Plasmozytom / Multiples Myelom
Die blauen Ratgeber
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Plasmozytom / Multiples Myelom
Die blauen Ratgeber
22
Diese Broschüre wurde gemeinsam erstellt von der Deutschen Krebshilfe, der Deutschen Leukämie- und Lymphom-Hilfe e.V. (DLH) und der Deutschen Krebsgesellschaft.
Herausgeber: Deutsche Krebshilfe e.V. Thomas-Mann-Str. 40 53111 Bonn
Plasmozytom / Multiples Myelom
Medizinische Beratung: PD Dr. A. Glasmacher Dr. A. Roth Prof. Dr. I. Schmidt-Wolf Medizinische Klinik und Poliklinik I Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn Prof. Dr. M. Bamberg Klinik für Radioonkologie Universitätsklinikum Tübingen Hoppe-Seyler-Str. 3 72076 Tübingen Text: Arbeitskreis Literatur der Deutschen Leukämieund Lymphom-Hilfe e.V. Redaktion: Dr. med. Eva M. Kalbheim, Deutsche Krebshilfe Ausgabe 9/2003 Druck auf chlorfreiem Papier ISSN 0946-4816
Ein Ratgeber für Betroffene, Angehörige und Interessierte
PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM
Inhalt Vorwort Wie ist unser Blut zusammengesetzt? Was versteht man unter Blutbildung Plasmozytom/Multiples Myelom – Was ist das? Warum entsteht ein Plasmozytom/Multiples Myelom? Andere Arten der Erkrankung von Plasmazellen Monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) Smouldering Myelom („schwelendes” Myelom) Plasmazell-Leukämie Solitäres Plasmozytom Extramedulläres Plasmazytom Morbus Waldenström
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Der Körper sendet Alarmsignale
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Diagnostik Das Gespräch (Anamnese) und die körperliche Untersuchung Untersuchung von Blut und Urin Bildgebende Diagnostik Knochenmarkpunktion
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Klassifikation des Tumors
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Die Therapie beim Plasmozytom/ Multiplen Myelom Chemotherapie Kombination von Melphalan und Prednison
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PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM
PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM
36 36 39
Vorwort
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Liebe Leserin, lieber Leser,
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Ihr Arzt hat bei Ihnen ein Plasmozytom oder ein Multiples Myelom festgestellt. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, bei der sich Ihre weißen Blutkörperchen krankhaft verändert haben. Diese Diagnose wird bei Ihnen und Ihren Angehörigen zunächst viele Fragen und Sorgen aufwerfen, sowohl zur Krankheit selbst als auch zu den möglichen Ursachen und Heilungsaussichten. Antworten auf diese Fragen wird Ihnen in erster Linie Ihr behandelnder Arzt geben können.
VAD-Schema Mögliche Nebenwirkungen der Chemotherapie Hochdosis-Therapie und Stammzelltransplantation Hochdosis-Chemotherapie und Rückgabe eigener (autologer) Stammzellen Hochdosis-Chemotherapie und Übertragung fremder (allogener) Stammzellen Hochdosis-Chemotherapie und Ganzkörperbestrahlung Allogene Mini-Transplantation Strahlentherapie Biologische Grundlagen der Strahlentherapie Strahlentherapie beim Plasmozytom/ Multiplen Myelom Behandlung mit Interferon Behandlung mit Thalidomid Die Behandlung von Begleitsymptomen Blutarmut (Anämie) Knochenverdünnung Infektionen Schmerzen
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Klinische Studien
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Seelische Auswirkungen der Erkrankung
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Nachsorge
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Wo können Sie Informationen und Rat erhalten? Informationen im Internet
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Erklärung von Fachausdrücken
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Informieren Sie sich
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Fragebogen
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42 42 43 44
Die vorliegende Broschüre kann und soll das Gespräch mit Ihrem Arzt nicht ersetzen. Sie soll Ihnen jedoch dabei helfen, mehr über Ihre Erkrankung und deren Therapie zu erfahren, und sie soll Ihnen die Möglichkeit bieten, Antworten auf einige Fragen nochmals in Ruhe nachlesen zu können. Die Tatsache, an einer bösartigen Erkrankung zu leiden, ist für niemanden leicht zu verkraften. Doch Sie können Ihre Ängste und Befürchtungen durch ein besseres Verständnis vermindern. Dieser Ratgeber soll Ihnen helfen, Ihre Erkrankung besser zu verstehen und sich auf die Auswirkungen des Plasmozytoms/Multiplen Myeloms auf Ihr Leben vorzubereiten. Im Folgenden finden Sie zunächst eine kurze Übersicht über die Zusammensetzung und die Funktionen des Blutes. Es folgen eine Beschreibung der Krankheit mit ihren Symptomen, Erklärungen zu den notwendigen Untersuchungen und eine Darstellung der gegenwärtigen Behandlungsmöglichkeiten. Schließlich widmet sich ein eigenes Kapitel den Risiken, die das Plasmozytom/Multi-
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ple Myelom mit sich bringt, sowie den Maßnahmen, die Sie ganz persönlich ergreifen können, um diese FolgeErscheinungen zu verringern oder völlig zu vermeiden.
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Wie ist unser Blut zusammengesetzt?
Helfen Sie mit, Ihre Erkrankung aktiv zu bekämpfen! Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem Ratgeber dabei helfen können, das Leben mit Ihrer Erkrankung zu bewältigen, und wünschen Ihnen alles Gute. Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie uns an!
Um Signale, die der Körper uns gibt, richtig einordnen zu können, sollte man sich einige Tatsachen über das Blut, seine Zusammensetzung und seine Aufgaben im menschlichen Körper vergegenwärtigen.
