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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Star Trek Spezial
Warpfaktor 6
'Warpfaktor' ist eine kosten...
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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Star Trek Spezial
Warpfaktor 6
'Warpfaktor' ist eine kostenlose Star Trek Anthologie von www.WARP-online.de, dem Fantastik Magazin. Alle Rechte der Geschichten und Bilder verbleiben bei den jeweiligen Autoren und Künstlern.
Warpfaktor 6 Copyright 2003 WARP-online Herausgeber: www.WARP-online.de Satz und Layout: Bernd Timm Alle Texte und Bilder sind bereits jeweils einzeln bei www.WARP-online.de erschienen und zur Veröffentlichung durch WARP-online freigegeben. Die Magazin-Reihe ist eine Sammlung von Beiträgen, die zusätzlichen Kreis interessierter Leser anspricht und die Namen der Autoren und Künstler bekannter macht. Weder das Fehlen noch das Vorhandensein von Warenzeichenkennzeichnungen berührt die Rechtslage eingetragener Warenzeichnungen.
1000 Seiten Fantastik www.WARP-online.de bringt das ganze Spektrum der Fantastik: Bilder, Geschichten, Artikel, Projekte, Reportagen, Interviews, Wissenschaft, Comic, Kostüme, SF-Kabarett, Lyrik, Film-& TV-Projekte, Modelle und mehr!
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Inhalt Cover von Volker Krug Auf Sendung ............................................................................................ 5 von Thomas Kohlschmidt ..................................................................................................... Die Enterprise wird zum Show-Schiff. Aber Kirk weiß sich zu wehren... ............................................
Mummenschanz ...................................................................................... 7 von Thomas Kohlschmidt ..................................................................................................... Androide 23" steht kurz vor der Vernichtung. Und das alles wegen Karneval! ...................................
Das Feuerwerk der Schöpfung .............................................................. 9 von Thomas Kohlschmidt ..................................................................................................... Ein tödlicher Einsatz im neuen Jahr! Und eine schreckliche Erkenntnis.............................................
Die Schatten des Zweifels .................................................................... 15 von Thomas Kohlschmidt ..................................................................................................... Captain Janeways Albträume: Ist das Ende der Reise erreicht?........................................................
Hilfe, meine Tochter hat ein Alien geheiratet ..................................... 17 von Anneliese Wipperling .................................................................................................... Christine Maras ist völlig baff: Ihre einzige Tochter hat einen wildfremden Vulkanier geheiratet – ohne sie zu fragen. Die spießige Provinz-Hausfrau macht keinen Hehl aus ihrer Fremdenfeindlichkeit. Aber alles kommt ganz anders, als sie denkt... ...............................................
Inspiration .............................................................................................. 21 von Thomas Kohlschmidt ..................................................................................................... Warr, der Erschaffer in der Krise. Ohne neue Träume wird er sterben...............................................
Die Macht der Frauen............................................................................ 23 von Anneliese Wipperling .................................................................................................... Die junge T’Liza lernt die geheimen Kräfte der Frauen Vulkans kennen und hilft ihrem Bindungspartner Loren, während des Pon Farr sein Selbst zu bewahren. .........................................
Die Macht................................................................................................ 29 von Anneliese Wipperling .................................................................................................... Völlig aufgelöst erscheint die Studentin Michelle Maras zu ihrer Prüfung in vulkanischer Philosophie – und erlebt eine Überraschung. Michelle, ein leidenschaftlicher STAR WARS Fan, ahnt noch nicht, wie sehr die Macht ihr Leben verändern wird... .................................................................................
2375: Aus dem Tagebuch eines jungen Fähnrichs ........................... 36 von Andreas Gruber.............................................................................................................. Wie fühlt sich ein junger Fähnrich während des Dominion-Krieges, und wie wird er mit dem Druck fertig? Die Gedanken eines solchen Soldaten, der eigentlich keiner ist, liest man hier.......................
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Der Erfolg ............................................................................................... 37 von Thomas Kohlschmidt ..................................................................................................... Alle Kolonisten auf Illumion 3 sind tot! Kirk und sein Team gehen einem düsteren Rätsel nach... ......
Heißes Grab ........................................................................................... 41 von Rüdiger Kreiser.............................................................................................................. Das Ende ist nahe: Wird das Schiff dieser Riesen-Sonne noch entkommen können? .......................
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Auf Sendung von Thomas Kohlschmidt
Die Enterprise wird zum Show-Schiff. Aber Kirk weiß sich zu wehren...
Die Enterprise jagte durch den Weltraum. Captain Kirk saß angespannt auf seinem Sessel, Spock stand mit gespitzten Ohren an seiner Wundertüte und horchte auf das Fiepen seines Computers. Uhura drehte nervös an ihrem OhrMikro, während Sulu der Schweiß auf der Stirn stand. Es ging wieder einmal um Sekunden! Der Rot-Alarm schellte! Die Lichter flackerten! Und dann trat der Moderator ins Bild. Er lächelte gewinnend in die Antigrav-Kamera, die im Raum schwebte und in allen Farben des Regenbogens blinkte, so wie ein bunter Ball. „Hallo liebe Freunde, an den Bildschirmen der Föderation!“ sagte der Mann, der einen lässigen Anzug neuester Mode trug, dazu eine Holo-Kravatte und ein gewinnendes Grinsen. „Hier bin ich wieder, ihr Jörg Nirvana mit einer neuesten Ausgabe von „Sternenschiffe für Sie!“ Kirk sah kurz auf und fixierte den Bildschirm. Der zeigte heranjagende Sterne. Chekov versuchte ein Grinsen. Spock blieb ungerührt. Nur McCoy grunzte ungehalten im Hintergrund, irgendetwas von einer „Schnaps-Idee“ und „Blödem TV“. Zwei Helfer des Moderators führten ihn hinaus... „Ja, liebe Freunde, es erwartet sie wieder eine tolle Halbe-Stunde! Diesmal sind wir an Bord der „USS. Enterprise“ zu Gast, dem berühmtesten Schiff unserer schönen Sternenflotte! Hinter mir sehen Sie die Brücke, und mittendrauf: Captain James T. Kirk!“ Der Mann wieselte an den Sessel in der Mitte heran und hielt Kirk das Mikro unter die Nase. „Hallo, Jim! Ich darf doch Jim sagen, oder?“ „Aber sicher doch, Mr. Nirvano!“ sagte Kirk trocken und sah kaum auf. Irgendwie wirkte er genervt, krickelte er doch immer wieder Totenköpfe auf sein Pad. „Jim, was tun Sie gerade! Vielleicht ein paar Worte für unsere Zuschauer!?!“ Mr. Nirvana winkte das fliegende Auge etwas heran. „Nun, ich versuche gerade das Sonnensystem „Alpha-Minervsa-40“ vor der Vernichtung durch eine wandernde Subraumspalte zu retten! Dort leben 100 Milliarden Wesen...“ „Eine Große Verantwortung!“ stieß der Moderator anerkennend aus und nickte heftig in die Linse, „Sehr schön!“ „Danke sehr!“ lachte der Captain. „Ja, was uns natürlich interessiert: Wie werden Sie vorgehen, in einfachen Worten...“ „Naja, hinfliegen, retten, wegfliegen!“ „Nicht schlecht! „Wie immer halt“ „Ja, in der Tat, ehem. Sie sind berühmt für Ihr beherztes Vorgehen, Jim!“ Der Captain rückte nun ganz nah. „Wissen Sie, hier draußen im Weltraum hört Dich niemand schreien! Wenn Sie wissen was ich meine.....“ Er zwinkerte vertraulich mit dem linken Auge. Der Moderator kicherte. Spock kroch fast in seinen Computer, Uhura drehte die Musik im Ohr lauter. Der Bildschirm zeigte noch immer Sterne. 5
Der Moderator wirkte nun plötzlich ungeduldig. „Captain“, sagte er jetzt leiser, „Wann sind wir da? Ich meine, wann können wir unseren Zuschauern erste Bilder von der Katastrophe zeigen. Sie wissen schon: Brennende Planeten, Sie im Heldeneinsatz...“ „Nun, Mr. Chekov...!?“ „Noch 14 Lichtjahre, Sir!“ Der Moderator wurde bleich. „Verfl..., das ist erst nach dem nächsten Werbeblock..!“ Er erinnerte sich aber, dass er noch immer vor der Live-Kamera stand und lächelte gequält. Dann atmete er tief durch. „Ja, sehr schön. Ein tolles Schiff, eine souveräne Crew! Ich gebe erst einmal zurück zur Werbung! Wir sehen uns dann in...“ Er wandte sich an den Captain und flüsterte: „Wie lang dauern 14 Lichtjahre..?“ „Na sagen wir: Vier Minuten!?“ „Perfekt“ Mr. Nirvana lachte nun wieder. „Ja, Sie haben es selbst gehört! Also, bleiben Sie dran! In vier Minuten sehen wir uns wieder an Bord der Enterprise. Dann heißt es: „Hui!!! Planeten in Not!!!“ Hahahahaha!“ Die Kamerakugel ging aus. Und Kirk zerbrach seinen Pad-Stick. „Na, wie war ich?“ hörten sie den Moderator seine Assistentin fragen, die ihm einen Becher Mineralwasser reichte. „Sensationell, wirklich rekordverdächtig..!“ Der Mann ordnete seine Gel-Haare. Kirk grinste nun. „Was gibt es, Captain? Machen ihn die Dreharbeiten Spaß? Ist doch gar nicht so schlimm, nicht wahr? Das hat Ihnen mein Onkel vom Föderationsrats-Sekretariat doch gleich gesagt!“ „Ich freue mich nur ein wenig, über den Humor des Schicksals!“ „Humor? Schicksal? Ich verstehe nicht..?“ „Ganz einfach: Wir haben gerade einen Triebwerksschaden bekommen. Mein Mr. Scott meldet, das wir auf Impuls müssen...“ „Und das heißt..?“ Der Moderator wurde unruhig. Er hasste offensichtlich Probleme. Die Brückencrew begann breit zu grinsen. „Na, das heißt: Ihre Werbepause wird wohl etwa drei Wochen dauern müssen, oder ihre Sendung heißt nun „Bordroutine“!“ Nirvana wurde kreidebleich. „D..d..das geht nicht. Das ist eine Live-Sendung!!! Meine Zuschauer können nicht warten!“ Kirk grinste noch breiter. „Die schalten dann eben um auf „Space-Channel 2““ „Die Konkurrenz..? Warum das?“ „Nun, das näheste Schiff am Katastrophenort ist nun die „USS Clipper“, und dort ist ein Team ihrer „Freunde“ an Bord!“ Nirvana fiel das Mikro aus der Hand. „Ich habe auch so meine Verbindungen, wissen Sie?“ flüsterte Kirk und zwinkerte ihm zu. Und dann schaltete die Enterprise runter, bis sie unter die Lichtmauer kippte.
ENDE
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Mummenschanz von Thomas Kohlschmidt
Androide 23" steht kurz vor der Vernichtung. Und das alles wegen Karneval!
„Haben Sie nicht gehört, „Androide 23“?!!“ rief Lieutenant Beetelbach vom Zwischendeck. „Sie sollen die Tricorder aus dem Plasma-Feuer bergen!!“ Der Angesprochene blieb nach wie vor wie angewurzelt stehen. Seine Sensoraugen waren schreckensgeweitet, sein Mund stand offen, wie zu einem stummen Schrei. Nur drei Schritte vor ihm fauchten die blauen Flammen eines plasmatisch exothermen Vorganges um das abgestürzte Shuttle von Lieutenant Walker und Lieutenant Candelloni herum. Beide hatte „Androide 16“ soeben lebend bergen können, auch wenn dabei seine Außenhaut und Isolierungen völlig verschmort wurden und nun kleine Funken um ihn tanzten, wie Glühwürmchen. Zahllose Entladungen und Kurzschlüsse waren aus seinem geschundenen Torso heraus zu vernehmen. Aber er wankte noch aufrecht neben „23“. Diese Androiden waren Prototypen und Versuchsmodelle der Föderation und sollten helfen, die Dienstabbruchrate bei Rothemden zu verringern. Es gab ihrer jetzt 46 auf der Enterprise, von denen nun – nach 4 Wochen Dienst – noch 25 intakt waren. Der Rest war zur Reparatur bei Geordi LaForge. Picard betrachtete die Versuchsreihe allmählich als gescheitert. Die Androiden waren physisch zu anfällig. „Und ich muss so eine blöde Idee haben!“ dachte „Androide 23“ verzweifelt, oder besser gesagt der Mann darin. „Was ist nun?! Braucht der Herr eine Extra-Einladung!?!“ schrie Beetelbach nun mit hochrotem Kopf. In diese hochnotpeinliche Lage war er nur gekommen, wegen dieser süßen Maus von Aphrodite 6, wurde sich Fähnrich Fishbörger bewusst und schwitze in seiner AndroidenVerkleidung noch mehr als ohnehin schon. Auf dem wunderschönen Party-Planeten Aphrodite 6 nämlich war das ganze Jahr über Karneval, und er hatte eines der Glitzermädchen in der Orbitalbar „Zum Galaktischen Kabeljau“ kennen gelernt. Mit Candy, wie die Dame passender weise geheißen hatte, hatte er mehrere lauwarme Erdbeercocktails und ein „Icebreaker Overlight“ gesüffelt und ihr entlocken können, dass sie Kerle in Robotkostümen besonders sexy fände. Nun, dass hatte ihm dann doch drei schlaflose Nächte im Orbit von Aphrodite 6 beschert, und dann war ihm dieser – aus heutiger Sicht total bescheuerte – Plan gekommen, einfach in die Hülle eines der Androiden zu schlüpfen, die bei LaForge zur Reparatur herumlagen. Die Enterprise sollte ursprünglich noch drei weitere Tage hier bleiben um Vorräte aufzufüllen und der Mannschaft in Landgängen Erholung zu gewähren (Mr. Data war ein gefragter Mann beim Partyvolk gewesen...), und so hatte sich Fishbörger tatsächlich kurz vor seiner nächsten Freischicht in die Haut des silbernen Androiden geschmissen, nachdem er zuvor alle elektronischen Innereinen herausgewuchtet hatte. Nun war er „Androide 23“ geworden, bereit um die süße Candy zu betören. Aber dumm gelaufen: Just, als er mit ungelenken Schritten zum Transporterraum hatte traben wollen, da hatte es Rotalarm gegeben: Eines der Enterprise-Shuttles war bei einer Spritztour im System über dem Nachbarplaneten Aphrodite 7 abgestürzt, Picard hatte die neueingebauten Impulswendeln prüfen und die Androiden noch einmal beim Einsatz testen wollen. Darum war das Sternenschiff kurz einmal von Orbit zu Orbit geglitten und die Androiden, zumindest jene, die noch ganz waren, wurden zum Noteinsatz beordert, „Ahh, „Nummer 23“! Wieder in einem Stück!“ hatte Lieutenant Beetelbach den verdutzten 7
Fishbörger auf dem Gang zum Transporter begrüßt, „Kommen Sie mit! Es geht wieder los!“ Ja, und nun stand er hier, direkt vor dem prasselnden Plasmafeuer und würde lichterloh verbrennen, wenn er hineintreten würde! „Ich sage es nun zum letzten Mal, „Androide 23“: Tricorder bergen!!!“ brüllte der Vorgesetzte links neben ihm. Was sollte Fishbörger nun bloß tun? Sich outen? Einfach mitten im Einsatz aus dem Kostüm schlüpfen und „Sorry!“ sagen? Oh nein! Nicht nur, dass das zu einem Strafappell vor Picard führen würde, schlimmer noch würde der Spott seiner Kameraden werden. Das würde ein so lächerliches Licht auf ihn werfen, dass er sich monatelang nicht würde in „Ten Forward“ würde blicken lassen können. Man würde ihn „Mr. Andro“ nennen, oder so... Also was? Sein erhitzter Kopf arbeitete fieberhaft. Nun, eigentlich lag die Lösung auf der Hand! Er war „Androide 23“ und würde die Rolle tapfer durchstehen. Fishbörger warf die Hände in die Höhe, vollführte eine Drehung und begann zu pfeifen und zu zwitschern. Dann sprang er vor und zurück, steppte zu Seite, zuckte ein wenig und blökte dann „Funktionsstörung, Funktionsstörung!“ Um das noch zu bekräftigen, schlug er rhythmisch mit dem Kopf von innen gegen den Blechkopf, so dass es widernatürlich dröhnte. „Oh nein“, stöhnte Beetelbach, „Nicht schon wieder!“ Nun musste „Androide 16“ den Job übernehmen, und Fishbörger taumelte zum Rand der Szenerie, wo er ruckend und zuckend stehen blieb, bis alles vorbei war. Ein nun völlig verschmurgelter „Androide 16“ robbte aus dem Plasmafeuer, um Beetelbach zwei ebenso verschmorte Tricorder zu reichen, die dieser angenervt fortwarf. Für eine Sekunde durchzuckte Fishbörger die furchtbare Befürchtung, Beetelbach würde ihn hier einfach als Schrott zurücklassen und nicht mehr hochbeamen. Aber dann fiel ihm ein, dass solche Umweltverschmutzung und Planetenbesudelung ja jedem guten Föderationsoffizier verboten war und außerdem keine Sternenflottentechnologie auf anderen Welten preis gegeben werden durfte. Nicht einmal der Witterung! Also wurde der Verkleidete wieder hochgebeamt. Im Transporterraum erwartete ihn dann schon ein Team von LaForge, dass ihn huckepack nahm und in die Technik trug. Hier wurde er auf einen Androidenhaufen geworfen und allein gelassen. Mehrere Minuten wartete der geschundene Fähnrich noch, um sicher zu sein, dass er wirklich ungestört war, und dann kletterte er hastig aus der Hülle von „Androide 23“ heraus und machte, dass er davon kam. Erst in seiner Kabine wagte er wieder Luft zu holen. Sein Interesse an Karneval war restlos vergangen! Nein wirklich: Sie konnten ihn mal kreuzweise mit ihrem blöden Mummenschanz! Dann aber ging das Intercom und ein Gespräch wurde von außen zu ihm durchgestellt. Es war Candy. Die süße Candy und ihr liebreizendes Lachen. Fishbörger schmolz dahin, wie im Plasmafeuer und wurde ganz milde. Und nach wenigen Minuten war er wieder so verrückt, sich das mit „Androide 23“ noch einmal zu überlegen... Wie hieß es noch: „Aller guten Dinge sind zwei!“ – Oder waren es drei..? ENDE
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Das Feuerwerk der Schöpfung von Thomas Kohlschmidt
Ein tödlicher Einsatz im neuen Jahr! Und eine schreckliche Erkenntnis...
