Peter J. Etges Kritik
der analytischen Theologie Vorwort Hans Albert
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Peter J. Etges Kritik
der analytischen Theologie Vorwort Hans Albert
In dieser Arbeit wird die Rezeption der analytischen Sprachphilosophie - vor allem der Wittgensteinschen Spätphilosophie in der modernen Theologie an Hand einiger Ansätze einer ,.analytischen Theologie« bei einigen Philosophen und Theologen kritisch analysiert. Einführend wird dazu das Problem der Sprache im Rahmen der Theologie diskutiert, wobei vor allem die These, die Sprache sei das zentrale Problem der Theologie, einer Kritik unterzogen wird. Der Autor Peter J. Etges, geboren 1945 in Lütz (Krs. Cochem), Studium der kath . Theologie in Trier und Freiburg i. Br. Examen als Diplomtheologe 1970; anschließend Studium der Soziologie und Wissenschaftstheorie in Freiburg i. Br. und Mannheim, Examen als Diplomsoziologe 1973.
Standpunkt Analysen · Dokumente· Pamphlete
Standpunkt Analysen· Dokumente· Pamphlete Redaktion Hans Helmut Röhring
Peter J. Etges
Kritik der analytischen Theologie Die Sprache als Problem der Theologie und einige Neuinterpretationen der religiösen Sprache Vorwort Hans Albert
Hoffmann und Campe
1.
bis 5. Tausend 1973
© Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1973 Gesetzt aus der Korpus Garamond-Antiqua Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck ISBN 3-455-09°97-4' Printed in Germany
Inhalt
Vorwort Einleitung: Aufgabenstellung und Aufbau der Arbeit I. Teil: Die Sprache als Problem der Theologie und das Verhältnis der Theologie zur Philosophie I. Theologie, Wissenschaft, Sprache I. Theologie und Wissenschaft: Theologie als »Glaubenswissenschaft« 2. Theologie und Sprache: Analogie und Hermeneutik a) Reden über Gott in der Sprache der Analogie b) Das hermeneutische Problem H. Theologie und Philosophie 2. Teil Darstellung und Diskussion einiger Interpretationen der religiösen und theologischen Sprache im Anschluß an die analytische Philosophie I. Analytische Philosophie und Theologie I. Kurze Charakterisierung der analytischen Philosophie
7 12
15
17 17
21 21
24
33
41 43
43
2.
Religion und Theologie aus der Sicht der Analytiker
a) Alfred J. Ayer: »Language, Truth and Logic« b) Ludwig Wittgenstein: »Vorlesungen über den religiösen Glauben« 3. Die Auswege der Theologen angesichts der Kritik H. Nichtkognitive Deutungen religiöser Aussagen I. Darstellung
a) Richard M. Hare's »blik«-Theorie b) »An Empiricist's View of the Nature of Religious Belief«: Richard B. Braithwaite c) Paul M. van Buren's »Reden von Gott in der Sprache der Welt« d) William E. Kennick 2. Diskussion
a) Die methodologischen Grundlagen (I) Braithwaite und van Buren (2) Hare b) Die Konsequenzen der nichtkognitiven Interpretation III. Kognitive Deutungen religiöser Aussagen I. D. Z. Phillips
2.
51
52 54 59 62 62
62 66 70
76 77 77
78 87 90
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a) Darstellung b)Kritik
99
Ian T. Ramsey
102
a) Darstellung b) Kritik
102
Zusammenfassung
96
107 114
Vorwort
Die Spätphilosophie Ludwig Wittgensteins hat im angelsächsischen Sprachbereich einen außerordentlich starken Einfluß auf die Entwicklung des Denkens gehabt. Die für sie charakteristische Methode der Sprachanalyse gehört zu den bevorzugten Verfahrensweisen in philosophischen Untersuchungen. Auch in die Wissenschaften hat sie schon Eingang gefunden, vor allem in solche, die man in Deutschland den Geisteswissenschaften zuzurechnen pflegt und die hier vor allem dem Einfluß der hermeneutischen Strömungen der Philosophie ausgesetzt waren. So ist im theologischen Denken des angelsächsischen Sprachraums unter anderem auch eine Richtung zu verzeichnen, die man, wie das im Titel dieses Buches geschieht, als »analytische Theologie« bezeichnen kann, eine Theologie also, die sich der Sprachanalyse bedient, um ihre Probleme zu formulieren und zu lösen. Vorderhand ist hierzulande von Versuchen dieser Art noch wenig zu hören. Seit in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg als Reaktion auf den liberalen »Kulturprotestantismus« die dialektische Theologie einen Umbruch im theologischen Denken herbeigeführt hatte, in dem die Autonomie der religiösen Sphäre betont, die biblische Gotteserkenntnis und die sich aus ihr ergebende Weltdeutung als »außer Konkurrenz und 7
außer Diskussion« deklariert und ihr Gegensatz zur säkularen Kultur herausgestellt worden war, ist in zunehmendem Maße die im deutschen Sprachraum vor allem unter dem Einfluß Heideggers und seiner Schüler vordringende hermeneutische Philosophie auch im theologischen Denken wirksam geworden. Charakteristisch dafür ist die Tatsache, daß nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit das Bultmannsche Programm die theologische Diskussion beherrscht hat. Erst in letzter Zeit - vor allem unter dem Einfluß der philosophischen Diskussionen der letzten Jahre - beginnen sich neue Tendenzen abzuzeichnen. Im Zuge der Wiederbelebung eschatologischer Motive finden geschichtsphilosophische Spekulationen Anklang, die an Hegel und Marx anknüpfen; eine politische Theologie macht von sich reden, die im Gegensatz zu der für die katholische Tradition charakteristischen emanzipatorische und revolutionäre Züge trägt; und überdies scheint sich eine Auseinandersetzung mit der modernen Wissenschaftslehre anzubahnen. über kurz oder lang dürften wohl auch die theologischen Bemühungen bei uns auf Interesse stoßen, die in diesem Buch ~analytische Theologie« genannt werden, zumal sie eine gewisse Verwandtschaft mit den im deutschen Sprachbereich tief verwurzelten hermeneutischen Denkweisen haben. Gemeinsam ist beiden Richtungen die Betonung der Sprachproblematik und die Konzentration auf Fragen des sprachlichen Sinnes und der adäquaten Deutung von Aussagen. In der Art, wie diese Probleme behandelt werden, besteht allerdings eine auffallende Verschiedenheit zwischen ihnen. Während im hermeneutischen Denken zentrale Begriffe wie »Offenbarung«, »Glaube« und »Gott« herausgehoben und in ihren historischen Bezügen und den für sie in Frage kommenden Be8
deutungsnuancierungen »entfaltet« werden, ohne daß man ihre logische Rolle in relevanten Aussagen und die logische Grammatik solcher Aussagen selbst genauer analysiert, geht es im analytischen Denken gerade um den Charakter dieser Aussagen selbst, und die logische Analyse der Aussagen soll nicht nur deren Sinn, sondern zum Beispiel auch ihre Wahrheitsfähigkeit und die Möglichkeit ihrer Prüfung herausarbeiten. Die Ergebnisse solcher Bemühungen pflegen nicht nur den Vorzug größerer Klarheit zu haben als hermeneutische Klärungsversuche, sondern sie machen im allgemeinen auch die Schwierigkeiten deutlicher, mit denen das theologische Denken heute zu kämpfen hat. Solche Schwierigkeiten werden im hermeneutischen Denken nicht selten durch ein anspruchsvolles, aber dunkles und von jedem semantischen Problembewußtsein unberührtes Reden über Gott und den Menschen, über Offenbarung und Verkündigung und über Glaube und Vernunft camoufliert. Während man auf Bedeutungsnuancen gewisser in der Bibel auftretender Worte außerordentlichen Wert legt, behandelt man erkenntnistheoretische Fragen mit kaum verständlicher Nonchalance und redet über die Existenz Gottes in einer Weise, die wohl mit einigem Recht als fahrlässig bezeichnet werden kann, nicht ohne allerdings ständig auf die Verantwortung des Denkens hinzuweisen, die man auf sich lasten fühlt. Daß solche Denkweisen bei uns einen so großen Anklang finden konnten, darf man wohl in erheblichem Ausmaß auf den Einfluß der in Deutschland lange Zeit dominierenden philosophischen Strömungen zurückführen, in denen die »Auslegung des Seins« an die Stelle der Erkenntnistheorie getreten war. Im Hinblick auf diese Entwicklung wird eine Darstellung der analytischen Richtung im theologischen Denken, die bemüht 9
ist, sich die Methoden und Resultate der logischen Analyse zunutze zu machen, vermutlich mit der Aufmerksamkeit theologisch interessierter Leser rechnen dürfen. Allerdings beschränkt sich dieses Buch keineswegs auf einen Bericht über die Rolle der Sprachanalyse in der angelsächsischen Theologie. Es geht vielmehr von der besonderen Situation der Theologie als einer Glaubenswissenschaft aus und von der damit zusammenhängenden Sprachproblematik, die sich vor allem auf das Reden über Gott und auf die Deutung kanonischer Texte bezieht, und diskutiert dann das Verhältnis von theologischem und philosophischem Denken, wobei als Funktion der Philosophie die Ermöglichung der Anpassung theologischer Denkweise an neue Wirklichkeits auffassungen herausgestellt wird. Daraus ergibt sich die Vermutung, daß auch der Rückgriff auf die in der analytischen Philosophie praktizierten Verfahrensweisen mit dem Bemühen um eine solche Anpassungsleistung zusammenhängen könnte, so daß die Konzentration auf Sprachprobleme mit einer Vernachlässigung erkenntnistheoretischer Fragen einhergehen würde. Diese Vermutung bildet den Leitfaden der Erörterung von Interpretationen der religiösen und der theologischen Sprache im Anschluß an die analytische Philosophie im zweiten Teil des Buches. In ihm werden die Deutungsvorschläge der in Betracht gezogenen philosophischen und theologischen Denker einer Kritik unterzogen, die zeigt, daß die vorgeblich neutrale Sprachanalyse mit vorgängigen Entscheidungen infiziert ist, die dafür sorgen, daß die zentralen Probleme der Theologie in den Hintergrund treten und die kritische Diskussion theologischer Grundlagenfragen inhibiert wird. Die Untersuchungen in diesem Buch machen also deutlich, daß im analytischen Denken letzten Endes ganz ähnliche 10
Tendenzen zum Vorschein kommen wie in der hermeneutisch orientierten Theologie des deutschen Sprachbereichs. Die Vorzüge dieser der angelsächsischen Tradition klarer und nüchterner Redeweise verpflichteten theologischen Richtung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß in ihr die erkenntnistheoretische Problematik ebenso umgangen wird wie in den hermeneutischen Bemühungen kontinentaler theologischer Denker. Die Konzentration auf Sprachprobleme ist in beiden Fällen mit Anpassungsleistungen verbunden, die letzten Endes in mehr oder weniger starkem Maße apologetischen Zwecken dienstbar sind. Auch in der analytischen Theologie tritt das erkenntniskritische Motiv hinter das Streben nach Rettung der Tradition zurück. Hans Albert
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»Fallibility is the price paid for saying something interesting.« I
Einleitung: AufgabensteIlung und Aufbau der Arbeit
Vor einigen Jahren schrieb der amerikanische Theologe Paul M. van Buren: »Heutzutage können wir nicht einmal Nietzsches Ruf, daß Gott tot ist, verstehen, denn wäre dies der Fall, wie könnten wir es wissen? Nein, das Problem ist heute dies, daß das Wort >Gott< tot ist.«l Diese radikale These werden manche als ein Zeichen einer grundlegenden Krise der Theologie deuten; andere sehen darin vielleicht ein Zeichen der Aufgeschlossenheit und Ehrlichkeit moderner Theologie. Wie dem auch sei: auch die Vertreter der »Gott-ist-tot«-Theologie verstehen sich noch als Theologen, und die Theologie ist heute noch nicht tot. Eine kritische Auseinandersetzung mit der modernen christlichen Theologie scheint mir aus drei Gründen angebracht zu sein: I. Wenn auch die soziale Bedeutung von Religion und Theologie heute nicht mehr so groß ist wie in vergangenen Zeiten, so muß man doch sagen, daß, solange es christliche Religionsgemeinschaften geben wird, theologische Gedanken über deren Mitglieder sozial wirksam und bedeutsam werden 1 J. A. Fodor/J. J. Katz: The A vailability of what we say, Philosophical Review, Vol. 72 (1963), S. 66. 2 Reden von Gott in der Sprache der Welt. Zur säkularen Bedeutung des Evangeliums, Zürich/Stuttgart 1965, S. 98.
