Axel Volkery Föderalismus und Naturschutz
SOZIALWISSENSCHAFT
Axel Volkery
Föderalismus und Naturschutz Anatomie ei...
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Axel Volkery Föderalismus und Naturschutz
SOZIALWISSENSCHAFT
Axel Volkery
Föderalismus und Naturschutz Anatomie eines Spannungsfelds
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Martin Jänicke und Prof. Dr. Udo E. Simonis
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Freie Universität Berlin, 2006 Die vorliegende Studie stellt nicht die offizielle Meinung der Europäischen Umweltagentur oder einer anderen Europäischen Institution dar, sondern die Privatmeinung des Autors.
1. Auflage Februar 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Dr. Tatjana Rollnik-Manke Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-6056-2
Geleitwort
Die vorliegende Studie von Axel Volkery behandelt eines der wichtigsten Vorhaben der deutschen Umweltpolitik: die über viele Jahre verschleppte Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes im Jahre 2002. Es geht um die Strategie und die Rahmenbedingungen der rot-grünen Bundesregierung bei dieser Reform; und es geht um deren schwierige Umsetzung in den Ländern. Damit ist die Untersuchung zugleich ein Beitrag zu der aktuellen Diskussion um den deutschen Föderalismus. Ebenso bietet sie Material für die aktuell höchst strittige Frage einer Vertiefung oder Einschränkung des Naturschutzes. Insoweit hat das Thema nicht nur einen Stellenwert in der Politikanalyse sondern auch politisch-praktische Relevanz. Der Weg hin zu einer grundlegenden Modernisierung des Naturschutzes in Deutschland war bisher im Übrigen nicht systematisch untersucht worden. Die Arbeit ist eine theoriegeleitete empirische Fallstudie. Der Autor formuliert zunächst, gewissermaßen als roten Faden, sieben Fragen zum Verhältnis von Naturschutz und Föderalismus und zur Tauglichkeit „kapazitätsschonender“ Handlungsstrategien in der Politikverflechtung zwischen den verschiedenen politischen Ebenen. Danach wird das eigentliche Analyseinstrument vorgestellt: ein Modell, das auf die Handlungskapazität der nationalstaatlichen Umweltpolitik abzielt. Betont wird dabei die Einbeziehung von Mehrebenenkonstellationen. Erklärt wird das Politikergebnis (policy output) der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes und die Umsetzung auf der Länderebene. Hierbei wird der Politikwandel mit Peter Hall (1993) in drei Stufen unterteilt - vom instrumentellen über den zielstrukturellen bis zum grundsätzlichen, auch institutionellen Wandel. Besonders interessant ist die tabellarische Darstellung der verschiedenen Fassungen der Novelle in Abhängigkeit von den unterschiedlichen politischen Interventionen im Prozess der Gesetzgebung. Im Fazit wird auf die einleitenden Fragen zurückgegriffen und bezüglich des Sachgehaltes der Novelle eine differenziert kritische Bewertung vorgenommen. Es zeigt sich unter anderem, dass einzelne Bundesländer die Umsetzung dazu benutzten, weitergehende eigene Regelungen zurückzunehmen. Die Frage nach einem „Positiv-Szenario“ dynamischer Umsetzung im Wettbewerb auf Länderebene wird verneint. Eher sieht der Autor den negativen Anreiz, die Umsetzung minimalistisch zu vollziehen. Da die Bundesregierung den Bundesrat weitgehend neutralisierte, verlagerten sich die Veto-Interessen der Länder auf die Umsetzung. Andererseits hatte der Bund offenbar auch keine Alternative zur Ausklammerung der Länder, wollte er überhaupt ein anspruchsvolles Konzept durchsetzen. Mit dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), für den er als Mitarbeiter tätig war, fordert Volkery die Einführung der konkurrierenden Gesetzgebung im Naturschutz. Anhand des verwendeten Analysemodells kommt er zu einer insgesamt äußerst kritischen Sicht der naturschutzpolitischen Handlungsbedingungen in Deutschland. Die ProblemV
struktur ist zunächst einmal politisch schwierig: „Für eine breite problemgerechte Modernisierung des Naturschutzrechtes von Bund und Ländern sind wesentliche Erfolgsbedingungen nicht ausreichend entwickelt“ (251). Im Gegensatz zum Klimaschutz beispielsweise besteht bei den politischen Rahmenbedingungen kein Parteienkonsens über grundlegende Ziele des Naturschutzes, was sich dann im Bund-Länder-Konflikt (bei unterschiedlichen Mehrheiten) konkret niederschlägt. Insgesamt sind wir von der Studie sehr beeindruckt. Sie ist theoretisch durchstrukturiert, gut geschrieben und empirisch ergebnisreich. Sie liefert dem Politologen ebenso wie dem Naturschutzpolitiker wesentliche neue Erkenntnisse. Bestechend ist auch die Sachkompetenz des Autors auf dem Gebiet des Naturschutzes. Axel Volkery erweist sich mit dieser Arbeit als ein außerordentlich begabter Nachwuchspolitologe, der zugleich die interdisziplinäre Umweltpolitikanalyse souverän beherrscht. Dieses Buch wird nicht nur Fachwissenschaftler faszinieren.
Martin Jänicke Udo E. Simonis
VI
Vorwort
Die vorliegende Studie ist im Juni 2006 vom Fachbereich für Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin als Promotionsschrift angenommen worden. Sie ist im Rahmen meiner Tätigkeit für die Forschungsstelle für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin und für den Sachverständigenrat für Umweltfragen entstanden. Prof. Martin Jänicke von der Freien Universität Berlin und Prof. Udo E. Simonis vom Wissenschaftszentrum Berlin haben die Arbeit betreut. Für ihre vielfältigen und zum Teil detaillierten Kommentare habe ich beiden herzlich zu danken. Danken möchte ich ihnen aber auch für die Unterstützung, die sie mir jenseits der Promotion haben zukommen lassen. Martin Jänicke hat mein Denken über die Analyse von Umweltpolitik in den viereinhalb Jahren unserer Zusammenarbeit an der Forschungsstelle für Umweltpolitik und beim Sachverständigenrat für Umweltfragen grundlegend geprägt. Er ist nicht nur dafür zu bewundern, wie er immer wieder neue umweltpolitische Lösungen aufspürt und politisch verkauft. Er hat mir auch immer viel Freiraum gelassen, neue Ideen anzugehen und umzusetzen. Udo E. Simonis war immer zur Stelle, wenn es den nächsten Schritt meiner Karriere zu tun gab. Ich verdanke ihm meine erste Veröffentlichung überhaupt – im Jahrbuch Ökologie. Er hat die Buchveröffentlichung meiner Diplomarbeit ermöglicht, mich durch die Beteiligung am Öko-Lexikon erste Herausgebererfahrungen sammeln lassen und hat mich zur Niederschrift meiner Promotionsschrift in entscheidenden Momenten angetrieben. Zu danken habe ich auch allen Kolleginnen und Kollegen an der FFU, insbesondere Klaus Jacob, sowie den Mitgliedern und wissenschaftlichen Mitarbeitern/innen des Sachverständigenrates für Umweltfragen. Für einen Nachwuchswissenschaftler gibt es kaum ein besseres Umfeld als dieses, um die interdisziplinäre Umweltpolitikanalyse zu erlernen. Dank gilt auch meiner Familie und Freunden. Politik ist schnelllebig. Infolge der allgemeinen Föderalismusreform ist bereits die erneute Reform des Bundesnaturschutzrechts in der Diskussion. Was dies für die Umsetzung der Vorgaben des “alten neuen“ Bundesnaturschutzgesetzes bedeutet, ist gegenwärtig nicht abzuschätzen. Auch musste die Analyse der Umsetzung zeitlich bedingt im Mai 2005 abgeschlossen werden und konnte somit mehrere Umsetzungsvorhaben in einzelnen Bundesländern nicht mehr berücksichtigen. Ich hoffe, dass einige der Erkenntnisse dieser Studie dennoch von Wert sind für die erneute Reform dieses wichtigen Regelwerks. Dank gebührt am Ende Anne, für die viele Freude, Liebe und Geduld mit mir im Alltag, aber auch die mahnenden Worte, endlich zu einem Ende zu kommen. Axel Volkery
VII
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung 1.1 Problemaufriss 1.2 Fragestellung der Arbeit 1.3 Methodisches Vorgehen und Gang der Untersuchung 1.4 Forschungsstand und Relevanz der Studie
2
Analytischer Rahmen 2.1 Erfolgsbedingungen von Umweltpolitik 2.2 Die abhängige Variable: Umweltpolitischer Erfolg 2.3 Die indirekten unabhängigen Variablen: Einflussfaktoren umweltpolitischer Handlungskapazität 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5
2.4 3
Problemstruktur Akteure Systemische Handlungsbedingungen Situative Handlungsbedingungen Internationale und subnationale Einflussfaktoren
Die direkte unabhängige Variable: Handlungsstrategien Erfolgsbedingungen einer Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts
3.1
Die abhängige Variable: Die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes und ihr Reformbedarf
3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4
3.2
Die indirekten unabhängigen Variablen: Problemstruktur, Akteure, Handlungsbedingungen, internationale und europäische Rechtsvorgaben sowie subnationale Politiken
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4
3.3
Ziele und Grundsätze des Bundesnaturschutzrechts Instrumente des Bundesnaturschutzrechts Reformbedarf des Bundesnaturschutzrechts Vorschläge zur Reform des Bundesnaturschutzrechts
Problemstruktur Akteure Sozio-ökonomische Handlungsbedingungen Vorgaben des internationalen und europäischen Naturschutzrechts und des Naturschutzrechts der Länder
Die direkte unabhängige Variable: Konfliktmindernde kapazitätsschonende Handlungsstrategien
3.3.1 3.3.2
Skeptische Einschätzung der Tauglichkeit konfliktminimierender Handlungsstrategien Optimistische Einschätzung der Tauglichkeit konfliktminimierender Handlungsstrategien
1 1 6 8 11 13 13 15 17 17 18 19 21 21
24
27
27 27 28 31 34
35 35 40 44 47
57 58 60
IX
4
Die Reform des Bundesnaturschutzrechts Rückblick: Entstehung und Anläufe zur Reform des Bundesnaturschutzgesetzes 4.2 Überblick: Der Entstehungsprozess des BNatSchG n.F. 4.3 Verschiebung der Machtverhältnisse auf Länderebene – Implikationen für die Novelle des BNatSchG 4.4 Die Bestimmungen des neuen Bundesnaturschutzrechts
63
4.1
4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.4.7
4.5
Allgemeine Zielsetzung und rechtspolitischer Rahmen Allgemeine Vorschriften Planerische Grundlagen Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft Besonderer Schutz von Natur und Landschaft Mitwirkung von Vereinen Gesamtbewertung der Bestimmungen des neuen BNatSchG
Politikformulierung 1998-2002
4.5.1 4.5.2 4.5.3
Korrekturen des Referentenentwurfs in der Ressortabstimmung Korrekturen des Gesetzentwurfs in der parlamentarischen Beratung Zusammenfassung: Das neue BNatSchG – Politikwandel im Bundesnaturschutzrecht?
5 Die Umsetzung der Vorgaben des neuen Bundesnaturschutzrechts in den Ländern 5.1
Einflussfaktoren von Umsetzungsprozessen
5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4
Überblick über die Faktoren Zentrale Einflussfaktoren Dezentrale Einflussfaktoren Ausprägung der dezentralen Einflussfaktoren
5.2 Zeitlicher Verlauf der Umsetzungsprozesse 5.3 Die Umsetzung in Baden-Württemberg 5.3.1 5.3.2
5.4
Die Umsetzung in Bayern
5.4.1 5.4.2
5.5
X
Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Überblick über den Umsetzungsprozess Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
Die Umsetzung in Bremen
5.7.1 5.7.2
5.8
Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Überblick über den Umsetzungsprozess
Die Umsetzung in Brandenburg
5.6.1 5.6.2 5.6.3
5.7
Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Überblick über den Umsetzungsprozess
Die Umsetzung in Berlin
5.5.1 5.5.2
5.6
Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Überblick über den Umsetzungsprozess
Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Überblick über den Umsetzungsprozess
Die Umsetzung in Hamburg
63 67 70 72 72 74 80 82 84 87 89
91 91 95 107
113 113 114 116 124 127
131 133 133 134
135 135 136
136 136 137
138 138 139 141
147 147 147
148
5.8.1 5.8.2
5.9
Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Überblick über den Umsetzungsprozess
Die Umsetzung in Hessen
5.9.1 5.9.2 5.9.3
Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Überblick über den Umsetzungsprozess Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.10 Die Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern 5.10.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses 5.10.2 Überblick über den Gesetzgebungsprozess
5.11 Die Umsetzung in Niedersachsen 5.11.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses 5.11.2 Überblick über den Umsetzungsprozess
5.12 Die Umsetzung in Nordrhein-Westfalen 5.12.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses 5.12.2 Überblick über den Umsetzungsprozess 5.12.3 Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.13 Die Umsetzung in Rheinland-Pfalz 5.13.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses 5.13.2 Überblick über den Umsetzungsprozess 5.13.3 Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.14 Die Umsetzung im Saarland 5.14.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses 5.14.2 Überblick über den Umsetzungsprozess 5.14.3 Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.15 Die Umsetzung in Sachsen 5.15.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses 5.15.2 Überblick über den Umsetzungsprozess
5.16 Die Umsetzung in Sachsen-Anhalt 5.16.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses 5.16.2 Überblick über den Prozess und Gesamtbewertung 5.16.3 Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.17 Die Umsetzung in Schleswig-Holstein 5.17.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses 5.17.2 Überblick über den Umsetzungsprozess 5.17.3 Zur Umsetzung in den einzelnen Teilbereichen
5.18 Die Umsetzung in Thüringen
6
148 149
149 149 150 152
156 156 157
158 158 159
160 160 161 162
168 168 168 170
176 176 177 178
186 186 188
188 188 190 191
196 196 197 197
203
5.18.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses 5.18.2 Überblick über den Umsetzungsprozess
203 204
Vergleichende Analyse der Umsetzung des neuen Bundesnaturschutzgesetzes
205
6.1
Vergleichende Analyse der Umsetzung einzelner Regelungsbereiche
6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4
Allgemeine Entwicklungslinien Allgemeine Vorgaben Planerische Grundlagen Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft
205 205 207 212 214
XI
6.1.5 6.1.6 6.1.7
Besonderer Schutz von Natur und Landschaft Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte und Klagebehelfe Zwischenbilanz
6.2 Ranking der Bundesländer nach ihrer Umsetzungsbilanz 6.3 Einflussfaktoren der Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts auf Länderebene 6.3.1 6.3.2
6.4
7
Zentrale Einflussfaktoren Dezentrale Einflussfaktoren
Abgleich der Anforderungen an die Novelle des BNatSchG mit der Bilanz der Umsetzung auf Landesebene Restriktionen und Optionen einer Leistungssteigerung der deutschen Naturschutzpolitik
Tauglichkeit und Alternativen zur Handlungsstrategie der rot-grünen Regierungskoalition 7.2 Restriktionsanalyse umweltpolitischer Erfolgsbedingungen: Warum es zu keiner dynamischen Institutionenentwicklung kommt
216 218 219
220 222 222 224
229
231
7.1
7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4
Auswirkungen der Problemstruktur Systemische Handlungsbedingungen: (Partei-)politischer Wettbewerb und fehlende Konsensreserven Supranationale Vorgaben und situative Einflussfaktoren: Fehlender externer Handlungsdruck Akteure und Interessenkoalitionen: Neutralisierungseffekte und schmale Interessenbasis
7.3 Ansatzpunkte einer Strategie zur Leistungssteigerung 7.3.1 7.3.2
7.4
Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen Abbau von Regelungsdefiziten und Vertiefung der Politikintegration
Handlungsspielräume der Leistungssteigerung
7.4.1 7.4.2 7.4.3
Die allgemeine Föderalismusreform Die Diskussion um eine nationale Naturschutzstrategie Die Diskussion um eine Modifikation und Erweiterung des naturschutzrechtlichen Instrumentariums
231 234 235 237 239 240
242 242 249
254 254 256 258
8
Fazit
259
9
Literaturverzeichnis
265
10
Anhang
283
XII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1:
Das kapazitätsbasierte Modell der Umweltpolitikanalyse ........................................................ 13
Abbildung 3.1:
Die wichtigsten Kategorien des Gebietsschutzes nach BNatSchG a.F..................................... 29
Abbildung 3.2:
Bodenfläche nach Nutzungsarten in km2 (1993-2002) und Veränderungen in der Flächennutzung (1997-2003).......................................................... 38
Abbildung 4.1:
Topographie der Akteurslandschaft zur Novelle des BNatSchG bis 1998 .............................. 66
Abbildung 4.2:
Eckpunkteforderungen der Stellungnahme des Bundesrates .................................................... 99
Abbildung 4.3:
Forderungskatalog des Bundesrates für das Vermittlungsverfahren ...................................... 103
Abbildung 4.4:
Topographie der Akteurslandschaft zur Novelle des BNatSchG ab 2001
108
Tabellenverzeichnis
Tabelle 4.1:
Überblick über das parlamentarische Beratungsverfahren zum neuen Bundesnaturschutzgesetz ........................................................................................ 69
Tabelle 4.2:
Regierungskoalitionen auf Länderebene im Zeitraum 1998-2004............................................ 71
Tabelle 4.3:
Überblick über das neue Bundesnaturschutzgesetz (Art. 1 BNatSchG) ................................... 73
Tabelle 4.4:
Abgleich der Anforderungen an eine Novelle des BNatSchG mit den Bestimmungen des BNatSchG n.F. ..................................................... 90
Tabelle 5.1:
Einflussfaktoren von Umsetzungsprozessen........................................................................... 114
Tabelle 5.2:
Überblick über die dezentralen Einflussfaktoren der Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts in den Ländern (Stand 2003) .......................................................... 130
Tabelle 5.3:
Stand der Novellierung der Landesnaturschutzgesetze zur Umsetzung der Vorgaben des neuen Bundesnaturschutzrechts
Tabelle 5.4:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Baden-Württemberg..................................... 134
..
132
Tabelle 5.5:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Bayern.......................................................... 135
Tabelle 5.6:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Berlin ........................................................... 137
Tabelle 5.7:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Brandenburg................................................. 139
Tabelle 5.8:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Bremen......................................................... 147
Tabelle 5.9:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Hamburg ...................................................... 148
Tabelle 5.10:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Hessen.......................................................... 150
Tabelle 5.11:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern ......................... 157
Tabelle 5.12:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Niedersachsen .............................................. 158
Tabelle 5.13:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Nordrhein-Westfalen.................................... 160
Tabelle 5.14:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Rheinland-Pfalz............................................ 168
Tabelle 5.15:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung im Saarland ...................................................... 176
Tabelle 5.16:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Sachsen ........................................................ 187
Tabelle 5.17:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Sachsen-Anhalt ............................................ 189
XIII
Tabelle 5.18:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Schleswig-Holstein ...................................... 196
Tabelle 5.19:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Thüringen..................................................... 203
Tabelle 6.1:
Umsetzung der Ziele und Grundsätze des BNatSchG in den Ländern ................................... 207
Tabelle 6.2:
Umsetzung der Vorgaben zum Biotopverbund in den Ländern.............................................. 209
Tabelle 6.3:
Umsetzung der Guten Fachlichen Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ............. 211
Tabelle 6.4:
Umsetzung der Vorgaben zur Umweltbeobachtung ............................................................... 213
Tabelle 6.5:
Umsetzung der Vorgaben zur Landschaftsplanung ................................................................ 214
Tabelle 6.6:
Umsetzung der Vorgaben zur Eingriffsregelung .................................................................... 215
Tabelle 6.7:
Umsetzung der Vorgaben zum Gebietsschutz und zum Biotopschutz ................................... 217
Tabelle 6.8:
Umsetzung der Vorgaben zur Anerkennung, Beteiligung und Mitwirkung von Vereinen sowie derer Klagebehelfe ...................................................... 218
Tabelle 6.9:
Neuregelungen und Politikwandel im BNatSchG und Grad der Adaption und Ergänzung im Landesnaturschutzrecht der sieben analysierten Bundesländer ................ 220
Tabelle 6.10:
Vergleichende Analyse der 1:1-Umsetzung des BNatSchG in sieben Bundesländern........... 221
Tabelle 6.11:
Vergleichende Analyse der ergänzenden Konkretisierungen des BNatSchG in sieben Bundesländern................................................................................. 221
Tabelle 6.12:
Überblick über die dezentralen Einflussfaktoren der Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts in sieben Bundesländern (Bezugsjahr 2003) ............................ 227
Tabelle 10.1:
Übersicht über die Änderungen im Gesetzentwurf vom Mai 2001 gegenüber dem Referentenentwurf vom Juli 2000 ......................................... 283
Tabelle 10.2
Überblick über die wichtigsten Änderungsanträge der Stellungnahme des Bundesrates vom Juni 2001 und die entsprechenden Annahme oder Ablehnung durch die Bundesregierung........................................................................... 289
Tabelle 10.3:
Übersicht über die Änderungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung durch den federführenden Umweltausschuss des Deutschen Bundestags............................... 300
Tabelle 10.4:
Änderungen im Vermittlungsausschuss.................................................................................. 306
XIV
Abkürzungsverzeichnis ACK ADAC BBodSchG BDI BfN BfS BMU BNatSchG CDU CSU DBU DIHT DNR DNR DRL FDP GG IUCN LANA m.w.N. OECD PDS SPD SRU BMVEL BUND NABU LANA UBA UMK UNEP UNESCO WBGU WCED WWF
Amtschefkonferenz Allgemeiner Deutscher Automobilclub Deutschland Bundesbodenschutzgesetz Bundesverband Deutscher Industrie Bundesamt für Naturschutz Bundesamt für Strahlenschutz Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesnaturschutzgesetz Christlich-Demokratische Union Deutschlands Christlich-Soziale Union Deutschlands Deutsche Bundesstiftung Umwelt Deutscher Industrie und Handelstag Deutscher Naturschutzring Deutscher Naturschutzring Deutscher Rat für Landespflege Freiheitlich Demokratische Partei Deutschlands Grundgesetz International Union for the Conservation of Nature Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz mit weiteren Nachweisen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Partei des Demokratischen Sozialismus Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sachverständigenrat für Umweltfragen Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Bund für Umwelt und Naturschutz Naturschutzbund Deutschland Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz Umweltbundesamt Umweltministerkonferenz United Nations Environment Programme United Nations Education and S Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen World Commission on Environment and Development World Wide Fund for Nature
XV
1
Einleitung
1.1
Problemaufriss
Ein prägendes Kennzeichen des politischen Systems Deutschlands ist die bundesstaatliche Ordnung. International einmalig erfolgt die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Bundesländern nicht nach materiellen, sondern nach funktionellen Kriterien: Die Verabschiedung von Gesetzen obliegt mit Ausnahmen dem Bund, die Umsetzung dagegen den Bundesländern. Im Laufe der Zeit haben die Bundesländer vermehrt Gesetzgebungskompetenzen an den Bund abgegeben und wurden dafür mit Mitsprache- und Zustimmungsrechten an der Gesetzgebung des Bundes kompensiert. Mittlerweile bedarf die Mehrzahl aller Gesetzgebungsvorhaben des Bundes der Zustimmung des Bundesrates. Das Resultat ist ein System der politischen Entscheidungsfindung, das oft als Verhandlungsdemokratie bezeichnet wird und zu einer hohen Politikverflechtung von Bund und Ländern geführt hat. Seit den 1970er Jahren ist dieses System der Politikverflechtung immer wieder dafür kritisiert worden, dass es sowohl die Handlungsautonomie des Bundes als auch der Länder stark einschränkt. Katzenstein hat hierfür den Begriff des „semi-souveränen Staates Deutschland“ geprägt (Katzenstein 1987). Obwohl die bundesstaatliche Ordnung während der Wiedervereinigung als politisches Ordnungsprinzip noch unumstritten war, wird mittlerweile von der Mehrzahl der öffentlichen Meinungsträger und auch von vielen politikwissenschaftlichen Autoren die Forderung nach einer grundlegenden Reform der bundesstaatlichen Ordnung erhoben. 1 Sie verweisen darauf, dass Entscheidungsprozesse aufgrund der hohen Anzahl von Akteuren mit Vetomacht und der Unvereinbarkeit der Handlungslogiken des Föderalismus und des Parteienwettbewerbs zu lange dauern und deshalb mit Minimalkompromissen oder in der Blockade, der „Politikverflechtungsfalle“ (Scharpf 1985), enden. Regelmäßig, so die Kritik, kommt es nur zu inkrementellen Reformen, die den Status-Quo fortschreiben und gesellschaftliche Handlungserfordernisse systematisch verfehlen. Ausgehend von dieser Kritik wird eine grundlegende Reform der bundesstaatlichen Ordnung als einziger Ausweg gesehen, die zu einer Entflechtung der politischen Handlungsebenen führt und Anreize für einen stärkeren Wettbewerb der Länder setzt (vgl. Scharpf 2004, Margedant 2003, Lehmbruch 2002, Grimm 2001). Kritiker dieser pauschalen Kritik des deutschen Föderalismus betonen dagegen, dass trotz der Politikverflechtung immer wieder grundlegende Reformen in Deutschland umgesetzt worden sind. Sie verweisen auch auf die Ergebnisse vergleichender politikwissenschaftlicher Studien, denen zu Folge föderativ verfasste Staaten in einem Leistungsvergleich aller Indu1
Im Sommer 2006 ist eine grundlegende Reform der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern von der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD auch angegangen worden (vgl. Kap. 7).
1
striestaaten keinesfalls schlechter abschneiden als unitarisch verfasste Staaten (WachendorferSchmidt 2000, Jeffrey 1999, Lijphart 1999). Auch mehrere Studien, welche die umweltpolitische Leistungsbilanz der OECD-Länder vergleichen, weisen der Variable Föderalismus nur eine geringe (bis gar keine) Erklärungskraft für die Performanz von Umweltpolitik zu (Scruggs 2003, Jahn und Wälti 2003, Lafferty und Meadowcraft 2000, Weidner und Jänicke, 2002, Jänicke und Weidner, 1997). Die eher negative Wahrnehmung des Föderalismus in Deutschland steht auch im interessanten Kontrast zum internationalen Trend der Politikentwicklung: Im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte hat der Föderalismus als politisches Ordnungsprinzip weltweit an Attraktivität gewonnen; die Mehrzahl der Industrieländer weist mittlerweile eine bundesstaatliche Ordnung auf (Benz 2003). 2 Allerdings ist der Verflechtungsgrad der meisten föderalen Systeme nicht ähnlich hoch wie der Verflechtungsgrad des deutschen Föderalismus (Benz 2001). Kritiker wie Verteidiger des deutschen Föderalismus stimmen darüber überein, dass die Kosten einer politischen Entscheidung relativ hoch sind, da sie langwierige Verhandlungs- und Abstimmungsprozesse erfordern, die überschattet sind von der Möglichkeit, dass einer von vielen Veto-Spielern sein Veto einlegt und den Prozess blockiert. Jede Regierungskoalition auf Bundesebene muss deshalb regelmäßig konfliktmindernde, kapazitätsschonende Strategien anwenden, um eine Entscheidungsfähigkeit trotz bestehender Interessenkonflikte sicherzustellen (grundlegend: Scharpf et al. 1976): Solche Strategien beinhalten u.a. die Verringerung der Entscheidungsalternativen, die Verringerung der Anzahl der Akteure im Entscheidungsprozess oder bzw. und die inhaltliche Modifizierung von Gesetzentwürfen. Wille und strategisches Geschick bestimmen dann maßgeblich den letztendlichen Inhalt von Gesetzestexten. Umstritten ist die Frage, ob sich der politische Reformbedarf über solche Strategien abdecken lässt. Ermöglichen sie problemgerechte Reformen? Scharpf et al. (1976) haben bereits in den 1970er Jahren festgestellt, dass konfliktmindernde Strategien nicht nur vielfach die inhaltliche Qualität legislativer Vorhaben reduzieren, sondern auch die Wahrscheinlichkeit von Steuerungsmängeln erhöhen: Falsche ökonomische Anreize können nicht oder kaum korrigiert, Reformen jenseits inkrementeller Pfadanpassungen nicht zustande gebracht werden. Entscheidungskosten werden im Politik-Zyklus von der Entscheidungsfindung auf die Politikumsetzung verschoben; Umsetzungsdefizite sind wahrscheinlich (Mayntz 1987, vgl. Kitschelt und Streek 2004). Die Funktionsschwächen des Föderalismus sind für die Kritiker nicht mit strategisch kluger Gesetzgebung zu überwinden. Solche Strategien verfehlen systematisch den gesellschaftlichen Handlungsbedarf. Die Wahrscheinlichkeit symbolischer Politik nimmt entsprechend zu. Die Handlungsspielräume in der Politikverflechtung des politischen Systems 2
2
Die höhere Attraktivität föderativer Staatsordnungen wird nicht nur auf die bessere Performanz bei der Sicherung individueller Freiheitsrechte und der besseren Machtkontrolle zurückgeführt, sondern auch auf den besseren Ausgleich regionaler Kräfte, eine höhere soziale Integrationskraft und eine höhere politische Innovationsfähigkeit, letzteres aufgrund besserer Zugangsmöglichkeiten zum politischen System und besserer Kapazitäten zur Informationsverarbeitung (Börzel und Hosli 2003, Braun 2000, Elazar 1987).
Deutschlands sind für die Kritiker auf unzureichende Problemlösungen beschränkt und können nur unter bestimmten, eher raren Bedingungen erweitert werden. Die Verteidiger einer dynamischen Föderalismusinterpretation halten dagegen, dass politische Systeme unabhängig von der Frage der Staatsverfassung allgemein zu einer eher inkrementellen Politikentwicklung tendieren und die Funktionsdefizite des deutschen Föderalismus nur unter bestimmten Randbedingungen auftreten. Auch ändert sich die Einschätzung der Problemlösungsfähigkeit, wenn der Zeitraum der Betrachtung verlängert wird: Selbst inkrementelle Reformschritte können über einen längeren Zeitraum hinweg zu einem substanziellen Politikwandel führen, der eine Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Rahmenbedingungen sicherstellt und gegenüber radikalen Reformen den Vorteil einer kapazitätsschonenden Transformation aufweist (Hayes 2002). Hervorgehoben wird die Möglichkeit einer dynamischen Institutionenentwicklung, bei der dezentrale Innovationsprozesse einen Modernisierungsschub „von unten“ anstoßen (Hesse und Benz 1990). Die Politikverflechtung schafft in dieser Perspektive auch einen Rahmen für die vertrauensvolle Kooperation und für stabile Austauschbeziehungen auf der Ebene der Ministerialverwaltungen von Bund und Ländern, was Defiziten in der Umsetzung entgegenwirkt. Akteure sind lernfähig, sodass problemgerechte Lösungen unter bestimmten Bedingungen durchaus erreichbar sind. Konfliktmindernde Strategien können über inkrementelle Lernprozesse sogar einen Politikwandel anstoßen. Ein starrer Blick auf die Bundesebene blendet demnach Lernprozesse auf Länderebene aus, welche Funktionsschwächen der politischen Entscheidungsfindung im Föderalismus kompensieren können. Zudem kann diese Wirkung durch den blockadebrechenden Handlungsdruck europäischer und internationaler Rechtsvorgaben verstärkt werden (Benz 2003, Wachendorfer-Schmidt 2003, Lhotta 2003). Die Frage nach dem Einfluss der Politikverflechtung auf die Problemlösungsfähigkeit von Bund und Ländern und die Frage nach der Tauglichkeit konfliktmindernder, kapazitätsschonender Handlungsstrategien drängen sich gerade für das Politikfeld Naturschutz auf. Der Schutz von Natur und Landschaft fußt zwar auf einer fundierten gesetzlichen Grundlage und ist institutionell auf allen Entscheidungsebenen breit verankert (vgl. OECD 2001, Erbguth, 2002). In den letzten drei Jahrzehnten sind auch viele Erfolge bei der Bewahrung bzw. Wiederherstellung wertvoller Naturlandschaften und dem Schutz gefährdeter Arten erzielt worden. Dennoch ist es bislang nicht gelungen, eine Trendwende bei der Beeinträchtigung der Leistungs- und Nutzungsfähigkeit des Naturhaushalts, der biologischen Vielfalt und der Erholungsqualität vieler Landschaftsteile zu erzielen. Vielmehr zählt der Schutz des Naturhaushalts und der biologischen Vielfalt zu den persistenten Problemen des Umweltschutzes, die einen prioritären Handlungsbedarf nahe legen (BfN 2005, UBA 2001). Gleichzeitig ist der Naturschutz wie kaum ein anderes Regelungsfeld des Umweltschutzes durch langwierige und blockadeanfällige Entscheidungsprozesse geprägt. Seit langem ist der Schutz von Natur und Landschaft das „Stiefkind der deutschen Umweltschutzes“ (Bick 3
und Obermann, 2001): Hierfür stehen eine im Vergleich zu anderen Regelungsfeldern des Umweltschutzes hohe Rate von Entscheidungskonflikten wie auch eine häufige Vertagung von Gesetzgebungsvorhaben und anderen Reformvorhaben. Ein Beispiel hierfür ist die schleppende Umsetzung des „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD). Bis heute ist keine nationale Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung vorgelegt worden, obwohl die CBD dies nachdrücklich einfordert (vgl. Brühl 2002). Auch die Umsetzung des europäischen Naturschutzrechts ist defizitär. So ist Deutschland zur Ausweisung und Vernetzung großflächiger Schutzgebiete im Rahmen des Verbundsystems „Natura 2000“ der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFHRichtlinie) verpflichtet, hat aber die relevanten Fristen wiederholt deutlich verletzt. Mehrfach hat die Europäische Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet. Erst die Androhung der Sperrung von Strukturfondsgeldern im Jahr 1999 führte zu einer allmählichen Zunahme der Gebietsmeldungen für „Natura 2000“ durch die Länder (SRU 2004a: Tz. 135ff.). Insbesondere aber die Modernisierung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) ist im Verlauf der letzten zwanzig Jahre zu einem umweltpolitischen Dauerbrenner avanciert. Obwohl als Hauptreformvorhaben der Naturschutzpolitik seit Mitte der 1980er Jahre auf der politischen Agenda, scheiterten mehrere Anläufe der konservativ-liberalen Bundesregierung an Konflikten in der administrativen Ressortabstimmung des Bundes oder an Konflikten zwischen Bund und Ländern (vgl. Volkery 2001). Die Schwierigkeiten der Entscheidungsfindung auf diesem Gebiet sind eng mit der föderalen Kompetenzverteilung verbunden. Naturschutz fällt hauptsächlich in den Kompetenzbereich der Länder; der Bund hat nur die Rahmengesetzgebungskompetenz. Aufgrund divergierender parteipolitischer Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat kam eine Zustimmung der Länderkammer zu den Reformplänen der konservativ-liberalen Regierungskoalition nie zustande: Die Stimmenmehrheit der sozialdemokratisch regierten Länder nutzten die oppositionellen Sozialdemokraten zu einer Blockadepolitik der konservativ-liberalen Regierungskoalition im Bundesrat. Nach dem Regierungswechsel bei den Bundestagswahlen 1998 verfolgte die rot-grüne Regierungskoalition das Vorhaben einer Gesamtnovelle des BNatSchG weiter. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerregierung gelang es ihr im Frühjahr 2002 - trotz gegenläufiger Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat -, eine umfassende Novelle zu verabschieden. Mit dieser Novelle haben viele regulative Neuerungen Einzug in das Bundesnaturschutzrecht gehalten, u.a. die altruistische Verbandsklage auf Bundesebene, die Definition von naturschutzfachlichen Betreiberpflichten im Rahmen der guten fachlichen Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, die flächendeckende Landschaftsplanung oder die Vorgabe, auf zehn Prozent der Landesfläche einen Biotopverbund zu errichten (BG-Blatt 2002, I, S. 1193). Die Verabschiedung des Gesetzes gelang allerdings nur aufgrund der Ausgestaltung
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als reines Rahmengesetz, das der Zustimmung des Bundesrates nicht bedurfte. Viele der Neuerungen werden somit erst durch Umsetzung in Landesrecht wirksam. Die Strategie der rot-grünen Regierungskoalition ist ein typisches Beispiel einer konfliktmindernden Handlungsstrategie, welche die eigenen Handlungskapazitäten schont: Durch die Ausgestaltung als reines Rahmengesetz wurde die Zustimmungserfordernis des Bundesrates umgangen, wurde das Blockadepotenzial der Länder neutralisiert und wurde so eine Entscheidungsfähigkeit hergestellt. Im Umkehrschluss stellt sich die Frage, ob dafür substanzielle Abstriche am Regelungsniveau in Kauf genommen werden mussten und nun keine Handhabe mehr zur Anleitung des Umsetzungsprozesses besteht. Auf den ersten Blick scheint dies nicht der Fall zu sein. Die Reform hat großen Beifall der durchaus kritischen Umwelt- und Naturschutzverbände gefunden: Von „Meilensteinen“ (Flasbarth 2002) und einem „Happy-End im Naturschutzrecht“ (Örter 2003) war die Rede. Die Bundesregierung selber hat das Vorhaben in eine Linie mit den anderen großen umweltpolitischen Reformvorhaben (Ökologische Steuerreform, Ausstieg aus der Atomenergie, Förderung Erneuerbarer Energien) gestellt (BMU 2002). Ist das langjährige Scheitern einer Novelle also nicht primär auf die föderale Kompetenzverteilung, sondern auf den Umstand zurückzuführen, dass die konservativ-liberale Regierungskoalition entweder nicht den politischen Gestaltungswillen oder aber nicht das politische Geschick der richtigen Strategiewahl besaß, um eine Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts zum Abschluss zu bringen? Ist es doch möglich, anspruchsvolle Reformen in der Politikverflechtung durchzusetzen, wenn die richtige Handlungsstrategie gewählt wird und die politische Bereitschaft zum Handeln besteht, wie dies für die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Bündnisgrünen dann festzustellen wäre? Bewahrheitet sich dieser Sachverhalt, dann wäre die Variable parteipolitische Zusammensetzung der Regierungskoalition der entscheidende Einflussfaktor, und nicht, wie von den Kritikern angenommen, die föderale Kompetenzverflechtung von Bund und Ländern. Entsprechend wäre auch kein Bedarf für eine grundlegende Reform der institutionellen Rahmenbedingungen in diesem Politikfeld. Ein zweiter Blick führt zu größerer Skepsis: Resultiert die überwiegend positive Einschätzung vielleicht vor allem aus der Erleichterung darüber, dass der Prozess endlich zu einem Ende gekommen ist; und wird darüber die Achillesferse des Reformvorhabens – der Prozess der Umsetzung – ausgeblendet? Entscheidet sich das Anliegen einer Modernisierung des Naturschutzrechts letztlich in der Phase der Umsetzung in den Bundesländern? Kommt es hier zu einer dynamischen Institutionenentwicklung? Oder betreiben die Länder eine gegenläufige Umsetzungspolitik, da ihre Interessen im Prozess der Politikformulierung übergangen wurden, sodass die Modernisierungsimpulse verpuffen?
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1.2
Fragestellung der Arbeit
Mit der vorliegenden Studie soll die Handlungsstrategie der rot-grünen Bundesregierung evaluiert werden, die Restriktionen einer Neugestaltung des Bundesnaturschutzrechts unter der Rahmengesetzgebung durch die Konzeption eines reinen Rahmengesetzes zu umgehen: Ist mit der Novelle tatsächlich die grundlegende, abschließende Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts gelungen, wobei die problemgerechte Umsetzung auf Länderebene explizit als Teil des Prozesses mit zu berücksichtigen ist? Oder verhindert der parteipolitische Wettbewerb auf Landesebene eine solche Umsetzung? Beide Sichtweisen auf den deutschen Föderalismus sollen auf ihre Plausibilität überprüft werden. Dabei stellen sich mehrere Leitfragen. Zunächst ist zu fragen:
Welche grundsätzlichen Änderungen im Bundesnaturschutzrecht ergeben sich durch die Novelle? Inwieweit entsprechen diese dem Forderungskatalog, der von naturschutzfachlicher Seite an eine Reform des BNatSchG vorgebracht worden ist? Wie fällt die Umsetzung der Vorgaben des Gesetzes auf Länderebene aus? Kommen die Länder ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Umsetzung und Ausgestaltung des Rahmens des Bundesrechts nach? Lassen sich Muster der Umsetzung finden oder setzt jedes Land die Vorgaben unterschiedlich um? Welche Einflussfaktoren können das Umsetzungsverhalten maßgeblich erklären? Dabei sind unterschiedliche Szenarien der Politikentwicklung denkbar:
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In einem “Negativ-Szenario“ sind grundlegende Defizite bei der Formulierung, vor allem aber in der Umsetzung zu erwarten. Aufgrund des reduzierten legislativen Spielraums kann die Bundesregierung zwar einen ambitionierten Pflichtenkatalog, nicht aber einen Katalog von detaillierten, verwaltungsleitenden Vorschriften normieren. Dadurch wird den Ländern ein größerer Spielraum bei der Umsetzung eröffnet als bisher. Wenn ihre Interessen bei der Politikformulierung nicht berücksichtigt worden sind, sind eine Verzögerung und/oder eine inkonsistente Umsetzung der Gesetzesvorgaben zu erwarten, insbesondere aufgrund der parteipolitischen Konkurrenz auf Bundesebene. Aufgrund des verschärften Standortwettbewerbs nutzen einige Bundesländer die Gelegenheit zu einer Absenkung der Standards ihrer Naturschutzgesetze, was in der Konsequenz einen Wettbewerb um Standardabsenkungen (race-to-the-bottom) einleitet. In einem “Positiv-Szenario“ ist davon auszugehen, dass mit der Novelle zwar dem eigentlichen Handlungsbedarf nicht voll entsprochen werden konnte, die Neuregelungen unter dem Strich aber zu einer Verbesserung gegenüber dem Status-Quo führen. Nach
der politisierten Entscheidungsfindung kommt es auf Länderebene zu einer de-politisierten, dynamischen Institutionenentwicklung: Einzelne Länder führen neue Regelungen ein, andere Länder bestätigen ihre fortschrittlichen Regelungen. Ambitionierte Vorgaben zur Umsetzung einzelner Vorschriften animieren Prozesse der Nachahmung. Insgesamt kann es zu einem Wettbewerb um die beste Standardlösung (race-to-thetop) kommen, wie er in anderem Zusammenhängen für die US-amerikanischen Bundesstaaten beobachtet worden ist (Kern 2000). Im “Negativ-Szenario“ folgen politische Entscheidungsprozesse dem Muster des Aushandelns (“Bargaining“; von Prittwitz 1996). Insgesamt kommt es zu einer sub-optimalen Lösung, die statt zu einer Harmonisierung zu einer weiteren Zersplitterung des Naturschutzrechts führt. Die Ausgestaltung als Rahmengesetz erweist sich als ungeeignete Strategie, da Entscheidungskonflikte lediglich auf die Stufe der Politikumsetzung verlagert werden. Im “Positiv-Szenario“ folgen Umsetzungsprozesse eher dem Muster des Überzeugens und Lernens (“Argumentation“, von Prittwitz 1996). Die Bundesländer sind an einer kooperativen Umsetzung interessiert. Die Ausgestaltung als Rahmengesetz erweist sich insofern als geeignete Strategie, da sie Verbesserungen gegenüber dem Status-Quo bedingt und Innovations- und Lernprozesse auf dezentraler Ebene anstößt, die in der Folge zu Kapazitätserweiterungen führen können. Je nach Szenario erweist sich die Strategie der rot-grünen Regierungskoalition als besser oder weniger gut geeignet. Hier ist daher zusätzlich zu fragen:
Inwieweit erweist sich unter den Rahmenbedingungen der föderalen Kompetenzverteilung die konfliktminimierende Rahmengesetzgebung als geeignete Strategie für die Modernisierung des Naturschutzrechts und - damit verbunden - allgemein für die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Naturschutzpolitik? Wäre eine andere Strategie möglich und sinnvoller gewesen? Oder war unter den gegebenen Handlungsbedingungen kein anderes Vorgehen möglich?
Als gut (besser) kann die Strategie der rot-grünen Bundesregierung dann bewertet werden, wenn über die Novelle des BNatSchG einerseits substanzielle Defizite im Bundesnaturschutzrecht beseitigt werden können und wenn andererseits die Länder die Vorgaben des Gesetzes zügig und ohne größere inhaltliche Abstriche in Landesnaturschutzrecht umsetzen und dabei konkretisieren. Im gegenteiligen Fall ist die Strategie als verfehlt (bzw. weniger gut) zu bezeichnen. Dazwischen besteht eine Grauzone: So können einige substanzielle Regelungsdefizite abgebaut werden, andere aber nicht. Einige Länder können die Gesetzesvorgaben korrekt und zügig umsetzen, während andere sie verwässern. Dann ist eine spezifische Abwä-
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gung der erzielten Erfolge und festzustellenden Misserfolge vorzunehmen. Diese Analyse schafft einen Überblick über den weiteren Reformbedarf: Ist über eine grundlegende Reform der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nachzudenken, da der Grad der Politikverflechtung nur unzureichende Reformen zulässt? Oder besteht nur kein grundlegender Reformbedarf, da die rot-grüne Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes die wichtigen Defizite adressiert und dem Konkretisierungsbedarf des neuen Bundesnaturschutzrechts in horizontalen Innovationsprozessen auf Länderebene ausreichend entsprochen wird? An welchen Punkten hat eine Strategie zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und Effektivität des Schutzes von Natur und Landschaft in Deutschland dann anzusetzen? Diese Fragestellungen knüpfen an die Diskussion um die allgemeine Reform der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland an, die Bundestag und Bundesrat im Sommer 2006 beschlossen haben. Als weitere Fragestellung ergibt sich von daher:
1.3
Wie ist die Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern, die im Kontext der Reform der bundesstaatlichen Ordnung vorgenommen wurde, vor dem Hintergrund der Untersuchungsergebnisse dieser Studie zu bewerten?
Methodisches Vorgehen und Gang der Untersuchung
Inhalt und Verlauf politischer Entscheidungsprozesse lassen sich nicht durch Fokussierung auf eine einzelne Einflussvariable wie die föderale Staatsverfassung sinnvoll analysieren und erklären. Vielmehr bedingen sie sich immer durch das Zusammenspiel vieler Einflussfaktoren, die sowohl die strukturellen und situativen Rahmenbedingungen, die Konstellation der Akteure und ihre Handlungsstrategien, als auch die Struktur des zu lösenden Problems umfassen. Zur Analyse der Erfolgsbedingungen und Restriktionen einer Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts wird in dieser Studie daher das kapazitätsorientierte Model der Umweltpolitikanalyse von Martin Jänicke u.a. herangezogen (Jänicke 1996, Jänicke und Weidner 1997, Weidner und Jänicke 2002). Dieses Modell umfasst eine umfangreiche Anzahl akteursund systembezogener Variablen, die eine fundierte Ex-Post-Analyse des Prozesses der Entscheidungsfindung und Umsetzung des neuen BNatSchG ermöglichen, ohne sich aus methodischen Gründen in der Auswahl der Erklärungsfaktoren beschränken zu müssen. Allerdings sind von anderen Autoren Schwächen dieses Modells konstatiert worden: Viele der Variablen sind breit angelegt und nur qualitativ beschrieben, so die Kritik, wie etwa die Kapazität zur Integration unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessen oder die partizipative Offenheit des jeweiligen politischen Systems. Da der Ansatz keine Mikro-Variablen verwendet, die Auskunft über die Verbindung von Ursache und Wirkung geben und oft nicht klar 8
ist, aus welchen Bestandteilen sich einzelne Makro-Variablen - wie etwa wie die eben genannte partizipative Offenheit - zusammensetzen und wie und warum sie zur Problemlösung beitragen, wird die Eignung für die Erklärung politischer Prozesse bezweifelt. Weiterhin wird kritisiert, dass das Modell zu wenig dem Einfluss internationaler Regime und Rechtsnormen Rechnung trägt und den Einfluss sub-staatlicher Politiken ebenfalls unterbelichtet lässt (vgl. Scruggs 2003). Ein besonderes Anliegen dieser Studie ist es daher, einzelne Variablen für den Untersuchungszweck der Studie stärker auszudifferenzieren. Der Gang der Untersuchung gliedert sich wie folgt:
In Kap. 2 wird das kapazitätsbasierte Modell der Umweltpolitikanalyse vorgestellt und dabei leicht modifiziert. Dies betrifft einerseits die Unterscheidung von abhängigen und unabhängigen Variablen, wobei letztere in direkte und indirekte unabhängige Variablen unterteilt werden. Andererseits werden die Bestandteile des Modells um Einflussfaktoren der internationalen, europäischen und subnationalen Ebene ergänzt, wobei dies als ein erster Versuch zur Inkorporation dieser Ebenen zu verstehen ist. In Kap. 3 erfolgt dann eine Operationalisierung der Einflussvariablen für das Politikfeld Naturschutz. Dabei wird zunächst die abhängige Variable bestimmt: die Vorgaben des Bundesnaturschutzrechts, die es zu ändern gilt, und der Reformbedarf, dem dabei zu entsprechen ist. Diese Darstellung greift auf den Anforderungskatalog an eine umfassende Reform des Bundesnaturschutzrechts zurück, wie er sich in der mehr als zwanzigjährigen Debatte herausgebildet hat. Im Anschluss hieran werden die indirekten unabhängigen Variablen des Models ausgefüllt. Dies beinhaltet Analysen der Problemstruktur, der Akteure und ihrer Interessenkonstellationen sowie der Ausprägung ökonomischer, politisch-institutioneller und informationell-kognitiver Rahmenbedingungen, aber auch eine Analyse der Vorgaben internationaler und europäischer Naturschutzpolitik sowie einen kursorischen Aufriss der Naturschutzpolitik der Bundesländer. Das Kapitel endet mit der Diskussion der direkten unabhängigen Variable, den konfliktmindernden Handlungsstrategien im deutschen Föderalismus, wobei sowohl die skeptischen als auch die optimistischen Positionen dargestellt werden. Hierauf folgt der erste empirische Hauptteil der Studie. In Kap. 4 wird der politische Entscheidungsprozess zur Novelle des BNatSchG analysiert. Die Bestimmungen des Gesetzes werden dabei einer ausführlichen Inhaltsanalyse unterzogen (Frage 1). In Anlehnung an die weit verbreitete Klassifizierung von Politikwandel durch Peter Hall (1993) wird dabei zwischen Politikwandel ersten, zweiten und dritten Grades unterschieden. Diese Analyse bezieht nicht alle Neuregelungen des Gesetzes ein, sondern betrachtet nur die Änderungen, die als „Schlüsselregelungen“ der Reform bezeichnet werden können: die Änderungen in den Zielen und Grundsätzen, die Einführung des 9
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10
bundesweiten Biotopverbunds, die Einführung der naturschutzfachlichen Standards der Guten Fachlichen Praxis, die Neuregelungen im Gebiets- und Biotopschutz, die Einführung der Umweltbeobachtung, die Neuregelungen in der Landschaftsplanung und Eingriffsregelung sowie die Neuregelungen im Gebiet der Beteiligung und Mitwirkung von Naturschutzverbänden sowie der altruistischen Verbandsklage. 3 Hierauf folgt in Kap. 5 eine Analyse des Umsetzungsprozesses in allen Bundesländern (Frage 2). Dabei werden zunächst die Anforderungen analysiert, die für die Umsetzung des BNatSchG in Landesrecht gelten. Mit der Skizzierung des rechtlichen Konkretisierungsbedarfs und der Darstellung von Optionen zur weiteren inhaltlichen Ausfüllung wird ein Referenzrahmen geschaffen, um die Qualität der Umsetzung bewerten zu können. Dabei sind die Annahmen des Kapazitätsmodells aus Kap. 2 mit Blick auf die Besonderheiten des Umsetzungsprozesses zu verfeinern. Hier sind u.a. verschiedene Einflussvariablen zu identifizieren, welche die landesspezifischen Unterschiede in den politischen, ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen in den Ländern abbilden und dann die vergleichende Analyse anleiten können. Für alle Bundesländer, die bis Anfang Mai 2005 die Umsetzung vollzogen oder Gesetzentwürfe zur Umsetzung des Gesetzes vorgelegt haben, wird daraufhin analysiert, inwieweit diese Länder die Bestimmungen des BNatSchG übernommen haben und inwieweit sie dem verfassungsrechtlichen Auftrag, den Rahmen des Bundesrechts zu konkretisieren, gerecht werden. Gleichzeitig wird für die Bundesländer ohne Umsetzung eine kurze Analyse der Einflussvariablen vorgenommen. Im Kap. 6 wird dann eine vergleichende Bilanz der Umsetzung gezogen. Dabei ist einerseits zu beachten, ob sich bestimmte Umsetzungsmuster finden lassen und andererseits zu klären, welche Einflussfaktoren maßgeblich die Unterschiede in der Umsetzungsbilanz erklären. Hierfür werden die Schlüsselvariablen verwendet, die zu Beginn des Kap. 5 eingeführt worden sind. Abschließend werden der legislative “Output“ auf Bundesebene und der “Outcome“ auf Länderebene mit den Anforderungen an eine Modernisierung des BNatSchG verglichen, die in Kap. 3 identifiziert worden waren. Auf die empirische Darstellung und die vergleichende Analyse des Politikformulierungs- und Umsetzungsprozesses folgt in Kap. 7 die inhaltliche Gesamtbewertung. Unter Berücksichtigung der Chancen und Restriktionen der politischen Kontextbedingungen und anhand des Abgleichs mit alternativen Handlungsoptionen wird die Tauglichkeit der Strategie der rot-grünen Bundesregierung bewertet: Welcher Reformbedarf besteht nach der Novelle des BNatSchG (Frage 3 und 4)? Sind unzureichende Ergebnisse zu konstatieren, ist zu fragen, ob eher eine stärkere Zentralisierung oder eine
In Gänze ausgeklammert wird damit der komplexe und komplizierte Teil der artenschutzrechtlichen Neuregelungen. Auch werden die oben genannten Neuregelungen nicht in jedem einzelnen Detail behandelt. Hierfür wird auf die einschlägige Kommentierung der Rechtsvorschriften verwiesen (siehe Messerschmidt 2004, Marzik und Wilrich 2004, Schumacher und Fischer-Hüftle 2003, Louis 2003).
Dezentralisierung der Naturschutzpolitik als strategischer Ansatz zu verfolgen ist (Fragen 5 und 6)? Inwieweit trägt eine Reform der Kompetenzordnung zur Erhöhung der Problemlösungsfähigkeit bei; welche Schritte sind zusätzlich zu ergreifen? Abschließend sind die jüngsten Ergebnisse der Reform der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland zu kommentieren (Frage 7). Im Fazit der Studie (Kap. 8) erfolgt zunächst eine nochmalige Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Kap. 4 bis 7, wobei die Frage zu beantworten ist, welche Potenziale und Restriktionen für konfliktmindernde, kapazitätsschonende Handlungsstrategien in der Politikverflechtung im Naturschutz bestehen. Zu guter Letzt ist zu klären, welche Erkenntnisse aus der vorliegenden Studie für die weitere Verfeinerung des kapazitätsbasierten Modells der Umweltpolitikanalyse gewonnen werden können.
Der legislative “Output“ auf Bundes- und Länderebene ist damit das Explanandum der Studie und die abhängige Variable. Das Explanans, und damit die unabhängige Variable, sind die Einflussvariablen der naturschutzpolitischen Handlungskapazität. Die Analyse der Einflussvariablen erfolgt qualitativ. Die Rekonstruktion der Prozesse der Politikformulierung und -umsetzung stützt sich maßgeblich auf die Analyse von Primär- und Sekundärliteratur.
1.4
Forschungsstand und Relevanz der Studie
Die Fragestellung der Studie führt drei unterschiedliche Forschungsgebiete zusammen:
den naturschutzfachlichen Diskurs um eine Reform des Bundesnaturschutzrechtes, die politikwissenschaftliche Diskussion um Handlungsspielräume für weitergehende Reformen im Föderalismus und die Ergebnisse der vergleichenden Umweltpolitikanalyse zu den Erfolgsbedingungen von Umweltpolitik.
Die Kap. 2 und 3 fassen den Stand der Diskussion in diesen Bereichen zusammen. Zur Novelle des BNatSchG selber liegen verschiedene rechtswissenschaftliche Arbeiten vor. 4 Diese beschäftigten sich primär mit den Bestimmungen des Gesetzes und ihrer inhaltlichen Auslegung und stellen Überlegungen zu einer effektiven Ausgestaltung einzelner Instrumente an. Auch liegen zu den erfolgten Novellen einzelner Landesnaturschutzgesetze rechtswissenschaftliche Analysen vor (Stollmann, 2005; Tessmer, 2002).
4
Siehe hierzu u.a.: Marzik und Wilderich 2004, Schmidt et al. 2004, Schumacher und Fischer-Hüftle 2003, Erbguth und Stollmann 2002, Gellermann 2002, Louis 2002, Riecken 2002, Seelig und Gündling 2002, Wilrich 2002, Messerschmidt 2001, Weihrich 2001, Rehbinder 2001.
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Bislang gibt es aber keine Studie, welche den Verlauf der Politikgenese und die Umsetzung der Reform des Bundesnaturschutzrechts in den Ländern systematisch überprüft und analysiert, inwieweit die Reform hält was sie verspricht: nämlich eine grundlegende Modernisierung und Leistungssteigerung des Schutzes von Natur und Landschaft in Deutschland. Von politikwissenschaftlicher Seite hat das Thema Naturschutzpolitik in Deutschland bislang wenig Beachtung gefunden. Die Frage, wie eine effektive Form der Mehrebenensteuerung im Naturschutz unter den Bedingungen der doppelten Politikverflechtung aussehen kann und welche Kapazitätsanforderungen sie stellt, ist bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig thematisiert worden. Das Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen zum Naturschutz ist bislang die einzige Studie, die hierfür eine Reihe von Empfehlungen trifft (SRU 2002a). 5 Dieses Defizit steht nicht nur in Widerspruch zu der allgemeinen Bedeutung der Problematik der Gefährdung des Naturhaushalts und der Biodiversität, sondern auch im Widerspruch zu der Notwendigkeit effektiverer Handlungsformen angesichts der Gefahr von Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, deren Wahrscheinlichkeit vor dem Hintergrund der abgelaufenen Umsetzungsfrist für „Natura 2000“ steigt. Darüber hinaus ergibt sich eine hohe Relevanz des Themas aus der gegenwärtigen Diskussion und den politischen Beschlüssen zur grundlegenden Reform der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland. Die Diskussion um die Neuordnung der Kompetenzen im Umweltschutz wird dabei vielfach nicht von einer funktionalen Perspektive geleitet, welche die Eigenschaften des Politikfelds berücksichtigt, sondern eher von einer Perspektive, die sich stärker an staatstheoretischen und binnen-orientierten Vorstellungen über die Aufgabenteilung von Bund und Ländern orientiert. Vor allem die europäische Ebene wird dabei regelmäßig außer Acht gelassen, so die vielfache Kritik von Umweltexperten: Das Resultat sind Schlussfolgerungen, die den funktionalen Erfordernissen der Politikgestaltung in dem konkreten Politikfeld kaum gerecht werden (vgl. Koch 2004a). Detaillierte empirische Politikfeldstudien können diese Lücke schließen helfen und ebenso den politikwissenschaftlichen Diskurs über Handlungsspielräume und Problemlösungskapazitäten im deutschen Föderalismus bereichern. Nicht zuletzt wird so auch eine Überprüfung und Verfeinerung des kapazitätsbasierten Modells der Umweltpolitikanalyse möglich. Die vorliegende Studie soll hierzu einen Beitrag liefern.
5
12
Eine Analyse des Entscheidungsprozesses zur Novelle des BNatSchG von 1994 bis Ende 2000 hat der Autor dieser Studie in einer früheren Publikation vorgelegt (Volkery 2001).
2
Analytischer Rahmen
2.1
Erfolgsbedingungen von Umweltpolitik
Welche Faktoren wirken sich in welcher Form auf den Erfolg von Umweltpolitik aus? Zu dieser Frage besteht eine breite Literatur, die sich des Themas aus ganz unterschiedlichen Perspektiven nähert und dabei auf jeweils unterschiedliche Faktoren fokussiert, wie etwa Akteure, Instrumente, institutionelle Handlungsstrukturen oder Wissensbasis und Entscheidungsdiskurse (siehe Jänicke und Jörgens 2004 für einen Überblick). Ein Ansatz, der diese unterschiedlichen Einflussfaktoren in einem Analyseschema zusammenzubringen sucht, ist das kapazitätsbasierte Modell der Umweltpolitikanalyse, dass Jänicke und seine Mitarbeiter in mehreren Studien des Industrieländervergleichs erstellt und verwendet haben (vgl. Jänicke 1996, Jänicke und Weidner 1997, Weidner und Jänicke 2002). Abbildung 2.1: Das kapazitätsbasierte Modell der Umweltpolitikanalyse
Umweltinteressen
Akteure Strategien
Ökonomische Faktoren
Verursacherinteressen
Institutionelle Faktoren
Situative Handlungsbedingungen
Informationelle Faktoren
Strukturelle Handlungsbedingungen
Problemstruktur
Wohlstandsniveau Quelle: Jänicke et al. 2000 : 78
13
Die Ergebnisse der Studien, die dem Ansatz zugrunde liegen, legen den Schluss nahe, dass einzelne Faktoren den Erfolg oder Misserfolg von Umweltschutz nicht hinreichend erklären können. Vielmehr ist hierfür eine Vielzahl von Aspekten in Betracht zu ziehen, nämlich (a) die Stärke, Kompetenz und Konfiguration der Vertreter von Umweltschutzinteressen und (b) die systemischen Handlungsbedingungen, die insgesamt eine Chancen- bzw. Hemmnisstruktur für die handelnden Akteure schaffen. Beeinflusst wird der Erfolg der Akteure weiter (c) durch die Wahl von Handlungsstrategien der Akteure und (d) durch die Chancenstruktur der situativen Handlungsbedingungen, die je nach den wechselnden politischen, gesellschaftlichen oder ökonomischen Ereignissen den Erfolg von Umweltschutz befördern oder erschweren kann. Ein weiterer Aspekt ist (e) die Problemstruktur, die über den “Schwierigkeitsgrad“ der Problemlösung bestimmt (vgl. Abbildung 2.1). Umweltpolitischer Erfolg erklärt sich dabei aus dem Zusammenspiel dieser Einflussfaktoren (Jänicke et al. 2000), wobei die organisatorische Stärke und der politische Einfluss der Vertreter von Umweltschutzinteressen und die Chancen- und Hemmnisstruktur der systemischen Handlungsbedingungen die umweltpolitische Handlungskapazität eines Landes ausmachen. Inwieweit diese erfolgreich zum Tragen kommt, hängt maßgeblich von den Handlungsstrategien der Vertreter von Umweltinteressen sowie den jeweiligen situativen Rahmenbedingungen ab. Die Struktur des Problems bestimmt weiterhin darüber, welche Handlungskapazitäten für eine Problemlösung erforderlich sind. 6 Die Wahl von Handlungsstrategien wirkt sich direkt auf den materiellen “PolicyOutput“ eines politisches Systems aus. Dagegen wirken sich die Einflussfaktoren Problemstruktur, Akteure, systemische Handlungsbedingungen sowie internationale und substaatliche Einflussfaktoren auf diesen nur indirekt aus, nämlich vermittelt durch die jeweilige Handlungsstrategie, welche die Akteure zur Erreichung ihrer Ziele in Antizipation der Rahmenbedingungen einsetzen. Insofern wird in dieser Studie zwischen indirekt und direkt wirkenden unabhängigen Variablen unterschieden (vgl. Kap. 2.3 und 2.4). Eine ähnliche Verwendung findet der Begriff der Handlungskapazität in der entwicklungspolitischen Diskussion, wo er unter dem Stichwort des “capacity-building“ seit langem als Beitrag zur Förderung wirtschaftlicher Entwicklung diskutiert wird (Kaplan 2000). Angesichts ungelöster Umweltprobleme stehen aber auch Industrieländer vor der Notwendigkeit des Aufbaus weiterer Handlungskapazitäten (OECD 1994). Entsprechend ist in Kapitel 37 der Agenda 21, dem Aktionsprogramm der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro (1992), festgehalten (UNCED 1992): “The ability of a country to follow sustainable development paths is determined to a large extent by the capacity of its people and its institutions as well as by its ecological and geographical conditions. Specifically, capacity-building encompasses the country’s human, scientific, technological, organisational, institutional and resource capabilities.” (UNCED 1992, chapter 37.1). 6
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Eine weitere Einflussgröße ist das Wohlstandsniveau: Mit der Höhe des Wohlstandsniveaus steigen die Umweltbelastungen, aber auch die Ressourcen für den Umweltschutz und das öffentliche Problembewusstsein.
Diese Definition verweist auf die Vielzahl materieller und immaterieller Einflussfaktoren, die sich auf die Entwicklung und Umsetzung von Politiken auswirken, etwa Normen und Werte, Strategien und Instrumente, Akteure und institutionelle und situative Rahmenbedingungen (Weidner 2002). Allerdings erschwert die Breite der Definition ein einheitliches Verständnis des Begriffs. So wird Handlungskapazität in der internationalen Regimeforschung z.B. eher eng definiert als die Summe der finanziellen, technologischen und administrativen Kapazitäten eines Staates. Mangelnde Umsetzungskapazitäten gelten vielen Autoren als Hauptgrund für eine geringe Wirksamkeit internationaler Regime oder Förderprogramme (Miles et al. 2002, Brown-Weiss und Jacobson 2001, Haas et al. 1993). In der vergleichenden Staatstätigkeitsforschung findet sich oft ein breiteres Verständnis, das einer Definition der OECD folgt. Diese definiert Handlungskapazität als „die Fähigkeit eines Landes zur Identifikation und Lösung gesellschaftlich relevanter Probleme“ und die Entwicklung von Handlungskapazität als „Prozess, durch den diese Fähigkeit erlangt wird“ (OECD 1994: 9, vgl. UNEP 2002: 11). Auch das kapazitätsbasierte Modell der Umweltpolitikanalyse folgt dieser Definition. Im Folgenden sollen die einzelnen Einflussfaktoren dargestellt werden. Zuvor ist aber darauf einzugehen, wann von umweltpolitischem Erfolg zu sprechen ist, der als abhängige Variable des Modells konzipiert wird.
2.2
Die abhängige Variable: Umweltpolitischer Erfolg
Bei der Messung umweltpolitischen Erfolgs ist zu unterscheiden zwischen (a) “Outputbezogenen Variablen, welche die Verabschiedung von Politiken, Programmen oder Maßnahmen messen, (b) “Outcome“-bezogenen Variablen, welche die Verhaltensreaktionen bei den Politikadressaten messen, und (c) “Impact“-bezogenen Variablen, welche die Verbesserungen der allgemeinen Umweltqualität messen (EEA 2001). Dabei zeigen sich unterschiedliche Schwierigkeitsgrade in der Verwendung der Variablen (Barrett 2004, Jahn 1998):
Die Verwendung “Ouput“-bezogener Variablen fällt verhältnismäßig einfach. Ein Erfolg wird dann attestiert, wenn ein neues Gesetz, ein Programm oder eine Maßnahme erfolgreich verabschiedet worden ist und entsprechend der Intention des Gesetzgebers umgesetzt wird. Schwieriger ist die Verwendung “Outcome“-bezogener Variablen. Wenn bei den Politikadressaten keine Verhaltensänderungen entsprechend der Intention umweltpolitischer Maßnahmen festzustellen ist, kann ein Misserfolg attestiert werden. Die Ursache kann in einer fehlerhaften Konzeption und bzw. oder in gegenläufigen Anreizstrukturen anderer Programme oder Maßnahmen liegen. Ein konformes Verhalten der Politikadressanten ist dagegen nicht zwangsläufig auf die Wirksamkeit umweltpolitischer
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Programme oder Maßnahmen zurückzuführen, sondern kann auch durch den Einfluss dritter, unabhängiger Variable bedingt sein. Am schwierigsten ist die Verwendung “Impact“-bezogener Variablen. Ein Nachweis, dass eine Umweltverbesserung auf eine umweltpolitische Maßnahme zurückzuführen ist, ist aufgrund der Komplexität und Langfristigkeit ökosystemarer Prozesse selten direkt herstellbar. Möglich ist die Korrelation von allgemeinen Umweltverbesserungen mit akteursbezogenen oder institutionellen Variablen, die Aufschluss über mögliche Wirksamkeiten von Politiken und institutionellen Arrangements gibt (vgl. Scruggs 2003, Bernauer und Kouby 2005).
Diese Studie konzentriert sich auf die Analyse “Output“-bezogener Variablen. Einerseits betrifft dies das neue BNatSchG als Ergebnis des politischen Entscheidungsprozesses auf Bundesebene, andererseits die Umsetzung des neuen BNatSchG in den Bundesländern. Die Analyse “Outcome“- und „Impact“-bezogener Variablen (etwa Änderungen im Verhalten von Landwirten, Änderungen der Ausweisungspraxis der Naturschutzbehörden oder Umweltverbesserungen) war einerseits aus zeitlichen Gründen schwer möglich, wird andererseits aber auch unterlassen, weil dies den Rahmen der Studie sprengen würde. Der Bewertungsmaßstab, an dem der Erfolg gemessen wird, ist einerseits der Forderungskatalog einer umfassenden Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts, andererseits der Grad der Umsetzung und Konkretisierung in den Bundesländern. Die Änderungen im BNatSchG und in den einzelnen Landesnaturschutzgesetzen werden dabei bezüglich ihrer Implikationen für einen Politikwandel in der Naturschutzpolitik klassifiziert. Hierfür wird auf die verbreitete Klassifizierung von Peter Hall (1993) zurückgegriffen, der drei Dimensionen des Politikwandels unterscheidet:
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Politikwandel ersten Grades: Hierbei kommt es zu inkrementellen Änderungen oder Ergänzungen des Instrumentariums, das strukturell unverändert belassen wird. Politikwandel zweiten Grades: Hierbei kommt es zu Änderungen im Instrumentarium und im Zielgerüst des Politikfelds. Dies betrifft insbesondere die Einführung neuer Instrumente oder die Abschaffung alter Instrumente. Es kommt aber zu keiner Revision der grundlegenden institutionellen und instrumentellen Leitlinien des Politikfelds. Politikwandel dritten Grades: Hierbei kommt es zu einer vollständigen Revision der Politik, d.h. zu einer Änderung aller grundlegenden Werte und Ziele, welche die Politik anleiten, und daraus folgend eine Revision der Institutionen und des Instrumentariums.
2.3
Die indirekten unabhängigen Variablen: Einflussfaktoren umweltpolitischer Handlungskapazität
2.3.1 Problemstruktur Die Problemstruktur bestimmt sich als die Resultante ökologischen Handlungsdrucks sowie politischer und gesellschaftlicher Handlungshemmnisse (Jänicke et al. 2000: 81). Dabei lassen sich unterschiedliche Dimensionen unterscheiden (vgl. auch Ringquist 1993):
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Grad der Sichtbarkeit und räumliche Auswirkung des ökologischen Problemdrucks: je stärker ein Umweltproblem sichtbar und in seinen Auswirkungen spürbar ist, desto höher ist die direkte Betroffenheit und damit der politische Handlungsdruck. Probleme, die sofort und deutlich sichtbar sind (z.B. Smog) erzeugen eine stärkere direkte Betroffenheit als Probleme, deren Auswirkungen erst mittel- oder langfristig spürbar werden (Klimaänderung, Verlust an Biodiversität, Grundwasserkontamination). Komplexität der Verursachungsstruktur: Umweltprobleme können durch einen Schadstoff in einem Medium auf einer Skala oder durch die Wechselwirkung vieler Schadstoffe in verschiedenen Medien auf verschiedenen Skalen bedingt sein. Entsprechend einfach oder schwer lassen sich die Ursachen identifizieren und entsprechend ist auch die Anzahl der Verursacher größer oder kleiner. Je einfacher die Verursachungsstruktur und je geringer die Anzahl der Verursacher ist, desto größer ist die Chance umweltpolitischen Erfolgs. Zusätzlich zu der Anzahl ist auch die organisatorische Stärke und Kompetenz der Verursacherbranchen, ihre wirtschaftliche Verflechtung und Staatsnähe von Bedeutung. 7 Auswahl an Lösungsoptionen: Welche Lösungsoptionen zur Verfügung stehen und wie die Gewinner-Verlierer-Bilanz aussieht ist von maßgeblicher Bedeutung. Sind marktgängige technologische Lösungsoptionen verfügbar, hinter denen auch ökonomische Anbieterinteressen stehen, wird Umweltschutz erheblich erleichtert, da zusätzliche Anbieterinteressen mobilisiert werden können. Im Umkehrschluss wird er deutlich erschwert, wenn technologische Lösungen entweder gar nicht vorhanden oder sehr teuer sind oder auf den Widerstand einflussreicher gesellschaftlicher Interessengruppen stoßen, die ihre Interessen verletzt sehen. Regelungstechnische Dimension: Dies ist eine Erweiterung des Ansatzes (vgl. Smeddinck und Tills 2002). Das Instrumentarium kann breit gefächert sein, auf einer klaren rechtlichen Grundlage basieren, eindeutig formuliert sein und somit für die Anwender und Adressaten verständliche Vorgaben treffen, die Planungssicherheit schaffen. Eine unklare Rechtsgrundlage und unbestimmte oder umstrittene Rechtsbegriffe erschweren
Aus Gründen der analytischen Vereinfachung werden die Unternehmen relevanter Verursacherbrachen und ihre Interessenverbände zunächst als restriktive Einflussfaktoren aufgefasst, wenngleich nicht ausgeschlossen wird, dass sie in Einzelfällen Umweltschutzmaßnahmen auch unterstützen (vgl. Weidner 2002).
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dagegen den Vollzug. Auch der institutionelle Reformbedarf wirkt sich auf den politischen Schwierigkeitsgrad eines Reformvorhabens aus: Impliziert die Problemlösung eine weitgehende Umkehr des Regelungsansatzes, so sind die politischen Kosten wesentlich höher als bei inkrementellen Veränderungen bestehender Regelungsansätze. Vielen Erfolgsfällen der Umweltpolitik - z.B. in der Luftreinhaltung oder im Schutz von Oberflächengewässern - liegt eine günstige Problemstruktur zugrunde: Die Problemlagen waren deutlich sichtbar und erzeugten politischen Handlungsdruck. Oftmals ging es um einen oder wenige Schadstoffe. Die Anzahl der Verursacher war niedrig, sodass ein konzertiertes und kooperatives Vorgehen möglich war. Zudem konnte auf technologische Lösungsoptionen zurückgegriffen werden (Jänicke und Jörgens 2004). Das Gegenteil sind die so genannten persistenten Probleme, bei denen keine dauerhafte Trendwende erzielt werden konnte (SRU 2002b: Tz. 32ff.). Ihre Problemstruktur ist schwierig, da ihre Auswirkungen kaum sichtbar, langfristig und globaler Natur sind, die Verursachungsstruktur komplex ist und technologische Lösungen nicht vorliegen oder zur Problembewältigung nicht ausreichen (Beamish 2002). 2.3.2 Akteure Vertreter von Umweltschutzinteressen sind insbesondere die staatlichen Umweltinstitutionen, Medien und Umweltverbände, aber auch ökologisch orientierte Unternehmen, Verbraucherschutzverbände und wissenschaftliche Forschungsinstitutionen (Jänicke und Weidner 1995).
Die Handlungskapazität für Umweltschutz steigt mit der Anzahl der oben genannten Akteure. Je größer die Anzahl der Akteure ist, die dieses Thema in öffentlichen Auseinandersetzungen vertreten, desto höher ist die Durchschlagskraft des Themas. 8
Je besser die materielle und personelle Ausstattung der Akteure ist, desto besser können diese ein Themengebiet kontinuierlich bearbeiten und Lobbybeziehungen aufbauen. Entsprechend wahrscheinlicher ist auch der umweltpolitische Erfolg. Die Handlungskapazität steigt mit der Personalstärke und den Budgets der Umweltbehörden ebenso wie mit dem Organisationsgrad der Umweltverbände, der Regelmäßigkeit der umweltbezogenen Berichterstattung, der Anzahl ökologischer Pionierunternehmen oder dem Kaufverhalten von Verbrauchern. Akteure mit gleichen Interessen gehen häufig Interessenkoalitionen ein. Insofern gilt:
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Akteure schließen sich auf der Grundlage gemeinsamer Zielvorstellungen zu mehr oder minder stabilen Interessenkoalitionen zusammen.
Im Rahmen dieser Studie werden Akteure als Makro-Akteure verstanden. Unbestritten ist, dass auch Individuen wirkungsvoll den Erfolg oder Misserfolg von Umweltpolitik beeinflussen. Selten tun sie dies aber nicht vermittelt durch die Organisation, die sie vertreten. Insofern wird aus Gründen der analytischen Komplexitätsreduzierung eine Fokussierung auf die Makroakteure - wie Ministerien oder Verbände - vorgenommen.
Die Handlungskapazität für Umweltschutz steigt mit der Breite, Stabilität und Homogenität der Interessenkoalitionen der Vertreter des Umweltschutzes. 9
Die Konfiguration der Koalitionen der Vertreter von Umweltinteressen sind in Relation zu setzen zu der Konfiguration der Koalitionen der Vertreter von Verursacherinteressen (Mayntz 1993). Solche Politiknetzwerke unterscheiden sich a) in Bezug auf ihren räumlichen, zeitlichen und sachlichen Geltungsbereich, b) bezüglich der Regeln der Teilnahme (offen für alle oder geschlossen), c.) der Anzahl der Akteure und d) bezüglich der Qualität und Stabilität der Interaktionsstrukturen (Windhoff-Héritier 1987, von Prittwitz 2000). Der Erfolg von Umweltpolitik wird in dem Maße begünstigt, in dem:
die Netzwerke stabil, offen sowie durch kooperative Interaktion geprägt sind und die Netzwerke relevanter Politikbereiche - wie der Agrar-, Energie- oder Verkehrspolitik - zugänglich für die Vertreter von Umweltinteressen sind und in dem Maß, in dem diese dort ihre Interessen zur Geltung bringen können (Howlett und Ramesh 2003). 10
2.3.3 Systemische Handlungsbedingungen Die systemischen Handlungsbedingungen stellen: [...] die Summe der relativ stabilen Chancen und Hemmnisse dar, die diese Akteure in den politischen und ökonomischen Strukturen sowie dem vorhandenen Wissen und Bewusstsein eines Landes vorfinden. (Jänicke et al. 2000: 79).
Das Wohlstandsniveau eines Landes, gemessen als Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner, ist eine wichtige Erklärungsvariable im Umweltschutz. In mehreren Studien ist für westliche Industrieländer eine hohe Korrelation zwischen der umweltpolitischen Performanz und dem Bruttoinlandprodukt bestätigt worden (Scruggs 2003, Binder 1996, Jänicke et al. 1992). Entsprechend gilt:
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Je höher das Wohlstandsniveau ist, desto eher lassen sich die Kosten von Umweltschutzmaßnahmen kompensieren und desto besser kann in den umweltentlastenden technischen Fortschritt investiert werden. In der Regel wachsen auch das öffentliche Problembewusstsein und das Mobilisierungspotenzial von Umweltinteressen mit dem Wohlstandsniveau. Andererseits zeichnen sich reiche Länder durch eine hohe akkumulierte Umweltbelastung aus.
Allerdings hängt der Erfolg einer Interessenkoalition auch in hohem Maß von schwer verallgemeinerbaren Faktoren ab, wie z.B. der Entschlossenheit und Fähigkeit einzelner Akteure, situative Möglichkeiten geschickt zu nutzen. Individuelle Fähigkeiten bestimmen deshalb maßgeblich mit über die Durchsetzungsfähigkeit einzelner Interessenkoalitionen (Jänicke et al. 2000: 84). Hierzu erfolgen nähere Ausführungen bei der Beschreibung der Variable Problemstruktur (Kap. 3.2.4).
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Maßgeblich für den umweltpolitischen Erfolg ist auch die Verfasstheit der politischinstitutionellen Handlungsbedingungen (vgl. Scruggs 1999, Crepaz 1995). Dabei werden die partizipative Offenheit des politischen Systems und die Fähigkeit zur Integration unterschiedlicher Interessen als wichtige Einflussfaktoren genannt (Jänicke 2000: 89). Umweltpolitischer Erfolg wird begünstigt, wenn:
ein breit angelegter Prozess der Konsultation gesellschaftlicher Interessen besteht, ein konsensualer Politikstil und ein stabiler All-Parteien-Konsens über die grundsätzliche Notwendigkeit von Umweltpolitiken existieren und wenn die staatlichen Akteure eine hohe Fähigkeit zur korporatistischen Koordinierung der Interessen von Staat und Industrie- und Umweltverbänden zeigen. 11
Während die Zusammensetzung der Regierungskoalition als weniger aussagekräftig erachtet wird, da eine ambitionierte Umweltpolitik im Mehrländervergleich von unterschiedlichen Parteienkoalitionen betrieben worden ist, wird die Zusammensetzung des Parteiensystems als relevanter Einflussfaktor erachtet (Jänicke und Weidner 1997). Von daher gilt:
Eine in Wahlen stabil abschneidende Partei mit starkem Umweltprofil zwingt andere Parteien, sich des Themas anzunehmen.
Der Variable Föderalismus wird von Jänicke und Weidner dagegen keine besondere Erklärungskraft zugesprochen, da sich föderative und unitarische Staaten in ihrer Erfolgsbilanz nicht bedeutsam unterscheiden (Weidner und Jänicke 2002). Informationell-kognitive Handlungsbedingungen betreffen die „Leistungsfähigkeit des gesamten Systems zur Erzeugung, Verbreitung und Anwendung von Umweltwissen“ sowie weiter die „dominanten Deutungsmuster“ (Jänicke et al. 2000: 92). Insofern ist anzunehmen:
Je höher der Grad an öffentlichem Problembewusstsein ist, desto besser ist in der Regel die Umweltperformanz eines Landes (vgl. Dalton 1994).
Für die Ausprägung des öffentlichen Problembewusstseins kommt der Ausprägung des Mediensystems eine große Bedeutung zu: Wie stark werden Umweltthemen in der Berichterstattung der Medien reflektiert? Ein weiterer Erklärungsfaktor ist die Verfügbarkeit umweltrelevanten Wissens und die Fähigkeit, dieses Wissen verfügbar zu machen: 11
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Ein Beispiel für einen konsensualen Politikstil ist die erfolgreiche Umweltpolitik skandinavischer Minderheitenregierungen (siehe Lundquist 2004). Scruggs begründet die Bedeutung korporatistischer Interessenvermittlung damit, dass gut organisierte Spitzenverbände als Moderator von Konflikten zwischen politischem und ökonomischem System agieren und das Management von Transformationsprozessen erleichtern. Sie reduzieren weiter Trittbrettfahrerverhalten und erleichtern nicht zuletzt den Informationstransfer zwischen Regierung und Behörden sowie Politikadressaten (Scruggs 2003).
Die Aussichten auf umweltpolitischen Erfolg steigen mit dem Grad an öffentlichen Problembewusstsein, aber auch mit der Güte der Verankerung des Umweltthemas an Universitäten, der Anzahl öffentlicher und privater Umweltforschungsinstitute und dem Vorhandensein einer nationalen Umweltberichterstattung oder Ökobilanz.
2.3.4 Situative Handlungsbedingungen Situative Handlungsbedingungen sind ein wesentlicher Erklärungsfaktor in der Umweltpolitikanalyse (Jänicke 1997). Situative Ereignisfaktoren können Handlungsspielräume für die Verabschiedung von blockierten Reformvorhaben schaffen oder insgesamt neue umweltpolitische Impulse setzen. Beispiele sind der starke Anstieg der Ölpreise in den 1970er Jahren, Umweltkatastrophen oder medienwirksame Informationen über umweltschädliche Produkteigenschaften. Situative Ereignisfaktoren können Handlungsspielräume aber auch verkleinern, etwa wenn umweltpolitische Maßnahmen vor dem Hintergrund einer ökonomischen Rezession oder hoher Arbeitslosigkeitszahlen als Hindernis wirtschaftlicher Entwicklung aufgefasst werden (vgl. grundsätzlich Kingdon 1984). Auch ein Wechsel der Regierungskoalition auf Bundesebene kann situative Handlungsspielräume vergrößern oder verkleinern. 2.3.5 Internationale und subnationale Einflussfaktoren Bevor die Wahl von Handlungsstrategien als direkte unabhängige Variable darzustellen ist, ist das Modell um die Beschreibung internationaler und subnationaler Einflussfaktoren zu ergänzen. In den bisherigen Ausführungen des Modells sind die Auswirkungen der Mehrebenensteuerung nicht vollständig reflektiert worden (vgl. Bache und Flinders 2004, Kohler-Koch 1998). Zwar wird hervorgehoben (Jänicke et al. 2000), dass die Erfolgsbedingungen von Umweltpolitik auch immer im internationalen Kontext zu sehen sind, aber es wird nicht explizit beschrieben, wie sich internationale und sub-nationale Einflussfaktoren auf die Handlungskapazität eines Landes auswirken. Deren Bedeutung ist unbestritten. Die Politikgestaltung auf nationaler Ebene wird vielfältig durch die Vorgaben internationaler Regime und internationaler Kapital-, Güter- und Dienstleistungsmärkte und durch die Einflussnahme multinationaler Unternehmen oder Nichtregierungsorganisationen (NRO) beeinflusst. 12 Gerade im Umweltschutz sind Gesetzgebungskompetenzen auf die europäische und internationale Ebene verlagert worden (Sand 2003). Das europäische Umweltrecht strukturiert maßgeblich die Umweltpolitik der Mitgliedstaaten (Demmke 2004, Knill und Lenschow 2002). Der Einfluss europäischer und internationaler Rechtsvorgaben ist allerdings ambivalent: So können europäische und internationale Vorgaben die Umsetzung weitergehender Politiken auf nationaler Ebene erleichtern, da dem Widerstand von Interessengruppen, Parteien oder anderen Ministerien mit dem Verweis auf die Notwendigkeit vertragskonformen Handelns 12
Die Literatur hierzu ist vielfältig; siehe grundsätzlich Koehn und Rosenau 2002, Green und Griffith, 2002; deVries 2001, Nye und Donahue 2000. Siehe für das Politikfeld Umwelt: Lipschutz 2003, Miles et al. 2002, Young 2002, Biermann 1998 und Simonis 1996.
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begegnet werden kann. Gleichzeitig schafft die internationale und europäische Rechtsetzung ein rechtliches Mindestschutzniveau, das einen Puffer gegen Deregulierungstendenzen bildet: Europäische Rechtsvorschriften können nicht einfach auf nationaler Ebene abgeschafft oder abgeschwächt werden; und mit ihrer Nicht-Einhaltung können sich Konsequenzen verbinden. Internationale Organisationen, NRO, aber auch transnationale Netzwerke von Wissenschaftlern können zusätzlichen Einfluss auf nationale Entscheidungsprozesse nehmen und die Durchschlagskraft der Akteure des Umweltschutzes erhöhen (Haas 1993). Andererseits gibt es Beispiele für Einschränkungen, so etwa durch Vorgaben des Welthandelsrechts oder des europäischen Wettbewerbsrechts. Dieses verneint einen umweltpolitischen Gestaltungsspielraum zwar nicht grundsätzlich, bindet die Ausgestaltung umweltpolitischer Maßnahmen aber an den Maßstab der Vereinbarkeit mit dem Welthandelsrecht (Vogel 2004). Die Umsetzung internationaler Rechtsvorgaben kann nationale Handlungskapazitäten auch überfordern, insbesondere wenn die grundlegenden Regelmuster eines Landes einem anderen Regulierungsansatz folgen. Insofern ist von internationalen Einflussfaktoren ein fördernder Einfluss auf die umweltpolitische Handlungskapazität eines Landes zu erwarten, wenn (vgl. Knill 2003, Miles et al. 2002, Brown-Weiss und Jacobson 2001):
weitergehende internationale und europäische Vorgaben Reformen des nationalen Regelwerks bedingen und dabei keine grundlegende Umkehr regulatorischer Ansätze erforderlich wird: Je stärker sich die internationalen und nationalen Regulierungsansätze widersprechen, desto schwieriger und, bzw. oder, defizitärer wird die Umsetzung ausfallen (o Problemstruktur),
instrumentelle Optionen durch Vorgaben aus anderen Rechtsgebieten nicht erheblich
transnationale Akteure wie internationale Organisationen, NRO oder internationale Netzwerke von Wissenschaftlern (“epistemic communities“, Haas 1993) die Durchset-
eingeschränkt oder grundsätzlich ausgeschlossen werden (o Problemstruktur) und
zungsfähigkeit der Akteure des Umweltschutzes auf nationaler Ebene befördern (o Akteure). Eine weitere Handlungsebene ist die sub-staatliche Ebene. In dem Modell wird die Handlungskapazität eines Landes nicht nach unterschiedlichen Handlungsebenen differenziert, um die Komplexität im Ländervergleich nicht zu überhöhen. Zudem legen die Ergebnisse der dem Modell zugrunde liegenden Studien eine solche Ausdifferenzierung nicht nahe, da sich zwischen unitarisch und föderativ verfassten Ländern keine großen Unterschiede in der umweltpolitischen Leistungsbilanz zeigen (vgl. Weidner und Jänicke 2002, Jänicke und Weidner 1997). Andere Autoren betonen dagegen, dass es durchaus Unterschiede gibt (vgl. Jahn und Wälti 2001): Diese betreffen insbesondere die Art und Weise, wie Umweltpolitik zustande kommt. Staatliche Akteure spielen in unitarischen Ländern eine zentrale Rolle. Eine 22
wichtige Rolle spielen sie auch in föderativen Ländern. Dort sind sie aber in ihrer Handlungsautonomie eingeschränkt. Diese Einschränkung wird oft durch starke neo-korporatistische Verhandlungssysteme kompensiert. Ist die Anzahl der Verursacher allerdings groß, sind diese schwer organisierbar und sind einfache technische Standardlösungen nicht möglich, dann fällt diese Einschränkung der Handlungsautonomie nationaler Akteure ins Gewicht. Zudem ist in Betracht zu ziehen, dass auf substaatlicher Ebene nicht dieselben oder ähnliche Handlungskapazitäten bestehen müssen wie auf nationaler Ebene. Die Verabschiedung ambitionierter Politiken, Programme oder Maßnahmen stellt nur eine Seite der Medaille dar. Ein vollständiger Erfolg ist erst dann zu konstatieren, wenn auf sub-staatlicher Ebene keine defizitäre oder gar keine Umsetzung bzw. eine Umformulierung erfolgt, z.B. aufgrund unzureichender Handlungskapazitäten oder gegenläufiger politischer Mehrheiten (vgl. Patashnik 2004). Die administrative Komponente der umweltpolitischen Handlungskapazität eines Landes wird bislang im kapazitätsbasierten Modell nicht differenziert nach nationaler, regionaler und lokaler Handlungsebene. Administrative Akteure des Umweltschutzes unterliegen in föderativen Systemen aber keinesfalls immer derselben, sondern oftmals unterschiedlichen Handlungslogiken: Wenn auf nationaler und regionaler Ebene unterschiedliche Parteien regieren, deren ideologische Differenzen groß sind, und wenn das Parteiensystem geringe generelle Konsensreserven aufweist, dann können sich die administrativen Akteure auf beiden Ebenen gegenseitig blockieren, wenn sie auf die jeweilige Zustimmung der Akteure der anderen Ebene angewiesen sind. Für die politische Entscheidungsfindung in Mehrebenensystemen ist also von Bedeutung, welche Handlungsspielräume auf den jeweiligen Ebenen bestehen und ob die dortigen Handlungskapazitäten mit einer gleichen oder einer gegensätzlichen politischen Handlungslogik verkoppelt sind. So können substaatliche Akteure die Entscheidungsfindung auf nationaler Ebene entweder blockieren und damit die allgemeine Handlungskapazität schwächen oder aber sie können Handlungsdefizite auf nationaler Ebene durch eigenständige Politiken kompensieren und somit die allgemeine Handlungskapazität des politischen Systems stärken. Entsprechend sind positive Auswirkungen zu erwarten, wenn:
die organisatorische Stärke, Kompetenz der Akteure des Umweltschutzes auf Bundesund Landesebene in etwa gleich stark ausfällt (o Akteure),
die ideologischen Differenzen zwischen den Regierungskoalitionen auf Bundes- und Landesebene niedrig ausfallen bzw. ein grundlegender politischer Konsens über die weitere Politikentwicklung besteht, der auch wichtige gesellschaftliche Akteure einschließt (o Akteure) und
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das Binnenverhältnis der Länder durch Lernprozesse und einen Wettbewerb um innovative und effektive Problemlösungen (“race-to-the-top“) gekennzeichnet ist (o Strategien).
2.4
Die direkte unabhängige Variable: Handlungsstrategien
Strategien sind Mittel zum Zweck. Sie geben Auskunft darüber, wie Akteure die Rahmenbedingungen von Umweltpolitik wahrnehmen, welche Handlungsspielräume sie sehen und wie sie diese im Sinne der Erreichung ihrer Politikziele zu nutzen gedenken (Jänicke et al. 2000: 95). Sie sind somit in einem bestimmten Sinn der Gegenpart zur Handlungskapazität: Während der Terminus der umweltpolitischen Handlungskapazität die Bedingungen beschreibt, die notwendig, allein aber nicht ausreichend für den Erfolg von Umweltpolitik sind, beschreibt der Terminus der Strategiefähigkeit die Fähigkeit von Akteuren, vorhandene Handlungskapazitäten in konkrete Politikergebnisse umzusetzen. Strategien beziehen sich auf die gestaltbaren Handlungsbedingungen von Umweltpolitik. Für die Analyse des konkreten “Policy-Outputs“ eines politischen Systems, wie er Gegenstand dieser Studie ist, ist daher der Fokus auf Strategien - und damit auch der Fokus auf die Akteure, die diese anwenden - von zentraler Erklärungskraft. Strategien haben sowohl eine sach- als auch eine machtpolitische Dimension. Die machtpolitische Dimension reflektiert die Wahrnehmung politischer Handlungsspielräume und -kapazitäten sowie daraus abgeleitet die Orientierung des Anspruchniveaus und die Ausgestaltung der Strategie. Die sachpolitische Dimension reflektiert die Problemwahrnehmung, den generellen Problemlösungsansatz und dessen instrumentelle Ausgestaltung. Die machtpolitische Dimension der Strategiewahl ist eng mit der sachpolitischen Ausgestaltung verbunden. Stellen Akteure fest, dass die Handlungsspielräume und die verfügbaren Handlungskapazitäten eine Umsetzung ihrer sachpolitischen Agenda in vollen Umfang nicht zulassen, können sie:
die originären Ziele und den Problemlösungsansatz beibehalten und den Aufbau weiterer Handlungskapazitäten als Strategie verfolgen, die Zielsetzung beibehalten, aber den Problemlösungsansatz grundlegend ändern oder das Anspruchsniveau der Zielsetzung absenken und so die Anforderungen an die vorhandenen Handlungskapazitäten anpassen.
In der ersten Variante dominiert die Sachlogik über die Machtlogik – die vorherrschenden Rahmenbedingungen werden nicht akzeptiert, sondern gezielt zu ändern versucht, z.B. indem andere Akteure durch Argumentations-, Überzeugungs-, Tausch- oder Drohstrategien zu einer Zustimmung zum Vorhaben bewegt werden. Die Strategie kann auch mittelfristig 24
angelegt sein und auf die Verbesserung der Handlungskapazitäten setzen, sei es durch gezielte Allianzbildung oder die Verbesserung der finanziellen Basis. Die beiden anderen Varianten können als kapazitätsschonende Handlungsstrategien bezeichnet werden. In der zweiten Variante werden die Rahmenbedingungen zwar anerkannt, aber versucht, die Ziele ohne Abstriche anders zu verwirklichen. So kann z.B. auf eine rechtliche Regelung verzichtet und stattdessen eine freiwillige Vereinbarung mit der Zielgruppe anvisiert werden. Die dritte Variante beinhaltet die Akzeptanz der Unveränderbarkeit der Rahmenbedingungen und die Notwendigkeit sachlicher Kompromisse mit dem Ziel, dennoch eine Verbesserung gegenüber dem Statusquo- zu erreichen. Regelmäßigkeiten für die Wahl einer Strategie lassen sich allerdings nicht wirklich feststellen:
Je nachdem, wie die konkrete Konstellation der Akteure in den Politiknetzwerken aussieht und wie einfach oder schwierig der Aufbau zusätzlicher Handlungskapazitäten angesichts der jeweiligen allgemeinen Rahmenbedingungen der Entscheidungsfindung ist, wird eine Strategie entweder auf die Erweiterung oder die Anpassung eigener Handlungskapazitäten setzen.
Dennoch lassen sich aus dem jeweiligen Grad an Pfadabhängigkeit des Politikfelds Schlussfolgerungen für die Strategiewahl ziehen. Haben Politikadressaten entsprechend regulativer Vorgaben in bestimmte Technologien investiert und ist ein regulativer Ansatz breit verankert, verbinden sich mit einem weit reichenden Politikwechsel hohe Anpassungskosten, die je nach Akteurskonstellation unterschiedlich hohen Widerstand bedingen (vgl. Knill 2003, Heritíer et al. 1994). Zudem müssen neue Politiken auch mit den Präferenzen und Werten der Regierungskoalition und den ihnen nahe stehenden Interessenverbänden vereinbar sein (Sabatier und Jenkins-Smith 1999). Insofern gilt (Heinelt 2005):
Strategien, die auf eine inkrementelle Verbesserung bestehender Politiken abzielen und mit den Handlungslogiken der wirtschaftlichen Akteure vereinbar sind, lassen sich leichter umsetzen als Strategien, die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen Mehrbelastungen auferlegen, eine Neuverteilung von Ressourcen intendieren (etwa Subventionsabbau) oder eine Verlagerung institutioneller Zuständigkeiten intendieren. Am schwierigsten sind Strategien umzusetzen, die auf eine Umkehrung grundlegender Pfadabhängigkeiten einzelner Politikfelder abzielen.
In der bisherigen Erfolgsbilanz von Umweltpolitik spielen – aus einer instrumentellen Perspektive betrachtet - ordnungsrechtliche Instrumente eine zentrale Rolle. Andere Instrumente wie Steuern oder Zertifikate haben sich langsamer verbreitet. Unabhängig von instrumentellen Teilaspekten wird die Bedeutung langfristiger Zielbildung und die flexible Hand25
habung der Instrumentenwahl als positiver Einflussfaktor des Umweltschutzes hervorgehoben (Jänicke et al. 2000: 95): Dadurch werden sowohl Anpassungszeiträume für die Adressaten der Umweltpolitik geschaffen als aber auch Möglichkeiten offen gehalten, flexibel auf Änderungen reagieren zu können und günstige Handlungssituationen gezielt zum eigenen Vorteil nutzen zu können (Kapazitätsbildung):
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Je höher der Grad an langfristiger Zielbildung und je größer die Vielfalt des Instrumentenmixes ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit umweltpolitischen Erfolgs. Regelungsdefizite und unklare Rechtsbestimmungen erschweren diesen Erfolg dagegen.
3
Erfolgsbedingungen einer Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts
3.1
Die abhängige Variable: Die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes und ihr Reformbedarf
Das Grundgesetz (in seiner alten Fassung vor der grundlegenden Änderung im Sommer 2006) spricht dem Bund die Kompetenz der Rahmengesetzgebung für den Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu (Art. 75 Abs. 1 Satz 3 GG). Der Bund kann demnach unter der Voraussetzung, dass eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist (so genannte Erfordernisklausel, Art. 72 Abs. 2 GG), Vorschriften für die Gesetzgebung der Länder erlassen. Den Ländern muss genügend Spielraum bleiben, wesentliche Bereiche des Naturschutzes in eigener Verantwortung substanziell auszugestalten. Die Rahmengesetzgebung darf deshalb keine umfassenden Vollregelungen treffen, sofern es sich nicht lediglich um einzelne Teilaspekte handelt. Die Länder erlassen das unmittelbar anwendbare Naturschutzrecht per Gesetz und verfügen über die Verwaltungskompetenz, auch für die unmittelbar geltenden Vorschriften des BNatSchG (Art. 30 i.V.m. Art. 83, 84 und 85 GG). Sie regeln auch konkret die Einrichtung von Behörden und von Verwaltungsverfahren. 13 Die Rechtsgrundlage auf Bundesebene ist das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), das die Ziele, Objekte, Instrumente und Zuständigkeiten regelt. Es wird durch die Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) ergänzt (Storm 1997). 14 3.1.1 Ziele und Grundsätze des Bundesnaturschutzrechts Die Zielbestimmungen und die sie konkretisierenden Grundsätze sind in den §§ 1 und 2 BNatSchG (in der alten Fassung von 1998, folgend abgekürzt als a.F.) statuiert. Sie sind dem Instrumentarium als regulative Ideen vorangestellt. Zwar begründen sie keine unmittelbaren Rechte und Pflichten, stellen aber verhaltenssteuernde Leitmotive für den Vollzug der Behörden und die Auslegungspraxis der Gerichte dar und sind daher durchaus von Bedeutung. Sie haben unmittelbare Geltung in den Ländern. Nach § 1 Abs. 1 BNatSchG a.F. sind: Natur und Landschaft im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu erhalten, zu pflegen und zu entwikkeln, dass die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, die Pflanzenund Tierwelt und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft als Lebensgrundlagen des Menschen und als Voraussetzung für seine Erholung in Natur und Landschaft nachhaltig gesichert sind.
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Eine Ausnahme bildet die Überwachung der Ein- und Ausfuhr von Tieren und Pflanzen, die durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Bundeszollverwaltung erfolgt (Jarass 2000). Teilaspekte werden geregelt durch das Bundeswald- und Bundesjagdgesetz mitsamt Verordnungen, das Tierschutzgesetz und Pflanzenschutzmittel- sowie Düngemittelgesetz mitsamt Verordnungen, das Bodenschutzgesetz und Bodenschutzverordnung, das Baugesetzbuch und das Bau- und Raumordnungsgesetz.
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Das Naturschutzrecht fußt damit auf einem breiten qualitativen Zielkanon. Konkrete quantifizierte Zielvorgaben, etwa zur Reduzierung des Verlustes an Arten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, kennt das deutsche Naturschutzrecht nicht. Anders als in anderen Regelungsbereichen des Umweltschutzes finden sich auch keine programmatischen quantitativen Zielsetzungen (Messerschmidt 2000). 15 Die Wirksamkeit dieser Zielvorgaben wird durch § 1 Abs. 2 BNatSchG a.F. eingeschränkt. Dieser fordert eine Abwägung der Anforderungen des Naturschutzes untereinander und gegen die Anforderungen der Allgemeinheit an die Natur bereits auf der Ebene der Zielfeststellung (so genannte Abwägungsklausel). Ebenso begründet § 1 Abs. 3 BNatSchG a.F. eine Zielkonformität der „ordnungsgemäßen“ Landwirtschaft mit den Zielen des Naturschutzes, die deshalb nicht als ein auszugleichender oder zu ersetzender Eingriff anzusehen ist (so genannte Landwirtschaftsklausel). In § 2 BNatSchG a.F. werden die Leitvorstellungen des Gesetzes durch Grundsätze als Handlungsanleitungen operationalisiert. Diese Grundsätze haben lediglich programmatischen Charakter, d.h. sie normieren keine unmittelbar vollziehbaren Rechtspflichten, stellen aber verhaltenssteuernde Leitmotive für den Verwaltungsvollzug dar (Maaß und Schütte 2002). 16 3.1.2 Instrumente des Bundesnaturschutzrechts Ordnungs- und planungsrechtliche Instrumente dominieren das Instrumentarium des Naturschutzes; ökonomische Anreizinstrumente wie Abgaben, Steuern oder Lizenzen werden durch das BNatSchG a.F. nicht normiert. Die Instrumente lassen sich grundsätzlich in drei Gruppen teilen. Zur ersten Gruppe gehören der Biotop- und Gebietschutz, der Vertragsnaturschutz und der Flächenankauf. Zu dieser Gruppe gehört auch der Artenschutz, der indes in dieser Studie, wie in Kap. 1 dargelegt, als eigenständiger und komplexer Rechtsbereich nicht berücksichtigt wird. Zur zweiten Gruppe gehören die Landschaftsplanung und die Eingriffsregelung. Die Regelungen zur Beteiligung und Mitwirkung von Verbänden in Planungs- und Genehmigungsverfahren bilden die dritte Gruppe. Die Unterschutzstellung von wertvollen Flächen ist das bedeutsamste Instrument des Naturschutzes. Die Gebietsausweisung erfolgt je nach Zweck und Absicht als a) Nationalpark, b) Naturschutzgebiet, c) Landschaftsschutzgebiet oder d) Naturpark (§ 12-16 BNatSchG a.F.). In 1998 wurde mit der Kategorie Biosphärenreservat eine weitere Kategorie für den Schutz großflächiger Gebiete eingerichtet.
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Die Diskussion über ein Zielgerüst der deutschen Naturschutzpolitik ist zusammengefasst in: SRU 2002a. Die Grundsätze richten sich auf den Schutz der Leistungsfähigkeit der Naturgüter, den Erhalt unbebauter Bereiche in für ihre Funktionsfähigkeit genügender Größe, den Schutz des Bodens vor Fruchtbarkeitsverlust sowie von Wasserflächen und Gewässern vor Verunreinigung. Weiterhin gilt es, Luftverunreinigungen und Lärmeinwirkungen gering zu halten und Beeinträchtigungen insbesondere des örtlichen Klimas zu vermeiden sowie die Vegetation im Rahmen einer ordnungsgemäßen Nutzung zu erhalten. Ferner sind die wildlebenden Tiere und Pflanzen sowie ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume in ihrer Vielfalt zu schützen und historische Kulturlandschaften und Teile davon zu erhalten (§ 2 BNatSchG a.F.).
Abbildung 3.1: Die wichtigsten Kategorien des Gebietsschutzes nach BNatSchG a.F. Nationalpark (NLP): NLP zielen auf den Schutz großräumiger Gebiete ab, innerhalb derer ein möglichst ungestörter, dynamischer Ablauf der Naturvorgänge durch strengen Schutz ermöglicht werden soll. Der überwiegende Teil eines NLP erfüllt die Voraussetzungen eines NSG. Naturschutzgebiet (NSG): In NSG werden ökologisch oder landschaftlich besonders wertvolle Lebensräume vor Beeinträchtigungen jeglicher Art streng geschützt. Zu diesem Zweck werden in der Schutzgebietsverordnung weit reichende Beschränkungen bis hin zum Verbot von solchen Nutzungen vorgesehen, die zu einer Schädigung, Zerstörung, Veränderung oder dauerhaften Störung des Gebietes führen. Dies schließt i.d.R. auch das Betreten zu Zwecken der Freizeiterholung aus bzw. beschränkt dieses. Landschaftsschutzgebiet (LSG): LSG zielen auf den Schutz großräumiger Gebiete ab, die landschaftlich reizvoll und wenig besiedelt sind und somit einen hohen Erholungswert aufweisen. Der Schutz betrifft die Verhinderung von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch grobe Eingriffe. Es bestehen keine strengen Nutzungsbeschränkungen wie in NSG. Es können aber privilegierte Außenbereichsvorhaben des BauGB (§ 35) ausschlossen werden, wodurch die Erschließung von Bauland beeinflusst werden kann. Naturparke (NP): NP dienen vornehmlich der Erholung und Freizeitnutzung. Daneben erfüllen sie auch eine Schutzfunktion, die in ihrer Intensität differieren kann. Biosphärenreservat (BSphR): BSphR sind großräumige Gebiete, die sowohl naturnahe Gebiete als auch Gebiete umfassen, die durch menschliche Tätigkeit geschaffen wurden. Im Gegensatz zu den anderen Kategorien sollen sie eine naturverträgliche wirtschaftliche Betätigung fördern, die einen „Schutz durch Nutzung“ ermöglicht. Zusätzlich können in BSphR ökologisch wertvolle Landschaftsteile unter strengen Schutz gestellt werden. Die Gebiete sind deshalb in eine Kern-, Pflege- und Entwicklungszone gegliedert. BSphR müssen in wesentlichen Teilen die Voraussetzungen eines NSG und ansonsten die Voraussetzungen eines LSG erfüllen. Quelle: Storm 1997, Louis 2000
Gegenwärtig (Stand Dezember 2003) bestehen 7278 Naturschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 1,05 Mio. ha (ohne Wasserflächen der Nord- und Ostsee), was ca. 2,9 Prozent der gesamten Bundesfläche entspricht (Anfang 1996: 2,1 Prozent) (BfN 2005). Knapp zwei Drittel aller Schutzgebiete sind aber kleiner als 50 ha. Weiterhin sind 15 Nationalparke mit einer Gesamtfläche von 962.048 ha ausgewiesen (ca. 2 Prozent der Bundesfläche, ohne Nordund Ostseeflächen allerdings nur 194.136 ha, ca. 0,54 Prozent der Bundesfläche). Zusätzlich bestehen 14 Biosphärenreservate, die 3 Prozent der Bundesfläche abdecken, und 87 Naturparke, die 22,4 Prozent der Bundesfläche abdecken. Flächenmäßig bedeutsam sind die 7.001 Landschaftsschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 10,2 Mio. ha (Stand 31.12.2002), die ca. 25 Prozent der Bundesfläche umfassen (BfN 2005). Zusätzlich bestehen die Kategorien „Naturdenkmale“ und „geschützte Landschaftsbestandteile“ für den Schutz von Objekten wie Felsen oder Bäumen (§ 17, 18 BNatSchG a.F.). Stark gefährdete oder schutzwürdige Biotoptypen sind mit § 20c BNatSchG a.F. unter strengen Schutz (Biotopschutz) gestellt: sie dürfen nicht zerstört oder nachhaltig beeinträchtigt werden. Seit der Verabschiedung der FFHRichtlinie steht der Gebietsschutz maßgeblich unter dem Einfluss des europäischen Naturschutzrechts (Gellermann 2000, vgl. Kap. 3.2.4.2). Die Ausweisung europäischer Natura2000-Schutzgebiete erfolgt allerdings auf der Grundlage der Schutzkategorien des BNatSchG. Dies gilt auch für die Umsetzung der Vorgaben völkerrechtlicher Abkommen, wie z.B. der Ramsar-Konvention zum Schutz von Feuchtgebieten. Ein kooperatives Instrument ist der so genannte Vertragsnaturschutz. Hierbei schließen Behörden mit Grundeigentümern oder Pächtern einen öffentlich-rechtlichen Vertrag auf frei29
williger Basis ab. In den 1990er Jahren haben vertragliche Vereinbarungen an Bedeutung gewonnen. Sie erfassen nun wesentlich mehr Fläche als hoheitliche Schutzgebietsausweisungen. Besonders häufig findet sich diese Form bei der Umsetzung der Agrarumweltprogramme der Länder, insbesondere in der Grünlandnutzung (Rehbinder 2000, Fritz 1997). Für besonders wertvolle Flächen wird auch die Möglichkeit des Flächenaufkaufs genutzt. Im Rahmen des Programms "Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung" werden seit 1979 Bundesmittel für den Aufkauf von Flächen im Rahmen von Projektvorhaben bereitgestellt. 2004 förderte der Bund 34 solcher Vorhaben in allen Bundesländern (BfN 2005). Zusätzlich zu diesen gebietsbezogenen Instrumenten bestehen mit der Landschaftsplanung und der Eingriffsregelung Instrumente, die auf die Berücksichtigung von Naturschutzbelangen in der gesamten Flächennutzung abzielen. Zu den Aufgaben der Landschaftsplanung (§§ 5-7 BNatSchG a.F.) zählen die Darstellung und Bewertung des Zustandes von Natur und Landschaft für den jeweiligen Planungsraum, die Erarbeitung von Schutz- und Entwicklungszielen und die Konkretisierung von Maßnahmen. Die Landschaftsplanung ist eine Querschnittsplanung, die den gesamträumlichen und anderen fachlichen Planungen Informationen und Maßstäbe für die Abwägung und Bewertung von Eingriffen liefert (von Haaren et al. 2003). Die Ergebnisse der Landschaftsplanung sind für die Vorbereitung anderer Planungen nicht verbindlich. Sie werden nach Abwägung aller Belange in die Programme und Pläne der Raumordnung übernommen und erlangen hierdurch rechtliche Verbindlichkeit. Die Landschaftsplanung ist daher parallel zu der gesamträumlichen Planung organisiert: a) als Landschaftsprogramm auf der Ebene des Raumordnungsplans mit Geltung für das gesamte Landesgebiet, b.) als Landschaftsrahmenprogramm auf der Ebene des Regionalplans mit regionaler Geltung, c) als Landschaftsplan auf der Ebene des Flächennutzungsplans mit gemeindlicher Geltung und d) als Grünordnungsplan auf der Ebene des Bebauungsplans mit Geltung für Teile der Gemeinde (Mitschang 1996). Damit kommt der Landschaftsplanung eine vorsorgende Steuerungsfunktion für die Landnutzung zu, die kein anderes Instrument zu leisten vermag (von Haaren 2004, Riedel und Lange 2001).17 Die Eingriffsregelung nach § 8 BNatSchG a.F. ist das wichtigste Instrument zur Sicherstellung eines flächendeckenden Mindestschutzes von Natur und Landschaft (vgl. Maaß und Schütte 2002, Gassner 1999, Ramsauer 1995). Von vornherein normiert das BNatSchG a.F. das der Abwägung unzugängliche Gebot, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Erweisen sich die Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft als unvermeidbar, so hat der Verursacher Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. 18 Beeinträch17
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Abzugrenzen sind andere planerische Instrumente des Naturschutzes wie etwa Pflege- und Entwicklungspläne für Naturschutzgebiete, landschaftspflegerische Begleitpläne für Planfeststellungsverfahren (z.B. im Fernstraßenbau) oder Artenschutz- und Biotop-Programme (Maaß und Schütte 2002). Eingriffe sind nach § 8 BNatSchG a.F. „Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, welche die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen
tigungen, die weder vermieden noch ausgeglichen werden können, sind mit den Belangen des Naturschutzes abzuwägen. Gehen letztere im Rang vor, so ist der Eingriff zu untersagen. Gehen die Belange des Eingriffsvorhabens vor, so hat der Verursacher Ersatzmaßnahmen zu leisten. Einige Bundesländer erlauben ergänzend auch Ersatzzahlungen. Allerdings kommt die Eingriffsregelung nach BNatSchG a.F. nur zur Anwendung, wenn für den Eingriff eine Genehmigungs- und Anzeigepflicht gegeben ist. Weiterhin ist die ordnungsgemäße Landwirtschaft von der Eingriffsregelung nach BNatSchG a.F. ausgenommen. Seit dem “Baurechtskompromiss“ aus dem Jahr 1993 wird die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Rahmen der Bauleitplanung sowie von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach den Vorschriften des BauGB vorgenommen. Dies ist insofern von Bedeutung, als hierbei Eingriffs-, Ausgleichs- sowie Ersatzmaßnahmen örtlich und zeitlich voneinander entkoppelt werden können, was die Pflicht zur Vermeidung und zum Ausgleich insgesamt lockert (Erbguth 2004, Brohm 2000). Während die altruistische Verbandsklage in anderen europäischen Ländern ein etabliertes Instrument ist (SRU 2005), kommt sie im deutschen Umweltverwaltungsrecht nur eingeschränkt auf der Ebene des Landesnaturschutzrechts zur Geltung (Schmidt et al. 2004). Bundesweit kann ein Schutz von Natur und Landschaft auf dem Rechtsweg nur eingeklagt werden, wenn subjektive Rechte, d.h. Eigentumsrechte, betroffen sind. Nach dem BNatSchG anerkannte Verbände haben aber, im Unterschied zu anderen Bereichen des Umweltverwaltungsrechts, das Recht, gegen Verletzungen ihrer gesetzlichen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte zu klagen (§ 29 BNatSchG a.F.): Dies betrifft das Recht auf Gutachteneinsicht und Äußerung im Fall des Erlasses von Verordnungen und anderer untergesetzlicher Rechtsvorschriften sowie weiter im Fall der Vorbereitung von Landschaftsplanungen, wenn diese dem Einzelnen gegenüber verbindlich ist, im Fall der Befreiung von Geund Verboten in Schutzgebieten und im Fall von Planfeststellungsverfahren, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind. Die Verletzung von Beteiligungsrechten ist ein Verfahrensfehler, aus dem sich die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts ergeben kann, aber nicht muss (Maaß und Schütte 2002: 343, Harings 1997). 3.1.3 Reformbedarf des Bundesnaturschutzrechts Im Bundesnaturschutzrecht fehlen quantifizierte Zielvorgaben und zeitliche Vorgaben zu ihrer Erfüllung, die ein zielorientiertes Handeln von Bund und Ländern anleiten. Dieses Defizit verwehrt eine bundesweite Prioritätensetzung, die Kooperationsspielräume auf regionaler Ebene definieren hilft und Grundlagen für einen effizienteren Einsatz knapper Mittel schafft. können.“ Ein Ausgleich von Eingriffen gilt als erfolgt, wenn nach Beendigung des Eingriffs keine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Naturhaushalts verbleibt und das Landschaftsbild gleichartig wiederhergestellt ist, was in einem räumlichen Zusammenhang erfolgen muss. Ein Ersatz kompensiert die Beeinträchtigung lediglich gleichwertig; hierfür sind Flächen ökologisch so aufzuwerten, dass sie im Prinzip eine Ersatzfunktion für die verloren gegangene Fläche erfüllen können. Die Notwendigkeit eines räumlichen Zusammenhangs ist hier nicht gegeben (Louis 2000).
