren erbringt die Privatbank heute eine breite Palette von Dienstleistungen im Anlageprozess für Raiffeisen. Der dadurch etablierte Zugang für Raiffeisen-Mitarbeiter zur Expertise von Vontobel (z.B. via Produkte und Verkaufstraining) stärkt die Marktpräsenz von Raiffeisen als kompetenten Partner im Anlagebereich. Des Weiteren fungiert Vontobel unter anderem auch als offizieller Portfoliomanager für das Raiffeisen Classic Portfolio und schafft auf diese Weise direkten Wert für die Bankkunden der Schweizer Raiffeisenbanken. Im Gegenzug profitiert Vontobel vom exklusiven Zugang zu einem bedeutenden Verkaufskanal (Raiffeisen Schweiz verfügt über das dichteste Filialnetz in der Schweiz und betreut ca. 3 Mio. Bankkunden) sowie von Skaleneffekten z.B. für die eigene Kundendepotverwaltung. Die Zusammenarbeit wird begünstigt durch die komplementäre Ausrichtung der Geschäftsmodelle: Während Raiffeisen sich vorrangig auf das Retailsegment konzentriert, ist Vontobel auf das Private Banking spezialisiert. Auf diese Weise fördert die Kooperation die Fokussierung von Raiffeisen auf Verkaufsaktivitäten und ermöglicht gleichzeitig die Weiterentwicklung des Kerngeschäfts von Vontobel.
119 120 121 122
Die Angaben zum Depotvolumen umfassen Assets under Management und Assets under Custody. Marktanteil im Sparbereich / Hypothekargeschäft (jeweils geschätzt per Ende 2006). Angaben per Ende 2006 gemäss Publikationen (v.a. Jahresberichte, Websites) der Unternehmen. Seit 1994 verwaltet Vontobel im Auftrag von Raiffeisen Anlagefonds im Wert von über CHF 8 Mrd. (Stand Anfang 2007).
72
4 Fallstudien
Abbildung 4-3: Position von Raiffeisen und Vontobel im NW Anlegen 2004 bzw. 2007 In Abbildung 4-3 ist im oberen Teil der Zustand per Ende 2004 dargestellt und im unteren Teil jener per Ende 2007. Ein Vergleich der jeweils für Raiffeisen und Vontobel markierten Rollen im den beiden Modellen zeigt, dass die Unternehmen durch die Kooperation ihre Redundanzen (vgl. mittelgraue Schattierung) im Anlagegeschäft signifikant reduziert haben: Vontobel hat nun mit Ausnahme der Vertriebsbank und der Finanzplanung alle bankfachlichen Rollen im Referenznetzwerk Anlegen von Raiffeisen Schweiz übernommen. So ist z.B. der Händler in den beiden Teilen von Abbildung 4-3 in unterschiedlichen Graustufen dargestellt, weil Vontobel als Folge der Kooperation sämtliche Transaktionen für Raiffeisen ausführt. Raiffeisen betreibt auch den Eigenhandel über das Netzwerk der Vontobel. Da Vontobel als Privatbank Erfahrung mit komplexen Wertpapier-Prozessen und -Produkten hat, waren die zusätzlichen Anforderungen der Raiffeisenbanken in der Abwicklung von Transaktionen relativ einfach zu erfüllen. Einige der an Vontobel übertragenen Rollen (dunkelgrau) werden gemeinsam mit Drittanbietern wahrgenommen (z.B. Custodian). Die Rollen, deren Symbole hellgrau hinterlegt sind, werden ausschliesslich durch Dritte wahrgenommen.
4.2 Fallstudie Bank Vontobel
73
Im Zuge der Transformation wurden 320.000 Kundendepots mit insgesamt 890.000 Positionen verschoben, Vontobel verarbeitet seither pro Woche durchschnittlich rund 25.000 Handelstransaktionen für Raiffeisen. Das Projekt hatte eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und auf beiden Seiten waren je circa 100 Mitarbeiter beteiligt. Raiffeisen hat in das Projekt rund CHF 40 Mio. investiert, wobei das Unternehmen betont, dass die Einführung einer neuen Wertpapierverarbeitung wesentlich teurer gewesen wäre (vgl. [Schärli 2007, 17]). 4.2.2 Lösung – Angebot der Wertpapier-Transaktionsbank „Wir sind klein genug, um individuell und engagiert auf unsere Kunden einzugehen. Aber auch gross genug, um jederzeit über die notwendigen Ressourcen und Kompetenzen zu verfügen, die professionelle Lösungen ermöglichen.“ (Herbert J. Scheidt, CEO Bank Vontobel)
Strategie. Die Wertpapier-Transaktionsbank basiert auf der über Jahre aufgebauten Expertise von Vontobel als Anlagespezialist. Das Unternehmen bietet Banken in der Schweiz und Liechtenstein123 vollständiges Wertpapier-Sourcing an, wobei der Fokus der Privatbank dabei klar auf ihrer Kompetenz im Interbankengeschäft (Handel, Brokerage und Custody) und der Marktexpertise (manifestiert in Produktentwicklung, Research, Portfolio Management) liegt. Die Abwicklung von Transaktionen und die Depotführung für die Bankkunden ihrer Mandanten (Client Custody) ist eine Zusatzleistung, damit die Mandanten der Transaktionsbank entsprechende Synergien erzielen können. Eine Auslagerung des Wertpapiergeschäfts ohne Client Custody ist aus Sicht von Vontobel weniger effizient, da die auslagernde Bank weiterhin Kompetenz, Mitarbeiter und Applikationen für das Wertpapiergeschäft bereithalten muss, die teilweise redundante Tätigkeiten zum Global Custody ausführen. Abbildung 4-4 skizziert die beiden Module124 des Angebots. Modul 1125 kapselt die Kompetenz auf der Streetside und entspricht dem für jeden Mandanten obligatorischen Basispaket. Modul 2 ist ein optionales „Zusatz“-Paket, das der auslagernden Bank eine umfassende Auslagerung des Wertpapiergeschäfts ermöglicht. Vontobel sieht sich dezidiert nicht als reinen Backoffice Provider, sondern als Anlagespezialisten. In diesem Sinne ist das Angebot nicht darauf ausgerichtet, in einem rein kostenorientierten Wettbewerb mit einem „industrialisierten“ Abwicklungsgeschäft zu bestehen, sondern Anlagekompetenz massgeschneidert anzubieten.
123 124 125
Die Lancierung eines internationalen Angebots erachtet Vontobel aktuell als nicht zweckmässig, da das Wertpapier-Geschäft (noch) stark national geprägt ist. Abbildung 4-8 zeigt die Makroprozesse für beide Optionen und deren Verteilung zwischen Kundenbank und Vontobel. Market Access Services (MAS) betreffen die Bereitstellung der IS-Infrastruktur für den Marktzugang. Dieses Element des Leistungsangebots ist somit klar applikationsorientiert. Client Execution meint die Abwicklung von Kundenaufträgen im Markt und entspricht damit dem Bereich Handel.
74
4 Fallstudien
Abbildung 4-4: Leistungsangebot der Wertpapier-Transaktionsbank nach [Hossli/Schönberger 2007, 8] Hinsichtlich Breite, Spezialkompetenz und Flexibilität des Angebots erachtet Vontobel andere (Gross)Banken wie UBS oder Credit Suisse, die ebenfalls als Dienstleistungsprovider für Banken im Bereich Brokerage und Global Custody agieren, ebenso nicht als direkte Konkurrenten auf dem Schweizer Markt wie Backoffice Provider (z.B. BSource, RBA-Service / Entris, Sourcag, Finaclear). Die Differenzierung aus Sicht von Vontobel resultiert aus der primären Ausrichtung dieser Anbieter auf preissensitive, vorrangig kostengetriebene Commodity-Dienstleistungen im Gegensatz zum Angebot von Vontobel, das umfangreiche Wertpapier-Kompetenz bei Erhalt einer höchstmöglichen Flexibilität im Anlagegeschäft bietet. Folgende Eckpunkte umreissen die Geschäftsbeziehung von Vontobel als Transaktionsbank mit künftigen Mandanten: Eine Kapitalverflechtung, wie im Falle der 12,5%-Beteiligung von Raiffeisen Schweiz, soll ein Sonderfall bleiben. Generell strebt Vontobel mit neuen Mandanten ein reines Kunden-Lieferanten Verhältnis an, das durch detaillierte Service Level Agreements definiert ist. Änderungswünsche zum Leistungsangebot können via vordefinierte Change Requests eingebracht werden. Die Mandanten der Transaktionsbank haben kein direktes Mitspracherecht. Diese Regelung gilt auch für den Vertreter von Raiffeisen im Verwaltungsrat von Vontobel. Die Mindestlaufzeit des Sourcing-Vertrags ist abhängig vom Umfang der Projektkosten. Nach einer Initialphase, in der sich diese Startkosten amortisieren, sollen sich der Leistungsbezug und damit auch die Preise am Markt bewähren.
4.2 Fallstudie Bank Vontobel
75 Interbanken
Avaloq Evolution AG
Broker
Wertschriften
>1200 Points of Sales Umfassende WP-Kompetenz
Raiffeisen Schweiz
Börsenplatz
Vontobel
12.5%
WP-Transaktionsbank
Kundenbank Market Access Service Kundenbank Client & Global Custody
Zentralverwahrer
Custodians
Potenzielle Kunden
Zahlungsverkehr Projektbezogene Aktivitäten
Nationales Clearinginstitut (z.B. SIC)
IT-Partner IT-Partner
Korrespondenzbank
Lieferanten und Partner Telekurs
Reuters
Bloomberg
SWIFT
Legende: Geschäftspartner
ist beteiligt an
hat vertragliche Marktbeziehung zu
Abbildung 4-5: Geschäftsnetzwerk von Vontobel als Wertpapier-Transaktionsbank Das Geschäftsnetzwerk der Transaktionsbank sieht vor, dass Vontobel für die Mandanten möglichst alle Schnittstellen für Brokerage und Custody übernimmt (vgl. Abbildung 4-5). Für die Transformation und die IT-Unterstützung einer Kooperation arbeitet Vontobel mit IT-Partnern zusammen, die fallspezifisch von der Kundenbank ausgewählt werden können. Die Vertragskonstellation sieht vor, dass Vontobel einen Outsourcing-Vertrag für Bankprozesse mit der Kundenbank (inklusive Service Level Agreements und Service Management Vertrag) und einen Outsourcing-Vertrag für ITDienstleistungen mit dem IT-Partner eingeht. Das Auftrags- und Vertragsverhältnis zwischen Kundenbank und IT-Partner betrifft im Anlagegeschäft „nur“ eventuelle Projektaktivitäten und nicht den laufenden Betrieb. Dadurch ist gewährleistet, dass die Kundenbank für Leistungen der Wertpapier-Transaktionsbank nur Vontobel als Vertragspartner hat, was den Betrieb für beide Seiten vereinfacht. Prozesse. Mit Ausnahme einiger weniger Prozessschritte, die direkt mit der Bankkundenschnittstelle verknüpft sind (vgl. Abbildung 4-8), bietet Vontobel potenziellen Mandanten der Transaktionsbank ein vollständiges Dienstleistungsportfolio im Anlagegeschäft. Dieses breite Angebot erlaubt einer auslagernden Bank, die Ressourcen in der Abwicklung dieses Bankbereichs einzusparen bzw. diese für andere Tätigkeiten wie z.B. den Vertrieb einzusetzen. Abbildung 4-6 skizziert die Leistungsblöcke inklusive deren Verbindungen. Die folgende Aufzählung beschreibt diese.
