Peter M. Vogt Praxis der Plastischen Chirurgie
Peter M. Vogt
Praxis der Plastischen Chirurgie Plastisch-rekonstrukti...
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Peter M. Vogt Praxis der Plastischen Chirurgie
Peter M. Vogt
Praxis der Plastischen Chirurgie Plastisch-rekonstruktive Operationen Plastisch-ästhetische Operationen Handchirurgie Verbrennungschirurgie
Mit 1410 Teilabbildungen, größtenteils in Farbe und 208 Tabellen
123
Univ.-Prof. Dr. med. Peter M. Vogt Klinik und Poliklinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Medizinische Hochschule Hannover (MHH) Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
ISBN-13 978-3-540-37571-5 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbeÂ� halten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. SpringerMedizin Springer-Verlag GmbH ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag €Berlin Heidelberg 2011 Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr überÂ� nommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere KennÂ� zeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Peter Bergmann, Kathrin Nühse, Heidelberg Projektmanagement: Ute Meyer-Krauß, Heidelberg Lektorat: Michaela Mallwitz, Tairnbach Illustration: Nicola Hoffmann, Nina Hirsch, Ingrid Schobel Coverbilder: © Peter M. Vogt, Hannover (links), Nicola Hoffmann, Wittmar (rechts) Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz, Reproduktion und digitale Bearbeitung der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg SPIN: 11515654 Gedruckt auf säurefreiem Papier
2111 - 5 4 3 2 1 0
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Vorwort Die Plastische Chirurgie hat die Wiederherstellung oder Verbesserung der Körperform und sichtbar gestörter Kör perfunktionen zur Aufgabe. Erst im Verlauf der 1960er Jahre entwickelte sich die Plastische Chirurgie in Deutschland zu einem selbstständigen Fachgebiet. Die Gründerväter der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen brach ten damals ihre Erfahrungen aus Ländern wie USA, Großbritannien, Frankreich und SkanÂ�dinavien, in denen das Gebiet längst etabliert war, nach Deutschland und legten den Grundstein für eine sich seitdem stetig weiterent wickelnde Disziplin. Zwischen 1978 und 1992 wurde die Plastische Chirurgie noch als Teilgebiet der Chirurgie weitergebildet, seit 2004 jedoch ist die plastisch-ästhetische Chirurgie eine eigenständige Säule der Chirurgie. Zahlreiche herausragende Vertreter des Gebiets haben immer wieder neue operative Bereiche für die Plastische Chirurgie entdeckt und Spitzenleistungen der medizinischen Versorgung hervorgebracht, die der Rehabilitation sowie beruflichen und sozialen Integration von Patienten mit angeborenen Fehlbildungen, unfall- oder tumorbe dingten Entstellungen und schwerwiegenden Funktionseinschränkungen dienen. Dies betrifft die rekonstruktive Mikrochirurgie der Nerven und Gefäße, die plastische und rekonstruktive Mammachirurgie, die Verbrennungs chirurgie, die Handchirurgie, die funktionelle Wiederherstellungschirurgie der Gesichtsmimik und an den Extremi täten ebenso wie die Ästhetische Chirurgie. So haben plastische und ästhetische Chirurgen bereits in den 1980er Jahren die Gewebezüchtung in Form von Keratinozytentransplantaten noch vor anderen Fachgebieten in die klinische Versorgung eingeführt und die In-situGewebepräformation und Prälamination entwickelt. Die aktuelle Forschung verheißt den zukünftigen Einsatz von regenerativen Therapieverfahren. Der hohe Individualisierungsgrad unserer PatientenÂ�behandlung und die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten erschwert es oft gerade den Anfängern in dem weiten Spektrum der Behandlungs optionen den roten Faden zu erkennen. Dies erfordert daher in der Lehre und Weiterbildung eine Darstellung allge meingültiger Prinzipien, auf denen methodische Weiterentwicklungen aufgebaut oder aufgrund derer Anpassungen an den individuellen Behandlungsfall abgeleitet werden können. Der Gedanke, eine Monographie der Plastischen Chirurgie zu verfassen, entstammte dem Anspruch, die kon zeptionellen Grundlagen der Plastischen Chirurgie für den Abschnitt der Weiterbildung aufzubereiten. Die Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen und Verletzungen bietet einer Universitätspoliklinik dabei die notwendige Vielfalt, um systematisch die Behandlungsoptionen für die studentische Aus- und die ärztlich-klinische Weiterbildung auf zuarbeiten. Dieses Buch ist mit dem klaren Ziel der Darstellung essenzieller Handlungsempfehlungen entstanden und trägt daher den Titel Praxis der Plastischen Chirurgie. Es erhebt, allein aufgrund des beschränkten Umfangs und angesichts der unzähligen Veröffentlichungen in der Plastischen Chirurgie, daher auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr soll das dargestellte Spektrum einen Einblick in das Wesentliche und Machbare, die am häufigsten ange wandten Verfahren des Fachgebiets geben und dies auf der Grundlage einer sorgfältigen PatienÂ�tenselektion und eines zeitgemäßen Risikomanagements von der Patientenvorbereitung bis hin zur Thromboseprophylaxe. Das didaktische Grundkonzept des Buches orientiert sich an der »Chirurgischen Praxis« meines verehrten chi rurgischen Lehrers Rudolph Pichlmayr. Am Anfang stand für das Buch eine Ideensammlung meiner ärztlichen Mitarbeiter. Dabei wurde insbesondere dem Bedürfnis der Weiterzubildenden nach einem praxistauglichen Inhalt für Diagnostik, operative und konservative Therapieplanung sowie der speziellen Nachbehandlung Rechnung getra gen. Es sollte ein Buch aus der Praxis für die Praxis werden. Kompromisse mussten dabei in vielerlei Hinsicht gefunden werden. So haben wir uns auf die im täglichen kli nischen Alltag bewährten und sicheren Verfahren unserer Klink beschränkt. Zunehmend sieht sich der Plastische Chirurg Â� konfrontiert mit der Position eines Managers seiner Patienten, in der er spezielle Fälle mit Nachbardisziplinen diskutieren und auch interdisziplinär behandeln muss. So entstanden Kapitel zur interdisziplinären onkologischen Therapie des Mammakarzinoms ebenso wie zur Chirurgie der Gesichtsfehlbildungen und Spalten. Zwar werden Letztere heute primär von unseren Kollegen in der Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie behandelt, aber in unseren Sprechstunden werden PaÂ�tienten nicht selten zu Sekundär- und Tertiärkorrekturen vorstellig. Auch die Entwicklung der Handchirurgie schreitet fort und erforderte eine aktuelle Bestandsaufnahme der bildgebenden Diagnostik und operativen Therapie. Die Verbrennungsmedizin, die nur in wenigen Kliniken vor gehalten wird und sich in ihrem hohen Spezialisierungsgrad deutlich von anderen intensivmedizinischen Diszipli nen€unterscheidet, konnte im Gegensatz zu großen Monographien hier nur in den Grundzügen behandelt werden. Die Einhaltung grundlegender Standards bedeutet aber für die betroffenen Patienten einen erheblichen Behand lungsvorteil, insbesondere, wenn die notwendige Verlegung in ein spezialisiertes Zentrum rechtzeitig sicherge stellt€wird. Ich danke meinen Mitarbeitern der Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie und den Kol legen Dr. Herbert Rosenthal (Radiologie), Prof. Dr.€Dr. Nils Claudius Gellrich und Dr.€Dr. Harald Essig (Mund- Kie fer- und Gesichtschirurgie) sehr herzlich für ihre engagierte Arbeit als Autoren. Mein besonderer Dank gilt Herrn
VI
Vorwort
Dr.€med. Andreas Gohritz, der mich bei der Arbeit an diesem Buch mit großem Engagement und vielen guten Ideen unterstützt hat. Mein Dank geht auch an die Kolleginnen Frau Hoffmann und Frau Hirsch, die einen Großteil der Illustrationen angefertigt haben, ebenso an die Illustratorin, Frau Schobel, München. Dank geht auch an die Mitarbeiterinnen und MitÂ�arbeiter des Springer-Verlags, die die Gestaltung des Buches in dieser Form erst ermöglicht haben: Frau Ute Meyer-Krauß, Herr Peter Bergmann und vor allem Frau Michaela Mallwitz, die als externe Lektorin stets den Überblick über das große Manuskriptaufkommen beÂ�halten hat. Möge die Praxis der Plastischen Chirurgie mit Darstellung praxistauglicher Verfahren der plastisch-rekonstrukti ven und Handchirurgie, der Verbrennungs- und Ästhetischen Chirurgie den Lesern eine Hilfe für tägliche Arbeit und insbesondere allen Weiterbildungsassistenten eine Basis für die eigene fachliche Entwicklung sein. Peter M. Vogt
Hannover, im September 2011
VII
Inhaltsverzeichnis I╇ Wundheilung und Wundbehandlung 1
Biologische Grundlagen der Wundheilung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“
3
1.1 1.1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5
M. Aust, K. Reimers, H. Sorg Physiologische Mechanismen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Stadien der Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursachen gestörter Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periphere arterielle Verschlusskrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diabetische Ulzera . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Chronisch venöse Insuffizienz . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Druckgeschwüre . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Strahleninduzierte Hautschäden . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . .
4 4 8 8 9 10 10 10
2
Grundlagen der Wundbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
2.1 2.1.1 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5
M. Aust Wundauflagen und Externa . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Interaktive Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autologer und biologischer Hautersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vakuumtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Narben . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Differenzialdiagnose . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Antibiotika . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“
14 14 16 16 16 16 17 17
3
Patientenvorbereitung und -nachbehandlung, inkl. interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.10.1 3.10.2 3.10.3 3.10.4 3.10.5 3.10.6 3.10.7
M. Aust, B. Weyand, C. Radtke, A. Jokuszies Routineuntersuchungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Präoperative Routineschemata bei Elektiveingriffen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Medikamentöse Vorbehandlung mit Antikoagulanzien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Venöse Thromboembolieprophylaxe (VTE-Prophylaxe) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . VTE-Prophylaxe nach Körperregionen und Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dauer der VTE-Prophylaxe . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Verbrennungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Plastisch-ästhetische Eingriffe . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Patientenaufklärung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Nahrungskarenz . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Darmentleerung und Harnableitung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Rasieren . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Lagerung, Desinfektion und Abdecken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Hämodilution und Eigenblutspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzept . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Präoperative Information des Patienten . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Schmerzprophylaxe . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Postoperative Regionalanästhesie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Unterstützende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perioperative SchmerztherapieÂ�empfehlungen für Erwachsene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20 20 20 21 23 23 24 24 25 25 25 25 25 25 26 26 26 26 26 26 28 28
VIII
Inhaltsverzeichnis
II╇ Schnitt- und Nahttechniken; Implantate und Transplantate 4 4.1 4.1.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5
Laserchirurgie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . A. Steiert Grundlagen der Laserablation – Laserphysik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Laserlicht und seine Gewebeinteraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laseranwendung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Resurfacing mit ablativen Lasersystemen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Resurfacing mit nicht ablativen LaserÂ�systemen (»intense pulse light«; IPL) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Laserbehandlung vaskulärer Läsionen/IPL . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Laserbehandlung pigmentierter Läsionen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Haarentfernung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . .
34 34 35 35 35 36 37 37
5
Inzisionstechniken und Vermeidung ungünstiger Narbenbildung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . .
39
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3
M. Meyer-Marcotty, A. Gohritz, P.M. Vogt Grundlagen der Gewebebehandlung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugang . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Atraumatische Gewebebehandlung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Schnittführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Strategien zur Modulation der kutanen Heilung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Einfluss der Körperregion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Ausrichtung der Narben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Narbenrevision . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . .
40 40 40 40 40 41 42 42 42
6
Nahtmaterialien und Nahttechniken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . M. Meyer-Marcotty, P.M. Vogt Nahtmaterialien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Wechselbeziehung von Nahtmaterial und Narbenqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nahttypen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Haut und Unterhaut . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Knotentechniken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Chirurgische Aspekte der Nahttechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schichtweiser Wundverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritische Elemente der Nahttechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusätzliche Maßnahmen zum Wundverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faszien und Sehnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikrochirurgie von Gefäßen und Nerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instrumente . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Nahttechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Fadenstärke . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“
6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5 6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3
7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.2 7.2.1 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3
8 8.1 8.1.1 8.1.2
Blutstillung, Drainage und Blutegeltherapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . K. Knobloch Blutstillung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Physikalische bzw. mechanische Substanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biologische Substanzen zur Aggregationsförderung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Physiologische Substanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drainage . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Sogstärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutegeltherapie – Anwendung von Hirudo medicinalis in der Plastischen Chirurgie . . . . . . . . . . . Hirudo medicinalis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Anwendungsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen der Blutegeltherapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Verbandstechniken, Schienenbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Meyer-Marcotty Handchirurgie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Intrinsic-plus-Stellung der Finger . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Funktionsstellung des Handgelenks . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . .
33
45 46 46 47 48 48 49 49 49 51 51 51 51 52 52 53 54 54 54 54 55 55 56 56 56 57 59 60 60 60
Inhaltsverzeichnis
IX
8.1.3 8.1.4 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.3
Ruhigstellung nach Sehnenverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schienen bei Bewegungseinschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lappen- und Brustchirurgie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Verbände nach Lappenplastiken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Taping nach Mammareduktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Stütz-BH mit Stuttgarter Gürtel nach Mammaaugmentation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Verband nach Hautverpflanzungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . .
60 60 61 61 61 61 61
9
Gewebeexpansion (Expander), alloplastische Materialien und Implantate . . . . . . . . . . . .å°“
63
9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.2
M. Meyer-Marcotty Expander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Expanderimplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befüllung des Expanders . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Materialien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Reichweite . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Alloplastische Materialien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . .
64 64 64 65 65 65
10
Lokalanästhesie, periphere Leitungsanästhesie, Tumeszenzanästhesie . . . . . . . . . . . .å°“ . .
67
10.1 10.2 10.3 10.4
M. Meyer-Marcotty Lokalanästhetika . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Nervenblockaden im Gesicht . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Lokalanästhesie an den Extremitäten . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Tumeszenzanästhesie bei Aspirationslipektomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . .
68 68 69 70
III╇ Techniken der Defektdeckung 11
Transplantate . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . .
77
11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.1.4 11.1.5 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.2.5 11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4 11.3.5 11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4 11.5 11.6 11.7 11.8 11.8.1 11.8.2 11.8.3 11.8.4
B. Weyand Hauttransplantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation und Anwendungsgebiete . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Postoperative Behandlung und Nachsorge . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knorpeltransplantate . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Indikation und Anwendungsgebiete . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochentransplantate . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fett- und Dermistransplantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation und Anwendungsgebiete . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nerventransplantate . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Sehnentransplantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskeltransplantate . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . »Composite Grafts« . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Indikation und Anwendungsgebiete . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78 78 78 79 79 79 79 79 81 81 81 81 81 81 81 82 83 83 83 83 83 84 84 84 84 84 85 85 85 85 85
˘
Inhaltsverzeichnis
12
Lappenplastiken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . .
87
12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7 12.8
B. Weyand Anatomie und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewebezusammensetzung des Lappens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entfernung des Lappens zum Defekt . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Methode der Gewebeübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung nach der Art der Blutversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Techniken der Lappenpräparation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Lappenpräformation: Prälamination und Präfabrikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Lappenkonditionierung oder »Delay« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88 88 88 88 91 93 94 94
13
Lappenplastiken am Skalp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 B. Weyand Anatomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . 98 Rekonstruktionstechniken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 99 Indikation und Anwendungsgebiete . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . 99 Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . 99 Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
13.1 13.2 13.2.1 13.2.2 13.2.3 13.2.4 13.3
14
Rekonstruktion von Defekten der Stirn und der Schädelbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.€Gohritz, P.M. Vogt Stirn . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präoperative Planung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Technik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Rekonstruktion knöcherner Defekte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Schädelbasis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Technik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . .
103
Grundtechniken der NahÂ�lappenÂ�plastiken zur Rekonstruktion im Gesicht . . . . . . . . . . . .å°“ . A. Gohritz, P.M. Vogt Z-Plastik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . W-Plastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VY-/YV-Vorschiebelappen (»advancement«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insellappen (»island flap«) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Rotationslappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweizipflige oder dreizipflige Lappen (»bilobed«/«trilobed flap«) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Verschluss von rechteckigen Defekten . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Limberg-Lappen (Rhomboid- oder Rautenlappen) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Dufourmentel-Lappen (»Dufourmentel-flap«, LLL-Lappen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brückenlappen (»bipedicled«/»tubed flap«, Visier-, Rundstiellappen) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . .
113
15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 15.7 15.8 15.9 15.10 15.11
16
Rekonstruktion der Wange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
16.1 16.1.1 16.2 16.2.1 16.2.2 16.2.3 16.3 16.4
M. Busche, A. Gohritz Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ästhetische Untereinheiten der Wange . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Rekonstruktionstechniken abhängig von der ästhetischen Untereinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Supraorbitale Defekte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Präaurikuläre Defekte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Bukkomandibuläre Defekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgleich von Konturdefekten . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . .
14.1 14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.1.4 14.1.5 14.1.6 14.1.7 14.1.8 14.2 14.2.1 14.2.2
15
104 104 104 104 104 104 105 107 109 110 111 111
114 114 114 116 116 116 118 118 119 119 120
124 124 124 124 125 126 126 126
Inhaltsverzeichnis
XI
17
Rekonstruktion der Nase . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . 127
17.1 17.2 17.2.1 17.2.2 17.3 17.3.1 17.3.2 17.3.3 17.3.4 17.3.5 17.3.6 17.3.7
A.€Gohritz Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Klassifikation von Nasendefekten . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Prinzip der ästhetischen Untereinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rekonstruktion der Nase . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Ziele der Nasenrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiederherstellung des Hautmantels der Nase . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Rekonstruktion des Stützgerüsts . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Rekonstruktion des lateralen Nasengerüsts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innere Auskleidung der Nase (»nasal lining«) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Komplexe Rekonstruktionen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Epithetische Versorgung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . .
18
Rekonstruktion der Ohren . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ 133
18.1 18.2 18.2.1 18.2.2 18.2.3 18.3 18.4 18.5
R. Ipaktchi, A.€Gohritz Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Verletzungen des Ohres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otohämatom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Verbrennungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Riss-, Quetsch- und Bisswunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation zur Rekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Defektdeckung des Ohres in Abhängigkeit von Defektlokalisation und -größe . . . . . . . . . . . . . . . Ohrverlust . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ .
19
Rekonstruktion der Augenlider . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . 139
19.1 19.2 19.3 19.3.1 19.3.2 19.4 19.5 19.6 19.6.1
A. Gohritz Therapieziele . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Defekte des Augenlids . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Defekte des Oberlids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Defekte des Unterlids . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Ektropium (Eversion des Lidrandes) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Entropium (Einstülpen des Lidrandes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ptosis des Augenlids (Blepharoptosis = Herabhängen des Lides) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Rekonstruktion von Augenlid und Kanthus . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . .
20
Rekonstruktion der Lippen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 149
20.1 20.2 20.3 20.3.1 20.3.2
A.€Gohritz Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion der Lippen . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . Therapeutisches Vorgehen bei Lippendefekten . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 Unterlippenrekonstruktion . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . Rekonstruktion der Oberlippe . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 .
21
Prinzipien der Lappendeckung im Kopf-Hals-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
21.1 21.1.1 21.2 21.3 21.3.1
M.A. Altintas, A. Gohritz Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphknotengruppen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Neck Dissection . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Rekonstruktive Ziele . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Rekonstruktive Ziele in Abhängigkeit von der anatomischen Region . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ .
22
Rekonstruktion der Thoraxwand . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 163
22.1 22.1.1 22.1.2 22.1.3 22.1.4 22.1.5
Brustwanddefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ennker, P.M.€Vogt Indikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Präoperative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung und Aufklärung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Ziele der Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Therapie und Planung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . .
128 128 128 128 128 128 129 129 132 132 132 132
134 134 134 134 134 134 135 137
140 140 140 140 141 145 147 147 147
150 150 150 150 153
156 156 157 157 157
164 164 164 164 164 165
XII
Inhaltsverzeichnis
22.1.6 22.1.7 22.1.8 22.2 22.2.1 22.2.2 22.2.3 22.2.4 22.2.5
Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Perioperative Maßnahmen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Defekte am Rücken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . A.€Gohritz Indikationsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Intraoperatives Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Nachbehandlung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . .
23
Bauchwanddefekte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . 177
23.1 23.1.1 23.1.2 23.1.3 23.1.4 23.1.5 23.1.6 23.1.7 23.1.8
I. Ennker Rekonstruktionen mit Lappenplastiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Vorbereitung und Aufklärung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Ziele der Rekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Operationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Perioperative Maßnahmen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
Lappenplastik Leiste und Becken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P.M.€Vogt, L.-U. Lahoda Therapieziele . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . Indikationsstellung . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . Operationsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . .
183
Rekonstruktion im Urogenitalbereich . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . P.M. Vogt, H. Sorg Genitale Embryologie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Korrektur angeborener Fehlbildungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Epispadien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Intersexualität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Mikropenis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Hypospadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Posttraumatische Zustände . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Genitalrekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Genitalreplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Penisrekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Vaginalrekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Plastische Chirurgie bei Störungen der Geschlechtsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transfrauen (Mann-zu-Frau-Transsexuelle) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Transmänner (Frau-zu-Mann-Transsexuelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ästhetische Chirurgie des Genitales . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Ästhetische Chirurgie des weiblichen Genitales . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Ästhetische Chirurgie des männlichen Genitales . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ .
197
Rekonstruktion an der oberen Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.D. Niederbichler, P.M. Vogt Patientenevaluation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Anamnese und Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulterregion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Oberarm . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Ellbogenregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209
24.1 24.2 24.3 24.4 24.5 24.6
25 25.1 25.2 25.2.1 25.2.2 25.2.3 25.2.4 25.3 25.3.1 25.3.2 25.3.3 25.3.4 25.4 25.4.1 25.4.2 25.5 25.5.1 25.5.2
26 26.1 26.2 26.3 26.4 26.5 26.6 26.7
166 170 170 171 171 171 175 175 176
178 178 178 178 178 178 180 181 181
184 184 184 186 194 194
198 198 198 199 201 201 202 202 203 204 204 205 205 205 206 206 206
210 210 210 214 214 214 218
Inhaltsverzeichnis
XIII
27
Rekonstruktion an der unteren Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
27.1 27.2 27.2.1 27.2.2 27.2.3 27.3 27.4 27.4.1 27.4.2 27.5 27.6 27.7 27.8 27.9
A.€Jokuszies, P.M.€Vogt Therapieziele . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Indikationsstellung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Traumatische Defekte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Onkologische Defekte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Indikation zur Amputation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Operationsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Onkologische Defekte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Traumatische Defekte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Weichteildefektdeckung der Oberschenkel- und Leistenregion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Weichteildefektdeckung der Knie- und Unterschenkelregion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Weichteildefektdeckung am Fuß . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Postoperative Behandlung und Nachsorge . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . .
28
Plastische Chirurgie nach OrganÂ�transplantation – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . 235
28.1 28.2 28.2.1 28.2.2 28.2.3 28.2.4 28.2.5
K. Knobloch, H.-O. Rennekampff, P.M.€Vogt Plastisch-chirurgische Eingriffe nach Organtransplantation . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) in der plastischen Chirurgie . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . Indikationen/Patientenauswahl . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 Operationsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . Psychosoziale Implikationen . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . Perspektiven . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓
224 224 224 224 225 225 225 225 225 226 227 229 232 232
236 236 236 237 238 240 241
IV╇ Amputationen 29
Amputationen an der oberen Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . K. Knobloch 29.1 Operationsziele . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . 29.2 Standardisierte Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3 Fingerendgliedamputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.4 Langfingeramputationen proximal des distalen Interphalangealgelenks (DIP) . . . . . . . . . . . . . . . 29.5 Mittelhandstrahlamputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.6 Handgelenkexartikulation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 29.7 Krukenberg-Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.8 Typische Folgeeingriffe bzw. Komplikationen nach Amputationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.9 Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.9.1 Kortikale Reorganisation nach Amputationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 29.10 Minderung der Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . 29.11 Prothetische Versorgung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 29.11.1 Kurzer Abriss über die Geschichte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . 29.11.2 Prothesenklassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . 29.11.3 Handgelenkexartikulation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 29.11.4 Unterarmprothesen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 29.11.5 Oberarmamputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.12 Psychologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245 246 246 246 247 247 248 248 248 249 249 249 249 249 249 250 250 250 251
30
Amputationen der unteren Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 253
30.1 30.2 30.2.1 30.2.2 30.2.3 30.3
A. Jokuszies Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anamnese und klinischer Befund . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Körperliche Untersuchung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Apparative und interventionelle Diagnostik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Therapieziele . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . .
255 255 255 255 255 255
XIV
Inhaltsverzeichnis
30.4 Stand der operativen und konservativen Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . 30.5 Unterschenkel und Fuß . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . 30.5.1 Klassische Operationstechnik (Unterschenkelamputation) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 30.5.2 Umdrehplastik nach Borggreve-van Nes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.5.3 Umkehrplastik nach Sauerbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.5.4 Amputation des Fußes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.5.5 Amputation und Exartikulation der Zehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . 30.5.6 Transmetatarsale Amputation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . 30.5.7 Teilamputation des Vorfußes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.5.8 Vollständige transmetatarsale Amputation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . 30.5.9 Amputation zwischen Lisfranc- und Chopart-Gelenklinie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . 30.5.10 Amputation und Exartikulation im Rückfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.6 Oberschenkel und Hüfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.6.1 Amputation im Hüftbereich . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 30.7 Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . 30.7.1 Wundheilungsstörungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . 30.7.2 Spätkomplikationen durch äußere Einflüsse . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . 30.8 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . 30.8.1 Verbandstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . 30.8.2 Lagerung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 30.8.3 Drainage . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 30.8.4 Hautnähte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . 30.8.5 Antikoagulation, Antinbiotikaprophylaxe . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . 30.8.6 Krankengymnastik, Ergotherapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 30.9 Prothetische Versorgung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 30.9.1 Fuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.9.2 Unterschenkel . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 30.9.3 Knie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . 30.9.4 Oberschenkel . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 30.9.5 Hüfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.10 Management von Spätkomplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . 30.10.1 Plastische Rekonstruktion/Stumpfkorrektur . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . 30.10.2 Weichteildefekte bei UnterschenkelÂ�amputationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ 30.10.3 Operative Verfahren bei chronischer Osteomyelitis des Tibiastumpfes . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ 30.10.4 Operative Verfahren bei chronischer Osteomyelitis des Femurstumpfes . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 30.10.5 Komplikationen nach Amputationen im Wachstumsalter . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . .
256 257 257 258 259 259 260 260 260 260 260 262 262 262 262 262 263 263 263 263 264 264 264 264 264 264 264 264 264 264 264 265 265 265 265 265
V╇ Hauttumoren 31
Gutartige Tumoren der Haut, inklusive Nävi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
31.1 31.1.1 31.2 31.2.1 31.2.2 31.2.3 31.3
L.-U. Lahoda, P.M. Vogt Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Biopsietechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung/Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Epidermale Hauterkrankungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Kongenitale Nävi . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Sonstige Hautveränderungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Tumoren der Hautanhangsgebilde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L.-U. Lahoda Melanom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnosen und Klassifikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Chirurgisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere bösartige Hauterkrankungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Basalzellkarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plattenepithelkarzinom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . .
32.1 32.1.1 32.1.2 32.1.3 32.2 32.2.1 32.2.2 32.2.3
272 272 272 274 274 275 276 279 280 280 281 283 283 283 284 285
Inhaltsverzeichnis
XV
32.3 32.3.1 32.3.2 32.3.3 32.3.4 32.3.5 32.4 32.4.1 32.4.2
Präkanzerosen und Vorstufen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Aktinische Keratose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Morbus Bowen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Queyrat-Erythroplasie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Leukoplakie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Keratoakanthom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Maligne Tumoren als Folge von natürlichen und künstlichen Strahlen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Strahlendermatitis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Xeroderma pigmentosum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
Strahlenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
33.1 33.2 33.2.1 33.2.2 33.2.3 33.3 33.3.1
L.-U. Lahoda, P.M. Vogt Ätiologie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Klinik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Akute Strahlenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subakute Strahlenfolgen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Chronische Strahlenfolgen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Chirurgische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286 286 286 286 286 287 287 287 287
290 290 290 290 290 291 291
VI╇ Weichteiltumoren 34
Benigne Weichteiltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
34.1 34.2 34.3 34.4
B. Weyand Übersicht und Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
Gefäßanomalien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 299
35.1 35.1.1 35.1.2 35.2 35.3 35.4 35.5
B. Weyand Übersicht und Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Gefäßfehlbildungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Gefäßtumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlungsstrategien und Operationstechniken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . .
36
Maligne Weichgewebstumoren des Stammes und der Extremitäten . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . P.M. Vogt 36.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 36.2 Diagnostik und Indikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 36.3 Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 36.3.1 Kurative Resektion und Rekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 36.3.2 Plastisch-rekonstruktive Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.3.3 Palliative Chirurgie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . 36.3.4 Besonderheiten im Kindesalter . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ 36.3.5 Indikation zur Amputation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 36.3.6 Onkologiegerechte Resektion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . 36.3.7 Resektionstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.3.8 Palliative Tumorentfernung, Amputation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . 36.3.9 Chirurgie der Lymphknoten . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 36.3.10 Rekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . 36.3.11 Lokoregionäre Lappenplastiken und Hauttransplantate . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . 36.3.12 Primäre funktionelle Wiederherstellungseingriffe an den Extremitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.3.13 Spezielle Verfahren zur StumpfÂ�verlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.3.14 Aktuelle Amputationsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.4 Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
296 296 296 297
300 300 300 301 301 302 302 303 304 305 306 306 306 306 307 307 307 307 309 309 310 310 312 312 313 313
XVI
Inhaltsverzeichnis
36.4.1 36.4.2 36.4.3 36.4.4 36.5 36.6
Spezielle postoperative Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachsorge . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Physiotherapie, Prothesenversorgung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Funktionelle und ästhetische Spätfolgen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Lokalrezidiv nach Multimodaltherapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Adjuvante Therapien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . .
313 314 314 314 315 315
VII╇ Funktionelle Wieder�herstellung peripherer Nervenfunktionen 37 37.1 37.1.1 37.1.2 37.2 37.2.1 37.2.2 37.2.3 37.2.4
38 38.1 38.1.1 38.1.2 38.2 38.2.1 38.2.2 38.2.3 38.2.4 38.2.5 38.2.6 38.3 38.4 38.5 38.5.1 38.5.2 38.5.3 38.5.4 38.5.5 38.5.6 38.5.7
39 39.1 39.2 39.3 39.4 39.4.1 39.4.2 39.5 39.5.1 39.5.2 39.5.3
Physiologische Grundlagen der Nervenregeneration . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . C. Radtke Aufbau des Nervs . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Morphologie der Schwann-Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axonaler Transport . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Nervenverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Einteilung von peripheren Nervenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nervenregeneration . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Fortschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
321
Techniken der Nervenrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gohritz Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Neurophysiologische Untersuchungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Nervennaht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nerventransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nerventransposition . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Nachbehandlung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Neurome . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Nachsorge . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Zeitpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alter der Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausmaß und Niveau der NervenÂ�schädigung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Defektgröße und Spannung der Nervennaht . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Mechanismus der Nervenverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumentation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Prognose nach Rekonstruktion spezifiÂ�scher Nerven der oberen Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . .
327
Schädigung des N.€facialis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ A. Gohritz Therapieziele . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lokalisierung der Läsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Indikationsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konservative Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Operative Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
333
322 323 323 323 323 324 324 325
328 328 328 328 328 329 329 330 330 330 330 330 331 331 331 331 331 331 331 331
334 334 334 334 335 335 335 335 335 335
Inhaltsverzeichnis
XVII
40
Schädigung des Plexus brachialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
40.1 40.2 40.2.1 40.2.2 40.2.3 40.2.4 40.2.5 40.2.6 40.2.7 40.3 40.3.1 40.3.2 40.3.3 40.3.4
M.€Spies Übersicht und Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Geburtstraumatische Plexus-brachialis-Paresen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Geschichte . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Risikofaktoren . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Behandlungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Behandlungsergebnisse und Prognose . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Läsionen des Plexus brachialis im Erwachsenenalter: traumatische Plexus-brachialis-Läsionen . . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Behandlungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . .
41
Schädigung peripherer Nerven der oberen Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 353
41.1 41.2 41.3 41.4 41.5 41.6 41.7 41.8 41.9 41.10 41.11 41.12
A.€Gohritz N.€accessorius (XI.€Hirnnerv) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . N.€dorsalis scapulae (C3–6) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . N.€suprascapularis (C4–C6) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . N.€subscapularis (C5–C6) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . N.€thoracicus longus (C5–C7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N.€thoracodorsalis (C6–C8) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Nn.€pectorales (C5–Th1) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . N.€musculocutaneus (C5–C6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N.€axillaris (C5–C6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N.€radialis (C5–Th1) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . N.€medianus (C5–Th1) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . N.€ulnaris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Schädigung peripherer Nerven der unteren Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 361
42.1 42.2 42.3 42.4 42.5 42.6
A.€Gohritz N.€ischiadicus (L4–S3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N.€femoralis (L1–L4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N.€obturatorius (L3–L4) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Nn.€glutaei (L4–S2) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . N.€peronaeus (L4–S2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N.€tibialis (L4–S3) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . .
43
Motorische und nervale ErsatzÂ�operationen bei Lähmungen an Unterarm und Hand . . . . . 367
43.1 43.1.1 43.1.2 43.1.3 43.1.4 43.1.5 43.1.6 43.1.7 43.1.8 43.1.9 43.2 43.2.1 43.2.2 43.3
A. Gohritz, P.M. Vogt Grundlagen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Therapieprinzip . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Voraussetzungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Wahl des Motors . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Zeitplanung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Alternativen/Zusatzeingriffe . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Team-Konzept . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Prinzipien der Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Therapie bei Lähmung peripherer Nerven an Unterarm und Hand . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Nerventranspositionen bei Lähmungen an Unterarm und Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kombinierte Nervenläsionen der oberen Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Ergebnisse und Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . .
342 342 342 342 342 343 344 345 349 349 349 349 350 351
354 354 354 355 355 355 355 355 356 356 357 358
362 362 363 363 363 365
368 368 368 368 369 369 370 370 370 370 370 370 376 376
XVIII
Inhaltsverzeichnis
44
Muskuläre und nervale Ersatzoperationen bei Lähmung der Schulterund Ellbogenfunktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 379
44.1 44.1.1 44.1.2 44.1.3 44.2 44.2.1 44.2.2 44.2.3 44.2.4
A. Gohritz, P.M. Vogt Grundlagen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Evaluation des Patienten . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Wahl des Zeitpunkts . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Chirurgische Planung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Nervale Rekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Muskuläre Ersatzoperationen an der Schulter . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Wiederherstellung der Ellbogenbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rekonstruktion der Ellbogenstreckung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . .
45
Funktionsverbesserung der oberen Extremität von Tetraplegikern . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gohritz Grundlagen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Operationsindikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Zeitpunkt der Operation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Teamkonzept . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Operationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiederherstellung der Ellbogenstreckung (Trizepsfunktion) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Wiederherstellung der Greiffunktion nach Gruppen der Internationalen Klassifikation (IC) . . . . . . . . . . . Kombination von Beuger- und Streckerphase . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Zusatzoperationen bei Spastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse und Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . .
393
Motorische Ersatzoperationen an der unteren Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P.M.€Vogt Operationsindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ischiadikusparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Femoralisparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peronäusparese . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Quadrizepsersatz . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Funktionswiederherstellung der Fußhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Kontrollen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . .
403
Denervation bei Schmerzsyndromen an der oberen und unteren Extremität . . . . . . . . . . A. Gohritz Indikationsstellung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Präoperative Vorbereitung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Untersuchung und Testblockade . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Gemeinsame Prinzipien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Denervation an der oberen Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Denervation an der unteren Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Postoperative Nachbehandlung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . .
411
Kompressionssyndrome der oberen Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . C. Herold Grundlagen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Pathophysiologie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Kompression des N.€radialis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Proximales Radialiskompressionssyndrom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Supinatorsyndrom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Wartenberg-Syndrom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Kompression des N.€medianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pronatorsyndrom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . N.-interosseus-anterior-Syndrom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . .
419
45.1 45.1.1 45.1.2 45.1.3 45.2 45.2.1 45.2.2 45.2.3 45.2.4 45.3 45.3.1
46 46.1 46.1.1 46.1.2 46.1.3 46.1.4 46.1.5 46.2 46.3
47 47.1 47.2 47.2.1 47.3 47.3.1 47.3.2 47.3.3 47.4 47.5
48 48.1 48.1.1 48.1.2 48.2 48.2.1 48.2.2 48.2.3 48.3 48.3.1 48.3.2
380 380 380 381 381 381 383 385 390
394 394 394 394 394 394 397 400 400 400 400
404 404 404 404 405 406 409 409
412 412 412 412 412 413 415 416 416
420 420 420 420 420 420 421 422 422 422
Inhaltsverzeichnis
48.3.3 48.4 48.4.1 48.4.2
XIX
Karpaltunnelsyndrom (KTS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompression des N.€ulnaris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sulcus-N.-ulnaris-Syndrom (SNUS) . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . Loge-de-Guyon-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
424 425 425 427
Nervenkompressionssyndrome der unteren Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . R.€Krämer, A. Gohritz 49.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ 49.1.1 Ätiologie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 49.1.2 Pathologie der Nervenkompression . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . 49.1.3 Diabetes mellitus und NervenÂ�kompression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49.1.4 Betroffene Nerven . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . 49.2 Einzelne Kompressionssyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49.2.1 N.€cutaneus femoris lateralis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 49.2.2 N.€iliohypogastricus, N.€ilioinguinalis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . 49.2.3 N.€genitofemoralis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . 49.2.4 N.€pudendus . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ 49.2.5 N.€femoralis, N.€obturatorius . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 49.2.6 N.€ischiadicus (Piriformissyndrom) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . 49.2.7 N.€saphenus, R.€infrapatellaris . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . 49.2.8 N.€tibialis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 49.2.9 N.€peronaeus communis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49.2.10 N.€peronaeus profundus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49.2.11 Morton-Metatarsalgie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . 49.2.12 N.€suralis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . .
429
49
430 430 430 430 430 430 430 431 431 431 432 432 433 433 434 434 435 436
VIII╇ Handchirurgie 50
Anatomie, klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
50.1 50.1.1 50.1.2 50.1.3 50.1.4 50.1.5 50.1.6 50.1.7 50.2 50.2.1 50.2.2 50.2.3 50.2.4 50.2.5 50.2.6
C. Hadamitzky, T. Peters Anatomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haut . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Bindegewebe . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Knöcherne Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskuläre Anatomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Gefäßversorgung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Nerven . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Klinische Untersuchung der Hand . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Anamnese . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Untersuchungsablauf . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Sensibilitätsprüfung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Prüfung der Durchblutung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Prüfung einzelner Handmuskeln . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Spezifische Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
Bildgebende Untersuchung der Hand . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 457
51.1 51.2 51.2.1 51.2.2 51.3 51.4 51.5 51.6 51.7 51.8
H. Rosenthal, A. Gohritz Verfahrenswahl . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Röntgen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Röntgenologische Knochenmorphologie an Handgelenk, Handwurzel, Mittelhand und Fingern . . . . . . . Sonographie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Computertomographie (CT) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Magnetresonanztomographie (MRT) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Kinematographie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Szintigraphie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Arthrographie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Angiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
444 444 444 444 444 445 448 448 450 450 450 452 452 452 453
458 458 458 460 461 462 462 463 463 463
XX
Inhaltsverzeichnis
52
Arthroskopie des Handgelenks . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . J. Redeker Bildgebende Diagnostik des Handgelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Techniken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Technische Vorraussetzungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Operative Zugangswege (Portale) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostische Arthroskopie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Untersuchungsgang radiokarpal . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Untersuchungsgang ulnokarpal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungsgang mediokarpal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologische Befunde . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Läsionen des Discus ulnocarpalis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . SL-Bandverletzungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Knorpelläsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutische Arthroskopie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Partielle Resektion des Discus ulnocarpalis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Diskusnaht . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Synovialektomie/Ganglionresektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Wafer Resection« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abrasionsarthroplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arthroskopisch unterstützte Versorgung intraartikulärer Radiusfrakturen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Kontraindikationen und Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . .
467
Knochen- und Gelenkverletzungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . S. Schinner, H. Rosenthal Frakturen der Finger . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Endgliedfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittel- und Grundgliedfrakturen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Luxationen der Finger und des Daumens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luxationen der Fingerend-, Mittel- und Grundgelenke, Luxationen des Daumenendgelenks . . . . . . . . . . Luxation des Daumengrundgelenks (Skidaumen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luxation des Daumensattelgelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturen des Daumens . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Bennett-Fraktur . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Rolando-Fraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winterstein-Fraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metakarpale Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Köpfchenfrakturen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Subkapitale Frakturen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Karpale Fraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skaphoidfrakturen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . .
477
Weichteilrekonstruktion im Bereich der Finger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Meyer-Marcotty Neurovaskuläre Lappen zur Rekonstruktion von Fingerendglieddefekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätze der Finger- und Daumenkuppenrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl des Rekonstruktionsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methoden . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Lokale Lappenplastiken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Fernlappenplastiken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Freier mikrochirurgischer Gewebetransfer . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . .
495
54.1 54.2 54.3 54.4 54.4.1 54.4.2 54.4.3 54.5
55
Sehnenverletzungen der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507
55.1 55.1.1 55.1.2 55.1.3 55.1.4 55.1.5 55.1.6
C. Choi Strecksehnen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Zonen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Art der Verletzung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachbehandlung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . .
52.1 52.2 52.2.1 52.2.2 52.3 52.3.1 52.3.2 52.3.3 52.4 52.4.1 52.4.2 52.4.3 52.5 52.5.1 52.5.2 52.5.3 52.5.4 52.5.5 52.5.6 52.6
53 53.1 53.1.1 53.1.2 53.2 53.2.1 53.2.2 53.2.3 53.3 53.3.1 53.3.2 53.3.3 53.4 53.5 53.6 53.7 53.7.1
54
468 469 469 469 470 470 471 471 472 472 472 474 474 474 474 474 475 475 475 475
478 478 479 482 482 483 484 486 486 486 487 487 489 489 491 491
496 496 496 496 497 500 503 503
508 508 508 508 508 509 511
Inhaltsverzeichnis
XXI
55.2 55.2.1 55.2.2 55.2.3 55.2.4 55.2.5 55.2.6
Beugesehnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Art der Verletzung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachbehandlung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . .
56
Komplexverletzungen, Revaskularisation und Replantation der Hand . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 517
56.1 56.2 56.3 56.3.1 56.3.2 56.4 56.4.1 56.4.2 56.4.3 56.4.4 56.4.5 56.4.6 56.4.7 56.5
K.H. Busch, A. Gohritz Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Evaluation der Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Therapieplanung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Chirurgisches Prozedere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Revaskularisation und Replantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präoperatives Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Technische Voraussetzungen zur Replantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisbewertung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . .
57
Infektionen der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
57.1 57.2 57.2.1 57.2.2 57.3 57.3.1 57.3.2 57.3.3 57.3.4 57.3.5 57.4 57.4.1 57.4.2 57.4.3 57.4.4 57.4.5 57.4.6 57.5 57.5.1 57.5.2 57.5.3 57.5.4 57.6 57.6.1 57.6.2 57.6.3 57.6.4 57.7
S. Schinner, P.M. Vogt Grundlagen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keimspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Anatomische Besonderheiten bei Infektionen der Hand . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Wahl der chirurgischen Inzisionen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Operative Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation für konservatives Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelne Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paronychie und Panaritium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionen durch Tier- und Menschenbisse . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Septische Tenosynovitis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Hohlhandphlegmone . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Erysipel . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Nekrotisierende Fasziitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzialdiagnosen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Pyoderma gangraenosum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herpes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rheumatoide Arthritis und Gicht . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Tumoren der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operatives Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plastische Weichteildeckung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Lokale Lappenplastiken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Regionale Lappenplastiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axial gestielte und freie Fernlappen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . .
58
Ischämische Kontrakturen an Unterarm und Hand . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . 547
58.1 58.2 58.3 58.3.1
K.H. Busch, A.€Gohritz Einleitung . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . Kompartments an Unterarm und Hand . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . Volkmann-Kontraktur . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . Unterarm . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . .
512 512 512 513 513 513 515
518 518 519 519 519 523 524 524 527 527 529 530 530 530
532 532 532 532 532 533 533 533 534 534 535 535 536 537 539 540 541 541 541 541 542 542 542 542 542 543 544 544
548 548 551 551
XXII
Inhaltsverzeichnis
58.3.2 Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 58.3.3 Arthrodesen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ 552
59 59.1 59.1.1 59.1.2 59.1.3 59.2 59.2.1 59.2.2 59.2.3 59.3 59.3.1 59.4 59.4.1 59.4.2
Degenerative Sehnenerkrankungen der Hand . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . C. Choi Tendovaginitis stenosans (»schnellender Finger«, »trigger finger«) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Klassifizierung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tendovaginitis de Quervain . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Diagnostik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Tendovaginitis am Handgelenk . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tendinitis an M.€extensor carpi ulnaris/M.€flexor carpi radialis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Extensor-carpi-ulnaris-Sehne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Flexor-carpi-radialis-Sehne . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . .
60
Degenerative Knochenerkrankungen der Hand . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . 559
60.1 60.1.1 60.1.2 60.2 60.2.1 60.2.2 60.2.3
M.€Meyer-Marcotty Finger und Mittelhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daumensattelgelenk (Rhizarthrose) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Handwurzel (Karpus) und distales Radioulnargelenk (DRUG) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Knochennekrosen des Karpus . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Nekrose des Os lunatum (M.€Kienböck) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Nekrose des Kahnbeins (M.€Preiser) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Avaskuläre Nekrose des Os capitatum . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . .
553 554 554 554 554 555 555 555 556 556 556 557 557 557
560 561 563 568 568 569 570
61
Rheumatoide Arthritis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 573
M. Meyer-Marcotty
62
Tumoren der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577
62.1 62.1.1 62.1.2 62.1.3 62.2 62.2.1 62.2.2 62.2.3 62.2.4
Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . K.H. Busch, J. Redeker, A.€Gohritz Haut- und Weichteiltumoren . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Gefäßtumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochen- und Knorpeltumoren . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . A. Gohritz, P.M. Vogt Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Primäre Hauttumoren . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Primäre maligne Tumoren des Knochen- und Weichteilgewebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
578
63
Dupuytren-Kontraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Schinner Grundlagen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Pathophysiologie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Klinik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Konservative Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Operative Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Rezidive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alternativen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
587
63.1 63.1.1 63.1.2 63.2 63.3 63.3.1 63.3.2 63.3.3 63.3.4 63.4
64 64.1 64.2
578 581 581 583 583 583 583 586
588 588 588 588 588 588 588 592 592 592
Komplexes regionäres Schmerzsyndrom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . 593 C. Radtke Epidemiologie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . 594 Klinik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . 594
Inhaltsverzeichnis
XXIII
64.2.1 64.2.2 64.2.3 64.2.4 64.2.5 64.2.6 64.3 64.3.1 64.3.2 64.4 64.5 64.5.1 64.5.2 64.5.3 64.5.4 64.6
Autonome (sympathische) Störungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Motorische Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gelenk- und Knochenveränderungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Trophische Störungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Stadieneinteilung des CRPS Typ€1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Manifestation des CRPS Typ€2 . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Sympathische Innervation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Neurogene Entzündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Interventionen am sympathischen Nervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychotherapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . .
594 594 594 595 595 595 596 596 596 596 596 596 597 597 597 597
65
Prinzipien des Daumenersatzes und sensorischer Ersatzoperationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . 599
65.1 65.2 65.3 65.3.1 65.3.2 65.3.3 65.3.4 65.4
A.€Jokuszies, P.M. Vogt Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Replantation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Daumenrekonstruktionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Pollizisation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Zweitzehentransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Wrap-around flap« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
600 600 600 600 602 605 608 609
IX╇ Plastische Chirurgie der Brust 66
Anatomie und Untersuchung der Brust . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 613
66.1 66.2 66.2.1 66.2.2 66.2.3 66.2.4 66.3 66.3.1 66.3.2 66.3.3
A.€Heckmann Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Brustdrüse . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Gefäßversorgung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Lymphabfluss . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Innervation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Nichtinvasive Untersuchungstechniken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Invasive Untersuchungstechniken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . .
67
Benigne Tumoren der Brust . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 619
67.1 67.2 67.3 67.3.1 67.4 67.4.1 67.5 67.5.1 67.5.2 67.6 67.6.1 67.6.2 67.6.3 67.6.4
A. Heckmann Normalbefund und benigne Läsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne epitheliale Läsionen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Benigne papilläre Läsion (Papillom) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Intraduktales Papillom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Myoepitheliale Läsionen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Myoepitheliose . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Fibroepitheliale Läsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fibroadenom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phylloidestumor (Cystosarcoma phylloides) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Intraduktale proliferative Läsionen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Gewöhnliche duktale Hyperplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Flache epitheliale Atypie (FEA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolumnarzellhyperplasien mit architekturellen Atypien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Atypische duktale Hyperplasie, ADH (auch atypische intraduktale Hyperplasie, AIDH) . . . . . . . . . . . . .
614 614 614 614 614 615 615 615 616 617
620 620 620 621 621 621 621 621 621 621 621 621 621 621
XXIV
Inhaltsverzeichnis
67.7 67.8 67.8.1 67.8.2 67.8.3 67.8.4
Lobuläre Neoplasie (lobuläres Carcinoma in situ, atypische lobuläre Hyperplasie) . . . . . . . . . . . .å°“ . . Sonstige Läsionen der Mamma . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Lipom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mastopathie (Mammadysplasie, Mastopathia cystica fibrosa, engl. »cystic disease«) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Periduktale Mastitis (Duktektasie, Plasmazellmastitis) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Solitärzysten . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“
68
Maligne Tumoren der Brust . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 623
68.1 68.1.1 68.1.2 68.2 68.3 68.3.1 68.3.2 68.4 68.4.1 68.5 68.5.1 68.5.2 68.5.3 68.6 68.6.1 68.6.2 68.6.3 68.6.4 68.6.5 68.6.6 68.7 68.7.1 68.7.2 68.7.3 68.7.4 68.7.5
Mammakarzinom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . A.€Heckmann, K.H. Breuing Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Duktales Carcinoma in situ (DCIS; intraduktales Karzinom) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.€Heckmann, K.H. Breuing Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . A.€Heckmann, K.H. Breuing Invasive Karzinome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inflammatorisches Karzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staging und Therapiestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.€Heckmann, K.H. Breuing Differenzialindikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Therapeutisches Vorgehen beim invasiven Karzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.€Heckmann, K.H. Breuing Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Systemische Therapie des MammaÂ�karzinoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechnik der Brustrekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . T. Bund, A.€Gohritz Therapieziele . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Wahl des Operationsverfahrens . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Operationszeitpunkt . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Implantatrekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Eigengewebe zur Rekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Alternative Lappenplastiken zur Eigengeweberekonstruktion . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Wiederherstellung des Mamillen-Areola-Komplexes (MAK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.€Gohritz, K.H. Breuing Indikationsstellung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rekonstruktion der Mamille . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Rekonstruktion der Areola . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . .
621 622 622 622 622 622
625 625 625 626 627 627 629 630 632 632 632 632 633 634 634 634 634 635 636 643 643 643 643 644 645 645
X╇ Verbrennungsverletzungen 69 69.1 69.1.1 69.1.2 69.1.3 69.1.4 69.1.5 69.2 69.2.1 69.2.2 69.2.3 69.3 69.3.1 69.3.2
Verbrennungsverletzungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . P. Kolokythas, M.C. Aust Grundlagen – Pathophysiologie, Klassifikation und Diagnostik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Ausdehnung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Verbrennungstiefe . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Verletzungsschwere . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Weitere Verletzungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Inhalationstrauma . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Intensivmedizinische Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Intensivmedizinische Besonderheiten der Verbrennungskrankheit . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Beatmungstherapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Schmerztherapie und Sedierung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Prinzipien der Therapie in der Akutsituation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzialdiagnose . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . .
649 650 651 651 653 653 655 656 657 658 658 658 658 660
Inhaltsverzeichnis
69.3.3 69.3.4 69.3.5 69.3.6 69.4 69.4.1 69.4.2 69.4.3
XXV
Operationsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Postoperative Behandlung und Nachsorge . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Prinzipien der Rekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie von Narbensträngen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Therapie instabiler Narben und flächiger Narbenplatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie ästhetischer Störungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . .
660 660 664 665 665 665 666 666
XI╇ Ästhetische Chirurgie 70 70.1 70.2 70.2.1 70.2.2 70.2.3 70.3 70.3.1 70.3.2 70.3.3 70.4 70.4.1 70.4.2 70.5 70.6
Rejuvenation – Hautverjüngung der Gesichtshaut . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . A. Steiert Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Patientenvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patientenberatung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Evaluation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Vorbehandlung der Haut . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Oberflächliches Peeling . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Jessner-Lösung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . α-Hydroxysäuren (Glykolsäure) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ 10- bis 20%-ige Trichloressigsäure (TCA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittlere bis tiefe Peelings . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . TCA-Peeling (Trichloressigsäure) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phenol-Peeling . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Dermabrasio . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Laser-Resurfacing mit ablativen Lasersystemen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“
71
Perkutane Kollageninduktions�therapie (Medical Needling) . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . 681
M. Aust
72
Formkorrektur an Gesicht und Hals . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . 685
72.1 72.1.1 72.1.2 72.1.3 72.2 72.3 72.3.1 72.3.2 72.3.3 72.3.4 72.3.5 72.3.6 72.3.7
Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.€Steiert Allgemeine Untersuchung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Gesichtsprofilanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Diagnostik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Therapieziele . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Chirurgische Maßnahmen bei Formstörungen an Hals und Gesicht . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . A.€Steiert, P.M.€Vogt Gesichts- und Halsstraffung (Facelift) mit Spannung des SMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stirn- und Brow-Lift – offen chirurgisch . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Stirn- und Brow-Lift – endoskopisch . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Mid Facelift (minimalinvasiv, endoskopisch assistiert) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Blepharoplastik des Oberlids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blepharoplastik des Unterlids . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Submentales Lifting . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . .
73
Formstörungen der Nase (Rhinoplastik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699
73.1 73.2 73.2.1 73.2.2 73.2.3 73.3 73.3.1 73.3.2
A.D. Niederbichler, P.M.€Vogt Anatomie . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anamnese . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . Befunderhebung . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . Analyse der anatomischen Gegebenheiten (Analyse nach Byrd) . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . Therapie . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . Operative Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
669 670 670 670 670 672 672 672 673 673 674 674 675 676 678
686 686 686 687 687 687 687 692 692 692 695 695 697
700 700 700 701 703 704 704 710
XXVI
Inhaltsverzeichnis
74
Formkorrektur der Ohren (Otoplastik) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 711
74.1 74.2 74.3 74.3.1 74.4 74.4.1 74.4.2 74.4.3 74.4.4
R. Ipaktchi, A. Gohritz Ziel der Operation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Präoperatives Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Konservatives Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Techniken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . .
75 75.1 75.2 75.2.1 75.3 75.3.1 75.4 75.4.1
Ästhetische Chirurgie des oberen Rumpfes, Abdomens und Körperstamms . . . . . . . . . . . P.M. Vogt, A.D. Niederbichler Seitliche Geweberesektionen im oberen Rumpfbereich (Upper Bodylift) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abdominoplastik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Total Bodylift . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . .
76
Körperkonturierung nach extremer Gewichtsabnahme . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 727
76.1 76.2
P.M. Vogt, A.Gohritz Adipositas . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . 728 Chirurgische Strategie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . 728
77
Mammareduktion und -augmentation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . A.€Handschin, T. Bund, K.H. Breuing Mammareduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Präoperatives Management . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Operatives Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mamaaugmentation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Präoperatives Management . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . Operative Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationsmanagement . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . .
735
Gynäkomastie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . F.-M. Leclère, A. Handschin, K.-H. Breuing Einleitung, Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präoperative Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Subkutane Mastektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fettabsaugung (Liposuktion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . .
747
Formkorrektur an der oberen Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . F.-M. Leclère, A. Gohritz Zielsetzung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapiewahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechniken am Oberarm . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Operationstechniken an der Hand . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . .
753
77.1 77.1.1 77.1.2 77.1.3 77.1.4 77.2 77.2.1 77.2.2 77.2.3 77.2.4
78 78.1 78.2 78.3 78.3.1 78.3.2 78.4
79 79.1 79.2 79.2.1 79.3 79.3.1 79.3.2
80 80.1 80.2
712 712 712 712 712 712 712 713 713 717 718 718 719 722 722 722 725
736 736 736 736 738 741 741 743 745 745
748 748 748 749 750 750
754 754 754 754 754 757
Formkorrektur an Gesäß und unterer Extremität . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 759 A. Gohritz, H. Sorg Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 Indikationsstellung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 760
Inhaltsverzeichnis
80.2.1 80.2.2 80.2.3 80.2.4 80.3
XXVII
Mediale Oberschenkelstraffung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Straffungsoperationen im Gesäß-Oberschenkel-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liposuktion an der unteren Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formkorrekturen am Unterschenkel . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Komplikationen und Risiken . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ .
760 760 761 762 762
XII╇ Fehlbildungen 81
Fehlbildungen des Gesichts . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 767
81.1 81.1.1 81.1.2 81.1.3 81.1.4 81.1.5 81.2 81.2.1 81.2.2 81.2.3 81.2.4
N.-C. Gellrich, H. Essig Kraniofaziale Fehlbildungen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Kraniosynostosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . Kraniofaziale Syndrome . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathogenese, Entwicklung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Klassifikation von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Syndrome mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . .
82
Fehlbildungen der Mammae . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . A. Heckmann, K.H. Breuing 82.1 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.2 Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 82.3 Formen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 82.3.1 Aplasie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . 82.3.2 Amastie/Athelie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3.3 Polymastie/Polythelie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . 82.3.4 Aberrantes Brustdrüsengewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3.5 Mammahypoplasie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . 82.3.6 Makromastie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3.7 Juvenile Striae . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 82.3.8 Tubuläre/tuberöse Brust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3.9 Mammaasymmetrie (Anisomastie) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . 82.3.10 Trichterbrust (Pectus excavatum) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . 82.3.11 Poland-Syndrom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . 82.3.12 Hohlwarze/Schlupfwarze (Koilomastie) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 82.3.13 Mamillenhyperplasie/Hyperplasie der Montgomery-Drüsen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . 82.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 82.4.1 Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.4.2 Stand der operativen und konservativen Therapie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ 82.4.3 Brustimplantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
768 768 770 770 772 775 779 779 780 785 785 791 792 792 792 792 793 793 793 793 793 794 794 796 797 797 798 798 798 798 799 799
83
Fehlbildungen der Hände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801
83.1 83.2 83.3 83.3.1 83.3.2 83.4 83.4.1 83.4.2 83.4.3 83.4.4 83.4.5 83.4.6
A. Gohritz, P.M. Vogt Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Beratung der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationszeitpunkt . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . Einzelne Handfehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Syndaktylien (Klasse€II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kamptodaktylie (Klasse€II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinodaktylie (Klasse€II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polydaktylie (Klasse€III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schnürringsyndrom (Klasse€VI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypo- und Aplasie des Daumens (Klasse€V ) . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . .
802 802 802 802 802 802 802 804 804 804 805 806
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
83.4.7 Radiale Klumphand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83.4.8 Makrodaktylie (Klasse€IV) . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . 83.4.9 Fehlbildungssyndrome (Klasse€VII) . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . . .尓 . . . . . . . . . . 83.4.10 Sonstige angeborene Kontrakturen und Fehlstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
808 808 808 808
84
Fehlbildungen der Füße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811
84.1 84.1.1 84.2 84.3 84.3.1 84.3.2 84.3.3 84.3.4 84.3.5 84.3.6
P.M.Vogt, L.-U. Lahoda Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Röntgen, MRT, Spezialaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapieziele . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Polydaktylien . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . Oligodaktylien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spaltfüße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlbildungen des Großzehenstrahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Syndaktyliebildung und Apert-Syndrom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Makrodaktylie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . .
812 812 812 812 812 813 813 815 815 815
XIII╇ Dokumentation und Klassifikation 85
Heilverfahren . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . 821
85.1 85.1.1 85.1.2 85.2
A.D. Niederbichler, P.M. Vogt Die ärztliche Begutachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialmedizinische Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau eines ärztlichen Gutachtens . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Berufskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
822 822 823 823
86
Untersuchungs- und Dokumentationsbögen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . 825
G. Valiyeva, A. Gohritz
87
Klassifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Mirastschijski, A.G. Gohritz, P.M. Vogt ASA-Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glasgow Coma Scale . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation offener Frakturen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ Distale Radiusfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skaphoidfrakturen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . Fingerfrakturen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Frakturen im Kindesalter . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . Nerven . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Nervenanatomie . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Nervenrezeptoren – Mechanorezeptoren . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . Trauma . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Plexus brachialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lappenplastiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation des fasziokutanen Lappens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Örtliche Defektdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßgestielte Lappenplastiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation der Faszien- und fasziokutanen Lappen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . Gesicht . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . Ästetische Zonen des Gesichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung des Gesichts in Proportionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Nase in Proportionen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . Augenanomalie (Telekanthus, Hypertelorismus, Hypotelorismus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spaltbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mamma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapselfibrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ptose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87.1 87.2 87.3 87.3.1 87.3.2 87.3.3 87.3.4 87.3.5 87.4 87.4.1 87.4.2 87.4.3 87.4.4 87.5 87.5.1 87.5.2 87.5.3 87.5.4 87.6 87.6.1 87.6.2 87.6.3 87.6.4 87.6.5 87.7 87.7.1 87.7.2
833 835 835 836 836 837 838 838 838 838 838 839 839 839 840 840 840 840 840 841 841 841 841 841 841 841 841 842
Inhaltsverzeichnis
XXIX
87.8 Hand und Handgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87.8.1 Strecksehnenfächer . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 87.8.2 Strecksehnen – Zonen . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . 87.8.3 Beugesehnen – Zonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87.8.4 Traumatische und degenerative Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87.8.5 Fortgeschrittener karpaler Kollaps . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . 87.8.6 Handfehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87.8.7 Fehlbildungen der Finger . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . 87.8.8 Schnürringsyndrom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . 87.9 Komplexes regionales Schmerzsyndrom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . 87.10 Arthrosis deformans . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . 87.11 Malignome . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ 87.11.1 Melanom . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . 87.11.2 Basalzellkarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
842 842 842 843 843 844 845 845 846 846 847 847 847 847
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . . . .å°“ . . . . . . . . . 851
XXXI
Autorenverzeichnis Herausgeber Vogt, Peter M., Univ.-Prof. Dr. med.
Klinik und Poliklinik für Plastische, Handund Wiederherstellungschirurgie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
Autoren Altintas, Mehmed A., Priv.-Doz. Dr. med. Aust, Matthias, Priv.-Doz. Dr. med. Bund, Thorsten, Dr.med. Busche, Marc, Dr. med. Ennker, Ina, Priv.-Doz. Dr. med. Gohritz, Andreas, Dr. med. Hadamitzky, Catarina Dr. med. Heckmann, Andreas, Dr. med. Herold, Christian, Dr. med. Ipaktchi, Ramin, Dr. med. Jokuszies, Andreas, Dr. med. Knobloch, Karsten. Prof. Dr. med. Krämer, Robert, Dr. med. Meyer-Marcotty, Max, Dr. med. Mirastschijski, Ursula, Priv.-Doz. Dr. Dr. med. Niederbichler, Andreas D., Dr. med. Peters, Tina, Dr. med. Radtke, Christine, Priv.-Doz. Dr. med. Redeker, Jörn, Dr. med. Rennekampff, Hans-Oliver, Univ.-Prof. Dr. med. Sorg, Heiko, Dr. med. Steiert, Andreas, Dr. med. Valiyeva, Gülschän, Dr. med. Weyand, Birgit, Dr. med.
Klinik für Plastische, Hand- und Wieder herstellungschirurgie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
Breuing, Karl, Dr., FACS
Plastische und Rekonstruktive Chirurgie Kliniken Essen – Mitte Henricistraße 92 45136 Essen
Busch, Kay Hendrik, Dr. med.
Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein-Sieg Von-Hompesch-Straße 1 53123 Bonn Choi, Claudia, Dr. med.
Lahoda, Lars-Uwe, Dr. med.
Clinique Plastische Chirurgie Universitair Medisch Centrum Groningen Huispostcode BB81 Postbus 30.001 P4.264 9700 RB Groningen Niederlande Leclère, Franck-Marie, Dr. med.
Department of Plastic Surgery Handcenter of Lille University 59810 Lille Lesquin Frankreich
Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie Klinikum Bremen – Mitte gGmbH Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Göttingen St. Jürgen-Straße 1 28177 Bremen
Klinik für Diagnostische Radiologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
Essig, Harald, Dr. med. Dr. med. dent.
Schinner, Susanne, Dr. med.
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
Gellrich, Nils-Claudius, Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent.
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
Handschin, Alexander Dr. med
Städtisches Klinikum Braunschweig Holwedestraße 16 38116 Braunschweig Kolokythas, Perikles, Dr. med.
BG-Unfallklinik Hamburg Bergedorfer Straße 10 21333 Hamburg
Rosenthal, Herbert, Dr. med.
Praxis für Plastische Chirurgie Clemenstraße 76 80769 München Spies, Marcus, Priv.-Doz. Dr.med.
Klinik für Plastische, Handund wiederÂ�herstellende Chirurgie Klinikum der Barmherzigen Brüder Prüfeninger Straße 86 93049 Regensburg
XXXIII
Abkürzungen ABSI ADAM ADH ADL ADM AIDH ALH ALS ALT-Lappen AP APB APL ARDS ASD ASSH ATG AUB AV-Loop AZA BET BG BK-Liste BKV BMI BR BRCA-1/BRCA-2 cc CicA CLHT CLOVE-Syndrom CMP CMV COPD cP CRP CRPS CT CTA D DASH DCIS DFSP DIEP-Lappen DIP DISI DMCA-Lappen DPS DRUG DSA dZh ECA
Abbreviated Burn Severity Index »amniotic deformity adhesions mutilations« (amniotische Schnürfurchen) atypische duktale Hyperplasie »activities of daily living« (Aktivitäten des täglichen Lebens) M.€abductor digiti minimi atypische intraduktale Hyperplasie atypische lobuläre Hyperplasie amyotrophe Lateralsklerose »antero-lateral thigh flap« (anterolateraler Oberschenkellappen) M.€adductor pollicis M.€abductor pollicis brevis M.€abductor pollicis longus »acute respiratory distress syndrome« Vorhofseptumdefekt American Society of Surgery of the Hand Antithymozytenglobulin Allgemeine UnfallversicherungsBedingungen arteriovenöses Shunt-Interponat Azathioprin brusterhaltende Therapie Berufsgenossenschaft Berufskrankheitenliste Berufskrankheitenverordnung Body-Mass-Index [kg/m2] M.€brachioradialis »breast cancer-1/2-gene« kraniokaudal Ciclosporin€A Capitatum, Lunatum, Hamatum, Triquetrium »congenital lipomatous overgrowth, vascular malformations, epidermal nevi syndrome« karpometakarpal Zytomegalievirus chronisch-obstruktive Lungenerkrankung chronische Polyarthritis (frühere Bezeich nung für rheumatoide Arthritis) C-reaktives Protein »complex regional pain syndrome« Computertomographie »composite tissue allotransplantation« Digitus (Finger) »disabilities of arm, shoulder and hand« duktales Carcinoma in situ Dermatofibrosarcoma protuberans »deep inferior epigastric perforator flap« distales Interphalangealgelenk »dorsal intercalated segment instability« dorsaler Metakarpalarterienlappen Dreiphasenszintigraphie distales Radioulnargelenk digitale Subtraktionsangiographie Dokumentationszentrum schwerer Haut reaktionen »extensor compartment artery«
ECRB ECRL ECU EDC EDM EGF EI EIP ELND EMG EPB EPL FCI-Lappen FCR FCU FDP FDS FEA FFU-Fehlbildung FGF FGFR FK506 FKDS FPB FPL FRS GCS GdB GLOA Hkt HLA IAP ICP IHH IHT ILG-1-Lösung IP IPL ISTA ISTO KFO KH KM KTS Laser LCIS LIN LKG-Spalte LLL-Lappen LME LN LT MACS-Lift
M.€extensor carpi radialis brevis M.€extensor carpi radialis longus M.€extensor carpi ulnaris M.€extensor digitorum communis M.€extensor digiti minimi »epidermal growth factor« M.€extensor indicis M.€extensor indicis proprius »elective lymphnode dissection« (elektive Lymphknotendissektion) Elektromyographie M.€extensor pollicis brevis M.€extensor pollicis longus freier fasziokutaner Infraglutäallappen M.€flexor carpi radialis M.€flexor carpi ulnaris M.€flexor digitorum profundus M.€flexor digitorum superficialis flache epitheliale Atypie Femur-Fibula-Ulna-Fehlbildung »fibroblast growth factor« »fibroblast growth factor receptor« Tacrolimus farbkodierte Duplexsonographie M.€flexor pollicis brevis M.€flexor pollicis longus Fernröntgenseitenbild Glasgow Coma Scale Grad der Behinderung ganglionäre lokale Opioidanalgesie Hämatokrit »human leucocyte antigen« »image analysis platform« »intracranial pressure« (Hirndruck) idiopathischer hypogonadaler Hypogonadismus Inhalationstrauma Institut-Georges-Lopez-Lösung Interphalagealgelenk «intense pulse light« interskapulothorakale Amputation Informationszentrum für Standards in der Onkologie Kieferorthopädie Kieferhöhe Kontrastmittel Karpaltunnelsyndrom (auch in Gebrauch: CTS) »light amplification by the stimulated emission of radiation« (Akronym) lobuläres Carcinoma in situ lobuläre intraepitheliale Neoplasie Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte Dufourmentel-Lappen »lines of maximum extensibility« lobuläre Neoplasie lunotriquetral »minimal access cranial suspension lift«
XXXIV
Abkürzungen
MAK MCP-Gelenk MdE ME MGH MHK MKG mlo MM MMF MP
MPR MRM MRT NAP NCFL NGF NL NLG NSAID ODM OKT OP OSG P pAVK PCA PCSA PDS PEG(-Sonde) PIP PISI PL PNF PRC PSR PSU PT RA RSC-Band RSD RSTL SEP SFS SGAP-Lappen SGB VII SHTX SIAS SIEA flap SIEAP flap SIRS SL SLAC SLND
Mamillen-Areola-Komplex Metakarpalgelenk Minderung der Erwerbsfähigkeit Metallentfernung Mittelgesichtshöhe Mittelhandknochen Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie mediolateral (malignes) Melanom Mycophenolatmofetil. Metatarsophalangeal(gelenk) oder Meralgia paraesthetica (je nach Zusammenhang) multiplanare Reformation modifiziert radikale Mastektomie Magnetresonanztomographie Nervenaktionspotenzial N.€cutaneus femoris lateralis »nerve growth factor« Nasenlänge Nervenleitgeschwindigkeit »non-steroidal anti-inflammatory drugs« (nichtsteroidale Antiphlogistika) M.€opponens digiti minimi Orthoclone M.€opponens pollicis oberes Sprunggelenk Paratenon periphere arterielle Verschlusskrankheit »patient controlled analgesia« »physiologic cross sectional area« (physiologische Muskelquerschnittsfläche) Polydioxanon (Nahtmaterial) perkutane endoskopische Gastrostomie proximales Interphalangealgelenk »palmar intercalated segment instability« M.€palmaris longus propriozeptive neurophysiologische Fazilitation »proximal row carpectomy« Proc.€styloideus radii Proc. styloideus ulnae pisotriquetral rheumatoide Arthritis Lig. radioscaphocapitatum »reflex sympathetic dystrophy« »relaxed skin tension lines« somatosensorisch evoziertes Potenzial superfizielles Fasziensystem »superior glutaeal artery perforator flap« (A.-glutealis-superior-Perforator-Lappen) 7.€Buch Sozialgesetzbuch Spalthauttransplantation Spina iliaca anterior superior A.-epigastrica-superficialis-Lappen A.-epigastrica-inferior-superficialis-Lappen »systemic inflammatory response syndrome« skapholunär »scapho-lunate advanced collapse« »sentinel lymphnode dissection« (Sentinel-Lymphknotendissektion)
SMAS
superfizielles muskuloaponeurotisches System SMI »sympathetically independent pain« (sympathisch unabhängige Schmerzen) SMP »sympathetically maintained pain« (sympathisch unterhaltene Schmerzen) SNAC wrist »scaphoid non union advanced collapse wrist« SNUS Sulcus-nervi-ulnaris-Syndrom SSD »shaded surface display« (3-D-Oberflächenrekonstruktion) SSF Strecksehnenfach SSSS »staphylococcal scalded skin syndrome« SSW Schwangerschaftswoche STT-Gelenk Gelenk Skaphoid/Trapezium/Trapezoideum (Daumensattelgelenk) TAR-Syndrom »thrombocytopenia-absent radius syndrome« TCA Trichloressigsäure TDLU terminale duktulolobuläre Einheit TEE transösophageale Echokardiographie TEN toxisch epidermale Nekrolyse TENS transkutane elektrische Nervenstimulation TEP Totalendoprothese TFCC triangulärer fibrokartilaginärer Komplex TFL flap M.-tensor-fasciae-lata-Lappen TGF »transforming growth factor« TMG flap transversaler muskulokutaner Grazilislappen TNF-α Tumornekrosefaktor€α TRAM flap transverser M.-rectus-abdominis-Lappen TSR Trizepssehnenreflex TVS Tendovaginitis stenosans TVT tiefe Venenthrombose Tx Transplantation UGH Untergesichtshöhe USG unteres Sprunggelenk UW-Lösung University-of-Wisconsin-Lösung VAC »vacuum assisted closure« VACTERL-Syndrom Acronym, das die möglichen Fehlbildungen beschreibt: V – vertebrale Anomalien/Fehlbildungen der Wirbelsäule A – anale und aurikuläre Anomalien/Fehl bildungen des Afterbereichs, z.€B. Analatresie C – Herzfehler, v.€a. Kammerscheidewand defekt (Ventrikelseptumdefekt) T – tracheoösophageale Fistel E – Ösophagusatresie (engl.: »esophagus«) R – renale Fehlbildung L – Fehlbildung der Gliedmaßen (engl.: »limb«) VAL vakuumasssistierte Liposuktion VAS visuelle Analogskala (zur Schmerzerfassung) VEP visuell evozierte Potenziale VKOF verbrannte Körperoberfläche VRAM flap vertikaler M.-rectus-abdominis-Lappen VSD Ventrikelseptumdefekt VTE venöse Thromboembolie ZA-Brandverletzte zentrale Anlaufstelle für Schwerbrand verletzte ZVD zentraler Venendruck
I
Wundheilung und Wundbehandlung M. Aust
Kapitel 1
Biologische Grundlagen der Wundheilungâ•… – 3 M. Aust, K. Reimers, H. Sorg
Kapitel 2
Grundlagen der Wundbehandlungâ•… – 13 M. Aust
Kapitel 3
Patientenvorbereitung und -nachbehandlung, inkl. interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzeptâ•… – 19 M. Aust, B. Weyand, C. Radtke, A. Jokuszies
Die Wundheilung ist ein komplexer fundamentaler biologischer Vorgang der in der Regel zur Wiederherstellung des Integuments führt. Diese Sektion widmet sich den theoretischen und praktischen Aspekten der Wundheilung sowie den modernen Konzepten einer adäquaten Wundversorgung. Nicht zuletzt durch die zunehmenden Restrik tionen im Gesundheitswesen sowie das wachsende Kostenbewusstsein und die Anspruchsorientierung der Patien ten wird ein patientennahes und effizientes Wundmanagement immer wichtiger.
1
Biologische Grundlagen der Wundheilung M. Aust, K. Reimers, H. Sorg
1.1
Physiologische Mechanismenâ•… – 4
1.1.1 Stadien der Wundheilungâ•… – 4
1.2
Ursachen gestörter Wundheilungâ•… – 8
1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5
Periphere arterielle Verschlusskrankheitâ•… – 8 Diabetische Ulzeraâ•… – 9 Chronisch venöse Insuffizienzâ•… – 10 Druckgeschwüreâ•… – 10 Strahleninduzierte Hautschädenâ•… – 10
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
˘
1
Kapitel 1 · Biologische Grundlagen der Wundheilung
Die primäre Wundheilung nach Galen findet sich bei Wunden mit glatten Wundrändern, die chirurgisch durch exakte Adaptation der Hautschichten verschlossen wurden. Die Wunde ist sauber und nicht mit Keimen oder Fremdkörpern verunreinigt und heilt kom plikationslos ab. Wundödem, Entzündung und Narbenheilung sind meistens nur schwach entwickelt. Die physiologischen Bedingungen in der Wunde sind geprägt durch eine lokale Unterversorgung des Gewebes aufgrund der Zer störung des Kapillarnetzes, die sich in einem erhöhten Laktatgehalt sowie einem erniedrigten pH- und Sauerstoffgehalt manifestiert. Durch Zellzerstörung und Zelluntergang bedingt kommt es zu einer Freisetzung von Lipiden, Proteinen und Peptiden, die eine Signal funktion auf die zelluläre Proliferation und Migration ausüben. Die Ionenzusammensetzung ist im Wundmilieu durch einen niedrigen Kalzium- und einen hohen Magnesiumgehalt geprägt. An Proteoglykane konjugierte Glykosaminoglykane (GAG) die nen als Speicher und Informationsträger für Botenstoffe in der ECM (»extracellular matrix«). Die Zusammensetzung der GAG in der Wunde ändert sich im Verlauf der Wundheilung. In den ersten 2€Wochen ist Hyaluronsäure das vorherrschende GAG, wird dann vorübergehend von Chondroitin und Dermatansulfat abgelöst, um schließlich wieder das dominierende Element zu werden. Diese Â�Änderungen reflektieren die Eigenschaft der Hyaluronsäure durch Unterbrechung der Zellinteraktionen mit der Kollagenmatrix, Zell migrationen zu fördern. Des Weiteren muss das Gewebe um die Wunde herum gut durchblutet sein. Dadurch wird der feine Wundspalt mit dem aus dem Blut stammenden Fibrin verklebt. Blutbestandteile wie poly morphkernige Leukozyten und Makrophagen sorgen durch Phago zytose für die Beseitigung untergegangener Zellen und dienen zu sammen mit den Thrombozyten als Speicher für Zytokine und Wachstumsfaktoren. Die akut entzündliche Phase dauert maximal 4–6€Tage und ist nur mikroskopisch wahrnehmbar. Im Wundspalt werden eingewanderte Fibroblasten und an den Wundrändern eine beginnende Epithelisierung beobachtet. Primäre Wunden epitheli sieren innerhalb von 6–12€Tagen vollständig und haben eine geringe Narbenbildung zur Folge. 1.1
Physiologische Mechanismen
Das migrative und proliferative Verhalten von Zellen ist abhängig vom Wundmilieu. Schon die alten Römer kannten das Prinzip der feuchten Wundauflage. Wurden damals angebrochene Kohlblätter um die Wunde gewickelt, so stehen heute moderne Materialien zur Verfügung. Das feuchte Wundmilieu fördert die Proliferation der am Heilungsprozess beteiligten Zellen und begünstigt deren Wande rung. So können Granulation und Epithelisierung wesentlich schnel ler ablaufen. 1962 zeigte Winter erstmals experimentell am Schwein, dass es unter einem Okklusivverband früher zu einer vollständigen Epithelisierung kommt als bei Luftexposition. Dies konnte in wei teren Versuchen bestätigt werden und führte zur Entwicklung neuer synthetischer Verbandmaterialien. Die feuchte Wundbehandlung hat sich heute als modernes Ver fahren für sekundär heilende Wunden etabliert. 1.1.1
Stadien der Wundheilung
Definition.╇ Kutane Wundheilung ist ein biologischer Vorgang, bei
dem durch Bindegewebebildung, Kontraktion und Epithelisierung ein Verschluss des Integuments erfolgt.
Unabhängig von der Genese einer Wunde verläuft der Heilungs prozess in vergleichbaren Phasen ab. Es werden klassischerweise 4€Phasen unterschieden, die z.€T. auch überlappend stattfinden: 4 Exsudationsphase (Entzündungsphase, Inflammation), 4 Granulationsphase (Proliferation), 4 Epithelisierungsphase, 4 Remodellierungsphase. Gemeinsames Merkmal aller Phasen ist, dass unterschiedliche Zell typen miteinander interagieren, über ECM und Zytokine moleku lare Botenstoffe aktiviert werden und proliferieren.
Exsudative Phase Der Beginn der Wundheilung ist makroskopisch durch die Bildung eines Blutkoagels (»clot«) und den Blutungsstopp, die Hämostase (»hemostasis«) gekennzeichnet. Auf zellulärer Ebene aktiviert Thrombin über Glykoprotein€Ib und die »protease-activated re ceptors« (PAR)-1 und -4 die Thrombozyten und führt durch die proteolytische Spaltung von Fibrinogen zur Erzeugung von Fibrin. Vasokonstriktion durch Epinephrin infolge der lokalen Ausschüt tung von Prostaglandinen und Thromboxanen durch die verletzten Zellen und das vom sympathischen Nervensystem ausgeschüttete Norepinephrin führen zu einer sichtbaren Erblassung des Gewebes während der ersten 15€min nach der Verletzung. Die vorüberge hende Vasokonstriktion wird von einer Vasodilatation mit erhöhter Permeabilität der Gefäße abgelöst, die einen verbesserten Austausch zwischen der Wundfläche und den Gefäßen ermöglicht. Durch die akute Verletzung kommt es zu einer unspezifischen inflammato rischen Antwort. Die inflammatorische Phase ist in ihrem frühen Stadium durch ein Débridement der Wunde durch einströmende polymorphnukle äre Zellen (PMN) gekennzeichnet. Zirkulierende Monozyten mi grieren als nächste Zelltypen in die Wunde und differenzieren sich dort zu Makrophagen, die sich ebenfalls an der Entfernung von ZellDébris, Fremdkörpern und Bakterien beteiligen. PMN und Makro phagen sind eine Quelle proinflammatorischer Zytokine, darunter IL-1α, IL-1β, IL-6 und TNF-α, mittels derer der inflammatorische Prozess aufrechterhalten wird. Die Sekretion weiterer Botenstoffe wie FGF-2, IGF, TGF-β stimuliert die Kollagensynthese durch Fibro blasten, im Fall von TGF-β auch die Differenzierung der Fibroblas ten zu Myofibroblasten, die für die Wundkontraktion verantwortlich sind. Zudem wird die Angiogenese durch FGF-2, VEGF-A und TGF-β angeregt sowie die Reepithelisierung durch EGF, FGF-2, IGF1 und TGF-α. Alle Untereinheiten der T-Zellen beeinflussen die Wundheilung ebenfalls auf spezifische Weise durch Sekretion wichtiger Botenstoffe. Die dendritischen γδ-epidermalen T-Zellen (DETCT) sezernieren den für Fibroblastenmigration und Expression von Kollagen€I, Fibro nektin und α5-Integrin wichtigen Stimulator »connective tissue grow th factor« (CTGF). Ein bedeutendes weiteres zelluläres Infiltrat der inflammatorischen Phase sind die zirkulierenden Fibrozyten, die sich ebenfalls an der Kollagen- und Zytokinproduktion beteiligen, darun ter »macrophage inflammatory protein€1« (MIP-1α, MIP-β, MIP-1) Interleukin€8 (IL-8), »growth related oncogeneÂ€α« (GRO-α) und »granulocyte macrophage colony-stimulating factor« (GM-CSF). Es kommt zu einer Hyperämie, erkennbar an einer Rötung, und zu einem Wundödem. Im optimalen Fall verläuft die exsudative Pha se recht kurz. Es bilden sich Gerinnsel aus Fibrinmolekülen, Fibron ektin, Vitronektin und Thrombospondin. Diese dienen als Leit struktur für einwandernde Zellen. Gleichzeitig schütten die Throm bozyten im Koagel Wachstumsfaktoren und Zytokine aus und locken damit immunkompetente Zellen an den Ort der Gewebeverletzung.
1.1 · Physiologische Mechanismen
. Abb. 1.1╇ Hautwunde 3€Tage nach Verletzung. Darstellung der Wachstumsfaktoren, die für die Zellmigration in die Wunde verantwortlich sind
Es entsteht eine lokale Entzündung, bei der neutrophile Granulo zyten eingedrungene mikrobielle Erreger abwehren. Außerdem wird abgestorbenes Zellmaterial durch hochpotente Proteasen im Sinne eines autolytischen Débridements beseitigt. In dieser Phase werden meist große Exsudatmengen abgegeben, die die Selbstreinigung der Wunde unterstützen (.€Abb.€1.1).
Granulationsphase Die lokale Hyperämie stellt die Versorgung der Zellen für die nach folgenden reparativen Prozesse sicher. Die Adhäsion und Migration von Neutrophilen, Monozyten, Fibroblasten und Endothelzellen in das Wundgebiet wird durch Fibronektin ermöglicht. Obwohl in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte im Verständnis der Wundheilung erzielt wurden, ist die genaue Interaktion dieser Ent zündungszellen und Mediatoren in der Granulationsphase bis heute nicht vollständig geklärt. Die regenerativen Prozesse laufen in den Tagen 4–7 nach der Verletzung ab. Ausgehend von den Wundrändern wandern in der Granulationsphase Monozyten, Endothelzellen und Fibroblasten entlang der provisorischen Fibrinmatrix in das Wundareal ein. An den Rändern des frühen Granulationsgewebes bauen Zellen nekro tisches Gewebe ab und beginnen am Übergang zum Normalgewebe mit der Neosynthese einer extrazellulären Matrix. Nach einigen Tagen nimmt die Zellzahl in dieser Matrix massiv zu. Bindegewebe und Blutgefäße werden sichtbar. Die Fibroblasten sezernieren u.€a. Hyaluronsäure, Chondroitin-4-Sulfat, DermaÂ�tan sulfat und Heparansulfat und bilden zusammen das zell- und gefäß reiche Granulationsgewebe. Aus Prokollagen entstehen Kollagenfi brillen, die während der ersten Tage vermehrt synthetisiert werden. Dadurch steigt der Kollagenanteil in den nächsten Wochen im Wundgebiet an, während die Fibroblastenproliferation im gleichen Zeitraum nachlässt. Etwa ab dem 4.€Tag nach der Verletzung wird die provisorische ECM durch das Granulationsgewebe ersetzt. Die makroskopisch granuläre Erscheinung wird dabei hauptsächlich durch die einsprießenden Kapillaren hervorgerufen. Auf zellulärer Ebene ist die nun beginnende proliferative Phase der Wundheilung durch die Ankunft der permanent ortsständigen Zellen, Fibroblasten und Blutgefäßzellen gekennzeichnet. Makro
phagen bilden weiterhin durch ihr Zytokinspektrum einen funktio nellen Link zwischen inflammatorischer und proliferativer Phase. Die Migration der Fibroblasten wird dabei von PDGF, NGF, TGF-β, CTGF and Cyr61 stimuliert. Fibronektin, ein Bestandteil der provi sorischen ECM, regt ebenfalls die Migration der Fibroblasten zur Wunde an. Die Fibroblasten stammen dabei z.€T. aus den differen zierten Zellen der Wundumgebung und z.€T. aus undifferenzierten mesenchymalen Zellpopulationen, die durch die Zytokinproduktion der Makrophagen zur Differenzierung in der Wundstelle angeregt werden. Die Migration der Fibroblasten wird durch Fibrin, Vitronektin, Fibronektin und Hyaluronsäure der ECM geleitet. Zur Begradigung der Wegstrecken werden MMP (Matrixmetalloproteinasen) expri miert, die ECM-Bestandteile sowie Wachstumsfaktoren, Zytokine, Chemokine und deren Rezeptoren spalten können. Die Ratio von MMP zu ihren regulativen Proteinen TIMP (»tissue inhibitors of metalloproteinase«) ist mit fibrotischen Erkrankungen, hypertro phen Narben und Keloidbildungen assoziiert. Während der Granulationsphase sind Neovaskularisation und Angiogenese von zentraler Bedeutung. Die Zeit bis zur Neubildung der Gefäße ist neben dem Alter des Patienten, der Art, Lokalisation und Tiefe der Wunde auch von genetischen Faktoren abhängig. Die Angiogenese der Wundheilung wird durch die in der Wunde herr schenden physiologischen Konditionen (wie erniedrigter pH-Wert, gesteigertes Laktat und erniedrigter Sauerstoffgehalt, die eine Unter versorgung des Gewebes repräsentieren) induziert, aber auch durch eine Vielzahl regulatorischer Wachstumsfaktoren und Zytokine prä zise gesteuert. Die 4€wichtigsten Wachstumsfaktoren der Angioge nese sind VEGF, FGF, Angiopoietin und TGF-β. Die Migration der Endothelzellen wird dabei auch von Proteoglykanen und der Struk tur der ECM beeinflusst. In ihrer Migration sind die Endothelzellen von der Expression von MMP zur Degradation der ECM und von spezifischen Integri nen wie αvβ3 zur Erkennung der provisorischen ECM der Wunde aus Fibrin und Fibronektin abhängig. Die neugebildeten Kapillaren sind, wie es dem Verlauf der Wundheilung entspricht, zunächst durch VEGF stimuliert eher porös und durchlässig, nehmen in ihrer Fes tigkeit jedoch im Verlauf der Wundheilung zu.
1
Kapitel 1 · Biologische Grundlagen der Wundheilung
1
. Abb. 1.2╇ Reepithelisation und Neovaskularisation 5€Tage nach Verletzung: Kleine Blutgefäße wandern vom Wundrand an der Fibrinmatrix in die
Wunde. Epitheliale Zellen verschließen die Wunde. Darstellung der für die Zellwanderung wichtigen Proteinasen
Epitheliale Regeneration
3–5€Tage nach der Verwundung beginnt die Kollagenprodukti on. Die Kollagenfasern organisieren sich, und es kommt zur ersten Kontinuität des Bindegewebes. Kollagen Typ€III reift in Typ-I-Kol lagen. Der Anteil von Kollagen€III zu Kollagen€I verschiebt sich da bei im Laufe der Wundheilung von ursprünglich 30% zu 10%, was dem Verhältnis der unverletzten Haut entspricht. Es kommt jedoch nicht zur Neubildung von Elastin, was möglicherweise eine Erklä rung für die Steifheit und fehlende Flexibilität des Narbengewebes darstellt. Die Kollagenfasern beginnen, sich parallel auszurichten. Nach der Phase der Epithelisierung können sich die Umbaupro zesse im Gewebe noch bis zu 1€Jahr hinziehen. Die epitheliale Rege neration sieht man bei keimfreien, oberflächlichen (dermalen) und primär heilenden Wunden. Diese Heilung verläuft meist ohne sicht bare Narbenbildung. Ist die Wunde jedoch vollschichtig oder sekun där großflächig kontaminiert oder tief, erfolgt der Wundheilungs prozess durch Granulationsgewebebildung und Kontraktion und hat im Gegensatz zur epithelialen Wunde eine Narbenbildung zur Folge (.€Abb.€1.3; .€Tab.€1.1).
Die epitheliale Regeneration wird durch Keratinozyten, die sich am Übergang zum Normalgewebe befinden, oder durch Keratinozyten aus Hautanhangsgebilden ermöglicht. Diese Keratinozyten migrie ren in die obere Schicht des Granulationsgewebes. In dieser Schicht formieren Blutkoagel eine Matrix aus Fibrin, Fibronektin und Kolla gen Typ€V. Die Zellen der Basalmembran am dermoepidermalen Übergang benutzen die Fibronektinmatrix zur Migration und Zell anheftung während der Reepithelisierungsphase. Die Reepitheliarisierung, die bei gutem Heilungsverlauf, z.€B. bei linearen Inzisionen, nach 24–48€h abgeschlossen sein kann, wird von den wundrandständigen Keratinozyten sowie von an den Haarbäl gen lokalisierten Stammzellen geleistet. Wie zuvor wird die Migrati on von den physiologischen Bedingungen der Wunde gefördert, ebenso von Wachstumsfaktoren und Zytokinen. Unter ihnen befin den sich die FGF€2, 7 und 10 und TGF-β. Die Proliferation der Ke ratinozyten wird u.€a. von HB-EGF, HGF, NGF, GRO-α/CXCL-1, IL-6 und GM-CSF angeregt. Nach Bildung der Neoepidermis folgt dann die terminale Keratinozytendifferenzierung, stimuliert durch S1P und BMP6 (.€Abb.€1.2).
Remodellierungsphase Nach Komplettierung der Granulationsphase überziehen ab dem 8.€Tag Epithelzellen das noch unfertige Bindegewebe. Die einfache Epithelialisierung beginnt bei einfachen Wunden bereits wenige Stunden nach der Läsion. Diese wandernde Zellschicht ist hochemp findlich gegenüber Scherkräften und kann bei einem Verbandwech sel leicht reißen. Ausgehend vom intakten Epithelgewebe an den Wundrändern bei Vollhautwunden und aus Hautanhangsgebilden bei Spalthautwunden bildet sich die neue Epidermis. Bei vollstän diger Epithelialisierung gilt die Wundheilung als abgeschlossen. Die reparative Phase ist durch Wundkontraktion, Epithelisie rung und Narbenbildung (Umbau des Granulationsgwebes) gekenn zeichnet. Fibroblasten besitzen dazu ihre duale Funktion als Produ zenten von Wachstumsfaktoren wie PDGF, TGF-β, FGF-2 und Cyr61 sowie Bestandteilen der ECM und kontraktilen Elemente.
. Abb. 1.3╇ Epitheliale/mesenchymale Interaktionen (durchgezogene Pfeile: Darstellung einer direkten Interaktion; gestrichelte Pfeile: Darstellung eines Pfades für Kofaktoren mitogener Substanzen, z.€B. Insulin, IGF-1)
1.1 · Physiologische Mechanismen
. Tab. 1.1╇ Wachstumsfaktoren mit Effekten auf die Wundheilung
Faktor
Quelle
Funktion
Angiopoietine
4 Endothelzellen
4 Stabilisierung (Ang-1) und Destabilisierung (Ang-2) von Blutgefäßen
BMP (»bone morphogenetic protein«)
4 Epithelzellen 4 Fibroblasten
4 ↓€Keratinozytenproliferation 4 ↑€Keratinozytendifferenzierung
CNN (»connetive tissue growth factor«)
4 Fibroblasten
4 4 4 4
↑€Fibroblastenproliferation und Chemotaxis ↑€ECM-Proteine und Narbenbildung ↑€Endothelzellproliferation, -migration, -überleben ↑€Angiogenese
EGF (»epidermal growth factor«)
4 4 4 4 4 4 4
4 4 4 4 4
↑€Kollagenasesekretion durch Fibroblasten ↓€Fetale Wundkontraktion ↑€Fibroblastenproliferation ↑€Chemotaktische Aktivität für Endothel- und Epithelzellen ↑€Epithelialisierung und Bildung von Granulationsgewebe
Erythropoietin
4 Haarfollikelzellen
4 ↑€Fibroblasten-, Keratinozytenproliferation und -migration 4 ↑€Epithelialisierung 4 ↑€Angiogenese und Gefäßreifung
FGF (»fibroblast growth factor«)
4 Epithelzellen 4 Basalmembran 4 Subendotheliale Matrix von Blutgefäßen
4 4 4 4
GM-CSF (»granulocate macrophage colony stimulating factor«)
4 Endothelzellen 4 Leukozyten
4 ↑€Mitose von Keratinozyten 4 ↑€Migration und Proliferation von Endothelzellen
HGF (»hepatocyte growth factor«)
4 Keratinozyten
4 ↑€Granulationsgewebe
IGF (»insulin-like growth factor«)
4 Thrombozyten 4 Fibroblasten
4 ↑€Mitose von Fibroblasten 4 ↑€Chemotaxis von Endothelzellen 4 ↑€Epithelialisierung und Bildung von Granulationsgewebe
IL-1
4 4 4 4
Makrophagen Mastzellen Keratinozyten Lymphozyten
4 ↑€Keratinozyten-, Neutrophilen-, Fibroblastenchemotaxis 4 Kollagensynthese und Degradation
IL-2
4 4 4 4
Makrophagen Mastzellen Keratinozyten Lymphozyten
4 ↑€Fibroblastenmetabolismus und -infiltration
IL-4
4 Mastzellen
4 ↑€Fibroblastenproliferation 4 ↑€Proteoglykan- und Kollagensynthese 4 ↓€TNF-α- , IL-1- und IL-6-Expression
IL-6
4 4 4 4
Makrophagen Mastzellen Keratinozyten Lymphozyten
4 ↑€Fibroblastenproliferation 4 Ischämieschutz für Endothelzellen
IL-8
4 4 4 4
Makrophagen Mastzellen Keratinozyten Lymphozyten
4 ↑€PMN- und Makrophagenaktivierung und -Chemotaxis 4 ↑€Keratinozytenreifung und Adhärenz
IL-10
4 Keratinozyten 4 Monozyten
4 ↓€PMN und Makrophagenaktivierung und -infiltration 4 ↓€TNF-α-, IL-1- und IL-6-Expression 4 Regulation der Keratinozyten- und Endothelzellproliferation und -differenzierung
Leptin
4 Fettzellen
4 ↑€Epithelialisierung 4 ↑€Keratinozytenproliferation
Fibroblasten Keratinozyten Eosinophile Haarfollikelepithelzellen Schweißdrüsen Talgdrüsen Thrombozyten
↑€Epithelialisierung durch Keratinozyten- und Fibroblastenmigration ↑€Angiogenese durch Endothelzellwachstum und Migration ↑€Kollagenremodeling Prävention der Wundkontraktur
1
˘
1
Kapitel 1 · Biologische Grundlagen der Wundheilung
. Tab. 1.1╇ (Fortsetzung)
Faktor
Quelle
Funktion
NGF (»nerve growth factor«)
4 Epithelzellen 4 Fibroblasten 4 Myofibroblasten
4 4 4 4 4
↑€Einsprossung von Nerven in die Wunde ↑€Keratinozytenproliferation ↓€Keratinozytenapoptose ↑€Enothelzellproliferation ↑€Fibroblastenmigration und α-smooth-muscle-actin-Produktion
PDGF (»platelet derived growth factor«)
4 Thrombozyten 4 Zellen der Epidermis
4 4 4 4
↑€Fibroblastenproliferation ↑€Produktion der extrazellulären Matrix Rekrutierung von Fibroblasten und Makrophagen in die Wunde ↑€Proteoglykan- und Kollagensynthese
TGF-α (»transforming growth factor alpha«)
4 Makrophagen 4 Thrombozyten 4 Keratinozyten
4 ↑€Epithel- und Endothelzellwachstum 4 ↑€Endothelzellchemotaxis
TGF-β (»transforming growth factor beta«)
4 Makrophagen 4 Thrombozyten 4 Lymphozyten
4 4 4 4 4
TNF-α (»tumor necrosis factor alpha«)
4 Makrophagen
4 ↑€PMN-Adhärenz, Zytotoxizität, Gefäßpermeabilität, Hämostase 4 ↑€Kollagensynthese und Degradation
VEGF (»vascular endothelial growth factor«)
4 Keratinozyten 4 Makrophagen
4 ↑€Angiogenese
1.2
Ursachen gestörter Wundheilung
Definition.╇ Als chronisch wird eine Wunde bezeichnet, die nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums epithelisiert und sich ver schließt, in den meisten Definitionen innerhalb von 30€Tagen. Chronische Wunden stellen ein komplexes Krankheitsbild dar, das neben der individuellen Belastung der Patienten enorme Kosten und hohen Resourcenverbrauch für ein Gesundheitssystem verurs acht. Die Häufigkeit chronischer Wunden ist weit höher, als oft an genommen wird, in Schweden beispielsweise liegt die Prävalenz von Ulzera der unteren Extremität bei 1/50 der Bevölkerung. In der Altersgruppe >70€Jahre wurde eine Prävalenz von verheilten und offenen chronischen Wunden der unteren Extremität von 9,8% ge funden. > Chronische Wunden durchlaufen den zeitlich geordneten Reparationsprozess nur unvollständig und gelangen daher nicht zur anatomischen und funktionellen Wiederherstellung.
Die Ursachen von chronischen Wunden sind vielfältig. Sie können durch genetische, endokrine, psychische, entzündliche und mecha nische Faktoren bedingt oder beeinflusst werden (.€Tab.€1.2). Der Untersuchungsgang ist in .€Tab.€1.3 dargestellt. Bei der Pathogenese von chronischen Wunden spielt die Ge webeischämie und -hypoxie eine entscheidende Rolle. Beide Ein flussgrößen korrelieren mit der arteriellen Mangeldurchblutung. Darüber hinaus besteht bei schlecht durchblutetem Wundgrund ein deutlich höheres Infektrisiko. Diese Faktoren haben einen negativen Einfluss auf die verschie denen Phasen der Wundheilung und verzögern somit den Wundhei lungsprozess.
↑€Fibroblasten- und Leukozytenmigration ↑€Synthese der extrazellulären Matrix und Kollagensynthese ↑€Angiogenese ↑€Wachstumsfaktorproduktion aus Monozyten ↑€Chemotaxis für Makrophagen, Fibroblasten, Narben-Remodelling und Wundkontraktur 4 ↓€Endothelzellproliferation
> Das therapeutische Ziel jeder Wundbehandlung sollte sein, heilungshemmende Faktoren zu minimieren und heilungsfördernde zu unterstützen.
1.2.1
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
Die häufigste Ursache der peripheren arteriellen Verschlusskrank heit (pAVK) ist die Arteriosklerose (90–95%) die v.€a. durch Nikotin abusus, Stoffwechselerkrankungen (z.€B. Diabetes mellitus, Hyper lipoproteinämie) und Hypertonie bedingt ist. Da zunehmend jün gere, erwerbstätige Menschen (m:w=4:1) betroffen sind, kommt der pAVK eine große sozioökonomische Bedeutung zu. Die Diagnose der Lokalisation und des Schweregrades der pAVK ist nach Ana mneseerhebung und klinischer Untersuchung (Inspektion, Palpa tion, Auskultation, Gehtest) eindeutig zu erheben. Der klinische Befund ist vom Kompressionsgrad (Leistungsfähigkeit der Kollate ralen) abhängig. Die Dopplersonographie gibt Aufschluss über den peripheren Verschlussdruck (Differenzierung Makro-/Mikroan giopathie). Die Stadieneinteilung erfolgt nach Ratschow-Fontaine (.€Tab.€1.4). Die Indikation zum operativen Vorgehen sowie die Wahl des Ver fahrens hängen von klinischen Diagnoseparametern ab. Nach Aus schöpfen konservativer Konzepte (Nikotinkarenz, vasoaktive Sub stanzen, rheologische Maßnahmen, Gewichtsreduktion, Gehtraining, Antikoagulanzien) und radiologisch-interventioneller (PTA, Stent) Verfahren stellen wir die Operationsindikation anhand des klinischen Stadiums (Kompensationsgrad), der psychosozialen Situation (Alter, Beruf) und der Angiographie (Zustrom- und Abflussverhältnisse) unter Berücksichtigung stattgehabter Voroperationen und der allge meinen Operabilität (Begleiterkrankungen, lokale Infekte).
˘
1.2 · Ursachen gestörter Wundheilung
. Tab. 1.2╇ Ursachen chronischer Wunden
. Tab. 1.3╇ Untersuchung einer chronischen Wunde
Ursachen
Im Einzelnen
Untersuchungs� schritt
Im Einzelnen
Vaskuläre Ursachen
4 Venöse Insuffizienz 4 Arterielle Insuffizienz (Arteriosclerosis obliterans, Thrombangitis obliterans, Hypertonus) 4 Antiphospholipidsyndrom 4 Kryoglobulinämie 4 Lymphstau (Elephantiasis)
Anamnese
Entzündung
4 4 4 4 4
Pyoderma gangraenosum Necrobiosis lipoidica diabeticorum Periarteriitis nodosa Wegener-Granulomatose Epidermale Narbeninstabilität
4 Beginn, Lokalisation, Größe, Tiefe, Drainage, Infektion 4 Ursache 4 Vorbehandlungen (konservativ/chirurgisch) 4 Gehstatus (Gehstrecke, Claudicatio interÂ� mittens) 4 Medizinische Vorgeschichte (Vor- und Nebenerkrankungen, v.€a. Diabetes mellitus, chronische venöse Insuffizienz, KollagenÂ� erkrankung, Sichelzellanämie)
Tumoren/ hämaÂ�tologische Ursachen
4 4 4 4 4 4 4
Spinaliom/Marjolin-Ulkus Basaliom Lymphome Primäre Hauttumoren Metastasen Sichelzellanämie, Thalasämie Hyperkoagulation (z.€B. Protein-C-Mangel)
Körperliche Untersuchung
4 4 4 4 4 4 4 4
Physikalische Schädigung
4 4 4 4 4 4 4 4
Verbrennung Erfrierung Elektrotrauma Chemikalien Strahlung Drucknekrose Dekubitus neuropathische Ulzera
Labor
4 Blutlabor 4 Antibiogramm
Apparative Diagnostik
4 Bildgebende Diagnostik (Röntgen, CT, MRT, Szintigraphie) 4 Dopplersonographie 4 Angiographie
Infektion
Sonstige Ursachen
4 Bakterien 4 Pilzinfektion 4 Viren 4 4 4 4
Lichen planus Insektenbisse Medikamente (Ergotismus, Methotrexat etc.) Selbstschädigung
. Tab. 1.4╇ Stadieneinteilung der arteriellen Verschlusskrankheit nach Ratschow-Fontaine
Stadium
Kennzeichen
I
4 Stenose ohne klinisches Krankheitsbild
II
Ob postoperativ eine Antikoagulation (Heparin, Markumar) oder Aggregationshemmung (ASS, Clopidogrel) indiziert ist, muss im Einzelfall interdisziplinär anhand der Gefäßsituation, der Kon traindikationen und der Kooperationsfähigkeit des Patienten geklärt werden.
Diabetische Ulzera
Diabetische Ulzera sind heute die häufigste Ursache für Amputa tionen an der unteren Extremität. Die Inzidenz bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ€1 und Typ€2 beträgt etwa 2% pro Jahr. Die durchschnittlichen Kosten für eine 2-jährige Behandlung belaufen sich auf 27.987€$ pro Patient. Diabetische Ulzera sind hauptsächlich neuropathischen Ur sprungs. Weitere Risikofaktoren sind eine schlechte Stoffwechselein stellung, Fußdeformationen (Charcot-Fuß), Hyperkeratosen, man gelndes Problembewusstsein, arterielle Durchblutungsstörungen so wie Übergewicht. Häufig sind Bagatellverletzungen an druckÂ�belasteten Gebieten des Fußes das auslösende Trauma, wobei das Krankheitsbild des diabetischen Fußes sich in 6€Stadien einteilt (.€Tab.€1.5).
IIa
4 Schmerzfreie Gehstrecke >100€m 4 Belastungsdekompensation bedingt ClaudicatioinÂ�termittens-Symptomatik (»Schaufensterkrankheit«)
IIb
4 Claudicatio intermittens mit schmerzfreier GehÂ� strecke Verglichen mit früher Amputation oder frustraner konservativer Behandlung ermöglicht dieses Konzept den Extremitätenerhalt, was zu besseren Aussichten für die Rehabilitation und erhöhter Lebensqualität führt.
Weitere Details zu Denervationen an der oberen und der unteren Extremität sind in 7€Kap.€47 zu finden. 1.2.3
Chronisch venöse Insuffizienz
Die Prozesse bei der Entstehung des Ulcus cruris venosum finden sich sowohl auf der makro- als auch der mikroangiopathischen Ebe ne des venösen Systems. Durch eine vermehrte venöse Gefäßfüllung und die damit verbundene Reduktion der Strömungsgeschwindig keit kommt es zu einer chronisch venösen Hypertonie. Proteine ge langen vermehrt transendothelial in die Peripherie. Die dadurch bedingte Ödembildung führt zur Hypoxämie und schließlich zum Absterben von vitalem Gewebe und somit zur Ausbildung des Ulcus cruris. Zur Entstehung der chronisch venösen Insuffizienz bestehen bis heute verschiedene pathogenetische Hypothesen: 4 eingeschränkte Sauerstoffdiffusion sowie mangelnder Rück transport von interstitiellem Ödem in das Gewebe durch dicke perivaskuläre Fibrinbeläge, 4 Okklusion von Kapillaren durch Leukozyten (Mikrothromben). Nach einer umfangreichen Diagnostik zur differenzialdiagnos tischen Abgrenzung besteht die konservative Therapie in der Ver besserung der Blutflussgeschwindigkeit und Eliminierung von Risi
kofaktoren. Ergänzend ist die Kompressionstherapie Mittel der 1.€Wahl. Die Wundbehandlung mit verschiedenen Verbandmateri alien ist hierbei von entscheidender Bedeutung. Die operative The rapie besteht in radikalem Débridement, Perforansligatur und ggf. Venen-Stripping. Eine weitere Therapieoption stellt die subfasziale Dissektion von Perforansgefäßen dar. Der Defektverschluss folgt den allgemeinen plastisch-rekonstruktiven Grundsätzen. 1.2.4
Druckgeschwüre
Dekubitalulzera sind das Resultat ischämischer Hautschädigungen infolge anhaltender örtlicher Druckeinwirkung, vorwiegend über Knochenvorsprüngen. Das Ausmaß der Gewebeschädigung ist von der Größe des Auflagedrucks und der Zeit abhängig. Schon nach einer Druckeinwirkung auf das Gewebe von 2€h kann es zu einer Gewebs schädigung kommen. Überwiegend sind ans Bett gebundene€Pa tienten betroffen, die außerstande sind, ihr Gewicht zu verlagern. Â�Eine€Stadieneinteilung der Dekubitalulzera erfolgt nach Campbell (.€Tab.€1.6). 1.2.5
Strahleninduzierte Hautschäden
Strahlenulzera entstehen durch den akuten oder chronischen Effekt von ionisierenden Strahlen. Die Verletzung kann die Haut, darun terliegendes Weichteilgewebe und sogar tieferliegende Strukturen wie Knochen oder am Thorax die inneren Organe betreffen. Das Erythem der Haut ist die erste klinisch sichtbare Reaktion der Haut auf eine Bestrahlung. Unterteilt man die Hautreaktionen nach Auf treten eines Erythems nach einer Einzeitbestrahlung von etwa 6,0€Gy, so ergibt sich folgender Ablauf: 4 Früherythem: 1.–4. Tag post radiationem (p.€r.), 4 Mittelerythem: 8.–22. Tag p.€r., 4 Spät- oder Hauptreaktion: 24.–51. Tag p.€r. Dieser Zeitablauf verändert sich bei fraktionierter Bestrahlung. Das Früherythem zeigt sich bei konventioneller Fraktionierung (Frakti onsdosis 2,0€Gy) nicht, die erythematöse Reaktion tritt etwa nach 3€Wochen ein. Hauptursache dieser Reaktionen sind die Störungen der Gefäßphysiologie, insbesondere eine Vasodilatation. Die klinische Hautreaktion setzt sich stets aus den Gefäßverän derungen im Korium und den Veränderungen in der Epidermis zu sammen.
. Tab. 1.6╇ Stadieneinteilung nach Campbell
Stadium
Kennzeichen
I
Druckläsion mit Erythem
II
Rötung, Schwellung, Induration, Blasenbildung, Exkoriation
III
Ulzeration mit freiliegendem Subkutangewebe
IV
Ulzeration mit freiliegender Muskelfaszie
V
Nekrosen von Haut, Fett- und Muskelgewebe
VI
Beteiligung knöcherner Strukturen (Periostitis, Osteitis, Osteomyelitis)
VII
Wie VI; zusätzlich septische Komplikationen, patholoÂ� gische Frakturen, Luxationen, letale Verläufe
11
1.2 · Ursachen gestörter Wundheilung
Epidermis Unterteilt man die Hautreaktionen nach dem klinischen Bild, folgen dem Erythem die durch eine Schädigung der Epidermis verursach ten Effekte: 4 Radiodermatitis sicca = trockene Schuppung, leichte epider male Atrophie, Zellmangel im Stratum spinosum, Einstellung der Funktion von Talg- und Schweißdrüsen sowie schwache entzündliche Infiltration im Korium (übliche Strahlenreaktion nach Hochvoltbestrahlung). 4 Radiodermatitis acuta bullosa = Auftreten von flüssigkeitsge füllten Blasen innerhalb der Epidermis und zwischen Epidermis und Korium. Permeabilitätsstörungen der Gefäßplexus. 4 Radiodermatitis acuta erosiva = exsudative Hautreaktion. Ver lust der epidermalen Deckung und hochgradige Veränderungen am Korium. 4 Radiodermatitis acuta gangraenosa = schwerste Form, nekro tisches Ulkus. Pathophysiologisch liegt diesen Prozessen eine Beeinträchtigung der Proliferation in den germinativen Schichten mit fehlendem Zellnach schub aus dem Stratum basale (der Stammzellschicht) ins Stratum spinosum zugrunde. Bei der schwersten Form führt die Gefäßschä digung im Stratum capillare zur umschriebenen Nekrose (radio genes Ulkus) mit schlechter Heilungstendenz. Die radiogene Hautreaktion ist vom bestrahlten Volumen ab hängig. Die Strahlenempfindlichkeit der Haut variiert an einzelnen Körperregionen. Besonders empfindlich sind Hautfalten, Hals, Beu geseiten der Gelenke.
Dermis Die subkutane radiogene Fibrose ist die häufigste Nebenwirkung einer modernen Strahlentherapie an der Haut. Sie ist durch eine Verminderung des subkutanen Fettgewebes und eine Verstärkung der kollagenen Elemente gekennzeichnet, sodass die Haut mit ihrer Unterlage ihre Elastizität verliert und sich in eine derbe Narbenplat te mit Schrumpfungstendenz umwandelt.
Therapie der Hautreaktion Während die Behandlung der frühen Hautreaktion während einer Strahlentherapie mit Puder oder hydrophiler Pflegelotion zur Stan dardtherapie in der Radioonkologie gehört, ist die Therapie chro nischer Strahlenreaktionen mit epidermaler Instabilität oder Ulze ration schwierig und oft nur mit plastischer Weichteildeckung aus unbestrahlten Nachbarregionen in Fachkliniken erfolgreich. Das früher ausgesprochene Waschverbot bestrahlter Haut ist nicht mehr gerechtfertigt. Jedoch ist darauf zu achten, dass eine mo derate Temperatur eingehalten wird und dass Hautirritationen beim Waschen (Seife) und auch beim Trocknen vermieden werden müs sen. Speziell im Genitalbereich haben sich Sitzbäder zur Vorbeugung ausgedehnter Hautreaktionen bewährt. Allerdings ist bei exsuda tiven Hautreaktionen auf ungehinderte Luftzirkulation und die Ver meidung von die Bestrahlungsfelder abdeckenden Verbänden, Klei dungstücken usw. zu achten. Mechanische Irritationen sind generell zu vermeiden. Operative Eingriffe im Bestrahlungsgebiet sollten, wenn über haupt erforderlich, zur Vermeidung von Wundheilungsstörungen möglichst erst 4–6€Wochen nach Strahlentherapieende erfolgen. Sie sind – unter Inkaufnahme eines höheren Wunddehiszenzrisikos – auch eher möglich. In chronisch veränderter Haut müssen chirur gische Maßnahmen mit äußerster Vorsicht durchgeführt werden. Das gilt auch für chronische Bindegewebsnarben nach Bestrahlung, bei denen chronische Ulzerationen u.€U. erst durch den operativen
Eingriff ausgelöst werden können. In der Regel sind bei Heilstö rungen im Strahlenfeld plastisch-rekonstruktive Maßnahmen (Lap penplastiken) notwendig.
Literatur 7€Kap.€3. Broughton G II, Janis JE, Attinger CE (2006) The basic science of wound healing. Plast Reconstr Surg 117 (7 Suppl): 12S–34S Efron PA, Moldawer LL (2004) Cytokines and wound healing: the role of cytokine and anticytokine therapy in the repair response. J Burn Care Rehabil 25 (2):149–160 Werner S, Grose R (2003) Regulation of wound healing by growth factors and cytokines. Physiol Rev 83 (3):835–870
1
2
Grundlagen der Wundbehandlung M. Aust
2.1
Wundauflagen und Externaâ•… – 14
2.1.1 Interaktive Verbändeâ•… – 14
2.2
Autologer und biologischer Hautersatzâ•… – 16
2.3
Vakuumtherapieâ•… – 16
2.4
Narbenâ•… – 16
2.4.1 Differenzialdiagnoseâ•… – 16 2.4.2 Therapeutisches Vorgehenâ•… – 17
2.5
Antibiotikaâ•… – 17
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
14
2
Kapitel 2 · Grundlagen der Wundbehandlung
Modernes Wundmanagement umfasst nicht nur die Versorgung der Wunde, sondern beinhaltet auch die Vernetzung von Ärzten und Pflegeinrichtungen, medizinischen Diensten, Pflegediensten und Kostenträgern. Aktuelle Therapiekonzepte, insbesondere die feuchte Wundbehandlung, beschleunigen die Wundheilung, reduzieren Schmerzen und eröffnen erhebliche finanzielle Einsparpotenziale. Das migrative und proliferative Verhalten von Zellen ist entscheidend vom Wundmilieu abhängig. 1962 erkannte Winter, dass eine feuchte Wundbehandlung bei sekundären Wunden zu einem beschleunigten Heilungsverlauf führt. Inzwischen ist die feuchte Wundbehandlung als moderne Wundversorgung für sekundäre Wunden als lege artis anerkannt. Bei der Wundversorgung ist es essenziell, ein für alle Phasen der Wundheilung günstiges feuchtes Wundmilieu zu schaffen und dieses auch aufrechterhalten. Das Prinzip der modernen feuchten Wundbehandlung liegt in der Förderung der Autolyse (Selbstreinigung), zellulärer Infekthemmung, Proliferation (Gewebeersatz) und Schmerzminderung. Bei der Autolyse kommt es durch die Aktivierung körpereigener – vorwiegend eiweißspaltender (proteolytischer) – Enzyme (z.€B. Matrixmetalloproteinasen, Plasminogenaktivatorkomplex) zur Selbstreinigung der Wunde. Durch Aktivierung von Granulozyten sowie des Monozyten-Makrophagen-Systems zur Bekämpfung pathogener Mikroorganismen wird die zelluläre Infekthemmung gefördert. Anschließende Angioneogenese und Fibrogenese unterstützen die Proliferation. Schmerzlinderung wird durch eine Minimierung der Freisetzung von Mediatoren und eine exsudative (»feuchte«) Ummantelung freier Nervenendigungen erreicht. 2.1
Wundauflagen und Externa
Eine Standardisierung der Behandlung auf evidenzbasierten Grundlagen sichert die Qualität der Behandlung. Prinzipiell erfolgt die Einteilung der Wundauflagen nach ihrem Wirkungsprinzip in passive und aktive Verbände. Die passive Wundauflage hat vornehmlich eine gute Saugkraft zu bieten, sie bestehen meist aus Mull, Vlies oder ähnlichen saugfähigen Stoffen. Das enorm erweiterte Grundlagenwissen zu Physiologie und Pathophysiologie der Wundheilung hat in den letzten Jahrzehnten zur Entwicklung von Wundauflagen geführt, die über die klassischen Funktionen hinaus zusätzliche Behandlungsoptionen eröffnen. So stellt im Gegensatz zur passiven die aktive Wundauflage die Schaffung eines feuchten Wundmilieus durch Okklusion und Interaktion von Verbandsstoff und Wunde sicher. Die Kriterien für die aktive Form der Wundauflage sind einerseits die Schaffung eines feuchten Klimas zur Zellmigration, -proliferation und -differenzierung, Neovaskularisation, autolytisches Débridement und Absorption des Wundexsudates. Zum anderen sind Gewährleistung des Gasaustauschs, thermische Isolation der Wunde sowie mechanischer und mikrobiologischer Schutz essenÂ� ziell. Ein geringes allergenes Potenzial, atraumatisches Entfernen des Verbandsstoffs und eine für den Klinikalltag einfache, zeit- und kosÂ� tensparende Handhabung stellen weitere Qualitätsmerkmale dar. Die Anwendungsbereiche von Wundverbänden betreffen sowohl akute als auch chronische sekundäre Wunden. Allgemein lassen sich die Ziele eines optimierten Wundverbandes wie in der .€Übersicht gezeigt definieren.
Anforderungen an einen optimierten Wundverband 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Beschleunigung des Wundheilungsprozesses Reduktion von Schmerz und Juckreiz Aufnahme von Wundexsudat ohne Austrocknung Nichtallergenes, gut verträgliches Material Vermeidung der Traumatisierung der Wunde beim Verbandwechsel Schutz vor physikalischen, chemischen und mikrobiellen Belastungen Anpassung an die Wundheilungsphasen Einfache Handhabung Biologische Verträglichkeit
Bei der unterschiedlichen Kausalgenese und Beschaffenheit von Wunden liegt es aber nahe, dass nicht eine einzelne Wundauflage allen therapeutischen Anforderungen gerecht werden kann. Die grundlegenden Anforderungen an ein erfolgreiches Wundmanagement sind in der .€Übersicht dargestellt. Anforderungen an ein zeitgemäßes Wundmanagement 4 4 4 4 4 4 4 4 4
4
2.1.1
Diagnose, Differenzialdiagnose Klärung und ggf. Substitution des Ernährungsstatus Entscheidung konservative/operative/kombinierte Therapie Grundsätzliche Therapieentscheidung (lokal/intern/kombiniert) Erkennung und Förderung von Ressourcen und Mobilität Gegebenenfalls physiotherapeutische Förderung und Aktivierung Berücksichtigung von Alter und allgemeinem Gesundheitszustand Berücksichtigung der sozialen Situation Erkennen und Behandlung möglicher Faktoren für Â�Wundheilungsstörungen (Medikamente, Suchtmittel, BegleitÂ�erkrankungen u.€a.) Dokumentation
Interaktive Verbände
Eine Vielzahl moderner interaktiver Verbände, die ihre unterschiedliche Wirkung in der jeweiligen Heilungsphase zeigen, ist verfügbar (.€Tab.€2.1): 4 Wundfüller: Alginate, Hydrofaser, Hydrogele, 4 Absorber: Aktivkohleverbände, 4 Wundabdeckungen: Folien, Hydrokolloide, Schaumstoffe, Aktivkohleverbände, Silberverbände.
Alginate Wegen ihres blutstillenden Effektes und ihrer guten Wundreinigung werden Alginate vorwiegend bei blutenden oder fibrinös belegten oberflächlichen und tiefen Wunden eingesetzt. Sie bestehen aus Polysacchariden (meist Meeresalgen), besitzen die Wirkungsweise eines Ionenaustauschers und können Wasser bis zum 20-Fachen des Eigengewichts aufnehmen. Dieser Wundfüller besitzt die Möglichkeit, Mikroorganismen und Zelltrümmer der Wunde einzuschließen und unterstützt damit die Wundreinigung. 4 Präparate: z.€B. Algisite€M, Kaltostat Tamponade.
15
2.1 · Wundauflagen und Externa
. Tab. 2.1╇ Wundauflagen und Salben
Präparat Wundauflagen
Salben
Indikationen Kalziumalginat mit Silber (»Silvercel«)
4 Infizierte, chronische und infektionsgefährdete Wunden 4 Zum Austamponieren bei tiefen, nässenden Wunden
Silberaktivkohleauflage (»Actisorb silver«)
4 Infizierte, chronische sekundär heilende Wunden mit stärkerer Sekretion 4 Geruchsintensive Wunden, z.€B. bei Tumoren
Proteasemodulierende Matrix (»Promogran«)
4 Chronische, nichtinfizierte Wunden
Proteasemodulierende Matrix (»Promogran Prisma«)
4 Chronische sekundär heilende Wunden mit Schutz vor Reinfektionen
Hydrokolloide (»Suprasorb H«)
4 Nichtinfizierte chronische Wunden 4 Oberflächliche Verbrennungen/Verbrühungen 4 Als Sekundärverband bei sauberen Wundverhältnissen
Kalziumalginat (»Suprasorb A«)
4 Nicht infizierte, chronische Wunden/Wundhöhlen
Hydrogel (»Varihesive«)
4 Nekrotische Wunden zur Autolyse
Folienverband (»Suprasorb F«)
4 Tangentielle oberflächliche Hautwunden zur Sekundärheilung
PU-Schaum (»Mepilex/Mepilex border«)
4 Sekundärverband bei allen infizierten oder stark nässenden Wunden
Repithel Hydrogel
4 Chronische, infizierte Wunden 4 Spalthauttransplantate 4 Epithelisierende Wunden
Braunovidon-Salbe
4 Infizierte Wunden 4 Bei gefährdeten Wunden zur Infektionsprophylaxe
Panthenol-Salbe
4 Fetten nach Transplantationen 4 Hautpflege
Lavasept-Gel
4 Antiseptikum, z.€B. bei frischen Verbrennungen/Verbrühungen
Hydrofaserverbände
Hydrokolloide
Diese Verbände werden aufgrund ihrer Schutzfunktion am Wundrand bei stark exsudierenden, eher geringer belegten, oberflächlichen und tiefen Wunden mit aufgequollener Wundumgebung eingesetzt. Hauptbestandteil sind Makromoleküle aus Nariumkarboxymethylzellulose. Nach Wundkontakt kommt es zur sofortigen Â�Quellung und Gelbildung (»Instantgele«). Das Gel ist durchscheinend und bleibt formstabil. Wundrand und Wundumgebung bleiben trocken. 4 Präparat: z.€B. Aquacel Kompresse.
Die ältesten Vertreter der »modernen feuchten Wundbehandlung« sind die Hydrokolloide. Sie bestehen aus einem Polyurethanfilm, auf den eine selbstklebende Hydrokolloidmasse aufgebracht ist. Inhaltsstoffe wie z.€B. Karboxymethylzellulose, Pektin, Karajagummi oder Gelatine sind in einer Trägersubstanz aus synthetischen KautÂ� schukarten wie Polyisobutylen eingebettet. Die Exsudataufnahme€führt zu (langsamer) Quellung und bildet ein feuchtes, zähÂ� flüssiges Gel. Dieses Gel muss bei jedem Verbandswechsel entfernt werden. Hydrokolloide werden bei gering bis maximal mäßig exsudierenden, oberflächlichen, granulierend-epithelisierenden Wunden, zunehmend auch bei Fingerkuppendefekten, sowie als Hautschutz bei Vakuumtherapie oder zur Dekubitusprophylaxe eingesetzt. 4 Präparate: z.€B. Hydrocoll, Varihesive.
Hydrogele Hydrogele werden vorwiegend bei fibrinös belegten und trockenen, oberflächlichen und tiefen Wunden eingesetzt. Sie weisen einen hohen Wassergehalt auf (60–95%). Dadurch besteht die Möglichkeit der Rückfeuchtung und Feuchthaltung der schwach exsudierenden Wunde; dies unterstützt somit die autolytische (=Selbst-)Reinigung. 4 Präparat: z.€B. Hydrosorb.
Folienverbände Diese Verbände werden bei Bagatellwunden zur kurzzeitigen Abdeckung (Hygienemaßnahme u.€Ä.) bei der Vakuumbehandlung (VAC-Therapie; 7€Kap.€2.3) und ggf. für Spalthautentnahmestellen eingesetzt. Sie finden sowohl bei oberflächlichen und auch tiefen Wunden Verwendung. Die semipermeable, dünne, transparente Membran aus Polyurethan verhindert das Eindringen von Mikroorganismen und Flüssigkeiten. Ein Gasaustausch ist abhängig von der Permeabilität unterschiedlich stark möglich. 4 Präparate: z.€B. Suprasorb, Tegaderm.
Schaumstoffverbände Aus geschäumtem Polyurethan bestehend, nehmen sie Exsudat mittels Kapillarkräften auf und können bis zum 20- bis 30-Fachen ihres Eigengewichts an Exsudat tragen. Wundseitig besitzen sie eine feinporige Struktur, teilweise thermogeglättet oder foliert, um das Risiko der Verklebung mit dem Wundgrund zu verringern. Sie finden ihre Anwendung bei gering bis stark exsudierenden, oberflächlichen, feuchten bis nassen Wunden. 4 Präparate: z.€B. Allevyn adhesive, Suprasorb€P, Epigard.
2
2
16
Kapitel 2 · Grundlagen der Wundbehandlung
2.2
Autologer und biologischer Hautersatz
Der Ersatz zerstörter Haut bei großflächigen Verletzungen oder Verbrennungen ist nach der Wundreinigung oder -konditionierung die Endstrecke des operativen Therapiekonzeptes. Je nach Tiefe der Verletzung bedarf es dabei der Rekonstruktion epithelialer oder zusätzlich dermaler Anteile. Die autologe Spalthauttransplantation kann als Goldstandard für die Deckung großflächiger Defekte bezeichnet werden. Sie setzt jedoch einen ausreichend vaskularisierten Wundgrund voraus. Eine virtuelle Vergrößerung der Spalthaut durch die Verarbeitung zu Maschen- oder Inseltransplantaten ermöglicht die Deckung großflächiger Defekte. Je nach Lokalisation der Wunde kann der Einsatz von Dermisersatzmaterial sinnvoll sein. Verschiedenen Therapieoptionen mittels autologem und biologischem Hautersatz werden in 7€Kap.€69 (»Verbrennungsverletzungen«) eingehend behandelt.
2.4
Narben
Überschießende Narbenbildung ist eine häufige Ursache für plasÂ� tisch-chirurgische Sekundäreingriffe oder erfordert zumindest eine systematische Therapie. Auslöser sind ungeklärte immunologische, genetische oder primäre exogene Störfaktoren wie instabile Wundverhältnisse und Infektionen, Gewebstraumatisierung oder auch falsche Inzisionstechniken. Wirken diese Störfaktoren auf den Heilungsprozess ein, können durch die Protrahierung der inflammaÂ� torischen oder Remodellierungsphase ästhetisch oder funktionell störende Narben entstehen. Nicht nur ist dabei das dermale Narbenbild durch hypertrophe und ungeordnete Kollagenmuster charakÂ� terisiert, sondern auch unreife Formen der Epithelisierung sind die Folge. Sekundäre Kontrakturen induzieren FunktionseinschränkunÂ� gen (z.€B. über Gelenken). Die Ursachen für die Entstehung hypertropher Narben und/oder Keloide zeigt die .€Übersicht. Entstehungsursachen hypertropher Narben/Keloide
2.3
Vakuumtherapie
> Die Vacuum-assisted-closure- (VAC-)Therapie gilt heute als unverzichtbarer Bestandteil einer offen geführten Wundreinigung, Ödemreduktion und temporären Wundokklusion.
Das System beruht auf der Anwendung subatmosphärischen Drucks auf der Wundoberfläche. Der offenporige Schwamm verteilt flächig eine Sogwirkung auf die gesamte Wundoberfläche. Damit keine UmgeÂ� bungsluft angesaugt werden kann, wird die Wunde durch eine wasserÂ� undurchlässige, transparente und keimdichte Polyurethanfolie abgeklebt. Die Dichtigkeit des Verbandes ist unabdingbar, werden doch sonst die Keime durch Umgebungsluft durch den Verband gefiltert. Es kommt darunter zur Ödemreduktion, Angioneogenese und Neubildung von Granulationsgewebe. Die so geschaffene KondiÂ� tionierung ermöglicht ein sauberes Wundbett für die spontane Epithelisierung oder plastisch-chirurgische Sekundäreingriffe. Die Qualität der Wundheilung ist abhängig vom Ausmaß der Schädigung sowie von örtlichen und allgemeinen Faktoren. Eindeutig belegte Vorteile der Vakuumtherapie (VAC) sind in der .€Übersicht genannt. Vorteile der Vakuumtherapie (VAC) 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Stimulation des Wundheilungsprozesses Reinigung der Wunde Keimdichter, geruchsneutraler Wundverband Verhinderung der Durchfeuchtung oder Mazeration in der Wundperipherie Transparenz des Verbandes – und damit kontinuierliche klinische Kontrolle der umgebenden Haut Verbandswechsel nur alle 2–4€Tage Mobilisierbarkeit des Patienten Einfache und sichere Handhabung Anwendung sowohl im stationären wie auch ambulanten Bereich möglich
Risiken des Verfahrens sind die Infektexazerbation bei unzureichendem Primär-Débridement, Protrahierung des plastisch-chirurgischen Sekundäreingriffs sowie Blutungsgefahr bei Verwendung in Gefäßnähe.
4 Trauma (mechanisch, chemisch, thermisch) 4 Dermatologische Erkrankungen (z.€B. Erkrankungen der Hautanhangsgebilde) 4 Organstörungen 4 Infektionen, organische Erkrankungen 4 Genetische Ursachen
Eine hypertrophe Narbe beinhaltet eine benigne, auf die Wunde begrenzte Gewebshypertrophie. Im Gegensatz dazu dehnt sich beim Keloid der Prozess auf die gesunde Umgebung mit ungehemmtem Wachstum aus. Die Inzidenz bei dunkelhäutigen Populationen liegt zwischen 5 und 20%. Kaukasier und Albinos sind deutlich seltener betroffen. Vorwiegend entstehen sowohl hypertrophe Narben als auch Keloide zwischen dem 15. und dem 30.€Lebensjahr. Frauen sind im Verhältnis 3:1 häufiger betroffen als Männer. Obwohl die Ursachen noch nicht völlig geklärt sind, gilt es als gesichert, dass lokal wirkende Faktoren genauso wie auch endogene und exogene Faktoren für die Ausbildung verantwortlich sind. Es wurde beschrieben, dass ein Trauma das auslösende Moment bei der Keloidgenese darstellt. Meist sind mechanische, thermische oder chemische Schädigungen sowie Verbrühungen, Acne vulgaris, Exkoriationen, Tätowierungen, Fremdkörper, Injektionen, Bisswunden und chirurgische Manipulationen als Auslöser in der Literatur erwähnt. Es sind vorwiegend pigmentierte Körperstellen betroffen, wobei dies mit einer Störung des melanozytenstimulierenden Hormons (MSH) in Zusammenhang gebracht wird. Bestimmte KörperregioÂ� nen, die unter einer erhöhten Hautspannung stehen (z.€B. Brust oder Rücken), sind häufiger betroffen. Auch immunologische Reaktionen können bei der Entstehung von Keloiden eine wesentliche Rolle Â�spielen. 2.4.1
Differenzialdiagnose
Die Differenzialdiagnose zwischen hypertropher Narbe und Keloid wird klinisch gestellt. Bei der hypertrophen Narbe wird der Narbenrand nicht überschritten, und sie bildet sich meistens nach 6– 12€Monaten spontan zurück. Keloide hingegen respektieren den Wundrand nicht und wachsen darüber hinaus. Sie heilen nicht, sondern verhalten sich wie ein
17
2.5 · Antibiotika
. Tab. 2.2╇ Behandlungsoptionen hypertrophe Narbe/Keloid
Präventiv
Therapeutisch
Hypertrophe Narbe
4 Atraumatische Gewebebehandlung 4 Immobilisierende Steristrips, ggf. Schienen
4 4 4 4 4 4
Kompressionstherapie Steroid-Silikon-Externa Intraläsionale Kryotherapie Bestrahlung Laser-Therapie Chirurgische Intervention (bei erfolgloser konservativer Therapie)
Keloid
4 Atraumatische Gewebebehandlung 4 Immobilisierende Steristrips, ggf. Schienen
4 4 4 4 4 4
Kompressionstherapie Steroid-Silikon-Externa Intraläsionale Kryotherapie Bestrahlung Laser-Therapie Intraläsionale Exzision (bei erfolgloser konservativer Therapie)
bindegewebiger Tumor. Da es sich um eine multifaktorielle Erkrankung handelt und die chirurgische Intervention oft mit frustranen Ergebnissen für den Patienten und Operateur verbunden ist, empfiehlt sich ein systematisches Vorgehen mit primär konservativen Maßnahmen. Erst wenn diese keinerlei Erfolg gezeigt haben, sollte ein plastisch-chirurgischer Eingriff in Betracht gezogen werden. 2.4.2
Therapeutisches Vorgehen
Der Entstehung hypertropher Narben sollte präventiv bereits während der Entstehungsphase begegnet werden. Atraumatische GeÂ� webebehandlungen bereits bei der Hautnaht, Anwendung von imÂ� mobilisierenden Steristrips, ggf. Schienen sowie eine konservative Therapie bei geringsten Anzeichen für eine Hypertrophieneigung stellen die Basisprävention dar. Kompressionstherapie mit Steroidoder Silikonexterna, intraläsionale Kryotherapie, Bestrahlung oder Lasertherapie bilden weitere Therapieelemente. Die Therapie sollte über einen Zeitraum von mehreren Monaten durchgeführt werden. Die Behandlungsoptionen sind in .€Tab.€2.2 dargestellt. Die intraläsionale und topische Applikation von Steroiden kann sowohl in der frühen Phase als auch in der Rückbildung älterer Keloide durchgeführt werden. Bei der Kompressionstherapie ist ein Druck von 20–25€mm€Hg für die Dauer von mindestens 12€Monaten nötig. Die Kryotherapie sollte frühzeitig begonnen und in Kombination mit Lokalapplikation von Steroiden eingesetzt werden. Als neuere effektive Methode hat sich die intraläsionale Kryotherapie mittels zentraler Stickstoffvereisung bewährt. Sollten sich Patient und betreuender Arzt für eine Bestrahlung zur Rezidivprophylaxe entscheiden, muss diese fraktioniert in einer Gesamtdosis von 10–12€Gy, meist in Verbindung mit einer chirurgischen ExziÂ� sion, verabreicht werden. Erst nach erfolgloser konservativer Therapie steht die chirurgische Intervention. Hier zeigt sich die Wahl des Operationszeitpunktes als überaus wichtig. Die Narbenrevision sollte erst nach einer abgeschlossenen Narbenreifungsphase (>12€Monate) erfolgen. Die intraläsionale Exzision durch einen erfahrenen Chirurgen sollte hier im Vordergrund stehen und immer mit einer adäquaten postÂ� operativen Therapie einhergehen. Geeignete Techniken zur VerÂ� änderung der Narbenzugrichtung sind Z- oder W-Plastiken, wobei diese das Risiko einer weiteren Keloidbildung in den neuen Inzisionen in sich bergen.
2.5
Antibiotika
Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und des Paul-Ehrlich-Instituts des Bundesgesundheitsamtes besteht eine differenzierte Indikationsstellung hinsichtlich der Auswahl der Antibiotika und der Applikation als einmalige (»single shot«) oder mehrfache Gabe (bis 3€Tage). Eine präoperative Antibiotikagabe ist nur bei klinisch manifesten oder vermuteten Infektionen (WeichteilÂ� infekte, Pneumonie) indiziert. Die Wahl des Antibiotikums richtet sich dabei nach der Art der vermuteten oder nachgewiesenen Keimgruppe. > Eine generelle Antibiotikaprophylaxe sollte wegen des Risikos einer Resistenzentwicklung multiresistenter Bakterien und der Gefahr von Mykosen (Gastrointestinaltrakt, Atemwege) nicht erfolgen.
Indikationen für eine Single-shot-Gabe bestehen im eigenen Vorgehen bei hochelektiven Eingriffen mit i.v. Gabe eines 2.-GenerationsCephalosporins 30€min vor dem Eingriff (Handchirurgie, Mammaimplantate oder bei großen Weichteileingriffen).
Literatur 7€Kap.€3.
2
3
Patientenvorbereitung und -nachbehandlung, inkl. interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzept M. Aust, B. Weyand, C. Radtke, A. Jokuszies
3.1
Routineuntersuchungenâ•… – 20
3.2
Präoperative Routineschemata bei Elektiveingriffenâ•… – 20
3.3
Medikamentöse Vorbehandlung mit Antikoagulanzienâ•… – 20
3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5
Venöse Thromboembolieprophylaxe (VTE-Prophylaxe)â•… – 21 VTE-Prophylaxe nach Körperregionen und Risikofaktorenâ•… – 23 Dauer der VTE-Prophylaxeâ•… – 23 Verbrennungenâ•… – 24 Plastisch-ästhetische Eingriffeâ•… – 24
3.4
Patientenaufklärungâ•… – 25
3.5
Nahrungskarenzâ•… – 25
3.6
Darmentleerung und Harnableitungâ•… – 25
3.7
Rasierenâ•… – 25
3.8
Lagerung, Desinfektion und Abdeckenâ•… – 25
3.9
Hämodilution und Eigenblutspendeâ•… – 25
3.10
Interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzeptâ•… – 26
3.10.1 3.10.2 3.10.3 3.10.4 3.10.5 3.10.6 3.10.7
Rechtliche Grundlageâ•… – 26 Präoperative Information des Patientenâ•… – 26 Schmerzprophylaxeâ•… – 26 Postoperative Regionalanästhesieâ•… – 26 Medikamentöse Therapieâ•… – 26 Unterstützende Maßnahmenâ•… – 28 Perioperative Schmerztherapieempfehlungen für Erwachseneâ•… – 28
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
3
20
Kapitel 3 · Patientenvorbereitung und -nachbehandlung, inkl. interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzept
3.1
Routineuntersuchungen
Für die Erkennung von latenten und manifesten Vorschäden sind eine genaue Anamneseerhebung, gezielte Befragung und die allge meine klinische Untersuchung wichtig. Routinemäßige Basisuntersuchungen dienen der Sicherheit der Patientenbehandlung und sollten zur Erleichterung des Arbeitsab laufs je nach Schweregrad des geplanten operativen Eingriffs sche matisiert erfolgen (7€Kap.€3.2; .€Tab.€3.1). Parameter hierfür sind neben dem Alter des Patienten auch dessen allgemeiner Gesund heitszustand. Aufbauend auf den routinemäßigen Basisuntersuchun gen werden natürlich gezielte Erkrankungs- oder situationsorien tierte Spezialuntersuchungen individuell durchgeführt. Eine Grundlage der perioperativen Risikobeurteilung stellt die ASA-Klassifikation dar (.€Tab.€3.2). Diese beschreibt in einfacher Form den Allgemeinzustand des Patienten, ohne das Alter und den geplanten chirurgischen Eingriff zu berücksichtigen. Obwohl pri mär nicht als Risiko-Score eingeführt, zeigten sowohl prospektive als auch retrospektive Untersuchungen eindeutige Zusammenhänge mit den postoperativen Komplikationen und der perioperativen Le talität. So erfordert ein ASA-III-Status in der Regel eine postopera tive Überwachung. . Tab. 3.1╇ Beispiele für die Größe der Eingriffe in der Plastischen Chirurgie
Größe des Eingriffs
Beispiele
Kleiner Eingriff
4 4 4 4
Karpaltunnelsyndrom Ringbandspaltung Frakturversorgung an den Händen Kleine Hautlappenplastik an Extremitäten
Mittlerer Eingriff
4 4 4 4 4 4
Mammareduktionsplastik Abdominoplastik Operation bei Handphlegmone Fasziektomie bei M.€Dupuytren Gestielte (Muskel-)Lappenplastiken Nekrektomie bei Verbrennungen 15%€KOF
. Tab. 3.2╇ ASA-Klassifikation zur perioperativen Risikobeurteilung
ASA- Klassifikation
Kennzeichen
ASA I
Gesunder normaler Patient
ASA II
Patient mit leichter Allgemeinerkrankung
ASA III
Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung und Leistungseinschränkung
ASA IV
Patient mit lebensbedrohlicher Allgemein� erkrankung
ASA V
Moribunder Patient, Tod innerhalb von 24€h mit oder ohne Operation zu erwarten
ASA VI
Patient mit festgestelltem Hirntod, dessen Organe zur Organspende entnommen werden
3.2
Präoperative Routineschemata bei Elektiveingriffen
Kleiner Eingriff Hier sind z.€B. Karpaltunnelsyndrom, Ringbandspaltung (.€Tab.€3.2) zu erwähnen. 4 Laboruntersuchungen: Bei sehr jungen gesunden Patienten nicht erforderlich, ansonsten immer Hämoglobin, Thrombo zytenzahl, Gerinnungsfaktoren (PTT, Quick-Wert). 4 Weitere Untersuchungen lediglich bei auffälliger Anamnese (Infektion, Gerinnungsstörung, Allgemeinerkrankung). 4 Thoraxröntgenaufnahme: Bei Patienten >60€Jahren, bei Dys pnoe, Zyanose, pathologischem Auskultationsbefund und auf fälliger Anamnese. 4 EKG: Bei Patienten >40€Jahren, sonst bei auffälliger Anamnese, pathologischem Auskultationsbefund; immer 12-Kanal- mit Standard- und Brustwandableitung.
Mittelgroßer Eingriff Mittelgroße Eingriffe sind z.€B. Mammareduktion, gestielte Lappen plastiken (.€Tab.€3.2). 4 Laboruntersuchungen: Kleines Blutbild, CRP, Elektrolyte und Harnstoff im Serum, Urinstatus, Glukose im Serum, Leberen zyme, Bilirubin, kleiner Gerinnungsstatus und Blutgruppe. 4 Thoraxröntgenaufnahme in 2€Ebenen bei Patienten >40€Jahren. 4 EKG: Standard- und Brustwandableitung.
Großer Eingriff Große Eingriffe sind z.€B. freie Lappen, Thoraxwandeingriffe, groÂ�ßer Weichteileingriffe. 4 Laboruntersuchungen: Kleines Blutbild, CRP, Elektrolyte, Harnstoff, Kreatinin im Serum, Urinstatus, Glukose im Serum, Leberenzyme, alkalische Phosphatase, CHE, Bilirubin, LDH, Gesamteiweiß, Gerinnungsstatus, Blutgruppe (mit Bereitstel lung von Blutkonserven). 4 Thoraxröntgenaufnahme in 2€Ebenen. 4 EKG: Standard- und Brustwandableitung. 4 Echokardiographie: Bei kardialer Anamnese. 4 Lungenfunktionsprüfung: Bei Lungen- oder Herzerkrankung. 3.3
Medikamentöse Vorbehandlung mit Antikoagulanzien
Sofern von Seiten der Erkrankung, die eine Antikoagulation er fordert, vertretbar, sollte bei Kumarin-Behandlung der Quick-Wert auf mindestens 70–75% eingestellt werden. Risikopatienten (z.€B. Thrombosepatienten) mit Dauerantikoagulationstherapie werden präoperativ auf niedermolekulares Heparin eingestellt. Dies ermög licht eine weitgehend gefahrlose Operation. Postoperativ sollte bald möglichst zur präoperativen Behandlung zurückgekehrt werden. Als eine Alternative zur Gabe von unfraktioniertem Heparin gilt die Gabe von niedermolekularem Heparin, das gewichtsadaptiert 1–2× täglich subkutan appliziert wird. Ein Risiko besteht bei Nieren insuffizienz mit Kumulation des Wirkstoffs und unkontrollierbarer Blutungsneigung. Eine zunehmende Zahl älterer Patienten führt lebenslang eine Thrombozytenaggregationshemmung durch. Dazu stehen zzt. 2€Me dikamentengruppen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zur Verfügung: Während Azetylsalizylsäure (ASS) eine irreversible Hemmung in der Thromboxansynthese des Thrombozyten bewirkt, handelt es sich bei Ticlopidin und dem Nachfolgeprodukt Clopido
21
3.3 · Medikamentöse Vorbehandlung mit Antikoagulanzien
. Tab. 3.3╇ Risikogruppen und Häufigkeiten von VTE (AWMF-Leitlinie)
VTE-Risiko
Distale Beinvenenthrombose
Proximale Beinvenenthrombose
Tödliche Lungenembolie
Niederiges VTE-Risiko
60€Jahre/Risikozunahme mit dem Alter
Mittel
VTE bei Verwandten 1.€Grades
Mittel
Chronische Herzinsuffizienz, Zustand nach Herzinfarkt
Mittel
Übergewicht (BMI >30€kg/m2)
Mittel
Akute Infektionen/entzündliche Erkrankungen mit Immobilisation
Mittel
Hormontherapie zur Kontrazeption oder Tumorbehandlung
Substanzspezifisch gering bis hoch
Schwangerschaft
Gering
Nephrotisches Syndrom
Gering
Stark ausgeprägte Varikosis
Gering
Bei früher aufgetretener Heparin-Unverträglichkeit wird die Gabe von Fondaparinux empfohlen. Niedermolekulare Heparine (NMH) sollen unter Abwägung von Effektivität, Blutungs- und HIT-II-Risiko gegenüber unfraktionier tem Heparin bevorzugt eingesetzt werden, da in einer randomisierten doppelblinden Studie eine Überlegenheit von NMH gegenüber un fraktioniertem Heparin (UFH) nachgewiesen werden konnte (Geerts et al. 1996). Dabei wird das Risiko einer tiefen BeinvenenÂ�thrombose durch die Gabe gerinnungshemmender Substanzen, insbesondere von Heparinen, um etwa die Hälfte reduziert (Roderick et al. 2005). Im Vergleich hierzu ist die Azetylsalizylsäure zur venösen VTEProphylaxe nicht geeignet, da ihre antithrombotische Wirkung nur schwach ist (Antiplatelet Trialists‘ Collaboration 1994). Das perioperative Blutungsrisiko ist bei einem Einsatz von jegli cher Art von Antikoagulanzien nur gering erhöht. Im Hinblick auf die gleichzeitige Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern wird jedoch empfohlen, Antikoagulanzien zur VTE-Prophylaxe in dieser Situation erst postoperativ anzuwenden. > Die medikamentöse VTE-Prophylaxe sollte zeitnah zum operativen Eingriff, üblicherweise am präoperativen Tag, begonnen werden.
Die Dauer der medikamentösen Thromboembolieprophylaxe sollte sich zudem am Fortbestehen relevanter Risikofaktoren orientieren (7€Kap.€3.3.3). 3.3.2
VTE-Prophylaxe nach Körperregionen und Risikofaktoren
Unabhängig von der Körperregion kann bei kleineren und mittleren Eingriffen (z.€B. Narbenkorrekturen, lokale Lappenplastiken, Ba
saliomexzision, Suralisbiopsie, kleine handchirurgische Eingriffe, Nervendekompression, motorische Ersatzplastiken), mobilen Pati enten sowie bei Patienten ohne zusätzliche dispositionelle und expo sitionelle Risikofaktoren auf eine medikamentöse VTE-Prophylaxe verzichtet werden. Bestehen jedoch zusätzlich dispositionelle Risikofaktoren (.€Tab.€3.4), so soll eine medikamentöse Prophylaxe mit niedermo lekularen Heparinen erfolgen. Größere plastisch-chirurgische und ästhetische Eingriffe in der Abdominal- und Beckenregion, im Kopf- und Halsbereich, an den oberen und unteren Extremitäten (z.€B. Abdominoplastik, Bauch wandrekonstruktion, freie oder gestielte Lappentransplantate nach Tumorektomie oder Trauma, Facelift, Rhinoplastik, onkologische Eingriffe, Bodylift, Liposuktion, Expanderbehandlung), die eine län gere Immobilisation erforderlich machen, bedürfen in jedem Fall einer medikamentösen Prophylaxe. Patienten mit mittlerem VTE-Risiko sollen eine medikamentöse VTE-Prophylaxe mit Heparinen erhalten. Die zusätzliche Anwen dung von MTPS (medizinischen Thrombosepropphylaxestrümp fen) ist bei diesen Patienten nicht zwingend. Patienten mit hohem VTE-Risiko sollten sowohl MTPS als auch eine medikamentöse VTE-Prophylaxe mit NMH erhalten. Alle Patienten mit gefäßchirurgischen Eingriffen sollten Basis maßnahmen zur VTE-Prophylaxe erhalten. Sofern keine arterielle Durchblutungsstörung der unteren Extremitäten besteht und es der operative Eingriff erlaubt, sollten die Patienten eine physikalische VTE-Prophylaxe erhalten. Die VTE-Prophylaxe bei Eingriffen an den Arterien der unteren Extremitäten im Rahmen der Polytraumaversorgung (ReplantaÂ�tion), ausgedehnten Tumorresektionen und Lappentransplantationen zur plastisch-rekonstruktiven Defektdeckung wird in jedem Fall emp fohlen und richtet sich an den jeweiligen klinikspezifiischen Algo rithmen aus. Einen evidenzbasierten Standard für mikrochirur gische Eingriffe speziell in der Plastischen Chirurgie gibt es bislang nicht. Obwohl Thrombozytenaggregationshemmer in der Prophylaxe der VTE keinen Stellenwert haben, sollten sie bei arteriellen Er krankungen weiter gegeben werden. In unserer Klinik kommt eine Kombination aus NMH und Azetylsalizylsäure (100€mg 1× tgl.) zur postoperativen Thromboembolieprophylaxe nach freien Lappen transplantaten zur Anwendung. Intraoperativ erfolgt die 1-malige Gabe von 1000€IE unfraktioniertem Heparin unmittelbar vor Frei gabe der Lappenperfusion und das »Flushen« der Gefäße mit Hepa rin-Spülung (50€IE/1€ml). Bei Patienten ohne zusätzliche dispositionelle Risikofaktoren kann bei Eingriffen am oberflächlichen Venensystem (z.€B. Neuro lyse, Narbenkorrektur) auf eine medikamentöse VTE-Prophylaxe verzichtet werden, jedoch sollten bei diesen Patienten Basismaß nahmen und physikalische Maßnahmen eingesetzt werden. Fixierende Verbände an der oberen und unteren Extremität und eine gelenkübergreifende Ruhigstellung mittels Fixateur externe be dürfen in jedem Fall einer medikamentösen VTE-Prophylaxe. 3.3.3
Dauer der VTE-Prophylaxe
Nach Eingriffen im Bauch- und Beckenbereich sollte die Dauer der VTE-Prophylaxe unabhängig von einer stationären oder ambulanten Behandlung in der Regel 5–7 Tage betragen. Bei prolongierter Im mobilisation oder Infektion sollte sie fortgeführt werden. Patienten nach onkologiegerechter Tumorentfernung sollten eine verlängerte VTE-Prophylaxe für 4–5 Wochen erhalten, da hier
3
24
3
Kapitel 3 · Patientenvorbereitung und -nachbehandlung, inkl. interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzept
durch sowohl die VTE-Gesamtrate von 14% auf 6% als auch die Rate tiefer Venenthrombosen (TVT) signifikant von 5% auf 1% reduziert werden kann (Bottaro et al. 2008). Bei Eingriffen am Kniegelenk wird eine medikamentöse VTEProphylaxe für 11–14 Tage empfohlen. In unserem Patientengut betrifft dies v.€a. Patienten mit Wundheilungsstörung nach KnieTEP auf dem Boden einer pAVK und geplantem Gastroknemius transfer zur Defektdeckung. Patienten mit operativ versorgten Verletzungen der Knochen und/oder mit fixierenden Verbänden an der unteren Extremität er halten eine medikamentöse Prophylaxe bis zur Entfernung des fixie renden Verbandes bzw. bis zum Erreichen einer Teilbelastung von 20€kg und einer Beweglichkeit von 20° im oberen Sprunggelenk. Da das Risiko für thromboembolische Komplikationen in vielen Fällen auch nach der Krankenhausentlassung fortbesteht, ist es rat sam, für die poststationäre Phase (Rehabilitation oder ambulante Behandlung) eine erneute Risikoeinschätzung vorzunehmen, Pro phylaxemaßnahmen anzupassen und den weiterbehandelnden Arzt hierüber zu informieren (Douketis et al. 2002). Darüber hinaus sollte diesem bei weiterhin erforderlicher Hepa rin-Gabe der letzte Thrombozytenwert mitgeteilt werden, damit im Falle einer poststationär auftretenden Thromboembolie eine HIT€II als mögliche Ursache frühzeitig erkannt werden kann. 3.3.4
Verbrennungen
Patienten mit Verbrennungen sollen eine medikamentöse VTE-Pro phylaxe erhalten, wenn das Ausmaß der Verbrennungen zu einer Immobilisation führt oder zusätzliche Risikofaktoren vorliegen. In den ersten 48–72€h nach dem Trauma, der Volumenersatz phase, führen kardiovaskuläre Faktoren zu einer Hypovolämie mit erniedrigtem Blutfluss in Organe und Gewebe (Martyn 1986). ! Cave Als Folge einer Komplementaktivierung und der einsetzenÂ� den Koagulationskaskade erzeugen extensive Verbrennungen darüber hinaus eine Thrombusformation in Kapillaren, Arteriolen und Venolen, wobei sich das Ausmaß einer Thrombosierung kleiner Gefäße direkt proportional zur Ausdehnung der Verbrennung verhält, d.€h. ausgedehntere Verbrennungen haben einen größeren prothrombogenen Effekt.
Studien konnten zudem aufzeigen, dass eine disseminierte intrava sale Gerinnungsstörung mit Hyperkoagulabilität und Mikrozirkula tionsstörungen wesentlich an Organversagen und tödlichen Verläu fen beteiligt ist (Dries 1996; Nimah u. Brilli 2003). Ein Abfall an prokoagulatorischen Proteinen wird zudem mit Verdünnungseffekten und dem Plasmaproteinverlust ins Interstiti um erklärt, wobei sich während der 1.€Woche eine Normalisierung einstellt. > Bei Patienten mit ausgedehnten Verbrennungen gilt es zu beachten, dass diese im Langzeitverlauf einen Zustand dÂ�er Hyperkoagulabilität mit erhöhten Raten an thrombotiÂ� schen Komplikationen und verminderten antithrombotiÂ� schen Proteinen (Antithrombin, Protein€S und€C) entwickeln (Kowal-Vem et al. 1992).
Dabei liegt die sonographische oder phlebographische TVT-Inzi denz nach schweren Verbrennungen bei etwa 0,9–6%, die Inzidenz von Lungenembolien (LE) bei etwa 0,2–1,2% (Fecher et al. 2004; Harrington et al. 2001; Purdue u. Hunt 1988; Rue et al. 1992; Samama
et al. 2006; Sheridan et al. 1992; Wibbenmeyer et al. 2003). Somit ist anzunehmen, dass neben den allgemeinen Risikofaktoren ein Zu sammenhang zwischen dem Ausmaß der Verbrennungen und dem VTE-Risiko besteht (Harrington et al. 2001; Kowal-Vem et al. 1992). Hieraus leitet sich die Empfehlung (ACCP 2004) ab, die medi kamentöse Prophylaxe anzupassen an: 4 Verbrennungsausmaß, 4 Risikoprofil und somit 4 individuellen Krankheitsverlauf. Aussagekräftige randomisierte Studien liegen für Patienten mit Ver brennungen nicht vor. ! Cave Ein besonderes Risiko für thromboembolische KomplikaÂ� tionen besteht bei Sepsis.
3.3.5
Plastisch-ästhetische Eingriffe
> In Anbetracht der häufig asymptomatisch verlaufenden und nicht selten mit hoher Morbidität und Mortalität assoziierten venösen Thromboembolien muss insbesondere bei hoch elektiven und medizinisch nicht indizierten ästhetischen Eingriffen die Anwendung physikalischer und medikamentöser Thromboseprophylaxemaßnahmen€in Erwägung gezogen werden.
Die ansteigende Zahl wissenschaftlicher Publikationen zu diesem Thema verdeutlicht zudem das zunehmende Bewusstsein für diese Thematik unter Plastischen Chirurgen, wobei aus dem eutschspra chigen Raum bislang nur eine Publikation existiert (Jokuszies et al. 2010). Die Risikostratifikation für das plastisch-ästhetische Patientengut orientiert sich ebenfalls an der ACCP-Leitlinie (Geerts et al. 2008). Unter den bereits erwähnten dispositionellen und expositionel len Risikofaktoren haben v.€a. eine anamnestisch stattgehabte tiefe Beinvenenthrombose, die Einnahme von oralen Kontrazeptiva und/ oder Hormonersatzpräparaten und vorbestehende Gerinnungsstö rungen eine höhere Risikoeinstufung zur Folge. Geht man davon aus, dass 20–30% der chirurgischen Patienten ohne medikamentöse Thromboseprophylaxe eine tiefe Beinvenen thrombose entwickeln und der Anteil der asymptomatischen Ver läufe bei >60% liegt, so leitet sich hieraus auch eine besondere Vor sicht für das plastisch-ästhetische Patientengut ab, insbesondere wenn sich der Patient bereits mehreren chirurgischen Eingriffen un terzogen hat oder bereits eine tiefe Beinvenenthrombose dokumen tiert ist (Geerts et al. 2004). Mehrere chirurgische Eingriffe innerhalb desselben oder ver gangenen Monats erhöhen das Risiko für das Auftreten einer tiefen Beinvenenthrombose. Das entsprechende Risiko der Normalbevöl kerung wird erst nach Ablauf eines operationsfreien Intervalls von 1€Monat erreicht, sodass Folgeeingriffe erst nach Ablauf dieses Inter valls terminiert werden sollten (Green 2006). Eine stattgehabte tiefe Beinvenenthrombose in der Anamnese erhöht das Risiko für ein erneutes Auftreten einer tiefen Bein venenthrombose oder einer Lungenembolie signifikant und gilt als dispositioneller Risikofaktor, der in die Risikobeurteilung eines Pa tienten entsprechend der aktuellen S3-Leitlinie und ACCP-Leitlinie im Sinne der Einstufung in eine höhere Risikogruppe Berücksichti gung finden sollte (Geerts et al. 2008; Green 2006).
25
3.9 · Hämodilution und Eigenblutspende
Es ist nachgewiesen, dass die Einnahme von oralen Kontrazep tiva und Hormonersatzpräparaten mit thrombogenen Veränderun gen innerhalb der Gerinnungskaskade dosisabhängig korreliert (Johnson et al. 2008). Für ambulante ästhetische Eingriffe mit einer Eingriffszeit 10% eine Eigenblutspende im Vorfeld angeboten. Derartige Ein griffe sind Total Body Lift nach Lockwood, große Fettschürzenresek tionen und in einigen Fällen freie Lappenplastiken.
3
> Die Patienten müssen heute sowohl über die Möglichkeit der Eigenblutspende als auch über die Wahrscheinlichkeiten einer Transfusion aufgeklärt werden.
3.10
Interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzept
Definition.╇ Von der International Association for Study of Pain
wurde der Schmerz als unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis definiert, das mit aktueller oder potenzieller Gewebsschädigung ver knüpft ist. Am 1.€postoperativen Tag klagen 99% der operierten Patienten über Schmerzen. Eine suffiziente postoperative Schmerztherapie ist seitens des Arztes eine ethisch-moralische Verpflichtung. Der post operative Schmerz ist oft nicht vollständig zu vermeiden, aber er sollte auf ein erträgliches Maß gesenkt werden, ohne die sinnvolle Warnfunktion bei der Entstehung möglicher Komplikation auszu schalten. Dabei muss insbesondere darauf geachtet werden, die zen trale Sensibilisierung durch rezidivierende periphere Nozizeptor erregung zu verhindern, um eine Chronifizierung der Schmerzen durch Transmitterveränderungen im Verlauf zu vermeiden. Grundlage der Visualisierung und Dokumentation des an sich nicht direkt messbaren individuell und subjektiv erlebten Schmerzes ist die Analogisierung auf der »visuellen Analogskala« (VAS). Hier für wurden verschiedene Schmerzskalen entwickelt, auf denen Schmerzen in ihrer Intensität vom Patienten selber eingeschätzt wer den können: 4 nach Zahlen von 0–10, 4 nach Wortbeschreibungen (»kein, gering, mittel, stark, uner träglich«), 4 auf einem Schiebersystem oder 4 anhand einer Smiley-Analogskala für Kinder. > Die Schmerzmessung ist eine Voraussetzung der Therapie, Effektivitäts- und Verlaufskontrolle.
3.10.1 Rechtliche Grundlage
sen werden. Es dürfen dabei keine unrealistischen Erwartungen und andererseits keine vermehrten Ängste verursacht werden. Ein infor mierter Patient hat nachweislich weniger Schmerzen, denn präope rative Informationen erhöhen das Wissen um die Möglichkeiten der Einflussnahme. 3.10.3 Schmerzprophylaxe Definition.╇ Unter den sog. »präemptiven Verfahren« versteht man eine präoperative medikamentöse Therapie bzw. präoperative Ein leitung eines Regionalanästhesieverfahrens mit dem Ziel, das post operative periphere und zentrale Schmerzlevel prophylaktisch zu senken. Der Operateur kann zur Schmerzprophylaxe beitragen, denn Auftreten und Stärke postoperativer Schmerzen korrelieren mit der Invasivität sowie der Dauer und Lokalisation des operativen Ein griffs. Das Weichteiltrauma sollte möglichst minimal sein, um die postoperative Schmerzsituation positiv zu beeinflussen. Auch span nungsfreie Wundverschlüsse mit adäquat aufgebrachten Verbänden tragen zu einer Schmerzreduktion bei.
3.10.4 Postoperative Regionalanästhesie Die Regionalanästhesien am Bewegungsapparat nehmen einen be sonderen Stellenwert in der postoperativen Schmerztherapie ein. Die regionalen Katheterverfahren zeigen eine längerfristige Wirk samkeit. Damit kann dann versucht werden, bei Eingriffen an der oberen Extremität (z.€B. Plexus-brachialis-Blockade) bei erhaltener Motorik die postoperative krankengymnastische Beübung zu unter stützen. Alternative Möglichkeiten sind lokale Infiltrationen des Wundgebiets oder Single-shot-Leitungsblockaden. 3.10.5 Medikamentöse Therapie Im Rahmen der medikamentösen Schmerztherapie stehen Nicht opioide, Opioide und Koanalgetika zur Verfügung (.€Tab.€3.6). In der postoperativen Schmerztherapie wird das WHO-Stufenschema verwendet (.€Abb.€3.2). Bei leichten Schmerzen ist die alleinige Gabe von Nichtopioiden ausreichend. Bei mittelstarken und starken Schmerzen kommen neben Nichtopioidanalgetika als Basismedika tion primär Opioide der Stufe€III zum Einsatz. Opioide der Stufe€II
Im Grundgesetz (Art.€2€II€1€GG) wird auf das Recht auf Schmerz freiheit verwiesen. Wenn ein Arzt die erforderliche Schmerztherapie unterlässt oder nur mangelhaft ausführt, verstößt er gleichzeitig ge gen das Berufsrecht (»Leiden lindern«, §Â€1, Abs.€2), das Zivilrecht (»unterlassene Schmerztherapie«, §Â€823 Abs.€1 und 2€BGB) und das Strafrecht (»fahrlässige Körperverletzung durch unterlassene Schmerztherapie«, §Â€229 StGB bzw. »unterlassene Hilfeleistung«, §Â€323c StGB). Krankenhausträger und Klinikleitung haben bezüg lich der Schmerztherapie eine personelle und sachliche Organisa tions- und Weiterbildungspflicht, bei Nichtwahrnehmung gilt ein Organisationsverschulden. 3.10.2 Präoperative Information des Patienten Bereits bei der Aufklärung sollte auf die zu erwartenden postopera tiven Schmerzen sowie deren Behandlungsmöglichkeiten hingewie
. Abb. 3.2╇ WHO-Stufenschema der Schmerztherapie
27
3.10 · Interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzept
. Tab. 3.6╇ Analgetika
Präparat
Stufe I: Nichtopioid� analgetika
Stufe€II: schwache Opioidanalgetika
Stufe€III: starke Opioidanalgetika
Dosierung/24€h
Anmerkung
Wirkungsdauer der Einzeldosis
Freiname
Handelsname
Ibuprofen
Ibuprofen
2–3×400–800€mg
6–12€h
Ibuhexal
2–3×400–800€mg
6–12€h
Diclofenac
Voltaren
2–3×50€mg
4–6€h
Azetylsalizylsäure
Aspirin
4(–6)×500–1000€mg
Cave: Nebenwirkungen!
4–6€h
Paracetamol
Paracetamol
4×500–1000€mg
Grenzdosis 6€g/Tag, toxische Dosis 10€g/Tag
4–6€h
Parfalgan
4×500–1000€mg
Grenzdosis 6€g/Tag, toxische Dosis 10€g/Tag
4–6€h
Metamizol
Novalgin Trpf.
20€Trpf.=500€mg
Maximal 6000€mg/Tag
4€h
Flupirtin
Katadolon
2–3×100–200€mg
Tramaldol
Tramal
4×100–150€mg
Tramal long
2–3×100–200€mg
Tramal Tropfen
20€Trpf.=50€mg
Maximal 400€mg/Tag
4€h
Tilidin/Naloxon
Valoron N retard
100–200€mg
Grenzdosis ca. 600€mg/Tag
8–12€h
Morphinsulfat
Sevredol
1/6 des Tagesbedarfs nach Bedarf
Morphinsulfat retard
MST
Nach Bedarf
19/30/60/100€mg
8–12€h
Capros
Nach Bedarf
19/30/60/100€mg
8–12€h
MST-Granulat
Nach Bedarf
8–12€h
Fentanyl TTS
Durogensic
Nach Bedarf
48–72€h
Piritramid
Dipidolor
1€Amp.=15€mg, nach Bedarf
6€h
Pethidin
Dolantin
25–500€mg
2€h
Buprenorphin
Temgesic
0,2–0,4€mg s.l.
6–8€h
und III sollten nicht miteinander kombiniert werden. Die Koanalge tika (7€unten) kommen in der Behandlung von neuropathischen Schmerzen (neuralgiforme Schmerzen, Phantomschmerzen, Thala musschmerz, Deafferenzierungsschmerz, Polyneuropathie etc.), bei Tumorschmerzen und bei Begleitsymptomatiken wie beispielsweise depressive Verstimmungen bei chronischen Schmerzen zum Ein satz.
Applikationsform > Wenn möglich, orale Gabe der Analgetika.
Die orale Therapie ist die Applikation der Wahl. Sie bewährt sich durch die nichtinvasive Darreichungsform. Bei Erbrechen oder nicht therapierbarer Obstipation können alternative Applikationswege gewählt werden. Vor der Verwendung von Pflastern wird eine Schmerzmitteltitration mit z.€B. oralen Morphinpräparaten empfoh len. Ein Pflastersystem ist damit in der Regel nicht als Erstverord nung geeignet. Die Resorption aus Pflastern wird durch Wärme (z.€B. Fieber) und Zustand der Haut beeinflusst. Zudem sind die lange Halbwertszeit und der verzögerte Wirkungseintritt zu be achten.
4–6€h Grenzdosis:400–600€mg/Tag
6€h 8–12€h
4€h
Applikation nach der Uhr Voraussetzung für eine wirksame Therapie ist der konsequente Ein satz der Medikamente »nach der Uhr« und nicht nach Bedarf. Bei Langzeitbehandlung sind Retardpräparate vorzuziehen.
Opioidrotation Morphin ist ein sog. voller Agonist am µ-Rezeptor und gilt als Mittel der Wahl. Bei unzureichender Schmerzstillung oder Unverträglich keiten wird ein Wechsel erforderlich. Dabei sollte nur auf andere alleinige μ-Agonisten wie z.€B. Hydromorphon, Oxycodon oder Fen tanyl gewechselt werden. Buprenorphin ist dagegen ein Partialago nist und lässt keine ungehinderte Dosissteigerung zu, denn ab einer gewissen Dosierung ist nur noch eine Zunahme der Nebenwir kungen zu erwarten (Ceiling-Effekt). Ebenso ist die gleichzeitige Therapie mit einem alleinigen Agonisten und einem Partialago nisten nicht sinnvoll. Es gibt keinen validen evidenzbasierten Beleg für die Überlegenheit eines bestimmten Vertreters der Opioide.
Patientenkontrollierte Analgesie Unter PCA (»patient controlled analgesia«) versteht man alle For men der Selbstapplikation (i.v., oral, s.c., epidural, intrathekal) von
3
28
Kapitel 3 · Patientenvorbereitung und -nachbehandlung, inkl. interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzept
. Tab. 3.7╇ Koanalgetika
Präparat
3
Antidepressiva
Antikonvulsiva
Neuro� leptika
Korti� kosteroide
Dosierung
Indikationen
Freiname
Handelsname
Beginn
Maximal/24€h
Amitriptylin
Saroten
25€mg zur Nacht
Bis 75€mg
Mirtazapin
Remergil
15€mg
4 Diabetogene und postherpetische Schmerzen 4 Deafferenzierungsschmerzen 4 Migräne 4 Spannungsschmerzen 4 Rückenschmerzen 4 Tumorschmerzen 4 Chronische Schmerzzustände
Carbamazepin
Tegretal
Einschleichend, 100–200€mg zur Nacht
800–1200€mg/Tag
Neurontin
Gabapentin
Tag 1: 300€mg Tag 2: 600€mg Tag 3: 900€mg
1800€mg/Tag (bis 3600€mg/Tag)
4 Chronische, neuralgiforme Schmerzzustände mit einschießendem Charakter 4 Trigeminusneuralgie 4 Postherpetische Neuralgie
Pregabalin
Lyrica
2–3×50€mg/Tag Steigerung bis 3×100€mg/Tag innerhalb 1€Woche
Diabetische periphere Neuropathie: 300€mg/Tag Postherpetische Neuralgie: 600€mg/Tag Fibromyalgie: 450€mg/Tag
Levome� promazin
Neurocil
10–10–25€mg
Triflupromazin
Psyquil
3×10€mg
25–25–50€mg
Haloperidol
Haldol
1–2×0,5€mg
3×1€mg
Clonidin
Catapresan
0,15–0,3€mg i.v.
4 4 4 4
Dexamethason
Fortecortin
4–8€mg bei Tumorschmerz, ≤100€mg bei Rückenmarkkompression
4 Schmerzen bei Nervenkompression und Entzündung 4 Kapselspannungsschmerzen (z.€B. Lebermetastasen)
wirksamen Analgetikamengen in festgelegten Zeitabständen. Es werden PCA-Pumpen genutzt, bei denen Bolusrate und Bolusgröße, Sperrzeit und maximale Dosis programmiert sind. Die Anwendung ist nur bei kooperationsfähigen Patienten sinnvoll und möglich.
Koanalgetika Je nach Schmerzart können auch sog. Koanalgetika zum Einsatz kommen (.€Tab.€3.7). Für Antidepressiva, Antiepileptika, Bisphos phonate und Kortikosteroide gibt es wissenschaftliche Wirksam keitsbelege in der Schmerztherapie. 3.10.6 Unterstützende Maßnahmen Unterstützend wirken auch die optimale postoperative Lagerung und eine adäquate Physiotherapie (z.€B. Kryotherapie oder auch Lymphdrainage zur Abschwellung und Reduktion der Gewebespan
4 4 4 4
Neuropathische Schmerzen Postherpetische Neuralgie Fibromyalgie Generalisierte Angststörung
4 Therapie des opiodinduzierten Erbrechens 4 Sedierung
Deafferentierungsschmerzen Neuropathische Schmerzen Verstärkung der Opiodanalgesie Wirkungsverstärkung von Lokalanästhesie
nung). Zuwendung durch das Pflegepersonal und Information des Operateurs über den Verlauf wirken psychisch und emotional posi tiv auf das Schmerzempfinden. Als besonderes Verfahren sollte bei chronischen Schmerzzuständen (z.€B. »complex regional pain syn drome«; CRPS) auch das TENS (transkutaner elektrischer Nerven stimulator) erwähnt werden: Hier werden über niedrige Reizfrequen zen (1–3€Hz) Reize gesetzt, die eine Stimulierung von Aδ-Fasern bewirken sollen, welche wiederum zu einer Dephosphorylierung synaptischer Proteine am Hinterhorn des Rückenmarks und da mit€zu einem teilweisen Löschen des Schmerzgedächtnisses führen können. 3.10.7 Perioperative SchmerztherapieÂ�
empfehlungen für Erwachsene
Einen entsprechenden Überblick gibt .€Tab.€3.8.
29
3.10 · Interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzept
. Tab. 3.8╇ Perioperative Schmerztherapie: Empfehlungen für Erwachsene
Operation mit wenig Schmerzen Prämedikation
Operation mit mittelstarken Schmerzen
Operation mit starken Schmerzen
Ggf. NSAID und/oder Targin 10/5€mg
Ggf. NSAID und/oder Targin 10/5€mg
Intraoperativ/AWR
Perfalgan 1€g oder Novalgin 1€g
Perfalgan 1€g oder Novalgin bis 2,5€g Evtl. Dipidolor oder Oxygesic injekt fraktioniert
Perfalgan 1€g oder Novalgin bis 2,5€g Evtl. i.v. PCA mit Dipidolor oder Oxygesic injekt fraktioniert oder Bolusgabe bei Katheterverfahren
Postoperativ auf Station
NSAID +Pantozol und/oder Paracetamol oder Perfalgan 4×1€g oder Novalgin 4–6×1€g Bei Bedarf 20–30 Tropfen Tramal
NSAID +Pantozol und/oder Paracetamol oder Perfalgan 4×1€g oder Novalgin 4–6×1€g Über 3€Tage Targin 2×10/5 bis 20/10€mg Bei Bedarf Oxygesic-Kapseln 5–10€mg (alternativ retardiertes Stufe-II-Opiod, z.€B. Tramal long )
NSAID + Pantozol und/oder Paracetamol oder Perfalgan 4×1€g oder Novalgin 4–6×1€g Nach Beendigung i.v. (PCA) oder Katheterverfahren Targin 2×10/5 bis 20/10€mg Bei Bedarf Oxygesic-Kapseln 5–10€mg bis zu 7€Tage
NSAID = »non-steroidal antiinflammatory drug«, AWR = Aufwachraum, PCA = »patient controlled analgesia«.
Literatur Literatur zu Kap. 1, 2, 3.1–3.2, 3.4–3.9 Berger A et al. (2003) Plastische Chirurgie, Grundlagen, Prinzipien, Techniken. Springer, Berlin Heidelberg New York Collins N (2003) Protein-energy malnutrition and involuntary weight loss: nutritional and pharmacological strategies to enhance wound healing. Opin Pharmacother 4: 1121–1140 Eming SA et al. (1998) Genetically modified human keratinocytes overexpressing PDGF-A enhance the performance of a composite skin graft. Human Gene Ther 9: 529–539 Kammerlander G et al. (2006) Role of the wet-to-dry phase of cleansing in preparing the chronic wound bed for dressing application. J Wound Care 15 (3): 102 Monaco JL et al. (2003) Acute wound healing – an overview. Clin Plast Surg 30: 1–12 Pichlmayr R et al. (2005) Pichlmayers Chirurgische Therapie. Springer, Berlin Heidelberg New York Porte RJ et al. (2002) Pharmacological strategies to decrease transfusion requirements in patients undergoing surgery. Drugs 62: 2193–2211 Vogt PM et al. (1994) Genetically modified keratinocytes transplanted to wounds reconstitute the epidermis. Proc Natl Acad Sci USA 91: 9307– 9311 Vogt PM et al. (1998) Determination of endogenous growth factors in human wound fluid: temporal presence and profiles of secretion. Plast Reconstr Surg 102: 117–123 Werner S et al. (2003) Regulation of wound healing by growth factors and cytokines. Physiol Rev 83: 835–870
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3
30
3
Kapitel 3 · Patientenvorbereitung und -nachbehandlung, inkl. interdisziplinäres postoperatives Schmerztherapiekonzept
Rue LW III, Cioffi WG Jr, Rush R, McManus WF, Pruitt BA Jr (1992) Thromboembolic complications in thermally injured patients. World J Surg 16: 1151– 1155 Samama CM, Albaladejo P, Benhamou D, Bertin-Maghit M, Bruder N, Doublet JD, Laversin S, Leclere S, Marret E, Mismetti P, Samain E, Steib A (2006) Venous thromboembolism prevention in surgery and obstetrics: clinical practice guidelines. Eur J Anaesthesiol 23: 95–116 Sheridan RL, Rue LW III, McManus WF, Pruitt BA Jr (1992) Burns in morbidly obese patients. J Trauma 33: 818–820 Wibbenmeyer LA, Hoballah JJ, Amelon MJ, Chang PX, Loret De Mola RM, Lewis RD€II, Warner B, Kealey GP (2003) The prevalence of venous thromboembolism of the lower extremity among thermally injured patients determined by duplex sonography. J Trauma 55: 1162–1167
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II
Schnitt- und Nahttechniken; Implantate und Transplantate P. Vogt
Kapitel 4
Laserchirurgie╇╇ – 33 A. Steiert
Kapitel 5
Inzisionstechniken und Vermeidung ungünstiger Narbenbildung╇╇ – 39 M. Meyer-Marcotty, A. Gohritz, P.M. Vogt
Kapitel 6
Nahtmaterialien und Nahttechniken╇╇ – 45 M. Meyer-Marcotty, P.M. Vogt
Kapitel 7
Blutstillung, Drainage und Blutegeltherapie╇╇ – 53 K. Knobloch
Kapitel 8
Verbandstechniken, Schienenbehandlung╇╇ – 59 M. Meyer-Marcotty
Kapitel 9
Gewebeexpansion (Expander), alloplastische Materialien und Implantate╇╇ – 63 M. Meyer-Marcotty
Kapitel 10
Lokalanästhesie, periphere Leitungsanästhesie, Tumeszenzanästhesie╇╇ – 67 M. Meyer-Marcotty
Schnitt- und Nahttechniken sowie die Kenntnis über Implantate sind elementar für die Ergebnisqualität in der Plastischen Chirurgie. Exakte Inzisionen, akkurate Hautadaptationen und die Wahl geeigneter Techniken sowie Nahtmaterialien garantieren feine und unauffällige Narben. Darüber hinaus sind genaue Kenntnisse über die körpereigenen Reaktionen auf Implantate und Transplantate unerlässlich, um Gewebereaktivität und dadurch induzierte Narben hinsichtlich der Ergebnisqualität zu optimieren.
4
Laserchirurgie A. Steiert
4.1
Grundlagen der Laserablation – Laserphysikâ•… – 34
4.1.1 Laserlicht und seine Gewebeinteraktionâ•… – 34
4.2
Laseranwendungâ•… – 35
4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5
Resurfacing mit ablativen Lasersystemenâ•… – 35 Resurfacing mit nicht ablativen LaserÂ�systemen (»intense pulse light«; IPL)â•… – 35 Laserbehandlung vaskulärer Läsionen/IPLâ•… – 36 Laserbehandlung pigmentierter Läsionenâ•… – 37 Haarentfernungâ•… – 37
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
4
34
Kapitel 4 · Laserchirurgie
4.1
Grundlagen der Laserablation – Laserphysik
Der Begriff LASER ist die Abkürzung für »light amplification by the stimulated emission of radiation«. Die Prinzipien der Laserphysik sind seit Einsteins Hypothesen von 1917 unverändert. Laserlicht entspricht im Gegensatz zum sichtbaren Licht nur einer bestimmten Wellenlänge mit genau einer Richtung. Dabei haben unterschiedliche Wellenlängen von Laserlicht unterschiedliche Effekte, wenn sie auf Oberflächen treffen. .€Abb.€4.1 soll den Begriff der Wellenlängen veranschaulichen. Wie .€Abb.€4.1 zeigt, kann es sich bei Laserlicht um sichtbares oder nicht sichtbares Licht handeln. Das Wellenlängenspektrum von Laserstrahlung reicht vom infraroten bis in den ultravioletten Bereich hinein. Die Energie von Laserlicht wird in Watt ([W], Energie pro Zeiteinheit, Joule pro Sekunde [J/s]) angegeben: 4 W=J/s Dabei ist die Effektivität des Lichtes direkt von der Leistung [W] abhängig. Ein weiteres Merkmal von Laserlicht ist die Bündelung von Strahlung. Durch Verkleinerung eines Sonnenlichtstrahls, beispielsweise mit einer Lupe, können die Lichtstrahlen so gebündelt werden, dass sich die Energie pro cm2 exponentiell erhöht und z.€B. Papier entflammen kann. Zusätzlich sind die Einwirkzeit des Laserlichtes, die Wiederholung der Laserstrahlung und die Abstände zwischen den Laser-Peaks ausschlaggebend für die Wirkung auf das Gewebe. Hierzu sind für den Anwender von Lasertechnik im medizinischen Bereich fundierte Kenntnisse zu den einzelnen Lasertypen Voraussetzung, um Komplikationen und unerwünschte Nebenwirkungen des Lasers zu vermeiden. 4.1.1
Laserlicht und seine Gewebeinteraktion
Licht beeinflusst Gewebe auf vielfältige Art und Weise. Beispielsweise wird die Farbe von Gewebe durch die Qualität des Gewebes bestimmt, die dazu führt, dass eine bestimmte Wellenlänge reflektiert wird. Die Qualität des Gewebes ist auch für die Aufnahme- bzw. Speicherfähigkeit von Energie verantwortlich. Rotes Gewebe, beispielsweise Blut, reflektiert den roten Wellenbereich des sichtbaren Lichtes und absorbiert den Rest. Das Prinzip der Gewebeinteraktion mit Strahlung ist in .€Abb.€4.2 dargestellt. Die Eigenschaften des Laserlichtes definieren sich durch seine charakteristische Wellenlänge (.€Tab.€4.1). Um einen bestimmten Effekt an einem definierten Gewebe zu erzielen, muss eine bestimmte
. Abb. 4.1╇ Wellenspektrum von Laser- und sichtbarem Licht
. Abb. 4.2╇ Prinzip der Gewebeinteraktion mit Strahlung
. Tab. 4.1╇ Gewebeinteraktion mit Strahlung
Kennzeichen Reflexion
Wellenlängenspektrum, das vom Gewebe reflektiert wird
Absorption
Wellenlängenspektrum, das vom Gewebe aufgenomÂ� men werden kann und dort eine Wechselwirkung mit dem Gewebe eingeht (Entwicklung von WechselÂ� wirkung/Energie)
Transmission
Wellenlängenspektrum, das weder reflektiert noch absorbiert wird und das Gewebe ohne Energieverlust durchdringt und das Gewebe wie- der verlässt
Wellenlänge gewählt werden. Dabei determiniert die Wellenlänge auch die Eindringtiefe in dem Gewebe, in dem eine Absorption stattfinden kann. > Die Wahl der Wellenlänge und damit die Wahl des geeigneten Lasers bestimmt also, in welchem Gewebe und in welcher Gewebetiefe eine bestimmte Wirkung erzeugt werden kann.
Unter diesen Voraussetzungen wurden verschiedene Laser entwickelt, die verschiedene Wellenlängen und damit verschiedene Anwendungsgebiete repräsentieren. Beispielsweise ist zur Zerstörung von Blutgefäßen eine Wellenlänge erforderlich, die die Hautoberfläche nicht verletzt und die ihre Wechselwirkung, also die Energieentfaltung, am roten Blutfarbstoff erzeugt. Die wesentlichen medizinischen Laseranwendungen sind in .€Tab.€4.2 dargestellt.
35
4.2 · Laseranwendung
. Tab. 4.2╇ Wesentliche Laseranwendungen in der Medizin
Absorption
Lasersystem
Wasser
Ablative Lasersysteme
4 CO2-Penetration in Wasser: 30€μm
4 CO2
10.600
4 Er:YAG- Penetration in Wasser: 3–10€μm
4 Er:YAG
2.900
Rötliches Gewebe
4 Nd:YAG
532 (1064)
4 IPL (»intense pulse light«)
600–750
4 Q-switched Nd:YAG
1064
4 IPL
690–1000
4 Alexandrite
755
4 Ruby
694
4 Q-switched Nd:YAG
532
4 Q-switched Alexandrite
755
4 Q-switched Alexandrite
755
4 Q-switched Ruby
694
Dunkles Gewebe
nm
Klinische Anwendung 4 Resurfacing 4 Aktinische Keratose 4 Faltenbehandlung 4 Vaskuläre Läsionen
4 Haarentfernung
Tattoos 4 Rote, dunkle Tattoos (nicht blau und grün)
4 Blaue, schwarze, grüne Tattoos
Als Lasersysteme sind die derzeit gängigen und am Häufigsten eingesetzten Systeme angegeben. Die Laserentwicklung unterliegt einer stetigen Entwicklung. 4.2
Laseranwendung
4.2.1
Resurfacing mit ablativen Lasersystemen
Siehe 7€Kap.€70.6 (Rejuvenation des Gesichtes). 4.2.2
Resurfacing mit nicht ablativen LaserÂ�systemen (»intense pulse light«; IPL)
IPL unterscheidet sich von Laserlicht einfach durch ein Spektrum mehrerer Wellenlängen, im Gegensatz zum monochromatischen Licht einer Wellenlänge eines Lasers. In der Regel werden Systeme angeboten mit einem Wellenlängenbereich zwischen 500 und
a . Abb. 4.3╇ a Kleine Lachfalten am lateralen Lidwinkel. b Deutliche Faltenreduktion durch 4€Anwendungen (Sitzungen in 14-tägigem Abstand) mit
4 Tattoo-pigmentierte Läsionen
4 Tattoo-pigmentierte Läsionen
1200€nm (.€Abb.€4.3). Durch spezielle Filtersysteme kann das IPLSystem in einen bestimmten Wellenbereich gefiltert werden, um einen spezifischen Effekt zu erzielen.
Indikation 4 Jüngere Patienten. 4 Keine berufliche Ausfallzeit möglich. 4 .€Tab.€4.3.
Operationstechnik Mindestens 3–6 Sitzungen einplanen. In einem Jahr nicht mehr als 3€Sitzungen durchführen. Sehr gutes Langzeitergebnis durch Kombination der IPL-Rejuvenation und des ablativen Laser-Resurfacing.
Komplikationen Keine.
b einem IPL-System (595€nm); Ergebnis 2€Monate nach Laserbehandlung. (Aus: Trelles et al. 2007)
4
36
4
Kapitel 4 · Laserchirurgie
. Tab. 4.3╇ IPL-Resurfacing – Anwendungsgebiete
. Tab. 4.4╇ Lasersysteme zur Behandlung vaskulärer Läsionen
Günstig für IPL-Resurfacing
Ungünstig für IPL-Resurfacing
Läsion
Lasersystem
Sonnenschäden der Haut
Faltenbehandlung
Besenreiser (>0,5€mm)
Nd:YAG: größere Gefäßdurchmesser
Rosazea
Zu hohe Erwartungen
Teleangiektasien
IPL: kleinere Gefäßdurchmesser
Kleine Fältchen
Hämangiome
»Pulsed dye laser«
Grobporige Haut
Naevus flammeus
Abhängig vom Gefäßmuster
Dunkle Augenringe
Venöse Malformationen
Nd:YAG
Beruflich/öfentlich aktiv Sanfte Therapie Ängstliche Patienten
4.2.3
Laserbehandlung vaskulärer Läsionen/IPL
Vor der Behandlung vaskulärer Läsionen ist die Diagnosesicherung, um welche Art vaskulärer Läsion es sich handelt, wichtig. Einfach zu behandeln sind Teleangiektasien und die typischen Besenreiser. Bei Kindern muss grundsätzlich zwischen Hämangiomen und vaskulären Malformationen unterschieden werden. Letztere unterteilen sich nochmals in venös, arteriovenös, lymphatisch und gemischte Malformationen. Hämangiome treten in der Regel erst im 1.€Lebensjahr auf und sind durch eine Größenzunahme gekennzeichnet. Sie sind die häufigsten Tumoren im Kindesalter. Es besteht dabei eine hohe Inzidenz an spontanen Remissionen. Vaskuläre Malformationen bestehen von Geburt an, wachsen nicht und sind wesentlich seltener. Die Kernspintomographie kann die Diagnose meist mit hoher Verlässlichkeit eingrenzen.
a . Abb. 4.4╇ a€Patient mit Läsionen einer hereditären hämorrhagischen Teleangiektasie. b€Deutliche Abschwächung der sichtbaren GefäßveränÂ�deÂ� rungen 8€Wochen nach der ersten Behandlung mit einem gepulsten NeoÂ�
Indikation 4 Besenreiser (sichtbares Gefäß). 4 Teleangiektasien (kleinere geplatzte Äderchen; .€Abb.€4.4). 4 Persistierende Hämangiome bei Kindern nach dem 6.€Lebensjahr.
4 Naevus flammeus. 4 Venöse Malformationen. Die zu verwendenden Lasertypen sind in .€Tab.€4.4 dargestellt. Im Rahmen der Aufklärung muss auf die Notwendigkeit mehrerer Sitzungen eingegangen werden. > Ein Probeschuss mit 4-wöchiger Nachbeobachtung ist zur Verträglichkeitsprüfung zu empfehlen.
Komplikationen Komplikationen sind bei korrekter Indikation und Handhabung nicht zu erwarten.
b dymium:Yttrium-Aluminium-Garnet Laser (Nd:YAG) 1.064€nm. (Aus: Werner et al. 2008)
37
4.2 · Laseranwendung
! Cave Cave bei intramuskulärem Tumor: Bei kernspintomographisch geringstem Sarkomverdacht besteht die Indikation zur histologischen Sicherung.
4.2.4
Pigmentierte Läsion
Lasersystem
Tattoo: blau, schwarz, grün
Q-switched Ruby: schwächer als Nd:YAG
Tattoo: rot, schwarz (schlechter blau und grün)
Q-switched-Nd:YAG Q-switched Alexandrite
Laserbehandlung pigmentierter Läsionen
Pigmentierte Läsionen bedürfen einer dermatologischen EinÂ� schätzung hinsichtlich Malignitätsverdacht, bevor eine LaserÂ� behandlung geplant werden kann. Dysplastische Läsionen werden in unserer Klinik zur histologischen Aufarbeitung chirurgisch exÂ� zidiert. In Abhängigkeit des Hauttyps des Patienten, der Intensität und Tiefe der Läsion – dies gilt insbesondere für Tattoos€–, sind der Laser und die Energie auszuwählen. Gerade bei intensiv pigmentierten Läsionen und Tattoos ist der Patient über Residuen der Fehlpigmentierungen und eine Reihe von Lasersitzungen aufzuklären.
Indikationen 4 4 4 4 4
. Tab. 4.5╇ Lasersysteme zur Behandlung pigmentierter Läsionen
Lentigo solaris. Café-au-lait-Flecken. Melasma. Nävus Ota. Tattoos.
Kontraindikationen 4 Dysplastische Läsionen. 4 Mischfarben-Tattoos bei Ergebnisunsicherheit.
.€Tab.€70.1) sollte zur Schonung der Haut und Melanozyten nie-
derenergen mit kürzeren Impulsen (100€ms) behandelt werden. Hier ist eine Nachbehandlung der Haut mit einer kortisonhaltigen Salbe empfehlenswert. Eine Kontraindikation zur Behandlung stellt frische Hautbräune dar. Hier kann die Absorption der Laserenergie unerwünscht nicht am Haarbalg, sondern an der Epidermis-Dermis-Grenze stattfinden, was zu Verbrennungen und Blasenbildung führt. Ein Effekt der Behandlung ist nur bei dunklem Pigment, also dunklem Haar, zu erwarten.
Behandlungs-Setting 4 Alle 4€Wochen sind Behandlungen möglich. Die Intervalle können verlängert werden.
4 Patienten werden nur rasiert behandelt; keine frische Wachsrasur. ! Cave Laserbeschädigung durch unrasierte Behandlungszonen.
Die zu verwendenden Lasertypen sind in .€Tab.€4.5 dargestellt.
4 Bei starker Behaarung: Antibiotikaprophylaxe. 4 Spotsize großzügig wählen: Je größer der Spot, desto tiefer dringt
Komplikationen
4 Je höher die Energie, desto mehr Kühlung erforderlich; immer
4 Narben bei zu hoher Energie. 4 Residuen der Fehlpigmentierung/des Tattoos. 4 Umschlag der Tattoo-Farbe durch Eliminierung nur eines bestimmten Pigmentes bei Mehrfarben-Tattoos.
4.2.5
Haarentfernung
Indikation 4 Entfernung unerwünschter Behaarung jeder Körperstelle. Die Behandlung unerwünschter Behaarung bedarf eines umfassenden Aufklärungsgespräches. Dem Patienten ist zu vermitteln, dass je nach Behandlungsareal und Dichte zwischen 6 und 10€ Behandlungen erforderlich sind. Bei wachsenden BehandlungsÂ� intervallen erstrecken sich die Sitzungen über Jahre. Die PatienÂ�tenÂ�zufriedenheit hängt unmittelbar ab von den Erwartungen des PaÂ�tienten und diese wiederum von der schonungslosen Aufklärung. Der beste Zeitpunkt der Behandlung ist dann, wenn die Haarwurzel am größten ist: die anagene Phase (frühe WachstumsÂ�phase). Meistens kommt es nach den ersten Behandlungen zu einem€erwünschten synchronisierenden Effekt des Haarwachstums. Zu diesem Zeitpunkt besteht sogar ein dichterer Haarwuchs. Die anschließenden Behandlungen sind dann aber sehr effektiv. Die WachstumsÂ� phasen der Haare sind abhängig von der LokaliÂ�saÂ�tion. Auch bei der Haarentfernung ist der Hauttyp für die Behandlung wichtig. Dunklere Haut (Fitzpatrick IV–VI; 7€Kap.€70.2.2,
Licht ein.
Kühlgel anwenden.
4 Immer Testareal: 4-wöchige Verträglichkeit abwarten.
Lasersysteme 4 4 4 4
Nd:YAG (Q-switched) IPL. »Long pulse Ruby«. »Long pulse Alexandrite«.
Komplikationen 4 Der Effekt tritt nicht unmittelbar ein. 4 Bei sachgemäßer Anwendung: keine Komplikationen.
Literatur Astner S, Anderson RR (2005) Treating vascular lesions. Dermatol Ther 18 (3): 267–281 Bekhor PS (2006) Long-pulsed Nd:YAG laser treatment of venous lakes. Dermatol Surg 32 (9): 1151–1154 Jones A, Roddey P, Orengo I, Rosen T (1996) The Q-switched Nd: YAG laser effectively treats tattoos in darkly pigmented skin. Dermatol Surg 22 (12): 999–1001 Keller G, Lacombe V, Lee P, Watson JP (eds) (2001) Lasers in aesthetic surgery. Thieme, Stuttgart New York Khan R (2001) Lasers in plastic surgery. J Tissue Viability 11 (3): 103–107, 110– 112 Lepselter J, Elman M (2004) Biological and clinical aspects in laser hair removal. J Dermatolog Treat 15 (2): 72–83 Mariwalla K, Dover JS (2006) The use of lasers for decorative tattoo removal. Skin Therapy Lett 11 (5): 8–11
4
38
4
Kapitel 4 · Laserchirurgie
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5
Inzisionstechniken und Vermeidung ungünstiger Narbenbildung M. Meyer-Marcotty, A. Gohritz, P.M. Vogt
5.1
Grundlagen der Gewebebehandlungâ•… – 40
5.1.1 Planungâ•… – 40 5.1.2 Zugangâ•… – 40 5.1.3 Atraumatische Gewebebehandlungâ•… – 40
5.2
Schnittführungâ•… – 40
5.3
Chirurgische Strategien zur Modulation der kutanen Heilungâ•… – 41
5.3.1 Einfluss der Körperregionâ•… – 42 5.3.2 Ausrichtung der Narbenâ•… – 42 5.3.3 Narbenrevisionâ•… – 42
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
40
Kapitel 5 · Inzisionstechniken und Vermeidung ungünstiger Narbenbildung
5.1
Grundlagen der Gewebebehandlung
Bei nahezu jedem operativen Eingriff wird unversehrte Haut durchtrennt, d.€h. eine Verletzung zugefügt. Hierbei sind bestimmte plastisch-chirurgische Prinzipien zu beachten. 5.1.1
5
Planung
Eine plastische Operation sollte gut geplant, zügig und sicher durchgeführt werden, um das Trauma für den Patienten möglichst niedrig zu halten. Dies setzt ein klares präoperatives Konzept der Lösungsmöglichkeiten für die vorliegende Problematik voraus. Die Operationszeit sollte so kurz wie möglich gehalten werden, da das Gewebe austrocknen kann und v.€a. bradytrophe Gewebe und Nerven, Sehnen oder Blutgefäße, Knochen, Muskeln und Faszien Schaden nehmen können. Der Patient verliert Flüssigkeit und Wärme über die Wundoberfläche, und mit zunehmender Operationszeit steigt auch das Infektionsrisiko. Ebenso steigt bei langen Operationszeiten das Risiko für Lagerungsschäden mit der Konsequenz des Entstehens von Druckstellen, Dekubitus und an der oberen Extremität Lagerungsschäden von Nerven (Nn.€ulnaris, medianus, radialis, axillaris oder Plexus brachialis). Lange Operationszeiten bedingen über lange Narkosephasen protrahierte Nachbeatmungszeiten auf der Intensivstation mit der Gefahr ventilationsbedingter pulmonaler Beeinträchtigungen. Korrespondierend erhöht sich das Risiko einer Thromboseentstehung und Lungenembolie. 5.1.2
Zugang
Bei der Inzision ist es wichtig, diese in ausreichender Länge über dem Operationsareal anzulegen, um eine gute Übersicht über das Operationsgebiet zu gewährleisten und den Eingriff sicher und rasch durchführen zu können. Andererseits sollte jedoch so narbensparend wie möglich operiert werden. Ziel ist es, die Narbenlänge zu minimieren oder durch geeignete Schnittführung die Narbe in Â�Areale zu legen, die vom Patient weder funktionell noch ästhetisch als störend empfunden werden. 5.1.3
Atraumatische Gewebebehandlung
Eine schonende Behandlung des Gewebes ist hierbei unbedingte Voraussetzung, da insbesondere in diesem Fachgebiet neben dem funktionellen das ästhetische Ergebnis größte Bedeutung hat. Nach der Inzision darf der Wundrand nicht mit einer Pinzette gequetscht werden, da dies zu Drucknekrosen und Wundheilungsstörungen führen kann. Vielmehr sollten zum Aufhalten der Wunde feine Gilles-Häkchen oder Haltefäden verwendet werden. > Ein »Einhaken« der Haut von der Innenseite der Schnittflä che mit einer chirurgischen Pinzette ermöglicht es, die Quetschung des Gewebes zu vermeiden.
Während des Eingriffs ist ein ständiges Feuchthalten der Wunde mit isotonischer Kochsalzlösung wichtig, um ein Austrocknen der Wundoberfläche zu vermeiden, die durch die Wärmeentwicklung der Operationsleuchten verstärkt wird. Insbesondere sollten funktionelle Strukturen wie Gefäße, Nerven, Sehnen, Muskeln, aber auch Weichgewebe wie Periost atrauma-
tisch gehandhabt werden. Knochen sollten mit ganz besonderer Aufmerksamkeit behandelt und angefasst werden. Grundsätzlich sollte das Halten der entsprechenden Strukturen auf ein absolutes Minimum beschränkt werden, so z.€B. sind Sehnen als bradytrophes Gewebe äußerst vulnerabel. Eine Quetschung durch den Pinzettengriff bei der Sehnennaht kann zu einer Ernährungs- bzw. Perfusionsstörung im Nahtbereich oder Verletzung des Peritendineums führen mit der möglichen Folge einer suboptimalen Heilung der Sehnennaht und narbigen Adhäsionen. Durch die atraumatische Haltetechnik wird eine Quetschung der Sehne vermieden, und das Risiko einer Durchblutungsstörung im Nahtbereich wird minimiert. Nerven und Gefäße sollten mit Mikroinstrumenten oder mit atraumatischen Makropinzetten (DeBakey) nur an der Adventitia bzw. am Epineurium gehalten werden. Grundsätzlich ist ein scharfes Skalpell zum Schneiden der Haut einzusetzen. Scheren werden zur Präparation der funktionellen Strukturen verwendet. Bei Verwendung der Präparierschere muss darauf geachtet werden, dass die Spitze der Schere vom Operateur immer gesehen€wird und dass nur sparsame Spreizbewegungen durchgeführt werden. Der kontrollierte Scherenschnitt ermöglicht ein weitaus schonenderes Operieren als das schwer kontrollierbare Reißen des Gewebes bei forciertem Spreizen. Bei traumatischen oder chronischen Wunden muss ein kompromissloses Débridement mit Entfernung avitalen und infizierten Gewebes durchgeführt werden. Oft ist es in der akuten Situation jedoch schwierig, zwischen noch vitalem und erhaltungswürdigem Gewebe einerseits und irreversibel geschädigtem Gewebe andererseits zu Â�unterscheiden; ggf. sind daher Folgeoperationen im Intervall notwendig. ! Cave Ein zu zaghaftes oder verzögertes Débridement mit dem Risiko des Zurücklassens von avitalem Gewebe in der Wunde erhöht das Risiko für eine persistierende Wund infektion mit weiterem Gewebeuntergang.
5.2
Schnittführung
Das Skalpell muss zur Schaffung eines sauberen glatten Schnittrandes senkrecht auf die Haut gesetzt werden und die Haut senkrecht durchschnitten werden. Eine spätere Wundrandadaptation wird dadurch erleichtert und die Narbenbildung optimiert. Die Schnittführung sollte parallel zu den Hautspannungslinien (Synonym »relaxed skin tension lines«, Entspannungslinien) erfolgen, um eine Narbenverbreiterung oder -hypertrophie zu vermeiden. Langer stellte 1861 erstmals das Konzept der nach ihm benannten Hautspannungslinien€vor. Diese Linien verlaufen senkrecht zu den Hauptzugrichtungen der unter der Haut verlaufenden Muskulatur. Sie lassen sich durch Zusammendrücken der Haut mit 2€Fingern identifizieren (.€Abb.€5.1). Die Hautinzisionen sollten, wenn möglich, in unauffälligen, wenig sichtbaren und mechanisch wenig belasteten Körperregionen platziert werden, oder in Bereichen, die aufgrund der anatomischen Verhältnisse eine unauffällige Narbenbildung ermöglichen. Beispiele sind die in die Submammarfalte, axillär oder periareolär gelegte Inzision bei Eingriffen an der Mamma. Bei der Planung einer freien mikrochirurgischen Gewebetransplantation z.€B. sollte daran gedacht werden, dass eine Schnittführung am Rücken für die Lappenhebung (z.€B. Paraskapularlappen, Latissimus-dorsi-Lappen, Serratuslappen) vom Patienten nicht gesehen wird (bei der täglichen Körper-
41
5.3 · Chirurgische Strategien zur Modulation der kutanen Heilung
a
b
. Abb. 5.1╇ Hautspannungslinien nach Langer im Gesicht (a) und am Rumpf (b)
pflege) und daher als weniger störend empfunden wird als Narben verläufe auf der Vorderseite des Körpers. Immer sollten mögliche Narbenverläufe dem Patient präoperativ erläutert und idealerweise am Körper in Farbe angezeichnet werden. > Bei der Planung der Platzierung von Hautschnitten sollte auch ein zukünftig notwendiges Lappendesign mitberück sichtigt werden.
Die Schnittführung an den Extremitäten erfolgt gerade oder in flach geschwungenen Bögen parallel zur Längsachse der Extremität. Hier durch erreicht man eine gute Übersicht des Operationssitus bei gleichzeitiger Vermeidung des Hautuntergangs in den Lappenspit zen bei zu starker Winkelung der Schnittführung. Lineare Inzisionen über Gelenkbeugen sind grundsätzlich kontraindiziert. Ein grundsätzliches Problem für evtl. zukünftige plastische Â�Operationen besteht darin, dass sog. Standardinzisionen anderer Fachgebiete z.€T. plastisch-chirurgisch relevante Strukturen nicht respektieren (z.€B. Durchtrennung des M.€latissimus dorsi bei poste rolateraler Thorakotomie). Besonders bei interdisziplinären Eingrif fen sollte hierauf hingewiesen werden. Bei der Hautnaht muss auf eine Eversion der Wundränder ge achtet werden, da durch eine optimale Approximation der tiefen dermalen Anteile flache, unauffällige Narben erreicht werden. Jegli che Stufenbildung von adaptierten Hauträndern führt zu ästhetisch auffälligen Narben. Für den Hautschnitt und bei Operationen an den Händen wird in der Regel ein 15-er Skalpell verwendet, mit dem auch (z.€B. bei der Dupuytren-Kontraktur) in der Tiefe die funktionellen Strukturen präpariert werden können. Ein 11-er Skalpell ist für ganz feine punktförmige Schnittführungen geeignet (Kanülenzugang bei Lipo suktion, Arthroskopiezugang Handgelenk) oder um die Hautläpp chen bei Z-Plastiken exakt zu umschneiden. > Immer sollte die Klinge nach dem Hautschnitt für die Prä paration tieferer Strukturen gewechselt werden.
! Cave Mit der Präparationsschere wird grundsätzlich keine Haut geschnitten, sondern ausschließlich das subkutane Gewe be präpariert. Vorsichtiges Spreizen wechselt mit kontrol lierten Schnitten.
Bei der Exzision von Tumoren ist die Schnittführung spindelförmig um den Tumor parallel zu den Hautspannungslinien zu legen mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand. Bei Biopsien zur Abklärung von Tumordignität ist die Inzision über dem Punctum maximum des Befundes zu wählen und in die zukünftigen Inzisionen, z.€B. bei onko logischen Resektionen, einzuplanen (7€Kap.€32 »MaligÂ�ne Tumoren«). 5.3
Chirurgische Strategien zur Modulation der kutanen Heilung
Der Einfluss chirurgischer Techniken auf die Narbenbildung er streckt sich von der Erzeugung der Wunde im Rahmen chirurgischer Eingriffe über die Art der Gewebebehandlung bis hin zur Wahl und Verwendung des Fadenmaterials (Vogt et al. 2009). Chirurgische Strategien zur Kontrolle der Narbenbildung beinhalten daher Maß nahmen, die die negativen Wirkungen von chirurgischen und me chanischen Eingriffen in Bezug auf den Heilungsprozess auf ein Minimum reduzieren. Die Entstehung einer feinen Narbe ist abhängig von einer Viel zahl von Faktoren (.€Übersicht). Einflussfaktoren auf die Bildung einer feinen Narbe 4 4 4 4
Hauttyp und Lokalisation am Körper Spannung der Wundränder Nahtmaterial Ausrichtung der Wunde in Bezug auf Kraftvektoren und Hautspannungslinien 4 Faktoren der Komorbidität 4 Technik des Wundverschlusses
5
42
Kapitel 5 · Inzisionstechniken und Vermeidung ungünstiger Narbenbildung
Die Narbenbildung kann auch durch die verwendete Technik des Wundverschlusses beeinflusst werden. Die Grundlage für den Er halt einer bestmöglichen Narbe bildet dabei 4 die atraumatische Behandlung der Hautränder, 4 die Entfernung von Nekrosen und Fremdkörpern, 4 chirurgisches Débridement bei traumatischer Lazeration oder Kontamination und schließlich 4 der spannungsfreie Wundverschluss.
5
Trotz all dieser Bemühungen bleibt die Narbenbildung auch in Wun den, die mit akribischer Technik versorgt werden, nach wie vor un vorhersehbar. Beim selben Patienten kann ein zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführter gleichartiger chirurgischer Eingriff zu erheblichen Unterschieden in der Narbenqualität führen. Die indi viduellen immunologischen und pathophysiologischen Faktoren bleiben dem Einfluss des Chirurgen derzeit noch weitgehend unzu gänglich. 5.3.1
a
Einfluss der Körperregion
! Cave Wunden an bestimmten anatomischen Regionen, wie an der Schulter oder am Brustbein sowie über großen Gelen ken, weisen eine Tendenz zur Verbreiterung sowie Hyper trophie und damit zu ungünstiger Narbenbildung auf.
Im Gegensatz dazu heilen Wunden an anderen Körperregionen, wie z.€B. an den Augenlidern, fast immer mit unauffälliger Narbenbil dung ab. 5.3.2
Ausrichtung der Narben
Die Begriff der »Hautspannungslinien« oder »Hautspaltlinien« (.€Abb.€5.1) wurde ursprünglich von Dupuytren (1832), Langer (1861) und später auch als »relaxed skin tension lines« von Borges (1984) beschrieben. > Wenn sich eine Narbe parallel zu den relaxierten Haut spannungslinien orientiert, entsteht an den Wundrändern nur eine minimale Spannung (7 Abb.€5.2). Eine maximale Narbenkontraktion tritt auf, wenn eine Narbe die Linien der minimalen Spannung im rechten Winkel kreuzt.
Narben können auch in Konturlinien (d.€h. Trennlinien) zwischen Körperfalten versteckt werden. Dies führt meist zu einer Vergröße rung der Narbe. Wenn Narben in einem schrägen Winkel platziert werden, neigen sie eher zur Hypertrophie (.€Abb.€5.3d). Ein Beispiel für unauffällige und minimale Narbenbildung ist in .€Abb.€5.4 wie dergegeben. Narben sind dagegen sichtbar und auffällig, wenn sie Hautspannungslinien kreuzen oder wenn sie Verbreiterungen, Erha benheiten und Depigmentierungen aufweisen (.€Abb. 5.3). 5.3.3
Narbenrevision
Eine besondere Herausforderung für den Chirurgen stellt die Nar benrevision dar. Um ein gutes Ergebnis der Narbenrevision zu er halten, ist es auch hier entscheidend, die Spannung an den Wund rändern zu vermindern. In Studien konnte gezeigt werden, dass die Narbenexzision und der Wundverschluss in ausgereiften Narben durchgeführt werden muss, damit die entzündliche Aktivität inner
b . Abb. 5.2a, b╇ Gute Narbenbildung: Bei diesem 30€Jahre alten Mann, der sich einer Fettabsaugung der Pektoralisregion unterzog, sind die Inzisions linien für die Fettabsaugungskanüle kaum erkennbar. Die Narben wur den€kurz gehalten und parallel zu den Hautspannungslinien am seitlichen M.-pectoralis-Rand platziert. Als Nahtmaterial wurden subdermal gestoche ne evertierende resorbierbare Einzelknopfnähte (4-0 Monocryl) verwendet
halb der Wunde minimiert wird. Auch durch Naht der Hautränder des noch vorhandenen ausgereiften und damit stabilen Narben gewebes nach intraläsionaler Exzision kann eine Entlastung der Ge webespannung erreicht und dadurch die Entstehung von besseren Narben gefördert werden. Dies ist insbesondere bei Keloiden von Bedeutung.
Chirurgische Indikationsstellung Parsons (1977) hat die für den Chirurgen kritischen Aspekte der Narbenrevision zusammengefasst: 4 Eine Narbe erscheint üblicherweise zwischen 2€Wochen und 2€Monaten nach Verletzung am auffälligsten. Narbenrevisionen sollten daher die spontane Narbenreifung abwarten, die abhän gig von verschiedensten Faktoren zwischen 4€Monaten und 24€Monaten beanspruchen kann (7€oben). Lediglich funktionell behindernde Narben, z.€B. über Gelenkbeugen oder im Gesicht, können früher eine Indikation zur Revision darstellen. 4 Eine Narbe wird dann auffällig, wenn sie den Verlauf von Ober flächenregionen unnatürlich durch abweichende Farbe, Kontur oder Texturdifferenzen unterbricht. 4 Das endgültige ästhetische Ergebnis einer Narbe hängt meis tens€mehr von der Schädigungsursache (auch Traumatisierung durch den Chirurgen) als von der Nahttechnik ab. Quetschung, SchmutzÂ�tätowierungen, ungünstiger Wundverlauf, Lazeratio
43
5.3 · Chirurgische Strategien zur Modulation der kutanen Heilung
a
b
c . Abb. 5.3a–d╇ Klinische Auffälligkeiten von Narben: Auffällige Narben sind oftmals depigmentiert (a) und weisen Dehiszenzen oder Stufen auf (b). Insbesondere wenn kräftige, nichtresorbierbare Einzelnähte verwendet werden, entstehen zusätzliche Vernarbungen durch Hauteinstiche (»Strick
a . Abb. 5.4a, b╇ Um eine Primärheilung mit minimaler Narbenbildung zu er zielen, sind eine präzise Zusammenführung der Hautränder und ein span nungsfreier Wundverschluss erforderlich, am besten durch dermale Einzel
d leiter«; b, c). Ein ungünstiger Verlauf gegen die Orientierung der Hautspaltli nien ist oftmals mit Hypertrophie aufgrund der erhöhten Spannung ver bunden (d)
b nähte (Vicryl 3-0) und durch resorbierbare fortlaufende Intrakutannaht (Mo nocryl 4-0;€a). Feine und kaum erkennbare Narbe nach Mammaaugmentati on über eine inframammäre intrakutan genähte Inzision€(b)
5
44
5
Kapitel 5 · Inzisionstechniken und Vermeidung ungünstiger Narbenbildung
nen, Spannung und Stufenbildungen am Wundrand führen zu ungünstigen Resultaten. 4 Weniger die Wahl des Nahtmaterials als vielmehr die techni schen Aspekte der Nahtplatzierung und Entfernung bestimmen die endgültige Narbe. Neuere Entwicklungen resorbierbarer Nahtmaterialien der letzten 2€Jahrzehnte besitzen hierbei jedoch Potenzial zur Optimierung der Heilung (Niessen et al. 1997). 4 Die Immobilisierung ist mindestens genauso bedeutsam wie bei der Frakturheilung. Spannung am Wundrand während der Wundheilung erzeugt kleinste Geweberupturen mit konsekuti ver Narbenbildung (Hypertrophie wie Verbreiterung). Adhäsive Pflaster(Strips) sollten noch 1–2 Wochen nach der Nahtentfer nung auf der Hautnarbe verbleiben. 4 Techniken wie die Verlagerung von Narbenverläufen in Haut spaltlinien durch Z-Plastiken oder W-Plastiken, ggf. auch durch Transpositionslappen stellen gängige und bewährte Verfahren dar, um den ungünstigen und auffälligen Narbenverlauf zu kor rigieren. Durch die Reduktion der Narbenspannung verbessert sich die Hypertrophie und Inflammation oft kurzfristig. Moderne physikalische Methoden der Inzision oder Ablation wie Lasersysteme ermöglichen zwar eine atraumatische Gewebetren nung, dennoch verbieten bisher der Preis und die aufwendige Hand habung eine breite Anwendung in der Oberflächenchirurgie. Auch eine reduzierte Entzündung kann in einigen Wunden ein Nachteil für den Heilungsverlauf, insbesondere hinsichtlich stabiler Narben sein. Daher bildet die Kombination von sorgfältiger Gewebehandha bung und die Wahl eines nicht reaktiven Nahtmaterials eine solide Basis für die Erzeugung feiner und reißfester Narben.
Literatur Borges AF (1984) Relaxed skin tension lines (RSTL) versus other skin lines. Plast Reconstr Surg 73 (1): 144 McGregor AD, McGregor IA (eds) (2009) Fundamental techniques of plastic surgery, and their surgical applications, 10th edn. Churchill Livinstone, New York Niessen FB, Spauwen PH, Kon M (1997) The role of suture material in hyper trophic scar formation: Monocryl vs. Vicryl-rapide. Ann Plast Surg 39 (3): 254 Parsons RW (1977) Scar prognosis. Clin Plast Surg 4: 181 Vogt PM, Altintas MA, Radtke C, Meyer-Marcotty M (2009) Grundlagen und Techniken der chirurgischen Naht. Chirurg 80: 437–447
6
Nahtmaterialien und Nahttechniken M. Meyer-Marcotty, P.M. Vogt
6.1
Nahtmaterialienâ•… – 46
6.1.1 Wechselbeziehung von Nahtmaterial und Narbenqualitätâ•… – 46 6.1.2 Nahttypenâ•… – 47
6.2
Haut und Unterhautâ•… – 48
6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5
Knotentechnikenâ•… – 48 Chirurgische Aspekte der Nahttechnikâ•… – 49 Schichtweiser Wundverschlussâ•… – 49 Kritische Elemente der Nahttechnikâ•… – 49 Zusätzliche Maßnahmen zum Wundverschlussâ•… – 51
6.3
Faszien und Sehnenâ•… – 51
6.4
Mikrochirurgie von Gefäßen und Nervenâ•… – 51
6.4.1 Instrumenteâ•… – 51 6.4.2 Nahttechnikâ•… – 52 6.4.3 Fadenstärkeâ•… – 52
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
46
Kapitel 6 · Nahtmaterialien und Nahttechniken
6.1
Nahtmaterialien
Goldene Regeln zur Erzielung guter Narbenqualität
Das chirurgische Nahtmaterial kann unterteilt werden in 4 resorbierbare und nichtresorbierbare, 4 monofile oder geflochtene Fäden.
6
Die Fadenstärke bestimmt in hohem Maße die Reißfestigkeit des Fadens. Moderne synthetisch hergestellte nichtresorbierbare Nahtmate rialien (Nylon, Polypropylene) sowie resorbierbare Monofilamente (Polyglecapron; .€Tab.€6.1) sind minimal gewebereaktiv und werden somit für den Wundverschluss bevorzugt, insbesondere dann, wenn kosmetische Aspekte im Vordergrund stehen. Sie alle haben das klas sische Catgut ersetzt. In einer systematischen Studie untersuchten van Winkle et al. bei Hunden 6 chirurgische Nahtmaterialien zum subkutanen Verschluss von abdominalen Inzisionen. Die Auswirkungen auf die Wundhei lung wurden mittels mechanischer, biochemischer und histologi scher Methoden evaluiert. Unter den mit unterschiedlichen chirur gischen Nahtmaterialien versorgten Wunden konnten postoperativ bis zu 28 Tage keine Unterschiede in der Wundreißfestigkeit ermit telt werden. In Bezug auf die Inzidenz von Wundinfektionen wurde jedoch die Überlegenheit von monofilen Fäden gegenüber multifilen Nahtmaterialien gezeigt. Unter den nicht resorbierbaren Nahtmate rialien zeigten die nicht mehr im klinischen Hautverschluss popu lären Materialien Seide und Polyester die höchste Rate an Wund infektionen mit einer intensiven und lang anhaltenden Gewebereak tion. Im Gegensatz dazu erzeugte Polypropylen, als monofile Naht, nur eine milde bis moderate Gewebereaktion. Auch wenn die Ergeb nisse aus den tierexperimentellen Studien eindeutig waren, empfeh len die Autoren, bei der Übertragung ihrer Beobachtungen auf den Menschen Vorsicht walten zu lassen, da man berücksichtigen muss, dass bestimmte Spezies auf chirurgisches Nahtmaterial unterschied lich reagieren. Als synthetisches resorbierbares Nahtmaterial erzeugte Polygla ctin nur eine moderate Gewebereaktion und war einheitlich zwischen dem 28. und 70. Tag nicht mehr nachweisbar. In einer klinischen Studie an 81 Patientinnen wurde dieser Unterschied bestätigt. So resultierte bei Verwendung von monofilen resorbierbaren Nähten (Polyglecapron, Monocryl) zum Verschluss von inframammären In zisionen von Mammareduktionsplastiken eine signifikant geringere Tendenz zur inflammatorischen Aktivität und Narbenhypertro phie€als unter geflochtenem Polyglactin (Vicryl rapide). Allgemeine Leitlinien zur Wahl des richtigen Nahtmaterials und der Techniken sind in .€Tab.€6.2 und der .€Übersicht aufgelistet (weitere Details in 7€Kap.€5).
4 Platzierung der Inzisionen in Linien geringster Haut spannung oder in natürlichen Hautfalten 4 Sanfte Gewebebehandlung und Beschränkung des Débridements auf das notwendige Maß zur Erzielung eines Â�sauberen Wundbettes 4 Komplette Hämostase im Wundbereich 4 Ausschaltung von Spannung an Hauträndern 4 Verwendung feiner Nähte mit frühestmöglicher Ent- fernung 4 Evertierung der Wundränder 4 Beste Narbenqualität ist eher bei Patientenalter in der Nähe von 90€Jahren als von 9€Jahren zu erwarten 4 Abwarten der Narbenreifung vor Versuch einer Narben revision
6.1.1
Wechselbeziehung von Nahtmaterial und Narbenqualität
Experimentelle und klinische Daten aus der Wundheilungsfor schung und aus Nahtstudien helfen heute, Nahtmaterial und Naht technik optimal zu kombinieren, um einen sicheren und exakten Wundverschluss mit einer ästhetisch möglichst günstigen Narben qualität zu erzielen. Seit langem ist bekannt, dass bei Wunden die Nahtfestigkeit erheblichen Einfluss auf die Narbenqualität hat. So unterstützen suffiziente Nähte die »schwachen« Kollagenbündel ei ner heilenden Wunde, was vorrangig in den ersten 3€Wochen nach Inzision von Bedeutung ist, da in diesem Zeitraum die Wundreiß festigkeit nur 20% der normalen Haut beträgt. > Die Hauptursache für Narbendehiszenz ist die Separation von »schwachen« Kollagenfasern (Typ-III-Kollagen), bevor sie in gut ausgerichtete Kollagen-Typ-I-Bündel ausreifen. Eine konstante Dehnung lässt sich daher in Narben beÂ� obachten, die nicht durch Nähte unterstützt werden.
Die Breite einer Narbe in einer nicht durch Nähte unterstützten Wunde kann sich dabei in 3€Wochen bis 3€Monaten nach der Inzisi on verdoppeln und sich zusätzlich um weitere 50% zwischen dem 3. und 6.€postoperativen Monat verbreitern. > Daher ist in diesem Zeitraum die mechanische Entlastung zur Unterstützung der Narbenreifung von entscheidender Bedeutung und kann effizient durch folgende Maßnahmen gefördert werden: Nähte, Vitamine, mikroporöse Tapes und Schienen.
. Tab. 6.1╇ Eigenschaften moderner resorbierbarer und nichtresorbierbarer Nahtmaterialien
Struktur
Eigenschaften
Resorbierbar
Nichtresorbierbar
Monofil
4 4 4 4
4 Polyglecapron 4 Polydioxanon 4 Polytrimethylcarbonat
4 Polyamid 4 Polypropylen 4 Stahldraht
Geflochten
4 Sichere Knoten 4 Hohe Reißkraft 4 Weichheit
4 Polylyglactin 4 Polyglactin rapid 4 Polyglactin Plus
4 Polyester 4 Seide 4 Stahldraht
Kein Kapillareffekt Kein Reiben Glatte Passage Knotengleiten
47
6.1 · Physiologische Mechanismen
. Tab. 6.2╇ Nahtmaterial bei Weichteilwunden. (Nach Markovchick 1992)
Lokalisation
Nahtmaterial
Verschlusstechnik
Entfernung des Nahtmaterialsc [Tage]
Skalp
4 3-0, 4-0 nicht resorbierbar 4 Monofil
4 Einzelknopfnaht 4 Dicht
7–12
Gesicht
4 4-0, 5-0 synthetisch resorbierbar oder 4 6-0 nichtresorbierbar 4 Monofil
4 Schichtweise, falls Wunde oder Inzision voll schichtig 4 Fortlaufend oder Einzelknopfnaht
3–5
Augenlid
4 5-0 intrakutan, 6-0 Einzelknopf 4 Nichtresorbierbar 4 Monofil
4 Einreihig Einzelknopf oder fortlaufend (unter stützt durch Steri-Strips für bis zu 10€Tage)
5
Lippe oder Mundhöhle
4 4-0, 5-0 resorbierbar in Mukosa, Muskel intradermaler Schicht 4 6-0 monofil nichtresorbierbar in Haut
4 Schichtweise Muskel, Mukosa, Haut 4 Einzelknopfnaht
3–5
Hals
4 4-0 resorbierbar 4 5-0 nichtresorbierbar 4 Monofil
4 Zweischichtig für bestes kosmetisches Ergebnis 4 Fortlaufend 4 Intrakutan
4–6
Abdomen, Rücken
4 3-0 oder 4-0 resorbierbar 4 3-0 oder 4-0 nichtresorbierbar 4 Monofil
4 Ein- oder mehrschichtig 4 Fortlaufend 4 Intrakutan
6–12
Extremität
4 3-0 oder 4-0 resorbierbara 4 3-0 oder 4-0 nichtresorbierbar 4 Monofil 3-0 oder 4-0 resorbierbar
4 Einreihig oder mehrreihig (Dermis)a 4 Schienen bei Wunden über Gelenken oder bei hoher Wundspannung 4 Fortlaufend 4 Intrakutan
6–14b
Hände und Füße
4 4-0 oder 5-0 nichtresorbierbar 4 Monofil
4 Einreihig mit einfachen oder Einzelknopfrück stichnähten 4 Schienen bei Wunden über Gelenken oder bei hoher Wundspannung
7–12
Nagelbett
4 6-0 oder 7-0 resorbierbar
4 Exakte Adaptation mit Einzelknopfnähten 4 Lupenvergrößerung 4 Nagelschienung durch Originalnagel oder Kunst nagel (aus 20-ml-Spritze), um Adhäsionen zu vermeiden
Resorption
a
In Zonen hoher Spannung resorbierbare monofile Nähte (Polydioxanon) sorgen für längere Reißkraft während der kritischen Phase der Kollagen bündelentwicklung. b An der unteren Extremität verbleiben nichtresorbierbare Fäden bis zu 21€Tage abhängig von Gefäßstatus, Durchblutung und Hautqualität. c Bei Verwendung nicht resorbierbaren Materials.
Eine wichtige Eigenschaft moderner Nahtmaterialien besteht darin, möglichst eine nur geringe Entzündungsreaktion während der Re sorption auszulösen. Bereits auf der Ebene der nichtresorbierbaren Materialien erzeugen Nähte weniger Entzündungen als Klammern. Bei Verwendung von Klammern besteht eine höhere Inzidenz von Entzündungen, Beschwerden bei der Entfernung und eine ungüns tigere Narbenheilung im Vergleich zu Nähten (Stockley u. Elson 1987). Der Vorteil von Klammern bestand in der Schnelligkeit des Wundverschlusses. Hinsichtlich der Eigenschaften von resorbierbaren und nichtre sorbierbaren Nähten fanden sich keine Unterschiede in der erreich ten Narbenqualität. Allerdings ließ sich bei Verwendung von dünne ren inneren (subkutanen) Nähten ein Trend für eine bessere Heilung beobachtet. Unter den verschiedenen resorbierbaren Materialien erwies sich das Gewebe bei monofilen Fäden weniger reaktiv als bei geflochtenen Fäden.
6.1.2
Nahttypen
Die Haltekraft einer Naht wird bestimmt durch die Reißfestigkeit des Materials (.€Abb.€6.1). In Wunden, die unter milder Spannung stehen, ergeben subkutane oder intrakutane fortlaufende Nähte kosmetisch sehr gute Ergebnisse (Vogt et al. 2009). Im Gegensatz zu Einzelnähten lassen sie jedoch kei ne differenzierte Anpassung der Nahtspannung zu, die in einigen kom plexen Wunden nötig werden kann. Daher erfordern subkutane fort laufende Nähte korrekt platzierte dermale Einstiche. Greve et al. (1986) zeigten, dass sehr gute kosmetische Ergebnisse bei mehr als 1500€Näh ten von bis zu 30€cm Länge mit einem resorbierbaren Polydioxanon faden erzielt wurden. Insbesondere spielt hier die Nähe des Nahtma terials zur Epidermis eine Rolle. Werden die Fäden zu oberflächlich deponiert und wird zudem die Masse des Materials durch dicke Kno ten vergrößert, resultieren vermehrte Entzündungsreaktionen.
6
48
6
Kapitel 6 · Nahtmaterialien und Nahttechniken
. Abb. 6.1╇ Reißfestigkeit von Einzelfäden im Organismus. (Mod. nach Ethicon GmbH und Vogt et al. 2009)
> Bei allen resorbierbaren Einzelnähten ist auf eine deutlich subdermale Stichorientierung mit Evertierung der WundÂ� ränder zu achten. Eine fortlaufende intrakutane Naht darf nicht zu oberflächlich platziert werden.
Der Wundverschluss mit Gewebeklebstoffen wurde wiederholt im Laufe der letzten Jahre favorisiert. Die klinische Anwendung ist bislang auf kleine oberflächliche Wunden beschränkt und wird be vorzugt bei Kindern eingesetzt. In einer neueren prospektiven ran domisierten Studie wurde ein bemerkenswerter Unterschied in der Wundheilung beobachtet: In 26% der Fälle traten in der Klebstoff gruppe Wunddehiszenzen auf, wohingegen keine Dehiszenzen in der Nahtgruppe zu verzeichnen waren. Daher empfehlen die Auto ren, dass bei Kindern Wunden besser chirurgisch mit einer resor bierbaren intrakutanen Naht verschlossen werden sollten. In allen Situationen, in denen eine hohe Spannung zu erwarten ist, erscheint die Reduktion von Traktionskräften auf die Wundrän der obligatorisch. Hogstrom et al. haben bei Ratten an Laparotomie wunden gezeigt, dass sich die Reißfestigkeit von unter Spannung stehenden Nähten um 77% verringerte und diese bei fast der Hälfte der Tiere insuffizient geworden waren. In Wunden der »Spannungs gruppe« wurden in der Peripherie des Fadenmaterials eine verstärkte Gewebemyeloperoxidaseaktivität und eine deutlich erhöhte An sammlung von neutrophilen Leukozyten nachgewiesen. Die Auto ren schlussfolgern, dass die verminderte Reißfestigkeit durch die neutrophilen Granulozyten hervorgerufen wurde. In einer neueren Studie erzeugten resorbierbare lange monofile dermale Nähte, die in einer »Schlingentechnik« eingebracht wurden, durch lang anhaltende Zugfestigkeit auf das heilende Gewebe die kleinsten Narben. Das Argument der Autoren, Polydioxanon (PDS) zu verwenden, stützte sich auf die lange Reißfestigkeit der Fäden (64€Tage) und eine reduzierte entzündliche Reaktivität dieses Mate rials im Vergleich zu anderen Fäden (.€Abb.€6.1). Die Sterilisation des Nahtmaterials erfolgt allgemein mit Ethy lenoxid oder γ-Strahlen. Heute werden meist Kunststofffäden verwendet, die durch Poly merisation von Monomeren hergestellt werden. Die Kunststofffäden zeichnen sich durch eine sehr gute Gewebeverträglichkeit aus. Durch die wasserabstoßenden Eigenschaften quellen die Fäden im Gewebe nicht auf und zeigen keinerlei Dochtwirkung. Das Fehlen der Quel lung und Dochtwirkung macht die nichtresorbierbaren Kunststoff fäden aus Polyamiden (z.€B. Ethilon, Seralon, Nylon, Perlon etc.) und Polyestern (z.€B. Mersilene etc.) zu den gebräuchlichsten Nahtmate rialien für alle Haut-, Sehnen-, Gefäß- und Nervennähte. Polyglycolsäurefäden (z.€B. Vicryl) sind synthetisch hergestellte Fäden, die nach einer definierten Zeit resorbiert werden. Diese Fä
den verlieren nach 10–12 Tagen 50% ihrer Reißkraft, nach 9€Mona ten sind die Fäden in der Regel restlos resorbiert. Im Vergleich zum früher verwendeten Catgut verursachen diese Kunststofffäden we sentlich seltener Fremdkörperreaktionen, Antigenreaktionen treten nicht auf. Problematisch bei diesen geflochtenen Fäden (Vicryl) ist die sehr raue Oberfläche, die zu einem Einschneiden in das Gewebe führen kann. Der PDS-Faden (ein Polydiaxanonfaden) ist ein syn thetisch hergestellter monofiler Faden, der im Gegensatz zu einem geflochtenen Faden (z.€B. Vicryl) eine sehr glatte Oberfläche hat und die Reißkraft innerhalb von 70€Tagen verliert. 6.2
Haut und Unterhaut
Bei der Hautnaht kommt es primär darauf an, eine optimale Koap tation der Wundränder zu erlangen, um eine flache unauffällige Nar benbildung zu erzielen. ! Cave Die Wundränder dürfen während der Naht nicht gequetscht werden.
Um eine feste Knotenbildung zu erreichen, ist es bei den modernen Nahtmaterialien mit einer sehr glatten Oberfläche und großen Â�Elastizität wichtig, eine saubere Knotentechnik zu beherrschen. Im Allgemeinen werden 2€gleichläufige Knoten gefolgt von einem ge genläufigen und wieder einem gleichläufigen Knoten gesetzt. 6.2.1
Knotentechniken
Die verschiedenen Knotentechniken sind in .€Abb.€6.2 abgebildet. Maschinenknoten.╇ Der »Maschinenknoten« wird mit Pinzette und Nadelhalter geknotet und ist ein technisch einfach durchzuführen der Knoten. Diese Knotenform wird oft bei Hautnähten bei Einzel knöpfen oder Rückstichnähten eingesetzt. Das Feingefühl für die Knotenspannung und die Gewebefestigkeit fehlt bei dieser Knoten technik. Einzelknopfnaht.╇ Die Einzelknopfnaht wird zum Hautverschluss, beispielsweise in der Hohlhand, durchgeführt. Die Narbenbildung ist relativ unauffällig bei optimaler Adaptation der Hautränder anei nander und evertierter Naht. Eine locker adaptierende Einzelknopf hautnaht kann beispielsweise bei verschmutzten Wunden durchge führt werden, damit noch eventuell bestehendes Wundexsudat durch die Lücken zwischen den Einzelknopfnähten abfließen kann.
49
6.2 · Haut und Unterhaut
a
b
c
. Abb. 6.2a–e╇ Nahttechniken: a€Einzelknopfnaht, b€Rückstichnaht (Donati), c€fortlaufende Naht, d€intraku tan fortlaufende Naht, e€subkutane Naht mit versenkten Knoten d
e
Rückstichnaht.╇ Rückstichnähte (Donati-Naht, Allgöwer-Naht) führen zu einer noch besseren Eversion der Wundränder bei guter Stabilität. Der durchgreifend tief dermale Nahtanteil sorgt für die entsprechende Festigkeit, der oberflächliche koriale und epidermale Anteil dieses Stiches führt zu einer passenden Eversion der Wund ränder. Insbesondere bei Wundrändern, die eine Tendenz zu Wund randinversion (z.€B. Wundränder von chronischen Wunden) haben, eignet sich diese Nahttechnik. Bei den Rückstichnähten kann es ver mehrt zu ischämisch bedingten Nekrosen des subkutanen Gewebes kommen.
6.2.2
Intrakutane fortlaufende Hautnaht.╇ Dies ist eine sehr elegante
Die verschiedenen Schichten einer Wunde müssen entweder mit einzelnen oder fortlaufenden Nähten zusammengeführt werden. Dabei wird subkutanes Fettgewebe nicht vernäht. In randomisierten Studien konnte nach V.-saphena-Exzision der negative Effekt von subkutanen Nähten gezeigt werden. Eine zusätzliche Naht des Fett gewebes führt hier zu Gewebeischämie sowie Nekrose und damit zu einem erhöhten Infektionsrisiko. Um eine Entlastung der Spannung an den Wundrändern und gleichzeitig eine ausreichende Reißfestig keit zu erzielen, sind dermale Nähte wichtig. Aktuell wird resorbierbares Nahtmaterial bevorzugt, das so durch tief dermale Einstiche mit invertierter Stichrichtung unter der Dermis versenkt wird, dass der Knoten subdermal zu liegen kommt. Diese Maßnahme reduziert die auf der finalen Hautnaht liegende Spannung maximal. Durch den versenkten Knoten wird die Rate an Fadenextrusionen reduziert (7€unten). Wenn nichtresorbierbares Material oder Klammern zum äuße ren Verschluss der Epidermis verwendet werden, sollten diese an ästhetisch exponierten Regionen (Gesicht) innerhalb von 5€Tagen von der Hautoberfläche entfernt werden, um unansehnliche Ein stichstellen (»cross-hatching«) zu vermeiden.
Nahttechnik, um ein optimales Narbenbild zu erreichen. Die stören den Ein- und Ausstichstellen der Nadel bei Einzelknopf oder Rück stichnähten entfallen. Bei der intrakutan fortlaufenden Naht ist die intradermale Lage des Fadens wichtig mit einem gleichmäßigen Ab stand zur Hautoberfläche und gleichmäßigem Abstand der Ein- und Ausstiche. Bei stark verschmutzten Wunden und solchen Wunden, die stark sezernieren und eine entsprechende Drainage der Wund flüssigkeit benötigen, ist diese Nahttechnik nicht geeignet. Überwendlich fortlaufende Naht.╇ Diese Technik wird bevorzugt
eingesetzt bei der Einnaht von Hauttransplantaten. Eine gleichmä ßige Verteilung der Spannung bei guter Festigkeit der Naht kann so erreicht werden. Ein Knoten und Abschneiden des Fadens während der Hautnaht entfällt.
Dynamische Hautnaht.╇ Die dynamische Hautnaht wird bei sekun där klaffenden Wunden eingesetzt. Hier wird über einen Zeitraum von bis zu einigen Wochen ein stark klaffender Wundspalt durch die Dehnbarkeit der Haut direkt verschlossen ohne den Einsatz von Hauttransplantaten. Subkutannaht.╇ Die Subkutannaht zur Durchführung eines schicht weisen Wundverschlusses führt zu einer Optimierung des Wundver schlusses durch eine Verkleinerung des Wundhohlraums und zu einer guten Adaptation der Wundränder aneinander. Auch die Reiß festigkeit der Wunde kann durch eine Subkutannaht erhöht werden. Es sollte darauf geachtet werden, dass der Knoten in der Tiefe ver senkt wird, um ein Perforieren durch die Haut zu vermeiden. Dies wird durch ein invertiertes Einstechen erreicht.
Chirurgische Aspekte der Nahttechnik
Der Wundverschluss kann durch eine Vielzahl von Methoden und Techniken erzielt werden. Hierzu können Fäden, Klammern, Tape verbände oder Gewebeklebstoffe eingesetzt werden. Unabhängig davon, welche Methode verwendet wird, müssen die Hautränder präzise und spannungsfrei zusammengeführt werden. 6.2.3
6.2.4
Schichtweiser Wundverschluss
Kritische Elemente der Nahttechnik
> Kritische Elemente neben scharfer und sauberer Schnittführung sind korrekte Ausrichtung der Wundränder, Vermeidung von Wundhöhlen, schichtweiser Wundverschluss und Eversion der Wundränder. Tiefe dermale Nähte nähern die Hautränder aneinander an und helfen, die Spannung an diesen zu verringern.
6
50
6
Kapitel 6 · Nahtmaterialien und Nahttechniken
. Abb. 6.3╇ Chirurgische Kontrolle der Narbenqualität. Eine optimale Ausrich tung der Hautränder (linke Spalte) führt zu einer nichtdehiszenten, nichtÂ�hyper trophen Narbe und vermeidet sichtbare Einstichstellen (»cross-hatching«)
Evertierende Hautnähte werden beim Wundverschluss unter minima ler Spannung eingebracht, greifen vorwiegend tiefe Anteile der Dermis und halten einen möglichst großen Abstand zur Epidermis ein (.€Abb.€6.3). Aufgrund der hohen kosmetischen Anforderungen sind diese Grundsätze v.€a. im Gesichtsbereich von besonderer Bedeutung.
a
Ein häufiges Problem nach subkutanem Hautverschluss von dermalen Wunden besteht in einer Nahtextrusion. In einem expe rimentellen Schweinemodell konnten die klinischen Erfahrungen am Menschen hinsichtlich Nahtextrusion, Wunddehiszenz, Abszess der Einstichstelle und Granulombildung eindrucksvoll reprodu ziert werden. Die kumulative Inzidenz von Nahtextrusionen über 5 Wochen reichte von 10–33%. In der gleichen Studie wurde ge zeigt,€dass ein 5-facher chirurgischer Knoten eine höhere kumu lative Inzidenz von Nahtextrusionen aufwies als ein 3-facher oder 4-facher chirurgischer Knoten. Beim dermalen Wundverschluss mittels resorbierbaren Nähten bergen daher asymmetrische Kno tenkonstruktionen die größte Gefahr einer Fadensequestrierung. In einer anderen Studie konnte gezeigt werden, dass durch hohe Oberflächenreibung sowohl resorbierbares 4-0-Polyglactin als auch 4-0-Polyglycolsäure eine gute Knotensicherheit ermöglichen. Aller dings sorgt die raue Oberfläche auch dafür, dass die Fäden schwer gewebegängig sind. Dies hat zur Folge, dass ein kontinuierliches Gleiten der Naht erschwert und dadurch die Spannung schwer zu regulieren ist. Zusätzlich ist auch das Mikrotrauma des Gewebes erhöht.
b
. Abb. 6.4a, b╇ Postoperatives Narbenmanagement. Angemessene Naht technik und Narbenmanagement helfen bei der Entstehung von guten Nar ben wie im vorliegenden Fall einer Patientin mit Handgelenksganglion. Der dermale Wundverschluss wurde mit Polyglactin und die Hautnaht mit nichtresorbierbaren monofilen Nähten durchgeführt€(a). Anschließend wur
de das betroffene Gelenk zur Rezidivprophylaxe des Ganglions für 4€Wo chen in einer Schiene immobilisiert. Silikongelstreifen beugen zusätzlich ei ner Narbenhypertrophie vor. Nach 12€Wochen deutet nur noch eine mini male Hyperpigmentierung auf die Existenz einer kleinen Narbe€(b)
51
6.4 · Mikrochirurgie von Gefäßen und Nerven
6.2.5
Zusätzliche Maßnahmen zum Wundverschluss
Tapeverbände (Micropore, Steri-Strip) oder dermale Cyanoacrylat klebstoffe wie Dermabond werden für eine maximale Adaptation der Hautränder empfohlen. Durch eine starke lokale Unterstützung innerhalb der Wundränder und Ruhigstellung der Epidermis im Wundbereich gegenüber Scherkräften, Mikrotraumata und Entzün dungen kann eine ungestörte Wundheilung mit guten kosmetischen Ergebnissen erreicht werden (.€Abb.€6.4). 6.3
Faszien und Sehnen
Bei der Sehnennaht ist primär auf eine besondere Gewebeschonung zu achten, da das bradytrophe Sehnengewebe keine Quetschung to leriert und somit Heilungsstörungen bis hin zur Nahtinsuffizienz der Sehnennaht bei unsachgemäßer traumatisierender Handhabung resultieren können. Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Naht techniken, wobei wir eine Modifikation der Kirchmayr-Naht emp fehlen. Kirchmayr-Naht.╇ Bei der Kirchmayr-Naht, modifiziert nach Zechner, wird eine Kernnaht der Stärke 4-0 nichtresorbierbar monofil verwen det in Kombination mit einer 6-0 fortlaufenden monofilen resorbier baren Säumnaht. Die Dehiszenzrate bei dieser Form der Naht ist ge genüber der Bunnell-Naht oder der Ausziehnaht deutlich niedriger, auch ist die mechanische Festigkeit der Sehnennähte mit Kernnaht und fortlaufender Säumnaht besser als bei einer alleinigen Kernnaht oder bei einer Kernnaht mit einer Einzelknopfsäumnaht (.€Abb.€6.5).
über dem Handgelenk bei der Rekonstruktion der Extensor-pollicislongus-Sehne mittels Transposition der Extensor-indicis-Sehne. Beide zu vernähenden Sehnen werden 3-mal miteinander verwoben und genäht, wobei darauf geachtet werden muss, dass die jeweiligen Ein- und Ausstichstellen der Naht um 90° um die Längsachse der Sehne verdreht werden. Die Vernähung der Sehnen miteinander wird mit einer monofilen nichtresorbierbaren Naht der Stärke 4-0 durchgeführt, zusätzlich zu einer 6-0 monofilen resorbierbaren Feinadaptation (.€Abb.€6.6). 6.4
Mikrochirurgie von Gefäßen und Nerven
6.4.1
Instrumente
Für die Mikrochirurgie sind einige besondere Spezialinstrumente notwendig, angefangen von einem leistungsfähigen Operationsmi kroskop mit 2€separaten binokularen Optiken für den Operateur und den Assistenten über eine gleichmäßige Lichtquelle bis zu den Mikroinstrumenten. Bei den Mikroinstrumenten sollten jeweils eine lange und eine kurze Version der Pinzette, Nadelhalter und Schere vorhanden sein und die einzelnen Instrumentengruppen jeweils in mindestens 4-facher Anzahl. Weitere hilfreiche Mirkoinstrumente sind verschiedene Mikrogefäßclips, Clipanlegezangen und Gefäßdi latatoren sowie Mikrokanülen zum Anspülen der zu anastomosieren den Gefäße.
Pulvertaftdurchflechtungsnaht.╇ Diese Nahttechnik ermöglicht eine sehr feste Sehnenverbindung und kann in Arealen verwendet werden, in denen keine engen Sehnengleitkanäle vorhanden sind wie z.€B. am Unterarm beuge- oder streckseitig oder auch streckseitig
. Abb. 6.5╇ Beugesehnennaht nach Kirchmayr, modifiziert nach Zechner (7€Text)
. Abb. 6.6╇ Pulvertaftdurchflechtung (7€Text)
6
52
Kapitel 6 · Nahtmaterialien und Nahttechniken
6
. Abb. 6.7╇ Mikrochirurgische Nahttechnik (7€Text)
6.4.2
Nahttechnik
Vor der eigentlichen Mikronaht sollte ein glatter Gefäßstumpf prä pariert werden. Hierzu wird die Adventitia scharf von der Media abpräpariert. Die Adventitia wird unter dem Mikroskop parallel zur Längsachse des Gefäßes über den Stumpf hinaus gezogen/mobilisiert und dann mit der Mikroschere glatt abgetrennt. Nach dem Loslassen der Adventitia weicht diese über den Stumpf zurück, und es bleibt ein ca. 2–4€mm langer glatter Mediastumpf für die Anastomose. Beim Aufnehmen von Nadel mit Faden sollte darauf geachtet werden, dass die Nadel vom Nadelhalter senkrecht angefasst wird, etwa am Übergang des proximalen zum mittleren Nadeldrittel. Die Nadel sollte senkrecht auf die Gefäßwand aufgesetzt werden und entsprechend der Rundung der Nadel durch die Gefäßwand hin durchgestochen werden. Hierbei darf nur eine Gefäßwand gesto chen werden (.€Abb.€6.7). Ein Ziehen an der Nadel in Abweichung der vorgegebenen Nadelkrümmung führt zu einem Einschneiden der Gefäßwand mit der Gefahr eines Ausreißens der Naht. Der Ab stand der Nadeleinstichstelle zum Gefäßstumpf entspricht der Dicke der Gefäßwand. ! Cave Eine traumatisierende Quetschung der Gefäßwände durch »Anfassen« des Gefäßes mit der Mikropinzette muss unÂ� bedingt vermieden werden. Auch sind intraluminale Manipulationen mit scharfen Instrumenten zu vermeiden, da sonst Mikroverletzungen der Intima resultieren können mit der Gefahr von Thrombusbildung und Gefäßverschluss.
Das verwendete Nahtmaterial und Instrumentarium muss absolut sauber sein, insbesondere dürfen keine »Fussel« von Kompressen oder Blut- und Gewebereste am Faden kleben, da man diese sonst bei Durchführung der Naht in das Gefäßlumen hineinziehen würde. Die instrumentierende Schwester muss das Instrumentarium regel mäßig in einer vorbereiteten Heparinlösung säubern.
6.4.3
Fadenstärke
Die Fadenstärke richtet sich nach der Gefäßart und -dicke. Finger arterien können meist mit einem 8-0 oder 9-0 monofilen nichtresor bierbaren Faden genäht werden. Für die Nervenkoaptation sollte ein Faden der Stärke 10-0 verwendet werden sowohl für die epineurale Naht (bei Fingernerven) als auch für die perineurale bzw. interfaszi kuläre bei großen polyfaszikulären Nerven. Für die Venennaht im Bereich der Finger empfehlen wir die Ver wendung eines 10-0-Fadens, da die Venenwand deutlich schwächer als die entsprechende Arterienwand ist. Bei mikrochirurgischen Nähten im Bereich der oberen und un teren Extremität kann meist sowohl für die arterielle als auch die venöse Anastomose ein Faden der Stärke 8-0 verwendet werden.
Literatur Ethicon GmbH [www.ethicon.de/upload/catgut/Aktualisierte_Fadenkarte. pdf )] Greve H, Schumann U, Gallego R, Dittrich H (1986) Intracutaneous skin suture with a resorbable synthetic monofilament suture. Langenbecks Arch Chir 368: 57 Hogstrom H, Haglund U, Zederfeldt B (1990) Tension leads to increased Â� neutrophil accumulation and decreased laparotomy wound strength. Surgery 107: 215–219 Markovchick V (1992) Suture materials and mechnical after care. Emerg Med Clin North Am 10 (4): 673 McGregor AD, McGregor IA (eds) (2000) Fundamental techniques of plastic surgery, and their surgical applications, 10th edn. Churchill Livinstone, New York Stockley I, Elson RA (1987) Skin closure using staples and nylon sutures: A comparison of results. Ann R Coll Surg Engl 69: 76 Van Winkle WJ, Hastings JC, Barker E et al. (1975) Effect of suture materials on healing skin wounds. Surg Gynecol Obstet 140: 7 Vogt PM, Altintas MA, Radtke C, Meyer-Marcotty M (2009) Grundlagen und Techniken der chirurgischen Naht. Chirurg 80: 437–447
7
Blutstillung, Drainage und Blutegeltherapie K. Knobloch
7.1
Blutstillungâ•… – 54
7.1.1 Physikalische bzw. mechanische Substanzenâ•… – 54 7.1.2 Biologische Substanzen zur Aggregationsförderungâ•… – 54 7.1.3 Physiologische Substanzenâ•… – 54
7.2
Drainageâ•… – 55
7.2.1 Sogstärkeâ•… – 55
7.3
Blutegeltherapie – Anwendung von Hirudo medicinalis in der Plastischen Chirurgieâ•… – 56
7.3.1 Hirudo medicinalisâ•… – 56 7.3.2 Anwendungsgebieteâ•… – 56 7.3.3 Komplikationen der Blutegeltherapieâ•… – 57
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
7
54
Kapitel 7 · Blutstillung, Drainage und Blutegeltherapie
7.1
Blutstillung
Im Operationssaal erfolgt die Blutstillung über eine Reihe von Maßnahmen. Die direkte Gefäßnaht als Übernähung wird bei Makrowie auch Mikrogefäßen, ggf. unter Lupenbrillensicht oder unter Zuhilfenahme des Operationsmikroskops, durchgeführt. Die Ligatur von Gefäßen wird überall dort vorgenommen, wo das Gefäß entbehrlich für die Organdurchblutung erscheint. Die Elektrokoagulation kann mit der bipolaren Pinzette bzw. monopolar erfolgen. Clips aus Titan oder Kunststoff werden als Alternative zur Ligatur durch Nahtmaterial ersetzt. Sie können jedoch leichter als die Ligatur durch Nahtmaterial dislozieren und auf diese Weise postoperativ zu Blutungsproblemen führen. Neben diesen Faktoren können lokale hämostatische Maßnahmen greifen. Dabei sollte das ideale Hämostyptikum folgende Charakteristika aufweisen (Palm u. Altmann 2008): 4 hohe gerinnungsaktive Potenz, 4 minimale Gewebereaktivität, 4 keine Antigenität, 4 In-vivo-Biodegradation, 4 einfache Sterilisierbarkeit, 4 niedrige Kosten, 4 an die individuelle operative Situation angepasste Anwendungsmöglichkeit. Derzeit vereint kein erhältliches Hämostyptikum die vorgenannten Faktoren. Die im Folgenden dargestellten Maßnahmen bzw. SubstanÂ� zen stehen zur Verfügung. 7.1.1
Physikalische bzw. mechanische Substanzen
4 Präparate: z.€B. Dermabond (2-Octylcyanoacrylat, Ethicon)
als schnelltrocknender epidermaler Kleber zum Wundverschluss adatpierter Wundränder bzw. zum Verschluss von Punktionen oder nach minimalinvasiven Eingriffen (Blondeel et al. 2004).
7.1.2
Biologische Substanzen zur Aggregationsförderung
Diese Substanzen erleichtern die Plättchenaggregation und Koagulation im Wesentlichen durch Bildung eines dreidimensionalen Netzwerkes. Folgende Substanzen werden unterschieden:
Gelatine In Form von unterschiedlichen Applikationsformen wie Puder, Schwämmen, Blättern bzw. Filmen erhältlich. Sie absorbieren als hygroskopische Substanz Wasser und erleichtern über die Bildung eines Netzwerkes die Clot-Formation. Über 4–6€Wochen wird diese Substanz abgebaut über Proteinasen. 4 Präparate: z.€B. Gelfoam (Pfizer), Surgifoam (Johnson u. Johnson).
Zellulose Ebenfalls in unterschiedlichen Applikationsformen wie Schwämmen oder Streifen erhältlich. Innerhalb von 24–48€h wird eine gelatinöse Substanz generiert, die nach ca. 1–6€Wochen vollständig resorbiert wird. Der exakte Wirkmechanismus ist unbekannt. Sowohl eine tamponierende Wirkung wie auch die Clot-Formation werden postuliert. Insbesondere bei ausgedehnter Verwendung von Zellulose sind Fremdkörperreaktionen möglich. 4 Präparate: z.€B. Surgicel (Ethicon), Oxycel (Becton Dickinson).
Kompression
Poly-N-Acetyl Glucosamin (p-GlcNAc)
Ein Kompressionsverband führt zur Kompression des Kapillarbettes, fördert die Plättchenaggregation und leitet die Gerinnungskaskade ein. Für kleinere Wunden kann die bis zu 10€min dauernde Kompression zu einer vollständigen Hämostase führen.
Als Blatt bzw. Flüssigkeit erhältlich mit multifaktoriellem Ansatz. Das positiv geladene p-GlcNAc zieht negativ geladene Erythrozyten an und führt zur Aggregation. 4 Präparate: z.€B. ChitoSeal (Abbott Vascular), HemCo (HemCon).
Knochenwachs
Mikrofibrilläres Kollagen
Insbesondere in der Herzchirurgie wird nach Sternotomie ggf. Knochenwachs auf die Sternumränder aufgebracht. Jedoch können Fremdkörpergranulome wie auch lokale Infektionen begünstigt werden.
Als Blätter oder Schwamm erhältlich, wobei das mikrofibrilläre Kollagen als Netzwerk die Blutstillung erleichtert, wenn es auf trockene Oberflächen aufgebracht wird. Möglicherweise insbesondere bei aspirininduzierter Plättchenaggregationshemmung sinnvoll. 4 Präparate: z.€B. Avitene (Davol), Instat (Ethicon), Helistat (Integra).
Kälteanwendung Die lokale Kälteanwendung kann den Kapillarfluss reduzieren und auf diese Weise die Blutungsneigung reduzieren helfen. Dabei kann€ bereits die äußerliche Anwendung einer Kältemanschette den Blutfluss in 2€mm Gewebetiefe nach 20€s Anwendung um 45% reduÂ�zieren. Der venöse Abfluss wird durch Kälte und KompresÂ� sion€erleichtert. Die Kombination von Kälte und Kompression ist der alleinigen Kälteanwendung überlegen (Knobloch et al. 2006b, 2008).
7.1.3
Physiologische Substanzen
Diese Substanzgruppe erzielt ihre hämostatische Potenz im Wesentlichen über eine Vasokonstriktion der Blutgefäße oder durch Intervention auf verschiedenen Ebenen der Gerinnungskaskade. Folgende Substanzen seien an dieser Stelle erwähnt:
Acrylate
Adrenalin
Cyanoacrylate sind Flüssigkeiten, die extrem schnell polymerisieren. Dies führt im Gewebe zur Verklebung, was die Blutung stoppen kann. Basierend auf der Länge der Cyanoacrylatseitenketten werden kurz- von langkettigen Substanzen differenziert. Alle Acrylate sind relativ unreaktiv, jedoch können Entzündungsreaktionen bzw. Â�FibroÂ�se auftreten.
Adrenalin führt über α- und β-mimetische Wirkung u.€a. zu einer ausgedehnten Vasokonstriktion. Beispielsweise kann die ApplikaÂ� tion von adrenalingetränkten Bauchtüchern nach Spalthautentnahme die Blutungsneigung deutlich reduzieren. Bei distaler akraler Injektion kann Adrenalin zur Malperfusion in der Endstrombahn führen.
55
7.2 · Drainage
Kokain Als Alkaloid der Erythroxylon coca ist Kokain seit 1884 in klinischer Anwendung. Es ist ein raschwirksames Lokalanästhetikum mit begleitender potenter vasokonstriktorischer Wirkung. Insbesondere im hals-nasen-ohrenärztlichen Bereich und in der Augenheilkunde wird Kokain verwendet.
Thrombin Thrombin wandelt Fibrinogen in Fibrin um. Es sollte nicht bei gegen Rinderprodukte allergischen Personen verwendet werden. 4 Präparate: z.€B. Thrombostat (Parke-Davis), FloSeal (Baxter).
Fibrinkleber 1973 wurde Fibrinkleber eingeführt, wobei zunächst basierend auf der Produktion aus Rinder- bzw- humanem Plasma Probleme der Transfektion übertragbarer Erkrankungen auftraten. Synthetische Fibrinkleber von heute sind 2-Komponenten-Systeme. 4 Komponente 1: Fibrinogen, Faktor€XIII, Fibronectin, Fibrinolyseinhibitor, 4 Komponente 2: Thrombin, Kalziumchlorid. Die Konzentration des Fibrinogens bestimmt die Stärke des gebildeten Netzwerkes, während die Thrombinmenge die Geschwindigkeit bestimmt, mit der das gerinnungsaktive Netzwerk ausgebildet wird. Kalzium ist für die Polymerisation nötig. Innerhalb von ca. 30€s ist ein Fibrin-Clot gebildet, der nach ca. 5–10€Tagen vollständig resorbiert ist. 4 Präparate: z.€B. Hemaseel (Baxter), Quixil (QMRIX for Johnson & Johnson). 7.2
Drainage
»
The more imperfect the technique of the surgeon, the greater the necessity for drainage. No drainage at all is better than the ignorant employment of it. (William Halstedt, 1898)
«
Die funktionsgerechte Wunddrainage soll durch Ableitung von Blut, Exsudat, Zelldetritus und Lymphe sowie durch Annäherung und Stabilisierung der Wundflächen und Verkleinerung entstandener GeÂ� webehohlräume eine komplikationslose Wundheilung ermöglichen. Bereits 400€Jahre v.€Chr. erfolgte die Erstbeschreibung der Drainage einer Operationswunde durch einen hohlen Holzstab. Redon, Jost und Torques führten im Jahr 1954 die Redon-Drainage als geschlossenes System mit Unterdruck ein (Redon et al. 1954). Heute ist die Redon-Drainage die am weitesten klinisch verbreitete Drainageform. Dabei wird ein Sog von bis zu 800€mbar (600€mm€Hg) durch die Redon-Drainage erreicht. 1980 führte Robinson eine soglose Drainage als geschlossenes System ein, bei der der Schlauch aus weichem Silikon besteht und das Exsudat der Schwerkraft folgend in einen flexiblen Beutel fließt (Robinson et al. 1980). 1971 erfolgte die Erstbeschreibung einer Silikondrainage zur Drainage von Subduralhämatomen durch Jackson u. Pratt. Offene Drainagesysteme leiten das Wundexsudat über einen Schlauch, eine Mull-, oder Gummischienen- (»Easy-flow-») Einlage in den Verband ab. Die Möglichkeit einer sekundären Verunreinigung des Verbands, eine mögliche ungünstige Beeinflussung der Keimökologie des Krankenzimmers und die Möglichkeit einer retrograden Wundinfektion führen dazu, dass offene Wunddrainagesysteme im Bereich der Allgemeinchirurgie bei primär nicht infizierten Wunden nicht eingesetzt werden sollten. Im Tiermodell
zeigte sich nach Splenektomie bei Verwendung einer offenen Penrose-Drainage eine signifikant höhere Infektionsrate im Milzbett (90%) als bei Verwendung geschlossener Jackson-Pratt-Drainagen (20%), wenn die Drainagenaustrittsstelle mit Streptococcus inokuliert wurde (Raves et al. 1984). In geschlossenen Drainagesystemen besteht eine feste Verbindung zwischen dem Ableitungssystem und dem Auffangbehältnis. Der Reflux des Wundexsudats aus dem Reservoir in die Wunddrainage wird dabei durch den Sog von bis zu 900€mbar (675€mm€Hg) im Falle der Redon-Drainage und bei der Schwerkraftdrainage nach Robinson durch ein Einweglippenventil gewährleistet. Eine retrograde Keimaszension ist bei sterilem Wechsel der Auffangbehältnisse ausgeschlossen. 7.2.1
Sogstärke
Definition.╇ Im Torricelli-Barometer-Design bringt eine Atmosphäre Druck eine Säule von Quecksilber in einem Hg-Barometer auf eine Höhe von 760€mm. Der Druck, der eine Quecksilbersäule auf 1€mm steigen lässt, heißt 1€Torr (1€mm€Hg= 1€Torr). 1€atm=760€Tor r=14,696€psi. 1€Torr=1/760€atm. Die Sogstärke unterscheidet bei geschlossenen WunddrainageÂ� systemen die Schwerkraftdrainage nach Robinson (0€mm€Hg) von der Hochvakuumsogdrainage (Redon-Drainage; bis zu 675€mm€Hg). Derzeit liegt noch kein Konsens aufgrund randomisiert kontrollierter klinischer Studien darüber vor, welche Sogstärke die effektivste ist. Die Endothelheilung im Anastomosenbereich von mikrochirurgischen Gefäßnähten wird tierexperimentell durch Sogdrainagen nicht beeinflusst (Choi et al. 1999). Eine klinische Untersuchung an 77€Patienten, die sich einer mikrochirurgischen Gefäßanastomose unterzogen, zeigte dass keine Gefäße durch ein geschlossenes Drainagesystem angesaugt werden (Lauer et al. 2001). Dabei erfolgte ein Sog von maximal 735€mm€Hg über das geschlossene System. Dennoch gibt es Hinweise, dass durch Hochvakuumdrainagen Gewebezellverbände angesaugt werden. Nach SchilddrüsenresekÂ� tionen kann beispielsweise eine gegenüber dem Serum signifikant erhöhte Thyroxinkonzentration in der Redon-Drainageflüssigkeit nachgewiesen werden. Auch der mit dem Ziehen der Redon-Drainage verbundene Schmerz, auch wenn das Vakuum vor dem Drainagezug entfernt wird, suggeriert, dass die Redon-Drainage mit dem Gewebe eine feste Bindung eingehen kann. Soglose SchwerkraftÂ� drainagen gewährleisten eine effektive Exsudatableitung. Die Resthämatommenge und die Komplikationsrate sind gegenüber der Â�Redon-Drainage nicht erhöht. Die Hochvakuumdrainage kann vergleichsweise höhere Exsudatmengen fördern, ohne dass das RestÂ� hämatom geringer ist (Willy et al. 2003). Inwiefern die Niedrigdrucksysteme von KCI (VAC) bzw. SmithNephew (Vista) mit einstellbaren Druckwerten von 50–150€mm€Hg Sog Vorteile bieten, ist nicht endgültig bewiesen. Basierend auf einer tierexperimentellen Untersuchung an Schweinen, die Sogstärken von 25€mm€Hg, 125€mm€Hg und 500€mm€Hg auf die Wundheilung untersuchte, kristallisierte sich ein Sog von 125€mm€Hg heraus, der beim VAC-System am häufigsten klinisch Anwendung findet (Morykwas et al. 2001). Es gibt jedoch auch Hinweise, dass niedrige Sogstärken von 50€mm€Hg bzw. 75€mm€Hg günstigere Effekte erzielen könnten, beispielsweise zur Behandlung von Sternuminfekten bzw. bei Mediastinitis bei Säuglingen (Salazard et al. 2007; Kadohama et al. 2008). Eine Metaanalyse von 13 randomisiert kontrollierten Studien zur Wundtherapie mit VAC (125€mm€Hg Sog) konnte jedoch keine nachhaltigen Vorteile für die VAC nachweisen (Ubbink et al. 2008).
7
56
Kapitel 7 · Blutstillung, Drainage und Blutegeltherapie
> Für die Plastische Chirurgie kann derzeit daher kein abschließendes Urteil zur Therapie mit Niedersogsystemen aufgrund von großen randomisiert kontrollierten Studien gegeben werden.
Faktor
Effekt
Hirudin
Inhibition der Wechselwirkung von Fibrino gen zu Fibrin
Apyrase
Inhibitor der Plättchenaggregation durch Hemmung von ATP
Kollagenase
Erleichtert die Gewebepenetration
Hyaluronidase
Erleichtert die Gewebepenetration
Faktor-Xa-Inhibitor
Inhibition der Konversion von Prothrombin zu Thrombin
Empfehlungen zum Einsatz der Wunddrainage in der Plastischen Chirurgie
Niedrigmolekulare »weight factors«
Inhibition der Plättchenaggregation
4 Bei primär nicht infizierten Wunden ist die Verwendung von offenen Drainagesystemen nicht zu empfehlen. 4 Soglose Schwerkraftdrainagen im geschlossenen SysÂ�tem gewährleisten eine effektive Exsudatableitung. Die Rest hämatommenge wie auch die Komplikationsraten sind im Vergleich zur Redon-Drainage nicht erhöht. 4 Redon-Drainagen drainieren relativ höhere Exsudatmengen ohne Einfluss auf die Resthämatommenge oder die Infek tionsrate im Vergleich zur Niedrigsogdrainagen. 4 Eine Liegedauer einer Drainage bis zu 72€h scheint nicht mit erhöhten Raten an Infektionen über retrograde Keimaszension einherzugehen. 4 Die Redon-Drainagenentfernung sollte schnellstmöglich, je doch innerhalb von 72€h erfolgen. Eine Exsudatförderung von Die Kombination der Blutegeltherapie zur Senkung der venösen Stase mit hyperbarer Oxygenation (HBO) zur Erhöhung des physikalisch gelösten Sauerstoffs erhöhte im Tierexperiment die Überlebensrate von venös ligierten Hautlappenplastiken um den Faktor€3 gegenüber einer alleinigen Blutegeltherapie.
7.3.2
Anwendungsgebiete
Die häufigste Komplikation nach freiem Gewebetransfer bei 427 Operationen bestand in venöser Stauung (83%; 33 von 40€freien Lap-
7.3 · Blutegeltherapie – Anwendung von Hirudo medicinalis in der Plastischen Chirurgie
penplastiken) bei einer Lappenüberlebensrate von 73% (Brown et al. 2003). Eine 1998 veröffentlichten Übersichtsarbeit zum Einsatz der Blutegeltherapie beim Versagen von Gesichtslappenplastiken (Utley et al. 1998) kam zu folgenden Ergebnissen: 4 Das Outcome nach venöser Kongestion nach Lappenplastik ist insbesondere durch die frühzeitige Erkennung dieser Komplikation bestimmt. 4 Blutegeltherapie führte sowohl über das Blutmahl als auch über die Blutung nach dem Biss zu einer venösen Druckreduktion. 4 Komplikationen der Blutegeltherapie sollten durch eine antibiotische Abschirmung mit Ciprofloxacin reduziert werden. Der Einsatz von Hirudo medicinalis wurde im Rahmen von venösen Abflussproblemen an Ohr, Nase, Lippe und Skalp (Frodel et al. 2004), aber auch nach Brustrekonstruktionen erprobt (Gross et al. 1992). Weiterhin gibt es Berichte nach Fingerreplantationen (Foucher et al. 1981) wie auch nach freiem Gewebetransfer. Erfolgsraten von >80% wurden berichtet für die Behandlung der venösen Stase nach Lappenplastiken, die ansonsten nicht »rettbar« waren (Chepeja et al. 2002). Eine Gruppe aus der Türkei berichtet von einer Serie mit 13€neurokutanen Lappenplastiken an der unteren Extremität nach Elektrounfall bzw. bei diabetischer Mikroangiopathie mit venösen Abflussproblemen, die in 5€Fällen mit Hirudo-medicinalis-Anwendung erfolgreich behandelt werden konnten (Gideroglu et al. 2003). Vierundsiebzig€Patienten mit ausgedehntem Hautverlust an der oberen und unteren Extremität wurden mit freien Hautlappenplastiken Â�versorgt. Bei 20€Patienten entwickelte sich eine venöse AbflussÂ� störung innerhalb der 6.–12.€h postoperativ. Bei 17 dieser 20€PatienÂ� ten konnte durch die Anwendung von Blutegeln die Hautlappenplastik gerettet werden, während in 3€Fällen trotz Hirudo-medicinalisTherapie ein Transplantatverlust nicht aufgehalten werden konnte (Soucacos et al. 1994). Eine Umfrage aller 62 Plastisch-chirurgischen Abteilungen in England und Irland aus dem Jahr 2002 zeigte, dass 80% der AbteilunÂ� gen postoperativ die Blutegeltherapie bei kompromittierter Â�Perfusion einsetzen ebenso wie auch bei digitalen Replantationen (Whitaker et al. 2004). Im Durchschnitt wurden pro Jahr pro Abteilung 10€Patienten mit der Blutegeltherapie behandelt. In 78% der Fälle wurde die Applikationsstelle vorab desinfiziert, in 42% mit sterilem Wasser, in 39% mit Kochsalz, in 10% mit Alkohol. 28% der Abteilungen überwachten die Blutegeltherapie durch eine Krankenschwester. 7.3.3
Komplikationen der Blutegeltherapie
Naturgemäß steht die Anämie bis hin zur Transfusionspflichtigkeit als Komplikation der Hirudo-medicinalis-Therapie an 1.€Stelle (Steer et al. 2005). 1819 berichtete Anthony White erstmals über ein 2-jähriges Mädchen, das nach einem Blutegelbiss verblutete. Daneben stellt die Infektion durch Aeromonas spp. aus dem Darm des Blutegels eine immanente Bedrohung dar. Sie reicht von lokaler Zellulitis bis hin zum großflächigen Hautverlust mit Sepsis und Meningitis (Lineaweaver et al. 1992; Ardehali et al. 2006). > Die Häufigkeit von Infektionen bei der Blutegeltherapie liegt zwischen 2% und 20%.
Neben A.€hydrophila sind nach Egelanwendung Infektionen durch Aeromonas sobria, A.€caviae und H.€ michaelensis als endogene Keime des Darms von Blutegeln beschrieben worden, die auch pathogenetisch wirksam sein können. Aeromonas hydrophila ist resisÂ� tent gegenüber Penizillinen als Folge penizillinhydrolysierenden Â�
57
β-Laktamasen. Studien zeigten auch eine Resistenz gegenüber 1.-GeÂ� nerations-Cephalosporinen. Die Sensitivität gegenüber CephalospoÂ� rinen der 3.€Generation ist variabel (Hermansdorfer et al. 1988). > Gegenwärtig wird daher eine Breitspektrumantibiotikaprophylaxe mit oralem Ciprofloxacin (Ciprobay 2×250€mg/ Tag) zur Prävention u.€a. einer Aeromonas-hydrophila- Infektion bzw. verwandter Bakterienspezies bei Hirudomedicinalis-Anwendung empfohlen.
Aus der Praxis der Egelanwendung in der Plastischen Chirurgie 4 Indikation: Venöse Kongestion nach Fingerreplantation, Lappenplastik 4 Beginn der Behandlung: Innerhalb der ersten 6€h bei auf tretender venöser Kongestion, je früher, desto besser 4 Anwendungsdauer: Zeiträume von 4–10€Tagen mit z.€T. mehrfach täglicher Anwendung 4 Behandlungstricks: – Zähmen und führen Sie den Blutegel mit einem Spatel, nicht mit einer Pinzette, an den gewünschten desinfizierten Ort – Ein Stich mit einer Lanzette am Wunschort nach Desinfektion am besten mit warmer, heparinisierter Kochsalzlösung ist empfehlenswert; keinen Alkohol zur Desinfektion verwenden – Die Kombination von Op-Site-Folie und Plastiktüte, über das Wunschareal fixiert, ist empfehlenswert 4 Anwendungsdauer: bis 30–60€min – Überwachung der Bissposition durch Hilfsperson regelmäßig alle 5–10€min 4 Egel niemals wieder verwenden, die Übertragung von HIV ist denkbar! 4 Egel niemals mit Gewalt entfernen 4 Abtöten in einem Gefäß mit 20€ml 8% Ethanol, nach 3€min zusätzliche 50€ml 70% Spiritus 4 Antibiotikaprophylaxe mit Chinolonen wie Ciprobay 3×500€mg über 7€Tage 4 Hämoglobinbestimmung täglich
Zusammenfassung
Die Anwendung der Blutegel zur konservativen Therapie von venöÂ� sen Abflussproblemen nach freiem Lappentransfer oder Fingerreplantationen ist empfehlenswert. Sie sollte frühzeitig über 30–60€min angewendet werden und unter Abschirmung mit einem Breitspektrumantibiotikum wie einem Chinolon erfolgen bei hauptsächlicher Virulenz von Aeromonas spp. Blutungen können noch bis zu 10€h nach Anwendung auftreten, sodass tägliche Blutbildkontrollen empfehlenswert sind.
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7
58
Kapitel 7 · Blutstillung, Drainage und Blutegeltherapie
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Literatur zu Kap. 7.2
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8
Verbandstechniken, Schienenbehandlung M. Meyer-Marcotty
8.1
Handchirurgieâ•… – 60
8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4
Intrinsic-plus-Stellung der Fingerâ•… – 60 Funktionsstellung des Handgelenksâ•… – 60 Ruhigstellung nach Sehnenverletzungâ•… – 60 Schienen bei Bewegungseinschränkungenâ•… – 60
8.2
Lappen- und Brustchirurgieâ•… – 61
8.2.1 Verbände nach Lappenplastikenâ•… – 61 8.2.2 Taping nach Mammareduktionâ•… – 61 8.2.3 Stütz-BH mit Stuttgarter Gürtel nach Mammaaugmentationâ•… – 61
8.3
Verband nach Hautverpflanzungenâ•… – 61
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
60
Kapitel 8 · Verbandstechniken, Schienenbehandlung
Die Verbandstechniken in der Plastischen und Handchirurgie sind sehr zahlreich und werden oft den individuellen Anforderungen der Patienten angepasst. So können z.€B. komprimierende Verbände einerseits sinnvoll sein, um eine postoperative Serombildung zu verhindern, andererseits kann eine Kompression das postoperative Ergebnis nach einer freien mikrochirurgischen Gewebetransplantation gefährden. Im Folgenden werden die Prinzipien von einigen Verbandstechniken erläutert.
8
8.1
Handchirurgie
8.1.1
Intrinsic-plus-Stellung der Finger
a
Eine wichtige Ruhigstellungsform in der Handchirurgie ist die Intrinsic-plus-Haltung der Finger. Die betroffenen Finger werden in den Grundgelenken ca. 60–70° gebeugt bei gestreckten Mittel- und Endgelenken. Hierdurch ist die Gefahr einer Beugekontraktur der Mittelgelenke und eine Strecksteifigkeit in den Grundgelenken nach der Ruhigstellungsphase minimiert und die Mobilisierung vereinfacht, weil die Kollateralbänder straff gespannt sind und in dieser Stellung nicht schrumpfen können (.€Abb.€8.1). 8.1.2
Funktionsstellung des Handgelenks
Das Handgelenk sollte in der Regel in einer Extensionsstellung von 20° ruhiggestellt werden, falls nicht operationstechnische Besonderheiten eine andere Form der Ruhigstellung erfordern. 8.1.3
Ruhigstellung nach Sehnenverletzung
Beugesehnenverletzungen werden nach erfolgter Naht für insgesamt 6€Wochen in einer Kleinert-Schiene nachbehandelt. Hierbei ist für die ersten 3€Wochen postoperativ eine Beugestellung von 30° sowohl im Handgelenk als auch in den Grundgelenken der Finger anzustreben. Ab der 4. postoperativen Woche wird das Handgelenk in 0°Stellung in der Schiene fixiert, wobei die 30° Beugestellung der Fingergrundgelenke bestehen bleibt. Die benachbarten Finger werden mit in die Kleinert-Zügelungsbehandlung eingeschlossen, da durch intertendinöse Querverbindungen und aktive Bewegungen des NachÂ� barfingers auch die Sehne des operierten Fingers einer zu starken Zugbelastung ausgesetzt ist. Bei der Kleinert-Nachbehandlung wird eine vollständige passive Beugung im Mittel- und Endgelenk durch an den Fingernägeln befestigte Gummizügel erreicht. Der Patient ist zuverlässig in die Bewegungsübungen einzuweisen, und der Trainingserfolg sollte eng-
b . Abb. 8.2╇ Kleinert-Schiene nach Beugesehnennaht mit 30° Flexion im Handgelenk
maschig durch den Operateur oder einen Physiotherapeuten kontrolliert werden (.€Abb.€8.2). Bei Strecksehnenverletzungen wird nach dem gleichen Prinzip ein inverser Kleinert-Verband angelegt, wobei nun die Gummizügel eine passive Streckung der betroffenen Finger bewirken und der Patient aktiv gegen den Widerstand der Gummizügel die Finger beugt (.€Abb.€8.3). Postoperativ sollte eine Hochlagerung der betroffenen Extremität eingehalten werden, um die einsetzende Schwellung zu minimieren. Der Patient soll den Arm aktiv hochhalten, gelegentlich über Kopfhöhe ausstrecken und dabei die freiliegenden Finger beugen und strecken, um so den venösen Rückstrom und den Lymphabfluss zu verbessern. Auf die Anlage von »Dreieckstüchern« oder sonstiger »Schlingen« verzichten wir ganz, weil die zusätzliche Immobilisation der Schulter zu Bewegungseinschränkungen führen kann. 8.1.4
Schienen bei Bewegungseinschränkungen
Quengel-Schienen werden in Form von Streck-Quengel-Schienen zum Aufdehnen von beugekontrakten Fingermittelgelenken eingesetzt (.€Abb.€8.4). Dies kann als präoperative Maßnahme zur VorÂ� bereitung auf die Korrektur einer Knopflochdeformität für einige Wochen indiziert sein. Der Patient muss exakt in die korrekte Handhabung dieser Schiene eingewiesen werden. Täglich sollten mehrfach maximal 10-minütige Quengel-Intervalle durchgeführt werden, da bei stundenlangem Quengeln (z.€B. nachts) eine Durchblutungsstörung des Fingers auftreten kann.
. Abb. 8.1╇ Ruhigstellung der Hand in Intrinsic-plus-Stellung mit 70° Flexion der Grundgelenke und Streckung der Mittel- und Endgelenke
61
8.3 · Verband nach Hautverpflanzungen
b
a
. Abb. 8.3╇ Reversed-Kleinert-Schiene nach Strecksehnennaht mit Gummizügeln
a
b
. Abb. 8.4╇ Nachbehandlung mit 3-Punkte-Quengelschiene nach Mittelgelenkarthrolyse. (Aus Richter 2008)
8.2
Lappen- und Brustchirurgie
8.2.1
Verbände nach Lappenplastiken
In der Plastischen Chirurgie werden komprimierende Verbände, z.€B. nach der Entnahme von großen myokutanen Gewebeblöcken am Rücken (Latissimus-dorsi-Lappen, Paraskapularlappen) in Form von Thoraxkompressionsverbänden angelegt. Hierdurch soll eine Serombildung verhindert werden, durch die eine optimale Verklebung der Gewebsschichten begünstigt wird. Andererseits dürfen nach der mikrochirurgischen freien Gewebsverlagerung keine komprimierenden Verbände angelegt werden, um den venösen Rückfluss nicht zu gefährden. Direkt postÂ� operativ nach einem freien mikrochirurgischen Gewebetransfer, z.€B. zum Unterschenkel, wird das betroffene Areal mit locker aufgeschlagenen Kompressen und einem locker gewickelten Watteverband unter Vermeidung einer Kompression verbunden. Ab dem 5.€postoperativen Tag beginnen wir mit einer elastischen Wicklung des Areals zunächst für 3×5€min/Tag, was dann innerhalb der nächsÂ� ten 5€Tage bis hin zur dauerhaften elastischen Wicklung gesteigert wird. Durch die maßangefertigte Kompression kann gleichmäßig die herzgerichtete Entstauung erreicht werden, wodurch sich die postoperative Schwellung und der Gewebeüberschuss im Verlauf reduzieren. Nach einer Replantation eines Fingers legen wir einige locker aufgeschlagene Kompressen an den replantierten Finger, um die Saugfähigkeit des Verbandes zu erhöhen unter Vermeidung von zirkulären einschnürenden Verbänden. Auch wird meist direkt postÂ� operativ auf eine Schienenversorgung der replantierten Gliedmaße verzichtet, um eine Druckschädigung zu vermeiden. Der regelmä-
ßige Verbandswechsel entfernt verkrustete und verhärtete Kompressen und damit mögliche Kompressionsfaktoren. 8.2.2
Taping nach Mammareduktion
Selbstklebende Tape-Verbände werden zur direkt postoperativen Unterstützung für etwa 10€Tage nach durchgeführter Mammareduktionsplastik angewandt. Hierdurch wird die neue Brustform geschient, zusätzlich wird ein stützender BH angelegt, der 6€Wochen lang 24€h am Tag, dann 6€Wochen 12€h/Tag getragen wird. 8.2.3
Stütz-BH mit Stuttgarter Gürtel nach Mammaaugmentation
Nach einer Mammaaugmentation wird ebenfalls ein Spezial-BH angelegt. Eine breite elastische Borte unterhalb des BHs auf Höhe der Submammarfalte in Kombination mit einem Stuttgarter Gürtel, der am oberen Pol der Brüste zirkulär um den Thorax angelegt wird, reduziert das Risiko eines postoperativen Verrutschens der Implantate nach kranial. Die Kombination aus BH und Stuttgarter-Gürtel wird für 3€Monate verordnet. 8.3
Verband nach Hautverpflanzungen
Überknüpfverbände werden zur optimalen Kompression nach einer erfolgten Voll- oder Spalthauttransplantation angelegt. Unter ZuÂ� hilfenahme eines Schaumstoffkissens, das über das transplantierte
8
62
Kapitel 8 · Verbandstechniken, Schienenbehandlung
Areal genäht wird, wird ein gleichmäßiger Druck auf die Spalthaut oder Vollhaut ausgeübt, um eine gute Einheilung zu erreichen. Der Verband sollte saugfähig sein, um Wundexsudat aufnehmen zu Â�können. > Die Anlage eines Vakuumverbandes über einer transplantierten Spalthaut kombiniert die Prinzipien einer dauerhaften definierten und gut steuerbaren Kompression mit einem semiokklusiven Verband unter kontinuierlichem Abtransport von Wundexsudat.
Ein Überknüpfverband wird für 5€Tage postoperativ belassen.
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8
9
Gewebeexpansion (Expander), alloplastische Materialien und Implantate M. Meyer-Marcotty
9.1
Expanderâ•… – 64
9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4
Expanderimplantationâ•… – 64 Befüllung des Expandersâ•… – 64 Materialienâ•… – 65 Reichweiteâ•… – 65
9.2
Alloplastische Materialienâ•… – 65
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
64
Kapitel 9 · Gewebeexpansion (Expander), alloplastische Materialien und Implantate
9.1
Expander
Die Expanderimplantation zur Gewebeexpansion in der heutigen Form geht auf die Arbeiten von Neumann in den 1950er-Jahren zurück Die Grundidee ist die Schaffung von zusätzlichem Gewebe zur Deckung eines großen Defektes bei gleichzeitiger Möglichkeit eines primären Wundverschlusses der Hebestelle. Die Größe des Defektes limitiert oft die Nutzung von benachbartem Gewebe zur DefektÂ� deckung, das nicht in ausreichender Menge vorhanden ist. In diesen Fällen ist die Gewebeexpansion eine sehr gute Methode, um ortsständig Gewebe für eine Defektdeckung zu erhalten. 9.1.1
9
Expanderimplantation
Der Expander wird unter der Haut eingesetzt, um die Hautausdehnung zu vergrößern und somit die Voraussetzungen für die Verlagerung eines Rotations- oder Verschiebeschwenklappens zu schaffen. Falls ein fasziokutaner Lappen expandiert werden soll, wird der Expander unter die tiefe Faszie eingebracht, für einen muskulokutanen Lappen wird der Expander unter den Muskel gelegt. Der Expander sollte nicht direkt unter den dominanten Gefäßstiel am Eintritt für den entsprechenden Lappen eingebracht werden, um eine Verletzung des Stiels bei der Expansion zu verhindern. 9.1.2
Befüllung des Expanders
Eine sofortige Aufdehnung des Gewebes ist möglich, jedoch wird meistens eine verzögerte Aufdehnung des Gewebes über 1,5–3€Mo-
nate durchgeführt. Die Injektion beginnen wir am 6.–8. postoperativen Tag, nachdem die Wunde eine gewisse Stabilität erreicht hat. Während der Aufdehnung wird 1–2× wöchentlich ein gewisses Volumen (je nach Schmerztoleranz) in den Expander injiziert. Hat der Expander seine maximale Ausdehnung erreicht, sollten noch einmal einige Wochen vor der Explantation des Expanders in maximal gedehntem Zustand abgewartet werden, um eine bestmögliche AusdehÂ�nung und Präkonditionierung der Haut/des Gewebes zu erreichen. Es sollten tendenziell eher mehrere kleinere Expander als ein großer Expander implantiert werden, da bei einer sehr hohen Verlustrate von bis zu 27% eine größere Chance besteht, dass zumindest ein Teil der Expander die gesamte Zeit der Expansion übersteht. Ein weiterer Grund für die Implantation von mehreren Expandern ist die größere Flexibilität und bessere Gestaltungsmöglichkeit bei der Defektdeckung. Die Planung einer korrekten Expanderanlage ist der wichtigste Schritt im Rahmen dieser Therapieoption. > Neue Narben für die Expanderanlage sollten unbedingt vermieden werden. Der Zugang zur Schaffung der Expandertasche sollte am Rand eines bestehenden Narbenfeldes erfolgen, sodass diese Narbe im Rahmen der Narbenexzision und Gewebeverlagerung mitentfernt wird.
Diese Schnittführung soll radiär auf eine Ecke des liegenden Expanders zulaufen, um bei einer Schnittführung parallel zu der geplanten Expandertasche nicht das Risiko einer Wunddehiszenz einzugehen (.€Abb.€9.1).
a
b
c
d
. Abb. 9.1╇ Platzierung und Inzisionslinien bei der Expandereinbringung. a€Verbreitertes Narbenfeld am ventralen Thorax. b Nach Anlage und Expansion eines Expanders zur Narbenkorrektur. Schnittführung zur Expanderan-
lage im Narbenfeld radiär auf den Expander zulaufend (grüne gestrichelte Linie). c,€d€Patientin nach Narbenkorrektur durch Exzision der verbreiterten Narbe und Defektdeckung mittels expandierter Haut
9.2 · Alloplastische Materialien
9.1.3
Materialien
Expander sind in sehr vielen verschiedenen Formen und Anfertigungen erhältlich. Die Größe kann von wenigen cm3 bis zu einem Fassungsvermögen von 1€l reichen. Die Injektions-Ports können über ein Schlauchsystem entfernt vom Expanderkissen liegen oder direkt in die Kissenwand eingearbeitet sein. Die Expander können rund, rechteckig, hörnchenförmig oder oval sein. Die Hülle kann glatt oder texturiert sein, und sie kann eine einheitliche Dicke und Konsistenz haben oder von sehr unterschiedlicher Konsistenz sein, um dann in eine bestimmte Richtung zu expandieren. Außerdem gibt es osmotische Expander, die sich nach der Implantation in das Gewebe quasi »automatisch« aufgrund eines osmotischen Gradienten ausdehnen. Der Vorteil dieser Expander besteht in der Vermeidung von wiederholten Injektionen (z.€B. bei Kindern), aber die Kontrolle über die Expansion ist mangelhaft, da der osmotische Gradient nicht steuerbar ist. 9.1.4
Reichweite
Eine ungefähre Abschätzung über die Reichweite der expandierten Haut kann durch die folgende Formel annäherungsweise berechnet werden: Der Bogen über dem expandierten Expander abzüglich der Breite der Grundfläche entspricht in etwa der Reichweite des expandierten Gewebes (.€Abb.€9.2). > Der Blutfluss und auch die Gefäßdichte innerhalb des expandierten Gewebes nehmen zu, die Dermis wird dünner.
9.2
65
Alloplastische Materialien
Die Anwendung von alloplastischen Materialien in der Plastischen Chirurgie ist weit verbreitet. Sie bietet folgende Vorteile: 4 Zusätzliche Hebedefekte entstehen nicht. 4 Die Operationszeit ist meist kürzer, da eine Hebung eines autologen Gewebeblocks entfällt. 4 Die Verfügbarkeit ist praktisch grenzenlos. 4 Individuelle Konstrukte für spezielle Anwendungen können maßÂ� angefertigt werden, um den Gewebedefekt optisch und funkÂ� tionell bestmöglich zu rekonstruieren. Die Oberflächenbeschaffenheit der verschiedenen Implantate ist sehr unterschiedlich. Eine Netzstruktur wird gut durchbaut (Marlex Polypropylen Mesh) und ermöglicht so z.€B. eine stabile Wiederherstellung der Bauchdeckenstabilität bei einer Hernie. Auf der anderen Seite wird durch Implantation eines Silikonstabs ein Sehnengleitlager bei der zweizeitigen Sehnenrekonstruktion durch bindegewebige glatte Umscheidung der alloplastischen Oberfläche geschaffen. Ideale Implantate sind: 4 biologisch kompatibel, 4 nicht toxisch, nicht allergen, 4 mechanisch stabil, 4 resistent gegenüber Resorption, 4 wachstumshemmend gegenüber Mikroorganismen, 4 leicht zu formen, zu entfernen und zu sterilisieren, 4 strahlendurchlässig. Die normale Reaktion des Gewebes auf eine Polymerfremdkörperimplantation besteht in einer inflammatorischen Reaktion mit der Ablagerung von Kollagenfasern und einer Reifung des fibrösen
. Abb. 9.2╇ Geometrische Berechnung von Expandervolumina bei der Gewebeexpansion. Eine gute Schätzung der zu erwartenden Lappenlänge ist die Strecke über der Kuppe des Expanders (gestrichelte Linie) abzüglich der Basisbreite des Expanders (6€cm)
Bindegewebes, was eine komplette Umscheidung des Implantates nach 4–6€Wochen bewirkt. In seltenen Fällen kann eine straffe Kapselfibrose entstehen, die durch eine vermehrte Aktivität von Myofibroblasten verursacht ist. In diesen Fällen (mit Mammaimplantat) ist eine chirurgische Intervention zur Auflösung der Kapselkontraktur notwendig. Auch Schrauben oder Osteosyntheseplatten können aus resorbierbarem Material hergestellt werden. Im Bereich der kraniofazialen Chirurgie, insbesondere bei Kindern, wird dieses Verfahren eingesetzt. Hierbei handelt es sich beispielsweise um ein PLA/PGAGemisch (Poly-L-Lactat und Polyglycolsäure). Das Implantat wird resorbiert; somit ist eine Dislokation nach intrakraniell seltener als bei Titanimplantaten. Das Implantat behindert nicht das Wachstum des kindlichen Schädels, und die postoperative radiologische BeÂ� urteilbarkeit in Bezug auf onkologische Fragestellungen oder Frakturheilung ist uneingeschränkt möglich. Außerdem werden resorbierbare Clips oder resorbierbare mikrochirurgische Anastomosenringe für eine automatisierte Venenanastomose (»Coupler device«) verwendet. Silikon (PDMS) besteht aus einer Kette von Si-O-Einheiten mit Methylgruppen angehängt an die Silikonatome. Abhängig von der Si-O-Kettenlänge und Vernetzung kann Silikon einerseits flüssig, gelartig oder gummiartig sein. Silikon ist sehr biokompatibel, nicht toxisch, nicht allergen und resistent gegenüber Abbau und Resorption. Die Gewebeantwort auf ein Silikonimplantat besteht in einer leichten Fremdkörperreaktion gefolgt von einer Ummantelung. DieÂ� se kann zu einer Kapselkontraktur führen, der häufigsten Komplikation nach einer Mammaaugmentation. Silikon wird in vielen verschiedenen Bereichen innerhalb der Medizin eingesetzt, z.€B. als ventrikuloperitoneale Shunts, Schrittmacher, Herzklappen, intraokuläre Linsen etc. In der Plastischen Chirurgie wird Silikon im Rahmen der ästhetischen Chirurgie zur Brustvergrößerung oder Konturveränderung im Gesicht eingesetzt, auch werden Fingergelenksprothesen (Swanson-Spacer) oder Penisprothesen, Hautexpander u.€a. aus Silikon verwendet. Implantate werden nach Maß aus Silikon angefertigt wie z.€B. ein keilförmiger Silikonblock zum Ausgleich einer Trichterbrust, der subkutan im Bereich des Xiphoids eingesetzt wird. Cyanoacrylat ist ein starker, biologisch abbaubarer Gewebeklebstoff, der in Kontakt mit Gewebe polymerisiert. Dermabond, ein moderner Cyanoacrylatgewebeklebstoff, wird zum Wundverschluss, insbesondere bei plastisch-chirurgischen Interventionen im Gesicht oder im Rahmen der Notfallversorgung eingesetzt. Fluorocarbon-Polymere zeichnen sich durch eine sehr geringe Bioreaktivität aus. Gore-Tex ist das am weitesten verbreitete Fluoro-
9
66
Kapitel 9 · Gewebeexpansion (Expander), alloplastische Materialien und Implantate
carbon-Polymer. Es findet Verwendung z.€B. für Gefäßprothesen und als Netz zur Rekonstruktion von Thorax- oder Bauchwanddefekten.
Literatur Literatur zu Kap. 9.1
9
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10
Lokalanästhesie, periphere Leitungsanästhesie, Tumeszenzanästhesie M. Meyer-Marcotty
10.1 Lokalanästhetikaâ•… – 68 10.2 Nervenblockaden im Gesichtâ•… – 68 10.3 Lokalanästhesie an den Extremitätenâ•… – 69 10.4 Tumeszenzanästhesie bei Aspirationslipektomieâ•… – 70
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
68
Kapitel 10 · Lokalanästhesie, periphere Leitungsanästhesie, Tumeszenzanästhesie
10.1
Lokalanästhetika
Lokalanästhetika hemmen die Nervenleitfähigkeit durch eine Blockade der Na-Kanäle innerhalb der Zellmembran. Die Wirkdauer ist abhängig von der lokalen Konzentration und vom Blutfluss der betreffenden Nervenfaser. Je höher die Fettlöslichkeit des Agens, desto länger ist die Wirkdauer. Man unterscheidet: 4 den Esthertyp (Procain; relative anästhetische Potenz:€1) und 4 den Amidtyp (Lidocain, Mepivacain, Bupivacain, Etidocain; relative anästhetische Potenz:€2–8).
10
Die systemische Toxizität basiert auf einem exzessiv hohen Plasmaspiegel der Substanz, wobei eine versehentliche intravasale Injektion die häufigste Ursache für systemische Nebenwirkungen ist. Zentralnervöse Symptome sind Unruhe, Übelkeit, Schwindel, verwaschene Sprache, Sedierung und schließlich tonisch-klonische Krämpfe und Apnoe. Kardiovaskuläre Nebenwirkungen, die meist erst nach den zentralnervösen Nebenwirkungen auftreten, äußern sich in Â�HypoÂ�toÂ�nie und eingeschränkter kardialer Reizleitfähigkeit oder Arrhythmien. Allergische Reaktionen auf Lokalanästhetika sind extrem selten. Lidocain (Xylocain) ist das am häufigsten gebrauchte Lokalanästhetikum, u.€a. wegen seines raschen Wirkungseintritts, der guten Wirkstärke und der günstigen mittleren Wirkdauer. Die KombinaÂ� tion mit Epinephrin (z.€B. Adrenalin 1:200.000) kann die Wirkdauer durch einen verzögerten Abtransport auf 120€min verlängern. Die Maximaldosis für eine Regionalanästhesie beträgt 7€mg/kg€KG, d.€h. bei einem 80€kg schweren Patienten darf maximal eine Gesamtdosis mit Vasokonstriktor von 560€mg verabreicht werden. Bupivacain (razematische Mischung aus gleichen Teilen des S- und R-Enantiomers, Maximaldosis 2€mg/kg€KG) ist ebenfalls ein sehr beliebtes Lokalanästhetikum, wobei hier eine sehr gute Blockade der schmerzleitenden Fasern bei erhaltener Motorik erreicht wird. Die Kardiotoxizität ist gegenüber Lidocain erhöht. Ropivacain (Naropin) ist das reine S-Enantiomer aus der razematischen Mischung aus der S- und R-Form von Bupivacain. Die Schmerzleitung ist wie bei Bupivacain sehr gut geblockt, jedoch ist die Wirkung auf die Motorik schwächer ausgeprägt. 10.2
Nervenblockaden im Gesicht
. Abb. 10.1╇ Sensible Innervation des Gesichts: 1: N.€supraorbitalis, R.€lateralis, 2: N.€supraorbitalis, R.€medialis, 3: N.€supratrochlearis, 4: N.€infratrochlearis, 5: N.€infraorbitalis, 6: N.€mentalis
. Abb. 10.2╇ Blockade der sensiblen Endäste des N. trigeminus: Blockade N.€supraorbitalis
Die sensorische Innervation des Gesichts wird über die 3€Äste des N.€trigeminus geleitet: N.€ophthalmicus, N.€maxillaris und N.€mandibularis (.€Abb.€10.1). Die kutane Innervation des Hinterkopfes und Nackens übernehmen zervikale Nerven. Die terminalen sensorischen Äste von 4 N.€ophthalmicus (supraorbital und supratrochlear), 4 N.€maxillaris (infraorbital) und 4 N.€mandibularis (mentalis) können geblockt werden, sodass eine ausreichende Anästhesie für rein kutane Eingriffe besteht. Im Gesicht hat sich eine Kombination eines Lokalanästhetikums mit Epinephrin aufgrund der längeren Wirkdauer und des verringerten Blutverlustes mit besserer intraoperativer Übersicht bewährt. Der supra-, infraorbitale und mentale Ast liegen in einer Linie ca. 2,5€cm lateral der Mittelinie (.€Abb.€10.2–10.3). Ohr.╇ Die Sensibilität des Ohrs kann über eine anteriore und posÂ�
teriore (jeweils 6–10€ml Lokalanästhetikum) rautenförmig das Ohr umgebende Anlage von Lokalanästhetika ausgeschaltet werden. Der
. Abb. 10.3╇ Blockade der sensiblen Endäste des N. trigeminus: Blockade N.€infraorbitalis
69
10.3 · Lokalanästhesie an den Extremitäten
. Abb. 10.4╇ Blockade der sensiblen Endäste des N.€trigeminus: Blockade N.€mentalis
. Abb. 10.6╇ Regionalblockade Nase durch Blockade der Nn.€supraorbitalis, supratrochlearis, infratrochlearis, infraorbitalis und Rr.€nasales externi mit je 1€ml Lokalanästhetikum
. Abb. 10.5╇ Regionalblockade äußeres Ohr: Blockade des N.€auricularis magnus
. Abb. 10.7╇ Blockade N.€medianus
N.€auricularis magnus und der N.€occipitalis inferior versorgen die posteriore Hälfte des Ohrs, und der R. auriculotemporalis des N.€mandibularis versorgt die Ohrvorderseite (.€Abb.€10.5).
Hier werden insgesamt 2–4€ml eines Lokalanästhetikums ohne Vasokonstringens auf Höhe der Grundgelenksbeugefalte an den ulnaÂ� ren und radialen Nervenast injiziert. Nachdem ein subkutanes Depot von 0,5€ml appliziert wurde, wird unter Aspiration die Nadel auf den Knochen geführt und sodann direkt am Knochen jeweils radial und ulnar ein Depot gesetzt. Diese Prozedur kann für den Patienten sehr unangenehm sein. Es empfiehlt sich, das Lokalanästhetikum vor Gabe leicht in der Hand zu erwärmen und dann sehr langsam zu applizieren.
Nase.╇ Die Nase wird sensibel hauptsächlich durch den N.€infratro-
chlearis, infraorbitalis und externe nasale Nerven versorgt. Die Regionalanästhesie der externen Nase kann über eine Blockade der entsprechenden Nerven erfolgen (.€Abb.€10.6), eine intranasale Blockade wird z.€B. durch einen mit Kokain getränkten Baumwolltupfer erreicht. 10.3
Lokalanästhesie an den Extremitäten
> Die Oberst-Leitungsanästhesie ist ein sehr gutes und sicheÂ� res Verfahren einer Leitungsanästhesie an den Händen oder Füßen.
Hand.╇ Die Nervenausschaltung der Handnerven kann selektiv erfolgen. Der N.€medianus, der direkt radial des M.€palmaris longus liegt, wird mit 2–4€ml eines Lokalanästhetikums infiltriert. Hierbei spürt der Patient elektrisierende Sensationen im Ausbreitungsgebiet des N.€medianus (.€Abb.€10.7). Der N.€radialis, der sich auf Höhe der Tabatière schon aufgeteilt hat, wird über ein subkutanes fächerförmiges Depot infiltriert. Als Orientierungspunkte zur Begrenzung des Fächers dienen das I.€und III.€Strecksehnenfach (.€Abb.€10.8). Der N.€ulnaris verläuft in un-
10
70
Kapitel 10 · Lokalanästhesie, periphere Leitungsanästhesie, Tumeszenzanästhesie
. Abb. 10.8╇ Blockade N.€radialis
. Abb. 10.9╇ Blockade N.€ulnaris
10
a
b
. Abb. 10.10a, b╇ Leitungsanästhesie n. Oberst am Fingernerven von palmar (a) und von dorsal€(b)
mittelbarer Nachbarschaft ulnar der A.€ulnaris und wird ebenfalls über ein entsprechendes Depot von 2–4€ml Lokalanästhetikum auf Höhe der Linea raszetta infiltriert (.€Abb.€10.9). Die Oberst-Leitungsanästhesie an den Fingernerven zeigt .€Abb.€10.10, ein Mittelhandblock ist in .€Abb.€10.11 dargestellt. 10.4
. Abb. 10.11╇ Mittelhandblock
Tumeszenzanästhesie bei Aspirationslipektomie
Die Tumeszenzlösung (.€Tab.€10.1) im Rahmen einer Liposuktion enthält neben 1000€ml NaCl 0,9% und 1.€Amp. Suprarenin (1€mg) und Na-Bikarbonat auch Lidocain (500€mg). Durch die zugefügte Lokalanästhesie kann eine Fettabsaugung sicher und schonend ohne eine systemische invasive Narkoseform durchgeführt werden. Die Tumeszenzlösung wird zu Beginn der Operation in das subkutane Gewebe injiziert und nach einer Einwirkzeit von 15€min mit dem subkutanen Fett abgesogen.
71
10.4 · Tumeszenzanästhesie bei Aspirationslipektomie
. Tab. 10.1╇ Tumeszenzlösungen
Tumeszenz- lösung
Bestandteile
Enthaltene Menge
BreuningerLösung 0,08%
Prilocain 1% (Xylonest)
25 ml
Ropivacain 1% (Naropin)
15 ml
Epinephrin 1:1000 (Suprarenin)
1 ml
Ringer-Lösung
460 ml
Prilocain 1% (Xylonest)
50 ml
Epinephrin 1:1000 (Suprarenin)
1 ml
Natriumhydrogencarbonat 8,4%
6 ml
Isotone Kochsalzlösung 0,9%
1000 ml
Lidocain 1% (Xylocain)
50 ml (=500 mg)
Epinephrin 1:1000 (Suprarenin)
1 ml
Natriumhydrogencarbonat 8,4%
12,5 ml
Triamcinolon 10€mg
1 ml€
Isotone Kochsalzlösung 0,9%
1000 ml
Sattler-Lösung
Klein-Lösung
Nach Breuninger et al. (2000); Sommer u. Sattler (1998); Klein (1987).
Literatur Ahlstrom KK, Frodel JL (2002) Local anesthetics for facial plastic procedures. Otolaryng Clin N Am 35 (1): 29 Baker IIIrd JD, Blackmon BB Jr (1985) Local anesthesia. Clin Plast Surg 12 (1): 25 Breuninger H, Schimek F, Heeg P (2000) Subcutaneus infusion anesthesia with diluted mixtures of prilocaine and ropivacaine. Langenbecks Arch Surg 385: 284–289 Klein JA (1987) The tumescent technique for liposuction surgery. Am J Cosmetic Surg 4: 236–267 Sommer B, Sattler G (1998) Tumeszenzlokalanästhesie. Weiterentwicklung der Lokalanästhesieverfahren für die operative Dermatologie. Hautarzt 49: 351–360 Zilinsky I, Bar-Meir E, Zaslansky R et al. (2005) Ten commandments for minimal pain during administration of local anesthetics. J Drugs Dermatol 4 (2): 212
10
III
Techniken der Defektdeckung B. Weyand
Kapitel 11
Transplantate╇╇ – 77 B. Weyand
Kapitel 12
Lappenplastiken╇╇ – 87 B. Weyand
Kapitel 13
Lappenplastiken am Skalp╇╇ – 97 B. Weyand
Kapitel 14
Rekonstruktion von Defekten der Stirn und der Schädelbasis╇╇ – 103 A.€Gohritz, P.â•›M. Vogt
Kapitel 15
Grundtechniken der Nahlappenplastiken zur Rekonstruktion im Gesicht╇╇ – 113 A. Gohritz, P.â•›M. Vogt
Kapitel 16
Rekonstruktion der Wange╇╇ – 123 M. Busche, A. Gohritz
Kapitel 17
Rekonstruktion der Nase╇╇ – 127 A.€Gohritz, P.â•›M. Vogt
Kapitel 18
Rekonstruktion der Ohren╇╇ – 133 R. Ipaktchi, A.€Gohritz
Kapitel 19
Rekonstruktion der Augenlider╇╇ – 139 A. Gohritz
Kapitel 20
Rekonstruktion der Lippen╇╇ – 149 A.€Gohritz
Kapitel 21
Prinzipien der Lappendeckung im Kopf-Hals-Bereich╇╇ – 155 M.A. Altintas, A. Gohritz
Kapitel 22
Rekonstruktion der Thoraxwand╇╇ – 163 I. Ennker, P.â•›M.€Vogt, A.€Gohritz
Kapitel 23
Bauchwanddefekte╇╇ – 177 I. Ennker
Kapitel 24
Lappenplastik Leiste und Becken╇╇ – 183 P.M.€Vogt, L.-U. Lahoda
Kapitel 25
Rekonstruktion im Urogenitalbereich╇╇ – 197 P.M. Vogt, H. Sorg
Kapitel 26
Rekonstruktion an der oberen Extremität╇╇ – 209 A.D. Niederbichler, P.M. Vogt
Kapitel 27
Rekonstruktion an der unteren Extremität╇╇ – 223 A.€Jokuszies, P.M.€Vogt
Kapitel 28
Plastische Chirurgie nach Organtransplantation – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA)╇╇ – 235 K. Knobloch, H.-O. Rennekampff, P.M.€Vogt
Der Begriff Defekt (lat. »deficere, defectum«Â€= fehlen) bezeichnet in der medizinischen Terminologie den Schaden oder das Fehlen eines Organs oder Organteils oder seiner Funktion. Eine Domäne der Plastischen und Wiederherstellungschirurgie ist die Rekonstruktion oder Deckung von Defekten im Bereich der Weichteile zur Wiedererlangung einer Haut- und Weichteilkontinuität unter kurativen oder palliativen, funktionellen und/oder ästhetischen Gesichtspunkten. Hierzu steht ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung, sei es durch eine lokale Lappenplastik, ein Hauttransplantat bis hin zur freien mikrochirurgischen Gewebetransplantation. Bei der Planung müssen viele Punkte berücksichtigt werden, da oft mehrere Lösungsmöglichkeiten existieren und der für den PaÂ� tienten individuell am besten geeignete Weg gewählt werden sollte. Gewebedefekte können folgende Ursachen haben: 4 angeboren, z.€B. im Rahmen einer Fehlbildung wie bei Spina bifida, 4 erworben, etwa durch Trauma, z.€B. eine Verbrennung oder eine offene Fraktur, 4 tumorbedingt, 4 vaskulär bedingt, z.€B. durch eine Durchblutungsstörung (Ulzera bei chronisch venöser Insuffizienz), 4 aufgrund einer eingeschränkten Mobilität, z.€B. bei Druckulzera, 4 infolge eines autoimmunologischen Geschehens. Wichtig ist die Berücksichtigung und Behandlung der zugrundeliegenden Grunderkrankung, die u.€U. entscheidend für einen längerfristigen Therapieerfolg sein kann. Weitere Entscheidungskriterien sind 4 Größe, Tiefe, Lokalisation, Infektion, 4 betroffene Strukturen wie Faszien, Muskeln, Knochen, Nerven- und Gefäßsystem, 4 Allgemeinzustand und Motivation des Patienten. Im Folgenden werden allgemeine und spezielle Techniken für Defektdeckungen dargestellt und ihre Einsatzbereiche sowie Vor- und Nachteile diskutiert.
11
Transplantate B. Weyand
11.1
Hauttransplantateâ•… – 78
11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.1.4 11.1.5
Indikation und Anwendungsgebieteâ•… – 78 Operationstechnikâ•… – 78 Postoperative Behandlung und Nachsorgeâ•… – 79 Postoperative Komplikationenâ•… – 79 Spezielle Technikenâ•… – 79
11.2
Knorpeltransplantateâ•… – 79
11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.2.5
Indikation und Anwendungsgebieteâ•… – 79 Operationstechnikâ•… – 81 Postoperatives Managementâ•… – 81 Komplikationenâ•… – 81 Spezielle Technikenâ•… – 81
11.3
Knochentransplantateâ•… – 81
11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4 11.3.5
Indikationâ•… – 81 Operationstechnikâ•… – 81 Postoperatives Managementâ•… – 82 Postoperative Komplikationenâ•… – 83 Spezielle Technikenâ•… – 83
11.4
Fett- und Dermistransplantateâ•… – 83
11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4
Indikation und Anwendungsgebieteâ•… – 83 Operationstechnikâ•… – 83 Postoperatives Managementâ•… – 84 Postoperative Komplikationenâ•… – 84
11.5
Nerventransplantateâ•… – 84
11.6
Sehnentransplantateâ•… – 84
11.7
Muskeltransplantateâ•… – 84
11.8
»Composite Grafts«â•… – 85
11.8.1 11.8.2 11.8.3 11.8.4
Indikation und Anwendungsgebieteâ•… – 85 Operationstechnikâ•… – 85 Postoperatives Managementâ•… – 85 Postoperative Komplikationenâ•… – 85
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
78
Kapitel 11 · Transplantate
Definition.╇ Ein Transplantat (engl. »to graft«Â€= pflanzen) ist ein Ge-
webeanteil, der ohne vaskulären Anschluss verpflanzt wird. Sind Spender und Empfänger identisch, spricht man von einem »Autograft«, sind Spender und Empfänger unterschiedliche Personen, von einem »Allograft« (früher: »Homograft«). Wird Gewebe von einem Tier entnommen und einem Menschen eingepflanzt, wird dieses als »Xenograft« bezeichnet. Materialien nicht biologischen Ursprungs werden als alloplastisch bezeichnet. Eine Grundvoraussetzung für das Einheilen eines solchen Transplantates ist ein rascher Anschluss an das vaskuläre System des Empfängers. Günstig hierbei sind Gewebe, die natürlicherweise durch Diffusion ernährt werden (wie z.€B. Knorpel), wobei immer auch die Dicke des Grafts neben der Durchblutungssituation des Empfängerortes über das Gelingen entscheidet. Darüber hinaus müssen neben der Konservierung der Allografts oder Xenografts noch Vorkehrungen getroffen werden, um die Immunogenität des Transplantates für den Empfängerorganismus zu zerstören und eine Abstoßung Â�damit zu verzögern. Dies gelingt z.€B. durch Kryokonservierung. Zusätzlich ist eine ausgiebige Testung des Materials zum Schutz des Empfängers vor Infektionserkrankungen unabdingbar. 11.1
Hauttransplantate
11.1.1 Indikation und Anwendungsgebiete
11
Hauttransplantate dienen der Wiederherstellung der Hautintegrität bei Hautdefekten, bei denen nur ein tief dermaler Anteil oder gar kein Hautanteil verblieben ist (Verbrennungswunde der Tiefe€2b–3) und somit auch kein oder wenig Regenerationspotenzial zurückgeblieben ist. Zur erfolgreichen Einheilung erfordern Hauttransplantate ein 4 gut durchblutetes und 4 infektionsfreies Wundbett ohne freiliegendes Knochen- oder Sehnengewebe. Ist über dem Sehnengewebe noch eine funktionelle Gleitschicht (Paratenon) erhalten, kann ein Hauttransplantat auch hier einheilen, sonst besteht die Gefahr der Entstehung einer instabilen Narbe, von Verwachsungen oder Nekrose. Je nach Dicke des Transplantates und der enthaltenen Hautschichten unterscheidet sich Spalthaut (=€Epidermis mit Stratum reticulare der Dermis) von Vollhaut (Epidermis mit vollständiger Dermis). Die Dicke des Transplantates und damit der Anteil der Lederhaut entscheiden über die Eigenschaften des Transplantates: Vollhaut ist 4 widerstandfähiger und belastbarer, 4 neigt weniger zur Schrumpfung, was besonders in Gelenkbereichen von Vorteil ist, 4 heilt aber auch schlechter ein, da die Diffusionsstrecke höher ist. Zudem sollte die Entnahme wegen des Hebedefekts nur an ausgewählten Körperstellen erfolgen (Cave: stigmatisierende Narben bei Entnahme am Handgelenk) und ist flächenmäßig stark begrenzt. Im Gegensatz dazu kann Spalthaut auch in schlechter durchbluteten Arealen einheilen und hat den Vorteil, dass sie durch die sog. Mesh-Technik auf weitaus größere Areale ausgedehnt werden kann. Diese Eigenschaft hat sich besonders in der Verbrennungsbehandlung bewährt. Da sich der Hebedefekt ausgehend z.€B. von Keratinozytenstammzellen im Bereich der Haarbälge wieder regenerieren kann, ist nach Reepithelisierung die wiederholte Entnahme von (dünner!) Spalthaut möglich.
11.1.2 Operationstechnik Die Technik der Hauttransplantation erfordert zunächst eine gute Vorbereitung des Wundgrundes des zu deckenden Areals. Dieser sollte infektfrei, sauber granulierend und gut durchblutet ohne freiliegendes Sehnen-, Knochen- oder Knorpelgewebe sein. Entnahme der Spalthaut.╇ Die Lokalisation der Entnahmestelle sollte präoperativ im Gespräch mit dem Patienten festgelegt werden. In erster Linie geeignet sind die lateralen Hüften und Oberschenkel, gefolgt von Unterschenkeln, Rücken, Bauchbereich und Glutäalbereich. Zunächst erfolgt die Abmessung bzw. Abschätzung der Größe des zu deckenden Defektes und – auch im Hinblick auf die Gesamtsituation – die Entscheidung, ob und in welchem Verhältnis gemesht werden soll. Vor der Entnahme mit dem Dermatom ist die Einstellung der Schnittdicke zu überprüfen, die im Normalfall 2/10–3/10€mm beträgt. Die Entnahme erfolgt nach nochmaliger gründlicher Hautdesinfektion und anschließender Einfettung der Haut, z.€B. mit sterilem Paraffinöl oder einem Teil des Fetts der Wundkompresse mit dem Weckmesser (geeignet für kleinere Spalthauttransplantate) oder durch Dermatome, die entweder mit Batterie oder elektrisch betrieben werden. Die Entnahme erfolgt im Winkel von 45° zum Hautniveau langsam und unter gleichmäßigem Druck (.€Abb.€11.1a und 7€Kap.€69 »Verbrennungsverletzungen«). Meshen der Spalthaut.╇ Ist eine Flächenvergrößerung erwünscht, wird die entnommne Spalthaut mit der Oberseite nach unten auf
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b . Abb. 11.1a, b╇ Entnahmetechnik von Spalthaut am Oberschenkel (a) und Aufbereitung in Mesh-Gerät zu einem Transplantat€(b)
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11.2 · Knorpeltransplantate
eine sog. Mesh-Trägerplatte gelegt, die zuvor mit steriler Kochsalzlösung anfeuchtet wurde, und sorgfältig an den Rändern glatt ausgerollt. Die Mesh-Platte mitsamt der Haut wird nun durch ein Maschentransplantatschneidegerät gedreht, wobei in gleichmäßigen Abständen Schlitze in die Haut gestanzt werden, was je nach MeshPlatte theoretisch eine Flächenausdehnung auf das 1,5- bis 6-Fache der ursprünglichen Größe ermöglicht (.€Abb.€11.1b).
mität begonnnen werden kann. Jetzt sollte auch eine konsequente Kompressionsbehandlung für möglichst 24€h/7€Tage durch maßangefertigte Kleidung erfolgen, die für 1–2€Jahre andauern sollte. Zusätzlich sollten die transplantierten Areale und die Spalthautentnahmestellen für mindestens 1–2€Jahre vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden, um Pigmentverschiebungen zu vermeiden.
Transplantation der Haut.╇ Ist keine Flächenausdehnung erforderlich oder erwünscht, kann die Spalthaut mit einem spitzen Skalpell »gestichelt« werden, um den Ablauf von Wundexsudat zu ermöglichen. Ein Vollhauttransplantat wird vor Transplantation (umgedreht über dem Finger gespannt und mit einer Schere) sorgfältig von subdermalem Fett befreit. Das Hauttransplantat wird nun unter Beachtung der Orientierung auf die zu deckende Fläche aufgebracht, an den Rändern passgenau mit einer feinen Hautschere zugeschnitten und mit Hautnähten oder Metallklammern fixiert. Technische Details finden sich in 7€Kap.€69 »Verbrennungsverletzungen«. Bei Kindern bevorzugen wir wenn möglich die Spalthautentnahme vom rasierten Hinterkopf, wobei vorher subkutan sterile Kochsalzlösung als Flüssigkeitskissen injiziert wird, um die Entnahme zu erleichtern.
11.1.4 Postoperative Komplikationen
> Die Fixierung des Hauttransplantates erfolgt bei Kindern mit resorbierbarem Nahtmaterial.
Zuviel entnommene Spalthaut kann bei 4°C im Kühlschrank in eine mit NaCl befeuchtete, sterile Kompresse gewickelt, in einem sterilen Behältnis aufbewahrt und noch 7–10€Tage später transplantiert werden. Verbandstechnik.╇ Das Spalthaut- oder Vollhauttransplantat erhält
1–2€Lagen Fettgaze sowie in der Regel einen Überknüpfverband aus sterilem Schaumstoff oder aufgeschüttelten Baumwollkompressen. In ausgewählten Fällen erfolgt der Verband des Spalthauttransplantates mit Suprathel oder mit Hilfe eines Vaccuseal-Schwamms, Letzteres z.€B. bei tiefen Wunden oder/und zu erwartender starker SeÂ� kretion. Für den Verband der Spalthautentnahmestelle eignen sich mehrere dicke Lagen Fettgaze unter sterilen Kompressen oder Hydrogel- oder Okklusivfolienverbände. 11.1.3 Postoperative Behandlung und Nachsorge Bei Infektfreiheit belassen wir den Überknüpfverband für 5€Tage nach Transplantation. Darüberliegender Verbandsmull sollte bei Sezernierung alle 1–2 Tage gewechselt werden. Werden ungemeshte Spalthaut-Sheets transplantiert (z.€B. an Händen, im Gesichts-/Halsbereich), empfehlen wir eine offene Behandlung, wobei ein regelmäßiges Einfetten der Sheets erforderlich ist, sowie eine engmaschige Kontrolle auf die Entstehung von Hämatomen, die zeitnah abpunktiert werden sollten. Bei Spalthauttransplantationen im Bereich der Extremitäten, insbesondere gelenknah oder gelenkübergreifend, stellen wir die betroffene Extremität grundsätzlich mit einer Schiene bis zur stabilen Einheilung des Transplantates ruhig. Eine Thromboseprophylaxe ist selbstverständlich erforderlich. Nach vorsichtiger Abnahme des Überknüpfverbandes werden die zunächst noch fragilen Mesh-Tansplantate mit Repithel-Salbe und Fettgaze und nach vollständiger Einheilung mit Fettsalbe gepflegt. Nach Erreichen einer zufriedenstellenden Stabilität werden die Klammernähte entfernt und die Extremitätenschienung beendet, sodass mit krankengymnastischer Beübung der betroffenen Extre-
An der Hebestelle von Spalthauttransplantaten sind als Komplikationen mögliche Pigmentierungsstörungen sowie die hypertrophe Narbenbildung zu nennen, die durch eine Kompressionsbehandlung verhindert oder gebessert werden kann. Meist entstehen Komplikationen bei zu tiefer Abnahme der Hauttransplantate. Mögliche Komplikationen im Bereich der Empfängerseite sind 4 lokale Infektionen und Wundheilungsstörungen, 4 Minderperfusion des Wundgrundes mit ausbleibender Einheilung des Hauttransplantates, 4 Bildung von instabilen Narben bei prolongierter Heilung, 4 hypertrophe Narben oder Narbenkeloide, 4 Verwachsungen, 4 länger andauernde Rötung oder Juckreiz. Gelegentlich kommt es, oft nach erfolgreicher Abheilung, zur Bildung eines akneähnlichen Ausschlags der transplantierten Haut. Dies ist zum einen durch die gestörte Schweißsekretion erklärbar, zum anderen auch durch eine mögliche allergische Reaktion auf die stark rückfettenden Pflegesalben. Empfehlenswert sind in diesem Fall eine Umstellung der Pflegeutensilien auf pH-neutrale Seifen und Salben sowie eine ausreichende Luftexposition der betroffenen Areale. 11.1.5 Spezielle Techniken Alternativ zur Hauttransplantation ist die Verwendung von kultivierten Keratinozyten-Sheets möglich. Eine neue Methode ist das Aufsprühen einer suspendierten Keratinozytenlösung, die intraÂ� operativ aus einem kleinen Stück Spalthaut enzymatisch isoliert werden kann und entweder direkt bei kleinen Defekten verwendet wird (ReCell) oder nach externer Expansion aufgesprüht wird. Gezüchtete Keratinozyten in Form von sog. Sheets werden vornehmlich bei Schwerstverbrannten angewendet, haben aber den entscheidenden Nachteil, dass zwischen Entnahme eines Hautbiopsates zur Kultivierung der Zellen und der Transplantation minÂ� destens 2–3 Wochen vergehen. Beide Methoden werden derzeit nur an ausgewählten Patienten und unter Studienbedingungen durchÂ� geführt. 11.2
Knorpeltransplantate
11.2.1 Indikation und Anwendungsgebiete Knorpeltransplantate finden ihre Anwendung auch als CompositeTransplantate in erster Linie in der Rekonstruktion von Nase, Unterlid und Ohren sowie im Rahmen des vaskularisierten Gelenkersatzes als kombiniertes Knorpel-Knochen-Transplantat an den Fingergelenken. Indikationen sind sowohl angeborene Fehlbildungen als auch traumatisch oder kanzerös bedingte Defekte im GesichtsÂ�bereich. Knorpeltransplantate sind häufig Teil einer komplexen Rekonstruktion im Rahmen eines prälaminierten oder präfabrizierten Gewe-
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Kapitel 11 · Transplantate
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betransfers (7€Kap.€12.7). Sie zeichnen sich durch ihre anatomisch bedingte gute Formbarkeit sowie geringe Resorption aufgrund ihres bradytrophen Stoffwechsels aus. Für kleinere Knorpeltransplantate werden als Spenderareale beispielsweise Konchaknorpel, der meist durch einen retroaurikulären Zugang gewonnen wird, sowie Nasenseptumknorpel gewählt. Bei größeren Transplantaten, beispielsÂ�weiÂ�se zur Ohrrekonstruktion, sind Rippenknorpeltransplantate notwendig. Im Gelenkbereich kann destruierter Gelenkknorpel durch freie, nicht vaskularisierte Knorpeltransplantate ersetzt werden; ferner
. Abb. 11.2a–e╇ Entnahme von Konchaknorpel in Form eines chondrokutanen Composite-Transplantates (a) zur Korrektur eines Ektropiums. Das Hauttransplantat wird, wenn möglich, größer gewählt, um die RevaskulaÂ� risation zu verbessern (b,€c). Nach dem Einnähen (d) wurde ein Überknüpfverband zur Sicherung des Hauttransplantates angebracht€(e)
sind hier komplexe Rekonstruktionen mittels vaskularisierter Gelenktransfers möglich. Als Spenderareale können hier, beispielsÂ� weise€bei komplexen Handverletzungen, heterodigitale Transfers oder homodigitale Transfers (DIP-zu-PIP-Transfer) angewandt werden. Bei angeborenen Handfehlbildungen werden im Rahmen der Pollizisationen komplexe Strahltranspostionen unter Einschluss von Zehenmittel- oder -grundgelenken zur Fingergelenk- oder DaumenÂ� gelenkrekonstruktion auf PIP-, MP- oder Karpometakarpal-Level durchgeführt.
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11.3 · Knochentransplantate
11.2.2 Operationstechnik
11.3
Konchaknorpel.╇ Über einen retroaurikulären Schnitt wird der
11.3.1 Indikation
Konchaknorpel unter Erhalt des Perichondriums freipräpariert und sorgfältig ein Transplantat der entsprechenden Größe unter Erhalt des Perichondriums herausgelöst (.€Abb.€11.2a). Der Verschluss des Perichondriums erfolgt mit resorbierbarem Nahtmaterial, dann Hautverschluss, ggf. Einlage einer kleinen Drainage oder Lasche. Nasenseptumknorpel.╇ Die Entnahme von Nasenseptumknorpel erfolgt unter sorgfältigem Erhalt des gegenseitigen Mukoperichondriums, der Verschluss des Zugangs mit resorbierbarem Nahtmaterial. Bei Entnahme innerhalb des zentralen Anteils ist ein L-förmiger Rahmen von mindestens 1€cm zu belassen. Rippenknorpel.╇ Zur Rekonstruktion der Ohrmuschel durch Rip-
penknorpel nach Tanzer und Brent wird zur Helixrekonstruktion Knorpel der VIII.€Rippe verwendet, für die Formung von Anthelix und Koncha wird meist Knorpel aus der Synchondrose der VI. und VII.€Rippe verwendet. In Allgemeinnarkose erfolgt ein schräger Hautschnitt über der VI. und VII.€Rippe. Darstellung der VI.–VIIII. Rippe nach Durchtrennung der Fasern des M.€obliquus externus und Inzision der Â�äußeren Rektusscheide und des M.€rectus abdominis. Zunächst Â�Abschieben des Perichondriums von der VIIII.€Rippe, die in toto herausgelöst wird. Dann Längsinzision des Perichondriums über der VI. und VII.€Rippe und Entnahme des Knorpelblocks unter sorgfältiger Schonung der angrenzenden Pleura. Verschluss des Perichondriums durch fortlaufende, resorbierbare Naht, Adaptation der Muskelanteile und Hautverschluss nach Einlage einer Redon-Drainage. 11.2.3 Postoperatives Management Die Entnahmestellen sind v.€a. auf postoperative Hämatome sowie Zeichen einer Wundheilungsstörung zu kontrollieren. Die NachÂ� behandlung der Empfängerstellen hängt von der Art der Operation und der gewählten Technik ab. 11.2.4 Komplikationen Bei Verdacht auf Verletzung der Pleura bei der Entnahme von Rippenknorpel sollte umgehend eine Thoraxröntgenaufnahme zum Ausschluss eines Pneumothorax durchgeführt werden. In der Regel resorbiert sich die Luft im Pleuraspalt aber spontan. 11.2.5 Spezielle Techniken Vaskularisierte Gelenktransfers erfordern eine gründliche präopeÂ� rative Planung. Bei der Präparation sind die anatomischen Voraussetzungen – wie die Hauptversorgung der PIP- und DIP-Gelenke über das palmare Gefäßversorgungssystem und der notwendige Erhalt der Gelenkkapsel, der palmaren Platte sowie des Gefäßbündels bei der doppelten Osteotomie – zu beachten. Die Fixierung der Knochenanteile erfolgt in der Regel über Zuggurtungsosteosynthesen. Hinsichtlich Einzelheiten sei auf die Spezialliteratur verwiesen (Green et al. 2005, S.€1813–1833).