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können. 2. Die Theologie wurde immer als eine Disziplin verstanden, die Aussagen über einen Seinsbereich macht, der für den Menschen von entscheidender Bedeutung ist. Wenn Gläubige und Theologen die ~ritische Auseinandersetzung mit Religion und Theologie sehr häufig und vorschnell als destruktiv oder für den religiösen Glauben als nicht angemessen disqualifizieren, dann ist dem entgegenzuhalten, daß eine sorgfältige Untersuchung um so notwendiger ist, je wichtiger und folgenschwerer eine Sache ist) 3. Religions- und Theologiekritik sind nicht erst ein Thema unserer Zeit. Dennoch stellt sich dieses Thema immer neu, denn die Theologie erscheint in stets neuen Gewändern - und das besonders in diesem Jahrhundert. In dieser Arbeit sollen die Ansätze einiger Philosophen und Theologen diskutiert werden, die im Anschluß an gewisse Tendenzen der analytischen Philosophie den Versuch einer Neuinterpretation religiöser und theologischer Aussagen unternommen haben. Wie auch schon im Zitat von van Buren deutlich wird, steht hier das Problem der Sprache von Religion und Theologie im Vordergrund des Interesses. Diese Thematik ist zentral für die gesamte analytische Philosophie. Die konkrete Aufgabenstellung der Arbeit ist eine kritische Diskussion der erkenntnistheoretischen und methodologischen Grundlagen und Konsequenzen der einzelnen Ansätze. Die Reihe der zu besprechenden Autoren ist weder umfassend noch repräsentativ; dennoch glaube ich, daß einige wichtige Alternativen, die den Religionsphilosophen und Theologen durch eine Verarbeitung bestimmter Gedanken der analyti3 Vgl. Walter Kaufmann: Religion und Philosophie, München 1966, S.13 0 •
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sehen Philosophie offenstehen, bei diesen Autoren sichtbar werden. Die beiden für die Diskussion der einzelnen Autoren relevanten Fragestellungen, nämlich die Probleme der religiösen und theologischen Sprache (I) und die Frage nach _dem Verhältnis der Theologie zur Philosophie (11), sollen in einem ersten Teil allgemein erörtert werden, um so eine Grundlage für den zweiten spezielleren Teil zu schaffen. Da zur analytischen Philosophie verschiedene philosophische Richtungen gerechnet werden, sollen diese dann kurz dargestellt werden (I). Da die Philosophen und Theologen, die bestimmte Gedanken aus der analytischen Philosophie verarbeiten, damit zugleich der Kritik begegnen wollen, die ebenfalls aus dem Lager der analytischen Philosophie kommt, soll in diesem Zusammenhang diese Kritik am Beispiel von Alfred J. Ayer und Ludwig Wittgenstein verdeutlicht werden. Im Anschluß daran werden die einzelnen Ansätze im Detail darzustellen und zu diskutieren sein; dabei wird unterschieden werden, ob die Interpretation der religiösen und theologischen Aussagen nichtkognitiv (11) oder kognitiv (111) ist.
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Teil: Die Sprache als Problem der Theologie und das Verhältnis der Theologie zur Philosophie 1.
1. Theologie, Wissenschaft, Sprache
I.
Theologie und Wissenschaft: Theologie als »Glaubenswissenschaft« '
»Theologie ist die methodisch geleitete Erhellung und Entfaltung der im Glauben und seinem ihm immanenten Aussagewissen gegebenen und zur verantwortlichen Kündigung aufgegebenen Offenbarung Gottes. Sie wird demnach kurz als >Glaubenswissenschaft< bezeichnet ... «1 Wäre die Theologie eine Disziplin, die wie andere Wissenschaften informative Aussagen über die Realität machte, so wäre kaum zu erwarten, daß die mit der Sprache, in der diese Aussagen gemacht werden, verbundenen Probleme von denen in anderen Wissenschaften unterschieden wären. Es sind die mit Begriffs- und Theoriebildung in Zusammenhang stehenden Probleme, die es in jeder Wissenschaft gibt. Auch die Tatsache, daß sich der Theologe zu einem guten Teil mit schriftlichen überlieferungen beschäftigt, unterscheidet die Theologie nicht wesentlich von anderen Wissenschaften. Aus der oben zitierten Kennzeichnung der Theologie aus der Feder eines als »progressiv« geltenden katholischen Theologen, die als charakteristisch für die traditionelle Theologie und auch für einen großen Teil der modernen Theologie gelI Johann B. Metz: Artikel »Theologie« in: Lexikon für Theologie und Kirche, Band IO, Freiburg i. Br. ~. Auflage I965, Sp. 67.
ten kann, wird aber deutlich, daß die Theologie in erkenntnistheoretischer Hinsicht nicht auf einer Stufe mit den anderen wissenschaftlichen Disziplinen steht. Deren Aufgabe kann man kurz beschreiben als die Erarbeitung überprüfbarer, gehaltvoller Hypothesen mit dem Ziel, unser Wissen zu revidieren, zu verbessern und zu erweitern. 2 Zwar ist auch im Zitat von» Wissen« die Rede; dieses ist aber dadurch qualifiziert, daß es nur im Glauben angeeignet und gerechtfertigt wird. Hier soll nicht die Problematik von »Glauben« in der Sprache einer existentialistischen Philosophie im Gegensatz zum alltäglichen Verständnis im Sinne eines »Für-Wahr-Haltens«, welches häufig von den Vertretern einer existentialen Interpretation als Fehlform eines »echten« oder »wahren« Glaubens beurteilt wird, diskutiert werden. Fest steht, daß die Theologen der Vergangenheit mit ihrem Gottesglauben nicht nur ein besonderes Welt- und Daseinsverständnis zum Ausdruck bringen wollten, sondern auch die Existenz eines transzendenten Gottes für wahr hielten. Zu Recht nennt Hans Albert das Für-W ahr-Halten der These, daß ein Gott existiert, »eine Mindest-Implikation jedes Glaubens, innerhalb dessen in sinnvoller und gehaltvoller Weise von Gott geredet werden kann.«3 Insofern sich das theologische Wissen auf Glauben gründet, steht es in einem entscheidenden Gegensatz zu dem Wissen, das das Ergebnis wissenschaftlicher Erkenntnis ist. Letzteres ist grundsätzlich hypothetisch und revidierbar und dem Prinzip der kritischen Prüfung unterstellt; es gibt keine wissen2 Vgl. etwa Karl R. Popper: Die Zielsetzung der Erfahrungswissenschaft, in Hans Albert (Hrsg.): Theorie und Realität. Ausgewählte Aufsätze zur Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften, Tübingen 1964, S. 73-86. 3 Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 2. Auflage 1969, S. II8.
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schaftliche Methode, die absolut sicheres Wissen garantieren könnte. 4 Dagegen gründet sich das Glaubenswissen letztlich auf eine göttliche Offenbarung, deren Möglichkeit zusammen mit der Möglichkeit der Existenz ihres Urhebers eine natürliche Theologie zwar aufzuzeigen versucht, deren faktisches Ereignis bzw. dessen tatsächliche Existenz aber nur als gegeben geglaubt werden kann und damit jeder weiteren Kritik entzogen ist. 5 Theologie unterscheidet sich folglich in drei wesentlichen Punkten, die ihrerseits eng miteinander zusammenhängen, von der Wissenschaft: I. Während sich wissenschaftliches Erkennen auf keine außerordentliche Erkenntnisquelle gründet, gibt es eine solche für die Theologie: die göttliche Offenbarung, der auf der Seite des Menschen der Glaube entspricht. 2. Damit ist auch das Objekt theologischen Erkennens - der Inhalt der Offenbarung - im Gegensatz zu dem des wissenschaftlichen Erkennens in besonderer Weise qualifiziert, denn es kann nur im Glauben erkannt und anerkannt werden. 3. Während es hinsichtlich ihrer Begründung und Rechtfertigung für die wissenschaftliche Erkenntnis keine absolute Gewißheit gibt, ist theologisches Wissen dadurch ausgezeichnet, daß es ein letztes Kriterium für seine Wahrheit gibt: die kano4 Vgl. Karl R. Popper: On the Sources of Knowledge and of Ignorance, in: ders.: Conjectures and Refutations: The Growth of Scientific Knowledge, 3. revidierte Auflage London 1969, S. J--30; ders.: Three Views Concerning Human Knowledge, ebd. S. 97-II9. Diese als »kritischer Rationalismus« bekannte erkenntnistheoretische Position wird von H. Albert a. a. O. in ihrer Bedeutung über den erfahrungswissenschaftlichen Bereich hinaus für andere zentrale Bereiche menschlichen Denkens und HandeIns erörtert. 5 Zur Kritik des Offenbarungsmodells in der Erkenntnislehre vgl. H. Albert a. a. O. S. 15-21.
nischen Schriften. Diese haben ihre Begründung als erste schriftliche Zeugnisse der Offenbarung in sich selbst und sind damit das Kriterium für alle weitere Theologie. Diese findet ihre Rechtfertigung in ihrer übereinstimmung mit den Schriften. Kurz gesagt: Theologie ist hinsichtlich ihres Ursprungs, ihres Objekts und ihrer Begründung dogmatisch. Zweifellos gab es im ~erlauf der Explikation und Systematisierung der in den Schriften gemachten Aussagen zum Teil recht heftige und folgenschwere Auseinandersetzungen; man denke an die großen Kirchenspaltungen, an Ketzer und Häretiker. Dennoch wurden die erkenntnistheoretischen Grundlagen der Theologie nicht in Frage gestellt. »Es wird vielmehr nur das eigentliche Problem in die Identifikation und die Interpretation dieser Offenbarung verschoben, das heißt: es kommt nun darauf an festzustellen, welche der in der betreffenden Tradition überlieferten Außerungen kanonischen Charakter haben und damit als offenbarungshaltig anzusehen sind und wie sie gedeutet werden müssen, damit dieser Gehalt rein und unverfälscht zum Vorschein kommt.«6 Diese kurze Charakterisierung der Theologie mag manche Differenzierungen, die man machen kann und machen sollte insbesondere hinsichtlich der katholischen und protestantischen Theologie -, unberücksichtigt gelassen haben. Es ging hier aber auch nur um eine Darstellung des wesentlichen Unterschieds zwischen Theologie und Wissenschaft, um von hier aus die Frage zu stellen, ob der Theologe auf Grund der Andersartigkeit der Theologie ein besonderes Interesse an der Sprache hat bzw. ob er sich bei der Formulierung theologischer Aussagen vor besondere Probleme gestellt sieht. 6 H. Albert a. a. O. S. 17. 20
2.