76
4 Fallstudien
Abbildung 4-6: Übersicht zum Leistungsangebot nach [Hossli/Schönberger 2007, 12] 1. Order: Die Auftragserfassung bei der Kundenbank bildet den Ausgangspunkt. Vontobel unterstützt die Kundenbank hier optional durch spezielle Order Management Systeme (vgl. Market Access Services in Abbildung 4-4). 2. Trading: Vontobel platziert den erfassten, von der Kundenbank geprüften und freigegebenen Auftrag (Order) entweder direkt oder via Broker im Markt. 3. Deal Price: Bei erfolgreicher Ausführung des Auftrags erhält Vontobel eine Bestätigung mit den Ausführungsdetails. 4. Trade Confirmation & Booking: Als Folge der Ausführung informiert Vontobel die Kundenbank mittels Bestätigung und verbucht die Transaktion gemäss ihrer Rolle als Global Custodian in ihren Büchern. Voraussetzung für die Buchführung ist die Pflege des Valorenstamms (Security Master Data), der auch für die Kundenbank bereitgestellt wird. 5. Reconciliation: Falls die Kundenbank die bankkundenseitige Abwicklung an Vontobel ausgelagert hat (vgl. Modul 2 in Abbildung 4-4), verbucht die Transaktionsbank die Ausführung des Auftrags auch am Bankkundendepot und übernimmt dessen Abrechnung. In diesem Fall stimmt Vontobel die Depotbestände des Bankkunden und der Kundenbank (Reconciliation) intern ab. Falls die Kundenbank diesen Teil des Anlagegeschäfts selbst betreibt, ist eine separate Abstimmung zwischen ihr und Vontobel erforderlich. Gemäss dem Referenznetzwerk Anlegen übernimmt Vontobel eine Reihe von Rollen (vgl. Abbildung 4-7). Neben den obligatorischen Rollen Händler, (Global) Custodian und Valorenzentrale bietet Vontobel das Modul Abwicklung sowie eine Reihe von Zusatzleistungen mit Research Provider, Produktentwickler und Portfolio Manager an.
4.2 Fallstudie Bank Vontobel Vontobel Modul 1 (Execution & Global Custody)
Auslagernde Bank Vontobel Modul 2 (Client Custody) Dritte
77 Interbanken
Broker
Börsenplatz
Vontobel Zusatzservices
Händler / Exec. Desk
EVV
Clearing National- / Zentralbank
Bankkunde
Zusatzleistungen:
Vertriebsbank
Abwickler
(Global) Custodian
Portfolio Manager
Valorenzentrale
ValorendatenProvider
Research Provider
Produktentwickler
Finanzplanung
Software Provider
Application Manager
Zentralverwahrer (CSD)
ITOProvider
Archivar
Abbildung 4-7: Angebot der Transaktionsbank Vontobel im Netzwerk Anlegen Ergänzungen zu einzelnen Rollen: Application Manager: Nur für ausgewählte Aspekte, vor allem für Market Access Services (MAS). Vontobel setzt z.B. eine Avaloq-basierte Standardsoftware von Comit ein, welche die auslagernde Bank für das Order Management nutzen kann. Broker: Vontobel nimmt diese Rolle z.B. für in der Schweiz gehandelte Aktien wahr. Produktentwickler: Vontobel bietet eine breite Produktpalette. In der Schweiz ist die Bank mit ihrem Titeluniversum Marktführer nach Anzahl Produkten. Die Ausgestaltung des Marktzugangs (z.B. Auswahl Broker) liegt grundsätzlich im Verantwortungsbereich von Vontobel. In Ausnahmefällen ist Vontobel bereit, auch frühere Partner-Broker von Mandanten zu bedienen, also Kundenbankbedürfnisse in der Brokerpolitik mit zu berücksichtigen. Diese Partner-Broker werden allerdings geprüft, ob sie den Qualitätsansprüchen von Vontobel genügen. Ein Beispiel für derartige Ausnahmen ist, wenn die auslagernde Bank von einem Broker ResearchInformationen für einen bestimmten Markt als Gegengeschäft für das abgewickelte Volumen bezieht. Die bankkundenbezogene Abwicklung (Client Custody) ist für Vontobel vorerst nicht an Dritte auslagerbar, da die Handhabung komplexer Wertpapier-Produkte nicht mit der „standardisierten“ Kundendepotverwaltung und Auftragsbearbeitung von Aktien vergleichbar ist. Vontobel sieht auch im Backoffice, das in Studien eher als Commodity eingestuft wird, derzeit einen Differenzierungsfaktor. Das Unternehmen übernimmt auf Wunsch der Bank auch die Aufbereitung des Kundenoutputs, es stellt z.B. den Raiffeisenbanken täglich die notwendigen Daten für die Aufbereitung der Abrechnungs- und Depotdokumente zur Verfügung. Der eigentliche Druck und Versand finden bei der Raiffeisenbank vor Ort respektive zentral in St. Gallen statt.
78
4 Fallstudien
Abbildung 4-8 zeigt abschliessend die Prozessverteilung zwischen Vontobel als Transaktionsbank und dem Kunden bzw. dessen Bank.
Abbildung 4-8: Wertschöpfungskette für Gesamtwertpapier-Sourcing nach [Hossli/Schönberger 2007, 10] Das Preismodell der Transaktionsbank orientiert sich jeweils an der Leistungsart. So ist z.B. die Bepreisung der Ausführung von Aufträgen im Markt (Execution) vollständig variabel. Für (Global-)Custody-Leistungen werden neben einem Basispreis, dessen Volumen im Verhältnis zu den variablen Kosten gering ausfällt, spezifische CustodyFees126 in Form von Basispunkten auf das Volumen verrechnet, die von Parametern wie Volumen und Markt abhängig sind. Für die Bereitstellung der FrontendApplikationen im Rahmen der Market Access Services stellt Vontobel wiederum einen Fixpreis in Rechnung. Für die Backoffice-Abwicklung und Depotführung variiert das Pricing ebenfalls je nach Leistungsart. Lieferungen sind z.B. mit einem Stückpreis hinterlegt, was eine vollständige Variabilisierung der Kosten bedeutet. Systeme. Da das bestehende Host-System von Vontobel nicht mandantenfähig ist, hat Vontobel für die Kooperation mit Raiffeisen die Avaloq-Plattform für die Wertpapierabwicklung von Raiffeisen eingeführt. Da die Wertpapierdepots der Vontobel-Kunden weiterhin auf dem eigenen Host-System geführt werden, betreibt Vontobel die Depotführung momentan parallel auf zwei unterschiedlichen Systemen. Anfang September 2007 hat Vontobel angekündigt, das selbstentwickelte Host-System per 01.01.2009 durch das Avaloq Banking System abzulösen. Von der geplanten Konsolidierung der Plattformen erwartet Vontobel signifikante Einsparungen. Den Handel wickelt Vontobel bereits seit 2006 für beide Partner über ein weitgehend harmonisiertes Netzwerk auf der gemeinsamen Plattform OTMS ab. Bei der geplanten Ausweitung des Mandantenkreises der Transaktionsbank setzt Vontobel ebenfalls auf die Standardapplikation des Software Providers Avaloq. Dieser unterstützt das Geschäftsmodell von Vontobel als Provider durch einen speziellen Nutzungsvertrag. Der modulare Aufbau und die Mandantenfähigkeit von Avaloq sind ein Beispiel, wie ein Standardsoftware-Paket das 126
Die Abwicklung von Corporate Actions ist durch die Custody Fee gedeckt (marktüblich).
4.2 Fallstudie Bank Vontobel
79
Aufbrechen der Wertschöpfungskette und damit die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ermöglicht und unterstützt. Zudem geht Vontobel davon aus, künftig einen Wettbewerbsvorteil durch die Implementierung der Services auf dieser Plattform zu haben. Die Erfahrungswerte in der Transformation und Leistungserbringung auf dieser Plattform sollen Vontobel eine Kooperation mit weiteren Banken auf dem Avaloq-System erleichtern (vgl. Abschnitt 3.1.3 zur Verbreitung von Avaloq im Schweizer Bankenmarkt). Die IS-Landkarte (vgl. Abbildung 4-9) zeigt, dass Schnittstellen zu Netzwerkpartnern über eine EAI-Middleware realisiert sind. Neben den beiden genannten Kernbankensystemen betreibt Vontobel eine Reihe von Spezialsystemen, die den spezifischen Anforderungen (z.B. hinsichtlich Performance und Parametrisierbarkeit) gerecht werden. Die unternehmensinterne Integration der Applikationen basiert auf proprietären Schnittstellen, zu externen Partnern bestehen durchwegs Standardinterfaces.
Abbildung 4-9: IS-Architektur der Wertpapier-Transaktionsbank 4.2.3 Bewertung der Lösung Bisher haben fehlender Kostendruck, der Mangel an praxiserprobten Lösungen und nur bedingt etablierte Angebote dazu geführt, dass kleine und mittelgrosse Banken gezögert haben, Teile ihrer Wertschöpfung (im Anlagegeschäft) auszulagern. In den nächsten Jahren wird es einen Anstieg der Sourcing-Aktivitäten geben, die über die bisher häufig diskutierte Auslagerung des Backoffice hinausgehen (vgl. z.B.
80
4 Fallstudien
[Falkenberg et al. 2006, 78]). Bei diesen Kooperationen wird weniger die Kostenreduktion als der Einkauf von Kompetenz im Vordergrund stehen. Die zunehmenden Anforderungen seitens der Bankkunden und der regulatorischen Rahmenbedingungen erschweren es Banken, das Anlagegeschäft umfassend und effizient zu betreiben. Die Kooperation mit einem Spezialisten wie Vontobel ermöglicht auch kleinen Banken bzw. Instituten ohne ausgeprägte Kompetenz im Anlagegeschäft, ihren Bankkunden eine breite Produkt- und Dienstleistungspalette zu bieten, ohne dafür z.B. die Abwicklungsrisiken tragen zu müssen. Tabelle 4-3 fasst die Nutzenpotenziale für beide Stakeholder – Outsourcer und Vontobel – zusammen. Nutzen für eine auslagernde Bank
One-Stop-Shop für das Anlagegeschäft (nur ein Vertragspartner) Übertragen von Prozessrisiken Flexibilität des Providers hinsichtlich der Abbildung von Spezifika der Bank Möglichkeit Handel und Abwicklung in allen Märkten für alle Asset Klassen und Instrumente zu beziehen Höhere Kostentransparenz Teilweise Variabilisierung der Kosten Zugang zu Experten-Know-how auf Fach- und ITSeite
Nutzen für Bank Vontobel als Provider
Mehrvolumen generiert Skaleneffekte aufgrund der hohen Automation: Die Straight Through Processing (STP) Rate bezogen auf das gesamte Order-Volumen beträgt über 90%.127 Die Transaktionsbank erlaubt bestehende Fixkosten mit den Mandanten zu „teilen“. Aufrechterhaltung und Ausbau der Kernkompetenz im Anlagegeschäft Erschliessung eines neuen Geschäftsfeldes
Tabelle 4-3: Nutzen der Wertpapier-Transaktionsbank für Banken und Vontobel Die Sourcing-Diskussion birgt auch eine Reihe von Fallstricken. Im Anschluss sind zwei davon aufgeführt, die Vontobel als besondere Herausforderungen erachtet: Der Widerstand vieler Banken gegen eine umfassende Standardisierung in Form einer Anpassung eigener Prozesse an jene der Transaktionsbank vermindert das Synergiepotenzial. Andererseits ist diese Flexibilität, einzelne Kundenwünsche zu erfüllen, ein mögliches Differenzierungsmerkmal. Voraussetzung dafür ist stets die wirtschaftliche Attraktivität des Vorhabens (d.h. ein positiver Business Case). Einsparungseffekte können nicht verallgemeinert werden. Erschwerend bei der Abschätzung von Einsparungen sind die oft fehlende interne Kostentransparenz der auslagernden Banken sowie der Vergleich von inhaltlich unterschiedlichen Kostenblöcken aufgrund einer nicht exakten Vollkostenrechnung. Zudem ist wesentlich, ob die auslagernde Bank die betroffenen internen Kostenblöcke tatsächlich abbauen kann oder ob sie aufgrund einer nur partiellen Auslagerung z.B. die Infrastruktur für das Wertpapiergeschäft weiterhin betreiben und weiterentwickeln muss.