Das Raum-Zeit-Gefüge wogte. Die Sterne schienen aus ihren Konstellationen zu fallen. Sie schwangen um unsichtbare Schwerpunkte herum, schossen auseinander, verlangsamten dann ihren Kurs, stoppten und fielen zurück in die Ausgangslage, nur um kurz darauf erneut voneinander fort zu streben. Gewaltige Gravitationswellen durchliefen den Raum. Das sichtbare Licht wurde einmal nach Blau, dann wieder nach Rot hin verschoben. Und die Zeit, die Zeit spielte ebenso verrückt. Spock konnte Zonen ausmachen, in denen sie rückwärts lief, in anderen war sie stehen geblieben, und in wieder anderen Raumbereichen raste sie voran in mehrfacher Geschwindigkeit der üblichen Abläufe. Sonderbar war auch, dass sich die Grenzen der Zeitzonen gegeneinander verschoben, Trennlinien permanent zerflossen und Vorwärts- wie Rückwärtszeit sich zu Stillständen mischten, während woanders Stillstände in gegenläufige Dynamiken zerfielen. Es war so, wie der Beobachtungsposten der vulkanischen Wissenschaftssektion es berichtet hatte: Das Raum-Zeit-Gefüge um das Kalliber-System war entartet. „Was sagen Sie dazu, Spock?“ fragte Kirk besorgt. „Nun, ich denke, die Sylvesterraketen der Kalliberner waren zu stark in ihrer Sprengkraft bemessen.“ „Diese verdammten Schwachköpfe!“ schimpfte Dr. McCoy, der mit verschränkten Armen zwischen dem Captain und dem ersten Offizier der `USS. Enterprise` stand und dreinblickte, als hätte man ihm Rizinusöl pur unter den Whisky gemixt. „Wie oft schon waren sie gewarnt worden, ihre Jahreswechsel-Ekzesse nicht in der altbekannten Weise von Jahr zu Jahr zu steigern! Erst waren es nur Böller, dann Mega-Böller, gefolgt von Hyper-Krachern, Fusions-Krachern, Mega-Fusions-Krachern...“ „Wir kennen die unselige Evolutionsgeschichte der Sylvester-Bomben der kallibernischen Kultur, Pille!“ seufzte Kirk und stützte sich müde auf die wissenschaftliche Konsole von Mr. Spock ab. „Ja, Captain,“ gab der Mann vom Vulkan ihm recht, „aber gerade dieses Beispiel hier macht besonders eindringlich klar, wohin Maßlosigkeit, Sensationsgier und Verantwortungslosigkeit führen können. Als die Kalliberner vor 50 Jahren den Helios-Sonnenzünder in Partylaune erfanden, waren dieses System und all seine Nachbarn nicht mehr sicher. Aber der „Oberste Zünder von Kalliber“ blieb emotional befangen und jeder Logik unzugänglich! Das erinnert mich an die Spezies Mensch!“ „Wunderbar, Sie grünblütiger Teufel!“ schnaubte der gute Doktor und machte nun ein Gesicht wie eine beleidigte Bulldogge, „Diesen Vergleich konnten Sie sich natürlich nicht verkneifen! Und das hat bestimmt nichts mit Häme zu tun, nicht wahr? Ich weiß schon, was Sie sagen werden: „Lieber Doktor, falls es Ihnen entgangen sein sollte! Zu solch niederen Empfindungen sind wir Vulkanier nicht fähig!“ Pah!!“ „Meine Herren, meine Herren!“ sagte Kirk beschwichtigend und richtete sich wieder auf, zog seine Uniformjacke über dem Bauchansatz zurecht und nahm die Brille von der Nase. „Wir haben Wichtigeres zu tun! Die Kallibernische Kultur ist nicht mehr. Ihre Unvernunft den Hyperkausal-Subraum-Kaskadenknaller auf sechs Planeten des Systems auf einmal zu zünden, hat sie ausgelöscht! Doch nun gilt es, die angrenzenden Sternenräume und ihre Tausenden von bewohnten Welten zu retten. Eine Evakuierung kommt da in der Kürze der Zeit nicht in Frage. Und wieder einmal sind wir das Schiff, das am Nähesten dran ist!“ 9
Pille schluckte eine weitere böse Bemerkung herunter, und Spock sah wieder in seine „Wundertüte“. „Captain, der HSK-Knaller der Kalliberner hat ein Multikausal-Chaos mit wechselnden Schwingebenen erzeugt. Unser Computer hat nicht genug Rechenkapazität, um die Impulssprünge rechzeitig simulativ vorherzusehen. Und das müssen wir, wenn wir gezielte Gegenimpulse erzeugen wollen!“ „Gegenimpulse!“ sinnierte Kirk., „Neutralisation durch Gegenimpulse... Was käme dazu überhaupt in Frage. Doch nicht unsere gewöhnlichen Photonentorpedos, oder?“ „Aber nein, Captain!“ schaltete sich nun Montgomery Scott, der Chef-Ingenieur des Sternenschiffes, in die Unterhaltung ein, „Wir müssten dazu modifizierte Projektile der klassifizierten Baureihe von Dr. Marcus einsetzen.“ „Das Genesis-Projektil!“ entfuhr es Kirk, und böse Erinnerungen stiegen in ihm auf, „Das erlaube ich nie und nimmer!“ „Captain,“ sagte Spock, und dann vertrauter, „Jim! – Es ist die einzige Chance. Ich habe mit Mr. Scott bereits erste Berechnungen angestellt. Mit vierzehn modifizierten Genesis-Torpedos könnten wir genug kaskadierte Energien erzeugen, um das Multi-Chaos der Kalliberner auszulöschen. Allerdings nur dann, wenn die Einheiten präzise räumlich und zeitlich platziert werden...“ „...Was unser Computer nicht schafft!“ vollendete Kirk den Satz und warf die Arme hoch, „Das ist also eine rein akademische Diskussion, nicht wahr?“ Der Vulkanier richtete sich nun zu voller Größe auf, und Scotty kratzte sich im Nacken. „Nicht unbedingt, Captain!“ sagte der Erste Offizier, „Meine Aussage der Unmöglichkeit bezog sich auf unser normales Raum-Zeit-Kontinuum, in dem wir uns gerade befinden. Aber da draußen...“ – er wies auf den Bildschirm, der das wogende Chaos in Form wirbelnder Blitze in einer rotierenden Nebelwolke zeigte, die sich immer weiter ausbreitete – „...dort draußen haben wir Tausende differenter Stadien und Raum-Zeit-Kombinationen. Wenn wir die Richtige finden und in sie eintauchen, sind von ihr aus relativ gesehen die Vorgänge des Chaos verlangsamter als hier, und unser Computer dürfte Schritt halten!“ „Kapier ich nicht!“ murrte McCoy. „Ich auch nicht!“ gab Kirk zu und setzte seine Brille wieder auf, „Sind sie sicher, Spock?“ „Wenn wir die geeignete Chaoszone finden, bin ich mir sicher, das es funktioniert! Es ist eine Frage der Relativität, Captain!“ „Und wie wollen Sie die „geeignete Zone“ finden, Spock?“ „Ich berechne die Rate, mit der unser Hauptcomputer momentan hinter den ZentralEreignissen des Chaos zurückbleibt. Diesen Wert nehme ich sicherheitshalber mal drei und scanne dann nach einem temporalen Raumfragment, das Ereignissgeschwindigkeiten aufweist, die entsprechend schneller sind als hier. Wenn wir dort eintauchen, werden wir demnach beschleunigt, und zwar in allen Funktionen und Abläufen. Für uns sieht es so aus, als würde sich alles invers gesehen verlangsamen. Dann ermitteln wir die optimalen Zündorte und Zündzeiten der Genesis-Projektile, legen sie aus und gehen auf Distanz von mindestens 34 Lichtjahren.“ „Hmm“, knurrte McCoy, „Ich bin zwar kein Physiker, sondern Arzt, aber hat das Ganze nicht einen Haken?“ „Welchen, lieber Doktor?“ fragte der Vulkanier mit herablassender Geduld. „Beim Auslegen der Genesistorpedos müssen wir doch sehr wahrscheinlich verschiedene Chaos-Zonen durchfliegen. Dann sind wir einmal schneller, einmal langsamer. Auch die Raum-Zeitkoordinaten driften ständig. Die ersten Torpedos rutschen schon weg, während wir die Letzten erst noch legen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktioniert!“ „Sehr gut, Doktor!“ jetzt schien Spock fast zu lächeln, „Diese Interdependenzen werden von uns und dem Computer natürlich berücksichtigt in einem multidynamischen Simulationsmodell. Wie ich sagte: In diesem Raum-Zeit-Kontinuum wäre es auch 10
unmöglich!“ Kirk seufzte. Er schaute auf die wildbewegte Zone entarteter Existenz draußen vor dem Schiff. Gerade brandete wieder eine Schockwelle heran und schlug in die Deflektoren der Enterprise. „Wir haben nicht mehr viel Zeit. Und es geht um Trilliarden von empfindenden Lebewesen, um Tausende von Welten!“ erinnerte der Vulkanier. McCoy nickte: „Tun wir es, Jim! Wir müssen es versuchen! Tu, was der spitzohrige Satan sagt!“ Kirk musste jetzt lächeln. „OK, an die Arbeit! Beenden wir das Feuerwerk der Kalliberner!“
******** Die Enterprise durcheile eine weitere Wand von Energie-Blitzen. Entladungen tanzten auf der Oberfläche der Schutzschilder, und die Warp-Gondeln funkelten in unheilvollen Farben, die Überlastung signalisierten. Aber das Schiff warf sich mitten hinein in das Chaos aus Raum und Zeit. Es folgte der zuvor kalkulierten Flugbahn hin zum „Optimalen Fragment“, wie Spock es nannte. „Nur noch drei Flugminuten!“ sagte der Vulkanier, und Sulu bestätigte das. Der Captain saß angespannt in seinem Sessel. Wieder einmal klebte ihm die Uniform am Leibe, und seine Brille drohte zu beschlagen. Er hatte sie deshalb lieber abgenommen. Das wilde Lichtertanzen konnte er auf dem Bildschirm ohnehin sehen. Die Augen tränten nun. Gravitationswogen trafen nun im Abstand von wenigen Sekunden ein und ließen die Schiffshülle dröhnen. „Deflektoren bei 98 Prozent!“ meldete Chekov mit gepresster Stimme. „Alles klar! Kurs beibehalten!“ Es schienen nun eine Ewigkeit zu vergehen, in der nichts geschah, außer dass die entfesselten Gewalten mit dem Föderationsschiff spielten. „Wie lange noch? Wie lange noch?“ flüsterte es ungeduldig in Kirks Kopf. McCoy sah gehetzt herüber, Uhura hatte ihre Augen weit aufgerissen. „Wir sind gleich da!“ verkündete Spock, „Mr. Scott: Halten Sie sich bereit. Sowie wir drinnen sind, lasse ich die Kalkulationsschemata in den Computer. Die ermittelten Koordinaten gehen dann automatisch zum Navigationspult und zum Projektilwerfer. Sind die Torpedorohre bestückt?“ „Alles bereit, Sir! Was dachten Sie denn?“ gab der Schotte markig zurück. Der Captain lächelte, „Prima, gute Arbeit! Wenn alles klappt, trinken wir einen zusammen, in Ordnung?“ „Aye, Sir!“ kam es erfreut durch das Intercom. „In vier Sekunden sind wir drin!“ rief Sulu. „Sehr gut! Dann nehmen sie schon einmal die Hände vom Pult! Jetzt fliegt Mr. Spocks Autopilot weiter!” befahl Kirk und setzte sich auf. Sein Herz dröhnte. Nun würde sich alles entscheiden. „Inmitten eines Sylvesterfeuerwerks zu sterben wäre nun wirklich ein origineller Tod! Trotzdem könnte ich gut drauf verzichten!“ dachte er. Dann gab es einen Rück. Der Bildschirm zeigte nun nur Weiß. Ein Filter fuhr blitzartig hoch, aber man sah trotzdem nichts. „Die Beschleunigungen der Zentral-Ereignisse des Chaoskerns sind wie erwartet abgebremst. Berechnungen beginnen!“ rief der Vulkanier. Die Enterprise schien auf Seife zu glitschen. Sie tanzte in einem labilen Gleichgewicht auf einem Kissen unsagbarere Energien dahin, dann legte sie sich zur Seite um wieder zu 11
beschleunigen. Es krachte und donnerte jenseits der Schiffshülle, und Kirk mochte lieber nicht daran denken, welche sonderbaren Welten sie nun im computergeführten Zickzack durchmaßen. „Erster Abwurf erfolgt!“ verkündete Spock. Das Schiff rotierte in ein neues Mini-Universum, jagte an den Grenzen von Überlappungsfronten dahin, duckte sich unter hyperkausalen Protuberanzen hindurch, reiste wie ein Surfer auf mächtigen Wellen, sprang ab, tauchte unter, verwirbelte mit Zeitblasen, und legte dabei in getakteten Momenten die Genesisladungen ins Herz der bereisten Räume und Zeiten. „Neuntes Torpedo platziert!“ „Zehnte Position erfüllt!“ Alle hielten nach wie vor den Atem an, während Spock auf seinen Anzeigen das hin- und Herspringen von Ereignissbeschleunigungen überwachte. Jeder Sprung war dabei das Überfliegen einer Universengrenze. „Deflektoren runter auf 45 Prozent!“ mahnte Chekov an, „Wir haben etwa noch 30 Sekunden bis zum Zusammenbruch!“ „Captain!“ rief Scotty aus dem Maschinendeck über Intercom auf die Brücke, „Der WarpKern ist nahe am roten Bereich!“ „Wie nahe?“ keuchte Kirk und fürchtete sich vor der Antwort. Sie muteten der Enterprise Ungeheures zu.. „Verflucht nahe, Captain. Das Ding fliegt uns bald um die Ohren. In einer Minute, würde ich sagen.“ „Spock, wie lange noch?!“ rief der Captain zur Wissenschaftskonsole hinüber. „Nummer 13 wird gerade abgesetzt! Das letzte Projektil muss in exakt 21 Sekunden ausgeschleust werden!“ Chekov sah angespannt aus. „Das wird knapp!“ sagte er. Das wurde es schließlich immer. Grimmiger Durchhaltehumor stieg in Kirk auf. „Das ist doch wenigstens mal ein besonderer Jahreswechsel!“ rief er in das Inferno der Brücke, „Prost Neujahr!!!“ Der Doktor hob mit sarkastischem Grinsen ein imaginäres Glas und trank ihm zu. „Happy new Year!“ “Auf uns und alle Welten!“ „Irgendwelche Vorsätze, Jim?“ Der Captain nickte und prostete zurück: „Überleben!“ Da verließ das letzte Projektil das Schiff und glitt hinaus in das Feuerwerk der Kalliberner. „Nichts wie raus hier!“ Der Computer ließ ein weiteres Mal wuchtige Kräfte in die Warpspulen schießen, dort transformieren und in Hyperenergien umschlagen. Scottys „Babys“ bäumten sich auf. Rotalarm. Die Enterprise schoss wie ein glühender Komet aus der zuckenden Wolke hervor. Sie strebte mit Warp 9,5 hinein in den kalten Normal-Raum, während im Inneren der Entartungszone nun 14 Sprengköpfe ihren Impuls bekamen. Für den Bruchteil einer Sekunde geschah gar nichts. Dann aber alles zugleich: Die Enterprise stürzte dampfend und knisternd in den Unterlichtflug, wobei die Andruckabsorber und Integritätsfelder laut aufstöhnten und sich Metallverspannungen kreischend in die Ohren drängten. Kirk und seine Brückencrew wurden von den Sitzen gerissen und quer durch den Raum geschleudert. Blitze schlugen aus den Konsolen. Die Chaos-Wolke aber wurde nun von 14 Leuchtpunkten aufgehellt, die wuchsen und wuchsen, zu Sonnen wurden, noch mehr strahlten, und deren Strahlenkränze sich schließlich zu einem gleißenden Licht verbanden. Dieses Licht begann zu wirbeln, sich immer rasender 12
zu drehen und dabei Funken in alle Dimensionen, Zeiten und Räume zu sprühen. Ein gigantisches Sonnenrad stand nun zwischen den Sternen des Normalraumes im Nichts und verbrannte sich selbst. „Faszinierend!“ hörte man Spock sagen. „In der Tat!“ keuchte McCoy, und Kirk war sprachlos. Die Schönheit des Ereignisses war ergreifend. Dabei tobten dort draußen, nur wenige Lichtjahre entfernt, tödlichste Energien und verschlangen einander. Universen versanken, verzerrte Zeitstrahlen fielen in sich selbst zurück, Gravitationswellen brachen sich aneinander und verpufften zu Nichts. Und das alles geschah vollkommen lautlos und innerhalb von Teilchen- und Quantenkaskaden, die wie brennende Windhosen auf der Drehscheibe des Sonnenrades tanzten. Das Rad schrumpfte. Es verzehrte sich mehr und mehr. Und auch die Leuchttornados wurden schwächer. Schließlich endete das Schauspiel mit einem Ausbruch von Funken, von denen Kirk ahnte, dass es die letzten brennenden Universen der Chaoszone waren. Dann war es Dunkel, so dunkel, dass die vorher geblendeten Augen schmerzten. Erst allmählich schälte sich das sanfte Licht der Sterne wieder aus der Schwärze hervor. „Es hat funktioniert!“ sagte Spock nüchtern, „Das Phänomen ist beseitigt. Der Normalraum hat sich wieder geschlossen. Keine Restwirkungen!“ Kirk nickte und fuhr sich mit der Hand durch die klitschnassen Haare. Er hustete. Die Ruhe war nun ungewöhnlich, nach all dem Geräuschinferno der letzten halben Stunde. Überall kamen Crewmitglieder wieder auf die Beine. Scotty meldete nur geringe Schäden. Der Warpkernbruch war nicht erfolgt. Nun, das hatte Kirk auch schon selbst bemerkt... Er konnte allmählich wieder lächeln. „Na, Pille?“ Der Doktor war herangekommen. Seine Uniform sah etwas mitgenommen aus. „Das war einmal ein besonderes Sylvester!“ „Ja, Jim. So etwas reicht fürs ganze Leben!“ „Kann man wohl sagen!“ lachte Sulu, und auch Chekov grinste breit. „Böse Party, das“, sagte der Russe verschmitzt. Da trat Spock ebenfalls heran und blickte ernst in die Runde. „Hallo Spock, Sie altes Superhirn! Das haben Sie prima hinbekommen! Sie sind ein Held! Ein Lebensretter!“ lachte McCoy und wollte dem Vulkanier auf die Schultern klopfen, entsann sich dann aber in letzter Sekunde, dass so etwas bei Vulkaniern nicht gut ankam. Also senkte er den Arm mitten in der Bewegung, was etwas linkisch aussah. „Ich verstehe wohl Ihre Erleichterung, meine Herren!“ sagte Spock, „Aber Ihre Heiterkeit halte ich für unpassend. Die Katastrophe dürfte ca. 45 Billionen Wesen das Leben gekostet haben. Und das nur in diesem Universum!“ „Wie meinen Sie das?“ fragte Kirk erstaunt. „Nun, in den Multiversen der Chaoszone lebten mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Milliarden von Zivilisationen.“ „Aber das Chaos existierte doch nur wenige Stunden!“ gab McCoy zu bedenken. „Ja, lieber Doktor. Aus der Sicht unseres Raum-Zeit-Kontinuums stimmt das. Es gab in dem Chaos allerdings auch Fragmente mit Zeitabläufen, die ganze Evolutionsketten erlaubt haben!“ Diese Worte mussten sich erst in ihr Bewusstsein senken. Was hatte er gesagt? „Sie...Sie meinen, wir haben gerade mehrere...belebte Universen zerstört!“ „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist das so!“ sagte Spock kühl, „Die Kalliberner haben sie aus Übermut und Verantwortungslosigkeit geschaffen, und wir haben sie zerstört!“ 13
„Aber mein Gott Spock: Hatten wir dazu das Recht?“ hustete McCoy. Er war schlagartig kreidebleich. Das Summen der Lebenserhaltungssysteme der Enterprise schien ihm plötzlich unnatürlich laut. „Das weiß ich nicht“, gab der Vulkanier zu., „Es kommt wohl auf den Standpunkt an. Es ist alles relativ!“ Auf dem Bildschirm war jetzt nur noch das Nichts zu sehen, durchbrochen von einigen wenigen Leuchtfeuern. Toten Gasbällen. Der Captain schluckte. Belebte Universen. Geschaffen aus Übermut. Zerstört mit ihren unzähligen Zivilisationen... Kirk sah in die entsetzten Gesichter seiner Freunde und schauderte das erste Mal in diesem neuen Jahr. ENDE
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Die Schatten des Zweifels von Thomas Kohlschmidt
Captain Janeways Albträume: Ist das Ende der Reise erreicht?
