NEW TESTAMENT WOLS AND STUDIES
STUDIEN ZUM NEUTESTAMENTLICHEN BRIEFFORMULAR
EDITED BY VON
BRUCE M. METZGER, PH.D., D...
87 downloads
726 Views
11MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
NEW TESTAMENT WOLS AND STUDIES
STUDIEN ZUM NEUTESTAMENTLICHEN BRIEFFORMULAR
EDITED BY VON
BRUCE M. METZGER, PH.D., D.D., L.H.D., D.THEOL., D.LITT. Professor of New Testament Language and Literature, Emeritus Princeton Theological Seminary and Corresponding Fellow of the British Academy
FRANZ SCHNIDER
UND
WERNER STENGER
VOLUME XI
E.J. BRILL L~IDEN • NEW YORK . KCDBENHA VN . KÖLN 1987
NEW TESTAMENT WOLS AND STUDIES
STUDIEN ZUM NEUTESTAMENTLICHEN BRIEFFORMULAR
EDITED BY VON
BRUCE M. METZGER, PH.D., D.D., L.H.D., D.THEOL., D.LITT. Professor of New Testament Language and Literature, Emeritus Princeton Theological Seminary and Corresponding Fellow of the British Academy
FRANZ SCHNIDER
UND
WERNER STENGER
VOLUME XI
E.J. BRILL L~IDEN • NEW YORK . KCDBENHA VN . KÖLN 1987
All denen gewidmet, .denen wir schon längst hätten schreiben sollen! Die Verfasser EYro J.1EV yap, fL7troV tcp OcOJ.1Utt 7tUProv OE tcp 7tVEUJ.1Un, i\oll KEKptKU cO Q)
... ..c: ..c:u u CI)
.... t:: t:: Q)
-~~
~o
e Q)
o...t::
-
'"r1
t'l
~
::c
;;0
Cl
O"l
an die Berufenen,
an die, welche durch die Gerechtigkeit unseres Heilandes J esus Christus einen gleich wertvollen Glauben erlangt haben wie wir.
2 Petr 1,1
Jud 1
an die auserwählten Bewohner der Diaspora von Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien gemäß der Vorherbestimmung Gottes des Vaters, in Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Besprengung mit dem Blut Jesu Christi.
1 Petr 1, 1f
an Titus,
an Timotheus,
2 Tim 1,2
Tit 1,4
an Timotheus,
an die Heiligen, die (in Ephesus) sind
adscriptio I
an die Heiligen in Kolosse
an die Kirche der Thessalonicher in Gott unserem Vater und dem Herrn J esus Christus
an Philemon
1 Tim 1,2
Eph 1,1
Fortsetzung
Koll,2
2 Thess 1,1
Phlm If
an die Kirche der Thessalonicher in Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus
an alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind
Phil 1,1
1 Thess 1,1
an die Kirchen Galatiens
Ga11,2
an die Kirche Gottes, die in Korinth ist
2 Kor 1,1
die in Gott dem Vater Geliebten
das echte Kind gemäß dem gemeinsamen Glauben
das geliebte Kind
das echte Kind im Glauben
und gläubigen Brüder in Christus J esus
Intitulatio I
und die gläubigen Brüder in Christus
den geliebten
und Bewahrten J esu Christi
Intitulatio 11
und unseren Mitarbeiter
die berufenen Heiligen
die Geheiligten in Christus Jesus
an die Kirche Gottes, die in Korinth ist
die berufenen Heiligen
die Geliebten Gottes
an alle, die in Rom sind
1 Kor 1,2
Röm 1,7
Intitulatio II
Intitulatio I
adscriptio I
adscriptio 11
und an Apphia, die Schwester, und an unseren MitArchippus, streiter, und an deine Hausgemeinde
zusammen mit den Episkopen und Diakonen
zusammen mit allen Heiligen, die in Achaia sind
zusammen mit allen, die den Namen unseres Herrn J esus Christus anrufen an jedem Ort, dem ihrigen und dem unsrigen
adscriptio II
~
»-
~
~
>-3
-::tl
:;t'
~
UJ
»-:
:;t'
"'0
UJ
Cl
0
Z
>-
'"r1
Z
>-
'"r1
t'l
~
::c
;;0
Cl
O"l
18
19
DER BRIEFANFANG
DAS PRÄSKRIPT
die Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind«, und bleibt doch ein Brief an alle als Gemeinde. Daß der Brief sich auf jeden einzelnen in der Gemeinde einstellt und ausrichtet, zeigt sich im Brieftext des Philipperbriefs auch sonst. Wesentlich häufiger als in seinen übrigen Briefen betont Paulus, daß er an »alle« Gemeindemitglieder schreibt: Nicht nur sein Beten in der brieflichen Danksagung verrichtet er »für euch alle« mit Freuden (Phill ,4). Auch die Überzeugung von der Heilsvollendung der Philipper hat er »für euch alle«, »weil ich euch im Herzen trage, die ihr sowohl in meinen Fesseln als bei der Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums insgesamt an der mir verliehenen Gnade Anteil habt« (Phili, 7), nämlich durch die finanzielle Unterstützung. Auch im Sehnsuchts-Motiv der brieflichen Danksagung erwähnt er seine Sehnsucht »nach euch allen mit der innigen Liebe Christi Jesu« (Phil 1,8). Wenn er weiß, daß er »im Fleisch verbleiben« wird, weiß er zugleich, daß er »bei euch allen verbleiben werde zu eurer Förderung und Glaubensfreude.« (Phill ,25) Auch wenn er sich darüber freut, daß er »als Trankopfer hingegeben werde neben dem Opfer und der priesterlichen Darbringung eures Glaubens«, so freut er sich »mit euch allen« (Phil 2,17) Dem entspricht schließlich, daß er sie am Schluß des Briefes auffordert: »Grüssetjeden Heiligen in ChristusJesus!« (PhiI4,21) Auch dem Fehlen der Bezeichnung »Kirche« in der Adresse des Röm kann man kaum entnehmen, »daß es in Rom zur Zeit des Römerbriefs noch keine 'Kirche' gab«23, bzw. daß es sich bei den von Paulus als »berufene Heilige« Angeredeten »um einzelne Christen bzw. einzelne Hausgemeinden aus unterschiedlichen christlichen Gruppen (handelte), deren Zusammenwachsen in eine organisierte Gemeinschaft durch eine vermutlich relativ starke Fluktuation und die primäre Bindung an die östlichen Muttergemeinden zusätzlich erschwert wurde«24. Auch will Paulus durch die Weglassung der Bezeichnung »Kirche« die Gemeinde in Rom nicht di3qualifizieren, weil sie nicht auf seine Gründung oder auf die Gründung durch einen anderen Apostel zurückgeht und er etwa nur dort eine »fundamentierte Christenheit« anerkennt, wo die Apostolizität einer Gemeinde durch die »apostolische Gründung«25 gewährleistet ist. Paulus will der römischen Gemeinde keineswegs absprechen, daß sie »GemeindelI, »Kirche« sei. Im Gegenteil, er nimmt ihre Eigenständigkeit als »Gemeinde« dadurch ernst, daß er im brieflichen Verkehr mit ihr die amtliche Adresse vermeidet, die er im Verkehr mit den von ihm begrün-
deten Gemeinden benützt, um dem Verdacht, in voller apostolischer, d.h. Gründer-Autorität zu sprechen, von Anfang an zu entgehen. Das Fehlen der Bezeichnung »Kirche« hat also möglicherweise denselben Grund, der Paulus in der brieflichen Danksagung dazu führt, zu erwähnen, er verlange die Römer zu sehen, »um euch eine geistliche Gabe mitzuteilen, damit ihr gestärkt werdet«, um dann diese Bemerkung im folgenden Vers sofort zu korrigieren: »das heißt, damit ich bei euch mitgetröstet werde durch den gemeinschaftlichen Glauben, euren und meinen.« (Röm 1,11 ff) Auf derselben Linie der Briefstrategie liegt schließlich die captatio benevoIentiae, die den der brieflichen Danksagung parallelen Briefschluß eröffnet: »Was mich persönlich euch gegenüber betrifft, meine Brüder, so bin ich davon überzeugt, daß auch ihr voll guter Gesinnung seid, überreich an aller Erkenntnis und imstande, einander zu belehr~n. Ich habe euch teilweise ziemlich kühn geschrieben als einer, der euch kraft der mir von Gott verliehenen Gnade Bekanntes ins Gedächtnis zurückrufen möchte.