Ihre Deutsche Krebshilfe und Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe
Das Blut, die in den Blutgefäßen zirkulierende Körperflüssigkeit, erfüllt vielfältige Aufgaben: Es dient der Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen, dem Abtransport von Kohlendioxid und Stoffwechselprodukten, der Wärmeregulation sowie der Verteilung von Enzymen und Hormonen. Es nimmt im Darm Nährstoffe und in den Lungen Sauerstoff auf und führt sowohl die Nährstoffe als auch den Sauerstoff den Organen zu. Die normale Blutmenge beträgt bei einem Erwachsenen etwa ein Zwölftel seines Körpergewichtes. Bei einem Erwachsenen, der 60 Kilogramm wiegt, sind dies etwa fünf bis sechs Liter.
Unser Blut hat viele Aufgaben
Blut besteht aus vielen verschiedenen Bestandteilen, deren richtige Zusammensetzung die Voraussetzung für das Wohlbefinden und die Gesundheit eines Menschen ist.
Die wesentlichen Bestandteile des Blutes
Etwa die Hälfte des gesamten Blutes besteht aus Blutplasma, das sich hauptsächlich aus Wasser und Eiweißkörpern zusammensetzt. Die andere Hälfte des Blutes besteht aus Zellen. Die drei wichtigsten Zellelemente sind:
Blutplasma
Eine Bitte in eigener Sache: Wir hoffen, dass wir Ihnen mit dieser Broschüre eine Hilfe für den Umgang mit Ihrer neuen Lebenssituation geben konnten. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns hierzu eine Rückmeldung geben würden. Am Ende dieses Ratgebers finden Sie einen Fragebogen, mit dem wir von Ihnen erfahren möchten, ob die Broschüre die von Ihnen benötigten Informationen tatsächlich vermitteln konnte. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns diesen Fragebogen gelegentlich zuschicken würden. Vielen Dank.
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die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) die Blutplättchen (Thrombozyten).
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PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM
Rote Blutkörperchen
Blutplättchen
Weiße Blutkörperchen
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Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) enthalten ein eisenbeladenes Eiweiß, das so genannte Hämoglobin, welches für den Sauerstofftransport von der Lunge zu den Zellen verantwortlich ist. Im Körper produziertes Kohlendioxid wird von den roten Blutkörperchen zur Lunge zurück transportiert, wo es über die Atmung ausgeschieden wird. Die Lebensdauer der Erythrozyten beträgt 120 Tage. Danach werden sie in der Milz abgebaut und durch neue Erythrozyten ersetzt. Jeder Mensch besitzt vier bis sechs Millionen rote Blutkörperchen pro Mikroliter Blut.
Zellen nur eine sehr kurze Lebensdauer (Ausnahme Lymphozyten). Sie müssen daher ständig nachproduziert werden. Jeder Mensch besitzt 4.000 bis 10.000 Leukozyten pro Mikroliter Blut. Die Monozyten und Granulozyten töten Bakterien dadurch, dass sie sie „auffressen“. Bei einem Mangel dieser Zellen ist die so genannte unspezifische Abwehr des Körpers beeinträchtigt.
Hat ein Patient weniger Erythrozyten oder zu wenig Hämoglobin, so spricht man von Blutarmut (Anämie). Dadurch ist der Sauerstofftransport im Körper gefährdet. Krankheitszeichen der Blutarmut kennen Sie vielleicht selbst: Müdigkeit, Luftnot, Schwäche, Schwindel oder Kopfschmerzen.
Die T-Lymphozyten können als so genannte „Killerzellen“ Krankheitserreger und kranke Zellen vernichten und haben darüber hinaus eine Koordinationsfunktion im Abwehrsystem. Als T-Helfer-Lymphozyten ermöglichen sie durch Produktion verschiedener Wachstumsfaktoren die Differenzierung von B-Lymphozyten zu antikörperproduzierenden Plasmazellen.
Hauptfunktion der Blutplättchen (Thrombozyten) ist die Blutgerinnung. Bei der Verletzung eines Blutgefäßes wird die Gefäßwand durch Thrombozyten abgedichtet. Innerhalb kürzester Zeit bilden sich an der verletzten Stelle Plättchenpfropfen, die zur sofortigen Blutstillung führen. Thrombozyten verweilen etwa zehn Tage in der Blutbahn, falls sie nicht vorher zur Blutstillung und Thrombusbildung verwendet werden. Ein Mangel an Blutplättchen kann sich in einer verstärkten Blutungsneigung äußern, was sich durch kleine punktförmige Einblutungen in die Haut oder durch Nasenbluten bemerkbar machen kann. Jeder Mensch besitzt 150.000 bis 300.000 Thrombozyten pro Mikroliter Blut. Zu den weißen Blutkörperchen (Leukozyten) gehören Monozyten, Granulozyten sowie B- und T-Lymphozyten. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern (Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten). Im Vergleich zu den Erythrozyten haben die weißen
Die Lymphozyten dagegen sorgen für verschiedene Funktionen der spezifischen Abwehr:
Die B-Lymphozyten sind für die Produktion von Antikörpern zuständig. Die B-Lymphozyten durchlaufen einen Reifungsprozess im Knochenmark und reifen zu Plasmazellen heran. Die Plasmazellen produzieren viele verschiedene Antikörper und versetzen so das menschliche Abwehrsystem in die Lage, auf jeden möglichen Krankheitserreger zu reagieren. Beim Plasmozytom liegt eine krankhafte Veränderung dieser Plasmazellen vor. Die krankhaften Plasmazellen werden auch Myelomzellen genannt.