Die Voyager jagte über den kosmischen Abgrund. Das Licht der Sterne war kalt und fern. Wie Nadelstiche traf es die Augen des Captains. Kleine höhnende Feuer im Nichts waren es, Lichtjahre entfernt. Sie waren so weit weg, dass man nicht einmal wissen konnte, ob sie zu dieser Minute noch existierten. Das Licht ihrer Auslöschung war vielleicht noch hierhin unterwegs, obwohl das Ereignis schon vor Jahrhunderten stattgefunden hatte. „Tote Systeme, und wir wissen es nicht!“ Janeway seufzte. Sie hatte düstere Gefühle, wie so oft. Seit etwa einem Jahr quälte sie die Angst, niemals zur Erde zurück zu kommen! ABER IHR SEID ZURÜCKGEKEHRT!!!!! Sie wischte sich über die Augen. Ihre Konzentration litt schon länger. Der Holodoc hatte sie gründlich durchgecheckt, aber nichts finden können außer einem leicht gereizten Magen, weswegen er ihr empfohlen hatte eine zeitlang Tee anstatt von Kaffee zu trinken! Doch sie fühlte sich elend. Die Zeit hier draußen war womöglich schon zu lang... Ferne Welten, und irgendwo da draußen war die Erde. Weit vor der Voyager, hinter unzähligen Nebeln, Asteroidenschwärmen, Raumverzerrungen und Planetensystemen aller Art... So weit weg. Unerreichbar!? ABER IHR SEID ZURÜCK AUF DER ERDE!!!! Was war das?! Für den Bruchteil einer Sekunde nur waren ihr Bilder durch den Sinn geschossen. Janeway riss die Augen weit auf: Sie hatte die Voyager gesehen, wie sie – flankiert von Föderationsschiffen – auf die Erde zuflog. Ein Feuerwerk über der Golden Gate Brücke, ein Paradeflug über die Bucht. Und die BorgQueen... „Ich bin übermüdet“, flüsterte sie und starrte irritiert in ihren Teebecher. „Ich bin dieses Zeug nicht gewöhnt..!“ ABER ES IST SCHON GESCHEHEN, KATHERIN! DU BIST DA, NICHT MEHR HIER! Sie ließ den Blick über ihre Brückencrew wandern. Seltsam: Wie traurig und hoffnungslos alle aussahen. Das spitzbübische Grinsen war aus Tom Paris´ Gesicht gewichen. Er hockte kraftlos an der Navigationskonsole und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Tuvok schien fast zu schlafen. Ab und zu massierte er fahrig seine Schläfen und verzog den Mund leicht, wie in Schmerzen. Und Chakotay war neben dem Captainssitz zusammengesunken. Er hockte auf seinem Platz und sah zu Boden. Er rang seine Hände und schien mit Totengeistern zu reden. Die Lebenserhaltung dröhnte, die Lichter flackerten leicht. „Wir werden es nicht schaffen!“ war ihr plötzlich klar! „Wir schaffen es nie!“ Verzweiflung gewann nun die Oberhand, und sie spürte Brennen in den Augen. Der Schmerz kroch ihr unter die Lider. VERDAMMT NOCHMAL! HÖR AUF DAMIT! WACH AUF!!! DU BIST AUF DER ERDE!! DIES IST EIN TRAUM!!! 15
„Nein!“ schrie Janeway und wirbelte auf der Brücke der Voyager herum. Ihr Gesicht zerfloss zu einer bösen Grimasse mit riesigen Augen, die hypnotisch blickten: „Deine Erde ist nur eine Holosimulation! Ihr seid auf alles reingefallen! Eure Rückkehr war unser Drehbuch! Ihr lebt nun in unserer Arena zu unser Unterhaltung. Captain Janeway: Unser Planet ist Aber-Hunderte von Lichtjahren von der Erde entfernt!“ Katherin Janeway fuhr im Bett auf, und ihr schien der Atem zu stocken. Das Herz hämmerte. Schweiß glänzte auf ihrer Stirn, das Haar war zerwühlt und klitschnass! „Ihr seid nicht zuhause!!!“ grölte das Traumwesen ihr nach, bevor es in ihrem Bewusstsein versank und die Realität wieder in ihre Sinne drang. Sie sah sich gehetzt um. Es war Nacht, Nacht über San Francisco, und dies war ihr Schlafzimmer!! Das Bett neben ihr war leer... Sie setzte sich endgültig auf. „Wieder der Traum! Wieder dieser verdammte Traum!“ Sie wischte sich erschöpft über die Stirn. Diese Vision suchte sie nun schon seit drei Wochen jede Nacht heim. Und sie wurde von Mal zu Mal eindringlicher. „Ihr seid nicht zuhause!!“ Dieses war immer der letzte Satz der Traum-Janeway. Die Erde nur eine Simulation? Dies alles nur ein riesiges Holodeck? Unmöglich! Völlig abwegig!! Unsinn!!! Janeway warf ihre Füße über die Bettkante und stand mit einem energischen Ruck auf. Sie durchquerte das Zimmer und schaltete eine kleine Lampe vor dem Spiegel an. Ja wirklich: Sie sah erschöpft aus und war totenbleich. „Dies ist die Realität!“ sagte sie fest, als wolle sie sich selbst überzeugen. „Das andere ist ein Traum!“ IST ES NICHT! Zischte es da in ihrem Inneren, UND DU WEISST ES!“ Janeway zitterte jetzt. „Ich darf nicht...nicht...“ Ihr Blick fiel auf ein Foto aus früheren Tagen. Die Familie. Und da war auch Tante Charlotte... Janeway spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten. Tante Charlotte war verrückt geworden. Sie hatte den Rest ihres Lebens in der geschlossenen Anstalt verbringen müssen. Sie hatte immer gesagt, dass die Wahrheit nicht wahr sei. Alles sei nur ein Traum, „gemachter Traum“ hatte sie das genannt. Als Kind hatte Janeway das nicht verstanden. Diese verrückte Tante... Wie traurig sie auf dem Foto aussah. So erschöpft. „Nein, wir sind zuhause und Schluss!“ stieß der ehemalige Captain trotzig hervor und drehte das Licht aus. Sie wandte sich entschlossen vom Spiegel ab, in dem die jenseitige Janeway noch eine zeitlang kicherte. „Ihr seid noch da draußen! Ihr seid bei ins! Irgendwann wirst Du es nicht mehr verdrängen können, meine Liebe! Ihr seid niemals zu Hause!“ Und irres Lachen überschwemmte das Schlafzimmer, als Katherin Janeway entkräftet niedersank. Ihre Laken fühlten sich fremder und fremder an...
ENDE
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Hilfe, meine Tochter hat ein Alien geheiratet von Anneliese Wipperling
Christine Maras ist völlig baff: Ihre einzige Tochter hat einen wildfremden Vulkanier geheiratet – ohne sie zu fragen. Die spießige Provinz-Hausfrau macht keinen Hehl aus ihrer Fremdenfeindlichkeit. Aber alles kommt ganz anders, als sie denkt...
Michelle muß vollkommen verrückt sein! Ein bißchen gesponnenen hat sie ja schon immer... sie hat leider diese Star Wars- und Obi-Wan-Macke, träumt von Jedi-Rittern mit Lichtschwertern! Natürlich ist sie sich viel zu fein für ganz normale französischen Männer. „Nein, Mama, ich will diesen Beamten vom Städtischen Wasserwerk nicht... und auch nicht den Lehrer. Nein, Mama, ich liebe keinen von beiden...“ Und dann fiel ihr auf einmal eine ganz neue Marotte ein: vulkanische Philosophie! Als wenn eine hübsche Frau so was braucht! Wenn es nach mir gegangen wäre... Paul hätte mir als Schwiegersohn schon gefallen, er grüßt immer so nett, sieht tadellos gepflegt aus... und er wird irgendwann das entzückende kleine Bistro am Markt erben. Michelle hätte es so gut gehabt! Immer genug Krediteinheiten!... Ich weiß doch, was es heißt mit einem schlecht bezahlten Bibliothekar verheiraten zu sein, der obendrein nur Sinn für seine Schmöker hat und seiner Tochter völlig überflüssige Schnapsideen in den Kopf setzt... so was wie vulkanische Philosophie! Aber das war wohl eher dieser Professor Andal. Mit dem hat alles angefangen... mit seiner vulkanischen Philosophie und seinem kostenlosen Privatunterricht in Mentalkontrolle. Man müßte so was glatt verbieten: Außerirdische, die anständigen Menschen die gut bezahlten Professorenstellen vor der Nase wegschnappen und den Studenten irgendwelchen Müll eintrichtern. Meine Michelle hat nur noch Flausen im Kopf, seit sie diesen Andal kennt. Sie wollte sogar in den Ferien nach Vulkan, als wenn jemals einer aus unserer Familie sich so eine teure Reise geleistet hätte! Ich habe gesagt, daß bei dem mickrigen Einkommen ihres Vaters so was nicht drin wäre und basta! Da hat sie den ganzen vulkanischen Philosophiequatsch wie eine Verrückte gebüffelt und leider ihre ersehnte Reise ins gelobte Land als Auszeichnung gekriegt. „Nein!“ habe ich sofort protestiert. „Das kommt überhaupt nicht in Frage... noch mehr Umgang mit diesen arroganten Spitzohren und sie wird uns nur noch für bescheuert halten! Für die ist doch die ganze Menschheit dumm und unterentwickelt ...“ Aber nein, ihr lieber Papa mußte es ihr erlauben und nun...
*** Sie ist einfach mit so einem dürren, grünblütigen Kerl zur Erde zurückgekommen! Der hat sich doch glatt erdreistet, dem netten Paul zu verbieten, meiner Tochter Blumen zu schenken, weil meine kleine Michelle nun seine Gemahlin sei und es nicht richtig wäre, daß er sie immer noch sexuell begehrt! Er hat es einfach so ausgesprochen und der arme Paul ist knallrot geworden und mitsamt seinen Blumen geflüchtet. Ich hätte den Kerl erwürgen können!... Ja, es tut mir leid, ich habe den halben Raumhafen zusammen geschrien... aber was sollte ich denn sonst machen? Meine einzige Tochter hat, ohne mich zu fragen ein Alien geheiratet! Natürlich habe ich dem verdammten Spitzohr den Mund verboten und von meiner Tochter verlangt, daß sie sich auf der Stelle scheiden läßt. Sie hat es einfach abgelehnt... und außerdem behauptet, daß das wegen der mentalen Bindung überhaupt nicht möglich wäre. Verdammte Vulkanier! Ich möchte bloß wissen, was sie an 17
dem krakeligen Kerl findet? Er ist groß, knochig und obendrein auch noch schwarz wie die Nacht... und dann diese Ohren! Ich bin bestimmt keine Rassistin, aber wenn Michelle schon unbedingt einen Außerirdischen nehmen muß... muß der dann auch noch pechschwarz sein? Und grüne Lippen haben... und eine grüne Zunge! Igitt! Von so etwas läßt sich meine süße blonde Tochter auch noch küssen! Das ist doch ausgesprochen eklig und völlig pervers! Ich möchte gar nicht wissen, was an dem Kerl noch alles grün aussieht... und wahrscheinlich riesengroß ist... Dabei hat Michelle sich jahrelang wie ein Püppchen Rührmichnichtan aufgeführt ... sie war so zickig, daß ich schon befürchtete, daß sie gar keinen Mann abkriegt. Nur deshalb habe ich mich doch für sie auf die Suche gemacht! Dieses ganze überempfindliche Getue hat so genervt... und nun. Nur eine echte Schlampe wirft sich schon nach wenigen Tagen einem wildfremden Kerl an den Hals... und nur eine neugierige Oberschlampe tut es mit einem Außerirdischen... läßt sich so ein grünes Ding überall hereinschieben und mißachtet unsere netten französischen Männer. Und alles hat mit dieser widerlichen vulkanischen Philosophie angefangen! Man sollte so etwas gar nicht erst an unseren Universitäten lehren! Als wenn wir Menschen nicht unsere eigenen Philosophen hätten... und nette Männer wie Paul! Dieser dürre, spitzohrige Neger sieht wie ein richtiger Hungerleider aus, da wird sich Michelle ihre schicke Kosmetik und das alles abschminken können... von mir kriegt sie jedenfalls nichts mehr! Ich möchte nur wissen, in welchem Kaff sie den Kerl aufgelesen hat. Wie der mich angesehen hat, als ich von Michelle verlangt habe, daß sie sich scheiden läßt! Seine schwarzen Augen haben auf einmal richtig geglüht... nach vulkanischer Mentalkontrolle sah das nicht gerade aus! Und mein vertrottelter Mann meinte auch noch, daß ich hirnrissig wäre und er den Ehemann seiner Tochter sehr gern kennenlernen würde. Ich jedenfalls pfeife auf einen Schwiegersohn in seltsamen Klamotten, mit spitzen Ohren und einem riesengroßen grünen... Das Schlimmste war: Meine kleine Michelle ist einfach mit ihm weggegangen! „Ich bin nicht mehr eure Tochter! Wenn ihr meinen Ibor ablehnt, bin ich nicht mehr eure Tochter!“ Danach ist ihr feiger Sack von Papa aufs Klo verschwunden und nicht wieder aufgetaucht... es gab leider eine Hintertür. Wahrscheinlich besäuft er sich jetzt gerade irgendwo, während ich vor Wut Torte in mich hineinstopfe und am liebsten diese arroganten Vulkanier mit Stumpf und Stiel ausrotten würde! Wer braucht solche Affen schon, ihre dämliche Mentalkontrolle, ihr stinklangweiliges, hochtrabendes Getue oder gar ihre abartige Philosophie! Die Menschheit wäre ohne Vulkanier viel besser dran!
