Thomas Gieseking Gewinnoptimale Preisbestimmung in werbefinanzierten Märkten
GABLER RESEARCH
Thomas Gieseking
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Thomas Gieseking Gewinnoptimale Preisbestimmung in werbefinanzierten Märkten
GABLER RESEARCH
Thomas Gieseking
Gewinnoptimale Preisbestimmung in werbefinanzierten Märkten Eine conjoint-analytische Untersuchung eines Publikumszeitschriftenmarktes Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Heinz-Werner Nienstedt
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Mainz, 2009 Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 02 – Sozialwissenschaften, Medien und Sport – der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2008 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen.
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Claudia Jeske | Anita Wilke Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1897-0
Geleitwort
Medien werden häufig auf zwei Märkten vermarktet, dem Rezipienten- und dem Werbemarkt. Beide Märkte üben potenziell externe Effekte auf den jeweils anderen aus. So wird zum Beispiel die Attraktivität eines Printprodukts im Werbemarkt wesentlich von der Zahl und Qualität der Leser bestimmt. Art und Umfang der Werbung wiederum kann positive oder auch negative Effekte auf die Attraktivität eines Blattes für Leser ausüben. Dieser Mechanismus ist grundsätzlich bei allen werbefinanzierten Medien zu finden. Medienmärkte zählen somit zu den sogenannten zweiseitigen Märkten. Sie können als Plattformen interpretiert werden, auf denen eine Interaktion mehrerer Nutzergruppen stattfindet. Die Interdependenz zwischen den Märkten muss in vielfältigen Bereichen des Medienmanagements berücksichtigt werden, insbesondere auch beim Pricing. Sowohl die Preiselastizitäten im jeweiligen Markt als auch die Externalitäten auf den jeweils anderen Markt müssen berücksichtigt werden. Die wirtschaftswissenschaftliche Durchdringung zweiseitiger Märkte ist ein noch sehr junges Forschungsfeld – auch wenn die Beschreibung der zugrundeliegenden Phänomene weit in die Geschichte medienökonomischer Forschung reicht. Das Konzept der zweiseitigen Märkte geht u.a. auf Überlegungen von Rochet/Tirole und Wright zurück. Bisherige Forschungsarbeiten haben sich mit dem Thema vorwiegend theoretisch auseinandergesetzt oder untersuchen es durch ökonometrische Marktanalysen. Gegenstand dieses Buches ist die Entwicklung einer in der Praxis des Medienmanagements anwendbaren, neuartigen Vorgehensweise zur Bestimmung gewinnoptimaler Preise in werbefinanzierten Märkten, die Theorien der zweiseitigen Märkte berücksichtigt. Gewinnoptimale Preise werden simultan über beide Märkte hinweg auf Basis empirisch ermittelter Preisabsatzfunktionen bestimmt. Insbesondere Arbeiten von Blair/Romano, Kaiser und Kohlschein legen Grundlagen für diesen Ansatz. Empirisch angewendet wird er hier exemplarisch auf eine Finanzzeitschrift. An dieser Stelle sollen nicht die Inhalte der Arbeit wiedergegeben werden. Es seien nur zwei Aspekte hervorgehoben. In der vorliegenden Analyse werden die Rezipienten in bestehenden Abonnenten, potenziellen Neu-Abonnenten und potenziellen Einzelkäufer segmentiert. Während in der Literatur und der Praxis Inserenten wie auch Rezipienten häufig als wenig preissensitiv angesehen werden, reagieren in der vorliegenden Untersuchung lediglich die bestehenden Abonnenten preisunelastisch. Eine Segmentierung der Leserschaft in die genannten Gruppen ist also zumindest für den gewählten Markt erforderlich. Zum anderen ist die Nutzung der Choice-Based-Conjoint Analyse als das zentrale methodische Instrument der Arbeit hervorzuheben. Diese Methode wird hier erstmals auf beiden
V
Marktseiten eines zweiseitigen Medienmarktes eingesetzt. Auf diese Weise werden Präferenzen und Preisresponsefunktionen von Rezipienten und Inserenten ermittelt. Als Basis dienten 482 Fälle in den vier Nutzergruppen einer Finanzzeitschrift, die im Rahmen einer OnlineBefragung mit Unterstützung des Gruner + Jahr Verlages erhoben wurden. Insgesamt leistet die vorliegende Arbeit einen wesentlichen Erkenntnisfortschritt zur Unterstützung des Preismanagements in zweiseitigen Märkten. Sie bildet einen guten Ausgangspunkt für weitere Forschung. So kann die vorgestellte Vorgehensweise dabei helfen, eine empirisch fundierte Diskussion der in der Medienökonomie häufig angeführten AnzeigenAuflagen-Spirale zu führen. Die Arbeit stellt eine gelungene Kombination konzeptioneller Überlegungen und – interessanter – empirischer Befunde dar. Sie sollte deshalb sowohl in der Theorie als auch in der Praxis einen großen Leserkreis finden.
Prof. Dr. Heinz-Werner Nienstedt
VI
Vorwort
Die vorliegende Dissertation entstand während meiner Zeit im "educational leave", in der ich für diese Arbeit von der Beratertätigkeit bei McKinsey & Company, Inc. freigestellt war. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Heinz-Werner Nienstedt, dem Inhaber des Lehrstuhls für Medienmanagement an der Johannes GutenbergUniversität Mainz, von dessen wertvoller fachlicher Unterstützung, Vertrauen und Bereitschaft zur wissenschaftlichen Diskussion ich stark profitiert habe. Dass ich an einem der aktuell spannendsten Fragestellungen der Medienökonomie arbeiten durfte, verdanke ich Prof. Nienstedt. Mit Diskussionen zu der faszinierenden wechselseitigen Abhängigkeit von Nutzergruppen in zweiseitigen Märkten und den damit verbundenen Schwierigeiten im Preismanagement vieler Medienunternehmen hat er das Thema angeregt. Auch die Einbindung in die Forschungsgemeinschaften im Bereich Publizistik, Medienmanagement und Medienökonomie war sehr bereichernd. Herrn Prof. Dr. Frank Huber, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing, danke ich für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens. Mein ganz großer Dank gilt meiner Frau, die mich stets unterstützt und motiviert hat. Ihre Unterstützung war für mich in jeder Hinsicht von großer Bedeutung. Ihr ist daher diese Arbeit gewidmet. Ebenso möchte ich mich herzlich bei meinen Eltern, meiner Familie und meinen Freunden für den uneingeschränkten Rückhalt danken. Darunter besonders auch Herrn Dr.-Ing. Alexander Redenius für das Lesen der Arbeit und für die damit verbundenen Anregungen sowie Herrn Patrick Proner, M.A., für die wertvollen Diskussionen. Die schnelle Durchführung der Arbeit war nur aufgrund der Unterstützung der Firmen McKinsey & Company, Sawtooth Software sowie Gruner + Jahr möglich. Bei ersteren beiden Firmen bedanke ich mich für die finanzielle und Sachunterstützung. Der Zugriff auf die derzeit modernste Marktforschungssoftware von Sawtooth war zentral für den Erfolg dieser Arbeit. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Dipl.-Kfm. Jan Honsel und den Ansprechpartnern bei Gruner + Jahr für Einblicke in die Praxis, die Unterstützung bei der Datenerhebung und das große gemeinsame Interesse an den Fragestellungen. Thomas Gieseking
VII
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort................................................................................................................................. V Vorwort ................................................................................................................................. VII Inhaltsverzeichnis................................................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................................XIII Tabellenverzeichnis........................................................................................................... XVII Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ XIX 1 Einführung ........................................................................................................................... 1 1.1 1.2 1.3
Problemstellung ...................................................................................................... 1 Zielsetzung, Forschungsfragen und methodischer Hintergrund der Arbeit............ 4 Aufbau der Arbeit ................................................................................................... 6
2 Darstellung des Untersuchungsgegenstandes – Finanzzeitschriften in Deutschland.... 9 2.1 2.2 2.3
Definition und Rahmenbedingungen ...................................................................... 9 Der Markt für Finanzzeitschriften ........................................................................ 11 Herstellung und Kostenparameter......................................................................... 22
3 Stand der Forschung im Preismanagement .................................................................... 27 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.3.1 3.4
Preismanagement .................................................................................................. 27 Ziele und Teilbereiche des Preismanagements ................................................. 27 Preismanagement im Rahmen der klassischen Preistheorie............................. 28 Prinzipien der Preisfestsetzung in der betrieblichen Praxis ............................. 33 Preismanagement in zweiseitigen Märkten .......................................................... 35 Definition und Abgrenzung................................................................................ 35 Stand der Forschung ......................................................................................... 38 Preismanagement in Zeitschriftenmärkten ........................................................... 40 Definition und Abgrenzung................................................................................ 40 Stand der Forschung ......................................................................................... 41 Zusammenfassende Betrachtung und Implikationen für diese Arbeit.................. 50
4 Stand der Forschung zu Erhebungsmethoden von Preisbereitschaften ..................... 55 4.1 Methoden zur Messung von Preisbereitschaften im Allgemeinen ....................... 55 4.1.1 Ableiten von Preisbereitschaften auf gruppenspezifischem Niveau .................. 57 4.1.2 Messung von Preisbereitschaften auf individueller Ebene................................ 58 4.2 Erhebung von Preisbereitschaften im Speziellen: Die Conjoint-Analyse ............ 59 4.2.1 Begriffsbestimmung und Definitionen ................................................................ 60 4.2.2 Ablauf einer Conjoint-Analyse ........................................................................... 62 4.2.2.1 Bestimmung der Conjoint-Verfahrensvariante ......................................... 63 4.2.2.2 Festlegung der Auswahloptionen.............................................................. 69 4.2.2.3 Erstellung des Untersuchungsdesigns....................................................... 71
IX
4.2.2.4 Datenerhebung und Ermittlung von Präferenzdaten................................. 74 4.2.2.5 Interpretation der Ergebnisse einer Conjoint-Analyse.............................. 80 4.2.3 Bestimmung einer Preisresponsefunktion mit Hilfe von Choice-Simulatoren .. 84 4.3 Zusammenfassende Betrachtung .......................................................................... 84 5 Kaufentscheidungsfaktoren im Markt für Finanzzeitschriften .................................... 87 5.1 Determinanten der Nachfrage im Rezipientenmarkt ............................................ 87 5.1.1 Produktpolitische Faktoren ............................................................................... 89 5.1.2 Preispolitische Faktoren.................................................................................... 93 5.1.3 Distributions- und kommunikationspolitische Faktoren ................................... 96 5.2 Determinanten der Nachfrage im Inserentenmarkt............................................... 96 5.2.1 Produktpolitische Faktoren ............................................................................... 97 5.2.2 Preispolitische Faktoren.................................................................................. 100 5.2.3 Distributions- und kommunikationspolitische Faktoren ................................. 101 5.3 Zusammenfassende Darstellung ......................................................................... 102 6 Empirische Untersuchung .............................................................................................. 103 6.1 Rahmenbedingungen und Analysedesign ........................................................... 103 6.2 Analyseergebnisse............................................................................................... 112 6.2.1 Bestehende Abonnenten................................................................................... 113 6.2.1.1 Datenerhebung – Datenaufbereitung – Stichprobenbeschreibung.......... 114 6.2.1.2 Schätzung aggregierter Präferenzstrukturdaten ...................................... 119 6.2.1.3 Schätzung segmentbasierter Präferenzstrukturdaten .............................. 127 6.2.1.4 Schätzung individueller Präferenzstrukturdaten ..................................... 132 6.2.1.5 Ermittlung der Preisresponsefunktion..................................................... 136 6.2.2 Einzelverkauf ................................................................................................... 142 6.2.2.1 Datenerhebung – Datenaufbereitung – Stichprobenbeschreibung.......... 143 6.2.2.2 Schätzung aggregierter Präferenzstrukturdaten ...................................... 148 6.2.2.3 Schätzung segmentbasierter Präferenzstrukturdaten .............................. 152 6.2.2.4 Schätzung individueller Präferenzstrukturdaten ..................................... 156 6.2.2.5 Ermittlung der Preisresponsefunktion..................................................... 159 6.2.3 Neu-Abonnenten .............................................................................................. 162 6.2.3.1 Datenerhebung – Datenaufbereitung – Stichprobenbeschreibung.......... 163 6.2.3.2 Schätzung aggregierter Präferenzstrukturdaten ...................................... 167 6.2.3.3 Schätzung segmentbasierter Präferenzstrukturdaten .............................. 171 6.2.3.4 Schätzung individueller Präferenzstrukturdaten ..................................... 174 6.2.3.5 Ermittlung der Preisresponsefunktion..................................................... 178 6.2.4 Inserenten ........................................................................................................ 180 6.2.4.1 Datenerhebung – Datenaufbereitung – Stichprobenbeschreibung.......... 181 6.2.4.2 Schätzung aggregierter Präferenzstrukturdaten ...................................... 187 6.2.4.3 Schätzung segmentbasierter Präferenzstrukturdaten .............................. 191 6.2.4.4 Schätzung individueller Präferenzstrukturdaten ..................................... 194 6.2.4.5 Ermittlung der Preisresponsefunktion..................................................... 198 6.2.4.6 Ermittlung der Auflagen-Responsefunktion ........................................... 201 6.2.4.7 Ermittlung der Auflagen-Preis-Responsefunktion.................................. 202
X
6.3 Bestimmung gewinnoptimaler Preise ................................................................. 204 6.3.1 Modell mit einseitiger Marktbetrachtung........................................................ 207 6.3.2 Modell mit einfachem Rückkoppelungseffekt .................................................. 218 6.3.3 Modell mit Zwei-Perioden-Dynamik ............................................................... 222 6.4 Sensitivitätsanalyse und Wettbewerbsszenarien................................................. 225 6.4.1 Sensitivitätsanalyse.......................................................................................... 226 6.4.2 Diskussion möglicher Wettbewerbsreaktionen................................................ 229 6.4.3 Zusammenfassung der getroffenen Annahmen ................................................ 230 6.5 Zusammenfassende Betrachtung und Interpretation........................................... 233 7 Implikationen und Schlussbetrachtung......................................................................... 245 7.1 Implikationen für das Management .................................................................... 245 7.1.1 Preispolitik....................................................................................................... 246 7.1.2 Produktpolitik .................................................................................................. 247 7.1.3 Kommunikations- und Distributionspolitik ..................................................... 248 7.2 Implikationen für die Forschung......................................................................... 248 7.3 Schlussbetrachtung und Ausblick ....................................................................... 251 Literaturverzeichnis............................................................................................................. 253 Anhang .................................................................................................................................. 265
XI
Abkürzungsverzeichnis
ACA
Adaptive-Conjoint-Analyse
Abs.
absoluter
AE
Annoncenexpedition (Agenturprovision)
AGOF
Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.V.
AWA
Allensbacher Werbeträger-Analyse
BesAbo
bestehende Abonnenten
BO
Börse Online
BTL
Bradley-Terry-Luce (-Regel)
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
CA
Conjoint-Analyse
CAIC
Consistent Akaike Information Criterion
CBC
Choice-Based-Conjoint
c.p.
ceteris paribus
DAX
Deutscher Aktienindex
d.h.
das heißt
DPV
Deutscher Pressevertrieb
engl.
Englisch
et al.
et alia (und andere)
EUR
Euro
EVK
Einzelverkauf
FC
First Choice (Erste Wahl)
FTD
Financial Times Deutschland
ggf.
gegebenenfalls
XIII
ggü.
gegenüber
GIF
Graphics Interchange Format
G+J
Gruner und Jahr [Verlag]
Grosso
Presse-Großhandel
HB
Hierarchical-Bayes
i.d.R.
in der Regel
i.H.v.
in Höhe von
IIA
Independence from Irrelevant Alternatives (Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen)
inkl.
Inclusive
Ins
Inserenten
I.P.
Internet Protocol
IVW
Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.
k.a.
keine Angaben
LAE
Leseranalyse Entscheidungsträger
LC
Latent-Class
LL
Log Likelihood
LpA
Leser pro Ausgabe
lt.
laut
MA
Media-Analyse
MAE
"Mean Average Error" (Durchschnittlicher absoluter Fehler)
Mio.
Millionen
NeuAbo
Neu-Abonnenten
Nr.
Nummer
o.V.
ohne Verfasser
p.a.
per annum (pro Jahr)
Panz
Preis je Anzeige
XIV
Pct.Cert.
Percent Certainty
Pevk
Einzelverkaufspreis
POS
Point-of-Sale (Ort des Verkaufs)
Rel.
Relativ
RLH
Root-Likelihood
RnFC
Randomized First Choice
S.
Seite
Seg.
Segment
Std.
Standard
SMRT
Sawtooth Software Market Research Tools
SoP
Share of Preference
Stv.
Stellvertretende(r)
TAP
Tausend-Auflage-Preis
TCA
Traditionelle Conjoint-Analyse
TKP
Tausend-Kontakt-Preis
Tsd.
Tausend
u.ä.
und ähnliche
VDZ
Verband Deutscher Zeitschriftenverleger
vgl.
vergleiche
WBZ
Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel
ZAS
Zentrale Anzeigenstatistik
ZAW
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V.
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
XV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Formulierung möglicher Preisresponsefunktionen ................................................. 31 Tabelle 2: Von Marktforschungsinstituten eingesetzte Methoden zur Präferenzmessung ...... 66 Tabelle 3: Einsatzfelder verschiedener Conjoint-Varianten .................................................... 67 Tabelle 4: Attribute und Ausprägungen mit potenziellen Einzelkäufern............................... 108 Tabelle 5: Attribute und Ausprägungen mit potenziellen Neu-Abonnenten.......................... 109 Tabelle 6: Attribute und Ausprägungen mit bestehenden Abonnenten ................................. 109 Tabelle 7: Attribute und Ausprägungen mit Inserenten ......................................................... 109 Tabelle 8: Mediennutzung durch bestehende Abonnenten .................................................. 115 Tabelle 9: Vergleich der Stichprobe bestehende Abonnenten und bei Finanzzeitschriften... 117 Tabelle 10: Beurteilung von Kauffaktoren aus Sicht von bestehenden Abonnenten............. 118 Tabelle 11: Parameterschätzung (Logit) für bestehende Abonnenten ................................... 122 Tabelle 12: Prognosevalidität der aggregierten Lösung für bestehende Abonnenten............ 126 Tabelle 13: Bewertung der segmentspezifischen Lösungen für bestehende Abonnenten ..... 128 Tabelle 14: Beschreibung der bestehenden Abonnenten-Segmente ...................................... 130 Tabelle 15: Prognosevalidität der Vier-Segment-Lösung für bestehende Abonnenten......... 132 Tabelle 16: Güte der Schätzungen von HB-Schätzverläufen für bestehende Abonnenten.... 133 Tabelle 17: Prognosevalidität der HB-Schätzung für bestehende Abonnenten ..................... 136 Tabelle 18: Marktszenario bei bestehenden Abonnenten ...................................................... 137 Tabelle 19: Nachfragefunktion für bestehende Abonnenten.................................................. 138 Tabelle 20: Vergleich der Stichprobe Einzelkäufer und Finanzzeitschriften ........................ 145 Tabelle 21: Beurteilung von Kauffaktoren aus Sicht von Einzelkäufern............................... 147 Tabelle 22: Parameterschätzung (Logit) für Einzelkäufer ..................................................... 149 Tabelle 23: Prognosevalidität der aggregierten Lösung für Einzelkäufer.............................. 151 Tabelle 24: Bewertung der segmentspezifischen Lösungen für Einzelkäufer ....................... 152 Tabelle 25: Beschreibung der Einzelkäufer-Segmente .......................................................... 154 Tabelle 26: Prognosevalidität der Zwei-Segment-Lösung für Einzelkäufer.......................... 155 Tabelle 27: Güte der Schätzungen von HB-Schätzverläufen für Einzelkäufer...................... 156 Tabelle 28: Prognosevalidität der HB-Schätzung für Einzelkäufer ....................................... 159 Tabelle 29: Marktszenario zur Simulation der Preisresponsefunktion bei Einzelkäufern ..... 160 Tabelle 30: Nachfragefunktion für Einzelkäufer ................................................................... 161 Tabelle 31: Vergleich der Stichprobe potenzielle Abonnenten und Finanzzeitschriften....... 164 Tabelle 32: Beurteilung von Kauffaktoren aus Sicht von potenziellen Abonnenten............. 166 Tabelle 33: Parameterschätzung (Logit) für potenzielle Abonnenten ................................... 168 Tabelle 34: Prognosevalidität der aggregierten Lösung für potenzielle Abonnenten ............ 170 Tabelle 35: Bewertung der segmentspezifischen Lösungen für potenzielle Abonnenten ..... 171
XVII
Tabelle 36: Beschreibung der Potenzielle-Abonnenten-Segmente........................................ 173 Tabelle 37: Prognosevalidität der Zwei-Segment-Lösung für potenzielle Abonnenten ........ 174 Tabelle 38: Güte der Schätzungen von HB-Schätzverläufen für potenzielle Abonnenten .... 175 Tabelle 39: Prognosevalidität der HB-Schätzung für potenzielle Abonnenten ..................... 177 Tabelle 40: Marktszenario bei potenziellen Abonnenten....................................................... 179 Tabelle 41: Nachfragefunktion für potenzielle Abonnenten.................................................. 179 Tabelle 42: Mediennutzung von Inserenten ........................................................................... 183 Tabelle 43: Beurteilung von Kauffaktoren aus Sicht von Inserenten .................................... 185 Tabelle 44: Bedeutung von Rezipienten-Charakteristika für Inserenten ............................... 186 Tabelle 45: Parameterschätzung (Logit) für Inserenten......................................................... 188 Tabelle 46: Prognosevalidität der aggregierten Lösung für Inserenten ................................. 191 Tabelle 47: Bewertung der segmentspezifischen Lösungen für Inserenten ........................... 191 Tabelle 48: Beschreibung der Inserenten-Segmente.............................................................. 193 Tabelle 49: Prognosevalidität der Zwei-Segment-Lösung für Inserenten ............................. 194 Tabelle 50: Güte der Schätzungen von HB-Schätzverläufen für Inserenten ......................... 195 Tabelle 51: Prognosevalidität der HB-Schätzung für Inserenten HB2 .................................. 198 Tabelle 52: Marktszenario zur Simulation der Preisresponsefunktion bei Inserenten........... 199 Tabelle 53: Schätzergebnisse der Preisresponsefunktion für Inserenten ............................... 200 Tabelle 54: Schätzergebnisse der Auflagen-Wahlanteil-Funktion für Inserenten ................. 201 Tabelle 55: Ergebnisse der Auflagen-Preis-Wahlanteil Regression für Inserenten ............... 203 Tabelle 56: Kennzahlen für Börse Online im Status-quo- und im Basis-Szenario................ 206 Tabelle 57: Kennzahlen in Szenario C: Bestehende Abonnenten.......................................... 209 Tabelle 58: Kennzahlen in Szenario D: Einzelkäufer ............................................................ 211 Tabelle 59: Kennzahlen in Szenario E: Potenzielle Abonnenten........................................... 213 Tabelle 60: Kennzahlen in Szenario F: Bestehende Abonnenten und Einzelkäufer.............. 215 Tabelle 61: Kennzahlen im Szenario G: Inserenten............................................................... 217 Tabelle 62: Kennzahlen im Szenario H................................................................................. 221 Tabelle 63: Kennzahlen im Szenario I ................................................................................... 224 Tabelle 64: Auswirkungen von Preisveränderungen auf den Gewinn in Szenario I ............. 227 Tabelle 65: Gewinnveränderung bei Abweichung der Preise von dem optimalen Preis ....... 227 Tabelle 66: Optimale Preise bei Veränderung der variablen Kosten ..................................... 228 Tabelle 67: Optimale Preise und Gewinnveränderungen bei Veränderung der Marktgrößen229 Tabelle 68: Gewinnveränderung bei gleicher Preisanpassung durch alle Wettbewerber ...... 230 Tabelle 69: Ergebnisse von sieben betrachteten Szenarien.................................................... 239 Tabelle 70: Zusammenfassung der Interview-Ergebnisse ..................................................... 267
XVIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Titel und Auflagenentwicklung von Publikumszeitschriften in Deutschland ..... 3 Abbildung 2: Struktur und Leitfragen der Arbeit....................................................................... 7 Abbildung 3: Marktanteile nach Auflagen der vier größten Verlage....................................... 11 Abbildung 4: Anbieter von Finanz- und Wirtschaftszeitschriften in Deutschland .................. 14 Abbildung 5: Einzelverkaufspreise, Abo-Preise und Ausgaben p.a. von Finanzzeitschriften. 16 Abbildung 6: Anzeigenpreise nach Marken............................................................................. 17 Abbildung 7: Anzeigen-Marktvolumen, relevanter Markt und einbezogenes Marktvolumen 19 Abbildung 8: Auswirkungen von Netzwerkeffekten auf die Nutzenfunktion ......................... 37 Abbildung 9: Beispielhafte Auswirkung von Netzwerkeffekten auf die Nutzenfunktion ....... 41 Abbildung 10: Theoretischer Hintergrund und Themenfokussierung ..................................... 51 Abbildung 11: Einordnung der eigenen Untersuchung............................................................ 53 Abbildung 12: Einordnung der Präferenz in den Kaufentscheidungsprozess.......................... 60 Abbildung 13: Ablauf einer Conjoint-Analyse ........................................................................ 62 Abbildung 14: Varianten von Conjoint-Methoden .................................................................. 63 Abbildung 15: Entwicklung von Auflagen ausgewählter Finanzzeitschriften......................... 88 Abbildung 16: Hergang der Untersuchung ............................................................................ 112 Abbildung 17: Altersverteilung bei Finanzzeitschriften ........................................................ 116 Abbildung 18: Teilnutzen-Verläufe für bestehende Abonnenten .......................................... 124 Abbildung 19: Bedeutungsgewichte für bestehende Abonnenten ......................................... 125 Abbildung 20: Bedeutungsgewichte je Segment für bestehende Abonnenten ...................... 129 Abbildung 21: Teilnutzen-Verläufe der HB-Schätzung für bestehende Abonnenten............ 134 Abbildung 22: Bedeutungsgewichte aus der HB Schätzung für bestehende Abonnenten..... 135 Abbildung 23: Wahlhäufigkeit der Marke Börse Online bei bestehenden Abonnenten........ 137 Abbildung 24: Lineare Preisresponsefunktion für bestehende Abonnenten.......................... 139 Abbildung 25: Lineare Preisresponsefunktion mit 95%-Konfidenzintervall......................... 139 Abbildung 26: CBC/HB-Preisresponsefunktion und Self-explicated-Preisresponsefunktion141 Abbildung 27: Altersverteilung bei Finanzzeitschriften in Stichprobe für Einzelkäufer....... 145 Abbildung 28: Teilnutzen-Verläufe der Eigenschaftsausprägungen für Einzelkäufer .......... 150 Abbildung 29: Bedeutungsgewichte der aggregierten Lösung für Einzelkäufer ................... 151 Abbildung 30: Bedeutungsgewichte je Segment für Einzelkäufer ........................................ 153 Abbildung 31: Teilnutzen-Verläufe der HB-Schätzung für Einzelkäufer ............................. 157 Abbildung 32: Bedeutungsgewichte aus der HB-Schätzung für Einzelkäufer ...................... 158 Abbildung 33: Counts-Analyse bei Einzelkäufern................................................................. 160 Abbildung 34: Teilnutzen-Verläufe für potenzielle Abonnenten .......................................... 169 Abbildung 35: Bedeutungsgewichte der aggregierten Lösung für potenzielle Abonnenten . 170
XIX
Abbildung 36: Bedeutungsgewichte je Segment für potenzielle Abonnenten ...................... 172 Abbildung 37: Teilnutzen-Verläufe der HB-Schätzung für potenzielle Abonnenten............ 176 Abbildung 38: Bedeutungsgewichte aus der HB-Schätzung für potenzielle Abonnenten..... 177 Abbildung 39: Counts-Analyse bei potenziellen Abonnenten............................................... 178 Abbildung 40: Lineare Preisresponsefunktion für potenzielle Abonnenten .......................... 180 Abbildung 41: Altersverteilung der Auskunftspersonen bei der Inserenten-Befragung........ 184 Abbildung 42: Teilnutzen-Verläufe der Eigenschaftsausprägungen für Inserenten .............. 189 Abbildung 43: Bedeutungsgewichte der aggregierten Lösung für Inserenten....................... 190 Abbildung 44: Bedeutungsgewichte einzelner Produktattribute je Segment für Inserenten . 192 Abbildung 45: Teilnutzen-Verläufe der HB-Schätzung für Inserenten ................................. 196 Abbildung 46: Bedeutungsgewichte einzelner Produktattribute für Inserenten .................... 197 Abbildung 47: Counts-Analyse bei Inserenten ...................................................................... 198 Abbildung 48: Geschätzte Preisresponsefunktion für Inserenten .......................................... 200
XX
1
Einführung
Im einführenden Kapitel werden die Problemstellung und Forschungslücke beschrieben sowie Ziel und Forschungsgegenstand der Arbeit benannt. Abgeschlossen wird das erste Kapitel mit einem Überblick über die Struktur dieser Arbeit.
1.1
Problemstellung
In der klassischen Preistheorie wird i.d.R. nur eine Marktseite betrachtet. Es wird der optimale Preis für ein einzelnes Produkt gesucht, welches von einer einzelnen Nutzergruppe nachgefragt wird. In zweiseitigen Märkten hingegen sind mehrere Nutzergruppen relevant, deren Nachfrage zusätzlich voneinander abhängen kann. Zweiseitige Märkte zeichnen sich durch die Existenz von (1) Plattformen, welche die Interaktion mehrerer Nutzergruppen ermöglichen, (2) Netzwerkeffekten und (3) einer nicht aufwandsverursachungsgerechten Preisstruktur über die Marktseiten hinweg aus.1 Die Ausnutzung unterschiedlicher Preissensitivitäten der beiden Marktseiten durch die Festsetzung von Preishöhe und Preisstruktur unter Berücksichtigung von Nachfrageabhängigkeiten gilt als die zentrale betriebswirtschaftliche Herausforderung in zweiseitigen Märkten (Eisenmann 2006, S. 3-6). Printmedienmärkte sind wichtige Vertreter solcher zweiseitiger Märkte, in denen Zeitungen oder Zeitschriften die Plattformen darstellen, die Gruppen von Inserenten und Rezipienten zusammenbringen. Printmedien werden somit auf zwei Märkten angeboten und erfüllen dort jeweils eine andere Funktion. Im Rezipientenmarkt sind sie Informationsträger und im Inserentenmarkt sind sie Werbeträger. Für einen gewinnoptimierenden Verlag gilt es zudem, Zeitschriften- und Anzeigenpreise simultan optimal zu setzen. Die Preisentscheidung erfordert aufgrund der Interdependenz zwischen Rezipienten- und Inserentenmarkt nicht nur die Berücksichtigung primärer Wirkungen, sondern ebenso möglicher, wechselseitiger Rückwirkungen. Diese Problemstellung von Verlagen hinsichtlich einer gewinnoptimalen Preisstruktur und -höhe unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Nachfrageabhängigkeiten ist typisch in werbefinanzierten Märkten oder allgemeiner für "zweiseitige" Märkte. Dennoch bieten weder die klassische Preistheorie noch bisherige medienwissenschaftliche Betrachtungen oder die 1
Eine detaillierte Definition von zweiseitigen Märkten erfolgt in Abschnitt 3.2.
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medienwirtschaftliche Praxis ausreichende Ansätze für die Bewältigung dieser komplexen Entscheidungssituation. In der medienwirtschaftlichen Literatur wird die Bedeutung der Nachfrageabhängigkeiten in werbefinanzierten Märkten für die optimale Preisbestimmung betont.2 Allerdings werden Erklärungsmodelle, anhand derer die grundsätzlichen Auswirkungen von Nachfrageabhängigkeiten diskutiert werden, häufig sehr allgemein gehalten. Damit werden die Modelle selten den tatsächlichen Gegebenheiten spezifischer Märkte gerecht. Gleichzeitig werden in den Modellen eine Vielzahl von Annahmen bezüglich der Art relevanter Einflussfaktoren sowie der Richtung und Stärke ihres Einflusses getroffen. Häufig werden Charakteristika vollkommener Märkte übernommen oder der vereinfachende Fall einer monopolistischen Marktumgebung angenommen. Eine empirische Verifizierung der getroffenen Annahmen für konkrete Märkte auf einer einzelwirtschaftlichen Ebene findet sich selten. Zudem ist bei empirischen Studien die methodische Vielfalt auf die regressionsanalytische Betrachtung historischer Marktdaten beschränkt. In der medienwirtschaftlichen Praxis werden Preisänderungen – trotz des erkannten Zusammenhangs zwischen den Marktseiten – nur mit Blick auf eine der beiden Marktseiten durchgeführt. Als Orientierungsgröße dienen dabei die eigenen Kosten oder Wettbewerbspreise, weniger jedoch der wahrgenommene Nutzen aus Kundensicht. So kann eine über beide Marktseiten hinweg suboptimale Preisstruktur entstehen. Wendet man sich dem Entwicklungsstand des Publikumszeitschriftenmarktes in Deutschland im Jahr 2007 zu, so lassen sich einige für die Profitabilität von Verlagen ungünstige Entwicklungen erkennen. So nahm die Titelzahl zwischen dem 4. Quartal 1997 und dem 4. Quartal 2006 um 16% auf 899 Titel zu, während die Gesamtauflagen aller Titel um 6% zurückgingen (IVW-Auflagenlisten). Dieser Trend wird in der folgenden Abbildung grafisch aufgezeigt, wobei die durchschnittliche verkaufte Auflage je Titel durch Division der Gesamtauflagen und Titelzahl berechnet wurde. In der folgenden Abbildung werden die Anzahl Titel nach Jahren in Form von Säulen dargestellt. Die berechnete durchschnittliche Auflage je Titel wird mit der durchgezogenen Linie wiedergegeben.
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Grundlagenliteratur z.B. Daly et al 1997 oder von Lucius 2005; neuere Studien zu Preisstruktur in Printmedienmärkten z.B. Kaiser/Wright 2006
Abbildung 1: Titel und Auflagenentwicklung von Publikumszeitschriften in Deutschland (Auflage je Titel berechnet; Quelle: IVW-Auflagenlisten, in: Media Perspektiven Basisdaten 2007)
Mit der zunehmenden Fragmentierung des Zeitschriftenmarktes nehmen die durchschnittlichen Auflagen ab. Dies wiederum führt zu einer Erosion der Produktverkaufseinnahmen, zu einer kleineren Basis zur Verteilung der fixen Erstellungskosten und könnte zudem eine geringe Attraktivität der Werbeflächen in Zeitschriften für Inserenten nach sich ziehen. Zudem ist die Flop-Rate bei Neueinführungen in den Zeitschriftenmarkt gestiegen. (Dietze 2006, S. 17). Gleichzeitig stagnieren die Netto-Werbeeinnahmen von Publikumszeitschriften seit 2002 (Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, In: Media Perspektiven 2007). Stellt man die Werbeeinnahmen in ein Verhältnis zur Titelzahl, so streiten also mehr Titel um ein stagnierendes Werbebudget. Aus diesem Grund gewinnen für die Praxis die Fragestellungen zunehmend an Bedeutung, welche produktbezogenen Faktoren zu der gewünschten Beliebtheit bei Rezipienten und Inserenten beitragen und welche Zeitschriften- und Anzeigenpreise den wirtschaftlichen Erfolg einer Zeitschrift sicherstellen. Es ist daher eine Aufgabe dieser Arbeit, prospektive Daten zur Ermittlung von Kaufentscheidungsfaktoren und Preisresponsefunktionen für einen konkreten zweiseitigen Markt – dem Markt für Finanzzeitschriften – zu erheben. Daneben wird, aufbauend auf früheren Ansätzen, ein analytisches Modell zur Bestimmung gewinnoptimaler Preise für eine Finanzzeitschrift aufgestellt. Anhand dieses Modells können dann preisliche Handlungsoptionen des Verlages
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diskutiert werden. Dabei wird u.a. überprüft, inwieweit indirekte Netzwerkeffekte für die Preisgestaltung einer Finanzzeitschrift von Relevanz sind.
1.2
Zielsetzung, Forschungsfragen und methodischer Hintergrund der Arbeit
Gegenstand dieser Arbeit ist das Aufzeigen einer Vorgehensweise zur Ermittlung gewinnoptimaler Preise am Beispiel einer Publikumszeitschrift aus dem Finanzzeitschriftensegment. Daneben sollen Kaufentscheidungsfaktoren und Wahlverhalten von Inserenten und Rezipienten einer Finanzzeitschrift untersucht werden. Bei der Zeitschrift handelt es sich um das wöchentlich erscheinende Magazin Börse Online (BO), welches von einem der größten Zeitschriften-Verlage Deutschlands – Gruner+Jahr (G+J) – herausgegeben wird. Die Arbeit nimmt damit die einzelwirtschaftliche Perspektive eines Verlages im deutschen Zeitschriftenmarkt ein. Bei der Analyse der Präferenzdaten von den Inserenten und Rezipienten einer Finanzzeitschrift werden hier vier Ziele verfolgt: •
Zum Ersten wird unter Berücksichtigung der theoretischen Erkenntnisse zu Preismanagement und den Rahmenbedingungen von Zeitschriftenmärkten für eine Finanzzeitschrift untersucht, welche Faktoren die Wahlentscheidung verschiedener Nutzergruppen beeinflussen.
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Zum Zweiten erfolgt die Entwicklung einer neuartigen Vorgehensweise und die Auswahl einer geeigneten Methodik zur Bestimmung gewinnoptimaler Preise in werbefinanzierten Märkten und die Überprüfung ihrer Anwendbarkeit im konkreten Beispiel für eine Finanzzeitschrift.
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Dabei werden zum Dritten Preisresponsefunktionen der Nutzergruppen einer Finanzzeitschrift ermittelt und ein Modell zur Bestimmung gewinnoptimaler Preise dieser Zeitschrift formuliert.
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Zum Vierten werden auf Basis dieser Erkenntnisse normative Empfehlungen für das Preismanagement von Verlagen und Medienunternehmen entwickelt.
Wissenschaftstheoretisch folgt diese Arbeit dem Empirismus und dem Post-Positivismus. Dabei wird letztlich auf realwirtschaftliche Erkenntnisse mit hoher Relevanz für Verlags- und Medienunternehmen abgestellt. Hierzu werden vorwiegend reale, empirische, quantitative Daten ausgewertet.
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Aus den Zielen der Arbeit resultieren folgende vier Forschungsfragen: 1. Welche Bedeutung haben einzelne Kaufentscheidungsfaktoren für Rezipienten und Inserenten einer Finanzzeitschrift? 2. Welche Preisresponsefunktionen ergeben sich auf Rezipienten- und Inserentenseite? 3. Wie können die Preise über den Rezipienten- und Anzeigenmarkt hinweg gewinnoptimal strukturiert werden? 4. Welche realwirtschaftlichen Implikationen ergeben sich für das Management eines Verlages bzw. Medienunternehmens?
Basis für die in späteren Abschnitten zu definierenden Kaufentscheidungsfaktoren sind zum Ersten die in der Literatur und bisherigen Studien aufgeworfenen Beziehungen zwischen Kauffaktoren und Nachfrage bzw. zwischen Rezipienten- und Inserentenmarkt. Zum Zweiten werden die Erkenntnisse aus Interviews mit zehn Verlagsexperten verwendet. Dabei wurden zwischen August und Oktober 2007 mit Ansprechpartnern aus Verlagsleitung, Redaktion, Vertrieb, Abonnenten-Werbung, Anzeigenverkauf und Marktforschung persönliche Interviews durchgeführt (vgl. 8.2). Die Sitzungen dauerten jeweils ca. 90 Minuten und erfolgten im Wesentlichen ohne Unterbrechungen oder Zeitdruck. Im Rahmen der Interviews wurden die in der Literatur aufgeführten Kauffaktoren auf Inserenten- und Rezipientenseite ergänzt und priorisiert sowie der relevante Wettbewerb einer Finanzzeitschrift definiert. Die Ergebnisse sind schließlich in das Design der eigenen Fragebögen eingeflossen. Das zentrale methodische Instrument zur Beantwortung der Forschungsfragen ist die Conjoint-Analyse. Dieses Instrument wird erstmals auf beiden Marktseiten eines Zeitschriftenmarktes, d.h. der Rezipienten- und der Inserentenmarktseite, eingesetzt. So wird es möglich, für den bislang noch wenig untersuchten Zeitschriftenmarkt relevante Kaufentscheidungsfaktoren zu bewerten. Dabei werden auch zuvor nicht betrachtete Faktoren wie z.B. die Bedeutung einer Zeitschriftenmarke bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt. Die Ergebnisse lassen nicht nur Rückschlüsse auf Preisresponsefunktionen, sondern auch auf Nachfrageabhängigkeiten zu. Basierend auf den erhobenen Präferenzen soll eine über beide Marktseiten hinweg gewinnoptimale Preisstruktur für eine Finanzzeitschrift abgeleitet werden. Die Optimierung im Modell erfolgt zunächst unter der Annahme völliger Sicherheit über das Verhalten aller Variablen. Anschließend werden die Ergebnisse in Form von Szenarien diskutiert.
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Zusammenfassend stellt diese Untersuchung einen theoretisch fundierten, methodischen Leitfaden zur Analyse von Präferenzen und der Schätzung gewinnoptimaler Preise in Zeitschriftenmärkten bereit. Dabei sind wesentlichen Neuerungen dieser Arbeit die Erhebung eigener prospektiver Daten mit einer zuvor in diesem Bereich noch nicht eingesetzten Erhebungsmethode, eine spezifisch auf den Zeitschriftenmarkt abgestimmte Modellbetrachtung sowie die Diskussion von Wettbewerbsszenarien. Mit dieser Arbeit wird ein Beitrag zur Erweiterung der Preisbestimmungstheorie in Zeitschriftenmärkten geleistet. Darüber hinaus können praktisch-normative Empfehlungen als Orientierungshilfe für das Management von Medienunternehmen abgeleitet werden.
1.3
Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist in sieben Kapitel gegliedert. Der theoretische Teil dieser Arbeit setzt sich aus den Kapiteln zwei bis fünf zusammen. Im Anschluss an diese Einführung folgt im zweiten Kapitel die Darstellung des Untersuchungsgegenstandes – der Markt für Finanzzeitschriften in Deutschland. Dabei werden Entwicklungstendenzen des Marktes aufgeführt und der Markt durch den relevanten Wettbewerb abgegrenzt. Daneben werden entlang des Herstellungsprozesses einer Zeitschrift fixe und variable Kostenparameter einer Finanzzeitschrift berücksichtigt. Diese Parameter bilden neben den empirisch erhobenen Preisresponsefunktionen einen Grundpfeiler für die Ermittlung gewinnoptimaler Preise in Kapitel sechs. Im dritten Kapitel erfolgt die theoretische Einordnung des Themas in den Stand der Forschung im Bereich des Preismanagements. Dieses Kapitel ist deduktiv aufgebaut und in die drei Abschnitte Preismanagement im Allgemeinen, Preismanagement in zweiseitigen Märkten und Preismanagement in Zeitschriftenmärkten untergliedert. Mit diesen Ausführungen wird die angesprochene Forschungslücke weiter detailliert. Die methodischen Grundlagen zur Erhebung von Preisbereitschaften werden im vierten Kapitel aufgezeigt. Der erste Abschnitt geht zunächst auf Methoden zur Messung von Preisbereitschaften im Allgemeinen ein, um deren Eignung für die Schätzung der Preisresponsefunktion im Fall von Finanzzeitschriften zu bestimmen. Im zweiten Abschnitt wird dann die für die eigene Untersuchung gewählte Conjoint-Analyse detaillierter vorgestellt. Abgeschlossen wird der theoretische Teil im fünften Kapitel mit der Strukturierung und Begründung der einzelnen Kaufentscheidungsfaktoren, die in der Conjoint-Analyse als Produktmerkmale verwendet werden. Diese Kaufentscheidungsfaktoren werden auf Rezipienten- und Inserentenseite identifiziert, strukturiert und priorisiert. Die Basis dafür bildet die theoretische Literatur von Medien- und Zeitschriftenmärkten. Auch die Ergebnisse von zehn
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im Vorfeld der empirischen Untersuchung durchgeführten Interviews mit Verlagsexperten fließen in diese Überlegungen ein. In den Kapiteln sechs und sieben, die den empirischen Teil dieser Arbeit darstellen, wird die theoriegeleitete Analyse dokumentiert. Das sechste Kapitel beginnt mit der Vorstellung des Untersuchungsdesigns und der Vorgehensweise. Die Analyseergebnisse sind dann in vier Teilabschnitte – einen für jede befragte Nutzergruppe – unterteilt. In diesen Teilabschnitten werden jeweils zunächst Details zur Datenerhebung, Datenaufbereitung und den Stichproben aufgeführt. Die daran anschließende Auswertung der Präferenzstrukturdaten für jede Nutzergruppe bildet den Schwerpunkt der Analyse. Abgeschlossen werden die jeweiligen Teilabschnitte mit einer Untersuchung der Marktsegmente und der Schätzung der (Preis-) Responsefunktionen. Im siebten Kapitel werden weiterführende Forschungsfelder identifiziert und die Untersuchungsergebnisse hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Management von Medienunternehmen reflektiert. In der nachfolgenden Grafik wird die Struktur der Arbeit visualisiert. Dabei werden auch die Leitfragen zu jedem Kapitel benannt.
Abbildung 2: Struktur und Leitfragen der Arbeit
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Darstellung des Untersuchungsgegenstandes – Finanzzeitschriften in Deutschland
In der deutschen Publikumspresse beträgt die verkaufte Auflage im Quartal insgesamt etwa 120 Millionen Exemplare.3 Publikumszeitschriften setzen pro Jahr fast 1,9 Mrd. EUR an Netto-Werbeerlösen um (IVW-Auflagenliste 4/2006 und ZAW, in: Media Perspektiven 2007, S. 45). Die Markenvielfalt ist hoch – ca. 900 Publikums- und über 1.150 Fachzeitschriften stehen den Nutzern zur Verfügung (Media Perspektiven 2007). In den letzten Jahren sind einige für die Ertragskraft von Zeitschriften ungünstige Tendenzen zu beobachten. Die Zahl der Titel nimmt zu, während die Auflagen pro Titel sinken. Von der Vielzahl neuer Titel überlebt nicht einmal die Hälfte das erste Jahr (Menhard/Treede 2004, S. 317; v. Lucius 2005, S. 219). Daher gewinnen die Fragestellungen zunehmend an Bedeutung, welche produktbezogenen Faktoren zu der gewünschten Beliebtheit bei Leserschaft und Anzeigenkunden beitragen und welche Zeitschriften- und Anzeigenpreise den langfristigen Erfolg einer Zeitschrift sicherstellen. In den folgenden Teilabschnitten soll zunächst der Begriff Zeitschrift definiert und abgegrenzt werden. Dann wird der für diese Arbeit ausgewählte Untersuchungsgegenstand – der Markt für Finanzzeitschriften in Deutschland – dargestellt. Auch wird die Kostenstruktur einer Finanzzeitschrift entlang des Herstellungsprozesses berechnet, da die Kostenparameter eine wesentliche Grundlage für die Bestimmung gewinnoptimaler Preise bilden (Kapitel 6). Abschließend werden die Implikationen für die vorliegende Arbeit zusammengefasst.
2.1
Definition und Rahmenbedingungen
Als Zeitschriften gelten pressestatistisch "[…] alle periodischen Druckerzeugnisse mit kontinuierlicher Stoffdarbietung, die mit der Absicht eines zeitlich unbegrenzten Erscheinens mindestens viermal jährlich herausgegeben werden, soweit sie keine Zeitungen sind" (Stahmer 1995, S. 48; vgl. Statistisches Bundesamt). Zeitschriften haben im Vergleich zu Zeitungen einen eingeschränkteren Leserkreis, sind häufig auf bestimmte inhaltliche Themen begrenzt und nicht so aktuell wie Tageszeitungen. Sie 3
Richtlinien für die IVW-Auflagenkontrolle: "Verlage melden grundsätzlich Durchschnittsauflagen pro Ausgabe für das jeweilige Quartal. Sie werden errechnet aus der Summe der Auflagen aller im abgelaufenen Vierteljahr erschienenen Ausgaben, die dann durch die Zahl der Ausgaben des Titels pro Quartal dividiert wird. Damit wird ein Vergleich der einzelnen Werbeträger unabhängig von ihren Erscheinungsweisen gewährleistet." (http://www.ivw.de/index.php?menuid=42, Abruf am 28.07.2008, 17:34 Uhr)
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werden i.d.R. intensiver genutzt, haben längere Berichte sowie mehr Illustrationen. Das physische Produkt verkauft sich oft über ein farbiges Bildcover und ist geheftet oder klebegebunden (Menhard/Treede 2004, S. 17 und 19 sowie Daly/Henry/Ryder 1997, S. 5). Als Werbeträger ist die Zeitschrift besonders durch ihre häufig demographisch genau abgegrenzte Zielgruppe definiert (Heinrich 1994, S. 81-82). Eine Zeitschrift wird auf zwei Märkten angeboten und erfüllt dort jeweils eine andere Funktion. Im Rezipientenmarkt ist sie Informationsträger und im Inserentenmarkt ist sie Werbeträger (Picard 1989, S. 17-18). Welchem der beiden Marktseiten bei einer Zeitschrift das Primat eingeräumt wird, ist vom Einzelfall abhängig. Prinzipiell sind laut Stahmer (1995, S. 136-137) drei Konstellationen für die Preisstrategie vorstellbar: (1) Wenn die Gewinne des Lesermarktes für das erfolgreiche Betreiben der Zeitschrift allein ausreichend sind, kann ein vertriebsorientierter Marktzutritt erfolgen. In diesem Fall ist die Zeitschrift größtenteils über den Verkaufspreis finanziert. Dabei können geringe Heftumfänge und eine kostengünstige Produktausstattung zu positiven Deckungsbeiträgen führen. (2) Im anderen Extrem können nur die Gewinne des Anzeigenmarktes die entstehenden Verluste des Lesermarktes decken. Bei diesem anzeigenorientierten Marktzutritt wird der Rezipientenmarkt subventioniert. Diese Bezuschussung kann soweit gehen, dass die Zeitschrift umsonst an Rezipienten verteilt und ausschließlich von Anzeigeneinnahmen finanziert wird. Häufig soll dabei eine qualitativ hochwertige Zeitschrift eine für Anzeigenkunden attraktive Leserschaft erreichen. In diesem Fall könnten die auf der Rezipientenseite entstehenden Kosten auch als Verkaufsförderungskosten des Anzeigenbereiches interpretiert werden. (3) Schließlich besteht die Möglichkeit, dass nur die Summe der Erlöse von Rezipienten und Inserenten zu einem wirtschaftlichen Erfolg der Zeitschrift führt. Allgemein kann festgestellt werden, dass das Anzeigengeschäft zumeist einen bedeutenden Stellenwert für den Geschäftserfolg von Zeitschriften hat. Anzeigenerlöse erbringen durchschnittlich 42% des Umsatzes von Publikumszeitschriften (Stahmer 1995, S. 163). Die Erlösstruktur unterscheidet sich allerdings in Abhängigkeit des Geschäftsmodells deutlich (Wirtz 2001, S. 135).4 Als Obergrenze darf der redaktionelle Anteil einer Zeitschrift 25% des Gesamtumfangs nicht unterschreiten, damit sie als Presseprodukt dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegt.