Theologie und Sprache: Analogie und Hermeneutik
Auf Grund der Tatsache, daß sich theologisches Wissen auf eine besondere Erkenntnisquelle beruft, die nicht zur natürlichen Ausstattung des Menschen gehört, und auf Grund des Vorhandenseins eines letzten Kriteriums, an Hand dessen über die Richtigkeit theologischer Aussagen zu entscheiden ist, steht der Theologe in der Tat vor sprachlichen Problemen besonderer Art. Einerseits ist der Inhalt theologischer Aussagen ein einzigartiger, geht es doch um Gott, ein welttranszendentes Wesen, und dessen Beziehungen zu Mensch und Welt; darüber irgendwelche positive Erkenntnis zu gewinnen, ist dem Menschen kraft eigener Denkbemühungen unmöglich. Andererseits erfolgte die erste und für alle weitere Theologie entscheidende sprachliche Fixierung dieser Aussagen in einer Sprache und Kulturwelt, von deren direktem Verständnis spätere Theologengenerationen mehr oder weniger weit entfernt sind. Der Theologe sieht sich somit vor ein Problem gestellt, das zwei Aspekte hat: 1. Wie ist ein sinnvolles und verständliches Reden über Gott möglich? Und 2. Wie sind die kanonischen Schriften zu verstehen? a) Reden über Gott in der Sprache der Analogie
Zunächst erscheint als Antwort auf Frage 1. der Verweis auf die Aussagen der Schriften sinnvoll, denn darin ist sehr viel von Gott die Rede; und es ist anzunehmen, daß die Autoren das, was sie geschrieben haben, auch verstanden haben. Dies wäre aber, wie sich zeigen wird, eine vorschnelle Antwort. Daß sich dieses Problem des »Redens von Gott in der Sprache 21
der Welt«7 durch die ganze Theologiegeschichte zieht, weist ebenfalls darauf hin, daß der Verweis auf die Schriften zu voreilig wäre. Wie also ist ein solches Reden möglich? Sagt der Theologe z. B. von Gott, daß er die Eigenschaften hat und die Verhaltensweisen zeigt, die einen Vater auszeichnen, von dem man sagt, er liebe seine Kinder, wenn er Gott einen »liebenden Vater« nennt? Augustinus bemerkt: »Wenn du es begreifen kannst, dann ist es nicht Gott, über den du nachdenkst.«8 Was sagt dann aber der Theologe, wenn er über Gott redet; meint er doch nicht, was er sagt? Im Gegensatz zur These Wittgensteins, daß das Meinen neben dem .Sprechen keine eigenständige geistige Tätigkeit ist9, scheint es dennoch notwendig zu sein, dem Theologen ein »theologisches Meinen« zugestehen zu müssen. Von zentraler Bedeutung für das Reden über Gott sind nämlich in der Theologiegeschichte die überlegungen zur Analogie zwischen Gott dem Schöpfer und Welt und Mensch als den Geschöpfen, insbesondere die scholastische Lehre von der »analogia entis« gewesen. IO Es waren Versuche, dem Dilemma, einerseits in allzu 7 So der deutsche Titel des bereits zitierten Buches von P. M. van Buren. 8 Sermo II3,3,5; zitiert bei R. C. Coburn: The Hiddenness of God and some Barmedical God Surrogates, The Journal of Philosophy, Vol. 57 (1960), S.7II (Anhang); Coburn bringt dort weitere ähnliche Zitate von bekannten Kirchenlehrern und Theologen. 9 Vgl. Philosophische Untersuchungen 5°7-510, 665-682, 687-693 (zitiert wird - wie auch später beim Tractatus - nach den Nummern der Abschnitte), in: Ludwig Wittgenstein: Schriften I, Frankfurt a. M. 1960. 10 So erklärte etwa das IV. Laterankonzil (1215): »inter creatorem et creaturam non potest tanta similitudo notari, quin inter eos maior sit dissimilitudo notanda.« Zitiert im Lexikon für Theologie und Kirche, Band I, Freiburg i. Br. 1. Auflage 1957, Sp. 471, eine Formulierung, die E. Przy22
menschlicher Weise wie die Mythologie von Gott zu reden, andererseits aber auf Grund seines Anders-Seins über ihn zu schweigen, zu entkommen. Ernst Topitsch hat in einer umfassenden StudieII den Versuch unternommen aufzuzeigen, daß die Sprache der Analogie mit ihren aus den dem Menschen bekannten und vertrauten Lebensbereichen entnommenen Modellen grundlegende Bedeutung für den ganzen Bereich von Mythos und Religion hat. Verfügt nun ein Theologe über eine solche Analogielehre, die ihm die Regeln angibt (z. B. »secundum eminentiorem modum«), wie die auf Gott an gewandten Begriffe zu verstehen sind, dann kann er mit Hilfe technomorpher und soziomorpher Modelleu Aussagen über Gott machen. Der Theologe spricht also Gott ein bestimmtes Prädikat zu, »meint« damit aber im Lichte seiner Analogielehre etwas von der normalen Bedeutung dieses Prädikats und dessen Implikationen Verschiedenes. Allerdings ist auch diese Lösung des Problems nicht ohne Schwierigkeiten. I3 Denn eine eindeutige Kennzeichnung Gottes mit Hilfe eines analogen Begriffs würde eine Interprewara eine »wahre Mitte« nennt: »Das Konzil nimmt ... die >so große .i\hnlichkeit zwischen Schöpfer und Geschöpf< ... als Grundlage, akzentuiert aber zugleich ... die >je immer größere Unähnlichkeit in einer noch so großen Ahnlichkeit< zwischen Gott und Geschöpf.« ebd. Auf die Bedeutung der Analogielehre bei Rudolf Bultmann, Kar! Barth und Paul Tillich weist John Macquarrie: God-Talk. An Examination of theLanguage and Logic of Theology, New YorkiEvanston 1967, S. 40 f., 48 f., 50 hin. I I Vom Ursprung und Ende der Metaphysik. Eine Studie zur Weltanschauungskritik, Wien 1958; vgl. besonders seine Kritik der Lehre von der analogia entis, S. 218-221; zum Christentum im allgemeinen vgl. S. 193 bis 221. I2 Zu diesen Begriffen vgl. E. Topitsch a. a. O. S. 19. 13 Vgl. die Kritik von W. Kaufmann a. a. o. S. 215-222.
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tationsregel erfordern, die genau den Umfang angibt, in dem dieser Begriff Gott zuzusprechen ist bzw. nicht zuzusprechen ist. Das aber würde die Kenntnis des Unbekannten voraussetzen. Auch aus den kanonischen Schriften ist keine eindeutige Analogielehre abzuleiten. Damit kommen wir zu Frage 2. b) Das hermeneutische Problem
Es ist erstaunlich festzustellen, daß es offenbar schon unter den Autoren der kanonischen Schriften selbst Verständnisschwierigkeiten gegeben hat. So bemerkt etwa der Verfasser des zweiten Petrusbriefes über die Schriften des Apostel Paulus, daß in ihnen »manches schwer zu verstehen« sei. I4 Es ist dann nicht verwunderlich, daß diese Schwierigkeiten bei späteren Theologengenerationen, die mehr oder weniger weit von einem direkten Verständnis der Sprach- und Kulturwelt der Schriftautoren entfernt sind, noch größer geworden sind. Wenn die These von Topitsch stimmt, daß sich der Mensch zur Bewältigung des Unbekannten ihm vertrauter Sprachrnodelle bedient hat, um sich damit ein zusammenhängendes Weltbild aufzubauen, dann sind diese Verständnisschwierigkeiten hinsichtlich der kanonischen Schriften zu erwarten. Denn diese Weltbilder und ihre Sprachmodelle sind abhängig von den jeweiligen geographischen, sozialen und kulturellen Lebensbedingungen und Gegebenheiten, da die Sprache, die letztere reflektiert, zugleich zur Formulierung des Weltbildes verwendet wird. Wenn nun die christliche Lehre, die auch· ein bestimmtes Weltbild impliziert, in einer Sprach- und Kultur14 Vgl.
2.