Lymphozyten
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10 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM Was versteht man unter Blutbildung? Bultbildung im Knochenmark
Weiße und rote Blutkörperchen und die Blutplättchen gelangen erst nach einem Wachstums- und Reifungsprozess in die Blutbahn. Der Ort, an dem die Blutbildung stattfindet, ist das Knochenmark. Dort wachsen unreife Blutzellen zu funktionstüchtigen Zellen heran, die dann in das Blut ausgeschwemmt werden können. Das Knochenmark steht mit dem Blut- und Lymphgefäßsystem in Verbindung. Erkrankungen, die vom Knochenmark ausgehen, betreffen daher immer den gesamten Organismus. Deshalb können solche Erkrankungen durch eine ProbeEntnahme an einer beliebigen Stelle des Körpers (zum Beispiel eine Knochenmarkpunktion am Beckenknochen) nachgewiesen werden. Die Blutbildung, die im Knochenmark stattfindet, nimmt ihren Ausgang von unreifen Zellen, den so genannten Stammzellen. Sie zeichnen besonders dadurch aus, dass sich aus ihnen jede Art von Blutzelle entwickeln kann. So entstehen zunächst vor allem zwei Hauptarten von Vorläuferzellen, die myeloischen Stammzellen (Myeloblasten) und die lymphatischen Stammzellen (Lymphoblasten). Aus den Myeloblasten entwickeln sich die Granulozyten, aus den Lymphoblasten die Lymphozyten. Während des Reifungsprozesses nimmt die Spezialisierung der Zellen zu. Sind sie ausgereift, werden sie in die Blutbahn ausgeschwemmt, wo sie ihren Aufgaben nachkommen. Die Leistungsfähigkeit der Stammzellen ist enorm: Beim erwachsenen Menschen werden täglich etwa 300 Milliarden (als Zahl ausgeschrieben: 300.000.000.000!) Funktionszellen allein der myeloischen Reihe nachgebildet.
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Das Zusammenspiel von Blutbildung, Erhalt und Abbau ist ein sehr wirkungsvoll geregelter Prozess. Eine übermäßige Vermehrung abnormaler Zellen im Rahmen einer Erkrankung des Blutzellsystems bedeutet daher eine nachhaltige Störung dieser Abläufe. Beim Plasmozytom kommt es zu einer ungezügelten Vermehrung von Plasmazellen im Knochenmark, durch die das Wachstum der gesunden blutbildenden Zellen im Knochenmark gehemmt wird. Folge für den Patienten ist eine Störung der Gesundheit und des Wohlbefindens. Zahlen, die Sie im Rahmen Ihrer Erkrankung immer wieder hören werden, sind die Werte, die die Zusammensetzung Ihres Blutes beschreiben. Ihr Arzt erhält diese Werte durch die Untersuchung Ihres Blutes im Labor. Die Normalwerte dieses so genannten Blutbildes finden Sie in der folgenden Tabelle. Normwerte des menschlichen Blutes Hämoglobin (roter Blutfarbstoff)
12 - 14 g /100 ml bei Frauen 14 - 16 g /100 ml bei Männern
Erythrozyten (rote Blutkörperchen) Thrombozyten (Blutplättchen) Leukozyten (weiße Blutkörperchen) 1µl (Mikroliter) = 1 Millonstel Liter
4 - 6 Millionen/µl 150.000 - 300.000/µl 4.000 - 10.000/µl
Plasmazellen vermehren sich ungebremst
12 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM Plasmozytom / Multiples Myelom – Was ist das?
Myelomzellen produzieren entartete Antikörper
Osteoklasten können Knochensubstanz abbauen
Beim Plasmozytom/Multiplem Myelom liegt eine bösartige Entartung der Plasmazellen vor. Diese Zellen vermehren sich überschießend. Die krankhaft veränderten Plasmazellen produzieren entartete Antikörper oder auch nur Bruchstücke von Antikörpern, die Paraproteine genannt. werden. Ein Charakteristikum der Myelomzellen ist, dass sie nur Antikörper (Immunglobuline) einer bestimmten Sorte produzieren: Das Immunglobulin G ist dabei die häufigste entartete Antikörper-Form (60 Prozent), gefolgt vom Immunglobulin A (20 Prozent). Die Immunglobuline D, E und M sind deutlich seltener betroffen. Entscheidend ist, dass die Paraproteine funktionsuntüchtig sind, das heißt sie kommen ihren Aufgaben in der Infektionsabwehr nicht nach. Der Patient ist daher erhöht infektanfällig.
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Beckenknochen, Rippen und Schädel. Die Folgen können Knochenbrüche oder Schmerzen sein. Das Knochengewebe ist sehr Kalzium-reich. Wenn sich der Knochen auflöst, wird Kalzium freigesetzt, was oft zu hohen Kalziumspiegeln im Blut führt. Ein kritischer Anstieg von Kalzium im Blut kann Nierenschäden bis hin zum Nierenversagen verursachen.
Erhöhter Kalziumspiegel
Durch die Bildung großer Mengen von Paraproteinen kann der Eiweißgehalt des Blutes erheblich ansteigen. Ein Teil des Eiweißes wird über die Niere ausgeschieden. Dabei kann das Eiweiß die Nierenkanälchen verstopfen und so die Nierenfunktion beeinträchtigen. Es ist wichtig zu wissen, dass ein Plasmozytom über Jahre hinweg ohne bemerkbare Krankheitszeichen verlaufen kann. Die eben beschriebenen Auswirkungen der Erkrankung treten in der Regel erst nach einem längerem Krankheitsverlauf auf.
Eine weitere Auswirkung der Plasmazell-Vermehrung im Knochenmark ist, dass das Wachstum der gesunden blutbildenden Zellen im Knochenmark gehemmt wird. Es kommt so zu einem Mangel an gesunden Erythrozyten und Leukozyten mit den entsprechenden Beschwerden: Müdigkeit, Schwäche und Kopfschmerzen als Zeichen der Anämie; gesteigerte Infektanfälligkeit durch den Mangel an Leukozyten.