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Der Verlag Gruner + Jahr z.B. wird als ein gutes Beispiel für eine Strategie der Marktdifferenzierung gesehen. Dabei wird das Angebot optimal an segmentierte Gruppen von Nachfragern angepasst, um so eine hohe Markenbindung der Rezipienten zu erreichen und den Inserenten spezielle Zielgruppen zugänglich zu machen (Heinrich 1994, S. 299-300). Gruner + Jahr erwirtschaftet folglich einen großen Teil der Erlöse über den Anzeigenmarkt (Wirtz 2001, S. 135). Die Kosten- und Preisführerschaft wird bei dieser Strategie nicht notwendigerweise angestrebt.
Zeitschriftenmärkte werden in der Literatur als Märkte mit oligopolistischer Anbieterstruktur und differenzierten Produkten bezeichnet (Stahmer 1995, S. 98). Die eingangs angesprochene Vielzahl an Titeln wird zumeist von einer beschränkten Anzahl größerer Verlage herausgegeben. Die vier größten Verlage in Deutschland teilen sich, wie die folgende Abbildung zeigt, einen Marktanteil von über 60% nach Auflagenzahlen in der Publikumspresse:
Abbildung 3: Konsolidierte Marktanteile nach Auflagen der vier größten Verlage inklusive Beteiligungsunternehmen, gattungsbereinigt, in Prozent (Quelle: Vogel, In: Media Perspektiven 2007)
Als Hauptmotiv eines Verlages wird in der Literatur die Gewinnmaximierung gesehen (Daly/Henry/Ryder 1997, S. 27). Daneben wird diskutiert, ob noch weitere Faktoren, z.B. Prestige oder politischer Einfluss, eine Rolle spielen. Da ein Verlag jedoch langfristig die entstehenden Kosten zumindest decken muss, soll in der vorliegenden Arbeit von dem Ziel der Gewinnmaximierung ausgegangen werden.
2.2
Der Markt für Finanzzeitschriften
In diesem Abschnitt werden der Markt und die zentralen Wettbewerber der Finanzzeitschrift Börse Online definiert. Anschließend wird die Marktgröße diskutiert. Zum Ende dieses Abschnitts wird auf Distributionswege im Zeitschriftenmarkt in Deutschland eingegangen. Definition des Marktes und Bestimmung der zentralen Wettbewerber Im Allgemeinen kann ein Markt als die Menge von Gütern aufgefasst werden, welche aus Käufersicht enge Substitute füreinander darstellen (Heinrich 1994, S. 35). Für die Untersu-
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chung eines Marktes müssen also Produktgruppen konstituiert werden, innerhalb derer der Wettbewerb bedeutend stärker ist als zwischen ihnen. Im Falle der Finanzzeitschrift Börse Online (BO) sind die "Käufer" die Rezipienten auf der einen Seite und die Inserenten auf der anderen Seite. Erstere sehen die Zeitschrift als Medium zur Vermittlung von finanzwirtschaftlichen Informationen, Letztere als ein Mittel zur Streuung eigener Werbebotschaften an mögliche Interessenten. Für die eigene Untersuchung gilt es somit aus Rezipienten- und Inserentensicht, die Kern-Wettbewerber der Finanzzeitschrift Börse Online zu identifizieren. Diese Marktteilnehmer stellen später die Ausprägungen des Produktmerkmals "Marke" in der Conjoint-Analyse dar. Für Zeitschriften kann zwischen dem intra-medialen Wettbewerb, also dem Wettbewerb zwischen Zeitschriften, und dem inter-medialen Wettbewerb, also dem Wettbewerb zwischen z.B. Zeitschriften und anderen Medien unterschieden werden. Zum inter-medialen Wettbewerb von Finanzzeitschriften zählen Fernsehen, Internet und Börsenbriefe. Am vergleichsweise stärksten ist die inter-mediale Rivalität nach Auskunft der Verlagsexperten zu Informationsanbietern im Internet. Hier kann nach dem Geschäftsmodell im Wesentlichen zwischen Online-Medienunternehmen und Online-Brokern bzw. -Banken unterschieden werden. Erstere bieten i.d.R. kostenlose Finanznachrichten an interessierte Nutzer, um diese als Rezipienten von Werbebotschaften der Anzeigenkunden zu gewinnen. Letztere bieten Börseninformationen, um den Handel und Absatz von Finanzprodukten auf der eigenen Banken-Plattform zu fördern. Als wichtigste Vertreter der OnlineMedienunternehmen wurden von Interviewpartnern OnVista.de, finanztreff.de, wallstreetonline, yahoo.finance und boerse.ard genannt. Ein Vertreter der Online-Broker ist zum Beispiel CortalConsors (vgl. 8.2.3). Bei der Beurteilung der Wettbewerbsintensität zwischen Online-Anbietern und Finanzzeitschriften stellt sich die Frage, ob die Nutzung von Internetquellen die Nutzung von Zeitschriften ersetzt oder ergänzt. Gegen einen Ersatz sprechen ein unterschiedliches Nutzungsverhalten und verschiedene Verkaufsorte der Produkte. Das Nutzungsverhalten der Rezipienten im Internet zielt auf täglich aktuelle, individualisierte Informationen ab – die Breite der Information ist weniger bedeutsam. Darüber hinaus sind Online-Angebote nicht am gleichen Verkaufsort wie Zeitschriften zu erhalten, so dass zumindest in der Entscheidung vor dem Zeitschriftenregal Online-Angebote nicht zu den primären Auswahloptionen zählen. Auch in der Literatur wird davon ausgegangen, dass Kannibalisierungseffekte von Onlinemedien gegenüber Printprodukten aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse und Gewohnheiten der Rezipienten noch auszuschließen seien (Wirtz 2001, S. 122). Hingegen schließen die interviewten Verlagsexperten langfristig gesehen eine Substitution von Printprodukten durch Onlinemedien durch die Rezipienten sowie eine Verschiebung der Werbeerlöse in das Internet nicht aus (vgl. 8.2.4).
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Für Zeitschriften bzw. Medien, die eine Informationsfunktion aufweisen, wird angenommen, dass die inter-mediale Rivalität auf dem Rezipientenmarkt kurzfristig gering ist (Picard 1989, S. 22; Heinrich 1994, S. 319). Aus Sicht von Inserenten sei die Substituierbarkeit zwar höher als im Rezipientenmarkt, aber dennoch beschränkt, da Medien einen unterschiedlichen, d.h. zielgruppenspezifischen, Zugang zu Rezipienten ermöglichen (Picard 1989, S. 24; Heinrich 1994, S. 321). Dies legen auch Interviews mit Verlagsexperten nahe, nach denen die wesentlichen Kauf-Alternativen für Rezipienten wie für Inserenten vor allem aus anderen Finanzzeitschriften bestehen (vgl. 8.2.3). Die Wirkung anderer Medien wird als deutlich weniger substitutiv gesehen. Diese Aussagen erscheinen aufgrund der höheren äußerlichen und inhaltlichen Vergleichbarkeit innerhalb des Finanzzeitschriftensegments plausibel. Aus Sicht von Mediaplanern haben Publikumszeitschriften gegenüber anderen Mediengattungen vor allem den Vorteil der genauen zielgruppenaffinen Planung, d.h. geringere Streuverluste und günstige zielgruppenbezogene Kontakt-Preise. In Printmedien ist die Darstellung detaillierter Produktinformationen möglich, was in Fernseh- oder Radiospots nicht ohne weiteres möglich ist. Darüber hinaus bestehen die Chance einer redaktionellen Einbindung und die Möglichkeit, verschiedene Werbeformen (z.B. mit Warenproben) zu verwenden. Eine der Schwächen von Zeitschriften ist der durch die geringen Erscheinungsintervalle relativ langsame Reichweiten-Aufbau (Hofsäss 2003, S. 330). Aus den in den vorangegangenen Absätzen genannten Gründen soll im folgenden Verlauf der Arbeit nur der intra-mediale Wettbewerb betrachtet werden. Um den zu untersuchenden Markt weiter eingrenzen zu können, werden Zeitschriftentypologien betrachtet. Eine häufig verwendete Typologisierung erfolgt nach Adressaten der Zeitschrift (Stahmer 1995, S. 49; Wirtz 2001, S. 137-141; Heinrich 1994, S. 276-281). In diesem Fall lassen sich im Wesentlichen Publikumszeitschriften, politische Wochenblätter, konfessionelle Zeitschriften, Fachzeitschriften, Kundenzeitschriften, Anzeigenblätter, amtliche Blätter und Zeitschriften von Verbänden unterscheiden. Publikumszeitschriften sind stellvertretend für die "normale" Zeitschrift i.d.R. der Untersuchungsgegenstand, wenn von Zeitschriften gesprochen wird (Stahmer 1995, S. 51). Zu dieser Gruppe zählen nach Inhalt segmentiert u.a. Illustrierte, Programm-, Frauen-, Wirtschafts-, Finanz-, Jugend-, Hobby-, Reise- und Wohnzeitschriften. Ein im obigen Sinne definierter Markt wäre also z.B. der Markt für Finanzzeitschriften in Deutschland. Ausgangspunkt für die intra-mediale Betrachtung ist eine Marktübersicht über das Finanzzeitschriftensegment in Deutschland. Dabei zeigt sich, dass sich die zuvor angesprochene oligopolistische Anbieterstruktur auch im Markt für Finanzzeitschriften wiederfindet. Wie die folgende Abbildung zeigt, treffen im Wirtschafts- und Finanzzeitschriftensegment wenige große Verlage mit einer Vielzahl von Zeitschriftenmarken aufeinander.
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Abbildung 4: Anbieter von Finanz- und Wirtschaftszeitschriften in Deutschland
Als Maßstab für die Beurteilung der intra-medialen Intensität der Substitutionsbeziehung soll die inhaltliche Nähe von Zeitschriften betrachtet werden. Zeitschriften mit ähnlichen Inhalten sprechen ähnliche Zielgruppen auf Rezipientenseite an. Als Folge daraus stehen diese Zeitschriften auch hinsichtlich der Inserenten im direkten Wettbewerb, weil jene das erwähnte Rezipientensegment mit ihren Botschaften erreichen wollen. Anhaltspunkte für eine solche inhaltliche Einteilung bieten die Publikationen "Content Guide Wirtschaftsmagazine" (Kepplinger/Ehmig 2005, im Auftrag von Bauer) und "Kompendium Wirtschaftstitel" (medialine.de 2005, im Auftrag von Burda). Erstere umfasst eine Inhaltsanalyse von zehn Wirtschafts- und Finanzzeitschriften, bei der die Zeitschriften entlang der Dimensionen Themenschwerpunkt (Geldanlage ggü. allgemeinem Wirtschaftsgeschehen), Leserelevanz der Informationen (privat ggü. beruflich) und Funktion der Beiträge (Empfehlung ggü. Datendokumentation oder Problematisierung) positioniert werden. Börse Online (BO) hat demnach unter allen Zeitschriften den spitzesten Fokus auf Finanzprodukte (77% der Artikel). Andere Themen wie allgemeines Wirtschaftsgeschehen, Unternehmensinformationen, Steuern, Recht, Freizeit oder Karriere spielen eine stark untergeordnete Rolle. Fast alle Artikel (92%) haben dabei eine Relevanz für private – und weniger für berufliche – Geld- und Vermögensfragen. Die Funktion der Beiträge in den Dimensionen Dokumentation von Daten (47%), Empfehlung (31%), Service (31%) und Problematisierung (29%) ist weniger unausgeglichen. Entlang dieser Dimensionen sehen Kepplinger/Ehmig – in abnehmender Reihenfolge – die Magazine Euro am Sonntag, Euro Finanzen, Wertpapier, Focus Money und Geldidee als ähnlich positionierte Titel wie BO. Die Magazine Capital, Manager Magazin und Wirtschaftswoche dagegen legen einen stärkeren thematischen Fokus auf allgemeine Wirtschaftsthemen während Impulse einen klaren Schwerpunkt auf Fragen beruflicher Relevanz aufweist.
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Im "Kompendium Wirtschafttitel" dagegen wird die Gruppe der Finanztitel, also der engsten Substitute, aus BO, Euro am Sonntag, Der Aktionär und Der Fonds zusammengesetzt. Focus Money dagegen wird zusammen mit Wirtschaftswoche im Segment der Wirtschafts-/GeneralInterest Titel gesehen, während Euro Finanzen zusammen mit Geldidee im Segment der "ratgeber-orientierten Wirtschaftstitel" geführt wird. Diese Einteilung basiert allerdings nicht auf einer Inhaltsanalyse, sondern wird durch die Einschätzung der Autoren begründet. Es besteht daher die Möglichkeit, dass die Einordnung die gewünschte Positionierung aus Sicht des Verlages und nicht die wahrgenommene Positionierung aus Sicht von Rezipienten ausdrückt. Außer durch die inhaltliche Nähe drückt sich die Substituierbarkeit der Produkte auch in der äußerlichen Ähnlichkeit von Produktmerkmalen z.B. in Erscheinungshäufigkeit, Papierqualität und Preisniveau aus. Darüber hinaus kann das Wahlverhalten der Nutzer in Form des Vergleichs von Auflagenhöhe und -struktur als Indikator für die Stärke der Wettbewerbsbeziehung dienen. Finanzzeitschriften erscheinen zumeist wöchentlich, wie BO, Euro am Sonntag, Der Aktionär und Focus Money, oder monatlich, wie Euro Finanzen oder Das Investment. Die Erscheinungshäufigkeit wirkt sich auf die Intensität der Wettbewerbsbeziehung aus, da sie die mögliche Informationsmenge und -aktualität ebenso wie die mögliche Werbefrequenz beeinflusst. Die wöchentlichen Magazine können daher untereinander als engere Substitute gesehen werden als wöchentliche zu monatlichen Zeitschriften. Auch das Internet und Tageszeitungen unterscheiden sich in dieser Hinsicht deutlich von Finanzzeitschriften. Daneben können weitere äußerliche Produktmerkmale zur Segmentierung von Finanzzeitschriften herangezogen werden. Zwar sind Format und Farbigkeit bei den meisten Finanzzeitschriften ähnlich, der Papiertyp (Stärke, Weißheitsgrad, Lichtundurchlässigkeit), die Bindung (Rückendraht, Klebebindung) und der Umfang jedoch sind teils differenziert. Börse Online z.B. verwendet dünneres Papier mit hohem Recycling-Anteil, ist Rückendrahtgeheftet und hat einen Umfang von ca. 95 Seiten. Euro Finanzen dagegen verwendet dickeres Papier, hat einen fast doppelt so hohen Umfang, ist klebegebunden und wirkt so auf den ersten Blick äußerlich hochwertiger. Euro am Sonntag verwendet ein Zeitungspapier und -format. Dennoch ist davon auszugehen, dass die inhaltlichen Faktoren primär ausschlaggebend für Kaufentscheidung und Wettbewerbsbeziehung sind, während die äußerlichen Eigenschaften eher eine leichte Differenzierung mit sich bringen, so dass letztere für die Identifikation der Kernwettbewerber von Börse Online vernachlässigt werden sollen. Des Weiteren kann die Intensität der Wettbewerbsbeziehung zwischen Finanzzeitschriften auf Rezipientenseite in Abhängigkeit der Auflagenhöhe oder Auflagenstruktur gesehen werden. In diesem Fall sind Focus Money, Euro am Sonntag, Euro Finanzen und Börse Online mit verkauften Auflagen je Ausgabe von über 100 Tsd. Exemplaren die größten wechselseitigen Wettbewerber. Der Aktionär, Das Investment, Geldidee, Nebenwerte Journal, Fonds exklusiv
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oder Fonds&Co sind dagegen deutlich weniger als halb so groß. Der Aktionär und Euro am Sonntag heben sich durch sehr hohe Einzelverkaufsanteile hervor. Die Einzelverkaufspreise der Finanzzeitschriften liegen relativ dicht beieinander, so dass der Preis die Intensität der Wettbewerbsbeziehungen zwischen den Zeitschriften vermutlich nicht einschränkt. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft einige der zuvor aufgeführten Finanzzeitschriften. Jeder Zeitschrift sind ein Einzelverkaufspreis sowie ein Preis für das Jahresabonnement nach Abzug des Abo-Rabatts (Abo-Preise) zugeordnet. Zur Vergleichbarkeit der Abo-Preise wurde auch die Anzahl Ausgaben pro Jahr angegeben. Sortiert sind die Marken absteigend nach dem Einzelverkaufspreis. Ganz links im Bild wurden Preissegmente definiert, wobei Preise zwischen drei und vier Euro als Massensegment ("Mainstream"), Preise darunter als Preisgünstiges Segment ("Discount") und Preise darüber als Premiumsegment ("Premium") gedeutet wurden. Auch ungewichtete Durchschnittspreise wurden angegeben (gestrichelte Linien).
Abbildung 5: Einzelverkaufspreise, Abo-Preise und Ausgaben p.a. von Finanzzeitschriften (2007)
Am günstigsten ist Euro am Sonntag mit 3,1 EUR, Börse Online und Der Aktionär sind mit 3,5 EUR etwa 13% teurer. Focus Money liegt mit 3,2 EUR dazwischen. Die monatlich erscheinenden Magazine Euro Finanzen und Der Fonds liegen mit 5,5 EUR bzw. 4,8 EUR etwa 50% über dem Preisniveau der wöchentlichen Magazine. Ein ähnlich einheitliches Bild zeichnen auch die Preise für ein Inlands-Abonnement. Günstigstes wöchentliches Magazin ist Focus Money mit 153,4 EUR p.a., Börse Online hat mit 175 EUR p.a. den höchsten AboPreis. Das monatliche Magazin Euro Finanzen kostet im Abo 59,4 EUR p.a. Euro am Sonntag ist nicht im Abonnement erhältlich.
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Die Preise für Ganzseitenanzeigen bzw. Tausend-Auflage-Preise (TAPs) von Finanzzeitschriften werden in der nachfolgenden Abbildung gezeigt. Die Zeitschriftenmarken werden spaltenweise, in der gleichen Reihenfolge wie in der vorangegangenen Abbildung, dargestellt. Auf einer Skala von 3 Tsd. Euro (ganz unten) bis 20.000 Euro (ganz oben) je Ganzseitenanzeige werden die jeweiligen Preise indikativ zugeordnet. Der Strich gibt dabei die ungefähre Bandbreite des Preises von Listenpreis (Dreieck) bis zum Preis inklusive des maximalen beworbenen Mengenrabatts wieder. Als Punkte sind zudem die TAPs eingezeichnet.
Abbildung 6: Anzeigenpreise nach Marken (2007)
Die Tausend-Auflage-Preise auf Basis der verkauften Auflagen der Zeitschriften Euro Finanzen, Börse Online, Focus Money, Euro am Sonntag und Geldidee sind auf einem ähnlich hohen Niveau, auch wenn die Ganzseitenpreise sich deutlich voneinander unterscheiden. Auflagen-schwächere Finanzzeitschriften wie Der Aktionär (140 EUR) und Fonds (158 EUR)5 dagegen weisen höhere TAPs auf. Deutlicher unterscheiden sich die Anzeigenpreise für vierfarbige Ganzseitenanzeigen, bei denen Euro Finanzen mit 17,2 Tsd. EUR fast 60% über dem Preisniveau von Börse Online (10,9 Tsd. EUR) liegt. Die in Börse Online geschalteten Anzeigenseiten stammen zu ca. 80% aus der Finanzbranche (Kompendium Wirtschaftstitel 2006).6 Enge Substitute auf Inserentenseite sind somit Print5 6
Tausend-Auflage-Preise Q2/06 aus Kompendium Wirtschaftstitel 2006. Nielsen Media Research aus Kompendium Wirtschaftstitel 2006. Berechnung exklusive Medien-Anzeigen, da diese fast ausschließlich als Tauschgeschäfte oder mit sehr hohen Rabatten gehandelt werden.
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medien, die ebenfalls einen hohen Anteil von Finanzanzeigen beinhalten. Dazu zählen vor allem Euro am Sonntag (86% Finanzanzeigen), Geldidee (79%), Focus Money (65%) und Euro Finanzen (64%). Zusammengenommen haben Euro am Sonntag, Börse Online, Focus MoMoney und Euro einen Marktanteil bei Finanzanzeigen von über 40%.7 Wettbewerbern außerhalb dieser Gruppe mit Marktanteilen über 10% sind die Wirtschaftswoche (15%), das Handelsblatt (11%) und Capital (10%). Allerdings macht der Anteil der Finanzanzeigen am Gesamtvolumen bei letztgenannten Titeln i.d.R. weniger als ein Drittel aus. Gemessen an den Marktanteilen von Finanzinseraten könnten Wirtschaftszeitungen und -zeitschriften als Wettbewerber von Finanzzeitschriften gesehen werden. Nach Interpretation der Interviewpartner aus dem Anzeigenverkauf jedoch unterscheidet sich die Struktur und auch die Botschaft der Finanz-Inserenten in Finanzzeitschriften gegenüber Zeitungen oder General Interest Titeln. Je erklärungsbedürftiger das Produkt, je kürzer der Produktlebenszyklus und je geringer das Werbebudget, desto eher wird die Anzeige in einem Finanztitel geschaltet. Während also z.B. Derivate eher in Finanztiteln beworben werden, ist die ImageWerbung einer Bank oder eines Fonds durchaus auch in breiteren Zeitschriften vertreten (vgl. 8.2.4). Zusammenfassend sind die primären Wettbewerber von Börse Online die übrigen größeren Finanzzeitschriften, d.h. Focus Money, Euro Finanzen, Euro am Sonntag und Der Aktionär. Andere Zeitschriften und Medien spielen im direkten Wettbewerb eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Kriterien für diese Marktdefinition sind u.a. die inhaltliche Positionierung und damit auch die Rezipienten-Zielgruppe, das Wahlverhalten der Nutzer ausgedrückt in der Auflagenhöhe sowie die Aussagen der Interview-Partner (vgl. 8.2). Marktvolumen – Inserentenmarktseite Auf Anzeigenseite kann das Marktvolumen auf Basis der Kunden- und Anzeigenzahl der fünf Finanzzeitschriften geschätzt werden. Basierend auf den Daten von A.C. Nielsen von Januar bis Dezember 2007 konnten für die fünf relevanten Finanzzeitschriften 466 Kunden identifiziert werden, die zusammen 5.156 Anzeigen geschaltet haben. Von diesen Kunden sind für die eigene Untersuchung jedoch nur diejenigen relevant, die auch für die Anzeige den entsprechenden Anzeigenpreis gezahlt haben – also die Anzeige z.B. nicht im Tauschgeschäft erworben haben. Sehr kleine bzw. sehr seltene Kunden, die weniger als eine Ganzseite in 2007 geschaltet haben, sind für die eigene Untersuchung ebenso wenig relevant. Zudem gibt es Anzeigenkunden, die nicht die explizite Absicht hatten, in einer Finanzzeitschrift zu inserieren, sondern die eine Anzeige im Rahmen eines Kuppelgeschäfts
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Markt im Kompendium Wirtschaftstitel definiert als Euro am Sonntag, Börse Online, Geldidee, Focus Money, Euro, Guter Rat, Handelsblatt, FTD, Capital, Wirtschaftswoche, Manager Magazin, Impulse, Karriere, brand eins, Finanzen, Der Fonds, Der Aktionär. Für letztere 3 Zeitschriften waren keine entsprechenden Daten vorhanden.
erworben haben. Die für die Arbeit relevante Zielgruppe konnte mit Unterstützung von Verlagsexperten selektiert werden. Die folgende Abbildung zeigt das so definierte Marktvolumen in Anzeigenseiten. Die erste Säule gibt die Gesamtzahl Anzeigen in Finanzzeitschriften in allen fünf Zeitschriften in 2007 wieder (A.C. Nielsen 29.02.2008). Davon wurden mit Unterstützung von G+J Gegengeschäfte ebenso subtrahiert wie Eigen- und Konzernanzeigen, Kuppelgeschäfte8, Stellenanzeigen sowie Anzeigen von Kunden, die im Gesamtjahr auf ein geringeres Volumen als eine Ganzseitenanzeige gekommen sind. Das verbleibende Anzeigenvolumen wird in der fünften Säule aufgeführt und stellt den relevanten (bezahlten) Anzeigenmarkt dar. Von diesem relevanten Markt wiederum konnte fast drei Viertel (73%) des Volumens, d.h. 90 Endkunden und 61 Agenturen, direkt mit der Bitte, an der Befragung teilzunehmen, adressiert werden.
Abbildung 7: Anzeigen-Marktvolumen, relevanter Markt und einbezogenes Marktvolumen (Eigene Auswertung basierend auf A.C. Nielsen Januar bis Dezember 2007)
Bei der Beurteilung der Wettbewerbsintensität stellt sich die Frage, ob Inserenten überwiegend jeweils nur eine Zeitschrift eines Segments nutzen ("single homing") oder ob sie gleichzeitig mehrere Zeitschriften nutzen ("multi homing"). Etwa die Hälfte dieser Kunden
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Als Kuppelgeschäfte wurden solche Geschäfte definiert, bei denen ein Anzeigenkunde eine Anzeige in der relevanten Zeitschrift nicht gezielt bucht, sondern die Anzeige im Rahmen einer Schaltung in einer anderen Zeitschrift als Paketleistung inklusive erhält. In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass der Anzeigenkunde für die Anzeige in der relevanten Zeitschrift keine Zahlungsbereitschaft aufweist.
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(52%) hat ausschließlich in einer der fünf Zeitschriften inseriert. Das Anzeigenvolumen dieser Kunden entspricht jedoch nur 16% des relevanten Marktes. Das bedeutet, dass die übrigen Kunden (48%), die bei mindestens zwei Zeitschriften inseriert haben, im Durchschnitt größere Kunden sind. Sie vertreten zusammen 84% des relevanten Marktvolumens. 32 Kunden schalteten sogar in allen fünf Finanzzeitschriften. Allerdings scheinen auch die Kunden, die in mehreren Zeitschriften gleichzeitig schalten, Präferenzen für einzelne Zeitschriften aufzuweisen. So wurde das entsprechende Anzeigenvolumen der Kunden nicht gleichmäßig, sondern mit stark unterschiedlicher Gewichtung (Abweichung >20%) auf die Zeitschriften verteilt. Nach Auskunft der Verlagsexperten haben im Marktsegment der Finanzzeitschriften sowohl die Werbetreibenden als auch die Agenturen einen starken Einfluss auf die Entscheidung, in welchem Medium geworben wird. Daher sollen Präferenzdaten sowohl von Endkunden als auch von Agenturseite erhoben werden. Marktvolumen – Rezipientenmarktseite Das Volumen des Rezipientenmarktes für Finanzzeitschriften ist keine deterministische Größe. Grundsätzlich kommen alle finanzinteressierten Personen in Deutschland als potenzielle Käufer von Finanzzeitschriften in Frage. Näherungsweise umfasst dieser Personenkreis die 10,14 Millionen Aktionäre und Fondbesitzer in Deutschland (Deutsches Aktieninstitut 2008). In einer ähnlichen Größenordnung liegen auch der weiteste Leserkreis von Wirtschaftsmagazinen laut Media-Analyse 2008 (11,82 Millionen Personen) und AWA 2007 (12,94 Millionen Personen). Diese Personen weisen ein Interesse an Wirtschafts- und Finanzthemen auf und könnten daher am Kauf einer Finanzzeitschrift interessiert sein. Da bei weitem nicht alle finanzinteressierten Personen auch regelmäßig eine Finanzzeitschrift kaufen, muss das Marktvolumen der Käufer enger gefasst werden. Ein Näherungswert für dieses Marktvolumen sind die "Leser pro Ausgabe" (LpA). Da in keiner der Medienanalysen alle fünf untersuchten Zeitschriften gleichzeitig innerhalb eines Jahres betrachtet werden, wird auf die AWA-Zahlen mehrerer Jahre (2005 bis 2007) zurückgegriffen. Die kumulierte Reichweite von Börse Online (AWA 2007), Euro am Sonntag (AWA 2005), Euro Finanzen (AWA 2006) und Focus Money (AWA 2007) beträgt 1,33 Mio. Rezipienten. Für Der Aktionär liegen weder in der AWA noch in der MA Reichweitendaten vor. Wird die kumulierte Reichweite der exklusiven Leser eines Magazins zu Grunde gelegt, so halbiert sich die Reichweite auf 0,67 Mio. Rezipienten (AWA und MA 2006).9
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Bezieht sich auf die Zeitschriften Börse Online, Euro am Sonntag, Euro Finanzen und Focus Money. Exklusivleser im Markt der Wirtschaftsmagazine wie in AWA bzw. MA definiert. Werden nur die Überschneidungen der Leserschaft der vier angegebenen Zeitschriften betrachtet, so liegt die kumulierte Zahl der Exklusivleser bei ca. 1 Mio. Rezipienten (AWA und MA 2006).
Bei diesen Definitionen werden jedoch auch Leser einbezogen, welche die Zeitschrift nicht selbst kaufen. Für die eigenen Berechnungen in Kapitel sechs ist aber eher das Potenzial der verkauften Auflage ausschlaggebend. Diese Schätzung des Marktvolumens orientiert sich an den im Abonnement und Einzelverkauf verkauften Exemplaren. In diesem Fall beträgt das Marktvolumen für die fünf Zeitschriften ca. 300 Tsd. Käufer (pz-online).10 Distribution Zur Distribution der Zeitschriften an die Rezipienten stehen Verlagen in Deutschland die fünf Vertriebswege Presse-Großhandel (Grosso), Bahnhofsbuchhandel bzw. Presse-Einzelhandel, Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel (WBZ), Eigenvertrieb im Abonnement und der sonstige Verkauf (Lesezirkel, Bordexemplare, Freiexemplare) zur Verfügung (Wirtz 2001, S. 162-164). Wichtigste Vertriebswege sind für viele Zeitschriften der Eigenvertrieb im Abonnement und der Presse-Großhandel. Im Großhandel beliefern 75 Grossisten als Gebiets-Monopolisten an ca. 97 Tsd. zeitschriftenführende Presseeinzelhändler (o.V. 2008e). Aus Verlagssicht ist der Vorteil dieses Vertriebswegs die Chance auf eine große Verbreitung und Auflage. Zentrale Nachteile des Einzelverkaufs sind die Unsicherheit der Nachfrage bzw. die hohe Remissionsquoten, die Erlösbeteiligung des Handels in Form von Handelsspannen und die notwendige Vorfinanzierung der Ausgaben (Heinrich 1994, S. 298). Das Abonnement weist für den Verlag die Vorteile auf, dass die Auflage perfekt kalkulierbar ist, die Finanzierung über einen langen Zeitraum im Voraus erfolgt, die Handelsspanne entfällt und Werbetreibende an einer Mehrfachkontaktierung der Zielgruppe interessiert sind. Als Hauptnachteil des Abo-Vertriebs sind die hohen Gewinnungskosten zu nennen (Heinrich 1994, S. 297). Der sonstige Verkauf, d.h. die Abgabe von Zeitschriften zu stark verminderten Preisen, setzt einerseits eine klar definierte Zielgruppe voraus, an die zielgerichtet verteilt werden kann, und andererseits, dass Inserenten bereit sind, für den Einbezug dieser Zielgruppe zu zahlen. Im sonstigen Verkauf stehen den Herstellungskosten keine oder nur geringfügige Erlöse gegenüber. Als weiterer Nachteil ist zu nennen, dass die Akzeptanz auf dem Anzeigenmarkt möglicherweise mit zunehmendem Anteil des sonstigen Verkaufs sinkt (Heinrich 1994, S. 298). Insgesamt weisen die Vertriebswege aus Verlagssicht unterschiedliche Kostenstrukturen sowie spezifische Vor- und Nachteile auf. Aus diesem Grund ist insbesondere der Anteil von Abonnement gegenüber Einzelverkauf am Gesamtverkauf einer Zeitschrift von Bedeutung für
10 Verkaufte Auflagen von Börse Online (59 Tsd.), Euro am Sonntag (41 Tsd., nur Einzelverkauf), Euro (86 Tsd., monatlich), Focus Money (63 Tsd.), Der Aktionär (50 Tsd.).
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die Gewinnfunktion eines Verlages. Dies soll in der in Kapitel sechs betrachteten Gewinnfunktion berücksichtigt werden.
2.3
Herstellung und Kostenparameter
Zu den Erkenntniszielen dieser Arbeit gehört die Ermittlung gewinnoptimaler Preise für eine Finanzzeitschrift. Dafür ist neben der Bestimmung der Preisresponsefunktionen auch die Kenntnis von Kostenparametern notwendig. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Bestimmung der Kostenparameter i.d.R. mit geringeren Schwierigkeiten verbunden als die Schätzung der Nachfragefunktionen. Die notwendigen Daten liegen im Unternehmen vor oder sind ohne übermäßigen Aufwand zu ermitteln. Aufgrund der Sensitivität der Kostendaten konnte nicht auf interne Daten von Gruner + Jahr zurückgegriffen werden. Stattdessen erfolgte die Schätzung der Parameter auf Basis öffentlich erhältlicher Daten, von Gesprächen mit Verlagsexperten sowie einer Grobkalkulation. Bei der Kostenschätzung wird von dem Produkt Börse Online ausgegangen. Basis des Mengengerüsts ist eine durchschnittliche Druckauflage von ca. 131.500 Exemplaren (pz-online 2007). Es werden 42,5 Tsd. Exemplare an Abonnenten geliefert, 16 Tsd. Exemplare im Einzelverkauf verkauft, 23,5 Tsd. Exemplare remittiert und 46 Tsd. Exemplare über den sonstigen Verkauf – d.h. Bordexemplare, Lesezirkel und Freiexemplare – verteilt (IVW Auflagenlisten 2007)11. Der durchschnittliche Gesamtumfang beträgt ca. 100 DIN A4 Seiten je Exemplar. Dabei wird von 22 Anzeigenseiten ausgegangen (ZAS Anzeigenstatistik)12. Das wöchentliche Magazin hat 52 Ausgaben pro Jahr. Die Kosten einer Zeitschrift lassen sich nach ihrem Charakter in fixe und variable Kosten einteilen. Diese Unterscheidung ist für die spätere Verwendung der Parameter in der Gewinnfunktion zweckmäßig. Zeitschriften sind durch einen relativ hohen Fixkostenblock gekennzeichnet, der insbesondere für die Erstellung des redaktionellen Teils anfällt. Diese sogenannten "first-copy-costs" können bei Zeitschriftenverlagen zwischen 40% und 60% der Gesamtkosten betragen (Heinrich 1994, S. 286; Wirtz 2001, S. 152-154). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die fixen Kosten den optimalen Preis nicht beeinflussen. Mathematisch betrachtet fallen sie bei der Ableitung der Gewinnfunktion nach dem Preis weg. Die variablen Kosten können in Abhängigkeit zu der Anzahl Rezipienten (auflagenvariabel) bzw. in Abhängigkeit der Anzahl Anzeigenseiten (umfangvariabel) gesetzt werden. Um eine vollständige Betrachtung der Kosten einer Zeitschrift zu gewährleisten, erfolgt die Kostenschätzung entlang des Herstellungsprozesses einer Zeitschrift. Dieser ist in die Berei11 Mediadaten der Publikumszeitschriften im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (www.pz-online.de) 12 Zentrale Anzeigenstatistik des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (www.pz-online.de)
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che Erstellung, Vertrieb und Verwaltung sowie Vervielfältigung und Distribution unterteilt (Daly et al. 1996, S. 37-49). Kosten der Erstellung Die Kosten der Erstellung umfassen die Personalkosten der Redaktion sowie die Sachkosten, die bei der Kreation der Inhalte entstehen. Kurzfristig gesehen wird ein redaktionelles Team auflagen- und umfangunabhängig benötigt. Auch bei zeitlich begrenzten Auflagenschwankungen würde ein rational handelnder Verlag die Redaktionsstärke nicht sofort anpassen. Unter den Annahmen, dass die inhaltliche Qualität auch bei Umfangsausweitung konstant bleiben soll und die redaktionelle Produktivität nur zu Lasten der Qualität steigerbar wäre, hängt langfristig gesehen ein Teil der Erstellungskosten von den Anzahl der Ausgaben pro Jahr und der Anzahl redaktioneller Seiten je Ausgabe ab. Für den Fall von Börse Online wird geschätzt, dass etwa 30 Mitarbeiter in redaktionellen Bereichen arbeiten. Diese Mitarbeiterzahl ergibt sich bei einem durchschnittlichen redaktionellen Umfang von 78 Seiten und einer Produktivität von 2,6 Seiten je Mitarbeiter und Ausgabe. Die Personalkosten werden, basierend auf dem Median des Bruttogehalts eines Redakteurs von 42,5 Tsd. EUR (o.V. 2006, Gehaltsreport Medienbranche) inklusive Nebenkosten, auf 65 Tsd. Euro je Mitarbeiter geschätzt. Multipliziert mit der Anzahl Mitarbeiter ergibt dies Personalkosten i.H.v. 1,95 Mio. Euro im Jahr. Die Nebenkosten z.B. für Miete, Hardware und Bürobedarf sowie Agentur- und Börseninformationen werden auf 50% der Personalkostensumme, d.h. 1 Mio. Euro, geschätzt. Im vorliegenden Fall werden die wöchentliche Erscheinungsweise sowie der derzeitige redaktionelle Umfang als gegeben angenommen. Aus diesem Grund wird auch der überwiegende Teil der Erstellungskosten als fix gesehen (70%, d.h. 2,065 Mio. Euro). Der variable Teil der Erstellungskosten (30% bezogen auf ein typisches Exemplar) wird durch die Zahl der Anzeigenseiten getrieben. So wird ein konstantes Redaktions-Anzeigenverhältnis von Drei zu Eins unterstellt, d.h. für jede zusätzliche Anzeigenseite müssen drei redaktionelle Seiten erstellt werden. Werden die so entstehenden Grenzkosten je zusätzliche Seite auf eine Anzeigenseite bezogen, so betragen die variablen Kosten der Erstellung je Anzeigenseite etwa 680 Euro.13 Kosten für Verwaltung, Verkauf und Marketing Weitere 20 Mitarbeiter sind der eigenen Schätzung zufolge in Anzeigenverkauf, Vertrieb, Marktforschung und Verwaltung tätig. Wird für diese Mitarbeiter ebenfalls ein Bruttogehalt
13 Berechnung: Kosten der Redaktion inklusive Nebenkosten für gesamten Inhalt pro Jahr sind 2,95 Mio. Euro. Davon werden 30% (885 Tsd. EUR) als variabel deklariert. Somit ergeben sich bei 75 Inhaltsseiten und 52 Ausgaben 227 Euro variable Erstellungskosten je redaktionelle Seite. Bei konstantem Redaktions-Anzeigen-Verhältnis von 3 zu 1 werden 3 redaktionelle Seiten je zusätzlicher Anzeigenseite erstellt. Die variablen Erstellungskosten je Anzeigenseite und Ausgabe betragen dann 3 x 227 Euro, also fast genau 680 Euro.
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von 65 Tsd. Euro angenommen, so ergeben sich Personalkosten i.H.v. 1,95 Mio. Euro. Als Nebenkosten werden Versicherungen, Miete, Telefonkosten, Instandhaltung und Verbrauchsmaterial mit einer Summe von 825 Tsd. Euro sowie Marketingkosten für Imagekampagnen von 300 Tsd. Euro p.a. angenommen. Die Kosten für Verwaltung, Verkauf und Marketing werden kurzfristig nicht durch die Auflage beeinflusst und haben somit Fixkostencharakter. Damit beeinflussen diese Kosten wie oben bereits angesprochen den optimalen Preis nicht. Kosten der Vervielfältigung und Distribution Zu den Kosten der Vervielfältigung zählen Aufwendungen für Seitenaufbau, Druck, Verarbeitung und Papier. Kurzfristig gesehen fällt ein Teil dieser Kosten unabhängig von der Auflagenhöhe, z.B. für das Einrichten einer Maschine und die Erstellung der Druckformen, an. Die übrigen Kosten sind umfang- und auflagenvariabel. Langfristig und vereinfachend kann angenommen werden, dass die Kosten der Vervielfältigung vollständig in umfang- oder auflagenvariable Kosten unterteilt werden können, da z.B. Druckkapazitäten und Drucktechnologien angepasst werden können.14 Für den auflagenvariablen Teil der Kosten wird von dem derzeitigen redaktionellen Umfang als Basisprodukt ausgegangen. Die umfangvariablen Kosten hängen von der Anzahl der Anzeigenseiten ab. Zu den Basisdaten, welche der Kalkulation zu Grunde liegen, zählen der durchschnittliche Umfang je Ausgabe (ca. 100 Seiten, pz-online), die Gesamtauflage je Ausgabe (ca. 130 Tsd. Exemplare, pz-online) und die Anzahl Ausgaben pro Jahr (52). Bei den Papierkosten werden auf Basis einer DIN A4 Seitengröße, 65 g/m² Flächengewicht und 75 Euro je 100 kg Papierkosten für den Inhalt bzw. 100 g/m² Flächengewicht und 85 Euro je 100 kg Papierkosten für den Umfang zu Grunde gelegt. So ergeben sich auflagenvariable Kosten von etwa 0,41 EUR je Exemplar. Je Abonnent und Jahr betragen die auflagenvariablen Kosten der Vervielfältigung dann 21,23 Euro. Im Abonnement-Verkauf müssen darüber hinaus aber auch Versandkosten, Abo-Prämie sowie Kosten für den werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel (WBZ) berücksichtigt werden. Die Versandkosten je Abonnent betragen bei dem errechneten Gesamtgewicht von ca. 320g je Exemplar15 für ein wöchentliches Postvertriebsstück 0,415 Euro je Exemplar bzw. 21,6 Euro pro Jahr. Nimmt man an, dass eine Abo-Prämie bei jedem Neu-Abonnenten anfällt, WBZ-Provisionen bei 20% der Neu-Abonnenten gezahlt werden und dass die Höhe der Prä14 Dies ist eine vereinfachende Annahme. Streng genommen besteht eine multiplikative Kostenfunktion, bei der eine gleichzeitige Umfangs- und Auflagenausweitung zu einer anderen Kostenhöhe führt als eine separate Ausweitung von Umfang oder Auflage. Zudem sind die Erstellungskosten sprungfix, d.h. wenn der Umfang z.B. um volle 16 Seiten reduziert werden kann, kann eine Druckform eingespart werden. Eine Reduzierung um nur ein Blatt ist technisch in dem betrachteten Druckverfahren nicht realisierbar. 15 Um Doppelzählungen zu vermeiden, wird hier ausschließlich der redaktionelle Umfang berücksichtigt, da das Gewicht der Anzeigenseiten bzw. die daraus resultierende Veränderung der Distributionskosten bereits bei den Kosten je Anzeigenkosten berücksichtigt wird.
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mie und der Provision jeweils dem Preis eines Jahresabonnements entspricht, so betragen die Kosten je Neu-Abonnent 197 Euro. Auch der Abo-Rabatt, der sich als Prozentzahl auf den Verkaufspreis bezieht, muss berücksichtigt werden. Bei Börse Online beträgt der Abo-Rabatt derzeit 3,8%. Inklusive der Steuern beträgt die Nettomarge bezogen auf den Einzelverkaufspreis daher etwa 90%.16 Im Einzelverkauf gehen vom Zeitschriftenpreis neben Steuern in Abhängigkeit von verkaufter Auflage und Umsatz die Grosso- und Einzelhandelsmarge ab. Im Beispiel von Börse Online und 16 Tsd. verkauften Exemplaren beträgt die Grossomarge 28% und die Einzelhandelsmarge 20,24% (o.V. 2008a). Ein Bonus wird von den Grossisten erst auf einen Umsatz je Heftfolge ab 250 Tsd. Euro gewährt, so dass die Nettomarge für Börse Online etwa 48% des Einzelverkaufspreise betragen sollte. Bei Einzelkäufern hingegen müssen die durchschnittlichen Vervielfältigungskosten je Exemplar um den Faktor der Remittenden-Quote berichtigt werden. Dies resultiert aus der Tatsache, dass die gewünschten Verkaufszahlen im Einzelverkauf nur bei flächendeckender Verfügbarkeit erreicht werden können, womit eine entsprechende Remittenden-Quote in Kauf genommen werden muss. Im Fall von Börse Online beträgt die Remittenden-Quote laut IVWAuflagenlisten fast 60%. Bezieht man die Vervielfältigungskosten der ausgelieferten Exemplare auf die verkauften Exemplare, erhöhen sich die Vervielfältigungskosten je Einzelkäufer auf ca. einen Euro je Exemplar bzw. 52,42 Euro pro Jahr. Der sonstige Verkauf, d.h. der Verkauf von Bordexemplaren, Lesezirkel und Freiexemplaren, spielt im Finanzzeitschriftensegment eine bedeutende Rolle. So macht der sonstige Verkauf bei Börse Online 46 Tsd. Exemplare aus. Bei diesen Exemplaren soll davon ausgegangen werden, dass den Vervielfältigungs- und Distributionskosten keine Erlöse gegenüberstehen. Je Exemplar entstehen dann Vervielfältigungskosten i.H.v. 0,41 EUR sowie Distributionskosten i.H.v. angenommenen 0,1 EUR – also variable Kosten je sonstiges Exemplar und Jahr von 26,43 Euro. Wird der sonstige Verkauf in der späteren Analyse konstant gehalten, so können die dafür entstehenden Kosten auch als Fixkosten interpretiert werden. Umfangvariable Kosten werden von der Anzahl Anzeigenseiten beeinflusst. Dabei wird von einem festen Redaktions-Anzeigenverhältnis von Drei zu Eins ausgegangen. Für jede zusätzliche Anzeige müssen also vier zusätzliche Seiten produziert werden und beeinflussen über ihr Gewicht auch die Versandkosten. Unter diesen Annahmen werden die zusätzlichen Kosten je zusätzliche Anzeigenseite pro Jahr auf ca. 900 Euro geschätzt (715 Euro für Papier und Druck, 185 Euro für erhöhte Versandkosten).
16 Durch Subtraktion des Abo-Rabatts von dem Einzelverkaufspreis ergibt sich ein Wert von 3,367 Euro, welcher die Basis für den Abzug der Mehrwertsteuer von 7% ist. Der resultierende Nettopreis beträgt knapp 90% von dem Bruttopreis von 3,5 Euro.
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Zusammenfassung Zusammenfassend wurden die Kostenfaktoren für Börse Online wie folgt berechnet. Die Fixkosten betragen 5,14 Millionen Euro pro Jahr und setzen sich aus 2,065 Millionen Euro Kosten der Erstellung und 3,075 Millionen Euro Verwaltungs-, Vertriebs- und Marketingkosten zusammen. Neben den fixen Kosten entstehen sowohl auf Seiten der Abonnenten als auch im Einzelverkauf variable Kosten in Abhängigkeit der Anzahl Käufer bzw. Exemplare der Zeitschrift. Im Abonnement beträgt die Nettomarge des Verlages nach Abzug von Steuer und Abo-Rabatt 90%. Für Vervielfältigung und Versand müssen pro Jahr 42,83 Euro einbezogen werden. Gleiches gilt für Neu-Abonnenten, nur das hier zusätzlich noch 197 Euro je Neu-Abonnent für die durchschnittliche Abo-Prämie und WBZ-Provision in Abzug gebracht werden muss. Im Einzelverkauf beträgt die Nettomarge nach Steuer sowie Grosso- und Einzelhandelsmarge 48% des Einzelverkaufspreises. Daneben fallen Vervielfältigungs-kosten von 52,42 Euro je Einzelkäufer und Jahr unter Berücksichtigung der Remittenden-Quote an. Für jedes Exemplar im Sonstigen Verkauf entstehen Vervielfältigungs- und Distributionskosten, denen kein Erlös gegenübersteht. Die Kosten je Exemplar belaufen sich auf 26,43 Euro im Jahr. Variable Kosten je Anzeigenseite entstehen bei einem fixen Redaktions-Anzeigen-Verhältnis durch die Ausweitung des redaktionellen Umfangs sowohl im Bereich der Erstellung als auch bei Vervielfältigung und Versand. Die Kosten in der Verwaltung, im Marketing und im Anzeigenverkauf dagegen werden als fix angenommen und beeinflussen daher die variablen Kosten je Anzeige nicht. Die variablen Kosten je Anzeige werden auf ca. 1.580 Euro geschätzt (680 Euro im Bereich der Erstellung, 900 Euro im Bereich Vervielfältigung und Versand). Diese Kosten bilden die Basis für die Schätzung gewinnoptimaler Preise in Kapitel sechs.