Knochentransplantate
Die Versorgung von Knochendefekten kann durch eine Spongiosaplastik oder einen kortikospongiösen Span erfolgen, wenn die De-
fektgröße 8–10€cm stellt sich die Indikation zum freien, mikrovaskulär anastomosierten Knochentransplantat, sofern nicht alternative Methoden wie die Kallusdistraktion angewandt werden können. In Einzelfällen können auch gefäßgestielte Knochentransplantate, beispielsweise bei aseptischen Knochennekrosen oder Pseudarthrosen im Bereich der Handwurzelknochen zur Versorgung eines knöchernen Defektes gewählt werden. Ursachen für Knochendefekte sind eine unzureichende Knochenheilung 4 nach Trauma (Zerstörung von Knochenanteilen, Minderperfusion, Schädigung der Wachstumsfugen), 4 nach Infekten, 4 nach Störungen der Knochenbiologie, z.€B. bei avaskulärer Nekrose oder 4 bei Knochentumoren mit erforderlicher radikaler Entfernung betroffener Skelettanteile.
11.3.2 Operationstechnik Knochenspongiosatransplantat vom distalen Radius.╇ Bei jungen
Patienten ist die Gewinnung einer Spongiosaplastik oder eines kortikospongiösen Spans begrenzter Größe vom Radius möglich. Über eine dorsoradiale Inzision über dem distalen Radius erfolgt proximal des Retinaculum extensorum ulnar von den Sehnen der Mm.€extensor carpi radialis longus et brevis die Präparation bis auf den distalen Radius. Hier wird mit dem Meißel ein Knochenfenster eröffnet und ein kortikospongiöser Span bzw. eine Spongiosaplastik entnommen. Ein vaskularisiertes Knochentransplantat mit retrogradem Fluss zur Behandlung der Skaphoidpseudarthrose wird durch superfizielle Gefäße am Retinaculum extensorum wie die ICSRA-1,2- und -2,3Gefäße (»intercompartmental supraretinacular arteries« 1,2 und 2,3) sowie die tiefer gelegenen Gefäße des 4. oder 5.€Strecksehnenkompartments (4th & 5th ECA = 4th und 5th »extensor compartment arteries«) versorgt. Bei einem palmaren Zugang kann das Transplantat auch an vaskuläre Gefäße am M.€pronator quadratus (pMeta = »palmar metaphyseal arch«) gestielt werden. Knochentransplantat vom Beckenkamm.╇ Lateral der Spina iliaca
anterior superior und etwa 2€cm distal und parallel zum Beckenkamm erfolgt eine schräge, etwa 6–8€cm messende Inzision. Unter Schonung von Ästen des N.€cutaneus femoris lateralis erfolgt die Darstellung des Beckenkamms zwischen dem Ansatz des M.€rectus abdominis und den Hüftabduktoren. Nach Dissektion des Periosts erfolgt mit einem breiten Meißel zunächst eine horizontale Osteotomie zur Darstellung einer Art »Deckel« entsprechend der Konvexität des Beckenkamms und dann die Entnahme eines entsprechend großen kortikospongiösen Spans. Der Periost-Knochen-Deckel kann dann wieder mit resorbierbarem Nahtmaterial readaptiert werden. Nach sorgfältiger Blutstillung sollte die Einlage einer Drainage vor vollständigem Wundverschluss erfolgen. Der Einsatz eines vaskularisierten Beckenkammtransplantates erfordert entweder den Einschluss des M.€obliquus internus oder einen doppelten Pedikel der tiefen und oberflächlichen superfiziellen A.€circumflexa iliaca (DCIA und SCIA).
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Kapitel 11 · Transplantate
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Knochentransplantat von der Fibula.╇ Es ist auch möglich, Transplantatmaterial aus der Fibula zu entnehmen. Freies Fibulatransplantat.╇ Ein freies Knochentransplantat der Fibula mit einer möglichen Länge von 26–30€cm ist eine TherapieopÂ�tion bei größeren segmentalen Knochendefekten (.€Abb.€11.3). Die Gefäßversorgung erfolgt über die Peronäalgefäße, die zwischen dem M.€tibialis posterior und dem M.€flexor hallucis longus freipräpariert werden müssen. Für die Entnahme erfolgen die Lagerung des Patienten auf dem Rücken mit Unterpolsterung des Gesäßes und das sterile Abwaschen des gesamten Beins mit Anlage einer sterilen OberschenÂ� kelblutsperre und die Positionierung des Unterschenkels mit gebeugtem Kniegelenk unter Fixierung des Fußes. Der bevorzugte Zugangsweg von lateral entlang der longitudinalen Achse der Â�Fibula wird eröffnet und der M.€peronaeus longus exponiert. Die Dissektion erfolgt zunächst auf Höhe eines schmalen Fettstreifens zwischen dem M.€peronaeus longus und dem M.€soleus. Der Ursprung des M.€flexor hallucis longus am posterioren Rand der Fibula wird dargestellt, die vor dem Muskel verlaufenden Peronäalgefäße werden sorgfältig unter Ligatur der zum M.€soleus verlaufenden Äste freipräpariert und angeschlungen, und der M.€soleus wird vom Fibulahals gelöst. Jetzt wird zunächst das laterale Kompartment unter Schonung des N.€peronaeus superficialis und dann das anteriore Kompartment unter Schonung des N.€peronaeus profundus von der Fibula gelöst. Die A.€tibialis anterior und die Membrana interossea werden identifiziert. Letztere wird sorgfältig von der Fibula scharf abgetrennt. Unter Schonung der Peronäalgefäße wird die Fibula zunächst proximal,
. Abb. 11.3a–d╇ Vaskularisiertes Knochentransplantat: Osteokutanes Fibulatransplantat vor der freien Transplantation in den Unterarm zur Defektrekonstruktion eines Radiussegmentdefektes
dann distal mit der Gigli-Säge abgetrennt. Dabei sollten 7–8€cm der distalen Fibula stehengelassen werden und zusätzlich bei Kindern (bei Erwachsenen nicht erforderlich) zur Stabilisierung eine distale tibiofibulare Syndesmose durchgeführt werden. Die distalen Peronäalgefäße werden ligiert und nach proximal durch den M.€tibialis posterior unter Ligatur von Muskelästen weiterverfolgt. Der M.€flexor hallucis longus wird von der Fibula abÂ� gesetzt, und die Fibula wird mit den proximalen Gefäßen an die Empfängerseite transplantiert und nach stabiler Osteosynthese mikrochirurgisch an das Empfängerstromgebiet angeschlossen. Das Transplantat kann je nach Erfordernis des Defekts als osteokutaner, osteomuskulärer oder als osteomuskulokutaner Lappen gehoben werden. 11.3.3 Postoperatives Management Die postoperative Nachsorge umfasst die Kontrolle der Perfusion über eine kutane oder muskuläre Monitorinsel, sonst wird die Anastomose dopplersonographisch kontrolliert. Eine postoperative Röntgenkontrolle zeigt Ausrichtung, Stabilität und Struktur des Transplantates und gibt Hinweise auf den biologischen Einbau im zeitlichen Verlauf. Eine Ruhigstellung sollte erfolgen, bis eine ausreichende Stabilität des Transplantates und der Ostesynthese gegeben ist. Die Einheilungsrate des Transplantates wird durch eine rigide Fixation verbessert. Bei unklarer Einheilung kann ein MRT oder eine Szintigraphie durchgeführt werden.
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11.4 · Fett- und Dermistransplantate
11.3.4 Postoperative Komplikationen Bei ausbleibender knöcherner Heilung des freien Fibulatransplantates sollte nach 6€Monaten eine sekundäre konventionelle Knochentransplantation (Spongiosaanlagerung) erfolgen. 11.3.5 Spezielle Techniken Weitere Techniken des vaskularisierten Knochentransfers beinhalten ein vaskularisiertes Transplantat des Os pisiforme oder des 2.€Metakarpalknochens zur Behandlung der Lunatummalazie oder der Skaphoidpseudarthrose. Des Weiteren kann ein frei vaskularisierter kortikoperiostaler Lappen aus der medialen Femurkondyle (A.€genicularis descendens), dem Humerus oder der Skapula (lateraler osteokutaner Skapulalappen basierend auf der A.€circumflexa scapulae) gewonnen werden. Ein freies Rippentransplantat, welches heutzutage eher selten verwendet wird, kann an der A.€mammaria interna oder den suprakostalen Gefäßen gewonnen werden, wobei diese nur die periosteaÂ�len Gefäße versorgen, während die Hauptversorgungsarterie der Rippe aus der A.€intercostalis posterior entspringt und aufgrund der€Mitversorgung des Rückenmarks bei der Präparation hier die Gefahr der Querschnittslähmung als katastrophale Komplikation gegeben ist. 11.4
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Fett- und Dermistransplantate
11.4.1 Indikation und Anwendungsgebiete
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Fett- und Dermistransplantate werden zur Konturformung und Unterfütterung der Haut verwendet. Hauptanwendungsgebiete sind im Gesicht die Nasolabialfalten und Lippen, wobei Fett- oder Dermistransplantate grundsätzlich auch in alle übrigen Körperregionen als freies Transplantat verpflanzt werden können. Dermis- und Faszientransplantate haben ihren Stellenwert bei der Unterfütterung von eingezogenen Narben, Einbettung von Implantaten oder bei Zügelungsplastiken im Bereich des Gesichtes, beispielsweise zur Behandlung von Fazialisparesen. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Brustrekonstruktion mit mikrovaskulär an einem Perforatorgefäß transplantierten Haut-Fett-Lappen, die eine Weiterentwicklung der myokutanen Lappen darstellt. Diese Technik wird in 7€Kap.€68 beschrieben. c
11.4.2 Operationstechnik Freies autologes Fetttransplantat.╇ Freie Fetttransplantate können über die Aspirationsliposuktionstechnik oder durch direkte Exzision gewonnen werden. Hauptspendergebiete sind hierbei subkutane Fettdepots an Abdomen, Oberschenkel und Flanke oder Glutäalbereich (.€Abb.€11.4a). Zunächst erfolgt die örtliche Betäubung des Spenderareals durch ein Lokalanästhetikum oder Tumeszenzlösung. Derzeit gibt es keine klinische Evidenz für einen diskutierten negativen Effekt von Adrenalinzusätzen im Lokalanästhetikum hinsichtlich der Überlebensrate des Fetttransplantates, sodass wir bei entsprechender Lokalisation Adrenalin (1:100.000) im Lokalanästhetikum oder in der Tumeszenzlösung zusetzen. Zur Gewinnung des Fettes verwenden wir eine 14-G-Kanüle oder eine Liposuktionskanüle, alternativ erfolgt die direkte Exzision über einen Hautschnitt, beispielsweise bei Gewinnung eines Fett-
. Abb. 11.4a–c╇ Gewinnung von Fett durch Tumeszenzaspiration nach Coleman€(a). Ausgestrichenes Fett€(b). Injektion fächerförmig in die aufzufüllende Region in Kanälen (c)
Dermis-Transplantates. Das gewonnene Fett wird in 50€ml sterile Falcon-Röhrchen gegeben und für 10€min bei 800 U/min und 4°C zentrifugiert. Die Flüssigkeit wird sorgfältig abgenommen, und das freie Fett mit dem bodenständigen Zellpellet wird in eine 20-ml-Spritze gegeben und über eine 14-G-Kanüle und nach vorÂ� hergehenÂ�der örtlicher Betäubung in die Empfängerstelle injiziert (.€Abb.€11.4c). Neue Methoden erlauben die Gewinnung, Aufbereitung und Konzentrierung der Fettzellen in einer Geräteeinheit mit Hilfe niedriger Vakuum- und Drucklevel (z.€B. Lipivage). Eine weitere Innovation stellt ein neues Gerät (Celution€800/CRS-System der Firma Cytori Therapeutics) dar, in dem aus dem Fettaspirat die Fraktion
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Kapitel 11 · Transplantate
. Abb. 11.5╇ Fascia-lata-Transplantat
der adipogenen Stammzellen separiert, gewaschen und weiter konzentriert wird, um dann zusammen mit einer Fraktion der Fettzellen direkt zurück in den Körper an die entsprechende Stelle injiziert oder in Kombination mit einer Matrix implantiert zu werden.
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> Aufgrund der lokalen Schwellung sowie der eingeschränkÂ� ten Überlebensrate des freien Fetttransplantates empfiehlt sich eine leichte Überkorrektur des Empfängergebietes.
Erfolgt eine Entnahme des Fetttransplantates zusammen mit einem Dermisstreifen, wird auf den Zentrifugationsschritt verzichtet und eine umgehende Transplantation mit subkutaner Fixation durch resorbierbares Nahtmaterial an der Empfängerstelle vorgenommen.
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Freies autologes Faszientransplantat.╇ Die Gewinnung eines Faszienstreifens erfolgt in der Regel aus der Fascia lata im Hüftbereich, entweder über einen kleinen offenen Schnitt mittels Sehnenstripper oder minimalinvasiv endoskopisch (.€Abb.€11.5). Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, beispielsweise bei Zügelungsplastiken im GesichtsÂ� bereich, wobei hier für Details auf 7€Kap.€39 verwiesen werden soll.
11.4.3 Postoperatives Management Die postoperative Kontrolle bei Fett-Dermis- und FaszientransÂ� plantaten beinhaltet die lokale Wundinspektion auf WundheilungsÂ� störungen oder lokale Infektionen sowie regelmäßige Fotodokumentationen zur Beurteilung der Einheilung. Bei komplexen Zügelungsplastiken durch Faszienstreifen im Gesicht empfiehlt sich eine temporäre Kau- und Sprechkarenz, um die Einheilung des Transplantates nicht zu gefährden.
b . Abb. 11.6a, b╇ Entnahme eines Suralistransplantates zur Rekonstruktion eines peripheren Nervs
indirekt betroffenen Nervs erforderlich machen. Nerventransplantate können verwendet werden 4 als einfache, freie Transplantate zur Überbrückung kleinerer Defekte, 4 als mikrovaskulär anastomosierte Transplantate sowie 4 in Kombination mit einem Muskeltransplantat. Hinsichtlich der speziellen Technik der Nervenchirurgie und mögliche Spenderareale möchten wir auf Sektion€VII (7€Kap.€37–49) verweisen. 11.6
Sehnentransplantate
Neben lokalen Wundheilungsstörungen und Infektionen kann das freie Transplantat unzureichend einheilen oder resorbiert werden, bei Volumenverlust, Atrophie, Dellenbildung und Asymmetrie sind Nachkorrekturen erforderlich. Einflussfaktoren für das Überleben der Fetttransplantate sind v.€a. 4 anatomische Lokalisation, 4 Vaskularisierung der Empfängerseite, 4 induzierte lokale Fibrose (Cave: Bestrahlung!), 4 Anzahl der injizierten vitalen Fettzellen, die nicht nur von der Technik der Fettgewinnung und Reinjektion, sondern auch von Begleiterkrankungen und lokalen Störungen abhängt.
Sehnentransplantate benötigen für ein erfolgreiches Einheilen eine ausreichende Weichteilbedeckung, einen infektfreien Wundgrund und eine intakte oder neuinduzierte Sehnenscheide, um die Durchblutung des Transplantates durch Diffusion zu gewährleisten. Typische Spenderseiten sind die Palmaris-longus-Sehne oder die Plantarissehne, die jedoch in 10% bzw. in 20% der Fälle fehlen können. Als weitere Spender können beispielsweise die Extensor-digitorumlongus-Sehnen am Fuß erwogen werden, wobei sich hier jedoch eine Beugedeformität der Zehen ausbilden kann. Zur Formung einer Sehnenscheide ist in vielen Fällen ein zweizeitges Vorgehen mit Induktion einer Sehnenscheide durch Implantation eines Silastikstabes für mindestens 8–12 Wochen vor dem Einbringen des eigentlichen Sehnentransplantates erforderlich. Wichtig ist auch der Erhalt oder die Rekonstruktion der Ringbänder des entsprechenden Fingers (sekundäre BeugesehnenrekonstrukÂ� tion 7€Kap.€55).
11.5
11.7
11.4.4 Postoperative Komplikationen
Nerventransplantate
Nerventransplantate (.€Abb.€11.6) dienen der Rekonstruktion von peripheren Nerven nach traumatischer Schädigung oder Verlust sowie bei tumorösen Neubildungen, die eine Resektion des direkt oder
Muskeltransplantate
Muskeltransplantate können nur zusammen mit einem vaskulären Versorgungszufluss als gestielte oder freie, mikrovaskulär anastomosierte Muskellappen verpflanzt werden. Zusätzlich besteht die
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11.8 · »Composite Grafts«
Möglichkeit, bei Erhalt oder Wiederanschluss der neuronalen Versorgung die Muskelinnervation zu erhalten. Einzelheiten werden in den nachfolgenden Kapiteln dieser Sektion (7€Kap.€12–27) ausgeführt. Möglich sind auch Kombinationen aus Muskel, Haut und Knochen aus dem Subskapularis-System (»chimäre Lappen«).
Während der ischämischen Phase ist eine Kühlung des Composite Grafts zur Herabsetzung der Metabolie empfehlenswert. Zusätzlich empfiehlt sich in den ersten postoperativen Tagen ein Schutz des Transplantates vor Austrocknung, beispielsweise durch einen FoÂ� lienverband, zur Herstellung eines feuchten Milieus.
11.8
11.8.4 Postoperative Komplikationen
»Composite Grafts«
11.8.1 Indikation und Anwendungsgebiete Definition.╇ Composite Gafts sind freie Transplantate, die sich aus
unterschiedlichen Gewebebestandteilen zusammensetzen. Hier sind v.€a. chondrokutane und chondromuköse Transplantate zu nennen, die im Bereich des Ohrs und des Vestibulum nasi entnommen werden können. Eingesetzt werden die Composite Grafts zur Rekonstruktion, wenn eine flexible Knorpelstütze sowie eine einseitige oder beidÂ� seitige kutane bzw. muköse Abdeckung gewünscht ist, z.€B. bei Defekten im Bereich der Nasenspitze oder des Nasensteges, der Augenlider, des äußeren Ohrs oder zur Stabilisierung einer ProthesenÂ� höhle€in der Augenhöhle (nach Exenteratio orbitae). 11.8.2 Operationstechnik Chondrokutane Composite Grafts können am äußeren Ohr im Bereich der Skapha, der Koncha, des Antitragus und der Radix helicis entnommen werden. Die Defekte können primär verschlossen oder durch Vollhauttransplantate gedeckt werden. Chondromuköse Transplantate werden aus dem Nasenseptum gewonnen, wobei bei der Präparation darauf zu achten ist, das gegenüberliegende Mukoperichondrium nicht zu verletzen. Der verbliebene Defekt kann der Sekundärheilung überlassen werden. Wenn das Transplantat die Größe von 2€cm überschreitet, sind Maßnahmen zur Verbesserung der Einheilung empfehlenswert: Hierzu gehören die Fensterung des Knorpelanteils zur Verbesserung der Revaskularisation sowie eine Vergrößerung der Kontaktfläche zwischen Empfänger und Transplantat, insbesondere im unteren Anteil des Composite-Transplantates. 11.8.3 Postoperatives Management Composite Grafts durchlaufen während der Einheilung verschiedene Durchblutungsstadien (.€Übersicht). Durchblutungsstadien von Composite Grafts 1. Stadium der Ischämie: Unmittelbar postoperativ erscheint das Composite Graft blass und blutleer. 2. Stadium der venösen Stase: Etwa 48€h postoperativ ist das Maximum der venösen Stase erreicht; das Composite Graft erscheint geschwollen und dunkel-violett verfärbt. 3. Stadium der Etablierung des venösen Abflusses: Ab dem 3.–4. postoperativen Tag geht die Schwellung zurück, gleichzeitig ändert sich die dunkel-bläuliche Verfärbung ins Rötliche als Zeichen einer Etablierung des venösen Abflusses durch Anschluss der neugebildeten Kapillaren an das Venensystem.
Zentrale Nekrosen durch unzureichende Revakularisation können zu narbigen Einziehungen führen. Die Ausbildung eines Hämatoms oder einer Infektion können ebenfalls die Einheilung des Composite Grafts behindern und zum Verlust des Transplantates führen.
Literatur Green D, Pederson WC, Hotchkiss R, Wolfe (eds) (2005) Green’s operative hand surgery, 5th edn. Elsevier Churchill Livingstone, USA, pp 1813–1833 Kaufmann MR, Bradley JP et al. (2007) Autologous fat transfer national consensus survey. Plast Reconstr Surg 119: 323–331 Kitamura K, Kajitani K, Hedrick M, Suigmachi K (2007) Stem cell augmented reconstruction: a new hope for reconstruction after breast conservation therapy. Breast Cancer Res Treat 106 (Suppl): Abstract 4071 Krupp S, Rennekampff HO, Pallua N (1999) Plastische Chirurgie. Klinik und Praxis Loseblattwerk in 3 Ordnern (12/1999). Ecomed, Landshut Kuhbier JW, Weyand B, Radtke C, Vogt PM, Kasper C, Reimers K (2010) Isolation, characterization, differentiation and application of adipose-derived stem cells. Adv Biochem Eng Biotechnol 21 (PMID 20091288) Merle M, Dautel G, Rehart S (1997) Chirurgie der Hand. Thieme, Stuttgart New York Sommer B, Sattler G (2000) Curent concepts of fat graft survival. Dermatol Surg 26; 12: 1159–1166 Vogt PM, Reimer K et al. (2006) PVP-iodine in hydrosomes and hydrogel – A novel concept in wound therapy leads to enhanced epithelialisation and reduced loss of skin graft. Burns 32: 698–705 Weyand B, von Schroeder HP (2005) Bone challenges for the hand surgeon: from basic bone biology to future clinical application. Clin Plastic Surg 32: 537–547
11
12
Lappenplastiken B. Weyand
12.1 Anatomie und Systematikâ•… – 88 12.2 Gewebezusammensetzung des Lappensâ•… – 88 12.3 Entfernung des Lappens zum Defektâ•… – 88 12.4 Methode der Gewebeübertragungâ•… – 88 12.5 Einteilung nach der Art der Blutversorgungâ•… – 91 12.6 Techniken der Lappenpräparationâ•… – 93 12.7 Lappenpräformation: Prälamination und Präfabrikationâ•… – 94 12.8 Lappenkonditionierung oder »Delay«â•… – 94
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
88
Kapitel 12 · Lappenplastiken
12.1
Anatomie und Systematik
Ein Lappen ist ein Gewebeanteil mit einem vaskulären Versorgungsnetz, der zur Rekonstruktion eines sekundären Gewebedefektes verpflanzt wird. Die Einteilung von Lappen erfolgt nach verschiedenen Gesichtspunkten, wie 4 der Gewebezusammensetzung des Lappens, 4 der Entfernung zum Defekt, 4 der Methode der Gewebeübertragung oder 4 der zugrundeliegenden Blutversorgung des Lappens. 12.2
Gewebezusammensetzung des Lappens
In der Nomenklatur werden die einzelnen Bestandteile beschrieben, aus denen sich ein Lappen zusammensetzt, z.€B. 4 der kutane oder Hautlappen, 4 der fasziokutane Lappen mit zusätzlichen Faszienanteilen, 4 der myokutane Lappen mit Muskelkomponente, der mit Hautinsel oder als reiner Muskellappen transplantiert werden kann, 4 der osteokutane oder osteomyokutane Lappen, der zusätzlich ein Knochentransplantat enthält oder ein freies Transplantat mit Omentum oder Darmanteilen. 12.3
12
b
Entfernung des Lappens zum Defekt
Die Einteilung nach der Entfernung zum deckenden Defekt unterscheidet: 4 den lokalen Lappen, der mit dem Defekt mindestens eine Seite teilt, 4 den regionalen Lappen, der in der Nähe liegt, aber nicht unmittelbar an den Defekt angrenzt, 4 den Fernlappen, der in wesentlicher Distanz zum Defekt liegt und 4 den freien Lappen, der mit seinem Gefäßanschluss flexibel Â�mikrochirurgisch verpflanzt werden kann. 12.4
a
. Abb. 12.1a, b╇ Prinzip der Dehnungslappenplastik mit Burow-Dreieck
Methode der Gewebeübertragung
Verschiedene Möglichkeiten der Gewebetransposition stehen hier zur Verfügung: Ein lokaler Hautlappen kann durch einfache Verschiebung oder Dehnung zur Deckung eines begrenzten Defektes herangezogen werden. Zu beachten sind hierbei die vorhandene Hautverschieblichkeit sowie die maximale mögliche Hautspannung, um die Hautdurchblutung nicht zu gefährden, wobei im Bereich der Lappenbasis ggf. durch seitliche sog. dreieckförmige ExzisioÂ�nen€nach Burow eine Spannungsentlastung erreicht werden kann (. Abb. 12.1). Mit dem sog. VY-Dehnungslappen wird ein dreieckig ausgeschnittener Lappen in Form eines Ypsilons verschlossen (. Abb. 12.2). Dieser Lappen wird gern im Nasen- und Lippenbereich und bei Defekten der Fingerkuppen angewendet. Eine weitere Möglichkeit ist die Deckung durch Transposition einer Hautplastik. Ein möglichst rechteckiger Lappen wird in einen idealerweise dreieckigen Defekt eingeschwenkt. Das Längen-Breiten-Verhältnis sollte nicht mehr als 2–3:1 betragen. Der Drehpunkt entspricht nicht der Basis des Defektdreiecks, sondern dem entferntesten Punkt der Lappenbasis. Somit muss der Lappen bis zu 30% größer geplant werden (. Abb. 12.3). Der von Esser 1918 beschriebene zweizipflige Lappen, besser bekannt als »bilobed flap«, stellt eine doppelte Transposition mit
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. Abb. 12.2a–f╇ Prinzip der VY-Dehnungslappenplastik
Rotationsbewegung dar. Er eignet sich besonders zur Deckung von Defekten im Gesichtsbereich, in denen die Haut wenig elastisch ist, beispielsweise im Bereich der Nase (. Abb. 12.3). Werden die Prinzipien der Verschiebung und Transposition im Hautniveau miteinander kombiniert, spricht man von Verschiebeschwenklappen. Der Defekt wird hierbei in runder oder ovalärer Form ausgeschnitten. Der angrenzend umschnittene Lappen wird eingeschwenkt und die den Defekt umgebende Haut verschoben. Davon abzugrenzen ist der sog. Rotationslappen, der halbkreisförmig in verhältnismäßig großer Entfernung vom Defekt geschnitten und in den Defekt hineinrotiert wird. Um hier an der äußeren Lappenbasis einen Primärverschluss zu erreichen, kann ebenfalls ein Burow-Dreieck ausgeschnitten werden (»advancement rotation flap«) oder ein kleine querverlaufende Inzision als sog. »back cut«, um eine höhere Lappenmobilität auf Kosten einer etwas erhöhten Spannung zu erreichen (. Abb. 12.4). Eine Kombination aus Rotations- und Transpositionsbewegung stellen sowohl der Limberg- als auch der Dufourmentel-Lappen dar. Der Limberg-Lappen wird als Raute mit gleich langen Seitenlängen und spitzen Winkeln von 60° und stumpfen Winkeln von 120° geplant und in Fortführung der Diagonalen des zu deckenden
89
12.4 · Methode der Gewebeübertragung
b
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. Abb. 12.3a–e╇ Transpositionslappenplastik mit Drehpunkt und zu deÂ�ckenÂ� dem Defekt (Prinzip: a–e). Klinisch (f–h) hier als »bilobed« Lappen an der Nasenspitze (Prinzip: b). Jeweils 1 Lappen deckt als Transpositionslappen
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b
. Abb. 12.4a–d╇ Prinzip der Rotationslappenplastik
einen direkt daneben befindlichen Defekt. Beim Transpositionslappen sollte der Winkel 75°, ebenfalls in Bereichen mit elastischer, gut verschieblicher Haut (. Abb. 12.6). Im Gesichtsbereich ist beispielsweise auch die Kombination eines Rotationslappens mit einer asymmetrischen Z-Plastik (WangenHals-Rotationslappen nach Schrudde mit zusätzlichem retroaurikulärem Winkellappen) beschrieben. Weitere Methoden der Gewebeübertragung sind Fernlappenplastiken wie der Rolllappen, der WanÂ� derlappen, der Cross-leg-, Cross-finger- oder Thenarlappen oder das freie mikrovaskuläre Gewebetransplantat (. Abb. 12.7, 12.8). Der Visier- oder Brückenlappen wird auch als bipedikuläre Translationslappenplastik bezeichnet (. Abb. 12.9). Hier ist bei größeren Defekten eine Deckung des Hebedefektes durch ein Spalthauttransplantat erforderlich. Wichtig ist die Planung einer ausreichend breiten Basis im Verhältnis 1:2 zur Länge des Defektes, um die lokale Durchblutung durch die parallele Schnittführung nicht einzuschränken. Die klassische Z-Plastik wird auch als Austauschplastik bezeichnet und ermöglicht eine Gewebeverschiebung in die Längsachse auf Kosten der Querachse. Den optimalen Längengewinn€erhält man bei Wahl der entsprechenden Winkel von 60° (. Abb. 12.10). Diese Technik eignet sich zur Prävention und Behandlung von Narbenkontrakturen und wird in nachfolgenden Kapiteln ausführlicher behandelt.
91
12.5 · Einteilung nach der Art der Blutversorgung
a
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. Abb. 12.10a–d╇ Prinzip der Z-Plastik (a,€b). Variationen: Multiple Z-Plastik (c,€d), Schmetterlingsplastik (e,€f), 4-Lappen-Z-Plastik (g,€h)
12.5
Einteilung nach der Art der Blutversorgung
Nach den anatomischen Gegebenheiten der jeweiligen Gewebestrukturen lassen sich die Lappen auch hinsichtlich ihrer Blutversorgung einteilen. Zugrundeliegend ist hier ist das Prinzip des »Angiosoms«, das 1987 von Taylor und Palmer eingeführt wurde. Ein Angiosom beschreibt einen dreidimensionalen Gewebeblock, der von
einem anatomisch definierten Gefäß versorgt wird. Ein Lappen kann sich aus mehreren Angiosomen zusammensetzten. Für die Blutversorgung von Hautlappen hat sich die folgende Einteilung nach McGregor etabliert: Bei den kutanen Lappen unterscheidet man den Lappen mit der Zufallsversorgung, den sog. Random-pattern-Lappen, der über MusÂ�kelarterien versorgt wird, die die subkutane Faszie durchÂ�brechen und sich bis in die Dermis verteilen (. Abb. 12.11b). Zu beachten ist
12
92
Kapitel 12 · Lappenplastiken
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12
. Abb. 12.11a–f╇ Prinzip der Gefäßversorgung der Haut, wobei PerforatoÂ� ren, die transmuskulär oder septokutan in den subdermalen Plexus einmünden, den subdermalen Plexus speisen (a). Aus dieser Anatomie leiten sich die Perforatorlappen ab. Random-pattern-Lappen (b), Axial-pattern-
Lappen (c), fasziokutane gestielte Lappen mit septokutanem Gefäßstiel (d), myokutane Lappen mit gefäßtragendem Muskelstiel (e) und nach spezieller Dissektion transmuskuläre Perforatoren (f). Alle axialen Lappen können sowohl gestielt als auch frei transplantiert werden, ggf. in Kombination
93
12.6 · Techniken der Lappenpräparation
hier, dass das Verhältnis Lappenbasis zu Lappenlänge maximal 1:2,5–3 (außer im Gesicht bis 1:5) betragen sollte, um Minderdurchblutungen zu vermeiden. Der axiale Lappen (. Abb. 12.11c) wird dagegen über eine definierte Gefäßachse versorgt: Hier entspringen interstitielle Äste aus einer axialen Hauptarterie und verlaufen senkrecht, bis sie in den epifaszialen und subkutanen Plexus einmünden und hier untereinander anastomosieren (z.€B. der Leistenlappen durch die A.€circumflexa iliaca superficialis). Als Spezialfall gilt noch der distal gestielte Lappen mit der umgekehrten Flussrichtung, bei dem sich sowohl arterieller als auch venöser Fluss zur Versorgung des proximalen Hautabschnittes umkehren; man spricht von einer retrograden Perfusion (z.€B. A.-radialis-Umkehrlappen oder A.-suralis-Lappen). Bei fasziokutanen Lappen ziehen von der Basis her über ein Faszienseptum kommende Perforatoren in einen auf Höhe der Â�Faszie befindlichen epifaszialen Gefäßplexus, von dem aus Äste die Subkutis und Kutis versorgen. Die Klassifikation der fasziokutanen Lappen nach Cormack und Lamberty (1984) basiert auf ihrem Verständnis der vaskulären Versorgung des epifaszialen Gefäßplexus. Nach ihrer Einteilung wird bei der Versorgung des Hautmantels unterschieden zwischen zahlreichen, in den epifaszialen Gefäßplexus ziehenden Gefäße ohne spezifischen Ursprung (Typ€A), einen einzigen, gewöhnlich direkt verlaufenden, fasziokutanen Perforator (Typ€B) oder mehreren kleiÂ� neren segmentalen Perforatoren, die aus demselben subfaszialen Ursprungsgefäß entspringen (Typ€C). Eine weitere Klassifikation des fasziokutanen Lappens nach Nahai und Mathes beschreibt die Versorgung des LappenhautÂ� areals€ entweder durch einen einzigen direkten kutanen PerfoÂ� rator€(was dem Begriff des axialen Hautlappens entspricht; Typ€A), durch einen septokutanen Perforator (Typ€B), der in dem Zwischenkompartment oder intermuskulär entlang zieht, oder durch einen oder mehrere indirekte muskulokutane Perforatoren (Typ€C). Noch dezidierter erscheint die Einteilung nach Nakajima, der insgesamt 6€verschiedene Muster der Perforatoren aus der tiefen Faszie zur Versorgung von Hautlappen unterscheidet: 4 einen direkten kutanen Perforator (A), 4 einen direkten septokutanen Perforator (B), 4 einen direkten kutanen Ast eines Muskelgefäßes (C), 4 einen den Muskel perforierenden kutanen Ast eines Muskelgefäßes (D), 4 einen septokutanen Perforator (E) und 4 einen muskulokutanen Perforator (F). Eine vereinfachte Einteilung unterscheidet zwischen direkten und indirekten Perforatorlappen, wobei hier entweder eine direkte Ge-
fäßversorgung des fasziokutanen Lappens vorliegt oder nach Versorgung der epifaszialen Plexusschicht durch einen hieraus hervorgehenden Perforator. Nach Wei ist ein Perforatorlappen dadurch definiert, dass die von einem definierten Gefäß abstammenden Perforatoren zunächst den Muskel und die tiefe Faszie durchdringen müssen, um ein Hautareal zu versorgen (. Abb. 12.12).
Definition.╇ In einer Konsensuskonferenz 2002 in Ghent wurden die
Definitionskriterien festgelegt (Blondeel 2003):
4 Ein Perforatorlappen besteht aus Haut und subkutanem Gewebe, die durch isolierte Perforansgefäße (Perforatoren) ernährt werden, die von ihrem Ursprungsgefäß ausgehen und durch tiefergelegene Gewebe (meist Muskeln) hindurchtreten.
. Abb. 12.12╇ Prinzip der Perforatorlappen aufgrund der definierten Gefäßpedikel
4 Ein muskulärer oder muskulokutaner Perforator ist ein Gefäß,
das durch Muskeln hindurchtritt und die tiefe Faszie durchbricht, um die darüberliegende Haut zu versorgen. 4 Ein septaler oder septokutaner Perforator tritt nur durch das Septum, bevor es die tiefe Faszie durchbricht, um die darüberliegende Haut zu versorgen; man spricht von einem septalen oder septokutanen Perforatorlappen. 4 Ein Hautlappen, der durch einen Muskelperforator versorgt wird, heißt Perforatorlappen oder muskulokutaner Perforatorlappen. Für die Einteilung der Muskellappen wurde in Anlehnung an die Einteilung nach Taylor nach Art der Innervation eines Muskels durch einen oder mehrere motorische Nerven folgende KlassifikaÂ� tion basierend auf der Gefäßanatomie des Muskels von Mathes und Nahai vorgeschlagen (. Tab. 12.1, . Abb. 12.13). 12.6
Techniken der Lappenpräparation
Bei der Planung einer Lappenplastik müssen verschiedene Punkte in ihrer Gesamtheit betrachtet und erwogen werden. Zunächst sind Größe, Lokalisation und Gewebetiefe des zu deckenden Defektes zu bestimmen. Die rekonstruktive Leiter (. Abb. 14.2) reicht vom Primärverschluss, der lokalen Lappenplastik, der regionalen Lappenplastik, der Fernlappenplastik, dem freien nichtvaskularisierten Hauttransplantat bis hin zur mikrovaskulär anastomosierten Lappentransplantation, bei Bedarf sogar unter Anlage einer mikrovaskulären AV-Gefäßschleife zum Anschluss der Lappenplastik an Â�weiter entfernte Empfängergefäße. Die Deckung kann über ein einzeitiges, zweizeitiges oder mehrzeitiges Verfahren erfolgen. In die Entscheidungsfindung müssen außerdem einfließen 4 Alter und Allgemeinzustand des Patienten, 4 vorliegende Begleiterkrankungen und Voroperationen mit den daraus resultierenden Narben und Defekten, 4 stattgefundene Chemo- oder Radiotherapien sowie 4 die Operabilität des Patienten.
12
94
Kapitel 12 · Lappenplastiken
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. Abb. 12.13a–e╇ Klassifikation des Muskellappens nach Mathes und Nahai (Erklärung . Tab. 12.1)
12
Bei Planung einer freien Lappenplastik sollte unbedingt der lokale Gefäßstatus durch die sorgfältige klinische Untersuchung, Dopplersonographie und eine Angiographie abgeklärt sowie eine LaborÂ� untersuchung der Gerinnung (Quick, PTT und Antithrombin€III) durchgeführt werden. In die Vorbereitungsphase fallen des Weiteren eventuelle abführende Maßnahmen, z.€B. bei geplanter Rekonstruktion der Bauchwand oder Verwendung einer BauchwandlappenÂ� plastik als Spenderareal. Bei länger geplanten sekundären RekonsÂ� truktionen sollte auch die Möglichkeit einer Eigenblutspende erwogen werden, falls ein entsprechender Blutverlust zu erwarten ist und keine Kontraindikationen bestehen. > Ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit dem Patienten sowie eine Planungszeichnung im Bereich der Donor-/ Empfängerseite sind obligat.
Die Durchführung der Lappenentnahme beginnt mit einer sorgfältigen Lagerung des Patienten, wobei nach Möglichkeit Empfängerund Spenderseite frei zugänglich sein sollten. Nach Reevaluation und Débridement der Empfängerseite erfolgen nochmals eine genaue Abmessung des Defektdurchmessers sowie die Verifikation der Maße der vorgeplanten Lappenplastik (z.€B. die erforderliche Größe der Hautspindel bei einer freien, myokutanen Lappenplastik). Bei einer gestielten oder freien mikrovaskulär anastomosierten Lappenplastik beginnt die Präparation i.€Allg. fern des Lappenstiels. Wird ein zusammengesetzter Lappen präpariert, z.€B. ein fasziokutaner Lappen oder ein myofasziokutaner Lappen, sollte die Faszie mit ihrem Gefäßplexus durch Einzelknopfnähte an die Dermis und/ oder den Muskel fixiert werden, um Scherkräfte zu vermeiden und die Integrität des Gefäßplexus zu schonen. Die Freilegung des Ge-
fäßstiels erfolgt unter Lupenvergrößerung durch sorgfältige PräÂ� paration unter subtiler Blutstillung, wobei hier möglichst nur GeÂ�fäß-Clips oder ein bipolarer, kein monopolarer Kauter verwendet werden sollten, um einen Stromfluss über den Lappenstiel zu vermeiden. 12.7
Lappenpräformation: Prälamination und Präfabrikation
Prälamination einer Lappenplastik beinhaltet die Einführung zusätzlichen Gewebes in das zu verpflanzende Transplantat, z.€B. das Einbringen von Knorpel, Mukosa oder Haut in einen mikrovaskulär anastomosierten myokutanen Lappen. Bei der Präfabrikation wird ein neuer Gefäßstiel in den zu transplantierenden Lappen eingebracht, z.€B. ein AV-Loop oder ein Gefäßstiel, sodass die Lappenplastik nach einer Phase der Neovaskularisation der hinzugefügten Gefäße mit diesen als Hauptversorgung transplantiert werden kann. Beide Techniken ermöglichen die Formung von individuellen, aus mehreren Geweben bestehenden Lappen, die v.€a. für komplexe Rekonstruktionen im Bereich des Gesichtes, der Nase oder Ohren genutzt werden können.
12.8
Lappenkonditionierung oder »Delay«
Unter Lappenkonditionierung versteht man ein mehrzeitiges Vorgehen bei der Lappentransposition, d.€h. der Lappen wird zunächst umschnitten und abgehoben, aber erst in einem 2.€Schritt, etwa
. Tab. 12.1╇ Klassifikation des Muskellappens nach Mathes und Nahai
Typ
Kennzeichen
Beispiele
I
1 dominanter Gefäßstiel
.€Abb. 12.13a
Gastrocnemius, Tensor-fasciae-latae-Lappen
II
Dominanter Stiel mit nichtdominanten Gefäßen
.€Abb. 12.13b
Trapezius, Gracilis
III
2 dominante Gefäßstiele
.€Abb. 12.13c
Serratus anterior, Glutaeus maximus
IV
Segmentarterien
.€Abb. 12.13d
Tibialis anterior, Sartorius
V
Dominanter Stiel mit Segmentarterien
.€Abb. 12.13e
M. obliquus internus, Latissimus dorsi
12.8 · Lappenkonditionierung oder »Delay«
8–10€Tage später, in den Defekt eingebracht. Man spricht hier von einem vorgeschnittenen Lappen (engl. »delay«). Vorteil hier ist, dass sich so die Perfusion des Lappens oft verbessern und Nekrosen, v.€a. im distalen Bereich, vermindern lassen, weil die Transposition erst erfolgt, wenn sich der Lappen an die nach der Hebung geänderte Durchblutungssituation adaptiert hat, bevor das Trauma der Transposition folgt. Dieses Verfahren ist auch intraoperativ als Rettungsmaßnahme möglich, wenn sich eine insuffiziente Durchblutung zeigt und der Lappen in die Entnahmestelle bis zur verzögerten Verlagerung zurückgelegt wird.
Literatur Blondeel PN, Van Landuyt KHI, Monstrey SJM, Hamdi M, Matton GE, Allen RJ, Dupin C, Feller A-M, Koshima I, Kostakoglu N, Wei F-C (2003 The »Gent« consensus on perforator flap terminology: Preliminary definitions. Plast Reconstr Surg 112: 1378–1382 Esser JFS (1918) Gestielte lokale Nasenplastik mit zweizipfligem Lappen, Deckung des sekundären Defektes vom ersten Zipfel durch den zweiten. Dtsch Z Chir 143: 385 Geddes CR, Morris SF, Nelligan PC (2003) Perforator flaps: evolution, classification, and applications. Ann Plast Surg 50, 1: 90–99 Green DP, Pederson WC, Hotchkiss RN, Wolfe SW (eds) (2005) Green’s operative hand surgery, 5th edn. Elsevier Churchill Livingstone, USA Hallock GG (2003) Direct and indirect perforator flaps: The history and controversity. Plast Reconstr Surg 2003; 111: 855–865 Krupp S, Rennekampff HO, Pallua N (1999) Plastische Chirurgie. Klinik und Praxis Loseblattwerk in 3 Ordnern (12/1999). Ecomed, Landshut Masquelet AC, Gilbert A (1998) Atlas der Lappenplastiken in der Chirurgie der Extremitäten 1998. Enke, Stuttgart Tan BK, Chen HC, He TM, Song IC (2004) Flap prefabrication – The bridge between conventional flaps and tissue-engineered flaps. Ann Acad Med Singapore 33: 662–666 Taylor GI, Palmer JH (1987) The vascular territories (angiosomes) of the body: Experimental study and clinical applications. Br J Plast Surg 40: 113–141
95
12
13
Lappenplastiken am Skalp B. Weyand
13.1
Anatomieâ•… – 98
13.2
Rekonstruktionstechnikenâ•… – 99
13.2.1 13.2.2 13.2.3 13.2.4
Indikation und Anwendungsgebieteâ•… – 99 Operationstechnikâ•… – 99 Postoperatives Managementâ•… – 101 Postoperative Komplikationenâ•… – 101
13.3
Spezielle Technikenâ•… – 101
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
98
Kapitel 13 · Lappenplastiken am Skalp
13.1
Anatomie
Definition. Als Skalp wird die behaarte Kopfhaut bezeichnet, deren
Hautdicke mit 3–8€mm die dickste des ganzen Körpers ist. Der Skalp setzt sich aus mehreren Schichten zusammen: 4 Haut (Epidermis und Kutis), 4 Subkutangewebe, 4 Galea aponeurotica, 4 lockeres Bindegewebe, und 4 das darunter liegende Perikranium und 4 angrenzendes Kranium, bestehend aus Tabula externa und Ta bula interna, die wiederum nach innen mit den Hirnhäuten (Dura mater, Arachnoidea mater, Pia mater) das Gehirn bedeckt (.€Abb.€13.1).
Die Galea aponeurotica stellt eine fibröse Verbindung zwischen dem M.€frontalis und M.€occipitalis dar und ist damit verantwortlich für die fehlende Elastizität des Skalps. In der Parietalregion gleiten die temporoparietale Faszie und die tiefe Temporalfaszie übereinander und erlauben so eine etwas größere Mobilität der behaarten Kopf haut. Die Gefäßversorgung erfolgt über die jeweils paarig angelegte A.€supratrochlearis und A.€supraorbitalis von frontal, die A.€tempo ralis superficialis und A.€auricularis posterior von temporoparietal und die A.€occipitalis von okzipital. Der Skalp ist prinzipiell an nur einem Gefäßstiel überlebensfähig (.€Abb.€13.2). Die nervale Versorgung erfolgt über Äste des Trigemi nus und aus der Wurzel C3: N.€supratrochlearis (V1), N.€supraorbi talis (V1), N.€cygomaticotemporalis (V2), N.€auriculotemporalis (V3), N.€occipitalis minor (V3), N.€occipitalis (C3).
13
. Abb. 13.1╇ Querschnitt durch die Schichten des Skalps und Kraniums im Übergang Zygomaticum und Fossa temporalis
. Abb. 13.2╇ Gefäß- und nervale Versorgung des Skalps
99
13.2 · Rekonstruktionstechniken
13.2
Rekonstruktionstechniken
13.2.1 Indikation und Anwendungsgebiete Größere Skalpdefekte auf dem Boden eines akuten Traumas, auf grund einer Tumorentfernung, einer Bestrahlungsnekrose oder bei traumatisch bedingter Alopezie erfordern eine chirurgische Rekons truktion mit Hilfe von Lappenplastiken.
13.2.2 Operationstechnik Wesentlich bei der Operationsplanung von Skalpdefekten sind Â� Größe und Lage des Defektes sowie Allgemeinzustand und Komor biÂ�ditäten des Patienten. Die Haarliniengrenzen sollten durch die Â� Lappenplastik nicht verzogen werden, was eine sorgfältige Planung Â� erfordert. Einen Tag präoperativ sollten die Haare mit einem medi zinischen Shampoo gewaschen werden, eine Rasur muss nur in Aus nahmefällen erfolgen.
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g . Abb. 13.3a–g╇ Verschluss von Skalpdefekten: a€Primärverschluss, b€Primärverschluss mit M-Plastik, c,€d€ein- und beidseitige Vorschublappen, e€A-zu-T-Verschluss, f€O-zu-Z-Verschluss, g€Rhomboid-Lappen
13
100
Kapitel 13 · Lappenplastiken am Skalp
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13
. Abb. 13.4a–f╇ Rotationslappen beim lateralen Skalpdefekt
Während lokale Lappenplastiken auch in Lokalanästhesie oder Sedierung durchgeführt werden können, erfordern freie Lappenpla stiken immer eine Allgemeinnarkose, jedoch empfiehlt sich auch hier eine lokale Unterspritzung mit Lokalanästhetikum und Adrena lin zur besseren Kontrolle von Blutungen. > Grundsätzlich ist bei allen Techniken die Einlage von einer oder mehreren Drainagen zur Vermeidung eines Hämatoms empfehlenswert. .€Abb.€13.3 zeigt die verschiedenen Operationstechniken im Detail.
Rotationslappen, Rotationsdehnungslappen, VY-DehnungslapÂ� pen.Â�╇ Kleinere Skalpdefekte von 2–5€cm² können über Rotationsdeh
nungslappen oder VY-Verschiebelappenplastiken geschlossen wer den. Große Defekte können über einen Rotationslappen verschlossen werden, wobei die Länge der Inzision etwa 4–6× der Größe des zu deckenden Defektes entsprechen muss. Diese Technik empfiehlt sich z.€B. von unilateral zur Deckung von Defekten nahe der Haaransatz
linie, um diese nicht zu verziehen, sowie um Narben im sichtbaren, nicht haartragenden Hautbereich zu vermeiden (.€Abb.€13.4). Windradlappen (4-Flügel-Lappen). Der sog. Windradlappen (be schrieben von Orticochea) setzt sich im Prinzip aus 4€entgegen gesetzten Rotationsdehnungslappen zusammen und eignet sich zur Deckung von Defekten besonders im Okkzipitalbereich, wenn län gere Inzisionslinien vermieden werden sollen. Bananenschalenlappen (»banana peel flap«).╇ Bei dieser ebenfalls
von Orticochea beschriebenen, jedoch weniger häufig eingesetzten Technik wird der Skalp in mehrere Lappen »wie eine Banane ge schält«, die dann mobilisiert und gegeneinander verschoben werden, um eine Deckung des Defektes, der sich möglichst okzipitoparietal befinden sollte, zu erreichen (.€Abb.€13.5). Orticochea-Lappen. Ausgeprägte große Defekte (>25€cm²) können
über die Technik nach Orticochea verschlossen werden. Hierbei
101
13.3 · Spezielle Techniken
werden 2€Lappen gestielt an der A.€temporalis superficialis sowie ein großer Rotationslappen mit Basis zum M.€occipitalis angehoben und zur Defektdeckung gegenseitig angenähert. Freie Lappenplastiken. Rekonstruktionsmöglichkeiten zur De
ckung ausgeprägter Skalpdefekte sind z.€B. die Deckung mit einem freien M.-latissimus-dorsi-Lappen in Kombination mit einem freien Spalthauttransplantat oder mit einem freien fasziokutanen Paraska pularlappen. 13.2.3 Postoperatives Management Der initiale Verband kann mit Sprühklebepflaster und/oder einem Kopfverband erfolgen, der ab dem 2.–5. postoperativen Tag in der Re gel weggelassen werden kann. Die eingelegten Drainagen sollten zeit nah entfernt werden. Auch das Nahtmaterial kann in der Regel um den 10.€postoperativen Tag entfernt werden. Bei freien Lappenplastiken ist selbstverständlich ein engmaschiges Monitoring der Lappenperfusion in den ersten 48€h erforderlich. Zur entlastenden Lagerung ist mitunter die Montage eines Halo-Fixateur-Rings sinnvoll, mit dem auch die Pflege und Luftexposition dorsaler DefektÂ�areale erleichtert werden.
a
13.2.4 Postoperative Komplikationen Aufgrund der guten lokalen Durchblutungssituation am Skalp sind Wundheilungsstörungen und Infektionen eher seltener. Postopera tive Hämatome sollten drainiert oder ausgeräumt werden. Bei De ckung von Defekten des Kraniums mit freiliegender Dura, die in der Regel durch freie Muskellappenplastiken erfolgen, sollte eine anti biotische Abdeckung und eine engmaschige Kontrolle des Patienten auf Zeichen von Meningitis, Enzephalitis und Hirndrucksteigerung durchgeführt werden.
b
13.3
Spezielle Techniken
Spalthauttransplantat. Bei ausgedehnten Defekten und/oder z.€B.
Verbrennungstraumata im Bereich des Skalps kann auch eine De ckung mit Spalthauttransplantaten erfolgen, die bei intaktem Peri kranium direkt hierauf aufgebracht werden können. Bei Verlust des Perikraniums kann eine Spalthauttransplantation auch nach Auf bohrung des Kraniums und Abtragung der Tabula externa direkt auf die Knochenspongiosa erfolgen. Hautexpander. Eine weitere Möglichkeit der Deckung von größe
ren Skalpdefekten ist ein zweizeitiges Vorgehen mit dem Einbringen von Expandern unter die behaarte Kopfhaut, wodurch größere Alo pezieareale elegant verschlossen werden können. Da mit dem Ein bringen eines Fremdkörpers immer ein erhöhtes Infektionsrisiko verbunden ist, empfehlen sich hier die präoperative Kopfrasur und eine Antibiotikaprophylaxe über 3–5€Tage perioperativ. c . Abb. 13.5a–c╇ Bananenschalenlappen (»banana peel flap«) beim Skalpdefekt
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13
14
Rekonstruktion von Defekten der Stirn und der Schädelbasis A. Gohritz, P.M. Vogt
14.1
Stirnâ•… – 104
14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.1.4 14.1.5 14.1.6 14.1.7 14.1.8
Anatomische Grundlagenâ•… – 104 Indikationenâ•… – 104 Klassifikationâ•… – 104 Präoperative Planungâ•… – 104 Therapiezieleâ•… – 104 Chirurgische Technikâ•… – 105 Rekonstruktion knöcherner Defekteâ•… – 107 Komplikationenâ•… – 109
14.2
Schädelbasisâ•… – 110
14.2.1 14.2.2
Therapiezieleâ•… – 111 Chirurgische Technikâ•… – 111
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
104
Kapitel 14 · Rekonstruktion von Defekten der Stirn und der Schädelbasis
14.1
Stirn
14.1.1 Anatomische Grundlagen Die Stirnregion wird nach kranial von der vorderen Skalpregion, seitlich durch die Schläfen und kaudal durch die Augenbrauen und die Glabella begrenzt (.€Abb.€14.1). Sie ist von einem dünnen Hautmantel bedeckt, der aus dünner Haut und Subkutanschicht und dem M.€frontalis besteht, der von einer dünnen supramuskulären Faszie bedeckt ist. Unter dem M.€frontalis findet sich eine unelastische adhärente Schicht, durch die die Verschieblichkeit der darüberliegenden Gewebelagen limitiert ist.
Gefäßversorgung Die rechte und linke A.€supratrochlearis und supraorbitalis entstammen der A.€carotis interna und versorgen den zentralen Sirnbereich, die seitlichen Bereiche werden von Ästen der A.€temporalis superficialis versorgt, die mit der A.€carotis interna anastomisiert.
Nervale Versorgung Der Ramus frontalis des N.€facialis versorgt den M.€frontalis, in seinem Verlauf ist er über dem Arcus zygomaticus nur von einer dünnen Weichteilschicht bedeckt und kann hier besonders leicht verletzt€werden. Der Ramus temporalis des N.€facialis innerviert den M.€frontalis an seiner Unterseite, seine Läsion, z.€B. bei Tumorexzisionen an der Schläfe, kann zum Herabhängen des Augenlides führen. Die sensible Versorgung der Stirn wird aus den Nn.€suprtrochleares und supraorbitales geleistet, die von gleichnamigen Arterien begleitet werden. Bei tiefen Inzisionen oder Schnittverletzungen in den M.€frontalis können sie verletzt werden und eine vorübergehende oder permanente Gefühlsstörung in ihrem Versorgungsbereich verursachen.
14
14.1.2 Indikationen Die Indikation zu wiederherstellenden Eingriffen bestehen meist nach Trauma oder der Entfernung benigner oder maligner Hauttumoren. 14.1.3 Klassifikation Die Stirn unterteilt sich in 4 den zentralen Bereich, aus einer mittigen, paramedianen und lateralen Untereinheit, 4 die Supraorbitalregion (rechte und linke) und Glabella (zentral) sowie 4 die Temporal- oder Schläfenregion (.€Abb.€14.1). 14.1.4 Präoperative Planung An der Stirn spielen Farbe und Textur der Haut und entstehende Narben eine besonders wichtige Rolle, weil es sich um eine relativ flache Oberfläche mit wenig Licht- und Schattengebung handelt. Konturunregelmäßigkeiten, wie z.€B. Stufenbildungen bei Narben, fallen hier besonders auf, v.€a. bei tangentialem Lichteinfall von der Decke oder der Wand.
. Abb. 14.1╇ Anatomische Zonen der Stirnregion
> Lappenplastiken an der Stirn sollten die gleiche Hautdicke wie die Defektumgebung haben, um einen auffälligen »Nadelkisseneffekt« (»pin cushioning«) zu vermeiden.
Die Hautlaxizität kann durch den Kneiftest (»pinching«) in horizontaler oder vertikaler Richtung geprüft werden. Die Wundrandmobilisierung geschieht meist durch Unterminierung in der mittleren Subkutanebene unterhalb des dermalen Gefäßplexus oder unterhalb der oberflächlichen Muskelfaszie. Die Laxizität der Stirnhaut beeinflusst ihre Mobilität, sie hängt v.€a. von der Sonnenexposition und vom Alter des Patienten ab und ist bei älteren Patienten meist stärker ausgeprägt, sodass Lappenplastiken leichter ausgeführt werden können. Die Hautdicke und Talgdrüsenkonzentration nimmt vom Haaransatz zu den Augenbrauen hin zu. > Der horizontale Wundverschluss empfiehlt sich in den la teralen und paramedianen Anteilen der Stirn, weil hier die Narben unauffällig in die queren »relaxed skin tension lines« (RSTL) oder in die Stirnfalten gelegt werden können. In der Mitte der Stirn sollte wegen der medianen Raphe der Galea eine vertikale Narbe angelegt werden.
14.1.5 Therapieziele
Die wichtigsten Ziele der Wiederherstellung im Stirnbereich 4 Wiederherstellung der ästhetischen Einheiten von Stirn und Schläfe und ihrer Symmetrie 4 Erhalt der motorischen Funktion des R.€frontalis des N.€facialis – ein Ausfall kann zum Mimikverlust im oberen Gesichtsbereich und zur Ptosis des Auges führen 4 Erhalt der sensiblen Nerven (N.€supratrochlearis und N.€supraorbitalis), um die Gefühlsempfindung an der Stirn zu erhalten 4 Berücksichtigung der Symmetrie der Augenbrauen und der Haaransatzlinie 4 Möglichst unauffällige Platzierung entstehender Narben im Verlauf der »relaxed skin tension lines« oder nahe der Haaransatzlinie oder Augenbraue 4 Lappenplastiken sollten daher die gleiche Hautdicke wie die Defektumgebung haben, um einen »Nadelkisseneffekt« (»pin cushioning«) zu vermeiden
105
14.1 · Stirn
14.1.6 Chirurgische Technik Gemäß der rekonstruktiven Leiter lassen sich Defekte im Bereich der Stirn mit aufsteigendem Schwierigkeitsgrad verschließen (.€Abb. 14.2).
Sekundäre Wundheilung/Granulation Die kontrollierte Sekundärheilung ist die einfachste Methode zum Wundverschluss, sie ist in Arealen mit wenig mobiler Haut und mit stabiler knöcherner Unterlage mit guten Ergebnissen möglich, z.€B. im oberen zentralen und im seitlichen Stirnbereich und an der Schläfe. > Voraussetzung für die kontrollierte Granulation ist ein gut durchblutetes Wundbett. Bei freiliegendem Knochen bie tet das Periost einen geeigneten Granulationsboden. Bei blankem Schädelknochen ist jedoch ein Anbohren der Kortikalis erforderlich, damit auf der Diploe eine Granula tion stattfinden kann.
Die allmähliche Auffüllung des Defekts mit Granulationsgewebe wird durch regelmäßige Verbandswechsel mit kochsalz- oder alko holgetränkten Kompressen unterstützt. Eine Epithelialisation ist spontan von den Wundrändern aus möglich oder kann durch sekun däre Spalthauttransplantation beschleunigt werden. Ein weiterer Vorteil der Methode besteht in der Defektverkleinerung durch kon zentrische Wundkontraktion.
Primärverschluss Kleine Defekte, z.€B. nach Tumorexzisionen, lassen sich oft durch Un terminierung der Stirnhaut und des darunterliegenden und anhaf tenden M.€frontalis in vertikaler oder horizontaler Richtung primär verschließen. Die Zugrichtung beim Wundverschluss richtet sich nach der Orientierung des Defekts und der Stirnfalten des PaÂ�tienten, in denen die Narbe meist relativ unauffällig verborgen werden kann. Bei größeren Defekten kann die Annäherung der Wundräder durch eine vorsichtige vertikale Einritzung an der Unterseite der unterminierten Wundränder erleichtert werden. Vertikal verlaufen de sind meist weniger sichtbar als paramediane Narben. Selbst große zentrale Wunden an der Stirn lassen sich durch fusiforme Schnittführung und ausgiebige Unterminierung in der Subfrontalisebene vertikal oft primär und ohne Risiko einer Gefäßoder Nervenverletzung verschließen. Hierbei entstehende Hautauf werfungen lassen sich als Burow-Dreieck oder mittels W-Plastik in der Glabellaregion exzidieren. ! Cave Bei starker horizontaler Spannung kann sich die Position der Augenbrauen verändern, worauf der Patient vorher hingewiesen werden muss, weil z.€B. eine mediale Ver ziehung der Augenbraue zu einem besorgten Aussehen führen kann.
Eine unbeabsichtigte Brauenanhebung ist bei älteren Patienten eher akzeptabel als bei jüngeren. Der Effekt lässt oft bereits nach einigen Monaten wieder nach.
Hauttransplantate Hauttransplantate können angewandt werden, wenn kein Primär verschluss möglich ist oder eine Lappendeckung nicht ohne Verzie hung durchgeführt werden kann. Sie eignen sich auch zur temporä ren Bedeckung vor einer geplanten Gewebeexpansion. Vollhauttransplantate mit günstiger Hauttextur und -farbe fin den sich in der Hals- oder Supraklavikularregion. Spalthauttransplantationen führen eher selten zu optimalen ästhe tischen Ergebnissen, Ausnahme sind z.€B. ältere Patienten mit dünner
. Abb. 14.2╇ Rekonstruktive Leiter der Defektdeckung
und blasser Haut. Eine Spalthauttransplantation ist jedoch indiziert bei Patienten, bei denen ein hohes Rezidivrisiko eines Hauttumors besteht oder eine Beobachtung der Exzisionsstelle geboten ist.
Lokale Lappenplastiken Die wichtigsten lokalen Lappenplastiken finden sich in .€Abb.€13.3 zusammengefasst (.€Übersicht). Die wichtigsten lokalen Lappenplastiken (.€Abb.€13.3) 4 4 4 4 4 4
Primärverschluss Primärverschluss mit M-Plastik Ein- und beidseitige Vorschublappen A-zu-T-Verschluss O-zu-Z-Verschluss Rhomboidlappen
Vorschublappen.╇ Als Vorschublappen sind einfach und doppelte
Vorschublappen möglich, Burow-Lappen, A-zu-T-, O-zu-Z-Lappen oder doppelt gestielte Verschiebelappen (.€Abb.€13.3). Bei einfachen oder beidseitigen Vorschublappen lassen sich die Inzisionen in die horizontal verlaufenden Hautfurchen der Stirn le gen, sodass sie kaum auffallen. Bei Defekten im medianen Drittel der Stirn sind beidseitige Verschiebelappen oft günstiger.
> Bei jüngeren Patienten mit glatter Stirn sind die bei diesen Techniken entstehenden Narben eher sichtbar. Hier kann jedoch präoperativ die Lage der Stirnfurchen und damit die günstigste Narbenposition bestimmt werden, wenn der Patient seine Augenbraue anhebt.
14
106
Kapitel 14 · Rekonstruktion von Defekten der Stirn und der Schädelbasis
verbessert werden. Nachteil dieser Technik ist eine mögliche Verzie hung des Haaransatzes nach unten.
a
b
14
Rotationslappen.╇ Rotationslappen sind in vielen Fällen eine ideale Lösung zur Defektdeckung an der Stirn, solange der Haaransatz nicht wesentlich verzogen wird. Rotationslappen können unilateral oder bilateral, symmetrisch oder ineinander verschoben transponiert werden. Der große Vor teil€dieser Techniken ist, dass sich ausreichend Gewebe selbst zur Deckung großer Defekte mobilisieren lässt, das aufgrund der breiten Lappenbasis gut perfundiert bleibt. Die Inzisionslinien lassen sich meist im haartragenden Bereich der Kopfhaut ver bergen. Bei großen Defekten sollten eher bilaterale Rotationslappen ein gesetzt werden, weil sie weniger zu einer Asymmetrie führen als einseitige Geweberotationen. Der Nachteil dieser Lappen liegt darin, dass sie den Haaransatz und die Augenbrauen verziehen können. Die notwendigen Inzisionen sind im Verhältnis zur initialen Defekt größe oft sehr lang, bei Durchtrennung der sensiblen Stirnnerven kommt es zur Taubheit der Stirn. Transpositionslappen.╇ Transpositions- oder Rhomboidlappen eig nen sich v.€a. für den Glabellabereich und die Schläfe, wo die Haut gut mobilisierbar ist (.€Abb.€14.3). Allgemeine Nachteile sind die entstehenden Narben, die sich nur schwierig in den natürlichen Hautfurchen verbergen lassen, mög liche Konturstörungen (je nach Ausrichtung und Lokalisation des Lappens und der resultierenden Hautaufwerfungen) und der starke Zug an den Wundrändern, der z.€B. die Augenbraue verziehen könnte. Der klassische Limberg-Lappen und seine Varianten werden am besten so angelegt, dass der Defektverschluss in Richtung der ge ringsten Hautspannung ausgerichtet ist (»lines of maximum exten sibility«; LME). Die Inzisionslinien bei Rhomboidlappen zeigen leider in mehrere verschiedene Richtungen und sind so nur schwer in Hautlinien zu tarnen. Insellappen.╇ Subkutan gestielte Lappen von der Schläfe eignen sich
für größere mittige Defekte, die entstehenden Narben sollte in die natürlichen Hautfalten der Stirn gelegt werden. Als Nachteile ent stehen mehrere Narben, die Augenbraue kann verzogen und der R.€frontalis des N.€facialis (z.€B. beim Durchzug des Gefäßstiels) ver letzt werden. c . Abb. 14.3a–c╇ Basaliom an der Schläfe (a). Defektdeckung mittels Rhomboidlappen: Der Rotationspunkt befindet sich im Bereich des spitzeren Winkels, da hier der geringste Rotationsbogen besteht (b). Unauffälliger Narbenverlauf durch Platzierung der hebedefekseitigen Narbe in eine »relaxed skin tension line«Â€(c)
Bei Vorschublappen lässt sich mit zusätzlicher Exzision eines BurowDreiecks die Spannung am Rand des Defekts und damit der Zug an anatomischen Strukturen vermindern, sie eignen sich daher v.€a. an der seitlichen Stirn. Beidseitig gestielte Lappenplastiken können bei medianen und paramedianen Defekten in der Nähe der Haargrenze eingesetzt wer den. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie die Spannung minimieren und die horizontale Ausrichtung des Defekts erhalten. Die Verschieblich keit des Gewebes im Bereich des Primärdefekts kann hierbei durch eine 2–3€cm hinter der Haarlinie verlaufende Parallelinzision noch
Gewebeexpansion Die Stirnhaut eignet sich gut zur Expansion. Vorteil ist eine Rekon struktion mit exakt übereinstimmender Hautfarbe und -textur. Die Gewebedehnung ist aufwendig und dauert relative lang, es empfiehlt sich in vielen Fällen daher eine sekundäre Rekonstruktion mit primärer Deckung mittels Spalthauttransplantation. Die Expander werden unter die Galea eingebracht und über mehrere Wochen durch transkutane Injektion in eine Portmembran mit Kochsalzlösung befüllt, bis eine ausreichende Hautoberfläche erreicht ist (.€Abb.€14.4). Bei rechteckiger Form sollte die Basis des Expanders etwa 2,5-mal so groß sein wie der Defekt. Häufige Komplikationen sind Infekte, Extrusion des Expanders oder sonstige mechanische Probleme und Schmerzen. Eine intraoperative Aufdehnung kann angewandt werden, wenn ein primärer Wundverschluss durch Wundrandmobilisierung nicht möglich ist, aber nur wenig Gewebe fehlt. Mit einem eingeführten 30-ml-Foley-Katheter lässt sich innerhalb von 20€min ein Gewinn von ca. 10–20€mm erzielen.
107
14.1 · Stirn
a
b
c
. Abb. 14.4a–c╇ Weichteilrekonstruktion im Stirnbereich nach ursprüngÂ� licher Meshgraft-Deckung eines Defektes nach Entfernung eines Melanoms (a). Präexpansion durch 2€Hautexpander (b). Resektion des Spalthautareals und Ausbreitung der expandierten Hautlappen. Aspekt unmittelbar postoperativ (c) und nach einigen Wochen (d)
Gestielte Lappen Als gestielte Lappen im Bereich der oberen Gesichtsregion sind einoder beidseitig gestielte Techniken möglich, die auf den temporalen Gefäßen beruhen. In speziellen Fällen kann hier z.€B. der beidseitig gestielte Visierlappen eine gut vaskularisierte Deckung ermöglichen (.€Abb.€14.5).
Mikrochirurgische Lappentransplantation Bei ausgedehnten Defektflächen von über 50€cm2, z.€B. des gesamten zentralen Stirnbereichs mit exponiertem Knochen, reichen lokale Lappenplastiken zur Deckung nicht aus (.€Abb.€14.6). Hier kann durch eine mikrochirurgische Gewebetransplantation eine Rekon struktion »aus einem Stück« erreicht werden. Am ehesten eignen sich hier der myokutane Latissimus-dorsi-Lappen, der präexpan dierte Leistenlappen oder andere Lappenplastiken mit großem Mus kelvolumen und ausreichender Hautinsel.
d
14.1.7 Rekonstruktion knöcherner Defekte Die Stirnkontur wird wesentlich von der Form des darunterliegen den Knochens bestimmt, sodass die Rekonstruktion dieser Integrität oft entscheidend für das Ergebnis der Defektdeckung ist. Bei trau matischen Defekten kann eine interne Fixation erfolgen. Tumoren und deren Entfernung führen jedoch nicht selten auch zu knöcher nen Zerstörungen, die mit autologem oder alloplastischem Material aufgefüllt werden müssen.
Autologes Material Hier können am besten in der Diploe geteilte Anteile der Schädelka lotte (»split-calvarial bone grafts«) verwendet werden, bei Rippen knorpel besteht das Problem der Resorption.
Alloplastisches Material Alloplastische Materialien haben den Vorteil der unbeschränkten Verfügbarkeit und der fehlenden Hebedefektmorbidität. Am häu figsten wird hier wie bei anderen kranioplastischen Eingriffen Poly methylmethacrylat (PMMA) verwendet, das den Schädelknochen
14
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Kapitel 14 · Rekonstruktion von Defekten der Stirn und der Schädelbasis
a
b
14 c
f
d
e
. Abb. 14.5a–f╇ Defektdeckung eines ausgedehnten Defektes nach Exenteration der Orbita und Teilresektion im Ethnoidalbereich wegen fortgeschrittenen sklerodermiformen Basalioms (a–c). Wegen der marginalen Resektion und besseren lokalen Befundkontrolle Verzicht auf freie Lappenplastik und Defekteckung durch bilateral an A. und V.€temporalis gestielten Visierlappen sowie Glabellalappen im Bereich der Nasenwurzel (d). Verschluss des parietalen Hebedefektes durch Spalthaut (e). Günstiges ästhetisches Ergebnis bei guter Verlaufskontrolle unter dünnem FasziokutanÂ� lappen (f)
109
14.1 · Stirn
a
b
c
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tet ohne Hitzeentwicklung aus, ist aber mechanisch nur bedingt belast bar und kann zu einer verzögerten Entzündungsreaktion führen. Polyethylen kann als semirigides Material Knochen ersetzen, es gibt sowohl bestimmte vorgegebene Formen als auch die Möglich keit einer maßangefertigten Einpassung. Seine poröse Struktur er laubt ein Einwachsen von durchblutetem Gewebe, wodurch die Ge fahr einer Infektion oder Migration verringert wird. Es eignet sich daher für viele kranioplastische Eingriffe, einschließlich an der Stirn. Bei Rekonstruktionen des Schädelknochens über dem Sinus fronta lis muss darauf geachtet werden, dass es nicht zur Ausbildung einer Muskozele kommt, d.€h. dass für alle Schleimhäutoberflächen wei terhin ein Abfluss zum Ductus nasofrontalis verbleibt. Titanimplantate, die als 3-D-Modelle gefräst werden, werden bei sehr ausgedehnten Defekten eingesetzt. .€Abb.€17.7 zeigt ein Bei spiel für die Deckung eines knöchernen Defektes der Stirn.
. Abb. 14.6a–e╇ Defektdeckung an der Stirn bei ausgedehntem Strahlenschaden nach Bestrahlung wegen eosinophilen Granuloms mit exponiertem avitalem Stirnknochen (a). Defektdeckung durch M.€latissimus-dorsi-Lappen€(c,€d)
hinsichtlich der Zug- und Torsionsstabilität noch übertrifft. Nach teilig ist, dass es nicht mit dem Knochen verwächst und sich daher als Onlay lockern kann. Selten kommt es zu einer entzündlichen Fremdkörperreaktion. Hydroxyapatitzement besteht aus Kalziumsalzen und kann sich in den Knochen integrieren. Es lässt sich leicht in Form bringen und här
! Cave Alloplastische Materialien dürfen keinen direkten Schleim hautkontakt haben, da dies eine hohe Infektgefahr in sich birgt.
14.1.8 Komplikationen Mögliche Risiken wie Infektionen und Wundheilungsstörungen sind aufgrund der guten Perfusion der Stirnregion rar. Häufiger sind Nachblutungen, Hämatome, Serome oder ungünstige Narbenbil dung. Aus einer falschen Planung bei Lappenplastiken können äs thetisch störende Verziehungen des Haaransatzes, der Brauen oder Augenlider resultieren.
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Kapitel 14 · Rekonstruktion von Defekten der Stirn und der Schädelbasis
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. Abb. 14.7a–e╇ Rekonstruktion eines knöchernen frontalen Knochendefektes mit »custom-made« Titankalottenimplantat. Nach Freilegung des Defektes wird das Ausmaß des Verlustes des frontalen Schädeldachs nach einer veralteten Schussverletzung sichtbar (a). Ein in CAD-CAM-Technik maßgefertigtes Kalottenimplantat wird eingesetzt (b) und führt zu einem
Weichteildefizit, das mit einem freien mikrovaskulären Latissimusmyokutanlappen rekonstruiert wird (Anschluss an A.€facialis und V.€jugularis externa,€c). Sekundäre Lappenausdünnung (d) führt zu einem guten ästhetischen Ergebnis (a)
Haarverlust tritt meist infolge einer Traumatisierung der Follikel auf, meist wächst das Haar aber nach 3–6 Monaten wieder nach. Permanenter Haarverlust kann z.€B. durch übereifrigen Gebrauch des Elektrokauters bei der Lappenhebung entstehen. Bei Verletzung des Stirnastes des N.€facialis verliert der Pati ent€die Fähigkeit, die Stirn zu runzeln und die Augenbraue anzu heben.
14.2
Schädelbasis
Defekte an der Schädelbasis entstehen v.€a. infolge von Tumorresek tionen, seltener durch Trauma, Mukozelen, kraniofaziale Fehlbil dungen oder Zystenbildungen. Sie werden in der Regel von Kollegen der Neurochirurgie, HNO oder Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie be handelt, der Plastische Chirurg wird aber zur interdisziplinären Un terstützung hinzugezogen.
111
14.2 · Schädelbasis
Hier sollen nur die Grundzüge der plastisch-chirurgischen Ver sorgung zusammengefasst werden. 14.2.1 Therapieziele Vor allem onkologische Exzisionen an der Schädelbasis hinterlassen oft ausgedehnte Defekte mit Freiliegen von Hirn, Dura und Knochen und angrenzender Strukturen. Die Ziele einer dringend erforder lichen Deckung sind in der .€Übersicht dargestellt. Therapieziele 4 Verschluss und Abdichtung der Hirnhäute 4 Separation und Abdichtung der intrakraniellen Strukturen vom oberen Atmungs- und Digestivtrakt, v.€a. auch als Keimbarriere 4 Wiederherstellung der Orbita und des Oropharynx 4 Rekonstruktion der inneren Gerüstfunktion und der äußeren Form 4 Obliteration von Wundhöhlen (Totraumplombierung)
a
14.2.2 Chirurgische Technik Zur Erreichung der Therapieziele stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung:
Transplantate Zur Abdichtung können Haut, Faszie, Fett- oder Dermis-Fett-Lap pen oder alloplastische Materialien eingesetzt werden. Lokale Lappen sind Stirn- und Skalplappen, Galea- und perikra niale Lappen, M.-temporalis-Lappen, Septumschleimhautlappen. Aus der Defektumgebung können während der Kraniotomie perikraniale oder perikraniale Galealappen gehoben und zur Bede ckung von Duralecks verwendet werden. Diese werden meist durch die supraorbitalen und supratrochlearen Gefäße versorgt. Zur Auffüllung von Wundhöhlen wird lokal der M.€temporalis eingeschwenkt, z.€B. nach medial zur Deckung von anterolateral ge legenen Defekten der Schädelbasis oder bei orbitomaxillären De fekten. Zur Rekonstruktion des Orbitabogens kann er mit einer Knochenkomponente aus der Schädelkalotte verlagert werden. We gen seines engen Schwenkradius ist sein Einsatz allerdings auf gleichseitge Defekte der orbitofrontalen Region, des Unterkiefers, der Schläfe und der Fossa infratemporalis begrenzt. Um die Blutversorgung aus der A.€maxillaris interna zu erhalten, muss der Muskel der Ursprung am Processus coronoideus geschont werden. Bei Transposition des gesamten Muskels besteht die Gefahr einer sichtbaren Konturstörung der Schläfe. Bei größeren medialen Defekten mit Verbindung zum Nasopha rynx reicht der M.€temporalis oft nicht mehr aus, hier sollten in der Regel freie Lappentransplantate verwendet werden.
Regionale Lappen Regionale Lappen wie 4 M.-pectoralis major-Lappen, 4 M.-latissimus-dorsi-Lappen, 4 inferiorer M.-trapezius-Lappen entstammen dem Kopf-Hals-Bereich, nicht aber der unmittelbaren Defektumgebung. Gemeinsam ist ihnen ihr langer Gefäßstiel, der
b
c . Abb. 14.8a–c╇ Defektdeckung eines frontobasalen Knochen- und Weichteildefektes nach Resektion eines nasoethmoidalen Sarkoms. Der Lappen enthält eine separate Hautinsel für den Verschluss an der Schädelbasis zur Nasenhöhle hin und eine zweite zur Rekonstruktion des frontalen Hautweichteildefektes
14
112
Kapitel 14 · Rekonstruktion von Defekten der Stirn und der Schädelbasis
eine Verlagerung des distalen Lappenanteils in den Defekt erlaubt, während die Basis an der Hebestelle verbleibt. Meist handelt es sich um muskulokutane Lappenplastiken mit intramuskulären Perfora torgefäßen und einer Hautinsel. Durch diese Techniken haben sich in den 1970-er Jahren die Rekonstruktionsmöglichkeiten nach Tu morentfernung im Bereich der Mundhöhle und des Ororpharynx wesentlich erweitert. Für Defekte im Bereich der Schädelbasis reicht der Muskelstiel nicht aus. Hier sind freie Lappentransplantate erforderlich.
Mikrochirurgische Lappenplastiken Die Einführung der mikrochirugischen Gewebetransplantation hat die Möglichkeiten der Rekonstruktion an der Schädelbasis revoluti oniert, v.€a. vor einer geplanten oder nach einer Bestrahlung. Am häufigsten eingesetzt werden: 4 myokutaner M.-latissimus-dorsi-Lappen, 4 radialer Unterarmlappen (fasziokutan), 4 myokutaner M.-rectus-abdominis-Lappen, 4 Lappenplastiken des A.-subscapularis-Systems (osseo-/myofas ziokutan), 4 Omentum-majus-Lappen.
14
Fasziokutane Lappen mit langem Gefäßstiel, wie z.€B. der radiale Unterarmlappen, eignen sich besonders gut für periorbitale Rekon struktionen, weil sie kein Veneninterponat benötigen. Muskellappen mit Hautinsel bringen gut durchblutetes Gewebe ein, schützen rekonstruierte Defekte der Hirnhäute und können di ese auch bei Restleckage »wasserdicht« abschließen. Bei Austritt von zerebrospinaler Flüssigkeit unterstützt die Muskelplombe den spon tanen Verschluss. Hier hat sich v.€a. der myokutane M.-latissimusdorsi-Lappen bewährt. .€Abb.€14.8 zeigt ein Beispiel. Durch Kombination des skapulären und paraskapulären Gefäß systems und des M.€latissimus dorsi lassen sich sehr große sog. axil läre Megalappen mit mehreren Gewebekomponenten (Chimären lappen) bilden.
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15
Grundtechniken der Nah�lappen�plastiken zur Rekonstruktion im Gesicht A. Gohritz, P.M. Vogt
15.1
Z-Plastikâ•… – 114
15.2
W-Plastikâ•… – 114
15.3
VY-/YV-Vorschiebelappen (»advancement«)â•… – 114
15.4
Insellappen (»island flap«)â•… – 116
15.5
Rotationslappenâ•… – 116
15.6
Zweizipfliger oder dreizipflige Lappen (»bilobed«/«trilobed flap«)â•… – 116
15.7
Verschluss von rechteckigen Defektenâ•… – 118
15.8
Limberg-Lappen (Rhomboid- oder Rautenlappen)â•… – 118
15.9
Dufourmentel-Lappen (»Dufourmentel-flap«, LLL-Lappen)â•… – 119
15.10
Brückenlappen (»bipedicled«/»tubed flap«, Visier-, Rundstiellappen)â•… – 119
15.11
Komplikationenâ•… – 120
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 15 · Grundtechniken der NahÂ�lappenÂ�plastiken zur Rekonstruktion im Gesicht
Aufgrund der besonderen Qualität der Haut in der Gesichtsregion, v.€a. hinsichtlich von Elastizität und Durchblutung, liegen hier besonders günstige Voraussetzungen für lokale Nahlappenplastiken vor. Die gebräuchlichsten Techniken sind auch in den meisten Â�anÂ�deren Körperregionen anwendbar und sollen mit ihrer speziellen€Indikation, Vor- und Nachteilen kurz zusammengefasst werden (s.â•›a. Kapitel 12). 15.1
Z-Plastik
Die Plastik hat ihren Namen wegen ihres typischen Z-förmigen Schnitt- und späteren Narbenverlaufs, sie kann auch mit anderen Nahlappen, z.€B. der VY-Plastik oder dem Limberg-Lappen, kombiniert werden. Planung.╇ Im Prinzip werden bei einer Z-Plastik die Diagonalen
eines Parallelogramms gegeneinander vertauscht. Die zu korrigierende Struktur, z.€B. Narbe, die bei geringer Breite exzidiert wird, liegt auf der kürzeren Diagonale, die längere zeigt in die Richtung der späteren Mittellinie der Z-Plastik. Es werden 2€Lappen gegeneinander verschoben, die jeweils ein gleichschenkeliges Dreieck bilden und eine Seite gemeinsam haben, welche durch die zu korrigierende Struktur gebildet wird. Im Winkel von 30°–90° dazu werden an den entgegengesetzten Enden gleich lange Schnitte angebracht, sodass alle 3€Strecken des€Z – die Mittellinie und die beiden Balken – gleich lang und die beiden Winkel gleich groß sind.
Bei der Planung einer Z-Plastik sollten die Balken am besten in Richtung der Hautspannungslinien verlaufen, dies muss bei der Wahl der Winkel bedacht werden (.€Abb.€15.1). 15.2
W-Plastik
Bei der W-Plastik wird eine auffällige Narbe in kleine, zick-zackförmige Komponenten aufgelöst. Dies gelingt v.€a., wenn die neue Narbe mit den meisten ihrer Teilstrecken in Richtung der Hautspannungslinien oder in bestehenden Hautfalten verläuft (.€Abb.€15.2) Mit dieser Schnittführung können auch eingezogene oder gespannte Narben der Umgebung angeglichen werden. Sie eignet sich v.€a. zur Narbenkorrektur im Gesicht, insbesondere in Bereichen natürlicher Faltenbildung, z.€B. an der Stirn. Planung.╇ Bei der W-Plastik wird die alte Narbe zunächst exzidiert, indem gleichschenkelige Dreiecke mit einer Basislänge von 3–7€mm angelegt werden, die Winkel liegen meist zwischen 50° und 60°. Je nach der Narbenform (z.€B. bei gebogener Narbe) müssen die gegenüberliegenden Dreiecke so angepasst werden, dass die Dreiecke an der konvexen Seite entsprechend breiter als an der konkaven Seite sind. Vorteile.╇ Die W-Plastik ist technisch einfach, vielfältig anwendbar und sicher. Nachteile.╇ Die Ausführung ist wegen der vielen kleinen Dreieckslappen relativ zeitaufwendig. Anders als bei der Z-Plastik kann die Gewebespannung durch die Narbenexzision noch zunehmen.
15.3
VY-/YV-Vorschiebelappen (»advancement«)
Zur Verlängerung wird die Narbe V-förmig exzidiert und die Wundränder des entstandenen Defekts nach Mobilisierung sternförmig aneinandergenäht. Es ergibt sich so aus einem V-förmigen Defekt eine Y-förmige Narbe. Kleinere Korrekturen sind oft mittels einer VY- oder YV-Plastik möglich, indem z.€B. bei Narbenkontraktur eine lineare Verlängerung oder Verkürzung einer Strecke erreicht wird.
15 a
Indikationen.╇ Hauptindikation besteht in der Korrektur von narbigen Kontrakturen oder Strikturen, z.€B. auch das Lippenbändchen. Besondere Bedeutung besitzt diese Technik bei der Defektdeckung von kleinen kreisförmigen Defekten, die sich in schmalen Regionen befinden. Am Nasenrücken z.€B. sollte die Defektgröße Eine Domäne in der Anwendung besteht in der Nasenspitzenrekonstruktion.
. Abb. 15.6a, b╇ Prinzip der Limberg-Plastik
Vorteile.╇ Der zweizipflige Lappen ermöglicht eine einzeitige Ope
ration in Situationen, in denen ansonsten entweder 2€Operationen indiziert wären oder ein nur weniger befriedigendes Ergebnis mit nur einer Operation erreichbar wäre. Dadurch wird in der Regel ein Wundverschluss durch eine einfache Naht und damit ein befriedi gendes kosmetisches Ergebnis erreicht. Nachteile.╇ Ein gewichtiger Nachteil besteht in der ausgedehnten
Narbenführung, die sich schwer in befriedigender Weise an die RSTL (»relaxed skin tension lines«) oder in das vorgegebene Falten relief einfügen lässt. Da die Plastik im Prinzip aus 2–3 Einzellappen besteht und diese entsprechend mobilisiert werden müssen, ist ein besonders sorgfältiges Arbeiten notwendig, um Komplikationen wie Nekrosen oder Wundheilungsstörungen zu vermeiden. 15.7
15
Verschluss von rechteckigen Defekten
Lässt sich eine Läsion nicht im Verlauf der Hautspannungslinien exzidieren und verschließen, kann sie in einen rechteckigen Defekt umgewandelt und mit einer im Folgenden beschriebenen Techniken verschlossen werden. Dieses Vorgehen bietet sich an, wenn eine Lä sion entweder von der Fläche her zu groß ist, um nach Wundrand mobilisierung primär verschlossen zu werden, oder wenn die Gefahr einer Verziehung eines Mund- oder Augenwinkels oder einer ande ren wichtigen Struktur besteht. Die Prinzipien der rautenförmigen Lappendeckung stammen von Limberg, der die mathematischen Grundlagen 1946 in russi scher Sprache veröffentlichte. Die Anwendungsmöglichkeiten dieser rautenförmigen Lappenplastiken wurden durch die von Dufourmen tel 1962 beschriebenen Lappenformen noch erweitert. 15.8
Limberg-Lappen (Rhomboid- oder Rautenlappen)
Die einfachste Methode zum Verschluss eines rechteckigen De fekts€ist der Limberg- oder Rhomboidlappen, weil sich die meis ten€LäsioÂ�nen leicht in die Ausgangsform dieser Plastik überführen lassen. Indikationen.╇ Fast jede Defektform kann in eine Rautenform um gewandelt werden, die dann mit einem Limberg-Lappen verschlos sen werden kann. Der Lappen eignet sich v.€a., wenn ein einfacher Verschluss nach spindelförmiger Exzision wegen zu großer Fläche nur unter großen Schwierigkeiten möglich ist. Planung.╇ Beim Limberg-Lappen wird eine Läsion rautenförmig
�exzidiert, d.€h. es entsteht ein Parallelogramm mit 4€gleich langen
b
Seiten und jeweils mit 2€gleich großen, sich gegenüberliegenden Winkeln von 60° und 120° (.€Abb.€15.6). Diese Exzisionsform ermöglicht einen sehr viel geringeren Ver lust an intaktem Gewebe als die Spindelform. Der entstandene Exzisionsdefekt erfordert einen Verschiebelap pen, er muss daher genau geplant werden. Zwei parallele Seiten der Raute sollten senkrecht zu den Hautspannungslinien stehen. Eine dieser Seiten wird um den gleichen Betrag verlängert und bildet die Basis eines Lappens in Form eines gleichschenkeligen Dreiecks. Die 4€Seiten – die kurze Diagonale der Raute und die beiden Seiten des dreieckigen Lappens – sind gleich lang. Die Basis des Lap pens und die Seite des dabei gegenüberliegenden Dreiecks, das spä ter die 2.€Hälfte des Defektes deckt, haben ebenfalls diese Länge. Ist der Defekt in seiner Rautenform entstanden, gibt es theoretisch 4€Möglichkeiten der Lappenbildung. > Die wichtigste Regel bei der Lappenwahl ist, die kurze Diagonale des Lappens in Richtung der »lines of maximum extensibility« (LME) zu positionieren und die Spenderregion nicht in Richtung einer verschiebbaren Landmarke zu legen, da sonst eine auffällige Deformität entstehen kann.
Diese Erfahrung stimmt mit den experimentellen Ergebnissen über ein, dass die stärkste Spannung in der durchgeführten Plastik in Richtung der kurzen Diagonalen des Spenderareals herrscht und die Narbe in dieser Ebene die größte Dehnung erfährt. Die Schwierigkeit der besten Positionierung des Limberg-Lap pens erhöht sich noch, wenn sich der zu verschließende Defekt zwi schen 2€solchen problematischen Punkten befindet. Es lassen sich jedoch auch 2€Rauten um einen Defekt konstruie ren. Die 1.€Raute muss nur um einen Winkel von 30° gekippt werden. So ergeben sich wieder 4€Möglichkeiten, auf die dieselben Regeln anwendbar sind. Bedenkt man alle diese Konstruktionsmerkmale, lässt sich der Limberg-Lappen am besten in Regionen einsetzen, in denen gut ver schiebliches Gewebe vorliegt. Liegen größere ovale oder kreisför mige Defekte vor, können mehrere Limberg-Lappen miteinander kombiniert werden, indem ein Rechteck aus zwei sich gegenüberlie genden Limberg-Plastiken gebildet oder ein runder Defekt mit drei Rauten in Form eines symmetrischen Sechsecks angenähert wird. Beim rautenförmigen Limberg-Lappen muss darauf geachtet werden, dass die längere Diagonale nach Möglichkeit parallel der Hautspannungslinien zu liegen kommt. Bei der Planung der Deckung eines großen Defektes durch meh rere Limberg-Lappen (.€Abb.€15.7) müssen die Lappenbasen so an gelegt werden, dass sie sich in ihrer Mobilisierung und Ernährung nicht gegenseitig behindern. Weiterhin dürfen 2€Spenderbereiche nicht benachbart liegen, d.€h. sie dürfen sich weder mit einer Seite noch mit einem Winkel berühren, da sonst verstärkt Probleme in der Hautkontur, in der Lappenperfusion oder im Verschluss der Spen derareale auftreten können.
119
15.10 · Brückenlappen (»bipedicled«/»tubed flap«, Visier-, Rundstiellappen)
a
c
b
. Abb. 15.7a–c╇ Annäherung eines großen Defektes durch drei Limberg-Lappen (Sechseck)
Vorteile.╇ Der Limberg-Lappen ist technisch relativ einfach und si
Vorteile.╇ Der Dufourmentel-Lappen verfügt über eine exzellente
Nachteile.╇ Die Lappenplanung muss die Umgebung des Spenderbe
Nachteile.╇ Der Dufourmentel-Lappen ist in Planung und Ausfüh
cher durchzuführen, wenn beim Verschluss ein festes LappenlängeBasis-Verhältnis eingehalten wird. So lassen sich auch Defekte ver sorgen, die mit einem Rotationslappen oder fusiformer Exzision mit oder ohne Z-Plastik allein nicht zu bewältigen wären. zirkes wegen eventueller verschieblicher anatomischer Strukturen beachten. Die Narben lassen sich oft nicht vollständig in Körperfal ten verbergen, da sie einen sehr eigentümlichen, geometrischen Ver lauf haben und im Verhältnis zu anderen Techniken sehr ausgedehnt sind, sodass Einziehungen oder Vorwölbungen im Narbenverlauf vorkommen. Hier kann zur Korrektur sekundär eine Z-Plastik angewendet werden, wenn sich kleinere Unebenheiten nicht mit der Zeit von selbst angleichen. 15.9
Dufourmentel-Lappen (»Dufourmentel-flap«, LLL-Lappen)
Der Dufourmentel-Lappen ist eine Abwandlung des Limberg-Pla stik, schwieriger zu planen und auszuführen, aber in bestimmten Situation diesem überlegen. Indikationen.╇ Die Indikationen zum Dufourmentel-Lappen ent
sprechen denen des Limberg-Lappens. Er sollte nur zum Einsatz kommen, wenn der Limberg-Lappen unzureichend ist, da er schwie riger als dieser zu planen und auszuführen ist. Viele Defekte lassen sich in die rautenförmigen Grundformen überführen oder können in diese Form umgewandelt werden. Es sollte stets die Methode ge wählt werden, die am einfachsten und am sichersten anwendbar erscheint. Planung.╇ Im Gegensatz zum Limberg-Lappen ist es beim Dufour
mentel-Lappen nicht unbedingt nötig, den Exzisionsdefekt exakt als Raute zu formen. Es können Winkel von 60°–90° gewählt werden, d.€h. die entstehenden Parallelogramme reichen von echter Rauten form mit 4€Lappenbildungen bis zum Quadrat mit 8€Möglichkeiten. Anders als beim Limberg-Lappen wird eine Seite der Spenderregion nicht durch die Verlängerung der kurzen Diagonalen des Defekts, sondern in einem bestimmten Winkel zu dieser konstruiert. Hierzu wird die Winkelhalbierende zwischen der kurzen Diagonalen und einer Seite des Parallelogramms bestimmt. Auf dieser Linie wird eine Seite des späteren Lappens mit der gleichen Länge der Parallelo grammseiten festgelegt. Der Winkel zwischen dieser Seite und der kurzen Diagonalen beträgt immer 150° (plus oder minus ca. 4°). Die 2.€Seite des Lappens wird danach parallel zur langen Diagonalen festgelegt. Die Basis des Lappens sollte wieder in Richtung der LME liegen (.€Abb.€15.8).
Blutversorgung und besitzt eine breitere Anwendbarkeit als der Â� Limberg-Lappen, da aufgrund der Variabilität der Winkel ein noch größerer Spielraum in der Planung besteht und die Spannung im Gewebe geringer als beim Limberg-Lappen ist. rung schwieriger als der Limberg-Lappen, weil der Spenderbereich des Lappens in einem kleineren Winkel zum Defekt liegt als beim Limberg-Lappen. Die genaue Lage dieser Plastik muss mit einem Winkelmesser bestimmt werden. 15.10
Brückenlappen (»bipedicled«/ »tubed flap«, Visier-, Rundstiellappen)
Beim Brückenlappen wird eine Parallelverschiebung einer Gewebe brücke durchgeführt. Er kann als Nahlappen oder als gestielter Lap pen angewendet werden. Der Brückenlappen war eine der ersten bekannten Methoden zur Defektdeckung mit Fernlappen. Indikationen.╇ Obwohl der Brückenlappen sich prinzipiell für alle
Körperregionen eignet, wird er heute nur noch selten eingesetzt, da er als Rundstiellappen von freien Lappenplastiken abgelöst wurde. Seine Möglichkeiten sollten jedoch nicht vergessen oder unterschätzt werden. Typische Indikationen liegen bei schwierigen Durchblutungs situationen vor, weniger im Gesicht, aber z.€B. an Extremitäten mit fortgeschrittener Arteriosklerose, insbesondere am Unterschenkel oder Unterarm. Enoral wird der Lappen zum Verschluss von Gau menspalten benutzt, bei der Rekonstruktion des Gaumens mit 2€Brückenlappen wird die Versorgung durch den doppelten Stiel (»random pattern flap«) und auch durch die A.€palatinae von dorsal als axial gestielter Lappen gewährleistet. Planung.╇ Konzeptionell versucht man mit dem Brückenlappen das festgelegte Verhältnis zwischen Lappenbasis und -länge zugunsten
. Abb. 15.8╇ Dufourmentel-Lappen
15
120
Kapitel 15 · Grundtechniken der NahÂ�lappenÂ�plastiken zur Rekonstruktion im Gesicht
Abschließend sollen nochmals die Vor- und Nachteile von Nahlappenplastik gegenübergestellt werden (.€Übersicht). Vor- und Nachteile von Nahlappenplastiken
a
b
. Abb. 15.9a, b╇ Brückenlappen
der Länge zu verbessern (.€Abb.€15.9). Hierzu werden statt nur einer Basis zwei angelegt. Der Defekt wird ellipsenförmig exzidiert und parallel zu einer Seite inzidiert, das so umschnittene Hautareal sub kutan gelöst und mobilisiert und in den Primärdefekt verschoben. Der entstehende Sekundärdefekt – parallel verschoben zum Primär defekt – wird wiederum verschlossen, mit Spalthaut gedeckt oder der freien Granulation überlassen. ! Cave Bei der Hebung dürfen keine Strukturen wie Sehnen, größere Gefäße oder Knochen freiliegen, sonst ist diese Lappentechnik kontraindiziert.
15
Zur Erhöhung der Mobilität des Lappens kann diese Plastik bei einem sicheren Längen-Breiten-Verhältnis in einen Transposi tionslappen überführt werden, indem man den Lappen an einem Ende durchtrennt. Rollt man den Lappen nach Präparation entlang seiner Längsachse ein, kann er als Rundstiel- oder Wanderlappen nach einer Konditionierungszeit in eine ferne Empfängerregion transponiert werden. Nach der Einheilung kann der Lappen mit gesicherter Durchblutung in den Defekt eingenäht werden. Eine Konditionierung ist u.€U. durch zweizeitige Umschneidung indi ziert. Vorteile.╇ Der besondere Vorteil des Brückenlappens besteht in sei
ner guten Perfusion, die durch 2€gegenüberliegende Stiele gesichert ist. In seiner Funktion als Rundstiellappen ist er als Fernlappen sehr sicher und kann in bestimmten Situationen, z.€B. bei schlechter Per fusion, als Alternative zur freien Gewebetransplantation dienen.
Nachteile.╇ Die Präparation des Brückenlappens ist an schwierig zu gänglicher Lokalisation problematisch. Seine Mobilität ist bedingt durch die 2€Stiele gering. Sein Sekundärdefekt erfordert oft eine wei tere Gewebeplastik oder Hauttransplantation. Die Schwierigkeit in der Praxis liegt in der Unterminierung des Lappens zur Mobilisation, durch die die Durchblutung des Lappens und tiefer liegender Strukturen gefährdet sein kann. Bei der Überführung eines Brückenlappens in einen Transposi tionslappen lässt sich die Durchblutungssituation durch zeitweises Abklemmen eines Stiels vor dem Durchtrennen überprüfen.
4 Vorteile – Hohe Sicherheit und Erfolgsrate – Sehr ähnliche Hautqualität (Textur, Farbe) von Spenderund Empfängerregion – Geringe Tendenz zur Gewebeschrumpfung/Narbenkontraktur – Operation in Lokalanästhesie möglich – Gut geeignet für ältere Patienten (Cutis laxa) 4 Nachteile – Exakte Planung und Erfahrung notwendig – Gefahr der Verziehung von Landmarken (Haargrenze, Augen-, Mundwinkel etc.) – Bei Verlust des Lappens Entstehung eines großen Defektes in der Donorregion – Weniger geeignet bei Kindern und Jugendlichen (hohe Hautspannung)
15.11
Komplikationen
Die wichtigsten Risiken nach lokalen Lappenplastiken im Gesicht nach Jackson (1985) sind in der .€Übersicht zusammengestellt. Risiken nach lokalen Lappenplastiken im Gesicht 4 Tumorrezidiv bei unzureichender Exzision (falsche EinÂ� schätzung) 4 Lappen zu klein (Planungsfehler) 4 Hämatom (technischer Fehler) 4 Schädigung der Blutversorgung (technischer Fehler) 4 Lappen zu groß (Ausdehnung über Blutversorgung hinaus – technischer Fehler) 4 Wundverschluss unter Spannung, fehlender Rückschnitt, zu kurzer Stiel (alles technische Fehler) 4 Verziehung anatomischer Landmarken 4 Verletzungen von Nerven, v.€a. des N.€facialis 4 Vorwölbung des Lappens (»pin cushioning«, LymphdraiÂ� nage zur Ödemreduktion, chirurgische Korrektur erst nach 12–18 Monaten möglich)
Die meisten dieser Komplikationen lassen sich durch eine wohlüber legte Planung und eine sorgfältige chirurgische Technik (Blutstil lung!) vermeiden. Zeichnet sich intraoperativ eine beginnende Komplikation ab, z.€B. Zyanose des Lappens bei zu enger Naht, muss darauf sofort reagiert werden, indem einige Nähte entfernt werden. Bei einem Hämatom muss die Wunde wieder geöffnet und die Blu tung gestillt werden. > Lässt sich durch solche Hilfsmaßnahmen keine echte Verbesserung erreichen, ist der Lappen wieder in sein Entnahmebett zurückzulegen und erst nach einer zeitlichen Verzögerung (»delay«) zu verlagern.
15.11 · Komplikationen
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121
15
16
Rekonstruktion der Wange M. Busche, A. Gohritz
16.1
Anatomische Grundlagenâ•… – 124
16.1.1
Ästhetische Untereinheiten der Wangeâ•… – 124
16.2
Rekonstruktionstechniken abhängig von der ästhetischen Untereinheitâ•… – 124
16.2.1 16.2.2 16.2.3
Suborbitale Defekteâ•… – 124 Präaurikuläre Defekteâ•… – 125 Bukkomandibuläre Defekteâ•… – 126
16.3
Ausgleich von Konturdefektenâ•… – 126
16.4
Zusammenfassungâ•… – 126
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
124
Kapitel 16 · Rekonstruktion der Wange
16.1
Anatomische Grundlagen
Unter der Haut und dem Unterhautfettgewebe der Wange befindet sich das subkutane muskuloaponeurotische System (SMAS). Die Muskulatur der Wange wird vom M.€orbicularis occuli, dem M.€zygomaticus und dem M.€masseter gebildet. Die Gefäßversorgung erfolgt aus Endästen der A.€carotis externa, v.€a. der A.€facialis. Sensibel wird die Wange aus den Ästen des N.€trigeminus versorgt, dem N.€infraorbitalis, N.€mentalis, N.€mandibularis, N.€auricularis magnus. 16.1.1 Ästhetische Untereinheiten der Wange Die Wange lässt sich in 3€sich teilweise überlappende ästhetische Untereinheiten einteilen (.€Abb.€16.1; Zide 1990): 4 supraorbitale Region, 4 präaurikuläre Region und 4 bukkomandibuläre Region. 16.2
Rekonstruktionstechniken abhängig von der ästhetischen Untereinheit
16.2.1 Suborbitale Defekte
16
Kleinere Wunden und Defekte sind meist primär verschließbar, wenn der Defekt elliptisch in Richtung der natürlichen Hautspannungslinien exzidiert wird. Es muss vermieden werden, dass es zur Verziehung benachbarter Strukturen kommt, z.€B. des Unterlides. Vollhauttransplantate eignen sich für Defekte mit einer Tiefe von 4€cm empfiehlt sich ein Hals-Gesichtshaut-Vorschublappen (»cervicofacial flap«), mit dem reichlich Haut mit sehr guter Farbangleichung, Textur und Formbarkeit aus der unteren Gesichts- und der Halsregion verschoben werden kann (.€Abb.€16.2). Bei der Variante nach Juri wird die Unterminierung des Lappens entlang der Haarlinie durchgeführt und so ein großzügiger Rotationsvorschublappen gebildet, um übermäßige Spannung an der Nahtstelle zu vermeiden. Um ein Ektropion zu vermeiden, wird die
. Abb. 16.1╇ Ästhetische Einheiten der Wange: suborbital (1), präaurikulär (2) und bukkomandibulär€(3)
Haut mit Nähten am Periost des Arcus zygomaticus und inferiolateralen Orbitabogen verankert (Juri u. Juri 1979). In manchen Fällen ist eine laterale Kanthopexie notwendig, um ein Ektropion zu vermeiden. > Vor allem bei Rauchern wird empfohlen, zur RekonstrukÂ� tion der Region der lateralen Orbita und der Schläfe den Vorschublappen noch tiefer zu präparieren (»deep plane advancement«).
Ein oft medial entstehendes »dog ear« wird durch eine horizontale Inzision wie bei der Blepharoplastik korrigiert.
Gewebeexpansion Die Hautaufdehnung bietet Haut mit optimaler Farbe und Textur. Am Hals werden meist 2€Expander eingesetzt und über 6–8 Wochen mit Kochsalzlösung befüllt. Nach Wieslander (1991) sollten hierbei die in der .€Übersicht zusammengestellten Kriterien eingehalten werden (7€Kap.€14). Kriterien für die Gewebeexpansion 4 Orientierung der Inzision für die Expanderimplantation perpendikulär zum Expander 4 Länge und Breite des Expanders entsprechen mindestens den Ausmaßen des Defekts 4 Der Expander wird bereits intraoperativ submaximal befüllt, um Hämatom- und Serombildung zu minimieren 4 Postoperative Erstbefüllung nach etwa 2€Wochen, dann wöchentlich 4 Überexpansion des Expanders um mindestens 30–50% der Defektgröße, um die Gewebekontraktion nach der Lappenhebung auszugleichen 4 Inzision der Kapsel, um die Ausdehnung des Lappens optimal auszunutzen, aber keine Kapsulektomie
125
16.2 · Rekonstruktionstechniken abhängig von der ästhetischen Untereinheit
a
d
b
e
Abhängig von der Defektausdehnung und Verfügbarkeit regionaler Lappen können auch freie mikrochirurgische Lappen indiziert sein, z.€B. 4 fasziokutane Unterarmlappen, 4 anterolaterale Oberschenkellappen (ALT), 4 Paraskapularlappen oder 4 myokutane Lappen (M.€latissimus dorsi). 16.2.2 Präaurikuläre Defekte
Begrenzte Defekte Bei begrenzten Defekten sind Vorschiebelappen von vertikal oder posterior möglich. Die gute Mobilisierbarkeit der Haut in dieser Re gion erlaubt einen Vorschub wie bei einer Gesichtsstraffung. Die präaurikuläre Inzision wird zum Hals fortgeführt, um so weiter gut durchblutetes Gewebe aus diesem Bereich zum Defektverschluss zu gewinnen.
Größere Defekte Diese erfordern regionale Lappenplastiken: Der anterior gestielte zervikofaziale Lappen, beschrieben von Kaplan u. Goldwyn (1978), ist v.€a. für posteriore und größere ante
c
. Abb. 16.2a–e╇ Zervikofazialer WangenrotaÂ� tionslappen zur ästhetischen Rekonstruktion eines Defektes nach Hämagiombestrahlung im Kindesalter
riore Defekte in dieser Region nützlich. Er wird in der subkutanen Ebene bis hinunter zur Clavicula gehoben. Die Blutversorgung er folgt aus der A.€facialis und der A.€submentalis. Um eine zu tiefe Präparation (»deep plane dissection«) zu vermeiden, kann das Pla tysma 4€cm unterhalb der Mandibula durchtrennt werden. Bei Ein schluss des Platysma gewinnt der Lappen noch an Vaskularität. Zum Verschluss der Entnahmestelle ist manchmal eine Hauttransplanta tion notwendig. Der zervikopektorale Lappen eignet sich für größere Defekte von 6–10€cm, er schließt Haut von der vorderen Brustwand ein, ebenso das Platysma sowie Teile der Fascia der Mm.€deltoideus et pectoralis major. Die Perfusion erfolgt aus vorderen Perforatoren der A.€mammaria interna. Der deltopektorale Lappen ist medial gestielt und besteht aus gut durchbluteter und farblich gut geeigneter Haut aus dem Schulterbe reich. Ein vorheriges Delay durch Ligatur der thorakoakromialen Gefäße ist möglich. Der Pectoralis-major-Lappen eignet sich sowohl zur äußeren als auch zur inneren Defektdeckung an Mastoid, Hals oder Wange, trägt jedoch oft zu stark auf und muss sekundär ausgedünnt werden. Der Latissimus-dorsi-Lappen kann gestielt tunneliert einge bracht werden. Er eignet sich v.€a. für große Ulzera nach Radiatio, da er gut durchblutetes Gewebe aus nicht bestrahltem Gebiet einbringt.
16
126
Kapitel 16 · Rekonstruktion der Wange
Auch hier sind ausnahmsweise mikrochirurgische Gewebetrans plantate notwendig, bevorzugt die dünnen und gut formbaren Un terarmlappen, Tensor-fasciae-lata-Lappen, Paraskapular- oder ALTLappen. 16.2.3 Bukkomandibuläre Defekte Tiefere Defekte in dieser Region können eine Wiederherstellung der Haut, der Innenauskleidung der Wangen und der Lippe erfordern. > Rekonstruktionen der Innenauskleidung sollten als erstes durchgeführt werden, um die Wunde zur Mundhöhle hin abzudichten.
Zur Korrektur von Narben, die den Unterkiefer überkreuzen, sind lokale Lappen, Transpositionslappen, Rhomboidlappen, W- oder ZPlastik möglich. Große Defekte werden durch inferior gestielte Vorschublappen gedeckt (Kroll et al. 1994), alternativ durch Gewebeexpansion. Zur inneren Auskleidung der Wange kann ein Zungenlappen (gestielt an der A.€lingualis), ein bukkaler Fat-pad-Lappen oder eine Einschwen kung von Anteilen des M.€masseter durchgeführt werden. Der sog. Deep-plane-composite-Lappen ist für tiefere komplexe Defekte und Hochrisikopatienten vorgesehen. Er schließt die tiefe subkutane Fettschicht und das SMAS mit ein, wodurch Perfusion und Mobilität des Lappens weiter verbessert werden. Nachteil ist die aufwendige Dissektion mit langer Operationszeit und dem Risiko einer N.-facialis-Läsion. Bei Defekten von über 10€cm oder vollschichtigen Defekten eig nen sich mikrochirurgische fasziokutane Lappen am besten, weil sie relativ dünn und gut anmodellierbar sind und kaum atrophieren. Hier bieten sich der Unterarmlappen, der Tensor-fascia-latae-, Para skapular-, der laterale Oberarm-, Leisten- oder ALT-Lappen an. Nachteil ist das relativ schlechte »color match«. 16.3
16
Ausgleich von Konturdefekten
Im Bereich der Wange kommen häufig auch Konturdefekte vor, z.€B. bei 4 M.€Romberg (hemifaziale Atrophie), 4 Sklerodemie, 4 fazialer Lipodystrophie (v.€a. bei antiretroviraler Langzeitmedi kation bei HIV-Infektion), 4 Gesichtsverletzungen. Zum Ausgleich kommen folgende rekonstruktive Verfahren in Frage: 4 Injektion von Kollagen (meist begrenzte Haltbarkeit, 6–12 Mo nate), 4 dermale Fettlappen (Fett wird teilweise resorbiert, trotzdem bleibt das Volumen des Transplantats weitgehend erhalten), 4 autologe Fetttransplantation (Volumenabnahme bei 50% inner halb eines Jahres, das Fett sollte in möglichst kleinen Portionen eingebracht werden), 4 freie Gewebetransplantate (z.€B. deepithelialisierter Leistenoder Skapular- oder Paraskapularlappen).
16.4
Zusammenfassung
4 Bei der Wangenrekonstruktion sollte möglichst die gesamte äs thetische Einheit rekonstruiert werden.
4 Die Gegenseite wird als Vorbild benutzt. 4 Zum Lappendesign werden exakte Schablonen der Defektgröße verwendet.
4 Vertikale Inzisionen vor einer gedachten perpentikulären Linie zum lateralen Kanthus sollte vermieden werden.
4 »Dog ears« können durch eine Blepharoplastikinzison oder in der Nasolabialfalte verborgen werden.
4 Einem Ektropion kann bei großflächigen Vorschublappen durch Ankernähte am Periost vorgebeugt werden.
Literatur Jackson IT (1985) Local flaps in head and neck reconstruction. Mosby, St. Louis Jelks GW, Jelks EB (2001) Prevention of ectropion in reconstruction of facial defects. Clin Plast Surg 28: 297–302 Juri J, Juri C: Advancement and rotation of a large cervicofacial flap for cheek repairs. Plast Reconstr Surg 64: 692–696, 1979 Kaplan E, Goldwin RM (1978) The versatility of the laterally based cervicofacial flap for cheek repairs. Plast Reconstr Surg 61: 390–393 Kroll SS, Reece GP, Robb G et al: DIEP-Plane cervicofacial rotation-advancement flap for reconstruction of large cheek defects. Plast Reconstr Surg 94: 88–93, 1994 Mennick FJ (2001) Reconstruction of the cheek. Plast Reconstr Surg 108: 496– 505 Waldman J, Langstein HN (2008) Lip, cheek and scalp reconstruction. In: Butler CE, Fine NA (eds) Principles of cancer reconstructive surgery. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 96–117 Wieslander JB (1991) Tissue expansion in the head and neck. A six-year review. Scand J Plast Reconstr Hand Surg 25: 47–56
17
Rekonstruktion der Nase A. Gohritz, P.â•›M. Vogt
17.1
Anatomische Grundlagenâ•… – 128
17.2
Diagnostisches Vorgehenâ•… – 128
17.2.1 17.2.2
Klassifikation von Nasendefektenâ•… – 128 Prinzip der ästhetischen Untereinheitenâ•… – 128
17.3
Rekonstruktion der Naseâ•… – 128
17.3.1 17.3.2 17.3.3 17.3.4 17.3.5 17.3.6 17.3.7
Ziele der Nasenrekonstruktionâ•… – 128 Wiederherstellung des Hautmantels der Naseâ•… – 129 Rekonstruktion des Stützgerüstesâ•… – 129 Rekonstruktion des lateralen Nasengerüstsâ•… – 132 Innere Auskleidung der Nase (»nasal lining«)â•… – 132 Komplexe Rekonstruktionenâ•… – 132 Epithetische Versorgungâ•… – 132
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
128
Kapitel 17 · Rekonstruktion der Nase
Techniken zur Rekonstruktion der Nase gehören zu den ältesten Verfahren der plastischen Chirurgie. Bereits Sushruta beschrieb etwa 600€v.€Chr. Methoden zur Nasenrekonstruktion mit Gewebe aus der Wange. Nasenrekonstruktionen wurden damals v.€a. als entehrende Verstümmelungen, z.€B. für bestimmte Verbrechen (Ehebruch, Diebstahl) oder von Kriegsgefangenen durchgeführt. Die Rekonstruktionen wurden meist von Angehörigen einer speziellen Kaste von Töpfern ausgeführt. Die erst später als solche bezeichnete »indische Methode« mittels Stirnlappen gelangte im 18.€Jahrhundert nach Europa. Die »italienische Methode« durch Fernlappenbildung vom Arm wurde im 15.€Jahrhundert durch Angehörige mehrerer Familien, z.€B. der Brancas, verwendet, vom bayerischen Wundarzt Heinrich von Pfalzpaint um 1465 schriftlich niedergelegt und 1597 von Talliacozzi in seinem berühmten Buch ausführlich illustriert. 17.1
Anatomische Grundlagen
Die Nase unterteilt sich in ein 4 proximales Drittel (Os nasi und knöchernes Septum), 4 mittleres Drittel (obere laterale Knorpel und Septum) und 4 distales Drittel (knorpeliges Septum und Alarknorpel).
17.2.2 Prinzip der ästhetischen Untereinheiten
Das distale Drittel besteht aus den Crurae mediales, dem Alardom und den Seitenknorpeln.
Nach dem Vorschlag von Burget u. Mennick lässt sich die Nase in folgende topographische Untereinheiten einteilen (.€Abb.€17.1):
> Die Haut der Nase ist am Nasenrücken und im Bereich der Columella dünn und gut verschieblich, im Bereich der Nasenspitze und der Alae jedoch deutlich dicker, mit der knorpeligen Unterlage verwachsen und talgdrüsenreich.
17.3
Die Gefäßversorgung der Nase speist sich aus 4 A.€angularis, die die Nase lateral versorgt, 4 A.€labialis superior (Äste zum unteren Anteil der Alae und des nasalen Septums), 4 A.€ophthalmica, die den Nasenrücken und die Seitenwände versorgt.
17
. Abb. 17.1╇ Untereinheiten der Nase nach Burget u. Menick (1 Glabella, 2 Nasenrücken, 3 Nasenspitze, 4 Columella, 5 2 seitliche Nasenwände (Nasenabhänge), 6 2 Nasenflügel (Alae), 7 Facette (knorpelfreies Hautareal unterhalb der Dome der Nasenflügel; Nasenspitze und Columella bilden den Nasensteg)
Parallel zur arteriellen Versorgung verläuft der venöse Blutabfluss. Sensibel wird die Nase durch den N.€ophthalmicus aus dem N.€trigeminus und den N.€maxillaris versorgt. Die motorische Versorgung der Mm.€procerus, depressor septi nasi et nasalis entstammt dem N.€facialis. 17.2
Rekonstruktion der Nase
Prinzipien 4 Es gilt die Regel, dass bei Defekten, die >50% einer Untereinheit einnehmen, besser die gesamte Untereinheit rekonstruiert werden sollte, um ein flickenhaftes Rekonstruktionsergebnis zu vermeiden. 4 Wenn möglich, sollte die nicht betroffene Untereinheit der Gegenseite als Vorbild für die Rekonstruktion dienen. 4 Große Defekte werden in die jeweiligen Untereinheiten unterteilt, die jede für sich rekonstruiert wird. Die gleichzeitige Rekonstruktion mehrerer Untereinheiten mit einem großen Lappen führt meist zu schlechteren ästhetischen Ergebnissen, wenn asymmetrische Narben entstellen.
Diagnostisches Vorgehen
Vor jeder Nasenrekonstruktion muss eine genaue Analyse der Atemwege der Nase, im knorpeligen wie im knöchernen Anteil, erfolgen. Dies setzt zumindestens eine Untersuchung mit dem Spekulum voraus, weitere Untersuchungsmethoden, um z.€B. das exakte Ausmaß einer Verletzungsfolge oder einer Tumorinfiltration festzustellen, sind Röntgen, CT und MRT. 17.2.1 Klassifikation von Nasendefekten Defekte der Nase lassen sich grob einteilen in 4 oberflächliche (1- bis 2-schichtige) Defekte und 4 3- oder vollschichtige Gewebeverluste. Das Ausmaß der Rekonstruktion richtet sich nach den betroffenen ästhetischen Untereinheiten (7€unten).
17.3.1 Ziele der Nasenrekonstruktion Hauptziele sind, für den Patienten eine intakte Luftpassage und ein gutes ästhetisches Ergebnis zu erreichen. Hierbei wird die Wiederherstellung aller verloren gegangenen Gewebeschichten mit möglichst ähnlichem Gewebe angestrebt. 4 Innenauskleidung der Nase (»nasal lining«), 4 Stützgerüst (Knochen und Knorpel), 4 Hautweichteilmantel. In der Regel wird eine Sofortrekonstruktion versucht, es sei denn, es liegt eine verschmutzte, infizierte Wunde vor bzw. eventuelle TumorÂ� ränder sind nicht sicher frei, oder es handelt sich um einen besonders aggressiven Tumortyp, der eine Beobachtungszeit erfordert. Auch bei Beteiligung tieferer knöcherner Strukturen oder wenn eine Radiatio geplant ist, wird eher eine sekundäre Rekonstruktion durchgeführt.
129
17.3 · Rekonstruktion der Nase
. Tab. 17.1╇ Stufenschema zur Rekonstruktion des Hautmantels der Nase
Phase
Bemerkungen
1
Sekundärheilung
Defekte im Bereich der Glabella und des medialen Cantus können oft durch Sekundärheilung zum Verschluss gebracht werden, im Bereich der Nasenspitze und der Alarknorpel führt dies jedoch häufig zu einer Verziehung.
2
Spalthauttransplantate
Spalthauttransplantate haben das Risiko der narbigen Kontraktion und Verziehung, sind aber sinnvoll, wenn zunächst eine Beobachtung des Tumorherds notwendig erscheint.
3
Vollhauttransplantate
Vollhauttransplantate werden in der Regel von prä- oder postaurikulär entnommen, da sie gut in Textur und Hautfarbe entsprechen und die Entnahmestelle unauffällig ist. Kleinere Defekte können auch mit Transplantaten aus dem Bereich der Nasolabialfalte gedeckt werden, alternativ aus der Supraklavikulärregion, wobei hier die Narben auffälliger sind.
4
Haut-Knorpel- Transplantat
Haut-Knorpel-Transplantate werden für kleinere vollschichtige Defekte im Bereich des Alabogens oder der Coumella verwendet. Die Entnahme erfolgt vom Ohr (Helixwurzel, Helixrand oder Koncha). Sie sind auf ein gut vaskularisierÂ� tes Wundbett angewiesen und heilen in Strahlenfeldern schlecht ein. Die Maximalgröße für ein solches Composite Graft liegt bei ca. 1,5€cm.
5
Lokale Lappenplastik
Lokale Lappenplastiken beruhen häufig auf der größeren Gewebeverschieblichkeit im Bereich der oberen zwei Drittel der Nase und erlauben dann eine Defektdeckung im unteren Drittel.
17.3.2 Wiederherstellung des Hautmantels
der Nase
Ziel ist es, eine möglichst nahe Angleichung der Rekonstruktion hinsichtlich Farbe, Hautdicke und Textur zu erreichen. Die Rekonstruktion richtet sich nach dem in .€Tab.€17.1 gezeigten Stufenschema.
Defekte ≤2€cm Die Defekte ≤2€cm können mit lokalen Lappen meist gut verschlossen werden. 4 »Banner flap«: Eigentlich ein Transpositionslappen, Defektgröße bis ca. 1,5€cm. 4 Zwei- oder dreizipfeliger Lappen (»bilobed flap«) nach Esser oder Zitelli. 4 Glabellalappen: Aus dem Bereich der Nasenwurzel mit gut verschieblicher Haut, die Inzisionen verschwinden gewöhnlich in den Glabellafalten (.€Abb.€17.2). 4 Dorsonasaler Lappen (nach Rieger): Sichelförmiger Lappen mit lateraler Basis, die gesamte Haut des Nasenrückens wird rotiert und nach kaudal verschoben, um Defekte von 2€cm Defekte >2€cm erfordern meist regionale Lappen.
Stirnlappen.╇ Der Stirnlappen oder paramediane Lappen kann an
der A.€supraorbitalis oder supratrochlearis von einer oder beiden Seiten gestielt werden. Der typische Stirnlappen basiert auf einem einzelnen supratrochlearen Gefäßstiel und erlaubt die Rekonstruktion großer Defekte im Bereich der Nasenspitze oder eine subtotale€oder totale Nasenrekonstruktion. Der verbleibende Hebedefekt kann durch sekundäre Wundheilung mit gutem Ergebnis verschlossen werden. Eine Gewebeexpansion kann zu stärkerer Vernarbung und schlechterer Formbarkeit führen.
»Scalping flap«.╇ Diese Technik stellt eine zuverlässige Methode dar,
um mit einem großen Hautgebiet aus dem Bereich der Stirn große Nasendefekte zu decken. Er wird durch einen posterior der A.€temporalis superficialis gelegenen Koronarschnitt entnommen, die HautÂ� insel reicht bis zur kontralateralen Stirn. Die Entnahmestelle wird durch ein Hauttransplantat verschlossen, der temporäre Skalpdefekt mittels Verband feucht gehalten. Der Lappen wird dann in einem 2.€Schritt eingesetzt und abgetrennt, wobei der Stiel wieder in seine ursprüngliche Position verbracht wird. Der Lappen bietet ausreichend Gewebe von guter Farb- und Texturqualität. Der Entnahmedefekt ist jedoch erheblich. Temporomastoid- oder Washio-Lappen.╇ Dieser wird aus der postÂ�
aurikulär gelegenen Haut an der A.€temporalis superficialis gestielt und zur Nase transponiert. Die Haut ist in der Regel haarlos und reicht für eine nahezu komplette Bedeckung der Nase aus. Es kann auch Ohrknorpel mit in den Lappen integriert werden. Fernlappen oder freie Gewebetransplantate.╇ Es handelt sich z.€B.
um Unterarmlappen; diese können vor dem Einsatz zur Nasenrekonstruktion prälaminiert werden, z.€B. zum Aufbau eines Nasengerüsts. Sie haben jedoch die Nachteile schlechter Farbabstimmung und sind häufig sehr auftragend. Der mikrochirurgische Anschluss erfolgt meist an die A.€facialis oder an die A.€labialis.
17.3.3 Rekonstruktion des Stützgerüsts Vorrangige Ziele sind hier eine Rekonstruktion der Nasenprojektion und die Durchgängigkeit der Atemwege. Zum einen wird das mitt-
17
130
Kapitel 17 · Rekonstruktion der Nase
a
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d
17
e
. Abb. 17.2a–f╇ Rekonstruktion der Nasenspitze nach Verbrennung mit Stirnlappen. Sofortige Abtragung der Nekrosen bis auf Knorpelniveau (a,€b) . Passgenaues Zuschneiden des Lappens für die Nasenspitze mittels Schablone (c) . Exakte Einpassung an der Nasenspitze (c,€d) und Ergebnis nach Stieldurchtrennung (e,€f) . Der Stirndefekt wurde mit Spalthaut gedeckt
f
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17.3 · Rekonstruktion der Nase
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g
. Abb. 17.3a–g╇ Rekonstruktion des Nasengerüstes nach mehrfachen reduzierenden Voroperationen und weitgehendem Septum- und Dreiecksknorpelverlust durch Rippen-L-Span. Massive Atmungsbehinderung bei Â� insuffizienter äußerer Nasenklappe. Zugang über offene Rhinoplastik (a). Darstellen des Befundes am instabilen Stützgerüst (b). Präparation der Columnellatasche für den kurzen Schenkel des Rippen-L-Spans (c). Gewinnung des Rippenknorpel-L-Spans aus der IX.€Rippe (d). Einsetzen über dem defizitären Septum (e). Sichtbare Anhebung der Nasenspitze und Stabilität der äußeren Nasenklappe (f,€g)
17
132
Kapitel 17 · Rekonstruktion der Nase
lere Nasengerüst, zum anderen das seitliche Nasengerüst wiederhergestellt. Die Rekonstruktion des mittleren Nasengerüsts kann mittels L-förmigem Rippenspan oder Knochenspan erfolgen, die auf die Nasenwurzel gesetzt werden, meist in Form eines Hockeyschlägers (.€Abb.€17.3). Nachteil ist hier aber die geringe laterale Stabilität. 17.3.4 Rekonstruktion des lateralen
Nasengerüsts
Flügelknorpel.╇ Es können 4–6€mm breite Knorpelstreifen aus dem
Bereich des Septums oder der Koncha entnommen werden, um einen oder beide Alaknorpel zu rekonstruieren. 17.3.5 Innere Auskleidung der Nase
(»nasal lining«)
Hierbei ist beabsichtigt, sowohl die Struktur der Nase zu erhalten als auch eine Kontraktion der Rekonstruktion zu verhindern. Eingeschlagene Lappen (»turn-in flaps«).╇ »Turn-in-flaps« eignen
sich besonders, wenn ein skelettales Stützgerüst erst später wiederhergestellt wird, weil sie zwei unabhängig voneinander durchblutete Oberflächen schaffen. Beispiel für einen eingeschlagenen regionalen Lappen ist der Stirnlappen, der eine innere Auskleidung der Nase schaffen kann. Die äußere Bedeckung wird dann durch ein Vollhauttransplantat, einen weiteren Stirnlappen oder einen Lappen aus der Wangenregion gebildet.
Stirnlappen mit Hauttransplantat.╇ Ein Vollhauttransplantat kann
auf die Unterseite des Stirnlappens gelegt werden, um so eine innere Nasenauskleidung zu erreichen, alternativ kann ein Composite Graft aus Haut und Knorpel vom Ohr verwendet werden oder ein chondromukosales Segment aus dem Bereich des Nasenseptums, das man auf die Spitze eines Stirnlappens setzt.
17
Septale Türflügellappen.╇ Diese Technik beinhaltet einen gefalteten Lappen aus dem Bereich der Septumschleimhaut von ipsilateral in den Defekt, wobei ein angemessen großer Lappen aus septalem Knorpel mit kontralateraler Schleimhaut anhängend gebildet wird. Diese »septale Tür« wird dann zur Rekonstruktion verschwenkt. Hierbei muss jedoch ein ausreichender Anteil des Septums im Bereich des Nasenrückens belassen werden, um das Nasengerüst in der Mittellinie zu erhalten und einen Nasenkollaps zu vermeiden. Septaler mukoperichondraler Lappen.╇ Große dreiecksförmige LapÂ�
pen aus Mukosa und einem Composite Graft aus Schleimhaut und Perichondrium können kaudal an einem septalen Ast der A.€labialis superior gestielt werden. Der Drehpunkt des Lappens befindet sich anterior in der Nähe des Nasenrückens. Er wird nach außen gefaltet, um eine Innenauskleidung für den Nasendom zu erreichen. Vorschublappen aus Schleimhaut.╇ Diese werden auch als »muco-
sal advancement flap« bezeichnet.
Wahl des Zeitpunkts der Rekonstruktion Die Innenauskleidung wird sofort rekonstruiert, wenn gleichzeitig ein Stützgerüst und eine Weichteilbedeckung der Nase möglich sind. Dies fördert eine Heilung der Gewebe und bietet eine maximale Flexibilität der Gewebe, bevor eine Wundkontraktion eintritt. Nachteil
ist, dass es bei einem partiellen Gewebeuntergang der Naseninnenauskleidung oder des Stützgerüstes sekundär zu einer Kontraktion der Rekonstruktion mit einer Distorsion kommen kann. Wird in mehreren Schritten vorgegangen (»staged reconstruction«), beispielsweise bei großen Defekten im Bereich der Naseninnenauskleidung, ist dies oft sicherer. Nachteilig ist jedoch, dass es durch Narbenbildung zu einer Versteifung des Gewebes kommen kann, die eine spätere Nachbildung der Nase erschwert. 17.3.6 Komplexe Rekonstruktionen Bei besonders ausgedehnten Weichteildefekten finden v.€a. an der Frontobasis bei interdisziplinären onkologischen Resektionen mikrochirurgische Lappentransplantationen Anwendung. Hier hat sich besonders der M.€latissimus dorsi als universell einsetzbar und vorteilhaft erwiesen, da Lappengröße und -volumen gut an die Defektsituation angepasst werden können und die Durchblutung sehr sicher ist (s.â•›a. Kapitel 14, .€Abb. 14.8). 17.3.7 Epithetische Versorgung Die Rekonstruktion mittels Prothese (Epithese) ist indiziert, wenn sich der Patient nicht für eine Operation eignet. Hier können osteointegrierte Implantate mit einer Prothese mit gutem Erfolg angewendet werden. Gleichzeitig kann eine Brille angefertigt werden, die die Epithese meist noch unauffälliger macht.
Literatur Burget GC (1985) Aesthetic restoration of the nose. Clin Plast Surg12: 463– 480 Burget GC, Menick FJ (1989) Nasal support and lining: the marriage of beauty and blood supply. Plast Reconstr Surg 84: 189–202 Burget GC, Mennick TJ (1994) Aesthetic restoration of the nose. Mosby, St Louis Jackson IT (1985) Local flaps in head and neck reconstruction. Mosby, St. Louis Joseph J (1931) Nasenplastik und sonstige Gesichtsplastik. Kabitzsch, Berlin Millard RD Jr (1967) Hemirhinoplasty. Plast Reconstr Surg 40: 440–445 Millard RD Jr (1996) A rhinoplasty tetralogy: corrective, secondary, congenital, reconstructive. Lippincott Williams & Wilkins Washio H (1969) Retroauricular-temporal flap. Plast Reconstr Surg 43: 162– 166
18
Rekonstruktion der Ohren R. Ipaktchi, A.€Gohritz
18.1
Anatomische Grundlagenâ•… – 134
18.2
Akute Verletzungen des Ohresâ•… – 134
18.2.1 18.2.2 18.2.3
Otohämatomâ•… – 134 Verbrennungenâ•… – 134 Riss-Quetsch- und Bisswundenâ•… – 134
18.3
Indikation zur Rekonstruktionâ•… – 134
18.4
Defektdeckung des Ohres in Abhängigkeit von Defektlokalisation und -größeâ•… – 135
18.5
Ohrverlustâ•… – 137
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 18 · Rekonstruktion der Ohren
Erworbene Defekte entstehen am Ohr durch Tumoren, Traumata, speziell Verbrennungen. Bei Tumoren des Ohres, die ca. 5–10% aller Malignome im Kopf-Hals-Bereich ausmachen, handelt es sich meist um Hauttumoren, vorwiegend Spinaliome. Die Rekonstruktion von Ohrdefekten sind technisch oft schwierig und stellen hohe Anforderungen an das ästhetische Ergebnis. Wichtig ist v.€a. eine ungestörte Kontur des Ohrrandes, weniger entscheidend ist eine exakte Symmetrie, da beide Ohren nur selten gleichzeitig wahrÂ�geÂ� nommen werden. 18.1
Anatomische Grundlagen
Die Oberflächenanatomie des Ohres wird in .€Abb.€18.1 dargestellt. Die Durchblutung des Ohres rekrutiert sich aus 3€Gefäßen: 4 Die A.€temporalis superficialis versorgt den lateralen Anteil der Ohrmuschel, es handelt sich um einen Endast der Carotis externa. 4 Die A.€auricularis posterior, ebenso ein Endast der Carotis externa, versorgt den hinteren Anteil der Ohrmuschel, den Lobolus und die retroaurikulare Haut. 4 Die A.€occipitalis versorgt ebenso die hintere Ohrmuschel, den Lobolus und die retroaurikuläre Haut. Die Innervation des Ohres erfolgt durch den N.€auricularis major (C2/C3), den N.€auricotemporalis (V3), den N.€occipitalis minor und den Ramus auricularis des N.€vagus, der die Koncha und den hinteren Anteil des äußeren Gehörkanals versorgt. Das normale Ohr misst ca. 6–6,5€cm in der Höhe und 3,5€cm in der Breite. Die normale Projektion des Ohres liegt bei einem HelixMastoid-Abstand von 17â•‚21€mm, dies entspricht etwa einem Winkel von 30°. 18.2
Akute Verletzungen des Ohres
18.2.1 Otohämatom
18
Otohämatome entstehen in der Regel durch ein stumpfes Trauma, beispielsweise bei Kontaktsportarten. Es kommt zu Einblutungen zwischen Knorpel und Perichondrium. Hämatome, die sich subperichondral gebildet haben, können unbehandelt zur Bildung von Neuknorpel führen, wodurch groteske Veränderungen der Ohrform entstehen können (z.€B. »cauliflower ear« = Blumenkohlohr). Ausgeprägte Otohämatome sollten daher frühzeitig punktiert oder durch eine kleine Inzision entlastet und drainiert werden, da größere Blutkoagel oft nicht aspiriert werden können. Zur Rezidivprophylaxe empfiehlt es sich, postoperativ eine Kunststoffschiene mit breiter Auflagefläche für etwa 10€Tage anzupassen. 18.2.2 Verbrennungen Aufgrund seiner exponierten Lage und einer fehlenden Protektion ist das Ohr bei Verbrennungs- oder Verpuffungsverletzungen im Gesicht häufig mitbetroffen, bei tiefen Verbrennungen nicht selten mit Knorpelmitbeteiligung. Ohrverbrennungen werden primär sparÂ� sam abgetragen, um vitales Perichondrium und Knorpelgewebe möglichst zu erhalten, bei Bedarf wird nachdébridiert. Als schwerwiegende Komplikation kann etwa zwischen dem 3. und 5.€Tag eine Chondritis auftreten, die antibiotisch behandelt werden sollte.
. Abb. 18.1╇ Oberflächentopographie des äußeren Ohres
18.2.3 Riss-, Quetsch- und Bisswunden Obwohl das Ohr aus elastischem Knorpelgewebe besteht, kann es durch Zug häufig zu Riss- und Quetschverletzungen kommen. Aufgrund der guten Durchblutung am Ohr zeigen diese Verletzungen in aller Regel eine sehr gute Heilungstendenz. Die gute Perfusion erlaubt auch gute Ergebnisse nach Deckung freiliegenden Knorpels durch lokale Lappenplastiken mit dünnen und schmalen Gefäßstielen. Bei Verletzungen sollte primär ein sparsames, jedoch gründliches Wunddébridement durchgeführt werden. Menschen- und Tierbisse sollten stets nach der Primärversorgung antibiotisch abgedeckt werden. > Definitive Versorgungen von komplexen Verletzungen am Ohr sollten erst im Verlauf und nach gesicherter Wundheilung erfolgen.
18.3
Indikation zur Rekonstruktion
Hier wird zwischen angeborenen und erworbenen Defekten unterschieden. Bei angeborener Mikrotie (Inzidenz bei ca. 1:8000 Geburten, öfter rechts, in 50% der Fälle assoziiert mit hemifaszialer Mikrostomie) wird eine Rekonstruktion meist im Alter zwischen 6 und 7€Jahren durchgeführt. Meist wird ein beidseitiges Vorgehen empfohlen. Im 1.€Schritt wird ein kartilaginöses Ohrgerüst aus Rippenknorpel geformt und in einer subkutanen Tasche eingelegt. In einem 2.€Schritt wird dieses Ohrgerüst vom Kopf abgehoben, wobei der postaurikuläre Sulkus durch ein Hauttransplantat rekonstruiert wird. Im 3.€Schritt erfolgt dann die Rotation des Lobulus in seine anatomische Position. Bei Avulsionen und Amputation des Ohrs richtet sich das Vorgehen nach der Größe und dem Zustand von Amputat und Stumpf. Es sollte immer eine Replantation versucht werden, da diese zu den besten ästhetischen Ergebnissen führt. Bei thermalem Trauma muss bei Erfrierungen eine schnelle Erwärmung des Ohres mit antibiotischer Abdeckung versucht werden,
135
18.4 · Defektdeckung des Ohres in Abhängigkeit von Defektlokalisation und -größe
am besten mit hoher Gewebepenetranz auch für Knorpel. Hier eignet sich am besten Maphinitazetat (Mafenide). Bei Verbrennungsverletzungen des Ohres muss auf eine behutsame Positionierung bei Kopfverbänden geachtet werden, um weitere Schädigungen zu vermeiden. Die meisten Ohrverbrennungen heilen unter konservativer Therapie, sind größere Knorpelsegmente freiliegend, müssen diese bedeckt oder exzidiert werden. 18.4
Defektdeckung des Ohres in Abhängigkeit von Defektlokalisation und -größe
Die Einteilungen der Verletzungen oder Deformitäten am Ohr erfolgen in 3€Zonen. Sie werden in ein oberes, mittleres und ein unteres Drittel unterteilt. Während Ohrdefekte im oberen Drittel z.€B. durch Tragen von langen Haaren leicht zu verdecken sind, könÂ� nen sie z.€B. im Alltag von Brillenträgern als sehr störend und hinÂ� derlich empfunden werden. Defekte im unteren Drittel können schlechter kaschiert werden und belasten den Patienten deutlich mehr. Eine Rekonstruktion in diesen Bereich wird daher in den meisten Fällen primär aus ästhetischen Gründen durchgeführt.
a
b
Wedge-Resektion.╇ Bei Wedge-Resektionen ist eine Buckelbildung
des Ohres durch eine sternförmige Resektion zu verhindern (.€Abb.€18.2). Ein direkter Verschluss ist im Bereich des Ohres bis zu Defekten von ca. 1,5€cm möglich.
Resektion nach Anita u. Buch.╇ Bei der Technik nach Anita u. Buch
(1967) handelt es sich um einen chondrokutanen Vorschub des Ohrrandes bei Defekten des Ohrrandes bis etwa 3€cm. Der Ohrrand wird inzidiert.
Crikelair-Lappen.╇ Der Crikelair-Lappen oder »banner flap« wird
ebenso bei Ohrdefekten im oberen Drittel verwendet. Die Basis dieses Lappens ist anterior-superior im Sulcus auriculocephalicus gelegen. Im 1.€Schritt wird ein Knorpeltransplantat entnommen, geformt und in den Knorpeldefekt im oberen Drittel des Ohres eingebracht. Dann wird der Lappen gehoben und über den Knorpel gelegt. Die Entnahmestelle wird mit Spalthaut gedeckt. Im 2.€Schritt wird einige Wochen später die Basis des Lappens durchtrennt und hierbei genug haarlose Haut belassen, um den aufsteigenden Helixrand zu rekonstruieren. Das übrige Gewebe des haartragenden Lappenanteils wird wieder zurückgelegt und die Haargrenze wiederhergestellt (.€Abb.€18.3).
c
. Abb. 18.2a–c╇ Wedge-Resektion
a
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. Abb. 18.3a–c╇ Crikelair-Lappen oder »banner flap«. Das Ohr wird nach vorn gezogen und ein superior gestielter Lappen im retroaurikulären Sulkus gebildet
18
136
Kapitel 18 · Rekonstruktion der Ohren
stelle wird durch Vorschublappen oder ein Hauttransplantat bedeckt. Rundstiellappen.╇ Mittelgroße und große Defekte des Helixrandes, z.€B. bei Verbrennungen mit Erhalt der retroaurikulären Haut, lassen sich durch Rundstiellappen decken. Im 1.€Operationsschritt wird ein retroaurikulärer Rundstiellappen doppelt gestielt gebildet und an den Helixrand vernäht (.€Abb.€18.5). Im 2.€Schritt wird dieser Rundstiellappen dann nach 2–3 Wochen angehoben, bei noch nicht ausreichen autonomisierter Durchblutung wird der Lappen im 2.€Schritt nur einseitig angehoben und die zweite Seite dann in einem 3.€Schritt. Postaurikulärer Lappen nach Dieffenbach.╇ Rekonstruktionen im Be-
a
b
. Abb. 18.4a, b╇ Helixrekonstruktion mit dem chondrokutanen Konchatranspositionslappen nach Davis
Konchatranspositionslappen nach Davis.╇ Größere Defekte im obeÂ�
ren Drittel der Helix lassen sich durch einen chondrokutanen Konchatranspositionslappen rekonstruieren. Diese Technik ist technisch anspruchsvoll, eignet sich aber z.€B. besonders gut für den Verlust des obeÂ�ren Helixrandes nach Verbrennungen, wenn oft die Haut im Bereich des Mastoids zerstört, der zentrale Bereich des Ohres aber erhalten ist. Die gesamte Koncha wird als chondrokutaner Lappen an einem anterioren Gefäßstiel der Crus helix nach oben rotiert. Konturunregelmäßigkeiten werden angepasst, und der untere Anteil des Lappens wird in den Defekt eingesetzt (.€Abb.€18.4). Die konchale Entnahmestelle und der neu geschaffene Ohrrand werden mit Spalthaut gedeckt.
Converse-tunnel-Defektdeckung.╇ Die Â� Converse-tunnel-Operation eignet sich für helikale Defekte von >3€cm Größe. In einem 1.€Schritt wird ein Knorpelstück gehoben und dann unterhalb die retroaurikulären Haut gelegt, mit der die Ränder des HelixranÂ� des€vernäht werden. In einem 2.€Schritt wird das KnorpelkonsÂ� trukt€angehoben mit der retroaurikulären Haut, die zur Bedeckung des Helixrandes verwendet wird. Die retroaurikuläre Entnahme-
reich des mittleren Drittels erfolgen meist durch einen postaurikulären Lappen nach Dieffenbach, der bis an die Grenze zur HaarÂ�linie geplant wird. Die Breite des Lappens entspricht der Breite des Defekts. Die Länge muss ausreichen, um die Vorderseite, den Rand und die Hinterseite des Ohres zu bedecken. Der Lappen wird in einem 1.€Schritt von retroaurikulär gehoben, der freie Rand des Lappens wird dann an den vorderen Aspekt des Hautdefektes vernäht. Im 2.€Schritt nach 2–3 Wochen wird der Lappen abgetrennt und mit seinem proximalen Anteil der posteriore Aspekt des Ohres bedeckt (.€Abb.€18.6). Defekte im Bereich des unteren Drittels des Ohres werden durch lokale Lappenplastiken gedeckt. Zusätzlich kann ein Knorpeltransplantat von kontralateral eingebracht werden, um das Ohrgerüst und die Kontur zu verbessern. Ohrknorpeltransplantation nach Brent.╇ Bei großen Defekten entweder des oberen oder unteren Ohrdrittels empfiehlt sich eine kontralaterale Ohrknorpeltransplantation nach Brent. Der Erfolg dieser Operation hängt von einer intakten und gut formbaren Haut im Bereich von Schläfe und Mastoid ab. Zunächst wird von der Gegenseite durch anterolateralen oder posterioren Zugang ein entsprechendes Konchatransplantat entnommen. Bei einer Rekonstruktion des oberen Ohrdrittels wird das Knorpelstück unter die Haut des Mastoids implantiert und am Rest der Helixwurzel befestigt. In einem 2.€Schritt wird über einen Schnitt an der Haarlinie der obere Anteil des Ohres unterminiert, angeÂ�hoben und die Entnahmewunde mit Spalthaut bedeckt. Brent bevorzugt eine Inzision im Bereich der geplanten Konchawand und des Crus inferior, über die der beidseits gestielte Lappen des oberen Ohres als »Kofferhenkel« (»valise handle«) abgehoben werden kann.
18
a . Abb. 18.5a–c╇ Rundstiellappen
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137
18.5 · Ohrverlust
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d
. Abb. 18.6a–d╇ Dieffenbach-Lappen zur Ohrrekonstruktion mittels retroaurikulärem Lappen
a
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b . Abb. 18.7a–c╇ Brent-Lappen mit Koncha-Knorpel-Transplantat von der Gegenseite zur Rekonstruktion des unteren Ohrdrittels. Im 2.€Schritt wird
ein beidseits gestielter Lappen gebildet und als »Kofferhenkel« angehoben. Die Entnahmestelle wird mit Spalthaut gedeckt
Eine ähnliche Operation kann auch im Bereich des unteren Ohrdrittels durchgeführt werden. Hier ergibt die Abhebung des »Kofferhenkels« eine bessere Definition der hinteren Koncha (.€Abb.€18.7). Ein Rundstiellappen kann zur Nachformung der unteren Helix und des Ohrläppchens verwendet werden.
18.5
Ohrverlust
Replantation.╇ Bei totalem Ohrverlust kann eine mikrochirurgische
Replantation erfolgen. Allerdings sind die versorgenden Gefäße des Ohres extrem klein, und die Anastomose ist daher sehr schwierig ist. Zumindest sollte eine Anastomose der Arterie versucht werden, die venöse Drainage erfolgt dann durch Auflage von Blutegeln.
18
138
Kapitel 18 · Rekonstruktion der Ohren
»Ear banking«.╇ Eine zeitweise ektopische Einlage des Ohres (»ear
banking«) führt zu unsicheren Ergebnissen.
! Cave Bei Ohrreplantationen unter Verwendung der A.€tempoÂ� ralis superficialis muss bedacht werden, dass diese die Fascia temporoparietalis versorgt, was deren Gebrauch für die Zukunft erschweren kann.
Literatur Anita NH, Buch VI (1967) Chondrocutaneous advancement flap for the marginal defect of the ear. Plast Reconstr Surg 39 (5): 472 Adams WM (1955) Construction of upper half of the auricle utilizing composite concha cartilage graft with perichondrium attached on both sides. Plast Reconstr Surg 16 (2): 88 Brent B (1977) The acquired auricular deformity. Plast Reconstr Surg 59 (4): 475 Brent B (1990) Reconstruction of the auricle. In: McCarthy JG (ed) Plastic surgery. Saunders, Phildadelphia, New York, p 2094 Crikelair GF (1956) A method of partial ear reconstruction for avulsion of the upper portion of the ear. Plast Reconstr Surg 17 (6): 438 Converse JM (1958) Reconstruction of the auricle, part I. Plast Reconstr Surg 22 (2): 150 Donelan MB (1989) Conchal transposition flap for postburn ear deformities. Plast Reconstr Surg 83 (4): 641 Eriksson E, Vogt PM (1992) Ear reconstruction. Clin Plast Surg 19: 637–643
18
19
Rekonstruktion der Augenlider A. Gohritz, P.â•›M. Vogt
19.1
Therapiezieleâ•… – 140
19.2
Anatomische Grundlagenâ•… – 140
19.3
Defekte des Augenlidsâ•… – 140
19.3.1 19.3.2
Defekte des Oberlidsâ•… – 140 Defekte des Unterlidsâ•… – 141
19.4
Ektropiumâ•… – 145
19.5
Entropiumâ•… – 147
19.6
Ptosis des Augenlidsâ•… – 147
19.6.1
Rekonstruktion von Augenlid und Kanthusâ•… – 147
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 19 · Rekonstruktion der Augenlider
Tumorentfernungen und Verletzungen am Augenlid führen häufig zu Defekten, die zu einer Beeinträchtigung des Sehens und stigmatisierenden Vernarbungen führen können. Die Rekonstruktion der Augenlider erfordert daher eine genaue Kenntnis ihrer Anatomie und eine äußerst exakte Operationstechnik. 19.1
Therapieziele
Jede Rekonstruktion an den Augenlidern umfasst folgende Ziele: 4 Ersatz von innerer Auskleidung, Gerüst und Hautbedeckung, 4 Wiederherstellung einer Bedeckung der Kornea und der Funktion der Tränengänge (Befeuchtung der Kornea), 4 Möglichst optimales ästhetisches Ergebnis bei verschieblichen Weichteilen. 19.2
Anatomische Grundlagen
Die Augenlider bestehen aus 4 Haut, 4 M.€orbicularis oculi, bestehend aus 3€separaten Anteilen: 5 prätarsaler Anteil, 5 präseptaler Anteil, 5 orbitaler Anteil, 4 tarsaler Platte, 4 Konjunktiva.
19
Das Oberlid enthält zudem Sehnen der Augenlidretraktoren. Der prätarsale M.€orbicularis oculi ist v.€a. für den unwillkürlichen Lidschluss (Blinzeln) zuständig, der präseptale Anteil dient als Muskelpumpe für das Tränengangsystem und als Hilfsmuskel beim willentlichen Lidschluss. Der M.€orbicularis oculi orbitalis zieht die mittlere Augenbraue herunter und ermöglicht den willentlichen Lidschluss. Das Augenlid wird in eine anteriore und posteriore Lamella unterteilt. Die vordere Lamella besteht aus Haut und dem M.€orbicularis oculi, während die hintere Lamella den Tarsus, die Lidretraktoren und die Konjunktiva enthält. Die tarsale Platte enthält vertikal orientierte Drüsen, deren Ausscheidungsgänge am Lidrand liegen und eine ölige Flüssigkeit sezernieren, die sich mit der Tränenflüssigkeit zu einem Schutzfilm für die Konjunktiva mischt. Medial und lateral verengen sich die tarsalen Platten in fibröse Bündel, die dann die Sehnen zum medialen und lateralen Kanthus bilden. Medial am Ober- und Unterlid liegen die Ausscheidungsgänge der Tränendrüse, die Tränen aus der Tränendrüse über die Tränendrüsengänge und dann in den Tränensack drainieren. Der Tränensack entleert sich in den Meatus inferior durch den Tränendrüsengang, der Tränenfluss wird durch Blinzeln verstärkt, weil hierdurch die Tränen durch den Tränendrüsengang gedrückt werden. Die Positionierung des Oberlids geschieht durch Anspannung des M.€levator palpebrae superioris und des Müller-Muskels (Oberlidretraktor). Der Levatormuskel entspringt an der Orbita und wird durch den N.€oculomotorius aus dem N.€trigeminus innerviert. Er verbreitert sich in den M.€levator aponeurosis und nähert sich dem Müller-Muskel an, bevor er an der oberen Tarsalplatte ansetzt. Der Müller-Muskel wird vom Sympathikus reguliert (Ganglion cervicalis superior).
19.3
Defekte des Augenlids
> Die Haut und die Drüsen des Augenlids sind häufig von Tumoren betroffen, v.€a. im Bereich des Unterlids (90% vs. 10% am Oberlid). Die häufigsten malignen Augenlidtumo ren stellen Basaliome dar. Plattenepithelkarzinome des Augenlids sind selten, mechanische und Brandverletzun gen dagegen häufiger.
Die Prävention des Rezidivs nach Exzision eines Basalioms erfordert eine weite Exzision. Melanome in situ (Melanoma lentigo maligna) erfordern ebenso eine weite Exzision mit einem Sicherheitsabstand von mindestens 5€mm. ! Cave Die Rekonstruktion des Augenlids sollte erst bei onkolo gisch sicherer und pathologisch bestätigter Tumorfreiheit durchgeführt werden. Der Defekt wird bis dahin offen be handelt.
19.3.1 Defekte des Oberlids Das Oberlid hat eine bedeutende Funktion in der Protektion des Auges vor kornealen Schäden. So muss das Oberlid sowohl ausreichende Protektion der Hornhaut während des Schlafes bieten als auch über genügend Muskelkraft zur Elevation für einen ausreichenden Visus verfügen. Bis zu einer Defektgröße von 25 % des Lidrandes ist meist ein Primärverschluss von vollschichtigen Defekten des Oberlids möglich. Wie am Unterlid wird die Inzision durch den Tarsus in perpendikulärer Richtung zum Lidrand geführt, um eine Buckelbildung des Tarsus zu vermeiden. Der Tarsus wird mit resorbierbarem Nahtmaterial genäht, die Oberlidhaut wird nicht resorbierbar verÂ� schlossen (Fadenstärke 6–0). Ist ein primärer Wundverschluss nicht möglich, wird eine lateraÂ� le Kanthotomie und Kantholyse durchgeführt. Die laterale InziÂ�sion wird in den Kanthus gesetzt, zusätzlich eine entlastende Inzision€im Bereich des oberen Schenkels der Kanthusansatzsehne (s.€unten).
Hautdefekte Hautdefekte des Oberlids und der medialen kanthalen Region werden mit Vollhauttransplantaten, vorzugsweise aus dem kontralateralen Oberlid, rekonstruiert. Haut aus dem Retroaurikularbereich eignet sich für Transplantate am Unterlid, Haut aus der Supraklavikularregion für kombinierte Defekte von Unterlid und Wange.
Defekte der Konjunktiva Konjunktivadefekte, die sich nicht primär verschließen lassen, erÂ� fordern freie Transplantate, wobei diese bei Entnahme, z.€B. aus der ipsi- oder kontralateralen Lidregion, das Risiko einer kompromittierten Hebestelle als auch eine ausgeprägte Kontraktionstendenz aufweisen und damit schwierig zu handhaben sind. Die dünnere bukkale Mukosa kontrahiert mehr (bis 50%) als die etwas dickere nasale Mukosa (ca.€20%), sodass wir Letzterer den Vorzug geben.
Defekte der Tarsalplatte Diese Defekte werden durch freie Composite-Transplantate oder Lappen rekonstruiert. Chondromukosale Gewebe entnehmen wir entweder aus dem Nasenseptum und dem Dreiecksknorpel, chondrokutane Gewebe vorzugsweise aus der Ohrkoncha. Komplexe und ausgedehnte Defekte erfordern u.€U. kombinierte Transplantate aus den fehlenden Einzelkomponenten. Zur Prävention einer HornhautÂ�
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19.3 · Defekte des Augenlids
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. Abb. 19.1a–e╇ Einfacher Advancment-Lappen des Oberlides (a–c). Technik nach Cutler u. Beard zur RekonsÂ� truktion großer Oberliddefekte mittels rechteckigem Lappen, der den Tarsalrand am Unterlid erhält und nach 6–8 Wochen an der Hebestelle abgetrennt wird (d,€e)
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. Abb. 19.2a–c╇ Kombinierte Unterlidrekonstruktion durch Konjunktivallappen und Vollhauttransplantat. Ein transkonjunktivaler Lappen aus dem evertierten Unterlid wird basal gestielt an die Reste des Oberlids geheftet
(a) und dort mit einem Vollhauttransplantat bedeckt (b). Der kraniale Teil wird mit dem M.€levator palpabrae vernäht. Durchtrennung des Pedikels nach 5–8 Wochen€(c)
irritation durch verhornende oder haartragende epidermale Anteile wird die Mukosa über den Knorpel gezogen.
> Kleine Defekte lassen sich meist primär verschließen, wo bei ein vertikaler Narbenzug der Wundränder verhindert werden sollte, um ein Ektropium (Eversion des Augenlids) zu vermeiden.
Vollschichtige Defekte Hier sind gestielte »advancements« (nach Cutler u. Beard; .€Abb.€19.1), mukosale Umkipplappen des Unterlides mit Spalthaut (.€Abb.€19.2) oder medial bzw. lateral gestielte Unterlidlappen (nach Mustardé; .€Abb.€19.3) zur optimalen Rekonstruktion erforderlich. 19.3.2 Defekte des Unterlids
Analog zum Oberlid erfordern größere Defekte der Kutis einen Hautersatz, am einfachsten durch ein Hauttransplantat aus der Retroaurikularregion oder aus überschüssiger Oberlidhaut. Vollhauttransplantate sind Spalthauttransplantaten hier meist überlegen, da sie weniger zur Kontraktur neigen und meist eine bessere farbliche Entsprechung und Textur bieten.
Nicht vollschichtige Defekte
Vollschichtige Defekte des Unterlids
Diese Defekte des Unterlids betreffen entweder nur die Haut oder zusätzlich den M.€orbicularis. Mögliche Rekonstruktionsverfahren umfassen hier 4 den primären Wundverschluss, 4 Vollhauttransplantate und Spalthauttransplantate, 4 lokale Lappenplastiken.
Tiefergehende oder vollschichtige Defekte erfordern nicht nur einen analogen Ersatz der verloren gegangenen Gewebsschichten, sondern zudem die Rekonstruktion eines stabilen Tarsus, um einem Ektropium vorzubeugen. Vollschichtige Defekte des Unterlids mit Verlust von Haut, M.€orbicularis oculi, Tarsus und Konjunktiva lassen sich abhängig
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Kapitel 19 · Rekonstruktion der Augenlider
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. Abb. 19.3a–d╇ Lateral gestielter (a,€b) und medial gestielter Unterlidlappen€(c,€d). (Mod. nach Mustardé 1983)
. Tab. 19.1╇ Stufenschema zur Rekonstruktion vollschichtiger Defekte des Unterlids
19
Phase
Kennzeichen
1
Primärer Wundverschluss
2
Laterale Kanthotomie (Abtrennung des Kanthus) mit Kantholyse (Abtrennung des Kanthusbändchens) und primärer Wundverschluss
3
Laterale Exzision mit semizirkulärem Lappen nach Tenzel
4
Laterale Exzision mit Z-Plastik (McGregor-Lappen)
5
Tarsokonjunktivaler Lappen vom Oberlid (modifizierter Hughes-Flap) mit Hauttransplantat oder lokalem Lappen
6
Wangenrotation (nach Esser oder Mustardé-Lappen), in Kombination mit einem Knorpel-Schleimhaut-Transplantat
von ihrer Ausdehnung nach dem in .€Tab.€19.1 gezeigten Stufenschema rekonstruieren. Ein primärer Wundverschluss kann meist bei Defekten erreicht werden, die nicht mehr als 25–33% des Lidrands umfassen. Die tarsale Platte sollte exakt parallel exzidiert werden, um nach der Approximierung keine störende Knotenbildung zu produzieren. Bei der Durchführung des tarsalen Release sind folgende Punkte zu beachten: Der Tarsus wird mit einer resorbierbaren 4-0-PDS-Naht approximiert, die Haut mit nicht resorbierbarem Faden verschlossen. Bei Defekten von einigen Millimetern wird durch laterale Kanthotomie mit Kantholyse so ein primärer Wundverschluss ermöglicht. Hierbei wird der untere Schenkel des lateralen Kanthusbändchens abgelöst, um eine Relaxation des lateralen Anteils des Unterlids zu erreichen. Die laterale Kanthotomie wird häufig superolateral durchgeführt, um zusätzlich einen semizirkulären Lappen zu schaffen, der eine weitere Mobilisierung ermöglicht. Durch eine zusätzliche Z-Plastik können nochmals einige Millimeter gewonnen werden.
. Abb. 19.4╇ Unterlidverschiebungen mit oder ohne Kantothomie durch »advancement cheek flap«, hier bei keilförmiger Tumorexzision (.€Abb.€19.5)
So sind Defekte, die bis zu 1/3 der Lidbreite umfassen, durch Unterlidverschiebungen mit oder ohne Kantothomie sowie eine additionelle Kanthopexie rekonstruierbar (.€Abb.€19.4, 19.5). Bei erhaltener Mukosa eignen sich auch chondrokutane Konchatransplantate, da sie eine stabile Abstützung gegenüber einem vertikalen Zug und damit gegenüber der Ausbildung eines Ektropiums darstellen. Aus dem Oberlid ergeben sowohl doppelt gestielte Brückenlappen (nach Tripier) oder unilateral gestielte Hautmuskellappen des ipsilateralen Oberlids einen Weichgewebsersatz mit ausgezeichneter Übereinstimmung von Farbe und Textur. Allerdings erfordern diese Lappenplastiken eine zusätzliche tarsale Abstützung, bzw. Faszienstreifenaufhängungen bei fehlendem Kanthus. Vollschichtige Lappenplastiken des Oberlids verwenden wir wie andere Autoren (Mustardé 1983) wegen der Alteration des für den Augenschluss wichtigen Oberlides primär nicht. ChondroÂ� kuÂ�tane oder mukokutane Konchatransplantate in Kombination mit Verschiebeschwenklappen oder Rotationslappen bieten dagegen nicht nur ausreichende vertikale Stabilität gegenüber Narben-
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19.3 · Defekte des Augenlids
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. Abb. 19.5a–d╇ Defektverschluss des Unterlids nach Exzision eines Melanoms. Nach Resektion (a) wird die Konjunktiva mittels lokaler Schleimhautverschiebung verschlossen (b, c). Nach medialer Kanthotomie mit Verlängerung der Lidkante erfolgt eine laterale Aufhängung mittels Faszienstreifen
(alternativ auch möglich mit orbital gestielten Perioststreifen) und externer Weichteilrekonstruktion durch Wangenrotation nach Esser. Funktionell keinerlei Einschränkungen nach 6€Wochen mit stabilem Unterlid (d)
zug und damit Ektropiumentwicklung, sondern schonen auch das Oberlid. Der Vorteil gestielter Lappen aus Lidanteilen ist, dass sie gleichzeitig eine konjunktivale Innenauskleidung, ein Gerüst sowie einen Wimpern tragenden Hautersatz schaffen. Hierzu zählt auch der Lappen nach Tenzel. Ursprünglich für die Rekonstruktion sowohl des Ober- als auch des Unterlids beschrieben, beinhaltet das Verfahren einen modifizierten lateralen Verschiebe-Rotations-Lappen des Â�äußeren Kanthus, mit dem bis zu 3/4 des Augenlids rekonstruiert werden können. Indikationen stellen subtotale Ober- und Unterlidgewebsverluste mit seitlichen Kanthusresten von mindestens 2€mm dar.
Vorgehen.╇ Zuerst erfolgt die Durchtrennung des unteren Schenkels
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des lateralen Lig.€canthale und der orbitalen Anheftungen, dann wird ein 1–2€cm messender Haut-Muskel-Lappen gehoben und medial in den Defekt hinein rotiert. Eine dreiecksförmige Gestaltung des Defektes erleichtert die Lappeneinpassung, und liefert zusätzliche Konjunktivalschleimhaut. Zur Formung des kanthalen Winkels wird eine über einem Tupferwiderlager geknotete Matratzennaht angelegt (.€Abb.€19.6). Bei Defekten von über 60–80% des Unterlides sind diese TechniÂ� ken jedoch nicht mehr möglich. Zur Rekonstruktion der Innenauskleidung und des Lidgerüsts kann entweder ein tarsokonjunktivaler
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. Abb. 19.6a–c╇ Defektrekonstruktion am Unterlid mit zusätzlicher Kanthotomie und Kantholyse
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Kapitel 19 · Rekonstruktion der Augenlider
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. Abb. 19.7a–c╇ Tarsokonjunktivaler Lappen modifiziert nach Hughes. Neuere Modifikationen vermeiden eine Verletzung der tarsusnahen Konjunktiva am Spenderoberlid
Lappen (modifiziert nach Hughes 1937, Ursprungsbeschreibung durch Landolt 1881) oder ein chondromukosales Composite Graft verwendet werden. In der Modifikation des tarsokonjunktivalen Hughes-Lappens werden aktuell folgende Schritte durchgeführt (.€Abb.€19.7): 4 Der tarsokonjunktivale Lappen wird mindestens 3–4€mm innenseitig oberhalb des Tarsus gehoben. 4 Transsektion des Müller-Muskels und der Levatoraponeurose am Oberrand der Tarsalplatte mit Dissektion knapp unterhalb der Konjunktiva. 4 Bedeckung des Lappens durch Vollhauttransplantat. 4 Abtrennung des Lappens nach 3–4 Wochen mit Sekundärheilung der mukokutanen neuen Lidkante. Bei noch ausgedehnteren Defekten müssen Knorpel, Schleimhaut oder Composite Grafts verwendet werden. Hier können Ohrknorpel, Schleimhauttransplantate aus dem Mund (vom harten Gaumen oder der Wangenschleimhaut) und Knorpeltransplantate des Nasenseptums Entnahmestelle und Größe der Transplantate richten sich nach der Defektgröße. Ohrknorpeltransplantate werden meist bei größeren Defekten verwendet. Schleimhauttransplantate vom harten Gaumen haben den Vorteil eines inneren Gerüsts mit zusätzlicher Schleimhautbedeckung, im Gegensatz hierzu sind Schleimhauttransplantate aus dem Mund häufig zu dünn, sie werden vorwiegend für die innere Auskleidung und Rekonstruktion des verwendet. Knorpeltransplantate vom Nasenseptum bieten dagegen ein stabiles Gerüsts und zusätzliche Schleimhautbedeckung. Sie können
leicht entnommen werden und eignen sich selbst für die RekonsÂ� truktion totaler oder nahezu kompletter Liddefekte. Diese KnorpelSchleimhaut-Transplantate bedürfen einer zusätzlichen LappenÂ� deckung, entweder durch medial und lateral gestielte Hautlappen, Wangenrotation oder einen doppelt gestielten Tripier-Lappen. So kann eine gut durchblutete Bedeckung der Transplantate geschaffen werden, selbst bei sehr ausgedehnten Defekten von bis zu 75% des Lidrandes (.€Abb.€19.8).
Zusammenfassung In .€Tab.€19.1 werden die oben angeführten Rekonstruktionsverfahren zur Ober- und Unterlidplastik zusammengefasst, die Komplikationen zeigt die .€Übersicht. Mögliche Komplikationen von Ober- und Unterlid plastiken 4 4 4 4 4 4 4 4
Asymmetrie Unterlidlaxizität Lagophthalmus Ektropium Intropium Infektion Konjunktivitis Trichiasis (Einwärtsdrehung der Augenwimpern)
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. Abb. 19.8a–c╇ Kutaner Transpositionslappen des Oberlides zur Deckung von Knorperltransplantaten
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19.4 · Ektropium (Eversion des Lidrandes)
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4 Defekte von bis zu 25% des Augenlids können meistens durch
mehrschichtigen primären Wundverschluss verschlossen werden. Kleinere mediale partielle Defekte können durch Sekundärheilung abheilen. 4 Für konjunktivale Defekte sind unbedingt Schleimhauttransplantate notwendig. Dabei muss darauf geachtet werden, dass von einer erheblichen Kontraktion des Transplantates ausgegangen werden muss. 4 Ein dreieckiger Defekt sollte vor dem Verschluss in einen penÂ� tagonalen Defekt umgewandelt werden, da sich hierdurch die Spannung der Wundränder und damit das Risiko für eine Lidretraktion erheblich vermindern lässt. 4 Eine hilfreiche Technik zur Rekonstruktion des Lidgerüstes ist es, einen lateral gestielten Streifen vom Periost einzuschlagen, der den Tarsus ersetzen kann. 19.4
Ektropium (Eversion des Lidrandes)
Die spontane Entwicklung eines Ektropiums wird durch eine mit dem Alter zunehmende Insuffizienz des Tarsus und ein Absinken der periorbitalen Weichteile begünstigt. Ebenso ist die Pathologie auch im Rahmen einer neurogenen Läsion (Fazialisparese) zusammen mit einem Lagophthalmus möglich. Postraumatisch (mechanisch, Verbrennungen) oder iatrogen nach operativen Eingriffen (Tumorexzisionen, UnterlidblepharoplasÂ� tiken) führen narbige Verziehungen oder vertikal verkürzte Weichteile zu einer Eversion des Unterlids. Zu den stabilisierenden Faktoren des Unterlides zählen: 4 die Integrität der Tarsalplatte, 4 die ligamentären und sehnigen Anheftungen des Tarsus, 4 die an diesen Strukturen ziehende Haut und Orbikularismuskeln. > Mit dem Snap-back-Test kann man sehr effizient die spon tane Rückstellung des Unterlides zum Bulbus testen. Eine Insuffizienz lässt sich ferner durch eine Verlängerung der Distanz zwischen lateralem Winkel und Orbitarand (nor mal bis 6€mm) und die Lateralisierbarkeit des Punctum lacrimalis um >5€mm bei lateralem Zug am Unterlid diag nostizieren.
Beim Involutionsektropium kommt es zu einem »scleral show«, danach zur Eversion des Tränenpünktchens und zur Konjunktivalreizung, schließlich zur Exposition des Bulbus. Bei posttraumatischen Ursachen verläuft die Entwicklung meist sehr rasch fortschreitend.
Therapeutisches Vorgehen Eine mediale kanthale Laxizität wird am besten durch direkte Raffung korrigiert. Zudem existieren zahlreiche Vorschläge zur KeilÂ� exzision. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang, keine KnotenÂ� bildung oder wulstige Narbenbildung mit Irritation des Bulbus zu erzeugen. Bewährte Verfahren sind z.€B. die pentagonale Vollschichtexzision oder eine laterale Kanthopexie. Wenngleich Keilexzisionen die Lidkante sehr effizient straffen, besteht doch eine Tendenz zur Rundung des lateralen Kanthus. Jelks et al. (1997) beschreiben eine laterale inferiore Kanthoplastik, die neben der Laxizität auch die MalÂ� position adressiert. Dabei wird über einen Zugang am Oberlid ohne Tangieren des äußeren Unterlides der Anteil des Lig.€canthale lateraÂ� le des Unterlids am Orbitarand mit nichtresorbierbarer Naht fixiert (.€Abb.€19.9).
. Abb. 19.9a–c╇ Laterale Kanthoplastik nach Jelks. Der Unterlidanteil des lateralen Retinakulums wird abgetrennt (a), dann wird das freie Ende mittels doppelter Schlingennaht (b) am Periost des Orbitarandes fixiert (c). Neben der Korrektur des Ektropiums eignet sich das Verfahren zur BeseiÂ� tigung einer Laxizität bei negativem Vektor (Rückweichen des Jochbeins gegenüber dem Bulbus) und des »scleral show« bei der Blepharoplastik
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Kapitel 19 · Rekonstruktion der Augenlider
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19 . Abb. 19.10a–f╇ Auflösung eines massiven narbigen Ektropiums nach StrahÂ�lenfibrose durch vollschichtige Narbenlösung (a) und Einsetzen eines chondrokutanen Konchatransplantates (b–e). Entnahme des Transplantates
(b); das Composite Graft wird mit ausreichender Knorpelhöhe zur Erzielung der notwendigen Abstützung entnommen. Überknüpfverband zur Ruhigstellung im Situs€(f)
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19.6 · Ptosis des Augenlids (Blepharoptosis = Herabhängen des Lides)
Weitere Varianten, die allerdings allesamt die laterale LidÂ� kante narbig extern verändern, umfassen die laterale Raffung entweder kutan (Lidspaltung und laterale Keilexzision) oder im Bereich des Lig.€canthale laterale in zahlreichen ModifikaÂ� tionen.
Resultiert das Ektropium durch narbige Verziehung im Unterlidbereich, werden Transplantate erforderlich. Diese werden entweder allein nach konsequenter und gründlicher Beseitigung sämtlicher Narbenanteile oder in Kombination mit Faszienaufhängungen oder supportiven Knorpeltransplantaten verwendet. Insbesondere bei Verbrennungsfolgen oder Strahlenfolgen reicht u.€E. eine reine tarsale Raffung mit oder ohne Faszienstreifen nicht aus. ZusätzÂ�liÂ� che,€der Bulbuskonvexität folgende Ohrkonchatransplantate sorgen€für dauerhafte Stabilität des Unterlides gegen retraktive Kräfte (.€Abb.€19.10). 19.5
Entropium (Einstülpen des Lidrandes)
Ein kongenitales Entropium entsteht meistens bei Entwicklungsstörungen des Unterlides, Dysgenese der Unterlidretraktoren oder strukturellen Abnormitäten des Tarsus und muss chirurgisch korrigiert werden. Akute spastische Entropien lassen sich meistens durch zeitweises Tapen der Augenlider behandeln. Eine BotoxinÂ� jektion kann hilfreich sein, selten ist eine chirurgische Therapie notwendig. Involutional oder altersbedingte Ursachen des Entropiums sind: 4 horizontale Laxizität, 4 Desinsertion der Augenlidretraktoren, 4 narbenbedingtes Entropium, v.€a. durch Kontraktur von Tarsus und Konjunktiva, 4 Ektropium, Ausstülpung des Augenlids (Triefauge), 4 kongenitale und altersbedingte Formen, v.€a. sekundär bei horizontaler Augenlidlaxizität, meist bei Laxizität des lateralen und medialen Kanthusbändchens, meist am Unterlid.
Therapeutisches Vorgehen Die Korrektur eines Entropiums umfasst typischerweise die in der .€Übersicht genannten Schritte. Korrekturschritte des Entropiums 4 Resektion eines dünnen Streifens infraziliarer Haut sowie Tarsus und Naht des oberen Wundrandes an den Unterrand des Tarsus zur Erzielung einer anterioren Rotation des Lidrandes. 4 Lösung konjunktivaler Adhäsionen und Schleimhauttransplantat 4 Spaltung des Lidrandes und Rotation 4 Knorpeltransplantat
Bei milderen Formen des Entropiums wird eine Verödung oder eine Exzision der Konjunktiva und der Unterlidretraktoren durchgeführt sowie ein Verschluss der Unterlidretraktoren mit invertierender Naht. Bei mittleren und schweren Formen ist eine horizontale Verkürzung, eine laterale und mediale Straffung des Kanthus oder eine laterale Kanthoplastik mit Reinsertion der unteren Augenlidretraktoren notwendig. Bei lähmungsbedingten Formen (Parese des N.€facialis) ist eine ausreichende Lubrikation (Befeuchtung) der Kornea notwendig,
um sie vor Austrocknung und Schädigung zu bewahren. Chirurgisch erfolgt eine horizontale Straffung des Augenlids von medial oder lateral. Es kann außerdem eine temporäre oder permanente Tarsorraphie durchgeführt werden. Bei permanenter Tarsorraphie wird eine resorbierbare Naht zur Befestigung der oberen und unteren Tarsalplatten aneinander durchgeführt. Mittels Goldgewicht kann das Oberlid beschwert und ein Lagophthalmus verhindert werden. Narbenbedingte Formen werden durch Behandlung der zugrunde liegenden Ursache behandelt. Chirurgisch kann eine InÂ� zision des Narbengewebes mit vertikaler Verlängerung des AuÂ� genlids durch ein Vollhauttransplantat durchgeführt werden. Am Unterlid ist zudem eine gleichzeitige horizontale Verkürzung notwendig. 19.6
Ptosis des Augenlids (Blepharoptosis = Herabhängen des Lides)
Unterschiedliche Formen sind: 4 kongenitale Form bei Dysgenesie des Levatormuskels, 4 erworbene Form (Muskelerkrankungen wie chronische progressive externe Ophthalmoplegie, Myastenia gravis oder okulopharyngeale Dystrophie). > Die chirurgische Behandlung richtet sich nach der Leva torfunktion. Ist eine Exkursion von >5€mm vorhanden, kann eine Resektion durchgeführt werden. Beträgt die Exkursion 75% erfolgt ein Cutler-Beard-Flap (. Abb. 19.1). Hierbei wird ein vollschichtiger Unterlidlappen vom Unterlidrand gehoben und in den Oberliddefekt eingenäht. Die Lappendurchtrennung erfolgt in einem 2.€Schritt nach 2–3 Wochen. Alternativ ist eine freie Transplantation eines tarsokonjunktivalen Â� Transplantates vom kontralateralen Oberlid mit Bedeckung durch verbliebene Oberlidhaut möglich. 4 Unterlid – Unterliddefekte von 33% oder weniger werden mittels primärem Hautverschluss und Lidrandnaht versorgt. – Bei Defekten von 33–50% ist eine laterale Kanthotomie und Kantholyse zusätzlich notwendig mit Vorschub eines lateralen myokutanen Lappens. – Bei Defekten von 50–75% erfolgt der Defektverschluss mittels semizirkulärem Lappen nach Tenzel, der in Form eines Bogens entnommen wird. – Außerdem kann ein Wangenvorschublappen nach Mustardé durchgeführt werden, auch zur Bedeckung eines tarsokonjunktivalen Transplantats, das das hintere Augenlidgerüst wiederherstellt. – Bei Defekten >75% kann ein tarsokonjunktivaler Lappen vom Oberlid erfolgen, der axial gestielt ist und seine eigene Blutversorgung mitbringt. Dieser Lappen wird mit einem Vollhauttransplantat oder einem muskulokutanen Vorschublappen bedeckt. Hierbei muss in einem 2.€Schritt der Lappen eröffnet werden und ein neuer Unterlidrand entstehen. – Bei Defekten im Bereich des medialen Kanthus wird zunächst das Tränengangsystem untersucht und ein kleines Silikonröhrchen eingelegt, damit sich der Gang wieder regenerieren kann. Dann wird das mediale Lidbändchen dargestellt und gesichert. – Kleine Hautdefekte heilen sekundär. Bei größeren DefekÂ� ten ist ein Vollhauttransplantat notwendig, bei noch größeren Defekten kann ein medialer Stirnlappen eingesetzt werden. – Bei Defekten im Bereich des lateralen Kanthus können laterale Tarsusstreifen verwendet werden, um den Unterlidtarsus am Periost des lateralen Orbitalrandes zu fixieren. Hier kann auch ein periostaler Lappen zur Verlängerung vom lateralen Orbitalrand zum verbliebenen lateralen Augenlid verwendet werden. Haut- und Muskeldefekte werden mittels muskulokutaner Vorschublappen oder Vollhauttransplantate gedeckt.
4 Bei Patienten mit M.€Basedow wird zunächst eine orbitale De4 4 4 4
kompression, dann Eingriffe zur Strabismuschirurgie und dann erst die Augenlidrekonstruktion durchgeführt. Bei Operationen am Augenlid sollte niemals versucht werden, das orbitale Septum zu verschließen. Bei Rekonstruktion des Unterlides sollte niemals eine vertikale Spannung entstehen, um ein Ektropium zu vermeiden. Vor allen Lidoperationen sollte eine ausführliche Fotodokumentation erfolgen, auch bei traumatischen Verletzungen des Augenlids. Inzisionslinien sollten am Patienten vor der Injektion von Lokalanästhetika eingezeichnet werden.
Literatur Codner MA, Weinfeld AB (2007) Comprehensive eyelid reconstruction. ANZ J Surg Suppl 1: A71 Erdogmus S, Govsa F (2007) The arterial anatomy of the eyelid: importance for reconstructive and aesthetic surgery. J Plast Reconstr Aesthet Surg 60: 241–245 Jelks GW et al. (1997) The inferior retinacular lateral canthoplasty: a new technique. Plast Reconstr Surg 100: 1262 Jordan DR, Anderson RL, Nowinski TS (1989) Tarsoconjunctival flap for upper eyelid reconstruction. Arch Ophthalmol 107: 599–603 McGregor IA (1973) Eyelid reconstruction following subtotal resection of upper or lower lid. Br J Plast Surg 26 (4): 346–354 Mustardé JC (1983) Reconstruction of eyelids. Ann Plast Surg 11: 149 Okada E, Iwahira Y, Maruyama Y (1997) The V-Y advancement myotarsocutaneous flap for upper eyelid reconstruction. Plast Reconstr Surg 100: 996–998 Pham RT (2005) Reconstruction of the upper eyelid. Otolaryngol Clin North Am 38 (5): 1023–1032 Tenzel RR, Stewart WB (1978) Eyelid reconstruction by the semicircle flap technique. Ophthalmology 85: 1164–1169 Chandler DB, Gausas RE (2005) Lower eyelid reconstruction. Otolaryngol Clin North Am 38 (5): 1033–1042 Crestinu JM (1988) Reconstruction of the lower eyelid. Plast Reconstr Surg 82: 720 Holds JB, Anderson RL (1993) Medial canthotomy and cantholysis in eyelid reconstruction. Am J Ophthalmol 116: 218–223 Iliff CE, Iliff NT (1980) Partial and total reconstruction of the lower eyelid. Ophthalmology 87: 272–278 Matsuo K, Sakaguchi Y, Kiyono M, Hataya Y, Hirose T (1991) Lid margin reconstruction with an orbicularis oculi musculocutaneous advancement flap and a conchal cartilage graft. Plast Reconstr Surg 87: 142–145 Papp C, Maurer H, Geroldinger E (1990) Lower eyelid reconstruction with the upper eyelid rotation flap. Plast Reconstr Surg 86: 563–565 (discussion 566–568) Rohrich RJ, Zbar RI (1999) The evolution of the Hughes tarsoconjunctival flap for the lower eyelid reconstruction. Plast Reconstr Surg 104: 518–522
20
Rekonstruktion der Lippen A. Gohritz
20.1
Anatomische Grundlagenâ•… – 150
20.2
Funktion der Lippenâ•… – 150
20.3
Therapeutisches Vorgehen bei Lippendefektenâ•… – 150
20.3.1 20.3.2
Unterlippenrekonstruktionâ•… – 150 Rekonstruktion der Oberlippeâ•… – 153
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
150
Kapitel 20 · Rekonstruktion der Lippen
Defekte im Lippenbereich entstehen in 95% infolge von Tumoren, daneben traumatisch, nach Verbrennungen (z.€B. durch Stromkabeln bei Kindern), seltener kongenital (Nävi, Hämangiome) nach Infektionen und Vaskulitiden. Die Rekonstruktion der Lippen stellt hohe Ansprüche, da sie eine wichtige ästhetische Komponente bilden und zudem für die verbale und nonverbale Kommunikation, das Essen, die taktile Gnosis und die Sexualität (Küssen) sehr wichtig sind.
> Bei allen chirurgischen Maßnahmen an den Lippen empfiehlt es sich, den Lippenrot-Haut-Übergang mit Methylenblau oder durch oberflächliches Ritzen mit dem Skalpell zu markieren, bevor die Lokalanästhesie infiltriert€wird. Bei Exzision werden vertikale elliptische Exzisionen bevorzugt. Diese sollten das Lippenrot in einem Winkel von 90° kreuzen und so parallel zu den HautspannungsÂ� linien verlaufen.
20.1
Die Rekonstruktion der Schleimhaut geschieht bei kleinen Defekten durch muskulomukosale VY-Vorschublappen. Axiale Lappenplastiken, basierend auf der A.€labialis, können für vollschichtige Defekte der Unterlippe von 2/3 der Lippenlänge ausmacht. Hierbei werden dreieckige nasolabiale Exzisionen von partieller Dicke in der Naso labialfalte durchgeführt. Zur Rekonstruktion des Lippenrots wird
20
152
Kapitel 20 · Rekonstruktion der Lippen
a
b
c
d
e
. Abb. 20.3a–e╇ Abbé-Lappen
a
b
. Abb. 20.4a, b╇ Ginestet-Bernard-Operation
20
Mundschleimhaut verwendet. Vorteil ist hier eine geringere Rate an Mikrostomien, weiterhin bleibt die labiomentale Falte unangetastet, und die Sensibilität ist meist gut. Bei fehlender Sensibilität und Mo bilität kann sich ein Triefphänomen ergeben.
lappen wie der M.-pectoralis-major-Lappen, M.-deltopectoralisLappen oder freie Lappentransplantationen (z.€B. Unterarmlappen) durchgeführt werden.
Defekte von 2/3 und mehr der Unterlippe
Nach Resektion des vorderen Lippenrots bei prämalignen und ober flächlichen malignen Tumoren kann ein labialer bukkaler Vorschub lappen verwendet werden. Bei der Dissektion sollten die Speichel drüsen mitgenommen werden, der M.€orbicularis occuli und die A.€labialis jedoch geschont werden. Für größere Defekte des Lippenrots eignet sich der »cross lip mucosal flap«, es ist allerdings ein zweizeitiges Vorgehen not wendig.
Bei ausreichend Gewebe in der Defektumgebung an der Wange kann ein Karapandzic-Lappen erfolgreich bei Defekten bis zu 80% der Länge der Unterlippe durchgeführt werden, wenn individuelle Fak toren des Patienten, v.€a. sein Alter, die Gewebeelastizität und die resultierende Mikrostomie beachtet werden. Alternativ ist eine Ber nard-Burow-Operation möglich. Ist nicht ausreichend Gewebe zur Defektdeckung in der Umgebung vorhanden, müssen gestielte Fern
Besondere Indikationen
153
20.3 · Therapeutisches Vorgehen bei Lippendefekten
Literatur
. Abb. 20.5╇ Reverser Karapandjic-Lappen zur Rekonstruktion eines ausgedehnten Oberlippendefektes
Bei größeren mukosalen Defekten sind Zungenlappen möglich, jedoch aufgrund des ungünstigen kosmetischen Ergebnisses nur noch selten in Gebrauch. Defekte nach totaler Entfernung des Lippenrots (Vermillionek tomie/Lipshave-Operation) bedürfen eines Vorschubs der inneren Schleimhaut in Form eines doppelt gestielten Lappens, um den ent standenen Defekt des Lippenrots zu ersetzen. 20.3.2 Rekonstruktion der Oberlippe
Defekte von 1/3 der Oberlippe Bei lateralen Defekten kann meistens ein primärer Wundverschluss durchgeführt werden. Bei zentralen Defekten wird eine perialare ansteigende Exzision mit Vorschub des Kinns durchgeführt. Die Exzisionen erfolgen hier in voller Schichtdicke entweder uni- oder bilateral. Bei intaktem Lippenrot kann ein Nasolabiallappen für kleinere Defekte einzeitig oder zweizeitig durchgeführt werden. Nachteilig sind eine unschöne Narbe und die Störung der Gesichts symmetrie bezüglich der Nasolabialfalte.
Defekte von 1/3 bis 2/3 der Oberlippe Bei zentralen Defekten werden ein perialares ansteigendes Advance ment und ein Abbé-Flap durchgeführt, weil hierdurch eine weniger starke Verziehung als bei einem Karapandzic-Lappen zu erwarten ist. Nachteil ist das zweizeitige Vorgehen. Bei sehr großen Defekten der Oberlippe und Wunsch nach einer einzeitigen Operation ist ein reverser Karapandzic-Lappen möglich (.€Abb.€20.5). Die zirkumoralen Inzisionen enden typisch an der Kommissur. Bei lateralen Defekten ohne Beteiligung der Kommissur wird ein Abbé-Lappen verwendet, sonst ein Estlander-Lappen.
Defekte von mehr als 2/3 der Oberlippe Diese können mit einer Bernard-Burow-Operation gedeckt werden, v.€a. bei zentralen Defekten. Alternativ kann die Technik nach Gilles angewendet werden, bei der einzeitig ein vollschichtiger Lappen durch Rotation des mesolabialen Gewebes in den Defekt geschwenkt wird, wobei der laterale Lappenanteil die mesolabiale Falte wieder herstellt. Dieser Lappen kann große Mengen an Gewebe mobilisie ren. Es resultiert jedoch meist eine weitgehend asensible und wenig bewegliche Mundfunktion mit eingeschränkter oraler Kompetenz. Bei lateralen Defekten wird eine Bernard-Burow-Operation mit kon tralateral perioraler »crescendic excision« nach Webster (1955/1960) angewandt.
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20
21
Prinzipien der Lappendeckung im Kopf-Hals-Bereich M.A. Altintas, A. Gohritz, P.â•›M. Vogt
21.1
Anatomische Grundlagenâ•… – 156
21.1.1
Lymphknotengruppen â•… – 156
21.2
Neck Dissectionâ•… – 157
21.3
Rekonstruktive Zieleâ•… – 157
21.3.1
Rekonstruktive Ziele in Abhängigkeit von der anatomischen Regionâ•… – 157
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 21 · Prinzipien der Lappendeckung im Kopf-Hals-Bereich
Dieses Kapitel behandelt v.€a. Tumorerkrankungen im Kopf-HalsBereich mit Ausnahme der Tumoren der Haut. Plattenepithekarzinome tragen 90% zu diesen Tumorerkrankungen bei, die v.€a. Männer im höheren Lebensalter betreffen. > Die wichtigsten ätiologischen Faktoren von Tumoren im Kopf-Hals-Bereich sind 4 Alkoholkonsum, 4 Nikotinabusus.
Tumoren der Speicheldrüsen, der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen leiten sich nicht von spinozellulären Zellen ab und kommen auch bei jüngeren Patienten vor. Tumoren der Schilddrüse und der Nebenschilddrüse werden nur ausnahmsweise primär von plastischen Chirurgen versorgt. Die Einteilung der Tumoren erfolgt nach der TNM-KlassifikaÂ� tion entsprechend 4 der Ausdehnung des Primärtumors (T), 4 des Status der regionären Lymphknoten (N) und 4 der Fernmetastasen (M) (.€Tab.€21.1). Eine Stadieneinteilung nach dem histologischen Grading ist klinisch nicht gebräuchlich. 21.1
Anatomische Grundlagen
Die Mundhöhle reicht von der Grenze des Lippenrots bis zur Vereinigung von hartem und weichem Gaumen. Der Pharynx unterteilt sich in 3€Höhlen:
4 Oropharynx
Der Oropharynx reicht ventral vom harten und weichen Gaumen bis zur hinteren Pharynxwand. Die lateralen Begrenzungen sind die Tonsillen und die Tonsillenkissen.
4 Nasopharynx
Der Nasopharynx erstreckt sich vom Septum nasale bis zur hinteren Pharynxwand. Die kraniale Begrenzung wird durch die Schädelbasis, die kaudale durch den weichen und harten Gaumen gebildet.
4 Hypopharynx
Der Larynx unterteilt sich in Supraglottis, Glottis und Infraglottis. Die vordere und hintere Kommissur werden auch als Teil der Glottis betrachtet. Die Strukturen der Supraglottis umfassen die Epiglottis, die Ventrikel, die Arythenoidea und die falschen Stimmbänder.
21.1.1 Lymphknotengruppen Die Einteilung der Lymphknotengruppen erfolgt am Hals nach Robbins (Robbins et al. 1991) anatomisch in 6€verschiedene Level (.€Tab.€21.2). . Tab. 21.2╇ Einteilung der Lymphknotengruppen
Level
Definition
I
Submentale und submandibuläre Lymphknotengruppe
II
Tiefe kraniojuguläre Lymphknotengruppe
III
Tiefe mediojuguläre Lymphknotengruppe
IV
Tiefe kaudojuguläre Lymphknotengruppe
V
Akzessoriusgruppe des posterioren Halsdreiecks
VI
Vorderes Kompartment, para- und retropharyngeale Lymphknotengruppe
. Tab. 21.1╇ TNM-Klassifikation der meisten Tumorerkrankungen der Mundhöhle und Oropharynx nach Primärtumor, regionären Lymphknoten [1] und Fernmetastasen
T: Primärtumor
N: Regionäre Lymphknoten
21
M: Fernmetastasen
TNM-Klassifikation
Definition
Tx
Primärtumor nicht beurteilbar
T0
Kein Anhalt für einen Primärtumor
Tis
Carcinoma in Situ
T1
Primärtumor 2€cm oder weniger in größter Ausdehnung
T2
Primärtumor mehr als 2€cm, aber nicht mehr als 4€cm in größter Ausdehnung
T3
Primärtumor mehr als 4€cm in größter Ausdehnung
T4
Massiver Tumor mehr als 4€cm in größter Ausdehnung mit Tiefeninvasion
Nx
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
Keine regionalen Lymphknotenmetastasen
N1
Einzelne regionäre ipsilaterale Lymphknotenmetastase kleiner als 3€cm
N2a
Einzelne regionäre ipsilaterale Lymphknotenmetastase größer als 3€cm, aber kleiner als 6€cm
N2b
Multiple regionäre ipsilaterale Lymphknotenmetastasen, keine größer als 6€cm
N2c
Bilaterale oder kontralaterale Lymphknotenmetastasen, keine größer als 6€cm
N3
Metastase (n) in Lymphknoten, mehr als 6€cm in größter Ausdehnung
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen
157
21.3 · Rekonstruktive Ziele
21.2
Neck Dissection
> Nach dem therapeutischen Ziel unterscheidet man eine prophylaktische von einer therapeutischen Neck Dissection. Bei der prophylaktischen Neck Dissection werden ohne eine nachgewiesene Metastasierung die Lymph� knoten entfernt. Ziel ist es, auch nicht sichtbare Mikrometastasen zu entfernen. Von einer therapeutischen Neck Dissection spricht man, wenn bereits Metastasen in den Lymphknoten nachgewiesen sind.
Nach der Operationstechnik wird eine radikale Neck Dissection von einer funktionellen Neck Dissection unterschieden (Suen u. GoepÂ� fert 1987). Bei der radikalen Neck Dissection werden zu den Lymphknoten noch folgende anatomische Strukturen entfernt (Crile 1906 u. Greene 1906): M.€sternocleidomastoideus, M.€sternothyreoideus, M.€sternohyoideus, M.€omohyoideus, Glandula submandiÂ� bularis, V.€jugularis interna und N.€accessorius. Nach dem Verlust von Lymphknoten, Fett- und Bindegewebe, Speicheldrüsen, Blutgefäßen und Muskelgewebe ist mit funktionellen Einschränkungen zu rechnen. Bei der funktionellen Neck Dissection werden die oben genannten Muskeln, der N.€accessorius und die Glandula submanÂ� dibularis erhalten (Bocca et al. 1980). Die V.€jugularis interna wird nur entfernt, wenn Lymphknoten mit der Vene verbacken sind. Die funktionelle Neck Dissection hat ein besseres kosmetisches und funktionelles Ergebnis und muss nicht zwangsläufig mit einer schlechteren Lebenserwartung als die klassische Neck Dissection einhergehen. Sind Lymphknotenmetastasen eines Primärtumors auf einer Halsseite nachgewiesen oder verdächtig, können bei der selektiven Neck Dissection selektiv die Regionen einer Halsseite entfernt werden [7]. Die selektive Neck Dissection wird in supraomohyoidal (Level I–III), lateral (Level II–IV), posterolateral (Level II–V), anterior (Level€VI) und anterolateral (Level I–IV) eingeteilt. 21.3
Rekonstruktive Ziele
> Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich haben oft nur eine begrenzte Lebenserwartung. Oft ist zusätzlich zur operativen eine Radio- und Chemotherapie notwendig. Das vorrangige Ziel ist es daher, möglichst einzeitig eine schnelle Rekonstruktion mit optimaler Funktion, niedriger Komplikationsrate und Morbidität durchzuführen. Dem Patienten ist möglichst lange eine gute Lebensqualität zu erhalten oder wiederzugeben.
Diese Patienten werden multidisziplinär behandelt. Resektion von Tumoren des Nasopharynx, Larynx und der Mundhöhle sowie Schädelbasis im Kopf-Hals-Bereich sowie die plastische RekonsÂ�truktion werden in Deutschland traditionsgemäß primär von Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen und Hals-Nasen-Ohren-Ärzten durchgeführt. Eine Beteiligung des plastischen Chirurgen erfolgt eher sekundär im Rahmen postonkologischer Fragestellungen oder spezieller Komplikationen. Nachfolgend sollen daher die für den plastischen ChirurÂ�gen relevanten Aspekte kurz dargestellt werden.
Die wichtigsten Ziele einer chirurgischen Rekonstruktion im Kopf-Hals-Bereich 4 Wiederherstellung der Symmetrie 4 Erhalt der strukturellen Integrität von Nase und Ohren (aus ästhetischen und funktionellen Gründen, z.€B. zur Befestigung von Brillen und Epithesen, zum Erhalt der Nasenatmung) 4 Erhalt der Öffnung und des Verschlusses von Augen und Ohren (Vermeidung des Risikos von Narbenkontrakturen) 4 Ersatz kompletter anatomischer Untereinheiten bei Rekonstruktion größerer Defekte, um ein möglichst gutes ästhetisches Ergebnis zu erreichen 4 Erhalt oder Wiederherstellung einer Sprachfähigkeit, der Atmung und der Schluckfunktion
21.3.1 Rekonstruktive Ziele in Abhängigkeit
von der anatomischen Region
Mittelgesicht > Vorrangige Zielsetzungen sind hier: 4 Wiederherstellung der Kontur und Projektion 4 Wiederherstellung der Maxilla 4 Trennung der Mund- und Nasenhöhlen 4 Ermöglichung einer prothetischen Versorgung, z.€B. des Periokularbereichs oder des Auges 4 Erhalt der Funktion des Tränengangsystems
In dieser anatomischen Region kommen auch Prothesen mit guÂ� tem€Ergebnis zum Einsatz. Sie können ohne oder in Kombination mit einer Gewebetransposition oder -transplantation eingesetzt werden. Als regionale Lappenplastiken eignen sich der Deltopektorallappen, der Temporalismuskellappen und der Stirnlappen zur Deckung begrenzter Defekte. Nicht vaskularisierte Knochentransplantate können zur Auffüllung knöcherner Lücken verwendet werden, bedürfen jedoch einer gut vaskularisierten Bedeckung und stabilen Fixation. Bei freier Gewebetransplantation wird oft der osteokutane Radialis-Unterarm-Lappen eingesetzt, der mit einem bis zu 10€cm langen Radiusspan zur knöchernen Rekonstruktion entnommen werden kann. Weiterhin eignet sich gut der osteokutane Skapularlappen mit oder ohne Hautinsel, bei größeren Defekten der M.€latissimus dorsi. Alternative Möglichkeiten sind der Rectus-abdominis-Muskellappen oder der ALT- (antero-lateral-thigh-) Lappen (Genden u. Jacobson 2005). Für größere knöcherne Rekonstruktionen kann eine freie Fibulatransplantation angewandt werden.
Mandibula > Vorrangige Zielsetzungen sind hier: 4 Wiederherstellung der Gesichtskontur, 4 Erhalt der Zungenmobilität und 4 Wiederherstellung von Kaufähigkeit und Sprache.
Die Rekonstruktion großer Defekte erfolgt entweder sofort oder verzögert (Genden u. Haughey 1996). Der Trend geht zur Sofortrekonstruktion durch ein separates chirurgisches Team. Nachteil ist hier jedoch die Frage der onkologisch gesicherten Resektion, die eine verzögerte Versorgung ratsam erscheinen lässt.
21
158
Kapitel 21 · Prinzipien der Lappendeckung im Kopf-Hals-Bereich
a
b
c . Abb. 21.1a–d╇ Patientin mit einer chronischen Mundbodenfistel nach chirurgischer Exstirpation und Bestrahlung eines Tonsillenkarzinoms (a). b€Exzision der Fistel und des Strahlenschadens und Planung eines gestielten Pektoralislappens zur Weichteilrekonstruktion. c€Patientin 6 Monate postoperativ. d€Verschiedene Möglichkeiten der Platzierung von HautÂ�inseln für die kutane Rekonstruktion
21
Die Wahl des rekonstruktiven Verfahrens hängt von der Defektgröße und der Lokalisation ab. Kleine knöcherne Defekte, v.€a. lateral gelegen, bedürfen keiner knöchernen Auffüllung oder können mit autologen Spongiosatransplantaten aufgefüllt werden (Kildal et al. 2001). Nicht vaskularisierte Knochentransplantate vertragen Strahlentherapie sehr schlecht, hier besteht ein hohes Risiko für eine Osteonekrose. Metallimplantate (z.€B. zur Mandibularekonstruktion) können als Platzhalter dienen; sie führen im Langzeitverlauf jedoch häufig zu Problemen. Vaskularisierte Knochentransplantate sind die Methode der Wahl, um größere knöcherne Defekte – v.€a. anterior gelegene Defekte – zu verschließen. Diese Lappenplastiken unterstützen die Knochenheilung, sind strahlenresistent und erlauben auch eine zahnärztliche Versorgung mit osteointegrierten Implantaten. Hier eignet sich am besten die freie Fibulatransplantation oder die freie Beckenkammtransplantation. Die freie Fibula, die durch Perforatoren aus der A.€peronaea versorgt wird, kann mit einer Knochenkomponente von bis zu 26€cm, mit oder ohne zusätzliche Hautinsel, entnommen werden. Ein wesentlicher Hebedefekt entsteht nicht. Präoperativ sollte angiogra-
d
phisch die arterielle Gefäßversorgung geprüft werden. Meist wird das linke Bein als Spender verwendet, da es für bestimmte Aktivitäten weniger wichtig als das rechte Bein ist (z.€B. Auto fahren). Der vaskularisierte Beckenkamm, versorgt durch die A.€circumflexa ilium profunda, eignet sich aufgrund seiner leicht gebogenen Form v.€a. zur Rekonstruktion der Mandibula. Es ist auch eine totale Rekonstruktion der Mandibula möglich. Als weitere Knochenspenderareale kommen Radius, Rippen, Skapula und Ossa metatarsalia in Frage.
Hals > Zielsetzung ist hier, wichtige vitale Strukturen wie Gefäße, Nerven und die Luftwege sicher zu bedecken.
Hier kommen v.€a. folgende Lappenplastiken zum Einsatz (Teknos et al. 2001): Gestielter M.-pectoralis-Lappen.╇ Diese Technik eignet sich zur Be-
deckung des Halses (.€Abb.€21.1, 21.2). Eine maximale Mobilisation wird durch Durchtrennung der Muskelinsertion und der Fasern zur
159
21.3 · Rekonstruktive Ziele
a
b
c
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f
g
. Abb. 21.2a–g╇ Patientin mit einer chronischen ösophagokutanen Fistel aus proximaler Ösophagusstenose auf dem Boden einer Anastomoseninsuffizienz nach Magenhochzug bei Ösophaguskarzinom (a). Anatomie des gestielten Pektoralislappens zur Ösophagusrekonstruktion (b). Intraoperativer Befund mit präpariertem myokutanem Pektoralislappen (c). Vernähung zu einem Rohr (d, e). Distale Anastomose zum Ösophagus (f) und gleiche Â� PaÂ�tientin 6€Monate postoperativ (g)
21
160
Kapitel 21 · Prinzipien der Lappendeckung im Kopf-Hals-Bereich
b
a
d
c
Klavikula erreicht. Der Lappen wird durch die A.€thoracoacromialis gespeist.
21
Gestielter M.-latissimus-dorsi-Lappen.╇ Der Lappen basiert auf
dem thorakodorsalen Ast der A.€subscapularis und kann als gestielter Lappen unter dem M.€pectoralis major oder subkutan entlang des vorderen Thorax getunnelt werden. Häufige Problematik ist die Serombildung an der Entnahmestelle, daher ist eine ausreichend lange Drainage notwendig. Nachteil dieser Technik ist die notwendige intraoperative Umlagerung des Patienten, v.€a. wenn anteriore Halsdefekte gedeckt werden sollen.
. Abb. 21.3╇ Superior gestielter myokutaner Trapeziuslappen (a€Prinzip). Intraoperativer Befund eines Patienten nach radikaler Exzision eines ausgedehnten Nuchalabzesses und VAC-Therapie (=»vacuum assisted closure«; b) bzw. nach Hebung eines superior gestielten myokutanen Trapeziuslappens (c). Postoperatives Bild des gleichen Patienten vor der stationären Entlassung (d)
M.-trapezius-Lappen.╇ Der Trapeziuslappen kann auf 3€verschie-
dene Arten entnommen werden. Der superior gestielte Trapeziuslappen (.€Abb.€21.3) beruht auf der A.€occipitalis und paravertebralen Perforatoren. Diese Gefäßversorgung ist am zuverlässigsten und erlaubt die Entnahme eines Hautareals lateral über der Skapulaspitze. Der inferior gestielte Trapeziuslappen beruht auf dem absteigenden Ast der A.€transversa cervicalis und kann als Muskellappen oder muskulokutaner Lappen entnommen werden. Sein Rotationspunkt liegt posterior an der Basis des Halses. Der lateral gestielte Trapeziuslappen basiert auf der A.€transversa cervicalis über dem Akromion und eignet sich zur Deckung kleiner lateraler Defekte.
161
21.3 · Rekonstruktive Ziele
Deltopektorallappen.╇ Der Deltopektorallappen wird durch Perforatoren aus der A.€mammaria interna versorgt. Vorteil ist seine gute Formbarkeit und der relativ weite Radius, der bis zum Mund reichen kann. Nachteilig ist die relativ auffällige Entnahmestelle.
Mundhöhle > Hauptziele sind der Erhalt der oralen Kompetenz, des Mundbodens und die Wiederherstellung von Sensibilität und Mobilität im Bereich des Mundes, insbesondere, um die Aspirationsgefahr zu minimieren. Zungenlappen.╇ Für kleine intraorale Defekte können Zungenlappen genutzt werden, solange hierdurch die Zunge selbst nicht in Â�ihrer Funktion eingeschränkt wird. Radialislappen.╇ Dieser eignet sich zur Rekonstruktion großer intraoraler Defekte. Er basiert auf der A.€radialis und ihrer V.€communicantes und eignet sich aufgrund seiner guten Formbarkeit und geringen Dicke sehr gut für die Rekonstruktion der intraoralen Auskleidung. Auch eine sensible Rekonstruktion ist durch Koaptation des N.€lingualis an den N.€cutaneus antebrachii lateralis möglich. Er wird zunehmend durch den anterolateralen Oberschenkellappen€abgelöst, da dieser leichter mit geringerem Hebedefekt zu heben€ist. Gestielter M.-latissimus-dorsi-Lappen.╇ Der gestielte Latissimusdorsi-Lappen kann für besonders große Defekte im Bereich der Mundhöhle verwendet werden. Vorteil ist hier die Lappengröße. Es wird auch mikrochirurgisch frei mit Einschluss von knöchernen Skapulaanteilen verpflanzt.
Zunge > Die Zielsetzung bei der Rekonstruktion der Zunge ist die Wiederherstellung der Sprache und der Schluckfunktion. Die Zunge heilt besonders gut, Infekte oder Narben sowie Transplantatverlust sind selten. Set-up-Operation.╇ Bei partiellen Zungenverlusten können sog. Setup-Operationen zur Anwendung kommen. Hierbei wird der kontralaterale vordere Anteil der Zunge verwendet, um die Zungenbasis wiederherzustellen. Die Ergebnisse sind in der Regel gut, vorausgesetzt, dass zumindest einer der beiden Nn.€hypoglossi erhalten geblieben ist. Totalrekonstruktion.╇ Eine totale Rekonstruktion der Zunge ist
nach einer Glossektomie notwendig. Hier sind die Ergebnisse oft bescheiden. Zielsetzungen der Neuformung der Zunge sind der Schutz der Atemwege, die Wiederherstellung des Schluckvorgangs und der Artikulation sowie der Verschluss des Gaumens. Hier eignen sich kleine Myokutanlappen (Rectus-abdominis-Lappen, Grazilislappen).
Hypopharynxdefekte Defekte im Bereich des Hypopharynx und ösophagopharyngeale Defekte werden in partielle und totale (d.€h. in voller Zirkumferenz) eingeteilt. Partielle Defekte können verschlossen werden entweder durch 4 Primärverschluss, wobei darauf geachtet werden muss, dass das Lumen nicht zu sehr eingeengt wird, um eine Stenose zu vermeiden;
. Abb. 21.4╇ Freies Jejunumtransplantat für die Rekonstruktion von Hypopharynxdefekten
4 Hauttransplantate, mit denen die Innenauskleidung des Öso-
phagus oder Pharynx wiederhergestellt werden kann – meist wird zunächst ein Stent eingelegt, um zum einen die Adhärenz des Hauttransplantates zu gewährleisten und Strikturen zu vermeiden.
Bei partiellen, nicht zirkumferenziellen Defekten werden Pektoralis-, Latissimus- oder Trapeziuslappen zur Abdeckung verwendet. Zur Rekonstruktion von zirkumferenziellen Defekten kommen folgende Lappenplastiken zum Einsatz: 4 Durch freie Jejunumtransplantation kann ein komplettes Segment ersetzt werden (Leu et al. 2008; Haughey 1994). Die Perfusion basiert auf Ästen der A.€mesenterica, die im Bereich des Halses anastomosiert werden (.€Abb.€21.4). Als Komplikation ergeben sich Veränderungen der Stimme, chronischer Mundgeruch und Dysphagie. 4 Mit einem zum Rundstiel geformten Radialislappen lässt sich ebenso eine Passage wiederherstellen. Es kommt hier jedoch häufig zur Ausbildung von Strikturen. 4 Bei Patienten mit Tumoren unterhalb des zervikalen Anteils des Ösophagus ist ein Magenhochzug möglich.
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21
162
Kapitel 21 · Prinzipien der Lappendeckung im Kopf-Hals-Bereich
Bocca E, Pignataro O, Sasaki CT (1980) Functional neck dissection. A description of operative technique. Arch Otolaryngol 106: 524–527 Spiro RH, Strong EW, Shah JP (1994) Classification of neck dissection: variations on a new theme. Am J Surg 168: 415–418 Genden EM, Jacobson AS (2005) The role of the anterolateral thigh flap for pharyngoesophageal reconstruction. Arch Otolaryngol Head Neck Surg 131: 796–799 Genden E, Haughey BH (1996) Mandibular reconstruction by vascularized free tissue transfer. Am J Otolaryngol 17: 219–227 Kildal M, Wei FC, Chang YM (2001) Free vascularized bone grafts for reconstruction of traumatic bony defects of mandible and maxilla. World J Surg 25: 1067–1074 Teknos TN, Myers LL, Bradford CR, Chepeha DB (2001) Free tissue reconstruction of the hypopharynx after organ preservation therapy: analysis of wound complications. Laryngoscope 111: 1192–1196 Leu YS, Huang CM, Yang CC, Hsiao HT, Chang YC (2008) Functional outcome following free ileocolic flap in total pharyngolaryngectomy. Acta Otolaryngol 128: 702–705 Haughey BH (1994) The jejunal free flap in oral cavity and pharyngeal reconstruction. Otolaryngol Clin North Am 27: 1159–1170
21
22
Rekonstruktion der Thoraxwand 22.1
Brustwanddefekteâ•… – 164 I. Ennker, P.M.€Vogt
22.1.1 22.1.2 22.1.3 22.1.4 22.1.5 22.1.6 22.1.7 22.1.8
Indikationenâ•… – 164 Präoperative Diagnostikâ•… – 164 Vorbereitung und Aufklärungâ•… – 164 Ziele der Operationâ•… – 164 Operative Therapie und Planungâ•… – 165 Operationstechnikâ•… – 166 Perioperative Maßnahmenâ•… – 170 Postoperatives Managementâ•… – 170
22.2
Defekte am Rückenâ•… – 171 A.€Gohritz
22.2.1 22.2.2 22.2.3 22.2.4 22.2.5
Indikationsstellungâ•… – 171 Chirurgische Therapieâ•… – 171 Intraoperatives Vorgehenâ•… – 175 Nachbehandlungâ•… – 175 Komplikationenâ•… – 176
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
164
Kapitel 22 · Rekonstruktion der Thoraxwand
22.1
Brustwanddefekte
I. Ennker, P.M.€Vogt
22.1.1 Indikationen Rekonstruktionen mit Lappenplastiken (axiale oder freie mikrovaskuläre Lappenplastiken) sind indiziert, wenn eine Defektdeckung mit mehrschichtigem stabilem, gut durchblutetem Weichteilgewebe erforderlich ist. Mögliche Ursachen für Brustwanddefekte zeigt die .€Übersicht. Ursachen für Brustwanddefekte 4 4 4 4 4 4
Infektionen Tumorerkrankungen Bestrahlungsschäden Voroperationen Traumata Angeborene Defekte
Infektion Eine häufig anzutreffende Indikation stellt dabei die postoperative Infektion nach kardiochirurgischen Eingriffen als Mediastinitis und/oder Sternumosteomyelitis dar, die in bis zu 5% auftritt und einen deutlichen Anstieg der Mortalität und Morbidität verursacht. Spezielle Risikofaktoren hierfür sind 4 Übergewicht und Diabetes mellitus, 4 allgemeine Infektionen und Immunsuppression, 4 Verwendung beider Aa.€mammariae internae (die das Sternum versorgen), 4 Operationstechnik und Operationsverlauf sowie 4 Notfalloperationen. Defekte können ebenso durch maligne und benigne Primärtumoren wie durch Metastasierung bedingt sein oder durch lokoregionales invasives Wachstum entstehen. Die bei Infektionen am häufigsten anzutreffenden Infektionserreger sind Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis, Enterokokken, Pseudomonaden und Serratia marcescens.
Benigne Tumoren Unter den gutartigen Neoplasmen der Brustwand werden meist Osteochondrome oder fibröse Dysplasien angetroffen. Dorsal im Skapulabereich lokalisiert stellt das Elastofibroma dorsi eine spezielle Entität benigner Tumoren dar. Diese lassen sich durch die lokale Entfernung in der Regel ausreichend therapieren.
Maligne Tumoren
22
Der häufigste primäre maligne Tumor der Brustwand ist das Chondrosarkom, bei dem eine Metastasierung in die Lunge nicht selten€ist. An erster Stelle im Plastisch-chirurgischen Krankengut steht das Mammakarzinom, welches infolge einer lokoregionären Metastasierung und lokoregionären invasiven Rezidivwachstums große Anforderungen an radikale Resektion und Rekonstruktion darstellt. Als semimaligner, aber lokal destruierender Tumor ist die agressive Fibromatose bzw. das Desmoid eine problematische Tumorentität, die bei entsprechender Tumorgröße wegen der kaum möglichen makroskopischen und nur sehr schwierigen histologischen
Abgrenzung der Tumorrandzonen lokal schwer in sano zu resezieren ist.
Angeborene Ursachen Im Bereich der kongenitalen Brustwanddefekte handelt es sich um individuell sehr unterschiedlich ausgeprägte Veränderungen und Deformationen. Dabei ist die Trichterbrust (Pectus excavatum) mit einer Inzidenz von 1:400 bis 1:100 die bekannteste und häufigste Deformität. In 86% dieser Fälle liegt die pathologische Veränderung bereits im 1.€Lebensjahr vor (Fonkalsrud 2003; Hecker et al. 1988a,€b). Das Gegenstück zur Trichterbrust ist die Kielbrust (Pectus carinatum), auch als Hühnerbrust (Pectus gallinatum) bezeichnet. Weitere therapiewürdige Anomalien können beim Marfan-Syndrom sowie dem Poland-Syndrom auftreten (Colombani 2003). 22.1.2 Präoperative Diagnostik Als diagnostische Maßnahmen werden neben der ausführlichen Anamnese und klinischen Untersuchung bildgebende Verfahren wie Sonographie, TEE, CT und MRT eingesetzt, die Aufschluss über mögliche Tumoren, Infektionen sowie über deren Ausmaß geben. Der Gefäßstatus muss zur Operationsplanung abgeklärt sein, insbesondere wenn die Patienten voroperiert sind oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit aufweisen. Geeignete Maßnahmen sind die Doppleruntersuchung, Angiographie und die DSA. EKG, Thoraxröntgenaufnahme und Lungenfunktionsprüfung sind obligat. Zusätzlich müssen Infekt- und Gerinnungsparameter, Leber- und Nierenwerte, der Elektrolytstatus sowie die Blutgruppenserologie erfasst werden. Bei Risikopatienten sollte die Indikation zu einer kardiologischen Abklärung großzügig gestellt werden. 22.1.3 Vorbereitung und Aufklärung In der präoperativen Phase ist der Patient neben den allgemeinen über die eingriffsspezifischen Risiken am Thorax aufzuklären, hier vorrangig über postoperative Ateminsuffizienz und die Notwendigkeit intensivmedizinischer Überwachung. Bei viszeraler Beteiligung sind evtl. geeignete Abführmaßnahmen wie prograde Darmspülungen durchzuführen. Die Rasur des Operationsgebietes erfolgt, um die Infektionsrate zu minimieren, zeitnah zur Operation. > Bei Thoraxeingriffen ist eine intensive atemtherapeutische Vorbehandlung obligat, um postoperativen Ventilationsproblemen vorzubeugen.
22.1.4 Ziele der Operation Es ist nicht zwingend notwendig, bei einer Brustwandresektion eine starre Rekonstruktion der Thoraxwand durchzuführen, weil oftmals die Rekonstruktion mit Nylon-Netzen, die lokale muskuläre SituaÂ�tion und die verbliebenen Skelettanteile eine ausreichende Stabilität gewährleisten. Eine paradoxe Beweglichkeit des Thorax sollte aber nach Möglichkeit vermieden werden, um respiratorischen InsuffiÂ�zienzen und damit verbundenen pulmonalen Infektionen vorzubeugen sowie eine ungestörte Einheilung der Rekonstruktion zu ermöglichen. Weniger die Art der Stabilisierung als vielmehr die »Opferung« wichtiger Atemhilfsmuskeln bedingen postoperative Ateminsuffizi-
165
22.1 · Brustwanddefekte
enzen. Als unproblematisch gilt die Verwendung des M.€pectoralis und des M.€latissimus dorsi, wohingegen abdominelle Muskeltrans plantate (VRAM, TRAM) die Lungenventilation schwächen. Eine Untersuchung der Parameter (FEV1) und FEV1/FVC-Ratio an 45€Pa tienten am Operationstag und 10,6 Monate nach der Rekonstruktion zeigte einen Anstieg von FVC and FEV1 um 8,4% bzw. 9,2%. Schmer zen waren reduziert. und darunter besserte sich die mittlere FVC and FEV1 auf 60% gegenüber den präoperativen Werten. Eine Rekons truktion mit Muskellappen erhöhte die FEV1 and FVC um 8,6% and 7,3%. Im Langzeitverlauf zeigte sich eine Lungenfunktionsstörung mit einer Restriktion um ca. 20%. Die geringste Einschränkung der Lungenfunktion fand sich da bei bei Verwendung von M.€pectoralis major gegenüber der Rekons truktion mittels M.€rectus abdominis (Cohen et al. 1997). Ziel der Rekonstruktion 4 Débridement allen infizierten und nekrotischen Materials 4 Deckung der vitalen Strukturen 4 Wiederherstellung der Funktionalität durch – Stabilisierung des knöchernen Thoraxdefektes mittels Netz – Plombierung von leeren Körperhöhlen (Resthöhlen) 4 Berücksichtigung ästhetischer Aspekte
22.1.5 Operative Therapie und Planung
. Tab. 22.1╇ Rekonstruktionsmöglichkeiten der vorderen Thoraxwand
Defektlokalisation
Rekonstruktionstechnik
Sternal
4 M.-pectoralis- (Advancement-, Turnover-, Transpositions-) Lappen 4 M.-pectoralis-rectus-abdominis-Brückenlappen 4 »Zyklopenbrust« 4 M.-latissimus-dorsi-Lappen 4 M.-rectus-abdominis- (TRAM-, VRAM-) Lappen (gestielt, frei) 4 M.-tensor-fascia-latae-Lappen (frei) 4 anteriorer Oberschenkellappen (ALT, frei) 4 Omentum majus (gestielt)
Parasternal/seitliche Thoraxwand
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Axillär/Schulter
4 4 4 4 4
Mikrochirurgischer Anschluss
4 4 4 4
Die operative Rekonstruktion ist prinzipiell erreichbar über: 4 autologes Gewebe: freie und gestielte Muskellappen, Faszie, freie oder vaskularisierte Rippen-Grafts, 4 synthetisches Material: Teflon-, Acryl- und Prolene-Netze, Gore-Tex-Interponate, 4 »composite mesh«: Marlex-Netze. Die meisten Brustwanddefekte lassen sich mit ortsständigem mus kulokutanem Gewebe therapieren, bei infektbedingten Defekten nach Sternotomie und anderen vorderen Brustwanddefekten meist durch den M.€pectoralis major. > Diese Infektionen erfordern eine radikale Exzision aller avitalen, infizierten und nekrotischen Gewebeanteile. Fremdmaterial, wie z.€B. Draht-Cerclagen, müssen entfernt werden.
Bei kurz zurückliegendem kardiochirurgischem Eingriff und unzu reichender Bindegewebeplatte zwischen Herz und Sternum muss eine Restabilisierung des Sternums mit Cerclagen oder PDS-Kordel erfolgen, um eine Verletzung des Herzens durch die scharfen Ster numkanten zu verhindern. Erst bei Keimfreiheit erfolgt dann die Deckung mit vitalem Gewebe. Bis zur Infektfreiheit hat – als additive Interimsmaßnahme – die Vakuumtherapie einen festen Stellenwert (Ennker et al. 2009). Als weitere Optionen stehen der M.€latissimus dorsi und der M.€rectus abdominis, rein muskulär oder muskulokutan, zur Verfü gung. Prinzipiell können diese Lappen frei oder als Insel-, Verschie be- oder Rotationsplastiken eingesetzt werden (Hugo et al. 1994; Latham et al. 2006), und diverse freie Lappentransplantate der un teren Extremität sind einsetzbar. Aufgrund der in Rückenlage am besten erreichbaren Lokalisationen sind als freie Lappen der Tensorfasciae-lata- und ALT-Lappen praktikabel. Eine Synopsis inkl. der mikrovaskulären Anschlusssituation gibt .€Tab.€22.1 wieder.
Fasziokutaner Transpositionslappen Thorakoepigastrischer Lappen M.-latissimus-dorsi-Lappen M.-serratus-Lappen M.-rectus-abdominis- (TRAM-, VRAM-) Lappen (gestielt, frei) M.-tensor-fascia-latae-Lappen (frei) Anteriorer Oberschenkellappen (ALT, frei) Omentum majus (getielt) (M.-trapezius-Lappen bei kranialen, dorsalen Defekten)
M.-latissimus-dorsi-Lappen Paraskapularlappen Skapulalappen M.-serratus-anterior-Lappen M.-pectoralis-Lappen (gestielt an A.€thoracoacromialis) 4 Dorsaler Oberarmlappen 4 Dorsale Filetlappen oder Spare-partTransplantate (freier osteokutaner Unterarmfiletlappen) bei Schulter-/Oberarmamputation A.€mammaria interna A.€thoracoacromialis »Thoraxwandast« der A.€thoracodorsalis AV-Loop (V.€brachiocephalica → A.€axillaris, A.€thoracoacromialis)
Für eine funktionell zufriedenstellende Rekonstruktion ist eine ausreichende Stabilität des knöchernen Thorax erforderlich. Hier kann die Weichteildeckung ausreichen, bei zu ausgedehnten knö chernen Defekten oder unzureichendem Weichteilmantel stehen autogene oder synthetische Materialien zur Verfügung. An körpereigenem Material kommen grundsätzlich Rippen oder Beckenkamm zur Stabilisierung zum Einsatz, an synthetischen Materialien Prolene-, Gore-Tex- oder Marlex-Netze zum Einsatz. Im eigenen Vorgehen verzichten wir auf starre Rekonstruktionen, wie z.€B. die von Thoraxchirurgen gern verwendeten Pallacos-Implan tate, und erzielen mit Nylon- (Prolene-) Netzen eine ausreichende Stabilität. Kavitäten, z.€B. Postpneumektomiehöhlen oder insuffiziente Bronchusstümpfe, erfordern größere voluminöse Transplantate. Hier kommen vorrangig der gestielte M.€latissimus dorsi, M.€rectus abdominis oder das Omentum majus in Frage.
22
166
Kapitel 22 · Rekonstruktion der Thoraxwand
Die Optionen der lokoregionären plastischen Defektdeckung der Thoraxwand bei Thoraxwanddefekten zeigt .€Abb.€22.1. 22.1.6 Operationstechnik Fasziokutane Transpositionslappen.╇ Bei lokal unbestrahlter Haut
bilden große, einfache Verschiebeschwenk-, oder Transpositions lappen eine effiziente Deckungsmöglichkeit (.€Abb.€22.2). Der He bedefekt wird, falls möglich, entweder primär oder durch Spalthaut transplantat verschlossen.
M.-pectoralis-major-Lappen.╇ Der M.€pectoralis eignet sich am bes
. Abb. 22.1╇ Optionen der lokoregionären plastischen Defektdeckung der Thoraxwand bei Thoraxwanddefekten. 1€= M.-latissimus-dorsi-Lappen; 2€= Omentum majus; 3€= transverser M.-rectus-abdominis-Myokutanlappen (TRAM); 4€= M.-pectoralis-major-Lappen; 5€= M.-trapezius-Lappen; 6€= gestieltes Oberarmfilet; 7 + 8€= mikrovaskuläre Unterarmfilets (Radialislappen, osteomyokutaner Lappen); 9€= kontralaterale Mamma mit M.€pectoralis major und Latissimusarkade. (Aus Steinau et al. 1997)
Reservelappenplastiken Zum Auffüllen größerer Defekthöhlen, insbesondere im distalen Drittel des Sternumdefektes, eignet sich ein Omentumhochzug. Der Nachteil hierbei ist die Notwendigkeit eines Zweihöhleneingriffs. ! Cave Bei allen synthetischen Rekonstruktionen besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko, eine antibiotische Abdeckung ist daher routinemäßig durchzuführen.
Im eigenen Vorgehen bevorzugen wir wegen der besseren bindege webigen Einwachsung ein Nylon-Netz.
22
> Einer Rekonstruktion mit körpereigenem Gewebe ist immer der Vorzug zu geben.
Bei sehr ausgedehnten Befunden und notwendiger Amputation der oberen Extremität bilden Filetlappen der dorsalen Schulter-Ober arm-Region oder freie, sog. Spare-part-Transplantate (z.€B. osteoku taner Unterarmlappen) wertvolle Möglichkeiten für eine ausreichenÂ�de lokale Radikalität und auch den Aufbau einer knöchernen Schulter kontur wie nach interskapulothorakaler Amputation (ISTA).
ten, um Vorderwanddefekte der Brustwand zu verschließen, v.€a. hat er sich bei der Rekonstruktion von tiefen Wundinfektionen nach medianer Sternotomie (Sternumosteomyelitis) bewährt. Die Gefäßversorgung erfolgt über die A.€und V.€thoracoacromi alis. Möglich ist ein myokutaner und osteomyokutaner (Rippen-) Lappen. Bei der Hebung des axialen Lappens sind folgende Techniken möglich: 4 Uni- oder bilateraler Lappen, mit oder ohne Desinseration des Ansatzes am Humerus (ohne subkutane Mobilisierung). Die Desinseration erfolgt bevorzugt am nichtdominanten Arm und kann durch eine 2.€Inzision über dem Sulcus deltoideus pec toralis erleichtert werden. 4 Lappen mit kompletter Auslösung von Ansatz und Ursprung sowie subkutaner Abpräparation und alleinigem Verbleib am thorakoakromialen Gefäßstiel. Der Lappen ist dann sehr mobil und kann in den Defekt hineinverlagert werden (.€Abb.€22.3). 4 Turnover-Lappen, bei dem der Muskel am humeralen und kla vikulären Ansatz sowie dem Gefäßstiel komplett abpräpariert wird und nur an den sternalen Perforatoren verbleibt (kommt bei Sternumdefekten meist nicht zum Einsatz, da die abhängige Lappenversorgung fehlt). Der so gehobene Lappen kann dann von lateral nach medial in den Defekt verlagert werden. Nachteil ist ein medial gelegener Wulst, der ästhetisch störend sein kann. Bei der M.-pectoralis-Lappenplastik ist das kaudale Drittel des Ster nums schwer zu bedecken. Hier empfiehlt sich die sog. »Brückenlap pentechnik«, bei der der kaudale M.€pectoralis in Kontinuität mit dem M.€rectus abdominis verlagert wird. M.-latissimus-dorsi-Lappen.╇ Die Lappenplastik mit dem M.€latiss mus dorsi ist eine vielseitig einsetzbare und sichere Technik. Der Lappen wird von der A.€thoracodorsalis und von weiteren sekundä ren lumbalen und interkostalen Arterien versorgt. Der M.€latissimus dorsi ist ein großflächiger Muskel und eignet sich gut für ausgedehn te Defekte, v.€a. als gestielte Lappenplastik, zum Wiederaufbau der Brustwand und der ipsilateralen Thoraxwand. Als freier mikrovas kulärer Lappen kann er nahezu die gesamte vordere, seitliche und hintere Brustwand bedecken (.€Abb.€22.4). Nachteilig ist die für die zentral anteriore Platzierung notwendige Umlagerung des Pati enten. ! Cave Bei der Umlagerung des Patienten von Seit- auf RückenÂ� lage ist größte Sorgfalt erforderlich, um nicht den Lappenstiel zu schädigen.
167
22.1 · Brustwanddefekte
a
c
b
M.-rectus-abdominis-Lappen.╇ Die Gefäßversorgung erfolgt über
die A.€und V. epigastrica superior und inferior und über Inter kostalgefäße. Der M.€rectus abdominis kann als kranialer gestielter muskulokutaner TRAM- (transversaler Rectus abdominis) oder VRAM-Lappen (vertikaler Rectus abdominis) eingesetzt werden (.€Abb.€22.5). Die Hauptindikationen sind: 4 uni- oder bilateraler Aufbau der Brust, 4 Rekonstruktion der unteren Thoraxwandabschnitte, 4 Defekte des Sternums (als kranial gestielter Muskellappen). Bei ausreichendem Hautmantel kann der Hebedefekt direkt ver schlossen werden, wobei eine ästhetisch störende Wulstbildung ent stehen kann. Bevorzugt sollte der M.-rectus-abdominis-Lappen Verwendung finden bei intakter ipsilateraler A.€mammaria interna. In bestimmten Fällen kann dieser Lappen auch nach Entfernung der Brustarterien genutzt werden; die kollaterale Blutversorgung über Interkostalgefäße kann ausreichen, die Perfusion der Hautinsel ist jedoch dann weniger zuverlässig. In Zweifelsfällen ist die freie mikrovaskuläre Verpflanzung indiziert. M.-trapezius-Lappen.╇ Die Gefäßversorgung erfolgt über die A.€dorsalis scapulae und 2€Begleitvenen. Der M.€trapezius wird eher genutzt als gestielter Lappen für Defekte an Schulter-, Hals- und
. Abb. 22.2a–c╇ Deckung eines vollschichtigen Defektes (Weichteil und 4€Rippen) nach Resektion eines malignen Thoraxwandtumors. a Fasziokutaner Transpositionslappen (über paraspinalen Perforator des 4.€ICR bzw. interkostale Perforatoren versorgt) zur Defektdeckung nach Prolene-Netz-Stabilisierung (b) der Thoraxwand. c€Klinisches Resultat
Hinterkopfbereich. Er findet als horizontaler fasziokutaner Lappen oder als vertikaler myokutaner Insellappen Verwendung. Bei der Präparation des Muskels muss auf die Vermeidung von Nervenver letzungen, insbesondere der Spinalnerven, geachtet werden. M.-serratus-anterior-Lappen. ╇ Die Gefäßversorgung erfolgt über
die A.€und V. thoracodorsalis. Der Serratus kann als axialer Lappen zur Rekonstruktion der Brustwand bei kleineren Weichteildefekten herangezogen werden, sein Einsatz ist jedoch durch seine anato mische Lage, Größe und die Rotationsbeschränkung limitiert. Der Serratus kann bei Mitnahme des lateralen Anteils der VI.€Rippe auch als osteomuskulärer und als muskulokutaner Lappen verwendet werden. Er findet eher als freier Lappen für die peripheren Extremi täten Verwendung. Bei kompletter Entnahme resultiert eine Scapula alata.
Omentum-majus-Lappen.╇ Die Versorgung erfolgt über die Aa.€und Vv. gastroepiploica dextra und sinistra. Aufgrund seiner guten Vas kularität und Füllmöglichkeiten bei distalen thorakalen Defekten werden Lappenplastiken mit dem großen Netz gern in thoraxchirur gischen Abteilungen verwendet. Omentum-majus-Plastiken werden an der linken oder rechten A.€gastroepiploica gestielt und von der großen Kurvatur des Magens und vom Querkolon abgelöst. Dabei sollte ein Gefäßstiel von bis zu 12€cm, ausgehend von der A.€gastro
22
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Kapitel 22 · Rekonstruktion der Thoraxwand
a
c
b
a
. Abb. 22.3a–c╇ M.-pectoralis-Lappenplastik mit kompletter Mobilisierung zur medianen Bedeckung des Perikards nach radikal débridiertem Sternuminfekt (a,€b). Die Hautnekrose nach initialem Primärverschluss wurde über gut durchblutetem Muskel mit Spalthaut bedeckt (c)
b
22
c
. Abb. 22.4a–c╇ Tiefer Defekt des mittleren und unteren Sternumdrittels (a). Planung eines mit schräg orientierter Hautinsel gehobenen Latissimus-dorsiLappens (b). Ventral verlagerter M.€latissimus-Myokutanlappen mit präpektoralem Durchzug und sichtbarer präaxillarer Inzision nach humeraler Desinsertion (c)
169
22.1 · Brustwanddefekte
a
b
c . Abb. 22.5a–d╇ Ausgedehnter vollschichtiger Defekt nach nahezu subtotaler Resektion der Thoraxvorderwand mit freiliegendem Herzen bei entferntem Perikard nach transthorakal infiltrierendem Mammakarzinom (a, b). Defektdeckung mit einem an die linke A. und V.€subclavia über Veneninterponat angeschlossenen freien TRAM-Lappen. Die Stabilisierung der Thoraxwand erfolgte mittels Prolene-Netz und Omentum-majus-Transplantat€(c,€d)
epiploica, erhalten bleiben. In der Regel belässt man die rechte A.€gastroepiploica, da diese einen größeren Durchmesser aufweist. Bei der Herausnahme des Lappens muss besondere Sorgfalt auf die Zugempfindlichkeit dieses Gewebes gelegt werden, um Schäden am umliegenden Gewebe zu vermeiden. Für den Patienten besteht jedoch auch hier die Nachteile eines Zweihöhleneingriffs und des sekundären epigastrischen Hernien risikos. Ein weiteres Problem, das die lokale Zone der Defektde ckung beeinflusst, ist die langwierige Sekretion sowie evtl. die Not wendigkeit von Hauttransplantaten. Ästhetisch besser und unkom plizierter sind fasziokutane oder Hautmuskellappen, die im eigenen Vorgehen bevorzugt werden. Die wichtigsten Rekonstruktionsoptionen in der Übersicht zeigt .€Tab.€22.1.
Defektrekonstruktionen bei angeborenen Fehlbildungen Pectus carinatum.╇ Die Kielbrust (oder auch Hühnerbrust genannt)
ist eine kongenitale Fehlbildung der Brustwand, die durch ein Vor springen des Throrax im Bereich des vorderen Sternums gekenn
d
zeichnet ist. Sie lässt sich in eine chondromanubriale Form und in eine chondrogladiolare Form unterteilen (Latham et al. 2006; Hecker et al. 1988a). Pectus excavatum.╇ Der Begriff Trichterbrust wurde erstmalig von
Ebstein (1882) genutzt. Er beschreibt eine dorsale Verlagerung der vorderen Thoraxwand kaudal der Manubrium-Corpus-sterni-Ver bindung mit einer Beteiligung der Ringknorpel von der III–VII.€Rip pe. Die individuellen Ausprägungen können sehr unterschiedlich sein, zeigen aber vielfach nach rechts verlagerte Asymmetrien und stark vorgewölbte Rippenbögen, die oft zu einer typischen asthe nischen und nach vorn geneigten Körperhaltung führen (Hecker et al. 1988b; Sigalet et al. 2003; Bawazir et al. 2005).
Marfan-Syndrom.╇ Im Zuge des Marfan-Syndroms und seiner Bin
degewebsanomalien kann es neben den typischen kardiovaskulären Ausprägungen auch zu einer Einbeziehung des Skelettsystems mit Ausbildung einer Trichter- oder Kielbrust kommen. Eine Korrektur erfolgt aus ästhetischen Erwägungen oder bei schwerer kardiopul monaler Dysfunktion. Die Rekonstruktion ergibt sich aus dem pa
22
170
Kapitel 22 · Rekonstruktion der Thoraxwand
tischen Chirurgen ausgeführte Korrektur besteht aus ästhetischer Indikation in Form von submuskulär eingelegten und maßangefer tigten (»custom made«) Silikonimplantaten (.€Abb.€22.6). In neue rer Zeit wird auch von guten Ergebnissen nach repetitivem Lipofil ling berichtet. Poland-Syndrom.╇ Merkmal des Poland-Syndroms (benannt nach
a
b
dem englischen Chirurgen Alfred Poland; 1841) sind eine einseitige Agenesie oder Hypoplasie des M.€pectoralis (am häufigsten des ster nokostalen Anteils) und Anomalien der ipsilateralen Hand bis hin zu Symbrachydaktylie. Das Poland-Syndrom ist eine komplexe Fehl bildung unklarer Ursache. Berichtet wurde auch über verschiedene Anomalien der Mamma und Mamille und das Fehlen weiterer Schultermuskeln. Die Prävalenz bei Geburt ist etwa 1–3:100.000. Das männliche Geschlecht ist häufiger betroffen als das weibliche. Das Poland-Syndrom tritt meist sporadisch auf, selten wurden fami liär gehäufte Fälle mit autosomal-dominanter Vererbung berichtet. Für das Poland-Syndrom wird eine vaskuläre Ursache angenommen, z.€B. eine Hypoplasie der A.€subclavia. (Golladay u. Golladay 1997; Colombani 2003). Das Poland-Syndrom tritt gelegentlich zusam men mit dem Moebius-Syndrom, einer angeborenen Lähmung der Gesichtsmuskulatur, auf (Kuklik 2000). Die plastische muskuläre Rekonstruktion erfolgt in der Regel durch den ipsilateralen M.-latissimus-dorsi-Lappen. Die Hebung des Lappens kann auch minimalinvasiv erfolgen. Je nach Ausprägung einer Skelettdeformität kann eine Stabilisie rung mit Marlex- oder Prolene-Netz additiv notwendig sein. Even tuell müssen subperichondrale Knorpelkorrekturen oder interdis ziplinäre Sternumosteotomien sowie deren Rotationen allein oder in Kombination den Eingriff komplettieren. Bei weiblichen Patienten steht das teilweise oder komplette Feh len der Brust im Vordergrund, hier ist dann eine Brustrekonstrukti on indiziert. 22.1.7 Perioperative Maßnahmen Eine Antibiotikaprophylaxe mit einem Cephalosporin der 1.€Gene ration sowie eine Antikoagulation sind obligatorisch. Das Antibioti kum sollte 1€h vor Operationsbeginn intravenös verabreicht werden, um einen entsprechenden Wirkspiegel zu erreichen. 22.1.8 Postoperatives Management
c . Abb. 22.6a–c╇ Ästhetische Rekonstruktion bei Trichterbrust durch maßangefertigtes Silikonimplantat bei Marfan-Syndrom. Platzierung unter dem M. pactoralis
22
thologischen Hintergrund. Sowohl bei der Trichter- wie auch der Hühnerbrust zeigt sich vermehrtes pathologisches Wachstum des Knorpel-Rippen-Ansatzes, das zu der typischen Einziehung oder Vorwölbung des Thorax führt. Die operative Rekonstruktion dieser Deformität erfordert eine Reposition des Sternums durch multiple Osteotomien des selben und der angrenzenden mitbetroffenen Rippenanteile. Die von Plas
Zum Monitoring von Lappenplastiken wird auf 7€Kap.€12 ver wiesen. Im Zuge der postoperativen Nachsorge muss insbesondere auf mögliche Nachblutungen in den Operationsgebieten geachtet wer den sowie auf Anzeichen einer beginnenden Infektion. Im Fall einer Infektion sollte ein mikrobiologisches Monitoring erfolgen und die Antibiotika nach Antibiogramm verabreicht werden. Frühzeitige chirurgische Interventionen sind angezeigt. > Größere Hämatome sollten frühzeitig ausgeräumt werden.
Bei der Heparingabe muss auf die vorherige Medikation des Patien ten geachtet werden. Dies spielt insbesondere bei vorherigen Klap penoperationen und bei Herzrhythmusstörungen eine Rolle. Die Mobilisation des Patienten sollte möglichst frühzeitig erfolgen, und zwar in der Regel innerhalb der ersten 24€h nach der Operation. Insbesondere ist auf eine ungestörte Magen-Darm-Passage zu ach ten und die orale Alimentation frühzeitig anzustreben, wobei eine
171
22.2 · Defekte am Rücken
Â� Subileusund Ileussymptomatik zuvor auszuschließen ist. Dies be zieht sich v.€a. auf Patienten mit intraperitonealem Operationszugang. > Essenziell ist ein intensives Atemtraining zur Prävention von Pneumonien.
22.2
Defekte am Rücken
A.€Gohritz
Defekte im Bereich des Rückens erfordern oft komplexe Rekons truktionstechniken, die sich in den vergangenen Jahrzehnten durch ein besseres Verständnis der Anatomie, v.€a. hinsichtlich der Angio some, stetig fortentwickelt haben. Früher oft verwendete Techniken, wie z.€B. die weite Unterminierung großer Hautlappen mit Wund verschluss unter Spannung haben aufgrund ihrer hohen Komplika tionsrate an Bedeutung verloren. Ziel moderner Techniken, besonders Lappenplastiken, die auf Muskel- und Perforatorgefäßen basieren, ist eine einzeitige, sichere Einbringung von gut perfundiertem Gewebe, die so zu einer stabilen Wundbedeckung trotz der besonderen mechanischen Anforde rungen am Rücken führt. 22.2.1 Indikationsstellung
Analyse der Defektsituation Neben der Ätiologie und dem Ausmaß des Defektes ist die Lokalisa tion des Defektes (oberer, mittlerer oder unterer Rücken) ein wich tiger Faktor bei der Entscheidung, mit welchem Verfahren, v.€a. mit welcher Lappenplastik, die Rekonstruktion erfolgen soll.
Therapieentscheidung Nach Casas u. Lewis (1995) wird ein oberer (C3 bis T7), mittlerer (T7 bis L1) und unterer Bereich (L1 bis S5) unterschieden. Bei der Wundbeurteilung ist auf eine Infektion, nekrotisches Gewebe sowie Exposition von Osteosynthesematerial, Knochen- oder Duraanteile zu achten.
Defektursachen Defekte im Bereich des Rückens können in angeborene und erwor bene Ursachen unterteilt werden.
Angeborene Defekte Spina bifida.╇ Diese ist mit ca. 1€von 800 Geburten der häufigste
Meist werden diese Defekte mittels lateralem Haut-/Weichteil-Ad vancement oder Brückenlappen durch Neurochirurgen versorgt, nur etwa 25% erfordern eine Plastisch-chirurgische Deckung. Angeborene Pigmentnävi.╇ Sie treten nicht selten am Rücken auf.
Da ein Lebenszeitrisiko einer malignen Entartung von ca. 15% gege ben ist, wird eine frühzeitige komplette Exzision empfohlen, am besten im Kleinkindalter. Häufig ist eine Rekonstruktion durch mehrfache Gewebeexpansionen möglich, die Expander werden ober- und unterhalb der Läsion platziert. Die Perfusionssicherheit der gewonnenen Hautlappen kann durch Einbeziehung von paraspi nalen Perforatorgefäßen erhöht werden.
Erworbene Defekte Diese resultieren am häufigsten aus 4 Unfällen, 4 Infektionen, 4 Verbrennungen, 4 Strahlenulzera, 4 Tumorresektionen und 4 Druckgeschwüren (Dekubitus). 22.2.2 Chirurgische Therapie Die Auswahl des Rekonstruktionsverfahrens ist abhängig von 4 Größe, 4 Lokalisation, 4 Defektausmaß, 4 vorheriger Therapie (Operationen und Bestrahlung) sowie 4 verfügbarem Restgewebe. Prinzipiell basiert die Operationsplanung auf einer eingehenden Anamnese und Untersuchung des Patienten und, wenn nötig, Bei ziehung anderer Fachrichtungen, z.€B. der Neurochirurgie, Infektio logie, Inneren Medizin (Pulmonologie) und Ernährungsberatung. Eine Defektdeckung kann erst nach kompletter Entfernung aller nekrotischen und infizierten Anteile von Weichteilen, Knorpel und Knochen erfolgen. > Ziel ist es, möglichst durch einzeitige Operation und innerhalb kürzester Zeit eine stabile Wundbedeckung zu erreichen.
Zum Überblick über die Rekonstruktionsmöglichkeiten kann .€Tab.€22.2 dienen.
Geburtsdefekt des zentralen Nervensystems und durch eine inkom plette Fusion der dorsalen Wirbel bedingt. Es werden 2€Formen un terschieden: 4 Spina bifida aperta (cystica), 4 Spina bifida occulta.
Rekonstruktionsmethoden
Bei der Spina bifida cystica können 4€verschieden Varianten vor liegen: 4 Meningozele, 4 Myelomeningozele, 4 Syringomyelozele, 4 Myelozele.
Diese eignen sich nur für oberflächliche Defekte, sind aber wegen der Scherkräfte und Druckbelastung am Rücken oft zu wenig stabil. Ihre Einheilung ist insbesondere in bestrahlten Gebieten unsicher.
Außer bei der Myelozele ist die epitheliale Bedeckung der neuralen Elemente intakt. Ziel ist eine Deckung mit gut durchblutetem Gewe be, um epitheliale Einrisse und nachfolgende Infekte zu vermeiden.
Die Rekonstruktionsmethoden reichen je nach Art des Defekts von der einfachen Spalthauttransplantation über lokale Lappenplastiken bis hin zu mikrochirurgischen Gewebetransplantationen.
Hauttransplantationen
Lokale Lappenplastiken Limberg- (Rhomboid-) Lappen.╇ Rhomboidlappen können zur
Deckung kleiner Defekte am Rücken oder in der Sakralregion ver wendet werden. Ihre Blutversorgung beruht auf dem subdermalen Gefäßplexus. Sie können bei kleinflächigen Defekten, z.€B. ober flächlichen sakralen Dekubiti, angewandt werden (.€Abb.€22.7).
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Kapitel 22 · Rekonstruktion der Thoraxwand
c
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Rotationslappen.╇ Sie sind für größere Defekte einsetzbar, die eine
dickere Bedeckung mit sicher durchblutetem Gewebe erfordern. Mit dem glutäalen Rotationslappen können tiefere sakrale Wunden verschlossen werden, z.€B. bei Dekubitus, Bestrahlungsulkus oder Meningomyelozele. Es handelt sich um einen inferior gestielten Haut-Fett-Lappen, der ein Längen-Breiten-Verhältnis von 1:1 er laubt.
> Es empfiehlt sich, den Lappen eher größer zu planen.
22
Thorakolumbaler Lappen.╇ Diese Lappenplastik ist medial gestielt und kann aus dem hinteren thorakalen, lumbalen oder glutäalen Bereich gehoben werden. Er basiert auf Perforatoren der interkosta len und lumbalen Gefäße und kann ebenso zur Bedeckung sakraler Wunden verwendet werden. Transverser lumbosakraler Rückenlappen.╇ Dieser Lappen ist eine
gute Alternative zur Deckung von mittleren bis großen Defekten im Bereich der unteren lumbalen, sakralen und kokzygealen Region. Bei der Hebung wird der Gefäßstiel seitlich entlang der Mm.€para
. Abb. 22.7a–d╇ Limberg-Lappen an der mittleren dorsalen Thoraxregion. Zustand nach nach inkompletter Exzision eines Hämagioms (a). Nach ExziÂ� sion (b) Defektdeckung durch Limberglappen€(c,€d)
spinosi auf beiden Seiten erhalten, er reicht 2–3€cm über die gegen überliegende Grenze der paraspinalen Muskeln hinaus. Vorteilhaft ist die schnelle und relativ blutarme Hebung, bei der kein Muskel gehoben werden muss. Nachteilig sind die geringe Dicke, die unsi chere Durchblutung der Lappenspitze, der geringe Rotationsbogen und die Unmöglichkeit, die Hebestelle primär zu verschließen. Interkostalisinsellappen.╇ Hierbei handelt es sich um einen zuver lässigen, stabilen und sensiblen Insellappen, nützlich v.€a. bei quer schnittsgelähmten Patienten. Prinzipiell kann jedes interkostale Ge fäß-Nerven-Bündel verwendet werden, eine Defektdeckung ist da her vom Nacken bis zum Os sacrum möglich. Die Breite des Lappens ist begrenzt, wenn die Hebestelle primär verschlossen werden soll. Skapular- und Paraskapularlappen.╇ Die A.€circumflexa scapulae ist das dominante versorgende Gefäß dieser beiden Lappenplastiken. Der Skapularlappen besitzt eine horizontal ausgerichtete Hautinsel, der Paraskapularlappen eine vertikale. Bei primärem Verschluss der Hebestelle ist eine Lappenbreite je nach Hautelastizität von bis zu 10–12€cm möglich.
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22.2 · Defekte am Rücken
. Tab. 22.2╇ Rekonstruktionsmöglichkeiten der dorsalen Rumpfregion. Fettgedruckt die primären Optionen gestielter Lappenplastiken in den drei Hauptdefektzonen
Defektlokalisation
Rekonstruktionstechnik
Zervikal
4 M.-trapezius-Lappen 4 M.-latissimus-dorsi-Lappen 4 Freie Lappen
Thorakal
4 M.-trapezius-Lappen 4 M.-latissimus dorsi-Lappen (gestielt, frei) 4 M.-serratus-anterior-Lappen 4 VRAM (vertikaler Rektus-abdominisLappen, frei) und sonstige freie Lappen
Lumbal
4 M.-latissimus-dorsi-Lappen (evt. »reversed«, frei) 4 M.-glutaeus-maximus-Lappen 4 Mm.-paraspinosus-Lappen 4 Perforatorlappen 4 Freie Lappen
Sakral
4 4 4 4
M.-glutaeus-maximus-Lappen »glutaeal thigh flap« Perforatorlappen Freie Lappen
Mirkochirurgischer Anschluss
4 4 4 4
A.€axillaris A.€cervicalis descendens »Thoraxwandast« der A.€thoracodorsalis A.V.-Loop (V.€brachiocephalica → A.€axillaris, oder V.€saphena → A.€femoralis communis) mit dorsaler Verlagerung
Gewebeexpansion Die Gewebeexpansion ist gerade bei Defekten an der posterioren Thoraxwand sehr hilfreich, da sie eine Hautdeckung mit gleicher Dicke, Textur und Farbe bietet. Sie kommt v.€a. bei großen angebo renen Nävi und instabilen Narbenarealen zur Anwendung. Bei aus gedehnten Flächen sind mehrere Teilschritte notwendig.
Axiale Muskel- und Muskel-Haut-Lappen Sie besitzen meist eine sehr sichere Blutversorgung und damit am Rücken eine bessere Widerstandskraft gegenüber Infektionen und sonstigen Komplikationen. Sie erleichtern die Wundheilung durch ihr gut perfundiertes Gewebe, den Antibiotikatransport und die Plombie rung von tiefen Wundhöhlen, z.€B. bei Patienten mit Querschnitts lähmung. Ihr Hauptnachteil ist jedoch der muskuläre Hebedefekt. M.-trapezius-Lappen.╇ Dieser Lappen besitzt eine dominante Perfu
4 Bilaterale Vorschublappen: Diese basieren beidseits auf dem
thorakodorsalen Gefäßstiel und können Defekte in der Rücken mitte bedecken, ohne dass ihre Insertion abgelöst werden muss. 4 Reverse M.-latissimus-dorsi-Lappen: Der Muskel wird neben seiner thorakodorsalen Hautversorgung auch von praraspinalen Perforansgefäßen versorgt, hauptsächlich aus den 9.–11. Inter kostalgefäßen. Diese Perforatoren treten etwa 5€cm von der Mit tellinie entfernt nach oben, der Lappen kann an diesen Gefäßen gestielt auch nach hinten verlagert werden. Die humerale Inser tion des Muskels wird durchtrennt, um eine Mobilisierung zu erleichtern. Nachteile dieser Technik sind die unsichere Perfusi on in distalen Bereich des Lappens und der insgesamt sehr knap pe Rotationsbogen. Superior gestielter M.-glutaeus-maximus-Lappen.╇ Dieser Lappen
wird v.€a. bei lumbosakralen Wunden querschnittsgelähmter Pati enten angewandt. Die A.€glutaealis superior wird mit dem Doppler lokalisiert, sie liegt meist etwa 3€cm lateral der Mittellinie und etwa 5€cm unterhalb der Spina iliaca superior posterior.
M.-paraspinosus-Lappen.╇ Dieser Lappen wird segmental aus me
dialen und lateralen lumbalen Perforatoren versorgt. Der M.€para spinosus wird von seinem Ursprung an der Wirbelsäule abgelöst und dann stumpf von medial nach lateral vom M.€multifidus, Processus transversus, Mm.€intertransversi und der Fascia transversalis. Die Technik ist relativ einfach und schnell, und sie kommt ohne eine weitere Inzision zur Muskeldissektion aus. Sie eignet sich gut für lumbale Wunden.
M.-rectus-abdominus-Lappen.╇ Dieser Lappen wird von der A.€epi
gastrica superior und inferior versorgt. Der auf dem paarigen Muskel beruhende Lappen kann nur als Muskel- oder als Muskel-Haut-Lap pen zur Deckung am seitlichen hinteren Thorax verwendet werden. Nachteil ist, dass zur Hebung eine Eröffnung der vorderen Rektus scheide der Bauchwand notwendig ist. Bei langen zentralen Defekten über der thorakalen Wirbelsäule bietet ein freier »extended« VRAMLappen genügend Gewebe zur suffizienten Bedeckung bei z.€B. frei ligenden Osteosnythesematerialien nach Wirbelkörperfusion.
Fasziokutane Lappen Paralumbaler fasziokutaner Lappen.╇ Dieser Lappen kann beidsei
tig verwendet werden, um einen Defektverschluss bei großen Mye lomeningozelen zu erreichen. Die paraskapularen and skapularen Abgänge der A.€circumflexa scapulae versorgen die oberen lateralen Anteile dieser Lappen. Ausläufer der A.€circumflexa iliaca superfi cialis versorgen die unteren lateralen Anteile. Die Präparationsebene liegt unmittelbar oberhalb der lumbodorsalen Aponeurose der lon gitudinalen paraspinalen Muskelgruppen.
sion durch die A.€transversa colli und eine zusätzliche Versorgung durch Äste der A.€dorsalis scapulae, A.€occipitalis und aus Perfora toren der hinteren Interkostalgefäße (Typ€II; .€Abb.€22.8). Die kom plette Muskelentnahme kann zu einem Herabsinken der Schulter führen, meist bleibt die Schultergelenksfunktion aber weitgehend erhalten.
hauptsächlich vom Hautast der A.€thoracica lateralis versorgt, 2€wei tere Gefäße, die A.€thoracica lateralis accessoria und der Hautast der A.€thoracodorsalis, versorgen das gleiche Gebiet. Der superior ge stielte Lappen erstreckt sich von der Axillarfalte bis zum 6.€Interkos talraum und reicht bis zur Schulter und zum seitlichen Rumpf.
M.-latissimus-dorsi-Lappen.╇ Die dominanten versorgenden Ge
Glutaeal-thigh-Lappen.╇ Die Haut der Oberschenkelrückseite kann
fäße sind die A.€und V.€thoracodorsalis, sekundäre segmentale Ge fäße entstammen den posterioren Interkostalgefäßen und den Lumbalgefäßen (.€Abb.€22.9). Diese exzellente Durchblutungssitua tion ermöglicht weitere Lappenvarianten:
Lateraler thorakaler fasziokutaner Lappen.╇ Dieser Lappen wird
als fasziokutaner Lappen an der A.€glutaealis inferior gestielt geho ben werden. Die maximalen Ausmaße dieses Lappens liegen bei 10×35€cm, er kann also selbst große Sakraldefekte verschließen. Der Lappen wird meist bis zur Glutäalfalte in der Schicht der tiefen Fas
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Kapitel 22 · Rekonstruktion der Thoraxwand
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zie gehoben. Der Einschluss der unteren Hälfte des M.€glutaeus ma ximus kann den Rotationsbogen erheblich erweitern.
Perforatorlappen Regionale Perforatorlappen ermöglichen die Deckung ohne die Notwendigkeit einer Muskelentnahme. Dies ist ein Vorteil v.€a. bei Patienten mit reduziertem Muskelpotenzial, z.€B. Querschnittsge lähmten. Die Lappenplanung kann nach Darstellung der relevanten Perforatorgefäße (z.€B. durch Dopplersonographie) individuell auf die Wundsituation angepasst werden. > Aufgrund ihrer geringen Spenderdefektmorbidität sind Perforatorlappen besonders wertvoll, wenn z.€B. bei Dekubituspatienten mit wiederholten Eingriffen gerechnet werden muss.
. Abb. 22.8a–c╇ Defektdeckung nach Resektion eines kutanen malignen Hauttumors an der kranialen Rückenpartie durch proximal gestielten Trapeziuslappen. Defekt nach Resektion mit Lappendesign und Markierung des R.€descendens der A.€transversa colli (a). Hebung des myokutanen Lappens mit inkorporiertem Gefäßstiel (b) und Aspekt nach eingeheilter LappenÂ� plastik (c)
rotiert. Die Muskelintegrität des M.€glutaeus maximus wird erhalten, ebenso die Option aller an der A.€glutaealis inferior gestielten Lap penplastiken. Lumbalarterienperforatorlappen.╇ Der am 4.€lumbalen Perforator (5–9€cm paramedian gelegen) gestielte Lappen, der bis zu 4€paarige Gefäße mit den kräftigsten Abgängen aus der 2.–4. Lumbalarterie enthalten kann, kann Haut von der posterioren Mittellinie bis nach ventral zum Rektusmuskel tragen. A.-intercostalis-Perforatorlappen.╇ Die interkostalen Perforatorans
gefäße gehen etwa im Bereich der midaxillären Linie ab. Das ver sorgte Hautareal liegt über dem 9.–10.€Interkostalraum. Es sind Lap pengrößen bis 18×25€cm möglich (.€Abb.€22.1).
Omentum-majus-Lappen Superior-glutaeal-artery-perforator- (SGAP-) Lappen.╇ Die Lage
22
der A.€glutaealis superior wird zunächst markiert. Sie liegt regelhaft im 1.€Drittel einer gedachten Linie zwischen Spina iliaca posterior superior und dem Trochanter major. Verwendet werden die aus die sem Gefäß abgehenden Perforansgefäße oberhalb des M.€piriformis. Diese liegen oberhalb einer gedachten Linie zwischen dem Trochan ter major und einem Punkt in der Mitte zwischen Spina ilaca poste rior superior und Os coccygeum. Nach meistens sehr anspruchs voller Stielpräparation wird der Lappen dann an seinem Perforator
Das Omentum majus kann auch am Rücken zur Deckung von kom plexen Wunden bis zu einer Größe von bis zu 600€cm2 eingeschwenkt werden. Die Versorgung basiert auf der A.€gastroepiploica dexter oder sinister. Das gut durchblutete Netz wird durch eine retroperito neale Öffnung in der Fascia lumbalis zum Rücken mobilisiert. Zu sätzlicher Vorteil ist die immunologisch wirksame Funktion des Omentum, Nachteil ist die Notwendigkeit des Zugangs zur Bauch höhle.
175
22.2 · Defekte am Rücken
Die Lappenentnahme erfolgt meist in Bauchlage. Als Anschluss eignen sich: 4 A. femoralis superficialis und profunda, 4 A. epigastrica inferior, 4 A. glutaealis superior und inferior, 4 A. lumbalis, 4 Aa. intercostales und 4 A.€thoracodorsalis mit ihren Begleitvenen. Häufig sind jedoch lange Veneninterponate oder die Anlage eines A.V.-Loops erforderlich.
Filetlappen des Ober- oder Unterschenkels Bei paraplegischen Patienten kann als Ultima ratio ein Filetlappen des Ober- oder Unterschenkels gebildet werden, um große Wund höhlen zu obliterieren und Defekte zu verschließen, wenn alle kon ventionellen Therapieoptionen ausgeschöpft sind. Typische Notfal lindikationen sind z.€B. tiefgreifende Osteomyelitiden oder große infizierte Haut-Weichteil-Defekte.
a
! Cave Bei Querschnittsgelähmten sollte der M.€latissimus dorsi möglichst als Rumpfstabilisator erhalten bleiben.
22.2.3 Intraoperatives Vorgehen Um Hämatombildung zu vermeiden, sind eine besonders sorgfältige Blutstillung und die Einlage von Redon-Drainagen obligat. Der Wundverschluss muss spannungsfrei erfolgen. > Der Einsatz von 2€Teams kann die Operationszeit wesentlich verringern.
. Abb. 22.9a, b╇ Defektdeckung durch proximal gestielten M.-latissimusdorsi-Lappen. Hebung des Lappens mit schräg in den dorsalen Hautfalten orientierter Hautinsel (a) und Aspekt nach Einheilung€(b)
Die Entfernung von Osteosynthesematerial, v.€a. nach Eingriffen an der Wirbelsäule, z.€B. nach Fusion oder Achskorrekturen, stellt ein schwieriges Problem dar. Infiziertes Fremdmaterial sollte immer komplett entfernt werden. Allerdings kann in manchen Fällen unter antibiotischer Abdeckung und Vakuumversiegelung eine knöcherne Konsolidierung und Stabilisierung der Wirbelsäule abgewartet wer den, bevor das Osteosynthesematerial entfernt und ein suffizientes Débridement vor der Defektdeckung durchgeführt wird. Anderen falls ist nach der Metallentfernung eine Gipsruhigstellung des ge samten Rumpfes (»body cast«) notwendig.
Mikrochirurgische Lappenplastiken
22.2.4 Nachbehandlung
b
Als weitere Therapieoption bieten mikrochirurgische Gewebetrans plantationen die vielseitigsten Möglichkeiten eines einzeitigen defi nitiven Wundverschlusses, wenn keine gleichwertigen lokalen Lap penplastiken möglich sind. Dies kann allerdings bei mehrfach vor operierten, multimodal vorbehandelten und onkologischen multi morbiden Patienten eine Herausforderung darstellen. Die Probleme bei Defekten am Rücken liegen hierbei jedoch in der begrenzten Anzahl von Anschlussgefäßen und der schwierigen postoperativen Lagerung. Geeignete Transplantate sind: 4 M.€latissimus dorsi, 4 M.€serratus anterior, 4 M.€tensor fascia lata, 4 Lateral-thigh-Lappen, 4 M.-rectus-abdominis-Lappen (auch als extendierte Variante mit proximalem fasziokutanem Ausläufer).
Eine sorgfältige Nachbehandlung ist ebenso wichtig wie die eigent liche Operation. Eventuell muss wie bei den ventralen thorakalen Rekonstruktionen der Patient in den ersten Tagen intensivmedizi nisch überwacht werden. Für etwa 3€Wochen erfolgt eine strenge Druckentlastung in einem Spezialbett oder einer Spezialmatratze und Lagerung auf dem Bauch oder mit regelmäßiger Wechselseitla gerung, um Druckschäden zu vermeiden. > Ein überwachtes Atemtraining ist äußerst wichtig, um einer Minderbelüftung mit Gefahr einer Pneumonie vorzubeugen.
22
176
Kapitel 22 · Rekonstruktion der Thoraxwand
22.2.5 Komplikationen Serombildungen sind am Rücken sehr häufig, v.€a. im Bereich der
Entnahmestelle des M.€latissimus dorsi, bedingt durch die großen sezernierenden und gegeneinander verschieblichen Wundflächen. Redon-Drainagen sollten daher für mindestens 1€Woche belassen werden. Eine straffe Kompressionsbandage der Hebestelle unter engmaschiger Kontrolle des frei gelagerten Lappenstiels wird im ei genen Vorgehen für mindestens 3€Wochen angelegt. Persistierende Flüssigkeitsansammlungen sind unter sterilen Bedingungen zu punktieren. Bei lang andauernden Seromen kann auch eine Injekti on von verklebenden Substanzen (z.€B. Tetrazyklinen) durchgeführt werden. Hämatome treten eher selten auf, wenn vor dem Wundver schluss auf eine sorgfältige Blutstillung geachtet wird. Sie können aber durch Kompression, v.€a. auf den Gefäßstiel, bis zum kompletten Lappenverlust führen. Wunddehiszenzen entstehen durch insuffizienten Wundver schluss und lokale Durchblutungsstörungen. Wir verwenden der male Nähte mit langer Resorptionszeit (PDS), die in Zonen größerer Spannung auch als Schlingennähte angelegt werden, und bevorzu gen resorbierbares Hautnahtmaterial. Randständige Lappennekrosen sind meistens unproblema tisch, wenn der zentrale Lappenanteil fest auf der Unterlage einheilt, und lassen sich sekundär zur Abheilung bringen. Bei gestautem Lap pen kann eine lokale Ischämie durch teilweises Entfernen der Nähte gebessert und damit eine Lappenteilnekrose verhindert werden. Bei Infektionen muss zunächst alles infizierte und avitale Gewe be entfernt werden, bevor ein erneuter Wundverschluss geplant wer den kann. Die häufigsten Risikofaktoren sind Diabetes mellitus, Hämatombildung und Verbleiben von nekrotischem Gewebe in der Wunde. Meningitis ist eine gefährliche Komplikation v.€a. bei spinalen Defekten mit Exposition der Meningen und Austritt von zerebrospi naler Flüssigkeit.
Literatur Literatur zu 7 Kap. 22.1
22
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23
Bauchwanddefekte I. Ennker
23.1
Rekonstruktionen mit Lappenplastikenâ•… – 178
23.1.1 23.1.2 23.1.3 23.1.4 23.1.5 23.1.6 23.1.7 23.1.8
Indikationenâ•… – 178 Diagnostisches Vorgehenâ•… – 178 Vorbereitung und Aufklärungâ•… – 178 Ziele der Rekonstruktionâ•… – 178 Operationsplanungâ•… – 178 Operationstechnikâ•… – 180 Perioperative Maßnahmenâ•… – 181 Postoperatives Managementâ•… – 181
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
178
Kapitel 23 · Bauchwanddefekte
23.1
Rekonstruktionen mit Lappenplastiken
23.1.1 Indikationen Bauchwanddefekte stellen ein häufiges klinisches Erscheinungsbild dar und werden meist allgemeinchirurgisch therapiert. Gelegentlich sind sie jedoch nicht mit ortsständigem Material zu verschließen und erfordern eine komplexe Rekonstruktionsmaßnahme. Eine Lappenplastik ist indiziert, wenn eine Defektdeckung mit stabilem, gut durchblutetem Gewebe erforderlich ist. Die häufigsten Fälle (.€Übersicht), die eine plastisch-chirurgische Rekonstruktion benötigen, werden nachfolgend erörtert. Bauchwanddefekte mit Indikation zur plastisch- chirurgischen Rekonstruktion 4 4 4 4 4 4
Bauchwandinfektionen mit Verlust von Weichteilen Ausgedehnte Tumorresektionen Nekrotisierende Fasziitis Trauma Mehrfachrezidive von Hernien Angeborene Bauchwanddefekte (Gastroschisis, Omphalozele, Aplasien)
Insgesamt ist die Hernie der häufigste Eingriff aller BauchwandÂ� defekte mit einem Anteil am Patientengut von ca. 10–20%. Eine Rezidivhernie ist eine häufige Indikation für rekonstruktive MaßÂ� nahmen. Als kongenitale Defekte sind die Gastrochisis und die Omphalozele zu nennen. Als Gastroschisis wird eine pränatal spontan entstehende häufig rechts vom Nabel gelegene Fehlbildung der Bauchwand beim Fetus bezeichnet, die durch den Vorfall von Darmschlingen gekennzeichnet ist. Eine Omphalozele ist eine Nabelschnurhernie, die durch eine Fehlbildung der Bauchwand beim ungeborenen Kind hervorgerufen wird. Es treten Teile der Bauchorgane, insbesondere Teile des Darms, durch den Nabel hervor und verbleiben anschließend in der sackartig aufgeblähten Nabelschnur. Sarkome, Liposarkome und Rhabdomyosarkome sind die am häufigsten auftretenden malignen Tumoren der Bauchwand. Metastasen anderer Primärtumoren sind selten. Desmoidtumoren (aggressive Fibromatome) sind lokal invasiv wachsende benigne Tumoren, die zu Rezidiven neigen und mit einem ausreichenden SicherheitsÂ� abstand reseziert werden müssen. Gleiches gilt für das selten auftretende dermale Neoplasma, das Dermatofibrosarcoma protuberans. Postoperative Infektionen führen zu einer erhöhten Rate an Narbenhernien und ggf. zu Weichteilverlusten, die je nach RezidivÂ� anzahl und Umfang einer plastischen Deckung bedürfen. Eine primäre nekrotisierende Fasziitis ist selten, jedoch mit einer sehr hohen Letalität assoziiert, und hinterlässt teilweise ausgedehnte Weichteilverluste. > Das Verletzungsausmaß und die Ätiologie der BauchwandÂ� verletzungen bestimmen letztlich die operative Strategie.
23.1.2 Diagnostisches Vorgehen
23
Als diagnostische Maßnahmen sind neben der ausführlichen Anamnese und der klinischen Untersuchung bildgebende Verfahren wie Sonographie, TEE, CT und MRT nützlich, um Aufschluss über mögliche Tumoren, Infektionen und deren Ausmaß zu geben. Vor mikroÂ�
chirurgischen Lappenplastiken muss der Status der Anschlussgefäße vorliegen. Neben einer Doppleruntersuchung kann eine Angiographie oder eine DSA indiziert sein. Die präoperative Vorbereitung entspricht der bei Thoraxwanddefekten (7€Kap.€22). 23.1.3 Vorbereitung und Aufklärung Diese entsprechen dem Vorgehen vor Thoraxwandeingriffen (7€Kap.€22). 23.1.4 Ziele der
Rekonstruktion
Primäre Ziele 4 4 4 4
Deckung vitaler intraabdomineller Strukturen Wiederherstellung der Funktionalität Stabilisierung der Bauchdecke Berücksichtigung ästhetischer Aspekte
Die Rekonstruktion der Bauchwand ist abhängig von Umfang und Art des zu ersetzenden Gewebes. Bei Infektionen oder Nekrosen ist ein Débridement voranzustellen. ! Cave Ein spannungsfreies Vorgehen ist unabdingbar, ein Bauchdeckenverschluss niemals bei Gefahr eines abdominellen Kompartmentsyndroms zu erzwingen.
23.1.5 Operationsplanung Eine Rekonstruktion ist prinzipiell mit autogenem oder synthetischem Material zu erreichen. Als autogenes Gewebe stehen freie oder gestielte Muskellappen, Faszie oder Hauttransplantate zur Verfügung, als synthetische Materialien Teflon-, Acryl-, Prolene-, GoreTex- und Composite-Produkte. Bei Bauchwanddefekten nach abdominellen Traumata müssen die intraabdominalen Verletzungen zuerst versorgt werden. Anschließend erfolgt ein chirurgisches Débridement aller nicht vitalen oder infizierten Anteile der Bauchdecke. Wenn möglich, sollte ein primärer, spannungsfreier Wundverschluss in der Linea alba angestrebt werden. Die Indikation zu Second-look-Operationen ist großzügig zu stellen. Ein primärer Wundverschluss gewährleistet meist die Wiederherstellung der normalen Funktion des M.€rectus abdominis und führt oft zu einer vollständigen Heilung der Wunde. Das Auftreten von Zugspannungen sollte während des Wundverschlusses vermieden werden, weil es zu akuter Dehiszenz oder bei länger andauernder Spannung zu Hernien führen kann. Auch die Entwicklung eines abdominellen Kompartmentsyndroms mit Ileussymptomatik kann bei erzwungenem Wundverschluss resultieren. Falls ein Verschluss der Faszie nicht spannungsfrei möglich ist, kann die Nutzung eines synthetischen Netzes eine Alternative sein (Mathes et al. 2000). Auch die Vakuumtherapie hat einen Stellenwert zum Interimsverschluss des Abdomens (Scott et al. 2005, Lambert et al. 2005). Prothetische Materialien können temporär oder perÂ� manent eingesetzt werden. Beim temporären Einsatz kann nach Ausheilung des Ödems oft ein direkter Verschluss in der Linea alba erfolgen (.€Abb.€22.1).
179
23.1 · Rekonstruktionen mit Lappenplastiken
Permanente synthetische Implantate sollten auf der Innenseite der Bauchwand angebracht werden, da nur so eine erneute HernienÂ� entstehung verhindert werden kann. Je nach Material muss ein direkter Kontakt mit dem Darm mit Verwachsungen und daraus resultierenden Darmfistelungen vermieden werden. Bei intaktem Omentum majus kann dieses interponiert werden. Sollte kein autogenes Gewebe zur Verfügung stehen, ist GoreTex als Interponat zwischen Darm und synthetischem Netz eine Alternative. Andere Materialien wie Vicryl-Netze bleiben nicht dauerhaft erhalten und sind daher v.€a. hilfreich, wenn es nur auf einen temporären Verschluss ankommt oder um einen primären Wundverschluss zu unterstützen (McCarthy et al. 2005, Thorne u. Beasly 2006). Auch besteht die Möglichkeit, auf ein interponiertes Vicrylnetz Spalthaut zu transplantieren, wodurch zwar kein funktionell stabiler Verschluss, zumindest aber ein Wundverschluss erreicht werden kann. Wir bevorzugen im eigenen Vorgehen Netze aus Prolene-Material (in neuerer Zeit auch Produkte mit resorbierbarer Beschichtung), da eine sehr gute Langzeitstabilität und auch eine sichere bindegewebige Einheilung möglich ist, sowie azellularisierte Dermis (Strattice).
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In den Fällen, in denen der Einsatz prothetischer Materialien nicht indiziert ist, kann die Therapie der Bauchwanddefekte auch mit ortsständigem Gewebe oder Lappenplastiken erfolgen. Beim Verschluss mit ortsständigen Geweben kommen im Wesentlichen die Komponentenseparationstechnik von Ramirez und Dellon – in den 1990er-Jahren eingeführt (Ramirez et al. 1990) – und die »fascial partition« oder auch »musculofascial release« von Levine et al. (2001) in Frage. Bei der Komponentenseparationsmethode wird der M.€rectus abdominis und die Faszie zur Mittellinie hin mobilisiert. Die Faszien des M.€obliquus internus und des M.€transversus abdominis werden mobilisiert und posterior am lateralen Rand der Rektusscheide fixiert, während die Faszie des M.€obliquus externus komplett inzidiert wird und so nach lateral zurückweicht. Mit dieser Technik lassen sich kleine bis mittlere Defekte verschließen. Die Musculofascial-release-Technik besteht aus je 2€vertikalen parasagittalen bilateralen Inzisionen des M.€obliquus externus und des M.€transversus abdominis. Die Schnittführung erfolgt von der viszeralen Seite aus. Durch die so erreichte Relaxierung der Bauchdecke können auch mittlere bis größere Defekte verschlossen wer-
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. Abb. 23.1a–d╇ Hernienverschluss bei Zustand nach Abdomen apertum nach Peritonitis. Offene Bauchwandrevision, Mayo-Faziendoppelung, Narbenexzision und Haut-Advancement
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180
Kapitel 23 · Bauchwanddefekte
den. Der M.€obliquus internus bleibt intakt. Alternativ kann auch der M.€obliquus internus inzidiert werden, und der M.€transversus abdominis bleibt intakt. Eine Expansionsbehandlung kann bei verzögerter Rekonstruktion oder bei pädiatrischen Patienten mit Geburtsdefekten der Bauchwand indiziert sein. Bei akuten Infektionen ist diese Technik kontraindiziert. Bei medianen Bauchwandhernien und noch ausreichendem Eigenmaterial ist eine Fasziendopplung nach Mayo anzustreben (.€Abb.€23.1). Lappenplastiken sind indiziert, wenn kein Verschluss mit ortsständigem Eigengewebe oder synthetischem Material möglich ist. 23.1.6 Operationstechnik M.-tensor-fascia-lata-Lappen.╇ Der M.€tensor fascia lata wurde ursprünglich von Nahai zur Dekubituschirurgie eingesetzt (Nahai et al. 1978). Die Versorgung erfolgt über die A.€circumflexa femoris lateralis und 2€Begleitvenen. Der Lappen wird meistens als axialer fasziokutaner Lappen benutzt. Er eignet sich ideal zum Rekonstruieren von Bauchdeckendefekten und ist der am häufigsten verwendete Lappen für diese Indikation. Als myokutaner Lappen ist die Reichweite eingeschränkt und die Hautinsel nicht so zuverlässig. Eine Verwendung als freier mikrovaskulärer Lappen ist ebenfalls möglich.
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M.-rectus-femoris-Lappen.╇ Die Versorgung erfolgt auch über die
A.€circumflexa femoris. Der M.-rectus-femoris-Lappen besitzt eine axiale Blutzufuhr und hat somit einen besseren Rotationswinkel als der M.€tensor fasciae latae und eignet sich für eine myofasziale oder myokutane Lappenplastik. Als extendierter Oberschenkellappen (»mutton chop flap«) reicht er über das Hemiabdomen bis zum Rippenbogen.
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M.-rectus-abdominis-Lappen.╇ Die Versorgung erfolgt über die Aa.€und Vv.€epigastrica superior und inferior. Die Einsatzmöglichkeit besteht als kranial oder kaudal gestielter TRAM- (transversaler Rectus-abdominis-Muskel-Haut-) oder VRAM- (vertikaler Rectusabdominis-Muskel-Haut-) Lappen (.€Abb.€23.2). Auch hier muss auf die intakte A.€mammaria interna der verwendeten Seite geachtet werden. In Ausnahmefällen ist mikrovaskuläre Transplantation möglich.
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M.-gracilis-Lappen.╇ Die Versorgung erfolgt über die A.€und V.€circumflexa femoris medialis und kann als muskulokutaner Lappen verwendet werden, gilt aber aufgrund des geringen Volumens wie der M.€vastus lateralis als 2.€Wahl (Harii et al. 1976). Eine sichere großflächige Deckung ist auch durch einen ventralen myofasziokutanen Oberschenkellappen (»mutton chop flap«) möglich. Unter Einschluss von Mm.€rectus femoris, sartorius und tensor fasciae latae, versorgt durch das A.-circumflexa-femoris-lateralis-System, lässt sich ein großer, sicher perfundierter Lappen mit großem Schwenkradius bilden.
. Abb. 23.2a–c╇ Extendierter VRAM-Lappen zur Defektdeckung eines ausgedehnten Defektes der unteren Bauchwand nach Sarkomresektion
Omentum-majus-Lappen.╇ Bestehen keinerlei Deckungsmöglichkeiten mit den oben genannten Maßnahmen, kann das Omentum majus über den Bauchwanddefekt gelegt und darüber eine Netzplastik mit einem synthetischen Material (vorzugsweise Nylon) konstruiert werden. Das Netz kann dann an den lateral verbliebenen Strukturen eingenäht und kranial am Rippenbogen fixiert werden. Darauf kann dann nach einer entsprechenden Einheilungszeit des Netzes – in der Regel 3–4 Wochen – eine Spalthauttransplantation erfolgen.
Damit lässt sich zwar keine funktionelle Stabilität der Bauchdecke erreichen, wohl aber ein narbiger Verschluss des Abdomens nach außen. Als Ultima ratio muss gelegentlich auf ausgedehnte plastischrekonstruktive Maßnahmen verzichtet werden. Insbesondere beim Abdomen apertum stellt bei infektfreiem Abdomen die sekundäre Ausheilung über eine granulierende Narbenplatte, z.€B. mittels Va-
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23.1 · Rekonstruktionen mit Lappenplastiken
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. Abb. 23.3a–d╇ Expandervordehnung und Hautlappenausbreitung zur ästhetischen Korrektur einer ausgedehnten Verbrennungsnarbenfläche
kuumversiegelung, und sekundäre Spalthautdeckung eine Alternative dar. Nach Stabilisierung des Allgemeinzustandes und der lokalen Wundverhältnisse kann dann eine definitive höherwertige plastische Rekonstruktion – dann v.€a. mit reduziertem Risiko einer Darmperforation – durchgeführt werden. Bei rein kutanen Defekten wie ausgedehnten Narbenzonen sind Expandervordehnungen mit sekundärer Hautlappenausbreitung indiziert (.€Abb.€23.2). 23.1.7 Perioperative Maßnahmen Eine Antibiotikaprophylaxe mit einem Cephalosporin der 1.€Generation sowie eine Antikoagulation sind obligat. Das Antibiotikum sollte 1€h präoperativ verabreicht werden, um einen entsprechenden Wirkspiegel zu erhalten.
23.1.8 Postoperatives Management Dieses entspricht dem Vorgehen nach Lappenrekonstruktionen bei Thoraxwanddefekten (7€Kap.€22).
Literatur Harii K, Ohmori K, Sekiguchi J (1976) The free musculocutaneous flap. Plast Reconstr Surg 57 (3): 294–303 Lambert KV, Hayes P, McCarthy M (2005) Vacuum assisted closure: a review of development and current applications. Eur J Vasc Endovasc Surg29 (3): 219–226 Levine JP, Karp NS (2001) Restoration of abdominal wall integrity as a salvage procedure in difficult recurrent abdominal wall hernias using a method of wide myofascial release. Plast Reconstr Surg 107 (3): 707–716 Mathes SJ, Steinwald PM, Foster RD, Hoffman WY, Anthony JP (2000) Complex abdominal wall reconstruction: a comparison of flap and mesh closure. Ann Surg 232 (4): 586–596
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182
Kapitel 23 · Bauchwanddefekte
McCarthy JG, Galiano RD, Boutros S (2005) Current therapy in plastic surgery. Saunders, Philadelphia Nahai F, Silverton JS, Hill HL, Vasconez LO (1978 ) The tensor fascia lata musculocutaneous flap. Ann Plast Surg 1 (4): 372–379 Ramirez OM, Ruas E, Dellon AL (1990) »Components separation« method for closure of abdominal-wall defects: an anatomic and clinical study. Plast Reconstr Surg 86 (3): 519–526 Scott BG, Feanny MA, Hirshberg A (2005) Early definitive closure of the open abdomen: a quiet revolution. Scand J Surg 94 (1): 9–14 Thorne C H., Beasley RW (2006) Grabb and Smith‘s plastic surgery. Lippincott Williams & Wilkins
23
24
Lappenplastik Leiste und Becken P.M. Vogt, L.-U. Lahoda
24.1 Therapiezieleâ•… – 184 24.2 Indikationsstellungâ•… – 184 24.3 Operationsvorbereitungâ•… – 184 24.4 Operationstechnikâ•… – 186 24.5 Postoperatives Management â•… – 194 24.6 Postoperative Komplikationenâ•… – 194
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 24 · Lappenplastik Leiste und Becken
24.1
Therapieziele
Defekte in der Region von Becken und Leiste stellen für die Patienten erhebliche Belastungen dar und bedeuten aufgrund der schwierigen Ausgangssituation der betroffenen Patienten eine große Herausforderung für die rekonstruktive Chirurgie und das allgemeine Patientenmanagement. Es ist zu unterscheiden zwischen der großen Gruppe der Patienten, die an Durchliegegeschwüren oder Infektionsfolgen leiden, und derjenigen der Patienten mit onkologischen Behandlungsfolgen. In beiden Patientenkollektiven ist es das Therapieziel, einen belastbaren Weichteilverschluss oder unter palliativen Gesichtspunkten eine pflegerische Erleichterung zu erzielen. Vor der eigentlichen Rekonstruktion müssen zugrundeliegende Infektzustände, meistens durch radikales Débridement, und im Falle onkologischer Patienten Tumorrezidive und Zweittumoren therapiert werden. Dies erfordert nach entsprechend sorgfältiger Patientenvorbereitung ein Débridement, das infektfreie und durchblutete Wundränder anstrebt. Die Defektdeckung hat nicht nur eine bestmögliche Wiederherstellung der Weichgewebe zum Ziel, sondern sollte, wann immer möglich, funktionelle Strukturen der Anogenitalregion mitbehandeln. Durch eine frühzeitige Wiederherstellung lassen sich sowohl die primäre Komplikationsrate senken als auch die aus der Tumorresektion entstehenden Mutilationen reduzieren, zu denen insbesondere Resthöhlenbildungen zählen. Diese sind eine häufige Ursache für rezidivierende Fistelbildung, Infektionen und Osteomyelitis, sie verzögern oder verhindern sogar eine notwendige adjuvante Radiochemotherapie. Wegen der besonderen Anforderungen an das operative Vorgehen werden die Indikationsgruppen Dekubitus und onkologisch bedingte Defekte jeweils getrennt besprochen. 24.2
Indikationsstellung
Onkologische Defekte
24
Vornehmlich finden sich Zustände nach viszeropelvinen Eingriffen (Exenterationen; Khoo et al. 2001; Small et al. 2000) sowie nach gynäkologischen und urologischen Voroperationen (Perticucci 1977), z.€T. auch mit Exenteration und Teilentfernung von knöchernen Strukturen wie des Sakrums bis hin zu Hemipelvektomien (Fuchs et al. 2002). Als weitere Indikationen gelten primäre maligne Knochentumoren und multimodale Therapiefolgen (z.€B. Analkarzinom) bzw. Kombinationen aus den genannten Gruppen. Eine besondere Problematik postonkologischer Defekte der Beckenregion liegt in einer konsumierenden Wundsituation und pflegerischen Problemen. Superinfizierte verjauchende Defekte stellen eine Quelle aufsteigender Infektionen mit der Gefahr der Sepsis dar. Die Patienten sind hinsichtlich des Allgemeinzustandes oftmals bis hin zu Kachexie reduziert. Die offenen Wunden führen wegen der Geruchsbelästigung zu einer reduzierten sozialen Akzeptanz (Vogt et al. 2004). Darüber hinaus können offene Wunden im Beckenbereich die notwendigen adjuvanten Therapiemaßnahmen wesentlich hinauszögern. In Einzelfällen liegt eine vitale Gefährdung durch die Gefahr der Arrosion der großen Gefäße der Beckenstrombahnen vor. Die Ziele einer jeden plastisch-chirurgischen Weichteilrekonstruktion sind daher neben dem Wundverschluss die Plombierung von Resthöhlen und die Protektion von Gefäßen und Organen. In Einzelfällen kann auch eine gleichzeitige plastische Rekonstruktion im Genitalbereich erfolgen. Fortsetzungen hierfür sind ein radikales
Débridement, was auch segmentförmig ausgeschaltete Hohlorgane umfasst.
Dekubitus Definition.╇ Der Begriff Dekubitus definiert ein Druckgeschwür über knöchernen Prominenzen, etwa an Hinterhaupt, Steißbein oder Ferse. Mit veranschlagten 400.000–500.000 Neuerkrankungen jährlich, davon 17% aller in Pflegeheimen aufgenommenen Patienten und 5–8% aller Paraplegiker, entstehen ernorme Anforderungen an die Pflege und letztendlich der dringende Bedarf für eine plastischchirurgische Rekonstruktion. Das Auftreten von Druckgeschwüren, aber auch die Rezidivrate nach plastischer Weichteilrekonstruktion korrelieren klar mit der Immobilität von Patienten und dem erreichbaren Maß an regelmäßiger Druckentlastung. Inzidenzen bei hospitalisierten Patienten liegen zwischen 1 und 11% (Allmann 1986; Scheckler 1986). Erweiterte Kenntnisse der Genese und verbesserte Prävention, insbesondere Lagerungstechniken, haben zu einer deutlichen Reduktion geführt. Den Effekt einer konsequenten Prophylaxe belegen Daten aus der geriatrischen Klinik des Universitätsspitals Basel, in dem die Inzidenz von 15,5% auf ca. 1,9% gesenkt werden konnte. Nicht zu unterschätzen ist der spontane Lagerungswechsel, der beim Gesunden im Schlaf etwa spontan alle 15€min erfolgt. Alle Arten von Bewusstseinstrübung, insbesondere aber auch Sedation, heben diesen natürlichen Schutzmechanismus auf. Die bevorzugten Lokalisationen sind in fallender Inzidenz die Sakralregion, Fersen-, Trochanter- und Malleolarregion. Insbesondere bei Intensivpatienten werden weitere Lokalisationen evident, so z.€B. nach dorsoventraler Wechsellagerung im Rahmen der Therapie des Lungenversagens, an Stirn, Nase, Kinn, Knien etc. .€Abb.€24.1 zeigt die Prädilektionsstellen für die Entstehung von Dekubiti. Aus diesen pathophysiologischen Voraussetzungen ergeben sich nicht nur für die Wahl des operativen Verfahrens, sondern v.€a. für die postoperative Nachsorge hinsichtlich einer Druckentlastung entsprechende Anforderungen an die Lagerung. Die Indikationen zum operativen Eingriff ergeben sich im Wesentlichen aus pflegerischen und vitalen akuten medizinischen Parametern: Arrosionsblutungen, Sepsis, Osteomyelitis, Narbenkarzinom, Schmerzlinderung, Pflegeerleichterung und Prophylaxe von Infektionen (.€Tab.€24.1).
24.3
Operationsvorbereitung
Onkologische Defekte Hier ist zunächst eine interdisziplinäre Diskussion der Ausgangssituation indiziert, da der plastisch-rekonstruktive Eingriff im Rahmen der onkologischen Gesamtbehandlung geplant werden sollte. Neben der kurativen Indikationsstellung bei bereits tumorchirurgisch beherrschtem Grundleiden werden dem plastischen Chirurgen zunehmend Patienten mit Tumorrrezidiverkrankungen, Zweitmalignomen im Strahlenfeld oder auch palliativ anzugehenden exulzerierenden Riesentumoren vorgestellt (Vogt et al. 2006). Großes Augenmerk ist auf den Gesamtstatus der Patienten zu richten und gemäß der ASA-Klassifikation (7€Kap.€3.1) eine Risikoeinschätzung vorzunehmen. Eine saubere Aufarbeitung onkologischer Vorbefunde (inkl. Tumorstadien und Gradings), bildgebende Diagnostik (MRT, CT) und allgemeines Staging ergänzen die klinische Befundung.
185
24.3 · Operationsvorbereitung
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. Abb. 24.1a, b╇ Prädilektionsstellen für die Entstehung von Dekubiti
. Tab. 24.1╇ Operationsindikation beim Dekubitus. (Nach Lüscher 1994)
Vitale Indikation
Absolute Indikation
Relative Indikation
4 Akute arterielle oder venöse Arrosions blutung 4 Schwere Sepsis (immer unter intravenöser Antibiotikagabe; in der Akutphase nur Débridement, niemals plastische DeÂ�ckung) 4 Narbenkarzinom
4 Tiefe Osteomyelitis des Knochens im Dekubitusgrund 4 Gelenkbeteiligung im Dekubitusgrund, v.€a. des Hüftgelenks 4 Multiple tiefe Dekubitalulzera
4 Schnellerer Wundverschluss und bessere Weich teilbedeckung 4 Elimination eines möglichen septischen Herdes 4 Verminderung der chronischen Schmerzen 4 Erleichterung der Pflege und Senkung der Be handlungskosten 4 Möglichkeit der Verlegung nach Hause oder in ein Altersheim 4 Prophylaxe des Wundinfektes
> Bei kachektischen onkologischen Patienten wie auch bei den unten besprochenen Dekubituspatienten ist eine nutritive Verbesserung zum Ausgleich von Mangelzuständen (insbesondere Gesamtprotein, Gerinnungsstatus, Vitamine) unabdingbare Voraussetzung zur Optimierung des Heilungsverlaufs.
Auch empfiehlt sich eine konsequente, bereits präoperativ einge leitete Physiotherapie inkl. Atemtraining.
Bei geplanten Resektionen bzw. Débridements im kleinen Be cken ist eine präoperative Ureterenschienung eine protektive Maß nahme zum Schutz der Harnleiter im oftmals fibrosierten und be strahlten Situs.
Dekubitus Die Therapie des Dekubitus ist immer ganzheitlich zu betrachten, es ist die Grunderkrankung zu berücksichtigen sowie die Tatsache, dass die Betroffenen meistens unter nutritiven Defiziten leiden. Entschei
24
186
Kapitel 24 · Lappenplastik Leiste und Becken
dend ist, welches Ausmaß der Rehabilitation oder der pflegerischen Verbesserung durch den operativen Eingriff erzielt werden kann. Falls eine postoperative Mobilisation oder regelmäßige Lagerung nicht gewährleistet ist, hat dies für die Entscheidung zur Operation oder zum Operationsverfahren insofern Bedeutung, als dass die Re zidivgefahr exponentiell erhöht ist. Voroperationen mit multiplen Inzisionen im Bereich poten zieller Lappenspendegebiete schränken das Spektrum mindestens ebenso ein. Dehydratation und insbesonderer Eiweiß- und Vitamin mangel sind präoperativ auszugleichen. Ebenso ist rechtzeitig eine adäquate Lagerungstherapie sicherzustellen. Perioperatives Management.╇ Aufgrund der Lokalisation von be ckennahen Dekubitalulzera in der Nähe von Darmausgang und Urogenitaltrakt werden diese immer als potenziell kontaminiert angesehen. Es liegt in der Regel eine Mischflora aus normalen Haut keimen sowie Kontamination durch Erreger aus dem Darm und dem Urogenitaltrakt vor. Nicht selten kommt es jedoch auch zum Auftreten von sog. Problemkeimen. Häufige Keime bei gut granu lierenden Ulzera sind Staphylokokken, Enterokokken und E.€coli. Bei schlecht heilenden Wunden finden sich jedoch signifikant Â�häufiger Problemkeime wie Pseudomonas aeruginosa und Anaero bier. Eine Antibiotikatherapie sollte bei entzündeten, phlegmonösen Dekubitalulzera und in jedem Fall bei Sepsis erfolgen. Man richtet sich nach Möglichkeit nach dem Antibiogramm, in akuten Fällen kann die Kombination eines Cephalosporins der 2.€Generation (z.€B. Gramaxin) in Kombination mit Metronidazol (z.€B. Clont) empfoh len werden (Fuchs et al. 2002). Bei Lappenplastiken führen wir ge nerell perioperativ und postoperativ für mindestens 5€Tage eine Antibiotikaprophylaxe durch. Zur Optimierung der präoperativen Wundpflege und Konditio nierung sowie Einheilung der zukünftigen Lappenplastik empfiehlt sich eine Stuhlregulation, ggf. Anlage eines Anus praeter, und Kon trolle des Urinabgangs über Blasenkatheter oder besser suprapu bische Harnableitung. Die relevanten Eckpunkte der Operationsplanung sind in der .€Übersicht wiedergegeben.
Therapieplanung bei Dekubiti 4 4 4 4 4
Labor: Gesamtprotein, Albumin, Hb, Elektrolyte Abstrich mit keimspezifischer antibiotischer Therapie Débridement, temporärer Wundverschluss Anlage eine Stomas Proteinreicher Kostaufbau, Ausgleich nutritiver Defizite (Mikronährstoffe) 4 Wundbiopsie (Knochen, Weichteile) zum Malignomaus schluss 4 Planung der Defektdeckung nach Allgemeinzustand des Pa tienten, Defektlokalisation, Größe, Gewebsbeschaffenheit
24.4
Operationstechnik
Bei den meistens bereits einige Wochen bis zu Jahren bestehenden Defekten leitet ein radikales Débridement, bei dem insbesondere bradytrophes Narbengewebe, Restnekrosen und infizierte Gewebs anteile inkl. prominenter Knochen (Osteomyelitis) reseziert werden müssen, die Vorbereitung des Wundgrundes ein. Eine stark konta minierte oder infizierte Wundsituation erfordert oftmals wiederhol te Revisionen, z.€T. durch temporäre Wundabdeckung durch ein Vakuumversiegelungssystem (Vakuumsog bei 100–125€mm€Hg), oder antiseptische imprägnierte Wundauflagen oder Tamponaden, um einen weiteren Keimanflug von extern bis zur plastischen De ckung zu reduzieren.
Onkologische Defekte Bestrahlungsfolgen erschweren oftmals die klinische Unterscheidung zwischen Malignom und Strahlenfibrose, sodass geplante Etappen eingriffe mit histologischer Untersuchung zur Sicherung der Diag nose indiziert sein können. Im areaktiven Wundgrund einer Strah lenhöhle schafft allerdings erst die plastische Weichteildeckung mit gut durchblutetem Gewebe die optimalen Durchblutungsverhält nisse zur Beherrschung der bakteriellen Verkeimung und sollte nicht unnötig verzögert werden.
. Tab. 24.2╇ Möglichkeiten der Defektdeckung mit gestielten Lappenplastiken bei onkologisch bedingten Defekten
24
Gestielte Lappenplastiken
Gefäßversorgung
Region der Defektdeckung
M.-lastissimus-dorsi-Lappenplastik (»turnover flap«)
Paravertebrale Perforatoren
Obere Sakralregion
Subkostallappenplastik
Aa.€subcostalia
Obere Sakralregion
M.-glutaeus-maximus-Lappenplastik
Aa.€glutea superior und inferior
Sakralregion
TRAM-Lappenplastik
A.€epigastrica inferior
Beckenboden
VRAM-Lappenplastik
A.€epigastrica inferior
Beckenboden, Leiste
Leistenlappenplastik
A.€circumflexa femoris medialis
Perinealregion
M.-gracilis-Lappenplastik
A.€circumflexa femoris medialis
Perinealregion
M.-pudendus-Lappenplastik
A.€pudenda externa
Perinealregion
M.-tensor-fasciae-latae-Lappenplastik
A.€circumflexa femoris lateralis
Sitzbeinregion, Leiste
M.-rectus-femoris-Lappenplastik
A.€circumflexa femoris lateralis
Sitzbeinregion, Beckenschaufel, Leiste
M.-vastus-lateralis-Lappenplastik Oberschenkellappen (»mutton-chop-flap«)
A.€circumflexa femoris lateralis
Sitzbeinregion, Perineum, Unterbauch
187
24.4 · Operationstechnik
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. Abb. 24.2a–d╇ Palliative Operationsindikation bei 34-jährigem Patienten. Exulzeriertes blutendes Rezidiv eines malignen neuroektodermalen Tumors mit Lymphknotenpaketen in der linken Leiste im Strahlenfeld sowie pulmo nalen Metastasen. Bei Arrosionsblutung, Kachexie und schwierigem Wund pflegezustand des fötide superinfizierten Ulkus Durchführung einer radika
len Resektion des knapp 3€kg schweren Tumors (lokal noch knapp R0) und Defektdeckung mittels gestieltem M.-rectus-abdominis-Lappens. Danach wieder selbstständige Mobilität, Erholung und Möglichkeit der Durchfüh rung einer erneuten radikalen Radiatio und einer Chemotherapie
Die heute zur Verfügung stehenden Methoden der Defektde ckung basieren auf der Verlagerung gut durchbluteter Gewebe, die neben Haut und Muskel auch vaskularisierten Knochen beinhalten können.
In der Mehrheit handelte es sich bei den Patienten im eigenen Kollektiv um solche, bei denen Folgezustände nach Exenterationen vorlagen. Hierbei ist insbesondere der Beckenausgang betroffen. Bei einzeitigen kombinierten onkologischen und plastisch-chirur gischen Eingriffen kann sehr einfach mittels Durchzug eines sakra
> Primär ist immer auf das Vorliegen infektfreier Wundverhältnisse zu achten.
Bei der Auswahl der Lappenplastik wird unter dem Primat der ein fachsten und besten Defektdeckung im Sinne der therapeutischen Leiter vorgegangen. .€Tab.€24.2 und 24.3 geben die Möglichkeiten der Defektdeckung mit gestielten Lappenplastiken und mit freien Lap pentransplantaten bei onkologisch bedingten Defekten wieder. Entsprechend dieser Systematik kommen im eigenen Vorgehen der primäre Wundverschluss durch Hautweichteil-Advancement, regionale Verschiebeschwenklappen (Glutaeus maximus), regionäre Fernlappen [Rectus-abdominus-Lappen (.€Abb.€24.2), Rectus femo ris] und erst in zweiter Linie freie Lappenplastiken zum Einsatz; Letz tere bei entsprechend ausgedehntem Defekt mit großen Resthöhlen. Insbesondere in den sitzbeinnahen Lokalisationen sollten gut belastbare, vorwiegend myokutane Lappenplastiken eingesetzt wer den (Foster et al. 1997), wenngleich heute von einigen Autoren Â�fasziokutane Lappen favorisiert werden (Yamamoto et al. 1993). Dünnere fasziokutane Transplantate eignen sich auch für den Be reich der Perineal- und Genitalregion (Jurado et al. 2000).
. Tab. 24.3╇ Möglichkeiten der Defektdeckung mit freien Lappen plastiken
Gefäßsystem
Freie Lappenplastiken
Subskapularsystem (paravertebrale Perforatoren)
4 4 4 4
A.€epigastrica inferior
4 Vertikaler M.-rectus-abdominisLappen (VRAM) 4 Erweiterter VRAM-Lappen
A.€circumflexa femoris lateralis
4 Anterolateraler Oberschenkellappen 4 Tensor-fasciae-latae-Lappen 4 Lappenkombinationen mit Einschluss von M.€rectus femoris,M.€vastus lateralis
M.-latissimus-dorsi-Lappen Skapular-/Paraskapularlappen M.-serratus-anterior-Lappen Lappenkombinationen
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Kapitel 24 · Lappenplastik Leiste und Becken
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len Rektuslappens von ventral eine Rekonstruktion des Beckenbo dens erfolgen (Giampapa et al. 1984; McAllister et al. 1994; Bruce et al. 2000). Dieses Verfahren ist bei chronischen Defektzuständen technisch schwieriger, da oftmals ausgedehnte Verwachsungen re tropubisch und am Beckenboden vorliegen und entsprechende Prä parationen schwieriger sind. Hier sind dann von extern eingebrachte Lappenplastiken vorzuziehen. Aufgrund der Größe der Defekte ist
. Abb. 24.3a–e╇ Freie Lappenplastik. a€Ausgedehnter Defekt nach abdomi noperinaler Rektum- und Sakrumexstirpation. Resektion von angrenzender Glutäalmuskulatur, Prostataresektion mit Teilentfernung der Harnröhren hinterwand. b€Ausdehnung des Defektes im MRT. c,€d€Fasziomyokutaner Kombinationslappen des linken Oberschenkels, der über das Gefäßsystem des M.€rectus femoris und M.€tensor fasziae latae (A. und V.€circumflexa femo ris lateralis) versorgt wird, mit Anschluss an AV-Loop (.€Abb.€24.5). e€Unter der gut durchbluteten Lappenplastik konnte dann eine Brachytherapie mit insgesamt 54€Gy komplikationslos durchgeführt werden
der Schwenkradius regionaler gestielter Lappenplastiken oft nicht ausreichend, und es werden freie Lappenplastiken erforderlich (Hung et al. 2000; Ninkovic u. Dabernig 2003; .€Abb.€24.3) Sinnvolle und funktionell günstige Rekonstruktionen lassen sich auch durch Kombination gestielter Lappen erzielen (.€Abb.€24.4). Hierzu stehen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, die den jewei ligen individuellen lokalen Defektsituationen angepasst werden (Ju rado et al. 2000; Koh et al. 2004; Gradinger et al. 1989). Heute können auch bei einem Fehlen der entsprechenden lokalen Anschlussgefäße freie Gewebetransfers durch zweizeitige Anlage einer arteriovenösen Gefäßschlinge vorgenommen werden (Freedman u. Meland 1989). Aufgrund der heute bestens bekannten anatomischen Verhält nisse der Körperoberfläche lassen sich aus der Vielzahl der Lappen plastiken dann die geeigneten Verfahren auch in Kombination durchführen (Vogt et al. 2004). So ist es möglich, beispielsweise bei der Rekonstruktion der hinteren Vaginalwand ein externes und in ternes Lining in einem Eingriff zu schaffen. Idealerweise wird die Wiederherstellung simultan mit dem mutilierenden Engriff durch geführt (Jurado et al. 2000).
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24.4 · Operationstechnik
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> Aufgrund der nicht unerheblichen Morbidität und Gefährdung durch konsumierende Infekte oder auch drohende Gefäßarrosionen besteht ein eindeutiger Vorteil für die einzeitige Defektdeckung im interdisziplinären onkologisch/plastisch-chirurgischen Vorgehen.
Durch eine sofortige Wiederherstellung lassen sich sowohl die pri märe Komplikationsrate als auch die aus der Tumorresektion mit entsprechenden Defekten entstehenden Mutilationen reduzieren. Resthöhlenbildung als Ursache von rezidivierender Fistelbildung, Infektionen und Osteomyelitis werden zudem minimiert (McAlli ster et al. 1994). Ebenso wird ein erzwungener Wundverschluss un ter Spannung mit konsekutiven Durchblutungsstörungen vermieden und ein primärer Heilungsverlauf erzielt.
. Abb. 24.4a–d╇ Gestielte Lappenplastiken. Eine 64-jährige Patientin litt nach abdominoperinialer Rektumexstirpation bei multimodal vorbehandel tem Analkarzinom und Resektion der Vaginalhinterwand an den Folgen eines ausgedehnten Defektes. Defektrekonstruktion mit Bildung einer neuen Vaginalhinterwand durch 2€perineale Umkipplappen. Die äußere weichteil plastische Wiederherstellung erfolgte durch einen linksseitig an der A. und V.€glutaea inferior gestielten unteren Glutaeus-maximus-Myokutanlappen mit sensibler Innervation. d€Nach unkomplizierter Wundheilung war die Pa tientin wieder sitz- und kohabitationsfähig
Additive Operationsverfahren und interdisziplinäre BegleiteinÂ� griffe.╇ Im Rahmen des interdisziplinären Vorgehens werden z.€B.
Verbundosteosynthesen im Sakrumbereich, Ostektomien (Osteo myelitis der Steißbein-Sakrum-Region) und Beckenexenterationen erforderlich. In Fällen, bei denen eine freie Lappenplastik erfor derlich, aber aufgrund fehlender Gefäßanschlusssituation primär nicht möglich ist, wird simultan oder vorangestellt zweizeitig ein arteriovenöser Loop angelegt. Dazu wird die an einem Bein distal abgesetzte V.€saphena magna proximal gestielt in der Leistenregion arteriell an die A.€femoralis communis oder superficialis anasto mosiert und mit ihrem Scheitelpunkt in die prospektive Anasto mosenregion nach dorsal verlagert. Nach suffizienter Perfusion er folgt dann die Lappenplastik simultan oder nach 5–7€Tagen mit freiem mikrovaskulärem Anschluss an den arteriellen und venösen
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Kapitel 24 · Lappenplastik Leiste und Becken
Schenkel nach Durchtrennen des AV-Loops am Scheitelpunkt (.€Abb.€24.5)
Dekubitus Vorrangige Therapieziele in der operativen Behandlung des Dekubitus
a
4 Verminderung des Proteinverlustes über die Wundflächen 4 Verhinderung von Infektionsfolgen wie Osteitis, Sepsis 4 Verhinderung von sekundären Organerkrankungen oder Malignomen (Narbenkarzinom) 4 Senkung der Pflege- und Rehabilitationsaufwendungen 4 Verbesserung der Lebensqualität, insbesondere Schmerz reduktion 4 Langfristige Stabilität und Belastungsähigkeit der Weich teile
> Muskulatur und Subkutangewebe sind deutlich druckempfindlicher als die Haut; dies muss bei der Wahl einer Weichteilplastik berücksichtigt werden.
b
Bei der Wahl der Lappenplastik ist v.€a. die Einfachheit der Präpa ration mit Schaffung einer narbenfreien belastbaren Weichteilzone vorrangig, insbesondere zur Minimierung der Hebedefektmorbi dität. So kann eine falsche Indikation mit aufwendig präpariertem Lappen trotz guter Bedeckung des Primärdefektes im sekundären Hebedefekt zu massiven Heilungsstörungen führen und das ge samte Behandlungskonzept in Frage stellen. Über die Wahl der Â�Lappenplastik entscheiden unter diesen Prämissen Lokalisation und Größe des Defektes, mögliche Voroperationen und v.€a. die Voraussetzungen seitens des Patienten. Ohne postoperative adä quate Lagerungstherapie sind plastische Operationen nicht erfolgs versprechend. Aufgrund der Datenlage werden fasziokutane Lappen aufgrund ihrer Druckresistenz bevorzugt. Zum Auffüllen von Resthöhlen eig nen sich jedoch aufgrund des größeren Volumens in erster Linie myokutane Lappen. Neben einer ausreichenden Weichteilpolsterung ist v.€a. auf einen spannungsfreien Wundverschluss zu achten (Yama moto et al. 1993). Im eigenen Vorgehen werden Lappentransplantate mit axialem bzw. definiertem Gefäß (Perforatorlappen) gegenüber Random-pat tern-Lappen bevorzugt (.€Abb.€24.6; Foster et al. 1997). > Lappenplastiken sollten so großzügig bemessen werden, dass auch bei zukünftig auftretenden Geschwüren eine erneute Transposition oder Rotation in den erneuten Defekt möglich ist. Besonders gilt es, keinen Narbenverlauf in druckbelasteten Zonen der Lappenplastik zu erzeugen.
c . Abb. 24.5a–c╇ Anlage eines AV-Loops bei fehlendem Gefäßanschluss in der Sakrumregion bei erforderlicher freier Lappenplastik. Die komplett mobilisierte proximal venös gestielte V.€saphena magna wird an die Femo ralarterie End/Seit anastomosiert und dann in die Defektregion durchgezo gen (b), wo der freie Lappen dann nach Durchtrennung der Gefäßschenkel angeschlossen werden kann€(c)
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Dieses Problem ergibt sich oft bei den VY-Plastiken, weshalb diese im eigenen Vorgehen möglichst nicht eingesetzt werden und eher große Rotationslappenplastiken oder Verschiebeschwenkplastiken Einsatz finden (.€Abb.€24.7). Eine sinnvoll auch das zukünftige Pati entenschicksal antizipierende Rekonstruktion erfordert daher eine vorausschauende Planung (Conway u. Griffith 1956). ! Cave Ebenso muss auch der Verschluss des Hebedefektes antiÂ� zipiert werden. Keinesfalls dürfen dessen Narben in Zonen erhöhter Druckbelastung oder Wundspannungen liegen, da sonst eine iatrogene Problemwunde durch die konsekutiven Wundheilungsstörungen entsteht.
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24.4 · Operationstechnik
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. Abb. 24.6a–o╇ Gebräuchliche Lappenplastiken in der Dekubituschirurgie. Sitzbeinregion: a€M.-gracilis-Lappen. b€Tensor-fasciae-latae-Lappen. Als sensibler Lappen bietet das Transplantat die Möglichkeit, neurogene Sitz beinulzera ab S1 bei Spina bifida und erhaltenem sensorischem Somatom (L5 im Bereich des TFL) sensibel zu versorgen. c€M.-biceps-V-Y-Lappen bzw. Hamstgring-Lappen. d€Medial gestielter Gluteal-thigh-Lappen (auch latera le Stielung beschrieben). e€Gluteal-thigh-Insellappen. Os sacrum: f, g, h€Glu
n
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taeus-Lappen. Kraniale, fasziokutane oder myokutane gegenläufige Rotati onslappen. Trochanterregion: i€M.-vastus-lateralis-Lappen (Muskellappen zur Plombierung oder myokutan). j€Anterior-random-pattern-Oberschen kellappen. k€Tensor fasciae latae, auch bei kombiniertem Sitzbeinulkus. l, m€Gluteal-thigh-Lappen (mit Planung). n,€o€Anterior und posterior gestiel ter Random-pattern-Oberschenkellappen
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Kapitel 24 · Lappenplastik Leiste und Becken
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. Abb. 24.7a–f╇ Beispiele für typische Verschiebeschwenklappenpkastiken in der Dekubituschirurgie. Bei der Planung ist es wichtig, Narbenzonen in den Belastungszonen zu vermeiden. Sakrale Defekte: Bei diesem sakralen Dekubitus bietet der glutäale Verschiebeschwenklappen (a,€b) Vorteile – hin sichtlich operativem Aufwand und Belastungsstabilität – gegenüber dem bilateralen VY-Lappen (c). Nach Wundkonditionierung Deckung eines De
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fektes am Übergang LWS/Sakrum mit fasziokutanem Rhomboidlappen (d) und eines oberflächlichen kleinen Defektes distal sakral durch Primärnaht (e). Sitzbeindefekt bei 24-jährigem Paraplegiker bei Spina bifida mit erhal tender Sensibilität bis L3 und Ausfall ab L4; Defektdeckung im Bereich des rechten Sitzbeins durch sensiblen Tensor-fasciaelatae-Lappen€(f)
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24.4 · Operationstechnik
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. Abb. 24.8a, b╇ Anatomisch wichtigste Spenderegionen für fasziokutane und muskulokutane Lappenplastiken zur Deckung von Dekubitlaulzera
Bei immobilen Patienten mit fixierten Beugekontrakturen im Hüftge lenk stellt die dorsale Hebestelle von Lappenplastiken am Oberschen kel ein hohes Risiko für Wunddehiszenzen mit langwierigen Sekun därheilungen dar. Aufgrund dieser Betrachtungen schränkt sich das Spektrum der zur Verfügung stehenden Verfahren fallspezifisch ein. Die intraoperative Lagerung erfolgt am günstigsten in der sog. Heidelberger Lagerung (Bauchlage mit Hüftabknickung) für sakrale oder ischiale Ulzera bzw. in Seitenlage oder 60° Schräglage für tro chantere Ulzerationen. Im Wesentlichen stehen 3€dominante Spenderegionen bei der weichteilplastischen Deckung von Dekubitalulzera zur Verfügung (.€Abb.€24.8): 4 Glutäusregion, 4 Vastus-lateralis- (TFL-) Region, 4 M.€biceps.
Eher selten werden Lappen der Oberschenkelinnenseite eingesetzt (M.€gracilis). .€Tab.€24.4 gibt eine Systematik der Defektdeckung wieder. Spalthautdeckung.╇ Grundsätzlich schafft die Spalthauttransplan
tation keinen belastungsfähigen Wundgrund und bleibt besonderen Indikationen vorbehalten. Voraussetzung für die Deckung mit Spalt haut ist ein gut durchbluteter, keimarmer ( Ätiologisch besteht eine Störung in der frühen Entwicklungsphase zwischen der 3. und 9.€Woche.
Die Primärbehandlung der Fehlbildung liegt in den Händen von Urologen und Orthopäden, dennoch ist der Plastische Chirurg gelegentlich meist in späteren Phasen konsiliarisch gefragt. Ziele der Therapie sind 4 Rekonstruktion eines urogenitalen Systems, 4 Verhinderung einer durch Exstrophie begünstigten Mukosametaplasie der Blase und 4 Wiederherstellung eines stabilen Beckenringes.
. Tab. 25.1╇ Kriterien der Geschlechtsdeterminierung
Parameter
Zeit
Kriterium
Chromosomales Geschlecht
Konzeption
XX- oder XY-Chromosom
Gonaden
45€Tage
HY-Antigen
Interne Genitalien
Erste 3€Monate
Testosteron + Inhibitor des Müller-Duktus
Externe Genitalien
Erste 6€Monate
Rezeptoren, 5-Dihydromethyl-Testosteron
Geschlechtshormonmuster
Fetal bis Menarche
Pulsatiles FSH und LH vs. nichtpulsatil
Zerebrale Verhaltenszentren
Prä- oder perinatal
Geschlechtsdimorphe Differenzierung
Geschlechtsspezifische Zugehörigkeit und Erziehung
Umwelt
Geschlechtsdimorphe Differenzierung
Psychosexuelle Differenzierung
Lebenslang
Geschlechtsidentität
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25.2 · Korrektur angeborener Fehlbildungen
Im Wesentlichen ist die Penislänge durch die präpartale Entwicklung determiniert. Penisverlängerungen können daher allenfalls durch subperiostale Lösung der penopubischen Ligg. suspensoria mit sorgfältiger Schonung der neurovaskulären Bündel erfolgen. Trotz der Fortschritte der Primärrekonstruktion sucht ein Teil der Patienten im späteren Lebensalter aufgrund verbliebener Defekte insbesondere bei kleinem und unterentwickeltem Penis den Plastischen Chirurgen auf. Diesen Patienten kann man mikrochirurgische Methoden anbieten, wobei in vielen Fällen aufgrund einer nicht erfolgreichen Urethrarekonstruktion ein Urostoma besteht und auch die samenableitenden Strukturen meist präpubisch deviieren. Hier sollte die Indikation für eine erneute Urethrarekonstruktion im interdisziplinären Kontext geprüft werden. Ein weiteres Problemfeld stellen Deviationen v.€a. bei der Erektion dar. Vom Patienten angefertigte Fotographien unter Erektion helfen bei der Dokumentation und Objektivierung. Bei der operativen Korrektur werden über eine Zirkumzisionsinzision mit Rückstülpen der Penishaut und Separation der Tunicafaszie die Schwellkörper dargestellt und evtl. Narbenstränge entfernt. Mit Plikationsnähten der Tunica kann der Penis unter artifizieller Erektion begradigt werden. Eventuell sind Dermistransplantate notwendig, um Gewebedefizite auszugleichen. 25.2.2 Intersexualität
Weiblicher Pseudohermaphroditismus Ein weiblicher Pseudohermaphroditismus resultiert aus einer Androgenexposition bei regelhaftem weiblichem Chromosomensatz (46€XX) während der ersten 11€Wochen der Gestation, wodurch es zur Virilisierung der Genitalanlagen (Klitorisgigantismus, Fusion der Labien) kommt.
Männlicher Pseudohermaphroditismus Bei genetisch männlichem Karyotyp (46€XY) kann eine Störung im Testosteronstoffwechsel die Virilisierung des Genitales verhindern und zu unbestimmten oder weiblichen Geschlechtsmerkmalen führen. Zu den Ursachen zählen diverse Störungen im Testosteronstoffwechsel: gestörte Testosteronbiosynthese, gestörte 5-α-Dihydrotestosteronbildung und Androgenresistenz. . Abb. 25.1╇ Geschlechtsdifferenzierung unter dem Einfluss von AndroÂ� genen
Während der ersten 2€Tage nach Geburt lässt sich der Defekt, inklusive der Symphyse, noch mit Nähten schließen, danach ist das Vorgehen zunehmend aufwendiger, u.€U. nur mit Osteotomien und ggf. auch interdisziplinären plastischen Rekonstruktionen. Standardtechnik.╇ In der Standardtechnik wird nach Heben eines
Bauchwandlappens über eine W-förmige Abdominoplastikschnittführung die dorsale Urethralrinne komplett gelöst, zu einem Rohr geformt und anschließend durch die seitlich mobilisierten Schwellkörper ventral überdeckt. Der Abdominallappen wird anschließend zur Hautrekonstruktion des Mons pubis und des dorsalen Penisschaftes verwendet. Verbesserungen in der Penisrekonstruktion basieren im Wesentlichen auf sorgfältiger anatomischer Dissektion mit Lösung sämtlicher Chordae, die für Wachstumshemmung und Deviationen verantwortlich sind. Aktuelle Verbesserungen der Urethralrekonstruktion resultieren aus der Verwendung der vaskularisierten ventralen Tunica-dartos-Faszie.
Echter Hermaphroditismus Hier liegt differenziertes männliches und weibliches GonadengeÂ� webe mit asymmetrischer Verteilung vor. Die meisten Patienten besitzen einen 46€XX-Karyotyp und ein H-Y-Antigen, was die UmÂ� differenzierung weiblicher Gonaden zu Hoden ermöglicht. Zur Â�Diagnosestellung bedarf es neben der klinischen Untersuchung der Chromosomenanalyse, urologischer und gynäkologischer Diagnostik, Laparoskopie, radiologischer Diagnostik sowie Biopsien aus Gonadegewebe. Die geschlechtsspezifische Zuordnung erfolgt anhand der anatomischen, phänotypischen Erscheinung, nicht der Chromosomenmuster. Indikationen für geschlechtsumwandelnde oder -korrigierende Operationen sind wie bei Pseudohermaphroditismus individuell zu diskutieren.
Versteckter Penis (»buried penis«, »hidden penis«) Diese Deformität stellt für Patienten ein erhebliches Problem und für den Plastischen Chirurgen eine Herausforderung dar. Bei Kindern, Adoleszenten wie Erwachsenen liegt gleichermaßen definitionsÂ� gemäß ein normal großer, jedoch im perinealen und subkutanen Gewebe versteckter Penis vor, der in einem abnorm fettreichen (gy-
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Kapitel 25 · Rekonstruktion im Urogenitalbereich
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. Abb. 25.2a–g╇ Glanslappen zur dorsalen Verlagerung einer geringen Hypospadie. Inzisionslinien im Präputium ermöglichen die Rekonstruktion der medianen Raphe mittels Vorhaut (a). Inzisionen mit Mobilisierung der Glanslappen (b). Die Neourethra wird bei eingelegtem 8-Charr-Harnröhrenkatheter durch die Tubularisierung des Mittelliniengewebes geformt (c). Eine erste distale Naht bestimmt die ventrale Ausdehnung des Meatus.
Über eine erste Einzelknopfnahtreihe wird eine fortlaufende Nahtreihe gelegt (d). Diese Nahtreihe wird ventral durch einen abdichtenden Lappen aus umgebendem Subkutangewebe bedeckt (e). Die Glanslappen werden anschließend ventral zur Neourethra vereinigt (f). Nach Tourniquet-Lösung und Blutstillung separate Rekonstruktion des inneren und äußeren PräpuÂ� tialblattes (g). (Nach Horton et al. 1990)
nekoiden) Mons pubis, oftmals vergesellschaftet mit allgemeiner Adipositas, verschwindet. Differenzialdiagnostisch ist ein Mikropenis abzugrenzen. Die operative Korrektur besteht bei Kindern in der direkten Resektion von suprapubischem und perinealem Fett über einen W-Schnitt oder Pfannenstiel-Schnitt. Liposuktionen sind lediglich beim Erwachsenen effizient. Eine verkürzte Tunica dartos führt über Verbindungen mit der Scarpafaszie zum Phänomen des Anschoppens der Penisschafthaut und Überschüssen der Vorhaut. Dies erfordert eine entsprechende Lösung der Stränge sowie ggf. der penopubischen Ligg. suspensoria. Für die oftmals vorhandenen segelartigen Hautübergänge des verkürzten Penisschaftes zum
Skrotum bieten Z-Plastiken oder V-Y-Plastiken die Möglichkeit der optischen Penisschaftverlängerung und Definition eines Übergangs zum Skrotum. Weitere Ursachen für ein Hidden-penis-Syndrom sind posttraumatischer Natur (Verbrennungen), Penisinkarzerationen, Balanitisfolgen oder Fournier-Gangrän. Hier liegen Narbenzüge am Penisschaft vor, die nach Exzision eine Hauttransplantation erfordern. Diese darf wegen der Gefahr kontrahierender Narbenstränge auf keinen Fall längsgerichtet aufgelegt werden, sondern wird zirkulär »gewickelt«.
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25.2 · Korrektur angeborener Fehlbildungen
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. Abb. 25.3a–e╇ Turnover-Lappen (Flip-Flap-Technik) zur einzeitigen RekonsÂ�truktion der distalen Urethra und des Meatus. Bilaterale Umschneidungen€mit distaler Stielung der urethralen Platte. Umklappen und For-
mung zu einem Urethralrohr. Weitere Penisplastik analog zu Glanslappen (.€Abb.€25.2a–e)
25.2.3 Mikropenis
Distale Hypospadie
Im Gegenzug zum verborgenen Penis, der in der Regel eine Normgröße aufweist, liegt die Länge des Mikropenis unterhalb der 2-fachen Standardabweichung der Norm. Rekonstruktive Maßnahmen sind äußerst schwierig und werden kontrovers diskutiert. Prinzipiell kommen alle Verfahren bis hin zu mikrochirurgischen Methoden in Frage, wobei jeweils ein individueller Therapieplan – auch abhängig von der erworbenen GeschlechtsÂ� identität – erforderlich ist. Die Fortschritte der mikrochirurgischen Phallusrekonstruktion (7€Kap.€25.3) ermöglichen diese Verfahren auch für den Mikropenis, allerdings nur für Erwachsene. Präpubertal und im Adoleszentenalter wird die konstruktive Chirurgie des Penis weiter kontrovers diskutiert. Sie ist technisch insofern unausgereift, als dass allenfalls ein artifizielles Organ rekonstruiert wird. 25.2.4 Hypospadien Es existiert ein Vielzahl an historischen und in vielen Lehrbüchern fortgeschriebenen Methoden, die aber zunehmend durch modernere Verfahren abgelöst werden. Diese beruhen auf der Tubularisierung der vorhandenen Anlagen der Urethralplatte oder der zweizeitigen Rekonstruktion der Urethralplatte mittels Hauttransplantaten. Ziel ist es dabei insbesondere, am distalen Meatus eine schlitzförmige Harnröhrenöffnung zu erzielen.
Bei minimaler Hypospadie und nur wenig Beeinträchtigung der Miktion im Stehen besteht allenfalls eine ästhetische Indikation zur Verlagerung des Meatus. Dislokationen des Meatus im koronalen Sulkus oder am distalen Schaft erfordern urethroplastische MeÂ� thoden. Bei stärkerer Ausprägung mit Behinderung der Miktion werden vorzugsweise Methoden zur Tubularisierung der Urethralplatte verwendet. Glansreapproximierung.╇ Dieses Verfahren ist für Kinder mit dista-
ler Hypospadie geeignet, bei denen noch eine Rinne in der Glans vorhanden ist. Unter Tourniquet-Kontrolle und Erektionstest zum Ausschluss von chordabedingter Deviation wird mit Glansläppchen eine distale Neourethra um den eingelegten Harnröhrenkatheter geformt (.€Abb.€25.2, 25.3).
Sonstige Verfahren.╇ Weitere Verfahren wie Meatoplastik und
Glansplastik sowie die tubuläre Rekonstruktion mit Inzision der urethralen Platte stellen Varianten zu der in .€Abb.€25.3 dargestellten€Methode dar. Die Rekonstruktion mit scharnierartigem Umklappen der Urethralplatte nach Umschneiden kann für proximalere Hypospadien des Penisschaftes verwendet werden.
Proximale Hypospadien Bei sehr viel weiter proximalen Hypospadien oder gar proximalem Austritt ist ein zweizeitiges Vorgehen mit primärem Hauttransplantat zur Schaffung eine neuen Urethralplatte und dann sekundärer
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Kapitel 25 · Rekonstruktion im Urogenitalbereich
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. Abb. 25.4╇ Skrotumrekonstruktion nach Fournier-Gangrän (a) durch Grazilis-Lappenplastik (b–d)
Tubularisierung derselben indiziert. Zunächst wird die Glans gespalten, um einen Meatus zu schaffen, anschließend nach Resektion von Narben das Hauttransplantat in der Länge der gewünschten Neourethra eingelegt und mit einem Überknüpfkomressionsverband versehen. Nach sicherer Einheilung und Konsolidierung nach 6€Monaten erfolgt dann die Formung zum Urethralrohr. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Bildung eines tubulären Lappens aus einem abgespaltenen inneren Präputialblatt, das dann perineal anastomosiert wird. Distal wird es in einem sagittalen Spalt in der Glans ausgeleitet und durch das äußere Präputium überÂ�deckt. 25.3
Posttraumatische Zustände
25.3.1 Genitalrekonstruktion Als Folge eines traumatischen, infektions-, oder onkologisch bedingten Verlustes des äußeren Genitales werden rekonstruktive Verfahren erforderlich. Verbrennungen, Avulsionsverletzungen, Infektionen und Gangräne führen zu Haut-Weichteil-Defekten. Wenn möglich, ist ein Primärverschluss anzustreben, gefolgt von Hauttransplantaten, lokalen oder Random-pattern-Lappen, Muskulokutanlappen, Fasziokutanlappen, Fernlappen und mikrochirurgischem Gewebstransfer.
> Wenn möglich, wird ein Direktverschluss angestrebt, ansonsten werden Hauttransplantate oder Random-patternLappen, Fasziokutanlappen, distale Lappen oder mikrochirurgische Transplantate verwendet.
Analog zu anderen Regionen ist eine radikale Exzision nekrotischer Gewebe mit früher Hauttransplantation indiziert, wobei allerdings die regenerative Kapazität der Haut von Skrotum und Glans ähnlich dem Kopf/Hals-Bereich überdurchschnittlich ausgeprägt ist, sodass an der Glans eher eine Regeneration abgewartet wird.