« (Röm 25, 14f) »Angesichts der von ihm so gepriesenen Verhältnisse in Rom nennt Paulus es kühn, seinen Brief derart ausführlich und theologisch befrachtet geschrieben zu haben und wehrt erneut den Verdacht einer versuchten Einmischung oder Bevormundung ab.«26 Paulus vermeidet also in der Adresse die Bezeichnung »Kirche«, wohl auch weil diese zu 'amtlich' klingen würde, zu sehr eine Gründer-Autorität ins Spiel bringen würde, die er gegenüber der Gemeinde von Rom nicht besitzt. Daß das Fehlen der Bezeichnung Kirche nicht eine Mindereinschätzung der Gemeinden von Rom und Philippi bedeutet, beweist auch die auffällige Kürze der galatischen Adresse, wo die Bezeichnung EKKAllcria im Plural, trotz der polemischen Briefsituation, allerdings ohne jegliche ehrende titulare Erweiterung begegnet. Auch 1 und 2 Kor sind weniger herzlich als der Philipper und vergegenwärtigen der Gemeinde die apostolische Gründerautorität mit Anordnungen, die Paulus den Römern nicht geben kann. Entsprechend setzt 1 Kor im unmittelbaren Anschluß an die briefliche Danksagung mit der apostolischen Mahnung ein: »Ich ermahne euch aber, Brüder ... « (1 Kor 1,10). 2 Kor dagegen wählt die unpersönlichere offiziellere Form der brieflichen Danksagung (s.u.). Erwartungsgemäß begegnet auch die amtlichere Adresse »Kirche«, in beiden Fällen verbunden mit dem Genetiv »Gottes« und der Ortsbezeichnung »die in Korinth ist«. Die Bezeichnung der korinthischen Gemeinde als »Kirche Gottes« findet eine Parallele in der Adresse von 1 Thess: »der Kirche der Thessalonicher in Gott dem Vater und dem Herrn J esus Christus«, die von 2 Thess imitiert wird, wo
2:1 24 25
W. Schmithals (1975) 69 Ebd. G. Klein (1969) 140
21i
E. Käsemann , Römer, 377
18
19
DER BRIEFANFANG
DAS PRÄSKRIPT
die Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind«, und bleibt doch ein Brief an alle als Gemeinde. Daß der Brief sich auf jeden einzelnen in der Gemeinde einstellt und ausrichtet, zeigt sich im Brieftext des Philipperbriefs auch sonst. Wesentlich häufiger als in seinen übrigen Briefen betont Paulus, daß er an »alle« Gemeindemitglieder schreibt: Nicht nur sein Beten in der brieflichen Danksagung verrichtet er »für euch alle« mit Freuden (Phill ,4). Auch die Überzeugung von der Heilsvollendung der Philipper hat er »für euch alle«, »weil ich euch im Herzen trage, die ihr sowohl in meinen Fesseln als bei der Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums insgesamt an der mir verliehenen Gnade Anteil habt« (Phili, 7), nämlich durch die finanzielle Unterstützung. Auch im Sehnsuchts-Motiv der brieflichen Danksagung erwähnt er seine Sehnsucht »nach euch allen mit der innigen Liebe Christi Jesu« (Phil 1,8). Wenn er weiß, daß er »im Fleisch verbleiben« wird, weiß er zugleich, daß er »bei euch allen verbleiben werde zu eurer Förderung und Glaubensfreude.« (Phill ,25) Auch wenn er sich darüber freut, daß er »als Trankopfer hingegeben werde neben dem Opfer und der priesterlichen Darbringung eures Glaubens«, so freut er sich »mit euch allen« (Phil 2,17) Dem entspricht schließlich, daß er sie am Schluß des Briefes auffordert: »Grüssetjeden Heiligen in ChristusJesus!