Petr. 3)15 f.
welt verkündet werden soll, die sich von der unterscheidet, in der ihre erste schriftliche Fixierung erfolgte, dann werden Transformationen und Interpretationen innerhalb der alten Lehre erforderlich, um sie den neuen Gegebenheiten anzupassen. Faktisch wurde diese Praxis von den ersten Tagen des Christentums an geübtI5 ; die systematische Reflexion darüber, insbesondere über die historische Bedingtheit der biblischen Schriften, die heute von der Theologie allgemein anerkannt ist, begann jedoch erst sehr viel später. Wenn der Theologe Aussagen über Gott macht, genügt es also nicht, daß er die, in den Schriften gemachten Aussagen wiederholt; er muß sie gegebenenfalls interpretieren und verändern. Diese Aussagen werden dann meistens mit Hilfe einer Analogielehre und deren Interpretationsregeln hinsichtlich ihres Aussagegehalts näher qualifiziert. Es wäre unmöglich, in diesem Zusammenhang eine angemessene Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Schriftauslegung zu geben; dennoch ist eine kurze Skizze notwendig, um die grundsätzliche hermeneutische Problematik, um die es hier geht, verständlich zu machen. Aufgabe einer biblischen Hermeneutik I6 ist es, die für die Auslegung der biblischen Schriften notwendigen Regeln und Methoden zu erarbeiten 15 Man denke etwa an die Verarbeitung hellenistischen Gedankengutes bei Paulus und gnostischer Vorstellungen im Johannesevangelium. 16 Hier wird dieser Begriff in einem sehr weiten, formalen Sinn verwendet. Er fand schon vor Buhmann in der Theologie Verwendung, hat aber bei ihm eine besondere Bedeutung erhalten und ist seitdem eng mit seinem Namen verbunden. Deshalb spricht Kurt Frör von einer »speziellen Hermeneutik« Bultmanns ; vgl. Biblische Hermeneutik. Zur Schriftauslegung in Predigt und Unterricht, München 2. Auf!. 1964, S. 39. In unserer Verwendung des Begriffs ist demnach die Hermeneutik Bultmanns, seine existentiale Interpretation, eine hermeneutische Methode unter anderen.
und darzulegen. Daß dies besondere Probleme aufwirft, ist verständlich, da es sich um eine in einer bestimmten historischen Epoche schriftlich fixierte Offenbarung handelt. Im Verlauf der Theologiegeschichte wurden die verschiedensten Auslegungsarten und -methoden praktiziert. 17 Allerdings war diese Auslegungsproblematik so lange nur von relativer Bedeutung, als die grundlegenden Elemente der christlichen Theologie (Gottesglaube, Schöpfungslehre, Erlösungslehre usw.) nicht in Frage gestellt wurden. Bis in die Neuzeit hinein wurde das der christlichen Lehre immanente Weltbild, das nicht zuletzt durch den Einfluß des Christentums das allgemein anerkannte war, nicht problematisiert. Auch die Probleme, die sich zur Zeit der Aufklärung stellten, konnten noch bewältigt werden: »Die Schwierigkeiten, daß die Bibel dem Postulat der zeitlosen Vernunftwahrheiten so schlecht genügte, bewältigte die Aufklärung mit den Begriffen der Entwicklung und der Akkomodation. Der Entwicklungsbegriff konnte einsichtig machen, daß die vollkommene Klarheit der Vernunftreligion erst am Ende eines langen Aufstiegs aus dem Dunkel von Aberglauben und Mystizismus erreicht werden konnte. Die Religionen, einschließlich des Christentums, waren dann nichts anderes als Stationen auf diesem Weg. Und der Begriff der Akkomodation konnte dazu dienen, die Ehrfurcht vor der Gestalt Jesu mit der Kritik seiner Lehre zu verbinden: Gott konnte sich eben nicht anders ver17 In der Zeit der Kirchenväter überwog die allegorische und typologische Auslegung; die Theologen der Scholastik unterschieden neben dem Literalsinn den allegorischen, moralischen und anagogischen Sinn. Für einen überblick vgl. K. Frör a. a. o. S. 200-46 und den Artikel »Exegese« im Lexikon für Theologie und Kirche, Band 3, Freiburg i. Br. 2. Auflage 1959, Sp. 1273- 1293.
ständlich machen als durch Anpassung an die Denkbedingungen des Zeitalters.«18 Immerhin war in dieser Perspektive eine erste Relativierung der biblischen Aussagen enthalten. Außerdem ermöglichten die Verselbständigung des philosophischen Denkens und die Suche nach einer neuen erkenntnistheoretischen Grundlage nun die Formulierung einer grundsätzlichen Kritik der christlichen Lehre und des christlichen Weltbildes. 19 Die hermeneutische Problematik verschärfte sich entscheidend mit dem Aufkommen der historischen Fragestellung im 19. Jahrhundert, denn die Einsicht in die Zeitbedingtheit der biblischen Schriften barg die Gefahr in sich, in diesen nur noch ein Dokument vergangener Zeiten zu sehen. Der protestantische Liberalismus machte den größten Schritt in dieser Richtung. »Der Theologe arbeitete zunächst einmal mit der anerkannten historischen Methode wie jeder andere Historiker auch. Aus deren Ergebnissen konnten aber dann religiössittliche Ideen und Werte entnommen werden, die als Mittel zur Kräftigung der Gemeinde zu gebrauchen waren ... Die Auslegung der biblischen Texte zerfiel damit in zwei Arbeitsstufen: Die exakte historische Forschung auf der einen und die psychologische Wirkung ihrer Ergebnisse auf der anderen Seite.«2o Das Ergebnis dieses hermeneutischen Programms, die Deu18 K. Frör a. a. O. S. 27. 19 Allerdings war auch dies eine sehr langsame Entwicklung; vgl. den überblick bei E. Topitsch a. a. O. S. 221 -280. 20 K. Frör a. a. O. S. 29; vgl. auch die Darstellung der Entwicklung des
protestantischen Liberalismus (unter besonderer Berücksichtigung der Situation in Nordamerika) bei William W. Bartley: The Retreat to Commitment, London 1964, S. 22·- 52.
tung der Person Jesu als eines Moralpredigers, brach aber sehr schnell infolge der weiteren historisch-kritischen Forschung zusammen. Es blieben einerseits die historische Forschung selbst und zum anderen die Erkenntnis, daß Jesu Leben und Predigt - und damit auch die biblischen Schriften - nur aus dem Zusammenhang der jüdischen Religionsgeschichte heraus verstanden werden können. Damit steht der Theologe, der in den biblischen Schriften den Niederschlag einer einmaligen und verpflichtenden Offenbarung sieht, heute vor der Frage, was als der zeitlose Kern dieser Offenbarung zu gelten hat. Einerseits ist der ganze Gehalt der biblisch-theologischen Aussagen durch eine konsequente Durchführung der historischen Fragestellung bedroht, eine Fragestellung, deren kritische Relevanz durch die philosophische Kritik und die Ergebnisse der Naturwissenschaften, die das mythologische Weltbild haben zusammenbrechen lassen, bestätigt und verstärkt wird. Andererseits benützt der Theologe die historische Methode 'selbst zur Entschärfung der verschärften hermeneutischen Problematik. Denn sie liefert ihm die Rechtfertigung, die angesichts der wissenschaftlichen Kritik nicht mehr haltbaren Elemente der biblischen Aussagen ganz auszuscheiden, oder aber ihnen durch Hinzufügung neuer hermeneutischer Prinzipien 21 eine neue Interpretation zu geben, die auf das alte Weltbild als kosmologischen Aussagenzusammenhang verzichtet. Bei dieser Unterscheidung zwischen dem zeitlosen und unaufgebbaren Kern der Offenbarung und dessen zeitbedingter sprachlicher Verkleidung wird nun die Frage nach einem KriHier ist Bultmanns »spezielle Hermeneutik« der existentialen Interpretation zu nennen.
21
terium oder einer hermeneutischen Methode zur Ermittlung dieses Kerns entscheidend. Es wurde bereits festgestellt, daß die hermeneutischen Prinzipien im Verlauf der Theologiegeschichte sehr wandlungs- und anpassungsfähig waren. Kann nun eine moderne historisch-kritische Bibelexegese unter Zuhilfenahme der Philologie, der Archäologie, der Geschichtswissenschaften usw. mit den verschiedenen Fragestellungen der Literarkritik (form-, traditions-, redaktionsgeschichtliche, usw.) das gestellte Problem lösen? Sicher kann sie manches zur Klärung der Frage beitragen, welche theologische Aussage der Autor eines Textes machen wollte. 22 Aber damit ist das 22 Zur Illustration sei in aller Kürze als ein Beispiel die Untersuchung des Neutestamentlers Anton Vögtle: Das Schicksal des Messiaskindes. Zur Auslegung und Theologie von Mt. 2, Bibel und Leben (1965), S.246-279, referiert. In diesem Kapitel erzählt der Evangelist die Geschichte der drei Sterndeuter aus dem Morgenland, die Flucht nach Ägypten, den Kindermord in Bethlehem und die Rückkehr aus Ägypten. Dem kritischen Leser stellen sich u. a. folgende Fragen, die zugleich ein erster Hinweis darauf sind, daß es sich hier nicht um einen historischen Bericht handelt: Warum erschrickt »ganz Jerusalem« mit Herodes über die Nachricht des neugeborenen »Königs«? Schließlich war Herodes im Volk verhaßt, so daß man zumindest eine stille Freude erwartet hätte. Warum schickt Herodes den Sterndeutern keine Begleiter oder heimliche Späher mit, da er doch eine Konkurrenz erwarten mußte? Vielmehr verläßt er sich auf Fremde, was ganz dem von ihm überlieferten Charakterbild widerspricht. Warum führt der Wunderstern gerade über Jerusalem statt direkt nach Bethlehem? Warum erinnert sich beim späteren öffentlichen Auftreten Jesu niemand an die unter solchen besonderen Umständen erfolgte Geburt eines »Königskindes«? usw. - Vögtle weist an Hand von gattungs- und motivgeschichtlichen Untersuchungen nach, daß der Autor unter Verwendung alter ähnlicher Erzählungen über die Geburt von Moses und Abraham eine theologische Aussage über Jesus machen will, die man kurz so zusammenfassen kann: Jesus ist der Erfüller der prophetischen Vorgeschichte; er ist der Begründer und Führer des endzeitlichen Gottesvolkes. - Aber ist diese
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Problem nur um eine Ebene verschoben, denn auch hier ist die Frage legitim, warum bzw. ob diese Aussage zum Kern der Offenbarung gehört. Der Theologe, für den die biblischen Schriften das Zeugnis einer göttlichen Offenbarung sind, löst das Problem so, daß er, sofern er sich nicht einem Dogma oder einer kirchlichen Autorität verpflichtet fühlt, das als das »Unveränderliche« und» Unaufgebbare« ansieht, was ihm am wichtigsten und wertvollsten erscheint; dabei kann er die dann noch bestehenden Verständnis schwierigkeiten durch Hinzufügung neuer hermeneutischer Prinzipien zu lösen suchen. Die biblische Hermeneutik ist demnach gekennzeichnet durch die mehr oder weniger große Bereitschaft zu historischer Kritik, verbunden mit einem Dogmatismus verschiedener Prägung. 23 Diese Charakterisierung gilt auch für das Reden über Gott; denn einerseits gehören solche Aussagen zum Inhalt der biblischen Schriften, und zum anderen enthält jede Analogielehre dieselbe Problematik. 2 4 Die Lösung des Problems durch Aussage für den heutigen Menschen nicht auch eine nur im Rahmen der jüdischen Religionsgeschichte verständliche, zeitbedingte Aussage? - Für den Evangelisten war Jesus der selbst die größten Propheten überbietende Gottgesandte. Für R. Bultmann ist er das zu einem neuen Selbstverständnis anleitende »eschatologische Ereignis«, das »hier und jetzt, wo das Wort gepredigt wird«, geschieht (vgl. Jesus Christus und die Mythologie, Stundenbuch 47, Hamburg 1964, S.96). In der »nachtheistischen Theologie« von Dorothee Sölle ist er der Mensch, der »lehrend, lebend und sterbend die Ohnmacht Gottes in der Welt als das Leiden der nichts ausrichtenden Liebe« darstellt (vgl. Stellvertretung. Ein Kapitel Theologie nach dem »Tode Gottes«, Gütersloher Taschenbuchausgabe 65, 1972, S. 153)' 23 Vgl. H. Albert a. a. O. S. 129. 24 Bei der Diskussion der Lehre von der analogia entis schreibt E. Topitsch a. a. O. S. 218: »Eine systematische Klärung und Präzisierung der