Hauttransplantate Transplantate am Penisschaft werden aus ästhetischen und narbensparenden Gründen ungemesht aufgelegt und erfordern eine spezielle Wickeltechnik (7€oben). Als Verbandsanordnung hat sich ein zirkulärer Schaumstoffköcher bewährt. Rekonstruktionen des Skrotums folgen identischen Prinzipien, wobei im Gegensatz zum Penisschaft gemeshte Hauttransplantate bevorzugt werden, da sie die runzelige Skrotalhaut gut nachbilden. Bei komplett einzeln freiliegenden Hoden, z.€B. nach radikalem Débridement einer Fournier-Gangrän, wird durch eine temporäre inguinale Verlagerung eine simple Weichteildeckung erzielt. Sekundär ist dann eine Rückverlagerung im infektfreien Zustand in ein rekonstruiertes Neoskrotum möglich (.€Abb.€25.4).
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25.3 · Posttraumatische Zustände
Lappenplastiken der Anogenitalregion Zu den gebräuchlichsten Lappenplastiken zählen solche der A.€pudenda superficialis, die die Haut des Penisschaftes versorgen und damit proximal gestielte Lappenplastiken, z.€B. für den Penisschaft und anteriore Harnröhrenrekonstruktionen, ermöglichen. Distale LappenplasÂ� tiken, aus dem Stromgebiet der A.€balaniticae und vom inneren Blatt der Vorhaut versorgt, dienen der Wiederherstellung der Glansregion. Lappenplastiken des Abdomens oder Mons pubis sind wegen der andersartigen Hautstruktur, Behaarung und des ausgeprägten Fettgewebes für Genitalrekonstruktion dagegen nicht geeignet. Gleiches gilt für Skrotallappen aufgrund der rigiden und behaarten Struktur. Gestielte Lappen aus dem Stromgebiet der A.€pudenda werden durch die Leistenfalte und die Labia majora begrenzt und können beidseitig in einer Ausdehnung von 15×6€cm fasziokutan gehoben werden. Neben dem sehr verlässlichen Gefäß ist der Lappen neurovaskulär über Äste des Sakralnervenplexus (S2–S4) versorgt. Die A.€pudenda interna misst 10–12€cm (Durchmesser 1–1,5€mm) und kann auf der Faszie der Adduktorenmuskulatur dargestellt werden. Am Ende findet sich ein Gefäßplexus mit Anastomosen zur A.€pudenda externa und zur A.€circumflexa femoris medialis. Mit einem Rotationsbogen des 15×6€cm großen Lappens ist die Kontralateralseite des Genitales erreichbar, ipsilateral kann damit der Ursprung der Adduktorenmuskulatur bedeckt werden. Das Zentrum des Lappens befindet sich über und im Verlauf der Inguinalfalte. Der Hebedefekt lässt sich mit einer Basisbreite des Lappens von 6€cm meist direkt verschließen. An der Basis kann die Haut über dem dominanten Gefäß verbleiben oder der Lappen kann als echter Insellappen gehoben und nur an seinem Gefäß gestielt verwendet werden. Verschränkt man beidseitig gehobene Lappen und stülpt diese nach innen, so erhält man die Möglichkeit, damit eine Neovagina zu bilden. Hierfür werden die Lappen getunnelt in den Defekt der ehemaligen Vagina eingeschwenkt und dort mit sich invertierend vernäht. Es empfiehlt sich, die Kontaktstellen zuvor zu deepithelialisieren. Nach evtl. durchgeführter Vulvektomie ist dieser Lappen aufgrund des Gefäßschadens u.€U. nicht mehr verfügbar. Beim Mann lässt sich ein Neoskrotum durch Aneinandernähen bilateraler Lappen formen. Bei komplexen Defekten besteht ein Bedarf an Muskellappen. Dabei gilt der Grazilislappen (myokutan, als Muskellappen oder Perforator-Haut-Lappen) als »Arbeitspferd« in dieser Region und wird zur plastischen Deckung von Harnröhrenanastomose, exponierten Knochen, nach Penisrekonstruktion, Plombierung perinealer Höhlen und bei Strahlenschäden eingesetzt. Mit einer Ausdehnung von 6×24€cm liegt dieser dünne Muskel zwischen dem M.€adductor longus dorsal und dem Sartorius ventral. Der dominante Gefäßstiel entspringt der A.€circumflexa femoris medialis und erlaubt mit 6€cm Länge und einem Durchmesser von ca. 1,6€mm einen Rotationsbogen, der von der Inguinalregion, Os pubis, Perineum bis zum Os ischii reicht. Eine Hautinsel wird über den proximalen 2/3 des Muskels mit bis zu 16×18€cm entnommen. > Der Grazilislappen ist ein universelles Transplantat für die Haut-Weichteil-Rekonstruktion bei komplexen perinealen, analen und genitalen Defekten.
Ergänzend kann durch den Tensor-fasciae-latae-Lappen, den gestielten Leistenlappen oder den kaudal gestielten M.€rectus abdominis eine weichteilplastische Rekonstruktion der Urogenitalregion erzielt werden. Alternativ findet der M.-rectus-abdominis-Lappen Verwendung, insbesondere im Symphysenbereich sowie am Penisschaft. Den Vorteilen einer leichten Präparation und guter Durchblutung steht eine nicht unerhebliche Hebedefektmorbidität gegenüber.
Fasziokutane Lappen aus dem System der A.€circumflexa ilium superficialis (Leistenlappen) und der A.€epigastrica superficialis (SIEA-Lappen), der anteromediale Oberschenkellappen (»anteromedial thigh«) und der Pudendal-thigh-Lappen stellen MöglichkeiÂ� ten mit geringerer Hebedefektmorbidität dar. Der mediale Oberschenkellappen (externes Pudendagefäßsystem und Äste der A.€profunda femoris) und der hintere Glutäallappen (»gluteal posterior thigh flap«, A.€glutea inferior) eignen sich sowohl für die Rekonstruktion der Vagina als auch eines Phallus. Gestielte myokutane regionale oder Fernlappen (transverser bzw. vertikaler Rectus-abdominis-Myokutanlappen; TRAM bzw. VRAM) sind zwar für große Defektdeckungen wie ausgedehnte Strahlenfolgen notwendig und geeignet. Ihre Bedeutung bei diffiziler Genitalrekonstruktion ist aufgrund der ungeeigneten, v.€a. voluminösen Gewebsbeschaffenheit stark eingeschränkt. 25.3.2 Genitalreplantation Nach der ersten erfolgreichen Penisreplantation 1977 durch Cohen und Tamai wurden weltweit mittlerweile über 100 weitere Fälle berichtet. Die funktionellen Ergebnisse sind zu einem Großteil überÂ� raschend gut, was u.€a. darauf zurückgeführt wird, dass jedes der potenziell zu anastomosierenden Gefäße – ventral, tief und dorsal – nicht nur per se allein das Amputat dominant versorgen kann, sondern wie auch die Venen über die Schwellkörper gleichsam ein alternatives System der sekundären Transplantateinheilung besitzen.
Penis Die meisten der in unseren Breiten betroffenen Patienten haben eine psychiatrische Diagnose und hatten sich die Verletzung selbst in Form einer scharfen Abtrennung zugefügt. Sie sollten engmaschig psychiatrisch fachärztlich mitbetreut werden. Traumatische unverschuldete Amputationen der Genitalien kommen eher als Quetschoder Ausrissamputationen vor und sind prognostisch ungünstiger zu bewerten. > Das Management entspricht den Regeln der Replantation wie bei anderen Gliedmaßen.
Im Rahmen der Operationsvorbereitung erhält der Patient einen suprapubischen Katheter, der den Urinfluss für 2–3 Wochen ableitet. Zunächst wird das typischerweise gekühlte Amputat im Wundbereich unter dem Operationsmikroskop inspiziert, minimal débridiert und die Urethra über einen Blasenkatheter geschient. Es folgt die Naht der Urethra, Tunica albuginea und der Corpora cavernosa. Die Wiederherstellung der Gefäßstrombahn erfolgt mikroÂ� chirurgisch mit 9-0- and 10-0-Nylonmikrogefäßnähten im Bereich der tiefen dorsalen Arterie sowie der tiefen und oberflächlichen dorsalen Venen. Die Nervenkoaptation wird entsprechend den Grundsätzen der Mikronervenchirurgie mit 10-0- oder 11-0-Einzelnähten durchgeführt. An der Oberfläche werden Tunica dartos und Haut locker adaptiert.
Testes Replantationen der Testes erfordern die Anastomosierung der eher kleinkalibrigen A.€testicularis mit Aufzweigungen für den Hoden, dessen oberen Pol und den Globus major des Nebenhodens. Zur Gefäßversorgung tragen ferner bei: A.€deferentis, A.€vesicularis inferior (Nebenhoden) und die Cremasterarterie. Im Gegensatz zur Penisreplantation sind die anatomischen Voraussetzungen bei der Testesreplantation oder Revaskularisation
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Kapitel 25 · Rekonstruktion im Urogenitalbereich
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f . Abb. 25.5a–f╇ Neopenistotalrekonstruktion aus mikrovaskulärem Unterarmlappen. Hier wird die zentrale Achse der Urethra (3×12€cm) über der A.€radialis platziert (a). 2€deepithelisierte Streifen zwischen den Hautinseln ermöglichen die Formung und den wasserdichten Verschluss einer Neourethra durch innere Einformung (b,€c). Darüber werden die seitlichen Hautinseln (7×12€cm) als äußerer Penisschaft vereinigt und umscheiden damit die Neourethra. Die mikrovaskuläre Anastomosierung erfolgt über A.€radialis, V.€cephalica und N.€cutaneus antebrachii medialis an den N.€pudendus
inkl. der Rekonstruktion des Ductus deferens erschwert, ebenso setzt eine kritische Ischämiezeit von 4–6€h Grenzen für eine erfolgreiches Wiedereinsetzen der Spermienproduktion. 25.3.3 Penisrekonstruktion Zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurden bereits Methoden der Penisrekonstruktion aus Bauchhautlappen beschrieben. Meistens
handelte es sich um Kriegsverletzungen, man konnte damals nur auf einfache Random-pattern-Lappen zurückgreifen, die sich mittels aufwendiger Rundstiellappen kompliziert und unvorhersehbar gestalteten. Erst Orticochea beschrieb die Verwendung eines Grazilismyokutanlappens. Mit der Einführung der Mikrochirurgie und EtabÂ� lierung ausreichender Kenntnisse zur neurovaskulären Versorgung des Penis und möglicher Transplantate wurden auch präzise Anforderungen an eine Wiederherstellung definiert. Heute stellen einzeitige Verfahren mittels mikrochirurgischer Transplantate die Methode dar, um den Anforderungen sowohl an die Rekonstruktion eines sensiblen Phallus mit funktionaler Urethra als auch die Möglichkeit, versteifende Penisprothesen zur Erektion einzusetzen, zu entsprechen. Die erste freie Verpflanzung eines tubularisierten Leistenlappens durch Puckett leitete den Erfolg der mikrochirurgischen Transplantate ein. Chang u. Gilbert führten den freien Radialislappen ein, der im Sinne eines Rohr-im-Rohr durch eine hauptsächlich ulnar platzierte Hautinsel auch eine suffiziente Urethrarekonstruktion über einem temporären Blasenkatheter ermöglichte. Biemer u. Boyd modifizierten die Technik durch Zentrierung über der A.€radialis mit sicherer Durchblutung über der Neourethra. Nachteilig ist die radial stärkere Behaarung der urethralen Haut und bei dem Verfahren nach Boyd der kürzere Penis durch die Umklappung der Neourethra. Allerdings überwiegt hier der Vorteil der sicheren Durchblutung der urethralen Anastomose. Lovie schlug ein direkt über die A.€ulnaris vaskularisiertes Transplantat vor, was eine sichere Durchblutung mit haarfreier Haut kombiniert. .€Abb.€25.5 zeigt die die Totalrekonstruktion eines Neopenis aus einem mikrovaskulären Unterarmlappen. Komplikationen neben einem Fehlschlag des mikrovaskulären Transfers sind insbesondere Atrophie, Urinfisteln aus insuffizienter Neourethra oder proximaler Anastomose, ausbleibende sensorische Regeneration und Harnröhrenstrikturen. Bei Armierung mit Penisprothesen zur Erzeugung einer Erektion kann es zu Infektionen oder Perforationen kommen. Eine verbesserte Beherrschung der chirurgischen Probleme an der Urethra kann durch Grazilislappen zur Weichgewebsaugmentation erreicht werden sowie Korrekturen der Urethra analog zu den Hypo- und Epispadien mit Hauttransplantaten. Unter allen Patientengruppen besteht die größte Patientenzufriedenheit nach Penisersatz bei kongenitaler Fehlbildung oder Penisaplasie. 25.3.4 Vaginalrekonstruktion
Prinzipien der Rekonstruktion bei kongenitaler Aplasie Basis der meisten Verfahren bei Vaginalatresie ist die Methode nach Abbe-McIndoe. Über einen Y-förmigen perinealen Schnitt wird ein Vaginalkanal in der pararektalen extraperitonealen Schicht zwischen der geschienten Urethra und dem Rektum disseziert. Nach Erreichen einer ausreichenden Weite und Länge werden die durch die Y-Inzision gebildeten kutanen äußeren Läppchen eingeschlagen und zum inneren Lining des Intriotus verwendet. In der Tiefe werden Spalthautransplantate der Gesäßregion über einen mit den Grafts versehenen kommerziell erhältlichen Vaginal-Stent eingebracht. Unerlässlich ist eine konsequente Wundpflege und Reinigung des Vaginalobturators, der postoperativ für wenigstens 6€Monate Tag und Nacht getragen werden soll. Später muss der Vaginal-Stent zu Prävention von Stenosen und Schrumpfungen abhängig von der sexuellen Aktivität intermittierend eingelegt werden.
205
25.4 · Plastische Chirurgie bei Störungen der Geschlechtsidentität
Postonkologische und posttraumatische Rekonstruktion der Vagina
25.4.1 Transfrauen (Mann-zu-Frau-Transsexuelle)
Der Plastische Chirurg ist häufig mit der Rekonstruktion erworbener Vaginaldefekte betraut, meistens nach Trauma oder multiÂ� modaler Tumortherapie. In der Regel bestehen z.€B. im Rahmen abÂ� dominosakraler Radikaloperationen mit Exenterationen oder bei Vulvakarzinom entsprechende ausgedehnte Defekte mit zumindest erhaltenen subtotalen Anteilen der Vagina. Zu Rekonstruktionsmöglichkeiten und Algorithmen der Lappenauswahl wird auf die ausführliche Darstellung in 7€Kap.€24 verwiesen. Kleinere Defekte lassen sich primär verschließen, bei größeren sind Transplantate erforderlich, wobei Hauttransplantate bei den oftmals vorliegenden Strahlenfolgen keine Option darstellen. Als Lappenplastiken wurde für kleinere Defekten durch gynäkologische Operateure der regionale Vulvobulbokavernosus-Myokutanlapen beschrieben, der aufgrund der geringen Größe und des limiÂ� tierten Rotationsbogens nur für kleine Resthöhlen in Frage kommt. Größere Lappenplastiken lassen sich nur aus den in 7€Kap.€25.3.1 genannten Regionen gewinnen und umfassen im Wesentlichen den Grazilislappen, VRAM- oder TRAM-Lappen und myokutane sowie fasziokutane Lappenplastiken der Oberschenkelregion. Intestinale Transplantate wie aus Sigma, Kolon, Dünndarm sind wegen der erheblichen operativen Belastungen (Laparotomie) und der hygienischen Probleme (muköse Absonderungen, Ausnahme Rektosigmoid) weniger beliebte Verfahren und seien nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Wesentlicher Eingriff ist die geschlechtsangleichende Operation mit Entfernung von Penis, Skrotum, Hoden und Konstruktion einer Vagina. Es existieren zahlreiche Techniken der Vaginalplastik: 4 Hauttransplantat (7€Kap.€25.3.1), 4 Penisinversion durch Invertieren von Penishaut, Skrotalhaut und ggf. Urethralvorderwand für eine verbesserte erotische Sensibilität, 4 regionale Lappen (z.€B. Leistenlappen), 4 Rektosigmoidplastik.
25.4
Plastische Chirurgie bei Störungen der Geschlechtsidentität
Eine Geschlechtsidentitätsstörung liegt vor, wenn ein Mensch körperlich eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht angehört, sich jedoch als Angehöriger des anderen Geschlechts empfindet und danach strebt, sich auch körperlich diesem Geschlecht so gut wie möglich anzunähern. Es werden unterschiedliche Theorien zur Genese und Ursachenbestimmung diskutiert, wobei eine Kombination von physischen und psychischen Ursachen für möglich gehalten wird (.€Tab.€25.1). Bereits seit 1950 wird in den USA die gegengeschlechtliche Hormontherapie angewandt, und Psychiatern wie Harry Benjamin ist es zu verdanken, dass Transsexuelle nicht als psychisch Kranke angeÂ� sehen werden, sondern als Individuen, bei denen ihr körperliches Geschlecht von ihrer Geschlechtsidentität abweicht. > Hormonelle und/oder chirurgische Therapien verzahnen sich in einem multidisziplinären Behandlungsansatz, dessen Ziel es ist, den Körper soweit als möglich dem empfundenen Geschlecht anzugleichen. Damit hat die Plastischrekonstruktive Chirurgie aufgrund der operativen und psychologischen Erfahrungen mit körperverändernden Eingriffen eine höchst verantwortungsvolle Schlüsselrolle in diesem finalen Behandlungsschritt.
Daten zeigen, dass in einem gut strukturierten Behandlungsprogramm, in der Regel in einem interdisziplinären Zentrum, die Patienten hinsichtlich persönlicher Zufriedenheit, Lebensstil, sozialer Stabilität und sexueller Anpassung sehr profitieren. In Deutschland regelt das Transsexuellengesetz die sozialen Rahmenbedingungen wie u.€a. standesamtliche Änderungen von Vornamen und Personenstandsänderungen. Geschlechtsangleichende Operationen umfassen die im FolgenÂ� den genannten Maßnahmen.
Die Techniken sind in steigender technischer Komplexizität genannt, wobei die aufwendigeren Methoden des intestinalen ErsatzverÂ� fahrens durch Rektosigmoid trotz höherer Risiken doch die einer normalen Vagina ähnlichsten Organ- und Schleimhautqualitäten (Größe, Feuchte, Sensibilität) aufweist. Besondere ästhetische Anforderungen stellen sich an die Gestaltung der externen Genitalien, insbesondere der Klitoris. Als Verfahren steht hier die Bildung eines dorsal-neurovaskulären Glanslappens mit Schaffung einer neuen vorderen Kommissur im Sinne eines Präputiums durch eine Schnittführung ähnlich dem Skate-Lappen der Mamillenrekonstruktion zur Verfügung. Weitere Maßnahmen sind: 4 Epilation des Bartes, 4 ggf. Operationen am Kehlkopf zum Anpassen der Stimmlage, 4 Fortsetzung einer gegengeschlechtlichen Hormonsubstitution, 4 Mammaaugmentation, 4 Gesichtskonturierungen (Jochbogen, Kinn), Rhinoplastik. 25.4.2 Transmänner
(Frau-zu-Mann-Transsexuelle)
Die wesentlichen Eingriffe sind hier die Brustentfernung, Entfernen von Gebärmutter und Eierstöcken und v.€a. die Konstruktion eines Phallus. Die Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken ist nicht zuletzt wegen des durch die Zufuhr männlicher Hormone steigenden Risikos von Krebs an diesen Organen angezeigt. Die Mastektomie wird in Anlehnung an die bekannten Verfahren der plastischen Mammachirurgie durchgeführt, wobei eine narbensparende Technik anzustreben ist. Die Methodenwahl ist indiÂ� viduell zu gestalten und an den Wünschen der Patienten zu orienÂ� tieren. Die Herstellung eines männlichen Genitales, basierend auf diversen Verfahren, strebt folgende Ziele an: 4 Rekonstruktion eines ästhetischen Phallus, 4 Bildung eines Neoskrotums mit Hoden, 4 Erhaltung einer erotischen Sensibilität, 4 Penetrationsfähigkeit des Phallus, 4 Möglichkeit des Urinierens im Stehen. Die grundlegende Methodik der plastischen Bildung eines Neopenis und auch der Skrotumbildung ist in 7€Kap.€25.3.3 wiedergegeben, wobei alternativ regionale gestielte Lappen wie der beidseitig Pudenda-externa-Lappen oder auch der Leistenlappen oder freie Lappenplastiken in Frage kommen. Das Skrotum wird aus der Haut der großen Labien geformt, wobei nach medianer Naht das Gewebe von lateral noch durch eine VY-Verschiebung rekrutiert werden kann. Gegebenenfalls ist eine Expandervordehnung erforderlich.
25
206
Kapitel 25 · Rekonstruktion im Urogenitalbereich
25
a
b
c
. Abb. 25.6a–c╇ Technik der Verkleinerung der kleinen Schamlippen. In Steinschnittlage wird nach präoperativer ausführlicher Klärung des Korrekturwunsches eine Unterspritzung mit adrenalinhaltiger Lösung (1:200.000) durchgeführt. Nach Anschlingen mit Haltefäden wird nochmals das Ausmaß der Resektion festgelegt, wobei eine Überkorrektur wegen der Gefahr
eines insuffizienten Schamlippenschlusses unbedingt zu vermeiden ist. Je nach Hypertrophieausmaß wird eine keilförmige oder tangentiale Exzision durchgeführt. Die Naht erfolgt mit resorbierbaren geflochtenen (5-0-, 6-0-) Fäden
25.5
ambulant (abhängig von Resektionsausmaß) durchgeführt werden (.€Abb.€25.6). Eine mechanische Schonung der Region ist für 6€Wochen erÂ� forderlich. Gelegentlich treten kleinere Wunddehiszenzen auf, die meistens konservativ beherrscht werden können.
Ästhetische Chirurgie des Genitales
Identität und Selbstwertgefühl einer Person hängen erheblich mit der Perzeption der Genitalien zusammen und können bei empfundenen Abweichungen vom Ideal erheblich gestört sein. SelbstverÂ� gleiche mit pornographischen Darstellungen, Medien, Kommentare Dritter führen zunehmend dazu, dass häufiger Patienten beim Plastischen Chirurgen Hilfe suchen. So wurden Operationstechniken entwickelt, die primär auf den Erfahrungen der rekonstruktiven urogenitalen Chirurgie basieren und technische Detailkenntnisse erfordern. Die am häufigsten nachgefragten Operationen sind die Schamlippenverkleinerung bei Frauen und die Penisverlängerungen beim Mann. 25.5.1 Ästhetische Chirurgie des weiblichen
Genitales
Frauen mit Labienhypertrophie unterziehen sich Eingriffen aus zahlreichen Gründen, wobei insbesondere die aktuelle Mode, FitnessÂ� aktivitäten etc. einen entsprechenden Erfolgsdruck auf das ästhetische Erscheinungsbild ausüben. Hypertrophien der Labia minora und majora können erworben (Varikosis), oder angeboren sein. Entzündungen, Hygieneprobleme, mechanische Irritation und Schamgefühl stellen ebenso wie auffällige Konturbildung bei enger Kleidung eine Indikation zum chirurgischen Eingriff dar. Die Operation kann sowohl in Allgemein- als auch Lokalanästhesie stationär wie
25.5.2 Ästhetische Chirurgie
des männlichen Genitales
Bei Männern besteht der Wunsch einer ästhetischen Verbesserung von Penis oder Skrotum. Dabei steht die Penisverlängerung bzw. -vergrößerungen an erster Stelle der Indikationsliste. Diese wird durch Lösung der Ligg.€suspensoria in Verbindung mit dem Einsatz von Gewichten oder Streckvorrichtungen erreicht. Gleichzeitig werden Hautsegel, die zum Skrotum ziehen und eine optische VerÂ� kürzung bedingen, durch Z-Plastiken bzw. VY-Plastiken beseitigt. Außerdem können Fettüberschüsse des Mons pubis durch Liposuktion oder offene Resektion entfernt werden. Eingriffe zur Vergößerung des Penisumfangs lassen sich durch autologe Fettinjektionen oder dermale Matrizes (Alloderm) erzieÂ� len.€Zu weiteren Techniken 7€Kap.€25.2.2 (Korrektur des »hidden penis«). Wichtig bei der präoperativen Evaluation ist die genaue Eruierung des tatsächlichen Leidensdrucks und v.€a. die Abgrenzung von psychiatrischen Störungen von großer Bedeutung. Nicht wenige Männer mit Störungen bei Mikropenis, »hidden penis«, skrotalen
207
25.5 · Ästhetische Chirurgie des Genitales
a
b
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d
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f . Abb. 25.7a–g╇ Operative Korrektur des Mikropenissyndroms (a). Verlängerungsoperation: Skrotale Z-Plastik an der Peniswurzel€(b). Durchtrennung des Lig.€supsensorium (c), Fettabsaugung des Mons pubis€(d). Vergleich des
g prä-€(e) und postoperativen Aspektes€(f). Postoperativ für zusätzlichen Längengewinn Durchführung einer Gewebsdistraktion durch Penisgewicht€(g)
25
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Kapitel 25 · Rekonstruktion im Urogenitalbereich
Segelbildungen und angeborenen Fehlbildungen weisen erhebliche Störungen mit nicht abzusehender Stabilisierung des Selbstwertgefühls durch einen eventuellen Eingriff auf. Wichtig ist eine genaue, v.€a. interdisziplinär mit Urologen durchgeführte Problemidentifikation, zu der Messungen von Penisumfang und -länge im erigierten Zustand zählen. Mittlere Längen im Erektionszustand von 12,5€cm wurden in der US-Population ermittelt, für die deutsche Population werden Werte von ca. 14,5€cm angegeben. Der durch Lösung der Ligg.€suspensoria über eine quere Inzision dorsal der Peniswurzel erreichte Längengewinn im erigierten Zustand beträgt ca. 1–2€cm (.€Abb.€25.7). Weitere Länge lässt sich nur durch postoperative Streckung durch Penisgewichte erzielen. Der entstehende Totraum unterhalb des Os pubis wird mit transponiertem Fettgewebe ausgefüllt. Zu Vermehrung des Penisumfangs werden autologe FettinjekÂ� tionen in die Dartosfaszie in Tunneltechnik empfohlen. Dermisfetttransplantate oder Alloderm in die Dartosfaszie oder unterhalb transplantiert hat gegenüber den Fettinjektionen den Vorteil geringerer Knotenbildung. Als wesentliche Risiken und Komplikationsmöglichkeiten werden Infektionen, persistierende Ödembildung und Narbenstrangbzw. Narbenplattenbildung mit Deviationen des Penis bei der Erektion beschrieben. Daher sind die Indikationen für derartige Eingriffe sehr sorgfältig zu evaluieren. Skrotalraffungen bei stark elongiertem Skrotum werden vorzugsweise durch eine anteriore quere M-förmige Hautexzision vorgenommen, um den dorsalen Lymphabfluss nicht zu tangieren.
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26
Rekonstruktion an der oberen Extremität A.D. Niederbichler, P.M. Vogt
26.1 Patientenevaluation â•… – 210 26.2 Anamnese und Befundâ•… – 210 26.3 Schulterregionâ•… – 210 26.4 Oberarmâ•… – 214 26.5 Ellbogenregionâ•… – 214 26.6 Unterarmâ•… – 214 26.7 Handrückenâ•… – 218
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
210
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Kapitel 26 · Rekonstruktion an der oberen Extremität
Die Deckung von Haut-Weichteil-Defekten im Bereich der oberen Extremität ist häufig nach Trauma und der onkologiegerechten Resektion von Tumoren erforderlich. Der rasche und sichere Wundabschluss, v.€a. aber ein Weichteillager zum Schutz von Gefäß-NervenBahnen sowie Gleitschichten für Sehnen stellen dabei die primären Anforderungen der chirurgischen Therapie dar. Schon während im heute zu fordernden interdisziplinären Konzept die Rekonstruktion funktioneller Strukturen (Nerven, Gefäße, funktionelle Rekonstruktion etc.) und evtl. die Frakturreposition und -fixation durchgeführt werden, sind weichteilplastische Maßnahmen zu integrieren, um ein optimales funktionelles und ästhetisches Outcome sicherzustellen. Das Konzept der »rekonstruktiven Leiter« bei der Defektdeckung wurde durch (Levin 1993) beschrieben, es beinhaltet eine algorithmische Anwendung verschiedener chirurgischer Techniken zur Defektdeckung: vom biologischen Verband bis zu der freien, mikrochirurgischen Lappenplastik (.€Abb.€14.2; Levin 1993). Das rekonstruktive Konzept hinter dieser »Leiter« beinhaltet den sicheÂ� ren Defektverschluss mit dem einfachsten anwendbaren Verfahren. Dieses Konzept hat heute im Hinblick auf die primär zu optimierende funktionelle und ästhetische Wiederherstellung an Bedeutung verloren. Insbesondere im Bereich der oberen Extremität sind nicht selten initial mikrovaskuläre Lappenplastiken über exponierten Sehnen und Gelenken erforderlich. Nur so sind die soziale und berufliche Rehabilitation des Patienten optimal und frühzeitig zu realisieren. Bereits bei der Planung der Wiederherstellung müssen auch Überlegungen zur sekundären funktionellen Wiederherstellung einbezogen werden, insbesondere, wenn aus lokalen oder patientenbezogenen Gründen eine initiale aufwendigere Rekonstruktion nicht durchführbar ist. 26.1
Patientenevaluation
Defektausmaß und lokale Wundverhältnisse bestimmen das Ausmaß der notwendigen operativen Schritte. In diesem Zusammenhang und spielen Allgemeinzustand und die Patienten-Compliance eine wichtige Rolle, denn mehrschrittige und langwierige Rekonstruktionen an der oberen Extremität führen nur bei gut motivierten Patienten und optimaler physikalischer Rehabilitation zu guten Ergebnissen. 26.2
Anamnese und Befund
Anamnestisch müssen Händigkeit und Beruf des Patienten erfasst und in die rekonstruktiven Überlegungen entsprechend einbezogen werden. Selbstverständlich ist eine genaue Erfassung der präoperativen Beweglichkeitsausmaße nach der Neutral-Null-Methode sowie der Sensibilität unabdingbare Voraussetzung für einen operativen Eingriff. Gegebenenfalls ist es notwendig, eine neurophysiologische Untersuchung (proximal und distal, Nervenleitgeschwindigkeit und motorische Latenz) ergänzend durchzuführen. Die Perfusion der oberen Extremität muss sowohl klinisch (Inspektion, Palpation) als auch ggf. apparativ (Doppler-Untersuchung, Angiographie etc.) untersucht werden. ! Cave Nikotinabusus stellt einen Risikofaktor für einen komplizierten Heilungsverlauf dar (Knobloch et al. 2008).
Folgende Informationen müssen zur Operationsplanung vorliegen: 4 Zeitpunkt der Verletzung im Fall eines Traumas, 4 Mechanismus, z.€B. Rasanztrauma (»high energy trauma«), Amputationsverletzung, Quetschtrauma (»crush injury«), 4 Vorliegen eventueller knöcherner Begleitverletzungen (LuxaÂ� tionen, Frakturen, Knorpelschäden etc.), 4 verwendetes oder geplantes Osteosyntheseverfahren (tempoÂ� räres vs. definitives Verfahren) und dessen Stabilität (wichtig für die krankengymnastische Beübung des Patienten und die Entscheidung über temporäre oder definitive Defektdeckung), 4 systemische Erkrankungen (Gefäßerkrankungen, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie etc.), 4 Nikotinabusus (Dauer und Menge standardisiert als »pack years«), 4 psychische Erkankungen/Auffälligkeiten (→€Einschätzung der postoperativen Compliance) Soll eine Defektdeckung nach Resektion eines Extremitätentumors erfolgen, muss dessen Stadium gemäß TNM-Klassifikation vorliegen. Insbesondere bei Weichteiltumoren (Sarkomen) sollte – neben der apparativen Diagnostik (MRT, CT, Angiographie, Sonographie etc.) – vor der onkologiegerechten Resektion des Tumors eine Inzisionsbiopsie mit Hautspindel über dem Punctum maximum des Tumors entnommen worden sein, um den histologischen und immunhistochemischen Befund in die Planung des therapeutischen Konzeptes integrieren zu können (7€Kap.€36). Präoperativ durchgeführte und geplante Strahlen- und Chemotherapie müssen in die rekonstruktiven Überlegungen im Rahmen des multimodalen Therapiekonzeptes mit einbezogen werden, allerdings sind die Auswirkungen dieser (neo-) adjuvanten Maßnahmen auf die verschiedenen Maßnahmen zur Defektdeckung noch nicht ausreichend geklärt: Es gibt bis dato jedoch keinen Anhalt für eine erhöhte Komplikationsrate bei freiem Gewebetransfer vor oder nach Radiochemotherapie, allerdings ist die wissenschaftliche Datenlage zu diesem Thema nicht extensiv (Evans et al. 1997; Sadrian et al. 2002).
Untersuchung Die Untersuchung des Defektes umfasst: 4 die Lokalisation, 4 die Abmessungen, 4 die Inspektion unter sterilen Kautelen zur Evaluation der verletzten Strukturen, 4 eine Abstrichentnahme und mikrobiologische Untersuchung, 4 die photographische Befunddokumentation. Im Folgenden werden die im eigenen Vorgehen gut etablierten Lappenplastiken zur Defektdeckung im Bereich der oberen Extremität – gegliedert nach den Regionen Schulter, Oberarm, Ellbogen und Unterarm – dargestellt. 26.3
Schulterregion
Defekte der Schulterregion können mit den verlässlichen, gut etablierten Lappenplastiken des Subskapularsystems verschlossen werden (.€Abb.€26.1). M.-latissimus-dorsi-Lappen.╇ Die M.-latissimus-dorsi-LappenplasÂ�
tik kann sowohl als gestielte als auch als freie Lappenplastik gehoben werden (.ۆbersicht).
211
26.3 · Schulterregion
a
b
d
c
. Abb. 26.1a–d╇ Lappenplastiken des Subskapular systems zur Defektdeckung im Bereich der oberen Extremität (a). Blutversorgung von Skapula und Paras kapularlappen (b). Gefäßsysteme der A.€subscapularis in Beziehung zu den Abzweigungen des Truncus bra chiocephalicus (c). Blutversorgung und Möglichkeiten der Hautinselplatzierung beim M.-latissimus-dorsiLappen (d)
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Kapitel 26 · Rekonstruktion an der oberen Extremität
M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik 4 Lappenart: muskulokutan (ggf. muskulär ohne Hautinsel), gestielt und frei 4 Gefäße: A.€und V.€thoracodorsalis 4 Sensibilität: keine
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Die Lappenhebung mit einer Hautinsel ist in beiden Fällen möglich. Der (proximal) M.-latissimus-dorsi-Lappen weist einen sehr guten Rotationsbogen des Lappenstiels auf und kann unproblematisch – meist mit einer Hautinsel – zur Defektdeckung im Bereich des Schultergürtels und Oberarms verwendet werden. a
> Die M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik ist die operative Methode der 1.€Wahl zur Defektdeckung im Bereich der Schulter.
Die Hebedefektmorbidität ist gering, und die funktionelle Einschränkung (evtl. endgradig unvollständige Elevation des Armes der betreffenden Seite) wird in den meisten Fällen kaum wahrgenommen. M.-pectoralis-major-Lappen.╇ Verbietet sich eine M.-latissimusdorsi-Lappenplastik, kann der M.-pectoralis-major-Lappen zur Defektdeckung im Bereich der ventralen und axillären Schulterregion verwendet werden (.€Abb.€26.2). M.-pectoralis major-Lappenplastik
b
4 Lappenart: myokutan, gestielt 4 Gefäße: A.€thoracoacromialis, ggf. Äste der A.€thoracica interna 4 Sensibilität: keine
Dieses Transplantat spielt im Schulterbereich bei Versorgung über den thorakoakromialen Stiel nur eine sehr limitierte Rolle bei der Versorgung kleiner Defekte der anterioren Region. Als Kraftspender besitzt er eher Bedeutung, indem als funktioneller Muskelersatz für die Außenrotation des Oberarmes nach entsprechender Umsetzung des humeralen Insertionspunktes dient. Bei der Indikationsstellung für den Pectoralis-major-Lappen müssen sowohl mögliche postoperative funktionelle Einschränkung (Kraftverlust bei Adduktion und Innenrotation) als auch ästhetische Aspekte (Narbenverlauf) berücksichtigt werden. Allerdings sind bei Vorhandensein der übrigen Agonisten keine relevanten funktionellen Ausfälle zu erwarten. Skapular- und Paraskapularlappen.╇ Die Skapular- und Paraskapularlappenplastik als fasziokutane Transpositions- oder Insellappenplastiken finden insbesondere Verwendung, um Defekte der hinteren Schulterregion und insbesondere der Axilla (Narbenfelder, Resektionsdefekte) zu decken (.€Abb.€26.3, 26.4). Skapular- und Paraskapularlappenplastik c . Abb. 26.2a–c╇ M.-pectoralis-major-Lappen (a), Rotationsbogen zur Schul terregion (b). Möglichkeiten der Hautinselplatzierung und Gefäßsysteme des M.-pectoralis-Lappens (c)
4 Lappenart: fasziokutan, ggf. osteokutan 4 Gefäße: A.€und V. circumflexa scapulae (horizontaler oder vertikaler Ast) 4 Sensibilität: keine
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26.3 · Schulterregion
Defektdeckung im Bereich der Schulter und Axilla eingesetzt werden, es ist jedoch bei der Indikationsstellung zu bedenken, dass die Entnahmestelle – evtl. ästhetisch unbefriedigend – mit einem Hauttransplantat gedeckt werden muss (.€Abb.€24.5). Für die Defektdeckung am Ellbogen ist die distale Stielbildung notwendig (.€Abb.€26.6) (Song et al. 1982). Der laterale Oberarmlappen kann auch unter Präparation des Ramus brachialis posterior der Nn.€radialis und cutaneus Â�antebrachii als neurovaskuläre kutane Lappenplastik gehoben werden. Laterale Oberarmlappenplastik 4 Lappenart: fasziokutan, gestielt, ggf. mikrovaskulär 4 Gefäße: A.€collateralis radialis aus A.€profunda brachii, Vv.€comitantes, V.€cephalica 4 Sensibilität: asensibel oder Ramus brachialis posterior der Nn. radialis und cutaneus antebrachii
. Abb. 26.3╇ Rotationsbogen des Paraskapular- und Skapularlappens
Es ist möglich, die Skapular- und Paraskapularlappenplastik mit der M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik zu kombinieren (sog. Composite-Lappen), um ausgedehnte Defekte zu verschließen. Der M.€latissimus dorsi kann mit einem gefäßgestielten Anteil des SkapulaÂ� vorderrandes und der IX. oder X.€Rippe gehoben werden, um ggf. knöcherne Defekte zu sanieren (sog. chimärer Lappen). Auch kann die paraskapuläre Faszie mitintegriert werden. Oberarmlappen nach Song.╇ Der proximal gestielte laterale Oberarmlappen nach Song kann als fasziokutane Lappenplastik auch zur
Bei Männern mit entsprechender Körperbehaarung kann es zu störendem Haarwuchs auf der Lappenplastik kommen. Bei der Indikationsstellung muss der Operateur auch bedenken, dass der laterale Oberarmlappen eine dünne Lappenplastik ist, d.€h. der Weichteilmantel der Empfängerstelle sollte ausreichend vorhanden sein, um eine ausreichende Stabilität und eine suffiziente Weichteilbedeckung nach der Lappentransposition zu erreichen.
a
b
c
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. Abb. 26.4a–d╇ Paraskapularlappen zur Defektdeckung nach ausgedehnter Exzision im Bereich der Axilla bei Acne inversa
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Kapitel 26 · Rekonstruktion an der oberen Extremität
26.4
Oberarm
Defekte im Bereich des Oberarms lasen sich im proximalen Drittel bis nach lateral, auf der Medialseite individuell unterschiedlich weit auch mit dem gestielten Latissimuslappen decken (.€Abb.€26.7). Der laterale Oberarmlappen, der entweder proximal oder distal (distale Anastomose der A.€collateralis radialis mit der A.€radialis recurrens) gestielt gehoben werden kann, eignet sich zur RekonstrukÂ� tion, sofern der beschränkte Rotationsbogen ausreicht (.€Abb.€26.5). Proximal gestielt bietet der Lappen die Möglichkeit, ventrale und dorÂ�sale Defekte des Oberarms zu verschließen, distal gestielt kann er zur Defektdeckung im Bereich des distalen Oberarms und insÂ�beÂ�sonÂ� dere des streckseitigen Ellbogens (7€Kap.€26.5) eingesetzt werden.
26
26.5 a
Ellbogenregion
Komplexe Defekte im Bereich des Ellbogens umfassen zum einen Expositionen der Gefäß-Nerven-Bündel oder des Gelenks. Bei begrenzter Ausdehnung können diese mit dem proximal gestielten A.-radialis-Lappen oder dem lateralen Oberarmlappen ausreichend versorgt werden (.€Abb.€26.8, 26.9). Radialislappenplastik 4 Lappenart: (neuro-)fasziokutan oder Composite (Knochen, Muskel, Sehnen), gestielt oder frei 4 Gefäße: A.€radialis, Vv.€comitantes und V.€cephalica 4 Sensibilität: N.€cutaneus antebrachii lateralis
b . Abb. 26.5a, b╇ Lateraler Oberarmlappen, proximal gestielt für proximale Defekte oder freien mikrovaskulären Transfer (a). Gefäßversorgung (b)
Posteriorer Oberarmlappen.╇ Eine alternative Möglichkeit besteht
in der Verwendung des posterioren Oberarmlappens, der über einen€Gefäßstiel der A.€brachialis oder A.€brachialis profunda aus der Lücke zwischen Teres-major-Insertion und Triceps brachii Â�versorgt wird. Der Pedikel besitzt bei einer Länge von 4,4€cm und mittlerem Durchmesser von 1,5€mm einen begleitenden NervenÂ� ast€des N.€cutaneus brachii posterior für die sensorische InnerÂ� vation.€Gestielt eignet er sich für eine Deckung der Axilla (MasÂ�quelet u. Rinaldi 1985), wurde aber auch als freier Lappen vorÂ� geschlagen (.€Abb.€26.6).
Aufgrund des Gefäßkalibers und der konstanten Anatomie ist dieser Lappen als robust und technisch gut zu präparieren einzustufen. Allerdings muss bei der Indikationsstellung bedacht werden, dass zur Deckung des Hebedefektes eine Spalthauttransplantation erforderlich ist, was ästhetisch gerade im Bereich des Unterarms sehr störend ist. Weiterhin kommt es bei entsprechender Behaarung bei Männern auch zu störendem Haarwachstum. Der Radialislappen kann auch mit mikrochirurgischer Anastomose als freie Lappenplastik verwendet werden. Ein weiterer Vorteil dieses Lappens ist die Möglichkeit, ihn über Präparation des N.€cutaneus antebrachii lateralis als neurofasziokutane Lappenplastik zu heben, die diskriminative Sensibilität bei freier Transplantation ist aber postoperativ in der Mehrzahl der Fälle schlecht ausgeprägt, sodass der Radialislappen als freier neurofasziokutaner Lappen nicht zu empfehlen ist. Die in der Literatur beschriebene Kälteempfindlichkeit sowie ein Kraftverlust der Hand nach Entnahme einer RaÂ� dialislappenplastik kann nach eigenen, neuen Ergebnissen nicht nachvollzogen werden (Knobloch et al. 2005; Knobloch et al. 2006). 26.6
Unterarm
Defekte im Bereich des Unterarms können mit der distal oder proximal gestielten Radialislappenplastik gedeckt werden, jedoch müssen die Vor- und Nachteile dieser Lappenplastik (ästhetische BeÂ� einträchtigung, evtl. Schädigung der palmaren Mikrozirkulation) bei der Indikationsstellung bedacht und kritisch abgewägt werden (»benefit-disability assessment«). Je nach Größe des Defektes können auch freie Lappenplastiken wie z.€B. der Latissimus-dorsi-Lappen oder der »anterolateral thigh flap« (ALT-Lappen) erforderlich sein, wenn es sich um ausgedehnte,
215
26.6 · Unterarm
a
b
c
d
. Abb. 26.6a-d╇ Posteriorer Oberarmlappen für die Rekonstruktion der Axilla bei Strahlenulkus
komplexe Defekte mit großem Weichteilschaden handelt. Hier kommt der fasziokutane ALT-Perforatorlappen in Frage, der zwar bei abweichender Gefäßanatomie gelegentlich technisch anspruchsvoll zu präparieren ist, jedoch aufgrund seiner Eigenschaften wie Größe und Dicke (sehr dünner Lappen) eine gute Methode zur Defektdeckung am Unterarm nach großen Weichteildefekten darstellt (.€Abb.€26.10). Bei großem Weichteilbedarf kann der Latissimus-dorsi- oder der ALT-Lappen auch als dünner Fasziokutanlappen oder als Composite-Lappen mit Teilen des Vastus-lateralis-Anteils des M.€quadriceps, evtl. zusätzlich mit Fascia lata, verwendet werden.
»Anterolateral thigh flap« (ALT-Lappen) 4 Lappenart: fasziokutan, muskulokutan + Fascia lata (chimärer Lappen) 4 Gefäße: Ramus descendens der A.€circumflexa lateralis femoris, hauptsächlich muskulokutane Perforatoren, aber auch septokutane Perforatoren, Verhältnis: ca. 80:20 4 Sensibilität: keine
26
216
Kapitel 26 · Rekonstruktion an der oberen Extremität
26
a
c
e
b
d
. Abb. 26.7a–e╇ 49-jährige Patientin mit Zustand nach komplexer Arm verletzung. Die Weichteildefekte wurden mittels gestieltem M.-latissimusdorsi-Lappen sowie mit einem freien vertikalen M.-rectus-abdominisLappen (VRAM, Anschluss an Brachialgefäße) gedeckt. Das funktionelle Ergebnis ist gut, die Patientin kommt mit den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL, Benchmark Test) gut zurecht
217
26.6 · Unterarm
Die Präparation ist technisch jedoch anspruchsvoll und bedarf mikroÂ�chirurgischer operativer Erfahrung. Seine Hauptverwendung findet der ALT-Lappen bei großen Defekten des Unterarms mit mittelgradigem Weichteilschaden. Ausgedehnte und komplexe Defekte mit großem Weichteilschaden sollten eher mit einer freien Latissimus-dorsi-Lappenplastik versorgt werden, die auch als CompositeLappen (mit Skapular- und Paraskapularanteilen) gehoben und verwendet werden kann. Aufgrund des Lappenvolumens können mit dieser Option ausgedehntere Defekte des Unterarms behandelt werden (.€Abb.€26.10). Für den Fall, dass die Rekonstruktion der Hauptgefäßachse erforderlich ist, stellt das »Flow-through-Konzept« eine Option dar, wobei die A.€radialis als Hauptgefäßachse rekonstruiert und als versorgendes Gefäß einer Lappenplastik, die proximal und distal »zwischengeschaltet« wird, fungiert. Sehr ausgedehnte Defekte erfordern u.€U. auch spezielle LapÂ� penplastiken, wie z.€B. den freien kombinierten TRAM/VRAM (»extended« VRAM)-Lappen oder auch die Kombination mehrerer Lappen (.€Abb.€26.7).
. Abb. 26.8╇ Design der proximal gestielten freien Radialislappenplastik
a
c
d
b
. Abb. 26.9a–d╇ Proximal gestielte Radialislappenplastik zur Defektdeckung im Ellbogenbereich (laterale Epikondylusregion) nach Sarkomresektion [8]
26
218
Kapitel 26 · Rekonstruktion an der oberen Extremität
26
a
b
c
d . Abb. 26.10a–e╇ Defektrekonstruktion am ulnaren Unterarm nach Resek tion eines G2-Liposarkomrezidivs durch freien ALT-Lappen mit simultaner Sehnenkopplung der ulnaren Extensoren auf die radialen Unterarmstrecker
e
26.7
Handrücken
3€verlässliche Lappenplastiken zur Defektdeckung im Bereich des Handrückens sind der gestielte Leistenlappen, der A.-interosseaposterior-Lappen und der distal gestielte Radialislappen. Gestielter Leistenlappen nach Mc Gregor.╇ Der Leistenlappen ist
ein fasziokutaner Lappen, da bei seiner Präparation Teile der ScarpaFaszie sowie der Sartoriusfaszie mitpräpariert werden (McGregor u. Jackson 1972; Smith et al. 1972) (.€Abb.€26.11, 26.12). Sein Hauptnachteil liegt im eingeschränkten Patientenkomfort, denn nach Heben und Einnaht des Lappens im Bereich des Handrückens (der Lappen wird auch zur Defektdeckung im Bereich des Daumens benutzt) muss die Extremität 14–21 Tage weitgehend immobilisiert werden, bis die komplette Autonomie durch schrittweises Abklemmen des Stiels (»Lappentraining«) erreicht wird. Diese Abklemm-
. Abb. 26.11╇ Gefäßanatomie des Leistenlappens
219
26.7 · Handrücken
a
b
c
d
. Tab. 26.1╇ Schema Leistenlappentraining
e . Abb. 26.12a–e╇ Weichteilrekonstruktion am Unterarm durch gestielten Leistenlappen
Postoperativer Tag
Maßnahme
1–10
Nur Verbandswechsel
11
3× täglich 5€min Stiel mit armierter Klemme abklemmen
12
3× täglich 10€min Stiel mit armierter Klemme abklemmen
13–21
Jeden Tag 5€min länger; wenn 60€min erreicht sind, Lappen operativ abtrennen
prozedur kann der Patient selbst durchführen: Beginnend mit einem 5-min-Intervall wird die Abklemmzeit des Stiels sukzessive gesteigert, bis der Lappen dann in einem erneuten Eingriff (Lokalanästhesie) getrennt wird (.€Tab.€26.1). > Der abgetrennte Stiel sollte nicht zu kurz (handrückennah) abgetrennt werden und nicht primär verschlossen werden, da eine venöse Stase mit sekundärem GewebsÂ� untergang droht. Wir verbinden den Stumpf offen und verschließen ihn in einem sekundären Eingriff nach 3–5€Tagen.
26
220
Kapitel 26 · Rekonstruktion an der oberen Extremität
26
a
b
. Abb. 26.13a, b╇ A.-interossea-posterior-Lappen: Planung (a) und Anatomie (b)
a
b
c
d
. Abb. 26.14a–d╇ Patientin mit streckseitigem Weichteildefekt der Hand über dem 2.€Strahl (a). »Flap design« und Hebung des A.-interossea-posterior Lappens (b). Defektdeckung (c) und direktes postoperative Ergebnis€(d)
Leistenlappen nach McGregor 4 Fasziokutan, gestielt (oder frei) 4 Gefäße: A.€circumflexa ilium superficialis, Vv.€commitantes 4 Sensibilität: keine
A.-interossea-posterior-Lappen.╇ Eine der sehr häufig durchgeführten Lappenplastiken zur Defektdeckung am Handrücken ist der A.-interossea-posterior-Lappen, der sich hervorragend zur
Defektdeckung am Handrücken eignet (.€Abb.€26.13). Dessen Präparation ist aufgrund vieler Perforatoren technisch jedoch anspruchsvoll. Die Perforatoren sollten daher präoperativ markiert werden. Bei einem erreichbaren Längen-Breiten-Verhältnis von Größen bis zu 10×5€cm ist er ideal für die Defektdeckung im Bereich des Handrückens geeignet, ein großer Vorteil ist die Schonung beider Hauptgefäße des Unterarms. Allerdings kann die Präparation im proximalen Septum intermusculare schwierig sein. Hier ist der Verlauf des N.€interosseus posterior des Ramus profundus des N.€radia-
26.7 · Handrücken
lis zu beachten, der hier die Unterarmextensorgruppe motorisch innerviert und potenziell verletzt werden kann. A.-interossea-posterior-Lappenplastik 4 Lappenart: fasziokutan, gestielt 4 Gefäße: A.€interossea posterior, V.€antebrachii 4 Sensibilität: keine
Literatur Bullocks J, Naik B, Lee E, Hollier L Jr (2006) Flow-through flaps: a review of current knowledge and a novel classification system. Microsurgery 26: 439–449 Evans GR, Black JJ, Robb GL, Baldwin BJ, Kroll SS, Miller MJ, Reece GP, Schuster man MA (1997) Adjuvant therapy: the effects on microvascular lower extremity reconstruction. Ann Plast Surg 39: 141–144 Knobloch K, Lichtenberg A, Tomaszek S, Hagl C, Khaladj N, Klima U, Haverich A (2005) Long-term physical activity and neurologic function after har vesting of the radial artery as T-graft or free graft in coronary revascu larization. Ann Thorac Surg 80: 918–921 Knobloch K, Tomaszek S, Lichtenberg A, Karck M, Haverich A (2006) Longterm palmar microcirculation after radial artery harvesting: an observa tional study. Ann Thorac Surg 81: 1700–1707 Knobloch K,Gohritz A,Reuss E,Vogt PM (2008) [Nicotine in plastic surgery: a review]. Chirurg 79: 956–962 Levin LS (1993) The reconstructive ladder. An orthoplastic approach. Orthop Clin North Am 24: 393–409 Masquelet AC, Rinaldi S (1985) Anatomical basis of the posterior brachial skin flap. Anat Clin7 (3): 155–160 Masquelet AC, Salama J, G. Outrequin, Serrault M, Chevrel JP (1986) Morpho logy and functional anatomy of the first dorsal interosseous muscle of the hand. Surg Radiol Anat 8: 19–28 McGregor IA, Jackson IT (1972) The groin flap. Br J Plast Surg 25: 3–16 Penteado CV, Masquelet AC, Chevrel JP (1986) The anatomic basis of the fas cio-cutaneous flap of the posterior interosseous artery. Surg Radiol Anat 8: 209–215 Sadrian R, Niederbichler AD, Friedman J, Vogt PM, Steinau HU, Reece G, Chang D, Robb G, Evans GR (2002) Intraarterial chemotherapy: the effects on free-tissue transfer. Plast Reconstr Surg 109: 1254–1258 Smith PJ, Foley B, McGregor IA, Jackson IT (1972) The anatomical basis of the groin flap. Plast Reconstr Surg 49: 41–47 Song R, Song Y, Yu Y, Song Y (1982) The upper arm free flap. Clin Plast Surg 9: 27–35
221
26
27
Rekonstruktion an der unteren Extremität A. Jokuszies, P.M. Vogt
27.1
Therapiezieleâ•… – 224
27.2
Indikationsstellungâ•… – 224
27.2.1 27.2.2 27.2.3
Traumatische Defekteâ•… – 224 Onkologische Defekteâ•… – 224 Indikation zur Amputationâ•… – 225
27.3
Operationsvorbereitungâ•… – 225
27.4
Operationstechnikâ•… – 225
27.4.1 27.4.2
Onkologische Defekteâ•… – 225 Traumatische Defekteâ•… – 225
27.5
Weichteildefektdeckung der Oberschenkel- und Leistenregionâ•… – 226
27.6
Weichteildefektdeckung der Knie- und Unterschenkelregionâ•… – 227
27.7
Weichteildefektdeckung am Fußâ•… – 229
27.8
Postoperative Behandlung und Nachsorgeâ•… – 232
27.9
Postoperative Komplikationenâ•… – 232
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
224
Kapitel 27 · Rekonstruktion an der unteren Extremität
27.1
Therapieziele . Tab. 27.2╇ Subklassifizierung der Typ-III-Frakturen
27
Ausgedehnte Knochen- und Weichteildefekte der unteren Extremität können die Folge von Trauma, Tumoren, Dekubiti oder Verbrennungen sein. Nicht selten gehen konzeptionelle Fehler bei der Operationsplanung mit einer erhöhten Komplikationsrate einher. So erfordern nicht nur komplexe Rekonstruktionsverfahren mit mikrovaskulären Lappentransplantaten, sondern auch elektive Eingriffe wie z.€B. die Endoprothesenimplantation eine sorgfältige und präÂ� operative Diagnostik des Gefäßstatus der unteren Extremität. Zur Optimierung des Outcome sind zudem eingriffsspezifische Faktoren wie die Festlegung des Operationszeitpunktes und die Auswahl des geeigneten Operationsverfahrens unter Berücksichtigung der rekonstruktiven Leiter essenziell. Dies erfordert ein interdisziplinäres Konzept mit frühestmöglicher Einbindung des Plastischen Chirurgen im Rahmen des Schockraummanagements. Der günstigste Zeitpunkt zur Rekonstruktion komplexer Verletzungen der unteren Extremität wird kontrovers diskutiert. Dabei kann das von Godina aufgestellte Postulat zur Weichteilrekonstruktion innerhalb der ersten 72€h nach Trauma insofern relativiert werden, als dass vor dem Hintergrund moderner Behandlungsverfahren wie z.€B. der VAC-Therapie verspätete Rekonstruktionen nunmehr mit verbesserter Erfolgsrate auch jenseits der 72-h-Grenze durchführbar sind (Godina 1986; Steiert et al. 2008). > Das Ziel jeder Rekonstruktion im Bereich der unteren Extremität ist aber der Extremitätenerhalt mit bestmöglicher Funktionalität, Sensibilität, Belastbarkeit und Ästhetik.
Die frühestmögliche medizinische Rehabilitation und soziale sowie berufliche Reintegration werden weiterhin trotz moderner Methoden der Wundbehandlung und Wundkonditionierung nur durch eine möglichst frühe plastische Weichteilrekonstruktion zu erzielen sein. 27.2
Indikationsstellung
Typ
Kennzeichen
IIIA
Adäquate Weichteilbedeckung des Knochens
IIIB
Freiliegender und teils deperiostierter Knochen mit Lappenpflichtigkeit
IIIC
Zusätzlich und unabhängig vom Grad des Knochen- und Weichteilschadens begleitende Gefäßverletzung
Eine Klassifikation von Weichteilverletzungen bei geschlossenen und offenen Frakturen ist mit der sog. Hannover-Klassifikation möglich (Tscherne u. Gotzen 1984; .€Tab.€27.3). Bei etwa 30% der Patienten mit offenen Frakturen liegt eine Â�Multiorganbeteiligung vor, sodass hier zunächst die Kreislaufstabilisierung des Patienten im Vordergrund steht. Gefäßverletzungen bedürfen der sofortigen Rekonstruktion mit ggf. gleichzeitiger oder prophylaktischer Fasziotomie zur Vermeidung eines posttraumatischen Kompartmentsyndroms. Die Amputationsrate hängt dabei wesentlich von einer zeitnahen Revaskularisation innerhalb der ersten 4–6€h und der Frage des Ausmaßes der Knochenbeteiligung ab (Lange et al. 1985; Howard u. Makin 1990). Zudem korreliert die Inzidenz von Wundinfektionen direkt mit dem Ausmaß des Weichteilschadens (Dellinger et al. 1988). > Die Ziele der operativen Behandlung sind der infektfreie Wundverschluss bei ungestörter Knochenbruchheilung und die Wiederherstellung der Funktionalität.
Voraussetzungen hierfür sind 4 ein radikales Débridement, 4 eine stabile Osteosynthese, 4 die mikrochirurgische Revaskularisation und 4 eine antibiogrammgerechte Antibiotikatherapie.
27.2.1 Traumatische Defekte
27.2.2 Onkologische Defekte
Traumatische Defekte an der unteren Extremität sind in der Regel mit offenen Frakturen assoziiert, deren Einteilung sich an dem Verletzungsmechanismus, dem Ausmaß des Weichteilschadens, dem Frakturtyp und dem Kontaminationsgrad orientiert (Gustilo u. Anderson 1976; Gustilo et al. 1990; .€Tab.€27.1). Während die offenen Frakturen vom Typ€I und Typ€II nach Gustilo mit einem nur geringen Weichteilschaden einhergehen, erfordern die Typ-III-Frakturen einen komplexen konzeptionellen und operativen Aufwand. Das Ausmaß des Weichteilschadens reicht hier von einer ausgedehnten Zerstörung des Hautmantels bei noch suffizienter Knochenbedeckung (Typ€IIIA) bis hin zu freiliegenden Knochen mit hohem Kontaminationsgrad (Typ€IIIB) und Verletzung arterieller Gefäße (Typ€IIIC; .€Tab.€27.2).
Diese werden ausführlich in 7€Kap.€36 Weichgewebssarkome dargestellt. Unter den malignen Tumoren der unteren Extremität stellen die Weichgewebssarkome die größte Entität dar. Mit ca. 900 Neuerkrankungen pro Jahr machen sie einen Anteil von ca. 1% aller bösartigen Neubildungen aus (7€Kap.€36). In 14–58% der Fälle kommt es im multimodalen Behandlungskonzept zu schwerwiegenden Wundheilungsstörungen (Arbeit et al. 1987). Dieser Tatsache ist bei der Resektionsplanung und auch hinsichtlich der plastischen Rekonstruktion Rechnung zu tragen. Die Rate postoperativer Wundheilungsstörungen kann sowohl im Fall einer Tumorresektion im Bestrahlungsfeld als auch bei möglicher adjuvanter Radiatio durch eine Kombination mit simultaner
. Tab. 27.1╇ Einteilung offener Unterschenkelfrakturen nach Gustilo
Klassifikation
Quetschung
Weichteilverletzung
Schweregrad der Fraktur
Kontamination
Typ I
–
1 cm
+ bis ++
+ bis ++
Typ III
+++
+++
+++
+++
225
27.4 · Operationstechnik
. Tab. 27.3╇ Einteilung von Weichteilverletzungen bei geschlossenen und offenen Frakturen mit der Hannover-Klassifikation. (Nach Tscherne und Gotzen 1984)
Klassifikation
Haut
Weichteilverletzung
Schweregrad der Fraktur
Kontamination
C0
Geschlossen
–
+
–
CI
Geschlossen
+
+ bis ++
–
CII
Geschlossen
++
+ bis +++
–
CIII
Geschlossen
+++
+ bis +++
–
OI
Offen
+
+ bis ++
+
OII
Offen
++
+ bis +++
++
OIII
Offen
+++
+ bis +++
+++
OIV
Offen
+++
+ bis +++
+ bis +++
C=geschlossen, O=offen, +=gering; ++=mittel; +++=schwer
Weichteilplastik signifikant gesenkt werden. In vielen Fällen ermöglicht sie eine Radiatio erst (Barwick et al. 1992). Dies betrifft v.€a. die Lokalisationen an Hand und Fuß sowie in der Nähe der großen Â�Nervenbahnen (Evans et al. 1997). Dabei weisen mikrovaskulär angeschlossene Lappentransplantate im multimodalen Behandlungskonzept mit intraarterieller Chemotherapie keine höheren VerlustÂ� raten bzw. Komplikationen auf (Sadrian et al. 2002). Fortgeschrittene, chirurgisch inkurable Tumoren können durch geeignete Palliativeingriffe über die Beseitigung von Schmerz und Geruchsbelästigung die Lebensqualität des Patienten entscheidend verbessern. Darüber hinaus wird die Pflege der Patienten erleichtert (Merimsky et al. 2001). 27.2.3 Indikation zur Amputation Indikationen zur Amputation sind: 4 ausgedehnte, auch exulzerierende Rezidivtumoren mit UmÂ� mauerung der Nervenplexus oder Einbruch in große Gelenke, 4 Durchbruch der Membranae interosseae mit Gefäß-, Nervenund Knocheninfiltration, 4 Tumorwachstum durch den Metatarsus oder Metakarpus. Die Indikation zur Amputation besteht erst dann, wenn bei guter Gesamtprognose eine lokale Sanierung anderweitig nicht möglich erscheint oder sich durch ausgedehntes Wachstum mit Ulzeration eine palliative Indikation ergibt. Letzteres gilt insbesondere bei funktionsloser Extremität. Mit den modernen plastisch-rekonstruktiven Operationsverfahren und auch adjuvanten Therapiemaßnahmen reduziert sich heute die Indikation auf Ist eine Amputation unumgänglich, sollte immer an die heterotope Verwendung noch vitaler Strukturen der amputierten Gliedmaße im Sinne eines Salvage-Verfahrens gedacht werden.
Freie mikrovaskuläre Lappentransplantate erfordern die genaue Kenntnis des Gefäßstatus der Empfängerregion. Hierzu empfiehlt sich die präoperative Durchführung einer Angiographie. Nicht selten wird bei ausgedehnter Kontusionszone die Verlagerung der Anastomose außerhalb des verletzten Bereichs mittels Venenschleife bzw. »loops« erforderlich (Vogt et al. 2007). Auch kann bei nicht ausreichender Länge der Lappen- oder Anschlussgefäße eine Verlängerung derselben durch die Zwischenschaltung von Venenstücken erreicht werden. Nach Anschluss größerer Lappenplastiken kann es zum sog. »Steal-Phänomen« kommen mit einer sukzessiven Ischämie der abhängigen Extremität (Tschopp u. Banic 1992). Ursache hierfür ist wahrscheinlich ein herabgesetzter Gefäßwiderstand durch Denervation des freien Lappens (Erni et al. 1999). Fernerhin muss präoperativ eine traumatisch oder iatrogen bedingte Fußheberparese ausgeschlossen werden. Hier sind priÂ� märe oder sekundäre autologe Nerventransplantate und funktionelle Sehnenersatzplastiken in das Behandlungsregime mit einzubeziehen.
> Infektfreie Wundverhältnisse sind die Voraussetzung plastisch-rekonstruktiver Operationsverfahren. Die Auswahl einer geeigneten Lappenplastik sollte sich stets an dem Prinzip der rekonstruktiven Leiter orientieren, aber auch langfristige Aspekte der Weichteilwiederherstellung berücksichtigen (Belastungsstabilität, evtl. Längenwachstum). .€Tab.€27.4 gibt die Möglichkeiten der Defektdeckung mit gestielten
Lappenplastiken bei traumatischen Defekten der unteren Extremität wieder. 27.5
Weichteildefektdeckung der Oberschenkel- und Leistenregion
M.-rectus-abdominis-Lappen.╇ Ausgedehnte Defekte lassen sich im
Bereich der inguinalen und proximalen Oberschenkelregion sehr gut durch den gestielten oder ggf. freien vertikalen oder extendierten M.-rectus-abdominis-Lappen decken. Nachteil ist hierbei der nicht unerhebliche abdominelle Hebedefekt (Hernienbildung; 7€Kap.€24), (.€Abb.€27.1). Tensor-fasciae-latae-Lappen und Vastus-lateralis-Lappen. ╇ Der muskulokutane Tensor-fasciae-latae-Lappen und der Vastus-lateralis-Lappen bieten als proximal gestielte Lappen die Möglichkeit zur Defektdeckung am proximalen Oberschenkel, insbesondere über den Femoralgefäßen, und zur Dekubitusbehandlung über dem Trochanter. Der funktionelle Verlust nach Transposition des VastusÂ�lateralis-Lappens ist vernachlässigbar gering. Im Falle eines Verschlusses der A.€femoralis superficialis besitzt dieser Muskel zudem eine kräftige Gefäßverbindung zwischen der A.€profunda femoris und der A.€poplitea. M.-gracilis-Lappen.╇ Als gestielter Lappen dient der Gracilislappen
hauptsächlich zur Defektdeckung in der Leiste und Regio femoris posterior, findet hier jedoch aufgrund seiner limitierten Größe nur selten Anwendung. Seine Bedeutung gewinnt er als freies mikroneurovaskuläres Transplantat. Sein hauptsächlicher Einsatzbereich ist eher in der dynamischen Reanimation des Gesichtes zur Behand-
. Tab. 27.4╇ Möglichkeiten der Defektdeckung mit gestielten Lappenplastiken bei traumatischen Defekten der unteren Extremität
Gestielte Lappenplastiken
Gefäßversorgung
Region der Defektdeckung
M.€rectus abdominis (VRAM)
A.€epigastrica inferior
Leiste, ventraler Oberschenkel
M.€tensor fasciae latae
A.€circumflexa femoris lateralis
Trochanterregion
M.€vastus lateralis
A.€circumflexa femoris lateralis, A.€profunda femoris
Trochanterregion
M.€gracilis
A.€circumflexa femoris medialis
Leiste/Oberschenkel
M.€biceps femoris
A.€profunda femoris
Sitzbein/Oberschenkel
M.€sartorius (distal gestielt)
A.€femoralis
Anterolaterale Knieregion
M.€gastrocnemius medialis/lateralis
Aa. surales
Knieregion und proximales Unter�schenkeldrittel
M.€soleus, M.€hemisoleus (proximal gestielt)
A.€poplitea
Mittleres Unterschenkeldrittel
Suralislappen
A.€suralis
Außenknöchelregion
A.-dorsalis-pedis-Lappen
A.€dorsalis pedis
Fußrand und distales Unterschenkeldrittel
Plantaris-medialis-Lappen
A.€plantaris medialis
Fersen- und Innenknöchelregion
227
27.6 · Weichteildefektdeckung der Knie- und Unterschenkelregion
a
b
c
. Abb. 27.1a–c╇ 57-jährige Patientin mit einem funktionell und ästhetisch beeinträchtigenden Konturdefekt der linken Oberschenkel- und KniegeÂ� lenkregion nach Überrolltrauma (a). Semizirkumferenzielle SpalthautnarbenÂ� platte mit eingeschränkter Kniebeweglichkeit (b). Nach Exzision der NarbenÂ� platte und Weichteilrekonstruktion mittels freiem mikrovaskulärem TRAMLappen (c) mit exzellenter Beweglichkeit und ästhetisch günstiger Kontur
lung der Facialisparese sowie in der Behandlung der Plexusparese mit funktioneller Wiederherstellung der Ellbogenflexion, Handgelenksstreckung und Fingerbeugung anzusiedeln (Terzis 1997; Barrie et al. 2004).
mittleren und distalen Unterschenkels (.€Abb.€27.3). Ihr Vorteil liegt im Erhalt der großen Unterschenkelgefäße und Muskelgruppen, außerdem besteht keine Erfordernis mikrovaskuärer Eingriffe. Dem stehen als Nachteile die Hebedefektmorbidität und die Abhängigkeit von entsprechenden Gefäßarkaden gegenüber.
27.6
M.-soleus-Lappen.╇ Der M.€soleus kommt bei Defekten im mittle-
Weichteildefektdeckung der Knie- und Unterschenkelregion
M.-gastrocnemius-Lappen.╇ Das »Arbeitspferd« zur Defektdeckung im Bereich der Knieregion ist der gestielte Gastrocnemiuslappen (.€Abb.€27.2). Er besitzt eine zuverlässige Blutversorgung, ist einfach€zu heben und hinterlässt eine geringe ästhetische und funkÂ� tionelle Hebedefektmorbidität. Er hat sich in unserer Klinik insÂ� besondere zur Behandlung der exponierten Knie-Endoprothese bewährt. Proximal oder distal gestielte perforatorbasierte adipofasziale oder fasziokutane Lappen sowie sog. Propellerlappen bieten die Möglichkeit zur Defektdeckung kleiner bis mittlerer Defekte des
ren Unterschenkeldrittel zur Anwendung. Zu beachten ist jedoch seine große Variabilität in Bezug auf Länge und Dicke des Muskelbauches. Als distal gestielter Lappen wird er wegen der kritischen Durchblutung im eigenen Vorgehen nicht eingesetzt. Zudem sind insbesondere die resultierende Abschwächung der Kraftübertragung auf das obere und untere Sprunggelenk und die mögliche Schwächung der venösen Muskelpumpe zu bedenken.
M.-suralis-Lappen.╇ Als fasziokutanes gestieltes Transplantat verfügt
der Suralislappen meistens über einen ausreichenden Rotationsbogen für die Rekonstruktion der distalen ventralen Unterschenkelregion, des Knöchels und der Achillesregion.
27
228
Kapitel 27 · Rekonstruktion an der unteren Extremität
27
a
b
. Abb. 27.2a–c╇ Defektdeckung eines traumatischen Kniegelenkweichteildefektes mit eröffnetem Kniebinnenraum (a). Ventraler Durchzug eines me-
c dialen Gastrocnemiusmuskellappens, der mit Spalthaut gedeckt wurde (b). Funktionelle Wiederherstellung mit belastungsfähigen Weichteilen (c)
Wegen des Risikos der Reinfektion verzichten wir primär auf eine Rekonstruktion durch freie Sehnen, Sehnentransfers oder Faszientransplantate und bevorzugen in der Regel die alleinige Weichteildeckung ohne erneuten Versuch der Sehnenrekonstruktion bei weitgehend retrahiertem und über Monate ineffektivem M.€triceps surae. Der aus einer vollständigen Resektion resultierende Kraftverlust für die Plantarflexion mit 43,7% im Vergleich zur gesunden Seite stellt erstaunlicherweise selbst für Ausdauersportler keine wesentliche Einschränkung dar (Boorboor et al. 2006). Selbst nach sekundären Achillessehnenrekonstruktion kommt es im Vergleich zur gesunden Gegenseite zu einem Kraftverlust von 40–70% (Haas et al. 2003; Kuo et al. 2003). In .€Tab.€27.5 sind die Möglichkeiten zur sekundären Achillessehnenrekonstruktion aufgeführt. Freie Lappenplastiken
Scheiden gestielte Lappenplastiken als Option aus, erlauben freie mikrovaskuläre Transplantate eine äußerst variantenreiche Weich-
. Tab. 27.5╇ Möglichkeiten zur sekundären Achillessehnenrekonstruktion . Abb. 27.3╇ Synoptische Darstellung der Rotationsbögen diverser gestielter Muskellappen der Unterschenkelregion
Achillessehnendefekte
Infekte und Nekrosen im Fersenbereich betreffen nicht nur die plantare Belastungszone, sondern auch die Achillessehne. Als Folge von Rekonstruktionsversuchen erfordern die dann resultierenden hartnäckigen Infekte oftmals die vollständige Resektion der AchillesÂ�sehne. Der M.-flexor-hallucis-longus-Sehnentransfer ist die am häufigsten angewandte Methode zur alleinigen Rekonstruktion einer chronischen Ruptur oder Tendinose der Achillessehne (Martin et al. 2005).
Lokale Lappen� plastiken
Freie Lappenplastiken
Suralislappen
Lateraler Oberarmlappen (»composite lateral arm flap«) Radialis-palmaris-longus-composite-Lappen (»radial forearm-palmaris longus composite free flap«) Tensor fasciae latae-Lappen Anterior lateral thigh-flap in Kombination mit Fascia lata
229
27.7 · Weichteildefektdeckung am Fuß
a
c
. Abb. 27.4a–c╇ Drittgradiger Weichteilschaden des Unterschenkels (a). Myokutane freie Latissimus-dorsi-Plastik mit mikrovaskulärem Anschluss an die Tibialis-anterior-Gefäße (b,€c)
b
teilrekonstruktion. Der Erfolg hängt wesentlich von der ausreichenden Gefäßversorgung des Unterschenkels ab, der durch die entsprechenden gefäßchirurgischen Standarduntersuchungen abzuklären ist (Aust et al. 2007). Durch die stete Weiterentwicklung der Perforatorlappen mit passgenauer Präparation dünner fasziokutaner Lappen auf dem Boden des Angiosomenkonzeptes von Taylor u. Palmer mit retrograder Dissektionstechnik , d.€h. Präparation des Perforators bis hin zu seinem Stammgefäß, erweitert sich das Angebot der zur Verfügung stehenden Lappen beträchtlich (Taylor u. Palmer 1987). Wesentliche Vorteile liegen in der geringen Hebedefektmorbidität und der verbesserten Ästhetik durch die im Vergleich zum Muskellappen geÂ� ringere Gewebemasse, welche sich exakter an den Defekt anpassen lässt. Zudem lassen sich hierdurch Folgeeingriffe zur Ausdünnung des Muskellappens vermeiden. Die in unserer Klinik am häufigsten angewandten Perforatorlappen sind der ALT- und der Paraskapularlappen. .€Tab.€27.6 gibt eine Übersicht über die Defektdeckung mit freien Lappentransplantaten bei traumatischen Defekten der unteren Extremität; ein Beispiel ist in .€Abb.€27.4 dargestellt. .€Tab.€27.7 zeigt die Möglichkeiten der Defektdeckung mit osteo(myo)kutanen Lappen zur simultanen Knochenrekonstruktion. 27.7
Weichteildefektdeckung am Fuß
Weichteildefekte des Fußes entstehen primär nach direktem mechanischem, chemischem oder thermischem Trauma oder sekundär als Folge von Perfusionsstörungen nach schwerem Quetschtrauma und
konsekutiver phlegmonöser Entzündung. Weiterhin können Weichteildefekte nach Osteosynthesen mit flächiger Denudierung (v.€a. in der Rückfußregion) sowie nach atypischer Schnittführung oder bei Hautverschluss unter Spannung auftreten (Maisels 1961). Chronisch-rezidivierende Ulzerationen mit persistierender fisÂ� telbildender Osteitis entwickeln sich auf dem Boden instabiler Narbenplatten als Folge einer ungenügenden Weichteildeckung der druckbelasteten Fersen- oder Sohlenareale. Hieraus ergibt sich häufig eine sekundäre Amputationsindikation. Iatrogene Ursachen sind Redression, Extension, schnürende VerÂ� bände, unzureichende Gipsmodellierung und Dekubiti durch insuffiziente Lagerung.
. Tab. 27.6╇ Möglichkeiten der Defektdeckung an der unteren Extremität mit freien Lappenplastiken
Gefäßsystem
Freie Lappenplastiken
Subskapularsystem (para� vertebrale Perforatoren)
4 Skapular-/Paraskapularlappen 4 Lappenkombinationen
A.€circumflexa femoris lateralis
4 ALT (anterolateraler Thigh-Flap) 4 Tensor-fasciae-latae-Lappen 4 Lappenkombinationen
A.€epigastrica superior et inferior
4 Rectus-abdominis-Lappen
A.€thoracodorsalis
4 M.-latissimus-dorsi-Lappen 4 M.€serratus anterior
27
230
Kapitel 27 · Rekonstruktion an der unteren Extremität
. Tab. 27.7╇ Möglichkeiten der Defektdeckung mit osteokutanen oder osteomyokutanen Lappen zur simultanen Knochenrekonstruktion
27
Osteokutaner oder -myokutaner Lappen
Gefäßversorgung
Region der Defektdeckung
Vaskularisiertes Fibulatransplantat, ggf. in Kombination mit M.€soleus
A.€fibularis
Unterschenkel
Vaskularisierter Beckenkammspan
A.€circumflexa iliaca superficialis et profunda
Unterschenkel/Fuß
Osteokutaner Skapula-Paraskapulalappen
Subscapularsystem (A.€scapularis/A.€parascapularis)
Unterschenkel/Fuß
Osteokutaner Radialislappen
A.€radialis
Unterschenkel/Fuß
Als intrinsische Ursachen tragen die arterielle VerschlussÂ� krankheit, Stoffwechselstörungen, das postthrombotische Syndrom, LymphÂ�ödeme, Adipositas und ein Postischämiesyndrom zur Ausbildung von Weichteildefekten bei. Die Komplikationsmöglichkeiten nach Verlust des speziellen Sohlenpolsters sind in der .€Übersicht zusammengefasst (Steinau et al. 1989). Komplikationen nach Verlust des speziellen Sohlenpolsters 4 Hornschwielen, Fissuren, subkutane Pseudobursa 4 Ulzera innerhalb der Belastungszonen (Fußsohle und Schuhrand) 4 Kalkaneusosteitis 4 Gangbildveränderungen 4 Belastungsschmerzen 4 Berufliche und private Einschränkungen 4 Sekundäre Amputation
Obwohl mittlerweile durch die zahlreichen rekonstruktiv-plastischen Verfahren zur Weichgeweberekonstruktion des Fußes eine Amputation oftmals vermieden werden kann, existiert bisher keine Methode zur autologen Rekonstruktion der einzigartigen Architektur der Fußsohle und deren spezifischer mechanischer Stabilität und Sensibilität. Deformierungen der knöchernen Strukturen durch Frakturen und Fehlbildungen, muskuläre Insuffizienz mit fixierter Fehlstellung oder Verlust der speziellen Hohlfußsohlenarchitektur führen zu hohen Druckbelastungen in unphysiologischen Zonen. Subkutane Nekrosen und Ulzera sind die Folge. > Bei konsequenter Pflege und regelmäßiger Überwachung der Schuheinlagenversorgung ist auch bei fehlender Sensibilität der Erhalt des Fußes sinnvoll.
Eine mechanisch suffiziente Weichteilrekonstruktion orientiert sich an den in der .€Übersicht aufgeführten Anforderungen (Steinau et al. 1989). Anforderung an die Rekonstruktion bei Defekten an Ferse und Fußsohle 4 Adäquate Fersenkontur 4 Druckbelastbarkeit in den Zonen vermehrter Belastung (Fersensporn, Schuhrand, Achillessehneninsertion) 4 Verbesserung der Durchblutung mit Osteitisprophylaxe 6
4 Schutzsensibilität 4 Geringe Hebedefektmorbidität 4 Erleichterung bis hin zu Vermeidung von orthopädischer Schuhzurichtung 4 Harmonisches Gangbild 4 Berufliche und soziale Rehabilitation
Lokale Lappenplastiken
Unter Beachtung der Angiosome (Taylor u. Tempest 1988) stellen lokale Lappenplastiken ein relativ sicheres Verfahren dar und eignen sich sowohl für die Vollbelastungszone als auch für die TeilbelasÂ� tungsÂ�zone. Ihr Einsatz ist jedoch nur speziellen Indikationen vorbehalten, da sie mit erheblichen Hebedefekten einhergehen und in ihrer Größe begrenzt sind. Der Fersenrotationslappen bietet eine sensible, ausreichend Â�dicke Weichteildeckung mit geringer Spendermorbidität und beÂ� lastbarer originärer Fußsohlenhaut (Heinz 1997). Defekte im Bereich des Außenknöchels lassen sich zuverlässig mit dem Suralislappen decken. Er ist als fasziokutaner Lappen wenig auftragend und besitzt ebenfalls eine geringe Hebedefektmorbidität. Seine Nachteile sind eine häufig auftretende venöse Stauung und eine prolongierte Ödemneigung. Aufgrund seiner guten Hautqualität eignet sich der sensible Plantaris-medialis-Lappen (»instep flap«) ideal für Defektdeckungen im gewichtstragenden Bereich der Ferse. Er wird aus der unbelasteten Sohlenhaut gebildet mit vertretbarer Hebedefektmorbidität. Der fasziokutane Dorsalis-pedis-Lappen eignet sich v.€a. zur Deckung von Defekten im oberen Fersenbereich. Seine IndikatioÂ� nen€ sind aufgrund des beträchtlichen Hebedefektes begrenzt (McCraw u. Furlow 1975). Zur Deckung von Defekten im oberen Fersenbereich eignet sich v.€a. der an der A.€dorsalis pedis gestielte fasziokutane Lappen. Durch Einbeziehung des M.€extensor digitorum brevis wird er zu einem Fasziomyokutanlappen, wobei der Muskelanteil relativ gering ist. Aufgrund eines beträchtlichen Hebedefektes ist seine Indikation Â�begrenzt (McCraw u. Furlow 1975). Defekte kleineren Ausmaßes bis 2€cm im Bereich des Vorfußes lassen sich oftmals durch ein Filet der Zehenweichteile schließen. Mitunter gelingt ein Primärverschluss auch durch den resultierenden Haut-Weichteil-Überschuss nach Arthroplastik. Freie Lappenplastiken
Ausgedehntere Defekte des Vorfuß- oder Mittelfußsohlenbereiches erfordern eine gezielte Indikationsstellung unter Einbeziehung des Sozialprofils des Patienten (.€Abb.€27.5). Hier gestaltet sich die Wiederherstellung eines suffizienten und belastungsfähigen Weichteilmantels schwierig, sodass freie Lappenplastiken (.€Tab.€27.8) insbe-
231
27.7 · Weichteildefektdeckung am Fuß
a
b
c
. Abb. 27.5a–c╇ Ausgedehnter Weichteildefekt über dem streckseitigen linken Mittel- und Vorfuß nach komplexem Fußtrauma mit drittgradig offenen Frakturen des OSG sowie der Metatarsalia€2/3 (a). Dünner fasziokutaner
. Tab. 27.8╇ Möglichkeiten der Defektdeckung am Fuß durch gestielte axiale fasziokutane Lappen
Gefäßsystem
Freie Lappenplastiken
A.€suralis
Suralislappen
A.€dorsalis pedis
Dorsalis-pedis-Lappen
A.€plantaris medialis
Plantaris-medialis-Lappen (»instep flap«)
Aa.€digitales propriae
Zehenfiletlappen
»Random pattern«
Axialer fasziokutaner Lappen
»Random pattern«
Fersenrotationslappen
ALT-Lappen (»anterior lateral thigh flap«) mit Gefäßstiel zum freien mikrovaskulären Anschluss (b). Funktionell und ästhetisch zufriedenstellendes Ergebnis postoperativ (c)
sondere bei Patienten mit beruflich bedingter intensiver Belastung des Fußes aufgrund der fehlenden Sensibilität und Stabilität nicht das Verfahren der Wahl darstellen. Die Bildung eines VorfußfiletÂ�lappens nach modifizierter Vorfuß- oder Rückfußamputation ist in manchen Fällen die geeignetere Alternative. Zudem ist mit der modernen Prothesenversorgung ein weitesthegend harmonisches Gangbild zu erzielen und der Verlust der Vorfußregion somit kompenÂ�sierbar. Freie mikrovaskuläre Transplantate sind bei großen Defekten, vornehmlich in gewichtstragenden Arealen und bei freiliegenden funktionellen Strukturen (Sehnen, Gefäße, Nerven und Knochen) indiziert (.€Tab.€27.9). Im Gegensatz zu den lokalen oder freien Fasziokutanlappen verbessern Muskellappen aufgrund ihrer reichen Vaskularität die lokale Durchblutungssituation.
. Tab. 27.9╇ Möglichkeiten der Defektdeckung der Fußsohle und Ferse durch freie mikrovaskuläre Transplantate
Transplantat
Entnahmeort
Gefäßversorgung
Fasziokutane Lappen
Skapula-, Paraskapularbereich
A.€circumflexa scapulae
Lateraler Oberarm
A.€collateralis radialis
Unterarm (»chinesischer Lappen«)
A.€radialis
Kontralateraler Dorsalis-pedis-Bereich
A.€tibials anterior
Temporoparietaler Bereich
A.€temporalis superficialis
M.€serratus anterior
A.€thoracodorsalis
M.€gracilis
A.€circumflexa femoris medialis
M.€latissimus dorsi
A.€thoracodorsalis
M.€rectus abdominis
A.€epigastrica inferior
Freie Faszienlappen
Myokutane Lappen
27
232
Kapitel 27 · Rekonstruktion an der unteren Extremität
Druckbelastete Areale sind den myokutanen Lappen vorbehalten (.€Abb.€27.6). > Die Patienten sind insbesondere im Hinblick auf die geringe mechanische Stabilität der mitverpflanzten HautÂ� insel oder transplantierten Spalthaut angehalten, auf strengste Fußhygiene und das kontinuierliche Tragen speziell angefertigter Schuheinbettungen zu achten.
27
27.8
a
Die postoperative Behandlung beginnt bereits mit dem intraoperativen Verbandsregime und der behutsamen Umlagerung des PaÂ� tienten unter konsequenter Entlastung des Gefäßstiels. Nicht schnürende Verbände (z.€B. Wattewicklung) und eine ausreichende Wunddrainage vermeiden die Beeinträchtigung der Lappenzirkulation durch externe und interne Kompression (Hämatom, Serom). Ein »Verbandsfenster« ermöglicht das engmaschige und kontinuierliche Lappenmonitoring. Je nach Defektlokalisation (z.€B. Fersenregion) muss die Verwendung eines Fixateur externe zur Entlastung und Hochlagerung in Erwägung gezogen werden. Die Anlage eines Fixateur externe erleichtert zudem den Verbandswechsel und die Wundpflege. 27.9
b
Postoperative Behandlung und Nachsorge
Postoperative Komplikationen
Zu den Hauptkomplikationsmöglichkeiten zählen Nachblutungen und infizierte Hämatome. Daher ist die großzügige Drainage des Wundbettes unerlässlich. ! Cave Bei dem geringsten Verdacht auf eine Zirkulationsstörung des transplantierten Gewebes sollte die Indikation zur frühzeitigen Revision großzügig gestellt werden.
Ursachen für Zirkulationsstörungen sind meist venöse oder arterielÂ� le Thrombosen im Anastomosenbereich. Diese können u.€a. Folge von Artheriosklerose, Vasospasmen, Heparin-induzierter Thrombozytopenie, Gefäß-Kinking oder unzureichender Anastomosentechnik sein.
Literatur c . Abb. 27.6a–c╇ Instabile und schmerzhafte Zone im Belastungsareal der Ferse (a). Sensible Weichteilrekonstruktion durch »Instep-Lappen« (b,€c)
Chronische Defekte erfordern im Hinblick auf die AnschlussÂ� gefäße eine sorgfältige präoperative Planung, da hier häufig ödematöse und fibrosierte Gefäße vorliegen können. Die Anlage eines AV-Loops mit Anastomosierung außerhalb der Traumazone muss in solchen Fällen in Betracht gezogen werden (Germann u. Steinau 1993). Kutane oder fasziokutane Lappen (Paraskapularlappen) eignen sich besonders zur Defektdeckung in Arealen mit fehlender oder geringer Gewichtsbelastung (Fußrücken, Knöchelregion, Hohlfußregion).
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27.9 · Postoperative Komplikationen
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27
28
Plastische Chirurgie nach Organtransplantation – Composite-TissueAllotransplantation (CTA) K. Knobloch, H.-O. Rennekampff, P.M.€Vogt
28.1
Plastisch-chirurgische Eingriffe nach Organtransplantationâ•… – 236
28.2
Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) in der plastischen Chirurgieâ•… – 236
28.2.1 28.2.2 28.2.3 28.2.4 28.2.5
Indikationen/Patientenauswahlâ•… – 236 Operationsprinzipienâ•… – 237 Komplikationenâ•… – 238 Psychosoziale Implikationenâ•… – 240 Perspektivenâ•… – 241
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
28
236
Kapitel 28 · Plastische Chirurgie nach OrganÂ�transplantation – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA)
28.1
Plastisch-chirurgische Eingriffe nach Organtransplantation
Die Anzahl erfolgreich durchgeführter Organtransplantationen, thorakal als auch abdominal, und die deutlich verbesserten Langzeitüberlebensraten u.€a. durch Fortschritte in der Immunsuppression führen dazu, dass sich diese Patientengruppe vermehrt auch plastisch-rekonstruktiven Eingriffen unter laufender Immunsuppression nach Transplantation unterziehen. Der Plastische Chirurg Joseph E.€Murray erhielt 1990 den Medizinnobelpreis für die erste erfolgreiche Nierentransplantation mit längerfristiger Organfunktion, durchgeführt in Boston im Jahr 1954 zwischen zwei Zwillingsbrüdern (Merrill et al. 1956). Heute sind rund 85% der transplantierten Nieren bei postmortalen Spenden bzw. 93% der transplantierten Organe nach Lebendspende nach 1€Jahr funktionstüchtig, nach 5€Jahren 68% bzw. 82% aller Spendernieren. 2007 wurden in Deutschland 376€Herztransplantationen, 19€kombinierte Herz-Lungen-Transplantationen sowie 143€Lungentransplantationen mit und 121€Lungentransplantationen ohne extrakorporale Zirkulation durchgeführt (Gummert et al. 2008). Bedenken seitens des Plastisch-rekonstruktiven Chirurgen hinsichtlich der Komorbidität und der Immunsuppression sind vorhanden. Eine retrospektive Untersuchung von 40€organtransplantierten Patienten mit Symptomen an der oberen Extremität zeigte, dass Â�folgende relevante plastisch-chirurgische oder handchirurgische Operationsindikationen bei Transplantierten bestehen (Jones et al. 2004): 4 Nervenkompressionssyndrome (n=18) 5 Karpaltunnelsyndrom (n=12) 5 Pronatorsyndrom (n=1) 5 Ulnartunnelsyndrom (n=1) 5 Kubitaltunnelsyndrom (n=1) 4 M.€Dupuytren (n=2) 4 A1-Ringbandstenose bei Tenosynovitis stenosans (n=6) 4 Handinfektionen (n=6) 5 bakteriell (n=3) 5 Candida (n=1) 5 Herpes (n=1) 4 Neoplasmen (n=6) 4 Trauma 4 Ischämie (n=4) Eine retrospektive Analyse unter 5€akademischen Krankenhäusern in den USA erbrachte insgesamt 19€Patienten nach Transplantation, die sich einem freien Gewebetransfer unterzogen (Lee et al. 2008). Darunter fanden sich 13 Einzelnierentransplantationen, eine kombinierte Nieren-Leber-Transplantation, eine kombinierte NierenPankreas-Transplantation und 4€Herztransplantationen. Die Immunsuppression bestand im Wesentlichen aus Calcineurininhibiotoren und erfolgte zum Zeitpunkt des freien Gewebetransfers mit Ciclosporin€A, Azathioprin, FK506 und Prednison. Am häufigsten erfolgte der freie Transfer des M.€serratus (n=6), gefolgt vom freien Radialislappen (n=3), dem freien TRAM- (n=2) und dem DIEPLappen (n=2). > Alle 19€frei transplantierten Lappenplastiken überlebten ohne Zeichen einer akuten Abstoßungsreaktion der zuvor übertragenen Organe. Kein Patient benötigte ein Aussetzen oder eine Veränderung der Immunsuppression.
Die Kombination der vorgenannten Immunsupressiva erlaubt es, die jeweilige Einzeldosis der Substanz zu reduzieren, um die Organtoxizität zu reduzieren, gleichzeitig aber durch die Kombination die im-
munsuppressive Potenz zu erhöhen. Diese US-amerikanische Untersuchung konnte keine erhöhte Komplikationsrate beim freien Gewebetransfer bei organtransplantierten Patienten im Vergleich zu nicht transplantierten Patienten feststellen. 28.2
Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) in der plastischen Chirurgie
Am 23. September 1998 führte Dubernard in Lyon die erste Handtransplantation als Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) weltweit nach Amputationsverletzung am rechten distalen Unterarm bei einem 48-jährigen Patienten durch (Dubernard et al. 1999). Von September 1998 bis Februar 2006 wurden in der International Registry of Hand and Composite Tissue Transplantation 18€männliche Patienten dokumentiert, die 24€Hand-Unterarm- oder Fingertransplantationen erhielten (Lanzetta et al. 2007). Das Patienten- und Graft-Überleben lag nach 2€Jahren bei 100%. Akute Abstoßungsreaktionen traten innerhalb des 1.€Jahres bei 12€Patienten auf, die jedoch durch temporäre Erhöhung der Immunsuppression beherrscht werden konnten. Bis zum November 2011 sind weltweit rund 40€Hand- und Armtransplantationen als Composite-TissueAllotransplantationen durchgeführt worden. 2006 berichtete der Lancet über die erste allogene Teilgesichtstransplantation in Lyon (Devauchelle et al. 2006). Dabei wurde einer 38-jährigen Frau, die eine Amputation der distalen Nase, von Oberund Unterlippe, des Kinns sowie der angrenzenden Wangen durch einen Hundebiss erlitten hatte, ein entsprechendes Composite-Tissue-Transplantat von einer 46€Jahre alten hirntoten Spenderin übertragen. Beide hatten Blutgruppe€0 Rhesus positiv und stimmten in 5€HLA-Antigenen überein (HLA A€2–3, B€8–44, DR€3–7). Nach 18€Monaten war die Patientin mit dem erzielten Resultat zufrieden. An den Tagen€18 und 214 nach der Teilgesichtstransplantation kam es jeweils zu Abstoßungsreaktionen, die medikamentös beherrscht werden konnten (Dubernard et al. 2007). Seitdem sind bis November Â� 2010 weltweit rund 10€Teilgesichtstransplantionen bei hochselektionierten Patienten operiert worden. > Der letztendliche Erfolg einer Composite-Tissue-Allotransplantation kann nur im interdisziplinären und transprofessionellen Team erreicht werden.
Nur die gesammelte Expertise von Fachdisziplinen wie der Transplantationschirurgie, der Psychologie, der Rehabilitationsmedizin, der Klinischen Immunologie, um nur einige zu nennen, wird bei derartig hochkomplexen operativen Prozeduren gewährleisten, dass das bestmögliche klinische Ergebnis erzielt werden kann (.€Abb.€28.1). 28.2.1 Indikationen/Patientenauswahl Die Komplexitiät der Composite-Tissue-Allotransplantation, die Spender- und Empfängerauswahl und -allokation, die Immunsuppression, die Kostenübernahme wie auch die gesetzliche Einordnung der Composite-Tissue-Allotransplantation als Gewebe- oder als Â�Organtransplantation werfen nicht unerhebliche Probleme auf. Insofern ist die Indikationsstellung wie auch die Patientenauswahl ein entscheidender Faktor insbesondere im Bereich der Composite-Tissue-Allotransplantation (.€Übersicht).
237
28.2 · Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) in der plastischen Chirurgie
Bereits durchgeführte und zukünftig denkbare Indikationen zur Gewebeallotransplantation 4 Ein-/beidseitige Amputation der oberen Extremität (Üetriuup et al. 2006) – in Handgelenkshöhe – in Unterarmhöhe – in Oberarmhöhe 4 Nicht rekonstruierbare Defekte im Gesichtsbereich 4 Fehlende bzw. nicht rekonstruierbare Bauchdecken (Levi et al. 2003; Selvaggi et al. 2004; Tryphonopoulos et al. 2005) 4 Penistransplantation (Hu et al. 2006; Dubernard 2006) 4 Vaskularisierte Knietransplantation (Hofmann et al. 1998) 4 Larynxtransplantation (Strome et al. 2001) 4 Beidseitiger Verlust der Füße/Unterschenkel, ggf. Fußsohlentransplantation
Ein- und Ausschlusskriterien für eine Gesichtstransplantation wur den von Lantieri definiert (.€Übersicht). Ein- und Ausschlusskriterien für eine GesichtstransÂ� plantation bei Erwachsenen 4 Einschlusskriterien – Totale Zerstörung des M.€orbicularis occuli beidseits oder des Orbicularis-oris-Muskels – Evaluation durch ein Expertenkommittee – Psychiatrische Evaluation – Bestehende Krankenversicherung
4 Ausschlusskriterien – – – –
Instabile psychische Gesamtsituation des Patienten Unmittelbare Rekonstruktion nach dem Trauma Abhängigkeiten (z.€B. Drogen etc.) Malignom
Insbesondere ist beim geplanten Gewebetransfer der mögliche Nut zen für den Patienten, d.€h. die Funktion des transplantierten Gewe bes, gegen die evidenten Nebenwirkungen der lebenslang notwen digen Immunsuppression abzuwägen. Neben den akuten Nebenwir kungen der Immunsuppression wie arterieller Hypertonus ist v.€a. auch die mögliche Entwicklung von Tumoren im Langzeitverlauf zu diskutieren. Diese Komplikationen der Immunsuppression und die nötige Compliance seitens des Patienten stehen dem funktionellen Ergebnis der transplantierten Gewebe gegenüber. 28.2.2 Operationsprinzipien
(Teil)gesichtstransplantation Die Arbeitsgruppe aus Lyon beschreibt, dass das Spenderteilgesicht an den beiden Aa.€faciales gestielt entnommen wurde. Alle perio ralen Muskeln, ebenso wie die Ala- und der Triangularknorpel der Nase, wurden eingeschlossen zusammen mit dem anterioren Teil des Nasenseptums sowie den Nn.€infraorbitales und mentales beidseits. Gleichzeitig erfolgte die Hebung eines konventionellen Radiallap pens des Spenders, der als vaskularisiertes Monitortransplantat zur Vermeidung von Hautbiopsien am Gesichtstransplantat an die Emp fängergefäße in der Achselhöhle angeschlossen wurde. Die Trans plantatperfusion erfolgte mit 500€ml Institut-Georges-Lopez- Lö
. Abb. 28.1╇ Interdisziplinäres und transprofessionelles Behandlungsteam bei der Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA)
sung (ILG-1-Lösung) bei 4°C. Die Empfängerin wurde tracheoto miert, und die Empfängerstrukturen wurden nach ausgiebigem Débridement vorbereitet. Die weiteren Operationsschritte waren: 4 Anastomose der rechtsseitigen A.€facialis End-zu-End mit 10-0 Prolene. 4 Anastomose der rechtseitigen V.€facialis End-zu-End mit 9-0 Prolene. 4 Zirkumferenzieller Verschluss der Mundhöhle mit 4-0 Vicrylein zelknopfnähten. 4 Nervenrekonstruktion der Nn.€mentales und infrarobitales mit 9-0 Prolene. 4 Ergänzende Anastomosen der linksseitigen A.€und V.€facialis End-zu-End mit 10-0 Prolene. 4 Schichtweise Naht der Gesichtsmuskulatur. 4 Terminoterminale Koaptation an den linken R.€mandibularis n.€facialis. 4 Nasenrekonstruktion. Der Sentinelradialislappen wurde als Monitorinsel in die linke Sub mammärfalte transferiert und End-zu-End an die A.€und V.€thora codorsalis mit 9-0 Prolene anastomosiert, um Hautbiopsien im transferierten Teilgesicht zu vermeiden.
Hand-/Unterarmtransplantation Ideale Indikationen für die Hand- bzw. Unterarmtransplantation sind beidseitige Guillotine-artige Verletzungsmuster in Hand gelenkshöhe bzw. am distalen Unterarm. Jedoch ist dieses Verlet zungsmuster selten, sodass häufiger proximalere AmputaÂ�tionsÂ�ver letzunÂ�gen nach Explosion, Starkstrom oder Avulsion anzutreffen sind.
28
238
Kapitel 28 · Plastische Chirurgie nach OrganÂ�transplantation – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA)
> An dieser Stelle ist zu betonen, dass es sich nicht um eine Akutoperation handelt, sondern dass derzeit die Spenderund Empfängerauswahl über einen mehrwöchigen oder -monatigen Zeitraum in hochspezialisierten Einzelzentren angeboten wird. Erst bei Erfüllen aller Kritieren eines im Transplantationszentrum festgelegten Protokolls sollte die Entscheidung für eine Composite-Tissue-Allotransplantation getroffen werden.
28
Operativ empfiehlt sich das Arbeiten mit mindestens 2€Operations teams pro Extremität mit einem Entnahmeteam und einem Empfän gerteam. Im Falle einer beidseitigen Hand-/Unterarmtransplanta tion sind entsprechend 2€Entnahme- und 2€Empfängerteams emp fehlenswert. Das Entnahmeteam achtet auf eine möglichst umfas sende Gewebeentnahme mit langen neurovaskulären Stielen. Die Blutleere ist empfehlenswert für optimale Sichtbedingungen bei der Entnahme und beim Empfänger. Die Schnittführung beim Empfänger soll die neurovaskuläre Präparation erleichtern, jedoch nicht direkt über Nerven oder Gefäßen platziert werden, da Schwellung den primären Wundver schluss verhindern kann und ggf. durch Z-Plastiken oder den freien Gewebetransfer in der Folge geschlossen werden müssen. So hat sich eine von Empfänger (dorsal) zu Spender (mittseitlich) um 90° ver setzte Hautinzision wegen der guten präparatorischen Übersicht und otimalen Abdeckung der genähten Strukturen bewährt. Die Dissektion beginnt subkutan mit Vorpräparation bis zum Knochen. Dabei erfolgt das eindeutige Markieren der identifizierten anatomischen Strukturen beim Empfänger. Nach Präparation aller Empfängerstrukturen erfolgt nach Beenden der Blutleere die subtile Blutstillung beim Empfängerstumpf wie auch beim Spendergewebe. Nach vollständiger Präparation und Blutstillung erfolgt die Perfu sion mit 500€ml University-of-Wisconsin-Lösung (UW-Lösung) über die A.€brachialis. In der folgenden Sequenz erfolgt dann die Transplantation der Hand bzw. des Unterarms: 4 Osteosynthese des Knochens. 4 Gefäßanastomosen der Hauptarterie (A.€radialis oder A.€ulna ris) und zweier Hauptvenen (V.€cephalica) unter dem Mikros kop, um eine möglichst kurze Gesamtischämiezeit zu erzielen. 4 Muskel-Sehnen-Naht. 4 Komplettierung der Gefäßanastomosen mit mindestens 1–2€tie fen Venen nach Optimierung der Gefäßlänge und Vermeidung von Kinking. 4 Nervenrekonstruktion unter dem Mikroskop: 5 N.€medianus, 5 N.€ulnaris, 5 N.€radialis bzw. R. superficialis N.€radii. 4 Hautverschluss mit Z-Plastiken nach subtiler Blutstillung. 28.2.3 Komplikationen Während der ersten 8–20€Monate nach Handtransplantation sind neben Abstoßungsreaktionen folgende Komplikationen berichtet worden: 4 insulinpflichtiger Diabetes mellitus, 4 Cushing-Syndrom, 4 CMV-Kolitis, 4 Herpesinfektion der Haut, 4 kutane Mykosen.
Diese Komplikationen konnten durch eine reduzierte Immunsup pression verringert werden. Auf die notwendige Immunsuppression und die Abstoßungsreaktion wird im Folgenden eingegangen.
Immunsuppression Von wesentlicher Bedeutung für die Transplantatfunktion hat sich bei der Gewebeallotransplantation die kontinuierliche Immunsup pression erwiesen. Insbesondere die gewissenhafte Einnahme der Immunsuppression ist entscheidend für den Langzeiterfolg. Alle bis her beschriebenen Transplantatverluste sind auf die Unterbrechung der Immunsuppression zurückzuführen. In China haben nur 27% der Transplantate überlebt, da dort der Zugang zu einer dauerhaften qualifizierten Immunsuppression nicht gegeben ist. Eine Übersicht gibt .€Tab.€28.1. > Das ultimative Ziel der Immunsuppression ist die effektive Verhinderung der Abstoßungsreaktion bei Minimierung der toxischen Nebenwirkungen der eingesetzten Immunsuppressiva.
Sowohl die Unterdosierung der Immunsuppressiva mit konsekutiver Abstoßungsreaktion wie auch die Überdosierung mit konsekutiven Infektionen und Toxizität oder auch Tumorinduktion im Langzeit verlauf ist problematisch und bedarf eines genauen Monitorings, z.€T. über BlutÂ�serumspiegel der eingesetzten Substanzen. ! Cave Für nierentransplantierte Patienten wurde das Risiko für die Entwicklung einer lymphoproliferativen Erkrankung mit 2–10% angegeben (First u. Peddi 1998).
Eine Kalkulation basierend auf einem 200.000 Nierentransplanta tionen umfassenden Register ergab folgende Risiken innerhalb von 5€Jahren nach Transplantation (Baumeister et al. 2004): 4 3% Risiko für die Entwicklung jedweden Tumors, 4 1,1% Risiko für die Entwicklung von Hautkrebs, 4 0,58% Risiko für die Entwicklung eines Lymphoms. Generell unterscheidet man unterschiedliche Phasen der Immun-
therapie:
4 Induktionstherapie, 4 Erhaltungstherapie, 4 Akute Abstoßungstherapie.
Induktionstherapie.╇ Während der Induktionstherapie ist es das Ziel, eine sofortige und profunde Immunsuppression für ca. 2€Wo chen postoperativ zu erzielen, um das Risiko einer sofortigen Absto ßungsreaktion (7–14€Tage nach Transplantation) zu minimieren. Die 4€am häufigsten für die Induktionstherapie verwendeten Subs tanzen sind: 4 Polyklonale Anti-Thymozytenglobuline (ATG), 4 Anti-Interleukin-2-Rezeptor-monoklonale Antikörper: 5 Daclizumbab, 5 Basiliximab, 4 Campath-1H, 4 Anti-CD3-monoklonale Antikörper.
Der Transfer von Knochenmark zur Induktionstherapie konnte im Tierexperiment Toleranz über Mikrochimerismus induzieren, je doch stehen klinische Erfahrungen derzeit noch aus. Erhaltungstherapie.╇ Die Erhaltungstherapie soll die Fähigkeit
des Immunsystems reduzieren, das transplantierte Gewebe zu at tackieren.
239
28.2 · Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) in der plastischen Chirurgie
. Tab. 28.1╇ Immunsuppressionsschema und Komplikationen bei ausgewählten Composite-Tissue-Allotransplantationen
Composite-Tissue- allotransplantation
Patienten (n)
Immunsuppression
Abstoßung (n)
Andere Kom� plikationen
Resultate
Nerven
7
CicA/FK506+Aza+Steroid
1
0
Sensible Erholung 6€Mo� nate, motorische Erholung 3€Monate
Beugesehnen
2
CicA 6€Monate
0
0
Exzellente aktive und passive Beweglichkeit
Knie
6
ATG+CicA/FK506+Aza+Steroid
5
Infektion
Transplantatverlust (n=5)
Skelettmuskulatur
1
ATG+CicA+Steroid
1
0
Einwandfrei nach 1€Jahr
Larynx
1
Anti€CD3+CicA+MMF+Steroide
1
Pneumocystis-cariniiBronchitis
Gute Funktion nach 7€Jahren
Hand
18
ATG/Basiliximab+FK506+ MMF+Steroide
12
CMV Infektion (n=2) Herpes simplex (n=1) Kutane Mykosen (n=1)
90% »return to work«, 63% verbesserte Lebensqualität
Zunge
1
–
0
0
Gute Funktion nach 8€Monaten
Penis
1
Daclizumab, CicA+MMF+ Steroide
0
Psychologische Probleme führen zur Penisamputation an Tag€14 nach Tx
Amputation an Tag€14
Gesicht
1
Thymoglobulin, FK506+MMF+Steroide
2
0
Sensible Erholung 6€Monate, motorische Erholung 10€Monate
Bauchwand
9
Altentuzumab+FK506+MMF+ Steroide
3
Primäre Nichtfunktion, Sepsis
5€Todesfälle, 4€lebend
ATG=Antithymozytenglobulin, AZA=Azathioprin, CicA=Ciclosporin€A, FK506=Tacrolimus, MMF=Mycophenolatmofetil.
Die typische Kombinationserhaltungstherapie bei Gesichtsoder Handtransplantationen beinhaltet: 4 Tacrolimus (FK€506), 4 Mycophenolatmofetil (MMF), 4 Kortikosteroide. Interessanterweise gibt es neben der systemischen Applikation, z.€B. bei Tacrolimus (FK€506), die Möglichkeit, topisch als Salbe das Immunsuppressivum aufzutragen. Dies wurde auch klinisch bereits sowohl bei Teilgesichts- als auch Handtransplantationen erfolgreich angewendet. Akute Abstoßungstherapie.╇ Die akute Abstoßung ist bei Compo
site-Transplantaten aufgrund der exponierten Hautkomponente sehr gut zu erkennen. Histologisch ähnelt die akute Abstoßung dem Bild einer atopischen Dermatitis. Die akute Abstoßungstherapie be inhaltet in erster Linie Hochdosiskortikosteroide. Sollten diese ver sagen, so können die zur Induktionstherapie verwendeten mono klonalen und polyklonalen Antikörper verwendet werden. Auch die Hochdosis-Tacrolimus- und -Sirolimus- (Rapamycin-) Anwendung ist in diesem Zusammenhang beschrieben. Bei Hand- und Gesichts transplantationen konnten auch erfolgreich topisch Kortikosteroide und topisches Tacrolimus eingesetzt werden (Jiang et al. 2005). In der .€Übersicht wird die Wirkungsweise der aktuell gebräuch lichen Immunsuppressiva aufgelistet (Whitaker et al. 2008).
Wirkungsweise der aktuell gebräuchlichen ImmunÂ� suppressiva 4 Steroide – Hemmen NF-κB-Aktivierung sowie die Zytokinproduktion – Intrazelluläre Wirkung an DNS 4 OKT3 – Blockiert T-Zellantigenrezeptor und senkt die T-Zellzahl 4 ATG – Bindet an viele Zelloberflächenantigene und reduziert die T-Zellzahl 4 Tacrolimus – Blockiert die Produktion von Interleukin-2 – Einführung 1992 als Makrolidantibiotikum von Streptomyces tsukabaensis – In vitro 100-fach potenter als Ciclosporin – Möglicherweise günstig für die Nervenregeneration über Neuroimmunophilinliganden (Gold 1997; Bain 2000) – Topische Anwendung möglich – Potenziell neuro- und nephrotoxisch sowie diabetogen 4 Basiliximab/Daclizumab – Blockiert die Bindung von Interleukin-2 an den InterÂ� leukin-2-Rezeptor 4 Sirolimus – Blockiert die Interleukin-2-Signaltransduktion in T-Zellen 6
28
240
Kapitel 28 · Plastische Chirurgie nach OrganÂ�transplantation – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA)
4 Mycophenolatmofetil (MMF) – Verhindert die T-Zellproliferation und Differenzierung – Einführung 1995 – Gastrointestinale Nebenwirkungen bis zu 60% – Leukopenie bis zu 40%
28
Funktionelles Ergebnis Das erzielbare funktionelle Ergebnis ist von entscheidender Bedeu tung insbesondere bei der Composite-Tissue-Allotransplantation. > Bedenkt man die potenziellen Risiken der Akut- und Langzeiteinnahme der Immunsuppressiva sowie die psycho� soziale Belastung beispielsweise einer Teilgesichtstransplantation, so muss dies mit dem funktionellen Ergebnis aufgewogen werden.
Daten aus dem 2.€Report der International Registry of Hand and Composite Tissue Transplantation für 24€Hand- und Unterarm transplantationen zeigten bei allen Patienten eine Schutzsensibilität und bei 17€von 18€Patienten auch eine 2-Punkte-Diskrimination. Das Nagel- und Haarwachstum wie auch die Hautfarbe und Textur erscheinen normal. Die extrinsische und intrinsische Muskelaktivi tät erlaubte es den transplantierten Patienten, an fast allen Aktivitä ten des täglichen Lebens teilzunehmen wie z.€B. Essen, Autofahren, Rasieren, Rad- oder Motorradfahren. 90% der transplantierten Pati enten konnten auch ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Die funktio nelle Kernspintomographie kann nachweisen, dass nach bilateraler Handtransplantation die defizitäre kortikale Reorganisation einer Amputationsverletzung reversibel wird (Giraux et al. 2001). 28.2.4 Psychosoziale Implikationen Die Allotransplantation von Geweben wie der Hand oder des Teil gesichts geht mit nicht unerheblichen psychosozialen Belastungen
einher. Die eingangs zitierte Penistransplantation in China wurde 14€Tage nach technisch erfolgreicher Transplantation wegen schwer wiegender psychosozialer Probleme des Empfängers und seiner Frau im Sinne einer Penisamputation beendet. Die französische Patientin nach Teilgesichtstransplantation war nach 18€Monaten sehr zufrieden. Die Eingangsuntersuchung für die Evaluation der Patientin beinhaltete u.€a. die Konsultation dreier Psychiater inklusive einer Psychiaterin, die die Patientin schon vorab längerfristig betreut hatte. Gegen Ende der 12.€postoperativen Wo che war die Patientin bereit, sich der Welt zu stellen und ohne Angst im Freien spazieren zu gehen. Nach der im Juli 2008 in München durchgeführten bilateralen Oberarmtransplantation eines 54-jährigen beidseitig nach einem Landmaschinenunfall oberarmamputierten Patienten erklärte der Leiter des Transplantationsteams Christoph Höhnke: »Berührt hat mich der Moment, als seine Frau nach der Operation auf ihn zukam. Sie nahm spontan die Hände des Patienten und sagte: ›Die sehen ja aus wie deine früher‹.« Auch der Patient selbst sei zufrieden. »Er ist glücklich, aber nicht euphorisch,« sagt die betreuende Psychologin Sibylle Storkebaum. Schließlich wisse er, was noch alles auf ihn zu kommen kann« Der beidseitig in Innsbruck handtransplantierte Theo Kelz be richtet auf seiner Homepage: »Ich dachte im Oktober 1994 erstmals daran, mir Hände eines Verstorbenen verpflanzen zu lassen. Ich schrieb alle Universitätskliniken in Österreich an, bekam aber durch wegs ablehnende Antworten. Die Ärzte teilten mir mit, dass sie noch nicht über die notwendigen medizinischen Erfahrungen verfügten; einige rieten mir von dieser Operation ab. Ich blieb unbeirrt, ein Leben mit richtigen Händen wollte ich wieder führen. Lediglich der Innsbrucker Chirurg, Universitäts-Professor Dr. Raimund Marg reiter, machte mir Hoffnung. Und siehe da, am 7.€März 2000, also 6€Jahre danach, wachte ich in der Innsbrucker Universitätsklinik, 50€Stunden nach Operationsbeginn, mit 2€neuen Händen auf. Als ich dies realisierte, waren diese Hände sofort meine neuen Hände, und es wurden diese sowohl von meinen Geist, als auch von meinem Körper angenommen.«
. Abb. 28.2╇ Das »rekonstruktive Uhrwerk« mit dem integralen Bestandteil der Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA). (Nach Knobloch u. Vogt 2010)
28.2 · Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) in der plastischen Chirurgie
28.2.5 Perspektiven Plastische Chirurgen werden sich weltweit aufgrund der hohen Transplantatüberlebensraten, der Patientenakzeptanz und auch der immer positiveren Wahrnehmung in Fachkreisen zunehmend mit der Option der Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) befas sen. Die im jeweiligen Land gültigen gesetztlichen Bestimmungen werden einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Entwicklung die ser Operationsform nehmen. So ist die Frage, ob es sich bei der CTA um eine reine Gewebespende handelt oder um eine Organtransplan tation, nicht trivial (Knobloch et al. 2009). Hier ist die intensive Kommunikation mit den involvierten Partnern zwingend, um auch Rechtssicherheit für alle Beteiligten sicherzustellen angesichts bei spielsweise der Vorgaben des Gewebegesetzes bzw. des Transplanta tionsgesetzes. Wir glauben, dass die CTA für sehr ausgewählte Patienten, ggf. in Ergänzung zu weiteren rekonstruktiven Optionen, eine operative Möglichkeit der wiederherstellenden Chirurgie, der ureigensten Aufgabe unseres Fachgebietes, sein wird. Insofern sehen wir die Composite-Tissue-Allotransplantation auch nicht im starren Sche ma einer »rekonstruktiven Leiter« auf einer bestimmten Stufe, son dern integriert in ein »rekonstruktives Uhrwerk« mit allen moder nen Möglichkeiten der rekonstruktiven Chirurgie (.€Abb.€28.2).
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28
IV
Amputationen A. Jokuszies, K. Knobloch
Kapitel 29
Amputationen an der oberen Extremitätâ•… – 245 K. Knobloch
Kapitel 30
Amputationen an der unteren Extremitätâ•… – 253 A. Jokuszies
Trotz aller Fortschritte der plastischen und rekonstruktiven Chirurgie können Extremitäten nicht in allen Fällen ganz oder teilweise erhalten werden. Ziel bei einer unumgänglichen (Teil-)Amputation muss es sein, eine möglichst weit peripher gelegene Amputationsebene zu erzielen. Gleichzeitig sollte der Stumpf gut weichteilbedeckt, belastbar, mit einer protektiven Sensibilität ausgestattet und auf jeden Fall schmerzfrei sein. Für myoelektrische Versorgungen sollten antagonistische Muskelgruppen für die Ansteuerung vorhanden sein. An der unteren Extremität ist für eine gute prothetische Versorgbarkeit neben der Gestaltung einer entsprechenden Stumpflänge und adäquaten Weichteilbedeckung, idealerweise auch eine Endbelastbarkeit zu fordern. Eine qualitativ hochwertige Amputationschirurgie erfordert somit grundlegende Kenntnisse, v.â•›a. auch in der weichteilplastischen Stumpfbildung.
29
Amputationen an der oberen Extremität K. Knobloch
29.1
Operationszieleâ•… – 246
29.2
Standardisierte Operationstechnikâ•… – 246
29.3
Fingerendgliedamputationâ•… – 246
29.4
Langfingeramputationen proximal des distalen Interphalangealgelenks (DIP)â•… – 247
29.5
Mittelhandstrahlamputationâ•… – 247
29.6
Handgelenksexartikulationâ•… – 248
29.7
Krukenberg-Operationâ•… – 248
29.8
Typische Folgeeingriffe bzw. Komplikationen nach Amputationenâ•… – 248
29.9
Postoperatives Managementâ•… – 249
29.9.1
Kortikale Reorganisation nach Amputationenâ•… – 249
29.10
Minderung der Erwerbstätigkeitâ•… – 249
29.11
Prothetische Versorgungâ•… – 249
29.11.1 29.11.2 29.11.3 29.11.4 29.11.5
Kurzer Abriss über die Geschichte â•… – 249 Prothesenklassifikationâ•… – 249 Handgelenkexartikulationâ•… – 250 Unterarmprothesenâ•… – 250 Oberarmamputationâ•… – 250
29.12
Psychologische Aspekteâ•… – 251
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
246
29
Kapitel 29 · Amputationen an der oberen Extremität
Amputationen an der oberen Extremität sind 10- bis 20-mal seltener als an der unteren Extremität. Sie können in ca. 75% Folge eines schweren Traumas sein, seltene Ursachen sind arterosklerotische Minderperfusion, kongenitale Deformität oder maligne Tumorerkrankung. Die funktionelle Rehabilitation ist das oberste Ziel. Für den Chirurgen ist es von äußerster Wichtigkeit, die berufliche, soÂ� ziale und persönliche Situation des Patienten zu kennen, um eine individuelle Lösung zu finden. Historisch sei an Götz von Berlichingen erinnert, dessen rechte Hand mit 23€Jahren von einer Kugel zerschmettert wurde. Seine Trauer über den Verlust seiner Hand dauerte kaum bis zur Wundheilung. Er ersann sich eine eiserne Hand, und verschaffte sich damit Respekt wie ehedem. > Die Aufgabe, die Amputationshöhe möglichst peripher zu wählen und trotzdem einen Stumpf zu schaffen, der schmerzÂ�frei funktionell brauchbar und im günstigsten Fall prothetisch versorgbar ist, gehört zur hohen Schule der Chirurgie (Baumgartner).
29.1
Operationsziele
Amputationsverletzungen der Finger und des Daumens müssen imÂ� mer auf ihre Replantierbarkeit und die Möglichkeit komplexer Rekonstruktionen überprüft werden. Komplette Daumenverluste sollten möglichst frühzeitig durch Ersatzverfahren rekonstruiert werden. Vor allem bei Amputationen proximal des Handgelenks gilt es, eine maximale Länge zu erhalten. Die Funktion und Nutzbarkeit einer prothetiÂ� schen Versorgung stehen in unmittelbarer Beziehung zur StumpfÂ� länge,€insbesondere bei Erhalt des Ellbogengelenks (.€Abb.€29.1).
. Abb. 29.1╇ Amputationshöhen an der oberen Extremität. (Aus: EichhornSens u. Vogt 2006)
Ziele der Amputationschirurgie an der oberen Extremität 4 4 4 4 4 4
Erhaltung einer funktionellen Länge Widerstandsfähiger Weichteilverschluss Erhaltung einer nutzbaren Sensibilität Prävention von symptomatischen Neuromen Prävention von Gelenkkontrakturen Kurze Morbidität, kurze Ausfallzeit, schnelle Rehabilitation mit Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess 4 Schnelle prothetische Versorgung, wo es angebracht erscheint
4 4 4 4
29.2
Standardisierte Operationstechnik
Der Hauptbestandteil der Amputationschirurgie an der oberen Extremität ist ein langer palmarer bzw. proximal des Ellbogens dorsaler Weichteillappen, der das Stumpfende später abdecken kann. Wichtig ist der Längenerhalt. 4 Simultane Inzisionen von Haut und Subkutangewebe werden an beiden Lappen entsprechend der Linien durchgeführt, die mit einem Hautstift aufgezeichnet sind. Vorbestehende Narben sind zu exzidieren. 4 Präparation des dorsalen Lappens: Eine quere Durchtrennung der dorsalen Muskeln erfolgt bis auf den Knochen und die Membrana interossea. 4 Das Periost wird über 5€mm nach distal abgeschoben. 4 Die oszillierende Säge durchtrennt den (die) Knochen in einer queren Ebene. Bei einer Exartikulation wird die Gelenkkapsel
4 4 4
von dorsal nach distal eröffnet und Kapsel sowie Bänder anschließend unter Zug durchtrennt. Der distale Teil wird 90° abgewinkelt und in Längsrichtung gezogen. Der palmare Lappen wird entsprechend der zuvor angelegten Hautinzision geschnitten. Nach Kontrolle der Vitalität des Gewebes wird die Länge des Lappens kontrolliert. Die Darstellung, Präparation und Durchtrennung der größeren Nerven erfolgt 3–5€cm proximal des knöchernen Stumpfendes scharf ohne Ligatur. Es werden keine Nervenenden oberflächlich belassen, denn sie könnten in der Narbe unter Druck geraten und NeuromschmerÂ� zen auslösen. Ablassen einer evtl. Blutsperre, Hämostase und Drainage. Wundverschluss durch Einzelknopfnähte der oberflächlichen Muskelfaszie und subkutane Einzelknopfnähte der Haut. Hochlagern der Extremität. Eine Schulterabduktionsschiene kann von Nutzen sein.
29.3
Fingerendgliedamputation
Obwohl die Amputation der Fingerspitze die häufigste Amputation an der oberen Extremität ist, wird ihre genaue Technik kontrovers diskutiert. Am Daumen gilt die Übereinkunft, diesen möglichst immer zu erhalten bzw. zu replantieren, für die Langfingerendglieder gilt dies nicht. Auch die mikrovaskuläre Replantation von FingerÂ� endgliedern ist beschrieben. Derzeit gibt es keine allgemeingültigen
247
29.5 · Mittelhandstrahlamputation
Aussagen, sodass der Chirurg unter Zusammenschau des Verletzungsmusters, des Alters und des Berufs des Patienten, der notwendigen Rehabilitationszeit und der Wiedereingliederung in den Beruf die Entscheidung für oder gegen den Erhalt eines Fingerendglieds treffen wird. Unserer Meinung nach ist ein schnell funktionsfähiger Stumpf günstiger als ein mehrfach revidiertes funktionsbehinderndes Fingerendglied. Folgende lokale Lappenplastiken können bei Fingerendgliedamputationen mit freiliegendem Knochen zur Weichteildeckung herangezogen werden: 4 volarer Atasoy-Kleinert VY-Lappen (Atasoy et al. 1970), 4 lateraler Kutler-VY-Lappen (Kutler 1944), 4 volarer Verlagerungslappen von Keim u. Grantham (1969), 4 Cross-Finger-Lappenplastik (Gurdin u. Pangman 1950).
a
Liegt bei ganz distalen Kuppenamputationen kein Knochen frei, kann auch ein Folienokklusivverband, der für mindestens 7€Tagen€ belassen und dann erneuert wird, exzellente Ergebnisse erÂ� zielen. Kritische Punkte bei Fingerendgliedverletzungen 4 Folgeschäden wie Kälteintoleranz und sensible AberratioÂ� nen scheinen nicht die Folge der Therapie, sondern der Verletzung selbst zu sein und treten bei Replantation und Stumpfversorgung auf. 4 Hautlappen erscheinen angezeigt bei reduzierter bzw. aufgehobener Sensibilität, Kälteintoleranz und anderen sensorischen Veränderungen. 4 Neben lokalen Hautlappenplastiken kann bei geeigneter Indikation (Kuppenamputation ohne freiliegenden Knochen) auch eine sekundäre Heilung mittels Folienokklusivverband exzellente Ergebnisse liefern.
b
Ein Beispiel einer Fingerendgliedamputation ist in .€Abb.€29.2 gezeigt. 29.4
Langfingeramputationen proximal des distalen Interphalangealgelenks (DIP)
4 Amputationen durch das Fingerendgelenk sollten mit knö�4
4 4 4
cherÂ�ner Kürzung und spannungsfreiem Primärverschluss erÂ� folgen. Bei Amputationen der Mittelphalanx sollte ebenfalls die knöcherne Kürzung mit Primärverschluss angestrebt werden ohne Spannung beim Weichteilverschluss. Wenn immer möglich, sollte die Insertion der oberflächlichen Beugesehne erhalten werden. Amputationen im proximalen Interphalangealgelenk (PIP) sollten wie Amputationen im DIP mit knöcherner Kürzung und spannungsfreiem Primärverschluss versorgt werden. Amputationen der Grundphalanx in der Nähe des PIP können eine gewisse Greiffunktion ermöglichen. Bei Amputationshöhe nahe dem Metatarsophalangealgelenk (MP-Gelenk) ist die Strahlresektion indiziert.
Ein Beispiel ist in .€Abb.€29.3 gezeigt.
c . Abb. 29.2a–c╇ Nekrose der Fingerendglieder eines 3-jährigen Kindes nach intraarterieller Fehlinjektion. Nach erfolgter Grenzzonendemarkation (a) Amputation der Endglieder (b). Stumpfbedeckung durch Adaptation der fischmaulförmigen Hautläppchen bei größtmöglichem Längenerhalt der Stümpfe (c). (Aus: Eichhorn-Sens u. Vogt 2006)
29.5
Mittelhandstrahlamputation
4 Am häufigsten als elektive Operation nach schwerer funktionell einschränkender Verletzung bzw. Infektion durchgeführt.
4 Typischerweise indiziert bei Ringfingeravulsionsverletzung. 4 Bei Mittelhandstrahlamputationen sollte ein ausreichender Hautmantel verbleiben zur Deckung der Kommissur.
4 Bei Amputationen des 5.€Mittelhandstrahls muss die Basis des
5.€Mittelhandstrahls wegen der Insertion der Mm.€flexor und extensor carpi ulnaris erhalten werden.
29
248
Kapitel 29 · Amputationen an der oberen Extremität
. Tab. 29.1╇ Stumpfqualitäten an Handgelenk und Unterarm. (Nach Baumgartner u. Botta 1997)
29 a
Amputation Mitte des Unterarms
Exartikulation des Handgelenks
Hebelarm [%]
50
100
Pronation [%]
30
100
Supination [%]
30
100
Form
Zylindrisch, konisch
Birnenförmig
Distale Wachstumsfugen
Nicht erhalten
Bleiben erhalten
Prothesenschaft
Auf Ellbogen übergreifend
Beschränkt auf den Unterarm
Krukenberg-Plastik
Nicht möglich
Möglich
29.7
1917 stellte Krukenberg die Bildung eines sensiblen Unterarmstumpfes mit einem radialen und einem ulnaren Strahl vor. Dieses angesichts myoelektrischer Prothesen nicht mehr gebräuchliche Verfahren wird deshalb erwähnt, weil es immer noch ein ingeniöses und sehr brauchbares Verfahren darstellt (.€Tab.€29.1). Gerade in Entwicklungsländern hat diese Maßnahme Bedeutung, da hier oft keine kostspielige prothetische Versorgung erfolgen kann (Garst 1991). Gesteuert werden die beiden Unterarmstrahlen im Wesentlichen über den M.€pronator teres. Die Krukenberg-Operation wurde klassischerweise bei blinden und beidseitig unterarmamputierten PaÂ� tienten vorgenommen, wenn die Ellbogenfunktion gut erhalten ist. Wenn eine Ellbogenkontraktur in Beugestellung von >70° besteht, sollte die Krukenberg-Operation nicht durchgeführt werden. Es wird eine Unterarmstumpflänge von 12–15€cm empfohlen. Die Unterarmmuskulatur wird bis auf die Mm.€pronator teres, flexor carpi ulnaris, brachioradialis und supinator entfernt.
b
29.8 c . Abb. 29.3a–c╇ Walzenquetschverletzung der linken Hand eines 10-jährigen Jungen. Amputation im proximalen Interphalangealgelenk (PIP-Gelenk) des Kleinfingers, langstreckige Décollement-Verletzung des Mittelfingers. Eine Replantation des zerstörten Amputates war nicht möglich. Erhalt des Mittelfingers und Stumpfbedeckung des Kleinfingers zum Längenerhalt durch Leistenlappen (b). Trennung des Leistenlappens nach 3€Wochen mit anschließender Modellierung. Ergebnis 5€Monate nach dem Unfallereignis (c). (Aus: Eichhorn-Sens u. Vogt 2006)
29.6
Krukenberg-Operation
4 Wundinfekt: 5 Behandlung durch frühzeitiges Débridement der Wunde und 4 4 4
Handgelenkexartikulation
Bei der Handgelenksexartikulation sollte das distale radioulnare Gelenk erhalten werden, damit die Unterarmpro- und -supination erhalten wird. Nachteilig bei der Handgelenksexartikulation sind die prominenten Knochenenden mit der schwierigeren prothetischen Versorgung bei dieser Amputationshöhe.
Typische Folgeeingriffe bzw. Komplikationen nach Amputationen
4
serielle Operationen mit Wundlavage und ggf. Vakuumversiegelung. Nachblutung. Verbesserungen des Weichteilmantels: Nach Abschwellung und infektfreier Wundheilung. Phantomgefühl: Chirurgische Maßnahmen führen für gewöhnlich nicht zum Erfolg. Vielmehr ist die enge Anbindung an ein Schmerzzentrum mit Gabe von modulierenden Substanzen wie Gabapentin (Neurontin, Aufdosierung bis 2400€mg/Tag) oder Carbamazepin (Tegretal) notwendig. Amputationsneurom: Bei anhaltenden Beschwerden operative Freilegung mit scharfer Durchtrennung des Nervs proximal und ggf. Verlagerung des Nervenendes in einen weichteilgeschützten tieferen Bereich oder nahe liegenden Knochen.
249
29.11 · Prothetische Versorgung
29.9
Postoperatives Management
29.11.2
Prothesenklassifikation
Die Nachbehandlung nach der Amputation beginnt mit der Bandagierung des Stumpfes zur Stumpfformung. Die initiale FrühproÂ� thesenversorgung folgt ab der 2.€postoperativen Woche bzw. nach Abschluss der Wundheilung und Abschwellung. Diese Frühprothesen sind mit volumenanpassbaren Luftkammern ausgestattet. Im weiteren Verlauf wird auf individuell anzupassende Prothesenschäfte übergegangen.
Eine heute übliche frühzeitige prothetische Versorgung mit Interimsprothesen frühzeitig nach stattgehabter Amputation weist folgende positive Effekte auf: 4 Verbesserung der Wundheilung, 4 Ödemkontrolle, 4 Frühe Formung des Amputationsstumpfes, 4 Frühe Funktion und Reintegration in den Alltag.
29.9.1
> Patienten, die innerhalb der ersten 30€Tage nach der Amputation mit einer Interimsprothese versorgt wurden, tragen 3-mal wahrscheinlicher über lange Zeit ihre Prothese.
Kortikale Reorganisation nach Amputationen
Die jüngste Forschung konnte nachweisen, dass die funktionelle kortikale plastische Reorganisation unabhängig vom Typ der Amputation schon frühzeitig stattfindet und schon innerhalb von 10€Tagen postoperativ nachweisbar sein kann (Jebson u. Louis 2005). 29.10
Minderung der Erwerbstätigkeit
Amputationen an der oberen Extremität als Traumafolge kommen häufig nach Berufsunfällen vor und unterliegen daher dem Durchgangsarztverfahren mit entsprechenden Implikationen für die finanzielle Entschädigung, wie sie beispielhaft .€Tab.€29.2 entnommen werden kann. 29.11
Prothetische Versorgung
29.11.1
Kurzer Abriss über die Geschichte
Den erstverbürgten Hinweis finden wir im II.€Punischen Krieg, der von 218–201€v.€Chr. dauerte, bei dem der Römer Marcus Sergius seine rechte Hand verlor. Er ließ sich eine eiserne Hand anfertigen, kämpfte weiter und siegte nach der Überlieferung. Im Mittelalter wurde die eiserne Hand des Götz v.€Berlichingen bekannt. Er verlor seine rechte Hand im Jahr 1504. In der Folgezeit nach der Verwundung und Genesung wurde die Ersatzhand zwischen 1504 und 1510 gebaut und hatte ein Gewicht von 600€g.
Die Einteilung von Prothesentypen erfolgt nach 4 Leistungskriterien, 4 Konstruktionsmerkmalen, 4 Kraftquellen. Die menschliche Hand kann folgende Griffformen ausführen: 4 Zylindergriff, 4 Spitzgriff, 4 Koffergriff, 4 Dreipunktegriff. Diese können auch durch eine Prothesenhand bzw. einen Greifhaken ausgeführt werden. 4 Kugel- und 4 Schlüsselgriff dagegen können nur von der menschlichen Hand und derzeit nicht mit einer Prothese imitiert werden.
Kosmetische Prothesen Es handelt sich um passive Prothesen. Mit ihnen wird nur das äußere Erscheinungsbild wiederhergestellt, denn manche Patienten verzichten bewusst auf aktive Funktionen einer Armprothese und geben dem kosmetischen Ausgleich des fehlenden Gliedmaßenabschnittes den Vorrang. In diesem Fall werden jedoch an die Prothese hohe Ansprüche in Bezug auf Gestaltung, Aussehen, Tragekomfort und Gewicht gestellt. Außerdem wird eine unkomplizierte Handhabung erwartet.
. Tab. 29.2╇ Bewertung der Grad der Behinderung/Minderung der Erwerbstätigkeit bei Gliedmaßenverlust. (Nach Mollowitz 1998)
GdB/MdE, gesetzliche Unfallversicherung (BG)
GdB/MdE, soziales Entschädigungsrecht (Versorgungsamt)
Sehr kurzer Oberarmstumpf
80
80
65
Verlust Mitte Oberarm
70
70
65
Verlust im Ellbogengelenk
70
70
Verlust des mittleren Unterarms bei frei beweglichem Ellbogengelenk
60
50
60
Verlust der Hand
60
50
55
Verlust aller Finger einer Hand
50
50
Verlust des Arms im Schultergelenk
Invaliditätsgrade (Privatversicherung) [%] 70
GdB=Grad der Behinderung, MdE=Minderung der Erwerbsfähigkeit.
29
250
Kapitel 29 · Amputationen an der oberen Extremität
Manche Patienten benutzen die Kunsthand ihrer Armprothese zeitweise als Beihand oder zum Tragen von Gegenständen. Grundsätzlich ist dieses Prothesensystem bei allen AmputationsÂ� höhen anwendbar. Besondere Bedeutung kann diese Versorgungsart bei hohen Absetzungen haben, wenn funktionelle Prothesen abgelehnt werden oder nicht erfolgreich einzusetzen sind. Ein Teilhandverlust wird mit einem kosmetischen Handschuh, der mit einer Innenhand ausgefüllt ist, versorgt. Dabei sollten Sensibilität und verbleibende Funktion der verletzten Hand nicht zu sehr beeinträchtigt werden.
29
Ellbogengelenk durch eine Zugbandage zu betätigen. Da Eigenkraft und Fremdkraft miteinander kombiniert werden, bezeichnet man dieses System als Hybridprothese. > Entscheidend ist es, dass alle Rehabilitationsmaßnahmen in interdisziplinärer Zusammenarbeit möglichst bald nach der Amputation beginnen. Die prothetische Frühversorgung hat günstigen Einfluss auf die Behandlung. Aufgabe der KranÂ�kengymnastik ist es, rechtzeitig mit BewegungsÂ�übunÂ� gen und Muskeltraining zu beginnen, während sich die Beschäftigungstherapie mit dem Prothesentraining befasst.
Zugbetätigte Prothesen Diese Eigenkraftprothesen nutzen eine indirekte Kraftquelle. Die Prothesenfunktionen werden durch die Bewegungen des Stumpfes bzw. des Schultergürtels über eine Kraftzugbandage ausgeführt. Zur Koordination der verschiedenen Funktionen bedarf es eines intensiven Lernprozesses des Patienten. Dieses Prothesensystem ist praktisch bei allen Stumpflängen, außer bei Amputationen im Handbereich, einzusetzen. Bei höheren Absetzungen, insbesondere im Schulterbereich, wird die Betätigung der Prothese schwieriger. Bei Unterarmprothesen betätigt die Kraftzugbandage nur das Greiforgan. Bei allen proximal des Ellbogengelenks gelegenen Absetzungen werden Handfunktion, Ellbogenbeugung und Ellbogensperrung über eine Dreizugbandage gesteuert. Ist die zugbetätigte Ellbogensperrung entbehrlich, reicht eine Zweizugbandage aus. Bei beidseitig Amputierten ist neben den Versorgungen mit diesem Prothesensystem auch die Kombination mit einer passiven oder mit einer myoelektrischen Prothese möglich. Der konsequenten Armschulung kommt bei den zugbetätigten Prothesen besondere Bedeutung zu. Der Patient lernt, die verschiedenen Bewegungen der Prothese gezielt zu kontrollieren und kann sogar ein gewisses Ausmaß an Rückmeldung erreichen.
Myoelektrische betriebene Armprothesen Es handelt sich um Fremdkraftprothesen. Die spezifischen Eigenschaften dieses Systems haben entscheidenden Einfluss auf die Armprothetik genommen. Nicht allein die technische Konstruktion ist maßgebend für das Versorgungsergebnis, von wesentlicher Bedeutung ist es, eine zuverlässige »Mensch-Maschine-Verbindung« zu erreichen. Damit ist gemeint, ob der Amputierte in der Lage ist, die Prothese in sein Körperschema zu integrieren. Zur myoelektrischen Steuerung werden elektrische Aktionspotenziale von der Stumpfmuskulatur für die Betätigung der Prothese genutzt. Diese Potenziale entstehen bei der Kontraktion eines Muskels und sind auf der Hautoberfläche im Mikrovoltbereich messbar. Sie werden von Elektroden abgenommen, verstärkt und als Steuersignale zu den Funktionselementen geleitet. Als Energiespender dient ein aufladbarer 6-Volt-Akkumulator bzw. für Kinderprothesen ein 4,8-Volt-Akkumulator, der im Prothesenschaft untergebracht ist und bei Bedarf vom Patienten gewechselt werden kann.
Hybridprothesen Myoelektrisch gesteuerte Armprothesen können bei allen Amputa-
tionshöhen proximal des Handgelenks eingesetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Patient die in Frage kommenden Muskelgruppen isoliert und ausreichend kräftig anspannen kann. Das gelingt bei den Antagonisten des Unterarms meist ohne Probleme recht schnell. Bei höheren Amputationen, insbesondere bei VerÂ� wendung einer Mehrkanalsteuerung, ist ein intensiveres Training notwendig. In diesen Fällen besteht auch die Möglichkeit, sich auf die myoelektrische Ansteuerung der Hand zu beschränken und das
29.11.3
Handgelenkexartikulation
Bei der Exartikulation im Handgelenk entsteht ein verhältnismäßig langer, distal verbreiterter Stumpf, der zur Prothesenhaftung gut geeignet ist. Auf kosmetische Korrekturen an den distalen Knochenenden sollte daher verzichtet werden. Für die Versorgung der Handgelenkexartikulation stehen kosmetische und funktionelle Prothesensysteme zur Verfügung.
Zugbetätigte Prothese Diese funktionelle Prothesenart, auch »aktiver Greifarm« genannt, ist für die Versorgung der Exartikulation im Handgelenk geeignet, insbesondere, wenn die Voraussetzungen für eine myoelektrisch gesteuerte Prothese nicht gegeben sind. Geringes Gewicht und Unabhängigkeit von einer Energiequelle, im Vergleich zu Fremdkraftprothesen, sind von Vorteil.
Myoelektrisch gesteuerte Prothesen Diese Fremdkraftprothese ist für die Versorgung von ExartikulaÂ� tionen im Handgelenk in vielen Fällen der Vorzug zu geben. Voraussetzung dafür ist, dass ausreichende Muskelaktionspotenziale zur Ansteuerung der Systemelektrohand vorhanden sind. Eine unterhalb des Ellbogengelenks endende Kontaktbettung reicht, bedingt durch die distale Verbreiterung des Stumpfes, zur sicheren Prothesenbefestigung aus und lässt eine unbehinderte Pro- und Supinationsbewegung zu. Die Elektroden sind in der Stumpfbettung elastisch aufgehängt. Der Außenschaft bildet die äußere Form, verkleidet Kabel und Elektroden und nimmt den Wechselakkumulator auf. Die Verbindung zur Systemelektrohand bzw. zum Elektrogreifer wird über einen im Schaft befestigten Eingussring hergestellt. 29.11.4
Unterarmprothesen
Bei einer Amputation am Unterarm werden Knochen und Weichteile möglichst wenig gekürzt, da jeder erhaltene Abschnitt von Vorteil für die Prothesenversorgung ist. Die Stumpflänge beeinflusst als Hebelarm die Prothesenführung und ist für das Ausmaß der Pro- und Supinationsbewegungen entscheidend. Für die Versorgung von Unterarmstümpfen unterschiedlicher Amputationshöhe stehen kosmetische und funktionelle Prothesensysteme zur Verfügung. Moderne Anwendungstechniken ermöglichen auch die Versorgung kurzer Stümpfe ohne Befestigung am Oberarm. 29.11.5
Oberarmamputation
Bei einer Amputation am Oberarm werden Knochen und Weichteile möglichst wenig gekürzt, da auch hier jeder erhaltende Abschnitt
29.12 · Psychologische Aspekte
für die Prothesenversorgung von Vorteil ist. Die Stumpflänge ist entscheidend für die Prothesenhaftung und beeinflusst als Hebelarm die Führung der Prothese. Wie bei den Unterarmprothesen stehen auch für die Versorgung von Oberarmstümpfen unterschiedlicher Amputationshöhen kosmetische und funktionelle Prothesensysteme zur Verfügung. Die dargestellten Prothesensysteme zeigen die unterschiedlichen Möglichkeiten für die Versorgung aller Amputationshöhen am Oberarm auf. Stumpflänge, Muskelfunktion usw. sowie die körperliche Leistungsfähigkeit des Patienten und seine Ansprüche an die Einsatzmöglichkeiten der Prothese sind für die Auswahl entscheidend. Die kosmetische Prothese hat zwar das geringste Gewicht, jedoch nur eine eingeschränkte passive Funktion. Sie wird meistens aus Modularbauteilen hergestellt. Bei der zugbetätigten Prothese ist für die Bewegung der Funktionselemente eine Dreizugbandage erforderlich. Bei der Hybridprothese werden Eigenkraft und Fremdkraft miteinander kombiniert. Das Ellbogengelenk wird über eine Schulterbandage betätigt und die Prothesenhand myoelektrisch gesteuert. Bei der myoelektrisch gesteuerten Prothese erfolgt die Ansteuerung der Funktionen (Greiforgan und Ellbogengelenk) über Muskelpotenziale, die von Elektroden abgenommen werden. Energiequelle ist ein 6-Volt-Wechselakkumulator. Oberarmprothesen bestehen i.€Allg. aus einer schulterumfassenden Kontaktbettung mit Bandage und dem Außenschaft aus Gießharz, der über das Ellbogengelenk die Verbindung zum distalen Bauabschnitt herstellt. 29.12
Psychologische Aspekte
Alle Patienten mit notwendiger Amputation sollten begleitend psychologisch oder psychiatrisch betreut werden. Flashbacks, postÂ� traumatisches Stresssyndrom und weitere psychologische Probleme können bei jeder Amputation auftreten und sollten entsprechend professionell behandelt werden. Männliches Geschlecht, Stumpfprobleme, manuell fordernde Aktivitäten, distale Amputationshöhe und Ringfingerprothesen sind Faktoren, die eine schlechte prothetische Compliance bedingen (Hopper et al. 2000).
Literatur Atasoy E, Ioakimidis E, Kasdan ML et al. (1970) Reconstruction of the amputated fingertip with a triangular volar flap. J Bone Joint Surg Am 52: 921–926 Baumgartner R, Botta P (1997) Amputation und Prothesenversorgung der oberen Extremität, 1. Aufl. Ferdinand Enke, Stuttgart Eichhorn-Sens J, Vogt PM (2006) Amputationen. In: Weinberg AM, Tscherne H (Hrsg) (2006) Tscherne Unfallchirurgie, Bd€3. Unfallchirurgie im Kindesalter. Springer, Berlin Heidelberg New York, S€969–990 Garst RJ (1991) The Krukenberg hand. J Bone Joint Surg Br 73: 385–388 Gurdin M, Pangman WJ (1950) The repair of surface defects of fingers by transdigital flaps. Plast Reconstr Surg 5: 368–371 Hopper RA, Griffiths S, Murray J, Manketlow RT (2000) Factors influencing use of digital prostheses in workman’s compensation recipients. J Hand Surg 25A: 80–85 Jebson PJL, Louis DS (2005) Amputations. In: Green DP, Hotchkiss RN, Pederson W, Wolfe SW. Green’s Operative Hand Surgery, 5th edn. Elsevier, Philadelphia, PA, USA Keim HA, Grantham SA (1969) Volar flap advancement for thumb and fingertip injuries. Clin Orthop 66: 109 Kutler W (1947) A new method for fingertip amputation. JAMA 133: 29–30 Mollowitz GG (1998) Der Unfallmann, 12. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Wilde B, Baumgartner R (1999) Physiotherapie und Sport nach Beinamputation, 1. Aufl. Thieme, Stuttgart New York
251
29
30
Amputationen der unteren Extremität A. Jokuszies
30.1
Klassifikationâ•… – 255
30.2
Diagnostikâ•… – 255
30.2.1 30.2.2 30.2.3
Anamnese und klinischer Befundâ•… – 255 Körperliche Untersuchungâ•… – 255 Apparative und interventionelle Diagnostikâ•… – 255
30.3
Therapiezieleâ•… – 255
30.4
Stand der operativen und konservativen Therapieâ•… – 256
30.5
Unterschenkel und Fußâ•… – 257
30.5.1 30.5.2 30.5.3 30.5.4 30.5.5 30.5.6 30.5.7 30.5.8 30.5.9 30.5.10
Klassische Operationstechnik (Unterschenkelamputation)â•… – 257 Umdrehplastik nach Borggreve-van Nesâ•… – 258 Umkehrplastik nach Sauerbruchâ•… – 259 Amputation des Fußesâ•… – 259 Amputation und Exartikulation der Zehenâ•… – 260 Transmetatarsale Amputationâ•… – 260 Teilamputation des Vorfußesâ•… – 260 Vollständige transmetatarsale Amputationâ•… – 260 Amputation zwischen Lisfranc- und Chopart-Gelenklinieâ•… – 260 Amputation und Exartikulation im Rückfußâ•… – 262
30.6
Oberschenkel und Hüfteâ•… – 262
30.6.1
Amputation im Hüftbereichâ•… – 262
30.7
Komplikationenâ•… – 262
30.7.1 30.7.2
Wundheilungsstörungenâ•… – 262 Spätkomplikationen durch äußere Einflüsseâ•… – 263
30.8
Nachbehandlungâ•… – 263
30.8.1 30.8.2 30.8.3 30.8.4 30.8.5 30.8.6
Verbandstechnikâ•… – 263 Lagerungâ•… – 263 Drainageâ•… – 264 Hautnähteâ•… – 264 Antikoagulation, Antinbiotikaprophylaxeâ•… – 264 Krankengymnastik, Ergotherapieâ•… – 264
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
30.9
Prothetische Versorgungâ•… – 264
30.9.1 30.9.2 30.9.3 30.9.4 30.9.5
Fußâ•… – 264 Unterschenkelâ•… – 264 Knieâ•… – 264 Oberschenkelâ•… – 264 Hüfteâ•… – 264
30.10
Management von Spätkomplikationenâ•… – 264
30.10.1 30.10.2 30.10.3 30.10.4 30.10.5
Plastische Rekonstruktion/Stumpfkorrekturâ•… – 265 Weichteildefekte bei UnterschenkelÂ�amputationenâ•… – 265 Operative Verfahren bei chronischer Osteomyelitis des Tibiastumpfesâ•… – 265 Operative Verfahren bei chronischer Osteomyelitis des Femurstumpfesâ•… – 265 Komplikationen nach Amputationen im Wachstumsalterâ•… – 265
255
30.3 · Therapieziele
30.1
Klassifikation
Die schematische Einteilung der Amputationshöhen sollte sich an der Vitalität des Gewebes orientieren. Hier gilt insbesondere angesichts der Fortschritte in der Prothesenversorgung der Grundsatz des größtmöglichen Längenerhaltes (.€Abb.€30.1). Unter der Voraussetzung einer an den Bedürfnissen der Prothesenversorgung ausgerichteten operativen Technik und nicht zuletzt der Sicherstellung einer suffizienten Nachbehandlung mit Einbindung des Patienten in ein interdisziplinäres Konzept ist letztlich jeder Stumpf prothesengerecht zu versorgen. Hiervon ausgenommen sind Amputationen durch die Diaphysen der Metatarsalia und im Bereich des Tibiakopfes oberhalb des Ansatzes des Lig.€patellae. Aus anatomischen, pathophysiologischen und biomechanischen Gründen sollten Mittelfußknochen nur im spongiösen Bereich abgesetzt werden, da Amputationen durch die Diaphyse der Metatarsalia in spitz zulaufenden Stümpfen enden, welche den Abrollvorgang behindern und Schmerzen verursachen. Die Amputation des Unterschenkels unterhalb des Ansatzes des Lig.€patellae in der Tuberositas tibiae ermöglicht einerseits die Streckung des Stumpfes mit vergrößerter Kontaktfläche zum Prothesenschaft und andererseits die vollständige Endbelastbarkeit des Stumpfes aufgrund des größeren Tibiaquerschnittes im Vergleich zum distalen Unterschenkeldrittel (Baumgartner u. Botta 1995). 30.2
Diagnostik
30.2.1 Anamnese und klinischer Befund Eine ausführliche Anamnese liefert Hinweise auf Begleiterkrankungen, die aktuelle Medikation, stattgehabte Operationen, Lebensgewohnheiten im Hinblick auf Nikotin-, Alkohol- oder Drogenabusus, das berufliche und soziale Umfeld, die Mobilität, vorhandene Implantate oder Prothesen. Vorbestehende Narben sind im Hinblick auf die Schnittführung bei der Operationsplanung unbedingt zu beachten. Dabei sollten Narben stets außerhalb der Belastungszone zu liegen kommen. Bei spalthauttransplantierten oder vorbestrahlten Arealen sind die instabilen Weichteil- und Durchblutungsverhältnisse in die Planung der Amputationshöhe mit einzubeziehen. Bei Patienten mit Gefäßerkrankungen sollte die maximale Tibialänge 12–13€cm betragen, da die Durchblutung im distalen Unterschenkeldrittel per se schlechter ist und somit Wundheilungsstörungen vorprogrammiert wären. Von Bedeutung für die Wahl der Amputationshöhe ist ebenfalls die Kenntnis über vorhandene Gefäßprothesen, stattgehabte Bypass-Operationen oder noch einliegende Implantate. 30.2.2 Körperliche Untersuchung Inspektorisch zu erfassen sind Narben, Effloreszenzen, Deformitäten, Hautkolorit und der pflegerische Zustand. Die Palpation erlaubt Rückschlüsse auf Hautturgor und -feuchte, den Pulsstatus, die aktive und passive Gelenkbeweglichkeit, die grobe Kraft, Krepitationen, Schmerzpunkte und Tumoren (Konsistenz, Verschieblichkeit, Fötor, Lokalisation, Ausmaß, Druckdolenz).
30.2.3 Apparative und interventionelle
Diagnostik
Im Hinblick auf die apparative und interventionelle Diagnostik gilt es bereits im Rahmen der Erstvorstellung, den vaskulären und neurologischen Status abzuklären und bei Bedarf weiterführende diagnostische Maßnahmen in die Wege zu leiten. Diagnostischen Verfahren im Bereich der unteren Extremität sind: 4 Sonographie, Duplexsonographie, 4 Phlebographie, Angiographie, 4 Nativröntgen, Tomographie, MRT, CT, Skelettszintigraphie, 4 Spezialuntersuchungen (z.€B. MR-Angio, PET, Leukozytenszintigraphie). 30.3
Therapieziele
Das Ziel plastisch-chirurgischer Behandlungskonzepte der unteren Extremität nach Trauma, Tumorresektion oder als Folge angeborener Fehlbildungen ist in der Regel der Extremitätenerhalt. Die Amputation stellt stets die Ultima ratio dar. Im Fall der Unabwendbarkeit sollte die Amputationshöhe unter Berücksichtigung der Gehleistung, des Energieaufwandes und der Stumpfbelastbarkeit so peripher wie möglich gewählt werden. Der Energiemehraufwand zur Fortbewegung beispielsweise erhöht sich mit zunehmender Amputationshöhe: Er beträgt bei Amputation in Höhe des Vorfuß 0–10%, in Höhe des Rückfußes 0–25%, in Höhe des Unterschenkels und Knies 25–50%, in Höhe des Oberschenkel und der Hüfte 50–100%! Die Gehleistungen sind korrespondierend in den genannten Amputationslevels um bis zu 20% (Vorfuß), 50% (Rückfuß), 70% (Unterschenkel), 90% (Oberschenkel) und 100% (Hüfte) eingeschränkt (Baumgartner u. Botta 1995). Neben der Forderung nach einer möglichst peripheren Amputationshöhe ist ein weiteres Ziel der funktionsfähige Stumpf. Dieser sollte nicht nur belastungs- und bewegungsfähig, sondern auch schmerzlos und v.€a. prothetisch versorgbar sein. Unter Berücksichtigung der Ätiologie ist das operative Management der jeweiligen Befundsituation individuell anzupassen. Nekrotisierende Weichteilinfektionen durch Anaerobier sind durch einen fulminanten Krankheitsverlauf mit raschem Fortschreiten von faszienübergreifenden Weichteilnekrosen gekennzeichnet. Diese machen ein radikales chirurgisches Vorgehen bis hin zur Amputation notwendig. In der Tumorchirurgie stellt die Strahlenfibrose eine zu berücksichtigende Amputationsindikation dar. Nicht selten führt eine chronische Osteomyelitis als Bestrahlungsfolge noch nach Jahren zur Amputation. Tumoren haben insgesamt nur einen Anteil von ca. 5% an den Amputationsursachen. Dabei nimmt die Rate der tumorbedingten Amputationen mit dem Alter zu. Bezogen auf die Amputationshöhe entfallen über 50% der tumorbedingten Amputationen auf den Hüft- und Beckenbereich. Die unteren Extremitäten sind 10-mal häufiger betroffen als die oberen. Eine Sonderform und insbesondere für den Plastischen Chirurgen relevante Entität stellen die angeborenen Fehlbildungen dar. Bedeutsam sind hier v.€a. das Klippel-Trénaunay-Weber-Syndrom (angioosteohypertrophisches Syndrom), die Poly-/Syndaktylie und Amnionumschnürungen. Hier gilt jedoch eine strenge Indikationsstellung. Bei jedem Kind sollten individuell alle Möglichkeiten des Gliedmaßenerhalts unter Anwendung plastisch-chirurgischer und wiederherstellungschirurgischer Maßnahmen bedacht werden. Funk-
30
256
Kapitel 30 · Amputationen der unteren Extremität
tion, Kosmetik und soziale Situation sind in diese Überlegungen einzubeziehen (Marquardt 1983). Inwieweit der Patient letztlich »mit Stumpf und Prothese« rein tegriert werden kann, hängt von der interdisziplinären Zusammen arbeit des Rehabilitations-Teams ab. Zu diesem zählen neben dem Arzt und Pflegepersonal unabdingbar Ergo- und Physiotherapeuten sowie Orthopädietechniker und -schuhmacher. > Die beste Amputation ist keine Amputation!
30.4
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Stand der operativen und konservativen Therapie
Die operative Therapie dient nicht nur als unterstützende Maßnah me zur Verbesserung der Wundsituation, sondern verhilft dem Pa tienten letztlich auch trotz Amputation zu erhaltener Mobilität durch eine suffiziente Prothesenversorgung. Daher sollte der Chirurg die Amputation nicht als Kapitulation seiner wiederherstellungschirur gischen Künste verstehen, sondern vorausblickend die Frage nach der bestmöglichen Amputationshöhe stellen. Folgende Faktoren beeinflussen die Wahl der Amputationshöhe: 4 Je höher die Amputation, desto größer der peri- und postopera tiver Blutverlust. 4 Je größer die Wundfläche, desto höher die Infektionsgefahr. 4 Wundheilungsstörungen, Stumpfkorrekturen und Nachamputa tionen sind mit zunehmender Amputationshöhe schwieriger zu bewältigen. 4 Die Prothesenversorgung hängt nicht zuletzt von einer ausrei chenden Stumpflänge ab. 4 Die postoperative Mortalität steigt bei Amputationen oberhalb des Kniegelenks stark an.
. Abb. 30.1a, b╇ Amputationshöhen an der unteren Extremität. (Aus: Eichhorn-Sens u. Vogt 2006)
257
30.5 · Unterschenkel und Fuß
Die letztlich gewählte Amputationshöhe sollte das Ergebnis eines in terdisziplinären Konzeptes sein. An der Erstellung dieses KonzepÂ�tes sollten insbesondere der Plastische Chirurg, der Unfallchirurg, der interventionell orientierte Radiologe und der OrthopädietechÂ�niker beteiligt sein. Durch dieses koordinierte und ggf. auch mehrzeitige Vorgehen lässt sich oftmals die Amputationsgrenze tiefer ansetzen als erwartet. Ein sparsames und an den Vitalitätsgrenzen orientiertes Débridement mit Kürzung und Abrundung des Knochens auf das notwendige Minimum führt im Gegensatz zur primären Nachampu tation im Gesunden zu einem deutlichen Längengewinn. Grundsätze zur Wahl der bestmöglichen Amputationshöhe 4 Zur Beurteilung des präoperativen Allgemeinzustands zählen auch die Beurteilung des psychischen AllgemeinÂ� zustands und des sozialen Umfelds. 4 Spalthautentnahmen am amputierten Bein vermindern die Belastbarkeit bei der Prothesenversorgung und verzögern aufgrund ihrer langen Heilungsdauer nicht selten die Prothesenanpassung. 4 Die Palpation und Auskultation der peripheren Pulse ist unverzichtbar zur Beurteilung drohender oder bestehender Zirkulationsstörungen. 4 Vorbestehende Operationsschnitte sind in die Operationsplanung mit einzubeziehen. 4 Motorische und sensible Störungen stellen primär keinen Grund für eine Amputation dar. 4 Für die Bestimmung der Amputationshöhe sind die KollaÂ� teralkreisläufe von großer Bedeutung. Hier ist die DopplerSonographie der Arteriographie diagnostisch überlegen. 4 Die intraoperative Beurteilung der Gewebevitalität entscheidet letztlich über die Wahl der Amputationshöhe.
4 Die Ligatur des N.€ischiadicus und N.€tibialis zur UnterÂ� bindung der großen Begleitarterie vermeidet unnötige Blutverluste. 4 Infizierte oder obliterierte Gefäßprothesen sind grundsätzlich zu entfernen. 4 Die Entfernung des Gelenkknorpels ist weiterhin umstritten. 4 Die Höhe der Durchtrennung des Knochens hat sich nach den verfügbaren Weichteilen zu richten. 4 Knochenkanten sollten stets abgerundet werden. 4 Bei der Durchtrennung mehrerer Knochen sind diese in der Länge sorgfältig aufeinander abzustimmen. 4 Das Aushöhlen der Markhöhle oder Austamponieren derÂ� selben mit Spongiosa oder Knochenwachs ist wegen der Infektgefahr und Sequesterbildung obsolet. 4 Im Wachstumsalter ist die unterschiedliche WachstumsÂ� potenz der Epiphysenfugen zu beachten. 4 Das Vermeiden von Periostfransen und von Hämatombildung beugt der Exostosenbildung vor.
30.5
Unterschenkel und Fuß
30.5.1 Klassische Operationstechnik
(Unterschenkelamputation)
Voraussetzungen 4 Tibia und Fibula sind nicht mehr mit den Weichteilen der Fuß sohle zu bedecken.
4 Der Erhalt von Lig.€patellae und Tuberositas tibiae ermöglicht die aktive Extension des Stumpfes.
4 Erhalt des Kniegelenkes. 4 Ein langer Stumpf vergrößert die Kontaktfläche mit dem Prothe senschaft und verringert den Druck auf den Stumpf!
Grundsätze zur Schnittführung 4 Vorbestehende Operationsnarben sollten exzidiert werden. 4 Die Schnittführung sollte außerhalb der Belastungszone erfolgen. 4 Die Grundsätze der Lappenplanung sind zu beachten (Basis-Längen-Verhältnis 1€:€2). 4 Eine zügige und tiefe Schnittführung ggf. bis auf den Knochen ist weniger traumatisch als die schrittweise Inzision mit fortlaufender Blutstillung. 4 Gewebeschichten sollten zur Verringerung der Wundfläche nicht unnötig getrennt werden.
Allgemeine Operationsprinzipien 4 Atraumatische Behandlung der Wundränder. Zur Gewebeschonung sollten Wundhaken nur distal eingesetzt werden. 4 Hautnähte niemals unter Spannung bringen. 4 Bei Patienten mit Gefäßerkrankungen sollte auf eine myoplastische Stumpfdeckung durch schlecht durchblutetes Muskelgewebe verzichtet werden. 4 Zur Vermeidung unnötiger Nekrosen ist auf die Naht bradytropher Gewebe zu verzichten (Sehnen, Faszien und Ligamente). 6
Grundsätze 4 Die Länge des Hebelarmes ist wertvoller als die Endbelastbarkeit des Stumpfes! Ausnahme: pAVK → Tibialänge von 12€cm oder weniger. 4 Vollkontakt und Endbelastung verhindern Stumpfdeformitäten und »wachstumsbedingte« Varusfehlstellung. 4 Technik nach Burgess. 4 Für jede Ätiologie geeignet! 4 Bildung eines langen Hinterlappens. 4 Quere Naht außerhalb der Belastungszone. 4 Abschiebung des Periosts ausschließlich nach distal. 4 Grundsätzlich wird der gesamte M.€soleus entfernt! 4 Schlechtere Durchblutung bei Gefäßpatienten. 4 Venöse Drainage mit Thrombosegefahr. 4 Ein nekrotischer Soleus erhöht die Infektgefahr. 4 Reduktion des Weichteilvolumens mit Beschleunigung der Stumpfatrophie. 4 Bessere Übersicht zur Versorgung der tibialen Gefäße und Nerven. 4 Tibialänge von 12–13€cm. 4 Länge des hinteren Weichteillappens von 15€cm. 4 Berücksichtigung der »Spare-Part«-Chirurgie zur Erhaltung endbelastbarer Stümpfe (. Abb. 30.2).
30
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Kapitel 30 · Amputationen der unteren Extremität
Operationsschritte 4 Vorderer Hautschnitt vom medialen Rand der Tibia zum lateralen Rand der Fibula. 4 Ligatur der V.€saphena magna. 4 Quere Durchtrennung der Peronaeusmuskulatur. 4 Präparation der Peronaeusnerven und -gefäße. 4 Naht der A./ V.€femoralis. 4 Präparation der knöchernen Schnittfläche mit Abschieben des Periosts nach distal und Osteotomie der Fibula um 0,5–1€cm proximal der Tibia. 4 Bildung des hinteren Muskel-Haut-Lappens in einem Zug, wobei das Amputationsmesser entlang der Rückseite der beiden Knochen und der Membrana interossea geführt wird. 4 Entfernung des M.€soleus aufgrund seiner schlechteren Durchblutung und erhöhten Infektgefahr durch seine venöse Drainage. Die Entfernung des M.€soleus erlaubt eine bessere Übersicht über die tibialen Gefäße und Nerven. 4 Abrundung und Abstimmung der Knochen. 4 Präparation und Kürzung des N.€suralis. 4 Blutstillung und Drainage (Redon-Drainage). 4 Spannungsfreier Hautverschluss. Bei kompromittierter Durchblutung oder Infekt einschichtig.
30
30.5.2 Umdrehplastik nach Borggreve-van Nes Der Grundgedanke dieser Operation ist der Ersatz des Kniegelenkes durch den um 180° um die Längsachse gedrehten und somit nach hinten gerichteten Fußes (.€Abb.€30.3). Die Einteilung der Umdrehplastiken erfolgt nach der Winkel mann-Klassifikation. Bei der Resektion ist darauf zu achten, dass die Fersenkuppe etwa in gleicher Höhe mit der Patella-Kontur des gesunden Beins steht; dies entspricht der gleichen Höhe der Bewegungsachsen bei der Gelenke! Das Sprunggelenk sollte um etwa 4€cm höher stehen als der kontralaterale Kniegelenkspalt. Eine Überlänge und Fehlrotation des Unterschenkels ist zu ver meiden. Zum Ausgleich der Supination des Rückfußes ist eine Au ßenrotation des Fußes von ca. 5° anzustreben. Ein Innenrotations fehler lässt sich nicht ausgleichen. Der Erhalt des M.-glutaeus-maximus-Ansatzes verhindert eine Beugekontraktur zugunsten der aktiven Hüftstreckung. Die wichtigsten Komplikationen stellen arterielle und venöse Durchblutungsstörungen sowie Lähmungen des Ischias- oder Pero näusnervs dar. Die Leistungsfähigkeit der Umdrehplastik entspricht derjenigen einer Amputation im Unterschenkel.
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. Abb. 30.2a–c╇ Beispiel für »Spare-Part«-Chirurgie: Massive segmentförmige Destruktion des Unterschenkels mit schwerster Weichteilinfektion (a). Kniegelenkserhaltende AmpuÂ�tation durch neurovaskulär versorgte osteoÂ� kutane Fußsohlenfiletlappen (b). Der Patient verfügt über einen sensiblen endbelastbaren Stumpf (c)
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30.5 · Unterschenkel und Fuß
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. Abb. 30.3a–c╇ 29-jährige Patientin mit kniegelenknahem Chondrosarkomrezidiv; Zustand nach Radiatio mit 58€Gy. Trotz multimodalem Therapiekonzept kein Beinerhalt möglich. Daher Segmentresektion des tumortra-
genden Beinanteils und Transplantation des Unterschenkel-Fuß-Segmentes unter 180°-Drehung (Borggreve-Umdrehplastik) und Neuropathie. (Aus: Homann et al. 2007)
30.5.3 Umkehrplastik nach Sauerbruch
30.5.4 Amputation des Fußes
Das Femur wird ganz oder teilweise durch die um 180° in der Fron talebene gedrehte Tibia ersetzt. Es erfolgt eine Exartikulation des Fußes im Sprunggelenk, der Hautmantel wird vom Unterschenkel gelöst und die gefäßgestielte (Poplitealgefäße) Tibia mit den umge benden tiefen Weichteilen gedreht. Die Tibia nimmt den Platz des entfernten Femur ein. Bei der Modifikation nach Baumgartner u. Ochsner (Baumgart ner u. Botta 1995) wird auf gleiche Weise nur die distale Femurhälfte ersetzt.
Allgemeines 4 Der Erhalt der Sohlenhaut hat höchste Priorität und macht einen Fußstumpf praktisch immer voll endbelastbar!
4 Propriozeptive Eigenschaften der Fußsohle vermitteln unschätz bare Informationen für die Fortbewegung.
4 Mit jeder Kürzung eines Fußstumpfes reduziert sich die Stand fläche.
4 Je höher die Amputation, umso größer der für den Prothesen
gang erforderliche Energieaufwand (150% beim Unterschenkelund 200% beim Oberschenkelamputierten; Baumgartner u. Botta 1995).
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Kapitel 30 · Amputationen der unteren Extremität
Operationsprinzipien
30
4 Schonung des Sohlengewebes. 4 Operationsschnitte in Längsrichtung und, wenn möglich, auf den Fußrücken legen, als Sohlenpolster sollte die kleine Fußmuskulatur erhalten bleiben. 4 Drainage an der tiefsten Stelle ausleiten (nicht plantar), sondern proximal am inneren und äußeren Fußrand. 4 Knochenstümpfe in der Sagittal- und Frontalebene abrunden mit Brechung der dorsalen Kante. 4 Die Schnittfläche sollte stets durch spongiösen Knochen verlaufen, nie durch Röhrenknochen bzw. diaphysär (spitze Stümpfe durch sekundäre Resorption!). 4 Gegebenenfalls ist kann ein Fixateur externe zur vorübergehenden Ruhigstellung bei schweren Weichteilverletzungen und Rückfußstümpfen eingesetzt werden.
Ein Beispiel ist in .€Abb.€30.4 gezeigt. 30.5.5 Amputation und Exartikulation der Zehen Folgende Punkte sollten beachtet werden: 4 Grenzzonenamputation im Endglied. 4 Amputationen im Bereich der Mittel- und Grundglieder sind unbedingt zu vermeiden! Ausnahme: Teilamputationen an der Großzehe. 4 Die Störung des Muskelgleichgewichtes der Zehe führt zur Dor salflexion des Stumpfes mit hieraus resultierenden Druckstellen und Schmerzen, daher ist immer eine Exartikulation im Grund gelenk anzustreben. 4 Die Entfernung der Sesambeine und der Sehnenplatte sowie das Abrunden des Metatarsaleköpfchens führen zur Eröffnung der Beugesehnenfächer. 4 Bei Patienten mit Gefäßerkrankungen sollte auf eine Hautnaht verzichtet werden! Bei diesen Patienten sollte eine subtile Ver bandstechnik angewandt, d.€h. keine schnürenden Verbände, sondern ausschließlich Wattewicklung durchgeführt werden. 4 Dekubitusprophylaxe der Ferse, horizontale oder tiefe Lagerung. 30.5.6 Transmetatarsale Amputation Um leistungsfähige Stümpfe zu erhaltende, sollten folgende Punkte berücksichtigt werden: 4 Ungestörtes Muskelgleichgewicht durch Erhalt der Ansätze wichtiger Fußmuskeln (M.€tibialis anterior, M.€peronaeus longus et brevis). 4 Geringfügige Verkleinerung der Standfläche. 4 Erhaltene Gehfähigkeit ohne Prothesen bei einseitiger Amputa tion. 4 Teilamputationen sind nur sinnvoll bei orthopädietechnischer Entlastung der verbliebenen Strahlen. 4 Wegen der Gefahr spitz zulaufender Stümpfe erfolgt eine Abset zung ausschließlich im spongiösen Bereich, d.€h. köpfchen- oder basisnah! Bei fehlendem Sohlengewebe ist eine Stumpfkorrektur mit Keilosteotomie zur Vergrößerung der Standfläche durchzu führen (Ausnahme: Ablederung mit guter Hautverschieblichkeit nach Spalthauttransplantation). 4 Der spongiöse Anteil der Basis nimmt ungefähr das proximale Drittel eines Metatarsale ein.
4 Der Schnitt erfolgt im 45°-Winkel in der Sagittalebene, rand ständig um ebenso 45° in der Frontalebene.
30.5.7 Teilamputation des Vorfußes Diese kann mit oder ohne gleichzeitige Amputation der zugehörigen Zehen erfolgen. Der Erhalt von mindestens 2€Strahlen oder aber des 1.€Strahls allein ist anzustreben. Als Zugang dient ein Längsschnitt vom Köpfchen bis zum Lisfranc-Gelenk. Zur Entfernung der Zehen empfiehlt sich ein nach distal Ra ckett-förmig auslaufender Schnitt. Zur Resektion des mittelständi gen Strahls dient ein querer Schnitt zwischen Basis und Diaphyse des Grundgliedes. Die Resektion des randständigen Strahls erfolgt bis auf Höhe der Metatarsaleköpfchen. 30.5.8 Vollständige transmetatarsale
Amputation
Zugang hierfür ist ein bogenförmiger, querer Hautschnitt am Fuß rücken vom 1. bis zum 5.€Strahl. Die A.€dorsalis pedis und Begleit nerven sind entsprechend zu ligieren. Ein evtl. vorhandenes plan tares Ulkus wird vollständig exzidiert. Die Mokassinnaht eignet sich zum Längenausgleich des plantaren und dorsalen Lappens. 30.5.9 Amputation zwischen Lisfranc-
und Chopart-Gelenklinie
Die Amputation erfolgt durch den Scheitel der inneren Längswöl bung mit Auflage am äußeren Rand des Stumpfendes. ! Cave Je kürzer der Stumpf, umso stärker verlieren Fußheber und Pronatoren ihren Hebelarm. Hierdurch besteht die Gefahr des Spitzfußes mit Supination!
Dies kann ggf. durch entsprechende Lagerung oder Fixateur-exter ne-Anlage zwischen Kalkaneus und Tibia vermieden werden. Die postoperativ angepasste Orthese mit Abstützung am Unterschenkel hält den verbliebenen Vorfuß in Dorsalextension und Pronation un ter Vollbelastung des nicht operierten Rückfußes.
Besonderheiten bei Amputationen im Lisfranc-Gelenk Diese Amputationslinie verläuft nicht harmonisch, da der 2.€Strahl »aus der Reihe tanzt«. Die sekundäre Verschiebung randständiger Knochenreste nach plantar medial bzw. lateral erfordert ggf. eine Arthrodese mit dem Nachbarknochen durch Zugschrauben oder gekreuzte Spickdrähte.
Besonderheiten bei Amputationen in der Bona-Jäger-Gelenklinie Die eigentliche Gelenklinie verläuft zwischen Navikulare und den 3€Cuneiformia. Dabei wird die proximale Hälfte des Kuboids belas sen. Durch Zug der M.-tibialis-anterior-Sehne besteht die Gefahr der Luxation des Os naviculare nach medial. Dies kann durch eine Arthrodese zwischen Talus und Navikulare vermieden werden. Das Kuboid hat die Tendenz zur Luxation nach plantar.
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30.5 · Unterschenkel und Fuß
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. Abb. 30.4a–e╇ Vorfußstumpf eines Kindes nach Zehenexartikulation im Grundgliedbereich mit Rückkürzung der Metatarsaleköpfchen und HautWeichteildeckung mit zusätzlich Meshgraft. Vorausgegangen war eine schwere Vorfußquetschung mit drittgradig offenen Luxationen der Zehen 1–5
30
262
Kapitel 30 · Amputationen der unteren Extremität
30.5.10
Amputation und Exartikulation im Rückfuß
Man unterscheidet folgende Methoden der AmputaÂ�tion im Rück fuß: 4 Amputation im Chopart-Gelenk, 4 kalkaneotibiale Arthrodese nach Pirogow/Spitzy, 4 Transmalleoläre Amputation nach Syme.
Chopart-Amputation
30
Durch Ausschaltung der Fußheber und verstärkten Zug der Achil lessehne kommt es zur verstärkten Plantarflexion und Supination. Nach Fixateur-externe-Anlage zwischen Tibia und Kalkaneus für 2–4 Wochen wird anschließend mit der Frühmobilisation begonnen. Der Rückfuß kann dabei unter voller Belastung abrollen. Das OSG bleibt intakt, jedoch in Kraft und Beweglichkeit eingeschränkt. Zur operativen Korrektur der Spitzfuß- und Supinationsfehl stellung eignen sich die Verlängerung der Achillessehne (Spitzfuß korrektur um 10–20%) und die Verlagerung der M.-tibialis-anteriorSehne nach lateral. Letztgenanntes Verfahren ist nur sinnvoll, wenn die Supinationsfehlstellung im USG passiv korrigierbar ist. Zur Korrektur von Spitzfuß und Varus dient die Arthrodese im unteren Sprunggelenk mit Keilresektion (Spitzfuß und Varuskorrek tur um je 20–30%).
Zur Stumpfbildung empfiehlt sich je nach Ätiologie und Be fund€eine gesonderte Vorgehensweise. So sollte eine Myodese und Myopexie bei gestörter Durchblutung vermieden werden. Hier empfiehlt sich die Verwendung temporärer transkutaner Muskel nähte. Bei akutem (posttraumatischem) Infekt und stark gestörter Durchblutung ist die offene Amputation mit verzögerter Primärnaht in Erwägung zu ziehen. Jedoch hat sich in unserer Klinik auch das chirurgische Débridement mit kombinierter Jet-Lavage, die vakuum assistierte Saugdrainagetherapie zur Förderung des Sekretabflusses und Ödemreduktion mit dann Sekundärverschluss im infektfreien Intervall bewährt. 30.6.1
Amputation im Hüftbereich
Man unterscheidet die Oberschenkelamputation proximal des Trochanter minor von der Exartikulation im Hüftgelenk, der Hemi pelvektomie und Hemikorporektomie. Ursächlich sind in 25% ei ne€ pAVK, in 25% Unfallfolgen (meist Kompressionstrauma mit schweren Begleitverletzungen der inneren Organe) und in 50% Tu moren (Baumgartner 1995). Der Erhalt des Sitzbeins und/oder des Beckenkamms wäre zur Abstützung einer Prothese erstrebenswert (.€Abb.€30.5).
Kalkaneotibiale Arthrodese nach Pirogow/Spitzy
Oberschenkelamputation im Schenkelhalsbereich
Um einen stabilen und voll endbelastbaren Stumpf zu erzielen, gilt es, folgende Prinzipien zu beachten: 4 Der Kalkaneus ist in den physiologischen Winkel der Längswöl bung und symmetrisch zur Außenrotation des Fußes der Gegen seite (10–20°) einzustellen. Die Tibia sollte um 10–15€mm rück verlagert werden. 4 Die Malleolen werden reseziert und der Kalkaneus plantar-distal abgerundet. Ziel ist der Erhalt der Sohlenhaut im Bereich der Ferse und dem Fersenbein. 4 Der Pirogow-Stumpf führt zu einer Beinlängenverkürzung von 3–4€cm. Bei Kindern sind die Wachstumsfugen von Tibia und Fibula zu erhalten. 4 Die Nachbehandlung besteht in einem Unterschenkelgehgips für weitere 6€Wochen nach Kirschner-Draht-Entfernung mit anschließender Protheseversorgung mit Endbelastung.
Der vordere Hautschnitt verläuft parallel zum Leistenband von der Spina iliaca anterior superior zum Tuberculum pubicum. Es gilt, den N.€ischiadicus ohne Zug so weit freizulegen, dass er sich proximal des Azetabulums ligieren und glatt durchtrennen lässt. Zur Stumpf polsterung dient der nach vorn geschlagene M.€glutaeus maximus. Der Oberschenkelstumpf muss auf der ganzen Fläche schmerzfrei und voll belastbar sein. Der hinterer Lappen verläuft nach lateral über den Trochanter major entlang der Grenze des M.€glutaeus ma ximus, nach medial über die Adduktoren zum medialen Rand des vorderen Hautschnittes.
Transmalleoläre Amputation nach Syme Diese Amputationstechnik besteht in der Entfernung des Talus, Kalkaneus und beider Malleolen. Die Weichteile der Fußsohle blei ben erhalten, und es resultiert ein kolbenförmiger, voll endbelast barer Stumpf. Nachteilig ist die massive Beinverkürzung. Auf die Schonung der retromalleolären Gefäße ist besonders zu achten! 30.6
Oberschenkel und Hüfte
Die Amputation erfolgt durch den Femurschaft und reicht vom Über gang der Kondylen bis proximal am Trochanter minor endend. Der Erhalt des Trochantermassivs und von Anteilen des Femurs ist€für die Sitzfläche von großer Bedeutung. Je kürzer der Femurstumpf, umso größer die Tendenz zur Abduktion durch die pelvitrochantere Mus kulatur, zur Flexion durch den M.€iliopsoas und zur Außenrotation. Zur Verbesserung der Durchblutung und Verhinderung einer Retraktion ist die myoplastische Stumpfdeckung anzustreben. Aus nahmen hierfür sind die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) und Infekte!
Hüftexartikulation Zur Stumpfdeckung dient hier der M.€glutaeus maximus. Unter Mit nahme des Sitzbeines oder Teile der Darmbeinschaufel verkleinert sich die Sitzfläche erheblich. Die doppelseitige Hemipelvektomie bezeichnet man als Hemikorporektomie.
Hemipelvektomie Hauptindikation für die Hemipelvektomie sind maligne Tumoren. Neben der zusätzlichen Entfernung des Sitzbeinhöckers müssen u.€U. extra- oder intraperitoneale Organe mit entfernt werden. Der zu erwartende Blutverlust ist erheblich (bis zu 3€l). Zwecks Erhalt des gesunden Beins kann die innere Hemipelvektomie eine Alternative darstellen. Insgesamt handelt es sich um schwerst verstümmelnde Eingriffe. 30.7
Komplikationen
30.7.1
Wundheilungsstörungen
Komplikationen wie lokale Nekrosen, Hämatome und Infekte kön nen auftreten. Exzision und Sekundärnaht bzw. sorgfältiges Débri dement, gute Drainage, Schonung der Gewebe während der Opera tion sowie eine exakte Verbandstechnik sind hier entscheidend. Im Zweifelsfall sollte eine sofortige operative Revision erfolgen.
263
30.8 · Nachbehandlung
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. Abb. 30.5a–d╇ 60-jährige Patientin mit nekrotisierender Fasziitis der Glutäal- und Oberschenkelregion nach Abszessspaltung eines perianalen Hufeisenabszesses€(a). Autolyse der Gutäal- und Oberschenkelmuskulatur, lebensrettende offene Hüftexartikulation (b). Defektdeckung der HüftreÂ� gion nach Hüftgelenksexartikulation mittels ipsilateral distal gestielten ver-
tikalen Rectus-abdominis-Muskellappen (VRAM-Lappen;€c). Das postoperative Ergebnis zeigt reizlose und belastbare Weichteile. Zur Vermeidung einer Wundkontamination erfolgte zudem die temporäre Anlage eines Anus praeter (d)
! Cave Tiefe Wundheilungsstörungen sind verdächtig auf eine Knochenbeteiligung.
30.8
30.7.2 Spätkomplikationen
durch äußere Einflüsse
Durch die Prothesenversorgung können Druck- und Scheuerstellen auftreten, die zu chronischen Hautschädigungen mit akuten und chronischen Hautinfekten führen können. Diese Stellen sind ggf. zu exzidieren und mit Z-Plastiken zu verschließen. Weiterhin kann es zu allergischen Reaktionen auf das Prothesenmaterial kommen. Da die Haftung der Oberschenkelprothesen durch ein leichtes Vakuum erfolgt, entstehen bei unvollständigem Stumpfkontakt Hohlräume, in denen es zu chronischen venösen und lymphatischen Stauungen kommen kann. Weiterhin ist eine Hitzeentwicklung durch das un vermeidbare leichte Pumpen beim Belasten der Beinprothesen mög lich, bis zur Entstehung von Brandblasen.
Nachbehandlung
30.8.1 Verbandstechnik Bezüglich der Verbandstechnik dürfen wir auf einschlägige Lehr bücher verweisen. Grundsätzlich sei angemerkt, dass Verbände den Stumpf keinesfalls strangulieren dürfen. 30.8.2 Lagerung Zur Reduktion des Wundödems wird der Stumpf in der Regel etwas hochgelagert. Wichtig ist die Lagerung zur Dekubitusprophylaxe und zur Vermeidung von Kontrakturen. Kontrakturgefährdet sind besonders Gelenke an kurzen Stümpfen, deren Muskelgleichgewicht gestört und deren Wundheilung noch nicht abgeschlossen ist. Eine geeignete Maßnahme zur Ruhigstellung eines stumpfnahen Gelenks in Funktionsstellung kann der Fixateur externe sein. Er verhindert durch die sichere Ruhigstellung Kontrakturen, Schmerzen werden reduziert, Wundpflege und Lagerung erleichtert.
30
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Kapitel 30 · Amputationen der unteren Extremität
30.8.3 Drainage Nachblutungen sind trotz sorgfältiger Blutstillung bei den großen Wundflächen nie ganz zu vermeiden. Wichtig ist daher eine suffi ziente Drainage. Wir verwenden in der Regel geschlossene Drains, welche knapp neben der Operationswunde ausgeleitet werden, bei sauberen Wunden und ungestörter Durchblutung. 30.8.4 Hautnähte
30
Die Nähte werden zwischen dem 14. und 20.€postoperativen Tag entfernt, ggf. etappenweise. Um Abfluss zu schaffen, bei Entzündung oder Durchblutungsstörungen des Wundrandes kann ein Faden frü her entfernt werden, um weitere Schäden zu verhindern. 30.8.5 Antikoagulation, Antinbiotikaprophylaxe Thromboseprophylaxe erfolgt gemäß Leitlinienstandards. 30.8.6 Krankengymnastik, Ergotherapie Wenn möglich, erfolgt die Mobilisation vom 1.€Tag an. Am Stumpf selbst sollte mit isometrischen Kontraktionen begonnen werden, um die Wundheilung nicht zu stören. Die Belastungssteigerung erfolgt langsam zunehmend, erst am Gehwagen, dann an Gehstützen, spä ter, wenn möglich, ohne diese. Wichtig ist auch die Vermittlung von Kenntnissen über das An- und Ausziehen der Prothese und die Be urteilung des Stumpfes. Auch an der unteren Extremität erfolgen die Anleitung zur Technik der Prothese, das An- und Ausziehen und die Stumpfbeurteilung unter Berücksichtigung des psychomotorischen Entwicklungsstandes. Die Ergotherapie ist verantwortlich für Erstabklärung und pro visorische Erstellung von Schreib- und Esswerkzeug direkt am Stumpf, das Umlernen auf die Hand der Gegenseite, das Erlernen von Trickbewegungen und die Abklärung weiterer Hilfsmittel, z.€B. für die Toilette sowie zum An- und Ausziehen. 30.9
Prothetische Versorgung
Frühversorgung.╇ Die Anpassung der Prothese beginnt frühestens einige Tage nach der Operation, d.€h. meist zwischen der 2. und 4.€Woche. Die sog. Interimsprothese hat eine Volumenreduktion des Stumpfes, eine Verbesserung der Hauttrophik und der Hautver schieblichkeit zum Ziel und bedeutet zugleich die Vorbereitung auf die definitive Prothese. Definitive Versorgung.╇ Mit der definitiven Prothese wartet man in
der Regel mindestens bis zur Wundheilung, meist 4–6€Wochen. 30.9.1 Fuß
Einzelne Zehenamputationen bedürfen keiner prothetischen Ver sorgung, die benachbarten Zehen verschließen die Lücke auf phy siologische Weise. Der Mittelfußstumpf kann mit orthopädi schem€Schuhwerk (hoher Schuh; flacher, durchgezogener Absatz; Versteifung der Sohle bis an die Fußspitze; ggf. Pufferabsatz und Abrollrampe) ausreichend versorgt werden.
Transmetatarsale Amputationen und höher sind prothetisch zu versorgen. Bis zum Lisfranc-Gelenk genügt ein sog. Innenschuh ohne Übergreifen auf den Knöchel. Bei Amputationen des Rück fußes ist eine Prothese bis unterhalb des Kniegelenks nötig. 30.9.2 Unterschenkel Kinder werden mit Kurzprothesen versorgt. Zwischen Stumpf und Schaft besteht Vollkontakt, der Stumpf wird maximal endbelastet, die Zirkulation ist frei, und chronische Ödeme am Stumpfende sind praktisch nicht möglich. An- und Ausziehen der Prothese sind »kin derleicht« und nehmen nur Sekunden in Anspruch. Der Schaft besteht aus einem weichen inneren und einem Â�härteren äußeren Schaft. Durch 2€seitliche federnde Klammern an den Kondylen wird die Prothese gehalten. So kommt es zu keiner Muskelatrophie im Oberschenkel, das Knie bleibt frei be weglich, und auch schwere Belastungen wie z.€B. Skifahren sind möglich. Unterschenkelprothese für die Umdrehplastik nach Borggrevevan Nes.╇ Hier ist ein Oberschaft erforderlich, der mit 2€seitlichen
Scharniergelenken mit dem Unterschenkelteil verbunden ist. 30.9.3 Knie
Es erfolgt eine prothetische Versorgung mit innerem Weich wandschaft, der den birnenförmigen Stumpf in einen konischen umwandelt. Ein äußerer harter Schaft wird wie ein Stiefel darüber gezogen. Dadurch wird eine volle Endbelastung und Rotations stabilität bei exakter Abformung erreicht, jedoch kein Druck auf Patella und Femurkondylen ausgeübt. Die Hüfte bleibt frei be weglich. 30.9.4 Oberschenkel Hier erfolgt die Versorgung durch eine Haftprothese mit Vollkon taktschaft, die am Stumpf durch Vakuum gehalten wird, am besten mit maximal möglicher Endbelastung. Da jedoch keine volle Belas tung des Stumpfes möglich ist, ist immer ein Tuberaufsitz notwen dig. Der vordere Gegenhalt reicht bis auf Höhe des Leistenbandes. Bei undichtem Vakuum ist zusätzlich eine Schlesier-Bandage (Auf hängung durch Leibgurt) vonnöten. 30.9.5 Hüfte Anwendung findet die sog. Kanada-Prothese mit Beckenkorb und nach vorn gesetztem Hüftgelenk. Die Gelenke blockieren beim Stehen automatisch, beim Kippen des Beckens werden sie wieder gelöst. 30.10
Management von Spätkomplikationen
Stumpfprobleme können mannigfaltig auftreten, z.€B.
4 ein Stumpfödem durch Abflusshindernisse, 4 Hauterkrankungen wie die allergische Kontaktdermatitis, 4 Prothesenrandknoten (kleine Hautzysten am Prothesenrand als Folge chronischer Überbeanspruchung),
265
30.10 · Management von Spätkomplikationen
4 übermaßiges Schwitzen mit vulnerabler Haut und Geruchsbe lästigung, 4 Follikulitis und 4 Pilzinfekte.
Auch können generalisierte Hauterkrankungen wie Acne vulgaris, seborrhoische Dermatitis, Ekzeme, Psoriasis, Lichen planus und Hautwarzen zu Stumpfhautproblemen prädisponieren. Während der Wundheilungsprozesse können sich am Stumpf skelett Exostosen bilden. Diese entstehen z.€B. durch Periostfransen, die zur Kallusbildung führen, sowie durch verkalkte Hämatome oder Sequester. Weiterhin kann es zur Resorption von Knochen kommen bei Verbrennungen durch den Sägeschnitt und bei der Â�Anlage von Bohrlöchern, bei übermäßigem Zurückstülpen von Â�Periost und durch Infekte. Osteoporose entsteht durch die ver minderte mechanische Beanspruchung und hat eine erhöhte Frak turgefahr zur Folge. Bei Amputation vor Wachstumsabschluss führt diese Minderbe lastung außerdem zu einem Wachstumsrückstand. Durch den Druck gegen die Prothesenwand und das Auftreffen der Scheuerkräfte kann sich der Knochen abrunden und verkürzen, bzw. die nicht bean spruchte Seite spitzt sich zu (Wolff-Gesetz → Zusammenhang zwi schen äußerer mechanischer Beanspruchung und Knochenstruktur; .€Abb.€30.6). Diese »negative Exostose« kann auch zu Perforationen des Stumpfs durch die Weichteile führen. Weitere Probleme bringt ein Missverhältnis der Weichteile zum Knochen mit sich. Zum einen kann sich die Muskulatur zurück ziehen€ oder der Knochen die Muskulatur perforieren, wenn die Â�Muskelschlingen nicht über dem knöchernen Ende vereinigt wur den, schon primär nicht ausreichend Muskulatur zur Verfügung stand, die Muskulatur durch einen zu schmalen Prothesenschaft eingang zurückgestülpt wurde oder der Endkontakt fehlt. Zum ande ren kann ein Überschuss an Weichteilen im Verhältnis zur Knochen länge vorliegen. Phantomgefühl und Phantomschmerz treten bei amputierten Kindern im Gegensatz zum Erwachsenen praktisch nie auf, auch nicht nach Jahren. 30.10.1
Plastische Rekonstruktion/ Stumpfkorrektur
Gerade die Spätfolgen von Verbrennungen und Verbrühungen mit schwerer Narbenbildung und dem Auftreten von Kontrakturen er fordern häufig funktionsverbessernde plastisch-chirurgische Maß nahmen. Vor deren Durchführung sind auf jeden Fall die Konstruk tion, Ausführung und der Sitz einer Prothese zu prüfen und eine Optimierung vorzunehmen. 30.10.2
Weichteildefekte bei Unterschenkel� amputationen
Zur Verbesserung der Weichteildeckung unter Erhalt der Knochen länge sind folgende Maßnahmen möglich: 4 freier mikrochirurgischer Latissimus-dorsi-Lappen; dieser bringt jedoch meist ein größeres Volumen mit, 4 Gastrocnemius-Lappen, 4 Fußfiletlappen, 4 Cross-leg-Lappen von der Wadenmuskulatur der Gegenseite. Übrig gebliebene Defekte lassen sich durch Mesh Graft decken.
Besonderheiten Das Spare-part-Konzept ermöglicht den größtmöglichen Längener halt durch Verwendung nicht replantierbarer Gewebekomponenten oder der Traumazone nachgeschalteter und unverletzter Körperteile. Neben dem Längenerhalt schafft es einen belastungsfähigen und meist auch sensiblen Stumpf. Zudem entfällt die zusätzliche Hebe defektmorbidität (. Abb. 30.3). 30.10.3
Operative Verfahren bei chronischer Osteomyelitis des Tibiastumpfes
Mit gestielten Muskellappenplastiken ist es möglich, eine Stumpfos teomyelitis zu beseitigen. Zur Verfügung stehen für mittellange Stümpfe die Peronäalmuskulatur sowie der Triceps surae, für kurze und ultrakurze Stümpfe nur der Triceps surae. Peronäusplastik.╇ Durch eine Fensterung an der lateralseitigen Ti bia werden die Muskelstümpfe in die ausgehöhlte Markhöhle und den Tibiakopf eingeführt. Trizeps surae-Plastic.╇ Bei kurzen und ultrakurzen Stümpfen erfolgt
das Ausfräsen des Tibiakopfes von dorsal, die Stümpfe der Gas trocnemii und ggf. Reste des Soleus werden eingebracht, ein Voll hautlappen bedeckt das Stumpfende. Als Alternative kann die Tibiadiaphyse reseziert werden, und die Fibula wird unter den Tibiakopf verlagert. Im Laufe der Zeit ent wickelt sich schließlich ein tragfähiger Stumpfknochen. 30.10.4
Operative Verfahren bei chronischer Osteomyelitis des Femurstumpfes
Hier erfolgt die Verplombung der ausgehöhlten Markhöhle mit einem gestielten Muskellappen aus dem dorsalen Anteil des M.€rec tus femoris oder einem freien Lappen. 30.10.5
Komplikationen nach Amputationen im Wachstumsalter
> Im Wachstumsalter ist alles an den Erhalt der Epiphysenfugen zu setzen. Es kommt zu einem Wachstumsrückstand der gesamten amputierten Extremität. Je früher und je höher die Amputation, umso größer ist der Unterschied.
Im Bereich der oberen Extremität sind die entfernt vom EllbogenÂ�ge lenk gelegenen Epiphysenfugen (distaler Radius und Ulna sowie Humeruskopf) verantwortlich für das Längenwachstum (.€Abb.€30.7). Bei Verlust der Epiphysenfugen kommt das Wachstum zum Still stand, Radius- und Ulnastümpfe verkümmern zu spitz zulau fenden€Rudimenten; dagegen zeigt der Oberarmstumpf eine über mäßig proportionale Wachstumspotenz bis zur Perforation durch die Haut. An den unteren Extremitäten lokalisieren sich die Epiphysenfu gen rund um das Knie; diese sind zu 70–80% für das Längenwachs tum verantwortlich (.€Abb.€30.7). Allerdings wachsen nach einer Amputation des Femurs oder des Unterarms diese Knochen nahezu nicht mehr. Bei Oberschenkelamputationen kann aus einem mittellangen Oberschenkelstumpf beim Kleinkind ein hypoplastischer, kurzer Fe murstumpf mit bleistiftähnlicher Spitze entstehen mit resultierender
30
266
Kapitel 30 · Amputationen der unteren Extremität
30
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a
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. Abb. 30.6a–e╇ Stumpfkorrektur zur Herstellung eines endbelastbaren Stumpfes nach Unterschenkelamputation im Alter von 7€Jahren. Nach 20€Jahren chronisch instabile Narbe und zunehmende Durchspießung der Tibia durch die Weichteile€(a). Chronische Hautinfekte im Prothesenversorgungsbereich. Man beachte die dysplastische Form des Tibiastumpfes€(b). Weichteilpolsterung durch myoplastische Deckung mittels M.-gastrocneÂ� mius-Advancement (c,€d). Endbelastbarer Stumpf mit guter Abpolsterung der Tibia€(e)
267
30.10 · Management von Spätkomplikationen
Myoplastische Stumpfdeckung.╇ Diese erfolgt durch vorhandene
Anteile des M.€gastrocnemius (.€Abb.€30.6).
Literatur Baumgartner R, Botta P (1995) Amputation und Prothesenversorgung der unteren Extremität. 2. Aufl. Enke, Stuttgart Borggreve J (1930) Kniegelenkersatz durch das in der Beinlängsachse um 180° gedrehte Fußgelenk. Arch Orthop Unfallchir 28: 175–178 Burgess EM, Zettl JH (1969) Amputations below the knee. Artif Limbs 13: 1–12 Eichhorn-Sens J, Vogt PM (2006) Amputationen. In: Weinberg AM, Tscherne H (Hrsg) (2006) Tscherne Unfallchirurgie, Bd€3. Unfallchirurgie im KindesÂ� alter. Springer, Berlin Heidelberg New York, S€969–990 Homann HH, Lehnhardt M, Langer S, Steinau H-U (2007) Stumpferhalt und Stumpfverlängerung an der unteren Extremität. Chirurg 4: 308–315 Marquardt E (1983) Amputationen bei angeborenen Erkrankungen der unteren Extremität. Therapiewoche 33: 5010–5021 Weinberg AM, Tscherne H (Hrsg) (2006) Tscherne Unfallchirurgie, Bd€3. Unfallchirurgie im Kindesalter. Springer, Berlin Heidelberg New York Winkelmann W (1993) Die Umdrehplastiken. Orthopäde 22: 152–159
. Abb. 30.7╇ Schematische Darstellung der Wachstumspotenz der Epiphysenfugen
Weichteilschädigung. Nach Unterschenkelamputationen kommt es zum stärkeren Wachstum der Fibula als der Tibia aufgrund unter schiedlicher Potenz der verbleibenden Wachstumsfugen, u.€U. mit Verkümmerung der Tibia. Dadurch ist ein verstärktes Abdrängen der Tibia nach medial möglich bis zur Varusfehlstellung des Stumpfes. Auch ein Hochstand des Fibulaköpfchens mit Subluxation im proximalen fibulotibialen Gelenk und Weichteilperforationen durch verstärktes Wachstum sind möglich. Dies kann man vermeiden, indem der Fibulakopf mit Wachstumsfuge und einem Anteil der Diaphyse subperiostal entfernt und als freies Transplantat in die Markhöhle des Tibiastumpfes eingebracht wird, was zur besseren Endbelastbarkeit und Stimulation des Wachstums der Tibia mit 2€Wachstumsfugen führt. Bei diesem Vorgehen ist der laterale Kol lateralbandapparat des Kniegelenks sorgfältigst zu schonen.
Therapie wachstumsbedingter Komplikationen Zugang zur Knochenspitze über Exzision der vorbestehenden Narbe und Knochenkürzung, Bursa muss nicht unbedingt entfernt werden, sie verschwindet nach Beseitigung der Ursache in der Regel von selbst. Nachteil: erneute Kürzung des Stumpfes. Wachstumsknorpeltransplantat nach E.€Marquardt.╇ Decken der Stumpfspitze durch ein freies Transplantat von Wachstumsknorpel aus dem Beckenkamm, temporäre Fixierung mit Schraube in Längs richtung. Das Transplantat verhindert die erneute Durchspießung und trägt zum Längenwachstum bei. Freie Transplantation des Fibulaköpfchens in die Markhöhle der Tibia nach E.€Marquardt.╇ Hierdurch verbessert sich die Belastbar
keit der Stumpfspitze, und Rezidive werden verhindert. Im günsti gen Fall bleibt die fibulare Wachstumsfuge erhalten und trägt zum Wachstum der Tibia bei.
30
V
Hauttumoren L.-U. Lahoda
Kapitel 31
Gutartige Tumoren der Haut, inklusive Näviâ•… – 271 L.-U. Lahoda
Kapitel 32
Maligne Tumorenâ•… – 279 L.-U. Lahoda
Kapitel 33
Strahlenfolgenâ•… – 289 L.-U. Lahoda
Die Chirurgie der Haut ist ein fundamentaler Bestandteil der Plastischen Chirurgie. Wenngleich ein Großteil kleinerer Hauttumoren regelhaft in der dermatologischen Chirurgie behandelt wird, erfordern ausgedehnte pathologische Veränderungen, insbesondere vaskuläre Tumoren, oder maligne Tumoren und Strahlenfolgen besondere Techniken; zum einen in der Radikalität der Entfernung und zum anderen in der Wiederherstellungschirurgie. Mit den Fortschritten der Onkologie, insbesondere der monoklonalen Antikörper, hat sich auch die Therapie, z.€B. des Melanoms, hin zu einer multimodalen Therapie entwickelt. Hingegen erfordern Strahlenfolgen nach wie vor aufwendige Lappenplastiken zur Sanierung. Erste Erfolge mit Zellinjektionen aus Fettgewebe zur Therapie von Strahlenfolgen deuten für die Zukunft neue Therapieoptionen€an.
31
Gutartige Tumoren der Haut, inklusive Nävi L.-U. Lahoda, P.M. Vogt
31.1
Diagnostisches Vorgehenâ•… – 272
31.1.1
Biopsietechnikâ•… – 272
31.2
Einteilung/Klassifikationâ•… – 272
31.2.1 31.2.2 31.2.3
Epidermale Hauterkrankungenâ•… – 274 Kongenitale Näviâ•… – 274 Sonstige Hautveränderungenâ•… – 275
31.3
Tumoren der Hautanhangsgebildeâ•… – 276
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
272
Kapitel 31 · Gutartige Tumoren der Haut, inklusive Nävi
Hautläsionen erfordern in der Regel eine diagnostische Dignitätsabklärung. Eine solche ist nur begrenzt klinisch, dagegen histologisch nahezu immer eindeutig möglich. Klinische Malignitätskriterien wurden z.€B. für das Melanom€ beschrieben und als sog. »ABCDE-Regel« festgehalten (.€Tab.€32.2). Zur »ABCDE-Regel« kommen anamnestisch weitere Kriterien hinzu wie Wachstumsgeschwindigkeit, leichte Vulnerabilität und Juckreiz sowie objektivierbare Beschreibungen der makroskopischen Erscheinung (7€unten). Jede klinisch verdächtige Läsion ist letztendlich histologisch abzuklären. Begriffe und Deskriptionen
31
4 Macula: flache, zirkumskripte Hautläsion 4 Papula: erhabene, bis zu 5€mm große Hautläsion 4 Plaque: erhabene Hautläsion, deren Oberfläche deutlich größer ist als die Gesamthöhe 4 Nodulum: erhabene Hautläsion, typisch größer und dicker als Papula
31.1
31.2
Einteilung/Klassifikation
Gutartige Erkrankungen der Haut lassen sich nach .€Tab.€31.1 einteilen (.€Abb.€31.1 bis 31.7).
. Tab. 31.1╇ Klassifikation gutartiger Erkrankungen der Haut Epidermale Hauterkrankungen
4 4 4 4 4
Nävuszellnävi (melanozytäre Nävi)
4 4 4 4 4 4 4 4
Tumoren aus den Hautanhangsgebilden
4 Tumoren der epidermalen Anhänge (Schweißdrüsen, Haarfollikel, ekkrine Drüsen) 4 Pilomatrixome (kalzifizierende Epitheliome) 4 Trichoepitheliome 4 Zylindrome 4 ekkrine Porome 4 Syringome 4 Naevus sebaceus 4 Schweißdrüsenadenom 4 Schweißdrüsenhyperplasie
Dermale Zysten
4 Epidermoidzysten (epidermale Einschlusszyste) 4 Dermoidzyste 4 Trichilemmalzyste
Erkrankungen der Dermis und Subkutis
4 4 4 4
Dermatofibrom Lipom Dermatofibroma protuberans Neurofibrome
Erkrankungen der Haut im Rahmen von System� erkrankungen
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Granuloma anulare Kalziphylaxie Hidradenitis suppurativa Psoriasis Lupus erythematodes Sklerodermie Sarkoidose Kaposi-Sarkom Vaskulitiden
Diagnostisches Vorgehen
31.1.1 Biopsietechnik In der Regel sind Biopsien problemlos in Lokalanästhesie (mit oder ohne Adrenalin) zu gewinnen. Die Inzision sollte vor dem Einspritzen des Lokalanästhetikums geplant und eingezeichnet werden, damit unter Berücksichtigung der Langer-Spaltlinien (.€Abb.€5.1) ein kosmetisch ansprechendes Resultat zu erhalten ist. Ob die verdächtige Hautläsion nun komplett exzidiert oder eine Inzisionsbiopsie durchgeführt wird, hängt von der Ausdehnung der Läsion und der Tumorentität ab. Die Techniken der Materialgewinnung zeigt die .€Übersicht. Techniken der Materialgewinnung 4 Exzisions- oder Inzisionsbiopsie Abhängig von Tumorgröße. Keilförmige Inzision mit ausreichender Tiefe zur Beurteilung der Invasivität erforderlich. Mit einem Sicherheitsabstand, der dem Radius des sichtbaren Tumors entspricht, lassen sich die meisten Basaliome und Plattenepithelkarzinome sicher exzidieren. Bei fehlender Möglichkeit zum Primärverschluss erfolgt eine temporäre Deckung (z.€B. Epigard oder Fettgaze) bis zum Erhalt der definitiven Histologie. 4 Stanzbiopsie Hier wird mittels einer Stanze unterschiedlichen Durchmessers Gewebe bis zur subkutanen Fettgewebsgrenze gewonnen. 4 Shaving Nachteil des Verfahrens ist die fehlende Aussage über die Tiefenausdehnung und die z.€T. deintegrierten Gewebsanteile. Shaving hat nur in Form der Exzisionstechnik nach Moh als mikrohistographische kontrollierte Methode einen anerkannten Stellenwert. 6
4 Kürettage Abtragen/Abkratzen von oberflächlichen Hautläsionen in Lokalanästhesie durch eine Kürette bzw. einen scharfen Löffel. Dieses Verfahren eignet sich lediglich für eindeutig gutartige oberflächliche Veränderungen, wie seborrhoische Keratosen. Tiefere Hautschichten sind schlecht oder nicht abtragbar, Aussage über die Tiefenausdehnung nicht möglich.
Epidermaler Nävus (Linearnävus) Seborrhoische Keratose Aktinische Keratose Lentigo Entzündlich linearer verrukös-epidermaler Nävus
Ota-Nävus Ito-Nävus Naevus spilus Spitz-Nävus (benignes juveniles Melanom) Junktionsnävus Compound-Nävus Intradermaler Nävus Blauer Nävus (»common blue nevus«, zellulärer blauer Nävus) 4 atypischer (dysplastischer) Nävus
273
31.2 · Einteilung/Klassifikation
. Abb. 31.1╇ Dermaler Nävus
. Abb. 31.4╇ Cornu cutaneum
. Abb. 31.2╇ Seborrhoische Keratose der Sternumregion
. Abb. 31.5╇ Compound-Nävus
. Abb. 31.3╇ Aktinische Keratose des Skalps nach jahrzehntelanger Sonnen� exposition
. Abb. 31.6╇ Weiches Fibrom
31
274
Kapitel 31 · Gutartige Tumoren der Haut, inklusive Nävi
diese Keratosen gehäuft auftreten und Biopsien dadurch frustran und zahlreich werden. In diesem Fall kann mit 5-Fluorourazil be handelt werden. Es empfiehlt sich, weitere Sonnenexposition zu ver meiden. 31.2.2 Kongenitale Nävi
. Abb. 31.7╇ Lipom
31 31.2.1 Epidermale Hauterkrankungen
Naevus verrucosus Der Naevus verrucosus (papillomatöses, gelblich keratotische Pla que, in der Kindheit oder bei der Geburt vorhanden) erscheint als oberflächliche, der Epidermis anhaftende Struktur, die beim Versuch der Dermabrasio jedoch häufig rezidiviert, da der Grund für die keratotische Störung in der Dermis zu suchen ist (.€Abb.€31.1). Dementsprechend sollte eine Exzision der Dermis erfolgen, wenn beabsichtigt ist, diese Läsion komplett zu entfernen. Gelegentlich werden Retinoide (Vitamin-A-Analoga) für die Â�systemische Behandlung dieser Nävi eingesetzt. Angewandt werden sollte diese Therapie von in der Behandlung Erfahrenen, in Frage kommt sie für Patienten, die an multiplen, gehäuft auftretenden Nävi leiden.
Seborrhoische Keratose Die seborrhoische Keratose (.€Abb.€31.2) ähnelt der erstgenannten, kommt jedoch speziell im höheren Lebensalter vor. Gehäuft fin det€man sie am Stamm, im Gesicht und den Armen. Im klinischen Bild erscheint der Eindruck von blumenkohlartig wachsenden, scharf begrenzten, papillomatösen Warzen mit hyperkeratotischer Oberflä che. Sie können manchmal wie »aufgeklebt« beschrieben werden. Die Pigmentierung kann von sehr hell bis dunkel stark variieren. Die Behandlung ist einfach und durch ein scharfes Abkratzen in der Ebene der umgebenden Haut durchführbar. Diese Keratose ent artet nicht. ! Cave Das Plattenepithelkarzinom ist differenzialdiagnostisch v.€a. in entzündeten oder posttraumatisch veränderten Hautarealen zu erwägen.
Aktinische Keratose Die aktinische Keratose (.€Abb.€32.3) ist durch die jahre- oder jahr zehntelange Sonnenexposition gekennzeichnet und findet sich dem nach an Stellen häufiger Sonneneinstrahlung. Im Gegensatz zur seborrhoischen Warze handelt es sich hier um eine Präkanzerose. Klinisch imponiert eine harte, flache hyperkeratotische Oberfläche mit begleitendem Erythem. Es empfiehlt sich, solitäre oder in jüngeren Jahren auftretende Läsionen zusammen mit denen, die einen deutlichen Entzündungs hof aufweisen, zu biopsieren. In der älteren Bevölkerung können
Die Gruppe der Nävuszellnävi (Junktions-, Compound-, intrader maler Nävuszellnävus) muss vom Melanom abgegrenzt werden (7€Kap.€32). Klinisch imponiert z.€B. der Junktionsnävus als weiche, flache, irregulär pigmentierte Läsion des epidermal-dermalen Grenzbe reichs. Dieser Nävus kann an jeder Stelle des Körpers auftreten, al lerdings bevorzugt an Hand- oder Fußfläche, oder dem Übergangs epithel (an Glans penis, Vulva, Vermillion der Lippe). Diese Form des Nävus kommt in jedem Lebensalter vor, zeigt aber eine Häufung im Kindesalter, des jungen Erwachsenenalters und der Adoleszenz. Die Junktionsnävi können erst im Laufe des Wachstums durch eine Transformation in den Compound-Nävus sichtbar und auffällig werden. Die Atypien finden sich am dermoepidermalen Übergang (der Junktionszone). Aufgrund der manchmal schwierigen Abgren zung zum Melanom sollten sie exzidiert werden. Der Compound-Nävus (.€Abb.€32.5) zeigt im Gegensatz zum Junktionsnävus Atypien junktional und epidermal. Dem Namen entsprechend, stellt der intradermale Nävus seine atypischen Zell formationen intradermal dar, typischerweise finden sich diese im Gesichts- und Nackenbereich. Die zwei Formen des blauen Nävus sind deshalb interessant, weil sie evtl. einer kutanen Metastase eines Melanoms ähnlich sehen können, daher auch die Forderung nach Exzision. Die »atypischen« oder »dysplastischen« Nävi finden sich in der Pubertät oder später und zeigen eine klassische, zentral braune Ma kula, die von einem rötlichen, irregulären Randsaum umgeben ist. Gewöhnlich >6€mm, stellen sie eine gewisse Herausforderung zur Abgrenzung zu Melanomen dar, da sie irregulär pigmentiert auftre ten und unregelmäßige Grenzen aufweisen können. Sie sollten exzidiert werden, und parallel sollte auf weitere dieser Veränderungen der gesamten Körperoberfläche untersucht werden (enoral, Skleren und anogenital). ! Cave Die Gruppe dieser Patienten zeigt bei parallelem Auftreten eines Melanoms im erstgradigen VerwandtschaftsÂ� verhältnis eine Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Melanoms in der Lebenszeit von 100%!
Epidemiologie Obgleich die meisten melanozytären Nävi nicht bei Geburt bestehen, zeigen 1–2% der Population kongenitale melanozytäre Nävi, die bei Geburt vorhanden sind oder innerhalb des 1.€Lebensjahres ent stehen.
Klinik Die Färbung reicht von blass braun bis sehr dunklem Braun bei hell häutigen Patienten. Im Gegensatz dazu zeigt sich die Farbe bei Mit gliedern dunklerer ethnischer Gruppen bläulich bis schwarz. Es ist möglich, dass sich die bei Geburt vorhandene, sehr spärliche Pig mentierung im Lauf des Wachstums ändert und zunimmt. Die Grenzen dieser Veränderungen sind üblicherweise sehr gut definiert, aber entgegen den »erworbenen« Nävi sind diese unregel mäßig und asymmetrisch. Wenn auch einige als Makulae imponie
275
31.2 · Einteilung/Klassifikation
Therapie
. Abb. 31.8╇ Konnataler Riesen-Nävus-Zell-Nävus (sog. Tierfellnävus)
ren, sind die meisten dennoch über dem umliegenden Hautniveau erhaben. Die Hauttextur über diesen Läsionen ist meist betont, ver stärkt und akzentuiert, sodass von einer »peau d’orange« gesprochen werden kann. Vermehrtes Haarwachstum innerhalb dieser Läsion ist nicht un gewöhnlich, selbst die Haarqualität kann unterschiedlich sein im Vergleich zur Umgebung. Interessanterweise findet sich oft an den peripheren Haarfollikeln dieser Nävi eine Hypopigmentierung (.€Abb.€31.8). Die Riesenzellnävi bedürfen einer speziellen Beach tung. Sie können eine sehr grobe Hautfältelung aufweisen und auf der Oberfläche unzählige makulopapulöse Veränderungen zeigen, zu denen sich noch kleinere Nävi an Hand- oder Fußflächen als sog. Satellitennävi hinzugesellen können.
Komplikationen, insbesondere Entartungsrisiko Melanome entstehen aus der Entartung von Melanozyten normaler Haut oder innerhalb von »erworbenen«, atypischen, dysplastischen, melanozytären Nävi. Die Rate einer malignen Entartung aus konge nitalen melanozytären Nävi ist schwierig vorherzubestimmen. Große kongenitale melanozytäre Nävi weisen eine höhere Inzidenz der Entartung auf. Die Angaben schwanken hier von wenigen Pro zent bis 20%. Die Mehrheit dieser entarteten Melanome entwickelt sich vor der Pubertät. Bei gigantischen Nävi findet Entartung der Zellen häufig in der Tiefe der Läsion statt. Im Gegensatz zu den mittleren und kleinen Nävi kann die Entartung daher der Inspektion anfänglich entgehen. Träger von gigantischen Nävi zeigen eine Inzidenz von ca. 4% extrakutanen Melanomen (retroperitoneal, neural), aus denen sich die neurokutane Melanose zusammensetzen kann. Hierunter ver steht man die Bildung eines Riesenzellnävus mit mehreren kutanen Satelliten und einer ZNS-Beteiligung. Dies bedeutet beispielsweise die Entwicklung eines Hydrozephalus, eines Anfallsleidens, fokal neurologischer Defizite oder sensomotorischer Ausfälle. Die Pro gnose ist in dieser Patientengruppe schlecht. Häufig treten die neu rologischen Probleme innerhalb der ersten beiden Lebensjahre auf.
Histopathologie Trotz des breiten klinischen Erscheinungsbildes dieser Nävi lassen sich histomorphologische Gemeinsamkeiten definieren. So finden sich Nester von Melanozyten am dermoepithelialen Übergang oder einzelne Zellen in der retinakulären Dermis und um Venolen oder Hautanhangsgebilde. Selbst im subkutanen Fett bzw. in und auf der Muskelfaszie und Skelettmuskulatur können sie nachgewiesen wer den. Manchmal können die Riesenzellnävi auch histomorphologisch einem blauen Nävus ähneln, der dendritisch pigmentierte Melano zyten in der Dermis zeigt.
Die Behandlung der kongenitalen melanozytären Nävi wird indivi duell angepasst. Beim Riesenzellnävus auf dem Rücken liegt eine Malignitätswahrscheinlichkeit von 5% vor, woraus sich die Forde rung nach kompletter Exzision im Kindesalter ergibt. Sollten sich zu dieser Läsion noch Satellitenläsionen hinzugesellt haben, müssen eine neurokutane Melanose als Variante der Erkrankung angenom men und MRT-Untersuchungen des ZNS initiiert werden. Im Gegensatz dazu zeigen kleine und mittlere Nävi eine deutlich bessere Prognose. Hier kann die Exzision empfohlen werden, wenn diese Läsionen schwer zu kontrollieren sind und in kosmetisch pro blematischer Region liegen, wie der Stirn oder dem Gesicht. Sollte sich aus der Lokalisation des vorliegenden Nävus die chirurgische Konsequenz von entstellenden Narben oder großen rekonstruktiven Eingriffen ergeben, kann die Kontrolle klinisch im regelmäßigem Abstand erfolgen, auf Wunsch und nach Aufklärung kann dennoch jederzeit exzidiert werden. Verfahrenswahl und Zeitigkeit der Exzision müssen ebenfalls »individualisiert« werden. Kleine und mittlere Nävi stellen selten eine chirurgische Herausforderung dar, anders dagegen die Riesen zellnävi, die bekanntlich bis in tiefe Schichten melanozytäre Nester aufweisen können, die Dermis, Fett und manchmal darunterlie gende Faszie betreffen. Viele dieser sehr großen Ausdehnungen Â�können nicht in einer operativen Sitzung exzidiert und primär ver schlossen werden. Hier wird entweder sequenziell – entsprechend dem Prinzip der seriellen Exzision – reseziert, oder es wird zweizei tig unter Zuhilfenahme von Gewebeexpandern eine Präexpansion gesunder Haut der Umgebung mit sequenzieller Hautausbreitung nach Nävusausschneidung vorgenommen. Dennoch kann sich die Notwendigkeit zur Hautverpflanzung ergeben, wodurch sich das Problem der adäquaten Spenderstelle stellt, falls mehrere Satellitennävi vorliegen sollten. Nicht selten kommt es trotz Exzision zum Rezidiv, zu hypertro phen Narben, Dehiszenzen durch die Wundspannung und dadurch zu Infektionen und sekundär heilenden Narben. Bedingt durch die Ausbreitungstiefe einiger der kongenitalen melanozytären Nävi scheidet eine therapeutische Laserablation ebenso aus wie der Ein satz der Dermabrasio. 31.2.3 Sonstige Hautveränderungen
Dysplastischer Nävus/atypische Mole Der Begriff »dysplastischer Nävus« wurde in letzter Zeit durch den Begriff »atypische Mole« ersetzt. Im Gegensatz zu den angeborenen Nävi bilden sich diese im Laufe der Zeit und haben spezielle Erken nungsmerkmale, die sie vom Melanom unterscheiden. > Asymmetrie, Grenzflächenunregelmäßigkeiten, Farbänderungen und relativ große Ausdehnung von >6–8€mm sprechen für das Melanom (.€Tab.€32.2).
Atypische Molen können sporadisch oder in Familien mit bekannten Melanomen vorkommen, daher ist das Melanomrisiko in der Popu lation mit atypischen Molen größer im Vergleich zur Restbevöl kerung. Für diese Art der Erkrankung wurden unterschiedliche Synonyme geprägt. Bekannt sind sie auch als dysplastisches Nävus syndrom, familiäre atypische Molen usw. Da diese Läsionen relativ häufig vorkommen und es Patienten mit mehreren Hundert dieser Molen gibt, ist es unpraktisch und auch nicht notwendig, alle Nävi zu exzidieren und histologisch zu untersuchen. Diese Patienten können beispielsweise durch Foto dokumentationen und jährliche Untersuchungen durch einen erfah
31
276
31
Kapitel 31 · Gutartige Tumoren der Haut, inklusive Nävi
renen Dermatologen kontrolliert werden. Daher ist es einfacher, sich ändernde Läsionen zu erkennen, zu dokumentieren und diese gezielt histologisch aufzuarbeiten. Das Verfahren der Dermatoskopie (als Epiluminiszenzmikroskop) kann in der Unterscheidung zwischen dem Melanom und diesen Läsionen helfen, zeigt eine Sensitivität von 89% bei einer Spezifität von 79% und wird vermehrt einge setzt. Gutartige juvenile Melanome stellen eine Variante des Nävus zellnävus dar und verhalten sich nicht wie maligne Melanome. In der Vergangenheit ergaben sich hier Konfusionen und schwache Ab grenzungsmöglichkeiten. Häufig zeigen sich nichtpigmentierte, röt lich erscheinende papuläre Läsionen, die vor der Pubertät entstehen und schon zur Geburt präsent sein können. In 15% der Fälle werden sie während der Pubertät und in der Kindheit entdeckt. Diese gutar tigen, juvenilen Melanome zeigen sich häufig im Gesicht und sind sehr selten melaningefärbt. Da das maligne Melanom sehr selten im Kindesalter auftritt, sollten gutartige juvenile Melanome als benigne Form des Melanoms entsprechend dermatologisch fachärztlich diagnostiziert werden, um verstümmelnde operative Eingriffe zu vermeiden.
Riesenzellnävus Der Riesenzellnävus zeigt ein Entartungsrisiko zum Melanom hin (5%), das höher liegt als das allgemeine Durchschnittsrisiko. Auf grund der vorliegenden Größe ergibt sich nicht selten die Notwen digkeit für den Einsatz von Gewebeexpandern und wiederholten, sequenziellen Exzisionen (.€Abb.€31.8).
Solare Lentigo (»Altersflecken«) Altersflecken stellen keine Nävuszellläsionen dar, sie imponieren als weiche, dunkelbraune Flecken, die bis zu 1,5€cm im Durchmesser messen können und im Alter als vermehrte Ansammlung von nor malen Melanozyten vorkommen. Typisch ist die Ansammlung in sonnenexponierten Stellen des Körpers, wie Handrücken, Gesicht, Nacken und Armen. Diese Altersflecken sind klinisch schwer von »Sommersprossen«, junktionalen Nävi und dem Melanoma in situ zu unterscheiden. Nachdem die Diagnose gestellt wurde, kann diese Läsion exzidiert und histologisch verifiziert werden.
Ephelis (»Sommersprossen«) Sommersprossen zeigen eine pigmentierte Läsion mit normaler Me lanozytenanzahl, die eine abnormal hohe Menge an Melaningranula produzieren. Die beteiligten Melanozyten zeigen keine abnorme Proliferationstendenz und entsprechen keinem Malignitätskriterium.
Blauer Nävus Der blaue Nävus ist fest, entspricht einem scharf abgegrenzten intra dermalen Knötchen aus dermalen Melanozyten. Trotz der sehr sel tenen malignen Degeneration dieser Läsion ist eine Entartung den noch nicht auszuschließen. Hier ist anzumerken, dass die Differenzierung zwischen einem blauen Nävus, der metastatischen Absiedelung eines Melanoms und dem Kaposi-Sarkom Schwierigkeiten bereiten kann. Vaskuläre Mal formationen können ebenfalls dem blauen Nävus ähneln, die Diffe renzierung erfolgt hier durch lokalen Druck, der die vaskuläre Mal formation abblassen lässt, wohingegen der Nävus kein Abblassen zeigt.
Ota-Nävus Der Ota-Nävus entspricht einer blau-grauen Farbstörung im Über gang des 1.€ und 2.€Astes des N.€trigeminus. Diese Farbstörung findet sich häufig im Bereich des lateralen Augenwinkels und der Perorbi
. Abb. 31.9╇ Neurofibromatose
talregion. 60% zeigen sich während der Geburt und in der 1.€Lebens dekade, 80% betreffen Frauen. Differenzialdiagnostisch kommt das Melanom in Frage. Nach Malignitätsausschluss ist diese gefärbte Läsion gut durch entspre chende Laserbehandlung therapierbar. Wie erwähnt, kann bei neu rokutaner Melanose das zweite Lebensalter abgewartet werden, um zu sehen, ob sich hieraus neurologische Symptome entwickelt haben, da durch beispielsweise ein Anlegen eines Shunts im Fall eines Hy drozephalus die ZNS-Beteiligung schnell in eine systemische Betei ligung der Melanose übergeht. Leider ist die entsprechende Progno se solcher Kinder sehr schlecht. 31.3
Tumoren der Hautanhangsgebilde
Hierzu zählen u.€a.Tumoren der ekkrinen und apokrinen Schweiß drüsen, der Haarfollikel und sogar der glatten Muskulatur der Haut. Papillome, Dermatofibrome, Milien, Pilonidalzysten, Epidermoid zysten, das Dermatofibrosarcoma protuberans, Angiofibrome und Xanthome/Xanthelasmen, das Xanthoma planum und der Glo mustumor sowie einige mehr können dieser Gruppe zugeordnet werden. Generalisierte Erkrankungen unter hauptsächlicher Mitbeteili gung der Haut sind die Psoriasis, der Lupus erythematodes (diskoid und systemisch), die systemische und zirkumskripte Sklerodermie, die Neurofibromatose Recklinghausen (.€Abb.€31.9), das Xeroderma pigmentosum, die Epidermolysis bullosa, die Cutis laxa (vera), das Pseudoxanthoma elasticum, die Cutis hyperelastica, Vaskulitiden, die Sarkoidose, kutane T-Zelllymphome, die Necorbiosis lipidoica, die Acne vulgaris, das Kaposi-Sarkom, das Rhinophym und die Acne rosacea.
31.3 · Tumoren der Hautanhangsgebilde
Literatur Altmeyer P (2010) Enzyklopädie der Dermatologie, Venerologie, Allergologie, Umweltmedizin. Springer, Berlin Heidelberg New York Argenziano G, Soyer HP, Chimenti S et al. (2003) Dermoscopy of pigmented skin lesions: results of a consensus meeting via the internet. J Am Acad Dermatol 48: 679–693 Elder DE, Xu X (2004) The approach to the patient with a difficult melanocytic lesion. Pathology 36: 428–434 Kanzler MH, Mraz-Gernhard S (2010) Primary cutaneous malignant melanoma and its precursor lesions: diagnostic and therapeutic overview. J Am Acad Dermatol 45 (2): 260–276 Kittler H, Pehamberger H, Wolff K, Binder M (2002) Diagnostic accuracy of dermascopy. Lancet Oncol 3: 159–165 Morganroth GS, Leffell DJ (1993) Nonexcisional treatment of benign and premalignant cutaneous lesions. Clin Plast Surg 20 (1): 91–104 Murphy GF, Kwan TH, Mihm MC (1984) The skin. In: Robbins SL, Cotran RS, Kumar V (eds) Pathologic basis of disease, 3rd edn. Saunders, Philadelphia, pp 1257–1304 Popkin GL (1990) Tumors of the skin: a dermatologist‘s viewpoint. In: McCarthy JG (ed) Plastic surgery, vol 5. Saunders, Philadelphia, pp 3560–3613 Zarem HA, Lowe NJ (1997) Benign growths and generalized skin disorders. In: Aston SJ, Beasley RW, Thorne CH (eds) Grabb and Smith‘s plastic surgery, 5th edn. Lippincott-Raven, Philadelphia
277
31
32
Maligne Tumoren L.-U. Lahoda
32.1
Melanomâ•… – 280
32.1.1 32.1.2 32.1.3
Diagnosen und Klassifikationenâ•… – 280 Chirurgisches Vorgehenâ•… – 281 Postoperatives Managementâ•… – 283
32.2
Andere bösartige Hauterkrankungenâ•… – 283
32.2.1 32.2.2 32.2.3
Ätiologieâ•… – 283 Basalzellkarzinomâ•… – 284 Plattenepithelkarzinomâ•… – 285
32.3
Präkanzerosen und Vorstufenâ•… – 286
32.3.1 32.3.2 32.3.3 32.3.4 32.3.5
Aktinische Keratoseâ•… – 286 Morbus Bowenâ•… – 286 Queyrat-Erythroplasieâ•… – 286 Leukoplakieâ•… – 286 Keratoakanthomâ•… – 287
32.4
Maligne Tumoren als Folge von natürlichen und künstlichen Strahlenâ•… – 287
32.4.1 32.4.2
Strahlendermatitisâ•… – 287 Xeroderma pigmentosumâ•… – 287
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
280
Kapitel 32 · Maligne Tumoren
32.1
Melanom
Das Melanom (auch: »malignes Melanom«; MM) steht an 8.€Stelle aller Malignome in den USA, seine Inzidenz nimmt jedoch schneller als bei jeder anderen bösartigen Erkrankung zu. Das Lebenszeitrisi ko, an einem Melanom zu erkranken, beträgt 0,5%, jährlich werden dort 40.000 neu aufgetretene Fälle registriert. Nach Fitzpatrick (1988) werden unterschiedliche Hauttypen un terschieden, die ein unterschiedliches Risiko zur Entwicklung eines Melanoms tragen (.€Tab.€32.1). Zusätzliche Risikofaktoren sind 4 Ausmaß der Sonnenexpositionen, 4 die geographischen Risikofaktoren (UV-Bestrahlung und Inten sität) und 4 lokoregionäre Faktoren, wie z.€B. Größe des Ozonlochs und da mit die Stärke des UV-Schutzes.
32
Generell haben Frauen ein geringeres Risiko, an einem Melanom zu erkranken, die Prognose im Erkrankungsfall ist ebenfalls besser. Ein höherer sozioökonomischer Status impliziert interessanterweise ein höheres Risiko. In der schwarzafrikanischen Bevölkerung stellt das akrolentiginöse Melanom eine oft spät erkannte Erkrankung mit schlechter Prognose dar. Das Risiko eines weiteren malignen Melanoms (kein Lokalrezi div) liegt bei schon durchgemachter Erkrankung bei 3–5%. Der Rie
. Tab. 32.1╇ Hauttypen nach Fitzpatrick
Haut- typ
Hautfarbe
Hautreaktion auf Sonnen� exposition
I
Weiß
Immer Sonnenbrand, niemals Bräunung
II
Weiß
Gewöhnlich Sonnenbrand, schwierige Bräunung
III
Weiß
Gelegentlich geringer Sonnenbrand, mittlere Bräunung
IV
Moderat pigmentiert
Selten Sonnenbrand, einfache Bräunung
V
Dunkel pigmentiert
Selten Sonnenbrand, sehr einfache Bräunung
VI
Schwarz
Kein Sonnenbrand, sehr einÂ�fache Bräunung
. Tab. 32.2╇ »ABCDE-Regel«: Melanomkriterien
ABCD
Kennzeichen
A
»asymmetry« (Asymmeterie)
Asymmeterie
B
»border« (Begrenzung)
Unscharf begrenzter Rand
C
color« (Farbe)
Änderungen in der Färbung
D
»diameter« (Durchmesser)
Durchmesser über 6–8€mm Ausdehnung
E
»elevation« (Erhabenheit)
>1€mm Erhabenheit über das Hautniveau
senzellnävus und die »erworbenen« melanozytären Nävi sowie die dysplastischen Nävi/atypischen Molen tragen ein überdurchschnitt liches Entartungsrisiko. Der Spitznävus stellt ein bei Kindern zu findendes, differenzial diagnostisch bedeutendes Krankheitsbild dar, das als fast immer gutartiger Tumor auftritt, aber klinisch nur schwer vom Melanom zu unterscheiden ist. Die Sonderform der AJHM (»atypical junctional melanocytic hyperplasia«) wird auch als »Lentigo maligna« bezeich net. Es wird als Melanomvorstufe gesehen; hier wird eine Exzision mit Sicherheitsabstand von mindestens 5€mm empfohlen. 32.1.1 Diagnosen und Klassifikationen An erster Stelle steht die genaue Untersuchung der Körperoberfläche durch einen erfahrenen Dermatologen, laut Literatur werden hier jedoch nur 60–80% Sensitivität angegeben, die evtl. durch Fotodo kumentation gebessert werden kann. Klinisch wird die ABCDE-Regel angegeben (.€Tab.€32.2).
Melanomtypen Es werden die in der .€Übersicht genannten Typen unterschieden (.€Abb.€32.1–32.3). Melanomtypen 4 »Superficial spreading melanoma«: Es handelt sich hier um den häufigsten Typus mit mittlerem Malignitätsgrad, er entsteht meist aus vorbestehendem Nävus. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen, wobei der Altersdurchschnitt um das 5.€Lebensjahrzehnt liegt. Männer zeigen ein vermehrtes Auftreten am proximalen Stamm, Frauen vermehrt an den Unterschenkeln. Die Tumoren sind unregelmäßig gefärbt, asymmetrisch und wachsen anfangs radial, erst spät vertikal (.€Abb.€32.1). 4 Noduläres Melanom: Das zweithäufigste Melanom, etwa 15–30%. Dieser aggressivste Typ entsteht meist nicht aus bestehenden Nävi. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen, meist im Lebensalter um 50€Jahre. Die Grenzen des Tumors sind hier weniger verwaschen, er wächst schnell in die Tiefe. Sein Auftreten kann nicht direkt mit der Sonnenexposition in Zusammenhang gebracht werden. 5% dieser Tumoren sind amelanotisch, die Prognose ist schlecht (.€Abb.€32.2). 4 Lentigo-maligna-Melanom: Dieser Typus bildet 10–15% aller Melanome und ist der am wenigsten aggressive Typ. Er ist sehr deutlich mit der Sonnenexposition assoziiert und meist an Unterarm, Nacken, Gesicht und Kopf lokalisiert. Am häufigsten betroffen sind ältere Frauen (mehr als Männer), das mittlere Alter liegt bei 70€Jahren. Der Tumor ist häufig größer als 3€cm im Durchmesser, manchmal finden sich Regressionsareale innerhalb der Läsion. Vorstufe: Lentigo maligna (wächst nur horizontal, der Einbruch in vertikales Wachstum macht den Unterschied zum Lentigo-maligna-Melanom). 4 Akral lentiginöses Melanom: Dieser Typ stellt 2–8% aller Melanome bei Kaukasiern und 35–60% bei Schwarzafrikanern, Hispanics und Asiaten. Es findet sich an Hand- und Fußflächen, auch subungual. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 60€Jahren. Eine irreguläre 6
281
32.1 · Melanom
Pigmentation ist häufig, der Durchmesser meist über 3€cm Durchmesser. Häufigste Lokalisation sind großer Zeh oder Daumen. Die vertikale Wachstumsphase dauert relativ lang, ein Einbruch in die Tiefe korreliert mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Metastasenbildung (.€Abb.€32.3). 4 Nichtkutane Melanome: – Mukosales Melanom: Repräsentiert 2€cm Sicherheitsabstand.
Das Auftreten von Lokalrezidiven ist ein Hinweis für die Generali-
sierung der Erkrankung. Für die Praxis
4 Exzisionsbiopsie: Bei verdächtigen Läsionen bis zu einer Ausdehnung von 1,5€cm möglichst mit einem Sicherheitsabstand von 1–2€mm. 4 Inzisionsbiopsie: Bei geringer Wahrscheinlichkeit einer malignen Erkrankung oder Tumoren >1,5€cm in rekonstruktiv anspruchsvoller Region (Gesicht, Hände etc.) mit sekundärer Notwendigkeit der plastischen Rekonstruktion. 4 Komplette Aufarbeitung: Die Histologie muss alle Anteile des Tumors auswerten, keine repräsentativen Schnitte zur Bestimmung der definitiven Tumordicke. 4 Keine Abkratzbiospie, kein Schaben! 4 Kein Einfrieren oder Koagulieren in der Nähe des Tumors. 4 Inzisionen sollten Lymphbahnen schonen. 4 Keine »wide excisions« zur Diagnostik (können den Verlauf des Lymphabflusses kompromittieren). 4 Inzisionen mit dem Plan zur definitiven Exzision nach Erhalt der Diagnose planen! Gesicht: ästhetische Einheiten. 4 Definitive, eindeutige Markierung des Präparates!
Chirurgie der regionalen Lymphknoten Man unterscheidet 4 die elektive Lymphknotendissektion (»elective lymphnode dis section«, ELND) und 4 die Sentinel-Lymphknotendissektion (SLND). Die Forderung nach Exzision der regionalen Lymphknoten begrün det sich durch den bevorzugten Metastasierungsweg. Auch hier scheint die Vorgehensweise von der Dicke des Primärtumors abhän gig zu sein: Patienten mit einer Dicke bis zu 1€mm haben ein geringes Risiko für Mikrometastasen in der 1.€Lymphknotenstation, wohin gegen Patienten mit großen, >4€mm Dicke messenden Tumoren ein hohes Risiko von Mikrometastasen und einer Generalisierung der Erkrankung tragen. In der Gruppe der Tumoren von 1–4€mm Dicke zeigt sich allerdings, dass diese Patienten von einer Resektion mit Sicherheitsgrenze und der Lymphknotendissektion sehr profitieren,
283
32.2 · Andere bösartige Hauterkrankungen
im Vergleich zur Resektion der Primärläsion mit Sicherheitsgrenze allein. Elektive Lymphknotendissektion.╇ Die ELND beinhaltet die Exzi
sion von unauffälligen Lymphknoten, die einen Benefit in der inter mediären Gruppe der Melanome bis 1–2€mm Tiefe darstellt, in der eine höhere Überlebensrate retrospektiv dargestellt werden konnte. Eine wertvolle zusätzliche Untersuchung stellt der Versuch der Dar stellung der ableitenden Lymphwege und der Identifikation der 1.€Lymphknotenstation dar. Sentinel-Lymphknotendissektion.╇ In 90–95% der Fälle kann durch
die selektive Färbung und/oder radioaktive Markierung der Wäch terlymphknoten (»sentinel«) dargestellt werden, es entspricht dem heute gültigen Standard der Therapie. Meist wird nach Injektion eines Farbstoffs der sich zuerst färbende Lymphknoten identifiziert und auf Mikrometastasen hin untersucht. Weit verbreitet ist die Me thode durch die Markierung mittels Technetium€99. Sollten sich der oder die Lymphknoten als positiv für eine Metastasierung erweisen, empfiehlt sich eine komplette Lymphadenektomie und Resektion der Lymphknotenstation, weiterhin die Erwägung einer adjuvanten Therapieformen. Üblicherweise wird die SLND im Rahmen der »wide local excision« des Primärtumors vorgenommen. Intraopera tiv wird das Mapping durch eine Sonde und durch evtl. verfärbte Lymphknoten durchgeführt. > Nach dem primären Exzidieren des Tumors werden frische Instrumente und Instrumentarien verwendet und erst dann die Lymphknotendissektion angeschlossen.
Feingeweblich wird durch die Immunhistochemie der (Mikro-) Me tastasennachweis erbracht. Sollten keine Metastasen vorliegen, wird der Patient engmaschig untersucht und kontrolliert. Mehrere Studien konnten zeigen, dass Lymphknotenmetastasen nie die 1.€Lymphknotenstation »überspringen« und diese Vorge hensweise damit als sehr verlässlich und valide ist, auch im KopfHals-Bereich. Speziell im Kopf-Hals-Bereich ist die Lymphadenek tomie technisch schwer umsetzbar. Daher wird auf adäquate Dia gnostik der evtl. befallenen Lymphknoten extrem großer Wert gelegt. Durch selektive Darstellung der Lymphabflusswege und SentinelLymphadanektomie kann eine deutlich höhere Sicherheit und adä quate Selektivität für die weiteren therapeutischen Schritte gewähr leistet werden.
Metastasenchirurgie Die chirurgische Therapie der Melanommetastasen beschränkt sich vorwiegend auf das Vorliegen von singulären Fernmetastasen, nach dem der Primärtumor radikal operativ angegangen und die dement sprechenden Lymphknoten mitentfernt worden sind. Gerechtfertig ist dennoch jegliche Form der palliativen Chirurgie, die die Lebens qualität der Patienten verbessert und eventuelle pflegerische Maß nahmen erleichtert. Der weitere Metastasierungsweg von längerfristiger überleben den Patienten ergibt sich durch die Lokalisationen von weiter ent fernter Haut, des Subkutangewebes, entfernter Lymphknoten, der Lunge, der Leber, des Zentralnervensystems, des Knochens und des Gastrointestinaltraktes. 32.1.3 Postoperatives Management Wir empfehlen Kontrolluntersuchungen nach chirurgischer Sanie rung im Abstand von 3–4€Monaten für 2€Jahre bei asymptomatischen
Patienten, dann alle 6€Monate für 3€Jahre, dann jährliche Kontrollen. Zumeist reichen Thoraxröntgenaufnahmen und Leberfunk tionswerte (LDH). Die CT zeigt keine Verbesserung im Ergebnis. Sollte ein Lokalrezidiv auftreten, zeigt es sich zumeist im Umkreis von 5€cm zur Primärläsion. Adjuvante Therapien umfassen eine Kombination aus Dacarba zin, Carmustin, Cisplatin und Tamoxifen, gelegentlich hypertherme Extremitätenperfusion (einige Zentren), Immuntherapie mit Inter feron-α (INF-α) und Interleukin-2 (IL-2), bei voranschreitender Erkrankung kann die Lebenserwartung jedoch nur 6€Monate be tragen. 32.2
Andere bösartige Hauterkrankungen
Karzinome der Haut stellen die häufigsten karzinomatösen Erkran
kungen in den westlichen Industrienationen dar. Die Mehrzahl der Betroffenen findet sich v.€a. in der hellhäutigen, sonnenexponierten Bevölkerung, bei Patienten nach wiederholter oder starker Bestrah lung oder UV-Exposition längerer Dauer. Die häufigsten Typen sind 4 Basalzellkarzinom, 4 Plattenepithelkarzinom. Beide Erkrankungen haben eine gute Prognose, wenn sie rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Die Formen des Plattenepithel- und des Basallzellkarzinoms lassen sich relativ leicht entdecken und dann durch Exzision behandeln. Es ergibt sich in der Statistik eine Hei lungsrate von bis zu 90 und 95% durch die Exzision der Tumoren. Empfohlen werden 3–5€mm Sicherheitsgrenzen für das Basalzellkar zinom und 7€mm für das aggressivere, sklerosierende Basalzellkar zinom. Das Plattenepithelkarzinom wird in der Regel mit einer Grenze von 5–10€mm umschnitten. Technik nach Moh.╇ Diese Technik beinhaltet intraoperativ sequen
zielle, horizontale Exzisionen mit Anfertigung von Schnellschnitten. Die Indikationen hierfür sieht man in häufig wiederkehrenden, hö her risikobehafteten Tumoren wie dem Basalzellkarzinom an pro blematischen Lokalisationen und lokal aggressiven Formen sowie manchen Plattenepithelkarzinomen, indem dadurch Gewebe »ge spart« werden kann und man die sofortige Sicherheit einer kom pletten Exzision erhält. Indiziert werden kann diese Technik im Ge sicht, an den Augenlidern, den Lippen oder der Nase. 32.2.1 Ätiologie
Risikofaktoren spielen eine nicht unbedeutende Rolle in der Ent wicklung von Hautkrebs (.€Übersicht). Risikofaktoren für das Basalzellkarzinom 4 4 4 4
Sonnenexposition Höheres Lebensalter Hellhäutigkeit Langzeitexposition gegenüber Psoralenen und UV-A (PUVA-Therapie) 4 Immunsuppression und Arsenexposition
Die UV-Strahlung setzt in einem photochemischen Effekt Elektro nen der absorbierenden Atome frei, die wiederum die DNA schädi
32
284
Kapitel 32 · Maligne Tumoren
a
mente modulieren die Menge an Strahlung, die auf die Dermis trifft. Ein weiterer negativer Effekt von UV-Strahlung stellt die supprimie rende Wirkung auf das Immunsystem dar. Relativ geringe Dosen von UV-B-Strahlung kompromittieren das Immunsystem und reduzie ren dadurch die Reaktionsfähigkeit der Haut im Rahmen von aller gischen Reaktionen. Höhere Dosen können das Immunsystem ins gesamt beeinträchtigen. In Bezug auf die ionisierende Strahlung kann festgehalten wer den, dass eine einzelne Strahlendosis nach einer Latenzperiode zu einem strahleninduzierten Tumor führen kann. Neben der ionisie renden Strahlung können maligne Tumoren durch chemische, virale und hereditäre Faktoren ausgelöst werden, wenn sie die Immunab wehr der Haut beeinträchtigen. Zu diesen zählen u.€a. das Xeroder ma pigmentosum und das Gorlin-Syndrom. 32.2.2 Basalzellkarzinom
32
b
c . Abb. 32.4╇ Basalzellkarzinom: Noduläre (a) und ulzerierende Form (b), sklerodermiform (c)
gen und verändern. Der Pathomechanismus der UV-Bestrahlung vermindert aber auch die normale Mitoserate und die DNA-Synthe se der Haut, der UV-Effekt wird durch vermehrten Haarwuchs, Â�höhere Melaninkonzentration und ein dickes Stratum corneum re duziert. Durch Effekte wie die CO2-Belastung und den dadurch ent stehenden Ozoneffekt ist die heutige Strahlungsdosis von UV-Licht bedeutend höher als vor 50 oder 100€Jahren. Additiv dazu finden sich Tätigkeiten in großer Höhe, unterschiedlicher geographischer Lokalisation auf der Erde und ähnliche Faktoren. Die Hautpigmentation hat 2€positive Effekte auf den Schutz ge gen UV-B-Strahlung: Melanin absorbiert UV-Licht, und die Pig
Das Basalzellkarzinom ist das häufigste Karzinom der weißen/kau kasischen Bevölkerung, das aus den Zellen der Basalmembran des Epitheliums oder den externen Haarfollikelzellen entsteht. Es korre liert direkt mit der Sonnenexposition und der damit in Verbindung stehenden UV-Bestrahlung. Der große Unterschied zwischen dem Basalzellkarzinom und dem Plattenepithelkarzinom besteht darin, dass Ersteres nicht aus bösartigen Veränderungen ausgewachsener epithelialer Strukturen entsteht. Das Basalzellkarzinom benötigt stromale Anteile zur Entstehung und zum Wachstum. Es beinhaltet nicht die zellulären Aplasien eines echten Karzinoms, und es kommt nahezu nie zu einer Metastasierung. Anhand klinischer Merkmale unterscheidet man: 4 Nodular ulzerierendes Karzinom: Meist einzeln auftretend, fast ausschließlich im Gesicht. Beginnt als kleine, unscheinbare Pa pula, die teleangiektatische Veränderungen durchmachen kann. Sie wächst langsam und kann ulzerieren. Dieser Typ entspricht mit Abstand dem häufigsten Basalzellkarzinom (.€Abb.€32.4). 4 Superfizielles Basalzellkarzinom: Häufig in mehreren Lokalisa tionen vorkommend, zumeist am Stamm. Hell pigmentiert, ery thematös, kann an eine Psoriasis oder ein Ekzem erinnern. 4 Sklerodermiformes (sklerosierendes) Basalzellkarzinom: Die ser Typ ist eher gelblich-weiß, mit schlecht ausmachbaren Gren zen, kann kleinen sklerodermiformen Läsionen entsprechen. Dieser Typ neigt am häufigsten zum Rezidiv. Charakteristisch ist das periphere Wachstum mit zentraler Nekrose oder Vernar bung. Diese sehr rezidivträchtige Variante erfordert weiträu migste und kompromisslose Exzisionen (.€Abb.€32.4a). 4 Pigmentiertes Basazellkarzinom: Dieser Typ kombiniert die Merkmale des ulzerierenden Typs mit einer bräunlich, tiefrei chenden Pigmentation. 4 Basalzellnävussyndrom, auch bekannt als das Gorlin-Syndrom: Diese Erkrankung entspricht einer hereditären Erkrankung, die im Kindesalter mit multiplen Basalzellkarzinomen beginnt und mit anderen Fehlbildungen kombiniert sein kann. Die Erkran kung wird autosomal dominant vererbt. Sie zeigt eine Tendenz zur malignen Entartung nach der Pubertät. Die Behandlung muss sich auf enge Beobachtung und Kontrollen beschränken, die in Einzelfällen die jeweilige Exzision der maligne entarteten Hautläsionen bedingt. Die Diagnose wird durch das klinische Erscheinungsbild und die Biopsie gestellt. Histologisch variieren die Formen des Basalzellkarzinoms. Die Tu moren zeigen allerdings alle die Zusammensetzung aus basaloid erscheinenden Zellen, mit irregulären, ovalen Nuclei, die gut gefärbt
285
32.2 · Andere bösartige Hauterkrankungen
sind. Die äußersten Zellen formen einen palisadenartigen Ring in die Peripherie, in der Umgebung zeigt sich eine stromale Reaktion ähn lich einer Vernarbung. Schwere aktinische Keratosen und Plattene pithelkarzinome können dem Basalzellkarzinom ähnlich sein, sind allerdings leicht durch entsprechende Biopsie abgrenzbar. Therapie.╇ Die Behandlung umfasst die Exzision und entweder Pri märverschluss oder Defektrekonstruktion durch Transplantat bzw. Lappen. Eine Metastasierung ist eine Rarität, jedoch kommt es – insbe sondere beim sklerodermiformen Basaliom mit lokal aggressivem Wachstum – zum Rezidiv bei inkompletter Resektion. Hochrisiko regionen für Rezidive finden sich im Zentrum des Gesichts (Perior bita, Augenlider, Nasolabialfalte etc.) aufgrund der chirurgischen Herausforderung an die ästhetische Rekonstruktion.
a
32.2.3 Plattenepithelkarzinom Dieses Karzinom ist eine typische Erkrankung des alternden Men schen, zumeist älterer Männer. Auch hier ist der primäre ätiolo gische Faktor in der Sonnenexposition zu suchen. Zusätzlich zur UV-Exposition können Bestrahlung, Chemikalien, chronische Ul zera inklusive der chronischen Osteomyelitis (Marjolin-Ulkus), zytotoxische Medikamente, Immunsuppression, chronische Haut läsionen, einige Dermatosen, der diskoide Lupus erythematodes sowie die Hidradenitis suppurativa prädisponierend für die Ent wicklung sein. Auch aus Virusinfektionen mit dem humanen Papillomavirus (HPV) oder dem Herpes-simplex-Virus kann ein Plattenepithelkar zinom entstehen. Auch im Rahmen des Xeroderma pigmentosum und des Albinismus kommt es vermehrt zum Auftreten dieser Er krankung. Es mögen hereditäre Faktoren bei blauäugigen, dünnhäu tigen Nordeuropäern zu suchen sein, da es im mediterranen Raum selten zu dieser Form des Hautkrebses kommt. Berufsgruppen, die ständig hoher UV-Strahlung ausgesetzt sind, tragen ein erhöhtes Ri siko zur Entwicklung dieses Tumors. Prinzipiell stellt die sonnenexponierte Haut die Lokalisation der Erstmanifestation dar, die persistierende Entzündung und Verdi ckung der Haut machen den Behandler sensibel für die Möglichkeit der Entwicklung eines Plattenenpithelkarzinoms. Es werden 2€generelle Typen des Plattenepithelkarzinoms unter schieden (.€Abb.€32.5): 4 langsam wachsendes, verruköses Karzinom und 4 schnell wachsendes, ulzerierendes Plattenepithelkarzinom. Der langsam wachsende Typ ist verrukös, exophytisch-exulzerie rend, kann lokal sehr tief invasiv sein und metastasiert in geringer Frequenz. Der 2., mehr nodulär infiltrierend wachsende Typ ist in seiner Metastasierungstendenz schneller als der andere und zeigt deut lich€mehr Aggressivität. Mikroskopisch untersucht, finden sich ein gewanderte Plattenepithelzellen in der Dermis mit gut differen zierter Keratinisation. Keratinperlen, die von epithelialen Zellen umgeben sind, und auch einzeln keratinbildende Zellen werden ge funden. > In schlecht differenzierten Tumoren kann die KeratinisaÂ� tion minimal sein oder komplett fehlen, die entzündliche Komponente kann fehlen. Es kann daher festgestellt werden: Je höher die entzündliche Komponente, desto höher die Differenzierung des Tumors!
b . Abb. 32.5╇ Plattenepithelkarzinom: Ulzerierendes Plattenepithelkarzinom bei Unterschenkelosteomyelitis (a) und verruköses Karzinom auf dem Handrücken (b)
Die geringe Differenzierung kann einen »pseudoglandulären« Cha rakter besitzen, und der Grad der Differenzierung ist direkt propor tional zur Anzahl und Bildung von Keratinperlen. Differenzialdiagnosen beinhalten die aktinische Keratose, die pseudoepitheliomatöse Hyperplasie, das Basalzellkarzinom (Biopsie und klinisches Erscheinungsbild) und das Keratoakanthom. Kleine, auffällige Hautulzerazionen werden 2–3 Wochen beobachtet, feucht gehalten und ständig vor UV-Licht geschützt. > Jede Läsion, die länger als über diesen Zeitraum von 2–3 Wochen besteht, sollte exzidiert und histologisch aufgearbeitet werden. Therapie.╇ Die Behandlung hängt von der Größe der Läsion und vom Alter des Patienten ab und entspricht den Behandlungsalgorith men des Basalzellkarzinoms, mit dem Primat der Exzision und his tologischen Aufarbeitung. Lokale Schwenk-Verschiebe-Plastiken oder Spalthauttransplantationen sind Optionen, die individuell ent schieden werden und von Tiefe, Ausdehnung und Lokalisation ab hängen. Eine Bestrahlung kann bei Patienten >55€Jahren angewandt werden, die Lymphknotenexzision wird nicht elektiv durchgeführt. 5–10% der Plattenepithelkarzinome rezidivieren. Diejenigen, die aus einem Marjolin-Ulkus oder einem Xeroderma pigmentosum entstehen, neigen gehäuft zur Metastasierung, ebenso wie solche, die sich an der behaarten Kopfhaut nach Bestrahlung entwickelt haben.
32
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Kapitel 32 · Maligne Tumoren
32.3
Präkanzerosen und Vorstufen
32.3.1 Aktinische Keratose
32
Die Begriffe solare Keratose oder aktinische Keratose werden parallel verwendet und bezeichnen die primäre Hautläsion bei älteren, licht exponierten Patienten. Die aktinische Keratose entspricht einer Prä kanzerose und drückt den akkumulativen Effekt von Sonnenlicht aus. Die Hautläsionen sind meist diskret, scharf berandet, erythema tös und erscheinen makulopapulär. Außerdem stören sie die Patien ten evtl. wegen ihrer trockenen Erscheinung und können in der Farbe von rötlich bis dunkelbraun und bezüglich ihrer Oberflä chentextur variieren. Es zeigen sich oft mehrere dieser Läsionen. Neben dem erwähnten Erscheinungsbild ist eine anheftende Borke häufig. Mikroskopisch finden sich Hyperkeratosen, Parakeratosen und Dyskeratosen sowie Akanthosen. Die Kollagenstruktur der obe ren Hautschichten ist gestört, es liegt nicht selten eine aktinische Elastose vor. Ebenfalls häufig finden sich Entzündungszellen in den angrenzenden Hautbezirken. Als Differenzialdiagnose kommt der M.€Bowen (das Plattenepi thelkarzinom in situ; 7€Kap.€32.3.2) und chronisch ekzematöse Haut erkrankungen, der Lichen simplex und die Psoriasis in Betracht. Die deutlichste Unterscheidung zwischen den Genannten und dem Kar zinom ist der fließende Übergang der entzündlichen Hauterkran kungen, wohingegen die karzinomatöse Erkrankung scharfe Gren zen der Läsion zur umgebenden Haut erkennen lässt. Eine weitere Unterscheidung zu den manchmal klinisch verwirrenden Erschei nungsformen der Nävi und seborrhoischen Keratosen ist die »aufge setzt« wirkende benigne Hauterkrankung, wohingegen die akti nische Keratose fast immer als flach und nicht erhaben erscheint. Therapie.╇ Diese Läsionen sollten abgetragen werden. Es versteht sich von selbst, dass die noch gesunde restlich Haut vor der schäd lichen Strahlung beschützt werden muss. Zur Abtragung kommen Kürettage und Exzision in Frage, lokal kann mit 5′-Fluorourazil be handelt werden. Zur Vollständigkeit muss das chemische Peeling und die Dermabrasio genannt werden, die jedoch großteils durch die topische Verwendung von 5′-FU ersetzt wurde. Nach genügend langer Latenzzeit wird aus der lokalen Präkan zerose das invasive Plattenepithelkarzinom, die Inzidenz dafür schwankt zwischen 20 und 25%.
32.3.2
Morbus Bowen
Diese Erkrankung findet sich in der älteren Population an sonnenund nicht sonnenexponierten Stellen. Es entspricht einem Carcino ma in situ, einem intraepithelialen Plattenenpithelkarzinom. Der M.€Bowen findet sich an Epithelien oder Endothelien als solitäre Läsion und entwickelt sich im Laufe von Jahren. Klinisch imponie ren gerötete Hautläsionen, sie sind relativ scharf begrenzt, erythema tös und entsprechen blass-rosa Plaques (.€Abb.€32.6). Mikroskopisch kommen die Kriterien eines intraepithelialen Plattenepithelkarzi noms zum Tragen. Es zeigen sich Hyperkeratosen, Parakteratosen, Dyskeratosen und Akanthosen, ohne dermale Invasion. Als Diffe renzialdiagnose kommt das Basalzellkarzinom in Frage, die Psoria sis, der M.€Paget, die aktinische Keratose und die Leukoplakie sowie Lichen sclerosus et atrophicus. Therapie.╇ Es wird empfohlen, diese Läsionen zu exzidieren. Von
dermatologischer Seite wird gelegentlich kürretiert oder elektrodis seziert.
. Abb. 32.6╇ M.€Bowen
Auch aus dieser Läsion kann sich das manifeste Plattenepithel karzinom entwickeln. Es kann alternativ mit lokaler Applikation von 5′-FU behandelt werden. Diese Läsion ist mit einer ausgezeichneten Prognose verbunden, wenn rechtzeitig therapiert wird. Jedoch ist die Prognose schlecht, wenn sich das Plattenenpithelkarzinom aus dieser Erkrankung ent wickelt hat, da es dann aggressiver wächst als z.€B. das aus einer ak tinischen Keratose entstandene Karzinom. Aus der Geschichte weiß man von chronischen Arsenvergiftungen, die ein Drittel dieser Er krankungen ausmachte (»Fowlers Lösung«), die dann als Arsenke ratosen, Leukomelanoderma und mit einer hohen Inzidenz zu vis zeralen Karzinomen, speziell Plattenepithelkarzinomen der Lunge, auftraten. Sollten bei einem Patienten multiple Stellen von M.-Bowen-Lä sionen auftreten, empfiehlt sich die Untersuchung auf Karzinome des Gastrointestinal- oder Respirationstraktes. Aus dem negierten Befund entsteht in weiterer Folge das invasive Plattenepithelkarzi nom. 32.3.3 Queyrat-Erythroplasie Dieser Begriff wird häufig dem M.€Bowen der Schleimhaut gleich gesetzt. Die Erythroplasie findet sich häufig an der Glans penis im 5.–6. Lebensjahrzehnt. Diese Läsion ist scharf umschrieben, feucht und zeigt eine samtartige Oberfläche. Mikroskopisch entspricht sie dem M.€Bowen. Chirurgisch wird die Läsion exzidiert, es kann auch mit 5′-FU topisch behandelt werden. Aus dieser Erkrankung wird mit höherer Wahrscheinlichkeit ein invasives Karzinom als aus dem klassischen M.€Bowen. 32.3.4 Leukoplakie Der »weiße Fleck« findet sich primär auf Schleimhäuten des Mundes, der Vulva oder der Vagina. Die orale Leukoplakie findet sich bei äl teren Männern mit Raucheranamnese, manchmal werden schlecht sitzende Zahnprothesen mit der Erkrankung assoziiert. Die Läsion ist aus der umgebenden Haut erhaben, entspricht einer scharf be grenzten kleinen Keratinisationszone und ist generell heller als die umgebende Haut und von unterschiedlicher Dicke. Nach längerem Bestehen kann sich der Eindruck eines verrukösen Erscheinungs bildes ergeben. Mikroskopisch zeigen sich wiederum die klassische
287
32.4 · Maligne Tumoren als Folge von natürlichen und künstlichen Strahlen
Hyperkeratose, Parakeratose, Keratose und die Akanthose, häufig begleitet von entzündlichen Komponenten in den tieferen Haut strukturen. Differenzaldiagnostisch kommen der Lichen planus, die Kraurosis vulvae, die Erythroplasie und das Plattenepithelkarzinom in Frage. Therapie.╇ Kleinere Läsionen werden generell selten operativ behan delt. Raucher sollten das Rauchen aufgeben, schlecht sitzender Zahnersatz sollte korrigiert werden. Sollte das Hautareal dennoch weiterhin auffällig bleiben, wird es exzidiert. Bei unbehandelter Läsion ergibt sich eine Malignitätsrate von 15–20%. Auch hier ist die Aggressivität eines sich fakultativ ent wickelnden Karzinoms deutlich größer als die einer aktinischen Ke ratose.
32.3.5 Keratoakanthom Das Keratoakanthom kann auch als »Selbstheilungskarzinom« be zeichnet werden. Zumeist an sonnenexponierten Stellen vorkom mend, ist es großteils solitär. Es zeigt eine rasch wachsende Papel, die auf 1–2€cm Größe innerhalb von wenigen Wochen heranwachsen kann. Manchmal stellt sich jedoch eine Regredienz innerhalb von 6€Monaten ein. Es wird diskutiert, ob es sich um ein Low-grade-Kar zinom oder eine Präkanzerose handelt. Die Läsion imponiert fleischig, erhaben, knötchenartig, mit ei ner charakteristischen zentralen Keratinplombe. Signifikant ist das rasche Wachstum. Dies hilft in der Differenzialdiagnose, da rasches Wachstum (Wochen bis wenige Monate) und Größenprogredienz zusammen mit dem charakteristischen Erscheinungsbild die Diag nose leicht stellen lassen. Hierzu sollte eine Keilexzision durchge führt werden, wichtig ist es hierbei, einen Teil des Randwalls mit gesunder Haut und einen Teil des Keratinpfropfs mitzunehmen. Die Differenzialdiagnose wird aufgrund der Grenzfläche zur Tiefe hin gestellt. Mikroskopisch findet sich der Keratinpfropf, zusammen mit der Hyperplasie und der Dyskeratose des umgebenden Epithels. Häufig wird einerseits in der Literatur darauf hingewiesen, dass diese Erscheinungen spontan verschwinden, ohne dass spezielle Therapie nötig geworden sei. Andererseits sind die maligne Entar tung und die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms möglich; es wird zur frühen, sparsamen Exzision geraten. 32.4
Maligne Tumoren als Folge von natürlichen und künstlichen Strahlen
32.4.1 Strahlendermatitis Vor 50€Jahren wurden Hauterkrankungen wie Akne und Pilzinfek tionen des haartragenden Kopfes mit niedrigdosierter Bestrahlung behandelt. Die daraufhin resultierende Strahlendermatitis alarmier te Betroffene und Behandler. Eine weitere Möglichkeit dieser Er krankung bestand im Auftreten an Händen, speziell den Fingern, von Zahnärzten, die zur Anfertigung von intraoralen Röntgenauf nahmen die Filme selbst in der Hand zu halten pflegten. In beiden Möglichkeiten kann sich im Laufe der Jahre aus der Strahlenderma titis ein Plattenenpithelkarzinom oder ein Basalzellkarzinom ent wickeln. In schweren Fällen wird die Exzision empfohlen, was im Fall des Kapillitiums die Exzision der gesamten betroffenen Kopfhaut bedeu tet, die dann plastisch-chirurgisch, z.€B. durch Hauttransplantation oder eine mikrochirurgische Lappenplastik gedeckt werden muss.
32.4.2 Xeroderma pigmentosum Diese Erkrankung entspricht einer sehr seltenen Allgemeinerkran kung, die sich mit ersten Symptomen im Kindesalter zeigt. Die Kin der weisen extreme Empfindlichkeit gegenüber Sonnenstrahlen auf, die sich als diffuse Lentigo abzeichnet und im weiteren Verlauf eine austrocknende und ausdünnende Haut ergibt. Hereditär verantwortlich ist ein Defekt des Enzyms Endonukle ase, ohne die die DNA-Reparaturfähigkeit des Organismus verloren geht. Es resultiert das Basalzellkarzinom oder das Plattenepithelkar zinom, sogar die Entwicklung eines Melanoms im frühen Erwachse nenalter ist möglich, das sehr früh zum Tod durch Metastasierung führt.
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32
33
Strahlenfolgen L.-U. Lahoda, P.M. Vogt
33.1
Ätiologieâ•… – 290
33.2
Klinikâ•… – 290
33.2.1 33.2.2 33.2.3
Akute Strahlenfolgenâ•… – 290 Subakute Strahlenfolgenâ•… – 290 Chronische Strahlenfolgenâ•… – 290
33.3
Therapeutisches Vorgehenâ•… – 291
33.3.1
Chirurgische Behandlungâ•… – 291
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
290
Kapitel 33 · Strahlenfolgen
Strahlenfolgen der Haut entstehen durch akute oder chronische Ein wirkung ionisierender Strahlen. Die dadurch hervorgerufenen Ver änderungen betreffen je nach Stärke und Dosis 4 die Haut, 4 das darunterliegende Subkutangewebe oder 4 tiefe Strukturen wie den Knochen. Bereits kurz nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen 1895 wusste man um deren mögliche schädliche Folgen, da bereits 1902 ein mit einem Röntgengerät beschäftigter Arbeiter Malignome an der Haut der Hände aufwies. In den 1920er Jahren fand sich stark vermehrt Hautkrebs bei Uranminenarbeitern und Arbeitern von Uhrenfab riken, die Radium auf Ziffernblätter pinselten. > Die häufigste Ursache von therapiebedürftigen StrahlenÂ� folgen liegt heute in der therapeutischen Anwendung, Â�seltener im Rahmen der Arbeitsexposition oder Umwelt strahlung.
33
33.1
Ätiologie
Ionisierende Strahlung führt direkt zu DNASchäden. Daraus resul tiert Apoptose (programmierter Zelltod) oder indirekt über StörunÂ� gen des Zellzyklus zeitnah zur applizierten Strahlung der Zelltod. Langfristig entwickelt sich im bestrahlten Gewebe eine Fibrose. Der dahinterstehende Pathomechanismus ist noch ungeklärt, wobei proinflammatorische und profibrotische Zytokine eine Rolle spielen. Eine Möglichkeit ist der Tumornekrosefaktor€α (TNFα). Die resultierende Gewebefibrose ist im Laufe der Zeit progre dient. Die lebenslange Vulnerabilität der Haut stellt die HaupturÂ� sache für Wundheilungsstörungen dar. 33.2
Klinik
Man unterscheidet 4 akute, 4 subakute und 4 chronische Strahlenfolgen. 33.2.1 Akute
Strahlenfolgen
Akute Schäden entstehen heute fast nur noch im Rahmen von indus triellen Unfällen. Die erhaltene Strahlung bewegt sich im Rahmen von 500010.000€rad. Der sofortige Effekt an der Haut entspricht dem eines Sonnenbrandes mit Rötung und Jucken der Haut, Zerstörung der Basalzellen der Dermis, mit allerdings langsamerem Beginn und langsamerem Progress als bei einem thermischen Schaden allein. Es folgen ein persistierendes oder wiederkehrendes Erythem, Ödem und damit verbunden Schmerz, Jucken und evtl. Desquamation. Derartige offene Wunden können zur Infektion mit entspre chenden lokalen oder systemischen Folgen führen (.€Abb.€33.1). 33.2.2 Subakute Strahlenfolgen Die subakute Form unterscheidet sich von der akuten dadurch, dass durch fraktionierte Applikation die absorbierte Energie geringer ist und das damit verbundene Erythem und Ödem nur transient auf tritt. Die Bildung von Nekrosen ist eher ungewöhnlich.
. Abb. 33.1╇ Akute Strahlenfolge nach Radiatio eines resezierten Weichteilsarkoms (t2€N0€M0€R0) mit akutem Strahlenerythem und Wundheilungsstörung im Wundrand eines medialen gestielten Gastroknemiuslappens
Eine Charakteristik des fraktioniert bestrahlten Gewebes ist die resultierende Hyperpigmentation und das »hölzerne« Erscheinungs bild der Haut. Die Folgen am Gefäßsystem sind histologisch wie folgt charakterisiert: 4 Reduktion der glatten Muskulatur, 4 vermehrte Kollagenfasern mit verdickten Gefäßwänden, 4 hyaline Degeneration und zerfallene Elastinfasern, 4 Dehiszenzen im endothelialen Verband, 4 eine fibrinoide Nekrose und 4 Bildung von Mikrothromben in den Endgefäßen, die einen Â�Sauerstoffaustausch behindern, ebenso wie die Wirkung von Medikamenten, z.€B. Antibiotika. 33.2.3 Chronische Strahlenfolgen Chronische Bestrahlungsfolgen können durch wiederholte, langfris tige Exposition bedingt sein. Die Folgen entsprechen den subakuten Verläufen mit allerdings vermehrter Ausbildung des Gefäßschadens und einer daraus ggf. resultierenden Gewebenekrose (.€Abb.€33.2). > Entsprechend dem erwähnten progressiven Charakter der Strahlenfolgen und der dadurch entstehenden Wunden muss festgehalten werden, dass diese Ulzerationen jeder zeit nach Bestrahlung auftreten können und in Größe und Ausdehnung von stecknadelkopfgroß bis hin zu imponie render Größe vorliegen können.
291
33.3 · Therapeutisches Vorgehen
Lokal besteht eine hypoxische Situation. Die Schäden in Gewebe und Gefäßen sowie gestörte Granulozytenfunktionen führen zu einer eingeschränkten Infektresistenz in bestrahltem Gewebe. Die Gewebepenetration von Medikamenten wie Antibiotika ist deutlich herabgesetzt. Die Osteoradionekrose stellt ebenfalls eine besondere Herausforderung dar, da sequestrierende Defekte mit chronischem, tiefliegendem Infekt die radikale Entfernung des avitalen Knochens erfordern. Am Thorax entstehen mitunter Grenzensituationen durch drohende erhebliche Instabilitäten. Die äußerst schmerzhaften Strahlenlulzera lassen sich als Folge chroÂ�nischer Ischämieschmerzen interpretieren. Dementsprechend sind viele dieser Patienten als chronische Schmerzpatienten zu betrachten und zu behandeln. Hier ist ein Schmerzmanagement erforderlich, das neben der physischen auch die psychische Komponente beinhaltet.
. Abb. 33.2╇ Chronische Strahlenfolge nach Radiatio eines Hämangioms der Nasenregion im Säuglings- und Kleinkindesalter. Jetzt massive Schrumpfung der Weichteile sowie des knorpeligen und knöchernen Nasenskelettes
33.3
Therapeutisches Vorgehen
Therapeutische Interventionen haben folgende Ziele: 4 Infektprophylaxe oder Infekttherapie, 4 Schmerzkontrolle, 4 Behandlung oder Prävention von Malignomen im Strahlenfeld, 4 Wundverschluss. ! Cave Der Behandlungsplan muss berücksichtigen, dass weit größere Areale des Bestrahlungsfeldes geschädigt sein können, als von außen sichtbar ist.
Das Gewebe mag unauffällig aussehen, die Heilung nach einer Â�Operation kann dennoch desaströs verlaufen. Vor allem hinterlässt tiefenwirksame Strahlung wie die früher angewandte TelcobaltÂ�Therapie in tiefen Gewebeschichten ausgedehnte Defekte (Knochennekrosen, Lungenfibrose etc.). Damit ist immer eine plastische Defektdeckung mit gut vaskularisierten Transplantaten erforderlich, um exponierte wichtige Strukturen (z.€B. Gefäße, Nerven, Gelenke) zu bedecken. > Präoperativ muss neben dem Routinelabor auf einen gu ten Ernährungszustand des Patienten geachtet werden.
Bei Eingriffen am Thorax ist eine präoperative intensive Atemgymnastik erforderlich, die v.€a. postoperativ konsequent weitergeführt werden muss. Um exakt präoperativ planen zu können, sind Nativröntgenaufnahmen, ergänzt durch CT und MRT, erforderlich. Gegebenenfalls sind diese Untersuchungen zu ergänzen durch AngioÂ� graphien, wenn Unklarheiten über den lokalen Gefäßstatus besteht oder insbesondere dann, wenn eine freie Gewebetransplantation geplant ist. Durch eine vorherige Biopsie eines suspekten Ulkus lässt sich ein Rezidivtumor oder Zweitmalignom (Fibrosarkom im Strahlenfeld) ausschließen. > Instabile Hautverhältnisse, chronische Infektionen und Inflammation können die Entwicklung eines Malignoms begünstigen.
33.3.1 Chirurgische Behandlung Die Problematik der gestörten Wundheilung, der Infektion und der malignen Entartung spielt für den Chirurgen eine große Rolle in der Behandlung dieser Patienten. In der präoperativen Planung ist davon auszugehen, dass das definitive heilungsgestörte Problemfeld weiträumiger geschädigt ist als das initiale Bestrahlungsfeld. Demnach sollte eine weite Ausschneidung angestrebt werden, die als Ziel hat, Wundränder mit punktförmigen, durchbluteten Rändern zu erzeugen. > Eine spannungsfreie Wundadaptation ist anzustreben.
Die Möglichkeit der Spalthauttransplantation ist üblicherweise zum Scheitern verurteilt, demnach bleiben nur lokale oder regional gestielte Lappenplastiken oder der freie Gewebetransfer. Diese Â�bringen ihre eigene Blutversorgung mit, wovon auch das Wundbett sekundär profitiert (.€Abb.€33.3). Es ist davon auszugehen, dass die Komplikationsrate von Lappenplastiken durch fehlenden Anschluss an das bestrahlte Wundbett (besonders bei intraoperativer Hochdosisradiatio), aber auch nach freiem Gewebstransfer bei Durchführung der Mikroanastomosen in bestrahltem Gebiet erhöht ist. Intraoperativ kann mit folgenden Komplikationen und Hindernissen gerechnet werden: 4 vermehrte Blutungsneigung durch vaskuläre Fibrosierung, 4 »zerbrechlichere« und empfindlichere Anschlussgefäßen bei Gewebetransplantationen, 4 erhöhte Infektrate, 4 verzögerte Heilung. Die Deckung ist meist nur durch gut durchblutete gestielte Lappen oder mikrochirurgische Lappen sinnvoll durchführbar. Postoperative Komplikationen wie Serome, Hämatome und DeÂ� hiszenzen erfordern rasches Handeln. Sollte die Operation bei Vorliegen eines Malignoms im Strahlenfeld durchgeführt worden sein, muss engmaschig onkologisch nachbehandelt und kontrolliert werden.
Komplikationen Spezielle postoperative Komplikationen entstehen dadurch, dass 4 ein nicht erkanntes Malignom vorliegt, 4 aufgrund technischer Schwierigkeiten bestrahltes (infiziertes) Restgewebe verblieben ist und Probleme verursacht, 4 mechanische Beanspruchung anders als in gesundem Gewebe oft sofort zu Komplikationen führt und 4 bakterielle Infektionen häufig sind.
33
292
Kapitel 33 · Strahlenfolgen
. Abb. 33.3a–d╇ Strahlenfibrose nach axillärer Lymphknotenbestrahlung nach Ablatio mammae mit schmerzhafter Axillenkontraktur. Zustand nach Latissimus-dorsi-Transfer zur Behandlung eines Thoraxwandulkus vor Jahren (a). Nach Exzision der Strahlenfibrose und axilläre Neurolyse bei fibrotischer Affektion des subaxillären Plexus Defektdeckung mittels dorsalem Oberarmlappen (b,€c). Freie schmerzlose Beweglichkeit und ungehemmte Abduktion nach Einheilung des Transplantates (d)
a
33
b
c
Literatur Ariyan S (2006) Radiation injury. In: Mathes SJ (ed) Plastic surgery. Saunders Elsevier, Philadelphia, pp 835–853 Georgiade GS, Riefkohl R, Levin LS (eds (1997) Georgiade plastic, maxillofacial and reconstructive surgery, 3rd edn. Williams & Wilkins, Philadelphia, pp 1183–1188 Krag C, De Rose G, Lyczakowski T et al. (1982) Free flaps and irradiated recipient vessels: an experimental study in rabbits. Br J Plast Surg 35 (3): 328–336 Miller SH, Rudolph R (1990) Healing in the irradiated wound. Clin Plast Surg 17 (3): 503–508 Mulholland S, Boyd JB, McCabe S et al. (1993) Recipient vessels in head and neck microsurgery: radiation effect and vessel access. Plast Reconstr Surg 92 (4): 628–632
d
VI
Weichteiltumoren P. Vogt
Kapitel 34
Benigne Weichteiltumorenâ•… – 295 B. Weyand
Kapitel 35
Gefäßanomalienâ•… – 299 B. Weyand
Kapitel 36
Maligne Weichgewebstumoren des Stammes und der Extremitätenâ•… – 303 P.M. Vogt
Weichgewebstumoren lassen sich histologisch sowohl der benignen als auch der malignen Gruppe zuordnen. Die häufigeren benignen Läsionen lassen sich gelegentlich durch Magnetresonanztomographie anhand morphologischer Kriterien von malignen Veränderungen unterscheiden. Letztendlich wird erst eine Biopsie die Art der Diagnose verbindlich stellen können. Bei den malignen Weichgewebstumoren bestehen aufgrund ihrer Seltenheit nur begrenzte Erfahrungen, es sei denn, diese Tumoren werden in Schwerpunktzentren behandelt. Als erschwerend bei der Diagnostik kommt die erstaunliche histologische Vielfalt hinzu, die heutzutage spezifische immunhistochemische und molekulare Diagnostik erfordert. Bei einem bösartigen Weichgewebstumor ist die radikale gliedmaßen- und funktionserhaltende Resektion heute Standard, wobei lokale Radikalität, Tumorgröße und Rezidiv wesentliche prognostische Faktoren darstellen.
34
Benigne Weichteiltumoren B. Weyand
34.1 Übersicht und Klassifikationâ•… – 296 34.2 Diagnostisches Vorgehenâ•… – 296 34.3 Operationstechnikâ•… – 296 34.4 Postoperatives Managementâ•… – 297
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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296
Kapitel 34 · Benigne Weichteiltumoren
34.1
Übersicht und Klassifikation
Zu den Weichteiltumoren werden alle Neubildungen gerechnet, die von nichtepithelialen, mesenchymalen Geweben ausgehen. Â�Ausgenommen hiervon sind Neubildungen des Monozyten-Makrophagen-Systems, der Glia und des Stützgewebes viszeraler Organe. Die jährliche Inzidenz von gutartigen Weichteiltumoren liegt bei 300/100.000 Einwohner, während maligne Weichteiltumoren mit einer jährlichen Inzidenz von ca. 2/100.000 Einwohner wesentlich seltener auftreten. Hinsichtlich der Lokalisation stehen an erster Stelle die stammnahen unteren Extremitäten (ca. 45%), gefolgt von Rumpf, oberen stammnahen Extremitäten, Retroperitoneum, Kopf und Hals (alle ca. 10%) und Mediastinum (ca.1%). Bezüglich der Ätiologie von Weichteiltumoren sind einige genetische Erkrankungen und Mutationen nachgewiesen, welche prädisponierend für die Entstehung bestimmter gutartiger oder bösartiger Weichteiltumoren sein können (.€Tab.€34.1). Die Pathogenese zeigt in der Regel ein Tumorwachstum nach zentripetal, in wenigen, beispielsweise fibrösen Weichteiltumoren kann sich auch ein longitudinales Wachstum entlang von Faszienschichten zeigen. Histomorphologisch zeigen sich gut differenzierte Zellen mit einer den Tumor von der Umgebung abgrenzenden Pseudokapsel. Die WHO-Klassifikation der Weichteiltumoren erfolgt anhand eines histologischen Vergleiches der Tumorzellen zu gesundem Gewebe, wobei zur genauen Klassifikation oft spezielle Untersuchungsverfahren wie Immunochemie, Zytogenetik, Elektronenmikroskopie und molekulare Untersuchungen erforderlich sind. Die Stadieneinteilung gutartiger Weichteiltumoren nach dem Grad ihrer Aktivität erfolgt nach der Musculoskeletal Tumor Society in 3€Stadien (.€Übersicht). Stadieneinteilung gutartiger Weichteiltumoren nach der Musculoskeletal Tumor Society 4 Im Stadium I (inaktives oder latentes Stadium) zeigen sich klinisch keine Symptome und keine Größenzunahme des Tumors, ein Beispiel hierfür kann ein Lipom sein. 4 Das Stadium II (aktives Stadium) beinhaltet klinische Symptome und eine Größenzunahme der Läsion, beispielsweise bei einem Hämangiom. 4 Das Stadium III (aggressives Stadium) zeichnet sich durch eine rasche Größenzunahme des Tumors mit Infiltration benachbarter Gewebe und entsprechender Symptomatik aus, hier wäre als Beispiel die aggressive Fibromatose zu nennen.
Gutartige Weichteiltumoren metastasieren nicht. Die Rezidivrate ist abhängig von der Agressivität und Art des Weichteiltumors, der Lokalisation und der Radikalität der chirurgischen Resektion, wobei es mitunter schwierig sein kann, z.€B. bei Fibromatosen, zwischen Rezidiv und Neuerkrankung zu unterscheiden. 34.2
Diagnostisches Vorgehen
Die Basisdiagnostik bei einem unklaren Weichteiltumor beinhaltet zunächst eine gründliche Anamnese und klinische Untersuchung. Anamnestisch sollten die Art der Beschwerden, der Zeitraum seit Auftreten des Tumors sowie der Größenzunahme, allgemeine Tumorzeichen (sog. B-Symptomatik) wie Fieber, Schwäche, Abgeschla-
. Tab. 34.1╇ Charakteristische zytogenetische Aberrationen in Weichteiltumoren
Gutartiger Weichteiltumor
Charakteristisches zyto�genetisches Event
Häufigkeit
Benignes Schwannom
Monosomie 22
50%
Desmoidtumor
Trisomie 8
25%
Deletion von 5q
10%
Lipoblastom
Rearrangement von 8q
>25%
Solitäres Lipom
Rearrangement der Banden 12q14-15
75%
Rearrangement von 6p
10%
Deletion von 13q
10%
t(12;14)€(q15;q24)
20%
Deletion von 7q
15%
Trisomie 12
10%
Uterines Leiomyom
genheit, Leistungsminderung, Appetitverlust, Gewichtsverlust oder nächtliche Schweißausbrüche sowie eine Malignom- und TraumaÂ� anamnese erhoben werden. Bei der klinischen Untersuchung wird die Lokalisation, Größe, Konsistenz und Verschieblichkeit des Tumors untersucht. Zudem sollte auf die periphere Durchblutung und Sensibilität geachtet werden sowie auf regionäre Lymphknotenschwellungen. In der Bildgebung sollte bei knochennaher Lokalisation eine Röntgenaufnahme erfolgen sowie eine Sonographie zur Darstellung des Tumors und der umgebenden Strukturen. Bei Verdacht auf einen benignen Prozess und einer Tumorgröße 3–5€cm beträgt, sollte eine Kernspintomographie mit Kontrastmittel erfolgen und eine Vorstellung des Patienten in einem spezialisierten Zentrum zur Durchführung einer Inzisionsbiopsie oder Feinnadelstanzbiopsie mit nachfolgender histologischer Untersuchung (7€Kap.€36). 34.3
Operationstechnik
Kleinere inaktive, über längere Zeit unverändert bestehende Tumoren (Stadium€I) können durch regelmäßige Beobachtung kontrolliert werden. Bei aktiven Tumoren (Stadium€II), die eine GrößenÂ� zunahme oder eine lokale Verdrängungssymtomatik zeigen, ist die chirurgische Therapie angezeigt. Weichteiltumoren sind in der Regel durch eine reaktive Randzone umgeben, die als Pseudokapsel imponiert. Bei benignen Tumoren mit einer Größe Hier ist eine interdisziplinäre Behandlungsstrategie sinnvoll, insbesondere zur Frage, ob primär chirurgisch oder interventionell behandelt wird.
35.4
Postoperatives Management
Die perioperative Nachsorge umfasst die Kontrolle der lokalen Durchblutungs- und Kreislaufsituation, der Wundsituation, der Regression oder Progression der Läsion durch sonographische Kontrolle oder CT/MRT-Untersuchungen, eine regelmäßige Fotodokumentation sowie eine gute Führung der oft jungen Patienten und besonders auch der Eltern, v.€a. wenn – wie bei manchen Hämangiomen der Fall – mit einer therapeutischen Intervention zugewartet wird. 35.5
Postoperative Komplikationen
Komplikationen sind lokale Infektionen, Ulzerationen, Hypopigmentationen, Ausbildung von Hauttaschen, Narbenbildungen oder funktionelle Einschränkungen. Bei unzureichender Entfernung des Nidus bei AV-Malformationen kann es zu schwer kontrollierbaren Rezidiven kommen. Besonders in der Gruppe der AV-MalformaÂ�
tionen bestimmt der Zeitpunkt des Eingriffes das Ergebnis mit: So beträgt die Erfolgsrate der chirurgischen Behandlung in der Ruhephase (nach Schobinger) 75% und nimmt im Verlauf der weitergehenden Stadien wie der Evolutionsphase, der Phase der Destruktion bis hin zum Stadium der Dekompensation kontinuierlich ab. Der Einsatz von topischen Steroiden, beispielsweise im Augenbereich, kann zu lokalen Nekrosen, Infektionen, Weichteilatrophie, Augapfelpenetration bis hin zur Erblindung führen. Die Anwendung von Interferon-α-2a kann zu unerwünschten neurologischen KompliÂ� kationen führen. Ebenso verursachen auch weitere der bei gravieÂ� renden Konstellationen eingesetzten Therapiemöglichkeiten, wie Chemotherapie, Bestrahlung, Embolisation und Chirurgie, oft weitreichende Komplikationen, die im Einzelfall abgewogen werden müssen.
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36
Maligne Weichgewebstumoren des Stammes und der Extremitäten P.M. Vogt
36.1
Allgemeines â•… – 304
36.2
Diagnostik und Indikationâ•… – 305
36.3
Therapeutisches Vorgehenâ•… – 306
36.3.1 36.3.2 36.3.3 36.3.4 36.3.5 36.3.6 36.3.7 36.3.8 36.3.9 36.3.10 36.3.11 36.3.12 36.3.13 36.3.14
Kurative Resektion und Rekonstruktionâ•… – 306 Plastisch-rekonstruktive Chirurgieâ•… – 306 Palliative Chirurgieâ•… – 306 Besonderheiten im Kindesalterâ•… – 307 Indikation zur Amputationâ•… – 307 Onkologiegerechte Resektionâ•… – 307 Resektionstechnikenâ•… – 307 Palliative Tumorentfernung, Amputationâ•… – 309 Chirurgie der Lymphknotenâ•… – 309 Rekonstruktionâ•… – 310 Lokoregionäre Lappenplastiken und Hauttransplantateâ•… – 310 Primäre funktionelle Wiederherstellungseingriffe an den Extremitätenâ•… – 312 Spezielle Verfahren zur StumpfÂ�verlängerungâ•… – 312 Aktuelle Amputationsstrategieâ•… – 313
36.4
Postoperatives Managementâ•… – 313
36.4.1 36.4.2 36.4.3 36.4.4
Spezielle postoperative Problemeâ•… – 313 Nachsorgeâ•… – 314 Physiotherapie, Prothesenversorgungâ•… – 314 Funktionelle und ästhetische Spätfolgenâ•… – 314
36.5
Lokalrezidiv nach Multimodaltherapieâ•… – 315
36.6
Adjuvante Therapienâ•… – 315
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
36
304
Kapitel 36 · Maligne Weichgewebstumoren des Stammes und der Extremitäten
36.1
Allgemeines
»Weichgewebssarkom« bzw. die Synonyme »Weichteilsarkom«, »maligner Weichteiltumor« und »maligner Weichgewebstumor« definieren eine inhomogene Gruppe von Tumoren, die weniger als 1% aller bösartigen Neubildungen ausmachen. Sie zeichnen sich durch ein heterogenes biologisches Verhalten, histologische Erscheinungsvielfalt, Unterschiede in Aggressivitätsgrad, zytogenetischen Merkmalen, Ansprechraten auf Chemotherapeutika, Strahlensensibilität, Metastasierungsmuster und Lokalrezidivraten aus. Die Amputation von Extremitäten ist bei vergleichbarer Überlebensrate und besserer Lebensqualität zugunsten der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie, auch in Kombination mit neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie, verlassen worden (Steinau u. Biemer 1985; Williard et al. 1992; Paz et al. 1992). Auch bei den Sarkomen des Körperstamms lassen sich die durch radikale Resektionen entstehenden Defekte mittels plastisch-chirurgischer Methoden sicher verschließen (Stotter et al. 1988; Vogt et al. 2006). Weichteilsarkome kommen bei beiden Geschlechtern gleich häufig vor mit Häufigkeitsgipfeln von 18% bei den 70-Jährigen (Pack u. Ariel 1958). Die topographische Verteilung der Weichteiltumoren zeigt eine dominante Lokalisation an den Extremitäten: Leiomyosarkome finden sich v.€a. retroperitoneal, Â�Liposarkome vornehmlich an Oberschenkel und Rumpf, Synovialsarkome bevorzugt an der unteren Extremität (.€Tab.€36.1). Die proximalen Extremitäten sind am häufigsten betroffen (Ausnahme: Leiomyosarkom). Weichteiltumoren am Stamm sind als prognostisch ungünstiger einzuschätzen. Weichteiltumoren bei Kindern unterscheiden sich in ihrem biologischen Verhalten (Chemotherapiesensibilität) und daher auch den Therapiemodalitäten. Eine Einbindung in pädiatrisch-onkologische Therapiekonzepte ist daher angezeigt. Funktionelle und ästhetische Ergebnisse, postoperative Komplikationen, Lokalrezidivraten und möglicherweise auch das Langzeitüberleben hängen von der chirurgischen Technik und Taktik ab: > Die onkologiegerechte radikale chirurgische Entfernung ist der entscheidende Faktor für rezidivfreies Langzeit überleben.
Eine stadiengerechte plastisch-chirurgische Wiederherstellung unterstützt die Therapie bei der Vermeidung von Amputationen und verbessert somit die Lebensqualität. Aktuelle Erkenntnisse der Pathologie münden in neueren Klassifikationen mit veränderten prognostischen Bewertungen, wobei insbesondere die Unterscheidungsmöglichkeiten der niedrigmalignen Sarkome zu gutartigen Weichteiltumoren am Beispiel des Liposarkoms neue Beachtung gefunden hat.
> Die Bindegewebshülle stellt lediglich eine Pseudokapsel dar, außerhalb derer weiteres Tumorgewebe mikroskopisch gefunden wird (Enzinger u. Weiss 1983). Diese biologische Eigenheit bestimmt somit das onkologiegerechte Vorgehen.
Die Ausbreitung erfolgt überwiegend entlang an Faszienflächen, Muskelsepten und perineuralem Bindegewebe. Multifokales Tumorwachstum besteht v.€a. bei Rhabdomyosarkomen und malignen Schwannomen. Metastasierungsfrequenz und -wege unterscheiden sich bei den einzelnen malignen Weichgewebstumoren deutlich (.€Tab.€36.4). Die histologische Klassifikation der Differenzierung definiert sich nach der Histogenese (Ursprungsgewebe) der einzelnen Tumoren. In Bezug auf die Prognose ist es von entscheidender Bedeutung, die einzelnen Subtypen der malignen Weichgewebstumoren zu beachten, da Lokalrezidivraten, klinisches Verhalten und Metastasierungswege innerhalb einer histogenetischen Gruppe stark variieren können. Wegen ihrer Inhomogenität sind einzelne Sarkome nicht selten schwierig zu differenzieren. Durch die breite Anwendung immunhistochemischer Methoden, die Nutzung zytogenetischer Analysen und die Einführung molekularbiologischer Techniken ist die morphologische Diagnostik von Weichgewebstumoren verbessert und verfeinert worden. Unter Einbeziehung klinischer Befunde und unter Berücksichtigung von Verlaufsbeobachtungen konnten neue Entitäten herausgearbeitet werden, es wurden aber auch manche seit langem bekannte Tumoren neu interpretiert (Katenkamp 2000). Die Tumorausdehnung der malignen Weichgewebstumoren wird gemäß der von der UICC 1979 eingeführten Klassifikation nach dem TNM-System (.€Tab.€36.2) oder auch gemäß dem TNM/ Surgical Staging System (.€Tab.€36.3) bestimmt. Hierbei wird ein Tumordurchmesser 5€cm Tumorgröße als T2 bezeichnet. Prognostisch hat die Tumorgröße die führende Bedeutung (Yang et al. 1995). Gegenwärtig sind mehr als 140 verschiedene Typen gut- und bösartiger Weichgewebstumoren bekannt. Mit der histologischen Diagnose ist allerdings nicht immer eine brauchbare Aussage zum weiteren klinischen Verhalten gegeben. Insbesondere bei malignen peripheren Nervenscheidentumoren, Leiomyosarkomen, Myxofibrosarkomen, Fibrosarkomen und auch allen nicht weiter zu spezifizierenden pleomorphen Sarkomen stellt die histologische Malignitätsgraduierung einen ganz entscheidenden prognostischen Faktor dar (G1, G2, G3; .€Tab.€36.3). Die histologische Klassifizierung gelingt anhand der Probeexzision leider dem Erstuntersucher nicht immer sicher. Die Einholung einer Referenzpathologie ist daher in solchen Fällen dringend zu empfehlen. Der Malignitätsgrad ermöglicht eine Voraussage der Prognose (einschließlich der Wahrscheinlichkeit einer Metastasierung) und
. Tab. 36.1╇ Häufigkeitsverteilung [%] der Lokalisation und Typ der Weichteilsarkome. (Nach Enzinger u. Weiss 1983)
Lokalisation
Fibrosarkome
Maligne fibröse Histiozytome (MFH)
Liposarkome
Rhabdomyosar kome (RMS)
Leiomyo sarkome (LMS)
Synovial sarkome
Kopf, Hals
16
╇ 7
╇ 5
35
╇ 3
╇ 1
Mediastinum
╇ 1
╇ 1
╇ 1
╇ 1
╇ 1
╇ –
Rumpf
17
14
19
19
24
11
Retroperitoneum
╇ 8
╇ 9
15
╇ 5
50
╇ 1
Extremitäten
58
69
62
41
22
87
305
36.2 · Diagnostik und Indikation
. Tab. 36.2╇ TNM-Klassifikation der Weichteilsarkome Erwachsener. (Nach UICC 1987, TNM 2010)
. Tab. 36.3╇ GTNM-Einteilung und Surgical-Staging-System. (Nach Enneking 1986)
Prätherapeutische klinische Klassifikation
GTNM-Einteilung
T
Primärtumor
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
T1
Tumor 5€cm oder kleiner
T2
Tumor größer 5€cm
T3
Jede Tumorgröße, klinisch oder radioÂ� logisch Befall von Knochen, größeren Gefäßen oder Nerven
N
Lymphknoten
N0
Keine regionären Lymphknoten befallen
N1
Befall regionärer Lymphknoten
M
Fernmetastasen
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen
Ia
G1€T1€N0€M0
Tumor 5€cm, G1, keine Lymphknotenmetastasen
IIa
G2€T1€N0€M0
Tumor 5€cm, G2 keine Lymphknotenmetastasen
IIIa
G3€T1€N0€M0
Tumor 5€cm, G3, keine Lymphknotenmetastasen
IVa
G1–3€T2€N0/1€M0
Tumor infiltriert Knochen, Nerven, Blutgefäße, mit oder ohne Lymphknotenmetastasen, keine Fernmetastasen
IVb
M1
Tumor mit Fernmetastasen
Surgical Staging System
spielt eine Rolle bei der Therapieentscheidung. Leider werden welt weit verschiedene Systeme der Malignitätsgraduierung angewendet, sodass die jeweiligen Ergebnisse nur bedingt miteinander vergleich bar sind. In Europa setzt sich zunehmend die Graduierung der »French Federation of Cancer Centres« durch, die sich auf die zellu läre Differenzierung, die Zahl der Mitosen und das Ausmaß der (his tologisch beobachteten) Nekrosen stützt. Der Malignitätsgrad wird in der histologischen Untersuchung nicht selten durch das Ausmaß der Nekrose unterschätzt, im Hin blick auf die Diagnosefindung muss beim Zuschneiden des Tumors möglichst vitales Gewebe für die histologische Aufarbeitung zur Verfügung stehen (Katenkamp 2000). Somit haben die Qualität und repräsentative Quantität der gewonnen Biopsie (7€Kap.€36.2) ent scheidende Bedeutung für die exakte Diagnosestellung und weitere Therapieplanung (Steinau et al. 2001). 36.2
Diagnostik und Indikation
Lokalrezidiv, Zweittumor, Residualtumor.╇ Lokalrezidiv, Zweittu
mor und Residualtumor stellen problematische Situationen dar und erfordern dieselben Sorgfaltskriterien bei der Resektion wie der Pri märbefund. Nach ungenügender Erstresektion ist eine entsprechend durch Sicherheitsabstände gekennzeichnete Resektion anzuschlie ßen. Aber auch Lokalrezidiv und Zweittumoren sollten, wenn mög lich, primär nachreseziert werden. Für einige Sarkome, wie das Li posarkom, besteht bei ungenügender Resektion und Rezidiv eine Tendenz zur Entwicklung schlechter differenzierter Formen (Chang et al. 1989; Johnstone et al. 1994). Kompartmentresektion und weite Exzision.╇ Der Begriff Kompart
mentresektion definierte ursprünglich die notwendigen Sicherheits abstände für Knochentumoren, die wegen möglichen diskontinuier lichen Wachstums nur unter Mitnahme eines ausreichenden Weich teilmantels onkologiegerecht reseziert werden konnten (Enneking 1986). Für Weichgewebssarkome ist dies nicht sinnvoll, da diskon
IA
Low grade (G1)
Intrakompartimental (T1), keine Metastasen
IB
Low grade (G1)
Extrakompartimental (T2), keine Metastasen
IIA
High grade (G2/3)
Intrakompartimental (T1), keine Metastasen
IIB
High grade (G2/3)
Extrakompartimental (T2), keine Metastasen
III
Any grade
Jede Ausdehnung, Metastasen
Intrakompartimental (T1): intrafasziale Ausdehnung, Finger- oder Zehenstrahl, Wadenregion, anterolateraler Unterschenkel, beugeund streckseitiger Oberschenkel, Gesäß, beuge- und streckseitiger Unterarm, beuge- und streckseitiger Oberarm. Extrakompartimental (T2): Tumor überschreitet Faszienloge, Mittelund Rückfuß, Kniekehle, Leistenregion, intrapelvine Ausdehnung, Mittelhand, Ellenbeuge, Axilla, intraossäre Infiltration.
tinuierliche Satellitengeschwülste eine Rarität darstellen. Darüber hinaus entsteht durch massive Ausweitungen der Resektion in be nachbarte Muskelgruppen eine unvertretbare Morbidität. Somit gilt die sog. weite Exzision zur Seite mit 4–5€cm und zur Tiefe mit 2€cm als ausreichend (Hidalgo u. Carrasquillo 1992). Geringere Abstände oder aggressive Tumoren (G2–G3) erfordern jedoch eine adjuvante Strahlentherapie. Mit diesem Vorgehen kann in über 92% eine loka le Kontrolle über das Tumorwachstum erreicht werden (Brennan 1989). Anamnese, bildgebende Verfahren.╇ Immer noch kommt es bei der
Diagnosestellung von Weichgewebssarkomen zu monatelangen Ver zögerungen, da die bestehenden Symptome unter Verdachtsdiagno sen wie Hämatom oder Muskeldistorsion behandelt werden, oder unter Verdacht auf Ganglien, Lipome oder Fibrome Exzisionen durchgeführt werden. Nach initialer Beschwerdefreiheit stellen sich sekundäre Symptome wie Nervenalteration oder Gefäßobliteration erst bei Größenzunahme ein. Für den Erstuntersucher sollte daher
36
306
Kapitel 36 · Maligne Weichgewebstumoren des Stammes und der Extremitäten
ein Tumorwachstum in Muskellogen unter der tiefen Faszie, eine intramuskuläre Ausbreitung, schmerzhafte Infiltration, rasche Grö ßenprogredienz, ein Durchmesser über 5€cm und/oder eine Lokali sation in Leiste, Ellenbeuge oder Poplitealregion den Verdacht auf ein Weichgewebssarkom lenken. Als sicherstes bildgebendes Verfahren gilt die Magnetresonanz tomographie (MRT) die zu Ausdehnung, Morphologie und Bezie hung des Tumors zu benachbarten Strukturen bereits präoperativ entscheidende Anhaltspunkte gibt (Arca et al. 1994). So lassen sich notwendiges Resektionsausmaß und auch die erforderlichen Rekon struktionsmethoden planen. Verglichen mit der Computertomogra phie (CT) ergibt die MRT die kontrastreicheren Aufnahmen (Chang 1987). Hochdifferenzierte Liposarkome lassen sich von niedrigdif ferenzierten Formen bereits mit den bildgebenden Verfahren der CT und MRT abgrenzen (Jelinek et al. 1993; Halldorsdottir et al. 1982). Probeexzision.╇ Eine aussagefähige histopathologische Untersu
36
chung erfordert eine Gewebemenge von mindestens 2€cm3 aus rand ständigen Tumorarealen. Die Probengewinnung ausschließlich aus dem Zentrum ergibt wegen der hier oft vorhandenen Nekrosen nichtrepräsentative Gewebestücke und erschwert die Diagnosesiche rung (Arca et al. 1994). In spezialisierten onkologischen Zentren mit großer Erfahrungen in der Diagnostik und Therapie von Weichge webssarkomen werden auch Nadel- oder Stanzbiopsien mit ver gleichbaren diagnostischen Ergebnissen eingesetzt (Heslin et al. 1997). Bei Zweifeln an der Gewinnung repräsentativer Tumorgewebe durch Nadelaspiration ist weiterhin eine offene Biopsie angezeigt. Die Schnellschnitthistologie gilt wegen häufiger Unsicherheiten und ins besondere einer schwierigen Differentialdiagnose als unzuverÂ�lässig. > Bereits bei der Durchführung der Probeexzision muss auf mögliche Rekonstruktionsverfahren Rücksicht genommen werden, um die für einen eventuellen Gewebetransfer wichtigen oberflächliche Arterien und Venensysteme zu schonen (z.€B. für den Radialis-Unterarm-Lappen oder Per foratorlappen an der unteren Extremität; Cordeiro et al. 1994).
Da die Hautspindel direkt über dem Tumor bei der Resektion in je dem Fall mitreseziert wird, empfiehlt es sich, die Probe direkt über dem Maximum des Tumors zu entnehmen. Weiterhin ist darauf zu achten, dass Redon-Drainagen unmittelbar an der Inzisionsstelle ausgeleitet werden, nicht nur, um eine iatrogene Tumorverschlep pung, sondern auch um eine unnötige Vergrößerung des Resektions areals der Haut bei definitiver Resektion zu vermeiden (Steinau et al. 2001a). Liegt der Tumor epifaszial, wird die Diagnose in der Regel unter ambulanten Bedingungen nach Routinetumorexstirpation ge stellt. Da die pathologische Erstbefundung eher in Routinelabors erfolgt, ist die Einholung einer Referenzhistologie erforderlich. 36.3
Therapeutisches Vorgehen
! Cave Wegen der hohen Rate an Lokalrezidiven nach initialer unzureichender Resektion ist die adäquate Nachresektion anzuschließen (Zornig et al. 1995).
Die grundsätzliche Anwendung einer adjuvanten Bestrahlung ist weiterhin Gegenstand von Studien (McGrath et al. 1995). Ein posi tiver Effekt wird für eine präoperative Radiatio bei sehr großen Sar komen gesehen, insofern als die Resektabilität und lokale Kontrolle verbessert werden (Suit u. Spiro 1994).
36.3.1 Kurative Resektion und Rekonstruktion Nach wie vor gilt die R0-Resektion maligner Weichgewebstumoren als Therapiestandard mit der besten Prognose für die Vermeidung von Lokalrezidiven. Sie ist daher in jedem Falle anzustreben, wenn gleich bis heute ein positiver Einfluss lokaler Radikalität auf das Lang zeitüberleben nicht nachgewiesen werden konnte (Tanabe et al. 1994; Youssef et al. 2002). Unter dem Aspekt, dass die lokal erhöhte Radi kalität die Überlebensrate nicht signifikant beeinflusst, sollte daher auch die Indikation zur Amputation gründlich überdacht werden. 36.3.2 Plastisch-rekonstruktive Chirurgie Die moderne plastisch-rekonstruktive Chirurgie bietet eine Vielzahl von Rekonstruktionsmöglichkeiten zur Wiederherstellung nach Re sektion von Weichgewebssarkomen. Dabei finden WeichteilplastiÂ�ken ebenso wie die Funktion wiederherstellende Maßnahmen Anwendung. Mittels plastischer Verfahren lassen sich auch die Be dingungen für die Strahlentherapie verbessern oder deren Folgen lindern (Cordeiro et al. 1994; Serletti et al. 1998). Die Therapieziele plastisch-rekonstruktiver Techniken bei er weiterter Resektion maligner Weichgewebstumoren sind somit: 4 onkologisch adäquate Resektion, R0-Resektion, 4 Auffüllung von Hohlräumen, 4 Prävention und/oder Therapie von Wundheilungsstörungen, 4 sichere Bedeckung alloplastischer Implantate, tendoplastischer Maßnahmen sowie Gefäßrekonstruktionen, 4 Behandlung von Bestrahlungsfolgen, 4 suffiziente Weichteilbedeckung für Sekundärrekonstruktionen, 4 Reduktion der Amputationsindikationen und 4 Transplantation und/oder Salvage-Verfahren zur Stumpferhal tung oder -verlängerung.
Plastisch-rekonstruktive Chirurgie im multimodalen Therapiekonzept Im multimodalen Behandlungskonzept kommt es in 14–58% der Fälle zu schwerwiegenden Wundheilungsstörungen (Arbeit et al. 1987). Dem Risiko für diese Komplikation ist bei Planung der Resek tion und auch hinsichtlich der plastischen Rekonstruktion Rech nung zu tragen. So kann ein Eingriff im Bestrahlungsfeld, aber auch eine mög liche adjuvante Radiatio eine klare Indikation zur simultanen Weich teilplastik darstellen, da hiermit die Rate postoperativer Wundhei lungsstörungen signifikant gesenkt werden kann bzw. eine Radiatio erst überhaupt ermöglicht wird (Barwick 1992). Dies betrifft v.€a. die Lokalisationen an Hand und Fuß sowie in der Nähe der großen Ner venbahnen (Armplexus; Evans et al. 1997). Neuere Untersuchungen zeigen, dass im multimodalen Konzept mit intraarterieller Chemotherapie mikrovaskulär angeschlossene Lappentransplantate keine höheren Verluste bzw. Komplikationsra ten aufweisen (Sadrian et al. 2002). 36.3.3 Palliative Chirurgie Durch geeignete Palliativeingriffe kann auch bei fortgeschrittener, chirurgisch inkurabler Tumorerkrankung die Lebensqualität des Krebskranken durch Beseitigung der Schmerzsymptomatik und Ge ruchsbelästigung entscheidend verbessert werden. Die Pflege bett lägeriger Patienten wird erleichtert. Selten wird zu diesem Zweck ein ablatives Verfahren indiziert sein (Merimsky 2001).
307
36.3 · Therapeutisches Vorgehen
36.3.4 Besonderheiten im Kindesalter Kindliche Weichgewebssarkome, besonders die, die zur Gruppe der Ewing-Sarkome gehören, sprechen auf neoadjuvante Chemothera pie an. Nach der resultierenden Tumorregression kann dann eine lokale Exzision erfolgen. Voraussetzung ist aber in jedem Fall eine exakte pathologische Diagnose anhand einer ausreichenden und re präsentativen Probeexzision und einer qualifizierten pathologischen Beurteilung. Aufgrund der speziellen Bedingungen sollten Weichgewebssar kome im Kindesalter innerhalb pädiatrisch-onkologischer TumorBoards behandelt werden. So verbessert sich die Prognose des kind lichen Rhabdomyosarkoms unter Chemotherapie und Radiatio von 20 auf 52%, bei großen Tumoren des Stadiums€III kann die Resek tion erleichtert werden (Grosfeld 1999; Tabrizi u. Letts 1999). Das biologische Verhalten des extraossären Ewing-Sarkoms und des Rhabdomyosarkoms im Kindesalter und deren Ansprechen auf Chemotherapie sind ähnlich. Ein Überleben für mindestens 10€Jah re erscheint am wahrscheinlichsten für Patienten mit einer Tumor lokalisation an Kopf und Hals, Extremitäten, Stamm und solche, bei denen vor einer Chemotherapie eine weitgehende Tumorresektion möglich war (Raney et al. 1997). 36.3.5 Indikation zur Amputation Im Folgenden werden die heute noch bestehenden Indikationen für eine Amputation aufgezeigt: 4 ausgedehnte, auch exulzerierende Rezidivtumoren mit Um mauerung der Nervenplexus oder Einbruch in große Gelenke, 4 Durchbruch der Membranae interosseae mit Gefäß-, Nervenund Knocheninfiltration und 4 Tumorwachstum durch den Metatarsus oder Metakarpus. Die Entscheidung sollte immer von einem versierten, interdiszipli nären chirurgischen Team getroffen werden, welches alle weichteilund osteoplastischen Maßnahmen unter Einschluss der Endopro thetik beherrscht (Steinau et al. 1997). Mit den hier dargestellten operativen Prinzipien der plastischrekonstruktiven Chirurgie und adjuvanten Therapiemaßnahmen reduziert sich heute die Indikation auf Inzisionen sollten, wenn immer möglich, die lympha tischen Kollektoren erhalten, um postoperativen Lymph ödemen vorzubeugen.
36.3.7 Resektionstechniken
Erweiterte Resektion Bereits die Lokalisation des malignen Weichgewebstumors hat Ein fluss auf den Umfang der notwendigen Resektion und die Notwen digkeit einer Rekonstruktion (Russell et al. 1977). Bei Tumoren der Thorax- oder Bauchwand sind in der Regel allschichtige Resektionen notwendig, sodass auch hier rekonstruk tive Verfahren erforderlich werden können. Im Kopf-Hals-Bereich ist oft aus anatomischen Gründen ein weiter Sicherheitsabstand nicht einzuhalten. Nach Anzeichnen der Hautresektion unter Einschluss von Drai nagestellen erfolgt unter Tourniquet-Kontrolle oder offener Gefäß okklusion (Leiste) an der Extremität eine ellipsenförmige Umschnei dung der dem Tumor aufsitzenden Hautspindel.
36
308
Kapitel 36 · Maligne Weichgewebstumoren des Stammes und der Extremitäten
b
a
d
36 c
e . Abb. 36.1a–e╇ Muskelgruppenresektion mit komplexer primärer Wiederherstellung des Oberschenkels. a Bioptisch gesichertes Fibrosarkom (malignes fibröses Histiozytom), Malignitätsgrad G2, das die Kompartmentgrenze der Quadrizepsgruppe (b Ansicht im CT) überschreitet. Nach radikaler Resektion unter Entfernung des gesamten M.€quadriceps bleibt der Tumor allseitig von gesundem Gewebe umgeben (hier nach Inzision auf dem unsterilen Abwurftisch,€c), wobei d eine Deperiostierung des Femurs und
f langstreckige Dissektion der Vasa femoralia erforderlich wurde. e Rekonstruktion der Oberschenkel-(Quadrizeps-) Streckerfunktion durch Transposition des M.€biceps femoris (Caput longum), hier durch eine Hilfsinzision zur besseren Demonstration vorverlagert. Primärverschluss der Wunde. f€Sechs€Jahre nach dem Eingriff ist der Patient rezidivfrei mit voller Stabilsierung des Kniegelenkes und uneingeschränkter Gangfähigkeit
309
36.3 · Therapeutisches Vorgehen
! Cave Es ist zu beachten, dass der ehemalige Biopsiezugang und die dazugehörigen Redon-Ausstichstellen und -Kanäle, bei denen immer eine Tumorverschleppung angenommen werden muss (.€Abb.€36.1b), in das Resektionsareal miteinbezogen werden.
Es folgt die epifasziale Präparation des Tumors einschließlich der ihn umgebenden Kapsel in En-bloc-Technik (.€Abb.€36.1). Hierbei ist die onkologisch gerechte R0-Resektion weit im Ge sunden mit einem Sicherheitsabstand von 5€cm zur Seite und 2€cm zur Tiefe gefordert. Der Sicherheitsabstand zur Tiefe kann, je nach anatomischer Gegebenheit, nicht immer eingehalten werden. An zustreben ist die Mitnahme der umgebenden Muskelgruppen ein schließlich Faszien. Bei Sitz des Tumors in Knochennähe muss eine großzügige Deperiostierung erfolgen, ggf. kann eine tangentiale Teildekortikation notwendig werden. Insgesamt ist die Knochenin filtration der Weichgewebstumoren eher selten. Bei primärer Lokalisation an Finger- oder Zehenstrahl ist die Amputation und Resektion der anatomischen Einheit mit Te nosynovektomie, Deperiostierung und Resektion der Gelenkkapsel angezeigt. Liegen Nerven oder Gefäße in enger Nachbarschaft zum Tumor, erfolgen Epineurektomie oder Adventitiaresektion. Sind Â�diese Strukturen vom Tumor infiltriert, müssen sie reseziert werden. Ob sie primär oder sekundär ersetzt werden müssen, hängt von Art und Umfang des Nervenausfalls und der Möglichkeit ein facher und schneller motorischer Ersatzoperationen ab (Lee et al. 1993).
Exzision mit eingeschränktem Sicherheitsabstand, Rezidivchirurgie Nicht immer können die bei der onkologisch sicheren Exzision ge forderten Sicherheitsabstände, v.€a. in die Tiefe, eingehalten werden. Dabei ist jedoch zu fordern, dass die Resektatränder zumindest Â�histologisch tumorfrei sein müssen. So kann z.€B. bei Sitz eines hochmalignen Sarkoms auf dem Periost neben einer Deperiostie rung und Dekortikation auch eine adjuvante Therapie indiziert sein. > Lokalrezidive nach chirurgischer Therapie maligner Weich gewebstumoren sind in den meisten Fällen Folge einer un zureichenden Primäroperation mit ungenügender Radika lität und/oder fehlender adjuvanter Therapie. Auch beim Lokalrezidiv ist primär die Nachoperation in sano als The rapie der Wahl anzustreben. Die Radiatio oder regionale Chemotherapie kann als sekundäre Option, selten als neo adjuvante oder präoperative Therapiemodalität einge setzt werden.
Bei Rezidiven oder inkompletter Erstoperation stößt der Operateur bei der Nachresektion nicht selten auf veränderte anatomische Ge gebenheiten und die Schwierigkeit einer lokalen Vernarbung oder Hämatombildung. Plastische Rekonstruktionsverfahren können durch vorbestehende Inzisionen erschwert oder sogar unmöglich werden, es kann sogar der Erhalt einer Extremität in Frage gestellt sein. 36.3.8 Palliative Tumorentfernung, Amputation Bei ausgedehnten Weichgewebstumoren, bei denen eine kurative Resektion nicht mehr möglich ist, kann eine palliative Tumorentfer nung notwendig werden. Ausgedehnte Tumoren, Nekrosen, Infiltra
tionen von Nerven, Gefäßen und Gelenken sowie das Vorliegen von Lymphknotenmetastasen stellen prognostisch ungünstige Faktoren dar (Fong et al. 1993; Torosian et al. 1988). Liegen hochmaligne Re zidivtumoren vor oder ist es bereits zu einer Fernmetastasierung gekommen, wird auch mit großen ablativen Verfahren nicht mehr kurativ zu behandeln sein. Im Gegenteil – bei palliativer Chirurgie ausgedehnter exulzerierter Tumoren ist lediglich die Entfernung des Malignoms zu empfehlen, da die Amputation die Prognose nicht verbessert. Zudem weisen Patienten mit niedrigmalignen Tumoren und oberflächlicher Lokalisation 5-Jahres-Überlebensraten von >80% und 10-Jahres-Überlebensraten von >60% auf (Torosian et al. 1988; Brooks et al. 1998). Besteht nach kritischer Abwägung die Indikation zur Amputati on, so sollten alle Möglichkeiten einer möglichst distalen Amputati onsebene, ggf. auch durch atypische Stumpfbildung ausgeschöpft werden (7€Kap.€36.3.13). Entsprechende weichteilplastische oder or thopädische Rekonstruktionsverfahren dienen einer Verbesserung der prothetischen Versorgung an der unteren Extremität, also auch der Verbesserung des Gangbildes (Steinau et al. 1997). Daher muss bei der Durchführung einer Segmentamputation geprüft werden, inwieweit distale Amputatanteile als mikrochirurgische Transplan tate zur Stumpfverbesserung Verwendung finden können. Dabei dürfen die später druckbelasteten Anteile keinesfalls mit Spalthaut transplantaten versorgt werden. 36.3.9 Chirurgie der Lymphknoten Die lymphogene Metastasierungsfrequenz maligner Weichgeweb stumoren liegt bei 2,6% und erreicht die höchsten Inzidenz beim Angiosarkom (13,5%), embryonalen Rhabdomyosarkom (ERMS; 13,6%), und Epithelioidsarkom (16,7%; Fong et al. 1993). Die Anga ben hierzu in der Literatur sind sehr unterschiedlich (.€Tab.€36.4), wobei der Zeitpunkt der Erstdiagnose und die erfolgte Therapie ent scheidende Rollen spielen. Die Entscheidung zur primären Lymphknotendissektion richtet sich nach dem vorliegenden Tumortyp. Bei den oben genannten Sar komen kann diese indiziert sein. Bei allen anderen Tumortypen sollte nur bei klinisch palpablem Befund eine Lymphadenektomie erfolgen. Liegt die erste Lymphknotenstation bereits im Resektat, kann hier eine En-bloc-Resektion durchgeführt werden. Anderen falls schließt sich eine systematische Lymphadenektomie an die Tu morresektion an.
. Tab. 36.4╇ Häufigkeit primär lymphogener Metastasierung. (Nach Chang et al. 1989)
Tumor
Häufigkeit lymphogener Metastasierung [%]
Malignes Schwannom
Ein spannungsfreies Einnähen beugt Wundheilungsstö rungen vor, die gerade bei multimodalen Therapieverfah ren eine unnötige Verzögerung der adjuvanten Radio- oder Chemotherapie verursachen oder diese gar unmög lich machen.
werden, und zerstörte dominante Gefäßstiele regionaler Lappen durch Voroperationen oder Radiatio. Die Verwendung freier Gewe betransplantate auch von kontralateral ermöglicht in der Chirurgie von Weichgewebstumoren mit Sitz in der Extremitätenperipherie die Gliedmaßenerhaltung. Dabei leisten sie eine suffiziente Bede ckung von Sehnen, Nerven, Gefäßen, Knochen und alloplastischen Materialien, füllen Hohlräume und Konturdefekte auf und verbes sern den Lymphabfluss bestrahlter Areale (Cordeiro et al. 1994).
Eine Domäne des freien mikrochirurgischen Gewebetransfers sind Resektionsdefekte, die von gestielten Lappenplastiken nicht erreicht
36
312
Kapitel 36 · Maligne Weichgewebstumoren des Stammes und der Extremitäten
36.3.12
Primäre funktionelle Wiederherstellungseingriffe an den Extremitäten
Prinzipiell toleriert eine Extremität beträchtliche Reduktionen des funktionellen Muskelquerschnitts, sodass selbst nach ausgedehnten Eingriffen eine funktionell brauchbare Gliedmaße erhalten bleibt. Die Indikation zur synchronen Rekonstruktion funktionell wich tiger Einheiten stellt sich stets beim Ausfall kompletter Grundfunk tionen, z.€B. nach Entfernung kompletter Flexoren- oder Extenso rengruppen an einer Extremität. Bei weitergehender Resektion und Teilamputationen gilt es, zumindest einfache Grundfunktionen zu erhalten, z.€B. durch die Konstruktion einer »sensiblen Zange« an der oberen oder einer »biologischen Stelze« an der unteren Extre mität. Die erforderlichen Rekonstruktionsmaßnahmen richten sich zusätzlich nach dem entstandenen Weichteildefekt und den Mög lichkeiten zu seinem Verschluss. Im Folgenden sind Operations methoden zusammengefasst, die sich in der Behandlung neuro gener€und/oder posttraumatischer Funktionsausfälle bewährt haben (.€Übersicht). Operationsverfahren zur primären funktionellen Wieder herstellung der Extremität
36
4 Strecker- oder Beugergruppenersatz am Unterarm – Sehnenersatzplastiken – Tenodesen – Arthrodesen 4 Entfernung der Oberarmbeuger – Ersatzplastik durch Latissimus-dorsi-Lappen, Pectoralismajor-Lappenplastik, Steindler-Verfahren 4 Verlust der Strecker und/oder Peronäalgruppe am Unterschenkel – Steigbügelplastik in Kombination mit Tenodese der Zehenstrecker 4 Verlust der Kniegelenkstrecker – M.-Biceps-Plastik 4 Verlust der Fußhebung, Zehenstreckung – Steigbügelplastik, Tenodesen
Diese Methoden sollten synchron mit dem Resektionseingriff einge setzt werden und erfordern eine ausreichende Weichteilbedeckung. Grundprinzip ist es dabei, Anteile antagonistischer Muskelgruppen als motorische agonistische Einheit zu verlagern. Bekannte Metho den sind die Radialisersatzplastik nach Merle d’Aubignée und die Steigbügelplastik zur Rekonstruktion der Fußheberfunktion nach Peronäusverlust oder Resektion der Fußheber-/Eversionsmuskula tur (M.€tibialis anterior, M.€peronaeus longus et brevis). Eine detail lierte Beschreibung motorischer Ersatzplastiken findet sich in 7€Kap.€43, 44 und 46. 36.3.13
Spezielle Verfahren zur StumpfÂ� verlängerung
Lässt die Tumorausdehnung unter onkologischen Kriterien eine R0Resektion nicht zu, sollte vor dem Entschluss zur etagengerechten Amputation der Extremität unbedingt ein sog. Distalisationsverfah ren in Betracht gezogen werden (Biemer u. Steinau 1988). Nach Baumgartner (1991) resultieren aus den unterschiedlichen Amputationsebenen der unteren Extremität zunehmende Energie
. Tab. 36.5╇ Lokalisationen, bei denen eine erweiterte Resektion mit atypischer Stumpfbildung erfolgen sollte
Lokalisation
Chirurgische Maßnahmen
Tumor im Hohlfußbereich ohne Infiltration des Metatarsus
Rückfußstumpfbildung durch erweiterte Resektion mit Chopart-Amputation, Dekortikation des Tarsus, SehnenverÂ� lagerung, Dorsalis-pedis-Lappenplastik
Befall der beugeseitigen Kniekehle mit Ummauerung von Nerven und Gefäßen
Durchführung einer Kniegelenksexartikulation mit Dekortikation des Femurs, erweiterte beugeseitige Muskelgruppenresektion (alternativ: Segmentamputation)
Alle Ebenen von Oberund Unterarm ohne knöcherne Beteiligung
Erweiterte Muskelgruppenresektion, Deperiostierung und Defektdeckung durch gestielte oder freie Lappen� plastik
. Tab. 36.6╇ Mögliche Replantate bei Segmentamputationen
Lokalisation
Chirurgische Maßnahmen
Segmentamputation auf Knie�gelenks- oder Unter- schenkelebene
Replantation von Unterschenkelanteilen oder osteomyokutaner KalkaneusFußsohlen-Lappen
Segmentamputation im Schultergürtelbereich
Falls keine innere Resektion möglich, Replantation des Unterarms zur Defektdeckung der Thoraxwand und/ oder Schulterkonturierung
Segmentamputation im distalen Unterarmbereich
Atypische Handreplantation
mehraufwendungen beim Gang, die bei der Hüftexartikulation über 100% betragen können (7€Kap.€30.3). Ein möglichst langer und gut belastbarer Stumpf ist daher anzustreben. In .€Tab.€36.5 sind Lokalisationen, bei denen eine erweiterte Â�Resektion mit atypischer Stumpfbildung erfolgen sollte, zusam mengestellt (Steinau et al. 1997). Techniken der Borggreve-Um kehrplastiken (7€Kap.€30.5.2), Filetlappenplastiken, gestielte oder mikrochirurgische Verpflanzung von distalen Amputatanteilen eig nen sich zur Stumpfdistalisation. Mögliche Replantate bei Segmen tamputationen sind in .€Tab.€36.6 zusammengestellt (Steinau et al. 1997). Bei Lokalisation des Tumors im dorsalen Oberschenkel ist da her ein Kniegelenksartikulationsstumpf, dessen dorsale Muskel gruppen entfernt wurden, dem Hüftgelenksexartikulationsstumpf und der proximalen Oberschenkelamputation eindeutig überlegen. FunktioÂ�nell ist auch die atypische Unterarm-, Handgelenks- und Fußstumpfbildung den klassischen hohen Amputationsformen vorzuziehen. Insbesondere stehen mit dem mikrochirurgischen Gewebetransfer (Transplantation der zweiten Zehe zur Greifzan genbildung) sowie Umsetzung des Zeigefingers in die Daumenpo sition, oder Fußfiletierung zur Stumpfdeckung wertvolle Möglich keiten zur funktionellen Rehabilitation oder Prothesenanpassung zur Verfügung. In der .€Übersicht sind die gängigsten Verfahren zusammengefasst.
313
36.4 · Postoperatives Management
Differenzialtherapeutische Möglichkeiten zur Rekonstruk tion nach gliedmaßenerhaltender Resektion (Russel 1977) 4 Haut und Unterhaut – Regionale Lappenplastiken (einschließlich fasziokutaner und myokutaner Lappenplastiken, Spalt- und Vollhauttransplantate) – Mikrochirurgische Gewebetransplantationen und gestielte Fernlappenplastiken 4 Neuromuskuläres System der Extremitäten – Neurovaskuläre Insellappenplastiken – Nervenresektionen und extraanatomische autologe Interponate – Gestielte oder freie neurovaskuläre Muskeltransplantate – Sehnentransfer und Tenodesen – Arthrodesen, Resektionsarthroplastiken – Orthesen – Stumpfdistalisationen, Prothesenversorgung 4 Skelettsystem – Knochenresektion und Ersatzverfahren – Spongiosaplastik, kortikospongiöser Span – Mikrovaskuläre Knochentransplantate – Allografts – Gelenkresektion, Arthroplastik, Tumorprothesen – Alloarthroplastiken – Verbundosteosynthesen – Stumpfdistalisationen, atypische Stumpfbildungen 4 Blutgefäßsystem – Ausschälung (Adventitia) – Resektion und Interpositionsplastik – Extraanatomischer Bypass 4 Kombinierte Verfahren – Mikrochirurgische Transplantationen (z.€B. Zehentransfer) – Transfer distaler Amputatanteile – Filetierungen (auch osteomyokutane Lappenplastiken)
Ein komplexes Distalisationsverfahren, das funktionell sogar einer Tumorkniegelenksprothese überlegen ist (Hillmann et al. 1999), stellt die Verpflanzung des distalen Unterschenkels mit Fußanteil zur funktionellen Kniegelenksrekonstruktion nach Borggreve und van Nes dar (Heeg u. Torode 1998; .€Abb.€30.3). Hierbei wird nach Re sektion des tumortragenden Knieanteils der nichtbefallene Unter schenkel nach Zehenamputation unter Drehung um 180° an den Oberschenkelstumpf gestielt oder mikrochirurgisch replantiert. Das ehemalige Sprunggelenk fungiert dann als Neokniegelenk. Dieses Verfahren bringt neben dem funktionellen Vorteil allerdings be trächtliche ästhetische Veränderungen mit sich. Eine enge Führung des Patienten ist daher erforderlich (Hillmann et al. 1999).