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Quantifizierte Ziele können Naturschutzbelange auf der politischen Handlungsagenda stabilisieren, Handlungsdruck schaffen und die Konsensbildung und Begründung von Maßnahmen im politischen Alltagsgeschäft erleichtern. Das Fehlen dieser “Ressource moderner Umweltpolitik“ (Jänicke 2003) erschwert auch die Integration von Naturschutzbelangen in andere Politikbereiche (OECD 2001: 101).19 Ein weiteres Regelungsdefizit betrifft die so genannte Landwirtschaftsklausel: Die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft als einer der wichtigsten Verursacher von Beeinträchtigung von Natur und Landschaft ist vom Geltungsbereich des Naturschutzrechts weitgehend ausgenommen. So gilt eine land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Tätigkeit, die ordnungsgemäß entsprechend der Vorgaben des Fachrechts erfolgt, nicht als ein auszugleichender Eingriff (siehe Schumacher 1997). Die Abwägung von Naturschutzbelangen in Planungs- und Verwaltungsverfahren zeichnet sich durch eine Reihe von Regelungsdefiziten im Bundesnaturschutzrecht, aber auch im allgemeinen Verwaltungsrecht aus (SRU 2002a: Tz. 129ff.): Für eine problemgerechte Abwägung ist es wichtig, dass die erforderlichen Unterlagen vollständig zur Verfügung stehen und angemessen Berücksichtigung finden. Dies ist durch die Vorgaben zur Beteiligung von Naturschutzbehörden, Naturschutzverbänden und Öffentlichkeit und durch die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung sowie zur Landschaftsplanung grundsätzlich abgesichert. Dieses Regelwerk weist indes eine bedeutsame Schwachstelle auf: Verbände und Öffentlichkeit sind nur in Planfeststellungs- und nicht in Plangenehmigungsverfahren zu hören. Seit Mitte der 1990er Jahre ist das Regelwerk der Verfahrensbeteiligung öffentlicher Träger im Zuge von Reformen des allgemeinen Verwaltungsrechts aber mehrfach geändert worden: Nunmehr werden Planfeststellungsverfahren zunehmend durch Plangenehmigungen ersetzt, die keine Beteiligung der Öffentlichkeit erfordern. Auch die UVP-Prüfung gilt nur für Planfeststellungsverfahren. Hierdurch wird der rechtliche Rahmen ausgehöhlt (Erbguth 1999). Auch auf der Ebene der Bauleitplanung findet keine Beteiligung von Verbänden statt (Johlen 2000). Da auf örtlicher Ebene keine Landschaftspläne zu erstellen sind, steht naturschutzrelevantes Abwägungsmaterial auf dieser Ebene ohnehin nicht überall zur Verfügung (Mitschang 1996). 20 Bei Rechtsverstößen, wie z.B. Verfahrens- und inhaltlichen Abwägungsfehlern in der Planung, bestehen nur schwache Sanktionsmöglichkeiten. Fehler dieser Art gelten nur als relevant, wenn sie offensichtlich sind, maßgeblich das Abwägungsergebnis beeinflussen und wenn sie nicht in einem ergänzenden Verfahren oder durch Planergänzung bereinigt werden 19
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Allerdings ist mit dem „Nachhaltigkeitsindikator für die Artenvielfalt“ der Nachhaltigkeitsstrategie ein erster Schritt auf dem Weg zu einer bundesweiten Zielkonzeption für den Naturschutz getan worden. Der Indikator, der einer von 21 Indikatoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist, beruht auf der Bestandsentwicklung von 51 Vogelarten, welche als Indikatoren für die Qualität der jeweiligen Lebensräume und stellvertretend für viele andere Arten der jeweiligen Ökosysteme stehen (Achtziger et al. 2004). Mit dem “Artikelgesetz“ zur Umsetzung der UVP-Richtlinie (2001) ist der Kreis der UVP-pflichtigen Vorhaben ausgedehnt worden; dieser entspricht aber noch immer nicht dem Katalog der UVP-pflichtigen Vorhaben, die das europäische Umweltrecht normiert (SRU 2002a: Tz. 133 ff.).
können. Dies ist aber oft möglich (SRU 2002a: Tz. 132, Dolde 2000, Schultze-Fielitz 2000). Darüber hinaus ist die Verletzung von Naturschutzbelangen vor Gericht nur bedingt klagefähig. Hierfür muss eine Verletzung subjektiver Rechte zwingend gegeben sein, für die z.B. der Erwerb eines Grundstücks durch einen Verband allein nicht immer ausreicht. Die in den Ländern erlassenen Verbandsklagemöglichkeiten gleichen diese Defizite nicht oder nur sehr bedingt aus (SRU 2002a: Tz 134, Schmidt et al. 2004). Auch die Umsetzung der Landschaftsplanung ist durch Defizite geprägt (so schon SRU 1987). Mittlerweile existieren zwar für das Bundesgebiet Landschaftsrahmenpläne. Aufgrund des Fehlens einer verbindlichen Vorschrift zur Aufstellung und Fortführung gibt es auf lokaler Ebene aber immer noch zum Teil keine oder nur veraltete Landschaftspläne, die unzureichend oder gar nicht in den Bebauungsplänen berücksichtigt werden und in ihrer Qualität variieren (Reinke 2002, Mönnecke 2000). Insgesamt ist die Integration der Landschaftsplanung in die Raum- und Regionalplanung als unzureichend zu bewerten (Hendler und Heimlich 2000). Die Anwendung der Eingriffsregelung wird durch ähnliche Problemlagen behindert. Die Definition von Eingriffstatbeständen und Ausgleichspflichten erfolgte in einem langwierigen Prozess durch die Rechtsprechung, der bis heute nicht abgeschlossen ist. Die Standards zur Beurteilung werden in den Ländern unterschiedlich gehandhabt. Dem Auftrag, einen flächendeckenden Mindestschutz von Natur und Landschaft zu gewährleisten, kann die Eingriffsregelung aufgrund der Freistellung der Landwirtschaft kaum nachkommen. Zusätzlich unterliegen stoffliche Veränderungen von Naturgütern nicht der Eingriffsregelung, weswegen Beeinträchtigungen des Naturhaushalts und der Biodiversität über Luft, Wasser oder Boden nicht berücksichtigt werden (Adam et al. 1989, Uppenbrink 1996). Für die Träger von Eingriffsvorhaben besteht zudem selten die Pflicht, Nachweise über die Alternativlosigkeit ihres Vorhabens vorzulegen. Die Prüfung einer alternativen Realisierung erschöpft sich oft darin, geringfügige Änderungen in der Durchführung des eigentlichen Vorhabens zu prüfen.21 Vielfach leidet die Wirksamkeit von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen an mangelnden Kompensationsflächen, da zumeist keine systematische Inventur von Freiflächen für Naturschutzzwecke erfolgt (Gruen und Kenneweg 1998, Tobias 1997). Die Bestimmungen zum Gebietsschutz sind zwar relativ umfassend ausgestaltet, weisen aber dennoch regeltechnische Defizite auf, welche die Effektivität von Gebietsausweisungen schmälern. Das Bundesnaturschutzrecht ermöglicht nicht den Schutz der Umgebung und enthält keine funktionalen Kriterien zur Gebietsausweisung. Diese Defizite spiegeln sich weitgehend im Landesnaturschutzrecht. In der Konsequenz werden oft zu kleine Gebiete in isolierter Lage ausgewiesen, die nach einiger Zeit aufgrund von Nähr- und Schadstoffeinträgen aus der Umgebung oder durch direkte Schädigung in einem schlechten Zustand sind (Ssymank et al.
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Durch die Überführung der Eingriffsregelung in das Baurecht ist die Genehmigungspflicht für Bebauungspläne entfallen. Dies leistet Defiziten in der Umsetzung Vorschub, da nur in wenigen Fällen Privatkläger ihren Interessen gegenüber Verfahrensfehlern Geltung verschaffen (SRU 2002a: Tz. 327)
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1998). Zudem beschränkt das BNatSchG a.F. die Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet auf besonders schutzwürdige Gebiete. In einem dicht besiedelten Land wie Deutschland ist es vielfach aber notwendig, Flächen mit dem Ziel der Landschaftsentwicklung unter Schutz zu stellen (DRL 2000).22 Das Instrumentarium des Bundesnaturschutzrechts ist somit relativ gut entwickelt und verfolgt einen anspruchsvollen Zielkatalog (vgl. Jessel 2003). Dennoch zeigen sich grundlegende Defizite. Dies gilt zuvorderst für den Verzicht auf ökonomische Instrumente, mit denen - über eine einzelfallbezogene Steuerung hinaus - allgemeine Trends der Landnutzung beeinflusst werden können (Bizer und Ewringmann 1999). Auch zeichnet sich das planungs- und ordnungsrechtliche Instrumentarium durch inhaltliche Defizite aus, wobei vor allem auf die schwache Stellung von Naturschutzbelangen gegenüber konkurrierenden Landnutzungsinteressen in planerischen Abwägungsprozessen zu verweisen ist. 3.1.4 Vorschläge zur Reform des Bundesnaturschutzrechts Die Anforderungen an eine Modernisierung des BNatSchG werden seit Anfang der 1980er Jahre umfänglich diskutiert. Im Laufe der Zeit hat sich eine naturschutzfachliche Reformagenda herausgebildet, die mit unterschiedlichen Nuancen gleichermaßen von Naturschutzverbänden, von Berufsverbänden des Naturschutzes und Wissenschaftlern, aber auch von Parteien wie SPD, Bündnis 90/Die Grünen oder PDS vertreten wird (vgl. Volkery 2001). Zusätzlich zu der allgemeinen Forderung nach der verständlichen Definition von Begriffen und Mindestinhalten der Instrumente kann der Katalog von Anforderungen an eine grundlegende Modernisierung des BNatSchG in vier Hauptbereiche unterschieden werden:
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34
Für die Reform des Biotop- und Gebietsschutzes wird geltend gemacht, funktionale Kriterien für die Ausweisung von Schutzgebieten (z.B. zur Mindestgröße, zum Umgebungsschutz, zu Möglichkeiten für die Entwicklung von Landschaften) zu normieren und eine Verpflichtung zur Vernetzung von Schutzgebiete in einem Biotopverbund auf bis zu 15 Prozent der Landesfläche aufzunehmen In einem Biotopverbund werden Vorranggebiete des Naturschutzes gesichert und durch Korridore (z.B. Hecken) und Trittsteinbiotope (Kleinstbiotope) verbunden. Ziel ist die Ermöglichung von Austauschprozessen zwischen Lebensräumen (Jedicke 1994). Für die Reform der Landschaftsplanung werden inhaltliche Mindestkriterien zur Planerstellung, eine Fortschreibungspflicht und eine bessere Berücksichtigung in der
Ein weiteres Problem des Naturschutzes sind Akzeptanzprobleme. Häufig werden lokalspezifische Gründe, ein zu striktes Vorgehen der Behörden oder eine unzureichende Informationspolitik als wesentliche Ursachen genannt (Stoll-Kleemann 1999). Oft ist aber auch ein und dasselbe Gebiet zugleich als Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen und hat eventuell zusätzlich noch ein internationales Prädikat verliehen bekommen. Dann wissen die Betroffenen nicht, welche Einschränkungen sich für sie ergeben. Relevant für die Diskussion um die Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts ist die resultierende Forderung nach einer Reduzierung der Kategorien des Gebietsschutzes, die seit langem intensiv und strittig geführt wird.
Raumordnung gefordert. Dafür sollen u.a. abwägungsfeste Schutzpositionen geschaffen werden. Weiterhin wird auch die Einführung einer bundesweiten Umweltbeobachtung gefordert, welche die bestehenden Umweltbeobachtungsprogramme der Länder aussagekräftig konsolidiert. Für die Reform der Eingriffsregelung wird zuvorderst die Abschaffung der Landwirtschaftsklausel gefordert. Die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft soll auf die Einhaltung naturschutzfachlich begründeter Mindeststandards einer umweltverträglichen Landbewirtschaftung (Gute Fachliche Praxis) verpflichtet werden. Ein Katalog von abzuprüfenden Mindestinhalten soll ebenso wie die Aufstellung einer Positivliste von Eingriffsvorhaben die Handhabbarkeit der Eingriffsregelung steigern. Vorgaben zur Erfolgskontrolle und zur Flächenbevorratung werden als zusätzliche Mechanismen der Qualitätssteigerung angemahnt. Die Einführung einer altruistischen Verbandsklage steht im Mittelpunkt der Forderungen für eine Verbesserung der Stellung von Naturschutzbelangen in planerischen Abwägungsprozessen. Darüber hinaus wird eine Erweiterung der Beteiligungs- und Einsichtsrechte von Naturschutzverbänden für alle wichtigen Eingriffsebenen gefordert.
Dieser Forderungskatalog zielt vorrangig auf die Stärkung der ordnungs- und planungsrechtlichen Instrumente ab. Ihn im Detail nachzuzeichnen, würde den Rahmen der Studie sprengen. Zentral ist allen Forderungen aber, dass sie auf eine möglichst detaillierte Ausformulierung im BNatSchG drängen, um eine möglichst einheitliche Umsetzung in den Ländern zu erreichen. Zudem werden neue Instrumente gefordert, wie etwa eine bundesweite Verbandsklage oder Standards einer umweltverträglichen Landwirtschaft. Ebenfalls ist immer wieder die Forderung nach ökonomischen Instrumenten erhoben worden, so z.B. Abgaben auf den Gebrauch von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln oder Steuern bzw. Abgaben auf Flächenverbrauch oder die Einführung handelbarer Flächenausweisungsrechte (SRU 2002a).
3.2
Die indirekten unabhängigen Variablen: Problemstruktur, Akteure, Handlungsbedingungen, internationale und europäische Rechtsvorgaben sowie subnationale Politiken
3.2.1 Problemstruktur Deutschland ist ein entwickeltes Industrieland mit einer hohen Besiedelungsdichte und einem engmaschigen Verkehrsnetz. Daher lastet ein erheblicher Nutzungsdruck auf Natur und Landschaft. Trotzdem ist die Gefährdung des Naturhaushalts und der Verlust biologischer Vielfalt in Deutschland oft wenig sichtbar; und nicht immer können die Ursachen von Natur- und Landschaftszerstörung und –degradierung eindeutig einzelnen Faktoren zugewiesen werden (SRU 2004a: Tz. 98ff.; vgl. auch Beirat für Naturschutz und Landschaftspflege 1996). 35
In der Vergangenheit ist es gelungen, viele wertvolle Landschaften unter Schutz zu stellen. Der Anteil streng geschützter Gebiete an der Gesamtfläche ist von 1,3 Prozent in 1990 auf 2,6 Prozent in 2001 gestiegen; gegenwärtig gibt es 15 Nationalparks (der größte in der Eifel) und 14 Biosphärenreservate. Etwa 25 Prozent der Gesamtfläche sind als Landschafts- oder Naturschutzgebiet ausgewiesen. Maßnahmen des Arten- und Biotopschutzes konnten die Bestände gefährdeter Arten (z.B. Seeadler, Lachs oder Kormoran) stabilisieren oder sogar vergrößern. Ebenso sind die Renaturierung beeinträchtigter Landschaften und in vielen Fällen die Kompensation von Funktionsverlusten des Naturhaushalts durch die Eingriffsregelung als Erfolge zu zählen. Naturschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft haben zum Erhalt von artenreichen Grünlandflächen, zur Reduzierung von Schadstoffeinträgen und zur Extensivierung von Landnutzungen geführt (SRU 2002a: Tz. 3ff., BfN 2005). Es ist indes nicht gelungen, eine Trendwende bei der allgemeinen Gefährdungssituation von Natur und Landschaft herbeizuführen. Die Einschränkung der Leistungsfähigkeit und Nutzungsvariabilität des Naturhaushalts, die Reduzierung der biologischen Vielfalt und die Minderung der Erholungsqualität der Landschaft hält an. Die OECD, die Europäische Umweltagentur oder der Sachverständigenrat für Umweltfragen zählen die Gefährdung des Naturhaushalts und der biologischen Vielfalt aufgrund von Irreversibilitäten der Entwicklung zu den persistenten Problemen des Umweltschutzes, die durch einen prioritären Handlungsbedarf gekennzeichnet sind. Im Folgenden wird dieser anhand ausgewählter Kenndaten weiter verdeutlicht (EEA 2003, SRU 2002a, BfN 2002, UBA 2001).23 3.2.1.1 Belastungen des Naturhaushalts und Gefährdung der Biodiversität Die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts ist besonders abhängig von der Unversehrtheit und Vielfalt der Biotoptypen. Die letzte Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen stuft ca. 69 Prozent aller Biotoptypen als gefährdet ein, von den als schutzwürdig geltenden Biotoptypen mit 92 Prozent nahezu alle. Rund 35 Prozent lassen sich nach Schätzungen gar nicht oder kaum und ca. 38 Prozent nur schwer in überschaubaren Zeiträumen regenerieren (Riecken et al. 1994). Der Bestand aller Pflanzen- und Pilzarten wird auf ca. 28.000 Arten, der Bestand aller Tierarten auf ca. 48.000 Arten geschätzt (BfN 2005). Ca. 38 Prozent aller Tierarten gelten als bestandsgefährdet und 13 Prozent als ausgestorben oder verschollen. Bei den Pflanzen (inklusive Pilze) gelten 28,7 Prozent als bestandsgefährdet und 3,7 Prozent als ausgestorben oder verschollen. Fast die Hälfte (48 Prozent) aller Pflanzengesellschaften gilt als gefährdet. Als nicht gefährdet gelten 54 Prozent aller Tier- und ca. 51 Prozent aller Pflanzenarten (BfN
23
36
Der SRU bezeichnet mit diesem Begriff diejenigen Umweltprobleme, bei denen „staatliche Maßnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg keine signifikanten Trendverbesserungen herbeizuführen vermochten.“ Dies schließt also Umweltverbesserungen aus, die keine ausreichende Lösung darstellen (SRU 2002b: Tz. 33).
2005).24 Für viele Tier- und Pflanzengruppen zeigt sich ein anhaltender negativer Gefährdungstrend. Der Anteil gefährdeter Arten ist im OECD-Vergleich bei den meisten Tier- und Pflanzengruppen in Deutschland einer der höchsten (OECD 2001: 98). Eine breite genetische Vielfalt gilt als unabdingbar für den Fortbestand wildlebender Arten, da sie die Fähigkeit zur evolutiven Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen sichert. Bislang sind die Kenntnisse über das Ausmaß, die ökologische Bedeutung, den Wandel und den Grad der Gefährdung der genetischen Vielfalt in Deutschland allerdings zu gering, um gesicherte Aussagen treffen zu können. Unbestritten ist aber, dass die Isolierung oder Verkleinerung von Populationen wildlebender Arten durch Habitatfragmentierung und Habitatverluste zu einer Verringerung der genetischen Vielfalt führt. Dazu trägt auch die Konzentration auf leistungsstarke Pflanzensorten und Nutztierrassen in der intensiven Landwirtschaft bei (BfN 1999, 1997). Der Erhaltungszustand von Boden, Wasser, Luft und auch Klima beeinflusst die Leistungsfähigkeit und Nutzungsvariabilität des Naturhaushalts. In vielen Gebieten sind diese Schutzgüter in ihrer Funktionsfähigkeit dauerhaft gestört. Grundwasservorkommen weisen z.B. vielerorts eine geringe Qualität oder nur geringfügige Verbesserungen der Belastungssituation auf (BMU und UBA 2001: 35ff.). Die Gewässergüte vieler Gewässer hat sich in den letzten Jahren zwar durchwegs verbessert, rund drei Viertel sind strukturell aber deutlich bis vollständig verändert, was zu einem Rückgang der Vielfalt der aquatischen und ufernahen Ökosysteme und zu einer Verminderung des Pufferungsvermögens bei Hochwassern geführt hat (BfN 2002). Bodenverdichtungen und Bodenerosion sind für viele Ackerflächen festzustellen, vor allem in Ostdeutschland. Ebenso ist die neue Flächeninanspruchnahme für Verkehrs- und Siedlungszwecke hoch: im Zeitraum 2002 bis 2003 betrug sie 105 ha pro Tag (Statistisches Bundesamt 2004). Mit der Versiegelung sind Beeinträchtigungen aller Schutzgüter verbunden, u.a. ein vollständiger Funktionsverlust des Bodens (von Haaren und Nadin 2003). Die Sicherung der Erholungs- und Erlebnisqualität gehört zu den “weichen“ Zielen des Naturschutzes. Ihre Bedeutung ist dennoch unbestritten. Der Verlust wohnortnaher Naturerlebnisräume und die Verlärmung der Landschaft führen dazu, dass die Zahl naturnaher, für die Erholung attraktiver Gebiete immer kleiner wird. Daraus erfolgt eine Konzentration der Freizeit- und Erholungsaktivitäten auf weniger Flächen, was wiederum zu Konflikten zwischen Aktivitäten der Naturnutzung und des Naturschutzes führt, der seine Schutzbemühungen auf genau diese Flächen konzentriert (SRU 2002a: Tz. 8). 24
Im internationalen Vergleich ist die biologische Vielfalt Deutschlands als niedrig einzustufen. Der größte Anteil entfällt mit 33305 Arten auf die Klasse der Insekten. 5000 Arten sind Einzeller. 703 Wirbeltiere sind klassifiziert (BfN 2005, 2002). Je nach Artengruppe sind unterschiedliche Gefährdungsgrade festzustellen: U.a. finden sich 51 Prozent aller Säugetiere, 44 Prozent aller Brutvögel, 79 Prozent aller Kriechtiere sowie 74 Prozent aller limnischen Fische/Rundmäuler auf der „Roten Liste“ (Gefährdungskategorie 0-R). Gleichfalls gilt dies für 61,3 Prozent aller Flechten, 45,8 Prozent aller Moose und 31,4 Prozent aller Farn- und Blütenpflanzen (BfN 2002). Eine besondere Schutzverantwortung ergibt sich für Arten, in deren Fall ein hoher Anteil der Weltpopulation in Deutschland beheimatet ist bzw. für andere endemische Arten, die ausschließlich in Deutschland beheimatet sind (OECD 2001: 106).
37
3.2.1.2 Gefährdungsursachen Eine der häufigsten Ursachen des Artenverlusts ist die Zerstörung, Schädigung oder Zerschneidung von Lebensräumen durch den Bau von Straßen, Siedlungs- und Gewerbeflächen. Das Straßennetz Deutschlands zählt zu den dichtesten im OECD-Raum; beim Verkehrsaufkommen bezogen auf die Netzlänge liegt Deutschland an vierter Stelle im Vergleich aller OECD-Länder (OECD 2001: 98). Im Jahr 2000 bestanden 230.735 km Straßen allein für den überörtlichen Verkehr. Auch die Siedlungsdichte nimmt stetig zu (StaBuA 2001); zwischen 1997-2001 wuchsen die Gebäude-, Frei- und Erholungsflächen von allen Flächennutzungen am stärksten, wie schon 1993-1997 (vgl. Abbildung 3.2). Eine weitere Ursache ist die landwirtschaftliche Nutzung, die mit 53,5 Prozent der Gesamtfläche nach wie vor die bedeutsamste Form der Landnutzung ist, wenngleich sie seit längerem eine rückläufige Tendenz aufweist (StaBuA 2004: 65). Diffuse, oft flächendeckende Einträge von Nähr- und Schadstoffen und die Intensivierung der Landbewirtschaftung haben dazu geführt, dass auf der Mehrzahl der Nutzflächen in den letzten 50 Jahren ein Rückgang der biologischen Vielfalt festzustellen ist (Voigtländer et al. 2001). Die Nährstoffeinträge sind maßgeblich verantwortlich für die Grundwasserbelastung und die zu hohen Schadstoffkonzentrationen sowie die Eutrophierung von Nord- und Ostsee. Über Agrarumweltprogramme konnte zwar in einigen Regionen eine Minderung der Belastung, aber keine Trendwende erzielt werden (SRU 2004: Tz. 103). Die Belastungen sind vor allem der intensiven Landbewirtschaftung zuzuschreiben. Der Rückgang der landwirtschaftlichen Flächennutzung ist problematisch, da er vornehmlich Ungunststandorte betrifft, die häufig aufgrund der extensiven Bewirtschaftung eine höhere Artenvielfalt aufweisen (Succow 1997, Schumacher 1997). Abbildung 3.2: Bodenfläche nach Nutzungsarten in km2 (1993-2002) und Veränderungen in der Flächennutzung in Prozent (1997-2003)
Nutzungsart
1993
1997
2001
2002
%
Landwirtschafts fläche
14 12
Gebäude und Freifläche Betriebsfläche ohne Anbauland
20 773
21 937
23 081
23 299
12
550
620
732
759
10
Erholungsfläche
2 255
2 374
2 659
2 759
8
Verkehrsfläche
16 441
16 786
17 118
17 199
6
Landwirtschaftsfläche
195 112
193 075
191 028
-
Waldfläche
104 536
104 908
105 314
-
Wasserfläche
7 837
7 940
8 085
-
Flächen anderer Nutzung
7 630
7 497
7 219
-
Bodenfläche insgesamt
Wasserfläc he
5,2
Fläche anderer Nutzung 2
1,8
Betriebsfläche
2 0,5
0,4
Erholungsfläche
0 1
356 970
357 030
357 031
357033
-4
Quelle: StaBuA 2004: 64; BfN 2002: 16
38
Gebäude- und Freifläche Verkehrsfläche
4
-2
Waldfläche
-1,1 -2,8
Der großflächige Abbau von Rohstoffen hat vielerorts zu Zerstörung von Landschaften und Belastungen des Naturhaushalts geführt. Allerdings lassen sich diese Gebiete nach ihrer Stilllegung über Rekultivierung oder Renaturierung in große, relativ unzerschnittene und störungsarme Gebiete von naturschutzfachlichen Wert verwandeln (Abresch et al. 2002). Die touristische Anziehungskraft von Gebieten fördert einerseits den ökonomischen Stellenwert des Naturschutzes, erhöht andererseits aber auch den Belastungsdruck, der sich insbesondere in ökologisch sensiblen Gebieten kontraproduktiv auswirkt (BfN 2002). Ein weiteres Problem sind Schadenswirkungen invasiver Arten.25 Die Schäden sind schwer zu quantifizieren. Reinhardt et al. (2003) haben für 20 Neobiota in Deutschland die jährlich entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten auf durchschnittlich 167 Millionen Euro jährlich geschätzt. Für die USA sind die Schadenskosten auf ca. 120 Mrd. US-Dollar jährlich taxiert worden (Hall 1999). 3.2.1.3 Zusammenfassung: Ausprägung der Variable Problemstruktur Die Problemstruktur ist insgesamt als schwierig zu bezeichnen: Grad der Sichtbarkeit und räumliche Auswirkung des ökologischen Problemdrucks: Die Sichtbarkeit der ökologischen Problematik ist eher gering. Das öffentliche Problembewusstsein ist breit entwickelt; allerdings wird im konkreten Einzelfall das allgemeine Interesse am Schutz von Natur und Landschaft häufig gegenüber dem Interesse an der Umsetzung des Eingriffsvorhabens zurückgestellt (vgl. Stoll-Kleemann 2002). 26 Zudem ist das Thema von eher geringem öffentlichem Interesse. Daraus resultiert ein eher niedriger öffentlicher Problemdruck, der in geringen politischen Handlungsdruck umschlägt. Komplexität der Verursachungsstruktur: Die Ursachen der Gefährdung und Degradierung von Natur und Landschaft sind vielfältig; eine Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts tangiert insofern die Interessen vieler gesellschaftlicher Akteure. Auswahl an Lösungsoptionen: Zu einem Großteil geht es um ordnungsrechtliche Maßnahmen, die mit vielfältigen anderen Nutzungsinteressen auf knappen Raum konkurrieren. Die zusätzliche Begründung mit ökonomischen Nutzeneffekten (wie etwa bei der Förderung von Windenergie mit dem Verweis auf Arbeitsplätze) lässt sich nur bedingt durchführen; oft bedingen Naturschutzmaßnahmen, die auf einen großflächigen Schutz oder eine Minimierung von Belastungsfaktoren abzielen, Kosten, denen ein schwer zu beziffernder Nutzen gegenübersteht.27 25
26
27
Als invasive Arten werden solche Arten bezeichnet, die von Natur aus in Deutschland nicht vorkommen, sich außerhalb ihres natürlichen Herkunftsgebiets ausbreiten und dabei in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen mit anderen Arten treten. Häufig kommt es dann zu einer Verdrängung heimischer Arten und auch zu einer Änderung von Standortbedingungen und damit ökologischen Kreisläufen (Kowarik 2003). So hielten 2004 rund 42 Prozent der Bevölkerung es für sehr wichtig, für einen verbesserten Naturschutz zu sorgen. Rund 48 Prozent bezeichnet diese Aufgabe noch als „eher wichtig“. Und nur acht Prozent stimmten der Aussage zu, dass es zu viele Vorschriften im Naturschutz gibt (UBA 2004: 18). Welche Schäden z.B. durch den Verlust eines Ökosystems entstehen, lässt sich kaum abschätzen. Der Schadensbeitrag der entsprechenden Planung ist häufig nicht genau feststellbar. Die Befürworter des Gewerbege-
39
3.2.2
Die regelungstechnische Dimension ist einerseits relativ einfach, da es um Regelungsdefizite des Bundesnaturschutzrechts geht, für die elaborierte Vorschläge bestehen, die zum Teil auch schon auf Ebene der Länder erprobt sind. Andererseits ist sie schwierig umsetzbar: zum einem zielt ein Großteil der Vorschläge auf eine bessere Integration von Naturschutzbelangen in andere Rechtsgebiete ab, was auf den Widerstand der zuständigen Ministerien stößt. Zum anderem fällt der Schutz von Natur und Landschaft in die Zuständigkeit der Länder. Der Regelungsspielraum des Bundes ist begrenzt. Akteure
3.2.2.1 Anzahl der Akteure Auf Bundesebene sind das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) sowie das Bundesamt für Naturschutz (BfN) als nachgeordnete Bundesbehörde die wichtigsten Akteure. Auch das Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) besitzt Zuständigkeiten für Regelungsbereiche mit hoher Naturschutzrelevanz (ökologischer Landbau, Tierschutz, Pflanzenschutz und Düngemittel, Umweltangelegenheiten des Agrarbereichs, nachwachsende Rohstoffe, nachhaltige Landentwicklung und Forstwirtschaft). Bedeutung haben auch Forschungsanstalten wie die Bundesforschungsanstalten für Landwirtschaft, für Forst- und Holzwirtschaft oder für Fischerei (BMVEL 2005). In den Kompetenzbereich des Ministeriums für Verkehr, Bauen und Wohnen fallen die Bundesverkehrswegeplanung und die Genehmigung von Windkraftanlagen auf See durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BMVBW 2005). Die hauptsächlichen Zuständigkeiten liegen indes bei den Ministerien und Behörden der Länder. Dabei ist zwischen einem zweistufigen Aufbau mit oberer Naturschutzbehörde (Ministerium) und unterer Naturschutzbehörde (Kommune) und einem dreistufigen Aufbau mit einer weiteren höheren bzw. mittleren Naturschutzbehörde (Bezirksregierung, Landesämter) zu unterscheiden. In der Vergangenheit wiesen die meisten Bundesländer einen dreistufigen Verwaltungsaufbau auf. Mehrere Länder sind allerdings dabei, die Mittelinstanz aufzulösen und zu einem zweistufigen Verwaltungsaufbau überzugehen (vgl. Kap. 6.1). Der Koordinierung der Aktivitäten der Länder untereinander und zwischen Ländern und Bund dienen mehrere Gremien: Die Umweltministerkonferenz von Bund und Ländern (UMK) ist das ranghöchste Gremium. Sie tagt zwei Mal jährlich und wird seit 1986 durch die Konferenz der Amtschefs (ACK) vorbereitet. Zusätzlich besteht der ständige Abteilungsleiterausschuss Bund und Länder für Umweltfragen. Das Arbeitsgremium ist die Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz und Landschaftspflege (LANA). Der Vorsitz rotiert zwischen den Ländern (Günther und Krebs 2000). bietes können hierauf verweisen und zusätzlich mit potenziellen Zuwächsen an Wirtschaftsleistung und Arbeitsplätzen werben. Zwar können auch bei naturschutzfachlichen Maßnahmen Akteure identifiziert werden, die von diesen Maßnahmen profitieren. Allerdings ist der gesellschaftliche Nutzen von Naturschutzmaßnahmen nicht immer eindeutig voraussagbar (Heiland 2002).
40
Unter den Umweltschutz- und Naturschutzverbänden sind der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) als große Mitgliederverbände hervorzuheben. Weitere große Verbände sind der World Wildlife Fund Deutschland (WWF) und Greenpeace Deutschland, wobei Greenpeace auf Bundesebene andere Themen prioritär verfolgt. Der Deutsche Naturschutzring (DNR) vereint als Dachverband eine Vielzahl kleinerer Naturschutzvereine und viele naturnahe Nutzerverbände. Alle im Bundestag vertreten Parteien bedienen das Thema, allerdings mit unterschiedlichen programmatischen Schwerpunktsetzungen. CDU/CSU und FDP setzen auf den Vorrang kooperativer Instrumente wie Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes, wogegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen einen grundsätzlichen Vorrang kooperativer, freiwilliger Instrumente ablehnen und auf die Bedeutung ordnungs- und planungsrechtlicher Instrumente verweisen (Volkery 2001). Umweltfreundlichen Unternehmen und ihren Interessenverbänden kommt im Naturschutz als Akteuren dagegen eine untergeordnete Bedeutung zu, da marktgängige technische Lösungen keine große Rolle spielen. Alle großen Zeitungen und Fernsehsender berichten über Naturschutzbelange, allerdings mit unterschiedlicher Häufigkeit. 28 Mit dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) und dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) bestehen zwei angesehene wissenschaftliche Politikberatungsorgane (Timm 2000). Beide Institutionen haben sich wiederholt zum Themenbereich Biodiversität und Naturschutz geäußert (vgl. zuletzt SRU 2002, WBGU 1999). Zusätzlich bestehen weitere angesehene Expertengremien und Fachverbände, wie der Deutsche Rat für Landespflege unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten oder der Bundesverband Beruflicher Naturschutz. Der Europäischen Kommission kommt als „Hüterin der Verträge“ eine entscheidende Rolle zu: Sie überwacht nicht nur die Umsetzung der Vogelschutz- und FFH-Richtlinie, sondern auch die Verausgabung der Struktur- und Regionalfondsmittel und der Mittel der AgrarUmweltprogramme. Ebenso beeinflusst die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vogelschutz- und FFH-Richtlinie die Naturschutzpolitik der europäischen Mitgliedstaaten (Knill 2003, Weale et al. 2002). 3.2.2.2 Organisatorische Stärke und Kompetenz der Akteure Die OECD hat die administrative Leistungsfähigkeit der deutschen Umweltverwaltung als hoch eingestuft (OECD 2001). Allerdings haben die Haushaltszwänge der letzten Jahre auf Bundes- und Länderebene dazu geführt, dass vielerorts Prozesse der Reorganisation und Reduzierung der Umweltverwaltung eingeleitet worden sind, welche die organisatorische Stärke, und auch die fachliche Kompetenz der Behörden, schwächen (vgl. Kap. 5).
28
Es gibt ein paar Dutzend Umweltzeitschriften, die aber eine geringe Auflage haben. Eine Ausnahme ist die Zeitschrift „Natur und Kosmos“ mit einer Auflage von rund 90.000 Exemplaren (Natur und Kosmos 2004).
41
Für die Bundesebene hat Pehle in seiner Studie über das BMU nachweisen können, dass die Abteilung für Naturschutz im BMU im Vergleich aller Abteilungen eher am Ende der Aufmerksamkeitsskala der Hausleitung steht (Pehle 1998). 29 Die Fähigkeit, auf einen konfliktbereiten Minister verweisen zu können, ist indes eine wichtige Handlungsressource in inter-ministerialen Abstimmungsprozessen (Pehle 1998). Für die Länderebene liegt eine vergleichbare Studie leider nicht vor. 30 Die Umwelt- und Naturschutzverbände weisen eine beachtliche organisatorische Stärke auf. Im Jahr 2004 waren allein 3,76 Mio. Menschen als Mitglied in einem anerkannten Naturschutzverband registriert, was 4,56 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht (BfN 2005: 323). BUND und NABU, WWF und Greenpeace sind wichtige Lobbyakteure auf Bundesebene, deren fachliche Kompetenz mittlerweile nicht mehr in Frage gestellt wird. Die finanziellen Ressourcen für die Beschäftigung hauptamtlicher Mitarbeiter, für Kampagnen und andere Formen des Lobbyismus ist jedoch immer noch beschränkt (Sebald und Strassner 2004). Das Thema Naturschutz wird zwar von allen im Bundestag vertretenen Parteien fachlich vertreten, steht aber erkennbar nicht im Zentrum der parteipolitischen Umweltprogrammatik aller Parteien. Politische Initiativen sind in der Regel von dem Engagement einzelner Abgeordneter abhängig (Volkery 2001). Im Redaktionsalltag von Printmedien und Radio- und Fernsehsendern führt das Thema Naturschutz eher ein Nischendasein. Zumeist wird mit einem verengten Fokus auf schöne und gefährdete Arten in anderen Ländern berichtet (vgl. Beirat für Naturschutz und Landschaftspflege 1996). In den vergangenen Jahren hat die Umweltberichterstattung tendenziell abgenommen (Umweltbundesamt 2004: 67). 3.2.2.3 Koalitionen der Vertreter von Naturschutzinteressen und Politikumfeld Nachdem das Verhältnis von BMU und Naturschutzverbänden lange Zeit durch Spannungen gekennzeichnet war, sind für die letzten Jahre eine Entspannung und eine Intensivierung der Kooperationen festzustellen. Auch auf der Ebene der Länder haben die Verbände ihr Misstrauen gegenüber der Verwaltung weitgehend aufgegeben (Heiland 2002). Ebenfalls hat sich Zusammenarbeit der Umweltverbände verbessert; bis Ende der 1980er Jahre fanden Kooperationen nur eingeschränkt statt (Hey und Brendle 1994). 31 Wichtige Kooperations- und Alli29
30
31
42
Ursächlich hierfür, so Pehle (1998), sind der geringe Gestaltungsspielraum und die Aussicht auf strittige Auseinandersetzungen im Bundesrat. Ein Minister wird sich mit anderen Themen zu profilieren suchen. Die für die Umsetzung verantwortlichen mittleren und unteren Naturschutzbehörden verfügen oft über geringe Handlungsspielräume, da sie als Teil der inneren Einheitsverwaltung dem behördeninternen Abstimmungsprozess unterworfen sind und dabei oft erst in einem späten Stadium des Planungsprozesses einbezogen werden (Heiland 2002). Zusätzlich sind die Behörden häufig mit ihrem Aufgabenpensum überfordert, da der Aufgabenzuwachs den Personalzuwachs in den letzten Jahren deutlich überstiegen hat und seit einiger Zeit ein Rückbau von Personal stattfindet (Niermann 2001) Diese Konstellation lässt sich mit den unterschiedlichen Ursprüngen der Verbände erklären: Der BUND entstammt der Umweltbewegung der 1970er Jahre, deren gesellschaftskritische Positionen vom NABU, dessen Mitglieder lange Zeit überwiegend dem eher konservativen Milieu der heimatverbundenen Naturschützer entstammten, lange Zeit skeptisch bis ablehnend betrachtet wurden. Dies galt auch für die Protestkampagnen
anzpartner sind die Anbauverbände des Ökologischen Landbaus, wie Bioland, Demeter oder der Dachverband, die AGÖL. Vergleicht man allerdings die Interessenkoalitionen des Naturschutzes und der Vertreter von Verursacherinteressen, so ist ein Kräfteungleichgewicht zu Ungunsten des Naturschutzes zu konstatieren. Die wichtigsten Verursacheradressaten der Naturschutzpolitik sind die Landwirtschaft und die Verkehrs- und Bauwirtschaft. Beide Branchen verfügen über starke Interessenverbände. Der Deutsche Bauernverband gilt als eine der einflussreichsten Lobbyorganisationen in Deutschland und hat lange Zeit einen dominanten Einfluss auf das Landwirtschaftsministerium gehabt (von Heinze 1992, Alemann 1987). Dies gilt auch auf Länderebene (Ratschow 2003). Ebenso ist der ADAC einer der wichtigsten und einflussreichsten Interessenverbände in der Bundesrepublik Deutschland (SRU 2005b). Bei Bedarf leisten auch die Dachverbände der Industrie und Wirtschaft, BDI und DIHT, Lobbyarbeit. In der Vergangenheit haben sie sich z.B. immer wieder kritisch in die Diskussion um eine allgemeine Verbandsklage eingebracht (SRU 2002b: Tz. 303ff.). Ein ähnliches Ungleichgewicht findet sich auch im administrativen Binnenbereich. Die Anzahl der Behörden in den Politikfeldern Landwirtschaft und Verkehr ist bedeutsam höher als die Zahl der Umweltbehörden. Während auf Bundesebene im Umweltbereich z.B. drei Behörden bestehen (UBA, BfN, BfS), bestehen im Bereich Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft 15 Behörden und Bundesforschungseinrichtungen und im Bereich Verkehr und Bauen 21 Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen (StaBuA 2005). 32 3.2.2.4 Zusammenfassung: Ausprägung der Variable Akteure Naturschutzbelange werden von einem breiten Spektrum von Akteuren auf Bundes- und Landesebene vertreten. Der Naturschutz ist auf allen Ebenen administrativ breit institutionalisiert. Die Naturschutzverbände haben sich zunehmend professionalisiert und sind nunmehr wichtige Lobbyakteure mit einem breiten gesellschaftlichen Organisationsgrad. Die Interaktionsbeziehungen zwischen haupt- und ehrenamtlichen Naturschutz haben sich gewandelt – das anfängliche Misstrauen ist vielerorts stabilen Kooperationsbeziehungen gewichen. So ist eine beachtliche Zunahme der organisatorischen Stärke, Kompetenz und politischen Durchschlagkraft der Naturschutzakteure zu konstatieren. In der Amtszeit der konservativ-liberalen Bundesregierung hatten die Behörden und Interessenverbände der Landwirtschaft und der Verkehrs- und Bauwirtschaft allerdings eine starke Veto-Position in dem Politiknetzwerk Naturschutz (vgl. Kap. 4.1). Trotz der Verbesserung ihrer Handlungskapazitäten verfügen die Naturschutzakteure noch nicht über die Mittel,
32
von Greenpeace. Gleichzeitig empfanden diese Organisationen den NABU, aber auch den WWF als rückständige, einzelthemenbezogene und unpolitische Organisationen (vgl. SRU 1996). Nicht alle dieser Behörden beschäftigen sich mit umweltrelevanten Fragestellungen. Allerdings sind die spezifischen Umweltbelange der einzelnen Politiken durch jeweils eigene Ressortforschung abgedeckt, sodass hier ein Wissens- und Informationsvorsprung gegenüber den Umweltbehörden gesichert werden kann, die mit weniger Personal eine Vielzahl von Querschnittsthemen zu bearbeiten haben.
43
grundlegenden Einfluss auf die Entscheidungsprozesse in naturschutzrelevanten Verursacherpolitiken (Verkehr, Landwirtschaft, Bauen) zu nehmen. Dazu trägt auch bei, dass die im (technischen) Umweltschutz vorhandenen Helferinteressen im Naturschutz aufgrund der Problemstruktur nur schwach ausgeprägt sind. Der Naturschutz steht insofern auch erkennbar nicht im Zentrum der Umweltprogrammatik aller Parteien auf Bundesebene. 3.2.3
Sozio-ökonomische Handlungsbedingungen
3.2.3.1 Ökonomische Rahmenbedingungen Deutschland ist ein entwickeltes Industrieland, dessen Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner sich im Jahr 2003 auf rund 26300 US-Dollar belief (OECD 2004: 14). Im Vergleich der OECD-Länder gehört Deutschland damit zwar nicht zur Spitzenklasse, sondern zum unteren Mittelfeld (vgl. OECD 2004: 12). Dennoch sind ohne Zweifel aufgrund des nach wie vor hohen Wohlstandsniveaus in Deutschland die grundlegenden ökonomischen Voraussetzungen für eine wirksame Naturschutzpolitik gegeben. Die öffentlichen Ausgaben für den Naturschutz sind in den alten Bundesländern nach einem starken Anstieg in den 1980er Jahren in den 1990er Jahren zurückgegangen. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurde dieser Trend durch den verstärkten Einsatz kofinanzierter EU-Agrarumweltprogramme teilweise wieder aufgehalten. Die Ausgabenentwicklung in den 1990er Jahren in den neuen Ländern ist durch einen Ausgabenzuwachs gekennzeichnet, der sich ab Mitte des Jahrzehnts abschwächt. Seit 2000 sind die Ausgaben auf Landesebene in etwa konstant geblieben. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das allgemeine Ausgabenniveau sehr niedrig ist – 2001 beliefen sich die Naturschutzausgaben aller Gebietskörperschaften mit 0,66 Mrd. Euro (gegenüber 9,07 Mrd. Euro für den (technischen) Umweltschutz) auf 0,07 Prozent der Gesamtausgaben aller öffentlichen Haushalte (BfN 2005: 302). 3.2.3.2 Politisch-institutionelle Handlungsbedingungen Kennzeichnend für das politische System in Deutschland sind (a) der föderative Staatsaufbau, (b) das Verhältniswahlrecht und (c) eine hohe zentralistische Organisation gesellschaftlicher Spitzenverbände. Damit verbinden sich drei charakteristische Ausprägungen des politischen Systems in Deutschland: (a) eine hohe Politikverflechtung, (b) ein dualistisches Parteiensystem und (c) eine starke Absicherung der Vetomacht gesellschaftlicher Interessengruppen. (a) Deutschland ist ein Bundesstaat. Allerdings erfolgt die Aufteilung von Staatsaufgaben zwischen Bund und Ländern nicht materiell nach Sachgebieten, sondern funktional nach Kompetenzarten: alle wichtigen Gesetze - und fast alle Steuergesetze - werden vom Bund erlassen, von den Ländern aber ausgeführt. Die Länder haben wiederum über den Bundesrat das Recht der Mitsprache an der Gesetzgebung und verfügen hier über Vetorechte.33 Ab den 33
44
Die Ländervertreter auf Bundesebene werden allerdings nicht direkt oder von den Länderparlamenten gewählt, sondern setzen sich aus Vertretern der Landesregierungen zusammen, die an die Weisung ihrer Landesregierung gebunden sind („imperatives Mandat“, vgl. Ellwein und Hesse 2000).
1960er Jahren ist es zu einer immer stärkeren Politikverflechtung gekommen, sowohl vertikal zwischen Bund und Ländern als auch horizontal zwischen den Ländern: Die Länder haben Regelungskompetenzen an den Bund abgegeben und sich dies durch die Erweiterung ihrer Beteiligungs- und Zustimmungsrechte kompensieren lassen. In der Folge müssen sich Bund und Länder auf kooperative Verhandlungsprozesse einlassen (Laufer und Münch 1998). (b) Dieser Notwendigkeit kooperativer Verhandlungsprozesse steht die hohe Wettbewerbsintensität des Parteiensystems gegenüber. Auf Bundesebene kann eine Bi-Polarisierung des Parteiensystems konstatiert werden, mit einem bürgerlich-liberalen und einem sozialdemokratisch-grünen Lager. Seit den 1990er Jahren verfügt kein Lager über eine deutliche strukturelle Mehrheit der Wählerstimmen. 34 Ein weiteres Merkmal sind daher die seit mehreren Legislaturperioden immer knapper werdenden parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene. Hierdurch erhöht sich die Bedeutung der Regierungsfraktionen, da die Bundesregierung oft auf die Zustimmung aller ihrer Mitglieder angewiesen ist. Bei geringen Stimmenmehrheiten wächst die Instabilität des Regierungshandelns, da Abweichungen Einzelner schon zu Abstimmungsniederlagen führen können (Helms 2003, Czada 2003). (c) Die Einbeziehung von Verbänden in Prozesse der politischen Entscheidungsfindung (Neo-Korporatismus) ist eine langjährige Praxis. Die großen Spitzenverbände von Industrie und Wirtschaft, die Interessenorganisationen des Gesundheitswesens und die Gewerkschaften sind zentralistisch organisiert (Lehmbruch 2003). Der Lobbyismus ist in Deutschland gut ausgeprägt: aufgrund der bundesstaatlichen Ordnung finden die Verbände gute Zugangsmöglichkeiten zum politischen System (Zintl 1999). Katzenstein (1987) hat die oft zitierte Formel geprägt, dass in Deutschland einem „dezentralisierten“ Staat“ eine „zentralisierte“ Gesellschaft gegenüber steht. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen bestehen aus Sicht der Bundesregierung eine „vertikale“ Verhandlungsarena zwischen Bund und Ländern und zwei „horizontale“ Verhandlungsarenen auf Bundesebene, zwischen Regierungskoalition und Opposition und zwischen Bundesregierung und Verbänden. Mit der Ebene der Bundesländer kommt eine weitere „horizontale“ Verhandlungsarena hinzu, nämlich die zwischen Landesregierung und Landesinteressenverbänden. Weitere externe Veto-Spieler sind das Bundesverfassungsgericht, der Europäische Gerichtshof und die Europäische Kommission (Weale et al. 2002). Jede Bundesregierung ist deshalb zu einer autonomen Politikgestaltung kaum in der Lage – selbst bei gleichen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat muss die Bundesregierung auf spezifische Länderinteressen Rücksicht nehmen, die nicht immer mit Parteiinteressen deckungsgleich sind (Kropp 2003). Aufgrund der Notwendigkeit mit vielen Akteuren verhandeln zu müssen, die über zum Teil weit reichende, nämlich konstitutionell abgesicherte Vetomöglichkeiten verfügen, beste34
Die Koalitionsbildung auf der Ebene der Länder wird durch diese Konstellation allerdings nicht deutlich beeinflusst: die Mehrzahl der Länder wird von einer anderen Regierungskoalition regiert (Kropp 2003).
45
hen hohe Anforderungen an die Konsens- und Kompromissbereitschaft aller beteiligten Akteure bzw. wächst das Risiko politischer Entscheidungsblockaden. Die unterschiedlichen Arenen der Entscheidungsfindung zeichnen sich nun aber durch unterschiedliche Handlungslogiken aus, die einander widersprechen können: Der parteipolitische Wettbewerb folgt anderen Regeln als der sachliche Kompromiss auf der inter-administrativen Fachebene. Befürworter und Gegner einer Reform des BNatSchG haben gute Möglichkeiten zur Interessenvermittlung auf den unterschiedlichen Ebenen des politischen Systems: wird der Nutzen der Einflussnahme auf Bundesebene als gering erachtet, kann auf der Landesebene angesetzt werden, um eigene Interessen am wirkungsvollsten in die politische Auseinandersetzung einzubringen (“venue-shopping“, Mazey und Richardson 2001). Eine wesentliche Restriktion einer Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts ist in der Änderung der Vorgaben zur Rahmengesetzgebung in Folge der Grundgesetzreform von 1994 zu sehen: Seitdem unterliegen neue Rahmengesetze dem Maßstab der Erforderlichkeit des neuen Art. 72 GG und dürfen deshalb nur noch in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten (Art. 75 Abs. 2 GG). 35 Dadurch reduziert sich der gesetzgeberische Handlungsspielraum. 3.2.3.3 Informationell-kognitive Handlungsbedingungen Die Fähigkeit zur Erzeugung und Verbreitung von Umweltwissen ist in Deutschland gut entwickelt: Wie die jüngste Studie des UBA zum Umweltbewusstsein 2004 zeigt, sind weite Teile der Bevölkerung gut über den Zustand der Umwelt informiert, befindet sich das Thema Umweltschutz an dritter Stelle hinter Arbeitslosigkeit und Entwicklung der wirtschaftlichen Lage und wird dem Schutz von Natur und Landschaft eine hohe Bedeutung zugesprochen (vgl. Kap. 3.2.1, UBA 2004). Allerdings wird der Naturschutz von der Mehrheit der Bevölkerung immer noch auf den klassischen Arten- und Biotopschutz reduziert, der im Konfliktfall (z.B. Straßenbau) gegenüber konkurrierenden Interessen zurückgestellt werden kann (UBA 2004). Die Berichterstattung in den Medien trägt maßgeblich zu diesem Verständnis bei. Oft wird über Naturschutzthemen berichtet, wenn Naturschutzmaßnahmen Entwicklungsvorhaben beeinträchtigen, oder die Berichterstattung konzentriert sich auf seltene, schöne Arten oder Ökosysteme in entfernten Regionen (Beirat für Naturschutz und Landschaftspflege 1996).
35
46
Anlass dieser Grundgesetzreform von 1994 waren die langjährigen Klagen der Länder, dass der Bund unter Verweis auf die bundesfreundliche Judikatur des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen seiner Rahmengesetzgebungskompetenz zunehmend Vollregelungen getroffen habe, die de facto die Einschränkung des Landesgesetzgebers zur Folge hatten. Bis 1994 konnte die Rahmengesetzgebung gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 3 GG a.F. punktuelle Vollregelungen, d.h. detaillierte verbindliche Einzelregelungen treffen, solange dem Landesgesetzgeber insgesamt ein substanzieller Spielraum verblieb. Die Regelung unterlag nur der Bedürfnisprüfung nach Art. 72 Abs. 2 GG a.F., d.h. der Feststellung der Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zur Wahrung gleicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet Das BNatSchG enthält deshalb eine Reihe von unmittelbar geltenden und in Einzelheiten gehenden Vorschriften.
Die behördliche Informationssammlung und Berichterstattung zum Naturschutz ist partiell defizitär. So veröffentlicht das BfN zwar regelmäßig einen Bericht „Daten zur Natur“ (vgl. BfN 2005, 2001, 1999), doch eine systematische bundesweite Berichterstattung besteht nicht und viele Erhebungen wie z.B. die bundesweite Liste von Biotoptypen werden in sehr langen, unregelmäßigen Zeiträumen fortgeschrieben. Die diesbezüglichen Aktivitäten der Länder laufen vielfach unkoordiniert nebeneinander her; der Aufbau einer einheitlichen Umweltbeobachtung ist seit langem zwischen Bund und Länder umstritten, wobei insbesondere die Frage der Finanzierung umstritten ist (SRU 2004a: Tz. 171f.). Insofern besteht zwar unbestreitbar ein entwickeltes Potenzial für die Gewinnung von naturschutzrelevanten Informationen, doch die verständliche Aufbereitung und Vermittlung erfolgt nur ansatzweise. 3.2.3.4
Zusammenfassung: Ausprägung der Variablen der sozio-ökonomischen Handlungsbedingungen Einerseits sind die Bedingungen für eine breite Beteiligung gesellschaftlicher Interessen in (naturschutz-)politischen Entscheidungsprozessen gut ausgeprägt, andererseits bedingen die Besonderheiten der föderativen Kompetenzverfassung weit reichende Verhandlungs- und Konsenszwänge. Die Novelle des BNatSchG ist in einer Vielzahl von Verhandlungsarenen mit unterschiedlichen, sich einander widersprechenden Handlungslogiken zu verhandeln. Gleichzeitig sind der Gesetzgebung auf Bundesebene Grenzen aufgrund des Art. 72 Abs. 2 GG gesetzt. Eine Novellierung erfordert somit eine hohe Konsens- und Kompromissbereitschaft aller beteiligten Akteure. Gleichzeitig haben die Länder ihre Naturschutzaufgaben seit längerem auf niedrigem Niveau konsolidiert. Vorschläge, die eine Steigerung der Naturschutzausgaben implizieren, dürften deshalb auf Ablehnung stoßen. 3.2.4
Vorgaben des internationalen und europäischen Naturschutzrechts und des Naturschutzrechts der Länder
3.2.4.1 Vorgaben des internationalen Naturschutzrechts Auf internationaler Ebene ist im Lauf des letzten Jahrhunderts ein relativ dichtes System an Übereinkommen und Konventionen etabliert worden (vgl. Sand 2003). Bemühungen um internationale Zusammenarbeit im Naturschutz gab es bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Als erstes internationales Vertragswerk trat 1902 die „Übereinkunft zum Schutz der für die Landwirtschaft nützlichen Vögel“ in Kraft, die bis heute Bestand hat. Die weitere Entwicklung verlief unsystematisch. Zwar wurden nach dem 2. Weltkrieg bereits früh einzelne Abkommen geschlossen, wie z.B. das internationale Walfangübereinkommen von 1948, aber die eigentliche Aufbruchphase internationaler Naturschutzpolitik begann erst zu Beginn der 1970er Jahre. Das UNESCO-Programm “Mensch und Biosphäre“ (1970), das “Übereinkommen zum Schutz von Feuchtgebieten internationaler Bedeutung (Ramsar-Konvention)“ (1971) und die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen 1972 in Stockholm gaben den Startschuss für zahlreiche Regelungsaktivitäten, zu denen u.a. die Verabschiedung des “Überein47
kommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (UNESCO-Welterbekonvention)“, des “Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES)“ (1973) und des “Übereinkommens über die Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention)“ (1979) zu zählen sind (Korn et al. 1998). Allerdings beziehen sich diese Konventionen lediglich auf den Schutz spezieller Artengruppen oder Teilprobleme des Naturschutzes. Eine Weiterentwicklung hin zu integrierten Schutzansätzen begann mit der “World Conservation Strategy“ von IUCN, welche die Bedeutung der Bewahrung natürlicher Ressourcen für das Überleben und die Entwicklung der Menschheit thematisierte. Viele Gedanken dieser Strategie wurden im Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (1987) aufgegriffen (WCED 1987). IUCN, UNEP und WWF entwickelten die Strategie weiter zur Strategie “Unsere Verantwortung für die Erde“ (“Caring for the Earth“), die 1991 vorgestellt wurde und die Vorbereitungen für die Konferenz der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro (RioKonferenz) maßgeblich mit beeinflusste (Duarte 2001). Von hervorgehobener Bedeutung ist das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD)“, das 1992 auf der RioKonferenz verabschiedet wurde und 1993 in Kraft trat (BG-Blatt II 1993, S. 1742 ff., siehe WBGU 1999, Simonis 1996). Mittlerweile sind 181 Staaten und die EU dem Abkommen beigetreten. Die CBD gilt als Meilenstein in den Bemühungen um die Weiterentwicklung des naturschutzbezogenen Völkerrechts, da erstmals ein umfassender Ansatz zum Schutz der gesamten Biosphäre in Angriff genommen wird, der die Gesamtheit aller Ökosysteme, Arten, Mikroorganismen und genetischer Vielfalt umfasst und den Schutz biologischer Ressourcen mit der ökologisch-nachhaltigen Nutzung in verschiedenen Sektoren unter Berücksichtigung von Aspekten der sozialen Gerechtigkeit verbindet. Zu den Hauptzielen der CBD zählen: die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile, insbesondere durch angemessenen Zugang zu genetischen Ressourcen und angemessene Weitergabe der einschlägigen Technologien unter Berücksichtigung aller Rechte an diesen Ressourcen und Technologien sowie durch angemessene Finanzierung. (Art. 1 CBD).
Die CBD verpflichtet die Staaten, Strategien, Pläne und Programme zum Schutz und zur Nutzung der biologischen Vielfalt zu entwickeln, die ein integriertes Management von Land, Wasser und lebenden Ressourcen ermöglichen (“ökosystemarer Ansatz“, Art. 6 CBD). Dies betrifft einerseits die Ausweisung von Schutzgebieten. Diese Gebiete sollen möglichst kohärent miteinander verbunden sein. Auf der 6. Vertragsstaatenkonferenz 2002 in Den Haag haben sich die Zeichnerstaaten auf den Aufbau eines globalen Netzes von Schutzgebieten bis zum Jahr 2010 auf Land und bis 2012 auf See verpflichtet (UNEP-CBD 2002). Die 7. Vertragsstaatenkonferenz 2004 in Kuala Lumpur hat ein Maßnahmenprogramm zur Erreichung des Ziels beschlossen (UNEP–CBD 2004). Andererseits fordert die CBD die Vertragsstaaten 48
auf, Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt und zur sektoralen Politikintegration zu verabschieden. Dies betrifft die Entwicklung einer nationalen Biodiversitätsstrategie (Gettkant et al. 1997). Weiterhin ist den Entwicklungsländern Zugang zu den Ergebnissen und Nutzen aus der biotechnologischen Forschung über genetische Ressourcen zu gewähren, sind Finanzmittel bereitzustellen und ist ein Zugang zu und ein Transfer von Informationen und Technologien zu ermöglichen. Finanztransfers erfolgen hauptsächlich über die Globale Umweltfazilität (GEF), Informationstransfers über den “Clearing-House-Mechanism“. Alle Vertragsstaaten unterliegen der Berichtspflicht (BG-Blatt II 1992, S. 1743ff.). Für die Regelung einzelner Themenbereiche können zusätzliche Protokolle verabschiedet werden. Dies ist erstmals im Jahr 2000 mit dem “Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit“ erfolgt, das Vorgaben zum Informationsaustausch über den grenzüberschreitenden Handel mit gentechnisch veränderten Organismen und zu wissenschaftlichen und technischen Maßnahmen zur Vorsorge vor möglichen Gefahren trifft. Zusätzlich regelt das Protokoll entsprechende Schadenersatzansprüche (siehe Bail et al. 2003, MacKenzie et al. 2003). 3.2.4.2
Vorgaben des europäischen Naturschutzrechts und anderer relevanter europäischer Rechtsbereiche Das europäische Naturschutzrecht stützt sich maßgeblich auf zwei EG-Richtlinien, namentlich die “Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten“ (Vogelschutzrichtlinie, 79/409/EWG, folgend: VRL) von 1979 und die “Richtlinie über die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten“ (Fauna-Flora-HabitatRichtlinie, 92/43/EWG, folgend: FFH-Richtlinie) von 1992. Von Relevanz für die Belange des Naturschutze sind auch die “Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme“ (SUP-Richtlinie, 2001/42/EG, SUP-RL) und die “AarhusKonvention“ der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN-ECE). EG-Vogelschutz-Richtlinie (VS-RL) Die VS-Richtlinie aus dem Jahr 1979 bezweckt den Erhalt der in Europa heimischen Vogelarten. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensräume sämtlicher europäischer Vogelarten zu ergreifen und zusätzlich die zahlenund flächenmäßig geeignetsten Gebiete für besonders gefährdete Arten (Anhang I-Arten) als „Vogelschutzgebiete besonderer Bedeutung“ (Special Protection Areas/SPA’s) auszuweisen (Rat der EG 1979). Die Auswahl von Schutzgebieten hat sich an ornithologischen Kriterien wie dem Vorkommen von Arten des Anhang I, der Reproduktionsfähigkeit der Populationen, der Flächengröße oder der Ausstattung der Gebiete mit bestimmten Habitatstrukturen zu orientieren. Nur überragende Belange des Allgemeinwohls wie der Schutz des menschlichen Lebens oder der Gesundheit können es rechtfertigen, von einer Unterschutzstellung abzusehen. Enthält ein Mitgliedstaat einem in Frage kommenden Gebiet die Unterschutzstellung vor, verstößt er gegen Gemeinschaftsrecht (Gellermann 1998: 19ff., Louis 1999). 49
EG-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) Die FFH-Richtlinie vom 5. Juni 1992 zielt auf die Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie den Schutz der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten auf dem Gebiet der EU (Art. 2 Abs. 1) (Gellermann 2000; Rödiger-Vorwerk 1998). Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ein EU-weites Verbundnetz von Schutzgebieten mit dem Namen „Natura 2000“ zu schaffen (Art. 3 Abs. 1). Bestandteil von „Natura 2000“ sind Gebiete, welche die Lebensraumtypen des Anhangs I und die Habitate der Arten des Anhangs II umfassen sowie die ausgewiesenen oder noch auszuweisenden Schutzgebiete der FFHRichtlinie. Die FFH-Arten sollen ein im Wesentlichen natürliches Verbreiterungsgebiet und einen genügend großen Lebensraum vorfinden und langfristig ohne künstliche Erhaltungsmaßnahmen als Population überleben können (Freytag und Iven 1995). Die FFH-Richtlinie enthält einen detaillierten Zeitplan für die Umsetzung: Bis zum 4. Juni 1994 war sie in nationales Recht umzusetzen. Auf der Basis der Auswahlkriterien des Anhang III ist nach Art. 4 Abs. 1 von den Mitgliedstaaten in der ersten Phase eine nationale Liste von potenziellen FFH-Gebieten (Special Areas of Conservation/SAC’s) zu erarbeiten. Diese war bis zum 4. Juni 1995 an die Kommission zu senden. Ausschlaggebend für die Auswahl der Gebiete sollen nur die naturschutzfachlichen Kriterien der Richtlinie sein. Nur Gründe des übergeordneten Allgemeinwohls ermöglichen ein Abweichen von den Bestimmungen. Die Verpflichtung zur Unterschutzstellung ergibt sich aus dem Beitrag des Gebietes zur Erhaltung des jeweiligen Lebensraumtyps. Auszuwählen sind Gebiete, ohne deren Einbindung das Fortbestehen und die Entwicklungsmöglichkeiten der zu schützenden Arten gefährdet sind. 36 Allerdings ist nur eine Auswahl der Lebensräume in die Vorschlagsliste aufzunehmen, die aber die geeignetsten Gebiete umfassen muss (Balzer 2000: 159ff.; Spilling 1999: 324). Die Kommission wählt darauf nach Art. 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie in der zweiten Phase im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten die Gebiete für “Natura 2000“ aus und erstellt eine Liste von „Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung“ (Sites of Community Importance/SCI’s) (siehe hierfür: Ssymank et al. 1998: 75ff.). Der Listenentwurf wird dann nach Art. 21 FFH-Richtlinie dem so genannten Habitatsausschuss zugeleitet, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten unter dem Vorsitz eines Kommissionsvertreters zusammensetzt. Dieser Ausschuss gibt mit qualifizierter Mehrheit eine Stellungnahme ab: Ist diese positiv, wird die Gebietsliste verbindlich. Andernfalls wird die Liste dem EU-Ministerrat unterbreitet, der mit qualifizierter Mehrheit entscheidet. Das Ausbleiben einer Entscheidung innerhalb von drei Monaten gilt als Zustimmung. Damit soll sichergestellt werden, dass kein Gebiet gegen den Willen eines Mitgliedstaates in die verbindliche Liste aufgenommen wird.
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Dabei sollen aber nach Art. 2 Abs. 3 die Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und örtliche Besonderheiten berücksichtigt werden. Siehe für die Anwendung der Kriterien für die Auswahl der Gebiete, die sich u.a. an geografischer Lage und ökologischer Wertigkeit orientieren: Ssymank et al. 1998.
Bei Uneinigkeit bezüglich eines Gebietes sieht Art. 5 FFH-Richtlinie ein Konzertierungsverfahren vor: Innerhalb von sechs Monaten müssen Kommission und Mitgliedstaat eine Einigung erzielt haben; andernfalls beschließt der Ministerrat einstimmig innerhalb von drei Monaten. Während des Verfahrens unterliegt das Gebiet einem Verschlechterungsverbot. Ist die Liste festgestellt, mussten die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 4 FFH-Richtlinie die SCI’s als SAC’s innerhalb von sechs Jahren ausweisen, also spätestens bis zum 4. Juni 2004 (Rödiger-Vorwerk 1998: 73, Gellermann 1998: 32). Nach Aufnahme in die Liste unterliegen die Gebiete dem Schutzregime der Richtlinie: Einerseits sind Maßnahmen in gebietsbezogenen Managementplänen umzusetzen, die zur Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands des Gebiets erforderlich sind. Andererseits wird in Art. 6 Abs. 2-4 ein Mindestschutz in Form eines Verschlechterungs- bzw. Störungsverbots der Gebiete festgesetzt. Für Pläne oder Projekte, welche das Gebiet einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen erheblich beeinträchtigen können (Art. 6 Abs. 3), besteht die Pflicht einer Verträglichkeitsprüfung. Bei einem negativen Prüfergebnis kann eine Genehmigung nur erteilt werden, wenn nachweislich keine Alternativlösung vorhanden ist und zwingende Gründe des öffentlichen Interesses (einschließlich sozialer und wirtschaftlicher Art) die Durchführung unvermeidlich machen. Im Gegenzug sind Ausgleichsmaßnahmen zu treffen.37 Beherbergt das Gebiet eine prioritäre Art und/oder einen prioritären Lebensraum, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des öffentlichen Interesses den Eingriff rechtfertigen (Art. 6 Abs. 4) (Fischer-Hüftle 1999). Sind potenzielle FFH-Gebiete noch nicht ausgewiesen, unterliegen sie aufgrund der Rechtsprechung des EUGH einer vorläufigen Schutzpflicht: Die Gebiete sind in einem solchen Zustand zu erhalten, dass sie für eine Meldung weiterhin in Betracht kommen. Zuletzt statuiert die Richtlinie eine Erfolgskontrolle und ein Überwachungsgebot und verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten und die Kommission auf ein regelmäßiges Berichtswesen. EG-Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung (SUP-Richtlinie) Das Instrument der Strategischen Umweltprüfung (SUP) beinhaltet eine Umweltverträglichkeitsprüfung auf allen Planungs- und Genehmigungsebenen, auf denen Entscheidungen mit Bedeutung über die Zulassung von Projekten getroffen werden. Nach langwierigen Diskussionen haben sich die EU-Mitgliedstaaten mit der Annahme der „Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme“ (2001/42/EG) im Jahr 2001 auf die Einführung einer SUP verpflichtet.
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Problematisch ist dabei, dass nicht positiv definiert ist, welche negativen Einflussfaktoren abzuwehren sind. Zudem sind die Begriffe „Pläne“, „Projekte“ sowie „Erheblichkeit“ nicht definiert. Auch der Inhalt der Verträglichkeitsprüfung ist nicht genau definiert (siehe zu den Implikationen: Sporbeck 1998: 242).
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Zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und zur Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus sind die Mitgliedstaaten danach verpflichtet, Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, einer SUP zu unterziehen. Diese ist nach Art. 2 auf Pläne und Programme sowie deren Änderungen anzuwenden, die von einer Behörde ausgearbeitet und/oder angenommen oder für die Annahme im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erarbeitet und aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften erstellt werden (Kraemer 2001). Eine obligatorische SUP ist nach Art. 3 Abs. 2 für alle Pläne und Programme vorzunehmen, die in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden und den Rahmen für die Genehmigung von Projekten nach der UVP-Richtlinie (85/337/EWG) setzen. Zudem gilt die SUP für Pläne und Programme, die der FFH-Verträglichkeitsprüfung bedürfen. Für Pläne und Programme, welche die Nutzung kleiner Gebiete festlegen, für geringfügige Änderungen von Plänen und Programmen sowie für sonstige nicht erwähnte Pläne und Programme ist dagegen nach Art. 3 Abs. 3-5 eine konditionale SUP vorgesehen, so diese erhebliche Umweltauswirkungen haben. Dies stellen die Mitgliedstaaten durch Einzelfallprüfung, durch eine Definition solcher Pläne und Programme oder durch Kombination beider Verfahren fest. Keiner SUP bedürfen Pläne und Programme der Landesverteidigung und des Katastrophenschutzes, Finanz- und Haushaltspläne sowie Pläne und Programme der Strukturfonds oder der Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft der laufenden Programmperiode (Jacoby 2000). Eine SUP erfolgt in mehreren Schritten. In der Phase des “Screening“ wird die Umwelterheblichkeit von Plänen und Programmen festgestellt. Die Phase des “Scoping“ dient der Erörterung und Festlegung des Untersuchungsrahmens. Daran schließt sich die Erarbeitung des Umweltberichts durch die planaufstellende Behörde an, die prüft, ob erheblichen Auswirkungen vorliegen. Gegebenenfalls ermittelt die Behörde Alternativen. Die Ergebnisse des Berichts sind anderen Behörden und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bei grenzüberschreitenden Vorhaben sind die Mitgliedstaaten zu einer grenzüberschreitenden SUP verpflichtet. Nach der Annahme des Plans oder Programms haben die planvollziehenden Behörden eine öffentliche Erklärung vorzulegen, inwieweit bei der Planerstellung den Ergebnissen der SUP entsprochen wurde. Zudem sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Umweltauswirkungen der Pläne und Programme zu überwachen (Kraemer 2001). EG-Richtlinien zur Umsetzung der Aarhus-Konvention Die Stärkung öffentlicher Rechte im Umwelt- und Naturschutz hat auch die so genannte Aarhus-Konvention zum Ziel, die am 1. Oktober 2001 in Kraft getreten ist (Kraemer 2001).38 Die
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Die Aarhus-Konvention ist von der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN-ECE) verabschiedet worden. Der vollständige Titel des Abkommen lautet: „UN-ECE-Übereinkommens über den
Konvention verpflichtet die Zeichnerstaaten: (a) ihren Bürgern umfassenden Zugang zu umweltrelevanten Informationen zu gewähren, (b) sie bei umweltrelevanten Entscheidungsverfahren (z.B. Vorhaben mit erheblichen Umweltauswirkungen, Pläne, Programme oder Politiken) frühestmöglich zu beteiligen und ihnen (c) im Fall des Verstoßes gegen die beiden ersten Pflichten eine Klagemöglichkeit vor Gericht zu ermöglichen. Geltung für die Zeichnerstaaten ergibt sich allerdings erst durch die Umsetzung in nationales Recht. Mittlerweile sind mehrere EU-Richtlinien zur Umsetzung der Konvention beschlossen oder auf den Weg gebracht worden, die von den Mitgliedstaaten bis 2005 umgesetzt werden müssen (SRU 2005).39 Die Nachfrage nach Informationen kann dabei von jedermann nachgefragt werden, ohne besonderes Interesse begründen zu müssen; eine Antwort hat innerhalb eines Monat zu erfolgen. Ziel ist es, eine stärkere Transparenz des Verwaltungshandelns zu erreichen und über eine besser informierte Öffentlichkeit Vollzugsdefiziten entgegenzuwirken. Den größten Handlungsbedarf, und die größte Sprengkraft, beinhaltet indes die Regelung des Zugangs zu Gerichten: Ein Zugang zu Gerichten muss möglich sein für Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, oder für solche Mitglieder, die eine Rechtsverletzung geltend machen können. Dieser Zugang gilt nicht für die Klage gegen die Ablehnung der Bereitstellung von Informationen, sondern auch für die Prüfung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtsmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder auch Unterlassungen für Vorhaben, die der Pflicht der Öffentlichkeitsbeteiligung unterliegen. Diese Bestimmungen gehen deutlich über das Regelwerk des bundesdeutschen Rechts hinaus (vgl. SRU 2005). Einschränkungen durch die Gemeinsame europäische Agrar- und Verkehrspolitik Eingeschränkt wird der Spielraum für eine Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts durch die Vorgaben der Gemeinsamen Europäischen Agrar- und Verkehrspolitik. Einerseits begünstigt die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) systematisch die intensive landwirtschaftliche Nutzung (Hagedorn et al. 2002). Von den 45,3 Mrd. Euro, die 2002 im EU-Haushalt für die GAP veranschlagt waren, wurden nur ca. 10 Prozent im Rahmen der so genannten 2. Säule der GAP verausgabt. Aus dieser Säule werden umweltgerechte Bewirtschaftungsverfahren und Maßnahmen zur Stärkung des Ländlichen Raums finanziert (BMVEL 2002). Zwar ist für 2004-2006 eine Erhöhung der Honorierung von Agrarumweltmaßnahmen um 32 Prozent gegenüber 1998-1999 vorgesehen; allerdings ist die finanzielle Ausstattung dieser Säule damit immer noch deutlich schlechter gestellt (vgl. Osterburg 2002). Andererseits liegen die Regelkompetenzen für die Agrarpolitik zum Großteil auf europäischer Ebene; Reformen bedürfen der einstimmigen Zustimmung aller Mitgliedstaaten. Der
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Zugang zu Informationen, die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“. Dies sind die “Richtlinie über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen“ (2003/4/EG) und die „Richtlinie über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme“ (2003/35/EG). Ferner hat die Kommission einen Vorschlag für eine „Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“ (KOM (2003)624) verabschiedet.
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nationale Gesetzgeber kann in den meisten relevanten Bereichen keine eigenständigen Vorschriften treffen, womit die Integration von Naturschutzbelangen äußerst schwer fällt. Bisherige Reformen der Agrarpolitik haben zu eher bescheidenen Ergebnissen geführt: So ist es im Rahmen der “Mid-Term-Review“ im Jahr 2004 zwar gelungen, eine schrittweise Entkopplung von Direktzahlungen und Flächenbindung zu vereinbaren – und damit eines der zentralen Anreizsysteme der Agrarpolitik zu ändern. Allerdings fallen die vorgesehenen Änderungen moderat aus und bedingen im Zeitraum ihrer Gültigkeit (bis 2013) keine entscheidende Änderung der eigentlichen Anreizstrukturen (SRU 2004a: Tz. 225ff.). Ungünstige Rahmenbedingungen zeigen sich auch in der Verkehrspolitik. Die Förderleitlinien im Rahmen der Transeuropäischen Netzwerke der EU und des Bundesverkehrswegeplans legen es für Gemeinden nahe, Flächen als Bau- und Entwicklungsland auszuweisen. Dies koppelt sich mit den Vorgaben des kommunalen Finanzausgleichs, dessen Schlüsselzuweisungen nicht die Bevorratung, sondern vielmehr die Bebauung von Freiflächen begünstigen. Ebenfalls privilegiert die Wohnungsbau- und Städtebauförderung von Bund und Ländern den Bau von Neubauten am Stadtrand (SRU 2002a, Tz. 183f.). 3.2.4.3 Naturschutzpolitik auf Länderebene In den 1970er Jahren waren einzelne Bundesländer wie Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein Vorreiter bei der Entwicklung des Naturschutzrechts. Ihre Naturschutzgesetze gaben den Anstoß für die Verabschiedung des BNatSchG (Schmitz und Bröder 2002). Nach Inkrafttreten des Bundesnaturschutzrechts erließen alle Bundesländer eigene Naturschutzgesetze. In der Folgezeit haben einzelne Länder immer wieder innovative, weitergehende Regelungen eingeführt. So bestand Ende der 1990er Jahre in 13 Ländern ein Verbandsklagerecht für Naturschutzverbände (Schmidt et al. 2004). Einzelne Länder haben die Einflussmöglichkeiten von Naturschutzbehörden durch Einvernehmensregelungen bei der Konsultation in Planungs- und Genehmigungsverfahrens gestärkt, neue Formen der Beteiligung bei der Ausweisung von Schutzgebieten erprobt oder Vorgaben zur Bevorratung von Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eingeführt. Andere Länder haben unterschiedliche Ansätze im Vertragsnaturschutz erprobt oder Programme zur Reduzierung der Landschaftszerschneidung aufgelegt (vgl. Güthler et al. 2003). In wechselnder Reihenfolge haben damit einzelne Länder immer wieder die Rolle eines Vorreiters eingenommen. Das unterschiedliche Innovationsverhalten der Bundesländer, aber auch die unterschiedliche Auslegung von Rahmenvorgaben des Bundesnaturschutzrechts, hat im Laufe der Entwicklung zu einer Zersplitterung des Landesnaturschutzrechts geführt. So bestehen z.B. unterschiedliche Anforderungen an die Mindestinhalte und Verfahrensschritte bei der Landschaftsplanung und bei der Eingriffsregelung (u.a. unterschiedliche Bewertungsverfahren für Eingriffsfolgen und Ausgleichsmaßnahmen), was die überörtlichen Planungen vor größere Schwierigkeiten stellt. Gleichfalls bestehen verschiedene Anforderungen an Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes. Die Vielgestaltigkeit des Regelwerks bedingt eine Un54
übersichtlichkeit des Naturschutzrechts, worunter die Verwaltungspraxis vor allem bei grenzübergreifenden Naturschutz- und Eingriffsvorhaben leidet. Diese Vielfalt erschwert auch die Umsetzung von europäischen Rechtsvorgaben (vgl. Koch 2004a). 3.2.4.4
Zusammenfassung: Ausprägung der internationalen und substaatlichen Variablen Von der europäischen Ebene gehen insofern unterschiedliche Signale aus: Während die Vorgaben der Gemeinsamen Europäischen Agrar- und Verkehrspolitik eher restriktiv ausfallen, sind die ambitionierten Vorgaben des Europäischen Naturschutzrechts als positiver Einflussfaktor zu werten. Aufgrund der detaillierten Vorgaben der FFH-Richtlinie und der Möglichkeit, Vertragsverletzungsverfahren vor dem EUGH einzuleiten, verfügt die Kommission über gute Handhabungsmöglichkeiten, eine richtlinienkonforme Umsetzung von den Mitgliedstaaten einzufordern. Die Vorgaben der FFH-Richtlinie und VS-Richtlinie bedingen weitergehende Anpassungen der Regelungen zum Gebietsschutz. So kennt das BNatSchG a.F. keine Verpflichtung, Gebiete in einer für den Schutzzweck ausreichenden Größe auszuweisen und zusätzlich miteinander zu vernetzen. Gebietsausweisungen nach dem BNatSchG erfolgen hauptsächlich zum Schutz einzelner Arten oder Lebensräume. Die Mitgliedstaaten der EU sind nach FFHRichtlinie aber auch in der Pflicht, ein Gebiet auszuweisen, wenn es zum Erhalt eines Lebensraumtyps oder einer Art der FFH-RL notwendig ist. Hierfür lässt sich die Notwendigkeit einer Ausweisung als Naturschutzgebiet ableiten. Die Mitgliedstaaten sind in der Pflicht, diese Gebiete in einem schutzwürdigen Zustand zu erhalten. Legt man die qualitativen Ausweisungskriterien der FFH-Richtlinie für Deutschland zu Grunde, ist eine Steigerung des Anteils streng geschützter Gebiete an der Gesamtfläche auf ca. 13-15 Prozent in einer relativ kurzen Zeit notwendig. Das europäische Naturschutzrecht erhöht mit strikten Auswahlkriterien und starken Vollzugsimperativen den nationalen Handlungsspielraum für die Ausweisung großflächiger Schutzgebiete (vgl. Gellermann 1998, Balzer 2000, Freytag und Iven 1995). Auch der gebotene Mindestschutz für FFH-Gebiete, der Schutz vor Schadstoffeinträgen und die Pflicht einer Erfolgskontrolle sind im BNatSchG a.F. nicht enthalten. Die Verträglichkeitsprüfung der FFH-Richtlinie geht weiterhin über den Geltungsbereich des BNatSchG a.F., aber auch des UVP-Gesetzes hinaus: Zum einen bezieht sie sich auf Pläne und Projekte, die das Gebiet beeinträchtigen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Schutzgebiets. Zum anderen betrifft die Verträglichkeitsprüfung stoffliche Einwirkungen und ist in jedem Fall einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets durchzuführen. Bislang ist im umweltbezoge-
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nen Verwaltungsverfahrensrecht keine Prüfpflicht für Pläne unter Beteiligung der Öffentlichkeit verankert (Sangenstedt 2005). 40 Die SUP-RL verbessert die Bedingungen für eine Berücksichtigung von Umweltbelangen auf der Stufe planerischer Abwägungsprozesse. Bislang bestehen hier nur begrenzte Zugriffsmöglichkeiten. Die SUP ist als eigenständiges Instrument einzuführen: die Vorgaben zum Umweltbericht können zwar durch die Landschaftsplanung abgedeckt werden, die Anforderungen zum “Screening“ und “Scoping“, zur Öffentlichkeitsbeteiligung, zu grenzüberschreitenden Fachplanungen und zur Ergebnisverantwortung der Behörden erfordern indes eigenständige Regelungen (Jacoby 2000). Auch die Vorgaben der Aarhus-Konvention leisten einen bedeutsamen Beitrag zur Weiterentwicklung des Naturschutzrechts. Bislang ist im deutschen Rechtssystem die Einklagung umweltrelevanter Belange nur aufgrund der Verletzung eigener Rechte möglich. Nunmehr steht die Möglichkeit der Abkehr vom Individualrechtsschutz hin zu einer öffentlichrechtlichen Verwaltungskontrolle im Raum. Die Entwicklung ist zurzeit aber nicht vorauszusagen (vgl. de Sadeleer et al. 2003). 41 Über die Umsetzung der CBD gelangen das Konzept der biologischen Vielfalt und des integrierten Naturschutzmanagements, gelangen ökonomische Aspekte der Nutzung von biologischen Ressourcen und gelangt der Interessenausgleich zwischen Nord und Süd in den Fokus der deutschen Naturschutzpolitik. Darüber hinaus führt die CBD zu einer Erweiterung des Repertoires an Steuerungsansätzen. So sind die Vertragsstaaten angehalten, eine Strategie zum Stopp des Schwundes biologischer Vielfalt zu entwickeln, die zudem die Integration von Naturschutzbelangen in relevante Politikbereiche sicherstellt. Weiterhin ist regelmäßig über den Erhaltungszustand der biologischen Vielfalt und die Schutzbemühungen auf nationaler Ebene zu berichten. Damit werden zentrale Defizite der Naturschutzpolitik in Deutschland angesprochen, namentlich fehlende quantitative Ziele, das geringe Maß sektoraler Politikintegration und Defizite bei der Berichterstattung. Die CBD thematisiert indirekt auch die Frage der Neuverteilung von Kompetenzen von Bund und Ländern in der Naturschutzpolitik: Eine Strategie zum Stopp des Schwundes biologischer Vielfalt kann sinnvoll nur auf nationaler Ebene entwickelt werden. Allerdings sind die 40
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Da die UVP-Richtlinie (83/189/EWG) nur für bestimmte Projektvorhaben, nicht aber für Pläne gilt, greift die FFH-RL hier der SUP-RL ein Stück weit voraus, da alle Vorhaben, die FFH-Gebiete betreffen, bereits auf der Ebene ihrer Planung einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind (Fiesahn 1996: 29ff.). Zudem wird der Gestaltungsspielraum der Kommunen eingeschränkt: Sie müssen berücksichtigen, ob Planungen ausgewiesene oder potenzielle FFH- oder Vogelschutz-Gebiete erheblich oder unerheblich beeinträchtigen. Ergibt die Prüfung eine unerhebliche Beeinträchtigung, besteht eine Gleichrangigkeit in der Abwägung. Ergibt sich dagegen eine erhebliche Beeinträchtigung, darf der Plan nur aus zwingenden Gründen des allgemeinen Interesses und beim Fehlen von Alternativen durchgeführt werden. Weiter verschärft wird dies im Fall von prioritären Gebieten (Düppenbecker et al. 1999: 178). Die SUP-RL hat in Deutschland vor allem von Seiten der Bundesländer viel Kritik erfahren: Aufwand und Nutzen stünden in einem Missverhältnis. Die Bemühungen um die Beschleunigung von Planungsverfahren würden konterkariert und die Behörden organisatorisch überlastet (Feldmann 2000). Ähnlich lautender Widerspruch ist gegen die Regelungen der Aarhus-Konvention geäußert worden (vgl. SRU 2005).
Vorgaben der CBD nicht an ähnlich strikte rechtliche Vollzugsimperative gebunden wie die Vorgaben der FFH-Richtlinie. Ihre Bedeutung ist darin zu sehen, dass sie eine Debatte über die Neutarierung der institutionellen Grundlagen der Naturschutzpolitik anstößt. Hierin sticht die CBD auch gegenüber den übrigen internationalen Abkommen zum Naturschutz hervor. Deren Verpflichtungen richten sich in der Regel auf den Schutz einzelner Arten und spezieller Lebensräume. Sie werden durch das bestehende Naturschutzrecht prinzipiell abgedeckt; hier besteht also allenfalls inkrementeller Reformbedarf. Zusätzlich zu dem Anpassungsdruck internationaler und Europäischer Rechtsvorgaben sind die Handlungsimpulse des Landesnaturschutzrechts zu beachten. Einige Länder haben Regelungen verabschiedet, die über den Rahmen des Bundesnaturschutzrechts hinausgehen und bei einer Novelle als nachahmenswerte Beispiele guter Praxis im Raum stehen, etwa zum Aufbau von Biotopverbundsystemen, zur Beteiligung der Öffentlichkeit in Planungs- und Genehmigungsprozessen, zur altruistischen Verbandsklage oder zur Flexibilisierung der Eingriffsregelung (vgl. Kap. 5.3-18).
3.3
Die direkte unabhängige Variable: Konfliktmindernde kapazitätsschonende Handlungsstrategien
Welche Handlungsstrategie eine Bundesregierung für die Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts wählt, hängt entscheidend von der Ausprägung der bis hierher vorgestellten Variablen ab: Die Wahl einer Handlungsstrategie wird immer reflektieren, wie die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und im Bundesrat ausfallen, wie die Unterstützung bzw. der Widerstand wichtiger gesellschaftlicher Interessenverbände ausfällt, welches Medieninteresse das Thema findet und ob die Medienberichterstattung positiv oder eher negativ ausfallen wird. Wie weiter bislang dargestellt, ist der Abstimmungsbedarf bei einer Novelle des BNatSchG aufgrund der föderalen Kompetenzverteilung im Naturschutz hoch, sind die Handlungsspielräume eines/r Bundesumweltministers/in eher klein und fällt ein öffentlicher Handlungsdruck aufgrund der Problemstruktur weitgehend aus. Diese Einschränkungen werden durch die blockadebrechenden Vorgaben des Europäischen Naturschutzrechts teilweise kompensiert. Die Entscheidung der rot-grünen Bundesregierung, eine Novelle des BNatSchG anzustreben, die nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf, wird, wie bereits dargelegt, als eine konfliktminimierende, kapazitätsschonende Strategie interpretiert, die das Anspruchsniveau der Zielsetzung absenkt und die Anforderungen an die vorhandenen Handlungskapazitäten und –Spielräume anpasst. Sie neutralisiert den Zustimmungsbedarf der Länder und umgeht so die Gefahr einer Blockade im Bundesrat. Solche Strategien sind ein gängiges Mittel zur Sicherstellung der Entscheidungsfähigkeit in der Politikverflechtung (vgl. Scharpf et al. 1976, vgl. Kap. 1.1): Gesetze werden z.B. in Einzelteile zerlegt und zustimmungspflichtige von zustimmungsfreien Teilen getrennt; Ent57
scheidungsprozesse werden so angelegt, dass konfliktarme Entscheidungen zu Beginn getroffen werden und konfliktreiche Entscheidungen zum Schluss unter dem Druck stehen, die vorherigen Einigungen nicht obsolet werden zu lassen; bilaterale Verhandlungen werden mit einzelnen Fraktionen geführt oder umstrittene Inhalte werden über negative Koordination (Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner) entschärft, um nur eine Auswahl aus dem Repertoire solcher konfliktmindernder Handlungsstrategien zu beschreiben, welche die eigenen Handlungskapazitäten schonen (vgl. Scharpf et al. 1976). Dass diese Strategien eine Entscheidungsfähigkeit in der Politikverflechtung sicherstellen, ist unbestritten. Taugen sie aber auch zur notwendigen Steigerung der Problemlösungskapazität des politischen Systems, hier für den Naturschutz? Die Problemlösungsfähigkeit des föderativen politischen Systems in Deutschland ist seit langem Gegenstand kontroverser Diskussionen in der Politikwissenschaft. Dabei lassen sich zwei grundlegende Argumentationsstränge identifizieren, die ganz unterschiedliche Aussagen zur Tauglichkeit solcher Handlungsstrategien treffen. Zu einer skeptischen Einschätzung kommen Autoren, die entlang der Theorie der Politikverflechtungsfalle (Scharpf 1985) oder der Strukturbruchtheorie (Lehmbruch 1976, 2002) argumentieren. Zu einer moderat-optimistischen Einschätzung kommen Autoren, die entlang der Theorie eines dynamischen Föderalismus argumentieren (vgl. Wachendorfer-Schmidt 2003). Diese werden folgenden kurz dargestellt, um den Fokus um die Perspektive der Nutzung von Handlungskapazitäten und der Auswahl von Strategien im deutschen Föderalismus zu erweitern. Die Analyse spezifischer Aspekte des Regierens in der Politikverflechtung im deutschen Föderalismus erleichtert das Verständnis der Strategiewahl. 3.3.1
Skeptische Einschätzung der Tauglichkeit konfliktminimierender Handlungsstrategien Die breite Phalanx der Kritiker wird die Frage nach der Tauglichkeit der Handlungsstrategie der rot-grünen Regierungskoalition im Fall der Novelle des BNatSchG mit einem “Nein“ beantworten. Angelehnt an die Theorie der Politikverflechtungsfalle von Scharpf (1985) argumentieren viele Kritiker des deutschen Föderalismus, dass eine solche Strategie zwar die Entscheidungsfähigkeit der Akteure in der Politikverflechtung sicherstellt, zugleich aber die inhaltliche Qualität des Vorhabens abschwächt und die Wahrscheinlichkeit von Steuerungsmängeln erhöht. 42 Die Novelle des BNatSchG muss somit – notgedrungenermaßen - die Handlungserfordernisse und den eigentlichen Reformbedarf verfehlen. Die Ursachen hierfür sind struktureller Art. Im deutschen Föderalismus orientierten sich Bund und Länder zunächst hauptsächlich an den eigenen Interessen und stellen die Sicherung oder den Ausbau eigener Kompetenzen und Ressourcen in den Vordergrund (vgl. Czada 2003). Eine Einigung gelingt hauptsächlich in Fällen, wo zwischen den Beteiligten entweder 42
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Die jüngere wissenschaftliche Literatur zur Kritik an der Leistungsfähigkeit des deutschen Föderalismus ist vielfältig, siehe u.a.: Kitschelt und Streek 2004, Koch 2004, Scharpf 2004, 1999, Steingart 2004, Margedant 2003, Lehmbruch 2002, Grimm 2001, Arndt 1999, Klatt 1999.
eine inhaltliche Übereinstimmung über die Ziele der Politik herrscht oder wo Interessenkonflikte durch Verteilungslösungen oder Verzicht auf Eingriffe in etablierte Interessenstrukturen minimiert werden können. Der Verhandlungszwang unterscheidet den Föderalismus von korporatistischen Verhandlungssystemen oder Systemen der Parteienkonkordanz, wo Mehrheitsentscheide, Koalitionswechsel oder das Verlassen des Policy-Netzwerks alternative Entscheidungsfindungsprozesse zulassen: In der Politikverflechtung konkurrieren Staatsorgane, die keine “Exit-Option“ haben (Czada 2003). Wenn die Bundesregierung die Länder – wie bei der Novelle des BNatSchG geschehen - von der Politikgestaltung in einem Politikfeld ausschließt, das in die Kompetenz der Länder fällt, gleichzeitig hier ein Dissens über die Politikgestaltung herrscht und keine Kompensation für die getroffenen Vorgaben an anderer Stelle geleistet wird, werden die Länder die Handlungsspielräume in der Umsetzung zur Wahrung und Durchsetzung ihrer eigenen Interessen nutzen. Denn die Bundesregierung kann zwar die allgemeine Reformagenda adressieren, nicht aber einen Katalog von detaillierten Vorschriften für den Verwaltungsvollzug der Länder normieren (vgl. die Annahme in Kap. 1.2). Insbesondere die unionsregierten Länder werden in dieser Perspektive keine kooperative, sondern eine konfrontative Strategie der Umsetzung wählen. Sie können zudem die Gelegenheit nutzen, Standards ihrer Naturschutzgesetze abzubauen. Die Vorgaben des europäischen Naturschutzrechts wirken zwar als ein Puffer gegen den Abbau von Regelstandards, doch insbesondere im Bereich partizipativer und planungsbezogener Vorschriften ist die weitere Deregulierung des Naturschutzrechtsrechts nicht auszuschließen. Der Aufbau zusätzlicher Handlungskapazität findet nicht nur nicht im notwendigen Umfang statt; vielmehr kommt es zu einer weiteren Zersplitterung des Naturschutzrechts und teilweise auch zu einem Abbau von Handlungskapazitäten. Dabei sind nicht allein landespolitische Interessen von Bedeutungen. Selbst wenn die Novelle des BNatSchG zwischen den Fachministerien von Bund und Ländern unumstritten sein sollte, kommen parteipolitische Erwägungen als weiteres Handlungsmotiv für eine abweichende Umsetzung hinzu. Dem politischen Gegner kann kein politischer Erfolg gegönnt werden. Bereits 1976 hat Lehmbruch mit seiner Strukturbruchtheorie diagnostiziert, dass sich das Parteiensystem immer stärker in Richtung einer Konkurrenzdemokratie weiterentwickelt, deren wettbewerbsorientierte Entscheidungslogik den Aushandlungserfordernissen des kooperativen Föderalismus zuwiderläuft (Lehmbruch 1976). Sachpolitische Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern sind immer öfter Gegenstand machtpolitischer Auseinandersetzungen zwischen Bundesregierung und Opposition. Während in anderen europäischen Ländern mit einer hohen Zahl konstitutioneller Vetospieler hohe Konsensreserven im Parteiensystem bestehen, die diese Blockadegefahr verringern, ist für Deutschland ein Rückgang solcher Konsensreserven festzustellen (Czada 2003, Lehmbruch 2002). Selbst bei vergleichsweise günstigen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat werden grundlegende Reformen durch die Gefahr von Wahlniederlagen bei Landtagswahlen erschwert. Unpopuläre Re59
formvorhaben geben der Opposition die Möglichkeit, Landtagswahlen als Plebiszit gegen die Bundesregierung zu organisieren. 43 Die gering ausgeprägte Fähigkeit, zu einer strukturellen Problemlösung bei der Novelle des BNatSchG jenseits inkrementeller Anpassungsschritte zu kommen, ist in dieser Perspektive aber nicht allein auf die Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern, sondern auch auf die starke Ausprägung des Ressortprinzips in der Organisation des Regierungsapparats auf Bundesebene zurückzuführen. Die einzelnen Ministerien verantworten ihre Politik weitgehend selbst; dem Kanzleramt kommt eher die Rolle eines Moderators und Leitliniengebers vor. Mit der Anzahl, Differenz und Homogenität der Beteiligten steigen die Kosten, um die Wahrscheinlichkeit einer Nicht-Einigung bei Interessenkonflikten zu reduzieren (Buchanan und Tullock 1965). Entsprechend kommt es bei umstrittenen Vorhaben bereits in der Ressortabstimmung zu einer Politik des kleinsten Nenners (Negative Koordination; Scharpf 1971). 44 Von daher wird, so die kritische Annahme, bereits der Regierungsentwurf zur Novelle des BNatSchG nicht dem eigentlichen Handlungsbedarf gerecht werden. Insofern ist es in dieser Perspektive die föderative Politikverflechtung das kritische Nadelöhr einer Modernisierung der Naturschutzpolitik. Konsequenterweise ist daher eine Neuregelung der Gesetzgebungskompetenzen eine notwendige Voraussetzung. Ob eine solche Neuregelung auf eine vollständige Abschaffung der Regelkompetenzen des Bundes oder aber auf deren Aufwertung im Sinne einer Überführung der Zuständigkeit in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes hinauslaufen sollte, ist umstritten: Während einige Autoren dafür plädieren, Naturschutz als eher regionale Aufgabe den Ländern voll zu verantworten, argumentieren andere angesichts zu befürchtender Deregulierungswettbewerbe und unzureichender Kapazitäten auf Landesebene für eine stärkere Rolle des Bundes (vgl. Koch 2004a, und siehe Kap. 7.3.1, wo die Diskussion ausführlich aufgegriffen wird). 3.3.2
Optimistische Einschätzung der Tauglichkeit konfliktminimierender Handlungsstrategien Eine nicht unbedeutende Anzahl von Autoren verweist dagegen darauf, dass zwischen unitarisch und föderativ verfassten Staaten keine wesentlichen Unterschiede in der Leistungsbilanz
43
44
60
Bei gegenläufigen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat wissen zudem die von der Reform betroffenen Interessengruppen, dass die Bundesregierung diese alleine kaum wird umsetzen können. Entsprechend verhalten sie sich weniger kooperativ. Auch die Abnahme der Wählerunterstützung der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren verkleinert Handlungsspielräume: Kritiker in den Regierungsfraktionen sind auf den Kurs der Bundesregierung einzuschwören, was wiederum Zugeständnisse an anderer Seite erfordert. Zudem veranlasst eine knappe parlamentarische Regierungsmehrheit auch die Oppositionsparteien zu einer entsprechend harten Opposition. Im Fall eines deutlichen Vorsprungs müsste sich die Opposition dagegen stärker an den Positionen der Regierungspolitik orientieren, um wieder mehrheitsfähig zu werden (Czada 2003). Politikinitiativen anderer Ressorts werden dahingehend geprüft, ob sie die eigenen Zuständigkeiten oder Interessen der eigenen Politikklientel negativ beeinflussen. Ist dies der Fall, wird versucht, das Vorhaben in der interministeriellen Abstimmung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner abzuschwächen oder zu blockieren. Daher kommt es regelmäßig zu Politikvorschlägen, die auf inkrementelle Änderungen bestehender Politiken abzielen (Mayntz und Scharpf 1995
bestehen. 45 Die Handlungsstrategie der rot-grünen Bundesregierung kann in dieser Perspektive unter bestimmten Umständen sinnvoll sein. Zunächst ist einmal in Betracht zu ziehen, dass eine Politikformulierung auf dem kleinsten Nenner bzw. die Politikverflechtungsfalle nicht der Regelfall deutscher Politik sein muss und auch nicht ist. Vielmehr sind in Deutschland immer auch grundlegende Reformen umgesetzt worden (Wachendorfer-Schmidt 2003). Veto-Spieler setzen in dieser Perspektive ihre Vetomacht bewusst zur Erreichung eigener Ziele und nicht prinzipiell zur Blockade von Vorschlägen der Gegenseite ein (vgl. Benz 2003). 46 Akteure antizipieren die Veto-Macht anderer Akteure und wenden blockadelösende Strategien an, wie dies die rot-grüne Bundesregierung mit der Novelle des BNatSchG getan hat. Hier wird zwar zugestanden, dass das Risiko der Minderung der inhaltlichen Qualität des legislativen Vorhabens besteht. Es muss aber nicht eintreten. Qualitative Mängel und eine Häufung von Politikblockaden im Föderalismus finden sich häufiger bei Politiken, die über finanzielle Anreize steuern und weitaus weniger bei Politiken, die über regulative und planerische Vorgaben steuern (Wachendorfer-Schmidt 2003). Das BNatSchG ist ein gutes Beispiel einer Politik, die über regulative und planerische Vorgaben steuert. Dass die Tauglichkeit kapazitätsschonender Handlungsstrategien anders eingeschätzt wird, ist auf die andersgeartete Beurteilung der Arbeitsbeziehungen von Bund und Ländern auf der administrativen Arbeitsebene zurückzuführen. Die Vorbereitung politischer Entscheidungsfindungsprozesse entsteht in den Arbeitsgruppen von Beamten von Bund und Ländern, die durch langfristige Zusammenarbeit, eine gemeinsame Sachlösungslogik, technische Kompetenz und eine de-politisierte Verhandlungsorientierung gekennzeichnet sind. Die technokratische Problemlösungsorientierung in diesen Gremien kann die politische Konfrontationsstellung zwischen Bund und Ländern weitgehend außer Kraft setzen: Die Fachleute sind sich im Grundsatz über die Ausgestaltung der Politik einig und finden einen Kompromiss, der keinesfalls immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen muss (vgl. Töller 1998). Hesse und Benz (1990) argumentieren, dass die föderative Staatsverfassung Modernisierungsstrategien einer dynamischen Institutionenentwicklung ermöglicht, die über viele kleine, inkrementelle Anpassungsschritte über einen längeren Zeitraum hinweg in der Summe dennoch eine ausreichende Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Rahmenbedingungen sicherstellen. Der Vorteil dieser Institutionenentwicklung ist gleichermaßen die Berechenbarkeit der Politikentwicklung für alle Politikadressaten und eine schonende Transformation von Handlungskapazitäten. 45
46
Politikverflechtung ist in dieser Perspektive ein empirisches Phänomen, das weltweit auf dem Vormarsch ist, auch in unitarisch verfassten Staaten. Selbst in zentralistischen Staaten wie z.B. Frankreich hat die Politikverflechtung zugenommen; vgl.: Wachendorfer-Schmidt 2000, Kincaid 2002, Lijphart, 1999, Rieger 1996, Schmidt 1994, siehe: Lhotta 2003, Pierson 1999, Jeffrey 1999, Ostrom 1998, Eberlein 1997. Da der Status-Quo selten von einer Seite befürwortet wird, sondern sowohl Bund als auch Länder dem Handlungsdruck ungelöster Problemlagen unterliegen, wird von allen Beteiligten eine Konfliktlösung angestrebt. Mit dem Vermittlungsausschuss besteht ein effizientes Vermittlungsscharnier auf der Schnittstelle von Bundesregierung und Opposition sowie Bund und Ländern (Sturm 2003, Lhotta 2003).
61
Die Verflechtung von Bund und Ländern erleichtert dabei dezentrale Lernprozesse und ermöglicht die Diffusion von Politikinnovationen zwischen den Ebenen. Zusätzlich kann die Politikverflechtung auch zur Disziplinierung widersächlicher Länder genutzt werden: Wenn sich Bundesregierung und Opposition auf einen Kompromiss geeinigt haben, hat die jeweilige Parteiführung ein Interesse an der Verwirklichung und dringt auf die entsprechende Zustimmung der Länder (Wachendorfer-Schmidt 2003, Rentzsch 2000). In dieser Perspektive kann für die rot-grüne Novelle des BNatSchG angenommen werden, dass zwar dem gesetzgeberischen Handlungsbedarf nicht voll entsprochen werden kann. Unter dem Strich führt die Novelle aber zu einer Verbesserung gegenüber dem Status-Quo und stößt auf Länderebene Prozesse einer dynamischen, dezentralen Institutionenentwicklung an. Die Verpflichtung zur Ausgestaltung weitergehender Rahmenvorgaben und die Stärkung der Durchschlagskraft von Naturschutzinteressen kann entsprechende Lernprozesse auf der administrativen Fachebene motivieren, in denen Beispiele einer “Guten Praxis“ der Umsetzung einzelner Vorschriften in einem Land von anderen Ländern übernommen werden können. Dabei kann es zu einem Wettbewerb um die beste Standardlösung kommen, wie er für die US-amerikanischen Bundesstaaten beobachtet worden ist (vgl. Kern 2001). Im Kontext dieser Argumentation ist davon auszugehen, dass die Entscheidungsprozesse auf Bundes- und Landesebene in weitaus höherem Maße von sachorientierten Handlungskalkülen geprägt sind als dies in der öffentlichen Debatte immer unterstellt wird. Zudem werden die Schwierigkeiten einer Blockadestrategie der Länder maßgeblich unterschätzt. Die Länder sind beileibe kein monolithischer Interessenblock. Die breite Ausdifferenzierung des Koalitionsspektrums der Landesregierungen erschwert konzertierte Blockadestrategien. „Gemischt“ zusammengesetzte Landesregierungen (bestehend aus Regierungs- und Oppositionspartei auf Bundesebene) enthalten sich in strittigen Fragen der Stimme im Bundesrat. Auch müssen die Landesregierungen die spezifischen Interessen des eigenen Landes im Blick haben (Grande 2002, König 1999, König und Bräuniger 1997). Gerade hier besteht für die Bundesregierung die Möglichkeit zum Kauf oder Tausch von Stimmen durch „package-deals“ (Lhotta 2003). 47 Hat das Land erst einmal für das Reformvorhaben gestimmt, fällt es leichter, auch die tatsächliche Umsetzung entsprechend der Vorgaben des Gesetzes voranzubringen. In diesem Zusammenhang wird auch auf die blockadebrechende Wirkung europäischer und internationaler Rechtsvorgaben verwiesen (vgl. Holzinger und Knill 2003, Richardson 2000). Das europäische Umweltrecht forciert in diesem Fall die Bemühungen um eine Modernisierung des Naturschutzrechts: Die Vorgaben zum Gebietsschutz, aber auch zur Verbändebeteiligung sind so oder so zwingend umzusetzen, wodurch die Anreize für ein gegenläufiges Verhalten bei der Umsetzung des BNatSchG verringert werden.
47
62
Enthaltungen nutzen der Bundesregierung allerdings wenig, da Enthaltung im Bundesrat als Nein-Stimmen gelten. Die Enthaltung hat dann allenfalls symbolische Kraft in der Sache, kann aber machttaktisch weiter genutzt werden, um einen Keil in das Oppositionslager zu treiben.
4
Die Reform des Bundesnaturschutzrechts
4.1
Rückblick: Entstehung und Anläufe zur Reform des Bundesnaturschutzgesetzes
Die Ursprünge des Naturschutzes in Deutschland lassen sich auf das frühe 19. Jahrhundert zurückdatieren, als sich, beeinflusst durch die Natur- und Umweltforschung und die Heimatbewegung, in Teilen des Bürgertums ein Bewusstsein für die Beeinträchtigung von Natur und Landschaft durch die Folgen der beginnenden Industrialisierung entwickelte. Ab den 1830er Jahren folgten erste Ansätze zur Unterschutzstellung einzelner Naturdenkmäler. 48 In der Weimarer Republik wurde eine Staatszielbestimmung zum Schutz von Natur und Landschaft in die Reichsverfassung aufgenommen. Allerdings blieb die Erarbeitung eines Reichsnaturschutzgesetzes im Entwurfsstadium stecken. Eine systematische Regelung des Naturschutzrechts erfolgte erst durch das Reichsnaturschutzgesetz von 1935. Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 galt das Reichsnaturschutzgesetz zunächst als Bundesrecht weiter. 1957 negierte das Bundesverfassungsgericht die bundesrechtliche Gültigkeit des Gesetzes. Dennoch blieb das Gesetz bis zur Schaffung neuer Ländergesetze für die Länder gültig (Marzik und Wilrich 2003). Nachdem die Länder ab Mitte der 1960er Jahre eigene Gesetzgebungsaktivitäten entwickelten, entstand auch ein Interesse auf Bundesebene, eine umfassende bundesrechtliche Neuregelung zu schaffen (Ott et al. 1999). Zu Beginn der 1970er Jahre verabschiedeten mehrere Bundesländer neue Landesnaturschutzgesetze, u.a. Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Der Entscheidungsfindungsprozess auf Bundesebene stockte dagegen: Nachdem die sozial-liberale Bundesregierung mit ihrem Ansinnen gescheitert war, für den Naturschutz die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zu erhalten, brachte sie im Februar 1970 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes ein, um im Kontext der Rahmengesetzgebung auch Detailregelungen verabschieden zu können, die über den Charakter eines Rahmengesetzes hinausgingen. Damit sollte auch die Verabschiedung eines Bundesgesetzes für Naturschutz und Landschaftspflege ermöglicht werden (Bundestagsdrucksache 6/1298). Dieser Gesetzentwurf scheiterte indes am Veto des Bundesrates (Bundesratsdrucksache 137/75). In der Folge gelang es Bund und Ländern nicht, sich über die Ausgestaltung eines Bundesnaturschutzgesetzes zu einigen. Das Sekretariat des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Bundestages erarbeitete daraufhin im Herbst 1974 48
Mit dem Drachenfels im Siebengebirge wurde 1836 erstmals ein Gebiet, unter Schutz gestellt. Maßgeblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung hatte die Ausweisung großräumiger Gebiete in den USA, wo der erste Nationalpark, Yellowstone, im Jahr 1872 ausgewiesen wurde. Auf regionaler Ebene wurde in Folge ein unsystematisches Regelwerk zum Schutz von Natur und Landschaft geschaffen.
63
aus den Entwürfen von Bundesregierung und Opposition sowie Arbeiten der LANA eine neue Entwurfsvorlage. Gleichfalls legten die Länder Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz einen neuen Gesetzentwurf vor, der vom Bundesrat angenommen wurde (Bundestagsdrucksache 7/3879). Der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten führte diese Vorlagen zu einem Gesetzentwurf zusammen und beantragte die Zustimmung des Bundestages (Bundestagsdrucksache 7/5171). Die Zustimmung des Bundestages erfolgte am 3. Juli 1976. Eine Mehrheit der Bundesländer beschloss darauf die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat (Bundesratsdrucksache 384/76). Bund und Länder konnten sich dann im Verlauf des Vermittlungsverfahrens auf eine Gesetzvorlage einigen, die am 10. und 12. November 1976 in Bundestag und Bundesrat als “Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege“ (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) beschlossen wurde und am 24. Dezember 1976 in Kraft trat (Bundesratsdrucksache 651/76, siehe Marzik und Wilderich 2003). Das Gesetz wurde von der Mehrzahl der Kommentatoren als durchaus gelungene Kodifikation eines modernen Naturschutzrechts gelobt. Insbesondere die dreistufige Landschaftsplanung und die Eingriffsregelung galten als Instrumente eines modernen Naturschutzes, welcher die Belange des Naturschutzes auf der Gesamtfläche verfolgt (von Haaren 2003). Dennoch wurde wenige Jahre nach In-Kraft-Treten des Gesetzes bereits über die Notwendigkeit einer umfassenden Rechtsmodernisierung diskutiert, da umfangreiche Regelungsdefizite des Gesetzes festgestellt wurden (vgl. Kap.3.1). Die Novellierung des BNatSchG avancierte in der Folge zu einer „Schlüsselentscheidung“ im Politikfeld Naturschutz (von Beyme 1997, vgl. SRU 1987, 1996, LANA 1992, BfN 1997; siehe: BANL 1996). Dieses Vorhaben erwies sich allerdings für lange Zeit als unumsetzbar. So gelang es trotz mehrmaliger Anläufe in der Amtszeit der konservativ-liberalen Bundesregierung nicht, das Bundesnaturschutzgesetz vollständig zu novellieren. Unter Umweltminister Töpfer scheiterte das BMU mit Referentenentwürfen in der 11. und 12. Legislaturperiode bereits in der regierungsinternen Abstimmung, am Widerspruch der Minister für Verkehr und Bau bzw. Wirtschaft, Schwätzer und Möllemann. Eine Einbringung in den Bundestag gelang folglich nicht (siehe Volkery 2001). Eine Änderung erfuhr das BNatSchG nur durch die so genannte Artenschutznovelle vom 1. Januar 1987: Mit dieser Teilnovelle wurde das Artenschutzkapitel des BNatSchG neu gefasst (BG-Blatt 1987 I: S. 889). In der 13. Legislaturperiode verabschiedete das Bundeskabinett im November 1996 dann aber einen Referentenentwurf von Umweltministerin Merkel, der eine vollständige Novelle vorsah und im Dezember 1996 in den Bundestag eingebracht wurde (Bundestagsdrucksache 13/6441). Zwei Jahre später scheiterte er nach konfliktreichen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss am Widerstand der Mehrheit der SPD-geführten Bundesländer. Der ausschlaggebende Grund war die Absicht der Bundesregierung gewesen, die Länder auf zwingende Ausgleichszahlungen für Naturschutzleistungen der Landwirte zu verpflichten, dem sich der mehrheitlich SPD-dominierte Bundesrat widersetzte. Der Gesetzentwurf normierte 64
zudem eine Privilegierung von Vertragsnaturschutzmaßnahmen gegenüber ordnungsrechtlichen Gebietsausweisungen. Auch diese Neuregelung stieß auf die Ablehnung der Länderkammer (vgl. Volkery 2001). Unter dem Druck einer drohenden Verurteilung durch den EUGH aufgrund der nicht fristgerechten Umsetzung der FFH-Richtlinie erfolgte im Frühjahr 1998 schließlich eine Teilnovelle des BNatSchG, mit der die Vorgaben der FFH-Richtlinie umgesetzt wurden (Bundestagsdrucksache 13/9638, vgl. Apfelbacher et al. 2000). 49 SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten in der 13. Legislaturperiode ebenfalls Gesetzentwürfe für eine umfassende Novelle eingebracht, die jedoch von der Regierungskoalition zurückgewiesen wurden (Bundestagsdrucksachen 13/1930 und 13/3207). Von Seiten der Länder startete Schleswig-Holstein 1997 eine Bundesratsinitiative für eine Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts, die in weiten Teilen der Vorlage der konservativ-liberalen Bundesregierung ähnelte, mit den Vorgaben Biotopverbund auf 10 Prozent der Landesfläche, flächendeckende Landschaftsplanung und bundesweite Verbandsklage aber auch deutlich weitergehende Bestimmungen enthielt (Bundesratsdrucksache 118/96). Die Vorlage wurde im Bundestag von der Regierungskoalition abgelehnt (vgl. Volkery 2001). Im Schnellverfahren setzte die Bundesregierung kurz vor Ende der 13. Legislaturperiode dann aber noch eine weitere Teilnovelle des BNatSchG durch, welche die Länder auf den Ausgleich von Nutzungsbeschränkungen der Land- und Forstwirtschaft verpflichtete (Bundestagsdrucksache 13/10003). Die Teilnovelle, welche die entsprechende Regelungsabsicht des gescheiterten Gesetzentwurfs wieder aufgriff, laut Auffassung der Bundesregierung aber nicht der Zustimmung des Bundesrates bedurfte, normierte zudem einen generellen Vorrang des Vertragsnaturschutzes vor ordnungsrechtlichen Schutzmaßnahmen, führte die Schutzkategorie Biosphärenreservat in das Bundesnaturschutzrecht ein und schwächte die Landwirtschaftsklausel ab: Danach war die ordnungsgemäße Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft nicht als auszugleichender Eingriff zu bewerten, wenn sie im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen des Naturschutzrechts stand (siehe Louis 1999, König 1999). 50 Aufgrund des möglichen Wechsels der Regierungskoalition bei der Bundestagswahl 1998 verzichteten die SPD-regierten Bundesländer darauf, im Bundesrat Einspruch gegen die Teilnovelle einzulegen, und setzten vielmehr darauf, dass eine neue Regierungskoalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen diese Bestimmungen wieder rückgängig machen würde (vgl. Volkery 2001). Teilanpassungen oder inkrementelle Neueinfügungen einzelner Bestimmungen im Gesetz waren bis dahin regelmäßig erfolgt: so wurde die Eingriffsregelung 1990 an die Bestimmungen des UVP-Gesetzes angepasst (§ 8 Abs. 10 BNatSchG a.F.). 1993 wurde das Verhält49
50
2. Änderungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz, BGBl. I: S. 823. Von vielen Kommentatoren sind wiederholt Zweifel geäußert worden, ob die Vorgaben der Richtlinie konform umgesetzt worden sind (zur Kritik der Umsetzung Fiesahn 2004). 3. Änderungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz, BGBI. I: S. 2481.
65
nis von Baurecht und Eingriffsregelung im Rahmen des so genannten Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes und dann erneut 1998 im Rahmen des neuen Bau- und Raumordnungsgesetzes zugunsten der Zuständigkeit des Baurechts neu geregelt (§§ 8a-8c BNatSchG a.F.). Einzelne naturschutzrechtliche Regelungen wurden dabei in das Baugesetzbuch integriert. Das Artenschutzkapitel des BNatSchG wurde 1997 an die Bestimmungen der neuen EG-Artenschutzverordnung angepasst.
Abbildung 4.1: Topographie der Akteurslandschaft zur Novelle des BNatSchG bis 1998 * Hohe Priorität
BUND, NABU, DNR
WWF
B’90/Grüne SPD
PDS
SPD-geführte Bundesländer
EU-Kommission
BMU CDU-geführte Bundesländer Ordnungsrechtlicher Naturschutz
Kooperativer Naturschutz BMVBW
CDU/CSU
Greenpeace
BML
DBV
FDP
BDI DIHT
ADAC
Niedrige Priorität
*
Die Einordnung der Akteure basiert auf einer Analyse der Programme und Stellungnahmen der Akteure zum Reformvorhaben Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts. Die Positionierung soll eine grobe Orientierung in der Akteurslandschaft ermöglichen und erhebt nicht den Anspruch, eine exakte Positionierung darstellen.
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 4.1 zeigt eine – zwar deutlich vereinfachte, aber analytisch hilfreiche - Darstellung der Topographie der Konfliktlandschaft bis zum Wechsel der Bundesregierung bei 66
der Bundestagswahl 1998. Die Positionierung der relevanten Akteure richtet sich zum einen nach der Priorität, die sie der Novelle des BNatSchG beigemessen haben, zum anderen nach ihrer grundsätzlichen Orientierung, d.h. ob sie eine Ergänzung und Verschärfung des ordnungsrechtlichen Instrumentariums für notwendig befinden oder aber eher kooperativen Ansätzen einen Vorrang geben.
4.2
Überblick: Der Entstehungsprozess des BNatSchG n.F.
Bei der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag vom 27. September 1998 erhielt die CDU/CSU 35,1 Prozent, die SPD 40,9 Prozent der Zweitstimmen. Bündnis 90/Die Grünen kamen auf 6,7 Prozent, die FDP auf 6,2 Prozent. Die PDS schaffte den direkten Einzug mit 5,1 Prozent der Stimmen. Damit verfügten SPD und Bündnis 90/Die Grünen über die Mehrheit zur Bildung der Bundesregierung und lösten CDU/CSU und FDP als Regierungskoalition ab (StaBuA 1998). In den Koalitionsverhandlungen vom 7. bis zum 17. Oktober 1998 wurde eine umfassende Novelle des BNatSchG als ein zentrales umweltpolitisches Reformvorhaben der neuen Bundesregierung festgeschrieben: Die neue Bundesregierung wird das Bundesnaturschutzgesetz mit dem Ziel überarbeiten, die Flächennutzung künftig natur-, umwelt- und landschaftsverträglich zu gestalten, ein großflächiges Biotopverbundsystem mit ca. 10 Prozent der Landesfläche zu schaffen, die Artenvielfalt zu schützen und die Verpflichtung zu einer flächendeckenden Landschaftsplanung aufzunehmen (SPD/Bündnis 90/Die Grünen 1998: 19). 51
Die neue Amtsleitung des BMU unter Minister Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) erachtete allerdings energiepolitische Themen - wie den Einstieg in die Ökologische Steuerreform, den Ausstieg aus der Atomenergie und die Förderung Erneuerbarer Energien - als zunächst ausschlaggebend für die umweltpolitische Profilbildung der neuen Bundesregierung. Andere Reformvorhaben sollten anschließend auf den Weg gebracht werden. Auch die Aufmerksamkeit der führenden Umweltpolitiker in den Regierungsfraktionen konzentrierte sich auf diese Themen. Kontroversen um die Ausgestaltung der Ökologischen Steuerreform und die Regelung des Atomausstiegs innerhalb der Regierungskoalition und zwischen Bundesregierung, Oppositionsparteien, Wirtschafts- und Umweltverbänden führten indes zu Verzögerungen bei der Umsetzung dieser Reformvorhaben, wodurch sich in der Folge auch die anderen Vorhaben auf der umweltpolitischen Reformagenda verzögerten (vgl. Raschke 2001, Hartenstein 2001, Reiche und Krebs 2001).
51
Weiterhin enthielt die Koalitionsvereinbarung die Ankündigung, ein allgemeines Umweltgesetzbuch zu verabschieden und dabei ein altruistisches Verbandsklagerecht für Umweltverbände einzuführen sowie deren Mitwirkungsrechte zu stärken. Weiterhin sollten der Vertragsnaturschutz und der ökologische Landbau im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe “Agrarstruktur und Küstenschutz“ stärker gefördert werden. Die im Besitz des Bundes befindlichen Wälder sollten auf eine naturnahe Waldwirtschaft umgestellt werden (SPD/Bündnis 90/Die Grünen 1998: 18). Insgesamt griff die Koalitionsvereinbarung viele Forderungen der Naturschutzverbände auf, die die Vereinbarung begrüßten. Kritik kam von der CDU/CSU und FDP sowie von den CDU-geführten Bundesländern und dem Deutschen Bauernverband (vgl. Volkery 2001).