127
Gründe für manuelle Prozesseingriffe sind das Überschreiten von Auftragslimiten (zusätzliche manuelle Prüfung), spezielle unstrukturierte Abwicklungsanweisungen für den Handel und / oder die Abwicklung (der Anteil dieses Faktors soll durch zusätzliche Parametrisierungsmöglichkeiten bei der Eingabe minimiert werden) sowie fehlerhafte Angaben.
4.3 Fallstudie B-Source
81
4.2.4 Fazit und Ausblick Fazit. Bank Vontobel bietet als Wertpapier-Transaktionsbank ein breites Dienstleistungsspektrum, das relativ flexibel an die Bedürfnisse einer auslagernden Bank anpassbar ist. Fundamentaler Bestandteil des Leistungspakets ist die Abwicklung des transaktionsbezogenen Interbankengeschäfts mit den Elementen Ausführung von Kundenaufträgen (Client Execution) und Global Custody. Vontobel erachtet die Transaktionsbank als Möglichkeit, eigene Kernkompetenzen Partnern am Markt anzubieten, um in der Folge die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit durch zusätzliches Volumen zu steigern und so diese Kernkompetenzen zu erhalten. Das Unternehmen ist jedoch nicht interessiert an einem primär kostenorientierten Massengeschäft mit einem aufgrund von Standardisierung eingeschränkten Produkt- und Dienstleistungsspektrum. Vontobel will trotz des klaren Bekenntnisses zu Wachstum im Bereich der Transaktionsbank auch künftig als Wertpapier-Spezialist mit Boutique-Charakter gelten. Ausblick. Generell ist BPO von bankfachlichen Prozessen im Gegensatz zu klassischen Outsourcing-Feldern wie Betrieb und Entwicklung von IT-Infrastruktur, Personalwesen und Marketing in der Schweizer Finanzindustrie noch nicht etabliert. Banken sind hier noch wenig kompromissbereit und erachten auch Spezifika in CommodityProzessen als wesentlich. Wachsende Konkurrenz und steigende Anforderungen an die Bank-IT, auch aufgrund von gesetzlichen Vorgaben (z.B. Best Execution Policy nach MiFID), sind wesentliche Faktoren des in den nächsten Jahren zunehmenden Aufbrechens der Wertschöpfungskette. Vontobel sieht derzeit keinen akuten Bedarf, das eigene Leistungsangebot umfassend zu ändern. Der Fokus bei der Weiterentwicklung des Angebots liegt aktuell auf einer weiteren Qualitätsverbesserung und Erhöhung der STP-Rate (z.B. durch flexiblere Abwicklungsinstruktionen). Dezidiert kein Ziel von Vontobel ist es, künftig die Rolle eines reinen Backoffice Providers auszufüllen. Auch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Leistungsbündel mit dem Anlagegeschäft ist aktuell nicht vorgesehen. 4.3 Fallstudie B-Source 4.3.1 Zum Unternehmen B-Source wurde 1995 als BOSS Lab SA gegründet. Das Unternehmen entstand aus einem Merger eines Spin-Offs für IT-Entwicklung der Banca della Svizzera Italiana (BSI) mit der Firma Techselesta. Das Geschäftsmodell basierte zunächst auf dem Lizenzverkauf und dem Betrieb für die Bankenplattform BOSS. In den folgenden fünf Jahren konnte BOSS Lab einige Kunden akquirieren, das Leistungsangebot im ITOBereich ausweiten und auf eine Grösse von über 300 Mitarbeitern wachsen. Im Jahr 2001 machte BOSS Lab den Schritt zum BPO Provider durch den Zukauf des Berner Unternehmens Von Graffenried Global Services AG, das bereits BackofficeLeistungen für eine Reihe von Privatbanken erbrachte. Zu den bestehenden BPOMandanten (Beluga-Banken) dieser Firma kamen in den nächsten Jahren noch weitere Kundenbanken hinzu (z.B. Schweizer Filiale der Bank für Tirol und Vorarlberg (BTV)
82
4 Fallstudien
und Dryden Bank SA im Jahr 2004). Mitte 2005 gab BOSS Lab bekannt, künftig auch BPO-Dienstleistungen für die beiden neuen Eigentümer BSI und Banca del Gottardo (BdG) zu erbringen. Gleichzeitig firmierte das Unternehmen um in B-Source SA. Im Oktober 2007 entschied das Unternehmen, die bisher selbst weiterentwickelte Bankenplattform BOSS in den kommenden Jahren durch die Standardsoftware Avaloq zu ersetzen. Anfang November 2007 gab B-Source bekannt, dass der Mehrheitseigentümer BSI den zweiten Shareholder Banca del Gottardo um CHF 1,875 Mrd. per Ende des zweiten Quartals 2008 übernehmen wird. B-Source
Banca della Svizzera Italiana (BSI)
Banca del Gottardo (BdG)
Gründung
1995
1873
1957
Firmensitz
Lugano
Lugano
Lugano
Branche
Finanzdienstleister
Privatbank
Privatbank
Geschäftsfelder
IT Operations (ITO), Application Outsourcing (AO), Banking Operations (BPO)
Vermögensverwaltung, Privatkun- Privatkunden, Institutionelle Anleden & Dienstleistungen für externe ger, Unternehmen & Fonds Vermögensverwalter
Firmenstruktur
AG
BSI Monaco SAM, BSI Overseas (BS) Ltd., BSI Bank Ltd., BSI Ifabanque SA
Homepage
www.b-source.ch
www.bsibank.com
www.gottardo.com
Umsatz / Bilanzsumme
Umsatz: CHF 160,9 Mio.
Bilanzsumme: CHF 12 255 Mio.
Bilanzsumme: CHF 12 752 Mio.
Gewinn vor Steuern
CHF 6,2 Mio.
CHF 184,9 Mio.
CHF 123 Mio.
Shareholder
63% BSI, 37% BdG
Mitglied Generali Gruppe
Bisher Swiss Life, künftig BSI
Mitarbeiter (FTE)
493
1540
1039
CHF 59 900 Mio.
CHF 35 800 Mio.
Kundeneinlagen k.A.
Tabelle 4-4: Kurzportrait von B-Source, BSI und Banca del Gottardo B-Source ist der grösste Schweizer Backoffice Provider nach verwaltetem Kundenvermögen (Assets under Management) der Kundenbanken und unterhält mit 160 Mitarbeitern eines der grössten Backoffices der Schweiz. Tabelle 4-4 beinhaltet in Form eines Kurzportraits einige Kennzahlen zu B-Source und seinen Eigentümern. B-Source definiert sich über folgende Kernkompetenzen: (1) Implementierung und Migration128 von Bank-IT, (2) Integration von Drittprodukten129 sowie (3) Betrieb von Hardware (Geschäftsfeld ITO), Software (Geschäftsfeld AO) und bankfachlichen Prozessen (Geschäftsfeld Banking Operations).130 Der Bezug von Banking Operations bzw. BPO-Leistungen basiert zwingend auf der Inanspruchnahme von ITO- und AOLeistungen (vgl. Abbildung C–1). Durch ihre Erfahrung in der Implementierung bietet 128
129
130
Ein Beispiel für die Erfahrungseffekte ist die Inbetriebnahme der Niederlassung der National Bank of Abu Dhabi in Genf. Für diese Startup-Bank hat die Transformation vom ersten Gespräch bis zum Going Life vier Monate gedauert. B-Source besteht darauf, dass Kundenbanken ihr Kernbankensystem (heute BOSS, künftig Avaloq) für das Backoffice einsetzen, an der Front hat die Bank Wahlfreiheit bezüglich der eingesetzten Applikationen. BSource pflegt aber Partnerschaften mit bevorzugten SW-Lieferanten wie z.B. Odyssey. Abbildung C–2 beinhaltet eine Einordnung der Kernkompetenzen in die Leistungspalette der B-Source.
4.3 Fallstudie B-Source
83
B-Source auch Banken auf Drittsystemen an, die Migration auf Avaloq zu übernehmen und, falls entsprechendes Know-how verfügbar ist, auch Teile der Banking Operations bereits auf dem Altsystem zu erbringen131. Wealth management 10 - 15% p.a.1)
180%
Potential in mid / far east > 34% p.a.2)
Sourcing demand > 20% p.a.3)
160%
Sourcing services in operating models of PBs
140% 120%
1) BCG Global Wealth Study, Credit Suisse analysis, 2007 2) Global Private Banking/Wealth Management Survey PWC, 2007
100% 80% 2006
3) IMG Study “Sourcing Markt Schweiz”, 2004, updated 2006 2007
2008
2009
2010
Abbildung 4-10: Marktpotenzial und Sourcing-Bedarf im Anlagegeschäft für Privatbanken weltweit nach [Spirig 2007, 2] B-Source positioniert sich als IT- und Backoffice Provider für internationale Privatbanken mit klarer Wachstumsstrategie. Abbildung 4-10 verdeutlicht das Potenzial, das dieses Marktsegment bietet. Neben Effizienzgewinnen möchte B-Source seine Mandanten dabei unterstützen, ihre Dienstleistungen in boomenden Märkten (z.B. Singapur und Dubai) von der Schweiz aus zu erbringen. Das Land ist als Standort für ein Kompetenzzentrum im Banking prädestiniert, da neben dem bankfachlichen Know-how die Faktoren Mehrsprachigkeit, Rechtssicherheit (z.B. Schutz der Kundendaten) sowie nicht zuletzt das Vertrauen und die Swissness als überzeugende Argumente für eine Auslagerung in die Schweiz sprechen. Ein Indiz für die Zugkraft der Marke Schweiz im internationalen Private Banking ist die MedBank, die in Malta mit Schweizer Portfolio Managern sowie den in die Schweiz (zu B-Source) ausgelagerten IT-Operations und Backoffice wirbt. Zielsegment der B-Source sind Schweizer Privatbanken mit internationaler Ausrichtung, internationale Privatbanken mit (geplanten) Niederlassungen in der Schweiz und internationale Privatbanken, die gewillt sind, IT- und Backoffice-Leistungen aus der Schweiz zu beziehen. Die Strategie, Privatbanken in ihrem internationalen Wachstum zu unterstützen, wirft die Frage auf, ob die Banken aus dem Zielkundensegment die Abwicklung an einem Ort zentralisieren oder dezentral in jedem Markt eine eigenständige Niederlassung aufbauen sollten. B-Source ist überzeugt, dass ein zentrales Modell (mit Ausgangspunkt Schweiz) dem dezentralen in folgenden Punkten132 überlegen ist: Time-to-market: Der Aufbau einer neuen Organisation mit Front-, Middle- und Backoffice erfordert signifikant mehr Zeit und Aufwand als das Aufsetzen einer Filiale mit Frontend.
131
132
Aktuell plant ein Interessent, der mit einem Drittsystem zu B-Source wechseln und dann direkt auf Avaloq migrieren möchte, die Reconciliation beim Tessiner Provider zu beziehen. Bei dieser Bank werden diese Leistungen noch manuell erbracht, während B-Source für diese Tätigkeiten mit dem Einsatz der Applikation Corona einen hohen Automationsgrad erreicht. Die Kombination dieser Vorteile macht eine Bündelung in der Schweiz auch aus Kostensicht attraktiver.