Als Grenzbefunde, die einen Extremitätenerhalt kaum noch zu lassen, gelten: 4 transmetakarpale und transmetatarsale Tumorinfiltration, 4 Durchwachsen der Membrana interossea, 4 lokoregionäre Dissemination und 4 ein exulzerierter, zirkulär wachsender Riesentumor. Vor der Ablatio ist die Möglichkeit einer neoadjuvanten Therapie oder Extremitätenperfusion zu klären, um eine lokale Operabilität herbeizuführen. 36.4
Postoperatives Management
Besonderer Überwachung bedürfen Patienten mit präoperativer Radio-/Chemotherapie und konsekutiv niedrigen Leukozyten- und Thrombozytenzahlen. Ulzerationen von Haut und Schleimhäuten in Mundhöhle und Blasen, unerwartete Nachblutungen sowie kardio respiratorische Probleme erfordern ein intensives Monitoring. Nach Extremitätenrekonstruktionen und Lappenplastiken zählt die konsequente Perfusionskontrolle zu den postoperativen Stan dards. Bei eintretenden Perfusionsstörungen kann die sofortige Re vision mit guten Erfolgsaussichten den drohenden Transplantatver lust abwenden. 36.4.1
Spezielle postoperative Probleme
Nachblutung, Hämatom- und Serombildung.╇ Als besondere Risi
kofaktoren für die Entstehung von Hautperfusionsstörungen, lang wierigen Sekundärheilungen, Abszessen, Sehnensequestern oder Osteitis gelten postoperative Hämatome und Serome. Eine Präven tion besteht in der Frühintervention mit Hämatomausräumung, Wundrandexzision und Sekundärnaht. Dies gilt umso mehr bei langstreckig dissezierten Gefäßen (Leiste, Oberschenkel), Deperios tierungen langer Röhrenknochen und v.€a. bei Gefäßrekonstrukti onen, da Infektionskomplikationen bis hin zur septischen Ruptur drohen.
Durchblutungsstörungen und Nekrosen.╇ Wundranddurchblu tungsstörungen bis hin zu Lappennekrosen bedürfen eines frühzei tigen radikalen Débridements, um den Übergang in eine Gangrän zu vermeiden. Kommt es dabei zum Verlust der Weichteilbedeckung, so besteht die klare Indikation für eine erneute Weichteilplastik. Nur so kann für den Patienten nachteiligen Verzögerungen der adju vanten Therapie vorgebeugt werden (Cordeiro et al. 1994). Unzureichende Radikalität.╇ Zeigt die abschließende histopatholo
Aktuelle Amputationsstrategie
gische Untersuchung eine nur marginale Exzision, sollte mit einer Nachresektion nicht gezögert werden, da keine adjuvante Thera pieform die chirurgisch-radikale R0-Resektion ersetzen kann. Eine vorbestehende Wundhöhle sollte dabei en bloc mit ausreichendem Weichteilmantel exzidiert werden (Zornig et al. 1995).
Verglichen mit der Amputation und Versorgung mit einer Prothese, die das körperliche Leistungsvermögen überfordert, stellt eine »bio logische Stelze« oder sensible Zangenversorgung an der oberen Ex tremität einen qualitativ hochwertigeren Restzustand dar, mit dem ein betagter Patient sich besser selbst versorgen kann (Steinau et al. 2001). Hier stellt die Einschätzung des vermehrten Energieauf wandes zur Fortbewegung nach Baumgartner (1991) eine wertvolle Bewertungsgrundlage dar.
Lymphabflussstörungen.╇ Nach ausgedehnter Gefäßdisseketion und ausgedehntem Verlust der Weichteile des Extremitätenquer schnitts kann es auch bei Schonung der Lymphkollektoren zu ausge dehnten Lymphabflussstörungen kommen. Hier ist eine konsequente und frühzeitige Lymphdrainage und postoperative Kompressions therapie indiziert. Ausgedehnte Lymphödeme bergen ein Risiko für die Entstehung von Phlegmonen und erschweren adjuvante Thera piemaßnahmen.
36.3.14
36
314
Kapitel 36 · Maligne Weichgewebstumoren des Stammes und der Extremitäten
a
b
36 d
c
36.4.2 Nachsorge Die regelmäßige onkologische Nachsorge, deren Modalitäten noch nicht einheitlich abgesichert sind, umfasst neben der klinischen Un tersuchung die bildgebenden Verfahren des MRT und der Sonogra phie (Poon-Chue et al. 1999). Nicht selten kommt es zu Problemen bei der Interpretation der Befunde durch den Radiologen, sodass eine enge Kooperation mit dem Operateur zu empfehlen ist. 36.4.3 Physiotherapie, Prothesenversorgung Die zumeist notwendige Physiotherapie beginnt bereits während des stationären Aufenthaltes und umfasst Muskelkrafttraining, Geh
. Abb. 36.4a–d╇ Palliative Resektionsindikation bei ante perforationem stehendem großem Lymphknotenrezidiv eines ursprünglich in der Adduktorenloge gelegenen Fibrosarkoms. Fötider Geruch und Sickerblutungen belasten den jungen Patienten erheblich. a Tumor mit Ummauerung der A.€femoralis, Infiltration der V.€femoralis und Infiltration der Inguinalregion. b Resektion unter Gefäßeinschluss der V. femoralis. c Rekonstruktion der unteren BauchÂ�wand mit Nylonnetz und der Haut/Weichteile mittels distal gestieltem erweitertem vertikalem Rektus-abdominis-(VRAM-) Lappen. d Damit lokale Sanierung und Herstellung eines guten Pflegezustandes bei insgesamt verbessertem Allgemeinzustand
schule und Ergotherapie. Besonderes Augenmerk ist auf die frühzei tige Prothesenrehabilitation zu richten. Mit den modernen Silikon linern kann die Mobilisation einer Vollkontaktprothese eher reali siert werden als mit langwierigen Interimsprothesen. Es hat sich gezeigt, dass dieses Vorgehen auch die gefürchtete Phantomschmerz problematik positiv beeinflusst und eine deutlich frühere Rehabili tation der Patienten ermöglicht. 36.4.4 Funktionelle und ästhetische Spätfolgen Da nach Erkrankung an einem Weichgewebssarkom eine 5-JahresÜberlebensrate von >50% erreicht wird, stellen sich zunehmend Patienten mit dem Wunsch vor, eine Verbesserung der Spätfolgen
315
36.6 · Adjuvante Therapien
vornehmen zu lassen. Eine eingehende Befunderhebung und Bera tung mit dem Patienten hilft, realisierbare funktionell-ästhetische Korrektureingriffe unter Einsatz des oben genannten Spektrums zu planen. Dabei ist es wichtig, nicht zu realisierende Vorstellungen als solche zu erkennen und dem Patienten bei der persönlichen Verar beitung der Defektzustände Hilfestellung zu geben. Nach Multimodaltherapie dominieren kutane und Weichge websnekrosen, chronisch rezidivierende Ulzerationen, Lymphangi tis bei Lymphödem, progressive neurologische Ausfälle und Kontur defizite. Besonders nach Therapie im Kindesalter bestehen Wachs tumsverzögerungen, Fehlstellungen und Asymmetrien (Steinau et al. 2001). Wachstum und altersbedingte Veränderungen führen zu einer Komplizierung der bereits vorbestehenden Veränderungen. Insbe sondere betrifft dies das arterielle und venöse Gefäßsystem, Muskel gruppen und Nervenstränge. Instabile Hautareale und Muskel- oder Sehnenfibrosen mit konstriktiver Nervenkompressionen sind Indi kationen für einen plastischen Weichgewebsersatz mittels gut vasku larisierter Lappenplastiken. Die plastisch-chirurgische Wiederher stellung eines unbestrahlten Knochenlagers reduziert zudem die Komplikationsraten eines evtl. notwendigen alloplastischen Gelen kersatz oder osteoplastischer orthopädischer Eingriffe zum Aus gleich von Längendifferenzen (Distraktionskortikotomie; Cordeiro et al. 1994).
36.6
Amputationsstumpfprobleme.╇ Hautulzerationen, ungepolsterte
Alekhteyar KM, Leung DH, Brennan MF, Harrison LB (1996) The effect of combined external beam radiotherapy and brachytherapy on local control and wound complications in patients with high-grade soft tissue sarcomas of the extremity with positive microscopic margin. Int J Radiat Oncol Biol Phys 36 (2): 321–324 Arbeit JM, Hilaris BS, Brennan MF (1987) Wound complications in the multimodality treatment of extremity and superficial truncal sarcomas. J Clin Oncol 5: 480–488 Arca MJ, Sondak VK, Chang AE (1994) Diagnostic procedures and pretreatment evaluation of soft tissue sarcomas. Semin Surg Oncol 10: 323–331 Baldini EH, Goldberg J, Jenner C, Manola JB, Demetri GD, Fletcher CD, Singer S (1999) Long-term outcomes after function-sparing surgery without radiotherapy for soft tissue sarcoma of the extremities and trunk. J Clin Oncol 17: 3252–3259 Barwick WJ (1992) Vascularized tissue transfer for closure of irradiated wounds after soft tissue sarcoma resection. LLL 216: 591–595 Baumgartner R, Botta P (1995) Amputation und Prothesenversorgung der unteren Extremität, 2.€Aufl. Enke, Stuttgart, S€102 Biemer E, Steinau HU (1988) Primary reconstruction in extremity saving resection of the lower extremity. Langenbecks Arch Chir (Suppl) 2: 465–468 Brennan MF (1989) Management of extremity soft-tissue sarcoma. Am J Surg 158: 71–78 Brooks AD, Heslin MJ, Leung DH, Lewis JJ, Brennan MF (1998) Superficial extremity soft tissue sarcoma: an analysis of prognostic factors. Ann Surg Oncol 5: 41–47 Casper ES, Gaynor JJ, Hajdu SI, Magill GB, Tan C, Friedrich C, Brennan MF (1991) A prospective randomized trial of adjuvant chemotherapy with bolus versus continuous infusion of doxorubicin in patients with high-grade extremity soft tissue sarcoma and an analysis of prognostic factors. Cancer 68: 1221–1229 Chang AE (1987) Magnetic resonance imaging versus computed tomography in the evaluation of soft tissue tumors of the extremities. LLL 205: 340– 348 Chang HR, Hajdu SI, Collin C, Brennan MF (1989) The prognostic value of histologic subtypes in primary extremity liposarcoma. Cancer 64: 1514– 1520 Cordeiro PG, Neves RI, Hidalgo DA (1994) The role of free tissue transfer following oncologic resection in the lower extremity. Ann Plast Surg 33: 9–16 Drake DB (1995) Reconstruction for limb-sparing procedures in soft-tissue sarcomas of the extremities. Clin Plast Surg 22: 123–128
Knochenvorsprünge oder Stumpfneurome können trotz beherrschter Tumorerkrankung quälende Folgeerscheinungen darstellen, die durch Immobilität und Schmerzmittelabusus zu einer gravierenden Sekundärmorbidität führen. Besonders hier können plastische Kor rekturen mittels Entfernung von Exostosen, muskulärer Weichpol sterung von Knochen sowie Neuromresektionen und Versenkung eine deutliche Verbesserung für den Patienten erzielen und seine soziale Reintegration fördern. 36.5
Lokalrezidiv nach Multimodaltherapie
Das Lokalrezidiv nach Multimodaltherapie stellt eine besondere He rausforderung an die plastisch-rekonstruktive Chirurgie dar. Auf jeden Fall sollte versucht werden, eine Resektion in sano zu erzielen, ggf. unter Einsatz der Extremitätenperfusion. Da es sich oft um Befunde in Strahlenfeldern mit Minderper fusion und Fibrosen handelt, kommen lokale Muskellappen oder Transplantate zum Einsatz, die eine sichere Abdeckung bradytro pher Gewebe und Knochen gewährleisten. Lokalerezidive jenseits der 10-Jahres-Grenze sind selten, ebenso Sekundärmalignome wie das Basalzellkarzinom (Baldini et al. 1999), Plattenepithelkarzinom oder von der Primärhistologie abweichen de€Sarkome. Eine histopathologische Untersuchung ist immer bei Wundheilungsstörungen nach jahrelang zurückliegender Mulit modaltherapie oder Radiatio zu fordern. Die chirurgische Therapie derartiger Läsionen folgt den gleichen Prinzipien mit onkologiege rechter chirurgischer Entfernung und Verschluss durch sichere Weichteilplastik. Sollte beim Ersteingriff die Radiatio bereits die lo kale Grenzdosis erreicht haben, kann eine Extremitätenperfusion von Vorteil sein (Eggermont 1996). Auch unter palliativen Indika tionen sind derartige Maßnahmen zur Erreichung eines verbes serten€Pflegezustandes oder zur Reduktion der Tumorlast indiziert (.€Abb.€36.4).
Adjuvante Therapien
Die Indikation zu adjuvanten Therapiemodalitäten ist bei weiter Re sektion im Gesunden kritisch zu hinterfragen und ist lediglich bei Sarkomen hochmaligner Typisierung mit hoher primärer Metasta sierungswahrscheinlichkeit (Synovialsarkom) notwendig. Von einer begleitenden Polychemotherapie profitieren im Erwachsenenalter nur knapp 10% der Patienten, wobei einige Untergruppen (z.€B. Pa tienten mit Ewing-Sarkom) höhere Erfolgsquoten aufweisen. Meta analysen ergeben für eine postoperative Radiatio bei R0-ResekÂ�tionen einer T1€N0€M0-Erstmanifestation keine Rechtfertigung, bei schlech terer Differenzierung (G2–G3) hingegen wird die lokale Kontrolle deutlich verbessert (Casper et al. 1991). Außerhalb von Therapiestudien lässt sich eine Chemotherapie allenfalls für palliative Indikationen rechtfertigen. Bei irresektablem Primärbefund oder Spätrezidiven mit verblei bender lokaler Schmerzproblematik lässt sich auch durch die Bra chytherapie in Einzelfällen eine sehr gute Palliation erzielen (Alek hteyar et al. 1996). So ist durchaus auch die Indikation zu einer pri mären Weichteilplastik zu stellen, da hiermit die lokal entstehenden Wundheilungsstörungen nach Bestrahlung im Tumorbett besser be herrschbar sind und für den Patienten eine verbesserte Lebensqua lität erzielt wird.
Literatur
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36
Kapitel 36 · Maligne Weichgewebstumoren des Stammes und der Extremitäten
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VII
Funktionelle Wiederherstellung peripherer Nervenfunktionen P. Vogt
Kapitel 37
Physiologische Grundlagen der Nervenregeneration╇╇ – 321 C. Radtke
Kapitel 38
Techniken der Nervenrekonstruktion╇╇ – 327 A. Gohritz
Kapitel 39
Schädigung des N.€facialis╇╇ – 333 A. Gohritz
Kapitel 40
Schädigung des Plexus brachialis╇╇ – 341 M.€Spies
Kapitel 41
Schädigung peripherer Nerven der oberen Extremität╇╇ – 353 A.€Gohritz
Kapitel 42
Schädigung peripherer Nerven der unteren Extremität╇╇ – 361 A.€Gohritz
Kapitel 43
Motorische und nervale Ersatzoperationen bei Lähmungen an Unterarm und Hand╇╇ – 367 A. Gohritz, P.M. Vogt
Kapitel 44 Kapitel 45
Muskuläre und nervale Ersatzoperationen bei Lähmung der Schulterund Ellbogenfunktion╇╇ – 379 A. Gohritz, P.M. Vogt
Funktionsverbesserung der oberen Extremität von Tetraplegikern╇╇ – 393 A. Gohritz
Kapitel 46
Motorische Ersatzoperationen an der unteren Extremität╇╇ – 403 P.M.€Vogt
Kapitel 47
Denervation bei Schmerzsyndromen an der oberen und unteren Extremität╇╇ – 411 A. Gohritz
Kapitel 48
Kompressionssyndrome der oberen Extremität╇╇ – 419 C. Herold
Kapitel 49
Nervenkompressionssyndrome der unteren Extremität╇╇ – 429 R.€Krämer, A. Gohritz
Ein großes Arbeitsgebiet der Plastischen Chirurgie ist die Wiederherstellung verletzter peripherer Nerven. Dies betrifft zum einen die immer noch in ihrer Folge verheerenden Plexusverletzungen, zum anderen die peripheren Nervenkompressionen und Läsionen. Ebenso haben sich schmerzausschaltende Operationen im Behandlungsspektrum etabliert. Es stehen heute zahlreiche effiziente Methoden der Wiederherstellung zum einen durch direkte Nervenrekonstruktion oder Neurotisierung zur Verfügung. Im Plexusbereich lassen sich bei frühzeitiger Indikationsstellung und Durchführung des Eingriffs Erfolgsraten mit guten Ergebnissen in etwa 45% der Fälle erreichen. Zwar mutet dieses Ergebnis auf den ersten Blick enttäuschend an, in Anbetracht der jedoch unbehandelten oder insuffizient behandelten funktionslosen Extremität bedeutet dies bereits einen erheblichen Fortschritt für den einzelnen Patienten. Stehen primäre Nervenwiederherstellungsmaßnahmen nicht mehr zur Verfügung oder sind sie nicht mehr aussichtsreich, kann heute mit effizienten Ersatzverfahren wie Sehnentransfers oder neurotisierten, freien Muskeltransfers eine Wiederherstellung einfacher Grundfunktionen erzielt werden. Diese Sektion stellt die in unserer Klinik erprobten und aussichtsreichen Verfahren ausführlich dar.
37
Physiologische Grundlagen der Nervenregeneration C. Radtke
37.1
Aufbau des Nervsâ•… – 322
37.1.1 37.1.2
Morphologie der Schwann-Zelleâ•… – 323 Axonaler Transportâ•… – 323
37.2
Nervenverletzungâ•… – 323
37.2.1 37.2.2 37.2.3 37.2.4
Klinische Einteilung von peripheren Nervenverletzungenâ•… – 323 Nervenregenerationâ•… – 324 Fortschritteâ•… – 324 Neurom â•… – 325
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
322
Kapitel 37 · Physiologische Grundlagen der Nervenregeneration
Nervenfasern im peripheren Nervensystem besitzen eine weitaus größere Fähigkeit zur Regeneration als im zentralen Nervensystem. Eine Nervenverletzung initiiert neben der Leitungsunterbrechung auf mikroskopischer Ebene eine Kaskade verschiedener zellulärer und humoraler Ereignisse. Doch selbst nach sofortiger sorgfältiger mikrochirurgischer Intervention kann das funktionelle Resultat unzureichend sein. Die Verbesserung der Regeneration nach axonaler Verletzung und Demyelinisierung ist sowohl klinisch als auch wissenschaftlich eine Herausforderung, Voraussetzung sind fundiertes Grundwissen über anatomische Strukturen des normalen peripheren Nervs sowie Kenntnisse der ablaufenden Prozesse nach einer Nervenverletzung. 37.1
37
Aufbau des Nervs
Die Grundstruktur eines peripheren Nervs besteht aus Neuronen als Grundstruktur und sie begleitenden Schwann-Zellen. Diese bestehen aus einem Zellkörper und verschiedenen Zellausläufern, den Dendriten und dem Axon. Dendriten übertragen dabei elektrische Impulse zum Zellkörper hin, das Axon leitet elektrische Signale von diesem weiter. Gliazellen sind unterstützende Zellen und beinhalten im peripheren Nervensystem die Schwann-Zellen. Sie sind in weitaus höherer Anzahl vorhanden als Neurone, das Verhältnis kann von 1:10 bis 1:50 reichen. Im Unterschied zu Neuronen können sich Gliazellen mitotisch teilen. Im peripheren Nervensystem werden myelinisierte von nichtmyelinisierten Nervenfasern unterschieden. Die Geschwindigkeit der entlang der Nervenfaser erfolgenden Nervenleitung beträgt in den myelinisierten Nervenfasern nur einen Bruchteil derjenigen in den nichtmyelinisierten Fasern. Myelin ist eine Isolierschicht des Nervs aus Lipiden und Proteinen, wobei sich der Proteinanteil im peripheren Myelin maßgeblich von dem im zentralen Myelin unterscheidet. Als vorherrschendes Protein findet man im peripheren Nervensystem MBP (»myelin basic protein«) und P0 (Protein€0). Im peripheren Nervensystem sind Schwann-Zellen für die Myelinisierung der Fasern verantwortlich. Die Schwann-Zelle wickelt sich dabei mit mehreren Schichten um die entsprechende Nervenfaser, und im Gegensatz zu den myelinbildenden Zellen des ZNS, den Oligodendrozyten, myelinisiert eine Schwann-Zelle nur ein Â�einzelnes Axon. Entlang eines Axons finden sich dann mehrere
. Abb. 37.1╇ Aufbau eines periphereren Nervs (a). Eine Vielzahl von Axonen schließt sich zu Faszikeln zusammen (b). Das Endoneurium beschreibt dabei€den Raum zwischen mehreren Axonen innerhalb eines Faszikels. Diese Â�Einheit ist von Bindegewebe, dem Perineurium, umschlossen. Schließlich bilden Faszikel zusammen einen peripheren Nerv, dessen äußere Hülle Epineurium genannt wird
a
b
323
37.2 · Nervenverletzung
Schwann-Zellen, die jeweils durch Ranvier-Schnürringe voneinan der getrennt sind. Eine Vielzahl von Axonen schließt sich zu Faszikeln zusammen. Das Endoneurium beschreibt dabei den Raum zwischen mehreren Axonen innerhalb eines Faszikels. Diese Einheit ist von Bindegewe be, dem Perineurium, umschlossen. Schließlich bilden Faszikel zu sammen einen peripheren Nerv, dessen äußere Hülle Epineurium genannt wird (.€Abb.€37.1). Periphere Nerven stellen eine funktionelle Einheit dar, um Infor mationen fortzuleiten. Es werden 3€Gruppen von Nerven aufgrund ihrer Nervenleitgeschwindigkeit, ihrer Funktion und ihres Durch messers unterschieden. Gruppe-A-Fasern besitzen den größten DurchÂ�messer und sind vorwiegend myelinisiert. Sie haben die höchste Nervenleitgeschwindigkeit. Es werden hier weiterhin 3€Un tergruppen unterschieden. Sie können sowohl afferent als auch effe rent sein. Gruppe-B-Fasern enthalten autonome und präganglio näre€Fasern, und die Gruppe-C-Fasern sind die langsamsten und dünnsten Nervenfasern. Sie sind normalerweise nicht myelinisiert. Mit den Aδ-Fasern übertragen sie Schmerz. An myelinisierten Fasern erfolgt die Reizleitung durch saltato rische Erregung, wobei das Aktionspotenzial jeweils nur im Bereich des Ranvier-Schnürring stattfindet, in welchem eine hohe Dichte an spannungsabhängigen Natriumkanälen exprimiert wird. > Somit ist es von entscheidender Bedeutung, dass es nach Nervenregeneration nicht nur zur anatomischen Integrität kommt, sondern auch zur Wiederherstellung einer effektiven Erregungsleitung.
37.1.1 Morphologie der Schwann-Zelle Theodor Schwann entdeckte Mitte des 19.€Jahrhunderts, dass be stimmte Zellen mit den Axonen im peripheren Nervensystem asso ziiert sind. Diese Zellen werden nach ihm bezeichnet. Gliazellen, wie die Schwann-Zellen, sind essenziell für die Funktionen und das Überleben von Neuronen. Aufgaben der Schwann-Zellen beinhalten die Myelinisierung von Axonen sowie deren gerichtetes Wachstum und Regeneration, zusätzlich entfernen sie zellulären Débris nach Verletzung. Im Gegensatz zu Neuronen besitzen Schwann-Zellen nicht die Fähigkeit, synaptische Informationen zu übermitteln, aber sie können durch Zellteilung proliferieren. Schwann-Zellen können da bei entweder ein Axon einfach nur umgeben (nichtmyelinisierende Schwann-Zelle), oder aber die Schwann-Zelle umwickelt ein ein zelnes Axon mehrmals und myelinisiert das Axon (myelinisierende Schwann-Zelle), wodurch es zu einer erhöhten Nervenleitgeschwin digkeit im Axon kommt. Der Axondurchmesser bestimmt, ob Sch wann-Zellen einfach nur das Axon umgeben oder es myelinisieren (Voyvodic 1989). Die äußere Membran der Schwann-Zelle ist das Neurolemm, eine Basalmembran. Nach einer axonalen Verletzung kommt es zu morphologischen Veränderungen der Schwann-Zellen. Diese sog. reaktivierte Schwann-Zellen sind u.€a. dazu fähig, durch die Sekre tion von neurotrophen Faktoren richtungsweisend auf die axonale Regeneration einzuwirken und deren Elongation zu unterstützen. 37.1.2 Axonaler Transport Man unterscheidet einen anterograden von einem retrograden axo nalen Transport, wobei wiederum beim anterograden Transport
zwischen einer schnellen und langsamen Form differenziert wird. Dieser Transport unterhält u.€a. die Struktur des Nervs und befördert die im Zellkörper produzierten Neurotransmitter an ihren Wirkort, an die Synapsen. Materialien, die im Zellkörper produziert werden, wie z.€B. Mikrofilamente und Neurotransmitter, die eine Funktion am terminalen Axon ausführen, gelangen mit dem schnellen antero graden Transport zum Zielort. Diese Geschwindigkeit kann bis zu >400€mm/Tag betragen. Der retrograde Transport ist u.€a. verant wortlich für den Transport verbrauchter Transmitter oder neurotro pher Faktoren. Der axonale Transport ist energieabhängig und durch Verletzungen oder Erkrankungen leicht anfällig, z.€B. wird der retro grade Transport von einigen Viren (Herpes, Polio) »missbraucht«, um in den Zellkern zu gelangen. 37.2
Nervenverletzung
Veränderungen peripherer Nerven nach Durchtrennung betreffen den Zellkörper sowie das distale und proximale Ende des verletzten Axons. Der Anteil des Axons, welcher Kontakt zum Zellkörper hat, wird proximaler Anteil genannt, der Bereich des Axons, der vom Rest der Zelle getrennt wurde, wird als distaler Anteil bezeichnet. Nach Durchtrennung kommt es zu einem Anschwellen des Zell körpers mit Chromatolyse und Verlängerung des Zellkerns in die Peripherie des Zellkörpers sowie zu einer Degeneration des distalen Nervenanteils, der sog. Waller-Degeneration (nach Augustus Wal ler, 1850). Zusätzlich tritt eine Retraktion der Nervenenden auf und bedingt durch den unterbrochenen axonalen Transport ein An schwellen der Nervenenden. Einströmende Ca2+-Ionen führen zu einer Aktivierung von Pro teasen, die den entstandenen Schaden verstärken. Läsionen, die den Zellkörper eines Neurons direkt betreffen, führen zum Untergang der Zelle. Es kann weiterhin eine anterograde oder retrograde trans neurale Degeneration stattfinden, wobei sich die Schädigung auf ein vor- bzw. nachgeschaltetes Neuron ausdehnt. Bei einer Axonzer reißung kann es zusätzlich zu konsekutiver Einblutung, Radikal bildung und Ödembildung kommen. Es entsteht ein sog. Sekundär schaden. 37.2.1 Klinische Einteilung von peripheren
Nervenverletzungen
Seddon unterteilte 1952 die periphere Nervenverletzung in 4 Neurapraxie, 4 Axonotmesis und 4 Neurotmesis. Eine erweiterte Klassifikation wurde von Sunderland eingeführt, die 5€Stufen unterscheidet. 4 Bei der Neurapraxie ist die Kontinuität des Nervs erhalten, aller dings zeigt sich durch eine segmentale Demyelinisierung ein Leitungsblock. Diese Verletzung ist durch Regeneration in nerhalb von einigen Monaten reversibel. Ursächlich sind Trak tionen oder leichte Kompressionen. 4 Die Axonotmesis zeigt sich, wie die Neurapraxie, mit Myelinver lust, aber zusätzlicher axonaler Läsion mit erhaltenem Perineu rium. In diesem Fall ist eine Regeneration möglich, sie dauert aber länger als bei einer Neurapraxie. 4 Die Neurotmesis beschreibt eine komplette Nervendurchtren nung. Ohne mikrochirurgische Intervention findet keine Rege neration statt (.€Tab.€37.1).
37
324
Kapitel 37 · Physiologische Grundlagen der Nervenregeneration
. Tab. 37.1╇ Klassifikation der Nervenschädigung nach Grad der Schädigung, Ausmaß und Lokalisation der fibrösen Reaktion. (Mod. nach Millesi 1992; Sunderland 1951)
Nervenverletzung
Kennzeichen
Prognose
Grad I
Neurapraxie mit erhaltenen Axonen, aber Blockierung, Nervenleitgeschwindigkeit durch segmentale Demyelinisierung
Verletzung ist reversibel und spontane Erholung möglich, Regeneration innerhalb von einigen Monaten
Grad II
Axonotmesis mit axonaler Verletzung und Myelinverlust
Intakte Basallamina mit guter Chance zur Regeneration, allerdings längerandauernd als bei Neurapraxie
Grad III
Axonale Verletzung und Zerreißung des Endoneuriums, intaktes Perineurium
Regeneration möglich, Perineurium als Leitschiene für regenerierende Axone, aber operative Therapie ist zu empfehlen
Grad IV
Zerreißung des Perineuriums, komplette Narbenbildung und dadurch Kontinuität erhalten, Neurombildung
Aussicht auf spontane Regeneration schlecht, Operation (Neurolyse) mit Resektion, Narbengewebe oder Neurom (ggf. Nerventransplantation)
Grad V
Neurotmesis mit kompletter Durchtrennung ohne Erhalt der Kontinuität
Keine spontane Regeneration, Resektion und Operation mit Neurorrhapie oder Nerventransplantaion notwendig
37.2.2 Nervenregeneration
37
Distal der Nervenverletzung gehen sowohl das Axon als auch die umgebende Myelinscheide im Rahmen der Waller-Degeneration zugrunde. Der Zelldébris wird von eingewanderten Makrophagen, Mastzellen sowie Schwann-Zellen abgeräumt. Schließlich bleiben nur noch Bindegewebsreste und die den Nerv ursprünglich umge benden Bindegewebshüllen übrig. Parallel zu diesen Prozessen kommt es nach Kontaktverlust der Schwann-Zellen mit dem Axon zur morphologischen Veränderung dieser (reaktivierten) SchwannZellen. Sie beginnen zu proliferieren (Salzer u. Bunge 1980), und infolge Migration bilden sie einen Zellstrang entlang der Basallami na (sog. Büngner-Bänder). Dieser dient als Leitschiene für die rege nerierenden Axone. Zu diesem Zeitpunkt wachsen von proximal des verletzten Ner venstumpfs mehrere neu gebildete Axone aus. Zusätzlich werden neurotrophe Faktoren produziert und vermehrt Adhäsionsmoleküle auf der Oberfläche der Plasmamembran exprimiert. Beides ist für das regenerierende Axon richtungsweisend. Im normalen peripheren Nerv wird in den Endorganen sympa thischer und sensibler Nerven »nerve growth factor« (NGF) produ ziert und retrograd zum Zellkörper transportiert. Ist nun die Konti nuität unterbrochen, fehlen diese wichtigen neurotrophen Faktoren. Nach der Einwanderung von hämatogenen Makrophagen in die Lä sion produzieren diese Interleukin-1, das wiederum Schwann-Zel len anregt, NGF zu produzieren (Lindholm et al. 1987). Regenerie rende sensible Axone wachsen dann in Richtung dieser Faktoren aus. Wird die Einwanderung von Makrophagen behindert, dann ist die Beseitigung des Myelindébris der zerfallenden Myelinscheide pro trahiert, und es kommt zu keiner wesentlichen NGF-Sekretion durch die Schwann-Zellen (Brown et al. 1991). In unverletzten peripheren Nerven sowie in Schwann-Zellen werden normalerweise keine wesentlichen Konzentrationen an »brain-derived neurotrophic factor« (BDNF) gebildet. Erst nach Nervenverletzung zeigt sich eine signifikant Erhöhung. BDNF ist ein essenzieller Faktor für das Überleben und die Regeneration sensib ler, sensorischer als auch motorischer Nervenfasern. BDNF und NGF scheinen ergänzend zusammenzuarbeiten. Ein weiter wichtiger Faktor ist der »ciliary neurotrophic factor« (CNTF). Es ist in hohen Titern in Schwann-Zellen im unverletzten
Nerv enthalten. Nach einer Axotomie kommt es zu einem Abfallen dieser Konzentrationen und nach Reinnervation zu einer erneuten Erhöhung. .€Abb.€37.2 zeigt die Nervenregeneration im Überblick.
Proximaler Bereich und Wachstumskegel Ausgehend vom proximalen Anteil des verletzten Nervs kann es zum Aussprossen des Axons und unter optimalen Bedingungen zur Re generation mit Erreichen des Zielorgans kommen. Innerhalb der ersten 24€h nach Trauma beginnt das Aussprossen des proximalen Anteils. An diesen Ausläufern findet man sog. Wachstumskegel, die eine Vielzahl von Vesikeln und Mitochondrien enthalten. An diesen Wachstumskegeln finden sich fingerförmige Ausstülpungen, sog. Filopodien, die die Umgebung explorieren. Intrazelluläres Ca2+ re guliert die Beweglichkeit dieser aussprossenden Enden, und es wer den Proteasen produziert, um die extrazelluläre Matrix, die eine entscheidende Rolle für die Nervenregeneration spielt, durchdrin gen zu können. Zusätzlich weisen Wachstumskegel Liganden für bestimmte Ad häsionsmoleküle auf, wie z.€B. Laminin und Fibronektin, die im Be reich der Basalmembran und den Schwann-Zellen lokalisiert sind. Durch diese sog. Kontaktführung und des Weiteren durch chemo taktische Faktoren kommt es zum gerichteten Aussprossen (Ramon y Cajal 1928) der regenerierenden Axone. Diejenigen, die die Basal membran mit den darin enthaltenen Schwann-Zellen erreichen, wachsen weiter und werden an die entsprechende Zielzelle oder Zielstruktur geleitet, sodass das Neuron die Informationen in Form von elektrischen Impulsen wieder weitergeben kann. 37.2.3 Fortschritte Während im peripheren Nervensystem unter bestimmten Bedin gungen die Regeneration von verletzten peripheren Nerven statt finden kann, ist die axonale Regeneration bei Verletzungen im zen tralen Nervensystem (ZNS) unter normalen Gegebenheiten nur sehr begrenzt möglich. Die therapeutischen Mittel sind in beiden Fällen limitiert. Neue Fortschritte in der Zellbiologie haben zur Präparation und Kultivierung verschiedener Zelltypen geführt, die nach Transplan
325
37.2 · Nervenverletzung
. Abb. 37.2╇ Schema der Nervenregeneration nach Verletzung
tation demyelinisierte Axone wieder remyelinisieren können und axonales Wachstum unterstützen. In tierexperimentellen Versuchen konnten bereits Verbesserungen durch Zelltransplantationen von peripher-myelinbildenden Zellen in die Läsionsstelle, Transplanta tion von Neuronen sowie die Anwendung von neurotrophen Fak toren zu einer Optimierung der Ergebnisse sowohl morphologisch als auch funktionell führen. Auch Aspekte der Neuroprotektion scheinen klinisch interessant zu sein. Ein Problem in der poten ziellen klinischen Anwendung z.€B. von Schwann-Zellen als Zell therapie, besteht in der begrenzten Anzahl an Zellen, welche autolog geÂ�wonnen werden können. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Überbrückung langstreckiger Nervendefekte. Hier könnten neue Biomaterialien verbesserte Möglichkeiten der Regeneration bieten (Allmeling et al. 2006, 2007). 37.2.4 Neurom Neurome entwickeln sich dann nach einer Nervenverletzung, wenn es zu keiner vollständigen Regeneration kommt. Dabei wird durch das aussprossende Axon das Zielorgan oder die Zielzelle nicht wie der erreicht, sondern es resultiert ein ungerichtetes Wachstum der Axone mit Hyperproliferation von Schwann-Zellen, Fibroblasten und kollagenen Fasern. > Eine vermehrte Narbenbildung im Bereich der Läsionsstelle erhöht das Risiko einer Neurombildung. In diesen Fall sind die regenerierenden Axone nicht in der Lage, die Narbe zu durchbrechen, um ihr Endorgan zu erreichen. Es kommt zum ziellosen Wachstum mit veränderter ExpresÂ� sion von Natriumkanälen mit nachfolgender gestörter Elektrophysiologie.
Neurome können sehr schmerzhaft sein und beeinträchtigen da durch oft die Funktion der gesamten Extremität. Es zeigt sich eine gestörte Erregbarkeit mit Hyperästhesie, Hyperalgesie und ausge prägtem Hoffmann-Tinel-Zeichen (7€Kap.€50.2.6). Typischerweise
kann durch Berührung im Bereich des Neuroms eine genau lokali sierbare Triggerzone identifiziert werden.
Prävention und Therapie Es hat sich bewährt, die Neuromformation bei einem durchtrennten Nerv, in dem die Koadaptation nicht möglich ist, durch Einkapse lung des Nervenendes zu reduzieren. Es wurden muskuläre und os säre Verlagerung, Elektrokoagulation, Kryotherapie, Kortisoninjek tion, Ligation, Verwendung von Silikonröhrchen etc. beschrieben, wobei die Vielfalt widerspiegelt, dass sich eine Neurombildung trotz sorgfältigster Technik nicht zuverlässig vermeiden lässt. Bei einem bereits bestehenden, schmerzhaften Neurom ist die chirurgische Exzision Therapie der Wahl mit anschließender ossärer oder muskulärer Verlagerung des Nervenstumpfs. Allerdings ist oft mals eine signifikante Verkürzung des betroffenen Nervs oder bei einem Neuroma in continuitatem sogar eine Nerventransplantation notwendig (.€Abb.€37.3; 7€Kap.€38.2.2). Nicht selten kommt es zu ei ner erneuten Neurominduktion, die weitere Interventionen nach sich zieht. Unter Umständen kann es bei Revisionseingriffen schwierig sein, das Neurom im umgebenden Narbengewebe aufzufinden. In diesem Fall empfiehlt es sich, den entsprechenden Nerv proximal aufzusuchen und nach distal zu verfolgen. Für die intraossäre Verla gerung sollte eine senkrechte Bohrung in den Knochen erfolgen. Der Nerv befindet sich dann unter spannungsfreien Bedingungen im mittleren Bereich der Bohrung. > Aufgrund der gesamten Problematik ist der Prävention eines Neuroms besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Bei chirurgischen Eingriffen an einem peripheren Nerv ist spezielle Vorsicht geboten, und atraumatische Techniken sollten strikt eingehalten werden, um Narbenbildung so gering wie möglich zu halten.
37
326
37
Kapitel 37 · Physiologische Grundlagen der Nervenregeneration
a
b
c
d
. Abb. 37.3╇ Peripheres Neurom und Resektion mit Nerventransplantatinterposition
Literatur Allmeling C, Jokuszies A, Reimers K, Kall S, Vogt PM (2006) Use of spider silk fibres as an innovative material in a biocompatible artificial nerve conduit. J Cell Mol Med 10 (3): 770–777 Allmeling C, Jokuszies A, Reimers K, Kall S, Choi CY, Brandes G, Kasper C, Scheper T, Guggenheim M, Vogt PM (2008) Spider silk fibres in artificial nerve constructs promote peripheral nerve regeneration. Cell Prolif 41 (3): 408–420 Amir R, Argoff CE, Bennett GJ, Cummins TR, Durieux ME, Gerner P, Gold MS, Porreca F, Strichartz GR (2006) The role of sodium channels in chronic inflammatory and neuropathic pain. J Pain 7 (5 Suppl 3):S1–29 Brown MC, Perry VH, Lunn ER, Gordon S, Heumann R (1991) Macrophage dependence of peripheral sensory nerve regeneration: possible involvement of nerve growth factor. Neuron 6 (3): 359–370 Lindholm D, Heumann R, Meyer M, Thoenen H (1987). Interleukin-1 regulates synthesis of nerve growth factor in non-neuronal cells of rat sciatic nerve. Nature (London) 330 (6149): 658–659 Millesi H (1972) Chirurgie der peripheren Nerven. Urban & Schwarzenberg, München Ramon y Cajal S (1928) Degeneration and regeneration in the nervous system. Oxford University Press, London Salzer JL, Bunge RP (1980) Studies of Schwann cell proliferation. I. An analysis in tissue culture of proliferation during development, Wallerian degeneration, and direct injury. J Cell Biol 84 (3):739–752
Seddon HJ (1943) Three types of nerve injury. Brain 66 (4): 237–288 Sunderland S. (1951) A classification of peripheral nerve injuries producing loss of function. Brain 74 (4): 491–516 Voyvodic JT (1989) Peripheral target regulation of dendritic geometry in the rat superior cervical ganglion. J Neurosci 9 (6): 1997–2010 Waller A (1850) Experiments on the glossopharyngeal and hypoglossal nerves of the frog and observations produced thereby in the structure of their primitive fibers. Philos Trans R Soc London 140: 423
38
Techniken der Nervenrekonstruktion A. Gohritz
38.1
Diagnostisches Vorgehenâ•… – 328
38.1.1 38.1.2
Klinische Untersuchungâ•… – 328 Neurophysiologische Untersuchungenâ•… – 328
38.2
Therapeutisches Vorgehenâ•… – 328
38.2.1 38.2.2 38.2.3 38.2.4 38.2.5 38.2.6
Nervennahtâ•… – 328 Nerventransplantationâ•… – 329 Nerventranspositionâ•… – 329 Nachbehandlungâ•… – 330 Neuromeâ•… – 330 Nachsorge â•… – 330
38.3
Kontraindikationenâ•… – 330
38.4
Komplikationenâ•… – 330
38.5
Ergebnisseâ•… – 331
38.5.1 38.5.2 38.5.3 38.5.4 38.5.5 38.5.6 38.5.7
Wahl des Zeitpunkts â•… – 331 Alter der Patienten â•… – 331 Ausmaß und Niveau der NervenÂ�schädigung â•… – 331 Defektgröße und Spannung der Nervennaht â•… – 331 Mechanismus der Nervenverletzung â•… – 331 Dokumentation der Ergebnisseâ•… – 331 Prognose nach Rekonstruktion spezifiÂ�scher Nerven der oberen Extremitätâ•… – 331
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
328
Kapitel 38 · Techniken der Nervenrekonstruktion
Die Prognose einer peripheren Nervenverletzung hängt von einer€genauen Diagnose durch Prüfung von Muskelfunktion und Sensibilität, der chirurgischen Technik und der Nachbehandlung€ab. 38.1
Diagnostisches Vorgehen
38.1.1 Klinische Untersuchung Das Ausmaß der Läsion wird durch eine exakte klinische Einschätzung der sensiblen und motorischen Nervenfunktion bestimmt (7€Kap.€37). ! Cave Das Ausmaß einer Nervenschädigung ist jedoch nicht im mer allein klinisch sicher zu bestimmen, weil z.€B. eine Muskelfunktion auch bei teilweiser Nervendurchtrennung oder durch anatomische Varianten (Austausch von Ner venfasern durch Verbindungen nach Martin/Gruber und Rich/Cannieu) erhalten bleiben kann. Offene Verletzungen mit Verdacht auf Nervenbeteiligung sollten daher immer exploriert werden.
Bei geschlossenen Verletzungen ist das Läsionsniveau oft schwierig einzuschätzen, hier sollten ca. 6€Wochen nach dem Trauma bei Verdacht auf eine Nervenschädigung elektrophysiolgische Untersuchungen (NLG-Messungen und EMG) durchgeführt werden, bevor die Indikation zur offenen Exploration gestellt wird. 38.1.2 Neurophysiologische Untersuchungen
38
Die am häufigsten eingesetzten Verfahren sind hier die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) und die Elektromyographie (EMG; .€Tab.€38.1). Bei Messungen der NLG erfolgt perkutan eine Stimulation von Muskeln und sensiblen Nerven, die zu einem motorischen Summenaktionspotenzial oder einem sensiblen Aktionspotenzial führen kann. Der Strom kann nach einer definierten Strecke in afferenter oder efferenter Richtung abgeleitet werden, wodurch gemessen werden kann, wie schnell der Nerv den Stimulus weiterleitet (v=d/t). Die Strömstärke wird gesteigert, bis eine maximale Antwort erreicht ist.
Hierdurch sind auch Vergleichsmessungen zu verschiedenen Zeitpunkten möglich. Die NLG der distalen Enden durchtrennter Nerven fällt in den ersten 7–9 Tagen nach der Verletzung ab, somit kann zwischen kompletten und partiellen Leitungsstörungen unterschieden werden (Carter et al. 2000). Beim EMG-Test wird das Depolarisationspotenzial bei aktiver und spontaner Muskelbewegung als Muskeleinheitaktionspotenzial aufgezeichnet. Von Muskelfasern in Ruhe geht kein elektrisches Signal aus, Muskelfasern distal einer Nervenläsion zeigen zunächst normale Signale, bis sie infolge der Waller-Degeneration denerviert werden und anfangen, Fibrillationen zu zeigen. Da dies meist nach etwa 14–21€Tagen der Fall ist, kann eine Muskelbeteiligung am besten etwa 3–4 Wochen nach einer Nervenverletzung mittels EMG festgestellt werden. Denervierter Muskel zeigt positive »sharp waves« und Fibrillationen (Carter et al. 2000). 38.2
Therapeutisches Vorgehen
38.2.1 Nervennaht Bei der Nervennaht (Neurorrhaphie) sind folgende Prinzipien zu beachten: 1. Zeitpunkt.╇ Die primäre ist der sekundären Nervennaht allgemein vorzuziehen, meist wird der frühestmögliche Zeitpunkt empfohlen. Ist eine sofortige Wiederherstellung nicht möglich, z.€B. bei komplexen oder stark verschmutzten Verletzungen, schweren BegleitverÂ� letzungen oder Replantationen, sollte sie nach wenigen Tagen bis Wochen erfolgen. Dabei ist auch den lokalen Wundverhältnissen Rechnung zu tragen: Eine Exploration und zweizeitige Rekonstruktion, z.€B. mit Nerventransplantat, erfordert ein adäquates Wundbett und kann in ausgeprägten Narbenzonen scheitern. > Bei der Erstoperation sollten jedoch immer die Nerven stümpfe markiert werden. 2. Defektausmaß.╇ Defekte von >2–2,5€cm erfordern ein autologes
Nerveninterponat oder eine Überbrückung (Conduit, z.€B. Venentransplantat oder »nerve tube«), um eine spannungsfreie Naht zu ermögÂ� lichen. Bei kleineren Nerven, z.€B. den Digitalnerven, kann auch bei kürzeren Defektstrecken eine Nerveninterposition notwendig sein.
. Tab. 38.1. Elektrodiagnostische Merkmale bei Nervenverletzungen
Methode
Elektromyographie
Nervenleitgeschwindigkeit
Willkürliches Muskel aktionspotenzial
Sensible und motorische Latenz
Willkürliches Muskel aktionspotenzial
Sensible und motorische Latenz
Normal
Nicht vorhanden
Vorhanden
Normal
Normal
Leitungsblock/ Neuropraxie
Nicht vorhanden
Nicht vorhanden
Nicht vorhanden im Bereich des Leitungsblocks, proximal und distal davon normal
Normal proximal und distal des Leitungsblocks
Komplette Läsion/ Axonotmesis, Neurotmesis
Vorhanden
Nicht vorhanden
Nicht vorhanden
Nicht vorhanden
Inkomplette Läsion
Vorhanden
Vermindert, je nach Verletzungsausmaß
Normal oder gering verlängert
Reduziert
329
38.2 · Therapeutisches Vorgehen
3. Spannung.╇ Die Eigenelastizität und Blutversorgung lassen eine Mobilisierung von peripheren Nerven über eine Strecke von maximal 6–8€cm zu. Darüber hinaus kommt es zum 4 Sistieren der Blutversorgung, 4 Untergang von Axonen, 4 Zunahme von Fibrose an der Nahtstelle.
. Tab. 38.2╇ Mögliche Entnahmestellen für Nerventransplantate
Entnahmestelle
Mögliche maximale Länge
Sensibler Entnahme�defekt
> Eine Nervennaht ist daher immer möglichst spannungsfrei durchzuführen (Millesi et al. 1972; Millesi 1992, 2000).
N.€interosseus posterior
15–20€cm
Dorsales Handgelenk
N.€cutaneus antebrachii lateralis
15€cm
Lateraler Unterarm
4. Epineuriale vs. perineuriale Naht.╇ Die epineuriale Naht ist technisch einfach und reicht z.€B. für Fingernerven aus. Nachteil ist, dass es kaum möglich ist, die Faszikel exakt miteinander zu koaptieren. Die perineuriale Naht koaptiert einzelne Faszikel oder Faszikelgruppen exakter und eignet sich für dickere (gemischte muskulär/ sensible) Nerven an Hand und Unterarm, ist jedoch technisch schwieriger und zeitaufwendiger. Sie bringt auch mehr Fadenmaterial ins Innere der Faszikelstruktur ein.
N.€cutaneus antebrachii medialis
20€cm
Medialer und anterio rer Unterarm
R. superficialis n. radialis
25€cm
Handrücken, distaler dorsaler Unterarm
N.€cutaneus femoris lateralis
30€cm
Lateraler Ober schenkel
N.€cutaneus femoris anterior
40€cm
Medialer und vorderer Oberschenkel
38.2.2 Nerventransplantation
N.€suralis
40€cm
Außenseite des Fußes und Teil der Ferse
Nerventransplantationen sind notwendig, wenn Defekte >2€cm überbrückt werden müssen und andere Maßnahmen, z.€B. Mobilisierung oder Transposition, ausgeschöpft oder nicht möglich sind. Damit das Nerveninterponat durchwachsen werden kann, müssen folgende Grundsätze beachtet werden: 4 Beide Nervenenden werden rückgekürzt, bis unverletztes Nervengewebe vorliegt. 4 Die Faszikelgruppen werden dargestellt und identifiziert. 4 Die Nerventransplantate werden etwas länger als der Defekt entnommen. 4 Zur Rekonstruktion der 3€Stammnerven der oberen Extremität – Nn.€medianus, radialis und ulnaris – sollten mindestens 5€Nerveninterponate (»Kabel«) verwendet werden. 4 Das entnommene Interponat wird in umgekehrter Ausrichtung zu seinem anatomischen Verlauf eingesetzt. 4 Die korrespondierenden Faszikelgruppen distal und proximal des Defekts werden durch die Interponate miteinander verbunden (evtl. nach einer Skizze). 4 Bei der perineuralen Naht der Stärke 10-0 reichen in der Regel 2€Stiche zur Koaptation aus. 4 Die wichtigsten Entnahmestellen für Nerventransplantate sind in .€Tab.€28.2 zusammengefasst. Am häufigsten verwenden wir den N.€suralis als Spendernerv.
N.€saphenus
25–40€cm
Medialseite des Unter schenkels und des Fußes
. Tab. 38.3╇ Motorische Nerventranspositionen an der oberen Extre mität. (Nach Dvali u. Mackinnon 2003)
Rekonstruk tionsziel
Spendernerven
Empfängernerv
Ellenbogen flexion
Nn.€intercostales Nn.€pectorales mediales N.€thoracodorsalis
N.€musculocuta neus
Teil des N.€ulnaris (FCU) Teil des N.€medianus (FCR) Nn.€pectorales
Äste des N.€mus culocutaneus (M.€biceps brachii und/oder M.€brachialis)
N.€accessorius (distaler Anteil) N.€thoracodorsalis Nn.€pectorales mediales
N.€suprascapularis
Nn.€Intercostales Triceps-Ast des N.€radialis Nn.€pectorales mediales N.€thoracodorsalis
N.€axillaris
Schulter abduktion
38.2.3 Nerventransposition Nerventranspositionen werden v.€a. bei weit proximal gelegenen Läsionen der Stammnerven an der oberen Extremität angewendet.
Unterarm pronation
Anteile der Nervenäste zum FCU FDS FCR oder PL
Pronatorast des N.€medianus
> Prinzip der Nerventransposition ist es, durch Transposition eines unverletzten motorischen oder sensiblen Spender nervs eine geschädigte Nervenstrecke zu umgehen oder die proximale Nervenläsion in eine weiter distale zu ver wandeln, um die Regenerationsstrecke und -zeit zu ver kürzen und die Erfolgsaussichten der Rekonstruktion zu erhöhen.
Intrinsische Handfunktion
N.€interosseus anterior (distaler Anteil)
Motorischer Ast des N.€ulnaris
Die wichtigsten Verfahren der sensiblen und motorischen Nerventransposition an der oberen Extremität sind in .€Tab.€38.3 und 38.4 dargestellt.
FCR=M.€flexor carpi radialis, FCU=M. flexor carpi ulnaris.
Die Nerventransposition ist ein äußerst vielfältiges Verfahren, das auch an der unteren Extremität (z.€B. motorische Fasern des N.€tibialis auf den N.€peronaeus), bei Lähmungen von Hirnnerven (Fasern des N.€hypoglossus auf den N.€facialis) und Rückenmarkverletzungen eingesetzt werden kann (.€Übersicht).
38
330
Kapitel 38 · Techniken der Nervenrekonstruktion
. Tab. 38.4╇ Techniken der sensiblen Nerventransposition an der oberen Extremität
Spendernerv
Empfängernerv
1
Ulnarer Zeige- oder Ring fingernerv
Ulnarer Daumen- oder radialer Zeigefingernerv
2
Ramus superficialis Nn.€ radialis
N.€medianus (radialer Anteil)
3
Palmarer Hautast des N.€medianus
N.€ulnaris (ulnopalmarer Anteil)
4
Dorsaler Hautast des N.€ulnaris
N.€medianus
Weitere Anwendungsgebiete der Nerventransposition 4 Rekonstruktion bei peripheren Nervenläsionen der unteren Extremität 4 Rekonstruktion nach N.-facialis-Lähmung (z.€B. N.-hypoglos sus-Transposition) 4 Reinnervation der Blasenfunktion (N.€intercostalis Th11/12 auf Sakralwurzeln 2/3) 4 Diaphragmareaktivierung bei Halsmarklähmung (N.€inter costalis auf N.€phrenicus) 4 Neurotisation der unteren Extremität bei Paraplegie (N.€intercostalis/N.€ulnaris)
Eine Neuromresektion wird meist nach 3–4€Monaten durchgeführt, die Diagnose erfolgt elektrodiagnostisch oder klinisch (nicht mehr voranschreitendes Hoffmann-Tinel-Zeichen; .€Abb. 50.18), keine Funktionsrückkehr). Bei schmerzhaften Neuromen ist eine ResekÂ� tion und Nerventransplantation möglich oder eine intramuskuläre oder -ossäre Versenkung. Bei lateralen Neuromen kann eine partielle Resektion und perineurale Naht, bei spindelförmigen Neuromen mit intakten Faszikeln eine interne Neurolyse durchgeführt werden, bei kompletter Transsektion ist eine Resektion und Koaptation notwendig (Mackinnon u. Dellon 1986, Birch et al. 1998). 38.2.6 Nachsorge > Der Forschritt der Nervenregeneration kann klinisch mit dem Hoffmann-Tinel-Zeichen (elektrisierendes Miss empfinden bei Beklopfen der Haut über dem Nerv; .€Abb.€50.18) verfolgt werden.
Der Fortschritt der axonalen Regeneration kann auch mittels NLG/ EMG überprüft werden. Eine regelmäßige Untersuchung ist wichtig, um einen Regenerationsstopp zu erkennen, v.€a. nahe der Nahtstelle, der eine erneute Operation zur Narbenresektion oder SekundärÂ� rekonstruktion notwendig machen kann. Allerdings ist das Nachwachsen der Axone nur ein Aspekt der Reinnervation. Von großer Wichtigkeit ist ebenso die kortikale Reorganisation, die durch ergotherapeutisches Training und Krankengymnastik entscheidend unterstützt wird. > Sensibles Training ist erst sinnvoll, wenn die axonale Rege neration das Zielgebiet erreicht hat. Es sollte dann bis zu 1€Jahr lang durchgeführt werden.
38.2.4 Nachbehandlung
38
4 Die Nervennaht sollte für 7–14 Tage durch Immobilisierung ge-
schützt werden. 4 Bewegungsübungen sollten erst nach 2–3 Wochen begonnen und für etwa 6€Wochen fortgeführt werden. 4 Kraftübungen sollten bei komplexen Nervenrekonstruktionen, z.€B. am Plexus brachialis, erst nach 3€Monaten durchgeführt werden. 38.2.5 Neurome Die auswachsenden Axone finden nicht immer ihr eigentliches Ziel, sondern können auch fibrotische Nervenfaserknäuel (Neurome) bilden (7€Kap.€37). Diese können schmerzlos, kaum störend oder aber extrem schmerzhaft sein oder die Ausbildung einer Reflexdystrophie triggern. Eine optimale Therapie von Neuromen existiert nicht. Im eigenen Vorgehen führen wir entweder die Resektion und Überbrückung mittels autologer Nerventransplantate oder die intraÂ� muskuläre bzw. intraossäre Versenkung durch (Denervation bei Schmerzsyndromen der oberen und unteren Extremität, (7€Kap.€47; Mackinnon u. Dellon 1988, Vernanakis et al. 2003). Bei Plexusausrissen ist auch eine retrograde Autokoaptation möglich.
Sekundäre Eingriffe Als Zweiteingriffe sind möglich: 4 interne Neurolyse, 4 erneute Naht des Nervs, 4 Neuromresektion.
38.3
Kontraindikationen
Nervenrekonstruktionen sollten nicht oder erst verzögert durchgeführt werden, wenn folgende Situationen gegeben sind: 4 instabiler Patient, 4 stark verschmutzte Wunde, 4 aktiver Infekt im Operationsgebiet, 4 fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit des Patienten zur Nachbehandlung, 4 unrealistische Erwartungen des Patienten, 4 knöcherne Instabilität, 4 unsichere Abgrenzung der Verletzungszone (Wartezeit empfohlen). 38.4
Komplikationen
Mögliche Risken einer Nervenrekonstruktion sind: 4 Nachblutung, 4 Reißen der Nervennähte, 4 Adhäsionen, 4 Fibrose (v.€a. bei Naht unter Spannung oder vernarbtem Wundbett), 4 Neurombildung, 4 Nerveneinengung durch Narbengewebe, 4 Morbidität an der Entnahmestelle eines Spendernervs.
331
38.5 · Ergebnisse
38.5
Ergebnisse
4 Kürzung des Abstands zwischen den Stümpfen (Resektion eines
Die Resultate einer Nervenregeneration sind von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig, nur teilweise vom Können des Chirurgen. Die Kenntnis dieser Faktoren hilft dabei, das postoperative Ergebnis realistisch abzuschätzen.
Knochensegments, Verlagerung des Nervs, z.€B. Ventralisierung des N.€ulnaris am Ellbogen), 4 Dehnung des Nervengewebes (Mobilisierung der Stümpfe, Beugung benachbarter Gelenke), 4 Einsatz einer Überbrückung (Nerventransplantat, Conduit).
38.5.1 Wahl des Zeitpunkts
38.5.5 Mechanismus der Nervenverletzung
> Die Funktionswiederkehr nach Nervenverletzung kann, abhängig von Ausmaß und Niveau der Läsion, über 1€Jahr andauern, man rechnet mit einem Auswachsen der Axone von 1–2€mm pro Tag. Die Ergebnisse sind allgemein desto besser, je eher die Rekonstruktion erfolgt. Gute Ergeb nisse sind wesentlich wahrscheinlicher bei Operationen innerhalb von 6€Monaten.
Die Art der Nervenläsion bestimmt das Ergebnis nach der RekonsÂ� truktion in mehrerlei Hinsicht: 4 Scharfe Durchtrennungen, z.€B. Schnittverletzungen durch Messer, sind prognostisch günstig, weil sie in der Regel primär adaptiert werden können. 4 Traktionsverletzungen führen in der Regel zu einer Demyelinisierung, bei starkem Zug auch zum Zerreißen von Axon und Endoneurium; es entsteht eine zweit- bis drittgradige Nervenverletzung mit mittlerer funktioneller Prognose. 4 Quetschverletzungen können zu ausgedehnten Zerstörungen des Nervs und umgebendem Gewebe führen, es empfiehlt sich abzuwarten, bis die Verletzungszone exakt abgegrenzt und eine Naht von vitalen Nervenenden durchgeführt werden kann. 4 Schussverletzungen haben eine eher schlechte Prognose, da durch die Wucht des Projektils ausgedehnte Gewebeschäden und Verschmutzungen in der Wunde entstehen. Es tritt meist eine Axonotmesis ein, obwohl selten auch eine spontane Erholung möglich ist.
Eine neuromuskuläre Übertragung ist nach einer Denervation von länger als 15–18€Monaten meist nicht mehr möglich, der Muskel wird reinnervationsrefraktär. 38.5.2 Alter der Patienten Bei jüngeren Patienten, v.€a. Kindern, tritt die Funktionswiederkehr in der Regel schneller und besser ein als bei älteren. Die sensible Regeneration ist meist besser als die motorische, wahrscheinlich aufgrund einer besseren Nervenheilung und größeren Plastizität des Gehirns. Bei Patienten ab dem 40.€Lebensjahr kann nach bestimmten Nervenverletzungen, z.€B. des N.€peronaeus oder N.€radialis, nur durch Wiederherstellung der Nervenkontinuität allein kaum mehr eine ausreichende motorische Reinnervation erwartet werden. Hier hat sich die simultane Nervenwiederherstellung und motorische Ersatzoperation bewährt, die zu einer zuverlässigen Funktionswiederkehr führt. 38.5.3 Ausmaß und Niveau der Nerven
schädigung
Die Regeneration ist meist besser, je weiter distal die Verletzung liegt. Bei proximalen Läsionen, v.€a. der Stammnerven, ist durch die große Regerationsstrecke und -zeit meist nur eine inkomplette Funktionswiederkehr zu erwarten. Bei weit proximalen Traktionsverletzung kann es zum Ausriss des Vorderhorns und Absterben des Motoneurons kommen, eine Regeneration bleibt dann ganz aus. 38.5.4 Defektgröße und Spannung
der Nervennaht
Die Größe des Nervendefekts (»nerve gap«) entspricht der zu überbrückenden Strecke zwischen den beiden Nervenenden. Diese kann sich bei verzögerter Versorgung durch eine Retraktion des elastiÂ� schen Epineuriums noch vergrößern und die Prognose sich dadurch verschlechtern. Spannung an der Nervennaht führt zur Ausbildung einer Fibrose und von Narbengewebe, was ein Auswachsen der Axone erheblich behindert oder unmöglich macht. Eine spannungsarme Koaptation der Nervenstümpfe kann durch folgende Maßnahmen erleichtert werden:
38.5.6 Dokumentation der Ergebnisse Die Dokumentation der Rückkehr der sensiblen und motorischen Funktion sollte nach standardisierten Maßstäben erfolgen. Hier haben sich die in .€Tab.€38.5 und .€Tab.€38.6 dargestellten Schemata nach Highet etabliert (modifiziert nach Dellon u. Jabaley 1982). 38.5.7 Prognose nach Rekonstruktion spezifi
scher Nerven der oberen Extremität
N.€medianus.╇ Gute bis sehr gute motorische Ergebnisse in ca.€1/3
der Fälle nach Läsion im Unterarmbereich.
N.€ulnaris.╇ Weniger günstige Ergebnisse, v.€a. motorisch, da eine
exakte Reinnervation der intrinsischen Muskulatur oft ausbleibt. Die sensible Erholung verläuft meist besser als die motorische.
. Tab. 38.5╇ Einteilung der motorischen Funktionswiederkehr
Kraftgrad
Charakteristikum der Muskelfunktion
M0
Völlige Lähmung
M1
Spur einer Kontraktion
M2
Aktive Bewegung bei Ausschaltung der Schwerkraft
M3
Aktive Bewegung gegen die Schwerkraft
M4
Aktive Bewegung gegen die Schwerkraft und Wider stand
M5
Normale Muskelkraft
38
332
Kapitel 38 · Techniken der Nervenrekonstruktion
Literatur . Tab. 38.6╇ Einteilung der sensiblen Funktionswiederkehr
Sensibili tätsgrad
Charakteristikum der sensiblen Nervenfunktion
S0
Keine Sensibilität
S1
Wiederkehr der Tiefensensibilität im Autonomgebiet des Nervs
S2
Teilweise Wiederkehr der Oberflächensensibilität und taktilen Sensibilität im Autonomgebiet des Nervs
S3
Wiederkehr der Oberflächensensibilität und taktilen Sensibilität im Autonomgebiet des Nervs
S3+
Sensibilität wie bei S3, zusätzlich 2-Punkte-Diskrimina tion von 7–15€mm
S4
Komplette Wiederkehr der Sensibilität , 2-PunkteDiskrimination von 2–6€mm
N.€radialis.╇ Allgemein eher schlechte Ergebnisse, v.€a. motorisch. Ein Kraftgrad von M4 ist nur in 20–40% der Fälle (Mackinnon u. Dellon 1988) zu erreichen, daher wird bei proximalen Läsionen älterer Patienten (>40€Jahre) meist eine simultane motorische Ersatzoperation empfohlen. Hierzu ist zu bemerken, dass die Patientenzufriedenheit eine wichtige Rolle bei der Beurteilung des erreichten Gesamtergebnisses spielt: Diese kann v.€a. durch eine realistische Aufklärung über die Prognose und mögliche verbleibende Defizite positiv beeinflusst werden. Zusammenfassung
38
4 Anatomische Nervenverbindungen, z.€B. nach Martin/ Gruber oder Rich/Cannieu, können die Diagnose einer Nervenverletzung erschweren. Im Zweifel empfiehlt sich bei offenen Verletzungen eine operative Exploration. 4 Mit einer epineuralen Naht können im Vergleich zu anderen Techniken oft gleichwertige Ergebnisse erzielt werden, außer bei proximalen Läsionen multifaszikulärer Nerven. 4 Wird eine Nervenrekonstruktion erst sekundär durchge führt, werden die Nervenenden trotzdem dargestellt und mittels Fadennaht markiert, damit sie später leichter auf gefunden werden können. 4 Eine Nervenverletzung kann, z.€B. bei partieller Durchtren nung, ohne motorischen Ausfall auftreten, hier empfiehlt sich bei offener Verletzung ebenso eine Exploration. 4 Bei einer Nervennaht oder -transplantation sollte das an grenzende Gelenk gebeugt oder gestreckt werden, um eine spannungsfrei Naht zu ermöglichen. 4 Nachwachsende Axone können eine Nahtstelle immer besser überwinden als 2€Nahtstellen. Eine spannungsfreie Direktnaht sollte daher immer versucht werden. 4 Zur Beobachtung der Funktionswiederkehr sind regelmä ßige Untersuchungen und eine standardisierte Dokumen tation notwendig. 4 Bei ausbleibender motorischer Funktionsrückkehr nach 1€Jahr sollte eine motorische Ersatzoperation erwogen werden.
Birch R, Bonney G, Wynn Parry CB (1998) Surgical Disorders of the Peripheral Nerves. Churchill Livingstone, Toronto Carter GT, Robinson LR, Chang VH, Kraft GH (2000) Electrodiagnostic evalua tion of traumatic nerve injuries. Hand Clin 16 (1): 1–12 Dellon AL, Jabaley ME (1982) Reeducation of sensation in the hand following nerve suture. Clin Orthop 163: 75–9 Dvali L, Mackinnon SE (2003) Nerve repair, grafting and nerve transfers. Clin Plast Surg 30: 203–221 Mackinnon S, Dellon AL (1988) Surgery of the peripheral nerve. Thieme Med ical, New York, NY Mackinnon SE, Dellon AL (1986) Algorithm for management of painful neu roma. Contemp Orthop 13: 15 Millesi H (1992) Chirurgie der peripheren Nerven. Urban und Schwarzenberg, München Millesi H (2000) Techniques for nerve grafting. Hand Clin 16 (1): 73–91 Millesi H, Meissl G, Berger A (1972) The interfascicular nerve-grafting of the median and ulnar nerves. J Bone Joint Surg Am 54 (4): 727–750 Nath RK, Mackinnon SE (2000) Nerve transfers in the upper extremity. Hand Clin 16 (1): 131 Sunderland S (1991) Nerve injuries and their repair. Churchill Livingstone, New York, NY Trumble TE, McCallister WV (2000) Repair of peripheral nerve defects in the upper extremity. Hand Clin 16 (1): 37–52 Tubiana R (1988) Evolution of the concepts and techniques used in the repair of peripheral nerves. In: Tubiana R (ed) The hand, vol 3. Saunders, Phila delphia, pp 367–382 Vernanakis AJ, Koch H, Mackinnon SE (2003) Management of neuromas. Clin Plast Surg 30: 247–268
39
Schädigung des N.€facialis A. Gohritz
39.1
Therapiezieleâ•… – 334
39.2
Klassifikationâ•… – 334
39.3
Ursachenâ•… – 334
39.4
Diagnostisches Vorgehenâ•… – 334
39.4.1 39.4.2
Klinikâ•… – 335 Lokalisierung der Läsionâ•… – 335
39.5
Therapeutisches Vorgehenâ•… – 335
39.5.1 39.5.2 39.5.3
Indikationsstellungâ•… – 335 Konservative Therapieâ•… – 335 Operative Therapieverfahrenâ•… – 335
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
334
Kapitel 39 · Schädigung des N.€facialis
Das Gesicht gilt als Spiegel von Persönlichkeit und Charakter, ein unversehrtes Gesicht und eine intakte Mimik sind Voraussetzungen für die stimmliche und nonverbale Kommunikation. Patienten mit Fazialislähmung fühlen sich oft stigmatisiert und diskriminiert, anders als andere Behinderungen lässt sich ihre Gesichtsnervenlähmung kaum kaschieren. 39.1
Therapieziele
Wesentliche Ziele aller konservativen und operativen Behandlungsmaßnahmen sind in der .€Übersicht dargestellt.
. Tab. 39.1╇ Klinische Gradeinteilung der Fazialisparese. (Mod. nach House u. Brackmann 1985)
Grad
Nervenlähmung
Charakteristika
1
Keine
Normale Funktion
2
Leichte Funktionsstörung
Ruhe: Gute Symmetrie Mimik: Stirn gut, Auge mit komplettem Lidschluss Mundwinkel: Leichte Asymmetrie
3
Mittelgradige Funktionsstörung
Ruhe: Gute Symmetrie und Tonus, Synkinesien, evtl. hemifazaiale Spasmen Mimik: Stirn leichte Schwäche, Auge mit komplettem Lidschluss mit Anstrengung Mundwinkel: Leichte Anhebung unter maximaler Anstrengung
4
Mittelgradige Funktionsstörung
Ruhe: Deutliche Asymmetrie Mimik: Stirn funktionslos, Auge mit inkomplettem Lidschluss Mundwinkel: Asymmetrisch unter maximaler Anstrengung
5
Schwere FunktionsÂ� störung
Ruhe: Asymmetrie Mimik: Stirn funktionslos, Auge mit inkomplettem Lidschluss Mundwinkel: Diskrete Anhebung
6
Kompletter Funk� tionsausfall
Keine Funktion
Therapieziele bei Schädigung des N.€facialis 4 Wiederherstellung der Gesichtssymmetrie in Ruhe 4 Symmetrie bei willentlicher Bewegung mit Kontrolle der mimischen Augen-, Mund- und Nasenmuskulatur 4 Symmetrie bei unwillkürlicher Gesichtsbewegung 4 Balance der mimischen Muskulatur beim Ausdruck von Emotionen, ohne weitere Einschränkungen durch die Â�wiederherstellende Operation 4 Verbesserung der Sprache 4 Protektion des Auges
39.2
Klassifikation
In etwa 75% der Fälle liegt eine idiopathische Fazialisparese (ohne erkennbare Ursache = Bell-Parese) vor. Sie tritt meist plötzlich als einseitige, inkomplette oder komplette periphere Lähmung des N.€facialis auf. Es wird eine Schwellung des Nervs im Fazialiskanal vermutet, die seine Funktion schädigt, sich aber oft spontan€regeneriert. Nur in 25% der Fälle liegt eine eindeutige Ursache vor.
39
> Zwischen einer zentralen (durch Erkrankungen des Gehirns, wie Blutung, Schlaganfall oder Enzephalitis des Stammhirns) und einer peripheren (infranukleären) Fazialisparese kann durch Prüfung des Stirnrunzelns unterschieden werden, da dieses bei hoher kortikaler Läsion durch bilaterale Innervation erhalten bleibt.
Bei der Dauer der Lähmung ist zu unterscheiden zwischen 4 akutem Stadium (0–3€Monate), 4 subakutem Stadium (3–6€Monate) und dem 4 chronischem Stadium (>12€Monate). Bei Ausfall der motorischen Nervenimpulse kommt es zur atrophischen Umwandlung des muskulären Endorgans, die nur bis zu einer bestimmten Zeitdauer und inkomplett reversibel ist. Bei Lähmungen, die länger als 12–18€Monate andauern, muss mit einer Â�irreversiblen schlaffen Muskelatrophie gerechnet werden. ! Cave Nach mehr als 2€Jahren ist in der Regel keine wesentliche Reinnervation mimischer Muskeln mehr möglich.
Das Ausmaß der Gesichtsnervenlähmung kann nach House u. Brackmann (1985) eingeteilt werden (.€Tab.€39.1)
39.3
Ursachen
Häufigste Gründe für eine Gesichtsnervenlähmung sind: 4 Entzündungen/virale und bakterielle Infekte (z.€B. Ramsay-HuntSyndrom€= Herpes zoster des Ganglion geniculi, BorreÂ�liose), 4 Tumoren, z.€B. im Kleinhirnbrückenwinkel (Neurinom, Vestibularisschwannomoperation), Speicheldrüsentumoren, 4 traumatische Verletzungen (z.€B. Felsenbeinfrakturen, laterale Gesichtsschnittverletzungen), 4 iatrogene Verletzungen (Operationen bei Akustikusneurinom), 4 Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus), 4 Sekundäre Kompression, 4 angeborene Formen (z.€B. Möbius-Syndrom mit Hirnnervenaplasie€VI und VII). 39.4
Diagnostisches Vorgehen
Als obligate Untersuchungsmaßnahmen bei jeder Fazialisparese gelten: 4 klinische Untersuchung (Funktionsprüfung der N.-facialis-Äste durch mit Stirnrunzeln, Lidschluss, Lippenspitzen/Pfeifen sowie der übrigen Hirnnerven), 4 HNO-Status (Schirmer-Test, Stapediusreflexmessung, Geschmacksprüfung, Hörtest), 4 neurologischer Status (evt. mit EMG), 4 Röntgenaufnahme von Schädel und Felsenbein, 4 Laboruntersuchung (Borreliose, HSV, Varizella zoster, FSME, HIV).
335
39.5 · Therapeutisches Vorgehen
. Tab. 39.2╇ Motorische Ausfallsmuster je nach Beteiligung der Fazialisäste
Fazialisast
Ausfallerscheinung
R.€frontalis
4 Augenbraue kann nicht angehoben werden 4 Asymmetrie der Augenbrauen (Ausfall des M.€frontalis) 4 Abgleiten der Augenbraue und faltenlose Stirn der paretischen Seite
R.€zygomaticus
4 Auge starr und tränend (Ausfall der drainierenden Funktion des M.€orbiculris oculi) 4 Tonusverlust des Unterlids (Ektropion) 4 Lidschluss inkomplett (Lagophthalmus) 4 Trockenes Auge, Konjunktivitis, Keratitis 4 Druckgefühl der Schläfenregion und Orbita 4 Einengung des lateralen Gesichtfeldes
Rr. buccales
4 4 4 4
R.€marginalis
Wange und Mundwinkel schlaff Kollaps der betroffenen Nasenflügel Nasolabialfalte aufgehoben Mundhygiene erschwert, versehentliches Beißen in gelähmte Wange 4 Speichelfluss aus gelähmtem Mundwinkel 4 Narungsaufnahme/Sprache gestört 4 Absinken der Unterlippe (aufgehobene Depressorfunktion)
Als ergänzende Methoden, je nach Verdachtsdiagnose, sind möglich: 4 CCT/MRT von Felsenbein, Kleinhirnbrückenwinkel, Fazialiskanal, Pons, 4 Doppler-Sonographie, 4 Hirnstammreflexe, 4 Liquoruntersuchung (Borrelien, HSV, Varizella zoster, FSME, HIV, Mumps, Masern, 4 elektrische Funktionsdiagnostik (EMG, Elektroneurographie, Nerve-Excitability-Test). 39.4.1 Klinik > Der N.€facialis ist ein motorischer, sekretorischer und sensibler Nerv.
Der N.€facialis versorgt 4 die mimische Gesichtsmuskulatur, den M.€buccinator, M.€stapedius, M.€stylohyoideus und den hinteren Anteils des M.€digastricus (venter posterior), 4 die Chorda tympani (Geschmacksfasern der vorderen 2/3 der Zunge, sekretomotorische Fasern der Submandibularisdrüse), 4 die Tränendrüse (Ganglion geniculi und pterygopalatinum), 4 ein sensibles Hautareal hinter dem Ohr. Die Schädigung des N.€facialis führt zu folgenden Ausfallerscheinungen: 4 Lähmung der Mimik der betroffenen Seite, Platysmalähmung, 4 fehlender Lidschluss/Lagophthalmus/gestörter Tränenfluss/ Konjunktivitis/Sehstörung/Bell-Phänomen, 4 Gehörstörung (Hyperakusis), 4 Geschmacksstörung (Chorda tympani),
4 Phonationsprobleme/Essprobleme, 4 Schmerzen in und um das Ohr herum (z.€B. zu Beginn einer Bell-Parese)
Das Ausmaß der motorischen Lähmung wird durch die Beteiligung der jeweiligen Fazialisäste bestimmt (.€Tab.€39.2). 39.4.2 Lokalisierung der Läsion Die Höhe der Nervenläsion lässt sich aus der Klinik, abhängig von den betroffenen Abgängen, relativ genau erschließen: 4 vor Chorda tympani: Geschmacksstörung in den vorderen beiden Zungendritteln, 4 vor N.€intermedius zwischen Ganglion geniculi und Chorda tympani: Abnahme der Speichelsekretion, 4 vor Abgang des N.€ stapedius: Hyperakusis auf der betroffenen Seite, 4 vor Abgang des N.€petrosus major: verminderte TränensekreÂ� tion (Diagnostik: Schirmer-Test). 39.5
Therapeutisches Vorgehen
39.5.1 Indikationsstellung > Bei frischer idiopathischer Fazialisparese ist zunächst eine konservative Therapie indiziert. Operative Eingriffe sind bei frischen Teil- und Komplettdurchtrennungen oder persistierenden Paresen notwendig.
Operationszeitpunkt und -technik müssen auf den individuellen Patienten und seine klinische Symptomatik abgestimmt werden. 39.5.2 Konservative Therapie Nichtoperative Behandlungsmaßnahmen beinhalten: 4 Infusion von Rheologika, Vasodilatativa oder Glukokortikoiden (meist Hochdosistherapie für 5€Tage, dann niedrigere Dosis für 3–4 Wochen, muss ausgeschlichen werden!), 4 bei Verdacht auf Herpes simplex oder zoster: Acyclovir, Glukokortikoide, 4 bei Borreliose: Antibiotikatherapie mit Cephalosporinen (3.€Generation), Penizillinen, Tetrazyklinen, Makroliden, 4 spezielle krankengymnastische Übungen der mimischen Muskulatur, 4 Korrektur von Stoffwechselstörungen (Blutzuckereinstellung), 4 Uhrglasverband, Augensalbe und Tränenflüssigkeitsersatz bei fehlendem Lidschluss und Augensymptomatik. 39.5.3 Operative Therapieverfahren Die Operationen bei Fazialisparese lassen sich in Eingriffe am Nerv selbst und sekundäre Eingriffe im gelähmten Gesicht und am Auge unterteilen.
Operationen am gelähmten Gesicht 4 Die Auswahl der Operationen am gelähmten Gesicht richtet sich
nach Dauer und Ausmaß der Gesichtsnervenlähmung und dem individuellen Patienten:
39
336
Kapitel 39 · Schädigung des N.€facialis
4 mikrochirurgische Nervennaht/Nerventransplantation (bei fri4 4 4 4 4 4 4 4
scher Nervendurchtrennung), Cross-face-Operation mit Nerveninterponat, selektive Nerventransposition v.€a. Hypoglossus-Fazialis-Koaptation, Muskelersatzplastik mit M.€temporalis/M.€masseter/hinterem Anteil des M.€digastricus, freie funktionelle Muskeltransplantation (M.€gracilis, M.€pectoralis minor, M.€latissimus dorsi, M.€rectus abdominis); Innervation durch den kontralateralen N.€facialis (»cross face«), Kombinationen aus den vorgenannten Techniken, Dekompression des N.€facialis bei rezidivierenden Fazialisparesen, Straffungsoperationen (»hemi-face lift«, Augenbrauenanhebung, Nachbildung der Nasolabialfalte), korrigierende Operationen bei Verziehung der Nase.
Operationen am Auge Die Operationen am Auge nehmen eine Sonderstellung ein, hier sind folgende Operationen möglich: 4 Tarsorrhaphie/mediale Kantorrhaphie, 4 Muskelplastikersatz zum Lidschluss, z.€B. nach Lexer/Gilles, 4 Stützung des Unterlides mit Knorpeltransplantat, 4 Goldgewicht-/Federimplantation am Oberlid, 4 Injektion von Botulinustoxin, um das Oberlid abzusenken, 4 mikrochirurgische funktionelle Muskeltransplantation.
Operation am Nerv Nervenrekonstruktion > Die beste Aussicht auf eine Wiederkehr der willkürlichen und emotionalen Bewegung der Gesichtsmuskulatur besteht durch Rekonstruktionen am Nerv.
39
Bei offensichtlicher Verletzung des N.€facialis (z.€B. nach Operation bei Akustikusneurinom/Speicheldrüsentumoren oder Unfall) ist eine sofortige spannungsfreie mikrochirurgische End-zu-End-NahtRekonstruktion anzustreben. Bei Nervendefekt kann eine autologe Nerveninterposition (meist aus dem nahe liegenden Plexus cervicalis oder dem N.€suralis) durchgeführt werden oder eine indirekte Wiederherstellung durch Nerventransposition. Nerventransposition.╇ Kann der zentrale N.-facialis-Anteil nicht mehr zum Anschluss genutzt werden, ist eine Transposition von motorischen Fasern umliegender Nerven mit befriedigender Ersatzfunktion möglich, meist wird der N.€hypoglossus verwendet. ! Cave Bei Verwendung des gesamten Durchmessers des N.€hypoglossus kann es v.€a. bei älteren Patienten zu einem erheblichen Hebedefekt kommen, z.€B. halbseitiger Zungenathrophie, Problemen beim Sprechen, Schlucken und Kauen sowie persistierendem Speichelfluss.
Die Originalmethode wurde daher als »jump graft« (nur Teilkoaptation des N.€hypoglossus über Nerventransplantat), Seit-zu-EndAnastomose nach mastoidaler Fazialismobilisierung oder Koaptation mit der Ansa cervicalis modifiziert. Diese Variante ist auch bei einer beidseitigen Fazialisparese möglich. Die Hypoglossus-Facialis-Transposition sollte optimalerweise innerhalb von etwa 2€Jahren nach proximaler Fazialisläsion durchgeführt werden, es sind aber auch später noch positive Ergebnisse zu beobachten.
Ein wesentlicher Nachteil der Methode ist, dass es beim Essen und Sprechen zu unwillkürlichen Gesichtsbewegungen kommen kann. Direkte und indirekte Nervenrekonstruktionen können auch kombiniert werden, sodass nach Hypoglossus-Fazialis-TransposiÂ� tion eine gute Reinnervation im Mundbereich und nach direkter Nervenrekonstruktion eine günstige Reinnervation im Bereich der Augenregion erzielt wird. Durch funktionelle Trennung der beiden Sphinktersysteme des M.€orbicularis oculi und des M.€orbicularis oris werden so unerwünschte Massen- und Mitbewegungen reduziert. Nervenanschluss auf der gesunden Gegenseite (Cross-faceAnschluss).╇ Eine weitere Option ist der Anschluss über Nerven-
transplantate an gesunde kontralaterale Fazialisäste der Gegenseite (Cross-face-Anschluss). Sie sollte möglichst frühzeitig nach der Läsion durchgeführt werden, v.€a. als Sofortrekonstruktion nach Tumorresektion oder innerhalb weniger Monate nach traumatischen Verletzungen. > Der Erfolg einer nervalen Rehabilitation ist wegen des langsamen Auswachsens des Nervs von 1–2€mm/Tag frühestens nach einem halben Jahr beurteilbar, eine FunkÂ� tionswiederkehr kann aber auch noch 2€Jahre nach ReÂ� konsÂ�truktion beobachtet werden.
Zu den typischen Komplikationen nach Nervenrekonstruktion, aber auch Regeneration nach Axonotmesis, gehören Synkinesien, also eine ungewollte Mitbewegung anderer Muskeln durch Fehlaussprossung regenerierender Neurone.
Sekundäre Rekonstruktionen Sekundär plastisch-rekonstruktive Maßnahmen kommen dann in Betracht, wenn die Wiederherstellung der Nervenleitung nicht mehr möglich ist, aber auch als Zwischenlösung, solange die Nervenregeneration nicht sicher abschätzbar ist.
Statische Verfahren Die Gesichtssymmetrie in Ruhe lässt sich durch Aufhängung der gelähmten Ober- und Unterlippe, des Mundwinkels und der Nasolabialfalte mit körpereigenem Gewebe (Faszienstreifen) oder allogenem Material (Goretex) an der Temporalisfaszie oder am Jochbein rekonstruieren. Die Indikation zur rein statischen Operation besteht v.€a. bei Gesichtstumoren mit ausgedehnten Resektionen der mimischen Muskulatur und ohne Erhalt distaler Endäste des N.€facialis. Diese Methoden können auch mit mikrochirurgischen Methoden kombiniert werden, z.€B. um das Zeitintervall bis zur Reinnervation eines Muskeltransplantates zu überbrücken. > Vorteil statischer Verfahren ist, dass in der Regel einzeitig und innerhalb kurzer Zeit eine gute Ruhesymmetrie erreicht wird (.€Abb.€39.1). Es kann jedoch keinerlei willkürliche oder unwillkürliche Mimik der gelähmten Gesichtshälfte erwartet werden.
Dynamische Methoden/Muskeltransposition Prinzipiell werden mimische Schlüsselfunktionen durch Transposition von nicht fazialisinnervierten Muskeln ersetzt. Verwendet werden seit der Erstbeschreibung 1911 durch Eden und Lexer die vom N.€trigeminus versorgten Kaumuskeln Mm.€temporalis und masseter, außerdem seltener der Venter anterior des M.€digastricus.
337
39.5 · Therapeutisches Vorgehen
a
b
d
c
e
. Abb. 39.1╇ Ergebnisse vor (a) und nach (d,€e) statischer Aufhängung einer inkompletten Fazialisparese. Ein Faszia-lata-Streifen wird Y-förmig in der Mitte der Ober- und Unterlippe jeweils mit einem Schenkel verankert (b,€c).
Das freie Ende wird permanent am Jochbeinbogen fixiert. Durch die Fixierung wird eine Symmetrie erzielt, die der Patientin insbesondere zu einer verbesserten sprachlichen Artikulation verhilft (e)
Reanimation der Bewegung des Mundwinkels
Initial ist eine Überkorrektur zu empfehlen, um ein Nachlassen des M.€temporalis auszugleichen. Trotzdem kann in manchen Fällen eine sekundäre Raffung der Zügelung notwendig sein.
Die Anhebung des Mundwinkels, v.€a. zum Lächeln, kann durch Transposition des M.€temporalis teilweise wiederhergestellt werden. Der ventrale Anteil des M.€masseter kann ebenso am Mundwinkel befestigt und so eine Verbesserung der Ruhesymmetrie als auch der willkürlichen Beweglichkeit erzielt werden. Die Bewegungsamplitude ist jedoch sehr gering und eher nach lateral als nach kranial gerichtet, sodass diese Methode heute nur mehr als Reserveverfahren gilt. Der M.€temporalis wird aus der Fossa temporalis gelöst, über den Jochbeinbogen subkutan zum Mundwinkel durchgezogen und hier mit Fascia-lata-Streifen fixiert. Nachteil ist eine manchmal sichtbare Strangbildung unter der Wangenhaut, ein Wulst über dem Jochbein und ein Konturdefekt im Bereich der Fossa temporalis.
Technik der Reanimation des Mundwinkels nach McLaughlin (1953).╇ Bei dieser Operation wird der Ansatz des M.€temporalis un-
ter Mitnahme einer kleinen Knochenschuppe vom Proc. coronoideus gelöst und der Mundwinkel mit der Ober- und Unterlippe durch eine Faszienschlinge aufgehängt (.€Abb.€39.2). Hierbei kann der Faszienzügel in der tiefen fasziokutanen Schicht der Gesichtshaut (SMAS) fixiert und eine sichtbare Strangbildung vermieden werden. Der Patient kann durch Aufeinanderbeißen eine zufriedenstellende Anhebung des Mundwinkels und damit ein Lächeln erzeugen, das vor dem Spiegel trainiert werden kann.
39
338
Kapitel 39 · Schädigung des N.€facialis
4 ein willentlicher Lidschluss zum Schutz des Auges und 4 eine willkürliche Bewegung des Mundwinkels, z.€B. zum Lächeln, möglich ist.
Den meisten Patienten gelingt es durch Übungen rasch, eine Synchronisation der Kaubewegungen mit den Lidschluss und der Mundwinkelanhebung zu erreichen (.€Abb.€39.3).
Mikrochirurgische funktionelle Muskeltrans plantation
a
Die mikrochirurgische Transplantation funktioneller Muskeln bietet sich als Option an, wenn distale Motoneurone oder motorische Endplatten fehlen, gleichzeitig Weichteildefekte bestehen oder andere Methoden nicht möglich oder gescheitert sind. Diese sehr aufwendigen und zeitintensiven Techniken werden v.€a. zur Rekonstruktion des oralen Schließmuskels angewandt, seltener auch zum willentlichen Lidschluss. Als Spendermuskel wird vorwiegend der mit einem langen und zuverlässigen neurovaskulären Stiel ausgestattete M.€gracilis verwendet, der longitudinal geteilt und auf die benötigte Größe gebracht werden kann. Alternativ kommen der M.€pectoralis minor, Anteile des M.€latissimus dorsi und der in seine streifenförmigen Anteile teilbare M.€serratus in Frage. > Vorteil einer mikrochirurgischen Muskeltransplantation ist, dass der Muskel durch ein Cross-face-Interponat mit dem kontralateralen N.€facialis verbunden ist und so eine willentliche und synchrone Kontrolle der Gesichtsmimik erreicht werden kann.
39
b . Abb. 39.2a, b╇ Reanimation des Mundwinkels nach McLaughlin durch M.-temporalis-Umsetzung auf den Mundwinkel
Reanimation des Lidschlusses bei Lagophthalmus.╇ Durch Trans-
position zweier Temporalisstreifen in das Ober- und Unterlid kann durch Aufbeißen die Funktion des M.€orbicularis oculi zum willkürlichen Lidschluss erreicht werden. Die Temporaliszügel werden nach der Empfehlung von Gillies (1934) entlang der Ober- und Unterlidkante zum medialen Augenwinkel geführt und dort unter einer gewissen Spannung mit dem Lidbändchen vernäht. Die Befestigung am M.€orbicularis oculi, wie von Lexer schon Jahrzehnte vorher beschrieben, kann aber schon ausreichen, um das Lid zu schließen. Nachteile dieser Technik sind, dass das Auge nachts offen bleibt, sich die Lidspalte durch die gespannten Zügel verengt und postoperativ nicht selten ein Unterlidektropium auftritt. Das Auge schließt sich auch ungewollt beim Kauen, der Eingriff selbst ist nur bedingt reversibel. > Vorteile der dynamischen Methoden sind, dass kurze Zeit postoperativ 4 eine wesentliche Besserung der Asymmetrie des Mittelgesichts, 6
Cross-face-Nerventransplantat.╇ In einem ersten Schritt wird ein Cross-face-Nerventransplantat als Anschlussmöglichkeit vorgelegt und mit einem Clip markiert. An dieses wird, sobald das Tinel-Zeichen nach etwa 12€Monaten anzeigt, dass das Nerventransplantat komplett durchwachsen ist, der Nerv des funktionellen Muskeltransplantats koaptiert, wobei jegliche Neurombildung vorher reseziert werden muss. Vorteil dieser Technik ist, dass sie im Idealfall unabhängig von der Aktivierung trigeminusinnervierter Ersatzmuskeln eine willentliche und unwillkürlich emotionale symmetrische Bewegung der mimischen Gesichtsmuskulatur wiederherstellen kann. Nachteile dieses Vorgehens sind 4 die Notwendigkeit mehrer Eingriffe, z.€T. auf der gesunden Spenderseite, 4 die relativ hohe Revisionsrate (ca. 30%) und 4 der Hebedefekt der Nervenentnahme, 4 v.€a. aber die große Zeitspanne von mindestens 2€Jahren, bis eine Funktionswiederkehr erwartet werden kann.
Komplikationen Allgemeine Komplikationen nach rekonstruktiven Operationen bei Patienten mit Fazialisparese sind: 4 inkomplette Funktionswiederkehr, 4 Synkinesie (pathologischen Mitbewegungen von Muskeln), 4 »Krokodilstränen« (einseitiger Tränenfluss bei Reizung von Geschmacksfasern), 4 bleibende Kontraktur der fazialisinnervierten Muskulatur und Asymmetrie.
339
39.5 · Therapeutisches Vorgehen
a
c . Abb. 39.3a–d╇ Reanimation des Lidschlusses durch Temporalistransposition nach Gillies. Ein ventral gelegener Streifen wir unter Mitnahme der Temporalisfazie nach kaudal mobilisiert (b), jeweils mit einem Faszienstreifen subkutan in den Lidrand des Ober- und Unterlides gezogen und am
Literatur Baker DC, Conley J (1979) Regional muscle transposition for rehabilitation of the paralyzed face. Clin Plast Surg 6: 317 Baker DC (1997) Reconstruction of the paralyzed face. Grabb and Smith’s plastic surgery, 5th edn. Lippincott-Raven, Philadelphia, p 545 Harii K et al. (1976) Free gracilis muscle transplantation with microneurovascular anastomosis for the treatment of facial paralysis. Plast Reconstr Surg 57: 133 House JW, Brackmann DE (1985) Facial nerve grading system. Otolaryn Head Neck Surg 93: 146–147 Manktelow RT (1987) Free muscle transplantation for facial nerve paralysis. Microreconstruction of nerve injuries. Saunders, Philadelphia, p€607 Rosson GD, Redett RJ (2008) Facial palsy: anatomy, etiology, grading and surgical treatment. J Reconstr Microsurg 24: 379–389 Terzis JK, Noah ME (1997) Analysis of 100 cases of free-muscle transplantation for facial paralysis. Plast Reconstr Surg 99: 1905
b
d medialen Lig. canthale fixiert (c). Die Patientin schließt das Lid willkürlich durch Kaubewegungen. Simultan wurde eine Mundwinkelaufhängung nach McLaughlin durch Temporalistransfer vorgenommen (d)
39
40
Schädigung des Plexus brachialis M. Spies
40.1
Übersicht und Klassifikationâ•… – 342
40.2
Geburtstraumatische Plexus-brachialis-Paresenâ•… – 342
40.2.1 40.2.2 40.2.3 40.2.4 40.2.5 40.2.6 40.2.7
Geschichteâ•… – 342 Epidemiologieâ•… – 342 Risikofaktorenâ•… – 342 Diagnostisches Vorgehenâ•… – 343 Behandlungszieleâ•… – 344 Therapeutisches Vorgehenâ•… – 345 Behandlungsergebnisse und Prognoseâ•… – 349
40.3
Läsionen des Plexus brachialis im Erwachsenenalter: traumatische Plexus-brachialis-Läsionenâ•… – 349
40.3.1 40.3.2 40.3.3 40.3.4
Epidemiologieâ•… – 349 Diagnostisches Vorgehenâ•… – 349 Behandlungszieleâ•… – 350 Therapeutisches Vorgehenâ•… – 351
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
342
Kapitel 40 · Schädigung des Plexus brachialis
40.1
Übersicht und Klassifikation
Die Kenntnis der topographischen Anatomie ist die Grundlage sowohl der Diagnostik als auch der späteren operativen Therapie von Läsionen des Plexus brachialis (.€Abb.€40.1). Man unterscheidet verschiedene Arten der Plexusläsion mit typischen motorischen Ausfallmustern (.€Tab.€40.1). .€Tab.€40.2 zeigt die Differenzialdiagnose typischer Ausfälle und die rekonstruktiven Optionen supra- und infraklavikulärer Plexusläsionen. 40.2
Geburtstraumatische Plexus-brachialis-Paresen
40.2.1 Geschichte Obwohl bereits im Bildnis der Madonna mit Kind (um 1505) von Albrecht Dürer dargestellt, findet sich erst 1764 durch den Geburtshelfer W.€Smellie die erste wissenschaftliche Beschreibung der geburtstraumatischen Plexusparese (»A collection of preternatural cases and observations in midwifery«). Duchenne de Boulogne, Erb und Dejerine-Klumpke beschrieben zwischen 1855 und 1885 später die mit ihren Namen bezeichneten Lähmungen. Bereits um 1900 versuchten Thorburn und Kennedy, sich dem Problem chirurgisch-operativ zu nähern, wobei die anfänglichen Ergebnisse so entmutigend waren, dass Taylor 1913 von Â�dieser Art der Behandlung gänzlich abriet. Erst die Entwicklung der MikroÂ�chirurgie und speziell der Mikrochirurgie peripherer Nerven durch Millesi in den 1960-er und 70-er Jahren erlaubte eine subtilere und genauere Rekonstruktion des Plexus brachialis und verbesserte die Ergebnisse entscheidend. Narakas und Verdan€erweiterten das Spektrum durch die Möglichkeit der NerÂ� ventransplantation, Gilbert aus Paris und andere setzten diese Â�neuen Techniken konsequent und in großen Fallzahlen erfolgreich€um.
40
. Abb. 40.1╇ Anatomie des Plexus brachialis
. Tab. 40.1╇ Plexusläsionen und ihre typischen motorischen Ausfallmuster
Klassifikation
Betroffene Wurzel
Obere Plexuslähmung (Erb-Lähmung)
C5/C6
Erweiterte obere Plexuslähmung
C5/C6/C7
Komplette Plexuslähmung
C5/C6/C7/C8/Th1
Untere Plexuslähmung (Klumpke-Lähmung)
C7/C8/Th1
40.2.2 Epidemiologie Die Inzidenz der geburtstraumatischen Plexus-brachialis-Parese liegt bei etwa 0,5–3€Fällen pro 1000 Lebendgeborene. Dies entspricht ca. 1000 Kindern pro Jahr im deutschen Sprachraum und etwa 4000 in den USA. Die Inzidenz in Entwicklungsländern liegt z.€T. erheblich höher. Allerdings zeigte sich im Verlauf des letzen Jahrhunderts trotz verbesserter geburtshilflicher Technik und besserem geburtshilflichem Risikomanagement keine Abnahme der Inzidenz. In etwa 58–90% der Fälle liegt eine Beteiligung der Wurzeln C5 und C6, die sog. Erb-Duchenne-Lähmung vor. Eine zusätzliche Beteiligung der Wurzel C4, d.€h. des N.€phrenicus, findet sich bei etwa 5% dieser Patienten. Bei etwa 10% der Kinder ist der gesamte Plexus brachialis (Wurzeln C5 bis Th1) betroffen. Eine zusätzliche Läsion des Ganglion stellatum führt in 30% der kompletten Paresen zum Auftreten eines Horner-Syndroms. Eine beidseitige Läsion ist in 8–23% der Fälle festzustellen. 40.2.3 Risikofaktoren Die Risikofaktoren sind in der .€Übersicht dargestellt.
343
40.2 · Geburtstraumatische Plexus-brachialis-Paresen
. Tab. 40.2╇ Differenzialdiagnose und rekonstruktive Optionen supra- und infraklavikulärer Plexusläsionen
Supraklavikulär
Infraklavikulär
Lokalisation
Präganglionäre Wurzel Postganglionärer Spinalnerv Präklavikulär und retroklavikulär
Trunci und distale Äste
Inspektion
Fallschulter Scapula alata Armlähmung Hals verlagert zur gesunden Seite
Armlähmung
Häufig assoziierte Frakturen
Halswirbel 1. Rippe Klavikula
Skapula (Glenoid) Humerus
Assoziierte Gefäßverletzung
A. subclavia (selten)
A. subclavia A. axillaris (bis 30%)
Ausmaß Nervenläsion
Wurzelausriss häufig
Wurzelausriss selten
Tinel-Zeichen
Variabel
Deutlich unterhalb Proc.€coronoideus
Chirurgisches Vorgehen
Eher Nerventransfer
Eher Nerventransplantate Gefäßrekonstruktionen Häufig schwierige Dissektion
Chirurgische Ergebnisse
Unvorhersehbar Aberrante Innervationen
Ergebnisse besser Weniger aberrante Innervationen
Risikofaktoren geburtstraumatischer Plexus-brachialis- Paresen 4 Kindliche Risikofaktoren – hohes Geburtsgewicht (>3500€g) – männliches Geschlecht des Kindes 4 Mütterliche Risikofaktoren – diabetische Stoffwechsellage der Mutter – höheres Lebensalter – gedrungener Körperbau – Übergewichtigkeit der Mutter sowohl vor als auch während der Schwangerschaft – Eine Häufung findet sich auch bei Mehrfachgebärenden oder Schulterdystokie in einer vorangegangenen Schwangerschaft. 4 Intrapartale Risikofaktoren – Einstellung als Beckenendlage oder einer anderen Einstellungs- oder Lageanomalie – Auftreten einer Schulterdystokie – Auftreten von fetalem Distress
Als Begleitverletzungen finden sich Klavikulafrakturen, Humerusfrakturen, Subluxationen der Halswirbelsäule, Verletzungen des Halsmarks, N.-facialis-Paresen und Kephalhämatome. 40.2.4 Diagnostisches Vorgehen
Klinische Untersuchung Die Diagnose einer geburtstraumatischen Plexus-brachialis-Parese wird meist bereits durch den Geburtshelfer oder die Hebamme gestellt. Als typisch fällt die schlaffe Lähmung der betroffenen oberen
Extremität und deren Stellung in der sog. »waiter’s tip position« (Trinkgeld-Stellung) der Hand auf. > Die Vorstellung bei einem in der Chirurgie des Plexus brachialis erfahrenen Spezialisten sollte möglichst innerhalb des ersten Lebensmonates erfolgen.
Bei der Erstvorstellung werden die Risikofaktoren der Schwangerschaft und der Geburt sowie das Verhalten und die motorische Â�Entwicklung der ersten Lebensmonate anamnestisch erfasst. Die klinische Untersuchung des Neugeborenen beruht v.€a. auf der Beobachtungen der Spontanmotorik des Kindes. Dabei richtet sich das Augenmerk zunächst neben der Funktion des N.€phrenicus (Zwerchfellatmung) v.€a. auf die Bewegungen des Schultergürtels und des Arms. So spricht z.€B. eine Scapula alata für eine proximale Läsion der Wurzeln C5 und C6, die Funktionsstörung im Schultergelenk für eine Läsion des N.€suprascapularis und/oder des Truncus superior. In ähnlicher Weise lässt sich bereits klinisch die Höhe der Verletzung relativ genau eingrenzen. Das Auftreten eines Horner-Syndroms (Ptosis, Miosis, Enophthalmus) weist auf die Läsion in Höhe der Wurzel Th1 hin. Die vorsichtige Palpation erlaubt es, Frakturen der Klavikula, des Humerus oder von Rippen zu identifizieren. In späterem Alter richtet sich das Augenmerk auch auf etwaige Muskelatrophien oder Muskelkontrakturen, z.€B. der Schulterinnenrotatoren. Im Anschluss daran wird dann das passive Bewegungsausmaß von Schulter-, Ellbogen-, Hand- und Fingergelenken bestimmt. Die Bestimmung des aktiven Bewegungsausmaßes stützt sich bei Säuglingen und Kleinkinder meist auf die Beobachtung. Für gezielte Muskel- und Gelenktests fehlt oft die Kooperation. Auch die gezielte Testung der sensorischen Fähigkeiten kann bei fehlender Mitarbeit nur unzuverlässig durchgeführt werden. Angelehnt an die Grading Scale für die motorische Kraftentwicklung des British Medical Research Council haben Gilbert und Tassin eine für Kleinkinder verwendbare Modifikation dieser Skala entwickelt (.€Tab.€40.3).
40
344
Kapitel 40 · Schädigung des Plexus brachialis
. Tab. 40.3╇ Motor Grading Scale [British Medical Research Council (BMRC), 1943; mod. nach Gilbert u. Tassin 1984)
BMRC- Grading
Klinik
Mod. nach Gilbert u. Tassin
Grad 0
Komplette Lähmung
Grad 0
Grad 1
Sichtbare oder tastbare Kontraktion
Grad 1
Grad 2
Volle Beweglichkeit unter Ausschaltung der Schwerkraft
Grad 2
Grad 3
Volle Beweglichkeit gegen Schwerkraft
Grad 3
Grad 4
Volles Bewegungsausmass mit reduzierter Stärke
Grad 5
Normale Muskelkraft
. Tab. 40.4╇ Kennmuskeln des Plexus brachialis, deren Innervation und klinische Funktion
40
Muskel
Innervation
Klinische Funktion
M.€deltoideus
N.€axillaris (C5, C6)
Schulterabduktion
M.€supraspinatus
N.€suprascapularis (C5, C6)
Full-can-Abduktion (d.€h. in Außenrotation)
M.€infraspinatus
N.€suprascapularis (C5, C6)
Schulteraußenrotation
M.€biceps brachii
N.€musculocutaneus (C5, C6)
Ellbogenflexion
M.€pronator teres
N.€medianus (C6, C7)
Unterarmpronation
M.€triceps brachii
N.€radialis (C7, C8)
Ellbogenextension
M.€extensor carpi radialis
N.€radialis (C5, C6)
Handgelenksextension
M.€opponens pollicis
N.€medianus (C8, Th1)
Daumenopposition
M.€abductor digiti minimi
N.€ulnaris (C8, Th1)
Kleinfingerabduktion
Die klinische Untersuchung auch bei älteren Kindern basiert auf einer eindeutigen und kooperationsunabhängig zu erhebenden Befundung des motorischen Systems. Dabei werden die Funktionen einzelner Kennmuskel und im Rückschluss die Funktion des innervierenden Nervs bzw. der entsprechenden Spinalwurzel geprüft (.€Tab.€40.4). Die genaue und zuverlässige Testung der Sensorik ist beim Säugling praktisch unmöglich, beim Kleinkind nur eingeschränkt möglich. Beim Säugling können nur aus bestimmtem Verhalten Rückschlüsse auf die sensiblen Qualitäten gezogen werden. Hier ist allenfalls eine grobe Einordnung aufgrund der Testung der Berührungs- und/oder Schmerzempfindlichkeit möglich. Genauere Tests wie z.€B. die Testung der statischen oder dynamischen 2-Punkte-Diskriminierungsfähigkeit sind erst Kindern in höherem Alter möglich.
Die klinische Beurteilung schließt allerdings zusätzlich die Qualitäten des vegetativen Nervensystems ein. Dazu erfolgt die Beurteilung von Hautturgor und -farbe. Des Weiteren gibt die Prüfung der Rekapillarisierung der Akren Hinweise auf die Sympathikusfunktion. Weitere Hinweise auf eine Störung des Vegetativums sind Zeichen einer Hautatrophie, Wundheilungstörungen oder auch eine gestörte akrale Schweißsekretion in asensiblen Arealen. > Die klinische Untersuchung ist die wichtigste Grundlage der Diagnostik.
Bildgebende Verfahren Obwohl die meisten Maßnahmen der erweiterten Diagnostik, wie bildgebende Verfahren und Elektrophysiologie, ihren Wert hauptsächlich in der Diagnostik und Operationsplanung von traumatischen Plexusläsionen des Jungendlichen oder Erwachsenen zeigen, können je nach Situation und Alter zusätzliche Untersuchungen angezeigt sein. Röntgen.╇ Nativröntgenaufnahmen der Schulter oder der Klavikula dienen zum Nachweis einer Fraktur oder Luxation. Ein Zwerchfellhochstand in der Thoraxübersichtsaufnahme weist auf eine Parese des N.€phrenicus und damit eine Beteiligung, meist einen Ausriss, der Wurzel C4 hin. Magnetresonanztomographie (MRT).╇ Die MRT kann zur genaueÂ�
ren Lokalisation der Läsion, aber v.€a. mit der Frage nach dem Vorliegen eines Wurzelausrisses oder einer spinalen Halsmarkläsion dienlich sein. Elektroneurographie (ENG), Elektromyographie (EMG).╇ Elektrophysiologische Untersuchungen wie ENG oder EMG geben mittels motorischer oder sensorischer Leitungsdiagnostik Hinweise auf eine Wurzelavulsion oder dienen zur Verlaufsbeobachtung der Regeneration und Reinnervation.
40.2.5 Behandlungsziele > Als wichtigstes Behandlungsziel sollte die Vermeidung eines »Neglect-Syndroms« im Vordergrund stehen.
Dazu ist die frühe basale Förderung des Säuglings, beginnend in den ersten Lebenstagen, erforderlich. Im weiteren Verlauf gilt es, bis zum Eintreten der ersten Spontanregenerationszeichen sekundäre Gelenkkontrakturen und -dislokationen zu vermeiden. Dies ist absolute Voraussetzung der weiteren Funktionswiederherstellung, die sich in die folgenden Teilziele gliedert: 4 Wiederherstellung und Erreichen von 5 Schutzsensibilität der Hand, 5 Streckung und Beugung der Finger, 5 Streckung und Beugung des Handgelenks, 5 Schulterab- und -adduktion, 5 Ellbogenflexion und -extension, 5 Außenrotation der Schulter, 5 Pro- und Supination des Unterarms, 5 Feinmotorik der Hand. Die angegebenen Ziele sind absteigend nach ihrer funktionellen Â�Bedeutung geordnet und können nicht immer zur Zufriedenheit der Patienten und des Behandlers erreicht werden. Das durch die Schädigung des vegetativen Nervensystems bedingte erhöhte Risiko
345
40.2 · Geburtstraumatische Plexus-brachialis-Paresen
des verzögerten Extremitätenwachstums kann nicht immer beeinflusst werden. 40.2.6 Therapeutisches Vorgehen
Physiotherapie/Ergotherapie Wie schon dargelegt ist die altersgerechte Physiotherapie und Ergotherapie die Grundlage für weitere therapeutische und speziell für operative Maßnahmen. Für die physiotherapeutische Basistherapie ist die Anleitung der Eltern durch den in der Behandlung von Kindern erfahrenen, auf neurophysiologischer Basis arbeitenden Krankengymnasten bedeutsam, da nur durch die mehrmals tägliche Wiederholung des Behandlungs- und Übungsprogramms eine ausreichende und kontinuierliche Stimulation des Säuglings erfolgt. Nur so ist die zur Vermeidung eines Neglect-Syndroms notwendige neurophysiologische Bahnung zu erreichen. Je nach Altersstufe kommen hier v.€a. die Therapie nach dem Vojta-Konzept, Techniken aus der propriozeptiven neurophysiologischen Fazilitation (PNF) oder nach dem Konzept nach Bobath in Frage. Die begleitende ergotherapeutische Behandlung richtet sich ab dem Kleinkindalter v.€a. mit spielerischen Methoden auf das Beüben der »activities of daily living«. Weitere fördernde Aktivitäten – meist auf Basis freiwilliger Initiativen durch die Eltern – sind das Baby- bzw. Kleinkindschwimmen, die Spieltherapie (»play therapy«) oder die tierassistierte Therapie (»animal assisted therapy«).
Primäre operative Eingriffe In der operativen Therapie der geburtstraumatischen Plexus-brachialis-Parese ergeben sich im Gegensatz zur adulten Patientengruppe einige bedeutsame Unterschiede. So zeigt sich im Kindesalter dank der guten Regenerationspotenz und der erstaunlichen Plastizität des wachsenden neuromuskulären Systems eine Spontanerholungsrate je nach Arbeitsgruppe von bis zu 90%. Andererseits ist oft auch bei schweren vollständigen Läsionen die komplette mikrochirurgische Rekonstruktion des Plexus brachialis aufgrund der im Gegensatz zum Erwachsenen geringeren Reinnervationsstrecke möglich und erfolgreich. Die Reinnervation distal gelegener Muskulatur, z.€B. an Unterarm und Hand, ist so auch bei proximalen Verletzungen vor der endgültigen kompletten Degeneration der motorischen Endplatte möglich.
Zeitpunkt und Indikationsstellung Das Ziel jeder primären Operation am peripheren Nervensystem ist die Wiederherstellung der verlorenen motorischen und sensorischen Funktion. Während die sensorische Funktion der Hand z.€T. auch noch nach Jahren erreicht werden kann, ist die Wiederherstellung der motorischen Funktion der oberen Extremität abhängig von Zeitpunkt und Qualität der operativen Rekonstruktion. Die im Rahmen einer Verletzung des peripheren Nervensystems auftretende Denervierung der Zielmuskulatur führt zur zunächst temporären Reduktion der Anzahl motorischer Endplatten. Nur bei einer Regeneration der motorischen Nervenfasern kommt es zu einer Umkehr dieses Prozesses, der sonst nach einem Zeitraum von etwa 15–18 Monaten nicht mehr zu korrigieren ist. Bei einer geschätzten Reeinnervations- bzw. Wachstumsgeschwindigkeit des peripheren Nervs von 1€mm/Tag ergibt sich so eine maximale Regenerationsstrecke, bei der eine Wiederherstellung der motorischen Funktion möglich ist, von etwa 50€cm. Als zweiter Faktor für die Regeneration des motorischen Systems spielt die Qualität des proximalen Nervenstumpfes (Spendernerv) eine Rolle. Nur bei einer genügend großen Anzahl potenziell ein-
sprossender Axone (Spenderaxone) erreicht eine ausreichende Anzahl das distale Erfolgsorgan. Zu einer funktionell wertvollen Muskelreinnervation ist daher nach experimentellen Daten etwa 30% der ursprünglichen Axondichte notwendig. Theoretisch ergibt sich hieraus, dass eine möglichst frühzeitig erfolgende Nervenrekonstruktion die besten Erfolgsaussichten auf eine vollständige Wiederherstellung bietet. Da allerdings gerade beim Auftreten einer geburtstraumatischen oberen Plexus-brachialis-Parese der Wurzel C5 und C6 in bis zu 95% der Fälle mit einer weitgehenden Regeneration zu rechnen ist, gestaltet sich die IndiÂ� kationsstellung bzw. die Abwägung des richtigen Operationszeitpunktes durchaus problematisch. In unserer Klinik orientieren wir uns in Anlehnung an Gilbert und Clarke an der spontanen Reinnervation der folgenden Kennmuskeln: M.€deltoideus, M.€biceps brachii und Mm.€extensor carpi radialis. Als Beurteilungskriterium dient hier ein Wiedereinsetzen der klinischen Funktion mit einem Kraftgrad von mindestens 3/5 nach BMRC (.€Tab.€40.3). > Wenn bis zu einem Zeitpunkt von 3–4€Monaten postpartal für die Mm.€deltoideus und biceps brachii bzw. von bis zu 6€Monaten für die Mm.€extensor carpi radialis eine entsprechende Kraftentwicklung ausbleibt, ist die operative Revision angezeigt. Diese sollte dann unmittelbar anschließend, möglichst bis zum 6.€Lebensmonat erfolgen.
Operative Strategie In unserer Klinik erfolgt die operative Exploration des Plexus brachialis im Kindesalter in Intubationsnarkose und Rückenlagerung. Auf eine Umlagerung in Bauchlage zur Entnahme der Suralistransplantate wird verzichtet. Zunächst erfolgt über einen etwa 2€cm supraklavikulär gelegenen Zugang die Darstellung und Exploration des Plexus brachialis. Bei Bedarf kann dieser nach kranial bzw. zum Oberarm hin erweitert werden. Anschließend erfolgt nach Darstellung von Truncus superior, intermedius und inferior die subtile Neurolyse unter dem Operationsmikroskop. Nur bei entsprechendem klinischem Verdacht (z.€B. Ausfall der Funktion von N.€dorsalis scapulae/N.€thoracicus longus) werden die Nervenwurzeln bis an die Spinalforamina dargestellt. Meist findet sich die eigentliche Läsion in Höhe des Truncus superior bzw. des Abgangs des N.€suprascapularis nicht in Form einer kompletten Ruptur, sondern in Form eines Neuroma in continuitatem. Die Resektion des Neuroms und die Rekonstruktion durch N.-suralis-Transplantate unter dem Operationsmikroskop schließen sich an. Die Entnahme weiterer Spendernerven wie z.€B. von Interkostalnerven ist meist nicht erforderlich. Bei Vorliegen einer Avulsionsverletzung kann ein Wiederherstellungsversuch unter Heranziehen anderer motorischer Nervenfaszikeln stattfinden. Anzustreben ist hierbei zunächst die intraÂ� plexuelle Neurotisation, d.€h. die Wiederherstellung mit Hilfe von motorischen Fasern von ipsilateralen Plexusanteilen. So kann z.€B. eine gezielte Neurotisation mit Hilfe der ipsilateralen Wurzel C7 erfolgen. Weitere Möglichkeiten bestehen z.€B. im selektiven Einzeloder kombiniertem Transfer von motorischen Faszikeln des N.€medianus bzw. N.€ulnaris auf die motorischen Äste des N.€musculocutaneus (nach Oberlin oder MacKinnon; .€Abb.€40.2). Falls jedoch durch ein derartiges Vorgehen die bestehende motorische Restfunktion zu stark eingeschränkt würde, können zusätzlich extraplexuelle Spender in Betracht gezogen werden (.€Abb.€40.3). So kann z.€B. durch den Transfer von distalen Anteilen des N.€accessorius (XI.€Hinrnnerv) auf den N.€suprascapularis eine Wiederher-
40
346
40
Kapitel 40 · Schädigung des Plexus brachialis
. Abb. 40.2╇ Doppelfaszikeltransfer nach Oberlin
. Abb. 40.3╇ Axonquellen zur Neurotisation des Plexus brachialis
stellung der Schultermuskulatur erreicht werden. Als zusätzliche extraplexuelle Spender kommen in abnehmender Bedeutung die ipsilateralen Interkostalnerven 3–7, die kontralaterale Wurzel C7 und im Ausnahmefall der N.€phrenicus und der N.€hypoglossus in Frage: 4 intraplexual, 4 Interkostalnerven 3–7, 4 N.€accessorius, 4 kontralateraler C7, 4 N.€phrenicus, 4 N.€hypoglossus.
monat abgewartet. Bei Ausbildung sekundärer muskulärer oder Â�kapsulärer Gelenkkontrakturen kann allerdings auch vor dem 2.€Lebensjahr u.€U. die Durchführung sekundärer funktionsverbessernder Operationen erforderlich werden.
> Bei rekonstruktiven mikrochirugischen Eingriffen am Plexus brachialis ist ebenso wie in anderen Abschnitten des peripheren Nervensystems auf spannungsfreie KoaptaÂ�tion der Nervenstümpfe zuachten.
Die Koaptation selbst kann durch Naht und/oder zusätzliche Fibrinklebung erfolgen. Die Spannungsfreiheit der Nervenkoaptation wird intraoperativ durch passive Bewegung der Extremität getestet. Die Ruhigstellung erfolgt dann durch einen Modifikation eines Gilchrist-Verbandes für 5€Tage. Für die Hautnaht verwenden wir resorbierbares Nahtmaterial. Auf eine neuerliche Narkose zur Fädenentfernung und zum Verbandwechsel kann daher verzichtet werden.
Postoperatives Management Nach 5-tägiger Ruhigstellung im Gilchrist-Verband wird die Extremität freigegeben. Die krankengymnastische Behandlung wird zeitnah fortgesetzt. Bis zum Einsetzen von Reinnervationszeichen erÂ� folgen monatliche klinische Kontrolluntersuchungen. Die weitere Reinnervation wird dann in der Regel bis zum 18. bzw. 24.€Lebens-
Sekundäreingriffe Im Regelfall führen wir sekundäre operative Eingriffe ab dem 2.€Lebensjahr durch (.€Tab.€40.5). Ziel dieser Eingriffe ist es, verbliebene Funktionseinschränkungen, sei es nach operativer Exploration oder konservativer Therapie, zu korrigieren bzw. deren Auftreten zu verhindern. In der Indikationsstellung und der Auswahl der möglichen Korrektureingriffe gilt hier allerdings das Grundprinzip des »nil nocere«. ! Cave Eine Schädigung von bis dato erlernten Kompensationsmechanismen und effizienter motorischer Ersatzfunktionen ist zu vermeiden. Eine dadurch bedingte funktionelÂ� le Verschlechterung wird weder von den kleinen Patienten noch deren Eltern akzeptiert.
Für manche Eingriffe bzw. deren spezielle Nachbehandlung ist die Kooperation der Kinder erforderlich, sodass diese Maßnahmen erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen können. Für motorische Ersatzoperationen ist die freie passive Beweglichkeit der betroffenen Gelenke neben der Kräftigung der umzusetzenden Muskulatur eine Grundvoraussetzung.
Indikation spezieller Sekundäreingriffe Eines der häufigsten Residualprobleme nach geburtstraumatischer obere Plexus-brachialis-Parese ist die Bewegungseinschränkung des Schultergelenks. Dies bedeutet für den Betroffenen, dass die Positionierung der Hand im Raum, und damit deren Verwendungsfähig-
347
40.2 · Geburtstraumatische Plexus-brachialis-Paresen
. Tab. 40.5╇ Häufige sekundäre operative Eingriffe, ggf. als Kombinationseingriffe
Art des Eingriffes
Lokalisation
Effekt
Zielstruktur
Technik
Kontrakturlösung
Schulter
Verbesserung der Beweglichkeit
M.€subscapularis M.€pectoralis major
Release
Sehnentransposition
Schulter
Außenrotation
M.€latissimus dorsi M.€teres major
Umsetzung auf M.€infraspinatus
Ellbogen
Flexion, Extension
M.€triceps brachii M.€biceps brachii
Ellbogenflexion/-extension
M.€pronator teres M.€brachioradialis
Umsetzung auf Handgelenksextensoren
Handgelenk Gestielte Muskeltransposition
Schulter
Abduktion
M.€trapezius M.€latissimus dorsi
Umsetzen auf lateralen Humerus
Ellbogen
Flexion
M.€latissimus dorsi M.€pectoralis major
Umsetzen bipolar als Ellbogenbeuger
Freie Muskeltransplantation
Handgelenk Hand
M.€gracilis
Freie Transplantation zur Fingerflexion
Arthrodesen
Schulter
Schultergelenk
Stabilisierung der Gelenke
Handgelenk
Handgelenk
Hand
PIP-Gelenke
Schulter
Humerus
Korrekturosteotomien
keit, deutlich eingeschränkt wird. Am häufigsten findet sich hier die kombinierte Innenrotations-Adduktions-Kontraktur der Schulter. Je nach Ausprägung der Klinik werden unterschiedliche Operationsverfahren angewendet. Hierbei liegt das Problem im Überwiegen der funktionellen Innenrotatoren des Schultergelenks. Durch eine gezielte Schwächung der Innenrotatoren und Augmentation der Außenrotatoren kann eine deutliche Funktionsverbesserung erzielt werden. Bei einer isolierten Innenrotationskontraktur kann im Alter Â�zwischen 6€Monaten und 2€Jahren bereits die Durchführung der Â�Lösung des M.€subscapularis (»subscapular release«) einen deutlichen Bewegungszuwachs bewirken. Durch die zusätzliche UmÂ� setzung der kontrakten M.€latissimus dorsi und M.€teres major auf den Ansatz des M.€teres minor bzw. des M.€infraspinatus wird eine gleichzeitige Verbesserung von aktiver Abduktion und AußenroÂ� tation erzielt (nach L’Episcopo und Hoffer). Durch einen zusätzlichen »release« des M.€pectoralis major und die Dekompression des N.€axillaris in der lateralen Achsellücke kann eine zusätzliche Verbesserung erreicht werden (»Mod-Quad-Operation« nach Shenaq; .€Abb.€40.4). Bei persistierender Innenrotationsfehlstellung und knöcherner Deformität des Humeruskopfes kann meist nach Abschluss des Knochenwachstums eine Humerusderotationsosteotomie notwendig werden. Dazu erfolgt die quere Osteotomie unterhalb des Ansatzes des M.€deltoideus, die durch eine zusätzliche ventrale Wedge-Osteotomie zur weiteren Verbesserung der maximalen Flexionsstellung des Oberarms und damit einer verbesserten höheren Positionierung des Unterarms und der Hand kombiniert werden kann. Die isolierte Schulterabduktionsschwäche bei sonst guter Funktion von Ellbogen und Hand lässt sich im Alter ab 2€Jahren durch die Reinserierung des M.€trapezius auf den Humeruskopf (Operation nach Saha bzw. Mayer; .€Abb.€40.5) verbessern.
Derotations- bzw. Wedge-Osteotomie
Die beiden häufigsten Folgen der geburtstraumatischen PlexusÂ� parese in Bezug auf die Ellbogenfunktion sind einerseits die Flexionsschwäche und andererseits das verbleibende Streckdefizit. Die Streckunfähigkeit bzw. Streckerschwäche ist eher als Rarität zu betrachten und wird meist durch die Patienten geschickt mit Hilfe der Schwerkraft kompensiert. Die Ellbogenflexion ist die weitaus wichtigste Funktion, die gelegentlich trotz frühzeitiger rekonstruktiver Bemühungen nur unzureichend wiederherzustellen ist. VerschiedeÂ� ne Techniken zur sekundären Wiederherstellung wurden hierzu entwickelt. Bei der Operation nach Steindler erfolgt eine Proximalisierung des Flexoren-Pronatoren-Ansatzes des Unterarms in Höhe des mittleren Oberarms. Allerdings kommt die Technik hauptsächlich zur Augmentation einer bestehenden Muskelfunktion in Frage, da der Unterarm zunächst in Pronation und Handgelenksflexion aus der Streckung passiv in eine Beugestellung des Ellbogens gebracht werden muss, um die volle Kraftentwicklung zu erreichen (sog Steindler-Effekt). Eine weitere, allerdings im Kindesalter seltener angewendete Alternative stellt der Transfer des M.€triceps brachii auf den M.€biceps brachii dar. Meist jedoch erfolgt eine sekundäre WiederherÂ� stellung der Ellbogenflexion wie im Erwachsenenalter durch einen gestielten bipolaren Transfer des M.€latissimus dorsi. Hier scheint jedoch ein gewisser Zusammenhang mit einer Innenrotationskontraktur der Schulter zu bestehen, da es häufig nach Korrektur der Schulter zu einer deutlichen Verbesserung der EllÂ� bogenextension kommt. In wenigen Fällen erreicht das ExtensionsÂ� defizit ein funktionell störendes Ausmaß von >45°. Die häufig anzutreffende leichte Pronationsfehlstellung mit eingeschränkter Supinationsfähigkeit des Unterarms bedarf meist keiner Korrektur, da hierdurch die Hand eher in eine funktionell günsÂ� tigere Position gebracht wird. Ein häufiger bei Patienten mit kom-
40
348
Kapitel 40 · Schädigung des Plexus brachialis
40
. Abb. 40.4a–f╇ Mod-Quad-Operation. a Präoperative Situation. b, e, f Mod-Quad-Operation. c, f Postoperative Situation
40.3 · Läsionen des Plexus brachialis im Erwachsenenalter: traumatische Plexus-brachialis-Läsionen
349
diesen profitieren 80–90% von einer operativen Therapiestrategie unter Einschluss der primären mikrochirurgischen Rekonstruktion und sekundärer funktionswiederherstellender Eingriffe. 40.3
Läsionen des Plexus brachialis im Erwachsenenalter: traumatische Plexus-brachialis-Läsionen
40.3.1 Epidemiologie
. Abb. 40.5╇ Ersatz des M.€deltoideus durch M.-trapezius-Transfer
pletter Parese auftretendes Problem ist die Supinationsfehlstellung, die bei guter Funktion des M.€biceps brachii und fehlender Fibrosierung der Membrana interossea durch ein »rerouting« der Bizepssehne korrigiert werden kann. Alternativ erfolgt eine gezielte Lösung der Membrana interossea kombiniert mit dem »rerouting« des M.€biceps brachii oder einer Korrekturosteotomie des Radius. Eine Wiederherstellung von gestörten Hand- und Handgelenksfunktionen ist in entscheidendem Maß vom Läsions- und spontanen Reinnervationsmuster abhängig und folgt den Regeln der in den folgenden Kapiteln besprochenen motorischen Ersatzoperationen. Speziell kommen hier bei der oberen Plexusparese am häufigsten die Wiederherstellung der Handgelenksextension (C5/C6) durch Sehnentransfer vom M.€pronator teres (C6/C7), M.€flexor carpi ulnaris (C7/C8/T1) oder radialis (C6/C7) als »Radialisersatzplastik«, z.€B. nach Merle-d’Aubigné, in Frage. Die fehlende Funktion und häufig fehlende distale Regeneration bei kompletten Plexusparesen macht bei fehlenden funktionellen Spendermuskeln eine Wiederherstellung unmöglich. Hier wird es notwendig, nach Abschluss des Knochenwachstums durch gezielte Arthrodesen des Handgelenks, der Interphalangealgelenke der Finger und durch eine Fusion zwischen den Mittelhandknochen des 1. und 2.€Strahls eine stabile Beihand zu erreichen. 40.2.7 Behandlungsergebnisse und Prognose Glücklicherweise kommt es bei den meisten betroffenen Kindern (70–95%) zu einer vollständigen spontanen Regeneration. Als Â�prognostisch ungünstig sind komplette Plexusparesen, ein begleitendes Horner-Syndrom und Wurzelausrisse zu betrachten. Bei Kindern, die im 3.€Lebensmonat eine gute Schulter-, Ellbogen- und Handfunktion hatten, fand sich im Alter von 5€Jahren in 70% der Fälle eine vollständige funktionelle Wiederherstellung. Im Gegensatz dazu zeigten Säuglinge mit fehlender Funktion nur in 5% der Fälle eine vollständige Regeneration. Je nach Untersucher verbleibt bei 25–65% der Kinder ein gerinÂ� ges funktionelles oder ästhetisches Defizit. Bei 5–45% finden sich aber schwere funktionelle oder ästhetische Einschränkungen. Von
Betroffen sind meist (in etwa 90% der Fälle) junge Männer zwischen 16 und 25€Jahren. In 80–90% der Fälle ereignet sich die Verletzung im Rahmen eines Hochrasanztraumas, im überwiegenden Fall bei Verkehrsunfällen. In etwa 2/3 der Fälle handelt es sich dabei um Motorradunfälle. Dies entspricht in Großbritannien einer Anzahl von etwa 500€Unfallverletzten pro Jahr. Ein großes Problem für die Versorgung stellen dabei die häufig€vorliegenden Begleitverletzungen dar. So finden sich SchädelHirn- und HWS-Verletzungen, Gefäßverletzungen, stumpfe Thorax- und Abdominalverletzungen und multiple Extremitätenfrakturen. > Gerade eine Verletzung im Bereich der Subklavia- und Axillargefäße ist ein Hinweis auf eine gleichzeitig vorliegende Plexus-brachialis-Läsion.
Weiterhin kann es durch eine Fraktur oder Luxation des Humerus zu einer zusätzlichen 2-Etagen-Läsion der Nervenstämme mit entsprechenden Folgen kommen. Durch die vordringliche Behandlung der lebensbedrohenden Begleitverletzungen erfolgt oft eine verzögerte Diagnostik und damit auch Therapie der Läsion des Plexus brachialis. Seltener finden sich in Mitteleuropa Stich- oder Schussverletzungen als Ursache. Diese sind jedoch im Regelfall frühzeitig und aufgrund der relativ isolierten Symptomatik klar zu diagnostizieren. 40.3.2 Diagnostisches Vorgehen Der für die Diagnostik entscheidende Faktor ist häufig der initiale Verdacht durch den erstversorgenden Arzt. Hier muss eine entsprechende Vermutung unbedingt und konsequent diagnostisch verfolgt werden.
Klinik Klinisch ist gerade beim polytraumatisierten Patienten die differenzierte neurologische Untersuchung nur eingeschränkt möglich. Trotzdem sollte sie nach Möglichkeit alle sensorischen und motorischen Qualitäten untersuchen. Es erfolgt die Prüfung der Tiefensensibilität, der Gelenkspropriozeption, der Sensibilität auf Druck, Nadelstich, leichte Berührung und der statischen wie dynamischen 2-Punkte-Diskrimation.
Beurteilung von Lokalisation, Motorik und Sensorik Beim Heranwachsenden oder Erwachsenen sollte neben der Lokalisationsdiagnostik auch eine Bewertung der sensorischen Qualitäten versucht werden. Hier bietet sich das auch international gebräuchliche Klassifikationsschema nach Highet an, mit dem eine verbesserte Verlaufskontrolle einer einsetzenden Regeneration und Reinnervation möglich ist (.€Tab.€40.6).
40
350
Kapitel 40 · Schädigung des Plexus brachialis
. Tab. 40.6╇ Klassifikation der sensiblen Regenerationsqualität nach Highet 1943 (modifiziert durch Seddon 1975)
Grad
Klinisches Merkmal
S0
Anästhesie
S1
Druck- und Schmerzsensation
S2
Berührungs- und Schmerzsensation mit Parästhesien
S3
Berührungs- und Schmerzsensation
S 3+
Berührungs- und Schmerzsensation, 2-Punkte-DiskriminaÂ� tionsfähigkeit
S4
2-Punkte-Diskriminationsfähigkeit Letztendlich ist für die Diagnose der Wurzelausrissverletzung nur die operative Freilegung der Wurzeln beweisend und sollte daher bei Verdacht auf Avulsionsverletzungen immer erfolgen.
Die neurophysiologische Untersuchung bietet trotz aller Schwierigkeiten der Durchführung und der Interpretation wertvolle Hinweise. So kann das ENG die Verdachtsdiagnose einer präganglionären Läsion bestätigen. Ab 3€Wochen nach der Verletzung zeigt sich in der EMG die beginnende Denervierung der einzelnen Muskelgruppen. Eine Verlaufsbeurteilung der postoperativen Regeneration wird damit möglich, in Kombination mit der klinischen Untersuchung kann hier die frühzeitige Identifikation von für sekundäre Transferoperationen geeigneten Muskelgruppen erfolgen. 40.3.3 Behandlungsziele Nach H.€Millesi ergeben sich für die Behandlung der traumatischen Läsion des Plexus brachialis folgende Prioritäten: 4 Wiederherstellung der Ellbogenbeugung, 4 Stabilisierung der Schulter: 5 Verbesserung der Außenrotation, 5 Abduktion, 4 Wiederherstellung der Ellbogenstreckung, 4 Wiederherstellung der Schutzsensibilität, 4 Wiederherstellung der Handfunktion. Diese Prioritäten orientieren sich an der Möglichkeit der Bewegung der oberen Extremität im Raum und dem Ziel, die Hand möglichst gut im normalen körperlichen Aktionsfeld zu positionieren. Beim erwachsenen Patienten mit traumatischer Plexusparese ist wie im Kindesalter auf ein umfassendes interdisziplinäres Therapiekonzept zu achten. Neben physiotherapeutischer, ergotherapeutiÂ� scher und chirurgisch-operativer Behandlung muss hier zusätzlich in Zusammenarbeit mit den Sozialversicherungsträgern auf die frühzeitige soziale und berufliche Reintegration hingearbeitet werden. Es empfiehlt sich hierzu ein frühzeitiges kritisches Gespräch mit dem Verletzten, möglichst in Anwesenheit von Zeugen (Partner, Angehörige, Freunde), in dem in zurückhaltender Weise die Möglichkeiten und Chancen der funktionellen Wiederherstellung angesprochen werden. Speziell bei Avulsionsverletzungen sollte das zu
40.3 · Läsionen des Plexus brachialis im Erwachsenenalter: traumatische Plexus-brachialis-Läsionen
351
erwartende Ergebnis kritisch diskutiert werden. Dabei sollte in jedem Fall die Notwendigkeit einer beruflichen Neuorientierung oder von Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen angesprochen werden. Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, diese Maßnahmen bereits im Rahmen der Planung der Erstoperation einzuleiten. Durch die frühzeitige berufliche Neuorientierung bleibt dem Verletzten eine längere Zeit der Ungewissheit erspart. Ein wesentlicher weiterer Punkt der Behandlung der frischen traumatischen Plexus-brachialis-Läsion ist die suffiziente Schmerztherapie. Diese gestaltet sich aufgrund der oft hartnäckigen Deafferenzierungsschmerzen speziell bei Wurzelausrissen als problematisch. Neben der differenzierten medikamentösen Therapie kann hier auch durch die operative Exploration oftmals eine Reduktion der Schmerzen erreicht werden. 40.3.4 Therapeutisches Vorgehen
Primäre operative Eingriffe Im Gegensatz zur kindlichen Plexusläsion sind für das Behandlungskonzept besonders 2€Umstände für die operative Behandlung von Bedeutung: Zum einen finden sich beim Erwachsenen im Gegensatz zum Kind deutlich häufiger Wurzelausrisse und komplette Läsionen des Plexus brachialis, zum anderen ergibt sich hier eine deutlich längere Reinnervationsstrecke zwischen Läsionshöhe und muskulärem Erfolgsorgan, sodass auch eine perfekte anatomische RekonsÂ� truktion in Läsionshöhe eine dauerhafte Degeneration der betroffenen muskulären Endplatten aufgrund der nötigen Regenerationsdauer nicht verhindern kann.
Indikationsstellung und Zeitpunkt Daraus ergibt sich für die Indikation und die Wahl des Operationszeitpunktes folgendes Prinzip: Generell besteht bei der traumatischen Läsion des Plexus brachialis so gut wie immer die Indikation zur operativen Freilegung. Ein abwartendes Verhalten erscheint nur im Fall von partiellen Läsionen im Rahmen von Niedrigenergietraumata, wie z.€B. lagerungsbedingten Druck- oder Dehnungsschäden, sinnvoll. Bei ausbleibender Spontanregeneration innerhalb von 3€Monaten sollte aber auch in diesen Fällen die operative ExploraÂ� tion erfolgen. Das früher geübte abwartende Verhalten auf eine Spontanregeneration über 3–6 Monate ist aufgrund der durch die Bildgebung gewonnenen Informationen über das Vorliegen von Wurzelausrissen obsolet. Vielmehr sollte die operative Exploration zum frühest möglichen Zeitpunkt erfolgen. Dass auch heute die operative Versorgung meist erst mit Zeitverzögerung erfolgt, liegt einerseits daran, dass sich durch die Behandlung der polytraumatisierten Patienten zeitliche Verzögerungen ergeben und vor Durchführung der langdauernden rekonstruktiven Eingriffe des Plexus brachialis erst eine ausreichend stabile klinische Situation des Patienten erreicht werden muss, zum anderen aber auch an der Ressourcenknappheit spezialisierter Zentren.
Operative Strategie Die operative Exploration des Plexus brachialis erfolgt in IntubaÂ� tionsnarkose und Rückenlagerung mit Unterpolsterung der ipsilateralen Schulter. Die betroffene obere Extremität wird auf einer Armstütze beweglich gelagert. Neurolyse.╇ Über einen etwa 2€cm supraklavikulär gelegenen Zu-
gang erfolgt zunächst die Darstellung des Plexus brachialis (.€Abb.€40.6). Je nach Bedarf wird der Zugang nach kranial bzw.
. Abb. 40.6╇ Operative Freilegung bei adulter traumatischer Plexusparese
durch die Fossa deltoideopectoralis zum Oberarm hin erweitert. Bei Unklarheit über das Vorhandensein einer Wurzelausrissverletzung erfolgt die Darstellung bis zu dem Spinalforamina. Nach Darstellung und Identifizierung der Trunci, Faszikel und Nervenstämme erfolgt zunächst die Neurolyse. Durch gezielte intraoperative Elektrostimulation lässt sich ein eventueller Erfolg dieses Schrittes abschätzen. Bei einer kurzstreckigen Läsion kann u.€U. die Rekonstruktion des entsprechenden Abschnittes mit Nerventransplantaten sinnvoll sein. Nerventransposition.╇ Meist finden sich jedoch längerstreckige
Veränderungen. Aufgrund der zu erwartenden beim Erwachsenen längeren Reinnervationsstrecke ist dann die direkte mikrochirurgische Rekonstruktion häufig nicht sinnvoll. Konzeptuell kommen daher bei Erwachsenen bei Avulsions- und Traktionsschäden neben der Neurolyse ähnliche Verfahren zur Anwendung. Durch geeignete motorische Nerventranspositionen lässt sich oft in einem Rahmen von 6–9 Monaten eine sinnvolle funktionelle Wiederherstellung von Muskelfunktionen erreichen. Hier kommen zur Neurotisation der Schultermuskulatur die Transposition von Anteilen des N.€accessorius auf den N.€suprascapularis oder eines Astes des N.€thoracodorsalis auf den N.€axillaris zur Anwendung. Zur Wiederherstellung der Ellbogenbeugung eignet sich die Transposition der Nn.€pectorales mediales, von motorischen AnÂ� teilen des N.€ulnaris (nach Oberlin) oder auch des N.€medianus auf die motorischen Äste des N.€musculocutaneus zum M.€biceps brachii und M.€brachialis. Durch diese Verfahren kann im Falle einer Läsion der Wurzeln C5 und C6 die Schulter- bzw. Ellbogenfunktion durch Nervenfasern aus den Wurzeln C7 bis Th1 übernommen werden. > Technisch ist auch hier die spannungsfreie Koaptation der Nervenstümpfe Grundbedingung.
Wenn möglich, sollte bei den oben genannten Nerventranspositionen auf die Verwendung von Nerveninterponaten verzichtet werden, da dadurch einerseits die Reinnervationsstrecke verkürzt wird, andererseits auf eine zweite Nahtstelle verzichtet wird, die ihrerseits das Risiko einer Vernarbung mit Regenerationsstopp in sich birgt. Die Koaptation erfolgt in unserer Klinik durch Naht und zusätzliche Fibrinklebung. Bereits intraoperativ wird die Spannungsfreiheit durch die passive Bewegung der Extremität durch das komplette Bewegungsausmaß des Gelenkes geprüft. Bei Vorliegen von ausgedehnteren Avulsionsverletzung muss die Wiederherstellung durch Rekrutierung anderer motorischer Nervenfasern erfolgen. Leider findet sich dann fast in jedem Fall eine
40
352
Kapitel 40 · Schädigung des Plexus brachialis
ausgeprägte Knappheit an motorischen Spendern. Eine intraplexale Neurotisation würde dann eine evtl. vorhandene motorische Restfunktion deutlich beeinträchtigen und muss daher unterbleiben. Als Spender kommen in dieser Situation und bei komplettem Wurzelausriss C5 bis Th1 die ipsilateralen Interkostalnerven 3–7 für die Reinnervation des M.€biceps in Frage. Zusätzlich kann im letzteren Fall das aufwendigere zweizeitige Verfahren des C7-Transfers zur Anwendung kommen. Dazu erfolgt zunächst die Koaptation eines gestielten ipsilateralen N.-ulnarisTransplantates an die kontralaterale Wurzel C7. Nach bioptisch gesicherter Axoneinsprossung in das Transplantat wird in einem 2.€Schritt der freie neurovaskuläre Transfer des M.€gracilis durchgeführt, um z.€B. eine Massenbewegung der Fingerbeuger und damit eine tertiäre Greifform zu erreichen. Der N.€phrenicus und der N.€hypoglossus sollten aufgrund der damit verbundenen Einschränkungen der Atem-, Schluck- und Sprachfunktion nur in Ausnahmefällen verwendet werden.
Postoperatives Management Postoperativ erfolgt die Ruhigstellung für 5€Tage im Gilchrist-Verband. Anschließend wird die krankengymnastische Behandlung wieder aufgenommen, zunächst als passive Mobilisierung der Gelenke und zur Kräftigung der vorhandenen muskulären Funktionen. Mit dem Einsetzen von Reinnervationszeichen beginnt das gezielte Training der reinnervierten Muskelgruppen, zunächst als assistive Beübung unter Ausschaltung der Schwerkraft über Unterstützung durch vorhandene Bewegungsmuster (z.€B. PNF) und zunehmend unter Belastung. Begleitend werden zunächst 2-monatliche, dann mit klaren Reinnervationszeichen monatliche klinische Kontrollen durchgeführt bis etwa 12–18 Monate nach Trauma. Zu diesem Zeitpunkt werden weitere sekundäre funktionsverbessernde Maßnahmen geplant. Bei Ausbildung sekundärer muskulärer oder kapsulärer Gelenkskontrakturen können allerdings auch vor diesem Zeitpunkt Sekundäroperationen erforderlich werden.
Sekundäroperationen
40
Aufgrund der schlechteren Regenerationstendenz wird man im Erwachsenenalter, insbesondere bei Wurzelausrissverletzungen, frühzeitig auf sekundäre Muskel- und Sehnentransferoperationen zur Funktionswiederherstellung zurückgreifen. Die Abwägung, ob durch eine frühzeitige Ersatzoperation nicht eine eventuelle Regeneration überdeckt wird und damit mögliche Spender für eine spätere Rekonstruktion anderer Funktionen verloren gehen, ist auch für den Erfahrenen oft schwierig. > Das primäre Ziel der Wiederherstellung richtet sich beim Erwachsenen auf das Ellbogengelenk.
Hier kann auf verschiedenste Weise eine Augmentation oder ein Ersatz der Flexion (M.€biceps, M.€brachialis – jeweils C5/C6) erreicht werden. Neben der oben bereits genannten Steindler-Operation mit Proximalisation der Unterarmflexoren kann durch den gestielten Transfer des M.€latissimus dorsi oder des M.€pectoralis major bzw. die Umsetzung der Sehne des M.€triceps (nach Bunnell) eine aktive Flexion wiederhergestellt werden. Der damit zu erzielende Kraftgrad wird im Regelfall auch mit präoperativem Training allerdings nicht dem ursprünglichen Niveau entsprechen. Beim kompletten Ausriss aller Wurzeln kann wie oben beschrieben der freie funktionelle neuromuskuläre M.-gracilis-Transfer im Zusammenhang mit einem vorausgegangenen C7-Transfer erforderlich werden. Zur Wiederherstellung der Schulterfunktion (speziell der Außenrotation und Abduktion) kommen vordringlich bereits die oben genannten Verfahren wie der M.-trapezius-Transfer, M.-pectoralis-
major-Transfer, ggf. kombiniert mit Release-Operationen oder mit einer Humerusderotationsosteotomie in Frage. Zur Verbesserung der Handfunktion werden die in den folgenÂ� den Kapiteln dieser Sektion genauer beschriebenen ErsatzoperaÂ� tionen erforderlich. Hier muss jedoch oftmals aufgrund der unterschiedlichen Verletzungsmuster die Vorgehensweise individuell angepasst werden. So kann es aufgrund der Knappheit der zur Verfügung stehenden funktionellen Muskeln notwendig sein, zur Verbesserung der Handfunktion statt auf den M.€pronator teres oder den M.€flexor carpi ulnaris zum Ersatz der Handgelenkstreckung auf die Handgelenkstenodese oder -arthrodese zur Handgelenkstabilisierung zurückgreifen zu müssen. Nur die Kombination einer Vielzahl von Techniken durch den erfahrenen Chirurgen erlaubt in diesen Fällen eine optimale Ausnutzung der noch verbliebenen Ressourcen.
Prognose Aufgrund des unterschiedlichen Verletzungsmusters und der meist vorliegenden Begleitverletzungen ist die Prognose des funktionellen Resultats beim Erwachsenen äußerst schwierig abzuschätzen. Neben der Verletzungsart sind das Alter des Patienten und die Art der durchgeführten operativen Eingriffe (auch der orthopädisch-unfallchirurgischen) von Bedeutung. Im Hinblick auf das funktionelle Ergebnis spielen allerdings sowohl die Erwartungen des Patienten als auch des Chirurgen eine Rolle. Hier ist die empathische, aber auch enge Führung des PatienÂ� ten durch den erfahrenen Spezialisten von entscheidender Bedeutung, um einerseits unrealistische Erwartungen zu vermeiden, andererseits aber die für die langwierige und schwierige Behandlung und Rehabilitation notwendige Compliance sicherzustellen.
Literatur Al-Quattan M (2003) Obstetric brachial plexus injury. J Am Soc Surg Hand 3: 41–54 Birch R (2002) Obstetric brachial plexus palsy. J Hand Surg 27B: 2–8 Birch R, Bonney G Wynn Parry CB (1998) Surgical disorders of the peripheral nerves. Churchill Livingston Gilbert A (2001) Brachial plexus injuries. Martin Dunitz, London Millesi H (2003) Treatment of post-traumatic brachial plexus lesions. Eur Surg 35: 191–195 Oberlin Ch (2003) Les paralysies du plexus brachial de l’adulte par lésions radiculaires: conception générale, orientations thérapeutiques et résultats. Chir Main 22: 273–284 Tomaino MM (2001) Nonobstretical brachial plexus injury. J Am Soc Surg Hand 1: 135–153
41
Schädigung peripherer Nerven der oberen Extremität A. Gohritz
41.1
N.€accessorius (XI.€Hirnnerv)â•… – 354
41.2
N.€dorsalis scapulae (C3–6)â•… – 354
41.3
N.€suprascapularis (C4–C6)â•… – 354
41.4
N.€subscapularis (C5–C6)â•… – 355
41.5
N.€thoracicus longus (C5–C7)â•… – 355
41.6
N.€thoracodorsalis (C6–C8)â•… – 355
41.7
Nn.€pectorales (C5–Th1)â•… – 355
41.8
N.€musculocutaneus (C5–C6)â•… – 355
41.9
N.€axillaris (C5–C6)â•… – 356
41.10
N.€radialis (C5–Th1)â•… – 356
41.11
N.€medianus (C5–Th1)â•… – 357
41.12
N.€ulnarisâ•… – 358
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
354
Kapitel 41 · Schädigung peripherer Nerven der oberen Extremität
Nervenverletzungen an der oberen Extremität sind häufig. Grundlage einer suffizienten Therapie ist eine genaue Kenntnis ihrer Anatomie, die richtige Deutung des klinischen Lähmungsbildes und der gezielte Einsatz von Zusatzdiagnostik. Die Beschreibung des genauen chirurgischen Zugangs in Abhängigkeit von der jeweiligen Läsionshöhe ginge über den Umfang der folgenden Übersicht hinaus, hierzu wird auf die nervenchirurgischen Standardwerke wie z.€B. von Millesi (1992) oder Kline u. Hudson (2008) und die spezifisch für den jeweiligen Nerv angegebenen Artikel verwiesen. Die Nervenkompressionssyndrome werden in einem eigenen Kapitel (7€Kap.€48) behandelt. 41.1
N.€accessorius (XI.€Hirnnerv)
Anatomie Der N.€accessorius (lat.: »zusätzlicher Nerv«) ist der XI.€Hirnnerv, seine beiden Wurzeln enthalten ausschließlich motorische Axone. Die Radix spinalis (»Rückenmarkwurzel«) stammt aus den Â�oberen Halssegmenten des Rückenmarks und tritt seitlich aus dem Â�Rückenmark aus und nicht über dessen Radix anterior. Die Nervenfasern steigen entlang des Rückenmarks im Subarachnoidalraum auf und ziehen durch das Foramen magnum in die hintere Schädelgrube und versorgen als R.€externus den 4 M.€sternocleidomastoideus und 4 M.€trapezius. Die sensible Innervation (Muskelspindeln und Golgi-Sehnenorgane) der beiden Muskeln wird vermutlich über Rr.€musculares aus dem Plexus cervicalis bewirkt. Die Radix cranialis (»Schädelwurzel«) tritt unterhalb des N.€vagus aus der Medulla oblongata aus und erhält »branchiomotorische« Fasern aus dem Nucleus ambiguus, der auch an der Bildung des N.€glossopharyngeus und des N.€vagus (IX. und X.€Hirnnerv) beteiligt ist. Beide Wurzeln vereinigen sich zum N.€accessorius und verlassen den Schädel begleitet vom N.€vagus durch das Foramen jugulare, Pars nervosa. Mit Fasern des N.€vagus bildet er den N.€laryngeus recurrens (Nerv des 6.€Kiemenbogens) zur Versorgung der inneren Larynx- und Pharynxmuskeln.
41
> Klinisch wichtig sind die motorischen Zuflüsse des Plexus cervicalis zum M.€trapezius, die erklären, dass die Inner vation des Muskels bei N.-accessorius-Resektion erhalten bleiben, aber auch bei Schonung des Nervs verloren ge hen kann (infolge Plexus-cervicalis-Resektion).
cessorius bewirkt ein Hängen der betroffenen Schulter (Trapeziuslähmung), der Arm kann nicht über die Horizontale gehoben werden, es bestehen Schmerzen im Schulterbereich.
Diagnostisches Vorgehen Im Mittelpunkt der Funktionsdiagnostik steht das EMG des M.€trapezius. Der Nerv kann auch seitlich hinter dem M.€sternocleido�mastoideus gereizt werden. An bildgebenden Verfahren stehen CT (Foramen ju� gulare) und MRT (Tumoren der Halsregion) im Vordergrund. 41.2
N.€dorsalis scapulae (C3–6)
Anatomie Der N.€dorsalis scapulae innerviert 4 M.€levator scapulae und die 4 Mm. rhomboidei.
Ursachen der Schädigung Häufigste Ursachen sind Unfälle oder Gewaltakte (Stich-, Schussverletzungen).
Klinisches Bild Bei den Patienten bestehen Schmerzen im Bereich des medialen Skapularandes mit einem vergrößerten Abstand zwischen Margo medialis scapulae und der Wirbelsäule, der Angulus inferior scapulae ist nach außen rotiert.
Diagnostisches Vorgehen Bei der klinischen Prüfung in Bauchlage wird der Patient gebeten, den Arm nach hinten zu führen, am stehenden Patient sollen die Arme in die Hüften gestemmt und der Ellbogen gegen Widerstand nach hinten gedrückt werden, evtl. EMG. Differenzialdiagnostisch muss eine Scapula alata (bei Schädigung des N.€thoracicus longus) abgegrenzt werden. 41.3
N.€suprascapularis (C4–C6)
Anatomie Der N.€suprascapularis entspringt den Wurzeln C4–C6 und erreicht nach dorsal durch die Incisura scapulae ziehend die Mm.€supra- und infraspinatus. Er innerviert 4 M.€supraspinatus und 4 M.€infraspinatus (nach Durchtritt durch die Incisura scapulae).
Ursachen der Schädigung
Ursachen der Schädigung
Proximale Schädigungen des N.€accessorius treten bei Tumoren oder Frakturen der Schädelbasis, Prozessen im lateralen Halsdreieck und gelegentlich nach Dissektion der A.€carotis auf.
Häufigste Ursachen sind mechanische Traumata und Kompressionen im Bereich der Incisura scapulae (Frakturen oder Luxationen, Operationen oder Injektionen im Bereich der Schulter) oder Tumoren in diesem Bereich, v.€a. Ganglien. Betroffen sind v.€a. Männer mit repetitiven Mikrotraumata oder Überkopftätigkeiten in Beruf oder Sport (z.€B. Volleyballer, Kanuten).
> Teilparesen sind am häufigsten nach Lymphknotenentfer nungen (Probeentnahme aus einem Halslymphknoten) im seitlichen Halsdreieck, z.€B. bei Verdacht auf Tbc, bei ande ren Lymphomen oder oft im Rahmen einer Neck Dissection.
Selten können auch Verletzungen durch Punktionen der V.€jugularis und sogar durch ein Schleudertrauma bedingt sein.
Klinisches Bild Einseitige Lähmung des M.€sternocleidomastoideus führt zu Einschränkung der Kopfdrehung, bei doppelseitiger Lähmung kann der Kopf beim Liegen nicht gehoben werden. Die Lähmung des N.€ac-
Klinisches Bild Eine Läsion des Nervs führt zur Lähmung und Atrophie der dorsalen Schulterblattmuskeln und schwächt die ersten 20–30° der AbdukÂ� tion des Armes (M.€supraspinatus) sowie die Außenrotation im Schultergelenk (M.€infraspinatus). Bei den betroffenen Patienten bestehen meist 4 ein dumpfer, muskelkaterartiger Schmerz der Schulter, verstärkt bei Überkopfarbeiten,
355
41.8 · N.€musculocutaneus (C5–C6)
4 eine Schwäche der Schulter, v.€a. bei der Abduktion und Außen-
Eine Lähmung des N.€thoracicus longus führt v.€a. beim Â� Hochhalten oder Anstemmen des gestreckten Arms gegen eine Wand zu einem flügelartigen Vorstehen der Schulter (Scapula alata).
Bei distalen Läsionen ist der Schmerz oft weniger ausgeprägt, da die meist sensiblen Fasern den Nerv bereits proximal verlassen. Zur Kompressionen des Nervs kommt es häufig im Bereich des spinoglenoidalen und supraskapulären Abschnitts. Als alternative Schmerzursache kommen zahlreiche andere Pathologien für Schmerzen in diesem Bereich in Frage, z.€B. degenerative Erkrankungen der Halswirbelsäule, zervikale Radikulopathie (v.€a. C5), Thoracic-outlet-Syndrom, Pancoast-Tumor, Bursitis subacromialis, Entzündungen oder Verletzungen der Rotatorenmanschette oder andere Erkrankungen des Glenohumeralgelenks.
Klinisches Bild
rotation (erste 20–30° bis zum Einsatz des M.€deltoideus), 4 eine Atrophie der hinteren Schultermuskeln (M.€supra- und infraspinatus).
Diagnostisches Vorgehen Bei der klinischen Untersuchung besteht Schwäche oder Ausfall der gelähmten Muskeln, z.€B. bei Kratzen am Hinterkopf). Zunächst kann durch Injektion eines Lokalanästhetikums im Bereich des »scapular notch« eine Lokalisation des Problems erfolgen. Dieser Test ist jedoch nicht sehr spezifisch, da er auch zur Besserung von anderen Beschwerdebildern führen kann. Durch elektrophysiologische Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und EMG-Untersuchung (M.€supra-/infraspinatus) kann eine N.-suprascapularis-Läsion identifiziert und lokalisiert werden. Knöcherne Deformitäten können mittels Röntgen festgestellt werden, komprimierende Prozesse, v.€a. Ganglien, mittels Ultraschall oder am besten MRT. Differenzialdiagnostisch muss eine Sehnenruptur der Rotatorenmanschette ausgeschlossen sein. 41.4
N.€subscapularis (C5–C6)
Das typische Zeichen ist die aufgehobene Fixation und das Abstehen des Schulterblattes vom Thorax (Scapula alata), verstärkt bei der Armelevation über die Horizontale hinaus oder beim Abstützen an der Wand. Der Abstand zwischen Margo medialis scapulae und Wirbelsäule ist verringert.
Diagnostisches Vorgehen Neben der klinischen Funktionsprüfung ist eine EMG-Untersuchung möglich. 41.6
N.€thoracodorsalis (C6–C8)
Anatomie Dieser Nerv versorgt motorisch den 4 M.€latissimus dorsi und evtl. 4 M.€teres major.
Ursachen der Schädigung Am häufigsten sind traumatische Plexusläsionen Ursache der Schädigung des N.€thoracodorsalis.
Klinisches Bild Klinisch sind die Oberarmadduktion und die Innenrotation gestört. Dies lässt sich erkennen, wenn der Patient in Bauchlage die gestreckten Arme gegen Widerstand nach hinten medial führen soll (wie zum Schürzenbinden).
Anatomie
Diagnostisches Vorgehen
Dieser Nerv innerviert 4 M.€subscapularis und 4 M.€teres major.
Die Klinik kann durch EMG überprüft werden.
Ursachen der Schädigung Lähmungen entstehen meist traumatisch, z.€B. durch Plexus-braÂ� chialis-Verletzung. Isolierte Schädigungen sind selten.
Klinisches Bild Bei der klinischen Funktionsprüfung ist die Innenrotation des Oberarms geschwächt oder ausgefallen (z.€B. beim Kratzen in der Lumbalgegend).
41.7
Nn.€pectorales (C5–Th1)
Anatomie Die Pektoralnerven versorgen motorisch den 4 M.€pectoralis major und 4 M.€pectoralis minor.
Ursachen der Schädigung Die Lähmungen bestehen meist nach traumatischer Plexusläsion.
Diagnostisches Vorgehen
Klinisches Bild
Ergänzend kann ein EMG durchgeführt werden.
Klinisch ist die Armadduktion geschwächt.
41.5
N.€thoracicus longus (C5–C7)
Anatomie
Diagnostisches Vorgehen Die Klinik lässt sich am leichtesten in leicht elevierter Armhaltung testen, evtl. zusätzlich EMG.
Der rein motorische N.€thoracicus longus entstammt den Wurzeln C5–C7 und versorgt als längster Plexusast den M.€serratus anterior.
41.8
Ursachen der Schädigung
Anatomie
Häufigste Ursache einer Läsion des N.€thoracicus longus ist eine Überbelastung der Schulter, z.€B. durch das Heben und Tragen schwerer Lasten oder eine neuralgische Schulteramyotrophie.
Dieser Nerv aus den Segmenten C5/6 durchbohrt den M.€coracobrachialis, seine Rr.€musculares versorgen motorisch alle Ellbogen� beuger:
N.€musculocutaneus (C5–C6)
41
356
Kapitel 41 · Schädigung peripherer Nerven der oberen Extremität
4 M.€biceps brachii, 4 M.€coracobrachialis, 4 M.€brachialis (teilweise). Sensibel versorgt der Endast die radiale Haut des Unterarms (N.€cutaneus antebrachii lateralis).
Ursachen der Schädigung Häufigste Ursache einer Läsion dieses Nervs ist ein Trauma im Schulterbereich, z.€B. durch Stichverletzung, oder eine traumatische obere Plexusläsion, insbesondere durch Hochrasanztrauma mit Außenrotation der Schulter. ! Cave Differenzialdiagnostisch muss die Ruptur der langen Bi zepssehne abgegrenzt werden: Es findet sich der typische Muskelbauch über dem distalen Oberarm, aber keine Ge fühlsstörung.
Eine Parese der vom N.€musculocutaneus versorgten Muskeln führt zu einer starken Schwächung bis hin zum Ausfall der EllbogenfleÂ� xion. > Die klinische Prüfung erfolgt bei supiniertem Unterarm, um die in Pronation oder Neutralstellung aktive Flexions funktion des N.-radialis-versorgten M.€brachioradialis aus zuschalten.
Diagnostisches Vorgehen Neben der klinischen Prüfung erfolgt eine EMG-Untersuchung (Überleitungszeit zum M.€biceps brachii) und NLG des N.€cutaneus antebrachii lateralis.
N.€axillaris (C5–C6)
Anatomie
41
Diagnostisches Vorgehen Differenzialdiagnostisch ist eine obere Armplexusläsion, RotatoÂ� renmanschettenruptur oder eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung, z.€B. bei Periarthropathia humeroscapularis (PHS), abzugrenzen. Seltener sind eine progressive Muskeldystrophie, arthrogene Muskelatrophie oder Rupturen der Rotatorenmanschette. Notwendig ist daher neben der Anamnese oft ein EMG, Überleitungszeit zum M.€deltoideus, bei Verdacht auf Wurzel-/Plexusläsion auch CT/MRT der oberen Thoraxapertur bzw. HWS. 41.10
N.€radialis (C5–Th1)
Anatomie
Klinik
41.9
tion der Schulter in Ruhe, sodass der Arm leicht nach innen rotiert steht. Die sensible Versorgung ist charakteristischerweise im Bereich des lateralen proximalen Oberarms gestört (»Generalsabzeichen«).
Der N.€axillaris entstammt den Wurzeln C5 und C6. Er verläuft durch die laterale Achsellücke, dann unter dem M.€deltoideus um das Collum chirurgicum humeri herum, begleitet von A.€circumflexa humeri posterior und 2€gleichnamigen Venen. Er gibt Muskeläste ab zum 4 M.€deltoideus und 4 M.€teres minor. Sein sensibler Endast erscheint am hinteren Rand des Deltamuskels und versorgt sensibel die oberen seitlichen und dorsalen Hautgebiete des proximalen Oberarms (N.€cutaneus brachii lateralis superior).
Ursachen der Schädigung Häufigste Ursache einer Axillarisläsion ist eine Schulterluxation, v.€a. nach vorn und unten, sowie die folgende Reposition, oder eine Oberarmhalsfraktur. Seltener sind Drücklähmungen oder GeburtsÂ� trauma oder neuralgische Schulteramyotrophie die Ursache.
Klinisches Bild Eine Parese des N.€axillaris führt zu einer Lähmung des M.€deltoideus und damit zu einer erheblichen Schwächung der Schulterabduktion (nur bis ca. 45°) und der Elevation des Armes nach vorn. Die Schulterkontur ist abgeflacht, Akromion und Humeruskopf treten hervor. Die Lähmung des M.€teres minor schwächt die AußenrotaÂ�
Der N.€radialis (C5–Th1) verläuft am Humerus dorsal und windet sich an diesem im Sulcus n.€radialis mit der A.€profunda brachii zwischen dem medialen und lateralen Kopf des M.€triceps brachii nach unten, wobei der Nerv gegen den Knochen nur durch eine 1–3€mm dünne Bindegewebsschicht gepolstert ist. Er durchbricht distal das Septum intermusculare brachii laterale und gelangt in die Tiefe zwischen M.€brachioradialis und M.€brachialis in die Ellenbeuge. Hier spaltet sich der Nerv in der Regel vor dem Radiusköpfchen in einen oberflächlichen sensiblen und einen tiefen motorischen Ast (.€Abb.€41.1). Er gibt folgende wichtige Äste ab: 4 N.€cutaneus brachii posterior: Zur Haut der Dorsalseite des Oberarms. 4 N.€cutaneus brachii lateralis inferior: Versorgt einen unteren seitlichen Hautbezirk am Oberarm. 4 N.€cutaneus antebrachii posterior: Versorgt die Unterarmstreckseite. 4 Rr.€musculares zum 5 M.€triceps brachii, 5 M.€anconeus, 5 M.€articularis cubiti, 5 M.€brachioradialis und 5 M.€extensor carpi radialis longus. 4 Der R.€profundus durchbohrt den M.€supinator, läuft zwischen oberflächlicher und tiefer Schicht der Strecker und versorgt die Streckergruppe des Unterarms. 4 N.€interosseus posterior: Endast des R.€profundus, erreicht auf der Membrana interossea antebrachii das Handgelenk und versorgt es sensibel. 4 R.€superficialis: Begleitet die A.€radialis (radiale Gefäß-NervenStraße), verläuft am Übergang des mittleren zum distalen RaÂ� diusdrittel unter dem M.€brachioradialis zum dorsalen Unterarm und zum Handrücken und versorgt dort die Haut. 4 R.€communicans cum n.€ulnari: Verbindet R.€superficialis mit R.€dorsalis n.€ulnaris. 4 Nn.€digitales dorsales: Sensible Endäste des R.€superficialis für Grund- und Endglieder der radialen 2½ Finger im dorsalen Bereich, Endglieder von palmar aus.
Ursachen der Schädigung Der N.€radialis wird häufig direkt geschädigt bei Schaftfrakturen des Oberarms (Sulcus radialis), ebenso bei Oberarmschaftbrüchen, Frakturen und Luxationen des proximalen Speichenendes (R.€pro-
357
41.11 · N.€medianus (C5–Th1)
Es sind sensible Ausfälle Haut über Streckerseite des Ober- und Unterarms zu verzeichnen sowie dorsale Haut der Grund- und Mittelglieder der radialen 2½ Finger.
Diagnostisches Vorgehen Nach der Anamnese und klinischen Untersuchung erfolgen bei Bedarf zudem Bildgebung, EMG und NLG abhängig von Läsionshöhe und Lähmungsausmaß.
Darstellung des N.€radialis Die chirurgische Darstellung des N.€radialis erfolgt je nach Läsionshöhe: 4 Oberarm: Posteriore Inzision zwischen dem langen und dem medialen Kopf des M.€triceps. Der Nerv liegt unter dem Caput longum, verläuft dann in der Radialrinne um den Humerusschaft herum. 4 Distaler Oberarm: Hier liegt der Nerv zwischen M.€brachialis und brachioradialis und begleitet den Enast der A.€profunda brachii. 4 Unterarm: Der Nerv verläuft unter dem M.€brachioradialis. DisÂ� tal der Insertion der Sehne des M.€brachialis teilt sich der Nerv in seinen oberflächlichen sensiblen (R.€superficialis) und seinen mototrischen Ast (N.€interosseous posterior). 41.11
N.€medianus (C5–Th1)
Anatomie
. Abb. 41.1╇ Astfolge des N.€radialis
fundus) und nach Bleivergiftungen toxisch-metabolisch alteriert. Auch eine anteriore Luxation des Radiusköpfchens kann zu einem Traktionsschaden oder einer Quetschung zwischen Radius und Ulna führen.
Klinisches Bild Motorisch kommt es bei Läsion in der Axilla u.€a. zur M.-tricepsLähmung (»Krückenlähmung«). Bei hoher Radialisparese fällt die Streckergruppe am Ober- und Unterarm aus, der Ellbogen kann nicht mehr gestreckt werden, Beugung und Supination (durch den M.€brachioradialis) sind abgeschwächt, die Handgelenksextension ist nicht mehr möglich. Es kommt durch das Übergewicht der Antagonisten zu einer Beugestellung des Handgelenks. Der Faustschluss ist, außer bei gestreckter Hand, kaum möglich, was die Greiffunktion erheblich einschränkt. > Bei Läsion weit proximal des Ellbogens tritt eine komplet te Fallhand ein, bei distalerer Schädigung und Erhalt des Abgangs zum M.€extensor carpi radialis kann das Hand gelenk weiter mit Radialdeviation gestreckt werden (in komplette Fallhand), darunter ist die Handgelenks- und Fingerstreckung und radiale Daumenabduktion gelähmt.
Der N.€medianus geht mit seiner lateralen Wurzel aus Fasciculus lateralis, mit seiner medialen Wurzel aus dem Fasciculus medialis hervor. Beide Wurzeln liegen medial und lateral an der A.€axillaris und vereinigen sich vor ihr zum N.€medianus zur sog. Medianusgabel, wobei zahlreiche anatomische Variationen möglich sind. Anschließend verläuft der Nerv gemeinsam mit der A.€brachialis am Septum intermusculare brachii mediale (mediale Gefäß-NervenStraße) entlang in die Ellenbeuge, dann unter Aponeurosis m. bicipitis brachii zum Unterarm. Hier durchbohrt er den M.€pronator teres, dann zieht er zwischen oberflächlichen und tiefen Flexoren des M.€flexor carpi radialis und unter Retinaculum flexorum durch den Karpalkanal zur Hohlhand und teilt sich in die Fingernerven (Nn.€digitales palmares proprii aus Nn.€digitales palmares communes€1–3), die palmar die Haut der radialen 3½ Finger und dorsal die Haut der Endglieder dieser Finger versorgen (.€Abb.€41.2). Er gibt hierbei folgende wichtige Äste ab: 4 Die Rr.€musculares innervieren alle Muskeln der Beugergruppen am Unterarm mit Ausnahme des M.€flexor carpi ulnaris (.€Abb.€41.1). 4 N.€interosseus (antebrachii) anterior: Läuft auf der Membrana interossea antebrachii und versorgt 5 M.€flexor pollicis longus, 5 M.€flexor digitorum profundus (radialer Teil), 5 M.€pronator quadratus, 5 Äste zur tiefen Schicht der Beuger, sensibler Ast zum Periost und Handgelenk. 4 R.€palmaris n.€mediani: Kleiner sensibler Ast aus dem unteren Drittel zur Haut über Handwurzel und Daumenballen. 4 R.€communicans cum n.€ulnari: Verbindet N.€medianus (oder Zweige) mit R.€superficialis des N.€ulnaris auf den langen Beugersehnen in der Hohlhand. 4 Nn. digitales palmares communes 1–3: Motorische Äste für Mm.€lumbricales 1–2 und für Daumenballenmuskulatur (ausgenommen M.€adductor pollicis und Caput profundum des M.€flexor pollicis brevis).
41
358
Kapitel 41 · Schädigung peripherer Nerven der oberen Extremität
. Abb. 41.2╇ Astfolge des N.€medianus
Das sensible Autonomiegebiet findet sich an der Hand im Bereich der Endglieder des Zeige- und Mittelfingers.
Ursachen der Schädigung Medianusverletzungen sind am häufigsten, wenn tiefe Schnittverletzungen am palmaren Handgelenk oder dem distalen Humerus oder penetrierende Verletzungen der medialen Seite des Armes mit Beteiligung der A.€brachialis vorliegen. Andere Ursachen sind Druckläsionen (»Schlaflähmung« oder nach Blutsperre am Oberarm, »Radfahrerlähmung« oder Ganglien am Handgelenk) oder Nervenkompressionen.
. Abb. 41.3╇ Astfolge des N.€ulnaris
Klinisches Bild
41
Als häufigstes Zeichen liegen eine Gefühlsstörung der medianusinnnervierten 3€radialen Finger und ein Ausfall der Daumenopposition vor. > Nur bei hoher Medianusläsion mit Läsion der motorischen Äste zum FPL und FDS und FDP€2 erfolgt der Faustschluss ohne Daumen und Zeigefinger (»Schwurhand«). Ist aber die FPL-Funktion und die FDS- und FDP-Funktion von Zei ge- und Mittelfinger möglich, liegt die Läsion distal des Abgangs des N.€interosseus anterior.
Diagnostisches Vorgehen
4 Proximaler Unterarm: Zugang medial des M.€pronator teres. Der
Nerv liegt zwischen den beiden Muskelköpfen. Der N.€interosseus anterior tritt proximal des Muskels hervor. 4 Distaler Unterarm: Schräger Zugang zwischen den Sehnen des FCU und FCR.€Der Nerv liegt zwischen den oberflächlichen und tiefen Beugesehnen, unter dem M.€palmaris longus. 4 Handgelenk und Palma manus: Zugang parallel zur Hautfalte an der Eminencia thenaris. Der Nerv liegt unter dem Lig.€carpi transversum. Auf den sensiblen R.€palmaris sowie den motorischen R.€thenaris ist zu achten.
Immer erfolgt die Anamnese und klinische Untersuchung; Zusatzuntersuchungen sind je nach Läsionsniveau zusätzlich EMG und NLG.
41.12
Chirurgische Darstellung des N.€medianus
Der N.€ulnaris (C8–Th1) entstammt dem Fasciculus medialis. Er läuft auf der Innenseite des Oberarms hinter dem Septum intermusculare brachii mediale zum Sulcus n.€ulnaris an der Unterseite des Epicondylus medialis, hier liegt er oberflächlich unter der Haut und kann palpiert und durch Beklopfen gereizt werden (»Musikantenknochen«). Am Oberarm gibt er keine Äste ab, schlüpft zwischen Caput humerale und ulnare des M.€flexor carpi ulnaris zur Beuger-
Die Darstellung erfolgt je nach Höhe der Läsion an folgenden Stellen: 4 Arm: Medialer Zugang anterior des Septum intermusculare. Der Nerv verläuft neben der A.€brachialis. 4 Ellbogen: Inzision entlang der medialen Begrenzung des M.€biceps brachialis. Der Nerv findet sich unter der Fascia antebrachii und dem Lacertus fibrosus.
N.€ulnaris
Anatomie
359
41.12 · N.€ulnaris
Darstellung des N.€ulnaris 4 Arm: Medialer Zugang anterior zum Septum intermusculare. Der Nerv verläuft unter der Faszie des Septums.
4 Ellbogen: Zugang direkt über dem Sulcus ulnaris, zwischen Olecranon und Epicondylus medialis.
4 Unterarm: Inzision ulnar entlang der medioaxialen Linie, Spaltung der beiden Köpfe des FCU, unter dem der Nerv auf dem FDP verläuft. 4 Handgelenk und Palma manus: Inzision parallel zur Hautfalte an der Basis der Eminencia thenaris, Inzision über dem Os pisiforme, Schonung der Aufteilung zwischen seniblen und motorischen Ästen. . Abb. 41.4╇ Froment-Zeichen
seite des Unterarms und zieht unter diesem Muskel mit der A.€ulnaris (ulnare Gefäß-Nerven-Straße) über das Retinaculum flexorum hinweg zur Hand. Der Nerv gibt am Unterarm folgende Äste ab (.€Abb.€41.3): 4 Rr.€musculares: Für den M.€flexor carpi ulnaris und für den ulnaren Anteil des M.€flexor digitorum profundus. 4 R.€dorsalis n.€ulnaris: Geht etwa am Übergang vom mittleren zum distalen Unterarmdrittel ab, läuft unter dem M.€flexor carpi ulnaris zum Handrücken, anastomisiert mit R.€superficialis n.€radialis, gibt Nn.€digitales dorsales zur sensiblen Innervation der ulnaren 2½ Finger am jeweiligen Grund- und Mittelglied ab. Die Endglieder weden von palmar versorgt. 4 R.€palmaris n.€ulnaris: Versorgt die Haut an der ulnaren Seite der Hohlhand (Kleinfingerballen). 4 R.€superficialis: Liegt unter der Palmaraponeurose, anastomisiert mit N.€medianus, gibt eine Ast ab für den M.€palmaris brevis und spaltet sich in folgende Nerven: 5 Nn. digitales palmares proprii (aus Nn.€digitales palmares communes) für die Haut der ulnaren 1½ Finger einschließlich der Dorsalseite der Endglieder. 5 R.€profundus ist der motorische Ast für alle Hypothenarmuskeln und für alle Mm.€interossei palmares und dorsales, die Mm.€lumbricales€3 und€4, Caput profundum des M.€flexor pollicis brevis. Das sensible Autonomiegebiet des N.€ulnaris befindet sich am Endglied des Kleinfingers.
Ursachen der Schädigung N.-ulnaris-Verletzungen treten v.€a. bei tiefen Wunden am ulnopalmaren Handgelenk und Verletzungen im Bereich des posterioren Epicondylus medialis auf. Kennzeichnend ist der Sensibilitätsausfall am Klein- und ulnaren Ringfinger, motorisch fällt der FCU, FDP€4 und€5, die Mm. interossei und die Adduktion des Daumens aus, die der Patient z.€B. beim Versuch, ein Papier zwischen Dauem und Zeigefinger einzuklemmen, mittels Beugung des Daumenendgelenks (FPL) zu kompensieren versucht (Froment-Zeichen; .€Abb.€41.4).
Diagnostisches Vorgehen Anamnese und klinischer Befund sind obligat, in Zweifelsfällen Â�bildgebende Diagnostik, EMG und NLG abhängig von der Läsionshöhe.
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41
42
Schädigung peripherer Nerven der unteren Extremität A. Gohritz
42.1 N.€ischiadicus (L4–S3)â•… – 362 42.2 N.€femoralis (L1–L4)â•… – 362 42.3 N.€obturatorius (L3–L4)â•… – 363 42.4 Nn.€glutaei (L4–S2)â•… – 363 42.5 N.€peronaeus (L4–S2)â•… – 363 42.6 N.€tibialis (L4–S3)â•… – 365
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
362
Kapitel 42 · Schädigung peripherer Nerven der unteren Extremität
42.1
N.€ischiadicus (L4–S3)
Anatomie Aus dem N.€ischiadicus, dem längsten und dicksten Nerv des menschlichen Körpers, entstammen die Nn.€fibularis und tibialis, deren Anteile schon im Stammgebiet topographisch getrennt, aber bis zum Knie von einem gemeinsamen Epineurium umgeben sind. Der N.€ischiadicus gibt im Stammbereich sensible Äste ab (.€Abb.€42.1): 4 Nn.€clunii (zum Gesäß), 4 N.€cutaneus femoris posterior (zur Oberschenkelrückseite). Weiter distal gehen die motorischen Äste zur ischiokruralen Muskulatur ab: 4 M.€semimembranosus/M.€semitendinosus, 4 M.€biceps femoris.
Ursachen der Schädigung Ursachen für N.€-ischiadicus-Lähmungen im proximalen StammÂ� bereich sind vielfältig, am häufigsten 4 Frakturen des Beckenrings oder des proximalen Oberschenkels, 4 Folgen von Operationen (dorsaler Zugang zum Hüftgelenk) oder 4 Spritzenlähmungen, 4 Affektionen der Nervenwurzeln durch Bandscheibenvorfall, Spinalstenose, Erkrankungen der Wirbelsäule (z.€B. Spondylolisthese oder Spondylitis), 4 Tumoren im Becken oder des Rückenmarks. Schädigungen des proximalen Nervenstamms sind 4 Spritzenabszesse, 4 komplexe Beckenverletzungen (Schussverletzung, Luxationsfrakturen). Periphere Störungen seiner Äste betreffen den N.€peronaeus und den N.€tibialis.
Klinisches Bild
42
Bei kompletter N.€-ischiadicus-Parese verbleiben als Kniebeuger nur die Muskeln des Pes anserinus. Füße und Zehen sind völlig gelähmt. Vom Ischiasnerv werden ein Großteil des lateralen und dorsalen Unterschenkels, des Fußes und die gesamte Fußsohle sensibel versorgt. Neben den schwerwiegenden motorischen Defiziten können ausgesprochen quälende Hyperpathien auftreten. Folge der AsenÂ� sibilität sind trophische Störungen bis hin zu chronischen UlzeraÂ� tionen am Fuß. Bei den Ischiasschädigungen fällt häufig auf, dass der Peronäusanteil des Nervs oft allein oder überwiegend betroffen ist. Erklärungsmöglichkeiten liegen u.€a. in der frühen Trennung von PeroÂ� näus- und Tibialisanteilen schon kurz distal des Foramen infrapiÂ� riforme, in einer besonderen Anfälligkeit des Peronäusanteils auf Dehnung und in Durchblutungsdifferenzen. ! Cave Die Ursache einer scheinbar isolierten Peronäusparese kann durchaus in einer Schädigung des proximalen Ischias stamms liegen!
Diagnostisches Vorgehen Nach Feststellung des Ausmaßes der Lähmung können die LokaÂ� lisation und die Ursache durch Neurographie, evozierte PotenÂ�
. Abb. 42.1╇ Verlauf und Astfolge des N.€ischiadicus
ziale,€Kernspintomographie und Computertomographie festgestellt werden. 42.2
N.€femoralis (L1–L4)
Anatomie Der N.€femoralis, aus den Wurzeln L1–L4 entstammend, zieht mit den großen Gefäßen unter dem Leistenband hindurch zum Oberschenkel und liefert die motorische Versorgung für 4 M.€iliacus, M.€psoas major (Muskeln der Hüftbeugung), 4 M.€quadriceps femoris (Kniestrecker; .€Abb.€42.2). Sensibel versorgt er die Oberschenkelvorderseite (Rr.€cutanei anteriores) und mit seinem Endast, dem N.€saphenus, den medialen Anteil der Unterschenkelvorderseite.
Ursachen der Schädigung Häufigste Ursache einer Femoralisläsion sind Unfälle, Operationen, Tumoren oder Hämatome der Psoasscheide, v.€a. bei antikoagulierten Patienten.
Klinisches Bild Die Femoralislähmung schwächt die Hüftbeugung (Prüfung im Sitzen) und Kniestreckung (Prüfung in Rückenlage). Im Stehen steht die Patella auf der betroffenen Seite tiefer, der Patellarsehnenreflex
363
42.5 · N.€peronaeus (L4–S2)
Ursachen der Schädigung Der N.€obturatorius wird v.€a. durch Beckenfrakturen oder Raumforderungen im kleinen Becken oder im Foramen obturatorium (z.€B. Tumoren, Hernien) geschädigt.
Klinisches Bild Sein Ausfall führt zu einer inkompletten Parese der Adduktoren des Oberschenkels, schwächt den Adduktorenreflex (ausgelöst durch Schlag auf den Condylus medialis femoris) und bewirkt eine Sensibilitätsstörung medial oberhalb des Knies. Schmerzen sind typischerweise inguinal, perinäal, an Hüfte, Knie (Howship-RhombergSyndrom) und medialen Oberschenkel lokalisiert.
Diagnostisches Vorgehen Die Diagnostik stützt sich auf Anamnese, EMG und Bildgebung (z.€B. CT/MRT des kleinen Beckens). Differenzialdiagnostisch kommt eine Wurzelläsion (L2–L4), ossäre Prozesse (Hüftgelenk, Os pubis, Symphyse) oder eine Ansatztendinose in Frage. 42.4
Nn.€glutaei (L4–S2)
Anatomie . Abb. 42.2╇ Verlauf und Astfolge des N.€femoralis
fehlt. Geringe motorische Defizite werden leicht übersehen. Eine vollständige Lähmung führt zum Ausfall der Kniestreckung. Der Patellarsehnenreflex fehlt. Der Kranke vermeidet es dann, das Bein mit angebeugtem Knie aufzusetzen, weil er dabei nach vorn einknickt und stürzt. Daraus resultiert eine empfindliche Störung des Gangbildes mit vorsichtigen, kurzen Schritten und Unsicherheit beim Treppensteigen. Ist der M.€iliopsoas mit betroffen, ist zusätzlich die aktive Hüftbeugung beeinträchtigt. Im Versorgungsgebiet der sensiblen Äste, des N.€cutaneus anterior (Oberschenkelinnen- und -außenseite) und des N.€saphenus (infrapatellar, medialer Unterschenkel und Fuß) ist die Sensibilität gestört.
Diagnostisches Vorgehen Feststellung des Schweregrads und Lokalisation der Ursache: Neurographie, evozierte Potenziale, Kernspintomographie.
Therapeutisches Vorgehen Nach Möglichkeit sollte man versuchen, die Ursache auszuschalten: Ausräumung komprimierender Hämatome oder Tumoren (Lymphome in der Leiste), Neurolyse, Nervennaht bei direkter Verletzung. Bevor eine Arthrodese des Kniegelenks in Erwägung gezogen wird, steht die Bizepstransposition als motorischer Ersatz zur Verfügung (7€Kap.€46). 42.3
N.€obturatorius (L3–L4)
Anatomie Der N.€obturatorius aus L3–L4 ist motorisch für die Oberschenkeladduktoren und sensibel für eine kleine Hautinsel oberhalb der Kniegelenksinnenseite zuständig.
Die Nn.€glutaei innervieren die Hüftabduktoren und -strecker. Der N.€glutaeus superior (L4–S1) innerviert 4 Mm. glutaeus medius und minimus, 4 M.€tensor fasciae latae. Der N.€glutaeus inferior (L5–S2) versorgt den M.€glutaeus maximus.
Ursachen der Schädigung Die Nn.€glutaei werden am häufigsten durch Entbindungen, RektumÂ� tumoren, intramuskuläre Injektionen (Spritzenläsion), Aneurysmen und Beckenfrakturen geschädigt.
Klinisches Bild Die Läsion des N.€glutaeus superior (L4–L5) lähmt die Mm.€glutaeus medius und minimus sowie den M.€tensor fasciae latae und bewirkt eine Beckeninstabilität auf der Standbeinseite, das beim Gehen zur Schwungbeinseite hin abkippt (Trendelenburg-Hinken). Bei unvollständiger Lähmung kann dieses Absinken durch Rumpfneigung zur Standbeinseite und Verlagerung des Körperschwerpunktes kompensiert werden (Duchenne-Hinken, »Watschelgang«). Die Läsion des N.€glutaeus inferior (L5–S1) lähmt den M.€glutaeus maximus und damit die Hüftstreckung, wodurch z.€B. das Treppensteigen erschwert ist. Die Muskelatrophie lässt sich bei Kontraktion im Seitenvergleich tasten, die Gesäßfalte steht auf der gelähmten Seite tiefer.
Diagnostisches Vorgehen Die Diagnostik stützt sich auf Anamnese und EMG. DifferenzialÂ� diagnostisch kann auch ein C5-Syndrom, eine Plexus-lumbosacralis-Läsion, Myopathie oder Läsion des N.€cutaneus femoris lateralis (Meralgia paraesthetica) vorliegen. 42.5
N.€peronaeus (L4–S2)
Anatomie Der N.€peronaeus communis zieht am lateralen Rand der Kniekehle hinter der Bizepssehne um das Collum fibulae herum, tritt in den
42
364
Kapitel 42 · Schädigung peripherer Nerven der unteren Extremität
> Kennzeichnend für eine Läsion des N.€fibularis profundus sind ein Fallfuß und ein Steppergang.
Die Sensibilität am Fußrücken ist gestört und im 1.€Spatium interosseum aufgehoben. Komplette Lähmungen betreffen die peronäale Muskelgruppe, den M.€tibialis anterior und die Zehenstrecker. Die Hebung des Fußes ist eingeschränkt oder nicht mehr möglich. Hackenstand und -gang sind beeinträchtigt. Es kommt mit der Zeit zur SpitzfußÂ� kontraktur. Beim Gehen schleift die herabhängende Fußspitze am Boden, das Bein wird deshalb bewusst angehoben (Steppergang). Die Sensibilitätsstörung findet sich am Fußrücken und an der Außenseite des Unterschenkels. Der Profundusast innerviert die Fußrückenhaut zwischen dem 1. und 2.€Mittelfußköpfchen. Bei Schädigung im Stammbereich treten beide Lähmungsmuster zusammen auf. > Differenzialdiagnostisch finden sich eine Fußheberschwä che und Sensibilitätsstörung am Fußrücken auch bei kom binierten Schädigungen der 4. und 5.€Lumbalwurzeln, hier sind jedoch auch die Fußabduktion und die Fußinversion geschwächt.
Eine zunächst isolierte, dann fortschreitende Fußheberlähmung ohne Gefühlsausfall kann erster Hinweis auf eine spinale Muskelathrophie oder eine amyotrophe Lateralsklerose (ALS) sein. Beim Tibialis-anterior-Syndrom infolge eines Kompartmentsyndroms der Muskeln in der Tibialis-anterior-Loge durch Überlastung (Trauma oder Hämatom) kommt es zu einer lokalen schmerzhaften Muskelschwellung.
. Abb. 42.3╇ Verlauf und Astfolge des N.€peronaeus
M.€peronaeus longus ein und trennt sich in einen oberflächlichen und einen tiefen Anteil auf (.€Abb.€42.3). Der N.€peronaeus superficialis versorgt motorisch 4 M.€peronaeus longus, 4 M.€peronaeus brevis.
42
Sensibel innerviert er die Unterschenkelaußenseite und des FußÂ� rückens, ausgenommen den ersten Zwischenzehenraum (Spatium interossium€1), der vom N.€fibularis profundus innerviert wird. Der N.€peronaeus profundus versorgt motorisch die Fuß- und Zehenheber sowie die kurzen Muskeln des Fußrückens.
Ursachen der Schädigung Schädigungen des Fibularisstamms werden meist verursacht durch scharfe Verletzungen oder stumpfe Traumata, z.€B. bei Kniegelenksfrakturen oder durch eine Druckschädigung des N.€peronaeus communis oder seines superfizialen und profunden Astes am Fibulaköpfchen (Lagerungsschaden, zu enger Gips). Schädigungen der einzelnen Äste kommen durch Hämatome, Frakturen und OperaÂ� tionen (Fibulaosteotomie) zustande.
Klinisches Bild Bei Ausfall des N.€fibularis superficialis kommt es zu einer PronaÂ� tionsschwäche des Fußes, der laterale Fußraum kann nicht mehr angehoben werden.
! Cave Das resultierende Kompartmentsyndrom beim Tibialis-an terior-Syndrom nimmt bei Plantarflexion des Fußes zu und kann innerhalb von 12–24€h zur Muskelnekrose führen. Infolge einer fibrotischen Verkürzung der Muskeln in der Tibialisloge kann das typische Bild des Fallfußes ausbleiben.
Eine zusätzliche Schädigung des durch die Tibialisloge ziehenden N.€fibularis profundus kann Ursache einer irreführenden Sensibilitätsstörung am Fußrücken sein.
Diagnostisches Vorgehen Die Lokalisation der Ursache erfolgt durch NLG-Messung: motorische NLG (Leitungsblock am Fibulaköpfchen?), ggf. sensible NLG des N.€peronaeus superficialis/profundus sowie durch EMG (Mm.€tibialis anterior, extensor hallucis longus, peronaeus brevis/longus und immer auch des kurzen Kopfes des M.€biceps femoris, um eine Ischiasparese auszuschließen.
Therapeutisches Vorgehen Konservative Behandlung ist möglich durch Krankengymnastik zur Spitzfußprophylaxe, Training der muskulären Restfunktionen und Elektrotherapie zur Vorbeugung einer Atrophie. Ein dauerhaftes motorisches Defizit wird durch Orthesen kompensiert, die den Fuß passiv in der Dorsalextension halten. Je nach Schwere der Lähmung reicht eine speziell geführte elastische Bandage aus, oder es werden mehr oder weniger starre Fußheberschienen appliziert. Bei ausgeprägter Lähmung ist für schwere körperliche Arbeit eine Art Arthrodesenstiefel nötig. Eine gute Alternative ist die motorische Ersatzplastik (7€Kap.€46).
365
42.6 · N.€tibialis (L4–S3)
42.6
N.€tibialis (L4–S3)
Anatomie Der N.€tibialis versorgt als medialer N.€-ischiadicus-Anteil am Unterschenkel die Flexoren des Fußes und der Zehen und am Fuß die kleinen Fußmuskeln außer denjenigen am Fußrücken. Das sensible Versorgungsgebiet ist die Ferse und die Fußsohle (.€Abb.€42.4).
Ursachen der Schädigung Als Ursache für eine Schädigung des N.€tibialis kommen suprakondyläre Frakturen, Tibiafrakturen oder Schussverletzungen in Frage. Druckschädigungen (z.€B. durch fehlerhafte Lagerung bewusstseinsgestörter Patienten), Irritationen und Störungen des Ischiasnervs sind häufig, meist aufgrund von Krankheiten der Wirbelsäule (Wurzelreizsyndrom, Ischialgie). Sie betreffen nur einen Teil der Ischiasfunktionen und können meist einer Nervenwurzel zugeordnet Â�werden. Beim Tarsaltunnelsyndrom kommt es zur chronischen Druckschädigung des N.€-tibilalis-Endastes hinter dem Knöchel, meist infolge von Frakturen oder Distorsionen des oberen Sprunggelenks, aber auch im Rahmen von Polyneuropathien (v.€a. Diabetes mellitus).
Klinisches Bild Typisch sind ein positives Tinel-Zeichen sowie Schmerzen hinter dem Malleolus medialis oder an der Fußsohle, die beim Gehen zunehmen können. Die Sensibilität an der Fußsohle ist gestört, die Haut glatt, trocken und rissig. Das Spreizen der Zehen ist nicht möglich. Der Nerv versorgt den M.€triceps surae, die Zehenbeuger, die intrinsische Fußmuskulatur und den M.€tibialis posterior. Der vollständige Ausfall macht die Stabilisierung des Sprunggelenks im Stand und beim Gehen unmöglich. Auch partielle Lähmungen können die Gehfähigkeit empfindlich beeinträchtigen. Vor allem die Plantarflexion des Fußes (Abstoßen des Fußes am Ende der Standphase, Zehenspitzenstand) ist eingeschränkt oder nicht mehr möglich. Die Sensibilitätsstörung bezieht sich auf die Fußsohle, den lateralen Fußrand und die Wade. Durch das Übergewicht der dorsal extendierenden Muskeln entwickelt sich auf Dauer ein Hackenfuß. Durch Ausfall der Plantarflexoren ist der Zehenspitzengang, durch Ausfall der kleinen Fußmuskeln das Zehenspreizen unmöglich. Die Asensibilität der Fußsohle erhöht das Risiko für unbemerkte Verletzungen und Ulkusbildungen. Die Morton-Metatarsalgie ist ein Schmerzsyndrom eines sensiblen Endastes des N.€tibialis (N.€digitalis), die beim Auftreten, später auch in Ruhe, zu Beschwerden im Vorfußbereich führen kann. Diese lassen sich auch durch seitliches Zusammendrücken des Vorfußgewölbes oder Verschieben der Metatarsalköpfchen gegeneinander auslösen. Ursache ist wahrscheinlich weniger ein echtes Neurom als eher ein Nervenengpasssyndrom bedingt durch die Ligg.€intermetatarsalia.
Diagnostisches Vorgehen Bei Lokalisation der Nervenschädigung im hinteren Tarsaltunnel oder an der Fußsohle (Morton-Metatarsalgie) führt eine Instillation von Lokalanästhetikum oft zur Beschwerdebesserung. Sonst ist eine Befunddokumentation mittels NLG, EMG und Bildgebung möglich.
Therapeutisches Vorgehen Die zugrunde liegende Pathologie sollte, wo immer möglich, beseitigt werden. Bei irreversibler Lähmung ist ein orthopädischer Maßschuh indiziert, der das Sprunggelenk stabilisiert und die fehlende Plantarflexion durch eine Ausstellung des Absatzes nach hinten kompensiert (Schleppenabsatz). Bei funktionierender Peronäalmus-
. Abb. 42.4╇ Verlauf und Astfolge des N.€tibialis
kulatur kann diese u.€U. als Fußsenker im oberen Sprunggelenk wirken, da kein Kraftvektor plantar der Sprunggelenksbewegungsachse besteht.
Literatur Grant GA, Goodkin R, Kliot M (1999) Evaluation and surgical management of peripheral nerve problems. Neurosurgery 44: 825–839 Kim DH, Cho Y, Ryu S, Tiel RL, Kline DG (2003) Surgical management and results of 135 tibial nerve lesions at the Lousiana State University Health Sciences Center. Neurosurgery 53: 1114–1124 Kim DH, Murovic JA, Tiel R, Kline DG (2004) Management and outcomes of 353 surgically treated sciatic nerve lesions. J Neurosurg 101: 8–17 Kim DH, Murovic JA, Tiel RL, Kline DG (2004) Management and outcomes in 318 operative common peroneal nerve lesions at the Lousiana State University Health Sciences Center. Neurosurgery 54: 1421–1428 Kim HD, Midha R, Murovic JA, Spinner RJ (2008) Kline & Hudson’s nerve injuries, 2nd edn. Elsevier, Amsterdam Kline DG, Tiel R, Kim D, Harsh C (1998) Lower extremity nerve injuries. In: Omer GE, Spinner N (eds) Management of peripheral nerve problems. Saunders, Philadelphia Millesi H (1992) Chirurgie der Peripheren Nerven. Urban & Schwarzenberg, München
42
43
Motorische und nervale Ersatzoperationen bei Lähmungen an Unterarm und Hand A. Gohritz, P.M. Vogt
43.1
Grundlagenâ•… – 368
43.1.1 43.1.2 43.1.3 43.1.4 43.1.5 43.1.6 43.1.7 43.1.8 43.1.9
Therapieprinzipâ•… – 368 Indikationenâ•… – 368 Voraussetzungenâ•… – 368 Wahl des Motorsâ•… – 369 Zeitplanungâ•… – 369 Alternativen/Zusatzeingriffeâ•… – 370 Kontraindikationenâ•… – 370 Team-Konzeptâ•… – 370 Prinzipien der Nachbehandlungâ•… – 370
43.2
Operative Therapie bei Lähmung peripherer Nerven an Unterarm und Handâ•… – 370
43.2.1 43.2.2
Nerventranspositionen bei Lähmungen an Unterarm und Handâ•… – 370 Kombinierte Nervenläsionen der oberen Extremitätâ•… – 376
43.3
Ergebnisse und Komplikationenâ•… – 376
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
368
Kapitel 43 · Motorische und nervale Ersatzoperationen bei Lähmungen an Unterarm und Hand
Abkürzungen 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
BR: M.€brachioradialis ECRB: M.€extensor carpi radialis brevis ECRL: M.€extensor carpi radialis longus ECU: M.€extensor carpi ulnaris EDC: M.€extensor digitorum communis EDM: M.€extensor digiti minimi EPL: M.€extensor pollicis longus FCR: M.€flexor carpi radialis FCU: M flexor carpi ulnaris FDP: M.€flexor digitorum profundus FDS: M.€flexor digitorum superficialis FPB: M.€flexor pollicis brevis FPL: M.€flexor pollicis longus PCSA: »physiologic cross sectional area« (physiologische Muskelquerschnittsfläche) 4 PL: M.€palmaris longus
Nervenverletzungen der oberen Extremität führen oft zu schweren Funktionsbeeinträchtigungen. Mikrochirurgische Techniken haben die Ergebnisse nach Nervenrekonstruktion in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert, allerdings bleibt die Aussicht auf Funktionswiederkehr, v.€a. bei proximalen Stammnervenläsionen, bei verspätet oder im höheren Lebensalter versorgten Verletzungen häufig ungünstig. So zeigt die hohe Radialisparese auch nach primärer Nervenrekonstruktion bei langer Latenzzeit oft unbefriedigende Ergebnisse, bei proximaler Ulnarislähmung kommt eine Reinnervation der Handbinnenmuskeln selten vor. Motorische Ersatzoperationen durch Muskel- oder Sehnentransposition können in jeder Phase nach der Verletzung zu einer Wiederherstellung verlorener Nervenfunktionen und zur Besserung der Funktion an der oberen Extremität führen. 4 Eine motorische Ersatzoperation bietet dem Patienten eine Alternative zur dauerhaften Lähmung. 4 Sie vermeidet langfristige Schienenbehandlung. 4 Sie verkürzt die Rehabilitationsperiode. An der oberen Extremität sind für alle Stammnerven viele Ersatzoperationen bekannt, deren Prognose vom Lähmungsmuster, den lokalen Unfallschäden (z.€B. an Weichteilen und Gelenken) sowie den Eigenschaften des Spendermuskels abhängt.
43
> Auch bei komplexen Schädigungen mit geringerer Funk tionswiederkehr als nach isolierten motorischen Ausfällen stellen Ersatzoperationen einen wertvollen Funktions gewinn dar, der eine brauchbare Handfunktion oft erst wieder ermöglicht.
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über in der Praxis bewährte Techniken der motorischen Ersatzoperationen am Unterarm und an der Hand nach peripheren Nervenverletzungen und soll damit Hilfestellung bei der Indikationsstellung zu diesen Operationen sein. Die motorischen Ersatzoperationen der Schulter und des Ellbo gens werden in 7€Kap.€40 behandelt.
43.1
Grundlagen
43.1.1 Therapieprinzip > Motorische Ersatzoperationen können irreparabel verlo rene Muskelfunktionen durch eine Transposition von ge sunden Sehnen-Muskel-Einheiten ersetzen und so die Funktion gelähmter oder zerstörter Muskelgruppen wie derherstellen.
Der Spendermuskel kann unipolar gestielt verlagert werden, wenn er proximal in situ verbleibt und seine Sehne auf den peripheren Anteil des zu ersetzenden Muskels transponiert wird, er wird mit Ursprung und Ansatz bipolar unter Erhalt des Gefäß-Nerven-Bündels verlagert. In Ausnahmefällen ist die freie, d.€h. mikrochirurgische Transplantation eines funktionellen Muskels (z.€B. M.€gracilis, M.€latissimus dorsi oder M.€rectus femoris) möglich. 43.1.2 Indikationen Angewendet werden motorische Ersatzoperationen in erster Linie 4 nach irreparablen Nervenverletzungen, 4 nach Muskel- und Sehnenzerstörung durch Trauma, Tumor oder Ischämie (Volkmann-Kontraktur), 4 nach Erkrankungen peripherer Nerven (z.€B. Lepra, Polio), 4 nach angeborenen Muskelausfällen (z.€B. Arthrogryposis), 4 bei Fehlbildungen (z.€B. Daumenhypoplasie) sowie begrenzt 4 bei spastischen Bewegungsmustern zentraler Erkrankungen (z.€B. bei Zerebralparese oder nach Apoplex; Richards 2003; Switlick u. Sheppard 2005). 43.1.3 Voraussetzungen Die wichtigsten Bedingungen für eine motorische Ersatzoperation sind in der .€Übersicht zusammengefasst. Voraussetzungen für die Muskeltransposition 4 Keine spontane Funktionsrückkehr (durch Nervenregeneration) zu erwarten 4 Operative Alternativen ausgeschöpft (z.€B. Nervennaht oder -dekompression, Sehnen- oder Muskelrekonstruktion) 4 Keine weitere Verbesserung durch Handtherapie 4 Einsichtsfähigkeit und Motivation (v.€a. zur Nachbehandlung) des Patienten 4 Behandlungsplan nach körperlicher Untersuchung und Beratung des Patienten 4 Verzichtbare und geeignete Spendermuskeln (Kraftgrad ≥M4; .€Tab.€38.5) vorhanden 4 Günstige Weichteilsituation 4 Möglichst freie passive Gelenkbeweglichkeit
Motorische Ersatzoperationen sind in der Regel erst durchzuführen, wenn nach konservativen und operativen Maßnahmen ein Funktionsplateau erreicht und keine weitere Besserung zu erwarten ist.
369
43.1 · Grundlagen
> Damit die chirurgische Rehabilitation mit größtmöglicher Sicherheit zu einer Verbesserung der Gebrauchsfähigkeit der Hand führt, ist eine genaue sorgfältige Untersuchung für die Planung der Operation unbedingt notwendig, um gemeinsam anhand des Lähmungsbildes (.€Tab.€38.5) ei nen Behandlungsplan aufzustellen, der das zu erwartende Ergebnis und den individuellen Gewinn detailliert vorher sagt.
Durch präoperative Physiotherapie kann der Spendermuskel gestärkt werden, sie ist oft auch ein Maß für die unbedingt notwendige Motivation und Einsichtsfähigkeit des Patienten, ohne die derartige Eingriffe fehlschlagen. Die physiologischen Eigenschaften des Spendermuskels, v.€a. hinsichtlich Kraft, Amplitude und Funktion, müssen dem zu ersetzenden Muskel nahe kommen. Eingeteilt nach den Graden M0–M5 des British Medical Research Council sollte seine Muskelkraft mindestens M4 (Kraft gegen Widerstand; .€Tab.€38.5) entsprechen, da in der Regel 1€Kraftgrad verloren geht. Muskeln mit einem Kraftgrad M3 kommen für augmentierende Ersatzoperationen bei erhaltener Restfunktion in Frage. Synergisten besitzen meist eine ähnliche Verlaufsrichtung und Funktion sowie zusätzlich ein ähnliches Innervationsmuster, wodurch das postoperative Umlernen erleichtert wird. > Zunächst muss eine günstige Weichteilsituation, also ein geeignetes Sehnenlager und Subkutangewebe, geschaf fen werden.
Bei Bedarf kann durch Einlegen von Silastikstäben innerhalb von 8€Wochen eine gute Gleitoberfläche geschaffen werden. Die Lokalverhältnisse müssen frei von Ödem, offenen Wunden, Infektion oder Entzündung sein. Besteht Narbengewebe, etwa nach VoroperatioÂ� nen, sollte dieses exzidiert werden. In manchen Fällen kann durch gestielte oder freie Lappenplastiken gesundes Gewebe eingebracht werden, um die Ernährung der Sehnen und ihr Gleiten zu sichern. > Gelenkkontrakturen müssen präoperativ korrigiert wer den, entweder konservativ durch intensive passive Be übung oder chirurgisch durch Gelenklösungen, weil auch der stärkste Spendermuskel ein steifes Gelenk nicht mobi lisieren kann.
Vor oder nach der motorischen Ersatzoperation sind Zusatzeingriffe nützlich – insbesondere Tenolyse, Sehnenverlängerung, Tenodesen, Arthrodesen – um das Ergebnis noch weiter zu verbessern. 43.1.4 Wahl des Motors Idealer Ersatz eines gelähmten Muskels wäre ein Spendermuskel mit gleichen mechanischen Eigenschaften hinsichtlich Volumen, Faserlänge und relativer Kraft und mit einer möglichst ähnlichen Muskelarchitektur, die die Wirkungsweise des Spendermuskels in seiner neuen Ersatzfunktion entscheidend bestimmt. Eine große Rolle spielen hier v.€a. die physiologische Muskelquerschnittsfläche (engl. »physiologic cross sectional area«; PCSA) und die Muskelfaserlänge, weil die Kraftentwicklung eines Muskels direkt proportional zu seiner PCSA ist und die Muskelfaserlänge direkt proportional zur Exkursion und Kontraktionsgeschwindigkeit. Es hat sich bewährt, den Spendermuskel mit einer »Stärke« und Exkursion zu wählen, die derjenigen des zu ersetzenden Muskels ähnlich ist (Fridén 2005a,€b). Funktionell günstig ist die gleichzeitige Kontraktion mehrerer Muskeln, durch die sich die Wirksamkeit je-
des einzelnen Muskels erhöhen kann, z.€B. besteht eine Synergie zwischen Handgelenkstreckern und Fingerbeugern beim Faustschluss oder von Handgelenksbeugern und Fingerstreckern beim Öffnen der Hand. Prinzipiell können jedoch alle Muskelgruppen transponiert werden, die durch den Patienten willentlich steuerbar sind (Brand u. Hollister 1999; Brüser 1999). > Bei Antagonisten ist meist ein erheblicher Richtungswech sel des Muskelverlaufs notwendig, z.€B. von der Beuge- auf die Streckseite der Hand, wodurch Gleitfähigkeit und Kraft verloren gehen können.
Die Muskelexkursion kann nach der 3-5-7-Regel aus seiner InserÂ� tion abgeschätzt werden. Sie beträgt bei Ansatz am Handgelenk etwa 3€cm (ECRL 3,3€cm), an den Fingergrundgelenken 5€cm (EDC 5,0€cm) und an den Fingerendgliedern 7€cm (FDS/FDP 7€cm), wobei der Tenodeseeffekt am Handgelenk die Exkursion noch um etwa 2,5€cm steigern kann. Durch proximale Freilegung des Muskels, z.€B. des BR, kann sich die Exkursion noch weiter erhöhen (Switlick u. Sheppard 2005). > Biomechanisch ist die Kraftentwicklung am günstigsten bei geradliniger Führung der transferierten Sehne (»direct pull«).
Wichtig ist ein funktionelles Gleichgewicht, wenn die Muskeltransposition zu einer Dysbalance führt, z.€B. einer Dominanz der Fingerstrecker, obwohl physiologisch die Fingerbeuger überwiegen. Es sollten keine denervierten Muskeln verwendet werden, deren Reinnervationsqualität und Kontraktilität elektromyographisch unter Bestimmung der Anzahl und Amplitude der motorischen Einheiten abgeklärt werden müssen (Brand u. Hollister 1999; Brüser 1999; Richards 2003; Switlick u. Sheppard 2005). 43.1.5 Zeitplanung Motorische Ersatzoperation werden meist erst nach neurologischer Stabilisierung und Rückkehr der verbliebenen motorischen Fähigkeiten durchgeführt, sind also meist Sekundäroperationen. Selten werden sie auch als Primäreingriffe eingesetzt, um FunktionsausÂ�fälle bis zur Muskelreinnervation temporär zu kompensieren. Bei weit proximaler Nervenschädigung und einer durchschnittlichen Regenerationsgeschwindigkeit von 1–2€mm pro Tag erreichen die auswachsenden Axone erst nach Monaten die periphere Muskulatur. Bei temporären Ersatzoperationen werden die Empfängersehnen nicht durchtrennt, sondern eine Seit-zu-Seit-Naht vorgenommen, damit die Operation bei ausreichender Reinnervation reversibel bleibt (Öhlbauer et al. 2006; Richards 2003). Tetraplegiker müssen sich in einem guten Allgemeinzustand befinden und im Rollstuhl sitzen können. Es dürfen keine Infekte oder Hautläsionen (Dekubitus) bestehen. Die Patienten sollten ihre Behinderung akzeptiert haben. In der Praxis sind diese Bedingungen meist erst ein Jahr nach dem Unfall erfüllt, manchmal auch erst später (Hentz u. Leclerq 2002; Lamb u. Chan 1983; Moberg 1978). Grundsätzlich bleiben motorische Ersatzoperationen nach der Nervenschädigung aber auch Jahrzehnte später möglich (anders als etwa Nervenrekonstruktionen), da sie auf voll funktionstüchtigen Muskeln beruhen, deren Ansatz lediglich versetzt wird, um eine wichtigere Funktion als die ursprüngliche auszuführen.
43
370
Kapitel 43 · Motorische und nervale Ersatzoperationen bei Lähmungen an Unterarm und Hand
43.1.6 Alternativen/Zusatzeingriffe Die primäre Rekonstruktion von Nerven, Sehnen oder Muskeln hat gegenüber der Ersatzoperation den Vorteil, dass meist kein neues Erlernen notwendig ist und Kraft, Amplitude und Zugrichtung des Muskels erhalten bleiben. Nerventranspositionen sind technisch anspruchsvoll, ermöglichen aber oft die rasche Funktionswiederkehr des neurotisierten Muskels und vermeiden Adhäsionen von Sehnen oder Muskeln (7€Kap.€38). Durch Tenotomien und Sehnenverlängerungen kann die Gelenkbeweglichkeit verbessert werden. Nach statischer oder dynamiÂ� scher Tenodese kann durch Bewegungen eines proximalen Gelenks eine passive Stellungsänderung in einem distalen Gelenk erreicht werden. Die Arthrodese verringert die Anzahl der zu bewegenden Gelenke, sorgt für Stabilität einer bestimmten Funktion (z.€B. der Fingerfunktion bei Handgelenkinstabilität) und setzt zusätzliche Spendermuskeln frei (z.€B. die Handgelenkstrecker oder -beuger, die zur Reanimation der Fingerbewegung eingesetzt werden können). Eine Amputation hat eine geringe Rehabilitationszeit, ist aber nur extrem selten zu rechtfertigen, weil sie in die Körperintegrität eingreift und funktionell kaum Vorteile bietet. 43.1.7 Kontraindikationen
43
Motorische Ersatzoperationen sind nicht sinnvoll, wenn sie keine praktisch nutzbare Funktion, sondern nur eine reine Bewegung wiederherstellen. Bei fehlender Motivation des Patienten (v.€a. zur Nachbehandlung) können sie zu einer Verschlechterung der Ausgangssituation führen. Unvollständige Rehabilitation nach konservativer Behandlung oder neurochirurgischem Eingriff ist ebenso eine Kontraindikation, weil dann eine mögliche Funktionsbesserung abgewartet werden muss. Kontrakturen, z.€B. eingesteifte Hand- oder Fingergelenke in funktionell ungünstiger Stellung oder arthrotische Veränderungen des Karpus oder des radiokarpalen Gelenks müssen vor einer Muskelersatzoperation behandelt werden. Spendermuskeln mit unzureichendem Kraftgrad (Mindestanforderung Kraftgrad M4) oder eingeschränkter Kontraktionskraft nach Reinnervation oder Fibrose führen in der Regel zu schlechten Ergebnissen. Bei einer fortschreitenden/systemischen Erkrankungen besteht die Gefahr des Verlusts der wiederhergestellten Funktion bei Übergreifen der Krankheit. Eine völlige Asensibilität der Hand kann den Nutzen funktioneller Rekonstruktionen in Frage stellen. Zumindest sollte eine Â�diskriminative Sensibilität am Daumen und an der Radialseite des Zeigefingers gegeben sein. Die häufig bei Tetraplegikern vorliegende Spastik ist nur eine relative Kontraindikation, da sie manchmal stabilisierend eingesetzt werden kann. Sie ist außer bei inkompletten Lähmungen an Armen und Händen meist milder ausgeprägt als an der unteren Extremität. 43.1.8 Team-Konzept Von zentraler Bedeutung ist die Zusammenarbeit in einem Team aus Ärzten, Krankengymnasten und Ergotherapeuten, die mit den besonderen Anforderungen nach motorischen Ersatzoperationen bei
peripheren oder zentralen Lähmungen vertraut sind (Brand u. Hollister 1999; Brüser 1999; Fridén 2005a,€b). 43.1.9 Prinzipien der Nachbehandlung Nach Riordan hängt der Erfolg neben der technischen Kompetenz des Operateurs entscheidend von »seiner gewissenhaften und sorgfältigen Nachsorge ab, weil gewöhnlich nur eine einzige Chance besteht, an einer gelähmten Hand ein gutes funktionelles Ergebnis zu erreichen« (Riordan 1974). Die an die jeweilige Operation angepasste genau Nachbehandlung umfasst die in der .€Übersicht aufgelisteten Prinzipien (Öhlbauer et al. 2006; Richards 2003). Prinzipien der Nachbehandlung 1. Immobilisation: Nach Muskeltranspositionen wird in der Regel 4€Wochen durch Schienen ruhiggestellt, um Zugbelastungen auf der Sehnennaht zu minimieren. Angrenzende Gelenke, deren Bewegung die Sehnennaht nicht belasten, werden passiv beübt. 2. Mobilisation: Nach 4€Wochen wird mit geschützter Krankengymnastik ohne Belastung begonnen, ab der 6.€Woche tragen die PaÂ�tienten die Schienen nur noch nachts. 3. Kräftigung: Übungen zur Kräftigung sind erst nach 6–8 Wochen erlaubt, die Bewegungen gegen Widerstand werden langsam gesteigert.
Neuere Konzepte haben gezeigt, dass eine Frühmobilisierung nach motorischer Ersatzoperation sicher und sinnvoll ist und viele Vorteile gegenüber der traditionellen verzögerten Mobilisierung bietet, sie setzt allerdings eine besonders stabile Sehnennaht (meist Seit-zuSeit-Technik) und eine intensive und erfahrene Ergo- und Physiotherapie voraus (Fridén 2005a,€b). 43.2
Operative Therapie bei Lähmung peripherer Nerven an Unterarm und Hand
Die Wahl des Rekonstruktionsverfahrens nach einer NervenverÂ� letzung richtet sich v.€a. nach der Zeitspanne seit der Läsion und dem Schädigungsausmaß. In .€Tab.€43.1 sind die motorischen Ausfallmuster bei Läsionen der peripheren Stammnerven zusammengefasst. 43.2.1 Nerventranspositionen bei Lähmungen
an Unterarm und Hand
Die Prinzipien der Nerventranspositionen finden sich bereits in 7€Kap.€38 dargestellt. Die Anwendung ist v.€a. bei proximalen Stammnervenläsionen sinnvoll, um die Regenerationsstrecke und -zeit zu verkürzen und die Erfolgsaussichten der Rekonstruktion zu erhöhen. Voraussetzung ist allerdings, dass noch Aussicht darauf besteht, dass die verlagerten motorischen Axone noch ihr Endorgan erreichen können, bevor diese degeneriert und nach ca. 18€Monaten reinnervationsrefraktär sind. Sensible Reinnervationen sind auch noch später möglich.
371
43.2 · Operative Therapie bei Lähmung peripherer Nerven an Unterarm und Hand
. Tab. 43.1╇ Motorische Ausfallmuster bei Läsionen der peripheren Stammnerven
. Tab. 43.3╇ Mögliche Quellen für sensible Axone zur Neurotisation an der Hand
Läsion
Stammnerv
Sensible Spendernerven
N.€medianus
4 Sensibler Hauptstamm (nur zum End-zuSeit-Anschluss) 4 Ast zum 3.€Zwischenfingerraum
N.€ulnaris
4 Ast zum 4.€Zwischenfingerraum
N.€radialis
4 R.€superficialis N.€radialis
N.€musculocutaneus
4 N.€cutaneus antebrachii lateralis
Funktionsverlust
N.€radialis Proximal (komplett)
Keine Streckung von Handgelenk, Fingern und Daumen
Distal (N.€interosseus posterior)
Keine Streckung von Fingern und Daumen, Radialdeviation des Handgelenks bei Extension
N.€medianus Proximal
Keine Daumenopposition, Fingerbeugung€1–3
Distal
Keine Daumenopposition
N.€ulnaris Proximal
Keine Fingerbeugung€4 und 5, schwacher Kneifund Feingriff, Kleinfinger in Abduktion
Distal
Zusätzlich Krallenstellung der Finger 4 und 5
. Tab. 43.2╇ Mögliche Quellen für motorische Axone zur Neurotisation an Hand und Unterarm
Stammnerv
Motorische Spendernerven
N.€medianus
4 Ast zum M.€flexor digitorum superficialis (wenn Flexor digitorum profundus intakt) 4 Ast zum M.€flexor carpi radialis (wenn FCU intakt) 4 Ast zum M.€palmaris longus 4 Distaler Anteil des N.€interosseus anterior
N.€ulnaris
4 Ast zum M.€FCU (wenn FCR intakt)
N.€radialis
4 Ast zum M.€supinator (wenn Bizeps intakt) 4 Ast zum M.€ECRB (wenn andere Extensoren intakt) 4 Ast zum M.€brachioradialis (wenn andere Extensoren intakt)
N.€musculo cutaneus
4 Ast zum M.€brachialis
Die wichtigsten Verfahren der motorischen und sensiblen Nerventransposition am Unterarm und an der Hand sind in .€Tab.€43.2– 43.5 dargestellt.
Lähmungen am Unterarm Supinationsfehlstellung Klinisches Bild.╇ Durch ein lähmungsbedingtes muskuläres UngleichÂ�
gewicht zwischen den häufig funktionierenden Supinatoren und schwachen oder gelähmten Pronatoren kann es infolge der prolongierten Supination des Unterarms zu einer irreversiblen Retraktion der relaxierten Fasern der Membrana interossea kommen und im Laufe der Zeit aus einer dynamischen Deformität eine fixierte Supinationskontraktur werden. Bei Kindern nach Plexusparese kön-
nen während des Wachstums die zunehmenden Zugkräfte der
Membrana interossea eine progressive Biegung des Radius bewirken, der sich spiralförmig um die Ulna legt. Radiusköpfchenluxationen sind mögliche Konsequenz dieser Fehlstellungen. Die Supinations-
. Tab. 43.4╇ Mögliche Empfängernerven für motorische Neurotisationen am Unterarm
Stammnerv
Motorischer Empfängernerv
N.€medianus
4 N.€interosseus anterior 4 Ast zum M.€pronator teres
N.€ulnaris
4 Tiefer motorischer Ast
N.€radialis
4 Ast zum ECRB 4 N.€interosseus posterior
. Tab. 43.5╇ Mögliche Empfängernerven für sensible Neurotisationen an der Hand
Stammnerv
Sensibler Empfängernerv
N.€medianus
4 Ast zum 1.€Zwischenfingerraum/Radialseite des Daumens
N.€ulnaris
4 R.€dorsalis N.€ulnaris
N.€radialis
4 R.€superficialis N.€radialis
kontraktur mit nach oben gewandter Handfläche ist für eine Greiffunktion funktionell sehr ungünstig. Zur dieser Deformität ist die Versetzung des Ansatzes der Bizepssehne nach Zancolli oft ausreichend, je nach Bedarf mit oder ohne Durchtrennung der Membrana interossea. Bei nicht korrigierbarer Fehlstellung oder Dislokation des Radiusköpfchens ist eine Derotationsosteotomie des Radius indiziert. Distale Transposition der Bizepssehne (»rerouting«).╇ Vorausset-
zung ist die passive Korrigierbarkeit der noch nicht fixierten Supinationsstellung. In diesem Fall kann die Umlagerung der distalen Bizepssehne über einen volaren Zugang durchgeführt werden. Nach der treppenförmigen Absetzung der Bizepssehne wird das Â�proximale Ende nach lateral um den Radius herumgeleitet und am proximalen Radius neu fixiert. Auf diese Weise wirkt der Zug an der Bizepssehne nicht mehr supinierend, sondern bringt den Unterarm in Pronation. Wenn nötig, kann simultan die Desinsertion der Membrana interossea vorgenommen werden. Im Anschluss sollte eine Immobilisierung für 6€Wochen erfolgen.
Derotationsosteotomie des Radius.╇ Die Operation erfolgt in Rü-
ckenlagerung, der Arm ist abduziert gelagert. Der Zugang erfolgt
43
372
Kapitel 43 · Motorische und nervale Ersatzoperationen bei Lähmungen an Unterarm und Hand
von lateral zur proximalen Radiusmetaphyse, die subperiostal dargestellt wird. Im Anschluss an die an dieser Stelle durchgeführte schräge Osteotomie kann, falls notwendig, zusätzlich eine Desinsertion der Membrana interossea entlang der Ulna erfolgen. Der Unterarm sollte sich nun leicht in Pronationsstellung bringen lassen, die Osteosynthese wird in dieser Stellung mittels einer Kompressionsplatte gesichert. Die Extremität sollte durch einen Oberarmgips für 4€Wochen immobilisiert werden.
Lähmungen an der Hand Lähmungen des N.€radialis Klinisches Bild.╇ Durch eine komplette Radialislähmung geht die
Streckung des Ellenbogens, Handgelenks und Daumens verloren, einschließlich dessen Radialabduktion. Zudem führt sie zum Extensionsverlust der Fingergrundglieder. Von der proximalen Lähmung mit komplettem Ausfall der Handgelenkstreckung (komplette Fall hand) unterscheidet sich die periphere Lähmung des R.€profundus (N.€interosseus posterior) mit Ausfall der Daumen- und FingerÂ� streckung und geschwächter Handgelenkstreckung bei erhaltener ECRL-Funktion (inkomplette Fallhand) (Brand u. Hollister 1999; Merle d’Aubigné 1999; Riordan 1974). Rekonstruktionsverfahren
43
Trotz der großen Anzahl möglicher Transpositionen – Boyes hat 1960 bereits insgesamt 58 verschiedene Radialisersatzoperationen aufgezählt – lässt sich bei den am häufigsten verwendeten Techniken ein relativ homogenes muskuläres Verteilungsmuster erkennen (.€Tab.€43.6). Die Handgelenkstreckung wird meist durch Verlagerung des N.-medianus-innervierten M.€pronator teres auf den M.€extensor carpi radialis brevis wiederhergestellt. Da die Regeneration des N.€radialis je nach Rekonstruktionsniveau bis zu 1€Jahr dauern kann und die Prognose allgemein bescheiden ist, kann diese Operation auch als temporärer Ersatz sinnvoll sein, da sie als »innere Schienung« wirkt und eine äußere Extensionsschiene ersetzt (Brand u. Hollister 1999; Brüser 1999; Öhlbauer et al. 2006). Es gibt zahlreiche, häufig als gleichwertig angesehene Verfahren. In Europa ist die Operation nach Merle d’Aubigné eine häufig angewandte, zuverlässige Basistechnik, die wir auch im eigenen Vorgehen favorisieren. Hierbei wird nach der Originalbeschreibung die Sehne des M.€flexor carpi ulnaris auf die Sehnen des M.€extensor digitorum communis und auf die Sehne des M.€extensor pollicis longus, die Sehne des M.€pronator teres auf die Sehnen der Mm.€extensor carpi radialis longus und brevis sowie die Sehne des M.€palmaris longus auf die Sehne des M.€extensor pollicis brevis und des M.€abductor pollicis longus transponiert (Merle d’Aubigné u. Lange 1946).
. Tab. 43.6╇ Standardtechniken der Radialisersatzplastik
Technik
Merle d’Aubigné
Boyes
Brand/Smith
Handgelenk� sextension
PT-ECRB (ECRL)
PT-ECRB
PT-ECRB
Finger� extension
FCU-EDC/EPL
FDS€3/4-EDC/EI
FCR-EDC
Daumen� extension
PL-EPB/APL
PL-EPL
PL-EPL
Bei fehlendem M.€palmaris ist eine Verlagerung oberflächlicher Beuger (M.€flexor digitorum superficialis€3 oder€4) oder des FCR möglich. Theoretischer Nachteil dieser sehr zuverlässigen Standardtechnik ist, dass der FCU als kräftigster ulnarer Stabilisator des Handgelenks geopfert wird, zudem besitzt er eine geringere Gleitamplitude als der zu ersetzende EDC, jedoch eine wesentlich größere Kraft. Die geringere Amplitude kann durch leichte Beugung des Handgelenks und damit vermehrte Vorspannung der dorsal verlagerÂ� ten Sehne ausgeglichen werden, da sich durch diesen dynamischen Tenodeseeffekt die Langfingerstreckung verbessert. Brand empfahl die Transposition einer oberflächlichen Fingerbeugesehne, deren Gleitamplitude zwar der EDC-Sehne entspricht, die jedoch erheblich weniger Kraft als die FCU-Sehne besitzt und ursprünglich antagonistisch wirkt, wodurch das Umlernen erschwert ist. Alternativ kann auch der M.€flexor carpi radialis mit gutem Erfolg eingesetzt werden (Brand u. Hollister 1999; Brüser 1999; Öhlbauer et al. 2006). Nachbehandlung.╇ Die Immobilisation wird für 3€Wochen mit einer palmaren Unterarm-Finger-Gipsschiene mit Daumeneinschluss durchgeführt, die das Handgelenk in 30°-Streckung, die MP-Gelenke in (Hyper-)Extension, die Fingermittel- und -endgelenke in Extension und den Daumen in Abduktion und Extension ruhigstellt. Nach 3€Wochen kann mit Krankengymnastik aus der Schiene heraus begonnen werden. Prognose.╇ Nach Freigabe der Belastung kann die Hand nach weiteren 6–8 Wochen meist wieder gut im Alltag eingesetzt werden. Bei einwandfreier chirurgischer Technik, aktiver Kooperation des PaÂ� tienten und konsequenter Nachbehandlung hat die Radialisersatzplastik eine der besten Erfolgsaussichten. Eine Wiederaufnahme der vollen Aktivität am Arbeitsplatz und in der Freizeit ist nicht selten bereits nach einigen Monaten möglich (Öhlbauer et al. 2006; Riordan 1974; Switlick u. Sheppard 2005) (.€Abb.€43.1).
Lähmungen des N.€medianus Klinisches Bild.╇ Man unterscheidet die proximale von der tiefen Medianuslähmung auf Handgelenksniveau. Bei Ersterer findet sich
neben der Asensibilität im Autonomiegebiet des N.€medianus (beugeseitig am Zeigefingermittel und -endglied) auch eine Hypästhesie im medianusversorgten Bereich auf der Beugeseite des Daumens, Zeigefingers, Mittelfingers und der Radialseite des Ringfingers. Die Beugung im Daumenendgelenk und im Mittel- und Endgelenk des Zeigefingers ist aufgehoben, die Beugung des Mittelfingers geschwächt. ! Cave Das oft gepredigte Merkbild von der »Schwurhand« ist bei der am häufigsten vorkommenden Läsion distal an Unter arm und Handgelenk irreführend.
Die Daumenzirkumduktion, eine Kombination aus Retropulsion, Abduktion, palmarer Abduktion, Opposition und Adduktion und Flexion, ist stark beeinträchtigt. Bei Doppelinnervationen medianusversorgter Muskeln (Ausnahme: M.€pronator quadratus) über den N.€ulnaris oder den N.€musculocutaneus können Opposition oder Palmarabduktion des Daumens trotz kompletter Medianusdurchtrennung teilweise oder ganz erhalten sein. Rekonstruktionsverfahren bei distalen Paresen
Bei der Wahl des Motors zur Opponensplastik bei der distalen Medianuslähmung muss insbesondere auf die Verlaufsrichtung des M.€abductor pollicis brevis geachtet werden. Die Sehnenzügel der
43.2 · Operative Therapie bei Lähmung peripherer Nerven an Unterarm und Hand
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len zu können. In der Praxis haben sich die vier folgenden Standardtechniken bewährt, die kurz vorgestellt werden (Merle d’Aubigné 1999). Transposition des M.€palmaris longus (nach Camitz).╇ Diese schnel-
a
le und einfache Methode beeinflusst v.€a. die palmare Abduktion des Daumens, sie kann auch mit anderen Sehnentranspositionen zur Daumenopposition kombiniert werden und ist bei fortgeschrittener Medianusparese indiziert. Die Palmarissehne wird durch einen verlängerten Karpaltunnelzugang dargestellt und mit einem etwa gleich dicken Streifen aus der Palmaraponeurose verlängert. Sie wird zur Verbesserung der Biomechanik des Transfers zunächst durch einen Schlitz in der radialen Lefze des durchtrennten Retinaculum flexorum, anschließend durch einen subkutanen Tunnel zum Ansatz des M.€abductor pollicis brevis geführt. Die Sehnenfixation erfolgt in maximaler palmarer Daumenabduktion, um ausreichend Sehnenlänge für die Pulvertaft-Naht mit der Sehne des M.€abductor pollicis brevis zu gewinnen.
Transposition des M.€flexor digitorum superficialis€4 (nach RoyleThompson).╇ Diese Oppositionsplastik hat den Vorteil eines isoliert
b
c . Abb. 43.1a–c╇ 12-jähriger Patient mit Radialisparese nach EllbogenluxaÂ� tionsfraktur vor 5€Jahren. a€Inkomplette Fallhand nach Schädigung des N.€interosseus posterior mit teilweise erhaltener Handgelenkstreckung und leichter Radialdeviation des Handgelenks. b€Intraoperatives Bild nach FCUpro EDC-, PT-pro-ECRB- und PL-pro-APL-Transposition. c€Gutes funktionelles Ergebnis im Alltag und beim Sport (der Patient ist Torwart in einer Fußballmannschaft) mit kräftigem Faustschluss und guter Fingerstreckung in Neutralstellung des Handgelenks; die Handgelenksflexion und -extension liegt bei 60-0-30°, die Daumenabduktion ist bis 70° möglich. (Aus Gohritz et al. 2007)
Spendermuskeln sollten so in dessen Ansatz und denjenigen des M.€adductor pollicis eingenäht werden, dass sich zusätzlich die Rotationsbewegung des Daumens verstärkt (.€Abb.€43.2c). Es gibt wohl kaum einen Muskeln des Unterarms und der Hand, der nicht als Motor für eine Oppositionsplastik vorgeschlagen wurde. Von einem berühmten Handchirurgen stammt die Forderung, man müsse mindestens 25€verschiedene Varianten kennen, um je nach individuellen Gegebenheiten das optimale Verfahren auswäh-
willentlich steuerbaren Spendermuskels mit guter Kraft und Amplitude und mehr als ausreichend langer Sehne. Eine mögliche Komplikation ist die Beugekontraktur des Ringfingermittelgelenkes nach Sehnenentnahme. In der Modifikation der Originaltechnik erfolgt die Durchtrennung der Superfizialiszügel des Ringfingers mindestens 1€cm proximal ihrer Insertion, um eine Schwanenhalsdeformität zu verhindern. Auch die Superfizialisschlinge, durch die die tiefe Beugesehne hindurchtritt, wird durchtrennt. Die Sehne des M.€flexor digitorum superficialis wird unter der Sehne des M.€flexor carpi ulnaris ulnar, dann durch einen subkutanen Tunnel in Richtung des radialen Daumengrundgelenks geführt und distal in die Sehne des M.€abductor pollicis brevis eingeflochten. Die FCU-Sehne und das Os pisiforme wirken dabei als kraftförderndes Hypomochlion (.€Abb.€43.2). Eine bessere Pronation des Daumens ist durch das technisch anspruchsvollere Vorgehen nach Brand möglich, bei dem die FDSSehne gespalten wird. Ein Streifen wird durch die Sehne des M.€abductor pollicis brevis über die Grundgelenkskapsel bis zur EPLÂ�Sehne geführt, der andere Teil proximal subkutan über die Streckaponeurose zur ulnaren Seite des Grundgelenks. Mit dem Daumen in maximaler palmarer Abduktion und Pronation werden beide Sehnenstreifen in gleicher straffer Spannung gehalten und vernäht. Transposition des M.€extensor indicis (nach Burkhalter).╇ Dieses einfache und wirkungsvolle Verfahren ist primär bei Ausfall der beugeseitigen Kraftspender indiziert, wie sie durch handgelenksnahe Verletzungen mit N.-medianus-Beteiligung (z.€B. suizidale Schnittverletzungen) eintreten. Mit der Neuinsertion des Extensor indicis in die Sehne des M.€abductor pollicis brevis ist eine gleichzeitige Rekonstruktion der Abduktion, Pronation und Beugung des Daumengrundgelenks möglich. Nach der Mobilisierung der Sehne des M.€extensor indicis wie bei der Umlagerung zur Rekonstruktion der Daumenstreckung erfolgt die distale Abtrennung etwa 2€cm weiter distal unter Mitnahme eines Streifens der Aponeurose, um eine ausreichende Sehnenlänge zu gewährleisten. Nach Herausziehen der M.-extensor-indicis-Sehne am Handgelenk wird diese um die ulnare Handkante geführt und nach streng subkutaner Tunnelung an der Opponenssehne oder radialseitig am 1.€Metakarpale neu inseriert. Die Gefahr einer Kompressionsschädigung des N.€ulnaris besteht bei zu großer Spannung der Sehne, v.€a. wenn der Sehnentunnel zu tief gewählt wurde.
43
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Kapitel 43 · Motorische und nervale Ersatzoperationen bei Lähmungen an Unterarm und Hand
a
b
c
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. Abb. 43.2a–d╇ Schnittführung (a), Transposition (b) und Fixation der Sehne des M.€flexor digitorum superficialis€4 am Ansatz der APB-Sehne (c), funktionelles Ergebnis nach Oppositionsplastik (d). (Aus Gohritz et al. 2007)
Transposition des M.€abductor digiti minimi (nach Huber).╇ Diese
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Technik weist die Schwierigkeit der Präparation des Gefäß-NervenBündels in der Loge de Guyon auf, löst aber das Problem bei gleichzeitig vorliegender Lähmung der Nn.€medianus und radialis sowie bei Pollizisationen oder angeborenen Daumenhypoplasien. Die Sehne wird an der Diaphyse der Grundphalanx abgesetzt, präpariert und von distal nach proximal unter Trennung von der Beugermuskulatur des Kleinfingers gelöst bis zum Erreichen des Gefäß-Nerven-Stiels, der unterhalb des Os pisiforme liegt. Nach Lösung und Anschlingen des Pedikels wird der proximale Muskelanteil gelöst und auf die Thenarseite transferiert, vergleichbar mit dem Umschlagen einer Buchseite. Um jede Torsion des Gefäßstiels und Kompression des Muskels zu vermeiden, wird ein großer subkutaner Tunnel zwischen der radialen Inzision am Grundgelenk des Daumens und der Hypothenarloge gelegt, die ADM-Sehne durchgezogen und mit der APB-Sehne fixiert. Zum Schutz des neurovaskulären Stiels erfolgt eine Ruhigstellung des Daumens in Adduktions-Oppositions-Stellung mit dem Mittelfinger für 4€Wochen. Vollständige und partielle hohe Medianusläsion
Das Konzept bei hoher Medianuslähmung ist in .€Tab.€43.7 dargestellt. Bei vollständiger hoher Medianuslähmung werden die ulnarisinnervierten Profundussehnen von Ring- und Kleinfinger proximal des Karpalkanals mit den tiefen radialen Beugern gekoppelt, eine unabhängige Fingerbeugung ist nicht möglich. Alternativ können die Mm.€ECRL oder ECRB als Motoren eingeflochten werden. Hier-
bei muss bedacht werden, dass aufgrund seiner teilweisen Asensibilität eine erhöhte Verletzungsgefahr des Zeigefingers besteht. Zur Rekonstruktion der Opposition sollte im Gegensatz zur tiefen Medianuslähmung nicht der FDS€4, sondern es muss ein Strecker (EI, EDM, EPB oder ECRL) verwendet werden. Der EI, EDM und ECRL werden um die ulnare Unterarmkante geführt, der ECRL erfordert zur Verlängerung ein Sehnentransplantat. Je weiter distal diese Umlenkung um die ulnare Unterarmkante erfolgt, desto mehr nimmt die opponierende Komponente zu, je
. Tab. 43.7╇ Motorische Ersatzoperationen bei hoher Medianuslähmung
Fehlende Funktion
Ersatzoperation
Alternativ- möglichkeit
Opposition des Daumens
EIP auf APB/EPL
EDM- oder PL-Tenodese
Daumenend� gliedbeugung
BR auf FPL
ECRL
Fingerbeugung
End-zu-Seit-Naht FDP, FDP-Tenodese des Zeigefingerendgelenks
ECRL auf FDP€2 und€3
Unterarm� pronation
Re-routing der Bizepssehne
Radiusderotations- osteotomie
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43.2 · Operative Therapie bei Lähmung peripherer Nerven an Unterarm und Hand
weiter proximal sie erfolgt, desto stärker wird der Daumen abduziert. Zur Stabilisierung des häufig lähmungsbedingt hypermobilen Daumengrundgelenks wird die transponierte Sehne gespalten und distal am Metakarpalekopf und an der Basis des Daumengrundglieds transossär befestigt oder in die EPL-Sehne oder den APBAnsatz eingeflochten. Zur Rekonstruktion der Daumenbeugung wird meist der M.€brachioradialis als Kraftspender verwendet, der dem FPL direkt anliegt und nach ausgiebiger proximaler Freilegung – die Exkursion ist sonst auf nur etwa 1,5€cm begrenzt – in Amplitude und Verlaufsrichtung nahezu gleich ist. Hohe Läsionen entstehen aber häufig durch Plexuslähmungen, wodurch die Nn.€ulnaris, radialis oder musculocutaneus mitbetroffen sein können. Die Erfolgsaussicht einer Ersatzoperation ist dann vermindert, weil die Auswahl möglicher Spender reduziert und zudem andere Muskelgruppen zwar noch funktionell ausreichend innerviert sein können, ihre Verlagerung infolge der zusätzlichen Schädigung (nach Reinnervation) aber nicht mehr kompensiert werden kann und ein Ungleichgewicht zwischen gestörten Synergisten und Antagonisten entstehen kann. Bei zusätzlich ausgefallenem N.€ulnaris werden z.€B. oft radialisversorgte Muskeln umgelagert, um zunächst die Abduktion und Opposition des Daumens wiederherzustellen. Für die Fingerbeugung kann der ECRL transmembranös nach palmar durchgezogen und auf die tiefen Beugesehnen verlagert werden.
Lähmung des N.€ulnaris Klinisches Bild.╇ Ausfälle des N.€ulnaris führen zu einem weitgehenden Verlust der Handbinnenmuskulatur und damit Verlust der Kraft, aber auch der Feinmotorik der Hand. Hauptprobleme sind die Krallenstellung der ulnaren Finger mit einer dyskinetischen Fin gerbeugung, bei der zuerst die Mittel-, dann erst die Grundgelenke gebeugt werden (wie beim Einrollen eines Teppichs). Die klassische Krallenstellung der Finger entsteht durch die gestörte Balance der als Antagonisten ausgefallenen Handbinnenmuskeln. Die extrinsischen Fingerstrecker bewirken eine Hyperextension der Grundgelenke und die antagonistischen Beuger die Flexion in den Mittel- und Endgelenken. Zudem finden sich ein Stabilitätsverlust des Daumens und Zeigefingers mit fehlender Daumenadduktion (Verlust des Kneifgriffs, »pinch«) und Verlust der Ab- und Anspreizung der Finger.
Therapieziele.╇ Ein Ziel der Rekonstruktion besteht in der Korrek-
tur der Hyperextensionsstellung der Grundgelenke, um dann über einen leicht vorgespannten M.€extensor digitorum communis auch die Mittel- und Endgelenke zu strecken. Dies kann statisch durch Kapsulodesen der Grundgelenke (U-förmiger Kapsellappen fixiert auf der distalen Metaphyse des Os metacarpale) oder durch eine dynamische Lassoplastik nach Zancolli erfolgen, bei der ein Sehnenzügel in Beugestellung der Grundgelenke an das A-2-Ringband oder an die Grundphalanxbasis der ulnaren Finger fixiert wird. Die Kapsulodese eignet sich für moderate Krallenfingerstellungen, die spontan durch das Untersuchungsmanöver nach Bouvier ausgleichbar sind. Nachteil ist eine Tendenz zum sekundären Spannungsverlust. Bei der Lasso-Plastik muss bei einem bereits bestehenden Kraftverlust von ca. 50% eine zusätzliche Beugesehne geopfert werden. Alternative ist ein dynamischer Ersatz der Interosseusmuskulatur. Hierbei wird ein neuer Motor mit den Seitenzügeln des ausgefallenen intrinsischen Streckapparates verbunden, um neben der Beugung im Grundgelenk gleichzeitig eine aktive Streckung der Mittelund Endgelenke zu erhalten. Der Stabilitätsverlust des Daumens mit einer Adduktionsschwäche bis zu 75% kann durch die Transposition der ECRB-, BR-, FDS2- oder EI-Sehne ausgeglichen werden (.€Tab.€43.8).
Lassoplastik nach Zancolli zur Korrektur der Krallenstellung.╇ Die
Beugesehnenscheiden distal des A2-Ringbandes werden über eine quere Hautinzision in Höhe der distalen Hohlhandbeugefalte L-förmig eröffnet und die Sehnen der Mm.€flexores digitorum superficiales (i.€Allg. FDS€4 und€5) ca. 1€cm proximal ihres Ansatzes durchtrennt. Das proximale Sehnenende wird nun lassoartig um das A1Ringband herumgezogen, bis das MP-Gelenk in einer Beugung von 60° steht, und im Mittelhandbereich proximal des A1-Ringbandes mit sich selbst vernäht (.€Abb.€43.3). Dadurch wird die zur Vermeidung einer erneuten Hyperextension notwendige Beugung des Grundgelenks erhalten. Alternativ kann auch die Sehne des M.€flexor digitorum superficialis€4 in zwei Teile aufgespalten und für beide Finger benutzt werden. Die Sehnennaht gibt im Laufe der Zeit in der Spannung nach. Die ideale Dauerposition des Grundgelenks liegt zwischen 30° und 40°. Eine Alternative zur Lassooperation ist die statische Fixation des MP-Gelenks. Hierfür wird ebenfalls im Bereich des A1-Ringbandes die palmare Platte des MP-Gelenkes dargestellt und mobilisiert. Die
. Tab. 43.8╇ Therapieoptionen zur Korrektur der Krallenfehlstellung bei Ulnarisparese
Technik
Zancolli-Kapsulodese
Zancolli-Lassoplastik
Transfer nach Brand
Prinzip
4 Fixation eines U-förmigen Kapsellappens auf der distalen Metaphyse des Metakarpale
4 Transposition der oberflächlichen Beugesehnen€3 und€4 auf die A1-Ringbänder
4 Transposition von ECRB/ECRL (oder FCU, BR), verlängert mit SehnentransplanÂ� taten, fixiert an Interosseusausläufern oder A1/A2-Ringbändern und der Grundgliedbasis
Vorteile
4 Technisch einfach 4 Kein Sehnenopfer 4 Unabhängig vom Tenodeseeffekt des Handgelenks
4 Aktive Ersatzplastik 4 Eine einzige Sehne korrigiert alle Finger
4 4 4 4
Nachteile
4 Keine erhöhte Kraft des Faustschlusses 4 Tendenz zum Spannungsverlust 4 Nicht anwendbar bei nicht kontrakten Krallenfehlstellungen, die durch Bouvier-Manöver reduzierbar sind
4 Opfert eine oberflächliche Fingerbeugesehne 4 Nicht anwendbar bei nicht kontrakÂ� ten Krallenfehlstellungen, die durch Bouvier-Manöver reduzierbar sind
4 Opfert Handgelenkstrecker 4 Schwanenhalsdeformität möglich (zu hohe Spannung des Transplantates)
Aktive Ersatzplastik Synchronisiert globale Fingerbeugung Stellt Mittelgelenksextension her Verbessert den Faustschluss
43
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Kapitel 43 · Motorische und nervale Ersatzoperationen bei Lähmungen an Unterarm und Hand
4 Von besonderer Wichtigkeit ist ebenso eine günstige Weichteil-
situation, da viele dieser Verletzungen durch ausgedehnte Gewebezerstörungen mit nachfolgender Vernarbung entstanden sind, die z.€B. Muskelverlagerungen erheblich behindern können. 4 Bei der Planung der Muskeltranspositionen sollte ein Kreuzen der Spendermuskeln mit der Gefahr der Adhäsion vermieden werden. Die verbliebenen Möglichkeiten einer funktionellen Verbesserung richten sich in erster Linie nach dem jeweiligen Umfang der ausgefallenen Nervenfunktionen; eine komplette Darstellung ist daher hier nicht möglich. Es wurden folgende Hauptziele bei einer Wiederherstellung der Handgelenks- und Greiffunktion vorgeschlagen (Switlick u. Sheppard 2005): 4 Daumen-Zeigefinger-Kneifgriff (»key pinch«). 4 Abduktion des Daumens. 4 Terminale Greifform zwischen Daumen- und ZeigefingerÂ� kuppe. 4 Verbesserte Grobkraft bei der Daumenflexion mit Koordination von MCP- und IP-Beugung. 4 Wiederherstellung des Handgewölbes (»metacarpal arch«). 4 Sensible Wiederherstellung an Daumen und radialem Zeigefinger.
a
.€Abb.€43.4 zeigt die intraoperatives Situation bei der Rekonstruk�
tion eines aktiven Schlüsselgriffs mittels Transposition des M.€brachioradialis nach kombinierter Medianus-Ulnaris-Parese. Zur sensiblen Neurotisation steht der oberflächliche Radialisast zur Verfügung.
b . Abb. 43.3a, b╇ Querer Zugang und Zancolli-Lassoplastik mit Vernähung der oberflächlichen Beugesehnen mit sich selbst um das A1-Ringband herum zur Synchronisation der Fingerbeugung und Besserung des Faustschlusses. (Aus Gohritz et al. 2007)
gelöste palmare Platte wird proximalisiert und das MP-Gelenk dadurch in Beugung gebracht. Die Fixation erfolgt entweder durch durchgreifende Periostnähte oder intraossäre Knochenanker (Zancolli 1979).
43.3
Ergebnisse und Komplikationen
Die angewandten Operationen sind sicher und haben sich auch in Langzeitstudien bewährt. In der Regel sind die Patienten mit dem erreichten Ergebnis zufrieden. In kaum einem anderen Gebiet scheint es möglich, Patienten schon durch kleine Fortschritte einen so großen Gewinn zu schenken: If you have nothing, a little is a lot. (Sterling Bunnell)
43.2.2 Kombinierte Nervenläsionen
Komplikationen entstehen durch
Bei Läsionen mehrerer Nerven ergibt sich ein kombinierter motorischer und sensibler Ausfall, bei dem oft nur eine teilweise FunkÂ� tionswiederherstellung möglich ist. Motorische und sensible Ersatzoperationen sind aber trotzdem sinnvoll, um die betroffene Extremität wenigstens zu Hilfstätigkeiten (»Beihand«) einzusetzen. Es gelten hier jedoch spezielle Prinzipien: 4 Bei kompletter Asensiblität und Verlust der Eigenwahrnehmung an der Hand ist die Sinnhaftigkeit von Muskelersatzoperationen in Frage gestellt, weil die Patienten zum Einsatz der neuen Funktion immer auf Augenkontrolle angewiesen wären. Es sollte daher zunächst die Rekonstruktion einer taktilen Kontrollmöglichkeit erfolgen, z.€B. durch Wiederherstellung der Sensibilität in der ersten Kommissur mittels neurovaskärer Lappenplastik (Littler- oder Foucher-Lappen). 4 Aufgrund der nur geringen Anzahl an Spendermuskeln ist eine besonders sorgfältige Planung notwendig, insbesondere auch hinsichtlich der Spenderdefektmorbidität.
4 Fehler in der operativen Umsetzung (v.€a. ungenügende Span-
der oberen Extremität
43
4 Fehler in der Planung (z.€B. Wahl eines zu schwachen Spenders, dessen Kraftgrad präoperativ überschätzt wurde), nung eines verlagerten Muskels) oder
4 falsche Nachbehandlung (Ausreißen oder Überdehnung der Sehnennaht; diese sind extrem selten, können den Operationserfolg aber schmälern oder verhindern).
Komplikationen können den Operationserfolg schmälern oder verhindern, sind aber bei korrekter chirurgischer Technik selten. Sie entstehen meist durch fehlerhafte Planung, wie z.€B. die Wahl eines zu schwachen Spenders, dessen Kraftgrad präoperativ überschätzt wurde. Wenn z.€B. ein Kraftgrad M4 angenommen wurde, aber nur M3 vorhanden war, und bei der Transposition eine Stufe verloren ging, so resultiert eine Bewegungsmöglichkeit nur unter Ausschaltung der Schwerkraft (M2), die funktionell wertlos ist. In der operativen Umsetzung ist v.€a. die ungenügende Spannung eines verlagerten Muskels ein erheblich unterschätztes Problem: Die Kraftentwicklung eines Muskels hängt direkt von der Län-
377
43.3 · Ergebnisse und Komplikationen
ge des Sarkomers ab, der kleinsten kontraktilen Einheit des Muskels. Ist der Muskel entweder stark gestreckt oder verkürzt, entfaltet sich durch die ungünstigen Interaktionen zwischen den Myofilamenten sehr viel weniger Zugkraft.
a
b
! Cave Die bei der Transposition »gefühlte« passive Muskelspan nung ist kein Maß für die optimale Muskellänge, weil ein Muskel oft erst dann eine taktil wahrnehmbar höhere Spannung entwickelt, wenn er bereits so überdehnt ist, dass er nur mehr einen Bruchteil der größtmöglichen Kraft entwickeln kann.
Im konkreten Beispiel einer simulierten M.-brachioradialis-Transposition zum Ersatz der Daumenbeugung erbrachte die »gefühlte« Muskelspannung nur durchschnittlich 23% der theoretisch möglichen Kraftentwicklung, unabhängig von der Erfahrung des Chirurgen (Fridén 2005a,€b; Lieber et al. 2005). Dies ist klinisch von größter Relevanz, weil bei den meisten Patienten nach ausgedehnter Lähmung der oberen Extremität nur 1 oder 2€Spendermuskeln zur Verfügung stehen, deren höchst wertvolle aktive Ersatzfunktion mehr oder weniger in einer passiven Tenodese verloren gehen kann. Da zudem die Architektur von Muskel zu Muskel vollkommen unterschiedlich sein kann, ist eine Korrelation der jeweiligen Muskellänge mit der optimalen passiven Muskelspannung und der gewünschten Sarkomerlänge unmöglich (Fridén 2005a,€b). Auch durch Fehler in der Nachbehandlung, wie Ausreißen oder Überdehnung der Sehnennaht infolge einer unkontrollierten Überlastung, kann der Therapieerfolg verloren gehen. Das Risiko von Verklebungen von Sehnen oder Muskeln lässt sich vermindern durch 4 ein narbenfreies Gleitlager, 4 die Vermeidung von Hautinzisionen genau über dem Verlauf der transponierten Sehne und 4 eine frühzeitige krankengymnastische Mobilisation. > Schlechte subjektive Bewertungen spiegeln oft weniger die objektiv erreichten funktionellen Ergebnisse, sondern wirklichkeitsferne Erwartungen mancher Patienten wider, wodurch die Wichtigkeit einer klaren und realistischen Information über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Konzepte erkennbar wird.
Literatur c . Abb. 43.4a–c╇ Intraoperatives Bild bei der Rekonstruktion eines aktiven Schlüsselgriffs mittels Transposition des M.€brachioradialis auf den tiefen Daumenbeuger nach gleichzeitiger Tenodese des Daumenendgelenks mittels der distal gespaltenen FPL-Sehne bei einem Patienten nach Plexus-brachialis-Läsion (kombinierte N.-medianus-ulnaris-Parese). c Anpassung der Sehnenspannung beim Kneifgriff der Daumenkuppe zur radialen ZeigeÂ� fingerseite der Sehnenspannung durch Prüfung des Tenodeseeffekts bei Handgelenkstreckung. (Aus Gohritz et al. 2007)
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43
378
Kapitel 43 · Motorische und nervale Ersatzoperationen bei Lähmungen an Unterarm und Hand
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43
44
Muskuläre und nervale Ersatzoperationen bei Lähmung der Schulter- und Ellbogenfunktion A. Gohritz, P.M. Vogt
44.1
Grundlagenâ•… – 380
44.1.1 44.1.2 44.1.3
Evaluation des Patientenâ•… – 380 Wahl des Zeitpunktesâ•… – 380 Chirurgische Planungâ•… – 381
44.2
Operationstechnikâ•… – 381
44.2.1 44.2.2 44.2.3 44.2.4
Nervale Rekonstruktionâ•… – 381 Muskuläre Ersatzoperationen an der Schulterâ•… – 383 Wiederherstellung der Ellbogenbeugungâ•… – 385 Rekonstruktion der Ellbogenstreckungâ•… – 390
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
380
Kapitel 44 · Muskuläre und nervale Ersatzoperationen bei Lähmung der Schulter- und Ellbogenfunktion
Die Lähmung der Schulter- und Ellbogenfunktion schränkt den Gebrauch der oberen Extremität, v.€a. die Positionierung der Hand im Raum, so stark ein, dass eine chirurgische Wiederherstellung immer versucht werden sollte. Bei peripheren Nervenläsionen der oberen Extremität, v.€a. des Plexus brachialis, oder ausgedehnten Muskeldefekten hat die Rekonstruktion der Schulterabduktion und -stabilität sowie der Ellbogenbeugung oberste Priorität. Die Ellbogenstreckung ist v.€a. bei PatienÂ� ten mit hoher Querschnittslähmung (Tetraplegie) von großer Bedeutung. Sie wird bei peripheren Lähmungen meist nur bei ausreichender Ellbogenbeugung wiederhergestellt, kann aber auch hier von großem Nutzen sein. 44.1
Grundlagen
44.1.1 Evaluation des Patienten Die Indikationsstellung richtet sich auch nach individuellen FaktoÂ� ren des Patienten und den Ergebnissen einer eingehenden körperlichen Untersuchung. Die Bedürfnisse des Patienten werden durch Faktoren wie Alter, Beruf, Händigkeit, funktionelle Ansprüche, Zukunftsaussichten und Wünsche bestimmt. Beispielsweise brauchen Patienten, die sich an Krücken oder mit einem Rollstuhl fortbewegen, eher eine kraftvolle Ellbogenextension als -beugung. Ziel ist ein Kraftgrad M3 (.€Tab.€38.5) zur Positionierung der Hand im Raum, von M4 zur Bewegung von Gegenständen. > Die Behandlungsziele müssen mit dem Patienten vor dem Eingriff genau besprochen werden, er muss über die Erfolgsaussichten, Komplikationen und Alternativen bei Misserfolg genau informiert werden und selbst realisti sche Erwartungen an die geplante Operation entwickeln.
Die klinische Untersuchung basiert auf der Kenntnis der Muskelund Nervenanatomie der Ellbogenregion und der Feststellung des
Lähmungsausmaßes sowie der erhaltenen Restfunktion der gesamten oberen Extremität unter Berücksichtigung von Sensibilität, Schmerzen, aktiver und passiver Beweglichkeit und auch der Gebrauchsfähigkeit und Geschicklichkeit (.€Tab.€44.1, .€Tab.€44.2). Wichtigste Voraussetzung für eine funktionell wertvolle Wiederherstellung der Ellbogenfunktion ist eine weitgehend freie passive Gelenkbeweglichkeit, die durch Krankengymnastik oder eine operative Gelenklösung (Arthrolyse) verbessert werden kann, sowie ausreichende Stabilität. Um den Mund zu erreichen, ist z.€B. eine Beugung von mindestens 120° nötig, das Streckdefizit sollte nicht über 30° betragen. Die verbliebene Kraft der primären Ellbogenmotoren muss Â�exakt bestimmt werden, hierbei sind auch Inhibitoren, wie z.€B. kontrakte Antagonisten, zu beachten. Bei der Auswahl der Spendermuskeln gelten die bekannten Regeln jeder Muskeltransposition, insbesondere muss der Motor eine Stärke von mindestens M4 (Bewegung gegen Widerstand; .€Tab.€38.5) aufweisen, da bei der Verlagerung meist 1€Kraftgrad verloren geht. Eine Ausnahme besteht bei Kokontraktion verschiedener Muskeln, z.€B. von M.€triceps und M.€biceps, die die Ellbogenbeugung stören oder unmöglich machen kann. Bei der Verlagerung des M.€triceps auf den M.€biceps addieren sich die Muskelkraftgrade, sodass in diesem Ausnahmefall für den M.€triceps als Spendermuskel nicht unbedingt ein präoperativer Kraftgrad M4 zu fordern ist, sondern auch M3 funktionell wertvoll sein kann. Diagnostisch kann hier eine temporäre Muskelblockade mit Â�Botolinumtoxin erfolgen, z.€B. zur Inaktivierung der Trizepskontraktionen. 44.1.2 Wahl des Zeitpunkts Liegt die Nervenläsion bei einer peripheren Lähmung mit Schädigung des unteren Motoneurons weniger als 6€Monate zurück, sollte immer eine nervale Rekonstruktion versucht werden – entweder durch Nervennaht, Neurolyse, Nerventransplantation oder -trans-
. Tab. 44.1╇ Mögliche Muskeltranspositionen im Schulterbereich
44
Gelähmter Muskel
Funktionsausfall
Mögliche Ersatzmuskeln
M.€deltoideus/M.€pectoralis major (Pars clavicularis)
4 Abduktion der Schulter 4 Stabilisierung der Schulter, z.€B. beim Heben größerer Gewichte
4 4 4 4 4
M.€supraspinatus
4 Steuerung des Humeruskopfes bei Armhebung
4 M.€levator scapulae 4 M.€sternocleidomastoideus
M.€infraspinatus
4 Abduktion/Adduktion des Arms 4 Außenrotation des Arms
4 1. M.€latissimus dorsi 4 2. M.€teres major
M.€subscapularis
4 Adduktion (Heranführen an den Körper) des Arms 4 Retroversion (Ausstrecken nach hinten) des Arms 4 Innenrotation des Arms
4 4 4 4
M.€trapezius
4 Heben des Schulterblattes 4 Ziehen des Schultergürtels nach hinten
4 M.€levator scapulae 4 Mm.€rhomboidei 4 Statische Aufhängungen
M.€serratus anterior
4 Steuern des Schulterblattes
4 M.€teres major 4 M.€pectoralis major (Pars sternalis)/minor 4 Mm.€rhomboidei
M.€trapezius M.€pectoralis major (pars clavicularis) M.€latissimus dorsi M.€triceps (caput longum) M.€biceps (caput breve)
M.€serratus anterior M.€pectoralis major/minor M.€latissimus dorsi M.€teres major
381
44.2 · Operationstechnik
. Tab. 44.2╇ Muskel- und Nervenanatomie der Ellbogenregion (Kennmuskeln und ihre Innervation .€Tab.€40.4)
. Tab. 44.3╇ Lähmungsmuster und Auswahl an Spendermuskeln für die Ellbogenfunktion
Muskel
Muskel- und Funktionsausfall
Mögliche Ersatzmotoren
M.€biceps, M.€brachialis, M.€brachioradialis – Ellbogenbeugung
4 4 4 4
Innervation
RückenmarkÂ�- segment
Ellbogenbeuger M.€biceps brachii
N.€musculocutaneus
C5–C6
M.€brachialis
N.€musculocutaneus
C5–C6
M.€brachioradialis
N.€radialis
C5–C6
Mm.€extensor carpi radialis longus/brevis
N.€radialis
C6–C8
M.€pronator teres
N.€medianus
C6–C7
Hilfsbeugemuskeln
M.€flexor carpi radialis
N.€medianus
C6–C8
M.€flexor digitorum superficialis
N.€medianus
C7–C8
M.€flexor carpi ulnaris
N.€ulnaris
C8–Th1
M.€triceps brachii
N.€radialis
C7–Th1
M.€anconaeus
N.€radialis
C7–C8
M.€latissimus dorsi M.€pectoralis major M.€triceps brachii Unterarmbeuger (mit Ansatz am Condylus ulnaris) 4 M.€flexor carpi ulnaris 4 M.€gracilis, M.€latissimus dorsi, M.€rectus femoris (als funktionelle mikrochirurgische Transplantate) Reservetechniken: 4 M.€pectoralis minor, M.€sternocleidomastoideus
M.€triceps – Ellbogenstreckung
4 4 4 4
M.€deltoideus (pars posterior) M.€biceps brachii M.€latissimus dorsi M.€brachioradialis
Ellbogenstrecker
44.2
Operationstechnik
44.2.1 Nervale Rekonstruktion position –, da eine anatomische Muskelreinnervation in der Regel die besten Ergebnissen bringt. Wird nur eine partielle Funktionswiederkehr erreicht, kann diese durch weitere Operationen, z.€B. augmentierende Muskeltranspositionen, verbessert werden. Bei lange Zeit bestehenden peripheren Lähmungen stehen motorische Ersatzoperationen zur Verfügung, deren Auswahl sich nach den zur Transposition geeigneten Spendermuskeln richtet. Sind keine lokalen Spendermuskeln verfügbar, bleibt die Möglichkeit der mikrochirurgischen funktionellen Muskeltransplantation. Nach Rückenmarkläsion im Halsbereich (Tetraplegie) wird i.€Allg. 1€Jahr abgewartet, bis keine Funktionswiederkehr gelähmter Muskeln mehr erwartet werden kann, der Patient neurologisch stabil ist und sich mit seiner Lähmung auseinandergesetzt und abgefunden hat. Die Anzahl der ansteuerbaren und potenziell transferablen Muskeln bestimmt die Gruppierung des Patienten in der InternaÂ� tionalen Klassifikation und damit die rekonstruktiven Möglichkeiten€(.€Tab.€44.3). 44.1.3 Chirurgische Planung Vor allem bei ausgedehnten Verletzungen mit Beteiligung multipler Nerven muss eine Strategie zur Rekonstruktion von Schlüsselfunktionen festgelegt werden: In der Regel ist die Ellbogenbeugung das oberste Ziel, dann die Abduktion und Außenrotation der Schulter, erst dann folgen Ersatzoperationen an Unterarm und Hand. Solange eine Funktionsrückkehr nach Nervenverletzung im Schulter- und Ellbogenbereich noch realistisch ist (etwa 12–18 Monate nach der Läsion), sollte zunächst eine Nervenrekonstruktion oder Nerventransposition unternommen werden.
Hier gelten die in 7€Kap.€38 dargelegten Regeln. An der Schulter richtet sich die Rekonstruktion v.€a. auf den N.€axillaris (Abduktion durch den M.€deltoideus) und den N.€suprascapularis (Mm.€infra- und supraspinatus zur Stabilisierung und Außenrotation der Schulter). Bei der Rekonstruktion des N.€musculocutaneus, der aus dem supraklavikulären Plexus brachialis entspringt, müssen bei operativer Revision und segmentaler nervaler Rekonstruktion mit autologen Nerventransplantaten einige Besonderheiten beachtet werden.
Nervennaht und Nerventransplantation Da der N.€musculocutaenus zu fast 50% aus sensiblen Fasern besteht, führt jede Naht und segmentale Wiederherstellung zu einem Gemisch motorischer und sensibler Axone. Ein wesentlicher Anteil der motorischen Faser des Nervs erreicht so nicht die motorischen Einheiten, sondern geht durch Regeneration seines sensiblen Endastes, des N.€cutaneus antebrachii lateralis, verloren. Dieser Axonverlust kann auf verschiedene Weise teilweise kompensiert werden: 4 Der distale N.€cutaneus antebrachii lateralis wird direkt in den M.€biceps brachii implantiert oder 4 bei irreparablem N.€radialis wird der sensible Endast direkt mit dem motorischen Muskelast des M.€brachioradialis koaptiert (Nagy 2005). Bei Primärrekonstruktionen ausgedehnter supra- und retroklavikulärer Läsionen des Plexus brachialis bleibt der untere Stamm oft ausgespart. Reicht die Anzahl der Nerventransplantate für eine komplette anatomische Rekonstruktion nicht aus, müssen in der Regel folgende Prioritäten gesetzt werden (Millesi 1997): 1. N.€musculocutaneus zur Ellbogenbeugung (M.€biceps brachii, M.€brachialis), 2. N.€suprascapularis zur Innen- und Außenrotation der Schulter (M.€infra- und supraspinatus),
44
382
Kapitel 44 · Muskuläre und nervale Ersatzoperationen bei Lähmung der Schulter- und Ellbogenfunktion
3. N.€axillaris zur Abduktion der Schulter (M.€deltoideus), 4. N.€radialis (proximalster Ast zum M.€triceps, später Trizeps-proBizeps-Ersatz möglich), 5. N.€thoracicus longus (M.€latissimus dorsi).
Intraplexale Neurotisation an Schulter und Ellbogen Bei kompletten Läsionen des Plexus brachialis bleibt in etwa der Hälfte der Fälle ein Stumpf der C5-Wurzel in der Skalenusregion erhalten, die als Axonquelle genutzt werden kann. Meist wird ein Nerveninterponat auf den Truncus superior gelegt, um neben der Ellbogenbeugung auch eine brachiothorakale Zangenfunktion oder sogar eine sensible Wiederherstellung im Bereich des N.€medianus zu erreichen. Bei inkompletter Lähmung, v.€a. im oberen Anteil, die sowohl die Schulter als auch die Ellbogenbeugung betreffen, werden zervikale Nervenstümpfe oft zur Reinnervation im Schulterbereich verwendet. Die Rekonstruktion der Ellbogenbeugung erfolgt mit effektiveren lokalen Nerventranspositionen (Nagy 2005).
Extraplexale Neurotisation an Schulter und Ellbogen
44
Die effektivsten und häufigsten Nerventranspositionen an der Schulter sind die Neurotisation des N.€suprascapularis durch den N.€accessorius und die Neurotisation des N.€axillaris durch einen Ast zu einem der Trizepsköpfe zur Wiederherstellung der Schulterabduktion (.€Tab.€44.4). Alternative Axonquellen zur motorischen Neurotisation an der Schulter sind die Nn.€intercostales, N.€thoracodorsalis, N.€thoracicus longus, Nn.€pectorales mediales, N.€phrenicus, ipsi- oder kontralaterale Wurzel C7 und ausnahmsweise der N.€hypoglossus. Bei der Wiederherstellung der Ellbogenfunktion durch extraplexale Nerventransposition wird ein nicht geschädigter Spendernerv aus der Umgebung so verlagert, dass er über eine möglichst kurze Distanz die Innervation denervierter Muskeln wiederherstellt. So wird oft eine proximale Nervenverletzung, mit langer Regenerationsstrecke und ungünstiger Prognose bei anatomischer Rekonstruktion, in eine distalere Läsion mit besserer Erfolgsaussicht umgewandelt (.€Tab.€44.4). Hierbei gelten folgende Indikationen (Mackinnon et al. 2005 2003; Nath u. Mackinnon et al. 2007): 4 Verletzungen des Plexus brachialis ohne unverletzte proximale Nerven als mögliche Axonquellen. 4 Proximale periphere Nervenverletzung mit langer Nervenregenerationsstrecke. 4 Vermeidung der Präparation im Gebiet früherer Rekonstruktion von wichtigen Strukturen (z.€B. von Gefäßen) oder von Gewebevernarbung. 4 Schweres Extremitätentrauma mit segmentalem Gewebeverlust. 4 Alternativ bei ungünstiger Prognose einer konventionellen Nerventransplantation (z.€B. bei veralteten Verletzungen oder PaÂ� tienten in höherem Lebensalter).
Die wichtigsten Techniken der motorischen Nerventransposition zur Wiederherstellung der Ellbogenfunktion sind in der .€Übersicht zusammengefasst (mod. nach Wood u. Murray 2007). Die am häufigsten gebrauchten Axonspender mit ihren Hauptindikationen sind in 7€Kap.€38 vorgestellt. Auswahlkriterien für motorische Neurotisationen 4 Kurze Strecke zwischen Spendernerv und motorischem Zielorgan 4 Geringer Hebedefekt nach der Nerventransposition 4 Hoher Anteil des Spendernervs an motorischen Axonen 4 Spendernerv mit ursprünglich synergistischer Wirkung zum Empfängermuskel 4 Spendernerv mit ähnlichem Durchmesser wie Empfängernerv
Nn.€intercostales Interkostalnerven sind gute Axonspender für verschiedene Nerventranspositionen, meist zur Ellbogenbeugung. Sie werden am vorderen Thorax durch subperiostale Dissektion am Unterrand der Rippen gewonnen. Abgesehen von der schwierigen Dissektion können sie aufgrund ihrer Lage jedoch geschädigt und nicht einsetzbar sein, v.€a. nach Hochrasanztraumata mit Thoraxbeteiligung, Rippenfrakturen mit Kallusbildung oder Verletzung bei der Anlage von Thoraxdrainagen. Weiterhin enthalten sie sowohl motorische als auch sensible Nervenfasern, sodass stets mehrere Interkostalnerven zur Koaptation auf einen Empfängernerv zusammengefasst werden müssen, im ungünstigen Fall unter Verlängerung durch ein Nerventransplantat. Ihre Bedeutung als Spendernerven hat daher abgenommen. Sie werden verwendet, wenn intraplexale Nerventranspositionen mit Faszikeln des N.€ulnaris und N.€medianus oder der Nn.€pectorales nicht zur Verfügung stehen (Wood u. Murray 2007).
N.€accessorius Der XI.€Hirnnerv enthält nur motorische Fasern und innerviert den M.€sternocleidomastoideus und M.€trapezius, dessen obere und mittlere Innervation erhalten bleiben sollte. Die Nähe des N.€accessorius zum N.€suprascapularis erlaubt eine direkte mikrochirurgische Koaptation. Nachteil der Neurotisation des weiter distalen N.€musculocutaneus oder des N.€axillaris ist das meist notwendige Nerveninterponat, was in der Regel, auch bei Neurotisationen im Schulterbereich, zu schlechteren Ergebnissen führt (Merrell et al. 2001).
Faszikel des N.€ulnaris und N.€medianus Von Oberlin wurde 1994 die elegante und effektive Methode der Reinnervation des M.€biceps brachii mittels eines motorischen Anteils des N.€ulnaris beschrieben (Oberlin C, Beal D, Leechavengvongs S et al. 1994). Dieses Vorgehen eignet sich besonders für Pati-
. Tab. 44.4╇ Standardtechniken der Nerventranspositionen im Schulterbereich
Spendernerven
Empfängernerv
Neurotisierter Muskel
Funktionsgewinn
N.€accessorius
N.€suprascapularis
M.€infraspinatus, M.€supraspinatus
Abduktion/Adduktion, Außenrotation der Schulter
Trizepsast des N.€radialis
N.€axillaris
M.€deltoideus
Abduktion der Schulter
383
44.2 · Operationstechnik
enten mit irreparablen Verletzungen oder Ausrissen des oberen Plexusanteils und intaktem unterem Truncus. Es werden etwa 20% des gesamten Nervs verlagert, meist Fasern zum M.€flexor carpi ulnaris (Oberlin€I). Eine gewissenhafte Überprüfung der Faszikelauswahl durch intraoperative Nervenstimulation ermöglicht, dass der motorische Ast des N.€musculocutaneus zum M.€biceps (oder brachialis) neurotisiert werden kann, ohne dass ein motorischer oder sensibler Hebedefekt verbleibt. Zusätzlich kann auch ein Faszikel des N.€medianus transponiert werden, etwa auf den Nervenast zum M.€brachialis. DieÂ� se Strategie zur Reinnervation von 2€Ellenbeugemuskeln verspricht noch bessere Ergebnisse als eine Einzelfaszikeltransposition (Oberlin€II; Liverneau et al. 2006; .€Abb.€44.1) (7€auch Kap. 40).
Nn.€pectorals mediales Nach Transposition dieser Nerven zur Reinnervation des M.€biceps kann wegen der Nähe dieser Axonspender zum Empfänger, dem N.€musculocutaneus, mit einer Reinnervation nach 6–8€Monaten gerechnet werden.
N.€thoracodorsalis Dieser Nerv wurde bereits mit gutem Erfolg von Foerster im I.€Weltkrieg zur Reinnervation von N.€musculocutaneus und axillaris eingesetzt. Er kann leicht aufgefunden und mobilisiert werden und besitzt eine ausreichende Länge auch für distale Koaptationen. Er kann jedoch bei Plexusverletzungen, v.€a. im mittleren und unteren Anteil, mitverletzt sein. Seine Verwendung schließt eine spätere motorische Ersatzoperation zur Ellenbeugung oder Schulteraußenrotation mittels Latissimustransposition aus (Mackinnon et al. 2005).
Ausnahmen Kaum mehr verwendete Axonspender sind der Plexus cervicalis (C2/3/4), der N.€hypoglossus, der Plexus cervicalis und die lateralen Pektoralnerven. 44.2.2 Muskuläre Ersatzoperationen
an der Schulter
Indikationsstellung Bei Nervenverletzung im Schulterbereich, v.€a. bei Plexus-brachialisLäsionen, besteht v.€a. ein Funktionsausfall bei Lähmung des M.€deltoideus, M.€supraspinatus und M.€infraspinatus. Es resultiert eine lähmungsbedingte Bewegungseinschränkung der Schulter mit 4 reduzierter Abduktion, 4 geschwächter Anteversion des Arms, 4 Schulterinstabilität mit Humeruskopfsubluxation und 4 eingeschränkter Außenrotation. Zur Verbesserung von Abduktion, Anteversion und Schulterinstabilität sind die im Folgenden beschriebenen Operationen gebräuchlich.
Transposition des M.€trapezius Indikation. Selbst bei kompletten Plexusläsionen ist der M.€trapezi-
us durch seine extraplexale Innervation (N.€accessorius) bei 90% der betroffenen Patienten noch intakt und kann daher zur motorischen Ersatzoperation verwendet werden. Vorteil des Trapeziustransfers ist insbesondere der Erhalt der passiven Beweglichkeit.
Operationstechnik. Bei dieser Muskeltransposition wird das Akro-
mion am Übergang zur Spina scapulae und dem distalen Ende der
Klavikula abgesetzt und mit dem operativ mobilisierten M.€trapezius zum proximalen Humerus verlagert und dort bei 80–90° abduziertem Arm mittels Spongiosaschrauben fixiert. Nachbehandlung.╇ Postoperativ wird eine Thorax-Arm-AbdukÂ�
tionsorthese für 6€Wochen in 80°Â€Abduktion/10°Â€Anteversion angelegt. Ergebnisse. Mögliche Komplikationen sind Infekte und Materiallockerungen. Durch diese Umlagerung kommt es durch Beseitigung der kaudalen Humeruskopfsubluxation zur Stabilisierung der Schulter und damit zu einer besseren Kontrollierbarkeit und Einsatzfähigkeit der oberen Extremität. In der Regel kann eine Abduktion oder Anteversion des Oberarms von ca. 30–40°erreicht werden.
Schulterarthrodese Indikation.╇ Die Gelenkfusion wird der Trapeziusverlagerung meist
vorgezogen, wenn die Hand- und Ellbogenfunktionen gut erhalten sind oder günstige Aussichten bestehen, diese Funktionen mit geeigneten Spendermuskeln zu rekonstruieren. Ebenso bietet die Schulterarthrodese sich an, wenn posttraumatisch oder arthrotisch die passive Schultergelenksbeweglichkeit stark eingeschränkt ist. Sie kann auch als Rettungsoperation nach fehlgeschlagenen MuskelÂ� ersatzoperationen indiziert sein. Voraussetzung für eine Fusion des Glenohumeralgelenks ist immer die erhaltene Beweglichkeit des Schulterblattes, v.€a. durch M.€serratus anterior und M.€trapezius. Operationstechnik.╇ Bei der Schulterathrodese wird der Humerus-
kopf mit dem Glenoid und der Akromionunterfläche nach Schaffung von spongiösen Flächen in Kontakt gebracht und die Situation unter Verwendung von Platten und Schrauben fixiert. Hierbei wird eine Armstellung von 20° Abduktion, 30° Anteversion und 40° Innenrotation zum Thorax angestrebt. Um operationstechnische Probleme zu vermeiden, sollte die Arthrodese in einer Sitzung mit notwendigen peripheren Ersatzoperationen durchgeführt werden.
Nachbehandlung.╇ Die Nachbehandlung erfolgt frühfunktionell
aus der für 6€Wochen zu belassenden Thorax-Arm-Abduktionsschiene heraus.
Ergebnisse. Postoperativ ergibt sich aus der Bewegung des thorakoskapularen Gleitlagers mit Kraftübertragung auf den Arm durch Beteiligung von insgesamt 4€Muskeln eine kraftvolle aktive Abduktion und Anteversion von bis zu ca. 60°. An Komplikationen können insbesondere Pseudarthrosen, Infektionen und Humerusfrakturen auftreten. Die Kontrolle über den Arm wird wiedergewonnen, und es sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Hand wieder zur Gesichtsregion gebracht und eingesetzt werden kann. Die kaudale Luxationstendenz des Humeruskopfs wird durch die Fusion ebenso beseitigt.
Transposition von M.€latissimus dorsi/M.€teres major zur Verbesserung der Schulteraußenrotation Indikation. Der Ausfall von M.€infraspinatus und M.€teres minor ist
v.€a. bei oberer Plexusläsion häufig. Durch den Verlust der Außenrotation kommt es zum typischen Bild mit spontaner Innenrotationsstellung des Arms. Diese entsteht auch dadurch, dass an der Innenrotation mehr Muskeln beteiligt und zumindest noch teilweise funktionsfähig sind (M.€subscapularis, M.€teres major, M.€pectoralis major, M.€latissimus dorsi, M.€coracobrachialis). Zur Verbesserung
44
384
a
Kapitel 44 · Muskuläre und nervale Ersatzoperationen bei Lähmung der Schulter- und Ellbogenfunktion
d
b
e
44
c
. Abb. 44.1╇ a Obere Plexusläsion mit Ausfall der Ellbogenbeugung links (M.€biceps und brachialis jeweils M0). b€Intraoperativer Situs der Verletzung des oberen Plexus brachialis. c€Doppeltransposition eines Faszikels des N.€ulnaris auf den M.€biceps brachii und eines Faszikels des N.€medianus auf den M.€brachialis. d,€e€Postoperatives Ergebnis 5€Monate postoperativ mit kraftvoller Ellenbeugung bis 130°, Funktionsgrad M4. (Aus Gohritz et al. 2008)
385
44.2 · Operationstechnik
der Außendrehung kann in diesen Fällen der gemeinsame Ansatz der Mm.€latissimus dorsi et teres major verlagert werden, sodass sie als Außenrotatoren wirksam werden. Operationstechnik.╇ Nach ventraler Ablösung des Ansatzes der bei-
den Muskeln wird dieser nach dorsal umgeleitet und in Außenrotationsstellung des Arms in der Region des Infraspinatusansatzes reinseriert. Hierfür ist im Gegensatz zur Rotationsosteotomie eine passiv wenig bis gar nicht eingeschränkte Außenrotation im Schultergelenk erforderlich. Bei kontrakten Verhältnissen besteht zwar grundsätzlich auch die Möglichkeit zur Muskeltransposition, es muss dann aber immer ein zusätzlicher ventraler »release« der Kapsel und der Mm.€pectoralis et subscapularis durchgeführt werden (7€auch Modquad-Release, 7€Kap.€40, .€Tab.€40.5). Nachbehandlung.╇ Zur Sicherung des Operationsergebnisses ist eine postoperative Immobilisation in einer Thorax-Arm-AbdukÂ� tionsorthese in 0–20° Abduktion und 0–20° Außenrotation für 6€Wochen erforderlich. Ergebnisse. Die beschriebene Verlagerung von M.€teres major und
M.€latissimus dorsi erreicht durch die verbesserte Außenrotation meist eine erhebliche Zunahme des Aktionsradius der Hand. Sie kann jedoch dadurch limitiert sein, dass bereits ein passives Außenrotationsdefizit mit kontrakten Kapselverhältnissen besteht. Die Muskelverlagerung spielt deshalb insbesondere in der Behandlung geburtstraumatischer Läsionen im Kindes- und Adoleszentenalter eine Rolle, wenn eine Innenrotationskontraktur durch konsequente Krankengymnastik vermieden werden konnte.
Rotationsosteotomie des Humerus Indikation.╇ Stehen M.€teres major und M.€latissimus dorsi nicht als
Spendermuskeln für eine Transposition zur Verfügung, kann die Verbesserung der Außenrotation der Schulter alternativ durch eine Humerusdrehosteotomie erreicht werden, die von Spendermuskeln unabhängig ist.
Operationstechnik. Operativ wird bei der Außenrotationsosteoto-
mie der Humerus subkapital oder istaler mit der oszillierenden Säge durchtrennt, der distale Humerusanteil um 30–60° nach außen rotiert und in dieser Position mittels Ostesyntheseplatte stabilisiert. Der Rotationssektor wird zugunsten der Außendrehung verschoben.
Nachbehandlung.╇ Die Nachbehandlung erfolgt im Gilchrist-Ver-
band, der aber schon nach wenigen Tagen zur frühfunktionellen krankengymnastischen Übungsbehandlung abgenommen werden kann.
Ergebnisse. Mögliche Komplikationen sind temporäre RadialisÂ�
läsionen, Infektionen und sowohl Über- als auch Unterkorrekturen. Durch die Korrekturosteotomie wird die Fehlstellung des spontan übermäßig nach innen gedrehten Arms in eine physiologischere Armhaltung überführt. Das Anschlagen des Unterarms am Thorax bei Ellbogenbeugung wird beseitigt, sodass die Hand von den Patienten postoperativ in die Gesichtsregion geführt werden kann.
Fazit Der Erfolg von Sekundäroperationen an der Schulter lässt sich nicht allein anhand objektivierbarer Kriterien (Bewegungsumfang, Kraftgrade) beurteilen. Für viele Betroffene ist die Wiedererlangung der Kontrolle über den gelähmten Arm wesentlich wichtiger. Gerade bei kompletten Plexusläsionen wird der betroffene Arm häufig als
»nutzloses Anhängsel« empfunden, in einer Schlinge getragen oder in den Hosenbund gesteckt, damit er nicht hinderlich ist. Auch nur die Wiederherstellung der Schulterstabilität und damit der Kontrolle über den Arm, z.€B. durch eine M.-trapezius-Verlagerung, ist für manche Patienten auch bei bescheidener Verbesserung der aktiven Beweglichkeit ein großer Gewinn. 44.2.3 Wiederherstellung der Ellbogenbeugung
Muskeltranspositionen Zur Wiederherstellung der Ellbogenbeugung können folgende Kraftspender verlagert werden: Flexor-Pronator-Muskeln, M.€latissimus dorsi, M.€pectoralis major und minor, M.€triceps brachii. Mikrochirurgisch können der M.€gracilis, M.€rectus femoris und M.€latissimus dorsi verpflanzt werden. Im Folgenden sollen die klassischen motorischen Ersatzoperationen vorgestellt werden (.€Tab.€44.5–44.7; Buck-Gramcko u. Nigst 1991; Friden 2005; Nagy 2005; Nigst 1991; Zancolli 1979).
Proximalisierung der Flexor-Pronator-Muskeln des Unterarms (Operation nach Steindler) Diese erstmals 1918 von Steindler beschriebene Operation nutzt den agonistischen Effekt der Unterarmbeuge- und Pronatormuskulatur (Mm.€flexor carpi radialis, flexor carpi ulnaris, palmaris longus, flexor digitorum superficialis und pronator teres), die als sekundäre Ellenbeuger wirken. Ihr Hebelarm zur Ellbogenflexion wird verÂ� bessert, indem der ursprünglich fast am isometrischen Punkt der Ellbogenachse gelegene Ursprung am Epicondylus medialis um etwa 5€cm auf dem Humerus nach proximal verlagert wird. Indikation.╇ Die Hauptindikation besteht zur Wiederherstellung der
Ellbogenbeugung bei Patienten mit normaler Kraft der Flexor-Pronator-Muskulatur, bei denen eine schwache Restbeugung des Ellbogens augmentiert werden soll. Die Beteiligung dieser Muskeln an der Ellbogenbeugung kann bereits präoperativ getestet werden und ist ein gutes prognostisches Zeichen für die Wirksamkeit der Operation. Es empfiehlt sich eine elektrophysiologische Untersuchung, um die Funktion des M.€flexor digitorum superficialis und des M.€flexor carpi radialis zu prüfen. Die Operation wird erleichtert, wenn zuvor, v.€a. bei oberen Plexusläsionen, eine Schulterarthrodese durchgeführt wurde. Vorteile.╇ Der Eingriff ist technisch einfach, der funktionelle und kosmetische Hebedefekt sehr gering.
. Tab. 44.5╇ Motorische Nerventranspositionen an der oberen Extremität. (Nach Mackinnon et al. 2005)
Rekonstruk tionsziel
Spendernerven
Empfängernerv
Ellbogen- flexion
4 Nn.€intercostales 4 Nn.€pectorales mediales 4 Anteile des Plexus cervicalis, N.€thoracodorsalis
4 N.€musculo- cutaneus
4 Teil des N.€ulnaris (FCU) 4 Teil des N.€medianus (FCR) 4 Nn.€pectorales
4 Äste des N.€musculocutaneus (M.€biceps brachii und/oder brachialis)
44
386
Kapitel 44 · Muskuläre und nervale Ersatzoperationen bei Lähmung der Schulter- und Ellbogenfunktion
. Tab. 44.6╇ Techniken zur Rekonstruktion der Ellbogenbeugung
Technik
Indikation
Komplikationen
Besonderheiten
Steindler-Operation (Flexoren-Pronator)
4 Obere Plexusläsion >6€Monate
4 Beugekontraktur des Ellbogens
4 Zuverlässige Methode 4 Gut zur funktionellen Augmentation geeignet 4 Allein oft nur schwacher Beugerersatz
M.-latissimus-dorsi- Transposition
4 Plexusläsionen C5–C6 >6€Monate 4 Ausfall des N.€musculocutaneus >6€Monate
4 Fehleinschätzung der präÂ�operativen Kraft des M.€latissimus dorsi 4 Falsche Muskelspannung
4 Kräftiger Spender 4 Technisch anspruchsvoll 4 Spendermuskel geht für SchulterrekonsÂ�truktion verloren 4 Beugekontraktur des Ellbogens selten
M.-pectoralis-major- Transposition
4 Plexusläsionen/Ausfall des N.€musculocutaneus >6€Monate
Funktionelle Muskel transplantation
4 Nervenschädigung >10€Monate 4 Gescheiterte Nervenrekonstruktion 4 Patientenalter >40€Jahre
4 Transplantatnekrose 4 Funktionsverlust durch falsche Muskelspannung
4 Geeignete Spender-/Empfängernerven und Stabilität der Schulter notwendig 4 N.€accessorius als Spendernerv besser als Nn.€intercostales
. Tab. 44.7╇ Technik zur Neurotisation des N.€musculocutaneus zur Ellbogenbeugung
44
Spendernerven
Indikation
Komplikationen
Besonderheiten
Faszikel des N.€ulnaris/medianus
4 Wurzelausrisse C5, C6, C7 4 Lähmung M4; .€Tab.€38.5; McDowell et al. 1986).
Kontraindikationen Es gelten die allgemeinen Regeln motorischer Ersatzoperationen, v.€a. müssen die betroffenen Gelenke passiv frei beweglich und die Patienten zur aktiven Nachbeübung motiviert und fähig sein.
45.2
Operationstechniken
45.2.1 Wiederherstellung der Ellbogenstreckung
(Trizepsfunktion)
Der M.€triceps brachii wird aus dem Segment C7 versorgt und ist daher nach einer Schädigung des Rückenmarks im Halsbereich Â�(Tetraplegie) meist gelähmt. Bei Tetraplegikern mit hohem und mittlerem Läsionsniveau und fehlender Ellbogenextension ist der Aktionsradius der Hand minimal, sie kann nur durch eine schleudernde Trickbewegung gegen die Schwerkraft vom Körper wegbewegt und im Raum platziert werden: Neu gewonnene Greiffunktionen wären kaum einsetzbar. > Die Wiederherstellung der Funktion des M.€triceps brachii ist integraler Bestandteil der chirurgischen Rehabilitation der oberen Extremität von Tetraplegikern, weil die aktive Ellbogenstreckung unbedingt notwendig ist, um die Hand im Raum einzusetzen und Manöver zur Druckentlastung (der Sitz- oder Liegefläche) durchzuführen.
Zudem beruhen viele Techniken zur Wiederherstellung der Greiffunktion der Hand auf einer Transposition des M.€brachioradialis, dessen beugende Wirkung am Ellbogen nach einer Transposition neutralisiert oder antagonisiert werden muss, um eine gute Steuerbarkeit der Hand zu erreichen. Zur Wiederherstellung der Ellbogenstreckung gibt es 2€klassische Möglichkeiten:
395
45.2 · Operationstechniken
4 die Transposition des hinteren M.-deltoideus-Anteils (Moberg
Spina scapulae über dem hinteren Anteil des M.€deltoideus und reicht etwa 5€cm nach distal, sodass die Tuberositas des M.€deltoideus dargestellt wird. Der M.€deltoideus wird mobilisiert und die Grenze zwischen dem mittleren und dem hinteren Anteil bestimmt (.€Abb.€45.1a). Der hintere Muskelanteil wird identifiziert und mit dem Periost abgelöst. Hierbei muss die dorsal gelegene Aponeurose des Spendermuskels unbedingt erhalten und bei der Ablösung des Muskels eingeschlossen werden, da sie als einzige Struktur genug Stabilität zur Befestigung des Sehnentransplantates bietet. Sie reicht mit ihrem distalen Anteil durchschnittlich bis 16€mm proximal des Apex der Insertion. Bei der weiteren Präparation sind der N.€axillaris, der N.€radialis und die A.€circumflexa humeri zu schonen.
1979) und 4 die Umlagerung des M.€biceps brachii (Nigst 1991; Mohammed et al. 1992). Erstere Technik hat den Nachteil, dass ein Interponat zwischen dem distalen Deltoideusende und der Trizepssehne notwendig ist. Nachteil der M.€biceps-Transposition ist, dass sie die Ellbogenbeugung schwächt. Die Verfahrensauswahl beruht primär auf einer genauen körperlichen Untersuchung mit manueller Prüfung der Muskelkraft, weiterhin in Absprache mit dem Patienten auf den unterschiedlichen Nachbehandlungsschemata. Operationstechnik.╇ Als Standardtechnik soll hier die Transposition
des hinteren M.-deltoideus-Anteils kurz dargestellt werden: Die Operation erfolgt in Rückenlage des Patienten mit frei beweglicher, steriler Auslagerung des Arms in leichter Abduktion auf dem Handtisch, in Blutleere (250€mm€Hg) und Intubationsnarkose oder Plexusanästhesie mit Blockade des N.€axillaris. Es erfolgt die Desinfektion und sterile Desinfektion der gesamten oberen Extremität und des gegenseitigen Unterschenkels zur Sehnentransplantatentnahme. 4 Darstellung des M.€deltoideus (pars posterior): Der Zugang beginnt über eine S-förmige Inzision etwa 2€cm unterhalb der
4 Gewinnung des Sehnentransplantats des M.€tibialis anterior:
Die Sehne des M.€tibialis anterior wird durch eine anteriore Inzision an ihrer Insertion und am muskulotendinösen Übergang durchtrennt und herausgezogen (.€Abb.€45.1b).
4 Proximale und distale Verbindung von M.€deltoideus und
M.€triceps: Der hintere Anteil des M.€deltoideus wird nach pro-
ximal mobilisiert, und es wird ein subkutaner Tunnel von der Insertion des M.€deltoideus zur distalen Trizepssehne durch eine dorsale Inzision auf Höhe des Olekranons geschaffen (.€Abb.€45.1c). Die Sehne des M.€deltoideus und das Sehnen-
a
c
b
d
. Abb. 45.1╇ a Trennung des hinteren vom vorderen Anteil des M.€deltoideus, der mit dem Periost und der dorsal gelegenen Aponeurose abgelöst wird. b€Entnahme der Sehne des M.€tibialis anterior durch anteriore Inzision. c€Proximale Mobilisierung des hinteren Anteils des M.€deltoideus und subkutane Tunnelierung bis zum Olekranon für das Sehnentransplantat. d€Die Sehne des M.€deltoideus und das Sehnentransplantat des M.€tibialis anterior werden proximal etwa 5€cm überlappend mit 5-0-Ethibon-Nähten in fort-
laufender Technik vernäht. e€Distale Fixierung zwischen Sehnentransplantat und Trizepssehne. f€Stahlmarkierungen zur postoperativen Abstandskontrolle zwischen Spendermuskel (M.€deltoideus), Sehneninterponat und Empfängermuskel (M.€triceps brachii), z.€B. um eine Überdehnung frühzeitig erkennen zu können (g€Nachbehandlung mit spezieller Armstütze). h€ErhebÂ� liche Erweiterung des Aktionsradius der Hand durch Wiederherstellung der Ellbogenstreckung. (Aus Fridén et al. 2008)
45
396
Kapitel 45 · Funktionsverbesserung der oberen Extremität von Tetraplegikern
e
f
45
g
h
transplantat des M.€tibialis anterior werden proximal etwa 5€cm überlappend mit 5-0-Ethibon-Nähten in fortlaufender Technik vernäht (.€Abb.€45.1d). Das Sehnentransplantat wird an der distalen Sehnenverbindung durch mehrere Schlitze in der flachen Trizepssehne gezogen und festgenäht (.€Abb.€45.1e). Die Muskel-Sehnen-Einheit wird in eine mittlere passive Spannung gebracht, indem der Arm mit extendiertem Ellbogen an den Körper gelegt wird. Zur Markierung werden an 4€verschiedenen Positionen rostfreie Stahlnähte der Stärke 3-0 eingebracht: 5 an der Deltoideussehne, 5 am proximalen Ende des Sehnentransplantates, 5 am distalen Ende des Sehnentransplantates, 5 an der Trizepssehne im Abstand von 3€cm (.€Abb.€45.1f). Nachbehandlung.╇ Nach eingehendem Wundverschluss und Ver-
bandanlage wird ein gespaltener Oberarmgips in etwa 10–15° Ellbogenstreckung angelegt.
. Abb. 45.1 (Fortsetzung)
Die Nachbehandlung der Deltoideustransposition wurde von Moberg (1975, 1979) genau beschrieben. Die Ellbogenstreckung darf nur schrittweise um 15° pro Woche gesteigert werden, um eine Überdehnung der Sehnennaht zu verhindern. Die SchulterabdukÂ� tion ist zu vermeiden (Fridén 2005). Ab einer Flexion von 90° kann die Schiene abgenommen und die Arbeit gegen Widerstand erlaubt werden. Nachuntersuchung.╇ Bei der standardmäßigen Nachuntersuchung der Patienten nach 4 und 6€Wochen sowie 3 und 6€Monate nach der Operation werden Röntgenbilder angefertigt, auf denen sich der Â�Abstand zwischen den Markierungen 1€und€2 (definiert als das proximale Intervall) und zwischen 3€und€4 (distales Intervall) unter Verwendung eines Kalibrierungslineals messen lässt. So kann eine Überdehnung frühzeitig erkannt und z.€B. das Beübungsprogramm angepasst werden.
397
45.2 · Operationstechniken
. Tab. 45.1╇ Internationale Einteilung der Voraussetzungen einer beabsichtigten chirurgischen Rekonstruktion der Arm- und Handfunktion bei Tetraplegie. (Nach McDowell et al. 1986, mod. nach Nigst 1991)
Gruppe
Sensibilität
Charakteristika entsprechend der transponierbaren Muskeln
Beschreibung der Funktion
0
Oa oder Cub
Kein transponierbarer Muskel unterhalb des Ellbogens
Flexion und Supination des Ellbogens
1
M.€brachioradialis (BR)
Flexion des Ellbogens in Pronation
2
+ M.€extensor carpi radialis longus (ECRL)
Handgelenksstreckung (schwach oder kräftig)
3
+ M.€extensor carpi radialis brevis (ECRB)
Handgelenkstreckung
4
+ M.€pronator teres (PT)
Streckung und Pronation des Handgelenks
5
+ M.€flexor carpi radialis (FCR)
Handgelenksbeugung
6
+ M.€extensor digitorum
Extrinsische Fingerstreckung (teilweise oder alle Finger)
7
+ M.€extensor pollicis longus
Extrinsische Daumenstreckung
8
+ M.€flexor digitorum
Schwache Fingerbeugung
9
Nur Fehlen der intrinsichen Muskulatur
Extrinsische Fingerbeugung
10
Ausnahmen
a
O=»ocular«: Adäquates Sehvermögen, Augenkontrolle (2-Punkte-Diskrimination am Daumen >10€mm). Cu=»cutaneous«: Nützliche sensorische Afferenzen von den Händen vorhanden=kutane Sensibilität (2-Punkte-Diskriminierung an der DaumenÂ� kuppe ≥10€mm).
b
45.2.2 Wiederherstellung der Greiffunktion
nach Gruppen der Internationalen Klassifikation (IC)
Bei der Rekonstruktion der Greiffunktion hängt die Wahl des Eingriffs eng mit der Anzahl zur Umlagerung geeigneter und zur Verfügung stehender Muskeln zusammen, die eine Gruppeneinteilung bestimmt (.€Tab.€45.1).
Gruppe IC€0 Diese Patienten verfügen über keinen für eine motorische Ersatzplastik nutzbaren Muskel unterhalb des Ellbogens, und so sind durch Muskeltranspositionen bei diesen Patienten keine Funktionsverbesserungen an der Hand zu erzielen. Durch die Implantation von Elektroden zur Aktivierung von Muskeln unterhalb des Läsionsniveaus lässt sich jedoch z.€B. eine nützliche Greiffunktion zwischen Daumen und Zeigefinger wiederherstellen. Der Nachteil des Verfahrens liegt darin, dass der Patient darauf angewiesen ist, dass die äußeren Impulsgeber täglich neu angebracht werden. Neben dem hohen technischen Aufwand haben die hohen Primär- und Folgekosten dazu geführt, dass das System seit einigen Jahren aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr für Neuimplantationen zur Verfügung steht (Landi 2003).
zusätzliche Tenodese des M.€flexor pollicis longus am Radius verstärkt. Die erreichte Greifform ist schwach und passiv, da sie vollkommen von der Position des Handgelenks abhängt, bedeutet aber einen erheblichen Funktionsgewinn. Sie ermöglicht einseitiges Halten und Handhaben von leichten Gegenständen, z.€B. von Papieren, einer Zahnbürste oder Gabel (.€Abb.€45.2).
Aktiver Schlüsselgriff (M.-brachioradialis- Transposition auf den M.€flexor pollicis longus) Besteht neben dem M.€brachioradialis dank des zusätzlich funktionierenden M.€extensor carpi radialis longus (ECRL) eine aktive, kräftige Handgelenkstreckung, besitzen die Patienten durch den
Passiver Schlüsselgriff (Operation nach Moberg) Ist nur der M.€brachioradialis zur Transposition verfügbar und reicht die Restfunktion des M.€biceps und des M.€brachialis zur Ellbogenbeugung aus, kann mit seiner Hilfe die Handgelenkstreckung wiederhergestellt und damit der natürliche Tenodeseeffekt geschaffen werden. Durch Transposition des M.€brachioradialis auf die radialen Handgelenkstrecker werden eine globale Fingerbeugung (»grasp«) und ein lateraler Kneifgriff zwischen Daumen und Zeigefinger (»key pinch« oder Schlüsselgriff) geschaffen, dessen Wirkung sich durch
. Abb. 45.2╇ Nach der Wiederherstellung der Handgelenkstreckung durch den M.€brachioradialis und FPL-Tenodese am Radius (Operation nach Moberg) wird bei einem Patienten der Gruppe€1 eine aktive Funktionshand geschaffen, die das Halten und Manipulieren leichter Objekte ermöglicht. (Aus Gohritz et al. 2007)
45
398
Kapitel 45 · Funktionsverbesserung der oberen Extremität von Tetraplegikern
Tenodeseeffekt eine schwache Greifmöglichkeit, jedoch keine Kraft gegen Widerstand. Der M.€brachioradialis motorisiert den M.€flexor pollicis longus (FPL) zur Rekonstruktion eines aktiven Schlüsselgriffes (.€Abb.€43.4). Aufgrund der fehlenden aktiven Daumenstreckung kann hier leicht eine funktionell ungünstige Hyperflexion des Daumenendgliedes entstehen, die durch eine Zügelung des Daumenendgelenks durch Transposition eines distal gestielten Streifens der M.-flexor-pollicislongus-Sehne auf die lange Daumenstrecksehne verhindert werden kann (Mohamed et al. 1992). Die aktivierte FPL-Funktion schafft einen aktiven, kräftigen und steuerbaren Schlüsselgriff und erlaubt es, größere Gegenstände zu halten und auch gegen Widerstand zu bewegen. Dies erleichtert z.€B. das An- und Auskleiden und macht das Katheterisieren der Blase ohne fremde Hilfe erst möglich. a
Globales Einrollen der Finger zum Faustschluss (»grasp«) Funktionieren neben dem M.€brachioradialis beide radialen Handgelenksstrecker, kann der motorische Ersatz der tiefen Fingerbeuger durch den ECRL einen globalen Faustschluss (gleichzeitige GreifÂ�beÂ�weÂ� gung aller Finger) schaffen. Damit die Hand nicht geschlossen bleibt, ist es sinnvoll, durch Sehnentransposition (z.€B. PT-pro-EDC-Transposition) oder Tenodese auch die Fingerstreckung zu ermögÂ�lichen. Diese Operationen geben dem Patienten einen Lateralgriff und eine Greifmöglichkeit der gesamten Hand mit Kraft (»grasp«), mit der er größere Gegenstände, wie z.€B. Flaschen, Mobiltelefone oder Gegenstände mit Griff oder Henkel handhaben kann. Dies ermögÂ� licht ihm oft eine fast vollkommene Unabhängigkeit beim Anziehen, bei der Pflege der oberen Körperhälfte, beim Essen und bei der Zubereitung von Mahlzeiten sowie beim Bewegen des Rollstuhlrades (.€Abb.€45.3a,€b).
b
c
45
. Abb. 45.3a–c╇ Vergleich der Greifmöglichkeit eines 21-jährigen Tetraplegikers der Gruppe€7 zur Bewegung des Rollstuhlrades a€vor und b nach Rekonstruktion eines Schlüsselgriffs zwischen Daumen und Zeigefinger mittels BR-pro-FPL-Transposition. c Globalgriff mit Beugung der Finger durch ECRL-pro-FDP-Transposition (Operation nach Lamb). (Aus Gohritz et al. 2007)
Gruppe IC€3 In der Gruppe IC€3 funktionieren neben dem M.€brachioradialis beide radialen Handgelenkstrecker, also ECRL und M.€extensor carpi radialis brevis (ECRB). Neben dem aktiven Schlüsselgriff durch BRauf-FPL-Transposition ermöglicht der motorische Ersatz der tiefen Fingerbeuger durch den ECRL einen globalen Faustschluss (gleichzeitige Greifbewegung aller Finger). Damit die Hand nicht geschlossen bleibt, ist es sinnvoll, auch die Fingerstreckung zu reaktivieren. Aufgrund der gegensätzlichen Nachbehandlung müssen die Handöffnung und der Handschluss getrennt voneinander und zweizeitig im Abstand von mindestens 3–6 Monaten durchgeführt werden. Die Reihenfolge hängt von der Philosophie der Chirurgen ab. Oft wird, wie beim natürlichen Greifvorgang, zunächst die Handöffnung rekonstruiert (Leclercq 2002). Die Streckung von Fingern und Daumen wird passiv durch Tenodese am Radius erreicht (Moberg 1979). Neben der Tenodese der Daumen- und Fingerstrecker kann simultan der Daumenstrahl durch Sattelgelenksarthrodese dem Zeigefinger beim Schlüsselgriff gegenübergestellt werden. Eine aktive Motorisierung ist z.€B. durch den M.€pronator teres möglich. Die intrinsische Funktion der Mm.€interossei wird mit der »Lassotechnik« nach Zancolli wiederhergestellt (Zancolli 1975), um zu verhindern, dass die Aktivierung der Fingerbeugung zur Bildung einer »Kralle« führt, durch die alle kleineren Gegenstände hindurch fallen können. Die Fingerbeuger werden durch den M.€extensor carpi radialis longus ersetzt, der lange Daumenbeuger durch den M.€brachioraÂ� dialis, verbunden mit der oben beschriebenen Stabilisierung des Daumensattelgelenks. Diese Operationen geben dem Patienten einen Lateralgriff und eine Greifmöglichkeit der gesamten Hand mit Kraft (»grasp«), mit
399
45.2 · Operationstechniken
der er große Gegenstände, wie z.€B. Flaschen, Mobiltelefone oder Gegenstände mit Griff oder Henkel handhaben kann. Dies ermöglicht ihm oft eine fast vollkommene Unabhängigkeit beim Anziehen, Waschen der oberen Körperhälfte, Essen und der Zubereitung von Mahlzeiten.
Gruppen IC€4 und 5 Bei diesen Untergruppen wird die gleiche therapeutische Strategie angewendet, weil zusätzlich der M.€pronator teres (PT) für eine motorische Ersatzplastik verfügbar ist. Der in Gruppe€5 zusätzlich aktive M.€flexor carpi radialis (FCR) wird als wichtiger HandgelenkÂ� stabilisator nicht verlagert. In beiden Gruppen stehen also der BR, der ECRL und der PT für die Wiederherstellung der aktiven Fingerund Daumenstreckung, Fingerbeugung und Daumenbeugung zur Verfügung. Hierdurch ist der gleiche Funktionsgewinn wie in Gruppe€3 möglich, zudem fällt durch die aktive Handöffnung das Ergreifen größerer Gegenstände (z.€B. Flaschen) leichter. Der gleichmäßigere Muskeltonus wirkt sich positiv auf die Ästhetik der Hand und den zwischenmenschlichen Kontakt (Handgeben oder Liebkosen) aus.
a
Gruppe IC€6 Hier liegt eine schwache Streckung der Finger vor, nicht aber des Daumens. Dieser nicht antagonisierte Streckertonus kann zu einer flachen, permanent gestreckten Hand führen, auf die der Tenodeseeffekt des Handgelenks kaum wirken kann, sodass sich ohne vorbereitende Maßnahmen keine funktionell wertvolle Ersatzfunktion zwischen Daumen und Zeigefinger ergibt. In einem ersten Schritt wird die Daumenstreckung wiederhergestellt, entweder durch seitliche Naht der EPL-Sehne an ausreichend kräftige Fingerstrecker oder durch Tenodese am Radius. Simultan wird die Funktion der Mm.€interossei mittels Lassoplastik wiederhergestellt. Der zweite Operationsschritt entspricht dem zweiten Operationsschritt für die Gruppen€4 und€5. Der BR kann entweder zur Verstärkung der Flexions-Abduktions-Bewegung des Daumens oder der Lassowirkung verwendet werden.
b
Gruppe IC€7 Bei intakter Daumen- und Fingerstreckung kann die RekonstrukÂ� tion auf der Beugeseite ohne Operationen der Streckseite rekonsÂ� truiert werden, meist durch Motorisierung der Fingerbeuger mittels€ECRL. Für die Daumenbeugung werden der BR oder der PT verwendet. Mittels weiterer für motorische Ersatzoperationen nutzbarer Muskeln kann die Greifform verfeinert werden, z.€B. durch LassoÂ� plastik (mittels M.€brachioradialis), Antepulsionsplastik oder Rekonstruktion der Palmarabduktion des Daumens (durch M.€extensor digiti minimi oder M.€extensor indicis) oder Opponensplastik (mittels M.€brachioradialis oder M.€flexor carpi ulnaris). Die Transposition des M.€digiti minimi auf den gelähmten M.€abductor pollicis brevis ermöglicht eine exakte Positionierung der Daumenkuppe auf der Radialseite des Zeigefingers und einen€ in Kraft und Richtung dosierbaren subterminalen Griff, mit dem selbst kleine und runde Gegenstände, wie z.€B. Tabletten, beherrscht und feinmotorische Tätigkeiten bewältigt werden können (.€Abb.€45.4). Die Lasso- und die Opponensplastik verstärken den Grobgriff und schaffen damit eine annähernd normale Handfunktion.
Gruppe IC€8 und 9 Bei diesen Patienten entspricht das motorische Defizit weitgehend einer kombinierten peripheren Lähmung von N.€medianus und
c . Abb. 45.4╇ a€Mobilisierung, distale Absetzung und b Durchzug des M.€digiti minimi durch die Membrana interossea zur Motorisierung des gelähmten M.€abductor pollicis brevis. c Nach Neuinsertion gewinnt der Patient die Palmarabduktion des Daumens wieder und kann so den 1.€Zwischenfingerraum aktiv öffnen und die Daumenkuppe auf der Radialseite des Zeigefingers positionieren und Kraft sowie Richtung des subÂ� terminalen Griffs abstimmen. (Aus Gohritz et al. 2007)
45
400
Kapitel 45 · Funktionsverbesserung der oberen Extremität von Tetraplegikern
N.€ulnaris und wird wie bei Patienten mit peripherer Nervenläsion angegangen.
Gruppe 10 Die Gruppe€10 (X, »exceptional«) umfasst alle Patienten, deren Lähmungsmuster sich nicht in die Internationale Klassifikation einteilen lässt, z.€B. inkomplette Lähmungen oder Patienten mit kombinierten zentralen und peripheren Ausfällen. Der Anteil dieser Patienten nimmt zu. Ihre Arm- und Handfunktion lässt sich, z.€B. aufgrund von Spastiken, oft nicht mit den gleichen algorithmischen Konzepten rekonstruieren wie bei den klar klassifizierbaren Lähmungsmustern der Gruppen€1–9. 45.2.3 Kombination von Beuger-
und Streckerphase
> Aufgrund der gegensätzlichen Nachbehandlung müs sen Handschluss und -öffnung normalerweise zweizeitig im Abstand von mindestens 3–6 Monaten durchgeführt werden.
Die Reihenfolge hängt von der Philosophie der Chirurgen ab, manche rekonstruieren erst die funktionell wertvollere Beugephase, andere, wie beim natürlichen Greifvorgang, zunächst die Handöffnung. Die Probleme hierbei sind das größere Operationsrisiko, insbesondere für Adhäsionen, und die Scheu vieler Patienten vor einer zweimaligen Operation und Nachbehandlung. Als Alternative können daher auch die Beugerphase mit zusätzlichen Eingriffen zur Verbesserung der intrinsischen Handfunktion (Operation nach House zur M.-interosseus-Tenodese) und Eingriffen zur Handöffnung (z.€B. EPL-Tenodese, CMC-Arthrodese) und Verhinderung der Radialdeviation des Handgelenks bei Extension (ECU-Tenodese) kombiniert werden. 45.2.4 Zusatzoperationen bei Spastik In den letzten Jahren sind bei der stetig ansteigenden Anzahl von inkompletten Rückenmarklähmungen Korrekturoperation bei spastisch verkürzten Muskeln an der Hand notwendig. Hier sind v.€a. nützlich (Fridén u. Reinholdt 2008): 4 Sehnenverlängerungen (FDS und FDP), 4 »release« des M.€interossei (Littler 1966) 4 »release« des M.€adductor pollicis, 4 Tenomyotomien (z.€B. Handgelenksbeuger). 45.3
45
Ergebnisse und Komplikationen
Die dargestellten Operationen sind sicher und haben sich auch in Langzeitstudien bewährt. In der Regel sind die Patienten mit dem erreichten Ergebnis zufrieden. In kaum einem anderen Gebiet scheint es möglich, Patienten schon durch kleine Fortschritte einen so großen Gewinn zu schenken: If you have nothing, a little is a lot. (Sterling Bunnell) Fehler (.€Übersicht) sind extrem selten, können den Operationserfolg aber schmälern oder verhindern.
Mögliche Ursachen von Komplikationen 4 Fehler in der Planung (z.€B. Wahl eines zu schwachen Spenders, dessen Kraftgrad präoperativ überschätzt wurde) 4 Fehler in der operativen Umsetzung (v.€a. ungenügende Spannung eines verlagerten Muskels) 4 Fehlerhafte Nachbehandlung (Ausreißen oder Überdehnung der Sehnennaht)
> Schlechte subjektive Bewertungen spiegeln oft weniger die funktionellen Ergebnisse, sondern eher wirklichkeitsferne Erwartungen mancher Patienten wider, woraus die Wichtigkeit einer klaren und realistischen Information über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Konzepte erkennbar wird.
45.3.1 Zusammenfassung Die chirurgische Funktionsverbesserung der oberen Extremität bei Tetraplegie ist seit Jahren in einigen Ländern fester Bestandteil der Versorgung dieser Patienten. Die Indikationen können global nach der Höhe der Rückenmarkläsion und nach der Anzahl der zur Transposition geeigneten Muskeln bestimmt werden. Handchirurgische Eingriffe bei neurologisch stabilen Halsmarkverletzten mit der Motivation zur intensiven Nachbehandlung bieten gute Chancen, die Arm- und Handfunktion so zu bessern, dass sich der Patient mit eigener Kraft fortbewegen und unabhängiger von Hilfe aus der Umgebung sein kann. Es handelt sich um eine hochspezialisierte Form der Chirurgie, die eine exzellente Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen im Behandlungsteam erfordert und optimal in Zentren stattfindet, die auf die Versorgung dieser empfindlichen Patienten spezialisiert sind. Dann führt sie im Regelfall zu einer erheblichen Verbesserung der funktionellen Möglichkeiten der Patienten, auch wenn es nicht möglich ist, eine normale Hand zu schaffen. > Jeder Halsmarkgeschädigte sollte daher nach einer eingehenden Untersuchung durch einen Handchirurgen über Möglichkeiten einer chirurgischen Funktionsbesserung informiert werden.
Literatur Bühren V,Potulski J, Jaksche H (1999) Chirurgische Versorgung bei Tetraplegie. Unfallchirurg 102: 2–12 Fridén J (2005) Neue Konzepte zur Rekonstruktion der Arm- und Handfunktion bei Tetraplegie – Grundlagenforschung und klinische Anwendung. Handchir Mikrochir Plast Chir 37: 223–229 Fridén J, Reinholdt C (2008) Current concepts in reconstruction of hand function in tetraplegia. Scand J Surg 97: 341–346 Fridén J, Gohritz A, Herold C, Knobloch K, Vogt PM (2008) Transposition des hinteren M.€deltoideus auf den M.€triceps. Operation zur Wiederherstellung der Ellenbogenstreckung. Unfallchirurg 111: 102–106 Gohritz A, Fridén J, Herold C, Aust M, Spies M, Vogt PM (2007) Ersatzoperationen bei Ausfall motorischer Funktionen an der Hand. Unfallchirurg 110: 759–776 Hentz VR, Leclercq C (2002) Surgical rehabilitation of the upper limb in tetraplegia. WB Saunders, London Landi A (2003) Update on tetraplegia. J Hand Surg (Br) 28 (3): 196–204 Leclercq C (2002) Surgical rehabilitation for the weaker patients (Groups 1 and 2 of the International Classification) in the tetraplegic upper limb. Hand Clin 18: 461–480
45.3 · Ergebnisse und Komplikationen
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401
45
46
Motorische Ersatzoperationen an der unteren Extremität P.M. Vogt
46.1
Operationsindikationenâ•… – 404
46.1.1 46.1.2 46.1.3 46.1.4 46.1.5
Ischiadikuspareseâ•… – 404 Femoralispareseâ•… – 404 Peronäuspareseâ•… – 404 Quadrizepsersatzâ•… – 405 Funktionswiederherstellung der Fußhebungâ•… – 406
46.2
Postoperative Kontrollenâ•… – 409
46.3
Komplikationenâ•… – 409
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
404
Kapitel 46 · Motorische Ersatzoperationen an der unteren Extremität
Funktionswiederherstellende Operationen irreparabler Nervenausfälle der unteren Extremität wurden ursprünglich bei Poliomyelitis, später bei Traumafolgen angewandt. Bei letzterer Indikation ist immer die Möglichkeit der Nervenrekonstruktion zu prüfen und entsprechend den Grundsätzen der peripheren Nervenchirurgie durchzuführen (7€Kap.€43, 45).
> Wegen der Gefahr von Druckulzerationen – in der Hälfte der Fälle kontrakurbedingt – bestehen für die fixierte Krallenzehenbildung Indikationen für Tenotomien und ArthroÂ� tomien und ggf. plastische Weichteilrekonstruktionen (Siliski u. Voss 1991).
> Bei irreparablem Nervenschaden ist mit dem Patienten die Möglichkeit des Sehnentransfers als Alternative zu orthopädischen Hilsmitteln (Gehhilfen, Schienen, Orthesen) zu erörtern.
46.1.2 Femoralisparese
Dabei konkurrieren die vom Plastischen Chirurgen vorgeschlagenen tendoplastischen Maßnahmen durchaus mit den gängigen orthopädischen Behandlungsoptionen wie knöcherne Fusionen mit und ohne zusätzliche Sehnentransfers. Die hier vorgestellten Verfahren, die bis auf die frühen orthopädischen Erfahrungen des ausgehenden 19.€Jahrhunderts datieren, repräsentieren aus plastisch-chirurgischer Sicht effiziente Methoden mit guter Aussicht auf alltagstaugliche Gangrehabilitation mit hoher Patientenzufriedenheit. 46.1
Operationsindikationen
46.1.1 Ischiadikusparese > Auch bei fehlendem aktivem Kraftspender (N.-tibialis-Parese) oder hoher N.-ischiadicus-Parese kann mittels transossären Tenodesen bereits eine effiziente plantigrade Stabilisierung im oberen und unteren Sprunggelenk ohne die Notwendigkeit aufwendiger knöcherner Fusionen erzielt werden.
Während bei der Ischiadikusläsion die Knieextension noch möglich ist, fallen alle anderen wichtigen Funktionen, wie die Sprunggelenksund Zehenbeweglichkeit aus. Das sensorische Defizit ist erheblich, wobei nur noch der N.€saphenus eine Restsensibilität unterhalb des Kniegelenks bewirkt. Clawson u. Seddon (1960) haben in ihrer großen Serie an 329 Patienten das Ausmaß der Defizite beschrieben: 4 Schmerz (58), 4 Parästhesie (21%), 4 Hyperästhesie (35%), 4 gestörte vasomotorische Funktion (50%), 4 Druckulkus (14%).
46
Interessanterweise wies eine Vielzahl der Patienten einen relativ Â� hohen körperlichen Aktivitätslevel bis hin zu Sportarten wie Golf, Bergsteigen etc. auf. Dieser Umstand ist immer zu verinnerlichen, wenn z.€B. bei langstreckigen Nervendefekten oder auch analogen Weichteilschäden der unteren Extremität über den Erhalt der Extremität nachgedacht wird. Insofern wird eine sog. »biologische Stelze« von den Patienten immer als wertvoller als eine Prothese eingeschätzt. Ein Teil der Patienten wird wegen Problemen wie Fallfuß und Klauenzehen eine stabilisiernde Operation wünschen, die im eigenen Vorgehen durch Tenodesen erreicht wird. Als stabilisierende Verfahren kommt aus orthopädischer Sicht eine posteriore Knochenblockfusion nach Lambrinudi über eine plantare Arthrodese in Frage.
Die N.-femoralis-Parese resultiert in einem Verlust der aktiven StreckÂ�fähigkeit im Kniegelenk. Von einigen Autoren wird dieser Verlust als nicht sonderlich belastend beschrieben, da allenfalls bei besonderen Geländeanforderungen eine Knieinstbilität auffalle. So kann zwar auf ebenem Boden durch Schwerpunktverlagerung der Verlust der Kniestabilisierung noch kompensiert werden, auf unÂ� ebenem Gelände oder beim Treppensteigen kommt es dagegen rasch zu Gangunsicherheit, Sturzneigung, Fehlbelastungen durch eine notwendige Schwerpunktvorverlagerung und bei langem Verlauf zu sekundärem Gelenkverschleiß. Derartige Langzeitfolgen ließen sich in der Vergangenheit besonders bei der Poliomyelitis finden, da dort eine muskuläre Kompensation durch den residualen Muskelmantel des Oberschenkels nicht gegeben war (Witt 1953). Heute äußern mehr Patienten den Wunsch nach einer FunkÂ� tionswiederherstellung der Quadrizepsfunktion. > Die Quadrizepsfunktion kann mit hoher Erfolgsaussicht durch Transfer von Beugemuskeln des Oberschenkels als Kraftspender auf den patellaren Quadrizepsansatz wiederhergestellt werden.
46.1.3 Peronäusparese Für das Problem der Peronäusparese mit den Symptomen Pes equinovarus und Krallenzehenstellung existiert eine Reihe von funktionsÂ� wiederherstellenden Operationsmethoden, wenngleich auch eine Versorgung mit Rechtwinkelschiene eine einfache Option darstellt. Allerdings führen Hautirritationen mit Druckulzerationen zu Sekundärkomplikationen. Ein Teil der Patienten lässt die orthetische Versorgung weg und akquiriert damit mittelfristig orthopädische Gangprobleme, wie den sog. Steppergang mit negativen Auswirkungen auf Hüftgelenk und Wirbelsäulenstatik. Im orthopädischen Fachgebiet wird die Fusion im oberen Sprunggelenk oder eine Kombination aus Triplearthrodese mit posteriorem Knochenblock, Achillsesehnenverlängerung und Tibialis-posterior-Sehnen-Transfer favorisiert. Im eigenen plastisch-chirurgischen Vorgehen hat sich die sog. Steigbügelplastik bewährt, bei der mit und ohne Achillessehnenverlängerung, Tenotomien und Tenodesen im Zehenbereich die alleinige Sehnenverlagerung mit plantigrader Einstellung im oberen Sprunggelenk eine sofortige, nach 6€Wochen belastbare funktionelle Wiederherstellung ermöglicht (.€Abb.€46.1; Steinau et al. 2001). Grundvoraussetzungen für Funktionswiederherstellung 4 4 4 4 4 4
Vorrangig Beseitigung von fixierten Deformitäten Effiziente und direkte Kraftachse der verlagerten Sehnen Ausreichende Kraft der Spendemuskeln Ausreichende Fußstabilität Ossäre Verankerung der transferierten Sehnen Physiotherapie ab gesicherter Einheilung der Sehnen transfers
405
46.1 · Operationsindikationen
. Abb. 46.1a, b╇ Prinzip der funktionellen Ersatzplastik bei N.-peronaeusParese (»Steigbügelplastik«). a Zur Erzielung optimaler Kraftvektoren bedarf es des Durchzuges der distal an der medialen Fußwurzel abgetrennten M.-tibialis-posterior-Sehne durch die Membrana interossea nach ventral so
wie des ventralen subkutanen Durchzuges der proximal am Unterschenkel abgetrennten M.-peronaeus-longus-Sehne. b Beide Sehnenenden werden in die M.-tibialis-anterior-Sehne unter plantigrader Einstellung des Fußes eingeflochten
46.1.4 Quadrizepsersatz
lenk und die bessere Stabilisierung des Knies beim Gehen. Eigene Erfahrungen an durchgeführten Sehnentransfers zum QuadrizepsÂ� ersatz bei onkologisch bedingtem Quadrizepsverlust bestätigen die erzielbaren guten funktionellen Ergebnisse bei Streckerersatz des Kniegelenkes, der durch Steinau et al. (2001) in der onkologischen Chirurgie der Extremitätensarkome Verbreitung erfahren hat (.€Abb.€46.2).
Nach onkologischen Resektionen des M.€quadriceps femoris, traumatischer Muskelzerstörung oder irreparablem Ausfall des N.€femoralis resultiert ein mehr oder weniger kompletter Ausfall der aktiven Streckfunktion des Kniegelenks mit nicht unerheblichen Defiziten: Während auf ebenem Boden durch Schwerpunktverlagerung der Verlust der Kniestabilisierung noch kompensiert werden kann, kommt es auf unebenem Gelände oder beim Treppensteigen zu Â�Gangunsicherheit, Sturzneigung, Fehlbelastungen durch eine notwendige Schwerpunktvorverlagerung und bei langem Verlauf zu sekundärem Gelenkverschleiß. Derartige Langzeitfolgen ließen sich in der Vergangenheit besonders bei der Poliomyelitis finden, da bei diesen Patienten eine muskuläre Kompensation durch den resiÂ� dualen Muskelmantel des Oberschenkels nicht gegeben ist. Heute äußern insbesondere aktive, jüngere Patienten den Wunsch nach einer Funktionswiederherstellung und werden, wie auch die schwierige Gruppe der Poliomyelitispatienten zeigt, mit Erfolg operativ zu rehabilitieren sein (Shahcheraghi et al. 1996). > Analog zur oberen Extremität eignen sich die Beugemuskeln des Oberschenkels als Kraftspender für den Ersatz des Oberschenkelstreckers.
Lange hat bereits in den 1930-er Jahren den erfolgreichen Sehnentransfer des M.€biceps mit oder ohne zusätzliche Ischiokruralmuskeln beschrieben (Lange 1932). Witt (1953) beschrieb die Effizienz des verlagerten M.€biceps als Ersatz des M.€quadriceps und zeigte die aktive Streckung im Kniege-
> Wichtige Voraussetzung ist, dass eine freie Gelenksbeweglichkeit ohne Kontrakturen vorliegt sowie eine kräftige Beugemuskulatur vorhanden ist. Gegebenenfalls erfordert eine geringe Muskelkraft der Beuger eine präoperative physiotherapeutische Kräftigung.
Nach isolierter iatrogener N.-femoralis-Lähmung (z.€B. nach gefäßchirurgischen Interventionen oder Hüftgelenkseingriffen) ist oft nur ein Teilausfall mit Funktionserhalt von Anteilen des M.€quadriceps vorhanden, sodass sich der Versuch einer intensiven Physiotherapie zum Auftrainieren von Restfunktionen in jedem Fall lohnt und eine funktionsverbessernde Operation entfallen kann.
Operationstechnik Die Operationstechnik ist in .€Abb.€46.3 dargestellt. Über einen lateralen Zugang wird die am Fibulakopf inserierende Bizepssehne identifiziert und unter sorgfältiger Schonung des hier unmittelbar dahinter gelegenen N.€peronaeus communis am knöchernen Ansatz scharf abgetrennt. Anschließend wird der M.€biceps nach proximal so weit mobilisiert, dass später ein gerader, nach ventral gerichteter Verlauf eine optimale Kraftentfaltung bewirkt.
46
406
Kapitel 46 · Motorische Ersatzoperationen an der unteren Extremität
. Abb. 46.2╇ Prinzip des Bizepstransfers zum funktionellen Quadrizepser satz am Oberschenkel. a Mobilisierung der Bizepssehne am Fibulaköpfchen. b Verlagerung nach ventral und Einflechtung in die patellaren Ansätze der
Quadrizepssehne. c Möglichkeit der zusätzlichen Verpflanzung eines Mus kels der Pes-anserinus-Gruppe von medial
! Cave Dabei sind auch die segmentalen eintretenden neuroÂ� vaskulären Bündel zu schonen (→€Innervation und Durchblutung!).