67
Für das Frühjahr 2000 bereits angekündigt, wurde zwar im Sommer 2000 ein BMUinterner Referentenentwurf fertig gestellt, doch dauerte es bis zum Februar 2001, bis der Entwurf die Ressortabstimmung passierte und von der Bundesregierung an die Länder und Interessenverbände zur Stellungnahme verschickt wurde. Der Grund für die Verzögerung der Fertigstellung des Referentenentwurfs war die ablehnende Haltung des BML gegenüber der Formulierung von naturschutzfachlichen Grundsätzen für die Gute Fachliche Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. Diese Verzögerung erfuhr Kritik seitens der Umwelt- und Naturschutzverbände, aber auch seitens des SRU, der vor einer einseitigen Ausrichtung der Umweltpolitik auf energiepolitische Themen warnte (SRU 2000). Diese Kritik griff die Fraktion der PDS auf: Der Aufbruch in der Umweltpolitik sei zum Stillstand gekommen (Bundestagsplenarprotokoll 14/99). Die Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nannten diese Kritik berechtigt und forderten die baldige Vorlage des Referentenentwurfs (SPD 2000, Bündnis 90/Die Grünen 2000). In ihrer Bilanz des ersten Regierungsjahres hatte auch die CDU/CSU Kritik geäußert: Im Naturschutz sei Stillstand eingetreten (CDU 1999). Die FDP brachte ihre Position mit einem Antrag vom 4. Juli 1999 im Bundestag zum Ausdruck: An der bestehenden Fassung des BNatSchG sollte festgehalten werden (FDP 1999). Im März 2001 führte das BMU erste Anhörungen der kommunalen Spitzenverbände, der Länder und der Interessenverbände durch. Aufgrund der Neuorganisation des Landwirtschaftsministeriums in Folge der BSE-Krise (vgl. Ratschow 2003) wurde der Referentenwurf dann noch einmal zurückgezogen, um die Grundsätze für die Gute Fachliche Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft neu abzustimmen. Zudem wurde Forderungen der Länder Rechnung getragen, etwa zu Möglichkeiten der Abweichung von der Landschaftsplanung in Stadtstaaten (vgl. Tabelle 10.1 im Anhang). Das Bundeskabinett verabschiedete den Gesetzentwurf im Mai 2001. Er wurde darauf von Bundesregierung und den Regierungsfraktionen parallel in Bundestag und Bundesrat eingebracht (Tabelle 4.1). 52 Da das Vorhaben in der Legislaturperiode zum Abschluss gebracht werden sollte, stand der Entscheidungsprozess unter erheblichem Zeitdruck. Der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen wurde in erster Lesung am 28. Juni 2001 beraten und in die Ausschüsse verwiesen. Die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung erfolgte am 13. Juli 2001. Mit der Mehrheit der CDU-regierten Länder lehnte der Bundesrat den Entwurf ab (vgl. Tabelle 4.1). Der Bundestag befasste sich mit dem Gesetzentwurf und der Stellungnahme des Bundesrates am 27. September 2001. Zu52
68
Nach Art. 76 Abs. 1 GG können Gesetzvorlagen beim Bundestag durch die Bundesregierung, durch Fraktionen (oder 5 Prozent der Abgeordneten) bzw. durch den Bundesrat eingebracht werden. Gesetzentwürfe der Bundesregierung werden zuerst an den Bundesrat zur Stellungnahme gesandt, bevor sie zusammen mit einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Bundestag weitergeleitet werden. Dieses Verfahren soll der Regierung Gelegenheit geben, Informationen über die (Mehrheits-)Positionen im Bundesrat zu erhalten, um den Entwurf rechtzeitig anpassen zu können. Fraktionsinitiativen werden direkt beim Bundestag eingebracht. Regierungsentwürfe werden häufig als Fraktionsentwürfe eingebracht, um Zeit zu sparen (Ismayr 2001: 239f).
vor hatte der federführende Umweltausschuss eine öffentliche Anhörung von Verbänden und Experten am 24. September 2001 durchgeführt. Tabelle 4.1: Jahr
Überblick über das parlamentarische Beratungsverfahren zum neuen Bundesnaturschutzgesetz Verfahrensschritt
2001 02. Februar 06. März 08. März 13. März 09. April 30. Mai 01. Juni 28. Juni 03.-06. Juli 13. Juli 07. September 24. September 27. September 14. November 15. November 30. November 11. Dezember 19. Dezember 20. Dezember
Veröffentlichung des Referentenentwurfs durch das BMU Anhörung der kommunalen Spitzenverbände durch das BMU Anhörung der Verbände durch das BMU Anhörung der Länder durch das BMU Beginn der zweiten Ressortabstimmung Kabinettsabstimmung Parallele Einbringung in Bundestag und Bundesrat durch Bundesregierung und Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen* 1. Lesung des Fraktionsentwurfs im Bundestag; Überweisung in die Ausschüsse Beschlussfassung zum Regierungsentwurf in den Ausschüssen des Bundesrates 1. Durchgang im Bundesrat, Beschlussfassung der Stellungnahme des Bundesrats und Weiterleitung an die Bundesregierung / folgend: Gegenäußerung der Bundesregierung Einbringung des Regierungsentwurfs in den Bundestag, zusammen mit der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung öffentliche Expertenanhörung im federführenden Umweltausschuss 1. Beratung des Regierungsentwurfs im Bundestag; Verweisung in die Ausschüsse; nachträgliche Verweisung in den Haushaltsausschuss Beschlussempfehlung der Ausschüsse 2. und 3. Beratung des Regierungsentwurfs, zusammengeführt mit dem Entwurf der Fraktionen, Annahme des Gesetzentwurfs und Gesetzesbeschluss Zuleitung Gesetzesbeschluss an den Bundesrat; Zuweisung in die Ausschüsse Beschlussempfehlungen der Ausschüsse – zumeist: Empfehlung der Anrufung des Vermittlungsausschusses Länderanträge auf Einberufung des Vermittlungsausschusses 2. Durchgang im Bundesrat; Anrufung des Vermittlungsausschusses
2002 29. Januar 01. Februar
25. März 03. April 04. April
Beschlussfassung des Vermittlungsausschusses Ende Vermittlungsverfahren: Beratung im Bundestag: Annahme des Vermittlungsergebnisses Beratung im Bundesrat: Antrag der unionsgeführten Länder auf Einspruch gegen das Vermittlungsergebnis; Ablehnung des Einspruchs durch den Bundesrat Ausfertigung des Gesetzes Verkündigung im Bundesgesetzblatt In-Kraft-Treten des Gesetzes
* Bundesregierung und Regierungsfraktionen brachten identische Entwürfe ein, die getrennt in 1. Lesung behandelt und zur zweiten Lesung im Bundestag zusammengeführt wurden. Quelle: Eigene Darstellung auf der Grundlage der GESTA-Datenbank des Deutschen Bundestags
Am 14. November empfahlen der federführende Umweltausschuss und der Haushaltsausschuss die Annahme des Gesetzentwurfs. Die Annahme erfolgte in zweiter und dritter 69
Lesung im Bundestag am 15. November 2001. Eine breite Mehrheit der Länder erhob im Bundesrat Einspruch gegen den Gesetzbeschluss; der Bundesrat rief entsprechend den Vermittlungsausschuss an. Am 29. Januar 2002 konnte im Vermittlungsausschuss eine Mehrheit für eine positive Beschlussempfehlung eines geänderten Gesetzbeschlusses erzielt werden. Mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen wurde das Vermittlungsergebnis vom Bundestag am 1. Februar 2002 angenommen. Zeitgleich legten die unionsregierten Bundesländer Hessen, Thüringen, Sachsen, Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und das Saarland ihren Einspruch gegen das Vermittlungsergebnis ein. Der Bundesrat verzichtete in seiner Sitzung am 1. Februar 2002 aber darauf, nach Art. 77 Abs. 3 GG einen aufschiebenden Einspruch gegen das Vermittlungsergebnis einzulegen. Nach der Ausfertigung durch Bundesregierung und Bundespräsident wurde das Gesetz am 3. März 2001 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat zum 4. April 2002 in Kraft (BG-Bl. 2002, 22 vom 3. April 2002).
4.3
Verschiebung der Machtverhältnisse auf Länderebene – Implikationen für die Novelle des BNatSchG
Bei fast allen Landtagswahlen in der 14. Legislaturperiode musste vor allem die SPD, mussten aber auch Bündnis 90/Die Grünen zum Teil erhebliche Stimmenverluste verkraften. Insbesondere die CDU, aber zum Teil auch die FDP konnten dagegen erhebliche Stimmenzuwächse verzeichnen, sodass es in vielen Ländern zu einem Regierungswechsel kam. 53 Damit verbanden sich deutliche Konsequenzen für die inhaltliche Ausgestaltung des neuen Bundesnaturschutzrechts: Zu Beginn der Legislaturperiode bestanden förderliche Rahmenbedingungen für eine umfassende Novelle. Sowohl im Bundesrat als auch im Bundesrat hatte die Regierungskoalition auf Bundesebene eine Mehrheit. Lediglich fünf der 16 Länder wurden von der CDU regiert (vgl. Tabelle 4.2). Da in zwei von diesen fünf Ländern (in Berlin und Thüringen) die SPD als Juniorpartner einer großen Koalition an der Regierung beteiligt war, blieben die drei Länder Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen als “reine“ oppositionsgeführte Länder übrig. Drei Länder wurden dagegen von der SPD allein regiert (Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und das Saarland) 54 und vier weitere Länder von SPD und Bündnis 90/Die Grünen regiert (Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein). Da die SPD zudem die großen Koalitionen in Brandenburg und Bremen anführte sowie in Rheinland-Pfalz mit der FDP und in Mecklenburg-Vorpommern mit der PDS regierte, hätte sich die rot-grüne Regierungskoalition auf Bundesebene sicher sein können, dass eine Reform des BNatSchG mit klaren Vorgaben durchaus die Unterstützung einer Mehrheit der Bundesländer finden würde.
53 54
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In den ostdeutschen Bundesländern konnte auch die PDS bei den Landtagswahlen Gewinne erzielen. In Sachsen-Anhalt bestand eine Minderheitenregierung der SPD, die von der PDS toleriert wurde.
Mit der Landtagswahl in Hessen im Februar 1999 setzte dann die Niederlagenserie der Regierungsparteien bei Landtagswahlen ein. Die Niederlage bei der Landtagswahl in Hessen im Frühjahr 1999 bescherte SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht nur den Verlust der Regierungsführung, sondern auch den Verlust der Mehrheit im Bundesrat. Tabelle 4.2: Regierungskoalitionen auf Länderebene im Zeitraum 1998-2004 Bundesland
Landeswahlperiode
Regierungskoalition
BadenWürttemberg Bayern
13. WP (seit 03.2001) 12. WP (03.1996 - 03.2001) 15. WP (seit 09.2003) 14. WP (09.1998 - 09.2003) 15. WP (seit 10.2001) 14. WP (06.2001 - 10.2001) 14. WP (10.1999 - 06.2001) 13. WP (10.1995 - 10.1999) 04. WP (seit 09.2004) 03. WP (09.1999-09.2004) 02. WP (09.1994-09.2004) 16. WP (seit 05.2003) 15. WP (06.1999-05.2003) 18. WP (seit 02.2004) 17. WP (09. 2001 - 02.2004) 16. WP (09. 1997 - 09.2001) 16. WP (seit 02.2003) 15. WP (02.1999 – 02.2003) 14. WP (02.1995-02.1999) 04. WP (seit 09.2002) 03. WP (09.1998 - 09.2002) 15. WP (seit 02.2003) 14. WP (03.1998 - 03.2003) 13. WP (seit 05.2000) 12. WP (05.1995 - 05.00) 14. WP (seit 03.2001) 13. WP (03.1996-03.2001) 13. WP (seit 09.2004) 12. WP (09.1999-09.2004) 11. WP (10.1994-09.1999) 04. WP (seit 09.2004) 03. WP (09.1999-09.2004) 02. WP (09.1994-09.1999) 04. WP (seit 04.2002) 03. WP (04.1998-04.2002)
CDU/FDP CDU/FDP CSU CSU SPD/PDS SPD/Bündnis 90/Die Grünen CDU/ SPD CDU/SPD SPD/CDU SPD/CDU SPD/CDU SPD/CDU SPD/CDU CDU CDU, Schill-Partei und FDP SPD / GAL CDU CDU und FDP SPD und Bündnis 90/Die Grünen SPD und PDS SPD und PDS CDU und FDD SPD SPD und Bündnis 90/Die Grünen SPD und Bündnis 90/Die Grünen SPD und FDP SPD und FDP CDU CDU SPD CDU/SPD CDU CDU CDU/FDP SPD (Minderheitsregierung)
Berlin
Brandenburg
Bremen Hamburg
Hessen
MecklenburgVorpommern Niedersachsen NordrheinWestfalen Rheinland-Pfalz Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt SchleswigHolstein Thüringen
15. WP (02.2000-02.2005) SPD und Bündnis 90/Die Grünen 14. WP (03.1996-02.2000) SPD und Bündnis 90/Die Grünen 04. WP (seit 06.2004) CDU 03. WP (09.1999-06.2004) CDU 02. WP (10.1994-09.1999) CDU/SPD Quelle: eigene Darstellung auf der Grundlage der Daten der Statistischen Landesämter
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Die Niederlagen bei den folgenden Landtagswahlen verschoben die Verhältnisse im Bundesrat weiter zu einer eindeutigen Mehrheit der “rein“ oppositionsgeführten Bundesländer: Zum Ende der 14. Legislaturperiode hatte sich die Anzahl dieser Länder von ursprünglich drei auf neun erhöht: Zusätzlich zu Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen wurden nun auch Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen von der CDU alleine, Hamburg zunächst von einer Koalition aus CDU, FDP und Partei Rechtstaatliche Offensive, dann von der CDU alleine sowie Hessen von einer Koalition aus CDU und FDP regiert (vgl. Tabelle 4.2). Erfolgreich bestehen konnten die Regierungskoalitionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Zudem wurden in Brandenburg, Bremen und Rheinland-Pfalz die Regierungskoalitionen bestätigt. In Berlin kam es dagegen nach dem Bruch der großen Koalition im Sommer 2001 zu Neuwahlen und zu einem SPD/PDS-Senat. Die ungünstige Entwicklung der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat führte nicht nur dazu, dass nur noch die Ausgestaltung als reines Rahmengesetz übrig blieb, wenn das Reformvorhaben nicht an einer Blockade im Bundesrat scheitern sollte. Vielmehr entstand auch ein weiteres Risiko: Eine Ablehnung mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat war nicht mehr sicher auszuschließen, wenn nicht alle SPD-geführten Landesregierungen für die Reform stimmten. Eine solche Ablehnung hätte die Koalition im Bundestag nicht zurückweisen können. Insofern war die Zustimmung der SPD-geführten Länderregierungen essenziell; diese waren entsprechend in einer guten Verhandlungsposition.
4.4
Die Bestimmungen des neuen Bundesnaturschutzrechts
4.4.1 Allgemeine Zielsetzung und rechtspolitischer Rahmen Das neue Gesetz löst das alte BNatSchG vollständig ab. Das neue BNatSchG ist nunmehr ein reines Rahmengesetz, das nur noch in wenigen Fällen unmittelbar geltende Vorgaben trifft, etwa hinsichtlich der Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte und der bundesrechtlichen Anerkennung von Naturschutzverbänden sowie der bundesrechtlichen Verbandsklage. 55 Die Vorgaben sind bis zum 4. April 2005 in Landesrecht umzusetzen (§ 71 BNatSchG n.F.).
55
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Unmittelbare Geltung haben § 6 Abs. 2 (Aufgaben der Bundesbehörden), § 10 Abs. 6 (Bekanntmachung von Schutzgebieten der FFH- und Vogelschutzrichtlinie), § 20 Abs. 3 (Verfahrensregelung der Eingriffsregelung bei Eingriffsvorhaben des Bundes), § 21 (Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zum Baurecht), § 22 Abs. 4 Satz 2 (Erklärung zum Nationalpark), § 33 Abs. 1 Satz 2 und 3 (Benehmensregelung des BMU bei der Auswahl von FFH-Gebieten), § 35 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 (FFH-Verträglichkeitsprüfung bei Linienbestimmungen nach Bundesfernstraßen-, Bundeswasserstraßen- sowie Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz sowie Verhältnis zum Baurecht), § 36 (Stoffliche Belastungen, BImSchG), § 37 Abs. 1 (Verhältnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung zu anderen Rechtsvorschriften), § 38 (Geschützte Meeresflächen in der AWZ und auf dem Festlandssockel), ferner Bestimmungen des Artenschutzrechts (§§ 42-50, § 52 Abs. 1-8, §§ 53 und 55), § 57 Abs. 1 (Bereitstellen von Grundstücken des Bundes) sowie § 58 (Mitwirkungsund Beteiligungsrechte von bundesrechtlich anerkannten Vereinen), § 59 (Anerkennung von Vereinen durch das BMU) und § 61 (Rechtsbehelfe von Vereinen, d.h. die Verbandsklage) sowie die ergänzenden Vorschriften der §§ 62-70, die u.a. Befreiungen, Funktionssicherung, Durchführung gemeinschaftsrechtlicher und inIn-
Die Änderung, Ergänzung oder Streichung einzelner Regelungsabschnitte wäre eine andere Möglichkeit gewesen. Diese Option wurde indes verworfen: Einerseits sollte durch eine Gesamtnovellierung der Unterschied zur Vorgängerregierung verdeutlicht werden, nämlich der politische Wille zu einer grundlegenden Stärkung des Naturschutzes. Andererseits war die Forderung nach einer umfassenden Reform von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in den Legislaturperioden zuvor erhoben worden (Messerschmidt 2001). Die vollständige Ablösung erwies sich allerdings als der schwierigere und hinsichtlich des Gestaltungsspielraums auch nachteiligere Weg. Damit bestand die Notwendigkeit, die Regelungsdichte des BNatSchG zurücknehmen zu müssen, um dem Bestimmungen von Art. 75 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 Rechnung zu tragen (vgl. Kap. 3.1). Die Autoren des Gesetzentwurfs befanden sich damit in dem Dilemma, mehr regeln zu sollen als eigentlich regeln zu können: Eine vollständige Ablösung bot die Möglichkeit einer öffentlichkeitswirksamen Neugestaltung. Gleichzeitig reduzierte sie aber den legislativen Spielraum für die Detailausgestaltung: Gingen einzelne Neubestimmungen in ihrer Regelungstiefe zu weit, ging man das Risiko verfassungsrechtlicher Klagen von Seiten einzelner Länder ein. Eine zu geringe Regelungstiefe beinhaltete dagegen die Gefahr, das Tor für Abweichungen auf Landesebene weit zu öffnen und keine konkreten Reformimpulse setzen zu können. Tabelle 4.3: Überblick über das neue Bundesnaturschutzgesetz (Art. 1 BNatSchG) Regelungsabschnitt
Inhalt
Abschnitt 1 – allgemeine Vorschriften §§ 1-11
- Allgemeine Vorschriften, u.a. Ziele und Grundsätze (§§ 1-2), Biotopverbund (§ 3), Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis (§ 5), vertragliche Vereinbarungen (§ 8), Legaldefinitionen (§10) und Übersicht über die unmittelbaren und rahmenrechtlichen Vorschriften (§ 11) Abschnitt 2 – - Umweltbeobachtung (§ 12) Planerische Grundlagen §§ 12-17 - Landschaftsplanung (§ 13-17) Abschnitt 3 – Allgemeiner Schutz - Eingriffsregelung (§ 18-21) - Erklärung zum Schutzgebiet und Schutzgebietskategorien (§§ 22-31) Abschnitt 4 – Schutz, Pflege und Entwicklung bestimmter Teile von - FFH-Schutzgebiete – Aufbau von “Natura 2000“ (§§ 32-37) - Geschützte Meeresflächen in AWZ und auf dem Festlandsockel (§ 38) Natur und Landschaft §§ 31-38 - Materiell-rechtliche Vorgaben des Artenschutzes (§§ 39-43) Abschnitt 5 - Schutz und Pflege wildlebender Tier- und Pflanzen- - Verfahrensfragen und andere förmliche Verfahren (§§ 44-59) arten §§ 39-59 Abschnitt 6 – Erholung §§ 56-57 - Vorschriften zur Erholung in der Natur und Landschaft (§§ 56-57) Abschnitt 7 – Mitwirkung - Anerkennung und Mitwirkung von Vereinen (§§ 58-60) von Vereinen §§ 58-61 - Klagebehelfe von Vereinen (§ 61) Abschnitt 8 – Ergänzende - Befreiungen und Funktionssicherung (§§62-63) Vorschriften §§ 62-64 - Umsetzung internationaler Vorgaben (§64) Abschnitt 9 – Bußgeld und Straf- - Bußgeld und Strafvorschriften (§§ 65-68) vorschriften (§§ 65-68) Abschnitt 10 – Übergangsbestim- - Übergangsbestimmungen und Fortgelten bisherigen Rechts (§§ 69-70) mungen §§ 69-71 - Anpassung des Landesrecht (§ 71) Quelle: BG-Blatt 2002 Nr. 22, S. 1193-1194 ternationaler Vorschriften, den Katalog an Bußgeld- und Strafgeldvorschriften sowie die Übergangsbestimmungen regeln.
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Der Spagat, alle Regelungen von der Zustimmungspflicht des Bundesrates freizuhalten und dennoch so viele Vorschriften wie möglich detailliert zu fassen, ist allgegenwärtig im BNatSchG. Der Katalog der unmittelbar geltenden Vorschriften ist umfangreich gekürzt worden (vgl. Fußnote 55). Allerdings ist es fraglich, ob alle Vorschriften, die als Rahmenvorschriften deklariert sind, auch tatsächlich Rahmenvorschriften sind (Gellermann 2002, Kap. 4.4.2 ff.). An den Grundlagen des Bundesnaturschutzrechts ist wenig geändert worden: das Instrumentarium ist in weiten Teilen nicht grundlegend geändert worden; auch die Systematik des Gesetzes ist weitgehend erhalten geblieben (Messerschmidt 2001). Insgesamt besteht das Gesetz aus 5 Artikeln, von denen Art. 1 das allgemeine Bundesnaturschutzrecht (vgl. Tabelle 4.3), Art. 2 die Änderung der Seeanlagenverordnung, Art. 3 die Änderung weiterer Rechtsvorschriften, Art. 4 die Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang und Art. 5 das Inkrafttreten und Außerkrafttreten der neuen Bestimmungen regeln. 56 4.4.2
Allgemeine Vorschriften
4.4.2.1 Ziele und Grundsätze (§§ 1 und 2 BNatSchG n.F.) Quantitative Zielformulierungen sind bis auf die Vorgabe zum Biotopverbund (siehe Kap. 4.4.2.2) im neuen BNatSchG nicht enthalten. § 1 BNatSchG ist an den Staatszielartikel zum Umweltschutz (Art. 20a GG) angepasst worden: Natur und Landschaft sind künftig auch in Verantwortung für künftige Generationen zu schützen. Ebenfalls neu eingefügt worden ist die Bestimmung, dass der Schutz von Natur auch um des Eigenwertes der Natur willen zu erfolgen hat. Damit löst sich das Bundesnaturschutzrecht von seiner anthropozentrischen Ausrichtung (Schutz als Lebensgrundlage des Menschen) und integriert biozentrische Aspekte. Diese Änderung ist im Zusammenhang mit der Einführung der bundesweiten Verbandsklage zu sehen: Naturschutzinteressen sollen so klagefähig vor Gericht werden ohne dass eine Verletzung subjektiver Eigentumsrechte vorliegen muss (Marzik und Weihrich 2003). Die Handlungstrias des alten Bundesnaturschutzrechts (Schutz – Pflege – Entwicklung) hat eine Ergänzung insoweit erfahren, als Natur und Landschaft künftig auch - soweit erforderlich - wiederherzustellen sind. Damit ist nicht mehr nur die Sicherung bestehender Naturund Landschaftsteile Aufgabe des Naturschutzes, sondern auch ihre Verbesserung. Die Einzelziele des § 1 Nr. 1-3 BNatSchG sind teilweise modifiziert bzw. ergänzt worden: So ist neben der Leistungsfähigkeit nunmehr auch die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und die nachhaltige Nutzungsfähigkeit der Naturgüter zu sichern. In § 1 Nr. 4 ist der Erholungswert von Natur und Landschaft als Ziel des Naturschutzes aufgenommen worden. Bislang war dies
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Durch die Änderung der Seeanlagenverordnung wird der Geltungsbereich des Naturschutzrechts über die 12Meilen-Zone des unmittelbaren Hoheitsgebiets auf die 200-Meilen-Zone der Ausschließlichen Wirtschaftszone erstreckt. Durch das neue Gesetz werden die folgenden weiteren Rechtsvorschriften geändert: Klärschlammverordnung, Bundesberggesetz, Atomrechtliche Verfahrensordnung, Pflanzenschutzgesetz, Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung, Gesetz zum Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee, Bundesartenschutzverordnung und Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung.
kein eigenständiges Ziel. Mit der Neuregelung sollen die Dauerkonflikte zwischen Naturschützern und Natursportlern entschärft werden. Auch wurde in diesem Sinne die Vorgabe getroffen, dass ein frühzeitiger Informationsaustausch mit Betroffenen zu gewährleisten ist, um einen Ausgleich von Naturschutz- und Nutzerinteressen zu initiieren. Die Zielbestimmungen sind nunmehr genauer formuliert. Ob die – insgesamt eher gesetzeskosmetischen - Änderungen in der Praxis allerdings zu weit reichenden Änderungen führen werden, ist bezweifelt worden (siehe Erbguth und Stollmann 2002). Größere Auswirkungen sind eher von der Aufgabe der unmittelbaren Geltung der Zielvorgaben zu erwarten (§ 11 BNatSchG): In der Begründung zum Gesetz wird diese Rückführung auf eine Rahmenvorschrift damit gerechtfertigt, dass die Ziele keine selbstständigen normativen Regelungen darstellen, sondern nur die Auslegung und Anwendung anderer Vorschriften steuern. Genau diese Funktion ist durch die Aufgabe der unmittelbaren Geltung aber unnötig geschwächt worden (Messerschmidt 2001, SRU 2001). 57 Schließlich ist die von naturschutzfachlicher Seite angefochtene Abwägungsklausel des § 1 Abs. 2 BNatSchG a.F. (vgl. Kap. 3.1.1) gestrichen worden. Sie ist allerdings als Einleitungssatz bei der Regelung der Grundsätze (§ 2 Abs. 1) wieder eingefügt worden, um den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) niedergelegten Grundsätzen Genüge zu leisten. Nach wie vor – und berechtigterweise - sind die Ziele und Grundsätze gegen die sonstigen Anforderungen an die Nutzung von Natur und Landschaft abzuwägen. Die Änderung ist somit von geringer praktischer Bedeutung (vgl. Erbguth und Stollmann 2002). Die Grundsätze wurden neu geordnet und ergänzt (vgl. Tab. 10.1 im Anhang). Hervorzuheben sind die folgenden Neuregelungen: § 2 Abs. 1 Nr. 6 statuiert eine generelle Verträglichkeit der Ziele des Naturschutzes mit dem Ziel des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Ob diese – energiepolitisch sinnvolle – Feststellung in einem Naturschutzgesetz notwendig oder kontraproduktiv ist, ist angesichts möglicher Zielkonflikte fraglich, kann aber ex-ante nicht beantwortet werden. Weiterhin wird die natur- und landschaftsverträgliche sportliche Betätigung in § 2 Abs. 1 Nr. 13 als Erholung bezeichnet, für deren Zwecke vor allem im siedlungsnahen Bereich ausreichend Flächen bereit zu stellen sind. Die Bundesregierung begründet diese Stärkung der Belange des Sports mit der Notwendigkeit des Interessenausgleichs zwischen Naturschutz und Sport. Kritisch ist eingewendet worden, dass nun in einem Naturschutzgesetz die Ziele des Naturschutzes gegenüber spezifischen Nutzerinteressen zurückgestellt werden (SRU 2001). Hervorzuheben ist ferner die Stärkung des Beitrags des Naturschutzes zum Hochwasserschutz: Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 sind natürliche Rückhalteflächen zu erhalten, zu schützen und wiederherzustellen. Auch die Vorgaben von § 2 Abs. 1 Nr. 11 und 57
So kritisiert Messerschmidt, dass die Aufgabe der unmittelbaren Geltung keine Sachnotwendigkeit aufgrund der Vorgaben des Art. 80 Abs. 2 GG sei, da dieser keine rückwirkende Änderung von Rahmenvorschriften einfordere. Die Neuregelung stelle eine “verfassungsmäßige Bescheidenheit des Bundesgesetzgebers am falschen Platz“ dar (Messerschmidt 2001).
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12, die eine Renaturierung und Entsiegelung sowie Minderung des Landschaftsverbrauchs fordern, zielen auf eine Stärkung des Hochwasserschutzes ab. 4.4.2.2 Biotopverbund (§ 3 BNatSchG n.F.) Mit dem neu eingeführten § 3 ist der Gesetzgeber der Forderung nach der Einführung eines Biotopverbunds nachgekommen (vgl. bereits SRU 1988, für einen Überblick: Jedicke 1994). Die Länder sollen länderübergreifend ein Netz verbundener Biotope schaffen, das mindestens 10 Prozent der Landesfläche umfasst (§ 3 Abs. 1). Die Vorgabe ist eine Soll-Vorgabe für die Länder – eine Zuständigkeit des Bundes für die Errichtung des Verbundsystems lässt sich aus der Regelung nicht ableiten. 58 Ziel des Biotopverbunds ist die nachhaltige Sicherung und der Erhalt der heimischen Tier- und Pflanzenarten, ihrer Populationen, Lebensräume und Lebensgemeinschaften sowie weiterhin die Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionstüchtiger ökologischer Wechselwirkungen (§ 3 Abs. 2). Der Biotopverbund besteht aus Kern- und Verbindungsflächen sowie Verbindungselementen, zu denen Nationalparke, Einzelbiotope nach § 30 BNatSchG, Naturschutzgebiete, FFH-Schutzgebiete, Biosphärenreservate oder Teile dieser Gebiete sowie weitere Flächen und Elemente einschließlich von Teilen von Landschaftsschutzgebieten und Naturparken zählen, wenn diese zur Erreichung der Ziele des Biotopverbunds geeignet sind (§ 3 Abs. 3). Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass die Länder minderwertige Teile von Landschaftsschutzgebieten zu Teilen des Biotopverbunds erklären. Alle Flächen und Verbindungselemente sind dauerhaft rechtlich zu sichern, wobei dies sowohl über die Ausweisung als Schutzgebiet als auch über planungsrechtliche Festlegungen, Vertragsnaturschutzmaßnahmen oder andere geeignete rechtliche Regelungen erfolgen kann (§ 3 Abs. 4). Das BNatSchG definiert die Verwirklichung des Biotopverbunds als eine Querschnittsaufgabe, die sich zusätzlich zu den Naturschutzbehörden auch an alle Behörden richtet, die mit Fragen der Raumleitplanung und Bauleitplanung befasst sind. Da sich die Vorgabe für die Mindestfläche von 10 Prozent auf das gesamte Netz bezieht, bleibt sie hinter fortschrittlicheren Regelungen auf Landesebene wie etwa im Naturschutzgesetz SchleswigHolsteins zurück: Dieses normiert 15 Prozent der Landesfläche als Vorrangfläche für den Naturschutz (vgl. Gellermann 2002). 59 Weitere Einschränkungen sind, dass auch Teile von Landschaftsschutzgebieten zu Kernflächen erklärt werden können, die nicht den Anforderungen eines großflächigen Biotopverbundsystems entsprechen müssen, oder auch Flächen in vertraglicher Nutzung, auf denen 58
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Louis, ein namhafter Kommentator des BNatSchG, hat diese Regelung als „gesetzestechnischen Unfug“ bezeichnet: Nunmehr haben sich die Länder gleichsam rechtlich selbst zu verpflichten. Besser wäre es gewesen, diese Vorschrift als unmittelbar geltende Vorschrift zu fassen (Louis, zitiert in: Köck 2005). Dies wäre nach Meinung von Köck auch unter dem neuen Art. 75 Art. 2 GG) möglich gewesen, weil es sich um eine Grundsatznorm handelt, die nicht selbst vollziehbar ist, sondern eine Auslegung anleitet, unter Abwägungsvorbehalt der Länder steht und somit den Bürger nicht unmittelbar bindet (Köck 2005). Andere Naturschutzgesetze der Länder regeln die Einrichtung eines Landesbiotopverbunds nur qualitativ, so § 1b HENatG a.F. (Hessen) oder § 3 IV LPflG RP a.F. (Rheinland-Pfalz).
auch neue, eventuell schädigende Nutzungen zugelassen werden können. Eine rechtliche Sicherung des Verbundssystems als ganzes ist nicht erforderlich - vielmehr reicht es aus, dass die Bestandteile eine rechtliche Sicherung “in ihrer Summe“ erfahren. Dies kann auch durch „weiche“ Maßnahmen wie Vertragsnaturschutz oder Planungsrecht erfolgen, wodurch sich die Notwendigkeit neuer Gebietsausweisungen reduziert. Auch eine Befristung der Fertigstellung oder eine Qualitätskontrolle ist nicht normiert (Weihrich 2001).60 Allerdings relativieren einige Vorschriften die Befürchtung, der künftige Biotopverbund werde nur aus qualitativ unzureichenden Flächenteilen zusammengefügt werden (Gellermann 2002). So trägt die Vorgabe des Erhalts einer regionalen Mindestdichte von linearen und punktförmigen Landschaftselementen dazu bei, die notwendigen Trittsteinbiotope und andere Vernetzungselemente zu schaffen (§ 5 Abs. 2, vgl. Kap. 4.4.2.3). Gleichfalls ist bei den Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis die Vorgabe normiert worden, das die zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen Landschaftselemente zu erhalten und zu vermehren sind (§ 5 Abs. 4, vgl. Kap. 4.4.2.3). Zudem ist die Darstellung naturschutzfachlicher Erfordernisse und von Maßnahmen auf Flächen, die für das Biotopverbundsystem geeignet sind, Mindestbestandteil der Landschaftsplanung (§ 14 Abs. 1 Nr. 4). Schließlich wird ein Zusammenhang zwischen dem Schutz der Gebiete des Netzes „Natura-2000“ der FFH-Richtlinie und den Gebieten des Biotopverbundsystems statuiert (§ 2 Abs. 3 i.V.m. § 3). 4.4.2.3
Neuregelung der Bestimmungen zur Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft (§ 5 BNatSchG n.F.) Die Neuregelungen in den Bestimmungen zur Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft umfassen:
die Neufassung der Ausgleichsregelung die Vorgabe einer Mindestdichte von Saum- und Trittstrukturen für die Vernetzung die Vorgabe von naturschutzfachlichen Standards für die Gute Fachliche Praxis.
§ 5 Abs. 1 führt die vormalige Landwirtschaftsklausel (vormals § 2 Abs. 3 BNatSchG a.F.) nahezu unverändert, aber an anderer Stelle, d.h. nicht bei den Grundsätzen, fort: Eine natur- und umweltverträgliche Landwirtschaft hat demnach eine besondere Bedeutung für die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft. Damit kann die landwirtschaftliche Nutzung in Abwägungsprozessen nun auch als nachrangig gegenüber Naturschutzbelangen eingestuft werden (Marzik und Weihrich 2004). Die bisherige Ausgleichsregelung (vormals § 3b BNatSchG a.F.) wird in eine Rahmenregelung umgewandelt, der zufolge die Länder eigene Nutzungsausfallregelungen erlassen (§ 5 Abs. 2).
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So geht die Bundesregierung davon aus, dass durch die bereits geschützten bzw. für die Schaffung von Natura-2000 gemeldeten Gebiete bereits ca. 8 Prozent der Landesfläche für den Biotopverbund geeignet sind und im Bundesdurchschnitt daher nur noch ca. 2 Prozent der Landesfläche für den Biotopverbund rechtlich zu sichern sind (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Bundesratsdrucksache 411/01).
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Darüber hinaus werden die Länder verpflichtet, eine regionale Mindestdichte von linearen und punktförmigen Landschaftselementen festzusetzen und geeignete Maßnahmen wie planungsrechtliche Vorgaben oder Förderprogramme zu ergreifen, um eine solche Mindestdichte zu schaffen, falls sie unterschritten werden sollte (§ 5 Abs. 3). Lineare und punktförmige Landschaftselemente wie etwa Hecken oder Feldgehölze, d.h. Saum- und Trittstrukturen, sind eine wichtige Vorausbedingung für die Vernetzung von Biotopen. Die Vorgabe gewährleistet ihren Bestandschutz als Voraussetzung für die Verwirklichung des bundesweiten Biotopverbunds (vgl. Kap. 4.3.3.2, von Haaren 2003). Zusätzlich zum land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Fachrecht waren Grundsätze für die Gute Fachliche Praxis bislang lediglich noch im Bundesbodenschutzgesetz und im Bundeswaldgesetz, eingeschränkt auch noch im Wasserhaushalts- und im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz normiert. Das Regelwerk der Guten Fachlichen Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft wird nun um die naturschutzfachlichen Betreiberpflichten des § 5 Abs. 4 erweitert. Diese gelten bundesweit, erlangen als rahmenrechtliche Vorgaben aber erst durch die Umsetzung Geltung. Sie beschränken sich auf Grundsätze von länderübergreifender Bedeutung, die eine bundesweite Regelung zum Zweck der Herstellung eines naturschutzfachlichen Mindestmaßes erfordern. Darüber hinaus bleibt es den Ländern belassen, weitere Regelungen festzuschreiben. Die Grundsätze schreiben vor, dass (§ 5 Abs. 4):
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die Bewirtschaftung standortangepasst zu erfolgen hat und die langfristige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und langfristige Nutzbarkeit der Flächen zu berücksichtigen ist, Biotope, soweit vermeidbar, nicht zu beeinträchtigen sind, zur Vernetzung von Biotopen erforderliche Landschaftselemente zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren sind, die Tierhaltung in einem ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenanbau zu stehen hat und schädliche Umweltauswirkungen zu vermeiden sind, ein Grünlandumbruch auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohen Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten zu unterlassen ist, die natürliche Ausstattung der Nutzfläche nicht stärker beeinträchtigt werden darf, als dies für die Erzielung eines nachhaltigen Ertrags notwendig ist und dass über den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln eine schlagspezifische Dokumentation nach Maßgabe des landwirtschaftlichen Fachrechts zu führen ist. 61
Diese Regelung ist an sich überflüssig, da sie nur bestätigt, was durch landwirtschaftliches Fachrecht schon gefordert wird. Die ursprüngliche Regelungsabsicht einer stringenteren Nachweispflicht war von Anfang an umstritten. Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss erbrachten diese Kompromissregelung, die allen Beteiligten half, das Gesicht zu wahren. Inhaltlich ist sie aber redundant (siehe Kap. 4.5, Gellermann 2002).
Ob die – aufgrund der rahmenrechtlichen Vorgaben - relativ allgemein gehaltenen Vorschriften tatsächlich zu umweltverträglicheren Bewirtschaftungsformen führen werden, ist maßgeblich von der weiteren Ausgestaltung im Landesrecht und der praktischen Überwachung der Behörden abhängig. Die Möglichkeit einer Sanktionierung von Fehlverhalten wird durch das BNatSchG nicht normiert. Ob es angesichts der Arbeitsüberlastung der Naturschutzbehörden zu einer stringenten Überwachung kommen kann und ob die Länder zu einer einheitlichen Auslegung der Vorgaben gelangen, wird von vielen Kommentatoren bezweifelt. Angesichts der Komplexität der regionalen Unterschiede werden eher eine disparate Rechtsentwicklung und Vollzugsdefizite prognostiziert. Allerdings sind den Ländern teilweise auch die Hände gebunden, da eine Präzisierung der Vorschriften partiell auch Änderungen im landwirtschaftlichen Fachrecht erfordert, welches in die Regelungskompetenz der EU und des Bundes und nicht in die Kompetenz der Länder fällt (vgl. Rehbinder 2004). Zusätzlich werden Vorgaben für die forst- und fischereiwirtschaftliche Bewirtschaftung getroffen (§ 5 Abs. 5 und 6): Danach hat die Forstwirtschaft das Ziel zu verfolgen, naturnahe Wälder aufzubauen und ohne Kahlschlag zu bewirtschaften sowie einen hinreichenden Anteil standortheimischer Forstpflanzen zu erhalten. Die fischereiwirtschaftliche Nutzung hat oberirdische Gewässer einschließlich ihrer Uferzonen als Lebensstätten und Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und zu fördern. Nicht-heimische Tierarten dürfen nicht in die Gewässer eingebracht werden, um Verdrängungseffekte zu unterbinden. In der Fischzucht und Teichwirtschaft dürfen heimische Arten nicht stärker beeinträchtigt werden, als dies für die Erzielung eines nachhaltigen Ertrags notwendig ist. 4.4.2.4 Weitere allgemeine Vorschriften (§ 4, 7, 8 BNatSchG n.F.) Zusätzlich zu den oben dargestellten Vorschriften sind weitere allgemeine Vorschriften normiert worden, die der Vollständigkeit halber darzustellen sind: § 4 normiert eine allgemeine Naturschutzpflicht, nach der sich jeder/jede entsprechend der Ziele und Grundsätze des BNatSchG zu verhalten hat (Gebot) und nach der unvermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen sind (Verbot). Unmittelbare Rechtsfolgen entstehen dadurch nicht - die Vorgabe hat rein appellativen Charakter. § 7 verpflichtet die Behörden des Bundes, bei der Bewirtschaftung von Grundflächen im Besitz des Bundes die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes in besonderer Weise zu berücksichtigen. Dadurch werden Zweckbestimmungen öffentlicher Flächen (z.B. Verteidigung) nicht tangiert. Die Vorgabe ist nicht verpflichtend und die Berücksichtigungspflicht unterliegt dem Abwägungsgebot. 62 § 8 regelt schließlich den – politisch sensiblen – Bereich des Vertragsnaturschutzes. Die Vorgabe einer Prüfpflicht zu Gunsten des Vertragsnaturschutzes, die mit der dritten Teilno62
Angesicht der Tatsache, dass der Bund über viele naturschutzfachliche Flächen verfügt, ist eine solche Verhaltenspraxis von großer praktischer Bedeutung. Das beste Beispiel hierfür sind die Grundstücke des Bundes im “Grünen Band“, dem ehemaligen Mauerstreifen der DDR. Angesichts der hohen naturschutzfachlichen Bedeutung ist vielfach der Ruf nach einer aktiveren Rolle des Bundes bei dessen Schutz laut geworden.
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velle des BNatSchG im Jahr 1998 durch die konservativ-liberale Bundesregierung eingeführt worden ist, ist mit § 8 Satz 1 fortgeführt worden: Danach haben die Behörden zu prüfen, ob der Zweck der Regelung auch durch eine vertragliche Vereinbarung erreicht werden kann. Allerdings ist mit § 8 Satz 2 eine neue Zusatzbestimmung aufgenommen worden: die sonstigen Befugnisse der Naturschutzbehörden bleiben von der Prüfung unberührt. Die Prüfung ist also nicht verpflichtend; der vormalige Vorrang des Vertragsnaturschutzes ist aufgehoben worden. Vielmehr liegt die Wahl der Mittel nun im Ermessen der Naturschutzbehörde. Angesichts der spezifischen Stärken (kooperatives Vorgehen, Allianzbildung, Flexibilität) von vertraglichen Schutzlösungen, aber auch ihrer Schwächen (zeitliche Begrenzung, keine Wirkung gegenüber Dritten, keine Adressierung unterschiedlicher Nutzergruppen) ist eine solche Ermessensbetätigung der Naturschutzbehörden im Einzelfall sinnvoll. 4.4.3
Planerische Grundlagen
4.4.3.1 Umweltbeobachtung (§ 12 BNatSchG) Erstmalig wird die ökologische Umweltbeobachtung als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten in das Bundesrecht eingeführt (§ 12 Abs. 1). Die Umweltbeobachtung soll den Zustand des Naturhaushalts und seine Veränderungen, deren Folgen einschließlich der Wirkung gentechnisch veränderter Organismen und die Wirkungen von Umweltschutzmaßnahmen dokumentieren. Mit der Umweltbeobachtung sollen ökologisch ungünstige Entwicklungen frühzeitig identifiziert, aber auch die Bedingungen für eine Erfolgskontrolle geschaffen werden (§ 12 Abs. 2). Bund und Länder werden auf die Aufgabe der Umweltbeobachtung verpflichtet (§ 12 Abs. 3); allerdings werden keine weiterführenden Angaben getroffen außer der Feststellung, dass sich Bund und Länder gegenseitig unterstützen, u.a. bei der Datenerhebung und beim Informationsaustausch. Die Länder können weitere Vorschriften erlassen (§ 12 Abs. 3 und 5). Auf Länderebene war eine gesetzliche Pflicht zur Umweltbeobachtung bisher nur in Mecklenburg-Vorpommern (§ 9 NatSchG M-V) umfassender geregelt gewesen. Der Vorteil der Neuregelung ist, dass Bund und Länder überhaupt auf die Einführung der Umweltbeobachtung verpflichtet werden. Der Nachteil der Neuregelung ist, dass sie keine klaren inhaltlichen und prozeduralen Vorgaben trifft: Aufgrund der Unbestimmtheit des Gesetzestextes haben Erbguth und Stollmann die Neuregelung als “Gesetzeslyrik“ bezeichnet (Erbguth und Stollmann 2002: 521). Ob sich der Stillstand beim Aufbau einer einheitlichen Umweltbeobachtung mit dieser Neuregelung beenden lässt, ist mehr als fraglich: Der Stillstand begründet sich durch den Streit über die Verfügbarkeit der Daten, durch die Furcht der Länder, öffentlich für Fehlverhalten gerügt werden zu können, sowie durch den Streit über die Finanzierung der Datenerhebungen. Diese Aspekte werden durch die Neuregelung nicht tangiert (vgl. SRU 2004a: Tz.176).
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4.4.3.2 Landschaftsplanung (§§ 13-17 BNatSchG) Die Landschaftsplanung ist als Fachplanung und als Querschnittsplanung des Naturschutzes erweitert und gestärkt worden (Gellermann 2002). Für alle Stufen der Landschaftsplanung wird ein Katalog von, allerdings nur mittelbar geltenden, Mindestinhalten festgelegt, der auf jeder Planungsebene ungeachtet dortiger Planungsmaßstäbe zu berücksichtigen ist. Damit wird das Gewicht der Landschaftsplanung als Fachplanung des Naturschutzes gegenüber anderen sektoralen Planungen sowie gegenüber der räumlichen Gesamtplanung gestärkt. Die Neuregelung dient auch der sachlichen Vereinheitlichung der Landschaftsplanung in den Ländern und einer effektiven Verzahnung der verschiedenen Ebenen und Instrumente (§ 14 Abs. 1 Nr. 1-4). 63 Wichtige Neuregelungen sind, dass die Landschaftsplanung nunmehr flächendeckend auf allen Ebenen vorzunehmen ist und regelmäßig bei gravierenden Änderungen fortzuschreiben ist. 64 Der Vorbehalt, dass ein besonderes Bedürfnis für die Fortschreibung vorliegen muss, ist entfallen. Mit dieser Regelung wurde einer langjährigen Forderung von naturschutzfachlicher Seite nachgekommen (LANA 2003, von Haaren 2003). Der Aufgabenkatalog des Instruments ist zudem erweitert worden: Als sektorale Fachplanung konkretisiert die Landschaftsplanung nun die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege; als „Querschnittsplanung“ liefert sie ökologische Beiträge für die Fachplanungen und liefert auch die Bewertungsmaßstäbe für die Umweltverträglichkeitsprüfung und die FFH-Verträglichkeitsprüfung von Plänen. Auf der Ebene der Landschaftsrahmenplanung ist die Sekundärintegration in die Raumordnungspläne vorgeschrieben – die Ergebnisse der Landschaftsplanung sind zu berücksichtigen. Weiterhin ist die Landschaftsplanung das maßgebliche Instrument für die Identifikation geeigneter Gebiete für die Verwirklichung des Biotopverbunds und des NATURA-2000 Verbundsystems. Die Ergebnisse der Landschaftsplanung sind darüber hinaus von Relevanz für die Erstellung der Bewirtschaftungspläne der FFH-Gebiete (Begründung des Gesetzentwurfs, Bundesratsdrucksache 411/01: 51). Das Profil der Landschaftsplanung ist somit geschärft worden, weitgehend in Übereinstimmung mit den Vorgaben des naturschutzfachlichen Diskurses (vgl. SRU 2004a: Tz. 193, von Haaren 2003). Insbesondere die erstmalige, wenngleich auch rahmenrechtliche, Pflicht zur flächendeckenden Aufstellung und die Pflicht zur Sekundärintegration auf der Ebene der Landschaftsrahmenplanung lassen die Bedeutung der Landschaftsplanung in der übergreifen-
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Danach sollen Landschaftspläne den vorhandenen und den zu erwartenden Zustand von Natur und Landschaft darstellen und die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege konkretisieren. Die Beurteilung erfolgt nach Maßgabe der Zielvorstellungen, wobei Konflikte zu benennen sind. Weiterhin sollen sie die Erfordernisse und Maßnahmen benennen, die notwendig sind, um eine Verminderung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft und einen besseren Schutz der biologischen Vielfalt zu erreichen, und die Erfordernisse und Maßnahmen benennen, die erforderlich sind, um Flächen zu erhalten, die für die Verwirklichung des Biotopverbunds und von Natura 2000 geeignet sind und darüber hinaus zum Schutz und zur Regeneration von Böden, Gewässer, Luft und Klima beitragen sowie die Eigenart, Vielfalt und Schönheit der Landschaft als Erlebnis- und Erholungsraum schützen (§ 14 Abs. 1). Die flächendeckende örtliche Landschaftsplanung bezieht den bauplanungsrechtlichen Innenbereich ausdrücklich mit ein (siehe Erbguth und Stollmann 2002).
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den Regionalplanung steigen und stärken die Stellung gegenüber konkurrierenden Fachplanungen. Allerdings wird den Ländern mit § 16 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG zugestanden, von einem Landschaftsplan abzusehen, wenn die Nutzung den Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes entspricht und wenn diese planungsrechtlich abgesichert ist. Ob damit die Umsetzbarkeit erhöht wird oder ob sich ein Einfallstor für die Aufweichung öffnet, kann erst beurteilt werden, wenn klar ist, wie die Länder die Ausnahmekriterien handhaben. 4.4.4
Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft
4.4.4.1 Eingriffsregelung: Eingriffe (§ 18) Der Kritik an der zu engen Definition des Eingrifftatbestands, die medialen Wechselwirkungen nicht Rechnung trägt (vgl. Kap. 3.1.3), ist mit einer Erweiterung begegnet worden (§ 18 Abs. 1): Zusätzlich zu Veränderungen der Grundfläche (etwa durch Versiegelung oder Bebauung, nicht aber durch Nutzungsintensivierung) gelten nunmehr Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels als Eingriff, wenn sie zu erheblichen Beeinträchtigungen der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds führen. 65 Die vormalige Bestimmung einer “erheblichen oder nachhaltigen“ Beeinträchtigung als Begriffsbestimmung eines Eingriffs (§ 8 Abs. 1 BNatSchG a.F.) ist damit aufgehoben worden. Die praktischen Auswirkungen werden indes als gering eingestuft, da die Prüfung der Erheblichkeit regelmäßig auch die Nachhaltigkeit von Beeinträchtigungen zu berücksichtigen hat (vgl. Erbguth und Stollmann 2002). Die alte Landwirtschaftsklausel (vormals § 8 BNatSchG a.F.) wird in § 18 Abs. 2 weitergeführt, wobei eingeschränkt wird, dass eine Landwirtschaft entsprechend der Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis in der Regel nicht den Zielen und Grundsätzen des BNatSchG widerspricht und damit keinen Eingriff darstellt. Diese Annahme ist als konzeptionell richtig, inhaltlich aber als unzureichend zu bewerten, da § 5 Abs. 4 BNatSchG nicht hinreichend differenziert genug ist und der enge Eingriffsbegriff auch nicht alle Umweltbelastungen der Landwirtschaft abdeckt (Rehbinder 2004, SRU 2001). Neu aufgenommen worden ist die Pflicht, die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen rechtlich zu sichern (§ 18 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG). Die Länder sind ferner zum Erlass näherer Vorschriften ermächtigt, insbesondere zur Bestimmung einer Liste von Eingriffen, die im Regelfall nicht als Eingriff anzusehen oder regelmäßig als Eingriff anzusehen und dann automatisch einem Prüfverfahren zu unterziehen sind, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
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Die Naturschutzverbände hatten gefordert, dass sich der Eingriffstatbestand auf Veränderungen des Grundwassers allgemein beziehen sollte. Die Erweiterung des Eingrifftatbestands kann allerdings auch schon weit reichende Auswirkungen haben: So ist künftig bereits z.B. die Absenkung des Grundwasserspiegels aufgrund der Erhöhung der Förderleistung von Pumpanlagen ein auszugleichender Eingriff (Gellermann 2002).
4.4.4.2 Eingriffsregelung: Verursacherpflichten und Verfahren (§§ 19-20) Die Vollzugsprobleme der Eingriffsregelung veranlassten die Bundesregierung zu einer grundlegenden Revision des Folgenbewältigungsprogramms, von der sie sich eine höhere Vollzugsfreundlichkeit verspricht (§ 19 Abs. 1-4). 66 Bislang galt die Entscheidungskaskade: Vermeidung – Ausgleich – Ersatz (vgl. Kap. 3.1.2). Nach wie vor gilt noch das Gebot, vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen. Dann aber werden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einheitlich vor der Abwägung geprüft, wobei Beeinträchtigungen vorrangig auszugleichen sind, aber auch “in sonstiger Weise“ kompensiert werden können. Im Vergleich zur alten Regelung ist ein Eingriff nunmehr erst untersagungsfähig, wenn ein Ausgleich oder eine sonstige Kompensation nicht möglich sind und die Belange des Naturschutzes gegenüber den Belangen des Eingriffsvorhabens vorangehen (§ 19 Abs. 3). 67 Diese Neuregelung ist kritisch diskutiert worden (siehe SRU 2001, vgl. Rehbinder 2004, Ekardt 2004). Kritisiert wird, dass die Neuregelung die Untersagung von Eingriffen unnötig erschwert. Denn eine Abwägung des Nutzen und des Schadens eines Vorhabens ist nicht mehr notwendig, wenn sich die Beeinträchtigung “in sonstiger Weise“ kompensieren lässt. Diese Kompensationsleistung ist an relativ leicht zu erfüllende Bedingungen geknüpft (gleichwertiger Ersatz der gestörten Funktion, landschaftsgerechte Neugestaltung des Landschaftsrechts). Damit können Vorhaben realisiert werden, so die Befürchtung, die nach der alten Regelung in der Abwägung gescheitert wären. Anreize, sich ernsthaft um einen funktionalen Ausgleich bemühen zu müssen, entfallen weitgehend, da billigere Ersatzmaßnahmen gewählt werden können. Kritisiert wird zudem, dass die Zusammenlegung von Ausgleich und Ersatz nicht die erwünschte Flexibilität und Vereinfachung für die Behörden erbringt, da der normierte Vorrang von Ausgleichsmaßnahmen (§ 19 Abs. 2 Satz 1) die Behörden verpflichtet, zunächst alle Möglichkeiten eines Ausgleichs zu prüfen, bevor eine Ersatzmaßnahme angedacht werden kann. Das Problem der Unterscheidung von Ausgleich und Ersatz wird damit nicht gelöst, sondern in der Entscheidungskaskade nur nach vorne verlagert. Hilfreich wäre eine untergesetzliche Definition von Ausgleich und Ersatz gewesen. Hierauf ist aber verzichtet worden (vgl. Gellermann 2002). Die Bundesregierung begründet die Neuregelung dahingehend, dass die Unterscheidung von Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen in der Praxis sehr schwierig ist: Sie hemme den Vollzug des Instruments und sei nur in der wissenschaftlichen Debatte von Bedeutung. Bei großen Eingriffsvorhaben sei ein Ausgleich von vornherein unmöglich; und bei kleineren Vorhaben sei die Prüfung der Untersagung dennoch möglich. Insgesamt sei das Instrument flexibilisiert, nicht aber geschwächt worden (Bundesratsdrucksache 101/04). Auch andere Autoren verwei66 67
Siehe zum Vollzug u.a.: Tegethof 2002, Gassner 1999, Mitschang 1996. Die Zulassungsvoraussetzungen für Eingriffe, die zu einer Zerstörung von Lebensräumen streng geschützter Arten führen, sind verschärft worden. Hierfür haben “zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“ vorzuliegen (§ 19 Abs. 3 Satz 2). Die FFH-Richtlinie normiert aber bereits für die Lebensräume der FFH-Arten striktere Schutzpflichten, die in § 42 BNatSchG ihren Niederschlag gefunden haben. Dessen Vorgaben greifen allerdings nicht, wenn die Lebensräume nicht absichtlich geschädigt worden sind.
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sen auf die Notwendigkeit, die Wirksamkeit des Instruments praktisch zu erhöhen und bewerten die Neuregelung positiv (Wolf 2004). Zwei weitere Neuregelungen sollen den Vollzug der Eingriffsregelung flexibilisieren (§ 19 Abs. 4 BNatSchG). Dies ist einerseits die Möglichkeit, Kompensationsmaßnahmen auf Öko-Konten oder Flächenpools anzurechnen. Auf solchen Pools oder Konten werden Flächen, die für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geeignet sind, aber auch durchgeführte Naturschutzmaßnahmen gesammelt. Ein Eingriffsvorhaben kann dann nachträglich mit einer Fläche oder Maßnahme aus diesem Pool bedient werden. Dies erleichtert die Anordnung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, da kein direkter räumlicher Zusammenhang von Eingriff und Ausgleich oder Ersatz bestehen muss (Wolf 2004, Jessel und Szaramowicz 2003). 68 Andererseits ist dies die Möglichkeit, Ersatzzahlungen anstelle von Ersatzmaßnahmen zu leisten: statt einer Naturschutzmaßnahme kann also ein Geldbetrag bezahlt werden. Ansonsten sind die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Eingriffsregelung belassen worden: Nach wie greift die Eingriffsregelung nur bei einer Entscheidung von oder einer Anzeige an eine Behörde. Nach wie vor ist die Eingriffsregelung an die Durchführung eines Zulassungsverfahrens einer anderen Fachbehörde gebunden, die auch die Verantwortung für die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen trägt (Huckepack-Verfahren, § 20 Abs. 1). Allerdings können die Länder selbständige naturschutzrechtliche Zulassungsverfahren erlassen (im Sinne des § 18 Abs. 5 BNatSchG). Die oft geforderte Pflicht des Einvernehmens zwischen Eingriffs- und Naturschutzbehörde konnte wegen der Kompetenzschranke der Rahmengesetzgebung nicht realisiert werden. Weitere Neuerungen sind die Verschärfung der Abwägungsregelung für Lebensräume streng geschützter Tiere und Pflanzen – diese dürfen nur noch bei Vorlage zwingender öffentlicher Gründe beschädigt oder zerstört werden. Neu ist auch die Vorgabe, dass die Wiederaufnahme einer land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung, die auf Grund vertraglicher Vereinbarungen oder auf Grund der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung zeitweise eingeschränkt oder unterbrochen war, nicht als Eingriff gilt (Rückholklausel). Dies gilt, soweit die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung innerhalb einer von den Ländern zu regelnden angemessenen Frist nach Auslaufen der Bewirtschaftungsbeschränkungen wieder aufgenommen wird (§ 18 Abs. 3 BNatSchG). Damit soll ein „Naturschutz auf Zeit“ ermöglicht werden. 4.4.5
Besonderer Schutz von Natur und Landschaft
4.4.5.1 Gebietsschutz Das Instrumentarium des Gebietsschutzes ist weitgehend unverändert geblieben, funktional aber weiterentwickelt worden: So wird die Möglichkeit des Umgebungsschutzes (Pufferzonen 68
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Zudem ermöglicht sich eine räumliche Konzentration von Maßnahmen, die sich akzeptanzsteigernd auswirken kann. Alle Flächen sollten deshalb in einem zentralen Kompensationsflächenkataster gesammelt werden
für Schutzgebiete) eingeführt und die Möglichkeit, Schutzgebiete in unterschiedlich geschützte Zonen zu gliedern (§ 22 Abs. 2). Damit kommt die Novelle einerseits langjährigen naturschutzfachlichen Forderungen nach: Da viele Naturschutzgebiete durch Schad- und Nährstoffeinträge von außen beeinträchtigt werden, ist die Einrichtung von Pufferzonen eine Voraussetzung für die Aufrechterhaltung eines qualitativ guten Erhaltungszustands. Die Zonierung berücksichtigt Schutz- und Erholungszwecke (Ssymank et al. 1998). Andererseits wird dadurch eine Rechtsvereinfachung erreicht: Bislang mussten relativ umständlich verschiedene Schutzgebietstypen miteinander kombiniert werden, um einen angemessenen Umgebungsschutz zu erreichen (so genannte Kombinationsverordnung, siehe: Rehbinder 2004). Eine zentrale Neuerung ist die Weiterentwicklung der Nationalparkregelung: Danach ist es möglich, auch Gebiete zu Nationalparken zu erklären, die sich in einen Zustand entwickeln können, der einen „möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik ermöglicht“ (§ 24 Abs. 1 Nr. 3). Die Erklärung zum Nationalpark erfolgt durch die Länder im Benehmen mit dem BMU. Mit dieser Stärkung des Entwicklungsprinzips und des Prozessschutzes trägt der Gesetzgeber dem Tatbestand Rechnung, dass in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland wenige Gebiete bestehen, die der ursprünglichen Ausweisungsgrundlage für einen Nationalpark – ein Gebiet, dass in einem nicht oder weitgehend nicht vom Menschen beeinflussten Zustand ist -, entsprechen und dass es sinnvoll ist, Gebiete in einen solchen Zustand zu entwickeln (Messerschmidt 2001). 69 An eine Neufassung der Schutzgebietskategorien zum Zweck der Steigerung der Transparenz und Verständlichkeit für die Adressaten hat sich die Bundesregierung nicht herangewagt. Zu vielfältig war hier der Widerstand von Länderseite; und zu kompliziert waren die praktischen Auswirkungen (kritisch dagegen: Rehbinder 2004). Insgesamt können die Neuregelungen des Gebietsschutzes als eine funktionelle Weiterentwicklung bewertet werden, die Schwachstellen ausbessert. Zudem wird die Ausweisung von Nationalparks erleichtert. 4.4.5.2 Biotopschutz Auch der gesetzliche Schutz von Biotopen bundesweiter Bedeutung ist funktional weiterentwickelt worden. Die Liste der Biotoptypen wurde erweitert, insbesondere um Gewässer- und Feuchtzonen (§ 30 Abs. 1). Zusätzlich wurden die Bedingungen für eine Zerstörung oder Beeinträchtigung dieser Gebiete verschärft: Die Länder haben nunmehr ein Verbot von Maßnahmen zu regeln, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung der Biotope führen können (Veränderungsverbot). Ausnahmen hiervon sind indes möglich, wenn Beeinträchtigungen wieder ausgeglichen werden können oder aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls angebracht erscheinen (§ 30 Abs. 2): Diese gelten vor allem dann, wenn während der Laufzeit einer vertraglichen Nutzungseinschränkung ein ge69
Auslöser dieser Neuregelung war das Urteil des OVG Lüneburg vom 22. Februar 1999 zum geplanten Nationalpark Elbtalaue, wonach nur solche Gebiete für die Ausweisung als Nationalpark geeignet seien, die in einem vom Menschen gar nicht bzw. wenig beeinflussten Zustand seien (Stock 2000: 199ff.).
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setzlich geschütztes Biotop entstanden ist und die Flächennutzung wieder aufgenommen werden soll (vgl. die entsprechende Regelung in der Eingriffsregelung, Kap. 4.4.2.2). Die rahmenrechtlichen Vorgaben des § 31 BNatSchG verpflichten die Länder zudem, oberirdische Gewässer einschließlich Gewässerrandstreifen und Uferzonen zu schützen, um die dortigen Lebensraumfunktionen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Neuregelung zielt auf die Vervollständigung der Bestimmungen zum Biotopverbund ab. 4.4.5.3
Umsetzung der FFH-Richtlinie und Schutz von Meeresflächen in der AWZ und auf dem Festlandsockel Eine Korrektur der Defizite der bundesrechtlichen Umsetzung der FFH-Richtlinie (Fiesahn 2004) ist mit Ausnahme geringfügiger redaktioneller Änderungen nicht vorgenommen worden. Damit ist weiterhin kein grundsätzliches Verschlechterungsverbot für FFH-Gebiete normiert - die Anknüpfung an immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, wie sie § 36 BNatSchG vorsieht, bleibt trotz aller Kritik an der Unzulänglichkeit der Vorschrift bestehen (SRU 2001, vgl. SRU 2000: Tz. 392). Eine wesentliche Neuerung ergibt sich allerdings aus § 38 Abs. 1-3, der den Schutz von Meeresflächen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und auf dem Festlandsockel entsprechend der Vorgaben des Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen erstmals unmittelbar bundesrechtlich regelt und darüber hinaus erstmalig unter Rückgriff auf Art. 87 Abs. 3 Nr. 1 GG eine Verwaltungskompetenz des Bundes im Naturschutz begründet (Czybulka 2003, Lagoni 2002). Für die Auswahl der Meeresschutzgebiete ist demnach das BfN zuständig, für die Einrichtung der Schutzgebiete das BMU. Die Einrichtung der Schutzgebiete erfolgt unter Beteiligung der fachlich betroffenen Bundesministerien per Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf (§ 38 Abs. 3 BNatSchG, SRU 2004b: Tz. 411 ff.). 70 Mit Art. 2 BNatSchG wird eine Änderung der Seeanlagenverordnung in Kraft gesetzt: § 3 der Seeanlagenverordnung regelt nunmehr, dass die Errichtung oder der Betrieb von Anlagen zu untersagen ist, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung des Vogelzugs zu erwarten ist oder sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu besorgen sind. Der Geltungsbereich der Eingriffsregelung wird damit auf die AWZ ausgeweitet. Gleichfalls ist § 3a neu in die Seeanlagenverordnung eingeführt worden: Danach kann der Bund so genannte Eignungsgebiete für die Windenergienutzung auf hoher See nach Maßgabe des fortschreitenden Wissenstandes 70
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Der Erlass einer in Einzelheiten gehenden, unmittelbaren Regelung ist mit dem Interesse der internationalen Schifffahrt und Fischerei an einer einheitlichen, unmittelbar geltenden Regelung begründet worden. Anlass der Regelung war der geplante Ausbau der Windenergie in den Meeresgebieten der AWZ einerseits, die Notwendigkeit der Errichtung von Meeresschutzgebieten als Folge der FFH-Richtlinie und Empfehlungen internationaler Gremien, wie etwa der Helsinki-Kommission andererseits. Die Novelle definiert eine Geltung des Naturschutzrechts für die AWZ nicht nur über den § 38, sondern auch über den § 30 Abs. 1 Nr. 6 BNatSchG, der bestimmte Biotoptypen im Küsten- und Meeresbereich unter Schutz stellt und insofern das Ländernaturschutzrecht der Küstenländer dazu zwingt, seinen Geltungsbereich ebenfalls auf die AWZ zu erstrecken (Czybulka 2003).
ausweisen, in denen die Konflikte mit Naturschutzbelangen gering sind. Ob diese Regelung ausreicht, eine naturverträgliche Bebauung der Nord- und Ostsee zu garantieren, ist zu hinterfragen. So hat der SRU vor einer Überschätzung der Steuerungswirkung der Eignungsflächen gewarnt, da die zuständige Behörde, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, nicht nur Anträge auf Flächenfreigabe innerhalb, sondern auch außerhalb der Eignungsgebiete zu bearbeiten hat. Er hat sich deshalb dafür ausgesprochen, den Geltungsbereich der Raumplanungsordnung auf die AWZ auszudehnen (vgl. SRU 2004b: Tz. 471ff.). 4.4.6 Mitwirkung von Vereinen Die Neugestaltung der Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte von anerkannten Naturschutzverbänden und die Einführung der bundesweiten Vereinsklage sind zentrale Eckpunkte der BNatSchG-Novelle (vgl. Seelig und Gündling 2002). Dabei haben nur noch die Bestimmungen über die Beteiligung von bundes- und länderrechtlich anerkannten Vereinen an Verfahren, die von Bundesbehörden durchgeführt werden (§ 58) sowie die Bestimmungen über die Anerkennung von Naturschutzvereinen durch das BMU (§ 59) unmittelbare Geltung. 71 § 60 normiert als Rahmenvorschrift einen Mindestkatalog von Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten für von nach Landesrecht anerkannte Verbände, der den Ländern Gestaltungsspielräume für weiterführende Regelungen belässt (§ 60 Abs. 1). Die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte von durch das BMU anerkannten Verbänden sind weiterentwickelt worden: Erstmals erhalten Verbände das Recht auf Beteiligung bei Plangenehmigungen, die von den Behörden des Bundes erlassen werden und an die Stelle von Planfeststellungsverfahren treten, soweit für diese eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist (§ 58 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 2 Nr. 7 BNatSchG). 72 Ursprünglich wurden Plangenehmigungen von der Vorgängerregierung als Mittel zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren eingeführt. Dieser Absicht widerspricht die Neuregelung, die zu Verfahrensverlängerungen führen kann. In der Sache aber ist sie sachgerecht, da über die „Flucht aus den Planfeststellungsverfahren“ (Steinberg 1999) in Plangenehmigungsverfahren Beteiligungsrechte verkürzt wurden. Dieser Praxis wird nun weitgehend der Boden entzogen (Seelig und Gündling 2002): Ergeht eine Rechtsverordnung unter Verletzung der Bestimmungen zur Vereinsbeteiligung, gilt sie als nichtig. Gleichfalls gelten Planfeststellungsbeschlüsse und Plangenehmigungen als rechtswidrig, wenn sie unter Verletzung der Beteiligungsbestimmungen ergangen sind.
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Die Unterscheidung der Anerkennung von Vereinen nach Bundes- und Landesrecht bestand vorher nicht, war nun aber kompetenzrechtlich bedingt. Eine Anerkennung durch das BMU setzt nunmehr eine dreijährige Tätigkeit als Verein voraus. Die Möglichkeit einer Rücknahme und eines Widerrufs der Anerkennung wurde aufgrund der geringen praktischen Bedeutung gestrichen. Diese Beteiligungspflicht tritt neben die bestehenden Pflichten zur Beteiligung an der Vorbereitung von Verordnungen und anderen untergesetzlichen Rechtsvorschriften auf Bundesebene (etwa Ausweisung von Schutzgebieten) und dem Recht auf Beteiligung an Planfeststellungsverfahren, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind (Möller-Meinecke 2003).
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Allerdings können Verfahrensfehler weiter als unbeachtlich eingestuft werden, wenn sie offensichtlich die Entscheidung in der Sache nicht beeinflussen oder aber in Planfeststellungsbeschlüssen durch ergänzende Verfahren nachträglich beseitigt werden können, was oft der Fall ist. Eine Aufhebung aller Schwächen des Regelungsbereichs ist nicht erfolgt. Auch die wichtigste Eingriffsebene, die kommunale Bauleitplanung, bleibt von der Regelung ausgespart (Marzik und Weihrich 2004). Den Kernbereich der Neuregelung markiert schließlich die Einführung der bundesrechtlichen altruistischen Vereinsklage. 73 Bereits zuvor hatten 13 von 16 Bundesländern eine solche Klagemöglichkeit eingeführt (Schmidt et al. 2004, Wilrich 2002). Das Bundesrecht zieht jetzt in dieser Hinsicht nach und normiert für bundes- oder landesrechtlich anerkannte Vereine die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen für Befreiungen von Schutzvorschriften zu Gunsten bestimmter Gebiete (z.B. Naturschutzgebiet oder Nationalpark) und für Planfeststellungsbeschlüsse über eingriffsrelevante Vorhaben und Plangenehmigungen mit Öffentlichkeitsbeteiligung eine gerichtlichen Überprüfung verlangen zu können, ohne dass es dabei einer Verletzung subjektiver Rechte bedarf (§ 61 Abs. 1 Nr. 1, 2). Gegenstand einer Klage kann nur die Verletzung von Vorschriften sein, die den Belangen des Naturschutzes zu dienen bestimmt sind (§ 61 Abs. 2 Nr. 1). Der Verein muss ferner in seinem satzungsmäßigen Aufgabenbereich berührt sein (§ 61 Abs. 2 Nr. 2), zur Mitwirkung im Verwaltungsverfahren berechtigt sein und von diesem Mitwirkungsrecht auch Gebrauch gemacht haben (§ 61 Abs. 2 Nr. 3). Nicht-vorgebrachte Einwendungen im Verwaltungsverfahren sind im Klageverfahren nicht zugelassen (§ 61 Abs. 3). 74 Aufgrund des rahmenrechtlichen Kompetenztitels ist das Klagerecht beschränkt auf Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungen, die von Behörden des Bundes durchgeführt werden, bzw. Verfahren, in denen die Verbände nach landesrechtlichen Vorschriften an der Mitwirkung bei Befreiungen von Ver- und Geboten in Schutzgebieten bzw. Planfeststellungsverfahren berechtigt waren (§ 61 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 58 Abs. 1 Nr. 2 und 3 und i.V.m. § 60 Abs. 2 Nr. 5-6 BNatSchG). Erstmals wird es somit möglich, auf Bundesebene Allgemeininteressen gerichtliche Geltung zu verschaffen, ohne dass die Verletzung subjektiver Rechte vorliegen muss. Wenn eine Klagefähigkeit potenziell besteht, ist eine sorgfältigere Anwendung naturschutzrelevanter Vorschriften zu erwarten, ohne dass die Klagefunktion an sich bemüht werden muss. Diese Annahme ist empirisch belegt (vgl. SRU 2005, de Saedeleer et al. 2003). Allerdings wird die jetzige Regelung dem Handlungsbedarf nicht voll gerecht, da die Klagemöglichkeit nicht für die Landes- und insbesondere nicht für die kommunale Ebene gilt. Auch greift die Vereinsklage nicht auf vorgelagerten Positionen wie z.B. Raumordnungsplänen. 73
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Gängig ist der Terminus Verbandsklage. Im Gesetzestext wird allerdings der Begriff „Vereinsklage“ gebraucht, der deshalb für die weiteren Ausführungen verwendet wird, um Missverständnisse zu vermeiden. Bayern, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern hatten das Instrument noch nicht eingeführt. Ist der Verwaltungsakt dem Verein nicht bekannt gegeben worden, so besteht rückwirkend die Möglichkeit, binnen eines Jahres Widerspruch und Klage zu erheben (§ 61 Abs. 4 BNatSchG).
4.4.7 Gesamtbewertung der Bestimmungen des neuen BNatSchG Ist das neue Gesetz tatsächlich der “Meilenstein für den Naturschutz“? Inwieweit beseitigt es die Defizite des Naturschutzrechts (vgl. Kap. 1.2)? Wie Tabelle 4.4 zeigt, sind wesentliche Hauptforderungen der naturschutzfachlichen Reformagenda zunächst einmal in das neue BNatSchG übernommen worden. Neuregelungen, die deutliche Verbesserungen gegenüber dem bisherigen Rechtsstand bringen, sind die Einführung des Biotopverbunds, die bundesrechtliche Regelung der Vereinsklage und die Vorgabe von naturschutzfachlichen Betreiberpflichten im Rahmen der Guten Fachlichen Praxis. Die Ausweitung des Geltungsanspruchs der Eingriffsregelung auf die AWZ ist angesichts der Bedeutung maritimer Lebensräume ein wichtiger und hinfälliger Schritt. Keinesfalls kann er aber als ein Schritt verstanden werden, der selbstverständlich gewesen ist. Während diese Neuregelungen eine rot-grüne Handschrift reflektieren, ist umso überraschender, dass der Rest der Neuregelungen in großen Teilen den Regelungen des Gesetzentwurfs der konservativ-liberalen Regierungskoalition aus dem Jahr 1996 ähnelt. Messerschmidt schätzt auf der Basis des Vergleichs der Referentenentwürfe von 1996 und 2001 die quantitative Textübereinstimmung in den Vorgaben und Begründungen der Entwürfe auf annähernd 90 Prozent (Messerschmidt 2001: 246). Zwar finden sich dabei spezifische “rot-grüne“ Einflüsse, wie etwa die Vorgabe der verbindlichen Sekundärintegration oder das Flächendekkungsprinzip für die Landschaftsplanung. Doch ein Großteil der Bestimmungen spiegelt die Kontinuität der Sacharbeit der Ministerialbürokratie. Dieser Einfluss ist vor allem in den vielen eher inkrementellen Regelungen zu sehen. Teilweise greifen die Neuregelungen auch direkt auf bestehende Regelungen auf Länderebene zurück, so etwa die Vorgaben zur Flexibilisierung der Eingriffsregelung, zur Einführung des Biotopverbunds, zur Umweltbeobachtung oder zur Einführung der Vereinsklage. Das Bundesnaturschutzrecht wird somit weiterentwickelt, nicht aber im Sinne eines „großen Wurfs“ auf vollständig neue Füße gestellt. Ein Politikwandel dritten Grades ist ausgeblieben; vielmehr führen die vorgenommenen Änderungen mehrheitlich zu einem Politikwandel ersten Grades und in einzelnen Fällen auch zu einem Politikwandel zweiten Grades. 75 Insbesondere erfolgt keine wirkliche Ergänzung des Instrumentariums in Richtung ökonomischer Anreizinstrumente, sieht man einmal von der Einführung von Ersatzzahlungen im Kontext der Eingriffsregelung ab, die indes keine vorsorgende Steuerungswirkung entfallen, sondern vielmehr als Realkompensation bestehender Eingriffe funktionieren und die Inanspruchnahme von Natur und Landschaft erleichtern, allerdings auch Einnahmen für weitere Naturschutzvorhaben generieren. 75
Wobei Weihrich kritisch darauf verweist, dass die naturschutzfachlichen Standards der Guten Fachlichen Praxis zum Teil hinter den Anforderungen an eine Gute Fachliche Praxis zurückbleiben, wie sie durch die Rechtssprechung zur land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung in der Vergangenheit herausgearbeitet worden sind. Er führt als Beispiel den Umbruch von Dauergrünland zur Intensivierung der Grünlandnutzung an, der durch die Vorgaben im BNatSchG nicht abgedeckt ist – diese beziehen sich nur auf das Verbot der Umwandlung von Grünland in Ackerland (Weihrich 2001: 388).
89
Tabelle 4.4:
Abgleich der Anforderungen an eine Novelle des BNatSchG mit den Bestimmungen des BNatSchG n.F.
Regelungsbereich Anforderung
Neuregelung
Politikwandel
Ziele und Grundsätze
ja nein ja
1. Grad 2. Grad
Nein, nur Verschiebung
1. Grad
Ja, aber eingeschränkt (nur 10 Prozent) Nein (andere Flächen zugelassen) Ja, aber eingeschränkt (nicht so detailliert wie gefordert, Abstriche im Vermittlungsverfahren) Ja, aber eher „Gesetzeslyrik“ als klare Vorgaben Ja Ja Eingeschränkt
2. Grad
Biotopverbund
Gute Fachliche Praxis
Umweltbeobachtung Landschaftsplanung
Eingriffsregelung
Schutz der Natur um ihrer selbst Konkrete quantifizierte Ziele Abschaffung der Landwirtschaftsklausel Abschaffung der Abwägungsklausel Biotopverbund auf 10-15 Prozent der Landesfläche Strenger Schutz - vorrangig Naturschutzgebiete als Bestandteile Vorgabe von Standards für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft im Naturschutzrecht Einführung einer bundesweiten Umweltbeobachtung Inhaltliche Mindestkriterien Fortschreibungspflicht Qualitative Vorgaben zur besseren Berücksichtigung in der Raumordnung Abschaffung der Begünstigung der Landwirtschaft Ausweitung des Eingrifftatbestands auf alle Medien Vorgabe naturschutzfachlicher Standards für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft Vorgabe klarer Definitionen und inhaltlicher Mindestkriterien Pflicht zur Flächenbevorratung
Positivliste von Eingriffsvorhaben Einführung einer Erfolgskontrolle Gebietsschutz Vorgabe funktionaler Mindestkriterien Umgebungsschutz und Verankerung des Entwicklungsprinzips Mitwirkungs- und Erweiterung der Beteiligungs- und Beteiligungsrechte Einsichtsrechte auf allen Eingriffsebenen Klagerechte Altruistische Verbandsklage für alle Eingriffsebenen, insbesondere für die Bauleitplanung Quelle: Eigene Zusammenstellung
90
2. Grad
1. Grad 1. Grad
Ja
2. Grad
Ja, aber eingeschränkt auf Oberflächenwasser Ja, aber eingeschränkt und ohne Vorgaben zum Vollzug sowie zur Sanktionierung Nein
1. Grad
Nein, aber Regelung von Flächenkatastern Nein Nein Nein
1. Grad
2. Grad
-
1. Grad
Ja Nein, aber graduelle Verbesserungen der Mitwirkung auf Bundesebene Ja, aber eingeschränkt (Vorhaben des Bundes, Abstriche im Vermittlungsverfahren)
1. Grad
2. Grad
Auch werden die Änderungen den funktionellen Anforderungen des internationalen und europäischen Naturschutzrechts nicht vollständig gerecht. So sind die Anforderungen einer nationalen Biodiversitätsstrategie, wie sie die CBD fordert, nicht abgedeckt. Gleiches gilt für ein Monitoringsystem, mit dem die Berichtspflichten der CBD abgedeckt werden. Die bekannten Mängel der Umsetzung der FFH-Richtlinie in deutsches Recht sind nicht abgestellt worden. Für die übrigen Rechtsvorgaben des europäischen Umweltrechts mit Relevanz für den Naturschutz (SUP, Aarhus) ist nach wie vor ein erheblicher Regelungsbedarf existent. Das Gesetz ist das Ergebnis eines längeren politischen Entscheidungsprozesses, an dem viele Akteure beteiligt waren. Ersichtliche Defizite können nicht allein der Bundesregierung als ganzer, dem BMU im Einzelnen oder den Regierungsfraktionen von SPD und Bündnisgrünen angelastet werden. Hier kommt die Notwendigkeit des Kompromisses und des Zugeständnisses angesichts schwieriger Rahmenbedingungen der politischen Entscheidungsfindung zum Ausdruck. Im Folgenden ist der Prozess der Politikformulierung unter zwei Aspekten zu analysieren: a) mit welchen Zielsetzungen und welcher Ambition das BMU und die Regierungsfraktionen in den Prozess gestartet sind und b) an welchen Stellen substanzielle inhaltliche Zugeständnisse zu machen waren. So lässt sich rekonstruieren, ob es die mehrheitlich restriktiven Rahmenbedingungen oder aber auch ein mangelnder politischer Gestaltungswille des BMU waren, die zu der legislativen Zurückhaltung in Einzelpunkten führten.
4.5
Politikformulierung 1998-2002
4.5.1
Korrekturen des Referentenentwurfs in der Ressortabstimmung Anfang Juli 2000 wurde ein erster Referentenwurf durch das Referat N I 5 im BMU fertig gestellt. Dieser wurde nach mehrfachen Modifikationen im Mai 2001 durch das Kabinett angenommen. Dabei musste das BMU in der Ressortabstimmung zwar inhaltliche Abstriche bei einigen der vorgeschlagenen neuen Vorschriften hinnehmen, konnte andererseits bei anderen Vorschriften aber auch eine inhaltliche Nachbesserung erreichen. So sah die erste Fassung des Entwurfs bei den Zielen und Grundsätzen den Grundsatz vor, dass ein rein technischer Ausbau von Gewässern zu vermeiden sei und diese weiter vor Verunreinigungen grundsätzlich zu schützen seien. Damit wären relativ ehrgeizige Schutzziele im Bereich des Gewässerschutzes normiert worden. Ferner war der Grundsatz vorgesehen, dass Beeinträchtigungen des Klimas durch die Erweiterung von Waldflächen mit standortgerechten Baumarten entgegengewirkt werden sollte. Dies hätte zu einer Privilegierung einer naturnahen Waldwirtschaft geführt und sorgte bei den Verbänden der Waldbesitzer und der Forstwirtschaft für einige Unruhe. Weiterhin sollte ein Grundsatz aufgenommen werden, dass nur für eine natur- und landschaftsverträgliche Erholung geeignete Flächen geschützt, gepflegt
91
oder auch zugänglich gemacht werden sollten. Hiermit verband sich die Absicht einer Beschränkung von Outdoor-Aktivitäten. Die ersten beiden Grundsätze wurden in den Ressortverhandlungen gestrichen. Der dritte Grundsatz wurde umgewandelt in die Pflicht zur Bereitstellung von Flächen für alle Erholungsformen. Hier hatte das BMU dem Einspruch anderer Ressorts, vor allem der Ministerien für Landwirtschaft und für Bau und Verkehr, Rechnung zu tragen (vgl. Tab. 10.1 im Anhang). Im weiteren Verfahren der parlamentarischen Beratung wurde der neue Grundsatzkatalog nicht wesentlich geändert. Das BMU konnte sich mit seinen Vorstellungen in diesem Regelungsbereich also weitgehend durchsetzen. Die Vorschriften zum Biotopverbund wurden umstrukturiert und inhaltlich umformuliert. Im Endeffekt gelang eine inhaltliche Verbesserung der Vorschrift. Waren im ersten Entwurf alle Schutzgebietskategorien als Bestandteile des Biotopverbunds vorgesehen, so wurde dies in der Endfassung beschränkt auf geeignete Schutzgebiete bzw. FFH-Schutzgebiete. Zudem wurden die einzelnen Bestandteile des Verbands definiert, d.h. Kern- und Verbindungsflächen sowie Verbindungselemente, und die Vorgabe einer dauerhaften rechtlichen Sicherungspflicht geregelt (vgl. Tab. 10.1 im Anhang). Maßgeblichen Anteil an dieser Nachschärfung hatte nicht zuletzt die Kritik der Naturschutzverbände, welche die Vorschriften im ersten Entwurf als viel zu vage bezeichnet hatten. Auch von Seiten einzelner Länder war in der Abstimmung kritisiert worden, dass die Vorschriften nicht operabel seien. Das BMU konnte sich dann in der Ressortabstimmung mit der Verschärfung durchsetzen, da der Biotopverbund explizit als Ziel in der Koalitionsvereinbarung genannt war. Die Neufassung der Vorgaben zum Verhältnis von Naturschutz und Landwirtschaft erwies sich als schwieriges Gelände. An der grundsätzlichen Ablehnung naturschutzrechtlicher Vorschriften für die Landwirtschaft von Seiten des BML hatte sich nach dem Regierungswechsel zunächst nicht geändert, da Landwirtschaftsminister Funke die Agrarpolitik der Vorgängerregierung in weiten Teilen unverändert fortsetzte (vgl. Ratschow 2003). Allerdings hatte die Arbeitsebene des BML zu akzeptieren, dass eine stärkere naturschutzrechtliche Regelung des Verhältnisses von Naturschutz und Landwirtschaft der politische Wille der Regierungskoalition war. Der erste Referentenentwurf vom Juli 2000 sah die Umwandlung der allgemeinen Ausgleichspflicht in eine Rahmenregelung der Länder, die Abschwächung der “Landwirtschaftklausel“ (vgl. Kap. 3.1.2) zu einer reinen Berücksichtigungspflicht und die Definition von naturschutzfachlich begründeten Grundsätzen der Guten Fachlichen Praxis vor. Aufgrund des Widerstands des BML fielen die Formulierungen der Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis allerdings sehr allgemein aus (vgl. Tabelle 10.1 im Anhang). Der Handlungsspielraum erweiterte sich für das BMU in Folge der BSE-Krise zum Jahreswechsel 2000/2001. Im Kontext der Diskussionen um die Notwendigkeit einer „Agrarwende“ und der Umorganisation des Landwirtschaftsministeriums zum Verbraucherschutzmini92
sterium, mit der sich ein Wechsel der politischen Leitung von SPD zu Bündnis 90/Die Grünen verband, öffnete sich ein Zeitfenster für die inhaltliche Nachschärfung der Grundsätze. Der im Februar 2001 fertig gestellte Referentenentwurf wurde noch einmal zurückgezogen. Die relevanten Passagen wurden umformuliert. Letztendlich nahm das Kabinett einen Referentenentwurf mit substantiierten Grundsätzen der Guten Fachlichen Praxis an: Zuvorderst galt dies für die inhaltliche Erweiterung der landwirtschaftsbezogenen Grundsätze um Grundsätze der Guten Fachliche Praxis für die Forst- und Fischereiwirtschaft. Diese waren im ersten Referentenentwurf gar nicht enthalten (siehe zu den Bestimmungen Kap. 4.4.2.3, vgl. Tabelle 10.1 im Anhang). Aber auch die Grundsätze für die Gute Fachliche Praxis der Landwirtschaft wurden nachgebessert: So wurde die Verpflichtung neu aufgenommen, dass für die Vernetzung von Biotopen notwendige Landschaftselemente zu erhalten und jenseits einer von den Ländern festzusetzenden regionalen Mindestfläche neu einzurichten sind (vgl. Kap. 4.4.2.3). Weiterhin wurden die Bestimmungen zum Bodenschutz präzisiert. 76 Die Anzahl der Flächen, für die ein Verbot des Grünlandumbruchs gilt, wurde um den wichtigen Tatbestand von Moorstandorten und Flächen mit hohem Grundwasserstand erweitert. Die Vorschrift, dass die Tierhaltung in einem regional ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau stehen sollte, wurde verschärft: Nunmehr sollte dieser Grundsatz für die betriebliche Ebene gelten und damit alle Landwirte gleichermaßen treffen (vgl. Kap. 4.4.2.3., siehe Tabelle 10.1 Anhang). Es war aber nicht nur ein geschicktes Management des BMU im Kontext einer günstigen situativen Gelegenheit. Grundsätzlich stand die neue Amtsleitung des BMVEL unter Ministerin Künast (Bündnis 90/Die Grünen) den beabsichtigten Neuregelungen offen gegenüber und unterstützte diese im weiteren Verlauf des Entscheidungsprozesses (Künast 2001). Mit dem BMVEL gab einer der bis dahin wichtigsten regierungsinternen Gegenspieler seine Bremserrolle auf, was den weiteren Entscheidungsverlauf stark begünstigte. Die Bestimmungen zur Umweltbeobachtung blieben im Prozess der Ressortabstimmung bei geringfügigen redaktionellen Klarstellungen grundsätzlich ebenso unverändert wie die Bestimmungen zu Aufgaben und Inhalten der Landschaftsplanung. 77 Mit der Neufassung der Eingriffsregelung konnte sich das BMU in den Ressortverhandlungen nicht in allen Punkten durchsetzen: im ersten Referentenentwurf sollte die Eingriffsre76
77
Dies gilt z.B. für Saumstrukturen oder Trittsteinbiotope. Diese sollten erhalten und neu eingerichtet werden, wenn auf anliegenden nicht-landwirtschaftlichen Flächen nicht genügend solcher Elemente vorhanden wären. Der erste Referentenentwurf hatte zudem nur davon gesprochen, dass die natürliche Ertragsfähigkeit der Böden zu erhalten sei. Der finale Referentenentwurf fasste dies deutlich schärfer: hiernach war die natürliche Bodenfruchtbarkeit und langfristige Nutzbarkeit zu erhalten. So wurde der Begriff der „ökologischen Umweltbeobachtung“ in § 12 Abs. 1 in „Umweltbeobachtung“ umgewandelt. Zusätzlich wurde § 16 Abs. 3 neu eingefügt, wonach Landschaftsprogramme und –rahmenpläne Landschaftspläne ersetzen, wenn sie örtliche Erfordernisse darstellen. Diese Änderung geht auf eine Intervention der Stadtstaaten in der ersten Anhörung zum BNatSchG zurück. Diese Länder haben aufgrund ihrer geringen Fläche keine dreistufige Landschaftsplanung. Eine solche Regelung war im BNatSchG a.F. enthalten. Die Änderung stellt damit den Sachstand halbwegs wieder her (vgl. Tabelle 10.1 im Anhang).
93
gelung noch für alle Änderungen des Grundwasserspiegels gelten. Diese Vorgabe wurde dann auf Betreiben des BML bereits in der Februarfassung des Referentenentwurfs auf den Tatbestand der Veränderung des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels reduziert, da andernfalls maßgebliche Beeinträchtigungen der konventionellen Landwirtschaft befürchtet wurden. Auch scheiterte das BMU mit der Absicht, eine Möglichkeit zur Untersagung eines Eingriffs zu schaffen, wenn die Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu kompensieren sind und die Naturschutzbelange in der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft vorrangig oder gleichrangig sind. Diese Absicht der Stärkung von Naturschutzbelangen gegenüber konkurrierenden Nutzungsinteressen stieß auf den Widerstand anderer Ressorts, vor allem von Wirtschaft und Verkehr und Bauen. 78 Die weiteren Neuerungen der Novelle, d.h. die Neustrukturierung und Flexibilisierung des Folgenbewältigungsprogramms der Eingriffsregelung, aber auch die Möglichkeit von Flächenkonten und Ersatzzahlungen (vgl. Kap. 4.4.4.2) erfuhren keine Veränderung in der Ressortabstimmung. Die Bestimmungen zum Gebietsschutz wurden im Verlauf der Ressortabstimmung geringfügig geändert. So wurde die Vorgabe des § 18 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG a.F. (§ 29 Abs. 2 Satz 3 im ersten Referentenentwurf) gestrichen, dass die Länder im Fall einer Bestandsminderung geschützter Landschaftsteile den Verursacher zu Ersatzpflanzungen in angemessen Umfang verpflichten konnte. Dadurch sollte die Gefahr einer Zustimmungspflicht ausgeschlossen werden. Auch die Liste der direkt gesetzlich zu schützenden Biotope (§ 30) wurde nach der ersten Anhörung der Länder ausgedünnt, vor allem im Bereich der Waldformationen. Auch beim Schutz von Gewässern musste das BMU Abstriche am anvisierten Schutzniveau aufgrund des Widerstands des BML, aber auch einzelner Länder hinnehmen – es gelang vor allem nicht, zusätzlich zu der Verpflichtung auf den Erhalt von Biotopen auch eine Verpflichtung auf die Entwicklung zu natürlichen und naturnahen Biotopen in einem Biotopverbundsystem zu verankern (vgl. Tabelle 10.1 Anhang). Die Vorgaben zur Neufassung der Mitwirkung von Verbänden wurden nach der ersten Anhörung der Länder um eine Ausnahmeregelung ergänzt: Danach können die Länder in Fällen mit keinen oder nur geringfügigen Auswirkungen auf Natur und Landschaft von einer Mitwirkung absehen (§ 59 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2). Damit kam das BMU den vielfach geäußerten Bedenken der Länder entgegen, eine Mitwirkung in jedem Verwaltungsverfahren würde zu einer Überlastung der Behörden und Gerichte führen, zumal die Mehrzahl der Verfahren ohne Relevanz für den Naturschutz seien. Auch wurde die Vorgabe fallengelassen, dass vom BMU 78
94
Ursprünglich sollte bei Eingriffsvorhaben im Zuständigkeitsbereich des Bundes die zuständige „Eingriffsbehörde“ die Entscheidung im Benehmen mit der für Naturschutz zuständigen Behörde (dem BMU) herstellen und erst bei Nicht-Einigung im Benehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde (§ 20 Abs. 2 BNatSchGNeuRegG). Diese Vorschrift wurde fallengelassen und die alte Benehmensregelung weitgehend wieder hergestellt.
anerkannten Vereinen bei Linienbestimmungen und sonstigen Plänen sowie bei Raumordnungsplänen die Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist, was regierungsintern auf Widerstand gestoßen war (vgl. Tabelle 10.1 im Anhang). Weiterhin hatte das BMU angestrebt, den Geltungsbereich der Vereinsklage auch auf Plangenehmigungen zu erstrecken, die an die Stelle von Planfeststellungen treten. Zudem sollte die Vereinklage für solche Verwaltungsakte gelten, die eine Mitwirkung von Vereinen nicht vorsehen und die rechtswidrig solche Verwaltungsakte ersetzen, in denen eine Mitwirkung von Vereinen vorgesehen ist, sowie für solche Fälle, wo von der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens überhaupt abgesehen worden war. Damit wollte das BMU Schlupflöcher stopfen, die in der Praxis die Vorgaben der Öffentlichkeitsbeteiligung marginalisieren. Beide Regelungen stießen jedoch in den Ressortverhandlungen auf Widerspruch, da sie zu einer deutlichen Ausweitung der Beteiligungs- und Widerspruchsmöglichkeiten der Naturschutzverbände geführt hätten (vgl. Tabelle 10.1 im Anhang). 79 Hinsichtlich der Änderung der Seeanlagenverordnung sah der erste Referentenentwurf vor, dass im Fall von erheblichen Beeinträchtigungen der Meeresumwelt schon eine Gleichrangigkeit der Belange in der Abwägung - bei Nicht-Vermeidbarkeit oder NichtAusgleichbarkeit des Eingriffs - zu einer Versagung des Eingriffs führen kann. Diese Regelung wurde in den Ressortabstimmungen dahin abgeschwächt, dass ein weiterer Versagungsgrund eine erhebliche Beeinträchtigung des Vogelzugs ist. Der ursprüngliche weit gefasste Tatbestand einer erheblichen Beeinträchtigung der Meeresumwelt wurde fallengelassen. 4.5.2
Korrekturen des Gesetzentwurfs in der parlamentarischen Beratung
4.5.2.1 Bewertung des Referentenentwurfs durch die Fraktionen Die Regierungsfraktionen unterstützten den Gesetzentwurf der Bundesregierung grundsätzlich. Differenzen ergaben sich nur in Einzelfragen: So forderten SPD und Bündnisgrüne die Festlegung eines Mindestanteils von ökologischen Ausgleichsflächen auf der Betriebsfläche in der Definition der “Guten Fachlichen Praxis“. Die Grünen fordern zudem u.a. die Aufnahme des Einvernehmensprinzips in die Eingriffsregelung und eine Erweiterung der rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Bundes bei Naturschutzvorhaben von nationaler Bedeutung, was von Umweltminister Trittin aber abgelehnt wurde (SPD 2000, Bündnis 90/Die Grünen 2000). Auf heftigen Widerspruch stieß der Referentenentwurf bei CDU/CSU und FDP. Ihre Kritik fokussierte auf die Regelungen zum Biotopverbund, zu den Grundsätzen der Guten Fachlichen Praxis und zu der Neuregelung der Mitwirkungs- und Klagerechte der Naturschutzvereine (vgl. Plenarprotokoll Deutscher Bundestag 14/179). 79
Vollkommen neu eingefügt wurde im Lauf der Ressortverhandlungen auch der § 62 (Referentenentwurf Mai 2001), der eine Funktionssicherung der Nutzung zweckgebundener Flächen sicherstellte, etwa der Verteidigung, des Bundesgrenzschutzes, des öffentlichen Verkehrs etc. Eine entsprechende Funktionssicherung zweckgebundener Flächen war bereits im § 38 BNatSchG a.F. enthalten.
95
So monierte die CDU, die Neuregelung der Guten Fachlichen Praxis begründe Doppelzuständigkeiten von Bund und Ländern. Das landwirtschaftliche Fachrecht sei sachnäher, dynamischer zu entwickeln und solle die alleinige Referenzquelle der Guten Fachlichen Praxis bleiben. Zudem führe die Aufhebung der bundeseinheitlichen Ausgleichsregelung zu unterschiedlichen Entschädigungsregelungen in den Ländern und hebe so die Rechtssicherheit bei finanziellen Fragen des Naturschutzes auf. Der in der Praxis erreichte Konsens zwischen Naturschützern und -nutzern werde zurückgeworfen. Auch seien Fördergelder der EU gefährdet, da umweltrelevante Leistungen nicht mehr entschädigt werden könnten. Überdies verbinde sich mit den Neuregelungen der flächendeckenden Landschaftsplanung, aber auch der Umweltbeobachtung ein hoher Verwaltungs- und Kostenaufwand. Der bisherige gesetzliche Vorrang des Vertragsnaturschutzes gegenüber dem Ordnungsrecht habe sich ebenso positiv im Sinne des Naturschutzes bewährt wie die bundeseinheitliche Ausgleichsregelung. Naturschutz könne nur mit den Nutzern, nicht gegen sie betrieben werden. Die relevanten Probleme des Naturschutzrechts, wie etwa die nicht mehr zu handhabende Anzahl der Schutzgebietskategorien, würden dagegen gar nicht angegangen. Ebenso laste der Bund Ländern und Kommunen die Verantwortung für die Bereitstellung von Naturschutzflächen an, sei aber nicht bereit, selber wertvolle Grundflächen im Besitz des Bundes zur Verfügung zu stellen (Paziorek 2001, Plenarprotokoll Deutscher Bundestag 14/179). Ganz ähnlich argumentierte auch die FDP gegen die beabsichtigte Reform: Das bisherige Kooperationsmodell werde einem verordnungsrechtlichen Modell geopfert - die Reform führe zu einem eigentumsfeindlichen Naturschutz. 10 Prozent der Fläche unter Naturschutz zu stellen, sei für ein dichtbesiedeltes Land wie Deutschland ein nicht realisierbares Unterfangen. Mit der Verbandsklage werde das bürokratische Dickicht weiter erhöht und durch die Neuregelung der Ausgleichsregelung der Schutz des Eigentums für Landwirte unterhöhlt (Plenarprotokoll Deutscher Bundestag 14/179, FDP 2000). Die PDS begrüßte den Entwurf als einen Schritt auf dem Weg zu einer notwendigen Modernisierung, der indes nicht immer weit genug ginge. Insbesondere kritisierte die PDS, dass die Bundesregierung kein Konzept zur Reform der Agrarstrukturpolitik und zur sektoralen Integration von Naturschutzbelangen vorlege. Die Bundestagsfraktion der PDS legte einen eigenen Gesetzentwurf zur Novellierung des BNatSchG vor. Mit dem Entwurf sollte ein eigenständiger Akzent in der Diskussion gesetzt und auf die Schwachstellen des Regierungsentwurfs hingewiesen werden, etwa im Bereich der Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden oder der Untersagungsmöglichkeit von Eingriffen in Natur und Landschaft. In den nachfolgenden Beratungen und in der öffentlichen Diskussion spielte der Gesetzentwurf allerdings keine große Rolle (Bundestagsdrucksache 14/5766). 80 80
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Der Gesetzentwurf der PDS erstreckte sich im Wesentlichen auf dieselben Regelungsbereiche wie der Gesetzentwurf der Bundesregierung, enthielt jedoch andere inhaltliche Gewichtungen und Einzelregelungen. So sah er einen Schutz der Natur um ihrer selbst willen und die Verwirklichung eines Biotopverbunds auf 15 Prozent der Gesamtfläche der Bundesrepublik, mindestens aber 10 Prozent der Länderflächen vor. Der
4.5.2.2 Stellungnahme des Bundesrates Der Gesetzentwurf wurde dem Bundesrat am 1. Juni zur Stellungnahme zugesandt (Bundesratsdrucksache 411/01). Die CDU-geführten Länderregierungen griffen die Kritik der Bundestagsfraktion der CDU auf: Statt die Kooperation zu suchen, setze die Bundesregierung auf den hoheitlichen, bürokratischen Ansatz und beschneide den Gestaltungsspielraum der Länder. Die pauschale Vorgabe, auf 10 Prozent der Landesfläche einen Biotopverbund einzurichten, gehe an der Realität der naturräumlichen Unterschiede zwischen den Ländern vorbei: In einzelnen Ländern seien ausreichend Flächen vorhanden, in anderen Ländern aber aufgrund der hohen Siedlungsdichte nicht. Hier seien Differenzierungen notwendig. Zudem seien der Vollzug und die Finanzierung des Verbundsystems nicht durchdacht. Die Neuregelung der Guten Fachlichen Praxis bürde den Ländern Vollzugslasten auf und reiße alte Gräben zwischen Landwirtschaft und Naturschutz auf, die längst durch kooperative Ansätze überwunden seien. Lob fand hingegen die Flexibilisierung der Eingriffsregelung und die Öffnung des Bundesnaturschutzrechts gegenüber den Interessen der Sportverbände. Grundsätzliche Unterstützung enthielt die Bundesregierung aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, die das Gesetzvorhaben als Flankierung der Neuausrichtung der Agrarpolitik begrüßten (Plenarprotokoll Deutscher Bundesrat 463/01). Die Ausschussverhandlungen im Bundesrat verliefen entsprechend kontrovers. Zu diesem Zeitpunkt der Beratungen konnte sich die Regierungskoalition zwar nicht mehr auf eine eindeutige Mehrheit von sie unterstützenden Ländern stützen. Im Gegenzug hatte es die CDU aber auch noch nicht geschafft, eine eindeutige Mehrheit zu ihren Gunsten zu erringen. Dies änderte sich erst später im Laufe weiterer Landtagswahlen. Insofern verliefen die Abstimmungsergebnisse variabel und sachabhängig: Im federführenden Umweltausschuss zeichnete sich eine Mehrheit für die Unterstützung des Entwurfs ab. Die anderen befassten Ausschüsse (Agrar-, Wirtschafts-, Verkehrs- und Bauausschuss sowie weiter der Innen-, Finanz-, Rechtsausschuss) lehnten den Entwurf dagegen ab (Bundesratsdrucksache 411/1/01). Diese Frontstellung prägte die Ausschussberatungen. So forderten Agrar-, Finanz, Verkehr- und Wirtschaftsausschuss eine vollständige Überarbeitung des Gesetzentwurfs. Diese Ausschüsse lehnten die Vorgaben zum Biotopverbund ab. Der Agrarausschuss sprach sich dezidiert gegen die Normierung von naturschutzfachlichen Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis aus und erarbeitete eine Reihe von Änderungsvorschlägen, welche die Regelungen faktisch neutralisierten. Auch Wirtschafts-, Bau- und Finanzausschuss forderten, dass das
Landwirtschaft wurden detaillierte Vorschriften für die umweltverträgliche landwirtschaftliche Nutzung vorgegeben; gleichfalls wurde an einer bundeseinheitlichen Ausgleichspflicht festgehalten. Die Landschaftsplanung sollte flächendeckend unter Einbeziehung der Bundesebene (Bundeslandschaftsprogramm) verwirklicht werden. Der Entwurf enthielt zudem einen Vorschlag für ein generelles Unterlassungs- bzw. Minimierungsgebot für vermeidbare Eingriffe und normierte eine generelle Einvernehmensvorschrift zwischen Bau- und Naturschutzbehörden. Naturschutzbelangen sollte in der Abwägung Vorrang gegeben werden. Der Entwurf sah eine generelle Verbandsklage im Umweltrecht und ein Verbot der Privatisierung von naturschutzfachlich wertvollen Flächen im Besitz der öffentlichen Hand vor (Bundestagsdrucksache 14/5766).
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BNatSchG nur allgemeine Vorgaben und keine spezifischen Betreiberpflichten sowie andere Verfahrensvorgaben treffen sollte und sahen eine Zustimmungspflicht als gegeben an. Innenund Bauausschuss lehnten die flächendeckende Landschaftsplanung ab; gleichermaßen sprachen sich der Bau- und Verkehrsausschuss gegen die Definition von Mindestinhalten der Landschaftsplanung aus. Die Einführung der Vereinklage stieß auf die Ablehnung aller Ausschüsse. Insgesamt waren diese Ausschüsse der Meinung, dass der Gesetzentwurf der Zustimmung des Bundesrates bedürfe (Bundesratsdrucksache 411/1/01, Tabelle 10.2 im Anhang). 81 Der federführende Umweltausschuss widersprach der Mehrzahl dieser Beschlussempfehlungen und empfahl stattdessen die grundsätzliche Unterstützung des Gesetzentwurfs. Er schlug zudem eine Reihe von inhaltlichen Verschärfungen vor. Der Ausschuss sprach sich z.B. für die Aufnahme der Bestimmung aus, dass der Schutz der Natur auch um ihrer selbst willen zu erfolgen hat, und forderte die Aufhebung der allgemeinen Abwägungsklausel. Der Grundsatz, dass naturverträgliche sportliche Tätigkeiten als Erholung zu werten seien, stieß auf die Ablehnung des Ausschusses, der sich ferner für eine Präzisierung der Bestandteile des Biotopverbund aussprach und hierfür Nationalparke und Naturschutzgebiete als feste Bestandteile vorschlug (Bundesratsdrucksache 411/1/01). Ebenso regte er an, dass Grundflächen des Bundes für Naturschutzzwecke kostenlos bereitgestellt werden sollten. Für alle Ebenen der Landschaftsplanung sollte zudem eine Fortschreibungspflicht aufgenommen und eine Pflicht zur Berücksichtigung in allen Fachplänen übertragen werden. Auch sollten Naturschutzbelange bei einer Gleichrangigkeit der Belange in der Abwägung Vorrang haben. Die Verpflichtung, streng geschützte Einzelbiotope nach § 30 in ihrer räumlichen Ausdehnung und ökologischen Beschaffenheit zu erhalten, wurde dagegen abgelehnt. Zusätzlich forderte der Ausschuss eine Erweiterung der Fälle der Mitwirkung und der Rechtsbehelfe von Naturschutzvereinen - diese sollten das Recht erhalten, auch gegen Bebauungspläne und andere Fachpläne Rechtsbehelfe einzulegen. Eine Zustimmungspflicht des Bundesrates wurde verworfen (Bundesratsdrucksache 411/1/01, vgl. Abbildung 10.2 im Anhang). In der Abstimmung der Stellungnahme des Bundesrates konnten die CDU-Länder, welche die kritischen Ausschussempfehlungen mehrheitlich verantworteten, nicht durchgängig Mehrheiten für diese Empfehlungen herstellen, die auf einen vollständigen Verzicht oder eine 81
98
Die Fachausschüsse erhoben eine Reihe weiterer Einzelforderungen. So forderte der Agrarausschuss einen generellen Vorrang des Vertragsnaturschutzes und der Finanzausschuss den Verzicht auf die Einführung der Umweltbeobachtung. Agrar-, Wirtschafts- und Verkehrsausschuss stimmten gegen die Erweiterung des Geltungsbereichs der Eingriffsregelung; der Wirtschaftsausschuss empfahl, die Aufnahme einer unterbrochenen wirtschaftlichen Nutzung einer Fläche nicht als Eingriff zu werten, was de facto auf eine Abschaffung der Eingriffsregelung hinauslief. Zusätzlich empfahl der Verkehrsausschuss die Aufhebung des Vorrangs von Ausgleichsmaßnahmen. Wirtschafts- und Bauausschuss sprachen sich weiterhin gegen die Einführung von Pufferzonen im Gebietsschutz und für die Beibehaltung der touristischen Zweckbindung von Naturparken aus. Die Erweiterung der Liste der direkt geschützten Biotope und die Verpflichtung zum Schutz von Oberflächengewässern lehnten die Ausschüsse ab (vgl. Bundesratsdrucksache 411/1/01).
substanzielle Schwächung von Bestimmungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung plädierten. Allerdings fanden auch nicht alle Empfehlungen des Umweltausschusses eine Mehrheit. Folgerichtig enthielt die Stellungnahme eine Liste von 73 Änderungsanträgen, die sowohl auf eine Verbesserung als auch auf eine Verschlechterung einzelner Bestimmungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung abzielten (vgl. Abbildung 4.2; und detailliert Tabelle 10.2 im Anhang).
Abbildung 4.2: Eckpunkteforderungen der Stellungnahme des Bundesrates Der Schutz von Natur und Landschaft hat auch aufgrund ihres eigenen Wertes zu erfolgen. Stadtstaaten sollen aufgrund ihrer dichten Besiedelung abweichende Vorgaben vom Biotopverbund treffen dürfen. Biotopverbund soll länderübergreifend erfolgen; diese Vorgabe ist gesetzlich zu verankern. Definition konkreter Standards der Guten Fachlichen Praxis soll dem Fachrecht vorbehalten bleiben, im Naturschutzrecht sollen nur allgemeine Erwartungen an die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft festgeschrieben werden. Landschaftspläne sind nicht flächendeckend zu erstellen; Landschaftsprogramme und Landschaftsrahmenprogramme sind fortzuschreiben. Die Erweiterung des Geltungsbereichs der Eingriffsregelung auf Änderungen des Grundwasserspiegels wird abgelehnt. 82 Die Möglichkeit der Rückumwandlung zeitlich geschützter Flächen ist zu befristen. Eingriffe in streng geschützte Interessen sollen nicht nach Maßgabe „zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“, sondern nach Maßgabe „überwiegender Gründe des Gemeinwohl“ erfolgen dürfen. 83 Der Fremdenverkehrszweck von Naturparken ist beizubehalten. Das Mitwirkungsrecht anerkannter Naturschutzvereine bei Plangenehmigungen ist zu streichen. Die Vereinklage soll nicht für solche Verwaltungsakte zugelassen werden, die bei In-Kraft-Treten des Gesetzes bereits erlassen, aber noch nicht bestandskräftig sind.
Die Frist zur Umsetzung in Landesrecht ist von drei auf fünf Jahre zu verlängern.
Quelle: Eigene Zusammenstellung, vgl. Abbildung 10.2 im Anhang
Insgesamt reklamierten die Länder aber eine Zustimmungspflicht des Bundesrates und forderten eine Verlängerung der Frist zur Umsetzung in Landesrecht von drei auf fünf Jahre. Zudem sprach sich die Länderkammer gegen die naturschutzfachlichen Betreiberpflichten im Rahmen der Guten Fachlichen Praxis, gegen das Flächendeckungsprinzip in der Landschaftsplanung und gegen die Verpflichtung der Länder aus, Abweichungen von Ergebnissen der Landschaftsplanung begründen zu müssen. Der Bundesrat lehnte auch die Erweiterung des Geltungsbereichs der Eingriffsregelung ab und forderte, die Verschärfung der Zulassungsbedingungen für Eingriffsvorhaben in Fall von streng geschützten Biotopen rückgängig zu ma82
83
Kritisiert wurde, dass die Formulierung keine Abgrenzung zu den oberflächennahen Wasserregulierungsmaßnahmen bei der ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Nutzung, etwa bei Drainagen, vorsah. Kritisiert wurde dass die Regelung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eng und restriktiv auszulegen sei, was die Planung und Planfeststellung von Infrastrukturmaßnahmen erschweren würde.
99
chen. Ebenfalls sprach sich die Länderkammer gegen die Erweiterung der Mitwirkung von Vereinen auf Plangenehmigungen aus (vgl. Abbildung 4.2). Allerdings fanden auch Anträge eine Mehrheit, die auf eine Verschärfung einzelner Vorgaben des Regierungsentwurfs abzielten, etwa zur zeitlichen Befristung der Umwandlung zeitweilig geschützter Flächen, zur länderübergreifenden Verwirklichung des Biotopverbunds oder zur Fortschreibungspflicht für Landschaftsprogramme und Landschaftsrahmenprogramme. Zudem gelang es den CDU-regierten Ländern nicht, eine Mehrheit für die Ablehnung des geplanten bundesweiten Biotopverbunds und der bundesweiten Vereinsklage herzustellen (Bundesratsdrucksache 4411/01, Plenarprotokoll Deutscher Bundesrat vom 13. Juli 2001, vgl. Tabelle 10.2 im Anhang). 4.5.2.3 Gegenäußerung der Bundesregierung Die Bundesregierung übernahm von den 73 Änderungsanträgen des Bundesrates 43 Anträge. Die meisten der angenommen Anträge zielten auf Detailkorrekturen im Gesetzentwurf ab. Aber es wurden auch einige substanzielle Forderungen übernommen, so die Verpflichtung zum Schutz von Natur und Landschaft aufgrund ihres eigenen Wertes, die Vorgabe zur länderübergreifenden Verwirklichung des Biotopverbunds und die Vorgabe zur Fortschreibung der Landschaftsprogramme sowie Landschaftsrahmenprogramme. Die geplante Erweiterung der Mitwirkungsrechte von Naturschutzvereinen auf Plangenehmigungen, die Planfeststellungen ersetzen, wurde aufgegeben. Ebenfalls wurde die geforderte zeitliche Befristung einer möglichen Rückumwandlung von vertraglich geschützten Naturschutzflächen übernommen (siehe Abbildung 10.2 im Anhang, vgl. Bundestagsdrucksacke 14/6878). Die anderen wesentlichen Forderungen der Länderkammer wies die Bundesregierung zurück. Sie hielt an der Einführung des Biotopverbundsystems auf 10 Prozent der Landesfläche, der Einführung naturschutzfachlicher Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, der flächendeckenden Landschaftsplanung, der Ausweitung der Eingriffsregelung sowie der Einführung der Vereinsklage fest (siehe Abbildung 10.2 im Anhang, Bundestagsdrucksache 14/6878). 4.5.2.4 Verlauf der Ausschussberatungen im Bundestag Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde am 7. September 2001 dem Bundestag zusammen mit der Stellungnahme des Bundesrats überstellt (vgl. Tabelle 4.1). Aufgrund des nahenden Endes der Legislaturperiode musste die parlamentarische Beratung zügig erfolgen. Bereits am 24. September 2001 fand eine öffentliche Expertenanhörung des Umweltausschusses statt. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die Vorgaben zum Biotopverbund. Die von den Regierungsfraktionen geladenen Experten betonten, dass die Aufhebung der Isolation vieler Lebensräume notwendige Voraussetzung für einen wirkungsvollen Naturschutz sei und der Biotopverbund ein geeignetes Instrument zur Verwirklichung dieser Ziele darstelle. Die von der Opposition geladenen Experten kritisierten dagegen die quantifizierte Vorgabe von 10 100
Prozent der Landesfläche als wahllos gegriffen. So bezeichnete der Bauernverband diese Regelung als Null-Regelung. Kritik kam ebenfalls von den Naturschutzverbänden, allerdings dahingehend, dass die jetzige Regelung zu weit gefasst sei, um die Lücken zur Vernetzung der einzelnen Gebiete effektiv schliessen zu können: Nach den vorgesehenen Regelungen könnten bereits jetzt viele Länder Vollzug melden, wenn nur die 10-Prozent-Vorgabe in den Raum gestellt werde, nicht aber qualitative Anforderungen an die Beschaffenheit der Gebiete. Auch sei es notwendig, eine dauerhafte Sicherung vorzuschreiben (Deutscher Bundestag, 16. Ausschuss, Protokoll 14/63, 14. Legislaturperiode). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde am 27. September 2001 in erster Lesung im Bundestag ohne Aussprache behandelt und in die Ausschüsse verwiesen. In den Ausschussberatungen, deren Federführung beim Umweltausschuss lag, wurden noch eine ganze Reihe geringfügiger, aber auch einige weit reichende Änderungen vorgenommen. Eine dieser weitgehenden Änderungen betraf die Neueinfügung des § 38 BNatSchG, der die Unterschutzstellungen von Meeresflächen in der AWZ und auf dem Festlandsockel regelt (vgl. Kap. 4.4.5.3). Weiterhin wurde in den Art. 2 zur Änderung der Seeanlagenverordnung der § 2a neu eingefügt, der den Geltungsbereich des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung auf die AWZ ausdehnt (Art. 2 Nr. 1). Auch fasste der Umweltausschuss den Versagungsgrund der Genehmigung von Vorhaben im Fall der Gefährdung des Vogelzugs wesentlich restriktiver. Enthielt der Entwurf der Bundesregierung noch die Vorschrift, die Genehmigung sei im Fall von erheblichen Beeinträchtigungen des Vogelzugs zu versagen, verkürzte der Ausschuss diese Vorschrift auf Gefährdungen des Vogelzugs. Damit wurde die Relativierung der ursprünglichen Regelungsabsicht, Beeinträchtigungen der Meeresumwelt zu vermeiden, ein Stück weit aufgehoben. In Absprache mit dem BMU wurde zudem das Instrument der „besonderen Eignungsgebiete für Windkraftanlagen“ (vgl. Kap. 4.4.5.3) aufgenommen. Die Regierungskoalition reagierte damit auf die massiv von Seiten der Naturschutzverbände, aber auch von Teilen von Bündnis 90/Die Grünen vorgetragenen Bedenken, dass der geplante breite Ausbau der Off-Shore-Windenergie die Meeresfauna und –flora und den Vogelzug erheblich beeinträchtigen könnte. Weitere Änderungen erfolgten bei den Bestimmungen zum Biotopverbundsystem. Die Bundesregierung hatte das Ansinnen des Bundesrates, Nationalparke und Naturschutzgebiete als feste Bestandteile des Biotopverbunds zu bestimmen, mit der Begründung abgelehnt, eine pauschale Aufnahme ohne Einzelprüfung sei aus naturschutzfachlicher Sicht nicht sinnvoll. Der Ausschuss griff diesen Änderungsvorschlag des Bundesrats aber wieder auf und fügte ihn in § 3 Abs. 3 BNatSchG ein (vgl. Kap. 4.4.2.2). 84 Bei den Vorschriften über die Mitwirkung von Naturschutzvereinen war die Bundesregierung zudem dem Bundesrat entgegengekommen
84
Der Umweltausschuss verschärfte zudem die Verpflichtung, eine regionale Mindestdichte von zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen Landschaftselementen festzulegen, indem er die entsprechenden Bestimmungen als eigenen Absatz hervor hob (§ 3 Abs. 2).