« (PhiI4,21) Auch dem Fehlen der Bezeichnung »Kirche« in der Adresse des Röm kann man kaum entnehmen, »daß es in Rom zur Zeit des Römerbriefs noch keine 'Kirche' gab«23, bzw. daß es sich bei den von Paulus als »berufene Heilige« Angeredeten »um einzelne Christen bzw. einzelne Hausgemeinden aus unterschiedlichen christlichen Gruppen (handelte), deren Zusammenwachsen in eine organisierte Gemeinschaft durch eine vermutlich relativ starke Fluktuation und die primäre Bindung an die östlichen Muttergemeinden zusätzlich erschwert wurde«24. Auch will Paulus durch die Weglassung der Bezeichnung »Kirche« die Gemeinde in Rom nicht di3qualifizieren, weil sie nicht auf seine Gründung oder auf die Gründung durch einen anderen Apostel zurückgeht und er etwa nur dort eine »fundamentierte Christenheit« anerkennt, wo die Apostolizität einer Gemeinde durch die »apostolische Gründung«25 gewährleistet ist. Paulus will der römischen Gemeinde keineswegs absprechen, daß sie »GemeindelI, »Kirche« sei. Im Gegenteil, er nimmt ihre Eigenständigkeit als »Gemeinde« dadurch ernst, daß er im brieflichen Verkehr mit ihr die amtliche Adresse vermeidet, die er im Verkehr mit den von ihm begrün-
deten Gemeinden benützt, um dem Verdacht, in voller apostolischer, d.h. Gründer-Autorität zu sprechen, von Anfang an zu entgehen. Das Fehlen der Bezeichnung »Kirche« hat also möglicherweise denselben Grund, der Paulus in der brieflichen Danksagung dazu führt, zu erwähnen, er verlange die Römer zu sehen, »um euch eine geistliche Gabe mitzuteilen, damit ihr gestärkt werdet«, um dann diese Bemerkung im folgenden Vers sofort zu korrigieren: »das heißt, damit ich bei euch mitgetröstet werde durch den gemeinschaftlichen Glauben, euren und meinen.« (Röm 1,11 ff) Auf derselben Linie der Briefstrategie liegt schließlich die captatio benevoIentiae, die den der brieflichen Danksagung parallelen Briefschluß eröffnet: »Was mich persönlich euch gegenüber betrifft, meine Brüder, so bin ich davon überzeugt, daß auch ihr voll guter Gesinnung seid, überreich an aller Erkenntnis und imstande, einander zu belehr~n. Ich habe euch teilweise ziemlich kühn geschrieben als einer, der euch kraft der mir von Gott verliehenen Gnade Bekanntes ins Gedächtnis zurückrufen möchte.« (Röm 25, 14f) »Angesichts der von ihm so gepriesenen Verhältnisse in Rom nennt Paulus es kühn, seinen Brief derart ausführlich und theologisch befrachtet geschrieben zu haben und wehrt erneut den Verdacht einer versuchten Einmischung oder Bevormundung ab.«26 Paulus vermeidet also in der Adresse die Bezeichnung »Kirche«, wohl auch weil diese zu 'amtlich' klingen würde, zu sehr eine Gründer-Autorität ins Spiel bringen würde, die er gegenüber der Gemeinde von Rom nicht besitzt. Daß das Fehlen der Bezeichnung Kirche nicht eine Mindereinschätzung der Gemeinden von Rom und Philippi bedeutet, beweist auch die auffällige Kürze der galatischen Adresse, wo die Bezeichnung EKKAllcria im Plural, trotz der polemischen Briefsituation, allerdings ohne jegliche ehrende titulare Erweiterung begegnet. Auch 1 und 2 Kor sind weniger herzlich als der Philipper und vergegenwärtigen der Gemeinde die apostolische Gründerautorität mit Anordnungen, die Paulus den Römern nicht geben kann. Entsprechend setzt 1 Kor im unmittelbaren Anschluß an die briefliche Danksagung mit der apostolischen Mahnung ein: »Ich ermahne euch aber, Brüder ... « (1 Kor 1,10). 2 Kor dagegen wählt die unpersönlichere offiziellere Form der brieflichen Danksagung (s.u.). Erwartungsgemäß begegnet auch die amtlichere Adresse »Kirche«, in beiden Fällen verbunden mit dem Genetiv »Gottes« und der Ortsbezeichnung »die in Korinth ist«. Die Bezeichnung der korinthischen Gemeinde als »Kirche Gottes« findet eine Parallele in der Adresse von 1 Thess: »der Kirche der Thessalonicher in Gott dem Vater und dem Herrn J esus Christus«, die von 2 Thess imitiert wird, wo