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Stand der Forschung im Preismanagement
Einen theoretischen Pfeiler der vorliegenden Arbeit bildet das Preismanagement als Teildisziplin des betriebswirtschaftlichen Marketings. Eingegrenzt ist das Forschungsprojekt auf die Preisbestimmung im Umfeld zweiseitiger Märkte bzw. des Marktes für Finanzzeitschriften. Ziel dieses Kapitels ist zum einen, die Forschungslücke zu verdeutlichen, und zum anderen, die für diese Arbeit relevanten bestehenden Ansätze als Basis für die weiteren Untersuchungen vorzustellen. In diesem Kapitel wird zunächst der Stand der Forschung auf dem Gebiet des Preismanagments im Allgemeinen, d.h. in einseitigen Märkten, aufgeführt. Dann wird auf die Besonderheiten des Preismanagements in zweiseitigen Märkten eingegangen. Als Spezialfall solcher zweiseitigen Märkte werden Zeitschriftenmärkte aufgeführt. Abschließend werden die Implikationen dieser Erkenntnisse für die weitere Arbeit abgeleitet.
3.1
Preismanagement
In diesem Abschnitt werden zunächst der Preis und das Preismanagement definiert sowie deren Zielsetzung verdeutlicht. Dann werden Erkenntnisse der klassischen Preistheorie sowie die Prinzipien der Preisbestimmung in der betrieblichen Praxis aufgeführt. Sie bilden eine Basis für das in den nachfolgenden Abschnitten betrachtete Preismanagement in zweiseitigen Märkten bzw. in Zeitschriftenmärkten. 3.1.1
Ziele und Teilbereiche des Preismanagements
Der Preis eines Produktes ist die Zahl der Geldeinheiten, die der Käufer für eine Mengeneinheit des Produktes bezahlen muss (Simon 1992, S. 3). Die Preisentscheidung eines Unternehmens kann neben dem Grundpreis weitere Parameter wie z.B. Rabatte, Liefer- und Zahlungsbedingungen oder eine Preisdifferenzierung nach Kundengruppen umfassen. Als oberstes Ziel der Preispolitik wird in der Mehrzahl aller Fälle die Gewinnmaximierung unterstellt. Im Rahmen des Preismanagements können gewinnoptimale Preise unter Kenntnis der Preisabsatz- und der Kostenfunktion einer Unternehmung ermittelt werden (Simon 1992 S. 3, 12 und 27; Diller 2008 S. 90 ff. und S. 337 ff. oder Balderjahn 1991 S. 33). Innerhalb der Marketinginstrumente spielt der Preis neben dem Produkt selbst eine herausragende Rolle. Erstens wirkt er als einziges Instrument sowohl auf die Mengen- als auch auf die Wertkomponente des Umsatzes ein. Daneben hebt der Preis sich durch die Stärke und Ge-
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schwindigkeit der Absatzwirkung hervor. So hat eine Preisänderung i.d.R. eine starke Wirkung auf Absatz und Marktanteil. Die Preiselastizität bei Konsumgütern etwa wird auf das zehn- bis 20-fache der Werbeelastizität geschätzt (Simon 1992, S. 6 und S. 11). Schließlich sind Preisänderungen ohne Zeitverzug umsetzbar und erfordern keine Vorab-Investitionen. Gleichzeitig gehört die Preispolitik zu den schwierigsten und risikoreichsten Marketinginstrumenten (Diller 2008, S. 22). Dies liegt an den oft schwer einschätzbaren Reaktionen der Kunden und Wettbewerber auf eigene Preisaktivitäten sowie einem komplexen Umfeld mit schwer durchschaubaren Wirkungseffekten. Zudem gelten Preissenkungen als nur schwerlich reversibel. 3.1.2
Preismanagement im Rahmen der klassischen Preistheorie
In der klassischen Preistheorie wird die Frage eines gewinnmaximalen Absatzpreises auf vollkommenen Märkten mit analytischen Verfahren untersucht. Voraussetzung für die Anwendung solcher marginalanalytischer Modelle ist die Kenntnis der Preisabsatz- und der Kostenfunktion. Preisabsatzfunktionen geben die Abhängigkeit der Absatzmenge eines Produktes von dessen Preis wieder. An die Stelle der Absatzmenge können aber auch Marktanteil oder individuelle Kaufwahrscheinlichkeiten treten. In solchen Fällen wird allgemeiner von Preisresponsefunktionen gesprochen (Balderjahn 1994, S. 12). In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Preisabsatzfunktion und Preisresponsefunktion synonym verwendet. In marginalanalytischen Optimierungsmodellen werden Preisabsatz- und Kostenfunktionen in einer Gewinnfunktion zusammengeführt. Dann wird der optimale Preis mit Hilfe der Differenzialrechnung analytisch bestimmt (Diller 2008, S. 337). Dies ermöglicht bei kontinuierlichem Funktionsverlauf eine analytisch exakte Bestimmung optimaler Preise unter den gegebenen Modellannahmen. Als Prämissen gelten häufig neben der Marktvollkommenheit, dass der Preis der einzige Aktionsparameter ist, die Wirkung einer Preisänderung auf nur eine Periode beschränkt ist sowie die vollkommene Sicherheit hinsichtlich angenommener Erlöse und Kosten besteht (Wöhe 1996, S. 664 oder Diller 2008, S. 337). Daneben müssen auch Annahmen zur Marktform und ggf. zum Marktverhalten von Wettbewerbern sowie Nachfragern getroffen werden. Bei der Marktform wird zwischen dem Angebots-Monopol, dem Angebots-Oligopol und dem Angebots-Polypol unterschieden (Diller 2008, S. 73). Im Folgenden werden alle drei Marktformen knapp vorgestellt. Auf das Oligopol wird etwas ausführlicher eingegangen, da diese Marktform dem Markt für Finanzzeitschriften am ehesten entspricht (vgl. 2.2). Im Angebots-Monopol trifft die gesamte Nachfrage einer Vielzahl von Nutzern einer Leistung auf einen einzigen Anbieter. Diese können allenfalls auf Substitutiv-Produkte ausweichen.
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Der Monopolist setzt seinen Verkaufspreis gewinnmaximal. Der gewinnmaximale Absatzpreis liegt an der Schnittstelle von Grenzerlös- und Grenzkostenkurve und wird als Cournotscher Punkt bezeichnet (Pindyck/Rubinfeld 2005, S. 436-441). Innerhalb der Printmedien trifft man diese Marktform z.B. bei Regionalzeitungen an, die häufig in ihrem Gebiet ohne intra-medialen Wettbewerb sind. Bisherige Ansätze zur optimalen Preisbestimmung in werbefinanzierten Märkten verwenden regelmäßig das Zeitungsmonopol als Untersuchungsgegenstand (z.B. Kohlschein 2006). In einem Angebots-Polypol hält jeder Anbieter eines homogenen Produktes nur einen verschwindend kleinen Marktanteil in einem perfekten Markt. Die einzelnen Anbieter müssen einen einheitlichen Marktpreis als gegeben hinnehmen und besitzen keine Möglichkeit zur aktiven Preispolitik, da die Nachfrager bei einem Preis oberhalb des Marktpreises sofort zum Wettbewerb wechseln würden. Im Angebots-Oligopol schließlich stehen wenige Anbieter einer Vielzahl von Nachfragern gegenüber. Die Preisänderung eines Anbieters beeinflusst die Absatzmenge eines anderen Anbieters spürbar. Ob ein Anbieter durch eine Preisveränderung seine Gewinnsituation tatsächlich verbessert, hängt hier zusätzlich von dem Verhalten der Konkurrenten ab. Die Qualität der Entscheidung eines Oligopolisten hängt maßgeblich davon ab, wie gut er seinen Einfluss auf die Entscheidung anderer abschätzen und dieses für sich nutzen kann. In einem solchen Markt sind für zwei Unternehmen grundsätzlich fünf verschiedene Handlungsstrategien denkbar: Die Mengenführerschaft, die Preisführerschaft, die simultane Preisfestsetzung, die simultane Mengenfestsetzung und die kooperative Preisfestsetzung (Varian 2004, S. 485). Bei der simultanen Mengenfestsetzung bestimmen die Firmen zum gleichen Zeitpunkt ihre jeweiligen Produktionsmengen. Es wird unterstellt, dass die Firmen rational handeln, die Nachfrage- und Kostenfunktionen bekannt sind und jedes Unternehmen die Produktionsmenge des Wettbewerbers als gegeben annimmt. Am Schnittpunkt der Reaktionskurven beider Firmen ist ein Gleichgewicht – das Cournot-Nash-Gleichgewicht – erreicht. Im Ergebnis sind die Preise geringer als im Monopol, aber höher als im perfekten Wettbewerb (Pindyck/ Rubinfeld 2005, S. 443 ff.). Bei der Mengenführerschaft wird ein sequentielles Handeln der Marktteilnehmer unterstellt. Die Oligopolisten setzen die eigenen Produktionsmengen nacheinander fest, d.h. mögliche Reaktionen der Wettbewerber müssen berücksichtigt werden. In einem solchen Modell hat die zuerst handelnde Firma einen Vorteil, da sie unter Kenntnis der Reaktionskurve des Wettbewerbs die eigene Menge gewinnoptimal setzt und der Mengenfolger sich nur an diese Menge anpassen kann (Pindyck/Rubinfeld 2005, S. 447 ff.).
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Für den Zeitschriftenmarkt in Deutschland erscheinen die Modelle der Mengenführerschaft und simultanen Mengenfestsetzung wenig geeignet. In den Interviews mit Verlagsexperten wurde deutlich, dass Verlage nicht ihre Produktionsmengen, sondern ihre Preise festlegen (vgl. 8.2.4). Ein sequentielles Handeln erscheint grundsätzlich plausibel. Allerdings ist unklar, welcher Verlag zuerst handelt. Die Bedingungen eines vollkommenen Marktes treffen für Finanzzeitschriften nicht zu. Zeitschriften sind heterogene Markenprodukte, so dass die Firmen nicht einer einzigen Nachfragefunktion unterliegen. Perfekte Information hinsichtlich der einzelnen Nachfragekurven und Kostenfunktionen sind im Zeitschriftenmarkt nicht gegeben. Unter den Annahmen der simultanen Preisfestsetzung setzen die Oligopolisten nicht die Mengen, sondern simultan den eigenen Preis. Der Wettbewerbspreis wird jeweils als gegeben angenommen. Im Falle eines vollkommenen Marktes unterbieten sich die Marktteilnehmer für das homogene Gut im Ergebnis so lange, bis der Preis gleich den Grenzkosten ist. In diesem Fall kann keine der Firmen einen Gewinn erzielen, es besteht ein perfekter Wettbewerb (Pindyck/Rubinfeld 2005, S. 449 ff.). Auch dieses Modell kann den Zeitschriftenmarkt in Deutschland nicht optimal widerspiegeln. Zum einen trifft die Annahme der Marktvollkommenheit nicht zu. Zum anderen ist im Zeitschriftenmarkt eher von einem sequentiellen Vorgehen der Marktteilnehmer auszugehen. Gibt es schließlich einen Preisführer, so legt dieser einen Preis fest, bei dem er glaubt, dass der Gewinn für den Gesamtmarkt maximiert wird. Wird dieser Preisführer von allen Marktteilnehmern anerkannt, so verändern diese ihre Preise erst dann, wenn der Preisführer den Preis verändert hat. Die Preisanpassung erfolgt dabei, ohne dass es einer expliziten Vereinbarung bedarf. Neben den vier nicht-kooperativen Verhaltensweisen der einzelnen Oligopolisten ist auch eine kooperative Preisfestsetzung vorstellbar. Die Oligopolisten sprechen Preise oder Mengen ab. Diese Verhaltensweise ist dann für Anbieter besonders attraktiv, wenn andere Formen des Wettbewerbs, z.B. über Qualität oder Service, ausscheiden, was vor allem bei homogenen Oligopolen der Fall ist. Da Absprachen in solcher Form in Deutschland nicht erlaubt sind, wird auf diesen Fall nicht weiter eingegangen. Die Beschreibung eines heterogenen Oligopols trifft am ehesten auf den Finanzzeitschriftenmarkt in Deutschland zu. Das heißt aufgrund der teilweisen Differenziertheit der Zeitschriften aus Sicht von Rezipienten und Inserenten hat ein Verlag in begrenztem Umfang eine Preisgestaltungsfreiheit. Zwar treffen alle Anbieter auf die gleiche Gesamt-Nachfragekurve, jedoch unterscheiden sich die darunter liegenden einzelnen Nachfragekurven je Zeitschriftenmarke erheblich. Nicht nur die Preise, sondern unter anderem auch die Produktzusammensetzung, die Verkaufseffektivität oder die Verfügbarkeit der Zeitschriften haben einen Einfluss auf die Marktanteile der Anbieter.
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Eigentlich würde die hohe Preis- und Absatztransparenz im Zeitschriftenmarkt gute Bedingungen für schnell aufeinander folgende sequentielle Preisreaktion der Anbieter bieten. Allerdings scheinen die Produkte ausreichend differenziert, das Wechselverhalten der Nachfrager ausreichend träge und das Verhalten der Anbieter ausreichend optimiert, um die angesprochenen Bedingungen zu vermeiden. Dabei sehen die Wettbewerber die Wettbewerbspreise für einen gewissen Zeitraum, z.B. für das vorliegende Kalenderjahr, als gegeben an und setzen auf dieser Erkenntnis basierend ihren eigenen Preis. Zusammenfassend scheint von den fünf vorgestellten Handlungsstrategien die Preisführerschaft das Verhalten der Marktteilnehmer im Finanzzeitschriftenmarkt in Deutschland am besten widerzuspiegeln. Daher wird in der eigenen Sensitivitätsanalyse in Abschnitt 6.4 dieser Fall angenommen. Dabei erscheint es wertvoll, Erkenntnisse zu zwei möglichen Szenarien zu erarbeiten, die sich in Abhängigkeit der Wettbewerbsreaktionen einstellen. Erstens wird untersucht, welche Preise aus der Sicht von Börse Online optimal wären, wenn die Wettbewerber nicht reagieren würden. Als gegenteiliges Extrem wird betrachtet, was passiert, wenn die Wettbewerber mit der eigenen Preisveränderung vollständig mitziehen.17 Anzumerken ist, dass der in den meisten Modellen unterstellte lineare Funktionsverlauf der Preisresponsefunktion in dieser Form nicht selbstverständlich ist. Zwar erscheint es in Abwesenheit von Snob-Effekten oder Preis-Qualitätsempfindungen realistisch, dass die Funktion mit zunehmendem Preis monoton fällt. Allerdings sind auch von der linearen Form abweichende Verläufe denkbar. Zur formalen Darstellung der Funktionen kommen im Wesentlichen vier Funktionsverläufe in Frage: Eine lineare Funktion, eine multiplikative Funktion, eine logarithmische Funktion oder eine exponentielle Funktion (für detaillierte Betrachtungen siehe Simon 1992, S. 94-97, Skiera 1999, S. 21-34 oder Diller 2008 S. 74 ff.). Ziel ist es dabei, "aus den vorgegebenen Beobachtungswerten eine möglichst einfache, gleichzeitig aber weitestgehend zutreffende Funktionsgleichung zu konstruieren" (Tietze 2006, S. 131). Die mathematische Formulierung der Funktionen, also der Abhängigkeit der nachgefragten Menge vom Preis, wird in nachfolgender Tabelle dargestellt.
Tabelle 1: Formulierung möglicher Preisresponsefunktionen
17 Daneben wäre eine Vielzahl weiterer Szenarien denkbar. Beispielsweise könnte nur ein Teil der Wettbewerber die Preisänderung imitieren oder die Wettbewerber könnten sogar gegenteilig reagieren (d.h. auf eine Preissenkung mit einer Preiserhöhung reagieren).
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Dabei sind "a" und "b" die zu schätzenden Parameter. "P" ist der Preis. Bei der Beurteilung der Funktionen ist zu überlegen, welche Vor- und Nachteile die Funktionsverläufe vor dem Hintergrund theoretischer Überlegungen aufweisen. Die Stärke der linearen Funktion liegt in ihrer einfachen Handhabbarkeit und leichten Interpretierbarkeit der Ergebnisse. Aus diesem Grund erfreut sich diese Funktion bei theoretischen Betrachtungen der Preisresponse großer Beliebtheit. Kritisiert wird, dass der lineare Verlauf der Funktion, d.h. die konstante marginale Mengenänderung bei jeder Preisänderung bis zum Erreichen des Maximalpreises, die Realität ggf. nicht genau genug abbildet. Dagegen schreibt Simon: "Trotz ihrer Einfachheit erbringt die lineare Funktion häufig eine zufriedenstellende Anpassung an empirische Daten. […] Innerhalb eines vertretbaren Intervalls dürfte es […] nicht schlechter abschneiden als komplexere Modelle, so dass der Grundsatz, im Zweifel das einfachere Modell vorzuziehen, zur Geltung kommt." (Simon 1992, S. 95). Demgegenüber kann mit der multiplikativen, der logarithmischen und der exponentiellen Funktion berücksichtigt werden, dass nicht mit jeder Preisänderung die gleiche konstante marginale Mengenänderung einhergehen muss. So wäre es z.B. denkbar, dass einige wenige Rezipienten die Zeitschrift noch zu einem sehr hohen Preis kaufen würden, da die enthaltenen Finanzinformationen für diese Rezipienten einen sehr hohen Wert darstellen. In einem solchen Fall würde die marginale Mengenänderung mit steigendem Preis abnehmen. Allerdings ist bei der multiplikativen Funktion kein Maximalpreis ermittelbar, bei dem der Absatz Null wird. Dies würde bei einem Preiselastizitätsparameter, der absolut kleiner als 1 ist, zu einem optimalen Preis führen, der gegen unendlich geht. Sinnvolle Resultate ergeben sich nur, wenn der Elastizitätsparameter absolut größer als 1 ist. Bei empirischen Schätzungen allerdings ergeben sich für die Elastizität häufig Werte, die absolut kleiner als 1 sind, so dass der Funktionsverlauf in solchen Fällen nicht angewendet werden kann (Simon 1992, S. 97). Die logarithmische Funktion weist keine Sättigungsmenge auf, was inhaltlich wenig plausibel ist, da die Grundgesamtheit endlich ist. Die exponentielle Funktion kann extreme Werte für Sättigungsmenge und Maximalpreis annehmen, deren Plausibilität im Einzelfall geprüft werden muss. Da im Vorfeld nicht sicher ist, welche der Funktionsformen die Preisresponse bei Nutzern von Finanzzeitschriften am besten wiedergibt, werden in dieser Arbeit alle vier Funktionsverläufe betrachtet. Diese werden dann anschließend anhand ihrer Anpassung an die Datenpunkte sowie der Plausibilität von Maximalpreis und Sättigungsmenge miteinander verglichen.
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Zusammenfassend zeichnet sich die klassische Preistheorie durch ein logisch stringentes Vorgehen aus, bei dem sowohl Nachfrageveränderungen und ggf. Wettbewerbsreaktionen auf eigene Preisänderungen als auch die Kostenseite berücksichtigt werden. In den Modellbetrachtungen werden allerdings häufig restriktive Annahmen gemacht, so dass die Erkenntnisse nicht ohne weiteres auf einen spezifischen Markt, z.B. den Markt für Finanz-Zeitschriften, übertragbar sind. Der Markt für Finanzzeitschriften in Deutschland kann als heterogenes Oligopol bezeichnet werden. Die Verschiedenartigkeit der Verlags-Produkte führt dazu, dass sich die Verlage unterschiedlichen Nachfrage- und Kostenfunktionen gegenüber sehen, welche zudem nicht allen Marktteilnehmern bekannt sind. Für die Bestimmung gewinn-optimaler Preise müssen daher sowohl produktindividuelle Preisresponsefunktionen unter Berücksichtigung von Wettbewerb und Netzwerkeffekten ermittelt als auch die Kostenfunktion einbezogen werden. Verlage setzen nicht die produzierten Mengen, sondern sequentiell die eigenen Preise fest. Für die Diskussion optimaler Preise in dem oligopolistischen Marktumfeld von Zeitschriftenverlagen erscheint es zunächst wertvoll, die Vorteilhaftigkeit von Preisveränderungen unter der Annahme zu untersuchen, dass die Wettbewerber nicht reagieren würden. Als gegenteiliges Extrem sollte aber auch diskutiert werden, was passiert, wenn die Wettbewerber mit der eigenen Preisveränderung vollständig mitziehen. Das erstgenannte Szenario ist der unterstellte Fall bei den Analysen in Abschnitt 6.3. Das letztgenannte Szenario wird in Abschnitt 6.4 diskutiert. 3.1.3
Prinzipien der Preisfestsetzung in der betrieblichen Praxis
In der betrieblichen Praxis werden alle Bemühungen darauf ausgerichtet, Märkte durch Produkt-, Kommunikations- und Distributionspolitische Maßnahmen unvollkommen zu machen. Dementsprechend fragt das praktische Preismanagement nach dem optimalen Preis auf unvollkommenen Märkten (Wöhe 1996, S 661 ff.). Die Güter auf einem solchen Markt sind heterogen und Unternehmen betreiben unterschiedliche Formen von Preisdifferenzierungen. Gleichzeitig sind Preisentscheidungen in der betrieblichen Praxis komplexe Prozesse, bei denen sich die Nutzenwahrnehmungen von Kunden, mögliche Wettbewerbsreaktionen oder Kostenimplikationen von eigenen Entscheidungen im Vorfeld nur schwer messen lassen. In der betrieblichen Praxis finden daher neben dem im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten analytischen Verfahren (nachfrageorientierte Preisbestimmung) heuristische Verfahren Anwendung. In der Literatur werden im Wesentlichen vier mögliche Prinzipien der Preisbestimmung genannt (Diller 2008, S. 309-337; Simon 1992, S. 149-162 oder Meffert 2000, S. 506-548):
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(1) In der kostenorientierten Preisbestimmung werden die kalkulatorischen Kosten einer Leistung ermittelt und zuzüglich einer Gewinnmarge als Basis für die Preisbestimmung verwendet. Wesentlicher Kritikpunkt an diesem Prinzip ist die Nichtbeachtung der Preisabsatzfunktion. So ist der Preis in der Realität nicht eine Funktion der Kosten, sondern die Kosten sind über die Absatzmenge vom Preis abhängig. Die kostenorientierte Preisbestimmung enthält einen Zirkelschluss. Um die Vollkosten berechnen zu können, muss die Produktions- und Absatzmenge bekannt sein. Diese Menge aber ist selbst eine Funktion des aus den Kosten abzuleitenden Preises. Schließlich werden nur interne Faktoren – und weder die tatsächliche Zahlungsbereitschaften noch der Wettbewerb – berücksichtigt. Trotz dieser Defizite ist die kostenorientierte Preisbestimmung aufgrund ihrer Einfachheit und Nachvollziehbarkeit ein in der Praxis häufig verwendetes Verfahren (Meffert 2000, S. 506-511 und Simon 1992, S. 149-150). (2) Bei der konkurrenzorientierten Preisbestimmung werden die Preise des Wettbewerbs für ein vergleichbares Produkt als Maßstab genommen. Diese Form der Preisbestimmung gilt insbesondere für Angebots-Oligopole als nützlich. Varianten der konkurrenzorientierten Preisbestimmung sind die Anpassungsstrategie und die Nischenstrategie. Bei Ersterer werden die Preise bewusst in Höhe eines Orientierungspreises, z.B. dem Preis des Marktführers, gesetzt. Bei der Nischenstrategie setzt der Marktteilnehmer auf die bewusste Differenzierung von den Konkurrenzpreisen, d.h. der Preis wird genau dort gesetzt, wo bisher kein anderer Preis liegt (Simon 1992, S. 201-203). Wesentliche Kritikpunkte an diesem Prinzip sind die Nicht-Beachtung der Kosten, der Kundenreaktionen und dass der mögliche Mehr- oder Minderwert einer Leistung aus Verbrauchersicht im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten kaum Beachtung findet (Meffert 2000, S. 530-541). (3) Die nutzenorientierte Preisbestimmung schließlich orientiert sich an dem aus Verbrauchersicht empfundenen relativen Wert eines Produktes, um den optimalen Preis festzusetzen. Somit wird der Eckpfeiler einer jeden ökonomischen Transaktion – dass ein Kunde ein Produkt nur kaufen wird, wenn der Nutzen18 größer als der Preis ist – berücksichtigt. Die nutzenorientierte Preisbestimmung gilt als eine gute Möglichkeit, sich in der betriebswirtschaftlichen Praxis in nicht-monopolistischen Märkten und Leistungen unterschiedlichen Differenzierungsgrads dem optimalen Preis zu nähern (Meffert 2000, S. 542-548). (4) Die nachfrageorientierte Preisbestimmung umfasst die in der klassischen Preistheorie aufgeführten Ansätze. Als einziges Verfahren werden bei der nachfrageorientierten Preisbestimmung sowohl Kundenreaktionen als auch Kosten und Wettbewerb berücksichtigt. Der Preis wird mit Hilfe einer Preisabsatzfunktion und der Kostenfunktion ermittelt. Dieses Prinzip der Preisbestimmung ist jedoch in der betrieblichen Praxis weniger stark verbreitet. 18 Unter dem wirtschaftswissenschaftlichen Konstrukt "Nutzen" wird der Grad der Befriedigung von Bedürfnissen verstanden, den ein Haushalt bzw. ein Konsument aus dem Konsum eines Gutes zieht. Als herausragendes Ziel jedes Verbrauchers wird die Maximierung seines subjektiv empfundenen Nutzens gesehen (Hermelbracht S. 44).
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Gründe dafür sind die häufig restriktiven Annahmen in den Modellen, das Nichtvorhandensein notwendiger Informationen – z.B. zur Nachfragefunktion – sowie der hohe analytische Aufwand (Meffert 2000, S. 512-527). Zusammenfassend werden in der betrieblichen Praxis häufig heuristische Verfahren zur Preisbestimmung eingesetzt, die sich z.B. an den eigenen Kosten oder an Wettbewerbspreisen orientieren. Da bei keinem dieser Verfahren jedoch gleichzeitig Nachfragefunktionen, Kostenfunktionen und Wettbewerbsreaktionen berücksichtigt werden, sind diese nur sehr beschränkt für die Bestimmung gewinnoptimaler Preise einsetzbar. Die nachfrageorientierte Preisbestimmung bietet die genaueste Möglichkeit, sich dem optimalen Preis zu nähern. Diese wird daher in der weiteren Arbeit zum Einsatz kommen.
3.2
Preismanagement in zweiseitigen Märkten
In diesem Abschnitt wird zunächst der Begriff der zweiseitigen Märkte definiert. Danach wird das Konzept der Netzwerkeffekte in diesem Zusammenhang erläutert und dann Studien auf dem Gebiet der Preisbestimmung in zweiseitigen Märkten mit Relevanz für die weitere Arbeit vorgestellt. 3.2.1
Definition und Abgrenzung
Ein zweiseitiger Markt wird nach Rochet/Tirole (2004a und 2004b) definiert durch die Existenz der folgenden Faktoren: 1. Das Vorhandensein einer oder mehrerer "Plattformen" (Produkte), welche die Interaktion von mindestens zwei verschiedenen Nutzergruppen ermöglichen und versuchen, jene für die Nutzung der Plattform zu gewinnen, 2. Das Wirken von Netzwerkeffekten, d.h. der Wert der Plattform für mindestens eine Nutzergruppe hängt von der Größe und Zusammensetzung der Nutzergruppe auf der anderen Seite ab, 3. Eine Preisstruktur, bei der häufig eine der beiden Marktseiten "subventioniert" und von der andere Seite ein Preisaufschlag abverlangt wird. Das bedeutet, die Allokation des Gesamtpreises auf die beiden Marktseiten ist nicht neutral und die Preise sind nicht zwingend an den Grenzkosten eines zusätzlichen Nutzers oder einem Preis-Mengen-Optimum einer Marktseite orientiert. Beispiele für Märkte bzw. Plattformen, auf welche die oben genannte Definition zutrifft, sind nach Wright (2004) der Markt für Kreditkarten (Nutzergruppen: Karteninhaber und Einzelhändler), Gelbe Seiten (Nutzergruppen: Nachfrager und Anbieter), Partnervermittlungsagenturen oder Nachtclubs (Nutzergruppen: Männer und Frauen), Hardware-Software Platt-
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formen (Nutzergruppen: Nutzer und Inhaltsanbieter), aber auch Medienmärkte wie Zeitschriften, Zeitungen, TV und Web-Portale (Nutzergruppen: Rezipienten und Inserenten). Zentral bei dem Konzept der zweiseitigen Märkte ist die Existenz von Netzwerkeffekten bzw. Netzwerkexternalitäten zwischen den Nutzergruppen der Plattform. Das Konzept der Externalität beschreibt in der Ökonomie eine Situation, bei der der Konsum einer Person den Nutzen einer anderen Person unmittelbar beeinflusst. Bei Netzwerkexternalitäten, als besondere Form davon, hängt der Nutzen einer Person von der Zahl der anderen Konsumenten ab (Varian 2004, S. 648-655). Netzwerkprodukte sind Produkte, deren Nutzen für den Einzelnen mit einer steigenden aggregierten Nutzerzahl des Netzwerks wächst (Katz/Shapiro 1985, S. 424). Im Gegensatz zu "normalen" Gütern (Singulärgütern) haben Netzwerkeffektgüter neben dem rein originären Produktnutzen einen zusätzlichen derivativen Nutzen, der Auswirkungen auf die Adoptionsentscheidung hat. Während der originäre Produktnutzen i.d.R. unabhängig von dem Verbreitungsgrad des Produktes ist, hängt der derivate Nutzen von der Anzahl der "BereitsNutzer"19 des Produktes ab.20 Die Netzwerkeffekte in einem Markt können spezifischer definiert werden nach der betroffenen Marktseite (direkt oder indirekter Netzwerkeffekt; Bei indirektem Effekt zusätzliche Unterscheidung in einseitig oder wechselseitig) und nach der Wirkungsweise (positiv oder negativ) (Clement 1999, S. 36-39). Bei direkten Netzwerkeffekten wird der Nutzen des Netzwerks für den Einzelnen durch die Anzahl der Nutzer eines Produktes auf derselben Seite eines Netzwerks bestimmt (engl.: "same side effects"; z.B. Faxgeräte).21 Indirekte Netzwerkeffekte (engl.: "cross-side effects") ergeben sich, wenn die Anzahl der Nutzer auf einer zweiten Marktseite den Nutzen für die Teilnehmer auf der ersten Marktseite beeinflusst (Eisenmann et al. 2006). Bei indirekten Netzwerkeffekten kann nochmals unterteilt werden in einseitige oder wechselseitige Abhängigkeiten.
19 In der Literatur wird in vielen Fällen die Existenz einer "installierten Basis" als notwendige Bedingung von Netzwerkeprodukten gesehen. In einem solchen Fall kann es sich also nur um dauerhaft verwendbare Produkte (Gebrauchsgüter) handeln (Köster 1998, S. 19). Aufbauend auf dem Konzept der installierten Basis werden dann Charakteristika von Netzwerkgütern diskutiert, z.B. zu den Erwartungen potenzieller Nutzer, der Herausbildung von Standards, der Kompatibilität oder der kritischen Masse (Yang 1997, S. 4). Da das Konzept der installierten Basis jedoch für die nachfolgenden Diskussionen zu Printmedien nicht relevant ist, wird auf eine weitergehende Diskussion verzichtet. 20 Daneben werden in der Literatur auch teilweise die Nachfrage- und Kostenabhängigkeiten komplementärer Produkte in die Definition der Netzwerkeffekte aufgenommen (Produktbeispiel: Rasierapparat und Rasierklingen). Da Nachfrageabhängigkeiten letztlich in nahezu allen Märkten präsent sind, würde diese Definition dazu führen, dass Netzwerkeffekte die Regel und nicht die Ausnahme bilden (Köster 1998, S. 9). In der vorliegenden Arbeit wird diese Definition explizit nicht berücksichtigt, da sie für den Printmedienmarkt keine Relevanz besitzt. 21 Eine Variante von Gütern mit direkten Netzwerkeffekten sind sogenannte Systemgüter (Clement 1999, S. 40 und 46). Bei Systemgütern stehen nicht einzelne Güter im Wettbewerb, sondern ein Bündel von komplementären und untereinander kompatiblen Gütern, welche in einem Verwendungszusammenhang stehen und von Kunden bei einer Kaufentscheidung gemeinsam berücksichtigt werden.
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Daneben können die Netzwerkeffekte positiv (engl.: "network externality") oder negativ (engl.: "congestion externality") sein. Negative Netzwerkeffekte entstehen, wenn die Existenz anderer Teilnehmer den Nutzen für den Einzelnen verringert. Beispiele dafür sind exklusive Luxusgüter oder eine Netzüberlastung im Telefonnetz. Zur Veranschaulichung werden nachfolgend vereinfachte Nutzenfunktionen bei positiven (links) sowie positive und negativen Netzwerkeffekten (rechts) grafisch dargestellt:
Abbildung 8: Auswirkungen von positiven und negativen Netzwerkeffekten auf die Nutzenfunktion22
Der linke Teil der Abbildung zeigt ein Produkt mit einem originären Produktnutzen, welcher auch in Abwesenheit von Netzwerkeffekten besteht. Der derivate Netzwerkeffekt-Nutzen steigt mit der Anzahl der Nutzer, wobei davon ausgegangen wird, dass nicht jeder zusätzliche Nutzer den gleichen Nutzenzuwachs stiftet. Der positive Grenznutzen eines zusätzlichen Nutzers ist positiv aber abnehmend, wie dies beispielsweise bei der Anzahl installierter Faxgeräte der Fall wäre. Der rechte Teil der Abbildung zeigt ein ähnliches Produkt, bei dem aber zusätzlich auch negative Netzwerkeffekte auftreten. Im Anfangsstadium nimmt der Nutzen über die Anzahl Nutzer zu, die positiven Netzwerkeffekte überwiegen die negativen Effekte. Nach Erreichen einer bestimmten Belastungsgrenze der gemeinsam genutzten Plattform überwiegen jedoch die negativen Netzwerkeffekte, so dass die Nutzenfunktion fällt. Als Beispiel kann ein Telefonnetz dienen, welches an seine Netz-Lastgrenze stößt.
22 In Anlehnung an Clement 1999, S. 37-39.
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3.2.2
Stand der Forschung
Im Folgenden werden Forschungsansätze auf dem Gebiet der Netzwerkeffekte bzw. zweiseitigen Märkte mit Relevanz für das Verständnis der Marktgegebenheiten im Zeitschriftensektor aufgeführt. Auf eine ausführliche Übersicht aller Forschungsansätze auf diesem Gebiet wird verzichtet, da solche in aktueller Form existieren.23 Wesentliche Erkenntnisse dieser Forschungsarbeiten sind die Hinweise, dass:
… die Nachfrageinteraktion bzw. Netzwerkeffekte für die Bestimmung optimaler Preise bedeutsam sind und dass dabei die preisliche Subventionierung einer Marktseite sinnvoll sein kann (Caillaud/Jullien 2001; Rochet/Tirole 2004a und 2004b; Eisenmann 2006).
… die Preisstruktur nicht die relativen Kosten reflektieren muss und der gewinnmaximale Preis einer Marktseite auch unterhalb der variablen Kosten liegen kann. Dabei muss dies nicht Ausdruck von Ineffizienzen oder Dumping-Preisen sein (Wright 2004).
… das die Frage, ob die Nutzer nur eine einzelne oder gleichzeitig mehrere Produktplattformen nutzen, relevant für die Preisbestimmung ist (Roson 2005).
… nicht nur die Anzahl der Nutzer, sondern auch deren Zusammensetzung den Netzwerkeffekt auslösen kann (Viecens 2006).
Die besondere Bedeutung von Preisstrukturen erkannten Caillaud/Jullien in ihrem Modell des unvollkommenen Wettbewerbs am Beispiel von Vermittlungsservices im Internet. Die Autoren schließen daraus, dass die Subventionierung einer der beiden Marktseiten sinnvoll sein kann (Caillaud/Jullien 2001). Eisenmann et al. untersuchen, welche Konzepte und strategische Optionen in zweiseitigen Märkten für Unternehmen bestehen (Eisenmann/Parker/van Alstyne 2006 und Eisenmann 2007). Die Autoren weisen darauf hin, dass die Existenz von Netzwerkeffekten die Zahlungsbereitschaft von Nutzern beeinflusse und zu "nachfragebedingten Skaleneffekten" führe. Anhand von Fallbeispielen werden Erfolgsfaktoren identifiziert, zu denen die Subventionierung der preissensitiveren Marktseite und die Ausnutzung von Monopoltendenzen zählt. Wright (2004) adressiert mögliche [wirtschaftspolitische] Fehler, wenn herkömmliche Erfahrungen auf zweiseitige Märkte übertragen werden. Dabei fokussiert er sich auf den Markt für
23 Für eine aktuelle und ausführliche Übersicht der Forschungen zu Netzwerkeffekten siehe Economics of Networks: URL: www.stern.nyu.edu/networks/site.html (Abruf: 20.02.2008, 14:35 Uhr); Zu empirischen Studien zu Marktstrukturen und Einflüssen auf Preise in Print-Medien und Anzeigenmärkten siehe Kohlschein 2006 S. 103; Literatur zu wechselseitig abhängigen Medienmärkten siehe Dewenter 2003, S. 22.
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Kreditkarten sowie den Markt für Nachtclubs und diskutiert u.a. die folgenden Besonderheiten hinsichtlich der Preisgestaltung in zweiseitigen Märkten:
Konventioneller Weise werde davon ausgegangen, dass die Preisstruktur die relativen Kosten einer Nutzergruppe widerspiegeln sollte. Eine effiziente Preisstruktur in zweiseitigen Märkten hingegen müsse auch Nachfrageinteraktionen einbeziehen.
Weiter werde konventionell davon ausgegangen, dass eine hohe Preis-Kosten-Marge auf Marktmacht und ein Preis unterhalb der variablen Kosten auf Dumping-Preise hindeuten. Auch diese Bewertung sei für einen zweiseitigen Markt nicht anwendbar, da die Nachfrageinteraktion unberücksichtigt bleibe und diese dafür sorgen könnte, dass ein Unternehmen dauerhaft profitabel unterhalb der variablen Kosten arbeiten könne.
Daneben werde in konventionellen Märkten davon ausgegangen, dass die Seite, die einen Preis unterhalb der variablen Kosten zahlen muss, von einer zweiten Marktseite "subventioniert" wird. Mit dieser Sichtweise werde jedoch ignoriert, dass der Wert der Plattform bzw. des Produktes für eine Nutzergruppe von der Anzahl der anderen Nutzergruppe abhänge. Erste Nutzergruppe stünde also nicht besser da, wenn der Preis für die andere Nutzergruppe erhöht und in Folge die Anzahl Nutzer abnehmen würde.
Herkömmlicherweise werde davon ausgegangen, dass zusätzlicher Wettbewerb zu effizienteren und ausbalancierteren Preisstukturen führen würde. Für den Fall der zweiseitigen Märkte jedoch sei dies unklar. Auch wenn die durchschnittliche Preishöhe sinken könnte, so sei nicht davon auszugehen, dass auch die Preisstruktur sich ändere.
Schließlich werde in konventioneller Weise davon ausgegangen, dass die Regulierung der Preise eines Anbieters zu einer Preisanpassung der Wettbewerber führen würde. Für zweiseitige Märkte hingegen sei nicht davon auszugehen, dass Wettbewerber von der optimalen Preisstruktur abweichen würden (Wright 2004).
Auch Roson (2005) nutzt den Markt für Kreditkarten als Beispiel für zweiseitige Märkte. In dem Modell können Nutzer entweder eine oder mehrere Plattformen bzw. Kreditkarten nutzen. Der jeweilige Anteil der Einfach- bzw. Mehrfachnutzer wird dabei nicht ex ante festgelegt, sondern modelliert. Die Nachfrage hängt von den Preisen und dem Verhalten der Teilnehmer auf der anderen Marktseite ab. Der Anteil der Nutzer, die eine oder mehrere Plattformen nutzen, hängt dabei von Kostenstruktur und Nutzen, der Heterogenität der Nutzer und der Intensität des Wettbewerbs ab. In einem Modell zum Preiswettbewerb von Plattformen stellt Viecens fest, dass Netzwerkeffekte nicht nur von der Anzahl Nutzer, sondern auch von der qualitativen Zusammensetzung der Nutzergruppe auf der jeweils anderen Marktseite abhängen. Die Heterogenität von Nut-
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zergruppen sieht Viecens als wichtigen Faktor, warum sich trotz starker Netzwerkeffekte in zweiseitigen Märkten nicht immer Monopole herausbilden (Viecens 2006). Zusammenfassend ermöglichen in zweiseitigen Märkten Plattformen die Interaktion mehrerer Nutzergruppen. Die Plattformbetreiber versuchen die Nutzergruppen unter Berücksichtigung von Preiselastizitäten und Netzwerkeffekten zur Nutzung der eigenen Plattform zu bewegen. Diese Netzwerkeffekte können positiv oder negativ wirken und auf nur einer Marktseite (direkt) oder Marktseitenübergreifend (indirekt) auftreten. Sie sind nicht zwingend allein von der Anzahl der Teilnehmer, sondern gegebenenfalls auch von deren Zusammensetzung, abhängig. Netzwerkeffekte können eine starke Auswirkung auf die optimale Preisstruktur haben und müssen daher bei der Bestimmung optimaler Preise berücksichtigt werden. Trotz der hohen Relevanz der impliziten Fragestellungen für den Markterfolg von Unternehmen in einer Vielzahl von Netzwerk-Industrien ist insbesondere die empirische Forschung auf diesem Gebiet bisher noch wenig ausgeprägt.
3.3
Preismanagement in Zeitschriftenmärkten
In diesem Teilabschnitt wird zunächst der Spezialfall der Zeitschriftenmärkte in das Umfeld der zweiseitigen Märkte eingeordnet. Anschließend wird der Stand der Forschung auf dem Gebiet des Preismanagements in Zeitungs- bzw. Zeitschriftenmärkten wiedergegeben. 3.3.1
Definition und Abgrenzung
Eine Zeitschrift bildet eine Plattform für die Interaktion von Rezipienten und Inserenten (vgl. 2.2). Den Rezipienten bietet die Zeitschrift einen konstanten originären Produktnutzen (den Inhalt). Die Nachfrage von Inserenten wird durch die Zahl und Zusammensetzung der Rezipienten, d.h. durch einen positiven, indirekten Netzwerkeffekt, beeinflusst. Somit haben Zeitschriftenmärkte die Merkmale von zweiseitigen Märkten. In der folgenden Abbildung werden mögliche Auswirkungen der indirekten Netzwerkeffekte auf den Nutzen von Rezipienten bzw. Inserenten für den Fall einer Finanzzeitschrift verdeutlicht.
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Abbildung 9: Beispielhafte Auswirkung von Netzwerkeffekten auf die Nutzenfunktion von Rezipienten und Inserenten einer Finanzzeitschrift
Auf Rezipienten-Marktseite (Abbildung links) kann hinsichtlich der Anzahl der Anzeigenseiten innerhalb der am Markt beobachtbaren Bandbreite von einer neutralen Wirkung auf die Nutzenfunktion eines Rezipienten ausgegangen werden (durchgezogene Linie). Rezipienten können die Anzeigenseiten schließlich überblättern. Eine Erhöhung der Anzeigenseiten zu Lasten des redaktionellen Teils könnte allerdings zu einem negativen Grenznutzen einer Anzeigenseite führen (untere gestrichelte Linie). Bei bestimmten Anzeigentypen, z.B. Branchenoder Rubrikanzeigen, könnte auch ein positiver Grenznutzen erwartet werden (obere gestrichelte Linie). Da Branchen- oder Rubrikanzeigen jedoch bei Finanzzeitschriften keine Rolle spielen, kann – bei stabilem Anzeigen-Redaktionsverhältnis – von einer neutralen Wirkung der Anzahl Anzeigen auf die Rezipientennachfrage ausgegangen werden. Auf Inserenten-Marktseite (Abbildung rechts) kann – unter Ausschluss einer möglichen Zielgruppenverwässerung mit zunehmender Rezipientenzahl – davon ausgegangen werden, dass jeder zusätzliche Rezipient einer Zeitschrift einen gleichbleibend positiven Grenznutzen aus Sicht der Inserenten aufweist (durchgezogenen Linie). Unter Berücksichtigung einschränkender Reichweitenziele, zunehmender Zielgruppen-verwässerung oder Budgetrestriktionen wären auch davon abweichende Grenznutzenverläufe denkbar (gestrichelte Linien). 3.3.1
Stand der Forschung
Bisherige Arbeiten im Bereich der Printmedien, welche sich mit Preismanagement unter Berücksichtigung der Zweiseitigkeit des Marktes beschäftigen, lassen sich nach ihrer Art in theoretische und empirische Arbeiten und nach ihrem Untersuchungsgegenstand (Zeitung oder Zeitschrift) unterscheiden. Im Folgenden werden zunächst die relevantesten theoretischen Ansätze und dann empirische Ansätze vorgestellt. Innerhalb dieser Abschnitte werden
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zunächst Arbeiten mit dem Untersuchungsobjekt Zeitung und dann diejenigen mit dem Untersuchungsobjekt Zeitschrift wiedergegeben. Für weitere Übersichten zu bisherigen Forschungsergebnissen wird auf die Darstellungen von Dewenter (2003b) und Kohlschein (2006) verwiesen. Theoretische Ansätze Erste theoretische Ansätze für die ökonomische Betrachtung von Printmedien wurden seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts gelegt. Die Medienökonomie hat sich unter dem Begriff der Anzeigen-Auflagen-Spirale mit Marktseiten-Interdependenzen beschäftigt. Das Modell der Anzeigen-Auflagen-Spirale leitet aus der Interdependenz von Anzeigengeschäft und Auflage einen multiplikativen Wettbewerbsprozess mit Monopoltendenz ab und geht auf die Erkenntnisse von Corden (1952), Furhoff (1973) und Gustafsson (1978) zurück. Corden (1952) untersuchte Faktoren, welche ein Verlag zur Gewinnmaximierung in Betracht ziehen sollte. Er stellte fest, dass Zeitungen in zwei Märkten tätig sind: Zum einen werden redaktionelle Inhalte an Rezipienten und zum anderen Aufmerksamkeit von Rezipienten an Inserenten übermittelt. Dabei bevorzugen die Inserenten eine möglichst große Anzahl an Rezipienten. Corden erkannte, dass die Auflage einer Zeitung ein verbindendes Element zwischen Rezipienten- und Anzeigenmarkt darstellt und vermutete, dass die Rezipientenseite durch die Inserentenseite subventioniert wird. Als Untersuchungsgegenstand wurde die Zeitung gewählt (Corden 1952). Furhoff (1973) legte dar, dass der Größere von zwei konkurrierenden Zeitungsanbietern aufgrund einer wechselseitigen Verstärkung zwischen Auflage und Anzeigen mehr und mehr Marktanteile gewinnt, was letztlich zu einem Monopol führen kann. Gustafsson (1978) argumentiert dagegen, dass die beschriebene Anzeigen-Auflagen-Spirale nicht notwendigerweise auftreten muss. Für das Entstehen einer solchen Spirale seien weitere Annahmen notwendig, z.B., dass die Marktveränderungen mit zeitlichen Verzögerungen auftreten und dass die Marktteilnehmer die Entwicklungen nicht vollständig prognostizieren können. Auch in jüngerer Zeit bleibt der Fall der Nachfrageabhängigkeit in Printmedienmärkten ein aktuelles Thema. Eine Übersicht zur Anzeigen-Auflagen-Spirale bietet Hass (2007). Danach sind bereits bei Nußberger (1961) alle wesentlichen Elemente der Anzeigen-Auflagen-Spirale berücksichtigt. In der deutschsprachigen Lehrbuchliteratur werde zumeist auf Kantzenbach/ Greiffenberg (1980) verwiesen (z.B. Wirtz 2001, S. 116 oder Heinrich 1994, S. 119-120). Auflagensteigerungen können demnach entweder durch endogene Maßnahmen (z.B. Preissenkung oder Qualitätsverbesserung) oder exogene Faktoren (z.B. veränderte Nachrichtenlage) hervorgerufen werden. Verändert der Verlag daraufhin die Anzeigenpreise nicht, so würde dies zu geringeren Tausend-Auflage-Preisen führen und dies wiederum zu
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einer höheren Anzeigennachfrage. Alternativ könnte der Verlag die Anzeigenpreise erhöhen und so den TAP stabil halten. In diesem Fall würde zwar die Anzeigennachfrage nicht zunehmen, jedoch würde der Verlag über höhere Deckungsbeiträge profitieren. Der Spiraleffekt kommt dann unter der Annahme zustande, dass ein erhöhter Gewinn eine erhöhte Auflage nach sich zieht, weil der Gewinn in eine verbesserte publizistische Qualität investiert werde. Dies wiederum führt zu einer erneut höheren Auflage. Hass bemängelt die mangelnde Diskussion des Konzepts: "Zumeist wird dieses Modell [der Anzeigen-Auflagen-Spirale] nur referiert, ohne den vermuteten Wirkungszusammenhang jedoch im Detail zu hinterfragen, empirische Überprüfungen fehlen" (Hass 2007, S. 70). Einen Fokus auf die Interdependenz von Rezipienten- und Inserentenmarkt legen einige Autoren in jüngerer Zeit, die sich kritisch mit dem Phänomen der Anzeigen-Auflage-Spirale auseinandersetzen. Die Ausführungen zu diesem Thema beziehen sich i.d.R. auf regionale Tageszeitungen und nicht auf Zeitschriften, könnten aber aufgrund der Ähnlichkeit der Geschäftsmodelle teilweise auch auf den Bereich der Zeitschriften übertragen werden. Zu den angesprochenen Autoren zählen Rott, Seufert, Hass und Dewenter. Rott weist auf restriktive Voraussetzungen in den bisherigen Modellen zur AnzeigenAuflagen-Spirale hin und bezweifelt die Allgemeingültigkeit der Annahmen hinter dem Modell. Des Weiteren bemängelt er, dass bestehende empirische Befunde zum Zusammenhang zwischen Werbemenge und Lesenutzen nicht ausreichend seien (Rott 2006). Auch Seufert kritisiert, dass der im Modell unterstellte Qualitätswettbewerb der Plattform Produkte sowie die systematische Bevorzugung des Marktführers durch Werbetreibende nicht zwingend sei. Er stellt fest, dass die Theorie der Anzeigen-Auflagen-Spirale mit der gegenwärtigen empirischen Datenlage nicht als allgemeingültig erklärt werden kann (Seufert 2006, S. 1). Hass sieht die gewinnsteigernde Wirkung der Spirale nicht nur durch höhere Anzeigenvolumina, sondern auch durch erhöhte Produktverkäufe und eine Fixkostendegression begründet (Hass 2006, S. 2 und S. 9). Dewenter kommt in seinen Untersuchungen zu diesem Thema zu dem Ergebnis, dass Anzeigen- und Einzelverkaufspreise umso geringer seien, je größer der relative Netzwerkeffekt im Markt ist (Dewenter 2006, S. 8). Modelle zur gewinnoptimalen Preisbestimmung von Verlagen Ein häufig zitiertes Modell, welches die Preisentscheidung unter Berücksichtigung von Nachfrageinterdependenzen am Beispiel von Zeitungsmonopolen untersucht, erarbeiteten Blair/ Romano. Sie gehen davon aus, dass die Rezipientennachfrage von dem Einzelverkaufspreis (negative Wirkung) und der Anzahl Anzeigen (positive Wirkung, da Branchenanzeigen) abhängt. Die Nachfragefunktion der Inserenten enthält den Anzeigenpreis (negative Wirkung) sowie die Anzahl Rezipienten bzw. die Auflage (positive Wirkung). Die Kosten schließlich
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werden als Funktion der Anzahl Rezipienten und Anzahl Inserenten gesehen (Blair/Romano 1992, S. 722-723). Dabei weisen die Autoren darauf hin, dass – bei bestimmten Preiselastizitäten und Nachfrageabhängigkeiten – der Gleichgewichtscopypreis für ein Zeitungsmonopol geringer als in einem "normalen" Monopol ausfallen und ggf. sogar unter den marginalen Kosten liegen kann (Blair/Romano 1992, S. 721). Zwei zentrale empirische Fragestellungen, welche aus den theoretischen Überlegungen resultieren, sind diejenigen nach der Elastizität der Nachfrage von Rezipienten sowie der Art und Höhe der Abhängigkeit der Inserentennachfrage von der Auflage (Blair/Romano 1992, S. 728). Sollte die Nachfrageabhängigkeit hoch und die Rezipientennachfrage Preiselastisch sein, so wäre ein starker Anreiz für den Zeitungsmonopolisten vorhanden, den Zeitungspreis unterhalb der variablen Kosten festzulegen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickelte unter anderem Chaudhri (1998) ein ähnliches Modell am Beispiel von Zeitungsmonopolen. Neuere Betrachtungen stammen von Gabszewicz et al. (2006), Kohlschein (2006) sowie Kaiser (2004). In dem Modell von Chaudhri (1998) hängt die Inserentennachfrage von der Auflage ab, aber nicht umgekehrt. Der Zeitungsmarkt wird auf Rezipientenseite als Monopol und auf Inserentenseite als Polypol gesehen. Chaudhri kommt für diesen Fall zu der Erkenntnis, dass die Preis-Kosten-Marge geringer als in einem "normalen" Monopol sei. Daneben zeigt er auf, dass selbst eine Zeitung mit Monopolstellung in beiden Märkten den Einzelverkaufspreis unterhalb der variablen Kosten halten würde – bei Preiselastizitäten, die beide absolut größer 1 sind, würde der Monopolist den Einzelverkaufspreis sogar auf 0 setzen. Gabszewicz et al. (2006) betrachten zwei Zeitungsunternehmen, die sowohl im Rezipientenals auch im Inserentenmarkt im Wettbewerb stehen. Die Autoren gehen davon aus, dass ein Teil der Rezipienten eine Präferenz für Anzeigen aufweist, während der übrige Teil der Rezipienten Anzeigen abgeneigt ist. Ein Marktgleichgewicht würde in diesem Fall von der Anzahl Teilnehmer beider Gruppen als auch von der Intensität der Präferenz bzw. Abneigung abhängen. Kohlschein (2006) untersucht den Fall eines Zeitungsmonopols. Der Zeitungsmonopolist ist dabei in mehreren verschiedenen Anzeigenmärkten aktiv. Eine Zeitung beinhaltet sowohl Imageanzeigen als auch Branchenanzeigen, welche wiederum einen unterschiedlichen Einfluss auf den Rezipientenmarkt aufweisen. Branchenanzeigen haben einen positiven Effekt auf die Nachfrage der Rezipienten, Imageanzeigen einen negativen Effekt. Das Zeitungsunternehmen muss Preiselastizitäten, Grenzkosten und wechselseitige Abhängigkeiten in den Teilmärkten berücksichtigen. Kohlschein schließt, dass es für den Verlag im Extremfall sogar
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lohnend sein kann, Rezipienten für die Nutzung der Zeitung zu bezahlen, um Inserenten von Branchenanzeigen zu gewinnen (Kohlschein 2006, S. 85/86). Kaiser (2004) nutzt Frauenzeitschriften in Deutschland als Untersuchungsgegenstand. Als Besonderheit werden in diesem Modell mehrere Rezipienten-Segmente berücksichtigt. Die Segmente werden indirekt über die Lesereigenschaften definiert. Dabei demonstriert Kaiser auch die empirische Anwendung des Modells anhand der Quartalsdaten der Zeitschriften. Empirische Ansätze Die empirische Ansätze im Bereich der Printmedien behandeln u.a. den Einfluss von Marktkonzentrationsgraden auf Marktpreise, Kaufentscheidungsfaktoren, Erklärungsfaktoren für Einzelverkaufspreise sowie die Interdependenzen von Inserenten- und Rezipientenmarkt. Die Betrachtungen sind zumeist auf die monopolistischen Marktgegebenheiten von Regionalzeitungen beschränkt und verwenden regressionsanalytische Methoden. Mehrere Autoren finden für Zeitungen einen positiven Zusammenhang zwischen Marktkonzentration und Anzeigenpreisen. Dazu zählen Stigler (1964), Landon (1971), Thompson (1984), und Dewenter/Kraft (2001). Letztere stellen den Zusammenhang aber lediglich bei dem Vergleich von monopolistischen mit oligopolistischen Märkten mit mehr als zwei Wettbewerbern fest. Bei dem Vergleich von monopolistischen Märkten und Duopolen dagegen sei kein signifikanter Unterschied der Preise festzustellen. Nicht bestätigt wurde der Zusammenhang in der Untersuchung von Reimer (1992). Er stellt sogar einen negativen Zusammenhang von Preisen und Markkonzentrationsgrad fest. Skaleneffekte in der Zeitungsbranche wurden empirisch von Rosse (1967) untersucht. Auch Dertouzos/Trautmann (1990) finden starke Hinweise auf die Existenz von Skaleneffekten im Zeitungsmarkt. Den Einfluss der Marktstellung regionaler Tageszeitungen auf die Anzeigenpreise einerseits und die Vertriebspreise andererseits untersuchten Nienstedt/Proner/Scherer (2008). In der Arbeit wurde mittels multipler linearer Regression die Wirkung von Determinanten auf den Anzeigenpreis bzw. den Vertriebspreis von Regionalzeitungen in zwei deutschen Bundesländern untersucht. Die Autoren gelangen zu dem Schluss, dass eine höhere Marktmacht im Vertriebsmarkt für höhere Vertriebspreise genutzt wird, während im Anzeigenmarkt mit hohen Marktanteilen eher niedrige Tausend-Auflage-Preise einhergehen. Die Begründung für dieses Verhalten der Verlage könne in einer vermuteten geringen Preiselastizität auf Vertriebsseite liegen, während auf dem Anzeigenmarkt wegen der intermedialen Konkurrenz eine höhere Preiselastizität vermutet werde. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Preissetzung auf beiden Märkten insgesamt stark von den Kosten geprägt zu sein scheine. Abschließend schlagen die Autoren als künftiges Forschungsfeld vor: "Notwendig zur empirischen Erhärtung von Thesen [zu den Einflussfaktoren auf die Preisgestaltung von Verlagen] ist ferner die Schätzung von Preis-Absatz-Funktionen auf beiden Märkten, um auch die Mengenwirkungen berücksichtigen zu können." (Nienstedt/Proner/Scherer 2008, S. 17).