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und hatte ihre Absicht aufgegeben, anerkannten Vereinen die Möglichkeit der Mitwirkung auch bei Plangenehmigungen zu verschaffen, die Planfeststellungen ersetzen. Im Verlauf der Verhandlungen wurde ein Mitwirkungsrecht für solche Plangenehmigungen wieder aufgenommen, die an die Stelle von Planfeststellungen treten und für die eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist (§ 58 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). 85 Entsprechend wurde den Ländern vorgegeben, die Mitwirkung von Vereinen auch für Bebauungsplanverfahren vorzusehen, die Planfeststellungen ersetzen (§ 60 Abs. 2 Nr. 7 BNatSchG). Folgerichtig wurde auch die Möglichkeit der Vereinsklage hierauf ausgeweitet (§ 61 Abs. 1 Nr.2 BNatSchG) (vgl. Tabelle 10.3 im Anhang). 86 Die Opposition beanstandete die späte Vorlage vieler Änderungsanträge und sprach von einer Überrumpelungsstrategie der Regierungskoalition. SPD und Bündnisgrüne sprachen dagegen von eiligen Vorlagen im Sinne von Detailverbesserungen, die gang und gäbe in der Praxis des Deutschen Bundestages seien. CDU/CSU und FDP brachten eine Reihe von Änderungsanträgen in die Ausschussberatungen ein, die SPD und Grünen mit ihrer Koalitionsmehrheit aber ablehnten. 4.5.2.5 Abschließende Beratung in Bundestag und Bundesrat Die Ausschüsse legten ihre Empfehlungen am 14. November 2001 vor. Der federführende Umweltausschuss und der Haushaltsausschuss votierten für die Annahme des Gesetzentwurfs. Bereits am 15. November 2001 wurden die identischen Gesetzentwürfe der Bundesregierung und der Regierungsfraktionen zusammengeführt, in 2. und 3. Lesung im Bundestag beraten und mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der PDS-Fraktion angenommen. Der Gesetzentwurf der PDS wurde mit den Stimmen aller Fraktionen gegen die Stimmen der PDS abgelehnt (Plenarprotokoll Deutscher Bundestag 14/201). 87
85
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Für die meisten Plangenehmigungen ist keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen. Diese Relativierung des Geltungsbereichs ist als Kulanz gegenüber der Kritik der Länder zu bestehen, dass diese Regelung zu einer Verzögerung von Infrastrukturvorhaben führen würde. Die Ausschussberatungen führten darüber hinaus zu einer Vielzahl von weiteren redaktionellen Klärungen. So strich der Ausschuss die Pflicht zur Weiterentwicklung von Landschaftsplänen und -programmen, die aus der Stellungnahme des Bundesrates übernommen worden war. Für die Eingriffsregelung wurde klargestellt, dass für einen Ausgleich einer Beeinträchtigung zusätzlich zur Wiederherstellung der beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts auch das Landschaftsbild landschaftsgerecht wieder herzustellen ist (§ 18 Abs. 2 BNatSchG). In den Bestimmungen zum Gebietsschutz kamen die Regierungsfraktionen der Forderung des Bundesrates entgegen, den Fremdenverkehrszweck von Naturparken beizubehalten, was die Bundesregierung abgelehnt hatte. Danach sind Naturparke Gebiete, in denen ein „nachhaltiger Tourismus angestrebt wird“ (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Ebenfalls bestimmte der Ausschuss, dass geschützte Landschaftselemente beseitigt werden dürfen, wenn dies aus zwingenden Gründen der Verkehrsicherheit notwendig ist und keine Alternativen zur Verfügung stehen (vgl. Tabelle 10.3 im Anhang). CDU/CSU und FDP brachten dabei ihre ablehnende Haltung in Entschließungsanträgen zum Ausdruck, die den Bundestag zur Ablehnung des Gesetzentwurfs und zur Beibehaltung der Vorrangsregelung des Vertragsnaturschutzes und der allgemeinen Ausgleichspflicht von Auflagen jenseits der Grenze der Guten Fachlichen Praxis aufforderten. Die Anträge wurden von den Regierungsfraktionen mit den Stimmen der PDS zurückgewiesen (Bundestagsdrucksachen 14/7491 und 14/7492, Plenarprotokoll Deutscher Bundestag 14/201).
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Der Gesetzbeschluss wurde dem Bundesrat am 30. November 2001 zur Beratung zugestellt (Bundesratsdrucksache 1004/01). Die zuständigen Ausschüsse des Bundesrats legten ihre Beschlussempfehlungen am 11. Dezember 2001 vor. Während der Umweltausschuss von einer Anrufung des Vermittlungsausschusses abriet, votierten die Ausschüsse für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Diese Ausschüsse empfahlen zudem, die quantitative Mindestvorgabe für den Biotopverbund zu streichen, die geltende Ausgleichsregelungen beizubehalten, die Regelung der Guten Fachlichen Praxis dem landwirtschaftlichen Fachrecht zu überlassen, den gesetzlichen Vorrang des Vertragsnaturschutzes wiederherzustellen, das Flächendeckungsprinzip in der Landschaftsplanung aufzugeben und die Einführung der bundesweiten Vereinsklage zurückzunehmen. Dies entsprach den Eckpunkten des Forderungskatalogs von CDU/CSU und FDP. Gleichzeitig legten die Ausschüsse nahe, die Zustimmungspflichtigkeit des Gesetzes festzustellen, da es Vorschriften enthalte, die Verwaltungsverfahren der Länder regelten (Bundesratsdrucksache 1004/01). Die unionsregierten Bundesländer Hessen und Sachsen, das SPD-regierte Niedersachsen, das von SPD und FDP regierte Rheinland-Pfalz und das von SPD und PDS regierte Mecklenburg-Vorpommern brachten Anträge auf Einberufung des Vermittlungsausschusses ein. Hessen forderte, die Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft zu streichen bzw. durch nicht-spezifische Vorgaben entsprechend der Stellungnahme des Bundesrates zu ersetzen (Bundesratsdrucksache 1004/02/01). Auch die Regierung Sachsens brachte einen solchen Antrag ein (Bundesratsdrucksache 1004/5/01).
Abbildung 4.3: Forderungskatalog des Bundesrates für das Vermittlungsverfahren
Allgemeine Formulierung von Erwartungen an die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft entsprechend der vorgeschlagenen Formulierungen in der Stellungnahme des Bundesrats vom Juli 2000 anstelle der Vorgabe konkreter Einzelmaßnahmen. Ermöglichung der Abweichung von der Mindestvorgabe des Biotopverbunds für die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg angesichts der dort beschränkt verfügbaren Fläche. Aufrechterhaltung der geltenden bundesweiten Ausgleichsregelung für Auflagen, die über die Bestimmungen der Guten Fachlichen Praxis hinausgehen. Verzicht auf die flächendeckende Aufstellung von Landschaftsplänen. Ermöglichung der Abweichung von der Pflicht zur Beteiligung und der Möglichkeit von Rechtsbehelfen von Naturschutzvereinen in bestimmten Verwaltungsverfahren.
Quelle: Bundesratsdrucksache 1004/01
In die gleiche Richtung zielte die SPD-Regierung Niedersachsens, die eine Ausdünnung von Vorgaben forderte, wie u.a. die Erhaltung von Biotopen und Grünland, und spezifische Vorgaben streichen wollte, etwa die Vorgaben zu dem regionalen Verhältnis von Tierhaltung und Pflanzenbau oder zur schlagspezifischen Dokumentation des Einsatzes von Pflanzenschutz- und Düngemitteln (Bundesratsdrucksache 1004/06/01). Auch das SPD/FDP-regierte
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Rheinland-Pfalz begründete die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit der Unverhältnismäßigkeit der Vorgaben zur Guten Fachlichen Praxis und plädierte für Streichung. Gleichzeitig forderten Rheinland-Pfalz und Sachsen die Beibehaltung der geltenden Ausgleichsregelung des BNatSchG (Bundesratsdrucksache 1004/3/01 und 1004/04/01). Das SPD/PDS-regierte Mecklenburg-Vorpommern legte schließlich Widerspruch gegen die Liste der streng zu schützenden Biotope ein und schlug vor, diese an die Liste im mecklenburgischen Naturschutzgesetz anzupassen, die eine geringere Zahl von Biotopen der Küsten- und Meeresökosysteme normiert. Die Regierungen Mecklenburg-Vorpommerns und Niedersachsens wandten sich auch gegen die Geltung der Vereinsbeteiligung und -klage für Bebauungspläne, auch wenn diese nur planfeststellungsergänzend gelten sollte. Am 20. Dezember lehnte der Bundesrat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit den Gesetzesbeschluss des Bundestages ab. Die zwei Drittel-Mehrheit kam zustande, da auch die beiden SPD-regierten Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern mit Nein stimmten. Daraufhin beschloss der Bundesrat, den Vermittlungsausschuss anzurufen (Bundesratsdrucksache 1004/01). Die Zwei-Drittel-Mehrheit der Ablehnung zwang die Bundesregierung, ebenfalls das Vermittlungsverfahren zu suchen, um eine Verständigung mit den SPD-regierten Ländern zu erreichen, da sie im Bundestag nicht über die Zwei-Drittel-Mehrheit verfügte, der zur Rückweisung des Einspruchs notwendig gewesen wäre. 88 4.5.2.6
Verhandlungen im Vermittlungsausschuss, Beschluss und Inkrafttreten Der Vermittlungsausschuss unter Leitung des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gabriel präsentierte seine Beschlussempfehlung am 29. Januar 2002. Vorausgegangen waren intensive Verhandlungen zwischen Bundesregierung und den SPD-geführten Bundesländern Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz. Mit diesen musste eine Übereinstimmung erzielt werden, um die Mehrheit im Vermittlungssausschuss zu erreichen (vgl. Fußnote 90). Der Vermittlungsausschuss erzielte keine Einigung über folgende Forderungen des Bundesrates, die auf die Initiative von CDU-regierten Ländern zurückgingen:
Fortführung der Ausgleichspflicht für Nutzungsauflagen der Landwirte, Einfügung einer Klausel zur Abweichung von den Vorgaben des Biotopverbunds, Verzicht auf die flächendeckende Erstellung von Landschaftsplänen und Lockerung der Beteiligungsvorschriften für Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Eine Mehrheit fanden dagegen die Änderungsanträge, die auf die SPD-regierten Länder Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zurückgingen. Nach länge88
Im Vermittlungsausschuss hatten die Regierungsparteien mit Unterstützung der SPD-regierten Länder die Mehrheit. Niedersachsens und Mecklenburg-Vorpommerns Einspruch war denn auch taktisch motiviert. Beide Länderregierungen wollten das Gesetz nicht scheitern lassen, aber für sie wichtige Punkten durchsetzen.
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ren Verhandlungen kam ein Mehrheitsbeschluss über die Änderung der Bestimmungen zu den Grundsätzen der Guten Fachlichen Praxis zustande. Dabei ging die rot-grüne Regierungskoalition auf die Wünsche von Niedersachsen und Rheinland-Pfalz ein (vgl. Abbildung 10.4 im Anhang, Bundestagsdrucksache 14/8095):
Der Grundsatz, dass die Landwirte Biotope zu erhalten haben, die auf der Betriebsfläche vorhanden sind oder an diese angrenzen, wurde in den Grundsatz umgewandelt, dass die Landwirte vorhandene Biotope zu erhalten haben. Ebenfalls wurde der Grundsatz geändert, dass die zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen punkt- und linienförmigen Landschaftselemente in ausreichender Dichte zu erhalten sind und zu vermehren sind, wenn eine von den Ländern festzusetzende regionale Mindestdichte unterschritten ist. Diese Vorgaben wurden dahingehend abgeschwächt, dass nunmehr nur noch die zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen Landschaftselemente zu erhalten sind und nach Möglichkeit zu vermehren sind. War laut Gesetzbeschluss des Bundestages noch die natürliche Bodenfruchtbarkeit und langfristige Bodennutzbarkeit zu sichern, u.a. durch die Vermeidung von Bodenerosion und –verdichtung, so ist nunmehr nur noch eine nachhaltige Bodenfruchtbarkeit und langfristige Bodennutzbarkeit zu gewährleisten, ohne dass dies näher erläutert wird. Für die Tierhaltung war im Gesetzbeschluss des Bundestages vorgeschrieben, dass diese unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten im Betrieb oder durch Kooperationsvereinbarungen zwischen Betrieben in einem ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau stehen sollte. Diese betriebsbezogene Regelung wurde zugunsten der allgemeinen Regelung aufgegeben, dass die Tierhaltung in einem ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau zu stehen hat und schädliche Umweltauswirkungen zu vermeiden sind. Weit reichend geändert wurde der Grundsatz, dass die Betriebe eine schlagspezifische Dokumentation ihres Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatzes vorzunehmen haben. Von Anfang an von der Landwirtschaftslobby heftig bekämpft, wurde auf Betreiben von Niedersachsen und Rheinland-Pfalz die Bestimmung eingefügt, dass diese Dokumentation nach Maßgabe des landwirtschaftlichen Fachrechts erfolgt, wodurch der Status-Quo wiederhergestellt wurde. Das landwirtschaftliche Fachrecht trifft keine Verpflichtung zur Dokumentation für den Weinbau und kleinere landwirtschaftliche Betriebe. Obwohl nunmehr folgenlos und damit auch grundlos, wurde der Grundsatz im Gesetzestext belassen, um zumindest symbolisch zu verdeutlichen, dass man sich des Problems der sachgerechten Dokumentation der Dünger- und Pflanzenschutzmittelausbringung angenommen habe (vgl. Gellermann 2002, Bundestagsdrucksache 14/8095). 105
Bei den Bestimmungen zur Guten Fachlichen Praxis mussten das BMU und die Umweltpolitiker beider Regierungsfraktionen also noch einmal eine zum Teil erhebliche Abschwächung des Regelungsinhalts des neuen BNatSchG hinnehmen, da SPD-geführte Regierungen die Interessen ihres Landes vor die Parteiräson stellten. Zusätzlich zu den Neuregelungen bei den Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis erfolgte eine weitere Neuregelung in den Bestimmungen zur Vereinsmitwirkung und Vereinsklage entsprechend des Antrags der Regierung Mecklenburg-Vorpommerns (Bundestagsdrucksache 14/8095). Im Vermittlungsverfahren wurde die Bestimmung gestrichen, dass eine Mitwirkung von Vereinen und die Möglichkeit von Rechtsbehelfen für Plangenehmigungen (z.B. Bebauungspläne) vorzusehen ist, die an die Stelle von Planfeststellungen treten. Diese Streichung hatte bereits der Bundesrat gefordert; sie war aber von den Regierungsfraktionen im Bundestag abgelehnt worden. Die Neuregelung stellt eine deutliche Schwächung der Vorgaben in diesem Regelungsbereich dar, da mittels des Einschlusses von solchen Plangenehmigungen die zunehmende “Flucht in die Plangenehmigung“ und damit verbunden der Rückbau der Öffentlichkeitsbeteiligung reduziert werden sollte. Übrig blieb die Klagemöglichkeit für Planfeststellungsverfahren für Bundesvorhaben. 89 Der im Vermittlungsverfahren erzielte Kompromiss zwischen Bund und Ländern wurde auch deshalb möglich, weil die Bundesregierung zusätzlich eine Protokollerklärung abgegeben hatte, die die Bestimmungen des § 5 Abs. 4 BNatSchG in einigen Punkten inhaltlich abschwächt (vgl. Oerter und Hellenbroich 2002). Die Erklärung ist rechtlich nicht verbindlich; allerdings können sich die Länder bei der Umsetzung der Vorgaben auf den Inhalt der Erklärung berufen. Die Protokollerklärung ergänzt die bestehenden Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis in vier Punkten:
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sie ermöglicht die Berücksichtigung von Kooperationsvereinbarungen zwischen Betreiben sowie von regionalen Besonderheiten (§ 5 Abs. 4 Nr. 4), sie führt eine betriebliche Untergrenze von 8 ha für die Pflicht zur schlagspezifischen Dokumentation von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ein, sie eröffnet den Ländern die Möglichkeit, die Einhaltung hinreichender Anteile standorttypischer Forstpflanzen regional differenziert festzulegen und sie regelt für die fischereiwirtschaftliche Nutzung, dass bei Fischzuchten und Teichwirtschaften der Binnenfischerei der Besatz mit nicht-heimischen Tierarten zugelassen wird.
In der Bundestagsdebatte hatte die PDS die Bundesregierung noch kritisiert, dass die vorgesehene Regelung der Vereinmitwirkung und Vereinklage nicht weit reichend genug sei und vor allem die Ebene der BauzeitPlanung ausspare. In ihrem Gesetzentwurf hatte die PDS eine Klagemöglichkeit für alle Planverfahren vorgesehen. Dass eine Länderregierung mit PDS-Beteiligung genau das Gegenteil vollzog und eine Abschwächung entsprechender Vorschriften initiierte, verdeutlicht, dass Parteien nicht einer einheitlichen Handlungslogik folgen. In diesem Fall stellte die Landespartei der PDS Landesinteressen über Parteiinteressen.
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Insbesondere die beiden letzten Änderungen eröffnen den Ländern einen weitergehenden Spielraum bei der Umsetzung der Vorgaben des § 5 Abs. 4 BNatSchG. Bundestag und Bundesrat hatten dann über das Vermittlungsergebnis abzustimmen. Mit den Stimmen der Regierungskoalition nahm der Bundestag am 1. Februar 2002 den Vorschlag des Vermittlungsausschusses an. Die unionsgeführten Bundesländer brachten darauf einen Antrag in den Bundesrat ein, der den Bundesrat aufforderte, Einspruch gegen das Gesetz einzulegen. Als Begründung wurde angeführt, dass die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzesbeschlusses des Bundestags nicht gegeben sei. Allerdings fand der Antrag der sieben Länder mit 31 (von insgesamt 69) Stimmen nicht die dafür erforderliche Mehrheit. Der Bundesrat verzichtete auf einen Einspruch gegen das Gesetz (Bundesratsdrucksache 65/02). Damit war der Weg frei für die Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten am 26. März 2002. Im Bundesgesetzblatt verkündet wurde das Gesetz am 3. April 2002 und trat am 4. April 2002 in Kraft (BG-Blatt 2002 I Nr. 22 S. 1193, vgl. Tabelle 4.1). 4.5.3
Zusammenfassung: Das neue BNatSchG – Politikwandel im Bundesnaturschutzrecht? Bundesregierung, SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben das neue Gesetz als „Meilenstein für den Naturschutz“ (vgl. Trittin 2002) bewertet. Auch die Naturschutzverbände lobten das neue Gesetz als substanziellen Fortschritt nach einer mehr als 25jährigen Diskussion (vgl. Flasbarth 2002). Betrachtet man sich rückwirkend den Entstehungsprozess der Novelle, so sind zwei Einflussfaktoren als ausschlaggebend zu nennen, warum es zu einer Verabschiedung des neuen BNatSchG gekommen ist: a) der Wechsel der Regierungskoalition auf Bundesebene 1998 und b) die Neugründung des Landwirtschaftsministeriums als Verbraucherschutzministerium in Folge der BSE-Krise. Mit diesen Ereignissen verbanden sich Verschiebungen in der Akteurslandschaft, die neue Handlungsspielräume für eine Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts eröffneten (vgl. Abbildung 4.4). Ad a) Durch den Wechsel der Regierungskoalition auf Bundesebene wechselte die politische Amtsführung des BMU von CDU zu Bündnis 90/Die Grünen. Durch den Amtswechsel verschob sich die Positionierung des BMU in der Akteurslandschaft von einer eher auf kooperative Ansätze setzenden Position zu einer Position, die auf eine Stärkung des gesamten naturschutzrechtlichen Instrumentariums abzielt. Zwar hatte auch die CDU-Amtsführung eine umfassende Novelle verfolgt und dabei Verbesserungen für den Naturschutz im Blick gehabt. Doch den wirklich weiterführenden Forderungen - wie etwa nach naturschutzfachlichen Betreiberpflichten für die Landwirtschaft oder einer altruistischen Klagemöglichkeit für Naturschutzverbände - hatte sich die Koalition aus CDU/CSU und FDP mit Blick auf die Interessen der Wirtschaft und der Landwirtschaft immer verschlossen.
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Die neue Regierungskoalition stand in dieser Frage unter einem anderen Handlungsdruck, der einerseits durch die engen Verbindungen von Bündnis 90/Die Grünen und Naturschutzverbänden entstand, andererseits sich aber auch aus den wiederholt erhobenen Forderungen nach einer naturschutzfachlich wertvollen Gesamtnovelle in den Legislaturperioden zuvor und der damit verbundenen Frage der politischen Glaubwürdigkeit ableitete. Abbildung 4.4: Topographie der Akteurslandschaft zur Novelle des BNatSchG ab 2001* Hohe Priorität
BUND, NABU, DNR
WWF BMU BMVEL
B’90/Grüne SPD
PDS EU-Kommission**
BMVBW Ordnungsrechtlicher Naturschutz
SPD-geführte Bundesländer
Kooperativer Naturschutz DBV
Greenpeace
CDU/CSU
BDI
DIHT
FDP
CDU-geführte Bundesländer
ADAC
Niedrige Priorität
* Die Einordnung der Akteure basiert auf einer Analyse der Programme und Stellungnahmen der Akteure zur Novelle des BNatSchG. Die Positionierung soll eine grobe Orientierung in der Akteurslandschaft ermöglichen, nicht eine exakte Positionierung darstellen. ** Neutrale Positionierung : Wichtiger Wechsel gegenüber der Akteurslandschaft vor der Bundestagswahl 1998 (Abb 4.1) Quelle: Eigene Darstellung
Das BMU als Akteur innerhalb des Regierungsapparats war damit aufgeschlossener gegenüber den Forderungen von naturschutzfachlicher Seite: Hatte es in der vorherigen Legislaturperiode eher eine Rolle des Moderators von Interessenkonflikten zwischen Naturschutzund Nutzerinteressen gespielt, war es nun viel enger mit den Naturschutzverbänden verbun108
den. Durch diese Neuorientierung wurde die politische Durchsetzungsfähigkeit der Interessenkoalition der Befürworter einer naturschutzfachlichen Modernisierung des BNatSchG gestärkt, da sie nun innerhalb und außerhalb des Regierungsapparats operieren konnten. Ad b) Die Neugründung des Verbraucherschutzministeriums in Folge der BSE-Krise markiert den entscheidenden Einflussfaktor – hier entstand aufgrund eines situativen Ereignisses eine folgenreiche Verschiebung der Akteurskonstellationen im Politiknetzwerk. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das BML seine Rolle als regierungsinterner Veto-Spieler fortgesetzt: Zwar wurde nach außen hin die Beschlussfassungen der Koalitionsvereinbarung mitgetragen, doch in den Verhandlungen des Referentenentwurfs wurde versucht, die Vorgabe von naturschutzrechtlichen Betreiberpflichten und andere Auflagen für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf das mögliche Mindestmaß zu reduzieren. Entscheidend war dafür die Positionierung der politischen Amtsleitung unter Minister Funke, die in großen Teilen an die Politik der Vorgängerregierung anknüpfte. Durch den Wechsel der Amtsleitung von SPD zu Bündnis 90/Die Grünen änderte sich die Lage grundlegend, da die neue politische Amtsleitung unter Künast dem Vorhaben einer umfassenden Novelle des BNatSchG - inklusive naturschutzfachlicher Betreiberpflichten für die Landwirtschaft - aufgeschlossen gegenüber stand. Strategiefähigkeit zeigte das BMU in dieser Situation, indem es den Referentenentwurf aus der Ressortabstimmung wieder zurückholte und die Bestimmungen zur Guten Fachlichen Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft noch einmal nachschärfte. Mit diesem Richtungswechsel verbanden sich dann weitere Änderungen in der Akteurslandschaft. So sah sich der Deutsche Bauernverband zu einer kooperativeren Haltung gezwungen. Nicht zuletzt war die Lobbyposition des Bauernverbands im entscheidenden Verhandlungszeitraum – Winter 2001/ Frühjahr 2002 – auch aufgrund der öffentlichen Kritik und Medienschelte in Folge der BSE-Krise geschwächt. Dadurch reduzierte sich auch der Widerstand von Seiten dieses Interessenverbands. Ein weiterer Erfolgsfaktor war der Grad an Übereinstimmung zwischen Regierung und Regierungsfraktionen. Der Formulierungsprozess war in hohem Maß durch die Exekutive geprägt. Die Regierungsfraktionen waren zwar an der Erstellung des Entwurfs beteiligt, die maßgeblichen Entscheidungen wurden aber – mit Ausnahme der Regelung des Meeresnaturschutzes - im Umweltministerium getroffen. Dass die Fraktionen eine führende Rolle des BMU akzeptierten, erleichterte die rasche Beschlussfassung. Allerdings blieb ihnen auch kaum eine andere Wahl - die Verzögerung zu Beginn der Legislaturperiode und der erhebliche Erfolgsdruck bzw. die Blamage eines erneuten Scheiterns einer umfassenden Novelle ließen kaum eine ausführliche parlamentarische Beschlussfassung zu. Insgesamt bestand ab diesem Zeitpunkt innerhalb der Bundesregierung ein relativ hohes Maß an Geschlossenheit. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass das Vorhaben primär auf der fachpolitischen Ebene von Ministerien und Fraktionen bearbeitet wurde, wo ein hoher Grad an Übereinstimmung bestand. Die Ministerabstimmung fand zwischen zwei bündnis109
grünen Ministern, Trittin und Künast, statt. Ferner tangierte das Vorhaben nicht in nennenswerten Umfang negativ wichtige Klientelinteressen beider Regierungsparteien, sodass innerhalb der Koalition keine größeren Konflikte entstanden, die zu einer Intervention von Seiten anderer Ressorts oder anderer Fachpolitiker hätten führen können. Dies war z.B. oft der Fall bei klima- und energiepolitischen Reformvorhaben der Regierungskoalition, etwa bei der Ausgestaltung der ökologischen Steuerreform, der Kraft-Wärme-Kopplung oder dem Emissionshandel. Damit reduzierten sich die Schwierigkeiten der Politikformulierung aus Sicht des BMU hauptsächlich auf die Abstimmung mit den Ländern. Ihre Rolle war durch die Konzeption des BNatSchG als zustimmungsfreies Gesetz neutralisiert worden. Dennoch entstand an dieser Stelle ein kritischer Engpass. Denn es waren drei SPD-regierte Länder, die sich zum Ende des Prozesses gegen den Gesetzesbeschluss des Bundestages wandten, um ihre Länderinteressen durchzusetzen. Dadurch stärkten sie - vorübergehend - das Lager der Gegner des Reformvorhabens und erzwangen noch einmal inhaltliche Abstriche. Wie in Kap. 4.4. ausführlich dargelegt, ist mit der Novelle die Reformagenda einer mehr als zwanzigjährigen Debatte so gut es ging und so weit wie möglich abgearbeitet worden. Dabei sind zum Teil deutliche Defizite zwischen den Regelungswünschen von naturschutzfachlicher Seite und den Regelungen und zum Teil Diskrepanzen zwischen fortschrittlicheren Regelungen des Landesrechts und dem nunmehr novellierten Bundesrecht zu konstatieren. Als “Meilenstein und grundlegende Modernisierung“ kann das neue Gesetz – trotz der vielen hervorhebenswerten Neuregelungen - deshalb nicht bewertet werden. Vielmehr leistet es in seiner Gesamtheit eine funktionale Weiterentwicklung des Naturschutzrechts und eine – teilweise innovative - Konsolidierung bereits erprobter Regelungen, bleibt aber mit Regelungsdefiziten behaftet, leistet insbesondere die Präzisierung unklarer Detailbestimmungen nicht im erforderlichen Umfang und setzt so die Notwendigkeit der eher aufwendigen Konkretisierung unklarer Rechtsbegriffe durch die Rechtssprechung der Gerichte fort. Eine ähnliche - gegenüber den fast schon euphorischen Kommentaren von Bundesregierung und Naturschutzverbänden zurückhaltende - Bewertung findet sich in den Bewertungen namhafter Kommentatoren: Während Erbguth und Stollmann mit Blick auf das neue Gesetz von einem „Schlauch alten Weins, der auch einen Schluck neuen Wein enthält“ sprechen (vgl. Erbguth und Stollmann 2002), urteilt Gellermann, dass das: ...Bauwerk des Naturschutzrechts“ mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes seinen Abschluss noch nicht gefunden haben kann. Dem Gesetzgeber ist es - um bei diesem Bild zu bleiben - durchaus gelungen, im Bereich namentlich der Ziele und Grundsätze und der Landschaftsplanung einige Wände zu verstärken und mit der Aufnahme des Biotopverbundes und der Anerkennung der Vereinsklage andere neu aufzubauen. Zugleich aber hat er mit der Eingriffsregelung ein wesentliches Bauteil in seiner Substanz geschwächt und durch das ihm vom europäischen Arten- und Habitatschutzrecht in seiner näheren Gestaltung vorgegebene Dach regnet es angesichts vorhandener Schutzlücken noch immer herein. Das Naturschutzrecht des Bundes erinnert daher derzeit an eine Baustelle, die nach langer Untätigkeit endlich einmal gründlich aufgeräumt wurde und rein äußerlich einen ordentlichen Eindruck vermittelt (Gellermann 2002: 1033).
110
Ursächlich für den Umstand, dass eine abschließende grundlegende Modernisierung nicht zu konstatieren ist, sind zu einem natürlich die unterschiedlichen Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat, die den Handlungsspielraum für die Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts deutlich reduzierten. Es war ja nicht nur der angekündigt Widerstand der CDULänder gegen zentrale Eckpunkte des Reformvorhabens, der eine Umsetzung der Reformagenda im vollen Umfang nicht ermöglichte. Vielmehr waren es auch sozialdemokratisch regierte Länder, mit denen eine Verständigung mehr als schwierig war. Insofern kann der rotgrünen Koalition kaum allein der Vorwurf gemacht werden, dass die tatsächlichen Neuregelungen nicht in vollen Umfang der vorgebrachten Reformagenda entsprechen. Andererseits stellt sich zu Recht die Frage, ob mit mehr Ehrgeiz und einer höheren Konfliktbereitschaft mehr möglich gewesen als nur eine moderate bis zum Teil weitergehende Verbesserung eines bestehenden Regelwerks? Nicht nur Messerschmidt fragt sich: ...warum „die neue Regierung zwei Jahre Zeit gebraucht hat um einen Gesetzentwurf zu präsentieren, den sie nur aus der Schublade zu ziehen und um einige eigene, ebenfalls längst vorformulierte Vorstellungen zu ergänzen brauchte“ (Messerschmidt 2001: 246).
Ähnliche Fragen stellen sich auch andere Kommentatoren der Novelle (vgl. Schröder und Bröditz 2002). Fraglich ist dabei insbesondere, ob die aus Prestigegründen gewählte Strategie einer vollständigen Ablösung des alten Bundesnaturschutzgesetzes und damit die Inkaufnahme seiner Transformation in ein reines Rahmengesetz die richtige Strategie gewesen ist oder ob die Möglichkeit einer Teilnovelle nicht der bessere Weg gewesen wäre, um einen verbindlicheren Rahmen für die Landesgesetzgebung zumindest in Teilbereichen zu erhalten. Eine solche Teilnovellierung hätte einzelne relevante Abschnitte geändert, andere Abschnitte aber auf der alten Kompetenzbasis belassen. Art. 125a Abs. 2 GG regelt, dass unveränderte Vorschriften von Rahmengesetzen fortbestehen, auch wenn sie neu aufgrund der Vorgaben des Art. 75 Abs. 2 GG nicht mehr erlassen werden könnten. In der nunmehrigen Variante besteht, so Messerschmidt, zusätzlich zu dem Risiko einer disparaten Umsetzung auch das Risiko kompetenzrechtlicher Streitereien mit einzelnen Ländern über forciert wirkende Deklarationen von Vorschriften des BNatSchG als Rahmenvorschriften, wo ersichtlich Zweifel bestehen, ob diese Vorgaben Rahmenvorschriften sind (Messerschmidt 2001). Insofern ist zu konstatieren, dass die Verbesserungen im Bundesnaturschutzrecht auf dem wackligen Gerüst einer entsprechenden Übernahme und Ausgestaltung durch die Länder stehen. Dabei entwickeln die Vorgaben des BNatSchG nunmehr kaum noch eine eigenständige Steuerungsleistung. Der Verzicht auf die unmittelbare Geltung der §§ 1 und 2 BNatSchG hat weitergehende Folgen z.B. für die Landschaftsplanung und Eingriffsregelung, deren Bezugnahme in diesen Paragrafen definiert war. Die Instrumente zur Verwirklichung der Belange des Naturschutzes erhalten nunmehr erst durch Landesrecht Gültigkeit. Dies ist die Achillesferse der konfliktmindernden Strategie einer zustimmungsfreien Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes. Dieser Umstand lenkt das Augenmerk auf die Umsetzung der Vorgaben des neuen Gesetzes in den Ländern, die nunmehr erfolgen soll. 111
5
Die Umsetzung der Vorgaben des neuen Bundesnaturschutzrechts in den Ländern
5.1
Einflussfaktoren von Umsetzungsprozessen
Gemäß § 71 BNatSchG sind die Länder aufgefordert, die Bestimmungen des BNatSchG zum Aufbau von “Natura-2000“ (§§ 32-35 und § 37 Abs. 2 und 3 BNatSchG) bis zum 8. Mai 2003 und die übrigen Bestimmungen bis zum 4. April 2005 in Landesnaturschutzrecht umzusetzen. Der Spielraum bei der Ausgestaltung und Auslegung der Rahmenvorgaben eröffnet die Möglichkeit, die Vorgaben des Gesetzes im Sinne eigener Interessen zu modifizieren und dabei auch grundlegend zu verändern. Da der Großteil der neuen Gesetzesvorgaben erst durch die Umsetzung in Landesrecht verbindliche Gültigkeit erlangt, kommt dieser Phase des Politikprozesses also eine weit reichende Bedeutung zu. Seit langem ist nachgewiesen, dass sich in der Phase der Umsetzung oft eigenständige Dynamiken entwickeln und dass häufig Schwierigkeiten bestehen, formell verabschiedete Vorhaben “einfach“ umzusetzen. Die Umsetzung von Gesetzen erfolgt nicht allein als technokratisch-administrative Inkraftsetzung durch eine Behörde (Agenten), die von einem Ministerium (Prinzipal) zentral gesteuert wird, wie lange von vielen politikwissenschaftlichen Autoren angenommen worden ist (vgl. Howlett und Rahmesh 2003, Bressers 2004). Vielmehr verfolgen die involvierten Akteure eigene Interessen und benutzen die Umsetzungsphase, um die Politik in ihrem Sinne zu gestalten (Barrett 2004, vgl. Jänicke 1986). 90 Die Umsetzung des BNatSchG hat zwei Dimensionen: die rechtliche Umsetzung in das Landesnaturschutzrecht und die darauf folgende Umsetzung des Landesnaturschutzrechts durch die Naturschutzbehörden im Alltag. Diese Studie beschränkt sich auf die erste Dimension. Im Unterschied zur Politikformulierung steht zu Beginn dieses Umsetzungsprozesses ein zentraler Input (die Vorgaben des BNatSchG), der dann in einen vielfältigen “Output“ verwandelt wird (16 Landesgesetze). Insofern wird die Politikformulierung auf Bundesebene auf Landesebene mit anderen Mitteln weitergeführt. 91
90
91
Siehe grundlegend: Sabatier und Mazmanian 1979, Gunn 1978, Dunsire 1978, Pressmann und Wildavsky 1981, Hanf und Scharpf 1978 und Mayntz 1987. Nach ihrer Hochzeit in den 1980er Jahren haben Implementationsstudien in den 1990er Jahren weitgehend an Bedeutung gegenüber der Analyse neuer flexibler und kooperativer Steuerungsansätze verloren (kritisch: Bressers 2004). In jüngerer Zeit ist indes ein wieder erstarktes Interesse zu konstatieren (vgl. Hill und Huppe 2002, Flinders 2002). Da sich in 16 Ländern ständig Veränderungen ergeben können, war eine zeitliche Grenze für die Beendigung der empirischen Erfassung der Länderaktivitäten notwendig, um eine Fertigstellung der Arbeit gewährleisten zu können. Somit wurden Referentenentwürfe, die nach dem April 2005 und damit nach dem Ende der gesetzlichen Umsetzungsfrist vorgelegt wurden, nicht mehr berücksichtigt. Der Abschluss von Gesetzentwürfen wurde noch bis Anfang Mai berücksichtigt.
113
5.1.1 Überblick über die Faktoren Grundsätzlich gelten für den Prozess der Umsetzung auf Landesebene dieselben Erfolgsbedingungen von Umweltschutz, wie in Kap. 2 dargelegt. Je nachdem wie das Parallelogramm der Stärke, Kompetenz und Anzahl der Unterstützer und Gegner einer anspruchsvollen Adaption des Bundesnaturschutzrechts ausfällt, je nach der Größe der Handlungsspielräume und je nachdem wie geschickt die Akteure ihre Kapazitäten unter den Bedingungen situativer Einflussfaktoren einzusetzen wissen, desto wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher wird eine regelkonforme Umsetzung der Vorgaben des BNatSchG sein. Der Prozess der Umsetzung weist indes einige spezifische Eigenschaften gegenüber dem Prozess der Politikformulierung auf, die an dieser Stelle eine genauere Betrachtung erfordern (vgl. O’Toole 2004). Dabei lassen sich zentrale von dezentralen Einflussfaktoren unterscheiden: Zentrale Einflussfaktoren gelten für alle Bundesländer gleichermaßen, dezentrale Einflussfaktoren variieren entsprechend der jeweiligen Bedingungen auf Landesebene. Anders als im Fall der Politikformulierung auf Bundesebene steht am Beginn des Umsetzungsprozesses ein Gesetz, das einen klaren Umsetzungsauftrag formuliert, der alle Länder gleichermaßen bindet. Weiterhin sind ungleich mehr Akteure involviert, wodurch sich der Kommunikationsund Abstimmungsbedarf entlang der Entscheidungskette erhöht. Neue Akteure treten hinzu, wodurch sich das Risiko von Interessenkonflikten erhöht. Tabelle 5.1: Variablentyp
Einflussfaktoren von Umsetzungsprozessen Variable
Ausprägung
Eigenschaften des Mandats
- rechtlicher Anpassungsbedarf - Konkretisierungsgrad und Verbindlichkeit der Vorgaben - Schwierigkeit der Ausgestaltung - zentrale Sanktionsmechanismen - Bereitstellung von Ressourcen
Koordinierungsmechanismen
- zentraler oder dezentraler Mechanismus - weit reichende oder beschränkte Regelkompetenz
Monitoringmechanismen
- Grad der Zentralität - Grad der Regelmäßigkeit - Grad der Effektivität
Akteurskonstellation
- Anzahl / Grad der Beteiligung gesellschaftlicher Akteure - Zusammensetzung der Landesregierung (gestellt von Regierungs- oder Oppositionsparteien auf Bundesebene) - Grad der Zustimmung oder Ablehnung zum Vorhaben - Kräfteverhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern
Ökonomisch-strukturelle Rahmenbedingungen
- Wirtschaftskraft eines Landes - Wirtschaftsstruktur eines Landes - Rolle der Agrarwirtschaft - Autonomiegrad der Vollzugsebene - Zuschnitt von Ministerien
Zentral
Dezentral
Politisch-institutionelle Rahmenbedingungen Geographische Rahmenbedingungen
- Anteil großer unzerschnittener Räume - Besiedelungsdichte - Verkehrsinfrastruktur Quelle: Eigene Darstellung auf der Grundlage von O’Toole 2004 und Howlett und Rahmesh 2003
114
Inwieweit eine regelkonforme Umsetzung erfolgt, ist in hohem Maße abhängig von dem rechtlichen Anpassungsbedarf, der sich damit verbindet. Je höher er ist, desto schwieriger gestaltet sich eine regelkonforme Umsetzung. Von Einfluss ist daher die konkrete Ausgestaltung des Mandats. Je konkreter und verbindlicher die Vorgaben sind, je einfacher die Ausgestaltung im Detail ist und je größer die Möglichkeiten der Sanktionierung fehlerhaften Umsetzungsverhaltens sind, desto weniger Spielraum besteht für Abweichungen vom Normpfad und damit für Wert- und Interessenkonflikte zwischen allen Beteiligten. 92 Dabei ist auch von Bedeutung, ob die Ressourcen für die Umsetzung von der zentralen Ebene bereitgestellt werden: Fallen Kosten nicht in größerem Umfang an, wird eine Umsetzung auf wenig Widerstand stoßen. Besteht ferner die Möglichkeit einer zentralen Koordinierung und verfügt die damit beauftragte Institution über genügend Autorität und Regelkompetenz, kann eine kohärente Umsetzung einfacher eingefordert werden, vor allem wenn die Möglichkeit der Sanktionierung von Fehlverhalten gegeben ist. Gleichfalls verstärken zentrale Monitoringmechanismen die Möglichkeit, solche Fehlentwicklungen rechtzeitig gegensteuern zu können. Allein über die Ausprägung der zentralen Einflussfaktoren können aber keine hinreichenden Mutmaßungen für den Verlauf der Umsetzung gezogen werden. Vielmehr sind hierfür auch die spezifischen Bedingungen auf der Ebene des Vollzugs selber in Betracht zu ziehen. Je größer die Anzahl der beteiligten Akteure ist, desto anspruchsvoller wird die Einigung auf eine gute Umsetzung in Landesrecht, da die Notwendigkeit der Kommunikation und der Zustimmungsbedarf zunehmen (vgl. Kap. 2.3.2). Gelingt die Einigung indes, erleichtert der hohe Zustimmungsgrad die tatsächliche Umsetzung in der Praxis. Die Zusammensetzung der Landesregierungen ist ein weiterer wichtiger Faktor: Wenn die Regierungskoalition in dem betreffenden Land von Parteien gestellt wird, die auch auf Bundesebene an der Regierung beteiligt sind, dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer regelkonformen Umsetzung. Der Erfolg der Umsetzung in Landesrecht hängt maßgeblich auch von der jeweiligen Kräftekonstellation der Gegner und Befürworter ab: Bei dem Widerstand einflussreicher gesellschaftlicher Akteure werden Abweichungen vom Normpfad auf Landesebene wahrscheinlicher sein. Zuzüglich sind die strukturellen Einflussvariablen auf Landesebene wichtig (vgl. Kap. 2.3.3): Zusätzlich zur Wirtschaftskraft und der Wirtschaftsstruktur ist bei der Umsetzung von Naturschutzvorgaben Augenmerk auf die jeweilige wirtschaftliche Bedeutung der Agrarwirtschaft zu richten. Wichtig ist aber auch der Grad der Autonomie und damit verbunden die Handlungsspielräume der Behörden: Ein hoher Grad an Autonomie begrenzt die Möglichkeiten administrativer Steuerung und Kontrolle. Im Umkehrschluss vergrößern sich die Einflussmöglichkeiten gesellschaftlicher Interessengruppen.
92
Schwierigkeiten der Ausgestaltung im Detail können sich z.B. dann ergeben, wenn der Gesetzgeber die Konkretisierung gesellschaftlich umstrittener Vorgaben ausgelassen hat und damit den Schwarzen Peter an die Umsetzungsebene weitergereicht hat. Oder wenn rechtliches Neuland betreten wird, das komplizierte Rechtsfragen aufwirft, für die dennoch vollzugssichere und –freundliche Lösungen gefunden werden müssen.
115
Zuletzt sind auch die geographischen Rahmenbedingungen in Betracht zu ziehen: In einem Land mit einem hohen Anteil an unzerschnitten großflächigen Räumen an der Landesfläche, mit einer hohen Ausstattung an wertvollen Naturräumen und mit einem geringen Nutzungsdruck aufgrund einer eher niedrigen Besiedelungs- und Verkehrsinfrastrukturdichte fällt die Umsetzung naturschutzrelevanter Vorgaben leichter als in einem Land mit einer hohen Konkurrenz der Flächennutzungen. 5.1.2
Zentrale Einflussfaktoren
5.1.2.1 Eigenschaften des Mandats Das BNatSchG ist ein Rahmengesetz. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen Rahmenvorschriften des Bundes „ausfüllungsfähig und ausfüllungsbedürftig sein, jedenfalls auf eine Ausfüllung hin angelegt sein“ (BVerfGE 4, 115ff.): Die Länder dürfen den bundesrechtlichen Rahmen also unterschiedlich ausgestalten. Sie dürfen ihn aber nicht verlassen, etwa indem sie Vorschriften erlassen, welche die Vorgaben des Bundesrechts unterschreiten. Die Vorschriften des Bundesnaturschutzrechts sind insofern als naturschutzrechtliche Mindeststandards zu interpretieren. Gleichermaßen gilt aber, dass diese Vorschriften von den Ländern nicht ohne weiteres überschritten werden dürfen – landesrechtlichen Vorschriften dürfen keine bundesrechtlichen Regelungen entgegenstehen. Da aber nur noch wenige Vorschriften des Bundesnaturschutzrechts unmittelbar gelten (vgl. Kap. 4.4.1), sind die Länder an dieser Stelle nur geringfügig eingeschränkt (vgl. Peine 2002). Insgesamt zeichnet sich das Umsetzungsmandat des BNatSchG wie folgt aus:
punktueller Konkretheitsgrad und mehrheitlich geringe Verbindlichkeit der Vorgaben, großer Bedarf der Ausgestaltung und Konkretisierung im Detail, geringe Möglichkeiten für den Bund, gegenläufiges Umsetzungsverhalten einzelner Länder zu beeinflussen und zu sanktionieren und keine zentrale Bereitstellung von Ressourcen für die Umsetzung.
Es erscheint wahrscheinlich, dass diese Besonderheiten des Umsetzungsmandats eine kohärente Umsetzung in den Ländern erschweren werden: Der Gestaltungsbedarf, der den Ländern durch die Neuvorgaben entsteht, ist durchaus groß. Andererseits fehlt es zumeist an klaren und verbindlichen Handlungsvorgaben. Zu nennen sind hier insbesondere die Operationalisierung der Vorgaben zum bundesweiten Biotopverbund und die weitere Konkretisierung der Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis. Die Umsetzung der flächendeckenden Landschaftsplanung und die Erweiterung der Mitwirkungs- und Klagerechte führen zu einem administrativen Mehraufwand für die Landesbehörden. Zudem zwingt der Vollzug der neu gefassten Eingriffsregelung zu einem programmatischen Umdenken. 116
Die unmittelbar geltende Vereinsklage stellt die Länder, die bislang keine solche Klage eingeführt hatten (Baden-Württemberg, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern), vor größeren Anpassungsbedarf, nicht jedoch die übrigen Länder, die bis auf das Land Hamburg keine sonderliche Erweiterung ihres Rechtsanwendungsbereichs vollziehen müssen (Weihrich 2001, Dross 2002). Im Folgenden ist herauszuarbeiten, welche Bestimmungen zwingend zu transferieren und auszugestalten sind und welche Ergänzungen über den bundesrechtlichen Mindestrahmen hinaus denkbar und sinnvoll sind. Allgemeine Vorgaben (§§ 1-11 BNatSchG) Zu transferieren haben die Länder die neue Zielvorgabe des § 1, wonach der Schutz der Natur auch um ihrer selbst willen (Eigenwert) zu erfolgen hat, und weiterhin die Vorgabe, Natur und Landschaft auch als Grundlage für kommende Generationen zu schützen. Auch die Pflicht, Teile von Natur und Landschaft wiederherzustellen, ist umzusetzen. Da die Grundsätze des § 2 eine ausgeprägte Regelungsdichte aufweisen, erscheint eine Ergänzung kaum mehr notwendig (vgl. Schrader und Hellenbroich 2002). Zu berücksichtigen ist aber die Abwägungspflicht des § 2 Abs. 1 - allerdings gibt das BNatSchG nicht vor, wie die Gewichtung in der Abwägung auszusehen hat: Die Länder können also Regelungen vorsehen, welche die Stellung von Naturschutzbelangen in der Abwägung gegenüber konkurrierenden Nutzungen aufwerten. Der Umsetzung der Grundsätze des frühzeitigen Informationsaustauschs und der Begünstigung von Sport- und Erholungsaktivitäten ist besondere Beachtung zu schenken, da sie Eckpunkte der BNatSchG-Novelle sind (SRU 2001). 93 Auch der neue Grundsatz der Vereinbarkeit von Naturschutz und Windenergie ist in dieser Form im Naturschutzrecht der Länder bislang nicht enthalten (vgl. Kap. 4.4.2.1). § 3 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG verantwortet die Bedarfs- und Eignungsprüfung, Auswahl und Unterschutzstellung geeigneter Flächen des Biotopverbunds den Ländern (vgl. Kap. 4.4.2.2). Die Länder sind ferner durch § 3 Abs.1 Satz 2 und 3 zur länderübergreifenden Abstimmung aufgefordert. Die Landesnaturschutzgesetze haben also vorzusehen, dass ein Biotopverbund zu realisieren ist. Ferner haben sie die Ziele, Bestandteile und die Flächengröße des Verbunds zu normieren. 94 Weiterhin haben die Länder die Instrumente für eine dauerhafte rechtliche Sicherung des Verbunds festzulegen sowie die entsprechenden Zuständigkeiten zu bestimmen. 95 Gleichfalls haben sie die Biotopverbundplanungen und deren Einbindung in die Landschaftsplanung zu regeln (§ 14 Abs. 1 Nr. 4c BNatSchG). 93
94
95
Dabei ist zu analysieren, ob die Länder Flächen vor allem für die Naherholung ausweisen. Eine lediglich pauschale Bereitstellung von Gebieten für die Erholung kann dazu führen, dass Erholungsflächen ohne Bezug zu ihren Einzugsgebieten ausgewiesen werden, was zu einem erhöhten Nutzungsdruck führt (SRU 2001). Die 10-Prozent-Vorgabe des BNatSchG stellt eine Mindestvorgabe dar, die überschritten werden kann (vgl. NABU 2004, SRU 2001). Allerdings ist die Vorgabe eine weiche Soll-Vorschrift. Sie schließt eine Unterschreitung prinzipiell auch nicht aus, knüpft die Unterschreitung aber an Begründungspflichten. Im Sinne der Eignungsprüfung kommen nur solche Flächen in Betracht, die geeignet sind, das Ziel des Biotopverbunds zu erreichen. Von daher können bereits bestehende Schutzgebiete die räumliche Grundlage für das Verbundsystem abgeben. Zusätzlich zu der Eignungsprüfung ist die Auswahl dahingehend zu verengen,
117
Im BNatSchG ungeregelt geblieben sind die Bereiche Monitoring des Biotopverbunds, Berichtspflichten und die Sicherung potenzieller Entwicklungsflächen für den Verbund (Jedicke und Marschall 2003). Ähnlicher legislativer Verbesserungsspielraum bei der Umsetzung in Landesrecht besteht auch hinsichtlich der möglichen Befristung der Fertigstellung des Biotopverbunds. Für die effiziente Verwirklichung des Verbunds sind klar definierte Auswahlkriterien (z.B. Leitarten oder Leitflächen) für die Flächen des Biotopverbunds sowie klare Zuständigkeitsregelungen eine wichtige Voraussetzung. Zudem ist es hilfreich, zwischen Kernund Verbindungsflächen zu differenzieren und Kernflächen ordnungsrechtlich zu schützen. Ein ungeklärter, obgleich wichtiger Regelungsbereich ist die Finanzierung der Flächensicherung: Hier haben die Länder einen breiten Gestaltungsspielraum. Gleichfalls gilt dies für die Sanktionierung mutwilliger Zerstörungen von Elementen des Biotopverbunds, die als Tatbestand der Ordnungswidrigkeit erfasst und mit einer Geldbuße versehen werden können. Auch das Verhältnis von bundesweitem Biotopverbund und Natura 2000 ist klärungsbedürftig. Für die beiden Biotopverbundsysteme gelten unterschiedliche Kriterien; und doch sollten sie nicht isoliert voneinander errichtet werden, da die FFH-Schutzgebiete zweifellos den Kern des Biotopverbunds ausmachen werden (Louis 2003). Sie können nun um Biotoptypen und -flächen ergänzt werden, die nicht dem Schutzregime der FFH-Richtlinie unterliegen. Für den Schutz des Biotopverbunds gelten aber nicht dieselben Anforderungen wie für den Schutz von Natura 2000. Um den Vollzug zu erleichtern, könnten die Länder die Kernflächen hinsichtlich der Verträglichkeitsprüfung und der Ausnahmeregelungen allerdings wie FFHGebiete behandeln (Niederstadt 2004). 96 Den Ländern ist mit § 5 Abs. 2 nunmehr aufgegeben, eigenständig Vorschriften über die Entschädigung von Nutzungsbeschränkungen zu treffen. Eine Grenze findet sich hier lediglich in dem verfassungsrechtlich gebotenen Härteausgleich. Aus naturschutzfachlicher Sicht erscheint es sinnvoll, die Ausgleichszahlungen auf Leistungen zu beschränken, die über die Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis hinausgehen, um die Einhaltung von rechtlichen Mindeststandards nicht unter Finanzierungsvorbehalt zu stellen. Allerdings verweist § 5 Abs. 1 BNatSchG auch darauf, dass der natur- und landschaftsverträglichen Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft eine besondere Bedeutung für die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft zukommt. Die Beschränkung hat somit angemessen zu erfolgen. Die Länder haben eine regionale Mindestdichte an Vernetzungselementen festzusetzen und zu regeln, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, falls diese Mindestdichte unterschritten
96
dass nur die „erforderlichen“ Flächen und Elemente zu sichern sind. Hier hat der Landesgesetzgeber weitere Konkretisierungsarbeit zu liefern, u.a. an welchen Leitbiotopen sich zu orientieren ist (vgl. Schrader 2003). Hier ist es den Ländern gelungen, Vorarbeiten zu den fachlichen Kriterien der Auswahl von Flächen zu leisten, die bei der Umsetzung Berücksichtigung finden können (vgl. Burkhardt et al. 2003). Nicht zuletzt ist auf die Notwendigkeit der innergesetzlichen Verzahnung zu verweisen. Diese betrifft die Verknüpfung mit den Vorgaben der regionalen Mindestdichte von Vernetzungselementen, der Landschaftsplanung sowie dem Gebiets- und Biotopschutz (vgl. Kap. 4.4.3).
118
wird und solche Elemente neu einzurichten sind (§ 5 Abs. 3, vgl. Kap. 4.4.2.3). 97 Sinnvoll ergänzen lässt sich diese Regelung durch eine abschließende naturräumliche Definition der Vernetzungselemente, durch die Regelung behördlicher Zuständigkeiten und durch eine Pflicht zur Erfolgskontrolle. 98 Die nunmehr aufgestellten Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis erlangen erst durch Umsetzung in Landesrecht Geltung. Dabei öffnet sich ein rechtliches Spannungsfeld (vgl. Rehbinder 2004, Schrader 2003): Die Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis sind Rahmenrecht, welches der Ausfüllung bedarf. Dadurch werden allerdings auch Bereiche des landwirtschaftlichen Fachrechts tangiert, das unmittelbar geltendes Bundesrecht und als solches nicht von den Ländern regelbar ist. Von daher sind die Vorgaben zur standortangepassten Bewirtschaftung, zur Erhaltung und Vermehrung von Verbindungselementen, zum Schutz des Grünlandes und zur Erhaltung der natürlichen Ausstattung der Nutzfläche ausfüllungsbedürftig. Hier bietet sich die Untersetzung mit raumkonkreten Bewertungskriterien an, was eine Beurteilung standortangepasster Bewirtschaftungsformen ermöglicht. 99 Die übrigen Vorgaben sind dagegen wortgleich umzusetzen (Knickel et al. 2001). 100 Eine weitere Regelungsnotwendigkeit betrifft die Befugnisse der Behörden, insbesondere bezüglich der Rechte zur Anordnung, zum Monitoring und zur Sanktionierung. Bei der Umsetzung der Vorgaben zur Forst- und Fischereiwirtschaft haben die Länder größeren Spielraum, da sie im Fall der Forstwirtschaft nur die rahmenrechtlichen Vorgaben des Bundeswaldgesetzes zu beachten haben und im Fall der Binnenfischerei gar kein Rahmenrecht besteht (Schrader und Hellenbroich 2002). Umstritten ist die Frage, ob die Konkretisierung im Landesnaturschutzrecht oder im landwirtschaftlichen Fachrecht erfolgen soll. Die LANA hat sich dafür ausgesprochen, lediglich die Vorgaben zum Arten- und Biotopschutz (Grundsätze 2, 3 und 5) in den Landesnatur97
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Hier hat die LANA einen Formulierungsvorschlag unterbreitet, wonach das Landesamt für Umweltschutz für die gesamte Kulturlandschaft naturraumbezogen die Mindestdichte von Vernetzungselementen festsetzt, die bis zu 5 Prozent der Landesfläche betragen kann (LANA 2003). Die LANA hat ferner Anreize zur Schaffung von Vernetzungselementen vorgeschlagen, etwa durch geeignete Landschaftspflegemaßnahmen, durch Förderprogramme oder durch die Bindung einzelbetrieblicher Förderung an das Vorhandensein einer schlaggrößenabhängigen Mindestausstattung (LANA 2003). Bei der Vorgabe der standortangepassten Bewirtschaftung (§ 5 Abs. 4 Spiegelstrich 1) sind die Pflichten zur nachhaltigen Bodenfruchtbarkeit und langfristigen Bodennutzbarkeit zu definieren. Weiterhin ist die Vorgabe zur Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen (§ 5 Abs. 4 Spiegelstrich 2), dahingehend zu präzisieren, auf welche Biotope dieses Schädigungsverbot zutrifft und was als Beeinträchtigung gilt. Für § 5 Abs. 4 Spiegelstrich 3 (Erhaltung von Landschaftselementen) ist zu definieren, welche Informationspflichten für Behörden und Landwirte bestehen und welche Mindestschutzstandards (z.B. Pufferzonen) bei besonders gefährdeten Biotopen gelten. Anwendung findet der Grundsatz aber nur für solche Biotope, die nicht bereits durch spezielle Regelungen (z.B. Biotopverbund oder Schutzgebietsverordnung) geschützt sind, zumal hier noch die Vorschriften des BBodSchG zu beachten sind. Beim Spiegelstrich 5 (Vermeidung von Grünlandumbruch) sind die genannten Standorte und Gebiete zu konkretisieren, etwa durch die Angabe von Mindesthochwasserhäufigkeiten, Mindestflurabständen oder Erosionshäufigkeiten. Beim Spiegelstrich 6 (Erhaltung und nachhaltige Nutzung der natürlichen Ausstattung der Naturfläche) sind vornehmlich die Begriffe der natürlichen Ausstattung und des nachhaltigen Ertrags genau zu definieren. Dies betrifft die Spiegelstriche 4 (Ausgewogene Tierhaltung) und 7 (Schlagspezifische Dokumentation) aufgrund einschlägiger Bestimmungen des Immissionsschutz-, Abfall- und landwirtschaftlichen Fachrechts.
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schutzgesetzen und die übrigen Vorgaben in den landwirtschaftlichen Fachgesetzen umzusetzen, um die fachliche Nähe und Kompetenz zum Ausdruck zu bringen (LANA 2003). Auch andere Autoren argumentieren, dass man das Naturschutzrecht nicht überlasten und zum fehlenden Teil eines allgemeinen Umweltgesetzbuches machen darf (Bode, in Czybulka 2004: 287). Zudem seien untergesetzliche fixierte Standards wesentlich einfacher und schneller zu ändern. Der SRU hat dagegen eine möglichst einheitliche Umsetzung im Naturschutzrecht der Länder gefordert (vgl. SRU 2004a: Tz. 189). Auch andere Autoren halten zumindest die Regelung von naturschutzfachlichen Eckpunkten im jeweiligen LNatSchG für notwendig, um die Rolle der Naturschutzbehörden strukturell zu stärken (Weins, in Czybulka 2004: 288). Der letzte Regelungsbereich ist der Vertragsnaturschutz: Die Bundesregierung hat darauf verzichtet, mit § 8 BNatSchG einen Vorrang des Naturschutzes zu begründen. Da laut § 8 die sonstigen Befugnisse der Naturschutzbehörden unberührt bleiben, darf der Landesgesetzgeber keinen Vorrang des Vertragsnaturschutzes vor ordnungsrechtlichen Schutzausweisungen normieren. Vielmehr haben die Länder lediglich eine Prüfung sicherzustellen, ob der Zweck einer Naturschutzmaßnahme auch auf dem Wege des kooperativen Vertragsnaturschutzes erreicht werden kann (kritisch: Rehbinder 2004). Planerische Grundlagen (§§12-17 BNatSchG) Gemäß § 12 BNatSchG haben die Länder die Einrichtung einer Umweltbeobachtung vorzusehen (Kap. 4.4.3.1). Weitergehende Vorgaben trifft der § 12 allerdings nicht. Präzisierungsbedürftig sind insofern vor allem die Vorgaben zum Umfang und zur Regelmäßigkeit der Berichterstattung sowie zu den organisatorischen Abläufen und Zuständigkeiten. Die Umweltbeobachtung sollte auch als Monitoringsystem für die FFH-Richtlinie genutzt werden. Zudem sollte die Umweltbeobachtung speziell über Biotopverbundsflächen und regionale Vernetzungselemente informieren. Eine innergesetzliche Verzahnung mit der Landschaftsplanung ist sicherzustellen (Schrader und Hellenbroich 2002). Die Länder haben auch auf der Ebene des Landschaftsplans eine flächendeckende Landschaftsplanung zu gewährleisten und haben Landschaftspläne bei wesentlichen Veränderungen fortzuschreiben. Die Bedingungen der Fortschreibung sind ebenso zu präzisieren wie die Vorgaben zu Aufgaben (§ 13 BNatSchG) und Mindestinhalten (§ 14 BNatSchG) sowie die Pflicht zur Begründung von Abweichungen vom Flächendeckungsprinzip (Kap. 4.4.3.2). 101 Zudem haben die Länder die Verbindlichkeit der Landschaftsplanung, insbesondere im Verhältnis zur Bauleitplanung, und die Verwertbarkeit der Informationen in den Raumordnungsplänen und Bauleitplänen zu regeln (§ 14 Abs. 2 BNatSchG). Ferner verantwortet das
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Die Bedingungen für eine Abweichung sollten eng gefasst werden. Sie können auch nur für einzelne Teile der Gemeinde erfolgen. Eine Bedingung kann sein, dass Ziele des Naturschutzes durch bestehende Praktiken in dem Teilgebiet nicht oder nicht erheblich beeinträchtigt werden und eine alternative planungsrechtliche Absicherung vorliegt. Das Einvernehmen mit der Naturschutzbehörde und eine Beteiligung und Anhörung von Naturschutzverbänden können als Bedingungen normiert werden (Schrader und Hellenbroich 2002).
120
BNatSchG der Landschaftsplanung die planerische Konzeption und Umsetzung des Biotopverbunds außerhalb der geschützten Flächen (§ 14 Abs. 1 BNatSchG). Zur Konkretisierung der Fortschreibungspflicht von Landschaftsplänen bietet es sich an, diese in Ergänzung zum Bundesnaturschutzrecht an die Aufstellung oder wesentliche Veränderung eines Bebauungsplans zu koppeln. Die Länder können auch eine zeitliche Befristung der Gültigkeit eines Landschaftsplans vorgeben und die Mindestinhalte weiter konkretisieren. 102 Die Landschaftsplanung sollte im Gegenstromprinzip an die Ebenen und Abläufe der gesamträumlichen Planung angepasst werden, um Synergieeffekte zu steigern. Über die Verknüpfung mit der Umweltbeobachtung sollte eine fachliche Grundierung und Aktualisierung angestrebt werden. Die Öffentlichkeitsbeteiligung, insbesondere von anerkannten Naturschutzvereinen, ist bislang bundesrechtlich nicht geregelt - hier eröffnet sich den Ländern Spielraum für die Normierung weitergehender Vorschriften. 103 Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft (§18-21 BNatSchG) Die Länder haben die Ausweitung des Geltungsbereichs und die Neuordnung des Folgenprüfprogramms der Eingriffsregelung zu übernehmen (§§ 18 Abs. 1 und 19 Abs. 2 und 3, vgl. Kap. 4.4.4). 104 Zugleich haben die Länder die verschärfte Zulässigkeit der Beeinträchtigung streng geschützter Biotope umzusetzen. Gebunden sind sie auch an die Ausnahme der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft von der Eingriffsregelung, so diese die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes berücksichtigt und den Grundsätzen der Guten Fachlichen Praxis entspricht. Gleichermaßen gilt dies auch für die so genannte Rückholklausel (§ 18 Abs. 2 und 3; vgl. Kap. 4.4.4.2). Die Länder haben ferner die Sicherung der Durchführung von Ausgleichs102
103
104
Die Landschaftspläne sollten Angaben zu Biotopverbundflächen, zu FFH-Gebieten, zu unzerschnittenen Räumen, zu geschützten Einzelbiotopen und zur regionalen Mindestdichte von Vernetzungselementen enthalten. Entsprechende Informationen sind dann in den Abwägungsentscheidungen der räumlichen Gesamtplanung und der Fachplanungen zu berücksichtigen und auch der Planung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu Grunde zu legen (Herbert und Wilke 2002). Landesnaturschutzgesetze, die weitergehende Vorschriften normieren, können nachgeahmt werden: So regelt das Landesnaturschutzgesetz Schleswig-Holsteins z.B. die Einbeziehung von Naturschutzbehörden und – verbänden sowie der Öffentlichkeit (§ 6 LNatSchG SH a.F.). Das Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalens regelt eine weitgehend verbindliche Berücksichtigung der Landschaftsplanung in der Bauleitplanung (§ 16 Landschaftsgesetz NW) (Schrader und Hellenbroich 2002). Die Aufnahme entsprechender Vorgaben bietet sich auch deshalb an, da eine Öffentlichkeitsbeteiligung spätestens bei der Umsetzung der EG-Richtlinie über die Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung (SUP-Prüfung) obligatorisch wird (Ott et al. 2003). Dies ist rechtlich nicht unumstritten. Eingewendet worden ist, dass die Regelungen der Eingriffsregelung reines Rahmenrecht sind, sodass die Länder bei einer großzügigen Auslegung der Kompetenzgrundlage der Rahmengesetzgebung an der alten Prüffolge festhalten können (Schrader und Hellenbroich 2002). Folgt man indes der überwiegenden Sichtweise, dass die Neuregelung verbindlich umzusetzen ist, so sind die Länder auf jeden Fall in der Pflicht, die nach wie vor bestehende Vorrangigkeit von Ausgleichsmaßnahmen durch geeignete Kriterien weiter zu konkretisieren (Marzik und Wilrich 2004, Schumacher und Fischer-Hüftle 2004). Eine Möglichkeit hierbei ist es, bestimmte Ausgleichsmaßnahmen abschließend zu definieren, sodass Naturschutzbehörden den Nachweis einer Zulässigkeit nicht mehr zu besorgen haben. Dies wäre insbesondere in oftmals strittigen Fällen von Enteignungen hilfreich. Weiterhin können bestimmte fachliche Kriterien zur Begründung eines Vorrangs herangezogen werden, z.B. in der Art, dass eine Ersatzmaßnahme solange unzulässig ist wie eine Ausgleichsmaßnahme in besonderer Form zur Sicherung des Biotopverbunds beiträgt. Ebenfalls kann ein Vorrang von Ausgleichs- vor Ersatzmaßnahmen im Kontext der Zulässigkeitsprüfung von Eingriffen in streng geschützte Einzelbiotope geregelt werden (Schrader 2003).
121
und Ersatzmaßnahmen zu regeln (§ 18 Abs. 5). In diesem Zusammenhang ermächtigt § 19 Abs. 4 die Länder, Mechanismen zur Anrechnung von Kompensationsmaßnahmen in Form von Ökokonten zu treffen (Kap. 4.4.4.2). Ferner sind die Länder den Rahmenvorgaben zur Verfahrensgestaltung gemäß § 20 verpflichtet, d.h. sie dürfen die Zuständigkeit für die Eingriffsregelung nicht an Naturschutzbehörden übertragen und haben eine behördliche Entscheidung oder eine behördliche Anzeigepflicht als Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Eingriffsregelung zu regeln. Darüber hinaus haben die Länder festzusetzen, innerhalb welcher Frist Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu ergreifen sind. Zudem ermöglicht § 19 Abs. 4 die, in vielen Ländern bereits geltende, Möglichkeit der Einführung von Ersatzzahlungen. Für eine weiterführende Ergänzung des BNatSchG bietet sich die Konkretisierung von Rechtsbegriffen an, etwa durch die Vorgabe einer Positivliste oder einer Negativliste von prüfpflichtigen Eingriffsvorhaben (§ 18 Abs. 4). Die Länder können weitere Anforderungen an den Ausgleich, die Unzulässigkeitsprüfung und den Ersatz von Eingriffen vorgeben, etwa bestimmte Fristen oder Haftungsregelungen. Sie dürfen dabei bloß nicht gegen den bundesrechtlichen Mindestrahmen verstoßen. Die Länder sind zusätzlich auch frei zu bestimmen, ob der Vollzug der Eingriffsregelung im Einvernehmen der zuständigen Behörde mit Naturschutzbehörden oder ehrenamtlichen Naturschutzbeiräten zu erfolgen hat, was in einigen Bundesländern bereits der Fall ist (z.B. in Brandenburg, Schleswig-Holstein). Besonderer Schutz von Natur und Landschaft (§§ 20-38 BNatSchG) An bundesnaturschutzrechtlichen Neurungen umzusetzen sind die Einführung des Umgebungsschutzes, die Zonierung von Schutzgebieten, die Stärkung des Entwicklungsprinzips und die Stärkung des Prozessschutzes. Darüber hinaus können die Länder weitere Vorschriften treffen, etwa zur Erfolgskontrolle der Gebiete. Ebenfalls haben die Länder den strengeren Schutz geschützter Einzelbiotope nach § 30 BNatSchG zu gewährleisten. Im Rahmen der Eingriffsregelung dürfen nicht-ersetzbare Biotope nur zerstört werden, wenn dafür zwingende Gründe des Allgemeinwohls vorliegen. Dabei haben die Länder die Handlungen zu konkretisieren, die zu einer Zerstörung, Beschädigung, nachhaltigen Störung oder Veränderung des Zustands der Biotope führen können, und die Anforderungen an die Zulässigkeit von Ausnahmen zu regeln. Die Liste der Biotope kann je nach regionalen Besonderheiten des Landes ergänzt werden (vgl. Kap. 4.4.5.1). 105 Mitwirkung von Vereinen (§ 58-61 BNatSchG) Die Anerkennung von Verbänden durch das BMU und ihre Beteiligung an Entscheidungen von Bundesbehörden sind unmittelbar durch das BNatSchG geregelt (§§ 58 und 59 105
Beispiele für Konkretisierungen sind z.B. die Aufgabe oder Intensivierung landwirtschaftlicher Nutzungsformen, der Eintrag von Stoffen oder der Entzug von Grund- oder Oberflächenwasser aus unmittelbarer Umgebung (vgl. Schrader und Hellenbroich 2002).
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BNatSchG). Die Regelung der Anerkennung von Vereinen durch Landesbehörden und die Beteiligung an Entscheidungen von Landesbehörden obliegt nunmehr den Länder (§ 60 BNatSchG). Dabei können sie die Liste mitwirkungspflichtiger Verfahren und die Formen der Mitwirkung in nicht bundesrechtlich geregelten Bereichen ergänzen. Dies gilt z.B. für den Verzicht auf die Aufstellung eines Landschaftsplans, die Durchführung einer FFHVerträglichkeitsprüfung, die Regelung von Ausnahmen für gesetzlich geschützte Biotope oder die Linienbestimmung von Landesstraßen. Auch die bundesrechtliche Vereinsklage gilt unmittelbar für die Bundesländer. Die Länder haben die Möglichkeit, weitere Vorschriften über das Klageverfahren zu normieren, insbesondere im Vorgriff auf die Umsetzung der Aarhus-Konvention. Eine Nachbesserung kann etwa durch den Abbau von Klagehürden erfolgen, z.B. durch den Verzicht auf die Vorgabe, dass nur Einwendungen zugelassen sind, die bereits im Verwaltungsverfahren geltend gemacht wurden (Seelig und Güntzel 2002). Zudem entfallen alle Ausnahmeregelungen der Landesgesetze, wie z.B. die Sonderregelungen zum Ausschluss der Verbandsklage für Projekte im Hamburger Hafen in Hamburg. Naturschutzbeiräte und andere Beratungsorgane Ein Regelungsbereich, für den das Bundesnaturschutzrecht keine Vorgaben trifft, ist die Organisation der Behördenberatung durch Naturschutzverbände und naturschutzfachliche Experten. In allen Ländern existieren auf der Ebene der Unteren und Mittleren Naturschutzbehörden Naturschutzbeiräte. Diese ehrenamtlichen Beiräte beraten die Behörden fachlich; in einigen Bundesländern haben sie aber auch weitergehende Rechte: In mehreren Landesnaturschutzgesetzen gilt eine Einvernehmensregelung von Behörden und Naturschutzbeiräten. 106 Nach dem HENatG a.F. und dem LNatSchG RP a.F. können Beiräte der Unteren Naturschutzbehörden eine Entscheidung der oberen Naturschutzbehörde in Genehmigungsverfahren erzwingen, wenn sie die Richtigkeit der Rechtsanwendung bezweifeln (so genanntes Devolutionsverfahren). Zusätzlich zu solchen Beiräten existiert eine Vielfalt weiterer Organe, wie etwa Landesnaturschutzbeauftragte, thematische Arbeitsgruppen oder Kommissionen. Für diesen Regelungsbereich ist von Interesse, ob die bestehenden Regelungen im Rahmen der Anpassung des Landes- an das Bundesnaturschutzrecht beibehalten, ausgebaut oder abgebaut werden. 5.1.2.2 Koordinierungs- und Monitoringmechanismen Aufgrund der Rahmengesetzgebungskompetenz kann der Bund selber keine Koordinierungsfunktion wahrnehmen. Zwar besteht grundsätzlich die Institution der Bundesauftragsverwaltung in Deutschland, bei der die Länder an Weisungen des Bundes gebunden sind (Art. 85 GG, etwa in der Atomverwaltung). Diese kann jedoch auf der Grundlage der Rahmengesetz106
Vor der nunmehr anstehenden Novellierung der Landesgesetze war eine Einvernehmensregelung für Naturschutzbeiräte in den Gesetzen der Länder Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, RheinlandPfalz, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein verankert. Auch in Thüringen gibt es eine Einvernehmensregelung; allerdings beschränkt sich diese auf Entscheidungen von unteren Behörden (vgl. Jessel 2002)
123
gebungskompetenz nicht ausgeführt werden. Mit der LANA besteht ein Gremium von Bund und Ländern, das über den sachlichen Austausch eine Koordinierung der Länder untereinander unterstützen, nicht aber anleiten oder gar erzwingen kann, da der Vorsitz gegenüber den einzelnen Ländern keine Weisungskompetenz besitzt. Das weitgehende Fehlen der Möglichkeit einer zentralen Koordinierung erschwert eine kohärente Umsetzung, so ist zu vermuten. Dies gilt auch für das zentrale Monitoring der Umsetzungsprozesse, das institutionell nicht verankert ist. Die Bundesregierung kann keine Korrekturen oder stärkere Anstrengungen bei der Reform des Landesnaturschutzrechts erzwingen. Zwar sind die Länder grundsätzlich dem Prinzip der Bundestreue verpflichtet, d.h. sie haben wie auch der Bund ein konformes Verhalten im Hinblick auf die Gesamtverantwortlichkeit von Bund und Ländern für die Herstellung der verfassungsmäßigen Ordnung an den Tag zu legen.107 Bei einer groben Verletzung der Umsetzungspflichten besteht theoretisch die Möglichkeit des Rückgriffs auf das Instrument des “Bundeszwangs“ nach Art. 37 GG, mit dem die Bundesregierung Zwangsmaßnahmen gegen ein Land einsetzen darf, das die ihm nach Grundgesetz oder anderem Gesetz obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt. 108 Gleichwohl erscheint das Eintreten dieses Falls im Untersuchungsfall weder möglich noch sinnvoll, da eine entsprechende Verletzung angesichts der Rahmenvorgaben des BNatSchG sehr schwierig nachweisbar ist. 5.1.3 Dezentrale Einflussfaktoren Der rechtliche Anpassungsbedarf des Landesnaturschutzrechts fällt im Ländervergleich unterschiedlich aus. 109 Für jedes Land wird deshalb in den folgenden Kapiteln zu Beginn der Analyse ein Profil der Einflussfaktoren skizziert, um darauf im Ländervergleich Rückschlüsse ziehen zu können, ob unterschiedliche oder gleiche Umsetzungsergebnisse mit bestimmten Einflussfaktoren verbunden werden können. Diese Analyse konzentriert sich auf die Akteure, die ökonomischen Rahmenbedingungen und die geographischen Rahmenbedingungen. Da die Länder Teil desselben politischen Systems sind, unterliegen sie alle den gleichen politischinstitutionellen Rahmenbedingungen, sprich der Autonomiegrad ist bei allen aufgrund der Rahmenvorgaben des BNatSchG relativ hoch. Insofern konzentriert sich die Analyse hier auf
107
108
109
Das Prinzip der Bundestreue ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich niedergelegt, aber durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachdrücklich manifestiert. Abgeleitet aus Art. 20 Abs. 1 GG wird eine Pflicht von Bund und Ländern zur gegenseitigen Rücksichtnahme begründet. Die Länder sind demnach auch in der Aufsichtspflicht gegenüber den Gemeinden, wo diese gegen Bundesrecht verstoßen. Das Prinzip begründet auch die Pflicht zum Verzicht auf die Wahrnehmung von Kompetenzen, wenn andernfalls die Aufgabenerfüllung der anderen Seite in unverhältnismäßiger Weise erschwert würde (Vedder 1996). Mögliche Maßnahmen sind wirtschaftlicher, politischer oder finanzieller Druck. Die Palette der Möglichkeiten reicht von der bloßen Anweisung über die Sperrung von Finanzmitteln hin zur Ersatzvornahme bis hin zur polizeilichen Gewalt. Allerdings ist dieses Zwangsinstrument des Verfassungsrechts zweifach entschärft: Erstens ist eine Zustimmung des Bundesrates erforderlich und zweitens kann das betroffene Land einen Antrag auf Überprüfung der Rechtsmäßigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht stellen. Die von der SPD-geführten Länder hatten bessere Möglichkeiten als die von der Union geführten Länder, den rechtlichen Anpassungsbedarf ihres Landesrecht durch gezielte Einflussnahme im Prozess der Politikformulierung von vornherein zu reduzieren (vgl. für die EU: Knill 2003, Héritier et al. 1994).
124
den Zuschnitt der Ministerien (Indikator MIN_Org, vgl. Tabelle 5.2). Gänzlich rückgestellt wird die Analyse der informationell-kognitiven Rahmenbedingungen. 110 Die Anzahl und Stärke der Akteure, ihre Handlungsorientierung, die Konstellation der Interessenkoalitionen und ihr Kräfteverhältnis sind als Einflussfaktoren herausragender Bedeutung aufzufassen. Für die Analyse ist dabei zunächst von Interesse, ob es einen Unterschied macht, von welcher Partei bzw. Parteienkoalition das Land regiert wird (Indikator KOAL_Zu, vgl. Tabelle 5.2). So ist davon auszugehen, dass eine Landesregierung, die von einer oder mehreren Parteien geführt wird, die auf Bundesebene in der Opposition sind, zu einer eher gegenläufigen Umsetzung tendieren wird, da ihre Interessen in der Phase der Politikformulierung wenig Berücksichtigung gefunden hat. Damit können sich weitere Folgewirkungen verbinden: Umweltministerium und Naturschutzverbände sind dann nicht mehr Partner in einer Koalition, sondern Gegner; die Homogenität und Stabilität der Interessenkoalition des Naturschutzes wird geschwächt, ihre Durchschlagskraft sinkt und innerhalb der Landesregierung sind die Interessen des Naturschutzes weniger konfliktfähig. Andererseits kann im Fall einer Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen werden, dass die Amtsführung des Umweltministeriums an einer ambitionierten Novelle des Landesnaturschutzrechts interessiert ist, in der Folge die Interessen des Naturschutzes konfliktfähiger sind und es in der Folge auch zu einer engeren Allianz von Ministerium und Naturschutzverbänden kommt. Oder aber es zeigen sich keine erkennbaren Einflüsse der Zusammensetzung der Regierungskoalition; vielmehr wird der Umsetzungsprozess dann von der Sachlogik des Verwaltungshandelns bestimmt. Weiterhin ist zu analysieren, ob sich für Länder mit unterschiedlichen Umsetzungsergebnissen auch Unterschiede hinsichtlich des Einflusses der Naturschutzverbände ergeben. Deren organisatorische Stärke wird über den Indikator “Mitgliederanzahl der anerkannten Naturschutzverbände in den Ländern in Relation zur Landesbevölkerung“ erfasst (Indikator ORG_Verb, vgl. Tabelle 5.2). In der Prozessanalyse ist weiterhin das Verhältnis von Landesregierung und Naturschutzverbänden zu untersuchen: Regierungskoalitionen, an denen die Partei Bündnis/Die Grünen beteiligt ist, sollten den Interessen der Naturschutzverbände offener gegenüberstehen als andere Regierungskoalitionen. Im Umkehrschluss ist auch auf die Stärke der Interessenvertretung der Landwirtschaft einzugehen. Von zentraler Bedeutung ist hier der Deutsche Bauernverband. Allerdings gibt die Organisationsstruktur keine Hinweise auf bedeutsame regionale Unterschiede der organisatorischen und politischen Stärke einzelner Landesverbände. Aufschlussreicher ist vielleicht die jeweilige wirtschaftliche Bedeutung der Branche, die hier über den Indikator “Anteil der 110
Einerseits liegt keine Studie vor, die für die Bundesländer eine vergleichende Analyse anstellt, andererseits fällt es auch schwer, sich die Durchführung einer solchen Studie vorzustellen. Dafür sind die Rahmenbedingungen im Ländervergleich zu ähnlich. So gibt es z.B. kein Land, das über keine Universität verfügt. Die Ergebnisse, die von den breiten Institutslandschaft der Umweltinstitute und -forschungseinrichtungen produziert werden, sind auch für alle Länder gleichermaßen verfügbar. Insofern ist von gleichen Rahmenbedingungen auszugehen.
125
Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft an der Bruttowertschöpfung des Landes“ erfasst wird (Indikator Ant_AG, vgl. Tabelle 5.2): Je größer die Bedeutung der Branchen und der ihr vorund nachgelagerten Bereiche für die Wirtschaft des Landes ist, desto größer ist ihr Einfluss auf die Politikformulierung, so lautet die Annahme. Interessant ist auch, ob mit der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung auch ein höherer oder niedrigerer Einfluss der Agrarwirtschaft einhergeht. Dies gilt insbesondere für eine Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/Die Grünen: Hier wird eine Schwächung der Einflussmöglichkeiten der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft angenommen. Von großer Bedeutung können Unterschiede in den ökonomischen Rahmenbedingungen sein. So besteht ein wirtschaftliches Gefälle zwischen den Süd- und den Nordländern. Insofern soll bei der vergleichenden Analyse in Betracht gezogen werden, ob eine unterschiedliche Umsetzungsbilanz mit Unterschieden bei der grundsätzlichen Wirtschaftskraft und der wirtschaftlichen Entwicklung der Länder einhergeht. Die Abbildung der Wirtschaftsleistung erfolgt dabei über den Indikator “BIP je Einwohner des Landes“ (Indikator BIP_Kopf, vgl. Tabelle 5.2.), die Abbildung der eher situativen wirtschaftlichen Entwicklung über den Indikator “Durchschnittliches Wachstum des BIP des Landes“ für den Zeitraum der Jahre 2002-2004 (Indikator BIP_Wach, vgl. Tabelle 5.2). 111 Die administrative Leistungsfähigkeit der Verwaltung im Detail zu erfassen wird aufgrund der erheblichen methodischen Schwierigkeiten dieses Unterfangens nicht angestrebt. 112 Angenommen wird aber, dass in den Bundesländern keine bedeutenden Unterschiede bezüglich der Kompetenz und Stärke der jeweiligen Umweltadministration bestehen. Von Interesse ist indes, ob Länder, die Landwirtschafts- und Umweltministerium zusammengelegt haben, besser oder schlechter abschneiden als Länder, in denen die Zuständigkeiten institutionell getrennt sind (s.o.). Geographische Einflussfaktoren spielen bei der Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts eine große Rolle. In Flächenländern mit einem hohen Anteil an unzerschnittenen Räumen lassen sich Vorgaben wie die Unterschutzstellung von 10 Prozent der Landesfläche für den bundesweiten Biotopverbund leichter realisieren als in Bundesländern mit einer hohen Siedlungsdichte und einer entsprechend starken Konkurrenz unterschiedlicher Flächennutzungen. In Flächenländern fällt auch der Belastungsdruck der Verkehrsinfrastruktur niedriger aus. Andererseits besteht in diesen Ländern ein hoher politischer Erwartungsdruck hinsichtlich der 111
112
Dieser Zeitraum markiert den vom § 71 BNatSchG vorgeschriebenen Zeitraum der Umsetzung, der am 3. April 2005 geendet ist. Für das Jahr 2005 lagen zum Zeitpunkt der Fertigstellung noch keine Zahlen vor. Administrative Leistungsfähigkeit wird zwar in international vergleichenden Studien oft als eine wichtige Erklärungsvariable für den Erfolg oder Misserfolg von Umweltpolitik zitiert. Die Variable ist bislang aber relativ unscharf geblieben. Eine allgemein akzeptierte Operationalisierung administrativer Leistungsfähigkeit gibt es nicht. Einige Autoren versuchen den Begriff über quantitative Fallzahlen wie Anzahl des Personals, Budgetmittel, Anzahl der verabschiedeten Gesetze und Verordnungen oder Geschwindigkeit der Vorgangsbearbeitung zu definieren. Andere Autoren widersprechen, dass solche quantitativen Analysen keinen Rückschluss auf die tatsächliche Qualität des Verwaltungshandelns und auf die praktischen Auswirkungen zulassen, an denen alleine aber Leistungsfähigkeit gemessen werden kann (vgl. Jacob und Volkery 2005).
126
weiteren verkehrstechnischen Erschließung ländlicher Räume. Insofern ist für die einzelnen Länder zu analysieren, wie die Indikatoren Anteil unzerschnittener Räume an der Gesamtfläche (Indikator ANT_Raum, vgl. Tabelle 5.2) und Bevölkerungsdichte, gemessen als Anzahl der Bewohner pro km2 (Indikator BEV-Dicht, vgl. Tabelle 5.2) ausfallen und ob Unterschiede in der Umsetzungsbilanz mit Unterschieden bei diesen Variablen einhergehen. 5.1.4 Ausprägung der dezentralen Einflussfaktoren Bevor der Prozess der Umsetzung in den einzelnen Bundesländern zu analysieren ist, soll kurz ein vergleichender Überblick über die Ausprägung der dezentralen Einflussfaktoren in den Bundesländern gegeben werden, um eine Gesamtübersicht über die Rahmenbedingungen der Umsetzung des BNatSchG zu gewinnen. Tabelle 5.2 verdeutlicht das wirtschaftliche Gefälle zwischen den neuen und alten Bundesländern, zeigt aber auch ein Gefälle zwischen den nördlichen und südlichen Bundesländern, mit Ausnahme Hamburgs. Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen sind die Bundesländer, deren BIP pro Einwohner über dem gesamtdeutschen Durchschnitt von 25790 Euro liegt. Am Ende der Skala stehen mit Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen alle neuen Bundesländer (vgl. Tabelle 5.2). Insbesondere in den Jahren 2002 und 2003 fiel das wirtschaftliche Wachstum in fast allen Bundesländern schwach aus oder war sogar rückläufig. Diese Wachstumsschwäche wurde im Durchschnitt der Jahre zwar durch eine nahezu durchgängig bessere wirtschaftliche Entwicklung in 2004 leicht wettgemacht. Insgesamt ist aber zu konstatieren, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den meisten Ländern ungünstig ausfielen, mit Folgen für die Novellen der Landesnaturschutzgesetze: Vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Probleme hat es jedes Umweltministerium schwer, sich in der Ressortabstimmung durchzusetzen. Der Druck, keine anspruchsvolle Novelle vorzunehmen, ist groß. Lediglich Bayern, RheinlandPfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt weisen ein durchschnittliches Wachstum von mehr als 2 Prozent pro Jahr aus. Die schlechteste wirtschaftliche Entwicklung zeigt sich für Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, die eine durchschnittliche jährliche Zuwachsrate des BIP von weniger als 1 Prozent verzeichneten, sowie im Saarland, wo die Zuwachsrate knapp über diesem Wert lag (vgl. Tabelle 5.2). Bei der wirtschaftlichen Bedeutung der Agrarwirtschaft weist MecklenburgVorpommern den höchsten Wert auf: die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft trägt hier 4,3 Prozent zur regionalen Bruttowertschöpfung bei. 113 In Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen trägt die Agrarwirtschaft mehr als 2 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Nieder113
Ein Problem der Statistik ist, dass diese den Einfluss der Agrarwirtschaft nicht richtig spiegelt, da die Wertschöpfung auf den weiterverarbeitenden Stufen der Nahrungsmittelindustrie nicht in diesem Kontext erfasst. Die wirtschaftliche Bedeutung der gesamten Nahrungsmittelwirtschaft mit allen der land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Produktion vor- und nachgelagerten Stufen wird somit nicht adäquat erfasst.
127
sachsen sind “Agrarländer“, die sich entsprechend immer wieder im Prozess der Novellierung des BNatSchG für Abschwächungen der Vorgaben zum Bereich der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ausgesprochen haben. Beim Organisationsgrad der anerkannten Naturschutzverbände ist ein deutliches WestOst-Gefälle auszumachen. Mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern haben die Naturschutzverbände in den neuen Bundesländern deutlich weniger Mitglieder als in den alten Bundesländern. In den fünf neuen Bundesländern sind durchschnittlich 1,9 Prozent der Bevölkerung Mitglied in einem Naturschutzverband; in den alten Bundesländern sind es 5,4 Prozent. Die höchste Mitgliederstärke haben die Naturschutzverbände im Saarland (9,3 Prozent), gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. Dagegen sind nur 1,75 Prozent der Einwohner Berlins Mitglied in einem Naturschutzverband (vgl. Tabelle 5.2). In den meisten Ländern konnten die Naturschutzverbände im Zeitraum von 1990-2004 neue Mitglieder gewinnen. Im Bundesdurchschnitt stiegen die Mitgliedzahlen der Naturschutzverbände um 0,49 Prozent. In der Mehrzahl der Länder sind die Mitgliedzahlen gewachsen, in einzelnen Ländern sogar stark: so z.B. um 3,24 Prozent in Bremen oder um 2,35 Prozent in Bayern. In vier Bundesländern sind die Mitgliedzahlen gesunken, nämlich in Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen (BfN 2004: 324). Zwar fallen die Zuwächse mehrheitlich moderat aus. Verglichen mit den Mitgliederverlusten anderer gesellschaftlicher Interessenorganisationen wie den Gewerkschaften, aber auch den politischen Parteien, kann diese Entwicklung als Zunahme der gesellschaftlichen Bedeutung der Verbände im Lauf der letzten Dekade bewertet werden. Das “reine“ Umweltministerium stellt im Landesvergleich mittlerweile eher die Ausnahme als die Regel der Institutionalisierung des Umweltschutzes dar: Nur in drei von sechzehn Bundesländern findet sich diese Organisationsform noch. In der Mehrzahl der Bundesländer ist die Zuständigkeit für Umweltbelange dagegen verbunden mit einer Zuständigkeit für die Belange des ländlichen Raums bzw. der Landwirtschaft, und neuerdings auch Verbraucherschutz. In sechs Ländern hat dabei das Umweltministerium die zusätzliche Kompetenz erhalten, in den sieben anderen Ländern sind entweder neue Ministerien gegründet worden oder aber die Zuständigkeit für Umweltbelange ist in ein anderes Ressort integriert worden (vgl. Tabelle 5.2). Für die Bevölkerungsdichte zeigt sich eine hohe Varianz der Werte (vgl. Tabelle 5.2). Die hohen Werte für Bremen, Berlin und Hamburg lassen sich einfach mit dem Verweis auf die Besonderheiten eines Stadtstaates erklären. Gleichfalls wird damit deutlich, dass Naturschutz in den Stadtstaaten grundsätzlich anderen Handlungsbedingungen unterliegt. Im Vergleich der Flächenländer weisen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit Abstand die niedrigste Bevölkerungsdichte auf, wogegen die Bevölkerungsdichte in NordrheinWestfalen und im Saarland deutlich höher ist als im bundesdeutschen Durchschnitt (530 bzw.
128
413 Einwohner pro km2 gegenüber 231 Einwohnern pro km2). Auch Baden-Württemberg und Hessen weisen höhere Werte auf. Ein West-Ost-Gefälle lässt sich auch bei der Betrachtung der unzerschnittenen verkehrsarmen Räume (>100 km2) feststellen. Mit Ausnahme von Sachsen verzeichnen die neuen Bundesländer Flächenanteile von 30 Prozent und mehr, Brandenburg und MecklenburgVorpommern sogar knapp bzw. mehr als 50 Prozent (vgl. Tabelle 5.2). Kein westliches Bundesland verzeichnet einen so hohen Wert. Niedersachsen nimmt mit 21,5 Prozent den Spitzenplatz in der Gruppe der westlichen Bundesländer ein. In den bevölkerungsreichen Ländern ist der Anteil großflächiger unzerschnittener Räume dagegen niedrig, vor allem in NordrheinWestfalen, aber auch in Baden-Württemberg oder in Hessen. In diesen Ländern ist von einer stärkeren Konkurrenz der Flächennutzungen auszugehen. Die Ausprägung der naturräumlichen Ausstattung in den Bundesländern beeinflusst das Umsetzungsverhalten der Landesregierungen: Natürlich ist es leichter einen Biotopverbund auf zehn Prozent der Landesfläche in einem dünn besiedelten Land einzurichten als in einem dicht besiedelten Land. Insofern ist anzunehmen, dass die Länder mit einer niedrigeren Bevölkerungsdichte weniger Probleme mit einer korrekten Umsetzung haben sollten. Allerdings ist gerade in den dünn besiedelten neuen Bundesländern der politische Druck groß, die Verkehr-, Gewerbe- und Siedlungsflächeninfrastruktur auszubauen.
129
130
SPD/Grüne; CDU/FDP SPD/Grüne***
6,98 1,90 4,56
1,43
5,00 9,30 0,85
3,59
4,78 5.04 3.02
23 539 17 874 26 388
18 245
23 507 24 606 18 539
26 643
23 111
17 256
35 592 45 363 32 056
29 835 30 993 22 988 17 527
BIP_Kopf3 (in Euro)
0,99 1,53 1,63
2,3
2,16 1,1 2,53
1,67
1,23
0,93
1,26 1,73 1,23
1,5 2,23 0,5 0,93
BIP_Wach4 (in %, 2002-04)
2,0 1,9 1,1
2,5
1,4 0,3 1,4
0,7
2,2
4,3
0,3 0,2 0,6
0,8 1,3 0,1 2,3
AG_BW5 (in %)
Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft** Landwirtschaft, Umwelt und Naturschutz Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Landwirtschaft und Umwelt
Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Umwelt und Forsten Umwelt Umwelt und Landwirtschaft
Umwelt
Ernährung und Ländlicher Raum* Umwelt, Gesundheit/ Verbraucherschutz Stadtentwicklung Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Bau, Umwelt und Verkehr Stadtentwicklung und Umwelt Umwelt, ländlicher Raum und Verbraucherschutz Umwelt
MIN_Org.6
179 147 231
123
204 413 235
530
168
75
1 640 2 296 288
299 176 3 800 87
BEVDichte7
11,29 33,86 20,61
31,95
15,43 12,62
2,55
21,47
52,89
10,84
9,31 15,27 49,62
ANT_Raum8
Quellen: StaBuA 2005, Statistische Ämter der Länder 2005, BfN 2004, eigene Erhebungen (Recherche auf den Internetseiten der Ministerien)
1
: Zusammensetzung der Regierungskoalition (2002-2005), 2: Anteil der Bevölkerung, die Mitglied in einem anerkannten Naturschutzverband sind, 3: BIP je Einwohner im Jahr 2003, 4: Durchschnittliches Wachstum des BIP über die Jahre 2002-2004, 5: Anteil der Land- und Forstwirtschaft an der Bruttowertschöpfung (2004), 6: Zuschnitt des zuständigen Ministeriums, 7: Anzahl der Einwohner pro km2 (2004), 8: Anteil der unzerschnittenen Verkehrsarmen Räume in Prozent der Gesamtfläche des Landes (2003, die Stadtstaaten und das Saarland werden nicht gezählt). * zusätzlich besteht das Umweltministerium Baden-Württemberg ** die Angabe bezieht sich auf den Zuschnitt in der letzten Legislaturperiode; *** berücksichtigt nicht die Regierungswechsel
Schleswig-Holstein Thüringen Deutschland
Sachsen-Anhalt
SPD/FDP CDU CDU; CDU/SPD SPD/Grüne, CDU/FDP SPD/Grüne*** CDU SPD/Grüne
4,42
SPD/PDS
MecklenburgVorpommern Niedersachsen
NordrheinWestfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen
4,66
SPD/CDU CDU/FDP CDU/FDP
Bremen Hamburg Hessen
7,32 7,92 1,75 1,12
CDU/FDP CSU SPD/PDS SPD/CDU
Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg
ORG_Ver2 (in %)
KOAL_Zu1
Überblick über die dezentralen Einflussfaktoren der Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts in den Ländern (Bezugsjahr 2003)
Land
Tabelle 5.2:
5.2
Zeitlicher Verlauf der Umsetzungsprozesse
Während alle Länder die Anpassung des Landesnaturschutzrechts an die Vorgaben des europäischen Naturschutzrechts vorgenommen haben oder sie demnächst zu einem Ende bringen werden, ist die Anpassung der Landesnaturschutzgesetze an die übrigen Vorgaben des neuen Bundesnaturschutzrechts mehrheitlich zögerlich angegangen worden (vgl. Tabelle 5.3). 114 Im November 2003 hatte die Mehrzahl der Länder die Vorlage eines Gesetzentwurfs für das Jahr 2004 angekündigt, in den meisten Fällen terminiert für einen Zeitpunkt nach der parlamentarischen Sommerpause 2004. Wenige Länder hatten zu diesem Zeitpunkt die Arbeiten an den Gesetzentwürfen bereits bis zur vollständigen Entwurfsreife vorangetrieben oder Entwürfe veröffentlicht. Dies war der Fall in Brandenburg, im Saarland und in Sachsen-Anhalt. Erst ein einziges Land, Schleswig-Holstein, hatte bereits eine Anpassung des Landesrechts an das neue Bundesnaturschutzrecht vollzogen - das schleswig-holsteinische Naturschutzgesetz war im Mai 2003 umfassend novelliert worden. Zusätzlich hatte Hessen bereits eine Teilnovelle auf den Weg gebracht, die über die Umsetzung von europäischen Rechtsvorgaben hinaus auch Teilbereiche des neuen Bundesnaturschutzrechtes umsetzte, eine vollständige Anpassung an alle Vorgaben des BNatSchG aber nicht leistete. Die Landesregierung hatte aber eine weitere Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes angekündigt (vgl. Tabelle 5.3). In der Folgezeit konnten die meisten Länder dem eigenen Terminplan nicht folgen: Trotz der Ankündigung kam es im Verlauf des Jahres 2004 nur in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt zu einer umfassenden Novelle des Landesnaturschutzgesetzes. Die saarländische Landesregierung legte im November 2003 einen Gesetzentwurf zur öffentlichen Konsultation vor, zog diesen nach heftiger Kritik von Seiten der Naturschutzverbände und der Oppositionsparteien vorläufig aber zurück (vgl. Tabelle 5.3). Zum Ablauf der dreijährigen Umsetzungsfrist des BNatSchG am 03. April 2005 hatten damit erst drei Landesregierungen die Naturschutzgesetze an die Vorgaben des BNatSchG angepasst; in Nordrhein-Westfalen wurde eine entsprechende Novelle am 20. April 2005 verabschiedet. Die Rechtsanpassung in den anderen Bundesländern verzögert sich. Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat Anfang Mai 2005 einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, die bayrische Landesregierung Ende Juni 2005. Auch in Baden-Württemberg, in Berlin und in Thüringen sind Gesetzentwürfe vorgelegt worden (vgl. Tab 5.3). Mit dem Ende der gesetzlichen Umsetzungsfrist sind die unmittelbar geltenden Vorschriften des BNatSchG außer Kraft getreten.
114
Die Europäische Kommission hat in der Vergangenheit bei Verstößen gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht vermehrt mit der Sperrung von Strukturfondsgeldern gedroht. Die beschleunigte Meldung europäischer Naturschutzgebiete ist insoweit insbesondere auf die dringenden Mahnungen der Kommission und die Aussicht auf den Verzicht europäischer Fördermittel zurückzuführen (siehe SRU 2004a: Tz. 190ff.).
131
Tabelle 5.3:
Stand der Novellierung der Landesnaturschutzgesetze zur Umsetzung der Vorgaben des neuen Bundesnaturschutzrechts
Bundesland
Stand der Anpassung an das neue Bundesnaturschutzrecht (21.11.2003)
Stand der Anpassung an das neue Bundesnaturschutzrecht Stand 03.05.2005
BadenWürttemberg
Eine grundlegende Novelle soll in der ersten Hälfte 2004 verabschiedet werden
Eine Novelle ist noch nicht erfolgt – Abstimmung des Gesetzentwurfs verzögert sich
Bayern
Ein Entwurf für eine grundlegende Novelle soll Anfang 2004 vorliegen
Eine grundlegende Novelle ist noch nicht erfolgt; Gesetzentwurf soll vor Sommerpause eingebracht werden *
Berlin
Ein Gesetzentwurf soll Mitte 2004 vorliegen
Ein Gesetzentwurf zur Novelle des LNatSchG ist am 19. April 2005 vom Senat zur Kenntnis genommen und an den Rat der Bezirksbürgermeister weitergeleitet worden
Brandenburg
Ein Entwurf für eine grundlegende Novelle ist im November 2003 vorlegt worden
Am 26. Mai 2004 ist eine grundlegende Novelle vom Landtag beschlossen worden
Bremen
Ein Entwurf für eine grundlegende Novelle soll im Lauf des Jahres 2004 vorliegen
Eine grundlegende Novelle ist noch nicht erfolgt, nur eine Anpassung an EU-Recht
Hamburg
Ein Entwurf für eine grundlegende Novelle soll Anfang 2004 vorliegen
Eine Novelle ist noch nicht erfolgt – Abstimmung des Gesetzentwurfs verzögert sich
Hessen
Eine Umsetzung einzelner Regelungsbereiche des BNatSchG ist per Teilnovelle erfolgt. Ein Entwurf zur Umsetzung der weiteren Regelungsbereiche soll Anfang 2004 vorgelegt werden-
Der Entwurf zur weiteren Umsetzung ist vorgelegt worden, das parlamentarische Beratungsverfahren läuft.
MecklenburgVorpommern
Ein Entwurf für eine grundlegende Novelle soll im Herbst 2003 vorliegen und in 2004 umgesetzt werden
Eine Novelle ist noch nicht erfolgt – Abstimmung des Gesetzentwurfs verzögert sich
Niedersachsen
Ein erster Gesetzentwurf ist für Anfang 2004 geplant und soll bis Ende des Jahres 2004 umgesetzt werden
Eine Novelle ist noch nicht erfolgt – Abstimmung des Gesetzentwurfs verzögert sich, Teilnovelle ist geplant
NordrheinWestfalen
Ein Entwurf für eine grundlegende Novelle soll im Lauf des Jahres 2004 vorliegen
Am 20. April 2005 ist eine grundlegende Novelle vom Landtag beschlossen worden
RheinlandPfalz
Die Novellierung soll im Jahr 2004 erfolgen, Entwurf für eine grundlegende Novelle soll frühestens im Frühsommer 2004 vorliegen
Am 3. Mai 2005 ist ein Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht worden.
Saarland
Entwurf für eine grundlegende Novelle ist zum 19. November 2003 vorgelegt worden
Entwurf ist nach Protest der Verbände zurückgezogen worden; Novelle ist auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben worden
Sachsen
Eine grundlegende Novelle soll erst nach der Landtagswahl im September 2004 erfolgen
Eine grundlegende Novelle ist noch nicht erfolgt; soll bis Ende 2005 erfolgen
SachsenAnhalt
Ein Entwurf für eine grundlegende Novelle ist zum 4. Juni 2003 vorgelegt worden
Eine grundlegende Novelle ist am 17. Juni 2004 vom Landtag verabschiedet worden
SchleswigHolstein
Eine grundlegende Novelle ist am 7. Mai 2003 vom Landtag beschlossen worden
-
Thüringen
Ein Entwurf für eine grundlegende Novelle Ein Entwurf ist im Dezember 2004 dem soll nach der Landtagswahl im Juni 2004 Landtag vorgelegt worden; eine grundlegenvorgelegt werden de Novelle ist aber noch nicht erfolgt. * dies ist am 2. Juni 2005 erfolgt, konnte aber nicht mehr berücksichtigt werden Quellen: SRU 2004a: Tz. 18, Parlamentsspiegel der Landtage
132
Unmittelbar nach Verkündigung des neuen BNatSchG haben sich mehrere Unterarbeitsgruppen innerhalb der LANA gebildet, um Textvorschläge für eine ländereinheitliche Umsetzung einzelner Vorgaben zu erarbeiten. Aufgrund konträrer Meinungen innerhalb der LANA gelang dies nicht für alle Regelungsbereiche. 115 Eine aktive Selbstkoordinierung der Länder über die LANA ist damit nur in Ansätzen gelungen. Mit dem Inkrafttreten der Novelle ist die Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern nicht zum Erliegen gekommen. Am 14. Februar 2003 hat der Bundesrat - auf Initiative der Länder Thüringen, Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt – beschlossen, den Entwurf eines “Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes“ in den Bundestag einzubringen, der den Ländern per Öffnungsklausel die Befugnis einräumen soll, hinsichtlich der bundesrechtlichen Vorgaben zur Vereinsklage abweichende landesrechtliche Vorgaben zu treffen (Bundesratsdrucksache 83/03). 116 Der Entwurf (Bundestagsdrucksache 15/776) ist indes am 27. Mai 2004 vom Bundestag zurückgewiesen worden (Plenarprotokoll Deutscher Bundestag 15/111). Am 22. Juni hat das Land Niedersachsen einen Antrag zur Änderung des BNatSchG in den Bundesrat eingebracht (siehe Kap. 5.11.2). Zusätzlich zur aktiven NichtUmsetzung des Gesetzes versuchen diese Länder, dem gesetzlichen Anpassungsdruck auch durch Änderungsinitiativen auf Bundesebene zu entgehen.
5.3
Die Umsetzung in Baden-Württemberg
5.3.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Das von der CDU und FDP regierte Baden-Württemberg ist mit einer Flächengröße von 35.752 km2 das drittgrößte Bundesland der Bundesrepublik. Gleichzeitig weist es mit 10,7 Mio. Einwohnern die drittgrößte Bevölkerungszahl auf. Die Bevölkerungsdichte liegt mit 299 Einwohnern pro km2 deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt und führt zu einer starken Flächeninanspruchnahme für Verkehrs-, Siedlungs- und Gewerbezwecke. Entsprechend ist der Anteil der unzerschnittenen verkehrsarmen Räume mit einem Anteil von 9,31 Prozent der Landesfläche in 2003 (10,71 Prozent in 1998) niedrig – im bundesdeutschen Vergleich ist es der zweitniedrigste Wert (vgl. Tabelle 5.4). Die Flächenkonkurrenz und damit das Konfliktpotenzial von Naturschutzmaßnahmen ist somit hoch.
115
116
Im März 2003 verabschiedete die LANA Empfehlungen für die Bereiche “Biotopverbund“ und “Vernetzungselemente“ (§ 3 und § 5 Abs. 3 BNatSchG), “Gute Fachliche Praxis“ (§ 5 Abs. 4-6 BNatSchG), “Erhaltung von gesetzlich geschützten Biotopen“ (§ 30 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG) und “Erhaltung von Gewässern und Uferzonen“ (§ 31 BNatSchG). Keine Einigung konnte über einen Textvorschlag zur Umsetzung der Vorgaben der Eingriffsregelung erzielt werden. Andere Empfehlungen, etwa zum Biotopverbund, kamen nicht mit einstimmiger Zustimmung der Länder zustande (vgl. SRU 2004a: Tz. 185). Zur Begründung wird angeführt, dass die Vereinsklage mit der Tradition des Individualschutzrechts schwer vereinbar sei und bei fraglichen Vorhaben zu erhöhten Zeitbedarf und Kostensteigerungen aufgrund der Gerichtsverfahren führe (siehe Bundesratsdrucksache 83/03).
133
Baden-Württemberg ist eines der “reichen“ Bundesländer: das BIP je Einwohner liegt mit 29.835 Euro (2004) deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Allerdings lag der durchschnittliche Zuwachs des BIP der Jahre 2002-2004 mit 1,5 Prozent unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 1,63 Prozent. Während die strukturelle Wirtschaftskraft als gut zu bezeichnen ist, erschwert die eher schlechte wirtschaftliche Entwicklung die Rahmenbedingungen für eine Novelle des Landesnaturschutzrechts. Nach Saarland und Bayern weist Baden-Württemberg den dritthöchsten Wert für die Mitgliederzahl der Naturschutzverbände im Landesvergleich auf: 690.033 Menschen sind in Baden-Württemberg Mitglied eines Naturschutzverbands. Die gesellschaftliche Bedeutung der Verbände ist also durchaus beachtlich. Tabelle 5.4:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Baden-Württemberg
KOAL_Z.
BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
CDU/FDP
29 243
1,5
1,0
Ernährung und Ländlicher Raum
7,32
299
9,31
Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
Die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft in Baden-Württemberg ist eher kleinteilig strukturiert und zeichnet sich mehrheitlich durch kleine bis mittelgroße Betriebe aus. Obwohl sie das Landschaftsbild vielerorts noch immer stark prägt, ist der Anteil an der Bruttowertschöpfung gering: er beläuft sich auf 1,0 Prozent, was einer der niedrigsten Werte im Vergleich aller Bundesländer ist. Dennoch hat die Branche aufgrund der Nähe zur Regierungspartei CDU gute Möglichkeiten der politischen Einflussnahme, gerade in der Naturschutzpolitik (Statische Ämter der Länder 2005). Bei der Organisation der Zuständigkeiten stellt Baden-Württemberg eine Ausnahme dar: Es besteht ein Umweltministerium, doch die Zuständigkeit für Naturschutzfragen liegt beim Ministerium für Ernährung und Ländlicher Raum. Der Minister (Hauk, zuvor Stächele) wird von der CDU gestellt. Naturschutz wird in Baden-Württemberg in erster Linie als Teil einer integrierten Regionalentwicklung verstanden und soll primär über kooperative Maßnahmen vollzogen werden. 5.3.2 Überblick über den Umsetzungsprozess In ihrer Koalitionsvereinbarung von 2001 haben die baden-württembergische CDU und FDP die Bedeutung der Errichtung eines Netzwerks geschützter Gebiete im Rahmen von Natura 2000 hervorgehoben, dabei aber auch die Priorität des Vertragsnaturschutzes betont und auf die Notwendigkeit des Dialogs und der Kooperation mit der bäuerlichen Landwirtschaft abgehoben (CDU und FDP Baden-Württemberg 2001). Mit Stand vom Mai 2005 war kein Gesetzentwurf zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesnaturschutzrechtes in den Landtag eingebracht worden. Der Landtag hat im November 2002 lediglich ein Gesetz zur Umsetzung der 134
Vorgaben der europäischen Zoo-Richtlinie sowie der Vogelschutz- und FFH-Richtlinie verabschiedet (Drucksache 13/1511 Landtag von Baden-Württemberg). Allerdings liegt ein Gesetzentwurf zur Novelle des LNatSchG intern vor. Im Mai 2005 hat eine Verbändeanhörung stattgefunden, zu der dann der Gesetzentwurf öffentlich gemacht worden ist. Zeitlich bedingt konnte dieser aber nicht mehr in die Analyse dieser Arbeit einbezogen werden.
5.4
Die Umsetzung in Bayern
5.4.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Das von der CSU regierte Bayern ist mit einer Flächengröße von 70.549 km2 das größte Flächenland Deutschlands. Gleichzeitig weist es mit 12,4 Mio. Einwohnern die zweitgrößte Bevölkerung auf. Aufgrund der großen Fläche liegt die durchschnittliche Bevölkerungsdichte mit 176 Einwohnern pro km2 aber deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt (231 Einwohnern pro km2). Im Vergleich der Bundesländer ist dies der sechsniedrigste Wert. Der Anteil großer unzerschnittener Räume an der Gesamtfläche beläuft sich auf einen Mittelwert von 15,27 Prozent. Insofern sind eine stärkere Flächenkonkurrenz und ein hoher Nutzungsdruck für Ballungsräume zu konstatieren. Es bestehen aber auch natürliche Freiflächen größeren Umfangs, was z.B. die Einrichtung eines Biotopverbunds erleichtert. Tabelle 5.5:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Bayern
KOAL_Z.
BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W (in %)
BIP_Agr. (in %)
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
CSU
30.324
2,23
1,3
Umwelt, 7,92 Gesundheit, Verbraucherschutz
BEV_D (je km2)
AN_Raum (in %)
176
15,27
Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
Wie Baden-Württemberg zählt Bayern zu den “reichen“ Bundesländern. Das Pro-KopfEinkommen je Einwohner ist mit 30.993 Euro (2003) das vierthöchste im Vergleich der Bundesländer. Beim Wirtschaftswachstum belegt Bayern mit einer durchschnittlichen Wachstumsquote des BIP von 2,23 Prozent in den Jahren 2002-2004 hinter Sachsen und SachsenAnhalt Platz 3. Bayerns BIP wird in absoluten Zahlen nur noch vom BIP NordrheinWestfalens übertroffen (Statistische Ämter der Länder 2005). Zwar hebt die bayrische Staatsregierung regelmäßig die Tradition Bayerns als Agrarland hervor, doch der “Wandel vom Agrarland zum High-Tech-Land“ ist längst vollzogen (vgl. März 1999): Der Strukturwandel der bayrischen Wirtschaft zeigt sich in der vergleichsweise geringen Bedeutung der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft für die Bruttowertschöpfung. Ihr Anteil beträgt in Bayern 1,3 Prozent. Zwei Prozent aller Erwerbstätigen arbeiten in diesem Sektor (Statistische Ämter der Länder 2005). Allerdings ist die Landwirtschaft in Bayern auch 135
ein bedeutsamer Tourismusfaktor, der in der Statistik an anderer Stelle gezählt wird. Gerade in Bayern findet sich eine große Zahl kleinbäuerlicher Nebenerwerbsbetriebe. 117 Dass die Agrarpolitik ein wichtiger und zentraler Bestandteil der bayrischen Landespolitik ist, hängt mit der Bedeutung zusammen, die der ländliche Raum für die CSU hat: Er ist das Rückgrad ihrer dominanten politischen Stellung (März 1999). Allerdings besteht aber auch eine traditionell starke Verbundenheit mit dem ländlichen Raum in Bayern. Dies drück sich auch in dem hohen Organisationsgrad der Naturschutzverbände aus: Mit 977.615 Mitgliedern belegen die bayrischen Naturschutzverbände den ersten Platz bei der absoluten Mitgliederzahl, bezogen auf den Anteil der Mitglieder an der Gesamtbevölkerung mit einem Anteil von 7,92 Prozent den zweiten Platz. Die Umweltbewegung ist somit gut organisiert und durchaus einflussreich. Allerdings hat auch die Agrarwirtschaft aufgrund der engen Beziehungen zur Landesregierung einen starken politischen Einfluss auf die Gestaltung von Agrar- und Naturschutzpolitik. Die Zuständigkeit für Naturschutzbelange liegt beim Umweltministerium, das zusätzlich auch die Zuständigkeiten für Gesundheit und Verbraucherschutz hat. Der Minister (Schnappauf) gehört der CSU an. 5.4.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Die Landesregierung hat bislang noch keinen Gesetzentwurf zur Umsetzung des BNatSchG vorgelegt. In der Regierungserklärung von Ministerpräsident Stoiber nach den Landtagswahlen 2003 ist das Thema Naturschutz nicht erwähnt worden (Stoiber 2003). Ein Referentenentwurf ist gegenwärtig in der Ressortabstimmung und soll noch vor der Sommerpause 2006 eingebracht werden. 118 Ein Grund für die Verzögerung war die Konzentration auf die Nachmeldungen für die FFH-Richtlinie. Zudem standen Reformen der Verwaltung und der Agrarpolitik an der Spitze der landespolitischen Agenda.
5.5
Die Umsetzung in Berlin
5.5.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Berlin umfasst als Stadtstaat eine Fläche von 892 km2, auf der 3,4 Mio. Einwohner leben. Von den drei Stadtstaaten hat es die höchste Bevölkerungsdichte (3800 Einwohner pro km2). Charakteristisch für Berlin ist aber auch, dass sich auf einem Viertel der Gesamtfläche größere Wasser und Grünflächen erhalten haben, die auch unter Naturschutzgesichtspunkten wertvoll sind (Hoffmann 1999). 117
118
Zudem sind wiederum die schwierig zu erfassenden Vor- und Nachstufen der Nahrungsmittelproduktion zu bedenken Zieht man den gesamten Bereich der Zulieferung und Veredelung hinzu, ist auch die Landwirtschaft in Bayern noch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Die Landesregierung spricht deshalb auch davon, dass jeder neunte Arbeitsplatz mit der Agrarwirtschaft abhängt; dies ist aber nicht nachprüfbar (Miller 2004). Dies ist am 2. Juni 2006 erfolgt (siehe Drucksache 15/3477 Bayrischer Landtag). Wie in BadenWürttembergs wurde aber auch dieser Entwurf für die Analyse nicht mehr berücksichtigt. Anträge der Bündnisgrünen wurden von der CSU abgelehnt (Drucksache 15/1183 und 15/2497 Bayrischer Landtag).
136
Tabelle 5.6: KOAL_Z.