46.1.5 Funktionswiederherstellung
Über den am Oberschenkel vorhandenen oder zu schaffenden ventralen Zugang wird anschließend das Septum intermusculare laterale ausreichend weit eröffnet und der mit einem 0-er Haltefaden armierte Sehnenstumpf nach ventral durchgezogen. Hier wird die Sehne dann in den Periostfaszienanteil der Patella eingeflochten. Bei Streckung im Kniegelenk wird anschließend die nötige Vorspannung gewählt und mit 0-er Nyloneinzelknopfnähten fest verankert. Nach ausreichender Drainage und Wundverschluss erfolgt die Anlage eines Oberschenkelgipses, der dann nach Abschluss der Wundheilung auf eine Kniegelenksorthese in Streckung für 6 Wochen umgesetzt wird.
Besteht das Problem der Peronäusparese mit den Symptomen Pes equinovarus, Krallenzehenstellung länger, ist in der Regel bereits eine typische Fehladaptation mit Steppergang eingetreten, die z.€T. durch eine fixierte, mehr oder minder ausgeprägte Spitzfußstellung kompliziert sein kann. Hier sollte ggf. der Versuch einer präoperativen Rehabilitation unternommen werden, um eine Verbesserung des Gangbildes zu erreichen.
> Bei der Physiotherapie ist es wichtig, eine Kniegelenksbeugung nicht zu erzwingen und eine externe KniegelenkÂ� stabilisierung über die Orthese noch zusätzlich für etwa 3–4 Wochen zu belassen.
46
Wesentliche physiotherapeutische Maßnahme ist ein moderates Muskelaufbautraining. Ein wichtiger Aspekt ist, dass eine aktive Streckung bis 0° nicht immer erreichbar ist und daher auch nicht erzwungen werden muss, ebenso wenig wie eine Flexion >90° im Kniegelenk. Ist der M.€biceps allein nicht ausreichend, kann eine mediale Augmentation durch einen zweiten Muskel aus der Pes-anserinusGruppe vorgenommen werden (.€Abb.€46.2c).
der Fußhebung
Präoperative Evaluation
> Eine wesentliche Voraussetzung des Eingriffes ist, dass der zu verlagernde Kraftspender M.€tibialis posterior über ausreichend Kraft verfügt und v.€a. die übrigen Flexoren den transpositionsbedingten Verlust kompensieren können. Kann der Patient den einbeinigen Zehenspitzen- oder Ballenstand ausführen, ist der Verlust des Tibialis posterior kompensierbar.
Eine fixierte Achillessehnenverkürzung bzw. Spitzfußstellung erfordert ggf. eine Z-förmige Verlängerung. Ausgeprägtere Fehlstellungen mit deformierenden Arthrosen sind eher eine Domäne orthopädisch-chirurgischer dreidimensionaler Korrektur – Osteotomien und Arthrodesen (Wiesseman 1981). Somit liegt das Indikationsspektrum der Steigbügelplastik bei der akuten oder durch moderate fixierte Fehlstellung gekennzeichneten Fallfußproblematik. Allerdings lassen sich fixierte KrallenÂ� zehenfehlstellungen recht gut durch Tenoarthrotomien analog zur Achillessehne korrigieren.
407
46.1 · Operationsindikationen
a
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Operatives Vorgehen b
c . Abb. 46.3a–d╇ Quadrizepsersatz: Intraoperativer Aspekt nach Resektion der gesamten rechtseitigen Oberschenkelstreckmuskulatur wegen eines Fibrosarkoms. a Laterales Absetzen der Bizepssehne nahe am Fibulakopf nach Darstellung und Schonung des N.€peronaeus. b Einflechten in die kra nial der Patella verbliebenen periostalen Quadrizepssehnenansätze (An sicht von ventral). c Fertiggestellte Muskeltransposition. d Exzellente KniestabiÂ�lisierung nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme bei der stark adipösen Patientin mit guter Gangstabilität im Alltag
Im eigenen plastisch-chirurgischen Vorgehen hat sich die sog. Steigbügelplastik (7€Kap.€46.1.3 und .€Abb.€46.1) bewährt, bei der mit und ohne Achillessehnenverlängerung, Tenotomien und Tenodesen im Zehenbereich die alleinige Sehnenverlagerung mit plantigrader Einstellung im oberen Sprunggelenk eine sofortige, nach 6€Wochen belastbare funktionelle Wiederherstellung ermöglicht (.€Abb.€46.4; Steinau et al. 2001). Im Gegensatz zu den gängigen Verfahren mittels gabelförmig distal gesplitteter M.-tibialis-posterior-Sehne (»Bridle procedure«; Mizel et al. 1999) wird hier ein sog. »rerouting« der M.-peronaeus-longus-Sehne nach anterior mit biomechanisch verbesserter Fußeinstellung vorgenommen. Im Rahmen onkologischer Resektionen der M.-tibialis-anteriorGruppe liegt meisten ein offener Situs vor, der gute Übersicht bietet. Ansonsten wird die in .€Abb.€46.4 angegebene Schnittführung verwendet. Der Eingriff wird regelhaft in Blutleere durchgeführt. Zuerst erfolgen nach nochmaliger intraoperativer Prüfung der Gelenksbeweglichkeit die Inzision medial zur Abtrennung des M.-tibialis-posterior-Ansatzes und der Durchzug nach kranial über eine mediale Inzision hinter der Tibiahinterkante. Danach wird das nunmehr freie Sehnenende über eine von ventral angebrachte S-förmige InÂ� zision über das Retinaculum extensorum transmembranös durch die Membrana interossea nach ventral ausgeleitet. Wichtig ist die Vermeidung jeglichen Hautkontaktes der Sehne (Reduktion der Infektionsgefahr), die im eigenen Vorgehen analog zur oberen Extremität in feuchte Kompressen eingeschlagen wird. Anschließend wird von lateral wie in .€Abb.€46.4 wiedergegeben die M.-peronaeus-longus-Sehne proximal abgetrennt und neu ventral subkutan verlagert. Mit dieser Maßnahme erst wird bei der kompletten Peronäusparese die Supinationsfehlstellung beseitigt (und auch u.€E. eine subtalare Arthrodese obsolet).
46
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Kapitel 46 · Motorische Ersatzoperationen an der unteren Extremität
a
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. Abb. 46.4a–j╇ Operationsschritte der Steigbügelplastik bei veralteter rechtseitiger Peronäusparese bei 14-jähriger Patientin. a S-förmige Schnitt führung dorsal des Retinaculum extensorum zur Prävention von Wundde hiszenzen. b Schnittführung lateral mit Markierung der zu verlagernden M.-peronaeus-longus-Sehne in das neue Bett ventral (Pfeilrichtung) im Â�Sinne des »Steigbügels« (gestrichelte Linien). c Mediale Inzisionen mit Mar kierung des Sehneverlaufs der M.-tibialis-posterior-Sehne (gestrichelt). d Ventraler Durchzug durch die Membrana interossea der M.-tibialis-poste
rior-Sehne. e Distales Ausleiten der proximal abgetrennten M.-peronaeuslongus-Sehne. f Pulvertaft-Durchflechtung der M.-tibialis-posterior-Sehne in die M.-tibialis-anterior-Sehne ventral. g Ausleiten der neu nach anterior subkutan geführten M.-peronaeus-longus-Sehne. h Durchflechten des freien M.-peronaeus-longus-Sehnenendes in die M.-tibialis-antior-Sehne. i Präoperativer Aspekt der fehlenden Fußhebung. j Aktive plantigrade Fuß hebung postoperativ bis 0° im OSG
409
46.3 · Komplikationen
Danach wird von proximal medial tibiaseitig ein 3-er KirschnerDraht zur Sicherung der Reposition im OSG und USG in den Kalkaneus vorgebohrt und subkutan abgekniffen. Dieser Draht wird nach der 6-wöchigen Immobilisierungszeit entfernt. Es erfolgt nun die Festsetzung der transponierten Sehnen in die M.-tibialis-anterior-Sehne mittels Pulvertaft-Durchflechtungsnaht unter adäquater Vorspannung mit 0-er Nylon-U-Nähten. Nach Öffnen der Blutleere muss eine akkurate Blutstillung zur Prävention von Hämatomen durchgeführt werden. Nach Hautverschluss wird ein gut gepolsterter Unterschenkelspaltgips angelegt. 46.2
Postoperative Kontrollen
Postoperative Sicherstellung einer adäquaten Lagerung zur Verhinderung von Druckschäden sowie der Extremitätenperfusion und Ausschluss möglicher Nervenläsionen sind obligatorisch. Besonders sensibel auf mechanische Irritationen reagiert der N.€peronaeus, der im Rahmen der Quadrizepsersatzplastik bei der Bizepstransposition alteriert werden kann. Unter Umständen muss eine hämatombedingte Kompression angenommen werden und frühzeitig eine Revision erfolgen. 46.3
Komplikationen
Zahlreiche Komplikationen sind möglich. Intraoperativ können v.€a. iatrogene Nervenläsionen (N.€peronaeus, N.€ischiadicus) den Eingriff komplizieren. ! Cave Neben Thrombosen und Embolien als Folge der ImmoÂ� bilisierung, die eine entsprechende überwachte ThromÂ� boseprophylaxe erfordern, sind Hämatome und WundÂ� heilungsstörungen gefürchtet. > Größere Hämatome sollten auf jeden Fall wegen des Risikos der sekundären Infektion und Gefährdung der direkt subkutan liegenden Tenodesen frühzeitig ausgeräumt werden. Eine Prävention von Hämatomen ist nur durch peinlich genaue intraoperative Blutstillung gegeben.
Für die Sehnendurchflechtungsregion fatal sind bei der Steigbügelplastik Wundheilungsstörungen der ventralen S-förmigen Inzision. Regelhaft kommt es hier postoperativ zu erheblicher Weichteilschwellung mit Ödem, sodass die Wunde innerhalb der 1.€Woche massiv unter Spannung geraten kann. Tägliche Wundinspektion, abschwellende Maßnahmen wie konsequente Hochlagerung und Antiphlogistika sind hier unabdingbare Voraussetzung für einen störungsfreien Heilungsverlauf. Im mittelfristigen Verlauf gefährdet eine forcierte Mobilisierungstherapie die Stabilität und Vorspannung der Tenodesen. Langfristig sind Auslängungen möglich. Wir weisen die Patienten darauf hin, dass evtl. Nachkorrekturen mit Nachspannen der Sehnentransfers erforderlich sein können. Am Oberschenkel lassen sich akute Verluste der Vorspannung in der frühen postoperativen Phase konservativ mit erneuter Immobilisierung des Kniegelenks in StreckÂ� stellung und vorsichtiger Physiotherapie in der Regel erfolgreich behandeln.
Literatur Clawson DK, Seddon HJ (1960) The late consquences of sciatic nerve injury. J Bone Joint Surg (Br) 42: 213–225 Lange M (1932) Sehnenverpflanzungen. Münch Med Wochenschr 1260 Mizel MS, Temple HT, Scranton PEJ, Gellman RE, Hecht PJ, Horton GA, McClus key LC, McHale KA (1999) Role of the peroneal tendons in the production of the deformed foot with posterior tibial tendon deficiency. Foot Ankle Int 20: 5: 285–289 Shahcheraghi GH, Javid M, Zeighami B (1996) Hamstring tendon transfer for quadriceps femoris paralysis. J Pediatr Orthop 16, 6: 765–768 Siliski JM, Voss F (1991) Lower extremity nerve palsies. In: Gelberman R (ed) Operative nerve repair and reconstruction. JB Lippincott, Philadelphia, pp 763–773 Steinau HU, Homann HH, Drucke D, Torres A, Soimaru D, Vogt P (2001) [Resec tion method and functional restoration in soft tissue sarcomas of the extremities]. Chirurg 72: 501–513 Wiesseman GJ (1981) Tendon transfers for peripheral nerve injuries of the lower extremity. Orthop Clin North Am 12, 2: 459–467 Witt AN (1953) Sehnenverpflanzungen und Sehnen-Muskeltransplantatio nen. J.F. Bergmann, München, S 132–150
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Denervation bei Schmerzsyndromen an der oberen und unteren Extremität A. Gohritz
47.1
Indikationsstellungâ•… – 412
47.2
Präoperative Vorbereitungâ•… – 412
47.2.1
Untersuchung und Testblockade â•… – 412
47.3
Operationstechnikâ•… – 412
47.3.1 47.3.2 47.3.3
Gemeinsame Prinzipienâ•… – 412 Denervation an der oberen Extremitätâ•… – 413 Denervation an der unteren Extremitätâ•… – 415
47.4
Postoperative Nachbehandlungâ•… – 416
47.5
Komplikationenâ•… – 416
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 47 · Denervation bei Schmerzsyndromen an der oberen und unteren Extremität
Die Denervierung ist eine palliative Methode zur Behandlung schmerzhafter Gelenkzustände unterschiedlicher Ursache. Prinzip ist die gezielte Durchtrennung schmerzleitender afferenter Nervenfasern, ohne die Oberflächensensibilität oder motorische Innervation zu tangieren. > Ziel ist die Schmerzreduktion unter Erhaltung der Rest funktion des Gelenks, nicht die Sanierung der zugrunde liegenden destruierenden Prozesse.
Rüdinger beschrieb schon 1857 die Innervation der menschlichen Gelenke. Die Idee, Gelenkschmerzen durch Neurotomiezu behandeln, entwickelte Camitz 1933, der bei arthrosebedingten Schmerzen des Hüftgelenks eine Durchtrennung sensibler Anteile des N.€obturatorius empfahl. Die Wirksamkeit dieses zunächst nur mäßig erfolgreichen Ansatzes wurde 1942 durch Tavernier und Truchet aufgrund anatomischer Untersuchungen der Hüftgelenkinnervation entscheidend verbessert und das Prinzip in der Folge auch auf andere Gelenke mit gutem Erfolg übertragen, darunter das Kniegelenk durch Marcacci 1954, das Schultergelenk durch Nyakas u. Kiss 1955 und die Sprunggelenke, ebenso durch Nyakas 1958. Wilhelm führte 1958 anatomische Studien zur Innervation der gesamten oberen Extremität durch und stellte 1966 darauf basierende Methoden zur Denervierung der Hand- und Fingergelenke ein. Er beschrieb initial eine gute Schmerzreduktion in 80% der Fälle, die nach durchschnittlich 10,5€Jahren immer noch 62,5% betrug (Wilhelm 1972, 2001; Merk u. Rudigier 2002). Obwohl sich die partielle Gelenkdenervation, v.€a. am Handgelenk, bewährt hat, nimmt sie jedoch innerhalb des chirurgischen Therapiespektrums eine Außenseiterrolle ein. Dies liegt möglicherweise an der diffizilen Technik zur Durchtrennung der afferenten Nervenäste, durch die jedoch weder die Grunderkrankung behandelt noch die Arthrose beseitigt wird. Andererseits beinhalten viele Gelenkeingriffe eine teilweise Denervierung, wie z.€B. die Durchtrennung des N.€interosseus posterior bei dorsalen Handgelenkeingriffen wie der STT-Arthrodese oder der mediokarpalen Teilarthrodese. In diesem Kapitel sollen die anatomischen und chirurgischen Grundlagen der Denervation bei neurogenen Schmerzsyndromen an der oberen (Schulter, Ellbogen, Handgelenk, Daumen- und Fingergelenken) und unteren Extremität (Knie, Sprunggelenk und Ferse) mit zusammenfassenden Angaben zu ihrer Indikation vorgestellt werden. 47.1
Indikationsstellung
Ziel von Gelenkrekonstruktionen sind freie Gelenkfunktion, Stabilität und Schmerzreduktion. Die Arthrodese bietet meist schmerzfreie Stabilität, führt jedoch durch Verlust an Beweglichkeit oft zu einer erheblichen Einschränkung der Funktion. Die Gelenkprothese erlaubt im günstigsten Fall eine gute und schmerzfreie Gelenkbeweglichkeit, Nachteil ist jedoch die begrenzte Haltbarkeit mit Risiko von Abrieb, Fremdkörperreaktion und mechanischem Versagen von der Lockerung bis zum Bruch (Merk u. Rudigier 2002).
47
> Im Gegensatz hierzu bewahrt und verbessert die Dener vation die Funktion ohne Veränderung des Gelenks, sie kommt alternativ grundsätzlich bei jeder schmerzhafter Arthrose in Frage. Kontraindikationen bestehen nach Wilhelm (1972, 2001) nur in
Â�folgenden Fällen:
4 fortgeschrittene Gelenkdestruktion mit völlig aufgebrauchtem Knorpel,
4 Einsteifung oder Instabilität (z.€B. auch Implantatlockerung) des Gelenkes,
4 Infektion, Synovialitis oder rheumatische Entzündung. Vorteile der Gelenkdenervation nach Cozzi (1993) 4 Ziel ist Beseitigung der primären Ursache der Funktionsein schränkung, bzw. des Schmerzes. 4 Die Integrität des Gelenkes wird erhalten. 4 Die Muskelfunktion bleibt unangetastet. 4 Prothesen oder Fremdmaterialien sind nicht notwendig. 4 Eine postoperative Immobilisation ist nicht notwendig. 4 Die Gelenkdenervation kann in Lokalanästhesie durchge führt werden. 4 Sie kann gleichzeitig mit anderen Eingriffen durchgeführt werden.
Zudem ist die Methode technisch einfach, kosten- und risikoarm und lässt alle Möglichkeiten für spätere Alternativen offen, wie z.€B. Arthrodese, Arthroplastik oder Endoprothese. 47.2
Präoperative Vorbereitung
47.2.1 Untersuchung und Testblockade Bei der präoperativen Untersuchung des Patienten werden die Hautareale in der Gelenkumgebung mit Missempfindungen oder Taubheitsgefühl und die Schmerzpunkte mit positivem HoffmannTinel-Zeichen markiert. Die präoperative Blockade der schmerzleitenden Nervenfasern€mittels Lokalanästhetikum (Procain) erlaubt es, die Wirksamkeit einer geplanten Neurotomie bereits präoperativ abzuschätzen. Das Schmerzsyndrom kann durch einen oder mehrere Nerven verurÂ�sacht sein. Welche Nerven verantwortlich sind, kann durch die Testblockade geklärt werden. Durch selektive Betäubung der einzelnen schmerzleitenden Nervenäste kann so das Ausmaß der Denervation für die jeweilige Pathologie festgelegt und der Operationserfolg bereits vorher relativ zuverlässig abgeschätzt werden. An den schmerzhaften Nervendruckpunkten werden kleine Mengen 1%-iges Xylocain injiziert, immer streng extraartikulär. Nach etwa 20€min wird der Effekt dieser Probeblockade überprüft, nachdem der Patient das betroffene Gelenk bewegt und belastet hat, z.€B. durch Greifbewegungen an einem Ball oder einen kleinen Spaziergang, möglichst mit Treppensteigen. > Bei ausbleibendem Erfolg der temporären Testblockade ist von einer Denervationsoperation abzuraten.
47.3
Operationstechnik
47.3.1 Gemeinsame Prinzipien Eingriffe zur Gelenkdenervation werden an der oberen Extremität meist in Plexusanästhesie, an der unteren in Intubationsnarkose oder Spinalanästhesie ausgeführt, es ist aber Lokalanästhesie möglich.
413
47.3 · Operationstechnik
a
b
. Abb. 47.1a, b╇ Testblockade am Handgelenk: Injektionspunkte
Unverzichtbar sind die Anlage einer Blutleere und Lupenbrillen vergrößerung. Präoperativ festgelegte oder intraoperativ als vernarbt oder mit Neurombildung aufgefundene Nerven werden neuroly siert, reseziert oder koaguliert und unter oder in die nahe liegende Muskulatur versenkt. 47.3.2 Denervation an der oberen Extremität
Handgelenk Anatomie Wilhelm (1958) beschreibt 10€verschiedene Nerven für die sensible Innervation des Handgelenks, die in einer oberflächlichen subkuta nen und in einer tieferen Schicht verlaufen. Die komplexe Anatomie der Handgelenkinnervation kann in der von Wilhelm vorgeschlagenen Reihenfolge zur Testblockade nachvollzogen werden (7€Übersicht, .€Abb.€47.1). Reihenfolge zur Testblockade 4 1. Blockade des N.€interosseus antebrachii posterior: Einstich dorsomedian, etwa 3€cm proximal der Handwurzel. Einführen der Nadel bis auf den Radius. 4 2. Blockade des R.€articularis spatii interossei€I: Einstich dorsal über dem 1.€Intermetakarpalgelenk. Anlegen eines subkutanen Depots am ulnaren Rand der V.€€inter metacarpalis€I. 4 3. Blockade der Rr.€articulares n.€cutanei antebrachii posterior: Einstich etwa 3€cm oberhalb der Handwurzel, direkt über der A.€radialis, und Setzen eines paravasalen Depots. 4 4. Blockade des R.€superficialis n.€radialis: Quere Infiltration, ausgehend vom 3.€Injektionsort. 6
4 5. Blockade des R.€palmaris n.€mediani: Subkutane Infiltration zwischen A.€radialis und der M.-pal maris-longus-Sehne, etwa 1€cm proximal des Tuberculum des Os scaphoideum. 4 6. Blockade des N.€interosseus antebrachii anterior: Einstich ventromedian, etwa 3€cm oberhalb der distalen Handgelenkbeugefalte, am ulnaren Rand der M.-palmarislongus-Sehne, Einführen der Nadel bis auf die Ventralseite des distalen Radius. 4 7. und 8. Blockade der Rr.€perforantes€II und€III: Einstich dorsal über den entsprechenden Intermetakarpal gelenken. 4 9. Blockade des R.€dorsalis n.€ulnaris: Infiltration an der Ulnarseite des Proc.€styloideus ulnae und bis zum Knochen und Gelenkbereich. 4 10. Blockade des N.€cutaneus antebrachii dorsalis: Einstich dorsal über der Basis des Proc.€styloideus ulnae und subkutane Infiltration in querer Richtung.
Operationstechnik Zur Denervierung des Handgelenks wird das kutane und subkutane Gewebe im Bereich des dorsalen, radialen und ulnaren Handgelenks von der Faszie gelöst (.€Abb.€47.2). Die A.€radialis wird aufgesucht und skelettiert. Meist reichen hierzu 3€Schnitte aus. Eine zusätzliche Inzision kann auf der Ulnarseite des Handgelenks notwendig sein, wenn der Patient hier Schmerzen beklagt. Als erste wird eine dorsale Inzision etwa 2€cm proximal des dis talen Radioulnargelenks angelegt und nach proximal etwa 4€cm zum Handgelenk zwischen distalem Radius und Ulna fortgeführt. Das Subkutangewebe wird in ulnarer, radialer und distaler Richtung von der Faszie getrennt. Hier verbinden vaskuläre, bindegewebige und nervöse Strukturen netzartig die Haut mit der Faszie, diese Fasern
47
414
Kapitel 47 · Denervation bei Schmerzsyndromen an der oberen und unteren Extremität
a
b
. Abb. 47.2a, b╇ Systematik der Inzisionen bei der Handgelenkdenervation
47
werden koaguliert und durchtrennt. Da die im Subkutangewebe ver laufenden Nervenäste hierbei nicht sichtbar werden, spricht man von einer »blinden« Denervierung, bei der jedoch im Bereich des Caput ulnae unbedingt eine Verletzung des R.€dorsalis n.€ulnaris ver mieden werden muss. Bei ungenügender Übersicht ist ein weiterer Zugang auf der Ulnarseite des Handgelenks ratsam. Als nächstes wird die Muskelfaszie auf der ulnaren Seite des M.€extensor pollicis durchtrennt. Jetzt können die Extensorsehnen der langen Fingerstrecker zur Seite geschoben werden, sodass der N.€interosseus posterior und die zugehörige Arterie auf der dorsalen Seite der Membrana interossea erscheinen, der Nerv freigelegt und auf einer Länge von 3€cm nach Elektrokoagulation reseziert werden. Alternativ kann eine Durchtrennung der Membrana interossea erfolgen, um einen Zugang zum N.€interosseus anterior und seiner Begleitarterie zu schaffen. Wird der Nerv von hier auf einer Länge von 3€cm reseziert, ohne dass von palmar zugegangen werden muss, besteht der Nachteil, dass hierbei der M.€pronator quadratus ebenso denerviert wird. Meist kommt es jedoch allenfalls zu einem geringen Beweglichkeitsverlust. Wir bevorzugen die Denervierung von pal mar am distalen Rand des M.€pronator quadratus (7€unten). Die zweite Inzision erfolgt dorsal zwischen der Basis des 1.€und 2.€Metakarpalgelenks, wo die sensiblen Äste des N.€radialis im Sub kutangewebe dargestellt und geschont werden. An dieser Stelle wird aber ein durch die Faszie in die Tiefe ziehender Ast, der die Region um das Os trapezium und die Metakarpalgelenke sensibel inner viert, aufgesucht, koaguliert und exzidiert. Ein dritter, 3–4€cm messender bogenförmiger Schnitt beginnt am Radiokarpalgelenk ulnarseits der A.€radialis. Die oberfläch liche€Faszie wird epifaszial nach radial und dorsal präpariert. Dabei koagulieren und durchtrennen wir alle von den Radialishauptästen subkutan auf die Fascia antebrachii ziehenden kleinen perforierende Nervenäste. Anschließend wird die Faszie auf Höhe der A.€radialis eröffnet, die Arterie und die zugehörigen Venen freipräpariert und die Arterie auf einer Länge von mindestens 3€cm skelettiert, wobei das perivas
kuläre Bindegewebe einschließlich der begleitenden Venen auf der gesamten Länge reseziert wird. In Handgelenkbeugung werden die Beugesehnen mit einem Ha ken zur Seite gehalten und der M.€pronator quadratus sichtbar. Ent lang der distalen Seite des M.€pronator quadratus werden durch eine scharfe Inzision bis auf das Periost der palmaren Seite des distalen Radius mit anschließender Elektrokoagulation die Endäste des N.€interosseus anterior unterbrochen. Zusätzlich wird eine ausge dehnte Elektrokoagulation der Palmarseite des distalen Radioulnar gelenks durchgeführt.
Fingergelenke (Grund-, Mittel- und Endgelenke) Anatomie Nach der Beschreibung von Wilhelm (1958, 1966) erfolgt die Inner vation der Grundgelenke von proximal durch die subfaszial streck seitig verlaufenden Rr.€intermetacarpales aus dem N.€ulnaris, radial am Zeigefingergrundgelenk und ulnar am Daumengrundgelenk durch Abgänge des R.€articularis spatii interossei€I. Hinzu kommen von proximal Abzweigungen der streckseitig verlaufenden Nn.€digi tales dorsales communes und von distal Äste der Nn.€digitales dor sales proprii und digitales palmares proprii. Beugeseitig wird die Gelenkkapsel durch Abzweigungen des Ramus profundus n.€ulnaris innerviert. Die Mittelgelenke sind von proximal und distal durch Äste der Nn.€digitales dorsales proprii und digitales palmares proprii innerviert, die Endgelenke nur durch Äste der Nn.€digitales palmares proprii.
Operationstechnik Die Inzision zur Denervation am Fingergrund-, mittel- und -endge lenk zeigt .€Abb.€47.3. Gemäß der von Wilhelm (1966) eingeführten Originalmethode wird am Mittelgelenk jeweils radial und ulnar über einen Mittseiten schnitt eingegangen (.€Abb.€47.3). Am Endgelenk werden die seit lichen Schnitte streckseitig durch Querinzision verbunden. Durch Ablösung des Weichteilmantels vom Streck- und Seitenbandapparat
415
47.3 · Operationstechnik
. Abb. 47.3╇ Inzision zur Denervation am Fingergrund-, mittel- und -end gelenk
bis zur Beugesehnenscheide werden die meisten hier einstrahlenden Nervenfasern durchtrennt. Die zum Periost ziehenden Nervenfasern durchtrennt man proximal und distal der Gelenkkapsel unter Anhe ben des Streckapparates semizirkulär bis zur Beugesehnenscheide (Wilhelm 1972).
Daumensattelgelenk Anatomie An der Innervation des Daumensattelgelenks sind Abgänge fol gender Nerven beteiligt: 4 R.€superficialis n.€radialis, R.€articularis spatii interossei€I, 4 N.€cutaneus antebrachii radialis, 4 Gelenkäste des N.€medianus, R.€palmaris n.€mediani, 4 N.€digitales proprius€I
Operationstechnik Entsprechend der komplexen Anatomie ist die chirurgische Schmer zausschaltung am Daumensattelgelenk schwieriger: Man beginnt mit einer Inzision dorsal zwischen den Basen des 1.€und 2.€Mittel handknochens (.€Abb.€47.4), wo der sensible Radialisast aufgesucht und der an der Aufzweigung abgehende R.€articularis spatii inte rossei€I durchtrennt wird. Von einem radiopalmaren Längsschnitt über dem Radiusstyloid aus wird der radiopalmare und dorsale Weichteilmantel epifaszial abgelöst und die Gelenkäste des sensiblen Radialisastes durchtrennt. Vom gleichen Zugang werden die Begleit venen der A.€radialis und die Fasern des N.€cutaneus antebrachii des N.€radialis destruiert. Von einem radiopalmaren Zugang zum Sattel gelenk kann das Periost proximal und distal der Gelenkkapsel unter Schonung der Thenarmuskulatur mit dem Elektrokauter durch trennt werden. 47.3.3 Denervation an der unteren Extremität
Kniegelenk Anatomie Die Nervenversorgung der Knies wurde erst in den letzten Jahr zehnten durch neue anatomische Studien eingehend geklärt. Die Innervation der medialen Knieregion erfolgt über mehrere Nerven: Die Haut wird über einen Abgang des N.€cutaneus femoris medialis, die Retinakulumstrukturen über einen unter dem M.€va stus medialis verlaufenden Endast versorgt, der weiter proximal Äste an die Muskulatur abgibt, sowie über infrapatellare Äste des N.€saphenus (.€Abb.€47.5a).
. Abb. 47.4╇ Inzision zur Denervation am Daumensattelgelenk
Die laterale Innervation erfolgt aus zwei zur Gelenkkapsel füh renden Ästen des N.€peronaeus und dem lateralen Retinakulumnerv. Dieser verläuft unter dem Tractus iliotibialis hinter dem M.€vastus lateralis, nachdem er an eine variable Anzahl kleiner Muskeläste ab gegeben hat. Die Innervation der Dorsalseite des Knies setzt sich aus sen siblen Ästen des N.€obturatorius, N.€tibialis posterior und N.€ischia dicus zusammen.
Operationstechnik Die Denervation der Knieinnenseite erfolgt über eine ca. 6€cm lange mediale Inzision, über die im Subkutangewebe der N.€cutaneus fe moris medialis und der R.€infrapatellaris präpariert werden kann und subfaszial am Hinterrand des M.€vastus medialis der mediale Retinakulumnerv. Auf der Gelenkaußenseite erfolgt die palliative Nervendurch trennung ebenso über einen etwa 6€cm langen Schnitt in Höhe des Hinterrandes des M.€vastus lateralis, über den subfaszial der laterale Retinakulumnerv aufgesucht und reseziert wird. Zusätzlich können über eine S-förmige Inzision über dem Tibio fibulargelenk der N.€peronaeus dargestellt, von einengenden Binde gewebestrukturen befreit und nach retrograd ziehende Gelenkäste reseziert werden.
Sprunggelenke Anatomie Alle in der Nähe des Sprunggelenks verlaufenden Nerven beteiligen sich an dessen Innervation, d.€h. der N.€saphenus, N.€peronaeus su perficialis und peronaeus profundus, N.€tibialis, N.€suralis und N.€interosseus cruris. Zusammenfassend gesagt, besteht ein kom plexes Nervengeflecht von 6€Nerven, die vielfältige Anastomosen untereinander ausbilden. Zahl und Aufzweigung der einzelnen Ge lenkäste sind sehr variabel.
47
416
Kapitel 47 · Denervation bei Schmerzsyndromen an der oberen und unteren Extremität
Faszie dargestellt, skelettiert und alle Abgänge zum oberen Sprung gelenk neurotomiert. Dann wird eine 3€cm lange Inzision der Faszie€am distalen Unterschenkel lateral der Sehne des M.€tibialis anterior angelegt und der Nerv hier dargestellt und neurotomiert. Von hier wird stumpf präpariert auf die Membrana interossea; mit einem Raspatorium erfolgt zur Neurotomie des N.€interosseus cruris eine stumpfe Dissektion über die gesamte Breite der Mem bran. Über den durch die Operation entstehenden Sensibilitätsausfall über dem Außen- und Innenknöchel, evtl. auch ventral über dem Sprunggelenk, nicht aber an der Fußsohle, muss der Patient vorher aufgeklärt werden (Rab et al. 2001; Mentzel et al. 2002; Dellon u. Barrett 2005). 47.4 a
Bei Denervationen an Fingergelenken wird der operierte Finger ge meinsam mit dem Nachbarfinger für die Dauer der Wundheilung ruhiggestellt. Sonst erfolgt nach einer Gelenkdenervation in der Re gel keine längere Immobilisation, sondern es wird bald mit aktiven Bewegungsübungen begonnen. 47.5
b . Abb. 47.5a, b╇ Nervale Versorgung des Kniegelenks (a€Lateralansicht, b€Medialansicht)
Operationsvorbereitung Präoperativ erfolgt daher in 2€Schritten gelenkfern eine Testaus schaltung aller an der Innervation beteiligten Nerven durch gelenk ferne perineurale Infiltration eines Lokalanästhetikums, um auch die schon weit proximal aus dem Hauptstamm der einzelnen Nerven abgehenden Gelenkäste zu erfassen. In der ersten Sitzung werden der N.€saphenus, der N.€peronaeus superficialis, der N.€peronaeus profundus, der N.€interosseus cruris und der N.€suralis blockiert, später dann der N.€tibialis.
Operationstechnik
47
Nach Anlage einer hockeyschlägerförmigen Inzision am distalen medialen Unterschenkel mit bogenförmiger Umschneidung des me dialen Malleolus wird der N.€tibialis angeschlungen, von proximal nach distal freipräpariert und die hierbei aufgefundenen Gelenkäste durchtrennt. Dann wird ein ca. 3€cm langer Schnitt am medialen Unterschenkel am Übergang vom medialen zum distalen Drittel an gelegt. Der hier neben der V.€ saphena magna verlaufende N.€saphe nus wird dargestellt und reseziert. Oft verläuft er in 2€Stämmen, von denen jeweils ungefähr 1€cm reseziert wird. Durch eine ca. 4€cm lange Inzision dorsolateral am Beginn des distalen Unterschenkel drittels lässt sich der N.€suralis in der Nachbarschaft der V.€€saphena parva auffinden und ebenso resezieren. Zur Präparation des N.€peronaeus superficialis wird ein 15€cm langer Schnitt am ventralen Unterschenkel übergreifend auf den Fußrücken angelegt, der Nerv wird beim Durchtritt durch die
Postoperative Nachbehandlung
Komplikationen
Die Komplikationen bestehen in: 4 Infektion, Gefahr des Gelenkinfekts bei versehentlicher Eröff nung der Kapsel, 4 Wundheilungsstörungen, vermehrt an der unteren Extremität, 4 Narbenbildung mit der Gefahr erneuter Nervenaffektion, 4 begrenztem Verlust der Oberflächensensibilität der Haut (sel ten). Unabhängig von der Denervation: 4 Fortschreiten der Arthrose, 4 erneute Schmerzen durch endostale und subchondrale Schmerz fasern.
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47.5 · Komplikationen
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417
47
48
Kompressionssyndrome der oberen Extremität C. Herold
48.1
Grundlagenâ•… – 420
48.1.1 48.1.2
Pathophysiologieâ•… – 420 Diagnostikâ•… – 420
48.2
Kompression des N.€radialisâ•… – 420
48.2.1 48.2.2 48.2.3
Proximales Radialiskompressionssyndromâ•… – 420 Supinatorsyndromâ•… – 420 Wartenberg-Syndromâ•… – 421
48.3
Kompression des N.€medianusâ•… – 422
48.3.1 48.3.2 48.3.3
Pronatorsyndromâ•… – 422 N.-interosseus-anterior-Syndromâ•… – 422 Karpaltunnelsyndrom (KTS)â•… – 424
48.4
Kompression des N.€ulnarisâ•… – 425
48.4.1 48.4.2
Sulcus-N.-ulnaris-Syndrom (SNUS)â•… – 425 Loge-de-Guyon-Syndromâ•… – 427
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
420
Kapitel 48 · Kompressionssyndrome der oberen Extremität
48.1
Grundlagen
48.1.1 Pathophysiologie Eine Druckbelastung von 20€mm€Hg oder mehr beeinträchtigt die Nervendurchblutung und hat daher Einfluss auf die Proteinsynthese und Myelinintegrität des Nervs. Es kommt zu Störungen der saltatorischen Überleitung und im axonalen Transport. 48.1.2 Diagnostik Eine exakte klinische und neurophysiologische Untersuchung ist notwendig, um die Kompressionssyndrome zu diagnostizieren. Radiologische Bildgebung kann nach Trauma oder bei Verdacht auf eine Raumforderung zusätzliche Hinweise geben. Neben dem häufigsten, dem Karpaltunnelsyndrom, gibt es noch eine Vielzahl weiterer peripherer Nervenkompressionssyndrome an der oberen Extremität, von denen die klinisch wichtigsten hier vorgestellt werden sollen. 48.2
Kompression des N.€radialis
Verlauf und Innervationsgebiete sind in .€Abb.€48.4 dargestellt. 48.2.1 Proximales Radialiskompressionssyndrom
Anatomie und Ätiologie In seinem Verlauf am Oberarm unter dem radialen Kopf des M.€triceps kann der N.€radialis im Septum intermusculare durch Kallusbildung, Hämatom oder auch verstärkte Anspannung des M.€triceps eingeengt werden (Lotem et al. 1971).
. Abb. 48.1╇ Innervationsgebiet des N.€radialis
Klinisches Bild und Diagnostik Neben Schmerzen am radialen Oberarm können Paresen der vom N.€radialis versorgten Muskulatur und Sensibilitätsstörungen auftreten. Über dem N.€radialis ist das Hoffmann-Tinel-Zeichen positiv. Neben der Abschwächung der Handgelenks- und Fingerstrecker können auch Sensibilitätsstörungen im Ellbogengelenk radial und auf der Unterarmstreckseite bestehen. Neurophysiologische Untersuchungen können unterstützende Hinweise geben. DifferenzialÂ� diagnostisch sind v.€a. die sog. Parkbanklähmung durch Druck auf den proximalen N.€radialis und das weiter distal gelegene und häufigere Supinatorsyndrom relevant.
Therapie Konservativ kann versucht werden, die Symptome durch Ruhigstellung und antiphlogistische Behandlung zum Ausklang zu bringen. Bei ausbleibendem Erfolg sollte nach etwa 4€Wochen eine Dekompression in Betracht gezogen werden. Hierzu wird über eine etwa 10€cm lange Hautinzision distal-radial am Oberarm zwischen M.€brachioradialis und M.€triceps der N.€radialis dargestellt und das komprimierende Septum intermusculare radiale durchtrennt. 48.2.2 Supinatorsyndrom
48
Anatomie und Ätiologie Der R.€profundus n.€radialis kann im Bereich der Abspaltung aus dem N.€radialis durch die Frohse-Arkade komprimiert werden
(.€Abb.€48.2a). Weitere Kompressionsmöglichkeiten bestehen durch den Rand des M.€extensor carpi radialis brevis, durch den Radiuskopf, durch den M.€supinator oder durch eine Raumforderung. In vielen Fällen lässt sich jedoch keine klare Ursache erkennen (Lister et al. 1979 u. Younge u. Moise 1994).
Klinisches Bild und Diagnostik Besonders durch Drehbewegungen des Unterarms kommt es zu radialseitigen Schmerzen im proximalen Unterarm, die in das Handgelenk ausstrahlen können. Ausgeprägte Lähmungen des R.€profundus sind selten, es stehen Sensibilitätsstörungen am Handrücken im Vordergrund. Bei der Untersuchung der Patienten findet sich ein deutlich seitendifferenter Druckschmerz über dem N.€radialis. Weiterhin ist bei gestrecktem Unterarm die Supination gegen Widerstand schmerzhaft. Bei Untersuchung der Motorik kann eine reduzierte Kraft bei Handgelenks- und Fingerstreckung sowie Daumenabduktion auffallen. Eine radiologische Diagnostik kann tumoröse Ursachen ausschließen. Differenzialdiagnostisch ist eine gleichzeitig mögliche Epicondylitis humeri abzugrenzen (Smola 2004), bei der im Gegensatz zum alleinigen Supinatorsyndrom immer ein starker Druckschmerz über dem radialen Epikondylus besteht. Zusätzlich eignet sich der Mittelfingertest, bei dem sich Schmerzen in der Ellbogenregion durch Streckung des Mittelfingers gegen Widerstand provozieren lassen, gut zur Identifizierung einer Kompression des R.€profundus nervi radialis.
421
48.2 · Kompression des N.€radialis
a
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. Abb. 48.2╇ Supinatorlogensyndrom: Anatomie (a) und intraoperativer Aspekt bei Dekompression€(b)
. Abb. 48.3╇ Wartenberg-Syndrom: Anatomie (a) und operative Dekompression€(b)
Bei dem den N.€medianus betreffenden Pronatorsyndrom sind die Schmerzen weiter palmar und ulnar lokalisiert.
Â� außen wie durch enge Armbänder auch durch den Rand des M.€brachioradialis oder fibröse Septen bedrängt werden. Nicht selten liegt eine zusätzliche Tendovaginitis stenosans de Quervain des 1.€Strecksehnenfachs vor.
Therapie Bei der operativen Therapie wird der R.€profundus über einen Zugang zwischen dem M.€brachioradialis und dem M.€extensor carpi radialis longus aufgesucht (.€Abb.€48.2b). Bei der Verfolgung des Nervs nach distal wird die Frohse-Arkade und der Rand des M.€extensor carpi radialis brevis durchtrennt. Im nächsten Schritt wird nun der M.€supinator entweder komplett durchtrennt oder alternativ lediglich seine sehnigen Anteile gespalten. Da häufig zusätzlich eine Epicondylitis humeri radialis vorliegt, kann diese für ein zufriedenstellendes Operationsergebnis während der gleichen Operation mitversorgt werden. 48.2.3 Wartenberg-Syndrom
Anatomie und Ätiologie Am distalen Unterarm zieht der R.€superficialis durch die Unterarmfaszie (.€Abb.€48.3a) und kann hier neben der Kompression von
Klinisches Bild und Diagnostik Im Vordergrund stehen in den Daumen ziehende Schmerzen am radiodorsalen Unterarm. Sensibilitätsstörungen im VersorgungsÂ� gebiet des R.€superficialis des N.€radialis können hinzutreten. Es bestehen ein Druckschmerz und ein positives Hoffmann-TinelÂ�Zeichen über dem Ort der Kompression (Wartenberg 1994).
Therapie Nach einer Inzision palmar des Nervenverlaufs wird der R.€superficialis zwischen dem M.€brachioradialis und dem M.€extensor carpi radialis longus aufgesucht (.€Abb.€48.3b). Es folgt eine Spaltung der intermuskulären Faszie und der Unterarmfaszie sowie bei Bedarf eine Umkrempelung des Randes des M.€brachioradialis.
48
422
Kapitel 48 · Kompressionssyndrome der oberen Extremität
48.3
Kompression des N.€medianus
Verlauf und Innervationsgebiete sind in .€Abb.€48.4 dargestellt. 48.3.1 Pronatorsyndrom
Anatomie und Ätiologie Die häufigste proximal vorkommende Kompression des N.€medianus wird wegen des M.€pronator teres als Pronatorsyndrom beschrieben (Kopell u. Thompson 1958). Hierbei kann es an 4€Orten zur Kompression kommen: 4 am distalen Drittel des Humerus neben dem Proc. condylaris und dem Struthers-Ligament, 4 im Bereich des Ellbogengelenks durch den Lacertus fibrosus, 4 im Verlauf des Nervs durch den M.€pronator teres selbst entweder durch Hyperplasie des Muskels oder durch eine vergrößerte Aponeurose, 4 weiter distal durch den sehnigen Rand des M.€flexor digitorum superficialis.
Klinisches Bild und Diagnostik Im Vordergrund stehen Schmerzen im distalen Oberarm und der Ellenbeuge, die häufig bei Belastung und bei Druck zunehmen. Sensible Ausfälle an den ersten 3€Fingern sowie an der radialen Seite des 4.€Fingers können hinzutreten wie auch motorische Ausfälle der
versorgten Muskulatur (Werner et al. 1985). Eine Thenaratrophie ist häufig sichtbar. Der Phalen-Test ist negativ. Das Hoffmann-TinelZeichen ist positiv über dem Verlauf des N.€medianus. Akut kann es zur genannten Symptomatik bei Hämatombildung nach Gefäßpunktion in der Ellenbeuge kommen. Differenzialdiagnostisch gilt es ein Karpaltunnelsyndron (PhalenTest positiv; Lee u. Lastayo 2004), eine zervikale Radikulopathie (zusätzlich Bizepsschwäche bei C6-Kompression oder Trizepsschwäche bei C7-Kompression) abzugrenzen. Bei einem Thoracic-outletSyndrom liegt die Sensibilitätsstörung eher am ulnaren Unterarm.
Therapie Ist eine antiphlogistische Therapie in Kombination mit Ruhigstellung in einem Oberarmgips nicht ausreichend effektiv, besteht die Indikation zur Neurolyse. Hierzu sollte die Hautinzision minÂ� destens€5€cm über dem Ellbogen beginnend und bis etwa 8€cm in den mittleren Unterarm fortgesetzt werden. Diese große Freilegung soll verhindern, dass eine der 4€möglichen Engstellen übersehen wird und um eine effiziente Dekompression zu ermöglichen (.€Abb.€48.5). Nach Unterbindung der Äste der V.€basilica wird die Faszie gespalten und der Lacertus fibrosus durchtrennt. Der N.€medianus, der seine Muskeläste allesamt nach ulnar abgibt, wird nun unter Spaltung der Köpfe des M.€pronator teres weiter nach distal verfolgt, wo im Muskel der N.€interosseus nach radial abzweigt. Nach Darstellung des Sehnenbogens der Ursprünge des M.€flexor digitorum wird dieser unter Schonung des Muskels ebenfalls durchtrennt. Postoperativ sollte eine Woche lang eine dorsale Oberarmschiene getragen werden. 48.3.2 N.-interosseus-anterior-Syndrom
Anatomie und Ätiologie Der Vielzahl von Möglichkeiten der vaskulär, tendinös oder tumorös bedingten Kompression des N.€interosseus anterior ist gemeinsam, dass der Nerv in seinem Verlauf im proximalen Unterarm kompri-
48
. Abb. 48.4╇ Innervationsgebiet des N.€medianus
. Abb. 48.5╇ Pronatorsyndrom: Anatomie
423
48.3 · Kompression des N.€medianus
c
a
b . Abb. 48.6╇ N.-interosseus-anterior-Syndrom: Anatomie (a), Klinik (b) und operative Dekompression€(c) (FPL=M.€flexor pollicis longus, FDP=M.€flexor digitorum, P.T.=M.€pronator teres)
miert wird. Der N.€interosseus anterior verlässt den N.€medianus etwa 5–6€cm distal des Epicondylus ulnaris und kann von hier an durch die Ansätze des M.€flexor digitorum€III oder das Caput ulnare des M.€pronator teres eingeengt werden (.€Abb.€48.6).
Klinisches Bild und Diagnostik Neben Schmerzen im proximalen Unterarm stehen Paresen des M.€flexor pollicis longus, M.€flexor digitorum profundus€II und �gelegentlich III sowie des M.€pronator quadratus im Vordergrund.
Klinisch fällt die Aufhebung des normalen Spitzgriffes auf, d.€h. die Patienten können keinen Kreis mehr mit Daumen und Zeigefinger bilden (Spinner 1969, 1970; .€Abb.€48.6b). Die Kraft der Endgliedbeugung des Daumens und der Finger€2 und 3 ist reduziert. Der M.€pronator quadratus kann geprüft werden, indem man den im Ellbogengelenk gebeugten und pronierten Arm des Patienten versucht zu supinieren. Neurophysiologische Veränderungen in den betroffenen Muskeln sind häufig. Eine Ruptur der tiefen Beugesehnen ist auszuschließen.
48
424
Kapitel 48 · Kompressionssyndrome der oberen Extremität
! Cave Die Sensibilität bei einem N.-interosseus-anterior- Syndrom ist häufig unauffällig.
flexorum (.€Übersicht). Neben dem N.€medianus ziehen die langen Beugersehnen durch den Karpaltunnel (.€Abb.€48.7). Grenzen des Karpaltunnels, durch den neben dem N.€medianus die 9€Beugesehnen ziehen
Therapie Die konservative und operative Therapie des N.-interosseus-anterior-Syndroms ähnelt sehr derjenigen des Pronatorsyndroms. Hautschnitt und Zugang werden ähnlich gewählt, wobei hier ergänzend der N.€interosseus anterior weit bis ins tiefe volare Kompartment verfolgt werden sollte (.€Abb.€48.6c). Normalerweise finden sich als Kompressionsursachen Muskelfaszien der oben genannten Muskeln. Gelegentlich sind auch akzessorische Muskeln oder atypische Gefäßverläufe (A.€mediana) die Ursache.
4 Dach: Retinaculum flexorum von der Tuberositas scaphoidea und dem Os trapezium zum Os pisiforme und dem Hamulus ossis hamati 4 Boden: Handwurzelknochen und aufliegende Bandstrukturen 4 Radiale Begrenzung: Os scaphoideum und Os trapezium sowie Fasziensepten 4 Ulnare Begrenzung: Os pisiforme, Os triquetrum und Hamulus ossis hamati
48.3.3 Karpaltunnelsyndrom (KTS)
Anatomie und Ätiologie Der Boden des Karpaltunnels wird vom volaren radiokarpalen Ligament und den bindegewebigen Verbindungen zwischen den Handwurzelknochen gebildet. Das Dach entsteht durch das Retinaculum
c
a
b
48
Verschiedene Ursachen wie eine Beugesehnensynovialitis, ein Ödem, besonders hormonell bedingt in der Schwangerschaft oder auch Menopause, chronische Schädigungen des Nervs und seiner
d
. Abb. 48.7╇ Karpaltunnelsyndrom: Anatomie (a) und operative Dekompression€(b). Darstellung des Lig.€carpi transversum (c) und Neurolyse bei erheblicher perineuraler Fibrose€(d)
425
48.4 · Kompression des N.€ulnaris
Blutzufuhr, Alkoholismus, Amyloidose, Trauma, atypische Muskulatur oder Gefäße (A.€mediana) sowie Tumoren werden für die disÂ� tale Kompression des N.€medianus genannt (Robbins 1963). Es ist das häufigste periphere Nervenkompressionssyndrom und tritt bevorzugt bei Frauen zwischen 40 und 60€Jahren auf.
Klinisches Bild und Diagnostik Patienten mit Karpaltunnelsyndrom klagen typischerweise über nächtliche Parästhesien der vom N.€medianus innervierten Finger, also des Daumens, des 2.–3. und der radialen Seite des 4.€Fingers. Das Krankheitsbild entwickelt sich entweder langsam über Monate oder akut traumatisch oder in der Schwangerschaft ab dem 6.€Monat und kann im Endstadium zu einem permanenten Taubheitsgefühl führen. Häufig imponiert eine Thenaratrophie auf der betroffenen Seite, wobei zu beachten ist, dass eine Hypertrophie der dominanten Hand einen Normalbefund darstellt. Die durch Paresen des M.€opponens pollicis und des M.€abductor pollicis brevis hervorgerufene Kraftminderung bei Daumenopposition und Palmarabduktion führt zu funktionellen Störungen bei Spitz-, Schreib- und Dreipunktgriff. Häufig wird die Oppositionsschwäche durch eine kompensatorische Daumenendgelenksbeugung kompensiert. Bei der Untersuchung ist das Hoffmann-Tinel-Zeichen distal der Handgelenksfalte positiv. Mit dem Phalen-Test (Aneinanderlegen der maximal flektierten Handrücken) sind Parästhesien beim Karpaltunnelsyndrom in weniger als 15–20€s provozierbar. Zur Bestätigung der Diagnose sollten noch neurophysiologische Untersuchungen durchgeführt werden (Phalen 1966).
naht mit 4-0 monofilen Einzelnähten und Einlage einer Wundlasche beenden den Eingriff. Der Patient erhält eine Handgelenksgipsschiene für 3€Tage. Die häufigste Komplikation ist eine empfindliche Narbe. Daher sollte die Hautinzision nicht die Handgelenksbeugefalte (Raszetta) nach proximal überschreiten. Mit einer Verbesserung der präoperativen Parästhesien ist innerhalb von 2€Wochen zu rechnen, häufig ist jedoch bereits direkt postoperativ eine Besserung feststellbar. Endoskopisches Vorgehen.╇ Die endoskopische Variante ist in der
geübten Hand alternativ anwendbar, es gibt hier allerdings Komplikationsmöglichkeiten, die beim offenen Zugang nicht in selbem Maße bestehen, wie z.€B. Nerven- oder Sehnenverletzungen. Zudem sind gelegentlich notwendige Synovialektomien oder Neurolysen nicht durchführbar. > Die endoskopische Karpaltunnelspaltung besitzt zwar den Vorteil einer kleineren Narbe, daher ein geringeres Risiko von Narbenbeschwerden, die Rate der Nervenschädigung ist aber höher. Da die Übersicht schlechter ist, können anatomische Varianten leichter übersehen werden. Weitergehende Maßnahmen, wie Synovektomien, sind nicht durchführbar und erfordern ein offenes Vorgehen. Das Verfahren erfordert eine längere Lernphase, und bei Anfängern besteht ein höheres Risiko für Nerven- oder Sehnenverletzungen und Rezidive aufgrund inkompletter Spaltung des Retinaculum flexorum.
> Neurophysiogische Untersuchungen dienen der Sicherung der Diagnose und rechtlichen Absicherung beim Karpaltunnelsyndrom. Die motorische Latenz ist auf über 4,5€ms und die sensorische Latenz auf über 3,5€ms erhöht. PostÂ� operativ ist in etwa nach 3€Monaten mit einer Verbesserung der Nervenleitgeschwindigkeit zu rechnen.
48.4
Therapie
48.4.1 Sulcus-N.-ulnaris-Syndrom (SNUS)
Bei kurzer Krankheitsdauer mit noch normaler Nervenleitgeschwindigkeit kann eine konservative Therapie mit Ruhigstellung in einer Schiene mit leichter Streckung des Handgelenks versucht werden. Ergänzend können lokale Kortikoidinjektionen durchgeführt werden. Besonders bei jungen Patienten ist eine abwartende Haltung angemessen. Sollten diese Therapieversuche erfolglos bleiben, ist eine operative Dekompression und Neurolyse indiziert, welche unter Blutleere in Lokal- oder Plexusanästhesie erfolgen kann. Hierbei gibt es offene Verfahren mit unterschiedlichen Hautinzisionen oder auch eine endoskopische Variante. Offen-chirurgisches Vorgehen.╇ Bei der offenen Technik wird ein
Hautschnitt in Verlängerung der 4.€Intermetakarpalregion gesetzt, das Subkutangewebe und ggf. eine oberflächlich liegende A.€ulnaris und der N.€ulnaris dargestellt. Es erfolgt das scharfe Durchtrennen€der Palmaraponeurose und des Lig.€carpi transversum unter Sicht. Wir stellen den Medianusstamm und, falls aufgrund motorischer Ausfälle indiziert, auch den motorischen Thenarast dar, der am Â�häufigsten am distalen Ende des Karpaltunnels gelegen ist. Mannigfaltige anatomische Variationen können vorliegen. Erst nach dessen sicherer Identifizierung kann nun die Unterarmfaszie nach proximal€gespalten werden. Durch die ulnarseitig gelegene Inzision des Lig.€carpi transversum kommt der N.€medianus wieder geschützt unter dieser bindegewebigen Struktur zu liegen. Eine einfache Haut-
Kompression des N.€ulnaris
Verlauf und Innervationsgebiete sind in .€Abb.€48.8 dargestellt.
Anatomie und Ätiologie Nachdem der N.€ulnaris am distalen Oberarm das Septum musculare ulnare und den ulnaren Trizepskopf passiert hat, liegt er in Â�seinem Verlauf zwischen Olekranon und Epicondylus ulnaris beÂ� sonders oberflächlich. Das Dach des Sulcus ulnaris wird von der verstärkten Faszie des M.€flexor carpi ulnaris gebildet, zwischen Â�dessen Köpfen der N.€ulnaris dann in den Unterarm zieht (.€Abb.€48.9). Sowohl chronische Subluxation des Nervs im Sulkus (Childree 1956) als auch fibromuskuläre Kompressionen oder knöcherne Veränderungen nach Trauma können zu einer Schädigung des Nervs führen.
Klinisches Bild und Diagnostik Neben anfänglichen Parästhesien bei Ellbogengelenksbeugung und bei Auflegen der Unterarme bestehen Schmerzen, die von den Ellbogen in den ulnaren Unterarm ausstrahlen. Aufgrund einer Schwäche des vom N.€ulnaris versorgten M.€adductor pollicis und des M.€interosseus dorsalis€I können Schwierigkeiten beim Schreiben und eine Schwäche des Spitzgriffs auftreten. Beide Muskeln können€mit dem Froment-Test geprüft werden. Dabei versucht der Â�Untersucher, ein zwischen Daumenendgelenk und Zeigefingergrundgelenk gehaltenes Stück Papier herauszuziehen, das der PaÂ� tient€bei Interosseusschwäche durch Endgelenksbeugung mit dem N.-medianus-innervierten M.€flexor pollicis longus festzuhalten versucht.
48
426
Kapitel 48 · Kompressionssyndrome der oberen Extremität
a
b
. Abb. 48.8╇ Innervationsgebiet des N.€ulnaris
Als weitere Tests zur Überprüfung der Motorik dienen
4 das Überkreuzen des Zeige- und Mittelfingers, 4 das Zusammenführen der Endglieder von Zeigefinger und Kleinfinger sowie
4 der Versuch, den Kleinfinger aus der geschlossenen Hand herauszubiegen.
Inspektorisch fallen in fortgeschrittenen Stadien eine Hypothenaratrophie und eine Krallenstellung von Ring- und Kleinfinger auf. Über dem Sulcus ulnaris ist das Hoffmann-Tinel-Zeichen positiv. Es sollte auch eine Subluxationstendenz des N.€ulnaris bei EllbogenÂ� flexion durch Palpation über dem Sulcus geprüft werden. Weiterhin sollte der Patient eine maximale Ellbogenflexion durchführen. Hierbei entstehende Parästhesien sprechen ebenso wie Hypästhesie über dem dorsoulnaren Handrücken für ein Sulcus-ulnaris-Syndrom (Greenwald et al. 2006). Ergänzt wird die Untersuchung durch Röntgenbilder des Ellbogengelenkes in 2€Ebenen, um eine knöcherne Kompression auszuschließen, und durch neurophysiologische Untersuchungen. Differenzialdiagnostisch ist neben einer distalen Ulnariskompression immer auch an eine Radikulopathie der C8-Nervenwurzel zu Â�denken.
48
Therapie Eine konservative Therapie kann durch Schonung und Polsterung des Ellbogens versucht werden.
. Abb. 48.9╇ Sulcus-N.-ulnaris-Syndrom (SNUS): Anatomie (a) und operative Dekompression€(b)
! Cave Bei beginnenden Lähmungen ist jedoch eine dringende Indikation zur operativen Therapie gegeben, da die Paresen häufig irreversibel sind.
Ist bei der klinischen Untersuchung und intraoperativ keine Subluxationstendenz feststellbar gewesen, so ist eine alleinige Neurolyse des N.€ulnaris ausreichend. Zeigt sich jedoch, dass der Nerv bei Ellbogenbeugung deutlich aus dem Sulcus herausgleitet, ist zusätzlich die Indikation zur Verlagerung gegeben. Hierbei gibt es 2€Möglichkeiten: 4 eine subkutane Verlagerung oder 4 eine submuskuläre Verlagerung. Bei der subkutanen Verlagerung wird nach Resektion des Septum intermusculare der N.€ulnaris möglichst unter Schonung umgebender vaskulärer Strukturen spannungsfrei in einen Faszienlappen vom Epicondylus gelegt, der fixiert wird, ohne den Nerv zu komprimieren. Bei der submuskulären Verlagerung werden die Ursprünge der gesamten Flexoren und Pronatoren temporär gelöst und der Nerv neben dem N.€medianus platziert. Des Weiteren kann eine mediale Epikondylektomie durchgeführt werden (Mowlavi et al. 2000; Broudy et al. 1978). Im eigenen Vorgehen bevorzugen wir die submuskuläre Verlagerung, wobei der Z-förmig abgehobene Ursprung der Beuger (FCU, FCR etc.) locker und ohne Spannung über den ventral verlagerten
427
48.4 · Kompression des N.€ulnaris
N.€ulnaris refixiert wird. In neuerer Zeit wird auch die endoskopische Neurolyse propagiert, von geübten Operateuren werden vergleichbare Ergebnisse berichtet (Hoffmann u. Meek 2008; Hoffmann u. Siemionow 2006). 48.4.2 Loge-de-Guyon-Syndrom
Anatomie und Ätiologie Der Nervenstamm oder der motorische Ast des N.€ulnaris kann im Bereich der Loge de Guyon komprimiert werden und somit zum distalen Kompressionssyndrom des N.€ulnaris führen. Der Nerv zieht zusammen mit der A.€ulnaris zwischen dem Os pisiforme und dem Hamulus ossis hamati unter dem relativ lockeren palmaren karpalen Ligament hindurch und teilt sich in seinen oberflächlichen und tiefen Ast (.€Abb.€48.10a; .€Übersicht). Meistens ist eine zuÂ� sätzliche Pathologie, wie ein Ganglion, ein Lipom, ein prominenter Sehnenbogen des M.€abductor digiti minimi oder M.€flexor digiti minimi, oder wiederholte traumatische oder mikrotraumatische Schädigungen notwendig, um zu einer klinisch manifesten Kompression zu führen (Guyon 1861; Cobb et al. 1996).
a
Grenzen der Loge de Guyon 4 Dach: Lig.€carpi palmare, Unterarmfaszie und Sehne des FCU; distal ebenfalls Fasern des M.€palmaris brevis 4 Boden: Retinaculum flexorum und Lig.€pisohamatum 4 Radiale Begrenzung: Os hamatum und Lig.€carpi palmare 4 Ulnare Begrenzung: Os pisiforme und FCU
b
Klinisches Bild und Diagnostik Im Vordergrund steht eine distale Ulnarisparese, die in den meisten Fällen ohne sensible Ausfälle einhergeht. Das Hoffmann-Tinel-Zeichen ist meistens negativ, und Sensibilitätsstörungen am ulnaren Handrücken kommen nicht vor. Lediglich an den beiden ulnaren Fingern kommt es gelegentlich zu Hypästhesien. Es kann eine Druckschmerzhaftigkeit direkt über der Loge de Guyon bestehen. Bei fortgeschrittener Parese ist eine Krallenhand zu finden. Neurophysiologische Untersuchungen, besonders auch über dem Sulcus ulnaris, dienen der Lokalisierung und Bestätigung der Nervenschädigung. Bildgebende Diagnostik kann eine tumoröse oder traumatisch bedingte Kompression nachweisen (Dupont et al. 1965). > Bei Handgelenksfrakturen mit klinischen Hinweisen auf eine Neuropathie des N.€ulnaris sollte immer eine Ulnarisdekompression erfolgen, da der Nerv sehr anfällig für eine permanente Schädigung ist und die Symptome selten reversibel sind.
Therapie Wenn die Nervenschädigung nicht durch Kompression, sondern durch Mikrotraumatisierung bedingt ist, kann eine konservative Therapie mit Ruhigstellung und antiphlogistischer Medikation Â�versucht werden. Bei der operativen Dekompression wird über einen€palmaren stufenförmigen Hautschnitt über dem ulnaren Handgelenk (.€Abb.€48.10b) der N.€ulnaris radial vom M.€flexor carpi ulnaris dargestellt. Es folgt eine Spaltung der palmaren Begren-
c . Abb. 48.10╇ Loge-de-Guyon-Syndrom€: Anatomie (a) und operative Dekompression€(b,€c)
zung der Loge de Guyon unter Mitnahme des M.€palmaris brevis (.€Abb.€48.10c). Es ist zu beachten, dass der tiefe Ast des Nervs in der Loge abÂ� geht€und von Ästen der A.€ulnaris umgeben wird. Im distalen Verlauf wird der R.€profundus des N.€ulnaris häufig von der Sehnenarkade des M.€flexor digiti minimi und des M.€abductor digiti minimi komprimiert. Diese sollte gespalten werden. Ist ein frakturierter Â�Hamulus ossis hamati oder ein Ganglion als Kompressionsursache auszumachen, so werden diese entfernt.
48
428
Kapitel 48 · Kompressionssyndrome der oberen Extremität
> Postoperativ sind nach Dekompression peripherer Nerven chronische Schmerzen möglich. Durch Neurombildung, Devaskularisation des Nervs, unzureichende Dekompression oder Narbenzug kommt es zu einer sog. TraktionsneuÂ� ritis. In diesen Fällen ist eine operative Revision indiziert mit externer und interner Neurolyse und ggf. Polsterung mit einem Fett-Faszien-Läppchen.
Literatur
48
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49
Nervenkompressionssyndrome der unteren Extremität R. Krämer, A. Gohritz
49.1
Grundlagenâ•… – 430
49.1.1 49.1.2 49.1.3 49.1.4
Ätiologieâ•… – 430 Pathologie der Nervenkompressionâ•… – 430 Diabetes mellitus und NervenÂ�kompressionâ•… – 430 Betroffene Nervenâ•… – 430
49.2
Einzelne Kompressionssyndromeâ•… – 430
49.2.1 49.2.2 49.2.3 49.2.4 49.2.5 49.2.6 49.2.7 49.2.8 49.2.9 49.2.10 49.2.11 49.2.12
N.€cutaneus femoris lateralisâ•… – 430 N.€iliohypogastricus, N.€ilioinguinalisâ•… – 431 N.€genitofemoralisâ•… – 431 N.€pudendusâ•… – 431 N.€femoralis, N.€obturatoriusâ•… – 432 N.€ischiadicus (Piriformissyndrom)â•… – 432 N.€saphenus, R.€infrapatellarisâ•… – 433 N.€tibialisâ•… – 433 N.€peronaeus communisâ•… – 434 N.€peronaeus profundusâ•… – 434 Morton-Metatarsalgieâ•… – 435 N.€suralisâ•… – 436
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
49
430
Kapitel 49 · Nervenkompressionssyndrome der unteren Extremität
49.1
Grundlagen
49.1.1 Ätiologie Nervenkompressionssyndrome entstehen durch chronische Druckerhöhung an anatomischen Engstellen, wobei es oft durch hormonelle, metabolische und traumatische Einflüsse zu einer ödematösen Auftreibung der bindegewebigen Wandstrukturen einer physiologischen Prädilektionsstelle kommt, deren fehlende Nachgiebigkeit schließlich die Druckerhöhung bewirkt. Eine vermehrte Disposition zu Nervenkompressionssyndromen wird z.€B. bei diabetischer Neuropathie beobachtet, wobei der intraneurale Druck bereits im subklinischen Stadium generalisiert erhöht ist. 49.1.2 Pathologie der Nervenkompression Makroskopisch ist der Nerv am Ort der Kompression häufig verdünnt, proximal findet sich eine deutliche Schwellung in Form eines sog. Pseudoneuroms, welches ebenfalls distal ausgebildet sein kann. Pathophysiologisch wird dies durch einen Stau des axonalen Transports, eine durch entzündliche Reaktion hervorgerufene Steigerung der Gefäßpermeabilität und ein Ödem erklärt. In der Mikroskopie finden sich in Anfangsstadien charakteristische Deformierungen zahlreicher Markscheidensegmente. Das Myelin auf der Seite der Kompression ist verdünnt, auf der abgewandten Seite dagegen geschwollen. Bei Kompression über einen längeren Zeitraum erfolgt eine paranodale Demyelinisierung, daraufhin kommt es zu einer Infiltration mit Fibroblasten, die zunächst eine epineurale Fibrosierung bewirken. Später geht diese Fibrosierung auch auf die endoneuralen Strukturen über und bewirkt eine Verdickung des Perineuriums. Terminal führt die chronische Kompression zu einem Untergang von Axonen und Waller-Degeneration. 49.1.3 Diabetes mellitus und NervenÂ�kompression Seit einigen Jahren wird verstärkt die Korrelation von Nervenkompressionssyndromen und Diabetes mellitus untersucht. Bei Patienten mit einer diabetischen Neuropathie ist die Inzidenz an Kompressionssyndromen peripherer Nerven signifikant erhöht, v.€a. beim Karpaltunnelsyndrom. Bei Nichtdiabetikern lag die Inzidenz bei 2%, bei Diabetikern ohne Neuropathie bei 14% und bei Diabetikern mit diabetischer Neuropathie bei 30%. Diese Prädisposition neuropathisch geschädigter Nerven für eine Affektion bis hin zur Läsion in physiologischen Engstellen resultiert aus dem bei Diabetikern vorhandenen erhöhten endoneuralen Wassergehalt (Dellon 2002). Die Symptome beider Entitäten sind mit Taubheit, Parästhesien und Schmerz allerdings sehr ähnlich, sodass eine Unterscheidung zwischen beiden wichtig ist. Interessanterweise wurde ebenfalls gezeigt, dass bei Diabetikern die Elektroneurographie keine verlässliche diagnostische Maßnahme zur Festlegung therapeutischer Indikationen darstellt (Perkins 2004). Ein positives Hoffmann-Tinel-Zeichen an Lokalisationen potenzieller Druckschädigung wurde als ein klinisches Zeichen mit dem höchsten Vorhersagewert für ein erfolgreiches Ergebnis mit wiederhergestellter Sensibilität und Schmerzreduktion nach operativer Nervenentlastung. In einer Studie an 46€Patienten ergab sich ein prädiktiver Wert von bis zu 95%. Auf der anderen Seite profitierte nur 1€von 5€Patienten von einer operativen Dekompression, wenn kein positives Hoffmann-Tinel-Zeichen auszulösen war (Lee u. Dellon 2004).
Besonders bei Assoziation mit Diabetes mellitus zeigen periphere Neuropathien eine bessere Prognose durch frühe Intervention. Eine Dekompression neuropathischer Nerven an physiologischen Engstellen führte in kontrollierten Vergleichsstudien bei Diabetikern in bis zu 100% zu einer signifikanten Verbesserung der Symptome (Aszmann et al. 2000; Siemionow et al. 2006). 49.1.4 Betroffene Nerven Die Beckenregion und ebenso die untere Extremität bieten eine Vielzahl an physiologischen Engstellen, welche zu einer chronischen Kompression von Nerven führen können. Zur besseren Übersicht werden die hauptsächlich betroffenen Nerven und die Lokalisation der Engstelle dargestellt. Nevenkompression der unteren Extremität: hauptsächlich betroffene Nerven und Lokalisation der Engstelle 4 Leisten- und Genitalregion: – N.€cutaneus femoris lateralis (Meralgia paraesthetica) – N.€ilioinguinalis, N.€iliohypogastricus – N.€genitofemoralis – N.€pudendus 4 Oberschenkel: – N.€ischiadicus (Piriformissyndrom) – N.€obturatorius – N.€femoralis – N.€saphenus, R.€infrapatellaris 4 Unterschenkel und Fuß: – N.€tibialis – N.€peronaeus communis – N.€peronaeus profundus – Morton-Metatarsalgie – N.€suralis
49.2
Einzelne Kompressionssyndrome
49.2.1 N.€cutaneus femoris lateralis Die auch als Meralgia paraesthetica bekannte Kompressionsneuropathie des N.€cutaneus femoris lateralis (NCFL) ist ein eher selten beobachtetes Kompressionssyndrom der unteren Extremität. Da es sich bei dem NCFL um einen rein sensiblen Ast aus der 2. und 3.€lumbalen Nervenwurzel handelt, treten keinerlei motorische Ausfälle bei Kompression des Nervs in der Leiste auf. Die im 19.€Jahrhundert eingeführte Resektion des NCFL wurde im Jahr 1933 durch Dekompression und Neurolyse als Therapieoption ergänzt. Bei der Meralgia paraesthetica (MP) kommt es zu einer Einklemmung des NCFL im Bereich des lateralen Leistenbandes nahe der Spina iliaca anterior superior, vorwiegend im Erwachsenenalter (Tackmann 1989), wobei bei 7–10% der Patienten beidseitige Beschwerden bestehen (Kitchen u. Simpson 1972). Pathogenetisch kommen häufiger genuine (durch ungünstigen anatomischen Nervenverlauf) und selten symptomatische Formen vor (iatrogene, posttraumatische Ursachen, Schwangerschaft, Adipositas, enge Kleider, diabetische Polyneuropathie; Benini 1992). Iatrogene Schädigungen sind hauptsächlich nach Eingriffen am Beckenkamm (Knochenspanentnahme) zu verzeichnen.
431
49.2 · Einzelne Kompressionssyndrome
Klinik und Diagnose Die Klinik der betroffenen Patienten ist hauptsächlich geprägt von Parästhesien im Versorgungsgebiet des N.€cutaneus femoris lateralis am distalen und lateralen Oberschenkel. Die Beschwerden können provoziert werden durch langes Stehen, Gehen oder Liegen mit ge strecktem Bein. Bewegungen, die eine Traktion am Leistenband Â�ausüben, lösen brennende Schmerzen und Parästhesien am Ober schenkel aus. Bei protrahiertem Krankheitsverlauf können sensible Störungen in einem umschriebenen Gebiet am ventrolateralen Oberschenkel beobachtet werden. Bei der klinischen Untersuchung provoziert ein umgekehrtes Lasègue-Zeichen mit Hyperextension im Hüftgelenk und gleich zeitiger Flexion im Kniegelenk Schmerzen im betroffenen Areal. Ebenso findet sich bei der Mehrzahl der Patienten ein positives Hoff mann-Tinel-Zeichen medial der Spina iliaca anterior superior mit Missempfindungen am Oberschenkel (Tackmann 1989). Zur Sicherung der Verdachtsdiagnose dienen die Blockade des NCFL mit einem Lokalanästhetikum medial und unterhalb der Spi na iliaca anterior superior (SIAS) und die Ableitung des somatosen sorisch evozierten Potenzials (SEP; Flügel et al. 1984; Esteban 1998), wobei meist eine Latenzverzögerung oder eine fehlende kortikale Reizantwort beobachtet wird. Auch eine Messung der sensiblen Â� Nervenleitgeschwindigkeit des NCFL ist möglich, wenn auch bei adipösen Menschen ungleich schwieriger. Hierbei werden Werte über 40€m/s als uneingeschränkte Leitungsgeschwindigkeiten ange sehen.
Therapie Konservative Therapie, v.€a. durch Vermeidung von engen Hosen
oder Korsetts und eine Gewichtsreduktion, erreicht in 50% gute Er gebnisse, wobei Spontanremissionen in bis zu 25% der Fälle be schrieben sind (Mumenthaler 1987; Williams u. Trzil 1991). Weiter hin sind Infiltrationen mit Lokalanästhetika und Kortikosteroide im Bereich von Fascia lata medial und kaudal der SIAS möglich. Bei persistierenden Schmerzen oder nur insuffizienter Besse rung ist die operative Therapie mittels Dekompression und Neuro lyse des NCFL durch Beseitigung aller komprimierenden Strukturen oder alternativ die Durchtrennung des Nervs mit Resektion des Ner vensegments indiziert (Nahabedian und Dellon 1995). Die Nervenresektion birgt das Risiko von Deafferenzierungs schmerzen und wird bei Fehlen einer eindeutigen Kompressions stelle, bei iatrogener oder posttraumatischer Läsion des Nervs mit Neurombildung oder bei einem Rezidiv nach vorausgegangener De kompression durchgeführt (Tackmann 1989). Operative Therapie.╇ In Allgemein- oder Lokalanästhesie und Rü
ckenlage wird über eine Längsinzision medial der Spina ilica anteÂ�rior superior von 5–6€cm Länge der NCFL auf dem Vorderrand des M.€sartorius unter der Fascia lata aufgesucht und nach kranial ver folgt. Nach Spaltung der Muskelfasern der Mm.€obliquus externus, internus und transversus abdominis kann die hintere Bauchwand dargestellt werden, der N.€ilioinguinalis wird geschont. Der Haupt stamm des NCFL kann unterhalb der Fascia iliaca identifiziert wer den. Der Nerv wird nach kaudal verfolgt und in seiner gesamten Länge dekomprimiert, wobei nur eines der beiden Blätter des Lei stenbandes gespalten werden muss. > Eine Resektion des Nervs muss weit proximal des Leistenbandes erfolgen, um schmerzhafte Stumpfneurome zu vermeiden.
Ein alternativer Zugang ist der suprainguinale Zugang von oberhalb des Lig.€inguinale mit einem 2€cm langen Horizontalschnitt (Aldrich
et al. 1988). Er hat den Vorteil, dass der NCFL trotz seines varianten reichen Verlaufs proximal identifiziert und bis in die Aufteilung sei ner Äste verfolgt werden kann (Ducic et al. 2006). 49.2.2 N.€iliohypogastricus, N.€ilioinguinalis Echte Kompressionssyndrome der beiden Nerven sind selten. Ein echtes Engpasssyndrom des N.€ilioinguinalis kann beim Durchtritt durch die Schichten der ventrolateralen Bauchwand bestehen, meist handelt es sich jedoch um iatrogene Läsionen (Beckenkammbiop sien, Gefäßpunktionen, Herniotomien, Hämatome). Diese können zu starken elektrisierenden Schmerzen führen, die die Lebensquali tät der Betroffenen erheblich einschränken. Die Nn.€iliohypogastricus und ilioinguinalis als Äste der 12.€Tho rakalwurzel sowie der 1. und 2.€Lumbalwurzel versorgen die untere Bauchmuskulatur motorisch sowie den lateralen Hüftbereich und die Leiste sensibel. Darüber hinaus wird das Skrotum vom N.€ilioin guinalis innerviert. Durch sehr variable sensible Innervation und Überlappung der einzelnen Innervationsgebiete sind Kompressi onen einzelner Nerven relativ schwer zu diagnostizieren, zumal bei Affektion dieser Nerven nur die sensiblen Anteile für Leiste und Genitale betroffen sind. Differenzialdiagnostisch müssen v.€a. funktionelle Schmerzsyn drome der Leiste abgegrenzt werden.
Therapie Die chirurgische Therapie dieser Nervenkompressionssyndrome gestaltet sich schwierig mit häufig nicht voraussehbarem Erfolg. Mikrochirurgische Neurolysen im Narbengewebe nach stattgehab ten Eingriffen sind technisch sehr anspruchsvoll. 49.2.3 N.€genitofemoralis Eine Abgrenzung einer Kompression des N.€genitofemoralis von Be schwerden durch die Nn.€ilioinguinalis oder Iliohypogastricus ist schwierig; ein echtes Kompressionssyndrom unbekannt, es kommen aber Läsionen im Rahmen von Herniotomien und urologischen Ein griffen vor. Der N.€genitofemoralis entspringt aus den Wurzeln L1 und L2 und zieht am lateralen Rand des M.€psoas major entlang in Beglei tung der A.€iliaca communis, benachbart dem Urether und dem Ko lon. Das sensible Innervationsgebiet liegt etwas weiter distal vom N.€ilioinguinalis, motorisch versorgt er über einen Ast im Leistenka nal den M.€cremaster (.€Abb.€42.2). Durch die Aufspaltung des Nervs in einen R.€genitalis und einen R.€femoralis können Symptome sowohl in Form diffuser als auch umschriebener Schmerzen im Leistenbereich, der Oberschenkel innenseite sowie dem Skrotum oder der Labia majora auftreten. In fortgeschrittenen Fällen kann der Cremasterreflex erloschen sein. 49.2.4 N.€pudendus Nervenkompressionen des N.€pudendus sind relativ selten, gehäuft aber bei Radsportlern. Etwa 50–91% der Freizeit- und Eliteradsport ler klagen über Taubheit im Genitalbereich, 13–24% über erektile Dysfunktion,, die durch Läsionen des N.€pudendus entstehen, wenn sie nicht traumatischer, vaskulärer, entzündlicher sowie tumorasso ziierter Genese sind. Weitere Symptome stellen perineale oder geni
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Kapitel 49 · Nervenkompressionssyndrome der unteren Extremität
tale Schmerzen, Hypästhesie, vesikale Stressinkontinenz und fäkale Inkontinenz dar. Es gibt verschiedene Lokalisationen, an denen der Nerv eine chro nische Druckschädigung erleiden kann. Nach seinem Austritt aus dem Foramen infrapiriforme verläuft der N.€pudendus in seinem proxima len Teil zwischen den Ligg. sacrospinale und sacrotuberale, wo es eben so wie im Alcock-Kanal zu Druckerhöhungen kommen kann. ZuÂ�dem wurde kürzlich eine weitere Engstelle im distalen Teil beschrieben, gebildet aus dem R.€inferior des Os pubis sowie einem Teil des Lig.€sus pensorium penis an der Basis des Penis (Hruby et al. 2005). Neben der klinischen sollte eine elektroneurographische Unter suchung erfolgen, die meist eine vergrößerte motorische Latenz des terminalen N.€pudendus zeigt. In vielen Fällen vergehen die Beschwerden nach Druckvermei dung und lokaler Instillation von Anästhetika und Kortikoiden. Bei Beschwerdepersistenz und Sphinkterschwäche zeigt die Dekompres sion des Nervs, v.€a. bei Diabetikern, gute Ergebnisse und verhindert eine neuropathische Progression. Die Neurolyse des Nervs ist nach Durchtrennung des Lig.€sacro tuberale über einen transglutäalen Zugang, zum anderen über die Dekompression des Nervs im Alcock-Kanal über einen paraanalen Zugang in Steinschnittlage des Patienten möglich (Mauillon et al. 1999; Shafik 1994, Shafik u. Doss 1999). Beachtung sollte man dem jüngst beschriebenen, ca. 3€cm langen Kanal schenken, welcher, wie oben beschrieben, zwischen dem R.€inferior ossis pubis und dem Lig.€suspensorium penis liegt und in einer Kadaverstudie bei 2 von 10€Präparaten Pseudoneurome als Zeichen einer chronischen Druck erhöhung zeigte. 49.2.5 N.€femoralis, N.€obturatorius Eine Druckschädigung der Nn.€femoralis und obturatorius kommt meist bei Tumoren oder Hämatomen der Beckenregion vor, anato mische Engpässe sind unbekannt. Dysästhesien der distalen Ober schenkelinnenseite bis zum Knie sind typisch für die Kompression des N.€obturatorius und sollten immer an eine Obturatoriushernie denken lassen. Läsionen des N.€femoralis, meist in der Leistenregion, zeigen dagegen Dysästhesien oder Hypästhesien an der Oberschen kelvorder- und -innenseite. Eine chirurgische Intervention sollte bei großen Hämatomen in der Leistenbeuge mit schwerer Läsion des N.€femoralis durchgeführt werden. Die Prognose bei Einblutung in den Nerv ist bescheiden. 49.2.6 N.€ischiadicus (Piriformissyndrom) Das Piriformissyndrom gilt mit einer Inzidenz zwischen 0,5% und 6% aller Fälle von unterem Rückenschmerz als seltenes, schwierig zu diagnostizierendes Kompressionssysndrom (Parziale et al. 1996; Goldner 1997). Beim Durchtritt des N.€ischiadicus durch das Fora men infrapiriforme des Foramen ischiadicum majus (.€Abb.€42.2) kann es zu einer Stenose durch die begrenzenden Strukturen kom men und dadurch zu einer Kompression der Nn.€tibialis und fibula ris communis, die sich hier schon getrennt haben können (.€Abb.€49.1; Pecina 1979). Das Foramen infrapiriforme wird einerseits durch den M.€piriformis, andererseits durch die Incisura ischiadica des Os is chii gebildet. Als Ursache werden Verlaufsanomalien oder vorausgegangene Traumata angenommen. In 7–22% der Fälle tritt der N.€piriformis direkt durch den M.€piriformis als Anomalie hindurch (Pecina 1979). Differenzialdiagnostisch müssen auch Affektionen des N.€is
. Abb. 49.1╇ Schema des Piriformissyndroms und der verschiedenen Va� rianten: a Durchtritt des N.€fibularis communis durch den M.€piriformis sowie des N.€tibialis durch das Foramen infrapiriforme. b Durchtritt des N.€fibularis communis durch das Foramen suprapiriforme sowie des N.€tibialis durch das Foramen infrapiriforme. c Gemeinsamer Durchtritt des N.€ischiadicus durch den M.€piriformis. d Verlauf des N.€fibularis superficialis durch das Foramen suprapiriforme sowie des N.€tibialis durch den M.€piriformis. e Gemeinsamer Verlauf des N.€ischiadicus durch das Foramen suprapiriforme. (Mod. nach Tackmann 1989)
chiadicus, v.€a. durch radikuläre Syndrome und Tumoren im Bereich des kleinen Beckens, ausgeschlossen werden (Tackmann 1989).
Klinik und Diagnostik Die Klinik imponiert durch Lumbalgie, Lumboischialgie bis hin zu Parästhesien der Fußsohle, die durch Adduktion und Innenrotation
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49.2 · Einzelne Kompressionssyndrome
des Oberschenkels im Hüftgelenk provoziert werden. Als Leitsym ptom gilt die Unfähigkeit zum schmerzfreien Sitzen in bis zu 100% der chirurgisch bestätigten Piriformissyndrome. Als diagnostischer Test mit der höchsten Sensitivität gilt der FADIR-Test, der für Flexion, Adduktion und Innenrotation des be troffenen Beins im Hüftgelenk steht. Mit diesem konnte eine Sensi tivität von bis zu 100% erreicht werden (Benson et al. 1999). Die apparative Diagnostik zeigte gute Ergebnisse in der Elektrophysio logie kombiniert mit der FADIR-Position sowie in der Ableitung somatosensorisch evozierter Potenziale (Fishman u. Zybert 1992; Synek 1987).
Therapie Konservative Therapie.╇ Konservative Therapie ist meist völlig aus reichend (Parziale et al. 1996). Nichtsteroidale Antiphlogistika bzw. Analgetika in Kombination mit Muskelrelaxanzien reduzieren loka le Entzündung, Schmerz und Muskelverspannungen. Zusätzlich wird physikalische Therapie in Form von Stretching des M.€pirifor mis, Ultraschall und transrektalen Massagen empfohlen, bei aus bleibendem Erfolg lokale Injektionen von Anästhetika und Korti koiden. Operative Therapie.╇ Bei Beschwerdepersistenz nach 3-maliger In
jektion ist die chirurgische Therapie indiziert. In Seitenlage des Pa tienten werden vom oberen Teil des posterioren Hüftzugangs aus die Faszie sowie der M.€glutaeus superior entlang des Faserverlaufs ge spalten. Nach Spaltung des Muskels wird der M.€piriformis aufge sucht, sein Ansatz palpiert und dargestellt und der Muskel nach proximal bis zum Foramen ischiadicum majus präpariert, wo der N.€ischiadicus identifiziert und neurolysiert wird. Die Operation kann ambulant durchgeführt werden. Die Patien ten sollten postoperativ schmerzadaptiert bis zum 5.–10. postopera tiven Tag teilbelasten. Längeres Sitzen sowie längere Autofahrten sollten für 4–6 Wochen vermieden werden. 49.2.7 N.€saphenus, R.€infrapatellaris Idiopathische Kompressionssyndrome des N.€saphenus sind für den Hauptstamm im distalen Oberschenkeldrittel und für einen Seiten ast, den R.€infrapatellaris, beschrieben worden (Tackmann 1989; Mumenthaler et al. 1998). Am häufigsten wird der Nerv allerdings im Rahmen von venenchirurgischen Eingriffen lädiert, insbesonde re nach Venen-Stripping am Unterschenkel. Klinisch äußern die Patienten Beschwerden in Form von Dysäs thesien an der Unterschenkelinnenseite oder unterhalb der Patella. Auf Höhe der Kompression findet sich eine Druckdolenz im Ner venverlauf. Prädilektionsstellen sind die Austrittsstelle aus dem Hunter-Kanal des N.€saphenus sowie die Durchtrittsstelle des R.€in frapatellaris zwischen M.€sartorius und dem Condylus medialis des Femur. Hilfreich in der Diagnostik ist oft die sensible Neurographie, durch die der Nerv antidrom an der medialen Tibiahinterkante in Unterschenkelmitte stimuliert und das Nervenaktionspotenzial mit tels Oberflächenelektroden über dem ventralen Aspekt des Innen knöchels abgeleitet wird. Eine operative Exploration des Nervs ist selten indiziert, meist reichen lokale Kortikoidinjektionen. Schmerzhafte Neurome durch Nervenläsionen im Rahmen von Venen-Stripping werden bis in ge sundes Gewebe reseziert. Bei dem als Gonalgia paraesthetica bezeichneten Kompressions syndrom des R.€infrapatellaris liegt meist eine Irritation des Nervs
durch den M.€sartorius oder seine Sehne vor, die belastungsabhängig intermittierende Schmerzen des Knies hervorrufen (Wartenberg 1954). Therapeutisch wird nach Ausbleiben eines Therapieerfolges durch Kortikoidinjektionen die Resektion empfohlen (Worth et al. 1984). 49.2.8 N.€tibialis Der N.€tibialis kann neben dem oben beschriebenen Foramen infra piriforme v.€a. im Bereich des hinteren Tarsaltunnels und seltener auch der Plantarmuskulatur komprimiert werden. Beim Tarsaltun nel werden ein vorderer und ein distaler von einem hinteren, von einigen Autoren auch als medial bezeichneten Tarsaltunnel unter schieden. Der Begriff des distalen Tarsaltunnels wurde eingeführt für die Kompression der plantaren Endäste des N.€tibialis in der Plantarmuskulatur. Dagegen beinhaltet der vordere Tarsaltunnel den Endast des N.€peronaeus profundus. Ein idiopathisches hinteres Tarsaltunnelsyndrom ist selten, ur sächlich sind Fußdeformitäten oder posttraumatische Zustände wie Innenbandläsionen oder Innenknöchelfrakturen. Kompressionen können durch Ganglien der Mittelfußgelenke, Lipome, Nerventu moren wie Neurofibrome oder Schwannome sowie traumatische Neurome im Bereich des Tarsaltunnels entstehen. Spondylarthrotische und entzündliche Gelenkveränderungen, anatomische Normvarianten wie z.€B. ein akzessorischer M.€abduc tor hallucis oder akzessorische Sehnen und eine den Nerv überkreu zende Arterie können als weitere seltene Ursachen eines Tarsaltun nelsyndroms beobachtet werden (Tackmann 1989). Weiterhin stel len exzessive sportliche Betätigungen wie Marathonläufe durch Schwellungszustände eine mögliche Kausalität für ein akutes Tarsal tunnelsyndrom dar (Rask 1978).
Klinik und Diagnose Der klinische Befund ist gekennzeichnet durch eine Druckdolenz und ein Hoffmann-Tinel-Zeichen im Verlauf des noch ungeteilten N.€tibialis meist in Höhe des Innenknöchels oder etwas weiter dis tal€ nach Aufteilung in die Nn.€plantaris medialis und lateralis (.€Abb.€42.4). Das positive Hoffmann-Tinel-Zeichen hat die höchste Sensitivität bei der Erkennung von Patienten, die von einer opera tiven Intervention profitieren würden (Lee u. Dellon 2004). Eine Hypästhesie beschränkt sich meist auf das Gebiet des N.€ti bialis, kann jedoch sowohl den N.€plantaris medialis als auch lateÂ�ralis betreffen oder ausschließlich den R.€calcaneus. In fortgeschrittenen Fällen können sich muskuläre Atrophien im Bereich des Fußgewöl bes zeigen, die mit einer Abspreizschwäche und einer Krallenstel lung der Kleinzehen einhergehen. Die elektrophysiologische Untersuchung ist beweisend für ein Tarsaltunnelsyndrom, ein negativer Befund schließt es nicht aus. Findet sich eine stark verzögerte Latenz der Nn.€plantaris medialis und lateralis sowie gleichzeitig eine Denervationsschädigung der Kennmuskeln, ist die Diagnose gesichert. Ohne Nachweis einer Lei tungsverzögerung oder Leitungsblock ist die Diagnose fraglich. Zur Diagnosesicherung kann eine probatorische Injektion eines Lokala nästhetikums in den Tarsaltunnel erfolgen. In die Differenzialdiagnostik einer Kompression des N.€tibialis müssen in erster Linie Polyneuropathien einbezogen werden. Auch kommen bei Diabetikern Zustände von kombinierter Polyneuropa thie und Nervenkompressionssyndrom vor. Darüber hinaus kann ein radikuläres L5- oder S1-Syndrom vorliegen. Die Morton-Meta tarsalgie und gelegentlich arterielle Durchblutungsstörungen kön nen gelegentlich ähnliche Beschwerden hervorrufen.
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Kapitel 49 · Nervenkompressionssyndrome der unteren Extremität
Operative Therapie Bei gesicherter Diagnose muss operiert werden. Der Eingriff ist in Lokalanästhesie oder i.v.-Regionalanästhesie und Unterschenkel blutsperre möglich, eine Spinal- oder Allgemeinanästhesie aber Â�wegen der in der Knöchelregion häufig vorkommenden Varikosis ratsam. In Rückenlage des Patienten mit leichter Außenrotation des Fußes erfolgt die Inzision bogenförmig um den medialen Epikondy lus in Richtung auf das Fußgewölbe bis zum medialen Fußrand. Nach Durchtrennen des Subkutangewebes und Einsetzen eines großen Wundspreizers wird das Nerv-Gefäß-Bündel zwischen In nenknöchel und Achillessehne möglichst weit proximal aufgesucht, das Retinaculum flexorum dargestellt und vollständig gespalten. Es finden sich mehr oder weniger ausgeprägte netzartige venöse Struk turen. Der zum Fersenbein abgehende R.€calcaneus muss geschont werden. Nach der Bifurkation in die Nn.€plantaris medialis und late ralis werden auch diese bis in die Plantarmuskulatur präpariert und einengende Strukturen durchtrennt. Vermeiden sollte man Eingriffe am Nerv selbst (interfaszikuläre Neurolyse), da diese überflüssig bzw. sogar schädlich sind. Findet sich ein Lipom oder Ganglion, wird dieses vollständig und ein schließlich des Gelenkstiels exstirpiert. Postoperativ ist eine Teilbe lastung des Fußes möglich und frühzeitige Mobilisierung sinnvoll, um Adhäsionen zu vermeiden. Postoperative Komplikationen in Form von Wundheilungsstö rungen sind nicht ungewöhnlich, insbesondere bei diabetischen und varikösen Veränderungen (Mackinnon u. Dellon 1988). Dysästhe sien können noch für einige Wochen vorkommen. Nach Exstirpation eines Lipoms oder Ganglions sowie nach posttraumatischen Fällen ist die Prognose meist günstig. Bei Gangli en können allerdings Rezidive vorkommen. In der Literatur berich ten einzelne Autoren über Erfolgsquoten von nur 50% (Linscheid et al. 1970). Möglicherweise spielt hierbei aber eine zu großzügige Indikationsstellung eine wichtige Rolle. > Der positive prädiktive Wert eines positiven Hoffmann- Tinel-Zeichens zur Identifikation von Patienten, die von einer operativen Dekompression profitieren würden, liegt in der Literatur bei 88% (Lee u. Dellon 2004).
49.2.9
N.€peronaeus communis
Im Bereich der Kniekehle sind Kompressionssyndrome des Nervs selten. Insbesondere der R.€profundus verläuft hinter dem Fibula köpfchen relativ exponiert (.€Abb.€42.3), wodurch es hier eher zu externen Druckschäden kommt. Eine häufige Ursache ist das Über einanderschlagen der Beine besonders bei abgemagerten Patienten durch den Verlauf in der lateralen Kniekehle. Auch lagerungsbe dingte Druckschäden in Narkose oder bei Bettlägerigen oder durch Gipsverbände bedingte Druckschäden kommen vor. Der N.€peronaeus communis tritt in die Muskelloge zwischen den beiden Köpfen des M.€peronaeus longus ein, wo deshalb echte Kompressionssyndrome möglich sind (Mumenthaler et al. 1998). Sie wurden v.€a. bei Arbeiten in hockender Stellung beschrieben. Eine Verdickung des Nervs kann ebenso zu einer Kompression führen, was in erster Linie durch seltene intraneurale Ganglien des€N.€peronaeus bedingt ist. Diese können belastungsabhängig Â�intermittierende Schmerzen und Paresen verursachen und gehen mit einem dünnen Stiel vom Tibiofibulargelenk aus. Differen zialdiagnostisch muss an ein Tibialis-anterior-Syndrom gedacht werden.
Die anfänglich im Vordergrund stehenden Schmerzen, die am Knie beginnen und in den Unterschenkel und Fußrücken ausstrah len können, können frühzeitig von einer Fußheber- und Großzehen streckerschwäche begleitet werden. Bei einer Ganglienzyste, die meist im Bereich des Fibulaköpfchens getastet werden kann, stehen intermittierende Symptome im Vordergrund. Ebenso sind beidsei tige druck- bzw. kompressionsbedingte Schädigungen beschrieben (Mumenthaler et al. 1998). Zur Diagnostik bietet sich die Elektroneurographie an, die eine Schädigung des Nervs zuverlässig lokalisieren kann. Zu den wich tigsten Differenzialdiagnosen zählen die weitaus häufigeren, bereits erwähnten Druckläsionen des Nervs und das L5-Syndrom. Für Letz teres spricht ein normales sensibles NAP des N.€peronaus superficia lis (Stöhr et al. 1998).
Operative Therapie Der Eingriff erfolgt in Spinalanästhesie oder Vollnarkose und Ober schenkelblutsperre. Eine einfache Dekompression ist für den ver sierten Operateur auch in Lokalanästhesie und Blutsperre möglich. Die operative Exploration des N.€peronaeus ist bei anhaltender Schmerzsymptomatik und progredienter Parese indiziert. Auch bei ausbleibender Besserung einer elektroneurographisch kontrollierten posttraumatischen Parese wie nach stumpfem Trauma ist eine Frei legung des Nervs zu bedenken (Mackinnon u. Dellon 1988). Intra neurale Zysten erfordern eine sorgfältige Präparation unter Spinal anästhesie oder Vollnarkose. Der Patient wird in Rückenlage gebracht, das Knie angebeugt und etwas innenrotiert. Die Inzision führt man hinter dem Fibulaköpfchen leicht S-förmig nach proximal bis in Höhe der Ansatzstelle des M.€bi ceps femoris. Im Subkutangewebe stößt man auf variable Hautnerven, die den lateralen Unterschenkel versorgen oder ZuÂ�flüsse des N.€suralis darstellen. Die bandartige Faszie des lateralen M.€gastrocnemius wird gespalten, der N.€peronaeus in der lateralen Kniekehle dargestellt und bis zur Aufteilungsstelle verfolgt. Von den Mm. peronaeus longus und extensor digitorum longus wird der sehnige Rand und auch die beiden Muskeln selbst soweit gespalten bzw. inzidiert, bis der tastende Finger dem Verlauf des Nervs nach distal folgen kann. Ein aufgefundenes Ganglion oder Schwannom wird exstirpiert. Vor dem Wundverschluss wird eine Drainage eingelegt und für maximal 1€Tag ein leicht komprimierender Verband angelegt. Eine besondere Ruhigstellung ist postoperativ nicht erforderlich. 49.2.10
N.€peronaeus profundus
Das vordere Tarsaltunnelssyndrom, das erstmals von Marinacci (1968) beschrieben wurde, stellt ein Kompressionssyndrom des En dastes des N.€peronaeus profundus unter dem Lig.€cruciforme bzw. weiter distal unter der Sehne des M.€extensor hallucis brevis dar (Antoniadis et al. 1992; Mumenthaler et al. 1998).
Klinik und Diagnostik Die Patienten geben ein Taubheitsgefühl zwischen der 1. und 2.€Zehe sowie Schmerzen am Fußrücken bei Belastung, aber auch in Ruhe stellung an. Klinisch findet sich eine Hypästhesie im Innervationsgebiet des N.€peronaus profundus und meist eine relativ umschriebene Druck dolenz sowie ein Hoffmann-Tinel-Zeichen des Nervs in Höhe der Kompressionsstelle. Weiterhin kann es zu einer Atrophie des M.€ex tensor hallucis brevis kommen. Diagnostisch wegweisend können elektroneurographisch im M.€extensor digitorum brevis Denervationszeichen nachgewiesen
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49.2 · Einzelne Kompressionssyndrome
werden mit einer verzögerten distalen motorischen Latenz zum M.€extensor digitorum brevis. Ein Seitenvergleich kann hier nützlich sein. Einfache Druckschäden, z.€B. durch enge Schnürstiefel sind differenzialdiagnostisch auszuschließen.
Therapie Konservative Therapie.╇ Vor einer operativen Therapie werden
Â� lokale Anästhetika- und Kortikoidinjektionen durchgeführt. Bei länger bestehenden Beschwerden und erfolgloser lokaler Kortikoid infiltration ist die operative Exploration indiziert.
Operative Therapie.╇ Diese wird in Lokalanästhesie, i.v.-Regionala nästhesie oder Spinalanästhesie und Unterschenkelblutsperre durch geführt. Über eine Längsinzision am Fußrücken wird vorsichtig das Subkutangewebe durchtrennt und ein evtl. atypisch verlaufender sensibler Endast des N.€peronaeus superficialis geschont. Das Reti naculum extensorum wird gespalten. Proximal kann der N.€pero naeus profundus dargestellt und nach distal präpariert werden. Alle einschnürenden Strukturen werden entfernt, einschließlich eines öfters hier vorkommenden Ganglions. Bei einer weiter distal gele genen Kompression wird die Inzision S-förmig zwischen dem 1. und 2.€Metatarsalraum gelegt und die Sehne des M.€extensor digitorum brevis dargestellt und mit einem Haken vorgezogen. Darunter kann der Endast des M.€peronaeus profundus aufgefunden werden. Die Sehne wird exstirpiert. Der sensible N.€peronaeus superficialis wird im Verlauf des late ralen Unterschenkels bzw. beim Durchtritt durch die Fascia cruris außerordentlich selten isoliert komprimiert. Meist handelt es sich dabei um traumatische Läsionen, aufgetreten bei der operativen Ver sorgung von Außenknöchelfrakturen oder Bandrupturen.
49.2.11
Morton-Metatarsalgie
Die Morton-Metartarsalgie wurde als erstes Engpasssyndrom eines peripheren Nervs 1876 von Morton beschrieben und stellt mit etwa 1,6% der nicht unmittelbar traumatischen Nervenläsionen und 3% der Patienten mit Vorfußschmerzen ein relativ seltenes oder selten erkanntes Krankheitsbild dar (Claustre u. Simon 1978; Mumenthaler 1974). Das Syndrom tritt vorzugsweise im Interdigitalraum 3/4 und seltener bei 2/3 auf, während es in den übrigen Interdigitalräumen praktisch nicht vorkommt. Es findet sich bei Frauen mehr als 4-mal häufiger als bei Männern (Assmus 1994).
Pathogenese Zur Pathogenese wurden seit der Erstbeschreibung durch Morton, der eine Affektion des Metatarsalgelenks der 4.€Zehe annahm, zahl reiche und unterschiedlichste pathogenetische Vorstellungen ent wickelt. Logisch erscheint jedoch der von Assmus beschriebene patho genetische Mechanismus: Distal des Lig.€metatarseum transversum profundum verlaufen die Zehennerven zusammen mit den beglei tenden Gefäßen nach dorsal, jedoch normalerweise nicht im Meta tarsalspalt. Dieser wird von der Bursa intermetatarsophalangea, welche häufig chronisch-entzündliche Veränderungen und Verdi ckungen aufweist, ausgefüllt. Mulder wies erstmals 1951 darauf hin, dass diese voluminöse Bursa und ein relativ lockeres Intermetatar salband zwischen 3. und 4.€Zehe die Verlagerung des plantaren Nerv-Gefäß-Bündels in den Metatarsalspalt begünstigen (Assmus 1994; Mulder 1951). Die dadurch in den Intermetatarsalspalt verla gerten Digitalnerven erfahren zwischen den Metatarsalköpfchen eine chronische Irritation, die zur Pseudoneurombildung und einem
Konglomerat mit der entzündlich veränderten Bursa führt. Dies scheint in den meisten Fällen die Ursache der Morton-Metatarsalgie zu sein.
Symptomatik und Diagnostik Zu den typischen Symptomen zählen belastungsabhängige attacken artig auftretende Schmerzen im Vorfuß mit Ausstrahlung in die mittleren Zehen, die häufig nach Ende der Belastung nicht sistieren, sondern als dumpfer Dauerschmerz imponieren und durch Tragen enger Schuhe provoziert werden. Ebenso können sie in der Nacht auftreten. Die Beschwerden werden oft jahrelang verkannt und als Spreizfußbeschwerden missdeutet, zumal gleichzeitig eine Spreiz fußdeformität vorkommen kann. In der klinischen Untersuchung zeigt sich eine umschriebene Druckdolenz zwischen der 3. und 4., selten auch der 2. und 3.€Zehe, unmittelbar distal oder zwischen den Metatarsalköpfchen. Bei Pal pation des Interdigitalraums mit Daumen und Zeigefinger einer Hand unter gleichzeitiger seitlicher Kompression des Vorfußes bzw. der Metatarsophalangealgelenke mit der anderen Hand findet sich nicht nur der typische Schmerz, sondern gleichzeitig auch eine Kre pitation des Pseudoneuroms (»Klick-Phänomen«). Häufig zeigen sich sensible Störungen der lateralen Hälfte der 3. und/oder der me dialen Hälfte der 4.€Zehe. In die Differenzialdiagnostik müssen in erster Linie Spreizfuß beschwerden einbezogen werden, bei denen nicht der Interdigital raum, sondern die Metatarsalköpfchen druckdolent sind. Eine Ten dinitis mit ausgeprägter Druckschmerzhaftigkeit der Strecksehnen kann für belastungsabhängige Vorfußschmerzen ebenfalls in Frage kommen. Die häufig empfohlene diagnostische Abklärung mittels Infiltration eines Lokalanästhetikums ist häufig weniger hilfreich, da neben dem Nerv auch die angrenzenden Strukturen wie Periost und Sehnen anästhesiert werden. Die elektrophysiologische Untersuchung der Interdigitalnerven kann durchgeführt werden, ist aber technisch aufwendig. Dabei wird mit speziellen Elektroden eine Stimulation der gegenüberliegenden Zehenhälften durchgeführt, wobei das orthodrome SNAP hinter dem Innenknöchel des N.€tibialis abgeleitet wird. Eine magnetresonanztomographische Untersuchung ist trotz neuer hochauflösender Oberflächenspulen bisher noch wenig ver lässlich.
Operative Therapie und Indikationsstellung Ein konservatives Therapieregime mit Infiltration von Lokalanäs thetika oder Kortikoidpräparaten führt trotz einzelner positiver Au torenberichte nur selten zum Erfolg (Tackmann 1989). > Die chirurgische Behandlung ist bei der Morton-MetaÂ� tarsalgie die Therapie der Wahl.
Während die meisten Autoren die Resektion des Pseudoneuroms für erforderlich halten, gibt es auch Befürworter einer Neurolyse mit oder ohne Spaltung des Lig.€intermetatarseum (Gauthier 1979; Ma ckinnon u. Dellon 1988). Alternativ wurde von Gauthier 1979 eine Spaltung des Intermetatarsalbandes ohne Neuromresektion emp fohlen. Es wurden verschiedene operative Zugänge beschrieben (Miller 1981). Von den meisten Autoren wird der plantare Zugang gewählt, erstmals von Betts im Jahr 1940. Neben der üblichen plantaren Längsinzision ist auch eine plantare Querinzision gebräuchlich, die eine gleichzeitige Inspektion der benachbarten Interdigitalräume erlaubt. Da die Narbe an der Fußsohle bei Belastung des Fußes stört und postoperativ eine stationäre Behandlung erforderlich ist, findet der
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Kapitel 49 · Nervenkompressionssyndrome der unteren Extremität
dorsale Zugang zunehmend Verbreitung, der technisch keine beson deren Probleme bereitet. Man kann die Zehennerven vom distalen Interdigitalraum, d.€h. zwischen den Zehen, aufsuchen oder auch von einem etwas mehr proximalen Zugang unmittelbar über dem Gelenkspalt zwischen den Metatarsalköpfchen. Hier stößt man zu nächst auf die Bursa, die verdickt und mit dem Pseudoneurom fest verbacken ist. Beide werden en€bloc reseziert. Der Eingriff kann pro blemlos ambulant durchgeführt werden. Die Lokalanästhesie erfolgt durch Infiltration eines 1%igen Lo kalanästhetikums ohne Adrenalin am distalen Fußrücken und inter digital mit obligater Blutsperre. Der Fuß wird dazu ausgewickelt und eine Druckmanschette im distalen Drittel des Unterschenkels ange legt. An der Basis der Zehen bzw. am Interdigitalraum wird mit der Inzision begonnen, die nach proximal auf eine Länge von 4–5€cm fortgeführt wird. Nach Einsetzen eines Wundspreizers und Identifi kation der Metatarsalköpfchen erkennt man im Intermetatarsalspalt problemlos die in den meisten Fällen vergrößerte interdigitale Bursa, die mit dem Morton-Neurom fest verbacken ist. Das Konglomerat wird mit einer kräftigen Pinzette ergriffen und nach dorsal gezogen. Vor der Resektion wird nochmals eine lokale Infiltration des Neu roms und der Bursa vorgenommen, beide werden dann möglichst weit proximal abgetrennt. Man muss auf Interdigitalgefäße achten, deren Verletzung zu stärkeren Blutungen führen kann. Vor dem Wundverschluss mit 3–4 Einzelknopfnähten wird ein Mini-Redovac eingelegt und anschließend ein Kompressionsver band bis oberhalb der Knöchelregion angelegt. Am Folgetag wird die Drainage zusammen mit dem Verband entfernt, die Fäden werden nach 10€Tagen gezogen. Direkt postope rativ erfolgt eine Hochlagerung des Fußes, der jedoch ab dem 1.€Tag nach dem Eingriff in langsam zunehmendem Umfang wieder bela stet werden kann. Ein protrahiertes Postneurektomiesyndrom kann auftreten, meist klingt der Wundschmerz oder Neurektomieschmerz aber 4–8 Wochen postoperativ ab (Milgram u. Dunn 1980). Die operative Heilungsquote liegt zwischen 70 und 90% (Ass mus 1994). Rezidive des operierten Interdigitalraums kommen praktisch nicht vor. Falls bei einzelnen Patienten gleiche oder ähn liche Beschwerden auftreten, findet sich meist eine Affektion des Interdigitalraums 2/3 bzw. umgekehrt. 49.2.12
N.€suralis
Schädigungen des N.€suralis resultieren wie beim N.€saphenus haupt sächlich aus chirurgisch-traumatischen Läsionen, die v.€a. bei Ein griffen im Bereich der Achillessehne, des Außenknöchels sowie der Außenbänder vorkommen. Eigentliche Kompressionssyndrome sind höchst selten. Für diese wurden Ganglien, Lipome und Nar bengewebe verantwortlich gemacht. Ebenso liegen Berichte über geschädigte Suralisnerven durch zu eng geschnürte Kampfstiefel vor (Tackmann 1989). Nach traumatischen Läsionen ist häufig die Resektion des Neu roms im Gesunden indiziert.
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49.2 · Einzelne Kompressionssyndrome
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437
49
VIII
Handchirurgie P. Vogt
Kapitel 50
Anatomie, klinische Untersuchung╇╇ – 443 C. Hadamitzky, T. Peters
Kapitel 51
Bildgebende Untersuchung der Hand╇╇ – 457 H. Rosenthal, A. Gohritz
Kapitel 52
Arthroskopie des Handgelenks╇╇ – 467 J. Redeker
Kapitel 53
Knochen- und Gelenkverletzungen╇╇ – 477 S. Schinner, H. Rosenthal
Kapitel 54
Weichteilrekonstruktion im Bereich der Finger╇╇ – 495 M. Meyer-Marcotty
Kapitel 55
Sehnenverletzungen der Hand╇╇ – 507 C. Choi
Kapitel 56
Komplexverletzungen, Revaskularisation und Replantation der Hand╇╇ – 517 K.H. Busch, A. Gohritz
Kapitel 57
Infektionen der Hand╇╇ – 531 S. Schinner, P.M. Vogt
Kapitel 58
Ischämische Kontrakturen an Unterarm und Hand╇╇ – 547 K.H. Busch, A.€Gohritz
Kapitel 59
Degenerative Sehnenerkrankungen der Hand╇╇ – 553 C. Choi
Kapitel 60
Degenerative Knochenerkrankungen der Hand╇╇ – 559 M.€Meyer-Marcotty
Kapitel 61
Rheumatoide Arthritis╇╇ – 573 M. Meyer-Marcotty
Kapitel 62
Tumoren der Hand╇╇ – 577 K.H. Busch, J. Redeker, A.€Gohritz, P.M. Vogt
Kapitel 63
Dupuytren-Kontraktur╇╇ – 587 S. Schinner
Kapitel 64
Komplexes regionäres Schmerzsyndrom╇╇ – 593 C. Radtke
Kapitel 65
Prinzipien des Daumenersatzes und sensorischer Ersatzoperationen╇╇ – 599 A.€Jokuszies, P.M. Vogt
Die Hand als besondere anatomische Struktur besitzt nicht nur mechanische Funktionen als Greiforgan, sondern darüber hinaus als sensorisches Organ. Im Vordergrund handchirurgischer Verfahren steht neben der ausführlichen und zielführenden Diagnostik die stadiengerechte Wiederherstellung von Funktion und Sensorik. Durch die Zusammenführung plastisch-chirurgischer, orthopädischer und gefäßchirurgischer bzw. mikrochirurgischer Prinzipien innerhalb der Handchirurgie ist es zur Entwicklung eines spezialisierten Schwerpunktes Â�geworden, der eine der 4€Säulen der Plastischen Chirurgie darstellt. Die Möglichkeiten der mikrochirurgischen Replantationstechniken haben das Spektrum der Handchirurgie bis hin zu den sehr differenzierten Verfahren des freien Gewebetransfers erweitert. Von der elektiven Verpflanzung freier Gewebe inklusive der Zehentransplantation hat sich die Entwicklung inzwischen bis zur Allotransplantation der Hand vollzogen.
50
Anatomie, klinische Untersuchung C. Hadamitzky, T. Peters
50.1
Anatomieâ•… – 444
50.1.1 50.1.2 50.1.3 50.1.4 50.1.5 50.1.6 50.1.7
Terminologieâ•… – 444 Hautâ•… – 444 Bindegewebeâ•… – 444 Knöcherne Anatomieâ•… – 444 Muskuläre Anatomieâ•… – 445 Gefäßversorgungâ•… – 448 Nervenâ•… – 448
50.2
Klinische Untersuchung der Handâ•… – 450
50.2.1 50.2.2 50.2.3 50.2.4 50.2.5 50.2.6
Anamneseâ•… – 450 Untersuchungsablaufâ•… – 450 Sensibilitätsprüfungâ•… – 452 Prüfung der Durchblutungâ•… – 452 Prüfung einzelner Handmuskelnâ•… – 452 Spezifische Testsâ•… – 453
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
444
50
Kapitel 50 · Anatomie, klinische Untersuchung
Planung und Durchführung jedes operativen Eingriffs an der Hand erfolgen auf der Grundlage einer genauen Kenntnis der Anatomie der Hand und einer umfassenden Anamnese und körperlichen Untersuchung, die hier kurz zusammengefasst werden sollen. 50.1
Anatomie
Die hochdifferenzierten Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeiten der Hand werden durch ein System von 22€Handbinnenmuskeln, 27€Knochen sowie 5€ineinandergreifende Gelenkketten ermöglicht. Die Innervation erfolgt durch 3€Stammnerven, die Nn.€medianus, radialis und ulnaris. 50.1.1 Terminologie
. Abb. 50.1╇ Palmarfaszie
Die Richtungszuordnung an der Hand erfolgt durch die Zusätze radial, ulnar, palmar und dorsal. Die Finger werden von radial nach ulnar von 1–5 durchnummeriert, beginnend am Daumen. Die Knochen der Phalangen werden in Segmente von P1=Grundglied, P2=Mittelglied und P3=Endglied, eingeteilt. 50.1.2 Haut Die palmarseitige Haut ist gekennzeichnet durch die Hautfurchen. Sie ist zudem dicker und durch spezielle Bindegewebsstränge von der Haut zum Knochen weniger verschieblich. An den Fingerspitzen befinden sich spezielle Nervenendigungen (Meissner-Tastkörperchen), die für eine erhöhte Sensibilität sorgen. 50.1.3 Bindegewebe An der palmarseitigen Hand finden sich die oben genannten Bindegewebsstränge, die von der Haut zum Knochen ziehen und die Haut hier weniger verschieblich machen. Zusammen mit längsgerichteten Bindegewebssträngen bilden sie die dreiecksförmige Palmarfaszie, die proximal Fasern der Sehne des M.€palmaris longus enthält (.€Abb.€50.1). Im Gegensatz hierzu findet sich lockere Haut am Handrücken ohne eine ähnliche Verbindung. > Dies begünstigt die Ödembildung dorsalseitig, auch bei palmaren Ursachen.
An den Phalangen finden sich weitere Ligamente, die Grayson- und Cleland-Bänder, sowie transversale und schräge retinakuläre Verbindungen. Die Grayson-Bänder ziehen von der palmaren Seite der Beugesehnenscheide der Finger gerade oder schräg über die GefäßNerven-Bündel zur Haut und durchflechten sich über der Sehnenscheide. Die Cleland-Bänder spannen sich dorsal der Leitungsbahnen der Finger auf, sie ziehen in 4€straffen Faserzügen vom Â�Knochen zur Haut und teilen das Subkutangewebe in dorsale und palmare Kompartimente (.€Abb.€50.2). 50.1.4 Knöcherne Anatomie
Handgelenk Das Handgelenk besteht aus Radius und Ulna sowie 8€Handwurzelknochen. Diese sind durch Bänder untereinander und den Metakar-
. Abb. 50.2╇ Finger: Querschnitt in Höhe der Mittelphalanx
palknochen verbunden. Das Handgelenk ist als Gelenkkette zu betrachten, die eine Vielzahl unterschiedlichster Bewegung ermöglicht (.€Abb.€50.3).
Daumensattelgelenk Das Daumensattelgelenk ist durch die Möglichkeit der Rotation eines der beweglichsten Gelenke im gesamten Körper und erlaubt die Bewegung aus der Handebene heraus (.€Abb.€50.4). Die Karpometakarpalgelenke 2–5 haben ein Bewegungsausmaß von bis zu etwa 110° bei der Extension und Flexion.
Fingergrund- und -mittelgelenke Die Fingergrund- und -mittelgelenke erlauben neben den HauptÂ� ebenen Extension und Flexion auch geringe Bewegungen in der Â�Sagittalebene als Rotation. Lediglich die Endgelenke können als reine Scharniergelenke eingestuft werden (.€Abb.€50.5).
Sensible Versorgung N.€medianus.╇ Versorgt die Beugeseite der Hand und Finger sowie die Endglieder streckseitig des Daumens, Zeige- und Mittelfingers und den radialseitigen Ringfinger (.€Abb.€50.6; rot). N.€radialis.╇ Zuständig für die komplette Streckseite bis auf die Endglieder des Daumens, Zeige- und Mittelfingers sowie des radialseitigen Ringfingers (.€Abb.€50.6; gelb).
445
50.1 · Anatomie
. Abb. 50.3╇ Knochen: Übersicht (Ansicht von palmar)
a
b
. Abb. 50.4╇ Daumensattelgelenk (a) und rotationsbedingte Inkongruenz bei der Opposition (b)
N.€ulnaris.╇ Versorgt sensibel den ulnarseitigen Ringfinger und den
kompletten Kleinfinger (.€Abb.€50.6; blau).
50.1.5 Muskuläre Anatomie Wir unterscheiden das intrinsische und das extrinsische MuskelÂ� system der Hand. Zur Beschreibung eines Befundes erfolgt die Einteilung in Zonen (7€unten).
Intrinsisches System Die zum intrinsischen System zählenden Muskelgruppen haben allesamt Ursprung und Ansatz innerhalb der Hand (Handbinnenmusku-
latur; .€Abb.€50.7), sie ermöglichen die Feinmotorik der Hand. Hierzu€zählt die Thenarmuskulatur mit dem M.€abductor pollicis brevis (APB), dem oberflächlichen Anteil und der tiefen Schicht des M.€flexor pollicis brevis (FPB), dem M.€adductor pollicis (AdP) und im radialen Daumenbereich dem M.€opponens pollicis (OP). Zudem zählen dazu die Hypothenarmuskulatur mit dem M.€opponens Â� digiti minimi (ODM), dem M.€flexor digiti minimi (FDM), dem M.€abductor digiti minimi (ADM) und dem M.€palmaris brevis (PB) Â�und die palmaren und dorsalen Mm.€interossei sowie die Mm.€lumbricales. Hierbei versorgt der N.€medianus die Thenarmuskulatur mit Ausnahme des M.€adductor pollicis und des tiefen Kopfs des M.€flexor pollicis brevis, daneben versorgt er die Mm.€lumbricales 1 und€2. Der N.€ulnaris innerviert die Muskulatur des Kleinfingerballens, die
50
446
Kapitel 50 · Anatomie, klinische Untersuchung
Die Strecksehnen werden in folgenden Zonen gegliedert (.€Abb.€50.9): 4 Mit Zone 1 beginnend am Endglied und nach proximal aufsteigend. 4 Zone 2: Mittelglied, im Daumen über die proximale Phalanx, 4 Zone 3: proximales Interphalangealgelenk, im Daumen Metakarpophalangealgelenk, 4 Zone 4: Grundglied, 4 Zone 5: Metakarpophalangealgelenk, 4 Zone 6: Metacarpale, 4 Zone 7: Handwurzelknochen, 4 Zone 8: distaler Unterarm, 4 Zone 9: proximaler Unterarm.
50
. Abb. 50.5╇ Fingergelenke in gebeugter Stellung
Mm.€interossei, die Mm. lumbricales€3 und 4 sowie den M.€adductor pollicis und den tiefen Kopf des M.€flexor pollicis brevis.
Extrinsisches System Das extrinsische System besteht aus den Muskelgruppen, die ihren muskulären Ursprung am Unterarm und ihren sehnigen Ansatz an Handgelenk und Hand haben. Hierzu zählen alle Streckmuskeln mit Ausnahme der Mm.€interossei und lumbricales. In Höhe des Handgelenks finden sich nach Strecksehnenfächern (SSF) geordnet (.€Abb.€50.8): 4 1. SSF: M.€abductor pollicis longus (APL), M.€extensor pollicis brevis (EPB), 4 2. SSF: Mm.€extensor carpi radialis longus et brevis (ECRL, ECRB), 4 3. SSF: M.€extensor pollicis longus (EPL), 4 4. SSF: M.€extensor digitorum communis (EDC), M.€extensor indices proprius (EIP), 4 5. SSF: M.€extensor digiti minimi (EDM), 4 6. SSF: M.€extensor carpi ulnaris (ECU).
. Abb. 50.6╇ Sensible Versorgung der Hand
Im Bereich der Beugesehnen finden sich in der oberflächlichen Schicht der M.€pronator teres (PT), der M.€flexor carpi radialis (FCR), der M.€palmaris longus (PL) und der M.€flexor carpi ulnaris€(FCU). In der intermediären Schicht finden sich die 4€Sehnen des M.€flexor digitorum superficialis, in der tiefen Schicht sind die Sehnen des M.€flexor digitorum profundus und der M.€flexor polÂ�licis longus lokalisiert. Im Karpalkanal liegen der N.€medianus und 9€Sehnen (4€FDS, 4€FDP, 1€PL). Die FDP-Sehnen liegen unter€ den FDS-Sehnen im Karpalkanal, wobei hier wiederum die FDS des Zeige- und Kleinfingers am oberflächlichsten liegen (.€Abb.€50.10). Die Flexoren werden zur Beschreibung einer Verletzung in folgenden Zonen aufgeteilt (.€Abb.€50.11): 4 Zone 1: distal des Ansatzes des FDS, 4 Zone 2: A1-Ringband bis zum distalen Ansatz der FDS, 4 Zone 3: distal des Karpaltunnels bis auf Höhe der A1-Ringbänder, 4 Zone 4: Karpaltunnel, 4 Zone 5: Proximal des Karpaltunnels. Die 5€Ring- und 3€Kreuzbänder (.€Abb.€50.12) sorgen für einen reibungslosen Bewegungsablauf und halten die Sehnen bei Flexion in ihrer Achse. Die Ringbänder werden von A1–A5 durchgezählt. > Das A2- und das A4- Ringband sind die wichtigsten Ringbänder. Um das sog. »bowstringing« zu vermeiden, sollten sie bei der Präparation auf jeden Fall geschont werden.
50.1 · Anatomie
. Abb. 50.7╇ Handbinnenmuskeln und Fingersehnenscheiden einer rechten Hand, Palmaransicht. (Aus Tillmann 2010)
447
50
448
Kapitel 50 · Anatomie, klinische Untersuchung
50
. Abb. 50.8╇ Strecksehnenfächer (SSF) der rechten Hand
Die venöse Drainage der Hand verläuft vorwiegend auf dem Handrücken. 50.1.7 Nerven
N.€medianus Der N.€medianus zieht zwischen den beiden Köpfen des PT in den Unterarm und verläuft hier zwischen M.€flexor digitorum superficialis (FDS) und M.€flexor digitorum profundus (FDP; .€Abb.€50.14). Motorisch innerviert er: 4 M.€flexor carpi radialis, 4 M.€pronator teres, 4 M.€flexor digitorum profundus (radiale Hälfte: Digitus€2), 4 M.€flexor digitorum superficialis, 4 M.€palmaris longus, 4 M.€flexor pollicis longus, 4 M.€pronator quadratus, 4 M.€abductor pollicis brevis, 4 M.€opponens pollicis, 4 M.€flexor pollicis brevis (Caput superficiale), 4 radiale M.€lumbricales. . Abb. 50.9╇ Zonen der Strecksehnen
Die Kreuzbänder werden von C1–C3 durchnummeriert und liegen zwischen dem A2- und A3- (C1), zwischen A3- und A4- (C2) und zwischen A4- und A5-Ringband (C3). 50.1.6 Gefäßversorgung Die arterielle Blutversorgung der Hand speist sich aus den Aa.€radialis und ulnaris über einen oberflächlichen und einen tiefen Hohlhandbogen. Die A.€radialis läuft zwischen FCR und M.€brachioradialis zum Handgelenk und teilt sich dort in einen größeren dorsalen Ast, der durch die Tabatière zum Arcus palmaris profundus läuft, und in einen kleineren Ast, der zum oberflächlichen HohlhandÂ� bogen läuft. Die A.€ulnaris läuft am Handgelenk lateral des N.€ulnaris und medial des FCU und teilt sich in den größeren palmaren Ast, der den oberflächlichen Hohlhandbogen dominiert, und einen kleineren dorsalen Ast, der in den Arcus palmaris profundus mündet (.€Abb.€50.13).
N.€ulnaris Der N.€ulnaris tritt zwischen den Köpfen des M.€flexor carpi ulnaris (FCU) in den Unterarm und liegt hier unter dem FCU, bis er in den Guyon-Kanal eintritt (.€Abb.€50.15). Er innerviert motorisch: 4 M.€flexor carpi ulnaris, 4 M.€flexor digitorum profundus (ulnare Hälfte: Digiti 3–5, 4 M.€adductor pollicis, 4 M.€flexor pollicis brevis (Caput profundum), 4 M.€flexor digiti minimi, 4 M.€abductor digiti minimi, 4 M.€opponens digiti minimi, 4 Mm.€interossei, 4 ulnare Mm.€lumbricales.
N.€radialis Der N.€radialis zieht zwischen den Köpfen den M.€supinator in den Unterarm und liegt hier zwischen M.€brachioradialis und M.€extensor carpi radialis longus und brevis (.€Abb.€50.16). Innervation: 4 M.€brachioradialis, 4 Mm. extensores carpi radialis longus et brevis,
449
50.1 · Anatomie
. Abb. 50.10╇ Beugesehnen
a
b . Abb. 50.11╇ Zonen der Beugesehnen
. Abb. 50.12a, b╇ Ring- und Kreuzbänder der Finger: A1–5: Ligg.€anularia, C1–3: Ligg.€cruxiata
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450
Kapitel 50 · Anatomie, klinische Untersuchung
50
. Abb. 50.13╇ Gefäßversorgung an der Hand
4 4 4 4 4 4 4
Mm. extensores carpi ulnaris, M.€supinator, M.€extensor digitorum communis, M.€extensor indicis, M.€extensor digiti minimi, Mm. extensor pollicis brevis et longus, M.€abductor pollicis longus.
50.2
Klinische Untersuchung der Hand
50.2.1 Anamnese Die Untersuchung der Hand beginnt mit der Anamneseerhebung und Befragung des Patienten oder Angehöriger zum Unfallgeschehen bzw. dem Verlauf der Beschwerden. Bei einem Unfallereignis ist zu klären: 4 Wann, wo und wie (genauer Mechanismus, in welcher Position befand sich die Hand/der Finger, ist die Wunde sauber oder verschmutzt)? 4 Welche bisherige Therapie (insbesondere Gabe von Schmerzmitteln/Lokalanästhetika)? 4 Vorherige Unfälle/Vorschädigung der betroffenen Extremität? 4 Tetanusstatus? 4 Dominante Hand, spezielle berufliche und freizeitliche Ansprüche des Patienten?
Vor allem bei nichttraumatischer Beschwerdesymptomatik sind folgende Informationen zu eruieren: 4 Seit wann und in welcher Intensität bestehen die Beschwerden? 4 Sind andere Gliedmaßen mitbetroffen? 4 Kommt es zur Besserung oder Verschlechterung unter bestimmÂ� ten Umständen (typische Bewegungen, Schonhaltungen)? 4 Ergebnisse von Voruntersuchungen? 4 Bestehen Vor-/Begleiterkrankungen (z.€B. Gicht, Rheuma o.€A.)? 4 Medikamentenanamnese. 50.2.2 Untersuchungsablauf Um keine wichtigen Aspekte zu vergessen, empfiehlt sich eine standardisierte Untersuchung, z.€B. nach dem in der .€Übersicht dargestellten Schema. Die Bewegungsumfänge werden nach der Neutral-0-Methode gemessen und dokumentiert. Hiernach wird entschieden, ob ggf. Röntgensaufnahmen (7€Kap.€51) oder weitere Untersuchungen notwendig sind.
451
50.2 · Klinische Untersuchung der Hand
. Abb. 50.14╇ Motorische Innervation des N.€medianus
. Abb. 50.15╇ Motorische Innervation des N.€ulnaris
Ablauf der klinischen Untersuchung der Hand 4 Inspektion: – Farbe – Turgor – Temperatur – Befeuchtung und Beschwielung – sonstige Auffälligkeiten 4 Prüfung der Durchblutung: – Pulse der An.€radialis und ulnaris – Rekapillarisierung – Hautfarbe
4 Sensorische Prüfung: – N.€medianus – N.€ulnaris – N. radialis 4 Motorische Prüfung: – N.€medianus – N.€ulnaris – N. radialis 4 Prüfung der Sehnenfunktion: – Beuge- und Strecksehnen
4 Prüfung der intrinsischen Handmuskeln 4 Handgelenksstabilität und Beweglichkeit, knöcherne Landmarken 4 Provokationstests
50
452
Kapitel 50 · Anatomie, klinische Untersuchung
wird der Patient aufgefordert, die Hand zu bewegen. Nach kurzer Zeit verblasst die Hand. Nun kann unter fortwährender Kompression der A.€ulnaris die A.€radialis freigegeben werden. Anhand der Rekapillarisierung können Rückschlüsse auf die Versorgung gezogen werden. Das gleiche Manöver kann nun für die A.€ulnaris wiederholt werden.
50
50.2.5 Prüfung einzelner Handmuskeln
M.€flexor digitorum profundus (FDP) Die Finger werden in den PIP-Gelenken durch den Untersucher fixiert und der Patient nun aufgefordert, die Endglieder zu beugen.
M.€flexor digitorum superficialis (FDS) Der Patient wird aufgefordert, jeden Finger im Mittelgelenk zu beugen während der Untersucher die restlichen Finger in Streckstellung blockiert.
M.€flexor pollicis longus (FPL) Der Patient wird aufgefordert, den Daumen im Endgelenk zu beugen.
M.€abductor pollicis brevis (APB), M.€opponens pollicis (OP), M.€flexor pollicis brevis (FPB) Der Patient wird aufgefordert, den Kleinfinger mit dem Daumen zu berühren (Opposition), den Daumen palmar zu abduzieren (APB) und im Grundgelenk zu beugen (FPB).
M.€abductor pollicis longus (APL) und M.€extensor pollicis brevis (EPB) Der Patient soll den Daumen aus der Handebene heraus bewegen.
M.€adductor pollicis (AP) Ein Blatt Papier soll zwischen Daumen und dem P1-Segment des Zeigefingers eingeklemmt gehalten werden, bei Schwäche des N.ulnaris-innervierten M.€adductor pollicis kommt es zur kompensatorischen Beugung des Daumenendgelenks (Froment-Zeichen). . Abb. 50.16╇ Motorische Innervation des N.€radialis
50.2.3 Sensibilitätsprüfung In 7€Kap.€50.1.7 sind die sensiblen Versorgungsgebiete der Handnerven dargestellt. Sie können durch Bestreichen mit einem Wattestäbchen geprüft werden, die Qualitäten von kalt/warm und spitz/stumpf können durch Tests ermittelt und detailliert beschrieben. Zusätzlich sollte eine Funktionsprüfung der palmaren Fingernerven mit der statischen 2-Punkte-Diskrimination erfolgen, die normalerweise Der Test sollte immer auch auf der unverletzten Gegenseite wiederholt werden und reicht allein nicht zur Diagnose aus.
»Screw driver test« (Schraubenziehertest)
. Abb. 50.21╇ Grind-Test
Der Schraubenziehertest dient zur Diagnose von Verletzungen des ulnaren Knorpel-Band-Komplexes (engl. »triangular fibrocartilaÂ� gineous complex«; TFCC). Der Untersucher führt forcierte Pround Supinationsbewegungen des Unterarms des Patienten durch (Schraubbewegungen), zudem eine Ulnarduktion des Handgelenks, die bei typischen Verletzungen in diesem Bereich zu ulnarseitigen Schmerzen führen (.€Abb.€50.23).
50.2 · Klinische Untersuchung der Hand
. Abb. 50.23╇ »Screw driver test« (Schraubenziehertest)
Literatur Corley Jr FG (1984) Examination and assessment of injuries and problems affecting the elbow, wrist, and hand. Emerg Med Clin North Am 2 (2): 295–312 Kuschner SH, Ebramzadeh E, Johnson D et al. (1992) Tinel’s sign and Phalen’s test in carpal tunnel syndrome. Orthopedics 15:1297–1302 Hofmann R (1996) Checkliste Handchirurgie. Thieme, Stuttgart New York Izzi JA, Trumble TE (2006) Anatomy and physical examination of the hand. In: Trumble TE, Budoff JE, Cornwall R (eds) Hand, elbow and shoulder. Core knowledge in orthopaedics. Mosby, Philadelphia, pp€1–21 Mackinnon SE, Dellon AL (1988) Surgery of the peripheral nerve. Thieme, Stuttgart New York Tillmann BN (Hrsg) (2010) Atlas der Anatomie, 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York
455
50
51
Bildgebende Untersuchung der Hand H. Rosenthal, A. Gohritz
51.1
Verfahrenswahlâ•… – 458
51.2
Röntgenâ•… – 458
51.2.1 51.2.2
Röntgenologische Knochenmorphologie an Handgelenk, Handwurzel, Mittelhand und Fingern â•… – 458 Sonographieâ•… – 460
51.3
Computertomographie (CT)â•… – 461
51.4
Magnetresonanztomographie (MRT)â•… – 462
51.5
Kinematographieâ•… – 462
51.6
Szintigraphieâ•… – 463
51.7
Arthrographieâ•… – 463
51.8
Angiographieâ•… – 463
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
458
51
Kapitel 51 · Bildgebende Untersuchung der Hand
Bei vielen Verletzungen und Erkrankungen der Hand ist eine genaue Diagnosestellung und Klassifikation in Ergänzung der klinischen Untersuchung nur durch zusätzliche bildgebende Verfahren möglich. Bekanntlich zeigte das erste von Wilhelm Röntgen selbst 1895 mit Hilfe seiner X-Stahlen angefertigte Bild die beringte rechte Hand seiner Gattin. Das konventionelle Röntgen stellt bis heute meist die Basisdiagnostik dar. Zusätzlich sind je nach Art und Ausmaß der pathologiÂ� schen Veränderungen Spezialuntersuchungen notwendig, beispielsweise eine Computertomographie, um eine komplexe knöcherne Situation zu klären, oder eine Magnetresonanztomographie zur Darstellung der Weichteile. Dieses Kapitel gibt eine Übersicht über die modernen Methoden der Bildgebung, ihre speziellen Indikation an der Hand sowie Besonderheiten ihrer Durchführung und Auswertung. 51.1
51.2
Röntgen
Die Röntgendarstellung der Hand wird standardmäßig in 2€Ebenen – einer radiopalmaren und seitlichen Standardaufnahme .€Abb.€51.1) – angefertigt (.€Abb.€51.1). Die Notwendigkeit zu besonderen Untersuchungen ergibt sich aus der klinischen Verdachtsdiagnose oder wenn nach Standardaufnahmen noch keine sichere Aussage möglich ist. Beispiele hierfür sind Spezialdarstellungen bei Verdacht auf Kahnbeinfraktur, Stressaufnahmen des Handgelenks in Radial- und Ulnarduktion mit Faustschluss (Ballaufnahme; .€Abb.€51.2a) bei Verdacht auf SL-Bandruptur oder die Spezialeinstellung des Os pisiforme zum Ausschluss einer pisotriquetralen Pathologie (.€Tab.€51.1; .€Abb.€51.2). > Zur Abgrenzung pathologischer Veränderungen von Normvarianten empfiehlt sich das Mitröntgen der Gegenseite.
Verfahrenswahl
Die wichtigsten bildgebenden Diagnostikmethoden in der Handchirurgie mit ihrem primären Einsatzgebiet sind in der .€Übersicht dargestellt. Die wichtigsten bildgebenden Diagnostikmethoden der Handchirurgie 4 4 4 4 4 4
Röntgen (Basisdiagnostik) Sonographie (Weichteile, Entzündungen) Computertomographie (knöcherne Morphologie) Magnetresonanztomographie (Weichteildarstellung) Kinematographie (bewegungsabhängige Pathologien) Szintigraphie (knöcherne Umbauprozesse, Perfusionsver änderungen) 4 Arthrographie (Gelenkinnenräume) 4 Angiographie (Gefäßdarstellung)
a
51.2.1 Röntgenologische Knochenmorphologie
an Handgelenk, Handwurzel, Mittelhand und Fingern
Gliederung Das Handgelenk besteht aus 2€funktionellen Einheiten: 4 Komplex aus Radiokarpal- und Mediokarpalgelenk und 4 distalem Radioulnargelenk. Die Gelenkfläche des Handgelenks wird zu 3/4 vom Radius und zu€1/4 vom ulnaren Knorpel-Band-Komplex gebildet. Die bikonÂ� kave Radiusgelenkfläche besteht aus der Fossa scaphoidea und Â�lunata, den Facetten für die entsprechenden HandwurzelknoÂ� chen.€Die€dreieckförmige Fossa scaphoidea bildet an der Spitze den Processus styloideus radii. Ulnarseitig bildet die Incisura ulnaris radii die Gelenkfläche zum Ulnakopf im distalen RadioulnarÂ� gelenk.
b
c . Abb. 51.1╇ Röntgendarstellung der Hand und des Handgelenkes in den 2€Standardebenen: radiopalmar (a.-p.) der gesamten Hand (a), des Handgelenks (b) und seitlich€(c)
459
51.2 · Röntgen
b
a
c
d
. Abb. 51.2a–d╇ Spezialdarstellungen werden bei spezifischen Fragestel lungen durchgeführt. Faustschlussaufnahme (a) und Stressaufnahmen mit
Radial- (b) und Ulnarduktion (c) bei Verdacht auf SL-Bandruptur. Schrägauf nahmen bei Frakturverdacht, z.€B. der Metakarpalia€(d)
Anordnung der Handwurzelknochen
Bei jeder Unterbrechung der Kontur dieser Bögen besteht Verdacht auf eine karpale Instabilität.
Die 8€Ossa carpalia gliedern sich in 4 proximale Reihe (Os scaphoideum, Os lunatum, Os triquetrum) und 4 distale Reihe (Os trapezium, Os trapezoideum, Os capitatum, Os hamatum). Dazwischen liegt das Mediokarpalgelenk: Das Os pisiforme mit seinem Gelenk zum Os triquetrum ist ein Sesambein der M.-flexorcarpi-ulnaris-Sehne, es gehört keiner der beiden Reihen an.
Karpale Bögen Beide Handwurzelreihen sind in 3€parallel verlaufenden KarpalÂ� bögen (nach Gilula) angeordnet: 4 Verbindung der proximalen Konturen der proximalen Reihe, 4 Verbindung der distalen Konturen der proximalen Reihe, 4 Verbindung der proximalen Konturen der distalen Reihe.
Karpale Winkel Gefügestörungen der Handwurzel können durch Messung der karpalen Winkel am Röntgenbild erkannt werden, die sich aus den Längsachsen durch Radius, Skaphoid, Lunatum und Kapitatum ergeben. > Die bestimmten Winkel und Gelenkabstände sind oft ein wichtiger Hinweis auf pathologische Veränderungen, z.€B. bei der Diagnostik einer skapholunären Bandzerreißung. Für sich allein sind sie jedoch nicht beweisend.
Die physiologischen Messgrenzen sind in .€Tab.€51.2 dargestellt.
Relative Länge von Ulna und Radius Die Gelenkfläche zum Os lunatum liegt normalerweise auf gleicher Höhe zur radialen Seite des Ulnakopfes, dabei sind 2€mm HöhenÂ�
51
460
Kapitel 51 · Bildgebende Untersuchung der Hand
. Tab. 51.1╇ Röntgenologische Standardeinstellungen bei der Darstellung der Hand
51
Art der Aufnahme
Indikation
Qualitätskriterien
Ganze Hand dorsopalmar
Trauma, Fehlbildung, Bestimmung des Knochen alters
Hand/distaler Unterarm komplett erfasst
Ganze Hand schräg (»Zitherspieler«)
Trauma, Fehlbildung, Bestimmung des Knochen alters
Metakarpalia weitgehend, Phalangen vollständig proji ziert
Handgelenk/Karpus dorsopalmar
Trauma, karpale Instabilitäten
Processus styloideus ulnae im Profil an der Außenseite des Caput ulnae
Handgelenk/Karpus seitlich
Trauma, karpale Instabilitäten
Radius und Ulna/Metakarpale€2 und 5 projizieren sich aufeinander, Karpalia können unterschieden werden
Kahnbeinquartett
Verdacht auf Kahnbeinfraktur
Skaphoid in gesamter Länge dargestellt
Skapholunäre Lücke spezial (Monheim-Aufnahme)
Verdacht auf skapholunäre (SL) Bandverletzung
Skapholunärer Spalt in maximaler Breite dargestellt
Triquetrum spezial
Verdacht auf Triquetrumfraktur
Dorsalseite Triquetrum tangential getroffen
Pisiforme spezial
Verdacht auf Pisiformefraktur, Pisotriquetralar throse
Pisotriquetralgelenk frei projiziert
Trapezium spezial
Verdacht auf Trapezium-, Bennett-, RolandoFraktur, Rhizarthrose
Beide Sesambeine aufeinander projiziert
Karpaltunnelaufnahme
Verdacht auf knöchern bedingtes Karpaltunnel syndrom (z.€B. infolge Lunatumluxation)
Tuberositas ossis trapezii, Hamulus ossis hamati und Pisiforme frei projiziert
Ulnarduktion der Hand
Karpale Instabilitäten, Skaphoidfraktur, -pseudar throse
Volle Länge des Skaphoids, Trapezform des Lunatums, »tiefe« Position des Triquetrums
Radialduktion der Hand
Karpale Instabilitäten (z.€B. SL-Bandruptur)
Ringzeichen des Skaphoids
Palmar-/Dorsalflexion des Hand gelenks
Karpale Instabilitäten, Gelenkadhäsionen
Radius/Ulna und Metakarpale€2 und 5 projizieren sich aufeinander
. Tab. 51.2╇ Röntgenologische Beurteilung karpaler Winkel
Karpaler Winkel
Normalwert
Normbereich
Radiolunär
0°
–15° bis +15°
Radioskaphoidal
47°
30° bis 60°
Skapholunär
47°
30° bis 60°
Kapitolunär
0°
–15° bis +15°
unterschied nach proximal oder distal noch innerhalb der Toleranzgrenze. Man unterscheidet 4 Ulna-plus-Variante (relative Überlänge): Kann Ursache einer Schädigung des ulnokarpalen Bandkomplexes sein. 4 Ulna-minus-Variante (relative Unterlänge): Kann durch Zunahme der karpalen Belastung eine avaskuläre Lunatumnekrose begünstigen. Beide Längenabweichungen können posttraumatisch (z.€B. eingestauchte Fraktur oder Fehlstellung) entstehen.
Gelenkwinkel und Länge des Radius Voraussetzung der anatomischen Rekonstruktion einer distalen Radiusfraktur ist die Kenntnis der Gelenkwinkel:
4 Ulnarinklination (=Neigung der Radiusgelenkfläche in der Frontalebene) – normal ca. 25°–30°.
4 Palmarinklination (=Neigung im seitlichen Strahlengang) – normal bei 10°–15°
Eine Radiusverkürzung wird durch die sog. Radiuslänge bestimmt. Zur Radiuslängsachse werden eine Senkrechte durch die Spitze des Processus styloideus radii und eine durch den ulnaren Begrenzungspunkt der Radiusgelenkfläche gelegt. Die Durchschnittslänge beträgt 11–12€mm. 51.2.2 Sonographie Die Ultraschalluntersuchung kann in erfahrener Hand eine wertvolle Screening-Methode zur Ergänzung der klinischen Untersuchung sein, sie kann manchmal sogar wesentlich aufwendigere und teurere Verfahren verzichtbar machen. Zur Untersuchung der Handweichteile wird ein Schallkopf mit hochfrequentem linearem Ultraschall (7,5–15€MHz) verwendet, zur Gefäßdarstellung die farbkodierte Duplexsonographie (.€Abb.€51.3). Die Hauptindikationen sind in der .€Übersicht aufgelistet.
461
51.3 · Computertomographie (CT)
Hauptindikationen der Sonographie in der Handchirurgie 4 Traumafolgen (z.€B. ulnares Kollateralband beim »Skidau men«, Verletzungen der Ringbänder, Sehnenverletzungen – Darstellung der Gleitbewegung möglich) 4 Entzündliche Erkrankungen (Tendovaginitiden, Synoviali tiden) 4 Fremdkörper (z.€B. Suche in Sehnenscheide) 4 Verlauf von Arthritiden (Gelenkschwellung, Tendosynoviali tis, Rheumaknoten) 4 Nervenkompressionssyndrome (Karpaltunnel-, Sulcus- ulnaris-Syndrom) 4 Ausdehnung und Charakterisierung von Weichteiltumoren (Tumordiagnostik – Unterscheidung zystisch vs. solide, Lokalisation, Lagebeziehung, Vaskularisation) 4 Gelenkergüsse bei entzündlichen Erkrankungen 4 Gefäßpathologien (farbkodierte Duplexsonographie; .€Abb.€51.3)
Die Limitationen der Ultraschalluntersuchung ergeben sich aus der Schallabsorption vorgelagerter Knochen und Sehnen sowie am TFCC. Vorteil ist ihre einfache und strahlenfreie Handhabung und Verfügbarkeit sowie die Option, auch Bewegungen (z.€B. von Sehnen) untersuchen und dokumentieren zu können. Die sonographische Normalbefunde wichtiger Strukturen an der Hand sind in .€Tab.€51.3 zusammengefasst. 51.3
Computertomographie (CT)
Beim Scan-Vorgang der Computertomographie rotiert der Röntgenstrahler (Röhre) und das gegenüberliegende Bildaufnahmesystem (»Detektoren«) um 360° um den Patienten, wobei die untersuchte Schichtebene bis zu 1000-mal durchstrahlt wird. Die Messdaten jeder dieser »Projektionen« werden im Computer bearbeitet (»Faltung«) und unter dem Aufnahmewinkel α wieder auf den Bildträger zurückprojiziert. Aus der Gesamtheit der überlagerten Rückprojektionen ergibt sich das endgültige Schnittbild.
. Abb. 51.3╇ Die farbkodierte Duplexsonographie (FKDS) ermöglicht die farbige Darstellung von Gefäßpathologien wie hier eines Aneurysmas des arteriellen Hohlhandbogens
> Hauptaufgabe der CT-Untersuchung ist die hochaufÂ� lösende Wiedergabe des knöchernen Handskeletts bei Verletzungsfolgen und Gelenkdegenerationen, die im Röntgen nicht in gleicher Klarheit beurteilt werden kann.
Die Hauptindikationen dieses Verfahrens sind in der .€Übersicht dargestellt. Hauptindikationen der Computertomographie in der Handchirurgie 4 Knöcherne Morphologie bei komplexen Frakturen und Luxationen (Radius, Handwurzel, z.€B. Os scaphoideum, komplexe Luxationsfrakturen) 4 Kahnbeinpseudarthrose (Stadieneinteilung/Kippung/ Rotation des distalen Fragments) 4 Eingeschränkte Unterarmumwendung (Rotationsfehler nach Radiusfraktur, Instabilität/Arthrose im distalen Radioulnargelenk) 4 Karpale Instabilitäten (Lokalisation) 6
. Tab. 51.3╇ Sonographische Normalbefunde wichtiger Strukturen an der Hand
Struktur
Echogenität
Sehnen und Sehnenscheiden
Echoreich (senkrechtes Anschallen) oder echoarm (schräges Anschallen), fibrilläre Binnenstruktur, Gleitbewegung darstellbar, Vagina synovialis im Querschnitt echoarmer Ring
Bänder
Ähnliche Echotextur wie Sehnen, ulnares Kollateralband am Daumengrundgelenk gut sichtbar, Ring- und Kreuzbänder nur indirekt beurteilbar (normale Anlagerung der Beugesehne an Phalangen)
Muskeln
Echoarm, mit typischer Längsfiederung, parallel verlaufende Septen und Faszien wie schmale hyperreflexive Bänder, Muskelquerschnitt getüpfelt
Fettgewebe
Echoreich mit unregelmäßigen Reflexen
Hyaliner Knorpel
Fast echofrei, Grenzflächen nur bei senkrechter Beschallung klar sichtbar
Faserknorpel
Echoreich, kann aber am triangulären fibrokartilaginären Komplex (TFCC) nur ungenau dargestellt werden
Knochen
Knochenoberfläche als echoreiche Linie mit distaler Totalauslöschung
Gefäße
Arterielle Lumina echoarm bis echofrei und bis in die Fingerkuppen erkennbar, mit farbkodierter Duplexsonographie (FKDS) farbige Darstellung möglich
Nerven
Tubuläre Strukturen, fibrilläre Binnenstruktur (Nervenfaszikel), Echogenität je nach Schalleinfallswinkel (geringer als bei Sehnen), Epi-/Perineurium echoreich
51
462
51
Kapitel 51 · Bildgebende Untersuchung der Hand
Hauptindikationen der Magnetresonanztomographie in der Handchirurgie
4 Arthrosenachweis (frühe Stadien, Befunderhebung vor geplanten Korrekturosteotomien/Teilarthrodesen) 4 Tumoröse Knochenläsionen (Intraossäre Ganglien, Nidus nachweis bei Osteoidosteom, ossäres Staging bei Knochen tumoren) 4 Diagnostik von Weichteilprozessen (akutes Kalksalzdepot, Chondrokalzinose, okkulte Ganglien, Ausdehnung von Abszessen oder Tumoren)
4 Ligamentäre Läsionen (ulnokarpaler dreieckiger KnorpelBand-Komplex=«triangular fibrocartilagineous complex« [TFCC], karpale Bandverletzungen) 4 Avaskuläre Knochennekrosen (M.€Kienböck=Lunatum nekrose, M.€Preiser=Kahnbeinnekrose) 4 Entzündungen und Infektionen (Hohlhandabszesse, Osteo myelitis) 4 Weichteiltumoren (Ganglien, maligne Tumoren) 4 Verschiedene Arthritiden
Bei bestimmten Fragestellungen ist eine Bildnachbearbeitung von CT-Volumendatensätzen möglich, die zwei wichtigsten Verfahren sind im Folgenden genannt.
Multiplanare Reformation (MPR) Mit dieser Berechnung beliebiger Schichten aus dem axialen Bildstapel können standardisierte koronale und sagittale Rekonstruktionsebenen erzielt werden (z.€B. bei Subluxationen des distalen Radioulnargelenks, Darstellung der Handwurzelknochen).
3-D-Oberflächenrekonstruktion (»shaded surface display«=SSD) Dieses Rekonstruktionsverfahren ermöglicht die Darstellung dreidimensionaler Ansichten. Hauptanwendungen der SSD-Technik sind die übersichtliche Darstellung der Fragmente und deren Dislokation bei komplexen Frakturen. Zur Sichtbarmachung überdeckter Knochenflächen können einzelne Knochenteile bei der elektronischen Berechnung entfernt (»exartikuliert«) werden (.€Abb.€51.4). 51.4
Magnetresonanztomographie (MRT)
Die Magnetresonanztomographie ist ein hochinnovatives Verfahren, das als Spin-Echo- oder Gradientenechosequenzen eingesetzt wird. > Vorrangiges Ziel der MRT ist die Darstellung der WeichÂ� teile, inklusive der Bänder, der Synovialis, des hyalinen Knorpels und des Knochenmarks (.€Abb.€51.5). Die MRT ist zudem bei knöchernen Veränderungen mit Ödemen das sensitivste Schnittbildverfahren.
Die wesentlichen Anwendungsgebiete sind in der .ۆbersicht dargestellt.
a
Bei den meisten Indikationen erfolgt eine intravenöse Kontrastmittelgabe. Bei Fragestellungen bezüglich der karpalen Ligamente und des ulnokarpalen Knorpel-Band-Komplexes kann die Aussagekraft der Untersuchung durch eine intraartikuläre Gabe (direkte MR-Arthrographie) erheblich erhöht werden. Problem der MRT-Untersuchung bei handchirurgischen PatienÂ� ten ist ihre häufig unspezifische Anwendung mit nur geringer Sensitivität für das zu untersuchende Problem. > Eine adäquate MRT-Bildqualität mit hoher diagnostischer Sicherheit setzt allerdings nicht nur den Einsatz von speÂ� ziellen Spulen (»Handspule«) und intravenösen Kontrastmitteln voraus, sondern v.€a. aber eine exakte Beschreibung der Fragestellung.
Nur so kann der Radiologe die geeignete Schnittebene und PulsÂ� sequenzen, einschließlich fettgesättigter Techniken, für die spezielle Problematik auswählen. 51.5
Kinematographie
Eine dynamische Untersuchung des Handgelenks unter Röntgendurchleuchtung eignet sich zur Visualisierung von Bandinstabilitäten, die zu Klick- und Schnappphänomenen führen können. Auch Bandrupturen, z.€B. die resultierende Erweiterung des SL-Spaltes unter Belastung und Ulnarduktion, kann herausprojiziert und mit der Gegenseite verglichen werden.
b
. Abb. 51.4╇ Computertomographie der Handwurzel mit 3-D-Oberflächenrekonstruktion bei perilunärer Luxation
463
51.8 · Angiographie
. Abb. 51.5╇ Magnetresonanztomographie (MRT) des Unterarms in Höhe des distalen Radioulnargelenks (DRUG) mit detaillierter Darstellungsmög
lichkeit der anatomischen Strukturen wie Muskeln, Streck-, Beugesehnen und Gefäß-Nerven-Bündeln
51.6
51.7
Szintigraphie
Arthrographie
Die nuklearmedizinische Diagnostik macht sich die Indikatormethode zunutze, bei der eine radioaktive Substanz in pharmakologisch ungefährlicher Konzentration in den Stoffwechsel eingebracht und seine räumliche Verteilung anhand der ausgesandten γ-Strahlung gemessen wird. Als Radiopharmakon wird derzeit meist 99m Technetium (Halbwertszeit ca. 6€h) eingesetzt. Die Dreiphasenszintigraphie (DPS) der Hand erlaubt es, in einem Untersuchungsgang über die arteriovenöse Durchblutung die frühe Verteilungsphase im Gewebe und die spätere Verteilungsphase im Skelettsystem darzustellen, und liefert damit Informationen über die Â�lokale Perfusion und zum Knochenstoffwechsel der Hand (.€Abb.€64.1S). Szintigraphisch zur Darstellung können gebracht werden: 4 ossäre Hyperämie (Mehrspeicherung) oder Ischämie, 4 Kallusbildung nach Fraktur, 4 Entzündungen von Knochen und Gelenken, 4 Inaktivitätsosteoporose und 4 trophische Störungen.
Die Darstellung der Gelenkräume der Hand mittels Arthrographie diente früher v.€a. zur Darstellung von Bandläsionen der Handwurzel und TFCC-Läsionen, seltener auch der Gelenke der Mittelhand und Finger. Bei der 3-Kompartiment-Arthrographie wurde zunächst das mediokarpale und das distale Radioulnargelenk arthrographiert, in einem zweiten Untersuchungsgang etwa 2€h später das Radiokarpalgelenk. Die alleinige Arthrographie hat ihre Bedeutung in letzter Zeit zugunsten der direkten Arthro-MRT/CT-Untersuchung verloren. In Kombination mit diesen Schnittbildmethoden werden eine Visualisierung der Gelenkräume und eine kontrastoptimierte DarÂ� stellung der intraartikulären Weichteile, z.€B. des TFCC, möglich (.€Abb.€51.6).
Daraus ergeben sich die wichtigsten Indikationen (.ۆbersicht).
Die arterielle Gefäßdarstellung wird nach gemeinsamer Indikationsstellung durch Handchirurg und Radiologen und der Aufklärung des Patienten über den invasiven Charakter der Untersuchung meist als digitale Subtraktionsangiographie durchgeführt. Der Zugang erfolgt über die gleichseitige A.€femoralis oder transbrachial (.€Abb.€51.7). Die wichtigsten Indikationen zeigt die .€Übersicht.
Hauptindikationen der Szintigraphie in der Handchirurgie 4 Ausschluss knöcherner Umbauprozesse bei osteoplas tischen Knochenveränderungen (Tumoren, Infektionen) oder Frakturen (wenn das Zeitintervall seit Trauma ausrei chend lang ist) 4 Knorpelverletzungen/Infraktionen (aufgrund ossärer Mit reaktion sicher nachweisbar) 4 Screening bei systemischen Knochenerkrankungen oder Knochenmetastasen 4 Verdacht auf gestörten postoperativen Heilungsverlauf (Ischämie, Osteonekrose, Algodystrophie) 4 Bestimmung des Frakturalters (ältere Prozesse meist ohne regionale Hyperämie in 1. und 2.€Szintigraphiephase)
51.8
Angiographie
Hauptindikationen der Angiographie in der Hand- Â�chirurgie 4 Notfalldiagnostik (Gefäßschaden/traumatische Gefäßläsion, Thrombose, Embolie) 4 Chronische Durchblutungsstörungen (Gangrän, Verdacht auf Ergotismus, Raynaud-Syndrom, Thrombangiitis Wini warter-Buerger, Panarteriitis nodosa)
51
464
Kapitel 51 · Bildgebende Untersuchung der Hand
Bei manchen Patienten ist eine Narkose mit maximaler Weitstellung der Gefäße notwendig, um Gefäßspasmen infolge der Kontrastmittelgabe auszuschließen und eine Darstellung der Gefäße bis in die feinsten distalen Aufzweigungen zu erreichen. Dimere isoosmolare Substanzen als Kontrastmittel reizen das Gefäßendothel hierbei am wenigsten. Bei langen Angiographieserien wird nach intraarterieller Injektion auch das venöse System sichtbar. Die dreidimensionale Abbildung der Gefäße der Hand durch die kontrastmittelunterstütze MR-Angiographie hat die in der .€Übersicht dargestellten speziellen Indikationen.
51
Hauptindikationen der MR-Angiographie in der HandÂ� chirurgie 4 Operationsvorbereitung (geplante Gefäßrekonstruktionen, Lappenplastik, komplexe Handmissbildungen) 4 Aneurysma der A.€radialis/ulnaris, Hypothenar-HammerSyndrom 4 Thoracic-outlet-Syndrom 4 Weichteiltumoren, v.€a. gefäßreiche Typen (Hämangiome) . Abb. 51.6╇ Das Verfahren des Arthro-MRT ermöglicht die Visualisierung der Gelenkräume und kontrastoptimierte Darstellung der Weichteile. Auch Läsionen des SL-Bandes wie bei der hier dargestellten SL-Dissoziation sind hochauflösend darstellbar
Zusammenfassung
Die moderne Bildgebung ist zur exakten Klärung vieler handchirur-
a . Abb. 51.7╇ Die digitale Substraktionsangiographie (hier die direkte An giographie) ermöglicht eine Darstellung der Gefäße bis in die feinsten dista
len Aufzweigungen und einen sensitiven Nachweis von Durchblutungsstö rungen wie bei der hier dargestellen Thrombangiitis
51.8 · Angiographie
gischer Probleme unbedingt notwendig. Die Wahl des optimalen bildgebenden Verfahrens richtet sich nach der vorherigen klinischen Untersuchung. Bei komplizierten Fragestellungen sollte die Indikation interÂ� disziplinär zwischen Handchirurg und spezialisiertem Radiologen gestellt werden. Gemeinsame Fallkonferenzen können für beide Fachrichtungen wertvolle Anregungen und eine erhöhte gemeinsame diagnostische Treffsicherheit bringen.
Literatur Bianchi S, Della Santa D, Glauser T, Beaulieu JY, van Aaken J (2008) Sonogra phy of masses of the hand and wrist. Am J Roentgenol 191: 1767–175 Birkner R (1977) Das typische Röntgenbild. Urban & Schwarzenberg, München Schernberg F (1990) Roentgenographic examination of the wrist: A system atic study of the normal, lax and injures wrist. Part 1: The standard and positional views. J Hand Surg 15B: 210–219 Schmitt R, Lanz U (2004) Bildgebende Diagnostik der Hand. 2. Aufl. Thieme, Stuttgart New York Yu JS, Habib PA (2006) Normal MR imaging of the hand and wrist. Radiol Clin North Am 44: 569–581
465
51
52
Arthroskopie des Handgelenks J. Redeker
52.1
Bildgebende Diagnostik des Handgelenksâ•… – 468
52.2
Operative Technikenâ•… – 469
52.2.1 52.2.2
Technische Vorraussetzungenâ•… – 469 Operative Zugangswege (Portale)â•… – 469
52.3
Diagnostische Arthroskopieâ•… – 470
52.3.1 52.3.2 52.3.3
Untersuchungsgang radiokarpalâ•… – 470 Untersuchungsgang ulnokarpalâ•… – 471 Untersuchungsgang mediokarpalâ•… – 471
52.4
Pathologische Befundeâ•… – 472
52.4.1 52.4.2 52.4.3
Läsionen des Discus ulnocarpalisâ•… – 472 SL-Bandverletzungenâ•… – 472 Knorpelläsionenâ•… – 474
52.5
Therapeutische Arthroskopieâ•… – 474
52.5.1 52.5.2 52.5.3 52.5.4 52.5.5 52.5.6
Partielle Resektion des Discus ulnocarpalisâ•… – 474 Diskusnahtâ•… – 474 Synovialektomie/Ganglionresektion â•… – 474 »Wafer Resection«â•… – 475 Abrasionsarthroplastikâ•… – 475 Arthroskopisch unterstützte Versorgung intraartikulärer Radiusfrakturenâ•… – 475
52.6
Kontraindikationen und Komplikationenâ•… – 475
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 52 · Arthroskopie des Handgelenks
52.1
Bildgebende Diagnostik des Handgelenks
Vorbemerkungen.╇ Die Handgelenksarthroskopie gilt seit ihrer Ein-
52
führung Ende der 1980er-Jahre als diagnostischer Goldstandard und hat heute einen festen Stellenwert in der Diagnosestellung von karpalen Verletzungen erlangt, da die klinische Untersuchung und bildgebende Verfahren allein oft keine eindeutige Aussage über Vorliegen und Ausmaß intraartikulärer Pathologien und resultierende Instabilitäten durch eine Bandverletzung erlauben (O‘Meeghan et al. 2003; Ruch u. Bowling 1998; Crisco et al. 2003; Wolfe SW, Crisco (1994). Von der reinen Inspektion hat sich das Aufgabengebiet der Arthroskopie auf das therapeutische Vorgehen verlagert. Partielle Resektionen des Discus ulnocarpalis oder arthroskopische Nahttechniken sowie Synovialektomien stellen mittlerweile Standardeingriffe dar, während etwa arthroskopisch unterstützte Repositionen intraartikulärer Radiusfrakturen eher in spezialisierten Zentren regelmäßig zur Anwendung kommen. Besondere Relevanz besitzt die Arthroskopie für folgende Befunde: 4 Verletzungen des skapholunären (SL-) Bandes zum möglichst frühen Erkennen und Einstufen einer Instabilität. 4 Indikationsstellung und Differenzialindikation zwischen einfachem Débridement, Naht oder Ersatzplastik des Bandes bzw. Stabilisierung des Karpus (Meyer-Marcotty et al. 2005; Watsonet al. 1999; Weiss et al. 1997; Wintman et al. 1995). 4 Läsionen des dreieckigen Knorpel-Band-Komplexes am Handgelenk (TFCC=engl. »triangular fibrocartilagineous complex«) oder Discus ulnocarpalis abhängig von Alter und Art der Verletzung. 4 Indikationsstellung und Differenzialindikation bei frischen ulnaren Abrissen des Diskus für eine arthroskopische Naht, die arthroskopische Teilresektion (Rissumwandlung) bei degenerativen Diskusläsionen oder älteren, nicht mehr nahtfähigen traumatischen Rissen (Blackwell et al. 2001; Ruch et al. 2001). Aufgrund der überragenden Übersicht durch die Arthroskopie kann auf ein offenes Operationsverfahren bei Discus-ulnocarpalis-Läsionen weitestgehend verzichtet werden (Tunnerhoff u. Haussmann 2001). Die gründliche Anamnese und die klinische Untersuchung, als wichtigste diagnostische Grundlage zur Behandlung chronischer oder akuter Handgelenksbeschwerden, sind für eine sinnvolle Indikationsstellung für weiterführende bildgebende diagnostische Maßnahmen, insbesondere aber für die invasive Handgelenksarthroskopie unabdingbar. Die Anamnese grenzt den Schmerzbefund weiter ein und bewertet ihn anhand der visuellen Analogskala (VAS): 4 Belastungs- oder Bewegungsabhängigkeit (in Beruf und Freizeit), 4 Tageszeit und Dauer der Beschwerden, 4 Mögliche Unfallereignisse. Es sollten dabei auch weiter zurückliegende Aktivitäten abgefragt werden, da z.€B. ehemalige Handballer oder Judoka aufgrund der typischerweise häufig vorkommenden Handgelenksverletzungen oft kein eigentliches Trauma erinnern. Mögliche systemische Gelenkerkrankungen umfassen 4 Hyperurikämie, 4 chronische Polyarthritis und 4 Chondrokalzinose. Das aktive Bewegungsausmaß und die Bandstabilität werden im Seitenvergleich überprüft. Dabei ist die eingeschränkte Aussagekraft
des Watson-Tests (Kahnbeinverschiebetest) zu bedenken, der häufig falsch-positiv ist. Typische Druckschmerzpunkte wie z.€B. am radiaÂ� len Kahnbeinpol oder direkt über dem dorsalen SL-Band werden getestet. Gerade für den ulnokarpalen Handgelenkschmerz ist eine differenzierte klinische Untersuchung zwischen Schmerzpunkten des Diskus selbst, der M.-extensor-carpi-ulnaris-Sehne, dem distaÂ� len Radioulnargelenk (DRUG), dem lunotriquetralen (LT-) Band und dem pisotriquetralen Gelenk erforderlich. Differenzialdiagnostisch müssen andere häufige Diagnosen für Handgelenkschmerzen wie Karpaltunnelsyndrom, Tendovaginitis stenosans de Quervain und Rhizarthrose ausgeschlossen werden. Nativröntgen
Die Röntgenuntersuchung erfasst standardmäßig das betroffene Handgelenk in 2€Ebenen, zum besseren Vergleich der Konfiguration der Handwurzel am besten im Vergleich zur Gegenseite. Spezielle Röntgenuntersuchungen, die sich aus der differenzierten Untersuchung ergeben, sind z.€B. 4 Stressaufnahmen in Radial- und Ulnarduktion mit Faustschluss zur besseren Darstellung einer SL-Bandruptur, 4 Os-pisiforme-Spezialaufnahme zum Ausschluss einer (pisotriquetralen) PT-Arthrose. Die Wertigkeit der in den Röntgenbildern bestimmten Winkelmaße und Gelenkflächenabstände ist kritisch zu bewerten (.€Tab.€51.2). Insbesondere bei der SL-Banddiagnostik können die vergleichenden Messwerte hinweisend sein auf eine skapholunäre Dissoziation, sind jedoch nicht beweisend. > Es empfiehlt sich stets der Vergleich zur Gegenseite.
Zudem gibt es in der Literatur leider keine einheitliche Messmethodik, z.€B. für den SL-Spalt. In den folgenden Abbildungen sind die von uns verwendeten Messmethoden wiederzufinden. Videofluroskopie (Kinematographie)
Die dynamische Untersuchung des Handgelenks unter Durchleuchtung ist von großer Hilfe bei der Visualisierung von Bandinstabilitäten, die zu Schnappphänomenen führen können. Auch kann die Erweiterung des SL-Spaltes unter Last und Ulnarduktion zielsicher herausprojiziert und mit der Gegenseite verglichen werden. Dies gelingt in der Kinematographie weit besser als in der statischen Stressaufnahme. Sonographie
Die Sonographie sollte mit einem linearen Hochfrequenzultraschallkopf (10–12€MHz) durchgeführt werden. Neben der Synovialitis der Beugesehnenscheiden können hier insbesondere Ganglien dargestellt werden. Magnetresonanztomographie (MRT)
Nach eigenen Untersuchungen haben bereits 45% der Patienten mit Handgelenksbeschwerden eine MRT-Untersuchung hinter sich, wenn sie sich erstmals in einer handchirurgischen Sprechstunde vorstellen. Die Qualität dieser unaufgeforderten und meist unspezifischen Untersuchung hat jedoch nur eine geringe Sensitivität für intrakarpale Bandverletzung, da eine qualitativ hochwertige Untersuchung eine dezidierte Anfrage voraussetzt. Gut zur Darstellung kommen bei korrekt durchgeführter Untersuchungstechnik okkulte Ganglien. Für die Lunatummalazie im Stadium€I nach Lichtman stellt das MRT das alleinige Diagnostikum dar. Für die Aussagekraft der Discus-ulnocarpalis-Verletzung und
469
52.2 · Operative Techniken
intrakarpaler Bandverletzungen kann bei Durchsicht der Literatur eine zunehmende Treffsicherheit festgestellt werden, wenn hochauflösende Einstellungen (Totterman et al. 1996) bei gleichzeitiger Anwendung von Kontrastmittel benutzt wurden (Haims et al. 2003; Herold et al. 2001). Auf die Notwendigkeit einer spezielle Handgelenkspule weisen Morley et al. (2001) 15 hin. Letztlich aber zeigt nur die direkte MR-Arthrographie eine ähnlich hohe Sensitivität und Spezifität wie die Arthroskopie (Braun et al. 2003; Grainger et al. 2000; Scheck et al. 1997; Schmitt et al. (2003). Arthrographie
Die Arthrographie dient zur Darstellung von intrakarpalen BandÂ� läsionen und Rissen des Discus ulnocarpalis. Unseres Erachtens hat sie mit Einführung der direkten Arthro-MRT/CT-Verfahren an Bedeutung verloren, da selbst bei einer 3-Kompartiment-Arthrographie keine genügend hohe Sensitivität erzielt wird. Computertomographie (CT)
. Abb. 52.1╇ Lagerung und Aufhängung der Hand am Traction-Tower
Die CT-Untersuchung hat ihre Stärken in der hochauflösenden Darstellung von Knochenveränderungen. So können intraartikuläre Frakturen sicherer beurteilt werden oder intraossäre Zysten dargestellt werden. Die Aussagekraft zu interkarpalen Winkelmaßen und Gelenkspaltabständen ist nur eingeschränkt möglich, da im Vergleich zur konventionellen Röntgenaufnahme der Arm und die Hand nicht in Neutralstellung gehalten werden. Die Aussagekraft des direkten Arthro-CT, also der CT-Aufnahme nach Gabe eines intrakarpalen Kontrastmittels, bei intrakarpalen Bandverletzungen ist im Vergleich zur direkten Artho-MRT-Untersuchung noch nicht vollständig geklärt. 52.2
Operative Techniken
52.2.1 Technische Vorraussetzungen In Rückenlage wird der betroffene Arm in der Schulter 90° abduziert auf dem Armtisch ausgelagert, der Ellbogen 90° gebeugt. Die Untersuchung findet unter Plexus- oder Allgemeinanästhesie und Oberarmblutleere statt. Die Distraktion des Handgelenks erfolgt durch Aufhängung des Zeige- und Mittelfingers mittels Mädchenfängern und Gegenzug durch Gewichte, die am Oberarm angelegt werden, bzw. alternativ im sog. Traction-Tower (.€Abb.€52.1) durch Distraktion an einer verlängerbaren Gewindestange (üblich sind 2,5–5€kg, im Bedarfsfall bis zu 10€kg). > Die Handgelenksarthroskopie erfordert aufgrund des engen Raumes entsprechendes Instrumentarium: ein Arthroskop mit einem Durchmesser von in der Regel 2,7€mm, 100€mm Länge und einer 30°-Optik.
Mittlerweile bieten viele Hersteller von Arthroskopen auch angemessen große Tasthaken, Gewebezangen und motorbetriebene Fräsen (Shaver) an. Zur besseren Übersicht wird die weitere Distension des Gelenkes über eine Spülflüssigkeit mit definiertem Druck durchgeführt. Die heute geforderte Dokumentation der optischen Befunde erfolgt mittels Farbprinter und digitalem Videorecorder. 52.2.2 Operative Zugangswege (Portale) Der Standardzugang erfolgt von der Streckseite des Handgelenkes. Die Bezeichnung der einzelnen Zugänge, die als Portale bezeichnet,
. Abb. 52.2╇ Zugangsportale (Beschreibung 7€Text)
richtet sich nach der Lagebeziehung zu den Strecksehnenfächern (.€Abb.€52.2). Nach orientierender Palpation erfolgt zunächst die Punktion mit einer Kanüle. Das Gelenkkompartiment wird mit Flüssigkeit aufgefüllt und schließlich die Haut mit einem 11-Skalpell inzidiert. Der vorpunktierte Kanal wird stumpf mit einem Klemmchen bougiert, dann folgen das Einbringen des stumpfen Throkars und das Einsetzen des Arthroskops.
1-2-Portal Das 1-2-Portal kommt nur selten zum Einsatz. Es liegt zwischen dem 1. und 2.€Streckerfach in dichter Nachbarschaft zu den Ästen des R.€superficialis n.€radialis und der A.€radialis. Der Zugang bietet nur eingeschränkte Sicht auf das radiokarpale Gelenk und lässt ein Vorspiegeln in das ulnokarpale Gelenk nicht zu.
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470
Kapitel 52 · Arthroskopie des Handgelenks
3-4-Portal Der am häufigsten genutzte Zugang für das Radiokarpalgelenk lässt sich durch Tasten der Radiuskante mit dem Daumen etwas distal des Tuberculum listeri sicher auffinden. Der Untersucherdaumen gibt der M.-extensor-pollicis-longus-Sehne direkten Schutz. Der sehr sichere Zugang bietet direkte Sicht auf das SL-Band. Ein Vorspiegeln zum Proc. styloideus radii ist ebenso gut möglich wie das Spiegeln des ulnokarpalen Gelenkes.
52
4-5-Portal Das Portal zwischen dem 4. und 5.€Streckerfach wird in der Regel durch einen Schnittpunkt einer verlängerten Linie der 4.€Kommissur und durch den Lichtpunkt des bereits in das Ulnokarpalgelenk vorgeführten Arthroskops bestimmt. Durch diese Diaphanoskopie können Verletzungen dorsaler Venen gut vermieden werden.
6-R-/6-U-Portal Die radial (6-R) und ulnar (6-U) der M.-extensor-carpi-ulnaris-Sehne gelegenen Zugänge bieten insbesondere bei der Diskusnaht die Möglichkeit, zusätzliche Instrumente einzubringen.
6-U-Portal Beim diesem Zugang ist besondere Vorsicht geboten, da hier der distale Ast des N.€ulnaris häufig quere Gelenkäste abgibt, die verletzt werden könnten.
MCR-Portal Das Mediokarpal-radiale (MCR-) Portal liegt im sog. Softspot etwa 1€cm distal des 3-4-Portals zwischen Kahnbeintaille, radialem Kapitatumpol und verlängerter Linie des 3.€Mittelhandknochens (MHK). Der Zugang lässt gute Übersicht auf die mediokarpalen GelenkÂ� flächen des Skaphoids, Kapitatums und des Triquetrums zu. Der SL- und der LT-Spalt können eingesehen werden, ebenso das RSCBand und das STT-Gelenk.
MCU-Portal In Verlängerung des 4.€MHK findet sich das mediokarpal-ulnare (MCU-) Portal etwa 1€cm distal des 4-5-Portals. Auch hier kann man sich den Zugang durch vorausgehendes Aufsuchen des MCR-Portals und anschließende Diaphanoskopie erleichtern und Verletzungen
a
dorsaler Venen vermeiden. Der Zugang wird in erster Linie als Instrumentenzugang genutzt, bietet aber auch Möglichkeiten, die Gelenkfacetten des Os hamatum einzusehen 52.3
Diagnostische Arthroskopie
Die diagnostische Arthroskopie beginnt mit dem sog. 2-KanülenTest. Hierbei wird durch eine Kanüle das Radiokarpalgelenk aufgefüllt, eine zweite Kanüle, meist im MCR-Portal, kann dann einen möglichen Flüssigkeitsübertritt als Ausdruck einer SL-Bandläsion preisgeben. Die Wertigkeit dieser Prüfmethode zur Detektion von karpalen Bandverletzungen ist den gleichen Unsicherheiten wie die Arthrographie unterworfen. Auch hier kann es bei unidirektionalem Flüssigkeitsübertritt zu falsch-negativen Ergebnissen kommen. Der Untersuchungsgang kostet aber kaum Zeit und füllt die Gelenke mit Flüssigkeit auf, was eine mögliche Knorpelverletzung beim Bougieren der Zugangswege minimiert. Nachfolgend ist ein möglicher Untersuchungsgang beschrieben. > Entscheidend für die Befundqualität ist, dass man immer nach einem klaren und routinemäßigen Schema alle wesentlichen intrakarpalen Strukturen abfährt und überprüft.
52.3.1 Untersuchungsgang radiokarpal Ausgehend vom 3-4-Portal zeigt sich zunächst die Fossa scaphoidea. Durch einen Schwenk der Kameraoptik um 90° erhält man im oberen Bildabschnitt die Gelenkfläche des Kahnbeins, im unteren die der Fossa scaphoidea. Die Kamera wird jetzt entlang der Radiusgelenkfläche bis zum Proc. styloideus radii geführt. Hier zeigen sich bei SL-Bandinstabilitäten oft Anzeichen einer Arthrose. Durch Fortführen der Kamera können jetzt der palmare Anteil der Radiusgelenkfläche und die radiopalmaren Bänder betrachtet werden. Bei intakten Verhältnissen sind die Bänder gut angespannt. Das sog. Testut-Band zeigt palmar als neurovaskuläres Bündel die palmaren Anteile des SL-Bandes an. Durch Zurückführen des Arthroskops kann das SL-Band auf ganzer Länge betrachtet werden (.€Abb.€52.3).
b
. Abb. 52.3╇ Untersuchungsgang radiokarpal über das 3-4-Portal (a) mit Austasten des SL-Bandes€(b)
471
52.3 · Diagnostische Arthroskopie
a
b
. Abb. 52.4╇ Untersuchungsgang ulnokarpal. Zugang über das 6-R-Portal (a). Trampolintest über dem Discus ulnocarpalis€(b)
a
b
. Abb. 52.5╇ Untersuchungsgang mediokarpal: Sicht auf das STT-Gelenk vom MCR-Portal (a) mit Darstellung von Trapezium, Trapezoid und skaphoidaler Gelenkfläche (b)
52.3.2 Untersuchungsgang ulnokarpal Um in das ulnokarpale Kompartiment zu gelangen, wird das Arthroskop bis zum Testut-Band vorgeführt. An der palmaren Radiuskante entlang kann nun das Mondbein teilweise auf das Arthroskop geladen werden. Die Kamera schaut jetzt von palmar nach dorsal über die Fossa lunata hinweg auf den Discus ulnocarpalis und die ulnodorsale Kapsel. Wie oben erwähnt, kann jetzt der Instrumentenzugang im 4-5-Portal genutzt werden. Nach Einbringen des Tasthakens wird die Kamera etwas zurückgeführt. So können die ulnopalmaren Bänder beurteilt werden. Mit dem Tasthaken wird der Discus ulnocarpalis abgefahren und auf verdeckte Risse überprüft. Dabei findet sich physiologisch ein federnder Widerstand, der als positiver Trampolintest bezeichnet wird (.€Abb.€52.4b). Der ulnare Recessus kann ebenfalls dargestellt werden. Hier Â�findet sich häufig eine ausgeprägte Synovialitis. Mit dem Tastha-
ken€werden die Bandstrukturen abgefahren und auf ihre Spannung geprüft. > Für die vollständige Prüfung des LT-Bandes ist mitunter der Wechsel von Instrumenten- und Kameraportal notÂ� wendig.
52.3.3 Untersuchungsgang mediokarpal Der Zugang über das MCR-Portal lässt zunächst das Skaphoid und den radialen Pol des Os capitatum erkennen. Folgt man dem Skaphoid, gelangt man zum STT-Gelenk (.€Abb.€52.5). Palmar kann das RSC-Band (Lig.€radioscaphocapitatum) eingestellt werden. Bei geeigneter Ausrichtung der Kamera kann nun proximal der SL-Spalt betrachtet werden. Je nach Formvarianz des Lunatums kann der LTSpalt in der gleichen Einstellung sichtbar sein, ansonsten muss man
52
472
Kapitel 52 · Arthroskopie des Handgelenks
52
a
b
. Abb. 52.6╇ Sicht auf den SL-Spalt mediokarpal vom MCR-Portal aus (a). Darstellung der Gelenkflächen von Capitatum und Scaphoid€(b)
das Arthroskop über das Lunatum hinwegbewegen, was meist am besten an der dorsalen Kante gelingt (.€Abb.€52.6). Von hier kann man dann den ulnaren Anteil des Os-capitatum-Pols und das Os hamatum beurteilen. Der Tasthaken zur Überprüfung der SL- oder LT-Dissoziationen wird über den MCU-Zugang eingeführt. ! Cave Die von Geisler beschriebene Einteilung hilft zwar bei der Beschreibung des Befundes, die pathologische Wertigkeit kann aber erst aus der Zusammenschau erfolgen.
52.4
Pathologische Befunde
52.4.1 Läsionen des Discus ulnocarpalis Der Discus ulnocarpalis kann bereits ab dem 30.€Lebensjahr degenerative Veränderungen im zentralen avaskulären Anteil aufweisen (Mikic 1978). Für die Einteilungen der Läsionen hat sich die Klassifikation nach Palmer (1989) durchgesetzt, die grundsätzlich frische traumatische von degenerativen Läsionen unterscheidet. Hinzu kommt eine Differenzierung entsprechend der Lokalisation der Läsion. Zur Übersicht ist die Klassifizierung in .€Tab.€52.1 und .€Abb.€52.7a aufgeführt. Für den klinischen Gebrauch ist unseres Erachtens diese Nomenklatur eher hinderlich, da die Befunde auch deskriptorisch mit wenigen Worten klar allgemeinverständlich definiert werden können. Die zentralen und radialen Rissbildungen lassen sich durch direktes Einhaken sicher darstellen. Die ulnaren Abrisse sind oft nur indirekt nachzuweisen, indem man mit dem Tasthaken den erschlafften Diskus wellenartig aufwerfen kann. Auch kann es gelegentlich hilfreich sein, von unterhalb des Diskus mit dem Tasthaken den Abriss am Proc. styloideus ulnae auszuÂ� machen. Die degenerativen Änderungen zeichnen sich durch kreisÂ� runde€zentrale Defekte mit ausgefransten Wundrändern aus. Vermehrt finden sich solche degenerativen Veränderungen bei einer€Ulna-plus-Variante. Bei fortgeschrittenen Stadien zeigen sich dann auch Veränderungen am Ulnakopf (Knorpelglatzen, Usuren).
. Tab. 52.1╇ Einteilung der Diskusläsionen nach Palmer (1989)
Klassi- fikation
Traumatische Läsionen/degenerative Läsionen
1A
Horizontaler Riss 2–3€mm von der radialen Anheftung des Diskus am Radius entfernt
2A
Horizontaler Riss ohne Perforation
1B
Avulsion des Diskus an seiner Insertion an der Basis des Proc. styloideus ulnae
2B
Horizontaler Riss mit Chondromalazie des Ulnakopfs oder des Os lunatum
1C
Risse im Übergang zum Lig.€ulnolunare oder ulnotriÂ� quetrale
2C
Rundliche zentrale Perforation des Diskus
1D
Abriss des Diskus von der Incisura radii
2D
Perforierter Diskus, fortgeschrittene Chondromalazie des Ulnakopfs und des Os lunatum, LT-Bandruptur
2E
Komplett aufgebrauchter Diskus, ulnokarpale Arthrose mit kompletter LT-Bandruptur
52.4.2 SL-Bandverletzungen Bei der Untersuchung des SL-Bandes ist der Einsatz des Tasthakens unerlässlich. Während zentral das SL-Band mit dem Tasthaken eingedrückt werden kann, ist es dorsal straff angespannt. Partielle Defekte können auf ihre Ausdehnung überprüft werden. Auch bei kompletter transossärer Abscherung des Bandes ergibt sich häufig bei bloßer Betrachtung ein intakter Eindruck, der erst durch den Tasthaken widerlegt wird (.€Abb.€52.8). Bei laxen Bandverhältnissen kann zumindest qualitativ der Versuch einer Einschätzung über die dissoziativen Auswirkungen erfolgen. Bei älteren kompletten Verletzungen ist das Band ausgefranst, und mitunter ist ein Vorbringen des Arthroskops in den SL-Spalt möglich. Das Arthroskop gelangt vom Radiokarpalgelenk durch den SL-Spalt direkt in das MediokarpalÂ�gelenk.
473
52.4 · Pathologische Befunde
b
a
c
e
d
. Abb. 52.7╇ Schematisch Darstellung häufiger Rupturformen des Discus ulnocarpalis (a). Arthroskopischer Aspekt durch eingesetzten Tasthaken eines radialen (b) und zentralen Riss (c). Weitere Rissformen stellen der ulnare Riss (d) und eine degenerative Läsion dar€(e)
52
474
Kapitel 52 · Arthroskopie des Handgelenks
52.5.1 Partielle Resektion des Discus
ulnocarpalis
Die partielle Resektion (bis zu 2/3) des Discus ulnocarpalis führt bei Belassen des Lig.€ radioulnare dorsale und palmare nicht zu einer Instabilität oder zu einer vermehrten Druckübertragung im ulnokarpalen Kompartiment (Adams u. Holley 1993; Palmer 1989). Nach eigener Erfahrung erbringt das Débridement sowohl bei degenerativen als auch bei veraltet traumatischen Läsionen eine Schmerzlinderung. Frische traumatische Läsionen, die nahtfähig sind, sollten direkt genäht werden. Technisch erfolgt das Débridement mit unterschiedlich resezierenden Instrumenten. Im eigenen Vorgehen wird die kombinierte Verwendung von Punch-Zange und Shaver bevorzugt, mit denen insbesondere bei degenerativen Veränderung auch eine Synovialektomie des DRUG erfolgen kann.
52
52.5.2 Diskusnaht . Abb. 52.8╇ SL-Bandverletzung mit ossärer Abscherung des SL-Bandes vom Os lunatum
52.4.3 Knorpelläsionen > Die typischen Knorpelläsionen finden sich bei der fortÂ� geschrittenen SL-Dissoziation mit DISI-Fehlstellung und Rotationsfehlstellung des Kahnbeins.
Beginnend am Proc. styloideus radii und am korrespondierenden Kahnbeinpol kann bei zunehmender SLAC-Fehlstellung auch im Mediokarpalgelenk zwischen Kapitatum und Lunatum eine Chondromalazie vorliegen. Dies ist wichtig insbesondere für die operative Entscheidung zwischen einer mediokarpalen Teilarthrodese und einer Entfernung der proximalen Handwurzelreihe (»proximal row carpectomy«). Andere Prädilektionsstellen finden sich bei der Ulna-plus-Variante mit Ausprägung eines Impaktationssyndroms und möglichen Knorpelläsionen am ulnoplamaren Pol des Os lunatum sowie am Ulnakopf. Traumatisch bedingte Knorpelschäden zeigen sich bei Sturz auf die ulnare Handkante am Os hamatum oder nach fehlverheilten intraartikulären Radiusfrakturen mit Stufenbildung. 52.5
Therapeutische Arthroskopie
Die Indikation zur Handgelenksarthroskopie wird derzeit v.€a. für die in der .€Übersicht genannten Maßnahmen gestellt. Indikationen zur therapeutischen HandgelenksÂ� arthroskopie 4 Partielle Resektion des Discus ulnocarpalis 4 Diskusnaht bei ulnaren Rissen 4 Abrasionsarthroplastik bei dritt- bis viertgradigen Knorpelschäden 4 Entfernung von freien Gelenkkörpern 4 Entfernung von entzündlich verändertem Gewebe (Synovialektomie) 4 Reposition von intraartikulären Radiusfrakturen 4 Arthroskopische Exzision von Ganglien
Die meisten Patienten mit Diskusrupturen kommen unserer Erfahrung nach verspätet zur handchirurgischen Beratung. Meistens liegt das eigentliche Trauma bereits mehrere Monate zurück. Die vorgefundenen Risse im zentralen Anteil bedürfen keiner Naht. Radiale Risse des Diskus stellen die häufigste Rissform dar. Gute Ergebnisse bei offener Nahttechnik werden von Cooney et al. (1994) beschrieben. Die arthroskopische Versorgung solcher Risse ist jedoch technisch anspruchsvoll. Leichter nahtfähig sind die ulnodorsalen Risse, zu deren Darstellung überdeckendes Synovialgewebe entfernt werden muss, insbesondere dann, wenn das Unfallereignis schon länger zurückliegt. Ebenfalls nahtfähig sind die häufig nur indirekt darzustellenden ulnaren Avulsionsverletzungen. Bei veralteten Rissen empfiehlt sich das Anfrischen der Risskanten vor der eigentlichen Naht. Die gängigste Technik sieht einen kleinen Schnitt über dem 6.€Strecksehnenfach vor. Das Fach wird radial fensterförmig eröffnet und die Sehne nach ulnar beiseite gehalten. Über zwei Kanülen am Boden des Strecksehnenfaches eingebracht und unter arthroskopischer Kontrolle von proximal nach distal über den Riss des Diskus gestochen, werden eine Fadenschlaufe, der sog. Fangfaden, und eine Naht, in der Regel 2-0-PDS, vorgeschoben (.€Abb.€52.9). Der Nahtfaden wird nun unter arthroskopischer Kontrolle mit der Schlaufe gefasst und unter Rückzug der Kanüle nach außen geführt. Hier kann jetzt ebenfalls unter Sicht das Anziehen und Knoten der Naht erfolgen. Wir führen die Nachbehandlung mit einer Oberarmschiene für 3€Wochen und einer Unterarmschiene für weitere 2–3€Wochen durch. Alternativ zu dem Oberarmgips kann zur Vermeidung der Oberarmdrehung auch ein sog. Zuckerzangengips angelegt werden. 52.5.3 Synovialektomie/Ganglionresektion Die partielle Synovialektomie, insbesondere der dorsalen Kapsel des Radiokarpalgelenkes, ist ein gebräuchlicher Eingriff. Mit Hilfe des motorbetriebenen Shavers können zunächst die häufig bei der Übersicht störenden Synovialzotten entfernt werden. Dabei stehen unterschiedliche Shaver-Ansätze zur Verfügung. Am besten geeignet bei ausgeprägter Synovialitis ist der gezackte Synovial-Cutter. > Das Shaven muss stets unter Sicht erfolgen.
Mit leichtem Druck und halbkreisförmigen Bewegungen kann so die Kapsel von Synovialgewebe befreit werden.
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52.6 · Kontraindikationen und Komplikationen
! Cave Es ist äußerste Vorsicht geboten, da leicht der Knorpel verletzt werden kann.
Der Zugang für den Shaver ist das 4-5- oder 6-R-Portal. Nicht zu große Ganglien, die die dorsale Kapsel durchbrechen, können auf dieselbe Weise entfernt werden. Durch die angeschlossene Saugung wird der Inhalt des Ganglions entfernt. Meist entsteht eine Fensterung der Gelenkkapsel, ohne dass Anteile des RLT-Bandes verletzt werden sollten. Palmare Ganglien oder Ganglien im Bereich des pisotriquetralen Gelenkes sind nicht immer sicher mit dem Arthroskop zu entfernen. Sollte hier eine Beschwerdesymptomatik bestehen, empfiehlt es sich, auf ein offenes Verfahren umzusteigen. 52.5.4 »Wafer Resection« a
Die Indikation zur »Wafer resection« erfolgt bei fortgeschrittener Chondromalazie des Ulnakopfes. Mit Hilfe einer Knochenfräse wird dabei der vorstehende Ulnakopf bis subchondral abgetragen. Die offenen operativen Alternativen zu diesem Verfahren sind die Operation nach Bowers (Hemiresektion des Ulnakopfes mit Einschlag eines Kapsellappens in das DRUG) bis hin zur Operation nach Darach mit kompletter Resektion des Ulnakopfes. Eine weitere Alternative ist die Ulnaverkürzungsosteotomie, die neben der reinen Niveauoperation auch eine Straffung des ulnokarpalen Komplexes bringt. 52.5.5 Abrasionsarthroplastik Bei der Abrasionsarthroplastik wird durch Anfrischen der Kortikalis ein 4.-gradiger Knorpelschaden zur Ausbildung eines Ersatzfaserknorpels angeregt. Kleinere Stufenbildung in der Radiusgelenkfläche und fortgeschrittene Chondromalazien des Ulnakopfes können so behandelt werden.
b
52.5.6 Arthroskopisch unterstützte Versorgung
intraartikulärer Radiusfrakturen
Intrakarpale Begleitverletzungen bei Radiusfrakturen stellen keine Seltenheit dar. Die visuelle Kontrolle bei Reposition von Frakturfragmenten ist daher Ziel der arthroskopisch assistierten Frakturversorgung intraartikulärer Radiusfrakturen. In der Praxis ergibt sich die Frage nach dem geeigneten Zeitpunkt für den Eingriff. Eine unmittelbare Versorgung führt durch die notwendige Spülung des Gelenkes zum Flüssigkeitsübertritt in Markraum und Weichteile mit der Folge eines temporären Ödems. Günstiger ist es aus unserer Sicht, nach primärer Reposition und Stabilisierung mittels Fixateur externe die endgültige Reposition nach etwa 1€Woche anzustreben. Falls erforderlich, kann dann auch ein Verfahrenswechsel mit Anlage einer winkelstabilen Platte erfolgen. Versorgungspflichtige Diskus- oder Bandverletzungen können zu diesem Zeitpunkt einer arthroskopischen oder offenen Naht zugeführt werden. c . Abb. 52.9a–c╇ Diskusnaht durch Fadenfängermethode. Nach Anfrischen der Rupturzone wird der intraartikulär durch eine Kanüle eingebrachte Faden (a) durch eine zusätzliche Schlaufe (Fangfaden) gefasst (b) und damit nach extraartikulär verlagert, wo der Faden dann geknotet wird€(c)
52.6
Kontraindikationen und Komplikationen
Kontraindikationen.╇ Eine Kontraindikation zur Handgelenksar-
throskopie besteht bei floriden Infekten oder einem CRPS.
52
476
Kapitel 52 · Arthroskopie des Handgelenks
Komplikationen.╇ Zu den speziellen Komplikationen aufgrund der
relativ schwierigen Punktionstechnik am Handgelenk zählen: 4 iatrogene Schädigungen des Knorpels (relativ schwierige Punktionstechnik), 4 Nervenverletzungen (R.€superficialis N.€radialis oder R.€dorsalis N.€ulnaris), 4 Verletzungen der Strecksehnen.
52
In die Weichteile eingetretene Luft und Flüssigkeit werden in der Regel schnell und folgenlos resorbiert.
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53
Knochen- und Gelenkverletzungen S. Schinner, H. Rosenthal
53.1
Frakturen der Fingerâ•… – 478
53.1.1 53.1.2
Endgliedfrakturenâ•… – 478 Mittel- und Grundgliedfrakturenâ•… – 479
53.2
Luxationen der Finger und des Daumensâ•… – 482
53.2.1 53.2.2 53.2.3
Luxationen der Fingerend-, Mittel- und Grundgelenke, Luxationen des DaumenÂ� endgelenksâ•… – 482 Luxation des Daumengrundgelenks (Skidaumen)â•… – 483 Luxation des Daumensattelgelenksâ•… – 484
53.3
Frakturen des Daumensâ•… – 486
53.3.1 53.3.2 53.3.3
Bennett-Frakturâ•… – 486 Rolando-Frakturâ•… – 486 Winterstein-Frakturâ•… – 487
53.4
Metakarpale Frakturenâ•… – 487
53.5
Köpfchenfrakturenâ•… – 489
53.6
Subkapitale Frakturenâ•… – 489
53.7
Karpale Frakturâ•… – 491
53.7.1
Skaphoidfrakturenâ•… – 491
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
478
Kapitel 53 · Knochen- und Gelenkverletzungen
53.1
Frakturen der Finger
Bei Frakturen der Finger wird wie auch bei anderen Frakturen zwischen geschlossenen und offenen, einfachen und komplexen Bruchformen sowie intraartikulären und extraartikulären Frakturen unterschieden (.€Abb.€53.1). Sonderfälle stellen einerseits die kindlichen Frakturen (.€Tab.€53.1) und zum anderen die pathologischen Frakturen dar, z.€B. bei Knochentumoren.
53
Therapie Therapieziele bei knöchernen Verletzungen sind:
4 Nageltrepanation bei subungualem Hämatom, 4 Wiederherstellung der Gelenkfläche und der Knochenkontinuität, 4 exakte Wiederherstellung des Nagelbettes. Je nach Art der Fraktur (geschlossen/offen) und Verletzungsmuster können Endgliedfrakturen konservativ oder operativ therapiert werden (.€Tab.€53.2, .€Abb.€53.2–53.5).
Postoperatives Management
53.1.1 Endgliedfrakturen
Ätiologie und Klassifikation Frakturen der Fingerendglieder sind häufig und oft Folge von Quetschverletzungen oder axialem Anpralltrauma. Hierbei unterscheidet man 4 distale Apophysenfrakturen (Frakturen des Nagelkranzes), 4 Schaftfrakturen sowie 4 intra- und extraartikuläre Basisfrakturen. Zu den intraartikulären Frakturen zählen knöcherne Strecksehnenausrisse und Busch-Frakturen. Die Busch-Fraktur ist eine intraartikuÂ� läre Luxationsfraktur des Endgliedes, bei der mindestens die Hälfte der Gelenkfläche beteiligt und mit der Strecksehne nach dorsal luxiert ist. Endgliedfrakturen sind oft mit einer Verletzung des Nagelbettes vergesellschaftet.
4 Allgemeine Nachsorge 5 Medikamentöse Behandlung: NSAID (z.€B. Ibuprofen 400€mg
1–1–1) oral für 1€Woche, Protonenpumpenhemmer als Magenschutz (z.€B. Pantozol 20€mg 0–0–1). 5 Hochlagern des Armes. 5 Offene Frakturen und infektgefährdete Wunden: CephalosÂ� porin der 2.€Generation i.v. unmittelbar präoperativ, 3–4€Tage postoperativ i.v., oder Cefuroxim (500€mg oral 1–1–1). 5 Andere Eingriffe an Knochen und Gelenken: Cephalosporin der 2.€Generation i.v. als präoperativer »single shot«.
4 Spezifische Nachsorge 5 Röntgenkontrolle: postoperativ und nach 4€Wochen, wenn
konservativ behandelt wurde: nach Reposition in der Schiene und nach 4€Wochen. 5 ME der Drähte: gelenktransfixierende Drähte nach 3–4 Wochen, Osteosynthesedrähte nach 6€Wochen, keine ME von Schrauben notwendig, in Ausnahmefällen frühestens nach 6€Monaten
Diagnostisches Vorgehen Die Klinik umfasst: 4 Schwellung des Endgliedes, 4 Bewegungseinschränkung und Schmerzhaftigkeit, 4 Subunguales Hämatom, 4 Nagelluxation und Nagelbettverletzung. Die Röntgenaufnahme erfolgt konventionell a.-p. und streng seitlich.
Komplikationen 4 Allgemeine Komplikationen nach Frakturen 5 Chronisch reaktives Schmerzsyndrom (CRPS). 5 Frakturheilung in Fehlstellung (Achsenknick, Rotations� fehler).
. Tab. 53.1╇ Einteilung der kindlichen Frakturen nach Salter-Harris und Aitken
Salter-Harris- Einteilung
Klassifikation nach Aitken
I
Kennzeichen
Reine Ablösung der Epiphyse von der Metaphyse ohne knöcherne Verletzung (Epiphysiolyse)
II
I
Ablösung der Epiphyse mit Absprengung eines metaphysären Knochenkeils ohne knöcherne Verletzung der Epiphyse
III
II
Teilablösung der Epiphyse bei Fraktur der Epiphyse ohne metaphysäre Beteiligung
IV
III
Durchgehende Frakturlinie von der Epiphyse bis in die Metaphyse
V
IV
Einstauchung oder Kompression der Epiphysenfuge ohne knöcherne Verletzung
. Abb. 53.1╇ Einteilung der Frakturen nach Salter-Harris und Aitken
479
53.1 · Frakturen der Finger
. Tab. 53.2╇ Therapeutisches Vorgehen bei Endgliedfrakturen der Finger abhängig vom Frakturtyp
Indikation
Therapie
Procedere
Konservative Therapie Knöcherner StrecksehnenÂ� ausriss (.€Abb.€53.2)
Geschlossene Fraktur, Fragment in Stack-Schiene retinierbar
Ruhigstellung: Intrinsic-plus-Lagerungsschiene und Stack-Schiene
5€Tage Intrinsic-plus- und 6–8€Wochen Stack-Schiene (.€Abb.€53.2)
Nagelkranzfrakturen (.€Abb.€53.3)
Geschlossene Trümmerfrakturen mit kleinen Fragmenten (NagelÂ� trepanation!)
Ruhigstellung: Intrinsic-plus-Lagerungsschiene und Stack-Schiene
5€Tage Intrinsic-plus- und 6€Wochen Stack-Schiene
Schaftfrakturen
geschlossene Fraktur, nicht disloziert
Ruhigstellung: Intrinsic-plus-Lagerungsschiene und Stack-Schiene
5€Tage Intrinsic-plus- und 4–6€Wochen Stack-Schiene
Offene Fraktur, luxiertes größeres Fragment, in Stack-Schiene nicht retenierbar
Reposition geschlossen: 4 Extensionsblock (.€Abb.€53.4) 4 Hakendrahtosteosynthese
Ruhigstellung: 5€Tage Intrinsic-plusund 4–6€Wochen Stack-Schiene
Operative Therapie Knöcherner StrecksehnenÂ� ausriss
Reposition offen: 4 K-Draht-Osteosynthese 4 Schraubenosteosynthese 4 Zuggurtung Busch-Fraktur
Immer operative Reposition und Osteosynthese
Reposition perkutan: 4 K-Draht-Osteosynthese mit Extensionsblock (.€Abb.€53.5)
Ruhigstellung: 5€Tage Intrinsic-plusund 4–6€Wochen Stack-Schiene
Reposition offen: 4 K-Draht Osteosynthese 4 Schraubenosteosynthese Nagelkranzfrakturen
Offene Fraktur, große dislozierte Fragmente, Nagelbettverletzung
Reposition geschlossen und offen: 4 K-Draht Osteosynthese
Ruhigstellung: 5€Tage Intrinsic-plusund 4–6€Wochen Stack-Schiene
Schaftfrakturen
Offene Fraktur, disloziert
Reposition geschlossen oder offen: 4 K-Draht-Osteosynthese 4 Schraubenosteosynthese
Ruhigstellung: 5€Tage Intrinsic-plusund 4–6€Wochen Stack-Schiene
5 Verzögerte Knochenheilung oder Ausbildung einer Pseudarthrose (>6€Monate).
5 Ausbildung einer posttraumatischen Arthrose, besonders nach intraartikulären Frakturen.
5 Bruch der Implantate. 5 Verklebung von Streck- und Beugesehnen durch Adhärenz und Narbenbildung an der Fraktur oder dem Implantat.
5 Streck- oder Beugedefizite als Folge narbiger Kontrakturen der Gelenkkapsel, insbesondere als Folge von intraartikulären Frakturen und Luxationsfrakturen.
4 Spezifische Komplikationen der Endgliedfrakturen 5 Nagelwachstumsstörungen können als Folge einer iatrogenen
oder traumatisch bedingten Verletzung des Nagelbettes auftreten. Insbesondere nach knöchernen StrecksehnenausÂ� rissen besteht die Möglichkeit eines verbleibenden Streckdefizites.
53.1.2 Mittel- und Grundgliedfrakturen
Ätiologie Mittel- und Grundgliedfrakturen sind in der Regel Folgen von Stürzen, Anprall- oder Quetschtraumata und treten in jedem Lebensalter auf. Häufig besteht neben einer axialen Krafteinwirkung eine zusätz-
. Abb. 53.2╇ Knöcherner Strecksehnenausriss
53
480
Kapitel 53 · Knochen- und Gelenkverletzungen
53
a
a
b
. Abb. 53.5╇ Extensionsblock
b . Abb. 53.3╇ Konservative Therapie mittels Stack-Endgelenkschiene. (Aus Windolf 2006)
liche transversale Komponente, deren Folge gelenknahe Luxationsfrakturen sein können. Es werden Köpfchenfrakturen, Schaft- und Basisfrakturen unterschieden, die sowohl extra- als auch intraartikulär auftreten. Bei Köpfchen- und Basisfrakturen überwiegen Y-Frakturen, im Schaftbereich Spiralfrakturen. Eine besonders häufige Frakturform ist die Luxationsfraktur des proximalen Interphalangealgelenks, mit knöchernem Ausriss der palmaren Platte. Sie ist die Folge einer dorsalen Luxation, wobei die palmare Platte meist mit einem kleinen knöchernen Fragment an ihrem distalen Ansatz abreißt.
Diagnostisches Vorgehen 4 Klinik: 5 Frakturzeichen. 5 Schwellung der Phalanx und/oder des Gelenks. 5 Einschränkung der Beweglichkeit. 5 Fehlstellung, Achsenknick, Rotationsfehler. 5 Bei Luxationsfrakturen: Fehlstellung des Fingers in GelenkÂ� nähe, Gelenkinstabilität.
4 Radiologisch: 5 Röntgen a.-p./streng seitlich. 5 Präoperativ kann ein CT bei intraartikulären Frakturen mit fraglicher Indentation des Knorpels und der Kortikalis manchmal hilfreich sein.
Therapie 4 Therapieziele: 5 Wiederherstellung der knöchernen Kontinuität, der Gelenkfläche, der Fingerachse und Korrektur eines Rotationsfehlers. 5 Stabilisierung des Bandapparates.
. Abb. 53.4╇ Nagelkranzfraktur
Operatives Vorgehen.╇ Die Therapie der Frakturen richtet sich nach der Art der Fraktur (offen vs. geschlossen), der Stabilität, einer Dislokation der Fragmente mit Auftreten einer Achsenfehlstellung oder eines Rotationsfehlers sowie einer eventuellen Gelenkbeteiligung
481
53.1 · Frakturen der Finger
. Tab. 53.3╇ Therapeutisches Vorgehen bei Mittel- und Grundgliedfrakturen
Indikation
Therapie
Procedere
Konservative Therapie Einfache Schaft� frakturen
Geschlossene Fraktur, nicht disloziert, kein Achsknick und Rotationsfehler
Lagerungsschiene »intrinisc plus«
Ruhigstellung für 4–6€Wochen
Knöcherner Ausriss palmare Platte
Geschlossene Fraktur, keine Instabilität, kleines Fragment
Lagerungsschiene Frühfunktionelle Beübung im ExtensionsÂ�block (10°)
Ruhigstellung für 5€Tage, gefolgt von aktivem Üben im Extensionsblock für 6€Wochen
Knöcherner Ausriss Seitenband
Geschlossene Fraktur, keine Instabilität, kleines Fragment
Lagerungsschiene Frühfunktionelle Beübung im »buddy-tape«
Ruhigstellung für 5€Tage, gefolgt von aktivem Üben mit »buddy-tape« für 6€Wochen
Köpfchenfrakturen (.€Abb.€53.6)
Geschlossene und offene Frakturen
Reposition Drahtosteosynthese Schraubenosteosynthese Plattenosteosynthese
Ruhigstellung für 4–6€Wochen
Köpfchen- und BasisÂ� trümmerfrakturen (.€Abb.€53.7)
Geschlossene und offene Frakturen, keine osteosynthetische Retention der Fragmente möglich
Reposition Dynamischer Distraktionsfixateur Physiotherapie
Dynamischer Fixateur für 6€Wochen mit aktiver und passiver ÜbungsÂ�therapie
Köpfchen- und BasisÂ�- frakturen
Geschlossene und offene Frakturen, Indention von Anteilen der Gelenkfläche
Reposition des indentierten Anteils der Gelenkfläche Spongiosatransplantation Dynamischer Fixateur
Dynamischer Fixateur für 6€Wochen mit aktiver und passiver ÜbungsÂ�therapie
Schaftfraktur
Geschlossene oder offene Frakturen, mit oder ohne Achsenknick und Rotationsfehler
Reposition K-Drahtosteosynthese Plattenosteosynthese Schraubenosteosynthese
Ruhigstellung für 4–6€Wochen, aktive Beübung bei Stabilität
Knöcherner Ausriss palmare Platte
Offene oder geschlossene Frakturen, Instabilität, größeres Fragment
Reposition: 4 Monodirektionale Instabilität: Schraubenosteosynthese K-Drahtosteosynthese 4 Multidirektionale Instabilität: Schraubenosteosyntehse K-Draht Osteosynthese Bandnaht Transfixation PIP
4 Monodirektionale Instabilität: Ruhigstellung 5€Tage Frühfunktionelle Therapie im Extensionsblock 4 Multidirektionale Instabilität: Ruhigstellung 4–6€Wochen Transfixation 3–4€Wochen Geführte Physiotherapie aus der Schiene
Knöcherner Ausriss Seitenband
Offene oder geschlossene Frakturen, Instabilität, größeres Fragment
Reposition: 4 Monodirektionale Instabilität: Schraubenosteosynthese K-Drahtosteosynthese 4 Multidirektionale Instabilität: Schraubenosteosyntehse K-Draht Osteosynthese Bandnaht Transfixation PIP
4 Monodirektionale Instabilität: Ruhigstellung 5€Tage Frühfunktionelle Therapie im Extensionsblock 4 Multidirektionale Instabilität: Ruhigstellung 4–6€Wochen Transfixation 3–4€Wochen Geführte Physiotherapie aus der Schiene Frühfunktionelle Therapie im »buddytape«
Operative Therapie
53
482
Kapitel 53 · Knochen- und Gelenkverletzungen
53
. Abb. 53.6a, b╇ Mittelgliedköpfchenfraktur
. Abb. 53.7╇ Mittelgliedbasistrümmerfraktur
(.€Abb.€53.6 und .€Abb.€53. 7). Grundsätzlich gelten die in .€Tab.€53.3 dargestellten Therapieprinzipien. Ziel ist immer die frühfunktionelle Nachbehandlung.
53.2
Postoperatives Management 4 Allgemeines Procedere 7€Kap.€53.1.1. 4 Bei Frakturen mit bewegungsstabiler Schrauben-/Plattenosteo-
synthese: Wechsel auf kurze Hohlhandfinger-Lagerungsschiene nach 7–10€Tagen für 4€Wochen, Beginn mit aktiven/passiven Übungsbehandlungen aus der Schiene heraus nach 10€Tagen. 4 Dynamischer Fixateur externe für 6€Wochen, sofortige Übungsbehandlungen. 4 Kompressionsfingerling nach Fadenentfernung.
Komplikationen von Fingerfrakturen > Neben einer anatomisch genauen Reposition der Fraktur ist die frühzeitige Übungsbehandlung, insbesondere nach Luxationsfrakturen, ausschlaggebend für die Verminderung von Gelenkkontrakturen und Sehnenverklebungen.
Auf die Transfixation eines Gelenks mittels Draht sollte nach Möglichkeit verzichtet werden. Schwellungsbedingte Bewegungseinschränkungen können gut mit der Anpassung eines KompresÂ� sionsfingerlings und durch Lymphdrainagen therapiert werden. Andere Komplikationen entsprechen den oben beschriebenen (7€Kap.€53.1.1 Fingerfrakturen, Endgliedfrakturen, Allgemeine Komplikationen).
Luxationen der Finger und des Daumens
53.2.1 Luxationen der Fingerend-,
Mittel- und Grundgelenke, Luxationen des Daumenendgelenks
Ätiologie Neben den beschriebenen Luxationsfrakturen stellen reine LuxaÂ� tionen der Finger und des Daumens den Hauptteil der FingerverÂ� letzungen dar, häufig als Folgen von Sportverletzungen. Je nach Umfang der Bandzerreißung können Luxationen zu einer mono- oder multidirektionalen Instabilität führen. Liegt eine Dislokation des Knochens vor, so müssen mindestens 2€der anatomischen Strukturen in .€Abb.€53.8 verletzt sein. Die Behandlung von Luxationsfolgen der Finger ist in der Regel länger und problematischer als bei einfachen Fingerfrakturen. Die sofortige intensive Übungsbehandlung ist für den weiteren Verlauf und die Folgen der Luxation entscheidend.
Diagnostisches Vorgehen 4 Klinik: 5 Geschwollenes Gelenk, Beweglichkeit eingeschränkt. 5 Versatz der Phalanx. 5 Gelenk aufklappbar mit festem Anschlag: Bandelongation oder Teilruptur.
5 Gelenk aufklappbar, instabil, ohne festen Anschlag: Bandzerreißung.
4 Apparative Diagnostik: 5 Röntgen a.-p./streng seitlich, ggf. gehaltene Aufnahmen: Ver-
satz der Phalanx, ggf. unterschiedliche Gelenkspaltweite, ggf. Rotation der Phalanx sichtbar. 5 MRT (selten notwendig).
483
53.2 · Luxationen der Finger und des Daumens
Postoperatives Management 4 Allgemeines Procedere 7€Kap.€53.1.1. 4 Konservative Therapie: 5 5€Tage palmare Intrinsic-plus-Lagerungsschiene. 5 Anschließende frühfunktionelle Therapie für 6€Wochen mit-
tels »buddy-taping« (laterale Luxation) oder Extensionsblock (palmare Luxation).
4 Operative Therapie: 5 14€Tage palmare Intrinsic-plus-Lagerungsschiene. 5 Anschließend frühfunktionelle Therapie für 4€Wochen mit-
tels »buddy-taping« (laterale Luxation) oder Extensionsblock (palmare Luxation). 5 Bei Transfixation: Transfixationsdraht für 3€Wochen, anschließend »buddy-taping« oder Extensionsblock für 3€Wochen. 5 Bei Lengemann-Naht: Entfernung der Naht nach 6€Wochen.
53.2.2 Luxation des Daumengrundgelenks . Abb. 53.8╇ Stabilisierende Bänder der Fingergelenke und des DaumenÂ� endgelenks
Klassifikation Neben offenen und geschlossenen Verrenkung unterscheidet man je nach Luxationsrichtung der distalen Phalanx dorsale, palmare und laterale Luxationen. Bei massiven Bandzerreißungen können die Luxationen auch multidirektional auftreten. Diese Verrenkungen können an allen Fingergelenken (Grund-, Mittel- und Endgelenk) auftreten und werden in der Regel ähnlich behandelt.
Therapie 4 Therapieziel: 5 Reposition des Fingers und Stabilisierung des Gelenks bei Erhalt der Beweglichkeit.
Grundsätzlich können Luxationen konservativ oder operativ behandelt werden. Die operative Behandlung ist stets indiziert bei offenen Luxationen und bei Luxationen, die sich geschlossen nicht reponieren lassen. Offene Verrenkungen weisen meist eine Platzwunde über der Luxation auf, die einen direkten Zugang zum Gelenk darstellt. Wichtig hierbei sind: 4 das ausgiebige Débridement der Wunde, 4 die Irrigation des Gelenks und 4 die Versorgung aller durchtrennten Bänder mit einer Naht (U-Naht, monofiler, resorbierbarer Faden, z.€B. PDS) oder einer transossären Bandrefixation (transossäre Refixation mittels monofilem, resorbierbarem Nahtmaterial, Anker oder Lengemann-Naht). Bei einer multidirektionalen Instabilität des Gelenks kann eine K-Drahttransfixation notwendig werden, es sollte aber möglichst darauf verzichtet werden. Neben offenen Luxationen sollten auch geschlossene aber instabile Luxationen operativ versorgt werden. Eine konservative Behandlung ist bei Luxationen dann indiziert, wenn zwar eine Aufklappbarkeit des Gelenks, jedoch keine Instabilität besteht. Hier sollte eine frühfunktionelle Behandlung nach Abschwellung, d.€h. nach 5–7€Tagen, beginnen.
(Skidaumen)
Ätiologie Typischerweise entsteht diese Verletzung beim Sturz auf den radialabduzierten Daumen (Skisturz mit einem Skistock in der Hand). Es kommt in der Regel zu einer Ruptur oder einem knöchernen Ausriss des ulnaren Kollateralbandes des Daumengrundgelenks. Klappt das distal ausgerissene ulnare Kollateralband um und verklemmt sich unter der Adduktoraponeurose, spricht man von einer Stener-Läsion. Das Seitenband kann nicht mehr in anatomisch korrekter Position anheilen, was zu einer dauerhaften Instabilität des Daumengrundgelenks führt. Als weitere Begleitläsionen können auch Rupturen der palmaren Platte vorliegen.
Diagnostisches Vorgehen 4 Klinik: 5 Schwellung des Daumengrundgelenks. 5 Fehlstellung des Daumens im Daumengrundgelenk in ra� dialer Abduktion.
5 Instabilität des Daumengrundgelenks beim Versuch, etwas zu greifen.
5 Vermehrte Aufklappbarkeit des Daumengrundgelenks im Seitenvergleich (>30° bei Flexion im Grundglied von 30°.
4 Apparative Diagnostik: 5 Konventionelles Röntgen des 1.€Strahls a.-p./seitlich, ggf. ge-
haltene Aufnahmen in Hyperpronation und radialer Abduktion im Seitenvergleich. 5 Sonographie zur Darstellung des Bandapparates (Darstellung der Bandläsion bei Stener-Läsion).
Therapie Liegt keine Instabilität vor, kann konservativ behandelt werden mittels Ruhigstellung in einer Daumenschiene unter Freigabe des IPGelenks. > Bei Instabilität sollte stets eine operative Therapie erfolgen, da nicht auszuschließen ist, dass eine Stener-Läsion vorliegt.
Die operative Therapie (.€Abb.€53.9) beinhaltet die Refixation des Seitenbandes. Hierzu wird über eine geschwungene dorsoulnare Inzision die Adduktoraponeurose inzidiert und das ulnare GrundÂ� gelenk dargestellt. Ist noch ein Bandrest vorhanden, kann das Kolla-
53
484
Kapitel 53 · Knochen- und Gelenkverletzungen
53
. Abb. 53.9a–d╇ Operationsschritte bei Versorgung einer ulnaren Seitenbandläsion. a€Inzision. b€Eröffnung der Adduktoraponeurose. c€Darstellung der Bandläsion. d€Bandrefixation
teralband direkt genäht werden. Bei einem knöchernen Ausriss oder nicht vorhandenen Bandresten muss das Kollateralband transossär refixiert werden. Dies kann durch Verwendung einer Drahtnaht nach Lengemann oder eine transossäre Naht mit einem nicht resorbierbaren Material (4-0-Polypropylen) erfolgen. Auf eine TransfiÂ� xation des Gelenks mit einem K-Draht sollte möglichst verzichtet werden. Die inzidierte Adduktoraponeurose muss wieder anatomiegerecht hergestellt, begleitende palmare Kapsel-Band-Läsionen (palmare Platte) ebenso rekonstruiert werden.
Komplikationen
Postoperatives Management
Ätiologie
4 Allgemeines Procedere 7€Kap.€53.1.1. 4 Ruhigstellung in einer Lagerungsschiene des Daumens und
Luxationen des Daumensattelgelenks entstehen durch eine massive Krafteinwirkung auf das Gelenk und sind eher selten. Oft findet man sie nach Motorradunfällen, bei denen der Motorradlenker die Kraft des Aufpralls auf das Daumensattelgelenk überträgt. Hierbei kommt es zu einer Ruptur des Lig.€metacarpale dorsale€1 und das Lig.€trapezometacarpale, was aufgrund der Zugwirkung der Sehne
Handgelenks unter Freigabe des IP-Gelenks für 2€Wochen, Â�weitere Ruhigstellung für 4€Wochen in einer kurzen DaumenÂ�orthese. 4 Entfernung der Lengemann-Naht und Freigabe des Gelenks nach 6€Wochen.
Neben einer verbleibenden Instabilität bei erneuter postoperativer Ruptur des Bandes kann als hauptsächliche Komplikation eine Bewegungseinschränkung des Daumengrundgelenks insbesondere für die Flexion resultieren. Eine posttraumatische Arthrose kann die Folge sein. 53.2.3 Luxation des Daumensattelgelenks
485
53.2 · Luxationen der Finger und des Daumens
. Abb. 53.10a, b╇ Luxation des Daumensattelgelenks
des M.€abductor pollicis longus zu einer Luxation des Gelenks führt (.€Abb.€53.10).
Diagnostisches Vorgehen 4 Klinik: 5 Deutliche Luxationsstellung des Daumens mit dorsaler oder lateraler Dislokation des Os metacarpale€1.
5 Geschwollenes Daumensattelgelenk. 5 Bewegungseinschränkung des Daumens.
4 Apparative Diagnostik: 5 Röntgen 1.€Strahl a.-p./seitlich/oblique, Sattelgelenkzielaufnahme.
Therapie In der Regel muss bei persistenter Luxationstendenz durch den Zug der M.-abductor-pollicis-longus Sehne die Therapie operativ durch Naht der Bandstrukturen erfolgen. Hilfreich ist hier zusätzlich die Transfixation des Metakarpale€1 an das Metakarpale€2 nach erfolgter Reposition zur Retention und Entlastung der Bandnaht (7€Kap.€53.3.1 Bennett-Fraktur). Manchmal ist die zusätzliche Transfixation des Daumensattelgelenks notwendig.
Postoperatives Management 4 Allgemeines Procedere 7€Kap.€53.1.1. 4 Postoperative Röntgenkontrolle. 4 Ruhigstellung in einer Daumenlagerungsschiene in palmarer
Abduktion des Daumens unter Einschluss des Grundgelenks und des radialen Handgelenks für 6€Wochen. 4 ME der Drähte nach 6€Wochen. 4 Übungsbehandlungen.
. Abb. 53.11╇ Bennett-Fraktur
53
486
Kapitel 53 · Knochen- und Gelenkverletzungen
Komplikationen Als Folge einer Reruptur oder Elongation der genähten Bandstrukturen kann eine persistente Subluxationsstellung im Daumensattelgelenk verbleiben. Zudem folgen nicht selten posttraumatische Rhizarthrosen und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Eine sekundäre Arthroplastik kann indiziert sein. 53.3
53
Frakturen des Daumens
Die intraartikulären Bennett- und Rolando- und die extraartikuläre Winterstein-Frakturen nehmen einen besonderen Stellenwert unter den Frakturen des 1.€Strahls ein. Sie betreffen die Daumenbasis (extraartikulär oder intraartikulär) und gehen in der Regel mit einer Dislokation einher, sodass eine konservative Therapie selten möglich ist. Ursache der Dislokation ist die muskuläre und ligamentäre Anatomie am Daumen. Durch den Ansatz und Zug des M.€adductor pollicis am distalen Os metacarpale€1 wird dieses adduziert, wogegen der proximale Teil des Knochens durch den Ansatz des M.€abductor pollicis longus abduziert wird. Nach einer basisnahen Fraktur (Typ Bennett) kommt es dementsprechend zu einer Dislokation der Knochenfragmente mit einer Verkürzung des Metakarpale€1 und einer Varusfehlstellung (.€Abb.€53.11). 53.3.1 Bennett-Fraktur
Ätiologie Die Bennett-Fraktur ist eine intraartikuläre Luxationsfraktur der Basis des 1.€Metakarpale. Axiale Kräfte, die auf einen leicht gebeugten Daumen treffen, sind meist für die Entstehung der Fraktur verantwortlich. Durch zwei stabile Bänder, das Lig. metacarpale dorsale€1 und das Lig. trapezometacarpale, bleibt der ulnare Anteil der Basis des Metakarpale€1 am Trapezoideum fixiert, wohingegen der radiale Anteil des Matakarpale€1 nach proximal abschert. Der Daumen bleibt durch den kontinuierlichen Zug der M.-abductor-pollicis-longus-Sehne (APL-Sehne) in der Subluxationsstellung und lässt sich nur schwer reponieren. Bennett Frakturen treten meist als geschlossene Frakturen auf.
Diagnostisches Vorgehen 4 Klinik: 5 Geschwollenes Daumensattelgelenk, Bewegungseinschränkung.
5 Subluxationsstellung des Daumens im Sattelgelenk.
4 Apparative Diagnostik: 5 Röntgen 1.€Strahl a.-p./seitlich/oblique, Sattelgelenkzielaufnahme.
Therapie 4 Therapieziel: 5 Wiederherstellung der Gelenkkongruität und der Beweglichkeit.
Eine konservative Therapie ist meist nicht möglich, da durch den kontinuierlichen Zug der APL-Sehne regelhaft eine Dislokation bestehen bleibt. Eine Stufenbildung der Gelenkfläche von >1€mm gilt als Operationsindikation. Nach der Reposition durch Traktion und Abduktion führen wir die geschlossene Retention des reponierten, palmar abduzierten Metakarpale€1 durch eine Fixation an das Metakarpale€2 mit einem K-Draht durch, ausgehend vom Metakarpale€2 durch einen schräg axialen Draht in das Os trapezium. Je nach Grö-
. Abb. 53.12╇ Rolando-Fraktur
ße des ulnaren Fragmentes kann die Osteosynthese perkutan oder offen mittels Minifragmentschrauben oder Kirschner-Drähten erfolgen.
Postoperatives Management 4 Allgemeines Procedere 7€Kap.€53.1.1. 4 Röntgenkontrolle postoperativ und nach 4€Wochen. 4 Ruhigstellung in einer Daumenlagerungsschiene in palmarer
Abduktion des Daumens unter Einschluss des Grundgelenks und des radialen Handgelenks für 4–6€Wochen. 4 ME der Drähte nach 6€Wochen. 4 Übungsbehandlungen.
Komplikationen Die häufigste Komplikation nach einer Bennett-Fraktur ist die posttraumatische Sattelgelenkarthrose. Eine anatomiegerechte Wiederherstellung der Gelenkkongruität ist daher von entscheidender Bedeutung (7€Kap.€53.1.1 Fingerfrakturen, Endgliedfrakturen, Allgemeine Komplikationen). 53.3.2 Rolando-Fraktur
Ätiologie Die Rolando-Fraktur ist eine Y-förmige Pilonfraktur der MetakarÂ� pale-1-Basis, die in der Regel durch eine axiale Krafteinwirkung auf den 1.€Mittelhandknochen entsteht (.€Abb.€53.12).
487
53.4 · Metakarpale Frakturen
53.3.3 Winterstein-Fraktur
Ätiologie Die Winterstein-Fraktur ist eine extraartikuläre Schräg- oder Querfraktur des Metakarpale€1. Sie geht in der Regel mit einer Dislokation und Varusfehlstellung des Daumens einher und bedarf der operativen Therapie (7€Kap.€53.3.1 und 53.3.2; .€Abb.€53.13).
Diagnostisches Vorgehen 4 Klinik: 5 Schwellung des Metakarpale€1. 5 Verkürzung und Varusfehlstellung des Metakarpale€1. 4 Apparative Diagnostik: 5 Konventionelles Röntgen a.-p./seitlich.
Therapie Auch bei dieser Frakturform ist regelhaft die offene Reposition und Plattenosteosynthese über einen dorsoradialen Zugang notwendig (Leiterplatte/T-Platte), um der Tendenz zur Dislokation entgegenzuwirken.
Postoperatives Management Das postoperative Procedere entspricht dem der Rolando-Fraktur (7€Kap.€53.3.2). Mit geführten Übungsbehandlungen aus der Schiene heraus sollte 1€Woche postoperativ begonnen werden. 53.4 . Abb. 53.13╇ Winterstein-Fraktur
Diagnostisches Vorgehen 4 Klinik: 5 Basisnah geschwollenes Daumengrundglied, geschwollenes Sattelgelenk.
5 Verkürztes Metakarpale€1, oft in Varusfehlstellung. 5 Bewegungseinschränkung.
4 Apparative Diagnostik: 5 Konventionelles Röntgen a.-p./seitlich/Robert-Aufnahme (Daumenaufnahme in Hyperpronation).
Therapie Aufgrund der an sich immer auftretenden Dislokation der Fragmente ist die konservative Therapie in der Regel nicht indiziert. Wir führen daher die offene anatomiegerechte Reposition und PlattenÂ� osteosynthese (T-Platte) über einen radiodorsalen Zugang zum Daumensattelgelenk durch.
Postoperatives Management Eine Metallentfernung ist in der Regel nicht notwendig. Das postoperative Procedere und die möglichen Komplikationen entsprechen denen der Bennett-Fraktur (7€Kap.€53.3.1). Aufgrund der übungsstabilen Osteosynthese kann nach 1€Woche bereits mit geführter Physiotherapie aus der Schiene heraus begonnen werden.
Metakarpale Frakturen
Ätiologie Frakturen der Metakarpalia sind sehr häufig und meist Folge von Stürzen oder tätlichen Auseinandersetzungen (Metakarpale€5). Ihre Klinik und Therapie ist mit denen der Grund- und Mittelgliedfrakturen der Finger vergleichbar. Man unterscheidet 4 Köpfchenfrakturen, 4 subkapitale Frakturen, 4 Schaftfrakturen, 4 intra- und extraartikuläre Basisfrakturen, 4 karpometakarpale Luxationsfrakturen. Hierbei treten subkapitale Frakturen, insbesondere des MetakarÂ� pale€5, Schaftfrakturen und intraartikuläre Basisfrakturen am häufigsten auf. Offene metakarpale Schaftfrakturen sind selten, außer bei komplexen Handtraumata. Allerdings ist bei subkapitaler Fraktur durch Faustschlag immer eine Grundgelenkseröffnung (Zahnschlagverletzung; .€Abb.€53.14) abzuklären.
Diagnostisches Vorgehen 4 Klinik: 5 Schwellung und Hämatom des Handrückens, besonders über 5 5 5 5
dem frakturierten Metakarpale, evtl. Riss-Quetsch-Wunde über der proximalen Phalanx. Verstreichen der dorsalen Vorwölbung des Metakarpaleköpfchens. Verkürzung des Strahls. Rotationsfehler und Achsknick, besonders beim Faustschluss. Bewegungseinschränkung für Faustschluss und Fingerstreckung.
4 Apparative Diagnostik: 5 Konventionelle Röntgenuntersuchung: Strahl a.-p./seitlich/ oblique.
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Kapitel 53 · Knochen- und Gelenkverletzungen
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a
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c
d
. Abb. 53.14a–d╇ Zahnschlagverletzung mit subcapitaler Metacarpale-Fraktur
489
53.6 · Subkapitale Frakturen
53.5
Köpfchenfrakturen
Köpfchenfrakturen haben in der Regel eine intraartikuläre Komponente. Sollte keine Dislokation vorliegen, erfolgt die Osteosynthese durch zwei gekreuzte K-Drähte (.€Abb.€53.15), die so eingebracht werden, dass die Gelenkfunktion nicht behindert wird, mit anschließender Ruhigstellung. Bei Dislokation und unmöglicher geschlossener Reposition wird eine Drahtosteosynthese oder eine offene Schraubenosteosynthese durchgeführt. 53.6
Subkapitale Frakturen
Subkapitale Frakturen gehen meist mit einem palmaren Achsknick einher. Das Metakarpale kann regelhaft geschlossen reponiert werden (maximale Flexion im MP und Druck des Grundgliedes nach dorsal auf das Metakarpaleköpfchen) und durch eine anterograde Spickung mit leicht gebogenen K-Drähten oder Förstner-Pins gehalten werden (.€Abb.€53.14). Diese werden über eine Kortikalisbohrung an der Metakarpalebasis eingebracht. Durch Drehen der leicht gebogenen Drähte wird das Metakarpale zusätzlich aufgerichtet. Schaftfrakturen.╇ Schaftfrakturen sind meist Spiralfrakturen oder
. Abb. 53.15╇ Versorgung einer Köpfchenfraktur mit 2€gekreuzten Kirschner-Drähten
Therapie Die Therapie kann sowohl konservativ als auch operativ erfolgen und richtet sich nach folgenden Parametern:
4 Operatives Vorgehen: 5 Weichteilverletzungen über den MCP-Gelenken. 5 Rotationsfehler mit Überkreuzen der Finger beim Faustschluss.
5 Achsenknick des Metakarpale nach palmar um 30° und mehr. Intraartikuläre Metakarpale-5-Basisfrakturen. Dislozierte karpometakarpale Luxationsfrakturen. Gelenkbeteiligung mit Stufenbildung >1€mm. Maßgebliche Strahlverkürzung mit Bewegungseinschränkung. 5 Frakturen, bei denen eine Dislokation trotz Ruhigstellung zu erwarten ist (Spiralfrakturen des Schaftes).
5 5 5 5
4 Konservatives Vorgehen: 5 Nicht dislozierte Basisfrakturen (intra- oder extraartikulär). 5 Trümmerfrakturen, bei denen eine Reposition und Retention unmöglich ist.
Das operative Vorgehen ist von der Lokalisation und der Beschaffenheit der Fraktur abhängig. > Grundsätzlich gilt, dass eine Reposition der Fraktur und die Stabilisierung mittels Drähten, Schrauben oder einer Platte unabdingbar sind.
Querfrakturen. Hier ist oft eine offene Reposition und Platten- oder Schraubenosteosynthese erforderlich. Eine Platte sollte hierbei nicht von dorsal, sondern von dorsoradial oder dorsoulnar angebracht werden, damit sie nicht unmittelbar unter der Strecksehne zu liegen kommt und die Adhärenz derselben so besser vermieden werden kann.
Basisfrakturen.╇ Dislozierte Metakarpalebasisfrakturen können gut
geschlossen reponiert werden und durch quere Transfixation der Metakarpalia mit 2€parallelen K-Drähten nach Iselin reteniert werden. Zusätzlich sollte die Fraktur mit einem K-Draht, ggf. unter Transfixation des Karpometakarpalgelenks gehalten werden (.€Abb.€53.16). Die Metakarpale-5-Basisfraktur nimmt hier eine besondere Stellung ein und sollte immer operativ versorgt werden, da durch den Ansatz der M.-extensor-carpi-ulnaris Sehne an seiner ulnaren Basis das Metakarpale nach ulnar und proximal gezogen wird und somit immer eine Dislokationstendenz aufweist.
Karpometakarpale Luxationsfrakturen.╇ Diese Frakturform geht mit einer massiven Bandzerreißung einher und ist oft nicht geschlossen reponierbar. Eine offene Reposition gefolgt von einer K-DrahtÂ� osteosynthese, und Transfixation der Metakarpalia nach Iselin ist in der Regel notwendig.
Postoperatives Management 4 Allgemeines Procedere 7€Kap.€53.1.1. 4 Ruhigstellung für 4–6€Wochen in einer palmaren Lagerungsschiene in Intrinsic-plus-Stellung (konservative Behandlung).
4 Geführte Physiotherapie aus der Schiene heraus bei übungsstabil versorgten Frakturen.
4 Entfernung der Drähte nach 6€Wochen, keine ME von Schrauben und Platten notwendig.
Komplikationen Die typische Komplikation nach Metakarpalefrakturen ist die Per� sistenz eines Rotationsfehlers oder Achsenknicks.
53
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Kapitel 53 · Knochen- und Gelenkverletzungen
53
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c . Abb. 53.16a–d╇ Versorgung einer MHK-Basisfraktur
b
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491
53.7 · Karpale Fraktur
> Typisch ist der Sturz auf die dorsalextendierte Hand.
Diagnostisches Vorgehen 4 Klinik: 5 Anamnestisch adäquates Trauma. 5 Radialseitig geschwollenes Handgelenk. 5 Verstreichen der Tabatière, Bewegungs- und Druckschmerz
über dem radialen Handgelenk, verstärkt bei Radialduktion und Extension. 5 Gehäuft symptomarmer Verlauf, daher oft übersehen.
4 Apparative Diagnostik: 5 Röntgen: Obligat: a.-p./seitlich/Ulnarduktion/45° oblique
. Abb. 53.17╇ Humpback-Deformität des Kahnbeins (links normale Situation)
(Stecher-Aufnahme), ggf. Skaphoidquartett, immer im SeitenÂ� vergleich, bei negativem Befund Kontrolle nach 7–14€Tagen. 5 CT: In der Skaphoidachse, notwendig zur Unterscheidung stabiler und instabiler Frakturen, genauere Aussage zu Trümmerzonen und Humpback-Deformität (.€Abb.€53.17) sowie der exakten Lage der Fraktur. 5 MRT: Zur Klärung der Perfusion des proximalen Fragmentes bei KM-Gabe und zur frühen Erkennung einer Fraktur.
Von den instabilen Frakturen ist der Typ€B2 nach Herbert am häufigsten. Die Klassifikation nach Herbert ist eine radiologische Klassifikation, die Aussagen bezüglich der Frakturstabilität zulässt (.€Übersicht und .€Abb.€53.18). Diese Frakturform stellt aufgrund der Tendenz zur Ausbildung einer Humpback-Deformität immer eine Indikation zur operativen Therapie dar. Klassifikation des Frakturverlaufs nach Herbert 4 1. Stabile Frakturen – Typ A1: Stabile Fraktur – Typ A2: Inkomplette Fraktur 4 2. Instabile Frakturen (Typ B1 bis B4)
. Abb. 53.18a–c╇ Kahnbeinfrakturen nach der Einteilung nach Herbert (2006) a Typ€A: Stabile Frakturen A1: Fraktur des Tuberculum A2: Inkomplette Fraktur der Kahnbeintaille b Typ€B: Instabile Frakturen B1: Distale Schrägfraktur B2: Komplette Fraktur der Kahnbeintaille B3: Proximale Polfraktur B4: Transscaphoidale perilunäre Luxationsfraktur c Typ€C: Verzögerte Heilung (»delayed union«)
53.7
Karpale Fraktur
53.7.1 Skaphoidfrakturen
Ätiologie Die Skaphoidfraktur ist die häufigste Fraktur des Karpus. Sie ist bei jungen Patienten bei einem ähnlichen Unfallmechanismus häufiger anzutreffen als die Radiusfraktur.
Die klassische Klassifikation nach Russe ist eine radiologische Klassifikation, die sich auf den Frakturverlauf bezieht. Man unterscheidet 3€Frakturtypen (.€Übersicht). Eine Typ-III-Fraktur nach Russe gilt als instabil und sollte operiert werden. Klassifikation des Frakturverlaufs nach Russe 4 Typ I: horizontaler/obliquer Frakturverlauf 4 Typ II: transversale Fraktur 4 Typ III: vertikaler Frakturverlauf.
Therapie Eine Therapie ist immer notwendig, da 40% der unbehandelten Frakturen pseudarthrotisch werden. Bei Frakturen, die mit einer Humpback-Deformität verheilt sind, tritt in 100% der Fälle eine radiokarpale Arthrose auf. Konservative Therapie.╇ Die konservative Therapie umfasst die
Gipsruhigstellung für 6–8€Wochen im Kahnbeingips (zirkulärer Handgelenksgips mit Einschluss des Daumengrundgelenks) und ist für stabile Frakturen (Typ-A-Frakturen nach Herbert) reserviert. Die Ruhigstellung im Oberarmgips sehen wir als obsolet an.
Operative Therapie.╇ Für eine operative Versorgung bestehen fol-
gende Indikationen:
53
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Kapitel 53 · Knochen- und Gelenkverletzungen
53 a
b
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. Abb. 53.19a–c╇ »Scaphoid non union advanced collapse wrist« (»SNAC wrist«). a€SNAC€I, b€SNAC€II, c€SNAC€III«
4 Humpback-Deformität. 4 Verlust der karpalen Integrität. 4 Dislokation: Abwinkelung der Skaphoidachse von >15% und/
4 Offene Schraubenosteosynthese: – Bei starkem Achsenknick (»humpback«) mit palmarseitiger kortikaler Impression kann ein offenes Vorgehen, ggf. mit einer Spongiosaplastik vom Radius oder Beckenkamm, notwendig werden. Das Vorgehen erfolgt hier eher von palmar. Das Kahnbein wird manuell unter Ulnarduktion/Extension und Zuhilfenahme eines ZahnarztÂ� hakens aufgerichtet. Bei starker Humpback-Deformität wird der nach dem Â�Aufrichten verbleibende Knochendefekt mit Spongiosa unterfüttert und das Kahnbein wie oben beschrieben mit einer kanülierten Schraube osteosynthetisiert.
oder Dislokation um 1€mm.
4 Instabilität der Fraktur.
Diese Indikationsstellung beinhaltet nahezu alle Herbert-Typ-BFrakturen. Frakturen, die das distale Drittel des Kahnbeins umfassen, werden in der Regel von einem palmaren Zugang aus operiert, Frakturen des proximalen Drittels von einem dorsalen Zugang aus. Frakturen des mittleren Drittels können von beiden Zugängen aus versorgt werden. Wir empfehlen das in der .€Übersicht dargestellte operative Vorgehen zur Osteosynthese einer Skaphoidfraktur. Operativer Zugang zur Osteosynthese einer Skaphoidfraktur 4 Einfache Schraubenosteosynthese mit einer kanülierten Herbert-Schraube bei Frakturen ohne Humpback-DeforÂ� mität: – Perkutan mit kanülierter Herbert-Schraube von dorsal (proximales Drittel): Kleine Längsinzision dorsal über Skaphoid zw. Extensorpollicis-longus- und Extensor-digitorum-communis-II-Sehne, Eröffnung der Kapsel, Einbringen des Führungsdrahts und Röntgenkontrolle, Längenmessung der beÂ�nötigten Schraube, Vorbohren über den Führungsdraht, Schraube über Führungsdraht einbringen, Draht entfernen, Röntgenkontrolle, Kapselnaht, Spülen, Wundnaht, Gipsanlage. – Perkutan von palmar: Längsinzision über dem Tuberkulum des Os scaphoideum und dem Verlauf der FCR-Sehne zum skaphotrapezotrapezoidalen (STT) Gelenk hin, Hyperextension und Ulnarduktion zur Reposition der Fraktur, danach identisches Vorgehen zum dorsalen Zugang. – Kleine distale und proximale Fragmente können unter Sicht mit einer Herbert-Minischraube refixiert werden.
6
Postoperatives Management 4 Allgemeines Procedere 7€Kap.€53.1.1. 4 Ruhigstellung: palmare, radialumgreifende Lagerungsschiene
4 4 4 4
unter Einschluss des Daumengrundgelenks und Freigabe der Finger sowie des Daumenendgelenks für 2€Wochen, Freigabe zur Krankengymnastik, Skaphoidgips bei fehlender Stabilität. Röntgen: postoperativ sowie nach 4€Wochen und 3€Monaten. Wenn konservativ: Ruhigstellung im zirkulären Gips für 6€Wochen. Keine ME. Aktive/passive Physiotherapie für das Handgelenk nach Gipsabnahme, für die Finger sofort.
Komplikationen Die häufigste Komplikation auch nach Osteosynthese ist die Bildung einer »non-union« oder Pseudarthrose des Skaphoids. Dies tritt bevorzugt bei Frakturen des proximalen Drittels aufgrund der damit einhergehenden Perfusionsstörungen auf (Anatomie, Karpus). Die damit einhergehende Spätfolge ist die radiokarpale Arthrose, die oft in einer Zerstörung des karpalen Gefüges und einen karpalen Kollaps mündet [»scaphoid non union advanced collapse wrist« (»SNAC wrist«); .€Abb.€53.19].
53.7 · Karpale Fraktur
Literatur Bennett EH (1886) On fracture of the metacarpal bone of the thumb. BMJ 2:12–13 Foucher G (1995) »Bouquet« osteosynthesis in metacarpal neck fractures: A series of 66 patients. J Hand Surg [Am] 20: S86–S90 Hastings H II, Carroll C IV (1988) Treatment of closed articular fractures of the metacarpophalangeal and proximal interphalangeal joints. Hand Clin 4: 503–527 Herbert TJ (2001) Open volar repair of acute scaphoid fractures. Hand Clin 17: 589–599 Herbert TJ (2006) The fractured scaphoid. Quality Medical Publishing, St. Louis Salter RB, Harris WR (1963) Injuries involving the epiphyseal plate. J Bone Joint Surg Am 45:587–622 Stener B (1962) Displacement of the ruptured ulnar collateral ligament of the metacarpophalangeal joint of the thumb: A clinical and anatomical study. J Bone Joint Surg Br 44: 869–879 Windolf J (2006) Strecksehnenverletzungen der Hand. Unfallchirurg 109: 659–670
493
53
54
Weichteilrekonstruktion im Bereich der Finger M. Meyer-Marcotty
54.1
Neurovaskuläre Lappen zur Rekonstruktion von Fingerendglieddefektenâ•… – 496
54.2
Grundsätze der Finger- und Daumenkuppenrekonstruktionâ•… – 496
54.3
Auswahl des Rekonstruktionsverfahrensâ•… – 496
54.4
Methodenâ•… – 496
54.4.1 54.4.2 54.4.3
Lokale Lappenplastikenâ•… – 497 Fernlappenplastikenâ•… – 500 Freier mikrochirurgischer Gewebetransferâ•… – 503
54.5
Zusammenfassungâ•… – 503
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
496
Kapitel 54 · Weichteilrekonstruktion im Bereich der Finger
54.1
Neurovaskuläre Lappen zur Rekonstruktion von Fingerendglieddefekten
Die Fingerkuppe ist ein hoch spezialisiertes Endorgan mit besonderer Ausbildung des Tastsinns. Sie hat eine große Dichte an speziellen sensorischen Rezeptoren, wodurch die Form, die Oberflächenbeschaffenheit und die Temperatur eines Objektes unterschieden werden können [Stereognosis (gr.€stereo=fest) Erkennung einer geometrischen Form]. Auch zur Kontaktaufnahme, zur Erfahrung unseres Umfeldes und Kommunikation und als Teil eines mechanischen Greifwerkzeuges haben die intakten Fingerkuppen eine große Bedeutung.
54
! Cave Die besonderen sensorischen Rezeptoren können nicht durch Verwendung von beliebigen Hautarealen ersetzt werden.
Um eine bestmögliche Wiederherstellung des Tastsinns und der stereognostischen Fertigkeiten zu erreichen, sollte zur Rekonstruktion der Fingerkuppen ein möglichst ähnliches Gewebe vom selben Finger oder von einem anderen Finger, in Einzelfällen auch von einem Zeh verwendet werden. > Die erfolgreiche Rekonstruktion von FingerkuppenÂ� verletzungen erfordert gute anatomische Kenntnisse, Kenntnisse über die zur Verfügung stehenden ReÂ�konsÂ� truktionstechniken sowie fundierte chirurgische FerÂ� tigkeiten.
Bei der Zerstörung der Fingerkuppe können weitreichende Beeinträchtigungen für den Patienten resultieren. So sagte z.€B. Bunnell: Without sensation the hand is blind. Die Fingerkuppen repräsentieren die »Augen« der Finger. Dies ist u.€a. daran zu ersehen, dass beispielsweise Blinde mit Hilfe der Â�Fingerkuppen lesen können und somit den wichtigen Kontakt zur Außenwelt ausbauen können. Normalsichtige haben auf der Fingerkuppe durchschnittlich eine minimale 2-Punkt-Diskriminierung von 5€mm. Bei blinden Personen kann dieses Unterscheidungsvermögen auf einen Abstand von bis zu 2€mm verfeinert werden. Louis Braille (1809–1852), entwickelte als 17-Jähriger eine Blindenschrift, die noch heute weltweit verwendet wird. Jede Modifikation der Sensibilität und Sensitivität der Fingerkuppen verändert die funktionellen Fähigkeiten der gesamten Hand. Durch Trauma kann die Funktion verschlechtert – durch Training kann sie verbessert werden. 54.2
Grundsätze der Finger- und Daumenkuppenrekonstruktion
Bei der Rekonstruktion von Fingerkuppenverletzungen muss der Operateur einige wichtige Grundsätze beachten: 4 Der Daumen ist sicherlich u.€a. durch seine besondere Stellung, durch die Fähigkeit zum Oppositionsgriff mit den Langfingern und durch die starke Kraftentwicklung der wichtigste Finger der menschlichen Hand. Daher sollten zur Daumenrekonstruktion auch die größten Anstrengungen unternommen werden. Die Rekonstruktionstechniken sind demnach auch von der Art des betroffenen Fingers abhängig.
4 Des Weiteren ist die Lokalisation des Defektes (ulnar oder ra-
dial, Teilverlust oder kompletter Verlust einer Fingerkuppe) wichtig für die Planung der Rekonstruktion. Ein Defekt an der radialen Seite eines radial gelegenen Langfingers (2.€oder 3.€Finger) ist aufgrund der Einschränkungen bei der Durchführbarkeit des Spitz- oder Schlüsselgriffes gemeinsam mit dem Daumen eine stark behindernde Verletzung für den Patienten. 4 Die ulnare Handkante und Kuppe des 5.€Fingers ist als Tastorgan ein wichtiger Bestandteil einer intakten Hand. 54.3
Auswahl des Rekonstruktionsverfahrens
Die Hebung des Lappens muss ebenfalls vor dem Hintergrund der in 7€Kap.€54.2 erwähnten Grundsätze sorgfältig geplant werden. Die Hebemorbidität darf den funktionellen Gewinn nach einer erfolgreichen Kuppenrekonstruktion nicht übersteigen. Vor einer Fingerkuppenrekonstruktion sollte klar sein, ob die dominante Hand betroffen ist. Auch das Berufsbild und die PatienÂ� ten-Compliance sind wichtige zu bedenkende Faktoren in der Planung für eine erfolgreiche neurovaskuläre Fingerkuppenrekonstruktion (→€Kälteintoleranz nach neurovaskulärer Rekonstruktion, schwere körperliche/handwerkliche Arbeit in kalter/feuchter Umgebung). In Einzelfällen ist der Patient mit der »schnellen« Stumpfversorgung besser versorgt als mit langwierigen und aufwendigen Lappenplastiken. Der Patient muss über die Art der Rekonstruktion genauestens aufgeklärt werden und insbesondere auch über die teilweise wochenlange postoperative Rehabilitationszeit. Manche Patienten können nicht nikotinabstinent leben und sind daher nicht geeignet für aufwendige rekonstruktive Verfahren. Ziele einer erfolgreichen Fingerkuppenrekonstruktion mittels neurovaskulärem Lappen 4 4 4 4 4 4 4
Erhaltung/Wiederherstellung der Sensibilität Erhaltung/Wiederherstellung der Weichteilqualitäten Erhaltung einer möglichst großen funktionellen Länge Vermeidung von Gelenkkontrakturen Kurze Morbidität Schnelle Rehabilitation, kurze Arbeitsunfähigkeit Kosmetisch befriedigendes Resultat
In diesem Kapitel sollen die verschiedenen Fingerkuppenrekonstruktionsverfahren vorgestellt und eine Systematik der DifferenÂ� zialindikation der unterschiedlichen Techniken erstellt werden. Die jeweiligen Vor- und Nachteile der beschriebenen Lappenplastiken werden diskutiert, um die Auswahl des optimalen Operationsverfahrens für die Rekonstruktion von Fingerkuppenverletzungen zu erleichtern. Insbesondere in Zeiten der neuerdings oft durchgeführten semiokklusiven Folienverbände bei Fingerkuppenverletzungen sollten die operativen Rekonstruktionsverfahren nicht in Vergessenheit geraten, da auch die »Folienbehandlung« nicht als alleiniges Allheilmittel eingesetzt werden kann. 54.4
Methoden
Zur Rekonstruktion der zerstörten Fingerkuppe an Daumen und Langfingern stehen unterschiedliche Rekonstruktionsverfahren zur Verfügung. Diese sollen im Folgenden vorgestellt werden.
497
54.4 · Methoden
Verfahren zur Rekonstruktion von zerstörten Fingerkuppen 4 Lokale Lappenplastiken – Palmare VY-Dehnungslappenplastik nach Atasoy – Kutler-Lappen – Palmare Dehnungslappenplastik nach Moberg – Laterale Dehnungslappenplastik nach Venkataswami und Subramanian – Palmare Translationslappenplastik nach Hueston 4 Fernlappenplastiken – Littler-Lappen – Foucher-Lappen – Dorsaler Metakarpalarterienlappen – Cross-finger-Lappen, Reversed-cross-finger-Lappen 4 Freier mikrochirurgischer Gewebetransfer – mikrochirurgische Zehenpulpatransplantation – Spare-part-Transplantation
a
54.4.1 Lokale Lappenplastiken
Palmare VY-Dehnungslappenplastik nach Atasoy Die palmare VY-Dehnungslappenplastik nach Tranquilli-Leali oder Atasoy et al. (1970) findet gute Verwendung für die Deckung von transversalen Defekten auf Höhe der Fingernagelmitte (.€Abb.€54.1). Ein palmarer großer V-förmiger Lappen wird auf dem verbleibenden Endglied bis zur Beugefurche des DIP-Gelenkes mobilisiert unter Mitnahme und Schonung der beiden palmaren Gefäß-Nerven-Bün del. Die Präparationsschicht ist wie beim Moberg-Lappen streng auf dem Beugesehnengleitlager. Intraoperativ sollte auf eine ausrei chende Mobilisation nach distal geachtet werden, um die distale Spitze des Nagelbettes zu unterstützen und somit eine Krallennagel bildung zu verhindern. Der Hebedefekt wird nach ausreichender Mobilisation Y-förmig verschlossen. Die Vorteile der Defektdeckung durch einen palmaren VY-Lap pen sind: 4 Relativ einfache und schnelle Operation bei guter Qualität des Vorschublappens. 4 Der Lappen hat eine sichere Blutgefäßversorgung. 4 Die Defektdeckung mit einem palmaren VY-Dehnungslappen kann in Oberst-Leitungsanästhesie durchgeführt werden. Die palmare VY-Dehnungslappenplastik nach Atasoy ist jedoch in seiner Größe limitiert und nur für Defekte geeignet, die horizontal durch das P3-Segment verlaufen und maximal 1/3 bis die Hälfte der Fingerkuppe betreffen. Die postoperativ bestehende Narbenbildung kann störend für den Patienten sein, da die Narben palmar im Be reich der Tastzone der Fingerkuppe verlaufen. Außerdem sollte in diesem Zusammenhang auf die Arbeit von Das u. Brown (1978) hingewiesen werden. Die beiden Autoren haben im Rahmen einer prospektiven randomisierten Studie an 60€Kindern mit Fingerkup penverletzungen die Ergebnisse eines nichtoperativen Verfahrens mit Spalthauttransplantation und lokalen VY-Verschiebelappenpla stiken verglichen. Hierbei zeigte sich, dass die nicht operierten Pa tienten in Bezug auf die erreichte 2-Punkte-Diskriminierung (3,5€mm) und die Schulfehltage (keine Schulfehltage in dieser Gruppe) am besten abschnitten. Allerdings waren durchschnittlich über 5€Wochen post Trauma regelmäßige Verbandswechsel not wendig.
b
c
. Abb. 54.1╇ Tangentialer Fingerkuppendefekt, ca. 1/3 der Kuppe betreffend (a). Mobilisation des V-förmigen palmaren Lappens. Eingenähter Lappen mit Y-förmigem Verschluss des Hebedefektes€(b). (Aus Meyer-Marcotty et al. 2007a)
Kutler-Lappen Kutler hat erstmalig 1947 zwei kleine neurovaskuläre Läppchen, die von der radialen und ulnaren Seite der Fingerkuppe gehoben werden, zur Defektdeckung von Fingerkuppenverletzungen beschrieben. Die se Lappen können für transversale oder palmar gelegene Defekte auf Höhe der Nagelmitte verwendet werden. Die Basis dieses dreieckigen Lappens ist die distale Schnittfläche des Defektes, die Spitze des Lap pens liegt auf Höhe der DIP-Beugefurche an der ulnaren bzw. radialen Fingerkante (.€Abb.€54.2). Nach der Hautinzision wird unter Scho nung der terminalen Arterien- und Nervenäste das subkutane Â�Gewebe vorsichtig mit der feinen Präparierschere unter Spreizen mobilisiert. Die Präparationsebene für diese Lappen ist direkt auf dem Periost unter Schonung der beiden palmaren Gefäß-Nerven-Bündel. Nach der Mobilisation muss ein spannungsloser Hautverschluss über dem Defekt gewährleistet sein, die Hebeareale werden Y-förmig verschlossen (.€Abb.€54.2b).
54
498
Kapitel 54 · Weichteilrekonstruktion im Bereich der Finger
a
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b
. Abb. 54.2╇ Radialer tangentialer Defekt der Fingerkuppe mit eingezeichnetem V-förmigem Lappen (a). Mobilisierter Lappen in den Defekt einge-
näht, Y-förmiger Verschluss des Hebedefektes an der radialen Kante der Fingerkuppe (b). (Aus Meyer-Marcotty et al. 2007a)
Bei der Indikationsstellung zu einem beidseitigen VY-Vorschub lappen nach Kutler ist zu bedenken, dass die Lappen nur sehr klein sind. Dieser Lappen ist von Seiten der Präparation als unsicher ein zustufen, die Reichweite dieser Lappen ist sehr eingeschränkt, und schließlich kann die radiale Narbenbildung im Bereich der Finger kuppe des 2.€oder 3.€Fingers bei Durchführung des Pinzetten- oder Schlüsselgriffes sehr beeinträchtigend für den Patienten sein.
det, kann aber auch bei Kuppendefekten der Langfinger eingesetzt werden. Es werden beidseits Mediolateralschnitte angelegt und der palmare Lappen unter Schonung der beiden palmaren GefäßÂ�Nerven-Bündel, des Subkutangewebes und der Beugesehnenscheide mobilisiert (.€Abb.€54.3a). Die Präparationsebene liegt auf der Beugesehnenscheide. Die dorsalen Äste der Arterien und Nerven, die an der Basis der proximalen Phalanx nach dorsal ziehen, müs sen€ erhalten bleiben. Nach ausreichender Mobilisation wird der Â�Lappen in den Defekt eingenäht. Dies kann unter leichter Flexion des IP- und MP-Gelenkes erfolgen. Der Hebedefekt kann entwe der€über eine großzügige VY-Plastik über dem MCP-Gelenk pri
Palmare Dehnungslappenplastik nach Moberg Der Moberg-Lappen, zuerst von Moberg 1964 beschrieben, wird bevorzugt zur Deckung von Daumenkuppenverletzungen verwen
a
c
b
. Abb. 54.3╇ Daumenkuppenverletzung mit Vorschneiden eines neuroÂ� vaskulären Moberg-Lappens (a) Vorgeschobener Moberg-Lappen mit an der Basis eingebrachtem Vollhauttransplantat (b). Eingeheilter MobergÂ�Vorschublappen mit freier Streckbarkeit des MP- und IP-Gelenkes (c)
499
54.4 · Methoden
a
b
c
. Abb. 54.4╇ Teilverlust der Fingerkuppe mit Zerstörung des ulnaren GefäßNerven-Bündels am 3.€Finger (a). Bis zur Beugefurche des PIP-Gelenkes Â�mobilisierter Lappen gestielt am radialen Gefäß-Nerven-Bündel (b). Die Prä-
parationsebene ist direkt auf der Beugesehnenscheide. Der eingeheilte Lappen mit guter Rekonstruktion der Fingerkuppe (c). (Aus Meyer-Marcotty et al. 2007a)
mär€ verschlossen werden oder mittels Vollhauttransplantation (.€Abb.€54.3b). Postoperativ sollte eine Ruhigstellung in leichter Flexion des IP- und/oder MP-Gelenkes erfolgen, um eine zu große Spannung in der Lappenspitze zu vermeiden.
truiert werden. Die Präparationsschicht streng auf der Beugesehnenscheide ermöglicht ein sicheres und schonendes Vorgehen.
! Cave Die Ruhigstellung darf nicht länger als 10€Tage betragen, um Beugekontrakturen in den Daumengelenken zu vermeiden.
Die Vorteile einer Defektdeckung mittels Moberg-Lappen liegen 4 in der großen Sicherheit der Gefäßversorgung des Lappens und 4 der schnellen und relativ einfachen Mobilisation streng auf der Beugesehnenscheide der M.-flexor-policis-longus-Sehne. 4 Die Sensibilität der Daumenkuppe kann mit diesem Vorschub lappen zuverlässig und mit einem guten Ergebnis für den Patien ten wiederhergestellt werden. Nachteilig kann sich die postoperative Schonhaltung in Flexions
stellung des IP- und MP-Gelenkes auswirken, speziell bei Patienten mit arthrotischen Veränderungen der entsprechenden Gelenke. Die Ruhigstellung darf nicht mehr als 10€Tage betragen.
! Cave Problematisch kann die Mobilisation eines relativ großen Lappens mit der Gefahr eines Teilverlustes der distalen Lappenanteile aufgrund einer eingeschränkten Durchblutung sein.
Palmare oder dorsale Translationslappenplastik nach Hueston Die Translationslappenplastik nach Hueston wird an einem unilateralen Gefäß-Nerven-Bündel gestielt. Hierbei handelt es sich um eine Dehnungs-Rotations-Lappenplastik. Mit dieser Technik können kleinere Defekte, z.€B. über freiliegenden Sehnen, streck- oder beu geseitig gedeckt werden (.€Abb.€54.5). Eine Überschreitung der funk tionellen Einheiten des Fingers sollte bei der Anwendung dieses Lap pens vermieden werden. Ein Nachteil dieser Lappenplastik ist die oft notwendige Vollhauttransplantation zur Deckung des Hebedefektes.
Laterale Dehnungslappenplastik nach Venkataswami und Subramanian Verletzungen, die mit einem (Teil-) Verlust der Fingerkuppe bei Â�horizontalem Defektverlauf auf Höhe des mittleren P3-Segmentes einhergehen mit zusätzlicher Schädigung eines mediolateralen Kup penanteils und Gefäß-Nerven-Bündels können durch die unilaterale Dehnungslappenplastik nach Venkataswami und Subramanian ge deckt werden. Das noch erhaltene unilaterale Gefäß-Nerven-Bündel versorgt die gesamte rekonstruierte Kuppe. Die Schnittführung und Präparation sollte großzügig erfolgen, um einen gut schwenkbaren Lappen zu erhalten. Wie in .€Abb.€54.4 dargestellt wird der Lappen bis an die distale Grenze der Grundphalanx mobilisiert. Hierdurch kann eine span nungslose Deckung der gesamten Kuppe unter bestmöglichem Län generhalt und guter Kuppensensibilität erzielt werden. Der Hebede fekt wird in VY-Technik verschlossen. Mit diesem Lappenprinzip können Fingerkuppendefekte mit nur noch einem intakten Gefäß-Nerven-Bündel suffizient rekons
. Abb. 54.5a–c╇ Schematische Darstellung eines palmaren Dehnungslappens nach Hueston. Der Hebedefekt wird durch ein kleines Vollhauttransplantat verschlossen
54
500
Kapitel 54 · Weichteilrekonstruktion im Bereich der Finger
54.4.2 Fernlappenplastiken
Littler-Lappen
54
Große palmare Defekte des Daumens sollten mit einem neurovasku lären sensiblen Lappen gedeckt werden, da der Verlust der Sensibi lität der Daumenkuppe eine große funktionelle Beeinträchtigung nach sich ziehen kann. Moberg (1964) hat eine solche Forderung aufgestellt, und Littler (1956) oder Berger u. Meissl (1975) haben diese Deckungsmöglichkeit beschrieben. Der Littler-Lappen kann von der ulnaren Kante des 4.€oder des 3.€Fingers gehoben werden, wobei der Hebung am 3.€Finger der Vor zug gegeben werden sollte, da meist sowohl der Mittelfinger als auch der Daumen dem Innervationsgebiet des N.€medianus zuzuordnen ist. Durch diese Tatsache vereinfachen sich das postoperativ notwen dige Umlernen und die kortikale Neuorientierung vom Mittelfinger zum Daumen. > Zur Verbesserung der kortikalen Neuorientierung kann der ulnare Spendernerv disseziert werden und mit dem ulnaren originären Nerv des Daumens koaptiert werden.
Der Littler-Lappen dient vornehmlich zur Rekonstruktion von Dau menkuppendefekten. Die Originalarbeit beschreibt eine Lappenhe bung von der ulnaren Kante des 4.€Fingers. Die Haut und das subkutane Gewebe von der ulnaren Seite des 3.€oder 4.€Fingers werden als neurovaskulärer Insellappen gehoben, wobei darauf geachtet werden sollte, den Lappen im Spenderareal nicht zu weit nach distal zu verlagern, um möglichst die originäre
Fingerkuppenhaut in situ zu belassen. Der Lappen wird anschlie ßend quer durch die Hohlhand Richtung Daumen verlagert. Die digitalen Nervenfaszikel müssen vom gemeinsamen Nervenstamm abgelöst werden, außerdem wird die den Nachbarfinger versorgende Arterie bei der Präparation geopfert. Wichtig ist es, eine ausreichend große Weichteilmanschette um den Stiel zu belassen, um den ve nösen Abstrom des Lappens zu gewährleisten. > Vor der Durchführung einer solchen Lappenhebung muss unbedingt sichergestellt werden, dass nach der Hebung des neurovaskulären Lappens die Durchblutung des Spenderfingers und des Nachbarfingers durch die verbleibenden Arterien gesichert bleibt.
Hierzu reicht es i.€Allg. aus, einen Allen-Test der Finger durchzufüh ren, in unklaren Fällen sollte auch eine Duplexsonographie oder eine Angiographie angefertigt werden. In .€Abb.€54.6 sind die Operationsschritte dargestellt. Die Nachteile des Littler-Lappens sind offenkundig: Der Hebe defekt ist deutlich mit der Gefahr eines Sensibilitätsverlustes der Spenderkuppe verbunden. Außerdem ist die kortikale Neuorientie rung des Lappens oft schwierig zu erlernen. Bei der Hebung dieses Lappens ist die Blutversorgung des Spenderfingers und des Nach barfingers gefährdet. Die Präparation eines Littler-Lappens ist auf wendig. > Korrekt präpariert ist dieser Lappen jedoch eine sichere Methode, eine sensible Daumenkuppe zu rekonstruieren.
a
b
c
d
. Abb. 54.6╇ Planung des Littler-Lappens von der ulnaren Kante des 4.€Fingers gehoben (a). Der distale Bereich der Kuppe des 4.€Fingers wird nicht mit gehoben. Präparation des Lappens mit dem Stiel, hier (b) wird das Ge-
fäß-Nerven-Bündel€8 als Stiel. Ligatur des Abgangs der radiopalmaren Arterie und Nerv des 5.€Fingers (Arterie/Nerv€9) zur Vergrößerung des Schwenkradius des Lappens (c). (Aus Meyer-Marcotty et al. 2007b)
501
54.4 · Methoden
Foucher-Lappen Der Foucher-Lappen dient ebenfalls der neurovaskulären Rekon struktion von Daumendefekten vornehmlich an der ulnaren Dau menkante (.€Abb.€54.7). Foucher u. Brown haben diesen Lappen erstmalig 1979 beschrieben, wobei der Foucher-Lappen eine Modi fikation bzw. Weiterentwicklung des Hilgenfeldt-Lappens (Mobert 1972) ist. Als neurovaskulärer Stiel dient die 1.€dorsale Intermetakar palarterie mit dem begleitenden dorsalen Nervenast des N.€radialis. Der Lappen wird von der dorsalen Seite der proximalen Phalanx des 2.€Fingers gehoben. Nach der Präparation des Stiels folgt die Unter tunnelung in Richtung Daumendefekt. Die Deckung des Hebedefektes kann mit Vollhaut erfolgen. > Mit dem neurovaskulär gestielten Foucher-Lappen kann eine exzellente Wiederherstellung einer sensiblen Daumenkuppe erzielt werden (Tränkle et al. 2004).
Der Gefäßstiel dieses Lappens ist sehr sicher und hat ein gutes Kali ber. Wie in .€Abb.€54.7 dargestellt, ist die Reichweite des FoucherLappens sehr groß und reicht bis an die Daumenkuppe. Nachteilig wirkt sich bei diesem Lappen der Sensibilitätsverlust auf dem Rücken des 2.€Fingers aus, der von manchen Patienten als sehr störend beschrieben wird. Eine Deckung des Hebedefektes mit Vollhaut ist notwendig, wobei das Paratenon der Strecksehne unbe dingt als Empfängerbett für das Vollhauttransplantat belassen wer den muss, da sonst eine Einheilung des Hauttransplantates direkt auf der Strecksehne gefährdet ist.
a
Dorsaler Metakarpalarterienlappen (DMCA-Lappen) Die dorsale Metakarpalarterie ist der Gefäßstiel für den DMCALappen. Da diese Arterien von radial nach ulnar in ihrer Kaliber stärke deutlich abnehmen und auf der ulnaren Handrückenseite eher inkonstant ausgebildet sind, wird dieser Lappen nur an der 1. oder 2.€dorsalen Metakarpalarterie gehoben (.€Abb.€54.8). Der DMCA-Lappen kann sowohl für palmare als auch dorsale Defekte am 1.–3.€Finger eingesetzt werden. Präoperativ ist zur sicheren Â�Darstellung eines Stielgefäßes eine Doppler-Sonographie empfeh lenswert. Der DMCA-2-Lappen wird aus dem Bereich des 2.€Intermeta karpalraums entnommen. Die proximale Lappengrenze reicht bis an die distalen Grenzen der Metakarpalknochenbasen€2 und€3. Das Subkutangewebe einschließlich der die Interosseusmuskulatur be deckenden Faszie wird mit dem Stiel präpariert und gehoben. Die Reichweite dieses Lappens kann bis auf Höhe des proximalen An teils€des Endgliedes ausgedehnt werden (Karacalar u. Özcan 1997; .€Abb.€54.9a). Der größere Schwenkradius ist mit einer größeren Un sicherheit der Gefäßversorgung verbunden, da die Anastomosen zwischen dem dorsalen und palmaren Gefäßsystem auf Höhe des proximalen P1-Segmentes inkonstant sein können. Dieser Lappen kann als neurovaskulärer Lappen gehoben werden. Der Hebedefekt wird primär verschlossen, es handelt sich um ein einzeitiges Verfahren, und der Patient kann früh mobilisiert wer den (Karacalar u. Özcan 1997).
Cross-finger-Lappen, Reversed-cross-fingerLappen Dieser Lappen wurde erstmalig in den 1950-er Jahren von Gurdin u. Pangman (1950) sowie von Curtis (1957) beschrieben und ist seither vielfach angewandt worden. Sowohl palmare als auch dorsale De fekte können mit einem Cross-finger-Lappen bzw. einem Reversedcross-finger-Lappen gedeckt werden.
b
c . Abb. 54.7╇ Sensible Rekonstruktion eines Daumens nach Komplettverlust der Weichteile und Leistenlappenrekonstruktion. Lappenplanung (a). Der Foucher-Lappen ist gehoben und an seinem Stiel in den zu deckenden Defekt auf Höhe der Daumenkuppe geschwenkt (b). Resultat nach Einheilung, sichtbarer Hebedefekt an der Basis des Zeigefingers€(c)
54
502
54
Kapitel 54 · Weichteilrekonstruktion im Bereich der Finger
a
b
c
d
. Abb. 54.8╇ Der Lappen wird präoperativ eingezeichnet zwischen dem 2. und 3.€MHK (a), die proximale Lappengrenze reicht bis an die distale Grenze der Handwurzel. b€Der Lappen ist distal gestielt gehoben und nach distal umgeklappt. c€Der gehobene Lappen wird in den palmaren Defekt einge-
a
schwenkt. d€Der Lappen erreicht palmar die proximalen Anteile des P2-Segmentes (Mittelglied). Der Lappen basiert auf der Gefäßarkade proximal des MCP-Gelenkes (.€Abb.€54.9b). (Aus Meyer-Marcotty et al. 2007a)
b
. Abb. 54.9a, b╇ Dorsaler Metakarpalarterienlappen (DMCA-Lappen) [1=palmare Digitalarterie, 2=Anastomose zwischen dorsalem arteriellem Netzwerk und palmarer Digitalarterie, 3=Anastomose zwischen dorsaler Metakarpalarterie und palmarer Metakarpalarterie, 4=dorsale Metakarpa-
larterie, 5=rekurrenter kutaner Ast (versorgt den Lappen)]. a€Präparation nach distal über das MCP-Gelenk hinaus →€größerer Schwenkradius. b€Präparation bis proximal des MCP-Gelenks →€Schwenkradius nach distal limitiert bei sicherer Durchblutung des Lappens
Reversed-cross-finger-Lappen.╇ Die Präparation eines Reversed-
subkutane Gewebe unter Belassen des Paratenons auf der Streck sehne hin zum Defekt gehoben. Das subkutane Läppchen bleibt an der dem defekten Finger zugewandten Seite breit gestielt und wird auf den streckseitigen Defekt eingeschwenkt. Abschließend wird noch ein Spalthauttransplantat auf das Läppchen genäht.
cross-finger-Lappens erfordert zunächst die Hebung eines Vollhaut lappens streckseitig auf dem Nachbarfinger mit Erhalten des Lap penstiels auf der defektabgewandten Seite. Im nächsten Operations schritt wird der eigentliche Lappen präpariert, hierbei wird das
503
54.5 · Zusammenfassung
54.4.3 Freier mikrochirurgischer Gewebetransfer
Mikrochirurgische Zehenpulpatransplantation > Die mikrochirurgischen Rekonstruktionsverfahren stellen höchste Ansprüche sowohl an die operativen Fähigkeiten des Operateurs als auch an die Infrastruktur der Klinik.
a
b . Abb. 54.10a, b╇ Cross-Finger-Lappen. a€Hebedefekt streckseitig über dem Mittelglied des 4.€Fingers mit Vollhaut gedeckt. b€Eingeheilter CrossFinger-Lappen im Bereich der Kuppe des 5.€Fingers. (Aus Meyer-Marcotty et al. 2007a)
Eine 12- bis 14-tägige gemeinsame Ruhigstellung der benach barten Finger ist notwendig, bis der Stiel in einer 2.€Operation ge trennt werden kann. Cross-finger-Lappen.╇ Der Cross-finger-Lappen kann zur Rekons truktion sowohl der Daumenkuppe auch als sensibel innervierter Lappen verwendet werden. Hierzu wird ein dorsaler Ast des N.€ra dialis superficialis in den Lappen, der an der radialen Streckseite des Grundgliedes des 2.€Fingers gehoben wird, eingeschlossen (.€Abb.€54.10). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Wieder herstellung einer protektiven Sensibilität bei den unter 20-ährigen Patienten meist sehr gut gelingt, bei den über 40-Jährigen jedoch fast die Hälfte der Patienten keine Schutzsensibilität erhalten (Lee u. Salyapongse 2005). ! Cave Bei der Präparation des Lappens muss darauf geachtet werden, dass bei der Inzision der proximalen radialen Lappengrenze der Ast des N.€ radialis superficialis nicht verletzt wird.
Problematisch bei der Anwendung eines (Reversed-) Cross-fingerLappens ist die postoperativ notwendige Ruhigstellung von zwei benachbarten Fingern, wobei der längere der beiden Finger oft in einer ungünstigen Flexionsstellung ruhiggestellt werden muss.
Eine Modifikation der mikrochirurgischen Zehenpulpatransplanta tion ist der »wrap around flap« für Daumenamputationen nahe dem Metakarpophalangealgelenk. Hierbei wird ein Gewebeverbund aus Haut, Pulpa und Nagel von einem Zeh um einen Knochenspan vom Beckenkamm gewickelt, um eine möglichst exakte Übereinstim mung des neugebildeten Daumens mit der Gegenseite zu erreichen und gleichzeitig die Spenderzehe als funktionelle Einheit zu erhalten (Morrison 1992). Neben der unbedingt notwendigen Verwendung eines OperaÂ� tionsmikroskops ist eine entsprechende postoperative intensivme dizinische Überwachung und ein stündliches Lappenmonitoring durch geschultes ärztliches Personal eine Conditio sine qua non. Bis auf die Spare-part-Transplantation, bei der durch das Trauma abgetrennte Fingerteile zur Rekonstruktion von zerstörten Fingern verwendet werden (7€unten und .€Abb.€54.12), sind diese Eingriffe nicht als notfallmäßig durchzuführende Eingriffe anzusehen. Es empfiehlt sich vielmehr nach der initialen Stabilisierung der betrof fenen Extremität, nach Exploration des beruflichen und privaten Umfeldes und der Motivation des Patienten und nach Aufklärung des Patienten über die Risiken und die Hebemorbidität die Rekonstruk tion z.€B. durch einen freien Zehenpulpatransfer durchzuführen (.€Abb.€54.11). Hierdurch kann eine asensible Daumenkuppe resen sibilisiert werden, um eine Verbesserung des Spitzgriffs zu erreichen. Ein großer Nachteil dieses Rekonstruktionsverfahrens ist sicher lich der große operative und infrastrukturelle Aufwand. Die Com pliance des Patienten muss zuverlässig vorhanden sein, da er sich auf eine mehrstündige Operation mit anschließend langem rehabilita tivem Aufwand einlassen muss. In speziellen Fällen, in denen aufgrund einer schweren Handver letzung mit Verlust von mehreren Langfingern und Erhalt eines asensiblen Daumens die Gebrauchsfähigkeit der Hand sehr stark eingeschränkt ist, kann mit einem Pulpatransfer die Sensibilität und somit die Greiffähigkeit der Hand verbessert werden.
Spare-part-Transplantation Bei einer schweren Amputationsverletzung von mehreren Fingern wird der »beste« der amputierten Stümpfe zur Replantation ausge wählt. Dieser Stumpf wird dann unabhängig von seinem ursprüng lichen Sitz an die »beste« Empfängerstelle replantiert (.€Abb.€54.12). 54.5
Zusammenfassung
Vor der Indikationsstellung zu einer rekonstruktiven Wiederherstel lung einer Fingerkuppenverletzung sollte sich der Operateur über einige Gegebenheiten klar sein: 4 Ist eine operative Rekonstruktion möglich/sinnvoll (Tiefe der Verletzung, freiliegende funktionelle Strukturen)? Wenn keine Rekonstruktion möglich/sinnvoll ist, kann zwischen der semiokklusiven Folienbehandlung oder einer Stumpfbil dung gewählt werden: 4 Lage des Defektes (palmar/dorsal, wichtige taktile Zonen; z.€B. ulnare Kuppe D€1 oder radiale Kuppe D€2 und€3)? 4 Persönliches Umfeld des Patienten (Beruf, Hobbys, Nebener krankungen, Nikotin, Compliance, Alter)?
54
504
54
Kapitel 54 · Weichteilrekonstruktion im Bereich der Finger
b a
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e
a
d
. Abb. 54.11╇ Schwere Décollementverletzung der linken Hand (a) mit u.€a. Verlust eines Großteils der Daumenweichteile. b€Planung des freien PulÂ� palappens zur Wiederherstellung der Sensibilität der Daumenkuppe zur Verbesserung des Gegengriffes; Entnahme vom fibularen Anteil der Kuppe der großen Zehe. c€Der freie Pulpalappen mit markierten Stielgefäßen und -nerv vor der mikrochirurgischen Anastomosiernung. d€Postoperatives Ergebnis nach Defektdeckung mit Leistenlappen und eingeheiltem freiem Zehenpulpalappen in die Greifseite der Daumenkuppe. e€Detailaufnahme des eingeheilten neurovaskulären Pulpalappens zur Rekonstruktion der Greifseite der Daumenkuppe. (Aus Meyer-Marcotty et al. 2007a)
b
. Abb. 54.12a, b╇ Bei dieser 3-Finger-Amputationsverletzung wurde der abgetrennte Stumpf des Mittelfingers an die Stelle des Ringfingers replantiert, um eine verbesserte Greiffunktion zu erzielen. (Aus Meyer-Marcotty et al. 2007a)
54.5 · Zusammenfassung
505
. Abb. 54.13╇ Algorithmus defekte Fingerkuppe
4 Postoperative Rehabilitation, Krankenhausaufenthalt? 4 Steht der (rekonstruktive) Aufwand in Relation zum erwarteten Ergebnis?
In .€Abb.€54.13 ist ein Algorithmus als Hilfestellung zur Durchfüh rung der bestmöglichen Fingerkuppenrekonstruktion dargestellt.
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54
506
Kapitel 54 · Weichteilrekonstruktion im Bereich der Finger
Meyer-Marcotty M, Kall S, Vogt PM (2007b) Defektdeckung von palmaren Daumenkuppendefekten mittels Littler-Lappen. Unfallchirurg 110: 447– 449 Moberg E (1964) Aspects of sensation in reconstructive surgery of the upper extremity. J Bone Joint Surg 46A: 81–22 Moberg E (1972) Ersatzoperationen bei Sensibilitätsverlust. In: Wachsmuth W, Wilhelm A (Hrsg) Allgemeine und spezielle chirurgische Operationslehre 3. Teil – Die Operationen an der Hand. Springer, Berlin Heidelberg New York Morrison WA (1992) Thumb and fingertip reconstruction by composite microvascular tissue from the toes. Hand Clin. 8(3):53–50 Tränkle M, Germann G, Heitmann C, Sauerbier M (2004) Neurokutaner Insellappen nach Foucher. Weichteildeckung und Rekonstruktion der Sensibilität am Daumen. Chirurg 75 (10): 999–1002
54
55
Sehnenverletzungen der Hand C. Choi
55.1
Strecksehnenâ•… – 508
55.1.1 55.1.2 55.1.3 55.1.4 55.1.5 55.1.6
Anatomieâ•… – 508 Zonenâ•… – 508 Diagnostikâ•… – 508 Art der Verletzungâ•… – 508 Therapieâ•… – 509 Nachbehandlungâ•… – 511
55.2
Beugesehnenâ•… – 512
55.2.1 55.2.2 55.2.3 55.2.4 55.2.5 55.2.6
Anatomieâ•… – 512 Pathophysiologieâ•… – 512 Diagnostikâ•… – 513 Art der Verletzungâ•… – 513 Therapieâ•… – 513 Nachbehandlungâ•… – 515
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
508
Kapitel 55 · Sehnenverletzungen der Hand
55.1
Strecksehnen
Strecksehnenverletzungen an der Hand stellen häufige Verletzungen dar, die in vielen Fällen unterschätzt werden. Schon eine unzureichend detaillierte klinische Untersuchung kann zu falsch-negativen Befunden führen. Teilweise wird erst nach einigen Wochen eine verspätete Diagnose aufgrund von Deformierungen (z.€B. Knopfloch-, Schwanenhalsdeformität) gestellt, die aus der primär übersehenen Verletzung resultieren.
55
. Tab. 55.1╇ Systematik der Zoneneinteilung bei Strecksehnenverletzungen der Hand
Zone
Finger
Daumen
1
DIP
IP
2
Mittelphalanx
Proximale Phalanx
3
PIP
MP
> Die sekundäre Rekonstruktion nach Streckverletzungen ist deutlich schwieriger und erbringt schlechtere Ergebnis se als die primäre Versorgung.
4
Proximale Phalanx
MHK
5
MP
Retinaculum extensorum
Die Ergebnisse einer akuten Strecksehnenversorgung variieren mit Schwere und Lokalisation der Verletzung, der gewählten Technik und der Nachsorge. Nach einer Durchtrennung von 40% der Strecksehne über dem Grundglied wird der Patient weiterhin auch ohne Versorgung den Finger gegen Widerstand gut strecken können. Bei einer ähnlichen Verletzung über dem proximalen Interphalangealgelenk (PIP) jedoch können unabhängig von der Versorgung ein Verlust der aktiven Streckung und eine schlechte Fingerfunktion resultieren. Für eine adäquate Versorgung sind daher gute Kenntnisse der Anatomie, eine exakte klinische Untersuchung sowie eine suffiziente operative und postoperative Behandlung unerlässlich.
6
MHK
7
Retinaculum extensorum
8
Distaler Unterarm
9
Mittlerer und proximaler Unterarm
55.1.1 Anatomie Die Streckaponeurose des Fingers besteht aus einer Vielzahl von Sehnenzügeln und Bändern (.€Abb.€55.1). Erst die Vereinigung von extrinsischem und intrinsischem System ermöglicht die Streckfunktion in der gegebenen Art und ist das Ergebnis einer koordinierten, gemeinsamen Aktion der einzelnen Anteile. Das extrinsische Sys tem (Mm.€extensor digitorum) bildet den Mittelzügel, bestehend aus den langen, vom Unterarm kommenden Streckern und bewirkt eine Streckung in den Grundgelenken. Die extrinsischen Sehnen gleiten auf Höhe des Retinaculum extensorum durch die Sehnenfächer und verlaufen dann auf den Mittelhandknochen. Alle Sehnen sind untereinander durch intertendinöse Juncturae intertendineae verbunden. Das intrinsische System (Mm.€lumbricales und interossei) bildet die Seitenzügel und besteht aus den kurzen Handmuskeln, die eine Streckung der mittleren und distalen Phalangen bewirken. Insgesamt bildet die Vernetzung von extrinsischem und intrisischem System eine Aponeurose auf der Dorsalseite der Finger. Der Extensorenapparat des Daumens stellt ebenfalls eine Vereinigung des extrinsischen (FPL und FPB) und inrinsischen Systems (Abductor, Flexor und Adductor brevis) dar. Die Verbindung erfolgt auf Höhe des MCP-Gelenkes und bildet einen Zügel, der die Sehne des EPL auf der Konvexität des 1.€MHK stabilisiert. Das intrinsische System beteiligt sich an der Extension des Daumens, es ist aber der EPL, der die Hyperextension ermöglicht. Die subkutane Ruptur oder Verletzung der EPL-Sehne bewirkt eine Schwanenhalsdeformität durch alleinige Zugwirkung des EPB mit Hyperextension im MP-Gelenk. Umgekehrt führt die EPB-LäÂ� sion zu einer Luxation der EPL-Sehne mit resultierender Knopflochdeformität des Daumens, charakterisiert durch eine Flexion im MCP- und Hyperextension im IP-Gelenk.
55.1.2 Zonen In Abhängigkeit der Höhe der Verletzung erfolgte eine Einteilung durch Verdan in 8€topopgraphische Zonen für die Finger und 4€Zonen für den Streckapparat des Daumens. Die 9.€Zone beschreibt eine Zone des mittleren und proximalen Unterarms nach Doyle. Das klinische Bild der Verletzung und die Rekonstruktion werden nach der Systematik in .€Tab.€55.1 und .€Abb.€55.2 kategorisiert. 55.1.3 Diagnostik Die Prüfung der Streckermuskeln der Finger und des Daumens wird in 7€Kap.€50 beschrieben. Zum Ausschluss knöcherner Ausrisse oder von Begleitverletzungen sollte die Untersuchung immer durch radiologische DiagÂ� nostik vervollständigt werden. 55.1.4 Art der Verletzung
Geschlossene Verletzungen Subkutane Rupturen werden in den meisten Fällen am Ansatz der Sehne an der Basis der Endphalanx gesehen (.€Abb.€53.3). Diese Desinsertionen erfolgen ohne oder mit Abriss eines knöchernen Fragmentes. Diese Verletzung, die auch Hammerfinger (»mallet finger«) genannt wird, ist am Daumen nur äußerst selten zu beobachten. Andere geschlossene Rupturen sind die der EPL-Sehnen im Bereich ihrer Verlaufsänderung am Tuberculum listeri oder seltener die Ruptur des medialen Zügels der Extensorensehne mit Knopflochdeformität. Beim Faustschlag werden u.€a. Rupturen der Extensorenzügel auf Höhe der MCP-Gelenke beobachtet. Geschlossene Rupturen werden auch als Komplikation nach osteosynthetischen Versorgungen, insbesondere des distalen Radius beobachtet (.€Abb.€53.4).
Offene Verletzungen Hierbei sind für die Wahl des therapeutischen Vorgehens Mechanismus und Ausmaß der Verletzungen maßgeblich. Eine offene Strecksehnenverletzung am Mittelfinger mit typischem Funktionsausfall
509
55.1 · Strecksehnen
. Abb. 55.1╇ Systematik und Anatomie der Streckaponeurose der Finger. (Aus Tillmann 2010)
zeigt .€Abb.€55.5. Quetschungen, Avulsionen und Abrasionen werden insbesondere von septischen Wunden wie beispielsweise Bissverletzungen unterschieden. Bei einfachen Verletzungen können nach vollständig ausgeführtem Débridement eine einzeitige Rekonstruktion und die frühzeitige Mobilisierung erfolgen. Bei septischen Wunden ist es u.€U. ratsam, die Wiederherstellung sekundär vorzunehmen.
55.1.5 Therapie Bei der Therapie werden die in .€Tab.€55.1 und .€Abb.€55.2 dargestellten Zoneneinteilungen sowie Art, Ausmaß und Mechanismus der Verletzung berücksichtigt.
Konservative Therapie Verletzung in Zone€1 (DIP-Gelenk) Konservative Therapie.╇ Wir bevorzugen die konservative Therapie
des geschlossenen Strecksehnenabrisses an der Endgliedbasis. Bis
55
510
Kapitel 55 · Sehnenverletzungen der Hand
a
55
b . Abb. 55.2╇ Zoneneinteilung bei Strecksehnenverletzungen nach Verdan
c
. Abb. 55.3╇ Geschlossener Abriss des Tractus intermedius des Kleinfingers
zum Abschwellen erfolgt die Ruhigstellung in einer Schiene, danach durch konsequente Ruhigstellung in einer angepassten Stack-Schiene, die jedoch zur Hautpflege unter konsequenter passiver Streckung des Fingers abgenommen werden sollte. Eine ausführliche Aufklärung des Patienten ist hier für den Erfolg der Therapie von maßÂ� geblicher Bedeutung. Die Dauer der Ruhigstellung im DIP-Gelenk beträgt im eigenen Vorgehen 10–12 Wochen. Sodann können Bewegungen ohne Belastungen wieder aufgenommen werden. Insgesamt sollte jedoch eine Belastung für weitere 6€Wochen vermieden werden. Hier kann u.€U. die Schiene bei Belastung weiterhin getragen werden.
. Abb. 55.4╇ Geschlossene Ruptur der Strecksehne (EPL) des Daumens nach Osteosynthese bei Radiusfraktur (a). Rekonstruktion durch Extensor indicis (EI-) Transfer. Die ulnare Sehne Zeigefingerstreckerhaube wird abgesetzt und subkutan unter den Extensor-communis-Sehnen in die Tabatière verlagert. Hier erfolgt die Durchflechtung mit dem distalen Ende der EPLSehne in Pulvertaft-Technik (b). Die Verspannung der rekonstruierten Sehne wird im Tenodesetest überprüft (c)
Chirurgische Therapie.╇ Die Operationsindikationen werden bei
Sehnenverletzungen in Zone€1 kontrovers diskutiert. Wir sehen eine Indikation zur operativen Therapie bei offenen Verletzungen sowie bei geschlossenen gelenkbeteiligenden Frakturen, die mehr als 1/3 der Gelenkfläche betreffen. Sollten Gründe, beispielsweise beruflicher Natur, gegen das Tragen einer Stack-Schiene sprechen, so ist u.€U. die Indikation zur Transfixation im DIP-Gelenk mittels Kirschner-Draht gegeÂ� ben.€ Die Ruhigstellung erfolgt im Normalfall hier für 6€Wochen. Bei zu erwartender Belastung sollte diese individuell verlängert werden.
511
55.1 · Strecksehnen
. Abb. 55.5╇ Offene Strecksehnenverletzung am Mittelfinger mit typischem Funktionsausfall
> Alle anderen Strecksehnenverletzungen sind immer ope rativ zu behandeln.
Operative Therapie Zugangswege
Wie bei allen Handverletzungen ist den Zugangswegen auch hier spezielle Beachtung zu schenken. Hierdurch werden primäre Komplikationen wie Hautnekrosen sowie auch sekundäre Probleme durch Narbenkontrakturen vermieden. Wir empfehlen grundsätzlich eine longitudinale Schnittführung, auch über den Gelenken. Nahttechniken
Sehnennähte an durchtrennten Strecksehnen werden an die Sehnendicke angepasst. Die Dicke der Sehne variiert zwischen 0,55€mm in Zone€2 bis 1,7€mm in Zone€6 (Doyle). In den distalen Zonen bietet sich bei den eher flachen Sehnen die Versorgung durch U-Nähte oder Matratzennähte (4-0 Prolene) an. In den proximalen Abschnitten empfehlen wir in Abhängigkeit der Dicke die Nahttechnik nach Kirchmayr-Kessler, modifiziert nach Zechner (7€Kap.€55.2.5 Beugesehnen). Verletzungen in den Zonen€2 und 4–7 werden durch primäre Sehnennähte versorgt. Bei Verletzungen der Strecksehnen in den Zonen€1 und 3 werden die Stümpfe nach Débridement in Abhängigkeit der Sehnendicke durch U-Nähte oder Sehnennähte nach Kirchmayr-Kessler vereinigt. Für die Kernnaht wird 4.0-Prolene-Nahtmaterial verwandt, die überwendliche Naht für die Feinadaptation erfolgt mit einer überwendlichen fortlaufenden 6.0-monofilen resorbierbaren Naht (PDS). In Zone€2 kann je nach Dicke der Sehne ggf. die Kernnaht mit einer 5.0-Prolene-Naht erfolgen. In den Zonen€8 und 9 werden Verletzungen im muskulotendinösen Übergang bzw. im Muskelbereich mit 3.0-Vicryl-U-Nähten versorgt. Verletzung in Zone€1 (DIP-Gelenk) Die operative Therapie der geschlossenen Endgliedbasisfraktur
(Busch-Fraktur) erfolgt bei gelenkbeteiligenden Frakturen, die mehr als 1/3 der Gelenkfläche betreffen. Nach Möglichkeit wird diese Â�geschlossen vorgenommen, wir empfehlen die Anlage eines Extensionsblocks. Hierfür erfolgt die Blockierung des knöchernen Frag-
mentes mittels eines in die Mittelphalanx eingebrachten KirschnerDrahtes und anschließend die reponierende Transfixation im DIPGelenk (7€Kap.€53). Bei größeren Fragmenten kann das knöcherne Fragment am Endglied auch durch Einbringen einer Schraube oder eines Kirschner-Drahtes refixiert werden. Bei Nutzung von Kirschner-Drähten erfolgt die Implantatentfernung nach 6€Wochen. Offene Verletzungen mit ansatznahen Durchtrennungen oder Abrissen ohne knöchernes Fragment in Zone€1 werden knöchern reinseriert. Hierfür nutzen wir eine 4.0-PDS-Naht, die durch einen V-förmig gebohrten Kanal dorsal im proximalen Endglied gezogen wird (7€Kap.€55.2.5 Beugesehnenreinsertion). Alternativ ist die Reinsertion mittels Durchziehnaht möglich. Hierbei erfolgt das Auffädeln des proximalen Sehnenstumpfes auf eine Lengemann-Drahtnaht oder alternativ eine 4.0-PDS-Naht, die durch das knöcherne Endglied an der Fingerkuppe ausgeleitet wird. Zur Sicherung ist ggf. eine Transfixation des Endgliedes durch einen 1.0-Kirschner-Draht möglich. Verletzung in Zone€3 (PIP-Gelenk)
Durchtrennungen des Mittelzügels in Zone€3 werden bei Verbleiben eines nahtfähigen distalen Stumpfes durch eine Naht wie oben beschrieben readaptiert. Knöcherne Ausrisse des Mittelzügels werden operativ reinseriert. Das Vorgehen entspricht demjenigen nach Ausriss am Endglied. Bei Nutzung einer Lengemann-Ausziehnaht erfolgt die Ausleitung nach dorsal. Auch hier kann eine temporäre Transfixation erfolgen.
Besonderheiten Offene Verletzungen über Zone€5 werden häufig nach Faustschlägen gegen Zähne eines Gegners gesehen. Diese sind somit als Bissverlet zungen und somit als septisch zu bewerten. Bei der Exploration der Wunde ist hier das sog. Kulissenphänomen unbedingt zu beachten. Es erfordert hier eine genaue Inspektion der funktionellen Strukturen auch unter maximaler Flexion im MP-Gelenk, da eine Streckung unter der Operation eine Verschiebung der Strukturen und somit eine Bedeckung von tiefer liegenden Defekten und Gelenkeröffnungen bewirken kann. > Bissverletzungen erfordern immer eine i.v.-Antibiotika therapie mit einem Penicillin plus β-Laktamaseinhibitor oder einem Cephalosporin der 2.€Generation, die an die Resistenzbestimmung eines intraoperativen Abstriches angepasst wird.
55.1.6 Nachbehandlung Die physikalische Nachbehandlung bei versorgten Strecksehnenverletzungen kann statisch wie dynamisch geführt werden. Wenn es aufgrund der Verletzung oder Lokalisation geboten ist, favorisieren wir eine dynamische Nachbehandlung in einer InverseKleinert-Schiene. Mit 45° Extension im Handgelenk und 30° Beugung der Grundgelenke erfolgt die aktive Beugung in der Fingern bei passiver Retraktion durch die angelegten Gummizügel (.€Abb.€55.6). Ansonsten ist grundsätzlich eine statische Nachbehandlung angezeigt. Bei Patienten mit eingeschränkter Compliance kann eine Ruhigstellung bis zur Abheilung der Strecksehne erfolgen. Jedoch sollten auch hier unter krankengymnastischer Anleitung passive Bewegungsübungen erfolgen, um Verklebungen und Einsteifung vorzubeugen.
55
512
Kapitel 55 · Sehnenverletzungen der Hand
. Abb. 55.6╇ Dynamische Nachbehandlung mit passiver Retraktion bei Strecksehnenverletzungen
55
55.2
Beugesehnen
Verletzungen der Beugesehnen sind häufige und chirurgisch anspruchsvoll zu versorgende Verletzungen. Anfänglich erbrachten diese auch bei Versorgung durch gute Handchirurgen nur schlechte Ergebnisse. Erst ein erweitertes Verständnis der Biomechanik, der Sehnenheilung und -versorgung sowie der Bedeutung der SehnenÂ� gleitgewebe beförderte die Entwicklung von primären operativen Versorgungstechniken und einer speziellen dynamischen Nachbehandlung. Somit wurde eine Rehabilitation mit guten funktionellen Ergebnissen für einen Großteil der Patienten innerhalb von 8€Wochen ermöglicht. Es ist hierbei zu beachten, dass die Ergebnisse dennoch multifaktoriell beeinflusst werden. Ausmaß der Verletzung, Mechanismus und Höhe sowie Begleitverletzungen haben ebenso nachweisbare Effekte auf individuelle Operationsergebnisse wie die Mitarbeit des einzelnen Patienten in der Nachbehandlung. Hierbei ist zu bedenken, dass diese wesentlich von einer adäquaten Aufklärung durch den Operateur abhängt. Ein Versagen der primären Reparatur mit Verklebungen oder Rupturen erfordert eine sekundäre Tenolyse oder Rekonstruktion mit Rehabilitation, die u.€U. 6, aber auch bis zu 12€Monate beanspruchen kann. 55.2.1 Anatomie Die oberflächlichen (Mm.€flexor digitorum superficialis 2–5) und tiefen Beugesehnen (Mm.€flexor digitorum profundus 2–5) der Finger erwirken durch ihre unterschiedlichen Ansätze eine Beugung in den Gelenken der Finger. Diese vereinfachen eine klinische Überprüfung und ermöglichen eine differenzierte Diagnosestellung. Die Beugung des Daumens erfolgt durch den langen Daumenbeuger (M.€flexor pollicis longus). Die Beugesehnen verlaufen teilweise durch Sehnenscheiden, die sie bei ihrem Verlauf über Gelenke und Hypomochlien sowie durch osteofibröse Kanäle schützen und ein Gleitlager bilden. Zusätzlich haben die Sehnenscheiden und insbesondere die Synovialflüssigkeit eine wichtige nutritive Funktion für die Sehnen. Die nutritive Versorgung erfolgt zum einen durch Diffusion über die Synovialflüssigkeiten und zum anderen über eine direkte Gefäßversorgung. Muskulärer Ursprung und knöcherner Ansatz werden über hier befindliche kleine Gefäße versorgt. An den Fingern verlaufen kleine Abgänge aus transversen Arterien in den Vinculae zur Dorsalseite der Gefäße. Alle oberflächlichen und tiefen Beugesehnen weisen 2€lange und 2€kurze Vinculae auf (.€Abb.€55.7).
. Abb. 55.7a, b╇ Die Anordnung des Gefäßsystems der Sehnen der Mm.€flexor digitorum profundus (1) und superficialis (2) im Fingerkanal. Jede Sehne wird von einem kurzen (3) und einem langen (4) Vinculum versorgt
55.2.2 Pathophysiologie Nach durchgehend schlechten Ergebnissen wurde die Zone€2 von Bunnell als »Niemandsland« postuliert. In dieser Zone sollte keine Primärversorgung von Beugesehnenverletzungen durchgeführt werden. Erst durch die Pionierarbeiten von Verdan und Kleinert wurde diese Tabuzone zum »Nicht-Jedermannsland« relativiert. Das ehemalige Niemandsland ist gekennzeichnet durch den Verlauf der Sehne in der Sehnenscheide, die als Gleitlager dient und zugleich nutritive Eigenschaften hat. Diese nutritiven Eigenschaften bewirken im Sinne einer extrinsischen Narbenbildung eine vermehrte Fibroblastenbesiedelung und induzieren somit Adhäsionen der Sehnen mit dem Gleitgewebe, die die ursprünglich schlechten Ergebnisse in der Beugesehnenchirurgie verantworteten. Einen bedeutenden Schritt im Verständnis der Beugesehnenheilung stellte der Nachweis zusätzlicher intrinsischer Nutrition und Narbenbildung dar, die sie aus einer longitudinalen segmentierten Mikrovaskularisation bezieht und über die in den dorsalen Vinculae laufende Gefäße gespeist werden. Besonderheiten der Beugesehnenchirurgie 4 In der Beugesehnenchirurgie ist eine möglichst atraumatische Präparation unbedingt zu beachten. 4 Vinculae sollten geschont werden, und Sehnenscheiden sowie Ringbänder sollten nach Verletzung oder Eröffnung rekonstruiert werden. 4 Nahtmaterial ist bevorzugt auf die Palmarseite der Sehnen zu lokalisieren.
513
55.2 · Beugesehnen
55.2.3 Diagnostik Für eine spätere Versorgung ist die genaue Anamneseerhebung von essenzieller Bedeutung. Das Auffinden von Sehnenstümpfen ist in direktem Zusammenhang mit der Stellung des Fingers zum Zeitpunkt der Verletzung zu setzen. ! Cave Die Sehnenstümpfe finden sich u.€U. nicht im Bereich der Verletzung.
Kraftaufwendungen während des Traumas können eine stärkere Retraktion der Sehne, ggf. mit Abriss von Vinculae, erwirken. > Wie immer ist ein Infektionspotenzial durch die erfolgte Verletzung genauestens zu eruieren.
Bei der klinischen Untersuchung – die klinische Zoneneinteilung von Beugesehnenverletzungen ist in .€Abb.€55.8 dargestellt – kann eine Beugesehnendurchtrennung bereits inspektorisch diagnostiziert werden, wenn die oberflächliche und tiefe Sehne betroffen sind und der Tonus der Fingerstrecker überwiegen sollte (.€Abb.€55.9). Zum Ausschluss von isolierten oder Teilverletzungen ist jedoch immer auch eine aktive Funktionsprüfung durchzuführen, und im Zweifelfall sollte stets operativ exploriert werden. Die Prüfung der Streckermuskeln der Finger und des Daumens wird in 7€Kap.€50 beschrieben. Zum Ausschluss knöcherner Ausrisse oder Begleitverletzungen sollte die Untersuchung immer durch radiologische Diagnostik vervollständigt werden.
. Abb. 55.8╇ Klinische Zoneneinteilung von Beugesehnenverletzungen
55.2.4 Art der Verletzung
Geschlossene Verletzungen Subkutane Rupturen betreffen in erster Linie die tiefen Beugesehnen am knöchernen Ansatz im Endglied. Starke Kraftaufwendung kann hier die Ursache sein. Die traumatischen Beugesehnenrupturen werden von denen rheumatoider Genese unterschieden.
Offene Verletzungen Hier gilt es, ähnlich wie bei den Strecksehnenverletzungen aseptische von kontaminierten und septischen Wunden zu differenzieren. Eine einzeitige Rekonstruktion und frühzeitige Mobilisierung sollten nach Möglichkeit immer primär durchgeführt werden.
. Abb. 55.9╇ Klinischer Aspekt bei Durchtrennung der oberflächlichen (komplett) und tiefen (partiell) Beugesehne. Weitere Differenzierung durch klinische Untersuchung der getrennten Funktionen von FDS- und FDP-Sehne. Klarheit bringt letztlich nur die chirurgische Exploration
55.2.5 Therapie Unter Kenntnis der Anatomie, Biomechanik und Heilung der BeugeÂ� sehnen konnte ein Konzept der primären Rekonstruktion entwickelt werden, das eine frühe dynamische Nachbehandlung einschließt. Die funktionellen Ergebnisse unter dieser Therapie sind nach einfachen Verletzungen in der Regel gut und ermöglichen eine Rekonvaleszenz nach 7–9€Wochen. Bei der Therapie werden die oben genannten Zoneneinteilungen (.€Abb.€55.8) sowie Art, Ausmaß und Mechanismus der Verletzung berücksichtigt.
Konservative Therapie Bei frischen Beugesehnenverletzungen besteht immer die Indikation zur operativen Versorgung.
Operative Therapie Zugangswege
Bei der Wahl der Hautinzision ist wie immer darauf zu achten, eine ausreichende Übersicht für die Versorgung der verletzten Strukturen zu schaffen und sekundäre Komplikationen durch Minderperfusion oder Narbenstränge zu vermeiden. Am Finger erfüllt die Hautinzision nach Brunner (.€Abb.€55.10) alle Kriterien, die Schnittführung sollte immer an ggf. vorgegebene Wunden adaptiert werden. Eine dorsolaterale oder Z-förmige Inzision bzw. eine quere Schnittführung über Gelenken kann zur Erweiterung der vorgegebenen Schnitte genutzt werden. ! Cave Unter allen Umständen sind palmar gerade Schnitte, insbesondere über Gelenken, zu vermeiden.
55
514
Kapitel 55 · Sehnenverletzungen der Hand
Nahttechniken
Wir bevorzugen hier die Nahttechnik nach Kirchmayr-Kessler, modifiziert nach Zechner (.€Abb.€55.11b). Die Adaptation der Sehne erfolgt durch 2€unabhängige Nähte. Für die Kernnaht wird ein 4.0Prolene-Faden genutzt, der Knoten wird hierbei durch eine kleine Inzision in die Sehne hineinverlagert. Beim Knüpfen ist zu beachten, dass die Enden gut adaptiert sind, ohne einen Wulst auszubilden. Die Feinadaptation wird über eine epitendineale überwendliche Naht mit 6.0-PDS-Nahtmaterial erreicht. Verletzung in Zone 1
Isolierte Durchtrennung der Profundussehne: Ist das distale Ende ausreichend lang und kräftig, so wird die Beugesehnennaht in der oben dargestellten Technik durchgeführt. Bei knöchernen Ausrissen bzw. ansatznahen Läsionen erfolgt die knöcherne Reinsertion durch
55
. Abb. 55.10╇ Palmare Schnittführungen bei der Versorgung von Beugesehnenverletzungen. Die Zugangswege müssen kürzestmöglich die Wunden verlängern und die Reparatur von Sehnen und vaskulonervösem Bündel erleichtern. Bajonett-, T- und Z-förmige Inzisionen zählen zu den gebräuchlichsten Zugängen
Bei vorgegebenen Schnitten kann eine Z-Plastik einen sekundären Narbenstrang verhindern. Das Auffinden der Sehnenenden sollte möglichst atraumatisch erfolgen. Blindes Instrumentieren verursacht Läsionen und begünstigt die Entwicklung späterer Adhäsionen. Eine großzügige Übersicht durch Erweiterung der Schnitte ist hier zu bevorzugen. Das Aufsuchen der Sehnenenden sollte in Flexionstellung in Handgelenk und Fingern erfolgen. a
b . Abb. 55.11╇ Techniken der Beugesehnennaht: Atraumatische Behandlung ist für eine adhäsionsfreie Heilung unabdingbar (a). Sehnennaht nach Kirchmayr-Kessler modifiziert nach Zechner (b)
515
55.2 · Beugesehnen
eine transossäre Naht (7€Kap.€55.1.5 Strecksehnen) oder durch eine Ausziehnaht. Hierfür nutzen wir eine Drahtnaht oder eine 4.0-PDSNaht, die transossär ausgeleitet wird. Bei Ausleitungen am Nagel sollte immer beachtet werden, die Naht distal der Lunula auszuleiten, um Verletzungen der fertilen Matrix zu vermeiden. Wir empfehlen hier die Transfixation im DIP-Gelenk, um eine sekundäre Kontraktur zu verhindern. Verletzungen in Zone 2
Verletzungen in diesem Bereich sind die häufigsten und betreffen ca. 50% der Fälle. Häufig liegen Verletzungen der tiefen und der oberflächlichen Beugesehnen vor. Je ansatznäher die Verletzungen der oberflächlichen Beuger sind, desto eher kommen hier U-Nähte zum Einsatz. Abhängig vom Kaliber der Sehnen empfehlen wir hier 4.0oder 5.0-Prolene-Nähte. Eine der Schwierigkeiten in Zone€2 besteht in der Enge des Sehnenkanals. Während der Präparation sollte die synoviale Hülle erhalten oder später rekonstruiert werden, um den frühzeitigen Synovialfluss zu sichern. Nach Auffinden der Sehnenenden erfolgt zunächst eine transdermale Fixierung der Enden durch Kanülen, um jegliche Spannung bis zum Abschluss der Naht zu vermeiden. > Grundsätzlich ist immer die Rekonstruktion beider Sehnen anzustreben, im Zweifelsfall jedoch sollte die Priorität auf der Rekonstruktion der tiefen Beugesehne liegen. Verletzungen in Zone 3
Verletzungen in dieser Zone haben eine gute Prognose. Liegt die Läsion auf Höhe des A1-Ringbandes, sollte nach Abschluss der Rekonstruktion eine funktionelle Überprüfung der Mechanik erfolgen. Bei Hindernis der Gleitfähigkeit der rekonstruierten Sehne durch das Ringband sollte dieses partiell oder vollständig durchtrennt werden. Verletzungen in Zone 4
Bei Verletzungen im Bereich des Karpalkanals sollte der N.€ medianus immer dargestellt werden. Die vollständige Spaltung des Retinaculum flexorum ist zur Vermeidung von sekundärer Kompression auf den N.€ medianus zwingend erforderlich. Die Naht der verletzten Sehnen erfolgt in der oben dargestellten Technik. Verletzungen in Zone 5
Aufgrund häufiger Begleitverletzungen der radialen und ulnaren Gefäß-Nerven-Bündel ist hier eine genaue Exploration erforderlich. Die Sehnennähte erfolgen in der oben dargestellten Technik, in muskulotendinösen Übergangsbereichen werden die Rekonstruktionen durch U-Nähte unter Nutzung von 3.0-Vicryl-Nahtmaterial hergestellt. 55.2.6 Nachbehandlung Der Nachbehandlung kommt bei Beugesehnenverletzungen eine wichtige Bedeutung zu. > Auch bei chirurgisch einwandfreier Versorgung ist ein funktionell zufriedenstellendes Ergebnis nur durch eine adäquate dynamische Nachbehandlung zu erreichen.
Es existieren zahlreiche Variationen in der Behandlung, z.€T. mit Einsatz kontrollierter aktiver Übungselemente ab der 3.€Woche. Um eine vollkommene Entspannung der Beugemuskulatur zu erwirken, erfolgt die postoperative Ruhigstellung initial in einer dorsalen Gipsschiene mit
. Abb. 55.12╇ Nachbehandlung nach Beugesehnenverletzung nach Kleinert
4 30° Flexion im Handgelenk, 4 50° Beugung in den MP-Gelenken und 4 30° Beugung in der Interphalangealgelenken. 48€h nach operativer Versorgung wird dann die Kleinert-Schiene angelegt: 4 initial mit 30° Flexion im Handgelenk und 4 60° Beugung in den MP-Gelenken, 4 0° in den IP-Gelenken. Durch Gummibänder werden die Finger in Beugung gehalten, um die Flexoren zu entspannen. Die Gummibänder der Finger sollten über ein Hypomochlion auf das Tuberkulum des Skaphoids gerichtet sein. Nur die aktive Streckung gegen den Widerstand des GumÂ� mibandes wird erlaubt, die Rückführung in die Flexion erfolgt passiv€ durch die Gummibänder. Grundsätzlich empfehlen wir, alle Â�Finger in die dynamische Schiene mit einzubeziehen, um Willkürbewegungen zu vermeiden und den Quadriga-Effekt auszuschalten (.€Abb.€55.12). Nach 3€Wochen wird die Schiene im Handgelenk in Neutralstellung gebracht oder das Handgelenk unter weiterer Zügelung der Finger bereits freigegeben. Bei zuverlässig und aktiv mitarbeitenden Patienten wird 4€Wochen nach der Operation die Zügelung entfernt. Der Patient soll dann aktive Übungen ohne jegliche Belastung durchführen. Der Patient ist darauf hinzuweisen, dass die Sehne bei einer unbedachten kräftigen Beugesehnenaktivierung rupturieren kann. Für handwerklich arbeitende Personen gilt, dass eine volle Belastbarkeit der Langfingersehnen erst nach 8€Wochen, der langen Daumenbeugesehne erst nach 12€Wochen gegeben ist. Zur weiteren Optimierung der Behandlungsergebnisse haben Chow et al. (1987) das »Washington-Regime« zur Weiterbehandlung nach Beugesehnenverletzung entwickelt. Hierbei werden aktive und passive Übungen frühzeitig kombiniert. Das Verfahren erfordert allerdings eine optimale Infrastruktur mit enger täglicher Anbindung der Patienten an eine physiotherapeutische Einrichtung und intensiver Zuwendung seitens des Therapeuten.
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516
Kapitel 55 · Sehnenverletzungen der Hand
Literatur
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Brunner JM (1967) The zig-zag volar-digital incision for flexor-tendon surgery. Plast Reconstr Surg 40: 571 Chow JA,Thoms LJ, Dovelle S, Milnor WH, Seyfer AE, Smith AC (1987) A combined regimen of controlled motion following flexor tendon repair in »no man’s land«. Plast Reconstr Surg 79: 447–453 Kleinert HE Verdan C (1983) Report of the committee on tendon injuries. J Hand Surg 8: 794 Landsmeer JMF (1949) The anatomy of the dorsal aponeurosis of the human finger and its functional significance. Anat Rec 104: 31 Newport ML, Williams CD (1992) Biomechanical characteristics of extensor tendon suture techniques. J Hand Surg 17A: 1117 Rockwell WB, Butler PN, Byrne BA (2000) Extensor tendon: Anatomy, injury, and reconstruction. Plast Reconstr Surg 106: 1592 Strickland JW (1995) Flexor tendon injuries: II. Operative technique. J Am Acad Orthop Surg 3: 55 Strickland JW (2000) Development of flexor tendon surgery: Twenty-five years of progress. J Hand Surg 25A: 214 Tillmann BN (2010) Atlas der Anatomie des Menschen, Kap€6: Obere Extremität – Muskeln. Springer, Berlin Heidelberg New York Towfigh H (2001) Sehnenchirurgie. In: Schmit-Neuerburg KP,Towfigh H, Letsch R,Tscherne (Hrsg) Unfallchirurgie: Ellenbogen Unterarm Hand. Bd 2: Hand. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 581
56
Komplexverletzungen, Revaskularisation und Replantation der Hand K.H. Busch, A. Gohritz
56.1
Therapieprinzipienâ•… – 518
56.2
Evaluation der Verletzungâ•… – 518
56.3
Therapeutisches Vorgehenâ•… – 519
56.3.1 56.3.2
Therapieplanungâ•… – 519 Chirurgisches Prozedereâ•… – 519
56.4
Revaskularisation und Replantationâ•… – 523
56.4.1 56.4.2 56.4.3 56.4.4 56.4.5 56.4.6 56.4.7
Indikationsstellungâ•… – 524 Präoperatives Vorgehenâ•… – 524 Technische Voraussetzungen zur Replantationâ•… – 527 Chirurgisches Vorgehenâ•… – 527 Postoperatives Managementâ•… – 529 Ergebnisbewertungâ•… – 530 Komplikationenâ•… – 530
56.5
Fazitâ•… – 530
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
518
56
Kapitel 56 · Komplexverletzungen, Revaskularisation und Replantation der Hand
Komplexe Handverletzungen sind nicht genau definiert, man versteht darunter jedoch allgemein schwere Verletzungen multipler wichtiger Strukturen, die zur Gefährdung des Überlebens des Körperteils und oft zu erheblichen Funktionseinschränkungen führen. Die Qualität der Behandlung dieser speziellen Unfallfolgen bestimmt daher die weitere Einsatzfähigkeit der gesamten oberen Extremität im Alltag und Beruf und damit die Erwerbsfähigkeit und Lebensqualität des Patienten. Das Management einer solchen komplexen Handverletzung bedarf einer fundierten Kenntnis der Anatomie der Hand und des Karpus, einer gezielten Operationsplanung und chirurgischer Erfahrung im Bereich der Knochenchirurgie, der Mikrochirurgie und der Wiederherstellung von Weichteilen der oberen Extremität mit Nahlappen, gestielten Fernlappen und freien Lappentransplantaten.
1. 2. 3. 4.
56.1
4 4 4 4 4
Therapieprinzipien
Komplexe Handverletzungen sind häufig das Ergebnis von Hochenergietraumata, wie z.€B. Autounfällen, Quetsch- oder Explosionsverletzungen. Es müssen daher stets weitere Verletzungen an anderen Organsystemen, die u.€U. lebensbedrohlich sein können, ausgeschlossen sein. Hierbei gelten folgende Prioritäten:
56.2
Evaluation der Verletzung
Komplexe Verletzungen sind zudem oft Kombinationsverletzungen, z.€B. bei Kreissägenunfällen (.€Abb.€56.1). Sie umfassen oft unterschiedliche Verletzungsarten wie 4 Schnittwunden (mit glatter Durchtrennung von Strukturen), 4 Rissverletzungen/Quetschungen (mit Gewebekontusion), 4 Avulsionen (mit Traktionsschädigung), 4 thermische Zerstörungen. Von der Gewebezerstörung können betroffen sein: Weichteilgewebe, Gefäße, Nerven, Muskel-Sehnen-Einheiten, Knochen und Gelenke.
a
b
c
d
. Abb. 56.1╇ Versorgung einer komplexen Handverletzung (Kreissäge; a). Rekonstruktion der Beugesehnenverletzungen am 3.€Finger. Defektdeckung des Weichteildefektes am Ringfinger durch ulnarseitiges Filet. Defektdec-
Erhalt des Lebens des Patienten. Maximaler Gewebeerhalt an der verletzten Extremität. Erhalt oder Wiederherstellung der Funktion. Ästhetische Wiederherstellung.
kung der Daumenkuppe aus neurovaskulärem radialseitigem Filet des knöchern zerstörten Zeigefingers (b). Exzellente opponierende Greiffunktion mit sensibler Daumenkuppe (c,€d)
519
56.3 · Therapeutisches Vorgehen
56.3
Therapeutisches Vorgehen
56.3.1 Therapieplanung Aufgrund der Beteiligung vieler unterschiedlicher Strukturen ist die chirurgische Versorgung auf die in der .€Übersicht genannten Ziele gerichtet. Ziele der chirurgischen Versorgung komplexer Handverletzungen 4 Komplette Entfernung von avitalem und infiziertem Gewebe 4 Wiederherstellung der Gewebsperfusion 4 Knöcherne Stabilisierung mit minimalem zusätzlichem Weichteiltrauma 4 Stabile, gut durchblutete und ästhetisch anspruchsvolle Weichteilbedeckung 4 Frühe Mobilisierung der Extremität, um posttraumatische Vernarbung zu minimieren und Funktion und Bewegung der Hand zu erhalten
> Die Therapieplanung basiert auf der sorgfältigen initialen Analyse der Verletzung. Dies schließt die Evaluation des nach der chirurgischen Primärversorgung entstandenen Defekts und der ausgefallenen Funktionen ein. Wichtig ist es, bereits vor Beginn der Versorgung die Rekonstruk tionsmöglichkeiten inklusive der Weichteildeckung zu planen.
Ziele einer vorausschauenden Planung der operativen Versorgung ist die Wiederherstellung der Handfunktion oder der Erhaltung einer Residualfunktion der Hand sowie bei Bedarf die Schaffung günsÂ� tiger Voraussetzungen für eventuelle Zweiteingriffe. Der Patient ist in diese Überlegungen so weit wie möglich einzubeziehen und umfassend über den möglichen Gewinn, aber auch die Risiken des weiteren Vorgehens aufzuklären. 56.3.2 Chirurgisches Prozedere Das chirurgische Vorgehen kann in Abhängigkeit vom Befund als Flussdiagramm dargestellt werden (.€Abb.€56.2). Es unterteilt sich in mehrere Schritte: 1. Akutbehandlung/Schockraummanagement
Die chirurgische Erstbehandlung beginnt mit: 4 Bewertung der Verletzung und möglicher Zusatzverletzungen (ABC-Regel, Ausschluss von Lebensgefahr und Beteiligung von Sinnesorganen, v.€a. Augen und Ohren). 4 Stillung akuter Blutungen (durch Druckverband, in der Regel kein Abklemmen von Gefäßen). 4 Reposition knöcherner Fehlstellungen. 4 Kontrolle des Tetanusschutzes, ggf. Auffrischung oder Impfung, Antibiotikagabe. 4 Kühlung von devaskularisiertem Gewebe (Belassung von intakten Hautbrücken, bei Ischämie evtl. Anlage eines temporären Gefäß-Shunts).
> Polytraumatisierte Patienten, also Patienten mit lebens bedrohlicher Verletzung von einem oder mehreren Organ systemen, müssen immer unter dem Aspekt der führen den Verletzung beurteilt werden (»life before limb«). Hier beschränkt sich die Therapie der Handverletzung auf die provisorische Stabilisierung der knöchernen Verletzungen und Blutstillung. Amputationen können bei klinisch insta bilen Patienten sinnvoller sein als langwierige Rekonstruk tionen.
Nach Feststellung der führenden Verletzungen durch das Polytraumamanagement erfolgt die Triage und gemeinsame Festlegung des weiteren Vorgehens. Bezüglich der Extremitätenverletzung sind 4 die Blutstillung und 4 das Verhindern primär lebensbedrohlicher Blutverluste erste Ziele im Schockraum. > Zur Erstversorgung gehört ebenso die vollständige In spektion nach Entfernen von evtl. am Unfallort ange brachten Druckverbänden, um die Durchblutung der Ex tremitäten sicher beurteilen zu können. Häufig zeigt sich nach Entfernen eines Kompressionsverbandes eine deut lich verbesserte Durchblutungssituation mit wesentlich günstigeren Voraussetzungen für das weitere Vorgehen und die Planung.
Nach dem Entfernen der initialen Verbände und klinischer Evaluation der Verletzung erfolgt zunächst die Durchblutungskontrolle. Ist der Puls nicht sicher palpabel, so wird der Status dopplersonoÂ� graphisch erhoben. Unbedingt ist auch die Sensibilitätsprüfung vor einer evtl. geplanten Intubation durchzuführen. Die Anamnese schließt Alter, Beruf, Freizeitinteressen, Zusatzerkrankungen, Medikamente, Allergien und andere Faktoren, wie z.€B. Nikotinkonsum ein. > Immer ist auch der genaue Unfallhergang und -mechanis mus (z.€B. sollten bei Quetschtrauma durch Walzen der Anpressdruck und Walzenabstand dokumentiert werden; .€Abb.€56.3) zu erheben, da das Ausmaß des Gewebs traumas die weitere Therapie und Prognose wesentlich beeinflussen kann. ! Cave Die operative Versorgung von Extremitätenverletzungen darf das Leben des Patienten auf gar keinen Fall weiter gefährden. Die Operationszeit ist möglichst gering zu halten, eine schnelle Amputation kann in solchen Fällen besser sein als der langwierige Versuch des Extremitäten erhalts. 2. Chirurgische Wundreinigung/Débridement
Beim Débridement komplexer Handverletzungen gelten folgende Prinzipien: 4 Exzision der Wunde und aggressives Débridement von nekrotischem und ischämischem Gewebe, v.€a. Muskulatur. 4 Erhalt kritischer Strukturen (Nerven, Sehnen und Arterien). 4 Präparation in Blutleere. 4 Markierung wichtiger Strukturen wie z.€B. Nerven, Gefäße und Sehnen für eventuelle sekundäre Rekonstruktionen.
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520
Kapitel 56 · Komplexverletzungen, Revaskularisation und Replantation der Hand
56
. Abb. 56.2╇ Flussdiagramm Chirurgisches Prozedere bei komplexer Handverletzung
> Bei Amputationen sollten im Rahmen des initialen Débri dements gut erhaltene und vaskularisierte Gewebeanteile (»spare parts«, z.€B. Knochen, Sehnen, Nerven- oder Gefäß interponate) immer für den Gebrauch bei der Rekonstruk tion oder zur Weichteilbedeckung (Filet-Lappen, Haut transplantate) erhalten werden.
Vom Gesunden her beginnend werden zunächst die funktionellen Strukturen dargestellt, meist ist eine Schnitterweiterung nach distal und proximal notwendig. Das Ausmaß des notwendigen Débridements ist bei QuetschunÂ� gen oder Kontusion (»crush injuries«) der Hand oft schwer zu beurteilen. Die Wundbeurteilung kann insbesondere bei geschlossenen Verletzungen kompliziert sein, weil hier oft ein erheblicher Weich-
teilschaden vorliegt, der präoperativ aber in den meisten Fällen unterschätzt wird. > Ist das genaue Ausmaß der Gewebeschädigung voraus sichtlich größer als in der Initialsituation absehbar, erfolgt zunächst nur eine provisorische Deckung. 3. Rekonstruktion von Knochen und Gelenken
Die Stabilisierung der knöchernen Verletzungen erfolgt in der Regel mit einer einfachen, schnellen und wenig traumatisierenden Methode, also Kirschner-Draht oder Fixateur externe, seltener mit Plattenosteosynthese (.€Übersicht).
521
56.3 · Therapeutisches Vorgehen
a
b
c
d
e
f
. Abb. 56.3╇ Versorgung einer komplexen Quetschverletzung durch Walzenpresse mit dorsalseitiger und palmarseitiger Weichteilzerstörung der Langfinger (a, b) . Knochen und Weichteilrekonstruktion des 4.€und 5.€Fingers sowie des Daumens und Defektdeckung der knöchern erhaltenen
Langfinger durch gestielten Leistenlappen (c) . Nach Einheilung und Abtrennung des Lappenstiels zunächst Konsolidierung (d) und abschließende Separation der Einzelfinger im Sinne einer Syndaktylietrennung (e) mit exzellentem funktionellem und ästhetischem Ergebnis (f)
Wichtige Strategien bei der Versorgung knöcherner Verletzungen 4 Darstellung der Fraktur mit minimaler Wundvergrößerung und ohne Zerstörung des Periosts 4 Maximaler Längenerhalt; Knochenkürzung nur, wenn zum primären Weichteilverschluss oder zur Knochen- und Nervenrekonstruktion unbedingt notwendig
4 Akkurate anatomische Rekonstruktion von Frakturen unter spezieller Berücksichtigung von Gelenkflächen 4 Überbrückung von Defektstrecken mit Fixateur externe oder Platte, insbesondere bei monokortikalen Defekten 4 Aufwendige knöcherne Rekonstruktionen, z.€B. mit Beckenkammspan werden meist sekundär durchgeführt
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522
Kapitel 56 · Komplexverletzungen, Revaskularisation und Replantation der Hand
Bei der knöchernen Stabilisierung empfiehlt sich der Gebrauch von möglichst minimalinvasiven Implantaten, die eine frühe übungsstabile Bewegungstherapie ermöglichen. Beispiele hierfür sind: 4 Radius-/Ulnaplattenosteosynthese, 4 Herbert-Schraube, Stabilisierung mit Kirschner-Drähten, Zuggurtung, K-Drähte und Cerclage. 4 Ossa-metacarpalia-Miniplattenfixation zur frühen Mobilisierung. > Unbedingt notwendig ist der Ausschluss von Zusatzverlet zungen, indem das Handgelenk oder die Finger unter dem Bildwandler durchbewegt werden, um z.€B. übersehene Bandverletzungen oder Luxationen aufzudecken.