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Die Bedeutung der Leserzusammensetzung unter den Kaufentscheidungsfaktoren von Inserenten wurde durch Reddaway (1963) betrachtet. Er untersuchte Zeitungen in Großbritannien und stellte fest, dass Qualitätszeitungen und Massenzeitungen co-existieren können. Die Wertigkeit der Rezipienten von Qualitätszeitungen ermöglicht höhere Anzeigenverkaufspreise, was das Überleben einer Zeitung trotz geringerer Vertriebserlöse und höheren Kosten ermöglicht. Aus diesen Überlegungen schließt der Autor, dass Produktdifferenzierung in Zeitungsmärkten zu monopolistischem Wettbewerb führt. Auch Thompson (1988 und 1989) kommt in seinen Untersuchungen zu Preisbereitschaften in Zeitungsmärkten zu der Erkenntnis, dass nicht nur die Anzahl Rezipienten, sondern vor allem die Zusammensetzung der Leserschaft die Anzeigennachfrage beeinflusst. Dabei ermittelt er, dass Inserenten von Markenanzeigen sensitiver auf Leserschaft-Charakteristika reagieren als solche von Branchen- bzw. Kleinanzeigen. Weitere Kauffaktoren von Inserenten hält Shaver (1995) in ihrer Betrachtung der Integration von Preistheorie in Untersuchungen vom Medienwettbewerb und Anzeigenpreisen fest. Anzeigenpreise seien beeinflusst durch die Höhe der Auflagen, die aktuelle Stärke der lokalen Wirtschaft, den wahrgenommenen Wettbewerb, die Kostendeckung, die Anzeigenkategorie, die Anzeigenposition, Farbigkeit sowie individuelle Kundenvereinbarungen (Shaver 1995, S. 50). Daneben stellt Shaver die These auf, dass der wahrgenommene Wert – nicht der objektive Preis – einer Anzeige der wichtigste Kauffaktor sei. Um diesen Faktor zu untersuchen, müsse eine "integrative" Herangehensweise unter Berücksichtigung der Zusammenhänge von Preisen, Qualität, Werten und Verhalten gewählt werden (Shaver 1995, S. 55). Nowak/Cameron/Krugman (1993) untersuchten Entscheidungskriterien für die Auswahl von Werbemedien durch lokal orientierte Inserenten. In einer Befragung nannten die Inserenten als Hauptgründe ihrer Medienwahl die Fähigkeit eines Mediums die Zielgruppe zu erreichen (27%), die Fähigkeit eine große Rezipientenzahl zu erreichen (19%), die Kosteneffektivität (12%) sowie weitere, weniger relevante Faktoren. In einem Abwägungsvergleich konnte gezeigt werden, dass Inserenten die Qualität der Rezipienten als deutlich wichtiger einstufen als deren Quantität. Aus Sicht von Verlagen betrachten Smith/Wiltse (2005) Einflussfaktoren auf die Festsetzung von Anzeigenpreisen in Zeitungsbeilagen. In ihrer Befragung von 117 nicht täglich erscheinenden Zeitungen in den USA wurde eine deutlich stärkere Innen- bzw. Wettbewerbsfokussierung anstelle einer Nachfrage- und Präferenzfokussierung bei der Preisgestaltung erkannt. So wurden die Kosten (38%), der Wettbewerb (24%) und die wahrgenommene Preisbereitschaft im Markt (12%) als die am häufigsten verwendeten Methoden genannt. Im Innenteil dagegen wurden die Preise Rendite-orientiert (34%), historisch (18%) oder orientiert an vergleichbaren Zeitungen (18%) festgelegt. Die hohe Bedeutung der Kosten für die Preisgestaltung von Verlagen wird durch die empirischen Untersuchungen von Nienstedt et al. (2008) am Beispiel von Regionalzeitungen in Deutschland tendenziell bestätigt.
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Preis- und Nachfragdeterminanten auf Rezipientenseite wurden im Zeitungssektor auch auf Basis regressionsanalytischer Betrachtungen geschätzt. In einer hedonischen Analyse von Zeitungspreis-Determinanten stellt Thompson (1988) einen positiven Effekt durch den Seitenumfang, die Seitengröße, einen nationalen Fokus, eine Sonntagsausgabe und einer farbigen Beilage fest. Negative Effekte werden einem größeren Anzeigenanteil und einer höheren Auflage zugeordnet. Als nicht signifikant wurde die Leserzusammensetzung (als Indikator für den Inhalt) diagnostiziert. Bei Markenanzeigen stellt Thompson eine höhere Sensitivität in Bezug auf die Leserzusammensetzung fest als bei Branchen- bzw. Kleinanzeigen. Thompson weist darauf hin, dass sich ein Teil der Preisabhängigkeiten auch ohne die Messung qualitativer Faktoren, also allein durch die physische Form bzw. den Seitenumfang des Produktes, erklären lassen: „Despite their obvious differentiation in product character, including content, style etc., newspapers’ pricing appears to depend to a surprising degree on the physical quantity of news on offer […] such as the number and size of pages” (Thompson 1988, S. 374). Die Preissensitivität von Rezipienten wird aufgrund des Differenzierungsgrades der Produkte von einigen Forschern als relativ gering eingeschätzt (Wirtz 2001, S. 161). Zu dieser Einschätzung kommen z.B. Abbring/van Ours (1994; Zeitungen). Auch in der Untersuchung von Lewis (1995; Zeitungen) wird die Preis-Variable als nicht signifikant für die Erklärung der Rezipientennachfrage gesehen. Allerdings mahnt Lewis, diese Erkenntnis nicht vorschnell zu generalisieren, sondern sieht konkrete Analysen des jeweiligen Marktes als notwendig an: „The extreme diversity of results produced […], however, suggests that circulators may be well advised to base pricing decisions on conditions within their own marketplaces rather than looking to any sweeping generalizations about the price and circulation relation.“ (Lewis 1995) Bucklin et al. (1989) schätzen die Elastizität der Anzeigennachfrage in Bezug auf die Anzeigenpreise (zwischen -0,71 für nationale Anzeigen und 1,509 für Einzelhandels- bzw. Lokalanzeigen) sowie in Bezug auf die Auflage (1,05 national und 1,54 lokal) (Bucklin et al. 1989, S. 639). Dertouzos/Trautmann (1990) schätzen die Preiselastizität der Anzeigennachfrage (-0,87) und die Elastizität inklusive der Nachfrageabhängigkeit vom Rezipientenmarkt (-1,08). Die Rezipientennachfrage dagegen wird als nicht signifikant vom Preis abhängig gesehen, jedoch wohl in Bezug auf die Anzeigen (Elastizität 0,27). Insgesamt ist die Kenntnis von Preiselastizitäten sowie der Stärke von Nachfrageabhängigkeiten ein zentraler Aspekt für Fragestellungen in der Medienökonomie und im Medienmanagement. Dies gilt z.B. für die wettbewerbspolitische Analyse von Medienmärkten oder auch für strategische Entscheidungen im Medienmanagement. Dewenter fasst die empirische Relevanz wie folgt zusammen:
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"Eine originäre Aufgabe der Medienökonomie muss es daher sein, mithilfe geeigneter statistischer Methoden diese Modellparameter [Preiselastizitäten und Netzwerkeffekte] für die jeweiligen Märkte zu ermitteln." (Dewenter 2006, S. 14) Die Frage, ob Rezipienten Anzeigen-affin oder -avers sind, ist von Bedeutung für die Ausprägung der Netzwerkeffekte und somit auch auf das Nachfrageverhalten in PrintmedienMärkten. Sonnac (2000) vermutet, dass diese Frage länder- und medienspezifisch zu beantworten ist. So seien Rezipienten in den USA eher Anzeigen-affin (Rosse 1980), während selbige in Europa eher Anzeigen-avers seien (Sonnac 2000, S. 250). Auch unterscheidet sich die Einstellung von Rezipienten gegenüber Anzeigen nach dem betrachteten Medium. Im Fernsehen scheinen Rezipienten Werbung vermeiden zu wollen, während Film- oder Radiowerbung als interessant gesehen wird. Bei Zeitungen und Zeitschriften ist das Verhältnis unklar. In Deutschland gaben 43% der Befragten an, Anzeigen in Zeitschriften zu vermeiden (Sonnac 2000, S. 251). Sonnac vermutet darüber hinaus, dass es hinsichtlich Anzeigen ein optimales Verhältnis anstelle eines linear stetig fallenden Zusammenhanges geben könnte. Darüber hinaus könnte die Affinität oder Aversität der Rezipienten auch von der Art der Anzeige abhängen. Im Vergleich zu Zeitungen fanden Zeitschriften als Untersuchungsobjekt empirischer Forschungen bisher wenig Beachtung. Möglicherweise ist dies auf das komplexere Marktumfeld zurückzuführen, welches als heterogen oligopolistisch zu bezeichnen ist. Ausnahmen bilden die Untersuchungen von Kalita/Ducoffe (1995), Koschat/Putsis (2000), Dewenter (2003a), Kaiser/Wright (2006) und Pietersma (2006). Die Ergebnisse dieser Arbeiten werden auch in Kapitel fünf zur Bestimmung der relevanten Determinanten der Nachfrage herangezogen. Kalita/Ducoffe (1995) untersuchten regressionsanalytisch Determinanten von Zeitschriftenpreisen, Auflagen und Anzeigenumsätzen führender Publikumszeitschriften in den USA. Zwischen dem Zeitschriftenpreis und einem hohen redaktionellen Umfang sowie einem hohen Einzelverkaufsanteil am Gesamtverkauf wurde ein positiver Zusammenhang festgestellt. Eine hohe Auflage dagegen stand in einem negativen Zusammenhang mit dem Einzelverkaufspreis. Der Anzeigenumsatz und die Eigenwerbekosten je Exemplar24 erwiesen sich ohne Einfluss. Auf die Auflage einer Zeitschrift wirken nach dieser Analyse ein hoher redaktioneller Umfang sowie die Eigenwerbekosten je Exemplar positiv. Der Preis und der Anteil der Leser mit hohem Einkommen dagegen hängen negativ mit der Höhe der Auflage zusammen. Der Anzeigenumsatz je Exemplar schließlich kann teilweise durch den Anteil der Leser mit hohem Einkommen und die Anzahl der Zeitschriften des jeweiligen Verlages erklärt werden. 24 Für diese Kennzahl wurden die geschätzten Werbeausgaben für eine Zeitschrift durch deren Gesamtauflage geteilt.
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Eine hohe Auflage dagegen stand in einem negativen Zusammenhang mit dem Anzeigenumsatz je Exemplar. Die Autoren konnten inhaltliche Determinanten der Nachfrage wie die wahrgenommene Qualität einer Zeitschrift nur über den redaktionellen Anteil schätzen, daher schließen sie: "[…] further research is necessary […] that more fully captures magazine quality from a consumer point of view. Ultimately it is the publication itself, its editorial content and its form that are the bases for consumer acceptance." (Kalita/Ducoffe 1995, S. 15). Die Wirkung von Rezipientenzahl und -zusammensetzung auf Anzeigenpreise betrachteten Koschat/Putsis (2000). Die Autoren erklären, dass 91% der Preisvariationen in der betrachteten Stichprobe durch die Rezipientenanzahl und -zusammensetzung erklärt werden können, während andere Faktoren vermutlich eine deutlich geringere Rolle spielen. Daneben wurde für junge Rezipienten (Alter 29-39 Jahre) und wohlhabende Rezipienten (>56 Tsd. $ Haushaltseinkommen) ein Aufschlag auf die Anzeigenpreise festgestellt. Dewenter (2003) nutzt Daten deutscher Zeitschriften für eine hedonische Preisanalyse. Seine Analyse ergibt sowohl für ein hohes Einkommen als auch für ein junges Alter der Rezipienten einen positiven Effekt auf die Anzeigenpreise. Auf die Zeitschriftenpreise übt der relative Anzeigenumfang einen negativen Effekt aus, während die absolute Menge an Anzeigen keine signifikanten Ergebnisse erkennen lässt. Abschließend stellt Dewenter fest, dass eine tiefergehende Analyse des Einflusses der Rezipientenzusammensetzung auf die Preisbereitschaft von Inserenten nur mit spezifischeren Daten möglich ist: „A more distinct analysis could lead to further insights in this [the impact of readership sociodemographics on advertising markets] respect. But this could only be carried out using disaggregated data on the basis of single consumers” (Dewenter 2003, S. 20). In einer Untersuchung eines unbalancierten Panels neun verschiedener Zeitschriften-Gruppen in Deutschland zwischen 1972 und 2003 erkennen Kaiser/Wright, dass eine erhöhte Leserzahl zu erhöhten Anzeigenpreisen und ein erhöhter Anzeigenbedarf zu geringeren Zeitschriftenpreisen führten. Die Anzeigenpreise steigen nach dieser Untersuchung mit einem höheren Anteil und Gesamtumfang des redaktionellen Teils, mit einem jüngeren Alter der Rezipienten und mit der Hochwertigkeit des Zeitschriftensegments. Als nicht signifikant erwiesen sich die Anzahl der Anzeigen und das Einkommen der Rezipienten. Auf die Rezipientennachfrage wirkten der redaktionelle Umfang sowie der Anzeigenanteil positiv, während Preiserhöhungen wie erwartet negativ wirken (Kaiser/Wright 2006). Pietersma betrachtete ein Panel aus 55 Zeitschriften im Südafrikanischen Markt in der Periode zwischen 2000 und 2003 mit dem Ziel, den Zusammenhang zwischen Anzeigenpreisen, Eigenschaften einer Zeitschrift und Leserzusammensetzung zu bestimmen. Als stärksten
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Indikator für Anzeigenpreise stellte der Autor erwartungsgemäß die verkaufte Auflage fest. Die Anzahl der Leser je Ausgabe dagegen war nur ein schwacher Indikator, d.h. die Anzeigenkunden schätzten den Wert eines Zweitlesers geringer ein als den Wert des kaufenden Lesers. Bei den Dimensionen (hohes) Haushaltseinkommen, (hoher) Bildungsstand und (junges) Alter stellt der Autor einen positiven wenn auch in seiner Höhe sehr variablen Einfluss fest. Auch eine wöchentliche, anstelle täglicher, Erscheinungshäufigkeit führte zu höheren Anzeigenpreisen – allerdings sei hier die Kausalität der Beziehung fragwürdig. Geschlecht und Hautfarbe der Rezipienten führten zu keinen signifikanten Auswirkungen. Eine abnehmende Erschwinglichkeit, d.h. ein erhöhter Zeitschriftenpreis, führte zu negativen Auswirkungen auf den Anzeigenpreis (Pietersma 2006, S. 1-14). Übergreifend kann festgehalten werden, dass einige der in der Literatur aufgeworfenen Determinanten von Nachfrage in Printmedienmärkten empirisch Bestätigung finden. Auf die Rezipientennachfrage wirken demnach ein hoher Umfang und ein niedriger Preis tendenziell positiv. Die Inserentennachfrage wird vor allem durch die Auflage und die Rezipientencharakteristika beeinflusst. Als Kritikpunkt bestehender Ansätze zur optimalen Preisgestaltung ist die fehlende Berücksichtigung von Rezipienten-Heterogenität – d.h. eine Unterscheidung in Abonnenten und Einzelkäufer – sowie die Vernachlässigung von Wettbewerbsaspekten anzusehen. Daneben ist bei den empirischen Arbeiten die Einseitigkeit der angewendeten Methoden, bei denen fast ausschließlich auf Regressionsanalytik zurückgegriffen wird, auffällig. Auch die Konzentration auf (monopolistische) Zeitungsmärkte und die Vernachlässigung von Zeitschriftenmärkten eröffnet eine Forschungslücke.
3.4
Zusammenfassende Betrachtung und Implikationen für diese Arbeit
In dieser Arbeit wurde sich dem Stand der Forschung im Preismanagement in Zeitschriftenmärkten über drei Schritte genähert. Zuerst wurden Erkenntnisse der klassischen Preistheorie und der Preisfestsetzung in der betrieblichen Praxis mit Relevanz für die eigene Arbeit aufgeführt (Abschnitt 3.1). Erweitert wurde die Betrachtung in Abschnitt 3.2 durch die Besonderheiten von Preismanagement in zweiseitigen Märkten. Dabei wurde auf die Ursprünge der Theorie der zweiseitigen Märkte in der Diskussion von Netzwerkeffekten hingewiesen. Schließlich folgte in Abschnitt 3.3 die Betrachtung von Erkenntnissen zur Preisbestimmung in einem speziellen zweiseitigen Markt, nämlich dem Printmedien- bzw. dem Zeitschriftenmarkt.
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Die folgende Abbildung zeigt zentrale Elemente, die vorgestellt wurden:
Abbildung 10: Theoretischer Hintergrund und Themenfokussierung
Die klassische Preistheorie in einseitigen Märkten zeichnet sich durch logisch stringentes Vorgehen aus. Bei der nachfrageorientierten Preisbestimmung werden sowohl Nachfrageveränderungen und mögliche Wettbewerbsreaktionen auf eigene Preisänderungen als auch die Kostenseite berücksichtigt. Allerdings führen restriktive Annahmen dazu, dass die Erkenntnisse nicht ohne weiteres auf den Finanz-Zeitschriftenmarkt übertragbar sind. Zweiseitige Märkte unterscheiden sich in einigen zentralen Punkten von den klassischerweise betrachteten Märkten. Hier müssen nicht nur die Preiselastizitäten unterschiedlicher Nutzergruppen, sondern gleichzeitig auch Netzwerkeffekte zwischen den Nutzergruppen betrachtet werden. Diese Netzwerkeffekte können zu positiven oder negativen Abhängigkeiten führen und treten marktseitenübergreifend (indirekt) auf. Sie können von der Anzahl der Teilnehmer oder gegebenenfalls auch von deren Zusammensetzung abhängig sein. Werbefinanzierte Märkte weisen Merkmale eines zweiseitigen Marktes auf. Die Interdependenz zwischen Rezipienten- und Anzeigenmarkt erfordert die simultane Berücksichtigung beider Marktseiten bei Unternehmensentscheidungen von Medienunternehmen. Diese Besonderheit lässt Medienunternehmen aus dem Rahmen der traditionellen Modelle mikroökonomischer Lehrbücher herausfallen.
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Zudem führt beispielsweise bei Zeitschriften die Verschiedenartigkeit der Verlags-Produkte dazu, dass sich die Verlage unterschiedlichen Nachfrage- und Kostenfunktionen gegenübersehen, welche zudem nicht allen Marktteilnehmern bekannt sind. Für die Bestimmung gewinnoptimaler Preise müssen daher sowohl produktindividuelle Preisresponsefunktionen unter Berücksichtigung von Wettbewerb und Netzwerkeffekten ermittelt als auch die Kostenfunktion einbezogen werden. Trotz der hohen Relevanz der Thematik für werbefinanzierte Medien lassen bisherige Arbeiten auf diesem Gebiet noch viele Fragestellungen offen:
Modelle zur Diskussion von gewinnoptimalen Preisen: Selten wird in bisherigen Arbeiten die einzelwirtschaftliche Perspektive eines Medienunternehmens bzw. Verlages eingenommen. Bisherige Modelle, mit denen Preisentscheidungen von gewinnmaximierenden Verlagen untersucht werden können, unterscheiden zudem nicht nach Rezipienten-Typen, also z.B. in Abonnenten und Einzelkäufer.
Empirische Erkenntnisse: Bestehende Arbeiten gehen häufig theoriegeleitet, teils auch rein deskriptiv vor. Empirische Befunde, insbesondere zu individuellen Kaufentscheidungsfaktoren und Preisbereitschaften, finden sich selten. Es wird mehrfach auf weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich der Determinanten von Preisen und Nachfrage – insbesondere bezüglich der Rolle von qualitativen und inhaltlichen Aspekten – hingewiesen. Bei den empirischen Arbeiten fällt zudem die einseitige Methodenwahl auf.
Untersuchungsgegenstand: Als Untersuchungsgegenstand dienen den meisten Untersuchungen Zeitungen in monopolistischen Marktumgebungen – Wettbewerbsaspekte werden vernachlässigt. Geographischer Schwerpunkt vieler Studien ist die USA. Zeitschriften dagegen wurden als Untersuchungsobjekt bisher – speziell auch mit Blick auf empirische Erkenntnisse – unverhältnismäßig stark vernachlässigt.
Heterogenität der Präferenzen: In bestehenden Arbeiten wird i.d.R. von einem homogenen Verhalten der jeweiligen Nutzergruppen ausgegangen. Segmentspezifische Betrachtungen von Preisbereitschaften einzelner Nutzergruppen einer Zeitschrift wurden noch nicht vorgenommen.
Die Aussage von Bleis (1996), dass die Forschung diesem Bedarf bisher nicht ausreichend nachgekommen ist, behält daher im Wesentlichen weiterhin Gültigkeit: „Ein großes Manko ist die Tatsache, dass sämtliche Arbeiten, die sich auf ökonomische Aspekte der Zeitschrift beziehen, theoretischer Natur sind. Da sich die empirische betriebswirtschaftliche Forschung bislang weder um den Gesamtbereich Zeitschrift noch um den Erfolg oder die erfolgsbeeinflussenden Größen neuer Zeitschriften bemüht hat, wird hier ein eindeutiger Forschungsbedarf gesehen.“ (Bleis 1996, S. 15).
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In der folgenden Abbildung wird die eigene Untersuchung in drei Dimensionen eingeordnet, um so die bearbeitete Forschungslücke zu verdeutlichen. Die Achsen beschreiben das Untersuchungsobjekt (y-Achse), die betrachtete Datenbasis (x-Achse) sowie die Besonderheit des Gewinnoptimierungsmodells (z-Achse).
Abbildung 11: Einordnung der eigenen Untersuchung
In dieser Logik gibt es bestehende Arbeiten, die sich – vom Allgemeinen zum Speziellen – mit Preis- und Nachfragedeterminanten in zweiseitigen Märkten, in Zeitungsmärkten und in Zeitschriftenmärkten befassen. Die verwendeten Modelle berücksichtigen im einfachsten Fall keine Nachfrageabhängigkeiten (ohne Feedbackeffekt). Andere Modelle berücksichtigen Netzwerkeffekte zwischen Rezipienten- und Inserentenmarkt (mit Feedbackeffekt). Kein Modell berücksichtigt Netzwerkeffekte und unterscheidet die Nutzergruppen in Rezipienten und Abonnenten. Schließlich beschränken sich einige Arbeiten auf eine theoretische Betrachtung des Untersuchungsgegenstands, andere verwenden historische Sekundärdaten. Wenige empirische Arbeiten erheben eigene Daten zur Untersuchung der Fragestellung nach gewinnoptimalen Preisen. Beispielhaft seien die Arbeiten von Blair/Romano (1992), Kohlschein (2006) und Kaiser/Wright (2006) genannt. Erstere betrachten die Fragestellung von gewinnoptimalen Preisen am Beispiel von Zeitungen, nutzen ein Modell mit Feedbackeffekt und je einer Nutzergruppe auf beiden Marktseiten. Kohlschein betrachtet ebenfalls Zeitungen, berücksichtigt in seinem Modell Feedbackeffekte sowie auf Inserentenseite zwei Anzeigentypen. Kaiser/Wright stellen
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ein Modell zur Analyse eines Zeitschriftenmarktes unter Berücksichtigung von Feedbackeffekte auf. Die eigene Arbeit hebt sich in allen drei Dimensionen von bisherigen Arbeiten ab. Als Untersuchungsobjekt dient ein bisher noch wenig untersuchter Zeitschriftenmarkt, es wird ein Modell zur Gewinnoptimierung unter Beachtung von Feedbackeffekten und verschiedener Nutzergruppen aufgestellt. Die Untersuchung stützt sich auf eine eigene Datenerhebung.
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Stand der Forschung zu Erhebungsmethoden von Preisbereitschaften
"Die Schwierigkeiten von Preisentscheidungen haben ihre Ursache in erster Linie in mangelnder Kenntnis, Messbarkeit und Stabilität der vielen möglichen Verhaltensbeziehungen." (Simon 1992, S. 32) Im vorangegangen Kapitel wurde auf die Forschungslücke bei der Bestimmung von Preisbereitschaften bzw. Preisresponsefunktionen von Rezipienten und Inserenten im Bereich von Zeitschriften hingewiesen. Preisresponsefunktionen dienen aus der Marketing-Perspektive dazu, möglichst valide Einschätzungen über Wirkung und Erfolg preispolitischer Maßnahmen zu treffen. Diese Perspektive wird in der vorliegenden Arbeit eingenommen. Daneben dient das Modell der Preisresponsefunktion aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht auch der Analyse der dieser Funktion zugrunde liegenden individuellen Preiswahrnehmungsprozesse und Preisbewertungsprozesse (Balderjahn 1994, S. 12). Ziel des folgenden Kapitels ist es, Erhebungsmethoden von Preisbereitschaften vorzustellen und zu bewerten und dann die für den angesprochenen Fall zweckmäßige Methodik auszuwählen. Zunächst wird eine Methodenübersicht zur Erhebung von Preisbereitschaften vorgestellt. Gleichzeitig erfolgt eine kurze Bewertung der Methoden. Anschließend wird die für diese Arbeit ausgewählte Methode – die Conjoint-Analyse – detaillierter betrachtet.
4.1
Methoden zur Messung von Preisbereitschaften im Allgemeinen
Unter Berücksichtigung des eingangs eingeführten Primärziels einer Unternehmung, den eigenen Gewinn zu maximieren, dient die Bestimmung von Preisresponsefunktionen der gewinnoptimalen Ausnutzung von Preisbereitschaften. Die Preisbereitschaft lässt sich als jener Preis auffassen, den ein Nachfrager gerade noch bereit ist, für die Zeitschrift bzw. die Anzeige zu zahlen, bevor er eine andere oder gar keine Zeitschrift kauft bzw. bevor er in einer anderen oder in gar keiner Zeitschrift inseriert (Adam/Herrmann/Huber/Wricke 2002, S. 765). Keines der bestehenden Verfahren zur Bestimmung von Preisbereitschaften bzw. Preisresponsefunktionen wird in der Literatur gegenüber den anderen Verfahren als grundsätzlich überlegen gesehen. Stattdessen ist jedes Verfahren mit spezifischen Vor- und Nachteilen verbunden. Aus diesem Grund werden in diesem Abschnitt die wichtigsten Verfahren in knapper
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Form vorgestellt und einer kurzen Bewertung auf Basis der existierenden Literatur unterzogen.25 Ziel dieses Abschnitts ist es, das für diese Untersuchung geeignete Verfahren zu identifizieren. Zur Beurteilung der Eignung eines Verfahrens sollen die Kriterien Reliabilität, Validität, Praktikabilität und Anwendbarkeit auf den konkreten Untersuchungsgegenstand berücksichtigt werden. Bei der Methodenwahl ist auch die Bedeutung von Netzwerkeffekten in Zeitschriftenmärkten zu beachten. Die Messung von Netzwerkeffekten wird als problematisch gesehen, da Netzwerkeffekte sich der direkten Beobachtbarkeit häufig entziehen (Clement 1999, S. 111). Zudem sei die Zuordnung der Nutzenkomponenten in einen originären und derivaten Teil schwierig.26 Die Verfahren zur Bestimmung von Preisbereitschaften werden in der Literatur nach der Art der Erhebung, der Art der Daten oder nach dem Aggregationsniveau gruppiert. Nach der Art der Erhebung werden die in der quantitativen Sozialforschung bewährten Verfahren der Datenerhebung aufgeführt (Diller 2008, S. 175). Dazu zählen Beobachtungen (z.B. ökonometrische Preisreaktionsfunktionen basierend auf Scannerkassen-Daten), Befragungen (z.B. Direkte Befragungen von Abnehmern oder Experten sowie Auktionen oder ConjointAnalysen) und Experimente. Daneben können die Methoden auch nach der Art der Daten unterschieden werden (Skiera 1999, S. 160). Zum einen gibt es Nutzungsdaten (historische Marktdaten und Experimente) und Nutzungsangebote (Auktionen). Zum anderen gibt es Präferenzdaten (direkte Kundenbefragungen, Conjoint-Analyse, Expertenbefragungen). Schließlich wird nach dem Aggregationsniveau der Preisbereitschaften unterschieden (Balderjahn 2003, S. 387-403). Preisbereitschaften auf gruppenspezifischem Niveau können aus Kauf- und Entscheidungsdaten unter Verwendung von historischen Marktdaten oder der diskreten Entscheidungsanalyse abgeleitet werden. Auf individueller Ebene können Preisbereitschaften durch die direkte Befragung von Konsumenten, Auktionen und die ConjointAnalyse ermittelt werden. Alle drei Arten der Gruppierung sind aus Sicht des Autors für den Zweck einer vollständigen Diskussion der zur Verfügung stehenden Verfahren gleichwertig. Im nachfolgenden Abschnitt 25 Für eine ausführlichere Darstellung der Verfahren siehe z.B. Diller 2008 S. 175-205 oder Simon 1992, S. 109-137 26 Ein Beispiel der theoretischen und empirischen Analyse von Preisbereitschaften unter Berücksichtigung von Netzwerkeffekten bietet die Arbeit "Analyse und Prognose der Nutzung des Interaktiven Fernsehens" (Clement 1999). Darin wurden Szenarien verwendet, um Netzwerkeffekte für Angebote des interaktiven Fernsehens zu messen. Die Messung der Preisbereitschaft erfolgt mit einer direkten Befragung sowie einer rangreihenbasierten Conjoint-Analyse. Ziel der Arbeit war allerdings nicht, die Ableitung gewinnoptimaler Preise, sondern Aussagen zu Preisstrategien treffen zu können.
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wird die Gruppierungsform von Balderjahn (Aggregationsniveau der Preisbereitschaften) gewählt. 4.1.1
Ableiten von Preisbereitschaften auf gruppenspezifischem Niveau
Zu den Methoden zur Erfassung aggregierter Preisbereitschaften zählt die Analyse von historischen Marktdaten, d.h. die Verwendung von Nutzungsdaten ohne systematische Variation, und die diskrete Entscheidungsanalyse, d.h. die Verwendung von Entscheidungsdaten mit systematischer Variation. Auf Basis von historischen Marktdaten können mittels Regressionsanalytik Preisresponsefunktionen ermittelt werden (Simon, 1995, S. 50 ff.). Vorteil der Analyse von Marktdaten ist die Tatsache, dass es sich um reale Kaufdaten handelt sowie ein verhältnismäßig geringer Analyse-Aufwand besteht. Dies ist auch ein Grund für die große Beliebtheit der Methode in der Wissenschaft: „Die Regression auf Basis von Markdaten ist das mit Abstand populärste Verfahren. Die Dominanz dieser Methode in der Literatur entspricht jedoch nicht ihrer Bedeutung für die Praxis. Hier spielen die Kundenbefragung in Form des Conjoint Measurement und die Expertenschätzung eine wesentlich größere Rolle.“ (Simon 1992, S. 131) Da bei der Nutzung von historischen Marktdaten keine individuellen Kaufentscheidungen, sondern aggregierte Absatzzahlen und Reaktionen auf feste, vorgegebene Preise gemessen werden, lässt die Analyse von Marktdaten keine exakte Messung von Preisbereitschaften zu. Aus der Reaktion auf feste Preise kann lediglich gefolgert werden, dass die individuelle Preisbereitschaft der Käufer höher war als der geforderte Marktpreis – nicht jedoch wie hoch die tatsächliche Zahlungsbereitschaft gewesen wäre (Balderjahn 2003). Kaufdaten ermöglichen kaum einen Rückschluss auf die Präferenzstruktur einer Auskunftsperson, da es sich für jeden Proband nur um eine einzelne Entscheidung zu vordefinierten Produkt-Paketen handelt. Auch kann nur die Zahlungsbereitschaft der Nutzer ermittelt werden – die Zahlungsbereitschaft der Nicht-Nutzer bleibt unklar (Clement 1999, S. 133). Zudem können die Präferenzen von Probanden bei realen Entscheidungen mit weiteren Faktoren wie der Bewerbung oder Verfügbarkeit eines Produktes konfundiert sein (Heidbrink 2006, S. 15). Schließlich muss gewährleistet sein, dass es zu einer – wenn auch nicht systematischen – Variation der Preise kommt. Im Markt für Finanzzeitschriften ist weder für den Zeitschriftenpreis noch für die Anzeigenpreise eine ausreichende Variation der Preise gegeben. Aus diesen Gründen ist dieses Verfahren für die eigene Analyse ungeeignet. Eine systematische Variation von Produktmerkmalen ermöglicht die diskrete Entscheidungsanalyse. Bei diesem Ansatz wählen Probanden aus Alternativen Produkt-Sets, wobei die in
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den Produktbeschreibungen enthaltenen Preisangaben zwischen den Probanden variieren. Hier wird davon ausgegangen, dass Präferenzen latent sind und nur indirekt über das Entscheidungs- bzw. Kaufverhalten von realen Alternativen messbar sind. Ein Nachteil der Methode besteht darin, dass die Auswahlszenarien mit nur wenigen Produktmerkmalen beschränkt sind (Skiera/Revenstorff 1999, S. 224). Daneben bilden im Ergebnis individuelle Entscheidungen die Basis der Analyse. Da aber angenommen wird, dass sich die Probanden nur hinsichtlich eines Zufallseinflusses in ihrer Preisbewertung unterscheiden, können auch nur für Gruppen, nicht für Segmente, gültige Preisbereitschaften ermittelt werden (Balderjahn, 2003, S. 399-401). Damit ist die diskrete Entscheidungsanalyse eher für Untersuchungen geeignet, bei denen von einer hohen Homogenität der Befragten auszugehen ist. Dies ist für den Zeitschriftenmarkt aufgrund der inhaltlichen Produktdifferenzierungen nicht zu vermuten, was die Methode als wenig geeignet erscheinen lässt. 4.1.2
Messung von Preisbereitschaften auf individueller Ebene
Auf individueller Ebene können Preisbereitschaften mittels Konsumenten-Befragung, Auktionen oder der Conjoint-Analyse ermittelt werden. Für Innovationen gilt auch die Befragung von Experten als probates Mittel. Die direkte Befragung von Konsumenten ist eines der am weitesten verbreiteten Verfahren zur Bestimmung von Preisbereitschaften. Vorteile dieser Methode sind die einfache Durchführbarkeit und die geringen Restriktionen hinsichtlich der Anzahl abgefragter Eigenschaften. Dennoch wird die direkte Befragung in der Literatur kritisch gesehen. Dabei wird u.a. die geringe Realitätsnähe, die Überbewertung unwichtiger Nutzendimensionen, die Annahme der Beurteilungsunabhängigkeit der Nutzendimensionen und eine künstliche Preissensibilität bemängelt (Hillig 2006, S. 34). Die Nachteile der direkten Befragung lassen eine geringere Validität gerade bei der Ermittlung von Preisresponsefunktionen vermuten, weshalb die direkte Befragung auch für diese Arbeit ungeeignet scheint. "Trotz Unterschieden im Detail kommen die meisten konzeptionellen Arbeiten zu dem Ergebnis, dass von der direkten Preisabfrage aus Validitätsgründen abzuraten ist." (Backhaus et al. 2005) Auktionen gewinnen durch die mit der Verbreitung des Internets verbundene Senkung der vormals beträchtlichen Transaktionskosten eine höhere Aufmerksamkeit. In der Literatur jedoch wird kritisiert, dass Auktionen nicht realen Kaufsituationen entsprechen, da Bieter im Wettbewerb um ein knappes Gut stehen. Trotz grundsätzlicher Eignung des Verfahrens für die Bestimmung von Preisbereitschaften soll es in dieser Untersuchung aufgrund der Realitätsferne der Kaufsituation für die Käufer einer Zeitschrift nicht verwendet werden.
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Die Conjoint-Analyse (CONsidered JOINTly) ist ein insbesondere in der Marketingforschung weit verbreitetes Verfahren zur Messung und Analyse von Präferenzen. Eine Präferenz stellt "einen eindimensionalen Indikator zur Erklärung von Kaufentscheidungen dar und bringt das Ausmaß der subjektiven Vorziehenswürdigkeit eines Beurteilungsobjekts für eine bestimmte Person während eines bestimmten Zeitraums zum Ausdruck" (Sattler 2006, S. 1-2). Die Anfänge der Conjoint-Analyse gehen auf Arbeiten von Luce und Tukey (1964) im Gebiet der mathematischen Psychologie zurück. Mittlerweile zählt die Conjoint-Analyse zu den bekanntesten und meistgenutzten Instrumenten zur Messung von Konsumentenpräferenzen. Als Grund wird die vermutete höhere Validität gegenüber z.B. der direkten Befragung angeführt (Backhaus et al. 2003, S. 600). Der zentrale Vorteil der Conjoint-Analyse besteht darin, dass die Auskunftsperson vor eine natürliche Bewertungsaufgabe gestellt wird, indem verschiedene Produkte ganzheitlich verglichen und bewertet werden. Dabei ist der Preis nur eines von mehreren Produktmerkmalen, die der Proband bewertet. Dadurch wird ein erhöhtes Preisbewusstsein vermieden und die Validität der Ergebnisse verbessert. Weitere Vorteile der Conjoint-Analyse sind die Möglichkeit, für jeden einzelnen Probanden ein eigenes Modell seiner Nutzenstruktur zu ermitteln, die Berücksichtigung von Wettbewerb sowie die Brauchbarkeit für die Messung von Netzwerkeffekten: "Network effects are best measured through conjoint analysis, a market research technique in wide use since the early 1970s for designing and pricing new products" (Eisenmann 2007, S. 6) Die Grenzen der Conjoint-Analyse liegen unter anderem in dem hohen Aufwand für die Sammlung und Analyse der Daten sowie der Abhängigkeit der Güte der Ergebnisse von der Auswahl der Attribute und Ausprägungen. Zusätzlich bilden Conjoint-Analysen lediglich Präferenzstrukturen ab, welche nicht zwingend direkt in Kaufentscheidungen transformiert werden können (Hillig 2006, S. 59). Insgesamt scheint die Conjoint-Analyse für die Betrachtung von Preisbereitschaften im Markt für Finanzzeitschriften aufgrund der genannten Vorteile besonders gut geeignet. Sie wird für die eigene Untersuchung eingesetzt und im nachfolgenden Abschnitt detaillierter beschrieben.
4.2
Erhebung von Preisbereitschaften im Speziellen: Die Conjoint-Analyse "Die wohl wichtigsten Neuentwicklungen [in der Preismanagement-Forschung] gab es bei den Messmethoden. So bildet Conjoint Measurement einen sehr großen Fortschritt. Zum ersten Mal gelingt mit dieser Technik eine valide Messung des Nutzens von Produkt- und Imagemerkmalen in Preiseinheiten" (Simon 1992, S. 24).
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Dieser Abschnitt beginnt mit einer einleitenden Begriffsbestimmung der Conjoint-Analyse. Anschließend werden die Verfahrensvarianten und Einsatzgebiete der Conjoint-Analyse vorgestellt und verglichen, um so schließlich die für die eigene Arbeit geeignete Variante zu identifizieren. Anschließend wird der allgemeine Ablauf einer Conjoint-Analyse von der Festlegung des Analysedesigns über die Schätzung der Präferenzen bis zu der darauf basierenden Bestimmung der Preisresponsefunktion beschrieben. Schließlich werden die Conjoint-bezogenen Gütekriterien aufgeführt und die Erkenntnisse zusammengefasst. 4.2.1
Begriffsbestimmung und Definitionen
Die Conjoint-Analyse ist ein experimentelles Verfahren, bei dem die Probanden im Rahmen einer Produktbewertung implizit vor Abwägungsprozesse bezüglich der verschiedenen Eigenschaftsausprägungen des Produktes gestellt werden, zwischen denen ein kompensatorisches Verhältnis besteht. Damit ist die Analyse eine dekompositionelle Methode, d.h. es wird zunächst der Gesamtnutzen eines Produkts gemessen, der anschließend mit Hilfe statistischer Verfahren in Teilnutzen dekomponiert wird. Bei direkten Befragungen hingegen werden die Teilnutzen direkt ermittelt und anschließend zu einem Gesamtnutzen komponiert (kompositionelle Methode) (Sattler 2006, S. 156; Hartmann 2004, S. 2 f.). Als Ergebnis werden Präferenzen der Probanden ermittelt, die ein Ausmaß der Vorziehenswürdigkeit eines Produktes bzw. der Kaufbereitschaft darstellen. Die Präferenz kann in den Kaufentscheidungsprozess wie folgt eingeordnet werden: Stimuli
Preis
Wahrnehmung (Psyche)
Wahrgenommener Preis Erwarteter Nettonutzen, Präferenz, Kaufwahrscheinlichkeit
Tatsächliche Produkteigenschaften
Response
Kaufhandlung
Wahrgenommene Produktleistung
Abbildung 12: Einordnung der Präferenz in den Kaufentscheidungsprozess (stark vereinfacht, in Anlehnung an Hillig 2006)
Dabei wirken, wie im obigen Schaubild dargestellt, der wahrgenommene Preis und die wahrgenommene Produktleistung auf den erwarteten Nettonutzen bzw. Präferenz eines
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potenziellen Käufers ein. Werden andere, z.B. situative, Kaufentscheidungsfaktoren außer Acht gelassen, so folgt diesem Prozess eine der Präferenz entsprechende Kaufhandlung. Anwendungsfelder der Conjoint-Analyse sind u.a. die Neuproduktgestaltung, die Preispolitik und die Marktsegmentierung (Gustaffson/Herrmann/Huber 2003, S. 6-7). Die Methode wird dann als besonders nützlich angesehen, wenn die Entscheidungsträger einen guten Kenntnisstand über die Produkte haben und ein Mindestmaß an Produktinteresse aufweisen sowie die präferenzdeterminierenden Eigenschaften a priori bekannt sind (Sattler 2006, S. 166). Bei der Diskussion verschiedener Varianten der Conjoint-Analyse werden Begrifflichkeiten mit spezifischen Bedeutungen verwendet. Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Abschnitte werden die Begriffe an dieser Stelle erläutert bzw. festgelegt (für eine detaillierte Beschreibung siehe Heidbrink 2006). Objekt: Der Beurteilungsgegenstand, auf den sich eine Präferenz bezieht. Der Begriff "Produkt" wird in dieser Arbeit als Synonym verwendet. Eigenschaft: Eine entscheidungsrelevante Eigenschaft eines Objektes. Ein Beispiel hierfür könnte die Farbe eines Objektes sein. Aus Gründen der Effizienz des Untersuchungsdesigns sollten nur entscheidungsrelevante Eigenschaften in die Messung eingehen (Synonym: Merkmal) Ausprägung: Die diskrete Unterteilung der Eigenschaften in mehrere Dimensionen ergibt die Ausprägungen. Ein Beispiel für die Eigenschaft "Farbe" wäre die Unterteilung in Rot, Gelb, usw. Ausprägungen müssen nicht gleichabständig und können auch qualitativ sein (z.B. gering, mittel, hoch). Wahlaufgabe: Auswahl aus einer begrenzten Anzahl an Alternativen. Synonym wird der Begriff "Szenario" verwendet. Nutzen: Subjektiver Wert, welchen der Proband einer Ausprägung, einer Eigenschaft oder einem Objekt zuschreibt. In Bezug auf ein Objekt spricht man von Gesamtnutzen, in Bezug auf eine Eigenschaft von Teilnutzen. Nutzenfunktion: Legt fest, auf welche Weise einer Ausprägung ein Teilnutzenwert zugeordnet wird. Die übliche Nutzenfunktion ist das Teilnutzenmodell, bei dem jede Ausprägung einen beliebigen Wert annehmen kann. Alternativ kann z.B. eine lineare oder logarithmische Funktion unterstellt werden. Verknüpfungsfunktion: Stellt mathematisch dar, nach welcher Entscheidungsregel ein Proband bei seiner Beurteilung vorgeht. Üblich ist eine summarische Zusammenfassung der Teilnutzenwerte zu einem Gesamtnutzen für das Objekt. Dabei kann eine ungewünschte Ausprägung eines Attributs durch die gewünschte Ausprägung eines anderen Attributes kompensiert wer-
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den. Besonders bei komplexeren Entscheidungssituationen ist aber auch die Existenz von Mindestanforderungen an einzelne oder an alle Attribute denkbar. Präferenzen: Für einen gewissen Zeitraum stabile, relative Bewertung bzw. Einstellung zu einem Objekt gegenüber mehreren andere Objekten. Ob ein den Präferenzen entsprechendes Entscheidungsverhalten tatsächlich auftritt, hängt von situativen Rahmenbedingungen der Entscheidungssituation ab. Es wird jedoch angenommen, dass die Präferenz einen guten Prädiktor für das Kaufverhalten darstellt. Auf eine detaillierte Betrachtung der Präferenz als hypothetisches Konstrukt zur Prognose realen Kaufverhaltens wird hier verzichtet, da eine solche in aktuellen Arbeiten bereits ausführlich durchgeführt wurde (z.B. Brzoska 2003). 4.2.2
Ablauf einer Conjoint-Analyse
In diesem Teilabschnitt wird der Ablauf einer Conjoint-Analyse im Allgemeinen erläutert. Die Durchführung einer Conjoint-Studie erfolgt in fünf Schritten (für weitere Ablaufbeschreibungen siehe Hermelbracht 2006, S. 58 oder Hillig 2006, S. 39): Zunächst wird die Conjoint-Verfahrensvariante gewählt. Dann werden Auskunftspersonen und Auswahloptionen festgelegt. Es folgt die Erstellung des Untersuchungsdesigns. Anschließend wird die Befragung durchgeführt und die Nutzwerte bzw. Präferenzen ermittelt. Schließlich können die Daten auf verschiedene Weise interpretiert werden. Diese fünf Ablaufschritte werden in der folgenden Abbildung visualisiert.