*** Jetzt ist es schon ganze sieben Wochen her und meine Michelle ist tatsächlich nicht wieder nach Hause gekommen. Mein Mann ist neuerdings dauernd unterwegs... und wenn er zu Hause ist, liest er irgendwelche unverständlichen Datenpads über irgendwelchen vulkanischen Unsinn! Wie es aussieht, hat er sich mit dem Spitzohr arrangiert. Aber ich werde das nicht tun! Niemals! Und jetzt sitze ich unauffällig in der Mensa und versuche, meine Tochter allein abzupassen. Da kommt sie ja endlich... und natürlich wieder mit ihrem Kerl! Wahrscheinlich studiert der auch hier, denke ich... und sehe auf einmal, wie die Studenten ihn ehrfürchtig grüßen: „Guten Tag, Herr Professor Ibor!“ „Hätten Sie bitte einen Augenblick Zeit, Herr Professor!“ „Danke für die Zusatzliteratur, Professor Ibor!“ Hätte Michelle nicht gleich sagen können, was für ein großes Tier sie sich geangelt hat? Nun hat sie auch ausgesorgt... sogar viel besser als ich. Vielleicht sollte ich dem Schnösel doch verzeihen, daß er kein Mensch ist... und womöglich irgendwann nach Vulkan zurückkehrt und mein armes Kind in die Wüste verschleppt... obwohl ich natürlich immer noch nicht verstehe, was sie an dem grünblütigen Kerl findet. 18
Jetzt sieht er mich auch noch und will mich begrüßen, aber Michelle hält ihn fest. „Diese Frau ist nicht mehr meine Mutter“, sagt sie ganz kalt. „Ich will mit dieser Rassistin nichts mehr zu tun haben!“ Also, ich finde das ungerecht. Ich habe doch gar nichts gegen Vulkanier, solange sie auf ihrem eigene staubigen Planeten bleiben und unsere Mädchen in Ruhe lassen... sie nicht mit ihrer verdammten Philosophie einwickeln und ihrer eigenen Mutter entfremden... und ihre gewissen grünen Körperteile ausschließlich in die passenden grünen Öffnungen ihrer eigenen Frauen stecken... Aber halt! Wenn dieser Ibor Professor ist, wieso verlangt Michelle dann immer noch Taschengeld von uns? Ihr Spitzohr ist doch viel reicher als wir, da wird er doch für seine „Gemahlin“ allein aufkommen können... oder? Am besten, ich frage ihn gleich, aber nun verschwindet er leider mit schnellen Schritten durch eine Tür... und Michelle zeigt mir einfach die kalte Schulter, sieht mich nicht einmal an! Am besten ich gehe heute Abend zu ihr in ihre Studentenbude und stelle sie zur Rede!
*** Ich hasse den Kerl! Nein, diesmal nicht das Spitzohr... sondern meinen verlogenen Ehemann. Ich habe es satt, mich ausnutzen und zum Narren halten zu lassen! Heute Abend bin ich zu Michelle gegangen... um sie zu fragen, ob sie was braucht, ob der verdammte Vulkanier sie auch anständig behandelt... und nicht etwa eine Gehirnwäsche mit ihr angestellt hat, warum dieses geizige Spitzohr Geld von uns verlangt, obwohl er viel reicher ist als wir... und warum er nicht wenigstens ihre Studentenbude bezahlt. Ich habe mich richtig in meine Wut reingesteigert... und dann sehe ich den Briefkasten im Flur, an dem ‚Marcel Maras‘ steht! „Wie kommt der Name meines Mannes an Michelles Tür?“, denke ich noch ganz irritiert und dann kommt die Concierge aus ihrem Glaskasten und klärt mich genüßlich auf: „Die Frau Professor ist doch schon vor sieben Wochen ausgezogen... in eine piekfeine Gegend übrigens... nur Villen und Etagenwohnungen...“ Ich starre die Alte entgeistert an, frage, wer jetzt hier wohnt. „Ach, da ist Michelles Vater mit seiner jungen Frau eingezogen. Die Arme hat es nicht leicht. Er ist ja so viel unterwegs auf Geschäftsreise! Aber das Frauchen ist hübsch und nett... und sehr ordentlich! Solche Mieter haben wir gern!“ Mein Gott, war ich blöd! Deshalb war der Kerl so viel unterwegs! Mein findiger Ehemann steckt das Geld für die Miete und Michelles Taschengeld einfach in die eigene Tasche und finanziert davon sein Liebesnest! Am liebsten würde ich ja Sturm klingeln und es der verdammten Schlampe richtig zeigen! Aber wenn ich mir so ein gertenschlankes, blondes, vollbusiges junges Ding vorstelle... ich weiß doch, wie ich früher aussah... und was meinem Marcel gefällt. Und jetzt bin ich alt... und fett, weil ich so oft wütend bin, weil ich dann jedesmal Hunger kriege, weil niemand auf mich hört, weil mich niemand richtig beachtet... weil mein Schwerenöter von Ehemann sich einfach eine Geliebte zugelegt hat... und meine versnobte kleine Tochter zu einem hochnäsigen, spitzohrigen Alien gezogen ist! Die Schlampe hier wird mich ansehen, bemerken, daß in jeder Beziehung der Sonntag runter ist und nur über mich grinsen. Wenn mein Marcel sich wegen dieser Tussy scheiden läßt, sieht es schlecht für mich aus. Ich müßte womöglich wieder arbeiten gehen! Nach über zwanzig Jahren müßte ich wieder im Laden stehen! Es ist so ungerecht!
*** Vielleicht sollte ich mir von der alten Concierge doch die Adresse des vornehmen Professors geben lassen. Ich habe gehört, daß diese Vulkanier sehr auf Familie stehen... und daß ihre 19
ältesten Mütter enorm viel Macht haben. Vielleicht kann mein lieber Schwiegersohn meiner lieben kleinen Michelle erklären, wie wichtig es ist, die eigene Mutter zu respektieren... ganz egal, ob sie ausnahmsweise mal etwas Dummes gesagt hat oder nicht... und vielleicht gibt er mir sogar regelmäßig ein wenig Geld... und ich muß vielleicht doch nicht...
Nachtrag: Wer mehr über Michelle und ihre große Liebe wissen möchte, sollte sich das Fanzine „Für Vulkan leben und sterben“ nicht entgehen lassen, das im April 2002 beim Star Trek Forum erschienen ist. Nähere Informationen bei WARP-online unter „Nimm mich/Anthologien“.
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Inspiration von Thomas Kohlschmidt
Warr, der Erschaffer in der Krise. Ohne neue Träume wird er sterben...
Es war zum Verzweifeln! Seit Tagen hatte er nun schon keine guten Ideen mehr. Er starrte zwar pausenlos auf die leeren Gestaltungsflächen, lauschte in den Wind und versetzte sich immer wieder in den „Taumel der Öffnung“, aber es wollte sich kein Gedanke, kein Gefühl und kein Konzept einstellen. Warr, der Erschaffer, schüttelte traurig seinen mächtigen Kopf und rollte mit allen neun Augen. Seine dürren Fingerchen zogen frustriert Linien in den Staub in seiner Schaffenskammer, aber selbst in ihnen konnte er kein Muster lesen, obwohl das scheinbar zwanglose, spontane Kreisen der Finger eine alt-hergebrachte Not-Technik war, wenn die „Funken, die Welten bringen“ ausblieben. Es waren nun schon dreizehn Tage, in denen er abends, wenn sich die blauen Sonnen hinter den kargen Horizont senkten, nichts vorzuweisen hatte. Die Bauern vom Feld kamen mit saftigen Früchten, denn es war gerade Erntezeit. Die Erbauer feierten den Triumph, die langersehnte Brücke über den Varrrt-Fluss fertiggestellt zu haben. Nun konnten Karren von jenseits der Tafelberge zu ihnen in das Dorf kommen. Und der Magier hatte es endlich geschafft, aus zwei Metallen ein Drittes, Widerstandsfähigeres zu erschaffen, das nun ihre Langschneider überlegen machen würde, gegen die ihrer Feinde von Xxan. All diese großartigen Nachrichten und Ereignisse waren nur dazu angetan, den Kontrast zu seiner eigenen Ergebnislosigkeit noch zu verschärfen. Warrs Versagen stach dagegen deutlich ab. Er war dazu geboren, Künste beizusteuern, Träume zu fangen, Innerstes auszudrücken, Muster zu finden und zu verbreiten und so Trost, Erkenntnis und neue Schaffenskraft zu erzeugen. Aber stattdessen: Nur sinnleere Linien im Staub! Er schluckte. War es nur Einbildung, oder sahen ihn die Nachbarn schon strafend an? Lachten die Kinder an der Ecke etwa über ihn? Und war es Zufall, dass die schöne Irrs plötzlich keine Zeit mehr für ihn hatte? Die Schatten schienen aufzusteigen und sich in bösem Tanz um ihn zu verdichten. Bald schon würde er zum Gespött werden, dann zum Ärgernis und schließlich zur Last seines Volkes. Die Obersten Lenker würden nach ihm schicken lassen. Warr keuchte gequält auf bei diesem Gedanken. Er würde – wie damals der unglückliche Kiggo – den langen Weg über die Kristallödnis zum Palast der Obersten Lenker gehen müssen und nie wiederkehren... Angst stieg nun in ihm hoch, wie schon an den letzten drei Abenden. Sein Freund Cudds hatte nur kurz hereingeschaut, auch um ein Gespräch zu führen, aber Warr hatte ihn verscheucht. Er musste nun allein sein! Er durfte sich nicht ablenken, nicht in Verständnis trösten lassen. Der Schmerz, die Angst: Das waren doch sonst immer gute Energien, die alles aktivierten. Doch diesmal wohl nicht. 21
So hockte der unglückliche Erschaffer in seiner immer dunkler werdenden Kammer und versank mehr und mehr in Kummer und Verzweiflung, bis er es endlich nicht mehr ertrug und zusammensank. Wenige Wimpernschläge später war er auf seinem zerwühlten Lager in Schlaf gefallen. Er fiel. Fiel, fiel, fiel...und weiter, immer tiefer...ohne Ende...bis... ER SAH DAS DING VON VORNE. ES WAR LANG UND AUS METALL, SO ÄHNLICH, WIE DAS DES MAGIERS! ES HATTE VORNE EINEN BREITEN KOPF; UNTEN EINEN WALZENFÖRMIGEN LAIB, WIE DIE WÜSTENWÜHLER, UND HINTEN SPREIZTEN SICH ZWEI – ARME? – AB. DIESE LEUCHTETEN AN DER SEITE, ALS WÄRE SONNENLICHT DARIN EINGESPERRT UND WÜRDE TANZEN. DAS DING FLOG ÜBER DEN HIMMEL, ABER WEIT ÜBER DEM HIMMEL, DORT WO NUR DIE LICHTAUGEN WAREN. ES FLOG OHNE FLÜGELSCHLAG. ES WAR LAUTLOS. JETZT SAH ES WIE EIN FISCH AUS. NUN WAR ES VORBEI. ES WURDE KLEINER UND WAR FORT! Warr schreckte auf. Was war das gewesen? Er erinnerte das Ding ganz deutlich. Ein Himmelsfisch, ein fliegender Himmelsfisch mit glänzender Haut und Sonnenfeuer in den Flossen. Was für ein kraftvolles Bild! „Eine Eingebung! Ich hatte eine Eingebung!!!“ Der Erschaffer war nun ganz aufgeregt. Vorbei waren Zweifel und Müdigkeit, fortgefegt alle Kümmernisse und Sorgen! Er griff nach den Malsteinen, den Wachsen und Reibgriffeln. Morgen früh würde er es allen zeigen! Er war gerettet, und das Volk hatte ein neues Bild, eine neue Vision! Warr lachte: Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er wieder, dass er lebte...
****************** Die Voyager passierte das Sternsystem Beta-Ignius 56, und das einzig Auffällige war ein leichter Anstieg psionischer Energien in diesem Bereich. Tuvok spürte ein leichtes Kribbeln. Irgendwo dort draußen mussten mentalbegabte Wesen leben, deren Bewusstsein in den Raum tastete. Da waren tiefe Emotionen... Aber zu weiteren Nachforschungen war keine Zeit. Immerhin hatten sie vier Borgkuben auf den Fersen. Janeway sah angespannt aus. „Mr. Paris: Volle Energie, Warp 9,8! Wir müssen vor ihnen beim Ionenfeld sein!“ „Aye, M´am!“ Das Schiff raste davon, sprang zwischen die Sterne und war verschwunden.
ENDE
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Die Macht der Frauen von Anneliese Wipperling
Die junge T’Liza lernt die geheimen Kräfte der Frauen Vulkans kennen und hilft ihrem Bindungspartner Loren, während des Pon Farr sein Selbst zu bewahren.