3°
den Rückzug auf eine subjektive Entscheidung, einen subjektiven Glauben oder durch die Berufung auf eine andere Autorität, der geglaubt wird, schließt aber eine unvoreingenommene Diskussion des Problems in sachlich-historischer und erkenntnistheoretischer Hinsicht aus. Damit stellt sich das Problem dieses Abschnitts in einem etwas neuen Licht dar. Wir fragten nach dem besonderen Inte:csse des Theologen an der Sprache und den besonderen Problemen der theologischen Sprache. Wir fanden ein solches Interesse begründet in den Problemen, die einerseits durch das Reden über Gott, insofern er ein welttranszendentes Wesen ist, die andererseits durch die Interpretation der biblischen Schriften, insofern sie Texte aus einem bestimmten geschichtlichen Sprach- und Kulturraum sind, aufgeworfen werden. Solange das im Christentum implizierte mythologische Weltbild allgemein anerkannt war, waren diese Probleme für vergangene Theologengenerationen in der Tat sprachlicher und hermeneutischer Art. Unsere überlegungen ergaben aber, daß daraus im Verlauf der neueren geistesgeschichtlichen Entwicklung primär historisch-wissenschaftliche und erkenntnistheoretische Probleme geworden sind; oder anders: letztere waren hinter den sprachlichen und hermeneutischen Problemen verborgen. Wenn dieses Ergebnis stimmt, dann ist es erstaunlich, wenn John Macquarrie I967 schreiben kann, »daß das Problem der theologischen Sprache, das schon seit langer Zeit in unterschiedlicher Art und Weise erkannt wurde, in der gegenwärtigen theologischen Diskussion eine Schlüsselstellung einAnalogielehre hat selbst Thomas nicht durchgeführt. Das ist wohl kein Zufall, denn die Brauchbarkeit dieses Theologems beruht ja in erster Linie auf seiner Elastizität.«
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nimmt.«25 Es ist um so erstaunlicher, wenn man beachtet, daß die Lösungen, die die modernen Theologen auf die nun auch von ihnen - wenn vielleicht auch nur in einem weiteren Sinn - als wissenschaftliche und erkenntnistheoretische Probleme anerkannten Fragen gegeben haben und geben, kaum als akzeptable Lösungen angesichts der derzeitigen wissensch)Jtlichen und erkenntnistheoretischen Ergebnisse, soweit sie für diese Fragen relevant sind, betrachtet werden können. Der Verdacht liegt nahe, daß hier apologetische Interessen im Spiel sind; zumindest aber wird eine solche Behandlung der Probleme die grundsätzlichere Fragestellung verdrängen müssen. 26 Inwieweit das stimmt, wird die Analyse der in dieser Arbeit zur Diskussion stehenden philosophischen und theologischen Literatur zeigen müssen. Da deren Autoren sich im positiven oder negativen Sinn auf gewisse Richtungen der modernen analytischen Philosophie beziehen, sind zunächst noch einige allgemeine überlegungen zum Verhältnis von Theologie und Philosophie angebracht.
25 a. a. O. S. 33, - Englische Zitate wurden bis auf wenige Ausnahmen,
bei denen eine übersetzung nicht sinnvoll erschien, von mir übersetzt. 2.6 Eine ähnliche Feststellung trifft H. Albert a. a. O. S. 17, Anm. I!.
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11. Theologie und Philosophie
Die Theologie mußte immer mit Kritik aus dem Lager der Philosophen rechnen, fand andererseits aber auch immer wieder kräftige Unterstützung. Dementsprechend war und ist das Verhältnis der Theologie zur Philosophie durch apologetische Reaktionen oder durch Wohlwollen und Kooperation gekennzeichnet. Hier gilt unser spezielles Interesse den kooperativen Aspekten dieses Verhältnisses. Ausgehend von der These, daß jede Gruppe von Menschen ihre spezifischen normativen und kognitiven Wirklichkeitsdefinitionen hat, und daß die Wirklichkeitsdefinitionen verschiedener Gruppen in einer komplexen Gesellschaft differieren können, hat Peter L. Berger folgendes Dilemma für die christlichen Kirchen heute formuliert: »Die Kirchen, als soziale >Plausibilitätsstrukturen< des Christentums, können entweder trachten, sich den Wirklichkeitsbestimmungen der Umwelt anzupassen oder sich als kognitive Minderheiten gegenüber dieser Umwelt zu >verschanzenTractatus< erst ihren methodischen Halt gibt, auch in den >Philosophischen Untersuchungen< nicht preisgegeben, sondern noch wesentlich verbreitert wird.« (a. a. o. S. 107). 13 Vgl. Philosophische Untersuchungen 119, 122, 1J2. 14 Vgl. Philosophische Untersuchungen 120, 124 (»Die Philosophie darf den tatsächlichen Gebrauch der Sprache in keiner Weise antasten, sie kann ihn am Ende also nur beschreiben.«), 1J2 f. 12
~nicht
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Ausdrücke (Oberflächen grammatik) mit semantischen, das Verständnis dieser Ausdrücke darstellenden Regeln (Tiefengrammatik), ergänzen.«Is An die Stelle der Abbildtheorie oder »Mosaiktheorie der Sprache« tritt eine »Schachtheorie der Sprache«I6, in der der Begriff des »Sprachspiels« von zentraler Bedeutung ist. »Das Wort >Sprachspiel< soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform.«I7 Wie ein Schachspiel seine Regeln hat, nach denen die verschiedenen Züge gespielt werden, so ist auch jedes Sprachspiel von Regeln geleitet, die als »Gepflogenheiten« verstanden werden. I8 Demnach haben Worte und Sätze einen Sinn und werden verstanden, insofern sie eine »uns geläufige Anwendung«I9 finden und in einem von Regeln geleiteten Sprachspiel gebraucht werden: »Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.«2o 15 K. Lorenz a. a. O. S. 109. 16 Diese Begriffe stammen von Stegmüller a. a. O. S. 591; zum folgenden vgl. ebd. S. 584-600 und Eike von Savigny: Die Philosophie der normalen Sprache. Eine kritische Einführung in die »ordinary language philosophy«, Frankfurt a. M. 1969, S. 59-76. 17 Philosophische Untersuchungen 23; vgl. auch 7,19. 18 Vgl. Philosophische Untersuchungen 199. 19 Vgl. Philosophische Untersuchungen 349. 20 Philosophische Untersuchungen 43; vgl. auch 9 ff., 290 ff., 383 ff. Feyerabend (vgl. a. a. O. S. 120-146) hat diese Sprachtheorie »instrumentalistisch« genannt, und er kann sich dabei auf einige in diesem Sinn eindeutige Aussagen Wittgensteins stützen (vgl. Philosophische Untersuchungen 1 I, 421, 569). Savigny (vgl. a. a. O. S. 76 f.) hält diese Interpretation für falsch: für Wittgenstein habe ein Ausdruck nicht dann Bedeutung, »wenn und insoweit man mit seiner Verwendung einen bestimmten Zweck erreicht«; nach seiner Interpretation hat z. B. die Äußerung »Schließ die Tür!« deshalb Bedeutung, »weil das Schließen der Tür von allen Sprach-
Die Aufgabe der Philosophie ist für Wittgenstein eine klärende und therapeutische. Es geht ihm um die Beseitigung philosophischer Probleme; deren Hauptursachen sind: »Fehldeutungen der Sprache (linguistische Konfusionen) und das Streben nach dem Allgemeinen und Gemeinsamen (die essentialistische Neigung).«2I »Denn die Klarheit, die wir anstreben, ist allerdings f(ine vollkommene. Aber das heißt nur, daß die philosophischen Probleme vollkommen verschwinden sollen.«22 Den bisher besprochenen Richtungen der analytischen Philosophie ist eine grundsätzliche Kritik der traditionellen Philosophie gemeinsam. Während bei den Vertretern des logischen Atomismus und Positivismus diese Kritik von dem Versuch begleitet war, die wissenschaftliche Erkenntnis auf eine neue Grundlage zu stellen, entfällt dieses Element beim späten Wittgenstein; er beschränkt sich auf eine Rekonstruktion des faktischen Sprachgebrauchs, wenngleich dieses Unternehmen teilnehmern als ein der l1ußerung gegenüber angemessenes Verhalten sanktioniert wird - unabhängig davon, ob der Sprecher das mit ihr im Sinn hatte oder nicht.« Diese Interpretation schließt aber eine instrumentalistische Deutung nicht aus; sie verweist nur darauf, daß das Sprachspiel, das ich spiele, den anderen Sprachteilnehmern vertraut sein muß, damit ich den intendierten Zweck erreiche. Die Interpretation von Lorenz berücksichtigt beide Elemente; er schreibt: »Leider hat die verkürzte Redeweise, bei der die Beschreibung von Sprachspielen mit der Beschreibung von Verwendungsweisen sprachlicher Ausdrücke als gleichwertig angesehen werden kann, dazu geführt, daß die Einführung sprachlicher Ausdrücke von ihrer Verwendung nicht immer sorgfältig unterschieden wird.« (a. a. O. S. 124; vgl. S. I06-I3I). Allerdings hat auch diese Deutung gewisse Modifikationen der Interpretation von Feyerabend zur Folge; vgl. S.124, Anm·5 6. 2.I Stegmüller a. a. O. S. 605. 2.2. Philosophische Untersuchungen I33.
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von einem kritischen philosophischen Interesse geleitet ist. Bei den Vertretern des linguistischen Phänomenalismus, die sich im Anschluß an Wittgenstein ganz auf die »ordinary language« konzentrieren, verschwindet nun auch dieses kritische Interesse mehr und mehr, so daß A. M. Quinton etwa von Austin sagt, sein Interesse habe den »Regeln der Sprache um ihrer selbst willen« gegolten. 23 Auch diese Analytiker sind der Meinung, daß sich die Philosophen durch die Umgangssprache haben in die Irre führen lassen; aber das spricht eher gegen die Philosophen als gegen die Sprache, denn »unser üblicher Bestand an Wörtern enthält all die Unterscheidungen und Verbindungen, die zu machen die Menschen im Laufe vieler Generationen für wichtig erachtet haben: diese sind sicherlich zahlreicher und zuverlässiger - sie haben nämlich den langen Test des überlebens des Tüchtigsten überstanden - und sie sind scharfsinniger - zumindest in allen gewöhnlichen und leidlich wirklichkeitsnahen Angelegenheiten - als irgendwelche, die du oder ich in unserem Lehnstuhl an einem Nachmittag ausdenken mögen - die am meisten bevorzugte Alternativmethode.«24 23 Vgl. Excerpt from »Contemporary British Philosophy«, abgedruckt in G. Pitcher a. a. o. S. 14; vgl. auch Stegmüller a. a. O. S. 569 und Shapere a. a. o. S.42-45, insbesondere seine Kritik an der Interpretation des Zusammenhangs von Wittgenstein und Austin durch Morris Weitz (v gl. Oxford Philosophy, Philosophical Review, Vol. 62 (1953), S. 188); Shapere sagt: »Der Unterschied zwischen den bei den Ansätzen ist darin zu sehen, daß für Wittgenstein die Begriffe, die wir für eine überprüfung auswählen, nicht (wie für Austin) solche sind, mit denen sich die Philosophen nicht beschäftigt haben, sondern eher solche, mit denen sich die Philosophen beschäftigt haben.« (S. 48, Anm. 16). 24 John L. Austin: A Plea for Excuses, in: ders. Philosophical Papers, Oxford 1961, S. 130.