Abbildung 13: Ablauf einer Conjoint-Analyse
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In der oben dargestellten Abfolge wird der allgemeine Ablauf einer Conjoint-Studie dargestellt, dessen Bestandteile in den folgenden Teilabschnitten erläutert werden. 4.2.2.1
Bestimmung der Conjoint-Verfahrensvariante
Bei der Conjoint-Analyse handelt es sich nicht um ein einziges, geschlossenes Verfahren, sondern um eine Ansammlung ähnlich gerichteter Methoden, die aufeinander aufbauend entwickelt wurden (Hillig, 2006, S. 2). An dieser Stelle wird eine Übersicht über die wichtigsten Varianten gegeben. Dabei besteht nicht der Anspruch, das komplette Spektrum der Verfahrensvarianten, sondern nur die am häufigsten diskutierten Varianten darzustellen, um die Auswahl der geeignetsten Variante für diese Arbeit zu ermöglichen (für eine vollständigere Aufführung siehe Hermelbracht 2006, S. 71-78). Die Varianten unterscheiden sich u.a. bezüglich ihrer Annahmen sowie der Ausgestaltung der Analyse-Ablaufschritte. Dabei sind mit jeder Variante verfahrensspezifische Vor- und Nachteile verbunden. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, die Verfahrenswahl vor die übrigen Ablaufschritte zu stellen. Aufbauend auf dem ursprünglichen Verfahren der traditionellen Conjoint-Analyse (TCA) wurden in den letzten 30 Jahren weitere Varianten entwickelt, welche zum Ziel haben, die Nachteile der TCA zu reduzieren. Nach ihren Bestandteilen lassen sich die beiden Grundtypen der rein dekompositionellen Conjoint-Analyse oder der CA mit einem kompositionellen Bestandteil unterscheiden. Innerhalb dieser Gruppen kann nach Art des Datenerhebungsansatzes (ratingbasiert oder wahlbasiert) bzw. nach der Möglichkeit die Befragung an die jeweiligen Antworten des Probanden anzupassen (adaptiv oder nicht-adaptiv) unterschieden werden. In der folgenden Abbildung werden auf diese Weise die wichtigsten Verfahrensvarianten eingeordnet.
Abbildung 14: Varianten von Conjoint-Methoden (in Anlehnung an Hartmann 2004 und Hillig 2006)
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Die wichtigsten Vertreter dieser Conjoint-Arten sind die traditionelle Conjoint-Analyse (TCA), die Choice-Based-Conjoint (CBC) und die hybride Adaptive-Conjoint-Analyse (ACA). Diese Varianten werden nun vorgestellt und deren Eignung für die eigene Untersuchung, d.h. die Ermittlung von Preisresponsefunktionen, bewertet. Die Bewertung erfolgt auf Basis der Literatur, den Einsatzgebieten der Varianten in früheren Studien sowie anhand der Ergebnisse von Meta-Analysen hinsichtlich der Güte der Ergebnisse. Vorstellung und Bewertung der TCA, CBC und ACA auf Basis der Literatur Die früheste conjoint-analytische Entwicklung27 ist die TCA. Sie bildet daher einen guten Ausgangspunkt zur Bildung eines grundlegenden Verständnisses der Methode. Gegenstand der Conjoint-Analyse ist die Messung von Präferenzen der Auskunftspersonen. Der ConjointAnalyse liegt die Annahme zugrunde, dass ein Produkt als ein Bündel von Eigenschaften interpretiert werden kann. Probanden müssen Auswahlentscheidungen treffen, bei der sie indirekt die Ausprägung von Eigenschaften bewerten müssen. Dabei müssen sie vollständige Produktprofile bewerten bzw. in eine präferierte Rangfolge bringen. Aus dieser Reihenfolge werden über statistische Verfahren die Teilnutzenwerte einzelner Eigenschaften berechnet. Das Vorgehen ist realen Kaufsituationen ähnlich, bei denen Käufer ebenfalls zahlreiche Merkmale auf einmal bewerten (Hillig 2006, S. 37-38). Vorteile der TCA (und von Conjoint-Analysen im Allgemeinen) ist somit ein erhöhter Realitätsbezug. Daneben ist durch die dekompositionelle Methode die Gefahr zur Abgabe sozial erwünschter Antworten und die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Entscheidungsverzerrungen geringer (Sattler 2006, S. 171). Kritisiert werden bei der TCA vor allem zwei Aspekte. Zum einen kann nur eine relativ begrenzte Anzahl von Merkmalen und Ausprägungen abgebildet werden, da sonst der kognitive Aufwand für die Auskunftspersonen über ein vertretbares Maß hinaus steigen würde. Zum anderen bildet die TCA lediglich Präferenzstrukturen ab und enthält keine Informationen über das mögliche Wahlverhalten der Auskunftspersonen. Daher führen Marktsimulationen auf Basis der TCA zu wenig aussagekräftigen Ergebnissen (Hillig 2006, S. 58/59 und Voeth 2004, S. 723). Zudem weist die TCA die nachfolgend aufgeführten Vorteile der CBC und ACA nicht auf. Insgesamt erscheint die TCA für die eigene Untersuchung wenig geeignet. Die CBC ist eine dekompositionelle, wahlbasierte Methode. Dabei müssen die Probanden mehrmals aus einer Anzahl vollständiger Produktalternativen die Alternative auswählen, welche sie am ehesten kaufen würden. Es werden diskrete Auswahlentscheidungen erhoben und dabei wird eine probabilistische anstelle einer deterministischen Betrachtung zugrunde gelegt.
27 Sie geht auf die Ausführungen von Luce/Tukey (1964) zurück (Hillig S. 37 oder Gustaffson et al., S. 5)
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Die CBC geht auf Arbeiten von Louviere/Woodworth (1983), Quandt (1968), Theil (1970) und McFadden (1986) zurück (Hillig 2006, S. 68 bzw. Hermelbracht 2006, S. 96). Dort sind auch die Herleitungen der einzelnen formalen Bausteine der CBC zu finden (für Übersichten der relevanten Theorie siehe Hermelbracht 2006, S. 96-101 oder Hillig 2006, S. 68-105). Der größte Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass die wahlbasierte Methode realen Kaufsituationen stärker ähnelt als etwa Ranking- oder Rating-Verfahren. Zudem ist auch eine Unterscheidung von Käufer- und Nicht-Käufer-Anteilen durch die Berücksichtigung einer Nicht-Kauf-Option erlaubt (Weiber/Rosedendahl 1997, S. 114). Damit entfällt der Mangel anderer Conjoint-Varianten (z.B. TCA), welche die Annahme enthalten, dass jede Auskunftsperson mindestens ein Produkt kauft. Zusätzlich kann die CBC neben den Haupteffekten auch Nebeneffekte bzw. Interaktionen zwischen Merkmalsausprägungen messen. Interaktionen treten auf, wenn der kombinierte Nutzwert zweier Attribute von der Summe der beiden Einzeleffekte abweicht (Orme 2007, S. 398). Beispielsweise könnten Probanden, die eine bestimmte Marke bevorzugen, weniger preissensitiv sein als Probanden, die eine andere Marke bevorzugen (Marken-PreisInteraktion). In einem solchen Fall könnte ein Modell, welches die Interaktionseffekte berücksichtigt, zu einer höheren Genauigkeit führen. Als Nachteile der CBC gelten zum einen der relativ geringe Informationsgehalt je Proband und zum anderen die Beschränkung der Anzahl Merkmale und Ausprägungen. Aufgrund der relativ geringen Informationsdichte erfolgte die Auswertung bisher meist nur auf aggregierter Ebene über die Stichprobe. Für die eigene Untersuchung muss dies kein Nachteil sein, da die Marktanteile bzw. Preisresponsefunktionen ohnehin primär auf aggregiertem Niveau interessieren. Allerdings wird die aggregierte Betrachtung potenziell durch Probanden-Heterogenität beeinflusst. Daher wurde eher bei relativ homogenen Stichproben zur Anwendung der CBC geraten (Weiber/Rosendahl 1997, S. 115). Dieser Nachteil wurde jedoch mittlerweile durch neuere Schätzmodelle wie das Latent-Class(LC) und das Hierarchical-Bayes-(HB) Verfahren eliminiert. Insgesamt gilt die CBC anderen Varianten der Conjoint-Analyse bei einer überschaubaren Anzahl Eigenschaften als überlegen (Hermelbracht 2006, S. 87). Für die eigene Untersuchung erscheint die CBC aus theoretischer Sicht sehr gut geeignet. Neben den rein dekompositionellen Verfahren stehen hybride Methoden, welche zusätzlich ein kompositionelles Element (direkte Befragung) einbinden. Wichtigster Vertreter ist hier die Adaptive-Conjoint-Analyse (ACA), die auf Johnson (1987) zurückzuführen ist (Hermelbracht 2006, S. 71). Die ACA ist gekennzeichnet durch die Kombination von direkten Abfragen und Paarvergleichen sowie der Möglichkeit individuelle Designs während der Befragung in Abhängigkeit des Antwortverhaltens zu erstellen.
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Hauptvorteil der ACA ist die Möglichkeit der Einbindung und Bewertung einer größeren Zahl von Merkmalen und Ausprägungen. So erlaubt die ACA theoretisch die Handhabung von bis zu 30 Merkmalen – gegenüber sechs bis sieben Merkmalen bei der CBC (Orme 1996). Dabei sollen bei einer hohen von Anzahl präferenzdeterminierenden Eigenschaften Validitätsprobleme infolge von Informationsüberlastung durch die Fokussierung auf die wichtigsten Eigenschaften vermieden werden. Dabei wird in fünf Schritten vorgegangen: Zunächst kann der Proband inakzeptable Eigenschaftsausprägungen eliminieren. Anschließend werden die verbliebenen Ausprägungen durch den Probanden beurteilt. Im dritten Schritt werden die schlechtesten und besten Ausprägungen je Merkmal präsentiert und bewertet. Schließlich werden in der vierten Phase Paarvergleiche hypothetischer Produktkonzepte vorgenommen und in Phase fünf eine Kaufwahrscheinlichkeit angegeben. Daraus resultieren zwei getrennte Schätzungen der Nutzwerte: Eine durch die direkte Abfrage von Präferenzen (Phase 2-3) und eine durch die Paarvergleiche (Sattler 2006, S. 161). Nachteil von hybriden Verfahren ist, dass die eigentlichen Vorteile der Conjoint, z.B. die Vermeidung eines erhöhten Preisbewusstseins, durch die direkte Abfrage untergraben werden. So neigen Probanden dazu, in der ersten Phase der ACA nicht nur die unannehmbaren Ausprägungen, sondern auch kompensatorische Alternativen zu eliminieren, so dass Verzerrungen auftreten können (Hermelbracht 2006, S. 87). Außerdem ist die Berücksichtigung von Interaktionseffekten bei der ACA nicht vorgesehen (Hermelbracht 2006, S. 67). Damit gehen auch geringere Validitätswerte der ACA im Vergleich zur CBC einher (s.u.). Aus diesem Grund scheint die ACA aus theoretischer Sicht weniger gut für die eigene Untersuchung geeignet als die CBC. Einsatzhäufigkeit und -gebiet der TCA, CBC und ACA in Deutschland Nicht alle Verfahrensvarianten werden in der Forschung und Praxis mit gleicher Häufigkeit verwendet. Wie in der folgenden Abbildung dargestellt, zeigt sich, dass die CBC und ACA besonders häufig verwendete Methoden sind (Sattler 2006, S. 6). Dabei wurden deutschsprachige Marktforschungsinstitute nach den von Ihnen eingesetzten Methoden befragt. Eingesetzte Methoden zur Präferenzmessung Choice-Based-Conjoint (CBC) Adaptive Conjoint-Analysis (ACA) Traditionelle Conjoint-Analyse (TCA) Self-Explicated-Methoden
Häufigkeit der Nennungen in % 47% 42% 20% 14%
Tabelle 2: Von Marktforschungsinstituten eingesetzte Methoden zur Präferenzmessung; Mehrfachantworten möglich (Hartmann/Sattler 2006)
Bestätigt und erweitert wird dieses Bild durch die Angaben von Sawtooth Software, die in den letzten Jahren eine deutliche Dominanz der CBC erkennen. So hat sich der Anteil CBC-
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Studien an allen Conjoint-Studien der Sawtooth Software-Kunden von 43% (2003) über 67% (2007) auf 73% (2008) erhöht. Die Umfrage von Sawtooth kann als guter Indikator für die Gesamtentwicklung gesehen werden, da Sawtooth die meist-verbreiteteste Conjoint-Software ist (o.V. 2008c, S. 1). Weiterhin ist auffällig, dass die Wahl des Verfahrens nicht unabhängig vom Einsatzgebiet erfolgt. Demnach dominiert die CBC bei der Analyse preispolitischer Aspekte, während die TCA und ACA vor allem für die Gestaltung von Neuprodukten verwendet werden (Hillig 2006, S. 5/6): Traditionelle Conjoint n=24 61% Neuproduktgestaltung Preispolitik 36% Marktsegmentierung 41% Markenwertbestimmung 17%
Choice-Based- AdaptiveConjoint Conjoint n=56 n=41 61% 26% 75% 28% 11% 22% 10% 20%
Gesamt n=121 46% 48% 21% 16%
Tabelle 3: Einsatzfelder verschiedener Conjoint-Varianten in Deutschland, Österreich und der Schweiz; Mehrfachantworten möglich (aus: Hillig 2006, S. 6).
Diese Präferenzen von Marktforschern und Wissenschaftlern hinsichtlich der Methodenwahl kann als Indiz für die Wahl der geeigneten Methode für die eigene Untersuchung dienen. Da im vorliegenden Fall Preisresponsefunktionen ermittelt werden sollen, erscheint die CBC besonders relevant. Im Medienbereich wurde die CBC-Methode z.B. von Albers/Becker et al. und Nitschke/Sattler verwendet. Erstere haben die Ergebnisse einer Choice-Based-Conjoint analysiert, um Implikationen für produkt-, kommunikations- und preispolitische Entscheidungen im TVMarkt zu ermitteln (Albers/Becker/Clement/Papies/Schneider 2007). Letztere untersuchten die Präferenzstrukturen und Zahlungsbereitschaften für Online-Videoangebote (Nitschke/Sattler 2005). Beide Abhandlungen gehen jedoch von nur einer Marktseite aus und haben nicht das primäre Ziel, gewinnoptimale Preise zu ermitteln. Eine TCA verwendete Clement (1999). Dabei wurden Preisbereitschaften und der Einfluss von Netzwerkeffekten im Markt für interaktives Fernsehen in einer sehr frühen Marktphase untersucht. Auch für das interaktive Fernsehen wird nur von einer Marktseite ausgegangen. Güte der Ergebnisse von Präferenzmessverfahren Neben der oben aufgeführten Methodenwahl in früheren Erhebungen preispolitisch relevanter Informationen sowie der theoretischen Erkenntnisse zur Vorteilhaftigkeit einzelner Verfahrensvarianten ist auch die zu erwartende Güte der Ergebnisse ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Methodenwahl. Auf Letztere soll daher nachfolgend eingegangen werden. Dabei geht es sowohl um die Verfahrensvariante selbst als auch um die zur Verfügung stehenden Schätzverfahren bei Conjoint-Analysen.
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Die Güte der Ergebnisse von Präferenzmessverfahren war Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen. Um die Forschungsarbeiten zu strukturieren und anderen Forschern den aktuellen Erkenntnisstand rasch zugänglich zu machen, haben einzelne Autoren Meta-Analysen der vorhandenen Literatur durchgeführt. Zu den zuletzt erschienen Analysen hierzu zählen diejenigen von Knaf (2006), Sattler/Hensel-Börner (2003), Hartmann/Sattler (2004), Hillig (2006) und Heidbrink (2006). Während Knaf und Sattler/HenselBörner in ihren Untersuchungen keine eindeutige Überlegenheit eines der Verfahren hinsichtlich der Prognosevalidität feststellen können, sehen die übrigen Autoren bestimmte Verfahren im Vorteil. Sattler/Hensel-Börner (2003) konnten in ihrer systematischen Auswertung von MarketingZeitschriften keine eindeutige Überlegenheit der TCA bzw. ACA gegenüber self-explicatedMethoden (direkte Befragung) über 23 Studien hinweg feststellen. Betrachtet wurden dabei Reliabilität und Vorhersagevalidität (Sattler 2006, S. 169). Hartman/Sattler (2004) stellen für die CBC eine höhere Vorhersagevalidität gegenüber selfexplicated-Verfahren und der ACA fest. Tendenziell gelte dieser Vorteil auch gegenüber der TCA (Sattler 2006, S. 169). Hillig hebt in seiner Studie die Bedeutung des eingesetzten Conjoint-Verfahrens für die Güte der Ergebnisse hervor (Hillig 2006, S. 200). In der Monte-Carlo-Simulations-Studie zeigt die Hierarchical-Bayes-CBC (HB-CBC) unter den wahlbasierten Ansätzen sowohl eine hohe Anpassungsgüte als auch die besten Werte für Prognosen aggregierter Kaufentscheidungen auf. Die Limit-HB-Conjoint-Analyse führt zwar zu noch besseren Prognosen, zeigt aber eine relativ geringere Anpassungsgüte auf (Hillig 2006, S. 205). Heidbrink (2006) schließlich kommt in seiner Meta-Analyse über 135 Vergleichsstudien zu dem Ergebnis, dass sich die Verfahrensgruppen der Präferenzmessung signifikant in ihrer Prognosegüte unterscheiden. Er stellt fest, dass die wahlbasierte Conjoint-Analyse über die unterschiedlichen Messgütekriterien hinweg die besten Ergebnisse sowohl bei der individuellen Vorhersage von Wahlentscheidungen als auch von aggregierten Wahlanteilen aufweist. "Überspitzt dargestellt […sollten Forscher, die nach einer hohen Messgüte bei Präferenzmessungen streben...] eine wahlbasierte Conjoint-Analyse [CBC] mit einem HBVerfahren zur Individualisierung der Teilnutzenwerte verwenden. Im Bedarfsfall sollten zudem eine Segmentierung mit dem Latent-Class-Verfahren und eine Marktanteilssimulation mit der Logit-Methode vorgenommen werden." (Heidbrink 2006, S. 114) Zusammenfassend scheint die CBC den Ansprüchen zur Messung einer Preisresponsefunktion am besten gerecht zu werden. Dies gilt sowohl aus theoretischer Sicht als auch auf Basis der Anwendungsfelder der CBC in früheren Studien bis hin zu einer häufig höheren Ergeb-
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nisvalidität. Daher beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen auf diese ConjointVariante. 4.2.2.2
Festlegung der Auswahloptionen
Nach Festlegung der Verfahrensvariante muss zunächst die Art der Auskunftspersonen festgelegt werden. Dann erfolgt die Bestimmung der relevanten Auswahloptionen sowie der Produktmerkmale und -ausprägungen. Auskunftspersonen und Form der Erhebung Zu Beginn jeder CA ist zunächst festzulegen, welche Personen befragt werden sollen, da die Produktattribute unter anderem in Abhängigkeit von der Zielgruppe festgelegt werden müssen. Für bestehende Produkte sind dies i.d.R. bestehende und potenzielle Kunden. Bei Letzteren handelt es sich um Personen, die den Kauf des Produkts grundsätzlich in Erwägung ziehen würden. Es folgen die bei Befragungen üblichen Überlegungen zu Erhebungsumfang und -form. Zumeist wird dabei aufgrund großer Grundgesamtheiten auf eine Vollerhebung verzichtet und stattdessen eine Teilerhebung gewählt. Dabei muss jedoch die Repräsentativität der jeweiligen Stichprobe geprüft werden, um das Risiko verzerrter Ergebnisse zu minimieren. Auswahloptionen, Merkmale und Ausprägungen Nachdem die Gruppe der Auskunftspersonen festgelegt wurde, muss deren "evoked set"28 identifiziert werden. Dabei handelt es sich um die Wettbewerbsprodukte bzw. -marken, die von den Kunden als für die Kaufentscheidung relevant wahrgenommen werden (Conrad 1999, S. 40). Allerdings muss die Anzahl einbezogener Marken genauso wie die Anzahl der übrigen Produktmerkmale beschränkt werden. Der Grund dafür liegt in der CBC-Methode. Bei der CBC ist eine Obergrenze bei der Anzahl der Stimuli zu beachten,29 da der Befragungsaufwand mit der Zahl der Merkmale und Ausprägungen exponentiell ansteigt: „Generell erscheint es ratsam, bei der Befragung Einfachheit anzustreben, um eine kognitive Überlastung der Versuchspersonen zu vermeiden“ (Simon 1992, S. 126). Frühere Untersuchungen konnten zeigen, dass die Validität von Conjoint-Daten bei mehr als sieben Attributen aufgrund der Informationsüberlastung von Probanden nachlässt (Orme 28 Unter dem Begriff "evoked set" werden die Produkte oder Marken verstanden, die ein Kunden bei seiner Kaufentscheidung als akzeptabel betrachtet (Conrad 1997, S. 39). Dieses evoked set sollte in der Conjoint-Analyse als Ausprägungen des Attributs "Marke" berücksichtigt werden. 29 Die neueste Entwicklung auf diesem Gebiet ist die "adaptive Choice-Based-Conjoint"-Analyse. Diese befindet sich jedoch erst in der Entwicklungs- und Erprobungsphase.
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1996). Gleichzeitig darf kein wesentliches Entscheidungsmerkmal außen vor gelassen werden. Denn blieben an dieser Stelle wichtige Aspekte unberücksichtigt, so könnten die endgültigen Schlüsse nur bedingt als generalisierbar betrachtet werden. Konform mit dieser Einschränkung liegt die typische Bandbreite der Anzahl der Attribute bei einer Conjoint-Analyse bei vier bis acht Attributen, der Mittelwert für wahlbasierte ConjointAnalysen liegt bei 6,5 (Heidbrink 2006, S. 84). Auch für die Anzahl der Ausprägungen eines jeden Attributs gilt diese Einschränkung, um eine mögliche Informationsüberlastung der Auskunftspersonen zu vermeiden. Für das Attribut Marke z.B. bedeutet dies, dass nur eine begrenzte Anzahl von Wettbewerbern in die Untersuchung aufgenommen werden sollte. Aus den genannten Gründen müssen die wichtigsten Entscheidungsfaktoren bzw. Produktmerkmale bereits vor der Conjoint-Datenerhebung bekannt sein. Die priorisierten Produktmerkmale werden in der Conjoint-Analyse für die Konstruktion der Stimuli (Produktprofile) verwendet und sind die für die Entscheidung der Nutzer ausschlaggebenden Produkteigenschaften einer Zeitschrift. Dabei müssen die ausgewählten Attribute weiteren, allgemeinen Anforderungen an Eigenschaften und Ausprägungen im Rahmen einer Conjoint-Studie genügen (Hillig 2006, S. 42). Dazu zählen:
die Relevanz der Eigenschaften zur Bewertung der Stimuli für die Entscheidungsträger,
die Beeinflussbarkeit und Realisierbarkeit durch den Anbieter,
die Unabhängigkeit der Merkmale, d.h. der Nutzen einer Merkmalsausprägung wird nicht durch die Ausprägung anderer Merkmale beeinflusst, und
eine kompensatorische Beziehung zwischen den einzelnen Merkmalen bzw. Abwesenheit von Ausschlusskriterien.
Für die Merkmalsgenerierung wird in den meisten CA-Studien eine Kombination aus Literaturrecherche und Vorstudie (47,5%) verwendet. In einigen Studien wird die Attributauswahl ausschließlich auf die Literaturrecherche gestützt (35%) (Heidbrink 2006, S. 82). Für die Merkmalsgenerierung in der eigenen Untersuchung werden die theoretischen Überlegungen der Literatur, die im Vorfeld durchgeführten Interviews mit Verlagsexperten sowie die Ergebnisse aus einem Pre-Test herangezogen. Auf diese Weise können eine Willkürlichkeit der Variablenwahl vermieden und begründete Annahmen zur Wirkungsweise der Merkmale auf die Nachfrage aufgestellt werden (siehe Kapitel 5).
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Für jedes Merkmal ist schließlich ein Präferenzmodell zu definieren, welches einerseits die Bewertungen der Probanden auf Merkmalsebene wiedergibt (Bewertungsregel) und andererseits festlegt, wie aus Sicht der Probanden die Verknüpfung der Merkmale auf Produktebene vorgenommen wird (Verknüpfungsregel) (Hermelbracht 2006, S. 60). Für die Bewertungsregel werden in der Literatur im Wesentlichen drei Modelle genannt: Das Idealvektor-, das Idealpunkt- und das Teilnutzenmodell (Gustaffson/Herrmann/Huber 2003, S. 10-13). Das Idealvektormodell unterstellt eine monoton steigende oder fallende Beziehung zwischen dem eigenschaftsspezifischen Nutzen und den Ausprägungen eines Merkmals. Demgegenüber wird bei dem Idealpunktmodell die Annahme getroffen, dass das Merkmal eine ideale Eigenschaft besitzt, von der Abweichung zu beiden Seiten zu Nutzenminderungen führen. Das Teilnutzenmodell dagegen unterstellt keinen Zusammenhang zwischen Ausprägungen und Nutzen. (Hillig 2006, S. 29/30). Es ist das flexibelste Modell, enthält die beiden anderen Modelle als Spezialfall und besitzt somit Universalcharakter. Dieses ist das in der Praxis am häufigsten eingesetzte Modell (Hermelbracht 2006, S. 61) und wird auch in der eigenen Untersuchung eingesetzt. Die Verknüpfung der Teilnutzenwerte zu einer Präferenz auf Produktebene kann durch additive oder multiplikative Verknüpfung erfolgen. Bei Ersterer wird davon ausgegangen, dass die Teilnutzenwerte der Produkteigenschaften proportional austauschbar sind (Hillig 2006, S. 31). Das in der Praxis bewährte linear-additive Modell gilt als reliabel und valide (Hermelbracht 2006, S. 62) und findet auch in dieser Arbeit Verwendung. 4.2.2.3
Erstellung des Untersuchungsdesigns
Schließlich werden auf Basis der zuvor getroffenen Entscheidungen die Stimuli, also Produktentwürfe, die aus einer Kombination von Merkmalsausprägungen bestehen, konstruiert. Dann ist die Art des Designs, die Präsentationsform und die Art des Mediums zu wählen. Konstruktion der Stimuli Bei der CBC werden den Auskunftspersonen Stimuli zur Bewertung vorgelegt. Dabei ist festzulegen, wie viele Merkmale für einen Stimulus verwendet werden sollen. Es können entweder sämtliche Merkmale (Vollprofilmethode) oder nur ein Teil der Merkmale (Teilprofilmethode) verwendet werden. Vorteil der Teilprofilmethode ist, dass sie aufgrund der wenigen Merkmale eine prinzipiell leichtere Bewertungsaufgabe für den Probanden darstellt. Nachteil ist jedoch der im Vergleich zur Vollprofilmethode deutlich reduzierte Realitätsbezug. In der eigenen Untersuchung wird die Vollprofilmethode verwendet, welche sich ebenfalls in der praktischen Anwendung durchgesetzt hat (Hillig 2006, S. 45 und Conrad 1999, S. 44-46).
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Design Hinsichtlich des Designs von CBC-Analysen ist es möglich, entweder ein fixes orthogonales30 oder ein zufälliges Design zu wählen. Bei Ersterem erhalten alle Teilnehmer eine einzige Fragebogenversion. Vorteil ist eine hohe Effizienz des Designs bei der Messung von Haupteffekten und zuvor antizipierten Nebeneffekten. Zufällige, nahezu orthogonale Designs können durch geeignete Software-Tools mittlerweile relativ einfach zum Einsatz gelangen. Jeder Teilnehmer erhält dann einen einzigartigen Fragebogen. Dabei wird zwar Design-Effizienz eingebüßt, aber dafür können alle InteraktionsEffekte gemessen werden, und nicht nur solche, die zuvor antizipiert wurden. Außerdem können Verzerrungen z.B. durch Reihenfolge-Effekte vermieden werden (Orme 2007, S. 387). Das für die vorliegende Untersuchung verwendete Programm von Sawtooth Software (SSI Web 6.2) ermöglicht die vollständig automatisierte Erstellung von zufälligen CBC-Designs. Dabei werden jede Attributsausprägung so selten wie möglich (minimal overlap) und alle Ausprägungen ungefähr gleich häufig gezeigt (level balance) (Orme 2007, S. 388). Schließlich muss im Rahmen des CBC-Designs die Anzahl der Auswahlsituationen je Fragebogen sowie die Anzahl der Produktprofile je Auswahlsituation festgelegt werden. Dabei führt eine größere Anzahl Auswahlsituationen je Teilnehmer ceteris paribus zu stabileren Ergebnissen und ermöglicht die Modellierung von Heterogenität (Hermelbracht 2006, S. 104). Dagegen ist der Nachteil möglicher Ermüdungserscheinungen aufzuwiegen. Seitens Sawtooth Software werden etwa 15 Auswahlsituationen je Teilnehmer empfohlen, um robuste Vorhersagen auf individuellem Level erzeugen zu können (Orme 2007, S. 386). Daneben gilt die Erhöhung der Anzahl der Aufgaben je Proband in einem gewissen Rahmen ähnlich effektiv wie eine erhöhte Anzahl Probanden (Orme 2006, S. 49-50 und S. 57). Die Faustregel für die Stichprobengröße bzw. Anzahl der Auswahlfragen für eine stabile Conjoint-Schätzung lautet demnach: Die Anzahl befragter Personen multipliziert mit der Anzahl der Auswahlfragen je Person und der Anzahl Alternativen je Auswahlsituation dividiert durch die größte Anzahl der Ausprägungen eines Attributs soll in Summe größer oder gleich 500 sein (Orme 1998, S. 8-9). Die Prognosegüte kann, wie in nachfolgenden Abschnitten ausgeführt, mittels "HoldoutTasks" (Holdouts) geprüft werden. Als Holdout-Tasks werden Auswahlsituationen bezeichnet, welche nicht für die Schätzung der Parameter, sondern für die Prüfung der Validität genutzt werden (Orme 2007, S. 344). Sie werden in die übrigen Situationen integriert und sind durch den Probanden nicht von den übrigen Situationen zu unterscheiden. Auch bei einem zufälligen Design sind die Holdouts auf jedem Fragebogen gleich. Daher werden die 30 Orthogonal bedeutet, dass Attributausprägungen unabhängig von anderen Attributausprägungen gewählt werden, so dass jeder Ausprägungs-Effekt (Teilnutzwert) unabhängig von anderen Effekten gemessen werden kann.
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Holdouts auch "Fixed Tasks" genannt. Für die Ermittlung der Prognosevalidität wird zumindest eine Holdout-Task benötigt. Wenn darüber hinaus auch Aussagen zur Stabilität des Antwortverhaltens (Reliabilität) der Probanden getroffen werden sollen, müssen mindestens zwei Holdout-Tasks integriert werden. Präsentationsform Ziel der Ausgestaltung der Präsentationsform ist eine möglichst realistische Darstellung der Stimuli. Ein zunehmender Realitäts- und Reizgehalt führt demnach indirekt zu einer erhöhten Validität der Ergebnisse infolge erhöhter Probandenmotivation (Sattler 2006, S. 166). Hinsichtlich der Präsentationsform können primär verbale und visuelle Formen unterschieden werden. Erstere wiederum können stichwortartig oder komplex sein. Letztere können von schematischen Darstellungen über Fotos bis hin zu Videosequenzen reichen. Gleichzeitig ist jedoch darauf zu achten, dass eine Ablenkung der Auskunftspersonen durch Verschönerungen oder zu viele Zusatzinformationen vermieden wird (Hermelbracht 2006, S. 64). Diese Hinweise der Literatur wurden in der eigenen Untersuchung aufgegriffen und in der Gestaltung der Befragung berücksichtigt Art des Mediums Hinsichtlich der Art des Mediums kommen grundsätzlich schriftliche, mündliche, telefonische oder elektronische/online Befragungen in Frage (Malhotra 2007, S. 184 oder Meffert 2000, S. 55-56). Im Folgenden soll nur die in dieser Arbeit gewählte Form der elektronischen (online) Befragung ausführlicher betrachtet werden. Dabei werden auch die Vor- und Nachteile gegenüber anderen Formen einbezogen. (Für eine ausführliche Betrachtung der verschiedenen Erhebungsformen Malhotra 2007, S. 183-200.) Wesentliche Vorteile einer Online-Befragung gegenüber einer konventionellen Befragung sind eine große Reichweite, der verringerte Aufwand für die Fragebogendistribution, die einfache Handhabung der Dateneingabe, die sofortige Verfügbarkeit der Daten und die zentrale Verwaltung der Umfrage. Daneben kann eine sofortige Überprüfung der Eingaben erfolgen, was ggf. mit entsprechenden Rückmeldungen verbunden werden kann (Klein et al. 2005, S. 15 und Malhotra 2007, S. 356-358). Als weitere positive Effekte werden geringere Interviewer-Einflüsse und ein reduzierter Druck, sozial erwünschtes Verhalten zu zeigen, aufgeführt. Die Multimedialität von computerbasierten Befragungen kann zudem zu einer höheren Validität infolge erhöhter Probandenmotivation führen (Sattler 2006, S. 171). Demgegenüber stehen als Schwächen einer Online-Befragung die Anforderung von technischem Spezialwissen für die Erstellung des Online-Fragebogens sowie mögliche Schwierigkeiten bei der Feststellung und Erreichbarkeit der Grundgesamtheit. Die Abbildung der Bevölkerungsstruktur hinsichtlich Geschlecht und Altersverteilung ist heute auch online in ausreichendem Maße möglich (Klein et al. 2005, S. 24). 62,7% der Bevölkerung nutzen min-
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destens gelegentlich das Internet (Frauen 56,9%; Männer 68,9%). 14- bis 19-Jährige sind online am besten zu erreichen (95,8%), aber auch die Altersgruppen bis 59 Jahre sind gut zu erreichen (64,2%). Einzig Altersgruppen über 60 Jahre sind unter den Internetnutzern stark unterrepräsentiert (25,1%) (ARD/ZDF-Online-Studien 1999-2007).31 Dagegen wird davon ausgegangen, dass Einkommens- und Bildungsunterschiede weiterhin einen Einfluss ausüben. Da Finanzzeitschriften bzw. die Inserenten solcher Zeitschriften allerdings ohnehin auf einkommens- und bildungsstarke Personen zielen, bietet sich das Internet als besonders geeignetes Instrument der Datenerhebung geradezu an. Nach der Art der Ansprache und den Zugriffsmöglichkeiten kann in allgemein zugängliche (passive Auswahl der Probanden) und adressierte Befragungen (aktive Auswahl der Probanden) unterschieden werden (Hermelbracht 2006, S. 66). Bei Ersterer wird die Befragung mit anderen Internetseiten verlinkt, um Probanden zu gewinnen. Dadurch ist die Stichprobe nur schwer kontrollierbar, Probleme wie Selbstselektion und Mehrfachteilnahmen können auftreten. Bei Zweiterer erhalten ausgewählte Personen eine Email mit der Einladung zur Befragung. Die Stichprobe ist somit besser kontrollierbar. Allerdings besteht die Gefahr, dass potenziell interessierte Personen, die aber per Email nicht erreichbar oder nicht bekannt sind, von der Befragung ausgeschlossen werden. Daher ist die optimale Vorgehensweise eine Gradwanderung, die immer fallbezogen erfolgen sollte. Bei der Nutzung von sehr wertvollen materiellen Anreizen könnte es zudem zu Mehrfachteilnahmen oder einer Professionalisierung der Befragten kommen. Im vorliegenden Fall jedoch ist der materielle Wert des Anreizes (15 Euro amazon.de Gutschein) wohl zu gering, als dass es zu einer Professionalisierung der Teilnehmer kommen könnte. Zudem wäre ein professionalisiertes Verhalten etwa an einem "Durchklicken" des Fragebogens, ohne auf die Fragen einzugehen, erkennbar. So könnten die Teilnehmer, die eine festgelegte Mindestdauer zum Ausfüllen des Fragebogens unterschreiten, aussortiert werden. Mehrfachteilnahmen sind über die Speicherung von I.P.-Daten und Browser-Informationen identifizierbar. 4.2.2.4
Datenerhebung und Ermittlung von Präferenzdaten
Nach der Erstellung des Untersuchungsdesigns und der Durchführung der Befragung werden die Präferenzstrukturdaten ermittelt und die Güte der Ergebnisse beurteilt. Für die Schätzung der Teilnutzenwerte stehen in Abhängigkeit der gewählten Variante und des Skalenniveaus verschiedene Verfahren zur Verfügung. Für die CBC sind dies insbesondere die LogitMethode (Logit), die Latent-Class-Methode (LC) und die Hierarchical-Bayes-Methode (HB),
31 http://www.ard.de/intern/basisdaten/onlinenutzung/soziodemografie_20der_20onlinenutzer//id=55174/oc4awv/index.html; abgerufen am 04.04.2008; 9:02 Uhr
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welche im Folgenden knapp vorgestellt werden.32 Die Verfahren unterscheiden sich aus Nutzersicht durch das Aggregationsniveau ihrer Ergebnisse. Die Logit-Methode fasst die Antworten aller Teilnehmer in einem einzigen aggregierten Modell zusammen. Dabei wird in einem iterativen Prozess die Lösung mit maximalem Likelihood gesucht (Logit-Modell und Likelihood-Funktion siehe Hillig 2006, S. 74–80). Logit-Simulationen sind stärker als andere Methoden der IIA-Eigenschaft (Independence from Irrelevant Alternatives) ausgesetzt. Diese besagt, dass das Verhältnis der Auswahlwahrscheinlichkeit zweier Produkte durch die Hinzunahme eines weiteren Produktes nicht verändert wird. Die IIA-Eigenschaft führt dazu, dass eine gegebene Produktalternative in einer Marktsimulation Marktanteile von anderen Produkten in Proportion zu deren Marktanteilen abnimmt.33 Bei sehr ähnlichen Produkten kann dies zu unrealistischen Marktanteilen führen (Orme 2007, S. 373, Orme 1999, S. 12 und Hillig 2006, S. 75). Bei dem Latent-Class-Verfahren wird angenommen, dass die Grundgesamtheit der Beobachtungen in eine Anzahl von in sich vollständig homogenen Segmenten unterteilt werden kann. Dabei werden zunächst in einem iterativ-rekursiven Prozess die Nutzenfunktionen der LatentClasses auf aggregierter Ebene bestimmt, indem die Likelihood der beobachteten Wahldaten maximiert wird. Danach werden die Befragten nicht eindeutig, sondern probabilistisch den Latent-Classes zugeordnet. Die Summe der Zugehörigkeits-Wahrscheinlichkeiten über alle Teilnehmer hinweg definiert dabei die Gewichtung bzw. die Größe der jeweiligen Segmente. Bei der LC-Analyse wird das Phänomen der Probanden-Heterogenität somit als eines behandelt, was nur zwischen Gruppen von Befragten, nicht jedoch zwischen einzelnen Befragten stattfindet (Teichert 2001, S. 799-800; Hillig 2006, S. 87 und 89 oder Ramaswamy/Cohen 2003, S. 441-472). Die Anzahl der LC-Klassen bzw. Segment wird dabei vom Anwender vorgegeben. Da die optimale Anzahl Segmente ex ante nicht bekannt ist, sollten mehrere Lösungen verglichen werden. Dabei werden auf dem Log-Likelihood basierende Informationskriterien herangezogen, um die Güte der Anpassung des Modells an die Daten in Abhängigkeit der Segmentanzahl zu beurteilen. Zu den am häufigsten verwendeten Kriterien zur Beurteilung der optimalen Anzahl Segmente zählt das "Consistent Akaike Information Criterion" (CAIC). 32 Auf eine ausführlichere Darstellung wird hier aus Platzgründen verzichtet. Für Betrachtungen der Latent-Class- und Hierarchical-Bayes-Methode siehe Teichert 2001, S. 798-822 und für Logit-Methode Orme 2007, S. 587-594. Für weitere Schätzverfahren, insbesondere auch für TCA und ACA, siehe Hillig 2006, S. 48. 33 Hintergrund der IIA-Eigenschaft ist, dass das Verhältnis der Stimmanteile zweier Produkte unabhängig von allen anderen Produkten sein sollte. Allerdings führt dies dazu, dass beispielsweise bei Markteintritt eines neuen Produktes dieses Produkt von allen bestehenden Produkten verhältnismäßig gleichviel Marktanteil abnimmt, während die Produkte in der Realität vermutlich unterschiedlich stark betroffen sein dürften. Als Beispiel wird häufig der Fall von einem Transportmarkt mit zwei Produkten, einem Auto und einem roten Bus, mit jeweils 50% Marktanteil aufgeführt. Sollte nun ein blauer Bus in den Markt eingeführt werden, so würde der Bus in einem IAA-Simulator den beiden existierenden Produkten jeweils gleichviel Marktanteil abnehmen. Realistischer wäre demgegenüber, dass der blaue Bus primär Marktanteile von dem roten Bus gewinnen würde (Orme 2007b, S. 550).
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Ein möglichst geringer CAIC-Wert wird angestrebt. Dabei fällt der CAIC-Wert mit höheren Log-Likelihoods (Sawtooth Software 2004, S. 20). Weitere Informationskriterien sind das Akaike’s Information Criterion (AIC), Modified Akaike’s Information Criterion (MAIC) und Bayesian Information Criterion (BIC). Alle vier Kriterien versehen die geschätzte Likelihood mit "Strafpunkten", welche sich nach der Anzahl der geschätzten Parameter richten. BIC und CAIC "bestrafen" allerdings zusätzlich auch die Anzahl der Beobachtungen (Hillig 2006, S. 90-92). Da für keines der Kriterien eine grundsätzliche Überlegenheit zu vermuten ist und die Kriterien zudem zu ähnlichen Ergebnissen kommen sollten, wird in der vorliegenden Arbeit ausschließlich auf das CAIC-Kriterium zurückgegriffen. Das Hierarchical-Bayes-Verfahren (HB) modelliert eine kontinuierliche Nutzenheterogenität. Grundidee der Bayesianischen Statistik ist, dass die Daten als fix und die Parameter, deren Verteilung geschätzt wird, als zufällig betrachtet werden. In der klassischen Statistik werden die Parameter dagegen als fest und die Daten als Zufallsrealisation betrachtet. HB unterstellt dabei eine Normalverteilung der Nutzenwerte der Befragten und nutzt diese Annahme, um die Auswahlentscheidungen sämtlicher Befragten in die Nutzenschätzung eines einzelnen Befragten einfließen zu lassen (Sattler 2006, S. 17; Hermelbracht 2006, S. 102; zu den Grundlagen der Bayes-Statistik siehe auch Hillig 2006, S. 93-104). Das Modell besteht dabei aus zwei Ebenen. Auf der Individualebene liegt im einfachsten Fall ein multinominales Wahlmodell zugrunde, während auf übergeordneter Ebene eine multivariate Normalverteilung der individuellen Teilnutzenvektoren um unbekannte Mittelwerte angenommen wird. Die Daten der Probanden dienen dazu, Schätzparameter für die individuellen Nutzenfunktionen zu bestimmen. Die Schätzung der Modellparameter erfolgt in einem großzahlig iterativen Prozess, wobei i.d.R. etwa 10.000 Iterationen ausreichen, um eine stabile geschätzte Verteilungsfunktion zu erreichen. Das Resultat der HB-Analyse, also die geschätzten Verteilungen für die relevanten Parameter, wird für die praktische Anwendbarkeit auf Mittelwert-Schätzungen reduziert (Teichert 2001. S. 800-801).34 Eine Verbesserung der Prognose von Holdouts kann durch die Veränderung der A-Prioris erreicht werden. Dabei gibt der Erhebende die zusätzlich über die Anzahl der zu schätzenden Parameter hinausgehenden Freiheitsgrade (engl.: Prior Degrees of Freedom) sowie den Grad der Anpassung der individuellen Daten (engl.: Prior Variance) vor. Bei konsistentem Antwortverhalten eines Probanden werden die Werte hauptsächlich aus den individuellen Daten berechnet, während bei inkonsistentem Verhalten die Werte stark von der a-priori-Verteilung abhängen. Ziel ist es, durch die Veränderung dieser Werte die Anpassungsgüte und Prognose der Holdouts zu verbessern (Orme 1999, S. 24 ff). Eine Erhöhung der "Prior Variance" führt da34 Der schematische Ablauf der HB-Schätzung wird detailliert bei Teichert 2001 S. 800-801 und Orme 2000 betrachtet.
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bei dazu, dass den individuellen Schätzungen eine höhere Bedeutung beigemessen wird und weniger "Ausleihe" von Informationen von der Grundgesamtheit erfolgt. Ein solches Vorgehen kann gerechtfertigt werden, wenn ausreichend Auswahlsituationen je Proband vorliegen – bei wenigen Auswahlsituationen dagegen gilt dies als problematisch. Hinsichtlich der Güte der HB-Schätzung sollte als Erstes überprüft werden, ob die Schätzungen stabil sind und von Konvergenz ausgegangen werden kann. Zu diesem Zweck kann die Änderung der Mittelwerte über die verschiedenen Iterationen hinweg beobachtet werden. Zudem kann die Schätzung als stabil gelten, wenn mehrere unabhängige Schätzungen gleiche Ergebnisse liefern (Hermelbracht 2006, S. 103). Die Anpassungsgüte kann über "Percent Certainty" (auch Likelihood-Ratio-Index oder Pseudo-R²) betrachtet werden. Der Wert kann zwischen 0 und 1 variieren und hängt von den LLWerten des geschätzten und eines zufälligen Modells ab (Hillig 2006, S. 81-82). Ein ähnliches Maß ist der "Root Log-Likelihood" (RLH). Er ist das geometrische Mittel der LikelihoodBerechnungen und kann im vorliegenden Fall Werte zwischen 0,25 und 1 annehmen. Die "average variance" gibt die durchschnittliche Varianz der Teilnutzenwerte wieder. Sie ist ebenfalls ein Indikator für die Güte der Schätzung, wobei große absolute Parameterwerte eine gute Anpassung bedeuten. Insgesamt wird in der aktuellen Literatur das HB-Verfahren aufgrund einer häufig besseren Prognosevalidität favorisiert (vgl. 4.2.2.1 bzw. Heidbrink 2006, S. 114). Jedoch ist hier nicht unbedingt von einer generellen Überlegenheit zu sprechen. Daher werden in der vorliegenden Arbeit alle drei Verfahren durchgeführt und anhand der Gütekriterien sowie der Prognosevalidität verglichen. Conjoint-Analyse-bezogene Gütekriterien Wie bei jedem Messinstrument stellt sich die Frage, wie reliabel und valide das Erhebungsverfahren misst und welche Aspekte die Qualität der Ergebnisse beeinflussen können. Im Folgenden werden zunächst die conjoint-bezogenen Gütekriterien und anschließend die validitäts-beeinflussenden Faktoren aufgeführt. Die Reliabilität gibt in Bezug auf die Conjoint-Analyse den Grad der Genauigkeit an, mit dem das Verfahren die Präferenzstruktur messen kann. Die Reliabilität einer Messung gibt demnach an, wie verlässlich und stabil diese ist und ob sie bei mehrfacher Wiederholung die gleichen Ergebnisse liefert (Heidbrink 2006, S. 42). Zur Messung der Reliabilität stehen in der Präferenzstrukturmessung drei Verfahren zur Verfügung35: Die Test-Retest-Reliabilität, die Paralleltest-Reliabilität und die Test-Halbierungs-Reliabilität.