56
Bei einer perilunären Luxationsfraktur sollten immer eine offene Reposition und Versorgung der Bandstrukturen, v.€a. des SL-Bandes, mit Bandnähten erfolgen. Bei Gelenkdestruktionen ist oft eine primäre Arthrodese in entsprechender Funktionsstellung des betroffenen Gelenkes ratsam. Ist nur eine Gelenkfläche betroffen, kann eine InterpositionsarthroÂ� plastik mit gelenknahen Bandstrukturen bei Fingergelenken z.€B. mit der palmaren Platte durchgeführt werden. 4. Sehnennaht und -rekonstruktion
Bei der Wiederherstellung von Sehnenfunktionen gelten die in der .€Übersicht dargestellten Richtlinien. Wiederherstellung von Sehnenfunktionen 4 Exzision von gequetschten Handbinnenmuskeln (v.€a. Mm.€interossei und lumbricales) zur Vorbeugung einer späteren ischämiebedingten Kontraktur 4 Möglichst Naht der oberflächlichen und tiefen Fingerbeuger, sonst nur der tiefen Fingerbeuger 4 Rekonstruktion und Naht der A2- und A4-Ringbänder, um Bogensehnenphänomen zu verhindern 4 Bei Bedarf primäre Tenodese oder SehnentranspositionsÂ� operation 4 Spätrekonstruktion mittels Tenolyse, Sehnentransposi- tion, -transplantation oder funktioneller MuskeltransplanÂ� tation
Sehnennähte werden, wenn möglich, primär durchgeführt. Die oberÂ�flächlichen Beugesehnen können als Spender genutzt werden. Bei langstreckigen Ausrissen wird meist eine sekundäre Rekonstruktion mit Silastik-Stabeinlage und späterer Sehnentransplantation (z.€B. der PL-Sehne) durchgeführt. Die verletzten Strukturen müssen aber bei der Erstversorgung identifiziert und zugeordnet werden. 5. Versorgung von Gefäßverletzungen
Wichtige Gesichtspunkte bei der Rekonstruktion von Gefäßverletzungen, die meist erst nach der Versorgung von Knochen- und Sehnenverletzungen stattfindet, sind in der .€Übersicht dargestellt.
Rekonstruktion von Gefäßverletzungen 4 Anlage von temporären Shunts bei kritischer Ischämie 4 Präparation von Gefäßen mit mikrochirurgischen Instrumenten unter Sicht in Blutleere 4 Einsatz des Fogarthy-Katheters proximal und distal der Gefäßverletzungen 4 Rückkürzung von Gefäßen bis zum Erreichen von gesundem, nicht verletztem Gewebe (Cave: Intimaschäden bei Avulsionsmechanismus) 4 Regelmäßige Spülung der Gefäße mit Heparinlösung (10€µ/ml) 4 Gefäßnähte unter dem Mikroskop, möglichst außerhalb der Verletzungszone 4 Zum Längengewinn: – Ligatur oder Abtrennung von Seitenästen – Interposition von Venentransplantaten (in umgekehrter Flussrichtung) 4 Venentransplantate werden möglichst außerhalb der VerÂ�letzungszone eingebracht und vorher aufgedehnt 4 Rekonstruktion möglichst beider Gefäßstämme der A.€radialis und der A.€ulnaris
Bei Makroreplantationen ist zunächst die Revaskularisierung vordringlich, noch vor Sehnen- und Nervennähten. Gequetschte oder ausgerissene Gefäße müssen bis hinter die Kontusionszonen gekürzt werden. Zur Venenentnahme für langstreckige Defekte eignet sich die V.€saphena magna zur Interposition, sonst Venen vom Unterarm. Zu einer Revaskularisi erung proximal der Hand gehört meist auch die Kompartmentspaltung zur Verhinderung eines KompartmentÂ�syndroms infolge der Reperfusion. Es versteht sich von selbst, dass eine arterielle Revaskularisation nur bei gesichertem venösem Abfluss sinnvoll ist. Wenn möglich und sinnvoll, sollte bei Makroreplantationen immer der Versuch der Revaskularisation unternommen werden. Bei der Indikationsstellung ist hierbei immer das zu erwartende funkÂ� tionelle Ergebnis in Betracht zu ziehen, auch vor dem Hintergrund des Alters, des Berufes und der Hobbys des Patienten. Bei komplexen Amputationsverletzungen, z.€B. von mehreren Fingern und des Daumens, kann auch eine extraanatomische Rekonstruktion durch heterotope Replantationen erfolgreich sein, etwa beim Daumenersatz durch einen Finger. > Bei Replantationen ist immer mit dem funktionell wich tigsten Amputat zu beginnen.
Bei Replantationen ist die spätere Funktionalität entscheidend. Knochen und Sehnen sollten entsprechend gekürzt, Nerven versorgt und Osteosynthesen ohne Achs- oder Rotationsfehler ausgeführt werden, da bei sekundären Korrekturen ein hohes Risiko für Durchblutungsstörungen bis zum sekundären Verlust besteht. 6. Nervenrekonstruktion
Die Nervenrekonstruktion findet meist als letzter Operationsschritt vor der Weichteildeckung statt (.€Übersicht). Nervenrekonstruktion 4 Rückkürzung des Nervs, bis gesunde Faszikelstrukturen sichtbar werden 4 Epineurale Nervennaht unter dem Mikroskop 4 Nervennaht stets ohne Spannung
523
56.4 · Revaskularisation und Replantation
Eine Spannungsverminderung kann durch Beugung angrenzender Gelenke, Verlagerung des Nervs (z.€B. Ventralisierung des N.€ulnaris) oder Einbringung eines Nervenkonduits bei kleiner Defektstrecke erreicht werden, ansonsten ist ein Nerveninterponat (N.€suralis, sensible Unterarmnerven) notwendig. Ist die Nervennaht primär spannungsfrei nicht möglich, werden die Nervenstümpfe mit 4-0-Prolene markiert. Die NervenrekonsÂ�trukÂ� tion erfolgt nach Konsolidierung der Wundverhältnisse sekundär. 7. Weichteilbedeckung
Die abschließende Weichteildeckung sollte niemals erzwungen werden (.€Übersicht), bei Bedarf kann ein temporärer Wundverschluss mit Epigard erfolgen oder eine Vakuumversiegelung durchgeführt werden. Weichteildeckung 4 Grundsätzlich sollte ein primärer Weichteilverschluss anÂ� gestrebt werden. 4 In Ausnahmefällen erfolgt ein definitiver Weichteilverschluss erst bei stabiler Wundsituation, evtl. nach wiederholten Débridements, bis dahin Schutz der Wunde vor Austrocknung 4 Wundkonditionierung zwischenzeitlich evt. mit VAC (kontraindiziert bei Infekt oder anhaltender Blutung) 4 Bewegliche Gelenke und Sehnen sollten möglichst mit gut vaskularisiertem, dünnem und dehnbarem Gewebe (Lappenplastiken) bedeckt werden 4 Weichteildeckung über palmaren, druckbelasteten Flächen sensibel und mit geringen Scherkräften 4 Freiliegende Nerven oder Gefäße müssen primär durch lokale Lappenplastiken oder gestielte Fernlappen, in EinzelÂ� fällen auch durch mikrochirurgische GewebetransplantaÂ� tionen, gedeckt werden 4 Bedeckung aller »weißen Strukturen« (Sehnen, Knochen, Ligamente, Gelenke) ebenso mit einer Lappenplastik 4 Verletzungen der Fingerkuppen ohne freiliegenden Knochen heilen durch sekundäre Wundheilung (Folienverband) 4 Für größere, nicht komplizierte Defekte eigenen sich oft Hauttransplantation (Vollhaut bei kleinen Defekten, Druckarealen oder wenn bewegliche Bedeckung notwendig ist), bei Lappenplastiken besonders Faszienlappen mit zusätzlicher Spalthauttransplantation
Bewährte gestielte Lappenplastiken (7€Kap.€54) bei Finger-, Handund Handgelenkswunden sind der Moberg-Lappen, Cross-fingerLappen, intrinsische Handlappen, Leistenlappen und radialer Unterarmlappen. Beim radialen Unterarmlappen kann ein reiner Faszienlappen gehoben werden, der dann mit Spalthaut bedeckt wird. Beim LeisÂ� tenlappen kann die Faszie des M.€sartorius eingeschlossen werden, um ein Abknicken (»kinking«) des Gefäßstiels zu vermeiden. Die sensiblen Nervenäste des N.€cutaneus femoris lateralis können erÂ� halten und mikrochirurgisch angeschlossen werden. In der Regel erfolgt die Stielabtrennung nach etwa 2€Wochen, die endgültige Lappeneinpassung nach 3€Wochen. Aufgrund der eingeschränkten Mobilität ist eine Thromboseprophylaxe (Cave: Lungenembolie!) notwendig. Häufig sind später mehrere Ausdünnungsoperationen zur Lappenkonturierung notwendig, außerdem über lange Zeit eine intensive Übungstherapie, um eine Einsteifung zu vermeiden.
Defekte im Bereich des distalen Unterarms werden häufig mit Leistenlappen, Grazilislappen, Latissimuslappen, lateralem Oberarmlappen, ALT-Lappen (als Faszienlappen mit Spalthaut oder mit Hautinsel) gedeckt. ! Cave Bei der Planung von mikrochirurgischen Lappentransplan tationen nach Ausrissverletzungen ist Vorsicht geboten, weil okkulte Gefäßverletzungen und Intimaeinrisse früh zeitige mikrochirurgische Lappentransplantationen schei tern lassen können. 8. Postoperative Behandlung, Rehabilitation
Der operativen Versorgung schließt sich meist eine Immobilisierung mit Schienung an. Diese erfolgt meist in Neutralposition oder Extension des Handgelenks, Flexion der MCP-Gelenke, Extension der IP-Gelenke (Intrinsic-plus-Stellung zur Minimierung von Kontrakturen). Eine möglichst frühe und intensive Nachbeübung soll das Gleiten der Gewebeschichten optimieren. Zur Prophylaxe und Kontrolle von Ödemen (mit Gefahr der Gewebeverklebung durch Lymphstau) erfolgen konsequente Hochlagerung, Lymphdrainage, intensive Krankengymnastik mit zielÂ� orientierter Therapie (Ergotherapie). Auch an die Notwendigkeit einer psychologischen Mitbehand lung und sozialen Unterstützung des Patienten muss nach einer komplexen Handverletzung immer gedacht werden. 9. Sekundäreingriffe
Zunächst sollten Eingriffe durchgeführt werden, die eine postoperative Immobilisation erfordern: 4 Knochentransplantationen, 4 Korrekturosteotomien/Gelenkrekonstruktionen, 4 Nerventransplantationen, 4 sensible Rekonstruktionen, 4 Muskeltranspositionen/funktionelle Muskeltransplantationen, 4 Weichteilrekonstruktionen, 4 Zehentransplantationen. Erst danach erfolgen Eingriffe, die eine frühe Mobilisierung erfordern: 4 Tenolysen, 4 Kapsulotomien, 4 Kontrakturauflösungen. 56.4
Revaskularisation und Replantation
Definitionen.╇ Die Begrifflichkeit ist in .€Tab.€56.1 erläutert.
Erst die Entwicklung mikrochirurgischer Techniken hat die Wiederherstellung von teilweise oder komplett abgetrennten Körperteilen, speziell der Hand, möglich gemacht. Mit diesen Techniken kann oft auch bei schwersten Fällen eine gebrauchsfähige Handfunktion erreicht werden. Die Handfunktion und daraus folgend die Autonomie des Patienten kann u.€U. schon bei wesentlich geringerem Verletzungsausmaß stark eingeschränkt sein. Die routinemäßige Anwendung der Mikrochirurgie bei der Versorgung von Amputationen hat zu einer Steigerung der Überlebensraten replantierter Extremitätenteile auf >80% geführt, aber auch zu einer kritischeren Beurteilung der hierbei erzielten funktionellen Ergebnisse als in der Anfangszeit. Kriterium für einen Erfolg ist an erster Stelle der tatsächliche praktische Gebrauchswert der rekonstruierten Hand einschließlich ihrer Sensibilität. Jedoch kann auch bei geringer Funktionswiederkehr der Aspekt der wiederhergestellten Körperintegrität für manche Patienten eine solche Operation rechtfertigen.
56
524
Kapitel 56 · Komplexverletzungen, Revaskularisation und Replantation der Hand
. Tab. 56.1╇ Definitionen
56
Komplexe Verletzung
Mehrere funktionelle Strukturen der Extremität (wie Nerven, Sehnen und Knochen) sind verletzt, die Durchblutung ist aber noch erhalten
Subtotale Amputation
Komplexe Verletzung mit Unterbrechung der Blutzufuhr, ohne deren Wiederherstellung es zwangsläufig zu einem Absterben der betroffenen Gliedmaße kommen würde
Amputation
Verletzungen, bei denen die verletzte Extremität vollständig vom Körper abgetrennt ist
Revaskularisation
Wiederherstellung der Durchblutung bei sub� totaler Amputation
Replantation
Wiederherstellung eines vollständig abgetrennten Körperteils
Bei einzelnen Langfingern spielt nicht so sehr der funktionelle, sondern eher der kosmetische Aspekt eine Rolle für die Entscheidung für oder gegen eine Replantation. Übt der Patient seine berufliche Tätigkeit ganz überwiegend im Freien aus, ist er mit einer guten Stumpfversorgung nach Verletzung einzelner Langfingern häufig besser versorgt als mit einem (kälteempfindlichen und bewegungseingeschränkten) replantierten Fingerteil. Vorerkrankungen oder Begleitverletzungen des Patienten dürfen die Eignung für eine mehrstündige Operation nicht einschränken. Auch wenn das Alter keine generelle Kontraindikation zur Replantation ist, so müssen doch verminderte Wundheilung und Nervenregeneration in Betracht gezogen werden sowie die Tatsache, dass sich eine lange und intensive Physio- und Ergotherapie anschließen. 56.4.2 Präoperatives Vorgehen
Transport des Amputates Hohe Erfolgsaussichten für eine erfolgreiche Replantation von Händen und Fingern wurden erst durch die Einführung von immer leistungsfähigeren Operationsmikroskopen möglich. Zusätzlich war auch die Entwicklung spezieller mikrochirurgischer Instrumente notwendig. 56.4.1 Indikationsstellung Häufig ist es auch mit großer Erfahrung nicht einfach, die Indikation für oder gegen eine Replantation (.€Übersicht) zu stellen. Die Entscheidung für eine Replantation setzt die Vorhersage der zu erwartenden Funktion voraus, die mindestens gleich gut oder besser sein sollte als mir einer prothetischen Versorgung. Die Replantation darf keinesfalls zu einer Beeinträchtigung der Einsatzfähigkeit – besonders im Hinblick auf den Beruf des Patienten – führen. Indikationen zur Replantation 4 Absolute Indikationen – Amputationsverletzung bei Kindern – Amputationen an Handgelenk oder Unterarm, Ellbogen oder oberhalb des Ellbogens (bei scharfen Amputationen und intaktem Amputat) – Amputation der Mittelhand – Amputation des Daumens – Amputation bei gleichzeitiger schwerer Verletzung mehrerer Langfinger – Amputation mehrerer Langfinger
4 Relative Indikationen – Einzelne Langfinger mit zerstörten Grund- oder MittelÂ� gelenken – Isolierte Langfinger bei intakten Nachbarfingern (Ausnahme: besondere Funktion/beruflicheTätigkeit) – Einzelne Fingerendglieder
Amputate sollten am Unfallort gesucht und geborgen werden (bei Mehrfingeramputationen müssten sich genauso viele Amputate wie Stümpfe auffinden lassen). Das Amputate sollte vorsichtig gesäubert und anschließend gekühlt, auf gar keinen Fall jedoch auf Eis transportiert werden. Die ideale Temperatur liegt bei etwa bei 4°C. Zum eigentlichen Transport eignet sich eine Konstruktion aus einem Beutel, in dem das Amputat trocken ruht und der in einem äußeren Beutel steckt, der mit Eiswasser gefüllt ist. Notfalls kann eine feuchte Kompresse verwendet werden. Keinesfalls soll das Amputat nass werden oder gar mazerieren (→€Aufquellen der Gefäße →€erheblich erschwerte oder sogar unmögliche Replantation). > Grundsätzlich sollte sich der Chirurg bei Eintreffen der Meldung von der Unfallstelle von der adäquaten Handha bung des Amputates telefonisch überzeugen. Transport und Aufbewahrung können den Erfolg der Replantation entscheidend beeinflussen.
Der Zustand des Amputates muss als nächstes auf seine Replantierbarkeit beurteilt werden hinsichtlich 4 Ischämiezeit (.€Tab.€56.2), 4 Amputationshöhe, 4 Amputationsart.
Ischämiezeiten Tolerable Ischämiezeiten sind in .€Tab.€56.2 dargestellt.
Amputationsart und -höhe Glatt begrenzte Abtrennungen (»wie mit der Guillotine«) ohne Gelenkbeteiligung sind ideal geeignete Verletzungsmuster für eine Replantation. Bei Extremitätenamputationen sind jedoch Quetsch-, Avulsions- oder Ausrissverletzungen (z.€B. bei Trauma durch Kreissäge) häufiger, die das chirurgische Management und die Erfolgsaussichten deutlich schmälern.
4 Kontraindikationen – Vital bedrohliche Zusatzverletzung(en) – Amputat ist nicht zu verwenden (unsachgemäße Behandlung bei Asservierung/Transport bzw. Zerstörung) – Amputation distal des DIP-Gelenkes (Nagelwurzel) – Patient lehnt Replantation ab – Mehretagenverletzung
. Tab. 56.2╇ Tolerable Ischämiezeiten von Amputaten
Amputat
Beispiel
Ungekühlt
Gekühlt (+4°C)
Ohne Muskulatur
Finger
8–12€h
≤24€h
Mit Muskulatur
Arm
4–5€h
≤8€h
525
56.4 · Revaskularisation und Replantation
a
c
b
d
. Abb. 56.4╇ Ausrissamputation der Hand durch Fleischwolf (a,€b). Replantation unter knöcherner Verkürzung durch Resektion der durch Quetschung zerstörten proximalen Handwurzelreihe (c). Durchblutetes Replantat nach
Revaskularisierung mittels Veneninteponaten sowie knöcherne Stabilsierung durch Fixateur externe (d)
> Wegen der hohen funktionellen Wertigkeit des Daumens ist dessen Replantation in der Regel immer anzustreben, selbst bei Avulsions- oder stark frakturierten knöchernen Verletzungen, die eine deutliche Kürzung bedeuten, sowie bei Notwendigkeit von Venen- und Nerventransplantaten.
enten unterschätzen. Gegebenenfalls können nur die am geringsten verletzten Finger replantiert werden, und zwar heterotop auf die am wenigsten verletzten Teile der Hand bzw. in die funktionell beste Position. Die Mittelfinger- und die Ringfingerposition sind in dieser Situation oft die funktionell am besten geeigneten Positionen. Wenn sowohl der Daumen als auch der Zeigefinger amputiert sind und der Daumen zu stark gekürzt werden müsste, erbringt u.€U eine Versetzung des Zeigefingers auf den Daumenstumpf ein funktionell besseres Resultat als der Erhalt des Daumens. Erfolgreiche Replantationen bei transmetakarpalen AmputaÂ� tionen oder auch Amputationen auf Höhe des Handgelenks (.€Abb.€56.4) und des Unterarms (.€Abb.€56.5) zeigen i.€Allg. bessere Ergebnisse im Vergleich zur Prothesenversorgung. Die Sensibilität ist nach Replantation ist zwar deutlich verÂ� mindert, reicht aber aus für eine suffiziente Schutzfunktion. Eine
Gerade bei proximalen Amputationen des Daumens bedeutet jeder Zentimeter zusätzliche Länge einen Gewinn für die Handfunktion. Bei stark verletzten palmaren Gefäß-Nerven-Bündeln bietet sich gerade am Daumen eine Revaskularisierung mit einem langen Veneninterponat auf die A.€radialis oder die A.€princeps pollicis an. Multiple Fingeramputationen sind ebenfalls immer IndikatioÂ� nen für eine Replantation. Häufig ist es aufgrund des Verletzungsmusters nicht möglich, alle Finger zu replantieren, auch darf man weder die Dauer des Eingriffs noch die Begleitmorbidität des Pati-
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Kapitel 56 · Komplexverletzungen, Revaskularisation und Replantation der Hand
a
b
c
b
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. Abb. 56.5╇ Amputation durch Seilwinde (a). Replantation des Unter- arms unter Resektion nekrotischer Unterarmmuskulatur und Knochenkür-
zung (b,€c). Funktionsergebnis nach sekundärer Weichteilrekonstruktion durch freien Latissimuslappen (d)
zufriedenstellende Handfunktion wird durch die extrinsische UnÂ� terarmmuskulatur gewährleistet. Die intrinsische Handfunktion ist leider oft unzureichend. Die Gebrauchsfähigkeit der Hand reduziert sich bei weiter proximal gelegenen Amputationen zunehmend. Wegen der nur langsamen Regeneration der Nerven (täglich ca. 1€mm) und der zu überwindenden Strecke von 40–80€cm ist nicht mit einer Funktion der intrinsischen Handmuskulatur zu rechnen. Die Umwandlung einer Amputation oberhalb des Ellbogens in eine Amputation unterhalb des Ellbogens stellt jedoch bereits einen erheblichen Gewinn dar. Gerade bei der Abwägung für oder gegen eine MakroreplantaÂ� tion sind die zu berücksichtigenden Faktoren: 4 Ischämiezeit (ca. 6–8€h, je nach Kühlung; .€Tab.€56.2), 4 Replantationseignung des Amputats, 4 Gesundheitszustand des Patienten, 4 Alter.
Amputationsverletzungen bei Kindern
Postoperativ können die Patienten durch Schmerzen und durch
Verletzungen an den distalen asensiblen Anteilen der replantierten Extremität in ihrer Lebensqualität erheblich eingeschränkt sein.
Die Replantation nahezu aller amputierten Extremitäten sollten bei Kindern versucht werden. Das Epiphysenwachstum setzt sich i.€Allg. uneingeschränkt fort, und die Sensibilität ist wesentlich besser als bei Erwachsenen. Von einem guten Gebrauch der replantierten Körperteile kann ausgegangen werden. Ringavulsionsverletzungen
Eine besondere Entität stellen Ringavulsionsverletzungen dar. Es existieren verschiedene Klassifikationen von Ringavulsionsverletzungen, von denen die Einteilung nach Urbaniak am gebräuchlichsten ist (.€Tab.€56.3). Die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Replantation bei Avulsionsverletzungen sind: 4 Amputationshöhe distal des Ansatzes der FDS-Sehne, 4 vollständige Intaktheit des PIP-Gelenks, 4 keine weiteren Verletzungen des Grundgliedes. Die Gefäße sind immer ausreichend zurückzukürzen. Gegebenenfalls muss auf Venen- und Nerveninterponate zurückgegriffen werden.
56.4 · Revaskularisation und Replantation
. Tab. 56.3╇ Einteilung der Ringavulsionsverletzungen nach Urbaniak
Grad
Kennzeichen
1
4 Durchblutung des Fingers distal der Verletzung ist erhalten 4 Einfache Weichteilversorgung 4 Einfache Ostesynthese ist ausreichend
2
Durchblutung ist gestört (→€Notwendigkeit der RekonsÂ� truktion entweder der Arterien oder der Venen oder beider), aber keine vollständige Amputation
3
4 Vollständige Avulsion mit Amputation und Fraktur im Mittelglied oder Endgelenk 4 Ausriss der funktionellen Strukturen 4 3.-gradige Avulsionsverletzungen haben die schlechteste Prognose (insbesondere proximal des PIP-Gelenks)
56.4.3 Technische Voraussetzungen
zur Replantation
Lupenbrille.╇ Alle beteiligten Operateuren und Assistenten sollten
Lupenbrillen mit einer 3,5- bis 4,5-fachen Vergrößerung mit einem Arbeitsabstand von 35–45€cm tragen.
Operationsmikroskop.╇ Unabdingbar ist ein Operationsmikroskop mit ≥20-fachen Vergrößerung. Vergrößerung, Fokus und Verstellung können per Hand oder über einen Fußschalter betätigt werden. Im Idealfall besitzt das Mikroskop 2€gegenüberliegende Okulare, die die Sicht auf das gleiche Operationsfeld durch Operateur und AssisÂ� tenten ermöglichen. Instrumente.╇ Besonders feine Mikroinstrumente mit Pinzettenspit-
zen von 0,2–0,3€mm Stärke sind für Replantationen eine Grundvoraussetzung. Weitere wichtige Hilfsmittel sind Juwelierpinzetten und Pinzetten mit beschichteten Spitzen zum besseren Fassen der Fäden, entsprechend feine Nadelhalter, Mikrospülung und ggf. ein Mikrodilatator. Die Länge der Instrumente ist auf die individuellen Vorlieben des Operateurs abgestimmt. Bei Mikroreplantationen sollten nur Biemer-Klemmchen mit einem maximalen Federdruck von 30€g Verwendung finden. SpeÂ� zielle Mikroklips zur Präparation der Gefäße und eine Mikrobipolarpinzette mit idealerweise beschichteten Branchen der Größe 0,2–0,4€mm sollten ebenfalls vorhanden sein. Nahtmaterial.╇ Das Nahtmaterial für Gefäße und Nerven sollte an den Fingern 10-0, an der Mittelhand 10-0 oder 9-0 und proximal des Handgelenkes 8-0 sein. Auf jeden Fall findet monofiles, nicht resorbierbares Nahtmaterial, entweder Ethilon oder Prolene o.€Ä. Verwendung.
56.4.4 Chirurgisches Vorgehen Sofort nach Eintreffen des Patienten mit seinem amputierten Köperteil in der Notaufnahme teilt sich das Replantationsteam auf. Team€1.╇ Nach einer initialen Röntgenuntersuchung der verletzten Extremität und der Amputate gehen 2€Mitglieder des ReplantationsÂ�
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teams mit den Amputaten in den Operationssaal. Hier werden die Amputate vorsichtig gereinigt und weiterhin kühl gelagert. Bei Fingern werden durch mitseitliche Inzisionen und unter Lupenbrillenvergrößerung die Nerven und die begleitenden palmaren Gefäße aufgesucht. Nach dem Identifizieren der Strecksehne Anheben der streckseitigen Haut und Darstellung der Venen. Spülen von Arterien und Venen mit Liquemin. Sind die Venen initial schwer auffindbar, kann das Anspülen der Arterien hilfreich sein. Sind die Venen auch dann nicht zu identifizieren, kann man warten, bis die erste arterielle Anastomose genäht ist, um dann den venösen Rückstrom zu identifizieren: Dieses Vorgehen kann aber am Ende der Operation sehr mühsam sein. Nun werden alle Strukturen (Nerven, Arterien und Venen) mit Mikroclips oder mit 9-0-Fäden markiert. Das Markieren der Gefäße und Nerven in dem noch unblutigen Operationsfeld ist im weiteren Verlauf häufig sehr hilfreich und zeitsparend, v.€a bei Mehrfingerreplantationen. Nach Identifikation der Sehnen wird der Knochen mit der oszillierenden Säge begradigt. Sind PIP- oder DIP-Gelenk betroffen, wird sofort durch entsprechendes Anschrägen die Arthrodese vorbereitet. Zur Osteosynthese stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, allerdings sollten sie möglichst zeitsparend durchgeführt werden können und ohne zusätzliche Verletzung der dorsalen Strukturen einhergehen. Nach unserer Erfahrung sind Osteosynthesen mit einem Kirschner-Draht der Stärke1,0 oder 1,2€mm und eine transossäre Drahtnaht geeignet. Dass in das Amputat ein doppelt angespitzter K-Draht vorgebohrt werden und bereits der distale Anteil der Cerclage vorgelegt werden kann, sind weitere –zeitsparende – Vorteile. Team 2.╇ Der andere Teil des Teams bereitet den Patienten vor. Nach
kurzer Anamnese (Beruf, Alter, Begleiterkrankungen, Nikotinkonsum, Ausschluss von Begleitverletzungen) Aufklärung des Patienten über die Erfolgsaussichten der Operation. Die Anlage eines Plexuskatheters ist bei AmputationsverletzunÂ� gen für eine perioperative Sympathikolyse und das postoperative Management wichtig. Längere Operationen erfordern zusätzlich später evtl. eine Intubationsnarkose. Bei einem intubierten Patienten kann jedoch kein Plexuskatheter gelegt werden oder nur mit Hilfe eines Neurostimulators, wobei das resultierende Zucken des Arms die Operation vorübergehend stark behindert. Nachdem der Patient im OP ist, beginnt Team€2 mit Lupenbrillenvergrößerung und unter Blutsperre mit der Präparation des Stumpfs. Genau wie am Amputat werden bei Fingeramputationen am Stumpf mitseitliche Inzisionen gelegt und Nerven, Gefäße und Sehnen identifiziert und markiert. Die Identifikation der FingerÂ� venen erfordert eine sehr subtile und geduldige Präparation. Der Replantationserfolg hängt jedoch maßgeblich von der Zahl der anastomosierten und durchgängigen Venen ab. > Es kann hilfreich sein, eine bereits identifizierte Vene bis zu ihren Aufzweigungen zu verfolgen und auf diese Weise weitere Venen ausfindig zu machen.
Da es sich bei Amputationsverletzungen meist um Finger- oder Mittelhandamputationen handelt, werden im Folgenden speziell diese Situationen beschrieben. Grundsätzlich gelten die gleichen Vorgehensweisen auch bei Makroreplantationen, allerdings ist hierbei aufgrund der geringeren Ischämietoleranz die Wiederherstellung der Perfusion vorrangig.
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Kapitel 56 · Komplexverletzungen, Revaskularisation und Replantation der Hand
Reihenfolge des chirurgischen Vorgehens bei der Replantation in der Regel 1. Säubern und ausreichendes Débridement der Weichteile von Stumpf und Amputat 2. Aufsuchen und Markieren der Gefäße und Nerven 3. Débridement und ausreichendes Kürzen des Knochens, bei Gelenkbeteiligung entsprechendes Anschrägen zur Vorbereitung der Arthrodese, Osteosynthese durch Vorlegen der Cerclage und eines K-Drahtes vorbereiten 4. Osteosynthese (7€unten) 5. Extensor- und Flexorsehnennähte 6. Arteriennähte 7. Nervennähte 8. Venennähte 9. Weichteilverschluss
56
Säubern und Débridieren von Stumpf und Amputat geht mit dem Aufsuchen der Gefäße Hand in Hand und erfordert eine ausreichende Lupenvergrößerung. Auf die vollständige Entfernung allen verschmutzten, gequetschten, nekrotischen oder bereits eingetrockneten Gewebes muss sorgfältig geachtet werden. Zu diesem Zeitpunkt müssen das Ausmaß der Läsion und des Intimaschadens der Arterien evaluiert und die Arterien weit genug zurückgekürzt werden. Sollte ein Veneninterponat notwendig sein, kann rechtzeitig, also bereits während der Osteosynthese, durch das 2.€Team mit dem Heben der Venen begonnen werden. > Bei der Replantation mehrerer Finger ist es sinnvoller, die einzelnen verletzten Strukturen nacheinander zu versorgen, als einen Finger nach dem anderen zu replan tieren.
Kritische Punkte bei der Replantation sind knöchernes Débridement und Osteosyntheseverfahren. An Fingern und Mittelhand sind Kürzungen des Knochens von 0,5–1€cm, proximal des Handgelenks von 2–4€cm üblich, abhängig natürlich von der Verletzungsart und dem Ausmaß des Weichteilschadens. Ein spannungsfreier Weichteilverschluss mit Bedeckung der vitalen Strukturen ist für den Ausgang der Operation entscheidend. Den Knochen um wenige Millimeter stärker zu kürzen und dafür eine spannungsfreie Gefäßanastomose und Nervenkoaptation mit einem problemlosen Weichteilverschluss zu erkaufen, ist in jedem Fall die bessere Entscheidung. Natürlich dürfen dafür keine intakten funktionellen Gelenke geopfert werden. > Die Kürzung des Knochens sollte vorwiegend im Amputat erfolgen, um im Fall des Fehlschlagens möglichst viel Län ge am Stumpf zu bewahren.
Osteosynthese Es gibt eine Vielzahl von Methoden zur Osteosynthese bei Replantationen (.ۆbersicht).
Methoden zur Osteosynthese bei Replantationen 4 1 oder 2 längsverlaufende K-Drähte 4 1€längsverlaufender K-Draht und 1€kurzer querverkaufender K-Draht zur Sicherung der Rotationsstabilität 4 Gekreuzte K-Drähte 4 Intramedulläre Schraube 4 Kleine H-Platte oder T-Platte 4 1 längsverlaufender K-Draht und zusätzlich 1€Cerclage zur Kompression
All diese Methoden werden bei der Replantation angewandt. Die von uns bevorzugte Methode ist die Verwendung eines K-Drahts mit einer Cerclage. Cerclage und K-Draht können bereits vor der eigentlichen Replantation am Amputat vorbereitet werden. Dazu ist nur eine minimale Freilegung des Knochens erforderlich, darüber hinaus handelt es sich um ein schnelles Verfahren, und die für die Knochenheilung notwendige Kompression kann leicht erzielt werden. Abgesehen von der Plattenostosynthese, die jedoch mehr Zeit beansprucht und eine Vergrößerung des Weichteilschadens mit sich bringt, sind alle anderen Verfahren instabiler, meist nicht schneller durchzuführen oder bringen nur eine ungenügende Kompression auf den Frakturspalt.
Sehnennähte Strecksehnen.╇ Nach der knöchernen Stabilisierung folgt zunächst
die Naht der Strecksehnen (7€Kap.€55.1). Um eine Adaptation mit entsprechender leichter Vorspannung zu erreichen, muss die Länge der Sehnen an die Länge des Knochens angepasst werden. Die Strecksehnen werden durch 2–3 U-Nähte mit 4-0 Prolene versorgt. Bei Amputationen im PIP-Gelenk sollte die Naht der Seitenzügel der Strecksehne erfolgen, da sonst das Endgelenk bewegungslos bleibt. Wenn durch starke Quetsch- oder Avulsionsverletzungen eine Rekonstruktion des Streckapparates nicht möglich ist, muss sekundär eine Endgelenkarthrodese durchgeführt werden.
Beugesehnen.╇ Der nächste Schritt sind die Beugesehnennähte (7€Kap.€55.2). Es sollte immer die primäre und endgültige Versorgung der Beugesehne angestrebt werden, denn im Bereich stärkster Vernarbungen und in der Nähe von Arterien- und Nervennähten bergen Sekundäroperationen immer ein hohes Risiko mit geringer Aussicht auf Erfolg. Die oberflächliche Beugesehne braucht, je nach Amputationshöhe, nicht rekonstruiert zu werden. Da die tiefe und die oberflächliche Sehne meist auf der gleichen Höhe durchtrennt wurden, sind Vernarbungen zwischen den Sehnen möglich mit in der Folge einer schlechteren Beweglichkeit als bei einer alleinigen Rekonstruktion der tiefen Beugesehne. Bei einer Arthrodese des PIP-Gelenkes kann schon zur Zeitersparnis auf die Rekonstruktion der FDS-Sehne verzichtet werden. Abhängig vom Zustand der Sehnen ist es u.€U. möglich, die proximale FDS- mit der distalen FDP-Sehne zu verbinden bei meist funktionell gutem Ergebnis. Ringbandstrukturen.╇ Die Ringbandstrukturen sollten identifiziert
und die Sehnen proximal und distal der Amputation unter mindesÂ� tens einem Ringband hindurch geführt werden (verhindert »bowÂ� stringing«). Mit 1er-Kanülen werden die Sehnen an den benachbarten Ringbändern so fixiert, dass eine spannungsfreie Naht möglich ist. Bei unserer favorisierten Technik (Kirchmeyer-Kessler) wird der Knoten zentral in der proximalen Sehne versenkt.
529
56.4 · Revaskularisation und Replantation
Die Kernnaht erfolgt mit 4-0-Prolene, die überwendlich fortlaufende Naht mit 6-0-PDS.
Arteriennähte
4 Einlage einer 18-er Vigo in eine dorsale Vene; alle 30–60€min wird das venöse Blut abgelassen.
4 Regelmäßige Blutegeltherapie (7€Kap.€7).
Unter Mikroskopvergrößerung werden nun nochmals die Arterien überprüft, sodass eine Intimadissektion sicher ausgeschlossen ist und unversehrte Arterienenden anastomosiert werden. Jetzt wird die Blutsperre eröffnet. Bei sicher spritzendem Blutfluss aus dem Stumpf darf mit der Arterienanastomose begonnen werden. Ist dies nicht der Fall, erfolgt eine vorsichtige Liqueminspülung der Arterie. Bei weiterhin ausbleibendem Erfolg wird der Patient lokal gewärmt durch feuchte Bauchtücher. Der Blutdruck wird eingestellt auf: 4 arterieller Mitteldruck 65–80€mm€Hg, 4 systolischer Blutdruck >100€mm€Hg.
Hautverschluss
Führt auch dies nicht zum Erfolg, muss die Arterie meist weiter zurückgekürzt werden. Stark zerstörte Gefäße können auch mit Veneninterponaten überbrückt werden, am Daumen durch die A.€princeps pollicis (End-zu-End-Naht) oder die distale A.€radialis in (End-zu-SeitNaht). Wenn an den Langfingern die Anastomose der gleichseitigen Arterien nicht möglich oder erschwert sein sollte, kann auch die proximale radiale Arterie auf die distale ulnare Arterie und vice versa anastomosiert werden.
Es werden Fettgazen und locker aufgelegte Kompressen verwendet. Ein zirkulärer Verband darf nicht angelegt werden (→€Gefahr der Einschnürung durch trocknendes Blut und Wundexsudat). Eine anschließende großzügige Wattewickelung wärmt und polstert die Hand und reicht bei liegendem Plexuskatheter und entsprechend eingeschränkter aktiver Mobilisation der Hand aus. Es kann aber auch eine palmare Gipsschiene in Intrinsic-plus-Stellung angelegt werden.
> Versuche, das Amputat zu revaskularisieren, können mehr Zeit benötigen als eine zweite Anastomose mit Venenin terponaten.
56.4.5 Postoperatives Management
Bei Vorhandensein des notwendigen Blutflusses und glatten, geraden Absetzungsrändern der Gefäße (ohne dass die Adventitia in das Lumen ragt) erfolgt die Anastomose mit 10-0- oder 9-0-Einzelknopfnähten.
Nervenkoaptation Die Nervennaht erfolgt mit 10-0-Einzelknopfnähten, 2–3 Nähte genügen. Eine spannungsfreie Koaptation ist in der Regel nach suffizienter knöcherner Amputatkürzung möglich. Die Nervenenden zu approximieren und nicht zu evertieren vermeidet Narbenbildungen im Nahtbereich. > Die Nervenrekonstruktion ist immer primär anzustreben. Bei zu starker Spannung muss ein Nerveninterponat ver wendet werden.
Venenanastomosen Eine ausreichende venöse Drainage erfordert i.€Allg. 2€Venen. Je mehr venöser Abfluss, desto besser. Manche erfahrene MikrochirurÂ� gen führen die Venenanastomosen als dritten Schritt nach der Naht der Strecksehnen durch mit den Vorteilen: Durchführung dieses schwierigen Teils der Operation am Anfang/ausgeruht, außerdem bessere Übersicht vor Eröffnung der Blutsperre). Nach der Wiederherstellung der Perfusion können die maßgeblichen Venen leichter erkannt werden. Da die Venen subkutan stark miteinander vernetzt sind, kann mittels Durchtrennen der Verbindungen Länge gewonnen werden. Ist ein suffizienter venöser Abfluss nicht sicherzustellen, gibt es verschiedene Notlösungen: 4 Versuch der Anastomose von palmaren Venen (sind kleiner und dünnwandiger als die dorsalen Venen). 4 Bei gutem Rückfluss über eine Arterie Möglichkeit einer arteÂ� riovenösen Anastomose.
Im Allgemeinen ist der Hautverschluss problemlos möglich. Druck auf die Gefäße – auch durch Hautüberschuss – sollte vermieden werden. Wenn Venen, Arterien und Nerven sicher bedeckt sind, kann bei möglicherweise zuviel Druck auch auf den primären Verschluss der mitseitlichen Inzisionen verzichtet werden. In dieser Situation können Spalthaut oder Vollhautreste transplantiert werden. Sollte ein spannungsfreier Verschluss nicht anders erreicht werden können, sind Hauttransplantate auch zur Deckung der Gefäße einsetzbar.
Verband
Der präoperativ angelegte Plexuskatheter wird zur Kontrolle der sympathischen Vasokompression und Optimierung der Durchblutungssituation für 4–7 Tage belassen. Wegen der Gefühllosigkeit von Hand und replantierten Fingern sollte Hand in Supinationsstellung gelagert werden. Die Hand sollte hoch gelagert werden, eine Kompression muss dabei jedoch strikt vermieden werden. Bei problematischem arteriellem Einstrom muss die Hand etwas tiefer gelagert werden. > Die Durchblutungssituation des Replantates kann beur teilt werden anhand von Hautkolorit, Fingertemperatur, Turgor und Rekapillarisationszeit (am besten 1–2€s).
Bei problematischem Abfluss können über 3–4 Tage Blutegel (7€Kap.€7) eingesetzt werden. ! Cave Der Zustand des replantierten Fingers oder der Hand kann sich jederzeit abrupt ändern: Ein verminderter Abfluss, aber auch ein verringerter arterieller Einstrom können jäh auftreten, eine initiale venöse Stauung kann zu verringer tem arteriellem Zustrom führen und umgekehrt.
Überwachung Regelmäßiges Monitoring ist in den ersten 3–4 Tagen unabdingbar. Einige technische Hilfsmittel können das Monitoring unterstützen: Temperatursonden und -kameras, Laserdoppler-Flussmessung, konfokale Laser-Mikroskopie u.a. Die klinische Erfahrung ist aber gerade bei Replantationen bisher nicht ersetzbar.
Revisionsoperation Nach Fingerreplantationen sind Revisionen oft weder erfolgversprechend noch –zumindest nach >4€Tagen – sinnvoll, da sich zu diesem Zeitpunkt bereits erste neue Hautgefäße gebildet haben, die durch den Eingriff wieder zerstört werden.
56
530
Kapitel 56 · Komplexverletzungen, Revaskularisation und Replantation der Hand
56.5 . Tab. 56.4╇ Chen-Klassifikation zur Beurteilung der funktionellen Ergebnisse nach Replantation der oberen Extremität
56
Chen- Klassifikation
Kennzeichen
I
4 Patient ist in der Lage, seine ursprüngliche Arbeit wieder aufzunehmen 4 Bewegungsumfang übertrifft 60% des normal Möglichen 4 Annähernd komplette Erholung der Sensibilität 4 Muskelkraft Grad€M4
II
4 Patient ist in der Lage, einige nützliche Arbeiten auszuführen 4 Bewegungsumfang übertrifft 40% des normal Möglichen 4 Annähernd komplette Erholung der Sensibilität 4 Muskelkraft Grad M3 und M4
III
4 Patient ist in der Lage, die Aufgaben des täglichen Lebens zu bewältigen 4 Bewegungsumfang übertrifft 30% des normal Möglichen 4 Teilweise Erholung der Sensibilität 4 Muskelkraft Grad M3
IV
4 Weitgehender Funktionsverlust der replantierten Extremität
Antikoagulanzien Es gibt weder ein einheitliches Schema für die Antikoagulation nach Replantation, noch existiert ein eindeutiger Vorteil bei einer der Methoden: 4 Vollheparinisierung, 4 rheologisch wirksame Substanzen (Dextran, Aspirin, niedermolekulares Heparin). 56.4.6 Ergebnisbewertung Die Beurteilung der funktionellen Ergebnisse zeigt .€Tab.€56.4. 56.4.7 Komplikationen Typische Komplikationen nach Revaskularisation und Replantation sind in der .€Übersicht dargestellt. Komplikationen nach Revaskularisation und Replantation 4 4 4 4
Reamputation bei Ischämie oder funktioneller Behinderung Bewegungsdefizite Bewegungsstörungen, z.€B. Quadriga-Effekt Kälteempfindlichkeit, die jedoch primär von der Art der Verletzung abhängig ist und auch nach Stumpfversorgung auftreten kann 4 Nagelwachstumsstörungen 4 Stumpfneurome
Fazit
4 Das direkt postoperative Ergebnis hängt ab von der Durchgängigkeit der arteriellen und venösen Mikroanastomose.
4 Das funktionelle Gesamtergebnis – und dieses ist für den PatienÂ�
ten wesentlich – ist abhängig von der Funktion und Beschaffenheit der Sehnen- und Nervennähte sowie der Osteosynthesen. Asensible oder funktionslose Extremitäten oder Finger, die vom Patienten am Ende als störend empfunden werden, rechtfertigen nicht die i.€Allg. langwierigen und aufwendigen ReplantatioÂ�nen. 4 Auch wenn ein Großteil der Plastischen Chirurgen ein mikrochirurgisches Training erhalten hat, sollten Replantationen in entsprechenden Zentren, in denen mikrochirurgische Trainingsmöglichkeiten bestehen und regelmäßig solche OperaÂ� tionen stattfinden, durchgeführt werden.
Literatur Biemer E, Duspiva (1980) Rekonstruktive Mikrogefäßchiurgie. Springer, Berlin Heidelberg New York Büchler U (1990) Traumatic soft-tissue defects of the extremities. Implications and treatment guidelines. Arch Orthop Trauma Surg 109:321 Buncke Jr HJ (2000) Microvascular hand surgery – Transplants and replants – Over the past 25 years. J Hand Surg 25A: 415 Campbell DA, Kay PJ (1996) The hand injury severity scoring system. J Hand Surg B 21:295 Germann G, Levin S (1997) Intrinsic flaps in the hand: new concepts in skin coverage. Tech Hand Upper Extrem Surg 1:48 Germann G, Sherman R, Levin S (1999) Decision making in reconstructive surgery. Springer, Berlin Heidelberg New York Germann G, Karle B, Brüner S, Menke H (2000) Behandlungsstrategien bei komplexen Handverletzungen. Unfallchirurg 103:342–347 Kim JYS, Brown RJ, Jones NF (2005) Pediatric upper extremity replantation. Clin Plast Surg 32: 1 Kleinert HE, Jablon M, Tsai TM (1980) An overview of replantation and results of 347 replants in 245 patients. J Trauma 29: 390 Lee BI, Chung HY, Kim WK et al. (2000) The effects of the number and ratio of repaired arteries and veins on the survival in digital replantation. Ann Plast Surg 44: 288 McCabe SJ, Breidenbach WC (1999) The role of emergency free flaps for hand trauma. Hand Clin 15:275–288 Pederson WC (2001) Replantation. Plast Reconstr Surg 107: 823 Tamai S, Michon J, Tupper J et al. (1983) Report of the subcommittee on replantation. J Hand Surg 8: 730 Weinzweig N, Sharzer LA, Startker I (1996) Replantation and revascularization at the transmetacarpal level: Long-term functional results. J Hand Surg 21: 877
57
Infektionen der Hand S. Schinner, P.M. Vogt
57.1
Grundlagenâ•… – 532
57.2
Diagnostisches Vorgehenâ•… – 532
57.2.1 57.2.2
Epidemiologie â•… – 532 Keimspektrumâ•… – 532
57.3
Therapieprinzipienâ•… – 532
57.3.1 57.3.2 57.3.3 57.3.4 57.3.5
Anatomische Besonderheiten bei Infektionen der Handâ•… – 533 Wahl der chirurgischen Inzisionenâ•… – 533 Operative Therapieâ•… – 533 Postoperatives Managementâ•… – 534 Indikation für konservatives Vorgehenâ•… – 534
57.4
Einzelne Krankheitsbilderâ•… – 535
57.4.1 57.4.2 57.4.3 57.4.4 57.4.5 57.4.6
Paronychie und Panaritiumâ•… – 535 Infektionen durch Tier- und Menschenbisseâ•… – 536 Septische Tenosynovitisâ•… – 537 Hohlhandphlegmone â•… – 539 Erysipelâ•… – 540 Nekrotisierende Fasziitisâ•… – 541
57.5
Differenzialdiagnosenâ•… – 541
57.5.1 57.5.2 57.5.3 57.5.4
Pyoderma gangraenosumâ•… – 541 Herpesâ•… – 541 Rheumatoide Arthritis und Gichtâ•… – 542 Tumoren der Hand â•… – 542
57.6
Operatives Vorgehenâ•… – 542
57.6.1 57.6.2 57.6.3 57.6.4
Plastische Weichteildeckungâ•… – 542 Lokale Lappenplastikenâ•… – 542 Regionale Lappenplastikenâ•… – 543 Axial gestielte und freie Fernlappenâ•… – 544
57.7
Zusammenfassungâ•… – 544
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
532
Kapitel 57 · Infektionen der Hand
Durch ihre vielfältige Funktion kommt es an der Hand oft zu kleinen Verletzungen, die meist problemlos abheilen. Die Hand ist dennoch aufgrund ihrer spezifischen Anatomie mit septierten Bindegewebs räumen, insbesondere den bradytrophen Sehnen und gekammerten Sehnenscheiden, gegenüber eindringenden Pathogenen besonders infektionsgefährdet. Dabei kommt es nicht selten zu rasch fortschrei tenden massiven Infektionen mit erheblicher Gewebezerstörung. Patienten mit Handinfektionen stellen einen großen Anteil des Klientels von Notaufnahmen dar. Oft werden sie von jüngeren, un erfahrenen Ärzten primär gesehen. Die Qualität der initialen Versor gung und die postoperative Behandlung sind jedoch entscheidend für die erreichbare Handfunktion und die damit verbundenen so zioökonomischen Kosten. 57.1
57
Grundlagen
Das Auftreten und die Ausdehnung von Infektionen an der Hand sind von verschiedenen intrinsischen und extrinsischen Faktoren abhängig. 4 Intrisische Faktoren, die Infektionen beeinflussen, sind syste mische Grunderkrankungen, wie Diabetes mellitus, rheuma toide Arthritis oder HIV-Infektionen, konsumierende Tumor erkrankungen, Drogenabusus, chronische Ödeme der Extre mität, Folgen von vorausgegangenen Verletzungen und die Einnahme immunsuppressiver Medikamente. 4 Zu den extrinsischen Faktoren zählen die Lokalisation der Infek tion, das Ausmaß und die Art der lokalen Gewebezerstörung, die Virulenz des vorliegenden Pathogens sowie die Menge und die Art des in die Wunde inokulierten Fremdmaterials. 57.2
Diagnostisches Vorgehen
Klinik, Symptomatik.╇ Die Diagnose einer Handinfektion ergibt sich meist klinisch aufgrund der Beschwerdesymptomatik und des Lo kalbefundes. Die Patienten geben in der Regel pochende Schmerzen im infizierten Areal an. Die Beweglichkeit der Finger kann massiv eingeschränkt sein, je nach Lokalisation und Ausdehnung des In fektes. In einigen Fällen kommen allgemeine Infektzeichen wie Schüttelfrost und Fieber hinzu. Inspektorisch finden sich regelhaft eine Rötung und Schwellung des betroffenen Areals, z.€T. mit einer deutlichen Lymphangitis oder Lymphadenitis. Druckschmerzen und Bewegungsschmerzen der Finger oder des Daumens sind meist vorhanden. Oftmals gehen infektiöse Prozesse der Hohlhand mit einer be gleitenden Schwellung des Handrückens einher. Dies kann zur Fehl diagnose einer Handrückenphlegmone führen. > Die fehlende Fluktuation und oft nur geringe Rötung sind entscheidende Kriterien bei der Beurteilung einer Hand rückenschwellung. Bildgebende Verfahren.╇ Wichtig ist die Röntgenaufnahme des be troffenen infizierten Areals, um so eventuell vorhandene Schädi gungen des Knochens und der Gelenke zu visualisieren. Labordiagnostik.╇ Laborchemisch sollte auf jeden Fall die Leuko zytenzahl, C-reaktives Protein (CRP), die Blutsenkungsgeschwin digkeit, die Gerinnung, Blutbild, die Blutglukose und bei Verdacht auf differenzialdiagnostisch wichtige Erkrankungen der Harnsäure spiegel und Rheumafaktoren untersucht werden.
> Unter Berücksichtigung des klinischen Bildes und der diagnostischen Mittel kann die Diagnose meist eindeutig gestellt werden.
57.2.1 Epidemiologie Ungefähr 60% der Handinfektionen treten posttraumatisch auf, 30–40% durch Bissverletzungen (25–30% nach Menschenbiss, 5–10% durch Tierbiss), ca. 10–15% nach Drogenmissbrauch. Die prozentu ale Verteilung der Ursachen von Handinfektionen ist u.€a. abhängig von geographischen Bedingungen und variiert stark. So sind in eini gen Gegenden Hundebissverletzungen als Ursache von Handinfek tionen mit ca. 60% führend, wogegen Menschenbissverletzungen nur 20% der Bissverletzungen ausmachen. Die am häufigsten auftre tende Form der Handinfektion ist die Paronychie mit einer Inzidenz von ca. 35%, gefolgt von dem Panaritium (15%) und der Sehnen scheidenphlegmone (10%) Zu den seltenen Formen der Handinfek tion zählen die Osteomyelitis, die septische Arthritis und die nekro tisierende Fasziitis. 57.2.2 Keimspektrum Das Keimspektrum von Handinfektionen ist von der Form der zu grundeliegenden Verletzung abhängig und beinhaltet oft Spezies der residenten Hautflora der betroffenen Person. Infektionen werden zu ca. 65% durch aerobe, hauptsächlich grampositive Keime ausgelöst. Im Vordergrund stehen neben Staphylococcus aureus (35–50%) β-hämolysierende Streptokokken (10%). Gramnegative Keime sind seltener zu isolieren, treten aber hauptsächlich bei immunsuppri mierten Patienten, Diabetikern oder bei intravenösem Drogenmiss brauch auf. Infektionen mit gasbildenden Keimen sind sehr selten. Bei einer Infektion mit erschwertem Erregernachweis und Knistern des Ge webes auf Druck sollte jedoch unbedingt daran gedacht werden. Hier stehen Infektionen mit Peptostreptokokken im Vordergrund. Der durch Clostridium perfringens ausgelöste Gasbrand ist selten, aber immer differenzialdiagnostisch einzubeziehen. Das vielfältige Keimspektrum aus Bissverletzungen umfasst Pa thogene aus der Pasteurella spp., Eikenella corrodens und einige Anaerobier. Eine entsprechende Antibiotikablindtherapie sollte an das zu erwartende Erregerspektrum angepasst sein (.€Tab.€57.1). 57.3
Therapieprinzipien
Die Therapie ist nahezu immer primär chirurgisch. Sie beinhaltet 4 die frühzeitige chirurgische Infektsanierung, 4 eine adäquate, erregerspezifische antibiotische Behandlung, 4 die frühfunktionelle Behandlung und 4 die plastische Defektdeckung nach Sanierung des Infektes. Von entscheidender Bedeutung für den Behandlungserfolg ist die Erstellung eines schlüssigen Therapiekonzeptes unter Einbeziehung der Mikrobiologen und Handtherapeuten. Häufig hinterlassen ausgedehnte Handinfektionen nur eine Restfunktion der Hand, was durch dauerhafte Arbeitsunfähigkeit des Patienten, Berentung oder Umschulungsmaßnahmen zu enor men sozioökonomischen Kosten führen kann. Um dies zu vermei den, muss bereits die primäre Operation von einem geübten Hand chirurgen unter Kenntnis der Anatomie gründlich durchgeführt
533
57.3 · Therapieprinzipien
. Tab. 57.1╇ Verletzungen und Infektionen der Hand. Typisches Keimspektrum und empfohlene Antibiotikatherapie
Art der Verletzung/Infektion
Keimspektrum
Antibiotikatherapie
Einfache Wunden, erstgradig offene Frakturen
–
Nicht notwendig, ggf. Single-shot-Cephalosporin der 1.€Generation intraoperativ (Gramaxin)
Tiefe kontaminierte Wunden, höhergradig offene Frakturen mit ausgedehnter Quetschung
Staphylococcus aureus, α-hämolysierende Streptokokken, anaerobe Keime, gramnegative Bacilli
Cephalosporine der 1. und 2.€Generation (Gramaxin, Cefuroxim, Zinacef ), bei Tierexposition: Penicillin€G, bei Quetschung: Aminoglykoside (Refobacin)
Menschenbisse
Eikenella corrodens, Staphylococcus aureus, Streptococcus epidermidis, Neisseria spp., anaerobe Keime
β-Laktamantibiotika und β-Laktamaseinhibitoren (Augmentan, Unacid), Cephalosporine der 1. und 2.€Generation (Gramaxin, Cefuroxim, Zinacef )
Hunde- und Katzenbisse
Pasteurella multocida, Past. septica, Staphylococcus aureus, Staphylococcus septicus, Bacteroides spp., Strept. viridans, α-hämolysierende Streptokokken
Wie Menschenbisse
Bissverletzungen bei Diabetikern und immunkompromittierten Menschen
Anaerobe Keime, gramnegative Keime
Aminoglykoside (Refobacin, Biklin) oder Cephalosporine der 2. und 3.€Generation (Cefuroxim, Zinacef, Claforan, Rocephin),
Pin-track-Infektionen
Staphylococcus aureus, Streptococcus epidermides
Cephalosporine 1.€Generation (Gramaxin)
Nekrotisierende Fasziitis
β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe€A, Staphylokokken, gramnegative aerobe Keime, anaerobe Keime
Penicilin G und Lincosamide (z.€B. Sobelin), Aminoglykoside (z.€B. Refobacin)
Paronychie und Panaritium
Staphylococcus aureus, Streptococcus spp., gramnegative Bacilli, z.€B. Escherichia coli
Cephalosporine 1.€Generation (Gramaxin), bei V.a. E. Coli: β-Laktam Antibiotika +β-Laktamase-Inhibitorn (Augmentan, Unacid) oder Lincosamide (Clindamycin)
Sehnenscheidenphlegmone, Hohlhandphlegmone
Staphylococcus aureus, Streptococcus spp., anaerobe Keime
Cephalosporine 1.€Generation (Gramaxin) und Flucloxacillin (Staphylex) oder alternativ β-Laktamantibiotika +β-Laktamaseinhibitorn (Unacid)
Erysipel
β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe€A, seltener€C
Penicillin€G, Makrolide (Erythromycin), Cephalosporine der 1.€Generation (Gramaxin)
werden. Nur so können häufige Revisionsoperationen vermindert und die funktionelle Prognose verbessert werden. 57.3.1 Anatomische Besonderheiten
bei Infektionen der Hand
> Handinfektionen breiten sich an vorhandenen Leitstruk turen aus und bleiben primär oft auf die Räume der Hand begrenzt.
Zu diesen Leitstrukturen zählen die Sehnenscheiden, die periten dinös-kutanen Bänder der Finger (Grayson-, Cleland-Bänder und Ligg. phalangeale propria), die Hohlhandaponeurose mit ihren inter mediären Septen und den Querverstrebungen (Fasciculi transÂ�versi, Lig.€natatoria), der Mittelhandraum, die Thenar- und Hypothenarfas zie, der Karpalkanal und die Loge de Gyon (.€Abb.€57.1). Diese Aus breitungswege sind bei der chirurgischen Intervention zu beachten.
57.3.2 Wahl der chirurgischen Inzisionen Bei Infektionen der Finger, insbesondere bei Beugesehnenscheiden phlegmonen, sollten mediolaterale Inzisionen gegenüber der pal maren Brunner-Inzision bevorzugt werden. So werden dorsale und palmare lymphatische Abflusswege geschont, und sowohl GefäßNerven-Bündel als auch die Sehnen bleiben durch das Weichgewebe bedeckt. Die Schnittführung ist jedoch abhängig von der Lokalisati on des Infektes und sollte dementsprechend angepasst werden. 57.3.3 Operative Therapie Die Grundregeln der Handchirurgie gelten auch bei der septischen Handchirurgie. > Die Adaptation der Wundränder sollte nur locker erfolgen, bei Infektionen durch Bisswunden ist auf eine Wundnaht vollständig zu verzichten.
57
534
Kapitel 57 · Infektionen der Hand
a
57
b
c
d
e
. Abb. 57.1╇ Chirurgisch relevante Ausbreitungsräume der Hohlhand (a). Handinfektionen breiten sich an vorhandenen Leitstrukturen aus und bleiben primär oft auf die Räume der Hand begrenzt. Zu diesen Leitstrukturen (b–e) zählen die Sehnenscheiden, die peritendinös-kutanen Bänder der Finger (Grayson-, Cleland-Bänder und die Ligg. phalangeale propria), die
Hohlhandaponeurose mit ihren intermediären Septen und den Querverstrebungen (Fasciculi transversi, Lig.€natatoria), der Mittelhandraum, die Thenar- und Hypothenarfaszie, der Karpalkanal und die Loge de Gyon. (Aus Kall u. Vogt 2005a,€b)
Gewebeproben und/oder Abstriche zur Bestimmung des Keimspek trums sollten asserviert werden. Das Débridement muss gründlich durchgeführt werden, wobei alle nekrotischen Strukturen entfernt werden müssen.
dend ist, dass möglichst früh postoperativ mit aktiver und Â�passiver Physiotherapie begonnen wird, die nicht über die Schmerzgrenze fort gesetzt werden sollte. Eine adäquate Schmerztherapie ist notwendig und muss ggf. durch die Anlage eines Plexuskatheters erfolgen.
57.3.4 Postoperatives Management
57.3.5 Indikation für konservatives Vorgehen
Postoperativ sollte zunächst eine Gipsruhigstellung erfolgen, wobei auf eine gespannte Position der Kolateralbänder an den Fingern zu achten ist, um eine Gelenkkontraktur zu vermeiden. Dabei gelten die Regeln, dass die Extension im Handgelenk 30°–50° und die Flexion in den Metakarpophalangealgelenken 50°–90° bei kompletter Exten sion der Mittel- und Endgelenke betragen sollte. Der Daumen muss in einer maximal palmar abduzierten Stellung retiniert werden. Bei ausgedehnten, fortschreitenden Infektionen kann eine Revisi on des Situs mit erneutem Débridement notwendig werden. Entschei
In seltenen Fällen kann die Therapie von Handinfektionen zunächst konservativ begonnen werden. Zu diesen Indikationen zählt die be ginnende Paronychie mit einer leichten Rötung des Nagelwalls ohne Ansammlung putrider Flüssigkeit und das Erysipel. Die konservative Therapie beinhaltet Handbäder, die Ruhigstellung und Hochlagerung der Extremität, eine antibiotische Therapie und eine antiphlogistische Behandlung. Sollte die Infektion trotz dieser Maßnahmen fortschrei ten, ist eine chirurgische Intervention mit Inzisionen und ggf. ausgie bigem Débridement, Abszessdrainage und Spülung unabdingbar.
535
57.4 · Einzelne Krankheitsbilder
57.4
Einzelne Krankheitsbilder
57.4.1 Paronychie und Panaritium
Akute Paronychie Die akute Paronychie ist eine Infektion des Nagelwalls, ausgehend vom eponychialen Raum. Jede Verletzung des Nagelwalls kann zu einem Eintritt von Keimen und zur Entstehung einer Paronychie führen. Sie ist die häufigste Infektion der Hand und tritt in einem Verhältnis von 3:1 vermehrt bei Frauen auf. In der Regel liegt einer Paronychie ein Staphylokokkeninfekt zu grunde. Diagnostik.╇ Die Diagnose ist rein klinisch zu stellen. Es zeigt sich
ein geröteter, geschwollener und druckschmerzhafter Nagelwall. Die Patienten berichten über nächtliches Pochen des Fingers und ausge prägte Schmerzen. Bei einer fortgeschrittenen Paronychie ist oft ein mit Pus gefülltes Bläschen am Nagelwall erkennbar, das sich spontan entleeren kann.
Therapie.╇ Eine beginnende Paronychie kann zunächst konservativ
mit Fingerbädern, oraler antibiotischer Therapie und Ruhigstellung behandelt werden. Sollte sich trotzdem ein Fortschreiten der InÂ�fektion zeigen, müssen eine chirurgische Inzision und Drainage erfolgen. DieÂ�se kann in einfachen Fällen durch ein Spreizen mit der Pinzette in die paronychale Umschlagsfalte erfolgen. Sollte sich Pus unterhalb des Nagels befinden, muss dieser im Sinne einer Emmert-Plastik teilent fernt werden, um eine korrekte Drainage zu gewährÂ�leisten. Inzisionen zur Drainage sollten in die paronychale Falte gelegt werden. Eine mediolaterale longitudinale Inzision über dem Punc tum maximum des Infektes ist alternativ durchführbar. Hierbei
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sollte darauf geachtet werden, dass die Inzision von der germinativen Matrix des Nagels fortgeführt wird, um postoperative Nagelwachs tumsstörungen zu vermeiden (.€Abb.€57.2). Um die Drainage zu verbessern, können Laschen in die Wunde eingelegt werden. Eine Nahtadaptation der Wundränder wird nicht unbedingt empfohlen. Postoperatives Management.╇ Tägliche Verbandwechsel sollten
Fingerbäder mit desinfizierenden Lösungen beinhalten. Der betrof fene Finger sollte mit einer Lagerungsschiene ruhiggestellt werden. Bei einem hauptsächlich aus Staphylococcus aureus bestehenden Keimspektrum muss die antibiotische Therapie entsprechend ange passt werden. Cephalosporine der 1. und 2.€Generation sind hier das Mittel der Wahl.
! Cave Wird eine Paronychie nicht rechtzeitig und ausreichend behandelt, kann sich die Infektion fortsetzen und zu einer Destruktion des Nagelbettes sowie zur Ausbildung eines Panaritiums führen.
Chronische Paronychie Die chronische Paronychie ist eine meist langsam voranschreitende Entzündung des Nagelwalls, die mit Schwellung, Rötung und Emp findlichkeit des Nagelwalls einhergeht. Sie wird hauptsächlich durch einen Pilzbefall der Fingerkuppen, insbesondere mit verschiedenen Candidaspezies, verursacht. Diabetiker und handwerklich tätige Personen mit einer Exposition der Hände gegenüber Wasser und Chemikalien sind prädisponiert, eine chronische Paronychie zu ent wickeln. Die erforderliche Therapie ist in den meisten Fällen nicht chirurgisch, sondern durch die lokale Applikation antifungaler Me dikamente zu erzielen.
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. Abb. 57.2a–f╇ Typisches Panaritium mit Entlastung durch nagelfalzschonende Schnittführung und Laschendrainage. (Aus Kall u. Vogt 2005a)
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Kapitel 57 · Infektionen der Hand
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. Abb. 57.3a–c╇ Panaritium der Fingerbeere. Die Abszessdrainage über eine unilaterale, longitudinale, mediolateral verlaufende Inzision sollte bevorzugt werden, wobei das Skalpell scharf am Knochen entlanggeführt
werden muss, um eine Verletzung der Gefäß-Nerven-Bündel zu vermeiden. Mit einem Klemmchen sollten die osseokutanen Septen der Fingerbeere eröffnet werden, um den Abszess zu drainieren. (Aus Kall u. Vogt 2005a)
Durch bakterielle Superinfektionen kann aus einer chronischen Paronychie eine akute Form hervorgehen. Die Therapie folgt dann den Regeln der akuten Behandlung mit chirurgischer Drainage, Ruhigstellung, Fingerbädern und Antibiotikatherapie.
Postoperatives Management. Ruhigstellung, antibiotische Thera pie mit Cephalosporinen der 1. und 2.€Generation und tägliche Handbäder sind obligat.
Panaritium
57.4.2 Infektionen durch Tier-
Definition.╇ Als Panaritium wird ein Abszess der Fingerbeere defi
niert, der sich in der Regel subkutan manifestiert (Panaritium cuta neum). Bei starker Ausprägung kann er eine Osteitis oder Osteo myelitis der distalen Phalanx (Panaritium ossale), eine septische Arthritis des Endgelenkes (Panaritium articulare) oder eine Weich teilnekrose der Fingerbeere verursachen. Entleert sich ein Panariti um nicht spontan und wird es nicht adäquat versorgt, kann die In fektion anhand anatomischer Leitstrukturen fortgeleitet werden und zu Osteomyelitis, Tenosynovitis und septischer Arthritis führen.
Pathophysiologie.╇ Ein Panaritium kann sich aus einer nicht behan
delten Paronychie entwickeln. Meist liegen diesem Prozess jedoch kleine Verletzungen, z.€B. durch Holzsplitter oder Dornen, zugrun de. Das Panaritium gehört neben der Paronychie zu den häufigsten Infektionen an der Hand mit einem vermehrten Auftreten an Dau men und Zeigefinger.
Klinik, Symptomatik.╇ Ein Panaritium geht mit einer Rötung,
Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit der Fingerbeere einher. In einem fortgeschrittenen Zustand kann es zu einer spontanen Entlee rung des Panaritiums über sich herausbildende Weichteilnekrosen kommen. Das Keimspektrum eines Panaritiums beinhaltet haupt sächlich Staphylococcus aureus, wobei bereits Infektionen mit mul tiresistentem St.€aureus beschrieben wurden.
Therapie.╇ Die Therapie ist in der Regel chirurgisch und beinhaltet die Drainage des Abszesses und das ausgiebige Débridement nekro tischer Stukturen. Die Abszessdrainage über eine unilaterale, longi tudinale, mediolateral verlaufende Inzision sollte bevorzugt werden, wobei das Skalpell scharf am Knochen entlanggeführt werden muss, um eine Verletzung der Gefäß-Nerven-Bündel zu vermeiden. Mit einem Klemmchen sollten die osseokutanen Septen der Fingerbeere eröffnet werden, um den Abszess zu drainieren (.€Abb.€57.3). Nekro tisches Gewebe muss entfernt, die Wunde gespült und eine Lasche zur weiteren Drainage eingelegt werden. Auf die Adaptation der Wundränder wird verzichtet, um eine Sekundärheilung anzustreben. ! Cave Inzisionen auf der Fingerbeere und fischmaulförmige SchnittÂ�führungen um die Fingerkuppe herum sollten ver mieden werden, da diese empfindliche Narben und eine in stabile überempfindliche Fingerbeere hinterlassen können.
und Menschenbisse
Epidemiologie.╇ Die Inzidenz und Art von Tier- und Menschenbis sen ist von verschiedenen Faktoren wie geographische Lage, Indus trialisierung und Kulturkreis abhängig. Die Häufigkeit wird in den Vereinigten Staaten auf 200€Tierbissverletzungen pro 100.000 Ein wohner pro Jahr geschätzt, wobei sie in Großstädten wie New York und Los Angeles mit 300–700 pro 100.000 Einwohner deutlich höher liegt. In Schweden werden ca. 42% aller Bissverletzungen durch Hunde verursacht, 9% durch Katzen, 31% durch Pferde, 8% durch Rinder, 6% durch Elche und 4% durch andere Tiere. Man schätzt, dass in den industrialisierten Ländern ungefähr die Hälfte der Bewohner während ihres Lebens einmal von einem Tier oder einem Menschen gebissen werden. Bestimmte Risikogruppen wie Kinder oder Briefträger sind dabei besonders häufig betroffen. In den Vereinigten Staaten werden 12 von 1000 Briefträgern jährlich von einem Hund gebissen. Etwa 1% aller Notfallkonsultationen wird durch Bissverletzungen bedingt. Dabei führen jedoch die meisten Bissverletzungen nicht zu einer Infektion und werden in Notaufnah men in der Regel nicht vorstellig. Erreger.╇ Das Erregerspektrum ist vielseitig. Aus der Mundflora von Katzen und Hunden können etwa 60 und aus der Mundflora des Menschen bis zu 40 verschiedene Bakterien kultiviert werden. Dieses Spektrum umfasst aerobe und anaerobe Keime. In 56% der Fälle können Keime aus Bisswunden durch Katzen und Hunde isoliert werden. Führend ist hierbei eine Kontamination mit Pasteurella ca nis in 50% der Hundebissverletzungen und Pasteurella multocida oder septica in 75% der Katzenbissverletzungen. Weitere aerobe Keime beinhalten Streptokokken, Staphylokok ken, Morxerella und Neisseria. Häufig isolierte Anaerober sind Fu sobacterium, Bacteroides, Porphyromonas und Prevotells. Bei 10,9% aller Bissverletzungen durch Tiere kommt es zu einer Infektion, wobei manifeste Infektionen durch Katzenbisse überwiegen, da hier oft Punktionsverletzungen entstehen, durch die Keime tief in das Gewebe befördert werden. Bei Bissverletzungen durch Menschen liegt die Infektionsrate mit 30–80% sehr hoch. Zum einen ist das Keimspektrum, zum an deren der Verletzungsmechanismus ursächlich für die hohe Infek tionsrate. Aus menschlichen Bisswunden können in 50% der Fälle Streptokokken, in 40% Staphylococcus aureus sowie in 30% der Fäl le Eikenella corrodens isoliert werden, wobei Eikenella corrodens,
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57.4 · Einzelne Krankheitsbilder
Bei Patienten mit Diabetes mellitus wird eine Therapie mit Â� parenteraler Gabe von Aminoglykosiden empfohlen, da in dieser Patientengruppe eine erhöhte Infektionsrate mit gramnegativen Er regern vorliegt. Cephalosporine der 2. und 3.€Generation gelten als Reserveantibiotika und sollten nur in besonderen Fällen verwendet werden. > Behandlungsgrundsätze bei Bisswunden an der Hand 4 Von entscheidender Bedeutung für die Vermeidung einer Infektion ist das ausgiebige chirurgische Débri dement der Bisswunden. 4 Bisswunden an der Hand sind komplett auszuschnei den und nicht primär zu verschließen. 4 Die mechanische Säuberung durch Irrigation mit iso toner Kochsalzlösung oder antiseptischen Reagenzien ist entscheidend. 4 Bei Zahnschlagverletzungen (»fight-bite clenched fist«) ist ein ausgiebiges Débridement des betroffenen Gelenkes mit Synovektomie und Spülung notwendig.
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Postoperatives Management.╇ Die Einlage von Drainagematerial b . Abb. 57.4a, b╇ Offene Gelenkverletzung durch Zahnschlagverletzung (»fight-bite clenched fist«). Zu diesem Verletzungsmechanismus kommt es, wenn bei einer Auseinandersetzung mit der Faust die Zähne des Gegners getroffen werden. Hierbei werden oft die Strecksehne und die Gelenkkapsel eines Metakarpophalangealgelenkes vom Zahn des Gegners perforiert. Bei Extension des Fingers gleitet die Strecksehne nach proximal und verdeckt so mit intaktem Sehnengewebe die Perforation der Gelenkkapsel im Sinne eines Kulissenphänomens. Die Keime werden so in das Gelenk eingeschlossen. (Aus Kall u. Vogt 2005a)
ein gramnegativer Anaerober, der am häufigsten zur Infektion füh rende Keim ist. Pathophysiologie.╇ Als besonders gefährlicher Verletzungsmecha nismus gilt die »fight-bite clenched fist« (Zahnschlagverletzung)). Zu diesem Mechanismus kommt es, wenn bei einer Auseinanderset zung mit der Faust die Zähne des Gegners getroffen werden. Hierbei werden oft die Strecksehne und die Gelenkkapsel eines Metakarpo phalangealgelenkes vom Zahn des Gegners perforiert. Bei Extension des Fingers gleitet die Strecksehne nach proximal und verdeckt so mit intaktem Sehnengewebe die Perforation der Gelenkkapsel im Sinne eines Kulissenphänomens. Die Keime werden so in das Gelenk eingeschlossen (.€Abb.€57.4). Solche Verletzungen der Gelenkkapsel werden oft übersehen und können zu massiven Infektionen führen. Therapie.╇ Bissverletzungen an der Hand gehören zu Hochrisikover
letzungen und bedürfen neben der chirurgischen Revision innerhalb der ersten 24€h einer antibiotischen erregergerechten Prophylaxe, was in verschiedenen Studien gezeigt werden konnte. Dies gilt nicht für Bissverletzungen an anderen Körperregionen. Bei der Wahl des entsprechenden Antibiotikums ist zu beachten, dass kein Medi kament das gesamte Keimspektrum der oralen Flora abdeckt. Bei Hunde-, Katzen- und Menschenbissverletzungen wird allgemein ein β-Laktamantibiotikum sowie ein β-Laktamaseinhibitor wie Amo xicillin/Clavulansäure (Augmentan) oder Penicillin/Dicloxacillin empfohlen, da diese Gruppen gut gegen E.€corrodens, St.€aureus und P.€multocida wirksam ist.
und tägliche Handbäder werden generell empfohlen. Die postope rative Ruhigstellung und frühfunktionelle Physiotherapie sind ob ligat. 57.4.3 Septische Tenosynovitis
Pathophysiologie.╇ Eine putride Infektion der Beugesehnenschei den kann durch jeden fortgeleiteten Infekt des Fingers entstehen. Am häufigsten sind Verletzungen mit Dornen oder Splittern, die die Beugesehnenscheide penetrieren und Keime in die Sehnenscheide inokulieren. Beugesehnenscheidenphlegmonen werden in der Regel durch Staphylococcus aureus verursacht, bei Diabetikern sind auch Anaerobier nachweisbar. Die Besonderheit einer Infektion der Beu gesehnenscheiden liegt in der äußerst schnell entstehenden Sympto matik und der rapiden Infektausbreitung im Verlauf der Sehnen scheiden bis zum Handgelenk. In der Regel bleiben Infektionen der Sehnenscheiden des Zeige-, Mittel- und Ringfingers auf die Finger bis zu den Metakarpophlangealgelenken begrenzt. Im Gegensatz dazu führen die anatomischen Gegebenheiten der Daumen- und Kleinfingerbeugesehnenscheiden nicht selten zu Infektionen mit Ausbreitung bis zum Handgelenk. Eine V-Phlegmone kann sich zwi schen Daumen und Kleinfinger ausbilden, da die Sehnenscheiden oft in Höhe des Handgelenkes kommunizieren (.€Abb.€57.5). Klinik, Symptomatik, Diagnostik.╇ Zur typischen Klinik gehören
die von Kanavel geschriebenen Symptome:
4 eine ca. 30° flektierte Position des Fingers im Mittel- und End gelenk,
4 die symmetrische Schwellung des gesamten Fingers, 4 die massive Druckschmerzhaftigkeit über der Beugesehnen scheide und
4 die ausgeprägte Schmerzhaftigkeit bei passiver Extension des Fingers (.€Abb.€57.6).
> Hierbei ist die Extensionsschmerzhaftigkeit das verläss lichste diagnostische Kriterium. Therapie.╇ Die Therapie einer Beugesehnenscheidenphlegmone ist stets chirurgisch. Erfolgt keine chirurgische Intervention, kommt es durch Adhäsionen der Beugesehnen und die Zerstörung der ohne
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Kapitel 57 · Infektionen der Hand
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. Abb. 57.5a–c╇ V-Phlegmone, die sich zwischen Daumen und Kleinfinger ausbildet, da die Sehnenscheiden oft in Höhe des Handgelenkes kommunizieren. (Aus Kall u. Vogt 2005a)
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. Abb. 57.6a–c╇ Typische Beugesehnenphlegmone mit empfohlener chirurgischer Inzision. (Aus Kall u. Vogt 2005a)
hin geringen Durchblutung schnell zu einer Nekrose der Sehne, was aufwendige rekonstruktive Maßnahmen nach sich zieht. Bei Infektionen der Beugesehnenscheide kann innerhalb von Stunden eine hochakute Situation mit einer Phlegmone bis in die Hohlhand oder zum Handgelenk die Folge sein. Die schnelle chirur gische Intervention ist hier notwendig. Sie beinhaltet 4 die Entlastung und Drainage der Beugesehnenscheide durch Fensterung und 4 die mechanische Säuberung derselben, in der Regel durch Irri gation mit isotoner Kochsalz- oder Ringer-Lösung.
Der entsprechenden Lösung kann ein Antibiotikum (z.€B. Nebace tin) zugesetzt werden. Die Anlage eines Spülkatheters zur Irrigation über 48€h ist empfehlenswert, wobei dieser möglichst proximal über ein Fenster der Sehnenscheide in Höhe des A1-Ringbandes einge führt und die entsprechende Drainage (Lasche oder Redon) an der distalen Begrenzung der Sehnenscheide ausgeführt werden sollte. Eine Spülung von proximal nach distal ist sinnvoll, um die Ausbrei tung des Infektes in das proximale Weichgewebe zu vermeiden. Die operative Therapie der Beugesehnenscheidenphlegmone richtet sich nach der Ausprägung des Infektes, beinhaltet jedoch stets die Exzi sion der Eintrittspforte der Keime.
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57.4 · Einzelne Krankheitsbilder
Die Beugesehnenscheidenphlegmonen können nach Michon in 3€klinische Stadien eingeteilt werden, die eine Orientierung für die chirurgische Therapie bieten können. 4 Das Stadium I ist durch eine empfindliche Schwellung des Fin gers gekennzeichnet, wobei die Sehnenscheide entzündlich ver ändert ist und klare bis leicht getrübte Flüssigkeit enthält. In diesem Stadium ist die Anlage einer Spüldrainage über eine pro ximale quere Inzision in Höhe des A1-Ringbandes und eine dis tale Inzision der Sehnenscheide indiziert (.€Abb.€57.6b). 4 Das Stadium II ist durch eine hochakute Infektion mit gerötetem, massiv geschwollenem Finger charakterisiert. Die Sehnenschei de ist prall, granulomatös verändert und enthält putride Flüs sigkeit. Die Sehne ist noch intakt. Die chirurgische Therapie beinhaltet in diesem Stadium die komplette Exzision der Sehnen scheide unter Erhalt der Ringbänder und Vinculae. Die Adapta tion der Wundränder sollte nur sehr sparsam erfolgen, wobei die Eintrittspforte der Keime sekundär heilen sollte. Wir empfehlen die mediolaterale Inzision und die Anlage eine Spül-SaugSystems für 48€h (.€Abb.€57.6c). 4 Im Stadium III liegt zusätzlich zur putriden Füllung der Sehnen scheide eine Nekrose der Sehne vor. Das Débridement der kom pletten Sehnenscheide und der nekrotischen Sehne muss radikal durchgeführt werden. Eine septische Arthritis oder Osteomyeli tis müssen ausgeschlossen werden. Die funktionelle Prognose einer Beugesehnescheidenphlegmone im Stadium€III ist sehr schlecht und bedarf aufwendiger rekonstruktiver Maßnahmen nach Infektsanierung. Die intaoperative Gabe eines adäquaten, erregergerechten Anti biotikums, die postoperative Fortführung einer intravenösen Antibiotikatherapie und die Ruhigstellung im Gips sind von Â�entscheidender Bedeutung. Da in der Regel Staphylokokken (St.€aureus) die ursächlichen Keime sind, sollte noch vor mikro biologischer Keimspezifizierung mit der antibiotischen Thera pie unter Verwendung eines Cephalosporins der 1. oder 2.€Ge neration begonnen werden. Postoperatives Management. Die frühfunktionelle aktive und pas
sive Physiotherapie sollte sofort nach Entfernung der Spüldrainage erfolgen. Nur so können funktionelle Defizite durch Sehnenadhä sionen minimiert oder vermieden werden. 57.4.4 Hohlhandphlegmone Alle Infektionen an der Hand können bei einem Fortschreiten des Prozesses zu einer Hohlhandphlegmone führen. Diese wird als eine flächenhafte, sich infiltrativ ausbreitende, eitrige Zellgewebsentzün dung mit ödematöser Durchtränkung der Umgebung und lokalen und allgemeinen Entzündungszeichen definiert. An der Hand kön nen nach der Lokalisation Interdigitalphlegmonen, Thenarphleg monen, Mittelhandphlegmonen und Hypothenarphlegmonen unter schieden werden. Obwohl der Infekt auf der Hohlhandseite besteht, geht er meist mit einer reaktiven dorsalen Schwellung der Hand ein her. Das Ausschlusskriterium für eine dorsale Handinfektion ist die fehlende Fluktuation des Gewebes. Die meisten Hohlhandphlegmonen werden durch Staphylococ cus aureus oder β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe€A verursacht. Neben der stets notwendigen chirurgischen Infektsanie rung ist auch hier die intravenöse Antibiotikaverabreichung essen zieller Bestandteil der Therapie.
Interdigitalinfekte Klinik, Symptomatik.╇ Interdigitalphlegmonen und -abszesse gehen
in der Regel von einer Verletzung im Bereich der Zwischenfingerfal te aus. Neben einer Rötung und Druckschmerzhaftigkeit sind sie durch eine Erweiterung der Zwischenfingerfalte und die Unfähigkeit zur aktiven Adduktion der betroffenen Finger gekennzeichnet. Die auftretende Schwellung kann sowohl eine dorsale als auch palmare Betonung aufweisen. Abszesse in der Interdigitalfalte haben oft eine sanduhrförmige Konfiguration mit einer subepidermalen und einer tieferliegenden Eiteransammlung im Fettgewebe. Auf der Palmarsei te der Hand findet sich oft eine Ansammlung von Pus palmar der Hohlhandaponeurose in einem Sinus mit einer zweiten Ansamm lung am Lig.€metacarpale superficiale transversum.
Therapie.╇ Die Therapie der Interdigitalinfektionen ist stets chirur
gisch und beinhaltet die Abszessdrainage, das Débridement und die ausgiebige Spülung. Aufgrund der häufig vorhandenen Kammerung mit einem dorsalen und palmaren Aspekt muss in der Regel beidsei tig eröffnet werden. Die Inzisionen sollten nie transvers erfolgen, da dies zu kontrakten Narben in der Interdigitalfalte führen kann.
Mittelhandphlegmone Anatomische Gegebenheiten.╇ Mittelhandphlegmonen sind zu
nächst auf das Mittelhandkompartiment begrenzt, das sich dorsal der tiefen Beugesehnen über dem 3. und 4.€Metakarpale erstreckt und dort von der Fascia interossea palmaris begrenzt wird. Die radi ale Begrenzung des Mittelhandraums wird gebildet durch das Sep tum obliquum, die ulnare Begrenzung durch die Hypothenarfaszie und die distale Begrenzung durch vertikale Septen der Hohlhanda poneurose (.€Abb.€57.1b,€c). Nach proximal besteht nur eine zu ver nachlässigende Begrenzung, wodurch sich Infektionen des Spatium palmare medianum schnell über den Karpalkanal im Parona-Raum in den Unterarm ausbreiten können.
Pathophysiologie.╇ Diese Infektionen entstehen durch direkte Ver
letzungen, können aber auch durch fortgeleitete Beugesehnenschei denphlegmonen hervorgerufen werden.
Klinik.╇ Klinisch sind eine Schwellung mit dem Verlust der Hohl
handkonkavität, eine Rötung und Druckschmerzhaftigkeit sowie eine dorsale Schwellung und die Bewegungseinschränkung von Mit tel- und Ringfinger führend (.€Abb.€57.7).
. Abb. 57.7╇ Klinischer Aspekt der Hohlhandphlegmone: Schwellung mit dem Verlust der Hohlhandkonkavität, Rötung und Druckschmerzhaftigkeit sowie eine dorsale Schwellung und die Bewegungseinschränkung von Mittel- und Ringfinger. (Aus Kall u. Vogt 2005b)
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Kapitel 57 · Infektionen der Hand
Therapie.╇ Die Therapie setzt sich aus dem chirurgischen Débride
ment, der Spülung und der Drainage sowie einer adäquaten Anti biotikatherapie, Ruhigstellung und frühfunktioneller Physiotherapie zusammen. Die Inzisionen sollten anatomisch gerecht longitudinal oder transvers in die Hohlhandbeugefurche gelegt werden, wobei der longitudinale Zugangsweg zu bevorzugen ist, da hier eine Erwei terung der Inzision bei Fortschreiten der Hohlhandphlegmone über den Karpalkanal hinaus einfacher ist.
Thenarphlegmone Klinik.╇ Die Thenarphlegmone ist eine purulente subkutane, epifas
ziale Infektion des Daumenballens. Die Ausbreitung ist meist auf den Thenar und die 1.€Zwischenfingerfalte begrenzt und dehnt sich nur selten über das Septum obliquum in die Mittelhand aus (.€Abb.€55.7). Die Infektion ist durch eine massive Schwellung und Rötung des Thenarballens und der 1.€Zwischenfingerfalte gekenn zeichnet. Der Daumen steht in Abduktionsstellung und ist nur schmerzhaft adduzierbar.
a
Therapie.╇ Die chirurgische Therapie beinhaltet die Inzision, die ne
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ben der obligaten palmaren Inzision auch dorsal notwendig sein kann, das ausgiebige Débridement unter Erhalt der Faszien, die Spü lung und die Drainage der Wunde. Die Ruhigstellung des Daumens muss in Opposition und palmarer Abduktion erfolgen. Eine syste mische Antibiotikatherapie ist notwendig.
Hypothenarphlegmone Klinik.╇ Hypothenarphlegmonen sind sehr selten und auf das sub
kutane Gewebe des Kleinfingerballens begrenzt. Klinisch äußert sie sich als Schwellung und Empfindlichkeit des Hypothenars (.€Abb.€57.7).
Therapie.╇ Die chirurgische Therapie beinhaltet die ulnare Inzi
sion,€das obligate Débridement, die Spülung und die Drainage. Postoperativ erfolgen eine Ruhigstellung der Hand und die früh funktionelle Beübung. Wie bei den anderen Formen der Hohlhand phlegmonen ist die intravenöse antibiotische Behandlung unab dingbar.
Fortschreiten der Infektion.╇ Jede Hohlhandphlegmone kann über
ihre anatomische Begrenzung hinaus fortschreiten. Hierbei folgt die Infektion anatomisch vorgegeben Strukturen wie dem Karpalkanal, der Loge de Gyon, den Beugesehnenscheiden, den Mm.€lumbricalis und den Faszien der Hand. So kann es zu einer Ausbreitung bis in den Unterarm und den Handrücken kommen. Die chirurgische Therapie ist in solchen Fällen ausgedehnter und beinhaltet die Spal tung der Karpalkanals, der Loge de Gyon, der Unterarmfaszie und die Inzision des Handrückens. Bei ausgedehnten Befunden ist eine Kompartmentspaltung an der Hand oder am Unterarm oft unab dingbar, um eine schwellungsbedingte Muskelischämie und -nekro se zu verhindern. 57.4.5 Erysipel
Pathophysiologie. Das Erysipel ist eine akute, infektiöse Entzün
dung des Koriums der Haut, die in der Regel durch β-hämolysieren de Streptokokken der Gruppe€A, seltener€C, verursacht wird. Kleine Rhagaden oder Erosionen sowie Insektenstichverletzungen sind Eintrittspforten für die Keime. Der Infekt beginnt plötzlich und kann mit systemischen Symptomen wie Schüttelfrost, Fieber und Erbre chen einhergehen.
b . Abb. 57.8a, b╇ Aspekt einer Handinfektion durch β-hämolysierende Streptokokken. (Aus Kall u. Vogt 2005b)
Klinik.╇ Klinisch findet sich eine scharf begrenzte flächenhafte Rö
tung und Schwellung der Haut ohne Fluktuation. Eine Lymphangitis mit Lymphknotenschwellung ist oft vorhanden. In schweren Ver laufsformen kommt es zu einer Epidermolyse und zu Weichteilne krosen. Infektionen mit β-hämolysierenden Streptokokken führen oft zu einer hämatomartig lividen Verfärbung der Haut, die sich un ter entsprechender Antibiotikatherapie und Ruhigstellung meist wieder zurückbildet (.€Abb. 8a-b).
Therapie.╇ Die Therapie der Wahl ist initial konservativ und bein haltet die Ruhigstellung der Extremität unter Hochlagerung des Arms sowie die parenterale Antibiotikagabe. Das Medikament der Wahl ist hochdosiertes Penicillin€G. Bei einer Allergie gegen Penicil line kann eine Therapie mit Makroliden oder Cephalosporinen er folgen. Die Abheilung erfolgt in der Regel nach wenigen Tagen. Bei einer Besserung der Infektion ist mit aktiver und passiver Physio therapie zu beginnen.
Infektion durch gasbildende Keime In diesem Zusammenhang sind Weichgewebsinfektionen mit gas bildenden Keimen erwähnenswert. Hierbei liegt neben einer offen sichtlichen Infektion mit Rötung und Schwellung eine Gasbildung im Gewebe vor, die sich bei Berührung und Druck als feines Knis tern äußert. Infektionen mit Gasbranderregern (Clostridium per fringens) sind glücklicherweise selten geworden, aber dennoch gibt es andere Keime, die eine lokale Gasbildung verursachen und oft schwer nachweisbar sind. Zu den häufiger auftretenden Infektionen mit gasbildenden Bakterien zählen die Peptostreptokokken. Diese anaeroben, grampositiven Keime sind durch eine Therapie mit hochdosiertem Penicillin€G trotz zunehmender Resistenzen meist noch gut zu behandeln.
541
57.5 · Differenzialdiagnosen
57.4.6 Nekrotisierende Fasziitis Dies ist eine seltene, aber schwere streptokokkenbedingte Weichge websinfektion mit einer Mortalitätsrate von 25%. Klinik.╇ Die nekrotisierende Fasziitis ist durch eine Nekrose von Fas
zien gekennzeichnet, die sich rapide ausdehnt. An den Händen und Unterarmen tritt sie selten auf. Anfänglich präsentiert sich das Krankheitsbild mit noch intakt erscheinender Haut, die erysipelartig leicht gerötet sein kann. Im Gegensatz dazu sind die Allgemein symptome wie Schmerz, Fieber, Schüttelfrost und kardiovaskuläre Symptome bis zum Schock oft extrem.
Therapie.╇ Trotz der intakt erscheinenden Haut liegen oft schon aus gedehnte Fasziennekrosen vor, die einer sofortigen chirurgischen Intervention bedürfen. Bei einem Fortschreiten der Erkrankung kommt es zu einer Nekrose von Haut, Subkutangewebe und Muskel. > Die nekrotisierende Fasziitis ist eine per se lebensbedroh liche Erkrankung und erfordert eine schnelle chirurgische Intervention mit ausgedehntem Débridement der betrof fenen Areale sowie eine intensive erregergerechte antibio tische Therapie.
In der Regel sind mehrere Revisionsoperationen notwendig, insbe sondere bei fortschreitender Gewebenekrose. Patienten mit nekroti sierender Fasziitis müssen meist aufgrund der großen Wundflächen, des Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes und der Schmerzen inten sivmedizinisch betreut werden. Das ursächliche Erregerspektrum umfasst aerobe und anaerobe Keime, wobei am häufigsten β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe€A isoliert werden. Die antibiotische Therapie umfasst bei β-hämolysierenden Streptokokken Penicillin€G. Anaerobe Patho gene, gramnegative aerobe Keime und häufig mitisolierte Staphy lokokÂ�ken können mit Clindamycin oder Gentamicin gut erreicht werden. Nach Infektsanierung erfolgt die Defektdeckung in der Regel durch Spalthauttransplantationen oder freien Gewebetransfer, je nach Ausdehnung und Tiefe des Weichgewebsdefektes. 57.5
Differenzialdiagnosen
Einige systemische Erkrankungen, die sich an der Hand manifestie ren können, wie das Pyoderma gangraenosum, die rheumatoide Arthritis und die Gicht, imitieren nicht selten Infektionen und er schweren die Diagnosefindung. Zudem gibt es verschiedene Tumo ren, die hauptsächlich an den Fingern auftreten und durch Schwel lung, Rötung und Schmerzhaftigkeit eine Infektion vortäuschen können. Auch die in unseren Breiten selten auftretenden Schlangen bisse führen zu einer Schwellung, Schmerzhaftigkeit und teilweise zu einer Nekrose des betroffenen Fingers und können bei Lage an der Fingerkuppe wie ein Panaritium imponieren (.€Abb.€57.9).
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b . Abb. 57.9a, b╇ Differenzialdiagnosen von Handinfekten: Schlangenbisse führen zu einer Schwellung, Schmerzhaftigkeit und teilweise zu einer Nekrose des betroffenen Fingers und können bei Lage an der Fingerkuppe wie ein Panaritium imponieren. (Aus Kall u. Vogt 2005b)
das Pyoderma gangraenosum auf dem Boden einer systemischen Grunderkrankung wie M.€Crohn oder Colitis ulcerosa. Die Therapie ist nicht primär chirurgisch, sondern erfolgt lokal antiseptisch und durch die Behandlung der zugrundeliegenden Vas kulitis, z.€B. mit Kortikosteroiden. Obwohl die histologische Unter suchung nicht spezifisch ist, kann eine infektionsbedingte Ulzera tion durch eine Biopsie aus dem Ulkus ausgeschlossen werden.
57.5.1 Pyoderma gangraenosum
57.5.2 Herpes
Das Pyoderma gangraenosum ist eine nichtinfektiöse, vaskulitisbe dingte Hautulzeration mit entzündlich-pustulösem Rand, die sich schnell entwickelt und eine Ausdehnung bis zu 20€cm erreichen kann. Aufgrund des akuten Verlaufs und der Rötung um das Ulkus herum kann das Pyoderma gangraenosum mit einer infektionsbe dingten Ulzeration verwechselt werden. In ca. 50% der Fälle entsteht
Herpesinfektionen können je nach Ausprägung zu unterschied lichsten Erscheinungsformen von Rötungen, Bläschenbildungen bis zu Hautablösungen führen.
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542
Kapitel 57 · Infektionen der Hand
57.5.3 Rheumatoide Arthritis und Gicht Akute Schübe von Gelenkrheuma und Gichtanfälle können ein ähn liches klinisches Bild wie eine septische Arthritis verursachen. Im Vordergrund stehen die Auftreibung des betroffenen Gelenkes, eine Rötung und Überwärmung sowie eine massive Schmerzhaftigkeit. Differenzialdiagnostisch wichtig sind hierbei 4 der akute Beginn der Symptome, 4 das fehlende Trauma, 4 die fehlende Eintrittspforte für Keime, 4 die Begrenzung der Rötung und Schwellung auf das betroffene Gelenk, 4 die fehlende Lymphangitis, die krankheitsentsprechenden ra diologischen Veränderungen und 4 die Anamnese des Patienten mit oft bekannter Grunderkran kung.
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Insbesondere bei akuten rheumatischen Schüben deuten bereits vor handene Deformitäten der Fingergelenke, wie eine Ulnardeviation der Finger, auf die zugrunde liegende Erkrankung hin. Eine Blutent nahme mit Bestimmung der Infektparameter (Leukozyten, C-reak tives Protein, Blutsenkungsgeschwindigkeit) und des Harnsäurespie gels sowie die Anfertigung von Röntgenbildern sind differentialdia gnostisch entscheidend. Sowohl die Behandlung eines akuten Rheu maschubes als auch einer Gicht ist primär nicht chirurgisch, sondern wird in erster Linie medikamentös durchgeführt. Die Ruhigstellung der betroffenen Gelenke kann dennoch eine Linderung der Be schwerden herbeiführen (.€Abb.€57.10). 57.5.4 Tumoren der Hand Verschiedene Tumoren der Hand können zur Fehldiagnose eines Fingerinfektes führen, insbesondere bei tumorbedingter Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit der betroffenen Extremität. Ganglien der Gelenke und Beugesehnenscheiden führen zu ei ner lokalen Schwellung und können druckschmerzhaft sein. Treten sie als Mukoidzysten an den dorsalen Endgelenken in der Nähe des Nagelwalls auf, können sie eine Paronychie mit Schwellung, Rötung und Druckschmerz imitieren. Palpatorisch lassen sie sich jedoch oft als Ganglien identifizieren. Im Röntgenbild sieht man in der
Â� Regel einen Osteophyten, der für die Bildung der Mukoidzyste ur sächlich ist. Riesenzelltumoren sind die zweithäufigsten Tumoren der Hand. Ihre Pathogenese ist unklar. Sie führen zu einer lokalen Auftreibung des Fingers und können mit einer Beugesehnenscheidenphlegmone verwechselt werden. Ähnlich verhält es sich mit Knochentumoren wie Enchondro men. Sie werden oft erst bei Schmerzhaftigkeit nach Infrakturierung des Knochens diagnostiziert und gehen mit einer Auftreibung der Phalanx, Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit des Fingers ein her, sodass sie zur Fehldiagnose der Beugesehnenscheidenphlegmo ne führen können. Glomustumoren des Nagelbettes können durch ihre Lokalisa tion und ausgeprägte Schmerzhaftigkeit eine Infektion des Nagel bettes imitieren. Ein Röntgenbild des betroffenen Fingers gibt hier jedoch Aufschluss, da Glomustumoren ein knochenverdrängendes Wachstum aufweisen. 57.6
Operatives Vorgehen
57.6.1 Plastische Weichteildeckung Massive Infektionen an der Hand hinterlassen nicht selten ausge dehnte Weichteildefekte, die einer plastisch-chirurgischen Defekt deckung bedürfen. Hierbei muss man Die Lokalisation der Defekte unterscheiden: 4 an den Fingern, 4 am Daumen, am Handrücken und 4 an der Hohlhand. Das Ausmaß und die Lokalisation des Gewebeverlustes bestimmen über den Modus der Defektdeckung, die von einer einfachen Spalt hauttransplantation bis zum freien Gewebetransfer reichen kann (.€Tab.€57.2). > Zu beachten ist, dass plastische Defektdeckungen keines falls aus betroffenen oder unmittelbar der Infektionszone benachbarten Geweben gewonnen werden dürfen. Somit erfolgt die plastische Rekonstruktion im infektfreien Inter vall mit gut durchblutetem Gewebe.
Prinzipiell werden auch an der Hand verschiedene Lappentypen je nach Blutversorgung unterschieden. Man unterteilt 4 »random pattern flaps«, die ihre Blutversorgung aus dem sub dermalen Plexus erhalten, und 4 »axial pattern flaps«, bei denen ein axial liegendes Gefäß die Blutversorgung des entsprechenden Gewebestücks übernimmt. »axial pattern flaps« werden zusätzlich eingeteilt in 5 kutane Lappen, 5 fasziokutane Lappen und 5 muskulokutane Lappen. Insbesondere bei Weichteildefekten an den Fingern kann eine De fektdeckung oft durch lokale »random pattern flaps« erfolgen. 57.6.2 Lokale Lappenplastiken
a
b
. Abb. 57.10a, b╇ Differenzialdiagnosen von Handinfekten: Schwellung und Auftreibung durch Gichttophus. (Aus Kall u. Vogt 2005b)
Z-Plastik.╇ Die bekannteste lokale Lappenplastik ist die Z-Plastik, die als Transpositionslappen an der Hand häufig ihre Anwendung fin det, aber bei postinfektiösen Weichteildefekten oft nicht genügend Gewebe zur Defektdeckung mobilisieren kann.
543
57.6 · Operatives Vorgehen
. Tab. 57.2╇ Lappenplastiken an der Hand, die zur Deckung postinfektiöser Defekte genutzt werden können
Lokalisation
Palmarer Defekt
Dorsaler Defekt
Lokale Lappen
Regionale Lappen
Fernlappen
Lokale Lappen
Regionale Lappen
Fernlappen
Fingerkuppe, Mittel- und Endphalanx
VY-Lappen
Cross-finger-Lappen, Thenarlappen, neurovaskulärer Insellappen
Bauchhautlappen, Leistenlappen, Spalthaut, Vollhaut
–
Reversed-crossfinger-Lappen, Thenarlappen, distal gestielter vaskulärer InselÂ� lappen
Bauchhautlappen, Leistenlappen, Spalthaut, Vollhaut
Proximales Interphalangealgelenk
Mediolateraler Transpositionslappen (Bunnell-Lappen)
Cross-finger-Lappen, AdvancementLappen (z.€B. Hueston-Lappen), homodigitaler Insellappen
Bauchhautlappen, Leistenlappen, Spalthaut, Vollhaut, venöser Durchstromlappen
Transpo�sitions� lappen
Reversed-crossfinger-Lappen, DMCA-Lappen
Bauchhautlappen, Leistenlappen
Proximale Phalanx
Mediolateraler Transpositionslappen
Cross-finger-Lappen, Flaggenlappen, DMCA-Lappen, AdvancementLappen
Bauchhautlappen, Leistenlappen Spalthaut, Vollhaut, venöser Durchstromlappen
Transpositionslappen
Reversed-crossfinger-Lappen, DMCA-Lappen
Bauchhautlappen, Leistenlappen, Spalthaut, Vollhaut
Metakarpophalangealgelenk
Mediolateraler Transpositionslappen
Flaggenlappen, DMCA-Lappen
Bauchhautlappen, Leisenlappen, Spalthaut, Vollhaut
Mediolateraler Transpositionslappen
Flaggenlappen, DMCA-Lappen
Bauchhautlappen, Leistenlappen, Spalthaut, Vollhaut
Metakarpus
Transpositionslappen
Filet-Lappen, vaskuläre InselÂ� lappen
Leistenlappen, Radialislappen, Interosseus-poste� rior-Lappen, ALT-Lappen, Paraskapularlappen, Spalthaut, Vollhaut
Limberg- Lappen, Rotations� lappen, AdvancementLappen
Filet-Lappen, DMCA-Lappen
Radialislappen, Interosseusposterior-Lappen, Leistenlappen, ALT-Lappen, Paraskapular� lappen, lateraler Oberarmlappen, Spalthaut, Vollhaut
Daumen
VY-Lappen, Moberg-Lappen
Neurovaskulärer Insellappen (Foucher-Lappen), homodigitaler neurovaskulärer Insellappen, Cross-finger-Lappen
Bauchhautlappen, Leistenlappen, Spalthaut, Vollhaut
Transpositionslappen
Distal gestielter vaskulärer homodigitaler Insellappen
Spalthaut, Vollhaut, Bauchhautlappen, Leistenlappen
Transpositionslappen.╇ Kleine Transpositionslappen können gut bei Weichgewebsdefekten an den dorsalen Fingern mobilisiert wer den und reichen oft zur Deckung kleiner Defekte über dem proxi malen Interphalangealgelenk oder der proximalen Phalanx aus. Der Hebedefekt lässt sich meist primär verschließen. Moberg-Lappen.╇ Zu den axial gestielten lokalen Lappen zählt der
Moberg-Lappen, ein Advancement-Lappen, der sich zur Deckung distaler Daumenkuppendefekte eignet und dort häufig Anwendung findet.
VY-Lappen.╇ Bei distalen Weichgewebsdefekten der Fingerkuppe
werden oft palmare VY-Lappen oder radiale und ulnare VY-Lappen (Kutler-Lappen) genutzt.
57.6.3 Regionale Lappenplastiken (Reversed-) Cross-finger-Lappen.╇ Die wichtigsten und am häufig
sten verwendeten regionalen Lappen an der Hand sind der Crossfinger-Lappen und der Reversed-cross-finger-Lappen. Die meisten dorsalen oder palmaren Defekte an den Grund-, Mittel- und End gliedern der Langfinger können mit diesem Lappen gedeckt werden. Er ist sehr verlässlich und verhältnismäßig einfach zu präparieren. Thenarlappen.╇ Defekte an der Fingerkuppe, die sich nicht mehr
durch lokale Lappenplastiken verschließen lassen, können u.€a. durch einen Thenarlappen gedeckt werden.
57
544
Kapitel 57 · Infektionen der Hand
a
a
b . Abb. 57.12a, b╇ Plastische Defektdeckung am Handrücken nach ausgiebigem Infekt. Débridement durch freien Latissimuslappen. (Aus Kall u. Vogt 2005b)
57
dorsaler Defekte an der Hand verwendet werden kann (.€Abb.€11). Ein Nachteil des Radialislappens ist ohne Zweifel sein kosmetisch störender Hebedefekt.
b . Abb. 57.11a, b╇ Plastische Defektdeckung am Handrücken nach ausgiebigem Infekt. Débridement durch gestielten Radialislappen. (Aus Kall u. Vogt 2005b)
Insellappen.╇ Bei Weichteildefekten der Finger an Stellen, die für die
Greiffunktion wichtig sind, wie die ulnare Daumen- oder radiale Zeigefingerseite, können neurovaskuläre axial gestielte Insellappen anderer Finger Verwendung finden. Eine besondere Bedeutung hat hierbei der Foucher-Lappen, der vom dorsoradialen Aspekt der pro ximalen Phalanx des Zeigefingers gestielt an der ersten dorsalen metakarpalen Arterie, zwei Begleitvenen und den Ausläufern des R.€superficialis n.€radialis gehoben und auf den ulnaren Aspekt der Daumenkuppe transponiert wird. Bei distalen Defekten der Finger kuppe können alternativ homodigitale distal gestielte vaskuläre In sellappen zur Defektdeckung verwendet werden. Für Defekte an der dorsalen proximalen Phalanx und über dem proximalen Inter phalangealgelenk bietet sich zudem eine Defektdeckung mit einem dorsalen Metakarpalarterienlappen (DMCA) an.
57.6.4 Axial gestielte und freie Fernlappen Bei ausgedehnten Weichteildefekten an Handrücken und in der Hohlhand muss man nach der Infektsanierung die Deckung mittels axial gestieltem oder frei transplantiertem Fernlappen in Erwägung ziehen. Radialislappen.╇ Zu den bekanntesten gestielten fasziokutanen Fernlappen zählt der Radialislappen, der zur Deckung palmarer und
Interosseus-posterior-Lappen.╇ Ein weiterer axial gestielter Fern lappen ist der Interosseus-posterior-Lappen, der seine Anwendung hauptsächlich bei Weichteildefekten des Handrückens findet. Der Hebedefekt dieses Lappens kann in der Regel primär verschlossen werden. Leistenlappen.╇ Zu den häufig verwendeten axial gestielten Fernlap pen gehört auch der Leistenlappen. > Der Leistenlappen kann bei nahezu allen Weichteilde fekten der Hand angewendet werden. Sonstige.╇ Selten werden freie fasziokutane oder myokutane Lappen zur Defektdeckung an der Hand benötigt, da sie oft sehr voluminös sind. Gelegentlich finden bei großflächigen Defekten der anterolate rale Oberschenkellappen (ALT), der Paraskapularlappen oder der myokutane Latissimuslappen Anwendung (.€Abb.€57.12).
57.7
Zusammenfassung
Die Behandlung von Handinfektionen beruht auf 3€Säulen (.€Über-
sicht).
Handinfektionen: Die 3€Säulen der Therapie 4 Sorgfältiges und radikales chirurgische Débridement 4 Fühzeitige adäquate, erregergerechte antibiotische Therapie 4 Frühfunktionelle Physiotherapie
Tierbissverletzungen haben einen besonderen Stellenwert, da sie oft zu Infektionen führen. Bissverletzungen an der Hand zählen zu den
57.7 · Zusammenfassung
Hochrisikoverletzungen. Eine antibiotische Prophylaxe wird daher empfohlen. Die häufigsten Handinfektionen wie das Panaritium und die Paronychie sind in der Regel gut sanierbar. Selten kommt es aber auch hier zu einer Fortleitung des Infektes bis zur Beugesehnen scheiden- und Hohlhandphlegmone, die einer massiven chirur gischen Intervention bedürfen und oft nur mit dem Verbleib einer Restfunktion der Hand ausheilen. Bei der Behandlung von Hand phlegmonen ist die Erstellung eines chirurgischen Therapiekon zeptes unter Einbindung der Mikrobiologen und Handtherapeuten von entscheidender Bedeutung. Die Therapie von manifesten Handinfektionen gehört in die Hand eines erfahrenen Handchirurgen. Die primäre chirurgische Versorgung ist für die weitere Prognose der Handfunktion rich tungsgebend. Für die operative Intervention ist eine ausgezeichnete Kenntnis der anatomischen Gegebenheiten und der Ausbreitungs modalitäten von Infektionen an der Hand notwendig. Nur so kön nen eine möglichst kurze Krankheitsdauer und Rehabilitationszeit ermöglicht werden und die sozioökonomischen Kosten, die sich aus den Folgen massiver Handinfekte ergeben können, gesenkt werden. Die chirurgische Therapie der Handinfektion ist kein Anfängerein griff.
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57
58
Ischämische Kontrakturen an Unterarm und Hand K.H. Busch, A.€Gohritz
58.1
Einleitungâ•… – 548
58.2
Kompartments an Unterarm und Handâ•… – 548
58.3
Volkmann-Kontrakturâ•… – 551
58.3.1 58.3.2 58.3.3
Unterarmâ•… – 551 Handâ•… – 552 Arthrodesenâ•… – 552
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
58
548
Kapitel 58 · Ischämische Kontrakturen an Unterarm und Hand
58.1
Einleitung
Die Kontrakturen der oberen und unteren Extremität infolge einer Muskelischämie durch Kompartmentsyndrom sind in den vergangenen Jahren glücklicherweise zurückgegangen. Nichtsdestoweniger stellen die Kontrakturen der oberen Extremität, meist mit Verkürzung der Beugemuskulatur, den Chirurgen auch heute noch vor komplexe Aufgaben. Zu Zeiten von Richard von Volkmann, der 1881 die Muskelischämie als ursächlich für die deformierenden Lähmungen an der oberen Extremität erkannte, waren konstringierende Verbände die Hauptursache. Obwohl die Ursache dieser Lähmung und Kontraktur nun seit mehr als 125€Jahren bekannt ist, sind falsch angelegte Verbände immer noch anzutreffen. Vor allem aber bei polytraumatisierten oder narkotisierten und beatmeten Patienten auf Intensivstationen, bei denen der Schmerz als Kardinalsymptom der frühen Ischämie fehlt, kommt es immer wieder zum Circulus vitiosus von steigendem Kompartmentdruck, venöser Abflussbehinderung, weiter zunehmender Schwellung und steigendem intrakompartimentalem Druck bis hin zur Ischämie von Muskel und Nerven. Wird das Kompartmentsyndrom frühzeitig erkannt, so kann eine vollständige Kompartmentspaltung Schlimmeres verhindern. Führt eine Ischämie über mehrere Stunden zum Absterben und narbigem Umbau der Muskeln und prägt sich eine Kontraktur vollständig aus, sind oft aufwendige rekonstruktive Verfahren notwendig, die individuell an das Ausmaß der Muskel- und Nervenschädigung angepasst werden müssen. 58.2
Kompartments an Unterarm und Hand
> Die Muskeln der Extremitäten liegen in unnachgiebigen osteofibrös begrenzten Logen. Die Rigidität der Faszienräume führt bei Volumenzunahme unweigerlich zu einer Drucksteigerung und Kompression von Muskeln und Nerven.
. Abb. 58.1╇ Muskelkompartimente am Unterarm
Am Unterarm bestehen 3€Kompartimente (.€Abb.€58.1). 4 Das bedeutendste liegt beugeseitig. Es umfasst neben den kräftigen Beugern des Handgelenks die oberflächlichen und tiefen Beuger der Finger, des Daumens und den M.€pronator quadratus. Als weitere empfindliche Strukturen liegen in diesem Kompartment der N.€medianus, der N.€ulnaris mit der A.€ulnaris und die A.€radialis. 4 Dorsal findet sich das Streckerkompartment, das neben der Muskulatur der Extensoren den R.€profundus des N.€radialis und die A.€und V.€interosseus dorsalis enthält. 4 Das 3.€Kompartment am Unterarm, das radiale Kompartment, enthält die radialen Handgelenksstrecker und den M.€brachioradialis. Ähnlich wie am Unterschenkel wird das Beugekompartment zusätzlich durch eine querverlaufende Faszie in ein oberflächliches und ein tiefes Kompartment geteilt. In der tiefen Schicht finden sich der M.€flexor digitorum profundus und der M.€pronator quadratus unter Einschluss der palmaren A.€und V.€interossea. Die Mittelhand weist ebenfalls ein komplexes Geflecht fibröser Septen und Faszienunterteilungen auf (.€Abb.€58.2). Das Thenarkompartment und das Hypothenarkompartment sind durch eigene Faszien vom Mittelhandkompartment abgegrenzt. Das Mittelhandkompartment selbst wird durch die Beugesehnen und die begleitenden Gefäß-Nerven-Bündel und die Mm.€lumbricales gebildet und palmarseitig durch die Palmaraponeurose abgegrenzt. Zwischen den einzelnen Mittelhandknochen sind die Muskelkompartimente der Interosseusmuskulatur begrenzt durch palmare und dorsale Septen, wobei sich bedingt durch den M.€adductor pollicis eine Kommunikation zwischen dem 1.€und dem 2.€Interosseusfaszienraum findet. Pathophysiologie.╇ Ursache eines Kompartmentsyndroms ist der steigende Druck innerhalb des Kompartments.
58.2 · Kompartments an Unterarm und Hand
549
! Cave Durch das Kompartmentsyndrom kommt es nicht nur zu einer Schädigung der Muskulatur, sondern auch zu irreversiblen Nervenschäden. Bereits nach 30€min können erste Funktionsausfälle auftreten, nach 12€h ist mit einer vollständigen Fibrose der betroffenen Nerven zu rechnen.
. Abb. 58.2╇ Muskelkompartimente an der Mittelhand
> Schon eine geringe Volumenzunahme in einem umschlossenen Kompartment kann ausreichen, um eine Druckzunahme zu bewirken, die zum Sistieren der Durchblutung und somit zur Ischämie von Muskeln und Nerven führt.
Infolge des gestörten venösen und lymphatischen Abflusses kommt es zu einer weiteren Schwellung. Am Ende des fatalen Kreislaufs stehen die Minderperfusion und die Nekrose von Muskulatur und Nerven mit anschließender Fibrose und Kontrakturen der Muskulatur und Funktionsausfälle der sensiblen und motorischen Nerven. Die Hauptursachen für die Ischämie lassen sich in 3€große Gruppen zusammenfassen: 4 Schwellung und Ödem oder externer Druck durch Verband oder Gips, der zu einer venösen Stauung führt. Durch die venöse Stauung kommt es zur weiteren Zunahme des Ödems und zur Abnahme der arteriovenösen Druckdifferenz und zur Kompres sion und Ischämie der vitalen Strukturen. 4 Ein Abriss oder »kinking« der Arterien durch Fraktur oder er höhten externen Druck führt zu einer primären Muskelschädi gung und Unterbrechung der arteriellen Versorgung. 4 Durch eine Blutung infolge von Muskel- oder Gefäßeinrissen kommt es ohne eine zusätzliche externe Kompression zu einer Drucksteigerung innerhalb eines umschlossenen Kompart ments. > Um dem Druck entgegenzuwirken, ist die rechzeitige Kompartmentspaltung und somit Unterbrechung des Kreislaufs von Stauung, Ödembildung, Kompression und weiterer venöse Stauung angezeigt. Die Muskulatur zeigt schon nach 4–6€h Ischämie irreversible Ausfälle.
Da das Kompartmentsyndrom im Normalfall aber zunächst nicht zu einer vollständigen Ischämie führt, sondern über die beschrie benen Mechanismen erst langsam die arterielle Versorgung sistiert, sind definitive irreversible Muskelschäden teilweise erst nach 12€h zu erwarten. Die Schädigungen der Muskulatur reichen von der vollständigen Nekrose mit fettig gelblichem Umbau der Muskel gruppen und folgender Fibrose bis zu diffusen interstitiellen Nekro sen, wobei die Muskulatur ihre tiefrote Farbe verliert und deutlich heller imponiert, aber noch eine verbleibende Restfunktion zu er warten ist.
Klinik und Diagnostik des Kompartmentsyndroms.╇ Das Kompart mentsyndrom wird klinisch diagnostiziert. Das Leitsymptom ist dabei der vom Patienten geäußerte Schmerz, der bei Muskeldehnung zunimmt, hinzu kommen die begleitenden neurologischen Ausfälle. Im fortgeschrittenen Stadium ist das betroffene Kompartment brett hart, geschwollen und extrem berührungsempfindlich. Die periphe ren Pulse erlöschen erst so spät, dass zu diesem Zeitpunkt bereits irreversible Schäden zu erwarten sind. Aufgrund des schleichenden Beginns ist es zuweilen schwie rig,€ein Kompartmentsyndrom zu erkennen. Postoperativ können SchmerÂ�zen als typische Symptome leicht übersehen werden, Gleiches gilt für posttraumatische Schwellungen, v.€a. bei intubierten Pa tienten. Eine Reihe von unterschiedlichen Messmethoden hat sich da her€etabliert, um die subfaszialen Drücke transkutan messen zu Â�können. Neben der fortlaufenden Infusionstechnik nach Matsen und dem Wick-Katheter-Test ist die von uns genutzte Methode die Nadelinjektionstechnik mit digitalem Monitoring. Eine Hohlna del€wird hierbei transkutan in das entsprechende Kompartment ge legt und mit einer entlüfteten Heidelberger Verlängerung an den Monitoreingang zur blutigen Blutdruckmessung oder ZVD-Mes sung angeschlossen. Der Kompartmentdruck kann dann nach vor herigem Nullpunkteichen des Monitors auf dem Monitor abgelesen werden. Es wird empfohlen, oberhalb eines Kompartmentdrucks von 40€mm€Hg operative Maßnahmen zu ergreifen. Die Messung des Kompartmentdrucks gibt allerdings nur indirekt die Durchblutungs situation der Muskulatur wieder. Bei niedrigem arteriellem Druck oder anderweitig erhöhtem venösem Widerstand sind auch schon vorher Perfusionsminderungen der vitalen Strukturen zu befürch ten. Neue Methoden wie Laserdopplermessungen oder Weißlicht photospektrometrie zur Bestimmung der Gewebesauerstoffsätti gung könnten nach weiterer klinischer Erprobung hier in Zukunft weitere Entscheidungshilfen liefern. Therapieprinzipien.╇ Bei manifestem Kompartmentsyndrom sollte
keine Zeit mit konservativen Maßnahmen wie Kühlen oder Hochla gern der Extremität verloren werden. Eine schnellstmögliche Faszien spaltung stellt die Therapie der Wahl dar. Ist die Entscheidung zur Operation gefallen, so ist es sinnvoll, durch ausreichend große Inzi sionen der Faszien und der Haut eine vollständige Dekompression des Kompartments und auch den nötigen Überblick zur Neurolyse zu schaffen.
Therapie des Kompartmentsyndroms am Unterarm.╇ Der von uns standardmäßig angewandte Schnitt (.€Abb.€58.3) beginnt medialsei tig am Oberarm und zieht medial um den Epicondylus humeri ulna ris zum Unterarm. Am Unterarm wird der Schnitt dann S-förmig nach radial bis etwa zur Mitte des Unterarmes fortgeführt, um dann an der ulnaren Seite der Rascetta zu enden. Von hier aus wird die Inzision dann quer im Verlauf der Rascetta bis über den N.€median us fortgeführt und endet schließlich in der Hohlhand im Verlauf der Linea vitalis. Alternativ kann man auch auf den S-förmigen Verlauf am Un terarm verzichten und auf eine gerade Inzision an der Ulnarseite des
58
550
58
Kapitel 58 · Ischämische Kontrakturen an Unterarm und Hand
a
b
d
c . Abb. 58.3a–d╇ Schnittführung zur Entlastung bei Kompartmentsyndrom am Unterarm. a€Gerade Schnittführung mit günstigerer ästhetischer Verlaufsrichtung aber schlechterer Übersicht. b€Inzision dorsalseitig vom Epicondylus lateralis zum 4.€Strecksehnenfach reichend für Exploration der
Unterarmstreckmuskulatur. c€S-förmige Inzision zur Kompartmententlastung von Ober- und Unterarm und Umsetzung am Beispiel einer Verbrennung (d). Der ulnare Velauf am Unterarm erhält einen evtl. erforderÂ�lichen Radialislappen. [Fotos: ©Â€Unpict/Fotolia.com (a) und ©Â€Sframe/Fotolia.com€(b)]
Unterarms zurückgreifen. Diese Variante hat den Vorteil, ästheti scher und unauffälliger zu sein und ggf. gleichzeitig auch das streck seitge Kompartment spalten zu können, ist aber unübersichtlicher. Zur Dekompression des Streckerkompartments verwenden wir eine gerade Inzision vom Epicondylus humeri radialis oder kurz pro ximal davon in der Mitte des Unterarms über den Fingerextensoren bis zum 4.€Streckerfach.
Therapie des Kompartmentsyndroms an der Hand.╇ In der Hohl
hand selbst wird wie zur Fasziektomie im Sinne eines umgekehrten Mercedes-Sterns in der Verlängerung der Linea vitalis und dann quer im Verlauf der proximalen Hohlhandbeugefalte geschnitten. Streckseitig führen wir lediglich eine gerade verlaufende Inzision in Verlängerung des 3.€Strahls durch. Von hier aus lassen sich die Fas zien der Interosseusmuskeln leicht spalten, und man geht nicht das Risiko ein, dass es zu einer Hautnekrose in der Brücke zwischen den sonst üblichen zwei parallelen Inzisionen kommt (.€Abb.€58.4).
551
58.3 · Volkmann-Kontraktur
a
b
. Abb. 58.4╇ Schnittführung zur Entlastung bei Kompartmentsyndrom an der Hand
58.3
Volkmann-Kontraktur
58.3.1 Unterarm Die Ausprägung der Folgeschäden nach einer Ischämie der Unter armmuskulatur ist sehr variabel und abhängig von Ausmaß und Art der Schädigung. Das klinische Erscheinungsbild wird durch die Muskelschädigung mit Kontrakturen der entsprechenden Gelenke, zum anderen aber auch durch den Ausfall der motorischen Nerven anteile bestimmt. Ist die Unterarmbeugemuskulatur betroffen, kommt es typi scherweise zu einer Beugekontraktur im Ellbogen- und im Hand gelenk. Die Stellung der Finger ist bedingt durch die Lähmung der Handbinnenmuskultur infolge des kombinierten Ausfalls von N.€medianus und N.€ulnaris und durch die Kontraktur der ober flächlichen und tiefen Fingerbeuger. Sind M.€pronator teres und M.€pronator quadratus betroffen, imponiert eine Pronationsstellung der Hand. Therapieprinzipien.╇ Die Therapie bei geringer Ausprägung und
akzeptabler Restbeweglichkeit besteht in konservativen Maßnah men wie Bewegungsübungen und Streck-Quengeln. Bei ausgeprägteren Formen kann ein einheitlicher Therapie vorschlag nicht gegeben werden. Die Variabilität der Schädigungs muster der betroffenen Muskelgruppen mit partiellem oder voll ständigem zusätzlichem Nervenausfall erfordert ein individuelles Management nach genauester vorheriger Evaluation des Befundes. Bei der operativen Revision ist bei diagnostiziertem Nerven schaden auch eine langstreckige Neurolyse angezeigt. Diese wird zuerst durchgeführt (vor dem Lösen von Verwachsungen, Resektion von Muskelnekrosen, Ablösen von Muskelansätzen, Tenolysen oder anderen operativen Verfahren), um zusätzlichen Läsionen der häu fig in narbig umgebautem Muskelgewebe verbackenen Nerven zu vermeiden. Hier ist v.€a. auch auf die physiologischen Engstellen der Nerven zu achten. Von proximal, aus gesundem Gewebe kommend, erfolgt die Darstellung des N.€medianus am Oberarm, hier ist v.€a. auf den Lacertus fibrosus, den Durchtritt durch den M.€pronator teres, die Superfizialisarkade und das Retinaculum flexorum zu achten. Für
den N.€ulnaris sind hier der Sulcus nervi ulnaris, der Durchtritt des Nervs durch den M.€flexor carpi ulnaris und die Loge de Guyon zu beachten. Wichtig ist es auch, die Nerven nach erfolgter Neurolyse nicht wieder in die Muskelnekrosen zurückzulegen, sondern in gut durchblutetes Gewebe zu verlagern. Sind die Nerven vollständig fi brotisch umgebaut oder fettig degeneriert und dies langstreckig, sind teilweise Nerveninterponate angezeigt, dies aber nur, wenn ein ent sprechend gut perfundiertes Bett für die Transplantate zur Verfü gung steht. Vorhandene Muskelnekrosen sollten immer vollständig rese ziert werden, um erneute Verklebungen nach der mühseligen Lö sung zu vermeiden. Einzige Ausnahme stellen kleine Nekrosen am muskulotendinösen Übergang dar, welche zum Erhalt der Funktion dienlich sein können. Operation nach Page-Scaglietti.╇ Das Verfahren der Wahl bei Kon
trakturen und makroskopisch noch erhaltener Durchblutung der Muskulatur stellt die Desinsertion der Muskelansätze am proxima len Unterarm nach Page-Scaglietti dar (.€Abb.€58.5). Vom Oberarm kommend wird nach Darstellung der Nerven und der A.€brachialis medial am Oberarm, am Epicondylus humeri ulnaris die Muskulatur desinseriert. Die Desinsertion muss nach distal entlang der Ulna und der Membrana interossea fortgeführt werden, bis sich eine ausrei chende Streckung des Handgelenks und der Finger erzielen lässt. Ist der M.€flexor pollicis longus mitbetroffen, können eine Re sektion des Muskels und Sehnenkopplung an die oberflächlichen Fingerbeuger indiziert sein. Bei einer Pronationskontraktur muss der M.€pronator teres ebenfalls desinseriert werden. Postoperatives Management.╇ Grundsätzlich sollte präoperativ ein
Plexuskatheter angelegt werden, um möglichst frühzeitig postopera tiv mit passiven Beübungen beginnen zu können. Postoperativ sollte das Wundgebiet ausreichend drainiert werden und eine Unterarm gipsschiene zur Extension des Handgelenks angelegt werden.
Verlängerungstenotomie.╇ Sind nur einzelne Muskeln betroffen, ist
zur Auflösung der Kontraktur nicht immer eine vollständige Desin sertion erforderlich. Bei noch vorhandener Restfunktion und nur teilweiser Nekrose bietet sich eine Verlängerungstenotomie an. Die
58
552
Kapitel 58 · Ischämische Kontrakturen an Unterarm und Hand
Wie auch bei den Muskelumlagerungen ist es entscheidend für das Ergebnis, dass die Muskelvorspannung richtig eingestellt wird. Eine zu geringe oder vor allem auch zu starke Vorspannung ver mindert die Kontraktionsfähigkeit der Sarkomere als kleinste Ein heiten des Muskels, so dass die Kraftentwicklung vermindert oder unmöglich wird und der Muskel nur noch im Sinne einer Tenodese wirken kann. Zur präoperativen Diagnostik zählen: 4 Ausführliche klinische Untersuchung einschließlich der Testung der Sensibilität 4 Neurophysiologische Untersuchung aller Unterarmnerven 4 Ggf. MRT um das Ausmaß und die Lokalisation der Nekrosen beurteilen zu können. a
58 b . Abb. 58.5╇ Typische Volkmann-Kontraktur nach kindlicher UnterarmÂ� fraktur (a). Klinisch-funktionelles Ergebnis nach Scaglietti-Operation und zusätzlicher Tenodese der FPL- und FDS-2-Sehne (b)
Inzision erfolgt hierbei über dem distalen Drittel des Unterarms im Bereich des muskulotendinösen Übergangs. Nach Darstellen des N.€medianus und N.€ulnaris werden die betreffenden Sehnen nach der Narbenlösung identifiziert. Die Sehnen werden dann treppen förmig inzidiert. Es ist darauf zu achten, die Inzision in der Sehnen mitte lang genug zu wählen, um genügend Spielraum für die Verlän gerung zu haben. Muskeltransposition.╇ Muss ein Kompartment aufgrund der Nek rosen vollständig ausgeräumt werden, sind Muskelumlagerungen und Transpositionen der Beuger auf die Strecker und umgekehrt angezeigt. Bei einer Nekrose des Streckerkompartments wird analog zur Radialisersatzplastik einer der intakten Handgelenksbeuger ventralisiert und als Motor für die Fingerstrecker genutzt. Bei Verlust des tiefen und oberflächlichen Fingerbeugers kann ebenso einer der Handgelenksstrecker nach palmar umgelagert werden, um hier die tiefen Beugesehnen zu versorgen. Auch der M.€brachioradialis ist, sofern erhalten, ein wertvoller Motor sowohl für den Streckerersatz als auch für den Ersatz der Beugemuskulatur. Er kann Verwendung finden als Ersatz eines Handgelenksbeugers (FCR) oder Handgelenksstreckers (ECRL) oder auch zum funktionellen Ersatz des langen Daumenbeugers (FPL) oder -streckers (EPL). In Fällen von stärkster Ausprägung des Muskeluntergangs kann eine freie, funktionelle Muskelverpflanzung durchgeführt werden. Als Spendermuskeln kommen der M.€latissimus dorsi oder auch der M.€gracilis in betracht.
58.3.2 Hand Kontrakturen an der Hand bedürfen meist Release-Operationen, seltener sind auch Muskelersatzoperationen angezeigt. Bei der typischen Adduktionskontraktur des Daumens ist ein Release des M.€adductor pollicis meist ausreichend, um den Daumen aus der Hohlhand heraus in eine mögliche Greifposition zu bringen. Bei länger andauernder Kontraktur ist ein Hautersatz durch Trans positionslappen mit oder ohne Vollhauttransplantation notwendig. Bei der typischen Schwanenhalsdeformität der Finger nach Kontraktur der Handbinnenmuskulatur mit einer Beugung der Me takarpophalangealgelenke und Überstreckung der proximalen In terphalangealgelenke sollte zunächst ein Release des Tractus lateralis an der Streckaponeurose erfolgen, wie von Littler u. Eaton (1967) beschrieben. In manchen Fällen kann zusätzlich ein Versetzen oder Doppeln der palmaren Platte angezeigt sein oder sich eine Tenodese der oberflächlichen Beugesehnen günstig auswirken. 58.3.3 Arthrodesen Als Ultima ratio stehen zur Verbesserung der Gesamtfunktion der oberen Extremität bei Volkmann-Kontraktur immer auch Arthro desen der Fingergelenke, Metakarpophalangealgelenke oder des Hangelenks zur Verfügung, da sich hierdurch die Anzahl der zu be wegenden Gelenke reduzieren und eine bessere Stabilität der Rest beweglichkeit erreichen lässt. Zudem können frei werdende Mus keln, z.€B. die Handgelenksbeuger oder -strecker, zur Motorisierung von Daumen und Fingern eingesetzt werden.
Literatur Botte MJ, Gelberman RH (1998) Acute compartment syndrome of the forearm. Hand Clin 14: 391 Gellman H, Buch K (1998) Acute compartment syndrome of the arm. Hand Clin 14: 385 Ortiz Jr JA, Berger RA (1998) Compartment syndrome of the hand and wrist. Hand Clin 14: 405 Serokhan AJ, Eaton RG (1983) Volkmann’s ischemia. J Hand Surg [Am] 8: 806 Whitesides TE, Haney TC et al. (1975) Tissue pressure measurements as a determinant for the need of fasciotomy. Clin Orthop 113: 43 Lanz U, Felderhoff (2000) Ischämische Kontrakturen an Unterarm und Hand. Handchir Mikrochir Plast Chir. 32: 6–25 Littler JW, Eaton RG (1967) Redistribution of forces in the correction of the boutonnière deformity. J Bone Joint Surg Am 49: 1267 Prommersberger KJ, van Schoonhoven J, Kalb K, Lanz U (2008) RekonstrukÂ� tion nach Kompartmentsyndrom an Unterarm und Hand Unfallchirurg 111: 804–808, 810–811
59
Degenerative Sehnenerkrankungen der Hand C. Choi
59.1
Tendovaginitis stenosans (»schnellender Finger«, »trigger finger«)â•… – 554
59.1.1 59.1.2 59.1.3
Anatomieâ•… – 554 Klassifizierungâ•… – 554 Therapieâ•… – 554
59.2
Tendovaginitis de Quervainâ•… – 555
59.2.1 59.2.2 59.2.3
Diagnostikâ•… – 555 Therapieâ•… – 555 Besonderheitenâ•… – 556
59.3
Tendovaginitis am Handgelenkâ•… – 556
59.3.1
Therapieâ•… – 556
59.4
Tendinitis an M.€extensor carpi ulnaris/M.€flexor carpi radialisâ•… – 557
59.4.1 59.4.2
Extensor-carpi-ulnaris-Sehneâ•… – 557 Flexor-carpi-radialis-Sehneâ•… – 557
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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554
Kapitel 59 · Degenerative Sehnenerkrankungen der Hand
59.1
Tendovaginitis stenosans (»schnellender Finger«, »trigger finger«)
Die Tendovaginitis stenosans (TVS) beschreibt eine degenerative Veränderung des Sehnengleitgewebes, die durch Reibung an präformierten physiologischen Engstellen eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung verursacht. Die häufigsten Lokalisationen sind der Eingang der osteofibrösen Kanäle der Fingerbeuger am A1-Ringband und das 1.€Strecksehnenfach am Handgelenk (TVS de Quervain). Zumeist sind Frauen betroffen (m:w 2:6) mit höchster Inzidenz zwischen dem 55. und dem 60.€Lebensjahr. Die TVS ist aber auch als kongenitale Form als sog. Pollex flexus congenitus vorÂ� handen. Die mechanische Enge resultiert aus einer Verdickung der Sehnenscheide, deren Ätiologie kontrovers diskutiert wird und wahrscheinlich ein Mischbild anatomischer und intrinsischer Faktoren ist. Epidemiologische Begleitumstände wie die Koexistenz von Karpaltunnelsyndrom (KTS), Ringbandstenosen, Tendovaginitis de Quervain, Epikondylitis und subakromialen Bursitiden implizieren das Vorliegen eines systemischen, undefinierten rheumatischen Prozesses oder einer Prädisposition. Ein vermehrtes Auftreten ist auch bei repetitiven Bewegungen wie Computerarbeiten zu beobachten, und die dominante Hand ist gehäuft betroffen. Entsprechend der Geschlechtsverteilung ist jedoch kein vermehrtes Auftreten bei Handwerkern zu beobachten. Die Ringbandstenose an Fingern oder Daumen ist eine der häufigsten Ursachen für Schmerzen oder Behinderungen der Hand. Im Volksmund wird sie auch »schnellender Finger« genannt. Hierbei handelt es sich um eine mechanisch bedingte Streckhemmung, selten Beugehemmung des betroffenen Fingers. In manchen Fällen lässt sich dieser nur passiv und unter deutlichem, meist schmerzhaftem Schnappen strecken. Bei längerer Persistenz kann es durch Schonung und Meiden der Streckung zu sekundärer Einsteifung im PIP-Gelenk kommen. 59.1.1 Anatomie 22 extrinsische Sehnen kreuzen das Handgelenk und schaffen eine einzigartige Kombination von Kraft und Funktion der Hand. Um die Balance zwischen Bewegung und Kraftproduktion auf die Gelenke zu optimieren, gleitet jede Sehne durch eine Serie von straffen fibroÂ� ossären Kanälen, die aus den Sehnenscheiden und den Fingerknochen gebildet werden. Verstärkt werden diese durch 5€Ringbänder (A1–5) und 3€Kreuzbänder (C1–3). Am Daumen finden sich 2€Ringbänder (A1 und A2) sowie ein schräges Band, das hier die Fixierung€am Grundglied übernimmt. Die Kreuzbänder werden bei der Beugung gestaucht, sodass die Ringbandabschnitte fast aneinanÂ� derstoßen. Die Ringbänder A2 und A4 fixieren die Sehnen am Grundglied bzw. Mittelglied und sind die funktionell wichtigsten (.€Abb.€50.12). Eine Störung dieses Systems durch Trennung oder Ruptur eines Bandes bewirkt ein Abweichen der Sehne aus dem Rotationszentrum des Gelenkes und verändert somit die Kraftübertragung und limitiert die Exkursion des Gelenkes. Die Durchtrennung der Ringbänder A2 und A4 resultiert in einem »bow-stringing«, die Durchtrennung des A1-Ringbandes hinterlässt keine funktionelle Einschränkung. Das Phänomen einer hängenden Sehnen beruht auf einem mechanischen Impingement der Fingerbeugesehnen, wenn diese ein eingeengtes Band auf Höhe des MCP-Gelenkes passieren, um in den osteofibrösen Kanal zu gleiten.
. Tab. 59.1╇ Einteilung der Ringbandstenosen nach Green
Grad
Kennzeichen
╇ 1
Schmerzen, positive Anamnese einer hängenden Sehne, bei der klinischen Untersuchung nicht demonstrierbar, verhärtet tastbares A1-Ringband
╇ 2
Hängen des Fingers demonstrierbar, aktive Streckung möglich
╇ 3
Hängen des Fingers demonstrierbar
–€3a
Erfordert passive Streckung
–€3b
Keine aktive Flexion
╇ 4
Demonstriertes Hängen des Fingers mit fixierter Kontraktur im PIP-Gelenk
Die auffallendsten pathologischen Veränderungen sind eine deutliche Hypertrophie des Ringbandes und mikroskopisch sichtbare Degeneration, Zystenformation, Auffaserung sowie Lymphozyten- und Plasmazellinfiltration. 59.1.2 Klassifizierung Eine Einteilung der Ringbandstenosen wird unter verschiedensten Kriterien unternommen. Therapeutisch oder prognostisch ergaben diese keinen Vorteil, sodass eine simple Einteilung sinnvoll erscheint, die eine genauere Dokumentation für retrospektive Auswertungen ermöglicht (.€Tab.€59.1). 59.1.3 Therapie Konservativ.╇ Die konservative Therapie der Ringbandstenose besteht aus einer Ruhigstellung mit begleitender systemischer und Â�lokaler antiphlogistischer Therapie, ggf. ergänzt durch Kortisoninjektionen. Eine erfolgreiche Therapie wird insbesondere bei nichtÂ� diabetischen Patienten mit nur einem betroffenen Finger beobachtet. Komplikationen sind äußerst selten. Wir bevorzugen das offen chirurgische Vorgehen. Operativ > Das offene Vorgehen mit Ringbandspaltung unter Sicht ist die sicherste Methode, um Komplikationen wie Verletzungen der Gefäße und Nerven zu vermeiden.
Grundsätzlich ist die Durchführung dieses Eingriffes in Lokalanästhesie möglich. Die nur kurze Blutsperre am Oberarm wird von den meisten Patienten gut toleriert. Eine kurze quere Hautinzision in Höhe der queren distalen Hohlhandbeugefalte über dem entsprechenden Metakarpalekopf ermöglicht die Darstellung des Ringbandes und der radialen und ulnaren Gefäß-Nerven-Bündel. Unter Schonung der Gefäß-NerÂ�ven-Bündel erfolgt dann unter Sicht die longitudinale Spaltung der Ringbandes (.€Abb.€59.1). Eine Verletzung des A2-Ringbandes sollte hierbei unbedingt vermieden werden (Gefahr des »bow-stringing«). Die Überprüfung eines unbehinderten Gleitens der Beugesehnen sollte nach Durchtrennung des Ringbandes unbedingt durchgeführt werden.
555
59.2 · Tendovaginitis de Quervain
1.€Strecksehnenfach über dem Proc.€styloideus radii (PSR) gleiten die Sehnen des M.€abductor pollicis longus (APL) und des M.€extensor pollicis brevis (EPB). Ein Hängen der Sehnen im 1.€Strecksehnenfach ist ein häufiger Grund für Schmerzen und Funktionsbehinderungen in Hand und Handgelenk und wurde nach Fritz de Quervain, der diese Erkrankung 1895 erstmals beschrieb, benannt. Dieser Prozess wird mit regelmäßiger Daumenabduktion und gleichzeitiger Ulnardeviation im Handgelenk in Zusammenhang gebracht. Wiederholte Anspannung der Sehnen im 1.€Streckerfach erzeugt durch die Reibung am rigiden Retinakulum eine Schwellung und Verengung des fibroossären Kanals. Die Erkrankung betrifft meist Frauen (m:w 6:1) der 5.–6. DeÂ� kade sowie postpartale und stillende Frauen.
a
59.2.1 Diagnostik Klinik, Symptomatik.╇ Die Diagnose ist in der Regel leicht zu
stellen.€Die Patienten beklagen seit mehreren Wochen oder MoÂ� naten bestehende Schmerzen im radialen Handgelenkbereich mit Verschlimmerung der Beschwerden bei Bewegung des Daumens. Klinisch zeigen sich eine lokale druckdolente Verhärtung, Schwellung und Krepitation 1–2€cm proximal des Proc. styloideus radii (PSR). Typisch ist ein schneidender Schmerz bei Ulnardeviation mit in die Faust eingeklemmtem Daumen (positiver FinkelsteinTest). b
Bildgebende Verfahren.╇ Zur Vervollständigung der Untersuchung
sollte stets radiologische Diagnostik zum Ausschluss einer RhizÂ� arthrose oder STT-Arthrose erfolgen, wobei diese bei ähnlichem Patientenkollektiv häufig zusätzlich vorliegen. Zusätzlich kann hier eine Skaphoidfraktur oder -pseudarthrose sowie eine Radiokarpaloder karpale Arthrose ausgeschlossen werden. 59.2.2 Therapie Konservativ.╇ Ein konservativer Therapieversuch kann unternom-
c . Abb. 59.1a–c╇ Ringbandspaltung in Lokalanästhesie bei einem Patienten mit simultaner Karpaltunnelspaltung. a€Sichtbares »Hängen« des Fingers durch Stenose im Bereich des A1-Ringbandes. b€Spaltung des A1-Ringbandes unter Sicht mit Scherenschlag. c€Hervorluxieren der oberflächlichen und tiefen Beugesehne zur Identifikationen pathologischer Veränderungen und Testen auf freie Gleitfähigkeit
Postoperatives Management.╇ Anlage eines elastischen Verbandes, eine Ruhigstellung ist nicht erforderlich. Die meisten Patienten sind 2–4 Wochen postoperativ wieder voll einsatzfähig.
59.2
Tendovaginitis de Quervain
Auf Höhe des Radiokarpalgelenks werden die Sehnen der Extensoren von einer Verstärkung der Unterarmfaszie, dem Retinaculum extensorum, überspannt. In 6€Fächer unterteilt werden die 10€Sehnen, von Sehnenscheiden ummantelt, über die Knochen geführt. Im
men werden. Hierfür erfolgen die Ruhigstellung mit leichter Extensionsstellung im Handgelenk und maximaler Abduktion des Daumens und eine begleitende systemische antiphlogistische Therapie. Alternativ oder zusätzlich kann lokal Kortison injiziert werden. Wir empfehlen aufgrund häufiger Rezidive und Therapieversagen nach konservativer Therapie die operative Therapie.
Operativ.╇ Diese Operation (.€Abb.€59.2) kann im Regelfall in Lokal-
anästhesie durchgeführt werden. Für die kurze Dauer der Operation wird die Blutsperre am Oberarm von den meisten Patienten gut toleriert. Etwa 1€cm proximal des PSR wird über dem 1.€Streckerfach die Haut entweder längs 2–3€cm oder – im eigenen Vorgehen – quer inzidiert. Zunächst sollten die 1–3 Abgänge des R.€superficialis n.€radialis, dann das 1.€Strecksehnenfach dargestellt werden. Unter Schonung der Nerven wird das 1.€Streckerfach longitudinal durchtrennt. Die Inzision ist hierbei möglichst weit ulnar zu setzen, um sekundäre Subluxationen der Sehnen nach palmar zu vermeiden. Danach wird die vollständige Trennung durch Luxieren der APL- und EPB-Sehnen überprüft und der Patient aufgefordert, den Daumen zu bewegen. Dies dient auch dem Ausschluss eines akzessorischen Strecksehnenfachs. Nach Hautnaht erfolgt die Anlage eines elastischen Verbandes.
59
556
Kapitel 59 · Degenerative Sehnenerkrankungen der Hand
Postoperatives Management.╇ Eine Ruhigstellung ist im Regelfall nicht erforderlich. Die meisten Patienten sind 2–4 Wochen postoperativ wieder voll einsatzfähig. Schwere mechanische Arbeiten sollten für 4–6 Wochen gemieden werden.
59.2.3 Besonderheiten
a
Das dorsale Kompartment des Handgelenks ist wahrscheinlich die Lokalisation mit den häufigsten anatomischen Varianten. In 24–34% der Fälle ist das 1.€Strecksehnenfach durch ein weiteres longitudinales Septum in 2€osteofibröse Tunnel unterteilt. Im erkrankten Â� Patientenklientel scheint die Rate durchaus höher. Zudem€ kann gleichzeitig eine Kompression des R.€superficialis n.€radialis im Â�Brachioradialis-Aponeurosen-Schlitz vorliegen (Wartenberg-Syndrom) (.€Abb.€59.2) > Das freie Gleiten beider Sehnen sollte also unbedingt nach Durchtrennen des Streckerfachs überprüft werden. Eine simultane Alteration des R.€superficialis n.€radialis ist auszuschließen.
Insbesondere in diesem Patientenkollektiv schienen konservative Therapieansätze zu versagen. 59.3
59 b
Tendovaginitis am Handgelenk
Im 2.€Strecksehnenfach laufen die kurze und die lange Sehne der radialen Handgelenksextensoren ECRB und ECRL. Die Extensorpollicis-longus- (EPL-) Sehne, die das Lister-Tuberkel umrundet, durchläuft das 3.€Fach, während die Strecksehnen der Finger (EDC) und der Extensor indicis (EI) durch das 4€Fach führen. 5.€und 6.€Kompartiment beinhalten je eine einzelne Sehne, die Extensordigiti-minimi- (EDM-) und die Extensor-carpi-ulnaris- (ECU-) Sehne. Die häufigsten klinischen Einengungen betreffen das 1. (7€Kap.€59.2) und 6.€Strecksehnenfach. Die Patienten mit einer Tendovaginitis des 2.€Streckerfaches weisen Schmerzen und Schwellung ca. 4€cm proximal des PSR, in schlimmen Fällen mit Rötung und Krepitation auf. Dies resulitert nicht, wie häufig vermutet, aus Reibung von APL/EPB auf den radialen Handgelenksbeugern, vielmehr führt wiederholte Bewegung zu einer Einengung des 2.€Streckerfachs. 59.3.1 Therapie
c . Abb. 59.2a–c╇ Spaltung des 1.€Strecksehnenfaches bei Tendovaginitis de Quervain mit gleichzeitig vorliegendem Wartenberg-Syndrom. a€Standardinzision quer zum 1.€Strecksehnenfach (gepunktete Linie), die zur NeuroÂ� lyse und Dekompression des R.€superficialis n.€radialis (gestrichelt) nach proximal verlängert werden kann. b€Dekomprimiertes Sehnenfach mit freigelegter Abductor-pollicis-brevis- und Extensor-pollicis-brevis-Sehne und sichtbarer Begleitsynovitis. Angeschlungene Radialisäste. c€Neurolysierter und dekomprimierter Nerv nach Inzision der distalen M.-brachioradialisAponeurose zur Erweiterung des Nervendurchtritts
Hier ist zunächst ein konservativer Therapieversuch indiziert. Die Ruhigstellung in leichter Hansgelenksextension und systemische antiphlogistische Therapie können ggf. mit Kortisoninjektionen kombiniert werden. Die meisten Patienten erlangen unter dieser Therapie Beschwerdefreiheit. Bei Beschwerdepersistenz kann u.€U. eine operative TheÂ� rapie€angezeigt sein. Hierfür erfolgt die longitudinale Inzision des 2.€Strecksehnenfachs. Postoperativ wird eine Ruhigstellung des Handgelenkes in leichter Extension (15°) für 14€Tage empÂ� fohlen.
557
59.4 · Tendinitis an M.€extensor carpi ulnaris/M.€flexor carpi radialis
59.4
Tendinitis an M.€extensor carpi ulnaris/ M.€flexor carpi radialis
59.4.1 Extensor-carpi-ulnaris-Sehne Die reaktive Tendinitis der Extensor-carpi-ulnaris- (ECU-) Sehne ist nicht selten und stellt eine Differenzialdiagnose des ulnaren Handgelenkschmerzes dar. Sie wird häufig nach Distorsionstrauma des Handgelenks beobachtet, nach 24–48€h kommt es zu zunehmender Schwellung und Schmerzen. Häufig werden nächtlicher Schmerz, häufig mit Dysästhesien des darüberliegenden dorsalen N.€ulnaris beschrieben. Der Schmerz ist vom Patienten in der Regel nur schwer zu lokalisieren und wird subjektiv häufig als tief im Handgelenk angegeben. Die Bewegungen im Handgelenk sind in alle Richtungen, insbesondere bei Extension und Ulnardeviation, gegen Widerstand schmerzhaft und in einigen Fällen krepitierend. Eine Testblockade mit Scandicain erleichtert eine Differenzierung von intraartikulären Verletzungen. Therapie.╇ Die Ruhigstellung im Handgelenk erfolgt in Extensionsstellung im Handgelenk (20°) und begleitender antiphlogistischer Therapie, bei Therapieversagen ggf. ergänzt durch KortisoninjekÂ� tionen. > Wir empfehlen eine operative Therapie nur nach Ausschöpfen der konservativen Maßnahmen.
Nach leicht gebogener Hautinzision über dem distalen Radioulnargelenk und nach Darstellen des R.€dorsalis n.€ulnaris erfolgt die komplette Spaltung des 6.€Streckerfaches. 59.4.2 Flexor-carpi-radialis-Sehne Der scharfe Winkel des M.€flexor carpi radialis (FCR) über dem Os trapezium und der straffe fibröse Kanal, durch den die Sehne zieht, können Ursache einer stenosierenden Tendovaginitis sein. Diese ist häufig mit einer Trapezoiddegeneration vergesellschaftet. Eine Vielzahl von Fehldiagnosen von Erkrankungen der unmittelbaren Nachbarschaft, wie Ganglien, degenerative Gelenkveränderungen, Skaphoidfraktur oder -pseudarthrose und TVS de Quervain können zu einer Verlängerung der Behandlung führen. Die Anamnese ist häufig schwierig, da der Verlauf meist schleichend ist. Schmerzen werden zumeist auf das palmare Handgelenk über das Tuberculum scaphoideum projiziert und nehmen bei Flexion und Radialduktion im Handgelenk zu. Es kann eine lokale Schwellung auftreten oder ein Ganglion über der Sehne liegen. Auch hier kann differenzialdiagnostisch eine lokale Testblockade durch Scandicaininfiltration helfen. Konservative Therapie.╇ Wir empfehlen hier die konservative Therapie durch Ruhigstellung in leichter Flexion des Handgelenks und begleitende systemische und lokale antiphlogistische Therapie. Zusätzlich kann eine Kortisoninjektion erfolgen. Sofern keine degenerativen Veränderungen vorliegen, kann die konservative Therapie in vielen Fällen effektiv sein. Operative Therapie.╇ Nach konservativen Therapieversagen kann
die Indikation zur Operation gegeben sein. Über eine longitudinale Hautinzision über der FCR-Sehne erfolgt die Eröffnung der synoÂ� vialen Hülle der FCR-Sehne. Der palmare Hautast des N.€mediaÂ� nus€sowie der sensible Thenarast des N.€radialis sollten hierbei ge-
schont werden. Die Sehne und zusätzlich das Os trapezium sollten inspiziert werden. Bei Darstellung von Osteophyten sollten diese sparsam knöchern débridiert werden. Nach Hautnaht erfolgt die Anlage eines elastischen Verbandes. Eine postoperative Ruhigstellung ist nicht erforderlich.
Literatur Clarke MT et al. (1998) The histopathology of de Quervain disease. J Hand Surg 23B: 732–734 Green D, Hotchkiss R, Pederson W, Wolfe S (1997) Green’s operative hand surgery, 5th edn. Elsevier, New York McAuliffe JA (1010) Tendon disortders of the hand and wrist. J Hand Surg Am 35: 945–953 Saldana MJ (2001) Trigger digits: diagnosis and treatment. J Am Acad Orthop Surg 9, 4: 246–252
59
60
Degenerative Knochenerkrankungen der Hand M. Meyer-Marcotty
60.1
Finger und Mittelhandâ•… – 560
60.1.1 60.1.2
Daumensattelgelenk (Rhizarthrose)â•… – 561 Handwurzel (Karpus) und distales Radioulnargelenk (DRUG)â•… – 563
60.2
Knochennekrosen des Karpusâ•… – 568
60.2.1 60.2.2 60.2.3
Nekrose des Os lunatum (M.€Kienböck)â•… – 568 Nekrose des Kahnbeins (M.€Preiser)â•… – 569 Avaskuläre Nekrose des Os capitatumâ•… – 570
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
560
Kapitel 60 · Degenerative Knochenerkrankungen der Hand
60.1
Finger und Mittelhand
Ätiologie
Wichtigste Ursachen der Arthrose der Finger sind Alter, VerÂ�erbung, posttraumatische Zustände, Infektionen, Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, rheumatoide Arthritis, Psoriasis, Gicht. Klinisches Bild
Die Klinik ist geprägt von längeren Verläufen mit zunehmender Schmerzhaftigkeit der betroffenen Gelenke, Kraftverlust und Bewegungseinschränkungen, Schwellungen, ggf. Rötungen sowie im Spätstadium äußerlich sichtbaren Dislokationen und Fehlstellungen. Oft ist eine schmerzhafte Krepitation zu tasten, gemeinsam mit einem deutlichen Druckschmerz. Die Operationsindikation ist primär abhängig von der Klinik und erst sekundär vom radiologischen Befund, da durchaus Patienten mit schwersten radiologischen Zeichen einer fortgeschrittenen Arthrose erstaunlich beschwerdearm sein können (»ausgebrannte Arthrose«).
. Abb. 60.1a, b╇ Technik der Arthrodese des PIP-Gelenks: Resektionsarthrodese im Mittelgelenk eines Langfingers mit 2€K-Drähten und Cerclage
Diagnostik In der Röntgendiagnostik sind alle Stadien möglich, von diskreten
Gelenkspaltveränderungen über eine fast vollständige GelenksÂ�desÂ�truktion bis hin zur Ausbildung einer spontanen Arthrodese (Ankylose). Vor der operativen Therapie steht meist eine rheumatologisch oder konservativ orthopädische Behandlung. Operationsindikation
60
Für die Differenzialdiagnose ist es wesentlich, präoperativ herauszufinden, ob der Schmerz oder die Funktionseinschränkung aufgrund einer Fehlstellung das Hauptproblem für den Patienten darstellt. Beide Symptome können entsprechend operativ behandelt werden, wobei meistens Mischformen aus beiden Symptomkomplexen existieren und der Operateur gemeinsam mit dem Patienten das am besten geeignete Verfahren auswählen muss. Das operative Spektrum umfasst 4 die Synovialektomie, 4 die Arthrodese, die Arthroplastik und 4 den Gelenkersatz durch verschiedene Materialien (Silikon, Pyocarbon etc). DIP-Gelenke.╇ Bei Befall der distalen Interphalangealgelenke (DIP-
. Abb. 60.2╇ Resektionsarthroplastik mit Resektion des arthrotischen Köpfchens der Grundphalanx sowie dorsalem Einschlagen der palmaren Platte als proximal gestielter Lappen (a, b). Schmerzhafte Arthrose im PIP-Gelenk mit Bewegungseinschränkung (c,€d€präoperatives Röntgenbild; e,€f€postoperatives Röntgenbild nach Resektions-Interpositions-Arthroplastik)
PIP-Gelenke.╇ Auf Höhe der proximalen Interphalangealgelenke (PIP-Gelenke) sind ebenfalls Arthrodesen wie oben beschrieben
(.€Abb.€60.1) und auch Plattenarthrodesen möglich. Außerdem kann eine Resektions-Interpositions-Arthroplastik durchgeführt werden (.€Abb.€60.2). Zum Einsatz kommen Silikon-Spacer (nach Swanson) oder Totalendoprothesen. Weltweit werden die SilikonSpacer am häufigsten als Gelenkersatz eingesetzt. Bei der Differenzialindikation sind der Wunsch des Patienten und die berufliche Situation für die Wahl des Verfahrens ausschlaggebend. So sollte jüngeren handwerklich tätigen Patienten eher zu einer Arthrodese des PIP-Gelenkes geraten werden, während die Arthroplastik mittels Swanson-Silikon-Spacer ein gutes Verfahren für Patienten ist, die keine maximalen Kräfte ausüben oder keine maximale Stabilität des Gelenkes benötigen, z.€B. Rheumatiker. Wichtig bei der Indikationsstellung zu einem Gelenkersatz mittels Silikon-Spacer ist eine gute Gelenkführung über intakte Seitenbänder oder die Gelenkkapsel. Postoperativ kann es nach Implantation einer Gelenkprothese zu Dislokationen und Instabilitäten kommen. Die Schäfte der Endoprothesen können aus den Phalangen herausbrechen, und die SilikonSpacer können als solche frakturieren. Rotations- und Achsfehler
Gelenke) mit meist vorliegender Gelenkdestruktion und Deviation ist eine Arthrodese das Operationsverfahren der 1.€Wahl. Diese Arthrodese kann in der Regel mittels Schrauben (z.€B. Herbert-Schrauben) oder Draht-Cerclagen in Kombination mit einer Kirschner-Drahtarthrodese durchgeführt werden. Vorteile einer Arthrodese mittels Draht-Cerclage und Kirschner-Draht sind die technisch einfache Durchführbarkeit, die bessere mechanische Belastbarkeit und die geringeren Materialkosten im Vergleich zu einer€Schraubenarthrodese. Allerdings muss nach ca. 6€Wochen der Kirschner-Draht operativ entfernt werden, wohingegen die Schraube meist in situ verbleiben kann. Zu beachten sind außerdem das Sozialprofil und das Berufsbild sowie die Wünsche des Patienten. Patientinnen wünschen oft aus optischen Gründen eine Arthrodese der DIP-Gelenke in Streckstellung, da dies als weniger auffällig angesehen wird und der betroffene Finger länger und schlanker erscheint. Schwer handwerklich tätige Patienten brauchen für einen festen Faustschluss aber eher eine in 20° Flexionsstellung fixierte Arthrodese.
561
60.1 · Finger und Mittelhand
sind zu vermeiden, da diese ein gutes postoperatives Ergebnis ge fährden. Eine weitere Komplikation ist die Einsteifung des Gelenkes nach Prothesenimplantation. MP-Gelenke.╇ Die Metakarpophalangealgelenke (MP-Gelenke) sind
am häufigsten bei der rheumatoiden Arthritis betroffen und hierbei meist alle MP-Gelenke. Bei der Arthrose sind meist nur einzelne Gelenke betroffen. Bei Patienten mit einer Arthrose eines einzelnen MP-Gelenkes kann ein Silikon-Spacer oder eine Endoprothese im plantiert werden. Beim Rheumatiker wird man eher zur Implanta tion von Silikon-Spacern tendieren, da hier meist mehrere MP-Ge lenke betroffen sind und die Knochenqualität oft nicht ausreicht, um einen soliden Prothesenschaft sicher aufzunehmen. Auch eine Resektions-Interpositions-Arthroplastik ist eine Al ternative zur Implantation eines Silikon-Spacers (.€Abb.€60.3) oder einer Endoprothese, wenn die Knochenqualität nicht als ausreichend beurteilt wird, einen Prothesenschaft zu tragen. Bei der ResektionsInterpositions-Arthroplastik wird die Gelenkfläche reseziert und sodann eine Weichteilinterposition, z.€B. mit Gelenkkapselanteilen, durchgeführt. Auf diese Weise kann im Einzelfall eine zufriedenstel lende Funktion unter Vermeidung einer Fremdkörperimplatation und unter Umgehung der Arthrodese erreicht werden.
a
Postoperatives Management
Die Nachbehandlung für die Arthodesen ist für alle Fingergelenke identisch und besteht in einer 6-wöchigen Ruhigstellung in einer Schiene, mit anschließender (Teil-)metallentfernung, wobei Schrau ben oder Platten und auch die Draht-Cerclage belassen werden kön nen. Im Fall einer Prothesenimplantation sieht die Nachbehandlung unmittelbar postoperativ eine 5-tägige Ruhigstellung in einer Schie ne vor mit anschließender geführter Mobilisation mit seitlicher Schienenführung, z.€B. in Form von Zwillingsklettverbänden oder radial redressierenden streckseitigen Gummizügelverbänden. Diese geführten Bewegungen sollten insgesamt für 6€Wochen durchge führte werden.
b
60.1.1 Daumensattelgelenk (Rhizarthrose) Die Rhizarthrose ist die häufigste Arthrose des Daumens, sie betrifft Frauen weitaus häufiger als Männer (ca. 10:1). Symptome treten häufig auf bei Drehbewegungen wie beim Öff nen von Gläsern oder Auswringen eines Lappens. Die Beschwerden werden im Bereich der Basis des 1. Metakarpalknochens angegeben. Klinische Untersuchung
Die Patienten klagen über Schmerzen und Druckschmerzen im Be reich des Sattelgelenkes. Oft entwickelt sich eine dorsale Prominenz an der Basis des 1.€MHK, welche Zeichen der dorsalen Subluxation des 1.€ Strahls im Sattelgelenk bei gleichzeitiger Daumenadduktion ist. Ein typischer Stauchungsschmerz, oft mit einer tastbaren Krepi tation verbunden, lässt sich bei der axialen Kompression des 1.€ Strahls auslösen. Der Spitzgriff zwischen Daumen und Zeige finger ist im Seitenvergleich oft kraftgemindert und schmerzhaft, es kann bereits eine fixiert Adduktionskontraktur vorliegen. Grundsätzlich sind bei jeder Rhizarthrose die klinische Unter suchung und die beklagten Symptome ausschlaggebend für die je weilige Therapie. Der radiologische Befund kann eine sehr ausge prägte Rhizarthrose aufweisen, obwohl die klinischen Beschwerden nur gering ausgeprägt sind. Umgekehrt können aber auch bei ei nem€altersentsprechenden Normalbefund im Röntgenbild stärkste Schmerzen bestehen, sodass die Indikation zur Operation besteht.
c . Abb. 60.3╇ Implantation von Silastikprothesen (Swanson-Prothese) in Fingergrundgelenke bei rheumatoider Arthritis. Typische quere Inzision über den Gelenken (a). Ausraspeln der Markhöhle (b) mit Einbringen der Prothesen unter Einsatz von Abstandshülsen (Grommets), die eine mechanische Abrasion am Knochen verhindern (c)
60
562
Kapitel 60 · Degenerative Knochenerkrankungen der Hand
. Tab. 60.1╇ Stadieneinteilung der Rhizarthrose des Daumens nach Eaton-Littler
Stadium
Kennzeichen
1
Normales Sattelgelenk mit möglicher Gelenkspaltverbreiterung aufgrund einer Synovialitis
2
Sattelgelenkspaltverschmälerung mit Osteophyten 2€mm
4
Sattelgelenkspaltverschmälerung mit arthritischer Veränderung des ST-Gelenks a
Differenzialdiagnostisch müssen insbesondere Tendovaginitis ste nosans de Quervain (Finkelstein-Test), Karpaltunnelsyndrom, Kahnbeinfraktur, STT-Arthrose oder (posttraumatische) Arthrose im Radiokarpalgelenk sowie eine Arthrose des Sesambeingelenkes am Daumengrundgelenk ausgeschlossen werden. Die radiologische Untersuchung beinhaltet eine 30° a.-p. Ein stellung des Handgelenks, eine laterale Ansicht des Sattelgelenks und eine direkte a.-p. Ansicht des Sattelgelenks (Aufnahme nach Naka yama). Wir verwenden im eigenen Vorgehen die Stadieneinteilung nach Eaton-Littler (.€Tab.€60.1).
60
Therapie
Konservative Therapie ist möglich mit nichtsteroidalen Antiphlo gistika und Ruhigstellung in Orthese. Intraartikuläre KortisoninÂ�Â�jekÂ�tionen sind präoperativ sinnvoll, um mittelfristig die Beschwer den zu lindern, aber nur selten kann die Operation umgangen werden. Die Indikation zur Operation ist gegeben bei Schmerz, Deformi tät und/oder Schwäche, die die Durchführung von Hausarbeit, Ar beitsbelastung, Hobby oder Sport verhindern und nicht auf konser vative Behandlungsansätze ansprechen. Operationsverfahren umfassen bei alleiniger Gelenkinstabilität die ligamentäre Rekonstruktionen wie z.€B. das Verfahren nach Ea ton-Littler (ligamentäre Suspension des Sattelgelenkes mit einem Streifen aus der FCR-Sehne). In diesem Fall muss die Gelenkfläche frei von arthrotischen Knorpelveränderungen sein. Arthrodesen des Sattelgelenks erfordern, dass das ST-Gelenk frei von Arthrosezeichen sein muss. Im eigenen Vorgehen wird die Re sektions-Suspensions-Arthroplastik wegen der besseren Funktiona lität bevorzugt. Bei der Resektionsathroplastik des Sattelgelenks stehen verschie dene Varianten zur Verfügung, wobei wir die Technik nach Epping mit Resektion des Os trapezium und Suspensionsplastik an der ge teilten FCR-Sehne bevorzugen. Alternativ existiert auch das Verfahren, einen Silicon-Spacer an stelle des resezierten Os trapezium einzubringen; auch eine Totalen doprothese für das Sattelgelenk wird propagiert. Technik der Resektionsarthroplastik nach Epping.╇ Zunächst wird
über einen stufenförmigen radiodorsalen Zugang zum Sattelgelenk unter schichtweiser Präparation und Schonung der Äste des R.€su perficialis n.€radialis der dorsale Ast der A.€radialis am proximalen Wundpol dargestellt, angeschlungen und während der weiteren Prä paration geschont. Nach Eröffnung des Sattelgelenkes folgt das
b . Abb. 60.4a, b╇ Operationstechnik der Resektionsarthroplastik nach Epping. a€Präoperativer Befund einer ausgeprägten Rhizarthrose. b€Intraoperativer Situs mit nach distal an der Basis des 2.€Mittelhandknochens gestielter längshalbierte M.-flexor-carpi-radialis-Sehne. Diese wird im eigenen Vorgehen von innen über einen schrägen Bohrkanal (Pfeil), der auf der Gelenkfläche des MHK€1 mündet, nach außen durchgezogen und mit sich selbst vernäht. Die überschüssige Länge wird in die Resektionshöhle des entfernten Os trapezium eingelegt
stückweises Herauslösen des vorher durch 2€kreuzförmige Meißel schläge gevierteilten und mobilisierten Os trapezium. Hierbei ist auf eine vollständige Exzision, v.€a. von Anteilen im Gelenkrezessus zum MHK€2 und zum Os trapezoideum zu achten sowie auf eine Scho nung der in der Tiefe liegenden FCR-Sehne. Im nächsten Schritt folgt die Präparation eines distal gestielten halben Streifens aus der FCR-Sehne auf ca. 7€cm Länge. Ein Bohr loch zum späteren Hindurchfädeln des FCR-Streifens wird durch die Basis des MHK€1 angelegt und mündet auf der MHK-Basis-Gelenk fläche. Der FCR-Streifen wird von palmar nach dorsal durch das Bohrloch geführt und in der Tiefe mit sich selbst vernäht. Zuvor kann mittels Transfixation des MHK€2 und MHK€1 mittels Kirsch ner-Draht eine Oppositionsstellung des Daumens zu den Fingern eingestellt werden. Abschließend erfolgt der schichtweise Wundver schluss mit Rekonstruktion der Sattelgelenkkapsel. Das Verfahren zeigt .€Abb.€60.4. Postoperatives Management.╇ 4€Wochen postoperativ Belassen des Drahtes und 4–6 Wochen Belassen eines Gipses unter Einschluss des Daumens und Freilassen des IP-Gelenks, dann funktionelle Be übung.
60.1 · Finger und Mittelhand
563
60.1.2 Handwurzel (Karpus) und distales
Radioulnargelenk (DRUG)
Arthrodesen des Karpus sind operative Maßnahmen, die bei schwe ren arthrotischen Veränderungen der Handwurzel indiziert sind. Die Ursachen für eine Arthrose der Handwurzel können posttrau matisch, entzündlich, degenerativ, postinfektiös, altersbedingt oder Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis sein, seltener auch im Rahmen einer Psoriasisarthritis oder einer Hyperurikämie. Je nach Schwere und Lokalisation der Schädigung sind verschie dene Arthrodesen der einzelnen Handwurzelknochen notwendig.
Distales Radioulnargelenk (DRUG) Symptome im Bereich der distalen Ulna können in 3€Kategorien unterteilt werden: 4 Symptome aufgrund einer Synovitis des DRUG oder posttrau matisch aufgrund von Rotationsproblemen des Unterarms, 4 Symptome aufgrund einer Ulna-Plus-Situation, Schmerzpunkte sind hauptsächlich im Bereich Ulna-Lunatum-Triquetrum. 4 Symptome aufgrund von Instabilitäten mit (Sub-) Luxationen der distalen Ulna aus dem DRUG.
. Abb. 60.5╇ Situation nach Ulnakopfresektion (Darrach-Operation)
Diagnostik Untersuchungsschritte des DRUG 4 Passive Pronation/Supination des Unterarms auf Höhe der Unterarmmitte. Mit dieser Untersuchung wird das DRUG mit dem TFCC (»triangular fibrocartilagineous complex«) beurteilt, ohne dass eine Druckbelastung auf das RadiokarpalÂ� gelenk oder distal des TFCC verursacht wird. 4 Druckbelastung des DRUG in Pronation und Supination. 4 Test auf Instabilität des DRUG: Der Untersucher nimmt die distale Ulna zwischen Daumen und Zeigefinger und testet auf dorsopalmare Luxation im Vergleich zur Gegenseite.
Abklären von Differenzialdiagnosen: Pseudarthrose des Proc. sty loideus ulnae (PSU), »ulna impaction syndrome«; lunotriquetrale Instabilität (LT-Instabilität), Synovitis der ECU-Sehne (ECU=M.€ex tensor carpi ulnaris), pisotriquetrale Arthrose (PT-Arthrose).
. Abb. 60.6╇ Situation nach Ulnakopfhemiresektion und Kapselinter� position (Bowers-Operation)
Diagnostik
ben zur Entwicklung von Operationsverfahren geführt, bei denen die umgebenden Weichteile als Stabilisatoren des DRU-Gelenkes geschont werden und letztendlich nur die Gelenkfläche unter Belas sen des Proc.€styloideus ulnae und des TFCC reseziert wird. Bowers hat zusätzlich eine Interpositionsarthroplastik durchgeführt, um ein radioulnares Impingement zu verhindern. Die dorsale Kapsel des DRU-Gelenkes wird nach der Resektion der Gelenkfläche einge schlagen und ossär an der distalen Ulna vernäht (.€Abb.€60.6).
Die Diagnostik umfasst Anamnese, klinische Untersuchung, Rönt gen in maximaler Pronation und maximaler Supination und Neu tralstellung, CT (Hinweise auf eine ulnare Dislokation), ArthroNMR mit Handgelenkspule zur Beurteilung der Knorpelverhältnisse und des TFCC und Arthroskopie. Therapie
Als sog. Rettungsoperation (»salvage procedures«) für die Wieder herstellung der Umwendbewegung stehen mehrere erprobte Verfah ren zur Verfügung. Darrach-Operation.╇ Darrach hat 1912 eine Technik zur Behand
lung von Arthrosen des DRU-Gelenkes vorgestellt, bei der er die distale Ulna komplett reseziert und dadurch das schmerzhafte DRUGelenk aufgelöst hat (.€Abb.€60.5). Diese Maßnahme kann zu einer Instabilität der gesamten Handwurzel mit einer ulnokarpalen Trans lation oder einem radioulnaren Impingement führen und ist deshalb heute nicht mehr die 1.€Wahl, insbesondere nicht bei jüngeren sport lich aktiven Patienten.
Bowers-Operation.╇ Die Beobachtungen von Dingman (1952) ha
Operation nach Kapandji-Sauvé.╇ Diese Operationstechnik bein
haltet eine Fusionspseudarthrose des DRU-Gelenks. Das DRU-Ge lenk wird fusioniert und ein Knochenblock aus der Ulna proximal des DRU-Gelenks reseziert, um eine Umwendbewegung des Unter arms zu ermöglichen (.€Abb.€60.7). Bei dieser Operation muss der resezierte Knochenblock in der proximodistalen Richtung min destens 1€cm breit sein, um eine Instabilität des proximalen Ulna stumpfes durch eine ausreichende Weichteilführung und anderer seits eine erneute knöcherne Überbrückung des gesetzten Defektes zu verhindern. Ein intakter TFCC ist notwendig für die axiale Kraft übertragung vom ulnaren Karpus auf den Unterarm. Mit dieser
60
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Kapitel 60 · Degenerative Knochenerkrankungen der Hand
b
a
c
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e
. Abb. 60.7╇ Operation nach Kapandji-Sauvé (a) bei fehlverheilter Unterarmfraktur und aufgehobener Unterarmwendung sowie ulnares ImpaktionsÂ�
syndrom (b, c). Postoperatives Röntgenbild (d,€e), postoperatives Funktionsergebnis
Operationsmethode kann ein stabiler ulnarer Pfeiler für den Karpus hergestellt werden. Bei Instabilitäten des DRUG mit Luxationen und guten Knorpel verhältnissen im DRUG lohnt sich eine ligamentäre Rekonstruktion mit Refixierung der palmaren und dorsalen radioulnaren Bänder. Eine temporäre Transfixierung von Ulna und Radius wird mit 2€KDrähten durchgeführt. Die Drähte und ein Oberarmgips werden für 8€Wochen postoperativ belassen. Als alternative Rekonstruktions technik ist auch eine ligamentäre Rekonstruktion mittels freiem Seh nentransplantat (z.€B. in der Technik nach Adams) möglich.
nicht fusionierten Karpalia. Dieser Prozess innerhalb des Karpus ist erst 9–12 Monate nach einer Teilversteifung abgeschlossen. Arthro desen, die das radiokarpale Gelenk überbrücken (radiolunäre Arth rodese), führen zu einer besonders ausgeprägten Bewegungsein schränkung.
Handgelenkteilarthrodese.╇ Die Teilarthrodese des Handgelenks
ist ein nützliches Verfahren, um spezifische karpale Pathologien (SL-Dissoziation dynamisch oder statisch/Geissler III.° und IV.°, ST-Arthrose, Lunatumnekrose, Kahnbeinpseudarthrose, trauma tische Dislokationen, Mid-karpale Instabilität, kongenitale Synchon drose des STT-Gelenkes) zu behandeln und eine Restbeweglich keit€des Handgelenks zu erhalten und Instabilität und Schmerz zu bessern. In einem unverletzten Handgelenk limitieren benachbarte Handwurzelknochen und die ligamentäre Aufhängung die Beweg lichkeit der umgebenden Knochen. Wenn nun zwei oder mehrere karpale Knochen miteinander fusioniert werden, kommt es zu einer kompensatorischen Erweiterung der Mobilität der angrenzenden
3€Therapieprinzipien im Rahmen einer Teilarthrodese des Karpus 4 Unveränderte und gesunde Gelenke dürfen nicht fusioniert werden (um eine größtmögliche Beweglichkeit zu erhalten, 7€oben). Eine Ausnahme bildet die Versteifung von Os hamaÂ� tum und triquetrum im Rahmen der CLHT- (Capitatum-Lunatum-Hamatum-Triquetrium-)Arthrodese (mediokarpale oder Vier-Quadranten-Arthrodese). Es konnte gezeigt werden, dass die zusätzliche Versteifung dieser beiden Knochen keine negative Auswirkung auf die Handgelenksbeweglichkeit hat. 4 Die physiologischen äußeren Ausmaße der zu fusionierenden Ossa carpalia müssen erhalten bleiben. Dies ist insbesondere wichtig vor dem Hintergrund einer optimalen postoperativen Beweglichkeit innerhalb der noch erhaltenen karpalen Gelenke (7€oben). 6
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60.1 · Finger und Mittelhand
4 Die knöcherne Fixierung sollte sich auf die zu fusionierenden Knochen beschränken. Bei einer zusätzlichen temporären Arthrodese eines benachbarten Gelenks kommt es im Rahmen der Heilung der Arthrodese zu einer Erhöhung der Kraftübertragung durch eine Verminderung der Beweglichkeit in den angrenzenden Gelenken und somit zu einer Insuffizienz der heilenden definitiven Arthrodese.
Handgelenkarthrose Diagnostik Die klinische Untersuchung bei Verdacht auf eine Handgelenk
arthrose beinhaltet 4 Palpation des SL-Gelenkes insbesondere von dorsal. 4 Fingerextensionstest (in passiver Flexion des Handgelenks löst die aktive Streckung der Finger gegen Widerstand einen Schmerz aus). 4 Watson-Test (schmerzhaftes Schnappen des proximalen streck seitigen Kahnbeinpols über die streckseitige Radiuskante bei Druck auf den distalen palmaren Kahnbeinpol unter gleich zeitiger passiver Mobilisation des Handgelenks von maximaler Ulnarduktion in maximale Radialduktion). Gleichzeitig dient der Test der Untersuchung einer möglichen skapholunären Ban dinstabilität. 4 Palpation des STT-Gelenkes.
a
Therapie
Bei einer akuten Ruptur des SL-Bandes mit einer Rotationsinstabili tät des Skaphoids ist die offene Reposition, Naht des SC-Bandes und interne Fixierung des Gelenks unter direkter Sicht die beste Thera pieoption. Insbesondere ist die korrekte Wiederherstellung der Ge lenkverhältnisse zwischen Skaphoid, Lunatum und Capitatum von großer Bedeutung. Im Fall einer chronischen SL-Bandinstabilität bestehen je nach individuellen Bedürfnissen des Patienten (berufliche Tätigkeit, Hob bys, Alter, Geschlecht) folgende Behandlungsoptionen: 4 eine Weichteilrekonstruktion im Sinne einer dorsalen Kapsulo dese nach Berger, mit oder ohne direkte SL-Bandnaht oder 4 eine Teilarthrodese des Handgelenks (STT-Arthrodese nach Watson). Die dorsale Kapsulodese ist der kleinere operative Eingriff mit einer geringeren Komplikationsrate im Vergleich zu einer STT-Arthro dese. Die Ergebnisse bei nicht statischen SL-Banddissoziationen waren in einer eigenen Untersuchung signifikant besser in Bezug auf postoperative Kraftminderung, Operationszeit, Krankenhausauf enthalt und Beweglichkeit. Da der Druck, der nach einer STT-Arthrodese von radialer Hand und Handgelenk auf den Unterarm über die Fossa scaphoidea übertragen wird, nach einer STT-Arthrodese deutlich ansteigt und somit die Belastung in diesem Gelenk zunimmt, ist eine intakte Fossa scaphoidea eine Vorbedingung für eine STT-Arthrodese. Als mögliche Langzeitauswirkung neben der sofort vorhandenen pal maren Bewegungseinschränkung kann eine skaphoradiale Arthrose nicht ausgeschlossen werden.
Kahnbeinpseudarthrose Eine unbehandelte Kahnbeinpseudarthrose führt zu einer dege nerativen Handwurzelerkrankung, die in einem »SNAC wrist« (»scaphoid nonunion advanced collapse«) endet. Wenn möglich, ist
b . Abb. 60.8a, b╇ »SNAC wrist« III.€Grades (»scaphoid non union advanced collapse wrist« mit Kahnbeinpseudarthrose, radioskaphoidaler und midkarpaler Arthrose)
die Reposition der Fragmente in Kombination mit einem korti kospongiösen Knochenspan zu versuchen. Indikationen für eine STT-Arthrodese 4 Sehr weit proximal gelegene Kahnbeinfraktur im Sinne eines knöchernen SL-Bandausrisses 4 Sehr weit distal gelegene Kahnbeinfraktur mit Inkongruenz des STT-Gelenks 4 Kahnbeinfraktur in Kombination mit einer SL-Bandläsion (.€Abb.€60.8) 4 STT-Arthrose 4 Kongenitale STT-Synchondrose
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Kapitel 60 · Degenerative Knochenerkrankungen der Hand
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. Abb. 60.9╇ Therapieverfahren bei Lunatumnekrose. Revaskularisation des Os Lunatum bei Lunatummalazie: a Gefäßgestielter Radiusspan 4/5 ECA (»extensor compartimental artery«) mit Span (rote Umrandung) und Gefäß-
stiel (blauer Pfeil). b€Gefäßgestielter Span in das Os lunatum rotiert. c€Lunatumnekrose Stadium€III a präoperativ. d€Postoperatives Röntgenbild nach gefäßgestieltem 4/5-ECA-Radiusspan und Radiusverkürzung
M.€Kienböck (Lunatumnekrose)
Eine Entfernung des Lunatums ist nicht routinemäßig notwen dig und wird im Einzelfall bei andauernden Schmerzen oder Bewe gungseinschränkungen im Intervall durchgeführt. Silastikprothesen als Ersatz des Lunatums oder Kahnbeins haben historische Bedeu tung.
Falls noch eine Revaskularisation des Mondbeins sinnvoll erscheint (Stadium€II und€IIIa; .€Tab. 60.3), stellt die Radiusverkürzung (bei entsprechender Ulna-Minus-Variante) in Kombination mit einem gefäßgestielten Radiusspan ein sinnvolles Therapieverfahren dar. Die Resektion der proximalen Handwurzelreihe (»proximal row car pectomy«) ist als Rettungsoperation möglich. Bei einer Lunatumne krose im Stadium€IIIb mit fortschreitendem Kollaps des Lunatums und der Handwurzel und palmarer Verkippung des Kahnbeins und einer DISI- oder PISI- (»dorsal«/«palmar intercalated segment instability«) Stellung des Mondbeins rekonstruiert die STT-Arthro dese die karpale Höhe bei erhaltener Gelenkfunktion. Die palma re€Verkippung des Kahnbeins wird aufgerichtet und somit die kar pale Höhe wieder hergestellt, das Lunatum wird druckentlastet (.€Abb.€60.9).
Skapholunäre Dissoziation Eine Zerreißung des SL-Bandes führt zu einer Rotationsinstabilität des Kahnbeins mit einer palmaren Verkippung des Kahnbeins und einer dorsalen Verkippung des Mondbeins (DISI, »dorsal intercala ted segment instability«). Der SL-Winkel vergrößert sich (>55°). Therapieoptionen sind eine direkte Bandnaht mit temporärer K-Draht-Arthrodese, eine dorsale Kapsulodese nach Berger oder die STT-Arthrodes nach Watson.
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60.1 · Finger und Mittelhand
»SLAC wrist«/»SNAC wrist« . Tab. 60.2╇ Stadieneinteilung »SNAC/SLAC wrist«
Stadium
Ausmaß der Arthrose
I
Schliffarthrose Processus styloideus radii
II
Arthrose im Radioskaphoidalgelenk
III
Mediokarpale Arthrose
STT-Arthrose Etwa 95% der degenerativen Erkrankungen der Handwurzel liegen periskaphoidal. Eine STT-Arthrose ist entsprechend häufig und kann durch eine STT-Arthrodese sehr gut behandelt werden. Nach dem Befund sollte auch immer in Richtung einer Sattelgelenksar throse gefahndet werden.
Die häufigste Ursache für ein »SLAC wrist« (»scapholunate advan ced collapse«; .€Abb.€60.10) ist eine palmare Verkippung des Kahn beins infolge einer Zerreißung des SL-Bandes. Ein »SNAC wrist« (»scaphoid non-union advanced collapse«; .€Abb.€60.8) tritt auf nach einer nicht behandelten Kahnbeinpseudarthrose und endet im gleichen Schädigungsmuster. In beiden Fällen läuft die Arthrose in mehreren Stadien ab (Stadieneinteilung .€Tab.€60.2). Andere Ursachen eines fortgeschrittenen karpalen Kollapses sind M.€Preiser (aseptische Nekrose des Skaphoids), Mid-karpale Instabilität, intraartikuläre Frakturen, die das radioskaphoidale Ge lenk betreffen, und ein M.€Kienböck. Bei jeder dieser Erkrankungen ist das Kahnbein betroffen und folglich auch das radioskaphoidale Gelenk. Der radiolunare Gelenkanteil (Fossa lunata) ist sehr wider standsfähig gegen degenerative Veränderungen und bleibt in allen Phasen des »SLAC wrist« meist erhalten. Im Rahmen einer CLHT(Capitatum-Lunatum-Hamatum-Triquterum-) Arthrodese erfolgt
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. Abb. 60.10╇ »SLAC wrist« III.€Grades mit Erweiterung des SL-Spaltes, radioskaphoidaler und midkarpaler Arthrose (a,€b). CLHT-Arthrodese (»four
corner fusion«) zur Behandlung einer SLAC-Wrist III.€Grades mit Fusion von Capitatum, Lunatum, Hamatum, Triquetrum (c,€d)
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Kapitel 60 · Degenerative Knochenerkrankungen der Hand
die gesamte verbleibende Beweglichkeit und die Druckübertragung vom Karpus auf den Unterarm über das RL-Gelenk. > Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Behandlung eines »SLAC/SNAC wrist« liegt in der korrekten Reposition des Lunatums in die Fossa lunata aus der DISI-Stellung heraus.
Wenn die Fossa lunata oder die lunäre Gelenkfläche höhergradige Schädigungen aufweisen, kann eine CLHT-Arthrodese nicht durch geführt werden. Dann sind die »proximal row carpectomy« (bei in takter Fossa lunata und intaktem proximalem Capitatumpol) oder die Panarthrodese als Rettungsoperationen durchzuführen. LT-Arthrodese.╇ Indikationen für diese seltener durchgeführte Teil versteifung der Handwurzel sind eine symptomatische Dislokation des LT-Gelenks, degenerative Erkrankungen und eine kongenitale Synchondrose des LT-Gelenks. Die besten Ausheilungsergebnisse werden mit einer bikonkaven Aushöhlung der korrespondierenden lunären und triquetralen Gelenkflächen unter Erhaltung eines äuße ren Randes der jeweiligen Gelenkflächen und Implantation eines spongiösen Knochenspans erreicht. Das arthrodetisierte LT-Gelenk wird mit 2€K-Drähten für 6–8 Wochen vereinigt. CL-Arthrodese.╇ Die CL-Arthrodese wird sehr selten durchgeführt, meist in Fällen einer isolierten Schädigung der CL-Gelenkfläche (Fraktur, Arthrose). Es hat sich gezeigt, dass ein Einschluss von Â�Hamatum und Triquetrum in die Arthrodese (CLHT-Arthrodese) keine negativen Auswirkungen in Bezug auf die postoperative Be weglichkeit, Kraft und Haltbarkeit hat.
60
Skapholunäre (SL)-Arthrodese.╇ Die skapholunäre Arthrodese
scheint auf den ersten Blick ein ideales Verfahren zur Therapie einer SL-Dissoziation, es sprechen jedoch zwei ganz wesentliche anato mische Tatsachen gegen den Einsatz einer solchen Teilversteifung: 4 Die sehr kleine Kontaktfläche zwischen S und L, die knöchern durchbaut werden muss und in der Folge eine große Belastung aushalten muss, erklärt eine sehr hohe Pseudarthrosenrate. 4 Fossa lunata und Skaphoidea werden durch eine wallartige Er hebung voneinander separiert, die einer adäquaten Artikulation nach SL-Fusion entgegensteht. Skaphoid-Kapitatum- (SC-) Arthrodese.╇ Bei der SC-Arthrodese
wird die Lastübertagung vom Karpus auf den Unterarm direkt über die Arthrodese geleitet, nämlich vom Kapitatum zum Skaphoid auf den Radius, wodurch die Arthrodese direkt einer sehr großen Belastung ausgesetzt ist. Das normalerweise nur sehr geringe Be wegungsausmaß zwischen Kahnbein und Capitatum ist bei der SC-Arthrodese aufgehoben. Bei einer STT-Arthrodese beispiels weise kann aber nach der Fusionierung von Skaphoid, Trapezium und Trapezoideum weiterhin eine Beweglichkeit zwischen Ska phoideum und Kapitatum stattfinden und so eine gegenüber der SC-Arthrodese verbesserte Handgelenksbeweglichkeit erhalten werden. Radiolunäre (RL-) Arthrodese.╇ Die Zerstörung des RL-Gelenks und
eine ulnare Translation des Karpus stellen die einzigen Indikationen für eine RL-Arthrodese dar. Die Gelenkfläche zwischen Kapitatum und Lunatum muss für die Durchführbarkeit einer RL-Arthrodese erhalten sein. Eine leichte Überkorrektur der karpalen Höhe durch Implantation eines großen Knochenblocks zwischen Radius und Lu natum wird angestrebt, da ein zu kleiner Knochenblock mit einer Abnahme der karpalen Höhe und verminderter Handgelenksbeweg lichkeit und -stabilität inhergeht.
60.2
Knochennekrosen des Karpus
60.2.1 Nekrose des Os lunatum (M.€Kienböck) Das Os lunatum ist der am häufigsten von einer avaskulären Kno chennekrose betroffene Karpalknochen. Männer erkranken ca. dop pelt so häufig wie Frauen. Kienböck hat 1910 erstmalig die später nach ihm benannte Er krankung beschrieben und ging noch von einer traumatisch be dingten Schädigung des Mondbeins aus mit der Folge einer Durch blutungsstörung. Die Durchblutung basiert auf einem extra- und einem intraossären System. Das extraossäre Durchblutungssystem besteht aus einem dorsalen und ventralen Anteil. Ursachen
Eine ungleichmäßige Lastverteilung über den Karpus wird als mögliche Ursache für die Entwicklung eines M.€Kienböck diskutiert. Insbesonde re fällt auf, dass bei Patienten mit M.€Kienböck oft auch eine deutliche Ulna-Minus-Situation besteht. Die normale Kraftverteilung läuft zu ca. 80% über den radialen Karpus und zu 20% über den ulnaren Karpus. Bei einer Ulna-Minus-Variante von 2,5€mm beträgt die Kraftübertra gung im radialen Karpus 96% gegenüber 4% im ulnaren Karpus. Die exakte Ursache für den M.€Kienböck ist unklar, wobei eine Kombination aus einer ungleichmäßigen Gewichtsverteilung über dem Karpus, z.€B. bei Ulna-Minus-Variante, oder akute und chro nische traumatische Einflüsse oder auch eine venöse Stauung als Teilursachen gelten können. Diagnostik
Zunächst zeigen sich meist unspezifische Symptome wie Schmerzen, Schwellungen, Bewegungseinschränkungen und Kraftminderung in der betroffenen Hand. Die Diagnose M.€Kienböck wird durch radio logische Bildgebung gestellt. Im konventionellen Röntgen sind sta dienabhängig Sklerosierungen oder Frakturen des Mondbeins zu erkennen. Eine verminderte Mondbeinhöhe weist auf einen M.€Kien böck hin. Der Höhenindex nach Youm als Relation der Höhe des 3.€Mittelhandknochens zur Gesamthöhe des Karpus (normal 0,54±0,03) ist vermindert (Youm et al. 1978). In der Szintigraphie kann ein »heißes« Mondbein Hinweise auf die vorliegende Erkrankung geben. Schnittbildverfahren wie die CT oder auch NMR sichern die Diagnose. Mit der KernspintomoÂ�graphie können bereits Frühstadien der Erkrankung sicher diagnostiziert werden. In der T1-gewichteten Phase erscheint das fettreiche Kno chenmark der karpalen Knochen als helles Signal. Beim M.€Kien böck wird das fettreiche Knochenmark durch abgestorbenen Kno chen ersetzt, sodass dieses deutlich schwächer signalgebend ist und auf den NMR-Filmen schwarz erscheint. Differenzialdiagnostisch sollten entzündliche Arthropathien, posttraumatische Arthritiden, Frakturen, karpale Instabilitäten, ulnokarpales Impaktionssyndrom und eine posttraumatische Ischämie ausgeschlossen werden. Die Stadieneinteilung des M.€Kien böck nach Delcoux u. Lichtman zeigt .€Tab.€60.3. Daneben ist eine radiologische Klassifikation nach Stäbler u. Vahlensieck nützlich (.€Tab.€60.4). Therapie
Die Therapie des M.€Kienböck ist stadienabhängig. Grundsätzlich sind 4€Faktoren bei der Therapieplanung zu berücksichtigen: 4 Stadium der Erkrankung, 4 Ulnavarianz, 4 Alter und individuelle funktionelle Faktoren des Patienten, 4 Vorhandensein einer Arthrose im Handgelenk
569
60.2 · Knochennekrosen des Karpus
. Tab. 60.3╇ Stadieneinteilung des M.€Kienböck. (Nach Delcoux u. Lichtman)
Stadium
Kennzeichen
I
Kernspintomographische Diagnose, mit entsprechender Klinik ohne radiologische Veränderungen im konventionellen Röntgen
II
Beginnende Sklerosierung des Mondbeins in der konventionellen Röntgenaufnahme ohne Frakturen, die Höhe des Lunatums ist erhalten
IIIa
Sklerosierung, Kollaps des Lunatums und der karpalen Höhe (Höhenindex n. Youm), die Relation zwischen Kahnbein und Mondbein ist erhalten ohne karpale Instabilität
IIIb
Zunehmender Kollaps des Lunatums, Zeichen der karpalen Instabilität mit fixierter palmarer Verkippung des Kahnbeins (Ringzeichen), DISI- (»dorsal intercalated segment instability«) oder PISI-Stellung (»palmar intercalated segment instability«) des Mondbeins
IV
Generalisierte degenerative Veränderungen im gesamten Karpus mit fixierter Palmarverkippung des Kahnbeins und vollständigem Kollaps des Lunatums, das Mondbein ist fragmentiert
schrieben, wobei wir diesen Eingriff aufgrund der hohen Rate an Pseudarthrosenbildung (Quenzer u. Linscheid 1993) im Osteotomiespalt eher nicht als Therapie der 1.€Wahl ansehen. Zusätzlich zur Radiusverkürzung führen wir in diesen Stadien der Erkrankung eine direkte Revaskularisation (gefäßgestielÂ� ter Radiusspan) durch (.€Abb.€60.11). Hierzu wird ein an der 4,5 ECA (»extensor compartment artery«) gestielter Span aus dem dorsalen distalen Radius gehoben und in das Lunatum eingepflanzt. 4 Stadium IIIb: Bei der fixierten Flexionsfehlstellung des Kahnbeins führen wir eine STT-Arthrodese zur Druckentlastung des Lunatums und Aufrichtung und Stabilisierung des Karpus durch. Auch eine »proximal row carpectomy« (PRC) kann im Stadium€IIIb als sinnvolle Therapie durchgeführt werden. 4 Stadium IV: Die »proximal row carpectomy« wird als Rettungsoperation bei älteren Patienten empfohlen, die ein geringes BelasÂ� tungsÂ�profil im Bereich der Handwurzel aufweisen. Für junge, körperlich aktive Patienten ist eine Panarthrodese indiziert.
> Alle in der .€Übersicht erwähnten Eingriffe können mit einer Handgelenksdenervation nach Wilhelm kombiniert werden. Stadienabhängige Therapie des M.€Kienböck 4 Stadium I: Ruhigstellung im Unterarmgips. Wenn es nach 3€Monaten nicht zu einer Verbesserung der Symptomatik und der kernspintomographischen Befunde gekommen ist, sollte ein operatives Verfahren gewählt werden wie für das Stadium€II. 4 Stadium II/IIIa: Radiusverkürzung bei Neutral- oder Minusstellung der Ulna um maximal 1–2€mm. Durch die Radiusverkürzung kommt es zu einer Druckentlastung der Fossa lunata und somit auch des Lunatums mit konsekutiver indirekter Revaskularisation durch die Dekompression. Eine Ulnaverlängerungsosteotomie, die zu einer DruckentÂ� lastung im radiokarpalen Gelenk führt, wird ebenfalls be6
60.2.2 Nekrose des Kahnbeins (M.€Preiser) Von Preiser wurde 1910 erstmals eine rarefizierende Osteitis des Kahnbeins beschrieben. Der M.€Preiser ist wesentlich seltener als M.€Kienböck, im Prinzip wird aber der gleiche Pathomechanismus angenommen. Äthiologisch wird eine Kollagen- und Gefäßerkran kung, Steroidtherapie, wiederholtes Trauma oder idiopathische Ur sachen diskutiert. Die klinischen Symptome bestehen aus lokalen Schmerzen und Druckschmerzhaftigkeit. Im Rahmen der radiolo gischen Untersuchung zeigt sich meist eine Sklerosierung des Kno chens und/oder eine Fragmentierung der proximalen Gelenkfläche. Mittels CT und NMR kann das Ausmaß der Erkrankung genauer beurteilt werden. Im NMR fällt v.€a. eine Signalminderung des Skaphoids auf als Hinweis auf die Minderdurchblutung.
. Tab. 60.4╇ Radiologische Klassifikation des M.€Kienböck. (Nach Stäbler u. Vahlensieck 2000)
MRT- Stadium
MR-Morphologie
T1
T2
Gd-Aufnahme
Konventionelles Röntgen
Ia
Homogene diffuse Signalveränderung
Hypointens
Hyperintens
Ja
Unauffällig
Ib
Homogene diffuse Signalveränderung
Hypointens
Hyperintens
Ja
Sklerose
II
Inhomogene, geographische Signalveränderung
Hypointens
Hypo- oder hyperintens
Fokal fleckig
Sklerose, Zysten
III
Höhenabnahme, Fragmentation
Hypointens
Hypointens
Nein
Zysten, Höhenabnahme, Fragmentation
IV
Sekundärarthrose
Hypointens
Hypointens
Nur synoviale Proliferationen
Zusätzlich degenerative Veränderungen
60
570
Kapitel 60 · Degenerative Knochenerkrankungen der Hand
a
diokarpaler Teilarthrodese [Capitatum-Lunatum-Hamatum-Tri quterum- (CLHT-) Arthrodese) oder »proximal row carpectomy« (PRC) durchgeführt werden kann. Leider ist aufgrund der bereits bestehenden arthrotischen Ver änderungen im Bereich des Proc.€styloideus radii und der radios kaphoidalen Gelenkflächen eine schmerzfreie Bewegung trotz einer erfolgreichen Revaskularisation oft nicht möglich. Des Weiteren kann das Skaphoid bereits so stark fragmentiert sein, dass ein gefäß gestielter kortikospongiöser Span nicht mehr in das Kahnbein im plantiert werden kann. Als letzte therapeutische Option bietet sich daher eine Handgelenkspanarthrodese an, um eine weitgehende Schmerzfreiheit im Karpus zu erreichen. Aufgrund der schlechten Vorhersagbarkeit der postoperativen Ergebnisse kann im Falle von nur leichten Beschwerden durchaus auch ein zunächst konservatives Vorgehen mit dem Patienten be sprochen werden unter regelmäßigen klinischen und radiologischen Kontrollen. 60.2.3 Avaskuläre Nekrose des Os capitatum
60
b
Die Perfusion des proximalen Kapitatumpols wird durch eine pal mare und dorsale Blutversorgung sichergestellt. Dennoch ist gerade der proximale Pol auch durch eine avaskuläre Nekrose gefährdet. Ursachen für die Entstehung einer avaskulären Kapitatumnekrose sind Traumafolgen, ligamentäre Laxizität, Vibration, Steroiddauer medikation, wiederholte Handgelenksstreckungen und idiopa thische Gründe. Unbehandelt kommt es bei diesem Krankheitsbild zu einem fortschreitenden Kollaps des Kapitatums. Als Diagnostik steht das NMR zum Nachweis einer avaskulären Nekrose im Vorder grund. Therapie Operative Therapie.╇ Die operative Therapie besteht in der Revas
kularisation des Kapitatums, wobei ein Erfolg im Sinne eines Still standes der Nekrose bzw. eine Verbesserung der Durchblutung nicht garantiert werden können.
c . Abb. 60.11╇ Revaskularisation des Os lunatum bei M.€Kienböck (a) mittels vaskularisiertem Radiusspan (b), der an der Arterie 4,5 ECA (»extensor compartment artery«) gestielt wird. c€Der Rotationsbogen ermöglicht die Einpflanzung in die Höhle des Os lunatum
Therapie
Bei diesem Krankheitsbild existieren verschiedene Therapieopti onen: Von konservativer symptomatischer Therapie, Débridement der Gelenkflächen, Silikonarthroplastik bis hin zu Elektrostimula tion. Abhängig vom Stadium der Kahnbeinnekrose, den Gelenkflä chen radioskaphoidal und den Wünschen und dem Belastungsprofil des Patienten machen wir einen Erhaltungsversuch mittels gefäßge stieltem Radiusspan (1,2€ICRSA-Span), wobei mit dem Patienten präoperativ abgeklärt werden muss, dass im Falle einer Unmöglich keit dieser Revaskularisation auch eine Kahnbeinresektion mit me
Sonstige.╇ Weitere therapeutische Optionen sind konservative Be handlungsansätze in Abhängigkeit von den Beschwerden und dem radiologischen Befund. Außerdem können Knochentransplanta tionen, Mid-karpale Arthroplastiken oder Arthrodesen (z.€B. Arth rodese von Os capitatum und hamatum) durchgeführt werden. Zu keinem der erwähnten Operationsverfahren existieren Langzeiter fahrungen. Wir empfehlen in Abhängigkeit von der Klinik und der son stigen Befunde zunächst ein abwartendes Verhalten mit konservati ver Therapie. Bei zunehmenden Beschwerden in Zusammenschau der beruflichen Tätigkeit des Patienten, des Alters, des Geschlechts und des Wunsches des Patienten ist die weitere operative Therapie zu planen.
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60.2 · Knochennekrosen des Karpus
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Rheumatoide Arthritis M. Meyer-Marcotty
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 61 · Rheumatoide Arthritis
Definition. Die rheumatoide Arthritis (RA; frühere Bezeichnung
chronische Polyarthritis; cP) ist eine chronisch-entzündliche (abakterielle) Systemerkrankung, die vorwiegend das Synovialgewebe betrifft und zu krankhaften Veränderungen an Gelenken und Sehnen führt. Etwa 1–4 % der Bevölkerung in Deutschland sind betroffen, am häufigsten Frauen im Alter zwischen 40 und 60€Jahren.
Ätiologie Die genauen Gründe für die Entstehung einer RA sind bis heute unbekannt, viele der krankhaften Befunde weisen auf einen autoimmunologischen Hintergrund hin. Eine weitere Theorie geht davon aus, dass enzymatische Vorgänge an der Zerstörung der Gelenkstrukturen und Sehnen beteiligt sind. Die chronische Entzündung führt gemeinsam mit enzymatischen Abläufen zu einer Zerstörung der Gelenkstrukturen und über die gleichzeitig vorhandene Sehnenscheidensynovialitis letztendlich zur Ruptur von Sehnen.
Klinik Erscheinungsbild der rheumatoiden Arthritis 4 4 4 4
61
Schmerzen Schwellung Bewegungseinschränkung Funktionsstörung und Kraftminderung, die typischerweise an mehreren Stellen gleichzeitig auftreten
Am Anfang der Erkrankung bestehen Morgensteifigkeit der Gelenke mit Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Da es sich bei der rheumathoiden Arthritis um eine dynamisch fortschreitende Erkrankung handelt, können im weiteren Verlauf zunächst Schwellungen der Gelenke, Gelenkfehlstellungen und schließlich funktionsbehindernde Gelenkzerstörungen auftreten. Hierdurch kommt es zu stark schmerzhaften und funktionseingeschränkten Gelenken und zu deutlich sichtbaren Achsabweichungen mit grotesken Fehlstellungen z.€B. der Hände. Nervenengpasssyndrome werden gehäuft beobachtet, beispielsweise das Karpaltunnelsyndrom oder die Kompression des N.€ulnaris durch Synovialitis des Ellbogengelenks. Die Hände sind bei fast allen Rheumapatienten, oft schon in der Frühphase, betroffen (typischerweise das Handgelenk, die Fingergrund- und -mittelgelenke und das Daumengrundgelenk; .€Abb.€61.1). Im Folgenden wird kurz auf die wichtigen rheumatischen Veränderungen an der Hand eingegangen:
. Abb. 61.1╇ Rheumatische Arthritis der Hand mit typischen röntgenologischen Veränderungen der Fingergelenke mit bereits erfolgter Alloarthroplastik der PIP-Gelenke und einer Arthrodese des Kleinfinger-DIP-Gelenks
Veränderungen an den Fingergelenken Ulnardeviation. Die beginnende synovialitische Schwellung lässt
sich streckseitig in mittlerer Beugung des Gelenks zwischen 2€Fingergrundgelenken tasten. Durch die zunehmende Schwellung rutscht die Strecksehne zur Ellenseite ab. Die Seitenbänder lockern sich, und die Instabilität nimmt zu. Dies führt zu einem Streckdefizit und zu einer Ulnardeviation der Finger. Schwanenhalsdeformität.╇ Bei dieser Fehlhaltung werden die FingerÂ�
grund- und -endgelenke in Beugung und das Mittelgelenk in Überstreckung gehalten, die den Faustschluss und den feinen Spitzgriff zwischen Daumen und betroffenem Finger behindern (.€Abb.€61.2). Ursächlich sind rheumatische Veränderungen an den Gelenken, den Handbinnenmuskeln und den Beugesehnenscheiden. Zusätzlich kann ein »Schnapp-Phänomen« vorliegen: Bei normalem Faustschluss verbleibt der Finger in Überstreckstellung. Bei Verstärkung der Beugung wird das Mittelglied über den Grundgliedkopf gezogen, wobei es zu einem typischen Schnappen kommt. Erst jetzt ist ein Faustschluss möglich.
Veränderungen am Handgelenk
Im Frühstadium weisen Schmerzen und BewegungseinschränkunÂ� gen auf eine Handgelenksynovialitis, die sich als wulstige Schwellung tasten lässt, hin. Es kommt zu Rupturen der Strecksehnen infolge der Synovialitis, die sich, beginnend am Kleinfinger, später bis zum Mittelfinger ausdehnt. Die Folgen einer entzündungsbedingten Zerstörung des Ellenkopfes werden als Caput-ulnae-Syndrom bezeichnet. Die Lockerung des Kapsel-Band-Apparates sowie destruktive Veränderungen an Knorpel, Knochen und Bändern begünstigen und verstärken die geschilderten Fehlstellungen. Im Endstadium kommt es zu einer radialen Abkippung der Handwurzel und zu einer erheblichen Dislokation der Hand zur Beugeseite hin. Je nach Verlaufsform treten im Spätstadium spontane Einsteifungen des Handgelenks oder eine funktionseinschränkende Instabilität auf.
. Abb. 61.2╇ Schwanenhalsdeformität
575
61 · Rheumatoide Arthritis
Knopflochdeformität. Die Synovialitis dehnt und lockert den Mit-
telzügel des Streckapparates und schwächt die Streckung des Mittelgelenks. Die Aponeurose zwischen Mittel- und Seitenzügel weitet sich, die Seitenzügel dislozieren nach palmar und wirken nun als Flexoren im Mittelgelenk und als Extensoren im Endgelenk Veränderungen am Sattelgelenk des Daumens
Sehr häufig sind arthrotische Veränderungen am Sattelgelenk des Daumens mit Schmerzen zu finden. Diese Schmerzen sind schon bei festem Zugreifen, Fassen eines Schlüssels oder beim Halten der Kaffeetasse vorhanden. Es resultiert eine deutliche Kraftminderung.
Diagnostik Besteht der Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung, sollte die Abklärung durch einen speziell ausgebildeten Rheumatologen erfolgen. Die Diagnose wird anhand von Beschwerden, der Untersuchung des Patienten, Röntgenuntersuchung sowie der serologischen Parameter (Rheumafaktoren, Entzündungswerte, Autoimmunserologie) gestellt. Regelmäßige radiologische Kontrollen informieren über den aktuellen Befund und das Fortschreiten der Erkrankung. Wichtige Kennzeichen im Röntgenbild sind hierbei 4 eine Verschmälerung des Gelenkspaltes, 4 der Nachweis von Zysten und Arrosionen der KnochenÂ� struktur, 4 Dislokationen, 4 Osteoporose, 4 Ankylose.
Therapie Da die RA eine fortschreitende Allgemeinerkrankung ist, muss die chirurgische Therapie in enger Abstimmung mit den behandelnden Rheumatologen erfolgen. So sollte z.€B. vor einer geplanten OperaÂ� tion die immunsupprimierende Medikation auf ein Mindestmaß reduziert werden, da sonst Wundheilungsstörungen drohen. Zielsetzungen einer chirurgischen Behandlung in der Frühphase der RA 4 Verlangsamung des Krankheitsprozesses 4 Verminderung der Schmerzen 4 Verbesserung oder Wiederherstellung von nützlichen Funktionen 4 Verhinderung fortschreitender Zerstörungen 4 Verbesserung des ästhetischen Erscheinungsbildes
Die 3€Grundprinzipien sind in der .€Übersicht dargestellt. Grundprinzipien der chirurgischen Rheumatherapie 4 Verhinderung fortschreitender Destruktion durch Synovialektomie 4 Wiederherstellung verlorener Funktionen 4 Eingriffe, mit denen Restfunktionen erhalten werden können, z.€B. Arthroplastik oder Sehneneingriffe
Vorbeugende Operationen sind z.€B. Synovialektomien, die frühzeitig durchgeführt werden sollten, um drohende Sehnenzerreißungen zu verhindern. Rekonstruktive Maßnahmen haben die Wiederherstellung von Weichteilmantel und Gelenken (auch durch Einbringen von Kunstgelenken) und z.€B. Sehnenverlagerungen zum Ziel. Au-
61
ßerdem werden z.€B. bei der Sattelgelenkarthrose Resektionsarthroplastiken mit Sehnenplastiken durchgeführt. Bei fortgeschrittener Instabilität mit skelettalem Kollaps besteht die Indikation zur Arthrodese, um Restfunktionen der Hand zu erhalten. > Generell sollten möglichst einfache Eingriffe mit geringer Belastung für den Patienten, kurzer Rehabilitationszeit und hoher Erfolgsaussicht bevorzugt werden. Synovialektomie
Die Kombination aus Synovialitis und (Druck-)belastung führt bei der rheumatoiden Arthritis zu einer Zerstörung der Gelenke. Als einfache Grundregel bei der Behandlung der RA kann daher die Minimierung bzw. die Ausschaltung zumindest eines dieser beiden Faktoren angesehen werden. Bei der Synovialektomie in Gelenken ist jedoch zu beachten, dass die Funktion der Gelenkinnenhaut beeinträchtigt wird. Die Ernährung, der Schutz des Knorpels und der Abtransport von Débris werden durch eine Synovialektomie behindert, und so eine Zerstörung des Knorpels beschleunigt. Eine typische Fehlstellung der rheumatischen Hand ist die Ulnardeviation und palmare Subluxation in den MP-Gelenken der Langfinger. Bei dieser Fehlstellung empfehlen wir die Durchführung eines »intrinsic release«. Hierzu wird ein transversaler dorsaler Hautschnitt über den betroffenen MP-Gelenken angelegt. Die ulnarseitig ansetzende intrinsische Muskulatur wird inzidiert, zusätzlich zu einer Teilresektion der ulnarseitigen schrägen Fasern der Streckerhaube. Bei einer Ulnardeviation auch der Strecksehnen kann eine Zentrierung der Strecksehne nach radial erfolgen im Sinne einer Raffung der radialen Kapsel und Sehnenanteile. Bei einer symptomatischen Arthrose der distalen InterphalanÂ� gealgelenke (DIP) bietet sich meistens eine Arthrodese des DIP-Gelenks in Funktionsstellung an. Hierbei muss mit dem Patienten präoperativ die individuell beste Stellung besprochen werden. Optisch vorteilhafter wird z.€B. eine möglichst gerade Stellung der DIP-Gelenke insbesondere bei Frauen angesehen, da der Finger in gerader Stellung länger und eleganter wirkt. Ein handwerklich noch tätiger Patient ist eher an einer gebesserten Greiffunktion interessiert; somit sollte ein Arthrodesewinkel von ca. 10–20° angestrebt werden. Die zwei radialen Langfinger sollten in einer Supinationsstellung von ca. 5–10° eingestellt werden, um den Feingriff zwischen D1 und D2/3 zu ermöglichen. Das »Cup-Cone-Verfahren« schafft eine gute Kontaktfläche zwischen spongionösem Knochen. Hierzu wird das Köpfchen des Mittelgliedes von Knorpel befreit und abgerundet (»cone«). Die Basis des Endgliedes wird ausgehöhlt (»cup«). Es kann dann eine optimale Stellung erreicht werden unter Verwendung von 2€0,8-er K-Drähten und einer 0,5-er Draht-Cerclage. Auch bei einer rheumatischen Zerstörung der proximalen Interphalangealgelenke (PIP) kann eine Arthrodese wie oben beschrieben durchgeführt werden. Zum Bewegungserhalt wird aber auch bei guter Knochensubstanz und noch bestehender guter Beweglichkeit ein Silikongelenkersatz (z.€B. Swanson-Spacer) eingesetzt. Hierbei ist es wichtig, eine stabile seitliche Führung für den Gelenkersatz zu erhalten und anhand von Schablonen die korrekte Größe des Implantates auszumessen. Auch bei schwacher kortikaler Abstützung verstärken sog. Grommets (.€Abb.€60.3) im Schaft die Stabilität der Implantation. Ein Swanson-Spacer ist nicht sehr belastungsstabil, sodass dieses Verfahren für junge, noch sehr aktive Patienten nicht als 1.€Wahl angesehen werden kann.
576
Kapitel 61 · Rheumatoide Arthritis
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62
Tumoren der Hand 62.1
Benigne Tumorenâ•… – 578 K.H. Busch, J. Redeker, A.€Gohritz
62.1.1 62.1.2 62.1.3
Haut- und Weichteiltumorenâ•… – 578 Gefäßtumorenâ•… – 581 Knochen- und Knorpeltumorenâ•… – 581
62.2
Maligne Tumorenâ•… – 583 A. Gohritz, P.M. Vogt
62.2.1 62.2.2 62.2.3 62.2.4
Diagnostisches Vorgehenâ•… – 583 Prinzipien der Therapieâ•… – 583 Primäre Hauttumorenâ•… – 583 Primäre maligne Tumoren des Knochen- und Weichteilgewebesâ•… – 586
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 62 · Tumoren der Hand
62.1
Benigne Tumoren
K.H. Busch, J. Redeker, A.€Gohritz
Mehr als 95% aller Tumoren der Hand sind gutartig. Die häufigste Form ist das Ganglion, danach folgen in der Häufigkeit die Einschlusszysten, Warzen, Riesenzelltumoren, Granulome und Hämangiome. Benigne Handtumoren können zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Sie können vaskulärer, knöcherner, perichondraler oder kutaner Genese sein und lokalisierte Raumforderungen an typischen Stellen der Hand bilden. Obwohl sehr selten, sollte bei einer Exzision in der Regel eine histologische Untersuchung zum Ausschluss eines seltenen Malignoms erfolgen. Klassifikation
Gutartige Tumoren lassen sich in die in der .€Übersicht dargestellten Stadien einteilen. Die Stadien gutartiger Tumoren 4 Latenzstadium: Keine wesentliche Veränderung, evtl. spontane Rückbildung → Keine Exzision notwendig 4 Aktives Stadium: Begrenztes Wachstum innerhalb anatomischer Grenzen → Entfernung meist mit Tumorrändern oder intraläsional (z.€B. Kürettage) 4 Lokal aggressives Stadium: Wachstum über anatomische Grenzen hinaus → En-blocResektion
62
Die häufigsten Tumoren lassen sich nach ihrem Ursprungsgewebe einteilen: 4 Haut- und Weichteiltumoren, 4 Gefäßtumoren, 4 Knochen- und Knorpeltumoren, 4 neuronale Tumoren. 62.1.1 Haut- und Weichteiltumoren
Ganglion Ganglien gehören zu den häufigsten Tumoren der Hand (>50%). Bei Frauen sind sie etwa doppelt so häufig wie bei Männern und sie treten meist zwischen dem 20. und dem 40.€Lebensjahr auf. Ursächlich ist eine Schwäche im fibrösen Kapselgewebe von Gelenken und bindegewebigen Hüllen der Sehnen. Der intraartikuläre Überdruck führt zu einer Ausstülpung der innenliegenden weichen Gelenkhäute, die mit Synovialflüssigkeit gefüllt sind. Typischerweise findet sich eine schmerzlose und verschiebliche Schwellung am Handrücken, am beugeseitigen Handgelenk oder über Beuge- oder Strecksehnen. Sonographisch imponiert eine glattbegrenzte Raumforderung mit einer posterioren Schallverstärkung. Eine Röntgenuntersuchung sollte erfolgen, um andere Ursachen eines Tumors auszuschließen und evtl. Ursachen wie Arthrosen zu erkennen. Anamnestisch gehen einem Ganglion in etwa 10% der Fälle ein Trauma oder eine Distorsion voraus, die zu einer Schwächung der Kapsel geführt haben. Das dorsale Handgelenksganglion ist mit 70% aller Ganglien mit Abstand die häufigste Form. Es imponiert meist zwischen dem 3.
und 4.€Strecksehnenfach oder direkt distal des 4.€Strecksehnenfaches und geht von der Handgelenkskapsel in Höhe des SL-Bandes aus. Etwa 10–25% aller Ganglien im Erwachsenenalter sind beugeseitig lokalisiert, bei Kindern unter 10€Jahren ist diese Lokalisation am häufigsten. Die beugeseitigen Ganglien gehen von der FCR-Sehne, dem Radiokarpalgelenk oder dem STT-Gelenk aus. Beugeseitig an den Fingern finden sich über den A1-Ringbändern oder den A2-Ringbändern sog. Ringbandganglien, die von den Beugesehnen ausgehen. Diese sind oft nur stecknadelkopfgroß, für die Patienten aber beim Faustschluss sehr störend. Ganglien an den Streckseiten der Fingerendglieder resultieren aus Arthrosen und Exophyten an den Endgelenken. Diese Mukoidzysten sind nicht schmerzhaft, drohen aber, die Haut zu perforieren und dann eine direkte Verbindung zum Endgelenk zu bilden. Lokalisationen an allen anderen Gelenken der Hand sind möglich, ebenso an allen Beuge- und Strecksehnen, aber selten. Spontane Rückbildungen sind durchaus möglich (bis zu 40–50% aller Ganglien bei Erwachsenen bilden sich spontan teilweise oder ganz zurück). Die Indikation zur Operation ist an die Beschwerden des Patienten adaptiert. Therapie
Bei den Operationen sind die Besonderheiten der einzelnen LokaÂ� lisationen zu beachten. Streckseitige Ganglien werden durch eine Sförmige Inzision über dem Ganglion angegangen. Es wird stets bis auf die Hülle des Ganglions präpariert und das Ganglion verfolgt bis zur Darstellung des Stiels bzw. der Schwachstelle in der Gelenkkapsel. Streckseitige Ganglien.╇ Bei den streckseitigen Ganglien kann es nötig werden, das 4.€Strecksehnenfach zu eröffnen. Hierbei sollte die Eröffnung unbedingt treppenförmig erfolgen, damit am Ende der Operation auch ein Verschluss des Strecksehnenfachs erfolgen kann. Die primäre Naht ist oft schwierig oder unmöglich und führt zu Stenosen und Einengungen im 4.€Streckerfach mit funktionellen Ausfällen. Beugeseitige Ganglien.╇ Diese sollten unter besonderer Beachtung der A.€radialis operiert werden. In vielen Fällen ist die Arterie adhärent am Ganglion, und es kann leicht zu akzidentiellen Läsionen des Gefäßes kommen. In keinem Fall darf die Arterie ligiert werden, sondern muss mikrochirurgisch rekonstruiert werden, um Durchblutungsstörungen, Schwäche oder Sensibilitätsstörungen der Hand zu vermeiden. Mukoidzysten.╇ Der Weichteilmantel bei Mukoidzysten ist extrem
dünn, daher sollte nach Möglichkeit die Haut erhalten bleiben, um nach Resektion der Zyste eine Defektdeckung erzielen zu können. Ferner muss die Exostose am Endglied abgetragen werden, um ein sicheres Rezidiv zu verhindern. Ist die primäre Defektdeckung nicht möglich, kann eine lokale Lappenplastik, ggf. mit Vollhauttransplantation, notwendig werden.
> Wie alle Eingriffe an der Hand werden Ganglionexstirpa tionen in Blutleere und mit Lupenvergrößerung operiert (.€Abb.€62.2).
Epidermale Einschlusszysten Epidermale Einschlusszysten sind nach Ganglien und Riesenzelltumoren (7€Kap.€62.1.3) der dritthäufigste Tumor an der Hand. Durch Versprengung von epidermalen Zellen kommt es zur Ausbildung von Tumoren typischerweise an den beugeseitigen Fingern und in der Hohlhand.
579
62.1 · Benigne Tumoren
a
c
d
b
Bei epidermalen Einschlusszysten handelt es sich um feste, nicht schmerzhafte, dicht unter der Haut gelegene Tumoren. AnamnesÂ�tisch ist eine Stichverletzung an der entsprechenden Stelle vorausÂ�gegangen, wobei das Trauma bereits Monate oder gar Jahre zurückliegen kann. Berufsgruppen, die häufig Stichverletzungen an den Fingern erleiden, sind prädisponiert. Radiologische Untersuchungen sind bei der Diagnostik in der Regel nicht wegweisend, allerdings können auch diese gutartigen Tumoren zu KnochenarÂ� rosionen führen. Sonographisch erkennt man die typische Zystenmorphologie. Die vollständige Exszision des Tumors ist auch hier die Therapie der Wahl. Die Rezidivraten sind gering, wenn bei der Exszision keine Zellen in situ verblieben sind. Sie treten meist bei Frauen im Alter zwischen 40 und 70€Jahren auf. Am häufigsten ist der Zeige- und Mittelfinger betroffen, meist liegen arthrotische Veränderungen des Endgelenks vor. Anlass für
. Abb. 62.1╇ Die häufigsten Lokalisationen für Ganglien an der Hand sind radiopalmar zwischen A.€radialis und M.€flexor carpi radialis (a), die Beugesehnenscheiden auf Höhe des Grundgelenks (b), die radiodorsale Handwurzel zwischen Os scaphoideum und Os lunatum (Stiel oft bis zum SL-Band reichend; c). Ganglionähnlich stellen sich degenerative Mukoidzysten dar, die meist bei zusätzlich bestehender Heberden-Arthrose am FingerendÂ� gelenk auftreten oder, seltener, wie hier vom Interphalangealgelenk des Daumens ausgehen (d)
eine Zystenentfernung sind Schmerzen, Ausdünnung der Haut, Flüssigkeitsaustritt oder Nagelwachstumsstörungen (.€Abb.€62.3).
Noduläre Fasziitis Die noduläre Fasziitis tritt als schnell wachsender Tumor an der Hand hervor. Histologisch handelt es sich um eine Reaktion des Subkutangewebes, pathogenetisch liegt eine Lokalreaktion oder eine Inflammation vor. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. In der Hälfte der Fälle besteht ein unangenehmes Druckgefühl oder Schmerzen, meist am beugeseitigen Unterarm. Typischerweise manifestiert sich die noduläre Fasziitis als runder oder ovaler Knoten, der mit oder ohne Kapsel auftreten kann. Feingeweblich bestehen diese Knoten aus unreifen Fibroblasten mit kurzen, unregelmäßig angeordneten Bündeln. Differenzialdiagnostisch ist ein Fibrosarkom abzugrenzen. Der Verlauf der nodulären Fasziitis ist gutartig. Die Therapie besteht in der lokalen Exzision.
62
580
Kapitel 62 · Tumoren der Hand
a
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c
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. Abb. 62.2╇ Typisches radialseitiges Ganglion im Bereich der A.€radialis (a). Mikrochirurgische Resektion unter Lupebrillensicht mit Entfernung und Ligatur des Stiels, der aus der beugeseitigen Gelenkkapsel entspringt (b, c).
Streckseitiges Ganglion mit Bezug zum dorsalen skapholunären Gelenk- spalt (d)
62
a
b
. Abb. 62.3╇ Typische Mukoidzyste mit Ursprung im Fingerendgelenk bei Heberden-Arthrose (a). Elevation eines kleinen Hautlappens, der anschließend das Gelenk bedeckt (b)
Noduläre Tenosynovialitis
Lipome
Die lokalisierte Tenosynovialitis wird auch Riesenzelltumor der Sehnenscheide genannt und ist bekannt für ihre hohe Rezidivrate in den synovialen Bereichen an der Hand, also an Gelenken, Kapseln, Bändern und Sehnenscheiden. Sie tritt meist am Zeige- und Mittelfinger und häufiger palmar als dorsal auf.
Lipome sind die häufigsten Tumoren des Körpers. An der Hand können sie trotz meist langsamem Wachstum bei Druck auf Nerven zu neurologischen Störungen führen. Bei Kompression des N.€medianus treten z.€B. Symptome ähnlich dem Karpaltunnelsyndrom auf, also Gefühlsstörungen der medianusinnervierten Finger, Greif-
581
62.1 · Benigne Tumoren
schwäche oder Thenaratrophie. Bei Kompression der sensiblen Äste des N.€ulnaris oder N.€radialis ergeben sich Sensibilitätsstörungen und ausstrahlende Schmerzen in den jeweiligen InnervationsgeÂ� bieten. Die Therapie besteht in der kompletten Exzision des Lipoms mit seiner Kapsel. 62.1.2 Gefäßtumoren
Hämangiome Hämangiome an der Hand sind eher selten, auf ihre Behandlung wird ausführlich in 7€Kap.€35 eingegangen.
Glomustumoren Glomustumoren sind Gefäßerweiterungen und Aneurysmen des Glomussystems, also des distalen arteriovenösen Systems an den Fingerkuppen, das dort die Zirkulation regelt (.€Abb.€62.4). Diagnostik
Die Diagnose ist aufgrund der klassischen Symptomatik klinisch problemlos möglich. Es finden sich kleine stecknadelkopfgroße, aber äußerst schmerzhafte Weichteilveränderungen, meist subungual an den Fingerendgliedern. Neben der Druckschmerzhaftigkeit besteht auch eine ausgesprochene Kälteempfindlichkeit. In 25% der Fälle sind Tumoren an mehreren Lokalisationen vorhanden. Mit den Hochfrequenzultraschallköpfen, wie sie für die Hand genutzt werden (8.000–13.000€MHz) kann man die Läsionen darstellen. In Problemfällen sind T2-gewichtete MRT-Untersuchungen sinnvoll.
. Abb. 62.4╇ Glomustumor
motorischen Astes. Bei kleinen Befunden kann eine spannungsfreie primäre Anastomose möglich sein, sonst sollte u.€E. immer eine mikrochirurgische Rekonstruktion mittels Veneninterponat durchgeführt werden. 62.1.3 Knochen- und Knorpeltumoren
Riesenzelltumoren
Beim Hypothenar-Hammer-Syndrom handelt es sich um ein Aneurysma der A.€ulnaris. Durch ein repetitives Trauma auf den Hypothenar, wie z.€B. durch das Hämmern mit dem Kleinfingerballen, kommt es zu einer Schwächung der Gefäßwand und Ausbildung des Aneurysmas.
Riesenzelltumoren, auch villonoduläre Synovitis genannt, sind nach den Ganglien die zweithäufigsten Tumoren der Hand. Sie treten zwischen dem 40. und dem 60.€Lebensjahr auf und betreffen bevorzugt die radialen 3€Finger (.€Abb.€62.5). Anamnestisch ist nicht selten eine Verletzung an der entsprechenden Phalanx zu eruieren. Sonographisch läst sich eine eindeutige Differenzierung von Ganglien treffen, da es sich nicht um flüssigkeitsgefüllte Zysten handelt, sondern vielmehr um Tumoren mit multiplen Fibroxantomen, also kleinen gelblichen spindelförmigen Einschlüssen, die sich sonomorphologisch deutlich von einem Ganglion unterscheiden. Zudem betreffen Riesenzelltumoren tieÂ� fere€Strukturen der Hand. Die radiologische Diagnostik offenbart zuweilen eine Arrosion des Knochens.
Klinik, Symptomatik, Diagnostik
Therapie
Therapie
Die Therapie besteht in der Exzision des Tumors unter Mitnahme einer Spindel des Nagelbetts. Der Fingernagel muss hierfür entfernt werden und wird postoperativ zur Schienung als Kunstnagel wieder aufgelegt. Die Rezidivrate ist bei vollständiger Entfernung gering.
Hypothenar-Hammer-Syndrom
Die Patienten berichten über Kribbelparästhesien im N.-ulnarisVersorgungsgebiet. Zusätzlich zu den klinischen Anzeichen eines Loge-de-Guyon-Syndroms kommt es oft auch zu PerfusionsstörunÂ� gen und digitalen Ischämien durch Emboli und periphere Gefäßverschlüsse. Das Aneurysma ist als pulsatiler Tumor über dem Hypothenar tastbar. Sonographisch lässt sich der Verdacht leicht bestätigen. Es sollte aber neben einem obligaten Allen-Test auch immer eine Angiographie durchgeführt werden, um einen Überblick über die Durchblutungssituation der Hand zu gewinnen. Therapie
Es erfolgt die Inzision in der Hohlhand entlang der Linea vitalis, in der Rascetta 1–2€cm querverlaufend nach ulnar und dann leicht bogenförmig über der FCU-Sehne nach proximal. Über diesen Zugang erfolgen sowohl die Dekompression des N.€medianus als auch des N.€ulnaris und von proximal aus dem Gesunden die Präparation der A.€ulnaris. Das Aneurysma wird vollständig dargestellt, unter insbesondere Schonung des N.€ulnaris und hier distal v.€a. seines tiefen
Die Therapie der Riesenzelltumoren besteht in der marginalen, aber unbedingt vollständigen Exzision. Rezidive bei unvollständiger Exzision sind häufig. Die Rezidivrate liegt bei bis zu 50%. Aufgrund der Arrosion des Knochens oder Einwachsens in die Haut sind bei Revisionseingriffen partielle Resektionen von Knochen oder Resektionsarthrodesen erforderlich.
Enchondrome Enchondrome leiten sich von Knorpelgewebe ab und sind die häufigsten primären Knochentumoren (>90% der Knochentumoren an der Hand): Sie treten am häufigsten im Bereich des Grundglieds auf, weniger oft auch an den Mittelhandknochen. Radiographisch stellt sich das Enchondrom meist als gut definierte radioluzente Läsion im Bereich der Diaphyse oder der Metaphyse dar. Enchondrom weisen ebenso einen gut sichtbaren sklerotischen Rand auf. Der Kortex zeigt oft kleine Konkavitäten oder einen bogigen Rand. Unter dem M.€Ollier versteht man das Auftreten multipler Enchondrome.
62
582
Kapitel 62 · Tumoren der Hand
. Abb. 62.6╇ Schwannom eines Digitalnervs
Aneurysmale Knochenzyste
a
62
Aneurysmale Knochenzysten machen etwa 5% aller gutartigen Knochtumoren aus und treten in 3–5% der Fälle an der Hand auf (hier oft mit Schmerzen und rascher Größenzunahme), meist um die 2.€Lebensdekade, nicht selten in der Schwangerschaft. Am häufigsten sind die Mittelhandknochen betroffen, am zweithäufigsten die Phalangen, selten die Handwurzelknochen. Radiologisch ähneln sie Riesenzelltumoren mit seifenblasenartigem Aussehen ohne Kalzifikation. Die Läsionen erscheinen lytisch, exzentrisch und expansiv, die Ränder sind typischerweise scharf begrenzt und ohne Sklerose. Die Behandlung besteht meist in Kürretage und SpongiosaÂ� plastik, die Kürretage allein führt zu einer hohen Rezidivrate. Die totale Exzision birgt das Risiko funktioneller Einschränkungen und sie scheint nur bei Rezidiven gerechtfertigt.
Periphere Nerventumoren b . Abb. 62.5╇ Riesenzelltumor der Beugesehnenscheide (a). Exstirpation und histologische Untersuchung (b)
Osteoidosteome Subperiosteal gelegene Osteoidosteome sind vorwiegend bei Kindern und jungen Erwachsenen zu finden und können Schmerzen und Schwellungen der Hand verursachen. Es handelt sich um gutartige Läsionen, die etwa 10–12% aller Knochentumoren ausmachen und v.€a. im Bereich des Kortex und der Metaphyse von RöhrenÂ� knochen auftreten. Etwa die Hälfte aller Osteoidosteome ist in der intra- oder juxtaartikulären Region von Femur und Tibia lokalisiert. Klassischerweise treten nächtliche lokalisierte oder auf das anliegende Gelenk übertragene Schmerzen auf, die sich auf Gabe von antiinflammatorischen Medikamenten (NSAID) oft fast vollständig zurückbilden. Die pathologischen Kennzeichen im Röntgenbild sind ein avaskulärer zentraler Anteil, der von sklerotischem Knochen umgeben ist. Die Behandlung von Osteoidosteomen besteht in Exzision und Drainage. Die Exzision des Nidus ist kurativ. Bei inkompletter Entfernung kommt es oft zum Rezidiv.
Die peripheren Nerventumoren machen 1–5% aller Handtumoren aus. Der Ursprung der peripheren Nervenscheidentumoren sind die Schwann-Zellen. Periphere Nerventumoren fallen häufig erst durch die Schwellung in der Hohlhand oder an den Fingern auf. Bei Unterbrechung der Reizleitung sind Ausfälle für die entsprechenden Qualitäten zu finden. Die Diagnose wird durch CT- und MRT-Untersuchungen zur Ausbreitungsdiagnostik gestellt. Typen der peripheren Nerventumoren 4 Schwannom – Häufigster peripherer Nerventumor – Vorkommen im mittleren Lebensalter – Asymptomatische knotige Schwellungen exzentrisch dem Nerv aufgelagert (.€Abb.€62.6) 4 Neurofibrom – Kann innerhalb der Nervenfasern proliferieren – Funktionelle Ausfälle einschließlich Paresen – Kann Gigantismus in den betroffenen Fingern auslösen 4 Neurofibromatose – Autosomal-dominant erblich – Café-au-lait-Flecken – Entartung zu Sarkomen in 10–15% der Fälle
583
62.2 · Maligne Tumoren
Therapie
Therapeutisch stehen die nervenkontinuitätserhaltende Resektion (interfaszikuläre Neurolyse) oder die En-bloc-Resektion und Nerventransplantation zur Verfügung. An den Digitalnerven gelingt im Gegensatz zu den größeren peripheren Stammnerven die interfaszikuläre Entfernung nicht, sodass Kabelinterponate nötig werden. 62.2
Maligne Tumoren
A. Gohritz, P.M. Vogt
Tumoren an der Hand sind zumeist gutartig, allerdings muss in 1–2% mit einem bösartigen Befund gerechnet werden. 62.2.1 Diagnostisches Vorgehen Die Diagnostik maligner Handtumoren umfasst die in der .€Übersicht genannten Maßnahmen. Diagnostik maligner Handtumoren 4 Klinische Untersuchung mit – Inspektion – Palpation (insbesondere auch der axillären Lymphknoten) 4 Bildgebung mit – Röntgen (Identifizierung osteogener Tumoren, Usuren bei Weichteiltumoren, intratumoröse Verkalkung) – CT (Form und Ausdehnung von Knochentumoren) – MRT (Ausdehnung und Invasion von Weichteiltumoren) – Angiographie (Darstellung von Gefäßtumoren)
Histologie Auf eine feingewebliche Untersuchung sollte nur ausnahmsweise, z.€B. bei eindeutig gutartigem Befund (z.€B. Ganglion) verzichtet werden, der Befund muss in jedem Fall exakt festgehalten werden.
Klassifikation Hier wird unterschieden zwischen 4 Primärtumoren (Hauttumoren, v.€a. Plattenepithelkarzinom und Melanom, muskuloskettale Tumoren oder WeichteiltuÂ� moren), 4 Metastasen an der Hand ( Wir empfehlen dieses Vorgehen (.€Übersicht), da so die Durchblutung des Hohlhandgewebes am geringsten kompromittiert wird.
Bei ausgeprägten Beugekontrakturen mehrerer Finger (kein Rezidiv) mit diffuser Knotenbildung und Kontraktur der Hohlhand, die nur
eine Querinzision zulässt, kann nach Abpräparation von Haut und Subkutis sowie Resektion des pathologischen Gewebes die elliptische Wunde offen gelassen und der kontrollierten Sekundärheilung überlassen werden (»Open-palm-Technik«). > In der Hohlhand ist die Open-palm-Technik einer Hauttransplantation meist vorzuziehen, da sie eine bessere Sensibilität hervorbringt! Lappenplastiken zum Hautverschluss.╇ Bei Beugekontrakturen >90° im PIP-Gelenk oder Rezidiven empfehlen wir einen dorsolateralen Transpositionslappen. Hier entfällt die Nutzung von Z-Plastiken zur Hautgewinnung. Der Lappen muss im Rahmen der Inzision berücksichtigt werden. Es empfiehlt sich meist, den Lappen im Bereich des Grundgliedes (quere Inzision in der GrundgliedbeuÂ� gefurche) zu positionieren, da erfahrungsgemäß die Haut zum Verschluss der Wunden hier am häufigsten fehlt. Im Rahmen von Primäreingriffen empfiehlt sich ein homodigitaler Transpostionslappen mit direktem Verschluss der Hebestelle. Im Fall eines Rezidiveingriffs sollte ein heterodigitaler TransposiÂ� tionslappen vom dorsolateralen Nachbarfinger bevorzugt werden, um die dorsale Durchblutung des betroffenen Fingers mit einem Dupuytren-Rezidiv nicht zu gefährden. Der Lappen kann recht groß gehoben werden, der Hebedefekt sollte dann jedoch mit Vollhaut vom ipsilateralen Unterarm verschlossen werden. Arthrolyse.╇ Bei Beugekontrakturen >30–40° nach Exzision des
Stranggewebes sollte eine Arthrolyse durchgeführt werden. Wir empfehlen die gestaffelte Arthrolyse nach Lanz, die in 4€Stufen
63
592
Kapitel 63 · Dupuytren-Kontraktur
durchgeführt wird (.€Übersicht). Nach jedem einzelnen Schritt ist die Streckbarkeit des Gelenkes zu überprüfen. Gestaffelte Arthrolyse nach Lanz 4 Exzision der Grayson-Bänder in Höhe des PIP-Gelenks 4 Exzision der Cleland-Bänder und quere Inzision am distalen Rand des A2-Ringbandes 4 Durchtrennung der akzessorischen Kollateralbänder und der Check-rein-Bänder der palmaren Platte 4 Umschneidung der palmaren Platte, ggf. Exzision der palmaren Platte
Die Transfixation des Mittelgelenkes mit einem Kirschner-Draht birgt das Risiko der thermischen Knorpelschädigung und verhindert die sofortige postoperative Mobilisation. In Ausnahmesituation, z.€B. bei palmarer Subluxationstendenz des Gelenks nach Arthrolyse, kann diese für höchstens 3€Wochen erfolgen. 63.3.3 Rezidive Nicht selten treten Dupuytren-Rezidive auf, die aufgrund der Narbenbildung deutlich schwieriger zu behandeln sind als Primäreingriffe. > Im Rahmen einer Rezidivoperation ist es vorrangig, dass der bestehende Narbenverlauf in die Schnittführung einbezogen wird.
63
Bei einer Beugekontraktur des PIP-Gelenkes sollte großzügig die Hautgewinnung durch ein heterodigitales Transpositionsläppchen oder auch Vollhauttransplantat eingeplant werden (7€Kap.€63.3.2 »Operative Therapie«). Eine Hautgewinnung durch Z-Plastiken kann in der Regel nicht angewandt werden. Betrifft das Dupuytren-Rezidiv die Hohlhand, ist auch die Open-palm-Technik nicht mehr durchführbar. 63.3.4 Alternativen Nadelfasziotomien können in Ausnahmefällen bei KontraindikaÂ�
tionen für offenes chirurgisches Vorgehen durchgeführt werden. Allerdings muss mit einer Rezidivrate von bis zu 85% gerechnet werden. Die Injektion von Kollagenase wird nach ihrer Zulassung in Europa als weitere Option zur Verfügung stehen. Isolierte Stränge können gezielt injiziert und damit in Gelenknähe aufgebrochen werden. Auch hier ist die Rezidivrate hoch, da die pathologischen Veränderungen als solche belassen werden. 63.4
Postoperatives Management
Die postoperative Therapie mit NSAID (Ibuprofen 600 1–1–1) und Protonenpumpenhemmern (Pantozol 20 0–0–1) ist für 10€Tage zu empfehlen. Unmittelbar postoperativ werden ein komprimierender Verband (Stahlwolle) sowie eine dorsale Lagerungsschiene angelegt. Der erste Verbandswechsel wird am 2.€postoperativen Tag durchgeführt. Ab dem 2.€postoperativen Tag erfolgt die Freigabe zur unmittelbaren aktiven und passiven Physiotherapie. Jedem Patienten wird
eine thermoplastische Hohlhand-Finger-Lagerungsschiene in Streckung der Fingergelenke angelegt, die für die ersten 2€Wochen postoperativ Tag und Nacht getragen werden sollte, anschließend für ein halbes Jahr zur Nacht.
Literatur Saar JD (2000) Grothaus PC. Dupuytren’s disease: An overview. Plast Reconstr Surg 106: 125 McFarlane RM, Jamieson WG (1966) Dupuytren’s contracture: The management of one hundred patients. J Bone Joint Surg [Am] 48: 1095 Hueston JT (1986) Dupuytren’s contracture. Lancet 22 (2): 1226 Lubahn JD (2003) Dupuytren’s disease. In: Trumble TE (ed) Hand surgery update 3. Hand, elbow and shoulder. Illinois: American Society for Surgery of the Hand, pp 393–401 Tubiana R, Leclercq C, Hurst LC et al. (2000) Dupuytren’s disease. Martin Dunitz
64
Komplexes regionäres Schmerzsyndrom C. Radtke
64.1
Epidemiologieâ•… – 594
64.2
Klinikâ•… – 594
64.2.1 64.2.2 64.2.3 64.2.4 64.2.5 64.2.6
Autonome (sympathische) Störungenâ•… – 594 Motorische Symptomeâ•… – 594 Gelenk- und Knochenveränderungenâ•… – 594 Trophische Störungenâ•… – 595 Stadieneinteilung des CRPS Typ€1â•… – 595 Klinische Manifestation des CRPS Typ€2â•… – 595
64.3
Pathophysiologieâ•… – 596
64.3.1 64.3.2
Sympathische Innervationâ•… – 596 Neurogene Entzündungâ•… – 596
64.4
Diagnostisches Vorgehenâ•… – 596
64.5
Therapeutisches Vorgehenâ•… – 596
64.5.1 64.5.2 64.5.3 64.5.4
Pharmakotherapieâ•… – 596 Interventionen am sympathischen Nervensystemâ•… – 597 Physikalische Therapieâ•… – 597 Psychotherapieâ•… – 597
64.6
Fazitâ•… – 597
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
594
Kapitel 64 · Komplexes regionäres Schmerzsyndrom
Komplexe regionale Schmerzsyndrome (»complex regional pain syndrome«; CRPS) entstehen infolge eines schmerzhaften Traumas meistens der distalen Extremität. Mit CRPS wird eine Schmerzer krankung bezeichnet, die sich durch das Auftreten von Spontan schmerzen, Berührungs und Belastungsschmerzen der Haut und der Gelenke, autonomen Störungen und Beeinträchtigungen der Motorik manifestiert. Man unterscheidet ein CRPS Typ€1 von einem Typ€2. Typische Beschwerden beinhalten sensorische, sensible, mo torische und autonome Symptome. Das CRPS kann vom typisch territorial begrenzten neuropa thischen Schmerz unterschieden werden. Charakteristischerweise sind die Symptome nicht auf das Ausbreitungsgebiet peripherer Ner ven begrenzt. Entscheidend für den Erfolg einer Therapie ist eine frühzeitige interdisziplinäre Behandlung, bei welcher neben der Schmerzthera pie die Physiotherapie entscheidend für die Rehabilitation ist. Definition.╇ Komplexe regionale Schmerzsyndrome entstehen als
inadäquate Konsequenz eines Traumas einer Extremität. Die kli nischen Zeichen sind variabel und beinhalten sensible Störungen mit Allodynie und Spontanschmerz, Veränderungen des Blutflusses und des vermehrten Schwitzens einschließlich ödematöser Schwel lung der betroffenen Extremität. Es treten motorische Störungen im Sinne von passiver und aktiver Funktionseinschränkung auf mit ge legentlichem Tremor und Dystonie. Charakteristisch sind des Wei teren trophische Störungen der Haut, von Hautanhangsgebilden und im späteren Stadium sogar der Gelenke und Knochen.
> Der Schweregrad des CRPS korreliert nicht mit dem Schweregrad der vorausgegangenen Verletzung.
Das CRPS Typ€1 bezeichnet ein Krankheitsbild, das ohne vorheriges Vorliegen einer Nervenläsion entsteht. Das CRPS Typ€2 ersetzt den Begriff der Kausalgie.
64
Geschichte.╇ Schon 1872 beschrieb Mitchell bei verletzten Soldaten ein Krankheitsbild mit brennenden Schmerzen und autonomen Störungen der verletzten Extremität. Es wurde mit dem Begriff Kau salgie bezeichnet. Paul Sudeck definierte 1900 das Krankheitsbild mit chronischen brennenden Schmerzen ohne Nervenläsion nach Verletzung peripherer Extremitäten. Als charakteristisches Krank heitsmerkmal galt eine kleinfleckige Knochenentkalkung der beÂ� troffenen Extremität. Dieser Symptomenkomplex wurde Morbus Sudeck genannt. Der Begriff der sympathischen Reflexdystrophie wurde 1936 von Evans geprägt. Schließlich wurde 1996 das kom plexe regionale Schmerzsyndrom (»complex regional pain syn drome«; CRPS), welches sich an der klinischen Symptomatik orien tiert, benannt.
64.1
Epidemiologie
Das CRPS Typ€1 tritt deutlich häufiger auf als das CRPS Typ€2. Jähr lich sind etwa 15.000 Patienten in Deutschland betroffen (Dertwin kel et al.1998). Das durchschnittliche Alter der Patienten beträgt 50€Jahre, wo bei Frauen 3mal häufiger betroffen sind als Männer. Das Verhältnis des Auftretens an der oberen zur unteren Extremität beträgt 2:1. Bei Kindern ist allerdings die untere Extremität häufiger betroffen (5:1). Mädchen im Alter von 15€Jahren stellen das größte Patientenkollek tiv dar (Verhältnis Mädchen zu Jungen 4:1). Leider kommt es in den meisten Fällen trotz Therapie zu einer Chronifizierung der Erkran kung.
> Wichtig für eine gute Prognose des CRPS sind die frühÂ�zeiÂ�ti ge Diagnose sowie kompetente und konsequente Therapie.
64.2
Klinik
Das CRPS wird in der Mehrheit (Baron et al. 2003) durch eine distal gelegene Verletzung einer Extremität hervorgerufen. Das Spektrum der Verletzungen reicht von Bagatelltraumata über operative Ein griffe (Karpaltunnelsyndrom, DupuytrenKontraktur) bis zu kom plexen Traumata. Gelegentlich entwickelt sich ein CRPS auch nach viszeralen Ereignissen oder Verletzungen des zentralen NervensysÂ� tems (z.€B. Apoplex). Heute wird das CRPS als eine neurologische Erkrankung gesehen, deren Ursache sowohl zentral als auch peri pher entzündlich bedingt ist. Das CRPS Typ€1 (M.€Sudeck, sympathische Reflexdystrophie) manifestiert sich nach auslösendem Ereignis, meist Fraktur oder Weichteilverletzung der distalen Extremität (90%). Die Patienten entwickeln typische brennende Schmerzen, die mit einer Schwellung einhergehen. ! Cave Der Ort der primären Schädigung muss nicht in dem Bereich liegen, in dem sich die Schmerzen manifestieren.
Charakteristisch ist der dauerhafte Brennschmerz, der diffus in der Tiefe der Extremität lokalisiert wird. Es kommt oft zu einer Schmerz verstärkung bei herabhängender Extremität, typisch ist auch eine Schmerzauslösung durch Druck und Mobilisation kleiner Gelenke. 64.2.1 Autonome (sympathische) Störungen Aufgrund abnormer Hautdurchblutung kann ein HauttemperaturÂ� unterschied der betroffenen Seite im Vergleich zur gesunden Seite bestehen. 80% der betroffenen Patienten zeigen eine erhöhte Haut temperatur besonders im Akutstadium der Erkrankung, wohingegen bei 20% auch eine verminderte Temperatur zu verzeichnen sein kann. Es besteht zusätzlich häufig eine Dysregulation der Schweißproduk tion im Sinne einer Hyper oder seltener auch Hypohidrosis. Im An fangsstadium ist zusätzlich ein deutliches Ödem zu finden, das bei herabhängender Extremität oder unter Belastung verstärkt wird. 64.2.2 Motorische Symptome Es besteht eine deutliche Einschränkung der aktiven Motorik, be sonders von feinmotorischen Bewegungen. Die Hälfte der Patienten weist einen feinschlägigen Tremor auf. Einige Patienten entwickeln das Gefühl, dass die betroffene Extremität nicht zum Körper gehöre (Agnosie). Bewegungen können dann nur unter visueller Kontrolle ausgeführt werden (NeglectSyndrom). Zusätzlich finden sich Hin weise auf Störungen im sensomotorischen Kortex, v.€a. Störungen der Funktion parietaler Kortexareale. Diese Dysfunktion kann auch das oben genannte NeglectSyndrom erklären. 64.2.3 Gelenk- und Knochenveränderungen Das CRPS äußert sich an peripheren Gelenken durch Beugekontrak turen, z.€B. im Handgelenk, in proximalen Interphalangealgelenken sowie Überstreckungen in den übrigen Fingergelenken. Im Verlauf der schmerzhaften Bewegungseinschränkungen entwickeln sich
595
64.2 · Klinik
a
b
c . Abb. 64.1╇ Zeichen der kleinfleckigen Demineralisierung der rechten Hand und des Unterarms nach Radiusfraktur (a). Typische 2-Phasen-Skelett� szintigraphie, die nach 10€min eine Anreicherung im ehemaligen Fraktur�
gebiet zeigt (b) und als Hinweis auf ein CRPC ein pathologisches Pooling nach 2€h mit periartikulärer Anreicherung (c), v.€a. in den nicht betroffenen Skelettanteilen (IP-Gelenke)
Muskelatrophien und Sehnenverkürzungen. Die von Sudeck beschriebenen fleckigen Knochenentkalkungen treten Wochen bis Monate nach erfolgter Erkrankung auf, jedoch bereits im Frühstadium zeigt sich in der Szintigraphie bereits ein erhöhter Knochenstoffwechsel (.€Abb.€64.1).
Stadium€1 beschreibt dabei die Frühphase der Erkrankung im Sinne einer akuten Entzündung mit sympathischer Dysfunktion. Typisch ist der akut auftretende brennende Schmerz, v.€a. in Ruhe mit Ödem und Funktionsminderung. Es zeigt sich eine Überwärmung der Haut der betroffenen Extremität mit teigiger Konsistenz sowie eine Hyperhidrose. Bei weiterem Fortschreiten schließt sich das Stadium€2 mit charakteristischen dystrophen Veränderungen an. Eine Reduktion der im Stadium€1 auftretenden Ruheschmerzen ist möglich, jedoch ist der Bewegungsschmerz verstärkt. Konsekutiv kann es bei nicht adäquater Therapie zu einer zunehmenden Ankylose kommen. Die Haut ist zyanotisch-livide verfärbt mit Hypothermie, und es entÂ� wickelt sich eine Weichteilfibrose. In diesem Stadium zeigen sich Demineralisierungen im konventionellen Röntgenbild.
64.2.4 Trophische Störungen Als Ausdruck trophischer Störungen kann man eine Atrophie der Haut, eine vermehrte Behaarung und ein gestörtes Nagelwachstum beobachten. Im Fall eine Chronifizierung zeigen sich zusätzlich Hyperkeratosen und vermehrte Fibrosierungen. 64.2.5 Stadieneinteilung des CRPS Typ€1 Historisch wurde das CRPS Typ€1 von Sudeck in 3€Stadien eingeteilt, was nach neuester Empfehlung obsolet ist, da die Symptome in Ausprägung und zeitlichem Verlauf teilweise recht variabel sind. Das
64.2.6 Klinische Manifestation des CRPS Typ€2 CRPS Typ€2 ist identisch mit der früher verwendeten Definition der Kausalgie. Im Unterschied zum Typ€1 ist eine partielle Läsion eines
64
596
Kapitel 64 · Komplexes regionäres Schmerzsyndrom
peripheren Nervs nachweisbar. In ca. 5% der Fälle entwickelt sich nach traumatischer Nervenläsion ein CRPS Typ€2 mit den charakteristischen sensiblen, autonomen und motorischen Störungen wie beim CRPS Typ€1. Die Symptomatik dehnt sich deutlich über das Innervationsgebiet des primär betroffenen Nervs aus. 64.3
Pathophysiologie
Pathophysiologisch sind 2€Mechanismen von entscheidender Bedeutung: Zum einen eine Funktionsstörungen des sympathischen Nervensystems mit sympathisch-afferent unterhaltener Kopplung, andererseits eine neurogene Entzündung. Kommt es zum Auftreten eines CRPS, so bestehen die Schmerzen trotz Ausheilung der initialen Verletzung weiter, der Schmerz hat somit seine physiologische Funktion verloren. 64.3.1 Sympathische Innervation Als Ursache für die Entstehung eines CRPS wird sowohl eine inadäquate Aktivierung peripherer nozizeptiver Afferenzen als auch eine veränderte Impulsverarbeitung afferenter Nerven im ZNS vermutet. Die periphere Sensibilisierung führt zu einer übersteigerten ReakÂ�tion auf mechanische, thermische und chemische Reize an den afferenten Neuronen. Periphere nozizeptive Neurone exprimieren infolgedessen vermehrt Adrenalin- und Noradrenalinrezeptoren, und die sich daraus ergebende gesteigerte chemische Affinität bezüglich noradrenerger Transmitterstoffe resultiert in einer Interaktion aus sympathischen und afferenten Nervenfasern (»cross talk«). Es kommt zu einer Aussprossung sympathischer postganglionärer Fasern im Spinalganglion, die eine funktionelle Kopplung zwischen sympathischer Aktivität und den afferenten Nervenzellen des Spinalganglions herstellen. Durch diese Interaktion zwischen Sympathikus und dem somatosensorischen System wird die periphere und danach die zentrale SensibiÂ� lisierung verstärkt und der Schmerz langfristig unterhalten. > Diese Kopplung bildet die Grundlage für den therapeu tischen Erfolg von Sympathikusblockaden.
64
4 die nahezu spontane Entwicklung der Beschwerden, die im Gegensatz zur ursprünglichen Verletzung diffus und tief im Gewebe empfunden werden.
Die Diagnose sollte mit der Anamnese im Zusammenhang mit dem klinischen Bild und klinischen Methoden gestellt werden wie 4 Temperaturmessung, 4 Ischämietest und 4 3-Phasen-Skelettszintigraphie. Das Auftreten von Temperaturdifferenzen von >2,2°C stellt ein Kriterium hoher Spezifität und Sensitivität dar. Im Ischämietest zeigt sich nach Anlage einer Blutleere eine 50%-ige Schmerzreduktion. Eine diagnostische Sympathikusblockade kann durchgeführt werden, allerdings ist diese nicht immer wegweisend, da beim CRPS Typ€1 sowohl sympathisch unterhaltene Schmerzen (»sympathetically maintained pain«; SMP) als auch sympathisch unabhängige Schmerzen (»sympathetically independent pain«; SMI) auftreten können. Die von Sudeck beschriebene Inaktivitätsosteoporose mit kleinfleckiger Demineralisierung ist erst röntgenologisch nach Monaten feststellbar, wohingegen bereits im Frühstadium mit Hilfe der Szintigraphie ein vermehrter Knochenstoffwechsel nachgewiesen werden kann. Es zeigt sich darin eine periartikuläre Anreicherung im Sinne einer vermehrten Knochenresorption. > Die Röntgendiagnostik, die immer im Seitenvergleich er folgt, kann trotz hoher Spezifität bei symptomatischen Patienten nur als Entscheidungshilfe, nicht aber als Dia gnosekriterium dienen. Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch ist die Neuralgie zu sehen, bei der aber die Beschwerden den Innervationsbereich des verletzten Nervs nicht überschreiten. Chronische Erkrankungen peripherer Nerven zeigen im Vergleich zum CRPS sehr selten eine generalisierte Ausbreitung der Beschwerden. Zusätzlich sind die Symptome im Unterschied zum CRPS klar begrenzt auf ein Versorgungsgebiet des peripheren Nervs.
64.3.2 Neurogene Entzündung
64.5
Schon Sudeck vermutete in der Entstehung des CRPS einen lokalen entzündlichen Entstehungsprozess (Sudeck 1942). In neuerer Zeit konnte eine deutliche Erhöhung entzündlicher Mediatoren wie Interleukin€6, TNF-α (Huygen et al. 2002) gezeigt werden. Es kommt zu einer Erregung nozizeptiver Fasern und Ausschüttung von Neuropeptiden wie Substanz€P und CRGP (»calcitonin gene related peptide«) mit einer Vasodilatation und gesteigerter Plasmaextravasation (Birklein et al. 2001).
Wichtig ist eine frühzeitige und interdisziplinäre Therapie. Eine effiziente Schmerztherapie mit Sympathikolyse in Kombination mit Physiotherapie hat die Erhaltung oder Wiederherstellung der Extremitätenfunktion zum Ziel.
64.4
Diagnostisches Vorgehen
Das uneinheitliche Erscheinungsbild in Kombination mit dem möglichen Fehlen einzelner Symptome besonders in der Frühphase erschwert oftmals die frühe Diagnosestellung. Indizierend und charakÂ� teristisch für ein CRPS sind 4 die Lokalisation der Symptome, 4 das gemeinsame Auftreten von Schmerzen mit der reduzierten Gelenkfunktion sowie
Therapeutisches Vorgehen
64.5.1 Pharmakotherapie
Analgetische Therapie Zur Akutlinderung der Schmerzen werden nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) oder Metamizol empfohlen. Vor allem in der Frühphase der Erkrankung kann so eine Linderung erzielt werden. Die medikamentöse analgetische Behandlung erfolgt nach dem WHO-Stufenschema. Im fortgeschrittenen Stadium können kurzÂ� fristig Opioide eingesetzt werden, allerdings ist zu empfehlen, diese gerade bei längerer Behandlungszeit aufgrund des AbhängigkeitsÂ� potenzials durch eine Sympathikusblockade zu ersetzen. Die SchmerzÂ� therapie sollte, soweit möglich, durch eine Schmerzambulanz überwacht werden.
597
64.6 · Fazit
Antidepressiva und Antikonvulsiva Zusätzlich zur oben genannten medikamentösen Schmerztherapie sind Antikonvulsiva sowie trizyklische Antidepressiva als Koanalgetika zu empfehlen. Die Linderung der Schmerzen tritt dabei erst nach einigen Tagen ein. Zusätzlich kommt es zu einer SchmerzdisÂ� tanzierung sowie einer Reduktion schmerzbedingter Depressionen und Angstzustände.
Kortikosteroide Die Gabe systemischer Glukokortikoide hat sich in der Akutphase des CRPS Typ€1 als wirksam erwiesen (Christensen et al. 1982). Allerdings wird die Anwendung in der Literatur kontrovers gesehen, und z.€T. werden hohe Dosen angewandt. Eine Langzeittherapie ist deshalb nicht zu empfehlen und die Indikation streng zu stellen.
Kalzitonin Kalzitonin wirkt im Bereich des Knochenstoffwechsels aufgrund seiner antiosteoklastären Wirkung. Es kommt zu einer Reduktion der Aktivität der Osteoklasten sowie einer Steigerung der Osteoblasten, wodurch die charakteristische Demineralisierung vermindert werden soll. Zusätzlich werden eine schmerzlindernde Wirkung und die Abnahme der Schwellung beschrieben (Gobelet et al. 1992). Schürmann et al. (2001) beschreiben vielfältige Nebenwirkungen bei limitierten Behandlungserfolgen.
Sonstige Ebenso kann die intravenöse Applikation von Bisphosphonaten im Frühstadium zur einer Verminderung des Ödems, der Schmerzen und zur Verbesserung der Motorik beitragen (Adami et al. 1997; Varenna et al. 2000). In der Akutphase des CRPS Typ€1 zeigt die topische Behandlung€mit Radikalfängern, z.€B. Dimethylsulfoxid, die in Form einer 50%-igen Salbe angewandt werden, eine Verbesserung der Symptome. 64.5.2 Interventionen am sympathischen
Nervensystem
Wenn durch die medikamentöse Therapie keine ausreichende SchmerzÂ�reduktion zu erreichen ist, dann sollten möglichst früh Sympathikusblockaden erfolgen. Diese sind beim CRPS mit sympathisch unterhaltenen Schmerzen (SMP) erfolgreich. Eine weitere Form der Beeinflussung der sympathischen Aktivität stellt die ganglionäre Applikation von Opioiden (GLOA) im Bereich des Grenzstrangs dar, wobei eine Blockade der sympathischen Aktivität durch diese Maßnahme nicht erfolgt. In schwersten Fällen kann permanente Sympathektomie oder Rückenmarkstimulation (TENS) empfohlen werden. 64.5.3 Physikalische Therapie Die suffiziente Physio- und Ergotherapie ist unabdingbare Voraussetzung zur Wiederherstellung der Funktion der betroffenen Extremität. > Als Grundregel gilt, dass die Behandlung erst beginnt, wenn der Patient schmerzfrei ist, und dass sie selbst keine Schmerzen provozieren darf.
Der Einsatz von Schienen soll der Entwicklung von Kontrakturen entgegenwirken, zur Ödemreduktion kann eine Lymphdrainage erfolgen. 64.5.4 Psychotherapie Bei Symptomen wie Affektlabilität, erhöhte Ängstlichkeit und depressive Reaktionen kann eine Psychotherapie indiziert sein. 64.6
Fazit
Das CRPS entwickelt sich als inadäquate Konsequenz eines Traumas. Die klinische Symptomatik ist durch die Trias von sensiblen, autonomen und motorischen Symptomen gekennzeichnet. PathophyÂ� siologisch ergeben sich Anhaltspunkte für neurogen-entzündliche Mechanismen in der Peripherie und Störungen der zentralen autonomen Regulation sowie sensibler und motorischer Kortexareale. Bei einem Teil der Patienten bildet sich eine sympathisch-afferente Kopplung aus, die sich durch das Symptom des sympathisch unÂ� terhaltenen Schmerzes äußert. Eine ausführliche Anamnese, körÂ� perliche Untersuchung sowie bildgebende Verfahren sichern die Diagnose. Die frühe klinische Diagnosestellung ist entscheidend, um eine Chronifizierung zu vermeiden. Die multimodale interdisziplinäre Therapie beinhaltet v.€a. die Schmerztherapie in Kombination mit adäquater Physiotherapie.
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64
65
Prinzipien des Daumenersatzes und sensorischer Ersatzoperationen A. Jokuszies, P.M. Vogt
65.1
Klassifikationâ•… – 600
65.2
Replantationâ•… – 600
65.3
Daumenrekonstruktionsverfahrenâ•… – 600
65.3.1 65.3.2 65.3.3 65.3.4
Indikationenâ•… – 600 Pollizisationâ•… – 602 Zweitzehentransplantationâ•… – 605 »Wrap-around flap«â•… – 608
65.4
Postoperatives Managementâ•… – 610
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
600
Kapitel 65 · Prinzipien des Daumenersatzes und sensorischer Ersatzoperationen
Eine differenzierte und koordinierte Greiffunktion der Hand ist ohne Daumen nur sehr eingeschränkt möglich. Die anatomischen Besonderheiten des Karpometakarpalgelenks als Sattelgelenk ermöglicht das Opponieren des Daumens in und auch senkrecht zur Handebene. Hieraus resultieren die im Alltag so wertvollen Greifformen wie Spitz-, Schlüssel- oder Klemmgriff. Dabei ist nicht nur die Daumenlänge entscheidend, sondern der Erhalt einer sensiblen Daumenkuppe mit stabilem Nagelorgan. Die Exponiertheit und soziokulturellen Bedeutung der Hand als Werkzeug, Symbolträger und Begreiforgan erfordert die Einbeziehung funktioneller und ästhetischer Überlegungen. 65.1
Klassifikation
Daumenverluste können kongenital mit unterschiedlichen Längen bis zu totaler Aplasie oder erworben vom einfachen Kuppenverlust bis hin zu komplexen Verletzungen mit Komplettverlust reichen. Eine gebräuchliche Klassifikation der Amputationshöhen stammt von O’Brien u. Morrison (.€Abb.€65.1). 65.2
Replantation
> Bietet eine Replantation oder Revaskularisation auch nur die geringste Erfolgsaussicht, so ist der Erhaltungsversuch jeder Rekonstruktion funktionell überlegen. Dabei folgt das operative Vorgehen dem gängigen Algorithmus für Amputationsverletzungen (.€Abb.€65.2).
Großzügige Erweiterungsschnitte bieten eine bessere Übersicht über die zu vereinigenden Strukturen. Gelenkzerstörungen erfordern die funktionsgerechte Arthrodese. Zur besseren Stabilität empfehlen wir die transossäre Draht-Cerclage in Kombination mit einem axialen Kirschner-Draht. Alternative Osteosyntheseverfahren sind bei gelenknahen Abschnitten und bei längsverlaufenden Splitterverletzungen ggf. erforderlich. Zur Vorbereitung der Beugesehnennähte kann die Kernnaht mit 4-0 nicht resorbierbarem Faden vorgelegt werden.
65
Wenn möglich, sollten die beiden beugeseitigen Arterien und mindestens eine Vene mikrochirurgisch rekonstruiert werden. Langstreckige Gefäßdefekte erfordern oft ein Veneninterponat vom Unterarm oder Fußrücken, was bereits bei der präoperativen Planung zu bedenken ist. > Ist jedoch eine Replantation nicht mehr möglich, sollte insbesondere am Daumen bei der Stumpfbildung jeder weitere Längenverlust durch Rückkürzung zum Stumpfverschluss vermieden werden.
Hier empfehlen sich primäre Weichteilplastiken (z.€B. Moberg-Lappen, Leistenlappen). Bei Arthrodesen im Daumenend- und -grundgelenk von jeweils 0–20° ist zusätzlich eine etwas stärkere Innenrotation des Daumens in Richtung Hohlhand um ca. 10–15° zur Verbesserung der OppoÂ� sitionsfähigkeit zu empfehlen. Eine rotationsstabile Osteosynthese wird durch 2€gekreuzte Kirschner-Drähte mit Cerclage, Platten oder Zugschrauben erreicht, die im Endgliedbereich auch von zentral her eingebracht werden können. 65.3
Daumenrekonstruktionsverfahren
Verfahren zur Daumenrekonstruktion 4 4 4 4 4 4
Groß- oder Zweitzehentransplantation Pollizisation Knochendistraktion Knochenspaninterposition Phalangealisierung Osteoplastische Verfahren mit neurovaskulärem Insellappen
Die Phalangealisierung und Daumenverlängerung über Distraktion und Knochenspaninterposition stellen aufgrund der reduzierten Daumenkuppensensibilität Kompromisslösungen dar. Bei manchen Patienten mit schweren Verletzungen kann eine Beihandfunktion erreicht werden, bei anderen verbieten sich aufgrund des RisikoÂ� profils, der Begleiterkrankungen oder fehlender Compliance aufwendigere Rekonstruktionen. Bei letzterer Gruppe können auch Daumenorthesen eine brauchbare Greiffunktion herstellen. Für Amputationen bei Kindern ist die Verlängerung des Metakarpale aufgrund des Wachstums ebenfalls nur ein Kompromiss, hier sind die Pollizisation und der Zweitzehentransfer die Verfahren der Wahl. 65.3.1 Indikationen
Angeborene Daumenaplasie bei Kindern
. Abb. 65.1╇ Klassifikation der Amputationshöhen am Daumen
Daumenanomalien machen ca. 11% aller kongenitalen Handdeformitäten aus, hierbei entfallen 6,6% auf radiale Polydaktylien und damit die verbleibenden 4,6% auf hypo- oder aplastische Daumen (Lister 1991; Scheker u. Cendale 2000). Da bei Kindern das Knochenwachstum im Vordergrund steht, kommt zur Rekonstruktion des Daumens die Pollizisation oder der Zweitzehentransfer in Frage. Wir schließen uns der Empfehlung von Buck-Gramcko und Foucher an und führen die Pollizisation bis zum 1.€Lebensjahr durch. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der Entwicklung eines sog. »Daumengefühls« ab dem 6.€Lebensmonat und zum anderen in der Tatsache, dass mit zunehmender Dauer der Daumenfunktion des transpositionierten Zeigefingers dessen Mus-
601
65.3 · Daumenrekonstruktionsverfahren
. Abb. 65.2╇ Reihenfolge der bei Replantation zu versorgenden Strukturen mit Kürzung und Naht der M.-extensor-indicis-proprius-Sehne, Reanasto-
mosierung der radialen Zeigefingerarterie und Digitalnerven nach Separierung bis zur Aufzweigung in Höhe des N.€digitalis communis
kel- und Knochenwachstum zunimmt und sich somit strukturell der Gestalt des Daumens annähert (Buck-Gramcko 1971; Foucher et al. 2005). Beim kongenitalen Daumenverlust mit 3- oder 4-gliedriger Hand ist die Zeigefingerpollizisation nach Buck-Gramcko (1971) das Verfahren der Wahl, weil der M.€interosseus dorsalis€1 als wichtiger Spendermuskel für die motorische Daumenfunktion unversehrt ist, v.€a zur Abduktion und Opposition (O’Brien u. Morrison 1987). War in der Vergangenheit der mikrovaskuläre Großzehentransfer aufgrund seiner im Vergleich schlechteren funktionellen Ergebnisse der 1- bis 2-gliedrigen Hand mit Daumenhypo- oder -aplasie vorbehalten, so ist er heute aufgrund der erheblichen Hebedefektmorbidität nicht mehr 1.€Wahl (OBrien et al. 1978). Die Einteilung der Hypoplasieformen des Daumens erfolgt nach Blauth (1967; .€Tab.€65.1; auch .€Tab.€83.4). Eine Subklassifikation des Typs€III wird von Manske u. McCarroll (1992) beschrieben. Typ€IIIA beschreibt hiernach Fehlbildungen der intrinsischen und extrinsischen Muskulatur bei intaktem CMCGelenk und Typ€IIIB Fehlbildungen der intrinsischen und extrinsischen Muskulatur bei Aplasie der Metakarpale-1-Basis. Die Daumenhypo- oder -aplasie ist häufig mit der radialen Klumphand assoziiert (Swanson 1976). In der Klassifikation der radialen Klumphand von Bayne u. Klug (1987) beschreibt Typ€IV die schwerste und häufigste Form mit fehlendem Radius und hypo- oder aplastischem Daumen. Obwohl die Pollizisation und der Zweitzehentransfer die aktuellen Standardverfahren in der Behandlung des hypo- bzw. aplastiÂ�
schen Daumens darstellen, stehen Eltern aufgrund des ästhetischen Ergebnisses mit dysmorpher Hand diesen Eingriffen oft ablehnend gegenüber (Kay et al. 1996). Ebenso spielen soziokulturelle Aspekte bei der Entscheidungsfindung für ein Rekonstruktionsverfahren eine Rolle, sodass oft nur ein Distraktionsverfahren oder die mikÂ�rochirurgische Zweitzehentransplantation zur Verfügung steht (Scheker u. Cendale 2000). Die Technik der Pollizisation bei kongenitalen Daumenhypooder -aplasien basiert auf den Erfahrungen aus der rekonstruktiven Chirurgie nach traumatischen Amputationen des Daumens. Wegweisende Beiträge zum operativen Daumenersatz von Littler und Hilgenfeldt aus den 1950-er Jahren seien zur Lektüre empfohlen (Littler 1953; Hilgenfeldt 1950).
. Tab. 65.1╇ Klassifikation der Daumenhypoplasie nach Blauth (1967)
Schwere- grad
Kennzeichen
Typ€I
Milde Form der Daumenhypoplasie
Typ€II
Ossäre Hypoplasie des Daumens mit Laxizität/Dysplasie des MCP-Gelenks und Kontraktur der ZwischenÂ� fingerfalte
Typ€III
Ossäre Hypoplasie des Daumens mit rudimentärem CMC-Gelenk; Aplasie der Thenarmuskulatur mit schweren Fehlbildungen der extrinsischen Muskulatur
Typ€IV
Fehlendes Metakarpale€1 mit »flottierendem Daumen« (als Hautanhänsel ohne knöcherne Verbindung)
Typ€V
Daumenaplasie
Traumatischer Daumenverlust bei Kindern Da bei einer totalen Daumenamputation der für die Pollizisation erforderliche M.€interosseus dorsalis€1 meist mitverletzt oder gar zerstört ist, wird hier die Indikation zugunsten des Zweitzehentransfers gestellt. Bei ausgedehntem Hautweichteilverlust des radialen Handaspektes muss ggf. zunächst ein Leistenlappentransfer in Vorbereitung zum Zehentransfer erfolgen. Bei der subtotalen Amputation werden mit dem ZweitzehentransÂ� fer ebenfalls gute ästhetische und funktionelle Ergebnisse erzielt.
Kongenitale Daumenaplasie und -hypoplasie im Erwachsenenalter Beim vollständigen Fehlen ist wie beim Kind auch hier die Pollizisation das rekonstruktive Verfahren der Wahl. Allerdings sind Erwachsene in der Regel gut an die Handfunktion ohne Daumen adaptiert.
Traumatischer Daumenverlust im Erwachsenenalter Defekte der Daumenpulpa oder segmentale Daumenverluste im distalen Anteil lassen sich zuverlässig mit Pulpa- oder Composite-Flaps der Zehen rekonstruieren. Der »wrap-around flap« ist das Verfahren der Wahl bei subtotalen Amputationen im distalen Anteil, d.€h. distal des Metakarpophalangealgelenkes. Alternativ kämen hier noch osteoplastische Verfahren in Kombination mit neurovaskulären Insellappen in Betracht (Foucher et al. 1984; Doi et al. 1981). Im Falle der subtotalen Amputation im proximalen Anteil, d.€h. proximal des Metakarpophalangealgelenkes mit intakter Thenarmuskulatur und erhaltenem Trapeziometakapalgelenk ist der Einschluss eines Gelenks bei der Rekonstruktion zu beachten, sodass
65
602
Kapitel 65 · Prinzipien des Daumenersatzes und sensorischer Ersatzoperationen
. Tab. 65.2╇ Rekonstruktionsverfahren im Kindes- und Erwachsenenalter abhängig vom Längendefizit
Typ
Amputationsdefizit – Level
Rekonstruktions� verfahren
Total
Pollizisation
Kinder Kongenital
Zweitzehentransfer Subtotal
Zweitzehentransfer Distraktion
Traumatisch
Total
Pollizisation Leistenlappen und zweizeitig Zweitzehentransfer + Metatarsale€2
Subtotal
Zweitzehentransfer
Segmental
Pulpa- oder CompositeLappen
Subtotal distal
»Wrap-around flap«
Erwachsene Traumatisch
Osteoplastische RekonsÂ� truktion mit neurovaskuÂ� lärem Insellappen Subtotal proximal
Pollizisation Zweitzehentransfer »Wrap-around flap«
Total
Pollizisation Leistenlappen und zweizeitig Zweitzehentransfer
65
hier der Zweitzehentransfer mit Einschluss des Metatarsophalangealgelenks oder alternativ die Pollizisation das Verfahren der Wahl darstellt. Die Wahl des Rekonstruktionsverfahrens im Fall der vollständigen Amputation entspricht der bei Kindern. .€Tab.€65.2 gibt einen Überblick über die an den Amputationshöhen ausgerichteten Empfehlungen zur Rekonstruktion. 65.3.2 Pollizisation Die Technik der Pollizisation orientiert sich an den RekonstruktionsÂ� verfahren des Daumens nach traumatischer Amputation. Die von Buck-Gramcko im Jahr 1971 beschriebene Operationstechnik basiert auf seiner bereits damals großen Fallzahl von 114€Pollizisationen, auf deren Grundlage er diese Technik stetig verfeinerte und die Empfehlungen anderer Autoren wie Hilgenfeldt und Littler mit einbezog. Diese hohe Fallzahl beruhte zudem auf der erhöhten Inzidenz kindlicher Fehlbildungen durch das Medikament Contergan (Thalidomid) in den Jahren 1959–1962, in deren Folge das Interesse an der chirurgischen Behandlung kindlicher Fehlbildungen deutlich zunahm (Buck-Gramcko 1971). Konzeptionelle, funktionelle und ästhetische Ansprüche erfordern eine ausreichende Stabilität des Neodaumens, die möglichst
optimale Positionierung für die Opposition und Abduktion sowie die Reduzierung der Länge des Zeigefingerstrahls. Das Metakarpale€2 wird mit Ausnahme seines Köpfchens, das als Trapeziumersatz dient, reseziert. Hierzu sollte zudem die Epiphysenfuge mitreseziert werden, um die Artikulation durch ein weiteres Wachstum nicht zu beeinträchtigen. Um eine ausreichende Oppositionsstellung des Zeigefingers zu erzielen, sollte dieser um 160° in der Längsachse rotiert werden, um die Pulpa des Ringfingers zu erreichen. Nach Muskel- und Hautnaht resultiert letztendlich eine Rotationsstellung von 120°. Mit einer Rotation von 90° erreicht man nur den Mittelfinger im Schlüsselgriff. Zusätzlich zur Kürzung und Rotation sollte der Zeigefinger senkrecht zur Handebene in einem Winkel von 40° eingestellt werden. Dies ermöglicht neben der Opposition auch eine gute Abduktion und Adduktion des Neodaumens (.€Abb.€65.3). Operationstechnik
Die Pollizisation basiert auf 4€grundsätzlichen Operationsschritten (.€Abb.€65.4; s.€auch 7€Kap.€83, .€Abb. 83.3). Zur Isolierung des neurovaskulären Stiels zwischen Zeige- und Mittelfinger wird die radiale Digitalarterie des Mittelfingers ligiert. Die Nerven werden bis zur Aufzweigung in Höhe des N.€digitalis communis separiert, um jede Spannung auf das Gefäß-Nerven-Bündel nach Rotation zu vermeiden. Im Falle einer fehlenden radialen Zeigefingerarterie reicht in der Regel die Perfusion über die verbleibende Digitalarterie aus. Für die ossäre Fixierung ist die Länge des zu transferierenden Zeigefingers von Belang, da ein kurzer Neodaumen funktionell und ästhetisch günstiger ist. Bei normaler Länge der Langfinger bleibt ausschließlich das Metakarpaleköpfchen erhalten und wird an die Gelenkkapsel des Os trapezium fixiert. Je nach Erfordernis kann jedoch auch die Basis des Metakarpale erhalten bleiben, wobei dann das Metakarpaleköpfchen mit 2€Kirschner-Drähten hierauf fixiert wird. Die ausgeprägte und physiologische Mobilität des Metakarpophalangealgelenks führt bei Kindern im Laufe des Wachstums zu einer Fehlstellung in Hyperextension. Zur Vermeidung dieser sekundären Fehlstellung des Neodaumens empfahl Buck-Gramcko die Rotation des Metakarpaleköpfchens um 70–80°, wie in .€Abb.€65.3 dargestellt. Dies bringt die Grundphalanx in eine Hyperextensionsstellung zum Metakarpaleköpfchen und führt zu einer erhöhten Stabilität (Buck-Gramcko 1971). Erhöht wird diese Stabilität zudem durch die von Buck-Gramcko beschriebene Muskeltransposition und -fixierung der intrinsischen Muskulatur und Strecksehnen. Eine Kürzung der Beugesehnen ist nicht erforderlich, da sich diese im Verlauf auf die für eine suffiziente Daumenbeugung erforderliche Länge retrahieren. Die Sehne des M.€extensor digitorum communis wird auf Höhe des Metakarpophalangealgelenks getrennt und nach Resektion des Metakarpale an die Basis der Grundphalanx fixiert. Sie übernimmt die Funktion des M.€abductor pollicis longus. Die M.-extensor-indicis-proprius-Sehne wird gekürzt und nachfolgend reanastomosiert. Die Mm.€interossei des Zeigefingers werden nach Ablösung von der Grundphalanx zur weiteren Stabilisierung an die Seitenbänder der Dorsalaponeurose genäht. Hierzu müssen diese auf der ganzen Länge der Grundphalanx vom Mittelzügel getrennt werden. Zusätzlich werden ihre Ursprünge partiell und subperiostal vom Os metacarpale abgelöst. Die Seitenzügel werden in den distalen Anteil des jeweiligen M.€interosseus eingeflochten und in Form eines Loops mit sich selbst vernäht. Der 1.€palmare M.€interosseus fungiert als M.€adductor Â�pollicis und der 1.€dorsale M.€interosseus als M.€abductor pollicis brevis.
603
65.3 · Daumenrekonstruktionsverfahren
a
b
c
. Abb. 65.3a–c╇ Prinzip der Pollizisation: Rotation und Transposition des Zeigefingers bzw. Neodaumens auf Höhe des Metakarpaleköpfchens bei traumatischem Verlust. Hierdurch wird eine optimale Greiffunktion mit Daumenopposition zu den Fingerkuppen erzielt. Zur Erreichung eines vollgliedrigen Daumens ist die ossäre Reduktion des Zeigefingers erforderlich (b,â•›c). Bei kongenitaler Daumenaplasie ohne Sattelgelenk ist die Resektion des Metakarpale mit Ausnahme des Metakarpaleköpfchens nötig, welches am
Neodaumen als Trapeziumersatz fungiert (a). Das Metakarpophalangealgelenk wird somit zum Karpometakarpalgelenk. Die proximale Phalanx des Zeigefingers wird zum »1.« Metakarpale, das proximale Interphalangealgelenk zum Metakarpophalangealgelenk des Neodaumens und das distale Interphalangealgelenk zum IP-Gelenk des Neodaumens (a). Die FunktionsÂ� änderung der transferierten Muskulatur ist bei kongenitalen Aplasien von besonderer funktioneller Bedeutung (a)
Die Verlagerung der Interosseusmuskulatur macht neben der radialseitigen Schnittführung eine zusätzliche dorsale und längsgerichtete Inzision über der Grundphalanx erforderlich. Die aus der Muskelverlagerung resultierende Volumenzunahme in Höhe der proximalen Phalanx erfordert zudem eine lokale Lappenplastik dorsalseitig.
Funktionelle Ergebnisse nach Pollizisation
Die Opposition des Neodaumens zu den Langfingern mit hieraus resultierender Greiffunktion ist letztlich das Ziel der Pollizisation und Indikator für den Erfolg des Eingriffs. Buck-Gramcko beschreibt in seiner Nachuntersuchung von 37€Kindern mit 100€Pollizisationen, dass die wesentlichen funktio-
65
604
Kapitel 65 · Prinzipien des Daumenersatzes und sensorischer Ersatzoperationen
a
b
c
d
e
f
65
g
. Abb. 65.4a–g╇ Operationsschritte bei der Pollizisation bei onkologisch notwendiger Daumenamputation. a€Indikation zur Daumenamputation und Pollizisation bei Melanom des Daumenendgliedes. b€Dorsalseitige Schnittführung und Präparation des Anschlussgebietes auf Amputationsniveau. c€Palmarseitige Schnittführung. d€Pollizisierter und um ca. 45° rotierter Zeigefinger zur Ermöglichung einer Opposition bzw. Pinch-Griff. e€Dorsaler Weichteilverschluss nach Pollizisation. f€Palmarer Aspekt nach Weichteilverd schluss und Pollizisation. g€Funktionelles Endergebnis
605
65.3 · Daumenrekonstruktionsverfahren
nellen Veränderungen innerhalb der ersten 2€Jahre nach der Operation zu erwarten sind. Nach 3€Wochen der Immobilisation besteht zunächst ein geringfügiger aktiver Bewegungsausschlag des Neodaumens, der im Verlauf von weiteren 6€Wochen in einem PinchGriff zum Mittel- und Ringfinger mündet. Nach 4–5 Monaten sind die meisten Kinder in der Lage, die Kuppe des Kleinfingers mit dem Neodaumen zu erreichen. Dabei gibt es keine altersabhängigen Unterschiede mit Blick auf das zu erwartende funktionelle Ergebnis. Mit dem Beginn einer aktiven Flexion des Neodaumens ist nicht vor Ablauf des 3.€postoperativen Monats zu rechnen, da die Anpassung bzw. Retraktion der nicht gekürzten Beugesehnen langsam, jedoch stetig erfolgt. Die größten Unterschiede wurden für das Ausmaß und den Kraftgrad der Radialabduktion beobachtet und gründen in der individuellen Kraft der Extensoren, der Einstellung des Metakarpaleköpfchens zum Karpus und zusätzlichen Anomalien der oberen Extremität wie z.€B. bei der radialen Klumphand, bei der der aktive Bewegungsumfang der Interphalangealgelenke von vornherein deutlich eingeschränkt ist und somit nach Pollizisation zu einer aufgehobenen aktiven Beweglichkeit dieser Gelenke am Neodaumen führt. Die Kinder mit einer radialen Klumphand sind es auch, die ihren Neodaumen nicht der Natur gemäß einsetzen. Beim Greifen kleinerer Gegenstände wird der Klemmgriff zwischen Mittel- und Ringfinger eingesetzt. Vaskuläre oder sensorische Defizite wurden in keinem der Fälle beobachtet. Die besten funktionellen Ergebnisse wurden beim hypoplastischen Daumen beobachtet. Der Grund hierfür liegt in der erhaltenen intrinsischen Muskulatur, die für eine gute Balance und Stabilisierung des transponierten Zeigefingers sorgt. Sie stellen die GrundÂ� voraussetzung für eine gute Mobilität und Kraftentwicklung dar. Für die »Fünf-Finger-Hand« wird bei normaler Entwicklung des radialen Strahls dessen Pollizisation empfohlen, wonach mit einem zufriedenstellenden Ergebnis zu rechnen ist. Ist der radiale Strahl verkürzt oder hypoplastisch, so empfehlen sich dessen Resektion und die Pollizisation des Nachbarfingers. Aussagen zum Kraftgrad für den Grob- und Spitzgriff sowie zum Erscheinungsbild des Neodaumens finden sich in retrospekÂ�tiven Untersuchungen u.€a. von Foucher et al. (2005), Kozin et al. (1992), Manske u. McCarroll (1995). Hier reichen die Ergebnisse von 21% bis hin zu 67% für die grobe Kraft sowie von 26% bis hin zu 60% für den Spitzgriff im Vergleich zur Gegenseite. Die große Variation erklärt sich aus den eingeschlossenen Fällen von radialer Dysplasie. Die unabhängige Analyse des postoperativen Erscheinungsbildes des Neodaumens unter Berücksichtigung der Narbe, der 1.€Kommissur und der Gestalt des Neodaumens ergibt im Durchschnitt einen Wert von 6,5 auf einer Skala von 10 (Foucher et al. 2005).
Â� GrünÂ�den (.€Übersicht). Dabei muss die Dreigliedrigkeit keinen Nachteil darstellen, ist sie doch bei langstreckigem Verlust des Daumens eher nützlich, um den Längenverlust des Metakarpale auszugleichen. Kontraindikationen der Zehentransplantation beim Erwachsenen 4 4 4 4 4 4
Diabetische Mikroangiopathie Arterielle Verschlusskrankheit CRPS Postthrombotisches Syndrom Mangelnde Compliance Trauma oder Voroperationen des Spendegebietes mit Â�möglicher Kompromittierung des Transplantates
Kontraindikationen der Zehentransplantation beim Kind 4 Ablehnung der Eltern aus religiösen, psychologischen oder ethnischen Gründen 4 Trauma oder Operationen des Spendegebietes (7€oben) 4 Kombinierte Fehlbildungen
Im Hinblick auf den ästhetischen Aspekt hat der Zweitzehen- im Vergleich zum Großzehentransfer deutliche Vorteile. Als klassische Indikation für den Zweitzehentransfer gilt die radiale Klumphand, die meist mit einer Daumenhypo- oder -aplasie assoziiert ist. Beim Typ€IV nach Bayne u. Klug (1987) mit Aplasie des Radius ist zum Längenausgleich gleichzeitig der Transfer des Metatarsale€2 erforderlich. Dieser Typ€IV stellt die schwerste und zugleich am häufigsten vorkommende Form dar. Die Zehentransplantation stellt ein ergänzendes Armentarium zu der bereits beschriebenen Pollizisation dar und sollte das Ergebnis einer sorgfältigen Indikationsstellung sein. Beim Zweitzehentransfer empfehlen wir die Durchführung des Eingriffes ab dem 1.€Lebensjahr, um die Adaptation an ein Greifmuster zu ermöglichen und ein Neglect-Verhalten zu verÂ� hindern. Zu den präoperativen Vorbereitungen zählen neben der körperlichen Untersuchung mit Erhebung funktioneller und sensorischer Defizite, evtl. vorbestehender Narben, Deformitäten und des Pulsstatus die Nativröntgenaufnahme und die dopplersonographische Untersuchung der peripheren Fußpulse. Zur Planung des mikrovaskulären Anschlusses ist die Kenntnis der Gefäßanatomie des Fußes von Bedeutung. Obwohl die Durchblutung des Fußes wie die der Hand von 2€miteinander verbundenen
65.3.3 Zweitzehentransplantation Die Zweitzehentransplantation wurde erstmalig im Rahmen der American Replantation Mission to China in 1973 erwähnt. Es war Yang, der diesen Eingriff in 1966 erfolgreich durchführte (American Replantation Mission to China 1973; Yang u. Yudong 1979).
. Tab. 65.3╇ Klassifikation der radialen Klumphand Bayne u. Klug (1987)
Typ
Kennzeichen
> Aufgrund der erheblichen Hebedefektmorbidität beim Großzehentransfer wird heute der Zweitzehentransfer als Standardverfahren zum Daumenersatz angewandt.
I
Verkürzter Radius
II
Hypoplastischer Radius
III
Partielle Radiusaplasie
Voraussetzung ist meist die Ablehnung der Eltern gegenüber einer Pollizisation aus ästhetischen, religiösen oder soziokulturellen
IV
Radiusaplasie
65
606
Kapitel 65 · Prinzipien des Daumenersatzes und sensorischer Ersatzoperationen
Hauptarteriensystemen sichergestellt wird, unterliegt insbesondere die 1.€Metatarsalarterie einigen Variationen (Berger u. Tizian 1985; Leung u. Wong 1983). Sie versorgt neben der Großzehe auch die Zweitzehe. Die wesentlichen funktionellen und anatomischen Unterschiede ergeben sich für die Zehengrundgelenke. Die für den Abrollvorgang erforderliche größere und kugelige Gelenkfläche des Metatarsaleköpfchens führt im Gegensatz zum Metakarpaleköpfchen zu einer eingeschränkten Beugefähigkeit von maximal 40° zugunsten einer passiven Hyperextension von bis zu 90°. Operationstechnik
. Abb. 65.5╇ Präparation bei Zweitzehentransplantation
Der Eingriff erfolgt in Intubationsnarkose und idealerweise mit 2€Teams, um Eingriffs- und Ischämiezeit möglichst gering zu halten. Zur postoperativen Schmerzprophylaxe und Sympathikolyse erfolgt intraoperativ bereits die Anlage eines Plexuskatheters. Bei der Resektion der Zehe einschließlich des Metatarsale und Metatarsophalangealgelenks sollte zur späteren Rekonstruktion der Kommissur ein ausreichender Hautlappen mitgehoben werden. Die retrograde Gefäßdissektion kann sowohl über die A.€metatarsalis plantaris des 1.€Zwischenzehenraums entlang der A.€metatarsalis dorsalis€1 oder alternativ über die A.€metatarsalis plantaris€1 entlang der A.€dorsalis pedis erfolgen. Zur funktionellen Rekonstruktion werden die Sehnen des M.€extensor und Mm.€flexor digitorum longus und brevis mit eingeschlossen. Zur sensiblen Innervation erfolgt die Mitnahme des dorsalen und plantaren sensorischen Hautnervs. Die Osteotomie geschieht auf Höhe des proximalen Metatarsale. Der Hebedefekt lässt sich in der Regel primär verschließen.
65
a
b
. Abb. 65.6a–j╇ Technische Durchführung und Resultat bei Zweitzehentransplantation. Zustand nach frustraner Replantation des Daumens mit sekundärer Nekrose. a€Gangränöser replantierter Daumen eines 23-jährigen Patienten nach schwerem Quetschamputationstrauma. b,€c€Schnittführung zur Explantation der 2.€Zehe auf der Dorsal- und Plantarseite des linken Fußes. d€Anschlussregion mit dem Os metacarpale€1, den Anschlussgefäßen (A.€radialis und V.€cephalica), der M.-extensor-pollicis-longus-Sehne und den markierten Digitalgefäßen und nnerven. e€Die zur Transplantation ab-
c gesetzte 2.€Zehe mit der A.€dorsalis pedis und A.€metatarsalis dorsalis€I, der A.€digitalis plantaris communis, den plantaren Digitalnerven, dem Os metatarsale€2 sowie den Sehnen des M.€extensor digitorum longus et brevis und den Sehnen des M.€flexor digitorum longus et brevis. f€Intraoperatives Ergebnis nach Zweitzehentransplantation. g€Postoperatives Resultat des Hebedefektes. h€Opposition des Neodaumens zum Zeigefinger im Sinne eines Spitzgriffs. i€Kraftvoller Pinch-Griff. j€Grobgriff mit der Möglichkeit, auch schwere Gegenstände sicher zu halten
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65.3 · Daumenrekonstruktionsverfahren
d
e
f
g
h
j
i
. Abb. 65.6a–j╇ (Fortsetzung)
65
608
Kapitel 65 · Prinzipien des Daumenersatzes und sensorischer Ersatzoperationen
Im Empfängergebiet müssen zunächst Gefäße, Nerven, Sehnen und Knochen für den Zweitzehentransfer vorbereitet werden. Nicht selten sind bei der radialen Klumphand einzelne anatomische Strukturen nicht angelegt. Hierzu zählen mitunter die Radialarterie, die M.-extensor- und M.-flexor-pollicis-longus-Sehne, die Thenarmuskulatur oder das Os trapezium und das Os scaphoideum. Die Arthrodese mit intraossärer Cerclage und K-Draht erfolgt zwischen dem Metatarsale und Os capitatum, Os lunatum oder Os trapezium. Hierbei ist die Zehe in Opposition zu den Langfingern einzustellen. Der mikrovaskuläre Anschluss geschieht in der Regel End-zuEnd an den oberflächlichen Hohlhandbogen oder End-zu-Seit an die A.€radialis, sowie End-zu-End an eine radiale Hautvene. Zur Nervenanastomose im Empfängergebiet eignen sich der R.€superficialis n.€radialis oder der sensible Ast des N.€medianus. Im Falle der fehlenden Thenarmuskulatur und Daumensehnen eignet sich die Opponensplastik unter Verwendung der M.-flexordigitorum-superficialis-Sehne oder alternativ der M.-abductor-digiti-minimi-Sehne zur Rekonstruktion (Royle 1938; Huber 1921). Hinsichtlich der Reihenfolge der operativen Schritte orientiert man sich am bereits etablierten Algorithmus der ReplantationsÂ� chirurgie mit zunächst 4 osteosynthetischer Stabilisierung der Knochen und in der Folge
4 Naht der Streck- und Beugesehnen, 4 Naht der Nerven und zuletzt
4 Naht der Arterien und Venen. .€Abb.€65.5 zeigt das Prinzip der Präparation bei Zweitzehentransplantation, .€Abb.€65.6 ein klinisches Beispiel.
65.3.4 »Wrap-around flap«
65
Der »wrap-around flap« zur Daumenrekonstruktion wurde als freie mikrovaskuläre Mehrkomponenten-Lappenplastik erstmalig 1980 von Morrison und Kollegen beschrieben und stellt eine bedarfsÂ� gerechte Rekonstruktionsmöglichkeit des Daumens dar (Morrison et al. 1980). Zahlreiche Publikationen heben seine exzellenten funktionellen und ästhetischen Ergebnisse mit geringer Hebedefektmorbidität hervor. Bei signifikantem Längen- und Weichteilverlust kann er mit Weichteilplastiken (z.€B. gestielte Leisten- oder Bauchhautlappen) und einem kortikospongiösen Beckenkammspan kombiniert werden. Nachteilig kann hier jedoch die Knochenresorption mit Instabilität des Transplantates sein. Anatomie
Die Gefäßversorgung des Wrap-around-Lappens wird durch die A.€dorsalis pedis, die A.€metatarsalis plantaris€1 oder die A.€plantaris medialis sichergestellt. Die sensible Versorgung erfolgt über Nn.€fibularis superficialis et profundus und N.€plantaris medialis. Indikationen und Kontraindikationen Indikationen sind der Daumenverlust bei erhaltenem MP-Gelenk,
Fingerkuppenverluste bei intaktem Skelett und Nagelrekonstruk� tionen. Kontraindikationen sind der Verlust des CMC-1- und MP-1Gelenks sowie der Verlust oder die Funktionslosigkeit der Thenarmuskulatur. Fernerhin sollte er bei chronischen und rezidivie-
. Abb. 65.7╇ »Wrap-around flap«. Operationsschritt€2 mit gehobenem Lappen unter Belassung eines medialseitigen und die Großzehenspitze umspannenden Hautstreifens zur Innervation und Durchblutung der Großzehe
renden€ Infekten wie der Onychomykose nicht zur Anwendung �kommen. Bei Kindern stellen die fehlenden Wachstumsfugen im Transplantat und somit das fehlende Wachstumspotenzial eine Kontraindikation dar. Daumenrekonstruktionsmethoden sind in diesem Fall der Zweitzehentransfer oder die Pollizisation. Operative Planung
Zur Sicherstellung der Gefäßsituation empfehlen wir die präoperative Durchführung einer Angiographie im Spendergebiet. Nach frustranem Replantationsversuch oder tumorbedingter Amputation des Daumens in ein und derselben Klinik ist die Gefäßanatomie in der Regel bekannt, sodass in diesem Fall eine Angiographie im Empfängergebiet entbehrlich ist. Bestehen jedoch Zweifel, so sollte diese auch im Empfängergebiet durchgeführt werden. Fernerhin ist eine Beurteilung der Weichteilsituation an der Großzehe und dem Empfängergebiet erforderlich, um etwaige WeichÂ� teildefizite oder Hauterkrankungen von vorneherein zu adressieren. Als Hebestelle wählen wir die ipsilaterale Großzehe, um mit einem intakten, fibularen Anteil des Großzehenweichteilmantels die spätere ulnare Greiffläche des Daumens bilden zu können.
609
65.3 · Daumenrekonstruktionsverfahren
Operationstechnik
Die Operation erfolgt in 5€Schritten.
4 Schritt€1: 5 Der 1.€Operationsschritt beinhaltet die Präparation des Emp-
fängergebietes mit Vorbereitung der Gefäße (Arterien und Venen) und ggf. Sehnen für den späteren Anschluss. 5 Der Markraum des vorhandenen Daumenskeletts wird für die Aufnahme des kortikospongiösen Beckenkammspans ausgefräst. 5 Beide Digitalnerven lassen sich vom thenaren Aspekt der Schnittführung aus darstellen, wohingegen die radiale Arterie und die V.€cephalica über den dorsalen Aspekt der Schnittführung zugänglich sind.
4 Schritt€2: 5 Der 2.€Operationsschritt besteht aus der Hebung des Lap-
pens. Hierzu wird die Großzehe einschließlich des Nagelbettes und Zehennagels so weit präpariert, dass medialseitig ein die Großzehenspitze umspannender Hautstreifen zur Innervation und Durchblutung der Großzehe verbleibt. 5 Um eine Schädigung der germinativen Nagelmatrix zu vermeiden, erfolgt die Dissektion unterhalb des Nagelbettes subperiostal unter Mitnahme einer kortikalen Knochenschuppe. 5 Die A.€dorsalis pedis und V.€saphena magna werden in Höhe des Fußrückens identifiziert und proximal abgesetzt. Für den Fall, dass die 1.€dorsale Metakarpalarterie zu klein sein sollte, empfiehlt sich die Verwendung der plantaren MetatarsalarÂ� terie. 5 Über die plantare und longitudinale Inzision erfolgen die Identifizierung und Freilegung des plantaren fibularen Digitalnervs. Gefäße und Nerv werden nach Freilegung weit proximal abgesetzt (.€Abb.€65.7).
4 Schritt€3: 5 Der 3.€Operationsschritt beinhaltet bei fehlender Knochen-
länge das Heben und Einsetzen des monokortikalen kortikospongiösen Beckenkammspans. Dabei orientieren sich die Form und Größe des Spans an der des kontralateralen und unverletzten Daumens. 5 Die Fixierung des Beckenkammspans erfolgt mittels gekreuzten Kirschner-Drähten.
4 Schritt€4: 5 Der 4.€Operationsschritt ist durch den Lappentransfer ge-
kennzeichnet. Hierzu wird der Lappen um den kortikospongiösen Span herum gelegt (»wrap around«) und die Haut, beginnend an der Spitze des Neodaumens, eingenäht. Ein 3.€Kirschner-Draht transfixiert das Nagelbett, das Periost und die Kortikalis des Großzehentransplantates mit dem korikospongiösen Beckenkammspan. 5 Die Gefäße werden durch einen subkutanen Tunnel über eine longitudinale Inzision auf Höhe des Handgelenks ausgeführt und hier die A.€dorsalis pedis End-zu-Seit mit der Radialarterie und die V.€saphena magna End-zu-End mit der V.€cephalica anastomosiert. 5 Der plantare Digitalnerv sollte so weit distal wie möglich mit dem ulnaren Digitalnerv koaptiert werden.
4 Schritt€5: 5 Der letzte Operationsschritt besteht aus der Deckung des
Hebedefektes durch die medialseitig belassene Hautbrücke, einen Cross-Zehenlappen oder ein Spalthauttransplantat.
Komplikationen
Diese bestehen vornehmlich in einer venösen Stauung mit Thrombosegefahr bei zu geringem Gefäßdurchmesser ( Diesen möglichen Komplikationen ist durch die Verwendung ausreichend großer Gefäße (>0,8€mm), durch Einschluss von Nagelbett, Periost und Kortikalis in das Transplantat und durch ein ausreichend vaskularisiertes Spendergebiet entgegenzuwirken (Doi et al. 1985, 2001) Ergebnisse
Der »wrap-around flap« bietet im Hinblick auf Sensibilität, Stabilität und Funktionalität bei geringer Spendermorbidität eine wertvolle Option zur Daumenrekonstruktion (Urbaniak 1985; Doi et al. 1985; Ian et al. 1987). In Abhängigkeit von der Amputationshöhe und Rotation des kortikospongiösen Beckenkammspans beschreiben Lee et al. (2000) eine vollständige Neodaumenopposition zu allen Fingern. Bei einer Amputationshöhe proximal des Metakarpophalangealgelenkes wird jedoch nur der Mittelfinger mit dem Neodaumen erreicht (Lee et al. 1995). Die Pinch-Kraft des Neodaumens reicht von 40–90%, die Grobkraft von 40–96,5% verglichen mit der unverletzten Seite (Lee et al. 2000). Die sensorische Regeneration nach Nervennaht gemessen mit der statischen 2-Punkte-Diskrimination wird in der Literatur mit durchschnittlich 9–12€mm angegeben (Lee et al. 2000; Mochert u. Raff 2008). In den Fällen, in denen zusätzlich zur Koaptation des N.€peroneus profundus mit dem R.€superficialis n.€radialis 2€Digitalnerven koaptiert werden konnten, zeigte sich mit durchschnittlich 8,2€mm die beste Regeneration. Das schlechteste Ergebnis mit einer statischen 2-Punkte-Diskrimination von 15€mm wurde mit Koaptation nur eines einzelnen Digitalnervs erzielt (Lee et al. 1995). Lee und Wei beschreiben eine Sensibilitätsrückkehr nach frühestens 4–6 Monaten und heben hervor, dass ein geplanter Zehentransfer im Hinblick auf die sensorische Regeneration innerhalb eines Monats nach dem Trauma die besten Ergebnisse zeigt (Chu u. Wei 1995). In Abhängigkeit zum Amputations-Level (distal oder proximal des MCP-Gelenkes) wird eine Resorption des kortikospongiösen Beckenkammspans von durchschnittlich 7,4% in der Länge und 13,3% in der Breite (distal des MCP-Gelenkes) respektive 16,3% und 16,7% proximal des MCP-Gelenkes beschrieben (Lee et al. 2000). Die Thromboserate wird in einer Langzeitnachuntersuchung von Lee et al. (1995) mit 3% angegeben, partielle Hautnekrosen traten in 20% der Fälle auf. Diese wurden durch Kürzung des kortikospongiösen Spans und Sekundärverschluss oder durch einen Leistenlappen korrigiert. Die häufigste Komplikation stellte die Resorption des Beckenkammspans dar. Diese trat in mehr oder weniger starker Ausprägung in 50% der Fälle auf, wobei in einem der Fälle ein Ermüdungsbruch 12€Monate postoperativ die Re-Osteosynthese mit Spongiosaplastik erforderlich machte (Lee et al. 1995). Nagelwachstumsstörungen traten in nahezu allen Fällen auf, und Hebedefektmorbiditäten wurden als vernachlässigbar beÂ� schrieben. Zusammenfassend kann daher der »wrap-around flap« zur Daumenrekonstruktion insbesondere bei einer Amputationshöhe distal des MCP-Gelenkes aufgrund seiner exzellenten funktionellen und ästhetischen Ergebnisse mit geringer Hebedefektmorbidität als eine sinnvolle Alternative zum Zweitzehentransfer und zur Pollizisation empfohlen werden.
65
610
Kapitel 65 · Prinzipien des Daumenersatzes und sensorischer Ersatzoperationen
65.4
Postoperatives Management
Neben dem obligatorischen Perfusionsmonitoring mit Beurteilung der Rekapillarisierung zählen die Heparinisierung mit niedermolekularen Heparinen und die Gabe von Thrombozytenaggragationshemmern (ASS) und tägliche Verbandswechsel zum standardisierten postoperativen Management unserer Klinik. Dabei verzichten wir zum Schutz der transplantierten Zehe auf irkuläre, potenziell schnürende Verbände und Kompressen in der Interdigitalfalte. Der postoperative Verband besteht ausschließlich aus locker aufgelegten und aufgeschüttelten Kompressen sowie einem Watteverband. Bei Kindern wird eine Oberarmgipsschiene mit individueller Anpassung auf Hand- bzw. Neodaumenniveau angelegt. Eine Ruhigstellung dauert in Abhängigkeit zur knöchernen Konsolidierung und Ausheilung der Sehnennähte 8–12 Wochen, wird aber ab der 4.€Woche mit passiver vorsichtiger KrankengymÂ� nastik ergänzt. Nach Einleitung der krankengymnastischen und ergotherapeutischen Übungsbehandlung wird der Verlauf regelÂ� mäßig ambulant kontrolliert im Hinblick auf das funktionelle und sensorische Ergebnis.
Literatur
65
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IX
Plastische Chirurgie der Brust P. Vogt
Kapitel 66
Anatomie und Untersuchung der Brust╇╇ – 613 A.€Heckmann
Kapitel 67
Benigne Tumoren der Brust╇╇ – 619 A. Heckmann
Kapitel 68
Maligne Tumoren der Brust╇╇ – 623 A.€Heckmann, K.H. Breuing, P.M. Vogt, A. Gohritz
In dieser Sektion werden die speziellen Aspekte der Tumorerkrankungen der Brust behandelt, die für den Plastischen Chirurgen relevant sind. Die heute sehr differenzierte onkologische Therapie, insbesondere die brusterÂ�haltende Tumorektomie, wird in interdisziplinären Brustzentren durchgeführt. Neuere multimodale Verfahren, vorrangig mit dem Ziel des Organerhalts, haben dabei primär radikale ablative Verfahren abgelöst.
66
Anatomie und Untersuchung der Brust A.€Heckmann
66.1
Entwicklungâ•… – 614
66.2
Anatomieâ•… – 614
66.2.1 66.2.2 66.2.3 66.2.4
Brustdrüseâ•… – 614 Gefäßversorgungâ•… – 614 Lymphabfluss â•… – 614 Innervationâ•… – 615
66.3
Diagnostikâ•… – 615
66.3.1 66.3.2 66.3.3
Klinische Untersuchungâ•… – 615 Nichtinvasive Untersuchungstechnikenâ•… – 616 Invasive Untersuchungstechnikenâ•… – 617
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
614
Kapitel 66 · Anatomie und Untersuchung der Brust
66.1
Entwicklung
Die Brustdrüse geht aus dem nicht zurückgebildeten Rest der beiden Milchleisten hervor. Sie entwickelt sich aus einer umschriebenen Epithelverdickung, von der bis zu 25 sich verzweigende Epithelzapfen in die Subkutis vorwachsen und später die Drüsenlappen bilden. Die Brustdrüsen sind bei beiden Geschlechtern vorhanden und grundsätzlich gleichartig aufgebaut. Ab der Pubertät unterliegt die weibliche Brustdrüse sexualzyklischen Veränderungen und beginnt, sich über die Thelarche ca. ab dem 10.€Lebensjahr zu entwickeln. Die volle Entfaltung erfährt sie nur bei der Frau, und zwar während der Gravidität und der Laktation. Nach Beendigung der Keimdrüsenaktivität geht die Brust in eine Altersinvolution über. 66.2
Anatomie
66.2.1 Brustdrüse Die Brustdrüse (.€Abb.€66.1) besteht aus dem Drüsenkörper, der sich zusammensetzt aus 4 Drüsengewebe, 4 umgebenem Fettgewebe, 4 Bindegewebssepten und 4 Brustwarze. Über einen Proc.€lateralis projiziert sich die Brust nach kraniolateral in Richtung Axilla. Das Verhältnis von Fett- zu Drüsengewebe variiert individuell. Mit Erreichen der Menopause verändert sich dieses Verhältnis zugunsten des Fettgewebes unter Rückgang des Drüsenanteils. Die Milchdrüse besteht aus 15–25 radiär angeordneten tubuloalveolären Einzeldrüsen, die jeweils einzeln in die Brustwarze münden. Die Milchdrüse gliedert sich in 4 Ductus lactifer(i) (Milchgänge), 4 Ductus lactiferus colligens (Ausführungsgang) und 4 Sinus lactifer(i) (Milchsäckchen).
66
Diese sind für die Sekretion der laktierenden Mamma zuständig und münden in der Spitze der Brustwarze, die das Zentrum des Mamillen-Areolen-Komplex bildet. Dessen Haut ist stark pigmentiert und enthält Talg- und Schweißdrüsen, feine Härchen und apokrine Areolendrüsen, die bei Kontraktion der glatten Muskulatur als Tubercula Montgomery knötchenförmig hervorspringen können. Jede Drüse ist von einem zellreichen Bindegewebsmantel umgeben, wird durch straffe Bindegewebssepten (Retinacula) von den Nachbardrüsen getrennt und ist mit dem umgebenden Fettgewebskörper verbunden. Über Ligg. suspensoria (Cooper-Ligamente) ist die Drüse fest mit der Haut und verschieblich auf der Muskelfaszie fixiert. Der Bindegewebsapparat bestimmt Form und Festigkeit der Brustdrüse. Mit Verlust der Elastizität des Bindegewebsapparats und des Drüsenanteils im Alter und nach dem Stillen kommt es zu einer zunehmenden Ptosis der Brust. 66.2.2 Gefäßversorgung Die arterielle Versorgung der Brustdrüse erfolgt im medialen Abschnitt durch Rr.€mammarii mediales aus der 2–4. Interkostalarterie aus der A.€thoracica interna. Lateral und kranial wird die Brustdrüse über Rr.€mammarii laterales aus der A.€thoracica lateralis, der
a
b
. Abb. 66.1╇ Anatomischer Aufbau der weiblichen Brust (Ansicht a€von ventral, b€von lateral)
A.€thoracoacromialis und der A.€thoracodorsalis versorgt. Fasziennahe Anteile des Corpus mammae erhalten ihren arteriellen Zufluss über Rr.€mammarii des R.€cutaneus lateralis der 2–5. InterkostalÂ� arterie. Die Durchblutung der Brusthaut erfolgt über einen subdermalen Plexus, welcher mit den tieferen das Brustparenchym versorgenden Gefäßen kommuniziert. Der venöse Abfluss erfolgt über Vv.€thoracicae internae und laterales. 66.2.3 Lymphabfluss Beim Lymphabfluss sind 2€Lymphgefäßnetze zu unterscheiden: 4 ein oberflächliches unter der Brustwarze, dem Warzenhof und der Haut, und 4 ein tiefes innerhalb des Drüsenparenchyms. Die Lymphflüssigkeit erfährt 2€hauptsächliche Drainagewege (.€Abb.€66.2): 4 die axilläre Abflussbahn, die hauptsächlich die Lymphflüssigkeit aus den lateralen Brustbereichen zu den axillären Lymphknoten drainiert,
615
66.3 · Diagnostik
a
b
. Abb. 66.2╇ Querschnitt der Brustdrüse (a). Lymphsystem der weiblichen Brust (b): axillar, infraklavikulär, parasternal
4 die interkostale Abflussbahn, die vornehmlich die mediale Drüse zu den parasternalen Lymphknoten drainiert.
Relevanz beim Mammakarzinom Durch die häufig lymphogene Metastasierung eines MammamaÂ� lignoms finden sich erste Metastasen meistens in den axillären Lymphknoten, über die ein Großteil der Lymphflüssigkeit der Brustdrüse drainiert wird. Bei Befall können die axillären Lymphknoten vergrößert und palpabel sein, weshalb bei der Tastuntersuchung der Brust auch immer beide Axillen mit abgetastet werden sollten. Ultraschalluntersuchung, Stanzbiopsien, die Sentinel-Lymphknotenbiopsie oder die axilläre Lymphadenektomie gehören hierbei zu den diagnostischen und therapeutischen Standardprozeduren. Seltener metastasiert das Mammakarzinom lymphogen über die parasternalen und subklavikulären Bahnen. Dennoch sollten auch diese Bereiche bei jeder Brustuntersuchung immer mit abgetastet werden. Die Metastasierung erfolgt zudem auch hämatogen, hierbei bevorzugt in Knochen und Leber. 66.2.4 Innervation Die Innervation der Brust erfolgt über die anterolateralen und medialen Äste der Interkostalnerven 1–4 über Rr.€mammarii laterales und mediales aus dem R.€cutaneus lateralis und medialis. Supraklavikuläre Nerven aus dem Plexus cervicalis innervieren zusätzlich kraniale und laterale Bereiche der Brust. Die Innervation des Mamillen-Areolen-Komplexes erfolgt primär über den lateralen Ast aus dem Segment T4.
66.3
Diagnostik
66.3.1 Klinische Untersuchung In den vergangenen Jahren konnten mehrere Studien zeigen, dass die Vorsorgeuntersuchung und Früherkennung beim Mammakarzinom zu einer Absenkung der Mortalität bzw. zu höheren Überlebensraten führt (Brenner et al. 2005). Die klinische Untersuchung der weiblichen Brust stützt sich auf die gezielte Befragung in der Anamneseerhebung, die Inspektion, die Palpation und weiterführende technische Verfahren. Inspektion, Palpation.╇ Inspektion und Palpation sollten sowohl an der stehenden als auch an der auf dem Rücken liegenden Patientin vorgenommen werden. An der stehenden Patientin sind Form, Nippelposition und die Haut gut zu beurteilen. Asymmetrie, Inversion oder Bluten der Brustwarze, Hauteinziehungen oder -vorwölbungen und Koloritveränderungen sind mögliche zu entdeckende Veränderungen, die einen malignen Prozess andeuten können. Zudem können in der stehenden Position supra- und infraklavikuläre sowie axilläre Lymphadenopathien gut getastet werden. Körperliche Untersuchung.╇ Die körperliche Untersuchung der Brust umfasst den Bereich zwischen Klavikula, medialem Sternalrand, mittlerer Axillarlinie und Submammarfalte. Zusätzlich werden die Lymphabflussgebiete der Axilla, der Infra- und Supraklavikulargruppe und parasternal abgetastet. Die Befunde werden den 4€Quadranten, der Mamillenregion und den Lymphabflussgebieten zugeordnet. Darüber hinaus sind Größe, Konsistenz eines evtl. vorhandenen Knotens, umgebendes Gewebe, Tiefenausdehnung, Fixierung zur Haut und zur Unterlage zu dokumentieren.
66
616
Kapitel 66 · Anatomie und Untersuchung der Brust
> Die Brustuntersuchung sollte bei prämenopausalen Frauen in der 1.€Zyklushälfte erfolgen. Bei auffälligen Befunden in der 2.€Zyklushälfte sollte eine Befundkontrolle in der 1.€Zyklushälfte nach Abschluss der Regelblutung erfolgen. Selbstuntersuchung.╇ Die Selbstuntersuchung der Brust durch die Frau wird monatlich postmenstruell ab einem Alter von 18€Jahren empfohlen. Ab dem 20.€Lebensjahr sollte eine jährliche inspektorische und palpatorische Untersuchung durch einen Arzt erfolgen. Die Leitlinie der Amerikanischen Cancer Society (Smith et al. 2003) empfiehlt die klinische Untersuchung der Brust im Alter von 20–40 Jahren, bevorzugt alle 3€Jahre im Rahmen von periodischen Gesundheitsuntersuchungen sowie eine jährliche ärztliche Untersuchung in Kombination mit einer Mammographie für Frauen ab dem 40.€Lebensjahr. BRCA-1, BRCA-2, BRCA-3.╇ Frauen mit einer Mutation in den Genen
BRCA-1, -2 und/oder€-3 oder mir einem anderen hohen Risiko sollen in spezialisierten Zentren für erblichen Brustkrebs beraten und hinsichtlich einer Früherkennungstherapie betreut werden (Stufe-3Leitlinie, 1.€Aktualisierung 2008)
Mammographie-Screening.╇ In Deutschland wird derzeit ein nati-
onales Mammographie-Screening-Programm zur Brustkrebsvorsorge unter Beachtung der entsprechenden europäischen Leitlinie aufgebaut. Dieses Mammographie-Screening ist für Frauen ab dem Alter von 50€Jahren bis zum Ende des 70.€Lebensjahres konzipiert und Bestandteil der Richtlinie über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Gemeinsamer Bundesausschuss gemäß §Â€91 SGB€V, 2004). Für das Mammographie-Screening wurde unter Betrachtung der vorliegenden Studiendaten in der 2006 erfolgten Cochrane-Analyse eine relative Risikoreduktion der Brustkrebssterblichkeit von ca. 15% erhoben (Gøtzsche u. Nielsen 2006). Indikationen.╇ Die Indikationen zur Mammographie zeigt die .€Übersicht.
Indikation für Mammographie 4 Knoten in der Brust 4 Verhärtung der Brust oder von Teilen der Brust 4 Tastbar vergrößerte Lymphknoten in der Achsel- höhle 4 Bei erhöhtem Risiko für Brustkrebs (eigene Erkrankung, Krebsvorstufen oder familiäre Belastung)
LCIS, ADH.╇ Frauen mit einem lobulären Carcinoma in situ (LCIS)
oder atypischer duktaler Hyperplasie (ADH) haben ein höheres relatives Risiko, Brustkrebs zu entwickeln. Diese Frauen sollten jährlich Kontrollmammographien erhalten. Die meisten Tumoren in der Brust werden von der Frau meist in Form einer Hautvorwölbung, Hauteinziehung (sog. Plateauphänomen) oder durch Tastbefund selbst entdeckt.
Malignitätszeichen.╇ Beim sog. Jackson-Test kommt es zu einer Verstärkung der Einziehung, wenn die Haut über dem Tumor zusammengeschoben wird. Im fortgeschrittenen Stadium kann es zur sog. »peau d’orange« oder zur Retraktion der Mamille kommen. Auch eine blutige Sekretion aus der Mamille ist in ca. 5% der Fälle möglich. Eine chronisch ekzematös veränderte Mamille ist oft Ausdruck des M.€Paget, dem Mamillenkarzinom bzw. der extraduktalen Manifestation eines intraduktalen Malignoms. ! Cave Jedes Mamillenexzem ist bis zum Beweis des Gegenteils hochverdächtig auf einen malignen Prozess.
66
> Der Brustschmerz selbst ist kein Malignitätskriterium, jedoch in ca. 7% der Erstmanifestationen von Brustkrebs das Erstsymptom.
66.3.2 Nichtinvasive Untersuchungstechniken
Mammographie Die Röntgenuntersuchung der Brust erfolgt mit weicher Strahlung (26–30€kV) von cc (kraniokaudal) und mlo (mediolateral) sowie Â�oblique (Schrägaufnahme). Sie dient im Rahmen der Brustkrebsfrüherkennung der Detektion von nicht tastbaren Knoten und der Verlaufsbeurteilung bei fraglichen Befunden und der Tumornachsorge. Ihre Sensitivität beträgt in Abhängigkeit von der Dichte des Brustgewebes 85–90%. Insbesondere beim Vorliegen von Mikrokalk (→€DCIS) hat die Mammographie eine hohe Aussagekraft. Ihre Spezifität bezüglich der Tumorart ist jedoch gering.
Dabei gilt polymorpher, gruppiert liegender Mikrokalk als frühes diagnostisches Kriterium des duktalen Carcinoma in situ (DCIS; Frühkarzinom). In diesem Frühstadium des Tumors sind die Mikroverkalkungen in 80–90% der Fälle oft alleiniger Hinweis für einen malignen Prozess.
Galaktographie Eine Sonderform der Mammographie ist die Galaktographie. Bei Verdacht auf einen malignen Prozess der Brustwarze oder der Milchgänge kann eine Röntgenaufnahme nach intraduktaler Kontrastmittelapplikation durchgeführt werden.
Sonographie Ergänzend zur Tastuntersuchung und Mammographie bietet die obligate Ultraschalluntersuchung wertvolle Zusatzinformationen. Indikationen.╇ Die Sonographie wird insbesondere bei röntgendichter Brust, einem mammographischen Rundherd sowie bei einem positiven Tastbefund ohne Mammographienachweis durchgeführt. Insbesondere bei jungen Frauen, die durch ihre vergleichsweise drüsen- und bindegewebsreiche Brust eine mammographisch schwer zu beurteilende Brust haben, oder bei Frauen mit kleinen Brüsten besitzt die Sonographie eine hohe diagnostische Aussagekraft. Zudem lassen sich Zysten von knotigen Veränderungen gut differenzieren. Auch das seltene intrazystische Karzinom kann durch die Sonographie gut diagnostiziert werden. Die Sonographie wird ebenfalls oft bei schwangeren Frauen angewandt, um eine Strahlenbelastung zu vermeiden. Mikrokalk hingegen lässt sich im Gegensatz zur Mammographie bei der Sonographie nur schwer nachweisen. Bei palpablen oberflächlichen Tumoren hat die Sonographie sogar eine Sensitivität von 90–98% und ist damit der Mammographie überlegen. Bei nicht palpablen Tumoren ist es umgekehrt. Doppler-Sonographie.╇ Als spezielle Methode kann die DopplerSonographie eine gesteigerte Durchblutung als Hinweis auf einen bösartigen Tumor anzeigen.
617
66.3 · Diagnostik
Wertigkeit.╇ Als alleinige Untersuchungsmethode hat die Ultra-
schalluntersuchung allerdings nicht die Aussagekraft der Mammographie, ergänzt diese aber.
Kernspintomographie (Magnetresonanz tomographie, MRT) Dieses Verfahren gehört nicht zu den Routineuntersuchungen bei der Brustkrebserkennung. Ausnahmen stellen Frauen mit einem stark erhöhten Krebsrisiko dar, sodass das Früherkennungsprogramm oft schon mit 25 oder 30€Jahren beginnen muss. Indikationen.╇ Die Kernspintomographie wird u.€a. empfohlen nach
Operationen oder Bestrahlungen zur Unterscheidung von Narbenund Tumorgewebe. Sie dient zur Kontrolle nach Tumorektomie und Radiatio 1€Jahr nach Ende der Bestrahlung und nach prothetischer Brustrekonstruktion. Sie ist indiziert nach Brustaugmentation mit Silikonimplantaten oder als weiterführende präoperative Diagnostik bei mammographisch dichtem Gewebe, bei Verdacht auf eine multizentrische Tumorlokalisation oder bei einem kontralateralen Zweittumor. Ebenso lässt sich ein Therapiemonitoring bei neoadjuvanter Chemotherapie zur Differenzierung zwischen Responder und Non-Responder nach dem 2.€Zyklus durchführen. Das MRT besitzt eine niedrige Spezifität, aber eine sehr hohe Sensitivität von 95–97%. 66.3.3 Invasive Untersuchungstechniken
Standards invasiver Diagnostik Bei einem suspekten Befund mit fraglicher Dignität nach MamÂ� mographie, Ultraschall oder Kernspintomographie ergibt sich die Notwendigkeit zur Gewebeprobe. Diese Biopsie gibt nach histopaÂ� thoÂ�logischer Beurteilung Klarheit, ob eine Veränderung gut- oder bösartig ist. Bei Karzinomverdacht muss immer eine histologische Abklärung erfolgen. Vor jedem operativen Eingriff zur Tumorentfernung ist heute seine histologische Befundsicherung mittels minimalinvasiven Methoden wie der Stanzbiopsie zu fordern. Mindestens 5€Probenentnahmen sind dabei obligat. Kann präoperativ die Dignität histologisch nicht festgestellt werden, ist entweder intraoperativ eine Schnellschnittuntersuchung durchzuführen oder zweizeitig vorzugehen.
Feinnadelpunktion/Aspirationszytologie Eine sehr feine Nadel wird mehrfach in die Brust eingestochen und Zellen aspiriert. Die Menge des gewonnen Materials ist gering, und es besteht die Gefahr von falsch-negativen Ergebnissen. Die Feinnadelpunktion wird heutzutage von anderen Methoden wie der Stanzbiopsie verdrängt. Die Methodik hat aber einen Vorteil bei Zysten, die zeitgleich aspiriert werden können.
Stanzbiopsie (Hochgeschwindigkeitsstanzbiopsie) Die Stanzbiopsie ist heute die Standardmethode für eine Gewebsentnahme. Mit einer etwa 1,5€mm dicken Hohlnadel, die mit einem Stanzgerät nach örtlicher Betäubung mit hoher Geschwindigkeit in die Brust »geschossen« wird, kann im Vergleich zur Feinnadelpunktion relativ viel Gewebe entnommen und histopathologisch aufgearbeitet werden. Dabei sind mindestens 5€Stanzzylinder für ein aussagekräftiges Ergebnis obligat.
Vakuumbiopsie Mit dieser Methode können noch größere Gewebeproben als mit der herkömmlichen Stanzbiopsie entnommen werden. Die hier verwendete Kanüle hat im Vergleich zu derjenigen der Stanzbiopsie (12– 14€G) eine Größe von 11€G. In der Regel ist sie unter mammographischer Sicht stereotaktisch geführt. Es werden 10–20 Biopsien gewonnen. Dabei wird Gewebe seitlich in die Hohlnadel gesaugt und mit einem kleinen rotierenden Messer abgetrennt. Je mehr Gewebe entnommen werden kann, desto sicherer ist auch die Diagnose.
Exfoliativzytologie Sie dient der Aufklärung von Epithelveränderungen der Brustwarze und des Warzenhofs, insbesondere bei Diagnostik des M.€Paget der Mamille.
Stereotaktisch geführte Biopsie (ABBI-System) Diese derzeit noch umstrittene minimalinvasive Methode unter mammographischer Sicht dient zur En-bloc-Resektion eines Areals mit suspektem Mikrokalk. Die Kanülen haben zur Gewinnung von großen Gewebeblöcken bzw. zur En-bloc-Resektion einen Durchmesser von bis zu 2€cm.