Damit ist der alltägliche Sprachgebrauch in besonderer Weise ausgezeichnet. 25 Es geht nun nicht mehr um die Beseitigung der philosophischen Probleme, sondern um die Aufdeckung und Beschreibung der »Logik« der Umgangssprache: »die wichtigste Aufgabe des Philosophen besteht darin, zu verstehen, wie unser Denken über die Dinge funktioniert, und ... wir können nur dann etwas über dieses Funktionieren herausfinden, wenn wir danach sehen, wie wir die Wörter gebrauchen ... der sprachliche Gebrauch ist das einzige relevante experimentelle Datum, das wir zur Untersuchung des Verhaltens unserer Begriffe haben.«26
2.
Religion und Theologie aus der Sicht der Analytiker
Wir beschränken uns in diesem Abschnitt auf Ayer und Wittgenstein, da sie zu den wenigen Philosophen des analytischen Lagers gehören, die sich explizit zu diesem Thema geäußert haben. Die durch Ayer repräsentierte positivistische erkenntnistheoretische Position ist außerdem insofern in unserem Zusammenhang von Bedeutung, als die noch zu diskutierenden Philosophen und Theologen mehr oder weniger direkt daran anknüpfen; in ihr ist das Problem formuliert, auf das diese mit ihren Entwürfen antworten. Und in der Spätphilosophie 25 Vgl. Austins viel zitierten Satz: »Die Umgangssprache ist nicht das letzte Wort: grundsätzlich kann sie immer ergänzt, verbessert und ersetzt werden. Man denke nur daran: sie ist das erste Wort.« a. a. O. S. IH. 26 Eine Bemerkung von P. F. Strawson bei einer Diskussion I96I, zitiert in Lorenz a. a. O. S. I40. Eine solche »philosophische Analyse« nennt M. Bunge »prescientific linguistic semianalysis«; vgl. The Myth of Simplicity. Problems of Scientific Philosophy, London I963, S. 5.
Wittgensteins liegt ein positiver Ansatz zur Lösung des Problems.
a) Al/red J. Ayer: »Language, Truth and Logicnicht eine bloß menschliche LiebeIch glaube an das jüngste GerichtNun, ich bin da nicht so ganz sicher. VielleichtDas da oben ist ein deutsches Flugzeug Vielleicht, ich bin nicht ganz sicherGott< gehört zu denen, die am frühesten gelernt werden - Bilder, Katechismen usw. Aber diese Bilder haben nicht dieselben Folgen wie die Bilder von Tanten. Man hat dir nicht gezeigt, (was das Bild abbildet) .... >Hast du nicht, nachdem man dir alle diese Dinge gezeigt hat, verstanden, was dieses Wort bedeutet?< Ich möchte sagen: Ja und Nein. Ich habe gelernt, was es nicht bedeutet. Ich habe mich selbst dazu gebracht, das zu verstehen. Ich konnte Fra35 a. a. O. S. 87. 36 »Diese Kontroversen sehen ganz anders aus als gewöhnliche Kontroversen. Die Gründe sehen ganz anders aus als gewöhnliche Gründe. Sie sind, auf irgendeine Art, ganz unschlüssig. In der Tat ist der Witz der Sache, daß die ganze Geschichte zerstört würde, sobald es Beweise gäbe.« (5. 91). 37 a. a. O. S. 94.
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gen beantworten, Fragen verstehen, wenn sie auf verschiedene Weise gestellt wurden - und in dem Sinne könnte man sagen, daß ich es verstanden habe.«3 8 An anderer Stelle spricht Wittgenstein von Michelangelos Bild der »Erschaffung Adams«. »Man könnte sich vorstellen, daß die Religion mit Hilfe dieser Bilder gelehrt würde .... Ich könnte Moore das Bild einer tropischen Pflanze zeigen. Es gibt eine Technik des Vergleichs zwischen Bild und Pflanze. Wenn ich ihm das Bild von Michelangelo zeigte und sagte >Natürlich kann ich dir nicht das wirkliche Ereignis zeigen, nur das Bild< ... Die Absurdität liegt darin, daß ich ihm niemals eine Technik beigebracht habe, wie er dieses Bild verwenden soll.«39 Wittgenstein verweist hier auf die Schwierigkeit (oder Unmöglichkeit?), die Bedeutung eines so zentralen religiösen Begriffs wie »Gott« eindeutig zu bestimmen; allenfalls ist ihm klar, was er nicht bedeutet. Dabei hat er offenbar den Gottesbegriff der traditionellen Theologie im Auge. Wenn die Interpretation der »Philosophischen Untersuchungen« von Lorenz mit ihrer Unterscheidung der Einführung und der Verwendung sprachlicher Ausdrücke richtig ist, wenn »ein Sprachspiel nicht bloß von der Verwendung, sondern primär von der Einführung sprachlicher Ausdrücke Rechenschaft ablegen soll «40, dann ist die These, für Wittgenstein sei die Theologie ein besonderes Sprachspiel, nicht ohne weiteres aufrechtzuerhalten. Wittgenstein löst philosophische Probleme an Hand von Sprachspielen, »mit deren Hilfe sich die fraglichen sprachli38 a. a. O. S. 95. 39 a. a. O. S. 100. 40 K. Lor.enz a. a. O. S.
124,
Anm. 56.
chen Ausdrücke oder Formen einführen, und das bedeutet eo ipso umgangssprachlich, aber nicht unbedingt dem faktischen Sprachgebrauch entsprechend, einführen lassen«.4I Nun finden die Theologie und die theologische Sprache zwar Verwendung, aber gerade die umgangssprachliche Einführung z. B. des Gottesbegriffs der traditionellen Theologie ist problematisch. Wie können aber solche Begriffe so eingeführt werden, daß ihre Bedeutung klar und damit ihr Gebrauch gerechtfertigt ist? »Die gemeinsame menschliche Handlungsweise ist das Bezugssystem, mittels welches wir uns eine fremde Sprache deuten.«42. Die Bedeutung von Aussagen der traditionellen Theologie, die hier die fremde Sprache ist43 , kann aus den Konsequenzen (»Denk- und Handlungsweisen«) abgelesen werden, die der zieht, welcher solche Aussagen macht. Wer an das Jüngste Gericht glaubt, wird sein Leben in besonderer Weise einrichten; wer an Gott glaubt, wird auch Wunder für möglich halten. »Gott«, das» Jüngste Gericht«, »die Trennung der Seele vom Körper« als eine» Vorstellung vom Tode«, all das sind Wörter und Bilder, die einem mehr oder weniger bekannt sind, aber sie sind als solche unklar. »Ich würde herausfinden müssen, welche Konsequenzen das hat (daß du das sagst).«44 »Wenn ich sage, daß er ein Bild verwendet, ist das bloß eine 41 ebd. S. 130. 42 Philosophische Untersuchungen 206. 43 Allerdings nicht im gleichen Sinn wie in dem Zitat. Die Sprache eines anderen Volkes ist uns fremd, weil wir sie nicht gelernt haben; die Sprache der traditionellen Theologie ist uns fremd, weil, obwohl wir die Verwendungsweise theologischer Begriffe in gewisser Weise gelernt haben, deren Verwendung doch ganz anders ist als die entsprechender umgangssprachlicher Begriffe. 44 Vorlesungen über den religiösen Glauben, a. a. O. S. 107.
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grammatische Bemerkung: (Was ich sage,) kann nur durch die Konsequenzen verifiziert werden, die er zieht oder nicht zieht.«<Js Nach dieser Interpretation ist für Wittgenstein der religiöse Glaube Ausdruck einer Lebensform. Durch den Verweis auf die Konsequenzen, die ein Gläubiger aus den traditionellen theologischen Begriffen für sein Denken und Handeln zieht, hat er eine methodische Anleitung gegeben, wie diese Begriffe umgangssprachlich - aber gegen den faktischen (theologi~ schen) Sprachgebrauch - neu eingeführt werden können. Während theologische Aussagen, sofern sie von Gott als einem welttranszendenten personalen Wesen handeln, keine eigen~ ständigen Sprachspiele sein können, da ihre Bedeutung unklar ist, sind religiöse Aussagen als Ausdruck von bestimmten Denk- und Handlungsweisen Sprachspiele innerhalb einer religiösen Lebensform. Wie die philosophischen, so verschwinden auch die theologischen Probleme. Ausgangspunkt dieser Interpretation war die Unterscheidung zwischen Einführung und Gebrauch sprachlicher Ausdrücke im Anschluß an Lorenz. Würde man lediglich nach dem Gebrauch theologischer Aussagen fragen, um ihre Bedeutung zu ermitteln, dann wäre die Antwort Wittgensteins auf diese Frage nur eine unter anderen. Denn warum sollte ein Theologe mit seinen Aussagen nicht tatsächlich etwas über ein transzendentes Wesen sagen wollen? Genau hier scheint aber für Wittgenstein das zentrale Problem zu liegen, da ihm die Bedeutung theologischer Aussagen bei einem solchen Gebrauch ja unklar ist. Außerdem stellt er seine Lösung des Problems, die Neuinterpretation oder Einführung auf der Basis der allen 45 ebd. S.
IIO.
verständlichen Umgangssprache, auch nicht als eine von vielen möglichen dar. Daß damit die Umgangssprache in besonderer Weise ausgezeichnet wird, ist ein anderes Problem, das hier nicht diskutiert werden soll. Jedenfalls scheinen die » Vorlesungen über den religiösen Glauben« Lorenz recht zu geben. Vergleicht man Wittgenstein mit Ayer, so kann man feststellen, daß sie trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Für Ayer ist die Theologie zu Erkenntniszwecken bedeutungslos; für Wittgenstein ist die Bedeutung theologischer Aussagen überhaupt unklar. Ayer geht der Frage nicht weiter nach, ob religiöse Aussagen irgend eine andere Bedeutung oder Funktion haben; es wäre denkbar, daß er ihnen ähnlich ethischen Aussagen eine »emotionale« Funktion zusprechen würde. 46 Wittgenstein war zwar kritisch gegenüber der Theologie, hat aber durch seine Deutung der Religion als einer Lebensform - wenn vielleicht auch einer nicht vernünftigen 47 - und durch seine These von der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke den Grundstein für die nichtkognitiven Deutungen religiöser Aussagen gelegt.