2:1 24 25
W. Schmithals (1975) 69 Ebd. G. Klein (1969) 140
21i
E. Käsemann , Römer, 377
20
21
DER BRIEFANFANG
DAS PRÄSKRIPT
der Schreiber des pseudonymen Briefes den leichten Zweifel, ob »in Gott dem Vater und dem Herrn J esus Christus« in 1 Thess zur Adresse gehört oder zum folgenden Gruß zu ziehen ist, dadurch beseitigt, daß er deIn Gruß »Gnade euch und Friede« nochmals »von Gott dem Vater und dem Herrn J esus Christus« folgen lässt. Die völlige Übereinstimmung der Adresse mit dem 1 Thess und diese Vereindeutigung sind sicher auch Indizien für die Pseudonymität von 2 Thess. Die auf die Adresse »der Kirche der Thessalonicher« folgende, doppelte adverbiale Bestimmung »in Gott dem Vater und dem Herrn J esus Christus« in 1 Thess hat dieselbe die Gemeinde ehrende Aufgabe wie die Intitulationen in den übrigen Briefen: d.h. im einzelnen: »den Heiligen in ChristusJesus« in dem 'persönlicheren' Philipperbrief, die ))Geliebten Gottes, berufenen Heiligen« in dem zunächst behutsam an die Gemeinde herantretenden Römerbrief, ))unserem Geliebten und Mitarbeiter« in dem diplomatisch geschickten Philemonbrief und ))den Geheiligten in Christus J esus, berufenen Heiligen« in dem aus einem im Vergleich zu 2 Kor, wo alle Intitulationen fehlen, unbelasteteren Verhältnis zur Gemeinde geschriebenen 1 Kor. Die adverbiale Bestimmung ))in Gott dem Vater und dem Herrn J esus Christus« soll in 1 Thess also die Gemeinde ehren und macht wie die Intitulationen den Brief persönlicher; durch nichts ist nämlich die Beziehung des Paulus zur Gemeinde von Thessaloniki belastet. Über die ehrende Funktion der adverbialen Bestimmung hinaus läßt sich jedoch fragen, ob Paulus in diesem seinem ersten Brief, wenn er die Adresse ))der Kirche der Thessalonicher in Gott dem Vater ... « formuliert, nicht auf dem Weg zu einem Sprachgebrauch ist, der sich ihm in 1 und 2 Kor verfestigt hat, und in dem er seinen Gemeinden den Titel ))Kirche Gottes« zuerkennt. Dafür würde sprechen, daß Paulus in 1 Thess 2, 14 den Thessalonichern bestätigt, daß sie durch ihr Verfolgungsgeschick ))N achahmer geworden sind der Kirchen Gottes, die in J udäa in Christus J esus sind.« Traditionsgeschichtlich scheint gesichert, daß Paulus den Ausdruck ))Kirche Gottes« als Selbstbezeichnung der christlichen Gemeinden kennengelernt hat, die er nach seinem eigenen Zeugnis verfolgt hat. Dies aber dürften die Gemeinden gewesen sein, die aufgrund der frühen Missionsarbeit des hellenistisch-judenchristlichen Teils der Urgemeinde von Jerusalem im syropalästinensischen Raum entstanden waren. Diese übten wahrscheinlich Kritik, mindestens am rituellen Teil des Gesetzes und am Tempel, und nannten ihre ))Versammlung« (hebr.: qahal), nicht, was sprachlich ebenfalls möglich gewesen wäre, ))Synagoge«, sondern ))Ekklesia«, um sich so von dem Teil des Judentums abzusetzen, der sich auch an den kultisch-rituellen Teil des Gesetzes und an den Tempel gebunden wußte. Von diesem aber wußten sich die hellenistisch-