Es war gewiß nicht vernünftig gewesen, zum jetzigen Zeitpunkt Vulkan zu verlassen, aber ich konnte es einfach nicht erwarten, T’Liza wiederzusehen. Meine Partnerin war für fünf Jahre von Vulkan verbannt worden und befand sich zur Zeit auf der Erde. Als Madras mit ihrer fast sechs Jahre alten Schwester T’Wakan vor dem Versammlungszelt des Hauses Kinsai materialisierte, nahm ich mir gerade noch die Zeit, ihm die Leitung der Bruderschaft wieder zu übergeben und ihn über die neuesten Ereignisse auf Vulkan zu informieren. Ich brauchte ihm nicht mitzuteilen, wohin ich so eilig wollte. Wie immer wußte er genau über mich Bescheid. Seine schönen grünen Augen drückten Besorgnis, Verwunderung und leise Ironie aus. „Bist du sicher, daß du das Richtige tust, Loren?“ fragte er mich ganz direkt. „Ein Altersunterschied von zweihundert Jahren wird irgendwann zu einem bitteren Ende führen. Hast du überhaupt die Bruderschaft um Erlaubnis für diese separate Bindung gebeten?“ „Ich hatte gar keine Gelegenheit, jemand zu fragen. T’Liza kam am Tag vor ihrer Abreise zu mir und bat mich um eine Entrückung... sie wollte nicht, daß ein Außenweltler ihre Weiblichkeit weckt.“ „Und du konntest nicht nein sagen.“ „Ich habe sie begehrt, seit ich sie das erste Mal sah... versteh doch, in meinem ganzen Leben habe ich mir nichts so sehr gewünscht. Sie ist die einzige Partnerin, die jemals mir allein gehörte... und ich möchte, daß es bis zu meinem Ende so bleibt.“ Die Augen von Madras waren voller Mitgefühl und Zuneigung als er sagte: „Es wird zwar nötig sein, die Gesetze der Ah’Maral ein wenig großzügig zu interpretieren... aber du hast auf jeden Fall meine Erlaubnis zu einer separaten Beziehung mit T’Liza. Du hast diese Bruderschaft vor mir angeführt und ihr lange in Treue gedient. Es wäre nicht angemessen, dir dieses Glück zu verbieten. Fliege ruhig zur Erde, wir werden eine Weile ohne dich auskommen... obwohl du mir fehlen wirst. Paß gut auf dich auf und kehre gesund zurück! Frieden und langes Leben, mein Waffenbruder!“ Madras hob die rechte Hand zum traditionellen Gruß, seine imposante Gestalt und sein besorgter Blick waren das letzte, was ich bewußt wahrnahm, bevor mich der Transporterstrahl zu einem Kurierschiff im Orbit trug. Ich war so fixiert auf T’Liza, daß ich die Bedenken von Madras nicht verstand... aber nun, nachdem ich mein Feuer in ihr gelöscht hatte, konnte ich wieder klarer denken. Mein nächstes und möglicherweise letztes Pon Farr konnte jederzeit ausbrechen. Diesmal war ich jedoch allein auf einem fremden Planeten und nur T’Liza war da, um mir zu helfen... T’Liza... nach einer leidenschaftlichen Nacht lag sie still in ihrem Bett und schlief fest. Die Decke war ein wenig herab gerutscht und enthüllte eine helle, runde, feste Brust mit einer zart grünen Brustwarze. Die Brust war gerade so groß, daß sie in meine Hand paßte... am liebsten hätte ich sie sofort angefaßt. Aber ich beherrschte mich. Mir war inzwischen klar, daß meine junge Freundin demnächst ihre ganze Kraft brauchen würde und daß ich sie möglicherweise selbst auf die harte Prüfung vorbereiten mußte, falls ihre Mutter sie noch nicht ausreichend eingeweiht hatte... Die Männer Vulkans sprechen nur ungern über das Pon Farr und erwarten ganz selbstverständlich von ihren Partnerinnen, daß sie wissen, was zu tun ist... sie verlassen sich auf ihre geheimnisvolle Macht... zumeist ohne sie recht zu begreifen... Bei mir ist das ganz anders, ich habe schon oft meinen Waffenbrüdern geholfen, ihr Selbst zu bewahren und zu überleben. Ich weiß genau, was zu tun ist. 23
Ich ging in die kleine Küche, deckte den Tisch und bereitete in aller Ruhe das Frühstück zu. Als der Kaffee von der Erde aromatisch duftete, wachte T’Liza auf. Entrückungen machen Vulkanier immer sehr hungrig und so stürzten wir uns beide gierig auf das Essen. Als wir einigermaßen satt waren, wagte ich mich an das heikle Thema. „T’Liza, hat deine Mutter dich eigentlich aufgeklärt?“ „Wie meinst du das, Loren... habe ich letzte Nacht etwas falsch gemacht?“ „Nein, alle Entrückungen mit dir waren makellos... aber was weißt du über das Pon Farr?“ „Jeder vulkanische Mann muß alle sieben Jahre mit seiner Bindungspartnerin verschmelzen, sonst stirbt er. Ich war dabei, als mein Stiefvater Andal in diesem Zustand in unser Haus kam und half meiner Mutter, ihn festzuhalten, damit sie sein Feuer löschen konnte. Die mentalen Schwingungen erschütterten das ganze Haus... sie waren gewaltsam und gnadenlos.“ „Deine Mutter hat mit dir nicht weiter darüber gesprochen?“ „Nein.“ „Das ist schlecht, dann weißt du nicht genug darüber.“ „Warum ist das so wichtig?“ fragte T’Liza beklommen. „Weil ich bereits spüre, wie meine Hormone aus dem Gleichgewicht geraten... in Stunden oder wenigen Tagen werde ich im Plak Toov sein... du mußt dich darauf vorbereiten, mir zu helfen.“ T’Lizas Gesicht wurde bei dieser Ankündigung fast weiß vor Schreck. Dann sammelte sie ihren ganzen Mut und sagte tonlos: „Fangen wir sofort an... du hast recht, ich weiß wirklich nicht genug darüber.“ Ich rückte meinen Stuhl neben den T’Lizas, legte den Arm um sie und bettete vorsichtig ihren Kopf an meiner Brust. So brauchte ich ihr nicht in die Augen zu sehen, während ich sie in die geheime Qual aller vulkanischen Männer einweihte. „Das Pon Farr ist viel mehr, als eine bloße Steigerung des Sexualtriebs. Die Überproduktion gewisser Hormone erhöht nicht nur die Begierde ins Unermeßliche, sie setzt auch die Mentalkontrolle außer Kraft und beeinträchtigt im letzten Stadium die Vernunft so sehr, daß wir nur noch wie wilde, brünstige Tiere sind. Wenn wir in diesem Zustand keine Erleichterung durch eine Entrückung erfahren... oder durch einen wilden Kampf auf Leben und Tod unsere Erregung abbauen können... erfolgt unweigerlich der Tod durch Herzversagen. Ich nehme an, das weißt du bereits.“ „Ja“, flüsterte T’Liza still und schmiegte sich enger an mich. „Was du wahrscheinlich nicht weißt ist, daß die Partnerin... oder bei homosexuellen Paaren der Partner... nicht nur seinen Körper gibt, um die Glut irgendwie zu löschen... das würde eher eine normale Entrückung beschreiben...“ Ich suchte angestrengt nach den richtigen Worten, während ich das glatte, dunkle Haar meiner jungen Freundin streichelte. Ich wollte sie auf keinen Fall erschrecken oder entmutigen... schließlich setzte ich meinen Versuch einer Erklärung fort. „Im Plak Toov gerät der Geist eines vulkanischen Mannes derart aus dem Gleichgewicht, daß er nicht allein wieder zurück zu Logik und Vernunft finden kann. Seine Bindungspartnerin hilft ihm von Anfang an, die Integrität seiner Persönlichkeit zu schützen. Sie hütet den letzten Rest seiner Vernunft wie einen kostbaren Schatz, verhindert, daß er sich in seiner tierischen Wildheit vollends verliert und hilft ihm, während der Entrückung seinen Geist wieder zu ordnen. Wenn die Bindungspartnerin zu schwach ist, kann es sein, daß der Mann am Ende trotzdem stirbt oder den Rest seines Lebens in einem Haus für unvollkommene Geister verbringen muß.“ T’Liza sah mich erschrocken und besorgt an. „Was konkret muß ich tun, um dich zu beschützen?“ fragte sie dann ganz sachlich. „Wir müssen die noch vorhandene Zeit nutzen, um unser geistiges Band zu festigen. Du mußt dir ein deutliches Bild von meinem Selbst machen und es im Sturm der irrationalen Leidenschaft in dir tragen. Du mußt gegen das wilde Tier in mir kämpfen und es besiegen...
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diese brünstige Bestie muß ihre Kraft verlieren und für die nächsten sieben Jahre verschwinden.“ „Zweifelst du an meinen Fähigkeiten?“ Mir hatte schon immer imponiert, daß T’Liza in Gefahrensituationen stets sachlich und konstruktiv reagierte. „Es wird schwer werden... mit mir ist es wegen meiner mentalen Talente besonders gefährlich... du mußt dich am Anfang gegen mich abschirmen, damit ich die Empfindsamkeit deines Körpers nicht erhöhen kann... du mußt einen Schutzwall für dein vegetatives Nervensystem aufbauen und dein Schmerzempfinden unter Kontrolle halten... du mußt dich ganz darauf konzentrieren, mich zu beherrschen... du darfst dich diesmal nicht eine Sekunde fallen lassen.“ „Warum?“ „Ich werde nicht so sein, wie du mich kennst... wahrscheinlich werde ich dir brutal und rücksichtslos weh tun... eine Vereinigung während des Pon Farr ist nicht angenehm...“ „Aber wie schaffen es die anderen Frauen?“ „Ihre Mütter helfen ihnen, die nötigen Fähigkeiten zu entwickeln... und der reine Selbsterhaltungstrieb motiviert sie, das Tier zu zähmen... ich verstehe nicht, wieso T’Pala dich nicht vorbereitet hat...“ „Sie dachte wohl, durch die Sache mit Andal wüßte ich Bescheid.“ Das war noch schlimmer, als ich befürchtet hatte... ich konnte nur hoffen, daß T’Lizas natürliche Begabung ausreichen würde, um ihre mangelhafte Ausbildung auszugleichen... „Komm“, sagte ich nach dem Frühstück zu ihr. „Du mußt jetzt meinen Geist erforschen. Ich werde alle Abschirmungen fallen lassen und dir meine geheimsten Erinnerungen zeigen.“ Ich legte mich auf ihr Bett und bereitete mich auf die Verschmelzung unserer Geister vor. T’Liza legte sanft ihre Fingerspitzen auf die Nervenpunkte in meinem Gesicht... daß sie sie sofort fand, beruhigte mich ein wenig. „Dein Geist zu meinem Geist... deine Gedanken zu meinen Gedanken“, flüsterte sie leise.
Ich zeigte ihr meine frühe Kindheit... das Erschrecken meiner Eltern, als ich das erste Mal jemand durch reine Kraft des Geistes im Zorn Schmerz zufügte und ihn fast tötete... meinen Trotz und meine Angst, als mein eigener Vater mich zu den Ah’Maral brachte... Ihre Existenz ist ein sorgsam gehütetes Geheimnis der schwarzen ethnischen Minderheit auf Vulkan... sie sind Ärzte, Techniker, Bauern, Clanälteste, Lehrer... und leben auf den ersten Blick wie alle anderen Turuska... aber es gibt noch eine zweite Existenz hinter dieser Normalität... alle Ah’Maral sind unverheiratet und es heißt, daß sie in Bruderschaften zusammenleben und sich bei geheimen Zusammenkünften in der Wüste miteinander paaren... manchmal kommt ein Fremder von einem anderen Clan und verlangt ganz offen eine Entrückung mit einer unserer Frauen... niemand erhebt Einspruch, nicht die Eltern, nicht der Partner und auch nicht die betroffene Frau... der fremde Mann verschwindet wieder und die Frau bringt nach der üblichen Zahl von Tagen ein Kind zur Welt, das wie ein mystischer Schatz gehütet wird... es heißt, die Ah’Maral hätten in dunkler Zeit unser Volk vor dem Aussterben bewahrt... Sie sind hart, geheimnisvoll und furchterregend... Als mein Vater mich zur Transporter-Plattform schleifte, schrie ich meinen Protest in unziemlicher Weise heraus... aber er nahm keine Rücksicht darauf, hatte nur noch größere Eile, mich loszuwerden... ich fand mich in einer kleinen Oase wieder... es gab nur ein Zelt, einen Brunnen, einen alten Baum und einen Meditationsstein... vor mir stand ein ehrwürdiger, groß gewachsener, kräftiger Mann in einem weißen zeremoniellen Gewand... er sah mich mit seinen großen grauen Augen ruhig an und sagte kein Wort... meine kindliche Wut richtete sich nun gegen den Fremden... ich wollte ihm weh tun, mich an ihm rächen, weil mein Vater nicht mehr da war... ich wandte meine ganze mentale Macht gegen ihn und erreichte gar nichts... immer wieder blockte er meine kindischen Attacken lässig ab... und 25
dann ließ er mich vorsichtig spüren, wie sich das anfühlte, was ich anderen antat... er war ein Meister der Macht über Schmerz und Tod... er zeigte mir meine Grenzen, meine Verantwortung und wie ich meine Gabe kontrollieren konnte... in der Einsamkeit der kleinen Oase sprachen wir über den Sinn von Gemeinschaften, über das Leben und den Tod... ich blieb viele Wochen bei dem fremden Ah’Maral... fühlte mich klein und wertlos neben dem geheimnisvollen Krieger... demütig, geläutert und gestärkt kehrte ich schließlich zu meiner Familie zurück... und sie nahmen mich mißtrauisch und zögernd wieder auf... ich benutzte meine Macht nie wieder gegen einen meiner Leute, aber sie konnten und wollten nicht vergessen, was ich als Kind getan hatte... Ich zeigte T’Liza meine Jugend... wie ich mich das erste Mal verliebte und der Gegenstand meiner Zuneigung entsetzt in die nächste Stadt floh, als ich ihr meine Liebe gestand... meine Verzweiflung über diese Zurückweisung... über andere Frauen, die sich ebenfalls vor mir fürchteten... meine Unsicherheit und meine traurigen, einsamen Gespräche mit den A’Kweth... als mein erstes Pon Farr nahte, brachte mich mein Vater zurück zu den Ah’Maral... ich wollte kein Krieger werden, aber mein Vater sagte mir, daß mir niemand anderes helfen könnte... einen Moment lang wäre ich lieber gestorben, als mich mit einem fremden Mann zu vereinigen, um zu überleben... dann erkannte ich Warun, den Lehrer, der mir vor vielen Jahren geholfen hatte... er wirkte kleiner und unscheinbarer auf mich, als bei unserer ersten Begegnung... ich war meinem Vater dankbar, daß er mich wenigstens an jemand ausgeliefert hatte, den ich schon kannte... trotzdem schämte ich mich entsetzlich, weil ein anderer Mann in mich eindrang und die Bindung mit mir vollzog... und ich war dankbar, als er wenig später mit sanfter Festigkeit das Tier in mir bekämpfte und mich zurück ans Licht führte... danach gab es nach den Gesetzen der Ah’Maral nur noch einen Weg für mich... ich schwor der Bruderschaft Treue und vereinigte mich mit einundzwanzig Kriegern unterschiedlichen Alters... ich gewöhnte mich allmählich an Entrückungen mit Männern... ich wurde Kampfsportlehrer und wurde schließlich von meinem Mentor als sein Nachfolger und Anführer der Bruderschaft auserwählt... ich war in Harmonie mit mir selbst und fühlte mich in der Gemeinschaft meiner Waffenbrüder wohl ... bis T’Gala zu unserer Bruderschaft fand und ich begriff, was Frauen für mich bedeuteten... aber T’Gala war eine Ah’Maral aus Neigung, sie hätte sich nie mit einem einzigen Bindungspartner begnügt... ich lernte zu verzichten und zu teilen... ich liebte Madras... er sah, als er mit vierzehn zu uns kam, so sanft und schön aus, daß man ihn beinahe für ein Mädchen halten konnte... er war wie ich, wegen seiner besonderen mentalen Fähigkeiten wurde er von seinem Vater, einem Freund von mir, zu den Ah’Maral geschickt... die Aufnahmezeremonie hatte ihn erschreckt und verletzt... ich half ihm und für einige wenige Jahre hatte ich ihn fast für mich allein... aber auch er erwies sich als wahrer Ah’Maral... als erwachsener Mann wurde er hart, ironisch und polygam... ein geborener Anführer, dem ich gern die Leitung der Bruderschaft anvertraute... Ich dachte an die Bürde des Alters... an die selbstbewußte, üppige T’Kuro, die mir ab und zu eine Entrückung schenkte und für meine besonderen Wünsche Verständnis hatte... und an die schönen jungen Männer, die nach T’Kuro zu uns kamen und sich nur widerwillig mit mir vereinigten... ich dachte an die erste Entrückung mit T’Liza, meine Freude über das unerwartete Geschenk ihrer Zuneigung... meinen Dank an Ah’Tha, den Einen, der alles sieht und niemals eingreift... „T’Liza!“ flüsterte ich und ließ auch die letzte Abschirmung fallen... zeigte ihr meine Zweifel, meine Ängste und meine Trauer... Meine Freundin sah mich mit kühlen grauen Augen an. Sie schien sich voll darauf zu konzentrieren, jede Regung meines Selbst und jede Erinnerung festzuhalten. Ich sah, wie ich in ihrem Geist noch einmal entstand, wie die gestaltlose Leere auf ihrer Seite meinem Abbild wich... ich fand, sie verschönte und veredelte mich mehr, als ich es verdiente... mein zweites Ich sank vor ihr in die Knie und sie hob es auf und liebkoste es zärtlich... Plötzlich waren wir wieder getrennt und ich sah in T’Lizas ernstes Gesicht. In mir war nur noch ein demütiger Frieden. 26
„Du wirst es schaffen, ich vertraue dir.“
Am nächsten Tag fühlte ich bereits den undefinierbaren Schmerz in meinen Gliedern, die plötzlichen Fieberschübe... und voller Scham spürte ich, wie sich mein Bewußtsein langsam eintrübte. In der Bruderschaft gab es mehrere erfahrene starke Telepathen, denen es leicht fiel, dem entfesselten Trieb standzuhalten und einen bedrohten Geist zu schützen. Die letzten beiden Male hatte mich Madras aufgefangen und sorgsam durch das Chaos geleitet. Er war der liebevollste und fürsorglichste Begleiter, den ich bisher hatte... es war undankbar gewesen, ihn zu verlassen... aber nun war es zu spät für Reue... „Halt mich fest, T’Liza...“ konnte ich nur noch heiser flüstern. Danach war die Sprache aus meinem Geist weggewischt... ich versuchte, mit unartikulierten Lauten auf mich aufmerksam zu machen. Mein Gesichtsfeld engte sich ein und ich sah und roch wie ein Tier nur noch den Gegenstand meiner Begierde: Einen jungen, weiblichen Körper... Brüste... Schenkel... Genitalien... Der Schrei, der plötzlich in meinen Ohren gellte, stammte wahrscheinlich von mir. Ich stürzte mich gierig auf die junge Frau, hatte weder Augen für ihr Erschrecken, noch Sinn für ihre Anmut. Irgendwelcher Stoff trennte uns... ich zerriß ihn mit roher Gewalt und drang hastig in sie ein... mit jedem Stoß tiefer, als wollte ich ihr Innerstes an den Boden nageln... meinen Samen tief in ihren Eingeweiden versenken... eine wilde Wut stieg in mir auf... jetzt wollte ich Blut sehen und schmecken... wie ein Lematya bleckte ich die Zähne und knurrte... ich wollte nur noch zubeißen, festhalten... Da entstand plötzlich eine durchsichtige Wand, die meine Attacke abprallen ließ, sich wie eine Schale wölbte und mich schließlich vollständig einschloß... ein Kraftfeld aus purer mentaler Energie... etwas wie ein leichter Wind kühlte meinen erhitzten Körper... dann sah ich einen fremden Mann auf der anderen Seite... er war schwarz, groß, würdevoll und sanft... und er sprach zu mir... erst waren es für mich nur Laute ohne Bedeutung, dann begann ich die Worte zu verstehen. „Ich bin dein Bild im Geist deiner Partnerin... ich bin dein wahres, vulkanisches Selbst.“ Ich wollte antworten, aber ich konnte noch immer nur knurrende und winselnde Töne hervorbringen. Eine nackte junge Frau trat neben den anderen und nahm seine Hand. Ich sah grünes Blut an ihren Schenkeln und wußte, daß ich dafür verantwortlich war. Mit einem Mal funktionierte meine Stimme wieder. „Ich verstehe nicht, wie ich dir so etwas antun konnte... ich wage es nicht, dich um Verzeihung zu bitten...“ nun fiel mir der Name der Frau wieder ein und ich sprach ihn mit seltsamer Inbrunst aus: „T’Liza!“ In diesem Augenblick löste sich das Kraftfeld auf. Ich schlich unsicher auf die beiden Vulkanier zu, erwartete jeden Augenblick Zurückweisung und Strafe... schließlich waren meine Vergehen ungeheuerlich... ich war nur ein unwürdiges, schädliches Tier... T’Liza nahm ganz fest meine Hand und legte sie auf das Gesicht meines zivilisierten Selbst. „Ihr müßt euch wieder vereinigen“, forderte sie energisch. „Ich will meinen geliebten Bindungspartner Loren aus dem Hause Kinsai zurück haben.“ Ich wußte zuerst nicht, was ich mit meiner Hand in dem Gesicht des anderen anfangen sollte. Verwirrt strich ich über seine Wangen, seinen Mund... T’Liza plazierte meine Finger an der richtigen Stelle und aus einem Instinkt heraus sprach ich die magischen Worte: „Mein Geist zu deinem Geist... meine Gedanken zu deinen Gedanken...“ Was immer das sein sollte... Plötzlich löste sich mein Gegenüber auf und strömte durch meine Fingerkuppen in mich zurück. Ein wohliges Gefühl der Leichtigkeit trug mich wie einen Windgleiter davon. T’Liza hielt mich an sich gepreßt und wir erlebten gemeinsam einen Moment vollkommenen Friedens. Dann versanken wir zusammen in einer tiefen Dunkelheit.