3. Die Auswege der Theologen angesichts der Kritik
Wir haben das Verhältnis der Theologie zur Philosophie einerseits als ein kritisch-apologetisches und andererseits als ein kooperatives gekennzeichnet. Im· angelsächsischen Raum 46 Vgl. Ayer a. a. O. S. I42. 47 Vgl. a. a. O. S. 93: »Muß ich sagen, daß sie (die Gläubigen, d. Verf.)
unvernünftig sind? Ich würde sie nicht unvernünftig nennen. Ich würde sagen, daß sie gewiß nicht vernünftig sind, das liegt auf der Hand.«
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wurde in diesem Jahrhundert die schärfste Kritik der Theologie von der philosophischen Richtung vorgetragen, die etwa durch Ayer repräsentiert wird. Es ist daher verständlich, daß die meisten Theologen in diesen Ländern, wenn sie sich auf eine Auseinandersetzung einlassen, diese Philosophie mehr oder weniger explizit zum Ausgangspunkt ihrer überlegungenmachen. Ayer klassifizierte alle Sätze hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Relevanz in wahre, falsche und bedeutungslose; die theologischen Aussagen gehören bei ihm zur letzten Kategorie. Der Theologe, der sich dieser Kritik stellt und die theologischen Sätze vor der Disqualifikation der Bedeutungslosigkeit retten will, steht vor folgender Alternative: I. Er akzeptiert die These, daß theologische Aussagen nicht wahrheits fähig sind, und bestimmt ihre Bedeutung in einem nichtkognitiven Sinn. 2. Er behauptet einen in besonderer Weise qualifizierten kognitiven Charakter der theologischen Aussagen und hält an der These in modifizierter Form fest, nämlich daß diese Aussagen nicht im üblichen Sinn wahrheitsfähig sind. Wittgenstein hat mit seiner Bedeutungstheorie die Grundlage für die erste Lösung dieser Alternative geschaffen. Er selbst hat in seinen» Vorlesungen über den religiösen Glauben« eine allgemeine nichtkognitive Deutung religiöser Aussagen geliefert, denn er legt ihre Bedeutung fest, indem er sie als Ausdruck bestimmter Denk- und Handlungsmuster deutet. Hier ist eine terminologische Anmerkung zu machen. Während bisher immer nur von Theologie die Rede war, wurde im letzten Abschnitt im Zusammenhang mit Wittgenstein von religiösen und theologischen Aussagen gesprochen. Versteht man die Theologie als systematische Reflexion über den Glau-
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ben und seine Inhalte, dann kann man die theologischen Aussagen als echte Teilklasse der religiösen Aussagen betrachten. Zu letzteren gehören die Aussagen und Formulierungen aus allen Bereichen der Religion wie Kult, Verkündigung usw. Es ist naheliegend, daß bei einer nichtkognitiven Interpretation religiöse Aussagen im umfassenden Sinn bedeutsam werden, weil sich gerade von hier aus positive Ansätze für eine solche Interpretation ergeben. Es wird daher im folgenden einzeln zu prüfen sein, ob bzw. wie in den nichtkognitiven Deutungen diese Unterscheidung reflektiert wird. Die weniger radikale zweite Lösung wird von den Theologen bevorzugt, da sie eine kognitive Deutung der theologischen Aussagen nicht ausschließt. Die besondere Problematik ist hier, wie angesichts der Kritik der besondere Charakter theologischer Aussagen gerechtfertigt und die Frage nach deren Verifizierbarkeit und überprüfung beantwortet werden können. Auch hier bietet die analytische Philosophie einen Ansatzpunkt. Mit Hilfe der Wittgensteinschen Idee der verschiedenen Sprachspiele kann die Eigenart religiöser Sprache legitimiert werden; und unter Berufung auf den linguistischen Phänomenalismus kann die Frage nach Verifizierung und überprüfung im Sinne Ayers umformuliert werden in die Frage nach den Regeln und der Logik theologischer Aussa-
gen. Im folgenden sollen in der Reihenfolge der beiden Lösungsmöglichkeiten die Entwürfe einiger Philosophen und Theologen dargestellt und diskutiert werden.
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11. Nichtkognitive Deutungen religiöser Aussagen
I.
Darstellung
a) Richard M. Hares »blik«-Theorie
I
Hare geht es nicht um eine Verteidigung des Christentums allein, sondern der Religion im allgemeinen, »denn man kann nicht verstehen, was das Christentum ist, wenn man nicht verstanden hat, was Religion ist.«l Er beginnt mit der Parabel von einem Geisteskranken, der glaubt, daß alle Direktoren ihn umbringen wollen. Seine Freunde machen ihn mit den freundlichsten Direktoren bekannt, um ihm zu zeigen, daß seine Meinung falsch ist. Doch seine Antwort ist jedesmal: »Ja, aber das war nur seine teuflische List; in Wirklichkeit konspiriert er die ganze Zeit gegen mich wie auch die anderen; ich weiß es, ich sag's euch.«3 Die Hypothese des Geisteskranken ist empirisch gehaltlos, da er nicht zuläßt, daß sie durch irgendein Verhalten eines Direktors falsifiziert wird. Was den Geisteskranken vom Normalen unterscheidet, ist der jeweils verschiedene »blik«. Hare betont ausdrücklich, daß auch der Normale einen »blik« hat, nämlich einen richtigen: »Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, 1 Diese Theorie stammt aus dem Jahr 1950; sie ist abgedruckt in AntollY Flew/Alasdair MacIntyre (ed.): New Essays in Philosophical Theology, London 1955, S. 99-1°3. 2 ebd. S. 99. 3 ebd. S. 100.
daß wir einen vernünftigen haben, nicht überhaupt keinen >blikblik< hat, dann müssen die, welche die richtige Meinung über Direktoren haben, einen richtigen >blik< haben ... es ist sehr wichtig, den richtigen >blik< zu haben.«4 Da sowohl dem Verhalten des Geisteskranken wie auch dem der normalen Menschen gegenüber Direktoren ein bestimmter »blik« zugrunde liegt, und da außerdem jeder Mensch einen »blik« hinsichtlich der Welt hat, muß Hare mit diesem Begriff so etwas wie »gewisse grundlegende metaphysische Einstellungen gegenüber der Welt«5 meinen. Er interpretiert nun auch die Religion im Sinne dieses »blik«-Konzepts. Wenn jemand glaubt, daß alles aus purem Zufall geschieht, wird er zwar keine Voraussagen machen können, er wird sich aber in seinen Aussagen über faktische Gegebenheiten nicht von denen unterscheiden, die diesen Glauben nicht teilen. Dennoch wird man sagen, daß es einen großen Unterschied gibt zwischen ihm und den anderen; »und entsprechend ist der Unterschied zwischen solchen, die wirklich an Gott glauben, und solchen, die tatsächlich nicht an ihn glauben.«6 Wie die Zufalls-Hypothese sind auch religiöse Aussagen empirisch gehaltlos, man kann sie nicht zu Erklärung und Prognose benutzen; sie implizieren andererseits aber bestimmte umfassende Denk- und Verhaltensweisen. Die für Hare so zentrale Frage nach dem richtigen »blik« diskutiert er nicht explizit. In der Kritik an den beiden Forschern der Flewschen Parabel steckt aber ein Hinweis auf 4 ebd. S. 100. 5 VgI. M. J. Charlesworth: Linguistic Analysis and Language about God, International Philosophical Quarterly, I (1961), S. 156. 6 Hare a. a. O. S. 102.
eine methodische Voraussetzung, die Hare zur Klärung dieser Frage notwendig zu sein scheint: »The explorers do not mind about their garden; they discuss it with interest, but not with concern.... It is because I mind very much ab out what go es on in the garden in wh ich I find myself, that I am unable to share the explorers' detachment.«7 Offenbar muß zum sachlichen Interesse an der Frage noch etwas mehr hinzukommen; allerdings bleibt dieses »Mehr« sehr nebulös. In ausführlicherer Form hat Hare das gleiche Thema in einem späteren Aufsatz 8 abgehandelt. Ausgehend von der These, »daß, wenn Etwas-Glauben eine Art von Denken ist, wir das, was ein Mensch glaubt, nur durch das Studium seiner Handlungen herausfinden können«', fragt er nach einer für den gläubigen Menschen typischen Verhaltensweise; er findet sie in einer »attitude of worship«.Io Nun ist es leieher festzustellen, ob einer diese Attitüde hat, als zu bestimmen, was der Gegenstand seiner Verehrung und Anbetung ist. Hare definiert einen als Person verstandenen Gott als »proper object of worship«. Damit stellt sich die Frage, wie ein solches religiöses Verhalten z. B. gegenüber einem Baum und/oder dem darin als präsent gedachten Gott gerechtfertigt wird. Diese Rechtfertigung findet der religiöse Mensch in den Konsequen7 ebd. S. 103; die Parabel, die von John Wisdom stammt, wird von Flew in seinem Beitrag zur »Theology and Falsification«-Debatte wiedergegeben; vgl. in A. Flew/A. MacIntyre a. a. O. S. 96. 8 Religion and Morals, in: Basil Mitchell (ed.): Faith and Logic. Oxford Essays in Philosophical Theology, London 2. Auflage 1958, S. 176-193. 9 ebd. S. 182. 10 » ••• es ist einleuchtend, zu sagen, daß die übernahme dieser Einstelh'!1g in jedem Fall ein Teil dessen ist, was jemand tut, wenn er ein Gläubiger wird.« ebd. S. 184 f.
zen, die ein religiöser (kultischer) Akt bzw. dessen Unterlassung hat (z. B. Regen zur rechten Zeit bzw. Dürre); solche Ereignisse deutet er als Reaktionen des Gottes. Diese religiöse Interpretation des Zusammenhangs zwischen Handlungen und darauffolgenden Ereignissen ist aber in ungünstigen Fällen problematisierbar, denn sie kann falsifiziert werden. Hare sieht in der ganzen Religionsgeschichte einen Prozeß, in dem dieses ursprünglich dominante deskriptive Element zugunsten des präskriptiven einstellungsmäßigen Elements mehr und mehr verdrängt wird. Dennoch wäre es voreilig, den Positivisten und Empiristen zuzustimmen, die aus dieser Entwicklung den Schluß ableiten, daß heute religiöse Aussagen völlig bedeutungslos geworden sind. Denn zum einen ist die empirische Komponente in religiösen Aussagen weder die einzige noch die wichtigste; andererseits fordern aber auch noch die am weitesten entwickelten Religionen von ihren Anhängern »some empirical expectations«.u Die übernahme einer Einstellung der Verehrung impliziert zunächst eine bestimmte Lebensweise. Doch hinsichtlich der empirischen Komponente wird der Leser enttäuscht: gefordert wird lediglich, »daß man an die Richtigkeit gewisser Tatsachenaussagen glaubt (und zwar empirischer: das betreffend, was sich tatsächlich in der Welt ereignet hat und sich wahrscheinlich ereignen wird).«I2 Damit ist jeder spezifisch eigene kognitive Gehalt religiöser Aussagen aufgegeben. Daß in den Religionen von übernatürlichen Tatsachen die Rede ist, erklärt sich nun als das Ergebnis einer »superimposition of the ebd. S. 185-187' 12 ebd. S. 189.