judenchristlichen Gemeinden durch einen ))eschatologi.sch bedi?gt?~. U nterschied«27 getrennt. Ihrem Bewußtsein, dennoch In KontInuI~at zu dem alttestamentlichen Bundesvolk Gottes zu stehen, konnten SIe dadurch Ausdruck verleihen, daß sie die alttestamentliche ))Versammlung Jahwes« (hebr.: kahal Jahwe, vgl. Dt 23,2-8) bzw. ))Versammlu.ng Gottes« (hebr.: kahal EI, vgl. Neh 13,1-3) mit EKKAlloia 'tOÜ 81::0ü Ins Griechische übersetzten und ihre Gemeinden so als ))Kirchen Gottes« bezeichneten. Dem christlichen Paulus mußte diese Bezeichnung entgegenkommen, weil seine radikale Gesetzeskritik den Unterschied seiner Gemeinden zum Judentum der Synagoge noch verschärfte. Außerdem gehört es scho~ alttestamentlich zum Wesen der ))Versammlung Gottes«, d.h. der ))KIrche Gottes«, daß sie ))heilig« ist. Dieses Moment war gut geeignet für ekklesiologische Vorstellungen des Paulus, denen zufolge die Gemeinde der ))Tempel Gottes« ist (1 Kor 1,16), so daß sie selbst als ))Versammlung Gottes« an die Stelle des Tempels tritt. Es ist sicher kein Zufall, daß er diesen Gedanken gerade im 1 Kor äußert, in dessen Adresse er die Gemeinde als ))Kirche Gottes« bezeichnet. Möglicherweise gilt dies schon für die hellenistisch-judenchristlichen Gemeinden vor Paulus, die trotz ihrer Kritik am Tempel diesen in spiritualisierter Form in ihren Gemeinden als den ))Kirchen Gottes« sahen. Einen Hinweis in diese Richtung könnten die Intitulationen geben, die Paulus seinen Adressatengemeinden und im Römer- und 1 Korintherbrief sich selber gibt: ))berufene«, ))geheiligtecc , ))heiligecc. Auch darin sind von Paulus übernon:me~e Selb~t bezeichnungen der Christen vor ihm zu sehen, deren ursprunghche.r Sitz im Leben der Kult ist, so daß auch darin die christlichen Gememden vor Paulus in Spiritualisierung von Tempel und Kult sich selbst verstanden. So wie Paulus die Gesetzeskritik übernimmt, sie zugleich aber von ihrer christologischen Grundlage neu durchdenkend radikalisiert und so die Tür für die Heiden universalistisch öffnet, so übernimmt er auch ekklesiologisch das kultische Selbstverständnis der vorpaulinischen Gemeinden. Er durchdenkt dieses kultisch bestimmte ekklesiologische Selbstverständnis auf seine christologische Fundiertheit hin, wenn er ))die Kirche der Thessalonicher in Gott dem Vater und Herrn J esus Christus cc bestimmt sein läßt, wenn er den Römern sich vorstellt als ))berufener Ap~s tel, ausgesondert für das Evangelium Gottesce, dessen Inhalt der S?hn 1st und wenn er die Römer als »BerufeneJesu Christi« (Röm 1,6) bezeIchnet, die Philipper ))Heilige in Christus J esuscc (Phil 1,1), und die Korinther
27
M. Hengel (1971/72) 30
20
21
DER BRIEFANFANG
DAS PRÄSKRIPT
der Schreiber des pseudonymen Briefes den leichten Zweifel, ob »in Gott dem Vater und dem Herrn J esus Christus« in 1 Thess zur Adresse gehört oder zum folgenden Gruß zu ziehen ist, dadurch beseitigt, daß er deIn Gruß »Gnade euch und Friede« nochmals »von Gott dem Vater und dem Herrn J esus Christus« folgen lässt. Die völlige Übereinstimmung der Adresse mit dem 1 Thess und diese Vereindeutigung sind sicher auch Indizien für die Pseudonymität von 2 Thess. Die auf die Adresse »der Kirche der Thessalonicher« folgende, doppelte adverbiale Bestimmung »in Gott dem Vater und dem Herrn J esus Christus« in 1 Thess hat dieselbe die Gemeinde ehrende Aufgabe wie die Intitulationen in den übrigen Briefen: d.h. im einzelnen: »den Heiligen in ChristusJesus« in dem 'persönlicheren' Philipperbrief, die ))Geliebten Gottes, berufenen Heiligen« in dem zunächst behutsam an die Gemeinde herantretenden