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Berlin BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
SPD/PDS 22651 0,5 0,1 Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
Stadtentwicklung
1,75
3800
-
Bedingt durch die besonderen Belastungen der Vergangenheit und den Wegfall vieler Subventionen, welche die Strukturkrise der Berliner Wirtschaft weitgehend verdeckt hatten, befindet sich die Wirtschaft des Stadtstaates in einem tiefgehenden Strukturwandel und der Stadtstaat selber in einer tiefen Haushaltskrise (vgl. Hoffmann 1999). Der Stadtstaat leidet unter einer chronischen Wachstumsschwäche: das Wachstum des BIP betrug in den Jahren 2002-2004 durchschnittlich 0,5 Prozent, im Jahr 2003 schrumpfte Berlins BIP sogar um 0,3 Prozent. Mit einem BIP pro Einwohner von 22988 Euro belegt Berlin den sechsletzten Platz im Länderranking. Die Bedeutung der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft für die gesamte Bruttowertschöpfung des Landes ist vernachlässigbar. Der Anteil der Einwohner, die Mitglied in einem anerkannten Naturschutzverband sind, ist mit 1,75 Prozent vergleichsweise niedrig. Die Zuständigkeit für Naturschutz liegt beim Senat für Stadtentwicklung, der zugleich für Bauen, Wohnen, Umwelt, Verkehr, Forsten und Fischerei zuständig ist und von einer Senatorin der SPD (Junge-Reyer) geleitet wird. 5.5.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Auch in Berlin hat es sehr lange gedauert, bis ein Gesetzentwurf zur Anpassung des Naturschutzgesetzes an die Vorgaben des BNatSchG vorgelegt worden ist. Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD und PDS nur auf die Novellierung des Naturschutzgesetzes im Lauf der Legislaturperiode verständigt, aber keine Einzelheiten genannt (SPD und PDS 2001). Das Abgeordnetenhaus hat mit Stand vom Mai 2005 nur ein Gesetz zur Umsetzung der europäischen FFH- und Zoo-Richtlinien angenommen (Drucksache 15/1782 Berliner Abgeordnetenhaus). Zudem wurden im Rahmen des “Gesetzes der Rechtsvereinfachung und Entbürokratisierung“ Vorschriften über die Enteignung und das Vorkaufsrecht des Landes gestrichen (Drucksache 15/1972 Berliner Abgeordnetenhaus). Am 18. April 2005 hat der Senat den “Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Berliner Naturschutzgesetzes“ zur Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts angenommen und zunächst dem Rat der Bürgermeister zur Kenntnisnahme vorgelegt (Berliner Senat 2005). Der Entwurf, der im Herbst 2004 frühzeitig mit den anerkannten Naturschutzverbänden diskutiert worden ist, setzt auf kooperative Ansätze im Naturschutz und führt das Instrument des Vertragsnaturschutzes in das Berliner Naturschutzrecht ein. Die folgende Darstellung kann sich allerdings nicht auf eine detaillierte Inhaltsanalyse stützen, da der Entwurf nicht verfügbar war. Ein Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist nach Auskunft des Senats die Umweltbildung:
137
Entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 12 BNatSchG sollen qualifizierte Informationen der Bevölkerung die Belange des Naturschutzes näher bringen. Ebenfalls vorgesehen ist die Einführung eines “Öko-Kontos“ entsprechend der Vorgabe von § 19 Abs. 4 BNatSchG. Damit folgt auch der Berliner Senat den Vorgaben zur Flexibilisierung der Eingriffsregelung. Der Entwurf sieht ferner die Einrichtung des Biotopverbunds auf 10 Prozent der Landesfläche vor und verpflichtet den Senat auf die räumliche und funktionale Abstimmung mit dem Land Brandenburg. Die Vorgaben des § 3 BNatSchG werden – soweit dies auf der Grundlage der vorliegenden Informationen ersichtlich ist – weitgehend kohärent, aber ohne ergänzende Präzisierung umgesetzt. Auch die naturschutzfachlichen Betreiberpflichten des § 5 Abs. 4 zur Guten Fachlichen Praxis der Landnutzung sollen weitgehend übernommen werden. Zusätzlich zur Stärkung kooperativer Ansätze ist die Vereinfachung der Verwaltung und die Steigerung der Praktikabilität des Naturschutzrechts ein erklärtes Ziel – durch die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren soll Berlin als Investitionsstandort attraktiver werden (Berliner Senat 2005). Insofern ist es spannend, ob bisher weitergehende Regelungen, etwa die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Landschaftsplanung oder die Vorgaben zur Verbandsklage, die den Berliner Naturschutzverbänden weit reichende Klagemöglichkeiten offeriert, beibehalten, ganz aufgegeben oder auf das Regelungsniveau des Bundesnaturschutzrechts zurückgefahren werden. 119
5.6
Die Umsetzung in Brandenburg
5.6.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Das von einer großen Koalition aus SPD und CDU regierte Brandenburg ist mit einer Gesamtfläche von 29.477 km2 das fünftgrößte der bundesdeutschen Flächenländer und das größte der ostdeutschen Bundesländer. Bei einer Bevölkerungsanzahl von lediglich knapp 2,6 Mio. weist Brandenburg im Ländervergleich mit 87 Einwohnern pro km2 die zweitniedrigste Bevölkerungsdichte auf. Entsprechend ist der Anteil der unzerschnittenen, verkehrsarmen Flächen an der Gesamtfläche sehr hoch; er beträgt knapp 50 Prozent (vgl. Tabelle 5.7). Natur und Landschaft Brandenburgs zeichnen sich durch ein reichhaltiges und abwechselungsreiches Angebot an Landschaftsräumen mit einer hohen touristischen Anziehungskraft aus. Allerdings ist Brandenburg auch ein strukturschwaches Land, dessen wirtschaftliche Entwicklung seit Jahren der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung hinterherhinkt. So betrug das durchschnittliche Wachstum des BIP in den Jahren 2002-2004 lediglich 0,93 Prozent 119
Bislang kann ein anerkannter Naturschutzverband nach Art. 39b Abs. 1 NatSchGBln Rechtschutz nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung beantragen, wenn er geltend machen kann, dass Erlass, Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes einer Behörde des Landes den Vorschriften des BNatSchG, des NatSchGBln, den auf Grund dieser Gesetze erlassenen oder fortgeltenden Rechtsvorschriften oder anderen Rechtsvorschriften widerspricht, die auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, wobei die Klagefähigkeit nach § 39 Abs. 2 an bestimmte Bedingungen gebunden ist.
138
und das BIP pro Einwohner liegt mit 17.527 Euro an vorletzter Stelle im Bundesländerranking. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Wachstumsschwäche ist es eine wiederkehrende Diskussion, ob der Naturschutz ein Gewinn oder ein Hindernis wirtschaftlicher Entwicklung in Brandenburg ist (vgl. BUND Brandenburg 2004). Tabelle 5.7:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Brandenburg
KOAL_Z.
BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
SPD/CDU
17 191
0,93
2,7
Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz
1,12
87
49,62
Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
Die Bedeutung der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ist – im Vergleich mit anderen Bundesländern – hoch: die Statistik weist einen Anteil an der Bruttowertschöpfung von 2,7 Prozent aus. Im Unterschied zu den südlichen Bundesländern bearbeiten große Betriebe mit einer Fläche von mehr als 500 ha etwa 60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Dem steht die wachsende ökonomische Bedeutung des Tourismussektors gegenüber, der gerade auch auf die Großschutzgebiete setzt (Künzel 1999). Die Zuständigkeit für Naturschutzbelange liegt beim Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz. Der Minister (gegenwärtig: Woidcke, für die Reform des LNatSchG verantwortlich: Birthler) wird von der SDP gestellt. Die Naturschutzverbände weisen im Vergleich der Bundesländer mit einem Mitgliederanteil von 1,12 Prozent an der Gesamtbevölkerung einen sehr niedrigen Wert auf: Nur in Sachsen sind weniger Einwohner Mitglied eines Naturschutzverbands. 5.6.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Das brandenburgische Naturschutzgesetz (im folgenden abgekürzt als: BbgNatSchG) normiert in einigen Bereichen weitergehende Vorschriften als das BNatSchG, etwa im Bereich von Klagemöglichkeiten, Beteiligungs- und Zustimmungsrechten der Naturschutzverbände oder der Unterschutzstellung großflächiger Gebiete und der Berücksichtigung von Naturschutzbelangen in Genehmigungsverfahren. Im Vergleich der Naturschutzgesetze der Bundesländer gilt das BbgNatSchG als eines der fortschrittlicheren (Zschiesche 2004). Vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung wurde das Landesnaturschutzrecht in den letzten Jahren zunehmend zum Objekt der Kritik der Industrie- und Wirtschaftverbände. Mit dem Koalitionsvertrag für die 3. Legislaturperiode von 1999-2004 reagierte die Koalition aus SPD und CDU auf die Kritik: Neue Schutzgebietsausweisungen sollten nur nach gründlicher Abwägung mit ökologischen, ökonomischen und kommunalen Interessen vorgenommen und das Landesnaturschutzgesetz sollte dahingehend überprüft werden, wie Zielkonflikte zwischen Wirtschaftsbelangen und Naturschutzbelangen aufgelöst werden können. Der Schaffung 139
von Arbeitsplätzen und der Förderung der Wirtschaft wurde allerdings Priorität für das Regierungshandeln eingeräumt (SPD und CDU Brandenburg 1999). Diese Prioritätensetzung spiegelt das “Gesetz zur Modernisierung des BbgNatSchG und der Umsetzung europäischer Rechtsvorschriften“ vom 6. August 2004 in Ansätzen. 120 Zielsetzung der Novelle ist eine soweit als möglich gehende Reduzierung des Aufwands für Verwaltung und Private. Diesem Anliegen wird in vierfacher Hinsicht Rechnung getragen:
durch den Entfall gesetzlicher Regelungen 121, durch die Reduzierung von Genehmigungstatbeständen, u.a. für selbstständige Grünpläne, Ausnahmen vom gesetzlichen Biotopschutz oder bestimmte Eingriffsvorhaben, durch den Abbau von Verfahrenshemmnissen 122 sowie durch die Freistellung der unteren Naturschutzbehörden von Aufgaben, u.a. zur Beteiligung von Verbänden (vgl. Drucksache 3/6675 Landtag von Brandenburg: 2).
Die Zielvorgaben des BNatSchG sind weitgehend berücksichtigt worden. Zumeist erfolgt eine wortgleiche Übernahme – eine weitergehende Konkretisierung wird nur dann vorgenommen, wenn es aus Gründen der Vollziehbarkeit notwendig ist (vgl. Drucksache 3/6675 Landtag von Brandenburg). Zumeist wird diese Aufgabe an die untergesetzliche Normkonkretisierung durch das Umweltministerium verwiesen. Das Umweltministerium steht dabei allerdings in der Pflicht, ein Einvernehmen mit anderen betroffenen Ministerien herzustellen. Eine Deregulierung ist allerdings nur teilweise erfolgt – nicht alle weitergehenden Vorschriften werden auf das Regelungsniveau des Bundesrechts zurückgefahren. Teilweise werden sie auch beibehalten, so etwa der Katalog an Klagebehelfen für Naturschutzverbände. Insgesamt vollzieht die Novelle eine weitergehende Dezentralisierung von Vollzugsaufgaben: Vollzugsaufgaben werden, wo möglich, von der Ministerialverwaltung auf die Landesumweltämter oder die kreisfreien Städte verlagert. Während das MURL das Gesetz als tragfähigen Ausgleich unterschiedlicher Interessen vor dem Hintergrund schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen lobt, ist die Novelle bei den Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und PDS sowie bei den Verbänden NABU und BUND auf Kritik gestoßen. So sahen die Grünen die „Demontage eines bewährten Gesetzes“, während BUND und NABU von einem „schwarzen Tag“ für Brandenburgs
120
121
122
Gesetz über den Naturschutz und die Landschaftspflege im Land Brandenburg (Brandenburgisches Naturschutzgesetz – BbgNatSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2004, GVBl. I/04 S. 340. Entfallen sind u.a. die Vorgaben zur Führung von Eingriffs- und Kompensationsflächenkatastern, zur Aufstellung von Behandlungsrichtlinien und Pflegeplänen zu Schutzgebieten oder zu Betretungsverboten und Genehmigungspflichten für selbständige Grünpläne (vgl. die weiteren Ausführungen). U.a. betrifft dies die Einführung von Genehmigungsfiktionen im Vollzug der Eingriffsregelung und der FFHVerträglichkeitsprüfung, die Streichung der Einspruchsrechte von Naturschutzbeiräten oder die Aufhebung der Einvernehmenserfordernis für Genehmigungen oder Befreiungen in Großschutzgebieten.
140
Natur und dem Verlust der Vorreiterrolle im Naturschutz spricht (Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg 2003, BUND Brandenburg 2003). 5.6.3
Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.6.3.1 Allgemeine Vorgaben § 1 Abs. 1 BbgNatSchG setzt den Zielkatalog des § 1 BNatSchG wortgleich um. Auch die Abwägungsformel des § 2 Abs. 1 BNatSchG ist mit § 1 Abs. 2 BbgNatSchG wortgleich übernommen worden. § 1 Abs. 2 BbgNatSchG adaptiert alle Grundsätze des BNatSchG, ohne dabei allerdings der Systematik des BNatSchG zu folgen. Zusätzliche Grundsätze werden nicht formuliert. Die bereits im BbgNatSchG a.F. enthaltenen Grundsätze sind ohne Änderungen übernommen worden; allerdings ergibt sich durch die Novelle eine Erweiterung des Grundsatzkatalogs von neun auf 16 Grundsätze. 123 § 1 Abs. 2 Nr. 12 und 16 BbgNatSchG übernimmt die Grundsätze der Vereinbarkeit von Windenergie und Naturschutz, des frühzeitigen Informationsaustausches und der Flächenbevorratung für Erholungszwecke. Insofern ist eine kohärente Umsetzung des Bundesrechts in diesem Bereich zu konstatieren. § 1 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BbgNatSchG a.F. sah bereits die Erhaltung und Schaffung von Biotopverbundsystemen als Grundsatz vor, enthielt aber keine weiteren Verfahrensvorgaben. Mit § 1a Abs. 1 BbgNatSchG wird - dem Wortlaut des § 3 BNatSchG folgend - der Biotopverbund auf 10 Prozent der Landesfläche eingeführt. Auch die Zielbestimmungen folgen dem Wortlaut des BNatSchG, nehmen aber zusätzlich auf Natura 2000 Bezug, dessen Bestandteile eine Teilmenge des zu schaffenden Biotopverbund darstellen sollen (§ 1a Abs. 2 Satz 3). Ebenfalls den Vorgaben des § 3 BNatSchG folgen die Auflistung der Bestandteile und die Nennung von Vorgaben zu ihrer Unterschutzstellung; dabei soll planungsrechtlichen Festlegungen allerdings Priorität eingeräumt werden. Die zuständige Fachbehörde für Naturschutz ist mit der Umsetzung des Verbunds betraut; die räumliche Konkretisierung wird an die Landschaftsplanung verwiesen. Insofern ist eine nahezu kohärente Umsetzung vorgenommen worden, die allerdings nicht die Aufgabe einer weiteren Konkretisierung des § 3 BNatSchG angeht. Zudem wird der Verbund dahingehend flexibilisiert, dass Bestandteile ausgetauscht werden können (vgl. Drucksache 3/6675 Landtag von Brandenburg: 20 (Begründungstext). § 1b Abs. 3 BbgNatSchG setzt ferner die Festsetzung einer regionalen Mindestdichte von Vernetzungselementen nach § 5 Abs. 3 BNatSchG um. Im BbgNatSchG a.F. war eine solche Regelung nicht enthalten. Die bundesrechtliche Vorschrift wird dahingehend konkretisiert, dass die Feststellung der besonders geeigneten Landschaftsstrukturelemente sowie deren Mindestdichte durch die Fachbehörde für Naturschutz in Bezug auf die jeweiligen in Bran-
123
BbgNatSchG a.F. ist die Abkürzung für “Gesetz über den Naturschutz und die Landschaftspflege im Land Brandenburg (Brandenburgisches Naturschutzgesetz – BbgNatSchG) vom 25. Juni 2002, GVBl. I 2004 Nr. 16 06.08.2004 (S. 350-383)“.
141
denburg typischen Naturräume erfolgt. 124 Allerdings regelt das BbgNatSchG nicht, was unter Vernetzungselementen zu verstehen ist. Hierfür sieht § 1b Abs. 3 BbgNatSchG eine untergesetzliche Konkretisierung vor. Die bundesrechtlichen Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis für die Land-, Forstund Fischereiwirtschaft sind wortgleich adaptiert worden (§ 1 Abs. 4 Nr. 1-7 BbgNatSchG) und um einen Grundsatz ergänzt worden (§1b Abs. 4 Nr. 8): Demnach ist bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung verwendetes Bindematerial nach seinem Einsatz aus der freien Landschaft zu entfernen. Damit soll der Tod von Großvögeln, die sich darin verfangen, vermieden werden. Auf eine weitere Konkretisierung der Grundsätze wird verzichtet; das BbgNatSchG überträgt dem Umweltminister hierzu eine Verordnungsermächtigung. Allerdings ist ein Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsminister herzustellen (unabhängig von dem Umstand, dass beide Ressort zusammengelegt sind, § 1b Abs. 4 Satz 2). § 11 Abs. 2 BbgNatSchG a.F. enthielt bereits Grundsätze einer ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung, welche die Grundsätze des BNatSchG hätten ergänzen können. Sie sind nunmehr zum Teil in den Grundsatzkatalog verschoben, nicht aber in die Bestimmungen zur Guten Fachliche Praxis nach § 1a Abs. 4 übernommen worden. 125 Insgesamt ist aber eine kohärente Umsetzung zu attestieren. § 2 BbgNatSchG normiert eine ergebnisoffene Prüfpflicht des Vertragsnaturschutzes, die übrige Behördenmittel nicht ausschließt. Diese Regelung war bereits in § 2 BbgNatSchG a.F. enthalten. Dies ist ein offensichtlicher Fall, wo das neue Bundesnaturschutzrecht Landesregelungen übernommen hat. 5.6.3.2 Planerische Grundlagen § 9 Abs. 1 BbgNatSchG führt die Umweltbeobachtung im Wortlaut des § 12 BNatSchG als neues und kontinuierlich zu betreibendes Instrument ein. § 9 Abs. 2 überträgt die Zuständigkeit für die Umweltbeobachtung dem Landesamt für Umweltschutz und verpflichtet die anderen Landesbehörden, Daten zur Verfügung zu stellen. Damit regelt das BbgNatSchG immerhin die Zuständigkeiten für die Durchführung der Umweltbeobachtung, wenngleich die Vorgaben des BNatSchG nicht weiter konkretisiert werden und die Verpflichtung zur Datenüber-
124
125
Diese Vorgabe ist zweckgemäß und insofern auch nachahmenswert, da sie nicht nur den naturräumlichen Bezug herstellt, sondern auch den Begriff „Elemente“ des §5 Abs. 3 BNatSchG konkretisiert. Nach § 11 Abs. 2 BbgNatSchG war eine landwirtschaftliche Bodennutzung ordnungsgemäß, wenn sie mit geeigneten Wirtschaftsweisen den Boden pflegt, Erosion und Humusabbau weitgehend vermeidet, zur Regeneration beiträgt, Gewässer nicht durch Schafstoffeintrag und Bewirtschaftung der Uferzonen gefährdet sowie wildlebenden Tieren und Pflanzen einen ausreichenden Lebensraum erhält. Geeignete Wirtschaftsweisen zielten dabei auf einen geschlossenen schadstoffarmen Stoffkreislauf und ausgeglichenen Wasserhaushalt ab, der die Lebensraumsfunktion des Bodens sichert und die Grundwasserzonen von Schadstoffbelastungen freihält. Zudem verpflichtete §11 Abs. 4 BbgNatSchG a.F. die Fischereiwirtschaft, zur Gesundung der Gewässer und zur Sicherung der Erholungsfunktion beizutragen. § 11 BbgNatSchG a.F. normierte somit einen anspruchsvoller Regelungskatalog, der insbesondere mit den Vorgaben zum Gewässer-, Grundwasser- und Bodenschutz Defizite des Regelungskatalogs des § 5 Abs. 4 BNatSchG aufgegriffen hätte.
142
gabe auf Daten beschränkt ist, die bereits vorhanden sind und eine Verpflichtung zur kostenfreien Übergabe für außen stehende Dritte ausgeschlossen wird. Auch die Vorgaben zur Landschaftsplanung entsprechen nahezu wortgleich dem Wortlaut des BNatSchG. Dabei handelt es sich mehrheitlich nicht um neue Vorgaben. Vielmehr enthielten die Bestimmungen des §§ 3-9 BbgNatSchG a.F. bereits ähnliche Vorgaben. Ein größerer rechtlicher Anpassungsbedarf bestand hier also nicht. 126 Neu ist § 9 BbgNatSchG, der die Behörden entsprechend § 17 BNatSchG bei länderübergreifenden Vorhaben auf ein Zusammenwirken mit anderen Landesbehörden verpflichtet. Nicht umgesetzt worden ist die Möglichkeit, für Teile von Gemeinden von der Erstellung eines Landschaftsplans abzusehen, wenn die Informationen anderweitig gesichert sind, und von einer Verknüpfung mit der Verträglichkeitsprüfung der FFH-Richtlinie. Darüber hinaus sind auch Regelungen gestrichen worden: Dies betrifft die Verpflichtung der Gemeinden zur Aufstellung von Grünordnungsplänen (§ 7 Abs. 1 BbgNatSchG a.F.), die Pflicht zur Genehmigung von selbstständigen Grünordnungsplänen (§ 8 Abs. 2 BbgNatSchG a.F.) und die Pflicht zur Aufstellung von Landschaftsrahmenprogrammen für Naturparks und Braunkohlentagebaugebiete. Der Verwaltungsvereinfachung dient auch die Vorgabe, dass die raumbedeutsamen Erfordernisse und Maßnahmen des Landschaftsprogramms nicht mehr eigenständige Ziele der Raumordnung und Landesplanung sind, sondern nach Abwägung mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in das Landesentwicklungsprogramm und in die Landesentwicklungspläne zu übernehmen sind (§ 5 Satz 3 BbgNatSchG). 127 Damit vollzieht die Landesregierung eine kohärente und in Teilbereichen weitergehende Umsetzung der bundesrechtlichen Vorschriften der Landschaftsplanung, dereguliert aber auch einzelne Bestimmungen des alten Landesnaturschutzrechts, die über den bundesrechtlichen Rahmen hinausgingen. 5.6.3.3 Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft § 10 Abs. 1 BbgNatSchG setzt den erweiterten Geltungsbereich der Eingriffsregelung nach § 18 Abs. 1 BNatSchG wortgleich um; § 11 BbgNatSchG adaptiert die Neuregelung der Vorgaben zur Land-, Forst und Fischereiwirtschaft und § 12 BbgNatSchG die Neuordnung des Abwägungs- und Folgenbewältigungsprogramms. Die zentralen Neuregelungen im BNatSchG sind somit übernommen worden. 126
127
So entspricht § 7 Abs. 3 BbgNatSchG (Mindestinhalte des Landschaftsplans) § 7 Abs. 3 BbgNatSchG a.F.: Landschaftspläne haben demnach auch Informationen zu Maßnahmen des Gewässer-, Boden- und Freiflächenschutzes, zum Erhalt typischer Landschaftsbilder, zur Errichtung von Flächen und Wegen zu Erholungszwecken sowie zur Erhaltung und Anlage von landschaftlichen Strukturelementen zu enthalten. § 4 Abs. 3 BbgNatSchG erteilt dem Umweltministerium zudem eine Verordnungsermächtigung zur Konkretisierung. Nach § 5 Abs. 2 BbgNatSchG a.F. waren die Vorgaben des Landschaftsprogramms nach Abwägung gleichwertige Ziele der Raumordnung. Die Landesregierung begründet die Abstufung der Wertigkeit in der Übernahme dahingehend, dass es nicht Aufgabe des Naturschutzgesetzes sei, festzulegen, auf welche Art und Weise die Darstellungen des Landschaftsprogramms in die Raumordnung aufzunehmen sind, zumal die Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes nicht in jedem Fall Zielqualität besitzen.
143
Zentrales Ziel der Novelle des BbgNatSchG ist darüber hinaus die Verwaltungsvereinfachung: Zusätzlich zur bestehenden Negativliste von Eingriffen (§ 10 Abs. 2) stellt § 10 Abs. 3 BbgNatSchG deshalb zahlreiche Vorhaben von der Geltung der Eingriffsregelung frei. Es sind solche Vorhaben, die laut Landesregierung im Regelfall nicht zu einer Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes führen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf). Dies betrifft u.a. fast alle baulichen Vorhaben, die keiner Baugenehmigung bedürfen. Bei kleineren Fällen wird zudem die Pflicht zur Realkompensation durch Ersatzzahlungen abgelöst. Eine Flexibilisierung bezwecken auch § 13, der die Anrechnung vorgezogener Maßnahmen (Ökokonto) regelt, und § 14, der die Bedingungen von Ersatzzahlungen bestimmt (die Regelungen entsprechen den Regelungen im LNatSchG SH, vgl. Kap. 5.17). Der Verwaltungsvereinfachung dient auch die Streichung des Katasters für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (vgl. § 16 BbgNatSchG a.F.).128 Die Einvernehmensregelung von Genehmigungs- und Naturschutzbehörde im Vollzug der Eingriffsregelung (§ 17 Abs. 2 BbgNatSchG a.F.) ist beibehalten worden, trotz erheblicher Kritik seitens der Wirtschaft. Allerdings ist zur Verfahrensbeschleunigung eine Genehmigungsfiktion eingeführt worden, wonach ein Einvernehmen als erteilt gilt, wenn die Naturschutzbehörde nicht innerhalb eines Monats unter Darlegung von Gründen dieses verweigert (§ 17 Abs. 2 Satz 2 BbgNatSchG).129 Zudem ist die Einvernehmensregelung für Planfeststellungsbeschlüsse, für welche die Konzentrationswirkung nach § 75 VwVfG für Brandenburg gilt, abgeschafft worden (§ 17 Abs. 2). 130 Dies schwächt die Eingriffsregelung. Dieser Abbau der Einspruchsrechte soll durch die Konkretisierung der Bestimmungen zur Qualitätskontrolle kompensiert werden: Ausgleichs- und Ersatzmaßflächen sind rechtlich zu sichern (§ 12 Abs. 4 Satz 3); Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind entsprechend der Vorgaben des Zulassungsbescheids in einem bestimmten Zeitraum zu unterhalten und ihre Durchführung kann vor bzw. während des Eingriffs verlangt werden (§12 Abs. 4 Satz 5). Ersatzgeldzahlungen haben grundsätzlich vor dem Eingriff stattzufinden (§15 Abs. 3) und die Träger von Eingriffsvorhaben können verpflichtet werden, angemessen über Art des Eingriffs und dessen Folgen sowie die Maßnahmen zum Ausgleich oder Ersatz zu informieren (§ 18 Abs. 1 und 2). Auch der Rechtsnachfolger wird auf die Weiterführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen verpflichtet (§ 14). Ferner haben die Behörden eine Prüfung der durchgeführten Maßnahmen durchzuführen und hierüber einen Bericht vorzulegen (§ 18 Abs. 3). 128
129
130
Die Landesregierung begründet diesen Schritt mit der Notwendigkeit der Standardreduzierung. Angesichts der Einführung des Ökokontos ist dieser Schritt indes unverständlich, da für einen effektiven Vollzug der Anrechnung von Maßnahmen Informationen über die Flächen vorliegen sollten. Diese bestand aber schon zuvor in Form der „Verordnung zur vorläufigen Regelung der zuständigen Behörden für den Vollzug der 19a bis 19f des Bundesnaturschutzgesetzes“ (GVBl. S. 221 ff.). Planfeststellungsbeschlüsse, für die eine Konzentrationswirkung gilt, ersetzen andere Akte, etwa öffentlichrechtliche Bewilligungen, Erlaubnisse, Genehmigungen und Zustimmungen, und beenden abschließend das Verfahren. Die Brandenburgische Bauordnung versieht z.B. die Erteilung einer Baugenehmigung mit Konzentrationswirkung. Da hierüber ein Großteil der Eingriffsvorhaben abgewickelt wird, ist die Freistellung von der Einvernehmensregelung eine bedeutsame Schwächung der Stellung der Naturschutzbehörden.
144
Neu aufgenommen wurde eine zeitliche Begrenzung der Eingriffszulassung, die erlischt, wenn nicht innerhalb von drei Jahren mit maßgeblichen Eingriffsmaßnahmen begonnen wurde, wobei dies nur für eigenständige naturschutzrechtliche Genehmigungen gilt (§ 18 Abs. 8). Insgesamt setzt die Landesregierung die Philosophie der Neuregelung – höhere Flexibilität bei Qualitätssicherung durch bessere Vollzugskontrolle – um. Trotz der partiellen Abschwächung der Einvernehmensregelung für den Vollzug bleibt festzuhalten, dass sich das BbgNatSchG damit immer noch deutlich von anderen Landesnaturschutzgesetzen abhebt. 5.6.3.4 Besonderer Schutz von Natur und Landschaft Das BbgNatSchG regelt neu im Bereich des Gebietschutzes die Möglichkeiten der Zonierung von Schutzgebieten sowie des Schutzes ihrer Umgebung (§ 19 Abs. 2 Satz 2 und 3) und ergänzt die landesrechtliche Nationalparkregelung um die bundesrechtlich vorgegebene Verankerung des Prozessschutzes und des Entwicklungsprinzips. § 21 Abs. 2 Satz 3 BbgNatSchG sieht ferner die Möglichkeit der Ausweisung so genannter Naturentwicklungszonen in Naturschutzgebieten vor, die frei von direkter menschlicher Einflussnahme einen ungestörten Ablauf der natürlichen Entwicklung gewährleisten sollen. Damit werden die Vorgaben des BNatSchG umgesetzt. Weitere Konkretisierungen sind nicht vorgenommen werden. Vielmehr wird das Landesnaturschutzrecht in wesentlichen Aspekten dereguliert: Nach § 19 Abs. 3 BbgNatSchG erlassen Naturschutzbehörden nur noch die Verordnungen für Naturschutzgebiete. Rechtsverordnungen, die Handlungen außerhalb von Naturschutzgebieten untersagen, obliegen künftig dem Kreistag und in kreisfreien Städten der Stadtverordnetenversammlung. Dies gilt auch für Rechtsverordnungen zur Errichtung von Landschaftsschutzgebieten, Naturdenkmalen und geschützten Landschaftsbestandteilen in Landkreisen. Entsprechende Verfügungen sind künftig in Landkreisen durch den Landrat, in kreisfreien Städten durch den Oberbürgermeister zu erlassen. Den Naturschutzbehörden werden also wichtige Kompetenzen entzogen. Ebenfalls ist die bis dahin bestehende Einvernehmenspflicht von Naturschutz- und anderen Behörden bei Befreiungen und Ausnahmen in Großschutzgebieten gestrichen worden. 131 Im Biotopschutz wird die Liste der Biotoptypen des BNatSchG unter Ausschluss der nicht in Brandenburg vorkommenden Biotoptypen und unter Hinzufügung von landesspezifischen Biotoptypen (Gebüsche und Wälder trockenwarmer Standorte, Streuobstbestände) adaptiert (§ 32 Abs. 1 BbgNatSchG). Das Umweltministerium erhält eine entsprechende Verordnungsermächtigung. Einzeln geregelt wird der Schutz der bedeutsamen Allen und Horststandorte sowie Nist- und Brutstandorte. Beibehalten wurde § 32 Abs. 2 BbgNatSchG, der präzisiert, dass als schädliche Maßnahmen insbesondere die Intensivierung oder Änderung der Nutzung geschützter Biotope oder der Eintrag von Stoffen, die geeignet sind, den Naturhaus131
Ursprünglich war es die Absicht der Landesregierung gewesen, auch die Zuständigkeit für den Erlass oder die Änderung von Rechtsverordnungen für Naturschutzgebiete den Kreistagen bzw. Stadtverordnetenversammlungen zu übertragen. Deutlicher Protest der Verbände führte zur Aufgabe dieses Vorhabens.
145
halt nachteilig zu beeinflussen, anzusehen sind. Dies betrifft somit vor allem die Intensivierung landwirtschaftlicher Nutzung und ist eine sinnvolle Konkretisierung. Insgesamt setzt die Landesregierung die wesentlichen Vorschriften des BNatSchG um, dereguliert aber auch wichtige Vorschriften des BbgNatSchG und schränkt die Kompetenzen der Naturschutzbehörden deutlich ein. Die Anpassung des Landesrechts an das Bundesrecht hat hier also nicht zu einer wirklichen Verbesserung geführt. Vielmehr ist festzuhalten, dass die moderaten inhaltlichen Verbesserungen in Folge der Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts nicht den Kompetenzverlust der Naturschutzbehörden kompensieren können. 5.6.3.5 Mitwirkung von Verbänden Die Ausgestaltung dieses Regelungsbereichs folgt den Vorgaben des BNatSchG. § 63 BbgNatSchG setzt die Vorgaben zur Anerkennung und Mitwirkung von Naturschutzvereinen entsprechend § 60 BNatSchG um. Ebenso verfügt § 65 BbgNatSchG, dass anerkannte Naturschutzvereine Klagebehelfe entsprechend der Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes einlegen können. Über das BNatSchG hinausgehende Vorgaben werden nicht getroffen. 5.6.3.6 Naturschutzbeiräte und andere Formen der ehrenamtlichen Beratung Die Stiftung „Naturschutzfonds Brandenburg“ wird fortgeführt: Ihr Zweck ist der Erwerb und die Pflege von Naturschutzflächen, der Abschluss von Vertragsnaturschutzmaßnahmen und die Initiierung modellhafter Forschung (§ 59 BbgNatSchG). Wie bisher können die unteren Naturschutzbehörden auch entsprechend sachkundige Personen als Naturschutzhelfer bestellen, die Naturschutzgebiete ehrenamtlich betreuen (§ 62 BbgNatSchG). Die Rechte der bei den Oberen und Unteren Naturschutzbehörden angesiedelten Naturschutzbeiräte sind dagegen eingeschränkt worden (§ 63 BbgNatSchG): Sie sollen fachlich beraten, gegenüber der Öffentlichkeit informieren und dazu beitragen, Fehlentwicklungen in Natur und Landschaft entgegenzuwirken. In Entscheidungen und Maßnahmen von Naturschutzbehörden sind sie nur noch einzubeziehen; bis zur Novelle des BbgNatSchG hatten die Naturschutzbeiräte ein Widerspruchsrecht, sodass ein Einvernehmen mit ihnen herzustellen war. Naturschutzbeiräte der Unteren Naturschutzbehörde werden zudem künftig durch die Kreistage ernannt bzw. in kreisfreien Städten durch den Oberbürgermeister selber. 132 Insbesondere aufgrund dieser Neuregelungen haben die Naturschutzverbände die Landesregierung heftig kritisiert.
132
Diese Regelung ist sehr umstritten; die Kritiker bemängeln, dass die Zusammensetzung der Beiräte damit zu sehr einer politischen und zu wenig einer fachlichen Orientierung folgen wird, wodurch die Funktionsfähigkeit der Beiträte unterminiert wird (Bündnis 90/Die Grünen 2003).
146
5.7
Die Umsetzung in Bremen
5.7.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Bremen ist das kleinste Bundesland Deutschland und macht mit einer Fläche von knapp 404 km2 nur 0,16 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands aus. In Bremen wohnen knapp 663.000 Einwohner; die Bevölkerungsdichte ist mit 1640 Einwohnern pro km2 deutlich niedriger als in Berlin (Scherer 1999). Auch Bremen hat mit einer schwierigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu kämpfen. Die in den 1950er Jahren betriebene Konzentration auf Handel, Häfen, Schiffbau und Fischereiwirtschaft sowie auch Flugzeug- und Autobau wurde Mitte der 1960er Jahre und danach immer wieder erschüttert und leitete einen wirtschaftlichen Strukturwandel hin zu High-Tech-Sektoren der Luft- und Raumfahrtindustrie, der Mikroelektronik oder der Umwelttechnologie und auch Großforschungseinrichtungen ein. Dennoch ist die wirtschaftliche Lage angespannt: das Land ist chronisch verschuldet. Das durchschnittliche Wachstum des BIP ist in den Jahren 2002 bis 2004 mit 1,26 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt geblieben. Trotzdem ist das BIP pro Einwohner in Bremen sehr hoch und rangiert mit 35.592 Euro an zweiter Stelle hinter Hamburg im Vergleich der Bundesländer. Die Land- und Forstwirtschaft, aber auch die Fischereiwirtschaft spielt in Bremen keine besondere wirtschaftliche Rolle mehr – ihr Beitrag zur Bruttowertschöpfung ist mit einem Anteil von 0,3 Prozent niedrig (Tabelle 5.8). Tabelle 5.8:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Bremen
KOAL_Z.
BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
SPD/CDU
35 592
1,26
0,3
Bau, Umwelt und Verkehr
4,78
1 640
-
Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
Ähnlich wie in Berlin sind die für die Stadtentwicklung die Kompetenzen Bauen, Verkehr, Wohnen und Umwelt in einer Behörde zusammengefasst. Der Senator (Eckhoff) wird von der SPD gestellt. Die Naturschutzverbände weisen einen im Vergleich aller Bundesländer durchschnittlich hohen Anteil von Mitgliedern an der Landesbevölkerung auf: Der Wert von 4,78 Prozent liegt etwas höher als der gesamtdeutsche Durchschnittswert von 4,56 Prozent. 5.7.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Der Naturschutz blickt in Bremen auf eine turbulente Vergangenheit zurück. U.a. an dem Streit über die Meldung von FFH-Schutzgebieten zerbrach im Frühjahr 1995 die “AmpelKoalition“ aus SPD, FDP und Grünen, was der Großen Koalition aus SPD und CDU den Weg bereitete (Scherer 1999). In ihrer Koalitionsvereinbarung von 2003 erklärten SPD und CDU die Haushaltskonsolidierung und die Reduzierung der Abhängigkeit vom Länderfinanzaus147
gleich sowie das Erreichen einer hohen Investitionsquote und eines stabilen Wirtschaftswachstums zu den Prioritäten der Legislaturperiode. Für den Naturschutz wird in der Koalitionsvereinbarung festgehalten, dass die Erhaltung der Feuchtwiesen, der Ausbau des Konzepts „Erlebnisraum Natur“ und insbesondere eine zügige Durchführung der Eingriffsregelung prioritäre Aufgaben für die Legislaturperiode seien. Angesichts der Haushaltslage wird eine (Teil-)Privatisierung städtischer Grünflächen ins Auge gefasst. Ein Gesetzentwurf zur Novellierung des Naturschutzgesetzes ist seit längerem in der Ressortabstimmung und in der Abstimmung mit den Verbänden. Trotz mehrfacher Ankündigung ist der Entwurf aber noch nicht in die Bürgerschaft eingebracht worden. Lediglich wurden per Artikelgesetz zum 31. Mai 2002 europarechtliche Vorschriften in Kraft gesetzt.
5.8
Die Umsetzung in Hamburg
5.8.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Hamburg ist mit 1,73 Mio. Einwohnern die zweitgrößte Stadt Deutschlands und ist ein wohlhabender Stadtstaat, der zu den Zentren der höchsten Wertschöpfung in Europa zählt (KurzBauer 1999). Entsprechend weist es mit 45.363 Euro das höchste BIP pro Einwohner aller Bundesländer auf. Allerdings leidet auch Hamburg unter der Wachstumsschwäche, doch mit 1,73 Prozent fällt das durchschnittliche Wachstum des BIP für die Jahre 2002-2004 immer noch höher aus als im bundesdeutschen Durchschnitt. Ebenso befindet sich auch Hamburg in einer Konsolidierungsphase der öffentlichen Finanzen (Kurz-Bauer 2003). Tabelle 5.9:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Hamburg
KOAL_Z.
BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
CDU
45 363
1,73
0,2
Stadtentwicklung und Umwelt
5,04
2 296
-
Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
Hamburg hat den Ruf einer “grünen Metropole“. Allerdings unterliegt das Freiflächenpotenzial der Stadt einer starken Flächenkonkurrenz – in den letzten Jahren sind die Baugebiete beständig zu Lasten der Freiräume vergrößert worden (Naturschutzrat Hamburg 2003). Die Landwirtschaft spielt, wie in den anderen Stadtstaaten auch, eine untergeordnete Rolle. Der Hamburger Senat wird gegenwärtig allein von der CDU gestellt. Zuständig ist die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (Senator: Freytag), die nach dem Regierungswechsel von der SPD zu der CDU neu aus der Taufe gehoben wurde; vorher gab es eine eigenständige Umweltbehörde. Fünf Prozent der Bevölkerung sind Mitglied in einem anerkannten Naturschutzverband. Im Ländervergleich ist das der fünfhöchste Wert.
148
5.8.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Der Naturschutz steht in Hamburg im Mittelpunkt kontroverser Auseinandersetzungen. Dies betrifft vorrangig die Konflikte um die Erweiterung der DASA-Flugzeugwerft Finkenwerder und die Verlängerung der dortigen Start- und Landebahn. 133 Die CDU-geführte Landesregierung befürwortet in dem Streit die Wirtschaftsinteressen (wie die SPD im Vorgängersenat übrigens auch). Aber auch die Novelle des Naturschutzgesetzes wird von zahlreichen politischen Auseinandersetzungen begleitet: 2001 hatte die Bürgerschaft noch einen Gesetzentwurf des rot-grünen Senats gebilligt, der eine Ausweitung der Verbandsklagerechte, die Einführung eines Biotopverbunds (ohne Quantifizierung) und die Stärkung von Naturschutzbelangen in der Planung brachte (HmbGVBl. Nr. 31 vom 17. August 2001). Die nach den kurz darauf erfolgenden Landtagswahlen gebildete Koalition aus CDU, FDP und Partei Rechtsstaatliche Offensive kündigte zwar an, die Ausweitung des Verbandsklagerechts zurückzunehmen, doch ein entsprechender Antrag gelangte nicht in die Hamburger Bürgerschaft, da die Koalition im Frühjahr 2004 auseinanderbrach (CDU, FDP und Partei Rechtsstaatliche Offensive 2001). Die jetzige CDU-Landesregierung hat bislang (Stand 15. Mai 2005) noch keinen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesnaturschutzrechts in die Hamburger Bürgerschaft eingebracht, obwohl ein Entwurf seit längerem in der Ressortabstimmung ist und im Herbst 2004 auch eine Expertenanhörung stattgefunden hat. Kürzlich haben die Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft lediglich eine Teilnovellierung des Hamburger Naturschutzgesetzes (HmbNatSchG) beschlossen, da die Gültigkeit der Bestimmungen des BNatSchG a.F. zur Anerkennung von Naturschutzverbänden ausgelaufen war (Drucksache 18/2012 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg).
5.9
Die Umsetzung in Hessen
5.9.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Hinsichtlich der Flächengröße liegt Hessen mit 21.114 km2 im Mittelfeld der Bundesländer. Die Bevölkerungsdichte liegt mit 288 Einwohnern pro km2 allerdings über dem bundesdeutschen Durchschnitt, wobei die Bevölkerungsdichte in den nord-, ost- und mittelhessischen Regionen geringer ist als der Landesdurchschnitt und sich die Bevölkerung dafür in der südhessischen Region drängt. Hier besteht eine starke Konkurrenz der Flächennutzungen, auch aufgrund der Bedeutung des Rhein-Main-Gebiets als Verkehrsknotenpunkt. Der Flächennut-
133
Direkt an die Werft grenzt die Elbbucht “Mühlenberger Loch“, das größte Süßwasserwatt Europas. Das Gebiet ist von herausragender Bedeutung für das gesamte Ökosystem Unterelbe, ist wichtiger Rast- und Brutplatz für Wandervögel und steht unter strengem europäischen und nationalen Naturschutz. Im Süden der Elbbucht erstreckt sich das so genannte Alte Land, das größte zusammenhängende Obstbaugebiet Europas. Seit 2001 schwelt ein harter Konflikt um die Erweiterung der benachbarten DASA Flugzeugwerft Finkenwerder sowie der Start- und Landebahn für den Airbus A-380, die bereits zu einer Teilzuschüttung geführt hat.
149
zungsdruck ist hoch; mit 10,84 Prozent verzeichnet Hessen den drittniedrigsten Anteil unzerschnittener verkehrsarmer Gebiete in der Bundesrepublik. Tabelle 5.10:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Hessen
KOAL_Z.
BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
MIN_Org.
CDU/FDP
32 056
1,23
0,6
Umwelt, ländl. Raum und Verbraucherschutz
ORG_V. (in %) 3,02
BEV-D. (je km2) 288
AN_Raum (in %) 10,84
Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
Hessen zählt mittlerweile zu den Bundesländern mit einer überdurchschnittlich wohlhabenden Bevölkerung - mit 32.056 Euro liegt das BIP pro Kopf deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind aber auch an Hessen nicht vorbeigegangen - so ist für den Zeitraum 2002-2003 ein niedriges Wirtschaftswachstum zu beobachten, dass sich erst im Jahr 2004 verbessert hat (vgl. Abbildung 5.10). Auch in Hessen wird der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte hohe Bedeutung beigemessen, was insbesondere für die Umweltverwaltung Einsparungen bedeutet (Hessische Landesregierung, ohne Jahr). Die Landwirtschaft ist geprägt durch kleinstrukturierte Betriebe mit geringem Viehbesatz und einem hohen Anteil an Nebenerwerbsbetrieben. Seit Jahren ist die ökonomische Bedeutung der Branche rückläufig. Der Beitrag zur Bruttowertschöpfung lag 2004 bei 0,6 Prozent. Der Organisationsgrad der Naturschutzverbände ist nicht so hoch wie in den anderen westlichen Bundesländern. Knapp 3 Prozent der Bevölkerung sind Mitglied in einem Verband. Das zuständige Ministerium für Umwelt, ländlicher Raum und Verbraucherschutz wird von der CDU (Minister: Ditzel) geleitet. Hessen gehörte in den 1980er Jahren zu den Vorreitern einer Modernisierung des Landesnaturschutzrechts. So wurde u.a. frühzeitig die altruistische Verbandsklage eingeführt - als zweites Bundesland nach Bremen (1979) im Jahr 1980 (Dross 2002). In den 1990er Jahren modernisierte die rot-grüne Landesregierung das Landesnaturschutzrecht in weiteren Aspekten, so etwa durch die Einführung der Öffentlichkeitsbeteiligung in der Landschaftsplanung oder eine Stärkung der Mitwirkungsrechte von Verbänden (Marschall und Werk 2002). 5.9.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Nach der Landtagswahl im Frühjahr 1999 propagierte die neue CDU-geführte Regierungskoalition einen Kurswechsel. In der Koalitionsvereinbarung einigten sich CDU und FDP auf die Stärkung der Akzeptanz und der Partnerschaft im Naturschutz. Eine Neuorientierung der Naturschutzpolitik sollte durch den Ausbau kooperativer Ansätze und eine weitgehende Rechtsvereinfachung und Deregulierung erreicht werden (CDU und FDP Hessen 1999).
150
Am 22 Januar 2002 brachte die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Novellierung des hessischen Naturschutzgesetzes (im Folgenden abgekürzt als HENatG) in den Landtag ein. Mit dem Entwurf verfolgt sie als grundlegende Zielsetzung die Rechtsvereinfachung und Deregulierung des Naturschutzrechts sowie die Stärkung der Rechte von Naturnutzern und von kooperativen Ansätzen im Naturschutz. Das “Gesetz zur Änderung des HENatG“ ist zum 28. Juni 2002 in Kraft getreten. 134 Die Schwerpunkte lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Drucksache 15/4533 Hess. Landtag):
Aufgabenverlagerung auf die untere Verwaltungsebene, Streichung von Vorschriften, u.a. Kürzung des Katalogs zu schützender Biotope, Änderung der Einvernehmens- in eine Benehmensregelung bei Eingriffen in Natur und Landschaft; zudem darf die Kompensation von Eingriffen keine zusätzliche Flächeninanspruchnahme für Naturschutzzwecke bedingen, Vereinfachung der Landschaftsplanung, Stärkung der Eigentümerposition und Privilegierung des Vertragsnaturschutzes, Rückbau der Klagerechte von Naturschutzverbänden und Aufhebung des so genannten Devolutionsverfahrens.
Die hessische Landesregierung hat die Umsetzung der Vorgaben des neuen BNatSchG nur in solchen Fällen vorgenommen, wo weitergehende landesrechtliche Vorschriften bestanden, die durch eine Anpassung an Bundesrecht zurückgefahren werden konnten. Dagegen hat sie bundesrechtliche Vorgaben, deren Umsetzung zu einer Stärkung des Landesnaturschutzrechts geführt hätte, nicht adaptiert und insbesondere die Kontrolle der Rechtsanwendung aus dem Weg zu räumen versucht. Im Vorfeld hatte sie dies bereits explizit angekündigt, ihrer Meinung nach zu weit gehende bundesrechtliche Vorgaben nicht umzusetzen, etwa im Bereich der Guten Fachlichen Praxis (vgl. Drucksache 15/4533 Hess. Landtag). Von naturschutzrechtlicher Seite sind erhebliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Praxis mit Verfassungsgrundsätzen geäußert worden (siehe Tessmer 2002). 135 Heftige Kritik haben denn auch die Oppositionsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie die Naturschutzverbände geübt: In ihren Augen wird ein „Kahlschlag“ auf allen Ebenen und bei allen Instrumenten des Naturschutzes vorgenommen. Zwar werde, so die Kritik, der kooperative Naturschutz propagiert, doch gleichzeitig würden die öffentlichen Mittel für den Naturschutz stark gekürzt und Finanzierungsinstrumente abgeschafft, was den Hand-
134 135
Gesetz zur Änderung des Hessischen Naturschutzrechtes vom 18. Juni 2002 (GVBl. I S. 364). Wie weit die Rechtsvereinfachung und der Abbau von Regelungsstandards geht, lässt sich aus der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handelskammern ablesen, die die Novelle des HENatG zwar begrüßen, dennoch aber davor warnen, dass die Erleichterungen nicht zu einer Verschlechterung der Situation von Natur und Landschaft führen dürften, da hierdurch der Tourismus als wichtiger Wirtschaftsfaktor gefährdet werden könnte (IHK Arbeitsgemeinschaft Hessen 2002).
151
lungsspielraum auch für kooperative Ansätze verringere und den Naturschutz ins Leere laufen ließe (SPD 2002, Bündnis 90/Die Grünen 2002, NABU 2002, BUND 2002). Das Gesetz ist eine Teilnovelle, d.h. es setzt nicht alle Vorschriften des BNatSchG um. Einen weiteren Gesetzentwurf hat die hessische Landesregierung im Frühjahr 2005 in den Hessischen Landtag eingebracht, der bis Ende des Jahres abgeschlossen werden soll. 5.9.3
Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.9.3.1 Allgemeine Vorgaben Das HENatG setzt den Zielkatalog des BNatSchG um, verzichtet dabei aber auf die Zielvorgabe, dass Teile von Natur und Landschaft auch wiederherzustellen sind (§ 1 Abs. 1 HENatG). Die Abwägungsklausel des BNatSchG wird wortgleich übernommen, aber ergänzt um die Feststellung, dass der grundrechtliche Schutz des Eigentums und die sich daraus ergebende Verantwortung der beste Weg zur Erreichung der Ziele des Naturschutzes ist (§ 2 Abs. 1 HENatG). Die Verwirklichung von Naturschutzmaßnahmen steht somit quasi unter dem Finanzierungsvorbehalt der Entschädigung. Der Katalog der Grundsätze ist noch nicht an den Grundsatzkatalog des BNatSchG angepasst worden. Das HENatG a.F. sah die Errichtung eines Biotopverbunds nicht vor. Die hessische Landesregierung hat im Gesetzgebungsprozess zum BNatSchG eine quantitative Mindestvorgabe für den Biotopverbund immer mit der Begründung abgelehnt, die Errichtung eines Biotopverbunds habe sich allein nach fachlichen Kriterien zu richten (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zum HENatG). Entsprechend hat sie die Flächenmindestvorgabe von 10 Prozent der Landesfläche und die Bestimmungen zur rechtlichen Sicherung des Biotopverbunds nicht übernommen (§ 1b HENatG). Weiter sind auch keine Auswahlkriterien normiert worden. Offensichtlich ging es um eine möglichst folgenlose Regelung. 136 Die Bestimmungen über Ausgleichspflichten von Naturschutzmaßnahmen sind zu Gunsten von Eigentümern und Landnutzern geändert worden, im Sinne eines dem Grundgesetz gegenüber deutlich erweiterten Entschädigungsanspruchs: Landwirte und Waldbesitzer erhalten künftig auch einen Ausgleich für solche Belastungen, die im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu verorten sind (§ 5 HENatG). Die neuen bundesrechtlichen Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sind entsprechend der Ankündigung – noch - nicht übernommen worden. Das HENatG normiert einen generellen Vorrang des Vertragsnaturschutzes vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen (§ 2b HENatG). Wenn Naturschutzbehörden dennoch ordnungsrechtliche Maßnahmen durchführen, ist sicherzustellen, dass Vorgehen und Mittel im angemessenen Verhältnis zum anvisierten Zweck stehen. Diese Privilegierung des Vertragsnaturschutzes ist nicht mit § 8 Satz 2 BNatSchG vereinbar, wonach die Naturschutzbehörden 136
Dazu passt auch, dass Nationalparks nicht zu den Bestandteilen des Biotopverbunds zählen und keine länderübergreifende Abstimmung zu erfolgen hat (§ 1b HENatG).
152
durch Prüfungen der Möglichkeit von Vertragsnaturschutzmaßnahmen in ihren weiteren Befugnissen nicht beeinträchtigt werden dürfen. Für die Praxis ist darüber hinaus auch eine Erschwernis von Naturschutzmaßnahmen zu erwarten: So können Ausweisungen von Schutzgebieten von Betroffenen künftig einfacher bestritten werden. 5.9.3.2 Planerische Grundlagen Nach § 1a Abs. 3 HENatG ist eine Umweltbeobachtung lediglich zu unterstützen und nach Möglichkeit zu fördern. Von einer gesetzlichen Verankerung der Umweltbeobachtung und einer inhaltlichen und prozeduralen Ausgestaltung hat die Landesregierung abgesehen. Für die Landschaftsplanung werden die Vorgaben zur flächendeckenden Erstellung und zur Fortschreibung übernommen. Die Bedingungen der Fortschreibung sind allerdings nicht geregelt. Zudem wird keine Pflicht zur länderübergreifenden Abstimmung eingeführt. Das HENatG übernimmt nicht die Vorgabe von § 16 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG, wonach von einer flächendeckenden Erstellung von Landschaftsplänen abgesehen werden kann, wenn die Nutzung den Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes entspricht und planungsrechtlich gesichert ist. Im Rahmen der Novelle hat die Landesregierung die Landschaftsplanung neu geordnet und dabei dereguliert: Das Landschaftsrahmenprogramm - und somit die regionale räumliche Komponente der Landschaftsplanung - ist abgeschafft worden (§ 3a HENatG). Diese Ebene wird durch das nunmehr einheitlich oberhalb der Ebene des Landschaftsplans geltende allgemeine Landschaftsprogramm abgelöst. Die Landschaftsplanung ist damit nur noch zweistufig und weist keine explizite regionale räumliche Auflösung mehr auf. Damit fehlt eine Grundlage für die regionale Lenkung von Eingriffen und ihrer Kompensation. Die Landesregierung hat zudem die Funktion der Landschaftsplanung als eigenständige Fachplanung der unteren Naturschutzbehörden aufgelöst: Nunmehr werden Landschaftspläne gemeinsam von den Trägern der Bauleitplanung und der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden als “Integrierte Fachpläne Naturschutz“ erstellt (§ 4 Abs. 3 HENatG). Eine Bewertung ist erst auf der Grundlage von Praxiserfahrungen möglich. Allerdings äußern Naturschutzverbände die Befürchtung, dass Vorhabensträger ihre Interessen bereits bei der Zusammenstellung der für die Abwägung erforderlichen Materialien geltend machen und die Behörden zum Verzicht auf die Darstellung erforderlicher Maßnahmen drängen (§ 4 Abs. 3 HENatG). 137 Beibehalten hat die Landesregierung die Vorgaben, dass Landschaftspläne Informationen über Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen enthalten sollen (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 HENatG) und unter Beteiligung der Öffentlichkeit zu erstellen sind (§ 4 Abs. 3 Satz 3 HENatG). Mit diesen
137
Die hessische Landesregierung begründet die Neuregelung mit der Notwendigkeit, Konflikte im Vorfeld der Planerstellung frühzeitig aufzulösen; im Planungsprozess selber sollen beide Planungsträger gleichrangig tätig sein. Die Naturschutzbehörden bringen dabei die für den Aufbau des Biotopverbundes bedeutsamen Planungsinhalte ein, insbesondere für alle Flächen, für die rechtliche Bindungen zugunsten von Naturschutz und Landschaftspflege bestehen, und sorgen dafür, dass benachbarte Landschaftspläne aufeinander abgestimmt werden.
153
Regelungen, die bereits im HENatG a.F. enthalten war, geht das HENatG nach wie vor über die Bestimmungen des BNatSchG zu den Mindestinhalten der Landschaftsplanung hinaus. 5.9.3.3 Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft Der erweiterte Geltungsbereich der Eingriffsregelung ist übernommen worden. Ebenso ist eine Liste von Eingriffsvorhaben definiert worden (§ 5 Abs. 1 HENatG). Ebenfalls ist die Wiederaufnahme der Bewirtschaftung von Flächen, die durch Teilnahme an Programmen des Vertragsnaturschutzes unterbrochen war, sowie weiterhin die Möglichkeit von Ersatzzahlungen und die Anrechnung von Kompensationsmaßnahmen auf Öko-Konten geregelt worden, für deren Ausgestaltung das Umweltministerium eine Verordnungsermächtigung erhalten hat (§ 6b Abs. 1-6 und 7 HENatG). Über diese notwendigen Anpassungen an den bundesrechtlichen Mindestrahmen hinaus hat die hessische Landesregierung die Eingriffsregelung komplett reformiert: Während im Bundesnaturschutzrecht die Eingriffsregelung instrumentell auf einen Mindestschutz außerhalb der Fläche ausgerichtet ist und folgerichtig Versagungstatbestände definiert, definiert das HENatG nun zusätzlich zu Versagungstatbeständen (§ 5 Abs. 2 HENatG) auch Grundsätze für die Genehmigung von Eingriffen (§ 6 HENatG). Dadurch wird das Regelungsausnahmeverhältnis umgekehrt: Eingriffe sind künftig zu genehmigen, wenn nicht bestimmte Hinderungsgründe vorliegen. Im Einklang mit dieser nutzerfreundlichen Auslegung ist die Liste der genehmigungspflichtigen Eingriffsvorhaben gekürzt worden. 138 Darüber hinaus normiert § 6 Abs. 2 HENatG eine umfangreichere Liste von Eingriffen, die ohne Genehmigung zulässig sind; u.a. gilt dies für die Beseitigung innerstädtischer Grünflächen. Diese Vorhaben erhalten somit faktisch einen Anspruch auf Genehmigung. Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sind von der Geltung der Eingriffsregelung ausgenommen, so sie die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und die Vorgaben des landwirtschaftlichen Fachrechts beachten. Ein Bezug zu der Guten Fachlichen Praxis des BNatSchG ist in diesem Kontext nicht hergestellt worden (§ 5 Abs. 3 HENatG). Für das Prüf- und Folgenbewältigungsprogramm sind zahlreiche Ausnahmen geschaffen worden. 139 Weiterhin sind relevante Beurteilungskriterien abgeschafft worden, etwa die Prüfung der Auswirkungen auf den Erholungswert oder die Tier- und Pflanzenwelt. Zukünftig reicht es für den Ausgleich der Folgen von Eingriffsvorhaben auch aus, wenn nach Beendigung des Eingriffs keine erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen der Naturgüter verbleiben. Abweichende Vorgaben darf die Behörde nur treffen, wenn dies dem Antragsstel138
139
So wird die Verknüpfung von Eingriffsregelung und gesetzlichem Biotopschutz vollständig ausgeblendet: Die Schädigung oder Zerstörung streng geschützter Einzelbiotope wird in § 5 Abs. 2 HENatG nicht erwähnt. Beeinträchtigungen von Wäldern und Gewässern werden weiterhin kaum näher präzisiert. Lediglich der freie Zugang zu Wald, Flur und Gewässern darf z.B. nicht behindert werden; andere Vorgaben finden sich nicht. Ein Beispiel für eine unzureichend definierte Vorgabe ist die Vorgabe, dass das Entwässern von Flächen und das dauerhafte Absenke oder Anheben des Grundwasserspiegels dann ein Eingriff ist, wenn dadurch Lebensgrundlagen von Tieren und Pflanzen nachhaltig beeinträchtigt werden (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 und 9 HENatG). Etwa für die Ausbringung von Klärschlamm auf Nutzflächen.
154
ler zuzumuten ist (§ 6a Abs. 3 Satz 1 HENatG). Die Vorgabe des BNatSchG lautet dagegen auf gleichartigen Ausgleich oder gleichwertigen Ersatz; und auf Verbot, wenn nicht ersetzbare Biotope zerstört werden und keine zwingenden Gründe des Allgemeinwohls vorliegen. Fragwürdig ist auch die Vorgabe, dass Kompensationsmaßnahmen keine neuen Flächenansprüche des Naturschutzes bedingen dürfen (§ 6b Abs. 4 Satz 2 HENatG): In der Praxis birgt dies die Gefahr, dass bestehende Flächen öfter als bisher mehrfach für Kompensationszwecke genutzt werden, was die Qualität der Kompensation abwertet. Eine weitere Schwächung des Instruments ist durch die Aufhebung der Einvernehmungsregelung im Vollzug erfolgt, die Hessen 1981 als eines der ersten Bundesländer eingeführt hatte. Die vollziehenden Behörden haben die Naturschutzbehörden künftig nur noch im Benehmen zu konsultieren (§ 7 Abs. 1 und 2 HENAtG), wie dies auch das BNatSchG vorsieht. Weiterführende ergänzende Regelungen etwa zur Qualitätssicherung oder zur Kontrolle der Effektivität von Kompensationsmaßnahmen sind nicht normiert worden. Die Vorgaben des BNatSchG zur Sicherung der Durchführung von Maßnahmen und zur Verknüpfung von Landschaftsplanung und Eingriffsregelung sind im HENatG nicht umgesetzt. 5.9.3.4 Besonderer Schutz Im Gebietsschutz sind die Vorgaben zur Zonierung von Schutzgebieten und zum Umgebungsschutz mit § 17 Abs. 1 HENatG umgesetzt worden. Neu eingefügt worden ist die Kategorie des Naturparks (§ 15c HENatG). Nicht aufgenommen worden ist dagegen die Regelung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, wonach Gebiete auch in einen Zustand entwickelt werden können, die eine Unterschutzstellung als Nationalpark rechtfertigen. Dieser Sachverhalt gilt auch für die Neuregelung des Prozessschutzes. § 15d HENatG übernimmt die Liste gesetzlich zu schützender Biotope des § 30 BNatSchG wortgleich, mit der Ausnahme von Biotopen, die in Hessen nicht vorkommen (etwa alpine Regionen), verzichtet aber auf Ergänzungen. Allerdings enthielt das alte hessische Naturschutzgesetz zuvor einen stärker detaillierten Katalog zu schützender FFH-relevanter Biotope, z.B. Streuobstwiesen, Trockenmauern oder Hohlwege. Die Landesregierung hat auch die Voraussetzungen für eine Beeinträchtigung der Biotope entschärft: War eine Beeinträchtigung bislang nur in Ausnahmefällen und bei Vorlage überwiegender Gründe des Gemeinwohls zulässig, dürfen Beeinträchtigungen künftig erfolgen, wenn sie ausgeglichen werden können. Dies ist bereits erreicht, wenn keine nachhaltige Beeinträchtigung verbleibt (§ 15d Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 6a Abs. 3 Satz 1 HENatG). 5.9.3.5 Mitwirkung von Verbänden Eine Kehrtwende ist auch bei der Regelung der Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte von Naturschutzverbänden vollzogen worden. Eine eigenständige Anerkennung nach Landesrecht entfällt - es wird nur die Anerkennung nach BNatSchG fortgeführt. Nicht alle der vormals anerkannten Vereine erfüllen aber die Anerkennungsbedingungen des BNatSchG. Bauern-, 155
Waldbesitzer-, Jagd- und Fischerei- sowie Wasser- und Bodenverbände erhalten erstmals dieselben Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte wie die Naturschutzverbände (§ 35 Abs. 1 HENatG). 140 Fortgeführt worden ist die Bestimmung des alten HENatG, dass anerkannte Verbände ein Mitwirkungsrecht bei Bebauungsplänen haben, die Planfeststellungen mit erheblichen Eingriffen ersetzen. Hier ergänzt das HENatG das BNatSchG. Auf die unmittelbar geltende Vereinsklage nach § 61 BNatSchG wird in § 35 Abs. 2 Satz 3 HENatG hingewiesen. Das HENatG erlässt keine weiteren Vorschriften für das Verfahren. Die alten Vorgaben zur Vereinsklage (§ 36 HENatG) sind aufgehoben worden. Klagefähig sind damit nur noch Eingriffsvorhaben des Bundes – eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Regelung (vgl. DLR 2004). 5.9.3.6
Naturschutzbeiräte und andere Formen der ehrenamtlichen Beratung Mit der Abschaffung des Devolutionsverfahrens hat die Landesregierung den ehrenamtlichen Naturschutzbeiräten ein wichtiges Druckmittel gegenüber den Behörden genommen und die Einflussmöglichkeiten des ehrenamtlichen Naturschutzes geschwächt (vgl. Kap. 5.1.2.1.6). 141 Ansonsten hat dieser Regelungsbereich nur moderate Änderungen erfahren: Nach § 32 Abs. 1 HENatG können nun auch andere Verbände als Naturschutzverbände mit der Vornahme von Pflegearbeiten beauftragt werden, wie etwa Forst- oder Wasserverbände. Die ehrenamtliche Naturschutzwacht in Großschutzgebieten wird nach ihrer zuvor erfolgten Abschaffung infolge der Restrukturierung der Landesverwaltung wieder eingeführt.
5.10
Die Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern
5.10.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Mecklenburg-Vorpommern ist mit einer Fläche von 23.174 km2 zwar das sechstgrößte Bundesland, mit einer Gesamtbevölkerung von 1,72 Mio. Einwohnern aber das viertkleinste. Mit 75 Einwohnern pro km2 weist es die niedrigste Bevölkerungsdichte aller Länder auf. Die Weitläufigkeit und Attraktivität der Landschaften haben Mecklenburg-Vorpommern zu einem beliebten Urlaubsland gemacht. Doch trotz des touristischen Aufschwungs ist die gesamtwirtschaftliche Entwicklung trist. Das Land hat von allen Bundesländern das niedrigste BIP pro Einwohner und weist auch das niedrigste durchschnittliche Wirtschaftswachstum für die Jahre 2002-2004 auf. Die Land- und Ernährungswirtschaft sowie der Werftbau prägen bis heute 140
141
Die Landesregierung begründet dies mit der Schaffung von “Waffengleichheit“ (vgl. Begründung zum HENatG, S. 22). Dagegen ist einzuwenden, dass Nutzerinteressen bereits eine privilegierte Wahrnehmung in Planungs- und Genehmigungsprozessen erfahren (vgl. SRU 2005). Zur Begründung hat die Landesregierung angeführt, dass das Verfahren zeitaufwendig sei und oftmals zu lange zu Lasten der Antragstellenden Person gedauert habe, andererseits der positive Nutzen bescheiden gewesen sei (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf des HENatG, S. 21). Den Naturschutzverbänden zufolge sind die Beiräte dagegen sehr sparsam mit diesem Druckmittel umgegangen (vgl. BUND 2002).
156
noch die Struktur der Wirtschaft, die deshalb besonders anfällig für Wirtschaftskrisen ist. Trotz erheblicher Investitionen in die Infrastruktur des Landes ist es nicht gelungen, in breitem Umfang neue und tragfähige Produktionen zu etablieren (Kuhn 1999). Tabelle 5.11: KOAL_Z.
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
SPD/PDS 17 256 0,93 4,3 Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
Umwelt
4,66
75
52,89
Das reiche Naturpotenzial ist ein Markenzeichen Mecklenburg-Vorpommerns. Der Anteil unzerschnittener Räume an der Gesamtfläche beträgt 52,89 Prozent. Allerdings ist Mecklenburg-Vorpommern auch das Bundesland, in dem die Agrarwirtschaft die mit Abstand wichtigste Bedeutung spielt - mit einem Anteil von 4,3 Prozent an der Landesbruttowertschöpfung weist diese Branche den höchsten Wert im Vergleich aller Bundesländer auf. Das Land wird von einer Koalition aus SPD und PDS regiert. Das Umweltministerium wird von Wolfgang Methling (PDS) geleitet. Interessant ist, dass der Anteil der Einwohner, die Mitglied in einem Naturschutzverband sind, an der Gesamtbevölkerung mit 4,66 Prozent nicht nur wesentlich höher ist als in den anderen neuen Bundesländern, sondern dass auch die Zuwachsrate über den Zeitraum 1990-2004 die zweithöchste im Vergleich aller Bundesländer nach Schleswig-Holstein ist. Die Naturschutzverbände sind also attraktiv; was ihnen auch Einfluss verschafft. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen steht die Umweltpolitik des Landes aber unter erheblichen Anpassungsdruck: So hat die Landesregierung eine komplette Reform der Landesverwaltung beschlossen, die von einem dreistufigen auf ein zweistufiges Modell umgestellt wird: Die Ebene der Bezirksregierungen wird aufgelöst. 142 5.10.2 Überblick über den Gesetzgebungsprozess Welche Akzente die Landesregierung vor diesem Hintergrund bei der Novelle des LNatSchG zu setzen gedenkt, ist unklar Bislang ist noch keine Anpassung des Landesnaturschutzrechts an die Vorgaben des Bundesnaturschutzrechts erfolgt; ein Gesetzentwurf befindet sich seit geraumer Zeit in der Ressortabstimmung, die nunmehr vor der Sommerpause noch erfolgen soll. Eine Einbringung in den Landtag wird für die Zeit nach der Sommerpause anvisiert. Vorrang hatte bisher die Erarbeitung und Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der ZooRichtlinie und anderer EU-Richtlinien (GVOBl. MP vom 9. Juni 2004, S. 302-305).
142
Für die Umweltverwaltung bedeutet dies, dass der auf der regionalen Ebene in den Landesämtern gebündelte Sachverstand – insbesondere für planerische Zwecke und zur Beurteilung regionaler Eingriffe – verloren geht. Zudem hat die Landesregierung mit der “Umweltallianz Mecklenburg-Vorpommern“ eine weitere Initiative zur Entbürokratisierung und Vereinfachung des Umweltrechts gestartet
157
5.11
Die Umsetzung in Niedersachsen
5.11.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Niedersachsen ist nach Bayern mit einer Fläche von 47.619 km2 das zweitgrößte Bundesland Deutschlands und steht mit einer Bevölkerungszahl von knapp 8 Mio. Einwohnern an vierter Stelle im Ländervergleich. Die Bevölkerungsdichte ist mit 166 Einwohnern pro km2 aber relativ niedrig, was auf die Industrie- und auch Städtearmut der deutschen Tiefebene zurückzuführen ist. Hierdurch erklärt sich auch der relativ hohe Anteil unzerschnittener verkehrsarmer Räume von 21,47 Prozent der Gesamtfläche. Allerdings bestehen mehrere Ballungsräume mit hoher Siedlungs- und Verkehrsverdichtung. Landschaftlich vereint Niedersachsen mit die größte Vielfalt an Landschaftsräumen. Tabelle 5.12: KOAL_Z.
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Niedersachsen BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
CDU 23 111 1,23 2,2 Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
Umwelt
4,42
168
21,47
Obwohl knapp 60 Prozent der Fläche Niedersachsens von der Landwirtschaft genutzt werden, beträgt der gegenwärtige Anteil der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft an der Bruttowertschöpfung nur 2,2 Prozent. Anders als z.B. in Bayern ist die Landwirtschaft in Niedersachsen vorwiegend eine intensive, großflächige Landwirtschaft. Der Nahrungsmittelindustrie kommt eine hervorgehobene wirtschaftliche Bedeutung zu. Niedersachsen ist somit auch ein Agrarland, in dem die Agrarpolitik eine wichtige Rolle spielt, wenngleich aufgrund des Strukturwandels andere Wirtschaftsbereiche das Wirtschaftsgeschehen im Land dominieren. Vor diesem Hintergrund wird die restriktive Position der SPD-geführten Landesregierung in den Verhandlungen um die Definition der naturschutzfachlichen Betreiberpflichten im BNatSchG erklärlich (vgl. Kap. 4.5.2.5). Im Vergleich der alten Bundesländer zählt Niedersachsen zu den eher armen Bundesländern; im Vergleich aller Bundesländer liegt das BIP pro Einwohner mit 23.111 Euro im Mittelfeld. Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in den Jahren 2002-2004 war wie in den anderen eher strukturschwachen Bundesländern gering. Das Land wird seit der Landtagswahl 2003 von einer Koalition aus CDU und FDP regiert. Die Zuständigkeit für Naturschutz liegt beim Umweltministerium (Minister: Sander, FDP) – als eines von drei Bundesländern sind dem Ministerium keine weiteren Zuständigkeiten zugeordnet. Der Anteil der Mitglieder der Naturschutzverbände an der Gesamtbevölkerung liegt mit einem Wert von 4,42 Prozent unter dem bundesdeutschen Gesamtdurchschnitt und im unteren Mittelfeld aller Bundesländer. Zudem ist für den Zeitraum 1990-2004 eine leichte rückläufige Entwicklung der Mitgliederzahlen zu beobachten (BfN 2004).
158
5.11.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Die Umweltpolitik hat auf der Agenda der Landesregierung einen niedrigen Stellenwert. Die neue Regierungskoalition aus CDU und FDP verständigte sich in ihrer Koalitionsvereinbarung auf einen Kurswechsel in der Umwelt- und Naturschutzpolitik und verpflichtete sich auf das Leitbild der Verwaltungsmodernisierung und Entbürokratisierung. Die Konsolidierung des Landeshaushalts genießt Priorität und hat zu erheblichen Sparmaßnahmen auch im Umwelt- und Naturschutz geführt. Die Landesregierung hat die Förderung der Umweltverbände deutlich gekürzt. Bedeutsam ist auch die Verwaltungsreform: Die Mittelinstanz der Bezirksregierung wird abgeschafft und der dreigliedrige in einen nunmehr zweigliedrigen Verwaltungsaufbau geändert. 143 Auch in Niedersachsen ist noch keine Anpassung des LNatSchG an die Vorgaben des BNatSchG erfolgt. Die Landesregierung hat zunächst am 9. Juli 2004 einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, der eine Aufhebung oder Änderung einzelner Vorschriften des BNatSchG anstrebt. Der Entwurf fordert u.a. die Streichung der Vorgaben für den Erschwernisausgleich und die Gute Fachliche Praxis von Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie den Verzicht auf die Vorgaben der flächendeckenden Landschaftsplanung (BR-Drs. 517/04). 144 Zusätzlich ist das niedersächsische Naturschutzgesetz in mehreren Teilbereichen novelliert worden: So ist die Möglichkeit von Kompensationszahlungen anstelle von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eingeführt worden, um die Durchführung von Eingriffsvorhaben zu erleichtern (Nds. GVBl. Nr. 5 vom 25.02.2004, S. 75). Im Mai 2005 hat das Umweltministerium den Entwurf eines “Gesetzes zur Stärkung des Vertragsnaturschutzes und zur Deregulierung des Naturschutzes“ vorgelegt, der bereits am 22. Juni 2005 vom Landtag angenommen worden ist und einzelne über das Bundesnaturschutzrecht hinausgehende landesrechtliche Vorschriften (etwa Kartierungspflichten von Grünland) streicht und Ausnahmen vom Biotopschutz für Landwirte vorsieht (NUM 2005, Nds. GVBl. Nr. 14 vom 30.06.2005). Eine vollständige Anpassung des LNatSchG an die Vorgaben des BNatSchG findet aber auch mit diesem Gesetz nicht statt.
143
144
Mit dem 1. Januar 2005 ist die Zuständigkeit für Naturschutzbelange an den Landesbetrieb für Naturschutz, Wasserwirtschaft und Küstenschutz übergegangen; die Großschutzgebietsverwaltungen sind eigenständig organisiert und unterstehen direkt dem Umweltministerium. Die Landesämter für Ökologie und für Wasserwirtschaft und Küstenschutz werden aufgelöst. Durch die Reform sollen 400 Stellen in der Niedersächsischen Umweltverwaltung eingespart werden (Landesregierung von Niedersachsen 2004). Der federführende Umweltausschuss des Bundesrates empfahl, den Antrag nicht einzubringen, obwohl die BLänder hier in der Mehrheit sind. Insofern ist zu konstatieren, dass auch die Umweltminister der B-Länder den Naturschutz im Auge haben und den offensichtlichen Verschlechterungen im Bundesnaturschutzrecht – unbeschadet des politischen Wettbewerbs – nicht einfach zustimmen wollten. Alle übrigen befassten Ausschüsse (u.a. Landwirtschaft, Bauen und Verkehr) haben sich dagegen für die Einbringung ausgesprochen.
159
5.12
Die Umsetzung in Nordrhein-Westfalen
5.12.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Nordrhein-Westfalen (NRW) ist das bevölkerungsreichste Bundesland – auf 34.083 km2 wohnen 18.080 Mio. Einwohner. Die Bevölkerungsdichte ist mit 530 Einwohnern pro km2 fast siebenmal höher als in Mecklenburg-Vorpommern. Mehr als jeder fünfte Einwohner Deutschland wohnt in NRW, auf knapp einem Zehntel der Gesamtfläche Deutschlands. Das Land ist zugleich einer der größten Ballungsräume Europas. Damit sind der Nutzungsdruck und auch die Konkurrenz der Flächennutzungen sehr hoch. Entsprechend weist NRW nicht nur den niedrigsten Anteil an unzerschnittenen verkehrsarmen Räumen aller Bundesländer auf, sondern dieser ist mit 2,55 Prozent der Gesamtfläche auch noch deutlich niedriger als der zweitniedrigste Wert von 9,31 Prozent für Baden-Württemberg. NRW ist zwar das wirtschaftlich stärkste Bundesland, das ca. ein Fünftel zum gesamtdeutschen BIP beiträgt, aber keinesfalls auch das Land mit dem höchsten wirtschaftlichem Wohlstand - das BIP pro Kopf liegt mit 26.642 im Mittelfeld der Bundesländer. In den Jahren 2002-2004 betrug das durchschnittliche Wirtschaftswachstum 1,67 Prozent. Seit Jahren erlebt das Land einen ökonomischen Strukturwandel. Zwar gilt NRW als das Industrieland unter den Bundesländern, doch zugleich gibt es Regionen, in denen der Landwirtschaft eine große Bedeutung zukommt, und gleichzeitig ist die landschaftliche Vielfalt und Attraktivität trotz der hohen Siedlungsdichte relativ hoch (Kost 1999). Der Anteil der Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung, die Mitglied in einem Naturschutzverband, ist mit 3,59 Prozent im Vergleich der Bundesländer relativ niedrig and darüber hinaus für den Zeitraum 1990-2004 auch leicht rückläufig (BfN 2005: 324). Tabelle 5.13:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Nordrhein-Westfalen
KOAL_Z.
BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
SPD/Grüne
26 643
1,67
0,7
Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
3,59
530
2,55
Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
NRW wurde bis zur Landtagswahl im Mai 2005 von einer Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen regiert. Bei der Landtagswahl am 22. Mai 2005 ist es zu einem Machtwechsel gekommen – die Regierungskoalition wird nunmehr von CDU und FDP gestellt, die im Wahlkampf eine Kurswende in der Naturschutzpolitik angekündigt haben und diese Ankündigung auch nach der Landtagswahl aufrecht halten (DPA 2005). 145 Bis zur 145
So hat der neue Umweltminister Uhlenberg (CDU) angekündigt, künftig nur noch Klagen für Verfahren mit Planfeststellung zuzulassen (Die tageszeitung vom 8. August 2005).
160
Landtagswahl – und damit im für die Analyse dieser Arbeit relevanten Zeitrahmen – lag die Zuständigkeit für Naturschutzbelange beim Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das von der grünen Ministerin Höhn geleitet wurde. Diese hat sich aktiv für die Novelle des BNatSchG eingesetzt. 5.12.2 Überblick über den Umsetzungsprozess In Nordrhein-Westfalen hat es lange gedauert, bis das “Gesetz zur Anpassung des Landschaftsgesetzes“ (im folgenden abgekürzt als LG NRW) verabschiedet worden ist. Dies lag auch daran, dass das Landschaftsgesetz erst im Jahr 2000 umfassend novelliert worden war – damals wurden u.a. eine altruistische Verbandsklage eingeführt, die Mitwirkungsrechte der Verbände ausgeweitet, die FFH-Richtlinie in Landesrecht umgesetzt und die Ebene des Landschaftsprogramms im Rahmen der Landschaftsplanung eingeführt sowie ein Flächenverzeichnis für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in der Eingriffsregelung geschaffen. Erst am 8. Dezember 2004 brachten die Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Landschaftsgesetzes entsprechend der Vorgaben des BNatSchG in den Landtag ein (Drucksache 13/6348 Landtag von Nordhein-Westfalen). Die Landtagswahl im Mai 2005 vor Augen, wurde das Vorhaben dann durch die Beratungen gejagt. Bereits am 20. April 2005 wurde der Gesetzentwurf in einer geänderten Ausschussversion vom Landtag angenommen und verabschiedet (Plenarprotokoll 13/149 Landtag von Nordrhein-Westfalen). 146 Die Novelle, die von der Regierungskoalition als das “modernste Naturschutzschutzgesetz in Deutschland“ gelobt wird (Plenarprotokoll 13/149 Landtag von Nordrhein-Westfalen), sieht eine Anpassung des LG NRW, nicht aber eine vollständige Neufassung vor. Die Schwerpunkte der Novelle sind (Drucksache 13/6348 Landtag von Nordrhein-Westfalen):
die weitere rechtliche Sicherung des bereits bestehenden Biotopverbunds, die Regelung der Guten Fachlichen Praxis für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, die Weiterentwicklung und Flexibilisierung der Eingriffsregelung,, die Schaffung verbesserter Grundlagen für die Erholung in Natur und Landschaft, die Schaffung von Regelungen zur Honorierung eines Naturschutzes auf Zeit und die Erweiterung der Beteiligungsmöglichkeiten gesellschaftlicher Gruppen. Die meisten Neuerungen der BNatSchG-Novelle sind in enger Anlehnung an den Wortlaut des BNatSchG übernommen worden, häufig allerdings ohne eine landesrechtliche Präzisierung. Dies gilt etwa für die naturschutzfachlichen Betreiberpflichten der Guten Fachlichen 146
Die Opposition kritisierte in diesem Zusammenhang, dass der Entwurf weder mit den kommunalen Spitzenverbänden noch mit den Landwirtschaftsverbänden diskutiert, sondern in einem Hauruck-Verfahren durchgezogen worden sei, bei dem eine Diskussion nicht erwünscht war (Plenarprotokoll 13/149 Landtag von Nordrhein-Westfalen). Die Landesregierung vertrat dagegen die Ansicht, dass der Entwurf im Vorfeld der parlamentarischen Beratung sorgfältig abgestimmt worden sei.
161
Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, die nur im Wortlaut des BNatSchG übernommen worden sind. Gleichfalls gilt dies für die Vorgaben zum Biotopverbund. Ebenfalls geht die Landesregierung davon aus, dass die Vorgaben für die Landschaftsplanung im Wesentlichen bereits erfüllt sind. Insofern sind auffällige Parallelen mit dem Prozess der Umsetzung in Brandenburg feststellbar. Die oppositionellen Christdemokraten und Liberalen haben die Novelle des Gesetzes entschieden abgelehnt und Kurskorrekturen nach der Landtagswahl angekündigt. Umstritten in den Beratungen waren vor allem die Neufassung der Eingriffsregelung und die Neuregelungen der Befugnisse der Landesbehörden sowie die Regelung der Mitgliedschaft der Naturschutzbeiräte. Die CDU hat der Landesregierung eine überzogene Naturschutzpolitik zu Lasten des Beschäftigungsaufbaus und des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur vorgeworfen. Auch die FDP kritisierte, dass das Gesetz den bürokratischen Verwaltungsnaturschutz weiter zementiere und damit die wirtschaftliche Entwicklung des Landes behindere. Änderungsanträge der Opposition wurden indes in den Ausschussberatungen zurückgewiesen (Plenarprotokoll 13/149 Landtag von Nordrhein-Westfalen). 5.12.3
Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.12.3.1 Allgemeine Vorgaben Die Zielbestimmungen des § 1 BNatSchG n.F. sind wortgleich übernommen worden. Auch der Grundsatzkatalog des § 2 BNatSchG n.F. ist wortgleich übernommen worden; weitergehende Ergänzungen sind nicht vorgenommen worden. 147 Ebenfalls ist die allgemeine Abwägungsklausel in § 2 Abs. 1 Satz 1 LG NRW wieder eingefügt worden, die zuvor in § 1 Abs.1 LG NRW a.F. enthalten war. Auch die Aufwertung natur- und landschaftsverträglicher Erholung und sportlicher Betätigung setzt das LG NRW entsprechend der Zielsetzung des BNatSchG um (vgl. Kap. 4.4.2.1). 148 Der Aufbau und die Sicherung des landesweiten Biotopverbunds war bislang nur als Grundsatz im LG NRW a.F. enthalten (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 LG NRW a.F.). Nunmehr ist eine wortgleiche Übernahme der Vorgaben des § 3 BNatSchG mit Art. 2b Abs. 1-3 LG NRW erfolgt, allerdings mit einem Unterschied: aus der bundesrechtlichen “Soll“-Feststellung ist eine landesrechtliche “Ist“-Feststellung geworden. Nach § 2b Abs. 4 hat die rechtliche Sicherung 147
148
Der bisherige Grundsatzkatalog des LG NRW a.F. enthält 13 Grundsätze, die in ihrem grundlegenden Inhalt mit den nunmehrigen Grundsätzen des BNatSchG weitgehend übereinstimmen. Nicht enthalten sind bislang die Vorgabe, dass das Verständnis für die Ziele des Naturschutzes mit angemessenen Mitteln zu fördern ist, und auch nicht die Vorgabe, dass die natur- und landschaftsverträgliche sportliche Betätigung in der Natur als Erholung und insofern als vereinbar mit den Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes anzusehen und durch die Bereitstellung geeigneter Flächen zu fördern ist. Auch der Hinweis auf die Minimierung der Zerschneidungswirkung von Verkehrsanlagen ist bislang nicht enthalten. Dagegen sind die eindeutigen Aussagen zum Gewässerschutz (u.a. Vermeidung technischer Ausbaumaßnahmen, Erhaltung und Förderung der natürlichen Selbstreinigungskraft, § 2 Abs. 1 Nr. 6 LG NRW a.F.) nicht mehr enthalten. Hier ist zu beachten, dass dieser Grundsatz im Wortlaut im ersten Referentenentwurf des BMU enthalten war. Das BMU konnte diese Formulierung aber nicht durch die Ressortabstimmung bringen. Dies wirkt sich nun auf die Landesebene zurück. Entsprechend ist auch die Zusammensetzung der Landesbeiräte geändert worden (siehe Kap. 5.12.3.6)
162
im Landschaftsplan durch Festsetzung geeigneter Gebiete zu erfolgen, zusätzlich ergänzt um Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen. Damit ist eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Regelung erzielt worden. Allerdings bleibt auch zu konstatieren, dass die Defizite des § 3 BNatSchG (vgl. Kap. 4.4.2.2) nicht in ihrer Gesamtheit angegangen worden sind – so fehlen etwa Vorgaben zur zeitlichen Fertigstellung und zur Qualitätskontrolle. Die Regierung geht davon aus, dass die Vorgabe von 10 Prozent ohne weiteres erfüllt werden kann, da auch Vertragsnaturschutz- und FFH-Gebietsflächen zum Verbund gezählt werden können (siehe Begründung, Drucksache 13/6348 Landtag von Nordrhein-Westfalen). § 2c LG NRW regelt die Umsetzung der Vorgaben zur Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. § 2 c Abs. 1 LG NRW entspricht § 5 Abs. 4 BNatSchG (besondere Bedeutung der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft), § 2c Abs. 2 LG NRW regelt unter Verweis auf § 7 LG NRW den Ausgleich von Nutzungseinschränkungen. § 2c Abs. 3 regelt die Einhaltung der regionalen Mindestdichte an Vernetzungselementen: Diese sind naturräumlich nach den jeweiligen Vorgaben des Landschaftsrahmenplans jeweils örtlich durch den Landschaftsplan im Rahmen der Darstellung des Biotopverbunds festzulegen. Diese Regelung ist sinnvoll, da sie sich auf das Kriterium der naturräumlichen Bestimmung stützt und die Erhaltung von Vernetzungselementen mit Biotopverbund und Landschaftsplanung koppelt. Sie entspricht aber nicht vollständig dem Konkretisierungsbedarf von § 5 Abs. 3 BNatSchG, wonach die Länder regeln sollen, welche Maßnahmen die Behörden zu ergreifen haben, wenn die Mindestdichte unterschritten ist und Maßnahmen zur neuen Einrichtung solcher Elemente zu ergreifen sind (vgl. Kap. 4.4.2.3). Ebenfalls ist nicht geregelt, wie und durch wen die Festlegung einer regionalen Mindestdichte erfolgen soll. Die naturschutzfachlichen Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis sind wortwörtlich und ohne weitere Ergänzung in § 2c Abs. 4, 5 und 6 LG NRW umgesetzt worden. Entsprechende Betreiberpflichten waren zuvor im LG NRW nicht normiert gewesen. Insofern ist eine Verbesserung gegenüber dem Status-Quo zu konstatieren. Die schwierige Aufgabe der weiteren Konkretisierung ist auf die untergesetzliche Regelungsebene verschoben worden. § 3 a Abs. 1 LG NRW regelt schließlich den Vertragsnaturschutz wortgetreu der Vorgaben von § 8 BNatSchG, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die entsprechende Vorgabe bereits – wie in Brandenburg - im alten Landschaftsgesetz enthalten war. 149 5.12.3.2 Planerische Grundlagen Die Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten (LÖBF) wird in § 14 Abs. 1 Nr. 4 LG NRW damit beauftragt, entsprechend der bundesrechtlichen Vorgabe der Umweltbeobachtung den Zustand des Naturhaushalts, seine Veränderungen, die Folge dieser Veränderungen und die Einwirkung auf den Naturhaushalt sowie die Wirkungen von Umweltschutzmaß149
Verschärfend ist in § 3 Abs. 1 Satz 2 festgehalten, dass vertragliche Regelungen im Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung die Natur nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigen sollen.
163
nahmen zu ermitteln und auszuwerten und sich dabei mit den Behörden des Bundes und anderer Länder abzustimmen. Damit wird der Vorgaben des § 12 BNatSchG weitgehend entsprochen – allerdings wird die Umweltbeobachtung nicht eigenständig mit präzisen Vorgaben zur Fortschreibung und Berücksichtigung geregelt. 150 Im Rahmen der Landschaftsplanung enthielt § 18 Abs. 1 LG NRW a.F. bereits eine lange Liste von konkreten Entwicklungszielen für die Natur und Landschaft, die fortgeführt und in § 18 Abs. 1 Satz 2 um die Zielbestimmung der Förderung des Biotopverbunds erweitert worden ist. Durch die gesetzliche Normierung hebt sich das LG NRW von anderen Landesnaturschutzgesetzen ab. Damit wird die Landschaftsplanung sinnvoll als vorbereitendes Instrument zur Realisierung des Biotopverbunds eingesetzt. Zusätzlich sieht § 19 Abs. 1 Nr. 4 entsprechend der bundesrechtlichen Vorgabe vor, dass auch natur- und landschaftsverträgliche Betätigungen zur Erholung und damit zu den Entwicklungszielen für Natur und Landschaft zu zählen sind. Ansonsten ist der Regelungsabschnitt zur Landschaftsplanung weitgehend in der im Jahr 2000 novellierten Fassung belassen worden, die in ihren Bestimmungen zu den Mindestinhalten mit den bundesrechtlichen Vorgaben weitgehend übereinstimmt, nicht aber eine regelmäßige Fortschreibungspflicht für Landschaftspläne vorschreibt. Auch die Vorgabe einer flächendeckenden Erstellung wird wörtlich nicht getroffen; allerdings sind alle Kreise und kreisfreien Städte gehalten, Landschaftspläne zu erstellen (§ 16 Abs. 2). Das LG NRW hält sich auch mit möglichen Ergänzungen der bundesrechtlichen Vorgaben zurück. Zusätzliche Vorgaben etwa in den Bereichen Qualitätskontrolle, Öffentlichkeitsbeteiligung oder Verknüpfung mit der Eingriffsregelung werden nicht getroffen. Eine über das BNatSchG hinausgehende Stärkung der Landschaftsplanung ist damit nicht erfolgt, wohl aber eine kohärente Anpassung. 5.12.3.3 Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft Mit § 4 Abs. 1 LG NRW wird der neue Geltungsbereich der Eingriffsregelung gemäß § 18 Abs. 1 BNatSchG übernommen. Bereits im alten Landschaftsgesetz war in § 4 Abs. 2 eine Positivliste von Eingriffsvorhaben enthalten, die nun modifiziert fortgeführt wird. 151 Gleichfalls gilt dies für die Negativliste von Eingriffsvorhaben des alten § 4 Abs. 3, die ebenfalls modifiziert fortgeführt wird. 152 Umgesetzt ist auch § 18 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG, wonach die 150
151
152
Zudem wird die LÖBF mit der Aufgabe befasst, in Abstimmung mit der betroffenen Gemeinde oder Stadt einen stadtökologischen Fachbeitrag für den baulichen Innenbereich im Sinne des Baugesetzbuchs zu schaffen (§ 15a Abs. 3 LG NRW). Die Landesregierung begründet die Regelung mit der Notwendigkeit der Stärkung der stadtökologischen Beiträge zur Innenstadtplanung, die von den Kommunen aufgrund von Kapazitätsengpässen oft nicht adäquat geleistet werden könnte. Die Opposition kritisiert die Vorgabe hingegen als eine überflüssige Aufblähung des Verwaltungsapparats (Plenarprotokoll 13/148). Neu aufgenommen in die Liste der Vorhaben, die immer als Eingriffe gelten, sind u.a. raumbedeutsame Windenergieanlagen und die Neuanlage von Weihnachtsbaumkulturen (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 und 10 LG NRW). Dies betrifft etwa die ordnungsgemäße Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, die nun nicht mehr automatisch als kein auszugleichender Eingriff gilt, sondern nur, wie durch das BNatSchG vorgesehen, entsprechend Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis befolgt werden. Neu aufgenommen in die Liste wurden u.a. Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen zur Vermeidung zur Vermeidung der Sohlenvertiefung des Rheins
164
Wiederaufnahme einer zeitweilig aufgrund der Teilnahme an Vertragsnaturschutzmaßnahmen oder öffentlichen Programme mit Bewirtschaftungseinschränkungen unterbrochenen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung rechtens ist. Das Gesetz präzisiert hierfür eine Frist von drei Jahren. Dadurch soll auch ein “Naturschutz auf Zeit“ ermöglicht werden (§ 4 Abs. 3 Nr. 6 LG NRW, bereits in § 4 LG NRW a.F. enthalten). § 4a LG NRW setzt die Neuregelung des Folgenbewältigungsprogramms entsprechend der Vorgaben von § 19 BNatSchG und in enger Anlehnung an dessen Wortlaut um (vgl. Kap. 4.4.4.2). Darüber hinaus hat die Landesregierung Gebrauch gemacht von § 19 Abs. 4 BNatSchG, wonach die Länder weitergehende Vorgaben treffen können: § 4a Abs. 2 Satz 1 LG NRW bestimmt, dass Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen innerhalb einer von der zuständigen Behörde festzusetzenden Frist zu realisieren sind. Damit ist eine praktikable Befristungsregelung gelungen. § 4a Abs. 2 Satz 5, 6 und 7 trifft eine Reihe weiterer ergänzender Regelungen, so zur Zulässigkeit von Maßnahmen des ökologischen Landbaus als Kompensationsmaßnahmen und zur Vorrangigkeit der Realisierung von Maßnahmen auf Flächen im Eigentum des Verursachers. 153 § 4a Abs. 3 enthält weiterhin eine Liste von Kompensationsmaßnahmen, die vorrangig auszuwählen und durchzuführen sind. Damit soll die allgemeine Funktionalität und Qualität der Kompensation verbessert werden. 154 Bislang enthält kein anderes neu verabschiedetes Landesnaturschutzgesetz eine solche Vorgabe. Mit § 4a Abs. 6 LG NRW wird die Pflicht zur rechtlichen Sicherung der Kompensationsmaßnahmen umgesetzt: die Behörden können entsprechende Sicherungsleistungen verlangen oder eine solche Sicherung kann durch Eintragung einer persönlichen Dienstbarkeit oder Baulast im Grundbuch oder durch vertragliche Sicherung erfolgen. Auch die Möglichkeiten der Flexibilisierung des Instruments werden durch die Novelle ausgeschöpft. § 5 LG NRW setzt die Möglichkeit der Zahlung von Ersatzgeldern um. Ersatzgelder sind an die Kreise oder kreisfreien Städte zu entrichten und sind zweckgebunden für Naturschutzmaßnahmen innerhalb von drei Jahren zu verwenden. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 7 sind Ersatzgelder nach Ablauf dieser Frist an die das Landesamt für Umweltschutz) weiterzuleiten. Diese Neuregelung ist äußerst umstritten. Die Regierung begründet diese Regelung
153
154
oder Maßnahmen zum Rückbau von baulichen oder verkehrlich genutzten Flächen. Umstritten war insbesondere die Regelung, dass die Errichtung von zwei nahe beieinander liegenden Windenergierädern keinen ausgleichspflichtigen Eingriff darstellt. Diese Neuregelungen waren umstritten. Insbesondere die Klassifizierung des ökologischen Landbaus als Kompensationsmaßnahme wurde von der Opposition als fachlich nicht gerechtfertigt und als ideologisch motiviert kritisiert: Weitere ergänzende Regelungen betreffen die Verpflichtung, bei lang andauernden Eingriffen auch vorübergehende Beeinträchtigungen auszugleichen. Zudem können Maßnahmen, die nach Beendigung des Eingriffs erhalten bleiben, auf die Kompensation angerechnet werden. Dies betrifft die Renaturierung nicht mehr benötigter Flächen bzw. das Gebot, bei Neuversiegelungen eine Entsiegelung an anderer Stelle im selben Raum zu bewirken. Ferner ist eine Beeinträchtigung von Waldfunktionen in waldreichen Gebieten durch eine Waldvermehrung in waldarmen Regionen, durch einen Umbau von Waldbeständen in einen naturnahen Zustand oder durch die ortsnahe Entwicklung von Biotopen für den Biotopverbund oder für Natura 2000 zu kompensieren. Damit können Maßnahmen der Eingriffsregelung gezielt für die Entwicklung von Flächen für den Biotopverbund eingesetzt werden.
165
damit, dass die Gemeinden die Ersatzgelder oft nur horten. Die Opposition kritisierte die Regelung als bürokratischen Zentralismus zu Lasten der kommunalen Selbstverwaltung (Plenarprotokoll 13/148 Landtag von Nordrhein-Westfalen).155 § 5a adaptiert mit der Ermöglichung der Anerkennung vorzeitiger Kompensationsmaßnahmen auf einem Öko-Konto eine weitere Neuregelung des BNatSchG: Von solchen Maßnamen muss eine dauerhaft günstige Wirkung auf die Schutzgüter des Naturschutzes ausgehen und sie müssen den Vorgaben des Landschaftsrahmen- und Landschafsplans entsprechen (§ 5a Abs. 1 LG NRW). Das Öko-Konto wird flächendeckend eingeführt. Ferner wird eine räumliche Konkretisierung der Eingriffsregelung ermöglicht – Eingriff und Kompensation müssen nicht mehr zwangsläufig im selben Raum stattfinden. 156 Insgesamt hat die Landesregierung damit nicht nur die Neuregelung des BNatSchG umgesetzt, sondern diese, im Sinne der Intention des Bundesgesetzgebers, auch weitergehend sinnvoll ergänzt, etwa hinsichtlich der Möglichkeit der Befristung oder der räumlichen Flexibilisierung. Eine weitere Konkretisierung der unbestimmten Rechtsvorschriften der §§ 18-20 ist dagegen nicht angegangen worden. Auch weitergehende Ergänzungen wie etwa eine Erfolgskontrolle oder die Verzahnung mit dem Schutz einer regionalen Mindestdichte an Vernetzungselementen sind nicht umgesetzt worden. Dennoch ist die Fassung der Eingriffsregelung als adäquate Umsetzung des Bundesrechts zu werten. 5.12.3.4 Besonderer Schutz von Natur und Landschaft Die bundesrechtlichen Neuregelungen im Gebietschutz sind durch die Novelle übernommen worden: § 20 Satz 3 LG NRW adaptiert die Vorgaben des § 22 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG zur Zonierung von Schutzgebieten und dem Schutz ihrer Umgebung. § 43 Abs. 3 LG NRW adaptiert die Neufassung der Nationalparkregelung nach § 24 Abs. 3 BNatSchG (vgl. Kap. 4.4.5.1). Weitergehende Ergänzungen wie etwa eine Erfolgskontrolle der Schutzgebiete oder ein besonderer Schutz großflächiger, unzerschnittener Räume sind dagegen nicht verwirklicht worden. Im Biotopschutz adaptiert § 62 LG NRW zusätzlich zu dem Verbot der Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung streng geschützter Biotope die Liste der Biotoptypen des § 30 Abs. 1 Nr. 1-6 mit Ausnahme der alpinen Biotope und der maritimen Biotope. Weitere Biotoptypen werden nicht aufgeführt. Die Möglichkeit, Ausnahmen vom Verbot der Zerstörung zuzulassen - insbesondere im Fall temporär entstandener Biotope 155
156
Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Argumentation der Landesregierung stichhaltig ist. Dennoch erscheint eine solche Befristung der Verausgabung von Geldern sinnvoll. Denn es sollte der Normalfall sein, dass Ersatzgelder, die sowieso zweckgebunden sind, dann auch in zeitlicher Nähe zum Eingriffsvorhaben für entsprechende Maßnahmen des Naturschutzes eingesetzt werden, damit sie ihren Zweck erfüllen können. Die weitere Konkretisierung erfolgt durch Verordnung des Umweltministeriums im Einvernehmen mit dem zuständigen Landtagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz. Fällt die Genehmigung für Eingriffsvorhaben in den Zuständigkeitsbereich anderer Behörden, so haben diese ein Benehmen mit der Landschaftsbehörde ihrer Verwaltungsebene herzustellen. Ansonsten sind die Vorgaben zum Verfahren bei Eingriffen unverändert belassen worden.
166
– wird mit § 62 Abs. 2 LG NRW aufgegriffen und ausgefüllt. Auch aufgrund der detaillierten Regelung der Biotopkartierungen und ihrer prozeduralen Abläufe in § 62 Abs. 3 und 4 LG NRW sowie der Ermächtigung des Umweltministeriums zur weiteren Konkretisierung der Vorschriften auf dem Verordnungsweg (§ 62 Abs. 6 LG NRW) ist die Umsetzung des Biotopschutzes im LG NRW als gelungen zu bezeichnen. Für den Bereich des Gebiets- und Biotopschutzes ist also eine ordentliche Umsetzung zu konstatieren. 5.12.3.5 Mitwirkung von Vereinen Dieser Regelungsabschnitt ist gegenüber der Fassung im LG NRW a.F. weitgehend unverändert belassen und nur geringfügig geändert worden. Das LG NRW enthält mit § 12 Abs. 3 einen detaillierten Katalog von Mitwirkungsrechten der Verbände, der im Vergleich der Landesnaturschutzgesetze relativ weitgehend ausformuliert ist. 157 Eine Mitwirkung entfällt, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzuge oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 12a Abs. 3 Satz 1). Auch die Vorgaben zur landesrechtlichen Verbandsklage sind weitgehend unverändert geblieben (§ 12 b LG NRW): Klagefähig sind Verletzungen von Vorschriften aller für den Naturschutz relevanten Vorschriften auf EU-, Bundes- und Landesebene. Damit geht das LG NRW als einziges Gesetz im Untersuchungssample über den bundesrechtlichen Katalog der klagefähigen Vorhaben hinaus. Die Vorgaben zum Verfahren entsprechen den Vorgaben des § 61 Abs. 2 Nr. 1-3 BNatSchG. 5.12.3.6 Naturschutzbeiräte und andere Formen ehrenamtlicher Beratung Die Landesbeiräte für Naturschutz bei den Oberen und Unteren Naturschutzbehörden haben nicht nur ein Vorschlagsrecht und eine Vermittlungsfunktion gegenüber der Öffentlichkeit, sondern sind auch bei allen wichtigen Entscheidungen im Voraus zu hören. Eine Einvernehmenspflicht wie im BbgNatSchG a.F. ist jedoch nicht vorgesehen. Im Rahmen der Novellierung des LG NRW sind nur geringfügige Änderungen der Bestimmungen vorgenommen worden, die etwa die Zusammensetzung der Beiräte bereffen. 158 Die grundsätzlichen Funktionen der Beiräte sind jedoch die gleichen geblieben.
157
158
Diesen ist Gelegenheit zur Einsichtnahme in Unterlagen und zur Abgabe von Stellungnahmen zu geben bei allen für Natur und Landschaft relevanten Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, für die Erteilung von Genehmigungen und Erlaubnissen, für Abgrabungen, wasserbauliche Maßnahmen, Rohrleitungsanlagen, die Entnahme, Förderung und Ableitung von Grundwasser, Oberflächenwasser und Abwasser ab einer bestimmten Menge (600.000 m3), Befreiungen und Ausnahmen in Schutzgebieten, Vorbereitung der Landschaftsplanung, Vorbereitung von Artenschutzprogrammen sowie bei Planfeststellungsverfahren von Landesbehörden. Eine Änderung hat die Zusammensetzung der Naturschutzbeiräte erfahren: Die Anzahl der Mitglieder ist von 12 auf 16 erhöht worden; acht Mitglieder werden von den nach § 12 LG NRW anerkannten Verbänden gestellt, die übrigen von den Behörden berufen. Damit besteht eine gleiche Stimmenanzahl von Naturschützern und Naturnutzern in den Beiräten. Die Grünen wollten diese Verteilung zugunsten des Naturschutzes ändern, da in ihren Augen in jedem anderen Beirat (z.B. Jagdbeirat, Fischereibeirat) ebenfalls die Nutzergruppen die Mehrheit hätten, scheiterten mit dem Anliegen aber am Koalitionspartner SPD. Zudem wurde die Zweckbestimmung der Biologischen Stationen des Landes dahingehend geändert, dass diese nunmehr die fachliche
167
5.13
Die Umsetzung in Rheinland-Pfalz
5.13.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Rheinland-Pfalz nimmt sowohl hinsichtlich der Bevölkerungsdichte und Einwohnerzahl als auch der wirtschaftlichen Leistungskraft einen Mittelplatz im Ranking der Bundesländer ein. Auf 19.847 km2 leben 4,06 Mio. Menschen. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte liegt mit 204 Einwohnern pro km2 unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Der Anteil unzerschnittener, verkehrsarmer Räume an der Gesamtfläche beträgt 15,43 Prozent. Ebenso liegen das BIP pro Kopf und der Anteil der Agrarwirtschaft an der Bruttowertschöpfung im Mittelfeld der Bundesländer. Hervorzuheben ist allerdings, dass das Land zu den Ländern mit einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung im Zeitraum 2002-2004 zählt (vgl. Tabelle 5.14). Geprägt wird die Landschaft von den vier rheinischen Mittelgebirgen (Eifel, Westerwald, Hunsrück und Taunus) und den großen Flussläufen von Rhein, Mosel, Nahe und Lahn. Durch das milde Klima der Tallagen wird der Weinbau begünstigt, der eine bedeutende Rolle in Rheinland-Pfalz spielt (vgl. Grube 1999). Die Interessen dieser Teilbranche der Agrarwirtschaft sind als ein gewichtiger Einflussfaktor bei der Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts anzusehen. Rheinland-Pfalz ist aber kein Agrarland. Vielmehr weist es viele industrielle Zentren auf, insbesondere Chemie- und Pharmawirtschaft. Tabelle 5.14:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Rheinland-Pfalz
KOAL_Z.
BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
SPD/FDP
22 963
2,16
1,7
Umwelt und Forsten
5,00
204
15,43
Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
In Rheinland-Pfalz besteht die derzeit einzige Regierungskoalition aus SPD und FDP. Das Umweltministerium wird von Margit Conrad (SPD) geleitet. Dem Ministerium obliegt auch die Forstpolitik. Der Anteil der Mitglieder der Naturschutzverbände an der Gesamtbevölkerung liegt mit 5 Prozent über dem bundesdeutschen Durchschnitt und nimmt im Vergleich der Bundesländer den sechsten Platz ein. 5.13.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Nachdem die Vorlage eines Gesetzentwurfs mehrfach verschoben wurde, hat die Landesregierung am 2. März 2005 den Entwurf eines “Landesgesetzes zur nachhaltigen Entwicklung von Natur und Landschaft“ zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesnaturschutzrechts in den Landtag eingebracht, der eine vollständige Neufassung des Landesnaturschutzgesetzes (folgend LNatSchG RP-E) vorsieht (Drucksache 14/3877 Landtag von Rheinland-Pfalz). Zuvor Betreuung von Bewirtschaftern und Flächen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes und der Umsetzung von Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen sicherzustellen haben (§ 11a Abs. 1 LG NRW).
168
war mit dem „Dritten Landesgesetz zur Änderung des Landespflegegesetzes“ (so genannte Vorschaltnovelle) vom 12. Mai 2004 eine Anpassung an die Vorgaben der FFH-Richtlinie und anderer europäischer Richtlinien erfolgt. Maßgebliches Leitbild der Neufassung ist die Erweiterung der Ziele und Grundsätze um die Prinzipien der Nachhaltigen Entwicklung, wie dies schon der Titel ausdrückt. Ferner steht die Flexibilisierung und Vereinfachung des naturschutzrechtlichen Instrumentariums im Mittelpunkt. Der Biotopverbund, die Umweltbeobachtung und ein landesweites Landschaftsprogramm sollen neu in das Instrumentarium des Naturschutzrechts eingeführt werden, wobei es sich beim landesweiten Landschaftsprogramm um eine Wiedereinführung handelt, da es 1987 abgeschafft worden war. Weiterhin sollen kooperative Ansätze in den Vordergrund gestellt werden - so wird etwa ein Vorrang vertraglicher Vereinbarungen normiert – und soll die Arbeit in den Schutzgebieten stärker an dem Prinzip nachhaltiger Entwicklung orientiert werden, um die Belange von Naturerholung, naturverträglicher Freizeitnutzung und Tourismus besser berücksichtigen zu können. Insgesamt sollen die Ausführungen des Gesetzes so schlank wie möglich gehalten werden (Drucksache 14/3877 Landtag von Rheinland-Pfalz). Der Gesetzentwurf ist laut Angaben der Landesregierung Gegenstand eines breiten Konsultationsprozesses gewesen. So wurde zusätzlich zur Verbändeanhörung eine breite Gesetzesfolgenabschätzung unter Beteiligung aller betroffenen Fachverwaltungen und naturschutzfachlichen Gruppen in Zusammenarbeit mit der Hochschule Speyer durchgeführt (Drucksache 14/3877 Landtag von Rheinland-Pfalz). Auf heftige Kritik ist der Gesetzentwurf bei den oppositionellen Bündnisgrünen gestoßen. Diese kritisieren, dass viel Zeit und Geld für die Erarbeitung eines “Papiertigers“ verwendet worden ist, der in vielen Fällen nicht zu einer dringenden Konkretisierung unklarer bundesrechtlicher Vorgaben führt, sondern vielmehr zu einer Ausführung, die mit den Interessen der Verkehrs- und Landwirtschaft konform geht, etwa durch den Verzicht auf die Regelungen zur regionalen Mindestdichte von Vernetzungselementen des Biotopverbunds oder ökologischer Standards in Natura-2000-Gebieten. Die Ideologie der Regelungsverschlankung habe letztlich auch zur Streichung sinnvoller, weil vollzugsanweisender und diesen erleichternder Vorgaben geführt (Bündnis 90/Die Grünen Rheinland-Pfalz 2005). Auch die Verbände BUND und NABU haben den Entwurf bei Würdigung einzelner Verbesserungen insgesamt als “große Enttäuschung“ (BUND Rheinland-Pfalz 2004) bewertet, da keine weitergehende Ausfüllung wichtiger, aber vager bundesrechtlicher Vorschriften vorgenommen werden soll (z.B. Biotopverbund), einzelne wichtige Neuregelungen gar nicht übernommen werden sollen (regionale Mindestdichte von Vernetzungselementen) und andere Regelungen eingeschränkt werden sollen (Verbändebeteiligung). Insbesondere die vielfältigen Ausnahmeregelungen sollten nicht angegangen werden.
169
5.13.3
Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.13.3.1 Allgemeine Vorgaben § 1 BNatSchG soll wortgleich mit § 1 LNatSchG RP-E übernommen werden. Damit werden die wesentlichen Neuerungen der Zielbestimmungen des BNatSchG erfasst (vgl. Kap. 4.4.2.1). Gleichzeitig gab §1 LNatSchG RP a.F. noch vor, dass Natur und Landschaft nachhaltig zu schützen sind. Nunmehr sollen Natur und Landschaft auf Dauer gesichert werden, was die Orientierungshilfe für behördliches Handeln verbessert. Ebenfalls sind die in §1 Abs. 2 und 3 LNatSchG RP a.F. enthaltene allgemeine Abwägungsklausel und Landwirtschaftsklausel zur Streichung vorgesehen. § 2 LNatSchG RP-E verweist auf die Grundsätze des BNatSchG, regelt zusätzlich aber weitere Grundsätze: Danach sollen sich Planungen und Entscheidungen im Naturschutz an der Generationengerechtigkeit orientieren, ist die Landschaft in ihrer Bedeutung für die Lebensqualität der Bevölkerung zu erhalten, ist mit Flächen sparsam umzugehen und sind ausreichend Flächen zur Naturerfahrung (insbesondere für Kinder) bereitzustellen und ist besonders der Erhalt der Kulturlandschaft anzustreben. Allerdings enthält § 2 LNatSchG RP a.F. weitere sinnvolle Grundsätze etwa zum Bodenschutz, zur Erhaltung und Vermehrung von Wasserflächen oder zur Erhaltung unbebauter Bereiche in ausreichender Größe, die im Gesetzentwurf nicht übernommen sind. Die Naturschutzverbände kritisieren, dass der Prozessschutz nicht geregelt werden soll, obwohl dies auch in der Gesetzesfolgenabschätzung große Zustimmung gefunden hat (NABU Rheinland-Pfalz 2004). 159 § 29 LNatSchG RP-E sieht eine Minimalumsetzung eines Biotopverbunds vor. Die Vorgaben des § 3 BNatSchG werden reduziert übernommen: So fehlt die quantitative Vorgabe, einen Verbund auf 10 Prozent der Landesfläche zu schaffen, im Text des Gesetzentwurfs. Diese Vorgabe wird nur in der Begründung des Gesetzentwurfs erwähnt. § 29 Abs. 1 LNatSchG RP-E sieht nur die Übernahme der qualitativen Zielbestimmung vor. Maßnahmen des Arten- und Biotopschutzes sollen vorrangig auf den Flächen des Verbunds durchgeführt werden. Das Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht soll ein Verzeichnis der zum Biotopverbund gehörenden Bestandteile nach § 3 Abs. 3 BNatSchG führen. Diese Regelung ist der einzige Verweis auf die Bestandteile und Zuständigkeiten. Es erfolgt keine explizite Übernahme der Definition der Bestandteile. Ebenso fehlen Bestimmungen zur dauerhaften Sicherung, zur länderübergreifenden Verwirklichung oder zu Mindestdichten. Auch von weiteren ergänzenden Vorgaben zur Umsetzung wird abgesehen, etwa zur Ausweisung von Entwicklungsflächen, zur Befristung der Fertigstellung oder zum Monitoring.
159
Anders als in §2 Abs. 1 BNatSchG regelt der § 2 LNatSchG RP-E kein allgemeinen Abwägungsgebot, das den Grundsätzen vorangestellt ist. Ein solches Abwägungsgebot ist aber noch in § 2 Satz 1 LNatSchG RP enthalten. Gleichwohl ist der Bezugnahme auf das Prinzip der Generationengerechtigkeit wenig praktische Bedeutung zuzumessen – auch hier ist (vgl. Erbguth und Stollmann 2002) die Vermutung von wohlfeiler Gesetzeslyrik nahe liegend.
170
Bei der Regelung der Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis für die Landwirtschaft kommt der LNatSchG RP-E den Interessen der Landwirtschaft weit entgegen. Danach soll in der Regel die Beachtung der Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis durch die Einhaltung der Vorgaben der landwirtschaftlichen Fachgesetze gewährleistet sein und § 5 Abs. 4 BNatSchG im Übrigen gelten. Eine weitergehende Konkretisierung der Grundsätze ist nicht angedacht. 160 Auf die Vorgaben des § 5 Abs. 5 BNatSchG zu den Grundsätzen der Guten Fachlichen Praxis für die Forstwirtschaft wird nicht Bezug genommen – stattdessen verweist § 3 Abs. 3 darauf, dass sich diese Anforderungen aus den §§ 4-6 Landeswaldgesetz ergeben. Dagegen sollen die Vorgaben des § 5 Abs. 6 BNatSchG zu den Grundsätzen der Guten Fachlichen Praxis für die Fischereiwirtschaft im Wortlaut übernommen und mit einen Verweis auf die geltenden Vorschriften des Landesfischereigesetzes ergänzt werden. Der Entwurf verzichtet ebenfalls auf die Umsetzung von § 5 Abs. 3 BNatSchG, der die Feststellung einer regionalen Mindestdichte von Vernetzungselementen der Kulturlandschaft einfordert. Damit soll eine wichtige Vorgabe zur Sicherung einer funktionalen Errichtung des Biotopverbunds nicht umgesetzt werden. 161 Dies entspricht der skeptischen Position, welche die Landesregierung in dieser Frage im Beratungsverfahren zum BNatSchG eingenommen hatte. Ebenfalls fehlt die Regelung des Ausgleichs von Nutzungseinschränkungen entsprechend § 5 Abs. 2 BNatSchG, die ebenfalls den Bemühungen um die Schaffung eines schlanken Gesetzes zum Opfer gefallen sein dürfte. 162 Eine weitere Abkehr vom Bundesrecht unternimmt § 45 LNatSchG RP-E, der einen generellen Vorrang von Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes gegenüber ordnungsrechtlichen Maßnahmen normiert, was den Vorgaben des § 8 BNatSchG widerspricht. 163 Die Landesregierung schließt sich hier der problematischen Regelungspraxis der unionsregierten Länder an, die nicht vereinbar ist mit den Vorgaben des BNatSchG (vgl. Tessmer 2002). Für den Bereich der allgemeinen Vorgaben ist zwar eine kohärente Adaption der Zielvorgaben und Grundsätze des BNatSchG festzustellen. Die Umsetzung der Vorgaben zur Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft beschränken sich dagegen auf das minimal Notwendige. Die angedachte Umsetzung der Vorgaben zum Biotopverbund bleibt hinter dem Rahmen des
160
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Die Regelung ist problematisch. Damit gilt nämlich, dass die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft einschließlich des technischen Fortschritts und strukturverbessernder Maßnahmen dem Schutzzweck nicht widerspricht. Somit ist es gestattet, z.B. Hecken oder Einzelbäume zu beseitigen oder kleinere Gewässer zu verfüllen, was sowohl mit den europarechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist als auch den Anliegen des Naturschutzrechts entgegensteht (BUND Rheinland-Pfalz 2004). Zwar gibt der Gesetzentwurf in seiner Begründung vor, dies zu tun und spricht davon, dass die Vermehrung von Biotopen auch im Hinblick auf die Schaffung des Biotopverbunds von wichtiger Bedeutung ist, doch diese Begründung erscheint verwunderlich angesichts der Tatsache, dass sich entsprechende Feststellungen in den textlichen Passagen des § 3 Abs. 2 LNatSchG RP-E nicht finden lassen. Dieses Schicksal betrifft ebenso auch andere sinnvolle Vorgaben, wie etwa § 3 Abs. 4 LNatSchG RP-E, wonach die Gemeinden darauf hinzuwirken haben, einen den landschaftlichen und standörtlichen Bedingungen entsprechenden Anteil an Grün- und Waldflächen einzurichten. Nach § 8 BNatSchG ist lediglich zu prüfen ist, ob sich der Schutzzweck auch über Vertragsnaturschutzmaßnahmen erreichen lässt, wobei die sonstigen Befugnisse der Behörden unberührt bleiben.