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Ein ungewohntes, bläuliches Licht drang durch meine geschlossenen Lider. Ich öffnete die Augen und fand mich in einem mit fremdartigen Möbeln voll gestellten Zimmer wieder. Hinter dem Fenster leuchtete ein unnatürlich blauer Himmel. Ich war nicht auf Vulkan, soviel stand fest. Neben mir schlief T’Liza. Ich erinnerte mich der wilden Phantasien der letzten Nacht, streifte behutsam die Decke von ihr und musterte besorgt ihren nackten Körper. Ich erwartete angstvoll, daß ich ihr etwas Unverzeihliches angetan hatte... sie war jedoch bis auf einige Kratzer und grünliche Flecken unverletzt. Von dem kühlen Luftzug wurde sie wach und sah mich verwirrt an. Dann lächelte sie leicht. „Wir haben es überstanden... du bist wieder da.“ „War ich sehr schlimm?“ fragte ich zutiefst verunsichert. „Du kannst mich ruhig fortschicken, wenn du mir nicht verzeihen kannst.“ „Nun ja, einiges war ziemlich schmerzhaft“, gab T’Liza zu. „Ich muß bei Gelegenheit meine Mutter fragen, was man dagegen am besten tut... aber ich weiß, daß du keine Kontrolle über das wilde Tier in dir hattest... es gibt nichts zu verzeihen.“ Ich konnte T’Liza nur beschämt ansehen. „Komm, wir wollen aufstehen. Ich habe Hunger“, sagte sie plötzlich. Unsere Körper schrien förmlich nach Nahrung, um die verbrauchten Energiereserven wieder aufzufüllen... Als wir endlich einigermaßen satt waren, setzten wir uns in den weichen Sessel am Fenster... das heißt, ich setzte mich hinein und nahm T’Liza behutsam auf den Schoß, sie hatte ganz offensichtlich nichts dagegen. Draußen überzog ein glitzernder, weißer Belag alle Bäume, Sträucher und Gegenstände. „Draußen muß Frost sein“, sagte T’Liza. „Soviel ich weiß, ist das Reif...“ „Es sieht schön aus, wie eine Zuckerschicht.“ Ich mußte unwillkürlich an ein bei den Turuska übliches festliches Gebäck denken. „Jetzt kenne ich die dunkle Seite der Männer Vulkans...“ T’Liza war nachdenklich geworden. „Ich möchte wissen, wie das unsere Spezies geprägt hat... im Vergleich zu den Menschen zum Beispiel...“ Ich zögerte ein wenig, ihr meine Überlegungen zu diesem Thema mitzuteilen. Jedes überstandene Pon Farr erfüllt mich mit Scham wegen der Bestie in mir... und mit tiefer Dankbarkeit gegenüber dem Bindungspartner, der mich im Chaos beschützt und mein Selbst gerettet hat. „Ich glaube“, sagte ich schließlich leise, „wir Männer Vulkans haben uns nie über unsere Frauen erhoben, weil wir ohne sie nicht überleben können... und weil wir uns gar nicht leisten können, sie zu schwächen. Jedes neue Pon Farr lehrt uns Demut und Dankbarkeit gegenüber dem Bindungspartner... Wir brauchen die Stärke und die Macht der Frauen... oder eines homosexuellen Partners. Ein Mann allein ist nichts....“ Der Himmel war inzwischen grau geworden und leichte weiße Flocken schwebten herab. „Der erste Schnee meines Lebens“, sagte T’Liza andächtig.
Ende
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Die Macht von Anneliese Wipperling
Völlig aufgelöst erscheint die Studentin Michelle Maras zu ihrer Prüfung in vulkanischer Philosophie – und erlebt eine Überraschung. Michelle, ein leidenschaftlicher STAR WARS Fan, ahnt noch nicht, wie sehr die Macht ihr Leben verändern wird...
Ich bin auf einer Disco und so ein blasser, pickeliger Fiesling traut sich wahrhaftig, mich anzumachen... raspelt irgend welches Süßholz von großen Augen und noch größeren... also, sage ich ihm, daß meine Oberweite ihm doch egal sein kann... aber warum bist du nur so zickig, kritisiert mich der Pickel und versucht, mich zu küssen... er ist stark wie ein Bär und drängt mich einfach gegen die Wand... verdammt, warum hilft mir keiner... die müssen doch sehen, wie unverschämt dieser Kerl ist... dabei weiß ich noch nicht mal, ob das ein Mensch ist, wundere ich mich... weil... ich glaube, das sind gar keine Pickel, es sieht jetzt aus, wie eine Art Schuppen, der Kerl ist eindeutig grau im Gesicht und er sabbelt pausenlos mit blecherner Stimme... so ein seltsames Alien habe ich noch nie gesehen... Cardassia, nie gehört... muß ja eine fürchterliche Welt sein, wo solche häßlichen Monster frei herumlaufen... Herrgott, ich will hier weg und das so schnell wie möglich... auf einmal blitzt etwas bläulich auf... der Cardassianer wird in kleine Stücke zerhackt und der Fußboden sieht aus, wie mit Himbeersoße bekleckert... Danke Obi-Wan... ich... Es war zum Glück alles nur ein Traum! Die Morgensonne schien in meine kleine Pariser Studentenbude und beleuchtete das Riesenposter vom jungen Obi-Wan Kenobi: Kurzes, dunkles Haar, ein kleines Zöpfchen im Nacken, ein schimmerndes Lichtschwert. „Mein Held! Warum gibt es solche Jungs nicht bei uns... so selbstlos, tapfer und geheimnisvoll, mit magischen Kräften... möge die Macht mit dir sein, großer Obi-Wan irgendwo in einer weit entfernten Galaxis!“ Natürlich wußte ich, daß Obi-Wan nur eine Erfindung ist... und der Holofilm obendrein das vierzehnte Remake eines Klassikers aus dem zwanzigsten Jahrhundert... aber irgend etwas braucht man doch zum Träumen... obwohl: „Ich sollte mich besser beeilen!“ Ich war die Erste bei der Abschlußprüfung in vulkanischer Philosophie und ich fühlte mich alles andere, als gut vorbereitet. Natürlich hätte ich mir auch einen anderen Planeten heraussuchen können... Andor zum Beispiel oder Tellar. Aber jemand gab mir den schlauen Rat, es mit Vulkan zu versuchen, weil es dort nur einen einzigen wichtigen Philosophen gäbe, nämlich Surak... und alle neueren vulkanischen Philosophen nur Surak wiederkäuen würden. Ich dachte in meiner Naivität, ich bräuchte nur genug Zitate von ihm auswendig zu lernen und könnte so das Fach außerirdische Philosophie ganz leicht abhaken. Warum nur hat mich niemand gewarnt, daß dieser Surak mehr als hundertdreißig Jahre lang täglich mehrere hoch wichtige Mails verfaßt hat?... und daß man von seiner Philosophie Kopfschmerzen bekommt, so kompliziert ist sie! „Möge die Macht mit mir sein! ... und möge ich die richtigen Prüfungskladden ergattert haben! Die können doch unmöglich so unfair sein und den ganzen Surak von uns verlangen... ich rassele durch, wenn das passiert... hilf mir, Obi-Wan! Ich sterbe vor Angst!“ *** Als ich vor dem Raum, in dem die Prüfungen stattfinden sollten, ankam, hörte ich schon den üblichen Lärm. Hopkins versuchte wie immer, in letzter Minute noch Unmengen Wissen in sich hinein zu stopfen und fuchtelte hektisch mit seinen Datenpads, Julia betete laut und Morrigan starrte mit hoffnungslosem Gesichtsausdruck aus dem Fenster und murmelte in regelmäßigen Abständen: „So ein Mist, ich weiß rein gar nichts ... die werden mich rausschmeißen, wenn sie erst merken, wie leer mein Kopf ist...“ 29
„Macht nicht so ein Theater!“ bemerkte ich großspurig. „Der alte Loriot stellt jedes Jahr die gleichen Fragen, was soll uns schon groß passieren.“ Die anderen drei beachteten mich überhaupt nicht. „Meine Damen und Herren“, hörte ich die piepsige Stimme der Sekretärin unserer Fakultät hinter mir. „Professor Loriot ist leider erkrankt...“ „Spitze!“ schrie Julia begeistert. „Die Prüfung fällt aus! Beten hilft doch...“ „So ein Scheiß!“ knurrte Hopkins. „Bis die Prüfung wiederholt wird, habe ich alles längst wieder vergessen... die ganze Paukerei war umsonst...“ Morrigan sagte gar nichts und starrte den Vorzimmerdrachen nur entgeistert an. „Die Prüfung fällt nicht aus“, erklärte die Sekretärin und erlaubte sich ein spöttisches Lächeln. „Professor Andal wird Sie prüfen.“ Sie sprach es Angdáll aus, also war es wenigstens ein Mensch und wahrscheinlich sogar ein Franzose... trotzdem, meine Kladden konnte ich nun wegschmeißen... „In einer halben Stunde geht es los“, erklärte die Sekretärin hoheitsvoll. „Professor Andal muß erst noch Ihre Unterlagen prüfen... warten Sie bitte auf den Gong!“ Mit wedelnden Locken und klappernden Absätzen rauschte sie davon. Wir sahen uns verunsichert an. „Ich bin tot“, erklärte ich resigniert. „Ich habe nur gelernt, was in der Kladde steht... und nun schicken die uns zu einem wildfremden Prof...“ „Vielleicht sollte ich einfach zum Arzt gehen...“ sinnierte Hopkins. „Irgendwann wird der alte Loriot wieder da sein... und dann...“ „Vergiß es“, bemerkte Morrigan ohne jede Illusion. „Der alte Loriot geht Ende dieses Semesters in Pension, du glaubst doch nicht im Ernst, daß der sich vorher noch gesund schreiben läßt.“ „Wir sind von allen guten Geistern verlassen...“ murmelte Julia verzweifelt. „Ein fremder Prof... was für eine Katastrophe...“ Schweigend und ergeben warteten wir auf unser Schicksal... Verflixt! Das kann doch noch nicht schon der Gong gewesen sein... oder doch?... und jetzt muß ich da rein... mit dieser widerwärtigen Watte im Kopf und in den Knien... und wer weiß, wo sonst noch? Wenn ich wenigstens etwas über diesen Prof wüßte... soll ich noch schnell zwei Knöpfe an meiner Bluse?... oder lieber nicht?... Lächeln?... Augenaufschlag?... oder ganz geschäftsmäßig?... ich hoffe doch, das ist wenigstens ein Mann, sonst sieht es noch schlechter für mich aus... dieser Vorzimmernervensäge ist alles zuzutrauen, für die ist das ein Heidenspaß... wie die eingebildeten zukünftigen Akademiker sich vor Angst... sie hätte uns wenigstens sagen können, welches Geschlecht... *** Der Schreibtisch des Prüfers stand direkt vor dem Fenster. Draußen schien die Sonne und ich sah nur eine große, schlanke Silhouette im Licht stehen. „Guten Morgen, Mademoiselle Maras... oder soll ich Sie Michelle nennen?“ Die Stimme klang eindeutig männlich, dunkel... und trotzdem sehr kühl. „Professor Angdáll?“ flüsterte ich heiser. „Ich bin Andal aus dem Hause Boras“, verbesserte mich die kühle Stimme ruhig. Er betonte die erste Silbe seines Namens und sein Französisch hatte einen sehr merkwürdigen Akzent. „Nehmen Sie bitte Platz.“ Der Fremde setzte sich geschäftsmäßig... und ich rückte meinen Stuhl so, daß mich das Licht vom Fenster nicht mehr blendete und ich endlich sehen konnte, wer... Fassungslos starrte ich nun in das Gesicht meines Prüfers: Es war tiefschwarz, ein makelloser, negroider Typ... in dem dunklen Gesicht leuchteten die hellgrauen Augen beinahe unnatürlich... und die Ohren, sie waren eindeutig lang und spitz... auf den sanft 30
geschwungenen Lippen ein grünlicher Schimmer... ein Vulkanier würde mich in vulkanischer Philosophie prüfen!... plötzlich war auch meine Zunge aus Watte. Ich konnte den Fremden nur anstarren... und wahrscheinlich sah ich dabei ungefähr so intelligent wie eine Weinbergschnecke aus. „Es ist nicht logisch, Angst vor mir zu haben.“ Die Stimme des Vulkaniers klang nun sehr sanft. „Ich freue mich, daß Sie sich für vulkanische Philosophie entschieden haben. Es ist eine große Ehre für mich, daß Sie Surak so viel Interesse entgegenbringen.“ Ich fasse es nicht! Er freut sich, daß mich Surak interessiert... seit wann freuen sich Vulkanier? Jedenfalls tun es diese beiden arroganten Schnösel von der medizinischen Fakultät nie... die sind so schlau und erhaben, daß sie niemals mit unsereinem reden und miteinander auch ziemlich selten... und jetzt das! Es ist ein Desaster! Mein Gott, wenn der wüßte, wie der liebe alte Loriot seinen kostbaren Surak verwurstet: Zitat eins bis fünfundzwanzig und die Interpretationen stehen im Handbuch. Wehe, man hatte das nicht ständig im Kopf... Professor Andal sah mich irritiert an. „Ich verstehe nicht, welches Handbuch Sie meinen. Gibt es denn an der Lehre Suraks etwas, das Sie besonders fasziniert?...“ Er wollte offensichtlich nett zu mir sein... vielleicht hatte er ja keine Lust, seine allererste Studentin durchfallen zu lassen. „Ich... äh...“ war alles, was ich mit großer Mühe hervorbrachte. „Vielleicht“, sagte Andal behutsam, „sollte ich Ihnen ein wenig Zeit geben, sich zu beruhigen...“ Er stand auf, stellte sich ans Fenster und sah hinaus. Es war so still, daß ich meinen eigenen Herzschlag hörte... und spürte, wie sich ein seltsames Kraftfeld im Raum aufbaute. Die Präsenz des Vulkaniers war so übermächtig, daß ich kaum noch atmen konnte... als müßte ich sofort aufspringen und flüchten... Was geschieht nur mit mir? Dieser vulkanische Professor ist praktisch überall gleichzeitig, sogar in mir und er merkt, wie hohl mein Kopf ist, wie gleichgültig mir eigentlich dieser Surak ist und daß ich nur irgendwie die Prüfung überstehen will... und nicht wiederkommen müssen. Was bin ich nur für ein Würstchen... ich kann unmöglich mit ihm reden und ihm meine auswendig gelernten Zitate vorsetzen... er wird sofort merken, wie wenig Ahnung ich habe... vielleicht stimmt ja auch nicht, daß Vulkanier nur Berührungstelepathen sind oder er hat eine Großmutter von Betazed, egal, ich bin so und so verloren... Er weiß alles, er hat die Macht... ich spüre es deutlich: Da ist etwas, vielleicht gibt es ja auch auf Vulkan diese... MidiChloriane. Ich ahnte ja nicht, daß ich solche Angst haben würde, wenn die Macht endlich vor mir steht und dabei habe ich mir immer gewünscht, ein Jedi würde mich irgendwann retten... und nun spüre ich nur noch mein eigenes Herz, wie es rast und wahrscheinlich gleich stehenbleibt... Andal stand jetzt hinter mir, so nahe, daß er mich fast berührte. Ich spürte die Hitze, die von ihm ausging und er roch fremdartig, wie von der Sonne erhitzte Steine... „Hören Sie, Mademoiselle“, sagte er frustriert. „Ich bin eigentlich hier, um Ihre Kenntnisse in vulkanischer Philosophie zu überprüfen. Ich weiß nichts über Jedi und Midi-Chloriane, ich habe noch nie etwas davon gehört und es hat auch nichts mit unserem Thema zu tun. Sie müssen sich jetzt endlich konzentrieren.“ Er konnte also tatsächlich Gedanken lesen... „Ich bin...“ flüsterte ich demütig. „Ich werde jetzt gehen... es hat keinen Zweck.“ „Sie müssen sich beruhigen!“ wiederholte der Vulkanier und dann berührte er mich mit beiden Händen am Halsansatz. Seine Finger waren genauso heiß und hart, wie ich vermutet hatte...