Exzisionsbiopsie Grundsätzlich werden alle Formen von Exzisionsbiopsien wie bei einer brusterhaltenden operativen Therapie durchgeführt. Die Formen der Exzisionsbiopsie sind: 4 offene Biopsien, 4 diagnostische Exzidate nach präoperativer Lokalisation eines nicht tastbaren Befundes mittels radiologisch gesteuertem Markierungsdraht, 4 Tumorektomien, 4 Lumpektomien, 4 Segmentresektionen eines tastbaren Befundes.
Literatur Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen 2004, am 15.Dezember 2003, Bundesanzeiger Nr. 1 (S. 2) vom 3.€Januar 2004 Brenner H, Stegmaier C, Ziegler H (2005) Verbesserte Langzeitüberlebensraten von Krebspatienten. Die unterschätzten Fortschritte der Onkologie. Dtsch Ärztebl 102: 2628–2633 De Wolf C 1996 European Guiedelines for Quality Assurance in Mammography Screening, 2nd edn. Office for Official Publications of the European Communities, Luxembourg Gøtzsche PC, Nielsen M (2006) Screening for breast cancer with mammography. Cochrane Database Syst Rev (4): CD001877 Hölzel D, Klamert DA, Schmidt M 1996 Krebs – Häufigkeiten, Befunde und Behandlungsergebnisse – Perspektiven für die Krebsdiskussion und eine quantitative klinisch-epidemiologische Onkologie. Tumorregister München Smith R et al. (2003) American Cancer Society guidelines for breast cancer screening, Update 2003. CA Cancer J Clin 53: 141–169 Stufe-3-Leitlinie, Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland, 1. Aktualisierung 2008 WHO (World Health Organisation) 2002 Pressemitteilung der International Agency for Research on Cancer (IARC) am 19.03.2002
66
67
Benigne Tumoren der Brust A. Heckmann
67.1
Normalbefund und benigne Läsionenâ•… – 620
67.2
Benigne epitheliale Läsionenâ•… – 620
67.3
Benigne papilläre Läsion (Papillom)â•… – 620
67.3.1
Intraduktales Papillomâ•… – 621
67.4
Myoepitheliale Läsionenâ•… – 621
67.4.1
Myoepithelioseâ•… – 621
67.5
Fibroepitheliale Läsionenâ•… – 621
67.5.1 67.5.2
Fibroadenomâ•… – 621 Phylloidestumor (Cystosarcoma phylloides)â•… – 621
67.6
Intraduktale proliferative Läsionenâ•… – 621
67.6.1 67.6.2 67.6.3 67.6.4
Gewöhnliche duktale Hyperplasieâ•… – 621 Flache epitheliale Atypie (FEA)â•… – 621 Kolumnarzellhyperplasien mit architekturellen Atypienâ•… – 621 Atypische duktale Hyperplasie, ADH (auch atypische intraduktale Hyperplasie, AIDH) â•… – 621
67.7
Lobuläre Neoplasie (lobuläres Carcinoma in situ, atypische lobuläre Hyperplasie)â•… – 621
67.8
Sonstige Läsionen der Mammaâ•… – 622
67.8.1 67.8.2
Lipom â•… – 622 Mastopathie (Mammadysplasie, Mastopathia cystica fibrosa, engl. »cystic disease«)â•… – 622 Periduktale Mastitis (Duktektasie, Plasmazellmastitis)â•… – 622 Solitärzystenâ•… – 622
67.8.3 67.8.4
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
620
Kapitel 67 · Benigne Tumoren der Brust
Die Nomenklatur und Gruppierung der gutartigen Mammaläsionen orientieren sich an der WHO-Klassifikation der Tumoren der Mamma (WHO 2003) und ergänzend an den »Europäischen Leitlinien für die Qualitätssicherung der Pathologie beim Mammographiescreening« (Amendoeira 2006). Gutartige Tumoren zeichnen sich in der Regel durch ein langsames und verdrängendes Wachstum aus. Der Tumor ist zum umgebenden Gewebe durch z.€B. eine Kapsel oder Pseudokapsel gut abÂ� gegrenzt. Das Tumorgewebe ist homolog und gut differenziert mit wenigen oder keinen Zellveränderungen. Es werden keine Metastasen entwickelt, und es entstehen selten Rezidive. 67.1
Normalbefund und benigne Läsionen
Normalgewebe zeigt altersabhängig Veränderungen wie z.€B. eine
Fibrose oder lobuläre Involution, eine mikroskopische Dilatation der Azini und Gänge sowie eine geringe mikrozystische Adenose. Die fibrös-zystische Mastopathie ist gekennzeichnet durch Veränderungen, die mit einer ausgeprägten, makroskopisch sichtbaren Zystenbildung, apokriner Metaplasie und Fibrose einhergehen. Hiervon kann die solitäre Zyste abgegrenzt werden, die in der Regel einen Durchmesser >1€cm besitzt und von einem flachen oder apokrinen Epithel ausgekleidet wird. Die häufig plasmazellreiche, chronische Entzündungsreaktion der periduktalen Mastitis (Duktektasie, Plasmazellmastitis) betrifft in der Regel subareolär gelagerte mittelgroße und größere Gänge. Sie kann mit einer ausgeprägten periduktalen Fibrose und KalzifikaÂ� tionen einhergehen. 67.2
Benigne epitheliale Läsionen
Zu der Gruppe der benignen epithelialen Läsionen werden die in der .€Übersicht gelisteten Veränderungen des Brustgewebes gezählt.
Benigne epitheliale Läsionen 4 4 4 4 4 4 4
Duktale Hyperplasie Sklerosierende Adenose Apokrine Adenose Mikroglanduläre Adenose Duktales Adenom Radiäre Narbe Komplexe sklerosierende Läsion
Die Diagnose einer radiären Narbe oder komplexen sklerosierenden Läsion in der Stanz- und Vakuumbiopsie bedeutet in der Regel eine Einstufung in die B3-Kategorie (Amendoeira 2006) und daher eine Indikation für eine operative Exzision (.€Tab.€67.1). Davon ausgenommen sind kleine radiäre Narben, die in einer Vakuumbiopsie vollständig erfasst sind und einen histologischen Zufallsbefund (ohne mammographisches Korrelat) darstellen. Grund für die Zuordnung der B3-Kategorie ist, dass in der Peripherie mammographisch entdeckter radiärer Narben und komplexer sklerosierender Läsionen relativ häufig atypische duktale Hyperplasien und Karzinome (in situ und invasiv) nachweisbar sind (WHO 2003). In 4–32% der Exzidate nach stanzbioptischer Diagnose einer radiären Narbe liegt ein duktales Carcinoma in situ (DCIS) oder invasives Karzinom vor, insbesondere dann, wenn in der Stanzbiopsie bereits eine atypische duktale Hyperplasie (ADH) registriert wurde. 67.3
Benigne papilläre Läsion (Papillom)
Es zeigt sich ein baumartiges fibrovaskuläres Stroma mit luminalem Drüsenepithel, mit basalem Myothel, häufig mit duktaler Hyperplasie kombiniert. Die solitäre Form kommt überwiegend zentral in subareolären Gängen vor (zentrales Papillom). Multiple Läsionen
. Tab. 67.1╇ B-Klassifikation bei Mammastanzbiopsien (NHSBSP€50)
Klassifikation
B1
B2
B3
B4
B5
Normal
Gutartig
Gutartig, aber mit erhöhtem Risiko für Malignom oder häufiger Assoziation mit Malignom
Suspekt
Maligne
Definition
Normales oder nicht interpretierbares Gewebe 4 Benignes Parenchym mit/ohne minimale Veränderungen 4 Artefakte, ausgedehnte Blutungen
Benigne Läsionen 4 Fibrozystische Veränderungen 4 Fibroadenome 4 Sklerosierende Adenose 4 Gangektasie, Abszess, FettÂ� gewebsnekrose 4 Zylinderzellmetaund -hyperplasien ohne Atypie 4 Kleine intradukÂ� tale Papillome
Läsionen unsicheren Malignitätspotenzials 4 Größere/multiple papilläre Läsionen mit/ohne Atypien 4 Radiäre Narbe, komplexe sklerosierende Läsion 4 Lobuläre intraepitheliale Neoplasie (LIN) 4 ADH 4 Phylloider Tumor; ggf. unklarer fibroepithelialer Tumor 4 Zylinderzellmeta- und hyperplasien mit Atypie
Verdacht auf Malignität
Maligne Läsionen a) Duktales Carcinoma in situ (DCIS) 4 LIN (CLIS) vom pleomorphen Subtyp G3 4 LIN mit Komedonekrosen b) Invasives Karzinom c) Invasionsstatus nicht beurteilbar d) Anderer maligner Tumor (z.€B. Lymphom, Metastase)
Thrapie� empfehlung
Weitere Diagnostik erforderlich, falls Diskrepanz mit Radiologie
Keine weitere Diagnos� tik, wenn im Einklang mit Klinik und Radiologie
In der Regel weitere diagnostische Biopsie nötig – präoperatives, multidisziplinäres Konsilium! Keine sofortige Therapie erlaubt
Weitere diagnostische Biopsie erforderlich Keine Therapie erlaubt
Therapie erforderlich
67
621
67.7 · Lobuläre Neoplasie (lobuläres Carcinoma in situ, atypische lobuläre Hyperplasie)
finden sich eher in peripheren terminalen duktulolobulären Einheiten (peripheres Papillom). Sie sind z.€T. assoziiert mit der atypischen Hyperplasie, dem duktalen Carcinoma in situ (DCIS) oder einem invasiven Karzinom. Die Diagnose eines atypischen Papilloms nach WHO erfordert eine fokale intraduktale Epithelproliferation, die einer atypischen duktalen Hyperplasie (ADH) oder einem kleinen Low-grade-DCIS entspricht; d.€h. die fokale atypische Proliferation uniformer Zellen mit Low-grade-Kernen (WHO 2003). Atypische apokrine Proliferationen können vernachlässigt werden, es sei denn, sie sind sehr ausgedehnt, dominant oder hochgradig atypisch (Putti et al. 2005). 67.3.1 Intraduktales Papillom Hierbei handelt es sich um Papillome des Milchgangepithels, die einzeln oder multipel (Papillomatose) auftreten können. Klinische Symptome sind häufig serös-blutig sezernierende Mamillen. Histologisch besteht der Tumor aus Drüsenepithel und Myoepithel und wächst bäumchenartig im Milchgang. Die Papillomatose hat im Vergleich zum solitären Papillom ein erhöhtes Malignomrisiko. 67.4
Myoepitheliale Läsionen
67.4.1 Myoepitheliose In der Regel sind Adenomyoepitheliome benigne. Sie besitzen aber ein geringes malignes Potenzial, weshalb sie in der Stanz-/Vakuumbiopsie als B3 eingestuft werden und eine vollständige Exzision empfohlen wird. Deutlich seltener sind die malignen Formen (maligne Adenomyoepitheliome), bei denen die epitheliale und/oder myoepitheliale Komponente entartet sein kann. 67.5
Fibroepitheliale Läsionen
67.5.1 Fibroadenom
67.6
Intraduktale proliferative Läsionen
In der aktualisierten WHO-Klassifikation (WHO 2003) werden in dieser Gruppe verschiedene intraduktale Proliferationen zusammengefasst, die einen gemeinsamen Ausgangsort haben: die terminale duktulolobuläre Einheit (TDLU). Sie sind, allerdings in deutlich unterschiedlichem Ausmaß, mit einem erhöhten Risiko€für die Entwicklung eines invasiven Mammakarzinoms verÂ�bunden. 67.6.1 Gewöhnliche duktale Hyperplasie Diese weist nur ein sehr gering erhöhtes Risiko (1,5-fach) für die Entwicklung eines Mammakarzinoms auf. 67.6.2 Flache epitheliale Atypie (FEA) Unklar ist derzeit die biologische Signifikanz und damit die klinische Bedeutung der FEA. Einerseits finden sich in der Nachbarschaft einer FEA gehäuft lobuläre Neoplasien, ADH, Low-grade-DCIS oder gut differenzierte invasive Karzinome. Andererseits zeigt die derÂ� zeitige Studienlage nur ein sehr geringes Progressionsrisiko (Pinder et al. 2007; Schnitt 2003). 67.6.3 Kolumnarzellhyperplasien
mit architekturellen Atypien
Diese zeigen im Gegensatz zur FEA Mikropapillen und Brücken mit gering zytologischen Atypien. Diese Veränderungen werden mittlerweile in Abhängigkeit von der Art und Ausdehnung der zytologischen und strukturellen Atypien als ADH oder Low-grade-DCIS klassifiziert (Pinder et al. 2007). 67.6.4 Atypische duktale Hyperplasie, ADH (auch
atypische intraduktale Hyperplasie, AIDH)
Das Fibroadenom ist als Mischtumor aus epithelialen und mesenchymalen Lobulusanteilen. Es ist der häufigste benigne Mammatumor und tritt bei fast jeder 3.€Frau auf. Der Häufigkeitsgipfel liegt im 3.€Lebensjahrzehnt. Prämenstruell kommt es im Bereich der Tumorlokalisation häufig zu starken Schmerzen in der Brust. Eine maligne Entartungsgefahr besteht nicht. Der Tumor ist gut begrenzt, rund bis oval und manchmal knollig. Bei nicht eindeutiger Diagnostik und bei schnell wachsenden Adenomen erfolgt meist eine operative Entfernung, um kein Karzinom zu übersehen. Es besteht die Möglichkeit einer Assoziation mit anderen proliferierenden Läsionen oder In-situ-Karzinomen.
Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen einer ADH und einem Low-grade-DCIS schwierig sein. Nichtsdestotrotz bleibt die Notwendigkeit der diagnostischen Abgrenzung zwischen ADH und DCIS wegen der klinischen Konsequenzen bestehen. Die ADH geht mit einem moderaten Risiko für die Entwicklung eines invasiven Karzinoms einher (WHO 2003). Das relative Risiko nach Diagnose einer ADH ist bilateral jeweils in der gesamten Brustdrüse um den Faktor 4–5 für die nächsten 10–15 Jahre erhöht (O’Malley u. Pinder 2006; WHO 2003). Bei der Diagnose ADH ist das Vorgehen der Wahl die regelmäßige mammographische Kontrolle. Eine Indikation zu einer weiteren Operation besteht nicht.
67.5.2 Phylloidestumor (Cystosarcoma
67.7
Eine Sonderform stellt das Cystosarcoma phylloides dar. Durch ein überschießendes Wachstum des Mesenchyms kommt es zur Ausbildung von zungenartigen Ausläufern, die u.€U. bis in die Haut der Brust einwachsen können.
Nach WHO (2003) werden unter der Bezeichnung lobuläre Neoplasie (LN) alle Veränderungen im Sinne einer atypischen lobulären Hyperplasie (ALH) (4-fach erhöhtes Karzinomrisiko) und eines lobulären Carcinoma in situ (LCIS) zusammengefasst. Die LN wird als eine Indikatorläsion für ein erhöhtes Karzinomrisiko angesehen. Das relative Risiko einer Patientin ist nach der Diagnose einer LN bilateral um den Faktor 6,9–12 erhöht.
phylloides)
Lobuläre Neoplasie (lobuläres Carcinoma in situ, atypische lobuläre Hyperplasie)
67
622
Kapitel 67 · Benigne Tumoren der Brust
Das LCIS wird nur selten von Kalzifikationen begleitet und ist oft ein Zufallsbefund nach Brustdrüsengewebeentnahmen. Die Inzidenz des LCIS ist nicht genau bekannt, wird aber in der Literatur mit 0,6–3,9% angegeben. Isoliert auftretend repräsentiert es bis zu 6% aller Mammakarzinome und bis zu 50% der diagnostizierten nichtinvasiven Karzinome. Das Wachstum ist in 46–85% multizentrisch und in 30–67% bilateral. Retrospektive Studien zeigen eine Entwicklung von invasiven Karzinomen nach LCIS ipsilateral in 14–23% und bilateral in 9,19% der Fälle. Dabei handelt es sich jeweils in 60% um invasiv duktale Karzinome. Der Anteil der prognostisch ungünstigen invasiv lobulären Karzinome ist mit 25% gegenüber der Allgemeinbevölkerung mit 8% erhöht. Das LCIS wird in die Gruppe der Präkanzerosen eingegliedert, die aber im Vergleich zum DCIS günstiger und weist eine Latenzzeit zum Übergang in ein invasiv lobuläres Karzinom von bis zu 25€Jahren (beim DCIS ca. 10€Jahre) auf. Beim LCIS wird derzeit eine Indikation zur Mastektomie nicht mehr zwingend gesehen. Ein Grading der LN wird laut WHO nicht generell empfohlen (WHO 2003).
Palpatorisch zeigen sich bei der klinischen Untersuchung diffuse Verhärtungen oder gar Knoten in den Brüsten. Die Brüste schwellen prämenstruell häufig an, und begleitend treten Spannungsgefühle und Mastodynien auf. In ca. 2/3 der Fälle wird die Mastopathie durch mammographisch sichtbare Mikrokalzifikationen begleitet. Mammographie, Mammasonographie und ggf. Probeexzisionen gehören zur Diagnostik und Verlaufskontrolle bei bestehender Mastopathie. Insbesondere bei der drittgradigen Mastopathie ist eine engmaschige Kontrolle indiziert. Gegebenenfalls ist hier bei zusätzlichen Risikofaktoren wie positiver familiärer Anamnese eine subkutane Mastektomie mit ggf. anschließender Rekonstruktion notwendig.
67.8
67.8.4 Solitärzysten
Sonstige Läsionen der Mamma
67.8.1 Lipom Es kommt in jeder Altersklasse der Frau vor und ist ein gutartiger, gut abgegrenzter umkapselter und verschieblicher Tumor des Fettgewebes der Mamma. Eine Entartungsgefahr besteht nicht. 67.8.2 Mastopathie (Mammadysplasie, Mastopa-
thia cystica fibrosa, engl. »cystic disease«)
Die Mastopathie bezeichnet eine Reihe proliferativer oder regressiver Veränderungen des Brustdrüsenparenchyms. Obwohl ursächlich vieles für ein Hormonungleichgewicht zugunsten des Östrogens spricht, ist die Ätiologie ungeklärt. Sie hat ihren Gipfel in der 5.€Lebensdekade und betrifft mehr als 50% aller sektionierten Frauen. Multipara und Frauen, die gestillt haben, haben eine verringerte Erkrankungsrate. Prechtel (1991) hat die Mastopathie in 3€Grade mit unterschiedlichem Entartungsrisiko unterteilt (.€Tab.€67.2).
67
. Tab. 67.2╇ Einteilung der Mastopathie. (Nach Prechtel 1991)
Grad
Parenchymveränderungen
Malignomrisiko Ohne erhöhtes MalignomÂ� risiko
I
Mastopathie ohne Epithel� proliferationen (ca. 70% aller Mastopathien)
Gering (1- bis 3-fach) erhöhtes Malignomrisiko
II
Mastopathie mit Epithelpro� liferationen ohne Atypien (ca. 20% aller Mastopathien)
IIIa
Mastopathie mit Epithelpro� liferationen und Atypien
3- bis 4-fach erhöhtes Malignomrisiko
a
Grad III wird von einigen Autoren auch als Präkanzerose beÂ� schrieben!
67.8.3 Periduktale Mastitis (Duktektasie,
Plasmazellmastitis)
Die Erkrankung zeigt häufig eine plasmazellreiche, chronische, teils histiozytenreiche Entzündungsreaktion in der Umgebung der Gänge, histiologisch mit granulomatösem Aspekt. Kalzifikationen und eine ausgeprägte Fibrose des Drüsenkörpers sind möglich.
Solitärzysten bestehen häufig aus einzeln auftretenden Flüssigkeitsansammlungen in den Ausführungsgängen mit schnellem Wachstum. Bei möglicher Palpation spürt man prall-elastische, gut abgrenzbare Raumforderungen in der Brust. Sie lassen sich sonographisch gesteuert gut punktieren. Das Aspirat kann anschließend histopathologisch aufgearbeitet werden.
Literatur Amendoeira I (2006) Quality assurance guidelines for pathology: Open biopsy and resection specimens. In: Perry NM, editor. European guidelines for quality assurance in breast cancer screening and diagnosis. Office for Official Publications of the European Communities 256–311 Carlson RW, Anderson BO, Burstein HJ (2006) a NCCN Breast Cancer Clinical Practice Guidelines in Oncology. Version ed. USA: National Comprehensive Cancer Network NHSBSP€50 (2001) Guidelines for non-operative diagnostic procedures and reporting in breast cancer screening. Juni 2001, ISBN€1871997445 O’Malley BA, Pinder SE (2006) Breast pathology. Churchill Livingstone Elsevier, Philadelphia Pinder SE, Provenzano E, Reis-Filho JS (2007) Lobular in situ neoplasia and columnar cell lesions: diagnosis in breast core biopsies and implications for management. Pathology 39 (2): 208–216 Prechtel K (1991) Mastopathy. Histological forms and long-term observations. Zentralbl Pathol 137 (3): 210–219 Putti TC., Pinder SE, Elston CW, Lee AH, Ellis IO (2005) Breast pathology practice: most common problems in a consultation service. Histopathology 47 (5): 445–457 Sakorafas GH (2001) Breast cancer surgery – historical evolution, current Â� status and future perspectives. Acta Oncologica 40, 5–18 Schnitt SJ (2003) The diagnosis and management of pre-invasive breast Â�disease: flat epithelial atypia—classification, pathologic features and clinical significance. Breast Cancer Res 5 (5): 263–268 Silverstein MJ (2003) The University of Southern California/Van Nuys prognostic index for ductal carcinoma in situ of the breast. Am J Surg 186 (4): 337–343 Silverstein MJ, Poller DN, Waisman JR, Colburn WJ, Barth A, Gierson ED, Lewinsky B, Gamagami P, Slamon DJ (1995) Prognostic classification of breast ductal carcinoma-in-situ. Lancet 345 (8958): 1154–1157 Tavassoli FA (2000) Pathology of the breast, 2nd edn. Appleton & Lange, Stanford CT WHO (2003) WHO/IARC World cancer Report, Lyon
68
Maligne Tumoren der Brust A. Heckmann, K.H. Breuing, P.M. Vogt, A. Gohritz
68.1
Mammakarzinomâ•… – 625 A. Heckmann, K.H. Breuing
68.1.1 68.1.2
Epidemiologieâ•… – 625 Ätiologieâ•… – 625
68.2
Duktales Carcinoma in situ (DCIS; intraduktales Karzinom)â•… – 626 A. Heckmann, K.H. Breuing
68.3
Klassifikationâ•… – 627 A. Heckmann, K.H. Breuing
68.3.1 68.3.2
Invasive Karzinomeâ•… – 627 Inflammatorisches Karzinomâ•… – 629
68.4
Staging und Therapiestandâ•… – 630 A. Heckmann, K.H. Breuing
68.4.1
Differenzialindikationâ•… – 632
68.5
Therapeutisches Vorgehen beim invasiven Karzinomâ•… – 632 A. Heckmann, K.H. Breuing
68.5.1 68.5.2 68.5.3
Therapiezieleâ•… – 632 Operative Therapieâ•… – 632 Systemische Therapie des MammaÂ�karzinomsâ•… – 633
68.6
Operationstechnik der Brustrekonstruktion â•… – 634 T. Bund, A. Gohritz
68.6.1 68.6.2 68.6.3 68.6.4 68.6.5 68.6.6
Therapieziele â•… – 634 Wahl des Operationsverfahrensâ•… – 634 Operationszeitpunktâ•… – 634 Implantatrekonstruktionâ•… – 635 Eigengewebe zur Rekonstruktionâ•… – 636 Alternative Lappenplastiken zur Eigengeweberekonstruktionâ•… – 643
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
68.7
Wiederherstellung des Mamillen-Areola-Komplexes (MAK)â•… – 643 A. Gohritz, K.H. Breuing
68.7.1 68.7.2 68.7.3 68.7.4 68.7.5
Indikationsstellung â•… – 643 Planungâ•… – 643 Rekonstruktion der Mamilleâ•… – 644 Rekonstruktion der Areolaâ•… – 645 Komplikationenâ•… – 645
625
68.1 · Mammakarzinom
Die Versorgung von Patientinnen mit Mammakarzinom kann aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität dieser Erkrankung nicht von einzelnen Disziplinen allein, sondern nur in interdisziplinärer Kooperation von Gynäkologen, Radiologen, Onkologen, Strahlentherapeuten und Plastischen Chirurgen erfolgreich durchgeführt werden. Diese findet am besten in einem qualitätskontrollierten Brustzentrum statt, das als Kompetenzzentrum für alle Erkrankungen der Brust, insbesondere das Mammakarzinom, fungiert. Erst die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden interdisziplinären Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten verspricht den größtmöglichen Erfolg. Adjuvante Chemo- und Strahlentherapien dienen zur Remission des ggf. noch zu resezierenden Tumors. Neoadjuvante Chemo- und Strahlentherapien werden insbesondere bei Metastasierung und in der palliativen Therapie verwandt. Antiöstrogene Therapien (z.€B. Tamoxifen) gehören zum Behandlungsschema bei hormonrezoptorsensiblen Tumorformen und Antikörperpräparate (z.€B. Trastuzumab) und sind etabliert in der adjuvanten Therapie von HER-2/neuOnkogen-überexprimierenden Tumoren. Die chirurgische Therapie gliedert sich in 4 die brusterhaltende Tumorexzision, 4 die Ablation, 4 die palliative Tumorresektion und 4 die Rekonstruktion der Brust und Thoraxwand. Die Rekonstruktion ist vielgestaltig und besteht z.€B. bei brusterÂ� haltenden Tumorexzisionen aus lokalen Gewebeplastiken und Silikonimplantateinlagen zur Wiederherstellung der Brustform. Bei AblaÂ�tionen (Ablatio mammae, periareoläre »skin sparing« Mastektomie) können sowohl einfache Rekonstruktionen mit subpektoraler Implantateinlage (definitiv oder Expander) als auch aufwendigere Verfahren gewählt werden. Es stehen Möglichkeiten mit gestielten myokutanen Lappenplastiken (M.-latissimus-dorsi-Lappen mit und ohne Silikonimplantat, gestielter »muscle sparing transversus rectus abdominis muscle flap«, TRAM-Lappen) und freie fasÂ� ziokutane sog. Perforatorlappen (DIEP-Lappen, »deep inferior epicastria perforator flap«) ein- oder zweizeitig zur Verfügung. Gerade die Rekonstruktion mit frei transplantiertem körpereigenem Hautfettgewebe repräsentiert einen hohen Standard bei der Brustwiederherstellung mit geringen Langzeitkomplikationen. 68.1
Mammakarzinom
A. Heckmann, K.H. Breuing
Das Mammakarzinom ist ein maligner Tumor, der vom Epithel der Drüsenläppchen oder der Milchgänge ausgeht. 68.1.1 Epidemiologie Das Mammakarzinom ist weltweit der häufigste bösartige Tumor der Frau mit etwa 1€Mio. Neuerkrankungen pro Jahr. In Deutschland treten jährlich ca. 60.000 Neuerkrankungen bei Frauen und 400 bei Männern auf, und es erkrankt etwa jede 8.–10. Frau im Laufe ihres Lebens an einem Mammakarzinom (Schulz et al. 2002). Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 62€Jahren. Die Wahrscheinlichkeit, an einem Mammakarzinom zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter auf 12%. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes starben in Deutschland 2005 knapp 17.500 Frauen an Brustkrebs. 1998 war jede 4.€weibliche Tumorneuerkrankung ein Mammakarzinom in
. Tab. 68.1╇ Mammakarzinom, Neuerkrankungen pro Jahr in Bezug zum Erkrankungsalter in Deutschland
Erkrankungsalter (Jahre)
Anzahl
70
ca. 10 von 100
Deutschland. Das bedeutet jährlich ca. 110 Neuerkrankte und 41€Todesfälle pro 100.000 Frauen (Statistisches Bundesamt 2007). Insbesondere in der Altersgruppe der 35- bis 60-Jährigen ist das Mammakarzinom die häufigste tödliche Tumorerkrankung der westlichen Welt (.€Tab.€68.1). Insgesamt ist die Mortalität in den letzten Jahren um 25% gesunken, weil mit stetig verbesserter Diagnostik und gezielter Therapie das Behandlungskonzept ausgereifter geworden ist und zu besseren Überlebensprognosen führt. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt im Schnitt 76%, die 10-Jahres-Überlebensrate 60%. 68.1.2 Ätiologie Die Ätiologie des Mammakarzinoms ist unbekannt, es werden endogene und exogene Einflüsse für seine Entstehung diskutiert. Risikofaktoren zeigt .€Tab.€68.2.
BRCA-Gen/Breast Cancer Gene Mit dem BRCA1-Gen (»breast cancer gene«) auf Chromosom 17q und dem BRCA2-Gen auf Chromosom 13q sind zwei Tumorsuppressorgene bekannt. Eine Mutation führt zu einem um 55–80% erhöhten Risiko, an Brustkrebs zu erkranken und zu einem um 15–65% erhöhten Risiko für ein Ovarialkarzinom. Bei positiver Familienanamnese kann in 80% der Fälle eine Mutation dieser Suppressorgene festgestellt werden. Mutationsträgerinnen haben zudem ein erhöhtes Risiko von 35–60%, innerhalb von 10€Jahren ein kontralaterales Mammakarzinom zu entwickeln (Metcalfe et al. 2005; Robson et al. 2005). Die Therapie des BRCA-assoziierten Karzinoms richtet sich nach der Leitlinie zur Behandlung des sporadischen Karzinoms. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass die prophylaktische bilaterale Mastektomie bei gesunden Frauen die Inzidenz und Mortalitat BRCA-assoziierter Mammakarzinome reduziert (Hartmann et al. 2001; Lostumbo et al. 2004; Meijers-Heijboer et al. 2001; Rebbeck et al. 2004). Für bereits erkrankte Frauen liegen jedoch derzeit nur unzureichende Daten vor. Während die bilaterale Mastektomie die Inzidenz für ein Zweitkarzinom der Brust reduziert, konnte bisher kein Effekt auf die Gesamtüberlebenszeit belegt werden (Lostumbo et al. 2004; van Sprundel et al. 2005). Eine bilaterale Ovarektomie kann zur Reduktion des Zweitkarzinomrisikos der Brust und der Eierstöcke durchgeführt werden. Ein Überlebensvorteil ist bisher ebenfalls nicht belegt (Metcalfe et al. 2004, 2005). Die genaue Pathogenese des Mammakarzinoms ist unklar, sie erfolgt biphasisch über intraeptheliale nichtinvasiveTumorstadien (CLIS, DCIS), die nach einer gewissen Latenz in eine invasive Form
68
626
Kapitel 68 · Maligne Tumoren der Brust
. Tab. 68.2╇ Mammakarzinom: Risikofaktoren und Risikoerhöhung
Risikofaktoren
Risikoerhöhung
Adipositas, inbesondere postmenopausal
2–3
Mastopathie
ohne Atypien
1–1,5
mit Atypien
2–10
Alkohol (>20€g Ethanol pro Tag)
1,5–2
Kontralaterales Karzinom
>10
Familiäre Häufung, BRCA-Gen positiv
2–€>10
Frühe Menarche und späte Menopause
68.2
Duktales Carcinoma in situ (DCIS; intraduktales Karzinom)
1–2
A. Heckmann, K.H. Breuing
Hohe Östrogenbehandlung in der Menopause
1–3
Erste Para ≥30€Jahre
3
Nullipara
1,5–2,5
Die WHO definiert das DCIS als neoplastische intraduktale Läsion, welche durch eine inhärente, aber nicht unbedingt obligate Tendenz zur Progression zu einem invasiven Karzinom charakterisiert ist (WHO 2003). Aus diesem Grund wird das DCIS in diesem Kapitel über bösartige Tumoren abgehandelt. Das Wachstum ist nichtinvasiv. 85–90% aller Mammatumoren gehen von den Gangepithelien aus und werden bei nichtinvasivem Wachstum als DCIS bezeichnet. Wenn das DCIS mamillennah lokalisiert ist, kann es auf das Epithel der Mamille übergreifen und das Bild des M.€Paget herbeiführen, es kann also die oberflächliche Manifestation eines tiefer im Gangsystem liegenden DCIS sein. In 70–95% treten Mikrokalzifikationen begleitend auf. Ist ein DCIS mit Mikrokalzifikationen in der Mammographie assoziiert, kann anhand der Mammographie das Ausmaß des DCIS meistens präoperativ abgeschätzt werden. Durch den vermehrten Einsatz der Mammographie in der Früherkennung/Screening ist es in den letzten Jahren zu einer Inzidenzsteigerung auf 10–20% aller neu diagnostizierten Karzinome gekommen. Bei unbehandeltem DCIS besteht ein Risiko von 30–50% für die Entwicklung eines invasiv duktalen Karzinoms innerhalb von 10€Jahren. Die Rezidivrate eines DCIS hängt insbesondere von seinem Grading ab. Je höher das Grading, desto höher die Gefahr eines Rezidivs. Eine international einheitliche Klassifikation besteht derzeit nicht. Wegen der klinischen Bedeutung des DCIS sollte stets ein nukleäres Grading und das Vorhandensein von Komedonekrosen zur Beurteilung des Tumor-Gradings herangezogen werden. Dies berücksichtigt die Van Nuys-Klassifikation (Silverstein et al. 1995; .€Tab.€68.4, 68.5). Alternativ gab die WHO 2003 eine eigene Klassifikation bekannt (.€Tab.€68.5). Bei kleinen Low-grade- bzw. Nonhigh-grade-DCIS ist eine Abgrenzung gegenüber der ADH (atypische duktale Hyperplasie) notwendig. Der Van-Nuys-Prognostik-Index (USC/VNPI; Silverstein 2003) ist eine weitere Hilfe bei der Einschätzung der durchzuführenden operativen Therapie bei In-situ-Karzinomen. Je höher der VNPIScore ist, desto höher ist das Rezidivrisiko und umso radikaler sollte operiert werden (.€Tab.€68.6). Der Van-Nuys-Prognostik-Index spiegelt das Ergebnis einer Multivarianzanalyse von 706 Patienten mit DCIS, die brusterhaltend behandelt worden waren, wider. Das rezidivfreie Überleben betrug nach 10€Jahren 97% (USC/VNPI 4–6), 73% (USC/VNPI 7–9) und 34% (USC/VNPI 10–12). Patientinnen mit USC/VNPI-Scores von 7–9 zeigten im Gegensatz zu USC/VNPI-Scores von 4–6 eine signifikante Verbesserung des rezidivfreien Überlebens nach Radiatio um 12–15% (p10
1–9
60
40–60
Bei der Tumorexzision sollte der Resektionsrand mindes� tens 5€mm betragen, damit keine Nachresektion erfolgen muss.
Schlecht differenzierte DCIS haben eine Rezidivwahrscheinlichkeit von bis zu 47,6%. Hier kann das Risiko durch eine postoperative Radiatio auf 11–20% reduziert werden. > Eine Axilladissektion bzw. ein Sentinel-LK ist in der Regel beim DCIS nicht erforderlich, ausgenommen bei multizentrischem Wachstum oder Tumoren, die größer als 2,5€cm sind. Hier sollte immer eine Sentinel-Lymphknotenbiopsie durchgeführt werden.
Das Wachstum des DCIS ist in >90% unizentrisch. Das Wachstumsmuster zeigt sich bei 50% der Fälle als multifokal und diskontinuierlich. Es besteht eine enge Korrelation zwischen Tumorgröße und Rezidivrate sowie der Gefahr der Mikroinvasion des DCIS. Rezidive werden vermehrt im gleichen Quadranten, aber auch zu 1/3 der Fälle in den primär nicht befallenen Quadranten beobachtet. Eine mögliche Erklärung hierfür wäre vermutlich das diskontinuierliche Wachstum. Die Häufigkeit eines kontralateralen Zweitkarzinoms beträgt 10–15% und ist geringer als beim Carcinoma lobulare in situ. Mit der Anzahl der in der .€Übersicht genannten Faktoren steigt die Gefahr eines Rezidivs, das auch invasiv sein kann.
Hohes nukleäres Grading Komedonekrosen Sicherheitsabstand zum Resektionsrand 2,5€cm Multizentrizität
In Ergänzung zu den oben genannten pathomorphologischen Faktoren wird beim DCIS die Bestimmung des HormonrezepÂ� torstatus empfohlen (Amendoeira 2006a,€b; Carlson et al. 2006). Dabei orientieren sich die Auswertung und Interpretation der Â�Immunhistochemie an den Vorgaben für das invasive MammaÂ� karzinom. > Eine Mastektomie sollte immer dann durchgeführt werden, wenn das DCIS multizentrisch wächst, größer als 4€cm ist oder auch mit mehreren Nachresektionen nicht im Gesunden entfernt werden kann (Sakorafas 2001).
Zudem liegen die Mortalitätsraten der In-situ-Erkrankung nach Mastektomie zwischen 0 und 3,7%, wodurch die Erkrankung als potenziell heilbar zu beurteilen ist. 68.3
Klassifikation
A. Heckmann, K.H. Breuing
68.3.1 Invasive Karzinome Bei allen invasiven Mammakarzinomen ist eine histologische Typisierung entsprechend der aktuellen WHO-Klassifikation durchzuführen (WHO 2003; .€Tab.€68.7). Dies sollte bereits im Rahmen der präoperativen Diagnostik am Stanz- bzw. Vakuumbiopsiematerial erfolgen. In Kombination mit der Bildgebung dient dies der weiteren Therapieplanung. Die histopathologische Aufarbeitung nach operativer Tumorentfernung und die Bestimmung des Hormonrezeptorstatus stellen die endgültige Diagnose. 85–95% aller Mammakarzinome sind invasive Karzinome. Alle invasiven Karzinome werden histologisch klassifiziert. Die histologische Typisierung invasiver Karzinome hat nachweislich prognostischen Wert. Bei Vorhandensein mehrerer phänotypischer Tumorkomponenten wird hier der prädominierende Anteil diagnostisch in den Vordergrund gestellt.
68
628
Kapitel 68 · Maligne Tumoren der Brust
. Tab. 68.7╇ WHO-Klassifikation der invasiven Mammakarzinome. (Nach WHO 2003) Invasives duktales Karzinom, »not otherwise specified« (NOS)
4 Gemischter Typ 4 Pleomorphes Karzinom 4 Karzinom mit osteoklastenartigen Riesenzellen 4 Karzinom mit chorionkarzinomartigen Merkmalen 4 Karzinom mit melanotischen Merkmalen
Invasives lobuläres Karzinom Tubuläres Karzinom Invasives kribriformes Karzinom Medulläres Karzinom Muzinöses Karzinom und andere muzinreiche Tumoren
4 Muzinöses Karzinom 4 Zystadenokarzinom und zylinderÂ� zelliges muzinöses Karzinom 4 Siegelringzellkarzinom
Neuroendokrine Tumoren
4 4 4 4
Solides neuroendokrines Karzinom Atypischer Karzinoidtumor Kleinzelliges Karzinom Großzelliges neuroendokrines Karzinom
Invasives papilläres Karzinom Invasives mikropapilläres Karzinom Apokrines Karzinom Metaplastische Karzinome
Lipidreiches Karzinom Sekretorisches Karzinom Onkozytäres Karzinom
68
Adenoidzystisches Karzinom Azinuszellkarzinom Glykogenreiches Klarzellkarzinom Sebazeöses Karzinom Inflammatorisches Karzinom
4 Rein epitheliale metaplastische Karzinome 4 Plattenepithelkarzinom 4 Adenokarzinom mit SpindelzellÂ� metaplasie 4 Adenosquamöses Karzinom 4 Mukoepidermoides Karzinom 4 Gemisches epithelial-/mesenchymales metaplastisches Karzinom
Unter den invasiven Karzinomen stellt das invasiv duktale Karzinom (ca. 70–80%) den häufigsten Typ dar, gefolgt von dem invasiven lobulären Karzinom (ca. 10%), dem medullären, tubulären und invasiven kribriformen Karzinom (jeweils ca. 2%). Alle anderen Karzinomformen treten nur sehr selten auf und machen insgesamt maximal 2% der invasiven Karzinome aus. Rund 55–60% aller Mammakarzinome sind im oberen äußeren Quadranten der Brust lokalisiert, ca. 15% haben ihre Lokalisation im oberen inneren Quadranten und retroareolär. Die Häufigkeit im unteren äußeren und inneren Quadranten beträgt 10% bzw. 5%. Meist kommen sie einseitig vor, eine Prävalenz für eine Brustseite ist mit 53% für die linke und 47% für die rechte Brust nicht signifikant. In 5–10% aller Fälle lassen sich kontralaterale simultane ZweitkarzinoÂ� me diagnostizieren. Insbesondere beim invasiv lobulären Karzinom kann es zu einem parallelen Befall der Gegenseite kommen. 5–25% aller Mammakarzinome weisen ein multizentrisches Wachstum auf. > Bei Verdacht auf Tumorbefall einer Brust ist die Untersuchung der Gegenseite immer obligat.
Häufigste histologische Typen des Mammakarzinoms 4 Lobuläres Karzinom – Carcinoma lobulare in situ (LCIS) – Invasiv lobuläres Mammakarzinom (10%) 4 Duktales Karzinom – Duktales Carcinoma in situ (DCIS) – Invasives duktales Karzinom: – invasiv duktal (70–80%) – medullär (0,2€mm ≤2€mm
Kein Anhalt für Primärtumor
pN1a
1–3 axilläre LK
Tis
In-situ-Karzinom
pN1b
A.€mammaria interna, klinisch nicht erkennbar
Tis (DCIS)
Ductales Carcinoma in situ
pN1
pN1 und pN1b
Tis (CLIS)
Lobuläres Carcinoma in situ
N2a
Fixiert axillär
pN2a
4–9 axilläre LK
T1 mic
≤0,1 cm
N2b
A.€mammaria interna, klinisch erkennbar
pN2b
A.€mammaria interna,klinisch nicht erkennbar/ keine axillären LK
T1a
>0,1–0,5 cm
N3a
Infraklavikulär
pN3a
>10 axilläre LK oder infraklavikulär
T1b
>0,5–1 cm
N3b
Axillär und A.mammaria, klinisch erkennbar
pN3b
Axillär und A.€mammaria, klinisch erkennbar
T1c
>1–2 cm
T2
>2–5 cm
T3
>5 cm
T4
Tumor jeder Größe mit Befall der Thoraxwand und Haut
T4a
Befall der Brustwand
T4b
Hautödem/Ulzeration, Satellitenknötchen der Haut
T4c
Vorliegen von T4a und T4b
T4d
Entzündliches Karzinom
>3 axilläre LK und A.€mammaria interna, klinisch nicht erkennbar N3c
Supraklavikulär
pN3c
Supraklavikulär
. Tab. 68.9╇ TNM-Klassifikation Mammakarzinom. (Nach TNM 7.€Auflage, Wittekind et al. 2010)
68
Metastasierung
Grading
Resektionsrand
M0
Keine Metastasen
G1
Gut differenziert
RX
Resektionsrand kann nicht beurteilt werden
M1
Fernmetastasen
G2
Mäßig differenziert
R0
Resektionsrand ist frei von Tumorgewebe (sicher entfernt)
G3
Schlecht differenziert
R1
Tumor reicht bis an den Resektionsrand (nicht sicher entfernt)
G4
Undifferenziert
68.4
Staging und Therapiestand
A. Heckmann, K.H. Breuing
Beim Staging wird die Ausbreitung des Primärtumors aus dem Entstehungsorgan in die Nachbarorgane und in andere Organe festgelegt, wobei die Größe des ursprünglichen Tumors, die Zahl der befallenen Lymphknoten und die Metastasen nach dem TNM-System der UICC erfasst werden.
Bei lokal fortgeschrittenen Karzinomen und bei klinischem Verdacht auf Metastasierung sollte bereits prätherapeutisch ein Staging erfolgen. Alle Brustkrebspatientinnen sollten hinsichtlich der Tumorausbreitung vollständig klinisch untersucht und nach dem TNMSystem der UICC klassifiziert werden. Eine Mammographie der Gegenseite ist hierbei obligat. Insbesondere bei Patientinnen mit einem lokal fortgeschrittenen Tumor müssen die Zeichen des lokalen Tumorwachstums exakt beschrieben werden (entzündliche Komponente, Ulzerationen, Satellitenmetastasen, Brustwandbefall; .€Übersicht).
631
68.4 · Staging und Therapiestand
. Tab. 68.10╇ TNM-Klassifikation Mammakarzinom. (Nach TNM 7.€Auflage, Wittekind et al. 2010)
Merkmal
Kriterium
Scorewert
Grading nach Elston und Ellis
G1
1
T1mic, T1 N0 M0
G2
2
T0, T1 N1 M0
G3
3
pN0
1
T2 N1 M0
1–3 LK positiv
2
T3 N0 M0
>4 LK positiv
3
UICC-Stadiengruppierung
Kennzeichen
0
Tis N0 M0
I IIA
Lymphknotenstatus
T2 N0 M0 IIB
IIIA
T0,T1 N2 M0
Auswertung:
T2 N2 M0
Indexwert = Größe [cm]×0,2+Scorewert Grading + Scorewert LK-Status
T3 N1, N2 M0
Indexwert
Prognose
15-Jahres- Überlebensrate
Jedes T N3 M0
5,40
Schlecht
13%
IIIB
T4 N0, N1,N2 M0
IIIC IV
. Tab. 68.11╇ Kriterien des Gradings für das Mammakarzinom. (Nach Elston u. Ellis 1991)
Summen- score
. Tab. 68.12╇ Nottingham-Prognose-Index für invasive Karzinome
. Tab. 68.13╇ Unterscheidung des Östrogen (ER)- und ProgesteronÂ� rezeptorstatus (PR). (Nach Goldhirsch et al. 2005).
Merkmal
Kriterien
Scorewert
Endokrine Ansprechbarkeit
Tumorzellkerne
Tubulusausbildung
>75%
1
Endokrin nicht ansprechbar
0 positive Tumorzellkerne
10–75%
2
12/10 HPF
3
Gesamt
3–9
Auswertung:
Summen- score
Malignitätsgrad
G-Gruppe
Kenn� zeichen
3,4,5
Gering
G1
Gut differenziert
6,7
Mäßig
G2
Mäßig differenziert
8,9
Hoch
G3
Schlecht differenziert
HPF: »high power field« (=400-fache Vergrößerung im Lichtmikroskop) bei Sehfeldzahl 18 und Gesichtsfelddurchmesser von 0,45€mm.
Endokrin ansprechbar
ER-/PgR-negativ
1–9% positive Tumorzellkerne ER-/PgR-positiv
≥10% positive Tumorzellkerne
Staging-Untersuchung beim Mammakarzinom 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Klinische Untersuchung beider Brüste und Axillae Mammographie in 2€Ebenen (Gegenseite ist obligat) Mammasonographie Thoraxröntgenuntersuchung in 2€Ebenen Leber-/Abdomensonographie Skelettszintigraphie Gynäkologische Untersuchung Blutbilduntersuchung Tumorbiopsie Sentinel-LK Ggf.: MRT Schädel, Thorax und Abdomenεε Tumormarkeruntersuchungen sind nicht prinzipiell erforderlich
Bei Patientinnen mit einem neu aufgetretenen primären Mammakarzinom wird ein Staging vor Beginn der systemischen Primärtherapie zur Abklärung einer Metastasierung empfohlen (Harder et al. 1997). Zu den Staging-Untersuchungen gehören Blutbild- und Tho-
68
632
Kapitel 68 · Maligne Tumoren der Brust
. Tab. 68.14╇ Mammakarzinom: Differenzialdiagnose Nicht epitheliale Tumoren
Phylloidestumor, Sarkom, Lymphom
Entzündungen
Tuberkulose, Mastitis nonpuerperalis (Differenzialdiagnose inflammatorisches Karzinom)
Gutartige degenerative Veränderungen
Zysten, Papillome, umschriebene fibröse Mastopathie, atypisch proliferierende Mastopathie
Gutartige Tumoren
Fibroadenom, Hamartom, Lipom, Akanthom der Haut, Nävi der Haut
Traumafolgen
Narben, Granulom
raxröntgenuntersuchung, Lebersonographie, Skelettszintigraphie, CT des Schädels, Thorax und Abdomen (Crump et al. 1996). Tumormarkeruntersuchungen sind nicht erforderlich (ASCO 1997). > Ziel des Staging ist es, eine genaue Definition des Tumors, seiner Ausbreitung und seines Therapieverlaufs zu erhalten. Diesbezüglich sei hier auf die aktuelle S3-Leitlinie von 2008 hingewiesen.
68.4.1 Differenzialindikation Differenzialdiagnostisch müssen zum Mammakarzinom die in .€Tab.€68.14 dargestellten Veränderungen des Brustgewebes beachtet werden.
68
68.5
Therapeutisches Vorgehen beim invasiven Karzinom
A. Heckmann, K.H. Breuing
Die lokale und systemische Therapie des Mammakarzinoms unterliegen dem Einfluss des histopatholgischen Tumortyps, dem standardisierten histopathologischen Grading, der pTNM-KlassifikatÂ� ion und dem Lymphknotenstatus, welcher eine prognostisch wichtige Relevanz besitzt und mitbestimmend für eine systemische Therapie ist. Des Weiteren spielen im Hinblick auf die Wahl der operativen Therapie und Strahlentherapie das Vorliegen von peritumoralen Gefäßinvasionen, multipler Tumorherde, die Residualklassifikation (R) und der Sicherheitsabstand zum Schnittrand eine entscheidende Rolle. Hinzu kommt heute noch die immunhistologische Verifizierung des Hormonrezeptorstatus (Östrogen und Progesteron) und des HER-2/neu-Status. Rezidivrate und Risiko eines invasiven Karzinoms werden durch das nukleäre Grading, den Resektionsrand und die Ausdehnung bzw. der Größe des Tumors bestimmt. 68.5.1 Therapieziele Ziel beim Mammakarzinom ist eine tumortypadaptierte Therapie, die kurativ ist oder Lebensqualität und Überlebenszeit erhöht. Nebenwirkungen sollten dabei auf ein Minimum reduziert sein. Ältere Frauen sollten prinzipiell gleichartig wie jüngere Frauen behandelt werden. Durch ein qualitätsgesichertes, fachübergreifen-
des Brustkrebsfrüherkennungs/-Screening-Programm kann voraussichtlich eine erhebliche Reduktion der Brustkrebsmortalität erreicht werden. 68.5.2 Operative Therapie > In einer onkologischen Operation sollte ein tumorfreier Resektionsrand (R0) erzielt werden. Der mikroskopisch gemessene Sicherheitsabstand zwischen Tumor und ResekÂ� tionsrand sollte dabei 1€mm oder mehr für das invasive Karzinom und 5€mm oder mehr für das intraduktale Karzinom (DCIS) betragen. Ziel der operativen Therapie ist die onkologisch sichere und kompromisslose Tumorentfernung. Dabei ist eine brusterhaltende Therapie (BET) mit nachfolgender Bestrahlung bezüglich des ÜberÂ�lebens
der alleinigen modifiziert radikalen Mastektomie (MRM) gleichÂ� wertig. Deshalb sollen alle Patientinnen über die Möglichkeit der brusterhaltenden Therapie und der modifiziert radikalen Mastektomie mit der Möglichkeit einer primären oder sekundären Rekonstruktion aufgeklärt werden. Der Wunsch der Patientin ist entscheidend. Eine modifiziert radikale Mastektomie (Ablatio mammae inkl. Pektoralisfaszie und axilläre Lymphadenektomie) erfolgt bei nachstehenden Indikationen: 4 diffuse, ausgedehnte Kalzifikation vom malignen Typ, 4 Multizentrizität, 4 inkomplette Entfernung des Tumors (inkl. intraduktale Komponente), auch bei Nachresektion, 4 inflammatorisches Mammakarzinom, ggf. nach Vorbehandlung, 4 voraussichtlich nicht zufriedenstellendes kosmetisches Ergebnis bei brusterhaltender Therapie, 4 klinische Kontraindikationen zur Nachbestrahlung nach brusterhaltender Therapie, 4 Wunsch der aufgeklärten Patientin. Die Bestimmung des histologischen Lymphknotenstatus (pN-Status) ist Bestandteil der operativen Therapie des invasiven Mammakarzinoms. Diese erfolgt mit Hilfe der Sentinel-LymphknotenentÂ� fernung (SLNE). Die SLNE ist der Axilladissektion gleichwertig. Die Morbidität nach SLNE ist aber im Vergleich zur Axilladissektion signifikant reduziert. Bei Patientinnen, die keine SLNE erhalten können oder die einen positiven SLN aufweisen, muss eine axilläre Dissektion mit Entfernung von mindestens 10 Lymphknoten aus den Levels I und II erfolgen. Beim intramammären Tumorrezidiv (DCIS/invasives Karzinom) wird durch eine sekundäre Mastektomie die beste lokale Tumorkontrolle erzielt. Insbesondere beim fehlenden Nachweis von Fernmetastasen ist diese sog. Salvage-Mastektomie die TheÂ� rapie der Wahl. Bei günstiger Ausgangssituation, z.€B. DCIS oder invasives Karzinom mit langem rezidivfreiem Intervall, fehlenÂ� dem€Hautbefall, großem räumlichem Abstand zur ersten TumorÂ� lokalisation, kann in vertretbaren Fällen organerhaltend operiert werden. Bei organerhaltender Operation muss die Patientin auf ein erhöhtes Risiko für ein erneutes intramammäres Rezidiv hinÂ� gewiesen werden. Ein isoliertes Thoraxwandrezidiv ist nach Möglichkeit operativ vollständig und onkologisch sicher (R0) zu entÂ� fernen. Im Fall eines isolierten regionalen Rezidivs soll eine lokale Kontrolle der Erkrankung durch Operation/Radiotherapie angestrebt werden.
68.5 · Therapeutisches Vorgehen beim invasiven Karzinom
Der Wert einer postoperativen Systemtherapie nach Resektion eines lokoregionalen Rezidivs ist hinsichtlich des Gesamtüberlebens nicht ausreichend belegt. Es liegen aber Hinweise vor, dass das krankheitsfreie Intervall durch eine Systemtherapie verlängert werden kann. Eine Bestrahlung nach Rezidivoperation sollte interdisziplinär diskutiert und entschieden werden. Eine postoperative RadioÂ� therapie ist indiziert, wenn keine vorangegangene Radiotherapie erfolgt ist oder das Lokalrezidiv nicht radikal operiert wurde. Bei inoperabÂ�lem Lokalrezidiv kann eine palliative Radiotherapie sinnvoll sein. 68.5.3 Systemische Therapie des MammaÂ�
karzinoms
Da es sich bei einem Mammakarzinom am ehesten um eine generalisierte Erkrankung handelt, muss auch eine generalisiertes Therapieschema zur Behandlung angelegt werden. > Die systemische neoadjuvante und adjuvante Therapie ist ein integraler Bestandteil der Therapie von BrustÂ� krebspatientinnen und trägt neben der chirurgischen Tumorentfernung wesentlich zur Reduktion der Mortalität€bei.
Vor der Durchführung einer systemischen Therapie müssen der Allgemeinzustand der Patientin erhoben und die Compliance abgeschätzt werden. Die Therapieentscheidungen sind heute aufgrund erweiterter Diagnostik und Therapiemöglichkeiten sehr komplex geworden. Die individuelle Risikobeurteilung der Patientin richtet€ sich nach klinisch-pathologischen Kriterien wie Tumorgröße, LymphÂ�knotenstatus und molekularen Prädiktoren des biologischen Verhaltens des Tumors. Durch zielgerichtete Therapien gegen HER2 und durch Aromataseinhibitoren der 3.€Generation stehen neue Behandlungsoptionen zur Verfügung, die in die modernen Therapiealgorithmen integriert werden müssen. Aufgrund der Heterogenitat der Metastasen und der individuellen Krankheitsverläufe kann keine einheitliche Therapiestrategie vorgegeben werden. Dies gilt insbesondere für die zytostatische Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms. Die Monotherapie weist zwar niedrigere Remissionsraten als Polychemotherapien auf, die Überlebenszeit wird hiervon jedoch nicht signifikant beeinflusst. Monotherapien sind besser verträglich, sodass nach Möglichkeit eine solche durchgeführt werden sollte. Lediglich bei starken Beschwerden, raschem Tumorwachstum und aggressivem Tumorverhalten ist eine Polychemotherapie indiziert. Vor Durchführung sowie während einer Chemotherapie muss der Allgemeinzustand der Patientin untersucht und beurteilt werden. Während der Therapie muss regelmäßig der Grad der Toxizität bestimmt werden. Eine Evaluation des Therapieeffektes sollte mindestens alle 3€Monate erfolgen. Bei Progress oder ausgeprägter Toxizität sollte die Therapie abgebrochen werden. Der therapeutische Index (individueller Patientenvorteil vs. therapiebedingte Nebenwirkungen) sollte in der Gesamtbeurteilung der Therapie positiv ausfallen. Die moderne neoadjuvante und adjuvante systemische Therapie basiert nunmehr auf individualisierten Risikoprofilen und beinÂ�haltet neben der klassischen Chemotherapie v.€a. endokrine Therapieoptionen und immunologische Therapieansätze. Die endokrine Therapie ist die Therapie der Wahl bei positivem Hormonrezeptorstatus. Eine endokrine Therapie ist weniger toxisch als eine Chemotherapie und sollte daher grundsätzlich als Erstlinientherapie eingesetzt
633
werden. Bei positivem Hormonrezeptorstatus ist eine Remission bei 60% der Patientinnen zu erwarten, bei negativem Hormonrezeptorstatus bei Der gestielte M.-latissimus-dorsi-Lappen hat sich seither aufgrund seiner Sicherheit und geringen Hebedefektmorbidität sowohl bei der Brustrekonstruktion als auch bei der Defektdeckung am Thorax nach ausgeprägten RezidivÂ� eingriffen als Standardtherapie in der Brustchirurgie etabliert.
68
Wir verwenden den M.-latissimus-dorsi-Lappen in der Regel in Kombination mit einem Silikongelimplantat, da die alleinige Einbringung des myokutanen Lappens aufgrund denervierungsbedingÂ� ter Muskelathrophie keinen dauerhaften Volumenersatz erlaubt. Da die Lappenpräparation und -hebung eingehend in 7€Kap.€12 (»Lappenplastiken«) beschrieben wird, soll hier nur auf für die Brustrekonstruktion wichtige Details eingegangen werden. Die Gefäßversorgung des M.€latissimus dorsi aus der A.€thoracodoralis ist äußerst stabil. Eine Gefäßverletzung auch bei ausgedehnter Axilladissektion ist so selten, dass wir präoperativ keine routinemäßige Gefäßdarstellung durchführen. Eine intakte Innervation korreliert meist mit einer intakten Gefäßversorgung.
Präoperative Planung Die Operationsplanung erfolgt an der stehenden Patientin. Markiert werden insbesondere die Höhe der geplanten Unterbrustfalte und die Ausdehnung der Brustdrüse durch Übertragung von der Gegenseite. Zu beachten ist, dass es nach Brustrekonstruktionen durch Eigengewebe stets durch Narbenschrumpfung zu einer Kranialisierung der intraoperativen Brustumschlagsfaltenposition kommt, sodass diese bei der Planung etwa 2–3€cm unterhalb der Höhe der Gegenseite eingezeichnet werden sollte. Die Implantationsregion
wird soweit vorbereitet, dass der Lappen intraoperativ in Seitenlage in den Defekt eingeschwenkt werden kann. Die erforderliche Breite der Hautinsel ergibt sich aus der Differenz der Strecken zwischen Jugulum und Unterbrustfalte der gesunden Brust und der abladierten Seite. Die Länge der erforderlichen Hautinsel ergibt sich aus der Differenz der maximalen Brustbreiten von gesunder und abladierter Seite. Ist eine spätere Reduktion der gesunden Seite geplant, ist dies bei der Planung der Hautinsel zu berücksichtigen. Es ist zu beachten dass die Größe der Hautspindel durch die Spannung beim Verschluss des Hebedefektes limitiert ist. Dies limitiert auch die Größe der zu rekonstruierenden Brust, was bei sehr großen Brüsten zur Vermeidung einer Asymmetrie eine angleichende Reduktion der Gegenseite erfordern kann. Idealerweise wird bei der Anzeichnung eine Schablone der HautÂ�insel angefertigt, dann die erforderliche Stiellänge zwischen HautÂ� insel und dem axillären Gefäßanschluss ausgemessen und die HautÂ� insel mit dieser Stiellänge auf die Entnahmestelle übertragen. Die Hautspindel wird über dem Muskel platziert, wobei die Verlaufsrichtung der späteren Narbe in Absprache mit der Patientin entweder horizontal in Höhe des BHs oder entsprechend dem Verlauf der Hautspannungslinien schräg von kranial/lateral nach kaudal/medial gewählt werden kann. Eine schräge Orientierung ermöglicht bei maximaler Breite der Hautinsel den unproblematischen Hautverschluss. Die Lappenhebung erfolgt in Halbseitenlagerung, wobei der Arm der betroffenen Seite mit abgewaschen und frei beweglich über eine Stütze gelagert wird. Zur Implantation des Latissimuslappens kann eine Umlagerung der Patientin in eine halbsitzende Position erforderlich sein. Während des Umlagerns wird der präparierte Muskellappen je nach Größe entweder in der Axilla gelagert oder steril verbunden und am Thorax fixiert und mit steriler Folie abgeklebt. > Wir führen regelmäßig eine Durchtrennung des humeralen Sehnenansatzes sowie eine Segmentresektion des N.€thoracodorsalis durch, um eine bessere Mobilisierung zu ermöglichen und ein störendes Muskelzucken zu verhindern.
Operationstechnik Die Präparation der Empfängerregion beginnt mit der Exzision der Mastektomienarbe, welche stets zur histologischen Aufarbeitung eingesendet wird. Es folgt die Unterminierung des Haut-WeichteilMantels auf der Brustwandmuskulatur entsprechend der Brustausdehnung der Gegenseite. Anschließend wird durch stumpfe Präparation ein ausreichend großer Tunnel zur Axilla geschaffen, der einen Durchzug des Muskellappens ohne Kompression des Gefäßstiels erlaubt. Der distale Lappenpol wird mit einer Backhaus-Klemme gefasst und der Lappen vorsichtig durch den Tunnel in den Defekt gezogen, ohne dass hierbei Zug auf den Gefäßstiel ausgeübt wird. Nach korrekter Positionierung der Hautinsel wird zunächst der kraniale muskuläre LappenÂ�anteil subkutan ausgebreitet und mit 2-0€PDS fixiert. Zur RekonsÂ�truktion der vorderen Axillarlinie sollte der Muskelstiel in diesem Bereich auf die Thoraxwand pexiert werden. Nun wird mit Hilfe von Probeimplantaten die erforderliche Implantatgröße ermittelt. Hierbei ist zu bedenken, dass der denervierte Muskel atrophieren wird und das Lappenvolumen dadurch je nach Größe der Hautinsel und des mitverlagerten subkutanen Fettgewebes – das nicht atrophiert – an Volumen verlieren kann. Das Implantat sollte daher stets größer gewählt werden, als es für eine intaoperative Symmetrie erforderlich wäre. Vorzugsweise verwenden wir
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68.6 · Operationstechnik der Brustrekonstruktion
anatomische Silikongelimplantate, die epipektoral unter den M.€latissimus dorsi eingebracht werden. Vor der Implantatpositionierung wird eine 12er-Redon-Drainage eingebracht und unter Schonung des Lappenstiels axillawärts ausgeleitet. Anschließend erfolgt die Fixierung der kaudalen Lappenanteile in der Unterbrustfalte, sodass die Implantatkammer geschlossen ist. Sollte sich beim Einpassen der Hautinsel diese als zu groß erweisen, werden die überschüssigen Anteile deepithelisiert und nach subkutan verlagert. Nach dem Hautverschluss durch subkutane Einzelknopfnähte und fortlaufende Intrakutannaht erfolgt der Verband durch Steristrip-Pflaster, Haut-Tapes und Rollwatte.
Eigengeweberekonstruktion durch UnterbauchÂ� gewebe Die Einführung der freien Gewebetransplantation zu Beginn der 1970-er Jahre revolutionierte auch die rekonstruktive Mammachirurgie. Als Spenderareale wurden neben dem Gesäß die Leiste, der Oberschenkel und die Hüftregion beschrieben. Wegen technischer Schwierigkeiten, geringen Volumens oder hoher Hebedefektmorbi-
dität konnten sich diese Spendeareale aber nur als Ausweichmöglichkeit behaupten. Die am häufigsten genutzten modernen Techniken beruhen auf der Gewebeentnahme vom Unterbauch. Ein Operationsbeispiel ist in .€Abb.€68.2 gezeigt.
Anatomische Grundlagen Die Wiederherstellung der weiblichen Brust mit Unterbauchgewebe basiert auf der Muskel-, Gefäß- und Nervenanatomie des M.€rectus abdominis. Der M.€rectus abdominis besitzt eine duale Blutversorgung durch die oberen und unteren epigastrischen Gefäße, die intramuskulär durch zahlreiche Anastomosen miteinander kommunizieren und die Gefäßsysteme der A.€subclavia und der A.€iliaca externa miteinander verbinden. Die Perfusion des freien TRAM-Lappens erfolgt aus dem Angiosom der A.€epigastrica inferior profunda, die aus der A.€iliaca externa entspringt und bis zum Rippenbogen das dominante Versorgungssystem der Bauchwand ist. Ihr durchschnittliches Kaliber liegt bei 3,5€mm und entspricht dem Doppelten der A.€epigastrica superior. Die beiden Begleitvenen münden in die V.€iliaca externa, ihr durchschnittlicher Durchmesser beträgt je etwa 2,5€mm.
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. Abb. 68.2╇ Brustrekonstruktion mit gestielten Lappen: Latissimus-dorsiLappen und Implantat bei »skin-sparing« Mastektomie wegen multifokalen duktalen Mammakarzinoms mit Entfernung der Mamille. Präoperativer Befund (a), Hebung des myokutanen Lappens (b) und Sofortrekonstruktion (c). d€Zustand nach Mamillenrekonstruktion und Radiatio. e€Kontralateral gestielter TRAM-Lappen nach fehlgeschlagener Implantatrekonstruktion im
Strahlenfeld nach Bestrahlung eines gestielten Latissimus-Lappens. f€Planungszeichnung für einen kontralateral gestielten TRAM-Lappen. g€Exzision des Strahlenareals. Umschneidung und Hebung des Lappens und Durchzug in den Defekt (h,€i). Einpassung und Endergebnis nach finaler MamillenÂ� rekonstruktion (j,€k)
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Kapitel 68 · Maligne Tumoren der Brust
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. Abb. 68.2 (Fortsetzung)
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68.6 · Operationstechnik der Brustrekonstruktion
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. Abb. 68.3╇ Gefäßversorgung der Bauchwand durch das tiefe Arteriensystem€(a; 7€Text). Gefäßversorgung des freien TRAM-Lappens durch A.€und V.€epigastrica inferior€(b)
Liegt nur ein Stamm vor, beträgt dessen Kaliber etwa 4,5€mm. Damit liegen günstige Voraussetzungen zur mikrochirurgischen Transplantation vor. Oberhalb des Nabels bilden beide Gefäßsysteme ein dichtes Anastomosennetz (.€Abb.€68.3). Die versorgenden Perforansgefäße des freien TRAM-Lappens entstammen der Hauptgefäßachse des tiefen epigastrischen Systems und steigen direkt zur Haut auf. Über horizontale Kollateralen des subdermalen Plexus bestehen Verbindungen zur Gegenseite, ein zusätzliches Verbindungsnetz gibt es im Bereich der Fascia scarpae. Die Anzahl der Perforatoren ist periumbilikal am dichtesten. Hier strahlen sie in alle Schichten der Bauchwand und gehen Verbindungen zu Ästen der A.€epigastrica superficialis, A.€circumflexa ileum superficialis und den Interkostalgefäßen ein, die aber bei der Lappenumschneidung durchtrennt werden. Die dem Gefäßstiel gegenüberliegende Seite wird vom subdermalen Plexus im Sinne eines Random-pattern-Flaps versorgt. ! Cave Der Perfusionsdruck der Kapillaren nimmt zur Peripherie des Lappens mit jeder Anastomose stufenmäßig ab. Bei zu großer Dimensionierung kann zwar die Haut überleben, das subkutane Fett aber ischämisch und später nekrotisch werden, besonders in den mit III und IV bezeichneten Randzonen.
Gestielter TRAM-Lappen Von Holmström (1979) und Hartrampf et al. (1982a, b) wurde ein querer Rectus-abdominis-Muskel-Haut-Lappen (»tranverse rectus abdominis myocutaneous« = »TRAM flap«) beschrieben. Dieser kranial gestielte Lappen wird aus den oberen epigastrischen Gefäßen perfundiert. Diese treten als Verlängerung der Vasa thoracica interna aus dem Thorax in die Scheide des M.€rectus abdominis ein, ver-
zweigen sich und bilden schließlich innerhalb des Muskels zahlreiche Anastomosen mit dem Versorgungssystem des unteren epigastischen Gefäßsystems. In ihrem Verlauf senden beide longitudinale, intramuskuläre Gefäßsysteme Perforatoren durch das vordere Blatt der Rektusscheide paramedian zur darüber liegenden Haut. Die Häufung dieser perforierenden Gefäßäste um und unterhalb des Nabels ermöglicht es, eine recht große quere Hautinsel des Unterbauchs am kranial gestielten Rectus-abdominis-Muskel in den Mastektomiedefekt einzuschwenken. Nachteilig sind jedoch die aufwendige Technik und die Versorgung durch die nicht dominanten Gefäße der Bauchwand und damit das erhöhte Risiko von Fettgewebenekrosen. Der nach oben umgeschlagene Muskelstiel kann eine unschöne Deformität verursachen. Die Entnahme von mindestens einem M.€rectus abdominis führt zur Bauchwandschwächung, die eine asymptomatische Vorwölbung der Bauchwand im Stehen (»bulging«) oder eine echte Bruchsackbildung zur Folge haben kann. Aus diesen Gründen wird diese Technik von mikrochirurgisch versierten Chirurgen nur mehr ausnahmsweise angewandt.
Freier TRAM-Lappen Die mikrochirurgische Gewebetransplantation von Unterbauchgewebe zur Brustrekonstruktion geht auf Holmström (1979) zurück. Er entwickelte die Transplantation einer queren UnterbauchgeÂ� webeinsel zur Brustrekonstruktion aus der Beobachtung, dass die Fettschürze bei einer Abdominoplastik auch nach kompletter Umschneidung von den M.€rectus abdominis perforierenden Gefäßen durchblutet bleibt, solange sie auf der Muskelfaszie haftet. Seine Veröffentlichung von 2€klinischen Fällen und anatomischen Studien dieses »abdominoplasty flap« (Bauchdeckenplastiklappen) wurde erst nach der Etablierung der Mikrochirurgie zum Standardverfahren in der Plastischen Chirurgie wiederentdeckt (.€Übersicht).
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Kapitel 68 · Maligne Tumoren der Brust
Hauptvorteile der mikrochirurgischen Transplantation gegenüber der gestielten Transpositionsvariante 4 Blutversorgung über die dominanten unteren epigasÂ� trischen Gefäße, damit geringeres Risiko von GewebeÂ� nekrosen 4 Größere sicher perfundierte Lappenfläche 4 Freiere Modellierung des Lappens ohne Muskelstiel 4 Geringere Hebedefektmorbidität, v.€a. bei muskelsparender Entnahme
Präoperative Vorbereitung Der freie TRAM-Lappen bietet Frauen nach radikaler, modifiziert radikaler oder subkutaner Mastektomie die Möglichkeit der sofortigen (primären) oder verzögerten (sekundären) Rekonstruktion. Nach Komplikationen bei der Brustrekonstruktion mit einem Implantat kann dieses durch Eigengewebe ersetzt werden. Ein Aufbau bei kongenitaler Brustfehlbildung, wie Poland-Syndrom, oder bei gestörter Brustentwicklung nach Verbrennung oder Bestrahlung der Thoraxwand im Kindesalter ist ebenso möglich. Bei den relativen Kontraindikationen eines gestielten TRAMLappens, wie Adipositas oder Rauchen, ist der freie TRAM-Lappen wegen seiner überlegenen Perfusion besser geeignet. Bei RauÂ� cherinnen besteht kein erhöhtes Risiko für die mikrochirurgische Anastomose durch Gefäßverschluss oder -spasmus, sie werden aber zur Vermeidung von Wundheilungsstörungen, Thrombembolien, Pneumonien und Hernien zur Nikotinkarenz aufgefordert. Die Technik ist nach bereits durchgeführter Abdominoplastik nicht möglich. ! Cave Nach Eingriffen, die das tiefe untere epigastrische Gefäßsystem schädigen können oder größere Anteile des Lappens betreffen (z.€B. mediane Laparotomie), muss die Gefäßsituation vorher geklärt werden.
Ist dies nur intraoperativ möglich, muss die Patientin präoperativ auf ein mögliches Ausweichen auf eine Alternativmethode (z.€B. gestielte TRAM- oder Latissimus-dorsi-Plastik) hingewiesen werden.
Operationstechnik
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Der Einsatz von 2€Operationsmannschaften, eines »Bauch-« und eines »Brust-Teams«, ist sinnvoll, da dies die Operationszeit deutlich senkt. Bei der Sofortrekonstruktion wird der Defekt von der Schnittführung der onkologisch radikalen Mastektomie (evtl. mit Axilladissektion) bestimmt. Die Sekundärrekonstruktion beginnt mit der Exzision der Mastektomienarbe und ggf. der Silikonexplantation. Kranial und kaudal geschaffene Hauttaschen nehmen den Lappen nach der Transplantation in den Mastektomiedefekt auf. Die Hebung des Lappens, der von Nabel, Schambeinoberrand und den vorderen Darmbeinstacheln begrenzt wird, erfolgt auf der Faszie von lateral nach medial: Auf der Seite der versorgenden Gefäße bis zum lateralen Rand der Rektusscheide, auf der Gegenseite bis zur Linea alba. Bei beidseitigem Aufbau wird der Lappen nur bis zur lateralen Reihe der Perforansgefäße präpariert. Der Nabel wird umschnitten, präpariert und aus dem Lappen herausgezogen. Die vordere Rektusscheide wird auf der Seite des Gefäßstiels etwa 3€cm distal der Linea arcuata inzidiert und der M.€rectus abdominis im lateralen Drittel gespalten. Durch diese Muskellücke geht man auf die A.€epigastrica inferior mit ihren Begleitvenen ein und stellt sie kaudal bis zur A.€iliaca externa dar.
Um die Bauchdecke so wenig wie möglich zu schwächen, wurde die muskelsparende Entnahmetechnik entwickelt. Hierbei wird der Muskel nicht in ganzer Breite gehoben, sondern nur eine möglichst kleine, den Gefäßstiel schützende Komponente. Der laterale Muskelanteil bleibt voll innerviert bestehen. Der M.€rectus abdominis wird stumpf vom hinteren Blatt der Rektusscheide mobilisiert. Mit Einzelnähten werden Faszie und Muskel am subkutanen Fettgewebe befestigt, um Scherkräfte und Zug am Gefäßstiel zu vermeiden. Medial durchtrennt man die Rektusscheide entlang der Linea alba unter Aussparung des Nabels. Die kraniale Durchtrennung des Muskels erfolgt auf Höhe der oberen Lappengrenze unter Erhalt mehrerer größerer Perforansgefäße. Nach Überprüfung der Perfusion wird der Lappen abgesetzt und dem »Brust-Team« übergeben. Im eigenen Vorgehen sind die A.€und V.€mammaria und die A.€und V.€thoracodorsalis bei Sofortrekonstruktionen nach einer axillären Ausräumung direkt zugänglich. > Bei der Präparation wird der Gefäßabgang zum M.€serratus anterior erhalten, der den M.€latissimus dorsi retrograd versorgt, und so die Rückzugsmöglichkeit einer Latissimusplastik bei Totalverlust des freien TRAM-Lappens offengelassen.
Alternative Anschlüsse bieten die A.€circumflexa scapulae, die A.€thoracica lateralis oder A.€thoracoacromialis. Die mikrochirurgische Anastomose wird mit Einzelknopfnähten der Stärke 9-0 oder 10-0 unter dem Mikroskop durchgeführt, je eine Arterie und Vene sind meist ausreichend. Der Lappen wird erst danach eingepasst und geformt. Vorher muss beurteilt werden, ob alle Anteile sicher durchblutet sind. ! Cave Die intraoperative Entfernung aller fraglich durchbluteten Anteile vermeidet postoperative Komplikationen wie Haut- oder Fettnekrosen.
Eine ästhetisch akzeptable Brustform zu rekonstruieren, ist der zeitaufwendigste Schritt der Operation. Zum Einpassen des Lappens wird die Patientin 45°–90° aufgesetzt. Die Modellierung der neuen Brust erfolgt im Vergleich zur Gegenseite. Um eine adäquate Ptose zu erzielen, wird ein Teil des auf der gleichen Seite des Gefäßstiels liegenden Lappens (Zone€II) entepithelisiert, entlang der Submammarfalte unter sich selbst eingeschlagen und in die kaudale HautÂ� tasche eingearbeitet. Bei alleiniger subcutaner Rekonstruktion dient eine kleine Hautinsel in der Submammarfalte, an dem eine PerÂ� fusionsstörung früh sichtbar ist und der bei Bedarf nach einigen Wochen in Lokalanästhesie entfernt€wird, als Monitor. Simultan mit der mikrochirurgischen Anastomose und Einpassung des Lappens wird der Verschluss der Hebestelle vorgenommen. Zum spannungsfreien abdominellen Verschluss muss die Bauchhaut wie bei der Abdominoplastik ausgiebig unterminiert werden, kraÂ� nial€bis zum Rippenbogen und Xyphoid. Der kaudale verbliebene Anteil des durchtrennten Rektusmuskels wird auf Höhe der Linea arcuata an der hinteren Rektusfaszie befestigt und so die vordere Bauchwand verstärkt, um ein Hervorquellen von intraabdominellen Strukturen im Sinne einer Pseudohernie zu verhindern. Idealerweise verschließt man den Defekt in den einzelnen Schichten primär, nur wenn dies nicht möglich ist, z.€B. nach beidseitigem Wiederaufbau, mit Hilfe eines Kunststoffnetzes. Durch das fehlende Faszienstück kann eine gegenseitige Vorwölbung der Bauchwand entstehen. Dem kann durch eine kontralaterale Faszienraffung vorgebeugt und der Nabel symmetrisch platziert werden. Ein Operationsbeispiel zeigt .€Abb.€68.4.
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68.6 · Operationstechnik der Brustrekonstruktion
DIEP-Lappen
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Inzwischen hat sich in vielen Kliniken der freie DIEP-Lappen («deep inferior epigastric perforator«) als Standard bei der BrustrekonsÂ� truktion durch Eigengewebe etabliert. Hierbei wird ein über PerÂ� foratorarterien an den tiefen inferioren epigastrischen Gefäßen gestielter Hautfettlappen gehoben und der Gefäßstiel in seinem gesamten Verlauf aus dem Rektusmuskel herauspräpariert. Befürworter dieser Technik gehen von einem noch geringeren Hebedefekt aus, wenn durch intramuskuläre Präparation der Perforansgefäße der Lappen als reine Haut-Fettgewebe-Insel ohne muskuläre Komponente entnommen wird. Kritiker weisen auf die komplizierte und risikoreiche Dissektion, die geringere Sicherheit der Blutversorgung durch einzelne feine Perforansgefäße und die dadurch eingeschränkte Patientenauswahl hin.
Präoperative Vorbereitung Da es sich hier um einen elektiven freien mikrochirurgischen Gewebetransfer handelt, ist besonderes Augenmerk auf die präoperative Patientenauswahl zu legen. Hierbei sind neben der Motivation der Patientin insbesondere Risikofaktoren wie kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus oder andere die Wundheilung beeinflussende Erkrankungen zu berücksichtigen. ! Cave Ein fortgesetzter Nikotinabusus stellt einen erheblichen Risikofaktor und damit in unserer Klinik eine KontrainÂ� dikation für eine Brustrekonstruktion mit Perforatorlappen dar. b
Auch wenn eine Bluttransfusion in der Regel nicht erforderlich ist, bieten wir der Patientin die Möglichkeit zur präoperativen proÂ� phylaktischen Eigenblutspende im Rahmen des Aufklärungsgespräches an.
Operationstechnik Präoperativ erfolgt das Anzeichnen des Lappens an der stehenden Patientin. Es empfiehlt, sich die periumbilikalen Perforatoransgefäße mittels eines Handdopplergerätes bereits am Vortag in Ruhe zu lokalisieren und deren Durchtrittpunkte zu markieren. Die kaudale Inzision der abdominalen Hautspindel wird so lokalisiert, dass die spätere Narbe durch die üblicherweise von der Patientin getragene Unterwäsche verdeckt wird. Die obere Inzisionslinie muss mindestens einen Querfinger kranial des Nabels verlaufen, um die meist periumbilikal gelegenen Hauptperforatoren sicher einzuschließen (.€Abb.€68.5b). Sollte der entnommene Lappen hierdurch voluminöser sein als zur symmetrischen Rekonstruktion erforderlich, kann eine Ausdünnung oder Verkleinerung durch Verwerfen der Zone€IV vor dem Einnähen erfolgen. Weiterhin werden präoperativ die Mittellinie, die Medioklavikularlinie und die Submammärfalte sowohl der gesunden Seite als auch der zu rekonstruierenden Seite markiert. Es ist zu beachten, dass die Position der neuen Submammärfalte durch die Straffung im Rahmen des Hebedefektverschlusses nach kaudal wandert. c . Abb. 68.4a–c.╇ Brustrekonstruktion mit freiem muskelsparenden TRAMLappen, der an die A.€und V.€thoracica (mammaria) interna angeschlossen wurde
Geeignete Anschlussgefäße zur mikrochirurgischen Brustrekonstruktion in der Reihenfolge der Häufigkeit ihrer Anwendung 4 4 4 4
A.€und V.€thoracica/mammaria interna A.€und V.€thoracodorsalis/thoracoacromialis A.€und V.€circumflexa scapulae A.€und V.€axillaris
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Kapitel 68 · Maligne Tumoren der Brust
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. Abb. 68.5a–d╇ Brustrekonstruktion mit freiem mikrochirurgisch angeschlossenen DIEP-Perforatorlappen
Der Verschluss des muskulofaszialen Defektes erfolgt entweder allein durch fortlaufende 2-0 PDS-Nähte oder mittels Duplikatur der kontralateralen Faszie zur Symmetrierung der Bauchwand und des Nabels. Diese Duplikatur erfolgt beidseits bis in das Epigastrium. Abschließend erfolgt der Verschluss der Bauchdecke wie bei der Abdominoplastik unter Einbringen von 4€Redon-Drainagen.
A.-epigastrica-inferior-superficialis-Lappenplastik (SIEAP-Lappen) Der SIEAP-Lappen stellt eine weitere Verfeinerung des DIEP-Lappens dar, da die Gewebeentnahme nur oberhalb der Rektusfaszie erfolgt und die vordere Bauchwand in ihrer Integrität nahezu vollkommen erhalten bleibt.
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! Cave Die Perfusion dieser Lappenplastik entstammt dem oberflächlichen inferioren epigastrischen Gefäßsystem, das allerdings bei etwa 30% der Patientinnen nicht angelegt ist. Das Vorhandensein dieser Gefäße muss präoperativ durch Dopplersonographie oder sonstige Bildgebung (Angio-CT oder MRT) festgestellt werden.
Die A.€epigastrica superficialis entspringt in ca. 50% mit einem gemeinsamen Stamm der A.€circumflexa ilium superficialis aus der A.€femoralis und wird von 2€Venen begleitet, die in die V.€femoralis münden. Die V.€epigastrica superficialis liegt am häufigsten medial am Übergang vom lateralen zum medialen Drittel auf der Strecke
zwischen Os pubis und Spina iliaca anterior superior, ihr Durchmesser liegt bei 2–4€mm. Die Lappenplanung entspricht derjenigen des freien TRAModer DIEP-Lappens, wobei die kaudale Inzision möglichst tief gewählt werden sollte, um das Auffinden der oberflächlichen inferioren Gefäße zu erleichtern. Im Unterschied zum DIEP-Lappen sind folgende Punkte zu beachten: 4 Perfusion nur des halben Unterbauches (»hemi flap«) gesichert, jenseits der Mittellinie ist sie fraglich. 4 Verwendung der kontralateralen Unterbauchhälfte, um leichter mit 2€Teams arbeiten zu können und bei kurzem Gefäßstiel eine spannungsfreie Anastomose am Thorax zu erreichen. 4 Senkrechte Inzision in der Mitte des Unterbauchtransplantates bildet die Basis, die inferiore Inzision die mediale Grenze der rekonstruierten Brust. 4 Durchtrennen der temporär ausgeklemmten Perforansgefäße erst, nachdem die Durchblutung des »hemi flap« am Unterbauch über das oberflächliche inferiore epigastrische Gefäßsystem sichergestellt ist, ansonsten Konversion zum DIEP- oder TRAMLappen. Der SIEAP-Lappen teilt die Vorteile des DIEP-Lappens, hat diesem aber einen noch geringere Hebedefekt voraus. Die Lappenplastik ist nur bei etwa 70% der Patientinnen (mit geeignetem oberflächlichem inferiorem epigastrischem Gefäßsystem) anwendbar, weitere Nach-
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68.7 · Wiederherstellung des Mamillen-Areola-Komplexes (MAK)
teile sind die weniger sichere Perfusion, die deutlich kleinere Lappengröße und die geringe Erfolgsaussicht bei Revision der mikrochirurgischen Anastomose. 68.6.6 Alternative Lappenplastiken
zur Eigengeweberekonstruktion
Wenn das Unterbauchgewebe nicht zur Verfügung steht, bieten sich als alternative Spenderareale für mikrochirurgische Gewebetransplantationen die Glutäalregion und die Oberschenkelinnenseite an.
A.-glutaealis-superior-Perforator-Lappen (SGAP-Lappen) Die Anwendung des myokutanen Glutäallappens durch Shaw in den 1980-er Jahren war durch die komplizierte Präparation und den kurzen Gefäßstiel technisch äußerst anspruchsvoll und mit erheblichem Hebedefekt verbunden. Die Blutversorgung von Haut-/Fettgewebe über dem M.€glutaeus maximus wird durch Perforansgefäße gespeist, die der A.€glutaealis superior und der A.€glutaealis inferior entstammen und einen Durchmesser von 1–1,5€mm besitzen. Die A.-glutaealis-superior-Perforator-Lappenplastik (SGAP) beruht auf Perforansgefäßen der A.€glutaealis superior. Sie ist der myokutanen Version in folgenden Punkten überlegen: 4 Längerer Gefäßstiel mit vereinfachter Präparation und mikrochirurgischer Anastomose. 4 Veneninterponate meist verzichtbar. 4 Muskelsparende Hebung des SGAP-Lappens, daher keine Funktionausfälle bei Hüftextension und -rotation. 4 Bessere Modellierbarkeit als Glutäallappen mit Muskelkomponente (aber schlechter als Unterbauchgewebe!). 4 Deutlich kürzere Erholungsphase Die Menge des Fettgewebes über der superioren Glutäalregion entspricht meist gut der angestrebten Brustgröße. Die Hebestelle lässt sich in der Unterwäsche verbergen. Entstehende Konturdeformitäten sind meist moderat, bei Bedarf kann eine angleichende Liposuktion durchgeführt werden. Nachteile sind die insgesamt anspruchsvollere Operationstechnik und die schlechtere ModellierÂ� barkeit des septierten glutäalen Fettgewebes als Glutäallappen im Vergleich zur Eigengeweberekonstruktion aus dem Unterbauchgewebe.
Freier fasziokutaner Infraglutäallappen (FCI-Lappen) Der freie fasziokutane Infragutäallappen (FCI) beruht auf dem R.€descendens der A.€glutaea inferior, die ein bis zu 600€cm3 messendes Lappenvolumen sicher versorgen kann. Die Entnahmestelle liegt im Bereich der Infraglutäalfalte verborgen, durch die muskelsparende Entnahme wird eine Beeinträchtigung der Gesäßmuskulatur vermieden. Präoperativ muss per Doppler-/Duplexsonographie der Verlauf des R.€descendens der A.€glutaea inferior gesichert werden, der in 15–20% der Fälle fehlen kann. Vorteil gegenüber dem SGAP-Lappen ist der noch längere Lappenstiel. Zur Vermeidung von Seromen an der Spenderregion muss nach Drainage-Entfernung für mindestens 6€Wochen eine maßangefertigte Kompressionsmiederhose getragen werden.
Transversaler muskulokutaner Grazilislappen (TMG-Lappen) Der freie TMG-Lappen bietet ausreichend Gewebe, um kleine bis mittelgroße Brüste aufzubauen. Die ideale Patientin für diese relativ
neue Technik hat zuwenig Haut- und Unterhautfettgewebe oder Narben im Unterbauchbereich, um einen TRAM- oder DIEP-Lappen einsetzen zu können, gleichzeitig bestehen aber Fettgewebereserven im Oberschenkelbereich. Im Idealfall ist die Haut an der Oberschenkelinnenseite schlaff, sodass die Patienten zusätzlich von einer medialen Oberschenkelstraffung profitiert. Bei der Einzeichnung des bis ca. 30×8€cm großen Lappens besteht die vordere Begrenzung in der Sehne des M.€adductor longus, die sich bei abgespreiztem Bein meist gut tasten lässt. Damit ist die Narbe später von vorn meist nicht sichtbar. Die posteriore Begrenzung der Hautinsel ist meist die Medianlinie des Oberschenkels, sie kann aber bis zum Ausläufer der Infraglutäalfalte verlängert werden. Die Breite der Hautspindel richtet sich nach der Elastizität der Oberschenkelhaut. Bis 8–10€cm Breite lässt sich ein spannungsfreier primärer Wundverschluss erzielen. Das dominante Gefäß für den M.€gracilis entspringt aus der A.€und V.€profunda femoris und besteht aus der A.€circumflexa femoris medialis. Den großen Vorteil dieser Lappenplastik bildet seine unauffällige Hebestelle. Die Präparation ist im Vergleich zu den Perforatorlappen einfacher und schneller, die Durchblutung aufgrund der konstanten Anatomie und guten Kaliberstärke der Blutversorgung sehr zuverlässig. Nachteile sind das limitierte Volumen je nach Körperbau zwischen 150 und 500€ml Gewebe pro Oberschenkelseite sowie der relativ kurze Gefäßstiel, der den Anschluss an die Vasa mammaria interna notwendig macht. 68.7
Wiederherstellung des MamillenAreola-Komplexes (MAK)
A. Gohritz, K.H. Breuing
Die Rekonstruktion des Mamillen-Areola-Komplexes (MAK) vervollständigt die Nachbildung der Brust nach der initialen Volumenrekonstruktion und sekundären Formkorrektur und der Angleichung der Brustform an die Gegenseite. Damit findet oft auch die gesamte Behandlung der Brustkrebserkrankung ihren Abschluss. Daher hat dieser Eingriff nicht nur eine wichtige optische Wirkung, sondern auch eine große psychologische Bedeutung. 68.7.1 Indikationsstellung Eine MAK-Rekonstruktion sollte jeder Patientin nach Brustrekonstruktion angeboten werden. Der Zeitpunkt zur MAK-Rekonstruktion ist abhängig von der Art der Rekonstruktion, z.€B. Sofort- oder Sekundärrekonstruktion. Meist wird jedoch empfohlen, einen Zeitraum von 6–12 Monaten abzuwarten, bis ein stabiles Ergebnis der Rekonstruktion hinsichtlich Form, Ptose und Projektion anzunehmen ist. 68.7.2 Planung Bei der präoperativen Planung ist die korrekte Lage des MAK, insbesondere die der Mamille, von größter Wichtigkeit. Eine asymmetrisch positionierte Mamille kann den optischen Eindruck einer Brustrekonstruktion stark beeinträchtigen und dazu führen, dass die Patientin mit dem Gesamtergebnis unzufrieden ist. Die Bestimmung der neuen Mamillenposition sollte daher in Ruhe und nicht erst im Operationssaal durchgeführt werden. Sie
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Kapitel 68 · Maligne Tumoren der Brust
erfolgt am besten unter Einbeziehung der Patientin am Vortag vor einem Spiegel. Im Stehen wird die neue Position ausgewählt und markiert und dann in Rückenlage nochmals überprüft. Bei gegenseitig vorhandenem MAK kann dieser als natürliches Vorbild dienen, bei Bedarf kann eine kontralaterale Verkleinerung durchÂ� geführt werden (bei der z.€B. auch Areolahaut gewonnen werden kann). Bei beidseitiger Rekonstruktion sollten die neuen MAK auf der vertikalen Meridianlinie der Brust zwischen der Mitte der Clavicula auf einem Punkt etwa 11€cm entfernt von der Mittellinie liegen. Die horizontale Höhe liegt im Bereich der maximalen Projektion des Brusthügels, ungefähr 21–23€cm vom Jugulum und 5–7€cm von der Unterbrustfalte entfernt. Aufgrund der Form- und Konturdifferenz zwischen der gesunden und der rekonstruierten Brust muss die geometrisch bestimmte Mamillenposition nicht immer optisch der optimale Punkt sein. Die gemessenen Punkte sind nur Anhaltspunkte, sie müssen stets individuell überprüft und evtl. an die Wünsche der Patientin oder besondere Gegebenheiten angepasst werden. 68.7.3 Rekonstruktion der Mamille Zur Wiederherstellung einer erhabenen Projektion in der Mitte des Brustwarzenhofs sind in der Praxis 3€Grundtechniken etabliert:
Transplantation der geteilten Mamille der Gegenseite (»nipple sharing«) Diese Technik eignet sich für alle unilateralen BrustrekonstrukÂ� tionen bei nicht zu flacher Brustwarze der gesunden Seite.
. Abb. 68.6╇ Rekonstruktion der Mamille mit »star flap«: Ein sternförmiges Hautmuster wird radiär umschnitten (a) und nach Deepithelisierung der Zwischenräume (b) die 4€Sternstrahlen freipräpariert (c). Nach Mobilisierung des zentralen Pfeilers (d) und Elevation desselben (d) werden die radiären Strahlen heruntergeklappt und mit sich vernäht (5-0 Nylon)€(e)
Technik
68
Auf der gesunden Seite wird die Brustwarze zunächst mit KochsalzLokalanästhetikum-Lösung (ohne Adrenalinzusatz!) aufgespritzt, dann die Hälfte der Mamilla tangential oberhalb einer dünnen in Mamillenmitte eingestochenen Kanüle mit dem Skalpell zur Transplantation abgetrennt. Die Spendermamille wird mit Fettgaze versorgt, sie bildet sich in Form und Höhe meist fast komplett wieder nach. Nach Entepithelialisierung der Mamillenposition auf der rekonstruierten Brust wird die abgetrennte Mamilla auf diese Stelle aufgebracht und mit resorbierbarem Nahtmaterial fixiert. Der Nippel wird in seiner Position beim Verband durch einen Schaumstoff für 5–7 Tage fixiert. Das »nipple sharing« erfüllt das Rekonstruktionsprinzip »GleiÂ� ches mit Gleichem«, die neu geschaffene Brustwarze ist der Gegenseite in Farbe und Textur sehr ähnlich. Die Technik ist außerdem einfach und die initiale Anwachsrate hoch, meist wird eine langzeitbeständige Projektion erreicht. Nachteil ist jedoch ein möglicher Sensibilitätsverlust an der Spenderseite, über die jede Patientin vor der Operation informiert werden muss.
Lokale Lappenplastiken Bei allen Techniken zur Mamillenrekonstruktion mit lokalen Lappenplastiken soll eine Projektion durch eine zentrale Stützung von subkutanem Fettgewebe erreicht werden. Die an unserer Klinik bevorzugten Techniken sind der »star flap« und der »skate flap« (.€Abb.€68.6 und 68.7; .€Abb.€68.8 zeigt den »fish tail flap«).
Vollhaut- und andere Transplantate Ein »nipple sharing« ist nicht immer möglich (z.€B. beidseitigem Aufbau): Lokale Lappenplastiken können zu einer starken Verziehung der Brustform führen (z.€B. nach periareolärer hautsparender Mastekto-
. Abb. 68.7╇ Rekonstruktion der Mamille mit »skate flap«: Ein aus 2€geÂ� dachten kreuzenden Ellipsen bestehendes sternförmiges Hautmuster wird umschnitten (a), wobei der vertikale Pfeiler subkutan mobilisiert und aufÂ� gerichtet wird (b). Nach Herumklappen der freien seitlichen Hautzipfel (c) werden diese mit sich vernäht und zur Areolenrekonstruktion der deepithelisierten Fläche ein freies Hauttransplantat aufgebracht (d)
645
68.7 · Wiederherstellung des Mamillen-Areola-Komplexes (MAK)
. Abb. 68.8╇ Rekonstruktion der Mamille mit »fish tail flap«: Aus einem Fischschwanzflossen-ähnlichem Hautareal werden zwei gestielte Hautläppchen geschnitten (a) und gegeneinander vernäht (b), wobei der zweite Zipfel unter den ersten partiell deepithelisiert durchgezogen wird (c). Auch hier wird analog die Areolafläche mit resorbierbarem (5-0) Faden rekonstruiert (d). Diese kann entweder tätowiert oder mit Hauttransplantat aufgebaut werden
mie). In diesen Fällen kann mit einem Vollhauttransplantat eine zentrale Stütze von subkutanem Fettgewebe angehoben und gesichert und so eine dauerhafte Mamillaprojektion erreicht werden. Es ist allerdings von einem nicht unerheblichen Projektionsverlust auszugehen, sodass eine initiale Überkorrektur von etwa 50% sinnvoll ist. Andere Transplantate, wie z.€B. Teilen der Schamlippe, Zehenpulpa oder Ohrläppchen, werden aufgrund ihres starken ProjektionsÂ� verlustes kaum mehr verwendet. 68.7.4 Rekonstruktion der Areola Zur Rekonstruktion der Areole sind 3€Grundtechniken üblich:
Tätowierung Das am häufigsten verwendete Verfahren ist heute die Tätowierung des Brustwarzenhofs, sie ist einfach, schnell, kommt ohne weitere Hebedefekte aus und ermöglicht ein natürliches Auslaufen der Pigmentierung von der Areola in die umgebende Brusthaut. Durch eine dunklere Pigmentierung der Mamille im Vergleich zur umgebenden Areola kann eine optische Vergrößerung erzielt werden. Nachteil ist, dass nicht selten nachgearbeitet werden muss, um eine optimale Farbgebung zu erreichen, ebenso im Langzeitverlauf bei Verblassen der ursprünglichen Pigmentierung.
Dermabrasio und spontanes Abheilen Die ansonsten unerwünschte Folge einer Pigmentveränderung nach Dermabrasio und spontaner Abheilung kann genutzt werden, da sich in der Regel eine dunklere Farbnuance ergibt.
Hauttransplantation Wichtigstes Spenderareal für ein freies Transplantat bleibt die gegenseitige große Areole, die durch Mastopexie oder Mammareduktionsplastik verkleinert wird. Das Transplantat wird als tiefes Spalthaut-
transplantat vom Rand der Areole gehoben und um die rekonstruierte Mamilla gelegt, sodass eine einzige zirkuläre Narbe entsteht. Spalthauttransplantate von der Spenderareole und Techniken mit spiralförmiger Narbenbildung wirken unnatürlich und sollten nicht angewandt werden. Als Alternative bleibt die Leistenregion zur Entnahme eines Vollhauttransplantats zur Areolenrekonstruktion. Häufig tritt jedoch eine unberechenbare Depigmentation auf, die mittels TätoÂ�wierung korrigiert werden muss. Daher verwenden wir am zweithäufigsten nach der kontralateralen Areolahaut bei entsprechender Verkleinerung die proximale Oberschenkelinnenseite, die ausreichend pigmentierte Hauttransplantate bei unauffälliger Entnahmestelle bietet. Eine alternative Lösung stellt die beidseitige Entnahme von dünnen Vollhauttransplantaten bei der oberen Blepharoplastik dar, die der Patientin bei entsprechender Ptosis angeboten werden kann. Die Oberlidtransplantate werden vorsichtig ausgedünnt und dann als 2€Halbmonde um die Mamille auf die Areola aufgenäht. Die leicht dunkle Pigmentation der Oberlidhaut ist derjenigen der Areola oft recht ähnlich und verändert sich im Laufe der Zeit nur selten. Nachteile sind die Schwellneigung bei ungenügender Entfettung und die geringe Gewebeausbeute, die nur zur einseitigen Rekonstruktion ausreicht. Aufbewahrung (»banking«) der Areola zur späteren TransplanÂ�taÂ� tion.╇ Das Areola-Banking ist einfach, aber onkologisch umstritten
und führt außerdem nicht selten zu Pigment- und Texturverlust. Es wird daher kaum mehr angewandt. 68.7.5 Komplikationen
Mögliche Komplikationen sind Infektion, Epidermiolyse, teilweiser oder kompletter Gewebeverlust, narbige Verziehungen, Asymmetrie und Depigmentation von Hauttransplantaten oder Verblassen nach Tätowierung sowie Verlust der Nippelprojektion. > Zur Kompensation der Gewebeschrumpfung empfiehlt sich eine initiale Überkorrektur von 30–50%.
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Kapitel 68 · Maligne Tumoren der Brust
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Verbrennungsverletzungen P. Kolokythas, M.C. Aust
Kapitel 69
Verbrennungsverletzungen╇╇ – 649 P. Kolokythas, M.C. Aust
Die Therapie Schwerbrandverletzter erfordert aufgrund ihrer Komplexität eine konzeptionelle Teamarbeit. Nach korrekter Einschätzung des Ausmaßes der Brandverletzungen sind die Erstellung eines Behandlungsplans und ein interdisziplinäres Vorgehen unter Leitung eines erfahrenen Plastischen Chirurgen, unabdingbar. Der Kern dieses Teams besteht aus Plastischen Chirurgen, Anästhesisten, klinischen Infektiologen oder Mikrobiologen, Psychologen, Physio- und Ergotherapeuten und Sozialdienst; das Ärzteteam wird getragen von einem erfahrenen und engagiert tätigen Pflegeteam. Die Brandverletztenstationen, also die Intensivpflegestation und die Nachsorgestation, sind eingebunden in ein Krankenhaus der Maximalversorgung mit allen benötigten Fachdisziplinen (z.€B. Radiologie, Innere Medizin, Unfallchirurgie, Ophthalmologie, HNO-Heilkunde, Neurologie/Neurotraumatologie und Gynäkologie) inklusive der damit verbundenen Logistik. Sie bilden gemeinsam mit einer spezialisierten Rehabilitationseinrichtung das Brandverletztenzentrum.
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Verbrennungsverletzungen P. Kolokythas, M.C. Aust
69.1
Grundlagen – Pathophysiologie, Klassifikation und Diagnostikâ•… – 650
69.1.1 69.1.2 69.1.3 69.1.4 69.1.5
Ausdehnungâ•… – 651 Verbrennungstiefeâ•… – 651 Verletzungsschwereâ•… – 653 Weitere Verletzungenâ•… – 653 Inhalationstraumaâ•… – 655
69.2
Intensivmedizinische Therapieâ•… – 656
69.2.1 69.2.2 69.2.3
Intensivmedizinische Besonderheiten der Verbrennungskrankheitâ•… – 657 Beatmungstherapieâ•… – 658 Schmerztherapie und Sedierungâ•… – 658
69.3
Prinzipien der Therapie in der Akutsituationâ•… – 658
69.3.1 69.3.2 69.3.3 69.3.4 69.3.5 69.3.6
Therapiezieleâ•… – 658 Differenzialdiagnoseâ•… – 660 Operationsvorbereitungâ•… – 660 Operationstechnikâ•… – 660 Postoperative Behandlung und Nachsorgeâ•… – 664 Komplikationenâ•… – 665
69.4
Prinzipien der Rekonstruktionâ•… – 665
69.4.1 69.4.2 69.4.3
Therapie von Narbensträngenâ•… – 665 Therapie instabiler Narben und flächiger Narbenplattenâ•… – 666 Therapie ästhetischer Störungenâ•… – 666
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
650
Kapitel 69 · Verbrennungsverletzungen
69.1
Grundlagen – Pathophysiologie, Klassifikation und Diagnostik
Unter der Einwirkung von Hitze kommt es im Bereich der Haut lokal zu kontinuierlichem Wasserverlust. Aufgrund ihrer hohen spezifischen Wärmeleitfähigkeit kann die Haut durch Verdampfen von intra- und extrazellulärem Wasser einer Temperaturerhöhung von über 52°C kurzfristig entgegenwirken. Allerdings kommt es durch eine verlangsamte Wiederabgabe der Wärme, auch nach Beendigung der Exposition, zu einer anhaltenden Hitzeeinwirkung. Dieser Vorgang wird als Nachbrennen bezeichnet. > Die sofortige Kühlung mit kalter Flüssigkeit ist daher für die Reduktion des Schadensausmaßes entscheidend.
4 Eine intrakutane Temperatur von 45°C führt zu Erythemen. 4 Ab 55°C kommt es zu Blasenbildung. 4 Bei >60°C kommt es infolge von Eiweißdenaturierung zu Nekrosenbildung.
Die Höhe der intrakutanen Temperatur ist von der Ausgangstemperatur und v.€a. von der Einwirkdauer des auslösenden Agens abhängig (.€Abb.€69.1). Am Ende der Exposition ist das Ausmaß der Schädigung noch nicht festgelegt. Nach Jackson kann eine Brandwunde in 3€Zonen eingeteilt werden: 4 Im Zentrum die »Nekrose«, histologisch ist das Gewebe koaguliert, es fließt kein Blut. 4 Umgeben ist dieses Areal von einer Zone der Vasokonstriktion (»Stase«), die nach Minuten in eine Vasodilatation übergeht. Im Anschluss daran kommt es zu einer mehrere Stunden andauernden Okklusion der Gefäße. Der Erythrozytenfluss stagniert, diese können sogar aus den Gefäßen treten. Freies Hämoglobin färbt diese Zone rot an (die Rötung ist nicht wegdrückbar). 4 Der umgebende Bereich bleibt von einer vermehrten Durchblutung gekennzeichnet (»Hyperämie«, die Rötung ist wegdrückbar).
. Abb. 69.1╇ Abhängigkeit der intrakutanen Temperatur von Ausgangs- temÂ�peratur und Einwirkdauer des auslösenden Agens. (Nach Moritz u. Henriquez 1947)
Die Breite der Stasezone ist abhängig von der Durchblutung, der Umgebungstemperatur und der Verbandanordnung. Hypothermie, Hypotonie, Ödem und Austrocknung führen zu einer Vergrößerung der Zone der Stase (7€unten). > Chirurgische Zonen der Brandwunde: 4 Nekrose, 4 Stase, 4 Hyperämie.
69
Systemisch führt die thermische Einwirkung auf das Gewebe zu Â�mediatorinduziertem kapillarem Leck und damit generalisiertem Austritt von Flüssigkeit (Ödem). Durch den Durchtritt onkotisch wirksamer Plasmaproteine – insbesondere Albumin – kommt es zur Aufhebung der Flüssigkeitsregulation im Kapillargebiet. WesentÂ� lich für die Rückresorption im venösen Teil des KapillarstromÂ� gebietes ist der kolloidosmotische Druck, bei dessen Wegfall ein Übergewicht nach extravasal durch den hydrostatischen Druck des Blutstroms resultiert. Das Kapillarleck schließt sich spontan nach 24–36€h. Die richtige Einschätzung des Ausmaßes der Brandverletzung ist Voraussetzung für die erfolgreiche Behandlung SchwerbrandÂ� verletzter. Diese Einschätzung kann nur am vollständig entkleideÂ� ten€PaÂ�tienten korrekt erfolgen. Brandverletztenzentren verfügen daher über einen klimatisierten Schockraum mit Duschmöglichkeit€(Aufnahmebad: bis 37°C heizbar bei 70% relativer Luftfeuch-
a
b
. Abb. 69.2╇ Schätzung der Flächenausdehnung von Brandverletzungen (Neunerregel nach Wallace)
tigkeit). Nach Abtragen der evtl. vorhandenen Hautblasen, Reinigung und Rasur der Körperhaare erfolgen die Bestimmung der Ausdehnung (.€Abb.€69.2) sowie die Einschätzung der Verbrennungstiefe. > Ausdehnung und Tiefe definieren das Ausmaß der Verbrennung
651
69.1 · Grundlagen – Pathophysiologie, Klassifikation und Diagnostik
69.1.1 Ausdehnung Die Ausdehnung wird herkömmlicherweise mit Hilfe der NeunerÂ� regel nach Wallace abgeschätzt und in Prozent der verbrannten Körperoberfläche angegeben (%€VKOF; .€Abb.€69.2). Genauer ist der Ergänzungsbericht der gewerblichen Berufsgenossenschaften (.€Tab.€69.1). Computerprogramme ermöglichen eine quadratzentimetergenaue Berechnung der VKOF anhand digitaler Bilder (»burncase3D«, »BurnVision«). Das erleichtert im späteren Verlauf z.€B. die Operationsplanung beim Einsatz von Hautersatzmaterial (7€unten). Durch spezifische Software-Schnittstellen mit dem jeweiligen Krankenhaus-Informationssystem (KIS) kann die Dokumentation wesentlich erleichtert werden. 69.1.2 Verbrennungstiefe Die klinische Abschätzung der Verbrennungstiefe erfolgt in 4€Graden: Grad€1
Die vermehrte Vasodilatation führt zu Erythem und Ödem (.€Abb.€69.3). Gelegentlich kommt es in der Folge zu intraepidermaler Epitheliolyse, die nach einer kurzen Phase der Schuppung in längstens 7€Tagen narbenfrei abheilt. Infolge lokaler MediatorfreiÂ� setzung kommt es zu deutlich gesteigerter Nozizeptorenaktivität. Neben einem mäßigen Dauerschmerz ist die starke Hyperästhesie, z.€B. auf Kleidung, charakteristisch.
. Abb. 69.3╇ Brandverletzung Grad€1
. Tab. 69.1╇ Schätzung der Flächenausdehnung von Brandverletzungen (nach Ergänzungsblatt der gewerblichen Berufsgenossenschaften)
Lokalisation/Alter
80
5
Inhalationstrauma
1
Verbrennung 3.€Grades
1
Schwere Nebenerkrankung
Je 1€Punkt
. Tab. 69.3╇ Verletzungsmuster mit Hautschädigungen, die denen bei Flammenverbrennung entsprechen
1–10
1
Verletzung
Pathomechanismus
11–20
2
Verbrühungen
21–30
3
Einwirkung von heißer, wässriger Flüssigkeit oder Dampf
31–40
4
Verätzungen
Einwirkung von Säuren, Laugen oder anderen chemischen Substanzen
41–50
5
Elektrotraumata
51–60
6
Niederspannungs- und Hochspannungsverletzungen (>1000€V )
61–70
7
Erfrierungen
Einwirkung von Kälte
71–80
8
81–90
9
Blasenbildende Hautreaktionen
Reaktion auf Staphylokokkentoxin oder Medikamente
91–100
10
% VKOF
Auswertung:
69
Gesamtpunktzahl
Sterbewahrscheinlichkeit
2–3
2%
6–7
10–20%
8–9
30–50%
10–11
60–80%
>11
>80%
zwischen oberflächlichen Verletzungen wie beim Lichtbogen und echten Stromdurchflüssen zu unterscheiden. Durchflussverletzungen von Extremitäten bergen immer die Gefahr eines Kompartmentsyndroms durch Schädigung der gesamten Muskulatur. Die Indikation zur Escharotomie (.€Abb.€69.13) und Fasziotomie ist daher großzügig zu stellen. Durchflossene ExtreÂ� mitäten oder Körperabschnitte werden für die Bestimmung des Ausmaßes als vollständig betroffen gewertet, auch wenn nur Eintrittsoder Austrittsmarken zu sehen sind. Auch für die Volumenabschätzung ergeben sich Besonderheiten (7€Kap.€69.2.1). Primäre Amputationen vollständig geschädigter Extremitäten sollten noch am Unfalltag durchgeführt werden, um ein Crush-Syndrom oder septische Einschwemmungen zu vermeiden.
. Abb. 69.8╇ Verbrühung durch Heißdampf
Bei mäßiger Myoglobinämie sollte der Harn mittels oraler Gabe von Kaliumnatriumhydrogencitrat oder intravenöser Gabe von NatriumÂ� bikarbonat alkalisiert werden, um Schädigungen der Nierentubuli durch ausfallendes Myoglobin zu verhindern. Massive Myoglobinwerte führen zu Anurie und Nierenversagen, hier ist der frühzeitige Einsatz einer Hämofiltration oder Dialyse notwendig (.€Abb.€69.9). > Auf Arrhythmien sollte auch bei Niederspannungsverletzungen geachtet werden, eine mindestens 24-stündige EKG-Überwachung ist daher bei allen Elektrotraumata Standard. Ein Defibrillator und ein passagerer Schrittmacher sollten stets griffbereit sein.
Erfrierung Erfrierungen entstehen durch Einwirkung von Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes. Kribbeln und Brennen sind erste SympÂ� tome, bei rechtzeitigem Expositionsende jedoch reversibel. Taubheitsgefühl ist ein Symptom für eine irreversible Schädigung. Nach Wiedererwärmung sind die Hautfarbe und die Qualität der Blasen (serös oder blutig) richtungsweisend für die Tiefe der Schädigung: Rosige Haut und helle, klare Blasenflüssigkeit sind ein Hinweis für oberflächliche Schädigung, blasse Hautfarbe und blutige oder trübe Flüssigkeit für tiefere Erfrierung. Beweisend für die Schädigung des Gewebes ist letztendlich nur der klinische Verlauf anhand der Demarkierungszone. Als hilfreich hat sich bei ausgedehnten Erfrierungen die Kernspintomographie erwiesen.
69.1 · Grundlagen – Pathophysiologie, Klassifikation und Diagnostik
655
. Abb. 69.9╇ Hochvoltelektrotrauma mit Hämoglobinurie durch MuskelÂ� nekrose
. Abb. 69.10╇ Hautläsionen bei toxisch-epidermaler Nekrolyse (TEN)
Blasenbildende Hautreaktionen
gende Faktoren lassen die Wahrscheinlichkeit eines Inhalationstraumas deutlich steigen: 4 Anamnese (Verletzung in geschlossenen Räumen), 4 Lokalisation der Brandverletzung (Gesicht, Hals, Thorax), 4 Symptomatik (Husten, Stridor, Heiserkeit, Dyspnoe, Zyanose, rußiges Sputum)
Diese Erkrankungen, früher als Lyell-Syndrom zusammengefasst, sind überwiegend toxische, in wenigen Fällen allergisch begründete Reaktionen auf Arzneimittelgaben. Histologisch findet sich stets eine intraepidermale Nekrosezone im Bereich der basalen Keratinozyten und eine daraus resultierende Lysezone (Blasenbildung) im dermoepidermalen Übergang. Im Einzelnen werden, abhängig von der Ausdehnung, unterschieden: 4 Erythema exsudativum multiforme, 4 Stevens-Johnson-Syndrom und 4 toxisch epidermale Nekrolyse (TEN; .€Abb.€69.10). Ab einer geschädigten Fläche von 30% spricht man von einer TEN; dieses Krankheitsbild wird aufgrund seiner Ausdehnung in Verbrennungszentren behandelt. Davon abzugrenzen sind 4 das fixe, toxische Arzneimittelexanthem und 4 das »staphylococcal scalded skin syndrome« (SSSS), welche lediglich einer intraepidermalen Schädigung entsprechen. Der Verlauf ist daher wesentlich milder. 69.1.5 Inhalationstrauma Ein besonderes Augenmerk muss bei jeder Brandverletzung auf ein begleitendes Inhalationstrauma (IHT) gelegt werden. Vor allem fol-
Gleichzeitig muss an eine CO-Intoxikation gedacht werden. Cyanidvergiftungen kommen bei Brandverletzten meistens in KombinaÂ� tion mit Kohlenmonoxidvergiftungen vor. > Therapie der Wahl ist die Zufuhr reinen Sauerstoffs über Maske oder die endotracheale Intubation und Beatmung mit 100% O2.
Die Behandlung der Cyanidvergiftung mit Methämoglobinbildnern ist beim Brandverletzten aufgrund der häufigen Mischintoxikation und der dadurch synergistischen Toxizität kontraindiziert. Das Inhalationstrauma kann während der Intensivbehandlung oft in den Vordergrund rücken oder den Verlauf sogar entscheidend beeinflussen. Die Letalität steigt bei Vorliegen eines InhalationsÂ� traumas um mindestens 20%. Dabei ist ein thermisches Inhalationstrauma, bei dem eine Â�direkte Hitzeeinwirkung ursächlich ist (Explosion, heiße Gase, Dampf), von einem toxischen Inhalationstrauma (Schädigung durch giftige Substanzen) zu unterscheiden. Bronchoskopisch ist das thermische IHT bereits am Aufnahmetag zu erkennen, die Gradeinteilung entspricht im Wesentlichen derjenigen der Haut (.€Tab.€69.4).
69
656
Kapitel 69 · Verbrennungsverletzungen
. Tab. 69.4╇ Schweregradeinteilung des Inhalationstraumas
Grad
Kennzeichen
I
Rötung, Schwellung
II
Zusätzlich Blasenbildung, Erosion, Kontaktblutung der Schleimhaut
III
Blasse Schleimhaut aufgrund von Nekrose, nicht selten gesunder Schleimhaut ähnelnd
Ruß im Tracheobronchialsystem ist jedoch nicht beweisend für ein Inhalationstrauma, er sollte jedoch so gründlich wie möglich entfernt werden. Betroffen sind meist nur die oberen Atemwege; lediglich bei längerer Dampfexposition kann es durch die verbesserte Wärmeleitfähigkeit zu einer direkten Hitzeschädigung der Alveolen kommen. Ein toxisches IHT manifestiert sich im Verlauf der ersten Tage, hier sind indirekte Zeichen wie Stridor, Atemnot, pathologische Blutgasanalyse oder beim beatmeten Patienten eine Verschlechterung der Beatmungsparameter durch alveoläres Ödem richtungweisend. Die initiale Bronchoskopie ist oft unauffällig, tägliche bronchoskopische Kontrollen sind hilfreich. Dabei kann gleichzeitig die bei beiden Formen stets gestörte mukoziliäre Clearance durch eine bronchoskopische Bronchialtoilette ersetzt werden. Auch Atelektasen durch Fibrinausgüsse der Bronchien können so wirksam behandelt werden. Aufgrund der geschädigten Schleimhaut sollte dies jedoch erfahrenen Untersuchern vorbehalten bleiben.
Therapieziel sind die Bereitstellung der nötigen Sauerstoffkonzentration, Beseitigung von Atelektasen, Vermeidung einer respiratorischen Azidose und die Verhinderung eines ARDS. Wenn ein Inhalationstrauma überlebt wird, kommt es oft zur Ausbildung interstitieller Fibrosen und Verlust des Flimmerepithels mit chonischer Bronchitis. 69.2
Intensivmedizinische Therapie
Volumenmangelschock, Schmerzen, Organdysfunktion und wiederholte Operationen erfordern eine intensivmedizinische Betreuung des Schwerbrandverletzten. Bewährt hat sich eine Kooperation zwischen erfahrenen Plastischen Chirurgen und spezialisierten Intensivmedizinern.
Ausstattung Die Intensivstation sollte die in der .€Übersicht gelistete Ausstattung besitzen. Ausstattung der Intensivstation gemäß den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin 4 Heizbarer Aufnahme- und Schockraum (sog. »Verbrennungs-« oder »Aufnahmebad«) mit Vorhalten aller Geräte für Reanimation oder sofortige Intensivtherapie (Beatmungsgerät, Pulsoxymeter, hämodynamische Überwachung, Bronchoskopie, Ultraschall, Verbrennungsbad; .€Abb.€69.11) und direkt angegliedert 4 Intensivüberwachungs- und Behandlungseinheit mit mindestens 4 Betten mit Einzelzimmern (.€Abb.€69.12) und der Möglichkeit maximaler Intensivtherapie 4 Chirurgischer Behandlungs-/Verbandraum mit der Möglichkeit der Hydrotherapie 4 Operationseinheit innerhalb der Brandverletztenstation mit täglicher Operationsmöglichkeit 4 Personenschleuse, Material- und Bettenschleuse 4 Möglichkeit der kontinuierlichen bakteriologischen Überwachung 4 Einrichtung zur kontinuierlichen Hämofiltration bzw. Dialyse 4 Fotodokumentation
Die baulich-apparativen und personellen Anforderungen, die für die Behandlung Schwerbrandverletzter zu erfüllen sind, liegen über denen anderer Intensivstationen. Dies gilt auch für die Bereiche der Physiotherapie und Ergotherapie. Aus diesem Grund sollten Behandlungszentren für Brandverletzte nur an KrankenÂ� häuser angegliedert sein, die zum Verletzungsartenverfahren zuÂ� gelassen sind.
Verlegung in ein Brandverletztenzentrum
69
Deutschlandweit wird die Koordination des Transports zu VerÂ� brennungszentren durch die Bettenverteilungszentrale der Berufsfeuerwehr Hamburg (.€Übersicht) geregelt, die mit der geeigneten Klinik Kontakt aufnimmt. Die Indikationen zeigt eine weitere .€Übersicht.
. Abb. 69.11╇ Aufnahme/Schockraum mit Therapiebad
657
69.2 · Intensivmedizinische Therapie
. Abb. 69.12╇ Einzelpatientenzimmer (Box) auf der Intensivstation
Zuweisung in ein Verbrennungszentrum Die Betten in einem Brandverletztenzentrum sind über die Rettungsleitstellen bzw. über die Zentrale Anlaufstelle für Schwerbrandverletzte (ZA-Brandverletzte) bei der Berufsfeuerwehr Hamburg deutschlandweit zu erfragen: 4 Tel. 040/42 851-3998 4 Fax: 040/42 851-4269.
Indikationen zur Verlegung in ein Brandverletztenzentrum nach den international vereinbarten Kriterien (entsprechend auch den Leitlinien der DGV) 4 Alle Patienten mit Verbrennungen an Gesicht/Hals, Händen, Füßen, Anogenitalregion, Achselhöhlen, Bereichen über großen Gelenken oder an sonstiger komplizierter LokaliÂ� sation 4 Patienten mit >15% zweitgradig verbrannter KörperoberÂ� fläche 4 Patienten mit >10% drittgradig verbrannter KörperoberÂ� fläche 4 Patienten mit mechanischen Begleitverletzungen 4 Alle Patienten mit Inhalationsschaden 4 Patienten mit Vorerkrankungen oder Alter 60€Jahren 4 Alle Patienten mit elektrischen Verletzungen
69.2.1 Intensivmedizinische Besonderheiten
der Verbrennungskrankheit
Volumenersatz Aufgrund der massiven Volumenverschiebungen innerhalb der ersten 48€h kommt der Infusionstherapie bei der Behandlung Schwerbrandverletzter eine besondere Bedeutung zu. Eine stündliche Überprüfung des Hämatokrits (Hkt) in den ersten 24€h ist der genaueste Parameter zur Steuerung der Volumengabe: Je nach Alter und Vorerkrankungen können dabei Hkt-Werte bis 60% beim jungen PaÂ�
tienten toleriert werden. Ein rasches Abfallen des Hkt-Wertes zeigt auch sehr sensibel den Verschluss des Kapillarlecks nach 24€h an. Die massive Volumengabe kann dann in Korrelation zum Hkt reduziert werden. Ein weiteres Hilfsmittel ist die Überwachung der Diurese durch einen transurethralen oder suprapubischen Blasenkatheter. Dabei sollte die Harnausscheidung beim Nierengesunden bei ca. 1€ml/ kg€KG liegen. Liegt sie deutlich höher, ist von einer Überinfusion auszugehen. Die Therapie einer Oligurie oder Anurie in den ersten 24€h durch Diuretikagabe ist kontraindiziert. Vielmehr gilt es, das im Interstitium »verlorene« Volumen durch Infusion kristalloider Lösungen zu kompensieren. Auch die invasive Messung des Blutdrucks kann bei der Steuerung der Volumengabe hilfreich sein, als alleiniger Parameter ist sie jedoch nicht ausreichend. Eine Korrektur der Hypotonie durch vasoaktive Substanzen ist in den meisten Fällen nicht nötig, ja sogar€schädlich, da die Perfusion der Peripherie ohnehin durch das massive Ödem verringert ist. Eine zusätzliche Verschlechterung des Blutangebotes durch Vasokonstriktion führt daher unweigerlich zum Verlust des Gewebes in der kritischen Stasezone. Bei herzinsuffizienten Patienten kann die Gabe von Dobutamin hilfreich sein. Standardisierte Formeln (Parkland, Baxter) ermöglichen eine grobe Abschätzung des zu infundierenden Volumens, entbinden aber nicht von der Pflicht der engmaschigen Überwachung der oben genannten Parameter. Parkland-Formel 4 [0,5 x (4€ml × kg × % VKOF)] / 8€h =€ml/Ringer-Laktat* (in den ersten 8€h) 4 [0,5 × (4€ml × kg × % VKOF)] / 16€h =€ml/Ringer-Laktat* (in den nächsten 16€h) * Wegen ihres geringen O2-Verbrauchs sowie fehlender Erhöhung der Laktatkonzentrationen im Plasma sind Azetat und Malat dem Laktat überlegen.
Die Messung des Herzzeitvolumens kann bei herzkranken PaÂ� tienten€ ergänzend eingesetzt werden, valide Zielparameter für Brandverletzte existieren jedoch noch nicht. Auch die Messung des zentralen Venendrucks (ZVD) hat sich als ungeeigneter Parameter für die Steuerung der Volumengabe erwiesen: Ein hoher ZVD zeigt zwar eine ausreichende Volumengabe an, ein zu niedriger Wert bedeutet jedoch nicht automatisch eine Hypovolämie; eine Normalisierung des ZVD zeigt daher beim Schwerbrandverletzten häufig eine Überwässerung an! Zu großzügige Volumentherapie birgt die Gefahr des LungenÂ� ödems in der Resorptionsphase sowie ein Abtiefen der Brandverletzung durch verminderte Perfusion der Peripherie. Eine zu knappe Infusionstherapie führt zu Organminderperfusion, Schock und Nieren-, Lungen- und Leberversagen. Nach Verschluss des kapillaren Lecks gilt es, das infundierte Volumen möglichst schnell auszuschwemmen; pathophysiologisch am sinnvollsten ist dabei die Erhöhung des kolloidosmotischen Drucks durch die Gabe von hochprozentigem (20%) Humanalbumin. Dadurch wird die Rückresorption aus dem Interstitium beschleunigt, das dann intravasal liegende Volumen kann ausgeschieden werden. Beim Nierengesunden ist die Gabe von Diuretika meist unnötig, einige Autoren sehen sie sogar als kontraindiziert an, da dadurch die Wahrscheinlichkeit eines akuten Nierenversagens durch Schädigung
69
658
Kapitel 69 · Verbrennungsverletzungen
der Nierentubuli deutlich ansteigt. In der Abwägung zwischen drohendem Nierenversagen und schädlicher Wirkung der persistierenÂ� den Ödeme durch Verzögerung der Operationsfähigkeit und dadurch verspäteter Elimination der toxinbildenden Wundflächen ist jedoch die kurzfristige Gabe von Schleifendiuretika oft notwendig. 69.2.2 Beatmungstherapie Ein weiterer spezifischer Aspekt der Intensivmedizin Schwerbrandverletzter ist die maschinelle Beatmung: Die hohe Frequenz an Operationen (Débridement und Wundverschluss durch Hauttransplantation) und die personalintensive operative und intensivmedizinische Therapie machen es notwendig, die Planung der Beatmungs- und Entwöhnungsphasen an die Operationszeitpunkte anzupassen. Bei Vorliegen eines Inhalationstraumas ist die Indikation zur Tracheostomaanlage großzügig zu stellen. Dies kann perkutan durch Dilatationstracheostoma oder klassisch als mukokutanes, plasÂ� tisches Tracheostoma erfolgen. Bei zeitlich verzögerter Durchführung ist dem letzteren Verfahren aufgrund der massiven Ödeme der Vorzug zu geben. Die Tracheostomie erleichtert auch, neben der Entwöhnung der maschinellen Beatmung, die in vielen Fällen notwendige, häufige bronchoskopische Bronchialtoilette. Ist die vordere Halsregion mit geschädigt, bietet sich die nasotracheale Intubation als Alternative an: Die Rate an typischen Nebenwirkungen (Drucknekrosen im Nasenbereich, Nasennebenhöhleninfektionen) ist vergleichsweise gering. Das geschädigte Halsareal kann frühzeitig operativ behandelt werden, und die Anlage des Tracheostomas ist dadurch noch rechtzeitig möglich. Ist ein Inhalationstrauma ausgeschlossen, kann die Entwöhnung vom Respirator rasch erfolgen. Eine Spontanatmung mit nasotrachealer Intubation oder mit Trachealkanüle wird oft besser toleriert als wiederholte Intubationen bei notwendigen Narkosen für schmerzÂ� hafte Verbandwechsel oder Operationen. 69.2.3 Schmerztherapie und Sedierung
Erstmaßnahme am Unfallort
69
Als bewährte Erstmaßnahme gilt, nach Beseitigung der Hitzequelle, die sofortige Kaltwassertherapie. Dadurch können noch marginal vitale Gewebeareale unter die kritische Temperatur von 52â•›°C gebracht werden. Die analgetische Wirkung ist ein hoch geschätzter Nebeneffekt. Die Dauer der Kaltwasserbehandlung richtet sich nach dem Ausmaß der Brandverletzung und sollte 20€min nicht überschreiten, um eine Unterkühlung zu vermeiden. Nach dem Eintreffen der professionellen Helfer muss die Kaltwassertherapie beendet werden. Nach Einschätzung der Verbrennungstiefe erfolgt ein stadienabhängiges Vorgehen: Patienten mit oberflächlichen Verletzungen verspüren Dauerschmerzen sehr großer Intensität, verstärkt durch Berührung und Bewegung des verletzten Areals. Patienten mit tiefen Verletzungen nehmen in den ersten Stunden sehr wenig bis gar keine Schmerzen wahr. Wache Patienten werden mit i.v.-Bolusgaben eines Opioids aus der Hand, je nach Schmerzangabe und Vigilanz, behandelt, anschließend mit Bolusgaben, Perfusor oder PCA-Pumpe (»patient controlled analgesia«). Intubierte Patienten können mit Bolusgaben, ggf. Perfusor (Opioid oder Ketamin), in Abhängigkeit von vegetativen Zeichen
(Blutdruck, Puls, Schmerzmimik, -gestik) analgetisch therapiert werden.
Analgesie im Krankenhaus Nach der Erstversorgung im Verbrennungsbad kann eine grobe Einschätzung der Verbrennungstiefe und damit eine Abschätzung der zu erwartenden Schmerzintensität erfolgen. Leichte Brandverletzung
Hier ist eine orale Analgetikagabe mit Nichtopioiden oft ausreichend und wird bei Bedarf ergänzt durch schwache Opioide nach WHOStufenschema. Zusätzlich bewirkt eine okklusive Verbandtechnik eine direkte Schmerzreduktion durch Abdeckung freiliegender Nervenendigungen und eine indirekte durch Verlängerung der Verbandwechselintervalle. Mittelschwere Brandverletzung
Bewährt haben sich eine Analgesie mit Opioiden i.v., vorzugsweise über PCA-Pumpe, kombiniert mit Nichtopioiden, sowie tiefenadaptierte Wundbehandlung. Schwere Brandverletzung
Fortführung der Analgosedierung (starkes Opioid kombiniert mit Benzodiazepin) und der maschinellen Beatmung. Die Steuerung der Sedierung erfolgt nach dem Ramsay-Score. Bei länger dauernÂ� der Analgosedierung wird aufgrund der Tachyphylaxie im Verlauf ein Wechsel der Substanzen notwendig. Hier kommen dann u.€a. Ketamin, Propofol, Clonidin, in Ausnahmefällen Barbiturate und Neuroleptika zum Einsatz. In hartnäckigen Fällen ist nur die Gabe volatiler Anästhetika wirksam. Bei Manipulationen (Verbandwechsel, Physiotherapie) sind zusätzliche, rechtzeitige Bolusgaben eines stark wirksamen Opioids angezeigt, alternativ kommt hier eine Kurznarkose in Frage, sofern die technischen Voraussetzungen bestehen. Nach Abschluss der Wundheilung
Hier stehen neuropathische Schmerzen und v.€a. Juckreiz im Vordergrund. Gelegentlich treten muskuloskelettale Nozizeptorschmerzen aufgrund von Fehlbelastungen oder Amputationen auf. Notwendig ist ein multimodales Schmerzkonzept unter Einbeziehung eines erfahrenen Schmerztherapeuten. Ergänzt wird das Behandlungsteam um Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Psychotherapeuten und Orthopädiemechaniker. Eine suffiziente Kompressionstherapie kann zu massiver Reduktion insbesondere der Juckreizproblematik beitragen. 69.3
Prinzipien der Therapie in der Akutsituation
69.3.1 Therapieziele Nach Ankunft der Patienten im Brandverletztenzentrum erfolgt zunächst die standardisierte Aufnahmeprozedur. Sie beinhaltet 4 die Körperreinigung und Rasur, 4 die Einschätzung des Ausmaßes der Brandverletzungen und 4 die Fotodokumentation. Bei zirkulären Brandverletzungen kommt es in wenigen Stunden durch Ödem und fehlende Dehnbarkeit der Haut zu Zirkulationsstörungen an den Extremitäten. Diagnostisch hilfreich ist dabei die Pulsoxymetrie, sofern das Hautkolorit aufgrund der Schädigung
69.3 · Prinzipien der Therapie in der Akutsituation
659
riger Körperkerntemperatur nach Durchführung der Aufnahmeprozedur wird zunächst ein trockener Verband angelegt; nach Erreichen einer Normaltemperatur wird der Verband von außen angefeuchtet. Therapeutisch steht die Stabilisierung des Schockzustands durch ausreichende Volumenzufuhr im Vordergrund. . Abb. 69.13╇ Schnitte zur Entlastung bei konstringierenden Verbrennungsarealen (Escharotomie)
nicht zur Beurteilung herangezogen werden kann. Bei Thorax- und Abdomenverbrennungen kann die Atmung beeinträchtigt sein. > Die Anlage von Entlastungsschnitten ist bei zirkulären Bauchverletzungen Grad€2b und€3 ohne Zeitverzug in der erstversorgenden Klinik durchzuführen (.€Abb.€69.13). > Die Escharotomie sollte dabei die verbrannte Haut durchtrennen und auch wenige Zentimeter in unverletztes Gebiet hineinragen. Bei Elektroverletzungen ist zusätzlich die Fasziotomie erforderlich, um ein Kompartmentsyndrom zu vermeiden.
Zusätzlich zur Wundinspektion erfolgt die gründliche Untersuchung nach Begleitverletzungen. Ein umfangreiches laborchemisches, seroÂ� logisches und mikrobiologisches Screening sind obligat. Das Legen eines zentralvenösen Zugangs ermöglicht Infusionstherapie und Medikamentenapplikation, wenn nötig parenterale Ernährungsergänzung. Ein arterieller Zugang dient der kontinuierlichen Blutdrucküberwachung, Herzzeitvolumenbestimmung und ermöglicht engmaschige Blutgas- und Hämatokritbestimmungen. Essenziell ist das Legen einer Magensonde oder jejunalen Ernährungssonde zur hochkalorischen, enteralen Ernährung innerhalb der ersten 6€h nach dem Trauma. Zur Kontrolle der Volumenbilanz und Berechnung des Kalorienbedarfs sind Größen- und Gewichtsbestimmung wesentlich. Die Anlage eines antiseptischen, feuchten Verbandes (z.€B. mit Polyhexamid€1%) ist die Regel. Auf gerbende oder farbveränÂ�dernde Substanzen wird dabei verzichtet, um die notwendige zweite Wundbeurteilung am Folgetag nicht zu erschweren. Lediglich bei nied-
Unmittelbar nach der Aufnahmeprozedur zu beantÂ� wortende Fragen 4 Prognose Ist die Fortführung der Therapie medizinisch sinnvoll und ethisch zu vertreten? 4 Beatmung Ist die Fortführung der maschinellen Beatmung nötig? Liegt ein Inhalationstrauma vor? Muss die Beatmung bis zur nächsten Operation fortgeführt werden, oder ist eine zwischenzeitliche Extubation sinnvoll? 4 Operationsindikation Besteht eine operative Indikation, oder ist eine konservative Therapie ausreichend? In welcher zeitlichen Abfolge sind welche Operationen sinnvoll durchführbar? 4 Anordnungen Es müssen gezielt Anordnungen für die weitere Diagnostik und Therapie getroffen und dokumentiert werden, im Einzelnen: Festlegung der Beatmungsparameter, der Infusionsmenge, der zu applizierenden Medikamente, des enteralen Ernährungsregimes, weiterer diagnostischer Maßnahmen, Überwachungsparameter, Verbandanordnung, Ausdehnung der Therapiemaßnahmen (z.€B. Hämofiltration). Zahlreiche Anordnungen können in den ersten 24€h nach Brandverletzung im Rahmen von Standardprozeduren oder als RahmenÂ� anordnungen getroffen werden. 4 Konsile Je nach Unfallhergang oder Vorgeschichte ist der konsiliarische Rat von Fachkollegen (z.€B. HNO, Augen, Innere Medizin) nötig. 4 Angehörigengespräch, Rücksprache mit vorbehandelnden Ärzten.
69
660
Kapitel 69 · Verbrennungsverletzungen
Am Folgetag liegt das Hauptaugenmerk diagnostisch auf der erneuten Einschätzung des Verbrennungsausmaßes. Erst danach kann der definitive Therapieplan erstellt werden. Ist eine OperationsindikaÂ� tion gegeben, wird stets die Frühnekrektomie, bei kleineren Arealen gleichzeitig die definitive Defektdeckung durch autologe Spalthauttransplantation angestrebt. Die erste Operation wird nach Ausschwemmen eines großen Teils der Ödeme durchgeführt, dies ist meist am 3.€Tag nach Trauma der Fall. Therapeutischen Vorrang hat in dieser Phase die Ödemmobilisation, bei konservativem Vorgehen die Optimierung der Verbandtechnik. Der okklusiven Verbandanordnung mit modernen Folien (z.€B. Biobrane; .€Abb.€69.14) und hydroaktiven Materialien ist dabei der Vorzug zu geben, da durch Reduktion der Verbandwechselintervalle die Schmerzintensität für den Patienten deutlich gesenkt und der personelle Aufwand vermindert werden. Im Falle blasenbildender Hauterkrankungen wird im Rahmen der Aufnahmeprozedur eine Biopsie aus dem Randbereich einer Blase gewonnen. So kann die Höhe der Epidermolyse (intraepidermal oder dermoepidermal) und damit die Diagnose zweifelsfrei festgestellt werden. Auch hier erfolgt eine zweite Einschätzung am Folgetag: Hierbei gilt es festzustellen, ob die Blasenbildung fortschreitet oder ihre maximale Ausprägung erreicht hat. Ist Letzteres der Fall, werden sämtliche Wundflächen mit einem temporären, kombinierten Hautersatzmaterial abgedeckt. Biobrane (.€Abb.€69.14) erfüllt in idealer Weise die Anforderungen, welche an einen Epithelersatz gestellt werden. Das Material haftet auf der feuchten Wunde, deckt dadurch freiliegende Nervenendigungen ab und reduziert Wundesekretion und Schmerz. Gleichzeitig ist es dehnbar genug, um die Bewegungen des Patienten nicht einzuschränken. Verbandwechsel sind schmerzarm, da die WundaufÂ� lage selbst bis zur Abheilung belassen wird. Der darüber angebrachte Schutzverband aus Mull wird bei Bedarf gewechselt. Die Reepithelisierung kann unter dem Hautersatzmaterial ungestört erfolgen; nach 8–10 Tagen lässt es sich leicht und schmerzfrei entfernen. 69.3.2 Differenzialdiagnose > Die wichtigste differenzialdiagnostische Maßnahme in der Akutphase ist die Unterscheidung zwischen oberflächlicher und tief zweitgradiger Schädigung.
Eine zweite Einschätzung nach 24€h hat sich daher sehr bewährt. Erst danach wird der definitive Behandlungsplan erstellt. Ausnahmen gelten hier lediglich bei eindeutig drittgradigen Verletzungen und bei ausgedehnten Hochspannungsverletzungen: Liegt keine infauste Prognose vor, kann eine Operation noch am Unfalltag für das Überleben entscheidend sein. > Die gültige Diagnosestellung der Verbrennungstiefe erfolgt erst intraoperativ.
69
Bei Verätzungen sind die Zusendung des Sicherheitsdatenblattes und die Rücksprache mit der zuständigen Giftzentrale oft Voraussetzungen für eine effektive Therapie. Bei blasenbildenden Hautreaktionen erfolgt routinemäßig die Zusammenarbeit mit dem Dokumentationszentrum schwerer Hautreaktionen (dZh) in Freiburg (www.uniklinik-freiburg.de/ hautklinik/live/dzh/projekt-1.html) sowie die Rücksprache mit den vorbehandelnden Kollegen, um das auslösende Agens zu ermitteln und eine erneute Applikation zu verhindern.
. Abb. 69.14╇ Deckung mit Biobrane bei zweitgradiger Handverbrennung
69.3.3 Operationsvorbereitung
Prinzipien im Rahmen der Operationsvorbereitung und -planung 4 Débridement hat Vorrang vor Transplantation 4 Sofort- bzw. Frühnekrektomie immer anstreben 4 Große Flächen zuerst behandeln, um die Nekroseareale rasch zu verkleinern und das Sepsisrisiko zu minimieren 4 Maximale Operationsdauer: 4€h 4 In mehreren OP-Teams arbeiten
Im Rahmen der Operationsvorbereitung sind allgemeingültige Richtlinien zu beachten. Wache Patienten müssen zur Operation einwilligen, die Aufklärung hat rechtzeitig zu erfolgen und muss schriftlich dokumentiert werden. Für analgosedierte Patienten muss nach spätestens 24€h eine Betreuung beim zuständigen Amtsgericht eingerichtet werden, an Wochenenden oder Feiertagen kann dies durch einen Eilantrag erfolgen. Die Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten und gefrorenem Frischplasma in ausreichender Menge muss am Operationstag gewährleistet sein. Auch sollten Spezialverbände und HautersatzÂ� materialien, sofern benötigt, vorrätig sein. Am Operationstag wird der Patient in ausreichender Analgosedierung, vorzugsweise intubiert und beatmet, im Bad vorgereinigt, nach Entfernung der alten Verbände können Krusten, Beläge und Restblasen abgetragen werden. Anschließend wird der Patient steril abgedeckt und auf den OP-Tisch umgelagert. So vorbereitet wird er in den beheizten OP-Saal verbracht. Das OP-Gebiet kann nach einer kurzen Wunddesinfektion nach Bedarf abgedeckt werden. Areale, die nicht operativ behandelt werden, können definitiv verbunden werden. 69.3.4 Operationstechnik
Lagerung Je nach zu behandelndem Areal ist Bauch- oder Rückenlage erforderlich, Armtische beidseits haben sich stets bewährt, da dadurch auch der Zugang zur Axilla erleichtert wird. Bei Anogenitalverlet-
661
69.3 · Prinzipien der Therapie in der Akutsituation
b
a
d
e
c
zung ist Steinschnittlage, seltener Heidelberger Lagerung nötig. Bei der Lagerung müssen die Spalthautentnahmeareale stets mitberücksichtigt werden.
Instrumentarium Das im OP eines Brandverletztenzentrums benötigte Instrumentarium zeigt .€Abb.€69.15.
Chirurgische Therapie tief zweitgradiger Brandverletzungen – tangentiale Exzision Bei 2b-Verletzungen sind noch Anteile des Koriums vital. Die schichtweise Abtragung der Nekrosen erfolgt so lange, bis ein gut
. Abb. 69.15╇ Im BV-OP benötigte Instrumente: a€Guillon-Dermatom (Weck-Messer), evtl. Humby-Messer, b€Dermatom zur Spalthautgewinnung, c€Platten-Meshgerät, d€Endlos-Meshgerät, e€Skin-Stapler
durchbluteter Wundgrund erreicht wird (.€Abb.€69.16). Blutpunkte im Abstand von 1€mm kennzeichnen die korrekte Tiefe. Die Blutstillung erfolgt durch das Auflegen heißer Kompressen oder Tücher, Elektrokoagulation ist nur in Ausnahmefällen erforderlich. Die effektivste Blutstillung ist die umgehende autologe Spalthauttransplantation.
Chirurgische Therapie drittgradiger Brand verletzungen – epifasziale Nekrektomie Die Schädigung des gesamten Koriums macht zusätzlich zu seiner Entfernung auch eine Resektion des darunter liegenden, subkutanen Fettgewebes notwendig. Eine Spalthauttransplantation auf Fettgewe-
69
662
Kapitel 69 · Verbrennungsverletzungen
a
. Abb. 69.16╇ Tangentiale Exzision
b . Abb. 69.19╇ MEEK-Technik: Frische Einzeltransplantate (a) und nach Einheilung (b) . Abb. 69.17╇ Epifasziale Nekrektomie
Spalthautgewinnung
. Abb. 69.18╇ Spalthautentnahme
69 be ist nur in Ausnahmefällen erfolgreich (z.€B. im Bereich der Mamma oder bei Kindern). Die nächste gut vaskularisierte Schicht ist die Muskelfaszie, sofern das lockere, von Gefäßen durchzogene epifasziale Bindegewebe vital ist und geschont werden kann. Daher wird bei drittgradigen Verletzungen die geschädigte Haut mitsamt der Subkutis im Sinne einer epifaszialen Nekrektomie débridiert (.€Abb.€69.17). Bei jungen Patienten kann gelegentlich auf die subkutane Fettgewebsfaszie (Scarpa-Faszie) transplantiert werden.
Die Entnahme der Spalthaut erfolgt zweckmäßigerweise mit dem Dermatom (druckluft- oder akkugetrieben; .€Abb.€69.18). Je nach zur Verfügung stehenden Entnahmearealen und Bedarf wird die gewonnene Spalthaut durch Umwandlung in ein Maschentransplantat (»mesh-graft«) expandiert. Das zu transplantierende Areal ist dann größer als das Entnahmeareal, Blut und Wundsekret können zwischen den Maschen abfließen. Es kann ein Maschenverhältnis von 1:1,5 bis 1:6 gewählt werden. Aufgrund ihrer Wirtschaftlichkeit bevorzugen wir bei großen Flächen sog. Endlos-Meshgeräte (1:2 oder 1:4), bei kleineren Arealen sind sog. Platten-Meshgeräte (1:1,5, 1:3) verbreitet. Bei großflächigen Brandverletzungen stehen oft nur wenige Spenderflächen zur Verfügung. Hier hat sich die Sandwichtechnik nach Alexander bewährt, bei der weit gemeshte Spalthaut (1:6) zusätzlich mit Fremdhaut bedeckt wird, um die sonst regelhafte Bildung von Granulationsgewebe zwischen den Maschen zu verhindern. Vor allem bei großflächigen Verletzungen des Rückens ist dieses Verfahren unser Standard. Durch die zwangsläufig in Rückenlage nahezu permanent bestehende Kompression erzielt man ein sehr gutes Ergebnis ohne hypertrophe Narbenbildung. Eine weitere Alternative zur Expansion ist das MEEK-Verfahren, bei dem die gewonnene Spalthaut in zwei Dimensionen expandiert wird (.€Abb.€69.19). Als Spenderareal der 1.€Wahl gilt für Kinder die behaarte Kopfhaut. Die Vorteile sind die extrem schnelle Regeneration aufgrund der maximalen Dichte an Hautanhangsgebilden, die einzigartige
663
69.3 · Prinzipien der Therapie in der Akutsituation
Möglichkeit der Mehrfachentnahme (bis zu 3-mal) und die Tatsache, dass das Spenderareal durch die nachwachsenden Haare unsichtbar wird. Nachteilig sind dagegen die eher schmalen Transplantate und die Tatsache, dass die Haut des Schädels vor der Entnahme mit NaClLösung unterspritzt werden muss. Am häufigsten wird daher beim Erwachsenen, nicht zuletzt wegen des hier größeren Flächenbedarfs, der unverletzte Oberschenkel oder Rücken als Spenderareal genutzt. Die Fixierung der Spalthauttransplantate erfolgt aus Gründen der Praktikabilität und Zeitersparnis mit Klammernahtgeräten. DieÂ�se können sparsam eingesetzt werden, da die Transplantate auf einem ausreichend débridierten Wundgrund gut haften. Einige Zentren verzichten sogar zur Gänze auf den Einsatz von Hautklammern. Bei Transplantation über Gelenken hat sich eine SchienenÂ� ruhigstellung für 5 bis maximal 7€Tage bewährt.
Hautersatzmaterialien Je nach Lokalisation, Verbrennungstiefe und Verlauf ist die alleinige, autologe Spalthauttransplantation jedoch mit Nachteilen in punkto Funktion und Ästhetik behaftet: So führt sie stets zu mehr oder weniger auffälligen, oft zu hypertrophen oder kontrakten Narben. Im Gesicht hat dies Entstellung und Stigmatisierung zur Folge, an den Extremitäten Bewegungseinschränkung. Die alleinige Spalthauttransplantation auf epifaszial nekrektomierte Areale nach drittÂ� gradigen Brandverletzungen hinterlässt in der Regel starre Narbenplatten, ebenfalls mit deutlichen funktionellen und ästhetischen Defiziten. Bei grenzwertigen, tief zweitgradigen, mehr noch bei drittgradigen Brandverletzungen kann durch den Einsatz von HautersatzÂ� materialien, sog. Dermisäquivalenten, eine Verbesserung der Widerstandsfähigkeit, Geschmeidigkeit, Temperaturregulation und der Sensibilität der Haut erzielt werden. Der Einsatz von Dermisersatzmaterial war mit den bisher kommerziell erhältlichen Produkten logistisch aufwendig, teuer und mit einer relativ hohen KomplikaÂ� tionsrate behaftet. Das bisher am weitesten verbreitet Material war eine dreidimensionale, silikonbeschichtete Kollagenmatrix (Integra), die innerhalb von 3–4 Wochen vaskularisiert und allÂ� mählich von körpereigenem Kollagen ersetzt wurde. In einem zweiten Schritt erfolgte dann die endgültige Defektdeckung durch Transplantation ultradünner, autologer Spalthaut. Vertretbar ist die Anwendung von Integra bei großflächigen Brandverletzungen und verhältnismäßig geringer Spalthautspenderfläche, da ohnehin auf das »Nachwachsen« der Spenderareale gewartet werden muss. Eine Wartezeit von 3€Wochen auf die endgültige Spalthauttransplantation bei kleineren Wundflächen ist unserer
Meinung nach jedoch inakzeptabel. Ein einzeitiges Vorgehen ist hierbei zu favorisieren. Matriderm ist eine dreidimensionale Matrix aus nativ strukturiertem, bovinem Kollagen der Typen€1,€3 und 5, welches mit ElasÂ� tin-Hydrolysat versetzt ist. Die Matrix wird in wenigen Wochen zu körpereigenem (humanem) Kollagen ungebaut. Das Produkt wird in Schichtdicken von 0,5€mm, 1€mm und 2€mm, jeweils in den Größen DIN€A6 und DIN€A4 vertrieben. Die einzeitige Anwendung (Matrix plus Spalthaut) ist bei den dünneren Varianten unproblematisch, die 2-mm-Matrix sollte, aufgrund der verlängerten Diffusionsstrecke, mit einem Vakuumverband kombiniert werden. Sie bietet Vorteile in puncto Elastizität und Narbenqualität. Tierexperimentell konnte auch eine ästhetische Verbesserung des Aspektes des Maschenmusters belegt werden. Nachteile betreffen lediglich die Handhabung der Spalthaut im OP. Die Einheilungsrate ist nicht signifikant verschlechtert. Bei großflächigen Brandverletzungen (>70%) kommen in seltenen Fällen Keratinozytenkulturen (Epicell) zum Einsatz. Dabei werden körpereigene Keratinozyten des Patienten aus einer kleinen Vollhautbiopsie isoliert und in wenigen Wochen unter sterilen Kautelen im Labor vermehrt. Die so gewonnenen, nur wenige Zelllagen dicken Transplantate können dann auf die Wunden aufgelegt werden. Das Verfahren ist aufwendig und sehr teuer, die Entwicklung stark hypertropher Narben ist regelhaft. Die Einheilungsrate liegt bei ca. 60%. Daher wird die Indikation nur sehr zurückhaltend gestellt. Bei kleineren Flächen ist die Anwendung des ReCell-Kit möglich; dabei erfolgt lediglich eine Isolation der Epidermiszellen Â�(Keratinozyten und Melanozyten) ohne Kultivierung intraoperaÂ� tiv€ im Bedside-Verfahren und umgehende Replantation auf den débridierten Wundgrund. Um einen passenden Farbton oder eine der ursprünglichen Haut ähnliche Textur zu erreichen, wählt man die Biopsie aus der unmittelbaren Umgebung oder kontralateralen Region. Alternativ ist die Transplantation allogener Keratinozyten aus einer Hautbank möglich; sie dienen als biologischer Verband und beschleunigen die Regeneration noch vorhandener Basalzellen oder weit expandierter Maschen- oder MEEK-Transplantate. Die Wundabdeckung mit Fremd- oder Kunsthaut (Leichen-, Schweinehaut, Biobrane, Suprathel, Epigard) kann helfen, die Wundheilung zu unterstützen oder die Phasen zwischen Débridement und definitiver Transplantation zu überbrücken. Eine Übersicht über die Hautersatzmaterialien zeigt .€Tab.€69.5, die Akuttherapie des Brandverletzten ist im Überblick dargestellt in .€Abb.€69.20.
. Tab. 69.5╇ Einteilung der gebräuchlichsten Hautersatzmaterialien hinsichtlich der Herstellung, Anwendung und des Hautanteils, der ersetzt werden soll
Temporär Epidermal
Permanent Dermal
Kombiniert
Synthetisch
Suprathel, Topkin, Biobrane
Epigard u.€a.
Biologisch
Allogene HK
Allogene FH, xeno� gene FH, Amnion
Kombiniert
Transcyte
Dermagraft
Abkürzungen: HK=humane Keratinozyten; FH=Fremdhaut. Fettgedruck: im Text beschriebene Materialien.
Epidermal
Dermal
Kombiniert
Epicell, ReCell
Integra, Matriderm, AlloDerm
Apligraf
69
664
Kapitel 69 · Verbrennungsverletzungen
. Abb. 69.20╇ Handlungsalgorithmus Akuttherapie des Brandverletzten (ITN=Intubationsnarkose, IMC=»intermediate care unit«)
69.3.5 Postoperative Behandlung
69
und Nachsorge
Die postoperative Wundehandlung ist in den Verbrennungszentren meist standardisiert. Die Verbandanordnung der transplantierten Areale muss in der Lage sein, Scherkräfte zu vermeiden und Druckbelastung zu verÂ� ringern, um die anfangs empfindlichen Transplantate nicht zu gefährden. Auflagen aus Schaumstoff haben sich ebenso bewährt wie der Einsatz entsprechender Therapiebetten mit pneumatischen Wechseldrucksystemen. Die Wundauflage auf den Hauttransplantaten verbleibt in der Regel 5€Tage, dann erfolgt der erste Verbandwechsel. Abhängig vom Zustand der Transplantate und Wunden werden die weiteren Verbandwechselintervalle geplant. Regelmäßige, intensive Wundreinigung, penible Abtragung von Krusten und Belägen, Balneotherapie
und intensive Hautpflege helfen, die Reepithelisierungszeit zu verkürzen und Wundheilungsstörungen und Komplikationen zu minimieren. Diese Behandlung ist jedoch zeit- und personalintensiv, darüber hinaus erfordert sie viel Erfahrung. Die Hautklammern können an den Händen und Fingern nach 5€Tagen, an allen weiteren Lokalisationen nach 7–10€Tagen entfernt€werden. Das erleichtert die Durchführung der FrühmobiliÂ� sation, die ab dieser Zeit beginnen muss, um Bewegungseinschränkung durch Immobilisation zu verhüten. Eine intensive physio- und ergotherapeutische Behandlung schließt sich an. Diese muss gleichzeitig vorsichtig und unter Sichtkontrolle der Transplantate erfolgen, um gefährliche Scherkräfte und Druckschädigungen zu vermeiden. Nach vollständiger Epithelisierung können die transplantierten Areale ohne Wundauflage verbleiben; sie bedürfen jedoch der konsequenten Pflege mit fetthaltigen Externa, da die Hautanhangsgebil-
665
69.4 · Prinzipien der Rekonstruktion
de und damit der Eigenschutz der Haut fehlen. Scherkräfte sollten für den Zeitraum von 3–6 Monaten vermieden werden, bis die Hornschicht widerstandfähig genug ausgebildet ist. Eine konsequente Kompressionstherapie muss nach vollständiÂ� gem Wundverschluss erfolgen. Die Kompression führt zu einer beabsichtigten Minderdurchblutung im Narbenareal und damit zu einem geringeren Einsprossen von Myofibroblasten. Die Narbenbildung kann dadurch wirksam verringert werden. Die Kompressionsbehandlung sollte durchgeführt werden, solange die Narbe aktiv ist, das ist in der Regel ein Zeitraum von 12–18 Monaten, kann aber auch bis zu 36€Monate andauern. Die regelmäßige Kontrolle des Heilungsverlaufes hilft, Narbenkontrakturen und daraus resultierende funktionelle Defizite rechtzeitig zu erkennen. Konservative Maßnahmen wie Silikonpflaster, Narbenmassage, Physiotherapie und Quengel-Behandlung können die Notwendigkeit operativer Korrekturen reduzieren oder, sind solche unumgänglich, deren Erfolgsaussichten erhöhen. Dazu gehören Kontrakturauflösungen, Narbenresektionen, VollhauttransplantatioÂ� nen oder plastisch-chirurgische Rekonstruktionen durch gestielte oder freie mikrovaskuläre Lappenplastiken. Idealerweise schließt sich an eine Akutbehandlung eines Schwerbrandverletzten eine differenzierte Rehabilitation an: Die Schwerpunkte sollten dabei sowohl in der medizinisch-funktionellen Behandlung liegen wie auch in der sozialen und beruflichen Reintegration. Eine psychologische Betreuung sollte selbstverständlich sein (.€Übersicht). Inhalte des Rehabilitationsprogramms Brandverletzter 4 Allgemeine Kräftigung und Konditionierung (Ausdauer- und Krafttraining, Walking, Bewegungsbad) 4 Kontrakturprophylaxe und Verbesserung der Beweglichkeit (Lagerungs- und Quengel-Behandlung, Physio-/Ergotherapie, Balneotherapie) 4 Haut-/Narbenpflege (Verbände bei Restdefekten oder Spannungsblasen, Narbenmassage, Anleitung zur Narbenpflege und zum Umgang mit der Kompressionskleidung) 4 Amputationen (Stumpfabhärtung, Prothesentraining, Komplikationsmanagement) 4 Aktivitäten des tägliche Lebens (Alltagstraining, Nutzung adaptiver Gebrauchselemente, Arbeitstherapie, SportÂ� therapie) 4 Anleitung zur optimalen Ernährung (Energiebedarf, Proteine, Vitamine, Spurenelemente) 4 Schmerzbekämpfung 4 Begleiterkrankungen und Folgeschäden (Behandlung neurologischer Störungen, Logopädie, Umgang mit PEG-Sonden) 4 Soziale Reintegration und berufliche Wiedereingliederung 4 Psychologische Betreuung (Einzel- und Gruppengespräche, Angstbewältigung, Kontakt zu Selbsthilfegruppen)
Die wichtigsten Säulen der Therapie Brandverletzter in der Zusammenfassung 4 4 4 4 4 4
Frühnekrektomie Enterale Ernährung Feuchte Wundbehandlung Autologe Hauttransplantation Frühmobilisation und Kompressionstherapie Psychologische Betreuung
69.3.6 Komplikationen Der Schwerbrandverletzte ist zusätzlich zu der Schwere seiner Verletzung durch Komplikationen bedroht. In erster Linie besteht durch die zerstörte Hautbarriere die Gefahr einer Wundinfektion und Sepsis. Dabei ist die Kolonisierung der Wunden ab einer Ausdehnung von 30% als regelhaft anzusehen. Das Hauptaugenmerk sollte darauf gerichtet sein, eine Keiminvasion zu verhindern und die Entwicklung multiresistenter Keine zu verhüten. Auch die systemischen Reaktionen auf die Verletzung (SIRS) tragen einen wesentlichen Teil dazu bei. Kardiovaskuläre Störungen wie Herzinsuffizienz sind oft mediatorinduziert. Pulmonale Insuffizienz trifft man nicht nur bei Inhalationstraumata an, sondern auch, selten, im Rahmen eines ARDS oder als Folge mechanischer Erschöpfung bei Thoraxverbrennung. Als Folge des Volumenmangels droht ein akutes Nierenversagen. Auch die verordneten Medikamente (Antibiotika, Diuretika) können zu medikamentös-toxischem Nierenversagen führen. Elektrolytimbalancen werden nahezu regelhaft beobachtet und sind Folge der massiven Volumenverschiebungen in den ersten 48–72€h. Metabolische Störungen können ebenfalls als mediatorinduziert angesehen werden. Gastrointestinale Störungen sind häufig bei verspäteter enteraler Ernährung, Sepsis oder unter Gabe vasoaktiver Substanzen oder nach Opioidgabe anzutreffen. Gerinnungsstörungen treten bei langen Operationen oder ebenfalls im Verlauf eines septischen Krankheitsbildes auf. SeptiÂ� sche Schockzustände enden, im Vergleich zu internistischen oder klassischen Traumapatienten, häufiger letal. 69.4
Prinzipien der Rekonstruktion
In der frühen Phase der Rehabilitation stehen konservative Maßnahmen im Vordergrund. Kommt es jedoch zu therapieresistenten funktionellen Einschränkungen noch vor Abschluss der Narbenreifung, ist in Ausnahmefällen die vorzeitige operative Intervention unvermeidbar. Nach Ausreifung der Narben können 3€unterschiedliche ästhetisch-funktionelle Probleme bestehen bleiben: 4 Narbenstränge, 4 instabile Narben, 4 Narbenplatten. Besonders häufig betroffene Regionen 4 4 4 4 4 4 4 4
Augenlider (Ektropion) Mund (Mikrostomie) Hals (mentosternale Kontraktur) Achselhöhlen Ellbogen Zwischenfingerfalten der Hände Kniekehlen Füße und Zehen
69.4.1 Therapie von
Narbensträngen
Kommt es durch dermatogene Narbenkontrakturen zu funktionell wirksamen Narbensträngen, ist eine operative Indikation gegeben. Das Prinzip der Therapie besteht in der Unterbrechung des Narbenstranges. Dies kann durch Inzision erfolgen. Der Schnitt muss dabei
69
666
Kapitel 69 · Verbrennungsverletzungen
bis über den Drehpunkt des jeweiligen Gelenkes geführt werden, um erneute, längs verlaufende Narben zu verhindern. Man ist immer wieder verwundert, wie breit der durch Inzision und Aufdehnung entstandene Defekt wird. Die Defektdeckung erfolgt mit mitteldicker Spalthaut oder Vollhaut. Eine Schienenruhigstellung für 8–10 Tage hat sich bewährt. Bei kleineren Kontrakturen sind Z-Plastiken oder serielle W-Plastiken erfolgreich einsetzbar, das Prinzip besteht hierbei in der Umlenkung der Narbenrichtung. Bei minder durchblutetem Wundgrund kommen gelegentlich gestielte oder freie mikrochirurgische Lappenplastiken zum Einsatz. 69.4.2 Therapie instabiler Narben und flächiger
Narbenplatten
Das Prinzip der operativen Therapie besteht im Ersatz des minderwertigen Gewebes oder mindestens in der Unterbrechung des bewegungseinschränkenden Narbenareals. Idealerweise wird der durch Exzision entstandene Defekt mit expandierter Haut aus der unmittelbaren Umgebung ersetzt, diese besitzt die gleiche Farbe, Textur und Konsistenz. Vor allem im Bereich des behaarten Kopfes wird diese Technik der Dermaexpander mit guten Erfolg eingesetzt. Auch wenn sich die Anzahl der Kopfhaare nicht wesentlich vermehrt, ist das Ergebnis doch in den meisten Fällen ein gut mit Haaren bedeckter Schädel. Allerdings beträgt die Komplikationsrate ca. 30%. Ist das Areal zu groß oder ist die Umgebung mitgeschädigt, kommen dicke Spalthaut- oder Vollhauttransplantate zum Einsatz. Steht nicht genug Haut zur Verfügung, muss auf Dermisersatzmaterial zurückgegriffen werden. Dabei droht jedoch die Schrumpfung des flächig-narbigen Areals, des Weiteren ist eine erneute Hauttransplantation erforderlich. 69.4.3 Therapie ästhetischer Störungen Nach Korrektur der funktionellen Beeinträchtigungen kann die Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes in Angriff genommen werden. Lediglich für das Gesicht gilt, dass funktionelle Störungen immer auch ästhetische Beeinträchtigungen sind, indem eine narbige Einschränkung der mimischen Muskulatur ein funktionelles und ästhetisches Defizit darstellt. Hier kommen dieselben Techniken zum Einsatz wie bei den oben beschriebenen funktionellen Problemen. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass die Narbenreifung abgewartet werden kann. Auch ein Abblassen der Narbenareale ist häufig schon eine deutliche ästhetische Verbesserung. Für Feinkorrekturen hypertropher Transplantatareale hat sich der Laser bewährt. Flächige Unregelmäßigkeiten können seit kurzer Zeit sehr erfolgreich mit der perkutanen Kollageninduktionstherapie behandelt werden.
69
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XI
Ästhetische Chirurgie P. Vogt
Kapitel 70
Rejuvenation – Hautverjüngung der Gesichtshaut╇╇ – 669 A. Steiert
Kapitel 71
Perkutane Kollageninduktionstherapie (Medical Needling)╇╇ – 681 M. Aust
Kapitel 72
Formkorrektur an Gesicht und Hals╇╇ – 685 A.€Steiert, P.M.€Vogt
Kapitel 73
Formstörungen der Nase (Rhinoplastik)╇╇ – 699 A.D. Niederbichler, P.M.€Vogt
Kapitel 74
Formkorrektur der Ohren (Otoplastik)╇╇ – 711 R. Ipaktchi, A. Gohritz
Kapitel 75
Ästhetische Chirurgie des oberen Rumpfes, Abdomens und Körperstamms╇╇ – 717 P.M. Vogt, A.D. Niederbichler
Kapitel 76
Körperkonturierung nach extremer Gewichtsabnahme╇╇ – 727 P.M. Vogt, A.Gohritz
Kapitel 77
Mammareduktion und -augmentation╇╇ – 735 A.€Handschin, T. Bund, K.H. Breuing
Kapitel 78
Gynäkomastie╇╇ – 747 F.-M. Leclère, A. Handschin, K.-H. Breuing
Kapitel 79
Formkorrektur an der oberen Extremität╇╇ – 753 F.-M. Leclère, A. Gohritz
Kapitel 80
Formkorrektur an Gesäß und unterer Extremität╇╇ – 759 A. Gohritz, H. Sorg
Im Gegensatz zur rekonstruktiven Chirurgie ist es das Bestreben der ästhetischen Chirurgie, die äußere Erscheinung der ansonsten körperlich gesunden Patienten zu verbessern. Die Patientengruppe, die derartige Eingriffe wünscht, unterzieht sich freiwillig einem Eingriff in der Erwartung einer Verbesserung des äußerlichen IstZustandes. Neben der Abklärung des chirurgischtechnisch Machbaren steht hier im Vordergrund die Erhebung eines sorgfältigen psychosozialen Profils der Patienten zur Ergründung der Motivation. Insofern kommt hier der sorgfäl tigen Definition von Ausschlusskriterien große Bedeutung zu, und es müssen neben der technisch sicheren Beherr schung der Verfahren auch Komplikationsmanagement und Nachbehandlung optimal ausgeführt werden, um die höchst verantwortungsvollen Eingriffe der ästhetischen Chirurgie sicher für den Patienten durchführen zu kön nen.
70
Rejuvenation – Hautverjüngung der Gesichtshaut A. Steiert
70.1
Historischer Hintergrundâ•… – 670
70.2
Patientenvorbereitungâ•… – 670
70.2.1 70.2.2 70.2.3
Patientenberatungâ•… – 670 Evaluationâ•… – 670 Vorbehandlung der Hautâ•… – 672
70.3
Oberflächliches Peelingâ•… – 672
70.3.1 70.3.2 70.3.3
Jessner-Lösungâ•… – 672 α-Hydroxysäuren (Glykolsäure) â•… – 673 10- bis 20%-ige Trichloressigsäure (TCA)â•… – 673
70.4
Mittlere bis tiefe Peelingsâ•… – 674
70.4.1 70.4.2
TCA-Peeling (Trichloressigsäure)â•… – 674 Phenol-Peelingâ•… – 675
70.5
Dermabrasioâ•… – 676
70.6
Laser-Resurfacing mit ablativen Lasersystemenâ•… – 678
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
670
Kapitel 70 · Rejuvenation – Hautverjüngung der Gesichtshaut
70.1
Historischer Hintergrund
Der Wunsch, die Gesichtshaut zu verjüngen, ist nicht neu. Frühge schichtliche Zivilisationen beteten ästhetische Schönheit an und suchten nach Möglichkeiten, das Altern zu bekämpfen. Das wohl älteste überlieferte Schriftstück zur Behandlung der Hautalterung ist der EbersPapyrus. Das Schriftstück wurde etwa um 1560 vor Christus verfasst und enthält u.€a. Methoden zur Beseitigung von Falten, Färbung von Haaren und Augenbrauen und andere Proze duren zur körperlichen Verschönerung. Der Einsatz von Chemikalien zur Hautbehandlung wird erst mals 1903 von MacKee erwähnt, der Flüssigphenol zur Behandlung von Aknenarben einsetzte. 1905 beschrieb Ernst Kromayer erstmals Verfahren, die Gesichtshaut mechanisch oberflächlich durch »Ho beln« und »Raspeln« abzutragen. Kromayer wird daher als »Vater der Dermabrasio« bezeichnet und nannte seine Technik »narbenlose Chirurgie«. 70.2
Patientenvorbereitung
Die unterschiedlichen Verfahren Peeling, Dermabrasio und Laser Resurfacing sind nicht für jeden Patienten und jeden Hauttyp geeig net. Daher muss für den Patienten sorgfältig das für ihn am besten geeignete Verfahren ausgewählt werden. Allgemein besteht die Indikation zur Rejuvenation der Gesichts haut bei Gesichtsfalten und fleckigen, den Patienten störenden Haut pigmentierungen, die durch Schwangerschaft, Kontrazeptiva oder chronische Sonnenbestrahlung hervorgerufen wurden. Bei sonnen geschädigter Haut kann das dysplastische Epithel durch die Behand lung regenerieren. Hautveränderungen anderer Genese wie z.€B. Teleangiektasien, Naevus flammeus oder tiefe Tattoos sind mit anderen, nicht ablati ven Laserverfahren erfolgreicher zu behandeln (7€Kap.€4). Hinsicht lich der Behandlung von Aknenarben ist zu beachten, dass Peelings nur oberflächliche Narbenareale adressieren können, für ausgepräg tere Befunde stehen die Verfahren Dermabrasio und ablative Laser systeme zur Verfügung.
Patienten zu machen, seine Gewohnheiten den Behandlungsemp fehlungen unterzuordnen. Sollten hier Zweifel über die Patientendis ziplin bestehen, ist von einer Behandlung abzuraten. In jedem Fall sollte sich der Patient nach dem Aufklärungsge spräch Gedanken über den Eingriff machen und erst in einem zwei ten Gesprächstermin der definitive Operationstermin vereinbart werden. Dieses zweite Gespräch halten wir für besonders wichtig, da beim Patienten häufig zusätzliche Fragen im Intervall aufkommen, die ohne weiteres Gespräch sonst nicht in Ruhe besprochen und geklärt werden können. 70.2.2 Evaluation
70.2.1 Patientenberatung
Die Patientenevaluation ist entscheidend, um für den Patienten den am besten geeigneten Behandlungsplan aufzustellen. Die Evaluation konzentriert sich dabei auf Hauttypus und GesichtsTeint, Hautstruk tur und dicke, Grad des Photoagings und Ausprägung der Gesichts rhytiden. Die Morbidität, die mit der jeweiligen Prozedur assoziiert ist, muss gegen die Bedürfnisse und Wünsche des Patienten abgeÂ� wogen werden. Nur durch gründliche Kenntnis der Behandlungs möglichkeiten und der vom Patienten geschilderten Erwartungen kann ein zufriedenstellendes Behandlungsergebnis erzielt werden (.€Abb.€70.1). Die Entscheidungsfindung, welches Verfahren für welchen PaÂ� tienten geeignet ist, wird durch die Einteilung des Patienten zu einem Hauttyp nach Fitzpatrick in Kombination mit der Haar und Augenfarbe erleichtert.
Zahlreiche Faktoren beeinflussen das Ergebnis einer Behandlung.
Fitzpatrick-Klassifizierung des Hauttypus
> Priorität im Beratungsgespräch ist die Klärung der erreichbaren Behandlungsziele bezogen auf die Patientenerwartungen (. Abb. 70.1).
70
. Abb. 70.1╇ Eine gewissenhafte Aufklärung schafft realistische Behandlungsziele und Erwartungen
In einer umfassenden Beratung zur Rejuvenation des Gesichtes sollte zwischen der Behandlung schwerkraftbedingter Veränderungen und der Auswirkung des Photoagings unterschieden wer den. Pigmentierungsveränderungen, multiple feine und einzelne grobe Gesichtsrhytiden sowie Aknenarben sind mittels chemischer, mechanischer oder photoelektrischer Techniken besser zu beÂ� handeln, da sie den auf die Dermis und Epidermis begrenzten, loÂ� kalisierten Schaden besser behandeln als chirurgische Verfahren (Facelift). Im Beratungsgespräch sollten die einzelnen Verfahren und de ren Vor und Nachteile dem Patienten erklärt werden. Wichtig für den Patienten ist die Aufklärung über berufliche und gesellschaft liche Ausfallzeiten. Des Weiteren sollten Lebensgewohnheiten, ins besondere hinsichtlich Sonnenexposition und Rauchen, anamne stisch erhoben werden, um sich ein Bild über die Bereitschaft des
Die FitzpatrickKlassifizierung teilt den Hauttypus in unterschied liche Klassen ein. Die Klassifizierung erfolgt durch die Neigung der Haut, nach UVExposition zu hyperpigmentieren oder durch UV Exposition eine Verbrennung zu erleiden (.€Tab.€70.1).
Hautdicke und Hautstruktur Die Hautdicke und die Hautstruktur sollte im Behandlungsplan ei ner ResurfacingBehandlung berücksichtigt werden. Die Hautdicke (.€Abb.€70.5) ist besonders relevant bei mitteltiefen und tiefen Pee lings, da die retikuläre Dermis dünner Haut von den PeelingSub stanzen schneller durchdrungen werden kann. Patienten mit dicker, fettiger Haut reagieren meist gut auf ein Programm zur Unterdrückung der Fettproduktion; RetinA und Glykolsäuren werden sehr gut vertragen. Ein verbleibender Fettfilm vor der PeelingProzedur erschwert das Eindringen der PeelingSub stanz. Daher sollte bei Patienten mit erhöhter Talgproduktion der meist auch deutlich dickeren Haut ein längeres Vorbehandlungspro gamm und entfettende Maßnahmen vor der PeelingProzedur durchgeführt werden.
70.2 · Patientenvorbereitung
671
. Tab. 70.1╇ Fitzpatrick-Klassifizierung des Hauttyps
Fitzpatrick-Typ
Kennzeichen
Hauttyp I
4 Diese Patienten sind gewöhnlich rothaarig oder hellblond. Ihre Augenfarbe liegt im Bereich grün oder blau und ist niemals dunkel. 4 Diese Patienten erleiden bei UV-Exposition immer einen Sonnenbrand und vermeiden daher meist die Sonnenexposition. Ein Bräunungseffekt durch UV-Exposition tritt nicht auf. 4 Daher sind in dieser Patientengruppe aktinische Pigmentveränderungen seltener, und die Inzidenz von Hyperpigmentierung nach jeglichem Resurfacing-Verfahren ist niedriger.
Hauttyp II
4 Patienten mit einem Hauttyp II zeigen eine Intoleranz gegenüber längerer UV-Bestrahlung und erleiden ohne UV-Schutz einen Sonnenbrand. Schonende UV-Exposition führt zu einem Bräunungseffekt der Haut. 4 Die Patienten haben helle Haare und überwiegend helle Augen. 4 Setzt sich diese Patientengruppe chronischer UV-Bestrahlung aus, werden die Folgen des Photoaging sichtbar werden. 4 Obgleich eine Hyperpigmentierung nach einer Rejuvenationsbehandlung nicht auszuschließen ist, sind diese Patienten ideale Kandidaten für mitteltiefe und tiefe Peelings, ebenso wie für Laser-Resurfacing.
Hauttyp III
4 Patienten mit Hauttyp III bräunen leicht, erleiden nach längerer UV-Exposition ohne UV-Schutz aber einen Sonnenbrand. 4 Diese Patientengruppe hat einen hellen bis mittelhellen Teint und meist dunkle Haare und braune Augen. Bei blondem Haar, aber dunklen Augen und dunklen Augenbrauen sollte der Patient eher als Hauttyp III eingestuft werden, um dem Risiko der Hyperpigmentierung durch entsprechende Vorbehandlung vorzubeugen. 4 Bei diesen Patienten besteht eine Neigung zur Hyperpigmentierung nach tiefen Resurfacing-Verfahren. 4 Daher ist bei diesen Patienten eine Vorbehandlung mit Retin-A und Hydrochinon dringend zu empfehlen, um das Risiko einer Hyperpigmentierung zu minimieren.
Hauttyp IV
4 Patienten mit diesem Hauttyp sind häufig südländischer oder hispanischer Herkunft und haben einen mitteldunklen HautÂ� teint und dunkelbraunes bis schwarzes Haar. Die Augen sind ebenfalls braun oder dunkler. 4 Diese Patienten bräunen unter UV-Exposition schnell und ziehen sich nur selten einen Sonnenbrand zu. 4 Wegen der erhöhten Pigmentierung in der Epidermis sind diese Patienten im Hinblick auf Hyperpigmentierung nach Resurfacing höher gefährdet. Ein mitteltiefes oder tiefes Resurfacing ist daher nur nach längerer Vorbehandlung mit Retin-A und Hydrochinon zu empfehlen. 4 In der Nachbehandlung sind meist Bleichmittel erforderlich.
Hauttyp V
4 Patienten mit Hauttypus V besitzen einen dunklen Teint, schwarzes Haar und dunkle Augen. Die Herkunft ist orientalisch, indisch, ostasiatisch oder afrikanisch. 4 Sie bräunen unter UV-Exposition stark und können durch Hautverletzungen, wie Trauma, Akne oder Infektionen (Herpes) fleckige Pigmentierungen aufweisen. 4 Ein Resurfacing muss bei dieser Patientengruppe zurückhaltend durchgeführt werden. Eine Vorbehandlung mit Retin-A und Hydrochinon ist dabei unabdingbar. 4 Da die Patienten meist den Arzt zur Behandlung der fleckigen Pigmentierungen aufsuchen, sind mehrere oberflächliche Peelings und ein tägliches Hautpflegeprogramm sinnvoller, als die Patienten den Gefahren eines tieferen ResurfacingVerfahren mit Hypo- oder Hyperpigmentierungen auszusetzen. 4 Als zusätzliche Komplikation bei tieferen Peelings kann auch ein fleckiger Pigmentverlust auftreten, der zu einem vitiligoähnlichen Aussehen führen kann.
Hauttyp VI
4 Diese Patienten sind typischerweise afrikanischer Herkunft mit dunklem Teint der Haut, schwarzen Haaren und dunklen Augen. 4 Diese Patienten erleiden niemals einen Sonnenbrand. UV-Bestrahlung bewirkt eine verstärkte Pigmentierung, typische Stigmata des Photoagings fehlen. 4 Sollten trotz des deutlich erhöhten Risikos von Fehlpigmentierungen Resurfacing-Verfahren in Erwägung gezogen werden, ist ein längeres Vorbehandlungsschema einzuhalten und über die Risiken der Keloidbildung und hypertropher NarbenÂ� bildung schonungslos aufzuklären.
Patienten mit chronischer Akne haben meist dicke, fibrotische Haut, die ein ausreichendes Eindringen der Peeling-Substanz erschwert. Diese Patienten benötigen daher ein aggressiveres Vorbehandlungsprogramm mit Retin-A und Hydrochinon. Patienten mit dünnerer, trockener und atropher Haut sind häufiger anfälliger für UV-induzierte Hautschäden als Patienten mit dickerer und fettigerer Haut. Viele Patienten mit dünner, atropher Haut zeigen eine signifikante Photoschädigung mit dermaler Atrophie und vertragen Vorbehandlungprogramme mit Retin-A und Glykolsäuren weniger gut. Die Anwendung dermatologischer Substanzen muss daher abgestuft erfolgen. Zusätzlich sollten feuchtigkeitsspendende Substanzen eingesetzt werden.
! Cave Patienten mit dünner und atropher Haut haben daher eine deutlich schmalere Sicherheitsspanne bei ablativen Resurfacing-Verfahren als die Patienten mit dicker, fettiger Haut, sodass Resurfacing-Verfahren in diesem Patientenkollektiv nur mit äußerster Vorsicht und Sorgfalt durchgeführt werden sollten.
70
672
Kapitel 70 · Rejuvenation – Hautverjüngung der Gesichtshaut
70.2.3 Vorbehandlung der Haut
Retin-A Tretinoin (Retin-A), ein Vitamin-A-Derivat, kann die durch UVEinwirkung hervorgerufenen Schäden der Haut günstig beeinÂ� flussen. Die epidermale Wirkung zeigt sich histologisch in einer Verdünnung des Stratum corneum; zusätzlich ist eine melanozytensupprimierende Wirkung nachgewiesen. Retin-A steigert den Grad der Eindringtiefe der Peeling-Substanzen und beschleunigt die ReÂ� epithelialisierung. Wird Retin-A in der täglichen Hautpflege angewandt, kommt es nach 6–12 Wochen nach Behandlungsbeginn zu den ersten sichtbaren Effekten. Die Haut zeigt eine glattere Struktur, erhält eine glänzende rosarote Farbe und eine gleichmäßigere Pigmentierung. Histologisch ist nach einer Anwendung von 6€Monaten eine Kollagenneogenese und vermehrte Angiogenese gezeigt worden. Die Retin-A-Vorbehandlung sollte mit 0,1% Retin-A beginnen. Die Mehrzahl der Patienten zeigt eine temporäre Dermatitis, die innerhalb von 2–3 Wochen abklingt. Die Patienten sollten angewiesen werden, zunächst nur kleinste Mengen, etwa Erbsengröße, der Creme vor dem Schlafengehen auf das gesamte Gesicht aufzutragen. Um sanft zu beginnen, kann diese Anwendung z.€B. zunächst alle 2€Nächte erfolgen. Die Patienten sind darauf hinzuweisen, dass das Retin-A gleichmäßig im Gesicht zu verteilen ist und nicht auf Areale, die den Patienten besonders stören, fokussiert werden soll, da es dann zu unregelmäßigen, unkontrollierten Eindringtiefen des Peelings kommen kann und damit das Gesamtergebnis der Behandlung gefährdet ist. Stellen sich Hautreizungen ein, sollte der Patient ermutigt werden, die Behandlung nicht abzubrechen und eine kleinere Menge alle 3–4 Nächte aufzutragen. Alternativ kann auch die Konzentration des Retin-A auf 0,05% reduziert werden. Bei Unverträglichkeiten auch geringerer Konzentrationen und Anwendungsmengen des Retin-A kann zusätzlich eine Hydrokortisonsalbe appliziert werden. Kommt es im weiteren Verlauf nicht zur gewünschten Verbesserung der Verträglichkeit, sollte das Retin-A durch ein Glykolsäurepräparat der Konzentration 10–14% ersetzt werden. Nachdem der Patient das Retin-A regelmäßig alle 2€Nächte verträgt, wird die Frequenz der Applikation auf jede Nacht gesteigert. Sobald auch die tägliche Anwendung gut vertragen wird, können die Retin-A-Mengen gesteigert werden. > Retin-A erhöht die Photosensibilität der Haut, sodass die Anwendung von sog. Sunblockern für den Patienten erforderlich wird.
Für Patienten mit ausgesprochen trockener Haut sollte 0,05% Retinolsäure anstatt Retin-A verwandt werden, damit die Haut nicht weiter austrocknet.
Hydrochinon
70
Hydrochinon wird zur Vorbehandlung der Haut auf chemische Peelings angewandt. Es dient zur gleichmäßigeren Pigmentierung nach Peeling und zur Vorbeugung einer postoperativen Hyperpigmentierung. Hydrochinon hemmt die enzymatische Oxygenierung von Tyrosin€3,4-Dihydroxyphenylalanin (Dopa) und die Melaninproduktion in der basalen Epidermis. Da lediglich die Bildung von »neuem« Melanin gehemmt wird, ist die Wirkung erst nach Wochen bemerkbar. Bei den Hauttypen >III nach Fitzpatrick sollten Hydrochinone in der Vorbehandlung eingesetzt werden. Die Wirksamkeit der Hydrochinone wird durch die simultane Anwendung von Retin-A gesteigert, da die Eindringtiefe durch das Retin-A erhöht wird und Retin-A in der Hemmung der Melaninproduktion synergistisch wirkt.
Hydrochinon (4%) wird zusammen mit Retin-A zunächst alle 2€Tage zur Nacht aufgetragen. Entsprechend der Anwendung von Retin-A kann die Anwendungsfrequenz bei guter Verträglichkeit€gesteigert werden. Auf dem Markt sind Hydrochinon-ProÂ� dukte,€die einen Sunblocker enthalten, was dem Patienten die Applikation einer weiteren Substanz auf seiner Haut erspart. Bei Patienten mit Hyperpigmentierungsstörungen, z.€B. fleckige Hyperpigmentierungen beim Hauttyp Fitzpatrick€V/VI, kann HydÂ� rochinon auch 2× täglich aufgetragen werden, dabei wird die SubsÂ�tanz€nachts zusammen mit Retin-A und morgens singulär aufÂ�getragen. 70.3
Oberflächliches Peeling
Mit oberflächlichen Peeling-Substanzen lassen sich aktinische Keratosen, feine Gesichtsfalten und oberflächliche Dyschromasien gut behandeln. Oberflächliche Peelings werden regelmäßig über mehrere Wochen und Monate durchgeführt. Es gibt für oberflächliche Peelings gegenüber den aggressiveren Peelings eine Reihe von Vorteilen. Sie sind beispielsweise geeignet für Patienten, deren Lebensstil eine längere Ausfallzeit nicht erlaubt. Nach einem oberflächlichen Peeling ist der Patient noch am Tage der Anwendung wieder gesellschaftsfähig. Da keine Hypopigmentierung nach einem oberflächlichen Peeling auftritt, besteht kein Unterschied zwischen behandelten und unbehandelten Arealen. Die Anwendung ist schmerzfrei, und nur selten wurden Komplikationen oder ungünstige Resultate beschrieben. Der ideale Patient wünscht sich ein jüngeres Erscheinungsbild der Haut und zeigt fleckige Pigmentierungsstörungen und feine Rhytiden. Das Behandlungsziel ist die Wiederherstellung eines gesünderen, dynamischen Aussehens durch die Beseitigung von Pigmentunregelmäßigkeiten. Die Patienten müssen motiviert werden, ein tägliches Hautpflegeprogramm durchzuführen, und über die Notwendigkeit wiederholter Anwendungen zur Erreichung des Behandlungsziels aufgeklärt werden. Zur Behandlung stehen zahlreiche Substanzen zur Verfügung. Am häufigsten eingesetzt werden die Jessner-Lösung, α-Hydroxysäuren und 10–20% Trichloressigsäure (TCA). 70.3.1 Jessner-Lösung Die Jessner-Lösung (Dr.€Max Jessner) wird seit über 100€Jahren Â�erfolgreich eingesetzt und setzt sich wie in .€Tab.€70.2 gezeigt Â�zusammen. Die Jessner-Lösung führt zur Keratinolyse und Eiweißkoagulierung. Sie beseitigt das Stratum corneum und keratokoaguliert Anteile der Dermis.
. Tab. 70.2╇ Bestandteile der Jessner-Lösung
Bestandteil
Menge
Resorzin
14 g
Salizylsäure
14 g
Milchsäure (85%)
14 g
Ethanol (95%)
100 ml
673
70.3 · Oberflächliches Peeling
Technik Die Behandlung erfolgt nach Vorbehandlung mit Retin-A und Hydrochinon, um die Wirksamkeit der Jessner-Lösung zu erhöhen. Nach Hautreinigung und -entfettung mittels Alkohol oder Aceton werden zum Auftragen mit Jessner-Lösung befeuchtete GazeSchwämme verwendet. Im Gegensatz zur Glykolsäure ist eine abschließende Neutralisierung mit Wasser nicht erforderlich. Die Eindringtiefe und der Endpunkt des Peelings werden anhand der klinischen Erscheinung der Haut festgelegt. Eine einzige gleichmäßige Applikation auf vorbereitete Haut verursacht milde Erythema, minimales Stechen oder Prickeln, was nach 5–10 Tagen abklingt. 2–3 Applikationen der Lösung führen zu einem tieferen Peeling mit einem moderaten bis 30€min anhaltendem Stechen und mildem Erythem. Die Hautpflege nach dem Peeling erfolgt durch eine neutrale feuchtigkeitsspendende Substanz, die 3–4× pro Tag aufgetragen wird. Sunblocker sind erforderlich, da die äußere Schutzschicht der Haut entfernt worden ist. Jessner-Peelings können alle 1–3€Wochen wiederÂ� holt werden, je nach Tiefe und Toleranz und Wunsch des Patienten. Die Jessner-Lösung eignet sich auch zur Vorbehandlung eines tiefen Peelings mit 35%TCA, insbesondere dann, wenn der Eindruck entstehen sollte, dass die Vorbehandlung mit Retin-A und Hydrochinon bei dicker Haut nicht regelmäßig erfolgte. Komplikationen sind unwahrscheinlich, da die Eindringtiefe der Jessner-Lösung begrenzt ist. Hyperpigmentierung sind Zeichen einer zu frühen, ungeschützten UV-Strahlung. Ein klinisches Beispiel zeigt .€Abb.€70.2. 70.3.2 α-Hydroxysäuren (Glykolsäure) α-Hydroxysäuren sind natürlich vorkommende Säuren mit Kohlenstoffketten und einer endständigen Carboxylgruppe. Diese Substanzgruppe umfasst Glykol-, Milch-, Zitronen-, Apfel- und Weinsäure. Das Stratum corneum wird verdünnt, und die epidermale Permeabilität steigt an. Glykolsäure ist die in den USA am häufigsten eingesetzte Hydroxysäure. Für die tägliche Hautpflege sind Präparate mit einer Konzentration zwischen 8% und 14% auf dem Markt, als oberflächliches Peeling wird eine Konzentration von 30–70% eingesetzt. GlykolsäurePeelings entfalten ihre Wirksamkeit proportional zur Einwirkzeit und bedürfen daher einer sorgfältigen Aufsicht. Ein GlykolsäurePeeling in einer 50%-iger Konzentration kann bei längerer EinÂ� wirkungszeit die Dermis durchdringen und zu Erosionen führen, während ein Peeling mit einer 70%-iger Konzentration bei kurzer Einwirkzeit nur einen milden Effekt aufweist. Die Anwendung von Hydroxysäuren ist in Gelform zu empfehlen, da die Handhabung einfach ist. Gele sind leicht aufzutragen, tropfen nicht und verlaufen nicht auf Oberflächen, insbesondere auf Areale, die nicht behandelt werden sollen.
Technik Die Vorbehandlung der Haut erfolgt mit Retin-A und Hydrochinon über 6–8 Wochen. Vor Anwendung des Peelings wird die Haut von Schmutz und Kosmetika gereinigt. Die Hydroxysäure wird mit einem Baumwolltupfer gleichmäßig und zügig auf das Gesicht aufgetragen, da der Endpunkt der Anwendung des gesamten Areals durch die Applikation von Wasser bestimmt wird. Besteht also zwischen der Benetzung des Startpunktes und des zuletzt behandelten Areals ein zu langes Zeitintervall, werden die Intensität des Peelings und entsprechend die Eindringtiefe unterschiedlich sein, was ggf. durch Pigmentverschiebungen sichtbar werden könnte.
a
b . Abb. 70.2a, b╇ Jessner-Peeling. a€Hyperpigmentierung vor der Behandlung, b€klinisches Bild nach oberflächlichem Jessner-Peeling
> Da die Haut an der Stirn am dicksten ist, sollte an der Stirn mit dem Peeling begonnen werden.
Die Hautbeschaffenheit ist auch bei den Hydroxy-Peelings zu beachten, da eine Applikation einer 70%-igen Lösung auf dünner, atropher Haut über 7–8€min ein tiefes Peeling verursachen kann. Die behandelte Haut wird mit der Zeit zunächst rosa und dann zunehmend röter, was dem gewünschten Grad der Eindringtiefe entspricht. Sind kleine grau-weiße Flecken erkennbar, wird die Grenze zur Dermis erreicht. Tieferes Eindringen in die Dermis zeigt sich durch eine weiße, frostartige Hautveränderung und entspricht nicht der Anwendung der Hydroxysäuren als oberflächliche Peeling-Substanz. Ist der gewünschte Endpunkt erreicht, wird das komplette Gesicht mit reichlich Wasser abgespült, um keine Reste der Hydroxysäure zu belassen. Oberflächliche Peelings verursachen lediglich ein mildes Abschuppen und werden mit einem Feuchtigkeitsspender und Schminke abgedeckt. Solche Peelings können je nach Verträglichkeit wöchentlich oder alle 3€Wochen wiederholt werden. Bei Patienten, die nach 2€Anwendungen kein verbessertes Ergebnis zeigen, sollte ein invasiveres Vorgehen vorgeschlagen werden. Komplikationen nehmen mit der Behandlungstiefe zu. Am häufigsten sind ein verlängertes Erythem und selten Hyperpigmentierungen. 70.3.3 10- bis 20%-ige Trichloressigsäure (TCA) Leichte TCA-Peelings können bei Patienten durchgeführt werden, die milde aktinische Veränderungen aufweisen, und bei Patienten, die eine längere Rekonvaleszenz akzeptieren. Bereits nach 90€s Kontaktzeit kommt es zu einem generalisierten Erythem des behandelten Areals. Nach 3€min können fleckiger Frost
70
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Kapitel 70 · Rejuvenation – Hautverjüngung der Gesichtshaut
und eine Intensivierung des Erythems beobachtet werden, was dem Endpunkt des Peelings entsprechen sollte. TCA in jeder Konzentration kann entsprechend der Hautbeschaffenheit und Kontaktzeit tiefe dermale Verletzungen verursachen. Die Indikationen für oberflächliche TCA-Peelings entsprechen denen der Glykolsäure-Peelings. Die Vorbehandlung mit Retin-A steigert die Effektivität des oberflächlichen TCA-Peelings. 70.4
Bestandteil
Menge
TCA-Lösung 50%
5 ml
Glycerin
1 ml
Tween 20
8 Trpf.
Mittlere bis tiefe Peelings
70.4.1 TCA-Peeling (Trichloressigsäure) Ein TCA-Peeling ist in seiner Eindringtiefe und damit in seiner Intensität variabel einsetzbar und erlaubt daher eine breite Anwendungsvielfalt. Im Gegensatz zu Phenol hat TCA eine weniger starke Wirkung auf den Melanozytenmetabolismus und damit keinen so stark bleichenden Effekt wie Phenol. Daher kann TCA bei verschiedenen Teints eingesetzt werden und ist bei hellhäutigen Personen genauso einsetzbar wie bei Patienten ostasiatischer oder afrikanischer Herkunft. TCA-Peelings haben ihre Grenzen. Bei Patienten mit groben Gesichtsfalten, insbesondere perioral, ist der Effekt auch eines tiefen Peelings häufig enttäuschend und darüber hinaus nur temporär.
Indikationen TCA-Peelings sind besonders zur Behandlung von oberflächlichen und mitteltiefen Pigmentstörungen und aktinisch geschädigter Haut geeignet. TCA-Peelings können bei diffusen epidermalen Dysplasien und Aknenarben dicker Haut als Zusatzbehandlung einer Dermabrasio eingesetzt werden. Die durch Photoaging verursachten epidermalen HautveränÂ� derungen reagieren gut auf ein mitteltiefes TCA-Peeling, das im Intervall auch wiederholt werden kann. Für die Behandlung grober Rhytiden kann nur ein tiefes TCA-Peeling einen nachhaltigen Effekt hervorrufen. Hierzu muss das Peeling jedoch tief bis zur papillären Dermis eindringen und ist damit mit einer erhöhten Komorbidität verbunden. Feine und mittelgrobe Falten an der Stirn, periorbital und an den Wangen sind die ideale Indikation für ein mitteltiefes Peeling mit TCA. Die problematische Behandlung von Aknenarben kann durch ein mittleres bis tiefes TCA-Peeling ergänzt werden. Verbleibt nach einer Dermabrasio z.€B. eine Restvernarbung, kann nach konsequenter Vorbehandlung mit Retin-A und Hydrochinon das Ergebnis deutlich verbessert werden. Hierzu sollten TCA-Konzentrationen von 35–45% eingesetzt werden.
Vorpeeling-Programm
70
. Tab. 70.3╇ Modifizierte TCA-Lösung
TCA ist im Vergleich zu Phenol eine mildere Peeling-Substanz und durchdringt daher die epidermale-dermale Grenzzone weniger gleichmäßig. Die Vorbehandlung der Gesichtshaut verbessert entscheidend über das Stratum corneum der Epidermis hinaus die gleichmäßige Aufnahme der Peeling-Substanz. Zusätzlich reduziert ein konsequentes Vorprogramm durch Dämpfung des Melanozytenmetabolismus das Risiko einer Hyperpigmentierung. Bei Patienten des Hauttyps Fitzpatrick III–V sollte zusätzlich zu Retin-A Hydrochinon appliziert werden. Dauer der Vorbehandlung
Ein epidermaler Zellzyklus dauert ca. 45€Tage. Da die Anwendung der Retin-A- und Hydrochinon-Cremes ihre maximale Wirkung auf
neugebildeten Zellen entfalten kann, ergibt sich ein Vorbehandlungsintervall von mindestens 6€Wochen. Bei der Planung tieferer Peelings und Patienten mit einem Hauttyp Fitzpatrick >III ist eine Vorbehandlung über die Dauer von 2€Zellzyklen, also 12€Wochen, zu empfehlen. TCA-Aufbereitung
Die dramatisch unterschiedliche Wirkung des TCA-Peelings bei unterschiedlichen Konzentrationen unterstreicht die Wichtigkeit der Art der Aufbereitung. TCA kann von einer Apotheke des Vertrauens bezogen werden. Fehler in der Aufbereitung können jedoch dramatische Folgen für den Patienten und den anwendenden Arzt bedeuten. Alternativ sind Pharmalieferanten mit entsprechender Produktgarantie zu nennen. Die Applikation der TCA-Lösung wird aus unserer Sicht durch folgende Modifikation verbessert (.€Tab.€70.3). Der Zusatz von Glycerin verbessert die Viskosität, sodass das gleichmäßigere Auftragen erleichtert wird, und verzögert etwas das Eindringen des TCA, was die Beurteilbarkeit der Eindringtiefe verbessern kann. Der Zusatz von Tween€20 hilft, das TCA und Glycerin in Lösung zu halten.
Technik Mitteltiefes Peeling
Der Patient wird aufgefordert, ungeschminkt zum Peeling-Termin zu erscheinen. Vor dem Peeling erfolgt eine Hautreinigung mit Aceton, um Restfette zu entfernen. Hernach wird die Haut mit einem Alkoholtupfer abgewischt. Bei Patienten mit dicker, fettiger Haut oder bei Patienten, die voraussichtlich das Vorprogramm unzureichend durchführten, ist es hilfreich, das Gesicht mit einem Acetonschwamm mechanisch abzureiben, um dadurch das Stratum corneum zu entfernen und damit das gleichmäßigere Eindringen des Peelings zu unterstützen. Für ein mitteltiefes Peeling ist eine Konzentration von 35% TCALösung geeignet. Mit einem Gazeschwamm der Größe von 5×5€cm wird die Peeling-Lösung an der Stirn beginnend gleichmäßig aufÂ� getragen. Im Folgenden werden die Wangen, perioral und Nase behandelt. An den Augenlidern wird mit Wattestäbchen die Lösung aufgetragen. Prätarsale Haut muss nicht zwangsläufig in das Peeling einbezogen werden und führt häufig zu einem Augenlidödem. Ist entsprechend der Compliance des Patienten von einer konsequenten Vorbehandlung auszugehen, reichen 60–120€s an Kontaktzeit aus, um die gewünschte Eindringtiefe zu erreichen. Der Endpunkt eines mittleren Peelings zeigt sich durch eine gleichmäßige rosa/weißliche Hautveränderung. Der Grad des sog. Frosts, die Intensität der Weißverfärbung, zeigt die Eindringtiefe der Peeling-Substanz an, die bei tiefem Eindringen in die papilläre Dermis die Haut hellgrau erscheinen lässt. Unter der Anwendung eines Peelings nimmt die Hautspannung zu. Sind die mimischen Falten nicht mehr sichtbar, markiert dies den Übergang zwischen papillärer und retikulärer Eindringtiefe. Sobald
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70.4 · Mittlere bis tiefe Peelings
Patienten mit dicker, fettiger Haut, wie z.€B. Patienten mit tiefen Aknenarben. Die Technik der Anwendung ist im Wesentlichen identisch mit der Technik des mitteltiefen Peelings.
Pflege nach dem Peeling Mitteltiefe Peelings führen zu einer Hautveränderung, die innerhalb von 5–7 Tagen, ausgehend von einem Erythem, in eine Desquamation, eine bräunliche, lederartige Hautveränderung, umschlägt. Danach kann der Patient wieder zu seiner Hautpflege mit Retin-A oder Glykolsäure und zwingend Sunblocker zurückkehren.
Komplikationen
a
b . Abb. 70.3a, b╇ Peeling mit Trichloressigsäure (TCA). a€Aknenarben vor dem Peeling. b€Leichte zentrale Hyperpigmentierung nach einem mittelÂ� tiefen TCA-Peeling, die mit Hydrochinon und Retin-A gut behandelbar ist
der gewünschte Grad an Eindringtiefe erreicht ist, wird das Peeling mit Eiswasser zur Beschwerdelinderung des Patienten gründlich abgespült. Die Rückkehr der Hautfarbe nach dem Peeling ist ein weiterer Indikator für die stattgehabte Eindringtiefe des Peelings. Sanfte, mitteltiefe Peelings nehmen bereits nach 10–15€min eine erythematöse Farbe an. Papilläre Peelings, die mit einem gleichmäßigen weißen Frost assoziiert waren, erscheinen nach 20–30€min erythematös. Tiefe retikuläre Peelings, bei denen die Haut grauweißlich erschien, benötigen 40–60€min, bis die Haut eine wieder eine erythematöse Farbe annimmt. Ein klinisches Beispiel zeigt .€Abb.€70.3. Tiefes Peeling
Zunächst ist zu prüfen, ob Patienten, die für ein tiefes Peeling vorgesehen sind, nicht besser von einer Dermabrasio oder einem LaserResurfacing profitieren würden. Das tiefe Peeling wird mit 50%-iger TCA-Lösung durchgeführt, modifiziert unter Zusatz von Glycerin und Tween ergibt sich eine Konzentration von 40–50% (.€Tab.€70.3). Tiefe Peelings bedeuten für den Patienten längere Ausfallzeiten und setzen ihn einem höheren Risiko für Komplikationen, wie Hyperpigmentierung und hypertropher Narbenbildung, aus. Allgemein eignen sich Patienten mit dünner und atropher Haut nicht für tiefe Peelings, eher geeignet sind
Postoperative Hyperpigmentierungen sind durch die täglichen Anwendungen von 0,1% Retin-A zur Nacht und 2-maliger Hydrochinon 4%-Applikation gut zu behandeln. Bei Patienten, die Retin-A schlecht vertragen, kann alternativ Koji-Säure in Kombination mit Hydrochinon aufgetragen werden. Koji-Säure hemmt, wie Hydrochinon, den Melanozytenmetabolismus. Bis ein Effekt sichtbar wird, sind meist 2€Zellzyklen (90€Tage) erforderlich. Hypertrophe Narben können bei tiefem Peeling auftreten. Die Behandlung erfolgt durch Silikonsalben und Kortikoidinjektionen. Kommt es nicht innerhalb von 3€Monaten zu einer deutlichen€ Verbesserung, wäre ein Medical Needling (7€Kap.€71) zu diskutieren. Die Herpes-simplex-Infektion kann zu einer ernsthaften Komplikation werden, sodass jeder Patient mit Herpes-simplex-Anamnese entsprechend abgeschirmt werden sollte. Die Herpes-simplex-Prophylaxe sollte am Vortag des Eingriffs in einer Dosierung von 3×400€mg Aciclovir p.o./Tag beginnen und bis zum 4. postoperativen Tag fortgeführt werden. 70.4.2 Phenol-Peeling Das Phenol-Peeling entspricht einer kontrollierten Hautverletzung, die durch die Regeneration die gewünschten Effekte der Hautverjüngung mit nachhaltigem Effekt erzielt. Die Nachteile gegenüber einem TCA-Peeling sind längere Ausfallzeiten für den Patienten. Das Phenol-Peeling hinterlässt eine ungewöhnlich starke Bleichwirkung. Dadurch können deutliche und scharfe Abgrenzungen zwischen behandelter und unbehandelter Haut entstehen. Das Phenol-Peeling kann für Patienten mit groben Rhytiden geeignet sein, hier stehen aber alternativen Methoden wie Dermabrasio (7€Kap.€70.5) oder ablative Lasersysteme (7€Kap.€70.6) zur Verfügung.
Toxikologie Phenol wird über die Haut absorbiert, in der Leber entgiftet und über die Niere ausgeschieden. Nach Studienlage scheint sich die Toxizität, die sich im Wesentlichen auf kardiale Arrhythmien beschränkt, zu erhöhen, je schneller eine kritische Menge aufgetragen wird. Die Applikation eines Phenol-Gesichtspeelings sollte daher nicht kürzer als 60€min dauern. Zusätzlich sollten alle Patienten elektrokardiographisch überwacht werden.
Indikationen Die stark bleichende Wirkung des Phenols macht die Patientenauswahl zum kritischen Faktor des Erfolges. Patienten mit hellem Teint und wenig Sonnenbestrahlung sind bessere Kandidaten als Hauttypen Fitzpatrick III–VI. Rothaarige Patienten mit Sommersprossen sind ebenfalls bedingt schlechte Kandidaten, da auch die Sommersprossen gebleicht werden und die Grenze zwischen behandelter Haut und unbehandelter Haut oft sichtbar bleibt.
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676
Kapitel 70 · Rejuvenation – Hautverjüngung der Gesichtshaut
. Tab. 70.4╇ Baker-Gordon-Formel entsprechend etwa einer 88% Phenol-Lösung
Bestandteil
Menge
Flüssigphenol
3 ml
Destilliertes Wasser
2 ml
Flüssigseife
8 Trpf.
Krotonöl
3 Trpf.
Intensität des brennenden Gefühls variiert von Patient zu Patient. Nach 6–8€h klingt dieses brennende Gefühl ab. Die Hochlagerung des Kopfes verringert die Ausprägung des Augenlidödems. Die Reepithelialisierung der Haut wird nach 7–10 Tagen erreicht. Der Patient darf nach dieser Zeit das Gesicht waschen und muss ausreichend rückfettend Feuchtigkeit spenden. Besteht noch eine Schwellung, sind Hydrokortisoncremes sehr hilfreich. Das meist mit der Reepithelialisierung einhergehende Jucken kann durch orale Antihistaminika oft günstig beeinflusst werden. Die erythematöse Farbe der Haut wird 10–12 Wochen anhalten. Bei anhaltendem Erythem verkürzen Hydrokortisoncremes die Dauer des Erythems.
Komplikationen Technik Das Phenol-Peeling erfordert eine Sedierung des Patienten. Ebenfalls ist die perioperative Überwachung zu gewährleisten. Eine Vorbehandlung beim Phenol-Peeling mit Retin-A ist nicht erforderÂ� lich.€Die Patienten werden angewiesen, am Vorabend das Gesicht gründlich zu reinigen und ohne Kosmetika zur Behandlung zu erscheinen. Die Hautbehandlung unmittelbar vor dem Peeling entspricht der Behandlung wie beim TCA-Peeling (7€Kap.€70.4.1). Die Aufbereitung der Phenol-Lösung ist in .€Tab.€70.4 dargestellt. Die Mixtur wird mit einem Watteträger aufgetragen. Damit kein unerwünschtes Abtropfen auf nicht zu behandelnde Haut erfolgt, kann der Watteträger vor dem Auftragen auf die Haut auf einer Kompresse abgestrichen werden. Für den Fall eines Augenkontaktes sollte eine Augenspülung bereitgehalten werden. Wird die Lösung auf die Haut aufgebracht, nimmt diese sofort eine grauweißliche Verfärbung an. Der Patient verspürt meist ein brennendes Gefühl, das jedoch aufgrund der lokalanästhesierenden Eigenschaft der Substanz schnell abklingt. Die Applikation des Phenols auf ein komplettes Gesicht sollte mehr als 60€min dauern und sektorartig erfolgen. Die Watteträger sollten regelmäßig ausgetauscht werden, für ein komplettes Gesicht werden gewöhnlich 8–10€Watteträger benötigt. Das Auftragen des Phenols sollte an der Stirn beginnen und bis an die Haargrenze aufgetragen werden. Die Applikation erfolgt dann zur Augenbraue und bis in den Bereich der Augenbraue hinein, um hier keine sichtbaren Übergänge zwischen behandelter und unbehandelter Haut zu erzeugen. Das Phenol beeinflusst nicht das Haarwachstum und verursacht keine Allopezie. Ebenso wie beim TCA sollte die Wirksubstanz nicht zu dicht an den Tarsus heran aufgetragen werden, um das Augenlidödem zu begrenzen. Die prätarsale Haut bedarf ohnehin meist keiner Behandlung. Zum unteren Lidrand sollte ein Abstand von 3€mm eingehalten werden. Das Peeling endet am Unterrand der Mandibula, da hier der Übergang zwischen behandelter und unbehandelter haut am unauffälligsten ist. Perioral erfolgt die Behandlung etwas über die Lippenrotgrenze hinaus, um auch hier keine sichtbaren Übergänge zu hinterlassen.
Verband
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Als Verband ist eine Okklusion mittels transparenter Vaseline ausreichend. Diese Methode bietet zahlreiche Vorteile. Zum einen ist es für den Patienten weniger unangenehm als mehrschichtige Klebeverbände, zum anderen ist die Wunde jederzeit beurteilbar.
Pflege Der perioperative venöse Zugang wird zunächst postoperativ belassen, um ggf. schmerzlindernde Medikamente zu applizieren. Die
Die offensichtlichste Komplikation ist die sichtbare Grenze zwischen behandelter und unbehandelter Haut. Hier ist die kaudale Grenze der Gesichtsbehandlung am kaudalen Unterrand der Mandibula wichtig. Das Peeling darf keinesfalls in den Halsbereich hinein fortgeführt werden. Es besteht für 4–6€Monate eine besondere Sonnenempfindlichkeit, über die der Patient aufgeklärt werden muss, und weswegen er Sunblocker anwenden sollte. Direkte Sonnenexposition sollte für 1€Jahr vermieden werden. > Wichtig ist auch die Aufklärung, dass die Hautbräunung dauerhaft nicht vergleichbar zur Situation vor der Behandlung sein wird.
Die häufigste Komplikation ist die Hyperpigmentierung, jedoch bei den Patienten, die sich nicht an die Vorgaben halten, und bei PaÂ� tienten mit einem Hauttyp Fitzpatrick >III, die einem Phenol-Peeling nicht hätten zugeführt werden sollen. Die Herpesprophylaxe ist ein wichtiger Baustein zur Vermeidung der Herpes-Simplex-Infektion, einer unangenehmen und gefährlichen Komplikation. Stellt sich eine Herpes-simplex-Infektion nach einem Peeling ein, sollte die Dosis auf 3×800€mg/Tag gesteigert werden und zusätzlich eine topische Behandlung mit Aciclovir-Salbe erfolgen. Führt diese Behandlung nicht innerhalb 48€h zu einer drastischen Befundbesserung, sind eine stationäre Therapie und die Applikation von Aciclovir intravenös dringend anzuraten. Die Komplikation und die Behandlung hypertropher Narben entsprechen dem Vorgehen beim tiefen TCA-Peeling (7€Kap.€70.4.1). 70.5
Dermabrasio
Die Dermabrasio wurde durch die Entwicklung der Lasersysteme zunehmend in den Schatten gestellt, bietet aber dennoch einige Vorteile. Die Dermabrasio ist in den Händen des Erfahrenen zweckmäßig mit breitem Anwendungsspektrum und nicht teuer. Das Erythem blasst i.€Allg. nach 4–6€Wochen vollständig ab.
Wirkungsmechanismus Die Dermabrasio ist das gesteuerte Abhobeln der Epidermis und eines variablen Anteils der Dermis unter Anwendung eines rotierenden Schleifrädchens.
Indikationen Rhinophym
Die ausgeprägte Hyperplasie der Talgdrüsen kann durch die Dermabrasio sehr gut behandelt werden. Insbesondere die Konturierung der Übergänge zur unbehandelten Haut gelingt durch die Dermabrasio sehr gut. Oft beschleunigt eine chirurgische Resektion des Rhinophyms mit anschließender Feinkonturierung das Verfahren.
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70.5 · Dermabrasio
. Tab. 70.5. Einteilung perioraler Rhytiden
Typ
Kennzeichen
Typ-I-Rhytiden
4 Milde und oberflächliche Rhytiden. 4 Sie beginnen am Lippensaum und erstrecken sich über ein Areal von maximal der Hälfte der Oberlippe. 4 Die Unterlippe ist deutlich weniger beeinträchtigt.
Typ-II-Rhytiden
4 Mitteltiefe Rhytiden. 4 Sie erstrecken sich über 2/3 der Oberlippe. 4 Die Unterlippe ist mitbeteiligt.
Typ-III-Rhytiden
4 Grobe und tiefe Rhytiden. 4 Sie erstrecken sich über die gesamte OberÂ� lippe. 4 Unterlippe und Kinn sind mitbeteiligt. a
Aknenarben
Die Behandlung von Aknenarben ist kritisch wegen der unregelmäßigen Höhen und Tiefen der Narben, denn mit ablativen Verfahren können auch sog. Täler vertieft werden. Gleiches gilt für die ablativen Lasersysteme. Erfahrungsgemäß führt ein Resurfacing-Verfahren zu einer Patientenzufriedenheit von 30–50%. Hier erbringen Kombinationen von Behandlungsmethoden inkl. Peeling und Medical Needling (7€Kap.€71) die günstigsten Ergebnisse.
Periorale Rhytiden Periorale Rhytiden können in milde, mittelschwere und schwere Rhytiden eingeteilt werden (.€Tab.€70.5). 4 Typ-I-Rhytiden sind mild und oberflächlich. Sie beginnen am Lippensaum und erstrecken sich über ein Areal von maximal der Hälfte der Oberlippe. Die Unterlippe ist deutlich weniger beeinträchtigt. 4 Typ-II-Rhytiden sind mitteltief und erstrecken sich über 2/3 der Oberlippe. Die Unterlippe ist mitbeteiligt. 4 Typ-III-Rhytiden sind grob und tief und erstrecken sich über die gesamte Oberlippe. Unterlippe und Kinn sind mitbeteiligt. > Die Dermabrasio ist eine wirksame Behandlung für periorale Rhytiden.
Zur Behandlung der Typ-I-Rhytiden ist meist ein Peeling ausreichend, wohingegen Typ€II und Typ€III aggressivere Verfahren wie Dermabrasio und Laser-Resurfacing benötigen. Bei Patienten vom Hauttyp >III, die ungeeignet für ein PhenolPeeling sind, eignen sich daher eher für die Anwendung einer Dermabrasio, da hier die Hypopigmentierung milder sein wird. Spezifische Kontraindikationen einer Dermabrasio sind virale Infektionen wie HIV und HCV, da durch das ablative Verfahren Viruspartikel über Aerosole aufgenommen werden können. .€Abb.€70.4 zeigt das klinische Beispiel einer Schmauchverletzung durch Explosion und Behandlung durch Bürsten-Abrasio.
Technik Auch zur Vorbereitung einer Dermabrasio kann 2–4 Wochen präÂ� operativ Retin-A-Creme zur Nacht aufgetragen werden. Die ReÂ�tinA-Behandlung ist schonender, wenn man zunächst mit einer 0,025%-igen Konzentration beginnt und nach 14€Tagen auf 0,05% steigert.
b . Abb. 70.4╇ Schmauchverletzung durch Explosion: a€vor Bürsten-Dermabrasio, b€6€Wochen nach Bürsten-Dermabrasio
In jedem Fall sollte eine Herpes-simplex-Prophylaxe erfolgen (3×400€mg Acyclovir 1€Tag präoperativ beginnen und bis 4€Tage postoperativ fortführen). Unmittelbar präoperativ sollten kein Make-up oder andere Pflegemittel auf der Gesichtshaut aufgetragen sein. Die Anästhesie kann als Analgosedierung oder als Intubationsnarkose erfolgen. Leitungsanästhesien sind ebenfalls möglich, jedoch bei größeren Flächen durch die Notwendigkeit mehrerer Infiltrationen hinsichtlich Patientenkomfort nicht zu empfehlen. Seitens der technischen Anwendung ist zwischen Stahl- und Diamantfräsen zu unterscheiden. Stahlbürsten schneiden schneller und tiefer und erlauben daher dem erfahrenen Operateur ein schnelleres Vorgehen. Da jedoch der Anpressdruck entscheidend die Abtragungstiefe bestimmt, kann bei unsachgemäßer Handhabung ein Dermisdefekt resultieren. Die Dermabrasio mit Stahlbürsten wird gewöhnlich mit einer Geschwindigkeit zwischen 800 und 2000€Umdrehungen/min durchgeführt. Die Dermabrasio mit Diamantfräsen benötigen höhere Geschwindigkeiten (12.000–15.000€U/min).
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Kapitel 70 · Rejuvenation – Hautverjüngung der Gesichtshaut
Die Handhabung der Geräte erscheint mit feineren Aufsätzen einfacher. Die zu behandelnden Areale werden mit dem Patienten gemeinsam festgelegt und präoperativ markiert. Es sollte symmetrisch unter Beachtung der ästhetischen Einheiten vorgegangen werden. Um das Risiko von Farb- und Texturunterschieden postoperativ zu minimieren, ist eine Behandlung des kompletten Gesichts ratsam. Sollte der Patient bei einer Dermabrasio der Wangen die Mitbehandlung der Stirn und Nase ablehnen, so wäre ein chemisches Peeling (35% Trichloressigsäure) der nicht dermabladierten Gesichtsareale zu empfehlen, um Farb- und Texturunterschiede zu verÂ�ringern. > Bei der Gewebeablation sollte immer systematisch Hautareal für Hautareal kontrolliert abgetragen werden, um unkontrollierte Mehrfachabtragungen zu vermeiden; dies gilt für die Dermabrasio ebenso wie für die ablativen Lasersysteme.
Auf die Komplikationen hypertrophe Narben und Herpes-simplexInfektion wurde bereits in den vergangenen Abschnitten einge� gangen. 70.6
Laser-Resurfacing mit ablativen Lasersystemen
Ablative Lasersysteme 4 4 4 4 4
CO2-Laser Fraktionierte Ultrapuls-CO2-Laser ER:YAG-Laser Kombinationslaser: CO2-ER:YAG-Laser Er:YSGG
Es zeigen sich während der Dermabrasio unterschiedliche Merkmale, die eine Aussage über die Abtragungstiefe machen. Zunächst wird das Kapillarmuster sichtbar, hiernach zeigen sich grau-gelbe Austritte von Talgdrüsen. In den mittleren Anteilen der retikulären Dermis sind die Talgdrüsen am größten, sodass dann die Austritte der Talgdrüsen konfluieren. Tiefer sollte mit der Dermabrasio nicht abgetragen werden, da sonst eine Regeneration der Epidermis fraglich ist. Die abgetragenen Flächen können mit Adrenalin-getränkten (1:100.000) Kompressen belegt werden. Hierdurch wird eine gute Hämostase erreicht.
Die in der .€Übersicht genannten Lasersysteme sind ablative Lasersysteme, die sich teils durch Wellenlänge, Intensität und Frequenz unterscheiden (zur Laserphysik 7€Kap.€4.1). Daraus ergeben sich unterschiedliche Eigenschaften und damit Anwendungsgebiete. Herkömmliche CO2-Laser können entsprechend der Einstellung tief in die Dermis eindringen und erzielen daher bei entsprechender Energieapplikation dauerhaft gute Ergebnisse. Sie führen durch ihre physikalischen Eigenschaften zu einer Koagulation der Oberfläche, haben aber aufgrund der möglichen hohen Energieapplikation in der Dermis auch das größte Risikopotenzial für Vernarbungen und Wundheilungsstörungen.
Pflege
> Je intensiver die Behandlung ist, desto länger wird das postinterventionelle Erythem anhalten. Hier muss mit dem Patienten ein Kompromiss zwischen Wirkung, Beständigkeit der Wirkung und Ausfallzeit besprochen werden.
Postoperativ werden die behandelten Flächen mit Hydrogelverbänden abgedeckt. Nach 24€h darf der Patient erstmals duschen. An den folgenden Tagen sollte der Patient einmal pro Tag das Gesicht mit einer milden Seife waschen und mit desinfizierenden Externa verbunden werden (z.€B. Lavasept). Eine Reepithelialisierung ist nach 7–10 Tagen zu erwarten. Hiernach ist eine rückfettende Behandlung ausreichend. Das Erythem wird innerhalb 6–8 Wochen allmählich abklingen. Postoperativ sollte zur Vermeidung einer Hyperpigmentierung ein Sonnenschutz (SSF: 50) für 6€Monate aufgetragen und die direkte Sonnenexposition vermieden werden. Der Sonnenschutz muss auch unter Kosmetika angewandt werden. Ebenfalls für 6€Monate sollte auf die Einnahme von Östrogenpräparaten und Kontrazeptiva zur Vermeidung von auffälligen Hyperpigmentierungen verzichtet werden. > Bei Patienten mit Hauttyp Fitzpatrick >III sollte nach Dermabrasio mit Retin-A und Hydrochinon nachbehandelt werden, um die postinflammatorische Hyperpigmentierung zu hemmen.
70
Komplikationen
Nach Abheilung ist zu empfehlen, keine potenziell hautirritierenden€Pflegeprodukte zu verwenden. Die zunächst erst etwas trockene und juckende Haut wird mit rückfettenden Externa gut behandelt. Sollte dennoch ein starker Juckreiz auftreten, ist eine antihistaminhaltige Salbe indiziert. Kosmetika sollten ölfrei und auf Wasserbasis hergestellt sein, da ölhaltige Kosmetika die Poren verstopfen.
Gefahren und Risiken Die Abtragungstiefe hängt u.€a. vom Anpressdruck durch den Operateur ab.
Erbium-Laser abladieren grundsätzlich oberflächlicher und können
nicht in die tiefe retikuläre Dermis eindringen. Sie haben daher ein geringes Komplikationspotenzial. Außerdem kommt es an der behandelten Oberfläche nicht zu einer Koagulation, sodass sich hieraus andere, zusätzliche Behandlungsoptionen ergeben, wie z.€B. die Kombination der Laserablation und Reepithelialisierung mittels Verfahren wie ReCell. Innovative Verfahren, wie ultrahochgepulste, sog. fraktionierte Laser, aber auch der neue Er:YSGG, ein 2790€nm Erbium: Yttrium Scandium Gallium Garnet-fraktionierter Laser, haben das Ziel, das postinflammatorische Erythem zu reduzieren und damit die Ausfallzeit des Patienten zu minimieren. Effekt und Nachhaltigkeit sind jedoch nicht mit einem gewöhnlichen CO2Laser-Resurfacing zu vergleichen.
Indikationen Ein Laser-Resurfacing ist indiziert bei Patienten, deren zu behandelnde Hautveränderung in der retikulären Dermis lokalisiert ist (.€Tab.€70.6). Geeignet sind die Behandlungen lichtgeschädigter Haut, da durch die Kollagenneogenese die Haut straffer und verjüngt erscheint. Insbesondere lässt sich durch die Lasersysteme sehr dosiert auch dünne Haut, wie an den Oberlidern, kontrollierter behandeln als mit einer Dermabrasio. Sehr gut lassen sich mit dem Laser-Resurfacing epidermale Dysplasien und aktinische Keratosen behandeln. Die Behandlungsergebnisse der Aknenarben ist mit ablativen Lasersystemen in der Regel nicht besser als mit der Dermabrasio, da die Probleme identisch sind. Die Regeneration ist bei narbigen Hautveränderungen eingeschränkt, die Narbe wird durch die Behandlung
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70.6 · Laser-Resurfacing mit ablativen Lasersystemen
. Tab. 70.6╇ Anwendungsgebiete ablativer Lasersysteme
Günstig für ein ablatives Resurfacing
Ungünstig für ein ablatives Resurfacing
Statische Falten
Dynamische Falten
Oberflächliche Vertiefungen
Tiefe Vertiefungen
Dehnbare Vertiefungen
Allgemeine Bindegewebsschwäche
Hautlaxizität
Niemals Halshaut behandeln!
Akne
Asiaten
Fitzpatrick-Hauttyp I–II
Fitzpatrick-Hauttyp IV–VI
nicht entfernt, und ggf. können Täler tiefer und damit die Unregelmäßigkeiten verstärkt werden. Jedoch ist die Handhabung mit einem 1-mm-Handstück eines CO2-Lasers wesentlich exakter möglich als bei der Dermabrasio.
Technik Ein ablatives Laser-Resurfacing sollte nur in entsprechenden ästhetischen Einheiten stattfinden: 4 komplettes Gesicht, sog. »full-face«, 4 perioral, 4 Unterlider oder entsprechende Kombinationen. Die Qualität und die Dicke der Haut in den unterschiedlichen Gesichtsregionen (.€Abb. 70.5) ist entscheidend für die Intensität und die Anzahl der Laserbehandlungen (»passes«). Präoperativ sollte die Gesichtshaut unverletzt sein. Floride kutane bakterielle und virale Infektionen wie Akne oder Herpes sind Kontraindikationen für einen solchen Eingriff. Wegen der Gefahr der Infektion über Aerosole sollten bei sorgfältiger Patientenselektion keine Patienten mit Hepatitis- oder HIV-Infektion behandelt werden. Auf die Notwendigkeit und Art der Herpes-simplex-Prophylaxe wurde in 7€Kap.€70.4.1 und 70.4.2 eingegangen. Perioperativ und entsprechend der Größe der zu behandelnden Fläche erfolgt perioperativ eine Antibiotikaprophylaxe mit einem Cephalosporin der 2.€Generation. Der Eingriff kann in Vollnarkose oder Analgosedierung durchgeführt werden. ! Cave Bei Narkose ist auf die Entflammbarkeit des Sauerstoffs im Tubus zu achten, es werden speziell entwickelte nicht entflammbare Tuben (»laser resistant«) empfohlen. In jedem Fall sind zur Protektion der Augen des Patienten »eye-shields« zu verwenden.
Das ablative Resurfacing kann mit einem CO2-Laser oder in Kombination mit einem Er:YAG-Laser durchgeführt werden. Zur Narbenbehandlung sind kollimierte Handstücke geeignet. Werden jedoch Flächen behandelt, bei denen eine gleichmäßige Oberfläche wichtig ist, muss das Lasersystem über einen Scanner verfügen. Über einzelne Geräteeinstellungen können hier keine Angaben gemacht werden, da sie herstellerabhängig sind und mit der wachsenden Erfahrung des Operateurs mit dem Gerät gefunden werden müssen. Zur Erreichung einer gleichmäßigen Oberfläche ist das akurate Bearbeiten zuvor eingezeichneter Flächen Voraussetzung. Hier muss Scan-Fläche an Scan-Fläche nahtlos angrenzen. Es ist ratsam, zunächst einmalig eine Fläche mit einer bestimmten Energie (»weniger
. Abb. 70.5╇ Dimensionen der Epidermis im Bereich des Gesichtsschädels
ist mehr«) zu behandeln, um die Anzahl der sog. »passes« für die gesamte behandelte Fläche im Überblick zu behalten. In der Regel sind 2€»passes« für eine Gesichtsbehandlung ausreichend. Der erfahrene Operateur kann dann mit dem kollimierten Handstück (3€mm) die Schultern tiefer Furchen angleichen. Kontraindikationen des ablativen Laser-Resurfacing 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Vorhergehende Chemotherapie Vorhergehende Bestrahlung der Haut Raucher Diabetes mellitus Hypertrophe Narbenheilung Aktive Akne Hautüberempfindlichkeiten Instabile Persönlichkeit Unzufriedenheit über vorausgehende ästhetische Chirurgie Absolute Kontraindikationen: – Systemischer Lupus erythematodes – Sklerodermie – Keloide – Keine Bereitschaft, Sonne zu meiden 4 Exzessive Solariumbesucher
Postoperatives Management Das postoperative Management bei ablativer Laserchirurgie muss durch eine gesicherte Nachbehandlung durch den Operateur gewährleistet sein, um auf Komplikationen rechtzeitig reagieren zu können. Die meisten Patienten brauchen diesen engen Kontakt, da sie mit den oft sezernierenden Verbänden allein nicht zurecht kommen. Die Nachbehandlung und der Hinweis auf ein postoperatives
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Kapitel 70 · Rejuvenation – Hautverjüngung der Gesichtshaut
Erythem, das bis zu 6€Monate andauern kann, müssen daher wichtiger Bestandteil des Aufklärungsgespräches sein. Wir benutzen als postoperativen Verband sterile Folie oder auch moderne Hydrogele. Diese Verbandstechnik wird bis zur Reepithelialisierung der behandelten Areale beibehalten. Anschließend kann die Haut mit einem verträglichen Präparat gefettet werden. Die Patienten sollten dann bereits als unterste Schicht Sunblocker verwenden. Eine Abdeckung mit Make-up ist nach Reepithelialisierung auch möglich. Wichtig ist es, auftretende Hyperpigmentierungen mit einem Hydrochinonpräparat früh zu behandeln.
Komplikationen Die Komplikationen entsprechen im Wesentlichen denen der Dermabrasio (7€Kap.€70.5). Um die postinflammatorische Hyperpigmentierung zu unterdrücken, sollten Retin-A und Hydrochinon nach Reepithelialisierung angewandt werden. Direkte Sonnenexposition sollte für 6€Monate gemieden werden, Sunblocker sind unabdingbar einzusetzen. Kommt es in der retikulären Dermis zu einer zu starken Hitzeentwicklung, kann es zu schwer behandelbaren Hypopigmentierungen kommen. Nach 2–3 Monaten sollte das Erythem nach Laser-Resurfacing abblassen. Sollte ein Erythem nur verzögert abblassen, können Hydrokortisonsalben topisch verkürzend wirken. Weitere Laseranwendungen – nicht ablative Laser-Systeme, ablative Laser-Rejuvenation (»intense pulse light«; IPL), Laserbehandlung vaskulärer und pigmentierter Läsionen sowie Haarentfernung sind in 7€Kap.€4.2 beschrieben.
Literatur Literatur zu 7€Kap.€70.1 bis 70.4 Baker TJ, Gordon HL, Stuzin JM (1996) Chemical peeling and dermabrasio. In: Surgical rejuvenation of the face, 2nd edn. Mosby, St. Louis, p 45 Baker TJ, Stuzin JM, Baker (TM (1999) Facial skin resurfacing. Johann Ambrosius Barth, Heidelberg Bark JP (1994) A systematic approach to Retin-A. Facial Plast Surg Clin North Am 2(1):11 Fitzpatrick TB (1988) The validity and practicality of sun-reactive skin types I through IV Arch Dermatol 124:869 Rubin MG (1995) Manual of chemical peels: Superficial and medium depth. Lippincott, Philadelphia Stuzin JM, Baker TJ, Gordon HL (1993) Treatment of photoaging: Facial chemical peeling and dermabrasio. Clin Plast Surg 20: 9
Literatur zu 7€Kap. 70.5 Alkhawam L, Alam M (2009) Dermabrasion and microdermabrasion. Facial Plast Surg 25 (5): 301–310 Alt TH (1987) Therapeutic facial dermabrasion. In: Epstein E, Epstein E Jr (eds) Skin surgery, 6th edn. Saunders, Philadelphia Baker TJ, Stuzin JM, Baker (TM (1999) Facial skin resurfacing. Johann Ambrosius Barth, Heidelberg Campbell RM, Harmon CB (2008) Dermabrasion in our practice. J Drugs Dermatol 7 (4): 331 Gerstner G, Matarasso A (2008) Surgical versus nonsurgical cosmetic procedures. Cutis 82 (4): 285–290
70
Literatur zu 7€Kap. 70.6 Baker TJ, Stuzin JM, Baker (TM (1999) Facial skin resurfacing. Johann Ambrosius Barth, Heidelberg Keller G, Lacombe V, Lee P, Watson JP (eds) (2001) Lasers in aesthetic surgery. Thieme, Stuttgart New York Khan R (2001) Lasers in plastic surgery. J Tissue Viability 11 (3): 103–107,110– 112 Roy D (2005) Ablative facial resurfacing. Dermatol Clin 23 (3): 549–559
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Perkutane Kollageninduktionstherapie (Medical Needling) M. Aust
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 71 · Perkutane Kollageninduktionstherapie (Medical Needling)
Zur Behandlung von Photoaging, Falten oder als störend empfun denen Narben (z.€B. Schwangerschaftsstreifen oder Verbrennungs narben) gelten bisher LaserResurfacing, mechanische Abrasio oder chemische Peelings als Mittel der Wahl (7€Kap.€70). Diese ablativen Verfahren verletzen oder zerstören die Epider mis und die Basalmembran der Haut. Durch die entstandene ober flächliche Wunde wird die inflammatorische Wundheilungskaskade (7€Kap.€1 und€2) induziert. Nacheinander, aber auch überlappend werden eine Exsudations (Entzündungsphase, Inflammation), Gra nulations (Proliferation) und Epithelisierungsphase durchlaufen. Die durch die Dermabrasio induzierte Inflammation stimuliert Fibroblasten zur Produktion von Narbenkollagen anstelle einer normalen KollagenElastinMatrix. Durch die daraus resultierende Fibrose in der papillären Dermis kommt es zur Hautstraffung oder Faltenglättung. Histologisch betrachtet ist die regenerierte Epidermis jedoch ausgedünnt und die dermalen Papillen abgeflacht. Die Haut wird anfälliger gegenüber UVSchäden und, gerade bei dunkleren Haut typen, besteht eine erhöhte Gefahr postoperativer Pigmentverschie bungen. Die ideale Therapie jeglicher Art von Hautdegeneration sollte daher die Expression epidermaler und dermaler Gene und Proteine steigern, ohne dabei die Haut signifikant zu verletzen. Die von Fernandes (2002) entwickelte perkutane Kollageninduktionsthera pie oder Mikronadelmethode (Medical Needling) kommt diesem Ideal näher.
. Abb. 71.2╇ Schematische Darstellung der Prozedur des Medical Needling
Technik Die natürliche, posttraumatische Inflammationskaskade wird durch einen mit 3€mm langen Nadeln besetzten Roller induziert (.€Abb.€71.1). Intraoperativ fährt der Chirurg mit dem Instrument unter Druck vertikal, horizontal und diagonal über die Haut des zu behandelnden Areals. Die Nadelstiche erzeugen Tausende von Mikrowunden in der Dermis und regen so die Fibroblasten zur Kollagensynthese an (.€Abb.€71.2, .€Abb.€7.13).
Indikationen 4 Falten/Photoaging (.€Abb.€71.4), 4 Cutis laxa nach z.€B. Fettabsaugung, 4 Schwangerschaftsstreifen (.€Abb.€71.5b).
71 . Abb. 71.1╇ Medical Roller (Vivida-SA€cc, Renaissance Body Science Institute, Cape Town, South Africa)
. Abb. 71.3╇ Intraoperatives Bild geneedelter Verbrennungsnarben am rechten Arm
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71 · Perkutane Kollageninduktionstherapie (Medical Needling)
a
a
b
b
. Abb. 71.4╇ 48 Jahre alte Patientin mit Gesichtsfalten präoperativ€(a) und 12€Monate postoperativ€(b)
. Abb. 71.5╇ 39 Jahre alte Patientin mit Striae abdominales nach 3€Schwangerschaften präoperativ€(a) und 12€Monate postoperativ€(b)
4 Narben: 5 Narben nach Selbstverletzung (Borderline-Störung; .€Abb.€71.6),
5 Striae (.€Abb.€71.7), 5 Verbrennungsnarben (.€Abb.€71.8).
Präoperatives Regime Durch eine mindestens 3-wöchige Vorbehandlung der Haut mit lokalen Vitamin-A-Externa und Antioxidanzien wird die Wirkung der Behandlung optimiert.
a
> Das Medical Needling kann an allen Körperregionen und bei allen Hauttypen angewendet werden.
Der Eingriff kann entweder unter Lokalanästhesie und Analgosedierung oder in Kurznarkose durchgeführt werden.
Postoperatives Regime Direkt nach der perkutanen Kollageninduktion ist das behandelte Gebiet hämatös geschwollen. Nach wenigen Minuten ist die initiale Blutung gestoppt. Über die Stichkanäle sondert die Haut binnen der ersten Stunden seröse Flüssigkeit ab. In dieser Zeit sollten feuchte Kompressen auf die Haut gelegt werden, um eine Krustenbildung zu vermeiden. Rund 1€h postoperativ wird die Haut mit einem Teebaumöl gereinigt und die lokale Vitamin-A- und Vitamin-C-Therapie
b . Abb. 71.6╇ 29 Jahre alte Patientin mit Borderline-Narben am linken Unterarm präoperativ€(a) und 6€Monate postoperativ€(b)
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Kapitel 71 · Perkutane Kollageninduktionstherapie (Medical Needling)
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b
. Abb. 71.7╇ 24 Jahre alte Patientin mit Striae der Mammae beidseits präoperativ (a) und 6€Monate postoperativ€(b)
a
b
. Abb. 71.8╇ 59 Jahre alter Patient mit tief zweitgradigen Verbrennungsnarben präoperativ (a) und 2€Jahre postoperativ€(b)
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zur Maximierung der Kollagenproduktion und zur Freisetzung von Wachstumsfaktoren fortgeführt. Der Eingriff ist für den Patienten schmerzarm, nach ca. 1€Woche ist die Schwellung kaum mehr zu sehen.
Als nachteilig gilt, dass die Operation nur unter Anästhesie durchführbar ist und sich die Schwellung in den ersten 4–7€Tagen nach dem Eingriff als erheblich darstellt.
Vor- und Nachteile
Nachdem es sich um eine körpereigene Kollagenproduktion bzw. einen körpereigenen regenerativen Prozess handelt, kommt es zu keinem beschleunigten Abbau des Kollagens bzw. anderer Gewebefaktoren im Vergleich zu nicht geneedelter Haut.
Ein Vorteil des Medical Needlings liegt darin, dass die Patienten, nachdem lediglich die Epidermis und das Stratum corneum durchstochen werden, schon nach wenigen Stunden wieder geschlossene Wundverhältnisse aufweisen. Dies minimiert das Risiko einer Infektion und verkürzt die Heilungsphase erheblich. In Laborversuchen konnte nachgewiesen werden, dass postoperativ TGF€β3 freigesetzt wird, was zur narbenfreien Abheilung der Haut führt. Nachdem die auf der Basalmembran verankerten Melanozyten nicht verletzt werden, besteht kein Risiko einer postoperativen Pigmentverschiebung. Dieses Problem zeigte sich v.€a. häufig bei der Laser- oder Peelingbehandlung von Hauttypen€III und IV (Einteilung nach Fitzpatrick; .€Tab.€70.1). Nach dem Medical Needling werden in den ersten Monaten postoperativ Wachstumsfaktoren, z.€B. »epidermal growth factor« (EGF), »fibroblast growth factor« (FGF), freigesetzt, die zu einer Regeneration der Epidermis und der Dermis führen.
Nachhaltigkeit
Literatur Aust MC et al. (2008a) Percutaneous collagen induction therapy (PCI) – An alternative treatment for scars, wrinkles and skin laxity. Plast Reconstr Surg 121: 1421–1429 Aust MC, Reimers K, Stahl F et al. (2008b) Percutaneous Collagen Induction (PCI) – Minimally invasive skin rejuvenation without risk of hyperpigmentation – fact or fiction? Plast Reconstr Surg 122: 1553–1563 Camirand A, Coucet J (1997) Needle dermabrasion. Aesthetic Plast Surg 21: 48–51 Fernandes D (2002) Percutaneous collagen induction: An alternative to laser resurfacing. Aesthetic Surg J 22: 315–317 Orentreich DS (1995) Subcutaneous incisionless (subcision) surgery for the correction of depressed scars and wrinkles. Dermatol Surg 6: 543
72
Formkorrektur an Gesicht und Hals 72.1
Diagnostikâ•… – 686 A.€Steiert
72.1.1 72.1.2 72.1.3
Allgemeine Untersuchungâ•… – 686 Gesichtsprofilanalyseâ•… – 686 Spezielle Diagnostikâ•… – 687
72.2
Therapiezieleâ•… – 687
72.3
Chirurgische Maßnahmen bei Formstörungen an Hals und Gesichtâ•… – 687 A.€Steiert, P.M.€Vogt
72.3.1 72.3.2 72.3.3 72.3.4 72.3.5 72.3.6 72.3.7
Gesichts- und Halsstraffung (Facelift) mit Spannung des SMASâ•… – 687 Stirn- und Brow-Lift – offen chirurgischâ•… – 692 Stirn- und Brow-Lift – endoskopischâ•… – 692 Mid Facelift (minimalinvasiv, endoskopisch assistiert)â•… – 692 Blepharoplastik des Oberlidesâ•… – 695 Blepharoplastik des Unterlidesâ•… – 695 Submentales Liftingâ•… – 697
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
686
Kapitel 72 · Formkorrektur an Gesicht und Hals
72.1
Diagnostik
A.€Steiert
72.1.1 Allgemeine Untersuchung
4 Prüfung der Hautbeschaffenheit: 5 Elastizität, 5 Laxizität, 5 Hautdicke. 4 Gesichtsasymmetrie? 4 Suspekte Hautveränderungen? 4 Narben. 4 Fotodokumentation. Allgemein sollte die Gesichtsanalyse mit dem Patienten zusammen am Spiegel erfolgen. Hier sollte der Patient seine Wünsche äußern und über bestehende Narben, Asymmetrien und andere Pathologien aufgeklärt werden. 72.1.2 Gesichtsprofilanalyse Die idealen Gesichtsdimensionen zeigt .€Abb.€72.1 sowie die .€Über-
sicht.
Orientierende Richtwerte der Gesichtsdimensionen 4 4 4 4 4 4 4 4 4
. Abb. 72.1╇ Ideale Gesichtsdimensionen und Proportionen diverser ästhetischer Einheiten. (Foto: © Anton Zabielskyi/Fotolia.com)
Gesichtsweite vertikal: 5€Augenweiten. Gesichtsweite horizontal: 8€Augenweiten. Der Haaransatz beginnt 5–6€cm über der Mittellinie der Iris. Der laterale Kanthus des Auges steht 1–2€mm höher als medial. Das Oberlid bedeckt den oberen Irispol etwas, aber erreicht nicht die Pupille. Das Unterlid endet 1–2€mm über dem unteren Irispol. Die weibliche Augenbraue befindet sich 1€cm kranial des Orbitadachrandes. Die Brauenposition sollte die Irismittellinie um nicht mehr als 22–25€mm überschreiten. Die männliche Augenbraue projiziert sich direkt auf den Orbitadachrand.
Die moderne, dynamische Gesichtsprofilanalyse unterteilt das Gesicht nicht mehr nach statistischen Werten in Drittel oder Fünftel, sondern richtet sich nach dem individuellen Gesicht. Dabei entspricht die ideale Nasenlänge (NL: Strecke von Nasenwurzel bis Nasenspitze) etwa 67% der Mittelgesichtshöhe (MGH: Strecke Glabella bis Nasenflügelbasis) oder der Kinnhöhe (KH: Strecke zwischen Stomamitte und kaudalem Pol des Mentums). Die Untergesichtshöhe (UGH: Strecke zwischen Nasenflügelbasis und kaudalem Pol des Mentums) sollte im Idealfall 3 mm größer sein als die MGH (.€Abb.€72.2). Definitionen
4 Nasenlänge (NL): Strecke von Nasenwurzel bis Nasenspitze. 4 Mittelgesichtshöhe (MGH): Strecke Glabella bis Nasenflügelbasis. 4 Kinnhöhe (KH): Strecke zwischen Stomamitte und kaudalem
72
Pol des Mentums.
4 Untergesichtshöhe (UGH): Strecke zwischen Nasenflügelbasis und kaudalem Pol des Mentums.
. Abb. 72.2╇ Mittelgesichtshöhe (MGH), Kieferhöhe (KH) und UntergesichtsÂ� höhe (UGH) in ihren relativen Proportionen [N=Nasenspitze, NL=NasenÂ� länge, G=Glabiella, R=Radix (Nasenwurzel), STF=Supratarsalfalte, NFB=NasenÂ�flügelbasis, SM=Stomamitte, M=Mentum (Kinn)]. (Foto: © Anton Zabielskyi/Fotolia.com)
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72.3 · Chirurgische Maßnahmen bei Formstörungen an Hals und Gesicht
Checkliste bei periorbitalen Operationen 4 4 4 4 4 4 4
72.2
Schirmer-Test Lidsymmetrie? Lidptosis? Bell’s Phänomen? Snap-Test »Scleral show«? Fazialisparese?
Therapieziele
Therapieziel in der ästhetischen Gesichtschirurgie ist die Schaffung eines jüngeren Erscheinungsbildes unter der Berücksichtigung des Patientenwunsches und des chirurgisch Machbaren. Die Patientenzufriedenheit über das Operationsergebnis hängt von den Erwartungen des Patienten ab, die in der präoperativen Patientenaufklärung eingegrenzt und realistisch eingeschätzt werden sollten. Insbesondere Patienten, die im öffentlichen Leben stehen, müssen auf etwaige postoperative Veränderungen, wie beispielsweise Gesichtsschwellung oder periorbitale Hämatome, hingewiesen werden. Zum Therapieziel gehört auch die Minimierung von Komplikationen, die bei der Patientenauswahl beginnt. > Raucher erhalten in unserer Klinik nur nach Entwöhnung einen elektiven ästhetischen chirurgischen Eingriff. . Abb. 72.3╇ Proportionales Verhältnis Nasenlänge zu Untergesicht [(N=Nasenspitze, NL=Nasenlänge, NFB=Nasenflügelbasis, NLK= Nasen- Lippen-Kinn-Linie, R=Radix (Nasenwurzel)]. (Foto:© Anton Zabielskyi/ Fotolia.com)
Ein weiteres wichtiges Maß zur Beurteilung der Nasenlänge in Zusammenhang mit dem Untergesicht stellt eine Linie zwischen der Nasenlängenmitte und der Oberlippe dar (.€Abb.€72.3). Bei Frauen sollte das Kinn etwa 3€mm hinter dieser Linie beginnen, bei Männern sollte diese Linie das Kinn berühren. Dies ist besonders bei skelettalen Fehlanlagen wichtig. Die ideale Nasenlänge sollte sich an der von der Fehlbildung oder erworbenen Deformität nicht betroffenen Struktur orientieren. Bei Fehlanlagen und Deformitäten im Mittelgesicht richtet sich die Nasenlänge nach der Kinnhöhe, bei Fehlanlagen des Kinns errechnet sich die ideale Nasenlänge aus der Mittelgesichtshöhe (67%). In Studien zeigten sich durchschnittliche Nasenlängen von 41€mm und Mittelgesichtshöhen von 61€mm. Der ideale Winkel der Nase zum Gesicht beträgt nach Byrd 30– 36°, bei einem durchschnittlichen Nasolabialwinkel von 95–110° bei Frauen und etwa 90–95° bei Männern. In jedem Fall sollten 2–3€mm der Columella der Nase in der Frontalansicht sichtbar sein. 72.1.3 Spezielle Diagnostik
4 Keine Gesichtsoperation bei floriden Infektionen; diese müssen
zuvor abgeklärt werden. 4 Präoperativer Status der motorischen und sensiblen Gesichtsinnervation. 4 Präoperativer ophthalmologischer Status.
In der ausführlichen Anamnese erhobene pathologische Befunde sind vor einem elektiven ästhetischen Eingriff abzuklären. Bereits bekannte, operationspflichtige oder behandlungsbedürftige Befunde sind dringlicher und der Wunsch nach einer elektiven ästhetischen Operation daher zurückzustellen. Der Operateur muss das Komplikationsmanagement chirurgisch-technisch und logistisch beherrschen und bei der Auswahl seines Operationsspektrums berücksichtigen. Bei ambulanten Eingriffen ist eine Notfallbehandlung zu gewährleisten. 72.3
Chirurgische Maßnahmen bei Formstörungen an Hals und Gesicht
A.€Steiert, P.M.€Vogt
Abgesehen von seltenen kongenitalen Erkrankungen mit altersunabhängiger Hauterschlaffung, z.€B. Ehlers-Danloss- oder WernerSyndrom, bzw. erworbenen Störungen (Fazialisparese) dienen Operationen zur Nachspannung der Gesichts- und Halshaut zur ästhetischen Verjüngung bei typischen altersbedingten Veränderungen. 72.3.1 Gesichts- und Halsstraffung (Facelift)
mit Spannung des SMAS
Indikation Zielgruppe dieser Eingriffe sind Patienten meist im Alter um 50€Jahre oder älter, bei denen es durch die Hautalterung zum Verlust der Gewebeelastizität und damit zu Hängewangen, Ptose der Stirn, der Augenbrauen und des Platysmas gekommen ist.
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Kapitel 72 · Formkorrektur an Gesicht und Hals
Präoperative Vorbereitung Vor der Operation sind folgende Maßnahmen notwendig: 4 Kopfwaschung am Vorabend mit desinfizierendem Shampoo, ggf. am Operationstag wiederholen. 4 Reinigung von Haaren und Kopfhaut mit alkoholischem Desinfektionsmittel auf dem OP-Tisch. 4 Tamponade der äußeren Gehörgänge. 4 Hautdesinfektion bis über die Schultern und den Nacken, damit die Abdeckung eine Übersicht über alle Halspartien zulässt. 4 Frei bewegliche Lagerung des Kopfes, lange Haare werden durch sterile Haargummis gebündelt. 4 Eine halbsitzende Lagerung reduziert den perioperativen Blutverlust.
Anästhesie Ein kombiniertes Gesichts-Hals-Lift ist in der Regel ein mehrstündiger Eingriff, der in Lokalanästhesie mit Sedierung oder in Vollnarkose durchgeführt wird. Eine Kreislaufüberwachung und SauerÂ� stoffversorgung des Patienten ist erforderlich. Zur Lokalanästhesie werden Lokalanästhetika mit Adrenalinzusatz an den Nervenaustrittspunkten des N.€trigeminus, N.€auricularis magnus und N.€transversus colli injiziert. Die Infiltration der Subkutis zur Hydrodissektion erfolgt in der späteren Präparationsschicht über dem superfiÂ� ziellen muskuloaponeurotischen System (SMAS).
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Schnittführung Die Schnittführung soll unauffällige Narben hinterlassen und eine Verankerung der gespannten Haut an stabilen Strukturen, wie Temporalisfaszie und Mastoid, ermöglichen. Die Standardinzision (.€Abb.€72.4) erfolgt temporal ca. 3€cm dorsal der Schläfenhaargrenze nach präaurikulär zum Tragus, vom kaudalen Tragusrand über die präaurikuläre Hautfalte und nach retroaurikulär über das Mastoid im 90°-Winkel in die behaarte Okzipitalregion auslaufend. Im Bereich der Ohrläppchen ist auf besondere Sorgfalt zu achten, da hier leicht deutliche Asymmetrien entstehen können, sodass der Schnitt exakt um die Basis des Ohrläppchens herumlaufen sollte. Die okzipitale Schnittführung bestimmt die Straffung des Halses, sodass hier bei starker Erschlaffung der Halshaut durch Schnitterweiterung entlang der Haargrenze nach nuchal gestrafft werden kann. Entsprechend den Empfehlungen von Marchac wird die retroaurikuläre Inzision in neuerer Zeit nicht mehr nach mastoidal horizontal, sondern auch hier vertikal orientiert. Damit verhindert man die sichtbare Wanderung der retroaurikulären Narbe. Grenzen der Hautlappenpräparation
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Beim Standard-Facelift werden Hautlappen präpariert, deren Durchblutung vom subdermalen Plexus abhängt. Die Ausdehnung der Lappenpräparation muss den gewünschten Effekt bei gleichzeitig gesicherter Perfusion und sensibler Innervation berücksichtigen. Dabei ist die Kenntnis der Anatomie der sensiblen und arteriellen Versorgung der zu präparierenden Hautlappen wichtig. Die Durchblutung der Gesichtshaut erfolgt über Äste der Aa.€cervicales, auriculares, occipitales, temporales, supratrochlearis und faciales. Die sensible Versorgung übernehmen die Hauptnervenstämme des N.€trigeminus, Nn.€cervicales II–IV und im Bereich des Ohres der N.€facialis. Die Operationsplanung eines panzervikofazialen Facelifts sollte bei der Straffung Prioritäten setzen. Beispielsweise ist zu empfehlen, bei ausgedehnter Präparation und Unterminierung der Wangenhaut bis unter die Nasolabialfalte die Durchblutung der Regio submentalis und lateralis colli zu schonen, um Risiken für Durchblutungsstörungen der gestrafften Wangenhaut zu reduzieren.
b . Abb. 72.4╇ Standardschnittführung beim Facelift prätragisch mit vertikalem Übergang in den Skalp oder anteriorer Schnitt vor der Haargrenze (a). Alternative Schnittführungen mit vertikalem Auslaufen in die retroaurikuläre Haarzone und mit retrotragischem Verlauf (b)
Im Allgemeinen beginnt die Präparation retroaurikulär auf die Faszie des M.€sternocleidomastoideus unter besonderer Berücksichtigung des Austrittspunktes des N.€auricularis magnus am Hinterrand des Muskels. Die anschließende Präparation des Halses erfolgt unter Dorsalflexion des Kopfs. Die Dissektionsebene liegt prinzipiell über dem Platysma. Hier ist eine übersichtliche Präparation zur Schonung des R.€submandibularis erforderlich. Um ein ausreichendes Straffungsergebnis zu erzielen, ist die Präparation über die Mittellinie hinaus zu empfehlen. Weitere Gefahrenpunkte mit Gefährdung von Fazialisästen liegen vor der Parotis (Rr.€buccales und Mundäste des N.€fazialis). .€Abb.€72.5 gibt die Lokalisationen einer möglichen NervenläÂ� sion wieder. Anschließend wird über den präaurikulären Hautschnitt die Wangenhaut unterminiert.
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72.3 · Chirurgische Maßnahmen bei Formstörungen an Hals und Gesicht
a . Abb. 72.5╇ Lokalisationen wichtiger motorischer (N.€fazialis) und sensorischer Nervenverläufe
> Hier ist besonders auf eine streng subkutane Präparations ebene im Bereich der kritischen Zonen am Jochbogen und den Nasolabialfalten zur Schonung der Fazialisäste zu achten.
Der Hautlappen sollte dabei mit einer 2–3€mm dicken Fettschicht ohne Verletzung des subdermalen Plexus präpariert werden. Die Weite der Dissektion hängt davon ab, ob und in welchem Ausmaß eine Straffung des SMAS erforderlich ist. Bei ohnehin geplanter zusätzlicher SMAS-Raffung kann die kutane Unterminierung evtl. deutlich geringer ausfallen, wenn die Raffung des muskuloaponeurotischen Systems bereits einen ausreichenden Lifting-Effekt hat. Hiernach wird der temporale Hautlappen unter Schonung der Haarwurzeln durch eine parallele Schnittebene des Skalpells zum Haarbalg präpariert. Zur Straffung starker periorbitaler Faltenbildung kann der erfahrene Operateur bis an den lateralen Lidrand und an die Augenbraue präparieren. In dieser Region sollte auf eine eher dünne Präparation des Hautlappens aufgrund des oberflächlich verlaufenden R.€frontalis n.€facialis geachtet werden. Grundsätzlich bestehen die Möglichkeiten einer ausgedehnten Exposition des SMAS mit einer eher vertikalen Raffung zum Jochbogen (.€Abb.€72.6a) oder kombinierter vertikaler wie dorsaler Raffung (.€Abb.€72.6b). Das MACS-Lift (»minimal access cranial suspension lift«) kombiniert bei vertikal erwünschtem Lifting vornehmlich die Vorteile einer kurzen präaurikulären Narbe mit alleiniger Raffung des SMAS, wobei 3€unterschiedlich orientierte Raffnähte entweder nur die wangenseitigen Anteile oder zusätzlich auch den malaren Fettkörper anheben (.€Abb.€72.6c).
. Abb. 72.6╇ Möglichkeiten der Straffung des SMAS eher in vertikaler Raf- 7 fung zum Jochbogen (a), oder kombinierter vertikaler wie dorsaler Raffung (b). Das MACS-Lift kombiniert die Vorteile einer kurzen präaurikulären Narbe mit alleiniger Raffung des SMAS, wobei 3€unterschiedlich orientierte Raffnähte entweder nur die wangenseitigen Anteile oder zusätzlich auch den malaren Fettkörper anheben (c)
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Kapitel 72 · Formkorrektur an Gesicht und Hals
Es erfolgt die subtile Blutstillung, die feine Blutungen an der LapÂ� penunterseite zur Schonung des subdermalen Plexus schonen sollte. Erst nach der Fixierung der SMAS-Raffung erfolgt das anpassende Resezieren der Haut. Zur Vorspannung sind Haltefäden an den Hautlappen sinnvoll. Die gleichmäßige Spannung wird an den Lidkanten und Mundwinkeln überprüft. Die Hautspannung und v.€a. die exakte Ausrichtung (Vektor!) können durch Situationsnähte prä- und retroaurikulär fixiert werden. Dies wird erleichtert durch einen Schnitt, der in die präaurikulär gespannte Haut nach kaudal in Verlängerung der Antehelixfalte gelegt wird und die Festlegung des neuen FußpunkÂ� tes€des Ohrläppchens ermöglicht. Temporal wird das Spannungsergebnis zusätzlich mit resorbierbarem Nahtmaterial an der Temporalisfaszie verankert. Präaurikulär sollte nur soviel Haut reseziert werden, dass ein spannungsfreier zweireihiger Hautverschluss (subkutane Einzelknopfnähte, resorbierbar farblos, 4-0; intrakutan fortlaufend, resorbierbar farblos, 5-0) möglich ist. Danach erfolgt identisches Vorgehen temporal und okzipital; ggf. Einlage einer Redon-Drainage am tiefsten Punkt der präparierten Hautlappen für 24€h. Superfizielles muskuloaponeurotisches System (SMAS)
Die Inzision des SMAS-Komplexes erfolgt in einer umgekehrten L-Form unterhalb des Jochbogens und parallel präaurikulär. Dabei sollte ein Abstand zum Tragus von 1,5–2€cm nicht unterschritten werden. Im Wangenbereich kommen nach Inzision des SMAS kranial das Sub-SMAS-Fett und kaudal die Parotisfaszie zum Vorschein. Vorsicht ist bei Inzisionen nahe am Jochbogen geboten. Ab hier sollte nach kranial streng subkutan zur Vermeidung einer Nervenläsion des Temporalastes präpariert werden.
sieren. Oberhalb davon ist die Verletzungsgefahr des R.€marginalis n.€facialis hoch. Nach Mobilisation des SMAS-Platysma-Komplexes erfolgt die dorsokraniale Transposition zur Egalisierung der Nasolabialfalte. Entscheidend für das Straffungsergebnis ist die Verankerung des elevierten SMAS-Flaps an der Temporalisfaszie und periostal (4-0-PDS). Zur Straffung der zervikalen Anteile, ohne Überkorrektur der Nasolabialfalte, kann der SMAS-Flap auch segmentiert werden und der kaudale Anteil nach retroaurikulär Richtung Mastoid gestrafft werden. Eine aktuelle Variante besteht im sog. MACS-Lift (»minimal access cranial suspension lift«; 7€oben). Über eine L-förmige präaurikuläre Inzision mit Verlängerung unter die Haarkotelette wird die Haut nur knapp unterminiert. 2€starke nichtresorbierbare Nähte in U- oder schräger O-Form werden in das superfizielle muskuloaponeurotische Gewebe eingeflochten und an der tiefen Temporalfaszie auf der Höhe der Crus helicis verankert. Durch Knoten soll eine effiziente vertikale Korrektur der abgesackten Gesichtsweichteile vornehmlich an den Jochbeinen und am oberen Hals erzielt werden. Durch eine 3.€Tabaksbeutelnaht zum malaren Fettkörper kann ein gleichzeitiges Anheben des Mittelgesichtes vorgenommen werden. Merkmale und Vorteile des Verfahrens sind in der .€Übersicht dargestellt. MACS-Lift (»minimal access cranial suspension lift«) 4 Die Inzisionen werden auf die Falte an der Ohrvorderseite und die Haargrenze oberhalb der Ohren beschränkt. 4 Durch eine sehr limitierte Hautunterminierung reduziert sich das Risiko für Nachblutung und Durchblutungsstörungen sowie von Schwellungen und Hämatomen mit deutlich verkürzter Rekonvaleszenz. 4 Vertikal gerichtete SMAS-Raffung mit langem StraffungsÂ� effekt. 4 Günstiger Effekt auf die periorbitale Region. 4 Effizienz wie bei ausgedehnteren und aggressiveren Operationsverfahren postuliert; Langzeitergebnisse jedoch begrenzt.
Präaurikuläre SMAS-Präparation
Individuell ist es bei manchen Patienten schwierig, die Parotisfaszie vom SMAS zu trennen. Wird bei scharfer Präparation dabei auch die Parotisfaszie mit gehoben, entstehen hierdurch keine Konsequenzen, wenn das Parenchym unverletzt bleibt. Im kaudalen Bereich der Parotis sind bei weiterer Präparation des SMAS-Flap nach kaudal Platysmafasern erkennbar. In diesem Bereich sollte zur Schonung der Fazialisäste überwiegend nicht mehr scharf disseziert werden. 2€cm unterhalb des Mandibularandes lässt sich das Platysma gut mobili-
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. Abb. 72.7╇ Facelift mit SMAS-Straffung als Rezidiveingriff bei ErstoperaÂ� tion 15€Jahre zuvor (a, b). Stark verbreiterte und die Patientin störende retroaurikuläre Narbe (c). Höherplatzierung der neuen retroaurikulären Inzision (d). Inzision präaurikulär antetragisch mit zusätzlicher Inzision unter-
b halb der Kotelette zur Resektion des massiven Hautüberschusses bei vertikaler Straffung (e,€f). Postoperativer Befund mit nunmehr verlagerter retreoaurikulärer Narbe (g,€h)
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g . Abb. 72.7╇ (Fortsetzung)
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Kapitel 72 · Formkorrektur an Gesicht und Hals
Komplikationen
72.3.2 Stirn- und Brow-Lift – offen chirurgisch
Die Dissektion der Galea vom Periost kann stumpf erfolgen und über den Orbitarand hinaus präpariert werden. Dabei sind beidseitig die Gefäß-Nerven-Bündel zu schonen. Glabella und Korrugatoren werden teils scharf vom Periost abgelöst. Der M.€frontalis kann partiell, parallel zu den Stirnfalten, ausgedünnt werden, sollte aber niemals komplett reseziert werden. Ist der komplette frontotemporale Flap gehoben, wird das Straffungsziel definiert. Dazu muss der Lidschluss komplett sein, und ein oberes »scleral show« darf nicht auftreten. Unter der erforderlichen moderaten Spannung wird dann ein Streifen Stirnhaut von 2–3€cm reseziert. Durch galeale Nähte (3-0 resorbierbar) wird ein wenig Spannung von der Haut genommen. Eine subgaleale Redon-Drainage ist empfehlenswert. Das Ergebnis kann durch eine Kanthopexie oder eine Unterlidplastik ergänzt werden, eine Blepharoplastik des Oberlides sollte nicht in derselben Sitzung durchgeführt werden. Ein klinisches Beispiel zeigt .€Abb.€72.8.
Indikationen
Komplikationen
Indikationen stellen der Deszensus der Augenbraue, eine Gesichtsfeldeinschränkung durch Stauchung des Oberlides, quere ausgeprägte Stirnfalten, Glabellafalten und ausgeprägte Falten der lateralen Orbita dar. Bei Gesichtsfeldeinschränkung kommt es zu einer kompensatorischen Augenbrauenelevation als Versuch der Visusverbesserung, was zu ausgeprägten Stirnfalten führt.
Durch subgaleale Präparation ist eine Verklebung zwischen Galea und Periost zu erwarten, und somit sind auch gute LangzeiterÂ� gebnisse produzierbar. Als Nachteil kommt es regelmäßig zu Parästhesien kranial der Inzisionslinie, die 6–12 Monate fortbestehen können. Haarausfall im Bereich der bikoronaren Inzision kann 3€Monate anhalten und bei älteren Patienten auch bleibend sein. Eine Schwächung des motorischen Frontalisastes ist möglich, aber reversibel.
In der frühen postoperativen Phase sollten Hämatome und Serome umgehend angegangen werden. Größere Hämatome erfordern eine Revision. Hautnekrosen sind Folge von übermäßiger Spannung, Perfusionsstörungen durch unsachgemäße Präparationstechnik, Infektion oder Nikotinkonsum. Hautnekrosen müssen nicht umgehend reseziert werden, da eventuelles Reepithelialisierungspotenzial abgewartet werden kann und der Prozess meist schrumpft, sodass Korrekturen im Intervall meist kleiner und unproblematischer ausfallen. Läsionen an Endästen der Fazialisstämme sind meist reversibel, sodass eine periphere Nervenregeneration von ca. drei Monaten abgewartet werden sollte. .€Abb.€72.7 zeigt das klinische Beispiel einer SMAS-Straffung als Rezidiveingriff.
Technik Operationsplanung
Bei der Planung eines Stirn- und Augenbrauenliftings ist die typgerechte Neoplatzierung der Augenbraue entscheidend. Die ideale Augenbraue sollte medial parallel zur Lidkante im 1.€Drittel kranialwärts ansteigen, sodass sich das mittlere Drittel der Augenbraue über dem Orbitarand projiziert. Das laterale Drittel fällt dann parallel zur Oberlippenrot-weiß-Gernze ab. Der höchste Punkt der Augenbraue steht im Lot (L) mit der lateralen Tangente der Iris. Die Tangente mündet in der Kinnmitte. Eine wichtige Entscheidung in der Operationsplanung ist die Wahl zwischen bikoronarer und prätrichaler Inzision. Nach Untersuchungen wird eine Stirnhöhe um 50€mm als attraktiv empfunden. Die Indikation der prätrichalen Inzision wird bei einer Distanz zwischen Augenbraue und Haaransatz von mehr als 5€cm bei einem Augenbrauen-Pupillen-Abstand von 2,5€cm gestellt.
4 Prätrichale Inzision:
Die prätrichale Inzision sollte W-förmig mit schräg angeschnittenen Haarwurzeln verlaufen. In Höhe der lateralen Lidkante kann die Schnittführung nach temporal in die Haarregion verlaufen.
4 Bikoronare Inzision:
Die bikoronare Inzision sollte etwa 6€cm hinter der anterioren Haarlinie verlaufen und parallel zu den Haarfollikeln von einem Ohransatz zum anderen reichen.
Durchführung
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Die Präparation erfolgt subgaleal, da hier eine blutarme Präparation mit dem Effekt der postoperativen Gewebeadhäsion zwischen Galea und Periost möglich ist. Bei der subgalearen Technik besteht jedoch die Gefahr der temporolateralen Verletzung des R.€temporalis n.€facialis, der sichtbar unter der Fascia temporalis verläuft. Hingegen bestehen bei der rein subkutanen Präparationstechnik die Gefahr der Haarfollikelverletzung sowie das Risiko der nutritiven Minderversorgung.
72.3.3 Stirn- und Brow-Lift – endoskopisch
Technik Das Stirnlift eignet sich als endoskopisches Operationsverfahren. Es werden 3€Zugänge ca. 1€cm kranial der Haargrenze medial, rechts- und links-lateral gewählt. Die Optik wird in den medialen Zugang eingeführt und die Instrumente über die seitlichen Zugänge (.€Abb.€72.9d). Mit Dissektoren wird dann ein subgalealer Raum geschaffen, der bis ca. 2€cm kranial des Orbitadaches präpariert wird. Danach wird das Periost quer inzidiert und mittels Raspatorium subperiostal auf den Orbitarand und die Nasenwurzel unter subtiler Darstellung und Schonung der supratrochlearen und supraorbitalen Nervenäste weiter präpariert. Stirn- oder Zornesfalten werden durch selektive Myektomien der Mm.€frontalis, corrugatores, depressores supercilii und procerus behandelt. Die Augenbrauen lassen sich beliebig anheben. Das Straffungsergebnis wird durch Mikroschrauben an der Tabula externa für 1€Woche fixiert. Zusätzlich können temporal Nähte an der Temporalisfaszie angebracht werden. Fibrinkleber kann zur besseren postoperativen Adhäsion der verschobenen Gewebeschichten beitragen.
Komplikationen Asymmetrische Augenbrauen. 72.3.4 Mid Facelift (minimalinvasiv,
endoskopisch assistiert)
Indikation Ausgeprägte Nasolabialfalten bei Patienten zwischen 40 und 50€Jahren, die noch keines kompletten Facelifts bedürfen.
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. Abb. 72.8a–e╇ Brauenlift durch supraorbitale Hautstreifenresektion. Bei dem kahlköpfigen Patienten stellten andere Verfahren (offenes oder auch endoskopisches Stirnlift) wegen der dabei entstehenden sichtbaren Narben keine Option dar. a,€b€Planung der Höhenverlagerung. c€Exzisionsfigur der Stirnhaut oberhalb der Brauen. d€Fixierung der tiefen Faszienschichten an das kraniale Stirnperiost. e€Postoperatives Ergebnis
Technik Zunächst Lokalanästhesie beider Wangen mit jeweils 10€ml Lokalanästhetikum (2%) und Adrenalinzusatz (1:100.000). Die Hautinzision erfolgt subziliar vom medialen zum lateralen Augenwinkel und ca. 2–3€cm nach lateral-kaudal, parallel zur Lippenrot-weiß-Grenze der lateralen Oberlippe (.€Abb.€72.10). Die Präparation erfolgt zunächst auf den M.€orbicularis occuli. Anschließend wird epifaszial nach kaudal in der traditionellen Präparationsschicht des Facelifts bis zur Nasolabialfalte präpariert. Der Hautüberschuss wird nun unter moderater Straffung so reseziert, dass medial mehr Gewebe erhalten bleibt, um ein unteres »scleral show« zu vermeiden. Der Hautrand kann zur KonturÂ� verbesserung etwas entfettet werden (3–5€mm). Der laterale Anteil
der Straffung wird am Periost des lateralen Augenwinkels verÂ� ankert. Bei älteren Patienten, bei denen der M.€orbicularis occuli bereits erschlafft ist, sollte nach der epifaszialen Präparation der M.€orbicularis occuli subperiostal vom ganzen Orbitarand abgehoben werden, um eine Keilexzision des Muskels als Straffung des Unterlides durchführen zu können.
Komplikationen 4 Unterlidektropium. 4 Durch passagere Schwellung kann ein temporäres »scleral show« entstehen.
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c . Abb. 72.9a–d╇ Brauen-Stirn-Lift subperiostal endoskopisch. Durch einen zentralen Zugang für die Optik werden von beidseitig temporal die supraorbitale Schlitzung des Stirnperiosts und ggf. auch eine Exhairese der Mm.€corrugatores supercilii durchgeführt (d). Klinischer Aspekt vor und nach endoskopischem Lift (a–c)
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. Abb. 72.10╇ Technik des Mid Facelift. (Foto: © Anton Zabielskyi/Fotolia.com)
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72.3 · Chirurgische Maßnahmen bei Formstörungen an Hals und Gesicht
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. Abb. 72.11╇ Technik der Blepharoplastik des Oberlides und Unterlides. Nach Exzision der HautÂ� spindel oder mit dieser vollschichtig erfolgt die Entfernung eines schmalen Orbicularis-Muskelstreifens (b). Anschließend wird Fett aus den medialen Kompartimenten, falls erforderlich, teilweise reseziert (c). Am Unterlid wird nach Straffung des Septum infraorbitale oder Verteilung des Fettes unterhalb des unteren Orbitarandes ein Muskelstreifen aus dem kranialen M.€orbicularis gebildet (d). Nach Umschlagen nach kranial wird dieser am inneren lateralen Orbitarand fixiert (e). Der hierdurch erzielte Straffungseffekt lässt einen Hautüberschuss entstehen, der lateralseitig verbleibt und anschließend reseziert wird. Damit entsteht kein vertikaler Zug am Unterlid und wirkt einer Ektropiumentstehung entgegen (f). Die zu erzielenden Straffungsvektoren verlaufen am Unterlid im Gegensatz zum Oberlid schräg lateral (g) (. Abb. 72.12)
g
72.3.5 Blepharoplastik des Oberlids
Indikationen 4 Gesichtsfeldeinschränkung. 4 Fettgewebshernien. 4 Dermatochalasis.
Patientenvorbereitung 4 4 4 4 4
Präoperativer ophthalmologischer Befund. Bestimmung der Tränensekretion. Schirmer-Test. Augenbrauenptose? Stirn- und Brow-Lift?
Technik Die Inzision sollte ca. 8–10€mm kranial der Wimpernreihe liegen und im medialen Augenwinkel über dem Tränenpünktchen beÂ� ginnen und zur lateralen Margo orbitalis verlaufend erfolgen (.€Abb.€72.11). Die kraniale Inzision wird bestimmt durch das gewünschte Raffungsergebnis. Dies kann zuvor mit der Pinzette imi-
tiert werden. Durch die Raffung sollte die Lidspalte maximal 1–2€mm klaffen. Das umschnittene Hautareal wird reseziert. Falls erforderlich, wird nach stumpfem Spreizen der Muskelfasern des M.€orbicularis occuli das Septum orbitale eröffnet und das hervorquellende Fett unter leichtem manuellem Druck auf das Unterlid reseziert. Das eröffnete Septum orbitale sollte mit resorbierbarem Nahtmaterial wieder verschlossen werden. Nach subtiler Blutstillung erfolgt der Wundverschluss fortlaufend.
Komplikationen 4 Insuffizienter Lidschluss. 4 Conjunctivitis sicca. 72.3.6 Blepharoplastik des Unterlids
Indikationen 4 Dermatochalasis. 4 Tränensäcke. 4 Präoperativ ophthalmologischer Befund.
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. Abb. 72.12╇ Blepharoplastik des Unterlides. Hautinzision etwa 2–3€mm subzilliar (a). Unterminierung der Haut mit der Schere, ohne das Septum orbitale zu eröffnen (b). Präparation eines Haut-Muskel-Lappens (c). Eröffnung des Septum orbitale (d) und Präparation des orbitalen Fettgewebes (e).
Umverteilung des orbitalen Fettgewebes zur Augmentation des inferioren Orbitarandes (f). Präparation und periostale Fixierung eines Muskelstreifens am lateralen Orbitarand (g). Sparsame Resektion des Hautüberschusses (h). (Foto: © Anton Zabielskyi/Fotolia.com)
Technik
Gewebeaugmentation des Orbitarandes über die Margo orbitalis inferior gelegt und mittels Einzelknopfnähten fixiert. Zur Suspension des Unterlides wird ein Muskelstreifen des M.€orbicularis oculi präpariert und am lateralen Orbitarand periostal verankert. Die Straffung des Unterlides erfolgt von medial nach lateral. In der Regel entsteht dadurch ein Hautüberschuss, der zum medialen Drittel des Unterlides deutlich abnimmt. Der Wundverschluss erfolgt nach sparsamer Resektion des Hautüberschusses von medial nach lateral mittels Intrakutannaht. Zusätzlich kann eine Â�laterale Kanthopexie nach Jelks erfolgen.
Die Hautinzision erfolgt ca. 2–3€mm subziliar parallel zum Unterlid€etwa 3€mm medial des medialen Augenwinkels beginnend und am lateralen Augenwinkel im Verlauf der Lachfältchen auslaufend (.€Abb.€72.12). > Dabei ist auf eine zu erhaltende Hautbrücke zwischen Hautinzision zur Oberlidblepharoplastik von mindestens 10€mm zu achten.
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Nach dem Hautschnitt wird ein Haut-Muskel-Lappen gebildet und vom Septum abpräpariert Zur Umverteilung des überschüssigen orbitalen Fettgewebes wird das Septum orbitale eröffnet und unter leichtem Druck auf das Unterlid der hervorquellende Fettkörper nach Loeb und Hamra zur
Komplikationen 4 Unterlidektropium.
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72.3 · Chirurgische Maßnahmen bei Formstörungen an Hals und Gesicht
72.3.7 Submentales Lifting
Technik Das oberflächliche Halsfett ist in 2€Kompartimente unterteilt. Dabei unterscheiden sich der Raum zwischen Dermis und Platysma, sowie der Raum zwischen Platysma und tiefer Halsfaszie. Liposuktion
Die störenden Areale werden mit aufrechtem Oberkörper angezeichnet. Die Lokalanästhesie erfolgt als Mini-Tumeszenstechnik mit Lokalanästhetikum (2%) unter Zusatz von Adrenalin (1:200.000). Bei zu viel Tumeszenslösung werden die Halskonturen zu unübersichtlich. Nach Einwirkung der Lokalanästhesie erfolgt die Stichinzision submental. Zunächst sollte zur Sicherung des Raumes, in dem abgesaugt wird, dieser mit der Schere definiert werden. Dazu wird unter horizontalem Spreizen die Subkutis von den derben Strängen zum M.€sternocleidomastoideus gelöst. Um gleichmäßigere Ergebnisse zu erzielen, sollte zusätzlich auch ein retroaurikulärer Zugang gewählt werden. Das Absaugen erfolgt dann streng subkutan. Hierbei ist darauf zu achten nicht zu viel subkutanes Gewebe abzusaugen, da es sonst zu Verwachsungen mit dem Platysma kommt. Die Stichinzisionen können postoperativ offen bleiben, da sie ohne auffällige NarbenÂ� bildung ausheilen werden und ggf. eine Drainage nach außen ermöglichen. Als moderater Druckverband kann ein schmaler Schaumstoffstreifen, der mit Pflaster fixiert werden kann, sehr nützlich sein. Zusätzliche Platysmadopplung
Die zusätzliche mediane Halsraffung eignet sich für Patienten mit starkem Doppelkinn und lockerem Platysma. Dazu wird die Stichinzision submental auf eine Breite von ca. 3–4€cm erweitert. Hier wird dann unter Sicht auf das Platysma präpariert. Eine Leuchtquelle ist zur Präparation sehr hilfreich. Das mediale Halsfett kann dann direkt unter Sicht exzidiert werden. Es kann bis auf eine Höhe, die dem kaudalen Rand des Schildknorpels entspricht, präpariert werden. Die Fettschicht zwischen Platysma und tiefer Halsfaszie kann über diesen Zugang sehr gut abgesaugt werden. Der am Mandibularrand verlaufende R.€marginalis mandibulae ist dabei zu schonen, was durch Absaugen strikt kaudal der Mandibula einfach möglich ist. Danach werden die beiden medialen Ränder des Platysmas in der Mediallinie mit einer 3-0-resorbierbaren Naht gedoppelt. Um eine natürliche Halskontur zu schaffen, kann es erforderlich werden, vor der Platysmadopplung die medialen Ränder des Platysmas auf vertikal mittlerer Höhe, quer etwa 1–2€cm zu inzidieren. Das Straffungsergebnis durch die Platysmadopplung kann zu lateralen Einziehungen der Haut führen, sodass diese stumpf oder, wenn erforderlich, scharf gelöst werden müssen. Eine kleine Drainage, die retroaurikulär ausgeleitet werden kann, ist zu empfehlen. Für den Wundverschluss sind Einzelknopfnähte, die am 5.€postoperativen Tag entfernt werden, ausreichend. Auch hier ist ein Druckverband mittels fixiertem Schaumstoffstreifen nützlich.
Komplikationen 4 Einziehungen der Haut durch nicht gelöste Adhäsionen zwi-
schen Platysma und Kutis. 4 Verletzung des R.€marginalis mandibulae. 4 Nachblutungen sind zu revidieren. Kleinere Hämatome können punktiert werden.
Literatur Literatur zu 7€Kap.€72.1 und 72.2 Byrd HS, Hobar PC (1993) Rhinoplasty: a partical guide for surgical planning. Plast Reconstr Surg 91 (4): 642–54 Ho T, Brissett AE (2006) Preoperative assessment of the aging patient. Facial Plast Surg 22 (2): 85–90 Hönig JF (2000) Ästhetische Chirurgie, Steinkpopff, Darmstadt Yellin SA (1997) Aesthetics for the next millennium. Facial Plast Surg 13 (4): 231–239
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72
698
Kapitel 72 · Formkorrektur an Gesicht und Hals
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72
73
Formstörungen der Nase (Rhinoplastik) A.D. Niederbichler, P.M.€Vogt
73.1
Anatomieâ•… – 700
73.2
Diagnostikâ•… – 700
73.2.1 73.2.2 73.2.3
Anamneseâ•… – 700 Befunderhebungâ•… – 701 Analyse der anatomischen Gegebenheiten (Analyse nach Byrd)â•… – 703
73.3
Therapieâ•… – 704
73.3.1 73.3.2
Operative Technikâ•… – 704 Postoperatives Managementâ•… – 710
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
700
73
Kapitel 73 · Formstörungen der Nase (Rhinoplastik)
Das Ziel eines ästhetischen operativen Eingriffes an der Nase ist die Neuformung der äußeren Erscheinung der Nase unter der Maßgabe, die Funktion der Nasenatmung möglichst zu verbessern oder zumindest zu erhalten. Die Rhinoplastik zählt zu den häufigsten operativen Eingriffen in der ästhetischen Chirurgie, aber auch zu den schwierigsten. Deshalb ist vor der Durchführung eines ästhetischen Eingriffs der Nase die genaue Anamnese- und Befunderhebung von größter Wichtigkeit. Um Frustration und Enttäuschung über das operative Ergebnis zu vermeiden, ist es notwendig, in genügend großem zeitlichem Abstand zum geplanten Operationstermin dem Patienten die chirurgischen Möglichkeiten zu vermitteln und sie mit seinen Wünschen in Einklang zu bringen. Sollte dies nicht möglich sein, ist es oft besser, einen ästhetischen Eingriff zu verschieben oder nicht durchzuführen. Der erste Schritt bei der Diagnostik vor einem geplanten ästhetischen Eingriff der Nase ist daher die Anamnese oder das »diagnostische Gespräch«: Zunächst muss der Operateur einschätzen, ob der Patient ästhetische Wünsche hat, die operativ in seinem Fall zu erreichen sind und die sich harmonisch in das Gesamtbild des Gesichtes des Patienten einfügen, oder, ob der Patient überzogene, technisch nicht machbare ästhetische Wünsche hat, die eine harmonische Erscheinung seines Gesichtes stören würden. 73.1
Anatomie
Haut
Die Prüfung ihrer Dicke und Beschaffenheit ist wichtig zur Planung des operativen Vorgehens: Die Hautbeschaffenheit der kranialen Hälfte der Nase ist dünner und verschieblicher im Vergleich zur kaudalen Hälfte. Dort findet sich am Nasenrücken talgdrüsenreichere und adhärentere Haut, im Bereich der Nasenflügel und der Columella jedoch bleibt die Hautbeschaffenheit dünn. Muskulatur
Es lassen sich 4€Muskelgruppen unterscheiden: 4 Elevatoren (verkürzen die Nase und öffnen die Nasenlöcher): 5 M.€procerus, 5 M.€levator labii superioris alaeque nasi, 5 M.€anomalus nasi. 4 Depressoren (verlängern die Nase und öffnen die Nasenlöcher): 5 M.€dilatator naris posterior (alarer Anteil des M.€nasalis), 5 M.€depressor septi. 4 Öffnung der Nasenlöcher: 5 M.€dilatator naris anterior. 4 Kompressoren (verlängern die Nase und verengen die NasenÂ� löcher): 5 M.€nasalis (transversaler Anteil), 5 M.€compressor narium minor.
5 Die Nasenspitze wird im lateralen Anteil (nasenflügelwärts)
von der A.€angularis versorgt, die übrige Versorgung erfolgt durch den äußeren R.€nasalis der A.€ethmoidalis anterior. 4 Der venöse Abfluss erfolgt im Verlauf der arteriellen Versorgung, die Bezeichnung der Venen stimmt mit der der Arterien überein. Sensible Versorgung durch Äste des N.€trigeminus
4 Pars ophthalmica (V1):
Sensible Innervation der Nasenwurzel sowie des kranialen Anteils der Nasenflügel. Rr.€supratrochleares et infratrochleares n.€ophthalmici. 4 Pars maxillaris (V2): Die sensible Innervation des kaudalen Nasenrückens und der Nasenspitze erfolgt durch den äußeren Ast des N.€ethmoidalis anterior, der zwischen dem knöchernen Anteil der Nase und dem oberen lateralen Nasenknorpel aufsteigt. Der untere Anteil der Nase (Columella, Nasenflügel und Vestibulum) wird durch die infraorbitalen Äste des N.€maxillaris sensibel versorgt. Nasenlöcher
Die Basis der Nase sollte einem gleichseitigen Dreieck ähneln. Als Vestibulum nasi wird der Bereich bezeichnet, der sich einwärts direkt an die externen Anteile der Nasenlöcher anschließt. Nasenknorpel
4 Flügelknorpel (Nasenspitze, Ala nasi, untere laterale Knorpelan-
teile; .€Abb.€73.1) 5 Crus medialis: die »Bodenplatte« und nach kaudal Columellasegment. 5 Crus medianus: lobuläre Segmente und Segmente, die den Dom der Nase bilden. 5 Crus lateralis: Hauptteil der Nasenflügel (Lobulus). 4 Knorpeliges Nasengewölbe Kranial besteht es aus den paarigen oberen lateralen Knorpelteilen und aus dem knorpeligen Anteil des Nasenseptums. Die kaudalen Enden der oberen lateralen Knorpel (Dreiecksknorpel) liegen hinter dem kranialen Ende der unteren lateralen Knorpelanteile (7€oben). 4 Knöchernes Nasengewölbe Es besteht aus den paarigen Nasenknochen und den paarigen aszendierenden Ausläufern (Proc. ascendentes maxillae) der Maxilla, hat eine Pyramidenform, die nach kranial Richtung Sutura nasofrontalis ausläuft. Die sog. interkanthale Linie bezeichnet den engsten Teil der knöchernen Nasenpyramide und des Nasenrückens. 4 Nasenscheidewand (Septum) Knöcherner (Pars perpendicularis ossis ethmoidale) und knorpeliger (kaudaler) Anteil
Perfusion
73.2
durchbricht das orbitale Septum medial des Lig.€palpebrae. Sie verläuft an den Nasenflügeln nach kaudal, wo sie mit dem lateralen nasalen Ast der A.€angularis anastomosiert. 4 A.€maxillaris interna und lokale Arterien: 5 Die A.€angularis versorgt den lateralen kaudalen Anteil der Oberfläche der Nase. 5 Die A.€labialis superior versorgt die Basis der Columella und die unteren Anteile der Nasenlöcher. 5 Die A.€columellae verläuft aufsteigend in der Columella oberflächlich im Bereich der Crura medialia.
73.2.1 Anamnese
4 A.€opthtalmica (aus der A.€carotis interna): Die A.€dorsalis nasi
Diagnostik
Im Anamnesegespräch muss neben der Anamnese insbesondere die Motivation des Patienten geklärt werden, sich einem ästhetischen Eingriff zu unterziehen. Es ist wichtig, bei der Anamneseerhebung neben den ästhetischen Problemen, die ein Patient hat, auch auf generelle Fragen wie behinderte Nasenatmung, Schnarchen, Voroperationen im Bereich der Nase etc. einzugehen. Manchmal sind mehrere Anamnesegespräche präoperativ erforderlich, um Fragen klären zu können und die Indikation zur Operation zu stellen.
73.2 · Diagnostik
701
a
. Abb. 73.2╇ Symmetrie in der Frontalansicht . Der Nasenrücken erscheint als zwei parallele oder konkave Linien, die sich von den Augenbrauen bis zur Nasenspitze erstrecken (A). Die interkanthale Distanz (B) sollte durch die Breite der Basis der Nasenflügel nicht überschritten werden (C), da dies eine dysharmonische Verbreiterung des Nasengerüstes darstellt. Die Flügelknor pel sollten minimal über den Nasenrücken herausragen (D), was die seitlichen Punkte eines Dreiecks mit kaudaler Basis definiert, dessen Spitze kranial den Kontaktpunkt zwischen medialem und mittlerem Crus ausmacht (E)
b . Abb. 73.1a, b╇ Elemente des knorpeligen und knöchernen Nasenskeletts. Ansicht von frontal (a) und kaudal (b)
Wichtig für den Chirurgen bei der Anamneseerhebung ist, Indikationen und Kontraindikationen für einen ästhetischen Eingriff festzustellen und ggf. die operative Therapie des Patienten abzuÂ� lehnen. Idealerweise sollte die Entscheidung für oder gegen einen operativen Eingriff für den Patienten einsehbar sein, nicht zu Frustration führen und zusammen mit dem Patienten getroffen werden. Wichtig ist auch der Hinweis auf das Zeitintervall bis zum endgültigen Operationsergebnis und die ggf. eintretende Notwendigkeit eines Korrektureingriffes bei dann nicht zufriedenstellender Formgebung. > Das Anamnesegespräch im Rahmen der Planung eines ästhetischen Eingriffs im Bereich der Nase hat also zwei Aufgaben: Vorerkrankungen zu erheben (Eigen- und SozialÂ�anamnese, Medikamentenanamnese) und festzustellen, ob der Patient psychisch und in Anbetracht seiner Lebensumstände ein geeigneter Kandidat für einen ästhetisch-chirurgischen Eingriff ist.
73.2.2 Befunderhebung Zur operativen Planung ist es wichtig, das gesamte Gesicht des Patienten zu untersuchen. Um wichtige diagnostische Schritte nicht zu vergessen, ist folgender Algorithmus der körperlichen Befunderhebung zu empfehlen:
Zunächst werden beide Gesichtshälften orientierend auf Symmetrie untersucht. Symmetrie der Kanthus, Nasenflügel und beider Wangenregionen sind hierbei wichtig. Der nächste diagnostische Schritt beinhaltet die Prüfung der Symmetrie in der Frontalansicht (engl. »full face view«; .€Abb.€73.2): 4 Der Nasenrücken erscheint als zwei parallele oder konkave Linien, die sich von den Augenbrauen bis zur Nasenspitze erÂ� strecken (.€Abb.€73.2;€A). 4 Interkanthale Distanz€= Breite der Basis der Nasenflügel (.€Abb.€73.2;€B). 4 Wenn die äußere Begrenzung der Nasenflügel über eine imaginäre Linie vom medialen Kanthus gerade nach kaudal hinausreicht, ist dies ein Hinweis auf eine evtl. dysharmonische Verbreiterung des Nasengerüstes (.€Abb.€73.2;€C). 4 Die Flügelknorpel sollten minimal über den Nasenrücken herausragen (.€Abb.€73.2;€D), was die seitlichen Punkte eines Dreiecks mit kaudaler Basis ausmacht, dessen Spitze kranial den Kontaktpunkt zwischen medialem und mittlerem Crus ausmacht (.€Abb.€73.2;€E). Nun erfolgt die Beurteilung des Gesichtes und speziell der Nase in Seitansicht (engl. »profile view«; .€Abb.€73.3). 4 Das Gesicht wird in 4€horizontal verlaufende Abschnitte unterteilt, um die proportionale Harmonie der verschiedenen Gesichtspartien beurteilen zu können. Außerdem kann in der Seitansicht die Konvexität des Gesichtes beurteilt werden (.€Abb.€73.3a): 4€Abschnitte: Haaransatz – Augenbrauen – Columella (Basis) – Kinn 4 Nun wird die Länge der Nase vom Nasion (=€der niedrigste Punkt der Fossa frontonasalis) bis zur Nasenspitze gemessen. Der Nasenrücken sollte gerade sein, die Nasenspitze sollte eine ca. 2€mm messende Prominenz aufweisen.
73
702
Kapitel 73 · Formstörungen der Nase (Rhinoplastik)
73
a
c
b
. Abb. 73.3a–c╇ Die proportionale Harmonie der verschiedenen Ge sichtspartien wird in Seitansicht durch 4€horizontale Hilfslinien unter teilt: Haaransatz – Augenbrauen – Columella (Basis) – Kinn (a). Die Länge der Nase bemisst sich vom Nasion (=€der niedrigste Punkt der Fossa frontonasalis;€N) bis zur Nasenspitze (b). Der Nasenrücken sollte gerade sein, die Projektion der Nasenspitze sollte eine ca. 2€mm messende Pro minenz gegenüber dem Nasenrücken aufweisen und wird folgender maßen beurteilt: Eine horizontale Linie von der Ala-Wangen-Grenze zur Nasenspitze (b) sowie eine weitere vertikal verlaufende Linie wird tan gential zur oberen Lippe (äußere Grenze) gezogen (c). Liegen mehr als 2/3 der horizontalen Strecke vor der vertikalen Linie, deutet dies auf Überprojektion hin, liegt mehr als 60% dieser Strecke hinter der vertika len Linie, bedeutet dies Unterprojektion. (Foto: © Anton Zabielskyi/ Fotolia.com)
703
73.2 · Diagnostik
! Cave Bei zu hohem oder zu niedrigem Messpunkt für das Nasion kann eine Fehlinterpretation der Projektion des Nasenrückens resultieren!
4 Die Projektion der Nasenspitze wird folgendermaßen beurteilt:
Eine horizontale Linie wird von der Ala-Wangen-Grenze zur Nasenspitze (.€Abb.€73.3b) gezogen. Eine weitere vertikal verlaufende Linie wird tangential zur oberen Lippe (äußere Grenze) gezogen (.€Abb.€73.3c). Liegen mehr als 60% der horizontalen Strecke vor der vertikalen Linie, deutet dies auf Überprojektion hin, ist mehr als 60% dieser Strecke hinter der vertikalen Linie, bedeutet dies Unterprojektion.
> Ein fliehendes Kinn führt optisch zum Eindruck einer zu stark proportionierten oder zu langen Nase.
Es erfolgt nun die Palpation des knöchernen Anteils der Nase. Hierbei wird die vertikale Länge palpiert und die Elastizität und Verschieblichkeit der Nasenknorpel zur Haut beurteilt. Es erfolgt die Inspektion des Vestibulum nasi mit Lichtquelle und ggf. Spekulum zur Beurteilung des Septumverlaufs. Wir empfehlen die Durchführung einer HNO-ärztlichen Untersuchung zur genauen Befunderhebung, trotzdem ist es unerlässlich, dass sich der Operateur selbst per Spekulum einen Befundüberblick verschafft. Relevante Septumdeviationen, Einengungen im Bereich€des knorpeligen oder knöchernen Anteils der Nasengänge sollten zu einer Re-Evaluation des geplanten operativen Vorgehens führen: 4 Behebung der Pathologie in einer Sitzung mit ästhetischer Rhinoplastik möglich? 4 Operatives Vorgehen überhaupt möglich? 4 Zunächst konservative oder anderweitig operative Behandlung vor ästhetischer Rhinoplastik erforderlich? Röntgenaufnahmen (konventionell, CT) müssen je nach klinischem Befund präoperativ angefertigt werden (Nase in 2€Ebenen, Schädel a.-p. und seitlich, ggf. CT). Der diagnostische Algorithmus »Rhinoplastik« wird durch fotografische Dokumentation der Befunde abgeschlossen, hier haben sich Frontal-, Seit- und Dreiviertelaufnahmen in der Praxis zur Planung des weiteren Vorgehens bewährt. 73.2.3 Analyse der anatomischen Gegebenheiten
(Analyse nach Byrd)
Grundsätzlich kann die ästhetische Erscheinung des Gesichtes dramatisch durch dimensionale Eingriffe an der Nase verändert werden. Patienten, die eine Rhinoplastik durchführen lassen möchten, leiden oft unter dimensionalen Abnormalitäten. Ein Grundbegriff ist die »Projektion«, der beschreibt, wie weit ein Element der Nase aus der frontalen Ebene des Gesichtes herausragt. Daher sind dimensionale Abnormalitäten 4 die zu lange oder zu kurze Nasenlänge, 4 die überschießende oder inadäquate Projektion der NasenÂ� wurzel, 4 die überschießende oder inadäquate Projektion der NasenÂ� spitze.
a
b
. Abb. 73.4a, b╇ Anatomische Punkte zur Analyse der Nasenform. a Seit licher Aspekt [1 Weichteilglabella (WTG), 2 Nasenwurzel (Radix nasi; W), 3 Dorsum nasi (Rhinion; knöchern-knorpelige Verbindung), 4 Punkt, der die Nasenspitze (S) definiert, 5 Infratipregion, 6 Kolumella, 7 Columellabasis, 8 Nasenflügel (Ala nasi), 9 Basis des medialen Flügelknorpels, 10 Übergang zur Wange (Sulcus alaris), 11 knöcherner Anteil des Dorsum nasi, 12 knorpe liger Anteil des Dorsum nasi]. b Frontalansicht von unten [1 Punkt, der die Nasenspitze (S) definiert, 2 Flügelknorpelzwischenraum (interdomal area), 3 Infratip-Region, 4 Columella, 5 Basis des medialen Flügelknorpels, 6 Colu mellabasis-Lippen-Übergang, 7 Philtrum, 8 Nasenöffnung, 9 »Facet« (Über gang vom lateralen um medialen Crus des Flügelknorpels), 10 Nasenflügel (Ala nasi), 11 Sulcus alaris (Übergang zur Wange), 12 Nasenlochschwelle]. [Foto: © Anton Zabielskyi/Fotolia.com€(a)]
Anatomische Punkte zur Analyse der Nasenform (7€Abb.€74.4) 4 WTG: Weichteilglabella. 4 W: Nasenwurzel (oder Radix), Punkt auf der Mittellinie des Nasenrückens, auf Höhe der Supratarsalfalten. 4 S: Nasenspitze. 4 SN: Stomion, Punkt, der auf der Mittellinie an der Kontaktzo ne zwischen Ober- und Unterlippe liegt (»Mundöffnungs punkt«, gr. »stoma«). 4 MN: Menton, tiefster Punkt des Kinnunterrandes (lat. »mens«: Kinn). 4 ABE: Alabasisebene, verläuft horizontal durch die Alabasis. 4 KE: Kornealebene, verläuft tangential zur Oberfläche der Corneae. 4 WE: Nasenwurzelebene, verläuft tangential zum tiefsten Punkt der Nasenwurzel. 4 NSE: Nasenspitzenebene, tangential zum äußersten Punkt der Nasenspitze. 4 AWG: Ala-Wangen-Grenze: Koronare Ebene, die durch die Grenze zwischen Wange und Nasenflügeln verläuft.
Präoperativ erfolgt die Messung folgender Referenzebenen und -punkte: 4 MGH: Mittelgesichtshöhe, WTG zu ABE. Die Mittelgesichtshöhe sollte gleich oder nur bis zu 3€mm geringer als die untere Gesichtshöhe sein. Wenn das nicht der Fall ist, sollte auf korrekte Okklusion geachtet und ggf. eine Mikrognathie oder ein »short face syndrome« ausgeschlossen werden.
73
704
Kapitel 73 · Formstörungen der Nase (Rhinoplastik)
73
. Abb. 73.5╇ Zugangsmöglichkeiten für die geschlossene und die offene Rhinoplastik. Die offene Rhinoplastik wird im eigenen Vorgehen über eine stufenförmige Inzision an der Columella durchgeführt. Die geschlossene Rhinoplastik erfolgt im Standardvorgehen über eine transkartilaginäre Inzi
sion, da hier die geringste Narbenbildung mit Beeinträchtigung der äuße ren Nasenklappe zu befürchten ist. Die inneren Inzisionen werden mit re sorbierbaren 5-0-, die äußeren mit 6-0-Nylon-Einzelknopfnähten verschlos sen. Hemitransfixationsschnitte mit 4-0-Nylon
4 UGH: Untere Gesichtshöhe, ABE zu MN. 4 WSD: Nasenlänge, Wurzel-Spitzen-Distanz.
4 den interkartilaginären Zugang, 4 den transkartilaginären Zugang (aufgrund von weniger Narben-
4
4 4 4
Die ideale Nasenlänge (INL) wird festgelegt, indem man das Mittelgesicht oder die untere Gesichtseinheit als Standard festlegt (.€Abb.€73.4). 5 Bei normaler Mandibula und gleicher Distanz des Mittelgesichts und der unteren Gesichtseinheit sollte die ideale Nasenlänge als vertikale Kinnlänge geplant werden, also INL= Distanz SN–MN (7€oben). 5 Bei Mandibulafehlbildung oder bei Mikrogenie wird die INL aus der Mittelgesichtshöhe (MGH, 7€oben) abgeleitet, es gilt: INL=0,67×MGH. Gleichsam wird bei Mittelgesichtsfehlbildungen (Überentwicklung) ohne orthognathe Korrekturoption oder -wunsch die INL an der Mittelgesichtshöhe und nicht am kleineren mandibulären Segment orientiert, es gilt wieder: INL=0,67×MGH. SNMN: Stomion-Menton-Distanz. WP: Nasenwurzelprojektion, KE zu WE. Typischerweise 9–14 mm, berechnet als INL×0,28. NSP: Nasenspitzenprojektion, AWG zu NSE. Diese wird berechnet als INL×0,67.
bildung zu bevorzugen),
4 den infrakartilaginären oder marginalen Zugang. Die offene Rhinoplastik erfolgt über einen transcolumellaren Zugang, diese Technik ist wegen guter anatomischer Übersicht beÂ� sonders für die schwierige Revisionsrhinoplastik zu empfehlen. Darüber hinaus ist die offene Rhinoplastik am besten geeignet, schwierige Deformitäten der Nasenspitze und ihrer Projektion zu korrigieren. Auch bei stark deviierter Nase und im Falle einer großen Nase mit dickem Hautmantel ist die offene Technik in vielen Fällen die Methode der Wahl. Der operative Zugang ist in .€Abb.€73.5 schematisch€dargestellt (durchgezogene Linie). Wir bevorzugen die Stufeninzision. Häufige Deformitäten werden nun gegliedert dargestellt, die Techniken können sowohl bei der offenen als auch der geschlossenen Rhinoplastik angewendet werden.
Die Kinnprojektion wird gemessen, indem man eine vertikale Linie von der Hälfte der INL nach kaudal zieht, bei Frauen sollte die ideale Kinnprojektion 3€mm hinter dieser Linie liegen, bei Männern liegt sie meist mehr anterior, zuweilen vor dieser Linie. 73.3
Therapie
73.3.1 Operative Technik Die operativen Techniken der Rhinoplastik sind mannigfaltig. Man unterscheidet die offene von der geschlossenen Rhinoplastik. Die geschlossene Rhinoplastik hat den Vorteil, dass keine äußeren Narben sichtbar bleiben, ist jedoch technisch äußerst anspruchsvoll und erfordert extensive Erfahrung, insbesondere wegen eingeschränkter anatomischer Übersicht und der daraus resultierenden schwierigen Knorpeldissektion. Es gibt 3€Zugangsmöglichkeiten für die Durchführung einer geschlossenen Rhinoplastik (.€Abb.€73.5):
. Abb. 73.6╇ Die laterale Osteotomie wird als Low-to-high-Osteotomie von der Innenseite der Nase von der Apertura piriformis ausgeführt. Die Zeich nung zeigt die alternative Möglichkeit, durch die Umsetzung des Meißels von außen den Teil der oberen interkanthal gelegenen Osteotomie einfa cher auszuführen
705
73.3 · Therapie
. Abb. 73.7╇ Abtragung des knorpeligen Nasenhöckers mittels Skalpell. Der knöcherne Anteil wird abgemeißelt oder nur geraspelt
a
b
e
. Abb. 73.8╇ Wenn die Projektion der Nasenspitze stark vergrößert werden muss, empfiehlt sich die Positionierung der Knorpel-Onlays (A) mit Hilfe ei nes eines Columellatransplantates (»columellar strut«; B). Dieses hat durch die posteriore und kaudale Abstützung, v.€a. auf der Spina nasi (C), einen größeren Effekt als das Onlay-Transplantat, insbesondere bei schwachen Flügelknorpeln oder insuffizientem kaudalem Septum
c
d
f
. Abb. 73.9╇ Zur Stabilisierung, Verschmälerung, Projektionsverbesserung und Symmetrisierung der Flügelknorpel eignen sich interkrurale (a) oder transdomale Nähte (5-0 monofil; b). Bei unzureichender Formgebung der Nähte erlauben Knorpeltransplantate (»tip grafts«) aus Septum oder Ohr koncha eine weitere Verbesserung der Nasenspitzenprojektion durch unter schiedliche Platzierung der Knorpelstückchen (c). Stütztransplantate (»colu mella strut«) im Bereich der medialen interkruralen Tasche, die zusätzlich
auf der Spina nasi abgestützt werden, verbessern zusätzlich Höhenprojek tion und Stabilisierung der Nasenspitze (d). Insuffiziente Flügelknorpel bei instabiler äußerer Nase können durch kraniale Streifentransplantate (»batton grafts«) verstärkt werden (e). Eine instabile, verengte oder ab gesackte mittlere Nase wird durch spreizende Knorpelstreifen (»spreader grafts) zwischen Septum und medialem Dreiecksknorpel erweitert und stabilisiert€(f)
73
706
Kapitel 73 · Formstörungen der Nase (Rhinoplastik)
73
a
b
c
d
e
f
g
. Abb. 73.10╇ Prä-, intra- und postoperativer Aspekt einer 30-jährigen PaÂ�tientin mit verbreiterter Basis und Nasenspitzendeformität (engl. »box tip deformity«) sowie Asymmetrie durch Nasenseptumdeviation nach links (a–c). Offene Rhinoplastik mit Septumbegradigung, Abtragung des knorpe ligen und knöchernen Höckers sowie Reduktion am kranialen Flügelknorpel rand (d,€e). f,€g€Postoperatives Ergebnis
707
73.3 · Therapie
Korrektur des Nasenrückens Bei Männern verläuft der Nasenrücken im Gegensatz zu Frauen gerade. Bei Frauen verläuft der Nasenrücken tiefer und steigt zur Nasenspitze minimal an (engl. »supratip break«). Technik.╇ Zunächst erfolgt die subkutane Mobilisation der Haut des
Nasenrückens (.€Abb.€73.6). Anschließend das dorsale Abtragen des knöchernen Nasenhöckers mit dem geraden Meißel. Daran schließt sich die Osteotomie an, die zum Verschluss des »open roof« erforderlich ist. Danach erfolgt die knöcherne Korrektur mit der Knochenraspel. Mit einem Skalpell (Nr.€15; .€Abb.€73.7) werden die dorsalen Kanten des knorpeligen Septums sowie der obere laterale Knorpel reseziert, bis eine zufriedenstellende Projektion erreicht ist. ! Cave Am knöchernen Nasenbein das Periost nicht unterminieren, da sonst eine Deintegration von Dreiecksknorpel und Nasenbein resultiert. Flacher, breiter Nasenrücken (»Boxernase«).╇ In diesem Fall müs-
sen Osteotomien durchgeführt werden, eine transversal verlaufende
direkt oberhalb des medialen Kanthus und eine laterale entlang der Apertura piriformis, welche nach kranial ausgeführt wird, um dann an der transversalen Osteotomie zu enden. Die bei der Höckerabtragung entstehende »open roof deforÂ� mity«Â€wird durch laterale Osteotomie geschlossen.
Korrektur der Nasenspitze Überschüssiges Volumen der Nasenspitze resultiert oft aus übermä-
ßiger Konvexität des Crus laterale des unteren lateralen Knorpels. Die vorsichtige Resektion der kranialen Kante des lateralen Crus führt in diesen Fällen zu einer Volumenreduktion und zu einem ästhetisch ansprechenden Ergebnis. Eine zu große interdomale Distanz kann korrigiert werden, indem man den Dom der Nasenspitze durch interdigitierende, nicht vollschichtige Inzisionen schwächt. Alternativ kann auch eine interdomale Naht und Knorpeltransplantation zum gewünschten Ergebnis führen (.€Abb.€73.9). Eine kaudal orientierte Nasenspitze kann korrigiert werden, indem die kranialen Ecken des Crus laterale durch vorsichtige Resektion verkleinert werden. Alternativ kann das kaudale Ende des Septums verkürzt oder das untere Drittel des lateralen Crus vorsichtig in entsprechendem Winkel verkürzt werden.
b
a
c . Abb. 73.11╇ Prä-, intra- und postoperativer Aspekt einer 22-jährigen PaÂ�tientin mit verbreiterter Basis und Spitzendeformität (engl. »box tip de formity«; a–c). Über offenen Zugang (engl. »step incision«;€d) erfolgt eine
d Resektion des kranialen Randes der Flügelknorpel, des kaudalen Septum randes zur Anhebung der Nasenspitze sowie die Verfeinerung der Nasen spitze durch interdomale Nähte (e–h). i–k€Postoperatives Ergebnis
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Kapitel 73 · Formstörungen der Nase (Rhinoplastik)
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i
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. Abb. 73.11╇ (Fortsetzung)
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73.3 · Therapie
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d
f
. Abb. 73.12a–f╇ Ethnische Nasendeformität bei einer 24-jährigen Patientin. Prä- (a–c) und postoperativer Aspekt (d–f). Eine offene Rhinoplastik wurde durchgeführt
73
710
73
Kapitel 73 · Formstörungen der Nase (Rhinoplastik)
Um die Nasenspitzenprojektion zu vergrößern, kann ein KnorÂ� peltransplantat in Onlay-Technik auf die den Dom bildenden Flügelknorpel aufgebracht werden (.€Abb.€73.8). Wenn die Projektion der Nasenspitze stark vergrößert werden muss, empfiehlt sich die Positionierung eines Columellatransplantates, was bedeutet, dass ein Knorpeltransplantat nach entsprechendem Zuschnitt columellar eingebracht wird, dieses hat durch die posteriore und kaudale »Abstützung« einen größeren Effekt (.€Abb.€73.9d) als das Onlay-Transplantat (.€Abb.€73.8). Soll die Nasenspitzenprojektion verkleinert werden, ist es empfehlenswert, zunächst die Verbindungen zwischen dem kaudalen Septum und dem oberen lateralen Knorpel zu lösen, was in einer Retropositionierung der Nasenspitze resultiert. Eine weitergehende Projektionsminderung bewirkt die Resektion von Anteilen der medialen Crura oder der Knorpelanteile, die den Dom bilden. Hier ist schrittweises Vorgehen unbedingt erforderlich, um eine ÜberkorrekÂ�tur mit resultierendem unbefriedigendem Ergebnis zu vermeiden.
Weitere Techniken 4 Knorpeltransplantate 5 »Spreader grafts« (zwischen dorsalem System und Dreiecks-
knorpeln): Sie werden verwendet, um die Nasenhöhle in Bezug auf ihre seitlichen Begrenzungen zwischen oberem lateralem Knorpel und dem Septum wiederherzustellen. 4 Columellatransplantate: Sie werden verwendet, um die Crura media zu verstärken und die Projektion der Nasenspitze (7€oben) zu vergrößern. 4 Knorpeltransplantate zur Nasenspitze (z.€B. »shield graft«; .€Abb.€73.9): Sie vergrößern die Projektion der Nasenspitze und können zur Korrektur der Proportionen zwischen Nasenlöchern und Nasenspitze benutzt werden. Klinische Beispiele sind in den Bilderserien in .€Abb.€73.10 bis .€Abb.€73.12 gezeigt. 73.3.2 Postoperatives Management Es ist empfehlenswert, Schienen (»splints«) einzulegen und ggf. mittels Hemitransfixationsnähten zu fixieren, um Repositionsergebnis und Formkorrekturen zu halten und einen ungehinderten Sekretabfluss zu ermöglichen. Zusätzlich sollte unbedingt eine postoperative Gipsschienung des Nasenrückens erfolgen, um Dislokationen durch Anstoßen zu vermeiden und das Repositionsergebnis zu halten. Insbesondere bei knöchernen Eingriffen ist sowohl intra- als auch postoperativ die Anwendung von sterilen Tamponaden, die in 4%-iger Kokainlösung getränkt sind, zu empfehlen. Die vasokonstriktorische Wirkung des Kokains vermindert die Blutungsneigung, die lokalanästhetische Wirkung reduziert den postoperativen Schmerz. Gipswechsel ist nach 1 Woche zusammen mit der Tamponadenentfernung angezeigt. Die Gipsbehandlung ist in der Regel für 14 Tage indiziert, zusammen mit der Anwendung abschwellender Nasentropfen. Dem Patienten ist zu erläutern, dass ein Ergebnis nach definitivem Abschwellen erst nach 12 Monaten abschließend zu beurteilen ist.
Literatur Becker DG (2002) Complications in rhinoplasty. In: Papel I (ed) Facial plastic and reconstructive surgery. Thieme, Stuttgart New York, pp 87–96 Daniel RK (1997) Rhinoplasty. In: Aston SJ, Beasley RW, Thorne CHM (eds) Plastic surgery. Lippincott-Raven, Philadelphia, pp 651–669 Dingman RO, Natvig P (1977) Surgical anatomy in aesthetic and corrective rhinoplasty. Clin Plast Surg 4: 111 Guyuron B (2000) Dynamics in rhinoplasty. Plast Reconstr Surg 105: 2257 Rohrich RJ, Muzaffar AR (2000) Primary rhinoplasty. In: Achauer BM, Eriksson E, Guyuron B et al. (eds) Plastic surgery: indications, operations and out comes, vol 5. Mosby, St Louis, pp 2631–2671 Rohrich RJ, Muzaffar AR (2006) Primary rhinoplasty. In: Matthes SJ, Hentz VR (eds) Plastic surgery, 2nd edn, chap 54. Saunders, Elsevier, Philadelphia, pp€427–471 Sheen JH (2000) Rhinoplasty: Personal evolution and milestones. Plast Recon str Surg 105: 1820 Sheen JH, Sheen AP (1998) Aesthetic rhinoplasty, 2nd edn. Mosby, St. Louis, pp 1–1440 Zide BM, Swift R (1998) How to block and tackle the face. Plast Reconstr Surg 101: 840
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Formkorrektur der Ohren (Otoplastik) R. Ipaktchi, A. Gohritz
74.1
Ziel der Operation â•… – 712
74.2
Präoperatives Vorgehenâ•… – 712
74.3
Diagnostikâ•… – 712
74.3.1
Indikationsstellungâ•… – 712
74.4
Therapieâ•… – 712
74.4.1 74.4.2 74.4.3 74.4.4
Konservatives Vorgehenâ•… – 712 Operative Technikenâ•… – 712 Postoperatives Managementâ•… – 713 Komplikationenâ•… – 713
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 74 · Formkorrektur der Ohren (Otoplastik)
Bei Formkorrekturen des Ohres handelt es sich um eine Korrektur von stark abstehenden Ohren, die bei etwa 5% aller Europäer vorliegen. Der Begriff der Otoplastik wurde bereits 1845 von Dieffenbach erwähnt, es handelte sich jedoch um eine Ohrrekonstruktion. Die erste rein kosmetische Korrektur der Ohrform wurde 1881 durch Ely beschrieben, der bei starker Apostasis otis die Exzision eines Knorpelstreifens empfahl. Heute werden abstehende Ohren weiterhin als kosmetische Deformitäten angesehen. Dies gilt v.€a. für kleine Kinder, die oft von anderen Kindern gehänselt werden. Abstehende Ohren liegen in aller Regel beidseits vor, können aber auch einseitig vorkommen. 74.1
Ziel der Operation
Die Otoplastik wird durchgeführt, um eine symmetrische, unauffällige und nicht überkorrigierte Ohrformen zu schaffen. 74.2
Präoperatives Vorgehen
Der Operationszeitpunkt sollte erst festgelegt werden, wenn das Ohr seine Form weitgehend entwickelt hat, was frühestens nach etwa dem 3.€Lebensjahr der Fall ist. Kinder sollten noch im Vorschulalter operiert werden, um eine Diskriminierung und psychische Belastung in der Schule (»Jumbo«, »Segelfliegerohren«) zu vermeiden und um ihnen eine »normale« soziale Entwicklung zu ermöglichen. Unter diesem Aspekt handelt es sich auch nicht um einen rein ästhetischen Eingriff, der daher meist durch die Krankenkassen übernommen wird. Bei Erwachsenen hingegen wird oft nicht mehr von einer wesentlichen psychischen Belastung ausgegangen und aufgrund fehlender funktioneller Beeinträchtigung die Kostenübernahme meistens verweigert. Die Operation kann, außer bei Kleinkindern, in Lokalanästhesie oder intravenöser Sedation mit zusätzlicher lokaler Nervenblockade durchgeführt werden. Blutverdünnende Medikamente, auch pflanzliche Präparate, sollten vor der Operation rechtzeitig abgesetzt werden. 74.3
Diagnostik
Die Diagnose einer Otapostasis wird rein klinisch gestellt. Ein reguläres Ohr ist ca. 5–6€cm lang. Der Abstand zwischen der Helix und dem Mastoid sollte am oberen Pol nicht mehr als 20€mm betragen. Der Winkel zwischen der Ohrmuschel und der Hinterkopfebene sollte höchstens 30–35° betragen. Im oberen Drittel des Ohrs sollte sich die Anthelix leicht vorwölben und dann in einem Winkel von 90° in die Koncha übergehen. Ursachen einer Apostasis otis sind 4 am häufigsten eine unterentwickelte Anthelixfalte mit einem Übergangswinkel in die Koncha von >90°, 4 eine prominente Koncha oder eine 4 Protrusion des Ohrläppchens. Diese Deformitäten können einzeln oder aber auch kombiniert vorliegen. Eine genaue prä- und postoperative Fotodokumentation ist unbedingt notwendig. Hierbei sollten beide Ohren in frontaler, lateraler und schräger Ansicht fotografiert werden, spezielle Bereiche evtl. sogar mit Vergrößerung dokumentiert werden.
74.3.1 Indikationsstellung Die Indikation zur Otoplastik richtet sich nach dem Ausmaß der Deformität und dem subjektiven Leidensdruck des Patienten. Kontraindikationen sind: 4 unrealistische Erwartungshaltungen, 4 Neigungen zur Bildung von hypertrophen Narben oder KeÂ� loiden, 4 schlechte Compliance. 74.4
Therapie
74.4.1 Konservatives Vorgehen Da bei Neugeborenen innerhalb der ersten Wochen die Ohrmuschel noch sehr weich ist, kann hier durch Schienung der Ohrmuschel eine Korrektur der Ohrform herbeigeführt werden. Dieses Verfahren ist später nicht mehr erfolgreich. 74.4.2 Operative Techniken Die Techniken zur Korrektur einer Otapostasis lassen sich in 4€Gruppen einteilen: 4 Anmodellierung des Ohrknorpels durch Haltefäden (z.€B. zur Anthelixbildung), 4 Exzision von Knorpelanteilen, 4 Ausdünnen von Knorpelanteilen, 4 Kombination aus diesen Techniken.
Rekonstruktion der Anthelixfalte Zur Rekonstruktion einer nur mäßig ausgebildeten oder fehlenden Anthelixfalte sind mehrere Verfahren möglich. Technik nach Stenström.╇ Bei dem von uns favorisierten Verfahren nach Stenström (.€Abb.€74.1, Operationsbeispiel in .€Abb.€74.2) wird über eine retroaurikuläre Stichinzision mit der Schere ein subkutaner Tunnel auf der zu bildenden Anthelixfalte geschaffen, der nach frontokranial bis auf die Vorderfläche des Ohrknorpels reicht. Auf der Skapha angekommen, wird nun das Perichondrium und Teile des darunter liegenden Knorpels mit einer Raspel im Bereich der vorher markierten neuen Anthelixfalte eingeritzt. Mittels UNähten (4-0 Nylon, farblos) wird die neue Anthelixfalte dauerhaft fixiert. Die Stenström-Technik hat den Vorteil einer sehr guten Variierbarkeit bei den verschiedensten Deformitäten, ggf. in Kombination mit einer Kavumrotation. Technik nach Mustardé.╇ In dieser Technik wird das Ohr angelegt€ und eine Anthelixfalte gebildet. Die Begrenzungen und die Position geplanter Haltefäden werden mit einem Stift markiert. Nun wird von posterior mit Haltefäden die Anthelixfalte aufgerichtet, indem man diese mit Rückstichen von der Skapha in Richtung auf die Koncha fixiert. Hierzu wird nicht oder nur langsam resorbierbares und möglichst farbloses Nahtmaterial verwendet. Diese Operation eignet sich v.€a. bei geringgradiger Deformität und dünnem Ohrknorpel. Technik nach Luckett.╇ Bei zahlreichen anderen Techniken, wie z.€B. von Luckett beschrieben, wird nach posteriorem Zugang in der Längsachse des Ohres eine spindelförmige Exzision von Vollhaut und Knorpel durchgeführt und anschließend die Anthelix neu ge-
713
74.4 · Therapie
aurikulär wird eine spindelförmige Knorpelexzision durchgeführt, die ein Anlegen des Ohres ermöglicht. Hierbei muss besonders darauf geachtet werden, die Anthelix nicht zu verletzen oder sichtbare Knorpelkanten zu schaffen. Gelegentlich ist bei der Rekonstruktion der Koncha ein kombiniertes Vorgehen notwendig.
Korrektur des abstehenden Ohrläppchens
a
Die oben genannten Techniken bewirken keine Befundbesserung bei abstehenden Lobuli. Sie können im Gegenteil die Prominenz der Ohrläppchen noch betonen. Die Korrektur dieser Deformität ist oft schwierig, eine einfache Hautexzision oder Straffung mit Haltefäden oft unzureichend. Korrigierend kann eine spindelförmige Exzision der posterioren Haut des Ohrläppchens erfolgen und das Ohrläppchen mit 2€Stichen am Unterrand der Koncha fixiert und das Ohrläppchen so nach kraniodorsal gezogen werden. > In den meisten Fällen lassen sich mit der einfachen Anthelixfaltung gute Ergebnisse erzielen, seltener ist eine Kombination der oben genannten Verfahren er forderlich.
74.4.3 Postoperatives Management
b . Abb. 74.1a, b╇ Ergebnisse vor und nach Otoplastik in der Technik nach Stenström (mit Neubildung der Anthelixfalte)
formt. Nachteil hierbei ist jedoch, dass sich postoperativ eine Kantenbildung der Anthelix und der gesamten Ohrmuschel ausbilden und das Ohr eine unnatürliche Form annehmen kann. > Die retroaurikuläre Inzision darf wegen der besseren Wundheilung und der unsichtbaren ästhetischen Narben bildung nicht im Bereich des Sulkus, sondern muss auf der Hinterwand der Ohrmuschel liegen.
Korrektur der Ohrmuschel Zur Korrektur der Koncha erfolgt am häufigsten: 4 die Remodellierung durch Haltefäden (Kavumrotation) oder 4 die Knorpelresektion. Bei der Neuformung durch Fixationsnähte, beschrieben von Furnas, wird die Koncha zunächst von posterior freigelegt, der M.€auricularis posterior reseziert und dann der Winkel zwischen Ohrmuschel und Mastoid mit Fäden zwischen der Koncha und der Faszie im Bereich des Mastoideus verkleinert. Häufig muss gleichzeitig die Anthelixfalte neu geformt werden, weshalb hier mehrere Verfahren kombiniert werden können. ! Cave Unbedingt ist hierbei eine Einengung des Meatus acusticus zu vermeiden.
Bei stark prominenter Koncha kann zur Korrektur eine Knorpelexzision notwendig werden. Nach Darstellung der Koncha von retro-
Zum Schutz des operierten Ohrs sollte für 5–7€Tage ein permanenter Verband getragen werden. Hierbei ist auf eine gute Polsterung zu achten, da Kompression zu starken Schmerzen und in Einzelfällen sogar zu Nekrosen der Haut oder Ohrmuschel führen kann. Anschließend sollten insbesondere Kinder für weitere 4–6 Wochen möglichst ganztags ein Stirnband tragen. Hierdurch soll verhindert werden, dass v.€a. nachts unbeabsichtigt Scherkräfte am operierten Ohr wirken können. Eine prophylaktische antibiotische Therapie ist postoperativ nicht indiziert. 74.4.4 Komplikationen Hämatome zählen zu den häufigsten Frühkomplikationen. RevisionsÂ� pflichtige Nachblutungen sind zwar selten, jedoch sollte bei Vorliegen eines ausgeprägten Hämatoms umgehend eine Entlastung und Evakuation erfolgen, um ein Otohämatom und eine nachfolgende Deformität zu verhindern. Gelegentlich kommt es auf der Vorderseite der neu geformten Anthelixfalte zu einer Hautnekrose, die jedoch meist konservativ zur Abheilung gebracht werden kann. Infektionen sind sehr selten nach einer Otoplastik. Bei lokalem Infekt sollte zur Vermeidung einer Knorpelbeteiligung eine sofortige antibiotische Therapie eingeleitet werden, in manchen Fällen kann ein lokales Débridement notwendig werden. Komplikationen können auch durch das Nahtmaterial hervorgerufen werden. So kann insbesondere die Verwendung von geflochtenen Nahtmaterialien lokale Fadengranulome verursachen. Eine Überkorrektur, d.€h. ein zu flaches Anliegen des Ohres, führt ebenso zu einem unnatürlichen Erscheinungsbild, bessert sich selten spontan und ist schwierig zu korrigieren. Rezidive können bei mangelhafter Operationstechnik oder auch bei Patienten mit fehlender Compliance (Verzicht auf Verband/ Stirnband) auftreten. Wenn intraoperativ die Ohrform nicht wie gewünscht korrigiert werden kann, ist auch durch verlängerte postÂ�
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Kapitel 74 · Formkorrektur der Ohren (Otoplastik)
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. Abb. 74.2a–h╇ Otoplastik in der Technik nach Stenström. a,€b€Präoperativ. c€Freipräparieren der Vorderseite der Ohrmuschel. d€Ritzinzision der Skapha nach Stenström; zusätzlich Platzierung von subkutanen permanenten
U-Nähten (4-0 Nylon farblos; e). Postoperative Situation im OP (f) und klinisches Resultat (g,€h)
74.4 · Therapie
operative Fixation und Schienung nur selten eine Besserung zu erwarten. Auch Infekte und Hämatome können zu erneuter Ohrdeformität führen.
Literatur Dieffenbach JF (1845) Die operative Chirurgie. Brockhaus, Leibzig Ely ET (1881) An operation for prominence of the auricles. Arch Otolaryngol 10: 97 Furnas DW (1968) Correction of prominent ears by conchamastoid sutures. Plast Reconstr Surg 42: 189–193 Luckett WH (1910) A new operation for prominent ears based in the anatomy of the deformity. Surg Gynecol Obstet 10: 635–637 Mustardé JC (1963) The correction of prominent ears using simple mattress sutures. Br J Plast Surg 16: 170 Stenström SJ (1963) A »natural« technique for correction of congenitally prominent ears. Plast Reconstr Surg 32: 509
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75
Ästhetische Chirurgie des oberen Rumpfes, Abdomens und Körperstamms P.M. Vogt, A.D. Niederbichler
75.1
Seitliche Geweberesektionen im oberen Rumpfbereich (Upper Bodylift)â•… – 718
75.2
Abdominoplastikâ•… – 718
75.2.1
Chirurgische Therapieâ•… – 719
75.3
Total Bodyliftâ•… – 722
75.3.1
Chirurgische Therapieâ•… – 722
75.4
Postoperatives Managementâ•… – 722
75.4.1
Komplikationenâ•… – 725
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 75 · Ästhetische Chirurgie des oberen Rumpfes, Abdomens und Körperstamms
Körperkonturierende Eingriffe im Bereich des Körperstammes, insbesondere des Adbomens, zählen zu den häufigsten Eingriffen der ästhetischen Chirurgie. Sie umfassen insbesondere Straffungsoperationen der Bauchdecke, wie die Fettschürzenresektion und Abdominoplastik und das untere Body Lift, und richten sich damit auf Problemzonen, die den Patienten im wahrsten Sinne ständig »vor Augen liegen« und die daher oft als besonders belastend empfunden werden. Gemeinsame Ziele dieser Verfahren sind: 4 Abflachung des Abdomens mit Erhalt oder Neupositionierung des Nabels, 4 Schaffung einer Taille bei Frauen, 4 Definition des Gesäßes und 4 Anhebung und Straffung des unteren Rumpfes mit dem Mons pubis und proximalen Oberschenkelbereich. 75.1
Seitliche Geweberesektionen im oberen Rumpfbereich (Upper Bodylift)
Resektion von Gewebeüberschüssen an der oberen Rumpf- und Thoraxwand, häufig in Form von Rollen oder Wulstbildungen, sind v.€a. bei Patienten nach massiver Gewichtsabnahme indiziert (auch 7€Kap.€76). Es erfolgt meist eine transversale Gewebeexzision der Überschüsse von Haut- und Fettgewebe am Rücken in Kombination mit einer Oberarmstraffung (Brachioplastik) und Mastopexie (.€Abb.€75.1).