171
BNatSchG zurück und der Schutz von Vernetzungselementen wird nicht eigenständig geregelt, obwohl das BNatSchG dies vorschreibt. 5.13.3.2 Planerische Grundlagen Mit § 7 LNatSchG RP-E soll das Instrument der Umweltbeobachtung in das Naturschutzrecht eingeführt werden, allerdings auch wieder nur in einer Minimalversion: § 7 Abs. 1 sieht eine wortgleiche Adaption der Zweckbestimmungen des § 12 Abs. 2 BNatSchG vor. Weiterhin regelt § 7 Abs. 2, dass die Zuständigkeit für die Umweltbeobachtung beim Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht liegen soll. Weitere Bestimmungen, etwa zur bundesrechtlichen Vorgabe der Abstimmung und Unterstützung von Bund und Ländern, trifft der Entwurf nicht. Die Vorgaben zur Umweltbeobachtung sind somit zu pauschal und bedürfen einer stärkeren Differenzierung von Schutzgütern, Vorgaben für die Erfassung und Dokumentation und die Verteilung von Zuständigkeiten. Die Vorgaben des Bundesnaturschutzrechts zur Landschaftsplanung sollen im 1:1 Verhältnis in das Landesnaturschutzrecht übernommen werden. Die §§ 13 und 14 BNatSchG werden allerdings nur mit einem Verweis umgesetzt (§ 8 Abs. 1 LNatSchG RL-E). Dabei kommt es zur Wiedereinführung des Landschaftsprogramms: gegenwärtig werden die überörtlichen Erfordernisse und Maßnahmen noch in den regionalen Raumordnungsplänen dargestellt (§ 16 Abs. 1 LNatSchG RL a.F.). Eine weitere Operationalisierung des Rahmenrechts ist aus Sicht der Landesregierung nicht notwendig. Allerdings werden in dem Entwurf zentrale Vorgaben des BNatSchG ignoriert: So ist keine Vorgabe zur flächendeckenden Aufstellung von Landschaftsplänen enthalten. Auch eine Fortschreibungspflicht soll nicht vorgeschrieben werden. Damit wird der Landschaftsplanung als zentralen umweltplanerischeren Instrument der Boden ein Stück weit entzogen, zumal die Landschaftspläne von den Trägern der Flächennutzungsplanung unter Beteiligung der unteren Naturschutzbehörden erstellt werden sollen (§ 8 Abs. 5 LNatSchG RP-E). Kommt es zur Umsetzung, bedeutet das einen Rückschritt gegenüber dem bisherigen Regelungsstand (vgl. auch BDLA Rheinland-Pfalz 2004): Die §§ 16 und 17 LNatSchG RP a.F. enthalten relativ detaillierte Vorgaben für die Mindestinhalte und Verfahren der Landschaftspläne. Weiterführende ergänzende Vorschriften, etwa zur Öffentlichkeitsbeteiligung, zur Verknüpfung mit der Eingriffsregelung oder zur Konkretisierung von Begründungs- und Ausnahmeregelungen oder zur Forschreibung auslaufender Landschaftspläne werden nicht getroffen. 5.13.3.3 Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft Die bundesrechtliche Neufassung der Eingriffsregelung soll weitgehend adaptiert werden (vgl. §§ 9 bis 15 LNatSchG RP-E). § 9 1 LNatSchG RP-E übernimmt die Erweiterung des Geltungsbereichs, § 9 Abs. 2 die Befreiung der land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung, so sie den Grundsätzen der Guten Fachlichen Praxis entspricht. Eine vergleichbare Regelung war aber auch schon in § 4 Abs. 3 LPflG enthalten. § 9 Abs. 3 schließlich regelt 172
die Möglichkeit der Wiederaufnahme einer durch vertragliche Maßnahmen unterbrochenen Bodennutzung nach Ablauf des Vertrags und bestimmt hierfür eine Frist von 5 Jahren. Damit wird dem Konkretisierungsauftrag des § 18 Abs.3 Satz 2 BNatSchG entsprochen. Nicht konkretisiert werden vage Begriffe wie “Ausgleich“ oder „Ersatz“. Der LNatSchG RP-E verzichtet auf einen Katalog, in dem Vorhaben als Eingriffe qualifiziert werden. § 9 Abs. 4 verweist lediglich auf den Erlass einer Rechtsverordnung, die sowohl eine Negativ- wie auch eine Positivliste enthalten soll. Bislang enthält § 4 Abs. 1 LNatSchG RP a.F. eine solche Liste. Die Regelung bleibt bis zum Inkrafttreten der Verordnung in Kraft. In der Begründung zum Gesetzentwurf hat die Landesregierung Kriterien für die Erarbeitung der Verordnung bestimmt, so etwa Umfang, Intensität oder Dauer der Beeinträchtigung. Auffällig ist, dass nicht das Umweltministerium die Verordnungsermächtigung erhält. Vielmehr wird die Landesregierung als ganze genannt, sodass nicht klar ist, welches Ministerium zuständig sein soll (Drucksache 14/3877 Landtag von Rheinland-Pfalz). Die Bestimmungen zur Zulässigkeit, zu den Folgen und zur Kompensation von Eingriffen soll durch Übernahme der § 19 Abs. 1-3 BNatSchG geregelt werden (vgl. § 10 Abs. 1 und 2 LNatSchG RP-E). Damit verzichtet die Landesregierung auf die Regelung einer Befristung von Maßnahmen. § 10 Abs. 3 und 4 LNatSchG RP-E treffen ergänzende Regelungen zur Kompensation von Eingriffen, mit denen den Interessen der Wirtschaftsverbände nach einer weiteren Flexibilisierung des Instruments entgegengekommen wird.164 Zu diesem Zweck regelt § 11 LNatSchG RP-E die Anwendung eines Ökokontos. Allerdings war dieses Instrument bereits im September 2002 durch einen Ministerialerlass eingeführt worden, sodass keine wirkliche Innovation zu konstatieren ist. Die Vorgaben sind indes recht allgemein gehalten: Maßnahmen, die zur Verbesserung der Funktionen von Natur und Landschaft durchgeführt worden sind, sollen künftig als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für künftige Eingriffe zugelassen werden, wenn sie zu diesem Zweck zwischen dem Träger der Maßnahmen und der Unteren Naturschutzbehörde vereinbart worden sind. 165 Öffentlich geförderte Maßnahmen sind dabei ausgeschlossen, wenn sie von anderer Seite durch Zuschüsse gefördert werden. § 12 bestimmt schließlich die Bedingungen für die Sicherung der Kompensation, wie vom BNatSchG verlangt, u.a. in der Form von Sicherheitsleistungen für Ausgleichs- und Er164
165
So wird in Abs. 3 die Möglichkeit der Zahlung von Ersatzgeldern als Kompensationsleistung in der Höhe der üblicherweise aufzuwendenden Kosten für die Ersatzmaßnahmen eingeführt. Ersatzgelder sind für die Fälle vorgesehen, in denen eine Kompensation zwar möglich und auch festgesetzt ist, andere Erwägungen aber für eine Nicht-Durchführung sprechen. Von Ersatzgeldern zu unterscheiden sind Ersatzzahlungen (Abs. 4), die sich nach der Dauer und Schwere des Eingriffsvorhabens bemessen und anfallen, wenn die Schadenswirkungen nicht kompensiert werden können. Dies entspricht der bisherigen Regelung in § 5a LNatSchG RP a.F. Durch die Vorgabe, dass die Maßnahme zwischen Träger und Behörde vereinbart sein muss, soll der Möglichkeit willkürlicher Maßnahmenauswahl begegnet werden. Maßnahmen müssen zudem zur Aufwertung von Natur und Landschaft beitragen. Kleinere Maßnahmen können auch zu Komplexen zusammengefasst werden. Der Verzicht auf eine qualitative Beschreibung der Maßnahmen, wie etwa in den Gesetzen Brandenburgs, Saarlands und Schleswig-Holsteins kann einseitigen, an den Interessen der Wirtschaft orientierten Verhandlungsprozessen die Tür öffnen. Sinnvoll wäre auch die Verknüpfung mit dem Biotopverbund gewesen.
173
satzmaßnahmen. Ferner werden die unteren Naturschutzbehörden zur Führung eines Kompensationsflächenkatasters verpflichtet, um das Ökokonto auf einem aktualisierten Stand zu halten. Den unteren Naturschutzbehörden ist dafür das erforderliche Material von anderen Behörden zur Verfügung zu stellen, womit eine sinnvolle Kooperationsverpflichtung getroffen wird (§ 11 Abs. 2 Satz 1 LNatSchG RP-E). Die Verfahrensregeln sollen gestrafft werden: die Eingriffsbehörde soll die Entscheidung darüber treffen, wann ein Eingriff vorliegt und welche Rechtsfolgen er zeitigt. Bislang tut dies die Naturschutzbehörde. Die Eingriffsbehörde hat hierfür ein Benehmen mit der Naturschutzbehörde herzustellen (§ 13 Abs. 1 LNatSchG RP-E). Der Genehmigung durch die Untere Naturschutzbehörde sollen nur noch solche Fälle bedürfen, in denen ein Eingriff vorliegt, eine behördliche Zulassung oder Anzeige nach anderen Vorschriften aber nicht vorgesehen ist. Über die Straffung hinaus sind mehrere Vorgaben des alten LNatSchG zur Streichung vorgesehen, u.a. die Verpflichtung der Kommunen zur Pflege im Siedlungsbereich (§ 10), die Vorgaben zur Verwendung chemischer Mittel in Natur und Landschaft (§ 7) oder die Regelungen über den Schutz und den Zugang zu Gewässern (§§ 13 und 14). Zudem hatte die Untere Naturschutzbehörde bislang verpflichtend den Zustand der Natur über eine Vegetationsperiode hinweg zu erheben, wohingegen die Durchführung der Erhebung nun ihrem eigenem Ermessen unterliegt (§ 14 LNatSchG RP-E). Hinsichtlich der Ergänzungen des bundesrechtlichen Rahmens bleibt festzuhalten, dass der LNatSchG RP-E den entsprechenden Regelungsbedarf in Teilbereichen adressiert, etwa bei der Regelung von Ersatzzahlungen oder der Einführung von Flächenpools, auf andere Regelungen aber verzichtet, etwa zur Befristung und zur Qualitätskontrolle von Maßnahmen, zur Verknüpfung mit anderen Instrumenten des Naturschutzrechts (etwa Biotopverbund) oder zur Vorgabe einer Einvernehmensregelung für den Vollzug. Wie die saarländische Regierung folgt die rheinland-pfälzische Regierung damit dem Ansinnen einer Flexibilisierung des Instruments, nicht aber der Idee, die Rücknahme der Regelungsdichte an dieser Stelle durch Vorgaben für eine bessere Kontrolle der Umsetzung auszugleichen. 5.13.3.4 Besonderer Schutz von Natur und Landschaft Im Gebietsschutz adaptiert § 16 LNatSchG RP-E die wesentlichen Neuerungen des § 22 Abs. 1 und 2 BNatSchG (Umgebungsschutz und Zonierung der Schutzgebiete). Die Anforderungen an die Unterschutzstellung von Schutzgebieten sollen ansonsten unverändert belassen werden. Auch die Möglichkeit der §§ 23 und 26 BNatSchG, Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete zum Zweck der Wiederherstellung von Natur und Landschaft auszuweisen (Entwicklungsprinzip), sollen mit § 17 LNatSchG RP-E übernommen werden. Neu eingeführt werden soll die Schutzkategorie Nationalpark, entsprechend der Vorgaben des BNatSchG (§ 18 LNatSchG RP-E). Dabei hebt § 18 Abs. 2 LNatSchG RP-E den Prozessschutz als Schutzzweck hervor. Ebenfalls neu eingeführt werden soll die Schutzkategorie des Biosphärenreservates (entsprechend § 25 Abs. 1 BNatSchG). Die Gebiete sollen aber als Naturpark ausgewie174
sen werden (§ 19 Abs. 2 LNatSchG RP-E). Insofern setzt der LNatSchG RP-E die Rahmenvorgaben im Gebietsschutz kohärent um und vollzieht mit der Einführung der Schutzkategorien „Nationalpark“ und „Biosphärenreservat“ Erweiterungen. Der Entwurf verzichtet aber auf die Ergänzung des bundesrechtlichen Rahmens, etwa durch die Normierung einer Erfolgskontrolle. Im Biotopschutz setzt § 28 Abs. 3 die Liste von Biotoptypen nach § 24 LNatSchG RP a.F. fort, deren Beseitigung, Zerstörung, Beschädigung oder charakteristische Veränderung verboten ist und nur in Ausnahmefällen durch das Umweltministerium zugelassen werden kann. Eine Ausnahme ist auch zugelassen, wenn das Biotop während der Laufzeit eines vertraglichen Programms entstanden ist. Nach Auskunft der Naturschutzverbände deckt die Liste aber nicht alle Biotoptypen des § 30 BNatSchG ab (vgl. NABU Rheinland-Pfalz 2004). 5.13.3.5 Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte der Verbände Mit dem § 38 LNatSchG RP soll der Verpflichtung nachgekommen werden, Vorschriften über die Mitwirkung und Anerkennung der Verbände zu erlassen. Die Anerkennung erfolgt in enger Anlehnung an die bundesrechtlichen Vorgaben (vgl. Kap. 4.4.6). Die Liste der Mitwirkungsfälle soll entsprechend der Erweiterung in § 60 BNatSchG auch Pläne entsprechend der FFH-Verträglichkeitsprüfung umfassen, also solche Pläne, die ein Natura-2000 Gebiet potenziell beeinträchtigen können.166 Die Naturschutzverbände haben die vorgesehene Regelung heftig kritisiert, da keine Beteiligung bei Befreiungen und Ausnahmen in FFH-Gebieten und darüber hinaus keine Beteiligung bei UVP-pflichtigen Vorhaben vorgesehen ist und damit den bundesrechtlichen Vorgaben nicht Rechnung getragen wird (NABU Rheinland-Pfalz 2004). Im LNatSchG RP-E fehlen Vorgaben zur Verbandsklage völlig. Die bestehenden Vorgaben des alten Naturschutzgesetzes sollen entfallen (§ 37b LNatSchG RP a.F.). Begründet wird dies mit der unmittelbaren Geltung der Vereinsklage nach § 61 BNatSchG. Dies bedeutet einen Rückschritt gegenüber dem bisherigen Regelungstatbestand, weil die Ermöglichung rechtlicher Kontrollmaßnahmen damit abhängig ist von der bundesrechtlichen Regelung. 5.13.3.6 Naturschutzbeiräte und andere Formen ehrenamtlicher Beratung Die bisherigen Vorschriften zu den Landespflegebeiräten sollen weitergeführt werden (§ 36 LNatSchG RP-E). Wie in den meisten anderen Bundesländern auch bestehen bei den oberen und unteren Naturschutzbehörden Fachbeiräte, welche die Behörden beraten. Die Beiräte haben das Recht, Maßnahmen anzuregen und sind auf Verlangen anzuhören. Zusätzlich haben die Behörden die Beiräte über getroffene Entscheidungen zu unterrichten. 167 Den Beiräten werden wie in Schleswig-Holstein oder im Saarland weitergehende Rechte eingestanden; allerdings nicht so weitgehend wie im BbgNatSchG a.F. Neu eingeführt wird die Möglichkeit 166 167
Neu ist auch die Beteiligung der Verbände bei Wiederansiedelungsprogrammen im Artenschutz. Nähere Einzelheiten zur Zusammensetzung und Arbeitsweise sind in einer Rechtsverordnung geregelt. Die Mitgliederzahl soll 12 nicht überschreiten, und 5 Mitglieder werden von den anerkannten Naturschutzverbänden gestellt.
175
der Bestellung von ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten der unteren Naturschutzbehörden, die zu Beobachtungs-, Informations- und Unterstützungszwecken in Naturschutzgebieten eingesetzt werden sollen (§ 37 LNatSchG RP-E).
5.14
Die Umsetzung im Saarland
5.14.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Mit einer Fläche von 2570 km2 ist das Saarland das kleinste Flächenland unter den deutschen Bundesländern. Gleichzeitig ist das Saarland mit einer Bevölkerungsdichte von 413 Einwohnern pro km2 das am zweitdichtesten besiedelte Bundesland. Insgesamt führen die hohe Bevölkerungsdichte und auch das Verkehrsaufkommen aufgrund der geographischen Lage als Mittelregion Europas zu einem hohen Nutzungsdruck auf Natur und Landschaft. Dennoch bestehen auch im Saarland vielfältige reizvolle Landschaften, sodass der Tourismus zu einem Wirtschaftsfaktor geworden ist (Jellonkek und Schweigerer-Kartmann 1999). Tabelle 5.15: KOAL_Z.
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung im Saarland BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
CDU 24 606 1,1 0,3 Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
Umwelt
9,30
413
-
Ursprünglich spielte die Montanindustrie im Saarland eine bedeutsame Rolle. Erst in den 1980er Jahren gelang die Einleitung eines wirtschaftlichen Strukturwandels in Richtung Energietechnik, Fahrzeugbau, Informationstechnik und Lebensmitteltechnologie, der zunächst eine positive wirtschaftliche Entwicklung anstieß, die bis in die 1990er Jahre andauerte (Jellonek und Schweigerer-Kartmann 1999). Seit Ende der 1990er Jahre hat sich der positive Wachstumstrend abgeschwächt und das Saarland sieht sich mit dem Problemzyklus von niedrigem Wachstum, ausbleibenden Steuereinnahmen und wachsenden Haushaltsdefiziten konfrontiert. Insgesamt ist die Wirtschaftskraft des Bundeslandes eher mäßig - das BIP pro Einwohner liegt mit 24.606 Euro zwar über den Werten der Mehrzahl der anderen Bundesländer, aber dennoch noch deutlich entfernt von den Werten der “reichen“ Bundesländer wie Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg oder Hessen. Der Anteil der Land-, Forst und Fischereiwirtschaft an der Bruttowertschöpfung des Landes ist im Ländervergleich mit 0,3 Prozent nicht sehr hoch, aber dennoch kommt der Branche – auch in Verbindung mit der Bedeutung von Unternehmen der Lebensmitteltechnologie - eine einflussreiche Rolle in der Landespolitik zu. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes - das durchschnittliche Wachstum des BIP fiel in den Jahren 2002-2004 mit 1,1 Prozent niedrig aus – wirken sich erschwerend auf die Novelle des Landesnaturschutzgesetzes aus. 176
Das Saarland wurde seit 1985 von den Sozialdemokraten allein regiert. Bei der Landtagswahl im September 1999 konnte die SPD die absolute Mehrheit allerdings nicht verteidigen, sondern verlor sie an die CDU. Seitdem regiert die CDU das Saarland allein. Im Saarland liegt die Zuständigkeit für Naturschutzbelange beim Umweltministerium, das von Stefan Mörsdorf (CDU) geleitet wird. Auffällig ist der starke Organisationsgrad der Naturschutzverbände im Saarland. 9,30 Prozent der Bevölkerung sind in einem Verband Mitglied – doppelt so viele wie im bundesdeutschen Durchschnitt. Die Mitgliederzahl ist im Zeitraum von 19902004 um 1,82 Prozent gestiegen. Der politische Einfluss der Verbände sollte sicher nicht überschätzt, aber auch nicht unterschätzt werden: Knapp zehn Prozent der Bevölkerung sind auch ein bedeutsames Wählerpotenzial. Dazu passt, dass der Umweltminister der ehemalige Vorsitzende des NABU Saarland ist. 5.14.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Der Prozess zur Novelle des saarländischen Naturschutzgesetzes ist noch nicht abgeschlossen. Die Landesregierung hatte am 19. November 2003 einen Gesetzentwurf für die öffentliche Konsultation freigegeben, diesen dann aber nach heftigem Widerspruch von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Naturschutzverbände wieder zurückgezogen. Das Saarland ist das einzige Land, wo es den Verbänden gelungen ist, einen umstrittenen Gesetzentwurf vorläufig zu stoppen. In der 12. Legislaturperiode konnte der Entwurf dann nicht mehr in den Landtag eingebracht werden. Nach der Bestätigung der CDU-Landesregierung bei den Landtagswahlen im September 2004 war zu erwarten, dass die Landesregierung den Gesetzentwurf in den Landtag einbringt. Dies ist mit Stand Mai 2005 noch nicht erfolgt (vgl. NABU Saarland 2005). Geplant ist es, den Gesetzentwurf vor der Sommerpause in den Landtag einzubringen und dort erneut eine Verbändeanhörung vorzunehmen. Eingedenk der Möglichkeit von Veränderungen aufgrund dieser Verzögerung, zeigt sich anhand der Analyse des vorliegenden Gesetzentwurfs vom 19. November 2003, dass die Landesregierung eine grundsätzliche Neuorientierung des Landesnaturschutzrechts anstrebt. Die Novelle soll (vgl. Begründung des LNatSchG SL-E, S. 2f.):
zuvorderst einen Beitrag zur Deregulierung und Bürokratievereinfachung leisten, nämlich über die Zusammenfassung von Regelungsmaterien, über die Aufhebung von Gesetzen und Verordnungen und über die Vereinfachung von Verwaltungsanweisungen, weiterhin den saarländischen Naturschutz grundsätzlich auf einen kooperativen, nutzerorientierten Ansatz verpflichten, weswegen ein Vorrang des Vertragsnaturschutzes vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen normiert werden und eine Zusammenlegung der bisherigen verschiedenen Beiräte zu einem paritätisch besetzten Landesbeirat für Landschaft sowie eine zentrale Stärkung des Naturschutzehrenamts erfolgen soll und zuletzt 177
den saarländischen Naturschutz auf seine Wurzeln als Heimatschutz zurückbesinnen.
Der Gesetzentwurf zur Novelle des saarländischen Naturschutzgesetzes (im Folgenden abgekürzt als LNatSchG SL-E) weist durch die Betonung der Leitbilder der Rechtsvereinfachung und Deregulierung einerseits Parallelen mit der Umsetzung in Hessen und SachsenAnhalt auf. Andererseits beinhaltet er aber auch eine Reihe eigenständiger Regelaspekte: So betont der Entwurf stark die Bedeutung des Heimatschutzes und schafft auch neue Regelungsbereiche, etwa zum Schutz unzerschnittener Räume, zum Siedlungsnaturschutz oder zur Bildung für Nachhaltigkeit und Naturschutz. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Umwelt- und Naturschutzverbände haben einzelne Neuregelungen des Entwurfs lobend hervorgehoben (etwa die Vorgaben zum Schutz unzerschnittener Räume), insgesamt aber starke Kritik an dem Entwurf geübt (Saar Echo vom 30.12.2003, Bündnis 90/Die Grünen Saarland 2003, BUND Saarland 2003): In ihren Augen orientiert sich die Landesregierung zu sehr an der Absicherung der Interessen von Naturnutzern. Insbesondere aufgrund der vorgesehenen Privilegierung kooperativer Ansätze gegenüber dem Ordnungsrecht und der Stutzung von Klagebehelfen und Mitwirkungsrechten der Verbände wird eine Schwächung des Naturschutzes befürchtet. 5.14.3
Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.14.3.1 Allgemeine Vorgaben Der § 1 LNatSchG SL-E sieht eine nahezu wortgleiche Umsetzung der Ziele des BNatSchG vor, statuiert aber, dass Natur und Landschaft nicht – wie vom BNatSchG verlangt - dauerhaft, sondern nachhaltig zu sichern sind. Hierüber wird implizit eine Abwägungspflicht eingeführt. Der Verzicht auf die Normierung einer allgemeinen Abwägungsklausel bestätigt dies. Damit widerspricht der Entwurf der Zielsetzung des BNatSchG, die Ziele von der Abwägung frei zu halten (§ 1 LNatSchG SL-E). Der saarländische Entwurf geht auch bei der Regelung der Grundsätze einen eigenständigen Weg: Einerseits wird auf die Grundsätze des BNatSchG verwiesen. Zudem sollen mehrere ergänzende Vorschriften aufgenommen werden. 168 Insbesondere wird auf den Grundsatz des frühzeitigen Informationsaustauschs mit Betroffenen abgehoben und wird ein eigenes Kapitel „Naturschutz und Erholung“ normiert (§ 52 Entwurf LNatSchG SL). Eine innovative Regelung stellt auch das Kap. „Schutz als Gegenstand der örtlichen Gemeinschaft dar“, das weitere Grundsätze für die Verwirklichung von Naturschutzmaßnahmen im besiedelten Bereich enthält. Andererseits werden die Behörden angehalten, Ziele durch kooperatives Verwaltungshandeln zu verwirklichen. Das Handeln im Einverständnis mit Adressaten soll für die Behörden das Leitprinzip des Handelns sein (§ 1 Abs. 2 Nr. 9 Entwurf LNatSchG SL). Insge168
So § 1 Abs. 2 Nr. 2, 3, 4 und 6 LNatSchG SL-E, die auf eine Stärkung des Gewässerschutzes, des Waldschutzes sowie des Erhalts unzerschnittener Landschaften sowie typischer Kulturlandschaften abzielen.
178
samt orientieren sich die Ziel- und Grundsatzbestimmungen an einem Ansatz, der „weiche“ kooperative Instrumente gegenüber „harten“ ordnungsrechtlichen Vorgaben privilegiert (vgl. Begründung des LNatSchG SL-E). Zudem sieht der LNatSchG SL-E eine deutliche Reduzierung des Grundsatzkatalogs des LNatSchG SL a.F. von 22 auf neun Grundsätze vor. Das LNatSchG SL a.F. enthält bislang keine Vorgaben zur Errichtung eines Biotopverbunds. § 7 Abs. 2 LNatSchG SL-E übernimmt nun die bundesrechtliche Vorgabe, einen Biotopverbund auf 10 Prozent der Landesfläche zu verwirklichen. Ebenso sollen die Flächen des Biotopverbunds in der Landschaftsplanung dargestellt werden; hervorhebenswert ist dabei die beabsichtigte Definition von Kern- und Verbindungsflächen sowie Verbindungselementen (§ 7 Abs. 3 LNatSchG SL-E). Andererseits zielt § 7 Abs. 4 LNatSchG SL-E auf einen lediglich „weichen“ Schutz dieser Flächen ab, indem planungsrechtlichen Festlegungen und raumordnerischen Zielvorgaben Vorrang gegenüber ordnungsrechtlichen Unterschutzstellungen gegeben wird, wogegen das BNatSchG einen breiten Instrumentenmix fordert. Durch die Vorgabe werden Abstriche an der Qualität des Schutzregimes vorgenommen. Auch eine Pflicht zur länderübergreifenden Abstimmung ist im Entwurf nicht vorgesehen (§ 7 LNatSchG SL-E). Dagegen betritt der Gesetzentwurf mit der Regelung eines Kapitels zum Schutz unzerschnittener Räume Neuland. Die hier verglichenen Landesnaturschutzgesetze kennen einen solchen Regelungsbereich nicht: Nach § 8 Abs. 1-3 LNatSchG SL-E sind unzerschnittene Landschaftsteile unabhängig von ihrem ökologischen Zustand grundsätzlich vor weiterer Zerschneidung zu bewahren. Unvermeidbare Zerschneidungen unzerschnittener Räume (> 15 km2) sind nur aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls und aufgrund von Maßnahmen des Verkehrswegeausbausgesetzes zulässig; ihre Zerschneidungswirkungen sind durch geeignete Querungshilfen zu minimieren. Zudem ist das Fließgewässernetz in seiner ökologischen Durchgängigkeit wiederherzustellen. Im Vergleich der Landesnaturschutzgesetze ist ein solcher Ansatz durchaus wegweisend. Es ist allerdings fraglich, ob die Größendefinition von 15 km2 für unzerschnittene Räume tatsächlich nützlich ist, da Gebiete solcher Größenordnung im Saarland kaum existieren (vgl. Bündnis 90/Die Grünen Saarland 2003). Hinsichtlich des Erhaltung und der Schaffung einer regionalen Mindestdichte von Vernetzungselementen übernimmt der LNatSchG SL-E die Vorgaben des § 5 Abs. 3 BNatSchG und konkretisiert diese dahingehend, dass regionale Flächenanteile im Landschaftsprogramm festzusetzen sind, die für die Vernetzung der Biotope naturräumlich mindestens erforderlich sind. 169 Die Maßnahmen zur Umsetzung sind im Landschaftsplan zu konkretisieren und in einem Handlungsprogramm zu erläutern (§ 29 Abs. 2 LNatSchG SL-E). Die Realisierung der Maßnahmen kann auch anderen Akteuren, z.B. Landschaftspflegevereinen, übertragen werden. Diese angedachte Umsetzung ist als angemessen zu bewerten. Die Behörden sind aber
169
Dabei sind insbesondere auch Belange des Hochwasserschutzes zu beachten: Die öffentlichen Stellen haben nach § 29 Abs. 3 LNatSchG SL-E darauf hinzuwirken, die natürlichen Überschwemmungsgebiete der Gewässer (Auen) von ackerbaulicher Nutzung freizuhalten.
179
nicht verpflichtet, bei Unterschreiten einer Mindestdichte regionaler Vernetzungselemente einzugreifen, wie dies § 5 Abs. 3 BNatSchG fordert. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 LNatSchG SL-E haben Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft die Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis entsprechend § 5 Abs. 4 BNatSchG zu befolgen, die Forstwirtschaft zusätzlich die entsprechenden Vorgaben des Landeswaldgesetzes. Im Gegensatz zu den anderen Landesnaturschutzgesetzen wird aber keine weitere Ermächtigung zur untergesetzlichen Normkonkretisierung erteilt. Diese Regelung ist ein Rückschritt gegenüber dem bisherigen Rechtstand: § 3 Abs. 3 LNatSchG SL a.F. definiert bereits Regeln für die ordnungsgemäße Landwirtschaft, die nun nicht mehr fortgeführt werden sollen.170 Insofern ist für diesen Regelungsbereich zwar eine regelkonforme Umsetzung des Bundesrechts, aber auch ein Regelabbau zu konstatieren, den der LNatSchG SL-E durch die Normierung von Kriterien für die Zulässigkeit von Jagd und die Fischerei (§ 28 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 Entwurf LNatSchG) nicht zu kompensieren vermag. 171 Weiterhin wird ein genereller Vorrang von Vertragsnaturschutzmaßnahmen vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen statuiert: Nach § 30 Abs. 2 LNatSchG SL-E sollen die Naturschutzbehörden Formen des kooperativen Verwaltungshandelns grundsätzlich vorziehen. Dafür haben das Land, die Gemeinden und die Gemeindeverbände Förderprogramme anzubieten, die vor allem die Umwandlung von Ackerland zu Grünland vorrangig fördern sollen (§ 30 Abs. 3 LNatSchG SL-E). Auch für die saarländische Regelung gilt, dass sie im klaren Widerspruch zu der Vorgabe des BNatSchG steht. 5.14.3.2 Planerische Grundlagen Das Instrument der Umweltbeobachtung ist im LNatSchG SL a.F. nicht normiert. Nach § 4 Abs. 1 i.V.m. § 61 LNatSchG SL-E sollen künftig alle öffentlichen Stellen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Umweltbeobachtung wahrnehmen. Die Ergebnisse sind im Zuge der Fortschreibung des Landschaftsprogramms sowie als Anlage zum „Bericht zur Lage zur Natur“ zu dokumentieren, der vom neu einzusetzenden Landesbeirat Landschaft (vgl. Kap. 5.14.3.6) binnen zwölf Monate nach Zusammentritt eines neuen Landtags zu erstellen ist. Träger der Flächennutzungsplanung müssen Veränderungen zudem im Zuge der Änderungen von Landschaftsplänen dokumentieren (§ 4 Abs. 3 und 4 LNatSchG SL-E). Angesichts der legislativen 170
171
Danach ist 1.) der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen auf das notwendige Mindestmaß zu beschränken, ist 2.) die Düngung nach Art, Menge, Zeitpunkt und Standort auf den Bedarf der Pflanzen unter Berücksichtigung der verfügbaren Nährstoffe im Boden auszurichten, sind 3.) natürliche und naturnahe Biotope und Landschaftselemente vor Beeinträchtigungen zu schützen und sollen schließlich 4.) Bodenerosionen und Bodenverdichtungen durch einen den natürlichen Standortbedingungen angepassten Pflanzenbau - einschließlich der erforderlichen Bodenbearbeitung - vermieden werden. Fischerei und Jagd sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 LNatSchG SL-E dann zulässig, wenn sie den Zwecken der Schadenabwehr, der Tierseuchenbekämpfung oder der Reduktion von erheblichen Überbeständen dienen oder das Beutetier ganz oder in wesentlichen Teilen der menschlichen Nutzung wieder zugeführt wird. Es bleibt abzuwarten, inwieweit dieser breite Regelungsbereich die Fischerei und Jagd vor Veränderungen stellen wird.
180
Zurückhaltung der anderen Länder ist die Regelung dahingehend positiv zu werten, dass überhaupt eine Konkretisierung von § 12 BNatSchG erfolgt. Zu hinterfragen ist aber, ob die Aufteilung von Zuständigkeiten nicht den Aufbau einer einheitlichen Umweltbeobachtung erschwert, zumal auch eine Regelung der Abstimmung mit den Behörden des Bundes und der konkreten Inhalte und Finanzierung fehlt. Im Kontext der Umsetzung der Landschaftsplanung löst der LNatSchG SL-E die Regelungen zum Landschaftsplan aus dem Kapitel Landschaftsplanung und schlägt diese dem Kapitel „Naturschutz als Gegenstand der örtlichen Gemeinschaft“ zu (vgl. Abschnitt 3 LNatSchG SL-E). Unbeschadet dieser Strukturierung setzt der saarländische Gesetzentwurf die Mindestvorgaben des Bundesnaturschutzrechts weitgehend um. 172 Hervorzuheben ist die Verknüpfung von Landschaftsplanung und räumlicher Gesamtplanung und die Aufnahme von Angaben zu unzerschnittenen Räumen in den inhaltlichen Pflichtenkatalog des Landschaftsprogramms (§ 5 Abs. Abs. 1 Nr. 2 LNatSchG SL-E). Eine Neuerung im Naturschutzrecht stellt die Erarbeitung einer “Technischen Anweisung Landschaftsplanung“ dar, die sämtliche technische Details aus Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien zusammenfassen und damit zur Bürokratievereinfachung beitragen soll (§ 10 Abs. 9 LNatSchG SL-E). Dagegen soll der dreistufige Aufbau der Landschaftsplanung in einen zweistufigen Aufbau durch Streichung des Landschaftsrahmensprogramms verwandelt werden. Das Landschaftsprogramm soll nun die Funktion als Fachplan, dessen Aussagen in den Landesentwicklungsplan zu übernehmen sind, erfüllen. Fraglich ist, ob mit einer zweistufigen Landschaftsplanung die Abbildung regionaler Landschaftsstrukturen in der gleichen Detailschärfe gelingen kann, wie dies mit der dreistufigen Landschaftsplanung möglich ist. Zusätzlich wird darauf verzichtet, eine Pflicht zur länderübergreifenden Abstimmung der Landschaftsplanung zu normieren. Weitere Ergänzungen, etwa eine Öffentlichkeitsbeteiligung, sieht der LNatSchG SL-E nicht vor. 5.14.3.3 Allgemeiner Schutz § 32 Abs. 1 LNatSchG SL-E übernimmt den erweiterten Geltungsbereich der Eingriffsregelung. § 32 Abs. 2 LNatSchG SL-E definiert eine umfangreiche Liste von möglichen Eingriffsvorhaben, die mit einigen Ausnahmen der Liste entspricht, die gegenwärtig in § 10 Abs. 2 LNatSchG SL a.F. enthalten ist. 173 Insgesamt erfasst § 32 Abs. 2 LNatSchG SL-E ein relevantes Spektrum von Eingriffsvorhaben, enthält also nicht wie das HENatG oder das
172
173
Die Vorgaben zum Flächendeckungsprinzip, Fortschreibungspflicht, Mindestinhalte, Verknüpfung mit der FFH-Verträglichkeitsprüfung und Berücksichtigungspflicht werden umgesetzt (§§ 5,6 und 10 LNatSchG SLE). Auffällig ist allerdings, dass § 32 Abs. 2 Nr. 5 die Aufstellung von Windkraftanlagen im Außenbereich als prüfpflichtigen Eingriff definiert. Diese Regelung steht § 2 Abs. 1 Nr. 6 BNatSchG entgegen, der die Förderung regenerativer Energien als Ziel und Grundsatz des Naturschutzes fasst, was die Errichtung von Windkraftanlagen von der Eingriffsregelung befreien soll.
181
LNatSchG SA nur einen minimalistischen Katalog. 174 Bezüglich dieses Teilbereichs der Eingriffsregelung ist also kein Regelabbau zu konstatieren. § 32 Abs. 4 LNatSchG SL-E befreit die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft von der Eingriffsregelung, so sie der Guten Fachlichen Praxis entspricht. § 32 Abs. 5 LNatSchG SL-E ermöglicht darüber hinaus die Wiederaufnahme einer vertraglich oder durch Teilnahme an öffentlichen Programmen unterbrochenen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung entsprechend § 18 Abs. 3 BNatSchG. Hervorhebenswert ist § 32 Abs. 6 LNatSchG SL-E, der die Erarbeitung einer weiteren Technischen Anweisung “Eingriffe“ durch das Landesamt für Umweltschutz im Einvernehmen mit dem Umweltministerium vorsieht. 175 Diese regelt künftig auch den Inhalt der Begleitpläne zum Ausgleich und Ersatz, die insofern nicht mehr gesetzlich geregelt sind. § 33 LNatSchG SL-E setzt dann die Neuregelungen zu Verursacherpflichten und zur Unzulässigkeit von Eingriffen nach § 19 Abs. 1-3 BNatSchG nahezu wortgleich um. Insgesamt ist für diesen Teilbereich der Eingriffsregelung eine gute Umsetzung zu attestieren. § 34 Abs. 1 LNatSchG SL-E belässt darüber hinaus die Notwendigkeit des Einvernehmens von zuständiger Behörde und Naturschutzbehörde für die Prüfung der Unzulässigkeit und des Ausgleichs von Eingriffen, die einer Zulassung bedürfen (vgl. §12 Abs. 1 LNatSchG SL a.F.). Dies gilt nicht für Vorhaben auf der Grundlage eines Bebauungsplans. Dennoch sticht das saarländische Naturschutzrecht mit der Normierung eines solchen Einvernehmens aus der Schar der Landesnaturschutzgesetze hervor – zusammen mit dem BbgNatSchG. § 34 Abs. 8 LNatSchG SL-E regelt ferner die Sicherung der Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durch die Festsetzung von Sicherungsleistungen. § 38 LNatSchG regelt weiter die Einrichtung von Öko-Konten, die im Saarland allerdings bereits 1997 per Erlass in das saarländische Naturschutzrecht eingeführt wurden (GMBI 1998 Nr. 2 vom 25. Februar 1998). Jeder kann Naturschutzmaßnahmen in ein Ökokonto einbuchen lassen; anders als die Ausgestaltung etwa in Hessen orientiert der LNatSchG SL-E die Ausgestaltung aber enger an naturschutzfachlichen Erfordernissen: So gelten striktere Bedingungen für die Anrechnung von Maßnahmen und auch eine umstandlose Nutzung von Ökopunkten zur Kompensation von Eingriffsfolgen ist nicht möglich. 176 Das Landesamt für Umweltschutz 174
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So gelten u.a. das Roden oder die Umwandlung von Wald ebenso als Eingriff wie die dauerhafte Beseitigung von Hecken, Sträuchern oder Streuobstbeständen, die Umwandlung von Dauergrünland oder der Ausbau von Gewässern. Hingegen fehlt ein Verweis auf die Absenkung des Grundwasserspiegels. Diese Technische Anweisung soll vor allem die naturschutzfachliche Beschreibung der geschützten Biotope, deren Mindestgröße, die Anforderungen an Umfang und Qualität landschaftspflegerischer Begleitpläne sowie genehmigungsfreie Bagatelleingriffe definieren und festlegen. Sie dient darüber hinaus aber auch der Zusammenfassung einer Vielzahl von Vorschriften in Verordnungen und Richtlinien. So dürfen Maßnahmen, die aus öffentlichen Mitteln gefördert werden, nicht in das Ökokonto eingebracht werden. Maßnahmenvorschläge bedürfen der Genehmigung durch das Umweltministerium. Die konkreten Planungsunterlagen sind dann vom Landesumweltamt zu genehmigen; die Einbuchung einer Maßnahme erfordert eine Abnahme durch das Landesumweltamt. Die Naturschutzfachbehörde entscheidet zudem über die Anrechenbarkeit von mehreren Ökokontomaßnahmen zur Kompensation eines Eingriffs. Bei einer Inanspruchnahme einer Ökokontomaßnahme ist der aktuelle Zustand der Fläche zu erfassen und zu bewerten ist;
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hat weiterhin im Rahmen des Naturschutzkatasters ein Kompensationsregister anzulegen, das Informationen über Ökokontomaßnahmen und über Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen enthält (§ 39 LNatSchG SL-E). Auch in diesen Teilbereichen erweist sich der LNatSchG SL-E also als konform mit den Vorgaben des BNatSchG und ergänzt bzw. konkretisiert diese teilweise. Allerdings enthält der LNatSchG SL-E auch umstrittene Regelungen bzw. blendet Regelungsbereiche auch aus. Heftig umstritten ist z.B. § 34 Abs. 2 Satz 6: Danach soll eine so genannte Genehmigungsfiktion eingeführt werden, der zufolge eine Genehmigung als erteilt gilt, wenn nicht innerhalb von zwei Monaten nach Antragsstellung anders entschieden ist. 177 Gleichfalls wird eine so genannte Einvernehmensfiktion vorgegeben (§ 34 Abs. 2 Satz 7 LNatSchG SL-E): Äußert sich ein Träger öffentlicher Belange, z.B. ein Naturschutzverband, nicht innerhalb eines Monats nach Erhalt der Unterlagen mit einer anders lautenden Stellungnahme, gilt die Genehmigung als erteilt. Damit sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. 178 Die Regelung ist von den Naturschutzverbänden dahingehend kritisiert worden, dass es zu einer Quasi-Genehmigung von Eingriffsvorhaben kommen kann, die nach materiellem Naturschutzrecht tatsächlich unzulässig sind, aber aufgrund fehlender Kapazitäten von Behörden oder Verbänden nicht geprüft werden können (BUND Saarland 2003). Nicht umgesetzt werden soll § 19 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG, wonach die Ergebnisse der Landschaftsplanung bei der Festsetzung von Maßnahmen zu berücksichtigen sind. Entfallen soll zudem § 11 Abs. 1 LNatSchG SL a.F., wonach Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen innerhalb einer von den Behörden festzusetzenden Zeit zu erfolgen haben. Der LNatSchG SL-E sieht zudem die Streichung der bisher bestehenden Ausgleichsabgabe vor, die zu leisten war, wenn Ersatzmaßnahmen nicht möglich waren. Begründet wird dies mit der Einführung des Ökokontos. Gestrichen werden soll auch § 12 Abs. 9 LNatSchG SL a.F., wonach die Beendigung eines Eingriffs oder einer Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme behördlich anzuzeigen ist, sowie § 15 LNatSchG SL a.F., der auf einen Mindestschutz bei wasserwirtschaftlichen Planungen und Maßnahmen abzielt. 179 Der LNatSchG SL-E folgt somit dem BNatSchG in dem Bestreben, die Eingriffsregelung zu flexibilisieren und übernimmt die entsprechenden Vorgaben. Er folgt dem BNatSchG
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die Differenz kann als zusätzliche Kompensationsleistung eingebracht werden. Auch der LNatSchG SL-E erlaubt den Tausch, allerdings in engerem Rahmen als des LNatSchG SA. So kann ein kommunales Ökokonto auch Kompensationsmaßnahmen für übergemeindliche Eingriffe anbieten (§ 38 Abs. 3-8 LNatSchG SL-E). Diese Genehmigungsfiktion gilt indes erst nach Mitteilung der Bearbeitungsfähigkeit durch die Behörde. Eine Bearbeitungsfähigkeit liegt vor, wenn alle Unterlagen und Gutachten vorhanden sind. Fehlende Unterlagen oder Gutachten hat die Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags anzufordern. Die Fristen gelten indes nicht, wenn ein Gemeinderat zu beteiligen ist. Danach ist u.a. die Erhaltung eines biologischen Gleichgewichts, die Erhaltung oder Entwicklung eines naturraumtypischen Tier- und Pflanzenbestands und die Förderung ihrer Lebensbedingungen und die weitest mögliche Rückführung nicht naturnaher Gewässer in ihren natürlichen Zustand zu befördern. Dies ist nicht nur eine Verschlechterung des naturschutzrechtlichen Handlungsspielraums. Die Streichung ist auch unverständlich eingedenk des Umstands, dass die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie ähnliche Schutzpflichten erforderlich macht (Schmalholz 2001).
183
nicht aber zur Gänze in dem Ansinnen, die Flexibilisierung durch eine gesteigerte Kontrolle der Durchführung zu flankieren und dereguliert einzelne Aspekte des Regelungsbereichs. 5.14.3.4 Biotopschutz und Gebietsschutz Der LNatSchG SL-E betont den Naturschutz als Pflichtaufgabe der örtlichen Gemeinschaft: So hebt § 9 Abs. 2 Satz 2 die Pflicht der Gemeinden zum Erhalt siedlungsspezifischer Elemente mit Lebensraumsfunktion wie etwa Streuobstwiesen oder Hecken hervor. Ferner sollen die Gemeinden verpflichtet werden, Schutz- und Pflegemaßnahmen für Naturdenkmale, Landschaftsbestandteile und Biotope in einer einzigen kommunalen Naturschutzsatzung zusammenzufassen (§ 14 LNatSchG SL-E). 180 Die Vorgaben des LNatSchG SL a.F. zum Gebietschutz entsprechen grundsätzlich der Systematik und den Bestimmungen des LNatSchG SL a.F., sollen indes verschiedentlich geändert werden: Die § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 führen die, bundesrechtlich gebotene, Wiederherstellung von Pflanzen- und Tiergesellschaften und von Lebensräumen sowie den Schutz dynamischer Prozesse als eigenständige Ziele in das saarländische Naturschutzrecht ein. Zusätzlich sollen Naturschutzgebiete nunmehr der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, wenn dies der Schutzzweck zulässt (§ 15 Abs. 4 Satz 2). 181 Neu eingeführt wird zudem die Schutzkategorie Biosphärenregion, deren Ausgestaltung aber über allgemeine Vorgaben nicht hinausgeht (§ 17). 182 Die einstweilige Sicherstellung von Schutzgebieten – der „Naturschutz auf Zeit“ – war bereits in § 21 LNatSchG SL a.F. geregelt und ist unverändert belassen worden. Regelungen zur Errichtung und Unterhaltung von Nationalparks enthält das saarländische Naturschutzrecht nicht. Auch sieht der LNatSchG SL-E von der Umsetzung der Vorgaben des BNatSchG zum Schutz der Umgebung und zur Zonierung der Gebiete ab. 183 Die Verpflichtungen des § 30 BNatSchG (Biotopschutz) werden mit § 21 LNatSchG-E umgesetzt, wobei bereits § 25 LNatSchG SL a.F. dem bundesrechtlichen Rahmen genügte. Die Liste des § 25 Abs. 2 LNatSchG SL a.F. wird nunmehr ergänzt um natürliche und natur-
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Diese Satzung soll einerseits zur Verwaltungsvereinfachung und Bürgerfreundlichkeit durch größere Verständlichkeit des rechtlichen Rahmenwerks beitragen, andererseits die Verantwortung der Gemeinden zur “Heimatpflege“ zum Ausdruck bringen und den Naturschutz zum Thema kommunalpolitischer Erörterungen machen (vgl. Begründung zum LNatSchG SL-E). Die Kommunen sind allerdings auf einen kooperativen Naturschutzes verpflichtet, was ihren Handlungsspielraum einschränkt. Eine solche Vorgabe ist im LNatSchG SL a.F. nicht vorgesehen. Die Landesregierung begründet diese Lokkerung des Schutzregimes damit, dass Naturschutzgebiete essentiell zur Umweltbildung beitragen. Inhaltlich folgt der LNatSchG SL-E dabei weitgehend den Vorgaben des §25 BNatSchG, ändert indes die bundesrechtliche Bezeichnung „Biosphärenreservat“ um in „Biosphärenregion“, um zu verdeutlichen, dass nicht so sehr der Schutz als vielmehr die Balance zwischen Schutz und Nutzung im Sinne der Agenda 21 das Ziel ist. Von daher sind Biosphärenregionen „in Anhalt an die Agenda 21“ zu entwickeln (§ 17 Abs. 1 Satz 3), wobei nicht verdeutlicht wird, was sich der Landesgesetzgeber darunter vorstellt. Zudem sind einerseits zwar alle schädigenden Handlungen bereits ab Bekanntmachung der Gebietsausweisung der Ausweisung verboten, andererseits sollen Bodennutzungen, die zum Zeitpunkt der Ausweisung ordnungsgemäß sind, diesem Verbot nicht unterliegen, was die Landwirtschaft vor weiteren Einschränkungen bewahrt, da sich diese Regelung auf das landwirtschaftliche Fachrecht stützt.
184
nahe Bereiche fließender und stehender Gewässer. 184 Ausnahmen vom strikten Verschlechterungsverbot sind zugelassen und Biotope, die während der Laufzeit eines Programms entstanden, sind bis zu einem Jahr nach Ablauf des Programms nicht geschützt, um den Landwirten die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Bewirtschaftung zu ermöglichen. Im Bereich des Biotopschutzes vollzieht der LNatSchG SL-E einen Abbau von Standards. Nach § 25 Abs. 3 und 4 LNatSchG SL a.F. hat das Umweltministerium eine Liste der schutzwürdigen Biotoptypen zu führen und öffentlich verfügbar zu machen. Die Gemeinden haben die dort verzeichneten Biotope in den Bebauungsplänen kenntlich zu machen. Diese transparenz- und vollzugsfördernde Vorschrift soll nun abgeschafft werden. Auch lässt der LNatSchG SL-E bei ordnungswidrigen Eingriffen, die ohne Genehmigung begonnen wurden, nunmehr Ersatzmaßnahmen zu, wenn die Einstellung des Verfahrens zu unverhältnismäßig hohen Kosten führen würde. 185 5.14.3.5 Mitwirkung von Verbänden Bislang enthält das saarländische Naturschutzrecht relativ weitgehende Vorgaben zur Verbandsklage: So sind nach § 33 LNatSchG SL a.F. anerkannte Naturschutzverbände berechtigt, Rechtsbehelfe gegen einen Verwaltungsakt, seine Ablehnung oder Unterlassung nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einzulegen, wenn sie geltend machen können, dass der Verwaltungsakt, seine Ablehnung oder Unterlassung den Vorschriften des BNatSchG, des LNatSchG SL, auf der Grundlage dieser Gesetze erlassener oder fortgeltender Rechtsvorschriften oder aber anderen Rechtsvorschriften widerspricht, die auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind. Voraussetzung ist die Wahrnehmung ihrer Mitwirkungsrechte im vorangegangenen Verfahren. Während die Landesregierung das Landesnaturschutzrecht an die bundesrechtlichen Bestimmungen zur Anerkennung der Verbände anpassen will (vgl. § 59 LNatSchG SL-E) sieht sie im Gegenzug vor, die landesrechtliche Verbandsklage abzuschaffen: Im LNatSchG SL-E werden die Bestimmungen des LNatSchG SL a.F. nicht fortgeschrieben. Interessanterweise wird aber nicht einmal auf die, unmittelbar geltende, bundesrechtliche Verbandsklage nach § 61 BNatSchG verwiesen. Ebenso wird auf die landesrechtliche Umsetzung der Mitwirkungsund Beteiligungsrechte nach § 59 BNatSchG verzichtet. Dieser Regelungsbereich des Landesnaturrechts soll also weitgehend dereguliert werden.
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Gestrichen werden sollen dagegen die folgenden Biotope: Kryptogame- und Farnflure auf primär offenen Felsbildungen sowie Felsheiden-, Felskopf- und Felsspaltengesellschaften auf sekundär entstandenen Aufschlüssen. Zudem sind in § 25 Abs. 2 LNatSchG SL a.F. einzelne schutzwürdige Lebensräume hinsichtlich einzelner Biotope näher erläutert, die nunmehr gestrichen werden sollen. Als Folge dieser Regelung können sich weit reichenden Folgen einstellen: Sobald ein rechtswidriger Eingriff erfolgt ist und aufgrund eines zu hohen Aufwands nicht der Widerherstellungspflicht unterliegt, lassen sich auch die Bauvorhaben auf der Fläche verwirklichen.
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5.14.3.6 Naturschutzbeiräte und andere Formen ehrenamtlicher Beratung Bislang werden bei den Behörden unabhängige Naturschutzbeiräte gebildet, die sowohl eine Beratungs- als auch Vermittlungsfunktion einnehmen (§ 30 LNatSchG SL a.F.). Die Naturschutzbeiräte sollen nunmehr mit anderen Beiräten, wie etwa dem Landeswald-, Fischereiund dem Jagdbeirat, zu einem Landesbeirat für Landschaftspflege zusammengelegt werden, der an den Landtag angebunden ist und dessen Mitglieder vom Landtag ausgewählt werden. 186 Der Beirat hat zu Beginn jeder Legislaturperiode einen Bericht zur Lage der Natur abzugeben, der die Berichtspflichten des Umweltministeriums zusammenfasst. Gleichermaßen werden auf Kreisebene pluralistisch-paritätische Landschaftsbeiräte gebildet. Die Landesregierung will die Mitglieder auf einen konsensualen Dialog verpflichten: Es soll keiner der beiden Seiten möglich sein, Entscheidungen ohne Kompromiss mit der anderen zur Mehrheitsentscheidung zu bringen und generell soll kooperativen Maßnahmen der Vorrang gegeben werden. Neu begründet werden soll zudem ein Rat für Nachhaltigkeit, der die Landesregierung in zentralen Fragen der Nachhaltigkeit und insbesondere der Umsetzung der Agenda 21 beraten soll.187 Für den Bereich der Naturschutzbeiräte ist somit die Absicht zu grundlegenden Änderungen zu konstatieren. Die Bewertung ist indes schwierig: Einerseits kann die Straffung und Integration der Beiträge zum Abbau von Interessenkonflikten und zu Politiklernen beitragen, andererseits stellt sich dennoch die Frage, inwieweit ein 27-köpfiges Gremium, das unterschiedlichste Nutzer- und Schutzinteressen vereint, auf der Grundlage konsensualer Abstimmungsprozesse tatsächlich arbeitsfähig sein kann oder ob hier nicht die institutionelle Blockade bereits vorprogrammiert ist.
5.15
Die Umsetzung in Sachsen
5.15.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Mit ca. 4,5 Mio. Einwohnern liegt Sachsen auf dem sechsten Platz im Vergleich der Bundesländer und mit einer Gesamtfläche von ca. 18.400 km2 belegt das Land den zehnten Platz im Vergleich der Bundesländer. Die Bevölkerungsdichte liegt mit 235 Einwohnern pro km2 über dem bundesdeutschen Durchschnitt (231 Einwohner pro km2) und an fünfter Stelle im Länderranking. Damit einher geht ein niedriger Anteil großflächiger unzerschnittener Räume an der Gesamtfläche von 12,62 Prozent, der fünftniedrigste Wert im Ländervergleich. Sachsen
186
187
Der neu zu gründende Beirat soll aus 27 Personen bestehen und gleichmäßig Vertreter von Naturschutz und Tierschutz, Vertreter von Landnutzungsinteressen und Vertreter anderer Interessengruppen umfassen. Die Ernennung erfolgt durch den Landtag; das Umweltministerium hat, wie noch nach § 29 LNatSchG SL a.F., keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Landesbeirates, sondern ernennt die Mitglieder nur formal. Das Mandat dieses Rates geht über den Bereich des Naturschutzes hinaus. Dass er dennoch durch das LNatSchG SL institutionalisiert werden soll, lässt sich damit erklären, dass der Naturschutz neben dem Gewässerschutz der einzige Regelungsbereich ist, in dem eine prominente Verankerung per Gesetz möglich ist.
186
unterscheidet sich also von den anderen neuen Bundesländern, die niedrigere Werte für die Bevölkerungsdichte und den Zerschneidungsgrad aufzeigen. Sachsen ist zudem das wirtschaftlich stärkste der neuen Bundesländer. Ein BIP pro Kopf von 18.539 Euro und ein durchschnittliches jährliches Wachstum des BIP um 2,53 Prozent in den Jahren 2002-2004 schaffen vergleichsweise gute gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen. Dennoch dominieren auch in Sachsen die hohe Arbeitslosigkeit und die Verschuldung der öffentlichen Haushalte die Agenda der Landespolitik (vgl. Rellecke 1999). Tabelle 5.16: KOAL_Z.
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Sachsen BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
CDU, 18 539 2,53 1,4 CDU/FDP Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
Umwelt und Landwirtschaft
0,85
235
12,62
Sachsen wird seit der Neugründung nach der Wiedervereinigung Deutschlands von der CDU regiert. Unter Ministerpräsident Biedenkopf erzielte die Partei jedes Mal eine absolute Mehrheit bei den Landtagswahlen. Bei der Landtagswahl 2004 konnte sein Nachfolger Milbrandt die absolute Mehrheit allerdings nicht verteidigen; seitdem wird das Land von einer großen Koalition von CDU und SPD regiert. Im Mittelpunkt der Landespolitik stehen die Themenbereiche Finanzen, Wirtschaft und Bildung sowie die Verwaltungsvereinfachung - in der Koalitionsvereinbarung finden sich keine Hinweise auf Reformvorhaben im Bereich der Umwelt und Naturschutzpolitik (CDU und SPD Sachsen 2004). Die Zuständigkeit für Naturschutzbelange liegt beim Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft, das von Stanislaw Tillich (CDU) geleitet wird. Das Ministerium schreibt einer Politik für den ländlichen Raum, die zugleich auf die Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen Landwirtschaft abzielt, einen besonderen Stellenwert zu (SMUL 2005). Die Branche weist mit 1,1 Prozent allerdings einen vergleichsweise niedrigen Anteil an der Bruttowertschöpfung auf. Um die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft nicht über Maß zu belasten, sollen im Naturschutz vorrangig vertragliche Vereinbarungen anstelle ordnungsrechtlicher Vorgaben benutzt werden (SMUL 2005). Der Organisationsgrad der Naturschutzverbände ist im Vergleich aller Bundesländer der niedrigste: Nur 0,85 Prozent der Bevölkerung sind Mitglied in einem anerkannten Verband. Aus der geringen Mitgliederstärke lässt sich auf eine geringe gesellschaftliche Bedeutung schließen, die dann auch einen entsprechend niedrigen politischen Einfluss vermuten lässt. Da zudem Bündnis 90/Die Grünen nicht im Landtag vertreten sind, kann die politische und organisatorische Vertretung von Naturschutzinteressen jenseits des Regierungsapparats als schwach ausgeprägt bezeichnet werden.
187
5.15.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Eine umfassende Novelle des Landesnaturschutzgesetzes (SächsLNatSchG) ist in Sachsen noch nicht auf den Weg gebracht worden. Das SächsLNatSchG hat in der dritten Legislaturperiode lediglich mehrere redaktionelle Änderungen im Kontext der Novellierung anderer Landesgesetze erfahren. So hat der sächsische Landtag das “Gesetz zur Modernisierung der sächsischen Verwaltung und zur Verwaltungsvereinfachung“ verabschiedet, das am 22 Mai 2004 veröffentlicht worden ist (GVBl-S 2004, Nr. 7, S. 148). Mit dem Gesetz werden die Staatlichen Umweltfachämter aufgelöst und in die Regierungspräsidien eingegliedert. Zugleich werden Aufgaben und Zuständigkeiten für den Naturschutz auf die kommunale Ebene verlagert. Zusätzlich zur Verwaltungsvereinfachung und Straffung von Verwaltungsverfahren sind auch ein Stellenabbau und eine Kürzung von Mitteln im Naturschutzbereich Ziel des Gesetzes gewesen. 188 Weiterhin erfolgten Rechtsvereinfachungen im sächsischen Naturschutzrecht. 189 Arbeiten an einem Gesetzentwurf zur Umsetzung des BNatSchG wurden nicht forciert. Auch in der 4. Legislaturperiode ist von der neuen Regierungskoalition von CDU und SPD noch kein Gesetzentwurf zur umfassenden Novellierung des SächsLNatSchG in den Landtag eingebracht worden. Bisherige Initiativen beschränken sich auf die Einbringung eines Gesetzentwurfs zur Anpassung des Landesnaturschutzrechts an Vorgaben der Vogelschutzrichtlinie (Drucksache 4/1075 Sächsischer Landtag) und auf die Einbringung eines Antrags, mit dem die Landesregierung aufgefordert wird, sich im Bundesrat für eine Neufassung der Eingriffsregelung im BNatSchG einzusetzen, die den Bedürfnissen des Bodenschutzes besser Rechnung trägt (Drucksache 4/0721 Sächsischer Landtag). Allerdings befindet sich ein Referentenentwurf in der Erarbeitungsphase und eine Verbändeanhörung soll im Frühherbst 2005 erfolgen. Die Novelle soll bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein.
5.16
Die Umsetzung in Sachsen-Anhalt
5.16.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Sachsen-Anhalt ist mit einer Gesamtfläche von 20.445 km2 größer als das angrenzende Sachsen, weist mit einer Anzahl von 2,52 Mio. Einwohnern aber eine wesentlich geringere Bevölkerung auf. Die Bevölkerungsdichte liegt mit 123 pro km2 deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 231 pro km2. Kennzeichnend für Sachsen-Anhalt sind einerseits die fruchtbaren Lössböden der Madgeburger Börde, weswegen der großflächigen Landwirtschaft 188
189
Durch die Reform werden 15 Stellen bei den Staatlichen Umweltfachämtern sowie 19 Stellen bei den Regierungspräsidien, wodurch Kosten in Höhe von 1.351.500 € eingespart werden sollen (Drucksache 3/9110 Sächsischer Landtag). Der Aufgabenbereich der Unteren Naturschutzbehörden wird durch die Neuregelungen ausgedehnt, insbesondere bei der Anordnung von Maßnahmen in Naturschutzgebieten. So ist nicht mehr das Einvernehmen mit dem Finanzministerium für Rechtsverordnungen über den Naturschutzbeirat zu suchen. Gleichfalls ist kein Einvernehmen mit den Ressorts Finanzen und Inneres zu suchen, wenn Vorschriften über die Dienst- und Fachaufsicht geändert werden sollen.
188
schon seit Jahrzehnten Bedeutung zukommt (Welz 1999). Die Agrarwirtschaft trägt 2,5 Prozent zur allgemeinen Bruttowertschöpfung bei. Andererseits ist die ökologische Schadensbilanz in Sachsen-Anhalt wesentlich höher als in den anderen neuen Bundesländern, was auf die jahrzehntelange intensive landwirtschaftliche Produktion im Norden des Landes, die konzentrierte Schwerindustrieproduktion in der Region Halle – Merseburg – Bitterfeld sowie die Energiewirtschaft und der Bergbau zurückzuführen ist. Weite Teile des Landes unterliegen keiner besonderen Flächennutzung. Mit einem Anteil von knapp 32 Prozent großflächiger unzerschnittener Räume an der Gesamtfläche belegt Sachsen-Anhalt eines der vorderen Plätze im Bundesländer-Ranking. Die Problematik der Altlasten begünstigt in gewisser Weise den Naturschutz, da die natürliche Sukzession oftmals die Alternative zur teuren Sanierung darstellt. Die Problemstruktur wird durch die schwierige gesamtwirtschaftliche Lage des Landes erschwert. Bei der allgemeinen Wirtschaftskraft liegt Sachsen-Anhalt hinter Sachsen mit einem BIP pro Kopf von 18.245 Euro zwar auf dem zweiten Platz im Vergleich der neuen Bundesländer. Auch das Wirtschaftswachstum der Jahre 2002-2004 fällt mit durchschnittlich 2,3 Prozent besser aus als Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen. Allerdings weist das Land die im bundesdeutschen Vergleich höchste Arbeitslosenquote auf. 190 Tabelle 5.17: KOAL_Z.
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Sachsen-Anhalt BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
SPD/Grüne, 18 245 2,3 2,5 CDU/FDP Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe 130
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
Landwirtschaft und Umwelt
1,43
123
31,95
Bis zur Landtagswahl im Jahr 2002 regierte eine Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen unter Tolerierung durch die PDS, die im Naturschutz zwar keine besonderen Aktivitäten entwickelte, die Reform des Bundesnaturschutzrechts aber auch nicht behinderte und auf Landesebene unter den Bedingungen der Haushaltsmisere und der schlechten wirtschaftlichen Lage dennoch versuchte, eine ausgewogene Naturschutzpolitik zu betreiben. Bei der Landtagswahl kam es zu einem Wechsel der Regierungskoalition, mit dem sich ein Kurswechsel in der Agrar- und Naturschutzpolitik verband: Die neue Koalition von CDU und FDP versteht Naturschutz als ein Teil einer integrierten, nachhaltigen Regionalentwicklung (MLU Sachsen Anhalt 2004). 191 Dieses Verständnis drückt sich auch darin aus, dass die agrar- und umwelt-
190
Ursächlich hierfür ist die Wirtschaftsstruktur des Landes zu DDR-Zeiten: Kernbereiche der Wirtschaftsstruktur waren die intensiven Landwirtschaft, der Energiewirtschaft, des Bergbaus und der Schwerindustrieproduktion in den Bereichen Chemie, Metallurgie und Maschinenbau. Nach der Wiedervereinigung brachen die Industriekombinate größtenteils zusammen und es kam zu einem rasanten Arbeitsplatzabbau (Welz 1999). 191 Die schwarz-gelbe Landesregierung hat immer wieder betont, dass sie die von der rot-grünen Bundesregierung initiierte “Agrarwende“ für falsch hält und Naturschutz mit und nicht gegen den Menschen zu gestalten
189
politischen Kompetenzen in einem Ministerium, dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, gebündelt sind, das von Petra Wernstedt (CDU) geführt wird. Der Organisationsgrad der Naturschutzverbände ist mit einem Mitgliederanteil von 1,43 Prozent an der Gesamtbevölkerung vergleichsweise niedrig. Es ist der drittniedrigste Wert im Vergleich aller Bundesländer. Da Bündnis 90/Die Grünen nicht mehr im Landtag vertreten sind, ist wie in Sachsen die Vertretung von Naturschutzinteressen außerhalb des Regierungsapparats eher schwach ausgeprägt. 5.16.2 Überblick über den Prozess und Gesamtbewertung Nach dem Regierungswechsel bei der Landtagswahl 2002 kündigte die neue Koalition aus CDU und FDP eine grundlegende Überprüfung des Landesnaturschutzrechts an. Als Zielsetzungen wurden in der Koalitionsvereinbarung die Verwaltungsvereinfachung, der Abbau investitionshemmender Vorschriften und die Akzeptanzsteigerung für den Naturschutz genannt. Interessenkonflikte zwischen Naturschutz und Naturnutzung sollen künftig durch den vorrangigen Gebrauch von kooperativen Ansätzen vermieden werden (CDU/FDP Sachsen-Anhalt 2002). Am 4. Juni 2003 brachte die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesnaturschutzgesetzes von Sachsen-Anhalt (im folgenden abgekürzt als LNatSchG SA) in den Landtag ein, der am 17. Juni 2004 vom Landtag verabschiedet wurde. Das neue Gesetz sieht eine weitgehende Straffung und Deregulierung des Naturschutzrechts vor. Entsprechend der Ankündigung der Koalitionsvereinbarung sollen ordnungsrechtliche Vorschriften gegenüber “weicheren“ Ansätzen in Form von Vertragsnaturschutz und Selbstverpflichtungen zurückstehen. Die Eckpunkte lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Drucksache 4/804 Landtag von Sachsen Anhalt):
Grundsätzlicher Vorrang des Vertragsnaturschutzes vor Ordnungsrecht, Abbau von Vorschriften bzw. Verzicht auf Übernahme bundesrechtlicher Vorgaben, Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und Straffung und Verkürzung von Verwaltungsverfahren (u.a. Beseitigung von Zustimmungsvorschriften übergeordneter Behörden, Beschleunigung der Beteiligungsverfahren durch Einführung von Bearbeitungsfristen, Verkürzung durch Vorentscheide) Stärkung der Handlungsfreiheit auf der kommunalen Ebene durch Einführung von Kann-Bestimmungen (z. B. für Naturschutzbeiräte), Reduzierung der Verbandsbeteiligung- und Verbandsklagemöglichkeiten und Umsetzung des Grundsatzes eines nutzungsintegrierten Naturschutzes.
sein, d.h. größtmöglich als Teil einer integrierten Regionalentwicklung, die auf Kooperation und Konsens mit allen Beteiligten setzt (MLU Sachsen Anhalt 2005).
190
Trotz zum Teil massiver Kritik der Oppositionsparteien SPD und PDS und der Naturschutzverbände hat die Landesregierung ihre Absicht einer Vereinfachung und Deregulierung des Naturschutzrechts umgesetzt. 192 Das neue LNatSchG SA wird von der Landesregierung als Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Sachsen-Anhalt verstanden (vgl. Plenarprotokoll Landtag von Sachsen-Anhalt 4/41). Entsprechend werden weitergehende landesrechtliche Vorgaben auf das Rahmenrecht des Bundes zurückgeführt, unterbleibt eine Konkretisierung von bundesrechtlichen Vorgaben und werden solche Neuregelungen nicht umgesetzt, von denen eine Behinderung wirtschaftlicher Aktivitäten erwartet wird: So wurde z.B. der Grundsatzkatalog des BNatSchG in einer deutlich verkürzten Form aufgenommen. Die Mindestvorgabe der Ausweisung eines Biotopverbunds auf 10 Prozent der Landesfläche ist nicht übernommen worden. Das Schutzregime der Eingriffsregelung ist geschwächt und die landesrechtlichen Bestimmungen zur Verbandsklage sind außer Kraft gesetzt worden. 5.16.3
Zur Umsetzung in einzelnen Regelungsbereichen
5.16.3.1 Allgemeine Vorgaben Wie das LNatSchG SH und das BbgNatSchG übernimmt auch das LNatSchG SA den Zielkatalog des BNatSchG in wortgleicher Form (§ 1 Abs. 1 LNatSchG SA). Auch die Abwägungsformel des BNatSchG ist wortgleich umgesetzt worden (§ 1 Abs. 2 LNatSchG SA). Der Grundsatzkatalog wurde in den Beratungen gekürzt: So verweist das neue LNatSchG SA zwar auf die Gültigkeit der Grundsätze des BNatSchG und übernimmt fünf Grundsätze nahezu wortgleich in das Landesrecht. 193 In § 2 LNatSchG SA a.F. waren aber noch 25 Grundsätze zum Schutz von Natur und Landschaft normiert. Die Grundsätze der Privilegierung der Windenergie und des frühzeitigen Informationsaustauschs sind nicht übernommen worden; § 2 Abs. 1 Nr. 4 LNatSchG SA spricht nur davon, ausreichend Flächen für die Erholung bereitzustellen, ohne diese Vorgabe näher zu präziseren. Insgesamt hat die Novelle bei den Grundsätzen zu einem Rückschritt gegenüber dem alten Landesnaturschutzrecht geführt. Die Pflicht zu einem Biotopverbund war im LNatSchG SA a.F. nicht verankert. § 3 Abs. 1 LNatSchG SA gibt nun vor, dass das Land einen Biotopverbund entwickelt, übernimmt indes nicht die bundesrechtlich vorgeschriebene Mindestgröße von 10 Prozent der Landesfläche. Ebenfalls normiert § 1 LNatSchG SA keine Pflicht, die Flächen des Biotopverbunds rechtlich dauerhaft zu sichern. An bundesrechtlichen Vorgaben übernommen werden die Pflicht zur länderübergreifenden Abstimmung, der Katalog der möglichen Verbundflächen
192
193
Die parlamentarische Beratung des Gesetzentwurfs hat über ein Jahr gedauert. Die Oppositionsparteien forderten zum Gesetzentwurf der Landesregierung ein Gutachten des rechtliche Beratungsdienst des Landtags an, der eine umfangreiche Stellungnahme zur Beseitigung von rechtlichen Detailfehlern erarbeitete, was das Verfahren entsprechend verzögerte (Plenarprotokoll Landtag von Sachsen-Anhalt 41/04). Dies sind § 2 Abs. 1 Nr. 1, 9, 12, 13 und 14 BNatSchG. In § 2 Abs. 1 Nr. 1 LNatSchG SA wird noch § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BNatSchG (Sparsame und schonende Nutzung nicht-erneuerbarer Naturgüter) eingefügt.
191
und die Pflicht zur Ausweisung der Flächen in der Landschaftsplanung. Da ergänzende Regelungen zu möglichen Auswahlkriterien, Zuständigkeiten, Erfolgskontrollen und Finanzierung ungeregelt bleiben, schafft die sachsen-anhaltinische Regelung keine ausreichende rechtliche Grundlage für einen funktionalen Aufbau eines landesweiten Biotopverbunds. Im Regelungsbereich Naturschutz und Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sind die Vorgaben zur Festsetzung einer regionalen Mindestdichte von Vernetzungselementen nach § 5 Abs. 2 BNatSchG übernommen worden (§ 5 1/1 LNatSchG SA) Allerdings ist nicht geregelt, in welcher Weise eine solche regionale Mindestdichte festzusetzen ist. Auch die Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis sind wortgleich übernommen, aber nicht weiter ergänzt worden (§ 5 Abs. 2 LNatSchG SA). Für die Konkretisierung wählt Sachsen-Anhalt, anders als Schleswig-Holstein und Brandenburg, den Weg der Umsetzung über das landwirtschaftliche Fachrecht und erteilt dem Landwirtschaftsministerium eine Verordnungsermächtigung (§ 5 Abs. 3 LNatSchG SA). 194 Ein zentraler Eckpunkt des LNatSchG SA ist die Normierung eines generellen Vorrangs des Vertragsnaturschutzes vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen (§ 7 LNatSchG SA). Die Landesregierung verbindet damit die Hoffnung auf Entbürokratisierung und Akzeptanzsteigerung von Naturschutzmaßnahmen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf). 5.16.3.2 Planerische Grundlagen Mit § 9 LNatSchG SA sind lediglich die Zweckbestimmungen der Umweltbeobachtung nach § 12 Abs. 2 BNatSchG umgesetzt worden. Der inhaltliche Aufbau, die Zuständigkeiten, die Finanzierung und auch die Abstimmung mit dem Bund sind im LNatSchG SA vollständig ungeregelt geblieben. Hier ist eine unzureichende Umsetzung zu konstatieren. In die Bestimmungen zur Landschaftsplanung sind das Flächendeckungsprinzip, die Fortschreibepflicht und die Präzisierung der Mindestinhalte und Aufgaben weitgehend aufgenommen worden (§§ 12-17 LNatSchG SA). Gegenüber den Regelungen des LNatSchG SA a.F. ist somit eine Stärkung des Landesnaturschutzrechts zu konstatieren. Ergänzende Regelungen sind dagegen nicht vorgenommen worden; das Umweltministerium wird ermächtigt, per Verordnung die Vorgaben für die Erstellung von Landschaftsplänen zu präzisieren (§ 13 Abs. 3 LNatSchG SA). Auf Antrag des Umweltausschusses wurde in den Ausschussberatungen das Instrument des Grünordnungsplans abgeschafft. 195 Auch können künftig kreisfreie
194
195
Ob auf der untergesetzlichen Ebene eine der Regelungsintention des BNatSchG entsprechende Präzisierung erfolgt oder ob das landwirtschaftliche Fachrecht weitgehend unverändert belassen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzuschätzen. Die Landesregierung verweist darauf, dass das Landwirtschaftsministerium die beste Sachkenntnis besitzt. Vergleichende Studien der Umweltpolitikanalyse zeigen dagegen, dass fachfremde Ressorts in der Regel eher zu einer schwachen umweltpolitischen Selbstregulierung tendieren, einerseits aus Interesse am Selbsterhalt der eigenen Geschäftsgrundlage, andererseits aufgrund mangelnder umweltfachlicher Kenntnisse (Jacob und Volkery 2004, OECD 2003). Nach LNatSchG SA a.F. dienten Grünordnungspläne der Vorbereitung und Ergänzung von Bebauungsplänen. Grünordnungspläne sind nach juristischer Auffassung der Landesregierung Bestandteil des Baurechts,
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Städte von einer Landesrahmenplanung absehen, wenn die Landschaftspläne deren Ansprüchen genügen (§ 15 Satz 2 LNatSchG SA). Damit eröffnet sich den größeren Kommunen ein Spielraum zur Aufweichung der Vorgaben zur Landschaftsplanung. 5.16.3.3 Allgemeiner Schutz Das Naturschutzrecht ist weitgehend an die neuen bundesrechtlichen Vorgaben zur Eingriffsregelung angepasst worden: § 18 Abs. 1 LNatSchG SA setzt den erweiterten Geltungsbereich der Eingriffsregelung, § 18 Abs. 2 LNatSchG SA die neu gefasste Klausel für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und § 18 Abs. 3 die Freistellung der Wiederaufnahme einer Bodennutzung nach Beendigung einer Nutzungseinschränkung aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder der Teilnahme an einem öffentlichen Programm um (vgl. Kap. 4.4.4.2). Nicht umgesetzt worden ist die erstmals bundesrechtlich vorgegebene Pflicht zur Sicherung der Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Damit ist eine wichtige Vorgabe des neuen Bundesnaturschutzrechts nicht adaptiert worden. § 18 Abs. 1 Nr. 1-10 LNatSchG SA definiert in elf Spiegelstrichen Vorhaben, die als Eingriffe in Betracht kommen. Die Liste ist grundsätzlich gehalten und verzichtet fast vollständig auf Eingriffsvorhaben, die zu medialen Beeinträchtigungen (Gewässerschutz, Waldschutz, Bodenschutz) führen. Diese Neuregelung stellt einen Rückschritt gegenüber § 8 Abs. 1 LNatSchG SA a.F. dar, der eine ausführlichere Liste von Eingriffsvorhaben definierte. 196 Wie das HENatG kehrt auch § 19 Abs. 2 LNatSchG SA das Regelungsausnahmeverhältnis der Eingriffsregelung um und verpflichtet die Naturschutzbehörden, Eingriffe zu genehmigen, wenn und soweit nicht der Eingriff an anderer Stelle mit geringeren Beeinträchtigungen durchgeführt werden kann und wenn ein damit verbundener Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht oder aber die Auswirkungen über das Ausmaß hinausgehen, das zur Erreichung der Ziele des Eingriffsvorhabens notwendig ist. Hatten bislang Antragssteller die Zulässigkeit ihres Eingriffsvorhabens nachzuweisen, haben nunmehr Behörden die Unzulässigkeit eines Eingriffsvorhabens nachzuweisen. In § 20 Abs. 3 LNatSchG SA wird weiter die Anrechnung von freiwilligen Maßnahmen mit dauerhaft günstiger Auswirkung auf die Schutzgüter des Naturschutzes auf einem Ökokonto geregelt. Die Naturschutzbehörden haben solchen Maßnahmen zuzustimmen. Derart angesammelte Ökopunkte können dann für künftige eigene Eingriffsvorhaben genutzt oder aber Dritten zur Verfügung gestellt werden. Die Ökopunkte sind handelbar. Im Prinzip ent-
196
aber bundesrechtlich nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Mit der Streichung will die Landesregierung ihren Willen zur Deregulierung bekunden (vgl. Plenarprotokoll Landtag Sachsen-Anhalt 4/41). Eine ganze Reihe relevanter Eingriffsvorhaben sind gestrichen worden, so z.B. der Ausbau, die Veränderung, Neuanlage oder Beseitigung von Gewässern, die Beseitigung von Grünflächen im öffentlichen Bereich, die Anlage von Sport- und Freizeitanlagen, die Beseitigung oder Veränderung der Bodendecke oder der Umbruch von Grünland zur Ackernutzung in wertvollen Schutzgebieten (§ 8 Abs. 1 LNatSchG SA a.F.). Zum Zweck der Entbürokratisierung werden zudem u.a. Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen an Deichen, Dämmen und anderen Hochwasserschutzanlagen sowie die Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes nach einem Schadensfall auf der Trasse von der Eingriffsregelung freigestellt (§ 18 Abs. 4 LNatSchG SA).
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spricht diese Regelung dem § 19 Abs. 4 BNatSchG, mit einem Unterschied: Maßnahmen, die für eine Ansparung genutzt werden, und Eingriffsvorhaben haben in einem funktionellen oder sachlichen Zusammenhang zu stehen. Diese Vorgabe fehlt in § 20 Abs. 3 LNatSchG SA, sodass gravierende Eingriffsfolgen theoretisch mit Ökopunkten aus leicht zu verwirklichenden Maßnahmen kompensiert werden können. Allerdings kann eine abschließende Bewertung erst nach der untergesetzlichen Ausformung erfolgen (vgl. § 20 Abs. 3 Satz 4LNatSchG SA). Eine weitere Begünstigung von Eingriffsvorhaben ergibt sich aus § 22 Abs. 2 Abs. 4 LNatSchG SA, die rechtswidrige Eingriffe quasi-legalisiert: Danach können Eingriffe, die ohne Genehmigung begonnen oder durchgeführt worden sind, fortgeführt werden, soweit die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist. In diesem Fall ist die Verfügung von Ersatzmaßnahmen möglich. Die Qualitätskontrolle der Eingriffsregelung blendet das LNatSchG SA dagegen aus - eine Erfolgskontrolle ist nicht durchzuführen; zudem findet sich keine Regelung der Befristung von Maßnahmen. 197 Eine weitere landesrechtliche Neuerung ist die „Genehmigungsfiktion“, die Genehmigungsverfahren beschleunigen soll: Soweit die Naturschutzbehörde alleinige Genehmigungsbehörde ist, gilt eine Genehmigung als erteilt, wenn nicht innerhalb von zwei Monaten anders entschieden worden ist. (§ 24 Abs. 4 LNatSchG SA). 5.16.3.4 Biotop- und Gebietsschutz § 30 Abs. 2 LNatSchG SA setzt die Neuregelungen im Gebietsschutz um, also die Möglichkeit der Zonierung von Schutzgebieten und des Schutzes ihrer Umgebung. § 31 LNatSchG SA adaptiert zudem wortgleich die neue Nationalparkregelung nach § 24 Abs. 1 BNatSchG. Auch die Schutzkategorien und ihr Schutzregime folgen dem Bundesnaturschutzrecht, mit der Ausnahme der Verpflichtung der Naturschutzbehörden auf die Berücksichtigung von Einwendungen seitens betroffener Landesbehörden, Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie Berufsvertretungen bei der Ausweisung (§ 30 Abs. 3 LNatSchG SA). 198 Der besseren Information von Eigentümern, Behörden oder anderer Parteien dient auch die Verpflichtung der Naturschutzbehörden auf das Führen eines Naturschutzregisters für das ganze Land und eines Naturschutzverzeichnisses, das Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie Flächen erfasst, auf denen Maßnahmen für Ökokonten erbracht wurden (§ 43 LNatSchG SA). Im Bereich des Gebietsschutzes ist also eine regelkonforme Umsetzung zu konstatieren, die allerdings auf weiterführende ergänzende Maßnahmen verzichtet und unter dem Vorbehalt steht, dass das Gesetz einen allgemeinen Vorrang von freiwilligen Maßnahmen vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen statuiert. 197
198
Der Vollzug hat im Benehmen von Fach- und Naturschutzbehörde zu erfolgen. §§ 26-29 LNatSchG SA regeln weiter den Abbau von Bodenschätzen. Zudem reicht für die Ausweisung von Biosphärenreservaten und Naturparken eine einfache Erklärung des Umweltministeriums aus. Dies erleichtert die Ausweisung ebenso wie die Aufhebung. Praktisch stellen sich zudem Fragen hinsichtlich der Sanktionierbarkeit von Verstößen gegen Schutzvorschriften.
194
Im Biotopschutz adaptiert § 38 Abs. 1 Nr. 1-7 die Liste der Biotope, deren Zerstörung nach § 30 Abs. 1 BNatSchG verboten ist, und übernimmt auch das entsprechende Zerstörungsverbot. Allerdings gibt § 38 Abs. 2 vor, dass Ausnahmen nicht nur bei Ausgleichsmöglichkeit oder überwiegenden Gründen des Gemeinwohls erlaubt sind, sondern darüber hinaus auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen angeordnet werden können, sodass etwaige Zerstörungen erlaubt werden können. Das strikte Zerstörungsverbot von § 30 Abs. 1 BNatSchG wird hier also unterwandert. 5.16.3.5 Mitwirkung von Vereinen Die Anerkennung und Beteiligung von Verbänden ist in § 57 LNatSchG SA entsprechend § 60 BNatSchG ausgeführt worden. Dadurch wurde der vormalige Katalog der Mitwirkungsmöglichkeiten reduziert: § 51a LNatSchG SA a.F. sah u.a. eine Mitwirkung der Verbände bei allen Planfeststellungsverfahren oder bei der Zulassung von Rahmenbetriebsplänen nach Bundesberggesetz vor sowie ebenfalls für alle Plangenehmigungen, so diese mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind. 199 Zusätzlich zu dieser Deregulierung ist die in § 52 LNatSchG SA a.F. geregelte Verbandsklage nach Landesrecht abgeschafft worden. Damit gilt in Sachsen-Anhalt nur noch die bundesweite Vereinklage, die sich nur für Vorhaben von Bundesbehörden erstreckt. Das Landesnaturschutzrecht hat damit in diesem Regelungsbereich deutlich an Schlagkraft verloren. 5.16.3.6 Naturschutzbeiräte und andere Formen ehrenamtlicher Beratung Auch die Vorgaben zu ehrenamtlichen Tätigkeiten im Naturschutz sind weitgehend beschnitten worden. So sieht § 66 LNatSchG SA nur noch die Einrichtung von Naturschutzbeiräten bei den Naturschutzbehörden vor. Diese sollen die Behörden beraten. Nach § 48 LNatSchG SA a.F. hatten die Beiräte noch das Recht, Anträge zu stellen und waren auf Verlangen anzuhören. Mit § 66 Abs. 2 und 3 LNatSchG SA wird das Amt des Naturschutzbeauftragten fortgeführt. Naturschutzbeauftragte beraten ehrenamtlich und für fünf Jahre in Landkreisen und in kreisfreien Städten die Behörden, informieren die Öffentlichkeit und übernehmen bestimmte naturschutzfachliche Aufgaben. 200 Die Landesregierung wollte die Vorgaben zum Amt des Naturschutzbeauftragten vollständig abschaffen (§ 49 LNatSchG a.F.). Der Umweltausschuss des Landtags setzte allerdings die Wiedereinfügung der Vorgaben durch. Abgeschafft worden sind dagegen die ehrenamtlichen Naturschutzhelfer (§ 50 LNatSchG SA a.F.), die zur Unterstützung der Naturschutzbehörden, der Polizei und der Naturschutzbeauftragten eingesetzt worden waren. Dieser Schritt ist bei den Naturschutzverbänden und den Oppositionsparteien
199 200
Diese Einschränkung galt auch für Flurbereinigungsverfahren (§ 51a Abs. 1 Nr. 5 LNatSchG SA). Dies betraf z.B. Beteiligung an der Landschaftsplanung und der Ausarbeitung von Pflegeplänen, aber an der Durchsetzung von Naturschutzmaßnahmen. Ferner waren die Naturschutzbeauftragten bestellt zur Durchführung von Pflegemaßnahmen, zur Feststellung von Personalien bei Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften oder zur Erteilung von Platzverweisen (§ 49 Abs. 4 LNatSchG SA a.F.).
195
auf viel Kritik gestoßen, da diese oft das Rückgrat des ehrenamtlichen Naturschutzes bilden (vgl. Plenarprotokoll Landtag von Sachsen-Anhalt 41/04).
5.17
Die Umsetzung in Schleswig-Holstein
5.17.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Schleswig-Holstein ist mit einer Flächengröße von 15.763 km2 das zweitkleinste der deutschen Flächenländer. In dem Land leben 2,82 Mio. Menschen. Mit einer Bevölkerungsdichte von 179 Einwohnern pro km2 liegt Schleswig-Holstein zwar deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt, aber dennoch ist der Anteil unzerschnittener, großflächiger Räume an der Gesamtfläche des Landes mit 11,29 Prozent im Ländervergleich sehr niedrig. Nur Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen weisen einen niedrigeren Wert auf. Noch bis weit in das 20. Jahrhundert galt
Schleswig-Holstein als Agrarland, das durch Landwirtschaft, Fischerei und Schifffahrt geprägt war. Mittlerweile liegt der Anteil der Landwirtschaft nur noch bei 2 Prozent der Bruttowertschöpfung des Landes; auch in Schleswig-Holstein hat der Strukturwandel stattgefunden (Kellmann 1999). Trotz des vielfach erfolgreichen Strukturwandels rangiert SchleswigHolstein bezüglich der Wirtschaftskraft heute nur im Mittelfeld der Bundesländer - mit einem BIP pro Einwohner von 23.539 Euro liegt es allerdings noch vor Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. In den Jahren 2002-2004 ist die gesamtwirtschaftliche Entwicklung schwach ausgefallen - das durchschnittliche Wachstum des BIP betrug 0,99 Prozent. Tabelle 5.18:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Schleswig-Holstein
KOAL_Z.
BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
MIN_Org.
ORG_V. (in %/)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
SPD/Bündnis 90/Die Grünen
23 539
0,99
2,0
Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft
0,93
179
11,29
Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.18, siehe 130
Das bis zur Landtagswahl 2005 von einer Koalition aus SPD und Bündnisgrünen regierte Schleswig-Holsteig war im Laufe der 1990er Jahre das Bundesland, das sich am aktivsten für eine grundlegende Novelle des BNatSchG eingesetzt und hierfür u.a. einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht hat (vgl. Kap. 4.1). 201 Die Zuständigkeit für Naturschutzbelange liegt beim Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft, das bis zur Landtagswahl von Klaus Müller geführt wurde (Bündnis 90/Die Grünen). In SchleswigHolstein sind knapp sieben Prozent der Bevölkerung Mitglied in einem Naturschutzverband. Die Naturschutzverbände verfügen also über eine vergleichsweise gute Organisationsstärke.
201
Die Darstellung lässt den jüngst erfolgten Regierungswechsel außer Acht, da er für den Umsetzungsprozess des Bundesnaturschutzrechts zunächst einmal nicht von Bedeutung ist und die Analyse der Umsetzung in den Bundesländern vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein beendet worden ist.
196
Eingedenk des Engagements der Landesregierung für die Novelle des BNatSchG bestehen damit gute Handlungsbedingungen für die Novelle des Landesnaturschutzrechts. 5.17.2 Überblick über den Umsetzungsprozess In der Koalitionsvereinbarung für die 15. Legislaturperiode verpflichteten sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen im März 2000 auf einen „engagierten“ Umwelt- und Naturschutz (SPD und Bündnis 90/Die Grünen 2000). Die Landesregierung hat die Anpassung des Landesnaturschutzrechts an das neue Bundesnaturschutzrecht frühzeitig auf den Weg gebracht; schon am 7. Mai 2003 hat der Landtag von Schleswig-Holstein den entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung verabschiedet. Dass Schleswig-Holstein als erstes Bundesland eine grundlegende Novelle des Landesnaturschutzgesetzes (im Folgenden als LNatSchG SH abgekürzt) vorgenommen hat, liegt auch daran, dass das bestehende Landesnaturschutzrecht die Anforderungen des neuen Bundesnaturschutzrechts bereits in weiten Teilen erfüllte. Der rechtliche Anpassungsbedarf war also nicht hoch. Das LNatSchG SH zielt insgesamt auf einen weit reichenden und rechtlich verbindlichen Schutz von Natur und Landschaft in- und außerhalb gesetzlich geschützter Flächen ab. Im Vergleich der analysierten Landesnaturschutzgesetze ist es das anspruchsvollste Gesetz. Die Novelle belässt wesentliche Bestandteile des LNatSchG SH a.F. von 1993 und ergänzt dieses um noch nicht abgedeckte Vorgaben des BNatSchG, etwa im Bereich des Biotopschutzes, der Guten Fachlichen Praxis oder der Sicherung von Ausgleichsflächen. Der bundesrechtliche Mindestrahmen wird vielfach konkretisiert, ergänzt und verschärft. Zudem wird eine Anpassung des Landesrechts an die Vorgaben der FFH-Richtlinie vorgenommen. Anders als etwa die Novellen in den unionsregierten Ländern zielt das Gesetz auf eine Stärkung der Handhabungsmöglichkeiten von Naturschutzbehörden durch eine Stärkung des ordnungsrechtlichen Instrumentariums. Gleichzeitig erfolgt aber auch – wie in allen Bundesländern eine Verlagerung von Zuständigkeiten auf die örtliche Ebene. 5.17.3
Zur Umsetzung in den einzelnen Teilbereichen
5.17.3.1 Allgemeine Vorgaben Das LNatSchG SH enthält wortgleich die Zielvorgaben des § 1 BNatSchG (vgl. § 1 Abs. 1 LNatSchG SH). Ebenso ist die Abwägungsformel des BNatSchG wortgleich adaptiert worden. Der bundesrechtliche Katalog der Grundsätze ist fast vollständig übernommen und ergänzt worden.202 Einige Grundsätze des alten Gesetzes - etwa der Verweis auf den Erhalt und
202
Dies betrifft nicht allein den Grundsatz, wonach auf 15 Prozent der Fläche unter Einschluss des landesweiten Biotopverbunds ein Vorrang für den Naturschutz zu begründen ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 13 LNatSchG SH), sondern etwa auch das Verbot der Bebauung unbebauter Bereiche (Nr.4), der Vorrang von Straßenausbau vor neubau und im Fall des Straßenneubaus die Pflicht zur Renaturierung von entlasteten Verkehrsflächen (Nr. 5), das Verbot der Verfestigung von Splittersiedlungen im Ortsumgehungsbereich (Nr. 6) oder das Gebot des Erhalts und der Wiederherstellung der ökologischen Selbstreinigungskraft von Gewässern (Nr. 10). Eine
197
die Entwicklung biologischer Vielfalt oder die Erhaltung von bedeutsamen Kleinstrukturen im besiedelten Bereich - sind nicht übernommen worden. Allerdings ergeben sich diese Pflichten aus Regelungen an anderer Stelle des Gesetzes. Auch ist kein Grundsatz des frühzeitigen Informationsaustauschs normiert und ist der Grundsatz der prinzipiellen Vereinbarkeit von Windenergie und Naturschutz nicht übernommen worden. Dagegen wird die Pflicht zur Bereitstellung von Flächen für Erholungszwecke auf naturverträgliche Erholungsformen begrenzt (§ 1 Abs. 2 Nr. 16 LNatSchG SH) und erfährt der Bereich der Naturerholung über die Ermöglichung der Einrichtung von so genannten Naturerlebnisräumen eine eigenständige instrumentelle Umsetzung (§ 29 LNatSchG SH). § 1 Abs. 2 Nr. 13 LNatSchG SH bestimmt, dass auf mindestens 15 Prozent der Landesfläche vorrangige Flächen für den Naturschutz auszuweisen sind, unter Einschluss des landesweiten Biotopverbunds. 203 Im Ländervergleich ist diese Zielsetzung die am weitest gehende. Die Errichtung des landesweiten Biotopverbunds selbst wird § 15 LNatSchG SH geregelt: Die Größe des Biotopverbunds wird dabei nicht quantifiziert. Der Verbund kann damit theoretisch also auch unter der bundesrechtlichen Vorgabe von 10 Prozent der Landesfläche bleiben. Andererseits ist er landesweit zu verwirklichen, was die Möglichkeit ausschließt, dass er ausschließlich in den Schutzgebieten des Küstenbereichs realisiert wird. Das LNatSchG SH setzt ansonsten die Vorgaben des BNatSchG zur Auswahl und Sicherung der Flächen um, nicht aber die Vorgaben zur länderübergreifenden Verwirklichung des Verbunds und zur Abstimmung der Länder (vgl. § 15 LNatSchG SH und §3 Abs. 1 Satz 2 und 3 BNatSchG). § 15 Abs. 5 LNatSchG SH ermöglicht die Ausweisung von Entwicklungsflächen, was die Realisierung des Verbunds erleichtert. Eine weitere sinnvolle Ergänzung ist die Pflicht, dass Biotopverbundflächen in der Raumplanung darzustellen sind (§ 15 Abs. 6 LNatSchG SH). 204 Weitere ergänzende Vorgaben, wie etwa differenzierte Schutzkategorien für Flächenteile, Vorgaben zum Monitoring oder Fristen zur Fertigstellung werden nicht getroffen. Dennoch zeigt sich das LNatSchG SH als das fortschrittlichste Gesetz, was die ergänzende Regelung des Biotopverbunds betrifft. § 3b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1-4 LNatSchG SH setzt die Verpflichtung zur Feststellung einer regionalen Mindestdichte von Vernetzungselementen um. Positiv hervorzuheben ist dabei die Definition einer Liste von Vernetzungselementen, die es zu erhalten und zu vermehren gilt. Auch die bundesrechtliche Vorgabe, bei Unterschreitung der Mindestdichte entsprechende
203
204
Konkretisierung des Biotopschutzes und dessen Verknüpfung mit dem Aufbau des Biotopverbunds und von Natura 2000 wird vorgeben (Nr. 11). Wälder sind naturnah zu bewirtschaften (Nr. 14). Vorrangige Gebiete sind in diesem Sinne Nationalparke, gesetzlich geschützte Biotope, Naturschutzgebiete, FFH-Schutzgebiete, Biosphärenreservate oder Teile von diesen. Das Gesetz eröffnet zudem die Möglichkeit der Aufstockung von Finanzmitteln von Kreisen und Gemeinden, Naturschutzvereinen und der Landesstiftung Naturschutz sowie von bestimmten Planungsträgern für die Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen, was auch Anwendung auf den Verbund findet (§ 44 LNatSchG SH).
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Maßnahmen zur Schaffung zusätzlicher Vernetzungselemente zu ergreifen, ist adaptiert worden (§ 3b Abs. 3 Satz 3 LNatSchG SH). 205 Die Umsetzung der Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis erfolgt für die Grundsätze der Landwirtschaft durch wortgleiche Übernahme. Nicht umgesetzt worden sind dagegen die Grundsätze zur Forst- und Fischereiwirtschaft: Zwar wird mit § 1 Abs. 2 Nr. 14 der Grundsatz normiert, dass Wälder naturnah zu bewirtschaften sind. Die Regelung deckt aber nicht die entsprechenden Vorgaben des BNatSchG ab (z.B. Verzicht auf Kahlschlag). Die Fischereiwirtschaft wird im LNatSchG SH nicht thematisiert. Das LNatSchG SH macht keinen Gebrauch von der Möglichkeit, weitere Grundsätze zu definieren, sondern verweist diese Aufgabe an das untergesetzliche Regelwerk. Die Verordnungsermächtigung wird dem Umweltministerium erteilt (§ 3b Abs. 4 und 5 LNatSchG SH). § 2 Abs. 2 LNatSchG SH enthält – wie § 8 BNatSchG - eine ergebnisoffene Prüfpflicht zu Gunsten des Vertragsnaturschutzes und überlässt die Wahl der jeweiligen Naturschutzmaßnahmen der freien Entscheidung der Naturschutzbehörden. 5.17.3.2 Planerische Grundlagen Das LNatSchG SH sieht von einer gesetzlichen Konkretisierung der Umweltbeobachtung nach § 12 BNatSchG weitgehend ab. Es regelt lediglich die Zuständigkeiten für die Umweltbeobachtung, trifft aber keine Vorgaben zu Aufbau, Inhalt, Berichtspflichten, Zuständigkeiten, Finanzierung und Abstimmung mit dem Bund (§§ 3 und 45b LNatSchG SH). Hier ist eine unzureichende Umsetzung des Bundesrechts zu konstatieren. Die Bestimmungen zur Landschaftsplanung werden dagegen vollständig umgesetzt und in vielen Punkten über den bundesrechtlichen Mindestrahmen hinaus ergänzt (§§ 4-6a LNatSchG SH): So erfolgt eine Konkretisierung der Mindestinhalte, der Vorgaben zur Berücksichtigung in anderen Fachplanungen und der räumlichen Gesamtplanung sowie der Fortschreibungspflichten.206 Die Landschaftsplanung ist im Gegenstromprinzip zur räumlichen Gesamtplanung organisiert: Insbesondere für die Ebene des Landschaftsplans wird genau geregelt, wann und wie die Fortzuschreibung zu erfolgen hat (§ 6 LNatSchG SH). Darüber hinaus wird das Umweltministerium zur weiteren Konkretisierung per Verordnung ermächtigt. Hervorzuheben ist die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Aufstellung von Landschaftsrahmenplänen und Landschaftsplänen (§5 Abs. 3 LNatSchG SH).
205
206
Weitergehende Ergänzungen, wie etwa eine quantitative Feststellung der Mindestdichte oder die Regelung von Anreizen zur Schaffung von Vernetzungselemente sind nicht aufgenommen worden. So sind u.a. auch Informationen zu finanziellen und organisatorischen Anforderungen sowie zeitlichen Erfordernissen im Landschaftsprogramm und Informationen zur regionalen Mindestdichte von Vernetzungselementen im Landschaftsplan darzustellen (§ 4a Abs. 1 Satz 3 und § 6a Abs. 1 Nr. 4 LNatSchG SH). Landschaftspläne sind aufzustellen, wenn sich Bauleitpläne ändern oder im Gemeindegebiet agrarstrukturelle oder größere Teile des Gemeindegebiets betreffende nutzungsändernde Planungen betroffen sind (§ 6 Abs. 1).
199
5.17.3.3 Eingriffsregelung Das LNatSchG SH enthält einen detailliert ausgestalteten Regelungsabschnitt „Mindestschutz der Natur“, der den bundesrechtlichen Vorgaben zur Eingriffsregelung vollständig Genüge leistet. Die Einvernehmensregelung von für den Eingriff zuständiger Behörde und Naturschutz wird beibehalten (§ 6 Abs. 6 Satz 2 und 3 LNatSchG SH). § 7 Abs. 2 LNatSchG SH normiert eine ausführliche Negativliste von Versagungstatbeständen. 207 Das LNatSchG SH setzt die bundesrechtliche Neufassung des Folgenbewältigungsprogramms um und regelt die Bedingungen für Ersatzzahlungen (§ 8b LNatSchG SH). 208 Maßnahmen zur Sicherung des Erfolgs von Ausgleich und Ersatz können auch von Naturschutzvereinen oder anderen Trägern auf Kosten des Verursachers durchgeführt werden (§ 8 Abs. 5 LNatSchG), wodurch die Gefahr der Nicht-Überwachung aufgrund fehlender Behördenkapazitäten vermindert werden soll. Hervorzuheben ist auch, dass eine Qualitätskontrolle der zeitlich zu befristenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach Beendigung des Eingriffs durchzuführen ist (§ 9 Abs. 5 LNatSchG SH). 209 Ferner konkretisieren § 9 Abs. 9 Nr. 6 und 7 LNatSchG SH die Möglichkeiten zur Anrechnung von Kompensationsmaßnahmen auf Öko-Konten.210 Zu würdigen ist auch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Eingriffsregelung auf den Bereich des Boden- und Gewässerschutzes und die naturnahe Entwicklung von Wegen und Straßenrändern (§§ 10-12 LNatSchG SH). 211 Der Bereich des Abbau von oberfläch-
207
Ein Eingriffsvorhaben kann nur genehmigt werden, wenn eine UVP durchgeführt worden ist, die Verursacher ihre Ausgleichspflichten erfüllen und dies durch Nebenbestimmung sichergestellt werden kann (§7a Abs. 1 und 4 LNatSchG SH). Zudem erlischt die Eingriffsgenehmigung, wenn nicht innerhalb von drei Jahren mit dem Eingriff begonnnen wird oder ein begonnener Eingriff um mehr als ein Jahr unterbrochen wird, wobei in diesem Fall auf Antrag eine Verlängerung um zwei Jahre möglich ist. (§ 7a Abs. 5 LNatSchG SH). 208 Die Höhe der Ausgleichmittel bemisst sich nach den Kosten, die der Verursacher für Ersatzmaßnahmen hätte aufwenden müssen. Ist dies nicht feststellbar, orientiert sich die Höhe an der Dauer und Schwere des Eingriffs. Diese bemisst sich wiederum an der beanspruchten Fläche, der Menge entnommener und verlagerter Bodenbestandteile oder des verbauten Materials. Das Umweltministerium wird weiterhin ermächtigt, weitere Details der Höhe, des Erhebungsverfahrens und der Verwendung der Mittel durch Verordnung zu regeln. 209 Um die Durchführung von Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen sicherzustellen, kann die Genehmigungsbehörde eine Sicherheitsleistung verlangen (bis zur Höhe der für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen entstehenden Kosten) und die Eingriffsgenehmigung bei Nicht-Erfüllung der Auflagen bis zur Auflagenerfüllung gegebenenfalls widerrufen (§ 9 Abs. 3 Nr. 1 LNatSchG SH). 210 Die Naturschutzbehörde kann auf Antrag eine Maßnahme in ein Ökokonto aufnehmen, wenn von dieser dauerhaft günstige Wirkungen auf die Schutzgüter des Naturschutzes ausgehen und sie den Vorgaben der Landschaftsplanung Rechnung trägt. Ein Augleichsflächenkataster ist zu führen über solche Flächen, die für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bestimmt sind. Das Kataster gilt nur für solche Flächen, die kleiner als 100m2 sind, auf denen der Eingriff durchgeführt wird oder die im Gebiet desselben Bebauungsplans erfolgen. 211 So ist die Flächeninanspruchnahme zu reduzieren, sind Böden nicht wesentlich zu verändern oder möglichst naturnah wiederherzustellen und dürfen Vorranggebiete des Naturschutzes (und andere bedeutsame ökologische Wald-, Ufer- und sonstige Flächen) nicht überbaut werden (§ 10 LNatSchG SH). An Gewässern erster Ordnung, Seen und kleineren Gewässern (> 1 ha) dürfen bauliche Anlagen erst in einem Abstand von 50 m errichtet oder wesentlich verändert werden; bei Küstengewässern beträgt die Abstandgröße bis zu 100 m von der Küstenlinie. Allerdings sind vielfältige Ausnahmen für bauliche Anlagen möglich, auch für die Aufstellung, Ergänzung oder Änderung von Bebauungsplänen, wenn sich mit dem Verbot unbillige Härten verbinden (§11 LNatSchG SH). Allerdings darf die Zulassung von Ausnahmen nicht zu einer Beeinträchtigung der Möglichkeiten der Erholung oder der Realisierung des Biotopverbunds führen (§ 12 Abs. 4 LNatSchG SH).
200
lichen Bodenschätzen, Aufschüttungen und Ausgrabungen wird weiter ausführlich geregelt: § 13 Abs. 1-3 normiert Genehmigungspflichten, § 13 Abs. 4 eine Negativliste von Untersagungstatbeständen, wobei auf die Möglichkeit der Versagung bei Bedenken ob der Zuverlässigkeit, u.a. bei wiederholtem Verstoß gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen, hinzuweisen ist (§ 13 Abs. 4 Nr. 4 LNatSchG SH). 212 § 14 LNatSchG bestimmt ein eigenes Genehmigungsverfahren für Vorhaben in diesem Bereich, u.a. bezüglich vorzulegender Unterlagen und der Möglichkeit zur Genehmigungsverweigerung bei Unvollständigkeit der Unterlagen. 5.17.3.4 Gebietsschutz Im Gebietsschutz werden der Prozessschutz und das Entwicklungsprinzip als Leitprinzipien für Naturschutzgebiete festgeschrieben. Für Naturschutzgebiete wird ein anspruchsvoller Mindestschutz statuiert: So bestimmt § 17 Abs. 3 LNatSchG SH, dass sich Landwirtschaft und Jagd den Zielen des Naturschutzes unterzuordnen haben. § 17 Abs. 4 LNatSchG SH regelt, dass in Gebieten mit besonderem ökologischen Schutzzweck ein ungestörter Naturablauf zu gewährleisten ist und Behörden auf eine rasche Einschränkung nicht unmittelbar aufhebbarer Nutzungen hinzuwirken haben. 213 § 16 Abs. 1 LNatSchG SH regelt weiter die Zonierung von Schutzgebieten. § 17 Abs. 5 LNatSchG SH bestimmt, dass schädigende Einwirkungen aus Nachbargebieten verboten werden können. Die Einrichtung von Nationalparks ist in einem eigenen Gesetz geregelt. Hervorhebenswert ist die Erfolgskontrolle nach § 16 Abs. 4 LNatSchG SH: Behörden haben regelmäßig zu prüfen, ob die Schutzgebietsverordnungen zur Erreichung des Schutzzwecks angemessen ausgestaltet sind und umgesetzt werden, um den Defiziten bei der Unterhaltung der Gebiete wirkungsvoller zu begegnen. Im Biotopschutz ist die Liste der gesetzlich geschützten Biotope nach § 30 BNatSchG aufgenommen worden, wobei Biotoptypen ausgespart worden sind, die in Schleswig-Holstein nicht vorkommen (§ 15a Abs. 1 LNatSchG SH). § 15a Abs. 2 übernimmt die Vorgabe des strengen Bestandsschutzes und knüpft Ausnahmen an die Vorlage überwiegender Gründe des Allgemeinwohls, nimmt Biotope auf Deich- und Dammanlagen allerdings von dem Verbot der Schädigung bzw. der Ausgleichspflichtigkeit aus. Auch die “Rückholklausel“ für Gebiete, die durch Vertragsnaturschutz geschützt waren, ist aufgenommen worden (§ 15b Abs. 5 Satz 2-5 LNatSchG SH). Das Umweltministerium wird zur weiteren Präzisierung per Verordnung ermächtigt (§ 15b Abs. 7 LNatSchG SH).214 212
213
214
So sind auch Vorhaben im Bereich des Meeresgrundes und Meeresuntergrunds genehmigungspflichtig, was auch vor- und nachsorgende Aktivitäten betrifft. Nicht erforderlich ist aber die Genehmigung von Baugruben, die unmittelbar zur Aufnahme von Baukörpern dienen (§ 13 Abs. 2 und 3 LNatSchG SH). Das LNatSchG SH unterscheidet strikt zwischen Ausweisungen zum Schutz von Natur und Landschaft (Naturschutzgebiete) und Ausweisungen zur Erholung und Freizeitnutzung (Naturparks), indem es diese Regelungsbereiche gesetzessystematisch trennt. Eine Besonderheit ist § 15b LNatSchG SH, der umfangreich den Mindestschutz von Knicks regelt und für diese ein Beseitigungsverbot normiert. Darüber hinaus hebt sich das LNatSchG SH von den anderen Naturschutzgesetzen durch weitere Bestimmungen zu einzelnen Regelungsbereichen ab, so zum Schutz des Mee-
201
Weiterhin regeln die §§ 21a-d LNatSchG SH ausführlich den Vollzug der Biotopvorschriften und Schutzgebietsverordnungen: Dies betrifft die regelmäßige Begehung von Naturschutzgebieten, die Festlegung von Maßnahmen zum Schutz und zur Entwicklung der geschützten Flächen, wobei auch unzumutbare Beeinträchtigungen ordnungsrechtlich gegen Entschädigung angeordnet werden können, und den Ausgleich und Ersatz bei Ausnahmen. Ferner kann das Umweltministerium Naturschutzvereinen die fachliche Betreuung der Gebiete befristet übertragen, wobei hoheitliche Rechte nicht übertragen werden und Maßnahmen weiterhin behördlicher Genehmigung bedürfen (§ 21 d Abs. 1-7 LNatSchG SH). Hinsichtlich dieser Regelungen ist das LNatSchG SH vorbildlich. 5.17.3.5 Mitwirkung von Verbänden Die Bestimmungen des § 51 LNatSchG SH zur Anerkennung und zur Beteiligung von Naturschutzvereinen folgen im Wortlaut den Bestimmungen der §§ 59 und 60 BNatSchG. Zusätzlich erhält das Umweltministerium eine Verordnungsermächtigung, die Mitwirkung von Vereinen auch in anderen Verfahren zu regeln, so diese auf landesrechtlichen Regelungen beruhen (§ 51 Abs. 4 LNatSchG SH). Die Bedingungen für die Einlegung von Rechtsbehelfen ohne Verletzung eigener Rechte (Verbandsklage, im LNatSchG Vereinsklage genannt) sind in § 51c LNatSchG SH geregelt: Wie das HENatG verweist das LNatSchG SH auf die Bestimmungen des BNatSchG. Es normiert also keine weiterführenden Klagerechte für Naturschutzverbände jenseits des bundesrechtlichen Mindestrahmens. 5.17.3.6 Naturschutzbeiräte und andere Formen ehrenamtlicher Beratung Dieser Regelungsbereich ist weitgehend unverändert geblieben. Das LNatSchG sieht eine Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein vor, deren Zweck der Grundstückserwerb und die Pflege ist (§ 47 LNatSchG SH), und einen ehrenamtlichen Landesbeauftragten für den Naturschutz, der die Obere und die Unteren Naturschutzbehörden fachlich berät und zwischen Behörden und Bürger/innen vermittelt. Er wird durch einen ehrenamtlichen Beirat unterstützt (§ 47 LNatSchG SH). Landesbeauftragte können auch für einzelne Landesteile oder Arbeitsschwerpunkte berufen werden. Bei den unteren Naturschutzbehörden sind ehrenamtlich arbeitende fachliche Beiräte zu bilden (§ 49 LNatSchG SH): Diese Beiräte können Maßnahmen anregen und sind auf Verlangen zu hören; sie sind zudem in allen Verfahren zu beteiligen, in denen auch Naturschutzverbände zu beteiligen sind.
resstrands, der Küstendünen und der Strandwälle, zum Gemeingebrauch am Meeresstrand, zu Sondernutzungen am Meeresstrand sowie zu Aktivitäten wie Zelten, Wassersport oder Golfen (§§ 33-38 LNatSchG SH).
202
5.18
Die Umsetzung in Thüringen
5.18.1 Rahmenbedingungen des Umsetzungsprozesses Thüringen ist mit einer Gesamtfläche von 16.172 km2 eines der kleineren Flächenländer der Bundesrepublik und weist eine niedrige Gesamtbevölkerung von 2,37 Mio. Einwohnern auf. Zugleich ist es eines der waldreichsten Bundesländer; ein Drittel der Landesfläche ist mit Wald bewachsen, weswegen Thüringen auch als das “Grüne Herz“ Deutschlands gilt (Peter 1999). Entsprechend ist der Anteil großflächiger unzerschnittener Räume an der gesamten Landesfläche mit 33,86 Prozent hoch. Damit einher geht eine relativ niedrige allgemeine Bevölkerungsdichte von 147 Einwohnern pro km2, sodass in Thüringen eine vergleichsweise bessere Flächenausstattung für Naturschutzbelange als in anderen Bundesländern besteht.
215
Zwar verfügt der Freistaat über eine vergleichsweise günstige Wirtschaftsstruktur und hat in den vergangenen Jahren mehrere Großinvestoren (BMW, GM, Jenoptik) anziehen oder behalten können, doch die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht positiv. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen von 17.874 Euro liegt deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt, aber auch unter den Werten von Sachsen und Sachsen-Anhalt. Ebenfalls konnte in den Jahren 2002-2004 nur ein durchschnittlicher Zuwachs des BIP um 1,53 Prozent erreicht werden. Arbeitslosigkeit und Haushaltverschuldung dominieren die Agenda der Landespolitik. Tabelle 5.19:
Dezentrale Einflussfaktoren der Umsetzung in Thüringen
KOAL_Z.
BIP_Kopf (in Euro)
BIP_W. (in %)
BIP_Agr. (in %)
MIN_Org.
ORG_V. (in %)
BEV-D. (je km2)
AN_Raum (in %)
CDU/FDP, CDU
17.874
1,53
1,9
Landwirtschaft, Umwelt und Naturschutz**
1,90
147
33,86
Quelle: Extrakt aus Tabelle 5.2, siehe S. 130
Die Ausgangslage für die Novelle des Naturschutzgesetzes ist damit als schwierig einzustufen, auch weil das Land von einer Alleinregierung der CDU regiert wird, die dem Reformvorhaben der Novelle des BNatSchG ablehnend gegenüber gestanden hat. Die Zuständigkeit für Naturschutzbelange liegt beim Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Naturschutz, das von Volker Sklenar (CDU) geführt wird. Ähnlich wie in den anderen unionsregierten Ländern ist die Landesregierung einer stärkeren Ökologierung der Agrarpolitik abgeneigt und sieht ihre Aufgabe auch darin, Mehrbelastungen der Landwirtschaft in Folge der neuen Betreiberpflichten des BNatSchG weitgehend abzuwehren. Die Landesregierung hat sich zusammen mit anderen unionsregierten Ländern wiederholt für Korrekturen des Bundesnaturschutzrechts stark gemacht (vgl. Kap. 4.5.2). 215
Andererseits gibt es starke wirtschaftliche und auch gesellschaftliche Ansprüche an die weitere Erschließung von Freiflächen insbesondere zu Verkehrszwecken, etwa für den – umstrittenen - Bau der ICE-Strecke Erfurt-Nürnberg (vgl. Schläger 2002).
203
Der Organisationsgrad der Naturschutzverbände ist vergleichsweise gering; rund 1,9 Prozent der Landesbevölkerung sind Mitglied in einem Verband. Damit sind immer noch deutlich mehr Personen im ehrenamtlichen Naturschutz engagiert als z.B. in Sachsen oder Brandenburg, aber eine große gesellschaftliche Bedeutung kann auch nicht konstatiert werden. Der Beitrag der Agrarwirtschaft zur Bruttowertschöpfung nimmt mit 1,9 Prozent einen höheren Wert im Vergleich der Bundesländer ein. 5.18.2 Überblick über den Umsetzungsprozess Bislang ist noch keine umfassende Novelle des Landesnaturschutzrechts erfolgt. Die Landesregierung brachte am 16. Januar 2003 einen Gesetzentwurf zur „Umsetzung von bundes- und europarechtlichen Vorschriften im Thüringer Naturschutzrecht“ in den Thüringer Landtag ein, der aber ausschließlich der Umsetzung europäischer Rechtsvorgaben, insbesondere der Vorgaben zur Umsetzung der FFH-Richtlinie (§§ 32-37 BNAtSchG), diente, für welche die Frist am 8. Mai 2003 endete. Das Gesetz wurde am 29. Juli 2003 veröffentlicht (GVBl-Th. 3/11, S. 393-418). In diesem Zusammenhang kündigte die Landesregierung die Vorlage eines eigenen Gesetzentwurfs zur Umsetzung des BNatSchG an, der in der dritten Legislaturperiode aber nicht mehr auf den Weg gebracht wurde (Drucksache 3/3069 Landtag von Thüringen). Die Erarbeitung eines Referentenentwurfs wurde darauf angegangen; im November 2004 fand eine erste interne Anhörung von Interessenverbänden statt (BUND Thüringen 2004). Allerdings hat es bis zum 15. Juni 2005 gedauert, bis der Referentenentwurf vom Kabinett verabschiedet worden und an den Landtag weitergesandt worden ist (MLNU 2005). Da der Entwurf bis Anfang Mai 2005 nicht zugänglich war, wird er - wie der Gesetzentwurf der Länder BadenWürttemberg, Bayern und Berlin – für die Analyse dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Da der Gesetzentwurf im Einzelnen nicht zu analysieren war, ist eine allgemeine Bewertung nur bedingt möglich. Was aus den einzelnen vorliegenden Stellungnahmen und Pressemitteilungen allerdings abzulesen ist, scheint sich die thüringische Landesregierung scheinbar der Umsetzungspraxis anderer unionsgeführter Länder mehrheitlich anzupassen und eine zurückhaltende Ausfüllung der Rahmenvorgaben mit dem Verzicht auf die Übernahme bestimmter Neuerungen des Bundesnaturschutzrechts und einer partiellen Deregulierung des Landesnaturschutzrechts zu verknüpfen.
204
6
Vergleichende Analyse der Umsetzung des neuen Bundesnaturschutzgesetzes
Hauptgegenstand dieses Kapitels ist die vergleichende Analyse der Umsetzung des neuen Bundesnaturschutzrechts in den in dieser Studie untersuchten Bundesländern. Entsprechend der in Kap. 1.4 formulierten Fragestellung geht es darum, die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede in der Umsetzungspraxis in den Ländern zu bestimmen, typische Muster der Umsetzung zu untersuchen und die Erklärungskraft der Einflussvariablen zu überprüfen, die in Kap. 5.1 diskutiert worden sind.