35 Für eine Systematisierung der für Conjoint-Analysen relevanten Validitätsarten siehe Hillig 2006, S. 120.
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Bei der Test-Retest-Reliabilität wird eine wiederholte Messung mit demselben Messinstrument vorgenommen. Dies kann zum einen durch eine identische Erhebung der gleichen Stichprobe zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Es gestaltet sich allerdings in der Praxis als schwierig, die exakt gleiche Stichprobe zu gewährleisten und ist zudem mit hohen Kosten verbunden (Hermelbracht 2006, S. 79/80). Zum Zweiten kann die Test-Retest-Validität aber auch mittels Holdout-Tasks bestimmt werden. Dabei ist zu prüfen, ob die Teilnehmer von einer zu einer weiteren identischen Holdout-Task konsistente Antworten geben. Dieses TestRetest-Verfahren ist das am häufigsten verwendete Verfahren und soll auch in der vorliegenden Arbeit Anwendung finden (Heidbrink 2006, S. 48). Daneben gibt es die Test-Halbierungs-Reliabilität und die Paralleltest-Reliabilität. Die Erstere ist prinzipiell mit dem Test-Retest-Verfahren vergleichbar. Hier wird die Stichprobe in zwei Hälften geteilt und die Ergebnisse verglichen. Bei Letzterer wird dagegen der gleiche Tatbestand mit zwei äquivalenten Messinstrumenten gemessen. Aufgrund der ggf. unterschiedlichen Art der Erfassung oder Schätzung der Daten sind hier mehr Fehlerquellen erfasst als bei dem Test-Retest-Verfahren (Hermelbracht 2006, S. 80). Die Paralleltest-Reliabilität ist nicht zu verwechseln mit der Konvergenz-Validität, bei der zwei unterschiedliche Verfahren denselben Tatbestand messen (s.u.). Die Validität einer Conjoint-Analyse gibt das Ausmaß der Fähigkeit des Verfahrens an, das zu messen, was es zu messen vorgibt. D.h. es gibt an, inwieweit ein wahrer Wert ohne einen systematischen Fehler erhoben wird und das Konstrukt der Präferenz erschöpfend erfasst wird. Es kann zwischen externer und interner Validität unterschieden werden. Unter Ersterer versteht man die Generalisierbarkeit der erzielten Ergebnisse. Sie wird durch den Vergleich mit einem Außenkriterium bestimmt, z.B. durch den Vergleich mit gegenwärtigen Marktanteilen (nicht prädiktive externe Validität) (Hermelbracht 2006, S. 82/83 und Hillig 2006, S. 118-122). Die interne Validität beschreibt das Ausmaß, in dem die Messung frei von Störeinflüssen ist und somit die Veränderung der abhängigen Variablen ausschließlich auf Veränderung der unabhängigen Variablen zurückzuführen ist.36 Zur Prüfung der Validität von Conjoint-Analysen werden die vier Gütekriterien Plausibilität, Signifikanz, Anpassungsmaß und Fehlermaß der Ergebnisse herangezogen (Hillig 2006, S. 126). Zur Prüfung der Plausibilität, mit Validitätsmaß inhaltliche Validität, werden die Ergebnisse der Conjoint-Analyse mit a-priori-Erwartungen zu Vorzeichen, den tatsächlichen Marktgegebenheiten oder anderen Äußerungen der Probanden verglichen (siehe auch Albers et al. 2007). Eine zusätzliche direkte Befragung kann ebenfalls zur Konsistenzprüfung dienen (Nitsch-
36 Für eine vollständige Systematisierung von Validitätsarten vgl. Hillig 2006, S. 120.
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ke/Sattler 2005). Damit soll gewährleistet werden, dass die Datenerhebung augenscheinlich die zu messende Präferenz erschöpfend misst. Das Gütekriterium Signifikanz, mit Validitätsmaß innere Validität, zeigt, inwieweit die aus dem Zielkonstrukt abgeleiteten Hypothesen bezüglich der Einflussfaktoren empirisch Bestätigung finden. Auf die Anpassungsmaße wurde zuvor in diesem Unterabschnitt bereits eingegangen. Mit Hilfe dieser Maße soll die Güte des Schätzmodells beurteilt werden. Das Fehlermaß, mit Validitätsmaß prädiktive interne Validität, weist auf, ob Kaufbereitschaften richtig prognostiziert werden können. Das Fehlermaß wird häufig durch Holdout-Karten bestimmt. Dabei handelt es sich um Auswahlmöglichkeiten, die nicht für die Bestimmung der Nutzwerte verwendet werden, sondern später für einen Vergleich der beobachteten mit den erwarteten Nutzwertanteilen dienen (Orme 2003, S. 7). Dieses Gütekriterium hat für die vorliegende Arbeit vorrangige Bedeutung, da Kaufentscheidungen untersucht werden. Als wesentliche Aspekte, welche die Validität von Conjoint-Ergebnissen negativ beeinflussen können, werden in der Literatur "Level-Effekte" und "Hypothetical Bias" genannt (Sattler 2006, S. 163-165). "Level-Effekte" beziehen sich auf die Ausprägungen der Produkteigenschaften. Dazu zählen Bandbreiteneffekte, "Splitting Bias" und der "Number of Levels" -Effekt. Bandbreiteneffekte treten auf, da die Wichtigkeit einer Eigenschaft von der Bandbreite der möglichen Ausprägungen abhängt (z.B. Bandbreite möglicher Ausprägungen von 30 bis 40 EUR gegenüber Bandbreite von 20 bis 50 EUR). Vermieden werden kann der Effekt, indem nahezu gleiche Bandbreiten an Ausprägungen für alle Eigenschaften verwendet werden. Empirische Ergebnisse zeigen, dass "Self-Explicated"-Verfahren (direkte Befragung) stärker als Conjoint-Verfahren von diesem Effekt betroffen sind. Der "Splitting Bias" bedeutet, dass in Untereigenschaften aufgeteilte Eigenschaften tendenziell mit einer höherer Wichtigkeit wahrgenommen werden (z.B. Eigenschaft Sport gegenüber Subeigenschaften Fußball, Tennis, Formel 1). Vermieden werden kann der Effekt durch eine einheitliche Aufspaltung über alle Eigenschaften. Der "Number of Levels"-Effekt tritt auf, da mit einer zunehmenden Anzahl von Ausprägungen auch das Bedeutungsgewicht der Ausprägungen zunimmt. Dieser Effekt wird vermieden durch eine näherungsweise gleiche Anzahl von Ausprägungen über alle Eigenschaften. Der "Hypothetical Bias" ist ein systematischer Fehler bei "stated preference"-Verfahren. Da es sich nicht um ein reales Kaufverhalten, sondern um hypothetische Äußerungen handelt, werden Zahlungsbereitschaften signifikant und substantiell höher bewertet als reale Zahlungsbereitschaften. Vermieden werden kann der Effekt z.B. durch ein Anreiz-kompatibles
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Verfahren, bei dem einem Teil der Probanden das individuell meist präferierte Produkt zugeteilt wird. Eine weitere konzeptionelle Einschränkung einer Conjoint-Analyse besteht darin, dass Erkenntnisse der verhaltenswissenschaftlichen Preisforschung unbeachtet bleiben. So werden z.B. der Einfluss bestehender Preiskenntnisse von Probanden oder Einflüsse der Darstellung nicht gezielt untersucht (Backhaus et al. 2005, S. 445). Auch die Generierung einer adäquaten Stichprobe gilt als ein wichtiger Problembereich. Gerade in der wissenschaftlichen Literatur werden oftmals Studierende in Conjoint-Erhebungen einbezogen. Zwar wird bei "Convenience"-Stichproben mit Studierenden nicht davon ausgegangen, dass Bildungsniveau oder Ähnliches eine verzerrende Wirkung auf die Messung ausübt. Allerdings erscheint die ausschließliche Befragung von Studierenden nur für solche Kaufentscheidungen sinnvoll, wo von einer zurückliegenden Kauferfahrung der Probanden auszugehen ist (Klein et al. 2005, S. 13-14). Für alle Methoden zur Messung von individuellen Preisbereitschaften bestehen darüber hinaus die im Rahmen von Marktforschungsstudien üblichen Annahmen. Dazu zählen die Annahme, dass jede Person tatsächlich an einem Kauf interessiert ist und ehrlich antwortet, alle Attribute, die die Kaufentscheidung in Realität beeinflussen, berücksichtigt wurden sowie eine gleiche Verfügbarkeit, Bekanntheit, und Vertriebseffektivität für alle Alternativen gegeben ist (Backhaus et al. 2005, S. 445). 4.2.2.5
Interpretation der Ergebnisse einer Conjoint-Analyse
Marktforschungsuntersuchungen sind oft deskriptiver Natur. Es werden Nutzer-Demographien oder Muster im Nutzungsverhalten untersucht. Conjoint-Daten ermöglichen darüber hinaus Vorhersagen zu dem Konsumentenverhalten. Im Einzelnen können Conjoint-Daten dazu dienen, erstens die Bedeutung einzelner Produktmerkmale und -Ausprägungen zu evaluieren, zweitens Marktsegmentierungen vorzunehmen und drittens Marktsimulationen bzw. Sensitivitätsanalysen durchzuführen. Bedeutung von Produktmerkmalen Ein Anhaltspunkt für die Bedeutung von Produktmerkmalen ist die Häufigkeit, mit der eine Attributsausprägung von den Malen, die sie gezeigt wurde, ausgewählt wurde. Mittels Chi²Test kann festgestellt werden, ob die Wahlanteile der Ausprägungen innerhalb eines Attributs signifikant voneinander abweichen. Dies wiederum weist darauf hin, ob Ausprägungen eines Attributs zur Auswahlentscheidung beigetragen haben. Dabei besteht allerdings das Problem, dass eine aggregierte Betrachtung bei großer Heterogenität der Auskunftspersonen bzw. Antworten zu irreführenden Ergebnissen führen kann. Bei zu erwartendem heterogenen
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Antwortverhalten sollte daher auf eine segmentierte Betrachtung zurückgegriffen werden (Orme 2007, S. 585). Eine Information, die für den Anwender von hohem Interesse sein kann, ist die relative Bedeutung einzelner Produktattribute bei der Wahlentscheidung der Auskunftspersonen. Da es sich bei CBC-Daten allerdings nur um intervallskalierte Daten handelt, ist eine direkte Interpretation der Teilnutzenwerte im Sinne der Wichtigkeit bestimmter Produktmerkmale nicht möglich. Schließlich verwenden die Teilnehmer für die Bewertung der Stimuli unterschiedliche, subjektive Skalen. Daher wird die Spannweite (Differenz zwischen höchstem und niedrigstem Teilnutzenwert) der Teilnutzenwerte je Eigenschaft herangezogen (Skiera/ Gensler 2002, S. 260). Diese wird auf Attributsebene ermittelt und über alle Attribute hinweg auf 100% gesetzt. Die resultierenden Prozentwerte je Attribut können als Bedeutungsgewicht für die Wahlentscheidung der Probanden interpretiert werden (Orme 2007, S. 523). Marktsegmentierung Eine Marktsegmentierung kann sinnvoll sein, um bei großer Heterogenität der Daten die Schätzung zu verbessern. Darüber hinaus hat eine Segmentierung jedoch auch inhaltliche Gründe, denn sie ist für die gezielte Marktbearbeitung von großem Wert (Albers et al. 2007, S. 8). Im Falle einer Conjoint-Analyse kann die Segmentierung auf zwei Arten erfolgen. So können a-priori-Segmente anhand beobachtbarer Merkmale und auf Basis theoretischer Vorüberlegungen definiert werden. Dabei wird die Qualität der Segmentierung unmittelbar durch die Qualität der im Vorfeld aufgestellten Hypothesen bestimmt. Diese Art der Segmentierung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn untersucht werden soll, ob sich bestimmte Gruppen in ihren Präferenzen unterscheiden. Dagegen ist ein Nachteil, dass durch Mittelwertbildung innerhalb von a-priori-Segmenten die inhaltlichen Unterschiede einzelner Segmente teilweise verloren gehen (Hermelbracht 2006, S. 171). Günstiger ist daher in vielen Fällen eine "Benefit"-Segmentierung. Dabei handelt es sich um eine a-posteriori-Segmentierung, bei der die Befragten zu Gruppen zusammengefasst werden, die in sich hinsichtlich ihrer Präferenzstrukturen möglichst homogen und untereinander möglichst heterogen sind. Die Basisvariable bilden dabei die normierten Teilnutzenwerte der Merkmalsausprägungen. So können Erkenntnisse über die Struktur der Stichprobe gewonnen werden, welche sich ausschließlich auf inhaltliche Aspekte beziehen und daher besonders wertvoll sind. Eine solche Segmentierungsmöglichkeit bietet die auch in dieser Arbeit verwendete Latent-Class-Analyse (Gustaffson et al. 2003, S. 27). Marktsimulation und Sensibilitätsanalysen Die Tatsache, dass mit der Conjoint-Analyse für jeden Befragten ein eigenes Modell der Präferenzbildung erstellt wird, eröffnet die Möglichkeit der Marktsimulation. Wird die Prämisse
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akzeptiert, dass Präferenzen die bedeutsamste Bestimmungsgröße für die relevanten Auswahlentscheidungen darstellen, so können die mittels Conjoint-Analyse ermittelten Präferenzen in hypothetische Wahlentscheidungen umgewandelt werden (Hillig 2006, S. 52). In Marktsimulationen wird es dabei möglich, unter Nutzung mathematischer Modelle Szenarien zu simulieren, die aufzeigen, wie sich die Variation einzelner Merkmalsausprägungen, Neuprodukteinführungen oder Wettbewerbsreaktionen auf die Marktanteile auswirkt. Dabei wird in vier Schritten vorgegangen (Skiera/Gensler 2002, S. 261 und Balderjahn 1994, S. 1516): Als Erstes wird der relevante Markt (die Auswahlsituation) bestimmt und die betrachtete Alternative (Marke) gewählt. Als Zweites werden die Produkte und Eigenschaftsausprägungen festgelegt, welche ein realistisches Marktszenario darstellen. Zudem wird auch das Merkmal festgelegt, dessen Ausprägungen in der Simulation variiert werden sollen. Als Drittes müssen – um Stimmanteile für die betrachteten Alternativen zu ermitteln, welche als Marktanteile interpretiert werden können – die individuellen Nutzenschätzungen der Conjoint-Analyse in Auswahlwahrscheinlichkeiten transformiert werden. Als Viertes werden ceteris paribus die Anteile der Teilnehmer ermittelt, die sich zu verschiedenen Ausprägungspunkten für die betrachtete Marke entscheiden. Für den dritten Schritt, d.h. die Transformation der Nutzenschätzungen in Auswahlwahrscheinlichkeiten, wird allerdings nicht nur die ermittelte Nutzenfunktion benötigt, sondern es muss auch eine Annahme über das Entscheidungsverhalten der Probanden getroffen werden. Da eine solche Annahme nicht in dem Conjoint-Modell verankert ist, muss diese vom Untersuchenden vorgegeben werden (Skiera/Gensler 2002, S. 261). Dabei werden vier Entscheidungsregeln genannt (Orme 2007, S. 574; o.V. 2003 S. 3 oder Hillig 2006, S. 53-55): "First Choice" (FC; auch maximum-utility-Modell), "Bradley-TerryLuce-Regel" (BTL), "Share of Preference" (SoP) und "Randomized First Choice" (RnFC). Bei der First Choice-Regel entscheidet sich die Auskunftsperson immer für das Produkt, welches unter den angebotenen Alternativen den höchsten Gesamtnutzwert aufweist. Damit wird der Grundgedanke des nutzenmaximierenden Konsumenten berücksichtigt. Allerdings wird ignoriert, ob die Alternativen ein großer oder lediglich marginaler Nutzenabstand trennt. Daher wird die FC-Regel eher bei extensiven Kaufentscheidungen empfohlen, da hier davon ausgegangen werden kann, dass auch kleine Nutzenunterschiede letztlich zum Kauf der nutzenmaximierenden Alternative führen (Hillig 2006, S. 53/54). BTL ist eine probabilistische Entscheidungsregel, welche Unsicherheiten bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt. So wird angenommen, dass ein Konsument nicht nur für die nutzenmaximale, sondern grundsätzlich auch für die anderen Alternativen eine zumindest marginale Kaufbereitschaft besitzt. Die Kaufwahrscheinlichkeit resultiert demzufolge aus
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dem Quotienten des Nutzwertes des betrachteten Produkts und der Summe der Nutzwerte aller simulierten Stimuli (Hermelbracht 2006, S. 69). Bei der SoP-Methode wird im Gegensatz zur FC-Methode nicht die gesamte WahlWahrscheinlichkeit eines Teilnehmers dem Produkt mit dem höchsten Nutzwert zugeordnet. Stattdessen werden in zwei Schritten zunächst alle Produktnutzwerte exponentiell transformiert (und dabei in positive Werte gewandelt) und dann die resultierenden Werte so reskaliert, dass ihre Summe 100 ergibt (Orme 2007b S. 575).37 Durch dieses Vorgehen können nicht nur wie bei der First Choice Informationen darüber gewonnen werden, welches Produkt präferiert wird, sondern auch, wie die relative Vorziehenswürdigkeit der verbleibenden Produkte gesehen wird. Dies führt zu geringeren Standard-Fehlern als bei First ChoiceWahlanteilen. Im Vergleich zur FC-Methode entstehen weniger extreme WahlanteilVorhersagen, welche als realistischer gesehen werden (Orme 2003b, S. 6 und Orme 2007b, S. 549-552). Zu beachten ist, dass auch die Share of Preference-Methode anfällig für die IIAEigenschaft ist, d.h. bei sehr hoher Ähnlichkeit der betrachteten Produkte mit Vorsicht zu verwenden ist. Insgesamt wird die Share of Preference-Methode zur Verwendung bei der Schätzung von Nachfragefunktionen in Marktsimulationen als zweckmäßig gesehen (Orme 2007b, S. 568). Bei der RnFC-Methode wird der Auswahl-Mechanismus der FC-Methode (Produkt mit höchstem Nutzwert wird gewählt) genutzt und gleichzeitig der Tatsache Rechnung getragen, dass Konsumenten in der Realität teilweise inkonsistente Entscheidungen treffen. Um dem letztgenannten Effekt Rechnung zu tragen, werden die Teilnutzenwerte zufällig variiert und die Ergebnisse für jeden Teilnehmer als Stichproben-Iterationen simuliert (Orme 2003, S. 7). Von diesen vier Regeln werden die SoP und die RnFC für die Schätzung von Nachfragefunktionen in Marktsimulatoren als besonders geeignet bezeichnet (Orme 2003 S. 8 und Orme 2007 S. 568). Zudem setzt z.B. die FC-Regel individuelle Nutzenfunktionen voraus, welche wiederum aus der CBC-Logit und CBC-Latent-Class-Schätzung nicht generiert werden können. Da nicht a priori eine der beiden Wahlmechanismen als besser eingestuft werden kann sollte die Güte der Schätzung durch die Berechnung der Prognosevalidität auf Basis der HoldoutTask in der vorliegenden Arbeit sowohl mit der SoP als auch mit der RnFC geprüft werden. Zusammenfassend ermöglichen Conjoint-Daten die Analyse der Bedeutung einzelner Produktmerkmale und Produktausprägungen sowie die Durchführung von Benefit Markt-
37 Beispiel: Es existieren zwei Produkte A und B mit den jeweiligen Nutzwerten 1,0 bzw. 2,0. Diese Nutzwerte werden jeweils zur Basis e potenziert, so dass sich im ersten Schritt die transformierten Nutzwerte von 2,72 bzw. 7,39 ergeben. Die transformierten Nutzwerte werden im zweiten Schritt durch die Summe der transformierten Nutzwerte geteilt. Das Ergebnis stellt die "share of preference" (Wahlwahrscheinlichkeit) des jeweiligen Produktes durch den jeweiligen Probanden dar.
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segmentierungen und Marktsimulationen. Insbesondere Letzteres ist für diese Arbeit von herausragender Bedeutung wie im nachfolgenden Unterabschnitt verdeutlicht wird. 4.2.3
Bestimmung einer Preisresponsefunktion mit Hilfe von Choice-Simulatoren
Die Conjoint-Analyse kann als Instrument zur empirischen Ermittlung von Preisresponsefunktionen verwendet werden (Balderjahn 1994, S. 18). Dabei werden auf Conjoint-Daten basierende Marktsimulationen eingesetzt. Prinzipiell wird dabei analog zu der im vorangegangenen Unterabschnitt vorgestellten Vorgehensweise verfahren. Wie zuvor wird zunächst der relevante Markt (z.B. fünf Finanzzeitschriften) bestimmt und die betrachtete Alternative (Marke) gewählt. Dann werden die Eigenschaftsausprägungen festgelegt, welche ein realistisches Bild der Produkte im Markt abgeben. Das Merkmal, dessen Ausprägungen in der Simulation variiert werden sollen, ist der Preis. Die individuellen Nutzenschätzungen werden mit Hilfe von Auswahlregeln in Auswahlwahrscheinlichkeiten transformiert und ceteris paribus die Anteile der Teilnehmer ermittelt, die sich zu verschiedenen Preispunkten für die betrachtete Marke entscheiden. Da nur eine begrenzte Zahl von Preispunkten in einer CBC abgefragt werden können, wird für den letzten Schritt von der Interpolation zwischen den Merkmalsausprägungen (Preisen) Gebrauch gemacht. Schließlich erfolgt die Schätzung der Preisresponsefunktion mittels Regression, wobei der Funktionsverlauf mit der höchsten Anpassung (Fit) an die Daten bzw. der besten Übereinstimmung mit theoretischen Überlegungen für die weiteren Analysen verwendet wird.38
4.3
Zusammenfassende Betrachtung
Im vorausgegangenen Kapitel wurden Erhebungsmethoden von Preisbereitschaften vorgestellt (Abschnitt 4.1) und bewertet. Auf dieser Basis wurde die Conjoint-Analyse als die beste Methode identifiziert, um die eigenen Forschungsfragen beantworten zu können. Die Verfahrensvarianten sowie der allgemeine Ablauf der Conjoint-Analyse wurden im Abschnitt 4.2 detailliert vorgestellt.
38 Auch diese Prozedur ist nicht frei von möglichen Unschärfen hinsichtlich ihrer Aussagekraft. Da es sich dabei aber im Wesentlichen um die mit der Conjoint-Methode verbundenen Schwierigkeiten (z.B. "number of levels" Effekt oder fehlende Verzahnung von Präferenzsstruktur und Kaufhandlung) handelt, soll darauf hier nicht erneut eingegangen werden (vgl. Teilabschnitt 4.2.3 oder Balderjahn 1994, S. 17/18).
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Die Varianten der Conjoint-Analysen können nach ihren Bestandteilen in rein dekompositionelle Verfahren und hybride Verfahren mit einem zusätzlichen kompositionellen Teil unterschieden werden. Darüber hinaus muss nach der Art des Datenerhebungsansatzes in ratingbasierte oder wahlbasierte Varianten unterschieden werden. Die wichtigsten Vertreter dieser Conjoint-Arten sind die dekompositonelle, traditionelle Conjoint-Analyse (TCA), die dekompositionelle, wahlbasierte Choice-Based-Conjoint (CBC) und die hybride AdaptiveConjoint-Analyse (ACA). Am häufigsten verwendet werden die ACA und CBC, wobei Erstere besonders bei Neuproduktentwicklungen und Letztere in der Preisforschung präferiert wird. Gleichzeitig weist die CBC über die unterschiedlichen Messgütekriterien hinweg die besten Ergebnisse bei der Vorhersage von Wahlentscheidungen und aggregierten Wahlanteilen auf. In der Literatur werden zudem die Vorteile der CBC einer hohen Realitätsnähe und der Einbezug einer Nicht-KaufOption hervorgehoben. Aus diesen Gründen wird in der eigenen Arbeit die CBC-Variante verwendet. Im Rahmen des Erhebungsdesigns muss zunächst die Gruppe der Befragten und die Form der Befragung definiert werden. Dann müssen Auswahloptionen sowie deren Merkmale und Ausprägungen definiert werden, um auf dieser Basis die Stimuli zu konstruieren. Für die Schätzung der Präferenzstrukturdaten bieten sich für die CBC das Logit-, LatentClass- (LC) und die Hierarchical-Bayes-Verfahren (HB) an. Die Verfahren unterscheiden sich aus Nutzersicht durch das Aggregationsniveau ihrer Ergebnisse. Das Logit-Verfahren ermöglicht aggregierte-, das LC-Verfahren segmentierte- und das HB-Verfahren individuelle Betrachtungen. Obwohl dem HB-Verfahren in der Literatur häufig eine höhere Validität zugesprochen wird, kann diese Überlegenheit nicht ohne weiteres auf jede Untersuchung bzw. jeden Untersuchungsgegenstand generalisiert werden. Daher werden in dieser Arbeit alle drei Verfahren angewendet und anhand von Güterkriterien verglichen. Bevor Preisresponsefunktionen simuliert werden können, muss eine Entscheidungsregel für die Probanden angenommen werden. Da keine der zur Verfügung stehenden Regeln als generell überlegen zu bewerten ist, werden in dieser Arbeit sowohl die "Share of Preference"- als auch die "Randomized First Choice"-Regel verwendet. Mittels eines Choice-Simulators werden die Wahlanteile bzw. Marktanteile der Produkte in einem Szenario simuliert. Diese Marktanteile zu verschiedenen Preispunkten werden dann für die regressionsanalytische Ermittlung von Preisresponsefunktionen verwendet.
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5
Kaufentscheidungsfaktoren im Markt für Finanzzeitschriften
Wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben, müssen im Rahmen der Festlegung des Erhebungsdesigns einer CBC die Attribute und Ausprägungen der Wahlalternativen bestimmt werden. Aufgrund der methodischen Restriktionen können nur wenige, wichtige Attribute in die Untersuchung aufgenommen werden. Ziel ist es, die Anzahl Attribute für jede Nutzergruppe auf die fünf bedeutsamsten Kaufentscheidungsfaktoren zu begrenzen (zu der Notwendigkeit der Beschränkung der Anzahl Attribute vgl. 4.2.2.1 und 4.2.2.2). Die Vorauswahl der Attribute, also der möglichen Kaufentscheidungsfaktoren bzw. Determinanten der Nachfrage, wird auf Basis der Literatur und eigener Interviews mit Verlagsexperten durchgeführt und im Folgenden beschrieben. Auch wenn angenommen werden kann, dass die Diskussion der Kauffaktoren für alle Finanzzeitschriften eine ähnliche Gültigkeit besitzt, so sind die nachfolgenden Ausführungen doch insbesondere bezogen auf Börse Online. Mit der Vorauswahl eines Produktmerkmals wird die Hypothese getroffen, dass dieses Produktmerkmal für die Auswahlentscheidung der Befragungsteilnehmer von Relevanz ist. Die Betrachtung der Kauffaktoren erfolgt in diesem Kapitel getrennt nach den Marktseiten.
5.1
Determinanten der Nachfrage im Rezipientenmarkt
In diesem Teilabschnitt werden zunächst denkbare Kaufentscheidungsfaktoren der Nachfrage im Rezipientenmarkt aufgeführt und strukturiert. Dabei werden die wichtigsten Faktoren mit Hilfe der Erkenntnisse aus bestehenden Studien sowie den Ergebnissen der Vorab-Interviews mit zehn Verlagsexperten formuliert. Diese Faktoren werden priorisiert und später als Produktmerkmale in der Conjoint-Analyse verwendet. Auf Rezipientenseite wird die Bedeutung einzelner Kaufentscheidungsfaktoren jeweils für drei verschiedene Nutzergruppen beurteilt: Für die bestehenden Abonnenten, die potenziellen Neu-Abonnenten und die Einzelkäufer. Dies ist notwendig, weil sich zum einen die Nettomargen aus Verlagssicht durch die unterschiedliche Rabattierung und Distributionswege deutlich unterscheiden, was wiederum in einer Kosten- bzw. Gewinnfunktion berücksichtigt werden muss. Zum anderen ist davon auszugehen, dass z.B. auch die Preisresponsefunktion oder die Bedeutung einzelner Kauffaktoren für Abonnenten anders als für Einzelkäufer sind. Strukturiert werden können die Determinanten der Nachfrage aus Verlagssicht zunächst nach ihrer Beeinflussbarkeit durch Verlagsentscheidungen in externe und interne Faktoren.
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Externe Kaufentscheidungsfaktoren sind Marktgegebenheiten, welche sich unabhängig von den Entscheidungen eines Verlages entwickeln. Dazu zählen gesamtwirtschaftliche Einflüsse, Konjunkturzyklen, saisonale Nachfrageschwankungen, Wettbewerbs-aktivitäten oder die allgemeine Nachfrage nach bestimmten Themengebieten. Für Finanzzeitschriften von Relevanz scheint in der Vergangenheit die Wertentwicklung von Aktienindizes gewesen zu sein. So durchliefen die Zeitschriften zwischen 1996 und 2003 hinsichtlich der Auflagen, Umfänge und Anzeigennachfrage einen ähnlichen Zyklus wie der deutsche Aktienindex. Seit 2003 jedoch scheint sich die Nachfrage nach Finanzzeitschriften unabhängig von den wieder aufstrebenden Aktienindizes zu entwickeln. Als Grund dafür wird von Verlagsexperten in erster Linie eine rückläufige Zahl von privaten Anlegern bzw. Aktionären in Deutschland genannt. Nach der letzten großen Baisse zwischen 2000 und 2003 haben sich einige enttäuschte Privatanleger aus dem Markt zurückgezogen und sind seither nicht mehr zurückgekehrt.
Abbildung 15: Entwicklung von Auflagen ausgewählter Finanzzeitschriften, Deutschem Aktienindex und Anzahl von Aktionären und Fondbesitzern in Deutschland (Darstellung nicht maßstabsgerecht. Quelle: IVWAuflagenlisten, yahoo.finance.com 13.09.2007, Deutsches Aktieninstitut)
Wie die Höhe der verkauften Auflagen, so blieb auch die Zahl der Aktionäre und Fondbesitzer in Deutschland seit 2004 auf einem relativ konstanten Niveau. Dies lässt darauf schließen, dass die Bedeutung der Aktienkursentwicklungen für die Kaufentscheidung bei Finanzzeitschriften stark abgenommen hat und derzeit eine relativ konstante Marktgröße besteht.
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Aufgrund ihres von Verlagsentscheidungen unabhängigen Charakters werden externe Faktoren in der empirischen Untersuchung nicht berücksichtigt. Interne Kaufentscheidungsfaktoren umfassen produkt-, preis-, distributions- oder promotionspolitische Aspekte. Diese werden in dieser Reihenfolge im Folgenden vorgestellt und priorisiert. Die in die Conjoint-Befragungen aufzunehmenden Produktattribute werden dabei in folgender Form codiert: EVK (Nr.) –für Einzelkäufer und fortlaufende Nummer BesAbo (Nr.) – für bestehende Abonnenten und fortlaufende Nummer NeuAbo (Nr.) – für potenzielle Neu-Abonnenten und fortlaufende Nummer 5.1.1
Produktpolitische Faktoren
Das Produkt wird durch inhaltliche und äußerliche Bestandteile bestimmt. Zu den inhaltlichen Produktbestandteilen zählen der (redaktionelle) Umfang, der Anteil von Themenschwerpunkten bzw. Rubrikanteile, das Redaktions-Anzeigen-Verhältnis und die Zugabe von Add-Ons (CDs, Beilagen). Daneben gibt es aber auch qualitative inhaltliche Merkmale wie die subjektive Wahrnehmung des Zeitschriftentitels, die redaktionellen Beiträge und Anzeigentypen, der inhaltliche Stil, die redaktionelle Unabhängigkeit und der inhaltliche Charakter von Artikeln Produktbestandteile bzw. -merkmale. Äußerliche Produktmerkmale sind Seiten-Layout, Erscheinungstag, Erscheinungshäufigkeit, Papierqualität, Druckqualität, Format und Farbigkeit einer Zeitschrift. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass unter den Produkt-Faktoren der Zeitschriftentitel den bedeutsamsten Beitrag zur Kaufentscheidung von Einzelkäufern leistet: „No variable is as important [in newsstand sales] as the cover“ (Daly et al. 1996, S. 102). Auch Verlage gehen davon aus, dass der Zeitschriftentitel eine bedeutende Rolle im Einzelverkauf spielt. Sie versuchen daher über Titelanalysen herauszufinden, welche Eigenschaften zu dem Erfolg von Zeitschriftentiteln beitragen. Dabei wird ein Index aus dem langfristigen Verkaufstrend und saisonalen Effekten gebildet und in ein Verhältnis zu der Anzahl tatsächlich verkaufter Exemplare gesetzt. Abweichungen vom Index müssen in dieser Logik durch andere Faktoren erklärbar sein. Solche Faktoren können das Titelthema, die Tonalität, Wortwahl oder optische Umsetzung der Titelseite, die Werbeintensität für die Zeitschrift oder z.B. das Vorhandensein von Beiheftern sein.
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In Gesprächen mit Verlagsexperten wurde deutlich, dass das Titelthema (vgl. 8.2.3 und 8.2.4) am deutlichsten zu Abweichungen vom Verkaufstrend beiträgt, während die übrigen aufgeführten Faktoren von untergeordneter Bedeutung sind. Für die Nachfrage nach einer Finanzzeitschrift wäre es demnach z.B. von Bedeutung, ob das gewählte Titelthema in die Kategorie "Deutsche Aktien" oder etwa "Immobilien" fällt. Daher wird das Titelthema als Attribut in die Conjoint-Befragungen aufgenommen: EVK (1)
Das Titelthema
Im Abonnement-Verkauf dagegen spielt der Titel des einzelnen Heftes keine Rolle, da Abonnenten nur einmal für eine Bezugs-Periode entscheiden. Dennoch sind inhaltliche Faktoren ein wesentliches Verkaufsargument. Abonnements werden häufig mit Themenserien beworben (vgl. 8.2.3 und 8.2.4). Daher wird dieses Attribut in die Conjoint-Befragung aufgenommen. BesAbo (1)
Die Themenserie
NeuAbo (1)
Die Themenserie
Das Design einer erfolgreichen Titelseite oder der empfundene Nutzwert von Inhalten ist aufgrund der subjektiven Wahrnehmung von Rezipienten sowie der sich ständig verändernden Themen- und Wettbewerbslandschaft eine nur schwer mess- und umsetzbare Eigenschaft. In bisherigen Untersuchungen wurde der inhaltliche Nutzwert daher i.d.R. über die inhaltliche Quantität, d.h. den Gesamtumfang der Zeitschrift bzw. den redaktionellen Umfang, gemessen (vgl. 3.3). Eine höhere Anzahl Seiten lässt mehr Leistung (Inhalt) für den Preis vermuten und sollte daher eine Wirkung auf die Kaufentscheidung ausüben. Die Vermutung, dass ein erhöhter Zeitschriftenumfang zu einem erhöhten Nutzwert der Zeitschrift führt, erscheint plausibel und soll geprüft werden. Es ist jedoch auch denkbar, dass Teile der Rezipienten eher einen geringeren Zeitschriftenumfang vorziehen ("zu viel zu lesen", "zu wenig Zeit") oder dass es für Rezipienten einen optimalen Umfang gibt, von dem aus sowohl ein höherer als auch ein verringerter Zeitschriftenumfang zu einem geringeren Nutzwert führen. Diese Thematik kann im Rahmen der Conjoint-Analyse geprüft werden: EVK (2)
Zeitschriftenumfang in Seiten
Für Abonnenten dagegen könnte der Zeitschriftenumfang eine geringere Bedeutung haben als für Einzelkäufer. Schließlich treffen Abonnenten nicht mit jeder Ausgabe eine erneute Kaufentscheidung. Erst wenn der Umfang dauerhafte und substanzielle Veränderungen aufweist, wäre eine Reaktion der Abonnenten zu erwarten.
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Ob der Umfang eine Wirkung auf die Wahlentscheidung von bestehenden Abonnenten hat, soll empirisch geprüft werden, so dass dieses Attribut in die Conjoint-Analyse der bestehenden Abonnenten aufgenommen wird. BesAbo (2)
Zeitschriftenumfang in Seiten
Für die Entscheidung potenzieller Abonnenten erscheinen andere Faktoren bedeutsamer als der Zeitschriftenumfang. Daher wird – vor dem Hintergrund einer begrenzten Anzahl Attribute, die in die Conjoint-Analyse aufgenommen werden könnte – in diesem Fall auf das Attribut "Umfang" verzichtet. In der Literatur werden Zeitschriften als Erfahrungsgüter und Markenartikel gesehen, die hohe Bekanntheitsgrade aufweisen (Stahmer 1995, S. 78-79). Eine Marke kann definiert werden als "Name, Ausdruck, Zeichen, Symbol, Design oder eine Kombination dieser Dinge, welche dafür vorgesehen ist, die Produkte eines Anbieters zu kennzeichnen und so vom Wettbewerb zu differenzieren" (Kotler 1991, S. 442). Die Markenerfahrung wird durch die Markenkenntnis und das Markenimage definiert. Die Markenkenntnis hängt mit dem Wiedererkennen einer Marke durch den Konsumenten zusammen. Das Markenimage beinhaltet die Vorstellungen, welche die Konsumenten über eine Marke haben (Keller 1993, S. 2). Die Markenkenntnis ist dabei eine notwendige Voraussetzung für die Bildung von Markenimage. Die Vorstellungen eines Konsumenten über eine Marke können in Markenattribute, Markenleistungen und Marken-Einstellungen unterteilt werden. Die Attribute umfassen alle Eigenschaften der Leistung, welche der Konsument dem Produkt zuordnet. Neben den physischen Eigenschaften kann dazu z.B. auch die Verpackung zählen. Markenleistungen stehen für den persönlichen Wert der Produktattribute für den Konsumenten. Dazu zählen funktionale Leistungen (entstehen i.d.R. aus den Produktattributen), erfahrungsmäßige Leistungen (wie es sich anfühlt, das Produkt zu nutzen) und symbolische Leistungen (z.B. soziale Anerkennung oder persönlicher Ausdruck). Die Marken-Einstellung schließlich ist definiert als die Gesamtbeurteilung der Marke durch einen Konsumenten (Keller 1993, S. 3-4 und S. 7). Auf Basis dieser Definitionen steht die Marke einer Zeitschrift somit implizit für eine Vielzahl von qualitativen und quantitativen inhaltlichen und äußerlichen Produkteigenschaften. Mit einer Zeitschriftenmarke verbinden Rezipienten die inhaltliche Positionierung, den redaktionellen Stil, die redaktionelle Unabhängigkeit, den wahrgenommenen Nutzwert der Informationen, das grundsätzliche äußerliche Erscheinungsbild – also letztlich auch die journalistische "Qualität" einer Zeitschrift. Diese wiederum wird als wesentlicher Kaufentscheidungsfaktor gesehen, der allerdings an sich "mit wenigen Ausnahmen nicht [direkt] messbar" sei (Heinrich 1994, S. 291 und S. 101). Bei Zeitschriften wird von gefestigten sachlichen Präferenzen ausgegangen. Keine zwei Zeitschriften werden als perfekte Substitute empfunden (vgl. 8.2.4). Eine hohe Bindung der Nutzer an die Marke ist zu vermuten.
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Das Attribut Marke wird in allen drei Conjoint-Befragungen auf Rezipientenmarktseite verwendet: EVK (3)
Zeitschriftenmarke
BesAbo (3)
Zeitschriftenmarke
NeuAbo (2)
Zeitschriftenmarke
Hinsichtlich der Anzeigenseiten wird in einer Studie von Kaiser/Wright (2006) ein positiver Effekt einer erhöhten Anzahl an Anzeigenseiten auf die Zeitschriftennachfrage gesehen. Möglicherweise ist der Einfluss jedoch von der Zeitschriftengattung (z.B. Frauenzeitschrift oder TV-Zeitschrift) und der Art der Anzeigen (z.B. Displayanzeigen oder Rubrikanzeigen) abhängig (vgl. 3.3). Kohlschein (2006) geht bei Zeitungen davon aus, dass Rubrikanzeigen und Displayanzeigen unterschiedlich wirken. Die Ergebnisse der eigenen Interviews jedoch zeigen, dass sich die Arten von Anzeigen in Finanzzeitschriften nicht so deutlich voneinander unterscheiden, wie z.B. Rubrik- und Displayanzeigen in Zeitungen (vgl. 8.2.4). Zwar kann in die Anzeigentypen Produktwerbung (z.B. für einen Aktienfond) und Imagewerbung (z.B. für eine Bank) unterschieden werden, jedoch scheinen sich die Anzeigentypen nicht deutlich genug voneinander zu unterscheiden, als das dies von großer Relevanz für die letztliche Kaufentscheidung der Zeitschrift sein könnte. Bei der Betrachtung des Einflusses von Anzeigen auf die Zeitschriftennachfrage stellt sich die Frage, ob die Wirkung der Anzahl der Anzeigenseiten oder des Anzeigenanteils am Gesamtumfang untersucht werden sollte. Während eine erhöhte Anzahl Anzeigenseiten bei entsprechend zielgruppengerechter Werbung nachfragesteigernde Effekte haben könnte, wirkt ein erhöhter Anzeigenanteil vermutlich negativ, da für die meisten Zeitschriften der redaktionelle Inhalt höher bewertet wird als die Anzeigen. Andererseits wirkt Werbung in Printmedien vermutlich weniger störend auf die Rezipienten als in anderen Medien, da Anzeigen im Gegensatz zu TV-Werbung überblättert werden können. Im Pre-Test schien die Anzahl der Anzeigenseiten keine Bedeutung bei der Auswahlentscheidung von Einzelkäufern zu spielen. Daher soll in der Hauptuntersuchung auf den Anzeigenanteil abgestellt werden. Die Anzeigenseitenanteile von wöchentlichen Finanzzeitschriften in Deutschland betrugen zwischen 2002 und 2006 zwischen 16% und 22% (pz-online 2007). Das bedeutet, dass sich die Anzeigenanteile der Wettbewerber nur wenig unterscheiden und somit aktuell durch die Rezipienten einer Zeitschrift nur ein geringer Grad an Produktdifferenzierung in dieser Hinsicht wahrnehmbar ist. Es ist allerdings möglich, dass das Redaktions-Anzeigenverhältnis nicht primär anhand der Präferenzen der Rezipienten bestimmt wurde, sondern anhand anderer Faktoren, z.B. der Orientierung am Wettbewerb. In diesem Fall jedoch wäre das Redaktions-Anzeigenverhältnis möglicherweise nicht nutzenoptimal.
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Der Anzeigenanteil wird in die Conjoint-Befragung der Einzelkäufer aufgenommen. EVK (4)
Anzeigenanteil
Für Abonnenten dagegen erscheint der Anzeigenanteil einer Zeitschrift weniger relevant als für Einzelkäufer einer Zeitschrift. So entscheiden sich Abonnenten nicht von Ausgabe zu Ausgabe neu für eine Zeitschrift. Daher scheint der Anzeigenanteil sowohl für bestehende als auch für potenzielle Abonnenten einer Finanzzeitschrift wenig relevant und wird bei den Conjoint-Befragungen nicht berücksichtigt. Euro am Sonntag unterscheidet sich hinsichtlich der Druck- und Papierqualität, dem Zeitschriftenformat und dem Erscheinungstag von den übrigen Finanzzeitschriften. Das Produkt wird als einziges in einem Zeitungsformat und auf Zeitungspapier hergestellt und sonntags verteilt. Jedoch ist zum einen davon auszugehen, dass diese Eigenschaften mit der Marke Euro am Sonntag verbunden werden. Zum anderen wird für diese Produktattribute nur ein geringer und wenig nachhaltiger Effekt vermutet (vgl. 8.2.3). Daher wird eine separate Abfrage dieser Werte als Attribute in der Conjoint-Analyse nicht vorgenommen. Unter den Kern-Wettbewerbern von Börse Online hebt sich Euro Finanzen durch die monatliche Erscheinungshäufigkeit ab. Trotz dieses Unterschiedes wird Euro Finanzen aufgrund seiner inhaltlichen Überschneidung mit den übrigen Finanzzeitschriften und seiner hohen Verkaufszahlen als Kernwettbewerb betrachtet. In der eigenen Analyse wird von äquivalenten Erscheinungshäufigkeiten ausgegangen. Als weitere, weniger relevante Produkteigenschaften werden von Verlagsexperten die Anzahl Bilder und Einstiegshilfen, das Seitenlayout, das Format oder die Verzahnung mit der OnlinePräsenz der Zeitschrift gesehen (vgl. 8.2.3). Auch Add-Ons (z.B. Beilagen, Beihefter) oder Eigenwerbekosten werden ohne nachhaltige Auswirkungen gesehen – eine Aussage, die sich mit den Ergebnissen der Analyse von Dewenter (2003) und den Ergebnissen aus dem Pre-Test deckt. 5.1.2
Preispolitische Faktoren
Der Zeitschriftenpreis hat Einfluss darauf, ob ein Rezipient eine Finanzzeitschrift kauft bzw. welches der konkurrierenden Produkte er wählt. Sieht man von Snobeffekten oder PreisQualitätswahrnehmungen ab, ist anzunehmen, dass ein höherer Einzelverkaufspreis zu einem geringeren Nutzwert des Produktes und somit zu einer geringeren Nachfrage führt (Hruschka 1996, S. 846). Dabei spielt auch das Wettbewerbsumfeld einer Zeitschrift eine Rolle. In ihrer regressionsanalytischen Betrachtung von Frauenzeitschriften in Deutschland identifizierten Kaiser/ Wright den Preisunterschied zwischen zwei sich im Wettbewerb befindlichen Zeitschriften als negative Determinanten von Marktanteilen im Rezipientenmarkt (Kaiser/Wright 2006, S.
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10). Für einzelne Nachfrager ist allerdings auch denkbar, dass der Preis innerhalb der im Markt vertretenen Bandbreite gegenüber anderen Aspekten keine Rolle spielt. Ein zunehmender Nutzen bei zunehmendem Preis ist für Zeitschriften nicht zu erwarten. Der Zeitschriftenpreis wird für alle Rezipientengruppen in die Conjoint-Analyse als Attribut aufgenommen: EVK (5)
Einzelverkaufspreis
BesAbo (4)
Einzelverkaufspreis bzw. Jahrespreis
NeuAbo (3)
Einzelverkaufspreis bzw. Jahrespreis
Unter den preislichen Faktoren ist für Einzelkäufer der Einzelverkaufspreis der einzig sichtbare und daher relevante Kaufentscheidungsfaktor. Für die Berechnung der Profitabilität im Einzelverkauf sind aus Verlagssicht darüber hinaus aber auch Handelsspannen und andere dem Verkaufsweg direkt zurechenbaren Kosten relevant. Nach Abzug der Steuern vom Einzelverkaufspreis müssen die Handelsspanne des PresseGrosso (14,5% bis 29,3%) sowie die Einzelhandelsmarge (18,3% bis 20,3%) subtrahiert werden. Die Grosso-Handelsspanne hängt von dem durchschnittlichen Verkauf pro Heftfolge ab. Bei höheren Absatzzahlen werden niedrigere prozentuale Handelsspannen verlangt. Zusätzlich kann es für den Verlag, abhängig vom Umsatz je Heftfolge, einen Umsatzbonus geben (0% bis 3,5%). Bei einer beispielhaften Berechnung der Nettomargen für eine Zeitschrift mit 15 Tsd. Exemplaren im Einzelverkauf zu einem Einzelverkaufspreis von 3,5 EUR ergibt sich, dass nach Abzug von Steuern, Grosso-Handelsspanne (28%) und Einzelhandelsmarge (20%) noch etwa 45% Marge für den Verlag bleiben. Anders setzt sich die Marge für den Verlag im Abonnement-Verkauf zusammen. Neben dem Einzelverkaufspreis müssen auch der Abonnenten-Rabatt, die Abonnenten-Prämien sowie Vermittlungs- und Abschlussprämien berücksichtigt werden (Daly et al. 1996, S. 96-104). Für den Abonnenten sichtbar sind der Einzelverkaufspreis, der Abo-Rabatt und die Abo-Prämie. Dabei beeinflussen von den Verlagen selbst auferlegte Wettbewerbsregeln für den Vertrieb von abonnierbaren Publikumszeitschriften sowie Entscheidungen des Bundeskartellamts die Werte. Danach darf der Abo-Rabatt nicht mehr als 15% des Einzelverkaufspreises und die Vermittlungs- und Abschlussprämie bei wöchentlicher Erscheinungsweise nicht mehr als den Bezugspreis eines Zweijahres-Abonnements betragen. Für die Abo-Prämien dagegen gibt es keine gerichtlich einklagbaren Grenzen, sondern lediglich eine Selbstverpflichtung von Verlagen, bestimmte Abo-Prämien Höhen nicht zu überschreiten (vgl. 8.2.4).39
39 Landgericht Hamburg (Urteil vom 28. Oktober 2003; 312 O425/03); Oberlandesgericht Hamburg (Urteil vom 9. Juli 2004; 5 U 181/03).