Typische Folgen der bösartigen Plasmazell-Vermehrung:
Die Plasmazellen bilden außerdem Substanzen, die zu einer Aktivierung der so genannten Osteoklasten im Knochenmark führen. Osteoklasten sind Zellen, welche die Knochensubstanz abbauen können. Durch die hohe Aktivität der Osteoklasten kommt es zur Aufweichung und Ausdünnung des Knochens vor allem in Wirbelsäule,
Normale Blutproduktion verdrängt: - Blutarmut ➡ Kurzatmigkeit - Wenig Blutplättchen ➡ Blutungsneigung - Wenig Leukozyten ➡ Infekt-Anfälligkeit Normale Abwehreiweiße fehlen
➡ Infekt-Anfälligkeit
Immunsystem fehlreguliert
➡ Infekt-Anfälligkeit
Osteoporose, Osteolysen
➡ Knochenbrüche
Eiweißablagerungen (Amyloidose) ➡ Schäden von Niere, Darm, Herz Allgemeinsymptome
➡ Nachtschweiß, Temperaturerhöhung, Gewichtsverlust, Müdigkeit
14 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM Warum entsteht ein Plasmozytom/ Multiples Myelom? Die Frage, warum ein Plasmozytom/Multiples Myelom entsteht, ist bisher weitgehend ungeklärt. Bisher konnten nur wenige eindeutige Antworten gefunden werden. Überwiegend sind die Experten – wie die nachfolgenden Erläuterungen zeigen – auf Vermutungen angewiesen. Erbliche Veranlagung
Sie und Ihre Angehörigen werden sich fragen, ob das Erbgut bei der Krankheitsentstehung eine Rolle spielt. Eine gewisse Abhängigkeit von der Vererbung lässt sich aus der Tatsache schließen, dass erstgradige Verwandte (Eltern /Geschwister) von Plasmozytompatienten ein höheres Risiko haben, selbst daran zu erkranken. Beim Plasmozytom handelt es sich aber nicht um eine Erbkrankheit im engeren Sinne. In der Erbsubstanz der entarteten Plasmazellen können Veränderungen nachgewiesen werden. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um vererbbare Störungen! Es ist lediglich die Krebs-Ursprungszelle mit all ihren Abkömmlingen betroffen. Die Keimzellen des Patienten mit derjenigen Erbsubstanz, die an die Kinder weitergegeben wird, sind nicht betroffen. Eine häufige Veränderung im Erbgut der PlasmozytomZellen betrifft das Chromosom 13. Bei 30 Prozent der Patienten liegt an diesem Chromosom eine Veränderung vor. Dieser chromosomale Defekt ist mit einem eher ungünstigen Krankheitsverlauf verbunden.
PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM
Zu den wichtigsten Risikofaktoren für Veränderungen im Erbgut der Zellen zählen ionisierende Strahlen. Unter den Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki, die hohen Dosen radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren, verstarben auffällig viele Menschen an einem Plasmozytom.
Risikofaktor ionisierende Strahlung
Hinweise darauf, dass die Strahlendosis bei routinemäßig durchgeführten Röntgenuntersuchungen das Risiko einer Plasmozytom-Erkrankung erhöht, gibt es dagegen nicht. Weitere auslösende Faktoren können auch Gifte wie Pestizide oder Dioxine sein. Gesichert ist ferner ein erhöhtes Risiko bei Patienten mit angeborenen Immundefekt-Syndromen und bestimmten Autoimmunerkrankungen, beispielsweise der rheumatoiden Arthritis und verwandter Krankheitsbilder. Risiken bestehen hier vermutlich auch für erstgradige Verwandte, insbesondere Geschwister. Ein erhöhtes Risiko wurde auch nach Organ-, Knochenmark- und Stammzelltransplantation beobachtet.
Risikofaktor Immundefekte
Die Befunde zu einem erhöhten Risiko durch Asthma, Heuschnupfen und Allergien sowie einer Vielzahl weiterer Faktoren mit Bezug zum Immunsystem sind uneinheitlich und können gegenwärtig nicht abschließend bewertet werden. Einige Wissenschaftler vermuten Zusammenhänge mit einer früheren Exposition gegenüber viralen und bakteriellen Erkrankungen. Die Schwächung des Immunsystems während der Auseinandersetzung mit den Bakterien und Viren wird dabei als Entstehungsfaktor angesehen. Es ist beispielsweise bekannt, dass Patienten mit bestimmten Virusinfektionen ein erhöhtes Risiko tragen,
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Infektionserkrankungen
16 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM an einem Plasmozytom zu erkranken. Bei HIV-infizierten Patienten besteht ein 4- bis 5-mal höheres Erkrankungsrisiko. Weitere Viren, die als Ursache für ein Plasmozytom diskutiert werden, sind das Epstein-Barr-Virus (der Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers) und eine Untergruppe der Herpes-Viren, das Herpes-Virus 8. Hierbei scheinen auch geographische Besonderheiten eine Rolle zu spielen, da die Infektion mit dem Herpes-Virus 8 in den USA besonders häufig beobachtet wird, während sie in Europa wahrscheinlich keine große Rolle spielt. Risikofaktor Asbest