6.1
Vergleichende Analyse der Umsetzung einzelner Regelungsbereiche
Alle Länder weisen aufgrund der Rahmengesetzgebung des Bundes grundsätzlich den gleichen Instrumentenmix auf, d.h. kein Bundesland verfolgt einen vollständig anderen Politikansatz. Allerdings erlaubt der Rahmen des BNatSchG eine weitgehende Differenzierung auf der Ebene der instrumentellen Ausgestaltung sowie der Prioritätensetzung. Insofern bezieht sich das Untersuchungsinteresse auf diese Ebene der instrumentellen Ausgestaltung: Wie schlagen die Modernisierungsimpulse des neuen BNatSchG auf Landesebene durch? 6.1.1 Allgemeine Entwicklungslinien Drei Entwicklungslinien lassen sich für die Umsetzungspraxis der Länder feststellen: Eine allgemein schleppende Umsetzung der Vorgaben: Wie dargelegt (Kap. 5.3ff.), haben bis zum Mai 2005 weniger als die Hälfte der Bundesländer eine Anpassung des Landesnaturschutzrechts an das Bundesnaturschutzrecht vorgenommen. Zum Zeitpunkt des Endes der Umsetzungsfrist am 18. April 2005 hatten erst vier Bundesländer eine Novelle ihres Landesnaturschutzgesetzes beschlossen. Diese Zahl hat sich im Mai 2005 auf fünf Länder erhöht. In drei weiteren Ländern (Rheinland-Pfalz, Berlin und Thüringen) sind Gesetzentwürfe vorgelegt worden. Eine ausgeprägte Zurückhaltung bei der Konkretisierung der Rahmenvorgaben: Die Länder, die bereits eine Umsetzung vollzogen haben, halten sich auffällig mit der eigentlichen Gesetzgebungsarbeit zurück. In der Mehrzahl der Fälle wird keine Konkretisierung der Rahmenvorgaben des BNatSchG vorgenommen, oftmals werden diese schlicht in einem 1:1-Verhältnis übernommen. Die Umsetzung in Schleswig-Holstein bildet – mit kleineren Abstrichen – die Ausnahme. Eine Rahmengesetzgebung ist allerdings nicht nur aus verfassungsrechtlichen, sondern auch aus sachlichen Gründen zwingend auf die Ausfüllung auf der nachfolgenden Ebene angewiesen – andernfalls verbleibt die Umsetzung vor Ort ohne hinreichend konkrete Verfahrensvorgaben. Die 205
216
Rahmengesetzgebung soll ja gerade den Ländern den Spielraum für eine eigenständige legislative Ausgestaltung verschaffen. Eine vollständige Übernahme der bundesrechtlichen Vorgaben ist zwar eine notwendige, aber keine ausreichende Voraussetzung einer Leistungssteigerung des Naturschutzrechts und der Straffung des Vollzugs. 216 Nun kann eine solche Modernisierungsleistung nicht allein durch Normierung im Gesetz vollzogen werden, sondern bedarf auch der untergesetzlichen Regelung per Verordnung sowie anderer technischer Verwaltungsanweisungen. Inwieweit eine untergesetzliche Regelung die Defizite der Umsetzung in den Landesnaturschutzgesetzen kompensieren wird, war im Rahmen dieser Arbeit nicht abzuschätzen. Allerdings kann mit einer gewissen Plausibilität angenommen werden, dass bei einem Verzicht auf die Ausschöpfung von Regelungsspielräumen im Landesnaturschutzgesetz auch die Spielräume der untergesetzlichen Regelsetzung nicht voll ausgeschöpft werden. Ein partieller Rückbau von Regelvorgaben des Landesnaturschutzrechts in den meisten Ländern, der allerdings unterschiedlich weitgehend ausfällt. Unionsregierte Länder wie Hessen oder Sachsen-Anhalt haben die Novelle genutzt, ihr Naturschutzrecht in Teilen zu deregulieren. Dies trifft in Teilbereichen aber auch für SPD-regierte Länder wie Brandenburg oder Rheinland-Pfalz zu. Vielfach werden einstmals weitergehende Regelungsbereiche des Landesnaturschutzrechts auf das Rahmenrecht des Bundes zurückgestutzt, so etwa die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte sowie Klagerechte der Verbände. Dieser Trend ist allerdings nicht durchgängig: In einzelnen Regelungsbereichen führt die Umsetzung des BNatSchG auch zu der Einführung neuer Instrumente und zu Verschärfungen bestehender Regelungen. Parallel dazu ist in der Mehrzahl der Bundesländer ein Abbau von Verwaltungskapazitäten zu beobachten. Einige Länder streichen z.B. die Mittelinstanz der Verwaltungsstruktur (Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern), andere Länder lösen einzelne Fachbehörden auf (Baden-Württemberg) oder integrieren sie in andere Behörden (Sachsen, Thüringen, Hamburg). Zusätzlich ist ein Trend einer - mitunter weit reichenden - Verlagerung von Regelungskompetenzen auf die kommunale Ebene festzustellen. Derartige Reformbemühungen firmieren unter den Stichwörtern „Verwaltungsvereinfachung“ und „Bürokratieabbau“. Mit “schlanken“ Verfahren sollen Abstimmungsprozesse gestrafft und Genehmigungsprozesse beschleunigt werden. Hinter diesen Restrukturierungsbemühungen steht allerdings überwiegend nicht die Absicht einer Erhöhung der Effektivität und Effizienz der Umweltverwaltung, sondern oftmals
So macht es z.B. wenig Sinn, die Vorschriften zum bundesweiten Biotopverbund zu übernehmen, diese aber nicht für den Verwaltungsvollzug zumindest mit weiterführenden Vorgaben zu Zuständigkeiten, Abläufen und Fristen zu konkretisieren. Die Verweisung dieser Aufgabe in ministerielle Arbeitsgruppen, so sie denn erfolgt, ist nicht ausreichend. Um effektiv arbeiten zu können, bedürfen solche Arbeitsgruppen einen Orientierungsrahmen mit festen Eckpunkten, die Handlungsbedarf schaffen (z.B. Befristungsregelungen), den grundsätzlichen Verhandlungsrahmen abstecken (z.B. Definition der Bestandteile und Abläufe) und richtungweisende Vorgaben für die Konkretisierung von Definitionen und Vorgaben der Ausweisung treffen.
206
nur die Absicht einer symbolischen Standortpolitik durch Abbau von Personalkapazitäten und Verfahrensvorschriften. Hier erweist sich die gesetzgeberische Zurückhaltung vieler Länder schon als Bestandteil einer festen Programmatik. 6.1.2
Allgemeine Vorgaben
6.1.2.1 Ziele und Grundsätze Die Umsetzung der Zielbestimmungen des BNatSchG ist weitgehend kohärent erfolgt. Sie sind zumeist im 1:1-Wortlaut übernommen worden (Tabelle 6.1). 217 Ergänzungen der Zielbestimmungen, die über redaktionelle Anpassungen hinausgehen, sind nicht zu konstatieren.
SH
SL
Umsetzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens – Ziele Schutz der Natur um ihrer selbst willen + + + + Schutz als Lebensgrundlage künftiger Generationen + + + + Wiederherstellung von Teilen von Natur und Landschaft + + + Umsetzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens – Grundsätze Übernahme der Abwägungsklausel + (-) + + Anpassung an die Grundsätze des BNatSchG + + + Flächenbevorratung für Nahholungszwecke + + + Privilegierung der Windenergie + + + Regelung des frühzeitigen Informationsaustauschs + + + Ergänzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Ergänzung der Grundsätze (+) (+) Stärkung des Naturschutzes in der Abwägung Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe
SA
RP
NRW
HE
Umsetzung der Ziele und Grundsätze des BNatSchG in den Ländern BB
Tabelle 6.1:
+ + +
+ + +
(+) (+) (+)
+ (-) -
+ (+) + -
(+) + +
-
+ -
-
Eine ähnlich, wenn gleich nicht durchgängig kohärente, Anpassungsleistung ist für den neuen Grundsatzkatalog des BNatSchG festzustellen. Brandenburg und Nordrhein-Westfalen haben die neuen Grundsätze vollständig adaptiert. Auch in Rheinland-Pfalz soll eine fast vollständige Adaption erfolgen. Die schleswig-holsteinische Regierung hat zwar den Katalog des BNatSchG nicht vollständig im Wortlaut umgesetzt, aber einen umfassenden Grundsatzkatalog mit zum Teil anderen und weitergehenden Schwerpunktsetzungen geschaffen. SachsenAnhalt hat dagegen den Grundsatzkatalog gekürzt und verweist nunmehr nur noch auf den bundesrechtlichen Grundsatzkatalog. Auch der saarländische Gesetzentwurf sieht eine deutliche Reduzierung des bundesrechtlichen Grundsatzkatalogs vor, normiert indes an anderer 217
Eine Ausnahme bilden die Umsetzungen in Hessen und im Saarland. Die hessische Landesregierung hat auf die Vorgabe der Pflicht zur Wiederherstellung von Natur und Landschaft verzichtet. Obwohl nur eine Zielbestimmung ist die Signalwirkung deutlich: Mit der Pflicht zur Wiederherstellung soll die Ausweisung neuer Schutzgebiete erleichtert werden. Gleichfalls will die saarländische Regierung mit dem Verweis auf das Gebot nachhaltiger Entwicklung eine allgemeine Abwägungspflicht in die Zielbestimmungen aufnehmen, was grundsätzlich der Intention der Abwägungsfreiheit von §1 BNatSchG widerspricht.
207
Stelle auch weitere ergänzende Vorschriften. Die hessische Landesregierung hat noch keine Anpassung an den bundesrechtlichen Grundsatzkatalogs vorgenommen. Eine Ergänzung des bundesrechtlichen Grundsatzkatalogs ist nur in Brandenburg und in Schleswig-Holstein erfolgt. Auch die Anreicherung des Zielkatalogs um den Schutz der Natur um ihrer selbst willen findet keinen gleichmäßigen Niederschlag. So ist die anthropozentrische Grundausrichtung des Naturschutzes in den Landesnaturschutzgesetzen von SachsenAnhalt, Saarland und Hessen beibehalten worden. Diese Gesetze orientieren sich zusätzlich an einem kooperativen Ansatz, der dem Ausgleich mit Nutzerinteressen und freiwilligen Maßnahmen Priorität vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen beimisst. Auch in Rheinland-Pfalz ist ein solcher Vorrang geplant. Während die Besserstellung der sportlichen Nutzung auf breite Zustimmung der Länder stößt, sind die Vorgaben zur Privilegierung der Windenergie und zum frühzeitigen Informationsaustausch mit allen Betroffenen nicht durchgängig in allen Landesnaturschutzgesetzen verankert worden (vgl. Tabelle 6.1). 218 Insgesamt ist für diesen Regelungsbereich eine hinreichend kohärente Umsetzung der Vorgaben des BNatSchG zu konstatieren. Grundlegend hierfür ist der Umstand, dass die Mehrheit der Änderungen im BNatSchG keinen größeren Revisionsbedarf im Naturschutzrecht der Länder auslöst. Neuregelungen wie die Privilegierung der Windenergie oder der frühzeitige Informationsaustausch mit Betroffenen, die größere praktische Änderungen mit sich bringen, werden dagegen nur von etwa der Hälfte der Länder umgesetzt. Zu bedenken ist, dass vor der Novelle die Ziele und Grundsätze des BNatSchG unmittelbar galten. Durch die Novelle des BNatSchG hat der Regelungsbereich einerseits eine inhaltliche Aufwertung erfahren. Andererseits gelten nun in den Ländern zum Teil unterschiedliche Grundsatzkataloge. Den Weg einer wirklichen Stärkung des Naturschutzes durch die Vorgabe abwägungsfester Schutzpositionen in der Abwägung hat keine Landesregierung betreten. 6.1.2.2 Biotopverbund Die Einführung eines Biotopverbunds auf 10 Prozent der Bundesfläche ist eine zentrale Innovation der BNatSchG-Novelle und von vielfältiger Seite als grundlegende Neuerung des Bundesnaturschutzrechts gewürdigt worden (vgl. Kap. 4.4.2.2). Allerdings haben lediglich vier der sieben hier untersuchten Länder eine angemessene Umsetzung der Rahmenvorgaben des BNatSchG vorgenommen, nämlich Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Schleswig-Holstein. In Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ist dagegen eine Minimalumsetzung vollzogen worden bzw. vorgesehen, die wesentliche Vorgaben des BNatSchG ignoriert. Die Pflicht zur dauerhaften rechtlichen Sicherung haben nur Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein berücksichtigt. Die Pflicht zur länderübergreifenden 218
Die Flächenbevorratung für Naherholungszwecke ist in fünf Landesnaturschutzgesetzen vollständig umgesetzt worden. Der Grundsatz der Vereinbarkeit von Naturschutz und Windenergie ist nur von drei Ländern übernommen worden. Ein Umsetzungsdefizit zeigt sich für den frühzeitigen Informationsaustausch – diese Regelung ist ebenfalls von nur drei Ländern übernommen worden (vgl. Tabelle 6.2).
208
Abstimmung ist ebenso nur in drei Bundesländern - Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt - adaptiert worden (vgl. Tabelle 6.2). Die Bundesregierung hat sich bei der rechtlichen Ausgestaltung des Biotopverbunds zurückgehalten. Umso wichtiger ist die konkretisierende Ausführung auf Landesebene (vgl. Kap. 5.1.2.1.1). Hiermit halten sich indes auch alle Länder zurück (vgl. Tabelle 6.2). 219 Nun kann die konkrete Umsetzung einerseits nicht allein über das Gesetz festgelegt werden. Die vielfach festzustellende Delegierung dieser Aufgabe an die untergesetzliche Regelungsebene ist nachvollziehbar. Andererseits ist fraglich, ob die Detailarbeit auf Verwaltungsebene ohne halbwegs “harte“ gesetzliche Vorgaben zu Verfahren, Fristen und Zuständigkeiten tatsächlich gelingen kann oder ob hier nicht das politische Konfliktpotenzial wieder eine Stufe weitergereicht wird. Im Rahmen der LANA sind Vorarbeiten zu den Bestandsteilen des Verbunds geleistet worden (Blab 2004 m.w.N.). Inwieweit diese dann tatsächlich eine konkrete Anwendung in der Praxis finden, ist eine offene Frage. Dies gilt insbesondere für die unionsregierten Bundesländer im Untersuchungssample, welche diese Vorgabe stets abgelehnt haben.
SH
SL
Umsetzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Übernahme der Zielbestimmungen + + + + Übernahme der quantitativen Mindestgröße + + Übernahme der Definition der Bestandteile + (+) + (+) Übernahme der Bestimmungen zur rechtlichen Sicherung + + Regelung der länderübergreifenden Abstimmung + + Verknüpfung mit Natura 2000 + + Ergänzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Ordnungsrechtlicher Schutz der Kernflächen Aufnahme der Ausweisung von Entwicklungsflächen Ausweisung der Flächen in der Raumplanung + Befristung der Fertigstellung des Biotopverbunds Monitoring- und Berichtspflichten Behördliche Zuständigkeiten für Erhebung und Auswahl + Behördliche Zuständigkeiten für Ausweisung, Pflege und (+) Kontrolle Regelung der Finanzierung Verzahnung mit der Landschaftsplanung + + Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe
SA
RP
NRW
HE
Umsetzung der Vorgaben zum Biotopverbund in den Ländern BB
Tabelle 6.2:
+ + + -
+ + + + +
+ + + (-) +
-
+ + -
-
+
(+) +
+
Zwar verlangt § 3 BNatSchG den Ländern nicht wirklich bedeutsame Anstrengungen bei der Neuausweisung von Gebieten ab; sogar Landschaftsschutzgebiete können einbezogen werden. Zumeist gehen die Länder auch davon aus, dass keine größeren Neuausweisungen 219
Das LNatSchG SH enthält allerdings hervorhebenswerte Regelungen zur Ausweisung von Entwicklungsflächen und zur Verkopplung mit der Raumordnung
209
nötig sein werden. Vielfach resultiert die Zurückhaltung, gerade in unionsregierten Ländern, aber aus der Befürchtung, die Naturschutzbehörden könnten ein weiteres Instrument zur Einschränkung von Landnutzungen erhalten. Die Regelung des bundesweiten Biotopverbunds ist eine bedeutende Weiterentwicklung des Bundesnaturschutzrechts. Allerdings zeigen sich hier die Grenzen der Strategie der Bundesregierung besonders deutlich: Das Instrument ist zwar eingeführt, die Länder können aber nicht wirklich auf die Einhaltung und Ausfüllung der Vorgaben verpflichtet werden. Eine Nicht-Umsetzung, wie etwa in Hessen, zeitigt keine negativen Folgewirkungen (vgl. Tessmer 2002). Die praktischen Impulse in diesem Bereich setzt die FFH-Richtlinie. 6.1.2.3 Gute Fachliche Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft Ähnlich wie die Regelungen zum Biotopverbund waren die Neuregelungen auch in diesem Bereich zwischen Regierungskoalition und Opposition umstritten. Dem Auftrag des BNatSchG zur Regelung eines Härteausgleichs und Entschädigungszahlungen für naturschutzbedingte Einschränkungen von Landnutzern sind alle Landesregierungen nachgekommen. Die Notwendigkeit liegt in diesem Fall allerdings auf der Hand - keine Landesregierung kann auf eine funktionale Regelung verzichten ohne nicht größere politische und wirtschaftliche Kosten in Kauf zu nehmen (vgl. Tabelle 6.3). 220 Für die Umsetzung der übrigen Vorschriften dieses Regelungsbereichs ist dagegen nur eine gemischte Bilanz festzustellen. Der am weitesten gehende Fall ist die Novelle des HENatG: Die hessische Landesregierung hat die Vorschriften zur Guten Fachlichen Praxis und zur Aufrechterhaltung einer regionalen Mindestdichte von Vernetzungselementen bewusst nicht umgesetzt. Alle übrigen analysierten Landesnaturschutzgesetze setzen den bundesrechtlichen Mindestrahmen mehr oder minder wortgleich um oder verweisen auf diesen (vgl. Tabelle 6.3). Allerdings verzichten die Länder weitgehend auf eine weitere gesetzliche Präzisierung und Ergänzung der bundesrechtlichen Vorschriften. So findet sich eine quantitative Feststellung der Mindestdichte von Vernetzungselementen in keinem der Gesetze. Auch weitere Anreize zur Schaffung von Vernetzungselementen, etwa über Förderungsauflagen, haben bisher keinen Eingang in das Landesrecht gefunden. Eine naturräumliche Festsetzung von Vernetzungselementen ist ebenso nicht durchgängig normiert wie die Regelung von behördlichen Zuständigkeiten. Schleswig-Holstein und Brandenburg heben sich durch die partielle Ergänzung des bundesrechtlichen Rahmens hervor (vgl. Tabelle 6.3).
220
Die Grenze für Entschädigungen wird unterschiedlich definiert: In Hessen haben Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft einen Anspruch auf Entschädigung bereits bei Einschränkungen, die der Guten Fachlichen Praxis nach Bundesrecht entsprechen. Auch in Sachsen-Anhalt findet sich eine großzügige Regelung. In Schleswig-Holstein und in Brandenburg, gelten dagegen strengere Vorgaben.
210
NRW
RP
SL
SA
SH
Umsetzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Regelung der Ausgleichszahlungen Feststellung der regionalen Mindestdichte Definition regionaler Vernetzungselemente Vorgabe zur Schaffung von Vernetzungselementen bei Unterschreiten der Mindestdichte Übernahme der Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis in der Landwirtschaft Übernahme der Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis in der Forstwirtschaft Übernahme der Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis in der Fischereiwirtschaft Umsetzung der ergebnisoffenen Prüfpflicht zu Gunsten des Vertragsnaturschutzes Ergänzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Quantitative Feststellung der Mindestdichte (bis zu 5 Prozent der Landesfläche) Naturräumliche Festsetzung von Vernetzungselementen Regelung der behördlichen Zuständigkeiten Schaffung von Vernetzungselementen Ergänzung der Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis Regelung von Sanktionen bei Nichteinhaltung
HE
Umsetzung der Guten Fachlichen Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft BB
Tabelle 6.3:
+ + -
+ X X X
+ + -
+ -
+ + -
+ + + -
+ + + +
+
X
+
+
+
+
+
+
X
+
(-)*
+
+
(-)*
+
X
+
+
+
+
+
+
-
+
-
-
-
-
-
X
-
-
-
-
+
+
X
+
-
+
-
-
+ (+)
X X X
-
-
(+) (+)
(-)
(-)
-
X
-
-
-
-
(+)
* Verweis, dass sich die Anforderungen aus dem jeweiligen Fachrecht ergeben. Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe
Die Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis erfolgt durch wortgleiche Übernahme bzw. im Fall des saarländischen Vorschlags durch Verweis. Mit der (eingeschränkten) Ausnahme des BbgNatSchG und des Entwurfs des LNatSchG SL machen die Länder keinen Gebrauch von der Möglichkeit, weitere Grundsätze zu normieren oder die vorgegebenen Grundsätze zu konkretisieren oder zu verschärfen, sondern verweisen die Aufgabe an das untergesetzliche Regelwerk (vgl. § 3b Abs. 5 LNatSchG SH, § 28 Abs. 1 und 2 LNatSchG SLE). Positiv ist zunächst festzuhalten, dass die Länder die neuen Vorgaben des BNatSchG übernehmen. Allerdings erlaubt die 1:1-Übernahme in Landesrecht noch keine Schlussfolgerung, inwieweit sich hierdurch tatsächliche Impulse für eine weitere naturverträgliche Ausgestaltung der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergeben. Hier ist insbesondere die weitere Präzisierung von Standards auf der untergesetzlichen Ebene abzuwarten. Die untergesetzliche Präzisierung weist den Vorteil höherer Flexibilität auf, da Anpassungen der Vorgaben nicht an
211
die Notwendigkeit einer Gesetzesnovelle gebunden sind. 221 Der Verzicht auf weitere konkretisierende Vorgaben in den Landesnaturschutzgesetzen macht diese Aufgabe aber nicht leichter. Die Naturschutzverbände haben deshalb immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, zusätzliche Richtungssicherheit durch Normierung zusätzlicher Vorgaben im Landesrecht zu schaffen. Da die Länder zudem darauf verzichten, Sanktionsmöglichkeiten für den Fall der Nicht-Einhaltung der Grundsätze zu regeln, sind Vollzugsdefizite zu erwarten. Ob das Landwirtschaftsministerium eine angebrachte untergesetzliche Konkretisierung vornehmen wird, wie dies in Sachsen-Anhalt vorgesehen ist, bleibt ebenfalls abzuwarten. Mehrheitlich eklatante Mängel zeigen sich für die Umsetzung der Vorgaben zum Vertragsnaturschutz. Entsprechend ihrer Position in den Verhandlungen des BNatSchG haben die CDU-geführten Länder Hessen, Saarland und Sachsen-Anhalt in ihren Naturschutzgesetzen einen generellen Vorrang von kooperativen Vertragslösungen vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen normiert; dies gilt auch für das sozialdemokratisch regierte Rheinland-Pfalz. Diese Regelung steht in Widerspruch zur ergebnisoffenen Prüfpflicht nach §8 BNatSchG. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat dagegen gar keine Prüfpflicht normiert und stellt die Wahl der Mittel den Behörden frei. 6.1.3
Planerische Grundlagen
6.1.3.1 Umweltbeobachtung Die Mehrzahl der untersuchten Länder hat den ohnehin vage gehaltenen Rahmen des BNatSchG nicht vollständig übernommen (vgl. Tabelle 6.4). Hessen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sehen von einer klaren gesetzlichen Verankerung entsprechend der Vorgaben des § 12 BNatSchG ab. Eine dem Wortlaut des BNatSchG folgende Umsetzung ist nur für das BbgNatSchG zu konstatieren. Der Entwurf zum LNatSchG SL leistet noch die beste Konkretisierung. Eine Pflicht zur kontinuierlichen Auswertung ist ansonsten nur im BbgNatSchG geregelt. Die Novelle des LNatSchG hat kein Land zur ergänzenden Umsetzung der Vorgaben der Aarhus-Konvention genutzt. Eine formelle Benennung von Zuständigkeiten enthalten fünf Landesnaturschutzgesetze. Vorgaben zur Finanzierung und zur Verfügbarkeit von Informationen sind in keinem Landesgesetz geregelt (vgl. Tabelle 6.4). Die Zurückhaltung der Länder lässt nicht erwarten, dass alsbald wesentliche Fortschritte bei der Zusammenführung und Erweiterung der Informationssysteme von Bund und Ländern zu einer allgemeinen Umweltbeobachtung zu erwarten sind (vgl. Herbert 2002).
221
Fraglich ist in dem Zusammenhang, ob die Übertragung dieser Aufgabe an die landwirtschaftlichen Fachbehörden ohne Einbezug der Naturschutzbehörden eine angemessene Lösung ist: Fachfremde Ressorts tendieren in der Regel zu einer schwachen Selbstregulierung (vgl. Jacob und Volkery 2004, OECD 2003).
212
RP
SL
SA
+ +
(+)* -
+ +
+ -
+ -
+ -
(+)** -
+ + -
-
+ (+) + -
+ -
+ + + -
-
+ -
SH
NRW
Umsetzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Einrichtung einer Umweltbeobachtung Abstimmung mit den Behörden des Bundes Ergänzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Regelung des Aufbaus Regelung der Zuständigkeiten Regelung einer regelmäßigen Berichtspflicht Regelung einer kontinuierlichen Auswertung Regelung der Finanzierung Enge Verzahnung mit anderen Planungen Umsetzung der Vorgaben der Aarhus-Konvention
HE
Umsetzung der Vorgaben zur Umweltbeobachtung BB
Tabelle 6.4:
* ergibt sich indirekt aus der Grundsatzregelung, keine eigenständige Nennung ** ergibt sich indirekt aus der Regelung von Zuständigkeiten, keine eigenständige Nennung Quelle: Eigene Darstellung auf der Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe
6.1.3.2 Landschaftsplanung Die flächendeckende Ausgestaltung der Landschaftsplanung war in den Verhandlungen zur BNatSchG-Novelle zwischen Bundesregierung und Opposition umstritten. So befürchteten die unionsregierten Länder u.a. personelle Mehrbelastungen (vgl. Kap. 4.5.2.2). Erstaunlich ist insofern, dass bis auf Rheinland-Pfalz die hier analysierten Länder die wichtigen Neuregelungen zur Landschaftsplanung aufgegriffen haben (vgl. Tabelle 6.5). Die Novelle des BNatSchG entfaltet also durchaus Modernisierungsimpulse, insbesondere hinsichtlich der Vorgaben zu den Mindestinhalten und zur flächendeckenden Umsetzung. Die weitergehende Präzisierung der Mindestinhalte ist dagegen nur punktuell angegangen worden. Die Ausnahme ist das LNatSchG SH, das weitere Mindestinhalte, eine prozedurale Verknüpfung mit der Gesamtplanung, eine Pflicht zur Fortschreibung und eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht. Auch das HENatG enthält weitergehende Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung und zur Verknüpfung mit der Eingriffsregelung. Ebenfalls sind im BbgNatSchG, im LNatSchG SL-E und im LNatSchG SH einzelne ergänzende Vorgaben normiert worden (Kap. 5.6, 5.14 und 5.17). Insgesamt suchen die Länder die rechtliche Konkretisierung in diesem Teilgebiet aber so niedrig wie möglich zu halten. Tabelle 6.5 verdeutlicht, dass die Verzahnung der Landschaftsplanung mit anderen Instrumenten nur sehr bedingt vorgenommen wird. Dies gilt vor allem für die Verknüpfung mit der Umweltbeobachtung und der SUP. Die Länder verzichten darauf, die Landschaftsplanung als Ausgangspunkt für die Integration der SUP in das Umwelt- und Naturschutzrecht zu nutzen, gleichwohl die Landschaftsplanung einen Großteil der Vorgaben abdecken kann (vgl. Wilke und Schiller 2002, von Haaren et al. 2000). Die Länder blenden zudem den Regelungsbereich „Qualitätssteigerung“ weitgehend aus. Lediglich die Definition einheitlicher inhaltlicher Standards wird aufgrund der Vorgaben des BNatSchG angegangen. Andere, über den 213
Bundesrecht hinausgehende und in der Verwaltungskompetenz der Länder liegende Bereiche der Qualitätssteigerung werden dagegen nicht geregelt, wie etwa regelmäßige Qualitätskontrollen, Qualifikationskriterien für die Auftragsvergabe oder Qualifizierungsprogramme für Personal (Reinke 2002, Gruehn und Kenneweg 1998).
SH
SA
Umsetzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Übernahme des Flächendeckungsprinzips + + (+) Übernahme der Fortschreibungspflicht + (+) Übernahme der Pflicht zur + + länderübergreifenden Abstimmung Übernahme der bundesrechtlichen Mindestinhalte + + + + Übernahme der Ausnahmeregel + des Flächendeckungsprinzips Regelung der Berücksichtigungspflicht + + + + in anderen Fachplanungen Verknüpfung mit FFH-Verträglichkeitsprüfung Verknüpfung mit Biotopverbund + + + Ergänzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Ergänzung der Mindestinhalte + Anknüpfung an die räumliche Gesamtplanung Konkretisierung der Begründungsund Ausnahmeregeln Fortschreibung der Landschaftspläne entsprechend der Fortschreibung der Flächennutzungspläne Regelung der Öffentlichkeitsbeteiligung + Verknüpfung mit der Eingriffsregelung: Abbil+ dung von Ausgleichs- und Ersatzflächen Verknüpfung mit der Umweltbeobachtung Einführung einer Qualitätskontrolle Verknüpfung mit der und Anpassung an die SUP-Richtlinie Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe
SL
RP
NRW
HE
Umsetzung der Vorgaben zur Landschaftsplanung BB
Tabelle 6.5:
+ + -
+ + +
+ + +
+ +
+ +
+ +
+
(+)
+
+ +
+ +
+ +
+ + -
-
+ + +
+
-
+
-
-
+ -
-
-
-
6.1.4 Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft Im Entscheidungsprozess zur BNatSchG-Novelle war die Neuregelung der Eingriffsregelung nicht sonderlich umstritten. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die analysierten Landesgesetze die Neuregelungen weitgehend übernehmen. Eine Ausnahme stellt die Novelle des HENatG dar (vgl. Tabelle 6.6). Das BNatSchG sieht vor, die Flexibilisierung der Abwägung von Ausgleich und Ersatz durch eine bessere rechtliche Sicherung und Kontrolle der Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu kompensieren. Diese Intention nehmen insbesondere die unionsregierten Bundesländer nicht auf – sie flexibilisieren zwar die Ein214
griffsregelung, stärken aber nicht den Vollzug und die Kontrolle. Die sachsen-anhaltinische Landesregierung verzichtet z.B. auf die Pflicht zur dauerhaften Sicherung der Flächen, auf denen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchgeführt werden. Die hessische Landesregierung kehrt darüber hinaus die gesamte “Philosophie“ des Instruments um und macht aus der Eingriffsregelung de facto ein Genehmigungsinstrument (vgl. Kap. 5.9.3.3).
Umsetzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Übernahme des erweiterten Geltungsbereichs + + + + + Neuordnung des Abwägungs- und Folgenbewälti+ + + + gungsprogramms Verschärfung der Abwägungsregel für Vorhaben, + + + die streng geschützte Einzelbiotope beeinträchtigen + + + + Ausnahme der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft entsprechend der Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis Rückholklausel bei vertraglichen Vereinbarungen + + + + + Sicherung der Durchführung von Maßnahmen + + + + Pflicht zur Berücksichtigung der Landschaftspla+ + + (+) nung Ergänzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Konkretisierung von Rechtsvorschriften (+) (-) (+) Regelung von Ersatzzahlungen + + + + + Einführung von Flächenpools + + + + + Einvernehmensregelung für den Vollzug (+) + Befristung der Fertigstellung von Maßnahmen + + Qualitätskontrolle von Maßnahmen + (-) Verknüpfung mit regionaler Mindestdichte von Vernetzungselementen und Biotopverbund Verknüpfung mit UVP + + + + Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe
SH
SA
SL
RP
NRW
HE
BB
Tabelle 6.6: Umsetzung der Vorgaben zur Eingriffsregelung
+ +
+ +
+
+
+
+
+ +
+ + +
(+) + + -
+ + + + + + -
+
+
Das schleswig-holsteinische Landesnaturschutzgesetz sieht als einziges Gesetz weit reichende Ergänzungen für die Eingriffsregelung vor (vgl. Tabelle 6.6): So bindet es alle Entscheidungen im Genehmigungsverfahren an die Notwendigkeit des Einvernehmens mit der Naturschutzbehörde. Auch das BbgNatSchG geht mit einer Einvernehmensregelung im Vollzug der Eingriffsregelung über das BNatSchG hinaus, doch ist diese durch den Verzicht ihrer Geltung für Planfeststellungsbeschlüsse, für die eine Konzentrationswirkung nach § 75 VwVfG für Brandenburg gilt, deutlich abgeschwächt worden (vgl. Kap. 5.6.3.3). Auch der saarländische Entwurf sieht eine Einvernehmensregelung vor. In allen Landesnaturschutzgesetzen ist der Gebrauch von Ersatzzahlungen und von ÖkoKonten geregelt worden, wobei die Ausgestaltung der Öko-Konten im Detail stark differiert: 215
Während der Entwurf zum LNatSchG SL relativ strikte Bedingungen für die Anrechnung von Maßnahmen trifft, ermöglichen das LNatSchG SA und das HENatG eine eher umstandlose Nutzung von Ökopunkten zur Kompensation von Eingriffsfolgen, ohne auf einen funktionellen oder sachlichen Zusammenhang abzustellen. Dies birgt die Gefahr einer wenig sachgemäßen Folgenkompensation. Ein weiteres Charakteristikum der Länderumsetzung ist die Beschleunigung von Eingriffsvorhaben. Zu diesem Zweck normieren die Gesetze Brandenburgs, Hessens, Sachsen-Anhalts und der Entwurf der saarländischen Regierung so genannte Genehmigungsfiktionen.222 Für die praktische Naturschutzarbeit sind weit reichende Auswirkungen zu erwarten, wenn größere Eingriffsvorhaben ohne ausreichende Personalausstattung in einem kurzen Zeitraum zu prüfen sind. Weiterhin werden zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung und –beschleunigung einzelne Vorschriften gestrichen.223 6.1.5 Besonderer Schutz von Natur und Landschaft Auch die Neuregelungen im Gebietsschutz waren in den Beratungen zur BNatSchG-Novelle kaum umstritten. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass die Vorgaben zum Umgebungsschutz und zur Zonierung von Schutzgebieten von der überwiegenden Mehrheit der untersuchten Länder umgesetzt worden sind - nur der saarländische Gesetzentwurf verzichtet auf diese Regelungen (vgl. Tabelle 6.7). Auch die Vorgaben zur Stärkung des Entwicklungsprinzips und des Prozessschutzes in Großschutzgebieten sind in allen Landesnaturschutzgesetzen adaptiert worden – mit Ausnahme des hessischen Naturschutzgesetzes. 224 Die Ergänzung des bundesrechtlichen Rahmens findet dagegen wiederum nur punktuell statt. So wird auf die Notwendigkeit einer Erfolgskontrolle von Schutzgebieten in der naturschutzfachlichen Debatte seit langem hingewiesen (vgl. Ssymank et al. 1998). Bislang enthält nur das LNatSchG SH eine Pflicht zur Erfolgskontrolle von Naturschutzgebieten und regelt auch als einziges Gesetz ausführlich den Vollzug der Schutzgebietsverordnungen und Biotopschutzvorschriften. Dennoch ist es durch die Novelle des BNatSchG allgemein zu einer Verbesserung der Regelungen des Gebietsschutzes auf Landesebene gekommen. Hier sind die Modernisierungs-
222
223
224
Danach gelten Vorhaben als genehmigt, wenn Naturschutzbehörden nicht innerhalb einer bestimmten Zeit Einspruch einlegen Mehrheitlich gilt hierfür eine Zeitspanne von einem Monat. Dies betrifft vor allem die Freistellung von Vorhaben vom Geltungsbereich, die nicht immer einsichtig ist. In Hessen und Sachsen-Anhalt wird dies ergänzt durch einen verkürzten Katalog von Eingriffsvorhaben, die der Überprüfung bedürfen, der wesentliche Umweltauswirkungen außer Acht lässt. Vielfach werden Regelungen gestrichen, deren Streichung in der Einzelbetrachtung wenig spektakulär ist, die sich in der Summe aber dennoch zu einem durchaus erheblichen Regelabbau akkumulieren. Beispiele hierfür sind etwa die Streichung des Ausgleichsflächenkatasters in Brandenburg, die Quasi-Legalisierung von unrechtsmäßigen Eingriffen in Sachsen-Anhalt oder der Verzicht auf die Befristung der Fertigstellung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen oder den Mindestschutz in der wasserwirtschaftlichen Planung im Saarland. Einen positiven Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung stellt die beabsichtigte Technische Anweisung “Eingriffe“ im Saarland dar. Der Gesetzentwurf der saarländischen Landesregierung enthält keinen entsprechenden Nationalparkparagrafen, da im Saarland kein Nationalpark besteht.
216
impulse des BNatSchG aufgenommen worden, wenngleich diese auch nicht alle Defizite des Gebietsschutzes beheben.
RP
SL
SA
+ +
+ +
+ +
+ +
-
+ +
+ +
+ + +
(+)
+ + +
+ + (+)
(+) (+) +
+ + (+)
+ + +
-
-
-
-
-
-
+ -
+
-
-
-
+
-
+
(+)
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
(+)
-
-
SH
NRW
Umsetzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Einführung des Umgebungsschutzes Einführung der Zonierung von Schutzgebieten Stärkung des Entwicklungsprinzips Stärkung des Prozessschutzes Übernahme der Liste und des Schädigungsverbots direkt zu schützender Biotope Ergänzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Einführung einer Erfolgskontrolle Verzahnung des Gebietsschutzes mit anderen Instrumenten Ergänzung der Liste der zu schützenden Biotoptypen entsprechend regionaler Besonderheiten Konkretisierung verbotener Handlungen und Schädigungen Schutz großer unzerschnittener Räume
HE
Umsetzung der Vorgaben zum Gebietsschutz und zum Biotopschutz BB
Tabelle 6.7:
Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe
Die erweitere Liste der direkt und streng zu schützenden Biotoptypen nach § 30 BNatSchG ist in alle Landesnaturschutzgesetze übernommen worden, wobei die Länder teilweise von einer wortgleichen Adaption absehen, wenn die entsprechenden Biotoptypen in dem Land nicht vorkommen. Nicht alle Länder vollziehen eine Ergänzung der Liste um Biotoptypen, die von landesspezifischer Bedeutung sind; Hessen und Sachsen-Anhalt verzichten hierauf. Auch das BbgNatSchG und der LNatSchG SL-E ergänzen § 30 BNatSchG nur punktuell. Eine umfassendere Ergänzung findet sich im LNatSchG SH. Ein Manko der bisherigen Umsetzung in allen untersuchten Ländern ist der weitgehende Verzicht auf die Konkretisierung des Verbots von Maßnahmen, die zu einer Zerstörung bzw. sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung der streng zu schützenden Biotoptypen führen können. Lediglich das BbgNatSchG trifft hierzu einige, wenn auch nicht wirklich hinreichende Vorgaben (vgl. Tabelle 6.7). 225 Ein weiteres deutliches Manko ist, dass in
225
Die Umsetzung des BNatSchG hat dennoch zu einigen innovativen Regelungen geführt, etwa der angedachte Schutz großflächiger unzerschnittener Räume im Saarland, das Führen eines Naturschutzregisters und eines Naturschutzverzeichnisses für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Sachsen-Anhalt oder die Ausweisung von Naturentwicklungszonen in Naturschutzgebieten in Brandenburg.
217
mehreren Ländern vormals weitergehende Einzelvorschriften zum Gebiets- und Biotopschutz abgeschafft worden sind. 226 6.1.6 Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte und Klagebehelfe Die Naturschutzgesetze Brandenburg, Hessens, Sachsen-Anhalts, Saarlands und SchleswigHolstein folgen in ihren Bestimmungen zur Mitwirkung und Beteiligung von Naturschutzverbänden inhaltlich dem BNatSchG (vgl. Tabelle 6.8). Dabei verzichten Sachsen-Anhalt und das Saarland auf eine landesrechtliche Anerkennung, was kleine lokale Vereine, welche die Bedingungen des BNatSchG nicht erfüllen, grundsätzlich benachteiligt. Das sachsenanhaltinische Naturschutzrecht ist an dieser Stelle weitgehend dereguliert worden – die vormaligen Vorschriften zur Beteiligung der Verbände in allen Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren wurden gestrichen. In Hessen haben relevante Nutzergruppen dieselben naturschutzrechtlichen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte erhalten, was mit der Schaffung von „Waffengleichheit“ begründet worden ist, indes aber die ursprünglich schwächere Position der Naturschutzinteressen in Abwägungsprozessen weiter verfestigt.
RP
SL
SA
+
(+)
+
-
+
(+)
+
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
SH
NRW
Umsetzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Anpassung der Vorschriften an die bundesrechtlichen Vorgaben Ergänzung des bundesrechtlichen Mindestrahmens Ergänzung der Beteiligungsund Mitwirkungsrechte Erweiterung der Klagebehelfe von anerkannten Vereinen über den bundesrechtlichen Rahmen hinaus
HE
Umsetzung der Vorgaben zur Anerkennung, Beteiligung und Mitwirkung von Vereinen sowie derer Klagebehelfe BB
Tabelle 6.8:
Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe
Die bundesrechtliche Vereinsklage gilt unmittelbar für alle Länder. So dies als Fortschritt gewertet werden kann, besteht die Kehrseite der Medaille darin, dass Länder mit bislang weitergehenden Klagerechten die Umsetzung dazu genutzt haben, ihre landesrechtlichen Vorschriften auf das Rahmenrecht des Bundes zurückzustutzen. So haben Hessen und Sach226
So erlassen in Brandenburg die Naturschutzbehörden künftig nur noch Rechtsverordnungen für Schutzgebiete, nicht aber wie bisher Rechtsverordnungen, die Handlungen außerhalb von Naturschutzgebieten untersagen oder Landschaftsschutzgebiete oder Naturdenkmale einrichten. Diese Aufgabe obliegt künftig den Kreistagen bzw. Stadtverordnetenversammlungen. Ebenfalls gibt es nicht mehr die Pflicht zum Einvernehmen mit den Naturschutzbehörden bei Ausnahmen und Befreiungen in Großschutzgebieten (vgl. Kap. 5.6.3.6). Im Saarland hat das Umweltministerium bislang eine öffentliche Liste schutzwürdiger Biotoptypen zu führen und haben die Gemeinden diese Biotope in ihren Bebauungsplänen zu kennzeichnen. Diese Vorschrift soll nun abgeschafft werden. Die hessische Landesregierung hat die Liste der schutzwürdigen Biotope gekürzt und die Voraussetzungen für ihre Beeinträchtigung entschärft. Auch in Sachsen-Anhalt sind die Voraussetzungen für die Beeinträchtigung oder Zerstörung schutzwürdiger Biotope entschärft worden.
218
sen-Anhalt ihre Vorschriften abgeschafft und auch die saarländische Landesregierung beabsichtigt, die bisherigen landesrechtlichen Vorschriften zu streichen (vgl. Kap. 5.9.3.6, 5.14.3.6 und 5.16.3.6). Brandenburg und Schleswig-Holstein gehen ebenfalls nicht über den eingeschränkten Regelungsumfang des BNatSchG hinaus. Allerdings wäre der Rückbau von Beteiligungs- und Klagerechten von Naturschutzverbänden in einzelnen Bundesländern mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin von statten gegangen. Die Novelle des BNatSchG bot aber die Möglichkeit, den Rückbau als Anpassung an das Bundesrecht zu verkaufen. 6.1.7 Zwischenbilanz Damit ergeben sich für die einzelnen Regelungsbereiche folgende Befunde (vgl. Tabelle 6.9):
Eine vollständige bzw. fast vollständige Umsetzung (sechs bis sieben Länder) haben die folgenden Regelungsbereiche gefunden: Ziele und Grundsätze, Eingriffsregelung. Eine mehrheitliche Umsetzung (mehr als die Hälfte aller Länder) haben die folgenden Regelungsbereiche gefunden: Gute Fachliche Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, Umweltbeobachtung, Landschaftsplanung227, Gebietsschutz und Biotopschutz, Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte. Eine schlechte Umsetzungsbilanz (die Hälfte oder weniger als die Hälfte aller Länder) findet sich für die folgenden Regelungsbereiche: Biotopverbund, Schutz von Vernetzungselementen, Vertragsnaturschutz.
Es bleibt hinzuzufügen, dass mehrere Bundesländer mit der Novellierung der Landesnaturschutzgesetze die Rechte ehrenamtlicher Naturschutzbeiräte sowie anderer Gremien beschnitten haben. Über die Umsetzung des bundesrechtlichen Rahmens hinaus sind die Länder zur Ausfüllung und Ergänzung der Vorgaben des BNatSchG verpflichtet. Dieser Weiterentwicklungsbedarf fällt allerdings je nach Regelungsbereich unterschiedlich aus. Hoch ist er für die Bereiche Biotopverbund, Gute Fachliche Praxis und Umweltbeobachtung. Tabelle 6.9 verdeutlicht, dass die Länder von einer umfassenden Ergänzung und Konkretisierung des Bundesnaturschutzrechts Abstand nehmen. Einzelne, zumeist inkrementelle Ergänzungen finden sich zwar für alle Regelungsbereiche. Von einem wirklichen Innovationswettbewerb um die beste gesetzliche Konkretisierung kann aber nicht die Rede sein. Es ist jeweils eine Minderheit der Länder, die punktuell weitergehende Regelungen trifft (vgl. Tabelle 6.9). Die am weitest gehenden Bemühungen um eine konkretisierende und ergänzende Regulierung finden sich für das Instrument der Eingriffsregelung. Hier hat die Mehrheit der Länder aber nicht so sehr 227
Als adäquat kann eine Umsetzung der Vorgaben zur Umweltbeobachtung eigentlich nur gelten, wenn sie die vagen Vorgaben des § 12 BNatSchG tatsächlich konkretisiert. Eine reine 1:1-Umsetzung bleibt relativ folgenlos. Bei der Landschaftsplanung sind dagegen die wichtigsten Vorgaben in der überwiegenden Mehrzahl der Länder adaptiert worden, nicht aber eben alle Vorgaben.
219
die Stärkung des Instruments im Auge, sondern die Flexibilisierung zu Zwecken der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsvorhaben. Tabelle 6.9:
Neuregelungen und Politikwandel im BNatSchG und Grad der Adaption und Ergänzung im Landesnaturschutzrecht der sieben analysierten Bundesländer Neuregelung im BNatSchG
Politikwandel im BNatSchG1
Zielkatalog Grundsätze
1. Grad 1. Grad
6 6
1 1
1
2
Biotopverbund Schutz von Vernetzungselementen Gute Fachliche Praxis Vertragsnaturschutz
2. Grad 2. Grad
3 1
1 1
0 0
1 3
2. Grad 2. Grad
4 2
2 -
0 5*
2 0
Planerische Grundlagen
Umweltbeobachtung Landschaftsplanung
1. Grad 1. Grad
2 4
5 1
1 1
3 3
Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft
Eingriffsregelung
2. Grad
6
1
2
5
Besonderer Schutz von Natur und Landschaft
Gebietsschutz
1. Grad
5
1
1
-
Biotopschutz
1 Grad
4
3
-
3
1. Grad
4
2
-
-
2. Grad
-**
-
-
-
Regelungsbereich
Allgemeine Vorgaben
Mitwirkungs-, Mitwirkung Beteiligungs- und Beteiligung und KlageVerbandsklage rechte
AdopErgänzuntion gen im (Anzahl Landesrecht Länder) (Anzahl Länder)
Einzelne Ergänzungen
1
siehe zu den Kategorien des Politikwandels Kap. 2 Dies betrifft die Privilegierung des Vertragsnaturschutzes vor dem Ordnungsrechts, die eine ergänzende Vorgabe darstellt, die allerdings nicht mit dem Rahmen des BNatSchG übereinstimmt. Nur zwei Länder haben die Vorgabe des BNatSchG korrekt umgesetzt und vier Länder kehren sie um. ** Die bundesrechtliche Vereinsklage gilt unmittelbar. Quelle: Eigene Zusammenstellung auf Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe *
6.2
Ranking der Bundesländer nach ihrer Umsetzungsbilanz
Insgesamt sind im Rahmen dieser Arbeit 45 Neuregelungen des Bundesnaturschutzrechts analysiert worden. Eine einfache Zählung, bei der die in Kap. 6.1 präsentierten Tabellen für die einzelnen Regelungsbereiche dahingehend ausgewertet werden, welche Vorgaben von welchen Ländern vollständig (attestiert in Form eines Plus-Zeichens in den Tabellen) umgesetzt worden, ergibt, dass Brandenburg die beste Bilanz bei der 1:1-Umsetzung aufweist. Hier sind 38 von 4 Neuregelungen in einem 1:1 Verhältnis umgesetzt worden (vgl. Tabelle 6.10). Dicht 220
folgen Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Rheinland-Pfalz, das Saarland und Sachsen-Anhalt bilden mit Abstand dahinter eine Mittelgruppe, während Hessen weit abgeschlagen auf dem letzten Platz rangiert (vgl. Tabelle 6.10). Wie mehrfach betont, ist die 1:1-Umsetzung allerdings allein nicht ausreichend. Was die Frage betrifft, wie die Länder hinsichtlich der Konkretisierung und Verschärfung einzelner Regelungsbereiche des BNatSchG abschneiden, dann ergeben sich Veränderungen in der Rangfolge (vgl. Tabelle 6.11): Im Rahmen dieser Arbeit sind 48 Möglichkeiten der Konkretisierung und Verschärfung des BNatSchG betrachtet worden. Schleswig-Holstein hat mit 20 von 48 Konkretisierungen die meisten Konkretisierungen vorgenommen, vielfach auch in qualitativer Hinsicht. Mit etwas Abstand folgen Brandenburg und das Saarland. NRW rangiert im Mittelfeld. Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt belegen mit Abstand die letzten Plätze. Insgesamt präzisiert Tabelle 6.11 die Zurückhaltung der Länder bei der weiteren Ergänzung und Konkretisierung des bundesrechtlichen Rahmens. Tabelle 6.10:
Vergleichende Analyse der 1:1-Umsetzung des BNatSchG in sieben Bundesländern
Ziele
Grundsätze
Biotopverbund
Gute Fachl. Praxis
Umweltbeob.
Landschaftsplanung
3 3 3 3 3 0 3 2
5 5 2 5 1 2 3 0
6 6 5 6 3 4 1 1
8 6 6 6 6 5 3 0
2 2 1 2 1 1 1 0
8 6 8 3 7 7 8 4
Gesamt BB SH NRW SA SL RP HE
GebietsEinschutz griffsregelung 7 7 7 7 6 6 6 2
5 5 5 5 4 1 4 2
Mitwirkung
Gesamt
1 1 1 1 0 1 0 0
45 38 35 35 28 27 26 9
Quelle: Eigene Zusammenstellung auf Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe Tabelle 6.11: Ziele
Vergleichende Analyse der ergänzenden Konkretisierungen des BNatSchG in sieben Bundesländern Grundsätze
Biotopverbund
Gute Fachl. Praxis
Umweltbeob.
Landschaftsplanung
EinGebietsgriffsschutz regelung
Mitwirkung
Gesamt 0 2 9 6 7 9 8 5 2 SH 0 1 3 1 1 5 7 2 0 BB 0 0 2 2 2 1 5 1 0 SL 0 0 1 1 3 3 3 1 0 NRW 0 0 2 1 2 0 3 0 0 HE 0 0 0 0 0 2 3 0 0 RP 0 0 0 0 1 0 3 0 0 SA 0 0 1 1 0 0 3 0 0 Quelle: Eigene Zusammenstellung auf Grundlage der vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe
Gesamt
48 20 13 12 8 5 4 4
221
Insgesamt ist die Umsetzung in Schleswig-Holstein als die am besten gelungene Umsetzung zu bezeichnen. Brandenburg schneidet ebenfalls recht gut ab; allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Landesregierung die Novelle auch genutzt hat, das Landesnaturschutzrecht in einigen Bereichen zu deregulieren, was in Schleswig-Holstein nicht erfolgt ist. 228 Die Novelle des nordrhein-westfälischen Landespflegegesetzes greift zwar wesentliche Aspekte der BNatSchG-Novelle auf, hält sich aber mit der Konkretisierung der einzelnen Regelungsbereiche zurück. Der saarländische Entwurf sieht dagegen eine unvollständige Umsetzung der Rahmenvorgaben vor (zu 60 Prozent), enthält allerdings viele sinnvolle Ergänzungen in ausgewählten Regelungsbereichen. Die Novellen der Landesnaturschutzgesetze in RheinlandPfalz und Sachsen-Anhalt berücksichtigen in etwa zwei Drittel der neuen Vorgaben des BNatSchG, schneiden in punkto Konkretisierung und Verschärfung aber sehr schlecht ab. Die Umsetzung in Hessen ist sowohl hinsichtlich der 1:1-Umsetzung als auch hinsichtlich der Konkretisierung unzureichend.
6.3
Einflussfaktoren der Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts auf Länderebene
6.3.1 Zentrale Einflussfaktoren In Kap. 5.1.1 sind als zentrale Einflussvariablen für die Bilanz des Umsetzungsprozesses die Eigenschaften des Mandats und die Ausprägung zentraler Koordinations- sowie Monitoringmechanismen benannt worden. Es wurde vermutet, dass die Besonderheiten des Umsetzungsmandats – größerer Ausgestaltungsbedarf im Detail bei gleichzeitig häufig nicht abschließender oder nur vager Ausformulierung von Vorgaben – eine kohärente Umsetzung erschweren. Ebenso wurde angenommen, dass sich das weitgehende Fehlen von zentralen Koordinierungs- und Monitoringmechanismen auf Bundesebene negativ auf die Erfolgsbilanz der Umsetzungsprozesse auswirken wird. Die Einzelanalyse der Länderumsetzungen und der Vergleich der Ergebnisse hat diese Vermutung weitgehend bestätigt. Vollständige Anpassungen sind in den Bereichen vorgenommen worden, in denen das Mandat klar formuliert war, in denen kein größerer Anpassungsbedarf stand und in denen die Neuregelungen auf weitgehende Zustimmung bei allen Akteuren stieß. Dies gilt für die Neuregelung der Ziele und Grundsätze im BNatSchG, aber auch für die grundlegende Neuregelung der Eingriffsregelung. Hier ergibt sich zwar ein höherer rechtlicher Anpassungsbedarf, gleichzeitig stößt die Neuregelung aber auch auf große Zustimmung und sind die Vorgaben zur Eingriffsregelung relativ konkret gefasst. In anderen Regelungsbereichen wie etwa der Landschaftsplanung oder dem Gebietsschutz haben die Länder keine vollständige, sondern eine weitgehende Umsetzung vorgenommen. In diesen 228
Dies betrifft vor allem die Rechte der Naturschutzbeiräte und die Verlagerung von Zuständigkeiten für die Verwaltung von Naturschutzgebieten.
222
Bereichen ist der rechtliche Anpassungsbedarf nicht sonderlich hoch. Dennoch sind einzelne Detailregelungen umstritten und dementsprechend haben einige Ländern keine Umsetzung vorgenommen. Für Regelungsbereiche, die sich durch einen höheren Anpassungsbedarf und eine ausfüllungsbedürftige Formulierung auszeichnen, ist dagegen eine inkonsistente Umsetzung zu verzeichnen, so der Biotopverbund oder der Schutz regionaler Vernetzungselemente, mit Abstrichen auch die Ausgestaltung der Guten Fachlichen Praxis. Die Mehrheit der Landesregierungen steht weiter reichenden Veränderungen im Landesnaturschutzrecht ablehnend gegenüber. Bis auf die Eingriffsregelung weisen alle Neuregelungen, die einen Politikwandel zweiter Ordnung intendieren, nur eine mittelmäßige bis schlechte Umsetzungsbilanz auf. Für die Neuregelung der Eingriffsregelung gilt, dass sie den Interessen an einer flexibleren Handhabung des Ausgleichs von Eingriffen entgegenkommt, in der Literatur aber mehrheitlich als eine Schwächung des Regelungsniveaus diskutiert wird (vgl. Gellermann 2002, SRU 2002). Der Grad der Konkretisierung der Vorgaben ist von hoher Bedeutung. Je weniger detailliert die Vorgaben sind und je größer der Spielraum einer Landesregelung ist, desto weniger wird das BNatSchG entsprechend seiner Regelungsintention umgesetzt. Diese Feststellung lässt sich an den Beispielen Gute Fachliche Praxis, Biotopverbund und Umweltbeobachtung besonders verdeutlichen. Die Betreiberstandards der Guten Fachlichen Praxis waren politisch sehr umstritten und sind dennoch in einer vergleichsweise detaillierten Form im BNatSchG ausgeführt worden. Sie erfahren in der Mehrzahl der Länder zwar keine ergänzende Präzisierung, aber immerhin eine 1:1-Umsetzung, sodass zumindest ein Mindestmaß an Konkretisierung auf Landesebene gewahrt ist. Die Vorgaben zum Biotopverbund erteilen den Ländern ein klares Mandat zur Errichtung eines Verbunds, lassen aber wichtige Detailregelungen relativ unbestimmt. Die entsprechende Regelungsintention ist nicht in allen Ländern aufgegriffen worden. Auch sind die Vorgaben zur Umweltbeobachtung im § 12 BNatSchG vage gehalten. Dies setzt sich nahtlos auf der Landesebene weiter fort: Die übergroße Mehrheit der Länder hat nicht einmal einen Auftrag zur Erstellung einer Umweltbeobachtung entsprechend der Zuständigkeiten von Bund und Ländern formuliert. Das Fehlen wirkungsvoller Koordinierungs- und Monitoringmechanismen auf Bundesebene, die geringe direkte Wirksamkeit der Vorgaben des BNatSchG aber auch die Abwesenheit von zentralen Sanktionsmechanismen vermögen einen Großteil der durchwachsenden Bilanz der Umsetzung, Konkretisierung und Ergänzung des BNatSchG erklären. Die Länder sind zwar verpflichtet, den gesetzlichen Rahmen des Bundes weiter zu konkretisieren. Doch eine kontinuierliche Beobachtung der Umsetzungsprozesse findet nicht wirklich statt und ein Fehlverhalten kann kaum geahndet werden. Der Bundesregierung fehlt ein effektives Druckmittel, wie es z.B. die Europäische Kommission mit der Möglichkeit der Sperrung von Struk-
223
turfondsgeldern im Fall der Nicht-Umsetzung der FFH-Richtlinie besitzt. 229 Mechanismen zur Beförderung von umfassenden Lern- und Transferprozessen greifen nicht wirklich. So hat z.B. die LANA eine zentrale Koordinierung bislang nicht wirklich leisten können. 6.3.2 Dezentrale Einflussfaktoren Der weitgehende Ausfall zentraler Koordinierungs- und Monitoringmechanismen und die weiten Handlungsspielräume des Umsetzungsmandats führen zu einer unzulänglichen Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Sie bedingen sie aber nicht. Die Ausprägung der dezentralen Einflussfaktoren ist zu näher analysieren, um das Umsetzungsverhalten erklären zu können. Hierfür sind in Kap. 5.1.1 unter Bezugnahme auf Kap. 2 die Akteurskonstellation, die politisch-institutionellen, die ökonomischen sowie die geographischen Rahmenbedingungen als wichtige Einflussfaktoren benannt worden. Sie sind für die Untersuchungszwecke dann unterschieden worden in Ministerialzuschnitt, Parteienkoalition, Stärke der Verbände, BIP pro Kopf und BIP-Wachstumsrate, Bedeutung der Agrarwirtschaft, Bevölkerungsdichte und Anteil großflächiger unzerschnittener Räume an der Gesamtfläche des Landes (vgl. Tabelle 5.1). Lässt sich das Umsetzungsverhalten der Länder mit Hilfe aller oder einzelner dieser Einflussfaktoren schlüssig erklären? Tabelle 6.12 (S. 221) fasst die Ausprägung der Einflussfaktoren für die untersuchten Länder - gelistet in der Reihenfolge der Güte ihrer Umsetzung – zusammen. In Kap. 5.1.3 wurde gefragt, ob Unterschiede in der Umsetzungsbilanz mit Unterschieden in der Ausprägung der Variablen “Anteil unzerschnittener Räume an der Gesamtfläche“ und “Bevölkerungsdichte“ verbunden sind. Tabelle 6.11 zeigt, dass dieses Muster nicht erkennbar ist:
229
230
Schleswig-Holstein und Brandenburg, die im Ranking vorne liegen, haben eine niedrige Bevölkerungsdichte. Eine niedrige Bevölkerungsdichte findet sich aber auch für Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz, die im Ranking hinten liegen. 230 Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen weisen einen niedrigen Wert für den Anteil großflächiger unzerschnittener Räume auf und haben trotzdem eine ordentliche Umsetzung vorgenommen. Sachsen-Anhalt, das einen vergleichsweise hohen Anteil großflächiger unzerschnittener Räume aufweist, hat dagegen keine vernünftige Umsetzung vorgenommen.
Angesichts der schleppenden Meldung von FFH-Schutzgebieten hatte die Europäische Kommission erstmalig im Frühjahr 2000 eine Auszahlungssperre für Mittel aus den Europäischen Strukturfonds angedroht. Dies betraf Gebiete, deren Bedeutung für den europäischen Naturschutz nicht beurteilt werden konnte (vgl. BMU 2000). In Folge hat sich die Meldepraxis der Bundesländer deutlich verbessert. Nordrhein-Westfalen als Land mit der höchsten Bevölkerungsdichte aller Bundesländer hat dagegen - trotz der hohen Flächenkonkurrenz - eine vergleichsweise ordentliche Umsetzung des BNatSchG vorgenommen.
224
Gleichfalls wurde in Kap. 5.1.3 danach gefragt, ob Unterschiede in der Bilanz der Anpassung des Landesnaturschutzrechts an das BNatSchG mit Unterschieden in der Ausprägung ökonomischer Variablen einhergehen. Auch hier sind keine deutlichen Unterschiede erkennbar (vgl. Tabelle 6.11):
Das BIP pro Kopf von Schleswig-Holstein, das im Ranking sehr gut abschneidet, ist mit dem BIP pro Kopf von Rheinland-Pfalz, das im Ranking schlecht abschneidet, fast identisch. Eine ähnliche Konstellation gilt auch für Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Auch bei den Zuwachsraten des BIP zeigt sich kein einheitliches Bild. Insgesamt blikken – mit Ausnahme der Länder Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt - alle Bundesländer auf eine schwierige wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre zurück, was eine Ursache der allgemeinen Zurückhaltung sein kann. Interessant ist allerdings, dass innerhalb der Ländergruppe beide Länder mit den niedrigsten Zuwachsraten beim BIP die beste Bilanz bei der Umsetzung des BNatSchG aufweisen, nämlich SchleswigHolstein und Brandenburg.
Unterschiede in der Umsetzungsbilanz lassen sich auch nicht mit dem organisatorischen Stärkegrad der Umweltverbände oder der wirtschaftlichen Bedeutung der Agrarwirtschaft begründen:
231
Zwar fällt die organisatorische Stärke der Umweltverbände unterschiedlich aus: In den westlichen Bundesländern (mit Ausnahme NRW) ist der Organisationsgrad der Umweltverbände doppelt so hoch wie in den untersuchten östlichen Bundesländern. Doch die Länder mit einem hohen Organisationsgrad sind zugleich an der Spitze des Rankings (Schleswig-Holstein) und ganz hinten (Rheinland-Pfalz und Hessen). Der Einfluss der Agrarwirtschaft scheint sich in erster Linie nach der Zusammensetzung und Positionierung der Landesregierung zu richten, nicht nach der wirtschaftlichen Bedeutung. 231 Der Einfluss der Agrarlobby ist weniger stark ausgeprägt in den Ländern, in denen Bündnis 90/Die Grünen an der Regierung beteiligt sind. Allerdings ist der Branche eine Verhinderungswirkung zuzuschreiben. Die Verschiebung der Konkretisierung der Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis auf die untergesetzliche Ebene in allen Ländern ist ein Indiz dafür, dass die Länder Konflikte minimieren wollen. Gleichzeitig zeigt sich eine landwirtschaftsfreundliche Umsetzung in den beiden Ländern, in denen die Agrarwirtschaft eine besonders wichtige Rolle spielt: Rheinland-Pfalz (Weinbau) und Sachsen-Anhalt (intensive Landwirtschaft).
So ist der Anteil der Agrarwirtschaft an der Bruttowertschöpfung in den beiden Ländern mit der besten Umsetzung – Schleswig-Holstein und Brandenburg – mit der höchste im Vergleich aller Länder.
225
Übrig bleiben die Analyse der politisch-institutionellen Rahmenbedingungen und die Analyse der Regierungskoalitionen auf Landesebene. Hierzu war in Kap. 5.1.3 einerseits gefragt worden, ob Länder, welche die ministeriellen Zuständigkeiten für Umwelt und Naturschutz sowie Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft zusammengelegt haben, besser abschneiden. Andererseits war angenommen worden, dass von der Opposition auf Bundesebene geführte Landesregierungen zu einer gegensätzlichen Umsetzungspraxis tendieren werden. Insgesamt zeigt sich hierzu folgendes (vgl. Tabelle 6.11):
226
Bis auf das Saarland haben alle Länder die Zuständigkeiten für Umwelt, Landwirtschaft und ländlichen Raum in einem Ministerium zusammengelegt. Von Einfluss scheint von daher nicht so sehr der Zuschnitt des Ministeriums zu sein, als die Parteizugehörigkeit der Amtsleitung: Die drei ersten Länder im Ranking weisen eine grüne Amtsleitung (Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen) bzw. eine sozialdemokratische Amtsleitung mit Umweltprofil (Brandenburg) auf. Die unionsgeführten Landesregierungen tendieren zu einer gegenläufigen Umsetzungspraxis. Die Bilanz für Hessen, Sachsen-Anhalt und das Saarland ist je nach Regelungsbereich durchschnittlich bis schlecht und beinhaltet auch den Abbau von Vorschriften und Standards. Andere unionsgeführte Landesregierungen haben bis heute keine ersichtlichen Anstrengungen für eine Anpassung des Landesnaturschutzrechts an die Vorgaben des BNatSchG unternommen. Dagegen tendieren die von SPD- bzw. von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gestellten Landesregierungen zu einer durchschnittlich besseren Umsetzungspraxis
9,30 1,27 5,00 3,02
24 606 18 245 23 507 32 056
26 643
1,1 2,3 2,16 1,23
1,67
0,93
0,99
BIP_Wach4 (in %, 2002-2004)
0,3 2,5 1,4 0,6
0,7
2,3
2,0
AG_BW5 (in %) Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft* Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Umwelt Landwirtschaft und Umwelt Umwelt und Forsten Umwelt, ländlicher Raum und Verbraucherschutz
MIN_Org.6
31,95 15,43 10,84
2,55
530
413 123 204 288
49,62
11,29
ANT_Raum8
87
179
BEV-Dichte7
Zusammensetzung der Regierungskoalition (2002-2005), 2: Anteil der Bevölkerung, die Mitglied von BUND oder NABU sind, 3: BIP je Einwohner im Jahr 2003, 4: Durchschnittliches Wachstum des BIP über die Jahre 2002-2004, 5: Anteil der Land- und Forstwirtschaft an der Bruttowertschöpfung (2004), 6: Zuschnitt des zuständigen Ministeriums, 7: Anzahl der Einwohner pro km2 (2004), 8: Anteil der unzerschnittenen Verkehrsarmen Räume in Prozent der Gesamtfläche des Landes (2003, die Stadtstaaten und das Saarland werden aufgrund ihrer geringen Flächengröße nicht gezählt); Die Angabe bezieht sich auf den Zuschnitt in der letzten Legislaturperiode; nunmehr lautet der Name “Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume“; Berücksichtigt nicht die jüngst erfolgten Regierungswechsel bei den Landtagswahlen.
CDU CDU/FDP SPD/FDP CDU/FDP
3,59
17 527
23 539
BIP_Kopf3 (in Euro)
Quellen: StaBuA 2005, Statistische Ämter der Länder 2005, BfN 2005, eigene Erhebungen (Internetrecherche der Ministerien).
* **
:
1
Saarland Sachsen-Anhalt Rheinland-Pfalz Hessen
SPD/Grüne***
1,12
SPD/CDU
NordrheinWestfalen
6,98
SPD/Grüne**
SchleswigHolstein Brandenburg
ORG_Ver2 (in %)
Überblick über die dezentralen Einflussfaktoren der Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts in sieben Bundesländern (Bezugsjahr 2003)
KOAL_Zu1
Tabelle 6.12:
Land
227
Dass dem kleineren Koalitionspartner Bedeutung zukommt, kann anhand der Unterschiede der Umsetzung in Nordhrein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verdeutlicht werden: Die SPD unter Clement/Steinbrück (Nordrhein-Westfalen) und Beck (Rheinland-Pfalz) verfolgt in beiden Ländern einen pragmatischen, industriefreundlichen Kurs. Dass die Umsetzung des BNatSchG in Nordrhein-Westfalen deutlich besser ausgefallen ist als in Rheinland-Pfalz, trotz besserer naturräumlicher Bedingungen in Rheinland-Pfalz, hängt zu einem Großteil damit zusammen, dass die Bündnisgrünen als Koalitionspartner in Nordrhein-Westfalen für eine anspruchsvolle Novelle gestritten haben, während die FDP als Koalitionspartner in Rheinland-Pfalz der Novelle des BNatSchG eher ablehnend gegenüber stand und entsprechend auf eine wenig detaillierte und verbindliche Ausgestaltung der Novelle hinwirkte. In Brandenburg forderten schließlich vor allem die CDU den Abbau von Vorgaben des Landesnaturschutzrechts. Dies ist teilweise auch erfolgt. Dass im Endeffekt dennoch eine vergleichsweise gute Übereinstimmung mit den Vorgaben des BNatSchG zu konstatieren ist, liegt auch daran, dass eine wirklich weitgehende Deregulierung wegen des Widerstands des Umweltministeriums nicht stattgefunden hat und dass das Regelungsniveau des BbgNatSchG vormals in weiten Bereichen höher war als das des BNatSchG, sodass eine Niveauabstufung auf vergleichsweise hohen Ausgangsniveau erfolgt ist.
Die Zusammensetzung der Regierungskoalition wirkt sich auch auf den Einfluss der Umweltverbände und der Agrarwirtschaft im politischen Entscheidungsprozess aus. Die Bedeutung der Regierungskoalition zeigt sich gerade auch im Fall eines Regierungswechsels: Der Wechsel von SPD/Bündnis 90/Die Grünen zu CDU/FDP in Hessen und Sachsen-Anhalt hat zu einer inhaltlichen Neuausrichtung der Naturschutzpolitik in diesen Ländern geführt, die durch einen partiellen Abbau ordnungsrechtlicher Standards und den Vorrang kooperativer und freiwilliger Regelungsansätze gekennzeichnet ist. Vorbehaltlich der Einschränkung, dass die Anzahl der untersuchten Länder nur sieben Bundesländer umfasst, ist dennoch festzuhalten, dass Unterschiede in der Umsetzungsbilanz von allen analysierten Einflussfaktoren am besten mit der Zusammensetzung der Regierungskoalition assoziiert werden können. Der Regierungswechsel in Schleswig-Holstein im Frühjahr 2005 bestätigt diese Beobachtung: Die neue Koalition aus CDU und SPD hat Korrekturen in der Naturschutzpolitik angekündigt: Künftig sollen freiwillige vertragliche Lösungen Vorrang haben gegenüber ordnungsrechtlichen Maßnahmen. Gleichzeitig werden die Mittel für die Landesstiftung Naturschutz auf die „unabdingbar erforderlichen Mittel“ zurückgefahren und sollen relevante Umweltgesetze wie u.a. das Landesnaturschutz-, -jagd, -wasser, -abfall und –bodenschutzgesetz bis 2006 mit der Zielsetzung der Deregulierung und Entbürokratisierung überprüft werden (CDU und SPD Schleswig-Holstein 2005). Gleichzeitig ist eine umfassende Verwaltungsre228
form angekündigt worden: u.a. sollen das Landesamt für Natur und Umwelt und die Umweltämter so weit wie möglich aufgelöst werden (Carstensen 2005).
6.4
Abgleich der Anforderungen an die Novelle des BNatSchG mit der Bilanz der Umsetzung auf Landesebene
Die rot-grüne Regierungskoalition (1998-2005) hat die wesentlichen Forderungen der langjährigen naturschutzfachlichen Agenda aufgegriffen: Etablierung eines bundesweiten Biotopverbunds, stärkere Verpflichtung der Landwirtschaft auf den Naturschutz, Stärkung der Landschaftsplanung, Modernisierung des Gebietsschutzes und Einführung einer bundesweiten Verbandsklage. Damit haben wichtige Neuerungen Einzug in das Bundesnaturschutzrecht gehalten. Dennoch hat das Bauwerk des Naturschutzrechts mit der Novelle seinen Abschluss noch nicht gefunden. Der ordnungs- und planungsrechtliche Ansatz ist wesentlich beibehalten worden; ein Richtungswechsel – etwa in Form der Aufgabe ordnungsrechtlicher zugunsten ökonomischer Instrumente - ist nicht erfolgt. Ein solcher Schritt ist nie wirklich Gegenstand einer umfassenden Diskussion gewesen. Immer stand die Stärkung des bestehenden ordnungs- und planungsrechtlichen Instrumentariums bei Ergänzung um ökonomische Instrumente im Mittelpunkt. Ein solcher Instrumentenmix ist auch sinnvoll, zudem sich das naturschutzrechtliche Instrumentarium in seinen Grundzügen bewährt hat und der Verbesserung im Detail und in der Umsetzung anstelle der vollständigen Umkrempelung bedarf. 232 Mit der Novelle haben wichtige Neuregelungen Einzug in das Bundesnaturschutzrecht gehalten. Die rein rahmenrechtliche Ausgestaltung des neuen BNatSchG erweist sich allerdings als dessen Achillesferse. Vielfach ist die Umsetzung des Bundesnaturschutzrechts von den Ländern als Pflichtaufgabe interpretiert worden, die mit Minimalaufwand abgearbeitet wird. Wie die Umsetzung ausfällt, hängt maßgeblich von dem Willen der jeweiligen Landesregierung, der Klarheit des Mandats und dem Grad des rechtlichen Änderungsbedarfs ab, den die jeweilige Neuregelung des BNatSchG impliziert. Wie in Kap. 6.3.1 ausgeführt, will die Mehrheit der Länder keine wirklich weit reichenden Veränderungen im Landesnaturschutzrecht. Bis auf die Eingriffsregelung weisen alle Neuregelungen eines Politikwandels zweiter Ordnung eine gemischte bis schlechte Umsetzungsbilanz auf. Damit kommen die Länder erkennbar nicht dem Auftrag des Grundgesetzes nach, den Regelungsrahmen des Bundes sinnvoll im Detail auszugestalten. Ein “Positiv-Szenario“ einer dynamischen Institutionenentwicklung (vgl. Kap. 1.2) ist nicht gegeben: Es gibt keinen richtigen Wettbewerb um beste Lösungen bei der Umsetzung 232
Wobei das Insistieren von CDU/CSU und FDP auf einer Entbürokratisierung und Deregulierung des Naturschutzrechts sowie dessen Neuorientierung in Richtung freiwilliger, kooperativer Ansätze durchaus als Willensbekundung in diese Richtung verstanden werden kann.
229
des BNatSchG. Die Bundesländer sind zum Großteil nicht an einer kooperativen Umsetzung oder gar einer Vorreiterrolle bei der weiterführenden Konkretisierung interessiert. Eine Innovationsdynamik dezentraler Lernprozesse ist nicht zu erkennen. Die Mehrheit der Länder hat die dreijährige Umsetzungsfrist des BNatSchG verstreichen lassen ohne einen Gesetzentwurf in die parlamentarische Beratung einzubringen. Es sind einzelne Bundesländer, die einzelne weitergehende Regelungen verabschieden. So ist nicht von der Hand zu weisen, dass einzelne Regelungen in einem Land von anderen Ländern nachgeahmt werden. Dies betrifft indes einzelne Teilbestimmungen, die es insgesamt nicht rechtfertigen, von einem breiten Lern- und Diffusionsprozess zwischen den Ländern zu sprechen. Von 16 Bundesländern kann für drei, mit Abstrichen vier Bundesländer festgehalten werden, dass ihre Landesnaturschutzgesetze die Modernisierungsimpulse der Novelle des BNatSchG aufgegriffen und partiell weiterentwickelt haben. Die beste Bilanz weist dabei Schleswig-Holstein auf. Die Innovationskapazität der deutschen Länder ist also erstaunlich schwach. Das Gerüst, auf dem die Verbesserungen der BNatSchG-Novelle stehen, ist auf Landesebene teilweise fest, teilweise wacklig und zum Teil gar nicht existent. Vor allem die unionsregierten Bundesländer betreiben eine gegenläufige Umsetzungsstrategie, insbesondere im Hinblick auf den Biotopverbund, das Verhältnis von Naturschutz und Landwirtschaft und die Stärkung der Rechte und Handlungsmöglichkeiten von Naturschutzverbänden. Ihre Umsetzungspraxis weist ähnliche Muster auf: Eine Konkretisierung des Bundesrecht wo möglich vermeiden und einen Abbau von weitergehenden landesrechtlichen Regelungen wo möglich umsetzen. Insgesamt ist am Ende einer mehr als 25jährigen Debatte um die Reform des deutschen Naturschutzrechts Ernüchterung angesagt. Der große grundlegende Wurf ist nicht gelungen und die vielfach guten Ansätze des neuen BNatSchG werden in der Umsetzung mehrheitlich verwässert. Es bleibt zu konstatieren, dass das neue BNatSchG nicht die Handlungsimpulse setzt, die von einer grundlegenden Novelle des BNatSchG erwartet worden sind. Allerdings sind auch nicht alle wesentlichen Aspekte des “Negativ-Szenarios“ festzustellen, wie es in Kap. 1.2 skizziert worden ist: Ein umfassender Wettbewerb um Standardabsenkungen findet nicht statt; nicht alle Länder blockieren die Umsetzung; Regelungsimpulse des BNatSchG setzen sich auf Landesebene entsprechend fort, so etwa die Stärkungen der Landschaftsplanung und des Gebietsschutzes oder die Neufassung der Eingriffsregelung. Diese Bilanz steht also weit hinter dem Ansinnen einer grundlegenden Modernisierung und Leistungssteigerung der Naturschutzpolitik zurück. Im folgenden Kapitel sollen die Gründe genauer diskutiert werden, warum unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine bessere Bilanz kaum möglich war und warum eine Neuordnung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eine notwendige, allein aber nicht hinreichende Bedingung jeder weiteren Leistungssteigerung der deutschen Naturschutzpolitik ist. 230
7
Restriktionen und Optionen einer Leistungssteigerung der deutschen Naturschutzpolitik
7.1
Tauglichkeit und Alternativen zur Handlungsstrategie der rot-grünen Regierungskoalition
Die dritte und vierte Fragestellung dieser Arbeit lautete, inwieweit sich die Handlungsstrategie der rot-grünen Regierungskoalition als geeignete Strategie erweist und welche Alternativen zu dieser Strategie hätten ergriffen werden können (Kap. 1.2). Die Strategie ist dabei als geeignet einzustufen, wenn sie zum Abbau substanzieller Defizite des Bundesnaturschutzrechts führt und wenn die Rahmenvorgaben des Gesetzes innerhalb der vorgeschriebenen Frist umgesetzt und in den Ländern entsprechend der föderalen Kompetenzverteilung substantiell ausgestaltet und ergänzt werden. Wie die vergleichende Analyse der Umsetzung in Kap. 6 verdeutlicht, kann die Strategie in diesem Kontext nur als bedingt tauglich eingestuft werden. Zwar wurde das Reformvorhaben trotz der hohen Anzahl der Akteure mit Vetomacht umgesetzt und endete nicht mit einem Minimalkompromiss oder in der Blockade zwischen Bundestag und Bundesrat, doch ist dies dem Kunstgriff der Einbringung eines zustimmungsfreien Gesetzentwurfs zu verdanken. Dadurch konnten zwar grundlegende Neuerungen in das Bundesnaturschutzrecht eingebracht werden. Doch die Vorgaben des BNatSchG sind, wie gezeigt, in ihrer Wirkung vielfach abhängig von der Umsetzung in Landesrecht und entwickeln hier nur eine geringe eigenständige Steuerungswirkung – ihre Umsetzung wird mehrheitlich verzögert und Neuerungen werden vielfach revidiert oder gar nicht umgesetzt (vgl. Kap. 6.4). Seit Außer-Kraft-Treten des alten BNatSchG ist in einer nicht unbedeutenden Zahl der Bundesländer ein Schwebezustand eingetreten – die alten Vorgaben gelten nicht mehr, die neuen Vorgaben gelten noch nicht. Die eigentlichen Entscheidungskonflikte wurden also lediglich verlagert, nicht aber wirklich aufgelöst. Insgesamt bleibt ein größerer substanzieller Reformbedarf des Bundesnaturschutzrechts bestehen. Angesichts der gegensätzlichen Interessen von Regierungskoalition und Opposition in wichtigen Sachfragen ist dieses Ergebnis auf den ersten Blick nicht wirklich überraschend. Warum sollten die Länder, und insbesondere die unionsregierten Länder, ein Gesetz konsequent ausgestalten und umsetzen, dessen Neuerungen sie mehrheitlich ablehnen und auf dessen Entstehung sie keinen entscheidenden Einfluss nehmen konnten, obwohl sie in diesem Politikfeld die hauptsächliche Zuständigkeit besitzen? Hätte es indes eine strategische Alternative für die rot-grüne Regierungskoalition gegeben, die zu einer besseren Gesamtbilanz geführt hätte? Zwei strategische Alternativen standen 231
theoretisch zur Verfügung: Die erste Alternative war, die Verständigung mit den unionsregierten Ländern zu suchen und eine zustimmungspflichtige Novelle zu verabschieden. Die zweite Alternative war, den Gesetzentwurf zur Novelle des BNatSchG in einen zustimmungsfreien und in einen zustimmungspflichtigen Teil zu teilen und dabei nur die umstrittenen Regelungen in einer zustimmungsfreien Form zu verabschieden sowie die Regelungen des alten BNatSchG zu belassen, die als hinreichend zu erachten waren. Diese Praxis ist als Weg zur Vermeidung des Bundesratsvetos vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden (vgl. Scharpf 2005: 9). 233 Allerdings sind dabei die folgenden Sachverhalte zu bedenken:
233
Die Variante einer Verständigung mit den Ländern war mit zu vielen Hypotheken belastet als dass sie tatsächlich als realistische Option hätte in Erwägung gezogen werden können. So gab es für CDU/CSU und FDP keinen Anlass, einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zuzustimmen, nachdem SPD und Bündnis 90/Die Grünen ihren Gesetzentwurf in der vorherigen Legislaturperiode die Zustimmung im Bundesrat verweigert hatten. Weiterhin hatten die strittigen Auseinandersetzungen um die energiepolitischen Reformvorhaben der rot-grünen Bundesregierung in den ersten zwei Jahren der 13. Legislaturperiode die Atmosphäre zwischen Regierungskoalition und Opposition verschlechtert. Ein kooperativer Aushandlungsprozess im Bundesrat wäre auch deshalb wenig wahrscheinlich gewesen. Nicht zuletzt hatten sich CDU und FDP bereits nach Abschluss des Koalitionsvertrages dezidiert gegen die Eckpunkte der Novelle ausgesprochen. Eine Novelle hätte in dieser Perspektive letztendlich auf eine quantitative Festlegung des Biotopverbunds, auf Standards der Guten Fachlichen Praxis oder auf die bundesweite Vereinsklage verzichten müssen. Die Substanz der Novelle wäre also deutlich gemindert worden, im Widerspruch zu den Ankündigungen in der Koalitionsvereinbarung. Deshalb war auch die zweite Variante einer Teilnovellierung nicht wirklich als Option in Betracht zu ziehen, so sinnvoll sie von einem sachlich-inhaltlichen Standpunkt auch erscheinen mag. Eine Teilnovelle hätte nicht dem angekündigten Vorhaben einer Gesamtmodernisierung des Naturschutzrechts entsprochen. Die rot-grüne Koalition – vor allem die Bündnisgrünen - stand aber unter dem Erwartungsdruck von Seiten der Naturschutzverbände und der eigenen Basis. Für den parteipolitischen Wettbewerb war es unabdingbar, dass SPD und Bündnisgrüne Vollzug bei der Erledigung dieses Reformvorhabens melden konnten: So ließ sich symbolträchtig der Unterschied zur konservativ-liberalen Vorgängerregierung verdeutlichen, die mit dem entsprechenden Reform-
Nach der so genannte “Einheitlichkeitstheorie“ des BVG zu Art. 84 Abs. 1 GG löst eine zustimmungspflichtige Regelung eine Zustimmungsbedürftigkeit des gesamten Gesetzes aus. Mit dem Urteil zum so genannten Lebenspartnerschaftsgesetz (BVerfG 1 BvF 1/01) ist diese Position revidiert worden: das Zustimmungsrecht des Bundesrates ist auf die Aspekte der Organisations- und Verfahrensregeln begrenzt (Bertelsmann-Stifung 2004). Der Preis einer Aufspaltung in ein zustimmungspflichtiges und ein zustimmungsfreies Gesetz ist allerdings Unübersichtlichkeit und eine Verkomplizierung des Gesetzgebungsverfahrens.
232
vorhaben mehrfach gescheitert war. Die Medienrezeption zeigt, dass die Rechnung, mit einer vollständigen Novelle zu punkten, weitgehend aufgegangen ist: mehrheitlich wird die Novelle des BNatSchG positiv als ein abgearbeiteter Punkt der rot-grünen Reformagenda im Umweltschutz vermerkt (siehe zuletzt Vorholz 2005). Insofern gab es faktisch keine wirkliche Alternative der Strategiewahl für die Reform des Bundesnaturschutzrechts. Andererseits können auch einige Erwägungen ins Feld geführt werden, dass auch bei dieser Strategie eine akzeptable Umsetzung prinzipiell im Bereich des Möglichen lag:
Der rechtliche Anpassungsbedarf ist nicht so groß wie es die Formel von der grundlegenden Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts vermuten lässt. Selbst die zentralen Neuregelungen des BNatSchG implizieren keine grundsätzlichen Änderungen, welche die Länder völlig überfordern könnten. Zu Recht ist angemerkt worden, dass das Gesetz viel „alten Wein und einen Schluck neuen Wein“ enthält (vgl. Erbguth und Stollmann 2002): Der Biotopverbund auf 10 Prozent der Landesfläche ist aufgrund der Vorgaben zur Flächenauswahl nicht mit der Notwendigkeit neuer Gebietsausweisungen in großem Ausmaß verbunden. Vielfach gehen die Länder selber davon aus, dass der zusätzliche Flächenbedarf nicht groß ist. In vielen Ländern sind Biotopverbundsysteme in der Praxis erprobt. Die Standards der Guten Fachlichen Praxis sind zwar ein bedeutender Fortschritt für das Bundesnaturschutzrecht. Inhaltlich stellen sie aber auch nicht den naturschutzfachlichen Quantensprung dar (vgl. Kap. 4.5.3). Selbst mit der bundesweiten Vereinklage betritt das BNatSchG nicht komplettes Neuland: Entsprechende Regelungen bestanden in 13 Ländern, die das BNatSchG nun konsolidiert. Unabhängig vom politischen Wettbewerb zwischen Bundesregierung und Opposition auf Bundesebene zeichnen sich die Naturschutzbehörden auf Bundes- und Landesebene durch kooperative Arbeitsbeziehungen aus. Sie verfolgen oft ähnliche Ziele; und die wesentlichen Eckpunkte einer BNatSchG-Novelle waren innerhalb der Administration eigentlich immer unumstritten (vgl. schon ANL 1996). Ebenfalls haben die Landesumweltminister in den Beratungen der Novelle des BNatSchG versucht, die Bestimmungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu verschärfen (vgl. Kap. 4.5.2). Zudem sind viele der eher inkrementellen Änderungen der rot-grünen BNatSchGNovelle in ähnlicher Form auch im Gesetzentwurf der konservativ-liberalen Vorgängerregierung enthalten gewesen. Jenseits der politischen Auseinandersetzungen im Entscheidungsprozess zeigt sich zwischen den Parteien in wichtigen Punkten ein übergreifender fachlicher Konsens, der eine Verständigung ermöglichen kann (vgl. Messerschmidt 2001). 233
War es also unrealistisch anzunehmen, dass nach einer Periode der politischen Aufregung und des Konflikts die Kontinuität des Verwaltungshandelns auf Bundes- und Landesebene die Handlungslogik des Umsetzungsprozesses prägen würde? In dieser Perspektive hätten die unionsregierten Länder im Prozess der Gesetzgebung zwar eine ablehnende Haltung eingenommen und die Bundesregierung eine typische konfliktmindernde Strategie angewandt (vgl. Kap. 3.3.2). Der Prozess der Umsetzung wäre dann aber hauptsächlich auf die administrative Arbeitsebene verlagert worden, wo sich dann ein sachorientiertes Handlungskalkül hätte durchsetzen können, da eine gründliche Analyse der Bestimmungen des neuen Gesetzes gezeigt hätte, dass der Anpassungsbedarf in vielen Punkten moderat ausfällt oder sogar hinter bestehenden landesrechtlichen Regelungen zurückbleibt. Insbesondere war eine kooperative Umsetzung für die Länder anzunehmen, in denen eine oder beide der Regierungsparteien auf Bundesebene an der Landesregierung beteiligt waren. Warum kommt es nicht zu einer solchen dynamischen Institutionenentwicklung, wie sie von den Befürwortern des deutschen Föderalismus angenommen wird (vgl. Kap. 1.2 und Kap. 3.3.2)? Die Länder sind in anderen Umweltpolitikbereichen wie Abfall, Klima, Verkehr oder der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien durchaus aktiv (Jörgensen 2002). Wieso sträubt sich die Mehrheit der Länder aber gegen die Weiterentwicklung des Naturschutzrechts und warum lassen auch SPD-regierte Bundesländer die Umsetzungsfrist folgenlos verstreichen oder legen ungenügende Gesetzentwürfe vor?
7.2
Restriktionsanalyse umweltpolitischer Erfolgsbedingungen: Warum es zu keiner dynamischen Institutionenentwicklung kommt
Die Analyse der Entstehung und Umsetzung des neuen BNatSchG zeigt eine Kombination ungünstiger Einflussfaktoren, die eine Leistungssteigerung im Naturschutz über eine Modernisierung des Naturschutzrechts zu einem politisch schwierigen Unterfangen macht. Vier Erwägungen lassen sich anführen, warum es zu keiner dezentralen dynamischen Institutionenentwicklung kommt, die Funktionsschwächen des deutschen Föderalismus in der Naturschutzpolitik ausgleicht:
234
Die Problemstruktur verengt den Handlungsspielraum: Technische Lösungsoptionen sind nur bedingt verfügbar; Marktprozesse und damit verbundene Anbieterinteressen fallen weitgehend aus. Reformen im Naturschutzrecht lassen sich nur bedingt mit ökonomischen Vorteilseffekten verkaufen und sind deshalb politisch wenig attraktiv (Æ Problemstruktur). Der parteipolitische Wettbewerb und geringe Konsensreserven im Parteiensystem setzen für Landesregierungen, die von einer der Oppositionsparteien auf Bundesebene geführt werden, starke Anreize, umstrittene bundesrechtliche Reformvorhaben nicht
korrekt umzusetzen, da dies den politischen Gegner besser stellen würde (Æ systemische Handlungsbedingungen). Der externe Handlungsdruck für die Länder, sich kooperativ zu verhalten, ist relativ niedrig: Impulse des europäischen Umwelt- und Naturschutzrechts sind bislang zu schwach, um die Blockademechanismen im föderativen System vollständig zu neutralisieren. Situative Ereignisfaktoren fallen bislang nicht relevant ins Gewicht. Zudem gibt es keine umweltorientierten Unternehmen, die sich für die Ausweitung des naturschutzrechtlichen Regelwerks einsetzen. (Æ internationale Einflussfaktoren, Æ situative Einflussfaktoren, Æ Akteure). Die Naturschutzbehörden als Akteure in den Interessenkoalitionen des Naturschutzes werden oft parteipolitisch neutralisiert oder können sich nur unter bestimmten Bedingungen in der Ressortabstimmung durchsetzen. Insgesamt zeigt der Prozess der Umsetzung den geringen politischen Stellenwert der Thematik auf. Da die Interessenkoalitionen des Naturschutzes hauptsächlich aus Vertretern von Naturschutzbehörden und – verbände bestehen, bedeutet ihre Neutralisierung eine substanzielle Schwächung der Unterstützerkoalition (Æ Akteure).
Wesentliche umweltpolitische Erfolgsfaktoren sind somit schwach entwickelt. Eine dynamische Institutionenentwicklung ist wenig wahrscheinlich. Problemlösungen bleiben notwendig unzureichend. 7.2.1 Auswirkungen der Problemstruktur Wie in Kap. 3.1.2.3 dargelegt, betrifft der Schutz von Natur und Landschaft in Deutschland in der Regel die lokale oder regionale Ebene. Anders als im Klimaschutz wird er nicht mit deutlichen ökologischen Schadensfolgen in Verbindung gebracht. 234 Die Genese und Umsetzung des BNatSchG verdeutlicht die Schwierigkeiten der umweltpolitischen Entscheidungsfindung, wenn ein geringer Grad an Sichtbarkeit und geringräumige Auswirkungen der Schadenseffekte nicht den Eindruck erwecken, dass eine Problemlösung besonders dringlich sei (vgl. Kap. 2.3.1). 235 Die Bundesregierung begründete das Reformvorhaben einer Novellierung des BNatSchG mit der allgemeinen Notwendigkeit des Schutzes von Natur und Landschaft. Doch 234
235
Dies bedeutet nicht, dass der Verlust von Biodiversität kein globales Problem ist. Die Schadensfolgen und ihre globalen Auswirkungen sind aber weniger sichtbar und erforscht als z.B. beim Klimawandel. Schadensfolgen bei Verlust von Biodiversität werden in der Regel auch nur der betroffenen Region zugeschrieben. Vermehrt wird in jüngerer Zeit aber darauf verweisen, dass zwischen Änderungen oder Verlusten von biologischer Vielfalt und Klimawandel ein enger Zusammenhang besteht. Dienstleistungen der Biosphäre, wie die Speicherung von Kohlenstoff oder die Regulierung des Wasserkreislaufs, sind abhängig von der konkreten Ausprägung der Biosphäre, d.h. ihrer Biodiversität. Änderungen können zu weit reichenden Folgewirkungen führen (siehe Mahrenholz und Georgi 2005). Die Summationseffekte vieler Allerweltseingriffe sind öffentlich als Problemlage schwierig zu vermitteln. Die überregionale Informationsbasis hinsichtlich dieser Summationseffekte ist zudem nicht ausreichend. So ist ja eines der Anliegen des neuen BNatSchG, Bund und Länder erstmalig überhaupt auf die Einführung einer bundesweiten Umweltbeobachtung zu verpflichten.
235
eine überzeugende Darstellung der Notwendigkeit einer Leistungssteigerung der Naturschutzpolitik gelang nicht und konnte auch nicht gelingen, weil auf keine vordringliche Problematik verwiesen werden konnte. Entsprechend ist es auch schwierig, die Länder über öffentlichen Druck in die Pflicht einer besseren Umsetzung zu nehmen; und interessanterweise hat die Bundesregierung die defizitäre Umsetzung nie wirklich ernsthaft thematisiert. Nun zeichnen sich viele persistente Umweltprobleme durch eine geringe Sichtbarkeit und Langfristigkeit der Schadenswirkungen aus (Jänicke und Volkery 2002). Doch anders als in anderen Problemfeldern spielen technische Problemlösungen im Naturschutz eine untergeordnete Rolle. Damit fällt ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor vom Umweltschutz für die Novelle des BNatSchG weitgehend aus: Mit Technologien verbinden sich wirtschaftliche Anbieterinteressen, die ein Interesse am Fortbestand und am Ausbau der korrespondierenden regulativen Vorgaben haben und Arbeitsplätze als Argument in die Debatte einführen. Die Regelsetzung gewinnt dadurch stärkere Selbstläuferqualität, auch weil sich Umweltminister mit vorzeigbaren Ergebnissen profilieren können, die einen wirtschaftlichen und einen umweltbezogenen Vorteilseffekt aufweisen. Hinter dem Naturschutz stehen aber keine etablierten Anbieterinteressen von Umwelttechnologien. Ökonomische Vorteilseffekte lassen sich zwar für viele Initiativen auf regionaler und lokaler Ebene aufzeigen (Petermann 2003). Doch so vielfältig diese Beispiele sind – es bleiben bislang Nischenentwicklungen, die nicht von der Dynamik markgetriebener technologischer Entwicklungs- und Diffusionsprozesse im globalen Maßstab profitieren. Zudem ist noch eine andere Erwägung in Betracht zu ziehen: Eine Modernisierung des Naturschutzrechts zielt in der Substanz auf eine Stärkung ordnungs- und vor allem planungsrechtlicher Vorgaben, kann aber nur bedingt einen regulativen Handlungsdruck erzeugen. Für planerische Prozesse können zwar bedingt allgemeine Regelstandards gesetzt werden. Sie können aber nicht in der gleichen Detailschärfe gesetzt werden wie etwa technische Regelstandards der TA Luft, die den Behörden genau vorgeben was zu tun ist. Vielmehr hängt die Wirksamkeit planungs-, und auch ordnungsrechtlicher, Standards im Naturschutz stark von den dezentralen Handlungskapazitäten der Behörden und ihrer Interpretationspraxis ab. Diese Standards sind auch schwieriger umzusetzen als distributive Politiken wie z.B. die Förderung erneuerbarer Energien, die zwar einzelne gesellschaftliche Gruppen bevorteilen, aber wichtige gesellschaftliche Gruppen nicht maßgeblich benachteiligen und auch nicht mit dem negativen Image des bürokratischen Ordnungsrechts vorbelastet sind. So schränkt z.B. die Förderung erneuerbarer Energien nicht wirklich die Interessen der großen Energieversorger ein. Vielmehr schafft sie auch für diese Akteure einen zusätzlichen Markt (vgl. SRU 2005). Die Unterschutzstellung eines Gebietes oder die Einschränkung eines Infrastrukturvorhabens kann dagegen einen Verzicht oder eine Änderung von Nutzungsinteressen erfordern, der dann nur teilweise kompensiert wird. Die Erstellung eines Landschaftsplans oder einer Verträglichkeitsprüfung bindet ebenfalls Kapazitäten und Ressourcen in Städten und Gemeinden (und 236
auch Unternehmen), ohne dass der Nutzen dieser Maßnahme oft sofort sichtbar und direkt monetarisierbar ist. Dann entstehen Diskussionen, in denen Maßnahmen des Naturschutzes als unnötige und bürokratische Überregulierung bezeichnet werden. 236 Bislang gab es keinen Bundesumweltminister, der die Novelle des BNatSchG zur Profilbildung verwendet und das Vorhaben entsprechend zu einem prioritären Projekt erklärt hat. Auch in der Amtszeit der rot-grünen Bundesregierung konzentrierten sich die maßgeblichen Akteure des Umweltschutzes vorrangig auf das Gebiet der Energiepolitik. Der Schutz von Natur und Landschaft wurde als Arbeitsgebiet für zwei Jahre zurückgestellt. Erst das nahende Ende der Legislaturperiode erhöhte den Druck, die Novelle zu einem Abschluss zu bringen. Auch in der zweiten Legislaturperiode der rot-grünen Koalition wurde das Thema weitgehend auf Sparflamme gekocht. Entsprechend sind auch die Landesregierungen nicht gezwungen, Eile an den Tag zu legen. 7.2.2
Systemische Handlungsbedingungen: (Partei-)politischer Wettbewerb und fehlende Konsensreserven Die föderative Kompetenzordnung ist als maßgebliche Einflussvariable zu bejahen (vgl. Kap. 1.2): Es gibt keinen Mechanismus, der die Problematik von föderativem Kooperationszwang und parteipolitischen Wettbewerb in Deutschland auflöst. Selbst die nunmehr gebildete große Koalition von CDU/CSU und SPD sieht sich mit dieser Problematik konfrontiert. Bund und Länder haben sich zu einigen, wenn eine problemgerechte Modernisierung des Naturschutzrechts erreicht werden soll, können dies aber offenkundig nur bedingt bis gar nicht: Unter den Bedingungen des parteipolitischen Wettbewerbs im Föderalismus ergibt sich für Landesregierungen, die von Parteien geführt werden, die auf Bundesebene in der Opposition sind, ein starker Anreiz, den Bundesrat zur Durchsetzung der eigenen parteipolitischen Programmatik zu nutzen, wenn dort über eine Mehrheit verfügt wird, und weiterhin kein Anreiz, umstrittene Reformvorhaben des Bundes korrekt umzusetzen. So würde eine korrekte Umsetzung und Ergänzung des neuen Bundesnaturschutzrechts aus Sicht der unionsregierten Länder zuvorderst die Anerkennung der Arbeit der rot-grüne Regierungskoalition bedeuten und damit die Erfolgsbilanz des politischen Gegners und dessen Chancen zur Wiederwahl verbessern. Im Gegenzug verbessert die parteipolitische Instrumentalisierung des Bundesrats die eigenen Chancen der Wiederwahl (Scharpf 2005). Die Umsetzungsbilanz der einzelnen Regelungsbereiche des BNatSchG illustriert die Bedeutung des parteipolitischen Wettbewerbs (vgl. Kap. 6.1.1). Von oppositionsgeführten 236
Der Landtagswahlkampf im Jahr 2005 in Nordrhein-Westfalen ist dafür illustrativ. Hier argumentierte die Opposition aus CDU und FDP, dass planungsrechtliche Vorgaben wie die Einrichtung eines Biotopverbunds auf zehn Prozent der Fläche die Dynamik wirtschaftlicher Entwicklungsprozesse abbremse. Die Erweiterung der Klagerechte von Naturschutzverbänden wurde als ideologische begründete Politik zu Gunsten einer gesellschaftlichen Klientel dargestellt. Die Auseinandersetzung endete mit dem Vorwurf, der Schutz von Hamstern sei wichtiger als die Schaffung von Arbeitsplätzen. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass der Aufwand von Naturschutzmaßnahmen in einem ungünstigen Verhältnis zum erzielten Mehrwert stehen kann und dass dies jeweils zu prüfen ist. Aber an sich ist der Vergleich eher als Polemik zu klassifizieren.
237
Landesregierungen werden die Neuerungen des Bundesnaturschutzrechts aufgegriffen, die mit den eigenen Standpunkten übereinstimmen, wie etwa die Flexibilisierung der Eingriffsregelung, die Forderungen nach einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren entspricht. Dagegen bietet die parteipolitische Räson keinen Anlass, solche Vorgaben auszugestalten, die abgelehnt werden, wie etwa die quantitative Festlegung des Biotopverbunds, die Ausgestaltung der Guten Fachlichen Praxis oder die Ausweitung der Vereinsklage. Von Bedeutung ist die föderative Kompetenzordnung auch, weil sie der Bundesregierung die rechtlichen Mittel verwehrt, eine kohärente Ausgestaltung des Bundesnaturschutzrechts durch die Länder sicherzustellen. 237 Eine unvollständige Umsetzung bleibt ohne Folgewirkungen für die Länder. Zwar sind diese gesetzlich verpflichtet, die Vorgaben des BNatSchG in der vorgeschriebenen Zeit umzusetzen. Ebenso besteht der gesetzliche Auftrag, den Rahmen des BNatSchG zu konkretisieren. Doch in der Praxis der Umsetzung ergibt sich aus diesen Vorgaben, wie gesehen, nur bedingt eine Wirkung. 238 Mit der Variable des parteipolitischen Wettbewerbs korrespondiert eine andere Variable: die geringen Konsensreserven des politischen Systems im Naturschutz. Zwar stellt keine der im Bundestag vertretenen Parteien grundsätzlich die Notwendigkeit des Schutzes von Natur und Landschaft in Frage. Doch Regierungs- und Oppositionsparteien haben deutlich unterschiedliche Auffassungen über die weitere Entwicklung der Naturschutzpolitik. Während die rot-grüne Bundesregierung mit der Novelle des BNatSchG auf eine Stärkung des gesamten Instrumentariums des Naturschutzrechts abzielt, geben Landesregierungen mit Beteiligung der CDU/CSU und FDP freiwilligen, kooperativen Instrumenten einen Vorrang (Kap. 4.5 und Kap. 6.2). Die Novelle des BNatSchG impliziert einen Aufbau weiterer Handlungskapazitäten in den Ländern. In den Ländern stehen die Zeichen aber mehrheitlich auf den Abbau von Handlungskapazitäten in Form der Verschlankung von Umweltverwaltungen sowie der Rechtsvereinfachung und Deregulierung des Landesrechts (vgl. Kap. 5). 239 Der bundesrechtliche Impuls einer Leistungssteigerung des Naturschutzrechts stößt auf untergeordneter Ebene also auf Impulse, die mehrheitlich in die entgegengesetzte Richtung zielen. Ein breiter Konsens über die weitere Politikentwicklung und ein konsensualer Politikstil, die als systemische Erfolgsfaktoren von Umweltpolitik gelten (Kap. 2.3.3) sind für die Naturschutzpolitik nur bedingt feststellbar.
237
238
239
Außer dem Mittel des Zwangs zur Bundestreue, das allerdings, wie in Kap. 5.1.2.2 dargelegt, in diesem Fall nicht zweckmäßig ist und nicht erfolgreich eingesetzt werden könnte. Der parteipolitische Wettbewerb ist ein zusätzliches Motiv für Nicht-Umsetzung, der sich z.B. bei der Umsetzung von europäischen Rechtsvorgaben nicht stellt, da europäische Richtlinien keine Rechtsetzungsvorhaben der Bundesregierung sind, sodass ihre korrekte Umsetzung keine Anerkennung und Besserstellung der Position des politischen Gegners im politischen Wettbewerb impliziert. Dabei erwecken die Aktivitäten nicht den Eindruck, dass das – legitime – Ziel einer Steigerung der Leistungsfähigkeit der Verwaltung sowie der Verbesserung der Umsetzung des Naturschutzrechts durch sinnvolle Straffung die Zielsetzung ist. Vielmehr wird mehrheitlich ein relativ undifferenzierter Abbau von Personal und rechtlichen Vorgaben vorgenommen (vgl. Kap. 5).
238
Die Variable Föderalismus spielt auch eine, allerdings schwächere, Rolle, wenn die Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat übereinstimmen. Dann kommen Gegensätze zwischen Bund- und Länderinteressen stärker zur Geltung. 240 Landesregierungen unterliegen immer der Dualität von Landes- und Parteiinteressen. Wenn es nicht um die Durchsetzung der eigenen parteipolitischen Programmatik oder um die Verschlechterung der Chancen der Wiederwahl des politischen Gegners geht, steht immer noch die Durchsetzung der eigenen Landesinteressen kooperativen Aushandlungsprozessen entgegen. Allerdings verfügt die Bundesregierung bei gleichlautenden politischen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat über wesentlich größere Spielräume bei der Aushandlung von Kompromiss- und Tauschgeschäften mit den Ländern und kann dabei auch das Mittel des parteipolitischen Zwangs benutzen. Bei gleichlautenden Mehrheiten ist eine Blockadepolitik der Länder unwahrscheinlicher. 7.2.3
Supranationale Vorgaben und situative Einflussfaktoren: Fehlender externer Handlungsdruck Die kompetitive Handlungslogik des Parteienwettbewerbs kann durch Handlungsimpulse unterschiedlicher Art gebremst oder neutralisiert werden. Zusätzlich zu ökologischen Problemlagen kann Handlungsdruck sich extern bedingen, insbesondere durch internationale und supranationale Rechtsvorgaben und durch situative Einflussfaktoren (vgl. Kap. 2.3.2, 2.3.3 und 2.3.4). Wie schon in Kap. 7.2.1 für die ökologischen Problemlagen festgestellt, ist ein wesentlicher externer Handlungsdruck für den Prozess der Umsetzung des BNatSchG auch nicht aufgrund internationaler Rechtsvorgaben oder situativer Ereignisfaktoren ausfindig zu machen. So entfaltet das europäische Naturschutzrecht bislang eine blockadebrechende Wirkung für den Bereich des Gebiets- und Biotopschutzes: Die Europäische Kommission, aber auch der EUGH haben die Bundesländer zu einer vermehrten Meldung von Schutzgebieten gezwungen, wobei die Sanktionsimperative die Aktivitäten der Länder zur Ausweisung von FFH-Schutzgebieten erklären. 241 Für die Regelungsbereiche, die auf die Berücksichtigung von Naturschutzbelangen in der Nutzung der Gesamtfläche abzielen, fehlt bislang aber eine entsprechende Steuerungsleistung des europäischen Rechts. Zwar bestehen, wie in Kap. 3.2.4.2 dargelegt, bereits europäische Rechtsvorschriften, die auf eine Stärkung der Mitwirkungs- und Klagerechte von Naturschutzverbänden abzielen und die Einführung einer SUP verlangen. Doch auf den Prozess der Umsetzung des BNatSchG haben sie keine erkennbaren Auswirkungen gehabt. 242 240
241
242
Wie die Analyse des Entscheidungsprozesses zur Novelle des BNatSchG zeigt, erfolgten Abstriche am Regelungsniveau des neuen BNatSchG auch auf Intervention SPD-geführter Landesregierungen (vgl. Kap. 4.5.2). Möglich ist ein enges Monitoring der Umsetzungsprozesse aufgrund der Interaktion von Kommission und Naturschutzverbänden. Hier verkoppeln sich die Handlungslogiken von hierarchischer Kontrolle und dezentraler Netzwerkbildung. Die Sanktionsimperative sind als hart einzustufen, da die Länder bei NichtUmsetzung zu befürchten haben, dass die Europäische Kommission mit der Sperrung von Strukturfondsgeldern droht oder ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengt, dessen Kosten auf sie überwälzt werden. Was auch damit zusammenhängt, dass der Umsetzungsprozess der Richtlinien selber noch nicht vollständig zum Abschluss gekommen ist. Für den Bereich der Bauleitplanung ist die SUP-Richtlinie gerade noch recht-
239
Der situative Ereignisfaktor BSE-Krise hat während der Politikformulierung des neuen BNatSchG eine wichtige Rolle gespielt. Durch die BSE-Krise entstand auch ein Zeitfenster für die Nachschärfung von Vorgaben zur Landwirtschaft im BNatSchG. Insbesondere wurde durch die Neuorganisation des Landwirtschaftsministeriums der wichtigste regierungsinterne Widersacher neutralisiert (vgl. Kap. 4.5.1). Es sind aber keine vergleichbaren situativen Ereignisfaktoren auszumachen, die den Prozess der Umsetzung des neuen BNatSchG sonderlich vorantreiben. Die Handlungsimpulse für eine Neuausrichtung der Agrarpolitik infolge der BSE-Krise waren nicht dauerhaft. Der externe Handlungsdruck, zu einer umfassen Novelle zu kommen, ist niedrig. In den Ländern, wo die CDU die SPD bei Landtagswahlen ablöste, ist der Regierungswechsel vielmehr als ein situativer Ereignisfaktor zu interpretieren, der die Erfolgsbedingungen einer Novelle des LNatSchG weiter erschwert hat. 7.2.4
Akteure und Interessenkoalitionen: Neutralisierungseffekte und schmale Interessenbasis Die mehrheitlich defizitäre Umsetzung des neuen BNatSchG kann indes nicht nur Funktionsschwächen des deutschen Föderalismus zugeschrieben werden. Diese Betrachtung wäre verkürzt. Denn auch SPD-regierte Länder haben die Umsetzungsfrist verstreichen lassen oder nehmen ihren verfassungsrechtlichen Auftrag der Ausgestaltung des Rahmenrechts des Bundes unzureichend wahr. Wie die vorstehende Analyse zeigt, sind deshalb auch unzureichende Handlungskapazitäten der Behörden und mangelnder politischer Gestaltungswille zu thematisieren, vor allem auch die offensichtlich schwache Stellung vieler Umweltressorts im Ressortgefüge der jeweiligen Landesregierung. Der eigentliche Bedarf der Politikformulierung fällt erst auf der Stufe der Umsetzung im Politikzyklus an: Es sind die Länder, welche die Detailregelungen, vor allem im untergesetzlichen Verordnungswerk, festzulegen haben, die maßgeblich über die praktischen Auswirkungen bestimmen. Entsprechend hoch ist das Konfliktpotenzial, und entsprechend problematisch ist der Umstand, dass sich die Ministerien mit der Novelle des LNatSchG mehrheitlich nicht innerhalb der interministeriellen Abstimmung durchsetzen können oder dies gleich gar nicht wollen (vgl. Kap. 5). Das Umsetzungsmandat des BNatSchG bringt dabei die Ministerien in allen Ländern in eine schlechte Ausgangsposition: Anders als im Fall der Umsetzung der FFH-Richtlinie, deren detaillierte Rechtsvorgaben Rückendeckung in der inter-ministeriellen Abstimmung geben, ist die Verhandlungsmasse im Fall des neuen BNatSchG relativ groß, da dieses wenige detaillierte, verhandlungsfeste Positionen vorgibt. Zudem fehlen der Umweltministerialverwaltung Hilfsargumente wie der Verweis auf die Förderung von Umwelttechnologien und die
zeitig zum 21. Juli 2004 umgesetzt worden, knapp vor Ende der Umsetzungsfrist. Für die bundesrechtlich geregelten Fach- und Umweltplanungen ist der Prozess noch nicht abgeschlossen; und insbesondere die Regelung der landesrechtlichen Planungsverfahren ist bislang zwischen Bund und Ländern äußerst umstritten gewesen (vgl. Sangenstedt 2005).
240
Unterstützung von Anbieterinteressen (vgl. Kap. 7.2.1). 243 Wenn schon die Umsetzung der mit einem “harten“ Umsetzungsmandat ausgestatteten FFH-Richtlinie schwer fällt (vgl. Kehrein 2002, Gellermann 1998), ist es nicht verwunderlich, dass die Umsetzung des mit einem “weichen“ Umsetzungsmandat ausgestatteten BNatSchG noch schwerer fällt. Die Ausgangslage gibt Ressorts wie Landwirtschaft oder Verkehr mehr Spielraum zur Intervention. Allerdings ist zu bedenken, dass in der Mehrheit der Länder gar kein eigenständiges Umweltministerium mehr besteht (vgl. Kap. 5.1.4). Die Zusammenlegung mehrerer Ressorts kann in der Tat von positivem Einfluss sein. Wird ein Ministerium mit Doppelkompetenz von einem in der Sache überzeugten und konfliktbereiten Minister geführt, erhöht dies die Aussichten auf eine erfolgreiche Verabschiedung in der inter-ministeriellen Abstimmung, da regierungsinterne Vetospieler neutralisiert werden können (vgl. Pehle 1998). Die Zusammenlegung kann sich indes auch äußerst negativ auswirken: Versteht die politische Amtsleitung die andere Ressortzuständigkeit als vorrangig, so marginalisiert dies die Umweltadministration und erschwert die Durchsetzung in der inter-ministeriellen Abstimmung. Insofern ist es durchaus von Bedeutung, wer das Umweltministerium oder das Ministerium mit Kompetenz für Umweltbelange leitet (vgl. Kap. 6.3.2). So konnte auf Bundesebene die Ressortabstimmung im Wesentlichen deshalb erfolgreich abgeschlossen werden, weil sich aufgrund des Amtswechsels der politischen Führung des BML in Folge der BSE-Krise die Kräftekonstellation innerhalb der Bundesregierung verschob. Erst nachdem die Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft von bündnisgrünen Ministern geführt wurden, gelang eine Einigung über die naturschutzfachlichen Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis (Kap. 4.5). Auch die Analyse der Länderumsetzungen weist mit Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zwei Länder auf den vorderen Plätzen aus, in denen Ministerien mit einer Doppelkompetenz für Umwelt und Landwirtschaft von bündnisgrünen Ministern regiert wurden, sowie mit Brandenburg ein Land, in dem im Ministerium mit Doppelkompetenz für Landwirtschaft und Umwelt keine einseitige Prioritätensetzung vorgenommen wurde (Kap. 6.3.2). In der Mehrzahl der Länder fehlt indes die Voraussetzung einer interessierten und gegenüber anderen Ressorts auch konfliktbereiten politischen Amtsleitung. Insbesondere gilt dies für die unionsregierten Länder, in denen die Landesregierung der Novelle des BNatSchG ablehnend gegenübersteht. Die Folge ist eine relative Neutralisierung der Ministerialverwaltung, die entweder eine sachgerechte Umsetzung vornehmen will, aber nicht darf oder aber eine solche von vornherein gar nicht erst anstrebt. Für Länder wie Hessen, Sachsen-Anhalt oder jüngst Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen ist diese Entwicklung zu beobachten. 244 In diesem Fall bestätigen sich frühere Annahmen, dass die Zusammenlegung des 243
244
Pehle (1998) hat in seiner Studie des BMU die asymmetrische Koordination der inter-ministeriellen Abstimmung und die schwache Stellung des BMU umfassend nachgezeichnet. Es ist ein interessanter Aspekt, dass der Umweltausschuss des Bundesrates – somit eine Mehrheit der Länderumweltminister zu einer Zeit, als die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat schon zu Gunsten der Opposition verschoben waren – Verschärfungen des Gesetzentwurfs der Regierungskoalition gefordert und in der
241
“kleinen“ Umweltressorts mit einem “großen“ Ressort wie Landwirtschaft oder Verkehr potenziell zu Lasten des Umweltressorts geht (SRU 1996: 56, siehe auch Liberatore 1997). Die weitgehende Neutralisierung der Ministerialverwaltung als Akteur kann bedeutsame Folgen haben: Die gesellschaftliche Basis der Interessenkoalitionen des Naturschutzes ist aufgrund der eher geringen Bedeutung umweltorientierter Unternehmen schon schmaler als in anderen Bereichen des Umweltschutzes und wird durch den Ausfall administrativer Akteure weiter geschwächt. Teilweise sind aber auch unzureichende personelle Handlungskapazitäten der Landesbehörden als Ursache der Zurückhaltung zu vermuten: Wenn für die Umsetzung europäischer und nationaler Naturschutzrechtsvorgaben nur wenige Personen zur Verfügung stehen, die gleichzeitig noch mit anderen Aufgaben betraut sind, ist die Zurückhaltung eine fast schon logische Konsequenz. 245 Übrig bleiben dann die Naturschutzverbände, zusammen mit relevanten Berufsverbänden (z.B. Landschaftsplaner). Sie sind allein nicht in der Lage sind, einen ausreichenden Handlungsdruck auszuüben. Der Erfolgsfaktor einer “ökologischen Modernisierungskoalition“ aus Teilen von Politik, Unternehmen und Verbänden fehlt damit in der Naturschutzpolitik weitgehend (vgl. Jänicke 2004).
7.3
Ansatzpunkte einer Strategie zur Leistungssteigerung
Nach mehr als 20 Jahren der Diskussion mit wechselnden politischen Mehrheiten auf Bundesund Landesebene ist zu konstatieren, dass eine problemgerechte Modernisierung des Naturschutzrechts auf allen Ebenen des politischen Entscheidungssystems unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht möglich ist. Die Analyse hat verdeutlicht, dass nicht eine Ursache, sondern ein Ursachenbündel für die defizitäre Aufgabenerfüllung verantwortlich zu machen ist. Dies betrifft gleichermaßen die Effektivität der politischen Entscheidungsprozesse und der Umsetzung naturschutzrechtlicher Vorgaben. Entsprechend hat eine Strategie zur Steigerung der Effektivität von Politik und Recht im Naturschutz nicht an einem, sondern an mehreren Punkten anzusetzen. 7.3.1
Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen
7.3.1.1 Stärkung der Bundes- oder der Länderkompetenzen? Vordringlich erscheint eine Revision der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung von Bund und Ländern, da sie die schädlichen Auswirkungen der Überlagerung von kooperativer
245
Stellungnahme des Bundesrates auch partiell durchgesetzt hat (vgl. Kap. 4.5.5.2). Es scheint also relativ leicht, sich im Umweltausschuss auf fachliche notwendige Verschärfungen zu verständigen und diese in den Ausschussberatungen des Bundesrates als federführender Ausschuss gegenüber anderen Ausschüssen zu verfechten. Schwierig scheint es dann aber, diese Positionen auch in der Ressortabstimmung aufrechtzuerhalten. Die administrative Leistungsfähigkeit der Umweltverwaltung auf Länderebene ist bislang, erstaunlicherweise, nicht Gegenstand einer systematischen Untersuchung gewesen. Vielfach wird aber anekdotische Evidenz ins Feld geführt, dass die Umweltministerien aufgrund unzureichender personeller Kapazitäten mit dem Umfang ihrer Regelungsaufgaben in vielen Bereichen überfordert sind (vgl. Koch 2004a, auch: Jörgensen 2002).