84
4 Fallstudien
Komplexität: Dezentralität bedeutet eine gewisse Freiheit der Niederlassungen z.B. bezüglich lokaler Geschäftspartner und der IT-Landschaft. Diese Vielfalt schafft Komplexität zugunsten wenig differenzierender Freiheitsgrade in der Abwicklung. Flexibilität: Eine vollständige Niederlassung beeinträchtigt die Agilität des Unternehmens bei der Entscheidung, aus dem Markt auszutreten (Stichwort „sunk costs“). Synergieeffekte: Das zentrale Modell weist aufgrund der Standardisierung klare Vorteile bezüglich Skaleneffekten und Kompetenzvorteilen (Teams von Spezialisten im Vergleich zu einzelnen Experten in den Niederlassungen) auf. BSI ist ein Musterbeispiel für die internationale Wachstumsstrategie einer Schweizer Privatbank. Die Bank hat mittlerweile Niederlassungen in Nassau, Paris, London, Guernsey, Monaco, Shanghai, Hongkong und Singapur sowie diverse Zweigstellen weltweit und konnte die verwalteten Kundenvermögen von 2004 bis Mitte 2007 um 43% auf CHF 63.989 Mio. steigern. B-Source betreibt für BSI sowohl die BackendSysteme für sämtliche Standorte als auch Teile des Backoffice (ZV und Wertpapier). 4.3.2 Lösung – Angebot von B-Source im Anlagegeschäft Strategie. Die Idee der Kopplung von Client- und Streetside bei einem Provider scheitert am Widerstand von (Privat-)Banken, Endkundendaten an andere Banken133 auszulagern (Institute mit ausgeprägter Streetside-Kompetenz haben in der Regel eigene Bankkunden). Die aus dieser Trennung resultierenden Ineffizienzen, wie z.B. eine redundante Pflege des Valorenstamms bei Backoffice und Streetside Provider, können beim Einsatz der gleichen Systeme auf beiden Seiten reduziert werden. Die Trennung134 (vgl. Abbildung 4-11) erhöht die Flexibilität der Kundenbank: Die Leistungen des Streetside Providers basieren auf Standardschnittstellen (vor allem FIX und SWIFT), er ist daher relativ einfach austauschbar. Der Aufwand, den Backoffice Provider zu wechseln, ist signifikant höher. Kundenbank
Backoffice Provider (Clientside)
en at nd e nd Ku
Streetside Provider
Legende: Vertragsbeziehung Operative Beziehung Abschottung der Kundendaten
Abbildung 4-11: Prinzip der Trennung von Client- und Streetside 133 134
B-Source führt keinen Bankstatus, ihre Mitarbeiter unterstehen jedoch dem Bankgeheimnis (gemäss Vereinbarung der eidgenössischen Bankenkommission) und agieren stets im Namen / Auftrag der Kundenbank. B-Source will dezidiert keine Handelsfunktionalität übernehmen, der Provider hat auch die Fonds-Execution von BSI wieder an die Bank zurückgegeben.
4.3 Fallstudie B-Source
85
Der Entscheid über die Partner auf der Streetside – also Broker, Börsenplätze, (Global) Custodians – liegt bei der Bank. B-Source ist bereit, auf Wunsch ihrer Kundenbanken mit einem Spezialisten im Interbankgeschäft als bevorzugtem Partner zusammenzuarbeiten. Diese Bündelung birgt Synergiepotenziale bei den Einkaufskonditionen und in der Abwicklung (Abstimmung der Depots und Konten mit nur einem zentralen Partner). Abbildung 4-12 zeigt den Ansatz individueller Streetside-Netzwerke im Vergleich zur Bündelung der Interbanken-Beziehungen. Wesentlich für das Erreichen signifikanter Kosteneinsparungen ist bei einer Bündelung nicht nur die Reduktion des Handels- und Custody-Netzwerkes auf einen zentralen Ansprechpartner, sondern möglichst auch die Wahl desselben Partners für beide Bereiche. Die in Abbildung 4-12 dargestellte Verbindung von zentralem Broker (Execution) und Global Custody symbolisiert diese Kopplung, die eine locked-in135-Abwicklung ermöglicht, wie sie heute im Interbankenbereich die Swiss Value Chain bietet. Dadurch entfallen die SettlementInstruktionen zwischen Broker und Custodian, was Effizienzgewinne und eine Reduktion von Fehlerquellen bedeutet. Today
Bundling the street side Provider / Bank
Bank
Bank
Execution
Brokers
B-Source
Custodians Correspondents
Brokers
B-Source
Global custody
Custodians Correspondents
Abbildung 4-12: Optionale Bündelung der Streetside via „preferred Partner“ nach [Spirig 2007, 8] Mit der BTV Schweiz und der Filiale der National Bank of Abu Dhabi in Genf nutzen bereits zwei Kundenbanken von B-Source einen zentralen Streetside Provider136, in diesen beiden Fällen das Angebot von UBS Bank for Banks. Dieses Beispiel ist auch im nachfolgend dargestellten Geschäftsnetzwerk von B-Source (vgl. Abbildung 4-13) enthalten. Ein wesentlicher Partner im Geschäftsnetzwerk ist der Software-Hersteller Avaloq, dessen IT-Plattform künftig das intern von B-Source weiterentwickelte BOSS-System ablöst. Avaloq und B-Source haben sich auf ein spezielles Preismodell geeinigt, das auch kleinen Banken ermöglichen soll, Avaloq als Mandant von BSource einzusetzen. Die Software-Lizenz gehört nicht der Bank, sondern B-Source, welche die Nutzungsrechte weitergibt. Das Governance-Modell der B-Source sieht vor, dass ein Mandant sich bei entsprechender Grösse am Unternehmen beteiligen kann, wobei dieser Entscheid von den bestehenden Shareholdern zu treffen ist. Neben dem Mitspracherecht aller Kundenbanken auf operativer und strategischer Ebene in
135 136
Locked-in Trades nutzen ein automatisches Settlement, vgl. www.swx.com/clearing/settlement_de.html. Die Banken beziehen von UBS auch weitere Dienstleistungen wie FOREX und Zahlungsverkehr.
86
4 Fallstudien
zyklischen User Group Meetings und Geschäftsleitungstreffen haben die beiden Shareholder BSI und Banca del Gottardo je zwei Sitze im Verwaltungsrat.
Abbildung 4-13: Geschäftsnetzwerk von B-Source (mit Fokus Anlagegeschäft) Prozesse. B-Source ist ein One-Stop-Shop für Privatbanken, wobei das Angebot relativ flexibel an die Kundenbedürfnisse anpassbar ist. Voraussetzung für den Bezug von BPO-Dienstleistungen im Anlagegeschäft sind aber sowohl IT als auch Application Outsourcing. Abbildung 4-14 zeigt die Position der B-Source im Referenznetzwerk Anlegen. Aus bankfachlicher Sicht übernimmt der Provider die Rollen Abwickler und Valorenzentrale. Ergänzt wird das Angebot um die Basisleistungen Application Management, Rechenzentrum und Archivierung.
Abbildung 4-14: Angebot von B-Source im Referenznetzwerk Anlegen
4.3 Fallstudie B-Source
87
Abbildung C–4 präzisiert die Leistungspalette137 der B-Source anhand des Referenzprozesses Anlegen aus Kapitel 3.1. Denkbare Varianten zur Anpassung des Leistungsbezugs an die Bedürfnisse der Bank sind der optionale Bezug der Module Kundenstamm- und Valorenstammdaten. Die manuelle Datenerfassung ist bei B-Source ein Ausnahmefall für Aufträge per Fax oder eMail. Dieser Geschäftsfall ist nicht im Interesse des Providers (aufwändig, fehleranfällig) und wird daher mit Aufpreisen (“entryfee“) belegt. Die Auftragsprüfung ist weitgehend automatisiert. Systeme. Prinzipiell versucht B-Source den Kundenbanken umfassende Flexibilität in der Wahl ihrer Frontend-Systeme zu gewähren. Das Unternehmen unterhält zwar Partnerschaften mit bevorzugten Softwarelieferanten wie z.B. Odyssey für die Produkte Triple A und Advisor, auf Wunsch des Mandanten besteht jedoch die Bereitschaft, alternative Systeme in die IS-Landschaft zu integrieren. Die von B-Source vorgeschlagene Systemlandschaft ist unterschiedlich für grosse und kleine Kundenbanken. Neben den in Abbildung 4-15 skizzierten Unterschieden bei den Frontend-Systemen unterscheidet sich die IT-Architektur künftig z.B. auch im Buchhaltungssystem, wo für grosse Mandanten SAP zum Einsatz kommt und für kleinere die Avaloq-Funktionalität ausreichend ist. Die Bedienung der Schnittstellen zu SWIFT, SECOM und SIC hat B-Source ausgelagert an den Spezialisten Biveroni, der für über 60 Banken diesen Service betreibt.
Abbildung 4-15: IS-Landkarte B-Source (Status quo) 137
Abbildung C–4 zeigt auch den Unterschied zwischen Banken, welche die Streetside-Abwicklung selbst machen und jenen, welche diese ausgelagert haben. Bei der ersten Variante übernimmt die Bank die Teilprozesse der ersten und dritten Spalte.
88
4 Fallstudien
Mit der Einführung der Bankplattform Avaloq für alle Kundenbanken ergeben sich für B-Source eine Reihe von Entscheiden, Projekten und Chancen. Zunächst einmal hat das Unternehmen folgende Szenarien für die Migration der heutigen Kundenbanken von BOSS auf Avaloq diskutiert: Harmonisierung aller Mandanten auf BOSS und dann Migration auf Avaloq. Dies bedeutet, dass Banca del Gottardo von CIPRO auf BOSS und dann auf Avaloq migrieren wird. Für diese Option spricht das umfassende Know-how von B-Source bezüglich der Migration auf BOSS, das eine rasche Konsolidierung von BSI und Banca del Gottardo ermöglichen würde. Migration der Kundenbanken von ihrem heutigen System (z.B. CIPRO bei BdG) auf Avaloq. Dafür spricht z.B. die komplexe Handelsinfrastruktur der Banca del Gottardo, für die keine Erfahrungswerte in BOSS vorhanden sind. Der Handel als Sonderfunktionalität der Banca del Gottardo wird direkt vom System CIPRO, der Rest via Zwischenschritt über BOSS auf Avaloq migriert. Der Entscheid für eine der drei Migrationsvarianten steht noch aus. Das Projekt Futuro umfasst die Aktivitäten zur Ablösung des Kernbankensystems BOSS durch Avaloq. Der aktuelle Zeitplan sieht folgende Meilensteine vor: (1) Migration der Banca del Gottardo auf BOSS per 1.1.2009, (2) Migration der BSI (inklusive Banca del Gottardo) auf Avaloq per 1.1.2011 und (3) Migration der anderen Kundenbanken auf Avaloq vor 1.1.2011. Neumandanten, die mit einem Drittsystem zu B-Source kommen, sollen direkt von diesem System auf Avaloq migriert werden. Als Vorbereitung der Migration bestehender und künftiger Mandanten auf das neue System startet B-Source per 1.1.2008 den Aufbau eines Backoffice Masters. Aufbauend auf der Modellbank von Avaloq hat dieses Teilprojekt als Ziel, einen generischen Rahmen für die Abwicklung der Volumina einer Kundenbank zu schaffen. Diese Master-Instanz wird eine der ersten MultiEntity-Installationen von Avaloq sein. 4.3.3 Bewertung der Lösung Nutzen. B-Source verfolgt das Ziel, eine Effizienzsteigerung im Backoffice von mindestens 20% p.a. zu erreichen, vorrangig durch Automation138, Standardisierung und Zentralisierung. Von Kundenseite ist eine jährliche Kosteneinsparung von 20% in Bezug auf die Kosten vor der Auslagerung fast eine Minimalanforderung. Ein Beispiel für die Effizienzsteigerung ist die Übernahme und Zusammenlegung der Backoffices von BSI und Banca del Gottardo: Am Ausgangspunkt im Juli 2005 war das Backoffice auf 180 FTE gewachsen. Durch die Zentralisierung am Standort Lugano (Schliessung des Standorts Bern) und die Zusammenlegung der Teams (trotz der Verarbeitung auf 138
Das System (aktuell BOSS) wird stetig weiterentwickelt. So hat das Backoffice-Team in 2007 über 50 mögliche Quickwins durch Systemanpassungen identifiziert. Für jeden ist nun mittels Business Case zu prüfen, ob das bis zur Ablösung des Systems durch Avaloq realisierbare Einsparpotenzial die Kosten für die Systemanpassung übersteigt.