Zu den möglichen Risikofaktoren für ein Plasmozytom zählt Asbest. Dafür liegen international zahlreiche Hinweise aus Einzelfalldarstellungen, aber auch aus analytischen Studien vor. Ein erhöhtes Plasmozytom-Risiko durch Exposition gegenüber Dieselruß, organischen Lösungsmitteln, Farben und Lacken sowie die Verwendung permanenter Haarfärbemittel (insbesondere bei Männern) ist ebenfalls gut belegt. In einer Studie wurde außerdem ein erhöhtes Risiko durch starkes Übergewicht beobachtet. Mit dem Zigarettenrauchen, der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern und dem beruflichen Umgang mit Benzol scheint kein erhöhtes Risiko für das Plasmozytom verbunden zu sein. Schwangerschaften, insbesondere vor dem Erreichen des 20. Lebensjahres, scheinen das Plasmozytom-Risiko zu verringern. Schützend sind ebenfalls der Verzehr von Gemüse, Fisch und die Einnahme von Vitamin C. Bei der Entstehung eines Plasmozytoms handelt es sich – wie bei allen Tumoren – um einen Prozess von vielen aufeinander folgenden Schritten, der über Jahrzehnte ab-
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laufen kann. Zumeist sind mehrere Faktoren gleichzeitig beteiligt. In den meisten Fällen wird es daher nicht gelingen, eine Antwort auf die Frage zu bekommen, warum gerade Sie erkrankt sind. Obwohl das Zigarettenrauchen nicht als Ursache für das Plasmozytom nachgewiesen werden konnte, erhöht es Ihre Anfälligkeit und schadet Ihrem Immunsystem. Im Zigarettenrauch sind zahlreiche krebserregende Substanzen enthalten, die beim Rauchen ins Blut übergehen und die Organe schädigen. Bei krebskranken Menschen, die weiter rauchen, verschlechtert sich die Durchblutung des Körpers. Damit nimmt auch die Wirksamkeit einer Chemotherapie ab. Die Deutsche Krebshilfe bietet daher in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum eine Raucher-Hotline für Krebspatienten und deren Angehörige an: Wer die Telefonnummer 0 62 21 / 42 42 24 wählt, erhält wochentags zwischen 15 und 19 Uhr ein intensives Beratungsgespräch. Je nach Wunsch stehen dem Anrufer zwei Varianten der telefonischen Beratung zur Verfügung: Die einmalige Beratung umfasst die Vorgeschichte des Anrufers (Anamnese), Information, Motivation, eine konkrete Maßnahmenplanung sowie verhaltensbezogene und mentale Bewältigungsstrategien. Wer möchte, kann aber auch Folgeanrufe vereinbaren, bei denen die Fortschritte, schwierige Situationen sowie Entzugssymptome ermittelt und besprochen werden. Dabei steht die Rückfallprophylaxe im Vordergrund. Außerdem gibt die Deutsche Krebshilfe eine Broschüre „Aufatmen – Erfolgreich zum Nichtraucher“ heraus, die kostenlos angefordert werden kann (Bestelladresse siehe Seite 71).
Hören Sie auf zu rauchen
Raucher-Hotline
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18 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM Andere Arten der Erkrankung von Plasmazellen Das Plasmozytom/Multiple Myelom gehört zu einer Gruppe von Erkrankungen, die alle mit einer Vermehrung von Plasmazellen einhergehen. Wie zu Beginn dieser Broschüre erläutert, ist die wichtigste Eigenschaft der Plasmazellen, Immunglobuline nur einer Sorte zu produzieren. Das Spektrum der Erkrankungen, die sich hinter einer monoklonalen Gammopathie verbergen, ist groß und umfasst neben bösartigen Erkrankungen auch Veränderungen, deren Gut- oder Bösartigkeit zum Zeitpunkt des Nachweises von Paraproteinen nicht eindeutig beurteilbar ist. Die Mehrzahl der Plasmazell-Erkrankungen hat ihren Sitz im Skelett beziehungsweise im Knochenmark. Der Plasmazell-Klon kann sich aber auch außerhalb des Knochenmarks befinden. Im Folgenden stellen wir Ihnen die wichtigsten Plasmazell-Erkrankungen vor.
Monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) Die Diagnose dieser Erkrankung wird meist zufällig bei Patienten ohne Krankheitszeichen bei der Durchführung einer Blutuntersuchung (Serum-Elektrophorese) gestellt. Die Charakteristika einer MGUS sind das Vorliegen einer geringen Menge von Paraproteinen im Serum (unter 3 g/100 ml) sowie ein normaler Plasmazell-Anteil im Knochenmark (weniger als fünf Prozent Plasmazellen). Weitere Krankheitszeichen wie Knochenverdünnung, Anämie und Einschränkung der Nierenfunktion fehlen.
PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM
Für den Patienten entscheidend sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen, da die MGUS mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 10 bis 20 Prozent in ein Multiples Myelom oder eine verwandte bösartige Erkrankung übergehen kann. Der Verlauf der MGUS ist meist gutartig.
Smouldering Myelom („schwelendes“ Myelom) Das „schwelende“ Myelom nimmt eine Mittelstellung zwischen der MGUS und dem Plasmozytom/Multiplen Myelom ein. Hierbei finden sich im Serum über 3 g/100 ml Paraproteine und im Knochenmark über 10 Prozent atypische Plasmazellen. Die Veränderungen sind jedoch nicht fortschreitend. Die für das Multiple Myelom typischen Krankheitszeichen fehlen.
Plasmazell-Leukämie Eine Plasmazell-Leukämie liegt vor, wenn der Anteil von Plasmazellen im Differentialblutbild über 20 Prozent beträgt. Eine Plasmazell-Leukämie kann entweder primär bei der Erstdiagnose eines Plasmozytoms/Multiplen Myeloms vorliegen oder sich im Verlauf dieser Erkrankung entwickeln.
Solitäres Plasmozytom Von einem solitärem Plasmozytom des Knochens spricht man, wenn nur ein einziger Plasmazell-Herd im Körper nachgewiesen wird.