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attitude of worship upon factual beliefs which are themselves not other than empirical«.I3 Das ist die alte »blik«-Theorie in einer anderen Formulierung.
b) »An Empiricist's View of the Nature of Religious Belief«1 4: Richard B. Braithwaite Braithwaite zeigt zunächst, daß religiöse Aussagen nach dem Verifikationsprinzip des logischen Positivismus bedeutungslos sind. Sie können nicht zur Klasse der singulären Tatsachenaussagen, der allgemeinen empirischen (Gesetzes-) Aussagen oder der Aussagen der Logik und Mathematik gerechnet werden. Aber auch ethische Aussagen können nicht nach den Methoden, die für die genannten drei Klassen gelten, verifiziert werden. Dennoch sind nicht alle ethischen Aussagen sinnlos. »Denn ethische Aussagen haben eine Verwendung, indem sie das Verhalten leiten; und wenn sie eine Verwendung haben, dann haben sie sicherlich eine Bedeutung - in einem gewissen Sinn von Bedeutung.«I5 Um dem gerecht zu werden, ersetzt Braithwaite das alte Verifikationsprinzip unter Berufung auf Wittgenstein durch dessen modifiziertes Prinzip: »die Bedeu13 ebd. S. 189; an anderer Stelle spricht er von den »facts« innerhalb der religiösen Aussagen als »vollkommen gewöhnlichen empirischen Tatsachen«. »Wenn diese Betrachtung richtig ist, dann kann man sagen, daß der Glaube, es gebe spezifische religiöse übernatürliche Tatsachen, daraus resultiert, daß man fälschlicherweise auf der logischen Ebene unterscheidet, was in Wirklichkeit nicht unterscheidbar ist, nämlich Tatsachen und unsere Einstellungen zu ihnen.« (ebd. S. 190). 14 So der Titel des Aufsatzes, in dem er seine Theorie entwickelt; er ist 1955 geschrieben und abgedruckt in: lan T. Ramsey (ed.): Christian Ethics and Contemporary Philosophy, New York 1966, S. 53-73. 15 ebd.S.5 8.
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tung einer Aussage ist gegeben durch die Art und Weise, in der sie gebraucht wird.«I6 Da er behauptet, daß religiöse Aussagen primär als ethische Behauptungen gebraucht werden, skizziert er zunächst eine Theorie der ethischen Aussagen; »a moral assertion is used to express an attitude of the man making the assertion.«I7 Wer eine ethische Aussage macht, bringt damit seine Absicht zum Ausdruck, daß er im Sinne dieser Aussage handeln will, wenn sich eine Situation ergibt, auf die die Aussage anwendbar ist. Braithwaite kritisiert die Einseitigkeit der. emotiven Theorien und nennt seine Theorie eher eine conative als eine emotive: »die primäre Verwendung einer ethischen Behauptung liegt demnach darin, daß sie die Intention dessen, der die Behauptung macht, zum Ausdruck bringt, nämlich in einer ganz bestimmten, in der Behauptung spezifizierten Art und Weise zu handeln.«I8 Diese Theorie wird auf religiöse Aussagen übertragen: »die Bedeutung einer religiösen Aussage ist in ihrem Gebrauch gegeben, nämlich darin, daß sie die Intention des Sprechers zum Ausdruck bringt, einer spezifischen Verhaltensmaxime zu folgen.«I9 Nun gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen ethischen und religiösen Aussagen; während in ethischen Aussagen die Verhaltensmaxime, die in ihnen zum Ausdruck gebracht wird, selbst enthalten ist, ist dies bei religiösen Aussagen nicht der Fall. Dieses Problem löst Braithwaite dadurch, daß er nicht jeder einzelnen religiösen Aussage, sondern einem 16 ebd. S. 58. Das alte Verifikationsprinzip sieht er darin enthalten; vgl. ebd. S. 59. 17 ebd. S. 59. 18 ebd. S. 60. 19 ebd. S. 61 f.
zusammenhängenden religiösen Aussagensystem (Religion) einen bestimmten Lebensstil zuordnet. Wer eine religiöse Aussage macht, bringt damit seine Verpflichtung zu dem Lebensstil zum Ausdruck, der spezifisch für das Aussagensystem ist, zu dem die betreffende Aussage gehört. Die konkreten Verhaltensmaximen, die die Bedeutung religiöser Aussagen festlegen, können durch Befragung und durch Beobachtung des Verhaltens der religiösen Menschen ermittelt werden. Wie kann aber eine religiöse Aussage, die zu einer bestimmten Religion gehört, von einer zu einer anderen Religion gehörigen Aussage unterschieden werden? Diese Frage stellt sich deshalb, weil die Verhaltensmaxime, die in beiden Aussagen zum Ausdruck gebracht werden soll, völlig gleich sein kann. Für Braithwaite ist das Unterscheidungskriterium das ~Den ken an bzw. Sich-Besinnen auf unterschiedliche Geschichten«, das mit einem Lebensstil verbunden ist; diese Geschichten bestehen aus empirischen, überprüfbaren Aussagen.%O Zu den christlichen Geschichten gehören sowohl historische Aussagen über Jesus als auch spezifisch religiöse und doktrin ale Aussagen und deren empirische Interpretationen. 21 »Die Bezugnahme auf eine Geschichte ist nicht eine Behauptung der Geschichte im Sinne einer empirischen Tatsache: es ist ein Erzählen der Geschichte oder ein Sich-Beziehen auf sie, so wie man die Geschichte eines Romans, den man gut kennt, erzählt oder wie man auf sie Bezug nimmt.«%% Braithwaite 20 Vg1. ebd. S. 66; an anderer Stelle nennt er die Geschichten (stories) auch Parabeln, Allegorien, Fabeln, Mythen (S. 68). 2I Vgl. Braithwaites Replik auf einige Kritiken, ebenfalls abgedruckt in 1. T. Ramsey a. a. o. S. 9I. 22 An Empiricist's View ... , a. a. O. S. 66.
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sieht sich hier offenbar zu einem Kompromiß gezwungen. Er braucht die Geschichten, um eine Unterscheidung zwischen den Religionen zu ermöglichen; da in ihnen selbst aber nicht der jeweilige religiöse Lebensstil zum Ausdruck kommt, muß ihr Gebrauch und damit ihre Bedeutung anders festgelegt werden. Die einzige Möglichkeit, die das modifizierte Verifikationsprinzip offenläßt, ist die, daß nur empirische und überprüfbare Aussagen in ihnen zugelassen werden. Andererseits scheint Braithwaite dem heutigen Menschen nicht zumuten zu wollen, daß er alle Geschichten, die z. B. zum Christentum gehören, für wahr hält. Deshalb ist nur verlangt, »that the story shDuld be understood as having a meaning. I have secured this by requiring that the story should consist of empirical propositions.«2 3 ~ennoch haben die Geschichten eine besondere Funktion, eine psychologische. Sie sind nämlich eine Hilfe bei der Realisierung des Lebensstils, vor allem dann, wenn dieser dem Menschen schwerfällt. Sie sind es gerade auch deshalb, weil sie nicht für wahr gehalten werden müssen; und das hat wiederum »den großen Vorteil, daß bezüglich der empirischen Interpretation, die den Geschichten gegeben werden kann, keine Einschränkung gemacht wird«.24 Der religiöse Mensch kann doktrin ale Aussagen mit Hilfe solcher Bilder, Begriffe und Formulierungen interpretieren, die ihm am verständlichsten und vertrautesten und damit am hilfreichsten sind. Es ist außerdem eine praktische Notwendigkeit, »daß die Sätze, die man glaubt, untereinander konsistent sind.«25 Dieser Not23 ebd. S. 67. 24 ebd. S. 69 f. 25 vgl. ebd. S. 70.
wendigkeit kann durch eine individuelle Interpretation Genüge getan werden. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß, obwohl im Titel des Aufsatzes der Begriff »religiöser Glaube« vorkommt, am Ende alle Glaubenssätze im üblichen Sinn des Wortes eliminiert sind. Zwar spricht Braithwaite von religiösen Aussagen und Behauptungen, aber in einem weiten Sinn. Der Gläubige will nämlich mit seinen religiösen Äußerungen keine Tatsachenaussagen machen; er bringt vielmehr seine Verpflichtung zu einem bestimmten Lebensstil zum Ausdruck. Und auch die damit verbundenen Geschichten müssen nicht für wahr gehalten werden; sie haben lediglich psychologische Hilfsfunktionen. c) Paul M. van Burens »Reden von Gott in der Sprache der Welt«2.6 Van Buren geht es um eine Antwort auf die von Dietrich Bonhoeffer gestellte Frage: »Wie kann der Christ, der selbst ein säkularer Mensch ist, seinen Glauben in säkularer Weise verstehen?«2.7 Dazu bedient er sich der Sprachanalyse, die für 26 So der Titel der deutschen Ausgabe seines Buches The Secular Meaning of the Gospel. Based on an Analysis of its Language, New York 1963; der Zitation liegt die deutsche Ausgabe zugrunde. 27 Zitiert ebd. S. 8; er selbst klärt den Begriff des »Säkularen« nur unzureichend; vgl. S. 24 f. Das Verhältnis des »säkularen Menschen« zur Religion kann man vielleicht am besten - auch im Sinne van Burens - mit dem Satz von Bonhoeffer zusammenfassen: »Der Mensch hat gelernt, in allen wichtigen Fragen mit sich selbst fertig zu werden ohne Zuhilfenahme der >Arbeitshypothese: Gottobjektiven< Charakter des Bildes >im Spiegel seines Bewußtseins«Jesus ist auferstanden< verwendet den Namen einer historischen Gestalt, versetzt sie aber in das >EndreichEs ging ihnen ein Licht aufhistorische Perspektiveerfaßt< wird. Geschieht ihm solches, so wird er frei, diese Norm zu bestätigen und danach zu leben.«4 2 Ist mit diesem Ansatz Theologie auf Ethik reduziert? Diese 41 Vgl. ebd. S. 130-132. 42 ebd. S. 150.
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Frage stellt sich van Buren zu Ende seines Buches selbst, und er beantwortet sie mit der Gegenfrage: »Was wäre denn in einem säkularen Zeitalter dieses >Mehr