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Vulkanier meiden doch jeden Körperkontakt, jedenfalls würden unsere beiden Schnösel ganz laut „huch“ sagen und so ein niederes Wesen wie mich auf gar keinen Fall anfassen. Dabei ist es so angenehm: So sicher und glücklich habe ich mich zuletzt als ganz kleines Kind gefühlt, als Mutti mich noch beschützt hat und meine Hand hielt. Dieser unendliche Frieden... ich wußte gar nicht, daß es so etwas für mich noch gibt. Andal hat doch die Macht... nein, widerspricht er sanft... ein Krieger hat mir vor langer Zeit gezeigt, wo die Nervenpunkte sind... wie man einer verängstigten Person... Krieger auf Vulkan... das sind doch Pazifisten... vielleicht ist das in Wirklichkeit ein Romulaner, der mich gleich umbringen wird... aber das kann nicht sein. Er ist so sanft, ein echter Sohn der Wüste... und es tut wirklich gut, was er mit mir macht. Nein, er soll mich nicht loslassen, denn die kalte Welt... Nun saß er wider ganz ruhig und geschäftsmäßig hinter seinem Schreibtisch... als wäre überhaupt nichts seltsames zwischen uns passiert. „Sie haben beachtliche mentale Fähigkeiten“, sagte er ruhig und sah mich interessiert an. „Wir müssen über Ihre Träume reden. Diesen Cardassianer gibt es wahrscheinlich irgendwann in der Zukunft... aber da ist noch mehr: Sie haben sogar bemerkt, daß ich Ihre Gedanken gelesen habe und mein Nehau gespürt. Das ist ungewöhnlich, für einen Menschen, ich wäre sofort bereit, Ihnen Unterricht zu geben.“ Irgend etwas schien ihn zu amüsieren... zu meiner maßlosen Verwunderung lächelte er nun leicht und fuhr fort: „Es ist eigentlich unlogisch, auf der Erde diese Maskerade weiter aufrecht zu erhalten. Hier wird mir niemand übel nehmen, wenn ich ab und zu Gefühle zeige...“ „Sie sind ein Dissident“, stellte ich verwundert fest. „Nein, ich bin ein Turuska. Mein Volk bewohnt eine Art Reservat mitten in der südlichen Wüste. Man hält uns für nicht sonderlich zivilisiert, aber wir dürfen in Ruhe unsere angeblich so archaischen Bräuche ausüben, weil der große Surak uns vor tausend Jahren beschützt hat. Ich bin der erste ordentliche Professor meines Volkes, der Philosophie und Ethik lehrt. Ich wurde tatsächlich für eine gewisse Zeit suspendiert, aber nicht wegen meiner Lehren, sondern weil ich angeblich das Kohlinar nicht genügend achte.“ „Aber das ist doch auch Rebellion...“ sagte ich ehrfürchtig. „Nein, jeder auf Vulkan weiß, daß wir Turuska Surak anders interpretieren. Es war meine dunkle Haut, die plötzlich Anstoß erregt hat. Ich wurde stellvertretend für mein Volk gestraft.“ „Es gibt Rassismus auf Vulkan...“ dachte ich unglücklich. „Wenn selbst Vulkanier so unzivilisiert sein können, wie sollen dann Menschen...“ „Wissen Sie, was das Cthia ist?“ fragte mich der Professor ruhig. „Die Realität...“ antwortete ich in vagem Ton. „Das trifft es nicht richtig... das Cthia ist auch für Nichtvulkanier sehr interessant. Erklären Sie bitte, was die Beurteilung der Realität so schwierig macht!“ Jetzt wird es ernst... das ist definitiv die Prüfung... und er will keine Zitate hören, sondern wissen, was ich selbst denke, über die Philosophie Suraks. So etwas hat der alte Loriot nie von mir verlangt... vielleicht hat er es selbst auch nie getan und sich wie ein Ertrinkender an diesem Handbuch festgeklammert... denke ich ganz ketzerisch und die grauen Augen des Vulkaniers funkeln amüsiert... Es war eine schwierige Situation. Ich mußte jetzt und hier nachdenken und es sofort mit diesem fremdartigen Alien besprechen... er würde sogar meinen Denkprozeß bewerten. Bei dem Gedanken wurde mir abwechselnd heiß und kalt. „Eine Schwierigkeit ist, daß man niemals alle Informationen hat...“ sagte ich langsam. „Das ist in der Tat ein großes Problem“, stimmte mir Andal zu. „Aber das allein ist mir zu simpel... was für Probleme erkennen Sie noch?“ 32
Hilf mir Obi-Wan! Dann fiel mir überraschend etwas ein: „Es gibt Dinge, die zu groß oder zu klein für uns sind... und solche, nach denen wir nicht suchen...“ „Weil sie zu fremdartig sind, gänzlich außerhalb unserer Vorstellungswelt liegen...“ ergänzte der Professor freundlich. Es war wie bei einer lockeren Diskussion unter Gleichen irgendwo bei einer guten Flasche Rotwein. „Das können wir später noch nachholen...“ erklärte der Vulkanier freundlich. „Allerdings werde ich mich mit Fruchtsaft begnügen müssen, von Wein bekomme ich leider Kopfschmerzen.“ Das unmerkliche Lächeln in dem dunklen Gesicht sah richtig nett aus... ich verstand jetzt gar nicht mehr, weshalb ich solche Angst gehabt hatte. Nun wurde er wieder ernst. „Nehmen wir einmal rein theoretisch an, daß alle Informationen zu einem bestimmten Sachverhalt vorhanden sind... und daß sie in geordneter Form vorliegen...“ „Dann dürfte es eigentlich keine Probleme mehr geben...“ sagte ich selbstbewußt. „Wirklich?“ fragte Andal amüsiert. Ich starrte ihn unglücklich an... jetzt hatte ich ihn doch enttäuscht! „Haben Sie schon einmal etwas von der Unschärferelation gehört? Auf dieser Welt wurde sie von einem gewissen Heisenberg formuliert.“ Das war Schulstoff der zehnten Klasse... Ich spürte förmlich, wie es in meinen Gehirnwindungen rumorte... und wie Andal mit einem behutsamen mentalen Eingriff einige Erinnerungsblockaden beiseite räumte. „Es geht um theoretische Physik...“ sagte ich vorsichtig. „Das Meßinstrument hat Einfluß auf das Ergebnis... das Ganze bildet ein System...“ „Richtig“, bestätigte Andal erfreut. „Und jetzt wenden Sie das bitte auf unser Problem an!“ „Der Beobachter ist das Meßinstrument, er ist Teil des Systems...“ antwortete ich langsam, verwundert über meine eigene Intelligenz. „Die persönlichen Eigenschaften des Beobachters gehen unweigerlich in das Ergebnis ein, sein Wissen, seine Kultur, seine Ansichten, seine Vorurteile.“ „Sogar der Erziehungsstil seiner Mutter und seine erste Liebe beeinflussen die Forschungsergebnisse“, ergänzte mein Prüfer gelassen. „Es gibt gar keine objektive Wahrheit!“ erkannte ich erschüttert. „Selbst wenn ich mich noch so sehr anstrenge...“ Ich war selbst erstaunt, welch abgrundtiefe Trauer mich bei diesem Gedanken erfaßte... all unsere leidenschaftlichen, selbstgerechten Diskussionen. „Sie haben recht, Michelle... das ist in Wirklichkeit ziemlich irrelevant.“ „Aber dann ist alles völlig sinnlos, mein Studium... diese Prüfung...“ Die grauen Augen hielten mich unerbittlich fest. „Ich bin mir sicher, Sie wissen jetzt, was das Cthia ist. Sprechen Sie es einfach aus!“ „Das Cthia ist die wahre Wirklichkeit, die außerhalb von uns selbst existiert und nicht durch unseren Einfluß verunreinigt ist... es ist eine abstrakte Größe“, sagte ich erleichtert. Langsam begann ich zu hoffen, daß ich doch nicht durchfallen würde. „Und was folgt daraus?“ „Niemand kann auf das Cthia Anspruch erheben. Wer behauptet, es zu besitzen, lügt.“ „Auf Vulkan heißt es, daß man das Cthia ehren muß und daß es sehr schwer ist, dies zu tun.“ Andal war auf einmal sehr ernst. „Ich möchte, daß Sie jetzt formulieren, was das für Sie persönlich bedeutet... und für alle anderen denkenden Wesen im Universum." „Es bedeutet, bescheiden zu sein, die eigene Person bewußt in den Hintergrund zu drängen und zu wissen, daß sogar dieses kleine, demütige Selbst die Objektivität noch behindert.“ Professor Andal sah mich aufmerksam an. Ich spürte wieder seine vorsichtige, mentale Berührung. „Sie haben eben gezeigt, daß Sie imstande sind, selbständig zu denken und die Lehren Suraks nachvollziehen können. Sie haben die Prüfung bestanden. Leider kann ich Ihnen nicht die volle Punktzahl geben, weil...“
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Ich muß die Prüfung nicht wiederholen, ich muß hier nicht wieder antreten... jetzt habe ich nicht einmal mitbekommen, welche Zensur er mir gegeben hat, aber das ist mir egal... hurra, ich habe es geschafft, nur das zählt... ich kann jetzt die ganze außerirdische Philosophie vergessen, obwohl es eigentlich schade ist... es fängt gerade an, interessant zu werden und Professor Andal... der Jedi... Der Jedi lächelte nun ganz offen. „Ich habe eigentlich gehofft, Sie auch zukünftig in meiner Vorlesung zu sehen. Sie wird einen etwas anderen Inhalt haben... ein zweiter Schein in vulkanischer Philosophie ist bestimmt nicht zum Schaden.“ Er wollte mich als Studentin behalten, also hielt er etwas von mir. Interessiert fragte ich: „Was werden die Schwerpunkte Ihrer Vorlesung sein? Um mich zu entscheiden brauche ich...“ „Ausreichende Informationen“, ergänzte der Vulkanier sanft. „Nun, wenn es nur um den üblichen Philosophiebürokratismus ginge, hätte ich das neue Angebot auf Vulkan annehmen können, aber ich will mich keiner Zensur mehr unterwerfen. Meine Vorlesung wird das enthalten, was mir schon immer wichtig war und was ich zu Hause niemals lehren durfte: die Interpretation der Lehren Suraks durch mein eigenes Volk und meine persönlichen Versuche, das Cthia zu ehren...“ „Es wird denkwürdig und einmalig sein“, flüsterte ich andächtig. „Ich will unbedingt dabei sein.“ „Dann gehen Sie jetzt am besten gleich zu Frau Linné und schreiben sich ein. Es könnte sein, daß es nach den Semesterferien ein wenig eng wird“, bemerkte Andal selbstbewußt. „Oh ja, das werde ich sofort tun.“ Ich hatte auf einmal Angst, es hätte sich bereits herumgesprochen, was für ein einmaliger Professor... „Ich habe noch eine Bitte“, unterbrach der Vulkanier meinen Gedankengang. „Ich möchte nicht, daß Sie Ihre Kommilitonen über meine mentalen Fähigkeiten informieren.“ Ich war ein wenig enttäuscht. „Sie legen Wert darauf, unbemerkt in den Köpfen Ihrer Studenten herum zu spazieren?... Das ist nicht fair!“ „Nein, ich möchte vor allem nicht, daß sie Angst vor mir haben...“ und nun lächelte er verschwörerisch. „Nicht jeder ist so begeistert von der Macht wie Sie.“ „Ihr Geheimnis ist bei mir sicher.“ „Dann wünsche ich Ihnen Frieden und langes Leben, Michelle!“ Andal hob die Hand zum typisch vulkanischen Gruß. Ich war enttäuscht, daß er sich nicht nach Sitte der Erde verabschiedete... zu gern hätte ich ihn noch einmal berührt. Aber es ziemte sich nicht, so etwas zu fordern. „Langes Leben und Erfolg!“ grüßte ich freundlich zurück... und brachte es wie immer nicht fertig, die Finger in der richtigen Weise zu spreizen. Die Augen des Professors funkelten wieder amüsiert. *** Da draußen ist eine völlig andere Welt, Schulatmosphäre... als wenn irgend etwas davon noch wichtig wäre, relevant für das Cthia... ich bin einem großen Geist begegnet, nicht nur, weil er die Macht hat, auch sonst... und er ist anständig und freundlich... und unglaublich attraktiv... ich spüre, wie ich auf einmal rot werde... das hat mir gerade noch gefehlt... Drei Augenpaare schauten mich prüfend an. „Nun hör endlich auf, so einfältig zu grinsen und sag, was uns da drin erwartet!“ forderte Hopkins empört. „Du bist wohl durchgefallen und hast jetzt einen Schock...“ „Oh nein“, erklärte ich triumphierend. „Ich muß da nicht wieder rein.“ „Heißt das, der neue Prof benutzt auch das Handbuch?“ fragte Julia hoffnungsvoll. „Nein, er wird von dir verlangen, daß du denkst...“ 34
„Mein Gott, das hat gerade noch gefehlt!“ In Morrigans Augen flackerte jetzt die pure Panik. „Du wirst es schaffen...“ tröstete ich sie. „Wie kommst du auf so eine absurde Idee?“ fragte Hopkins zynisch. „Er ist ein Jedi“, antwortete ich feierlich. „Seine Macht wird euch leiten.“ In dem Augenblick ertönte der Gong. „Du hast eine Meise Michelle, das wußte ich schon immer“, erklärte Hopkins im Brustton der Überzeugung, während er sich der gefürchteten Tür zuwandte. „Ich schreibe mich jetzt sofort für das nächstes Semester ein“, sagte ich zu den beiden Mädchen. „Professor Angdálls Vorlesung wird einmalig, legendär... der reine Kult.“ Warum sollte ich den beiden die Überraschung verderben? Sie würden schon noch merken, was dort drin auf sie wartete. Mit beschwingten Schritten begab ich mich zum Sekretariat. Morrigan und Julia starrten mir entgeistert hinterher...
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2375: Aus dem Tagebuch eines jungen Fähnrichs von Andreas Gruber
Wie fühlt sich ein junger Fähnrich während des Dominion-Krieges, und wie wird er mit dem Druck fertig? Die Gedanken eines solchen Soldaten, der eigentlich keiner ist, liest man hier.
Persönliches Logbuch, Fähnrich Robert McMasters. Es gibt Augenblicke wo ich es bereue je ich in die Sternenflotte eingetreten zu sein. Wir befinden uns nun schon seit über einem Jahr im Krieg mit dem Dominion und es sieht nicht so aus, dass wir in nächster Zukunft gewinnen werden. Als kleiner Fähnrich wird man zwar nicht genau informiert wie es an der Front steht, aber Gerüchten zufolge sollen wir schon große Teile unseres Gebietes an die Jem’Hadar verloren haben. Vor zwei Wochen wurde mein bester Freund Richard auf die U.S.S. California versetzt. Er versprach mir vor seiner Abreise, dass er mir jeden Tag eine Subraumnachricht schicken werde, aber nach drei Tagen brach der Kontakt plötzlich ab. Mein kommandierender Offizier, Ltd.Commander Torkas sagte mir, dass die Sternenflotte ebenfalls den Kontakt zu der California verloren habe. Ihr letzter bekannter Aufenthalt war bei der Verteidigung des Föderationsaußenposten „DS 13“. Aber die Jem’Hadar sind nicht unser einziges Problem. Was ist, wenn sich die Borg entscheiden, nicht nur ein einziges Schiff in den Alpha-Quadranten zu schicken? Was ist wenn sie gleich eine ganze Flotte auf uns loslassen. Dann haben wir überhaupt keine Chance mehr. Aber wenigstens ist es dann aus. Ich weiß, dass klingt jetzt alles ziemlich pessimistisch, aber ist nicht jeder in solchen Zeiten so? Ich bin jetzt gerade vor 2 Monaten aus der Akademie ausgetreten und schon muss ich gegen einen übermächtigen und skrupellosen Gegner kämpfen. Wir wurden zwar in zahlreichen Holodeck-Übungen darauf vorbereitet aber in Wirklichkeit ist das etwas ganz anderes. Bis jetzt war ich zum Glück noch nicht in so einer Situation aber was ist wenn sich irgendein Bürokrat einfallen läßt, mich an die Front zu schicken? Ich weiß nicht was ich dann machen soll. Natürlich habe ich den Eid geleistet die Föderation unter allen Umständen mit Einsatz meines eigenen Lebens zu verteidigen. Ich bin aber noch nicht bereit zu sterben. Ich bin erst 20 Jahre alt. Mein gesamtes Leben liegt noch vor mir. Ich will noch heiraten und Kinder kriegen aber sie können doch nicht in einer Welt aufwachsen wo man ständig mit der Gefahr lebt angegriffen zu werden. Vielleicht sollte ich den Dienst quittieren und wieder nach London zurückkehren. Aber wie kann ich dort in Ruhe leben wenn ich weiß, dass meine Freunde ihr Leben für meine Freiheit riskieren. Nein, ich muss durchhalten. Wenn ich will dann kann ich alles erreichen. Wir werden den Krieg gewinnen und dann kann ich eines Tages meinen Kindern erzählen wie ich an der Front meine Heimat verteidigt habe. Logbuch - Ende Fähnrich Robert McMasters starb 5 Tage nach diesem Logbuch-Eintrag. Er gab sein Leben bei der Verteidigung des Föderationsaußenposten auf Sigma Taurus III.
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Der Erfolg von Thomas Kohlschmidt
Alle Kolonisten auf Illumion 3 sind tot! Kirk und sein Team gehen einem düsteren Rätsel nach...