Römerbrief, ))unserem Geliebten und Mitarbeiter« in dem diplomatisch geschickten Philemonbrief und ))den Geheiligten in Christus J esus, berufenen Heiligen« in dem aus einem im Vergleich zu 2 Kor, wo alle Intitulationen fehlen, unbelasteteren Verhältnis zur Gemeinde geschriebenen 1 Kor. Die adverbiale Bestimmung ))in Gott dem Vater und dem Herrn J esus Christus« soll in 1 Thess also die Gemeinde ehren und macht wie die Intitulationen den Brief persönlicher; durch nichts ist nämlich die Beziehung des Paulus zur Gemeinde von Thessaloniki belastet. Über die ehrende Funktion der adverbialen Bestimmung hinaus läßt sich jedoch fragen, ob Paulus in diesem seinem ersten Brief, wenn er die Adresse ))der Kirche der Thessalonicher in Gott dem Vater ... « formuliert, nicht auf dem Weg zu einem Sprachgebrauch ist, der sich ihm in 1 und 2 Kor verfestigt hat, und in dem er seinen Gemeinden den Titel ))Kirche Gottes« zuerkennt. Dafür würde sprechen, daß Paulus in 1 Thess 2, 14 den Thessalonichern bestätigt, daß sie durch ihr Verfolgungsgeschick ))N achahmer geworden sind der Kirchen Gottes, die in J udäa in Christus J esus sind.« Traditionsgeschichtlich scheint gesichert, daß Paulus den Ausdruck ))Kirche Gottes« als Selbstbezeichnung der christlichen Gemeinden kennengelernt hat, die er nach seinem eigenen Zeugnis verfolgt hat. Dies aber dürften die Gemeinden gewesen sein, die aufgrund der frühen Missionsarbeit des hellenistisch-judenchristlichen Teils der Urgemeinde von Jerusalem im syropalästinensischen Raum entstanden waren. Diese übten wahrscheinlich Kritik, mindestens am rituellen Teil des Gesetzes und am Tempel, und nannten ihre ))Versammlung« (hebr.: qahal), nicht, was sprachlich ebenfalls möglich gewesen wäre, ))Synagoge«, sondern ))Ekklesia«, um sich so von dem Teil des Judentums abzusetzen, der sich auch an den kultisch-rituellen Teil des Gesetzes und an den Tempel gebunden wußte. Von diesem aber wußten sich die hellenistisch-
judenchristlichen Gemeinden durch einen ))eschatologi.sch bedi?gt?~. U nterschied«27 getrennt. Ihrem Bewußtsein, dennoch In KontInuI~at zu dem alttestamentlichen Bundesvolk Gottes zu stehen, konnten SIe dadurch Ausdruck verleihen, daß sie die alttestamentliche ))Versammlung Jahwes« (hebr.: kahal Jahwe, vgl. Dt 23,2-8) bzw. ))Versammlu.ng Gottes« (hebr.: kahal EI, vgl. Neh 13,1-3) mit EKKAlloia 'tOÜ 81::0ü Ins Griechische übersetzten und ihre Gemeinden so als ))Kirchen Gottes« bezeichneten. Dem christlichen Paulus mußte diese Bezeichnung entgegenkommen, weil seine radikale Gesetzeskritik den Unterschied seiner Gemeinden zum Judentum der Synagoge noch verschärfte. Außerdem gehört es scho~ alttestamentlich zum Wesen der ))Versammlung Gottes«, d.h. der ))KIrche Gottes«, daß sie ))heilig« ist. Dieses Moment war gut geeignet für ekklesiologische Vorstellungen des Paulus, denen zufolge die Gemeinde der ))Tempel Gottes« ist (1 Kor 1,16), so daß sie selbst als ))Versammlung Gottes« an die Stelle des Tempels tritt. Es ist sicher kein Zufall, daß er diesen Gedanken gerade im 1 Kor äußert, in dessen Adresse er die Gemeinde als ))Kirche Gottes« bezeichnet. Möglicherweise gilt dies schon für die hellenistisch-judenchristlichen Gemeinden vor Paulus, die trotz ihrer Kritik am Tempel diesen in spiritualisierter Form in ihren Gemeinden als den ))Kirchen Gottes« sahen. Einen Hinweis in diese Richtung könnten die Intitulationen