242
Entscheidungsfindung im Föderalismus und parteipolitischem Wettbewerb mindert. Zufällige parteipolitische Konstellationen auf Länderebene sollten dann nicht mehr über die Handlungsspielräume der parlamentarischen Mehrheit auf Bundesebene bestimmen. 246 Grundlegend stehen vier Optionen zur Auswahl: Die Zuständigkeit für die Belange des Naturschutzes kann aus der Rahmengesetzgebungskompetenz in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes, in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder oder in die Grundsatzgesetzgebung des Bundes überführt werden. 247 Die Ausdünnung der Rahmengesetzgebungskompetenz in eine Grundsatzkompetenz des Bundes für den Naturschutz wird nur vereinzelt in der Diskussion vertreten (vgl. Scholz 2003). Es sprechen in der Tat gute Gründe dafür, diese Option auszuschließen. Der wohl wichtigste Grund ist, dass damit die Probleme der Rahmengesetzgebung nicht wirklich aufgelöst würden, vor allem das Dilemma der doppelten hintereinander geschalteten Gesetzgebung, aber auch die Schwierigkeiten der Kompetenzabgrenzung. Gerade angesichts des Erfordernisses einer höheren Europatauglichkeit des Umweltrechts und der Notwendigkeit, integrativen Ansätzen im Umweltschutz Rechnung zu tragen, macht ein solcher Vorschlag wenig Sinn. Auch eine Übertragung der Zuständigkeiten in die ausschließliche Kompetenz des Bundes nach Art. 73 GG schließt sich aus. Gerade im Vergleich mit den bisher in Art. 73 GG normierten Regelungsbereichen lässt sich kein überzeugender Grund finden, warum der Bund eine Vollzuständigkeit erhalten sollte. Dies betrifft auch den Vorschlag, diese Kompetenz auf die Umsetzung europäischer Rechtvorschriften zu begrenzen: Hier ist nicht ersichtlich, wie eine Klärung stattfinden soll, wo das europäische Recht aufhört und wo das Bundes- bzw. Landesrecht beginnt. Entsprechend langwierige Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert. Insofern reduziert sich die Neuordnung der Kompetenzen im Naturschutz auf die Frage, ob die Zuständigkeit für Naturschutzbelange in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes oder in die ausschließliche Gesetzgebung der Länder überführt werden sollte. Die Bundesregierung (BMU 2004), die Naturschutzverbände (DLR 2004, NABU 2004, Werk 2004) und namhafte Umweltjuristen (Koch 2004a, Kloepfer 2004, vgl. Meyer 2003) haben sich für eine Überführung des Schutzes von Natur und Landschaft in die konkurrieren246
247
Eine Föderalismusreform betrifft zusätzlich immer auch die Neuordnung der Mitwirkungsrechte und der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern. Dabei herrscht in der Diskussion weitgehende Einigkeit, dass die Anzahl der Mitwirkungsfälle des Bundesrates deutlich zu reduzieren ist, was durch eine Begrenzung der Zustimmungspflicht auf die Teile von Gesetzen beschränkt, welche die Länder wirklich tangieren, also die Einrichtung von Behörden und deren Verfahren festlegen (so genannte Trennungslehre, vgl. Hrbek und Eppler 2005). Auch die Verringerung der Anzahl der Länder durch Fusion kleinerer Staaten ist ein möglicher Aspekt einer Reform, wird aber aufgrund der politischen Schwierigkeiten nicht ernsthaft diskutiert. Die Grundsatzgesetzgebung stellt die vierte selbständige Art der Bundesgesetzgebung dar und ist in den Art. 91a Abs. 2 GG (Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben), Art. 109 Abs. 3 GG (Haushaltswesen) und Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 WRV (Staatliche Leistungen an Religionsgemeinschaften) niedergelegt. Anders als die Rahmengesetzgebung kann sie nicht im Ausnahmefall weitergehende Vorschriften treffen. Der Bund erlässt nur Struktur- und Direktivnormen; den Ländern steht es frei, von der Möglichkeit der Ausgestaltung Gebrauch zu machen (vgl. Rehbinder und Wahl 2004).
243
de Gesetzgebungskompetenz bei Schaffung eines einheitlichen Kompetenztitels „Umwelt“ im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz ausgesprochen und dies damit begründet, dass:
eine Konzentration der Umweltkompetenzen beim Bund der Notwendigkeit einer dauerhaften Sicherung der Lebensgrundlagen des Menschen und der gesamten natürlichen Umwelt am besten gerecht wird: Schadensursachen überschreiten häufig Landesgrenzen. eine Konzentration der Umweltkompetenzen beim Bund die Möglichkeit schafft, einen klar strukturierten und transparenten Rechtsrahmen für einen integrativen Umweltschutz zu schaffen, der den Aufwand bürokratischer Abstimmungsprozesse reduziert und zu einer Vereinfachung der Rechtsvorschriften für Unternehmen führt. Die untergesetzliche Regelung sollte weitgehend bei den Ländern verbleiben, welche auch die Zuständigkeit für den Vollzug behalten oder ganz erhalten sollten. eine Konzentration der Umweltkompetenzen beim Bund die konsistente Umsetzung europäischer Rechtsvorgaben erleichtert, die Risiken von Vertragsverletzungsverfahren reduziert und die Europatauglichkeit der Umweltgesetzgebung verbessert. eine Konzentration der Umweltkompetenzen beim Bund die Möglichkeit eines Negativwettbewerbs der Länder bei Umweltstandards verhindert und Verzerrungen des Wettbewerbs durch unterschiedliches Umweltrecht ausschließt.
Der 65. Deutsche Juristentag hat sich dagegen dafür ausgesprochen, die Gesetzgebungskompetenz für den Naturschutz in die Kompetenz der Länder zu übertragen (Hennicke 2004). Auch andere Autoren sowie die Präsidenten der Landtage, aber auch die FDP und Ministerpräsidenten der CDU haben dafür plädiert, die Zuständigkeit für Umweltbelange aufzuspalten bzw. auch weitere Kompetenztitel der konkurrierenden Gesetzgebung, wie etwa die Zuständigkeit für die Abfallpolitik, auf die Länder zu übertragen (Hahn 2004, Müller 2004, Arens et al. 2004, Schmidt-Jortzig 2003). Im Hinblick auf den Naturschutz wird die Übertragung der Zuständigkeit auf die Länder dahingehend begründet, dass:
244
eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes den vielfältigen regionalen Unterschieden im Naturschutz nicht gerecht wird und die Länder besser ortsnahe und problemgerechte Lösungen finden können, da ihnen die lokalen Probleme besser vertraut sind, weder das Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse noch das Gebot der Rechts- und Wirtschaftseinheit des Bundesgebietes eine bundeseinheitliche Regelung erfordern und
eine bundeseinheitliche Regelung auch nicht erforderlich ist, weil die erforderlichen vereinheitlichenden Mindeststandards durch das europäische Recht gesetzt werden.
Die Forderung nach einer Übertragung der Zuständigkeit für Naturschutz in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder sieht sich mit dem Problem der Europatauglichkeit des deutschen Umweltrechts konfrontiert. Diese Problematik wird in der Diskussion oft ignoriert, wie selbst Autoren konzedieren, die eine solche Lösung favorisieren: Übersehen wird häufig, dass sich im Bereich der Umsetzungsgesetzgebung die Rahmenkonstellation verdoppelt hat. Denn natürlich ist auch die Festlegung des „Zieles“ in einer Richtlinie eine Art Rahmen für die Umsetzung. Auf den europarechtlichen Rahmen folgt so der innerstaatliche Rahmen durch das Bundesgesetz bis der dritte Akteur, die Länder, das eigentliche vollständige Gesetz erlassen. Für den letzten in der Kette der drei Gesetzgeber kann nicht der Hauptanteil an Bestimmungsbefugnissen übrig bleiben. An dieser europarechtlich determinierten Situation können innerstaatliche Verlagerungsversuche in der Substanz nur wenig ändern (Rehbinder und Wahl 2002: 23).
Dennoch plädieren Rehbinder und Wahl (2002) dafür, die Zuständigkeit für Naturschutzbelange voll auf die Länder zu übertragen, da anders den länderspezifischen naturräumlichen Gegebenheiten und planerischen Entscheidungen im Naturschutz nicht Rechnung getragen werden könnten. Gleichzeitig sprechen sie sich aber im Hinblick auf die Europatauglichkeit des Umweltrechts dafür aus, die Länder zu ermächtigen, freiwillig Gesetzgebungskompetenzen auf den Bund übertragen zu können oder als zweite Variante zumindest die Möglichkeit von Vollregelungen durch den Bund zu schaffen, wenn diese für die Umsetzung europäischer Rechtsvorschriften, aber nur hier, zwingend notwendig sind. Die Komplexität dieser Konstruktionen verdeutlichen das Problem: integrative Ansätze des europäischen Umweltrechts dürfen im Prozess der Umsetzung ihrer integrativen Wirkung nicht durch die Aufspaltung auf das sektorale deutsche Umweltrecht beraubt werden. Vielmehr erfordern sie eine harmonisierte Gesetzgebung, die von sechzehn Ländern allein gleichzeitig kaum zu leisten ist. So die Europatauglichkeit des Naturschutzrechts eine Stärkung der Rolle des Bundes erfordert, so ist diese auch damit zu begründen, dass die Länder ihrer Aufgabenfülle im Naturschutz kaum gerecht werden und die Handlungsspielräume - insbesondere in der untergesetzlichen Rechtsetzung - erkennbar nicht dazu nutzen, mit anderen Ländern in einen produktiven Wettbewerb um Problemlösungen zu treten. Vielmehr verdeutlichen die Defizite im Vollzug des Instrumentariums und die Unzulänglichkeiten der Integration von Querschnittsaspekten in überörtliche Fachplanungen unzureichende Kapazitäten, auch zur Regelaufsicht gegenüber Städten und Gemeinden (Koch 2004a, Kloepfer 2004, Werk 2004). 7.3.1.2
Zugriffsrechte und Öffnungsklauseln: Optionen zur Flexibilisierung einer gestärkten Bundeskompetenz Während sachliche Gründe wie die geforderte Europatauglichkeit des deutschen Umwelt- und Naturschutzrechts, aber auch die Stärkung der horizontalen Verankerung von Naturschutzbelangen in überörtlichen Fachplanungen für eine stärkere Bundesrolle sprechen, ist ein einseitiger Kompetenztransfer, bei dem die Länder Kompetenzen abgeben, aber im Umkehrschluss 245
nichts erhalten, politisch kaum denkbar. Einzelne Länder haben deshalb vorgeschlagen, die Zuständigkeit zwar in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zu überführen, diese aber zu flexibilisieren. Dabei sind verfassungsunmittelbare Zugriffsrechte der Länder und Öffnungsklauseln des Bundes zu unterscheiden (Grimm 2004):
Bei den verfassungsunmittelbaren Zugriffsrechten kann der Bund zwar Vollregelungen erlassen, die Länder haben aber die verfassungsrechtliche Möglichkeit, von diesen Vorgaben abweichen, so keine zwingenden verfassungsrechtlichen Vorschriften oder Vorschriften des europäischen Rechts entgegenstehen (Huber 2003). Entgegen der bisherigen Praxis der konkurrierenden Gesetzgebung, wonach die Länder nur solange die Regelungskompetenz haben, bis der Bund eine Regelung trifft, könnten die Länder hier auch nach dem Erlass des Bundesgesetzes rückwirkend auf die Materie zugreifen. Diese Option wird von den Ländern favorisiert. Öffnungsklauseln sind dagegen eine einfachgesetzliche Erlaubnis des Bundes an die Länder, abweichende Regelungen für einen bestimmten Bereich eines Bundesgesetzes zu erlassen. Art. 72 Abs. 3 GG enthält bereits eine Öffnungsklausel. 248 Über Öffnungsklauseln soll den Ländern die Möglichkeit gegeben werden, im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung Ausführungsregelungen für einen bestimmten Zeitraum zu erproben (Benz 2004, Wieland 2004). Diese Option wird vom Bund bevorzugt (Bundesregierung 2003).
Zugriffsrechte sind von den Ländern in die Diskussion eingebracht worden. Wie dargelegt, hat Niedersachsen einen Antrag zur Flexibilisierung der bundesrechtlichen Verbandsklage in den Bundestag eingebracht, der dort aber abgelehnt wurde (Kap. 5.11.2). Offensichtlich ist die bisherige Praxis des Tauschs von Kompetenzen gegen Mitspracherechte angesichts der zunehmenden Europäisierung der Rechtsetzung, aber auch der negativen Konsequenzen der Blockade von Entscheidungsprozesse, die ja auch die Länder zu spüren bekommen, für die Länder nicht mehr attraktiv genug (vgl. Renzsch 2005). Die Einführung solcher Zugriffsrechte wird äußerst kritisch diskutiert. Das BMU hat sich klar gegen ein solches Zugeständnis ausgesprochen, da Zugriffsrechte den Wert einer einheitlichen Bundeskompetenz konterkarierten: Schließlich könne auch durch Abweichung vom Bundesrecht ein regulativer Flickenteppich entstehen. Zudem werde der Grundsatz des Art. 31 GG (“Bundesrecht bricht Landesrecht“) verletzt und seien ähnliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung europäischer Rechtsvorgaben zu befürchten wie sie gegenwärtig für die Rahmengesetzgebung zu beobachten seien. Nicht zuletzt, darauf haben die Umweltverbände
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Art. 72 Abs. 3 GG erlaubt den Ländern eine Abweichung vom Bundesrecht, wenn die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung nach Art. 72 Abs. 2 GG nicht mehr besteht. Die Länder können diese Öffnung selber nicht vornehmen; dies kann nur der Bund entscheiden (vgl. Grimm 2004).
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verwiesen, erhöhten Zugriffsrechte die Gefahr, dass die Länder in einen regulativen Wettbewerb um Standardabsenkungen eintreten (BMU 2004, BUND 2005). Andere Autoren befürchten, dass Zugriffsrechte die Länder politisch noch stärker in Konkurrenz zum Bund treten lassen werden als dies bisher der Fall sei: Zugriffsrechte würden der Opposition im Bund ein neues wirkungsvolles Druckmittel gegenüber der Bundesregierung verschaffen. Welche gesetzgeberische Autorität könne der Bund überhaupt noch haben, wenn die Länder androhen könnten, von bundesrechtlichen Regelungen abzuweichen können (vgl. Meyer 2004b)? Die Befürworter von Zugriffsrechten haben deshalb unterschiedliche Vorschläge vorgebracht, um einem Missbrauch von Zugriffsrechten vorzubeugen. Ein Vorschlag lautet, die Gegenstände abweichenden Rechtsverhaltens zu begrenzen und im Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung festzuschreiben (Huber 2003). Ebenfalls ist vorgeschlagen worden, dem Bundestag das Recht einzuräumen, landesrechtliche Abweichungen durch Bundesrecht wieder korrigieren zu können (Rückholrecht). 249 Eine Variante ist der Vorschlag, den Ländern Abweichungen zu gestatten, wenn dies nicht durch ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ausgeschlossen wird. In eine andere Richtung geht der Vorschlag, dem Bundestag die Möglichkeit des Widerspruchs innerhalb von drei Monaten einzuräumen, wenn ein Land Bundesrecht ersetzt, wobei der Widerspruch mit qualifizierter Mehrheit zu fassen wäre, um parteipolitisch motivierte Einsprüche zu vermeiden (Scharpf 2004). Alle Vorschläge sind problematisch. So ergeben sich bei einem Rückholrecht des Bundes zwangläufig Abgrenzungsprobleme, etwa der Art, wann eine neue Gesamtkonzeption eines Gesetzes vorliegt oder wann ein Bedarf an einer bundeseinheitlichen Regelung nach InKraft-Treten des abweichenden Landesrechts wieder eingetreten ist (vgl. Grimm 2004). Für ein politisches Widerspruchsrecht des Bundestags ist zu befürchten, dass der Bundestag dann ständig mit der Prüfung von Abweichungsverhalten der Länder beschäftigt sein wird. Gegen die Festschreibung von Gegenständen abweichenden Rechtsverhaltens im Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz ist eingewendet worden, dass bundesrechtliche Regelungen dadurch dauerhaft ausgeschlossen sind, ein Bedarf aber durchaus im Nachhinein entstehen kann. Zudem wird befürchtet, dass sich Bund und Länder aus politischen Gründen kaum auf einen substanziellen Katalog werden einigen können, sodass wieder die Erforderlichkeitsprüfung im Einzelfall notwendig wird und sich tatsächlich nicht viel ändert (vgl. Scharpf 2004). Zugriffsrechte für die Länder können also dazu führen, dass Prozesse der politischen Entscheidungsfindung unübersichtlicher werden und die Rechtssicherheit von Vorgaben des Bundesrechts Schaden nimmt. Zudem ist die Gefahr des parteipolitischen Missbrauchs relativ groß. Öffnungsklauseln haben demgegenüber den Vorteil, dass sie einfachgesetzlich normiert 249
Allerdings soll dies nur möglich sein, wenn für das betreffende Gesetz eine neue Gesamtkonzeption verabschiedet werden soll, um parteipolitisch motivierte Gesetzgebung zu reduziere Ansonsten wird ein “Haseund-Igel-Spiel“ befürchtet, in dem der Bund auf Abweichungen der Länder mit neuem Bundesrecht antwortet, das dann wieder Gegenstand von Weichungen durch die Länder wird.
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werden können. Der Bund kann es so den Ländern ermöglichen, von spezifischen Teilen eines Gesetzes abzuweichen, um z.B. Ausführungsbestimmungen zu Umsetzungsaufgaben zu erlassen, die spezifischen regionalen und lokalen Aspekten des Naturschutzes in ausreichenden Umfang Rechnung tragen. Für den Naturschutz wären Öffnungsklauseln die vorzugswürdige Option, da mit ihnen ein Experimentierraum für die untergesetzliche Rechtsetzung und die Rechtsanwendung vor Ort geschaffen werden kann, wo der Naturschutz betrieben wird (Werk 2004, Koch 2004a). Über Öffnungsklauseln lässt sich die Problematik der Nicht-Konformität des Landesrechts mit EU-Recht und die Möglichkeit eines negativen Deregulierungswettbewerbs besser vermeiden als dies bei rückwirkenden Zugriffsrechten der Fall ist. 250 Allerdings ist begründete Skepsis angebracht, ob Öffnungsklauseln eine adäquate und politisch attraktive Kompensation der Länder für den Verzicht auf Regelkompetenzen darstellen. Mit Verweis auf die Erfahrungen mit der Öffnungsklausel des Art. 72 Abs. 3 GG ist angemerkt worden, dass diese in den zehn Jahren ihres Bestehens kein einziges Mal zur Anwendung gekommen ist (vgl. Meyer 2004b). Die Problematik der Gewährung von – begrenzten – Zugriffsrechten revidiert sich ein Stück weit, wenn man die Implikationen für die Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 72 Abs. 2 GG bedenkt. 251 Durch die restriktive Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Art. 72 Abs. 2 GG zu einer echten Befugnissperre der Bundesgesetzgebung geworden, die den Spielraum auch im Umweltrecht nachdrücklich eingrenzt (Koch 2004a). Aufgrund der Einführung von Zugriffsrechten (und auch bei Öffnungsklauseln) würde nun die Notwendigkeit entstehen, Art. 72 Abs. 2 GG entweder zu revidieren oder ganz aufzugeben. Denn die Regelungen widersprechen einander: Wenn die Erforderlichkeitsprüfung ergeben hat, dass eine bundeseinheitliche Regelung notwendig ist, dann kann den Länder kein Zugriff auf die Materie gewährt werden. Wenn die Prüfung aber ergibt, dass keine bundeseinheitliche Regelung notwendig ist, dann haben die Länder sowieso das Recht zur Gesetzgebung (Grimm 2004). Eine Erweiterung des Regelungsspielraums der Bundesgesetzgebung würde die Bedingungen für die Schaffung eines einheitlichen und integrativen Umweltrechts, das medialen Wechselwirkungen Rechnung trägt, erleichtern. Bei einer Abwägung der Vor- und Nachteile ist zusätzlich in Betracht zu ziehen, dass die Vorgaben des europäischen Umweltrechts vielfältige rechtliche Mindeststandards setzen, die von den Ländern nicht unterschritten werden dürfen (vgl. Kap. 3.2.4.2). Insofern kann das Zugeständnis begrenzter Zugriffsrechte als Preis für die Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten unter der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz verstanden werden. Der Idealfall bleibt indes die einheitliche Umweltgesetzgebungskompetenz des Bundes ohne die Befugnissperre des Art. 72 Abs. 2 GG und ohne 250
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Insbesondere gilt dies, wenn eine Zulässigkeit ambitionierter Länderregelungen, die ein höheres Schutzniveau als das Bundesrecht anstreben, in Analogie zu Art. 176 EG-Vertrag eingeführt wird. Zur Erinnerung: Nach Art. 72 Abs. 2 GG ist eine bundesgesetzliche Regelung nur insoweit erforderlich, als ohne sie gleichwertige Lebensverhältnisse nicht hergestellt oder die im gesamtstaatlichen Interesse stehende Rechts- oder Wirtschaftseinheit nicht gewahrt werden können (vgl. Kap. 3.1).
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Zugriffsrechte der Länder. Dafür könnten dann umweltrelevante Verwaltungszuständigkeiten des Bundes so weit wie möglich an die Ländern abgegeben werden. Dies gilt besonders für Art. 84 Abs. 1 GG wonach der Bund die Einrichtung und das Verwaltungsverfahren von Landesbehörden regelt. Im Umkehrschluss wäre Art. 23 Abs. 6 GG zu ändern und dem Bund die alleinige Vertretung der Rechte der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der EU zu übertragen. Damit erhielten die Länder ein weites Feld der verfahrensrechtlichen Regelungen, auf dem sie sich profilieren können, wogegen der Bedeutungsverlust des Bundes hier durch die Stärkung seiner Rolle in Brüssel kompensiert wird (vgl. Kloepfer 2004). 7.3.2 Abbau von Regelungsdefiziten und Vertiefung der Politikintegration Die Schaffung eines einheitlichen Umweltkompetenztitels des Bundes ist eine notwendige Voraussetzung für die Bearbeitung von vier Problembereichen der naturschutzfachlichen Reformagenda, die auch nach der rot-grünen Novelle des BNatSchG Bestand haben: die harmonisierte Umsetzung weiterführender europarechtlicher Vorgaben zur Strategischen Umweltprüfung und zu gesellschaftlichen Informations-, Mitwirkungs- und Klagerechten, die Vornahme notwendiger Detailergänzungen des Instrumentariums des BNatSchG, die bislang aufgrund der kompetenzrechtlichen Schranken der Rahmengesetzgebungskompetenz nicht möglich waren, vor allem in den Regelungsbereichen Biotopverbund, naturschutzfachliche Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis und Vereinsklage, der Ausbau strategischer und zielorientierter Aspekte im Kontext der Umsetzung der Biodiversitätskonvention und die Stärkung von Mechanismen für eine bessere Integration von Naturschutzbelangen in andere Politikbereiche und die überörtliche Planungen sowie die Reform der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern und die Ergänzung des Instrumentariums des BNatSchG um ökonomische Instrumente. 7.3.2.1 Vertiefung des bestehenden Instrumentariums Die vollständige Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie zur Strategischen Umweltprüfung steht weiterhin an. Gleichermaßen gilt dies für die Vorgaben der EU-Richtlinien zur Umsetzung der Aarhus-Konvention (vgl. Kap. 3.2.4.2). Sinnvollerweise sollte dies im Kontext eines allgemeinen Umweltgesetzbuch erfolgen und zu einer Harmonisierung der Vorschriften zur Beteiligung der Öffentlichkeit in umweltrelevanten Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie zu Klagerechten anerkannter Umweltverbände führen. Entsprechend wäre die naturschutzrechtlich geregelte Vereinsklage in eine umfassende umweltrechtliche Verbandsklage umzuwandeln: Die Aarhus-Konvention sieht die Möglichkeit des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes für alle Verwaltungsakte mit Bezug zum Umweltschutz vor (Epiney 2003). Dem ist Rechnung zu tragen (vgl. SRU 2005, vgl. Kap. 3.2.4.2). 249
Die naturschutzrelevanten Regelungen in einem Umweltgesetzbuch, die allgemein der Systematik und den Vorgaben des Bundesnaturschutzrechts folgen sollten, sind in wichtigen Punkten zu ergänzen (vgl. die jeweilige Zusammenfassung der Vorschläge zur Ergänzung der einzelnen Regelungsbereiche des Bundesnaturschutzrechts in Kap. 6). Zusätzlich zu der unmittelbar wirkenden Geltung der Bestimmungen zum bundesweiten Biotopverbund wären vor allem eine zeitliche Befristung seiner Fertigstellung und eine periodische Qualitätskontrolle und Berichterstattung vorzuschreiben. Dabei wäre dann auch die Möglichkeit einer Ausdehnung der Flächenvorgabe auf 15 Prozent und eine Revision der Bestandteile zu prüfen. Auch sollte der Verbund als ganzes und nicht nur in der Summe seiner Bestandteile geschützt werden. Für die Betreiberpflichten der Guten Fachlichen Praxis sollte vornehmlich die durchgängige Möglichkeit einer ordnungsrechtlichen Sanktionierung von Fehlverhalten geschaffen werden. Auch wären die Vorschriften zu präzisieren, wobei die Vorgaben früherer Entwürfe und Vorschläge der LANA herangezogen werden könnten (vgl. SRU 2004a: Tz. 189). 252 Ferner wären die Bestimmungen zur Umweltbeobachtung von Bund und Ländern zu substantiieren. Dies betrifft die Aufgaben und Zuständigkeiten von Bund und Ländern, aber auch die Harmonisierung der Inhalte der Länderprogramme. Insgesamt geht es um eine effektive Integration der Berichtspflichten von Bund und Ländern, die mit den Anforderungen des europäischen Rechts abzugleichen sind (vgl. Kap. 3.2.4.2). Für die Bestimmungen zur Landschaftsplanung ergibt sich eine neue Sachlage. Mit der Überführung des Bundesnaturschutzrechts in ein allgemeines Umweltgesetzbuch bei gleichzeitiger Umsetzung der Richtlinie zur Strategischen Umweltprüfung stellt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, die vielfach geforderte Verfahrensbündelung und –vereinfachung sowie die zeitliche Koordination mit der räumlichen Gesamtplanung in die Tat umzusetzen. Auch sollte dann eine Öffentlichkeitsbeteiligung und eine Vorgabe zur zeitlichen Fortschreibung von Landschaftsplänen normiert werden. 253 Umweltbeobachtung und Landschaftsplanung sollten mit einer einzuführenden Erfolgskontrolle von Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen der Eingriffsregelung sowie einer einzuführenden Qualitätskontrolle von Schutzgebieten verknüpft werden. Die Änderungen im Folgenbewältigungsprogramm der Eingriffsregelung sollten nicht rückgängig gemacht werden, auch wenn dies aus naturschutzfachlicher Sicht oft gefordert wird. Zunächst ist zu analysieren, welche praktischen Auswirkungen sich mit der Neuregelung verbinden und ob die entsprechende Abhilfe dann nicht bei den Handlungskapazitäten der vollziehenden Behörden zu suchen ist. Sinnvoll sind indes eine klare Definition von 252
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Dies gilt für eine Reihe von Vorgaben des § 5 Abs. 4 BNatSchG, wie etwa Definition der Biotope, quantitative Bestimmung von Puffergrenzen, Konkretisierung des Begriffs der Beeinträchtigung von Strukturelementen, Klärung von Mindestflurabständen und Erosionsgefährdungsstufen etc. Zudem wäre für die Vorgabe zur Erhaltung einer regionalen Mindestdichte von linearen und punktförmigen Landschaftselementen den Länder ein klarer Auftrag zu erteilen, Ablauf, Verfahren und Zuständigkeiten für die Ermittlung und Erhaltung solcher Elemente klar zu bestimmen. Vorschläge hatte die LANA 2003 erarbeitet (vgl. SRU 2004: Tz 189). Die Inhalte der Landschaftspläne sind zudem mit anderen neuen Vorgaben des BNatSchG wie etwa zum Erhalt von Vernetzungselementen zu verknüpfen; letztere sollten obligatorischer Bestandteil sein.
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Rechtsbegriffen sowie eine abschließende Regelung der Bedingungen für die Leistung von Ersatzgeldern. Der Gebrauch der Ökokonten sollte regelmäßig extern evaluiert werden. Die Vorgaben sollten detailliert genug ausgestaltet werden, um unmittelbar eine einheitliche Umsetzung in allen Ländern anleiten zu können. Ersatzzahlungen sollten auch nur für Ausgleichsmaßnahmen verwendet und nicht wie bislang öfters zweckentfremdet zur Finanzierung anderer Naturschutzaufgaben wie etwa der Förderung von Naturschutzverbänden benutzt werden. 7.3.2.2
Ausweitung der Zielorientierung, Vertiefung der Politikintegration und Erweiterung des bestehenden Instrumentariums Der Abbau rechtlicher Regelungsdefizite erleichtert die Rahmenbedingungen für einen besseren Rechtsvollzug. Allerdings stellt sich dieser nicht automatisch ein. Vielmehr kommt es auch darauf an, die organisatorischen Handlungskapazitäten für den Vollzug vor Ort zu stärken. Dieses Themengebiet ist zwar nicht Gegenstand der engeren Fragestellung dieser Arbeit und soll von daher nicht ausführlich behandelt (siehe für eine Übersicht über die Möglichkeiten der Verwaltungsorganisation aus Sicht des Naturschutzes: SRU 2002 ff). Die gegenwärtig laufenden Verwaltungsreformen, wie in Kap. 5 dargelegt, verschlechtern in den meisten Ländern die Vorausbedingungen für den Vollzug des Naturschutzrechts. Dem Bund sind dabei aber weitgehend die Hände gebunden; und die Verwaltungsorganisation sollte auch aufgrund der räumlichen Problemnähe grundsätzlich bei den Ländern bleiben. So der Bund den Ländern nicht im Detail vorschreiben kann, wie die Organisation des Verwaltungsvollzugs auszusehen hat und ausgestattet sein sollte, sind Anstrengungen in den übrigen Bereichen der naturschutzfachlichen Agenda - also der Ausweitung der Zielorientierung, der Vertiefung der Politikintegration und der Erweiterung des naturschutzrechtlichen Instrumentariums (vgl. Kap. 7.3.2) - geeignet, den Vollzugsgegendruck, dem die Naturschutzbehörden ausgesetzt sind, effektiv zu verringern. Es soll im Folgenden nicht darum gehen, entsprechende Maßnahmen ausführlich zu diskutieren. Dies ist an anderer Stelle erfolgt (vgl. SRU 2002a). Auch soll es nicht darum gehen, im Detail einzelne bereits erfolgte Initiativen zur Politikintegration nachzuzeichnen (vgl. Jänicke 2005). Allerdings ist festzuhalten, dass unter der Bedingung einer einheitlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Umweltschutz der Fokus der Politikentwicklung im Naturschutz entsprechend zu erweitern ist. Es ist nicht nur die Reform des BNatSchG, die als Vorhaben auf Bundesebene in Frage kommt. Diese Feststellung ist keineswegs trivial: Nach Abschluss der Gesetzgebung zum neuen BNatSchG hat die rot-grüne Regierungskoalition weitere Reforminitiativen eine Legislaturperiode lang nahezu ruhen lassen mit dem Verweis, dass der grundlegende Schritt getan ist und jetzt die Länder am Zuge sind. 254 Weitere Schritte sind indes notwendig: 254
Substanzielle Vorhaben sind jedenfalls nach dem März 2002 von der Bundesregierung im Bereich des Naturschutzes nicht mehr realisiert worden. Man war froh, das Vorhaben einer Gesamtnovellierung des BNatSchG – bildlich gesprochen - “vom Eis“ geschafft zu haben und wollte erst einmal Ruhe an dieser Front.
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Die Erarbeitung eines nationalen Zielkatalogs erweitert die Legitimationsgrundlage für die Umsetzung weiterführender Vorgaben und Maßnahmen. Die internationale Zielvorgabe, den Verlust von Biodiversität bis zum Jahr 2010 zu stoppen (Kap. 3.2.4.1), könnte dabei auf die nationale und regionale Ebene heruntergebrochen und mit konkreten, zeitlich fixierten Zielvorgaben versehen werden. Wenn ein solcher Zielkatalog eine entsprechend hochrangige politische Rückendeckung hat, etwa in Form eines Beschluss des Bundeskabinetts, dann erweitert er auch die Handlungsspielräume der Umweltministerialverwaltung in der administrativen Abstimmung. Zudem fällt die öffentliche Begründung weiterführender Maßnahmen leichter, wenn dies mit der Erreichung konkreter Zielvorgaben verbunden werden kann. Die Vertiefung der Politikintegration umfasst einerseits, wie in Kap. 3.2.4.2 angerissen, die Korrektur kontraproduktiver Bestimmungen der Agrar-, Verkehrs- und Finanzpolitik. Ansatzpunkte sind hier eine Ökologisierung der Vorgaben des kommunalen Finanzausgleichs, der Grundsteuer, der Bundesverkehrswegeplanung, der Raumordnung oder der Wohnungsbau- und Städteförderung und der Gemeinschaftsaufgabe “Agrarstruktur und Küstenschutz“ (siehe Perner und Thörne 2005). 255 Ansatzpunkt ist auch die Stärkung der Rolle des BMU durch die Verlagerung weiterer naturschutzfachlicher Ressortzuständigkeiten, etwa Zuständigkeiten im Bereich des Tierschutzes, im Bereich der Dünge- und Pflanzenschutzmittel, im Bereich des Waldschutzes oder des Bodenschutzes (vgl. Kap. 3.1). Während die Neugestaltung der Ressortzuständigkeiten vom Gestaltungswillen der Bundesregierung abhängig ist, ist die Realisierung konzeptioneller Änderungen etwa der Bundesverkehrswegeplanung, der Raumordnung oder der Finanzverfassung wesentlich schwieriger: Reformen dergestalt, dass die Freihaltung von Freiflächen im kommunalen Finanzausgleich nicht mehr benachteiligt wird, bedürfen der Einigung von Bund und Ländern, die nur in einem umfangreichem, komplizierten Gesamtpaket erfolgen kann (vgl. Perner und Thörne 2005). Die Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen ist eine Voraussetzung hierfür. Andererseits umfasst die Vertiefung der Politikintegration Bemühungen, die für Naturschutzprobleme verantwortlichen Fachverwaltungen stärker auf die Erarbeitung eigener Beiträge zur Problemlösung zu verpflichten. Hier hat der Bund Handlungsspielräume: So kann die Regierungskoalition alle relevanten Ministerien per Kabinettsbeschluss verpflichten, Sektorstrategien zur Politikintegration zu erarbeiten, die dann
Der größte Reformbedarf besteht natürlich für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU. Allerdings können deren Bestimmungen nur von allen Mitgliedstaaten einstimmig geändert werden und sind somit außerhalb der Reichweite des Bundes. Dies gilt auch für die Bestimmungen zu den europäischen Transportnetzen.
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auch vielfältige Ansatzpunkte für die Integration von Naturschutzbelangen bieten. 256 Sollte die Einführung von sektoralen Integrationsstrategien auf zu viele Vorbehalte in der Ministerialverwaltung führen, kann die Bundesregierung zumindest aber – in Analogie zum nationalen Klimaschutzprogramm – ein Aktionsprogramm zur Minderung der Flächeninanspruchnahme auflegen, in dessen Rahmen alle Ministerien Maßnahmen für einen bestimmten Anteil der Zielerreichung beizusteuern haben. 257 Möglich ist gleichfalls die Ausweitung bestehender Berichtspflichten der einzelnen Ministerien, wie Naturschutzbelangen in der Ressortpolitik Rechnung getragen wird, oder die Einführung externer Evaluierungsgremien. Hier bietet sich auch die Vertiefung bestehender Ansätze der Politikfolgenabschätzung an, mit deren Hilfe die Option mit den geringsten Auswirkungen ausgewählt werden soll. Bislang sind die entsprechenden Verpflichtungen der §§ 43 und 44 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung nicht in ein verbindliches und detailliertes Folgenprüfprogramm fortentwickelt worden, wie es z.B. bereits in Großbritannien oder innerhalb der Europäischen Kommission besteht (vgl. Volkery et al. 2005). Zusätzlich zu diesen institutionellen Innovationen ist die Einführung zusätzlicher ökonomischer Instrumente wie z.B. Versiegelungs-, Düngemittel oder Pflanzenschutzabgaben oder handelbare Flächennutzungsrechte dringend notwendig (vgl. SRU 2002a: Tz 144ff.). 258 Ohne eine Ergänzung des naturschutzfachlichen Instrumentariums um ökonomische Instrumente wird eine Leistungssteigerung des Schutzes von Natur und Landschaft nur schwer möglich sein. Denn die ordnungs- und planungsrechtlichen Instrumente sind, wie dargelegt, alleine nicht in der Lage, Trends der Landnutzung wirkungsvoll zu beeinflussen, da sie maßgeblich auf der Projektebene ansetzen (z.B. Eingriffsregelung), nicht aber grundlegende Anreizstrukturen der Landnutzung tangieren. 259 Steuern auf die Inanspruchnahme von Natur und Landschaft bieten sich auch Entla-
Sektorstrategien haben zwar zentral festgelegte Ziele zum Ausgangspunkt, doch es bleibt den Ressorts überlassen, die am besten geeigneten Maßnahmen zu finden. Auf diesem Weg sollen Lernprozesse stimuliert werden, die eine bessere Berücksichtigung von Umweltbelangen in der sektoralen Politikformulierung sicherstellen sollen als dies der Fall bei einer hierarchischen Imposition wäre. Eine klare Ergebniskontrolle soll durch aussagekräftige Indikatoren sichergestellt werden. Die Ergebniskontrolle obliegt zumeist auch den Ländern. Allerdings bestehen in den Ländern, in denen solche Strategien angewendet werden, oft auch Berichtspflichten der Ressorts gegenüber unabhängigen externen Evaluationsgremien wie z.B. Rechnungshöfen. Dies ist z.B. der Fall in Kanada (vgl. Jacob und Volkery 2004). Sektorstrategien sind allerdings sehr voraussetzungsvoll; ihre Praxis ist in allen Ländern mit Defiziten behaftet, die sowohl die Verbindlichkeit und Relevanz der Inhalte als auch den Stellenwert der Umsetzung und Kontrolle betreffen (OECD 2002). So wurde im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung im Jahr 2000 eine sektorale Lastenverteilung festgeschrieben: Für einzelne Bereiche wie private Haushalte und Gebäudebereich, Energiewirtschaft und Industrie, Abfallwirtschaft oder Landwirtschaft wurden quantifizierte Reduktionsziele und darauf bezogene Maßnahmenbündel aufgestellt (SRU 2002: Tz. 143 ff.) Der SRU hat z.B. einen detaillierten Vorschlag für die Einführung eines System handelbarer Flächennutzungsrechte unterbreitet (SRU 2002a: Tz. 168). Auch die ernüchternde Bilanz der Umsetzung des neuen BNatSchG verdeutlicht, dass zusätzlich zur Modernisierung des ordnungs- und planungsrechtlichen Instrumentariums andere Wege zu beschreiten sind. Hierfür sprechen auch die organisatorischen Schwächen der Naturschutzverwaltung.
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stung des Faktors Arbeit an. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes schafft hier neue Handlungsspielräume. Abschließend ist festzustellen, dass eine klare Definition substanzieller und prozeduraler Rechtsvorgaben des BNatSchG (siehe oben) für die Beschleunigung und Entbürokratisierung von Verfahren der Planfeststellung und -Genehmigung zielführender ist als der Abbau von Personal und Standards: Denn in der Regel sind es unklare Rechtsvorgaben, die Verzögerungen im Verwaltungsvollzug schaffen (SRU 2002a: Tz. 127ff.). Dennoch sollte auch darauf geachtet werden, dass die Entwicklung gesetzlicher Vorgaben und Verwaltungskapazitäten nicht in entgegengesetzte Richtungen läuft: Wenn den Verwaltungen einerseits ein immer höheres Aufgabenpensum aufgebürdet wird und sie andererseits nicht in die Lage versetzt werden, dieses Pensum erledigen zu können, dann programmieren sich Bund und Länder Vollzugsdefizite. Eine Erhöhung der Vollzugskapazität ist insofern umgänglich, wohl aber auch eine positive Aufgabenkritik: Welche Informations- und Berichtspflichten, welche Umsetzungsaufgaben sind notwendig, welche können modifiziert werden, welche können entfallen? Diese Kritik sollte sich aber an fachlichen Kriterien orientieren und nicht, wie mehrheitlich gegenwärtig, nach dem Spardiktat des öffentlichen Haushalts. Nach der Überführung der Zuständigkeit für Naturschutzbelange in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz wäre eine wichtige Barriere einer solchen konzeptionellen Weiterentwicklung also gefallen. Allerdings kann die Einführung von Zugriffsrechten wiederum neue Restriktionen bedingen.
7.4
Handlungsspielräume der Leistungssteigerung
Die Diskussion um die Neuordnung der Kompetenzen von Bund und Ländern als aber auch die Diskussion um die Ausweitung der Zielorientierung, Vertiefung der Politikintegration und Erweiterung des bestehenden Instrumentariums läuft seit längerem. In der letzten Legislaturperiode sind erste Anläufe gestartet worden, die Diskussion in konkrete Ergebnisse umzuwandeln. So ist abschließend der Ausblick zu skizzieren, ob sich Anzeichen finden lassen, dass Bund und Länder Lösungen finden, welche die Voraussetzungen für eine Leistungssteigerung im Naturschutz schaffen? Die Analyse der Umsetzung des BNatSchG legt den Schluss nahe, dass dies eher unwahrscheinlich ist. 7.4.1 Die allgemeine Föderalismusreform Der Entscheidungsprozess zur Reform des Föderalismus ist in vollem Gange. Bund und Länder hatten sich Ende 2001 geeinigt, entsprechende Verhandlungen aufzunehmen. Im Sommer 2003 wurde der Verhandlungsprozess auf die “Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ verlagert, die sich im November 2003 konstituierte (siehe dazu: Hrbek
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und Eppler 2005 m.w.N.). 260 Die Kommission konnte sich allerdings ein Jahr später, im Dezember 2004, nicht auf Empfehlungen zur Föderalismusreform einigen. Der Prozess scheiterte an der Frage der Kompetenzneuordnung im Bereich der Bildungspolitik (siehe ausführlich: Renzsch 2005). Beobachter hatten schon während der Beratung Zweifel geäußert, ob die nach Lagertreue und –Ausgewogenheit zusammengesetzte Kommission in der Lage sein würde, grundlegende Neuorientierungen hervorzubringen (Kloepfer 2004). Wohl aber hatte in der Kommission eine breite Übereinstimmung bestanden, die Rahmengesetzgebung abzuschaffen und dafür die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder zu stärken (Schubert 2005). 261 In dem Kompromisspapier der Vorsitzenden Müntefering und Stoiber, welches die Grundlage für die Verhandlungen im November und Dezember 2004 darstellte, war für den Schutz von Natur und Landschaft die Überführung in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes bei gleichzeitiger Gewährleistung von Zugriffsrechten der Länder auf diese Materie vorgesehen, wenngleich die Zugriffsrechte noch nicht näher spezifiziert worden waren (vgl. Renzsch 2005). Dieser Vorschlag lag der Einigung über die Eckpunkte einer Föderalismusreform in den Verhandlungen von CDU/CSU und SPD zur Bildung einer Bundesregierung für die 16. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zugrunde (CDU/CSU und SPD 2005). Relativ zügig ging dann der politische Entscheidungsprozess von statten. Am 30. Juni 2006 stimmte der Bundestag den Gesetzentwürfen der Regierungsfraktionen über die Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern zu; am 7. Juli 2006 folgte der Bundesrat (Bundestagsdrucksachen 16/813 und 16/814). Danach wird die Zuständigkeit für Naturschutz und Landschaftspflege in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes bei Entfall der Erforderlichkeitsprüfung bundesrechtlicher Regelungen nach Art. 72 Abs. 2 GG überführt. Gleichzeitig erhalten die Länder Zugriffsrechte auf diese Rechtsmaterie, wobei die Grundsätze des Naturschutzes und die Bestimmungen zum Arten- und Meeresumweltschutz vom Zugriff ausgenommen sein sollen. In allen anderen Regelungsbereichen des Bundesnaturschutzrechts sollen die Länder nunmehr abweichende Regelungen treffen dürfen. Ob nun dieser Kompromiss optimistisch in dem Sinne zu bewerten ist, dass künftig eine gestärkte konkurrierende Gesetzgebung des Bundes “aus einem Guss“ möglich ist, oder ob er pessimistisch in dem Sinne zu bewerten ist, dass die Gewährung von Zugriffsrechten zu einer weiteren Zersplitterung des Naturschutzrechts führt, kann gegenwärtig kaum beantwortet werden, da konkrete und detaillierte Vorschläge nicht auf dem Tisch liegen. Allerdings ist 260
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Die Kommission, die von Bundestag und Bundesrat ins Leben gerufen wurde, setzte sich zusammen aus 16 Abgeordneten des Deutschen Bundestags und je einen Vertreter der 16 Landesregierungen. Zusätzlich war die Bundesregierung durch vier Mitglieder vertreten, die aber nur beratende Mitglieder waren. Zusätzlich zu diesen Mitgliedern gehörten der Kommission als weitere Mitglieder ohne Stimmrecht Vertreter der Landtage, der kommunalen Spitzenverbände sowie 12 Sachverständige an. Die Kommission wurde von dem bayrischen Ministerpräsidenten Stoiber und dem Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag Müntefering geleitet. Allerdings spielten Zuständigkeiten von Bund und Ländern im Umweltschutz so gut wie keine Rolle in den Beratungen der Kommission (vgl. Kloepfer 2004: 763).
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angesichts der Erfahrungen mit den Verwaltungsreformen in den Ländern, aber auch den Mustern der Umsetzung des neuen BNatSchG eher Skepsis angebracht. Zwar schafft der Kompromiss die Bedingungen für die Erarbeitung eines allgemeinen Umweltgesetzbuchs und erweitert den Spielraum des Bundes unter der konkurrierenden Gesetzgebung. Allerdings gilt der Entfall des Art. 72 Abs. 2 GG nicht für alle Bereiche des Umweltrechts. In Zusammenhang mit der Erlaubnis abweichenden Regelverhaltens der Länder kann dies dazu führen, dass das Umweltgesetzbuch sofort wieder ausgehöhlt und damit konterkariert wird. Die Vereinbarungen können nicht als abschließende grundlegende Reform des deutschen Föderalismus bezeichnet werden. Denn sie beschränken sich auf die Neuordnung der formellen Gesetzgebungskompetenzen und die Neuregelung der Mitwirkungsrechte der Bundesländer und vertagen Festlegungen für den schwierigeren Bereich der Reform, die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern und letztlich auch die Neuordnung der Anzahl der Bundesländer. 7.4.2 Die Diskussion um eine nationale Naturschutzstrategie Auch in die Diskussion über die Ausweitung der Zielorientierung der Naturschutzpolitik ist in den letzten Jahren Bewegung gekommen. Auf Initiative des BMU wurde in der letzten Legislaturperiode in einem mehrstufigen Prozess ein Entwurf für eine nationale „Strategie zur biologischen Vielfalt“ erarbeitet, an dem Vertreter der Naturschutzbehörden des Bundes, der Länder und der Kommunen sowie von Verbänden und Universitäten teilnahmen. Der Entwurf ist Anfang September 2005 vorgestellt worden (BMU 2005). Der Entwurf definiert Qualitätsund Handlungsziele für ausgewählte Problembereiche, beschreibt Aktionsfelder, welche die Ziele durch Maßnahmen konkretisieren und stellt mit so genannten “Leuchtturmprojekten“ Projekte vor, die Praxisbeispiele für den Erhalt der biologischen Vielfalt abgeben. Der Entwurf enthält auch Indikatoren, über die ein Monitoring der Umsetzung des Strategieprozesses sichergestellt werden soll. Ausgangspunkt der Strategie ist der Zielwert, bis 2010 den Rückgang von Lebensräumen, Arten und genetischer Vielfalt entsprechend der Vorgabe des Europäischen Rates von Göteborg im Juni 2001 zu einem Stopp gebracht zu haben. Weiterhin steht dem Entwurf das Ziel voran, ab danach eine positive Trendwende zu verzeichnen: Ab 2020 soll sich die Gefährdungssituation für den größten Teil der Arten der Roten Listen um eine Stufe verbessert und sollen Arten, für die Deutschland eine besondere Ergebnisverantwortung trägt, überlebensfähige Populationen erreicht haben. Die Ziele werden weiter in Detailziele für einzelne Lebensräume und Verursacherbereiche differenziert. Für die Zielerreichung wird ein umfangreiches Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen (BMU 2005). 262 262
Der Entwurf der Strategie entwickelt auf über 159 Seiten ein umfangreiches Ziel- und Aktionsfeldergerüst für den Schutz der Lebensräume, Arten und genetischer Vielfalt, aber auch für Bereiche wie Lebensqualität in Städten, naturverträgliches Wirtschaften oder Auswirkungen deutscher Aktivitäten auf die biologische Vielfalt weltweit und Verursacherpolitiken für Verkehr, Landwirtschaft oder Bauen. In allen seinen Einzelheiten
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Inwieweit dieser Entwurf tatsächlich eine Grundlage für ein bundesweites Ziel- und Maßnahmenkonzept der Naturschutzpolitik abgeben wird, ist fraglich. Der Entwurf ist eine umfassende Auflistung von Zielen und Maßnahmen für alle relevanten Bereiche des Naturschutzes und der Landschaftspflege und trägt auch der Notwendigkeit der Integration von Naturschutzbelangen Rechnung. Er enthält vielfach innovative Elemente. Darüber hinaus nimmt er auch die europäische und internationale Ebene ins Blickfeld. Allerdings ist sowohl die naturschutzfachliche als auch die politische Realisierbarkeit vieler Zielvorgaben in Zweifel zu ziehen: einerseits sind vorgegebene Zeitraume zu eng bemessen, andererseits werden Ziele und Maßnahmen propagiert, die außerhalb des Zuständigkeitsbereich des BMU (oder der Bundesregierung im Fall von internationalen und europäischen Reformvorhaben) liegen, sodass Konflikte programmiert sind. 263 Der Entwurf ist zu umfangreich und detailliert und gleicht mehr einem naturschutzfachlichen Wunschkatalog als einer strategischen Konzeption, die sich auf prioritäre Ziele und die Entwicklung von robusten Politiken ihrer Umsetzung unter restriktiven Rahmenbedingungen konzentriert. Der Entwurf sollte als Ausgangspunkt, nicht als letzter Schritt der Erarbeitung einer nationalen Naturschutzstrategie verstanden werden. Des Weiteren ist eine Prioritätensetzung bei den Zielen und Maßnahmen zu leisten: Was sind die Problemstellungen, die dringend bearbeitet werden müssen, was sind Problemstellungen, die eine flankierende Bearbeitung erfahren können? Die Ziele und Maßnahmen sind nicht alle gleichwertig und adressieren zum Teil ganz unterschiedliche Handlungsebenen und Akteure. Wie sieht die Koordinierung innerhalb der Bundesregierung und zwischen EU, Bund und Ländern aus? Welcher konkrete Revisionsbedarf des Instrumentariums des BNatSchG leitet sich ab? Die neue Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD hat in ihrer Koalitionsvereinbarung angekündigt, im Laufe der Legislaturperiode eine nationale Naturschutzstrategie zu erarbeiten Der Entwurf bietet eine Basis. Inwieweit dies allerdings erfolgen wird und welche Form eine solche Strategie letztendlich nehmen wird, auch im Verhältnis zur Nachhaltigkeitsstrategie, bleibt abzuwarten. Der Entwurf ist ein Entwurf des BMU und nicht ein Entwurf der Bundesregierung. Da er nicht mit den anderen Ressorts abgestimmt worden ist, ist mit substanziellen Änderungen zu rechnen, wenn er die Grundlage der weiteren Politikentwicklung
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soll der Strategievorschlag hier nicht wiedergegeben werden. Vielmehr sollen nur schlagartig die wichtigsten Handlungsziele benannt werden, welche die allgemeinen Ziele konkretisieren. Sie sind zum Teil weitreichend. So sollen NATURA 2000 und ein ergänzendes länderübergreifendes Verbundsystem bis zum Jahr 2010 umgesetzt sein. Ferner soll bis zum Jahr 2020 auf 2 Prozent der gesamten Landesfläche eine ungestörte Entwicklung der Natur nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten erfolgen. Bei Neuanpflanzungen von Wäldern sollen vornehmlich standortheimische Arten zur Anwendung kommen. Auch sollen sich Wälder dauerhaft unbeeinträchtigt von genetisch veränderten Organismen entwickeln können. So ist fragwürdig, ob ein Stopp des Verlustes von biologischer Vielfalt bis zum Jahr 2010 gelingen kann. Setzt man eine Zeitspanne von 1 bis 2 Jahren für die legislative Verabschiedung der vorgeschlagenen Maßnahmen fest, verbleiben wenige Jahre für die praktische Umsetzung und die entsprechenden Wirkungen. Das ist nicht sonderlich realistisch, insbesondere nicht, wenn man bedenkt, dass Bund und Länder noch über keine funktionierende nationale Umweltbeobachtung verfügen.
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bleibt. 264 Dazu trägt auch schon bei, dass einige der Vorgaben der Strategie bei allen Koalitionspartnern, CDU, CSU und SPD, auf geringe Zustimmung stoßen dürften. 7.4.3
Die Diskussion um eine Modifikation und Erweiterung des naturschutzrechtlichen Instrumentariums Nach Abschluss der Novelle des BNatSchG im März 2002 ist der politische Diskurs um eine Modifikation und Erweiterung des naturschutzrechtlichen Instrumentariums für eine Legislaturperiode zum Erliegen gekommen. Entsprechende Initiativen hat die rot-grüne Bundesregierung nicht auf den Weg gebracht: Dies gilt gleichermaßen für die mögliche Einführung zusätzlicher ökonomischer Instrumente wie für die Umsetzung institutioneller Innovationen, etwa von sektoralen Berichtspflichten, sektoralen Integrationsstrategien oder unabhängigen Evaluationsgremien. Inkrementelle Erfolge der Politikintegration sind allerdings für die Umsetzung der Reformbeschlüsse zur Gemeinsamen Agrarpolitik zu verzeichnen, wo eine stärkere Veranlagung von Mitteln zur Förderung umweltfreundlicher Bewirtschaftungsformen und zur Förderung des ländlichen Raums gelang (vgl. SRU 2004c). Auch die neue Koalition aus CDU, CSU und SPD hat entsprechende Schritte vertagt. So ist die Einführung zusätzlicher ökonomischer Instrumente in der Koalitionsvereinbarung ebenso wenig vorgesehen wie Modifikationen des Bundesnaturschutzrechts im Sinne der oben diskutierten Möglichkeiten. Positiv ist die Zielvorgabe der Koalitionsvereinbarung hervorzuheben, naturschutzfachlich wertvolle Flächen des ehemaligen Mauerstreifens (das so genannte Grüne Band) als nationales Naturerbe zu sichern. Allerdings haben die Koalitionspartner auch festgehalten, die Bestimmungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren zu verschlanken (SPD/CDU/CSU 2005). Es ist noch nicht klar ist, wie dieses Vorhaben genau ausfallen wird, doch es ist realistisch anzunehmen, dass damit eine Schwächung des naturschutzrechtlichen Instrumentariums angestrebt wird (vgl. BUND 2005, NABU 2005). Dies legt nicht zuletzt die Bilanz der Umsetzung der Vorgaben des neuen BNatSchG in den Ländern nahe (vgl. Kap. 5).
264
Das Vorgehen bei der Erarbeitung weicht vom Vorgehen bei der Erarbeitung dezentraler Sektorstrategien, aber auch vom Vorgehen zur Erarbeitung nationaler Umweltpläne ab, wie es in anderen OECD-Ländern praktiziert wird (vgl. Dalal-Clayton und Bass 2002): Es das Umweltministerium, das zwar im Dialog mit Verbänden, aber als Einzelressort einen detaillierten Ziel- und Maßnahmenkatalog erarbeitet und diesen gegenüber anderen Ressorts vertreten und durchsetzen muss. Auf der einen Seite garantiert dies, dass die Zielkonzeption umfassend ausfällt. Auf der anderen Seite sind die anderen Ressorts nicht wirklich in die Problembearbeitung einbezogen. Somit besteht keine übergreifende Ergebnisverantwortung und die politische Durchsetzbarkeit der Strategiekonzeption ist schwach.
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Fazit
In der Einleitung zu dieser Arbeit wurden sieben Fragestellungen zum Verhältnis von Naturschutz und Föderalismus und zur Tauglichkeit kapazitätsschonender Handlungsstrategien in der Politikverflechtung aufgeworfen, die in den verschiedenen Kapiteln dieser Arbeit beantwortet worden sind. Sie sollen an dieser Stelle noch einmal zusammengefasst werden bevor abschließend die Bedeutung der Ergebnisse für die allgemeinen Erfolgsbedingungen von Umweltpolitik zu diskutieren sind. Wie in den Kap. 4.4.7 und 4.5.3 festgehalten, haben mit der Novelle des BNatSchG eine Reihe regulatorischer Neuerungen Einzug in das Bundesnaturschutzrecht gefunden. Dieses wurde funktional weiterentwickelt, nicht aber umfassend reformiert. Auch nach dieser Novelle bleibt ein größerer Reformbedarf des Bundesnaturschutzrechts bestehen – dem Anforderungskatalog ist keinesfalls vollständig entsprochen worden (Frage 1). Dieser Befund gilt umso mehr, wenn die Stufe der Umsetzung in Betracht gezogen wird (Frage 2). Hier ist in den Kap. 6.1.7 und 6.4 summiert worden, dass die Mehrheit der Länder lediglich eine 1:1Umsetzung betrieben hat und notwendige Konkretisierungen des Bundesrechts nur vereinzelt vorgenommen worden sind. Teilweise nutzen die Länder die Umsetzung als Deckmantel für den Abbau von vormals weiterführenden Vorgaben ihres Landesnaturschutzrechts, teilweise kommt es sogar zu quasi-rechtswidrigen Formen, etwa in Form des bewussten Überschreitens gesetzlicher Umsetzungsfristen oder des Ignorierens einzelner gesetzlicher Vorgaben. 265 Insgesamt ist wenig zu sehen von einem Prozess der dynamischen dezentralen Institutionenentwicklung, wie er im “Positiv-Szenario“ angenommen wurde (vgl. Kap. 1.2). Vielmehr stellen sich viele Annahmen des “Negativ-Szenarios“ ein (vgl. Kap. 1.2): Die Innovationskapazitäten im Bereich des Naturschutzes sind in vielen Ländern erstaunlich schwach; der Druck, die Vorgaben des BNatSchG nicht vernünftig umzusetzen, ist erstaunlich stark. Wie dann in Kap. 7.1. zusammengefasst worden ist, kann die Handlungsstrategie der rot-grünen Regierungskoalition vor diesem Hintergrund nur bedingt als tauglich eingestuft werden: Die weitgehende Neutralisierung des Bundesrates verlagert die Entscheidungskonflikte auf die Stufe der Umsetzung (Frage 3). Allerdings ist auch deutlich geworden, dass eine alternative Strategie für die Modernisierung des Bundesnaturschutzrechts nicht wirklich in Frage kam (Frage 4). Deshalb wurde in den Kap. 7.2 und 7.3. festgestellt, dass eine grundlegende Reform der institutionellen Rahmenbedingungen notwendig ist (Frage 5). In Kap. 7.4 265
Nur die Umsetzung der Neuregelungen im Bereich der Ziele und Grundsätze sowie der Eingriffsregelung erfolgt in allen untersuchten Ländern zufrieden stellend: Während die Neuordnung der Ziele und Grundsätze keine bedeutsamen Auswirkungen zeitigt, erleichtert die Neuregelung der Eingriffsregelung Planungs- und Genehmigungsverfahren, was die breite Zustimmung aller Länder erklärt. Alle anderen weiter reichenden Neuregelungen der Novelle erfahren dagegen nur in einzelnen Länder eine zufrieden stellende Umsetzung
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wurde konstatiert, dass für eine Leistungssteigerung als erstes auf die Überführung der Zuständigkeit in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes abzustellen wäre (Frage 6). Gleichzeitig wurden aber auch der weitere Abbau von Regelungsdefiziten des Naturschutzrechts, die Erweiterung des Instrumentariums und die Vertiefung der Politikintegration als Notwendigkeit angemahnt (Frage 6). Allerdings sind Zweifel angebracht, ob Bund und Länder den politischen Gestaltungswillen zu einer solchen Leistungssteigerung aufbringen. Die Bilanz der Umsetzung des BNatSchG, die Diskussion um die allgemeine Föderalismusreform, die schleppende Entwicklung anderer naturschutzpolitischer Reformprozesse und die Reformen der Naturschutzverwaltungen in vielen Ländern - all das spricht gegen weit reichende Fortschritte (Frage 7). Das kapazitätsorientierte Modell der Umweltpolitikanalyse hat sich als geeigneter Ansatz erwiesen, um die Probleme einer Modernisierung und Leistungssteigerung der Naturschutzpolitik zu verstehen. Es wird deutlich, dass die Leistungsfähigkeit des deutschen Föderalismus nicht pauschal als gut oder schlecht bewertet werden kann - wie dies häufig erfolgt -, sondern vielmehr im Einzelfall je nach Problemstruktur, Akteuren, Interessenlagen und situativen Rahmenbedingungen zu beurteilen ist. 266 Im Naturschutz sind die Probleme von Bund und Ländern auf ein ganzes Ursachenbündel zurückzuführen (vgl. Kap. 7.2):
Eine komplexe, schwierige Problemstruktur verengt die Handlungsspielräume der Umweltakteure; marktkonforme Technologien stehen kaum zur Verfügung. Situativer Ereignisfaktoren und internationale bzw. europäische Rechtsvorgaben entfalten nur einen partiellen Handlungsdruck für Bund und Länder, sich kooperativ zu verhalten; selbst im Fall der FFH-Richtlinie bestehen stark abwehrend Kräfte. Der starke parteipolitische Wettbewerb und ein geringer parteiübergreifender Konsens in wesentlichen Fragen des Naturschutzes entfalten vielfältige Anreize für ein Blockadeverhalten einzelner Länder. Es kommt zu einer parteipolitischen Schwächung oder Neutralisierung administrativer Akteure, was eine Schwächung der Interessenkoalitionen des Naturschutzes bedingt. Deren Akteursbasis ist wiederum aufgrund der Schwächung administrativer Akteure und des weitgehenden Fehlens ökologisch orientierter Unternehmen vielfach schmaler als in anderen Bereichen des Umweltschutzes.
Es ist die Kombination dieser Einflussfaktoren, welche die institutionelle Beharrungskraft und die geringe Dynamik der Politikentwicklung im Bereich des Naturschutzes und der 266
So kann die Verflechtung von Bund und Ländern in manchen Fällen vorteilhaft für angemessene Problemlösungen sein und diese in anderen Fällen behindern oder geradezu ausschließen. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass sowohl die Kritiker als auch die Befürworter der föderativen Kompetenzverteilung von Bund und Ländern aussagekräftige Beispiele für oder gegen die Problemlösungskapazitäten von Bund und Ländern anführen. Ein genauerer Blick offenbart zumeist unterschiedliche Problemstrukturen, Akteurskonstellationen und situativen Rahmenbedingungen als Ursache (vgl. Wachendorfer-Schmidt 2003).
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Landschaftspflege ausmachen. Eine inkrementelle Politikentwicklung ist die Konsequenz; weit reichender Politikwandel ist relativ unwahrscheinlich. 267 Für eine breite problemgerechte Modernisierung des Naturschutzrechts von Bund und Ländern sind wesentliche Erfolgsbedingungen nicht ausreichend entwickelt. Kapazitätsdefizite können nur bedingt durch geeignete Handlungsstrategien kompensiert werden. Weitere Schritte der Leistungssteigerung dürften auch künftig nicht nur mühsam, sondern teilweise wesentlich mühsamer sein als bisher, da viele Länder ihre administrativen Kapazitäten im Naturschutz weiter abbauen. Dies gilt dann auch für die Umsetzung weiterführender Vorgaben des europäischen Naturschutzrechts, insbesondere in den Bereichen Informations- und Beteiligungsrechte, aber auch Strategische Umweltprüfung (SUP). Für die Analyse der Erfolgsbedingungen von Umweltpolitik liefert die vorliegende Studie eine Reihe interessanter Ergebnisse. So wird zunächst die zentrale Bedeutung der Problemstruktur für die Erklärung des Erfolgs oder Misserfolgs von Umweltpolitik deutlich. Öffentlicher Problemdruck, Umwelttechnologien und die mit ihnen verbundenen Wettbewerbsund Marktentwicklungseffekte entscheiden nicht nur mit über den politischen Stellenwert eines Umweltthemas, sondern auch über die Breite und Durchschlagskraft der betroffenen Interessenkoalitionen. Fehlen öffentlicher Problemdruck und angemessene Umwelttechnologien, fehlen in der Regel auch ökologisch orientierte Unternehmen, die wiederum wichtiger Bestandteil erfolgreicher umweltpolitischer Interessenkoalitionen sind. Die Problembearbeitung wird für die Akteure des Umweltschutzes noch schwieriger als in anderen Bereichen des Umweltschutzes, wenn solche Helferinteressen fehlen. Während sich die Annahmen des Modells zur Problemstruktur bestätigen, zeigt sich an anderer Stelle Differenzierungsbedarf: Die Bewertung der Handlungskapazitäten eines Landes im Umweltschutz sollte künftig stärker die Ausdifferenzierung des politischen Mehrebenensystems berücksichtigen. Bislang ist dies im Modell systematisch nicht angelegt. Gleichzeitig wird deutlich, dass im Mehrebenensystem Umweltverwaltungen nicht automatisch als befürwortende Akteure von Umweltschutzmaßnahmen verstanden werden können, sondern dass das Binnenverhältnis von supranationalen, nationalen und subnationalen Behörden zu beachten ist. Auf den unterschiedlichen Ebenen des politischen Systems können gegenläufige fachliche und politische Handlungslogiken bestehen, welche die Verwaltungen zu einem unterschiedlichen Handeln drängen. Dabei scheinen zwei Einflussfaktoren maßgeblich zu sein: das Ausmaß der Kompatibilität der unterschiedlichen Regelungsansätze auf den unterschiedlichen Handlungsebenen und sowie das Ausmaß des parteipolitischen Wettbewerbs. 267
Verstärkt wurde dies in der Vergangenheit durch die gegenläufigen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Insofern ist die große Koalition ein Testfall, da die Bildung von erforderlichen “Supermehrheiten“ in Bundestag und Bundesrat für Reformen erleichtert ist. Allerdings ist zu vermuten, dass andere restriktive Einflussfaktoren – wie die schwache Stellung der Umwelt- und Naturschutzbelange im Ressortgefüge der Bundesund Landesregierungen – dann verstärkt zum Tragen kommen und Bund-Länder-Konflikte die parteipolitischen Konflikte zwischen Bundesregierung und oppositionsgeführten Landesregierungen ablösen.
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Die relevanten Variablen des kapazitätsorientierten Modells der Umweltpolitikanalyse wie Problemstruktur, Akteure und systemische Handlungsbedingungen - sind entsprechend auf die Bedeutung supra- und internationaler sowie substaatlicher Rechtsvorgaben, Akteure und institutioneller Handlungskontexte zu ergänzen. Dies kann sehr wohl innerhalb des Modells erfolgen. Auch die Dynamik des parteipolitischen Wettbewerbs lässt sich verhältnismäßig einfach abbilden: So besteht bislang vorwiegend die Annahme, dass die Fähigkeit eines politischen Systems zur politischen Integration unterschiedlicher Interessen die Handlungskapazitäten im Umweltschutz stärkt. Diese Variable kann konkretisiert werden durch die Betrachtung der Konsensreserven des jeweiligen parteipolitischen Systems eines Landes. Hier besteht ein elaborierter Forschungsstand der Parteienforschung, die viele Länder entsprechend klassifiziert hat (vgl. Czada 2003). In einem Land mit hohen parteipolitischen Konsensreserven ist davon auszugehen, dass die Verwaltungen nicht durch parteipolitischen Wettbewerb blockiert werden; in einem Land mit niedrigen parteipolitischen Konsensreserven ist dagegen von einer potenziellen Neutralisierung administrativer Handlungskapazitäten auszugehen. 268 Von anderer Seite (vgl. Scruggs 2003) ist die Forderung an das kapazitätsbasierte Modell der Umweltpolitikanalyse herangetragen worden, die Variablen konkreter zu operationalisieren, um die Anwendbarkeit zu erleichtern. In dieser Studie wurde einerseits der Versuch unternommen, abhängige und unabhängige Variablen zu definieren, was sich als praktikabel erwiesen hat. Andererseits wurden die einzelnen Bereiche des Modells entsprechend der Untersuchungserfordernisse der Arbeit weiter operationalisiert, wobei zentrale Variablen, die für alle Länder gleichermaßen gelten, von dezentralen Variablen unterschieden wurden, die je nach Land variieren (vgl. Kap. 5). Obwohl sich durchaus Unterschiede zwischen den Bundesländern zeigen, hat die vergleichende Analyse ergeben, dass die meisten der derart operationalisierten Variablen von eher geringer Erklärungskraft sind. So zeigt sich ein eindeutiges Muster weder für die Einflussfaktoren Bevölkerungsdichte oder Zerschneidungsgrad der Landschaft noch für die Größe oder den Zuwachs des BIP oder die Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft; auch für den Organisationsgrad der Naturschutzverbände zeigen sich keine eindeutigen Ergebnisse. Für alle diese Variablen ist festzustellen, dass sowohl Bundesländer an der Spitze als auch Bundesländer am Ende des Untersuchungsrankings gleiche Werte aufweisen (vgl. Kap. 6.4). Eine nahe liegende Erklärung dafür ist, dass die Unterschiede zwischen den Ländern eher Detailunterschiede und nicht als grundlegende Unterschiede sind, welche die Substanz von Entscheidungsprozessen maßgeblich beeinflussen. Anders als in einem Mehrländerver268
Mit deutlich ausgeprägten parteipolitischen Handlungskapazitäten lässt sich etwa der Erfolg von Minderheitenregierungen in skandinavischen Ländern erklären, die in Deutschland dagegen nur unter restriktiven Rahmenbedingungen möglich sind. Die restriktiven Effekte niedriger parteipolitischer Konsensreserven lassen sich teilweise durch eine günstige Problemstruktur kompensieren: wenn ein ökologischer Problemdruck öffentlichen Handlungsdruck schafft und technologische Lösungsansätze bereit stehen.
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gleich im OECD-Vergleich bestehen für Bund und Länder in Deutschland doch ähnliche politisch-institutionelle und informativ-kognitive Rahmenbedingungen. Unter ähnlichen Rahmenbedingungen (wie gleiche Verfassung, Verwaltungsstruktur und Akteurskonstellationen) von Bund und Ländern kommen dann Unterschiede in der Ausprägung der politischen Einflussfaktoren deutlich zum Tragen. 269 Für den Zuschnitt der Ministerialverwaltung lässt sich feststellen, dass die Zusammenlegung der Ressorts von Umwelt und Landwirtschaft dann einen Unterschied machen kann, wenn sie einher geht mit einer entsprechend motivierten und in der Sache interessierten politischen Amtsleitung. Dies war im Sample der Länder dieser Arbeit insbesondere für die Ministerien der Fall, die von Bündnis 90/Die Grünen geführt wurden. Entgegen der Annahmen des kapazitätsbasierten Modells der Umweltpolitikanalyse, dass es auf die Zusammensetzung der Regierungskoalition nicht so sehr ankomme, zeigt die vorliegende Umsetzung, dass dies für die Modernisierung des Naturschutzrechts der Länder doch deutlich der Fall ist. Die Zusammensetzung der Landesregierung entscheidet maßgeblich darüber, inwieweit die Vorgaben des neuen Gesetzes umgesetzt werden. Es gibt also nicht die eine umweltpolitische Handlungskapazität eines Landes; vielmehr ist das Wechselspiel unterschiedlicher institutioneller Ebenen und Akteure in Betracht zu ziehen. Dabei können Handlungskapazitäten im Umweltschutz beeinträchtigt werden, wenn kooperative Austauschprozesse zwischen Umweltverwaltungen auf der nationalen und regionalen Ebene überlagert werden durch den Wettbewerb der Parteien bei Landtagswahlen. Eine erfolgreiche Umweltpolitik ist dennoch möglich, aber stark abhängig von der Problemstruktur: Entweder sind die Probleme so dringlich und sichtbar, dass Bund und Länder zur kooperativen Zusammenarbeit gezwungen sind (wie bei der Luftreinhaltung und im Gewässerschutz). Oder vorhandene Anbieterinteressen und potenzielle Marktchancen von Umwelttechnologien setzen Bund und Länder unter Druck, solche wirtschaftliche Chancen des Umweltschutzes zu nutzen und bieten interessante Möglichkeiten der politischen Profilierung (wie bei den Erneuerbaren Energien). Beides ist im Naturschutz nur bedingt der Fall.
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Zwar ist vielfach nachgezeichnet worden, dass ein einseitiges Weisungsverhältnis zwischen politischer Führung und bürokratischen Apparat nicht besteht und die Ministerialverwaltung eine hohe Eigenständigkeit aufweist: Sie nutzt ihre Sachkenntnis komplexer Sachverhalte, um die eigenen Positionen auch gegenüber einer neuen politischen Führung beizubehalten. Aber dennoch zeigt sich, dass die Frage der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierungskoalition in Bundesstaaten von großer Bedeutung für die Ausnutzung bestehender Handlungskapazitäten im Naturschutz ist.
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A
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§ 2 Abs. 1 (Grundsätze) Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind insbesondere nach Maßgabe folgender Grundsätze zu verwirklichen: Nr. 4. Natürliche oder naturnahe Gewässer sowie deren Uferzonen und natürliche Rückhalteflächen sind zu erhalten oder wiederherzustellen. (Diese Passage wurde gestrichen). […]
Nr. 6: Beeinträchtigungen des Klimas sind zu vermeiden. […] (Diese Passage wurde gestrichen). [...]
Nr. 13: Die Landschaft ist in ihrer Vielfalt, Eigenart und Schönheit auch als Erlebnis und Erholungsraum des Menschen zu sichern. Ihre charakteristischen Strukturen und Elemente sind zu erhalten oder zu entwickeln. Beeinträchtigungen des Erlebnis- und Erholungswerts der Landschaft sind zu vermeiden. Zum Zwecke der Erholung sind nach ihrer Beschaffenheit und Lage geeignete Flächen zu schützen und, wo notwendig, zu pflegen, zu gestalten und zugänglich zu erhalten oder zugänglich zu machen. […] § 3 Abs. 1,2,3 und 4 (Biotopverbund, komplett neu strukturiert und geändert)
§ 2 Abs. 1 (Grundsätze)
Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind nach Maßgabe folgender Grundsätze zu verwirklichen:
Nr. 4: Natürliche oder naturnahe Gewässer sowie deren Uferzonen und natürliche Rückhalteflächen sind zu erhalten oder wiederherzustellen. Gewässer sind, auch durch die Erhaltung oder Anlage natürlicher und naturnaher Uferrandstreifen, vor Verunreinigungen zu schützen; ihre natürliche Selbstreinigungskraft ist zu erhalten und wiederherzustellen. Ein rein technischer Ausbau von Gewässern ist zu vermeiden und durch Wasserbaumaßnahmen, so naturnah wie möglich, zu ersetzen. […]
Nr. 6: Beeinträchtigungen des Klimas sind zu vermeiden. […] Unvermeidbare Beeinträchtigungen sind auch durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen oder zu mindern; dazu kann auch die Erweiterung von Waldflächen mit standortgerechten Baumarten gehören.
Nr. 13: Die Landschaft ist in ihrer Vielfalt, Eigenart und Schönheit auch als Erlebnis und Erholungsraum des Menschen zu sichern. Ihre charakteristischen Strukturen und Elemente sind zu erhalten oder zu entwickeln. Beeinträchtigungen des Erlebnis- und Erholungswerts der Landschaft sind zu vermeiden. Für eine natur- und landschaftsverträgliche Erholung sind nach ihrer Beschaffenheit und Lage geeignete Flächen zu schützen und, wo notwendig, zu pflegen, zu gestalten und zugänglich zu erhalten oder zugänglich zu machen. […]
§ 3 Abs. 1,2 und 3 (Biotopverbund)
Artikel I
Referentenentwurf Mai 2001
Übersicht über die Änderungen im Gesetzentwurf vom Mai 2001 gegenüber dem Referentenentwurf vom Juli 2000
Referentenentwurf Juli 2000
Tabelle 10.1:
Synopse der Änderungen der inhaltlichen Bestimmungen des BNatSchG im Verlauf des politischen Entscheidungsprozesses
10 Anhang
283
284 § 3 Abs. 3: Der Biotopverbund besteht aus Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselementen. Bestandteile des Biotopverbund sind geeignete Gebiete im Sinne des §22 Abs. 1 oder des §32 oder Teile dieser Gebiete, gesetzlich geschützte Biotope im Rahmen des § 30 sowie weitere Flächen und Elemente.
§ 3 Abs. 3: Die Flächen des Biotopverbundsystem sind durch Ausweisung als Schutzgebiete gemäß den §§23-25,28 oder 29, durch planungsrechtliche Festlegungen, durch langfristige Vereinbarungen (Vertragsnaturschutz) oder andere geeignete Maßnahmen dauerhaft zu sichern.
§ 5 (Landwirtschaft und Naturschutz)
§ 5 Abs. 2: sind die zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen linearen und punktförmigen Elemente (Saumstrukturen, insbesondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope) in ausreichender Dichte zu erhalten sowie neu einzurichten, sowie eine von den Ländern festzusetzende regionale Mindestdichte unter-
§ 5 Abs. 2 (neu eingefügt)
§ 5 (Landwirtschaft und Naturschutz )
§ 3 Abs. 4 (neu, vormals § 3 Abs. 2): Die erforderlichen Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselemente sind durch Ausweisung geeigneter Gebiete im Sinne des §23 Abs. 1, durch planungsrechtliche Festlegungen, durch langfristige Vereinbarungen (Vertragsnaturschutz) oder andere geeignete Maßnahmen rechtlich zu sichern, um einen Biotopverbund dauerhaft zu gewährleisten.
§ 3 Abs. 2 Der Biotopverbund dient der nachhaltigen Sicherung von heimischen Tier- und Pflanzenarten und deren Populationen sowie der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger, ökologischer Wechselbeziehungen.
§ 3 Abs. 2: Ein Biotopverbundsystem ist ein System vernetzter Flächen. Hierunter fallen in der Regel Naturschutzgebiete im Sinne von §23, Nationalparke im Sinne von §24, Biosphärenreservate im Sinne von §25, Naturdenkmale im Sinne von §28, geschützte Landschaftsbestandteile im Sinne von §29, Biotope im Sinne von §30, Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, Europäische Vogelschutzgebiete sowie weitere geeignete Kernflächen und Verbindungsflächen. Ein Biotopverbundsystem dient der nachhaltigen Sicherung von standorttypischen Lebensräumen, Tier- und Pflanzenarten und deren Populationen sowie der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger, ökologischer Wechselbeziehungen.
-
§ 3 Abs. 1: Die Länder schaffen ein Netz verbundener Biotope (Biotopverbundsystem), das mindestens 10% der Landesfläche umfassen soll.
§ 3 Abs. 1: Die Länder schaffen ein Biotopverbundsystem auf mindestens 10 Prozent der Landesfläche.
285
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-
Nr. 5: ist die Tierhaltung in einem regional ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau zu halten
Nr. 4: ist auf erosionsgefährdeten Hängen und in Überschwemmungsgebieten ein Grünlandumbruch zu unterlassen
Nr. 3: ist die natürliche Ertragsfähigkeit des Bodens zu erhalten.
§ 5 Abs. 3
Bei der fischereiwirtschaftlichen Nutzung der oberirdischen Gewässer sind diese einschließlich ihrer Uferzonen als Lebensstätten und Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und zu fördern. Der Besatz dieser Gewässer mit nicht heimischen Tierarten ist grundsätzlich zu unterlassen. Bei Fischzuchten und Teichwirtschaften der Binnenfischerei sind Beeinträchtigungen der heimischen Tier- und Pflanzenarten auf das zur Erzielung eines nachhaltigen Ertrages erforderliche Maß zu beschränken.
§ 5 Abs. 5 (neu eingefügt)
Bei der forstlichen Nutzung des Waldes sind die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Bundeswaldgesetzes und der Forst- und Waldgesetze der Länder zu beachten. Es sind naturnahe Wälder aufzubauen und diese ohne Kahlschläge nachhaltig zu bewirtschaften. Ein hinreichender Anteil standortheimischer Forstpflanzen ist einzuhalten
§5 Abs. 4 (neu eingefügt):
6 (alt 5): ist die Tierhaltung unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten im Betrieb oder durch Kooperationsvereinbarungen zwischen Betrieben in einem ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau zu halten
Nr. 5 (vormals Nr. 4): ist auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwassergehalt sowie auf Moorstandorten ein Grünlandumbruch zu unterlassen
Nr. 4 ( vormals Nr. 3): ist die natürliche Bodenfruchtbarkeit und langfristige Nutzbarkeit von Böden zu sichern, insbesondere dadurch, dass Bodenerosion und Bodenverdichtung soweit wie möglich vermieden und der standorttypische Humusgehalt erhalten wird
§ 5 Abs. 3
schritten ist und nicht auf landwirtschaftlichen Flächen ausreichende Elemente vorhanden sind.
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Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der Gestaltung oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.
§ 19 Abs. 3 (Eingriffsregelung) Der Eingriff darf nicht zugelassen oder durchgeführt werden, wenn die Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu kompensieren sind und die Naturschutzbelange in der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft im Range vorgehen. § 20 Abs. 3 Eingriffsregelung) (vormals Abs. 2): Soll bei Eingriffen in Natur und Landschaft, denen Entscheidungen nach § 19 von Behörden des Bundes vorausgehen oder die von Behörden des Bundes durchgeführt werden, von der Stellungnahme der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde abgewichen werden, so entscheidet hierüber die fachlich zuständige Behörde des Bundes im Benehmen mit der obersten Landesbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege, soweit nicht eine weitergehende Form der Beteiligung vorgesehen ist. § 22 Abs. 3 (Gebietsschutz) Satz 2: Schutzgebiete im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 können in Zonen mit einem dem jeweiligen Schutzzweck entsprechenden abgestuften Schutz gegliedert werden; hierbei kann auch die für den Schutz notwendige Umgebung einbezogen werden.
Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der Gestaltung oder Nutzung von Grundflächen oder Änderungen des Grundwasserspiegels, die
§ 19 Abs. 3 (Eingriffsregelung)
Der Eingriff darf nicht zugelassen oder durchgeführt werden, wenn die Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu kompensieren sind und die Naturschutzbelange in der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft im Range vorgehen oder gleichrangig sind.
§ 20 Abs. 2 (Eingriffsregelung)
Ist eine Behörde des Bundes zuständig, ergehen die Entscheidungen nach § 19 (Verursacherpflichten, Unzulässigkeiten von Eingriffen) im Benehmen mit der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde und, wenn eine Einigung nicht zu erzielen ist, im Benehmen mit der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen obersten Landesbehörde.
§ 22 Abs. 3 (Gebietsschutz)
Satz 2: […] Die Erklärung (zum Schutzgebiet/A.V.) kann auch die für den Schutz notwendige Umgebung einbeziehen. Schutzgebiete im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 können in Zonen mit einem dem jeweiligen Schutzzweck entsprechenden abgestuften Schutz gegliedert werden.
1. geeignet sind, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich zu beeinträchtigen und 2. der behördlichen Entscheidung oder einer Anzeige an eine Behörde bedürfen oder von einer Behörde durchgeführt werden.
§ 18 Abs. 1 (Eingriffsregelung)
§ 18 Abs. 1 (Eingriffsregelung)
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§ 30 Abs. 1 (Biotopschutz) Die Länder verbieten Maßnahmen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung folgender Biotope führen können:
§ 30 Abs. 1 (Biotopschutz)
(1) Die Länder verbieten Maßnahmen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung folgender Biotope führen können:
Bruch-, Sumpf- und Auwälder, Schlucht- Blockhalden- und Hangschutttwälder,
offene Felsbildungen, alpine Rasen sowie Schneetälchen und Krummholzgebüsche
natürliche und naturnahe Fichten-Tannenwälder, Fichtenwälder und Kiefernwälder,
offene Binnendünen, offene natürliche Block-, Schutt- und Geröllhalden, Lehmund Lösswände, Zwergstrauch-, Ginster- und Wacholderheiden, Borstgrasrasen, Trockenrasen, Schwermetallrasen, Wälder und Gebüsche trockenwarmer Standorte,
Moore, Sümpfe, Röhrichte, extensive Feucht- und Nasswiesen, Quellbereiche, Binnenlandsalzstellen
Bruch-, Sumpf- und Auwälder, Block-, Schutt- und Hangwälder, natürliche und naturnahe Buchenwälder sowie montane Buchen-Tannen und Tannen-FichtenBuchenwälder,
offene Binnendünen, offene natürliche Block-, Schutt- und Geröllhalden, Lehmund Lösswände, Zwergstrauch- und Wacholderheiden, Borstgrasrasen, Trockenrasen, Schwermetallrasen, Wälder und Gebüsche trockenwarmer Standorte,
magere einschürige Frischwiesen und magere extensive Frischweiden,
Moore, Sümpfe, Röhrichte, extensive Feucht- und Nasswiesen, Quellbereiche, Binnenlandsalzstellen
natürliche oder naturnahe Bereiche fließender oder stehender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden natürlichen oder naturnahen Vegetation sowie ihrer natürlichen oder naturnahen Verlandungsbereiche, Altarme und regelmäßig von Gewässern überschwemmten Gebiete
Die Beseitigung des geschützten Landschaftsbestandteils sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Landschaftsbestandteils führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten.
Die Beseitigung des geschützten Landschaftsbestandteils sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Landschaftsbestandteils führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Die Länder können für den Fall der Bestandsminderung die Verpflichtung zu angemessenen und zumutbaren Ersatzpflanzungen festlegen.
natürliche oder naturnahe Bereiche fließender oder stehender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden natürlichen oder naturnahen Vegetation sowie ihrer natürlichen oder naturnahen Verlandungsbereiche, Altarme und regelmäßig von Gewässern überschwemmten Gebiete
§ 29 Abs. 2 (Biotopschutz)
§ 29 Abs. 2 (Biotopschutz)
288
Fels- und Steilküsten, Küstendünen- und Strandwälle, Strandseen, Boddengewässer mit Verlandungsbereichen, Salzwiesen und Wattflächen im Küstenbereich, Seeggraswiesen und sonstige marine Makrophytenbestände, Riffe, sublitorale Sandbänke der Ostsee sowie artenreiche Kies-, Grobsand- und Schillbereiche im Meer- und Küstenbereich. § 31 (Gewässerschutz) Die Länder stellen sicher, dass die oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Gewässerrandstreifen und Uferzonen als Lebensstätten und Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben und so weiter entwickelt werden, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können.
Fels- und Steilküsten, Küstendünen- und Strandwälle, Strandseen, Boddengewässer, Salzwiesen und Wattflächen im Küstenbereich, Seeggraswiesen und sonstige marine Makrophytenbestände, Riffe, Sandbänke sowie artenreiche Kies, Grobsand- und Schillbereiche im Meer- und Küstenbereich.
§ 31 (Gewässerschutz)
Die Länder stellen sicher, dass Gewässer mit ihren Ufern einschließlich ihrer Randstreifen sowie Überschwemmungsgebiete in einer dem Gewässer entsprechenden Breite als Biotop nicht zerstört oder erheblich beeinträchtigt werden. Ihre Erhaltung und Entwicklung zu natürlichen oder naturnahen Biotopen ist anzustreben Quelle: Eigene Darstellung
offene Felsbildungen, alpine Rasen sowie Schneetälchen und Krummholzgebüsche, subalpine Fichten und Lärchen-Arvenwälder,
289
§ 1sind:
Artikel I
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
In § 1 sind:
In § 2 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1ist: das Semikolon durch einen Punkt zu ersetzen und der restliche
§ 2 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1
Beeinträchtigungen des Klimas sind zu verhindern, hierbei
Natur und Landschaft sind auch in Verantwortung für die künf- die Wörter „auf Dauer“ durch das Wort „nachhaltig“ zu ersetzen. tigen Generation so zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln und, (U, A) soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass [...] auf Dauer gesichert sind.
§1
Natur und Landschaft sind auch in Verantwortung für die künf- nach den Wörtern „Natur und Landschaft sind“ die Wörter „auf tigen Generation so zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln und, Grund ihres eigenen Wertes und“ einzufügen. (U) soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass
§1
Ziele und Grundsätze
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
+
-/0
0/+
Wertung *
Überblick über die wichtigsten Änderungsanträge der Stellungnahme des Bundesrates vom Juni 2001 und die entsprechende Annahme oder Ablehnung durch die Bundesregierung
Abkürzungen der Ausschüsse: U = Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (federführend) A = Agrarausschuss Fz = Finanzausschuss In = Ausschuss für Innere Angelegenheiten R = Rechtsausschuss Vk = Verkehrsausschuss Wi = Wirtschaftsausschuss Wo = Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumplanung
Tabelle 10.2
Abgelehnt
Abgelehnt
Übernommen
Von der Bundesregierung übernommen
290 Satzteil zu streichen. (Wi)
In § 2 I Nr. 13 Satz 6 sind die Wörter „im Sinne des Satzes 4“ zu streichen (U - widersprochen von Wo wg. Benachteiligung von Natursportarten)
kommt dem Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung insbesondere durch Erneuerbare Energien eine besondere Bedeutung zu.
§ 2, Abs. 1, Nr. 13, Satz 6
... zur Erholung im Sinne des Satzes 4 gehören auch natur- und landschaftsverträgliche sportliche Betätigungen in der freien Natur.
In § 3 Abs. 3 ist der Satz 2 wie folgt zu fassen: „Bestandteile des Biotopverbunds sind:
§ 3 Abs. 3 Satz 2
... Bestandteile des Biotopverbunds sind geeignete Gebiete im Sinne des §22 [d.h. alle Schutzgebiete oder Teile davon] und geschützte Biotope im Sinne des §30, weitere Flächen und Elemente.
... -
„Der Biotopverbund soll länderübergreifend erfolgen. Die Länder stimmen sich hierzu untereinander ab.“ (U)
... Die Länder schaffen ein Netz verbundener Biotope, das mindestens 10% der Landesfläche umfassen soll.
... Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können von Absatz 1 [Regelung des Biotopverbunds] abweichende Regelungen treffen [sog. Stadtstaatenklausel]. (VK, Wi, Wo)
1. festgesetzte Nationalparke und Naturschutzgebiete sowie Gebiete im Sinne des § 32, 2. gesetzlich geschützte Biotope im Rahmen des § 30, 3. weitere Flächen und Elemente, insbesondere Teile von Landschaftsschutzgebieten, wenn sie zur Erreichung des in Absatz 2 genannten Zieles geeignet sind.“ (U)
In §3 Abs. 1 sind folgende Sätze anzufügen:
§ 3 Abs. 1
Biotopverbund
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
-/0
+/0
+
+
Wertung *
Abgelehnt
Abgelehnt
Übernommen
Abgelehnt
Von der Bundesregierung übernommen
291
In Artikel 1 ist in § 5 der Absatz 3 wie folgt zu fassen:
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
Die Landwirtschaft hat neben den Anforderungen, die sich aus den für die Landwirtschaft geltenden Vorschriften und §17 Abs. 2 Bundesbodenschutzgesetz ergeben, insbesondere die folgenden Grundsätze der guten fachlichen Praxis zu beachten:
... Die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung von Flächen wird von der standörtlichen Eignung bestimmt. Stoffeinträge und Erosion sollen minimiert, schädliche Umweltauswirkungen der Tierhaltung vermieden werden. Bei der Bewirtschaftung der Flächen ist Bei der landwirtschaftlichen Nutzung muss die Nutzung stand- auf vorhandene Biotope Rücksicht zu nehmen, mit dem Ziel diese zu erhalten. Es sind zur Umsetzung der ortangepasst erfolgen. In diesem Rahmen - sind vermeidbare Beeinträchtigungen von auf der Betriebs- Grundsätze und Ziele des Naturschutzes insbesondere die Regeln der guten fachlichen Praxis nach dem land-, fläche vorhandenen und an diese angrenzenden Biotopen forst- und fischereiwirtschaftlichen Fachrecht, § 17 zu unterlassen Abs. 2 Bundes-Bodenschutzgesetz und dem übrigen - sind die zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen liniUmweltrecht zu beachten.“ (Fz) en- und punktförmigen Elemente [...] in ausreichender Dichte zu erhalten sowie neu einzurichten, sowie eine von den Ländern festzusetzende regionale Mindestdichte unterschritten ist und nicht auf angrenzenden nichtlandwirtschaftlichen Flächen ausreichend Elemente vorhanden sind - sind die Bewirtschaftungsverfahren zu wählen, bei denen die natürliche Ausstattung der Nutzfläche [...] nicht über das zur Erzielung eines nachhaltigen Ertrages erforderliche Maß beeinträchtigt wird. - Ist die natürliche Bodenfruchtbarkeit und langfristige Nutzbarkeit der Böden zu sichern, insbesondere dadurch dass Bodenerosion und Bodenverdichtung soweit wie möglich vermieden und der standorttypische Humusgehalt so weit wie möglich erhalten wird. - Ist auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten ein Grünlandumbruch zu
§ 5 Abs. 3
Gute Fachliche Praxis
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
-
Wertung *
Abgelehnt
Von der Bundesregierung übernommen
-
292
unterlassen Ist die Tierhaltung unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten im Betrieb oder durch Kooperationsvereinbarungen zwischen Betrieben in einem ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau zu halten und Ist eine schlagspezifische Dokumentation über den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zu führen.
Weitere allgemeine Bestimmungen
Bei der fischereiwirtschaftlichen Nutzung der oberirdischen Gewässer sind diese einschließlich ihrer Uferzonen als Lebensstätten und Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und zu fördern. Der Besatz dieser Gewässer mit nicht heimischen Tierarten ist grundsätzlich zu unterlassen. Bei Fischzuchten und Teichwirtschaften der Binnenfischerei sind Beeinträchtigungen der heimischen Tier- und Pflanzenarten auf das zur Erzielung eines nachhaltigen Ertrages erforderliche Maß zu beschränken.
§ 5 Abs. 5
Bei der forstlichen Nutzung des Waldes sind die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Bundeswaldgesetzes und der Forstund Waldgesetze zu beachten. Es sind naturnahe Wälder aufzubauen, und diese ohne Kahlschläge nachhaltig zu bewirtschaften. Ein hinreichender Anteil standortheimischer Forstpflanzen ist einzuhalten.
§ 5 Abs. 4
-
-
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
Der Bund oder die ganz überwiegend in seinem Eigentum stehen-
In Artikel 1 ist § 7 wie folgt zu ändern: Abs. 2 neu:
In § 5 die Absätze 4 und 5 zu streichen (Fz).
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
+
-
Wertung *
Abgelehnt
Abgelehnt
Von der Bundesregierung übernommen
-
§ 16 Abs. 1 ist wie folgt zu ändern:
+ „Die Landschaftsprogramme und Landschaftsrahmenpläne sind der Entwicklung anzupassen.“ (U)
In § 15 ist dem Absatz 1 folgender Satz anzufügen:
In § 14 Abs. 2 Satz 3 zu streichen (I, Wi, Wo)
den Gesellschaften stellen in ihrem Eigentum oder Besitz stehende Grundstücke entsprechend ihrer Situationsgebundenheit für Zwekke des Naturschutzes und der Landschaftspflege unentgeltlich zur Verfügung.“ (U)
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
§ 16 Abs. 1 Die örtlichen Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes a) In Satz 1 ist das Wort „flächendeckend“ zu streichen. und der Landschaftspflege sind auf der Grundlage des Landschaftsprogramms oder von Landschaftsrahmenplänen in Land- Nach dem Wort „darzustellen“ sind die Wörter, “sobald und soweit schaftsplänen flächendeckend darzustellen. dies aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich ist“ einzufügen.
-
Art. 15 Abs. 1
§ 14 Abs. 2 In Planungen und Verwaltungsverfahren sind die Inhalte der Landschaftsplanung zu berücksichtigen. Insbesondere sind die Inhalte der Landschaftsplanung für die Beurteilung der Umweltverträglichkeit und der Verträglichkeit im Sinne von §34 Abs. 1 [FFH-Richtlinie] heranzuziehen. Soweit den Inhalten der Landschaftsplanung in den Entscheidungen nicht Rechnung getragen werden kann, ist dies zu begründen.
Landschaftsplanung
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
293
Wertung *
Abgelehnt
Übernommen
Abgelehnt
rung übernommen
Von der Bundesregie-
294
Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes In Artikel 1 sind in § 18 Abs. 1 die Wörter „oder Veränderungen sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflädes mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden chen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Grundwasserspiegels“ zu streichen. (A, Vk, Wi) Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungsund Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.
§ 18 Abs. 1
§ 18 Abs. 1 BNatSchG ist zu ändern:
„(3) Werden in den Ländern Berlin, Bremen und Hamburg die Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege für den Bereich des Landes in Landschaftsplänen dargestellt, so ersetzen die Landschaftspläne die Landschaftsprogramme und Landschaftsrahmenpläne.“ (U)
Soweit die örtlichen Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Landschaftsprogramm oder in Landschaftsrahmenplänen dargestellt werden, ersetzen diese Pläne die Landschaftspläne.
Eingriffsregelung
§ 16 Abs. 3 ist wie folgt zu fassen:
b) In Satz 3 sind nach dem Wort „berücksichtigen“ die Wörter „, sobald und soweit dies aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich ist“ einzufügen. (I, Wo – Widerspruch vom U, der die Flächendeckung für essentiell hält).
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
§16 Abs. 3
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
-
+
Wertung *
Abgelehnt
Werden in den Ländern Berlin, Bremen und Hamburg die örtlichen Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Landschaftsprogramm oder in Landschaftsrahmenplänen dargestellt, ersetzen diese Pläne die Landschaftspläne.“
„§ 16 Abs. 3 wird wie folgt gefasst:
Den Vorschlägen wird wie folgt zugestimmt:
Von der Bundesregierung übernommen
In § 18 Abs. 3 sind nach den Wörtern „unterbrochen war“ die Wörter “soweit sie innerhalb einer von den Ländern zu regelnden angemessenen Frist nach Auslaufen der Bewirtschaftungsbeschränkungen wieder aufgenommen wird“ einzufügen. (U) In § 19 Abs. 2 sind in Satz 2 und Satz 3 jeweils
§18 Abs. 3
Nicht als Eingriff gilt die Wiederaufnahme einer land-, forstoder fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung, die auf Grund vertraglicher Vereinbarungen zeitweise eingeschränkt oder unterbrochen war.
§ 19 Abs. 2
Die Wörter „zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt“ sind durch die Wörter „überwiegenden Gründen des Gemeinwohls notwendig“ zu ersetzen (VK)
... werden als Folge des Eingriffs Biotope zerstört, die für dort wild lebende Tiere und wild wachsende Pflanzen der streng geschützten Arten nicht ersetzbar sind, ist der Eingriff nur zulässig, wenn er aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertig ist.
„Die Länder können vorsehen, dass Flächen bis maximal 5 ha, die die Voraussetzungen von Satz 1 Nr. 1 und 2 erfüllen, den Natur-
In Artikel 1 ist in § 28 dem Absatz 1 folgender Satz anzufügen:
„4. nach den Grundsätzen und Zielen der Raumordnung und Landesplanung für die Erholung oder den Fremdenverkehr vorgesehen sind.“ (Wi)
Naturparke sind einheitlich zu entwickelnde und zu pflegende Gebiete, die [...] nach den Erfordernissen der Raumplanung für die Erholung vorgesehen sind.
-
In § 27 Abs. 1 ist die Nummer 4 neu zu fassen:
§27 Abs. 1 Nr. 4
Gebietsschutz
In § 19 Abs. 3 ist der Satz 2 wie folgt zu ändern:
§ 19 Abs. 3
... Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die die Wörter „und sobald“ zu streichen. (Wi – widersprochen durch beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts oder das Land- U, da Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine zeitliche Befristung schaftsbild in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind. benötigen und ihr Zeitpunkt nicht beliebig ist)
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
295
+
-
-
-
+
Wertung *
„Naturdenkmäler sind
der Maßgabe
Übernommen mit folgen-
Abgelehnt
Abgelehnt
Abgelehnt
rung übernommen Übernommen
Von der Bundesregie-
296 In Artikel 1 ist in § 30 Abs. 1 der Satz 3 zu streichen (U)
§ 30, Abs. 1 Satz 3
Die Länder stellen sicher, dass die oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Gewässerrandstreifen und Uferzonen als Lebensstätten und Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben und so weiter entwickelt werden, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können.
§ 31
In Artikel 1 ist § 31 zu streichen (A, Wi)
„Die Länder können für den Fall der Bestandsminderung die Verpflichtung zu angemessenen und zumutbaren Ersatzpflanzungen festlegen.“ (U)
Die Beseitigung des geschützten Landschaftsbestandteils sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Landschaftsbestandteils führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten.
... Die Länder können weitere Biotope den in Satz 1 genannten gleichstellen. Sie sollen geeignete Maßnahmen treffen, um die räumliche Ausdehnung und die ökologische Beschaffenheit der Biotope zu erhalten.
In § 29 ist dem Absatz 2 folgender Satz anzufügen:
denkmalen gleichgestellt werden (Flächennaturdenkmal).“ (U)
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
§ 29 Abs. 2
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
-
-
+
Wertung *
Abgelehnt
Abgelehnt
Übernommen
Von der Bundesregierung übernommen rechtsverbindlich festgesetzte Einzelschöpfungen der Natur oder entsprechende Flächen bis 5 ha, deren …“.
297
Die Länder erlassen Vorschriften über die Mitwirkung und Anerkennung von rechtsfähigen Vereinen nach den in den Absätzen 2 und 3 genannten Maßgaben [...] 7. bei Plangenehmigungen, die von Behörden der Länder erlassen werden, die an die Stelle einer Planfeststellung im Sinne der Nummer 6 treten.
§ 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7
3. bei Plangenehmigungen die von Behörden des Bundes erlassen werden und an die Stelle einer Planfeststellung im Sinne der Nummer 2 treten.
Einem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit anerkannten rechtsfähigen Verein ist Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben [...]
§ 57, Abs. 1 Nummer 3
Mitwirkungs- und Klagerechte von Naturschutzvereinen
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
In § 59 Abs. 2 Satz 1 ist die Nummer 7 zu streichen (I, Wi, Wo – Widerspruch U, die in der Mitwirkung an Plangenehmigungen aufgrund deren Eingriffsbedeutung eine notwendige Neuerung der Novelle sieht )
In § 57 Abs. 1 ist die Nummer 3 zu streichen (Vk)
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
-
.
Wertung *
Übernommen mit folgender Maßgabe: „In Nummer 7 ist am Ende folgender Satzteil anzufügen: „soweit eine Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 17 Abs. 1b Bundesfernstraßengesetz vorgesehen ist“.“ Die Vorschrift wird so an die durch das Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer Rechtsvorschriften vom 27. Juli 2001
Übernommen
Von der Bundesregierung übernommen
298
§ 60 [die Vereinklage] gilt für [...] für nach dem 1. Juli 2000 erlassene Verwaltungsakte, sofern diese noch nicht bestandskräftig sind und im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren eine Mitwirkung der vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit oder von den Ländern aner-
§ 68 Abs. 5
-
In § 68 Abs. 5 ist die Nummer 2 zu streichen (Vk, Wi, Wo)
Die §§ 68 und 69 sollten im weiteren Gesetzgebungsverfahren mit dem Ziel überarbeitet werden, dass geltendes Landesrecht zur Vereinsklage in Kraft bleibt, soweit es den durch die §§ 59 und 60 gesetzten Mindeststandard einhält. (Wo)
Allgemein:
+/0
+
0
In § 61 Abs. 1 die Wörter „des § 41 und den Vorschriften einer Rechtsverordnung auf Grund des § 51 Abs. 7“ durch die Wörter „und Geboten dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften“ zu ersetzen (U)
§ 61 Abs. 1 Von den Verboten des § 41 und den Vorschriften einer Rechtsverordnung auf Grund des § 51 Abs. 7 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden.
Übergangsbestimmungen
Wertung *
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
Abgelehnt
Abgelehnt
Übernommen
Von der Bundesregierung übernommen (BGBl. I S. 1950) neu geschaffene Regelung des § 17 Abs. 1b Bundesfernstraßengesetz angepasst.
299
Quelle: Eigene Darstellung
-
Die Verpflichtung der Länder gemäß Artikel 75 Abs. 3 des Grundgesetzes ist für die §§32 bis 35 sowie für § 37 Abs. 2 und 3 [FFH-Richtlinie] bis zum 8. Mai 2003 und um übrigen innerhalb von drei Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zu erfüllen.
§ 70
kannte Vereine gesetzlich vorgeschrieben war.
Fassung im Gesetzentwurf Mai 2001
Wertung *
Um die Neuausrichtung in der Agrarpolitik weiter umzusetzen, muss sichergestellt werden, dass die Länder die im Rahmen der Modulation frei werdenden Finanzmittel auch zur Schaffung des Biotopverbundsystems, insbesondere im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen, einsetzen können sowie keine Einschränkungen im Zusammenhang mit laufenden EG-rechtlichen Fördermaßnahmen geschaffen werden.
Zum Gesetzentwurf im Ganzen:
+
In § 70 sind die Wörter „innerhalb von drei Jahren“ durch die Wör- -/0 ter „innerhalb von 5 Jahren“ zu ersetzen.
Stellungnahme Bundesrat Juni 2001
Die Bundesregierung stimmt der Aussage zu, dass Modulationsmittel insbesondere auch im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen eingesetzt werden können. Die Frage, welche Maßnahmen konkret gefördert werden sollen, wird im Bund/Länder Planungsausschuss für Agrarstruktur und Küstenschutz entschieden werden Einschränkungen im Zusammenhang mit laufenden EG- rechtlichen Fördermaßnahmen lassen sich durch Ausgestaltung der Umsetzung vermeiden.
Abgelehnt
Von der Bundesregierung übernommen
300 § 1 Abs. 1 (Ziele)
Natur und Landschaft sind aufgrund ihres eigenen Wertes und als Lebensgrundlage des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen zu schützen
§ 2 Abs. 1 Nr. 4 (Grundsätze) Natürliche oder naturnahe Gewässer sowie deren Uferzonen und natürliche Rückhalteflächen sind zu erhalten, zu entwickeln oder wiederherzustellen. Änderungen des Grundwasserspiegels, die zu einer Zerstörung oder nachhaltigen Beeinträchtigung schutzwürdiger Biotope führen können, sind zu vermeiden; unvermeidbare Beeinträchtigungen sind auszugleichen. Ein Ausbau von Gewässern soll so naturnah wie möglich erfolgen.
§ 3 Abs. 3 Nr. 1-3 (Biotopverbund) Der Biotopverbund besteht aus Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselementen. Bestandteile des Biotopverbunds sind: - festgesetzte Nationalparke, - im Rahmen des § 30 gesetzlich geschützte Biotope, - Naturschutzgebiete, Gebiete im Sinne des § 32 und Biosphärenreservate oder Teile dieser Gebiete, - weitere Flächen und Elemente, einschließlich Teilen von Landschaftsschutzgebieten und Naturparken, wenn sie zur Erreichung des in Absatz 2 genannten Zieles geeignet sind.
§ 1 Abs. 1 (Ziele)
Natur und Landschaft sind aufgrund ihres eigenen Wertes und auch in Verantwortung für die künftigen Generationen [...]
§ 2 Abs. 1 Nr. 4 (Grundsätze)
Natürliche oder naturnahe Gewässer sowie deren Uferzonen und natürliche Rückhalteflächen sind zu erhalten, zu entwickeln oder wiederherzustellen. Änderungen des Grundwasserspiegels, die zu einer Zerstörung oder nachhaltigen Beeinträchtigung schutzwürdiger Biotope führen können, sind zu vermeiden; unvermeidbare Beeinträchtigungen sind auszugleichen.
§ 3 Abs. 3 Nr. 1-3 (Biotopverbund)
Der Biotopverbund besteht aus Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselementen. Bestandteile des Biotopverbunds sind geeignete - Gebiete im Sinne des §22 Abs.1 oder des § 32 oder Teile dieser Gebiete - gesetzlich geschützte Biotope im Rahmen des §30 sowie - weitere Flächen und Elemente.
Artikel I
Änderungen Umweltausschuss
Übersicht über die Änderungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung durch den federführenden Umweltausschuss des Deutschen Bundestags
Gesetzentwurf Bundesregierung
Tabelle 10.3:
301
§ 5 Abs. 4 (vormals 3) Nr. 2
§ 15 Abs. 1 (Landschaftsplanung) Diese Passage wurde gestrichen
§ 16 Abs. 1 (Landschaftsplanung) Die Landschaftspläne sind fortzuschreiben, wenn wesentliche Veränderungen der Landschaft vorgesehen oder zu erwarten sind. § 19 Abs. 2 Satz 2 (Eingriffsregelung) Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts wieder hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsge-
§ 15 Abs. 1 (Landschaftsplanung)
Die Landschaftsprogramme und Landschaftsrahmenpläne sind der Entwicklung anzupassen.“
§ 16 Abs. 1 (Landschaftsplanung)
Die Landschaftspläne sind der Entwicklung anzupassen
§ 19 Abs. 2 Satz 2 (Eingriffsregelung)
Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild landschaftsgerecht in gleichartiger
In diesem Rahmen (der landwirtschaftlichen Nutzung/AV) [...] sind die zur Vernetzung In diesem Rahmen (der landwirtschaftlichen Nutzung) [...] sind die zur Vernetzung von von Biotopen erforderlichen linearen und punktförmigen Elemente (Saumstrukturen, Biotopen erforderlichen linearen und punktförmigen Elemente (Saumstrukturen, insbeinsbesondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope) in ausreichender Dichte sondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope) zu erhalten. zu erhalten sowie neu einzurichten soweit eine von den Ländern festzusetzende regionale Mindestdichte unterschritten ist und nicht auf angrenzenden nichtlandwirtschaftlichen Flächen ausreichende Elemente vorhanden sind.
§ 5 Abs. 3 Nr. 2 (Landwirtschaft und Naturschutz)
Die Länder setzen eine regionale Mindestdichte von zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen linearen und punktförmigen Elementen (Saumstrukturen, insbesondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope) fest und ergreifen geeignete Maßnahmen (planungsrechtliche Vorgaben, langfristige Vereinbarungen oder andere Maßnahmen), falls diese Mindestdichte unterschritten ist und solche Elemente neu einzurichten sind
§ 5 Abs. 3 (neu, Landwirtschaft und Naturschutz)
302 § 27 Abs. 1 Nr. 3 (Gebietsschutz) Naturparke sind einheitlich zu entwickelnde und zu pflegende Gebiete, die [...] 3. sich wegen ihrer landschaftlichen Voraussetzungen für die Erholung besonders eignen und in denen ein nachhaltiger Tourismus angestrebt wird 5. der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch vielfältige Nutzung geprägten Landschaft und ihrer Arten- und Biotopvielfalt dienen und in denen zu diesem Zweck eine dauerhaft umweltgerechte Landnutzung angestrebt wird,
§ 27 Abs. 1 Nr. 3 (Gebietsschutz)
Naturparke sind einheitlich zu entwickelnde und zu pflegende Gebiete, die [...]
3. sich wegen ihrer landschaftlichen Voraussetzungen für die Erholung besonders eignen
-
Die Beseitigung des geschützten Landschaftsbestandteils sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Landschaftsbestandteils führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Ausnahmen von diesem Verbot sind nur zulässig, wenn sie aus zwingenden Gründen der Verkehrssicherheit durchgeführt werden und keine anderen Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit erfolgreich durchgeführt werden konnten. Die Länder können für den Fall der Bestandsminderung die Verpflichtung zu angemessenen und zumutbaren Ersatzpflanzungen festlegen. § 38 ( neu, Geschützte Meeresflächen in der ausschließlichen Wirtschaftszone und auf dem Festlandsockel)
Die Beseitigung des geschützten Landschaftsbestandteils sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Landschaftsbestandteils führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Die Länder können für den Fall der Bestandsminderung die Verpflichtung zu angemessenen und zumutbaren Ersatzpflanzungen festlegen
-
(1) Für den Schutz von Meeresflächen im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone oder des Festlandsockels sind im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1799) vorbehaltlich der Nummern 1 bis 5 die Vorschriften der §§ 33 und 34 entsprechend anzuwenden.
§ 29 Abs. 2 (Biotopschutz)
§ 29 Abs. 2 (Biotopschutz)
6. besonders dazu geeignet sind, eine nachhaltige Regionalentwicklung zu fördern.
recht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist.
Weise wiederhergestellt sind.
303
(3) Die Erklärung zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft nach § 33 Abs. 2 erfolgt im Rahmen des Absatzes 1 und des Absatzes 2 durch das Bundesministerium
(2) Das Bundesamt für Naturschutz nimmt im Rahmen des Absatzes 1 die sich aus dem Aufbau und dem Schutz des Europäischen Netzes „Natura 2000“ ergebenden Aufgaben wahr. Satz 1 gilt nicht für die Aufgaben nach § 34 sowie für die Erklärung zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft nach Absatz 3. Die Auswahl der geschützten Meeresflächen erfolgt unter Einbeziehung der Öffentlichkeit mit Zustimmung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beteiligt die fachlich betroffenen Bundesministerien und stellt das Benehmen mit den angrenzenden Ländern her.
5. Beschränkungen bei der Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind sowie bei der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen sind nur nach § 34 zulässig.
4. Beschränkungen bei der Verlegung von unterseeischen Kabeln und Rohrleitungen sind nur nach § 34 und in Übereinstimmung mit Artikel 56 Abs. 3 in Verbindung mit Artikel 79 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen zulässig.
3. Beschränkungen der Fischerei sind nur in Übereinstimmung mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften und nach Maßgabe des Seefischereigesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juli 1998 (BGBl. I S. 1791), geändert durch Artikel 43 des Gesetzes vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1215), zulässig.
2. Die Versagungsgründe für Vorhaben der wissenschaftlichen Meeresforschung im Sinne des Artikels 246 Abs. 5 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen bleiben unter Beachtung des Gesetzes über die Durchführung wissenschaftlicher Meeresforschung vom 6. Juni 1995 (BGBl. I S. 778, 785) unberührt.
1. Beschränkungen des Flugverkehrs, der Schifffahrt, der nach internationalem Recht erlaubten militärischen Nutzung sowie von Vorhaben der wissenschaftlichen Meeresforschung im Sinne des Artikels 246 Abs. 3 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen sind nicht zulässig. Artikel 211 Abs. 6a des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen sowie die weiteren die Schifffahrt betreffenden völkerrechtlichen Regelungen bleiben unberührt.
304
2. Planfeststellungsbeschlüsse über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind sowie Plangenehmigungen, soweit eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist, und Bebauungspläne, die solche Planfeststellungen ersetzen.
2. Planfeststellungsbeschlüsse über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind
-
Ein nach § 59 oder auf Grund landesrechtlicher Vorschriften im Rahmen des § 60 anerkannter Verein kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen gegen [...]
Ein nach § 59 oder auf Grund landesrechtlicher Vorschriften im Rahmen des § 60 anerkannter Verein kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen gegen [...]
Umweltverträglichkeitsprüfung: Für Vorhaben, die nach § 2 einer Genehmigung bedürfen und zugleich Vorhaben im Sinne von § 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) sind, ist eine Prüfung der Umweltverträglichkeit nach diesem Gesetz durchzuführen. Bei der Anwendung der Vorschriften des Verwaltungsverfah-
§ 2a
§ 2a (neu eingefügt, UVP in der AWZ)
Artikel II
§ 61 Abs. 1 Nr. 2 (neu nummeriert)
3. bei Plangenehmigungen, die von Behörden des Bundes erlassen werden, die an die Stelle einer Planfeststellung im Sinne der Nummer 2 treten und für die eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist
Einem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit anerkannten rechtsfähigen Verein ist Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben [...]
§ 57 Abs. 1 (neu, Mitwirkung von Vereinen)
§ 60 Abs. 1 Nr. 2
-
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unter Beteiligung der fachlich betroffenen Bundesministerien durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
305
Quelle: eigene Darstellung
Angabe „§ 20 Abs. 5“ ersetzt.
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen legt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, unter Beteiligung der anderen fachlich betroffenen Bundesministerien, unter Einbeziehung der Öffentlichkeit und nach Anhörung der Länder besondere Eignungsgebiete für Windkraftanlagen fest. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen kann die Befugnisse nach Satz 1 auf eine nachgeordnete Behörde seines Geschäftbereichs übertragen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit kann die Befugnisse nach Satz 1 auf das Bundesamt für Naturschutz übertragen. Die Festlegung eines besonderen Eignungsgebietes ist nur zulässig, wenn der Wahl von Standorten für Windkraftanlagen in dem betreffenden Gebiet keine Versagungsgründe im Sinne des § 3 und keine Schutzgebietsausweisungen nach Maßgabe von § 38 des Bundesnaturschutzgesetzes entgegenstehen. Die besonderen Eignungsgebiete werden nach dem Stand der vorhandenen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse, insbesondere auch im Hinblick auf nach § 38 des Bundesnaturschutzgesetzes auszuweisende Gebiete, festgelegt und fortgeschrieben. Die besonderen Eignungsgebiete sind durch Veröffentlichung im Gemeinsamen Ministerialblatt und in zwei überregionalen Zeitungen bekannt zu machen und werden im Anhang zu dieser Verordnung aufgeführt.
Besondere Eignungsgebiete für Windkraftanlagen
§ 3a Abs. 1 (neu eingefügt, AWZ)
rensgesetzes nach § 9 Abs. 1 Satz 2 UVPG tritt an die Stelle der Gemeinde die Genehmigungsbehörde. Auf die Auslegung der Unterlagen nach § 6 UVPG ist durch amtliche Bekanntmachung im Verkündungsblatt der Genehmigungsbehörde und durch Veröffentlichung in zwei überregionalen Tageszeitungen hinzuweisen.
sind vermeidbare Beeinträchtigungen von auf der Betriebsfläche vorhandenen und an diese angrenzenden Biotopen zu unterlassen
sind die zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen linien- und punktförmigen Elemente [...] in ausreichender Dichte zu erhalten sowie neu einzurichten, sowie eine von den Ländern festzusetzende regionale Mindestdichte unterschritten ist und nicht auf angrenzenden nicht-landwirtschaftlichen Flächen ausreichend Elemente vorhanden sind
sind die Bewirtschaftungsverfahren zu wählen, bei denen die natürliche Ausstattung der Nutzfläche [...] nicht über das zur Erzielung eines nachhaltigen Ertrages erforderliche Maß beeinträchtigt wird.
Ist die natürliche Bodenfruchtbarkeit und langfristige Nutzbarkeit der Böden zu sichern, insbesondere dadurch dass Bodenerosion und Bodenverdichtung soweit wie möglich vermieden und der standorttypische Humusgehalt so weit wie möglich erhalten wird.
Ist auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten ein Grünlandumbruch zu unterlassen
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Auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten ist ein Grünlandumbruch zu unterlassen.
Die natürliche Ausstattung der Nutzfläche (Boden, Wasser, Flora, Fauna) darf nicht über das zur Erzielung eines nachhaltigen Ertrages erforderliche Maß hinaus beeinträchtigt werden.
Die zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen Landschaftselemente sind zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren.
Vermeidbare Beeinträchtigungen von vorhandenen Biotopen sind zu unterlassen.
Bei der landwirtschaftlichen Nutzung muss die Bewirtschaftung standortangepasst erfolgen und die nachhaltige Bodenfruchtbarkeit und langfristige Nutzbarkeit der Flächen gewährleistet werden.
Bei der landwirtschaftlichen Nutzung muss die Nutzung standortangepasst erfolgen. In diesem Rahmen
nach den Wörtern „langfristige Vereinbarungen“ das Wort „Förderprogramme“ eingefügt.
§ 5 Abs. 3 wird folgt geändert (Landwirtschaft und Naturschutz)
Artikel I
Änderungen im Vermittlungsverfahren
§ 5 Abs. 4 (Landwirtschaft und Naturschutz, Gute Fachliche Praxis)
Änderungen im Vermittlungsausschuss
§ 5 Abs. 4 (Landwirtschaft und Naturschutz)
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Tabelle 10.4: Originaltext
306
Ist die Tierhaltung unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten im Betrieb oder durch Kooperationsvereinbarungen zwischen Betrieben in einem ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau zu halten und
Ist eine schlagspezifische Dokumentation über den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zu führen.
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Quelle: Eigene Darstellung
307
Eine schlagspezifische Dokumentation über den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ist nach Maßgabe des landwirtschaftlichen Fachrechts zu führen.
Die Tierhaltung hat in einem ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau zu stehen und schädliche Umweltauswirkungen sind zu vermeiden.
In § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 werden die Wörter „, und Bebauungspläne, die solche Planfeststellungen ersetzen“ gestrichen.
§ 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
In § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7werden die Wörter „sowie in Bebauungsplanverfahren, soweit sie Verfahren im Sinne der Nummer 6 ersetzen“ gestrichen.
§ 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7
Bei der forstlichen Nutzung des Waldes ist das Ziel zu verfolgen, naturnahe Wälder aufzubauen und diese ohne Kahlschläge nachhaltig zu bewirtschaften. Ein hinreichender Anteil standortheimischer Forstpflanzen ist einzuhalten.
§ 4 Abs. 5 (Fortwirtschaft und Naturschutz)
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