Die Kolonisten waren tot! Kirk wandte sich mit Grausen von den Leichen ab, die sie auf dem Marktplatz der Siedlung auf Illumion 3 vorgefunden hatten. Es waren Männer, Frauen und Kinder jeden Alters, die kreuz und quer in entsetzlichen Verrenkungen dalagen. „Was ist hier passiert, Pille?“ flüsterte der Captain bestürzt. Der Doktor ließ seinen Scanner über der Brust mehrerer Toter kreisen, befragte den Tricorder, und sein Gesicht wurde immer ernster. Spock schritt derweil den Platz entlang und schaute, flankiert von drei Sicherheitsleuten, in verschiedene Hauseingänge hinein, nur um auch hier Leichen über Leichen zu finden. Kirk sah Fahnen im Winde flattern. Bunte Lichträder drehten nun auf den Ständen ins Leere, Süßigkeiten lagen verstreut. Es hatte die Leute offensichtlich mitten auf einem Volksfest getroffen, deswegen waren hier auch Hunderte versammelt. „Furchtbar“, stöhnte der Captain und drehte sich langsam um sich selbst. Dabei versuchte er jede Einzelheit zu erfassen, um keinen Hinweis zu übersehen, was hier geschehen war. Die Enterprise war auf dem Weg hierher gewesen, um diverse Medikamente an Bord zu nehmen, die sie in ihren Beständen ergänzen mussten, nachdem sie von ihrer Fernreise nach Caneipos IV zurückgekehrt waren. Die Föderation unterhielt hier auf Illumion 3 eine Kolonie mit einem Institut für Astralmedizin und Pharmazie. Nun waren die Spezialisten, ihre Familien und Freunde tot. „Ich weiß nicht, Jim! So etwas habe ich noch nicht gesehen: Es sieht so aus, als seien alle nach und nach an neuronaler Überlast gestorben.“ „Nicht alle auf einmal?“ „Nein, wenn die Daten stimmen, dann starben einige etwa drei Stunden vor den Letzten hier.“ „Aber unmöglich! Sie liegen alle beieinander! Man hätte die ersten Toten doch weggeschafft. Man hätte Sterbende doch medizinisch zu versorgen gesucht...“ „Ja, es ist rätselhaft!“ Da piepte Kirks Kommunikator, und Spock meldete sich. „Captain, bitte sehen Sie sich das hier einmal an. Ich habe einen lebenden Kolonisten gefunden..!“ „Wir kommen sofort!“ Kirk sprang auf, und zusammen mit McCoy eilte er über die Toten hinweg zum Ende des Platzes, wo der Vulkanier auf sie wartete. Spock wies in die Ecke eines Hauseinganges, und hier hockte eine junge Frau – vielleicht 20 – mit glasigen Augen. Sie schien die erstaunten Männer um sie herum nicht zu sehen, sondern wippte vor und zurück, wie in Trance und summte ein Lied. Kirk räusperte sich und ging in die Hocke, um mit ihr auf Augenhöhe zu kommen. Sie war hübsch, bemerkte er, aber in ihrem Gesicht lag ein beängstigend entrückter Ausdruck. „Miss, mein Name ist James T. Kirk. Ich bin Captain des Föderationsschiffes „Enterprise“. Können Sie mich verstehen!?“ Sie sang weiter, ohne ihn zu erkennen. Dabei liefen immer wieder kleine Schauer durch ihren Körper, wie Fieberwellen. McCoys Scanner kreiste wieder. „Es ist ernst, Jim. Sie steht kurz vor dem Kollaps. Solche Neuronenwerte sind eigentlich unmöglich. In ihren Nerven ist Starkstrom... unfassbar!“ „Dann beamen wir sie in die Krankenstation!“ Kirk wollte wieder seinen Kommunikator 37
zücken, doch der Doktor warf ihm einen schmerzvollen Blick zu. „Vorbei! Sie ist tot, Jim!“ Das Mädchen sackte zusammen und kippte dann zur Seite weg. Der Captain fing sie auf und legte sie sanft zu Boden. „Verflucht, Pille! Spock! Was geht hier vor?!!“ „Vielleicht hilft uns das weiter!“ sagte Spock und zeigte an Kirk vorbei. Dieser folgte Spock mit den Blicken und schluckte. Dort drüben hatte jemand „Verzeiht mir!!“ an die Wand geschrieben und mehrere Transparente aus dem Fenster gehängt. „Es war nicht mein Wille!“ las McCoy. „Verzeiht mir!!“ Sonderbar! Was sollte das nun wieder bedeuten? Das Landeteam ging zu dem behängten Haus hinüber. Vor seinem Eingang lag die Leiche eines Mannes. Sie war entsetzlich zugerichtet. Aus seinem Kopf ragten Dutzende von langen Nadeln, die ihm wohl hineingetrieben worden waren. Er war blutüberströmt. In seiner rechten Hand lag ein Rasiermesser. Es war verkrustet. „Du meine Güte!“ entfuhr es dem Doktor, „Er hat sich selbst die Pulsadern aufgeschnitten!!“ Kirk spürte, wie Wut in ihm hochkam. Ihm reichten diese grausamen Rätsel allmählich. „Ich will endlich wissen, was hier geschehen ist, verdammt!! Es muss doch eine vernünftige Erklärung für all das hier geben. Wer ist dieser Mann?“ „Den Personaldateien dieser Kolonie nach“, begann Spock die Daten des Tricorders abzulesen, „handelt es sich hier um Jonathan Bartelli. Er war Physiker, Philosoph und... Musiker. Ein ungewöhnliches Genie auf vielen Gebieten.“ „Er hat etwas in der Jackentasche, Jim“, stellte McCoy fest und zog ein gefaltetes Stück Papier hinaus. Sie steckten die Köpfe zusammen, und sahen, dass der Zettel mit sonderbaren Formeln und Symbolen übersät war, die offenbar hastig hingekritzelt worden waren. Es ließ sich auf ersten Blick kein Sinn darin erkennen. Spock verzog die Augenbrauen. „Gehen wir hinein!“ beschloss Kirk und stieg die Treppe im Flur des Hauses hoch. Auch hier lagen Leichen jedes Alters. Eine Frau hatte sich mit einem Strahler in den Kopf geschossen. Kirk schwindelte bei ihrem Anblick. Er betrat den ersten Stock und sah, dass eine Türe offen stand, aus der Licht in den dunklen Flur fiel, in dem er gerade stand. Er zückte den Phaser, um sich sicherer zu fühlen und ging langsam, Schritt für Schritt, den Gang hinab und auf das Licht zu. Er wusste, dass Spock, der Doktor und die Sicherheitsleute direkt hinter ihm waren. Es herrschte atemlose Spannung. Jetzt hörten sie ein seltsames Geräusch aus dem Raum vor ihnen dringen. „Flupp...flupp....flupp...“ Kirk wurde an ein Tonband erinnert, das im Leerlauf drehte. Mit einem letzten Schritt trat er über die Schwelle und riss die Augen auf. „Was ist das denn?!“ Spock war sofort neben ihm. „Faszinierend!“ Sie sahen in ein größeres Zimmer hinein, das vollgestellt mit Bücherschränken, Tischen, technischen Gerätschaften aller Art und einer Fülle von Computerterminals aussah, wie eine Mischung von Doktor Frankensteins Labor und einem Kontrollzentrum für...was auch immer! In der Mitte stand ein Gegenstand, der überhaupt nicht hierher zu passen schien. Inmitten der wissenschaftlichen Welt stand eine Orgel! „D... das ist ein Musikinstrument!“ sagte der Doktor verdutzt. 38
„In der Tat! Und es ist an mehrere Computer angeschlossen!“ Der Vulkanier war an die Bildschirme getreten. Das Geräusch kam aus der Orgel. Sie sah monströs aus, funkelte eigenartig und ihre ausladenden Komponenten ragten in ungewöhnlichen Winkeln in das Zimmer. Sie sah fast aus wie ein riesiges, goldenes Herz, das zu schlagen aufgehört hatte. „Das hier sind akustische Sequenzen!“ stellte Spock sachlich fest, „Von hier aus ist die Orgel mit Spielanweisungen gesteuert worden. Die Musikdateien sind bis zum Ende durchgelaufen...“ „Moment mal!“ sagte Kirk, „Fassen sie nichts an, meine Herren!“ Er sprang zum Fenster hinüber und bückte sich. Mehrere Kabelstränge führten von der Orgel fort und über den Boden... Der Captain sprang auf. Ja, er hatte es geahnt. „Sie haben die Musik dieses Instrumentes zum Volksfest übertragen. Da drüben sind die Lautsprecherbäume. Hier geht es Funkverteiler!“ Die Kabel mündeten in einem grauen Kasten, der offenbar mit den Lautsprechern in drahtloser Verbindung stand. „Musik für ein Fest? Was hat das mit den Toten zu tun?“ Pille machte ein verwirrtes Gesicht. Spock sah sich die Formelreihen auf den Wandtafeln an, blätterte in Unterlagen und sah sich Ausdrucke an. McCoy näherte sich der Tastatur des Hauptterminals: „Hören wir uns die Musik doch einfach mal an...“ „Nichts anfassen, Doktor!“ sagte der Vulkanier scharf, „Es würde vermutlich unser Tod sein!“ „Was sagen Sie?“ Der erste Offizier kam mit einem Stapel von Folien zu Kirk und McCoy herüber. „Ich kann in der Kürze der Zeit nicht alles analysieren, aber eines ist sicher: Bartelli hat mit akustischen Sondersequenzen experimentiert. Er war auf der Suche nach etwas, das er „Das letzte Lied“ nannte!“ „Das letzte Lied? Was soll das denn sein?“ „Er hat offenbar eine gigantische Datenbank mit sämtlichen Liedern und Kompositionen unserer bekannten Galaxis angelegt und ausgewertet. Diese Aufzeichnungen belegen, dass er an dem Zusammenhang von Bewusstsein und Melodien geforscht hat.“ „Was ist daran neu? Dass Musik einen Einfluss auf Gefühle und Gedanken hat, ist seit jeher bekannt?“ brummte McCoy. „Richtig, Doktor. Aber Bartelli ging es darum, das Ur-Bewusstsein jedes intelligenten Lebens aufzuspüren. Er vermutete, dass es einen elementaren Seinsfunken gibt, der im Zusammenhang mit einer bestimmten Tonfolge stünde. „Das letzte Lied“ ist die Melodie der Schöpfung, eine Art Zünder für psychische und mentale Aktivität.“ „Neuronale Überladung!“ wurde es dem Doktor klar, „Die Kolonisten starben an Nervenschocks...“ „... ausgelöst von Gehirnen, die übergelaufen sind!“ Kirk sah Spock entsetzt an. Bartelli hat die Nervensysteme aller Bewohner hier mit einer Tonfolge überlastet! Er ist auf die Sequenz gestoßen, die bislang noch kein Komponist je gefunden hat.“ „Gott sei Dank bisher nicht gefunden hat!“ schnaubte McCoy, „Der Kerl hat sich versündigt!“ „Er ist zu weit gegangen, ohne es zu ahnen!“ verteidigte Spock den Forscher. „Und er hat es zuletzt gewusst“, gab Kirk zu bedenken, „Darum sein Selbstmord!“ „Feigling!“ „Das sagt sich leicht...“ Spock sah wieder auf die Folien. „Hier sind Hunderte von computergenerierten Kompositionen. „Experimental-Musik“ nannte 39
Bartelli diese Musiken.“ „Ja, und er verdiente sich einen Teil seines Unterhaltes wohl damit, dass er die Nebenprodukte seiner Forschung zu Unterhaltungszwecken herausgab.“ Sie sahen die Orgel an. Das Instrument blitzte drohend, majestätisch, verführerisch... McCoy schluckte. Zögernd trat er an das Steuerterminal und zog den Phaser. Der Doktor sah Kirk an, dieser Spock. Dann nickte der Captain. McCoy drückte ab, und die Zentraleinheit wurde fortgefegt. Wenig später brannte der Raum. Als die Männer gingen, prasselten die Flammen bereits lautstark. Kirk drehte sich in der Tür noch einmal um. Die Orgel stand nun mitten im Feuer, umtanzt von Hitze und Licht. „Das letzte Lied“ würde hier nicht mehr erklingen. Und doch lag ein Hauch von etwas in der Luft, ein Säuseln nur. Kirk lauschte. Das musste Einbildung sein, aber er glaubte ein Echo zu hören. Eine sonderbar vertraute Tonfolge... Blitzschnell schloss er die Tür und folgte seinen Freunden ins Freie.
ENDE
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Heißes Grab von Rüdiger Kreiser
Das Ende ist nahe: Wird das Schiff dieser Riesen-Sonne noch entkommen können?
Was fühlt ein Captain, dessen Schiff und Besatzung unweigerlich in eine Sonne stürzen wird? Das hatte er sch nie gefragt, aber erhielt nun trotzdem eine Antwort darauf. Die ´USS Braveflight´ war vor wenigen Stunden in diesen fernen Raumsektor eingeflogen, einem SOS-Signal folgend, und war auf eine Siedlerflotte der Crellims gestoßen, die gerade von einem Schwarm Hydraner-Schiffe angegriffen wurde. Das war ganz offenbar eine Plünderungsaktion, denn die wilden Hydraner waren überall in der Galaxis als Piraten verschrien. Natürlich hatte Captain Warner zunächst versucht, die Sache auf friedlichem Wege zu lösen. Mit der offiziellen Standardprozedur der Sternenflotte zu Deeskalation war er diesmal aber nicht weit gekommen. Noch bevor er seine strenge, aber im Grunde gütliche Ansprache hatte beenden können, hatte es schon mehrere Energietorpedos gesetzt. Diese waren krachend in die Schutzschilde der ´Braveflight´ geflogen und hatten die Besatzung gehörig durchgeschüttelt. Warner war erstaunt gewesen, dass die Hydraner nicht durch die pure Anwesenheit seines großen und gutbewaffneten Sternenschiffes eingeschüchtert waren, sondern ihren Plünderflug gegen die Siedler mit 56 Gleitern weiter fortsetzten, und nur sieben kleine Flitzer abgestellt hatten, um die ´Braveflight´ anzugreifen. Das war taktischer Selbstmord gewesen! Es hatte noch einige Kontaktversuche seitens des Captains gegeben, die aber allesamt ignoriert wurden, und schließlich hatte er keine andere Wahl gehabt, als gezielte Warnschüsse abzugeben. Das hatte dann die Katastrophe bewirkt! Kaum hatte der erste Phaserschuss die Werfer der ´Braveflight´ verlassen, da waren alle 63 Raumer der Hydraner auf das Föderationsschiff eingeschwenkt, hatte einen wohlkoordinierten Staffelflug eingeleitet und dann zwischen sich ein Feld aus unbekannter Energie erzeugt, mit dem sie die ´Braveflight´ hart getroffen hatten. Sie selbst waren rundherum um Captain Warners Schiff vorbeigesaust, hatten das Feld in letzter Sekunde vor dem Aufprall ausgeklinkt und es mit voller Wucht kollidieren lassen. Irgendeine unheilige Kraft hatte daraufhin die Kontrolle übernommen. Warner und sein Wissenschaftsoffizier Calvin vermuteten, dass es sich um ein gesteuertes Intelligenzfeld aus purer Aggressivität gehandelt hat, die irgendwie in den hyperkausalen Bereich transformiert wurde. Die Technologie der Hydraner hatte man offensichtlich deutlich unterschätzt! Das Feld hatte Fahrt aufgenommen und das darin hoffnungslos verfangene Schiff mit sich gezogen, beschleunigt und das System verlassen. Alle Ausbruchsversuche waren vergebens gewesen. 10 Stunden später, in denen man durch die Energien auf Warp 8 beschleunigt worden war, hatte man dieses System hier erreicht und war im Orbit der ultraheißen Blausonne herausgekommen, die noch nicht einmal einen Namen hatte. Das Feld hatte ihnen einen kräftigen „Tritt“ verpasst und zuletzt, bevor es sich auflöste, den Hauptcomputer und sämtliche Antriebe durchknallen lassen. Man ächzte auf Notenergien und Hilfssystemen dahin. Der mächtigen Gravitation der Sonne konnte man nicht mehr entfliehen. Es war heißer und heißer an Bord geworden. Erst noch hatte man mit dem Mute der Verzweiflung Ausbrüche und Notreparaturen versucht, doch dann hatte man schrittweise aufgeben müssen. Die letzte Ansprache von Warner an die Crew war erfolgt, danach das unvermeidliche Verzweifeln an Bord ausgebrochen. Jeder trug es auf seine Weise, das Todesurteil. Manche 41
arbeiteten einfach weiter an wissenschaftlichen oder technischen Fragen, andere schickten letzte Lichtsprüche ins All an Verwandte und Freunde, wieder andere machten exzessiv Sport, oder man trank, nahm Holodecktripps oder döste ausdruckslos vor sich hin. Warner stand auf der schweigsamen Brücke, kniff die Augen zusammen und starrte die blauen Protuberanzen in der nahen Photosphäre der Sonne an. Dort würden sie in wenigen Minuten sterben. Deflektoren und Lebenserhaltung sowie die Integritätsfelder der ´Braveflight´ waren am zusammenbrechen. Die Hülle ächzte. Es war heiß wie in der Hölle. „Das war es also“, flüsterte der Captain. Er fühlte sich müde und abgekämpft. Ein letztes aber wollte er noch tun. Er trat zu Calvin an den Wissenschaftscomputer, dessen Datenbanken autark funktionierten und sah den Mann fragend an, bis dieser nickte. Der Kommunikationsoffizier war auch bereit, um die letzten Worte Warners in den Föderationsraum zu senden. Warner räusperte sich und sagte dann: „Raumkoordinaten im Header. Ich taufe diese blaue Sonne auf den Namen ´Grave´!“ Kaum hatte er dieses gesagt, war alles vorbei, und der mächtige Gasball schluckte die ´Braveflight´ in Bruchteilen einer Sekunde. Es gab nicht einmal mehr eine Explosion, nur ein Verdampfen.
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