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Die Bandbreite von Abo-Rabatten liegt bei den betrachteten Finanzzeitschriften zwischen 3,8% (Börse Online) und 10% (Euro Finanzen), also unterhalb der zulässigen Grenze von 15%. Offenbar messen die Verlage dem Abo-Rabatt als Entscheidungsfaktor nur eine geringe Bedeutung zu. Um potenzielle Abonnenten vom Kauf zu überzeugen, sollte die Zeitschrift zwar günstiger sein als im Einzelverkauf, jedoch scheint die Höhe des Rabatts von untergeordneter Bedeutung zu sein. Diese Annahme soll überprüft werden und wird in die ConjointAnalysen der bestehenden und der potenziellen Abonnenten aufgenommen: BesAbo (5)
Abo-Rabatt auf den Einzelverkaufspreis
NeuAbo (4)
Abo-Rabatt auf den Einzelverkaufspreis
Der Wert der Abonnement-Prämie von Finanzzeitschriften liegt häufig auf Höhe des Preises eines Jahresabonnements. Offenbar betrachten Verlage eine hohe Abo-Prämie als wichtigen Kaufentscheidungsfaktor potenzieller Abonnenten. Die Bedeutung der Abo-Prämie soll geprüft werden, indem sie in die Conjoint-Analyse für potenzielle Neu-Abonnenten als Attribut aufgenommen wird: NeuAbo (5)
Abonnement-Prämie
Die Höhe der Abo- und Vermittlungsprämien kann aus Verlagssicht rechnerisch auf die Haltedauer eines Abonnements verteilt werden. Wenn angenommen wird, dass die Abo-Prämie dem Wert eines Jahresabonnements nach Abzug von Steuer und Rabatt entspricht und die durchschnittliche Haltedauer eines Abonnements bei 2,5 Jahren liegt, so liegen die Kosten der Abo-Prämie bezogen auf den Einzelverkaufspreis bei ca. 36%. Bei einem Anteil WBZ-Verkäufe40 an allen Abo-Verkäufen von 20% und einer WBZProvision im Wert eines Jahresabonnements liegt die WBZ-Provision bezogen auf den Einzelverkaufspreis und je Abonnent im Durchschnitt bei ca. 7%. Legt man die zuvor genannten Daten einer beispielhaften Margenberechnung für einen durchschnittlichen Abonnenten zu Grunde, so ergibt sich nach Abzug von Steuern, Abo-Rabatt (4%), Abo-Prämie (36%) und WBZ-Provision (7%) eine ungefähre Nettomarge von 45% für den Verlag. Die eigenen Interviews mit Entscheidungsträgern im Verlagswesen bestätigen die Komplexität von Preisentscheidungen in Zeitschriftenmärkten (vgl. 8.2.3). Die Entscheidungen über den Einzelverkaufspreis, den Abo-Rabatt, die Abo-Prämien und die Anzeigenkonditionen werden i.d.R. separat getroffen. Der Verlagsleiter beschließt den Einzelverkaufspreis zusammen mit dem Vertriebsleiter, den Abo-Rabatt mit dem Abo-Werbeleiter und die Anzeigen40 WBZ steht für "Werbetreibender im Buch- und Zeitschriftenhandel" und stellt eine Form des persönlichen Vertriebs von Zeitschriften-Abonnements dar.
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konditionen mit dem Anzeigenverkaufsleiter. Dabei wird eine Mixtur von wettbewerbsorientierten und kostenorientierten Prinzipien der Preisbestimmung verwendet. Eine Differenzierung der Anzeigenpreise erfolgt nach Format, Platzierung, Saison und Abnahmemengen. Auch eine Preisbündelung zusammen mit Online-Werbung ist möglich. 5.1.3
Distributions- und kommunikationspolitische Faktoren
Distributionspolitische Aspekte beziehen sich auf den Verkauf und die Verteilung von Inhalten. Dies umfasst die Auswahl des Mediums (z.B. Print, Internet), die Anzahl und Effektivität der Händler (z.B. Grosso bzw. Einzelhandel und WBZ) und die Intensität des eigenen AboVertriebs. Zum Händlermanagement gehört dabei die Sicherstellung der Belieferung einer möglichst großen Anzahl von Einzelhändlern durch die Grossisten. Die Promotionspolitik umfasst alle werblichen Maßnahmen zur Steigerung des Absatzes, also z.B. Anzeigenstrecken, Direktmarketing-Aktionen, Probe-Abonnements oder Verkaufsdisplays am POS. Eine maximale Bekanntheit und Verfügbarkeit des Produktangebots ist Voraussetzung für die Umsetzung des Bedarfs in Verkaufszahlen. Auch die Höhe der an Händler ausgelieferten Auflage, die Anzahl der Verkaufstage, während derer die Zeitschrift im Regal steht, und die Werbeintensität beeinflussen die Verkaufszahlen. Für den Vergleich der produkt- und preisbezogenen Entscheidungsfaktoren von Rezipienten muss innerhalb der Conjoint-Simulationen gleiche Bekanntheit und Verfügbarkeit der Wettbewerbsprodukte vorausgesetzt werden. Daher werden distributions- und promotionspolitische Aspekte nicht im empirischen Teil dieser Arbeit berücksichtigt. Zusammenfassung Zusammenfassend wurden die folgenden Produktattribute als bedeutsamste Kaufentscheidungsfaktoren identifiziert und sollen daher als Produktmerkmale in die Conjoint-Analyse aufgenommen werden:
5.2
Im Einzelverkauf: Einzelverkaufspreis, Zeitschriftenmarke, Zeitschriften-umfang, Anzeigenanteil sowie Titelthema.
Bei potenziellen Neuabonnenten: Einzelverkaufspreis, Abo-Rabatt, Abo-Prämie, Themenschwerpunkte und Zeitschriftenmarke.
Für bestehende Abonnenten: Preis, Abo-Rabatt, Themenschwerpunkte, Zeitschriftenmarke und Umfang.
Determinanten der Nachfrage im Inserentenmarkt
Analog zum vorangestellten Teilabschnitt werden an dieser Stelle die Kaufentscheidungsfaktoren für den Inserentenmarkt aufgeführt, strukturiert und priorisiert. Anhaltspunkte für die
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eigene Einteilung bilden die gängige Literatur, bisher erschienene Studien und die eigenen Vorab-Interviews. 5.2.1
Produktpolitische Faktoren
Unter den produktpolitischen Kaufentscheidungsfaktoren aus Sicht der Inserenten sind hier weniger physische Eigenschaften der Zeitschrift zu verstehen, sondern andere, aus den Zielen der Inserenten abgeleitete, Eigenschaften. Das Ziel von Werbetreibenden ist es letztlich, durch Werbung die eigenen Abverkäufe zu steigern und die Preisbereitschaft von Verbrauchern zu beeinflussen, um so den eigenen Umsatz zu steigern. Zu diesem Zweck werden Medien selektiert, welche die Werbebotschaften möglichst effektiv – in Bezug auf die Anzahl und Qualität der Kontakte mit der Zielgruppe – und effizient (preisgünstig) transportieren können. Die Aufgabe von Mediaplanern ist es, die zielgruppenspezifisch optimale Selektion von Werbeträgern zur Übermittlung von Werbebotschaften vorzunehmen. Der Anzeigeneinkauf erfolgt in den wenigsten Fällen direkt und allein durch das werbetreibende Unternehmen. Zumeist treten auf Inserentenseite auch Mittler, sogenannte Mediaagenturen auf (vgl. 2.2). Diese bieten Beratung zur strategischen Mediaplanung, Optimierung laufender Kampagnen, den Einkauf von Medienleistungen sowie die Erfolgskontrolle an. Als Honorar erhalten sie eine Provision von den Mediaanbietern, z.B. einen festen Prozentsatz des Werbeetats oder erfolgsabhängige Boni. Für die Kaufentscheidung sind im Fall von Finanzzeitschriften laut Aussagen der Verlagsexperten sowohl die Mediaagenturen als auch die Werbetreibenden selbst relevant. Daher werden auch beide Gruppen in die Befragung einbezogen. Lässt man Einschränkungen durch von Verlagsentscheidungen unabhängige Faktoren, wie z.B. Budgetbeschränkungen und spezielle Kundenwünsche oder formale Kriterien wie z.B. Verfügbarkeit, außen vor, so wird die intra-mediale Werbeträger-Entscheidung nach folgenden Gesichtspunkten entschieden: Zunächst erfolgt eine quantitative Selektion, bei der die Werbeträger (Zeitschriften) nach den Kriterien Affinitätsindex, Tausend-Kontakt-Preis und Reichweite in eine Rangreihenfolge gebracht werden. Der Affinitätsindex stellt die Reichweite in bestimmten Zielgruppen der Reichweite in der Grundgesamtheit gegenüber und ist damit ein Maß dafür, wie effizient die avisierte Zielgruppe erreicht werden kann. Der TausendKontakt-Preis ergibt sich aus den Einschaltkosten im Verhältnis zur Summe der Werbeträgerkontakte mit den Rezipienten. Damit ist er ein Indikator der Preisgünstigkeit eines Werbemediums. Das dritte bedeutsame Auswahlkriterium ist die Reichweite, d.h. die Anzahl der Personen, welche über den Werbeträger erreicht werden können (Hofsäss/Engel 2003 sowie Menhard/Treede 2004 , S. 279). Die für die quantitative Selektion notwendigen Preise,
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Reichweiten und Nutzerdaten bieten zum einen die Verlage selbst in ihrem Verkaufsmaterial als auch unabhängige Studien wie die Media-Analyse der Arbeitsgemeinschaft MediaAnalyse e.V. oder die Auflagenzahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW). Die eigenen Interviews mit Verlagsexperten ergaben in Abweichung dieser allgemeinen Auswahlkriterien, dass für das Spezialsegment der Finanzzeitschriften die Auflage ein guter Indikator für die Reichweite oder sogar von höherer Bedeutung als die Reichweite sei (vgl. 8.2.4). Dies ist konsistent mit den Feststellungen von Kaiser/Wright, dass die Anzeigennachfrage unter anderem durch die Auflage einer Zeitschrift erklärt werden kann (Kaiser/Wright 2006, S. 11-12). Daneben stellte Pietersma (2006, S. 11) fest, dass Anzeigenpreise in Zeitschriften vor allem durch die Höhe der Auflage und weniger durch die Reichweite je Ausgabe beeinflusst werden. Pietersma vermutete, dass Inserenten den "Erstleser" bzw. Käufer einer Zeitschrift deutlich höher bewerten als einen Rezipienten, der nicht bereit war, die Zeitschrift selbst zu kaufen. Dies wird durch Verlagsexperten auch für Finanzzeitschriften bestätigt. Um diesen Erkenntnissen gerecht zu werden, wird in der Conjoint-Analyse nicht nur die verkaufte Auflage (Einzelverkauf und Abonnement), sondern auch die sonstigen Auflagen (Bordexemplare, Lesezirkel, Freiexemplare) als Attribut aufgenommen: Ins (1) Höhe der verkauften Auflage (Einzelverkauf und Abonnement) Ins (2) Höhe der sonstigen Auflage Neben der Auflage und Reichweite einer Zeitschrift verwenden Verlage auch die LeserschaftCharakteristika, um Inserenten vom Wert einer Anzeige in der Zeitschrift zu überzeugen (Daly et al. 1996, S. 126-130). Die differenzierte inhaltliche Ausrichtung führt i.d.R. zu einer unterschiedlichen Zusammensetzung der Leserschaft von Zeitschriften. Werbetreibende Unternehmen wiederum verkaufen eine Vielzahl von Produkten an teils sehr spezifische Zielgruppen. Diese Zielgruppe wird mit unterschiedlich hoher Effizienz von verschiedenen Zeitschriften erreicht. Das führt dazu, dass Zeitschriftenanzeigen nicht als Massenware gesehen werden können, die ausschließlich über den Preis verkauft wird: "Advertising space is not a homogeneous commodity but something whose value depends on the characteristics of a newspaper’s readership" (Thompson 1989, S. 259) Die Bedeutung der Leserschaft-Charakteristika wird in der wissenschaftlichen Literatur hervorgehoben. Koschat/Putsis (2000, S. 227) etwa stellten fest, dass Anzeigenpreise bei Zeitschriften unter anderem durch die Charakteristika der jeweiligen Leserschaft erklärt werden können. In Bezug darauf zeigte sich, dass Inserenten junge und kaufkraftstarke Rezipienten bevorzugen. Auch Pietersma (2006, S. 11) stellt einen tendenziell positiven Einfluss eines höheren Anteils von Rezipienten mit einem hohen Haushaltseinkommen, jungem
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Alter und hohem Bildungsstand auf die Höhe von Anzeigenpreisen fest (Pietersma 2006, S. 11). Für die Untersuchung von Finanzzeitschriften stellt sich somit die Frage, welche Eigenschaften der Rezipienten von Seiten der Inserenten besonders geschätzt werden. Im Fall von Finanzzeitschriften versuchen die werbetreibenden Banken und Fondsanbieter, Rezipienten mit Kaufinteresse an Finanzprodukten zu erreichen. Zwar könnten auch andere Zielgruppencharakteristika wie das Alter, das Geschlecht, der Bildungsstand oder der Beruf der Rezipienten relevant sein – jedoch wurde in den eigenen Interviews mit Verlagsexperten die "Kaufabsicht von Finanzprodukten" als besonders bedeutsam für die Inserenten von Finanzzeitschriften eingestuft (vgl. 8.2.4). Daher wird der Anteil solcher Rezipienten als Attribut in die Conjoint-Analyse aufgenommen. Ins (3) Anteil Rezipienten mit Kaufabsicht von Finanzprodukten Sollte sich anhand der Wahlentscheidungen der Inserenten bestätigen, dass ein hoher Anteil Rezipienten mit Kaufabsicht bevorzugt wird, müsste die Empfehlung an Verlage lauten, ihre redaktionellen und vertrieblichen Bemühungen noch stärker an dieser Zielgruppe zu orientieren. Mit der oben aufgeführten, auf quantifizierbaren Kriterien beruhenden Auswahl einer Finanzzeitschrift durch den Inserenten kann allerdings nur gewährleistet werden, dass für eine bestimmte Zielgruppe die Möglichkeit besteht, mit der Werbebotschaft in Kontakt zu kommen. Es kann dagegen keine Aussage darüber getroffen werden, ob die Botschaft tatsächlich wahrgenommen wird und dann eine verkaufsfördernde Wirkung ausübt. Daher müssen Werbetreibende auch qualitative Kriterien wie die Markenstärke als Indikator für Imagetransfer sowie Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit oder das redaktionelle Umfeld, als Indikator für Interesse und Aufmerksamkeit, in die Auswahlentscheidung einbeziehen (Ots/Wolff 2007, S. 1-16). Die Zeitschriftenmarke und das Themenumfeld werden daher als Attribute in die Conjoint-Analyse aufgenommen. Ins (4) Zeitschriftenmarke Ins (5) Themenumfeld Sollten die Inserenten die Marke und das Themenumfeld in ihrer Auswahlentscheidung berücksichtigen, würde dies darauf hinweisen, dass Zeitschriften auch aus Sicht von Inserenten kein homogenes, auf rein quantitativen Kauffaktoren beruhendes Gut sind. Über diese Faktoren hinaus könnte noch eine Vielzahl weiterer Produktattribute eine Rolle bei der Kaufentscheidung von Inserenten spielen. Wie jedoch in Kapitel 4 erläutert, können aufgrund methodischer Restriktionen nicht alle, sondern nur die wichtigsten Kaufentscheidungsfaktoren im Rahmen der Conjoint-Analyse berücksichtigt werden.
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Zu den aus Inserentensicht weniger bedeutsamen Produktattributen zählen auf Basis der in den Interviews erlangten Auskünfte z.B. die Erscheinungshäufigkeit, der Erscheinungstag, das Anzeigenformat sowie die Platzierung innerhalb der Zeitschrift (vgl. 8.2.3). Auch der Einzelverkaufspreis der Zeitschrift ist ein Nebenkriterium, solange der Preis über 0 liegt und die Inserenten davon ausgehen können, dass die Rezipienten ein tatsächliches Interesse an dem Inhalt der Zeitschrift haben. Ein weiterer Entscheidungsaspekt könnte die Druck- und Papierqualität der Zeitschrift sein. Allerdings handelt es sich hier wohl eher um einen "Hygienefaktor". D.h., solange eine Mindest-Lichtundurchlässigkeit des Papiers erreicht ist und die Effektivität der Anzeige nicht behindert, ist die Papierqualität kein ausschlaggebender Kauffaktor. Ähnliches gilt für den Anzeigenanteil. Sollte der Anzeigenanteil am Gesamtumfang zu hoch werden, so besteht die Gefahr, dass einzelne Anzeigen von den Rezipienten nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden können. Dies würde zu Beschwerden von Inserenten führen (vgl. 8.2.4). In der Conjoint-Analyse nicht direkt betrachtet werden auch die Farbigkeit oder ein ergänzender Online-Auftritt. Da alle Zeitschriften durchgehend vierfarbig aufgebaut sind und über einen ergänzenden Online-Auftritt verfügen, können diese Merkmale nicht als Differenzierungsmöglichkeiten in Betracht kommen. Nicht betrachtet werden außerdem nicht durch den Verlag beeinflussbare Faktoren wie Budgetrestriktionen, personenbezogene Kauffaktoren sowie saisonale oder zyklische Nachfrage-schwankungen. 5.2.2
Preispolitische Faktoren
Der Preis einer Anzeige ist das, was der Inserent aufgeben muss, um die erwähnten produktbezogenen Nutzenvorteile zu erhalten. Der Preis übt daher einen Einfluss auf die Anzeigennachfrage aus und wird in die Conjoint-Analyse aufgenommen: Ins (6) Preis für eine ganzseitige Anzeige Dabei ist zu beachten, dass die in den Anzeigenpreislisten der Verlage ausgewiesenen Anzeigenpreise häufig nicht die tatsächlich zahlungsrelevanten Preise sind. In den Tarifkarten der Verlage werden verschiedene Formen der Preis-Diskriminierung verwendet. Übliche Industriepraxis ist der Abzug einer Agenturprovision (AE-Provision) sowie gestaffelte Mengenrabatte nach Seitenzahl und der Anzahl der Buchungen. Daneben könnten kundenindividuelle Natural- oder Bar-Rabatte eine Rolle spielen. Die Agenturprovision und die Mengenstaffeln werden von den Verlagen jährlich publiziert. Dabei ist festzustellen, dass die gewährten Rabatte bei Finanzzeitschriften in einer ähnlichen Größenordnung liegen (Malstaffel bis 15%; Mengenstaffel bis 22%; o.V. 2007b, S. 3). Eventuelle kundenindividuelle Rabatte werden frei verhandelt, dürften jedoch nur für die größten Kunden von Relevanz sein.
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In Abhängigkeit der erwähnten Rabatte könnte die durchschnittliche Marge für den Verlag bezogen auf den Listenpreis unter Annahme einer AE-Provision von 15% und einem Mengenrabatt von 10% beispielsweise 75% sein. Dieser Wert wird als angenommener Durchschnittswert in der Gewinnfunktion in Kapitel sechs berücksichtigt. Nicht nur die oben aufgeführten Preise (Ins 6) und Auflagen (Ins 1 und Ins 2) sind für die Inserenten relevant, sondern auch die daraus ableitbaren Quotienten "Tausend-Auflage-Preis" bzw. "Tausend-Kontakt-Preis". Diese Informationen werden zwar nicht in den Anzeigenpreislisten der Verlage hervorgehoben, können jedoch mit Hilfe der oben aufgeführten Werte leicht berechnet werden. In den durchgeführten Experteninterviews wurde die verkaufte Auflage (und zweitrangig auch die verbreitete Auflage) bzw. der Ganzseitenpreis für Finanzzeitschriften als relevanter eingestuft als TAP bzw. TKP (vgl. 8.2.4). 5.2.3
Distributions- und kommunikationspolitische Faktoren
Auch kommunikations- oder distributionspolitische Faktoren könnten für die Anzeigennachfrage eine Rolle spielen. So kann eine große, gut strukturierte Verkaufsorganisation zu einem höheren Anzeigenvolumen beitragen. Das persönliche Verhältnis zum jeweiligen Anzeigenverkäufer kann ebenfalls eine Rolle im Kaufprozess spielen, wobei dieses nach Auskunft von Verlagsexperten wohl eher für die Beseitigung von Problemen im operativen Geschäft als für die eigentliche Auswahlentscheidung bedeutsam ist. In die Conjoint-Analyse werden mögliche distributions- und kommunikations-politische Faktoren aus drei Gründen nicht aufgenommen. Zum einen besteht die bereits erwähnte Beschränkung hinsichtlich der Anzahl aufzunehmender Attribute. Zum Zweiten sind die distributions- und kommunikationspolitischen Faktoren vermutlich weniger bedeutsam als die oben erwähnten produkt- und preispolitischen Faktoren. Zum Dritten wäre z.B. die Betreungsintensität und -qualität von Anzeigenverkäufern ggf. nicht eindeutig beschreibbar und abgrenzbar. Daher wird im Rahmen der Conjoint-Analyse von einer gleichen Verfügbarkeit und Bekanntheit der Produktalternativen ausgegangen. Zusammenfassung Zusammenfassend sind die wichtigsten Kaufentscheidungsfaktoren auf Inserentenseite der Anzeigenpreis, die Marke, das Themenumfeld, die verkaufte Auflage, die sonstige Auflage sowie der Anteil Rezipienten mit Kaufinteresse an Finanzprodukten.
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5.3
Zusammenfassende Darstellung
Die Nutzergruppen einer Finanzzeitschrift sind Inserenten und Rezipienten. Letztere können zusätzlich nach dem Bezugsweg in Abonnenten und Einzelkäufer unterteilt werden. Diese Unterscheidung ist aufgrund unterschiedlicher Nachfragefunktionen sowie Nettomargen aus Verlagssicht notwendig. Für jede der Nutzergruppen sind unterschiedliche Kauffaktoren relevant. Aus der Vielzahl möglicher Kauffaktoren mussten diejenigen priorisiert werden, die vermutlich den höchsten Einfluss auf die Wahlentscheidung ausüben. Diese Kauffaktoren bilden die Attribute der Produktprofile in den Conjoint-Analysen. Die Nachfrage von potenziellen Neu-Abonnenten wird bestimmt durch den Einzelverkaufspreis, den Abo-Rabatt, die Abo-Prämie, die Themenserie und die Marke. Die identifizierten Kauffaktoren im Einzelverkauf sind der Einzelverkaufspreis, die Marke, der Zeitschriftenumfang, der Anzeigenanteil und das Titelthema. Bestehende Abonnenten schließlich entscheiden nach Marke, Preis, Rabatt, Umfang und Themenserie. Auf Inserentenseite wurden als wichtigste Kaufentscheidungsfaktoren der Anzeigenpreis, die Marke, das inhaltliche Umfeld, die verkaufte Auflage, die sonstige Auflage sowie der Anteil Rezipienten mit Kaufinteresse identifiziert.
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6
Empirische Untersuchung
Um Preisresponsefunktionen im Markt für Finanzzeitschriften zu ermitteln und darauf basierend gewinnoptimale Preise zu bestimmen, wurde eine empirische Untersuchung konzipiert, die insgesamt vier Befragungen umfasst. Der Fokus der Untersuchung wurde durch die Anforderungen und die Konstellationen im Markt für Finanzzeitschriften bestimmt, welche in Kapitel 2 und 5 dargestellt wurden. Die Beschreibung der empirischen Untersuchung erfolgt in fünf Schritten. Zunächst wird auf die Rahmenbedingungen und das Analysedesign des eigenen Vorhabens eingegangen (6.1). Dabei geht es um die getroffenen Entscheidungen im Rahmen der Ablaufschritte einer Conjoint-Analyse, welche alle vier Befragungen gleichartig betreffen. Im zweiten Abschnitt (6.2) werden die Untersuchungsergebnisse präsentiert. Der Abschnitt gliedert sich in die Teilabschnitte Datenerhebung/Datenaufbereitung/ Stichprobenbeschreibung, die Auswertung der Präferenzstrukturdaten auf aggregierter, segmentierter und individueller Ebene sowie die Ermittlung der Preisresponsefunktionen. Schwerpunkt im dritten Abschnitt (6.3) ist die Schätzung gewinnoptimaler Preise. Dabei werden die Marktseiten zunächst unabhängig voneinander betrachtet. Es folgt eine statische und eine einfache zweiperiodische Betrachtung gewinnoptimaler Preise unter Berücksichtigung von Nachfrageabhängigkeiten. Im vierten Abschnitt (6.4) werden die Ergebnisse interpretiert, die Sensitivität von Aktionsparametern geprüft und Szenarien diskutiert. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer zusammenfassenden Betrachtung.
6.1
Rahmenbedingungen und Analysedesign
Die Durchführung von Conjoint-Analysen mit vier Nutzergruppen von Finanzzeitschriften ist der empirische Kern dieser Arbeit. Sie werden in diesem Abschnitt der Arbeit beschrieben. Dabei werden zunächst die wichtigsten Maßnahmen, die zum Erreichen der relevanten Auskunftspersonen getroffen wurden, erläutert. Dann werden die in der Conjoint-Analyse verwendeten Produktmerkmale und -Ausprägungen beschrieben. Anschließend wird das Erhebungsdesign dargestellt, bevor auf die Art der Präferenzschätzung und Interpretationsweise eingegangen wird.
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Es wurden vier verschiedene Nutzergruppen von Börse Online in die Befragungen einbezogen: Bestehende Abonnenten, potenzielle Einzelkäufer, potenzielle Abonnenten sowie Inserenten. Um die Befragungen durchzuführen, waren die in Abschnitt 4.2.2 genannten Ablaufschritte einer Conjoint-Analyse zu durchlaufen. Als Conjoint-Variante wurde die CBC gewählt. Zunächst wurde dabei für jede der vier in Kapitel 5 genannten Nutzergruppen der Kreis der relevanten Auskunftspersonen ausgewählt. Die Stichproben sollten dabei die Nutzergruppen jeweils möglichst gut repräsentieren. Konkrete Angaben zu den Strukturmerkmalen der Stichproben folgen in den einzelnen Unterabschnitten. Befragung 1: Bestehende Abonnenten Die erste Befragung wurde mit derzeitigen Abonnenten von Börse Online durchgeführt. Aus der Grundgesamtheit von etwa 42.549 Abonnenten (pz-online, 11.02.2007) wurden alle Kunden mit einer Email-Adresse – ca. 3.570 Abonnenten – direkt und personalisiert angeschrieben und zu einer Teilnahme an der Befragung aufgefordert. Nach etwa der Hälfte der veranschlagten Dauer der Befragung wurde eine Nachfass-Email an die Zielgruppe geschickt. Auch ein postalischer Aufruf an alle Abonnenten wurde in Erwägung gezogen. Die Entscheidung gegen einen solchen Aufruf fiel zum einen aufgrund von Kostenüberlegungen. Zum anderen war nach Vorüberlegungen mit dem Verlag nicht davon auszugehen, dass die Struktur der Abonnenten mit Email-Adresse von der Struktur der Grundgesamtheit systematisch und substanziell abweicht. Befragung 2: Potenzielle Einzelkäufer Als Grundgesamtheit für die Befragung potenzieller Einzelkäufer wurden finanzinteressierte Personen in Deutschland identifiziert (vgl. 2.2). Die Rekrutierung der Teilnehmer für diese Gruppen erfolgte online über die Webseiten der Tageszeitung Financial Times Deutschland (FTD). Vor der Entscheidung für die FTD wurde auch der Einsatz verschiedener anderer Mittel zur Probandengewinnung in Erwägung gezogen. Dazu zählt ein Banner auf den Webseiten der Zeitschrift Capital, ein Banner auf der Webseite von Börse Online, ein Aufruf in der Zeitschrift Börse Online, die Nutzung von Adress-Broker-Material oder die Befragung von Studenten. Gerade die Nutzung der Börse Online-Webseiten oder -Zeitschrift wäre aufgrund der Unterstützung des Verlages mit geringem Aufwand möglich gewesen. Auf diese Mittel wurde jedoch aus mehreren Gründen verzichtet. So hätte ein Aufruf auf der Webseite von Börse Online bzw. in der Zeitschrift selbst wahrscheinlich zu Verzerrungen geführt. Bei Nutzern dieser Webseiten bzw. Zeitschrift ist von einer deutlich höheren Affinität gegenüber der Marke Börse Online auszugehen, als sie der durchschnittliche Nutzer von Finanzzeitschriften aufweisen würde.
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Bei einer Stichprobe, die ausschließlich auf Studenten zurückgreift, sind ebenfalls Verzerrungen zu erwarten. Studenten verfügen i.d.R. über kein oder nur ein sehr geringes Einkommen, so dass von einer systematisch geringeren Preisbereitschaft als im Gesamtmarkt ausgegangen werden muss. Adress-Broker-Material wäre grundsätzlich für die Gewinnung von Probanden geeignet. Voraussetzung ist allerdings, dass finanzinteressierte Personen als solche im Vorfeld identifiziert werden können. Sollten auch Personen außerhalb dieser Zielgruppe in der Adressliste sein, so wären wiederum Verzerrungen zu befürchten. Dabei wäre zum einen anzunehmen, dass nichtfinanzinteressierte Personen die Finanzzeitschriften-Marken nicht kennen oder zumindest keine Präferenz aufweisen und so dieses Produktmerkmal in der Befragung ignorieren würden. Zum anderen gehören nicht-finanzinteressierte Personen ohnehin nicht zur Zielgruppe, da bei diesen generell nicht von einer Kaufbereitschaft für Finanzzeitschriften auszugehen ist. Da die genannte Voraussetzung mit Adress-Broker-Material nicht zufriedenstellend erfüllt werden konnte, wurde auf dieses Mittel ebenfalls verzichtet. Die Nutzung eines Banners auf den Webseiten von Capital schließlich wurde sehr eingehend erwogen. Da diese Zeitschrift wie Börse Online zum Wirtschaftspresse-Segment von G+J zählt, wäre ein Zugriff möglich gewesen. Hier sind die zuvor genannten Verzerrungen nicht zu erwarten. Allerdings liegt der Themenschwerpunkt von Capital im Vergleich zu den klassischen Finanzzeitschriften mehr auf dem allgemeinen Wirtschaftsgeschehen (Kepplinger/ Ehmig 2005, S. 85). Somit werden auch auf den Webseiten nicht unbedingt nur finanzinteressierte Personen erreichbar sein. Aus diesem Grund wurde dieser Weg nicht gewählt. Das Schalten eines Banners auf den Webseiten der FTD war mit etwas mehr Schwierigkeiten verbunden als etwa eine Kooperation mit Capital gewesen wäre. Dennoch wurde dieser Weg zur Probanden-Gewinnung letztlich als der geeignetste ausgewählt. Die Financial Times Deutschland ist eine Tageszeitung mit dem Themenschwerpunkt Finanznachrichten. Die verkaufte Auflage liegt bei über 100 Tsd. Exemplaren je Ausgabe und die Reichweite bei über 300 Tsd. Lesern (MA 2007). Die Webseiten der FTD werden monatlich von über 500 Tsd. Einzelnutzern (Unique Users) bzw. wöchentlich von ca. 190 Tsd. Einzelnutzern genutzt (AGOF internet facts 2007).41 Der Großteil davon sind Männer (72%) im Alter zwischen 20 und 49 Jahren (66%) und hat ein relativ hohes Nettoeinkommen (38% mit mehr als 2.500 Euro pro Monat).42 Durch den Themenschwerpunkt der FTD auf der Finanzberichterstattung konnte davon ausgegangen werden, dass die Nutzer von ftd.de die Grundgesamtheit für Finanzzeitschriften 41 http://www.financial-times.de/div/zeitung/presse/99685.html; abgerufen am 03.04.2008, 19:00 Uhr. 42 http://www.ftd-media.de/de/spezial/leistungsdaten/online-leistungsdaten/bild_0001.html; abgerufen am 04.04.2008, 8:57 Uhr.
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sehr gut widerspiegeln. Dabei ist zu beachten, dass sich die FTD nicht wie Finanzzeitschriften ausschließlich an Privatpersonen, sondern auch an Geschäftspersonen richtet. Während Erstere primär ihre privaten Finanzen optimieren wollen, lesen Letztere die Zeitung, weil ihnen die Informationen für ihre Arbeit von Nutzen sein könnten. Allerdings kann näherungsweise davon ausgegangen werden, dass die erstere Gruppe die letztere umfasst, während dies umgeumgekehrt nicht unbedingt der Fall ist. Somit ist von keiner vollständigen Deckungsgleichheit der Zielgruppen von FTD und den Finanzzeitschriften, aber doch von einem sehr hohen Übereinstimmungsgrad, auszugehen. Gleichzeitig ergab sich kein Hinweis auf eine Verzerrung der Präferenzen hinsichtlich einer der betrachteten Zeitschriftenmarken. Aus diesen Gründen wurde ftd.de als der geeignetste Weg zur Probandengewinnung gewählt. Insgesamt konnten in zwei Zeitfenstern von zehn bzw. 14 Tagen animierte Banner auf den Webseiten der FTD geschaltet werden. Andere Zeitschriften, Zeitungen oder Webseiten wurden nicht in Betracht gezogen. Auch auf die Zusammenarbeit mit Banken oder OnlineBrokern wurde verzichtet. Befragung 3: Potenzielle Abonnenten Die Grundgesamtheit für potenzielle Abonnenten sind wie bei den Einzelkäufern finanzinteressierte Personen in Deutschland. Daher waren die Überlegungen auch ähnlich wie die zu der zweiten Befragung und sollen hier nicht erneut im Detail aufgeführt werden. In der Praxis werden potenzielle Käufer häufig durch den Kauf von Adresslisten von Adressbrokern generiert. Die Qualität dieser Daten schwankt nach Auskunft von Verlagsexperten allerdings stark. Zudem bestehen die oben angemerkten potenziellen Verzerrungen. Auch der Einsatz eines zusätzlichen Banners auf den Webseiten von FTD wurde nach eingehender Überlegung abgelehnt. Stattdessen wurde ein neuer Weg zur Gewinnung von finanzinteressierten Personen genutzt. So konnten die deutschen Alumni-Organisationen der Instituto de Empresa Business School (310 Personen), der UCLA Anderson School of Management (42 Personen), und der Wirtschaftsingenieure der Universität Paderborn (~200 Personen) sowie Verteiler von Frankfurt School of Finance-Teilnehmern (24 Personen), McKinsey-Mitarbeitern (~300 Personen) und von dem Finanzclub "Kursknacker" (24 Personen) einbezogen werden. Insgesamt konnten so etwa 875 Personen per Email bzw. postalisch angeschrieben werden. Die Einladung der Teilnehmer aus der Grundgesamtheit finanzinteressierter Personen erfolgte somit in einer nicht zufälligen Auswahl. Die angesprochene Teilnehmergruppe spiegelt nicht die derzeitige Struktur der Rezipienten von Finanzzeitschriften wider. Es kann aber argumentiert werden, dass diese Personen gewissermaßen die "Kern-Zielgruppe" von Finanzzeitschriften sind. Aus Sicht der Inserenten, und somit indirekt auch aus Sicht des Verlages, verfügt der ideale Rezipient über ein hohes Einkommen und hohe Depotwerte, die es ermöglichen, in die be-
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worbenen Finanzprodukte zu investieren. Daneben ist der ideale Rezipient an Finanzinformationen interessiert und kauft regelmäßig oder unregelmäßig auch Finanzzeitschriften, um sich mit Finanzinformationen zu versorgen. Bei der oben definierten Auswahl ist zu erwarten, dass Mitglieder dieser Gruppe die oben aufgeführten Bedingungen wie Finanzinteresse und überdurchschnittliches Einkommen sehr gut erfüllen. Befragung 4: Inserenten Die vierte Befragung richtete sich an Inserenten, die in Finanzzeitschriften Anzeigen schalten. Der relevante Markt wurde in Abschnitt 2.2 mit 252 Inserenten definiert. Wie ebenfalls in Abschnitt 2.2 angesprochen, haben sowohl die Produktmanager auf Endkundenseite als auch die Ansprechpartner auf Agenturseite Einfluss auf die intra-mediale Entscheidung in diesem Markt. Durch die Kooperation mit Gruner+Jahr konnten im Rahmen dieser Untersuchung Ansprechpartner bei 90 Endkunden und bei 61 diese Kunden betreuenden Mediaagenturen identifiziert werden. Aufgrund der beschränkten Grundgesamtheit wurde keine Auswahl getroffen, sondern es wurden sämtliche Inserenten zur Teilnahme an der Befragung eingeladen. Diese Kunden und Agenturen vertreten 79,5% des auf Ganzseiten normierten Marktvolumens im relevanten Anzeigenmarkt (vgl. 2.2). Zentraler Vorteil dieser Vorgehensweise war, dass die tatsächlichen Entscheider zweifelsfrei vorab identifiziert werden konnten. Auf den Versuch, auch die das restliche Marktvolumen vertretenden Inserenten anzusprechen, wurde verzichtet. So erschien es unwahrscheinlich, dass innerhalb der verbleibenden Unternehmen die tatsächlichen Entscheider identifiziert und direkt angesprochen werden konnten. Produktmerkmale- und Ausprägungen Nach der Auswahl der Conjoint-Variante und der Zielgruppe bzw. Stichprobe der Befragung betraf die nächste Entscheidung die Auswahl der Merkmale und Ausprägungen (vgl. Ablaufschritte der Conjoint-Analyse in Abschnitt 4.2.2). Zur Identifikation und Selektion der wichtigsten Kaufentscheidungsfaktoren (Produktmerkmale) wurden Experteninterviews mit Verlagsmitarbeitern und eine Sekundäranalyse von Literaturquellen durchgeführt sowie die Nutzersicht durch die Pre-Test-Ergebnisse einbezogen (vgl. 5). Dazu konnten persönliche Interviews mit insgesamt zehn Verlagsexperten zwischen August und Oktober 2007 durchgeführt werden. Im Rahmen der Interviews wurden die in der Literatur aufgeführten Kauffaktoren auf Inserenten- und Rezipientenseite ergänzt und priorisiert sowie der relevante Wettbewerb einer Finanzzeitschrift definiert. Das Ergebnis der Interviews und Literaturrecherche waren die in Kapitel fünf aufgeführten Hypothesen zu den Faktoren,
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die die Auswahlentscheidung der Nutzer von Finanzzeitschriften wesentlich beeinflussen. An dieser Stelle erfolgt darauf aufbauend eine Übersicht über die betrachteten Produktattribute und deren Ausprägungen. Es wurde darauf geachtet, dass die Bandbreiten der Ausprägungen die im Markt beobachtbaren Eigenschaftsausprägungen umfassen und somit realistisch wirken. Nachteilig an dieser Vorgehensweise ist allerdings, dass streng genommen keine validen Aussagen bezüglich Reaktionen außerhalb dieser Bandbreite abzuleiten sind. Hier wurde jedoch der Realitätsnähe gegenüber einer maximalen Abdeckung aller denkbaren Merkmalsausprägungen (z.B. Preis von 0 Euro) der Vorzug gegeben.
Attribute
In der folgenden Tabelle erfolgt die Übersicht der Attribute und Ausprägungen für die Gruppe der Einzelkäufer. Dabei werden die verwendeten Attribute zeilenweise und die Ausprägungen je Attribut in der jeweiligen Zeile spaltenweise wiedergegeben. Um das Wettbewerbsumfeld und die Preispunkte im Markt ausreichend zu berücksichtigen, wurden für die Attribute Marke und Preis jeweils fünf Ausprägungen verwendet (Zeile 1 und 2). Für die übrigen drei Attribute wurden je vier Ausprägungen als ausreichend erachtet (Zeile 3 bis 5). Durch dieses Design sollten zum einen Level-Effekte (vgl. 4.2.2.4) weitestgehend vermieden werden und zum anderen der kognitive Aufwand für die Auskunftspersonen in einem vertretbaren Maß gehalten werden (vgl. 4.2.2.2). Die Auswahl der Ausprägungen orientierte sich an den derzeit tatsächlich im Markt beobachtbaren Produktvariationen. Ähnlich große Abstände zwischen den quantifizierbaren Ausprägungen sollen möglichen Bandbreiteneffekten vorbeugen. Bei der späteren Befragung waren die Produkte dann aus einer zufälligen Kombination der unten angegebenen Produktausprägungen zusammengesetzt. Ausprägungen Börse Online Focus Money Euro am Sonntag Euro Finanzen 2 EUR 3 EUR 3,5 EUR 4 EUR Deutschlands Die besten Fonds Wie lege ich mein Die besten Aktien Titelthema rentabelste Firmen und Zertifikate Geld richtig an? der Welt Umfang 75 Seiten 100 Seiten 125 Seiten 150 Seiten Anzeigenumfang 15% 20% 25% 30% Marke Preis
Der Aktionär 5,5 EUR
Tabelle 4: Attribute und Ausprägungen in Conjoint-Analyse mit potenziellen Einzelkäufern
Für Einzelkäufer einer Finanzzeitschrift wurde die Marke, der Preis, das Titelthema, der Heftumfang und der Anzeigenanteil als wichtige Kaufentscheidungsfaktoren identifiziert (vgl. 5). Bei den Titelthemen handelt es sich um reale Titelthemen aus dem Jahr 2007, die auf Basis einer Titelanalyse des Verlages Gruner + Jahr zum einen als typisches Themenspektrum identifiziert wurden und zum anderen in der Restschwankung auffällig von mittelfristigen Verkaufstrends abwichen. Bei den übrigen Conjoint-Designs wurde analog zu der gerade beschriebenen Vorgehensweise für die Befragung der Einzelkäufer verfahren. Daher soll an dieser Stelle lediglich auf die Attribute und Ausprägungen in den jeweiligen Conjoint-Befragungen eingegangen werden.
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Für die Gruppe der potenziellen Neu-Abonnenten wurden die Marke, der Preis, die AboPrämie, der Abo-Rabatt und die Themenserie als wichtigste Kauffaktoren identifiziert. Wie bereits in Kapitel fünf erwähnt, sind hier der Zeitschriftentitel und Umfang weniger relevant.
Attribute
Marke Preis Abo-Prämie Abo-Rabatt Themenserie
Ausprägungen Börse Online Focus Money Euro am Sonntag Euro Finanzen Der Aktionär 2 EUR 3 EUR 3,5 EUR 4 EUR 5,5 EUR (182 EUR p.a.) (208 EUR p.a.) (286 EUR p.a.) (104 EUR p.a.) (156 EUR p.a.) 70 EUR 90 EUR 110 EUR 130 EUR 0% 4% 8% 12% Deutschlands Die besten Fonds Wie lege ich mein Die besten Aktien rentabelste Firmen und Zertifikate Geld richtig an? der Welt
Tabelle 5: Attribute und Ausprägungen in Conjoint-Analyse mit potenziellen Neu-Abonnenten
Bei den bestehenden Abonnenten einer Finanzzeitschrift wurden die Marke, der Preis, der Abo-Rabatt, der Zeitschriftenumfang und die Themenserie abgefragt. Im Gegensatz zu potenziellen Neu-Abonnenten spielt die Abo-Prämie hier keine kaufentscheidende Rolle.
Atttribute Attribute
Marke Preis Abo-Rabatt Umfang Themenserie
Ausprägungen Börse Online Focus Money Euro am Sonntag Euro Finanzen Der Aktionär 2 EUR 3 EUR 3,5 EUR 4 EUR 5,5 EUR (104 EUR p.a.) (156 EUR p.a.) (182 EUR p.a.) (208 EUR p.a.) (286 EUR p.a.) 0% 4% 8% 12% 75 Seiten 100 Seiten 125 Seiten 150 Seiten Deutschlands Die besten Fonds Wie lege ich mein Die besten Aktien rentabelste Firmen und Zertifikate Geld richtig an? der Welt
Tabelle 6: Attribute und Ausprägungen in Conjoint-Analyse mit bestehenden Abonnenten
Attribute
Schließlich wurden bei den Inserenten einer Finanzzeitschrift die Marke, der GanzseitenPreis, die verkaufte Auflage, die sonstige Auflage, der Anteil Leser mit Kaufabsicht und das Themenumfeld als Kauffaktoren identifiziert. Auch hier wurden die Ausprägungen an die derzeitigen Gegebenheiten im realen Markt angelehnt.
Marke Preis Verkaufte Sonstige Auflage Anteil Leser mit Kaufabsicht Themenumfeld
Ausprägungen Börse Online 12.000 60.000 60.000
Der Aktionär 8.000 40.000 40.000
Euro am 10.000 50.000 50.000
Focus Money 14.000 70.000 70.000
40%
45%
50%
55%
Online-Broker und Girokonten
Fonds
Zertifikate
Anleihen
Euro Finanzen
Tabelle 7: Attribute und Ausprägungen in Conjoint-Analyse mit Inserenten
109
Präferenzmodell, Erhebungsdesign, Präsentation und Bewertung der Stimuli Nach der Auswahl der Attribute und Ausprägungen können die Stimuli – d.h. die Kombination von Merkmalsauprägungen, die dem Probanden vorgelegt werden – konstruiert werden. Dabei ist die Art des Designs, die Präsentationsform und die Art des Mediums zu wählen (vgl. 4.2.2). Für die vorliegende Untersuchung wurde die Vollprofilmethode aufgrund des höheren Realitätsbezugs gewählt. Mit Hilfe des Software-Tools wurde ein zufälliges, nahezu orthogonales Design erstellt, so dass die Teilnehmer jeweils einen einzigartigen Fragebogen erhalten. Auf diese Weise können auch Interaktions-Effekte gemessen werden. Als Medium wurde aus den in Abschnitt 4.2.2 genannten Gründen das Internet gewählt. Pro CBC-Frage (auch "Choice-Set" oder "Auswahlsituation") wurden insgesamt drei Konzepte und eine "Keine"-Option zur Auswahl gegeben. Die "Keine"-Option soll die realen Gegebenheiten einer Kaufentscheidungssituation nachstellen, da auch in der Realität die Käufer nicht gezwungen werden, ein Produkt zu kaufen, welches ihren Anforderungen nicht entspricht. Aus der Vielzahl möglicher Stimuli-Zusammensetzungen erhielten alle Teilnehmer 14 zufällig ausgewählte Auswahlsituationen zuzüglich zweier "Holdout-Tasks" zur Entscheidung vorgelegt. Bei Online-CBC-Befragungen wird empfohlen, ca. 15 CBC-"Choice-Sets" zu integrieren, um robuste Vorhersagen auf individueller Ebene zu erzeugen (Johnson/Orme 1996, S. 22). Die "Holdout-Tasks" dienen der späteren Messung der Validität und Reliabilität der Ergebnisse und werden nicht für die Schätzung der Präferenzstrukturen verwendet. Zur Bildung effizienter Analysedesigns wurde die Software "SSI Web v6.2" von Sawtooth Software verwendet. Die Module dieser Software ermöglichen neben der Generierung eines effizienten experimentellen Conjoint-Designs auch die Online-Erhebung sowie die spätere Analyse der Ergebnisse bis hin zur Marktsimulation und Marktsegmentierung. Bei der Untersuchung sollten vorrangig die Haupteffekte der Merkmalsausprägungen geschätzt werden. Mittels der "balanced overlap method" wurde für jede Befragung ein Design erzielt, welches eine durchschnittliche Effizienz zur Schätzung der Haupteffekte von je über 99% aufweist. Ziel der Ausgestaltung der Präsentationsform ist eine möglichst realistische Darstellung der Stimuli, ohne die Auskunftspersonen dabei durch Verschönerungen oder zu viele Zusatzinformationen abzulenken. In der eigenen Untersuchung soll eine visuelle Darstellung der Marke einen zusätzlichen Realitätsbezug herstellen und so die Beantwortung der Auswahlfragen für die Teilnehmer erleichtern (vgl. 8.3). Den CBC-Auswahlsituationen vorangeschaltet
110
wurde eine direkte Bewertung des eigenen Mediennutzungsverhaltens und einzelner Kaufentscheidungsfaktoren. Der Erhebungszeitraum wurde mit jeweils etwa acht Wochen fixiert, um allen Nutzern eine gleiche Teilnahmechance zu ermöglichen. Verzerrte Stichproben durch zu kurze Feldzeiten sollten so vermieden werden. Für alle Befragungen wurden im Voraus Pre-Tests mit mindestens fünf Personen durchgeführt. Dabei wurde insbesondere auf Verständlichkeit der Fragen und die Einschätzung der Belastung der Probanden geachtet. Darüber hinaus wurde mit einem der Fragebögen (Einzelkäufer) zusätzlich ein größerer Pre-Test (etwa 70 Personen) durchgeführt. So konnten Plausibilität und Qualität der Ergebnisse geprüft werden. Bei der Befragung wurden zehn amazon.de-Gutscheine im Wert von 15 Euro verlost, die zu einer Erhöhung der Teilnamemotivation beitragen sollten. Aufgrund des geringen Wertes der Gutscheine kann davon ausgegangen werden, dass die Antworten nicht durch die Anreize beeinflusst wurden. Das Teilnahmeformular wurde nach dem letzten Fragebogenteil eingebunden. Schätzung der Nutzwerte und Interpretation der Daten Die Schätzung der Nutzwerte und die Interpretation der Daten folgt dem in Abschnitt 4.2.2 vorgestellten Vorgehen. Daher wird dieses Vorgehen an dieser Stelle nur knapp beleuchtet. Für die Schätzung der Nutzwerte wird auf drei Verfahren zurückgegriffen. Erst wird eine aggregierte Auswertung der Daten mit der Logit-Schätzung durchgeführt. Anschließend werden die Ergebnisse mit denen einer segmentbasierten Schätzung (Latent-Class-Verfahren) und einer individuellen Schätzung (Hierarchical-Bayes-Verfahren) anhand von Gütekriterien und der Prognosevalidität verglichen. Auf Basis dieser Auswertungen wird die Bedeutung einzelner Produktmerkmale in der Auswahlentscheidung der verschiedenen Nutzergruppen beleuchtet. Zudem werden die mit der Latent-Class-Analyse identifizierten Benefit-Segmente innerhalb der einzelnen Nutzergruppen dargestellt. Für jede Nutzergruppe wird schließlich das Schätzverfahren mit den besten Ergebnissen für die Durchführung von Marktsimulationen ausgewählt. Bei diesen Marktsimulationen wird das Produktmerkmal Preis systematisch variiert, um den Anteil von Auskunftspersonen festzustellen, die zu verschiedenen Preispunkten die ausgewählte Marke kaufen würden. Die sich ergebenden Wahlanteile zu jedem Preispunkt werden schließlich regressionsanalytisch in eine Preisresponsefunktion transformiert. Abschließend ist im Folgenden der Hergang der Untersuchung in einer Übersicht dargestellt. Von oben nach unten werden in chronologischer Reihenfolge die wichtigsten Arbeitsschritte aufgeführt.