4.3 Fallstudie B-Source
89
den beiden Systemen BOSS und CIPRO) wickelt B-Source das (gestiegene139) Volumen ihrer Kundenbanken heute mit 148 FTE ab. Die Steigerung der Produktivität von Mitte 2005 auf Ende 2007 beträgt 45% gemessen an den Transaktionen pro FTE. B-Source ist bereit, Mitarbeiter der Kundenbank zu übernehmen, falls sie weitere Mitarbeiter für die Verarbeitung des Neuvolumens benötigt. Dadurch fliesst Know-how bezüglich Bankspezifika des neuen Mandanten zu B-Source, was eine reibungslose Übernahme fördert. Der Transfer der Mitarbeiter im Zuge der Zusammenlegung des Backoffice von BSI und Banca del Gottardo ging ohne Kündigungen vonstatten. Tabelle 4-5 fasst den Nutzen einer Kooperation (im Anlagegeschäft) für die auslagernde Bank und B-Source zusammen. Nutzen für eine auslagernde Bank
One-Stop-Shop mit Varianten Enabler für Bankkundenorientierung Reduktion des Personalrisikos (Abhängigkeit von einzelnen Spezialisten) Verteilung z.B. von IT-bedingten und gesetzlich erforderlichen Investitionen auf mehrere Partner BPO Provider mit hoher IT-Kompetenz und ohne eigene Bankkunden Hohe Flexibilität für Kundenbanken bezüglich ihrer Partner auf der Streetside und bei den FrontendSystemen Starker finanzieller Background140 des Providers. Eigentümer ist künftig mit BSI eine führende Schweizer Privatbank, deren Eigentümer Generali eine global tätige Versicherung ist. Signifikante Kosteneinsparungen Rascher und kostengünstiger Markteintritt (Startup)
Nutzen für B-Source
Stärkung der Marktposition als Backoffice und System Provider für Privatbanken Bessere Auslastung von Systemen und Mitarbeitern (v.a. Spezialisten-Teams) Aufgrund der steigenden Automation in der Verarbeitung erhöht jeder Neumandant die Skaleneffekte.
Tabelle 4-5: Nutzen der Kooperation für die auslagernde Bank und B-Source Preismodell. B-Source versucht, im Preismodell die Balance zwischen der Variabilisierung von Fixkosten für die Kundenbanken und der Planungssicherheit bzw. Risikoreduktion für das eigene Unternehmen zu finden. Prinzipiell sind alle Preise variabel (mit Ausnahme weniger Module mit Fixpreis, wie z.B. der Buchhaltung), jene für ITO- und Application Outsourcing-Leistungen bezogen auf die User-Anzahl, die BPOPreise bezogen auf Transaktionen. Die variablen Preise gelten ab 60% des Vorjahresvolumens, dieser Anteil wird dem Mandanten in jedem Fall als Minimum Fee verrechnet. Die Stückpreiskurve für BPO-Leistungen ist in der Regel stufenweise degressiv, das heisst, je mehr Transaktionen eine Kundenbank via B-Source abwickelt, desto günstiger ist das Mehrvolumen. Dieser Mechanismus fördert gezielt das Wachstum der Kundenbanken und soll so eine Win-Win-Situation schaffen.
139 140
In diesem Zeitraum hat B-Source etwa 10% Mehrvolumen bei BSI und Banca del Gottardo verarbeitet. Bei geringer Kapitalisierung des Providers riskiert die auslagernde Kundenbank, dass der Abwickler die Konsequenzen gravierender Fehler (z.B. Falschverbuchung von Corporate Actions) finanziell nicht abfangen kann.
90
4 Fallstudien
4.3.4 Fazit und Ausblick Fazit. Der Ursprung des Unternehmens B-Source lag im Betrieb und der Weiterentwicklung von IT-Infrastruktur und Banken-Applikationen. Auf Basis dieses bisherigen Kerngeschäfts hat der Provider mit Banking Operations ein neues Geschäftsfeld eröffnet, das die Leistungspalette signifikant erweiterte. So ist per Ende 2007 circa die Hälfte der Mitarbeiter bankfachlich ausgebildet. Das Zielkundensegment sind internationale Privatbanken, die möglichst die gesamte Leistungstiefe der B-Source von IT Outsourcing über ASP bis BPO ausschöpfen. Der Entscheid für die Einführung der Software-Plattform Avaloq erschliesst B-Source zudem künftig einen neuen Markt, da die Anzahl der Banken mit dieser Plattform in den letzten Jahren stark gewachsen ist (vgl. [Regniet 2007]). Im Anlagegeschäft ist B-Source überzeugt, dass für Banken die ideale Lösung eine Entkopplung von Client- und Streetside ist, da so die Kundendaten nicht bei einer anderen Bank liegen müssen und die Streetside aufgrund vorhandener Standardschnittstellen leicht austauschbar ist. Zudem sieht B-Source die Betreuung und Nutzung von Handelsinfrastruktur nicht als ihr Kerngeschäft und strebt bewusst keinen Bankstatus an. Das Angebot im Backoffice ist umfangreich und je nach Anforderung der Kundenbank anpassbar (vgl. Kapitel 4.3.2). Aufgrund des Insourcing von Teilen des Backoffice der beiden grossen Privatbanken Banca del Gottardo und BSI bei gleichzeitiger Erhöhung von Automationsgrad und Mitarbeiterproduktivität erreicht B-Source signifikante Skaleneffekte. Die Abwicklung von Transaktionen von Mandanten mit stark unterschiedlichem Geschäftsmodell (z.B. Privatbankiers Reichmuth & Co. Switzerland, NZB Neue Zürcher Bank, National Bank of Abu Dhabi und BSI) ist ein Indikator für die Leistungsbandbreite und Flexibilität des Providers. Im IS-Modell haben die Kundenbanken weitgehend Gestaltungsfreiheit bei der Wahl der Frontend-Systeme, im Backend-Bereich besteht B-Source auf der Etablierung einer möglichst einheitlichen Plattform zur Abwicklung der Transaktionen. Ausblick. In den kommenden drei Jahren plant B-Source keinen umfassenden Ausbzw. Umbau des Leistungsangebots, das Unternehmen ist aber ständig auf der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten, wie z.B. der Weitergabe (kaskadierendes Sourcing) des übernommenen Transaktionsvolumens im Zahlungsverkehr an einen deutlich kostengünstigeren Partner. Priorität haben zunächst die Konsolidierung der ITPlattformen von BSI und Banca del Gottardo (d.h. die Migration der Banca del Gottardo auf das BOSS System), die Migration aller Mandanten auf Avaloq sowie die Akquirierung von Neumandanten (auf ihrem Altsystem oder bereits auf Avaloq). Das Unternehmen ist bei entsprechendem Business Case jedoch bereit, dem Wunsch von (potenziellen) Mandanten nach Zusatzleistungen nachzukommen. Aktuell laufen z.B. Gespräche mit Banken und einer Versicherung, die Rechenzentren der B-Source für das Desaster-Backup zu nutzen. Das Unternehmen will auch in den nächsten Jahren der führende Schweizer BPO Provider für Privatbanken bleiben und daher trotz der aktuell hohen Ressourcenbelastung aufgrund der laufenden Migrationsprojekte neue Mandanten akquirieren. Nach dem
4.4 Fallstudie Entris
91
Umsatzwachstum von CHF 102 auf 162 Mio. von 2004 bis 2007 sind für das Jahr 2008 CHF 192 Mio. budgetiert. Aufgrund der oben angeführten Projekte soll auch die Mitarbeiterzahl in 2008 von heute knapp 500 auf 550 steigen. B-Source sieht sich als Wegbereiter der Vision, die Schweiz als Service Provider von Banken weltweit zu positionieren. Diese Variante ist denkbar als Kombination eines Backoffice Providers wie B-Source und einem (Schweizer) Streetside Provider wie UBS Bank for Banks, Credit Suisse Expert to Expert Banking oder einem anderen Anbieter. 4.4 Fallstudie Entris 4.4.1 Zum Unternehmen Das Unternehmen Entris ist 2007 aus strategischen Überlegungen der RBA-Holding als Dachorganisation von ca. 50 Regionalbanken in Kooperation mit der Berner Kantonalbank (BEKB _ BCBE) entstanden. Für ein umfassendes Verständnis des Unternehmens ist ein kurzer Exkurs zum Umfeld und der Historie erforderlich. Unternehmensumfeld. RBA-Service (RBAS) wurde 1994 als Tochter der RBAHolding gegründet, um den Regionalbanken als ihren Eigentümern gebündelt ITServices zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile unterstützt RBA-Service seine Kunden zudem mit Backoffice- und umfangreichen Support-Dienstleistungen bei ihrer Konzentration auf die Vertriebskompetenz. RBA-Service bietet als Dienstleistungspartner von aktuell ca. 50 Schweizer Regionalbanken eine auf das Retailgeschäft ausgerichtete Dienstleistungspalette, die Teile der Zahlungsverkehr-, Kredit- und WertpapierAbwicklung sowie Supportleistungen von Rechnungswesen bis zu Desktop Services abdeckt. In Bereichen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, geht RBA-Service systematisch Kooperationen mit Spezialisten ein, wie z.B. mit RTC, dem Hersteller der Bankenplattform Ibis, der seit Mitte 2006 neben der Bereitstellung des Kernbankensystems auch verantwortlich ist für den Rechenzentrumsbetrieb von RBA-Service. Erfolgsmaximen der RBA-Service sind sukzessive Standardisierung, ein hoher Automatisierungsgrad und vor allem ein integriertes, umfassendes Leistungsangebot. Anfang 2005 hat die RBA-Bankengruppe das strategische Projekt Antares gestartet, mit dem den Herausforderungen des Aufbrechens der WSK begegnet werden sollte. Eine wesentliche Grundlage dieser Initiative war z.B. die Studie von [Hamprecht et al. 2004]. Die grundlegende Prämisse von Antares ist, dass sich die Banken künftig auf die Vertriebstätigkeit konzentrieren und sämtliche Unterstützungsprozesse wie ITBetrieb und Backoffice-Verarbeitung an Spezialisten auslagern werden (vgl. Abbildung 4-16). Das Ziel des vom Verwaltungsrat der RBA-Service initiierten Projektes war, die Grundlagen zu schaffen, um das Unternehmen als die „attraktivste Verarbeitungsplattform bezüglich Kosten, Service und Prozesse für die RBABankengruppe und weitere Banken“ [RBA-Holding 2006, 8] zu positionieren. Eine wesentliche Rolle in Antares spielt die Produktionsgesellschaft (PG), die als Generalunternehmer im Auftrag der Banken sämtliche nicht differenzierenden Leistungen
92
4 Fallstudien
bündeln bzw. Teile davon selbst erbringen soll. Eine Kooperation mit weiteren Banken ist als Voraussetzung für zusätzliche Synergieeffekte im Projektziel bereits explizit angesprochen. RBA-Service hat im Projekt Antares versucht, diese Ausweitung des Mandantenkreises über die RBA-Banken hinaus zu fördern, indem sie Banken und Provider aus dem Ibis-Umfeld frühzeitig an der Ausarbeitung der einzelnen Fachkonzepte (z.B. Zahlen, Anlegen) von Antares beteiligte. Als Folge dieser gemeinsamen Projektarbeit gab RBA-Service zu Beginn des Jahres 2007 eine strategische Partnerschaft mit der Berner Kantonalbank bekannt. Diese Zusammenarbeit soll u.a. die Attraktivität des Bankenstandorts Bern stärken.