geben, die Paulus seinen Adressatengemeinden und im Römer- und 1 Korintherbrief sich selber gibt: ))berufene«, ))geheiligtecc , ))heiligecc. Auch darin sind von Paulus übernon:me~e Selb~t bezeichnungen der Christen vor ihm zu sehen, deren ursprunghche.r Sitz im Leben der Kult ist, so daß auch darin die christlichen Gememden vor Paulus in Spiritualisierung von Tempel und Kult sich selbst verstanden. So wie Paulus die Gesetzeskritik übernimmt, sie zugleich aber von ihrer christologischen Grundlage neu durchdenkend radikalisiert und so die Tür für die Heiden universalistisch öffnet, so übernimmt er auch ekklesiologisch das kultische Selbstverständnis der vorpaulinischen Gemeinden. Er durchdenkt dieses kultisch bestimmte ekklesiologische Selbstverständnis auf seine christologische Fundiertheit hin, wenn er ))die Kirche der Thessalonicher in Gott dem Vater und Herrn J esus Christus cc bestimmt sein läßt, wenn er den Römern sich vorstellt als ))berufener Ap~s tel, ausgesondert für das Evangelium Gottesce, dessen Inhalt der S?hn 1st und wenn er die Römer als »BerufeneJesu Christi« (Röm 1,6) bezeIchnet, die Philipper ))Heilige in Christus J esuscc (Phil 1,1), und die Korinther
27
M. Hengel (1971/72) 30
22
23
DER BRIEFANFANG
DAS PRÄSKRIPT
»Geheiligte in Christus Jesus.« So wie er die Gesetzeskritik christologiert, radikalisiert und sie in den Dienst seiner universalistischen Heidenrnission stellt, so christologisiert Paulus also auch eine ihm vorgegebene, kultisch bestimmte Ekklesiologie. Wenn er die Selbstbezeichnung vorpaulinischer, hellenistisch-judenchristlicher Gemeinden übernimmt und sie auch seinen heidenchristlichen Missionsgemeinden zuerkennt, öffnet er die Ekklesiologie universalistisch, weil jetzt auch in Korinth, Thessaloniki und anderswo die Gemeinden sich als »Versammlung, d.h. Kirche Gottes« befinden. Als Adressaten fungieren bei Paulus Kollektive und nicht Einzelpersonen. Wo Einzelpersonen als Adressaten begegnen, sind Kollektive mitgenannt oder mitgemeint. So tritt neben Philemon als Adressaten, an dessen Verbundensein mit dem Apostel in persönlicher Hinsicht (»dem Geliebten«) und im Hinblick auf das Evangelium (»und unserem Mitarbeiter«) beide dem Namen folgende Intitulationen appellieren und sich so den Briefempfänger im Interesse der Intention des Briefes im voraus verpflichten, eine "Schwester« genannte Apphia, wohl die Ehefrau des Philemon, die »in der Frage unseres Briefes mit anzusprechen ... ausgesprochen sinnvoll war«28 und zwar sicher nicht aus dem Grund, den G. Friedrich vermutet: "Da die Frauen es damals wie heute weithin mit den Geschäften im Haus zu tun hatten, geht es auch sie an, was Paulus über den Sklaven Onesimus zu berichten hat«,29 sondern weil das Schreiben Öffenlichkeitscharakter beansprucht. Denn hinzu treten ein als "Mitstreiter« intitulierter, also womöglich als Gemeindeleiter (vgl. Phil 2,25; 4,3; Röm 15,30) angesprochener Archippus und die Hausgemeinde des Philemon, sicherlich um das Anliegen des Briefes aus dem Bereich des rein Persönlichen herauszuheben und die Reaktion des Philernon vor das Forum der gemeindlichen Öffentlichkeit zu stellen. In den Präskripten von 1 Kor, 2 Kor und Phil werden neben den eigentlichen Adressaten, d.h. "der Kirche Gottes, die in Korinth ist« (1 Kor 1,2; 2 Kor 1,1), bzw. "allen Heiligen in ChristusJesus, die in Philippi sind« (Phil 1,1), weitere Mitadressaten jeweils mit