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20 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM Extramedulläres Plasmozytom Beim extramedullären Plasmozytom handelt es sich um monoklonale Plasmazell-Herde außerhalb des Knochenmarks. Primär extramedulläre Plasmozytome können entweder nur an einer oder an mehreren Stellen auftreten und entweder mit oder ohne Lymphknotenbefall einhergehen. Es gibt darüber hinaus auch sekundär extramedulläre Plasmozytome, die im Rahmen eines bereits bestehenden Plasmozytoms/Multiplen Myeloms auftreten.
Morbus Waldenström Kennzeichnend für den Morbus Waldenström ist das Paraprotein Immunglobulin M. Die klonalen Zellen, die das Paraprotein produzieren, sind in den Lymphknoten, also außerhalb des Knochenmarkes lokalisiert.
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Der Körper sendet Alarmsignale Die wichtigsten Symptome des Plasmozytoms/Multiplen Myeloms haben wir Ihnen bereits vorgestellt. Um die Krankheitszeichen richtig einordnen zu können, ist es für Sie wichtig zu wissen, dass diese Symptome zumeist erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien auftreten. Welche Symptome wann auftreten, kann man nicht vorhersagen. Zu Beginn der Erkrankung bestehen bei den meisten Patienten keine Beschwerden. Im weiteren Verlauf kommt es oft zu uncharakteristischen Symptomen wie Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schwäche, seltener Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen oder Gewichtsverlust. Bei den nachfolgenden, nach Organsystemen beschriebenen Krankheitszeichen, handelt es sich um Komplikationen der Erkrankung in fortgeschrittenen Krankheitsstadien.
Anfangs oft keine Beschwerden
Die Knochenschmerzen beginnen oft schleichend und nehmen mit der Zeit zu. Akut einsetzende, starke Schmerzen sind typisch für Knochenbrüche in der Wirbelsäule, den Rippen oder den langen Röhrenknochen.
Schäden im Skelettsystem führen zu Knochenschmerzen
Häufig stehen Rückenschmerzen im Bereich der Brustund Lendenwirbelsäule im Vordergrund. Oft lässt sich ein Körpergrößenverlust von mehreren Zentimetern feststellen. Ursache dafür ist ein Zusammensinken (Sintern) von Wirbelkörpern.
22 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM Bei Diagnosestellung weisen 80 Prozent der Patienten eine Osteoporose und/oder Osteolysen im Röntgenbild auf. Ist nur eine einzige Osteolyse auf dem Röntgenbild zu sehen, muss an ein einzelnes Plasmozytom im Knochen gedacht werden. Um Knochenausdünnung und Knochenbrüchen vorzubeugen, stehen medikamentöse und orthopädische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese stellen wir ab Seite 50 vor. Erhöhter Kalziumspiegel bedingt Übelkeit und Erbrechen
Ein Anstieg des Kalziumspiegels im Blut (Hyperkalzämie) ist immer Ausdruck einer fortgeschrittenen Erkrankung. Auslösend ist die gesteigerte Aktivität von Osteoklasten. Durch die Auflösung des Knochens kommt es zu einem Anstieg des Kalziumspiegels im Blut und zu einer vermehrten Ausscheidung von Kalzium im Urin. Das Harnvolumen nimmt zu, und der Körper droht auszutrocknen. Der hohe Kalziumgehalt im Blut bedingt Übelkeit und Erbrechen, wodurch noch mehr Flüssigkeit verloren geht.
Nierenfunktion kann nachlassen
Miterkrankungen der Niere im Rahmen eines Plasmozytoms/Multiplen Myeloms können jederzeit auftreten. Bei etwa 20 Prozent aller Patienten muss mit einer nachlassenden Nierenfunktion gerechnet werden. Die Nierenkanälchen werden durch die erhöhte Kalziumausscheidung sowie durch die Ausscheidung der Paraproteine geschädigt.
Blutbild-Veränderungen
Das Ausmaß der Beschwerden aufgrund der Blutbild-Veränderungen hängt von der Masse der entarteten Plasmazellen ab. Je größer die Menge der Myelomzellen im Knochenmark, desto stärker werden dort die Zellen der normalen Blutbildung in ihrem Wachstum behindert.
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Die Reifung der roten Blutkörperchen wird als erstes beeinträchtigt. Symptome der Anämie sind Blässe, Schwäche, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Luftnot, besonders bei körperlicher Belastung.
Blutarmut
Im weiteren Krankheitsverlauf kann es zu einem Abfall der Leukozyten und Thrombozyten kommen. Die niedrigen Leukozytenzahlen, insbesondere der Mangel an speziellen Leukozyten, so genannten neutrophilen Granulozyten, ist zusammen mit dem Antikörpermangel für eine deutlich erhöhte Infektanfälligkeit verantwortlich.
Erhöhte Infektionsanfälligkeit
Etwa 20 bis 25 Prozent der Patienten leiden unter wiederholt auftretenden, überwiegend bakteriellen Infekten. Ursächlich verantwortlich ist die Abwehrschwäche des Körpers durch den Mangel an funktionstüchtigen Antikörpern sowie durch den Mangel an neutrophilen Granulozyten. In der frühen Erkrankungsphase stehen Infekte der Atemwege im Vordergrund. Weist der Patient Symptome wie Fieber oder gelblichen Auswurf auf, so sollte anhand einer Röntgenaufnahme des Brustkorbes nach den Zeichen einer Lungenentzündung gefahndet werden. Eine typische Komplikation der fortgeschrittenen Erkrankung sind Harnwegsinfekte. Durch eine frühzeitig einsetzende oder vorbeugende antibiotische Behandlung können Infektionen wirkungsvoll bekämpft werden.
Atem- und Harnwegsinfekte
Was Sie und Ihr Arzt gegen die Infektionsgefahr tun können, erläutern wir Ihnen ab Seite 55. Der Mangel an Thrombozyten macht sich in einer erhöhten Blutungsneigung bemerkbar. Typisch ist das Auftreten von Nasenbluten oder verstärkten Menstruationsblutungen bei Frauen.