Abbildung 4-16: Aufteilung der WSK in Antares nach [RBA-Holding 2006, 8] Entris. Die Kooperation von Berner Kantonalbank und RBA-Service sieht vor, in einem im Mai 2007 neu gegründeten Unternehmen mit dem Namen Entris offiziell ab 1. Januar 2008 zunächst die Leistungserbringung für BPO-Services im Zahlungsverkehr und im Anlagegeschäft zu bündeln. Ein Ausbau des Angebots z.B. auf die Bereiche Finanzieren141 und Partner-/Konto-Services142 ist geplant. Entris ist eine Aktiengesellschaft, wobei RBA-Holding und Berner Kantonalbank je 50% der Anteile halten. Die Dienstleistungen des Unternehmens stehen auch weiteren Banken offen. Tabelle 4-6 beinhaltet Kurzportraits143 von Entris, RBA-Service und Berner Kantonalbank.
141
Im Bereich Finanzieren erbringen die Banken beinahe alle Prozesse inhouse. Erste Konsolidierungstendenzen sind Wegbereiter einer künftigen Auslagerung an RBAS bzw. Entris. So hat z.B. die Valiant Bank die Kreditverarbeitung ihrer Regionen Mittelland bzw. Zentralschweiz im Valiant Kreditzentrum mit knapp 100 Mitarbeitern zentralisiert. Eine Migration dieser Organisationseinheit in die Produktionsgesellschaft ist aktuell aufgrund eines Plattformwechsels (von WinKredit auf KBUS) vertagt. 142 Diesen Bereich baut RBAS neu auf. Erster Kunde wird ab Mitte 2008 die Valiant Bank sein. Sobald RBAS bei dieser Leistung einen adäquaten Industrialisierungsgrad erreicht hat, ist eine Überführung in Entris geplant. Ein wesentliches Element von Partner und Konto ist die Einführung eines elektronischen Kundendossiers. Dies erhöht wiederum die Zentralisierbarkeit und damit Auslagerbarkeit des Bereichs Finanzieren. 143 Anhang A umfasst Informationen zu folgenden Unternehmen im Geschäftsnetzwerk von Entris: Valiant Holding, Finanzlogistik AG, RTC, Clientis Banken und RBA-Holding.
4.4 Fallstudie Entris
93 Entris
RBA-Service
Berner Kantonalbank
Gründung
2007
1994
1834
Firmensitz
Gümligen
Gümligen
Bern
Branche
Finanzdienstleister
Finanzdienstleister
Bank
Geschäftsfelder
Wertpapierverarbeitung, Abwicklung Zahlungsverkehr
Vorsorgen, Finanzieren, IT Services, Mgmt. Services, Business Integration
Hypothekarfinanzierung, Entgegennahme Kundengelder, Vermögensberatung
Firmenstruktur
AG
AG
AG
Homepage
www.entris.ch
www.rba-service.de
www.bekb.ch
Umsatz / Bilanzsumme
k.A.
Umsatz: CHF 125 Mio.
Bilanzsumme: CHF 21 077 Mio.
Cost Center
CHF 125,4 Mio.
Gewinn vor Steu- Cost Center ern Shareholder
50% RBA-Holding, 100% RBA-Holding 50% Berner Kantonalbank
56000 Aktionäre, Hauptaktionär Kanton Bern
Mitarbeiter
207
> 300
1201
Kunden (Mandanten)
2 (BEKB _ BCBE, RBAHolding mit 51 Banken)
51 Regionalbanken
Depotvolumen: CHF 20 100 Mio.
Tabelle 4-6: Kurzportrait von Entris, RBA-Service und Berner Kantonalbank Entris kann künftig auf dem aggregierten Volumen der Eigentümer aufbauen. Zudem verfügen diese beiden Unternehmen bereits über mehrjährige BPO-Erfahrung. RBAService erbringt seit einigen Jahren für Teile der RBA-Banken Leistungen im Zahlungsverkehr und im Anlagegeschäft (via ihre Tochter Finanzlogistik AG). Die Berner Kantonalbank bedient seit 2004 die Jurassische Kantonalbank mit umfangreichen Dienstleistungen im Anlagegeschäft. Entris ist mit einer Belegschaft von 207 Mitarbeitern gestartet (vgl. Tabelle 4-7). Die zu Beginn im Anlagegeschäft verarbeiteten Volumina entsprechen jenen der Berner Kantonalbank. Tabelle 4-7 zeigt anhand der Volumenentwicklung in den Jahren 2005-2007 das Transaktionswachstum im Anlagegeschäft. Kennzahlen Anlagegeschäft (Startvolumen BEKB)
Mitarbeiter nach Bereichen Zahlungsverkehr Wertpapier
158 47
Management Gesamt
2 207
Davon: Bisher BEKB Bisher RBA-Service
81
Betreute Valoren
2005
2006
– 09/2007
50 008
59 949
68 053
Verwaltungsmassnahmen
2 217
3 012
2 680
SettlementTransaktionen
55 634
55 732
55 501
126
Tabelle 4-7: Kennzahlen zu Entris (per Dezember 2007) Mit der Gründung von Entris bestehen nun zwei Produktionsgesellschaften gemäss dem Projekt Antares im RBA-Umfeld. Die Funktion der Produktionsgesellschaft als Verarbeitungsgesellschaft für BPO-Tätigkeiten (zunächst für Zahlen und Anlegen) obliegt primär Entris. Die Funktion der Produktionsgesellschaft als Leistungsintegrator („alles aus einer Hand“) für die RBA-Banken hat weiterhin RBA-Service inne. Sie wird künftig die Leistungen von Entris an die RBA-Banken vermitteln und ihren Man-
94
4 Fallstudien
danten umfassende Support-Services (z.B. Personalwesen) sowie einzelne BPOLeistungen wie Partner- und Kontoführung (vgl. Abbildung 4-17) anbieten. Da Entris den gesamten Bereich Zahlen und Anlegen von RBA-Service übernimmt, betreibt das Unternehmen auch das Application Management für diese Bereiche. Prinzipiell sollen diese Leistungen vom IT Provider RTC bezogen werden, der dies aktuell aus Kapazitätsgründen nicht anbieten kann. Die Berner Kantonalbank hat diese Leistungen bereits früher an RTC ausgelagert. Abbildung 4-17 skizziert die Verteilung der Geschäftsfelder auf wesentliche Teilnehmer des Geschäftsnetzwerks. Gemäss der Dreiteilung der Wertschöpfungskette im Projekt Antares (vgl. Abbildung 4-16) stehen die Graustufen für Vertrieb (hellgrau), Abwicklung (mittelgrau) und IT (dunkelgrau). RBA-Holding
Legende:
Aktionärsbindungsvertrag Informatikvereinbarung (Anhang) Girovereinbarung (Anhang)
•
Vertrieb
•
Abwicklung
•
IT
Auftrag Aktionärsbindungsvertrag Kooperationsvertrag Leistun RBA-Zentralbank g
RBA-Service
RTC Betrieb IDV Betrieb ODV
Betriebsvertrag Entwicklungsvertrag
Entwicklung
RBA-Banken
Partner / Konto
Servicevertrag
Finanzieren
SLA IDV
Vorsorgen Betrieb IDV
Service- u. Betriebsvertrag
SLA BPO (ZV, WP)
SLA BPO (ZV, WP, RW)
Entris Zahlen Leistungsfluss
Wertpapierverarb
Partner / Konto Zahlen Anlegen Finanzieren Vorsorgen Nicht RBA-Banken
Leistungsfluss
Berner Kantonalbank SLA BPO (ZV, WP)
Partner/Konto
Zahlen
Aktionärsbindungsvertrag Kooperationsvertrag Betriebsvertrag Entwicklungsvertrag
Partner/Konto Anlegen
Finanzieren
Finanzieren
Vorsorgen
Vorsorgen
Abbildung 4-17: Zielbild von Entris per 1.1.2008 (interne Darstellung RBA-Service) 4.4.2 Lösung – Angebot von Entris im Anlagegeschäft Entris bietet zum Start im Januar 2008 Dienstleistungen im Anlagegeschäft und im Zahlungsverkehr an. Künftig soll das Angebot sowohl in der Tiefe (z.B. Angebot im Wertpapier-Handel) als auch in der Breite (z.B. Finanzieren) ausgebaut werden. Dieser Abschnitt beschreibt das aktuelle und geplante Angebot im Anlagegeschäft. Strategie. Das Geschäftsnetzwerk rund um Entris ist im Umbruch und daher momentan noch geprägt von einer Vielzahl von Vertragsbeziehungen und Leistungsflüssen (vgl. Abbildung 4-18). Die Veränderungen rund um Entris haben einen Einfluss auf die Netzwerkteilnehmer, der aktuell noch nicht abschätzbar ist. So haben z.B. drei Ost-
4.4 Fallstudie Entris
95
schweizer Regionalbanken (Alpha Rheintal Bank, Bank CA St. Gallen und Swissregio Bank) entschieden, auf die Bankplattform Finnova zu wechseln und riskieren damit den Ausschluss aus der RBA-Gruppe [Maier 2007]. Die RBA-Banken verfolgen das gemeinsame Ziel einer einheitlichen Informatik und erachten dies als Grundvoraussetzung für die Realisierung von Synergieeffekten. Bisher hat die Finanzlogistik AG in St. Gallen die Wertpapieradministration für Teile der RBA-Banken (z.B. Clientis Banken, Ostschweizer Banken) via Dienstleistungsvertrag mit RBA-Service abgewickelt. Diese Kooperation wurde mit Ende 2006 auf Ende 2009 gekündigt, da diese Leistungen künftig von Entris erbracht werden sollen. Im Geschäftsnetzwerk sind zudem Veränderungen bei den Handels- und CustodyBeziehungen wahrscheinlich. Eine Harmonisierung sowohl der aktuell noch vielfältigen Handelsbeziehungen (vgl. nachfolgenden Exkurs) als auch der Depotstellen ist eine Voraussetzung für die Ausschöpfung der in Antares kalkulierten Einsparungspotenziale. In Bezug auf die Depotstellen sieht Entris eine Variante vor, in der das Unternehmen (z.B. via RBA-Zentralbank) künftig als zentrale Gegenpartei ihrer Mandanten auftritt. Ein Projekt zur Vereinfachung der Depotstellen ist gegenwärtig bei der Valiant Holding im Gange. Dies geschieht analog zu bereits abgeschlossenen Aktivitäten der Berner Kantonalbank, die den Grossteil ihrer Depotstellen (ca. 80%) bei SegaInterSettle konsolidiert hat.