111
Abbildung 16: Hergang der Untersuchung
Vorbereitet wurde die empirische Untersuchung durch die Analyse der existierenden Literatur (Kapitel 2, 3 und 4) sowie den Experten-Interviews (Kapitel 5 bzw. 8.2). In Abschnitt 6.1 wurde das Untersuchungsdesign vorgestellt. Die nachfolgenden Abschnitte beschreiben die Resultate der vier Conjoint-Analysen, welche mit Hilfe dreier Schätzmethoden – Logit, Latent-Class und Hierarchical-Bayes – ausgewertet wurden. Dabei werden auch die Ergebnisse aus den Choice-Simulationen und die ermittelten Responsefunktionen vorgestellt. Diese wiederum werden zur Bestimmung gewinnoptimaler Preise verwendet (6.3). Abschließend werden die Ergebnisse diskutiert.
6.2
Analyseergebnisse
Die Analyseergebnisse zu jeder der befragten Nutzergruppen werden in je einem Teilabschnitt zusammengefasst. Diese Teilabschnitte enthalten je fünf Unterabschnitte:
112
Im jeweils ersten Unterabschnitt erfolgen die Beschreibung der Charakteristika der jeweiligen Stichprobe und die Auswertung der direkten Fragen. Dazu zählen Fragen zur Mediennutzung, Kauffrequenz, Alter, Einkommen und Kauffaktoren beim Kauf einer Finanzzeitschrift bzw. einer Anzeige. Abgeschlossen wird der erste Unterab-
schnitt mit einer Bewertung der Reliabilität des Antwortverhaltens bei den ConjointFragen.
Dann folgt die jeweilige Auswertung der Präferenzstrukturdaten aus den ConjointAnalysen. Dabei werden als Erstes die Ergebnisse einer aggregierten (Logit) Schätzung vorgestellt (Unterabschnitt 2).
Im dritten Unterabschnitt werden die Ergebnisse einer segmentbasierten (LatentClass) Schätzung aufgeführt.
Die Ergebnisse der (individuellen) Hierarchical-Bayes-Schätzung sind in Unterabschnitt vier enthalten. Innerhalb der Unterabschnitte zwei bis vier wird untersucht, ob die in der ConjointAnalyse verwendeten Produktattribute einen signifikanten Einfluss auf die Wahlentscheidung aufweisen, ob die resultierenden Teilnutzen-Verläufe plausibel erscheinen, wie die Güte der Schätzung zu beurteilen ist, welche Bedeutungsgewichte die verwendeten Produktattribute auf die Wahlentscheidung ausüben und wie sich einzelne Segmente der Auskunftspersonen ggf. unterscheiden. Auf Basis der Güte sowie der Prognosevalidität wird schließlich die jeweils beste Schätzung ausgewählt.
Im fünften Unterabschnitt wird – basierend auf der jeweils besten Schätzung – eine Preisresponsefunktion für die jeweilige Nutzergruppe ermittelt.
Für die Inserenten gibt es darüber hinaus noch einen sechsten und siebten Unterabschnitt, in dem die Auflagenresponsefunktion bzw. die Auflagen-Preis-Responsefunktion ermittelt wird.
Begonnen wird mit der Nutzergruppe bestehende Abonnenten, dann folgen Einzelkäufer, Neu-Abonnenten und Inserenten. 6.2.1
Bestehende Abonnenten
Die Zielgruppe der bestehenden Abonnenten umfasst alle derzeitigen Abonnenten von Börse Online (Stand 2007). Von den 42.549 Abonnenten (pz-online 2007) konnte an alle 3.370 Abonnenten, bei denen eine Email Adresse hinterlegt war, eine Einladung zur Teilnahme an der Befragung gesendet werden. Der Fragebogen wurde am 22. Februar 2008 online gestellt und die Befragung mittels einer personalisierten Email verschickt. Bis zum Abschluss der Befragung am 15. April 2007 hatten 350 Teilnehmer den Fragebogen begonnen. Dabei wurde am 18. März eine Nachfassaktion per Email durchgeführt, die zu einer Verdoppelung der ursprünglichen Teilnehmerzahl führte.
113
Von den 350 Teilnehmern haben 69 keine der Conjoint-Tasks beantwortet. Dies enthält auch Personen, die ggf. zunächst nur kurz auf die Einleitungs-Seite gegangen sind und dann entschieden haben, die Befragung zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen. Außerdem gaben zehn Personen an, kein Abonnent einer Finanzzeitschrift zu sein. Letzteres kann entweder durch eine Fehleingabe oder dadurch erklärt werden, dass der Teilnehmer früher Abonnent war, aber zum Zeitpunkt der Befragung bereits nicht mehr Abonnent war. Zusätzlich wurden anhand der I.P.-Adressen fünf Teilnehmer identifiziert, die mehr als einen Fragebogen ausgefüllt haben. Zwar ist nicht auszuschließen, dass mehrere unterschiedliche Personen aus der Zielgruppe von derselben I.P.-Adresse antworten, jedoch erscheint es wahrscheinlicher, dass es sich um dieselbe Person handelt. Daher werden für diese Teilnehmer alle bis auf den jeweils ersten Fragebogen (acht Fragebögen) eliminiert. Nach Eliminierung dieser insgesamt 87 Antworten verblieb eine Stichprobe von 263 Teilnehmern. Den weiteren Auswertungen wurde dieser Datensatz, der auch Antworten mit einer einzigen Choice-Task integriert, zugrunde gelegt. 6.2.1.1
Datenerhebung – Datenaufbereitung – Stichprobenbeschreibung
Als Erhebungsmethode wurde eine Online-Befragung mit einem auf die Untersuchung speziell zugeschnittenen Choice-Based-Conjoint-Fragebogen gewählt (8.3). Die Befragung erfolgte mit Hilfe von standardisierten Fragen, die zusammen mit Vertretern von Gruner+Jahr entwickelt wurden, um so möglichst vergleichbare und vollständige Antworten zu generieren. Die Studie wurde durch das System "SSI Web v6.2" von Sawtooth Software technisch umgesetzt. Der Fragebogen umfasst drei Abschnitte: (1) Abfrage von Kaufentscheidungsfaktoren und Nutzungsverhalten der Abonnenten mittels direkter Fragen (2) Erfassung der Präferenzen mittels Conjoint-Auswahlsituationen (3) Generierung von Informationen zur (soziodemographischen) Beschreibung der Stichprobe Befragt wurden derzeitige Abonnenten der Zeitschrift Börse Online, für die eine EmailAdresse verfügbar war. Das Auswahlprinzip war somit nicht eine zufällige Auswahl unter allen Abonnenten, sondern eine Vollerhebung unter allen Abonnenten mit Email- Adresse. Eine Kontrolle von Störfaktoren konnte bei der Online-Befragung nicht vorgenommen werden. Somit ist nicht auszuschließen, dass nicht erfasste Störfaktoren die Ergebnisse verzerrt haben. Wie oben aufgeführt, umfasst die Stichprobe insgesamt 263 Personen, wovon 250 Personen sämtliche Conjoint-Tasks vollständig ausgefüllt haben. Der Wert für die Mindestzahl befragter Personen nach der Faustregel für eine stabile Conjoint-Schätzung (vgl. 4.2.2.3) wird im vorliegenden Fall deutlich übertroffen.
114
Nachfolgend wird die Stichprobe anhand der Antworten aus Teil 1 und 3 des Fragebogens beschrieben. Da nicht für alle Fragen die Beantwortung obligatorisch war und nicht alle Teilnehmer die Befragung von der ersten bis zur letzten Frage vollständig beantwortet haben, beziehen sich die angegebenen Prozentwerte z.T. auf unterschiedliche Fallzahlen. Daher werden die Fallzahlen für jede Frage einzeln ausgewiesen. Zur Auswertung der Antworten wurde die Statistiksoftware SPSS 14.0 verwendet. Wie lange sind Sie schon Abonnent einer Finanzzeitschrift? 30,9% der Teilnehmer gaben an, seit weniger als einem Jahr Abonnent zu sein. Weitere 15,5% sind seit weniger als zwei Jahren Abonnent. Insgesamt teilten 53,6% der Befragten mit, schon seit mehr als zwei Jahren Abonnent zu sein (n=233). Haben Sie im letzten Jahr in Finanzprodukte investiert? Beabsichtigen Sie, in den nächsten sechs Monaten Finanzprodukte zu kaufen? Dass die Teilnehmer grundsätzlich an Finanzinformationen interessiert sind, kann aufgrund ihres Status als Abonnent einer Finanzzeitschrift unterstellt werden. Fast alle Befragten haben zudem im letzten Jahr in Finanzprodukte investiert (96,5%, n=229) und fast ebenso viele planen, auch in den kommenden sechs Monaten Finanzprodukte zu kaufen (93,9%, n=230). Wie häufig nutzen Sie die folgenden Medien für Ihren Bedarf an Finanzinformationen? (1= sehr häufig, 4 =überhaupt nicht) Die nachfolgende Abbildung zeigt die Angaben zur Nutzungshäufigkeit der abgefragten Medien, sortiert nach den Mittelwerten. In der ersten Spalte werden die abgefragten Medien aufgeführt, die zweite Spalte enthält die Anzahl der Teilnehmer, welche die Frage beantwortet haben, und die Spalten 3 bis 6 enthalten die Lagemaße und die Standardabweichung. Medien Finanzzeitschriften Wirtschaftszeitschriften TV-Finanznachrichten Börsenbriefe Online Finanz-Portale Wirtschaftszeitungen Webseiten von Banken oder Online-Brokern
N 263 263 263 263 263 263
Mittelwert 1,932 2,084 2,194 2,270 2,654 2,741
Median 2 2 2 2 3 3
Modus 1 1 1 1 3 3
Std. Abweichung 0,951 0,977 1,050 1,178 0,968 1,012
263
3,373
4
4
1,018
Tabelle 8: Mediennutzung zur Erlangung von Finanzinformationen durch bestehende Abonnenten (1 = sehr häufig; 4 = überhaupt nicht)
115
Lagemaße kleiner als 2,5 deuten darauf hin, dass die jeweiligen Medien häufig zur Erlangung von Finanzinformationen genutzt werden. Dies ist erwartungsgemäß für Finanzzeitschriften der Fall, darüber hinaus aber auch – bei zunehmender Standardabweichung – für Wirtschaftszeitschriften, TV-Finanznachrichten und Börsenbriefe. Wenig verwendet werden für diesen Zweck die Webseiten von Banken und Online-Brokern. Beschreibung der Stichprobe hinsichtlich soziodemografischer Merkmale In der nachfolgenden Abbildung wird die Altersklassenverteilung in der Stichprobe mit der durchschnittlichen Altersverteilung bei Rezipienten von Finanzzeitschriften verglichen. Die yAchse zeigt den Anteil an der jeweiligen Gesamtheit und die x-Achse zeigt die Altersklassen. Der jeweilige linke Balken zeigt den Anteil der Altersgruppe in der Stichprobe, der rechte Balken den Anteil der Altersgruppe bei Finanzzeitschriften. 40% 35% 30% Anteil in Stichprobe
25% 20%
Anteil bei Finanzzeitschriften
15% 10% 5% 0% 14-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69
>70
Abbildung 17: Altersverteilung bei Finanzzeitschriften (lt. MA Presse 1 2008: Focus Money, Euro am Sonntag, Euro) und in Stichprobe für bestehende Abonnenten (n= 233)
Die häufigste Altersgruppe in der Stichprobe ist die der 40- bis 49-Jährigen (33,9%), während die Gruppe der unter 20-Jährigen ( 4.000 Euro K.A.
2% 36% 26% 31% 5%
6% 17% 22% 44% 11%
Bildung
Realschule Abitur Hochschule Promotion, MBA K.A.
5% 0% 46% 47% 2%
0% 0% 42% 58% 0%
14% 34% 39% 8% 5%
33% 17% 33% 17% 0%
ausschließlich Ersatz Internet ist für eher Ersatz gedruckte eher Ergänzung Finanzzeitschriften ausschließlich Ergänzung nicht relevant
Tabelle 36: Beschreibung der Potenzielle-Abonnenten-Segmente
Bei der Interpretation der Daten ist zu berücksichtigen, dass Segment 2 nur 23% der Befragten umfasst und die Zusammensetzung somit mit Vorsicht zu interpretieren ist. Tendenziell scheint Segment 2 anteilig mehr weibliche Teilnehmer zu enthalten. Zudem hält ein hoher Anteil (33%) der Probanden aus Segment 2 das Internet ausschließlich als Ersatz für gedruckte Finanzzeitschriften.
173
Wie auch in den vorangegangenen Abschnitten werden die LC-Teilnutzenwert-Verläufe im Anhang aufgeführt (8.4.3). Bei beiden Segmenten fällt der Teilnutzen monoton mit zunehmendem Preis. Die Themenserie "Wie lege ich mein Geld richtig an" ist bei Segment 1 das Thema mit dem niedrigsten und bei Segment 2 das Thema mit dem höchsten Teilnutzenwert. Zuletzt wird die interne Validität der LC-Schätzung anhand der Prognose der Holdout-Karte bestimmt. Die folgende Abbildung zeigt die direkt bestimmten Wahlanteile der Holdout-Task (Spalte 2) gegenüber den geschätzten Wahlanteilen bei Nutzung der "Share of Preference"(SoP) bzw. "Randomized First Choice"- (RnFC) Regel (Spalte 3 und 4): Direkt
Prognose RnFC
Abs . Fehler Abs. SoP
Abs. Fehler RnFC
5,2%
2,9%
2,8%
5,1%
42,1%
43,2%
7,4%
8,5%
53,9%
4,6%
3,4%
5,0%
5,7%
Holdout 8,0%
Börse Online
34,7%
Focus Money
57,3%
52,7%
Euro am Sonntag
Abweichung
SoP
Mea an Average Error Mean
Tabelle 37: Prognosevalidität der Zwei-Segment-Lösung für potenzielle Abonnenten (n=92)
Die Ergebnisse werden anhand der durchschnittlichen absoluten Abweichung (Mean Average Error, MAE) beurteilt. Mit einem MAE von 5% (SoP) bzw. 5,7% (RnFC) ist die Prognose der Wahlanteile auf Basis der LC-Schätzung schlechter als die Prognose auf Basis der aggregierte (Logit)-Schätzung. Zusammenfassend ist unter den LC-Lösungen die Zwei-Segment-Lösung die beste Schätzung. Indikatoren wie R² und CAIC weisen auf eine bessere Güte des Gesamtmodells als in der aggregierten Lösung hin. Die Prognosevalidität der Logit-Lösung allerdings wird nicht erreicht. 6.2.3.4
Schätzung individueller Präferenzstrukturdaten
Nun wird analog zu den vorangegangenen Unterabschnitten das HB-Verfahren für die Schätzung der individuellen Teilnutzenwerte verwendet. Die Anpassungsgüte wird über Percent Certainty, RLH und die average variance geprüft. Um die Abhängigkeit der Ergebnisse von den im Vorfeld festgelegten Parametern aufzudecken und dann die beste Schätzung wählen zu können, werden sechs verschiedene HBSchätzungen mit je 20.000 Iterationen durchgeführt und in der folgenden Tabelle dargestellt:
174
Total Iterations Prior Degrees of Freedom Prior Variance
HB 1 20.000 5 2
HB 2 20.000 2 5
HB 3 20.000 10 20
HB 4 20.000 30 20
HB 5 20.000 100 2
HB 6 20.000 5 100
Percent Certainty RLH Average Variance
0,799 0,756 9,871
0,863 0,827 21,688
0,917 0,891 45,940
0,903 0,874 34,071
0,717 0,676 1,939
0,966 0,954 390,638
Tabelle 38: Prioris und Güte der Schätzungen von sechs HB-Schätzverläufen für potenzielle Abonnenten (n=92)
Die HB 6 – Schätzung weist die besten Gütewerte auf. Gegenüber der Logit- und gegenüber der LC-Schätzung deuten die erreichten Werte bei der HB auf eine deutlich bessere Schätzung der Parameter hin.
175
Die nachfolgende Abbildung zeigt die reskalierten Teilnutzenwerte je Ausprägung (Spalte 3) und die jeweiligen Teilnutzen-Verläufe je Attribut (Spalte 4):
Produkteigenschaft
Marke
Preis
Ausprägung Börse Online Focus Money Der Aktionär Euro am Sonntag Euro Finanzen 2 Euro (104 Euro p.a.) 3 Euro (156 Euro p.a.) 3,5 Euro (182 Euro p.a.) 4 Euro (208 Euro p.a.) 5,5 Euro (286 Euro p.a.) 0%
Abo-Rabatt
Themenserie
reskalierte durchschnittliche Nutzwerte 5,44 22,48 -27,18 2,97 -3,71 52,20 17,10 13,02 -19,19 -63,12
BO
FM
Akt
EaS
Euro
2
3
3,5
4
5,5
-12,12
4%
-8,32
8%
10,91
12% Deutschlands rentabelste Firmen Die besten Fonds und Zertifikate Wie lege ich mein Geld richtig an? Die besten Aktien der Welt
9,53
70 Euro
Teilnutzen-Verläufe
0%
4%
8%
12%
-32,49 0,92 44,58
Thema 1 Thema 2 Thema 3 Thema 4
-13,01 -18,01
Abo-Prämie 90 Euro (Universal110 Euro gutschein) 130 Euro
12,58
Nichtkauf
14,92
-4,80 70
90
110
130
10,23
Abbildung 37: Teilnutzen-Verläufe der HB-Schätzung für potenzielle Abonnenten (n=92)
Den Teilnutzwerten kann Face-Validität zugebilligt werden. Der Teilnutzenwert steigt mit zunehmenden Abo-Rabatt und Abo-Prämie. Der Wert sinkt bei zunehmendem Preis. Dem Verlauf nach weisen die Werte eine hohe Ähnlichkeit mit den Teilnutzen-Verläufen der Logit-Schätzung auf. Die meist-präferierte Ausprägungs-Kombination wäre Focus Money zu einem Preis von zwei Euro, einem Abo-Rabatt von 8%, der Themenserie "Wie lege ich mein Geld richtig an?" und einer Abo-Prämie von 110 Euro.
176
Durch die Division der jeweiligen Spannweiten der Teilnutzenwerte einer jeden Eigenschaft mit der Spannweite aller Eigenschaften ergibt sich ein Anhaltspunkt für die Bedeutung der einzelnen Eigenschaften für die Auswahlentscheidung der Teilnehmer (vgl. 4.2.2.5). Basierend auf der HB-Schätzung ergibt sich für die Bedeutungsgewichte nachfolgendes Bild: Themenserie
29
Preis
26
Marke
20
Abo-Prämie
14
Abo-Rabatt
11
Abbildung 38: Bedeutungsgewichte einzelner Produktattribute aus der HB-Schätzung für potenzielle Abonnenten (n=92)
Die Bedeutungsgewichte für die Attribute Themenserie und Marke sind im Vergleich zur Logit-Schätzung (+5 bzw. +4) und zur LC-Schätzung (+5 bzw. +3) höher. Gleichzeitig ist die Bedeutung des Attributs Preis deutlich geringer als in der Logit-Schätzung (-10) und der LCSchätzung (-11). Die Probanden-Heterogenität hinsichtlich der Präferenz für eine bestimmte Marke oder ein Thema führt offenbar dazu, dass sich die Bedeutungsgewichte verschieben. Schließlich wird die Prognosevalidität auf Basis der HB-Schätzung beurteilt. Dabei wird den direkt erhobenen Wahlanteilen der fixen Holdout-Task (Spalte 2) die Prognose der Wahlanteile unter Nutzung der SoP- und der RnFC-Auswahlregeln (Spalte 3 und 4) gegenübergestellt. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Ergebnisse inklusive der absoluten Abweichung zwischen der Prognose und den tatsächlichen Wahlanteilen (Spalte 5 und 6) auf: Direkt Holdout
Prognose SoP
Abweichung RnFC
Abs . Fehler SoP
Abs. Fehler RnFC
8,0%
7,1%
7,1%
0,9%
0,9%
Börse Online
34,7%
33,5%
33,6%
1,1%
1,1%
Focus Money
57,3%
59,3%
59,3%
Euro am Sonntag
Mea an Average Error Mean
2,0%
2,0%
1,3%
1,3%
Tabelle 39: Prognosevalidität der HB-Schätzung für potenzielle Abonnenten (n=92)
177
Die Prognosevalidität auf Basis der Holdout-Tasks zeigt im Vergleich zur durchschnittlichen Prognosegüte von Präferenzmessmethoden sehr gute Ergebnisse. Sie liegt zudem besser als die LC-Schätzung (-3,7 SoP bzw. -4,4 RnFC) und ähnlich gut wie die Logit-Schätzung (+0,4 SoP bzw. -1,4 RnFC). Zusammenfassend sollen für die nachfolgende Ermittlung der Preisresponsefunktion aufgrund der überlegenen Güte der Schätzung und guter Prognoseergebnisse die HB-Ergebnisse verwendet werden. 6.2.3.5
Ermittlung der Preisresponsefunktion
In diesem Unterabschnitt wird die Preisresponsefunktion der potenziellen Abonnenten bestimmt. Dabei wird analog zu den in Abschnitt 4.2 beschriebenen Schritten vorgegangen. Als erste Indikation für die Preisreaktion wird die Counts-Analyse herangezogen. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Häufigkeit, mit der die Marke Börse Online bei bestimmten Preispunkten gewählt wurde, im Verhältnis zu der Häufigkeit, mit dem die Marke bei diesem Preispunkt gezeigt wurde. 0,45 0,40 0,35 0,30 0,25 0,20 0,15 0,10 0,05 0,00 2 Euro
3 Euro
3,5 Euro
4 Euro
5,5 Euro
Abbildung 39: Counts-Analyse der Wahl der Marke Börse Online zu verschiedenen Preispunkten bei potenziellen Abonnenten (n= 92)
Insgesamt zeigt sich das erwartete Bild einer mit höherem Preis verringerten Wahlhäufigkeit. Allerdings fällt auf, dass die Marke bei einem Preis von 3,5 Euro nicht wie erwartet weniger häufig als bei einem Preis von drei Euro gewählt wurde. Für die Bestimmung der Wahlanteile zu definierten Preispunkten wird auf die Hilfe eines Conjoint-Choice-Simulators zurückgegriffen (SMRT von Sawtooth Software). Dabei wird die HB6-Schätzung für die Schätzung der Nutzwerte und die Entscheidungsregel "Share of Preference" verwendet.
178
Im Marktszenario werden die Ausprägungen der Attribute für jede der fünf Finanzzeitschriften auf das typische Niveau gesetzt. Abo-Rabatt und Preis werden aus dem Szenario für bestehenden Abonnenten übernommen. Die Abo-Prämie stellt näherungsweise den Durchschnittswert der Abo-Prämie der jeweiligen Zeitschrift aus dem Jahr 2007 dar. Der Titel wird für alle Produkte gleich gesetzt, da jedes der Themen grundsätzlich auch in jeder der Zeitschriften erscheinen könnte. Die folgende Abbildung zeigt das erstellte Marktszenario: Marke Börse Online Focus Money Der Aktionär Euro am Sonntag Euro Finanzen
Titel Die besten Fonds und Zertifikate
Abo-Prämie 150 Euro 70 Euro 30 Euro 100 Euro
Abo-Rabatt 3,8% 7,8% 9,3% 10,0%
Preis 3,5 Euro 3,2 Euro 3,5 Euro 3,1 Euro 5,5 Euro
Tabelle 40: Marktszenario zur Simulation der Preisresponsefunktion bei potenziellen Abonnenten
Als Nächstes wird der Preis der Zeitschrift Börse Online als einziger Parameter verändert. Dabei werden die Wahlanteile von Börse Online bei Variation des Preises in 0,1 EuroSchritten innerhalb der beobachteten Bandbreite festgestellt. Die Möglichkeit der "Keine"Option wurde berücksichtigt und spiegelt die Option der Marktteilnehmer wider, auf einen Kauf zu verzichten, falls keines der im Markt präsenten Produkte einen ausreichenden Nutzwert bietet. Nachfolgend werden vier Funktionsverläufe (vgl. 4.2) auf Basis der simulierten Marktanteile zu verschiedenen Preispunkten geschätzt und anhand des Fits verglichen:
Funktion Parameter a Parameter b Maximale Zahlungsbereitschaft Sättigungsmenge (Marktanteil) R²
Lineare Funktion a + b*(P) 61,90 -9,84
Multiplikative Funktion a*(P) ^ b 153,23 -1,49
Logarithmische Funktion a - b*ln (P) 69,12 -34,47
Exponentielle Funktion a*exp(b*P) 115,78 -0,44
6,3
3.325,9
7,4
27,5
61,9
-
-
115,8
0,98
0,91
0,96
0,96
Tabelle 41: Nachfragefunktion für potenzielle Abonnenten (n=92)
Dabei zeigt die lineare Funktion den höchsten Fit auf und hat zudem mit 6,3 Euro einen realistisch erscheinenden Maximalpreis und mit 61,9% eine ebenso realistisch erscheinende Sättigungsmenge. Gegenüber den anderen drei Funktionen scheint die lineare Funktion hier überlegen und soll für die nachfolgenden Betrachtungen gewählt werden.
179
Der Funktionsverlauf wird grafisch in der folgenden Abbildung dargestellt: 45,00 40,00 35,00 30,00 25,00 20,00 15,00 10,00 5,00 0,00 2
2,5
3
3,5
4
4,5
5
5,5
Abbildung 40: Lineare Preisresponsefunktion basierend auf HB-Schätzung und Share of Preference Auswahlregel für potenzielle Abonnenten (n=92)
Mit der Bildung eines 95%-Konfidenzintervalls um die oben dargestellten Wahlanteile herum können die Unsicherheiten der Schätzung besser beurteilt werden. Die Standardfehler liegen zwischen 2,97 und 4,96. Für die untere Intervallgrenze liegt der Funktionsparameter a bei 49,175 und der Parameter b bei -8,6656. Für die obere Intervallgrenze liegt der Parameter a bei 74,625 und der Parameter b bei -11,023. Einen Anhaltspunkt für die Schätzung der Marktgröße für potenzielle Neu-Abonnenten von Finanzzeitschriften bietet die derzeitige kumulierte Abonnentenzahl über die fünf Finanzzeitschriften. So hielten im Jahr 2007 etwa 180 Tsd. Personen ein solches Abonnement (pzonline). Beachtet man, dass die Zahl der Abonnenten der fünf Finanzzeitschriften in den letzten fünf Jahren insgesamt konstant blieb und nimmt man darüber hinaus an, dass jährlich ein Drittel der bestehenden Abonnenten kündigen und gleichzeitig eine gleich hohe Zahl an NeuAbonnenten gewonnen wird, so lässt sich die Marktgröße für potenzielle Neu-Abonnenten mit 60 Tsd. Personen approximieren. In diesem Fall können die oben ermittelten Parameterwerte der Preisresponsefunktion wie folgt transformiert werden. Die Sättigungsmenge entspricht 37,14 Tsd. potenzieller Abonnenten, während der Parameter b -5,907 Tsd. potenziellen Abonnenten entspricht. 6.2.4
Inserenten
Die Zielgruppe der "Inserenten" umfasst die Anzeigenkunden und Agenturen der fünf Finanzzeitschriften. Im Folgenden wird wie schon in den vorangegangenen Unterabschnitten zunächst die Stichprobe beschrieben. Dann erfolgt die Analyse der Präferenzdaten auf aggregierter-, segmentbasierter- und individueller Ebene.
180
6.2.4.1
Datenerhebung – Datenaufbereitung – Stichprobenbeschreibung
Die Bewertung der Zeitschriftenkonzepte durch Anzeigenkunden fand vom 19. März 2008 bis zum 15. April 2008 in Form einer Online-Befragung statt. Am 19. März 2008 wurde eine personalisierte Einladung zu der Befragung per Email an 90 Endkunden und 61 Agenturen verschickt. Am 3. April wurde eine Nachfassaktion per Email durchgeführt. Die Umfrage bestand aus einem allgemeinen Teil, in dem Kaufentscheidungsfaktoren und Nutzungsverhalten der Teilnehmer direkt abgefragt wurden, aus einem mittleren Teil, in dem die Präferenzen mittels der Choice-Based-Conjoint erhoben wurden, sowie einem letzten Teil für die Erfassung der Teilnehmerstatistik. Die Anzeigenkunden der fünf betrachteten Finanzzeitschriften bilden die Grundgesamtheit. In Abschnitt 2.2 wurde der relevante Anzeigenmarkt definiert. Er umfasst demnach 252 Kunden, die in 2007 3.177 Anzeigen (auf Ganzseiten normiert) geschaltet haben. Davon konnten 90 Ansprechpartner bei Endkunden und 61 Ansprechpartner bei den dazugehörigen Agenturen direkt per Email angesprochen werden. Diese Ansprechpartner repräsentieren 73% des relevanten Anzeigenvolumens, welches in 2007 in den fünf Finanzzeitschriften geschaltet wurde. Auf Basis dieser Analyse kann die Aussage getroffen werden, dass ein großer Teil der relevanten Zielgruppe im Rahmen dieser Studie angesprochen werden konnte. Die Teilnehmer wurden über ein Anschreiben via Email für die Teilnahme an der Studie rekrutiert. Bis zum Ende der Befragung waren 42 Fragebögen eingegangen. Von den 42 Teilnehmern haben sechs keine der Conjoint-Tasks beantwortet. Zusätzlich wurden anhand der I.P.-Adressen zwei Teilnehmer identifiziert, die mehr als einen Fragebogen ausgefüllt haben. Zwar ist nicht auszuschließen, dass mehrere unterschiedliche Personen aus der Zielgruppe von derselben I.P.-Adresse antworten, jedoch erscheint es wahrscheinlicher, dass es sich um dieselbe Person handelt. Daher werden für diese Teilnehmer alle bis auf den jeweils ersten Fragebogen (3 Fragebögen) eliminiert. Ein Teilnehmer gab zudem an, in keiner der fünf Finanzzeitschriften im letzten Jahr eine Anzeige geschaltet zu haben. Auch dieser Teilnehmer wurde eliminiert. Nach Eliminierung dieser insgesamt zehn Fragebögen verblieb eine Stichprobe von 32 Teilnehmern. Den weiteren Auswertungen wurde dieser Datensatz, der auch Antworten mit einer einzigen Choice-Task integriert, zugrunde gelegt. Nachfolgend werden die Stichprobe beschrieben und dann die Antworten der Auskunftspersonen zu den Kaufentscheidungsfaktoren dargestellt. Da nicht für alle Fragen die Beantwortung obligatorisch war und nicht alle Teilnehmer die Befragung von der ersten bis zur letzten Frage vollständig beantwortet haben, beziehen sich die angegebenen Prozentwerte teils auf unterschiedliche Fallzahlen. Daher werden die Fallzahlen für jede Frage einzeln ausgewiesen. Zur Auswertung der Antworten wurde die Statistiksoftware SPSS 14.0 verwendet.
181
Zu welcher Teilnehmergruppe gehören Sie? In welcher Branche sind Sie tätig? Wie schätzen Sie Ihren persönlichen Einfluss auf die Media-Entscheidung ein? Knapp zwei Drittel der Befragten (64,5%) gaben an, zu der Gruppe der werbetreibenden Unternehmen zu gehören. Dies sind die eigentlichen Bedarfsträger für Anzeigen in Finanzzeitschriften. Die übrigen Teilnehmer sind Mitarbeiter von (Media-)Agenturen. Dieses Verhältnis scheint die angeschriebenen potenziellen Teilnehmern gut zu repräsentieren (59,6% der potenziellen Teilnehmer waren Endkunden, 40,4% waren Agenturen). Wie erwartet gaben fast alle Teilnehmer an, in der oder für die Finanzbranche tätig zu sein (93,8%, d.h. alle bis auf zwei). Die zweithäufigste Branche war Verkehr/Touristik und Kosmetik/Mode/Uhren/Schmuck (je 12,5%; Mehrfachantworten möglich). Den eigenen Einfluss auf die Media-Entscheidung schätzen alle bis auf einen Teilnehmer als hoch oder sehr hoch ein (71,9% sogar sehr hoch). Auch der verbleibende Teilnehmer gab an, zumindest einen geringen Einfluss auf die Entscheidung auszuüben. In welcher Größenordnung liegt das Anzeigenvolumen, welches Sie pro Jahr in Finanzzeitschriften schalten? In wie vielen der folgenden [fünf] Finanzzeitschriften haben Sie im letzten Jahr mindestens eine Anzeige geschaltet? Legt man die eingangs aufgeführte Größe des Anzeigenmarktes zugrunde, so schaltet jeder Inserent im Schnitt 12,6 Anzeigen in Finanzzeitschriften pro Jahr. Gegenüber diesem Schnitt scheinen die Teilnehmer der Befragung zum überwiegenden Teil über höhere Volumina zu verfügen. So gaben 41,7% der Befragten an, mehr als 50 Anzeigen pro Jahr in Finanzzeitschriften zu schalten. Je 25% schalten zwischen 26 und 50 bzw. zwischen elf und 25 Anzeigen pro Jahr. Nur zwei Befragte gaben an, fünf oder weniger Anzeigen pro Jahr zu schalten (n=24). Nimmt man das jeweils untere und obere Ende der Bandbreite und multipliziert diese Anzeigenzahl mit der Anzahl der Auskunftspersonen, so decken die Befragten ein Anzeigenvolumen zwischen 722 Anzeigen und 1460 Anzeigen ab. Bei dieser Schätzung unberücksichtigt bleiben diejenigen Auskunftspersonen, die keine Angaben zu ihrem Anzeigenvolumen gemacht haben. Insgesamt scheinen die Auskunftspersonen somit einen hohen Anteil des Gesamtmarktes zu repräsentieren. Der überwiegende Teil der Auskunftspersonen gab dabei an, im letzten Jahr in mehreren Finanzzeitschriften mindestens eine Anzeige geschaltet zu haben (54,2% in zwei bis vier Zeitschriften, weitere 37,5% in allen fünf Zeitschriften). Aus den Daten ist jedoch kein Rückschluss auf das Motiv, warum die Anzeigen auf mehrere Zeitschriften verteilt wurden, zu
182
ziehen. So ist es z.B. ebenso gut möglich, dass eine Anzeige gleichzeitig in allen Zeitschriften geschaltet wurde, wie auch, dass die Inserenten je nach dem Themenumfeld der Ausgabe sich für die eine oder andere Zeitschrift entschieden haben. Wie häufig nutzen Sie die folgenden Medien für das Schalten Ihrer Anzeigen? (1= sehr häufig, 4 =überhaupt nicht) Die folgende Tabelle zeigt in der ersten Spalte die abgefragten Medien, in der zweiten Spalte die Anzahl Probanden, welche die Antwortmöglichkeit genutzt haben, und in der dritten bis sechsten Spalte Lagemaße und Standard-Abweichung. Sortiert ist die Tabelle nach aufsteigendem Mittelwert. Medien Finanzzeitschriften Wirtschaftszeitungen Wirschaftszeitschriften Online Finanz-Portale TV-Finanznachrichten Börsenbriefe Webseiten von Banken oder Online-Brokern
N 32 32 32 31 32 32
Mittelwert 1,781 1,813 1,969 2,387 3,000 3,250
Median 2 2 2 2 3 3
Modus 1 2 2 1 4 3
Std. Abweichung 0,751 0,821 0,861 1,174 0,984 0,718
32
3,313
3
4
0,780
Tabelle 42: Mediennutzung von Inserenten
Die Auswertung der Angaben zur Mediennutzung deutet darauf hin, dass Inserenten Finanzzeitschriften häufig oder sehr häufig für ihre Werbezwecke verwenden. Daneben werden aber auch Wirtschaftszeitungen oder Wirtschaftszeitschriften häufig genutzt. Die höchste Standardabweichung wird dabei hinsichtlich der Nutzung von Online-Finanz-Portalen ausgewiesen. Online-Finanzportale sind aus Werbersicht … [Ersatz oder Ergänzung von gedruckten Finanzzeitschriften?] Nach eigenen Angaben sieht keine der Auskunftspersonen Online-Finanzportale als vollständigen Ersatz von gedruckten Finanzzeitschriften. 79,2% der Befragten sehen solche OnlineAngebote eher oder ausschließlich als Ergänzung zu gedruckten Finanzzeitschriften. Allerdings gaben immerhin 20,8% an, Online-Finanzportale eher als Ersatz von Finanzzeitschriften zu sehen. Beschreibung der Stichprobe hinsichtlich soziodemografischer Merkmale Nachfolgend wird die Altersklassenverteilung in der Stichprobe beschrieben. Die y-Achse zeigt den Anteil der Altersklasse an der Stichprobe, die x-Achse zeigt die Altersklassen. Da keine die Grundgesamtheit beschreibenden Daten vorliegen, kann ein Vergleich der Alters-
183
struktur nicht vorgenommen werden. Eine Beurteilung der Repräsentativität anhand der Altersstruktur kann daher in diesem Fall nur qualitativ erfolgen. 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 14-19
20-29
30-39
40-49
50-59
> 60
Abbildung 41: Altersverteilung der Auskunftspersonen bei der Inserenten-Befragung (n=24)
Die häufigste Altersgruppe ist die der 30- bis 39-Jährigen (41,7%). Es folgen die 40- bis 49Jährigen (25%), 20- bis 29-Jährigen (20,8%) und 50- bis 59-Jährigen (12,5%). Den Erwartungen entsprechend gab es keine Teilnehmer unterhalb und oberhalb des typischen Arbeitsalters zwischen 20 und 60 Jahren. In der Stichprobe befinden sich etwas mehr männliche (54,2%) als weibliche Teilnehmer (45,8%). Unter den zur Befragung eingeladenen Personen befanden sich ebenfalls mehr Männer (54,3%) als Frauen (45,7%). Daher scheinen die Auskunftspersonen die eingeladenen Personen hinsichtlich des Geschlechts sehr gut zu repräsentieren. 79,2% der Teilnehmer hat einen Hochschulabschluss und 4,2% der Befragten darüber hinaus auch eine Promotion, MBA oder einen zweiten Studienabschluss. Die übrigen Teilnehmer gaben an, ein (Fach-)Abitur vorweisen zu können (n= 24). Insgesamt scheinen die Teilnehmer der Befragung die Grundgesamtheit hinsichtlich der oben aufgeführten Merkmale gut zu entsprechen, was auf Repräsentativität schließen lässt. Wenn Sie eine Anzeige in einer Finanzzeitschrift schalten, nach welchen Kriterien entscheiden Sie? Gemäß der Literatur wird die Werbeträger-Selektion anhand der Kriterien Affinitätsindex, Tausend-Kontakt-Preis und Reichweite vorgenommen. Die Erkenntnisse aus der Literatur wurden im Rahmen von Interviews mit Verlagsexperten für den Fall von Finanzzeitschriften angepasst und priorisiert. Auf diese Weise konnten die in der Conjoint-Analyse zu verwendenden Kaufentscheidungsfaktoren bzw. Produktmerkmale festgelegt werden (vgl. 5.2).
184
Im ersten Teil der Befragung sollten die Auskunftspersonen mittels einer vierstufigen Ratingskala die Bedeutung verschiedener Kaufentscheidungsfaktoren bei der Media-Entscheidung angeben (1 = sehr wichtig, 4 = vollkommen unwichtig). Diese Angaben können als Indikator für den Einfluss der einzelnen Faktoren interpretiert werden. Ein Überblick über diese Einschätzung wird in der folgenden Tabelle gegeben. In der ersten Spalte werden die abgefragten Attribute aufgeführt (sortiert nach Mittelwerten). Attribut Leser-Charakteristika Reichweite Tsd.-Kontakt-Preis Affinitätsindex Themenumfeld Marke Anzeigenpreis Redaktionelle Unabhängigkeit Auflagenstruktur Garantierte Auflage Tsd.-Auflage-Preis Mal- und Mengenstaffel Druckqualität und Papierstärke Erscheinungshäufigkeit Erscheinungstag Online Präsenz Add-Ons Format der Zeitschrift
N 32 32 32 32 32 32 32
Mittelwert 1,281 1,531 1,594 1,594 1,656 1,719 1,813
Median 1 1 2 1,5 2 2 2
Modus 1 1 1 1 2 2 2
Std. Abweichung 0,581 0,761 0,615 0,665 0,653 0,729 0,693
Varianz 0,338 0,580 0,378 0,443 0,426 0,531 0,480
32 32 32 32 32
1,844 1,875 1,938 1,969 2,188
2 2 2 2 2
1 1 2 2 2
0,808 0,942 0,759 0,861 0,821
0,652 0,887 0,577 0,741 0,673
32 32 32 32 32 32
2,469 2,531 2,719 2,750 2,969 3,031
2 3 3 3 3 3
2 3 3 3 3 3
0,842 0,567 0,683 0,622 0,595 0,695
0,709 0,322 0,467 0,387 0,354 0,483
Tabelle 43: Beurteilung von Kauffaktoren aus Sicht von Inserenten
Der Mittelpunkt der vierstufigen Ratingskala liegt bei 2,5. Lagemaße im Bereich 1 und 2 signalisieren somit tendenziell, dass die entsprechenden Faktoren für die Teilnehmer bedeutsam sind. Dabei ist auffällig, dass relativ viele Merkmale (13 von 18) niedrigere Lagemaße als 2,5 aufweisen. Allerdings könnte eine Ratingskala mit den Ausprägungen "sehr wichtig" bis "vollkommen unwichtig" dazu verleiten, die Wichtigkeit einzelner Faktoren überzubewerten ("alles ist wichtig"). Die in der Conjoint-Analyse verwendeten Produktattribute Leser-Charakteristika (über "Anteil Leser mit Finanzprodukt-Kaufinteresse"), Reichweite bzw. Auflage (über "verkaufte Auflage"), Auflagenstruktur (über "sonstige Auflage") sowie Themenumfeld, Marke und Preis scheinen zu den wichtigen Kauffaktoren zu gehören.
185
Da die Nullhypothese der Normalverteilung nach Durchführung des Kolmogorov-SmirnovTests für 17 der 18 Faktoren (Ausnahme: Tsd.-Auflage-Preis) abgelehnt werden muss, findet der Ein-Stichproben t-Test hier keine Anwendung. Welche Leserschaft-Charakteristika sind für Sie am bedeutsamsten? Bitte bringen Sie die folgenden Charakteristika in eine Rangfolge! Die Leser-Charakteristika wurden in der vorangegangenen Frage durch die Inserenten als sehr wichtig beurteilt. Dabei bleibt allerdings unklar, welche Charakteristika besonders gefragt sind. In der Literatur und in früheren Studien wird auf die Bedeutung von Alter und Einkommen der Rezipienten verwiesen. Demnach würden Inserenten jüngere bzw. einkommensstarke Rezipienten bevorzugen (3.3). Da es im Vorfeld wahrscheinlich erschien, dass eine Rating-Skala dazu führen würde, dass Inserenten mehrere Charakteristika als sehr wichtig einstufen würden, wurde in diesem Fall eine Rangfolgenbildung gewählt. Dabei wurden die Auskunftspersonen gebeten, sechs Rezipienten-Charakteristika in eine Reihenfolge nach ihrer Bedeutung für die eigene Kaufentscheidung zu bringen. Die Ergebnisse werden in der nachfolgenden Tabelle berichtet. Spalte 1 enthält die abgefragten RezipientenCharakteristika. Daneben werden Lagemaße und Standardabweichung dargestellt (Spalte 3 bis 6).
Rezipienten-Charakteristika ... mit aktuellem Kaufinteresse an Finanzprodukten ... mit Expertenwissen über Finanzprodukte ... mit monatlichem NettoEinkommen über 4.000 Euro ... die Führungskräfte sind ... mit Depotwert über 40.000 Euro ... unter 35 Jahren
N
Mittelwert
Median
Std. AbModus weichung
31
1,613
1
1
0,989
31
3,065
3
2
1,221
31 31 31 31
3,097 3,710 4,548 4,968
3 4 5 6
3 5 5 6
1,548 1,060 1,510 1,538
Tabelle 44: Bedeutung von Rezipienten-Charakteristika für Inserenten
Dabei scheint das aktuelle Kaufinteresse an Finanzprodukten das bedeutsamste Charakteristikum zu sein (bei 64,5% auf Platz 1, bei weiteren 19,4% auf Platz 2). Dieses Charakteristikum wurde auch als Produktattribut in der Conjoint-Analyse gewählt. Auch Rezipienten mit Expertenwissen scheinen tendenziell gefragt zu sein (bei 19,4% auf Platz 1, bei weiteren 25,8% auf Platz 2). Das (junge) Alter der Rezipienten dagegen scheint relativ unwichtig zu sein (bei 58,1% auf Platz 6, bei weiteren 16,1% auf Platz 5) und auch der
186
Depotwert scheint von untergeordneter Bedeutung zu sein (bei 19,4% auf Platz 6, bei weiteren 35,5% auf Platz 5). Abschließend wird an dieser Stelle die Reliabilität der Antworten zu den ConjointWahlentscheidungen berichtet. Die Test-Retest-Reliabilität wird mit Hilfe zweier HoldoutTasks auf individueller Ebene bestimmt. Dabei stimmten 72,4% der Holdout-Task-Ergebnisse miteinander überein. Dieses Ergebnis kann im Vergleich zur durchschnittlichen Reliabilität von Präferenzmessmethoden als befriedigend bezeichnet werden (siehe Heidbrink 2006, S. 107). Das Ergebnis ist jedoch weniger gut als bei der Befragung der bestehenden Abonnenten. 6.2.4.2
Schätzung aggregierter Präferenzstrukturdaten
An dieser Stelle werden die Ergebnisse der aggregierten (Logit-) Analyse berichtet. Wie in den vorangegangenen Unterabschnitten werden die Ergebnisse anhand der Gütekriterien Signifikanz, Plausibilität und Fehlermaß beurteilt. Anschließend wird die Prognosevalidität beurteilt. Zunächst wurde die Häufigkeit, mit der die Merkmalsausprägungen ausgewählt wurden, betrachtet. Die Prüfung ergab, dass sich die Ausprägungen der Attribute Marke, verkaufte Auflage, Anteil Leser mit Finanzprodukt-Kaufinteresse und Listenpreis (p < 0,05) sowie Themenumfeld (p < 0,01) signifikant in ihrer Wahlfrequenz unterscheiden. Nicht signifikant war die Wahlfrequenz bezüglich der sonstigen Auflage. Werden auch die Interaktionen in diese Betrachtung einbezogen, so können keine signifikanten Wechselwirkungen festgestellt werden. Die Auswertung der Präferenzdaten erfolgt zunächst mittels der Logit-Analyse. Der Abbruchwert der Veränderung der Log-Likelihood von einer zur nächsten Iteration wurde bei 0,00001 festgelegt, die maximale Anzahl an Iterationen bei 20. Bei den nachfolgenden Ergebnissen wurde Konvergenz durch das Log-Likelihood-Konvergenzkriterium erzielt. Die Lösung der Logit-Analyse wird anhand von Chi², Root-Log-Likelihood (RLH) und McFadden-R² beurteilt. Die Mindestanforderung für den Chi²-Wert liegt im vorliegenden Fall bei 36,2 (0,01 Signifikanzniveau). Das Chi² dieser Logit-Schätzung von 105,13 liegt oberhalb dieser Mindestanforderung, so dass wir schließen können, dass die Antworten der Teilnehmer signifikant durch die Attribut-Zusammenstellung der Konzepte beeinflusst wurden. Der RLH, der dem Vergleich der Lösung mit einer perfekten Lösung dient, beträgt im vorliegenden Fall 0,28308 (bei möglichen Werten zwischen 0,25 und 1). Als Gütemaß für das Gesamtmodell wird das McFadden R² (Percent Certainty) verwendet. Im vorliegenden Fall kann mit 0,0896 nur ein unbefriedigender Wert erreicht werden.
187
Nun wurde untersucht, ob durch eine Reduktion der Anzahl berücksichtigter Teilnehmer eine Verbesserung der Gütewerte erzielt werden könnte. So wurden vier Teilnehmer, die sehr häufig die Option "keine" gewählt hatten, eliminiert. Nach Durchführung aller Analyseschritte konnte jedoch keine Verbesserung der Gütewerte und der Prognosevalidität erreicht werden. Daher werden die Ergebnisse dieses Durchlaufs hier nicht berichtet. Die folgende Tabelle zeigt die Nutzenparameter jeder Eigenschaftsausprägung (Spalte 3) sowie die zugehörigen Standardfehler (Spalte 4) und t-Werte (Spalte 5). Produkteigenschaft
NutzenStandardAusprägung parameter t-Wert fehler Börse Online 0.45249 0.12161 3.72089 *** Focus Money 0.08937 0.12938 0.69077 Marke Der Aktionär -0.53136 0.15311 -3.47048 *** Euro am Sonntag 0.00437 0.13131 0.03327 Euro Finanzen -0.01486 0.13125 -0.11322 40000 Exemplare -0.42381 0.12566 -3.37269 *** Verkaufte 50000 Exemplare -0.16372 0.11673 -1.40257 Auflage 60000 Exemplare 0.21261 0.10737 1.98005 ** 70000 Exemplare 0.37492 0.10410 3.60150 *** 40000 Exemplare 0.01943 0.11157 0.17416 50000 Exemplare -0.05660 0.11337 -0.49926 Sonstige Auflage 60000 Exemplare 0.04965 0.11041 0.44968 70000 Exemplare -0.01248 0.11089 -0.11251 40% der Leser -0.43869 0.12524 -3.50296 *** Anteil Leser mit 45% der Leser 0.01867 0.11159 0.16728 Finanzprodukt 50% der Leser 0.14939 0.10935 1.36618 Kaufinteresse 55% der Leser 0.27063 0.10574 2.55949 ** Anleihen -0.27262 0.11954 -2.28055 ** Fonds 0.31480 0.10588 2.97318 *** Themenumfeld Zertifikate 0.07872 0.10945 0.71925 Online-Broker und Girokonten -0.12090 0.11499 -1.05142 8000 Euro 0.50076 0.10274 4.87380 *** 10000 Euro 0.04558 0.11136 0.40929 Listenpreis 12000 Euro -0.03766 0.11243 -0.33500 14000 Euro -0.50867 0.12998 -3.91339 *** Nichtkauf 0.43054 0.11168 3.85519 *** Log-Likelihood: -533,84 Log-Likelihood Null-Modell: -586,40 Chi-Square: 105,13 * signifikant bei p