Erhöhte Blutungsneigung
24 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM Veränderungen des Nervensystems selten
Krankhafte Veränderungen des Nervensystems treten nur bei sehr wenigen Patienten mit Plasmozytom/Multiplem Myelom auf. Wenn die langen Nerven an Armen oder Beinen betroffen sind, können brennende Schmerzen und Gefühlsstörungen in den Extremitäten auftreten. Selten und erst nach längerem Krankheitsverlauf kann es auch zu einem Querschnittssyndrom mit Lähmungen, Gefühlsstörungen und Inkontinenz kommen. Ursachen dafür sind meistens Wirbelkörperbrüche. Wichtig zur Vermeidung dieser Komplikationen ist eine frühzeitige Untersuchung der Wirbelsäule als Grundlage therapeutischer Entscheidungen.
PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM
Diagnostik Viele Menschen befürchten, bei der Verdachtsdiagnose „Krebs” in die medizinische „Mühle” zu geraten, und meiden den Arztbesuch aus Angst davor. Denken Sie aber bitte daran, dass die Untersuchungen notwendig sind, um folgende Fragen zu klären: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Handelt es sich wirklich um einen Tumor? Ist dieser gut- oder bösartig? Um welche Krebsart handelt es sich? Wo sitzt der Tumor? Wie ist der Allgemeinzustand des Patienten? Wie weit ist die Krebserkrankung fortgeschritten? Welche Behandlung wird den größten Erfolg bringen?
Eine sinnvolle Therapieplanung ist nur möglich, wenn eine gründliche Diagnostik vorausgegangen ist. Dabei haben alle diagnostischen Maßnahmen zwei Ziele: Zum einen sollen sie den Verdacht auf eine Krebserkrankung bestätigen oder ausräumen. Wenn sich der Verdacht bestätigt, müssen die behandelnden Ärzte zum anderen genaue Kenntnis über den Tumor haben. Die Krankheit kann auf mehrere Arten festgestellt werden. Allgemeine Hinweise sind veränderte Blut- oder Urinwerte, Knochenschmerzen oder Knochenbrüche. Diese geben Anlass zu gezielten Untersuchungen auf ein Plasmozytom/Multiples Myelom.
Keine Angst vor dem Arztbesuch
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26 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM Für die Diagnose eines Plasmozytoms/Multiplen Myeloms müssen mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein: ● In der Knochenmarkprobe beträgt der Anteil an Plasmazellen mehr als zehn Prozent. ● Der Patient leidet unter allgemeinen Krankheitszeichen wie Knochenschmerzen, Blutarmut; Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsabnahme (so genannte B-Symptome); erhöhter Kalziumspiegel und eingeschränkter Nierenfunktion. ● Im Blut sind über 3 g/100 ml Paraproteine nachweisbar und/oder es sind Paraproteine im Urin nachweisbar und/oder es bestehen Knochenverdünnungen.
Keiner der genannten Befunden würde demnach für sich allein die Diagnose zweifelsfrei zulassen. Erst das Zusammentreffen typischer Befunde macht die Verdachtsdiagnose sehr wahrscheinlich. Allerdings lassen sich anhand der oben genannten drei Kriterien nur relativ fortgeschrittene Krankheitsfälle feststellen. Ziel der modernen Diagnostik beim Plasmozytom/ Multiplen Myelom ist es aber, möglichst frühzeitig, also vor dem Auftreten von Komplikationen, die Diagnose zu sichern. Diese Strategie soll es dem behandelnden Arzt erlauben, vorbeugende Maßnahmen einzuleiten. Als Beispiel dafür ist die Behandlung mit knochenaufbauenden Substanzen zu nennen, die eingeleitet werden sollte, bevor es zu Knochenbrüchen kommt. Für den Betroffenen kann sich dies im Sinne einer verbesserten Lebensqualität auswirken.
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Ein weiteres Ziel der modernen Diagnostik ist es, anhand der Untersuchungsergebnisse eine Aussage über den mutmaßlichen Verlauf der Erkrankung machen zu können. Dabei wird die Gutartigkeit (Dignität) des Tumors beurteilt. Je bösartiger (maligner) der Tumor ist, desto schneller wächst er. Die Dignität des Tumors ist somit ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung, welche Therapie Ihnen angeboten wird. Besteht der Verdacht, dass Sie an einem Plasmozytom/Multiplen Myelom erkrankt sind, wird Ihr Arzt mit Ihnen über die Untersuchungen sprechen, die notwendig sind, um die Diagnose zu sichern. Im Folgenden stellen wir Ihnen eine Reihe der gängigsten Untersuchungsverfahren und ihre Bedeutung vor. Schon zu diesem Zeitpunkt, wo bisher nur der Verdacht auf eine Krebserkrankung besteht, und erst recht später, wenn sich dieser Verdacht vielleicht bestätigt hat, ist es wichtig, dass Sie ein vertrauensvolles Verhältnis zu Ihrem Arzt entwickeln. Wie Patient und Arzt an einem Strang ziehen, wie sie ihre Handlungen abstimmen und sich auf einer gemeinsamen Basis verständigen können, um das bestmögliche Behandlungsergebnis zu erreichen, dazu hat die Deutsche Krebshilfe die Broschüre „TEAMWORK – Die blauen Ratgeber 31“ herausgegeben (Bestelladresse Seite 71).
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28 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM Das Gespräch (Anamnese) und die körperliche Untersuchung
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Bildgebende Diagnostik Zur Erkennung von Osteolysen sind Röntgenaufnahmen unentbehrlich. Wichtig sind Aufnahmen des Schädels, der Wirbelsäule, der langen Röhrenknochen, des Beckens und der Rippen. Ein Nachteil der Röntgendiagnostik ist, dass geringgradige Plasmazell-Infiltrationen auf den Bildern nicht erkennbar sind.