Abbildung 4-18: Geschäftsnetzwerk von Entris Kunden und Kundensegmente. Zurzeit sind die beiden o.a. Mandanten von Entris gleichzeitig die Eigentümer. Im Zuge einer Marktöffnung stellt sich die Frage, ob sich weitere Mandanten ebenfalls beteiligen können/müssen. Die offizielle Sprachregelung ist, dass weitere Banken, die Leistungen in grösserem Umfang beanspruchen wollen,
96
4 Fallstudien
auch Teilhaber an Entris werden können. Generell unterscheidet Entris drei Kundensegmente, deren Reihenfolge auch die zeitliche Priorität widerspiegelt: Berner Kantonalbank und RBA-Banken: Entris ist offiziell per Anfang 2008 mit einem Leistungsangebot in den Bereichen Zahlen und Anlegen gestartet. Der volumenbezogene Ausbau der Leistungserstellung für die RBA-Banken und für die Berner Kantonalbank ist unterschiedlich sowohl in den Prozessbereichen als auch den Banken(gruppen): Im Zahlungsverkehr startet Entris mit den Volumina der Berner Kantonalbank sowie dem bisher bei RBA-Service verarbeiteten Volumen der Regionalbanken. Zweiteres entspricht dem gesamten RBA-Volumen bei strukturierten, STPfähigen Aufträgen. Weiteres Sourcing-Potenzial besteht bei den RBA-Banken im manuellen Bereich, in dem aktuell noch rund 20% nicht ausgelagert sind. Dieser Bereich ist ökonomisch besonders interessant, da hier der Grossteil der manuellen Aufwände entsteht. Im Anlagegeschäft startet Entris ebenfalls mit dem Volumen der Berner Kantonalbank im Prozessumfang nach Business Cut144 C. Ursprünglich war ein Einstieg mit Business Cut B oder sogar A geplant. Da die Berner Kantonalbank erst seit kurzem A-Mitglied der Schweizer Börse ist, hat sich die Bank für dieses eingeschränkte Startszenario entschieden – mit der Option eines sukzessiven Ausbaus. Der erste Entris-Mandant im Anlegen aus dem RBA-Verbund ist die Valiant Bank, die voraussichtlich ebenfalls mit Business Cut C starten wird. Auch die Valiant Bank strebt einen tieferen Prozessschnitt an, nicht zuletzt weil die Clientis-Gruppe als nächster Mandant plant, mit Business Cut B einzusteigen und dafür die (multiplizierbaren) Erfahrungen der Valiant vorteilhaft wären. Bis Ende 2009 beziehen die Clientis-Banken die Wertpapieradministration von der Finanzlogistik AG, mit der die RBA-Service die bisherige BPOPartnerschaft per diesen Zeitpunkt auflöst. Die Übernahme des Anlagegeschäfts weiterer RBA-Banken ist nicht vertraglich festgelegt, da diese Banken dieses Geschäft heute selbst betreiben und keine entsprechenden Verträge mit RBAService haben. Weitere Ibis-Banken: Bis Mitte 2009 soll Entris operativ bereit sein für die Übernahme einer weiteren Bank aus dem Ibis-Umfeld. Die Jurassische Kantonalbank hat die Wertpapierabwicklung inklusive Handel bereits an Berner Kantonalbank ausgelagert, die Kantonalbanken des Kantons Basel und die Privatbank Atag Asset Management beziehen umfassende Wertpapierdienstleistungen von der Sourcag. Banken auf anderen IT-Plattformen: Ab 2011/12 soll Entris dank einer auf Standard-Schnittstellen basierten Architektur in der Lage sein, ihre Leistungen plattformunabhängig für Drittbanken anzubieten. Prozesse. Entris verarbeitet als Service Provider abwicklungs- bzw. abrechnungsbereite Aufträge der Vertriebsbanken und benötigt dafür keine Bankenlizenz. Das Leis144
Die Business Cuts, die Entris im Anlagegeschäft anbietet, sind im Abschnitt Prozesse erläutert.
4.4 Fallstudie Entris
97
tungsangebot im Bereich Anlegen beruht auf den in Antares ausgearbeiteten Business Cuts. Für die Verarbeitung von Wertpapieraufträgen bietet Entris drei verschiedene Business Cuts145 an. Der Sourcing-Umfang nimmt von Business Cut A bis C schrittweise ab. Bei typischen Backoffice-Dienstleistungen wie z.B. Titellieferung, Coupons und Rückzahlungen beziehen alle Mandanten einheitliche Business Cuts. Konkret sehen die Business Cuts vor, dass Entris folgende Rollen im Netzwerk Anlegen übernimmt: (C) Abwickler, Valorenzentrale; (B) zusätzlich zu C: (Global) Custodian, Broker; (A) zusätzlich zu B: Händler. Da Entris noch kein eigenes Handels- und Depotstellennetzwerk unterhält, ist es auch denkbar, die Rollen Händler und Global Custodian über das Netzwerk eines Kunden oder Partners zu offerieren. Die Kombination mit der Rolle der Valorenzentrale, welche bisher die Berner Kantonalbank in der Ibis-Community innehatte, bedeutet für Entris ein Angebot im Anlagegeschäft, das über die Rolle des Abwicklers hinausgeht. Per Ende 2008 wird auch die Finanzlogistik AG aufbereitete Valoren bei Entris beziehen und die bis dahin zweite Valorenzentrale im Ibis-Umfeld schliessen. Abbildung 4-19 zeigt anhand des Referenznetzwerks Anlegen das maximale Angebot von Entris, das der Realisierung von Business Cut A entspricht.
Abbildung 4-19: Angebot von Entris im Netzwerk Anlegen gemäss Business Cut A Der offizielle Start von Entris Anfang 2008 erfolgte mit dem Volumen der Berner Kantonalbank auf dem Business Cut C. Die Volumina jener RBA-Banken, die das Anlagegeschäft bereits an RBA-Service ausgelagert (Clientis Banken) bzw. sich bei der Gründung von Entris dafür entschieden (Valiant Gruppe) haben, wird Entris im Jahr 2008 sukzessive übernehmen. RBA-Service bietet künftig via Entris eine modulare Leistungspalette inklusive Kundendepotverwaltung und Abwicklung sowie diversen zusätzlichen Services an.
145
Abbildung C–7 verdeutlicht, welche Prozessschritte dabei die Produktionsgesellschaft bzw. die Bank übernehmen.
98
4 Fallstudien
Business Cut A gründet auf der Idee, die RBA-Zentralbank als gemeinsamen zentralen Broker zu nutzen, der zwar den notwendigen Bankstatus, aber keine Endkundenbeziehungen hat und daher nicht in Konkurrenz zu den Mandanten von Entris steht. Die Realisierung dieses Business Cut ist für die Ausschöpfung des angestrebten Synergiepotenzials wesentlich, da bei einer Harmonisierung und vor allem Bündelung von Brokerage- bzw. Depotstellennetz signifikante Einsparungseffekte erzielt werden können. Der Entscheid, den Handel an Entris auszulagern, fällt vielen Banken schwer, weil sie den Handel entweder als Kernkompetenz und daher als nicht auslagerbar erachten oder weil sie diesen Prozessteil bereits an einen anderen BPO Provider ausgelagert haben (z.B. Valiant via Lombard Odier). Der folgende Exkurs verdeutlicht die Vielfalt von Sourcing-Modellen für den Handel im Ibis-Umfeld. Exkurs zu Handelsmodellen im Ibis-Umfeld. Der volumenmässig grösste Mandant von RBA-Service, die Valiant Bank, hat den Wertpapierhandel bereits ausgelagert. Die Bank führt den Handel über ihre Tochter Valiant Privatbank durch, welche diese und ihre Aufträge zu den Privatbanken Rahn & Bodmer oder Lombard Odier weiterleitet. Rahn & Bodmer wiederum wickelt einen Teil ihres Handels via Vontobel ab. Im Ibis-Umfeld gibt es, speziell was den Wertpapierhandel betrifft, eine Reihe alternativer Modelle. Abbildung 4-20 skizziert vier Varianten anhand von konkreten Beispielen. Neben der oben genannten Auslagerung des Handels der Valiant Bank bezieht auch die Migrosbank bereits umfassende Leistungen in Brokerage und Custody von einem externen Partner, in diesem Fall der UBS. Ein im Zusammenhang mit RBA-Service wichtiges Unternehmen ist im Wertpapierbereich die Finanzlogistik AG, die aktuell für Teile der RegionalbankCommunity die Rolle des Abwicklers (z.B. kundenseitige Abrechnung von Börsenaufträgen) im Wertpapierbereich übernimmt. Einer der Mandanten der Finanzlogistik AG ist die Clientis Gruppe, die wiederum den Handel an die Basler Kantonalbank ausgelagert hat. Für Entris wesentlich ist auch die Auslagerung des WertpapierGeschäfts der Jurassischen an die Berner Kantonalbank im Sinne von Business Cut A. Dadurch bringt die Berner Kantonalbank sowohl ihr eigenes Volumen als auch jenes der Jurassischen Kantonalbank in das neue Verarbeitungsunternehmen ein.
Sales Institutionelle & Private Kunden
Handel Abrechnung Streetside (Markt)
Legende: Berner Kantonalbank (BEKB) intern BEKB für die Jurassische Kantonalbank Basler Kantonalbank für Clientis Banken Finanzlogisitik AG für Clientis Banken
Abrechnung Kunde
Abbildung 4-20: Handelsmodelle im Ibis-Umfeld
Systeme. Alle Stakeholder im Umfeld von Entris haben das Kernbankensystem Ibis im Einsatz. Das Angebot von Entris basiert folglich auf der Systemarchitektur dieser Plattform, und die Realisierung von Synergieeffekten hängt mit davon ab, inwiefern die Software die Anforderungen aus Antares erfüllen kann. RTC hat als Entwickler und Betreiber von Ibis die strategische Entscheidung gefällt, als Komponente des Kernbankensystems das Wertpapiermodul des Softwareanbieters Legando zu implementieren. Auf Basis umfassender Parametrisierungsmöglichkeiten soll das neue System u.a. die Prozesseffizienz verbessern (z.B. gemessen an der STPRate). Diese Modernisierung der Plattform ist Voraussetzung für die umfassende Ausschöpfung der Synergiepotenziale von Entris. Für die BPO-Verarbeitung im Auftrag mehrerer Banken benötigt Entris eine spezielle IT-Unterstützung. Im Rahmen von An-
4.4 Fallstudie Entris
99
tares beschreibt ein Fachkonzept diese besonderen Anforderungen an die ITUnterstützung in Form von BPO-Baselines (Tabelle 4-8 enthält einen Auszug). Die Forderung nach bankübergreifender Verarbeitung ist ein Beispiel, das unter anderem bei der Verarbeitung von Corporate Actions (CA) hohes Einsparungspotenzial birgt. Aktuell sind in Ibis die einzelnen Mandanten noch abgeschottet, was bedingt, dass CA für jede Bank separat auszuführen sind. Ein anderes Beispiel für das Anlagegeschäft ist die bisher fehlende Automation im Lieferungswesen. Die Berner Kantonalbank ist ab 2008 Leadbank für Ibis im Anlagegeschäft. Diese Rolle als Vorreiter verbessert auch die Realisierbarkeit von Anforderungen seitens der Produktionsgesellschaft Entris. Aufbrechen der Wertschöpfungskette
Applikationen müssen ein Aufbrechen der Wertschöpfungskette erlauben. Das bedeutet, dass die Tiefe der Verarbeitung durch die einzelnen Institute oder Gruppen von Instituten selbst bestimmt werden kann.
Serviceorientier- Die IT-Architektur muss über wohl definierte, standardisierte und dokumentierte Schnittstellen verfügen. Ein Austausch von Services muss jederzeit ohne Anpassung der Schnittstellen ter Aufbau; möglich sein. Die Anzahl der Schnittstellen ist minimiert und standardisiert, was die FlexibiliSchnittstellen tät erhöht und die Abhängigkeiten reduziert. WorkflowUnterstützung
Das Aufbrechen der Wertschöpfungskette soll durch eine durchgängige WorkflowArchitektur ermöglicht werden. Services sowie Drittapplikationen werden optimal integriert. Die Verwaltung von Aufgaben, deren Verfolgung und ein optimales Exception-Handling ermöglichen eine durchgängige und individualisierbare Prozess-Unterstützung mit hohem Automationsgrad (end to end).