Röntgenaufnahmen
Kernspintomographie/ Computertomographie
Schildern Sie Ihrem Arzt all Ihre Beschwerden und Vorerkrankungen. Jedes Ihnen noch so unwichtig erscheinende Detail kann für Ihren Arzt eine wichtige Information sein.
Neuere bildgebende Verfahren wie die Kernspintomographie (auch Magnetresonanztomographie MRT) oder die Computertomographie (CT) können ergänzend zu den Röntgenaufnahmen durchgeführt werden. Sinnvoll sind diese Untersuchungen zum Nachweis einer Früh-Infiltration der Wirbelsäule und zur genaueren Beurteilung von osteolytischen Bezirken, die auf konventionellen Röntgenaufnahmen nicht ausreichend zu beurteilen sind.
Untersuchung von Blut und Urin
Knochenmarkpunktion
In Blut- und Urinproben werden zunächst die Art und die Menge der Immunglobuline bestimmt. Für die Beurteilung des Krankheitsverlaufes sind weitere Blutwerte wichtig, wie zum Beispiel das beta-2-Mikroglobulin, das C-reaktive Protein, das Albumin und verschiedene Zytokine. Durch Bestimmung dieser Eiweiße kann eine Aussage über die Aktivität der Erkrankung getroffen werden.
Eine Sicherung der Diagnose ist nur mittels einer Knochenmarkpunktion möglich. Dazu müssen Sie sich auf den Bauch oder auf die Seite legen. Dann wird im Bereich des Beckenknochens auf der Fläche eines etwa 2Euro-Stück großen Gebietes eine lokale Betäubung gesetzt und unter sterilen Bedingungen eine Nadel in das Knochenmark eingeführt. Nun werden mit einer Spritze wenige Milliliter Blut aus dem Knochen herausgesaugt. Anschließend wird mit einer anderen Nadel ein etwa 10 mm langes Knochenstückchen von 2 mm Durchmesser entfernt. Dies nennt man „Stanze“. Der ganze Vorgang dauert etwa eine Viertelstunde. Danach müssen Sie sich für gut 30 Minuten auf den Rücken legen, eventuell auf einen kleinen Sandsack, um die Entnahmestelle zusammenzupressen und so die Bildung eines Blutergusses an der Punktionsstelle zu vermeiden. An diesem und dem
In einem ausführlichen Gespräch wird der Arzt sich mit Ihnen über Ihre aktuellen Beschwerden, über Vorerkrankungen und eventuelle Risikofaktoren unterhalten. Für eine spätere Therapieplanung ist es auch wichtig, eventuell vorliegende Begleiterkrankungen zu kennen. Eine gründliche körperliche Untersuchung soll dem Arzt helfen, die Ursache Ihrer Beschwerden zu erkennen und die richtige Diagnose zu stellen.
Eine regelmäßige Überwachung des Blutbildes soll dazu beitragen, Funktionsbeeinträchtigungen des Knochenmarks infolge der Plasmazell-Infiltration rasch festzustellen. Das Ausmaß der Blutarmut gibt einen Hinweis auf den Verlauf der Erkrankung: je niedriger der Hämoglobinwert, desto ungünstiger der Krankheitsverlauf.
30 PLASMOZYTOM / MULTIPLES MYELOM folgenden Tag dürfen Sie nicht in die Badewanne; Duschen hingegen ist ab dem Folgetag nach der Untersuchung unproblematisch. Manche Patientinnen und Patienten bezeichnen die Punktion als schmerzhaft; die meisten berichten hingegen, dass die Untersuchung gut erträglich war. Die Entnahme einer Knochenmark-Probe dient mehreren Zwecken. Einerseits wird der Infiltrationsgrad der Plasmazellen im Knochenmark bestimmt. Andererseits können die Plasmazellen unter dem Mikroskop nach ihrem Aussehen in gut differenzierte Zellen und weniger gut differenzierte Zellen eingeteilt werden. Damit kann eine Vorhersage über den Krankheitsverlauf gemacht werden: Plasmozytome/Multiple Myelome mit gut differenzierten Zellen nehmen einen eher günstigen Verlauf. Die Knochenmarkpunktion bildet das Fundament in der Diagnostik des Plasmozytoms/Multiplen Myeloms. Ihre Symptome, die Ergebnisse der Blut- und Röntgenuntersuchungen sowie die Beurteilung der Knochenmark-Probe hilft dabei, die Diagnose zu sichern. Darüber hinaus kann durch die Bestimmung von bestimmten Blutwerten (beta-2-Mikroglobulin, C-reaktives Protein) eine Vorhersage über den mutmaßlichen Verlauf der Erkrankung getroffen werden. Aufgrund der Ergebnisse dieser Untersuchungen und Ihrer persönlichen Gesamtsituation werden Sie dann gemeinsam mit den behandelnden Ärzten entscheiden, welche Behandlung für Sie am geeignetsten ist.
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Klassifikation des Tumors Die Stadieneinteilung nach Salmon und Durie erlaubt zum Zeitpunkt der Diagnose eine Abschätzung der Tumorzellmasse anhand einfacher Kriterien. Die Erkrankung wird in drei Stadien unterteilt, abhängig von der Höhe des Kalziumwertes im Blut, des Hämoglobinwertes, der Menge an monoklonalem Immunglobulin sowie nach der Anzahl der Knochenschäden. Wie im vorhergehenden Kapitel erwähnt, ist das Krankheitsstadium wichtig zur Festlegung der für Sie richtigen Therapie. Stadium
Hb Kalzium (g/ (mmol/l) 100 ml)
Knochenläsionen (Anzahl)
I
>10