Mandantenfähigkeit
Die Services müssen über alle Architekturschichten (Daten, Verarbeitung und Präsentation) mandantenfähig gebaut werden. Das Abbilden von Gruppenkonstrukten (Bildung von Hierarchien) muss möglich sein.
Bankübergreifende Verarbeitung
Die bankübergreifende Verarbeitung erlaubt es, in einem Prozessschritt für mehrere Institute Daten zu erfassen und zu verarbeiten (kein Wechsel von Bildschirmmasken erforderlich). Die Möglichkeit zur Massenerfassung (Ergonomie von Datenerfassungsmasken, Lastverteilung und -optimierung) ist zu gewährleisten.
Geschäftsfallprotokollierung
Um Transparenz zu gewährleisten, muss der Verlauf der Geschäftsfälle jederzeit nachvollzogen werden können. Das heisst, dass die einzelnen Verarbeitungsstadien mit allen dazu gehörenden Prozessschritten – unabhängig davon, ob ein Teilprozess in der Vertriebsbank oder bei der Produktionsgesellschaft bearbeitet wird – protokolliert werden.
Tabelle 4-8: Ausgewählte BPO-Baselines [Kohler/Fries 2005] Abbildung C–8 zeigt die geplante Einbettung von Legando und dem dazugehörigen Handelssystem OTMS von IBM in die Ibis-Plattform. OTMS soll dabei die Schnittstellen zum Frontoffice bei der Bank und zum Markt (Börsenplätze, Broker und Depotstellen) abdecken und Legando für die Backoffice-Verarbeitung eingesetzt werden. Da die Schnittstellen zwischen OTMS und Legando bereits realisiert sind, besteht vor allem Integrationsaufwand von Legando zu Ibis. Abbildung C–9 verdeutlicht diesen Schnitt via Zuordnung der drei Hauptapplikationen zu den Prozessschritten. 4.4.3 Bewertung der Lösung Nutzen. Das Ziel des Konzepts Antares ist, die RBA-Banken zu befähigen, sich auf die Vertriebstätigkeit als Differenzierungsmerkmal zu konzentrieren. Zudem soll die Produktionsgesellschaft Verbesserungen in den Kategorien Kosten, Risiken und Qualität schaffen sowie speziell dazu beitragen, die Cost/Income-Ratio der Banken zu senken, u.a. durch eine weitere Optimierung der Prozesse und Systeme (z.B. bankübergreifende Verarbeitung), durchgängige Infrastrukturkonzepte und Volumenbündelung.
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4 Fallstudien
Die Etablierung der Produktionsgesellschaft als Schnittstelle der Vertriebsbanken zu sämtlichen Backoffice- und Support-Leistungen ist ein Meilenstein des Konzepts. Tabelle 4-9 fasst den Nutzen von Entris zusammen. Nutzen für eine auslagernde Bank
Nachhaltige Optimierung der Kosten durch Bünde- lung der Volumen sowie weitgehende Harmonisierung von Leistungserstellung und Unternehmens netzwerken Verbesserung der Effizienz durch Abbau von Redundanzen, Automatisierung, Standardisierung und Erhöhung der STP-Raten Keine Auswirkungen für Bankkunden im Zuge der Leistungsübernahme durch Entris Individualisierung trotz Automatisierung dank bankenspezifischer Parametrisierung
Nutzen für Entris Steigerung der Attraktivität für andere Banken (z.B. zusätzliche Skaleneffekte) Stärkere Position in der Zusammenarbeit mit RTC (Bündelung von Business-Anforderungen und finanziellen Mitteln) Stärkung der Position der Ibis-Gruppe innerhalb der schweizerischen Bankenlandschaft durch einen Leistungsausweis
Tabelle 4-9: Nutzen der Kooperation für Banken und Entris Nach der Gründung des Unternehmens und dem Start des operativen Betriebs im Zahlungsverker und Teilen des Anlagegeschäfts steht Entris vor der Herausforderung, den Leistungsumfang gemäss den Fachkonzepten aus Antares auszuweiten und auch zusätzliche Banken (und damit Volumen) in die Verarbeitung einzugliedern. Speziell im Bereich Anlegen hat Entris für das Jahr 2008 folgende Ziele: Der Bankkunde merkt nichts von der Umstellung. Insourcing der Volumen der Valiant Bank. Halten / Steigern der Qualität. Identifikation mit Entris (z.B. Etablieren einer Unternehmensidentität bei den vorherigen Mitarbeitern von RBA-Service und der Berner Kantonalbank). Überzeugen und Akquirieren weiterer RBA-Banken. Zusammenlegung der Valorenzentralen für RBA (Finanzlogistik AG) und RTC. Business Case und Preismodell „Beim Start gesourctes Volumen im Gegenwert von 1 CHF kostet im Jahr 2010 noch 70 Rappen.“ [RBA-Holding 2006, 21]
Im Projekt Antares wurde für jedes Fachkonzept ein detaillierter Business Case erstellt. Das obige Zitat stammt aus dem Business Case für das Anlagegeschäft. Abbildung 4-21 zeigt den Aufbau dieser Investitionskostenrechnung, welche die Kostenblöcke Infrastruktur, Applikation und Betrieb / BPO berücksichtigt. Die Blöcke für Infrastruktur und Applikation sind weitgehend volumenunabhängige Fixkosten, für die jedoch sprungfixe Kosten zu beachten sind (vgl. Jahr 2008 in Abbildung 4-21). Der Block Betrieb / BPO ist eher variabel. Hier sind Effizienzgewinne realisierbar, wie sie z.B. im Business Case von den Jahren 2009 auf 2010 berücksichtigt sind. Der in Abbildung 4-21 dargestellte, 2006 im Rahmen von Antares erstellte Business Case basiert auf teilweise nicht mehr gültigen Annahmen. So entspricht z.B. die tat-
4.4 Fallstudie Entris
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sächliche Volumenentwicklung nicht den Annahmen: Entris startet nicht mit dem Volumen aus der RBA-Community, sondern mit jenem der Berner Kantonalbank. Zudem beruht die Kalkulation auf der Realisierung von Business Cut A, zu Beginn beziehen die ersten Mandanten Berner Kantonalbank und Valiant wahrscheinlich „nur“ Business Cut C. Eine umfassende Neukalkulation ist noch nicht erfolgt, das aktuell angestrebte Kostenziel sieht eine durchschnittliche Einsparung über alle Mandanten von 20% in den nächsten vier Jahren im Vergleich zu den Kosten per 2007 vor. Wesentliche Einflussfaktoren dieser Einsparungen sind Standardisierung, eine Modernisierung der Applikationslandschaft sowie die Zusammenlegung der Depotstellennetze. Entris ist aus Sicht der Eigentümer ohnehin nicht primär aus der Kostenperspektive zu beurteilen, sondern als strategischer Schritt zur Umsetzung künftiger Geschäftsmodelle zu verstehen.
Kosten
Betrieb / BPO
Applikation
Sensitivität vor Investition
Sensitivität nach Investition
Volumen Markt / Partner
Volumen
Sensitivität
Infrastruktur
Volumenaufbau RBA Startvolumen RBA
2006
2007
2008
2009
2010
Abbildung 4-21: Aufbau Business Case im Anlagegeschäft nach [RBA-Holding 2006, 19] Das detaillierte Preismodell für Entris ist noch nicht fixiert. Das Unternehmen ist aktuell als Cost Center organisiert. Für die Verteilung der Kosten während der Startphase sind zwei Alternativen vorgesehen: Variante A sieht vor, die extrapolierten Kosten der kommenden vier Jahre umzulegen auf die Preise der Dienstleistungen. Diese Preise würden die Transformationskosten beinhalten und müssten in der Folge sukzessive gesenkt werden, um die angepeilten Einsparpotenziale und damit auch marktfähige Preise zu erreichen.
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4 Fallstudien
Gemäss Variante B ist geplant, bereits ab 2008 marktgerechte146 Preise zu verrechnen und den Verlust, der bei dieser Variante aufgrund der Initialkosten für den Aufbau der Produktionsgesellschaft entsteht, auf die Anteilseigner aufzuteilen. Per 1.1.2009 soll Entris in ein Profitcenter umgewandelt werden, das auf dem Prinzip SSP (Service-Strukturen mit Preis) basiert und auf Basis einer detaillierten Prozesskostenrechnung (vgl. Kapitel 5.2.2.2) jeder Leistung einen Kostenblock und damit einen Preis zuordnen kann. Ob auch der Kostenblock für von RTC bezogene IT-Leistungen bereits im Jahr 2009 im Detail auf die Dienstleistungen umgelegt werden kann, ist noch fraglich. 4.4.4 Fazit und Ausblick Fazit. Entris basiert auf dem Konzept einer „fabrikmässigen“ Verarbeitung von Backoffice-Tätigkeiten. Aus Sicht der RBA-Banken ist Entris ein spezialisierter Anbieter, der via RBA-Service Dienstleistungen erbringt, die nicht zur Kernkompetenz der Banken gehören. Aus Sicht der Berner Kantonalbank bietet die gemeinsame Gesellschaft die Chance, zusätzliche Skaleneffekte zu erzielen, die eigenen Ressourcen auf die Kundenschnittstelle auszurichten und Bern als Bankenstandort zu stärken. Die Öffnung von Entris für weitere Banken ausserhalb des RBA-Verbunds und damit die Etablierung als BPO Provider im Markt Schweiz ist eine Herausforderung für die folgenden 3-5 Jahre. Im Anlagegeschäft beruht das Angebot auf einem detaillierten Konzept, das beinahe das gesamte Anlagegeschäft mit Ausnahme der Bankkundenschnittstelle umfasst. Ein Fazit über die Leistungserstellung ist aufgrund des Starts per 1.1.2008 noch nicht möglich. Die Ausweitung der Leistungserstellung auf Business Cut A oder zumindest B inklusive einem einheitlichen Depotstellennetz ist wahrscheinlich erforderlich für die Erfüllung der angestrebten Kosteneinsparungen. Ausblick. Die Attraktivität für Dritte hängt im Anlagegeschäft von der Umsetzung der verschiedenen Business Cuts ab. Wie erwähnt kann eine Bank vorrangig mit dem Business Cut A umfangreiche Kosteneinsparungen realisieren. Synergieeffekte hängen auch von der Erneuerung der IT-Plattform ab. Von der geplanten Integration von Legando und OTMS erwartet Entris Fortschritte in der Abwicklung des Anlagegeschäfts z.B. hinsichtlich Automation, (Mehr-)Mandantenfähigkeit und bankübergreifender Verarbeitung. Auf Basis der bestehenden Mandanten kann Entris auf einem signifikanten Startvolumen aufbauen, das in der aktuell kostengetriebenen Sourcing-Diskussion ein Wettbewerbsvorteil werden kann. Um diesen Vorteil nutzen zu können, muss das Unternehmen potenzielle Kundenbanken von der Stabilität und Unabhängigkeit der NetzwerkKonstellation überzeugen.
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Die Definition von marktgerecht entspricht zunächst den Erfahrungen der Mandanten. Mittelfristig soll die Marktfähigkeit der Preise mit Hilfe von Benchmarking-Analysen gewährleistet werden.
4.5 Fallstudie DZ BANK
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4.5 Fallstudie DZ BANK 4.5.1 Zum Unternehmen Der deutsche Bankenmarkt umfasst folgende Sektoren: (1) den Sparkassensektor mit ca. 40% Marktanteil (gemessen an der Anzahl Bankkunden), (2) den Verbund der Genossenschaftsbanken mit ca. 21% Marktanteil sowie (3) unabhängige Banken mit Heimmarkt Deutschland mit jeweils 20%, ; 5-20%, 5 Jahre, ; 2-5 Jahre,