Ziele Mit diesem Upper Bodylift werden im Idealfall bis zu 3€Ziele erreicht: 4 Straffung von horizontalen Gewebeüberschüssen durch eine Verlängerung der Schnittführung zur Oberarmstraffung an der lateralen Thoraxwand, 4 Straffung von vertikalen Gewebeüberschüssen durch Anhebung der lateralen Inframammarlinie auf ihre ursprüngliche Position und Exzision von Geweberollen seitlich an der Brust und am Rücken, 4 Wiederaufbau der Brust auf der neu angelegten Inframammarlinie.
a
b
. Abb. 75.1a–c╇ Möglichkeiten der Konturierung am Thorax. a Beim Mann können bei extremen Hautüberschüssen Resektionsverfahren wie bei der weiblichen Mammareduktion erforderlich werden (a). Entsprechende Konturierungen können auch nach lateral und dorsal erfolgen. Analoge hori-
> Bei der Resektion von lateralem überschüssigem Gewebe können gut perfundierte fasziokutane Lappen gebildet werden, die auch zur autologen Augmentation der erschlafften Brüste eingeschwenkt werden können.
75.2
Abdominoplastik
Indikationen Die Indikationen zur Abdominoplastik besteht bei: 4 überschüssiger Bauchhaut nach starker Gewichtsreduktion, 4 überschüssigem Fettgewebe, Lipodystrophie, 4 Striae distensae.
Ziele Der Zweck der Abdominoplastik ist, ein flaches Abdomen mit einem normal erscheinenden Bauchnabel zu erreichen und hierbei möglichst auffällige Narbenbildung zu vermeiden.
Ätiologie Häufig sind Abdominoplastiken nach (multiplen) Schwangerschaften indiziert, wenn es aufgrund mangelnder Retraktionsfähigkeit der Bauchhaut zu einem Haut-Weichteil-Überschuss oder ästhetisch störenden streifenförmigen Bindegeweberissen (Striae distensae) kommt. Diese »biologische Haut-Weichteil-Expansion« führt oft auch zu einem Auseinanderweichen der Mm.€recti abdominis (Rektusdiastase), die zur Bauchdeckenschwäche beiträgt und ein Risiko für Bauchwandhernien birgt. Starke Gewichtsabnahme bedingt darüber hinaus häufig ein schlaffes Herabhängen der Bauchhaut; das Gewicht des darunter liegenden subkutanen Fettgewebes führt vielfach zu einer ästhetisch störenden Fettschürzenbildung. Die Bildung von unschönen Striae distensae kann durch Gewichtsabnahme nicht rückgängig gemacht werden und ist daher auch manchmal Grund zur Abdominoplastik. Die weibliche Fettgewebsverteilung im Bereich des unteren Abdomens, der Hüften und der Oberschenkel, sowie die männliche Fettgewebsverteilung im Bereich des Abdomens, der Flanken und der Thoraxwand sind weitere ätiologische Faktoren.
c zontale Resektionen von Hautüberschüssen am Stamm mit Platzierung der Narben im BH-Gurtbereich und Richtung Axilla am Rand der Mamma (b,€c) Es gilt, die Narben in der Axilla in die Hautfalten zu legen, um Narbensegel zu vermeiden
719
75.2 · Abdominoplastik
Anatomie Perfusion.╇ Die Perfusion der Bauchwand wird nach Hugier in 3€Zo
nen eingeteilt:
4 Zone€I befindet sich direkt über dem M.€rectus abdominis und
wird durch die Aa.€epigastricae profundae superior und inferior versorgt. 4 Hugier-Zone€II befindet sich im inferolateralen Anteil der Bauchwand und wird durch die Aa.€circumflexae sowie die Aa. epigastricae und pudendae superficiales versorgt. 4 Die Zone€III nach Hugier befindet sich lateral über den M.€obli quus internus und externus. Sie wird über segmental angeord nete lumbale und interkostale Perforatoren perfundiert. Die Zone III ist diejenige, über die der gebildete Lappen bei der Â�Abdominoplastik versorgt wird, daher sollte eine exzessive Mo bilisation und Unterminierung in diesem Bereich unterlassen werden. Innervation.╇ Die sensible Innervation der Bauchwand erfolgt über
die Interkostalnerven VI–XII sowie über den N.€cutaneus femoris lateralis, welcher bei der Präparation verletzt werden kann, was zu Parästhesien und Neurombildung führen kann. Er verläuft ca. 6€cm medial der Spina iliaca anterior superior. Äste des N.€iliohypogastri cus und ilioinguinalis können ebenfalls aufgrund ihrer topogra phischen Lage bei der Dissektion verletzt werden, insbesondere bei tiefer Doppelung der Faszie des M.€rectus abdominis. Muskulatur.╇ Die Bauchwandmuskulatur besteht aus dem M.€rectus
abdominis, den Mm.€obliquus internus und externus sowie dem M.€transversus abdominis. Das superfizielle Fasziensystem wird aus der Scarpa-Faszie gebildet.
Mögliche Kontraindikationen 4 Ausgedehnte Narben nach abdominellen Voroperationen und Durchblutungsgefährdung.
4 Supraumbilikale Narbenbildung. 4 Geplante Schwangerschaft in der Zukunft. 4 Nikotinabusus (Gefahr von Minderdurchblutung und Wund heilungsstörungen).
4 Schwere chronische Allgemeinerkrankungen (z.€B. Diabetes mellitus, COPD etc.).
75.2.1 Chirurgische Therapie
Operative Planung Die operative Planung sollte neben der körperlichen Basisunter suchung und dem Lokalbefund (Narben im Operationsgebiet, Diag nostik von Rektusdiastase und Herniationen) insbesondere die Be rechnung des aktuellen Body-Mass-Index (BMI; Körpergewicht in kg geteilt durch Quadrat der Körpergröße in€m) beinhalten. Da es sich meist um vorwiegend ästhetische Eingriffe handelt, müssen auch die Evaluation der psychischen Situation und Motiva tion des Patienten und die voraussichtliche Compliance (periopera tive Nikotinkarenz, konsequente postoperative Kompressionsbe handlung) in die Überlegungen einbezogen werden. > Vor allem bei primär ästhetischer Indikation muss umfassend auf die erhebliche Komplikationsrate, die insbesondere bei Rauchern erhöht ist, hingewiesen werden: Auffällige Narbenbildung, Wundheilungsstörungen, Gewebeverlust und mögliche Nachkorrekturen können das ästhetische Ergebnis negativ beeinflussen.
Die geplante Schnittführung und damit die voraussichtliche Lage der Narben sollte ebenso genau besprochen und möglichst in einer Zeichnung demonstriert werden. > Die Anzeichnung der geplanten Resektionen erfolgt zunächst immer am stehenden Patient, idealerweise bereits am Tag vor der Operation. Zusätzlich wird die geplante Schnittführung am liegenden Patienten im Bett oder auf dem Operationstisch simuliert, indem die zu resezierende Haut nach ventral gezogen wird, um das zu erwartende Ergebnis der Dermatolipektomie zu überprüfen.
Operationstechniken Bei der Operationstechnik existieren hinsichtlich ihres Resektions ausmaßes unterschiedliche Methoden, die sich nach den individu ellen Gegebenheiten des Patienten richten. Vakuumasssistierte Liposuktion (VAL).╇ Die vakuumasssistierte Li
posuktion (VAL) kann allein oder assistierend eingesetzt werden, um Patienten mit minimalem Hautüberschuss, guter Hautelastizität und adäquatem Muskeltonus zu behandeln.
Miniabdominoplastik.╇ Die Miniabdominoplastik ist bei Haut-
Weichteil-Überschuss im unteren Bereich des Abdomens indiziert, meist wird sie mit zusätzlicher Liposuktion kombiniert. Ein 6–15€cm langes, ellipsenförmiges Areal wird, ausgehend von der Schamhaargrenze, reseziert. Die Höhe des resezierten Areals wird durch Zug auf den Bauchnabel, welcher nicht unterminiert wird, und die Breite des exzidierten Areals bestimmt. Zur zusätz lichen Taillierung kann eine Fasziendoppelung des M.€rectus abdo minis unterhalb des Bauchnabels erfolgen (.€Abb.€75.2). Modifizierte Abdominoplastik.╇ Die Indikation zur modifizierten
Abdominoplastik besteht bei Überschuss an supraumbilikaler Haut und Diastase des M.€rectus abdominis im oberen Bereich mit epigas trischer Laxizität. Eine ausgedehnte Unterminierung des Gewebes verbietet sich aufgrund vorhandener Narben im Bereich des Opera tionsgebietes. Die Operationstechnik besteht in einer ellipsenförmigen Resek tion des Areals unterhalb des Bauchnabels. Die Inzision erstreckt sich jedoch nicht bis ganz zur Spina iliaca anterior superior. Danach erfolgen die Unterminierung der Wundränder und Plikation des M.€rectus abdominis vom Xiphoid bis zum Schambein über der ge samten Länge sowie in einer Unterminierung des Gewebes oberund unterhalb des Bauchnabels. Um eine Neupositionierung des Nabels zu ermöglichen, kann es in manchen Fällen erforderlich sein, die Basis des Bauchnabels zu durchtrennen.
Standardabdominoplastik.╇ Sie ist bei Patienten mit erheblichem
Haut-Weichteil-Überschuss und Diastase des M.€rectus abdominis indiziert. Die Inzision erfolgt weit U-förmig von der einen Spina iliaca anterior superior zur anderen Seite (.€Abb.€75.3a). Die Breite des zu resezierenden Areals richtet sich nach individuellen Gegeben heiten und wird durch die Breite der Spindel limitiert. > Um eine Einziehung der Narbe im Unterbauch zu vermeiden, wird der kaudale Exzisionsrand mit seiner dicken Fettschicht schräg nach kranial auslaufend eingeschnitten, sodass der meist wesentlich dünnere kraniale Wundrand ohne Stufenbildung eingepasst werden kann.
75
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Kapitel 75 · Ästhetische Chirurgie des oberen Rumpfes, Abdomens und Körperstamms
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. Abb. 75.2╇ Bei der Miniabdominoplastik wird ein unterhalb des Nabels vorhandener Gewebsüberschuss€(a,€b) ellipsenförmig ausgehend von der Schamhaargrenze reseziert. Die Höhe des resezierten Areals wird durch Zug auf den Bauchnabel, welcher nicht unterminiert wird, und die Breite des
exzidierten Areals, bestimmt€(c,€d). Zur zusätzlichen Taillierung kann eine Fasziendoppelung des M.€rectus abdominis unterhalb des Bauchnabels erfolgen. e,€f€Endergebnis nach Dermolipektomie und abdomineller Faszienraffung
Die Unterminierung des oberen Wundrandes sollte mittig bis zum Xiphoid und zur Rippengrenze erfolgen, lateral reicht oft eine weni ger ausgedehnte Mobilisierung aus. Die Neupositionierung des Bauchnabels, der dreiecksförmig umschnitten und schornsteinartig aus der Bauchwand gelöst wird, erfolgt durch eine umgekehrte U-förmige Inzision an neuer Stelle im Bereich des Abdominoplastiklappens (.€Abb.€75.3).
> Der Wundverschluss mit Rekonturierung der Bauchwand sollte am besten zunächst durch entlastende Nähte der Scarpa-Faszie und Dermis von lateral nach medial durchgeführt werden, wobei durch Zug des kranialen Wundrandes nach medial die Ausbildung von seitlichen Gewebeüberschüssen (»dog ear«) vermindert werden kann.
> Der Bauchnabel wird dreiecksförmig eingenäht, da eine kreisförmige Naht eher die Gefahr einer zirkulären Kontraktion birgt.
Nach erneuter Blutstillung erfolgt der schichtweise Wundverschluss.
Erst die plissierende Intrakutannaht erfolgt dann von medial nach lateral, zusätzlich wird die Wunde mit längs aufgeklebten Steristrips stabilisiert.
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75.2 · Abdominoplastik
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. Abb. 75.3╇ Abdominoplastik mit W-förmiger unterer Inzision (a,€b; Resektat€c). Diese flacht sich meist nach Herunternähen der kranialen Haut ab (d). Intraoperative Markierung der Nabelimplantation über eine umgekehrte U-Inzision. Das Läppchen bildet den distalen Anteil der Nabelsenke (e). Durch diese Technik verhindert man eine konzentrische Narbe der NabelÂ� öffnung€(f,€g)
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Kapitel 75 · Ästhetische Chirurgie des oberen Rumpfes, Abdomens und Körperstamms
High-lateral-tension-Abdominoplastik.╇ Bei dieser Technik, 1995
75
erstmals durch Ted Lockwood beschrieben, erfolgt die Unterminie rung des Haut-Weichteil-Lappens limitiert auf den Bereich der pa ramedianen Zone. Danach wird diskontinuierlich mit der Liposuk tion nach lateral Gewebe mobilisiert. Durch dieses Vorgehen werden die Perforatorgefäße der Huger-Zone III nicht beschädigt, sodass die Perfusion des Abdominoplastiklappens nicht kompromittiert wird.
! Cave Bei jeder Liposuktion im Bauchbereich, gerade bei PatienÂ� ten nach starken Gewichtsschwankungen (Rektusdiastase!), muss v.€a. periumbilikal auf oft schwer zu erkennende Hernien geachtet werden, da eine Verletzungen innerer Organe durch die Absaugkanüle zu lebensgefährlichen Komplikationen (Peritonitis) und Tod führen kann.
Es folgen eine hohe laterale Hautresektion und die Rekonstruktion des superfiziellen Fasziensystems (SFS). Der Effekt dieses Vorgehens besteht in einem seitlichen Gewebezug, was sich bei ungleichför miger Fettgewebsverteilung in den Flanken positiv auf die postope rative Gewebefestigkeit auswirkt: Der Haut-Weichteil-Mantel wird sozusagen nach lateral oben »aufgespannt«. ! Cave Von diesen Standardtechniken ist das Vorgehen bei PaÂ�tienten nach massiver Gewichtsabnahme abzugrenzen (7€Kap.€76), bei denen oft ein modifiziertes Vorgehen notwendig ist, um Komplikationen, v.€a. Gewebeverluste, zu vermeiden.
Oft kann jedoch in diesen Fällen z.€B. durch eine reine Amputation einer massiven Fettschürze, ohne Unterminierung der Wundränder, ein guter Kompromiss aus ästhetisch-funktionellem Gewinn und akzeptabler Komplikationsrate erreicht werden. 75.3
Total Bodylift
Indikation Diese Operation kann bei Patienten sinnvoll sein, die an einer mit telgradigen bis schweren Laxizität des Haut-Weichteil-Gewebes des Gesäßes, der lateralen und medialen Oberschenkelregion sowie des unteren Körperstamms leiden. Der ideale Patient für eine Total-Bo dylift-Operation ist gewichtsstabil bei nahezu idealem Körperge wicht und weist eine normale Dicke des subkutanen Fettgewebes auf, aber eine starke Hautlaxizität im Bereich des unteren Körperstamms und der Hüftregion, meist nach starker Gewichtsabnahme.
Präoperative Diagnostik Die körperliche Untersuchung richtet sich hier speziell auf die zu resezierenden Hautüberschüsse im unteren Rumpfbereich und die mechanischen Qualität der Haut in diesen Arealen, die mit dem Kneiftest (»pinch«) untersucht wird. Der Body-mass-Index (BMI) wird bestimmt, um Veränderungen im Verlauf der Behandlung ob jektivieren zu können.
Anatomie Das zentrale Element der 1992 von Lockwood beschriebenen Ope ration ist die Straffung der Scarpa-Faszie, die er als superfizielles Fasziensystem (engl. »superficial fascia system«; SFS) bezeichnet. Das SFS ist ein bindegewebiges Netzwerk im subkutanen FettgeÂ�webe, welches Haut- und Fettgewebe mit dem muskuloskelettalen System verbindet. Die Funktion des SFS ist es, das subkutane Fettgewebe zu umschließen und so zu seiner Stabilität beizutragen.
Erwähnenswert ist, dass die Rekonstruktion des SFS bei Opera tionen wie der Abdominoplastik und der Total-Bodylift-Operation zur Reduktion von Wunddehiszenzen und Narbenverbreiterung führt, was die Wichtigkeit unterstreicht, diese stabile Faszienschicht nach Abdominoplastik und Total-Bodylift-Operation zu rekonstru ieren und somit die postoperative Wundstabilität nicht ausschließ lich der Subkutan- bzw. Hautnaht zu überlassen. 75.3.1 Chirurgische Therapie
Hautmarkierungen Diese sollten unbedingt am stehenden Patienten ausgeführt werden. Der geplante Verlauf des Hautverschlusses sollte in der Falte zwi schen Perineum und Oberschenkel liegen, vertikal entlang dem Mons pubis und nach lateral 2–3€cm unterhalb der Spina iliaca ante rior superior verlaufen. Dorsal soll der Hautverschluss bogenför mig€nach kaudal nah dem oberen Aspekt der Glutäalfalte erfolgen (.€Abb.€75.4).
Operationstechnik Die Lagerung des Patienten erfolgt zunächst meist in Bauchlage, dann intraoperativ in Rückenlage. Die Hautlappen werden direkt über der korrespondierenden Muskelfaszie gehoben, sodass sich das subkutane Fettgewebe samt SFS im gehobenen Lappen befindet (.€Abb.€75.4). Es ist unbedingt zu beachten, nicht in das lymphatische Abflusssystem des femoralen Dreiecks zu gelangen, um langwierige Komplikationen wie z.€B. eine Lymphozele zu vermeiden. Der N.€cutaneus femoris lateralis muss dargestellt und geschont werden. Weiterhin werden Haut-Weichteil-Lappen glutäal und in der Trochanterregion gehoben, wobei darauf geachtet werden muss, oberhalb der Glutäalgefäße zu präparieren, um diese nicht zu verlet zen. Im Bereich der Trochanterregion muss sorgfältig darauf geach tet werden, alle bindegewebigen Bänder zu lösen, um ein optimales ästhetisches Ergebnis zu erreichen. Ein wichtiger Schritt der Operation ist das zirkumferenzielle Un terminieren des Haut-Weichteil-Mantels der Oberschenkel bis auf die Höhe der Kniegelenke mit dem Lookwood-Dissektor, um die SFS-Verbindungen zu lösen und eine Mobilisation und Neupositio nierung des Gewebes zu ermöglichen, ohne die Perforatoren zu zer stören. Dies ist mit der Liposuktionskanüle (ohne Sog) gut möglich. Ein Vorteil ist die maximale Schonung der vaskulären Strukturen sowie der Lymphgefäße. Die überschüssige Haut wird nun reseziert, danach ein schicht weiser Wundverschluss, beginnend von der SFS, durchgeführt. Die Einlage von Redon-Drainagen ist von essenzieller Wichtigkeit, um Hämatome und Seromformation zu vermeiden. Zum Schluss wird der Patient aufgesetzt, die Hüften werden ge beugt und die Knie angewinkelt. Die perineale Resektion wird unter Schonung der Lymphgefäße im Bereich des medialen Oberschenkels durchgeführt. Die Resektion sollte bei Frauen vorsichtig geschehen, um Verziehungen der Vulva zu vermeiden. 75.4
Postoperatives Management
Der Patient wird mit elastischen Binden bandagiert. Die Kompres sion schließt die kompletten Beine und auch die Hüft- und untere Stammregion ein. Nach 2–3 Tagen Bettruhe beginnt die vorsichtige Mobilisation. Die elastische Kompression wird jedoch beibehalten, am besten durch eine speziell angepasste Kompressionshose für
723
75.4 · Postoperatives Management
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. Abb. 75.4╇ Inzisionslinien beim Bodylift. Man beachte die laterale RotaÂ� tion der hüftseitigen Haut nach kranial€(a,€b). Hier wird das Maximum an Hautresektion erzielt. Unteres Bodylift bei Patientin nach massiver Gewichtsabnahme und Zustand nach bereits erfolgter BauchfettschürzenÂ�
f resektion€(c–e). Es wurden die alten Abdominoplastiknarben als stabile kraniale Verankerung gewählt€(f). Intraoperativer Situs mit gut erkennbarem supefiziellem (Scarpa-)Fasziensystem€(g). Intraoperatives Ergebnis (h,€i). Postoperativer Befund (j–l)
75
724
Kapitel 75 · Ästhetische Chirurgie des oberen Rumpfes, Abdomens und Körperstamms
75
g
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j . Abb. 75.4╇ (Fortsetzung)
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k
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725
75.4 · Postoperatives Management
4€Wochen. Die Gabe von NSAID zur Abschwellung und ggf. einer Antibiotikaprophylaxe kann notwendig sein. Eine Low-dose-Hepa rinisierung ist zur Vermeidung von Thrombosen und Lungenembo lie selbstverständlich. 75.4.1 Komplikationen Die Komplikationsraten nach Straffungsoperationen am Stamm, v.€a. nach Abdominoplastik, sind erheblich und liegen je nach Defi nition bei bis zu 30–50%. Serome sind häufig, ihr Auftreten kann durch konsequentes Tra gen eines Stützverbandes (am besten angepasste Kompressionsbe kleidung) für 4–6 Wochen postoperativ vermindert werden. Verzögerte Wundheilung, Infektionen und Gewebeverluste kön nen den postoperativen Verlauf komplizieren und die Behandlungs dauer erheblich verlängern. Sie treten gehäuft bei Rauchern und nach extremer Gewichtsabnahme auf. Selten kommt es zu einer Lap pennekrose, die je nach Ausmaß behandelt werden muss. ! Cave Hämatome, Serome und anhaltende Ansammlungen von Lymphflüssigkeit sind v.€a. nach starken Gewichtsschwankungen gehäuft zu beobachten. Hier empfiehlt sich intraoperativ eine besonders subtile Blutstillung mit Ligatur der oft kaliberstarken Gefäße.
Postoperative Asymmetrien der Bauchwand kommen vor, v.€a. stört viele Patienten, wenn der Nabel ihrer Meinung zu niedrig oder nicht in der Mitte liegt. > Zum Vergleich mit dem präoperativen Befund der Bauchwand, v.€a. der Nabelposition, ist hier eine genaue FotoÂ� dokumentation unerlässlich.
Verletzungen der oberflächlichen Hautnerven, des N.€cutaneus fe moris lateralis, N.€iliohypogastricus und N.€ilioinguinalis, können zu einer Neurombildung mit extrem unangenehmen Schmerzen führen. Hypertrophe Narbenbildung wird frühestens nach einem halben Jahr, meist durch oberflächliche Narbenexzision und erneute span nungsfreie Intrakutannnaht, korrigiert. Venöse Thrombosen und pulmonale (Fett-) Embolie sind wei tere seltene Risiken. Prophylaktisch wirken eine perioperative Anti koagulation und die frühzeitige Mobilisierung.
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76
Körperkonturierung nach extremer Gewichtsabnahme A.Gohritz, P.M. Vogt
76.1
Adipositasâ•… – 728
76.2
Chirurgische Strategieâ•… – 728
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
728
76
Kapitel 76 · Körperkonturierung nach extremer Gewichtsabnahme
Das in allen Industrieländern voranschreitende Problem des pathologischen Übergewichts hat zur Entwicklung des chirurgischen Schwerpunkts der bariatrischen Chirurgie geführt. Dabei verzahnen sich die operativen intestinalen Verfahren zur Reduktion der Nahrungsabsorption und die an der Körperoberfläche stattfindenden Konturierungsoperationen der Plastischen Chirurgie. Bariatrische Operationen bei morbider Adipositas sind lebensverändernde Operationen. Die anschließende Neuformung des Körpers hat einen wichtigen Einfluss auf das physische und psychosoziale Wohlbefinden der Patienten. Idealerweise sollten diese Verfahren interdisziplinär an entsprechenden Zentren angeboten werden. Die postbariatrische Körperkonturierung ist mit nicht unerheblicher Narbenbildung verbunden. Wegen der hohen ästhetischen Ansprüche ist ein eigenes Konzept erforderlich. Die Grundprinzipien dieser Therapieform werden in diesem Beitrag geschildert. 76.1
Adipositas
Definition.╇ Die Adipositas wird nach dem Body-Mass-Index (BMI)
eingeteilt. Dieser errechnet sich als Quotient aus dem Körpergewicht in kg und dem Quadrat der Größe in Metern [kg€KG/m2] (.€Tab.€76.1). Die morbide Adipositas ist mit einer Vielzahl von Begleiter krankungen vergesellschaftet: 4 koronare Herzerkrankung, Hypertonus, 4 Asthma, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), 4 obstruktive Schlafapnoe, 4 Diabetes mellitus, 4 gastroösophagealer Reflux, 4 erhöhte Malignitätsrate, 4 Arthrose. Als spezielle Komplikationen des Hautüberschusses ergeben sich 4 intertriginöse Infektionen und Hautausschläge, 4 muskuloskelettale Schmerzsyndrome, 4 funktionelle Einschränkungen (Gehen, Körperpflege, Toilette, Sexualität), 4 geringes Selbstvertrauen und Depressionen. Definition.╇ Als bariatrische Operationen werden offene und lapa-
roskopische Operationen zur Gewichtsreduktion bezeichnet. Bei laparoskopischem Zugang ist die Morbidität hinsichtlich Wundinfektionen, Wunddehiszenzen und inzisionsbedingten Hernien verringert. Indiziert sind derartige Verfahren erst bei Versagen sämtlicher diätetischer Maßnahmen.
. Tab. 76.1╇ Klassifikation der morbiden Adipositas
Schweregrad der Adipositas
BMI [kg€KG/m2]
Beispiel
Adipositas
BMI >30
z.€B. Gewicht 102€kg, KörperÂ� größe 1,80€m
Schwere Adipositas
BMI >35
z.€B. Gewicht 121€kg, KörperÂ� größe 1,80€m
Morbide Adipositas
BMI >40
Ideales Körpergewicht um >50€kg überschritten oder >100% über Idealgewicht
Superadipositas
BMI >50
Körpergewicht, das das IdealÂ� gewicht um >225% übersteigt
Unterschieden werden 4 restriktive (Magenband), 4 restriktive malabsorptive Eingriffe (Bypass). Ein laparoskopisch einstellbares Magenband (»lap band«) erreicht etwa eine Gewichtsreduktion von ca. 50% des Übergewichts. Bei rein restriktiven Eingriffen können nur etwa 50% der Patienten später ihren Gewichtsverlust halten. Kombinierte Eingriffe erzielen meist größere Gewichtsabnahmen. Hier wird zum einen die Nahrungsmittelabsorption dadurch verringert, dass der Speisebrei am Duodenum und Teilen des Dünndarms vorbeigeführt wird (Bypass). Hier besteht das Risiko von Mangelernährungserscheinungen. Der RouxXY-Bypass erreicht eine Reduktion des Übergewichts von >50%. > Diese extremen Gewichtsabnahmen hinterlassen Haut überschüsse von unterschiedlichen Ausprägungen an nahezu allen Körperregionen, die chirurgisch korrigiert werden können. Jeder Patient muss individuell untersucht und behandelt werden.
Fettabsaugung allein ist meist nicht ausreichend effektiv. Diese kann jedoch bei weniger stark ausgeprägten Unregelmäßigkeiten begleitend zu chirurgischen offenen Exzisionen durchgeführt werden, auch zur späteren Nachkorrektur oder Verfeinerung der Konturen. Prinzipien 4 Operationen zur Verbesserung der Körperkontur sollten erst angeboten werden, wenn das Gewicht über mindestens 6€Monate konstant gehalten wurde. 4 Präoperativ ist eine Mangelernährung auszuschließen. 4 Die besten ästhetischen Ergebnisse mit dem niedrigsten perioperativen Risiko werden bei Patienten mit einem Body-Mass-Index zwischen 25 und 30€kg€KG/m2 nach einer bariatrischen Operation erreicht.
76.2
Chirurgische Strategie
Eine stufenweise Abstimmung der Verfahren mit den intestinalen Operationen (Heitmann u. Germann 2007) und dem Fortgang der Gewichtsreduktion ermöglicht die optimale Planung und einen möglichst effizienten Einsatz der plastisch-chirurgischen Methoden (Sati u. Pandya 2008). Notwendig sind dabei ausführliche Gespräche mit dem Patienten, um Erwartungen, Ziele, aber auch die plastischchirurgischen Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Diskutiert werden müssen mögliche Risiken und Komplikation, die entstehenden Narben und deren Auffälligkeiten ebenso wie die Anzahl der zu erwartenden operativen Einzelschritte, geplante Folgeeingriffe sowie Korrekturoperationen. Zielsetzung ist es, funktionelle ebenso wie ästhetische und psychologische Einschränkungen durch die Hautüberschüsse zu vermindern. Die gewebereduzierenden Eingriffe werden meist in folgender Reihenfolge durchgeführt: 1. Rumpf, Abdomen, Gesäß und Oberschenkel, 2. oberer Thorax, Brüste, Oberarme, 3. Innenseiten der Oberschenkel, 4. Gesicht.
729
76.2 · Chirurgische Strategie
Wahl des Zeitpunkts der Körperkonturierung nach bariatrischer Operation Patienten nach extremer Gewichtsabnahme sollten erst operiert werden, wenn sie ihr Gewicht für mindestens 6€Monate konstant gehalten haben. Dies entspricht meist einem Zeitraum von 12–18 Monaten nach der Gastric-Bypass-Operation. Dies erlaubt dem Patienten, wieder ein metabolisches und Ernährungsgleichgewicht zu erlangen. ! Cave Zudem führt extreme Gewichtsabnahme mit seinen meta bolischen Folgen zunächst zu einer deutlichen Verschlech terung der Wundheilung.
Das Risiko für chirurgische Komplikationen sinkt signifikant von etwa 80 auf 33%, sobald der Patient sein ideales Körpergewicht erreicht hat. Ebenso sind die ästhetischen Ergebnisse bei Patienten mit nahezu idealem Körpergewicht deutlich besser. Die meisten Patienten stellen sich mit einem Body-Mass-Index von 30–35€kg€KG/m2 nach einer bariatrischen Operation zur körperstraffenden Operation vor. Zunächst sollte eine Panikulektomie oder Mammareduktion durchgeführt werden, da hierbei für motivierte Patienten die sportliche Betätigung wesentlich erleichtert werden kann. Die besten Ergebnisse werden bei Patienten erzielt, bei denen der Body-Mass-Index nach massiver Gewichtsabnahme bei 25–30€kg€KG/m2 liegt (Buchwald et al. 2004; Heitmann u. Germann 2007).
Präoperative Patientenevaluation Zunächst wird der Body-Mass-Index bestimmt, dann medizinische€und psychiatrische Zusatzerkrankungen und Probleme erfasst, insbesondere Mangelernährungszustände, sofern messbar (Eisenmangelanämie, Vitamin-B12-Mangel, Kalziummangel, Zinkmangel, Mangel an fettlöslichen Vitaminen€A, D, E und€K und ProÂ� teinmangel). Auf die präoperative Planung sollte größte Sorgfalt verwendet werden, um die bestmöglichen funktionellen und ästhetischen Ergebnisse zu erzielen. Einflussfaktoren sind dabei u.€a. Fettdepots sowie die Gewebsqualität (Elastizität, Striae, Intertrigo) der HautÂ� überschüsse sowie die Qualität der verbliebenen Haut. Die regionalen Fettdepots und die Hautfettüberschüsse werden lokalisiert, markiert und das Ausmaß der Exzisionen mittels Kneiftest (»pinch test«) abgeschätzt. > Die Platzierung der Narben ist präoperativ am stehenden wie am liegenden Patienten zu planen, da diese doch z.€T. eine beträchtliche Ausdehnung annehmen können und insbesondere auf dem Operationstisch erheblich abwei chen können. Wichtig ist es, den Patienten über Narben verlauf, zu erwartende Ergebnisse, aber auch die Kom plikationsmöglichkeiten gründlich und realistisch aufzu klären.
Auch müssen die unterschiedlichen Fettverteilungsmuster bei Männern und Frauen angesprochen werden, da diese die Ergebnisse ebenfalls determinieren. Die wichtigen Evaluierungspunkte bei geplanter Körperkonturierung nach extremer Gewichtsabnahme sind: 4 Habitus/Fettverteilungsmuster, 4 Morphologie der Hautüberschüsse, 4 Ausmaß der Hautlaxizität, 4 Body-Mass-Index zum Zeitpunkt der Untersuchung, 4 Hautqualität, 4 mögliche Platzierung der Narben.
Ein nicht unbedeutender Aspekt ist die Frage der medizinischen Notwendigkeit und die damit unmittelbar zusammenhängende Frage der Kostenübernahme seitens der Kostenträger. Medizinisch relevante Hauterkrankungen und funktionelle Behinderungen durch die Gewebeüberschüsse rechtfertigen aber in der Regel die medizinische Indikation.
Chirurgische Techniken Spezielle plastisch-chirurgische Aspekte
Plastische Maßnahmen zum Bodycontouring stellen anspruchsvolle Operationen dar und erfordern entsprechende Fachkenntnisse. Besondere Bedeutung hat hier die präoperative Planung mit Markierung der Inzisionslinien. ! Cave Versuche, einen bariatrischen intestinalen Eingriff mit ent sprechenden Reduktionen von oberflächlicher Körper masse durch Fettschürzenresektion zu kombinieren, sind kritisch zu bewerten, da höchst risikobelastet.
Zum einen lassen sich adäquate Ergebnisse aufgrund der schwierigen Narbenplatzierung, insbesondere bei fehlender präoperativer Planung, kaum erzielen. Zum anderen kann es aufgrund von Durchblutungsstörungen und einer nicht ausgeglichenen Malnutrition zu einer drastisch erhöhten Rate an Komplikationen kommen wie 4 Wundinfektionen, 4 Hautnekrosen, 4 pulmonale Einschränkungen und 4 Letalität (Acarturk et al. 2004). Entsprechende Eingriffe sollten daher erst bei Erreichung eines sta bilen Körpergewichts durchgeführt werden. Die Platzierung der Narben sollte den ästhetischen Ansprüchen genügen und orientiert sich in der Regel an der Lokalisation natürlicher Hautfalten (»relaxed skin tension lines«) sowie an anatomischen Regionen (Unterbrustfalte, Beckenkammleiste etc.). Als wesentliche Verfahren haben sich heute die unten aufgeführten großen Gruppen der Eingriffskategorien etabliert (.€Tab.€76.2). Für die genannten Indikationsbereiche und Körperregionen kann die Plastische Chirurgie mit etablierten Methoden heute für die
. Tab. 76.2╇ Operationsverfahren des Bodycontouring
Körperregion
Verfahren
Thorax und Abdomen
4 Mammastraffungen bei Frauen 4 Hautmantelstraffungen am lateralen Thorax und Rücken 4 Angleichende Brustkonturierung beim männlichen Gynäkomastiebefund 4 Abdominale Straffungsoperationen 4 Reduktion von Hautschürzen im Flankenbereich
Untere Abdominal-, Gesäß- und Oberschenkelregion
4 Bodylift mit Anhebung der abgesackten Oberschenkel- und Glutäalhaut sowie 4 Isolierte Oberschenkelstraffung innenÂ� seitig 4 Gesäßstraffung
Oberarm
4 Oberarmstraffungen
Gesicht, Hals
4 Halshautstraffungen 4 Gesichtshautstraffungen
76
730
Kapitel 76 · Körperkonturierung nach extremer Gewichtsabnahme
Patienten äußerst befriedigende Ergebnisse der Körperkonturierung erzielen. Wichtige Grundsätze für die einzelnen Körperregionen sind in der .€Übersicht zusammengefasst. Grundsätze für die einzelnen Körperregionen beim Bodycontouring
76
4 Die größte Deformität liegt meistens im Bereich des Abdomens vor. 4 Der größte Gewebeüberschuss am Thorax findet sich oft entlang der lateralen Axillarlinien. 4 Der Rumpf, der laterale Oberschenkel und die Gesäßhaut sollten als eine ästhetische Einheit behandelt werden. 4 Mittels einer gürtelförmigen zirkumferenziellen Lipektomie oder einem unteren Bodylift lässt sich ein Hautfettgewebeüberschuss in diesen Bereichen resezieren und gleichzeitig eine Straffung des Gesäßes und der lateralen Oberschenkel erreichen. 4 Bei der Straffung der lateralen Oberschenkel wird eine Liposuktion durchgeführt und die Adhärenzzonen abgelöst. Dies erlaubt eine noch effektivere Anhebung der seitlichen Oberschenkel. 4 Patienten nach massiver Gewichtsabnahme benötigen meist zusätzlich eine Brustreduktion oder Mastopexie, in Abhängigkeit vom Gewebeverlust an der Brust. 4 Bei Patienten mit vorzeitiger Hautlaxizität im Gesicht liegt eher ein Hautüberschuss als eine Laxizität des SMAS vor. 4 Liposuktionstechniken können als zusätzlicher Eingriff nach Exzisionsoperationen zur weiteren Verfeinerung der Kontur eingesetzt werden.
Bei unsachgemäßer Technik und in unkundiger Hand kommt es darüber hinaus zum Verlust der Straffungseffekte aufgrund der Missachtung der Grundprinzipien, wie der Gewebeaufhängung an den tiefen Fasziensystemen (z.€B. Scarpa-Faszie bei Bodylifting; Heitmann u. Germann 2007; Vogt u. Oldhafer 2008). Bei sehr ausgedehnten Hautüberschüssen im gesamten Körper werden die Eingriffe stadiengerecht durchgeführt, wobei die Vorgehensweise individuell geplant werden muss. Ein mehrschrittiges Vorgehen zur Konturverbesserung an Rumpf und Extremitäten unter Einsatz moderner plastisch-chirurgischer Haut-Weichteil-Straffungstechniken zeigt .€Abb.€76.1. Einen bedeutenden Forschritt stellt die Technik des Bodylifts (nach Lockwood), auch kombiniert mit der Bauchstraffung, dar. Sie wird durchgeführt in einem einzigen Eingriff; auf weitere Eingriffe mit zusätzlicher Narbenbildung in der Oberschenkelregion kann meistens verzichtet werden. Die ästhetischen Ergebnisse dieses anspruchsvollen Eingriffs sind den konventionellen Techniken überÂ� legen (Nemerofsky et al. 2006). Fettabsaugungsmethoden finden in der Regel nicht primär Einsatz, sondern dienen eher der Konturierung verbliebener diätresistenter Fettdepots. Zur Verbesserung der Ergebnisse können auch augmentierende Konturierungsoperationen beitragen. Dazu zählt die plastische Umverteilung von Fettdepots zur Aufpolsterung der Gesäßregion oder der Einsatz von Implantaten zur Augmentationsmastopexie bei schlauchförmiger Ptose und Projektionsverlust der Mamma nach extremer Gewichtsreduktion (Scheufler u. Erdmann 2007; Vogt u. Oldhafer 2008). Aufgrund der zu erwartenden Verbesserung des Körperbildes ist die Motivation entsprechender Patienten sehr ausgeprägt, sich einem
entsprechenden Eingriff zu unterziehen. Realistische Aufklärung und fachärztliche Standards sind hier unabdingbare Voraussetzungen, um die Eingriffe für die Patienten sicher und für die Kostenträger ressourcenschonend durchzuführen. Dermolipektomien zur Beseitigung pathologischer Fettschürzen Im Bereich des Abdomens liegt typischerweise die den Patienten am stärksten belastende Deformität vor, v.€a. bei Frauen kann zudem
eine starke Ptose des Mons pubis vorliegen. Ziele sind daher die Schaffung einer flacheren Bauchkontur, die Straffung der Bauch wand mit Fasziendopplung und, wenn vorhanden, Verschluss von ventralen Hernien, sowie die Anhebung und Straffung des Mons pubis. Die traditionelle Abdomenplastik reicht hier oft nicht aus, um eine maximale Verbesserung der Körperkontur dieser Patienten zu erreichen, weil sie z.€B. die lateralen Gewebeüberschüsse nur unzureichend korrigiert. Zu dieser Indikationsgruppe zählen meistens Patienten mit noch vorhandenem pathologischem Übergewicht (Body-Mass-Index >30). Die Indikation zum plastisch-chirurgischen Eingriff besteht auch deshalb, weil extreme Fettschürzen oder auch Lefzen an den Oberschenkelinnenseiten durch Intertrigo massive HautentzündunÂ� gen mit fortgeleiteten Infektionen bis hin zur Sepsis herbeiführen können. Nicht selten werden auch durch venöse Stase und extremes Lipödem Hautulzerationen mit Sickerblutung beobachtet. Hierbei handelt es sich dann um dringliche Indikationen zum chirurgischen Eingriff, wobei immer das Risiko von postoperativen Wundheilungsstörungen einkalkuliert werden muss. Allerdings kann bei dieser Indikationsgruppe die Entfernung der pathologischen Fettschürze zu einer so drastischen Erleichterung für den Patienten führen, dass die Motivation für eine weitere Gewichtsreduktion gesteigert ist. Es wird eine Schweregradeinteilung abhängig von der vertikalen Ausprägung vorgenommen, der maximale Grad€V (.€Abb.€76.2) wird erreicht bei Länge der Fettschürze bis zu den Knien. Hier liegen meist massive Hautulzerationen mit Sickerblutungen und phlegmonösen Entzündungen vor (Acarturk et al. 2004). > Durch spezielle Aufhängetechniken während des Ein griffes wird eine venöse Autotransfusion aus der Fett schürze herbeigeführt, um den nicht unerheblichen Blut verlust zu reduzieren.
Durch die Beschränkung auf eine alleinige Fettschürzenresektion ohne Versuch, die Bauchdecke selbst zu straffen, können auch die Wundkomplikationen deutlich reduziert werden. Postoperativ ist die Erholung der Patienten meistens aufgrund ihrer Immobilität reduziert, und auch pflegerische Probleme bedingen regelhaft verlängerte Pflegebedürftigkeit. In einer eigenen Studie konnten wir durch die Beschränkung auf die alleinige marginale Schürzenresektion die Inzidenz von Wundheilungsstörungen mit nur 16% deutlich unter das in der Literatur beschriebene Maß von 30–50% reduzieren.
Komplikationen Hämatome bilden sich typischerweise in der unmittelbaren postoperativen Phase aus und erfordern eine operative Drainage, in manchen Fällen auch eine erneute Exploration. Wesentliche Komplikationsmöglichkeiten sind in der .€Übersicht aufgelistet.
731
76.2 · Chirurgische Strategie
a
c
b
. Abb. 76.1╇ Stufenweise Hautmantelreduktion (Brust, Abdomen) (a) nach exzessiver Gewichtsabnahme (75€kg). Die Kombination von Abdominoplastik, periareolärer Mammastraffung (b) und unterem Bodylift (c,€d) führt zu einer erheblichen Verbesserung des ästhetischen Erscheinungsbildes mit dauerhaftem Straffungseffekt
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732
Kapitel 76 · Körperkonturierung nach extremer Gewichtsabnahme
76
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b . Abb. 76.2╇ Ausgeprägte Fettschürze Grad€V (a) und die relativ kompliÂ� kationsarme Guillotine-Resektion einer 20€kg schweren Fettschürze€(b,€c).
Die Rate an postoperativen Seromen ist insbesondere bei Patienten mit einem Body-Mass-Index von >35€kg€KG/m2 erhöht. Sie treten meist am Rücken nach Belt-Lipektomie oder unterem Bodylift auf. ! Cave Drainagen sollten erst gezogen werden, wenn über 24€h Wundkomplikationen, wie eine Dehiszenz, Hautnekrose, Wundinfektion und Wundrandnekrose treten gehäuft bei Patienten mit Nikotinkonsum auf. Patienten sollten daher mindestens einen Monat vor der Operation mit dem Rau chen aufhören.
Weitere Risikofaktoren sind Diabetes mellitus, systemische Steroidmedikation und ein BMI von >40€kg€KG/m2.
Literatur Acarturk TD, Wachtman G, Heil D et al. (2004) Panniculectomy as an adjuvant to bariatric surgery. Ann Plast Surg 53: 360–366 Buchwald H, Avidor Y, Braunwald E et al. (2004) Bariatric surgery: a systematic review and meta-analysis. JAMA 292: 1724–1737
76.2 · Chirurgische Strategie
Heitmann C, Germann G (2007) Body contouring surgery after massive weight loss, part€I: abdomen and extremities Chirurg 78(3): 273–284 Lockwood TES (1991) Superficial fascial system (SFS) of the trunk and extremities: A new concept. Plast Reconstr Surg 87: 1009–1014 Khosla RK (2007) Body contouring in the massive-weight-loss patient. In: Janis JE (ed) Essentials of plastic surgery. Quality Medical Publishing, St. Louis Nemerofsky RB, Oliak DA, Capella JF (2006) Body lift: An account of 200 consecutive cases in the massive weight loss patient. Plast Reconstr Surg 117: 414–430 Rohrich R (2002) Marking and operative techniques. Plastt Reconstr Surg: 117, 1S 45–73€S Rohrich R (2006) The physiological impact of bariatric surgery on the massive weight loss patient. Plast Reconstr Surg 117,1S 14–16 S Sati S, Pandya S (2008) Should a panniculectomy/abdominoplasty after massive weight loss be covered by insurance. Ann Plast Surg 60 (5): 502– 504 Scheufler O, Erdmann D (2007) Current concepts and trends in post-bariatric plastic surgery. Chirurg 78: 316–325 Vogt PM, Oldhafer J (2008) Adipositaschirurgie: Indikation, Therapieverfahren und Nachsorge. Gastrenterologe 3, 5: 399–407
733
76
77
Mammareduktion und -augmentation A. Handschin, T. Bund, K.H. Breuing
77.1
Mammareduktionâ•… – 736
77.1.1 77.1.2 77.1.3 77.1.4
Klassifikation â•… – 736 Anatomieâ•… – 736 Präoperatives Managementâ•… – 736 Operatives Vorgehenâ•… – 738
77.2
Mamaaugmentationâ•… – 741
77.2.1 77.2.2 77.2.3 77.2.4
Präoperatives Managementâ•… – 741 Operative Technikâ•… – 743 Postoperatives Managementâ•… – 745 Komplikationsmanagementâ•… – 745
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 77 · Mammareduktion und -augmentation
77.1
Mammareduktion
In der Plastischen Chirurgie stellt die Brustverkleinerung (Mammareduktion) ein gutes Beispiel für einen Eingriff dar, der sowohl dem rekonstruktiven wie auch dem ästhetischen Spektrum zuzurechnen ist. Das Ziel der Mammareduktion ist die Schaffung einer Brustform, die in Einklang mit den bestehenden Körperproportionen ist. Hierbei sind bestimmte anatomische Landmarken zu beachten, von denen insbesondere die Inframammarlinie und die Position der neuen Brustwarze entscheidende Bedeutung haben.
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Definition.╇ Die Vergrößerung der weiblichen Brust kann unterschiedliche Ausmaße erreichen. Die Makromastie bezeichnet eine außerhalb der Norm liegende Vergrößerung der weiblichen Brustdrüse. Von einer Gigantomastie spricht man bei einer massiven Vergrößerung der Brust, mit einem Resektionsgewicht von mehr als 1500€g pro Seite (.€Abb.€77.1).
77.1.1 Klassifikation Eine als normal ausgebildet angesehene Brust einer erwachsenen Mitteleuropäerin hat eine konische Form mit einer angedeuteten Konkavität kranial des Mamillen-Areolen-Komplexes (MAK). Die Breite der Brustbasis beträgt 12–15€cm. Die Mamille sitzt in Höhe der Brustumschlagsfalte in der Medioklavikularlinie. Dies entspricht an der stehenden Patientin der Höhe der Oberarmschaftmitte. An der nicht ptotischen Brust bildet die Mamille den Punkt der größten Projektion. Der Abstand zwischen Mamille und Jugulum sowie der Abstand zwischen Mamille und Klavikulamitte beträgt 18–21€cm. Die Ausrichtung der Mamille zeigt leicht nach lateral, sodass sich beim Blick von vorn eine Divergenz der Mamillen-Areolen-Komplexe ergibt. Der intermamilläre Abstand misst durchschnittlich 20–22€cm. Der Durchmesser des MAK beträgt durchschnittlich 4–5€cm. Er weist ebenfalls eine konische Form auf. Das Absinken des MAK führt zu einer Ptose der Brust, die nach Regnault (1976) klassifiziert wird. Weitere Klassifikation der Ptose gehen auf Bostwick (1983) und Georgiade (1990) zurück (.€Tab.€77.1). 77.1.2 Anatomie Die Gefäßversorung der Brust erfolgt arteriell über die A.€mammaria interna, A.€thoracica lateralis, A.€thoracoacromialis sowie laterale Perforatoren aus den Interkostalarterien. Der Mamillen-AreolenKomplex wird aus allen genannten arteriellen Stromgebieten versorgt, sodass verschiedene Pedikel bei der Brustrekonstruktion
. Abb. 77.1╇ Gigantomastie
möglich sind (superiorer, inferiorer, medialer, lateraler, zentraler Pedikel). Die Hauptversorgung (60%) erfolgt aus Perforatoren der A.€mammaria interna (superiore, mediale und inferiorer Äste). Der venöse Abfluss erfolgt über 2€anatomisch getrennte Systeme, ein oberflächliches, subdermales Venennetz und ein tiefes VenenÂ� system. Die sensible Innervation des Mamillen-Areolen-Komplexes erfolgt aus anterioren und lateralen Ästen der III.–V.€Interkostalnerven, wobei die Äste des IV.€Interkostalnervs am dominantesten ist. Dieser läuft in der Regel langstreckig unter der Faszie des M.€pectoralis, um dann zentral im Bereich des Mamillen-Areolen-Komplexes zu perforieren. Eine vorsichtige Präparation unter Schonung der Pektoralisfaszie ist daher bei allen Reduktionstechniken zu beachten. > Mammareduktion: Präparation unter Schonung der Pektoralisfaszie!
77.1.3 Präoperatives Management
Diagnostik Da es sich bei Operationen zur Formveränderung der Brust um elektive Eingriffe an dem bei Frauen am häufigsten von Malignomen€befallenen Gewebe handelt, ist der präoperativen Diagnostik höchste Bedeutung zuzumessen. Neben der allgemeinen Krankheits- und Medikamentenanamnese erfolgt eine komplette körperliche Untersuchung. Besonderer Wert wird auf die Eigen- und Familienanamnese bezüglich des Vorliegens von Malignomen gelegt.
. Tab. 77.1╇ Klassifikationen der Ptosis
Grad
Regnault
Bostwick/Georgiade
Grad I
MAK an der Inframammärfalte und oberhalb der Brustkontur (Drüse hinter dem MAK)
MAK bis zu 1€cm kaudal der Inframammärfalte
Grad II
MAK unterhalb der Inframammärfalte, aber oberhalb der Brustkontur (Drüse hinter dem MAK)
MAK 1–3€cm unterhalb der Inframammärfalte
Grad III
MAK unterhalb der Inframammärfalte und bildet den tiefsten Punkt der Brustkontur (Drüse kranial des MAK)
MAK >3€cm unterhalb der Inframammärfalte und bildet den tiefsten Punkt der Brust
Pseudoptosis
MAK kranial der Brustumschlagsfalte bei nach kaudal durchhängendem Drüsengewebe (häufig nach Mammareduktionsplastik)
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77.1 · Mammareduktion
Insbesondere zusätzliche Risikofaktoren wie Nikotinabusus, Gerinnungsstörungen, Einnahme von Kontrazeptiva oder rheologisch wirksame Medikamenten müssen präoperativ abgeklärt werden. Wir bestehen auf eine mindestens 2-wöchige präoperative Nikotinkarenz vor formverändernden Eingriffen an der Brust. Im Rahmen der ambulanten Vorstellung erfolgt auch eine Beratung über den Operationszeitpunkt. Eine Brustverkleinerung sollte bei adipösen Patientinnen, die eine Gewichtsreduktion planen, erst nach Erreichen eines stabilen Normalgewichtes durchgeführt werden, um das perioperative Risiko zu senken und das OperationsÂ� ergebnis nicht zu gefährden. > Mammareduktionsplastik nur bei stabilen Gewichts verhältnissen. Optimaler BMI Ausführliche und genaue präoperative Aufklärung über Risiken, Komplikationen und Nachbehandlung ist gerade bei Mammareduktionen unerlässlich!
Indikation zur Brustverkleinerung Eine medizinische Indikation für eine Brustverkleinerung kann sowohl aufgrund somatischer wie psychischer Beschwerden – oder einer Kombination – gegeben sein. Schwere, ptotische Brüste können zu chronischen Nacken-/Rückenschmerzen führen und schmerzhafte Einschnürungen des BH-Trägers im Schulterbereich€ verursachen. Oft haben die Patientinnen eine Anamnese von physiotherapeutischen oder orthopädischen Behandlungen, welche aufgrund der reinen Symptomorientiertheit meist erfolglos€bleiben. Weitere Probleme können durch schmerzhafte Brüste (Mastodynie) und hygienischen Folgen der Intertrigobeschwerden entstehen. Darüber hinaus werden oft psychische Belastungen angeben, die z.€B. bei sportlichen Aktivitäten (Schwimmen) entstehen. Der positive Effekt einer Brustreduktion auf die psychische Belastung ist inzwischen durch Studien belegt (Iwuagwu et al. 2006).
Aufklärung Grundlage der Aufklärung ist die Information der Patientin über verschiedene Operationstechniken sowie eine realistische Einschätzung der damit jeweils erzielbaren Ergebnisse. Neben den allgemeinen Operationsrisiken wie Blutung, Infekt und Narbenbildung sind die Patientinnen auf die spezifischen Risiken des bei ihr geplanten Eingriffes hinzuweisen (.€Übersicht). Je nach gewählter Operationstechnik ergeben sich unterschiedliche Risiken für die Entwicklung von Fettgewebenekrosen, Durchblutungsstörungen des MamillenAreolen-Komplexes bis zur Totalnekrose, Wundheilungsstörungen (.€Abb.€77.2), Asymmetrie, Unter- oder Überkorrektur, Sensibilitätsstörungen des MAK oder für einen Verlust der Stillfähigkeit. Auch die Stabilität der intraoperativ erzielten Brustform ist abhängig vom gewählten Operationsverfahren. Die Patientin muss daher darüber informiert werden, dass es im Langzeitverlauf zu einer Überdehnung des unteren Brustpols mit Kranialrotation der Mamillen kommen kann (»bottoming out«).
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Kapitel 77 · Mammareduktion und -augmentation
Operative Techniken Komplikationen nach Mammareduktionsplastik
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4 4 4 4 4 4 4 4 4
Hämatom Sensibilitätsstörung im Mamillen-Areolen-Komplex Nekrosen im Mamillen-Areolen-Komplex Fettgewebsnekrosen Asymmetrie »Dog ears«, Haut-/Weichteilüberschuss Hypertrophe Narbenbildungen Wundheilungsstörungen Verlust der Stillfähigkeit
77.1.4 Operatives Vorgehen
Stand der operativen Therapie Praktisch alle Operationsverfahren, die in den letzten Jahrzehnten beschrieben worden sind (McKissock 1972, Pitanguy 1962, Skoog 1963, Strömbeck 1983), führen zu einer Narbenbildung um die kranialisierte Brustwarze herum, davon 4–6€cm nach kaudal ziehend, um dann in der Inframammarlinie quer zu verlaufen (umgekehrte T-Technik). In bestimmten Fällen können auch sehr gute Ergebnisse mit einer rein vertikalen Narbe erzielt werden (Lejour 1994, Lassus 1970, Hall-Findlay 1999). Ist eine deutliche Reduktion des Brustvolumens geplant, verwenden wir die Reduktionstechnik nach Höhler (später modifiziert nach Pitanguy) mit kranialem Mamillenstiel und T-förmiger Narbenbildung (.€Abb.€77.3). Steht dagegen eine Straffung einer ptotischen Brust bei nur geringem Resektionsvolumen im Vordergrund, wird die narbensparendere, vertikale Technik nach Lejour verwendet. Bei nur geringer Ptose kann eine Straffung mit rein periareolärer Schnittführung indiziert sein.
Operationsplanung Die Operationsplanung und Anzeichnung erfolgt an der stehenden Patientin. Zunächst werden Mediane, Medioklavikularlinie, Jugulum-Mammillar-Linie und Brustumschlagsfalte markiert, wobei bestehende Asymmetrien deutlich werden. Als Nächstes wird die neue Position des MAK auf der MedioÂ� klavikularlinie festgelegt. Sie befindet sich in Höhe der Brustumschlagsfalte und sollte außer bei sehr kleinen Frauen 20€cm ab Jugulum nicht unterschreiten. Postoperativ besteht aufgrund der normalen physiologischen Brustabsenkung (»setting in«) die große Gefahr der zu hoch platzierten Mamille (»high riding nipple«), was sehr schwierig zu korrigieren ist. Sollte postoperativ der MAK dann doch zu tief sein, kann dies sehr einfach in Lokalanästhesie korrigiert werden. Durch Verschwenken der Brust nach medial und lateral werden nun in Abhängigkeit von der geplanten Volumenreduktion die Resektionsgrenzen festgelegt. Die Längen des medialen und lateralen Pfeilers sollten 6,5€cm, gemessen ab dem Rand des späteren MAK, nicht überschreiten, da diese Strecke postoperativ die Distanz zwischen Mamille und Inframammärfalte bildet. Die Planzeichnung wird durch Verbinden der Resektionspfeiler nach lateral bzw. medial mit der Unterbrustfalte komplettiert.
Mammareduktion nach Höhler
Der Eingriff erfolgt in Beach-chair-Lagerung mit angelagerten Oberarmen. Zur Vereinfachung der Orientierung müssen bei der OP-Abdeckung »Landmarken« wie das Jugulum, der Nabelansatz und die Schulterkappen sichtbar bleiben. > Tipp: Zur vereinfachten Beurteilung der Brustasymmetrie hat sich eine exakt symmetrische Abdeckung bewährt.
Der Eingriff beginnt mit dem Festlegen der zukünftigen Mamillendurchmesser mit Hilfe des Mamillotoms. Anschließend wird die Anzeichnungsfigur umschnitten und die periareoläre StraffungsÂ� figur deepithelialisiert. Danach folgt die Resektion der unteren Quadranten unter BeÂ� lassung eines breitbasigen kranialen Stils. Das gesamte resezierte Gewebe wird zur histologischen Untersuchung eingesendet, da in 0,4–1% der Fälle okkulte Karzinome im Resektionsgewebe gefunden werden (Kayar 1996). Die Mamille wird an ihrem kranialen Stiel in die neue Position verbracht. Die Neuformung der Brust erfolgt durch Einstülpung der seitlichen Pfeiler. Der mediale und der laterale Pfeiler werden durch resorbierbare, subkutane Einzelknopfnähte vereinigt und die kaudalen Pfeilerenden durch eine Dreiecksnaht an die Brustumschlagsfalte pexiert. Die Mamille wird durch radiäre subkutane resorbierbare Einzelknopfnähte in ihrer neuen Position aufgespannt und durch eine resorbierbare Intrakutannaht eingenäht. Vor dem Hautverschluss durch fortlaufende Intrakutannaht mit resorbierbarem Nahtmaterial der Stärke 4-0 wird eine 14-er Redon-Drainage in den Situs eingebracht und nach axillär ausgeleitet. Intraoperativ wird ein formender Pflasterverband angelegt, nachdem die Nähte mit Steristrip-Pflaster bedeckt wurden. Anschließend erfolgt eine formende Wicklung des Thorax mit Watte und elastischen Binden. Hierbei bleiben die Mamillen zur Beurteilung der Durchblutung ausgespart. Nach sekretionsabhängiger Entfernung der Redon-Drainagen wird ein Stütz-BH angepasst, der für 3€Monate getragen werden sollte. Periareoläre Raffung
Auch hier erfolgt zunächst die Festlegung des neuen Areolendurchmessers mit Hilfe eines Mamillotoms. Intraoperativ können das Ausmaß der Straffung und die Symmetrie durch das Aufspannen der Areola mit Hilfe radiärer Positionsnähte simuliert werden. Ist das optimale Straffungsausmaß festgelegt, wird die Umschneidungsfigur mit einem sterilen Hautstift markiert. Es ergibt sich hierbei meist eine längsovale Figur, bei der die Mamille je nach geplanter Anhebung im mittleren oder am Übergang zum kaudalen Drittel der Längsachse sitzt. Nach Lösen der Positionsnähte wird die Haut Â�zwischen der Umschneidungsfigur und dem Außenrand des neuen Areolendurchmessers deepithelialisiert. Bei der Annäherung der Hautränder von Areola und verbliebener Brusthaut durch eine intradermale zirkuläre Tabaksbeutelnaht mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial wird die deepithelialisierte Dermis nach innen eingestülpt. Der Hautverschluss erfolgt durch fortlaufende Intrakutannaht mit resorbierbarem Nahtmaterial. Als Verband werden SteristripPflaster aufgebracht. Narbensparende Bruststraffung nach Lejour
Das zunächst von Lassus beschriebene und später von Lejour modifizierte Verfahren erlaubt eine Brustverkleinerung, nach welcher neben einer periareolären Narbe nur eine Längsnarbe am unteren Brustpol verbleibt (Lassus 1970; Lejour 1994). In den letzten Jahren findet diese Technik zunehmend Anwendung und wurde in ver-
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77.1 · Mammareduktion
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. Abb. 77.3╇ Planung (a–d) und Durchführung (e–i) einer Mammareduktionsplastik mit kranialem zentralem Stiel (Höhler-Technik, umgekehrter
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T-Schnitt). Klinischer Aspekt prä-€(j) und postoperativ€(k). (Zeichnungen von Dr.€S.€Schinner mit frdl. Genehmigung)
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Kapitel 77 · Mammareduktion und -augmentation
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schiedenen Varianten modifiziert (Hall-Findlay 1999; Hoffmann et al. 2007). Da der Erfolg dieser Operation sehr von der Retraktionskraft der Haut abhängt, sollte die Technik hauptsächlich bei jungen Patientinnen mit retraktionsfähiger Haut angewendet werden. Als Nachteil dieses Verfahrens ist die lange Persistenz der Hautplissierung im Bereich der Narbe im Aufklärungsgespräch intensiv zu besprechen. Dieses Verfahren ist geeignet für Patientinnen, die v.€a. eine Korrek-
. Abb. 77.3╇ (Fortsetzung)
tur der Erschlaffung und Ptose der Brüste und nur eine geringe Volumenreduktion wünschen. > Vertikale Reduktionsplasik: Unmittelbar postoperativ noch keine definitive Brustneuformung! Aufklärung über mehrmonatigen Verlauf bis zur Formung des End ergebnisses und evtl. Notwendigkeit von Nachkorrek turen.
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77.2 · Mamaaugmentation
Operationsvorbereitung.╇ Auch hier sind eine präoperative Operationsplanung und die Markierung unerlässlich. Zunächst wird die Brustumschlagsfalte nachgezeichnet. Dann wird die Brustmitte bestimmt und von der Mamille nach kaudal bis über die Brustumschlagsfalte hinaus markiert. Das Festlegen der Resektionsschenkel erfolgt auch hier durch Verschwenken der Brust nach medial und lateral. Mediale und laterale Resektionsgrenzen werden angezeichnet und die Linien ca. 2€cm oberhalb der Brustumschlagsfalte bogig zusammengeführt. Anschließend wird die neue Mamillenposition in der vorbeschriebenen Weise bestimmt. Hier wird eine domförmige Straffungsfigur angezeichnet und mit den beiden Resektionsschenkeln verbunden. Operatives Vorgehen.╇ Der Eingriff erfolgt ebenfalls an der ca. 60°
aufgesetzten Patientin. Sofern eine Volumenreduktion der Brust gewünscht ist, erfolgt zunächst nach Infiltration einer Tumeszenzlösung eine Liposuktion der medialen und lateralen Brustanteile unter Auslassung des retromamillären Bereichs. Anschließend wird die angezeichnete Straffungsfigur deepithelialisiert und die medialen und lateralen Resektionsgrenzen inzidiert (.€Abb.€77.4). Nun wird ein kranialer, die Mamille tragender Stiel präpariert, der die Mamille um 5–6€cm nach kaudal überragt. Auf eine ausreichende Stielbreite ist hierbei zu achten. Die Stieldicke sollte nicht zu breit gewählt werden, um eine spannungsfreie Verlagerung der Mamille zu ermöglichen. Nun wird der Hautmantel des medialen und lateralen Drüsenpfeilers sowie des kaudalen Brustpols bis zur Unterbrustfalte unmittelbar subkutan mobilisiert. Nur eine ausreichende weite subkutane Präparation erlaubt der Haut, sich der späteren Brustform anzupassen und ausreichend zu schrumpfen. In der Unterbrustfalte erfolgt die Präparation bis auf die Thoraxwand. Die Geweberesektion erfolgt aus dem kaudalen Brustpol sowie keilförmig von zentral. Zur Augmentation des oberen Brustpols wird nun unmittelbar kranial der Mamille gelegenes Drüsengewebe weit oben an der Brustwand auf der Pektoralisfaszie durch Naht pexiert. Die Adaptation der Brustdrüsenpfeiler erfolgt durch resorÂ� bierbares Nahtmaterial der Stärke€0 unter leichter Überkorrektur der Brustform. Vor dem definitiven Wundverschluss ist bei locker adaptiertem Hautmantel auf Einziehungen und Schnürfurchen zu achten und ggf. eine Erweiterung der subkutanen Präparation durchzuführen. Anschließend werden Redon-Drainagen eingebracht. Es erfolgt ein 2-reihiger Wundverschluss durch fortlaufende Nähte unter Plissierung der Haut. Hierbei fasst die Subkutannaht aus resorbierbarem Material der Stärk 3-0 das darunter liegende Drüsengewebe mit, um so den Hautmantel an der Drüse zu fixieren. Die Intrakutannaht sowie das Einnähen der Mamille erfolgt mit resorbierbarem Nahtmaterial der Stärke€4-0. Der Wundverband besteht aus Steristrip-Pflastern sowie formenden Pflasterverbänden. Zur Stabilisierung der Brust wird anschließend ein Stützverband aus Watte und elastischen Binden angelegt. Nach zeitgerechter Entfernung der Wunddrainagen wird ein Stütz-BH angelegt, der dann für 3€Monate konsequent getragen werden muss. 77.2
Mamaaugmentation
Bei der Vergrößerung der weiblichen Brust als hoch elektivem Eingriff steht die Patientensicherheit im Vordergrund. Dies gilt sowohl für die angewendete Operationstechnik als auch für die verwendeten
Implantate und die Möglichkeit einer optimalen Brustkrebsvorsorge auch nach der Augmentation. 77.2.1 Präoperatives Management
Indikation Die Indikation zur Augmentation ergibt sich bei Aplasie, nachvollziehbarer Hypoplasie oder Asymmetrie der Brüste. Auch eine beidseitige Involutionsathrophie mit nur mäßigem Hautüberschuss und geringer Ptosis kann bei entsprechendem Leidensdruck der PaÂ�tientin durch eine alleinige Implantateinlage ästhetisch korrigiert werden (.€Abb.€77.6). > In der Regel liegt eine rein ästhetische Indikation vor.
Aufklärung Da es sich meist um eine rein ästhetische Indikation handelt, hat nach geltender Rechtsprechung eine »schonungslose Aufklärung« zu erfolgen. Neben der Information über Art und Beschaffenheit der verwendeten Implantate und das operative Vorgehen sowie der damit einhergehenden allgemeinen Operationsrisiken wie Blutung, Infekt und Narbenbildung sind die Patientinnen insbesondere auf die spezifischen Risiken des Eingriffs hinzuweisen. Hierzu gehört zunächst das Risiko der Entwicklung einer Kapselfibrose (.€Abb.€77.5; auch 7€Kap.€82.5.1). Hierbei handelt es sich um die häufigste Komplikation nach einer Brustvergrößerung, die in der Literatur mit einer Inzidenz bis zu 50% angegeben wird (Cunningham et al. 2000; Slavin et al. 2007). Der Grad der Kapselfibrose wird in der Baker-Klassifikation beschrieben (.€Tab.€77.3). Die Ursache der Kapselfibrose ist Gegenstand von aktuellen Studien. Mehrere Faktoren werden in der Literatur diskutiert. Insbesondere postoperative Hämatome und subklinische Kontamination mit S.€epidermidis werden als mögliche Ursachen einer Kapselfibrose betrachtet (Slavin 2007). In einer prospektiven Studie konnte S.€epidermidis auf der Oberfläche von 90% der entfernten Implantate nachgewiesen werden (Pajkos et al. 2003). Zur Reduzierung des Auftretens einer klinisch relevanten Kapselkontraktur können möglicherweise eine submuskuläre Implantation sowie die Verwendung von Implantatgrößen ≤350€ml beitragen (Slavin 2007). Auch scheint die Einlage von Drainagen einen möglichen Risikofaktor darzustellen und wird von einigen Autoren abgelehnt (Araco 2006). > Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Risiko einer Kapselkontraktur mit der Notwendigkeit einer Folgeope ration Kernpunkt des Aufklärungsgesprächs sein sollte.
. Tab. 77.2╇ Stadien der Kapselfibrose nach Baker (1978)
Stadium
Palpationsbefund
Baker I
4 Die Brust ist normal weich 4 Das Implantat ist nicht tastbar
Baker II
4 Die Brust ist etwas fester 4 Das Implantat ist tastbar, aber nicht sichtbar
Baker III
4 Die Brust ist verhärtet 4 Das Implantat ist tastbar und sichtbar
Baker IV
4 Brust verhärtet, verformt und schmerzhaft 4 Das Implantat ist tastbar und deutlich sichtbar
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Kapitel 77 · Mammareduktion und -augmentation
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. Abb. 77.4╇ Planung und Durchführung (a–d) einer vertikalen Mammareduktionsplastik. Klinischer Aspekt prä-€(e) und postoperativ€(f). (Zeichnungen von Dr.€S.€Schinner mit frdl. Genehmigung)
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77.2 · Mamaaugmentation
a . Abb. 77.5╇ Kapselfibrose Baker€IV
Der Einfluss einer Mammaaugmentation auf die Brustkrebsdiagnose und Behandlung wurde ebenfalls in zahlreichen Studien untersucht. Brustimplantate haben keinen negativen Effekt bezüglich Diagnose, Verlauf oder Prognose bei einer Brustkrebserkrankung, obwohl die Sensitivität einer Mammographie leicht reduziert ist (Birdsell et al. 1993; Miglioretti et al. 2004; Tuli et al. 2006). Das Risiko einer früher gefürchteten Silikoneinschwemmung nach Implantatruptur konnte durch Verwendung kohäsiver Gele zur Implantaterstellung weitgehend ausgeschlossen werden. Jedoch ist auf das Risiko einer verminderten Sensibilität der Mamille hinÂ� zuweisen, da es in ca. 15% der Fälle auftritt. Insbesondere bei einer geplanten subglandulären Implantatlage ist das Risiko einer Läsion der hier recht straff fixierten Interkostalnerven III–V gegeben.
b . Abb. 77.6a, b╇ Mammaaugmentation bei einer Patientin mit Involutionsathrophie nach Schwangerschaft mit Ptose Grad€II
Operationsplanung Der wichtigste Schritt der Operationsplanung liegt in der Ermittlung der erforderlichen Implantatform und des geeigneten ImplantatÂ� volumens. Wir verwenden standardmäßig sowohl zur Brustrekonstruktion als auch zur ästhetischen Augmentation texturierte Silikongelimplantate. Die Implantatgröße orientiert sich außer bei einer angleichenden Augmentation bei einer einseitig hypoplastischen Brust meist an den Vorstellungen der Patientin. Da die Patientinnen€ in der Regel den Wunsch nach einer bestimmten CupGröße als Operationsziel äußern, lässt sich zum Ermitteln des beÂ� nötigten Implantatvolumens überschlagen, dass ein Implantat von 200€cm3 eine Augmentation um etwa eine Cup-Größe bewirkt (.€Abb.€77.6). Wir legen uns in der Regel jedoch präoperativ nicht auf eine bestimmte Implantatgröße fest, sondern behalten uns vor, intraoperativ das Implantatvolumen zum Erzielen einer harmonischen Brustform um das besprochene Volumen herum zu variieren. Die Implantatbasis sollte hierbei maximal der Brustbasisbreite entsprechen, da das Implantat sonst nach dem Einbringen nicht mehr von Brustgewebe bedeckt ist und v.€a. lateral tastbar subkutan zu liegen kommt. Die Implantatform wird indikationsabhängig gewählt. Hierbei ergeben runde Implantate eine gute Projektion in den oberen Quadranten und sind daher v.€a. bei ptotischen Brüsten mit ausreichender Weichteilbedeckung indiziert. Sie erlauben das Ausspannen eines vorhandenen relativen Hautüberschusses. Eine weitere Indikation für runde Implantate ist der Patientinnenwunsch nach Fülle v.€a. in den oberen Quadranten, um das Dekolleté zu betonen. Anatomische Implantate haben bei gleich großer Basis eine geringere Projektion
in den oberen Quadranten und erlauben daher bei hypoplastischen Brüsten mit wenig Brustdrüsengewebe einen natürlichen Brustansatz (.€Abb.€77.7). Bei Patientinnen mit einer großen Brustbasis erlauben anatomische Implantate ein Unterfüttern der gesamten Brustbasis durch ein geringeres Volumen, als dies mit runden Implantaten möglich wäre (.€Abb.€77.8). 77.2.2 Operative Technik
Präoperatives Vorgehen Präoperativ erfolgt die Planung an der aufrecht, mit leicht herabÂ� hängenden Armen stehenden Patientin. Es werden zunächst die Mediane und die beiden Brustumschlagsfalten markiert. Hierbei treten Asymmetrien deutlich hervor. Im nächsten Schritt werden Brustbasis und das geplante Ausmaß der Präparation zur Schaffung der Implantattaschen markiert. Es werden auch die geplanten Inzisionslinien eingezeichnet. Wir bevorzugen einen inframammären Zugang, da dieser eine sehr gute Übersicht sowohl bei epi- wie auch bei submuskulärer Implantatpositionierung erlaubt. Ziel ist es, die Narbe möglichst genau in die postoperative Brustumschlagsfalte zu positionieren. Formeln zur Berechnung der Höhenlokalisation der geplanten Inzision haben sich aufgrund der individuellen Patientenvoraussetzungen im klinischen Alltag nicht bewährt. Es ist zu bedenken, dass es durch das Aufspannen der Brust zu einer Kaudalisierung der
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Kapitel 77 · Mammareduktion und -augmentation
denen von der Patientin keine zusätzlichen Inzisionen zur Straffung der Brust gewünscht werden, empfiehlt sich die subglanduläre Implantatlage, um ein Überbetonung des oberen Brustpols bei fortbestehender Ptose der Restbrust (Snoopy-Phänomen) zu vermeiden.
Operatives Vorgehen > Die Operation beginnt in flacher Rückenlage mit 70° abduzierten Armen, jedoch ist bereits bei der Lagerung der Patientin darauf zu achten, dass ein intraoperatives Aufsetzen bis auf 60° möglich ist.
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b . Abb. 77.7╇ Patientin mit Mammahypoplasie (a). Postoperativ nach Mammaaugmentation subpektoral mit anatomischen Implantaten€(b)
Brustumschlagsfalte kommt. Die erforderliche Inzisionshöhe ist daher abhängig 4 von der Brustform, 4 vom vorhandenen Brustvolumen sowie 4 von der Implantatform und 4 dem eingebrachten Implantatvolumen. Die Inzisionslinien werden vom Operateur unter Berücksichtigung beidseits symmetrisch eingezeichnet. Die Länge der Inzisionslinie beträgt 4,5–5€cm ausgehend von einem Punkt 2€cm medial des tiefsten Punktes der Inframammärfalte nach lateral. Auch die geplante Implantatposition wird präoperativ mit der Patientin besprochen. Wir bevorzugen eine subpektorale Implantatlage. Neben der atraumatischen, digitalen Präparation der Implantattasche unter dem M.€pectoralis major sehen wir den Vorteil der submuskulären Implantatlage v.€a. in dem natürlich wirkenden Brustansatz. Weiterhin bietet diese Implantatlage gerade bei kleinen und hypoplastischen Brüsten den Vorteil einer guten Weichteilabdeckung. Auch wenn sich im Langzeitverlauf hierdurch keine geringere Kapselfibroserate erzielen lässt, so machen sich die Beschwerden, die mit einer Kapselbildung einhergehen, doch deutlich später bemerkbar. Eine subglanduläre Positionierung der Implantate ist dagegen indiziert, wenn durch ein großes Implantat ein weiter HautweichÂ� teilmantel aufgespannt werden soll. Auch bei ptotischen Brüsten, bei
Zur Vereinfachung der Orientierung müssen bei der OP-Abdeckung »Landmarken« wie das Jugulum, der Nabelansatz und die Schulterkappen sichtbar bleiben. Besonderer Wert ist auf eine symmetrische Abdeckung zu legen, da sonst eine symmetrische Implantatpositionierung deutlich erschwert ist. Die Inzision wird entsprechend der Planzeichnung auf einer Länge von 4–5€cm durchgeführt. Nun erfolgt eine senkrechte scharfe Präparation bis auf die Thoraxwand unter Darstellung des kaudalen Pektoralisansatzes. Zum Schaffen eines submuskulären Implantatlagers werden die kaudalen Pektoralisfasern scharf von ihrem Ansatz an der V.€und VI.€Rippe sowie dem unteren Sternum abgetrennt. Um einen späteren Implantatprolaps zu vermeiden, ist darauf zu achten dass das Ablösen des M.€pectoralis vom Sternum nicht über Mamillenhöhe hinaus ausgeweitet wird. Die Ausformung der Implantattasche geschieht dann durch stumpfe digitale Präparation unter dem M.€pectoralis major von medial nach lateral. ! Cave Um die Sensibilität der Mamille nicht zu gefährden, muss beim Mobilisieren nach lateral auf die Unversehrtheit des IV.€Interkostalnervs geachtet werden.
Zum Erzielen eines natürlichen Brustansatzes empfiehlt es sich, das Implantatlager nach kranial deutlich über den Durchmesser der Implantatbasis hinaus zu mobilisieren. Die medialseitige Gewebemobilisation sollte nicht näher als 2€cm an das Sternum heranreichen, da es leicht zur Ausbildung einer nur schwer zu korrigierenden Synmastie kommen kann. Während der gesamten Präparation ist auf eine penible Blutstillung zu achten. An der auf 60°aufgesetzten Patientin wird nun das endgültige Implantatvolumen mit Hilfe von Probeimplantaten bestimmt. Anschließend wird eine 12-er Redon-Drainage eingebracht und nach axillär ausgeleitet. > Um eine Keimkontamination des Implantates zu vermei den, erfolgt vor dem Einbringen des definitiven Implan tates ein kompletter Handschuhwechsel des Operations teams. Eine Kontamination durch Hautkontakt beim Einbrin gen wird vermieden, indem das Implantat durch einen sterilen Folienschlauch hindurch in die Implantathöhle lokalisiert wird.
Insbesondere bei großen Implantaten besteht die Gefahr, dass bei dem Versuch, das Implantat durch einen zu klein gewählten Zugang zu platzieren, Scherkräfte auftreten, die zu Rissen im kohäsiven Gel des Implantatkerns führen. Dies kann zu sichtbaren Deformierungen des Implantates führen und dieses trotz intakter Hülle unbrauchbar machen. Es empfiehlt sich daher, rechtzeitig eine Erweiterung der Inzision in Erwägung zu ziehen. Die korrekte und faltenfreie Lage des Implantates in der Implantattasche wird manuell überprüft und ggf. korrigiert. Insbeson-
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77.2 · Mamaaugmentation
dere bei anatomisch geformten oder tropfenförmigen Implantaten ist darauf zu achten, dass die Implantatachse der Brustachse entspricht. Der schichtweise Wundverschluss erfolgt erst nach AugmentaÂ� tion auch der kontralateralen Seite, da zum Herstellen einer möglichst weitgehenden Symmetrie Korrekturen der Implantatlage auch auf der zuerst operierten Seite erforderlich werden können. 77.2.3 Postoperatives Management Intraoperativ wird ein formender Pflasterverband angelegt. Zur Prophylaxe einer Implantatdislokation erfolgt eine redressierende Wicklung des Thorax mit Watte und elastischen Binden, welche ab dem 2.€postoperativen Tag durch einen Stütz-BH mit Stuttgarter Gürtel ausgetauscht werden. Wir empfehlen das Tragen des Stuttgarter Gürtels für 6€Wochen und des Stütz-BHs für 3€Monate. 77.2.4 Komplikationsmanagement Neben einer Nachblutung stellt die Wundinfektion mit Empyem des Implantatlagers sicher die schwerwiegendste Frühkomplikation nach Augmentation dar. Ein Infekt des Implantatlagers macht die sofortige Implantatentfernung erforderlich. Bei ausgedehntem Infekt empfiehlt es sich, für 3–4€Tage eine Spül-Saug-Drainage in die Wundhöhle einzulegen. Kommt es unter dieser Therapie und laufender i.v.-Antibiotikaapplikation nicht innerhalb von 2€Tagen zu einem Rückgang der Infektsymptomatik, ist eine Second-look-Operation indiziert. Eine Re-Augmentation sollte frühestens 6€Monate nach Abklingen des Infektes durchgeführt werden. Zuvor muss die Patientin jedoch über die Möglichkeit einer Augmentation durch Eigengewebeverlagerung (z.€B. M.€latissimus dorsi, »DIEP flap«) informiert werden. Die häufigste Spätkomplikation stellt die bereits erwähnte Kapselfibrose dar. In Abhängigkeit vom Ausprägungsgrad der Fibrose führen wir einen Implantatwechsel mit gleichzeitiger Kapsulektomie oder alleiniger Kapsulotomie unter Belassen der Kapselanteile durch. Besteht eine Kapselfibrose bei subglandulärer Implantatlage, empfiehlt sich eine submuskuläre Implantatverlagerung. Bei rezidivierender Kapselfibrosebildung ist der Patientin ebenfalls eine Augmentation durch Eigengewebeverlagerung anzubieten. Liegt eine Implantatruptur vor, so ist eine Exzision der Implantatkapsel in toto mit dem darin enthaltenen Implantat erforderlich.
Literatur Literatur zu 7€Kap.€77.1 Bostwick J (1983) Correction of breast ptosis. In aesthetic and reconstructive breast surgery. Mosby, St Louis Georgiade N, Georgiade G, Riefkohl R (1990) Esthetic breast surgery. In: Mc Carthy JG (ed) Plastic surgery. WB Saunders, Philadelphia Hall-Findlay EJ (1999) A simplified vertical reduction mammaplasty: shortening the learning curve. Plast Reconstr Surg 104: 748–759 Hoffmann AK, Wuestner-Hoffmann MC; Bassetto F, Scarpa C, Mazzoleni F (2007) Breast reduction: modified »Lejour technique« in 500 large breasts. Plast Reconstr Surg 120: 1095–1104 Iwuagwu OC, Walker LG, Stanley PW, Hart NB, Platt AJ, Drew PJ (2006) Randomized clinical trial examining psychosocial and quality of life benefits of bilateral breast reduction surgery. Br J Surg 93: 291–294 Kayar R (1996) The 200-gm reduction of breast should be enough for insurance coverage of reduction mammaplasty, Plast Reconstr Surg 97: 1312– 1320
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77
78
Gynäkomastie F.-M. Leclère, A. Handschin, K.-H. Breuing
78.1
Einleitung, Epidemiologieâ•… – 748
78.2
Präoperative Evaluationâ•… – 748
78.3
Operative Therapieâ•… – 748
78.3.1 78.3.2
Subkutane Mastektomieâ•… – 749 Fettabsaugung (Liposuktion)â•… – 750
78.4
Komplikationenâ•… – 750
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
78
748
Kapitel 78 · Gynäkomastie
78.1
Einleitung, Epidemiologie
Die Gynäkomastie bezeichnet eine gutartige Vergrößerung der männlichen Brustdrüse, die insbesondere bei jungen Patienten nach Abschluss der Pubertät auftreten kann und in dieser Altersgruppe mit einer Häufigkeit von bis zu 35% einhergeht (Braunstein 1993). Physiologisch kann die Gynäkomastie nach der Geburt auftreten und verschwindet dann in der Regel spontan. Ein weiterer Inzidenzanstieg ist im höheren Alter zu beobachten (>65€Jahre), hier liegt hormonell ein Rückgang der Testosteronproduktion zugrunde mit einer Veränderung des Östrogen-/Testosteronverhältnisses zugunsten des Östrogens. Histologisch ist die Vergrößerung der männlichen Brust bedingt durch: 4 Fettgewebshypertrophie (Pseudogynäkomastie), 4 Hypertrophie des Drüsengewebes (»echte« Gynäkomastie, Gynaecomastia vera), 4 Kombination aus Fett- und Drüsenhypertrophie. Die Kombination aus Fett- und Drüsengewebsüberschuss stellt die überwiegende Form der Gynäkomastie dar. Die Brustvergrößerung kann einseitig oder beidseitig vorhanden sein. In den meisten Fällen tritt die Gynäkomastie während bzw. nach Abschluss der Pubertät auf, ohne dass ein auslösender Faktor bestimmt werden kann (idiopathischer Typ; .€Übersicht). Häufig verschwindet diese idioÂ� pathische Form der adoleszenten Gynäkomastie wieder spontan, ohne dass eine medizinische oder chirurgische Therapie notwendig€wird. Neben der idiopathischen Form der Gynäkomastie gibt es zahlreiche ätiologische Faktoren und Begleiterkrankungen, die zu einer Zunahme des männlichen Brustdrüsenvolumens führen können. Diese sind in der .€Übersicht aufgeführt. Ursachen der Gynäkomastie 4 4 4 4
4 4 4 4 4
4 4
78.2
Idiopathisch (häufigste Ursache) Kongenital Alter (Rückgang der Testosteronproduktion) Medikamente (anabole Steroide, Östrogene, Antibiotika, Protonenpumpenhemmer, Digitoxin, Antidepressiva, Barbiturate, Finasterid) Neoplasien Hodentumor (Sertoli-Leydig-Zelltumor) Nebennierentumor Paraneoplastische Syndrome Endokrin (sekundärer Hypogonadismus, KlinefelterÂ�Syndrom, Cushing-Syndrom, kongenitale adrenale Hyperplasie, Hypothyreoidismus, Hyperthyreoidismus) Metabolisch (chronische Niereninsuffizienz, Dialyse, Lebererkrankungen, Mangelernährung) Drogen (Alkohol, Heroin, Marihuana, Amphetamine)
Präoperative Evaluation
Therapieziel.╇ Die Wiederherstellung einer phänotypisch männ-
lichen Brustform ist Ziel der plastisch-chirurgischen Therapie, der eine gründliche präoperative Evaluation vorausgehen muss. Durch die Feminisierung der männlichen Brust kann es bei den Betroffenen zu einem starken Leidensdruck mit sozialem Rückzug und psychischen Problemen kommen. Auch eine Kanzerophobie
. Tab. 78.1╇ Stadieneinteilungen der Gynäkomastie nach Simon et al. (1973)
Grad
Kennzeichen
I
Gering sichtbare Brustvergrößerung ohne Hautüberschuss
IIa
Moderate Brustvergrößerung ohne Hautüberschuss
IIb
Moderate Brustvergrößerung mit wenig Hautüberschuss
III
Weiblich geformte Brust mit Submammärfalte, Ptosis und deutlichem Hautüberschuss
kann gerade bei einseitigen Befunden zu einer starken Verunsicherung der Patienten führen (Leclère et al. 2008). In großen epidemiologischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Gynäkomastie und dem Auftreten eines Mammakarzinoms beim Mann gibt (Fentiman et al. 2006). Die Patienten müssen hierüber aufgeklärt sein. Die einzige Ausnahme stellt hierbei das Klinefelter-Syndrom dar, diese Patienten besitzen ein bis zu 16-fach erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Dennoch sollte jedes im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs entfernte Gewebe stets histopathologisch untersucht werden, da Zufallsbefunde von malignen und semimalignen Tumoren nach Gynäkomastieoperationen in der Literatur beschrieben sind (Handschin et al. 2008; Staerkle et al. 2006). > Jedes Präparat muss nach subkutaner Mastektomie histopathologisch untersucht werden!
Unter den Stadieneinteilungen der Gynäkomastie ist diejenige nach Simon et al. (1973) am gebräuchlichsten (.€Tab.€78.1). Die präoperative klinische Untersuchung umfasst eine ausführliche Anamnese, bei der insbesondere nach auslösenden Faktoren zu fragen ist. Daneben sind folgende Aspekte zu untersuchen und zu beschreiben: 4 Dauer der Beschwerden. 4 Einseitig/beidseitiger Befund. 4 Größe, Konsistenz, Symmetrie. 4 Vorhandensein von Brustknötchen und Lymphknoten. 4 Größe und Sensibilität der Brustwarzen. 4 Mastodynie? 4 Galaktorrhö? Insbesondere die Dauer der Beschwerden ist von Bedeutung, da nach längerer Zeit (Monate) der vergrößerte Brustdrüsenkörper fibrosiert und dann keine spontane Involution mehr zu erwarten ist. Die weiteren Abklärungen umfassen eine endokrinologischhormonelle Untersuchung sowie eine radiologische Abklärung mittels Ultraschall. Bei einseitigem Befund wird zusätzlich eine Mammographie empfohlen (Leclère et al. 2008). Bei unklaren Befunden kann auch eine Feinnadelpunktion zur weiteren Diagnostik durchgeführt werden. 78.3
Operative Therapie
Die Indikation für eine chirurgische Therapie ist zu stellen, falls die Gynäkomastie schmerzhaft ist oder eine vorangegangene medikamentöse Therapie keinen Erfolg hatte. Grundsätzlich muss bedacht werden, dass bei der Gynäkomastie nach ca. 18–24€Monaten das hypertrophierte Drüsengewebe fibrosiert. Dann ist eine Rückbil-
749
78.3 · Operative Therapie
a
a
b . Abb. 78.2╇ Gynäkomastie Stadium€III präoperativ (a) und nach subkutaner Mastektomie mit periareolärer Raffung€(b)
b . Abb. 78.1a, b╇ Schlechtes kosmetisches Ergebnis nach Korrektur einer Gynäkomastie Stadium€III über eine umgekehrte T-Schnitttechnik
dung nicht mehr zu erwarten und nur durch eine operative Therapie eine Wiederherstellung der männlichen Brust möglich. Erste Beschreibungen einer chirurgischen Therapie der Gynäkomastie gehen auf Paulus Aegineta (625–690 n.€Chr.) im heutigen Italien zurück, der eine Brustreduktion bei einem Mann über einen halbmondförmigen Schnitt durchführte. Eine Vielzahl von Operationstechniken zur Wiederherstellung der männlichen Brustform ist in der Literatur beschrieben. Dabei unterscheiden sich die Techniken v.€a. in der Schnittführung und der daraus resultierenden Narbenlänge. Vom kosmetischen Standpunkt aus sollten mit der unauffälligsten Narbe die oben genannten Ziele erreicht werden (.€Abb.€78.1, .€Abb.€78.2). > Eine Fotodokumentation ist vor und nach der Operation durchzuführen.
Als Standardverfahren zur operativen Behandlung der GynäÂ�koÂ� mastie gilt die subkutane Mastektomie, die mit oder ohne anÂ� gleichende Liposuktion durchgeführt werden kann. Bei Befunden mit ausgeprägtem Hautüberschuss kommen KomÂ�binationsÂ�techÂ� niken, z.€T. mit periareolären Straffungen und Mammareduktionsplastiken zur Anwendung (.€Abb.€78.2). Auch die alleinige LipoÂ� suktion hat seit kurzem an Bedeutung gewonnen, sie wird mit guten Ergebnissen v.€a. bei der Pseudogynäkomastie eingesetzt (.€Abb.€78.4). 78.3.1 Subkutane Mastektomie Die subkutane Mastektomie (.€Abb.€78.2) kann über verschiedene operative Zugangswege durchgeführt werden, wobei wir eine periareoläre, semilunäre Inzision nach Webster durchführen, die in der unteren Zirkumferenz der Mamille platziert wird (Webster 1946; Leclère et al. 2008). Es werden schrittweise unter Palpation von außen die CooperLigamente zur Dermis und die Verbindungen zur Pektoralisfaszie mit einem frischen 10-er Skalpell gelöst, nachdem zuvor über die periareoläre Inzision der Restdrüsenkörper mit einer Kocher-Klemme gefasst und schrittweise dargestellt wurde. Die Exstirpation erfolgt je nach Größe in einem oder mehreren Schritten. Um eine narbige Einziehung zur Pektoralisfaszie zu vermeiden, ist darauf zu achten, dass unter der Mamille ausreichend Gewebe zurückbleibt. Ein zu starkes Ausdünnen des retromamillären Gewebes führt zu
78
750
Kapitel 78 · Gynäkomastie
78
a . Abb. 78.3╇ Zeichnung für die periareoläre Straffung nach Huang. Der innere Kreis hat die Größe der neuen Mamille. Der zu resezierende Hautüberschuss kann sowohl konzentrisch als auch exzentrisch geplant werden. Bei der exzentrischen Exzision wird die Mamille neu positioniert
ästhetisch schlechten Ergebnissen mit eingezogenen Mamillen oder sogar Nekrose der Mamillen. Nach der Drüsenkörperresektion kann das umliegende Gewebe sorgfältig mit der Liposuktion angeglichen werden. Die Einlage einer Drainage ist obligatorisch. > Subkutane Mastektomie: Genügend Gewebe retromamillär belassen!
Im Falle eines Hautüberschusses nutzen wir die periareoläre Straffung nach der Technik von Huang und Benelli (Huang et al. 1982; Benelli 1990). Durch eine Resektion wird der Hautüberschuss zwischen 2€Kreisen entfernt (.€Abb.€78.3, .€Abb.€78.4). Die Planung der periareolären Raffung kann sowohl konÂ� zentrisch als auch exzentrisch erfolgen. Bei der konzentrischen Exzision bleibt die Mamille an ihrer ursprünglichen Position, während bei der exzentrischen Planung die Mamille neu positioniert wird und so je nach Bedarf eine Kranialisierung oder Medialisierung erfolgen kann. Jeder Patient erhält ein Kompressionsmieder, das für 4–6 Wochen postoperativ zu tragen ist (Leclère et al. 2008). Hierdurch Â�können die Hauptkomplikationen (Hämatom, Serom) vermieden werden. > Gynäkomastieoperation: Konsequente Kompression postoperativ für mindestens 6–8€Wochen!
Insbesondere nach ausgedehnter Liposuktion kann mit zunehmenÂ� der und zu früher Aktivitätsaufnahme das Weichteilgewebe sehr schnell wieder ödematös werden und dann zur hartnäckigen Weichteilschwellung führen, die vom Patienten als »schlechtes« OperaÂ� tionsergebnis angesehen wird. Eine mehr oder weniger komplette Vernarbung sollte daher unbedingt abgewartet werden. 78.3.2 Fettabsaugung (Liposuktion) Die Fettabsaugung findet zunehmende Anwendung in der chirurgischen Behandlung der Gynäkomastie. Insbesondere bei der Pseudogynäkomastie sowie bei Formen mit überwiegend Fett-/Drüsenüberschuss ohne Notwendigkeit der Hautentfernung sind gute Ergebnisse beschrieben worden (.€Abb.€78.5).
b . Abb. 78.4a, b╇ Periareoläre Straffung nach Huang u. Benelli. Der Hautüberschuss wurde konzentrisch exzidiert (a). Durch den Wundverschluss kommt es zu der gewünschten periareolären Raffung€(b)
Zur Vorbereitung der Liposuktion wird lateral in der Submammärfalte eine Stichinzision durchgeführt, über die 500€ml Tumeszenzlösung mit NaHCO, Scandicain und Epinephrin im Fettdrüsenkörper verteilt werden. Nach einer 20-minütigen Einwirkzeit wird im eigenen Vorgehen in Ultraschalltechnik vorgegangen. Bevor die oberflächliche Absaugung mit der 3-mm-Sonde erfolgt, um im Sinne des Liposculpturings eine Retraktion der Haut zu erreichen, muss zuerst die Aspiration von verflüssigtem Fett und verbliebenen Fettzellen zunächst in den tiefen, epifaszialen Schichten mit der 5-mm-Absaugsonde durchgeführt werden. Vor allem im Subkutanbereich ist auf ständige Bewegung der Ultraschallsonde zu achten, da es sonst durch lokale Hitzeentwicklung zu einer Hautnekrose kommen kann. 78.4
Komplikationen
Komplikationen der operativen Therapie werden in der Literatur mit einer Häufigkeit von 3–28% angegeben (Steele et al. 2002; Wiesman et al. 2004). Häufige Komplikationen (ca. 7%) sind Nachblutungen und Hämatome sowie eine Serombildung (Handschin et al. 2008). Die konsequente Kompressionstherapie über einen Zeitraum von 6–8€Wochen reduziert diese Rate erheblich. Weitere, seltene Kompli-
751
78.4 · Komplikationen
a
b
. Abb. 78.5a, b╇ Liposuktion. Die alleinige Liposuktion eignet sich insbesondere für die Behandlung der Pseudogynäkomastie ohne vergrößerten und fibrosierten Drüsenkörper und ohne wesentlichen Hautüberschuss
kationen sind Wundheilungsstörungen, Epidermolysen, Hautnekrosen Asymmetrien und Sensibilitätsverlust der Mamillen.
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79
Formkorrektur an der oberen Extremität F.-M. Leclère, A. Gohritz
79.1
Zielsetzungâ•… – 754
79.2
Diagnostisches Vorgehenâ•… – 754
79.2.1
Klassifikationâ•… – 754
79.3
Therapiewahlâ•… – 754
79.3.1 79.3.2
Operationstechniken am Oberarmâ•… – 754 Operationstechniken an der Handâ•… – 757
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
754
Kapitel 79 · Formkorrektur an der oberen Extremität
Eingriffe zur ästhetischen Konturierung an der oberen Extremität, meist am Oberarm, sind v.€a. nach extremer Gewichtsabnahme indiziert. Sie wurden bereits 1931 von Joseph beschrieben, in der südamerikanischen Literatur 1954 durch Correa-Iturraspe und Fernandez. Allerdings wurden häufig Komplikationen und suboptimale Ergebnisse angegeben, und mehr als 20€Jahre verstrichen, ehe neue Techniken erfunden wurden, um die Brachioplastik sicherer und effektiver zu machen. Selten werden auch ästhetisch-plastische Eingriffe zur Verschönerung der Hände durchgeführt. 79.1
79
Zielsetzung
Ziele der Formverbesserung an der oberen Extremität sind v.€a. 4 Reduktion des Haut- und Fettüberschusses an der oberen Extremität, v.€a. im Bereich von Oberarm- und Axilla, unter 5 Vermeidung auffälliger Narben, möglichst mit Positionierung im Sulcus brachialis, sodass sie bei hängendem Arm kaum und nur bei Abduktion sichtbar sind, 5 Verringerung von Seromrate und Lymphödemen durch geringe Gewebeunterminierung. Die Wahl des richtigen Operationsverfahrens, um optimale Ergebnisse zu erzielen, basiert auf der anatomischen und ästhetischen Analyse des Patienten, v.€a. nach massiver Gewichtsabnahme. 79.2
Diagnostisches Vorgehen
Die präoperative Untersuchung eines Patienten, der eine Formverbesserung an Oberarm oder Händen wünscht, dient der Bestimmung der besten Behandlungsmethode. Am Oberarm bestehen nach Hurwitz folgende Deformitäten: 4 Die Oberarmhaut hängt vom hinteren Rand der Axilla bis zum Ellbogen schlaff herab. 4 Die hintere Axillarfalte ist entlang der hinteren Axillarlinie herabgesunken. 4 Die Axilla wirkt übergroß und verzerrt. 4 Die vordere axilläre Falte ist schlecht definiert und steht nicht in Relation zur Brust. Die Bestimmung des Ausmaßes an überschüssigem Fett erfolgt durch den Kneiftest (Pinch-Test). Patienten mit mehr als 1,5€cm Fettüberschuss beim Pinch-Test sind potenzielle Kandidaten für eine zusätzliche Liposuktion. 79.2.1 Klassifikation Die Klassifikation nach Appelt et al. (2006) unterscheidet drei große Typen, die in .€Tab.€79.1 dargestellt sind. 79.3
Therapiewahl
Der individuelle Therapieplan basiert auf den Methoden der Lipoaspiration, der brachioplastischen Resektion oder der Kombination aus beiden Verfahren. Ihre Indikationen sind in .€Abb.€79.1 zusammengefasst, die die Arbeiten von Appelt et al. (2006) aufnimmt und komplettiert.
. Tab. 79.1╇ Klassifikation nach Appelt et al. (2006)
Typ
Haut- überschuss
Fett- überschuss
Lage des Haut- überschusses
I
Minimal
Leicht
Nicht feststellbar
IIa
Leicht
Minimal
Proximal
IIb
Leicht
Minimal
Ganzer Arm
IIc
Leicht
Minimal
Arm und Brust
IIIa
Leicht
Leicht
Proximal
IIIb
Leicht
Leicht
Ganzer Arm
IIIc
Leicht
Leicht
Arm und Brust
79.3.1 Operationstechniken am Oberarm
Liposuktion Im Bereich der Oberarme ist die Fettabsaugung allein nur selten hilfreich (Typ€I der Klassifikation nach Appelt et al. 2006). In der Regel benötigen die Patienten eine Oberarmstraffung, um akzeptable Ergebnisse zu erzielen. Fettabsaugungen an der oberen Extremität werden mit dünnen Spezialkanülen durchgeführt, die Durchführung der ultraschallunterstützten Liposuktion ist nur bei großer Erfahrung ratsam. Ein klinisches Beispiel ist in .€Abb.€79.2 gezeigt.
Dermatolipektomie Gemeinsames Ziel aller Techniken ist die Reduktion des erschlafften und durchhängenden Gewebes. Dies geschieht einerseits durch Straffung der Faszie und der Haut, andererseits durch Exzision von überschüssigem Gewebe. Ein klinisches Beispiel ist in .€Abb.€79.3 gezeigt. Anzeichnung
Der präoperativen Markierung der Schnittführung kommt große Bedeutung zu. Die resultierende benötigte Narbe sollte unauffällig am medialen Oberarm zu liegen kommen, am besten im Verlauf des Sulcus bicipitalis medialis (Linie zwischen Mittelpunkt der Axilla und dem Epicondylus humeri medialis. Bei »Verrutschen« der Schnittführung, v.€a. nach dorsal, entstehen sehr auffällige, z.€T. schon von weitem sichtbare Narben. > Die Anzeichnung erfolgt präoperativ am sitzenden wachen Patienten mit 90° abduzierten Armen. Diese Stellung wird auch für die präoperative Fotodokumentation empfohlen, um die maximale Erschlaffung des Gewebes am besten sichtbar zu machen.
Bei der Anzeichnung sollten auf beiden Seiten die jeweils korrespondierenden gegenüberliegenden Hautanteile durch quere Linien gekennzeichnet werden, um eine exakt seitengleiche Geweberesektion und einen symmetrischen Hautverschluss zu erleichtern. ! Cave In der Achselhöhle sind gerade Schnittführungen mit der Gefahr von Narbenkontraktur zu vermeiden. Die Narbe wird besser durch eine Z-Plastik oder eine Inzision in Form eines in die Axilla geöffneten V aufgelöst.
755
79.3 · Therapiewahl
. Abb. 79.1╇ Entscheidungsbaum zur Therapiewahl bei der Oberarmstraffung. (Mod. nach Appelt et al. 2006)
a
b
. Abb. 79.2a, b╇ Lipoplastik an den Oberarmen durch Liposuktion bei M.€Madelung. Die Zugänge werden jeweils distal am Oberarm (Pfeil) gewählt, da hier der beste Aktionsradius für die Kanüle besteht
79
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79
Kapitel 79 · Formkorrektur an der oberen Extremität
a
c
b
d
. Abb. 79.3╇ Lipoplastik an den Oberarmen durch Dermolipektomie bei massivem Hautüberschuss (a,€b). Entscheidend für ein befriedigendes Ergebnis ist neben der Formgebung die Positionierung der Narben. Durch
eine medialseitig bogenförmige Inzision (a), die konvex in Richtung Bizeps orientiert ist, wird ein postoperatives »Abwandern« der Narbe nach dorsal in den sichtbaren Bereich verhindert€(c,€d)
Besonders nach massiver Gewichtsabnahme kann die Schnittführung mit der Inzision einer simultanen Bruststraffung kombiniert werden, meist wird in dieser Situation zu einer geschwungenen Schnittführung geraten.
dass die Gefahr der Narbenverlagerung nach dorsal in den sichtbaren Bereich verhindert wird.
> Die Inzision am Oberarm sollte im Verlauf des Sulcus bicipitalis medialis geplant werden.
Hier ist eine weitgehend gerade Schnittführung – nach ventral konvexe oder nach Pitanguy eine S-förmig geschwungene – Inzision an der Oberarminnenseite möglich. Die Schnittführung endet meist vor dem Ellbogen. Nur bei ausgeprägter Hauterschlaffung im distalen Oberarmbereich sollte eine T-förmige Gewebeexzision nach Juri angeschlossen werden. Die Inzision sollte stets so platziert werden,
Anästhesie und Lagerung
Oberarmstraffungen erfordern meist eine Vollnarkose. Die Arme werde auf Armtischen steril in 90° Abduktion gelagert. Gewebeexzision und -straffung
Gemäß der vorher markierten Schnittführung erfolgt in der Axilla die Resektion von überschüssiger Haut und subkutanem Fettgewebe bis auf die axilläre Faszie. Die Inzision im Bereich des Arms erfolgt durch das oberflächliche Fasziensystem hindurch. Das zu resezierende Gewebe wird unterhalb dieser Ebene durch teils stumpfe, teils
757
79.3 · Therapiewahl
scharfe Dissektion angehoben, wobei nur eine minimale Unterminierung der Wundränder erfolgen sollte. Wundverschluss
Nach der Exzision der Gewebeüberschüsse erfolgt immer ein mehrschichtiger Wundverschluss. In der Tiefe erfolgt eine Faszienaufhängung mit nicht resorbierbaren Nähten der Stärke 1-0, an der Dermis wird mit 3-0 und an der Haut mit 4-0 mit resorbierbarem Fadenmaterial genäht. Drainagen müssen nach sorgfältiger Blutstillung nicht unbedingt eingelegt werden. Von einigen Autoren wird allerdings die Einlage von Drainagen mit Ausleitung in der Axilla zur Erhöhung der Sicherheit empfohlen. Nach der Operation sollte ein leicht komprimierender Verband angelegt werden. Eine Lage gewickelter Watte schützt vor einem Abdruck der oberflächlichen KompressionsÂ� wickelung.
aktiv und verblassen nur zögerlich. Der Hautüberschuss ist über den gesamten Oberarm verteilt und nicht auf die Regionen Axilla und Ellbogen beschränkt. Häufig ist es notwendig, die Narbenverläufe auf die Regionen laterale Thoraxwand und proximaler Unterarm auszudehnen, um eine entsprechend ausreichende Hautstraffung zu erzielen. Nachbehandlung
Ein dicker Verband reicht von der Hand bis in die Axilla. Nachdem die Wunde geheilt ist, sollte eine leichte Kompression für 2–4€Wochen mit schrittweiser Wiederkehr zum normalen Alltagseinsatz der oberen Extremität begonnen, anfangs jedoch eine maximale Abduktion vermieden werden. 79.3.2 Operationstechniken an der Hand
Postoperative Maßnahmen
Hautstraffung (»Hand lifting«)
Lockere Kompressionsbandagen und leicht elevierte Arme für die ersten 3€Tage nach der Operation führen zu einer guten Abschwellung und sind angenehm für den Patienten. Es werden intrakutane resorbierbare Fäden verwendet und den PaÂ�tienten sind anstrengende Armbelastungen für 4€Wochen untersagt.€Kompressionsbandagen reduzieren die Ausbildung überschießender Narben.
Operationen zur Faltenstraffung am Handrücken sind bekannt, meist von einer in der Handgelenkfalte oder an der ulnaren Handkante gelegenen Inzision aus, werden aufgrund häufig unbefriedigender Resultate und erheblicher Komplikationsmöglichkeiten jedoch nur selten angewandt.
Aufklärung und Komplikationen Die Brachioplastik führt unvermeidbar zu langen Narben. Hierüber muss der Patient im Aufklärungsgespräch informiert werden. Der Patient und der Plastische Chirurg sollten zwischen dem ästhetischen Gewinn durch die Brachioplastik und den verbleibenden Narben abwägen. Da es sich um einen rein ästhetischen – und darüber hinaus relativ komplikationsträchtigen – Eingriff handelt, muss der Patient über alle Komplikationen, auch die seltenen, aufgeklärt werden (.€Übersicht).
Autologe Fettinjektion Die Auffüllung atrophierten subkutanen Fettgewebes an der Altershand kann bei Anwendung von freien Fettgewebstransplantaten in mehreren Sitzungen nach dem Coleman-Verfahren (Coleman 1995) zu guten Resultaten führen. Besondere Vorsicht ist angezeigt, um die Handrückenvenen nicht zu beschädigen und die Fettgewebspartikel in vielen Kanälen zu platzieren. Das transplantierte Fettgewebe schafft ein pralleres subkutanes Fettgewebspolster und kaschiert dadurch die durch den Alterungsprozess vermehrte Venenzeichnung. Nach der Operation kann es zu Pigmentverschiebungen kommen. In diesen Fällen ist die Behandlung mit 4%igem Hydrochinon erfolgversprechend.
Komplikationen der Brachioplastik 4 Ungünstige sichtbare oder hypertrophe Narben (die Narbenreifung dauert am Oberarm 18–24€Monate, erst dann ist eine feine abgeblasste Narbe zu erwarten) 4 Unschöne Gewebeübergänge, v.€a. an Axilla und Ellbogen 4 Konturunregelmäßigkeiten 4 Ödeme (daher möglichst keine venösen Zugänge im Bereich der Arme) 4 Lymphödem oder Lymphozele 4 Serome (wenn nötig Punktion) 4 Wundinfektionen, Dehiszenzen oder Nahtabszesse 4 Über- oder Unterresektion 4 Ausbildung von queren Hautfalten 4 Verletzung von Strukturen im Operationsgebiet, am häufigsten des N.€cutaneus antebrachii medialis, selten SchäÂ�digung tiefer gelegener Strukturen in der Axilla oder im Septum intermusculare (Nerven, Gefäße, Lymphbahnen)
Gerade bei dieser Operation sollte eindringlich auf die lang verlaufenden, deutlich sichtbaren Narben hingewiesen werden, die bereits bei kurzärmeliger Kleidung sichtbar sind. Im Gegensatz zu anderen Körperregionen sind die Narben im Bereich der Oberarme lange
Literatur Abramson, DL (2004) Minibrachioplasty: Minimizing scars while maximizing results. Plast Reconstr Surg 114: 1631 Appelt EA, Janis JE, Rohrich RJ (2006) An algorithmic approach to upper arm contouring. Plast Reconstr Surg. 118 (1): 237–46 Correa-Iturraspe, M, Fernandez JC (1954) Dermolipectomia braquial. Prensa Med Argent 34: 2432 Gilliland MD, Lyos AT (1997) CAST liposuction of the arm improves aesthetic results. Aesth Plast Surg 21: 225 Glanz S, Gonzalez-Ulloa M (1981) Aesthetic surgery of the arm: Part I. Aesth Plast Surg 5: 1 Hurwitz DJ, Holland SW (2006) The L brachioplasty: an innovative approach to correct excess tissue of the upper arm, axilla, and lateral chest. Plast Reconstr Surg 117 (2): 403–11 Knoetgen J 3rd, Moran SL (2006) Long-term outcomes and complications associated with brachioplasty: a retrospective review and cadaveric study. Plast Reconstr Surg 117 (7): 2219–2223 Lockwood, T (2000) Contouring of the arms, trunk, and thighs. In Achauer BM (ed) Plastic surgery: indications, operations, and outcomes, 1st edn. Mosby, St. Louis, pp 2839–2858 Pitanguy I (1975) Correction of lipodystrophy of the lateral thoracic aspect and inner side of the arm and elbow dermosenescence. Clin. Plast Surg 2: 477 Pitanguy I (2000) Evaluation of body contouring surgery today: A 30-year perspective. Plast Reconstr Surg 105: 1499
79
758
Kapitel 79 · Formkorrektur an der oberen Extremität
Regnault P (1983) Brachioplasty, axilloplasty, and pre-axilloplasty. Aesth Plast Surg 7: 31 Rohrich RJ Beran SJ, Kenkel JM (1998) Back and arms. In: Rohrich RJ, Beran SJ, Kenkel JM (eds) Ultrasound-assisted liposuction, 1st edn. Quality Medical Publishing, St. Louis, pp 231–252 Teimourian B, Malekzadeh S (1998) Rejuvenation of the upper arm. Plast Reconstr Surg 102: 545 Vogt PA, Baroudi R (1994) Brachioplasty and brachial suction-assisted lipectomy. In: Cohen M (ed) Mastery of plastic and reconstructive surgery, 1st edn. Little, Brown, Boston, pp 2219–2236
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80
Formkorrektur an Gesäß und unterer Extremität A. Gohritz, H. Sorg
80.1
Diagnostikâ•… – 760
80.2
Indikationsstellungâ•… – 760
80.2.1 80.2.2 80.2.3 80.2.4
Mediale Oberschenkelstraffungâ•… – 760 Straffungsoperationen im Gesäß-Oberschenkel-Bereichâ•… – 760 Liposuktion an der unteren Extremitätâ•… – 761 Formkorrekturen am Unterschenkelâ•… – 762
80.3
Komplikationen und Risikenâ•… – 762
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
760
Kapitel 80 · Formkorrektur an Gesäß und unterer Extremität
Der Wunsch nach einer ästhetischen Operation an den unteren ExtreÂ�mitäten und am Gesäß ist im Vergleich zu anderen Körperregionen eher selten anzutreffen. Es hat sich jedoch im Laufe der Jahre eine erhebliche Erweiterung möglicher Indikationen und Techniken ergeben. Chirurgische Eingriffe zur Konturverbesserung in diesen Regionen umfassen v.€a. 4 Straffungsoperationen am Oberschenkel, 4 Straffungsoperationen und Konturverbesserungen am Gesäß, 4 Liposuktion im Bereich des gesamten Beins und 4 Operationen zur Verminderung, selten auch zur Augmentation (Implantation) des Wadenumfangs. 80.1
80
Diagnostik
Die meisten Patienten, die aufgrund eines ästhetischen Problems der unteren Extremitäten auf die Hilfe des Plastischen Chirurgen hoffen, beklagen einen störenden Fettgewebeüberschuss am Oberschenkel glutäal, medial oder in der Trochanterregion sowie im Kniebereich, seltener auch am Unterschenkel oder im Waden- und Knöchelbereich. Dieser kann inspektorisch und durch Kneiftest festgestellt werden. Bei der Planung operativer Maßnahmen sind wichtige anatoÂ�miÂ�sche Strukturen, v.€a. Gefäße und Nerven, aber auch Hauptbahnen€der Lymphabflusswege zu berücksichtigen und unbedingt zu schonen. 80.2
Indikationsstellung
Die Fettabsaugung bietet die Möglichkeiten, Deformitäten in bestimmten Bereichen zu korrigieren, in denen postoperativ eine Aussicht auf eine elastische Retraktion der Haut besteht (.€Abb.€80.1). Bei weniger elastischen Hautüberschüssen bleibt die straffende Dermatolipektomie die Methode der 1.€Wahl. 80.2.1 Mediale Oberschenkelstraffung Das Fettverteilungsmuster bei Frauen unterscheidet sich von dem bei Männern. Aufgrund einer weniger elastischen Haut im Oberschenkelbereich kommt es schon früher zur Gewebeerschlaffung mit Ausbildung von Hängefalten. Auch über den Knien und unterhalb des charakteristischen »Reithosenspecks« sowie unterhalb des Gesäßes bilden sich Hautfalten, die durch den von oben nach unten drückenden Weichteilschub zu typischen Gewebsstauchungen führen. Bei der Resektion von überschüssigem Haut- und Fettgewebe im Oberschenkelbereich handelt es sich oft um einen aufwendigen Eingriff, der in manchen Fällen eine intraoperative Umlagerung des Patienten notwendig macht. ! Cave Solche Eingriffe sollten nur bei Patienten ohne wesentliche Risikofaktoren durchgeführt werden, v.€a. hinsichtlich Wundheilungsstörungen und Lymphstauungen.
Operationstechnik Zunächst erfolgt die präoperative Anzeichnung am stehenden PatienÂ�ten. Die Beine sind gespreizt. Als erstes werden die Regionen mit Fettüberschüssen für die Liposuktion eingezeichnet, dann wird
das femorale Dreieck markiert, um eine intraoperative Verletzung in diesem Bereich zu vermeiden. Die gedachten Inzisionslinien werden an der Oberschenkelinnenseite am Sitzbein angezeichnet. Sie reicht weiter medial entlang der Innenseite der Gesäßfalte und setzt sich nach vorn bis etwa auf Höhe der Labia majora bei der Frau fort. Mit einem Pinch-Test wird das Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger genommen und eine elliptische Exzisionslinie eingezeichnet. Bei Patienten, bei denen unterhalb des oberen Oberschenkeldrittels ein Hautüberschuss besteht, wird weiterhin eine vertikale Ellipse angezeichnet, sodass im Endresultat eine T-förmige Narbe entsteht (.€Abb.€80.2). > Der Patient muss präoperativ eingehend über die nicht selten auffälligen Narben informiert werden.
80.2.2 Straffungsoperationen
im Gesäß-Oberschenkel-Bereich
Bei der Dermolipektomie in der Glutäal-Oberschenkel-Region handelt es sich um eine zirkumferenzielle oder teilzirkumferenzielle Haut-Fettgewebs-Resektion zur Definition der Infraglutäalfalte. Der Glutäalbereich wird diagonal nach oben gezogen oder in die Infraglutäalfalte gelegt. Bei hoher Inzisionslinie kann die entstehende Narbe gut in der Unterwäsche verdeckt werden. Es besteht jedoch der Nachteil des Flachziehens des Gesäßprofils. Dies wird bei einer tieferen Narbenführung weitgehend vermieden, dafür sind hier die Narben oft auffälliger. Für die Straffung der Glutäalregion kann ein deepithelisierter dermaler Lappen zur Anwendung kommen. Dieser muss im Vorfeld am stehenden Patienten angezeichnet werden (.€Abb.€80.3). Hierfür muss zunächst die bestehende sowie die neue infraglutäale Falte markiert werden. Zudem sollte die Zone der Deepithelialisierung angezeichnet werden. Für die Operation liegt der Patient in Bauchlage mit etwas erhöhter Glutäalregion. Im ersten Schritt wird die präoperativ markierte Zone deepithelisiert und anschließend horizontal in einen kranialen 2/3- und einen kaudalen 1/3-Lappen unterteilt. Diese Teilung repräsentiert die neue Infraglutäalfalte. Im Weiteren wird nun eine tiefe Schicht bis auf die Glutäalfaszie unterminiert. Gegebenenfalls kann hier nun überschüssiges Fett reseziert werden. Der kraniale Lappen wird nun mit Prolenefäden an die Glutäalfaszie genäht und führt am Ende zur Position der neuen glutäalen Kurvatur und der Infraglutäalfalte. Der kaudale Lappen wird an die erste Naht des kranialen Lappens zurückgenäht. Die Hautnaht erfolgt durch intradermale Naht (3-0- oder 4-0-Monocryl) des kaudalen Lappens an die kraniale Haut (.€Abb.€80.3). Wenn ein schlaffer Hautüberschuss auf der Oberschenkelinnenseite auch mit dorsaler Rotation des Lappens nicht verbessert werden kann, muss er mit einer medialen Dreiecksresektion entfernt werden. Weiter distal gelegenes, störendes Fett kann abgesaugt werden, was auch das Verlagern des Lappens erleichtert. > Wesentlich für die Dauerhaftigkeit des Ergebnisses sind die tiefen Verankerungen des Lappens mit Einzelknopfnähten an der Adduktorenfaszie im Bereich des Tuberculum pubicum.
Wir benützen dazu spät resorbierbares Nahtmaterial der Größe€0. Ebenfalls unerlässlich sind mehrschichtige Fasziennähte im ganzen Wundrandbereich, wobei nicht nur der repositionierte Haut-/Fettlappen tief an der Muskelfaszie verankert wird, sondern auch die in
761
80.2 · Indikationsstellung
a
b
c
d
. Abb. 80.1a–d╇ Aspirationslipektomie bei einer Patientin mit typischer Reithosendeformität, vor und nach beidseitiger Absaugung an Hüfte und lateralem Oberschenkel in Tumeszenztechnik
Zwischenebenen durch das Fettgewebe ziehenden, oberflächlichen (Scarpa-) Faszien als Haltestruktur verwendet werden. In diesem Bereich verwenden wir meist 3-0 resorbierbares Nahtmaterial. Um einer sekundären Deformität vorzubeugen, empfiehlt es sich, einen breiten deepithelisierten Fettlappen unter den Nahträn dern vorzuziehen und hoch zu verankern. Hoch eingenähte Dermis zügel können ebenfalls ein distales Absacken der Haut-Fett-Massen verhindern. Wird eine vermehrte Rundung des Gesäßes gewünscht, kann das überschüssige Fettgewebe gestielt zur formverbessernden Augmentation der Glutäalregion genutzt werden.
Ist eine Abdominoplastik ebenfalls indiziert, so kann sie mit ei ner zirkumferenziellen oder teilzirkumferenziellen Oberschenkel dermolipektomie kombiniert werden. 80.2.3 Liposuktion an der unteren Extremität Die Ergebnisse und Anforderungen an eine Fettabsaugung an der unteren Extremität unterscheiden sich abhängig von den jeweiligen Regionen.
80
762
Kapitel 80 · Formkorrektur an Gesäß und unterer Extremität
Absaugen auf der Grazilismuskulatur, welches nahezu unkorrigier bare, ästhetisch entstellende Einziehungen herbeiführt. Falls erfor derlich, kann jedoch eine innere Oberschenkelstraffung kombiniert eingesetzt werden mit einer gleichzeitigen Absaugung bis hinunter in die Oberschenkelmitte. ! Cave Kombinationen von Liposuktion mit chirurgischen Resektionen können die Komplikationshäufigkeit steigern.
Knieregion
a
80
In der Knieregion liegt bei vielen Patientinnen ein Fettpolster vor, das die schlanke Kontur der Beine beeinträchtigen kann. Dieses Polster kann jedoch leicht abgesaugt werden. Hierbei werden gute Resultate erzielt, wenn der Ausläufer zum Tibiakopf hin mit abge saugt wird. Im Gegensatz dazu lässt sich die Außenseite des Kniege lenks und insbesondere der oberhalb der Patella gelegene Wulst kaum absaugen, da das Fett hier stark septiert ist.
Knöchelregion Die Region der Fesseln ist ebenso eine relativ schwierige Zone, da es hier keine eigentlichen Fettpolster gibt, sondern nur das oberfläch liche subkutane Fett verdickt ist. Hier besteht das Risiko einer ve nösen oder lymphatischen Rückflussstauung nach der Absaugung. Es kann Monate dauern, bis die Ödeme verschwinden, und zudem können Hyperpigmentierungen auftreten. Auch dauerhafte Lymph abflussstörungen sind möglich. b . Abb. 80.2a, b╇ Inzisionslinien bei der medialen Oberschenkelstraffung
Proximale Oberschenkelaußenseite Bei der sog. Reithosendeformität (.€Abb.€80.1) besteht zwischen der Fascia superficialis und der Aponeurose ein dickes Fettpolster, das mit größeren Kanülen relativ leicht abgesaugt werden kann. Für die oberflächliche Fettschicht sind längere dünne Kanülen geeig neter. Die Übergänge zu den oberen, hinteren und unteren Fettde pots am Gesäß sind fließend und müssen dementsprechend beachtet werden. Ungefähr 4€cm unterhalb der Gesäßfalte befindet sich ein straf fes Band, das Lig.€ischeocutaneum. Dieses kann locker sein und da mit eine ausgebildete Gesäßfalte verhindern, oder es kann eine dop pelte oder dreifache Falte verursachen. Manchmal entsteht beim Absaugen von »Reithosen« eine Gesäßfalte von selbst, oder sie kann durch Absaugen unterhalb der Gesäßfalte geschaffen werden, wobei das subkutane Fett unter der Lederhaut in der gedachten Falte abge saugt wird. Im besten Falle ergibt sich eine Einziehung der Haut, dies kann jedoch nicht garantiert werden.
Hüftbereich Bei manchen Frauen kann sich das Hüftfett bis zur Wirbelsäule aus dehnen und in dieser Region oft leicht abgesaugt werden. Mit einer gebogenen Kanüle kann hier meist ohne Risiko sehr oberflächlich (ca. 1€cm unter der Lederhaut) abgesaugt werden.
Oberschenkelinnenseite Dies ist eine relativ schwierige Zone für die Absaugung, da sie nur wenige Fehler verzeiht. Meist liegt hier ein dickeres Fettpolster mit sehr schwerer Haut vor, die nach der Absaugung nur wenig schrumpft und zur Falten-Dellen-Bildung neigt. Riskant ist ein zu aggressives
80.2.4 Formkorrekturen am Unterschenkel Hier sind operativ grundsätzlich Verminderungen oder Vergröße rungen des Wadenumfangs möglich.
Wadenvergrößerung Eine Augmentation im Bereich des Unterschenkels kann durch Ein lage von speziellen Implantaten, meist subfaszial, erreicht werden.
Wadenverschmälerung Eine Umfangsverminderung bei Wadenhypertrophie wird allgemein selten, jedoch anscheinend vermehrt von Patienten aus dem asia tischen Raum gewünscht, die unter einer ihrer Meinung nach zu stämmigen Form ihrer Waden leiden. Grundsätzlich sind zwei Tech niken möglich: 4 Verschmächtigung durch Resektion von Haut oder sogar Mus kulatur, z.€B. des M.€soleus, 4 gezielte Denervation zur Atrophie der Unterschenkelmuskulatur (z.€B. der Mm.€gastrocnemici). Im eigenen Vorgehen werden rein ästhetische Formkorrekturen des Unterschenkels mittels Expander oder Muskelreduktionen wegen des Risikos schwerwiegender Komplikationen nicht durchgeführt. 80.3
Komplikationen und Risiken
Bei ästhetischen Korrekturen an der unteren Extremität sind v.€a. bei geringer Erfahrung des Operateurs oder ungenügender Berücksich tigung der anatomischen Gegebenheiten folgende Risiken zu be achten: 4 Überkorrekturen (Übersaugung) mit nachfolgenden Konturun regelmäßigkeiten, wie z.€B. Dellen- oder Wellenbildung, doppel
763
80.3 · Komplikationen und Risiken
b
a
d
c . Abb. 80.3╇ a Präoperative Markierung für eine Straffung der Infraglutäalregion. Hier bei einer 38-jährigen Patientin mit glutäaler Ptosis und Zustand nach mehrfacher Liposuktion. Eingezeichnet in blau ist die undefinierte abgesenkte Infraglutäalregion sowie in rot die Planung der neuen Infraglutäalfalte. Der blaue Bereich markiert zudem die Zone für die Deepithelialisierung. b Die präoperativ markierte, nach lateral ansteigende Zone ist nun deepithelisiert. Die blaue horizontale Linie markiert die Grenze zwischen
e dem kranialen und dem kaudalen Lappen und somit die neue Infraglutäalfalte. c Die dermalen Lappen werden nun in den kranialen (2/3) und kaudalen (1/3) Lappen unterteilt. Der kraniale Anteil ist bereits an die Glutäalfaszie mit Prolenefaden genäht. Hierdurch wird die neue glutäale Kurvatur sowie die Infraglutäalfalte sichtbar. d Fixierung des kranialen und kaudalen Lappens an die Glutäalfaszie. e Postoperatives Ergebnis nach Einlage von Drainagen und kompletter Hautnaht
80
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Kapitel 80 · Formkorrektur an Gesäß und unterer Extremität
te oder verstrichene Gesäßfalte, unerwünschte Hauterschlaffung oder optisches Hervortreten von Knochenstrukturen (skelettie render Eindruck). 4 Verletzung von Strukturen im Operationsgebiet: Gefäße (V.€saphena magna/parva!), Nerven (z.€B. N.€suralis oder saphe nus → Gefahr schmerzhafter Neurome!), Lymphbahnen (Lym phabflussstörung) oder Muskeln (bei zu tiefer Saugung mit Ge fahr eines Kompartmentsyndroms).
Literatur
80
Aiache A (1994) Aesthetic procedures for the lower extremity. In: Cohen M (ed) Mastery of plastic and reconstructive surgery, vol€3. Lippincott Williams & Wilkins, pp 2237–2258 Handschin AE, Mackowski M, Vogt PM, Peters T (2010) A new technique for gluteal lifting using deepithelialized dermal flaps. Aesthet Plast Surg 34 (1): 96–99 Kesselring UK (1980) Calf augmentation. Ann Plast Surg 4: 90–91 Lockwood TE (1993) Lower body lift with superficial fascia system suspension. Plast Reconstr Surg 92: 1112–1122 Regnault P, Baroudi R, Carvalho CGS (1979) Correction of lower limb lipodystrophy. Aesth Plast Surg 3: 311 Szalay L (1995) Twelve years’ experience of calf augmentation. Aesth Plast Surg 19: 473–476
XII
Fehlbildungen P. Vogt
Kapitel 81
Fehlbildungen des Gesichtes╇╇ – 767 N.-C. Gellrich, H. Essig
Kapitel 82
Fehlbildungen der Mammae╇╇ – 791 A. Heckmann, K.H. Breuing
Kapitel 83
Fehlbildungen der Hände╇╇ – 801 A. Gohritz, P.M. Vogt
Kapitel 84
Fehlbildungen der Füße╇╇ – 811 P.M.Vogt, L.-U. Lahoda
Behandlungen von Fehlbildungen stellen ein besonders herausforderndes Gebiet in der Â�Plastischen Chirurgie dar. Den in der Regel kleinen Patienten, seltener Erwachsenen, kann mit einem individuell indizierten und präzise ausgeführten Eingriff ein hohes Maß an Lebensqualität zurückgegeben werden. Dies betrifft im Kopf-Hals-Bereich neben den kraniofazialen Fehlbildungen die Korrektur von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten. In der Peripherie werden neben der Fehlbildung der Mamma die kongenitalen Deformitäten der Hände und Füße behandelt. Die Fehlbildungschirurgie ist eine konstruktive Chirurgie, insofern als sie nicht angelegte oder bei der Geburt fehlende Körperstrukturen und Körperfunktionen ergänzt.
81
Fehlbildungen des Gesichts N.-C. Gellrich, H. Essig
81.1
Kraniofaziale Fehlbildungenâ•… – 768
81.1.1 81.1.2 81.1.3 81.1.4 81.1.5
Kraniosynostosenâ•… – 768 Symptomatikâ•… – 770 Diagnostikâ•… – 770 Kraniofaziale Syndromeâ•… – 772 Therapeutisches Vorgehenâ•… – 775
81.2
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltenâ•… – 779
81.2.1 81.2.2 81.2.3 81.2.4
Pathogenese, Entwicklungâ•… – 779 Klassifikation von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltenâ•… – 780 Syndrome mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltenâ•… – 785 Therapeutisches Vorgehenâ•… – 785
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
768
Kapitel 81 · Fehlbildungen des Gesichts
81.1
Kraniofaziale Fehlbildungen
Definition.╇ Unter dem Begriff der kraniofazialen Fehlbildungen werden kongenitale, d.€h. angeborene Missbildungen des Schädels zusammengefasst, die den Hirn- und Gesichtsschädel betreffen. Dabei versteht man unter Dysplasien die Fehlbildung eines Gewebes mit unzureichender Differenzierung, während Störungen des Knochenwachstums als Dysostosen bezeichnet werden. > Zu den kraniofazialen Fehlbildungen gehören primäre Schädelveränderungen wie Kraniosynostosen und Enzephalozelen, sekundäre Schädelveränderungen wie Mikrozephalie und Hydrozephalus sowie kraniofaziale Syndrome.
81.1.1 Kraniosynostosen
81
Kraniosynostosen und daraus entstehende Stenozephalien resulÂ� tieren aus der verfrühten Synostose (Verknöcherung) einer oder mehrere Schädelnähte. Bereits Hippokrates beschrieb die daraus resultierenden Veränderungen der Schädelform und brachte diese mit der Entwicklung der Schädelnähte in Verbindung. Die moderne wissenschaftliche Aufarbeitung von Schädelmissbildungen begann jedoch erst 1800 durch Sömmerring (Cohen 1975). Virchow (1851) verfeinerte diese Beobachtungen und postulierte das, was als VirÂ� chow’sches Gesetz bekannt wurde: Das Wachstum wird im rechten Winkel zur betroffenen Schädelnaht behindert und findet kompensatorisch entlang dieser Naht und an nicht betroffenen Schädelnähten statt. Charakteristisch ist eine Verkleinerung des Schädelumfangs bei normalem Gehirnvolumen. ! Cave Durch das Wachstum des Gehirns kommt es jedoch bald zu Schädeldysmorphien mit möglichem Anstieg des intrakraniellen Drucks (>15€mm€Hg bei 42% aller Patienten mit multiplen betroffenen Schädelnähten) und hieraus folgender neurologischer Symptomatik.
Im Alter von 6€Monaten erreicht das Hirnvolumen etwa 50% des adulten Volumens und verdreifacht sich innerhalb der ersten 2€Jahre im Vergleich zum Geburtsvolumen (Gault et al. 1990). Nach dem 4.€Lebensjahr nimmt es bis zum Erwachsenenalter nur noch um 1% zu (.€Abb.€81.1). Kraniosynostosen können sekundäre Symptome wie mentale Retardierung, Papillenödeme, Sehstörungen, Exophthalmus und Lagophthalmus zur Folge haben. Das klinische Erscheinungsbild ist von der betroffenen Sutur abhängig. Operative Verfahren wurden bereits 1890 durch Lannelongue (David u. Simpson 1982) veröffentlicht. Er schnitt Kanäle entlang der betroffenen Synostosen in die Schädelknochen. Tessier revolutionierte durch die frontoorbitale Mobilisation nach erfolgter Le-FortIII-Osteotomie die operative Therapie bei Schädelmissbildungen (Tessier 1967; Tessier et al. 1967). Die Methode des »schwimmenden Stirnbeins« (»floating forehead«) wurde von Marchac und Renier entwickelt und 1979 erstmals publiziert (Marchac u. Renier 1979).
Epidemiologie Meist handelt es sich um spontane, nicht syndromale, nur eine Schädelnaht betreffende Synostosen (Inzidenz von 1:1.000 bis 1:3.000; Patriquin et al. 1977). Syndromale Fälle hingegen unterliegen meist einer autosomal-dominanten oder rezessiven Vererbung mit unter-
. Abb. 81.1╇ Veränderungen von Hirnvolumen und Hirnschädelkapazität€[ml]
schiedlicher Penetranz, abhängig vom jeweiligen Syndrom (Inzidenz von 2/1€Mio. Lebendgeburten). In Deutschland muss bezogen auf die Gesamtpopulation mit etwa 600–800 Fällen pro Jahr gerechnet werden (Neuhauser et al. 1976; Berg et al. 1997). Im westlichen Europa ist die Synostose der Pfeilnaht (Skaphozephalus) am häufigsten anzutreffen.
Klassifikation der Kraniosynostosen Die Kraniosynostose kann in eine primäre und sekundäre Form eingeteilt werden. Bei der primären Kraniosynostose liegt eine Störung des Verknöcherungsprozesses der Schädelnaht vor, die sekundäre entwickelt sich aufgrund einer Vorerkrankung (Stoffwechselstörung, Voroperation). Die Einteilung erfolgt nach der Lokalisation der betroffenen Schädelnaht (.€Abb.€81.2, .€Tab.€81.1). Sutura sagittalis.╇ Die isolierte vorzeitige Verknöcherung der Pfeilnaht findet sich in 50–60% der prämaturen Kraniosynostosen. Jun-
gen sind etwa 3,5-mal häufiger als Mädchen betroffen (Lajeunie et al. 1995). Durch den frühzeitigen Verschluss der Sagittalnaht wächst der Schädel vermehrt in die Länge. Das Wachstum in die Breite bleibt zurück. Es resultiert ein Dolichozephalus (Langschädel). Stehen die beiden Os parietalia in einem sehr steilen Winkel, spricht man von einem Skaphozephalus (Kiel- oder Kahnschädel; Grunert et al. 1998). Sutura frontalis.╇ Bei etwa 10% der Kinder mit prämaturer Kraniosynostose verknöchert die Frontalnaht (Sutura frontalis, Sutura
. Tab. 81.1╇ Kraniostosen
Schädelform
Betroffene Schädelnaht/Sutur
Frontaler Plagiozephalus
Koronarnaht (einseitig)
Okzipitaler Plagiozephalus
Lambdanaht (einseitig)
Frontaler Brachyzephalus
Koronarnaht (beidseitig)
Okzipitaler Brachyzephalus
Lambdanaht (beidseitig)
Scaphozephalus
Sagittalnaht
Trigonozephalus
Frontalnaht/Sutura metopica
769
81.1 · Kraniofaziale Fehlbildungen
. Abb. 81.2╇ Einteilung der Kraniosynostosen. Vorzeitige Synostose der rot markierten Sutur(en). (Mod. nach Marchac et al. 1981)
metopica). Die Frontalregion bleibt im Breitenwachstum zurück,
während kompensatorisch die Os parietalia in die Breite wachsen. Durch die schmale mittige Stirnprominenz und Abflachung an beiden Stirnseiten imponiert eine dreieckige Schädelform (Trigonozephalus, Dreiecksschädel). Die Orbitae sind nach medial verlagert mit einem daraus resultierenden Hypotelorismus. Neurologische Störungen oder geistige Retardierung werden beim Dreiecksschädel nur selten beobachtet (Muhling u. Zoller 1996).
Sutura coronalis.╇ Bei 20% aller prämaturen Kraniosynostosen liegt eine vorzeitige Verknöcherung der Kranznaht vor, die zu einem verstärkten Breitenwachstum führt. So entsteht ein Brachyzephalus, der sich durch einen kurzen, hohen Schädel auszeichnet. Durch die kurze anterior-posteriore Dimension resultiert eine verkürzte vordere Schädelgrube mit flachen Orbitae, die mit HyÂ� pertelorismus, Exophthalmus und Strabismus vergesellschaftet sein können. Eine einseitige Koronarsynostose bedingt einen Plagiozephalus (Schiefschädel). Es zeigt sich eine abgeflachte Stirn mit Rücklage und Hochstand der gleichseitigen Augenbraue. Die nicht betroffene Stirnseite kann durch das fortschreitende Wachstum betonter und beulenartig vorgewölbt erscheinen. Die bilaterale Koronarsynostose tritt im Vergleich zur unilateralen familiär gehäuft auf (Lajeunie et al. 1995, 1999). Sutura lambdoidea.╇ Die Lambdanaht verknöchert in 5% aller prämaturen Fälle. Der Schädel ist am hinteren Teil abgeflacht, erhöht und zusätzlich verbreitert. Bei beidseitiger Synostose der LambÂ� danähte wird die Schädeldeformität als Platyzephalus (okzipitaler Brachyzephalus) bezeichnet.
Befall multipler Suturen.╇ Synostosen, die multiple Schädelnähte
betreffen, finden sich in etwa 10% aller Kraniosynostosen. Ein
Oxyzephalus (Spitzschädel) entsteht durch vorzeitige Verknöcherung der Koronarnähte, der Sagittalnaht und der Lambdanaht. Bei
kleinem Schädel zeigt sich eine hohe Stirn mit abfallendem Hinterhaupt. Häufig sind Hypertelorismus und Exophthalmus assoziierte Symptome. Eine Sonderform der multiplen Kraniosynostosen und eine sehr seltene Fehlbildung ist der Kleeblattschädel. Die Bezeichnung der Schädelform mit bitemporalen Vorwölbungen resultiert aus der Ähnlichkeit mit einem dreiblättrigen Kleeblatt (.€Abb.€81.3). International wurden bisher weniger als 150€Fälle publiziert.
Ätiologie Zum Zeitpunkt der Geburt sind die flachen Deckknochen der Schädelkapsel, die sich direkt aus dem mesenchymalen Bindegewebe (desmale Ossifikation) entwickeln, im Bereich der Schädelnähte durch Bindegewebe voneinander getrennt. An der Verbindungsstelle von mehr als 2€Knochen weiten sich die Schädelnähte zu Fontanellen aus. Durch endo- und exokranielles Wachstum werden die Schädelknochen dicker und größer. Das Wachstum findet im Bereich der Schädelnähte statt. Bis zum endgültigen Verschluss stellen die Schädelnähte häutige Verbindungen (Syndesmosen) dar. Eine Kraniosynostose entwickelt sich in utero oder post partum. Je früher der Nahtverschluss stattfindet, desto größer ist der Einfluss auf die Schädelform. Die Ätiologie und der Pathomechanismus sind noch nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden (Cohen 1991, 2005): 4 genetische Veränderungen, 4 Stoffwechselerkrankungen, 4 Erkrankungen des Kindes (Hyperthyreoidismus etc.),
81
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Kapitel 81 · Fehlbildungen des Gesichts
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. Abb. 81.3╇ Kleeblattschädel. Seltene kraniofaziale Fehlbildung in 3-D-CT-Rekonstruktion (a) und klinischer Aspekt von kranial betrachtet (b)
81
4 hämatologische Erkrankungen, 4 Einfluss von teratogenen Stoffen (Valproinsäure, Vitamin-ASäure) und
4 Missbildungen (Mikrozephalie, Hydrocephalus occlusus etc.). Auch Wachstumsfaktoren scheinen an der Pathologie beteiligt zu sein. Vor allem genetische Defekte der Rezeptoren für Fibroblastenwachstumsfaktoren (FGFR = »fibroblast growth factor receptor«) werden verantwortlich gemacht (Rutland et al. 1995; Hollway et al. 1997). Im Zusammenhang mit Kraniosynostosen lassen sich Veränderungen der Chromosomen€2, 4, 5, 7, 11 und 22 nachweisen. 81.1.2 Symptomatik Kraniosynostosen werden häufig erst spät erkannt. Abhängig von der betroffenen Naht entwickelt sich eine charakteristische Schädeldeformierung. Bei Befall nur einer Naht kann die veränderte Schädelform das einzige Symptom sein und v.€a. ästhetische Probleme aufwerfen. Sofern die Synostose nur diskret ausgeprägt ist, kann sie leicht übersehen werden. ! Cave Bei Befall von mehreren Nähten treten jedoch häufig organische Komplikationen wie Hirndruckerhöhung oder Sehnervbeteiligung auf. Bei geringstem Verdacht auf eine Kraniosynostose sollte eine regelmäßige, engmaschige und gründliche Untersuchung stattfinden. Intrakranielle Hirndrucksteigerung.╇ Die synostosenbedingte Limitation des Schädelwachstums führt zu einer intrakraniellen Drucksteigerung, die sich auf die inneren Strukturen des zentralen Ner-
vensystems auswirkt (.€Abb.€81.4). Bei längerem Bestehen des erhöhÂ� ten Hirndrucks (ICP; »intracranial pressure«) werden Liquorräume verdrängt und das Hirngewebe komprimiert mit gleichzeitiger Verminderung des lokalen zerebralen Blutflusses. In fortgeschrittenen Stadien bestehen oft Stauungspapillen und Papillenödeme. Im Extremfall kann die Sehbahn irreversibel geschädigt werden. Beim Säugling äußert sich der erhöhte Hirndruck meist unspezifisch. Übelkeit mit schwallartigem Erbrechen ist typisches Zeichen des erhöhten Hirndrucks. Die betroffenen Kinder gedeihen häufig
schlecht, sind unruhig oder auch apathisch. Vereinzelt zeigen sich symptomatische epileptische Anfälle. Ein erhöhter Hirndruck kann jedoch auch ohne klinische Hirndruckzeichen einhergehen (Rifkinson-Mann et al. 1995). Ophthalmologische Symptome.╇ Durch die Steigerung des inÂ�
trakraniellen Hirndrucks ist oftmals der N.€opticus betroffen. Ophthalmologische Komplikationen wie Optikusatrophie, Strabismus, Stauungspapillen und Exophthalmus sind beschrieben worden. Von besonderem Interesse sollte daher die augenärztliche Untersuchung sein. Bis zu 25% der Kinder mit Kraniosynostosen, die klinisch weitgehend unauffällig sind, können pathologische VEP (visuell evozierte Potenziale) aufweisen (Mursch et al. 1998). Zu den mit Kraniosynostosen assoziierten ophthalmologischen Erscheinungen gehören neben der Protrusio bulbi (Orbitastenose, flach ausgebildete Orbita) auch die Orbitadystopien wie Hyper- und Hypotelorismus. Dies kann zu einer Inkompetenz des Lidschlusses mit folgenden Hornhauterosionen, zu Motilitätsstörungen mit Störungen des binokularen Sehens und Visusbeeinträchtigungen führen. Auswirkung auf das stomatognathe System.╇ Die prämature Synostosierung der Schädelnähte mit folgender Wachstumsbeeinträchtigung des Viszerokraniums behindert die anterokaudale Rotation der Maxilla. Aus diesem Grund kann es zu einer Hypoplasie des Mittelgesichtes kommen.
81.1.3 Diagnostik Die Untersuchung eines Patienten mit einer kraniofazialen Fehlbildung beinhaltet 4 Inspektion, 4 Palpation, 4 Fotodokumentation (Standardfotografie, 3-D-Fotografie, Videodokumentation), 4 Röntgenuntersuchung (Nativröntgenaufnahmen einschließlich FRS=Fernröntgenseitenbild, ggf. Computertomographie, Kernspintomographie) und 4 die Anfertigung von Gipsmodellen von Ober- und Unterkiefer mit Modellanalyse.
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81.1 · Kraniofaziale Fehlbildungen
. Abb. 81.4╇ Symptomatik der Kraniosynostosen. ICP-Sonde in situ (CT-Diagnostik)
Die Inspektion des Patienten mit einer kraniofazialen Fehlbildung ist wichtig, um Asymmetrien des Hirnschädels und des Ober-, Mittel- und Untergesichtes zu erfassen sowie Weich- und Hartgewebedefizite zu erkennen. Typische Weichgewebedefizite sind Hypoplasien von Haut, Fettgewebe und Muskulatur oder auch rudimentäre Anlagen wie z.€B. Mikrotie oder Mikrophthalmus. Typische HartÂ� gewebedefizite sind hypoplastische oder fehlende Kieferanteile (wie z.€B. Retrognathien, aplastische Kiefergelenksregionen) oder unterentwickelte Hirnschädelanteile infolge von z.€B. frühzeitigen Verknöcherungen der Schädelnähte. Zu den Untersuchungen gehört selbstverständlich auch der Symmetrievergleich Gesichtsschädel vs. Hirnschädel und Unterund Oberkiefer vs. Gesichtsmittellinie. Zu einer vollständigen Symmetriebewertung gehört ferner die Gesamtansicht des Patienten. Bei einem symmetrischen Hirn- und Gesichtsschädel kann dennoch ein asymmetrischer Gesamttypus durch eine Schiefhaltung des Kopfes oder der gesamten Körperhaltung vorliegen oder vorgetäuscht werden. Zur Untersuchung gehören ferner die Funktionsbewertung der Sehbahn, der Okulomotorik, der Mundöffnung, der Beweglichkeit des Unterkiefers und die Bewertung der Innervation der mimischen Muskulatur. Die vorgenannten Aspekte überschneiden sich bereits mit der Palpation z.€B. der knöchernen Symmetrie im Bereich des HirnÂ� schädels unter der behaarten Kopfhaut. Bei der Bestimmung der Fontanellenweite bei Säuglingen ist eine vorsichtige, behutsame Vorgehensweise notwendig. Da in der Therapie kraniofazialer Fehlbildungen operative Eingriffe neben der postnatalen Frühbehandlung auch erst später erÂ�forderlich werden können, sind je nach Alter des Patienten UnÂ�Â� tersuchungen des Zahnstatus, Modellauswertung der Unter- und Oberkieferabformung und die kephalometrische Analyse eines Fernröntgenseitbildes durch den Kieferorthopäden von Bedeutung. Als Minimalforderung sind Röntgennativaufnahmen des Schädels in 2€Ebenen sowie – beim kooperativen Patienten – ein Orthopantomogramm erforderlich. Besteht der Verdacht auf eine Beteiligung der Lambdanaht, wird zusätzlich eine 3.€Ebene aufgenommen.
Eine Computertomographie ist bei einer kraniofazialen FehlÂ� bildung insbesondere bei der Fragestellung nach einer operativen Korrektur wünschenswerter Standard. Zusätzlich zur Bildgebung erlauben CT-Datensätze die exakte Analyse von Deformitäten auf einer Workstation mit metrischer Quantifizierung von Wachstumshemmung bzw. Deformität. Ein CT-Datensatz kann mit Hilfe einer Bildanalyseplattform (»image analysis platform«; IAP) ausgewertet werden und ist für die dreidimensionale Operationsplanung und Modelloperationen von Bedeutung. Ergänzend kann nach Röntgennativbildgebung und Computertomographie die Knochenszintigraphie durchgeführt werden (de Rossi u. Focacci 1979; Tait et al. 1997). Initial ist die Erhebung des ophthalmologischen Status erforderlich, die nicht nur das Sehvermögen und das Gesichtsfeld beurteilen, sondern auch eine Exophthalmometrie und eine funduskopische und orthoptische Untersuchung beinhalten sollte. Die Neuroophthalmologie ist bei Patienten mit kraniofazialen Fehlbildungen in der postoperativen Phase und auch während des weiteren Wachstums eng in den Behandlungsablauf eingebunden. Neurologische Untersuchungen beinhalten den neurologischen Status des Patienten mit Überprüfung der altersgerechten Funktion des zentralen und peripheren Nervensystems sowie die Erhebung von Form und Wachstum des Hirnschädels. Wichtig ist ferner die Bewertung der oberen Luftwege, die Diagnose möglicher Choanalatresien, pathologischer Zungen- und Schluckfunktionen, äußerer oder innerer Ohrdeformitäten mit möglichen Hörschäden sowie die phoniatrische Bewertung. Zudem ist die frühe Bewertung von dentalen und skelettalen Fehlstellungen erforderlich, um deren möglichen negativen Effekt im ohnehin wachstumsbeeinträchtigten Fehlbildungsbereich gering zu halten: Dazu gehört z.€B. die mangelnde Entwicklung des Stereosehens beim Kleinkind, die aus der Fehlstellung von knöchernen Augenhöhlen resultieren kann.
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772
Kapitel 81 · Fehlbildungen des Gesichts
81.1.4 Kraniofaziale Syndrome Unter dem Begriff Syndrom werden Krankheitsbilder mit einem Symptomenkomplex zusammengefasst. Aktuell sind etwa 100€Syndrome bekannt, bei denen kraniofaziale Fehlbildungen mit anderen Fehlbildungen kombiniert sind. Wichtig ist bei deren Behandlung das Gesamtkonzept einer plastisch-rekonstruktiven Wiederherstellung. Im Folgenden wird eine Auswahl von Syndromen vorgestellt, die mit kraniofazialen Fehlbildungen assoziiert sind. Akrozephalosyndaktyliesyndrome.╇ Hierbei handelt es sich um au-
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tosomal-dominant vererbte Krankheitsbilder mit einer genetisch bedingten Kombination aus prämaturen Kraniosynostosen und Â�häutigen oder knöchernen Syndaktylien der Finger oder Zehen. Aufgrund der vielfältigen klinischen Expressivität und Überschneidungen innerhalb klinischer Manifestationen gab es viele EinteilunÂ� gen von verschiedenen Syndromen, die diesem Komplex zugeordnet wurden. Seit 1994 wurde die Gruppe der Akrozephalosyndaktyliesyndrome auf 3€klinische Hauptgruppen reduziert: 4 Apert-Syndrom, 4 Nicht-Apert-Syndrom (Pfeiffer-Syndrom, Saethre-ChotzenSyndrom) und 4 Carpenter-Syndrom (Pfeiffer et al. 1977).
ab dem 3.€Monat festzustellen. Die Inzidenz beträgt etwa 1:65.000 Geburten. Innerhalb der Kraniosynostosen macht das Apert-Syndrom nahezu 4% aller Fälle aus (Cohen u. Kreiborg 1992). Ursächlich ist eine Mutation im Fibroblastenwachstumsfaktorrezeptor-2Gen (FGFR 2), lokalisiert auf Chromosom€10 (direkte Genotyp-Phänotyp-Korrelation). Die Fehlbildung tritt meist sporadisch auf und wird autosomal-dominant vererbt. Das Apert-Syndrom kann mit einer Vielzahl von weiteren Malformationen vorkommen. Häufig werden eine Fusion der HalsÂ�wirbel von C5 und C6 sowie kardiovaskuläre und urogenitale Anomalien beobachtet. Carpenter-Syndrom (Akrozephalopolysyndaktyliesyndrom€II).╇ Das Carpenter-Syndrom, das als einziges Akrozephalosyndaktyliesyndrom autosomal-rezessiv vererbt wird, besteht aus einer primären Kraniosynostose aller Schädelnähte mit Brachyzephalie und Gesichtsdysplasien.
Apert-Syndrom (Akrozephalosyndaktyliesyndrom€I).╇ Eugene Apert beschrieb 1896 erstmals die klinische Trias des nach ihm benannten Syndroms: 4 Malformation des Schädels (Breit- oder Turmschädel mit Exophthalmus), 4 Hypoplasie des Mittelgesichts und 4 symmetrische Syndaktylien von Händen und Füßen (Abrate et al. 1990; .€Tab.€81.2).
Nicht-Apert-Syndrome (Akrozephalosyndaktyliesyndrom€III).╇ Hier sind das Pfeiffer- und das Saethre-Chotzen-Syndrom zu nennen: 4 Das Pfeiffer-Syndrom zeigt eine Kranznahtsynostose mit Turribrachyzephalie und geringgradig ausgebildeten Gesichtsasymmetrien. Das klinische Erscheinungsbild ist dem Apert-Syndrom ähnlich. Die Syndaktylien sind eher unregelmäßig ausgeprägt mit breiten, nach außen gerichteten Endgliedern der Daumen und Großzehen (Soekarman et al. 1995). Ätiologisch ist eine Neumutation im FGFR-2-Gen verantwortlich. 4 Im Gegensatz zu den bisher genannten Syndromen wird das Saethre-Chotzen-Syndrom nicht von einer Mutation eines Fibroblastenwachstumsfaktorrezeptors, sondern durch eine autosomal-dominant vererbte Fehlbildung mit chromosomaler Veränderung auf Chromosom€7 (Wieland et al. 2005; de Heer et al. 2005; el Ghoutti et al. 1997) verursacht. Der Phänotyp erinnert an das Apert-Syndrom in milder Ausprägung. Typisch sind zusätzlich ein niedriger Stirnhaaransatz und eine Ptosis der Oberlider.
Die faziale Morphologie wird durch das typische Erscheinungsbild der flachen, elongierten Stirn mit breiter bitemporaler Region und okzipitaler Abflachung charakterisiert (Turribrachyzephalus). Weiterhin imponieren ein Hypertelorismus mit Exophthalmus und nach kaudal abfallende Lidspalten. Meist setzen die Ohren etwas tiefer an und sind vergrößert (Marsh et al. 1991; Cohen u. Kreiborg 1996; Ferraro 1991). Im Kiefer-Gesichts-Bereich liegen Zahnengstellungen, ein frontoffener Biss und ein hoher Gaumenbogen mit ggf. Spaltbildung vor. Durch eine Fruchtwasseruntersuchung ist diese Fehlbildung ab der 8.€Schwangerschaftswoche und durch die pränatale Sonographie
Dysostosis craniofacialis (M.€Crouzon).╇ Beim M.€Crouzon liegt eine prämature Kraniosynostose aufgrund einer Genmutation mit Defekt des Rezeptors für Fibroblastenwachstumsfaktoren (FGFR€2) vor. Dabei kommt es jedoch zu keinen Fehlbildungen an den Extremitäten. Nach dem Erstbeschreiber Louis Edouard Octave Crouzon (1912) zeigen sich 4€klinische Zeichen (.€Abb.€81.5 und .€Tab.€81.2): 4 Exorbitismus und Proptose (Hervortreten der Bulbi), 4 Retromaxillie (maxilläre Retrognathie), 4 Inframaxillie (vertikal unterentwickeltes Mittelgesicht) und 4 paradoxe Retrogenie.
Ätiologisch zeigt sich eine molekulargenetische Gemeinsamkeit bezüglich einer Mutation des Fibroblastenwachstumsfaktorenrezeptors (FGFR; »fibroblast growth factor receptor« 1–3).
. Tab. 81.2╇ M.€Crouzon und Apert-Syndrom
Charakteristika
Morbus Crouzon
Apert Syndrom
Betroffene Naht
Koronar- (meistens), Sagittal- oder Lambdanaht
Koronarnaht (meistens)
Schädeldeformität
Brachyzephalus, Skaphozephalus, Trigonozephalus
Brachyzephalus, Turrizephalus (Turmschädel)
Malformationen der Extremitäten
Keine
Symmetrische Syndaktylie von Händen und Füßen
Ophthalmologische Besonderheiten
Nystagmus, Strabismus, Atrophie des N.€opticus
Ptosis, antimongoloide Lidachse
Geistige Entwicklung
Normal
Häufig retardiert
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81.1 · Kraniofaziale Fehlbildungen
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. Abb. 81.5╇ M.€Crouzon. Präoperativer klinischer Aspekt (a, b) und nach frontoorbitalem Advancement (c)
Charakteristisch ist ein froschähnliches Erscheinungsbild. Es liegt keine gesetzmäßige Schädelnahtbeteiligung vor. Exophthalmus, Mittelgesichtshypoplasie und Hypoplasie des Oberkiefers mit Zahnfehlstellungen sind häufig. Eine Kompressionsatrophie des N.€opticus mit Erblindung kann vorliegen. In der Regel geht der M.€Crouzon mit einer intrakraniellen Druckerhöhung und einem Hydrozephalus einher, sodass eine frühe chirurgische Therapie erforderlich ist. Die Inzidenz beträgt etwa 1:25.000. Dysostosis mandibulofacialis (Franceschetti-Zwahlen-Syndrom, Treacher-Collins-Syndrom).╇ Bei der Dysostosis mandibulofacialis
bedingt eine Genmutation bei autosomal-dominantem Erbgang (davon in 60% der Fälle eine Neumutation) mit variabler Penetranz eine beidseitige Fehlbildung, die vom 1.€und 2.€Schlundbogen abgeleitete Strukturen betrifft. Typisch ist ein fischähnliches Erscheinungsbild (.€Abb.€81.6). Der Phänotyp kann von einer antimongoloiden Schiefstellung der Lidspalten bis hin zur vollen Expression aller mit einer mandibulofazialien Dysostose einhergehenden Deformitäten variieren: Unterlidkolobome (häufiges klinisches Zeichen), fehlende Wimpern in den medialen zwei Dritteln der Unterlider, Hypoplasie des Jochbeins und des Unterkiefers (mandibulärer Defekt, Mikrognathie, offener Biss) sowie Ohrdeformitäten. Eine Schallleitungsschwerhörigkeit ist oft mit dem Franceschetti-Zwahlen-Syndrom vergesellschaftet. Äußeres, mittleres und inneres Ohr können ebenfalls Deformitäten aufweisen. Eine obstruktive Schlafapnoe ist gehäuft mit diesem Syndrom vergesellschaftet. Die Inzidenz beträgt 1:50.000.
Dysostosis acrofacialis (Nager-de-Reynier-Syndrom).╇ Die Dysostosis acrofacialis ist der Dysostosis mandibulofacialis ähnlich und ein autosomal-rezessiv vererbtes Fehlbildungssyndrom. Die betroffenen Patienten weisen neben den genannten kraniofazialen Fehlbildungen der Dysostosis mandibulofacialis zusätzlich Fehlbildungen der oberen (obligat) und z.€T. der unteren Extremitäten auf. Betroffen sind v.€a. Daumen (Aplasie und Hypoplasie), Radius und die Metakarpalknochen.
. Abb. 81.6╇ Treacher-Collins-Syndrom
Dysostosis otomandibularis (hemifaziale Mikrosomie).╇ Die Dys-
ostosis otomandibularis (auch 1.€und 2.€Schlundbogensyndrom genannt) kann ein- oder beidseits in verschieden starker Ausprägung auftreten (.€Abb.€81.7, .€Tab.€81.3). In der schweren Ausprägung sind alle Strukturen hypoplastisch, die sich vom 1.€und 2.€Schlundbogen ableiten. In anderen Fällen können Fehlbildungen der Ohroder Kieferregion im Vordergrund stehen. Im Gegensatz zur Dysostosis mandibulofacialis ist die genetische Komponente bei der kraniofazialen Mikrosomie nicht sicher nachgewiesen. Intrauterine Faktoren werden diskutiert. Die Hypoplasie betrifft v.€a. den temporo- und pterygomandibulären Komplex. Die Orbitadeformierung und der Defekt im Bereich des Schläfen- und Jochbeins haben Ähnlichkeit mit demjenigen bei der Dysostosis mandibulofacialis. Typische Zeichen der kraniofazialen Mikrosomie sind jedoch Fehlbildungen des R.€ascendens mandibulae und die Parese des N.€facialis (.€Abb.€81.8). Bei der kraniofazialen Mikrosomie betrifft die Fehlbildung das Schläfenbein, das Mittelohr, den Proc. mastoideus, das äußere Ohr und die SchädelÂ�
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Kapitel 81 · Fehlbildungen des Gesichts
. Abb. 81.7╇ Einteilung der hemifazialen Mikrosomie. (Mod. nach Pruzansky 1969)
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. Abb. 81.8╇ Typische Deformität bei manifestierter und bislang unkorrigierter hemifazialer Mikrosomie in 3-D-CT-Rekonstruktion (a), koronarem Schnittbild (b) und im klinischen Aspekt (c) bei einem 10-jährigen Kind
basis. Eine Weichgewebshypoplasie liegt häufig auf der betroffenen Seite vor. Die Inzidenz beträgt ca. 1:5.000. Die hemi- oder bilaterale kraniofaziale Mikrosomie kann mit einer Makrostomie oder auch einer queren Gesichtsspalte einhergehen. Goldenhar-Syndrom (okuloaurikulovertebrale Dysplasie).╇ Dieses
Syndrom betrifft v.€a. Derivate des 1.€Schlundbogens. Eine Beteiligung genetischer Faktoren ist noch nicht geklärt. Klinische Zeichen sind v.€a. Augenfehlbildungen (Oberlidkolobom, Mikrophthalmus), epibulbäre Dermoide, Ohrfehlbildungen (Mikrotie bis Anotie), Wirbel-
. Tab. 81.3╇ Einteilung der hemifazialen Mikrosomie
Typ
Kennzeichen
I
Hypoplastisch Reduzierte Translationsbewegung bei Mundöffnung
IIa
Abgeflachter Proc. condylaris
IIb
Rudimentärer Proc. condylaris Kiefergelenkatresie
III
Fehlen des R. mandibularis
säulenanomalien (z.€B. Kyphoskoliose), Hemihypoplasie des Gesichtes, verkleinerte Jochbeine, Mikro-/Retrognathie und angeÂ�borene Herzfehler (Fallot-Tetralogie). Die Inzidenz beträgt etwa 1:45.000. Hemiatrophia faciei progressiva (Parry-Romberg-Syndrom).╇ Es handelt sich um eine halbseitige Gesichtsatrophie, die ohne bekannte genetische Komponente sporadisch auftritt. Die von-RombergErkrankung beginnt typischerweise um das 20.€Lebensjahr und betrifft sowohl das Weich- als auch das Hartgewebe. Es tritt eine progrediente Atrophie des subkutanen Fettgewebes, der Haut (sklerodermiform, »coup de sabre«) und der Muskeln auf. Es können verspätete Zahndurchbrüche und atrophische Zahnwurzeln resultieren. Eine Beteiligung der primär nicht betroffenen Seite kann im fortgeschrittenen Krankheitsstadium auftreten. Im Allgemeinen kommt es nach 2–10 Jahren zum Stillstand der Erkrankung, in seltenen Fällen ist jedoch auch das Persistieren über längere Zeiträume zu verzeichnen. Als ursächlich werden virale Infektionen oder Schädigungen des sympathischen Nervensystems diskutiert. Hyper- und Hypotelorismus.╇ Der Hypertelorismus ist eine Form einer kongenitalen kraniofazialen Fehlbildung, bei der sowohl die knöchernen Orbitae als auch der Augenhöhleninhalt nach lateral verlagert sind. Das Hypertelorismus-Hypospadie-Syndrom ist eine Kombination kraniofazialer und genitaler Fehlbildungen mit einem
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81.1 · Kraniofaziale Fehlbildungen
heterogenen Fehlbildungskomplex. Es liegt eine Mutation eines Gens auf dem X-Chromosom vor, dessen Proteine an der Entwicklung des Mittellinienfeldes beteiligt sind. Daraus können ein Brachyzephalus, Vergrößerungen von Cisterna magna und 4.€Ventrikel, eine Corpus-callosum-Hypoplasie, ein Telekanthus, Lippen-KieferGaumen-Spalten und Ohrmuscheldysplasien mit ggf. zusätzlicher geistiger Retardigung resultieren. Bei Frauen liegt in der Regel eine erheblich mildere Symptomatik vor. Das Gegenteil vom Hypertelorismus ist der Hypotelorismus, der eine noch seltenere kraniofaziale Fehlbildung darstellt und am häufigsten mit einem Trigonozephalus, seltener mit einer Trisomie€13 oder einem Mikrozephalus verbunden sein kann. Der orbitale Hypotelorismus ist kein Syndrom, sondern ein fakultatives, mit kraÂ� niofazialen Fehlbildungen einhergehendes, klinisches Zeichen. Ursächlich für einen orbitalen Hypotelorismus sind möglicherweise verschiedene Spaltformen und vorzeitige Synostosen von kraniofazialen Suturen. Gegenüber dem Hyper- und Hypotelorismus als kraniofaziale Fehlbildungen unterscheidet sich ein Telekanthus durch eine normale Bulbusposition bei einer Verschiebung der Lidbandinsertionen bzw. der medialen Orbitawände nach lateral. 81.1.5 Therapeutisches Vorgehen
Operative Technik > Voraussetzung für die erfolgreiche Planung und Behandlung von kraniofazialen Fehlbildungen ist ein interdisziplinäres Team, das sich aus folgenden Fachbereichen zusammensetzen muss: Neurochirurgie, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, HNO-Heilkunde und Phoniatrie, Plastische Chirurgie, Neuroophthalmologie, Neuroradiologie, Kinderchirurgie, Pädiatrie/Neuropädiatrie, Humangenetik, Neurologie, Kieferorthopädie, klinische Psychologie, Physiotherapie, Sozialarbeiter und Sprachtherapeut.
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Nur die Zusammenarbeit in einem solchen Team erlaubt die umÂ� fassende Einstufung der kraniofazialen Fehlbildung mit der erforderlichen frühzeitigen Weichenstellung für eine Therapie und Einleitung rehabilitativer Maßnahmen. Die Korrektur kraniofazialer Fehlbildungen bedarf chirurgischer Techniken, die den Strukturen des Gehirn- und des Gesichtsschädels gerecht werden. Ziel einer solchen chirurgischen Korrektur können das Schädeldach selbst, die knöcherne Schädelbasis mit den Orbitae, die Gesichtsschädelknochen ebenso wie der Unter- und Oberkiefer sein. Die chirurgische Behandlung kraniofazialer Fehlbildungen geht in der modernen Form auf Tessier und Mitarbeiter zurück und stellt einen der bedeutenden Fortschritte der modernen rekonstruktiven Chirurgie des Kopfes dar. Die Behandlung der kraniofazialen Fehlbildungen wird unterschieden in 4 eine Frühbehandlung (vor Ende des 1.€Lebensjahres) und 4 eine Spätbehandlung (nach Ende des 1.€Lebensjahres). Folgeoperationen während und nach Abschluss des Wachstums sind möglich. Die Wahl des Therapiezeitpunktes ergibt sich aus der Schwere der einzelnen Symptome, d.€h. aus neurochirurgischer Indikation, wenn z.€B. eine lebensbedrohliche Hirndrucksymptomatik vorliegt. Ebenso können ophthalmologische, gesichtschirurgische oder HNO-ärztliche Indikationen (z.€B. Kompression des N.€opticus mit Erblindungsgefahr des Auges) eine chirurgische Intervention erfordern. Bei allen kraniofazialen Fehlbildungen muss jede Therapie die Gesamtsituation des Patienten berücksichtigen, insbesondere bei Syndromen mit weiteren Fehlbildungen z.€B. des kardiovaskulären Systems, der Extremitäten, des Respirationstrakts (z.€B. Choanalatresie, Laryngomalazie) oder des oberen Verdauungstrakts (z.€B. Ösophagusatresie). Daraus ergibt sich bereits die Notwendigkeit der Behandlung durch mehrere Fachdisziplinen. Dies gilt auch für die weitere Rehabilitation, in die die oben genannten Fachrichtungen einzubeziehen sind.
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. Abb. 81.9╇ Patient mit M.€Crouzon. Operative Schritte der virtuellen Planung unter Benutzung einer »image analysis platform« (a–c). Vergleich von präoperativer und postoperativer Computertomographie (d,€e)
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Kapitel 81 · Fehlbildungen des Gesichts
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. Abb. 81.10a–g╇ Distraktionsosteogenese bei hemifazialer Mikrosomie rechts. Darstellung in Fernröntgen-seitlich-(FRS)-Aufnahme (a–c), in kaudalÂ�
exzentrischer p.a.-Aufnahme nach Clementschitsch (d,€e) sowie prä-operaÂ� tiver (f) und postoperativer (g) klinischer Aspekt (vor Distraktorentfernung)
Chirurgische Frühbehandlung.╇ Zur chirurgischen Frühbehand-
notwendig sein, um eine drohende Einengung des kranioorbitalen Übergangs, z.€B. im Rahmen eines M.€Crouzon, zu vermeiden und damit eine Erblindung zu verhindern.
lung der Kraniosynostosen gehören die Liquordrainage (Anlage von Schlauchverbindungen zwischen Liquorraum (z.€B. Seitenventrikel) und Blutgefäßsystem (z.€B. rechter Herzvorhof oder Bauchhöhle) zur Vermeidung oder (auch) Behandlung eines Hydrozephalus, und die streifenförmige Kraniektomie, die je nach Schädeldeformität unterschiedlich ausgedehnt sein kann. Zur Vorbewegung des frontalen und orbitalen Bereiches wurde das sog. frontoorbitale Advancement eingeführt, das mit einer Kraniektomie oder Kranioplastik verbunden werden kann. Falls Funktionseinbußen z.€B. des Sehsystems durch ein ausgeprägtes sagittales Wachstumsdefizit vorliegen, kann zur Kompensation vor dem 1.€Lebensjahr eine komplexe kraniofaziale Vorbewegung erforderlich werden. Im Rahmen der Frühbehandlung können zusätzlich modellierende Osteotomien im sehkanalnahen Abschnitt
Chirurgische Spätbehandlung.╇ Diese Therapie der Kraniosynostosen beinhaltet folgende Operationsverfahren: 4 ein frontoorbitales Advancement, Le-Fort-III-Osteotomie mit Vorverlagerung (um das 3.–4.€Lebensjahr oder erst im späteren Jugend- oder auch Erwachsenenalter), 4 die kombinierte Vorverlagerung des Mittelgesichtes mittels LeFort-III-Osteotomie und der Stirnregion, 4 die Vorverlagerung des Mittelgesichtes auf Le-Fort-II-Ebene sowie 4 operative Korrekturen im Bereich von Oberkiefer, Unterkiefer und Jochbein (.€Abb.€81.9).
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81.1 · Kraniofaziale Fehlbildungen
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. Abb. 81.11╇ Verwendung einer nicht resorbierbaren Osteosyntheseplatte und deren Darstellung in der postoperativen Verlaufskontrolle (MRT-Diagnos� tik;€a) sowie intraoperativer Aspekt (b)
Die skelettale Korrektur von Ober- und Unterkiefer wird in der Regel im späteren Jugend- und frühen Erwachsenenalter durchgeführt. Für die chirurgische Therapie der kraniofazialen Fehlbildungen sind die Neuentwicklungen der Osteosynthese und der dynamischen Fixierungsverfahren (Distraktoren) bedeutsam (.€Abb.€81.10). Als eine der größten Errungenschaften für die Fixierung im Bereich des Hirnschädels darf die Einführung resorbierbarer Osteosynthesematerialien gelten, die bei Kleinkindern nach Umstellungsosteotomien im Bereich des Schädeldaches und frontoorbitalem Advancement keine Osteosynthesematerialentfernung mehr erfordert. Belässt man hingegen z.€B. Osteosynthesematerialien aus Titan, kommt es zum relativen Durchwandern der verbliebenen Platten und Schrauben zentralwärts, da das nach außen gerichtete Wachstum des Hirnschädels weiter voranschreitet (.€Abb.€81.11). Dadurch werden spätere Osteosynthesematerialentfernungen unmöglich, und es können sogar durch die Wachstumskräfte Plattenbrüche auftreten. Insbesondere für die kieferverlagernden Operationen sind die modernen Methoden der Distraktion als Innovation anzusehen, bei denen entweder durch interne oder externe Distraktoren schon im frühen Kindesalter Vorverlagerungen schonend möglich sind. Die Osteotomien an sich unterscheiden sich jedoch nicht von denen der einzeitigen Vorverlagerungen. Durch interne und externe Distraktoren kann die Aktivierung des osteotomierten Knochenareals in der Regel um 1€mm pro Tag anteriorwärts über einen Zeitraum von 2–4 Wochen erfolgen. Zudem können Überkorrekturen geplant und durchgeführt werden. Nachkorrekturen in der späteren Retentionsphase sind möglich. > Alle chirurgischen Lageveränderungen der Kiefer sollten von einer kieferorthopädischen Behandlung begleitet werden.
Die frühe Distraktion des Unterkiefers kann schon im Kleinkindalter notwendig sein, wenn respiratorische Störungen vital bedrohend
sind. Um hier eine Tracheotomie zu vermeiden, kann die frühe Vorverlagerung des Unterkiefers und des Zungenapparates durch Distraktion nach anterior gerechtfertigt sein. Bei Kindern mit Rücklage der Zunge (Glossoptose) und Verlegung der Atemwege ist auch eine anteriore Zungenzügelung mittels einer durchgreifenden Matratzennaht durch den Zungengrund zu erwägen, die wiederum am anteÂ� rioren Unterkiefer lingual oder vestibulär fixiert werden kann. Bei orbitalen Korrekturen ist die neuroophthalmologische Wertung wichtig, um Verlagerungen des Orbitainhalts mit Beeinträchtigung des Stereosehens, Schielstellungen, mögliche Kompressionen des Sehnervs oder auch Lidschlussinsuffizienzen mit der Gefahr der Hornhautaustrocknung frühzeitig zu erkennen (Gellrich et al. 2008). Hierdurch können ursprünglich später geplante Operationen in eine frühere Behandlungsphase gerückt werden, wie dies bei extremen Fehlbildungen (z.€B. einem Kleeblattschädel) erforderlich sein kann. > Die in der Regel komplexe Gesamttherapie der kraniofazialen Fehlbildungen ist an chirurgische Zentren gebunden, die den erforderlichen personellen und materiellen Anforderungen gerecht werden können, welche die anspruchsvolle Therapie und Rehabilitation der Patienten mit kranioÂ� fazialen Fehlbildungen stellen.
Frontoorbitales Advancement und Modifikationen Der operative Zugang erfolgt über einen Bügelschnitt auf Höhe der Kranznähte. Der Haut-Galea-Lappen wird vom Periost bis auf Höhe der supraorbitalen Wülste präpariert und die Nasenpyramide freiÂ� gelegt. Anschließend werden die Bulbuskapsel vom Orbitatrichter gelöst und die Osteotomielinien markiert. Das frontoorbitale Knochensegment wird durch eine horizontal verlaufende OsteotomieÂ� linie geteilt. Das frontoorbitale Advancement ist die operative Grundlage für Osteotomien aller pathologischen Schädelformen (.€Abb.€81.12).
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Kapitel 81 · Fehlbildungen des Gesichts
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. Abb. 81.12a–f╇ Frontoorbitales Advancement. Schematische Darstellung und klinischer Aspekt prä- und postoperativ
Nach Entnahme des frontalen Knochensegmentes wird der Stirn- und Schläfenlappen epidural vom Periost gelöst. Es folgen die extrakranielle Osteotomie im Bereich der Nasenwurzel und der Temporalregion unter Schutz der Dura sowie die intrakranielle Osteotomie des Keilbeinflügels und des Orbitadachs unter Schutz des Bulbus. Entsprechend der betreffenden Fehlbildung werden nach der Osteotomie die Knochensegmente ausgeformt und anschließend mit meist resorbierbarem Osteosynthesematerial fixiert. Abschließend erfolgt die Einlage von Redon-Drainagen und das Zurückschlagen des Haut-Galea-Lappens mittels mehrschichtigem Wundverschluss. Modifikationen sind bei der Therapie des Skaphozephalus notwendig. Hier wird das frontoorbitale Advancement mit der linearen
Kraniektomie kombiniert. Parallel zur Sagittalnaht wird jeweils ein etwa 1€cm breiter Knochenstreifen reseziert. Bei extremen Kraniosynostosen mit mehreren betroffenen Suturen kann das frontoorbitale Advancement mit der totalen Kraniektomie kombiniert werden. Dazu wird das Os parietale beidseits bis zur Sutura temporosquamosa, der Sutura lambdoidea und der hinteren Fontalle vollständig reseziert. Der ausgedehnte Kalottendefekt kann im 1.€Lebensjahr reossifizieren. Anschließend ist die totale Kraniektomie aufgrund deutlich nachlassender Reossifizierungspotenz nicht indiziert und das Risiko einer inkompletten Schädelverknöcherung zu hoch. Bei Vorliegen einer ausgeprägten Mittelgesichtshypoplasie im Rahmen einer Kraniosynostose kann zusätzlich zum frontoorbitalen
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81.2 · Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
Advancement eine Le-Fort-III-Osteotomie notwendig werden, um die starke Protrusio bulbi bei Orbitastenose operativ zu korrigieren und ophthalmologische Komplikationen zu vermeiden. Hierfür werden nach abgeschlossenem frontoorbitalem Advancement die Weichteile im Bereich der Maxilla und Nase vollständig vom Knochen gelöst, die Bulbuskapsel zirkulär aus dem Orbitatrichter gelöst und Osteotomien im Bereich der Sutura zygomaticofrontalis und des Jochbogenansatzes am Os zygomaticum posterior der Margo infraorbitalis bis in die mediale Orbitawand auslaufend durchgeführt. Durch die Downfracture-Technik wird das Oberkiefersegment mobilisiert, in die entsprechende Position verlagert und osteosynthetisch fixiert. Orbitadystopien wie der Hyper- und Hypotelorismus stellen eine Sonderform der kraniofazialen Fehlbildungen dar. Beim Hypertelorismus erfolgt über eine zirkuläre Osteotomie des Orbitatrichters die Verlagerung nach medial. Zwingend erforderlich ist die mediale Kanthopexie nach einer Hypertelorismusoperation, um die meÂ� dialen Lidbänder in der neuen Position zu fixieren.
Komplikationen Die Operationstechnik des frontoorbitalen Advancements kann v.€a. durch hohen intrakraniellen Druck erschwert werden, da der zu osteotomierende Kalottenknochen druckbedingt stark ausgedünnt sein kann. Hier besteht die Gefahr der Duraverletzung mit AusÂ� bildung einer Liquorfistel. Des Weiteren können Verletzungen der Sinus zu großen Blutverlusten führen. Ein nicht unerhebliches Infektionsrisiko besteht bei bereits Â�ausgebildeten Stirnhöhlen (ältere Kinder). Um aszendierende InÂ� fektionen zu vermeiden, sollte die Stirnhöhle deepithelisiert und obliteriert werden. Weitere Risiken sind epidurale Nachblutungen, die Verletzung des Tränen-Nasen-Gangs, Schleimhauteinrisse im Bereich der Lamina cribrosa mit anhaltender Liquorrhö, postoperative Kieferklemmen nach Ablösung des M.€temporalis im Rahmen des koronaren Zugangs und Bulbusverletzungen. Die Wahrscheinlichkeit der oben genannten Komplikationen bei kraniofazialen Eingriffen wird mit etwa 5–10% angegeben. Eine postoperative intensivmedizinische Überwachung, eine perioperative Antibiotikaprophylaxe und abschwellende Maßnahmen sind indiziert. 81.2
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen des Menschen. In der klinischen Erscheinungsform zeigt sich eine hohe Variationsbreite. Die Inzidenz scheint im europäischen Raum anzusteigen. 81.2.1 Pathogenese, Entwicklung Die Embryogenese des Gesichtes findet in der 4. bis 8.€Schwangerschaftswoche (SSW) statt. Die stärkste Entwicklung des Gesichtes ereignet sich in einem sehr kurzen Zeitfenster zwischen der 7. und 8.€Schwangerschaftswoche (Scheitel-Steiß-Länge von 17 bis 27€mm). Die Morphogenese des kraniofazialen Skeletts beginnt mit der Ausformung des Keilbeins, der vorderen und mittleren Schädelgrube sowie der Reduktion der interorbitalen Distanz. Gegen Ende der 4.€SSW treten kaudal des Stomodeums – Ektodermausbuchtung, die später die Mundhöhle bildet – Unterkieferund seitlich davon Oberkieferwülste auf, die kranial vom Stirnfort-
satz begrenzt werden. Später fusionieren die Oberkieferwülste mit den medialen Nasenwülsten und bilden gemeinsam die Oberlippe und in der Tiefe das Zwischenkiefersegment (mit Philtrum, Alveolarfortsatz der Inzisivi und primärem Gaumen). Nach kranial besteht über das Nasenseptum eine Verbindung zum Stirnfortsatz. Der weitaus größere Teil des definitiven knöchernen Gaumens geht jedoch aus Fortsätzen der Oberkieferwülste hervor, die gemeinsam die Gaumenplatte bilden (6.€SSW). Anfangs verhindert die Zunge das Fusionieren der Gaumenplatte, verlagert sich ab der 7.€SSW jedoch nach kaudal, sodass sich der sekundäre Gaumen bilden kann. Im anterioren Bereich verschmelzen sekundärer Gaumen und primärer Gaumen aus dem Zwischenkiefersegment (10.€SSW; Barteczko u. Jacob 2004) auf Höhe des Foramen incisivum. Der Tränennasengang entsteht durch sekundäre Kanalisation aus der Tränennasenfurche, die zwischen Oberkieferwulst und lateraler Nasenwulst liegt, und senkt sich soweit ab, dass beide genannten Wülste verschmelzen können. Maxilla und Jochbein entstehen aus den Oberkieferwülsten. Unterlippe und Unterkiefer gehen nach medianer Verschmelzung aus beiden Unterkieferwülsten hervor. Teratogene Einflüsse oder genetische Veranlagungen führen im kritischen Zeitfenster (4.–12.€SSW) durch fehlende Verschmelzung oder Verwachsung der Gesichtsfortsätze zur Manifestation einer entsprechenden Spaltbildung (Dursy 1869; His 1892). Man unterscheidet dabei vordere von hinteren Spaltbildungen. Eine Grenzlinie kann im Bereich des Foramen incisivum gezogen werden. So bilden sich laterale Lippenspalte, Kieferspalte und die Spalte zwischen primärem und sekundärem Gaumen vor dem Foramen incisivum aufgrund einer ungenügenden Fusion von Oberkieferwulst und medialer Nasenwulst. Hintere Spaltbildungen wie die Weichgaumenspalte und die Uvula bifida entstehen durch fehlende Vereinigung der Gaumenplatte. Als Ursache gelten die zu kleine Gaumenplatte und die fehlende Verlagerungsmöglichkeit der Zunge nach kaudal bei Mikrognathie. Spaltbildungen, die sowohl vor als auch hinter dem Foramen incisivum liegen, bilden die vollständigen Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten. Eine Ausbildung von schrägen Gesichtsspalten ergibt sich bei fehlender Verschmelzung von Oberkiefer- und lateralen Nasenwülsten. Mediane Spaltbildungen sind sehr selten und bilden sich durch eine unvollständige Vereinigung der beiden medialen Nasenwülste. Meist liegen gleichzeitig Hirnfehlbildungen mit unterschiedlich ausgeprägtem Verlust von medialen Strukturen vor.
Epidemiologie Die Häufigkeit von Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten liegt in Europa bei etwa 1 pro 500 Geburten (Hewson u. McNamara 2000; Sipek et al. 2007). In Asien beträgt die Inzidenz etwa 1:500 (Yi et al. 1999; Kim et al. 2002) bis 1:700 (Dai et al. 2003). In Lateinamerika wird von einer Inzidenz von 1:600 (Nazer et al. 2001) berichtet. Eine etwas geringere Inzidenz zeigen Afroamerikaner und Afrikaner (Pham u. Tollefson 2007; Das et al. 1995; Altemus 1966). Mit ansteigendem Alter der Mutter nimmt die Inzidenz geringgradig zu. Lippenspalten kommen häufiger bei Jungen vor. Gaumenspalten sind etwas seltener, betreffen jedoch Mädchen häufiger als Jungen. Erklärt wird dieser Unterschied durch die um etwa eine Woche spätere Fusionierung der Gaumenplatte bei Mädchen. Die Verteilung der Subformen einer Spaltbildung zeigt eine Häufung der durchgehenden Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalte (40–65%) mit deutlicher Dominanz der linken Seite.
Ätiologie Bei 17% der Kinder mit einer LKG-Spaltbildung zeigt sich eine positive Familienanamnese. Die Art der Spalte ist nicht nur abhängig
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Kapitel 81 · Fehlbildungen des Gesichts
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. Abb. 81.13╇ Varianten der Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten. (Aus Liehn u. Nehse 2011)
vom Typ der Spaltbildung der Elterngeneration, sondern auch vom Geschlecht. So zeigt sich eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Sohn einer Mutter mit Lippen- oder vollständiger LKG-Spalte (Kot u. Kruk-Jeromini 2007). Generell beträgt die Wahrscheinlichkeit bei nicht selbst betroffenen Eltern und einem Kind mit Lippenspalte für das Auftreten desselben Defektes beim nächsten Kind etwa 4%. Wenn bereits zwei Kinder betroffen sind, steigt das Risiko auf etwa 9% an. Das individuelle Risiko lässt sich durch eine genetische Beratung näher bestimmen und wird Eltern mit weiterem Kinderwunsch empfohlen. Als Ursache werden exogene und endogene Einflussfaktoren genannt. Eine Vielzahl von Studien untersuchen genetische Komponenten, die für die Entstehung von LKG-Spaltbildungen verantwortlich gemacht werden (Wong u. Hagg 2004; Stanier u. Moore 2004). Gegenwärtig wird eine multifaktorielle Genese angenommen. Dabei scheinen jedoch v.€a. exogene Einflussfaktoren wie StrahlenexposiÂ� tion, Einnahme teratogener Medikamente (z.€B. Antiepileptika), Alkohol- und Nikotinabusus (Romitti et al. 2007), virale Infektionen von Mutter und Kind, fortgeschrittenes Alter der Eltern (Bille et al. 2005), Fehl- und Mangelernährung [Folsäuremangel (Natsume et al. 1999), Vitamin-A-Überdosierung] sowie körperlicher und psychischer Stress zu dominieren.
81.2.2 Klassifikation von Lippen-Kiefer-Gaumen-
Spalten
Entsprechend der zeitlich versetzten Entwicklung von Lippe, Kiefer€und Gaumen ergeben sich abhängig von Art, Stärke und Zeitpunkt einer während der Schwangerschaft einwirkenden Störung unterschiedliche Formen und Ausprägungsgrade der Spaltbildungen. Man unterscheidet 4€verschiedene Spaltabschnitte: 4 von der Oberlippe zum Naseneingang, 4 im Bereich des Alveolarkamms, 4 am Hart- und am 4 Weichgaumen. Spaltbildungen können jeweils einseitig (rechts oder links) oder auf beiden Seiten des Gesichtes auftreten und dabei unvollständig (z.€B. Lippenspalte, die in der Oberlippe endet) oder vollständig
(z.€B. Lippenspalte bis in den Naseneingang reichend) ausgeprägt sein (.€Abb.€81.13 bis .€Abb.€81.17). Daneben gibt es verdeckte Spalten: Die Spaltbildung erstreckt sich nur auf die Muskulatur (submukös), während die darüberliegende Haut und Schleimhaut intakt sind. Die frühzeitige Diagnostik sog. submuköser Spaltbildungen ist von besonderer Bedeutung, da trotz intakter Gaumenschleimhaut die für die Aussprache und Belüftung des Ohres wichtige Muskulatur nicht vereint ist. UnbeÂ�handelt kann es zu Sprechstörungen und Belüftungsstörungen des Mittel-
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81.2 · Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
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. Abb. 81.14╇ Einseitige vollständige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte präoperativ (a,€b) und nach operativer Versorgung€(c)
. Abb. 81.15╇ Beidseitige vollständige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte präoperativ (a,€b) und – nach Primäroperationen – im Alter von 6€Jahren (c)
ohres mit evtl. resultierender Schwerhörigkeit kommen. Das Behandlungskonzept submuköser Spalten entspricht dem der offenen Spaltformen. Die LAHS-Nomenklatur (Koch et al. 1995) stellt eine internaÂ� tional anerkannte topographisch-anatomische Klassifikation von Spaltbildungen dar (.€Tab.€81.4). Die Buchstaben bezeichnen den betroffenen anatomischen Bereich: So steht »L« für eine Lippenspalte, »A« für eine Kieferspalte (Alveolus), »H« für eine Hart- (»hard palate«) und »S« für eine Weichgaumenspalte (»soft palate«). Nicht betroffene anatomische Abschnitte werden mit einem Minuszeichen gekennzeichnet. Der linke Teil des Codes betrifft die rechte Patientenseite und umgekehrt. Kleine Buchstaben symbolisieren unvollständige Spaltbildungen.
Seltene Gesichtsspalten (.€Abb.€81.18, .€Abb.€81.19) werden in der LAHS-Nomenklatur jedoch nicht abgebildet. Hierfür findet die Internationale Klassifikation der Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten (1967) Verwendung: 4 Zu Gruppe 1 gehören vordere Spaltbildungen (primärer Gaumen), 4 zu Gruppe 2 vordere und hintere Spaltbildungen und 4 zu Gruppe 3 isolierte hintere Spaltbildungen (sekundärer Gaumen). 4 Die seltenen Gesichtsspalten werden in Gruppe€4 subsumiert 5 mediane Spalten, 5 oroorbitale schräge Gesichtsspalten, 5 oroaurikuläre quere Gesichtsspalten, 5 andere seltene Spalten.
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Kapitel 81 · Fehlbildungen des Gesichts
. Tab. 81.4╇ LAHS-Nomenklatur. (Nach Koch et al. 1995)
a
LAHS-Nomenklatur
Kennzeichen
L– – – – – –
Rechtsseitige Lippenspalte
––––––l
Unvollständige linksseitige Lippenspalte
LA– – – AL
Beidseitige Lippen-Kiefer-Spalte
LAHSHAL
Beidseitige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte
– – – SHAL
Linksseitige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte
– – HSH– –
Hart- und Weichgaumenspalte
– – – S– – –
Isolierte Weichgaumenspalte
Abkürzungen: L=Lippenspalte, A=Kieferspalte (Alveolus), H=Hartgaumenspalte (»hard palate«), S=Weichgaumenspalte (»soft palate«).
Alternativ findet die ebenfalls international anerkannte Tessier-Klassifikation kraniofazialer Spaltbildungen (Tessier 1976) Verwendung, die Spalten in 15 verschiedene Kategorien unterteilt: 4 Nr. 0–7 repräsentieren Gesichtsspalten, 4 Nr. 8–14 repräsentierenGesichtsspalten mit kranieller Mitbeteiligung.
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Lippenspalten.╇ Lippenspalten liegen an der Philtrumkante und er-
b
c . Abb. 81.16╇ Beidseitige vollständige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte präoperativ (a,€b) und – nach Primäroperationen – im Alter von 3€Jahren (c)
strecken sich je nach Ausprägung vom Lippenrot bis zum Naseneingang. Dabei bestehen sowohl bei einseitigen als auch doppelseitigen Lippenspalten eine Dehiszenz des M.€orbicularis oris und eine typische Deformierung des Naseneingangs (abgeflachte Nasenspitze, verkürzte Columellakante). Die kleinstmögliche Spaltbildung ist das Lippenkolobom mit isolierter Spaltung der Lippenmuskulatur. Stärker ausgeprägt ist die unvollständige Lippenspalte, die meist vom Lippenrot bis in das Lippenweiß reicht, jedoch keine Beteiligung des Nasenbodens aufweist. Selbst bei unvollständigen Lippenspalten zeigen sich bereits spaltÂ� typische Nasendeformitäten (querovales Nasenloch, Septum zur gesunden Seite verschoben; .€Abb.€81.209). Bei der vollständigen Lippenspalte sind alle Gewebeschichten bis in den Naseneingang unterbrochen. Bei doppelseitigen Lippenspalten zeigen sich klinisch ein hypoplastischer medianer Lippenanteil (Prolabium), eine verkürzte Columella und beidseitig ausgeprägte spalttypische Nasendeformitäten. Asymmetrische Ausprägungen sind möglich. Lippen-Kiefer-Spalten.╇ Zusätzlich zu den oben beschriebenen Veränderungen bei Lippenspalten können bei Lippen-Kiefer-Spalten unvollständige bis vollständige Unterbrechungen des Alveolarfortsatzes im Bereich der seitlichen Schneidezähne – mit Ausdehnung bis zum Foramen incisivum – auftreten. Kieferspalten treten nicht solitär auf. Die Grenze verläuft zwischen dem primären Gaumen und den seitlichen Oberkieferwülsten. Der Knochendefekt ist häufig von regelhaften Mundschleimhautanteilen maskiert. Der seitliche Schneidezahn kann aplastisch sein, in dysplastischer Form oder als echte Doppelanlage vorliegen. Doppelseitige Lippen-Kiefer-Spalten gehen klinisch meist mit einer erheblichen Deformität einher. Das Zwischenkiefersegment ist nur an Vomer und Nasenseptum fixiert und kann weit nach anterior hervorragen. Der vordere Nasenbodenanteil fehlt, der Nasensteg ist deutlich verkürzt, und beide Nasenflügel sind lateralisiert.
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81.2 · Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
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. Abb. 81.17╇ Unvollständige Spaltformen: Lippenkolobom (a,€b), einseitige Lippenkerbe (c,€d), unvollständige beidseitige Lippenspalte (e,€f)
a
. Abb. 81.18╇ Minorform einer queren Gesichtsspalte (Pfeil) mit Ohranhängsel
b . Abb. 81.19╇ Mediane Lippenspalte prä- (a) und postoperatv (b)
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. Abb. 81.20a–g╇ Typische spaltbedingte Nasendeformitäten bei einseitiger Lippenkerbe
Gaumenspalten.╇ Isolierte Gaumenspalten gehören zu den hinteren,
posterior des Foramen incisivum liegenden Spaltbildungen und zeigen in der Regel keine Beteiligung des Alveolarknochens. Abhängig von der anterior-posterioren Ausdehnung wird die Uvula bifida (gespaltenes Zäpfchen) von der submukösen Gaumenspalte sowie der unvollständigen und der vollständigen Gaumenspalte unterschieden (.€Abb.€81.21). Funktionell bedeutsam ist die veränderte Anatomie der Gaumensegelmuskulatur (Mm.€levator und tensor veli palatini). Der M.€levator palatini zieht physiologischerweise das mittlere Drittel des Weichgaumens nach posterior und kranial, um einen dichten Abschluss mit der Pharynxhinterwand zu erreichen. Unterstützend ziehen die paarigen Mm.€palatopharyngei das Gaumensegel nach posterior und der M.€constrictor pharyngealis superior die laterale Pharynxwand nach medial. Bei Gaumenspalten liegt eine Desorientierung v.€a. des M.€levator palatini vor. Statt in der Medianebene in der Palatinalaponeurose zu münden, sind die Muskelfasern longitudinal orientiert und setzen im posterioren Bereich des Os palatinum an. Die submuköse Gaumenspalte zeigt eine fehlende mediane Vereinigung der Gaumenmuskulatur und wird durch intakte Gaumen-
schleimhaut maskiert. Klinisch fallen die betroffenen Kinder häufig erst durch spaltbedingte Funktionsstörungen im Sinne von Belüftungsstörungen des Mittelohrs auf, die rezidivierende chronische Paukenergüsse zur Folge haben. Häufig findet sich eine submuköse Gaumenspalte im Rahmen syndromaler Erkrankungen. Bei unvollständigen Gaumenspalten erstreckt sich die Spaltbildung von der Uvula bis in den Weichgaumen. Sollte die Spaltbildung bis zum Foramen incisivum reichen, spricht man von einer vollständigen Gaumenspalte. Der Vomer ist nicht mit dem Gaumendach verwachsen. Eine Ausnahme bildet die vollständige Gaumenspalte in Kombination mit einer einseitigen Lippen-Kiefer-Spalte: Hier kann der Vomer einseitig mit dem Gaumen auf der nicht betroffenen Seite verwachsen sein. Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten.╇ Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten entstehen durch eine Kombination aus vorderer und hinterer Spaltbildung. Sie können einseitig oder doppelseitig vorkommen und zeigen dann alle oben genannten klinischen Merkmale in milder bis starker Ausprägung.
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81.2 · Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
werden jedoch auch kardiale und urogenitale Veränderungen beschrieben. > Bei allen Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten sollte eine sorgfältige pädiatrische Untersuchung durchgeführt werden. Spaltbedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen.╇ Kinder
mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten zeigen regelhaft ein normales Wachstum. Im Bereich der Viszeralschädelentwicklung kommt es jedoch durch fehlerhafte Wachstumsimpulse zu Fehlentwicklungen. Bei Vorliegen einer Lippenspalte führen der unterbrochene periorale Muskelring und der unzureichende Lippendruck zu einer progredienten Fehlstellung der Kiefersegmente. Entwicklungshemmungen können auch durch operativ erzeugte Narbenstränge auftreten. So lässt sich klinisch häufig ein schmaler retrudierter Oberkiefer (maxilläre Retrognathie) nachweisen. Funktionelle Störungen ergeben sich v.€a. bei Gaumenspalten durch die Probleme mit der Nahrungsaufnahme, durch Belüftungsstörungen des Mittelohres aufgrund der Fehlinsertion der Gaumenmuskulatur (Ventilationsstörung der Tuba Eustachii) und durch die velopharyngeale Insuffizienz mit konsekutiver Störung der Lautbildung (Palatophonie, Palatolalie), die bereits ab einem Alter von etwa 2€Jahren auffällt. Im Rahmen des interdisziplinären Behandlungskonzeptes ist die enge Anbindung der Phoniatrie empfehlenswert. Das häufig deviierte Nasenseptum kann zusätzlich zur Behinderung€der Nasenatmung führen. Dentoalveoläre Fehlstellungen sind häufig.
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81.2.4 Therapeutisches Vorgehen
Behandlungskonzept
c . Abb. 81.21╇ Isolierte Weichgaumenspalte (a), kombinierte Hart- und Weichgaumenspalte (b) sowie postoperativer Situs 10€Tage nach Gaumenspaltverschluss (c)
81.2.3 Syndrome mit Lippen-Kiefer-Gaumen-
Spalten
In der aktuellen Literatur finden sich über 250 Syndrome und einige Chromosomenaberrationen (Trisomie€13, Trisomie€18), die mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten assoziiert sein können (Cohen 1978; Gorlin et al. 1971; Fara et al. 1972). In bis zu 25% der Fälle liegen bei Kindern mit Spaltbildungen weitere Fehlbildungen, Erkrankungen oder Auffälligkeiten vor. Dabei finden sich diese Veränderung am häufigsten im Bereich der Extremitäten und der Wirbelsäule. Es
Ein interdisziplinäres Behandlungskonzept, das den Patienten mit Spaltbildung von Geburt bis zum Abschluss des Wachstumsalters begleitet, ist für die vollständige funktionelle und ästhetische Rehabilitation unabdingbar. Idealerweise ist die erste Aufklärung über das Behandlungskonzept (.€Tab.€81.5) bereits pränatal wünschenswert, wenn im Rahmen des Organ-Screenings (20.–24.€SSW) in der Ultraschalluntersuchung eine Spaltbildung diagnostiziert wurde. So kann bereits vor der Geburt ein Gespräch mit einer Stillberaterin geführt werden. Auf diese Weise ist es möglich, Müttern von Kindern mit LKG-Spalten professionelle Unterstützung zu geben, um ein Stillen des Kindes zu ermöglichen. Die Therapie gliedert sich in 4 Primärbehandlung (Frühbehandlung, chirurgische Primärbehandlung), 4 Sekundärbehandlung (Kieferspaltosteoplastik, sprachverbessernde Operationen, Korrekturoperationen) und 4 Spätbehandlung (z.€B. Nasenkorrekturen, DysgnathieoperaÂ� tionen). Begleitend erfolgt die Überwachung von Sprach- und Hörentwicklung durch die Phoniatrie sowie die Unterstützung bei Fehl- oder Nichtanlage von Zähnen durch die Fachbereiche Kieferorthopädie, Prothetik und Zahnerhaltung, unter besonderer Berücksichtigung der Prophylaxe. Da Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten auch mit anderen Fehlbildungen, z.€B. der Extremitäten, vergesellschaftet sein können, sollten Plastische Chirurgen in das erweiterte Behandlungskonzept integriert werden. Die wichtigen frühen Schritte der interdisziplinären Behandlung beginnen bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten mit dem
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Kapitel 81 · Fehlbildungen des Gesichts
. Tab. 81.5╇ Behandlungskonzept der Medizinischen Hochschule Hannover im Überblick
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Behandlungszeitraum
Diagnostische und therapeutische Maßnahmen
Direkt nach der Geburt (abhängig vom Allgemeinzustand von Mutter und Kind)
Vorstellung in Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie 1.€Untersuchung des Kindes und Beratung der Eltern
Kurz nach der Geburt
Kieferorthopädische Frühbehandlung (Eingliederung einer Gaumenplatten)
In regelmäßigen Abständen bis zum Erwachsenenalter
Beratung der Eltern in interdisziplinärer Sprechstunde
4.–6. Lebensmonat (ab 5000€g Körpergewicht)
Lippenspaltplastik
9.–12. Lebensmonat (vor Sprachentwicklung)
Gaumenspaltplastik
Abhängig von der Sprachentwicklung
Logopädische Betreuung
5.–6. Lebensjahr
Kleine Korrekturen an Lippe und Naseneingang Sprachverbessernde Operationen (Velopharyngoplastik)
Abhängig vom Schweregrad der Spaltbildung
Beginn der kieferorthopädischen Therapie
8.–11. Lebensjahr (vor Durchbruch des bleibenden seitlichen Schneide- oder Eckzahns)
Sekundäre Kieferspaltosteoplastik
15.–18. Lebensjahr
Endgültige Korrekturen an Nase und am Gesichtsschädel, prothetische Versorgung
Eingliedern einer Gaumenplatte (Trinkplatte) durch den Kieferorthopäden. Prinzipiell dient die Gaumenplatte der Trennung von Mundund Nasenhöhle: Die Zunge wird in der Mundhöhle gehalten und daran gehindert, sich in die Nasenhaupthöhle einzulagern. Das Schlucken, die Nasenatmung und die Nahrungsaufnahme werden erleichtert. Seitliche Muskelzüge werden abgehalten. Mit der Gaumenplatte kann das Wachstum und die Harmonisierung des Oberkiefers gesteuert werden. Auf der anderen Seite gibt es aber durchaus auch Kinder mit breiten LKG-Spalten, die bei entsprechender AnÂ� leitung auch ohne Trinkplatte normal gestillt und ernährt werden können. Die unmittelbar nach der Geburt eingesetzte Gaumenplatte wird vom Kind zumeist schnell akzeptiert. Sie sollte feucht eingesetzt werden und hält im Mund des Säuglings über Adhäsion. Die Gaumenplatte wird im Verlauf in den Bereichen ausgeschliffen, in denen Wachstum erfolgen soll. Da im 1.€Lebensjahr das größte Wachstum stattfindet und damit der größte Effekt erzielt werden kann, muss die Platte regelmäßig angepasst und etwa alle 3–3€Monate erneuert werden. Die Gaumenplatte wird zunächst von der Geburt bis zum Lippenspaltverschluss getragen. Mit Hilfe der Gaumenplatte wird bereits eine deutliche Harmonisierung der Form des Oberkiefers erreicht. Nach dem Verschluss der Lippe wird bis zum Verschluss des Gaumens eine neue Gaumenplatte angefertigt und getragen. Der durch den Verschluss ermöglichte Druck der Lippenmuskulatur wirkt kieferregulierend und führt bereits zu einer deutlichen Harmonisierung der Kieferform.
Chirurgische Primärbehandlung Lippenspaltplastik.╇ Die ästhetisch und funktionell adäquate Rekonstruktion der Oberlippe unter Berücksichtigung einer harmonischen und symmetrischen Lippenrot-weiß-Grenze mit ausgeprägÂ� tem Philtrum und anatomisch korrekt ausgeformtem Naseneingang ist das Ziel der Lippenspaltplastik. Immanentes Ergebnis des Lippenverschlusses sind ferner der Verschluss des Vestibulums und der schleimhäutige Verschluss des Kieferspaltbereichs.
Bei allen Lippenspalten sollten keine größeren Anteile der äußeren Haut, der Schleimhaut oder insbesondere der Lippenmuskulatur reseziert werden. Grundlage der Lippenspaltplastik ist die funktionelle Vereinigung der fehlinserierten Stümpfe des M.€orbicularis oris. Bei doppelseitigen Lippen-Kiefer-Spalten enthält das Zwischenkiefersegment meist keine funktionell verwertbare Muskulatur, weshalb beim Lippenspaltverschluss aus den beiden lateralen Lippenstümpfen die Fasern des M.€orbicularis oris mobilisiert werden müssen. Abhängig von der Spaltbildung und der Ausprägung haben sich unterschiedliche Lippenspaltplastiken etabliert, die sich in der Praxis maßgeblich in der Hautschnittführung unterscheiden. DemgegenÂ� über ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass v.€a. der funktionellen Rekonstruktion der Lippen- und mimischen Mittelgesichtsmuskulatur besondere Rechnung getragen werden muss. Bei einseitigen, unvollständigen Lippenspalten kann mittels gerader Schnittführung (nach Veau), Bildung eines Dreiecksläppchens (nach Tennison 1952, 1966; Randall 1957), Schnittführung nach Millard (1969, 1964; .€Abb.€81.22) oder Wellenschnittführung nach Pfeifer (1967) ein harmonischer Amorbogen mit gut ausgeprägtem Pounting erreicht werden. Bei allen Techniken wird der M.€orbicularis oris aus der unphysiologischen Anheftung an Oberkiefer und Nasenflügel gelöst. Doppelseitige, unvollständige Lippenspalten werden z.€B. nach Veau (1922) und Cronin u. Penoff (1971) operiert. Diese Technik hat sich bei hypoplastischem und muskelfreiem Prolabium zur Auffüllung des Lippenrots und Verlängerung der Spaltkante des Prolabiums bewährt. Unter Schonung der Lippenrot-weiß-Grenze im Prolabium werden die Lippenstümpfe aufgetrennt und das Lippenrot durch gegeneinander verschränkte Lippenrotläppchen aufgefüllt. Bei einseitigen vollständigen Lippenspalten werden die oben genannten Techniken durch die Rekonstruktion des Nasenbodens und den Verschluss der Kieferspalte nach Axhausen (May 1946) bis in Höhe des Foramen incisivum ergänzt. Dabei wird das Mukoperiost von Zwischenkiefer und Nasenseptum abgelöst und mit dem Mukoperiostlappen der kontralateralen Seite und der darüberlie-
787
81.2 · Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
a
b . Abb. 81.22╇ Unvollständige Lippen-Kiefer-Spalte links (a) und Schemazeichnung der Lippenverschlussplastik nach Tennison-Randall (b)
und Sprechen und das verbesserte Belüften des Mittelohrs durch Zug an der Tuba auditiva zum Ziel. Bei allen Gaumenspaltverschlussplastiken werden das nasale und das orale Schleimhautblatt vom knöchernen Gaumen gelöst. Dann erfolgt der Verschluss der Nasenschleimhaut, sodass Mundund Nasenraum endgültig voneinander getrennt sind. Nach Lösen der Gaumenmuskulatur von ihrer unphysiologischen Anheftung am harten Gaumen erfolgt die anatomisch korrekte Vereinigung der Muskulatur des weichen Gaumens. Abschließend wird die Schleimhaut auf der Mundhöhlenseite verschlossen. Der Verschluss des weichen Gaumens kann mit der Stiellappenoder Brückenlappentechnik erfolgen. Widmaier (1961) beschreibt die Mobilisierung zweier kurzer, dorsal gestielter Mukoperiostlappen, die in der Medianen vereint werden und eine Verlängerung des weichen Gaumens gestatten. Bei simultanem Verschluss von hartem und weichem Gaumen können mit der Stiellappenplastik sowohl Velum- als auch ausgedehnte Hart- und Weichgaumenspalten sicher verschlossen werden. Eine Variante stellt die Brückenlappenplastik dar. Hierbei wird der Mukoperiostlappen im Bereich des anterioren Gaumens nicht abgesetzt. Plastiken mit ventral oder dorsal gestielten Lappen eignen sich besonders für den Gaumenspaltverschluss bei Erwachsenen. Nachteilig wirkt sich die fehlende Verlängerungsmöglichkeit nach dorsal aus. Beim Gaumenspaltverschluss wird simultan immer eine primäre (Epi-/Meso-)velopharyngoplastik durchgeführt, bei der laterales Pharynxgewebe medial flächig – nach dreiecksförmiger beidseitiger Schleimhautexzision des nasalen spaltnahen Geweberandes – distal der Weichgaumenhinterkante zusammengeführt wird. Diese erhöht erstens die velopharyngeale Suffizienz und ist zweitens die einzige verlässliche chirurgische Möglichkeit, einen hinteren Gaumenbogen bereits primär zu formen und somit auch einen zu kurzen Weichgaumen zu verhindern (Joos et al. 2006).
Sekundärbehandlung genden Apertura piriformis vereinigt. Eine Modifikation der Technik zur Wiederherstellung des Nasenbodens und zum Kieferspaltverschluss beschreibt Stellmach (1964). Bei doppelseitigen vollständigen Lippenspalten können ebenfalls verschiedene Operationsmethoden kombiniert werden. Eine extreme Protrusion des Zwischenkiefersegments kann in Ausnahmefällen einen zweizeitigen operativen Ansatz erforderlich machen. Vorteile eines einzeitigen Vorgehens liegen jedoch in der besseren Ausformbarkeit der Lippe und der insgesamt besseren symmetrischen Gestaltung der Lippe und des Naseneingangs (Stein et al. 2007). Verschluss des harten und weichen Gaumens.╇ Bei der Wahl des Zeitpunktes für den Verschluss des harten und des weichen Gaumens gilt es 2€Punkte zu beachten: Einerseits sollte der Gaumen so früh wie möglich verschlossen werden, um eine möglichst ungehinderte Sprachentwicklung zu ermöglichen, andererseits wird durch eine Narbe am Gaumen evtl. das Wachstum des Oberkiefers gestört. Dies ist der Grund dafür, dass der Gaumen nicht schon zusammen mit der Lippe verschlossen wird, sondern erst im Alter von 9–11€Monaten, also zum Zeitpunkt, wenn das Kind die ersten Laute bildet. Beim Gaumenverschluss kommt es ebenfalls auf die Rekonstruktion einer physiologischen Muskelschlinge und auf eine exakte Vereinigung der einzelnen Schichten an, damit die vielschichtigen Funktionen des Gaumens wiederhergestellt werden können. Diese Vereinigung hat das Abdichten des Nasenraums beim Schlucken
Man unterscheidet Eingriffe, die routinemäßig zur chirurgischen Rehabilitation von Spaltbildungen zählen (Kieferspaltosteoplastik, Nasenstegverlängerung bei doppelseitigen Lippen-Kiefer-GaumenSpalten), von Korrektureingriffen zur ästhetischen und funktionellen Verbesserung bei nicht befriedigenden Primäroperationen. Kieferspaltosteoplastik.╇ Die Spaltbildung im Bereich des Alveolar-
fortsatzes wird üblicherweise kurz vor Durchbruch des bleibenden Eckzahns (8.–11.€Lebensjahr) verschlossen, der dann in diese Lücke bewegt werden kann und ein festes knöchernes Lager vorfindet. Nach vestibulärer und palatinaler marginaler Schnittführung wird transplantierter Knochen (Spongiosaentnahme aus dem Beckenkamm) eingebracht, um einen regelrechten Alveolarkamm zu bilden. Ein spannungsfreier Verschluss der Schleimhautblätter führt zu einer erfolgreichen Einheilung der Osteoplastik. Die Knochenauflagerung sollte sich an den benachbarten Kieferstümpfen orientieren und deren Höhe erreichen.
Sprachverbessernde Operationen Sprachverbessernde Operationen werden dann notwendig, wenn durch den primären Velumspaltverschluss kein adäquater velopharyngealer Abschluss erreicht werden konnte. Ein sog. offenes Näseln (Rhinophonia aperta) kann Folge einer mangelnden Abschlussfunktion eines zu kurzen Gaumens gegen den Rachen sein. In diesen Fällen empfiehlt sich eine sprachverbessernde Operation (Velopharyngoplastik). Die Indikation zu einer sprachverbessernden Operation wird gemeinsam mit dem Phoniater oder Logopäden gestellt.
81
788
Kapitel 81 · Fehlbildungen des Gesichts
det. Zunächst erfolgt die Schnittführung entlang der Columella bzw. Nasenflügelkanten. Anschließend wird die häutige Columella von den Spitzenknorpeln abgelöst. Die Vereinigung der Knorpel führt zu einem Anheben der Nasenspitze, die Vereinigung der Gabelläppchen zur Wiederherstellung eines verlängerten Nasenstegs. Im Rahmen der Spätbehandlung sind weitere Korrekturen (operative Korrekturen von Dysgnathien, Narben, Nasenkorrekturen) möglich (.€Abb.€81.23).
a
> Ein besonderer Aspekt der Spaltchirurgie besteht darin, einen der sichtbarsten Körperbereiche zu einem Zeitpunkt operativ zu beeinflussen, zu dem das Wachstum noch nicht abgeschlossen ist. Operative Veränderungen sollten, unter Berücksichtigung der Wachstumsvorgänge, hinsichtlich Funktion und Ästhetik vorhersagbare Ergebnisse liefern.
Literatur Literatur zu 7€Kap.€81.1
81
b
c . Abb. 81.23╇ Restperforation im Bereich des Übergangs von hartem und weichem Gaumen (a). Spaltbedingte transversale Enge des Oberkiefers bei einseitiger LKG-Spalte (b) und beidseitiger LKG-Spalte (c)
Ein aus der Pharynxhinterwand mobilisierter SchleimhautMuskel-Lappen wird mit dem Velum vernäht, um eine Zügelung des Velums nach dorsokaudal zu erreichen. Hierfür hat sich die Velopharyngoplastik nach Sanvenero-Rosselli bewährt. Nach Eröffnung des Velums wird ein kranial gestielter Schleimhaut-Muskel-Lappen aus der Pharynxhinterwand eingelagert. Nachfolgend an eine sprachverbessernde Operation ist die logopädische Betreuung indiziert, damit der Patient sich auf die veränderten anatomischen Verhältnisse einstellen kann.
Korrekturen an Oberlippe und Nase Zu den regelhaften Korrekturoperationen zählt die Nasenstegverlängerung bei doppelseitigen Lippenspalten. Eine anerkannte Methode stellt die Gabellappenplastik nach Millard (1964) dar. Zur Verlängerung der Columella wird das Narbengewebe der Oberlippe verwen-
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81.2 · Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
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81
82
Fehlbildungen der Mammae A. Heckmann, K.H. Breuing
82.1
Diagnostikâ•… – 792
82.2
Klassifikationâ•… – 792
82.3
Formenâ•… – 792
82.3.1 82.3.2 82.3.3 82.3.4 82.3.5 82.3.6 82.3.7 82.3.8 82.3.9 82.3.10 82.3.11 82.3.12 82.3.13
Aplasieâ•… – 792 Amastie/Athelieâ•… – 793 Polymastie/Polythelieâ•… – 793 Aberrantes Brustdrüsengewebeâ•… – 793 Mammahypoplasieâ•… – 793 Makromastieâ•… – 793 Juvenile Striaeâ•… – 794 Tubuläre/tuberöse Brustâ•… – 794 Mammaasymmetrie (Anisomastie)â•… – 796 Trichterbrust (Pectus excavatum)â•… – 797 Poland-Syndromâ•… – 797 Hohlwarze/Schlupfwarze (Koilomastie)â•… – 798 Mamillenhyperplasie/Hyperplasie der Montgomery-Drüsenâ•… – 798
82.4
Zusammenfassungâ•… – 798
82.4.1 82.4.2 82.4.3
Therapiezieleâ•… – 798 Stand der operativen und konservativen Therapieâ•… – 799 Brustimplantateâ•… – 799
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
792
Kapitel 82 · Fehlbildungen der Mammae
82.1
Diagnostik
Die Diagnose Brustfehlbildung stützt sich auf die Anamnese und klinische Untersuchung der betroffenen Patientin. Inspektion und Palpation sowie bildgebende Verfahren, wie Ultraschalluntersuchungen und ggf. Mammographie, gehören zum medizinischen Â�Diagnosestandard. Weiterführende bildgebende Verfahren wie CT und MRT sind in der Regel nicht notwendig und nur bei besonderer Fragestellung indiziert. > Das Gros der diagnostischen Arbeit kann der versierte Arzt in der Regel allein durch Anamnese und die körperliche Untersuchung leisten.
82.2
82
Brustdrüse
Mamillen- Areolen- Komplex (MAK)
Angrenzende anatomische Strukturen
Anzahl
4 Aplasie 4 Amastie 4 Polymastie
4 Aplasie 4 Athelie 4 Polythelie
Größe
4 Hyperplasie 4 Hypoplasie
4 Mamillen� hyperplasie 4 Inversion
4 Poland- Syndrom 4 Skoliose 4 Trichterbrust 4 Thorax� asymmetrie
Form
4 Tuberöse Brust
4 Prolaps
Klassifikation
Im 2.€Embryonalmonat entstehen am Rumpf die beiden ektodermalen Milchleisten, die von der Axilla bis zur Inguinalfalte und weiter bis zur Oberschenkelinnenseite verlaufen. Im weiteren Verlauf entstehen die Mammae durch Einstülpung der Brustknospe in das Mesenchym aus 4€eindringenden Epithelzapfen auf Höhe der IV.€Rippe. Ist dieser Entwicklungsprozess gestört, kann es zu Fehl- oder Überschussbildungen entlang der Milchleisten kommen. Das Ausmaß der Brustfehlbildung hängt vom Zeitpunkt des Einwirkens des schädigenden Prozesses während der Embryonalzeit ab. Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen der Brust 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
. Tab. 82.1╇ Fehlbildungen der Mamma nach anatomischem Erscheinungsbild
Aplastie Amastie/Athelie Polymastie/Polythelie Mammahypoplasie Makromastie Juvenile Striae Tubuläre Brust Mammaasymmetrie Trichterbrust Poland-Syndrom Hohlwarze (Koilomastie) Mamillenhyperplasie Hyperplasie der Montgomery-Drüsen
Die menschliche Brustdrüse ist eine hochdifferenzierte Hautdrüse (7€Kap.€66, .€Abb.€66.1 und 66.2). Die weibliche Brustdrüse nimmt ab der Pubertät infolge der Hormonumstellungen mit Vermehrung der Milchgänge von Binde- und Unterhautfettgewebe an Größe zu. Geringe Unterschiede der weiblichen Brust in Größe und Form treten nahezu bei jeder Frau auf und werden zumeist nicht bemerkt. Ausgeprägte Unterschiede allerdings können neben funktionalen Aspekten (z.€B. Stillfähigkeit) durchaus auch als ästhetisch störend empfunden werden. Fehlbildungen der Brust können zum einen angeboren sein, oder es kann erst im Verlauf der Pubertät zu Fehlbildungen in Wachstum und Symmetrie der Brust kommen, die sich nur zum Teil ausgleichen können. Neben den ästhetischen Aspekten kann es im Folgenden aber auch zu Fehlhaltungen im muskuloskelettalen System kommen. Bei einseitiger Fehlbildung kann sich während der Wachstumsphase die Brustasymmetrie ggf. ausgleichen. Wenn dies nicht geschieht, ist gegen Ende der Wachstumsphase eine korrigierende Maßnahme durch einen operativen Eingriff möglich.
Die Art des zu wählenden Eingriffs hängt dabei stark von der jeweils individuell auftretenden Fehlbildung ab. Manchmal reicht eine einfache Korrektur der Brustwarze und des Hautmantels, in anderen Fällen kann eine Reduktion oder Lappenplastik des Drüsenkörpers oder eine Rekonstruktion mit Eigengewebe und/oder Implantaten Abhilfe schaffen. Brustfehlbildungen haben unterschiedliche Ausprägungen. Zum einen können die Brustdrüse, die Brustwarze oder der Warzenhof ganz fehlen. Zum anderen kann das Brustdrüsengewebe überschüssig oder die Anlage der Brustwarze überzählig sein (.€Tab.€82.1). Brustfehlbildungen entstehen auch als Folge von Unfällen, chirurgischen Eingriffen, Erkrankungen im Säuglings- und Kindesalter sowie Tumormanifestationen. Grundsätze der Fehlbildungskorrektur der Mammae 4 Brustfehlbildungen finden sich uni- oder bilateral. 4 Das teilweise oder völlige Fehlen einer Brust ist für die Patientinnen eine große psychosoziale Belastung. 4 Eine Korrekturoperation sollte im Regelfall erst nach Abschluss der Brustentwicklung bzw. bei Volljährigkeit erfolgen. Der Leidensdruck beginnt aber bereits in der Pubertät und kann zu Minderwertigkeitsgefühlen und PartnerschaftsprobÂ� lemen führen. Es kommt zu einer Einschränkung der Lebensqualität und des Sozialverhaltens. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer chirurgischen Korrektur bei diesen Patientinnen. In Einzelfällen kann diese KorrekturÂ�operation je nach Befund und Belastungssituation bereits während der Pubertät durchgeführt werden, um der Patientin eine normale körperliche und gesellschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. 4 Bis zur endgültigen Korrektur der Fehlanlage bedarf es dann aber ggf. mehrerer chirurgischen Interventionen. Der Therapieplan ist in Zusammenarbeit mit der Patientin und den Eltern detailliert zu erörtern.
82.3
Formen
82.3.1 Aplasie Unter einer Aplasie versteht man die Nichtausbildung der Brust. Sie gehört zu den Mangelfehlbildungen der embryonalen Milchleiste. Die wirkliche Aplasie ist selten und tritt meist als Syndrom mit generellen Störungen der Hautanhangsgebilde auf.
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82.3 · Formen
82.3.2 Amastie/Athelie Unter Amastie versteht man das vollständige Fehlen der BrustÂ� drüse€und der Brustwarze. Oft treten parallel eine Unterentwicklung der inneren und äußeren Geschlechtsorgane und ipsilaterale Thoraxwanddefekte (7€auch Poland-Syndrom) auf. Die Athelie, das Fehlen der Brustwarze, tritt meist in Kombination mit der Amastie auf. 82.3.3 Polymastie/Polythelie Die Polymastie (Mehrfachanlage der Brust) und die Polythelie (Mehrfachanlage der Brustwarze; .€Abb.€82.1) gehören zusammen€mit der aberrierenden Mamma und der akzessorischen Mamma zu den Überschussfehlanlagen der Brust. Bei 2–3% der Frauen besteht eine akzessorische Ausbildung der Brust in die Axilla hinein. Das überzählige Vorkommen der Brustwarze entlang der Milchleiste ist mit einer Inzidenz von 5% in der Bevölkerung verbreitet. Das ektopische Brustdrüsengewebe (Polymastie) bildet zusätzliches Brustdrüsengewebe entlang der Milchleiste aus. Dabei bildet sich in den Extrabrüsten ein eigenes separates Drüsensystem aus. Eine Sonderform ist hier die Ausbildung einer Doppelbrust, bei der die beiden Brustwarzen kleiner als die der gesunden Gegenseite und weiter kranial oder kaudal lokalisiert sind. 82.3.4 Aberrantes Brustdrüsengewebe Entsprechende Ausbildung einer weiteren Brust wie bei der Polymastie, nur dass die Lokalisation nicht entlang der Milchleiste zu finden ist (.€Abb.€82.2). 82.3.5 Mammahypoplasie Im Verhältnis zu Größe und Gewicht der Betroffenen liegt eine zu kleine Brust (BH-Körbchen kleiner als€A) vor. Man kann folgende Einteilung vornehmen: 4 Mammaaplasie, 4 Mammahypoplasie,
. Abb. 82.1╇ Polythelie rechts
4 Involutionsmammahypoplasie, 4 postpartale Mammahypoplasie. Als Symptome werden insbesondere
4 eine ausgeprägte psychische Belastung bei regelwidrigem Körperzustand und
4 eine zu gering ausgeprägte Brustprojektion beobachtet. In der Anamnese finden sich eine fehlende Entwicklung oder starke Rückentwicklung der Brust nach Schwangerschaft und Stillen. Eine nicht ausreichend ausgeprägte weibliche Brustprojektion und psychische Belastung stellen hier als Therapieoption die OperationsÂ� indikation (Augmentation des unterentwickelten Brusthügels durch Implantation einer z.€B. kohesivgelgefüllten Silikonprothese oder ggf. durch vaskularisiertes Eigengewebe). Die juvenile Hypoplasie stellt wohl nur eine fragliche Fehlbildung dar. Eine hormonelle Stimulation des Brustwachstums ist wegen der fehlenden Rezeptoren nicht möglich und sollte auch wegen einer möglichen Kanzerogenese nicht angewendet werden. 82.3.6 Makromastie Im Verhältnis zu Größe und Gewicht der Betroffenen liegt eine zu große und zu schwere Brust (BH-Körbchengröße C oder größer) vor. Man kann folgende Einteilung vornehmen: 4 juvenile Mammahyperplasie, 4 Mammahypertrophie, 4 Altershypertrophie, 4 Gigantomastie. Folgende Symptome zeigen sich: 4 Rücken-/Nackenschmerzen, 4 Fehlhaltung, 4 Einschränkungen in Sport und Beruf, 4 BH-Trägerfurchen, 4 Intertrigo, 4 erhöhte psychische Belastung. In der Anamnese findet sich eine Fehlentwicklung der Brust ab der Pubertät, nach Schwangerschaft, nach Menopause oder durch Überernährung. Bei adipöser Brust besteht eine konservative Therapie-
. Abb. 82.2╇ Aberrantes Brustdrüsengewebe in der rechten Axilla
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Kapitel 82 · Fehlbildungen der Mammae
a
b
. Abb. 82.3╇ a Tuberöse Brust Typ IV. b Zustand nach Drüsenformung in der Technik nach Ribeiro (7 auch . Abb. 82.6a,b)
82
option in Form der Gewichtsreduktion und Rückengymnastik, soweit sinnvoll. Bei (jugendlicher, normalgewichtiger) Drüsenbrust ist dies nicht möglich. Die Operationsindikation entsteht bei psychiÂ�scher Belastung, fehlhaltungsbedingten Beschwerden, VerkleinerungsÂ� notwendigkeit um wenigstens 2€BH-Cup-Größen bzw. 250–500€g pro Seite. Hierbei wird eine Reduktion des Drüsenfettkörpers und Hautmantels mit Transposition des Brustwarzenkomplexes mit dem Ziel des Erhalts von Sensibilität und Stillfähigkeit durchgeführt (Details 7€Kap.€77). 82.3.7 Juvenile Striae Sie bilden sich unter dem Einfluss der Sexualsteroide durch Dehnen und Reißen der elastischen Fasern in der Dermis aus. Insbesondere bei rasch wachsenden und sehr großen Brüsten oder bei rascher Gewichtszu- und Abnahme sind sie zu beobachten. Die zunächst durch durchscheinende Blutgefäße rötlich erscheinenden Streifen verblassen mit der Zeit, der Defekt in der Dermis bleibt jedoch bestehen. Korrekturmöglichkeit besteht hier durch das Medical Needling (7€Kap.€71). Der Operateur fährt dabei mehrmals mit einem mit 3€mm langen Nadeln besetzten Roller über die Striae und induziert durch die feinen Dermispenetrationen eine zeitversetzte körpereigene Kollagensynthese, die ein Abflachen der Dermisdefekte bewirkt.
Klassifikation Es werden in aufsteigender Schwere und Ausprägung 4€Stadien unterschieden, in denen die fakultativen Symptome (Hypoplasie, großer MAK) mit steigendem Schweregrad vermehrt anzutreffen sind (.€Tab.€82.2, .€Abb.€82.4).
Operationstechnik Die operativen Therapiemöglichkeiten beinhalten die Umformung des bestehenden Drüsengewebes und die Angleichung des Volumens. Ist eine Brustseite voll entwickelt, sollte eine Angleichung der unterentwickelten Brust in Form und Größe zur kontralateralen€Seite angestrebt werden. Bei sehr großen Volumina der normalen Brust ist hier ggf. eine Reduktionsplastik (7€Kap.€77) durchzuführen. Von einer einfachen Augmentation zum Ausgleich des Größenunterschieds ist abzuraten. Hierbei kommt es durch die ursprüngliche Unterbrustfalte allzu oft zur Ausbildung einer quer verlaufenden doppelten Falte unterhalb des Mamillen-Areolen-Komplexes und oberhalb der neuen Unterbrustfalte mit Ausbildung des sog. »Double Bubble« (.€Abb.€82.5). Insbesondere bei der tuberösen Brustform Typ III und IV mit fehlenden unteren Quadranten in Kombination mit gemindertem Hautmantel verbietet sich eine alleinige Augmentation als Korrekturoption. Hier wäre das Entstehen des Double Bubble vorprogrammiert.
82.3.8 Tubuläre/tuberöse Brust Die tubuläre/tuberöse Brust ist eine Formvariante der weiblichen Brust und neben der Hyper- und Hypoplasie die häufigste BrustÂ� fehlbildung. Eine Beschreibung erfolgte durch Rees u. Aston (1976). Sie beschrieben die Brustdeformität als einer Dahlienknolle (»tuber«) ähnlich und nannten sie entsprechend »tuberous breast« (.€Abb.€82.3). Ursächlich bleiben in der Fetalperiode das Einwachsen und die Verlängerung der Drüsengänge aus, wodurch sich alle Milchgänge zentral hinter der Areola anordnen. Beim Brustwachstum in der Pubertät entsteht folglich ein Prolaps, da das Volumen der Brustdrüse nicht gehalten werden kann.
Symptome 4 Obligat: kleine Brustbasis, hochstehende Unterbrustfalte. 4 Fakultativ: Hypoplasie, großer Mamillen-Areolen-Komplex (MAK).
. Tab. 82.2╇ Klassifikation der tuberösen Brust nach von€Heimburg (1998)
Tuberöse Brust
Anatomische Varianz
Typ I
4 Unterentwicklung des medialen unteren Quadranten
Typ II
4 Beide untere Quadranten sind unterentwickelt 4 Es liegt kein Hautdefizit vor
Typ III
4 Beide untere Quadranten sind unterentwickelt 4 Ein Hautdefizit liegt vor 4 Der MAK ist nach unten gerichtet
Typ IV
4 Alle 4€Quadranten sind unterentwickelt mit verkleinerter Brustbasis 4 Es liegt eine schlauchförmige Brust vor
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82.3 · Formen
. Abb. 82.4╇ Schematische Darstellung der Klassifikation der tuberösen Brust. (Nach Rees u. Aston 1976)
a
b
. Abb. 82.5a, b╇ »Double Bubble« nach Rekonstruktionsversuch einer tuberösen Brust mit Implantat
Alternativ stehen dem Plastischen Chirurgen verschiedene TechÂ� niken zur Korrektur einer tuberösen Brustdeformität zur Verfügung (.€Übersicht und .€Tab.€82.3). Techniken zur Korrektur einer tuberösen Brustdeformität 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Drüsenumformung nach Ribeiro (Ribeiro 1998) Straffungsoperation Reduktionsplastik, Drüsenlappenplastiken einfaches und erweitertes Umformen (Unfurling) Hautmantelstraffung lokale und Fernlappenplastiken Korrektur des Areolenprolaps Kombination mit Implantaten Expander
Zur Korrektur der tuberösen Brust muss das vorhandene Gewebe umgeformt werden. Eine der ersten Beschreibungen zur Umformung – bzw. wie er es nannte, die Entfaltung einer Knospe zur Blüte – erfolgte 1976 durch McGibbon. Ribeiro entwickelte eine Methode zur Drüsenumformung bei kleineren Brüsten. Er trennt die Drüse von der Haut, teilt sie horizontal, und der untere Anteil wird nach
. Tab. 82.3╇ Möglichkeiten der operativen Korrekturoperatione einer tuberösen Brustdeformität
Tuberöse Brust
Mögliche Korrekturoperation (fließende Übergänge)
Typ I
Reduktionsplastik/ Bruststraffung (I-, L- oder T-Technik)
Typ II
Einfaches Unfurling (+€Implantat)
Typ III
Erweitertes Unfurling (+€Implantat)
Typ IV
Erweitertes Unfurling (+€Implantat) +€Hautmantel� korrektur
kaudal zur Volumenauffüllung verlagert (.€Abb.€82.6). Die Durchblutung dieses unteren Drüsenlappens erfolgt dabei über Perforatoren aus dem M.€pectoralis, weswegen von einer zusätzlichen epipektoralen Augmentation durch Implantate aufgrund der möglichen Minderdurchblutung abgeraten wird. Es stehen heute verschiedenste Gewebelappenplastiken mit und ohne Verwendung von Implantaten zur Verfügung. Gute Ergebnisse bei Unterentwicklung des medialen unteren Quadranten (Typ-I-Deformität) können durch einfache Straffungs- und Reduktionsplasti-
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Kapitel 82 · Fehlbildungen der Mammae
. Tab. 82.4╇ Klassifikation der Mammaasymmetrie nach Juri
. Abb. 82.6a, b╇ Drüsenumformung nach Ribeiro zur Formkorrektur kleinerer Brüste
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ken in I-, L- und T-Technik erzielt werden. Wenn beide unteren Quadranten bei ausreichendem Hautmantel unterentwickelt sind (Typ-II-Deformität), kann durch das »einfache Unfurling« durch horizontales Aufteilen der Drüse und Anterokaudalisierung des neu geschaffenen unteren Drüsenlappens ein gutes »Auffüllen« der unteren Quadranten erfolgen (Puckett u. Concannon 1990; .€Abb.€82.7). Bei einem zusätzlich bestehenden Hautdefizit (Typ-III- und -IVDeformität) sollte zur Verhinderung des Double Bubble eine Ausdehnung der Präparation des unteren Lappens bis in das Oberbauchfettgewebe erfolgen (»erweitertes Unfurling«; .€Abb.€82.8). Dieser größere Weichteillappen wird dann evertiert zurückgeschlagen und vernäht. Zusätzliche Hautmantelkorrekturen können durch eine Keilexzison über der ehemaligen Unterbrustfalte erfolgen. Alternativ kön-
. Abb. 82.7a–c╇ Einfaches Unfurling mit Implantat
. Abb. 82.8╇ Erweitertes Unfurling mit Implantat
Mamma- asymmetrie
Anatomische Varianz
Grad I
Bilaterale Asymmetrie mit Ptosis/Hyperplasie
Grad II
Wie Grad €I, nur unilateral mit normaler Gegenseite
Grad III
Unilaterale Asymmetrie mit Ptosis/Hyperplasie und mit Hypoplasie der Gegenseite (Amazonensyndrom)
Grad IV
Formfehler der Brust führen zu Asymmetrie mit bilateraler Hypoplasie
nen lokale Schwenk- und Fernlappenplastiken zur Korrektur des Hautdefizits Anwendung finden. Die alleinige Verwendung von Hautexpandern ohne chirurgisches Auflösen der Unterbrustfalte sollte nicht erfolgen, da sie das Problem nicht löst. 82.3.9 Mammaasymmetrie (Anisomastie) Die Mammaasymmetrie manifestiert sich als ein in Form, Größe und Position unterschiedliches Brustpaar. Die Mammaasymmetrie wird nach Juri eingeteilt (.€Tab.€82.4, .€Abb.€82.9). Die Asymmetrie entsteht angeboren durch Fehlbildung, Unfallfolge (z.€B. Verbrennung), Kapselflbrose nach Augmentation/Rekonstruktion oder als Krankheitsfolge (z.€B. nach Mammatumor, Abszess, Mastitis). Zudem durchläuft die Brust im Verlauf des Al-
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82.3 · Formen
Bei einseitiger ausgeprägter Ptosis ist in Abhängigkeit vom Hautund Drüsengewebe und von der Gegenseite eine angleichende Straffung (Mastopexie) oder Reduktion der Brust durchzuführen. Diese kann nach Höhler-Pitanguy (1967) in invertierter T-Schnitttechnik mit einem breitbasigen kranialen Stiel und kranialer Verlagerung des Mamillen-Areolen-Komplexes erfolgen. Alternativ stehen narbensparende Verfahren wie die L- und I-Schnitttechnik (Chiari 1992; Lejour u. Abbound 1990) zur Verfügung. Bei Ptosis und hypotrophem Drüsenkörper kann eine Augmentationsmastopexie mit Implantateinlage erfolgen. Sie kombiniert Volumengewinn (durch ein Implantat) und Straffung des Hautmantels zur Formgebung der Brust. 82.3.10 . Abb. 82.9╇ Mammaasymmetrie Grad€II nach Juri
terns und durch Schwangerschaft und Stillzeit Veränderungen in ihrem Erscheinungsbild und kann asymmetrisch werden.
Operationsindikation Eine Indikation zur operativen Korrektur der Asymmetrie besteht bei ausgeprägter Seitenungleichheit mit begleitender psychischer oder körperlicher Belastung oder bei Schmerzhaftigkeit durch eine Kapselfibrose nach Augmentation. Präoperativ muss nach Situation entschieden werden, ob und in welcher Form eine ein- oder beidseitige Formkorrektur durchgeführt wird.
Operationstechnik Weniger aufwendig ist ein Formausgleich durch Silikonimplantate. Eine ansprechende Symmetrie ist hierbei jedoch meist nur bei fehlender Ptosis der Gegenseite erreichbar. Dadurch kommt dieses Verfahren bei vielen Anisomastien nicht in Frage. Insbesondere wenn eine größere Menge an Gewebe rekonstruiert werden muss, müssen komplexere plastisch-chirurgische Verfahren angewandt werden, um ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis zu erzielen. Zudem kommen angleichende Verfahren bei ausgeprägter Anisomastie in Form einer Augmentation der kleineren Brust und einer straffenden/reduzierenden Formveränderung an der größeren Brust kombiniert zur Anwendung. Dadurch erhöht sich der Anspruch an den Operateur. Eine genaue präoperative Planung ist hier Grundlage für ein zufriedenstellendes Ergebnis. Zur Formkorrektur mit Eigengewebe stehen hier lokal gestielte Gewebeplastiken zur Verfügung. Limitierend für die Größen- und Formgebung wirkt hierbei die Verfügbarkeit des örtlichen Haut- und Fettgewebes, insbesondere inferior zur unteren Brustbegrenzung. Maliniac (1953) und Longacre (1956) beschrieben die Mobilisation des Hautfettgewebes unterhalb der Submammarfalte nach kranial in die Brust hinein als Random-pattern-Lappenplastiken zur Formkorrektur mit Betonung der Unterbrustfaltenregion. Eine Alternative ist der axial gestielte thorakoepigastrische Lappen, der Fett- und Hautgewebe aus der lateralen inframammären Thoraxwand bis in den mittleren und oberen Bereich der Brust verlagert. Auch der an den Interkostalgefäßen gestielte Perforatorumkipplappen aus dem Oberbauch kann zur Formkorrektur mit lokalem Eigengewebe verwendet werden. Er bietet bei entsprechend geeigneter Patientin einen großen Volumengewinn auch für beidseitige vergrößernde Formkorrekturen. Aber auch der gestielte myokutane Latissimus-dorsi-Lappen (mit oder ohne Implantat) oder der gestielÂ� te TRAM-Flap sowie mikrochirurgische Perforatorlappen stehen zur Verfügung.
Trichterbrust (Pectus excavatum)
Die Trichterbrust ist eine angeborene, meist auf einer fehlerhaften Entwicklung des Brustkorbes beruhende trichterförmige Einsenkung des Brustbeins und der benachbarten Rippenanteile, die sich teils bis zur Pubertät verstärkt. Die Inzidenz beträgt etwa 1:300 bis 1:400 Geburten. Jungen sind 3-mal häufiger betroffen als Mädchen. Eine familiäre Häufung wird in 35% der Fälle beobachtet (Puri u. Höllwarth 2006). Die Trichterbrust tritt ebenfalls gehäuft beim Marfan-Syndrom oder Poland-Syndrom auf. Funktionelle Einschränkungen bestehen in der Regel nicht. Eine Verdrängung des Herzens, insbesondere in den linken Lungenflügel hinein, kann –in der Regel harmlose – Herzrhythmusstörungen zur Folge haben. Durch die Thoraxfehlbildung kommt es eher zu körperlichen Fehlhaltungen insbesondere im Bereich des Schultergürtels. Die Patienten suchen den Arzt aber meist aus rein ästhetischen Gründen auf.
Operationstechnik Korrekturmöglichkeiten bestehen in Form der offenen chirurgischen Thorakoplastik nach Ravitch (1949) oder Rehbein u. Wernicke (1957). Nuss beschrieb zudem 1998 erstmals die minimalinvasive chirurgische Korrekturoperation. Des Weiteren besteht die Möglichkeit der ästhetischen Korrektur mit Silikonimplantaten nach Abguss (Custom-made-Implantate). Als nichtchirurgische Maßnahme kann durch Platzierung einer Saugglocke über dem Areal der Deformität durch externe Vakuumtherapie eine langsame, kontinuierliche Korrektur angestrebt werden, jedoch ist diese Art der Therapie nur im frühen Kindesalter vor Abschluss des Thoraxwachstums anzuwenden. Weitere Details 7€Kap.€22.1. 82.3.11
Poland-Syndrom
Das Poland-Syndrom wurde 1841 erstmalig von Alfred Poland beschrieben. Hier liegt eine Fehlanlage des M.€pectoralis major in Kombination mit der ipsilateralen Brust vor (.€Abb.€82.10). Diese kann hypoplastisch angelegt sein. Im Extremfall besteht eine einseitige Amastie mit Athelie. Zusätzlich kommen muskuläre und skelettale Deformitäten der ipsilateralen Thoraxwand und auch der oberen Extremität vor. Die Inzidenz beträgt 1:20.000 bis 1:30.000 Geburten und betrifft das männliche mehr als das weibliche Geschlecht. Ursächlich wird eine embryonale Perfusionsstörung im Bereich der A.€subclavia und A.€vertebralis angenommen. Die Anlage der oberen Extremität und der Milchleiste liegen beim Embryo direkt nebeneinander. In der 3.–5. Woche schiebt sich die Extremitätenanlage direkt benachbart
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Kapitel 82 · Fehlbildungen der Mammae
Flap), erfolgen. Dieser hat im Vergleich zum myokutanen Unterbauch-TRAM-Flap aufgrund der intakten Bauchdeckenmuskulatur eine geringere Hebedefektmorbidität. 82.3.12
. Abb. 82.10╇ Linksseitiges Poland-Syndrom bei einer 8-Jährigen mit fehlendem M.€pectoralis major bei regelrechter angelegter Areola vor der Telarche
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zur Milchleiste knospenartig aus dem oberen Thorax hervor. Hier kann eine Schädigung in der Frühschwangerschaft zu Fehlanlagen der Brust, Brustwand und der Hand führen. Eine genetische Disposition wird zusätzlich diskutiert. Beim Poland-Syndrom stellt das teilweise oder völlige Fehlen einer Brust für die Patientinnen eine große psychosoziale Belastung dar. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer chirurgischen Korrektur bei diesen Patienten. Ziel der Korrektur ist die Rekonstruktion der anatomischen Verhältnisse und dadurch die Schaffung einer Symmetrie beider oberen Körperhälften. So gilt es, neben der Brustrekonstruktion auch Thoraxwanddeformitäten durch den Ersatz fehlender muskulärer und skelletaler Strukturen zu rekonstruieren.
Operationstechnik Zur Brustrekonstruktion stehen allogene und autologe Materialien zur Verfügung. Sie können einzeln oder kombiniert angewandt und müssen individuell den Bedürfnissen des Patienten und dem Diagnosebild angepasst werden. Einer der häufigsten rekonstruktiven Eingriffe ist der gestielte myokutane M.-latissimus-dorsi-Lappen. Dabei wird der Muskel an der dorsalen Thoraxwand abgelöst und an seinem axillären Gefäßstiel (A.€und V.€thoracodorsalis) nach ventral geschwenkt. Dabei ist darauf zu achten, dass eine Denervierung durch Segmentresektion des N.€thoracodorsalis erfolgt. Zusätzlich kann dabei eine Hautinsel vom Rücken mitverlagert werden. Zur Gewinnung einer ausreichenden Projektion nach vorn wird dieser Lappen meist mit einem Implantat kombiniert. Teilweise werden auch zusätzlich bei fehlendem M.€pectoralis sog. Custom-made-Implantate nach Abdruck hergestellt und anschließend zur Konturdefektauffüllung implantiert. Wir präferieren nach Möglichkeit und Indikation die Rekonstruktion der weiblichen Brust mit Eigengewebe, da hier ästhetisch ansprechende und langzeitig komplikationslose Ergebnisse erzielt werden können, die den bestmöglichen Benefit für die Patientin darstellen. So kann z.€B. bei fehlendem Brustmuskel der bestehende pektorale Konturdefekt durch Einschwenken eines gestielten M.-latissmus-dorsi-Lappens rekonstruiert werden. Die Rekonstruktion der weiblichen Brustdrüse kann dann dabei ein- oder zweizeitig, z.€B. durch einen autologen Unterbauchperforatorlappen (DIEP-
Hohlwarze/Schlupfwarze (Koilomastie)
Eingezogene und nicht erigierbare Brustwarzen finden sich bei Frauen in ca. 10% (davon 87% beidseitig) der Fälle und treten meistens kongenital auf. Ursachen für eine erworbene Inversion können Tumoren, Traumata, postmastitische Fibrosen und OpeÂ� rationen sein. Sie können zu ernsten Behinderungen beim Stillen führen. Die Ursache liegt in den einmündenden Milchgängen, die anatomisch zu kurz angelegt sind. Des Weiteren sind die muskuÂ� lofibrokollaginösen Elemente, die die Mamille ausbilden, hypoplastisch, und es liegen in die Tiefe hinein verankernde zu kurze fibröse Bänder vor. Eine ausreichende dauerhafte Korrektur kann operativ durch Durchtrennung der Milchgänge (Cave: möglicher Verlust der Stillfähigkeit) oder konservativ durch eine kleine Saugglocke (Niplette) hergestellt werden. 82.3.13
Mamillenhyperplasie/Hyperplasie der Montgomery-Drüsen
Der Mamillen-Areolen-Komplex (MAK) variiert in Größe, Textur, Form und Farbe individuell. Auch die Anzahl der MontgomeryDrüsen in der Areola hat einen hohen Variationsgrad. Bei einer Länge der Mamille über 12€mm hinaus spricht man von einer Hyperplasie der Mamillenspitze. Sie kann sich durch die Stillzeit entwickeln oder auch kongenital angelegt sein. Eine Korrektur ist operativ durch Kürzung der Mamille zu erzielen und sollte im Regelfall nach Abschluss der Familienplanung erfolgen. 82.4
Zusammenfassung
82.4.1
Therapieziele
Eine angeborene oder erworbene Brustfehlbildung stellt für die Frau eine große psychosoziale Belastung dar. An die operative Korrektur werden hohe Ansprüche und Erwartungen gestellt (.€Übersicht). Somit obliegt es der Erfahrung und dem Geschick des Operateurs, ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen. Bei ausgeprägten Befunden ist dies manchmal erst nach mehreren Operationsschritten zu erwarten. Operationsziele 4 4 4 4 4
Ansprechende ästhetische Form Symmetrie zur Gegenseite Zur Größe der Patientin passendes Volumen Kurze, unauffällige Narben Aufhebung bestehender Haltungsschäden und Bewegungseinschränkungen
> Das wichtigste Ergebnis einer korrigierenden Brust� operation ist die zufriedene Patientin.
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82.4 · Zusammenfassung
. Abb. 82.11╇ Silikonimplantat mit Kapselfibrose
. Abb. 82.12╇ Möglichkeit der Schnittführung bei Implantataugmentation
82.4.2 Stand der operativen
Zur Augmentation bei Mammahypolpasie können die Implantate submuskulär unter den M.€pectoralis major und subglandulär auf dem Muskel implantiert werden. Dabei hängt die Platzierung der Implantate vom bestehenden Weichteilmantel der Brust, der Ptosis und von der sportlichen Aktivität der Frau ab. Bei ausreichend Â�dickem Weichteilmantel (ab 2€cm Dicke) und bei ausgeprägtem M.€pectoralis major durch sportliche Aktivität werden die Implantate in der Regel subglandulär auf den Muskel implantiert. Der Weichteilmantel verspricht eine ausreichende Bedeckung des oberen Implantatrandes im Dekolleté, und die epipektorale Lage verhindert ein Verziehen der Brust bei Aktivierung des Pektoralismuskels. Bei dünnem Weichteilmantel besteht die Gefahr des Abzeichnens des oberen Implantatpols und des sog. »Ripplings« (wellenförmiges Aufwerfen der Haut durch das Implantat) im Dekolleté oder gar eine Perforation durch die Haut.
und konservativen Therapie
Die Vielzahl der Formvarianten erfordert ein auf jede Patientin individuell abgestimmtes Behandlungskonzept. Überschüssige Anlagen können operativ entfernt werden. Bei fehlenden Anlagen oder einer Minderausprägung kann die Brust auf 2€Wegen vergrößert bzw. rekonstruiert werden: 4 durch den Einsatz von Fremdmaterialien (Silikongelimplantate, Expander) sowie 4 durch den Einsatz von körpereigenem Gewebe, z.€B. Rückenmuskel (M.-latissimus-dorsi-Flap) oder Haut-Fettgewebs-Lappen aus dem Unterbauch (DIEP-Flap) oder Gesäß (SGAP-Flap). Im Falle der Anisomastie kann entsprechend jeweils eine Brust verkleinert oder vergrößert werden. Um den Mamillen-AreolenKomplex zu rekonstruieren, werden örtliche Lappenplastiken sowie Hautverpflanzungen vorgenommen (7€Kap.€68.7.3). In Einzelfällen kommt auch eine Tätowierung in Frage. Um der sog. Trichterbrust entgegenzuwirken, kann das Brustbein ggf. operativ aufgerichtet werden. Verschiedene schonende Verfahren stehen zur Verfügung, um Fehlbildungen der Brust zu korrigieren. Sie kommen individuell zur Anwendung. Der Leidensdruck der Patientinnen ist oft groß, dennoch sollten Korrekturoperationen nur nach Abschluss der Brustentwicklung oder mit ausdrücklicher Einwilligung der Eltern frühestens im Alter von 16€Jahren durchgeführt werden. Ansonsten gilt, wie für alle ästhetischen Eingriffe, die Volljährigkeit als Voraussetzung. 82.4.3 Brustimplantate Implantate werden heute hauptsächlich zur Augmentation bei Mammahypoplasie, bei Anisomastie und zur Rekonstruktion nach Mammaablation verwandt. Sie haben alle aufgrund ihrer Gewebeverträglichkeit und guten mechanischen Eigenschaften eine Hülle (glatt oder texturiert) aus einem Silikonpolymer. In Europa werden€meist runde oder anatomisch geformte Silikonimplantate mit einer Kohesivgelfüllung verwendet. Alternativ stehen auch runde Implantate mit flüssigem Silikongel oder Kochsalzlösung zur Verfügung. Letztere haben ihre Verbreitung hauptsächlich in den USA.
Komplikationen Majorkomplikationen bei Implantaten sind die Bildung von schmerzhaften Silikonomen bei Austritt von Silikon (»Bleeding«) und die Kapselfibrose (Kapselkontraktur; .€Abb.€82.11; 7€Kap.€77.2.1, .€Tab.€77.2). Die Beurteilung des Fibrosegrades ist letztendlich subjektiv vom Chirurgen zu bestimmen. Es lässt sich aber doch eine recht gute Einschätzung der Ausprägung der Fibrose abgeben. Therapeutisch kann hier ein Implantatwechsel mit Exzision der umgebenden Kapselfibrose erfolgen.
Operationstechnik Als chirurgische Zugangswege stehen die Schnittführung in der Unterbrustfalte, semiperiareolär, transpapillär und -areolär sowie (endoskopisch assistiert) transaxillär zur Verfügung (.€Abb.€82.12). Das chirurgische Vorgehen (Schnittführung, Platzierung der Implantate) ist präoperativ mit der Patientin mit allen Vor- und Nachteilen in Abhängigkeit von der Brustform und den realisierbaren Wünschen der Frau sowie der Implantatwahl (Größe, Form und Füllung) ausführlich zu erörtern. Gegebenenfalls ist zusätzlich bei ausgeprägter Ptosis mammae eine Straffung des Haut-Weichteil-Mantels notwendig.
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Kapitel 82 · Fehlbildungen der Mammae
Literatur
82
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83
Fehlbildungen der Hände A. Gohritz, P.M. Vogt
83.1
Klassifikationâ•… – 802
83.2
Diagnostisches Vorgehenâ•… – 802
83.3
Therapieprinzipienâ•… – 802
83.3.1 83.3.2
Beratung der Elternâ•… – 802 Operationszeitpunktâ•… – 802
83.4
Einzelne Handfehlbildungenâ•… – 802
83.4.1 83.4.2 83.4.3 83.4.4 83.4.5 83.4.6 83.4.7 83.4.8 83.4.9 83.4.10
Syndaktylien (Klasse€II)â•… – 802 Kamptodaktylie (Klasse€II)â•… – 804 Klinodaktylie (Klasse€II)â•… – 804 Polydaktylie (Klasse€III)â•… – 804 Schnürringsyndrom (Klasse€VI)â•… – 805 Hypo- und Aplasie des Daumens (Klasse€V )â•… – 806 Radiale Klumphandâ•… – 808 Makrodaktylie (Klasse€IV)â•… – 808 Fehlbildungssyndrome (Klasse€VII)â•… – 808 Sonstige angeborene Kontrakturen und Fehlstellungenâ•… – 808
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
802
Kapitel 83 · Fehlbildungen der Hände
Fehlbildungen an Arm und Hand sind bei ca. 1 von 600€Neugeborenen zu verzeichnen. Die häufigsten Formen sind die miteinander verwachsene (Syndaktylie) und überzählige Finger (Polydaktylie). Nur 5% der Handfehlbildungen sind erblich bedingt, wie z.€B. bei Apert-Syndrom oder Trisomie€21, oder die Folge von exogenen Faktoren wie Umweltgiften oder Medikamenten. Thalidomid führte z.€B. zu Reduktionsfehlbildungen an der oberen Extremität von der Daumenaplasie bis zur Amelie (komplettes Fehlen der Gliedmaße). Die restlichen 95% treten sporadisch auf, d.€h. spontan und ohne erkennbare Ursache. 83.1
83
Fehlbildung
Häufigkeit
I
Fehlende Bildung von Teilen 4 Transversal (von Schulter bis Finger) 4 Longitudinal a. Präaxial – Hypoplasie von Daumen und Radius b. Zentral – Typische und atypische Spalthand c. Postaxial – Ulnare Hypoplasie bis Hypothenarhypoplasie d. Zwischengeschaltet – Phokomelie
12%
II
Fehlende Differenzierung von Teilen 4 Weichteile: Syndaktylie, Poland- Syndrom, Kamptodaktylie 4 Skelettal – Synostosen 4 Tumoren – Alle vaskulären und nervalen Malformationen
31%
III
Duplikation 4 Gesamtheit oder Teile der Extremität 4 Spiegelhand 4 Polydaktylie
36%
IV
Überentwicklung (Hyperplasie) 4 Hemihypertrophie oder Makrodaktylie
0,5%
V
Unterentwicklung (Hypoplasie) 4 Radiale Hypoplasie 4 Brachysyndaktylie oder Brachydaktylie
4,3%
VI
Schnürbandsyndrome 4 Mit oder ohne Lymphödem 4 Variable Höhe der Einschnürung/ Amputation
6,5%
VII
Fehlbildungssyndrome – Unklassifiziert
Variabel
Diagnostisches Vorgehen
Die Behandlung einer angeborenen Handfehlbildung beginnt mit der Erstellung einer genauen Anamnese, einschließlich Besonderheiten während der Schwangerschaft, Details aus der Neugeborenenzeit und Familienanamnese. Mit einer kompletten körperlichen Untersuchung der gesamten oberen (Vorhandensein des M.€pectoralis major) und unteren Extremität dient sie auch zum Ausschluss von angeborenen Syndromen (.€Tab.€83.2). Erstbefund und Verlauf werden fotografisch dokumentiert, die aktiven und passiven Bewegungsausmaße aufgenommen. 83.3
Klasse
Klassifikation
Angeborene Handfehlbildungen werden meist nach dem Schema der American Society of Surgery of the Hand (ASSH) eingeteilt (Swanson 1976; .€Tab.€83.1). 83.2
. Tab. 83.1╇ Fehlbildungen der Hand nach dem ASSH-Schema nach Schmitt u. Lanz (1992)
Therapieprinzipien
83.3.1 Beratung der Eltern Das geplante Vorgehen muss mit den Eltern genau besprochen werden, Art und Zeitpunkt der Eingriffe mit ihren Erfolgsaussichten und Risiken müssen ausführlich dargestellt werden. Auch später notwenige Korrekturoperationen müssen erwähnt werden. > Unrealistische Wunschvorstellungen sind frühzeitig ein fühlsam zu korrigieren. Ein komplett normales Aussehen der Hand ist nur selten möglich. Hierzu können Bilder von Operationsergebnissen oder der Kontakt zu einer ähnlich betroffenen Familie hilfreich sein. Letztendlich kommt es auf die Funktionalität an.
83.3.2 Operationszeitpunkt Bei der Operationsplanung ist der Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung. Das Anästhesierisiko vermindert sich bei Kindern durch die Lungenreifung jenseits des 6.€Lebensmonats. Eventuell müssen zuerst wichtigere Probleme gelöst werden, z.€B. bei zusätzlich bestehenden Organfehlbildungen. Es ist zu bedenken, dass sich die Handgröße innerhalb der ersten 2–2,5€Lebensjahre fast verdoppelt. Dies ist insbesondere im Hinblick auf mikrochirurgische Rekonstruktionen zu beachten. Weiterhin muss die Reife des Kindes hinsichtlich der postoperativen Rehabilitation und Schienung nach der Operation eingeschätzt werden. Allgemein sollte jedoch die Operation vor der Einschulung des Kindes abgeschlossen sein. Bei einer postoperativen
Ruhigstellung muss sichergestellt werden, dass das Kind die Schiene nicht selbst entfernen kann, daher ist oft ein Oberarmgips not� wendig. 83.4
Einzelne Handfehlbildungen
83.4.1 Syndaktylien (Klasse€II) Im Rahmen einer Syndaktylie sind eine oder mehrere Finger miteinander verschmolzen. Betroffen sind entweder nur die Weichteile (»Schwimmhaut«) oder auch die Knochen. Die Inzidenz liegt bei etwa 1:20.00 Lebendgeburten und ist bei Kaukasiern wesentlich häufiger als bei Dunkelhäutigen. Männer sind etwa doppelt so häufig wie Frauen betroffen. Meist betrifft die Syndaktylie den Mittel- und Ringfinger (etwa 50–60%; .€Abb.€83.1) fast nie den Daumen und den Zeigefinger (3%). In 15–40% liegt eine positive Familienanamnese vor; ein autosomal-dominanter Erbgang mit variabler Penetranz ist möglich. Anatomisch findet sich häufig eine Verdickung der Clealandund Grayson-Ligamente. Die Palmarfaszie ist im Bereich der Kommissur stark verdickt und angrenzende Gelenke häufig in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt.
803
83.4 · Einzelne Handfehlbildungen
a
c
b
Nach der Länge der Verwachsung unterscheidet man zwischen kompletter (ganzer Finger verwachsen, einschließlich Fingernägel, häufigste Form) und inkompletter Syndaktylie (Aussparung des Endglieds). Nach dem Grad der Verschmelzung kann eine einfache, d.€h. nur häutige Syndaktylie vorliegen, meist mit normalen Bandstrukturen, aber oft mit Doppelanlagen von Sehnen, Nerven und Gefäßen. Hiervon unterscheidet sich die komplexe Form mit knöcherner Fusion, oft mit zusätzlichen Fehlbildungen der Finger kombiniert: 4 Akrosyndaktylie (distale Fusion, proximale Phalangen getrennt, häufig mit Brachydaktylie = Kurzfingrigkeit), 4 Oligo- und Polysyndaktylie (oft bei Syndromen, verminderte oder vermehrte Fingerzahl), 4 Symbrachydaktylie (phalangeale Fusion und Kurzfingrigkeit, meist ulnar und nicht vererbt, oft auch unilateral am Fuß), 4 Poland-Syndom (unilateral hypoplastische Hand mit Symbrachydaktylie und Aplasie des M.€pectoralis major und RedukÂ� tionsfehlbildungen des Schultergürtels), 4 Akrozephalodaktyliesyndrome (7€unten). Diagnostisch ist die radiologische Darstellung (a.-p.-Aufnahme) der Hand zur Beurteilung der knöchernen Beteiligung unbedingt notwendig. Eine falsch-positive und falsch-negative Interpretation ist z.€B. durch inkomplette Ossifikationen oder das Vorhandensein
. Abb. 83.1a–c╇ Syndaktylietrennung. Die interdigitalen Lappen dienen der funktionellen und ästhetischen Rekonstruktion der neuen Zwischenfingerfalte. Die Zickzack-förmige longitudinale Schnittführung soll einen geraden Narbenverlauf mittseitlich verhindern. Die kleinen Dreickszipfel (a,€b) reichen in der Regel nicht für eine kutane Rekonstruktion aus, sondern erfordern kleine Hauttransplantate aus der Leistenregion. c€Postoperatives Ergebnis nach 2€Jahren
einer Deltaphalanx möglich. Selten kann auch eine Arteriographie nützlich sein, um die Gefäßversorgung zu klären (z.€B. bei ApertSyndrom).
Therapeutisches Vorgehen > Eine frühe Intervention ist meist nur notwendig, wenn komplexe Fehlbildungen vorliegen (z.€B. bei querliegen den knöchernen Komponenten), um ein Fehlwachstum der Hand zu vermindern. Meist empfiehlt es sich, im Alter von 18–24€Monaten zu operieren.
Bei einfacher Syndaktylie lässt sich durch Zickzack-Inzisionen (interdigitale Z-Plastiken) mit spitzen Winkeln zur Hautlappenbildung die Notwendigkeit von Hauttransplantaten (meist Vollhaut aus der Leiste) vermindern (.€Abb.€83.1). Hauttransplantate sollten v.€a. bei der Rekonstruktion der Kommissuren vermieden werden. Hier werden palmare und dorsale Dreieckslappen gebildet, deren Spitzen bis an das MittelÂ� gelenk reichen, um Narben und Inzisionen in der ZwischenfinÂ�gerfalte zu vermeiden. Vollhauttransplantate sollten nach einer exakt abgemessenen Schablone entnommen und eingesetzt werden. Bei der Trennung des interdigitalen Fettgewebes sollten die Gefäß-Nerven-Bündel zuerst proximal und palmar dargestellt werden.
83
804
Kapitel 83 · Fehlbildungen der Hände
Es muss insbesondere auf distale Aufteilungen von Arterie und Nerv geachtet werden. Bei der Präparation von Sehnen ist das Paratenon zu schonen. Sind mehrere syndaktylisch verwachsene Finger zu trennen, erfolgt dies im eigenen Vorgehen mehrschrittig, um Durchblutungsstörungen bei evtl. vorhandenen insuffizienten vaskulären Versorgungen vorzubeugen. Bei komplexen Syndaktylien müssen zusätzlich die knöchernen Elemente korrigiert werden, wobei bei Exzisionen die Gelenke erhalten werden sollten. 83.4.2 Kamptodaktylie (Klasse€II)
83
Sie beschreibt eine meist beidseitige Beugefehlstellung des Mittelgelenks, meist am Kleinfinger. Die Ursache ist ungeklärt, wobei mehrere Erklärungsmodelle existieren, z.€B. eine abnormale Insertion und Morphologie der Mm.€lumbricalis oder der oberflächlichen Beugesehne. Die Inzidenz beträgt ca. 1% der Bevölkerung, bei jungen Frauen bis zu 20%. Klinisch wird die Beugefehlstellung des Mittelgelenks erst langsam beim Kleinkind oder Jugendlichen sichtbar. Sie kann entweder passiv ausgleichbar oder nicht redressierbar sein. Ist die Flexion bei Stabilisierung des Grundgelenks redressierbar, muss an eine Instabilität des Grundgelenks gedacht werden. Bei zusätzlicher Brachydaktylie und sehr steifen Mittelgelenken ohne Beugefurchen kann ein Symphalangismus vorliegen. Bei der lateralen Röntgenaufnahme des Mittelgelenks ist die Grundphalanx häufig abgeflacht.
Therapeutisches Vorgehen Die Behandlung ist schwierig, eine komplette Korrektur ist fast nie zu erreichen. Bei Kontrakturen von Operationen, z.€B. Sehnenverlagerungen, sollten erst nach Erfolglosigkeit einer konsequenten konservativen Thera pie durchgeführt werden und sind nur bei Kontrakturen von >30° gerechtfertigt.
83.4.3 Klinodaktylie (Klasse€II) Bei der Klinodaktylie ist ein Finger so nach radial oder ulnar deviiert, dass die Fingerspitze zur Handmitte zeigt. Meist ist der Kleinfinger im Bereich des Mittelgliedes betroffen. Schmerzen liegen selten vor. Pathoanatomische Grundlage ist ein deformiertes Mittelglied mit nicht parallel verlaufenden Gelenkflächen. Ein autosomal-dominanter Erbgang ist möglich, ebenso der Zusammenhang mit einem Syndrom (z.€B. Apert-Syndrom mit triphalangealem Daumen und Symbrachydaktylie). 2€Sonderformen sind bemerkenswert: 4 Bewegungseinschränkungen bestehen v.€a. bei einer sog. Delta phalanx, bei der ein normales Längenwachstum durch die abnorme Delta- oder Dreiecksform eines Fingerglieds behindert wird. 4 Bei einer Kirner-Deformität ist das Endglied nach radial und palmar gebogen. Meist sind Frauen beidseitig betroffen. Radiologisch fallen ein verzögerter Epiphysenschluss und eine Sklerose der Endglieddiaphyse auf.
. Abb. 83.2╇ Klassifikation der radialen Polydaktylie nach Wassel
Zur Diagnostik sind Röntgenaufnahmen in mindestens 2€Ebenen notwendig, insbesondere, um die Wachstumsfugen und knöchernen Anomalien genau beurteilen zu können.
Therapeutisches Vorgehen Die Operation sollte etwa im 3.–4.€Lebensjahr des Kindes stattfinden. Die Wachstumsfuge sollte unbedingt erhalten bleiben. Bei einer achskorrigierenden Keilosteotomie (»closing wedge«) sollte die Knochenreife abgewartet und knöcherne Korrekturen mit Kirschner-Drähten in Position gehalten werden. 83.4.4 Polydaktylie (Klasse€III) Überzählige Fingeranlagen sind häufig, v.€a. bei dunkelhäutigen Rassen. Hier erreicht die Inzidenz 1:300 (ulnare Polydaktylie), bei Kaukasiern etwa 1:3000. Die Doppelanlage betrifft entweder nur die Weichteile (Typ€I; .€Tab.€83.2), inkomplett das Fingerskelett (Typ€II) oder den ganzen Finger mit Mittelhandknochen (Typ€III). Polydaktylien an Händen und Füßen gleichzeitig kann auf schwerwiegende Fehlbildungssyndrome hinweisen.
Radiale Polydaktylie (präaxialer Typ) Diese häufigste Duplikation betrifft den Daumenstrahl, der meist unilateral doppelt angelegt ist (Doppeldaumen). Die gebräuchlichste Klassifikation nach Wassel (1969) richtet sich nach der Höhe der knöchernen Teilung (.€Tab.€83.2 und .€Abb.€83.2). Bei der radiologischen Diagnostik ist darauf zu achten, dass durch inkomplette Ossifikation ein irreführendes Bild entstehen kann.
. Tab. 83.2╇ Klassifikation der radialen Polydaktylie nach Wassel (1969)
Typ
Fehlbildung
Häufigkeit
I
Gabelung des Endglieds
╇ 2%
II
Doppelung des Endglieds
15%
III
Gabelung des Grundglieds
╇ 6%
IV
Doppelung des Grundglieds
43%
V
Gabelung des Metakarpale
10%
VI
Doppelung des Metakarpale
╇ 4%
VII
Triphalangealer Daumen
20%
805
83.4 · Einzelne Handfehlbildungen
Therapeutisches Vorgehen > Als generelle Richtlinie gilt, dass nicht mehr wie früher die schwächere Komponente einfach amputiert werden sollte. Dies ist nur bei reinen Hautanhängseln vertretbar. Sonst sollte immer versucht werden, aus den Komponenten von beiden inkompletten Anlagen (»best of parts«) einen kom pletten Daumen zu rekonstruieren (.€Abb.€83.4), bzw. den distal besseren Strahl auf die proximal bessere Basis zu transportieren.
Bei weitgehend symmetrischer Duplikation im Endglied (WasselTyp€I und€II) kann die sog. Bilhaut-Cloquet-Operation angewendet werden, bei der die mediale Hälfte der beiden Nagelanlagen reseziert und die lateralen Anteile vereinigt werden. Hierbei sollte die komplette Nagelanlage nur von einer Seite verwendet werden, um eine unschöne Spaltnagelbildung zu vermeiden. Bei gedoppeltem Grund- und Endglied (Typ€IV), der häufigsten Form, sollte das ulnare Kollateralband des Daumens erhalten, die radiale Kondyle des Os metacarpale€1 verkleinert und die exzentriÂ� schen Streck- und Beugesehnen repositioniert werden. Bei Wassel Typ€V und VI muss insbesondere das Grundgelenk rekonstruiert werden, dies unter Auswahl des besseren Strahles.
Ulnare (postaxiale) Polydaktylie Hier werden komplette Doppelbildungen des Kleinfingers (Typ€A) von rudimentären Formen (Weichteilanhängseln) unterschieden, die meist ohne Probleme amputiert werden können. Beim Typ€A kann der Kleinfinger im Grundgelenk, vom Metakarpale oder als eigenständiger akzessorischer Strahl von der Handwurzel ausgehen.
Zentrale Polydaktylie Seltener sind der Zeige-, Mittel- oder Ringfinger betroffen. Fast immer liegt eine Syndaktylie, Symphalangie oder andere Knochenfehlbildung vor. Die Ausprägung reicht von Hautbürzeln bis zur kompletten Strahldoppelung, manchmal sogar mit Gabelung des Os metacarpale.
tremität betreffen können. Begleitfehlbildungen wie Spaltbildungen im Gesicht sind selten. Als Ursache werden intrinsische Faktoren (genetisch bedingtes oder sporadisches Auftreten durch embryonalen Defekt) oder extrinsische Faktoren (intrauterine Einschnürung durch Amnionband) angenommen. Die Klassifikation des Schnürringkomplexes erfolgt anhand von 3€Graden (.€Tab.€83.3). Distal der Schnurfurche findet sich oft eine lymphödematöse Verdickung der Weichteile, die z.€B. bei eingeschnürtem Unterarm zur starken Schwellung der gesamten Hand führen kann. Die Veränderungen des Schnürringkomplexes sind vorwiegend an den Fingerstrahlen€2–5 lokalisiert und betreffen meist nur einen oder zwei Finger. Bei der Diagnostik wird neben der klinischen Prüfung der Gebrauchsfähigkeit radiologisch eine knöcherne Beteiligung dargestellt.
Therapeutisches Vorgehen Es besteht fast immer die Indikation zur Operation, da sich Funktion und Erscheinungsbild verbessern lassen. Bei Akrosyndaktylien mehrerer Finger sollte bereits im frühen Kindesalter operiert werden, am besten im 1.€Lebensjahr. Nachoperationen sollten im 2.–4.€Lebensjahr stattfinden (.€Abb.€83.3a–d). Die Korrektur von Schnürfurchen und Schnürringen erfolgt meist durch multiple Z-Plastiken nach Exzision der zirkulären Einschnürung in der Tiefe. Hier muss insbesondere auf die Gefäß-Nerven-Bündel geachtet werden, die häufig unmittelbar subkutan verlaufen. Nach vorsichtiger Exzision erfolgt die Mobilisierung des Weichteilgewebes proximal und distal der Einschnürung. Lokale Fettläppchen können zur Konturverbesserung mobilisiert werden. Die Z-Plastiken werden meist im Winkel von etwa 60° angelegt und die Hautlappen zusammen mit der Fettgewebsschicht vernäht. Postoperativ erfolgt eine Ruhigstellung mittels Gipsschiene oder in einem Kompressionsverband bis zum Abschluss der Wundheilung.
Spiegelhand Äußerst rar ist eine doppelte Anlage der Ulna und der ulnarseitigen Strahlen (ulnare Dimelie). Der Radius und die radialseitigen Finger fehlen, sodass sich 6–8 gleichartige Finger ergeben und eine scheinbare Spiegelbildlichkeit von Unterarm und Hand vorliegt.
. Tab. 83.4╇ Klinische Schwerengrade der Hypo- und Aplasie des Daumens nach Blauth (1967)
Grad
Kennzeichen
I
Leichte Hypoplasie Alle Glieder angelegt Keine Funktionsstörung
II
Reguläres Skelett Adduktionskontraktur MP€1 instabil Hypoplastische Thenarmuskulatur
III
Deutliche knöcherne Hypoplasie, unterschieden wird 4 CMC-1-Gelenk vorhanden 4 Proximales Metakarpale€1 fehlend, intrinsische Sehnen aplastisch, extrinsische Sehnen hypoplastisch, InstaÂ� bilität aller Gelenke
IV
»Flottierender Daumen« Meist kurzes, instabiles und funktionsloses DaumenanÂ� hängsel am MP-2-Gelenk fixiert Komplette Aplasie des Daumenstrahls, der 1.€MHK und die Thenarmuskulatur können jedoch vorhanden sein
83.4.5 Schnürringsyndrom (Klasse€VI) Als Schnürringsyndrom oder Streeter-Syndrom werden Fehlbildungen der Finger und des Daumens mit amputationsähnlichen Defekten durch strangulierende zirkuläre Einziehungen beschrieben, die einzelne Finger, Unter- oder Oberarm oder die untere Ex-
. Tab. 83.3╇ Klassifikation des Schnürringkomplexes
Grad
Kennzeichen
I
Einfache Schnürringe und Furchen
II
Schnürringe mit peripheren Fehlbildungen, mit oder ohne Lymphödem
V
Schnürringe mit Akrosyndaktylien, kombiniert mit AmpuÂ�tationen
Bei Grad II und III sind Syndaktylien mit dem Zeigefinger möglich.
III
83
806
Kapitel 83 · Fehlbildungen der Hände
a
83
b
c
. Abb. 83.3a–d╇ Akrosyndaktylie an der Hand und Schnürringdeformität an der unteren ExtreÂ�mität. a, b€Durchtrennung der Adhäsionen der disÂ� talen Langfinger unter Erhalt der Hautanhängsel, die zur Kuppenformung verwendet wurden. Es besteht die Option der späteren KommussuroÂ� plastik zur Fingerverlängerung. c, d€Auflösung der Schnürfurche am Unterschenkel durch fortlaufende Z-Plastik
Funktionslose Fingerstümpfe können entfernt werden, evtl. mit Fingerstrahlresektion. Bei Daumenaplasie ist eine Transposition des benachbarten Zeigefingers oder eine Zehentransplantation möglich. Sekundär ist eine Verlängerung einzelner Finger mittels Kallusdistraktion möglich. Die größte Gefahr besteht bei der Syndaktylietrennung und Kommissurenvertiefung durch Durchblutungsstörungen wegen der distal häufig sehr dünnen Gefäße. Prognostisch ist ein normales Aussehen nur selten zu erreichen, oft jedoch eine deutliche Besserung der Funktion. 83.4.6 Hypo- und Aplasie des Daumens (Klasse€V ) Hierunter versteht man eine Deformität des Daumenstrahls, meist Reduktion, kombiniert mit Fehlbildungen der Radialseite von Arm und Unterarm. Die Ausprägung kann von einer leichten Daumenverschmächtigung bis zum kompletten Fehlen des Dau-
d
menstrahls (Aplasie) reichen. Isolierte Fehlbildungen sind Teil von verschiedenen Syndromen, häufig kombiniert mit radialer Klumphand, seltener mit Herzfehlbildungen (z.€B. Holt-Oran-Syndrom). Die klinischen Schwerengrade werden nach Blauth klassifiziert (.€Tab.€83.4; auch .€Tab.€65.1). > Bei der klinischen Untersuchung wird v.€a. geprüft, ob der hypoplastische Daumen eingesetzt wird.
Therapeutisches Vorgehen Operationsindikation besteht bei den Schweregraden II–V (auch 7€Kap.€65.3). Eine Pollizisation sollte möglichst frühzeitig, d.€h. im 1.€Lebensjahr, durchgeführt werden, da spätere Operationen durch das notwendige Umlernen bisheriger Greiffunktionen erschwert sein können (.€Abb.€83.4). Kinder mit einer Daumenhypoplasie Grad€II sollten erst später, d.€h. im 4.–6.€Lebensjahr, korrigiert werden, da die erforderliche Opponensplastik eine aktive Mitarbeit des Kindes bei der Nachbehandlung erfordert.
807
83.4 · Einzelne Handfehlbildungen
a
d
b
e
. Abb. 83.4a–e╇ Pollizisation bei Daumenpolydaktylie am Beispiel einer Wassel-VII-Fehlbildung. a€Schnittführung zur Transposition des Neodaumens und Amputation des radialen Doppeldaumens. b€Identifikation der Sehnen und neurovaskulären Strukturen, hier der intakten und funktioÂ� nellen EPL-Sehne, die vom radialen Anteil stammt. c€Zustand nach TransÂ� position des größeren ulnaren Strahls in die funktionell günstigere radiale Position. Ästhetisches (d) und funktionelles Ergebnis (e) nach 3€Jahren
c
Operationstechnik 4 Grad I: Keine Behandlung notwendig. 4 Grad II: Verbreiterung der 1.€Zwischenfingerfalte durch Z-Plastik, Seitenbandrekonstruktion, v.€a. ulnar, Opponensplastik mit Flexor digitorum superficialis€4 oder M.€abductor digiti minimi (Technik nach Huber). Dadurch entsteht auch eine gewisse Thenareminenz. Das distale Ende des M.€flexor digitorum superficialis kann als Bandplastik benutzt werden.
4 Grad III: Entfernung des funktionslosen Daumens und Pollizisation des Zeigefingers. Alternativ kann eine Knochen- oder GelenkÂ� transplantation durchgeführt werden, kombiniert mit SehÂ� nentransposition und Hautplastiken. In der Regel sind mehrere Operationen notwendig. 4 Grad IV und V: Pollizisation des Zeigefingers, alternativ mikrochirurgische Zehentransplantation (7€Kap.€65.3).
83
808
83.4.7
Kapitel 83 · Fehlbildungen der Hände
Radiale Klumphand
Unter einer radialen Klumphand versteht man eine radiale Abwinklung der Hand durch Hypo- oder Aplasie des Radius bei verkürztem Unterarm. Je stärker die Radiusfehlbildung, desto ausgeprägter die Weichteilveränderung. Die Häufigkeit liegt zwischen 1:30.000 und 1:100.000. Das Auftreten wurde durch das Medikament Thalidomid (Contergan) in Deutschland in den Jahren 1959–1962 stark erhöht. Ein uni- oder bilaterales, isoliertes oder Auftreten als Teil eines Syndroms ist möglich. Häufige Begleitfehlbildungen sind 4 dreigliedriger Daumen, 4 Hypoplasie/Aplasie oder Synostosen oder Fehlbildungen des Oberarms, der Schulter oder des Gesichts, 4 VACTERL-Syndrom.
83
Eine genetische Disposition besteht bei Kombination mit Vorhofseptumdefekt (Holt-Oran-Syndrom, Fanconi-Anämie oder TARSyndrom). Im klinischen Bild können der Radius, die radialen Handwurzelknochen sowie der Daumenstrahl ganz oder teilweise fehlen oder verkürzt sein. Zudem besteht häufig eine gekrümmte und verkürzte Ulna mit behinderter Ellbogenbeugung. Vor allem der M.€extensor digitorum ist hypoplastisch, oft mit abnormem Ansatz, weiterhin die Extensormuskulatur im Bereich des Daumens und des radialen Handgelenks, die Flexoren sind weniger beteiligt. Der N.€radialis endet oft bereits am Ellbogen. Sein sensibles Versorgungsgebiet wird vom nach radial verlagerten N.€medianus übernommen. Die A.€radialis und der oberflächliche Hohlhandbogen sind häufig nur inkomplett angelegt. Bei der Feststellung der aktiven Beweglichkeit aller Gelenke der oberen Extremität wird insbesondere auf die passive Ausgleichbarkeit der radialen Abwinkelung geachtet. Radiologisch wird das Ausmaß der knöchernen Fehlbildung im Seitenvergleich festgestellt.
Therapeutisches Vorgehen Es besteht nahezu immer eine Indikation zur Operation, insbesondere auch bei eingeschränkter Ellbogenbeugung, die sich jedoch nach Achskorrektur der Hand häufig bessert. Der Operationszeitpunkt liegt optimalerweise im 1.€Lebensjahr. Es werden verschiedene Operationstechniken angewandt: 4 Beginn der Behandlung in den 1.€Lebenstagen: Redressions- und Dehnungsübungen durch die Mutter. 4 Bei stark ausgeprägter radialer Abwinkelung und/oder fixierter Kontraktur präoperativ Weichteildehnung über Fixateur externe. 4 Radialisation einschließlich Muskeltransposition, gleichzeitig Korrektur der Ulnaverkrümmung durch Osteotomie. 4 Primäre ulnokarpale Arthrodese und Erhalt der Epiphyse bei Fehlen oder starker Hyperplasie der Muskeln. 4 Pollizisation des Zeigefingers nach 4–6€Monaten. 4 Unterarmverlängerung durch Kallusdistraktion im Alter von 8–10 Jahren. An Komplikationen ist eine Verschlimmerung der Fehlstellung oder Kontraktur durch falsch oder verspätet ausgeführte Redressionsbehandlung möglich. Bleibt eine Pollizisation aus, ist eine Besserung von Funktion und Aussehen nicht möglich. Bei steifem Ellbogengelenk sollte nicht beidseits operiert werden, da dann keine Hand zum Mund geführt werden kann.
83.4.8
Makrodaktylie (Klasse€IV)
Hierunter versteht man eine seltene Fehlbildung mit Hypertrophie von Knochen und Fettgewebe mit sehr hoher Rezidivrate. Sonderformen sind das Proteus-Syndrom (Makrodaktylie an Händen oder Füßen in Verbindung mit Riesenwuchs, subkutanen Lipomen an Stamm und Hämangiome sowie Pigmentnävi). Differenzialdiagnostisch sind ein Riesenwuchs einer Extremität oder Hemihypertrophie abzugrenzen, ebenso Gewebefehlbildungen, z.€B. durch Hämangiome, arteriovenöse Fehlbildungen, Lymphangiome oder Chondromatose (Klippel-Trénaunay-Weber-Syndrom oder Mafucchi-Syndrom) und eine Neurofibromatose Recklinghausen mit zusätzlicher Hypertrophie der Nerven. Eine echte Makrodaktylie ist meist auf das Versorgungsgebiet einzelner Nerven beschränkt, v.€a. des N.€medianus. Sehnen und Gefäße sind meist normal ausgebildet. Am häufigsten sind 2€Finger betroffen, v.€a. der Zeigefinger, Mittelfinger und Daumen. Durch das ungleiche Wachstum kommt es zu einer Seitverkrümmung und Beugebehinderung der Interphalangealgelenke. Das Endgelenk steht häufig in Überstreckung.
Therapeutisches Vorgehen Trotz hoher Rezidivneigung ist eine operative Behandlung indiziert. Ist nur ein Finger betroffen, so ist eine Strahlamputation oder Strahltransposition zur Handverschmälerung möglich. Bei Makrodaktylie des Daumens kann eine Amputation und Zeigefingerpollizisation erfolgen. Eine Knochenreduktion ist bei Resektion des Endgelenks und seitlicher Resektion mit Refixation der Seitenbänder möglich. Gleichzeitig kann eine Nagelverschmälerung durchgeführt werden. Ausgedehnte Weichteilreduktionen müssen das Gefäß-NervenBündel schonen. Hypertrophe Nerven können in Längsrichtung teilreseziert werden. Die Prognose ist jedoch aufgrund der Progredienz und hohen Rezidivneigung eher schlecht, ein normales Aussehen ist meist nicht möglich. 83.4.9
Fehlbildungssyndrome (Klasse€VII)
Es wird unterschieden zwischen lokalisierten Strukturdefekten der Hand und gleichzeitigen Fehlbildungen anderer Skelettabschnitte oder Organsysteme (Fehlbildungssyndrom). Die wichtigsten dieser Syndrome werden in .€Tab.€83.5 zusammengefasst. 83.4.10
Sonstige angeborene Kontrakturen und Fehlstellungen
Pollex flexus congenitus Die Ursache – meist eine A1-Ringbandstenose – dieser fixierten Beugefehlstellung des Daumenendgelenks in 20–40° ist mechanisch. An den Fingern besteht eine Beugung des PIP-Gelenks. Meist liegt eine deutlich tastbare Knotenbildung in der Grundgliedbeugefalte vor, die den häufig verunsicherten Eltern zur Beruhigung demonstriert werden kann. Operativ wird eine Ringbandspaltung durchgeführt. Bei Säuglingen ist manchmal auch eine spontane Rückbildung möglich.
Beugefehlstellung des Daumens (»clasped thumb«) Diese Beugefehlstellung des Daumens im Grund- oder Endgelenk ist bedingt durch eine Schwächung und Aplasie der Streckmuskulatur.
809
83.4 · Einzelne Handfehlbildungen
. Tab. 83.5╇ Fehlbildungssyndrome, die mit Strukturdefekten der Hand vergesellschaftet sind
Syndrom
Fehlbildung der Hand
Sonstige Anomalien
Akrozephalosyndaktylie: 4 Typ I (Apert-Syndrom) 4 Typ II (Crouzon-Syndrom) 4 Typ III (Saethre-Chotzen-Syndrom) 4 Typ IV (Pfeiffer-Syndrom)
4 4 4 4 4 4
4 4 4 4 4 4
Fußveränderungen wie an der Hand Akrobrachyzephalie Koronarnahtsynostose Mittelgesichtshypoplasie Exophthalmus Hypertelorismus
Down-Syndrom (Trisomie 21)
4 Brachymesophalangie€5 mit Klinodaktylie 4 Syndaktylie 4 Vierfingerfalte
4 4 4 4 4
Hypoplastische Klavikula Stumpfer Azetabulumwinkel Herzfehlbildungen (ASD, VSD) Muskulärer Hypotonus Mentale Retardierung
Edwards-Syndrom (Trisomie€21)
4 4 4 4 4
Brachymesophalangie€5 mit Klinodaktylie€5 Ulnare Klinodaktylien€1–4 Hypoplastischer Daumen Radiale Klumphand Vierfingerfalte
4 4 4 4 4
Fußdeformitäten Hypoplastische Rippen Mikrognatie Vicium cordis Nierenfehlbildungen
Fanconi-Anämie (ThrombozytopenieRadiusaplasie-Syndrom)
4 4 4 4 4
Radiale Klumphand (Hypo- oder Aplasie) Präaxiale Gliedmaßendefekte Daumen hyperplastisch oder triphalangeal Brachymesophalangie€5 mit Klinodaktylie Syndaktylie
4 4 4 4 4 4 4
Pes planus Zehensyndaktylie Fehlbildung an Rippen und BWS Hypoplastisches Genitale und Harnwege Panzytopenie Minderwuchs Mentale Retardierung
Freeman-Sheldon-Syndrom (kraniotarsale Dystrophie)
4 Beugekontraktur des Daumens 4 Ulnardeviation der Finger
4 Flaches, starres Gesicht mit vorgewölbten Lippen 4 Pes equinovarus
Holt-Oran-Syndrom (kardionemes Syndrom)
4 4 4 4
4 Fehlbildungen der Schultergürtelmuskulatur 4 Vicium cordis (ASD, VSD)
Klippel-Trénaunay-Syndrom
4 Makrodaktylie 4 Syndaktylie
4 4 4 4
Unilateraler Großwuchs Hämangiome Varizen Nävi
Marfan-Syndrom
4 Arachnodaktylie 4 Tenodaktylie 4 Schlanke Röhrenknochen mit dünner Kompakta
4 4 4 4
Hohe Wirbelkörper Aortenaneurysma Herzklappenfehler Myopie, Linsenektopie, Netzhautablösung
Möbius-Syndrom (kongenitale Gesichtsdiplegie)
4 4 4 4
4 4 4 4
Hirnnervenparesen VI und VII Mentale Retardierung Klumpfuß Hüftluxation
Poland-Syndrom
4 Unilaterale Hypoplasie von Unterarm und Hand 4 Brachymesophalangie 4 Synbrachydaktylie
4 Ipsilateral Aplasie des M.€pectoralis, FehlÂ� bildungen des knöchernen Hemithorax
Turner-Syndrom
4 4 4 4 4
4 4 4 4 4
Komplette Syndaktylie Brachymesophalangie€1–5 Synphalangie der DIP-Gelenke Breiter Daumen mit Brachybaso-/-telephalangie Klinodaktylie Karpale Synostosen
Radiale Klumphand Daumen hypo-, aplastisch oder triphalangeal Brachymesophalangie€5 mit Klinodaktylie Karpale Synostosen
Aplasie an der Hand oder den Fingern Polydaktylie Syndaktylie Brachydaktylie
Brachymetakarpie€3–5 Karpale Winkel verkleinert Synostosen der Handwurzel Madelung-Deformität Osteoporose
Abkürzungen: ASD=Vorhofseptumdefekt, VSD=Ventrikelseptumdefekt.
Brachymetatarsie€5 Cubitus valgus Hufeisenniere Konnatale Dysgenesie Aortenisthmostenose
83
810
Kapitel 83 · Fehlbildungen der Hände
Diese ist in der Regel passiv ausgleichbar. Meist führt eine konservative Streckschienenbehandlung zur Erholung der aktiven Streckfähigkeit. Anderenfalls besteht die Indikation zur Sehnentransposition (z.€B. Indizisplastik, M.€flexor digitum superficialis€4).
Arthrogryposis multiplex congenita Hierbei handelt es sich um eine angeborene Bewegungseinschränkung der Gelenke, vorwiegend an der oberen Extremität. Weiterhin kann das Hüft- oder Kniegelenk betroffen sein. Zudem sind Aplasien oder Hyperplasien vieler Muskeln und Schädigungen zentraler und peripherer motorischer Nervenanteile möglich. Begleitend liegen fast immer eine Klumpfußbildung, in 50% auch eine Hüftgelenkluxation sowie Fusionen der Handwurzelknochen vor. Konservativ sind eine gezielte krankengymnastische Übungsbehandlung und Schienung möglich. Operativ können Artrolysen zur Funktionsverbesserung beitragen, v.€a. am Ellbogen. Muskeltranspositionen, z.€B. des M.€latissimus dorsi, zur Wiederherstellung der aktiven Ellbogenbeugung, sind aufgrund der häufig fehlenden Kraft der Spendermuskeln problematisch.
Madelung-Deformität
83
Hierbei handelt es sich um eine Epiphysenwachstumsstörung im distalen Radius mit sekundärer trichterförmiger Verformung der proximalen Handwurzelknochen, die durch vorzeitigen Schluss des ulnopalmaren Anteils der Epiphysenfuge verursacht wird. Sie wird meist mit 10–12€Jahren bemerkt und tritt vorwiegend beidseitig und bei Mädchen auf. Therapeutisch kann frühzeitig eine Achskorrektur der distalen Radiusgelenkfläche durch Osteotomie mit KnochenspaninterposiÂ� tion, Ellenkopfresektion oder Ulnaverkürzung die Exzision eines abnormalen Ligamentes zwischen Lunatum und Radius erfolgen.
Literatur Blauth W (1967) Der hypoplastische Daumen. Arch Orthop Unfallchir 62: 225–246 Buck-Gramcko D (1990) Congenital malformations. J Hand Surg 15B: 150– 152 Dobyns JH, Doyle JR, Von Gillern TL, Cowen NJ (1989) Congenital anomalies of the upper extremity. Hand Clin 5: 321–42; Flatt AE (1994) Care of congenital hand anomalies, 2nd edn. Quality Medical Publishing, St. Louis Gilbert A (1989) Congenital absence of the thumb and digits. J Hand Surg 14B: 6–17 Kozin SH (2003) Upper-extremity congenital anomalies. J Bone Joint Surg Am 85-A: 1564–1576 McCarroll HR (2000) Congenital anomalies: a 25-year overview. J Hand Surg 25A: 1007–1037 Netscher DT, Scheker LR (1990) Timing and decision-making in the treatment of congenital upper extremity deformities. Clin Plast Surg 17: 113–131 Netscher DT (1998) Congenital hand problems. Terminology, etiology, and management. Clin Plast Surg 25: 537–552 Schmitt R (1992) Lanz. Bildgebende Diagnostik der Hand. Hippokrates, Stuttgart Swanson AB (1976) A classification for congenital limb malformations. J Hand Surg [Am] 1: 8–22 Wassel HD (1969) The results of surgery for polydactyly of the thumb. Clin Orthop 64: 175–193
84
Fehlbildungen der Füße P.M.Vogt, L.-U. Lahoda
84.1
Diagnostisches Vorgehenâ•… – 812
84.1.1
Röntgen, MRT, Spezialaufnahmenâ•… – 812
84.2
Therapiezieleâ•… – 812
84.3
Klassifikationâ•… – 812
84.3.1 84.3.2 84.3.3 84.3.4 84.3.5 84.3.6
Polydaktylienâ•… – 812 Oligodaktylienâ•… – 813 Spaltfüße â•… – 813 Fehlbildungen des Großzehenstrahlsâ•… – 815 Syndaktyliebildung und Apert-Syndrom â•… – 815 Makrodaktylieâ•… – 815
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
812
Kapitel 84 · Fehlbildungen der Füße
Im Rahmen der Behandlung der Handfehlbildungen wird der Plastische Chirurg auch mit angeborenen Fehlbildungen der Füße konfrontiert, wobei wir uns im eigenen Vorgehen auf die Korrektur der anlagebedingten Fehlbildungen distal der Tarsometatarsalgelenke beschränken. Eine enge Zusammenarbeit mit Pädiatern, Orthopäden und Orthopädietechnikern ist dabei unabdingbare Voraussetzung für ein optimales Rehabilitationsergebnis. Angeborene Fehlbildungen an den Extremitäten sind sehr selten und ätiologische sowie pathogenetische Erkenntnisse zu den angeborenen Fehlbildungen eher lückenhaft. Häufige Anomalien an den Füßen stellen Polydaktylien und Syndaktylien dar, seltener der lokalisierte Riesenwuchs, Spaltbildungen und das Apert-Syndrom. Die angeborenen Anomalien werden bereits bei der Geburt festgestellt und daher vom Kinderarzt oder den Eltern früh in der Sprechstunde vorgestellt. Bei der klinischen Beurteilung müssen höhergradige, z.€B. fibulare oder tibiale Fehlbildungen am Unterschenkel berücksichtigt werden, ebenso wie Syndrome mit Organbeteiligung. Eine korrekte Diagnosestellung ermöglicht die Differenzierung€ zwischen operativer oder konservativer BehandlungsindiÂ� kation. 84.1
84
Diagnostisches Vorgehen
Die Diagnostik der Fehlbildungen der Füße umfasst eine gründliche Befunderhebung unter Einschluss der bildgebenden Verfahren. Dabei ist das Augenmerk auch auf die Möglichkeit komplexerer Fehlbildungen der gesamten unteren Extremität zu richten. Eine Vorstellung bei einem Humangenetiker und eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Pädiatern und Kinderchirurgen sind bei Vorliegen komplexerer Syndrome mit Fehlbildungen von Organsystemen indiziert.
Grundsätze der operativen Behandlung 4 Hautinzisionen liegen nicht an exponierten oder Belastungsarealen. 4 Gelenkinzisionen sollten nicht von geraden Narben gekreuzt werden. 4 Belastungsareale erfordern eine suffiziente Hautdeckung mit lokalen Lappen (nicht Hauttransplantaten).
Fehlstellungen der Metatarsalia erfordern ggf. Korrekturosteotomien. Deltaphalangen sind zu entfernen. Bei zentralen Strahlamputationen sollte die neu entstehende Kommissur verschmälert werden. 84.3
Klassifikation
84.3.1 Polydaktylien Polydaktylien sind als häufigste angeborene Vorfußfehlbildung (1,5:1000 Geburten; 2-fach höher bei Afrikanern und Polynesiern) durch eine Verdopplung eines oder mehrer Zehenstrahlen gekennzeichnet. Dabei findet sich eine große Variationsbreite von einfachen kutanen rudimentären Doppelanlagen, Mehrfachanlagen einzelner Zehen bis hin zu spiegelbildlichen Doppelungen eines gesamten Fußes, evtl. in Kombination mit anderen Fehlbildungen, z.€B. des Unterschenkels (15%) und bei verschiedenen komplexen Fehlbildungssyndromen (Ellis-van-Creveld, Bardet-Biedl-Moon, PallisterHall, Trisomie€8, 9,€12, Carpenter-Syndrom). Man unterscheidet zwischen präaxialen, zentralen oder postaxialen Mehrfachbildungen (tibial, zentral, fibular). Als Unterscheidungskriterium der diversen Variationen wird die Höhe der Aufgabelung der Doppelbildung zugrunde gelegt. So wird zwischen einem phalangealen, metatarsalen und tarsalen Typ bei Doppel- und Mehrfachbildungen unterschieden (Blauth u. Olason 1988; .€Abb.€84.1).
84.1.1 Röntgen, MRT, Spezialaufnahmen Die standardisierten Röntgenaufnahmen des Fußes umfassen die 2€Ebenen der dorsoplantaren und der exakt seitlichen Richtung. Seltener werden, insbesondere im Säuglings- und Kleinkindesalter, zusätzliche Schrägaufnahmen des Vorfußes zur Darstellung der Gelenkpartner, die Tarsaltunnelaufnahme und Spezialaufnahmen, wie die Aufnahme des Kalkaneus in einer 3.€Ebene, Einstellungen mit Zentrierung auf Lisfranc- oder Chopard-Gelenke, ergänzende Aufnahmen des oberen und unteren Sprunggelenks in standardisierter Technik erforderlich. 84.2
Therapieziele
Funktionelle Gesichtspunkte mit dem Ziel einer optimalen Gangentwicklung und Versorgung mit Konfektionsschuhen stehen im Vordergrund, jedoch sollten ästhetische Aspekte ebenso berücksichtigt werden. > Während die konservativen Verfahren bereits direkt postpartal seitens der technischen Orthopädie erfolgen, finden operative Verfahren eher zu einem späteren Zeit punkt, meistens im Vorschulalter Anwendung.
Nach Blauth (1989) gelten die in der .€Übersicht dargestellten Grundsätze der operativen Behandlung.
. Abb. 84.1╇ Klassifikation der Syndaktylien nach Blauth. (Mod. nach Wirth 2002)
813
84.3 · Klassifikation
In 80–90% sind randständige Strahlen betroffen und mit entsprechender Fußverbreiterung verbunden. Zusätzlich zu den radiologisch fassbaren knöchernen Veränderungen sind Weichteilanomalien mit Gabelbildungen an Nerven, Gefäßen, Sehnen oder Doppelung von Muskeln zu verzeichnen. Klinisch findet sich eine größenabhängige Variationsform, die von der mildesten Ausprägung in Form einer einfachen Verbreiterung eines Knochens über doppelte Endglieder, Mittel- oder Grundglieder bis hin zu doppelten Metatarsalia oder auch Fußwurzelknochen reichen.
Stand der operativen und konservativen Therapie Operative Maßnahmen sind indiziert, wenn aufgrund der Fehlstellungen oder Verbreiterungen keine Konfektionsschuhe mehr getragen werden können. Im eigenen Vorgehen wird erst im Vorschulalter operiert, da hier entsprechende Größenverhältnisse und Abschätzung von Wachstumstendenzen und Ganganalysen die Planung und operative Therapie erleichtern. Behandlungsziele sind Verschmälerung des Vorfußes und Korrektur der Fehlstellung auch unter ästhetischen Gesichtspunkten mit der Sicherstellung einer Versorgung durch Konfektionsschuhe. Überzählige zentrale Zehenstrahlen werden mit Schnittführungen, wie sie an der Hand üblich sind (7€Kap.€83), abgetragen. Die Entscheidung, welcher Strahl bei Doppelanlagen geopfert werden muss, hängt von den individuellen Gegebenheiten ab: In der Regel wird der hypoplastische Zeh entfernt (.€Abb.€84.2). Bei randständigen Doppelanlagen kann auch der kräftigere entfernt werden, wenn der unterentwickeltere die vollständigere Anatomie (axiale Ausrichtung, Anzahl der Glieder und Sehnen) und damit die besseren Voraussetzungen für eine fußorthopädische Versorgung aufweist. Damit ist der Aufwand der Operation geringer, eine Rehabilitation früher möglich und auch die Rate an sekundären KorrekturoperaÂ� tionen geringer. Überzählige zentrale Zehenstrahlen werden unter Einbeziehung der beteiligten Metatarsalknochen entfernt und zur Erzielung einer möglichst anatomisch korrekten engen Kommissur intermatarsale Zügelungen (nichtresorbierbare Nähte, Sehnenzügel) sowie Weichteilreduktionen durchgeführt (.€Abb.€84.2). 84.3.2 Oligodaktylien Das numerische Fehlen von Zehen stellt eine Minusvariante dar, bei der insbesondere der äußere Fußrand im Sinne einer postaxialen Aplasie [zusammen mit weiteren Fehlbildungen des Unterschenkels, Femur-Fibula-Ulna-(FFU)-Fehlbildung], oder seltener der mediale Rand in Form einer präaxialen Aplasie (mögliche Fehlanlage der Tibia) betroffen ist. Zentrale Strahlaplasien kommen bei den Spaltfußbildungen vor. Am Vorfuß fehlen meistens die 4.€und 5.€Zehe inkl. der Metatarsalia, selten der 3.€oder der isolierte Strahl. Als Variante kommen neben Y- oder gabelförmigen Mittelfußknochen auch zentrale Verschmelzungen benachbarter Metatarsalia bei distal davon vollständig ausgebildeten Zehen vor. Syndaktylien finden sich zwischen der 2.€und 3.€Zehe (seltener zwischen der 3.€und 4.€Zehe) oder auch zwischen 3€Zehen. Röntgenologisch sind Synostosen der Fußwurzel (Talus, Kalkaneus, Os naviculare) auszuschließen.
Stand der operativen und konservativen Therapie Es besteht bei lediglich reduzierter Zehenanzahl und verschmälertem Fuß ohne wesentliche Gangbeeinträchtigung keine operative
a
b . Abb. 84.2a, b╇ Polydaktylie. Entfernung der postaxialen kleinen Zehe zur Erzielung einer Fußverschmälerung
Behandlungsindikation. Hier reichen angepasste SchuhversorgunÂ� gen völlig aus. Lediglich ausgeprägtere Fehlstellungen erfordern Korrekturoperationen des knöchernen Fußskeletts (.€Abb.€84.4). Auch hier sind zusätzliche Maßnahmen einer optimierten Fußbettung und Schuhversorgung zu integrieren. 84.3.3 Spaltfüße Es handelt sich um hereditäre doppelseitige Fehlbildungen autoÂ� somal-dominanter Genese (1,3:100.000). > Spaltfüße sind häufig mit Spalthänden kombiniert.
Sie kommen in unterschiedlichen Ausprägungen vor und sind gekennzeichnet durch das keilförmige Fehlen von Fußanteilen. Entwicklungsgeschichtliche Ursache ist ein Fehlen des primitiven Weichteilblastems der Fußanlage. Beim typischen Spaltfuß fehlen die mittleren Stahlen in unterschiedlichem Ausmaß. Bei Fehlen aller 3€zentralen Strahlen sind anlagebedingt nur Großzehen- und Kleinzehenstrahlen vorhanden. Diese Deformität ist auch als Hummerscherendeformität (»lobster claw«) bekannt. Blauth u. Borisch (1990) unterscheiden 6€Typen (.€Tab.€84.1). Die knöchernen Strukturen können viele Abweichungen aufweisen. Insbesondere sind Achsenknicke möglich, die sich in Druckstellen der Randstrahlen durch das Schuhwerk manifestieren und das
84
814
84
Kapitel 84 · Fehlbildungen der Füße
a
b
c
d
. Abb. 84.3╇ Polysyndaktylie der Großzehe (a). Korrektur durch Resektion und Weichteilplastik der präaxialen doppelten Zehenanlage€(b–d)
a
b
c
d
. Abb. 84.4╇ Oligosyndaktylie (a). Entfernung der präaxialen akzessorischen Großzehenanlage mit störendem Nagelwachstum zur Beseitigung einer
Irritation der Nachbarzehe (b, c). Bei insgesamt normalem Gangbild sind aus funktionellen Gründen keine weiteren Korrekturen sinnvoll (d)
815
84.3 · Klassifikation
Stand der operativen und konservativen Therapie . Tab. 84.1╇ Klassifikation der Spaltfußbildung nach Blauth u. Borisch (1990)
Typ
Kennzeichen
I
5 normale Mittelfußknochen
II
5 z.€T. hypoplastische Mittelfußknochen
III
4 unterscheidbare Mittelfußknochen
IV
3 unterscheidbare Mittelfußknochen
V
2 unterscheidbare Mittelfußknochen (HummerscherenÂ� deformität)
VI
Schwerste Form mit nur noch einem Strahl (meist fibularer »monodaktyler Spaltfuß«)
Da konservative Maßnahmen in der Regel scheitern, sind operative Verfahren allein erfolgversprechend. Bei Entfernung zentraler Zehenstrahlen, die für eine Varusfehlstellung mitursächlich sind, ist immer nach fibrösen Strängen an der Medialseite des 1.€Metatarsale zu fahnden, diese sind zu durchtrennen. Meistens sind weitere Kapsel- und tendoplastische Maßnahmen, aber auch Osteotomien und Sehnentransfers indiziert (.€Abb.€84.5). > Bei weiterem Wachstum kann es trotz gutem Primärergeb nis im späteren Lebensalter wachstumsbedingt zu erneu ten Fehlstellungen kommen, die zusätzliche Sekundärein griffe erfordern. Über diesen Umstand sind die Eltern und die kleinen Patienten vorsorglich aufzuklären.
84.3.5 Syndaktyliebildung und Apert-Syndrom Tragen normaler Konfektionsschuhe erschweren bis unmöglich machen. Komplizierend sind Abduktionsfehlstellungen des fibularen Strahls und Valgusdeformitäten im Rückfuß mit Synostosen der Fußwurzelknochen.
Stand der operativen und konservativen Therapie Im Gegensatz zu den häufig grotesken Veränderungen sind die funktionellen Einschränkungen oft erstaunlich gering. Analog zu den übrigen Anomalien bestehen Indikationen zur Operation lediglich bei schmerzhaften, das Gangbild einschränkenden Fehlbelastungen, Schwielenbildung oder Ulzerationen sowie Problemen mit der Schuhversorgung. Eine Korrektur aus rein ästhetischen Gründen sollte angesichts der vorrangig funktionellen Belange sehr sorgfältig abgewogen werden und wird daher selten indiziert sein. Die chirurgische Therapie strebt eine Fußverschmälerung an sowie Beseitigung der Zehendeformitäten. Neben knöchernen Achsenkorrekturen können weichteilplastische Maßnahmen an Haut (künstliche Syndaktyliebildung) und Kapsel sowie tendoplastische Maßnahmen indiziert sein. Sehr komplexe orthopädische Spezialeingriffe umfassen auch Knochentranspositionen oder Keilosteomien, z.€B. bei gabelförmigen Deformitäten der Mittelfußknochen. Hier muss darauf geÂ� achtet werden, dass es zu keiner funktionellen Verschlechterung kommt. > Besonderes Augenmerk muss auf die Wachstumskom ponente gelegt und die rekonstruktiven Schritte darauf abgestimmt werden.
Die Syndaktyliebildung, die isolierte kutane Verschmelzung der 2./3. oder 3./4. Zehe, stellt zumeist eine ästhetische »Belastung« dar und kein funktionelles Problem, wenn sie nicht mit anderen Fehlbildungen kombiniert ist. Heranwachsende Kinder werden sich häufig erst durch die Kommunikation und den Kontakt mit anderen Gleichaltrigen dieser Fehlbildung bewusst, da das familiäre Umfeld selten ein Problem darstellt. Beim Apert-Syndrom liegen als Teil des Akrozephalosyndaktyliesyndroms neben typischen Schädeldeformierungen schwere Deformierungen der Hände (Löffelhände und -füße) vor.
Stand der operativen und konservativen Therapie Bei häutigen Syndaktylien besteht in der Regel keine Operationsindikation aus funktionellen Gründen, eher aus ästhetischer Indikation (.€Abb.€84.6). Die Therapie entspricht dem Vorgehen an der Hand (7€Kap.€83) und berücksichtigt die zu erhaltende Stabilität der Gelenke und der Bänder. Durch Zickzack-förmige Inzisionen und das Einschlagen der Hautläppchen kann der interdigital durch die Trennung entstehende Defekt gedeckt werden, evtl. resultierende Hautdefekte lassen sich durch Vollhauttransplantate schließen. Bei Fehlstellungen im Rahmen höherer Fehlbildungsanomalien (Apert-Syndrom) entscheidet der Grad der funktionellen Behinderung über die Operationsindikation. Ziele sind 4 ein plantigrader Abrollvorgang über die Fußsohle, 4 Beseitigung von Druckstellen und 4 Versorgung in Konfektionsschuhen. Hier sind ggf. auch Korrekturosteotomien erforderlich.
84.3.4 Fehlbildungen des Großzehenstrahls
84.3.6 Makrodaktylie
Abweichungen der Großzehe im Grundgelenk nach medial oder lateral können anlagebedingt entweder als Hallux varus oder Hallux valgus vorliegen. Bei Abweichung im Interphalangealgelenk spricht man vom Hallus (valgus, varus) interphalangealis. Je nach weiteren kongenitalen Anomalien des Fußskeletts besteht eine Assoziation zum Spaltfuß (Hallux valgus), zum ApertSyndrom (Hallux varus) oder zu den polydaktylen (varus, valgus) oder oligodaktylen fibularen Pathologien. Eine isolierte Fehlstellung liegt nicht vor, und bei Fehlen weiterer Fehlbildungen findet sich zumindest eine Fehlanlage, z.€B. am Os metatarsale in Form einer Deltaphalanx.
Bei der Makrodaktylie handelt es sich um ein isoliertes oder in Verbindung mit anderen Fehlbildungen (z.€B. Hämangiome des KlipÂ�pel-Trénaunay-Syndroms) auftretendes Phänomen. Die unproportionierte Vergrößerung von Weichteilen oder auch Knochen stellt neben der Überlänge das zumeist größere zu korrigierende Problem dar. Es liegen Vermehrungen von Fett- und Bindegewebe neben verdickten und knäuelartig aufgetriebenen Nervensträngen sowie Neurofibrome vor. Diese Weichteilveränderungen lassen sich im MRT gut differenzieren und müssen gegenüber anderen Gewebsvermehrungen einer gesamten Extremität wie bei Klippel-Trénaunay-
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Kapitel 84 · Fehlbildungen der Füße
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d
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. Abb. 84.5╇ Hallux varus congenitus (a). Operative Korrektur durch meÂ� diales Kapsel-Release, Lateralisierung der Extensorsehne und Lösen eines
medialen fibrösen Bandes sowie mediale kutane Z-Plastik (b–e). PostoperÂ� tives Ergebnis€(f)
817
84.3 · Klassifikation
Literatur Blauth W (1989) Die Behandlung angeborener Fußfehlbildungen. Z Orthop 127: 3–14 Blauth W, Borisch N (1990) Cleft feet. Proposals for a new classification based on roentographic morphology. Clin Orthop 258: 41–48 Blauth W, Olason T (1988) Classification of polydactylyof the ahnd and feet. Arch Orthop Trauma Surg 107: 334–344 Chapchal G (1986) Kongenitale Dysplasien und Defekte defr unteren Extremität. Thieme Stuttgart, S 133–134 Coleman W (1988) Surgical management of the cleft foot deformitiy. J Foot Surg 27 (8): 497–502 Dennyson W, Bear J, Bhoola K (1977) Macrodactyly in the foot. J Bone Jt Surg 59-B: 355–359 Falliner A, Blauth W, Olason T (1988) Hallux varus congenitus bei Polydaktylien. Z Orthop 126: 239–249 Watanabe H, Fujita S Oka I (1992) Polydactylly of the foot an: An analysis of 265 cases and a morphological classification. Plast Reconstr Surg 89: 856–877 Wirth CJ (Hrsg) (2002) Orthopädie und Orthopädische Chirurgie: Fuß. Thieme, Stuttgart, S 217–230
. Abb. 84.6╇ Typische Syndaktylie zwischen 2.€und 3.€Zehe: unter funktionellen Aspekten keine Operationsindikation
Snydrom oder arteriovenösen Gefäßmissbildungen (Sturge-WeberSyndrom) abgegrenzt werden.
Stand der operativen und konservativen Therapie Ein chirurgisches Vorgehen ist dann indiziert, wenn fußorthopädische statische Probleme oder Schwierigkeiten bei der Schuhversorgung auftreten. Die Therapieentscheidung ist individuell zu fällen. Im Rahmen der operativen Korrektur muss auf die Gefäß-Nerven-Bündel geachtet werden, da mögliche Nervenauftreibungen vorliegen können und damit die Präparation kompliziert sein kann. Insbesondere müssen die dominanten Gefäße geschont werden. Die größte Schwierigkeit in der Versorgung dieser Patienten ist die geplante Verkürzung und die Reduktion der Haut/Weichteile unter Erhalt der Funktion. Häufig verbleibt nur die Amputation, um eine annähernd normale Größe des Fußes zu erzielen. Eine Alternative stellt die zeitgerechte Verödung der Wachs tumsfugen dar. Die technische Durchführung der Verödung der Wachstumsfuge ist einfach mittels Ausfräsen der Epiphysenfuge durch einen bilateralen Schnitt und Auscurettieren mit einem scharfen Löffel gegeben. Meistens muss die Epiphysiodese aber mit stadiengerechten Reduktionen des überschüssigen Weichteilmantels kombiniert werden.
84
XIII
Dokumentation und Klassifikation P. Vogt
Kapitel 85
Heilverfahren╇╇ – 821 A.D. Niederbichler
Kapitel 86
Untersuchungs- und Dokumentationsbögen╇╇ – 825 G. Valiyeva, A. Gohritz
Kapitel 87
Klassifikationen╇╇ – 833 U. Mirastschijski, A.G. Gohritz, P.M. Vogt
Die zunehmenden Anforderungen an Qualitätssicherung und die Patientensicherheit bedingen heute in der Plastischen Chirurgie eine in jeder Hinsicht umfassende Dokumentation. In dieser Sektion werden die im eigenen Klinikablauf bewährten Begutachtungs- und Dokumentationsverfahren nebst einer Liste von gängigen Klassifikationen dargestellt.
85
Heilverfahren A.D. Niederbichler
85.1
Die ärztliche Begutachtungâ•… – 822
85.1.1 85.1.2
Sozialmedizinische Begriffeâ•… – 822 Aufbau eines ärztlichen Gutachtensâ•… – 823
85.2
Berufskrankheitenâ•… – 823
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
822
Kapitel 85 · Heilverfahren
85.1
Die ärztliche Begutachtung
Das deutsche Unfallversicherungswesen besteht aus 3€Elementen: 4 der gesetzlichen Unfallversicherung, 4 dem sozialen Versorgungswesen und 4 den Privatversicherungen. Im Grundgesetz wird bereits festgestellt, dass die jeweiligen Leistungen der einzelnen Unfallversicherungsträger dem Versicherten gegenüber unterschiedlich sind und daher eine Vergleichbarkeit der Leistungen nicht möglich ist. In diesem Kapitel werden die Grundzüge der Begutachtung und Dokumentation sowie spezifische Begrifflichkeiten erklärt. Beurteilungsrichtlinien und Bemessungsgrundlagen für die ärztliche Begutachtung der gesetzlichen und privaten Unfallversicherung sowie des sozialen Versicherungswesens werden im Überblick dargestellt.
85.1.1 Sozialmedizinische Begriffe Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und Grad der Behinderung (GdB).╇ Diese Begriffe werden in der gesetzlichen Unfallversi-
cherung sowie in der Kriegsopferversorgung verwendet. Die Angabe von MdE erfolgt in Prozent (%€MdE; .€Tab.€85.1). MdE und GdB sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit zur Bewertung von MdE und GdB sind unter http://anhaltspunkte.vsbinfo.de übersichtlich nach Organen und Organsystemen dargestellt. Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit.╇ Diese Begriffe werden in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sowie der knappschaftlichen Rentenversicherung verwendet.
Definition.╇ Ein ärztliches Gutachten stellt eine schriftliche Äuße-
rung zu einer konkreten medizinischen Frage dar, die aufgrund der herrschenden medizinisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnis vom Gutachter erstellt wird. Man unterscheidet 4 Gutachten nach Aktenlage (ohne direkte Patientenuntersuchung) von 4 Gutachten, die nach klinischer und ggf. zusätzlicher apparativer Untersuchung (z.€B. Röntgenuntersuchung) erstellt werden. 4 Eine Sonderform stellt das Gerichtsgutachten dar, bei dem der ärztliche Gutachter oft – entweder nach eigener Untersuchung des Patienten oder nach Aktenstudium – ein schriftliches Gutachten erstellt, aber dennoch zur mündlichen Äußerung zu einem Verhandlungstermin bei Gericht vorgeladen wird.
85
. Tab. 85.1╇ Gliedertaxe zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei Verlust oder (vollständiger) Funktionsunfähigkeit
Organ(system)
Invaliditätsgrades bei Verlust oder (vollständiger) Funktionsunfähigkeit
eines Armes im Schultergelenk
╇ 70%
eines Armes bis oberhalb des Ellbogen gelenks
╇ 65%
> Es ist unbedingt hervorzuheben, dass ein ärztliches Gutachten immer nur eine Sachverständigenaussage darstellt. Der Gutachter entscheidet nicht über die Anerkennung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE, 7€unten), stellt keine Berufsunfähigkeit fest und erkennt auch bei Zusammenhangsfragen keinen kausalen Zusammenhang an.
eines Armes bis unterhalb des Ellbogen gelenks
╇ 60%
einer Hand im Handgelenk
╇ 55%
eines Daumens
╇ 20%
eines Zeigefingers
╇ 10%
Diese Entscheidungen werden gültig entweder von Verwaltungsbeamten oder vom Richter getroffen, das ärztliche Gutachten stellt im Rahmen der Entscheidungsfindung daher eine medizinisch begründete Aussage dar, die angefordert und in den Entscheidungsprozess (meist maßgeblich) einbezogen wird. Die Anforderungen an den Gutachter sind daher 4 fundiertes medizinisches Wissen und 4 eingehende Kenntnis pathophysiologischer und ätiologischer Zusammenhänge. 4 Arbeitsmedizinische Kenntnisse sind bei der Gutachtenerstellung unabdingbar, da in vielen Fällen die Auswirkungen der Erkrankung oder des Unfalls auf die erwerbliche Leistungsfähigkeit beurteilt werden muss.
eines anderen Fingers
╇╇ 5%
eines Beines über der Mitte des Ober schenkels
╇ 70%
eines Beines bis zur Mitte des Ober schenkels
╇ 60%
eines Beines bis unterhalb des Knies
╇ 50%
eines Beines bis zur Mitte des Unter schenkels
╇ 45%
eines Fußes im Fußgelenk
╇ 40%
einer großen Zehe
╇╇ 5%
einer anderen Zehe
╇╇ 2%
eines Auges
╇ 50%
beider Augen
100%
des Gehörs auf einem Ohr
╇ 30%
des Gehörs auf beiden Ohren
╇ 60%
des Geruchs
╇ 10%
des Geschmacks
╇╇ 5%
Darüber hinaus muss der Gutachter in allen Stadien der Gutachtenerstellung eine objektive, sachliche Arzt-Patienten-Beziehung schaffen und erhalten, die sich von der im klinischen Alltag vorherrschenden subjektiven, helfenden und heilenden Einstellung dem Patienten gegenüber unterscheidet. > Sollte sich der Gutachter überfordert oder inkompetent fühlen, die geforderten Fragen zu beantworten, so ist es seine Pflicht, den Gutachtenauftrag abzulehnen und die anfordernde Stelle zeitnah darüber zu informieren.
§Â€7€I Abs.€2a AUB€88/§Â€7€I Abs.€2a AUB€94/ 2.1.2.2.1 AUB€99.
823
85.2 · Berufskrankheiten
Bundesknappschaft.╇ Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung der im Bergbau be schäftigten Arbeitnehmer. Seit 01.10.2005 zur neuen Organisations form Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See fusio niert. Arbeitsunfähigkeit.╇ Begriff der Krankenversicherung; das Unver
mögen, durch Krankheit oder Krankheitsfolgen den Beruf auszu üben. Arbeitsunfähigkeit wird ärztlich festgestellt.
3.
Leistungsvermögen.╇ Begriff des Arbeitsförderungsgesetzes zur Be messung der Arbeitsfähigkeit eines Versicherten. Invaliditätsgrad.╇ Analog zur MdE bzw. zum GdB (7€oben); Begriff
der privaten Unfallversicherungen. Die Bemessung erfolgt nach der Gliedertaxe, die Einteilung in Prozent Invaliditätsgrad (.€Tab.€85.1). Wird die Funktionsfähigkeit nur partiell eingeschränkt, wird der entsprechende Teil des Prozentsatzes der Gliedertaxe angenommen (§Â€7€I Abs.€2b AUB€88/§Â€7€I Abs.€2b AUB€94/2.1.2.2.1 AUB€99). Inva liditätsgrade müssen zusammengerechnet werden, wenn durch den Unfall mehrere Körperteile oder Sinnesorgane in ihrer Funktions fähigkeit dauernd beeinträchtigt werden, es gilt jedoch, dass ein In validitätsgrad von mehr als 100% nicht angenommen werden kann (§Â€7€I Abs.€2d AUB€88/§Â€7€I Abs.€2d AUB€94/2.1.2.2.4 AUB€99). 85.1.2 Aufbau eines ärztlichen Gutachtens Grundsätzlich wird zwischen einem »freien Gutachten«, welches meist von privaten Versicherungsgesellschaften angefordert wird, und einem im Rahmen der Abläufe der gesetzlichen Unfallversiche rung (»Rentengutachten«, »BG-Gutachten«) zu erstellenden Gut achten unterschieden. > Bei beiden ist besonders auf die durch den Auftraggeber gestellten Fragen einzugehen. Die folgende Gliederung hat sich bei der Erstellung jeglicher Gutachtenformen bewährt, im Anschluss an diesen allgemeinen Teil kann dann, vor der abschließenden Einschätzung durch den Gutachter, auf die speziell durch den Auftraggeber gestellten Fragen eingegangen werden.
Einleitend muss dargelegt werden, wer (wann) den Gutachtenauf trag erteilt hat und anhand welcher Feststellungen das Gutachten von wem (wann) erstellt wurde (z.€B. aufgrund eigener Untersu chung, nach Aktenlage, aufgrund apparativer oder laborchemischer Untersuchungen etc.; .€Übersicht). Empfehlung zum Aufbau eines ärztlichen Gutachtens 1. Vorgeschichte: Gliedert sich in – subjektive Anamnese (vom Antragsteller/Patienten dargestellt) und – objektive Anamnese (durch den Gutachter erstellte Anamnese, aufgrund der in den Akten erhobenen Befunde und durchgeführten Untersuchungen und Therapiemaßnahmen sowie Angaben zum Heilverlauf ). 2. Klagen des Antragstellers: Möglichst wörtliche Wiedergabe der subjektiven Klagen des Patienten. Hinweis: Es kann sinnvoll sein, sich vom Patien 6
4.
5.
6.
ten/Antragsteller seine Angaben über Beschwerden und Klagen gesondert unterschreiben zu lassen, um Vollständig keit zu belegen und dem später evtl. erhobenen Einwand zu entgehen, der Gutachter habe die Aufstellung der Klagen des Patienten unvollständig oder nicht korrekt in das Gut achten aufgenommen. Objektiver Befund: Bei der Untersuchung des Antragstellers erhobener Unter suchungsbefund. Meist vollständige körperliche Unter suchung, nur bei Zusatzgutachten Beschränkung auf das je weilige Fachgebiet. Die konkret in der Gutachtenanfrage gestellten Fragen müssen jedoch gesondert beantwortet werden. Unfall- oder Erkrankungsfolgen: Sie sollen nummeriert und nach Schwere geordnet auf gelistet werden. Beurteilung: Abschließend erfolgt nach Beantwortung der gestellten Fragen die Beurteilung gemäß angefordertem Schema (MdE, GdB, Gliedertaxe etc.). Das Gutachten muss vom Gutachter eigenhändig unter schrieben und datiert werden und sollte mit der Uhrzeit der gutachterlichen Untersuchung versehen werden.
> Der ärztliche Gutachter kann Zusatzgutachten durch andere Fachdisziplinen anfordern. Die Gesamt-MdE bzw. der Gesamt-GdB wird dann ggf. durch Addition der bei den verschiedenen Gutachten erhobenen Befunde errechnet. Üblich sind z.€B. radiologische oder neurologische Zusatzgutachten. Der objektive Befund sollte zur besseren Anschaulichkeit mittels Farbfotografien festgehalten werden, dies veranschaulicht oft umständliche Beschreibungen.
In sog. Zusammenhangsgutachten wird ausführlich erörtert und festgestellt, ob ein Körperschaden oder eine Erkrankung mit einem bekannten Ereignis in der Vorgeschichte des Patienten in kausalem Zusammenhang steht. Es muss auch festgestellt werden, in welchem Ausmaß das Trauma oder die Erkrankung die körperliche oder geis tige Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. 85.2
Berufskrankheiten
Eine Krankheit, die im Rahmen der Berufsausübung entsteht, ist nicht automatisch eine Berufskrankheit: Solche Erkrankungen wer den erst dann in die Berufskrankheitenliste (BK-Liste) aufgenom men, wenn Erkenntnisse darüber vorliegen, dass sie durch besonde re berufliche Einwirkungen verursacht wird, denen die Berufstätigen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung. Aus dieser Formulierung – sie stammt sinnge mäß aus dem 7.€Buch Sozialgesetzbuch (SGB€VII) – ist zu ersehen, dass eine Kausalität gegeben sein muss und nicht alle Erkrankungen als Berufskrankheiten zu bezeichnen und evtl. zu entschädigen sind. So fällt z.€B. nur ein kleiner Teil der Rückenerkrankungen unter be stimmten Voraussetzungen unter das Berufskrankheitenrecht (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule oder der Halswirbelsäule). In §Â€9 SGB€VII »Berufskrankheiten« ist genau definiert, was un ter einer Berufskrankheit zu verstehen ist. Allerdings stehen im Ge
85
824
Kapitel 85 · Heilverfahren
setzestext selbst keine Berufskrankheiten. Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse ergeben, dass eine Krankheit als Berufskrankheit zu werten ist, wird diese in die sog. Berufskrankheitenliste (BK-Liste) aufgenommen. Grundlage für dieses Verfahren ist die Berufskrank heitenverordnung (BKV). Eine Krankheit, die nicht als Berufs krankheit anerkannt ist, kann unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit entschädigt werden. > Die vorhandene Krankheit muss nicht mit dem erlernten Beruf zusammenhängen. Versichert ist immer die ausgeübte Tätigkeit.
Auch wenn die Berufskrankheit in der BK-Liste aufgeführt ist, wird bei jedem Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit im Ein zelfall geprüft, ob es sich um eine Berufskrankheit im Sinne der ge setzlichen Vorschriften handelt. Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens werden 2€Zusammen hänge geprüft: 4 Besteht ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwir kung und der versicherten Tätigkeit (haftungsbegründende Kausalität)? 4 Besteht ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwir kung und der Krankheit (haftungsausfüllende Kausalität)? Die haftungsbegründende Kausalität wird durch die Analyse der Arbeitsgeschichte, die haftungsbegründende Kausalität durch ein medizinisches Zusammenhangsgutachten geklärt. Beide Elemente, die schädigende Einwirkung und die Krankheit, müssen diagnosti ziert und nachgewiesen werden. Die Beweislast liegt grundsätzlich bei dem Betroffenen. Liegt keine haftungsbegründende Kausalität vor, wird meist kein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben. Das Verfahren ist durch Ablehnung beendet.
85
Literatur Dörfler H, Eisenmenger W, Lippert HD, Wandl U (2008) Medizinische Gutach ten. Springer, Berlin Heidelberg New York VSBinfo.de. Informationen zum Versorgungs- und Schwerbehindertenrecht [http://anhaltspunkte.vsbinfo.de]
86
Untersuchungsund Dokumentationsbögen G. Valiyeva, A. Gohritz
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
826
Kapitel 86 · Untersuchungs- und Dokumentationsbögen
Im Folgenden sind der Anamnesebogen Mamma (.€Abb.€86.1), der Untersuchungsbogen »Plexus« (.€Abb.€86.2) sowie der DASH-Fragebogen (»disabilities of arm, shoulder and hand«) wiedergegeben (.€Abb.€86.3).
86
. Abb. 86.1╇ Anamnesebogen Mamma
86 · Untersuchungs- und Dokumentationsbögen
Anamnesebogen Mamma (Fortsetzung)
. Abb. 86.1╇ (Fortsetzung)
827
86
828
Kapitel 86 · Untersuchungs- und Dokumentationsbögen
86
. Abb. 86.2╇ Untersuchungsbogen Armplexus
86 · Untersuchungs- und Dokumentationsbögen
Plexus (Fortsetzung)
. Abb. 86.2╇ (Fortsetzung). In den Sparten der Muskelgruppen 1.–31. werden die klinisch erhobenen Kraftgrade (M0–5) eingetragen
829
86
830
Kapitel 86 · Untersuchungs- und Dokumentationsbögen
86
. Abb. 86.3╇ DASH-Fragebogen (DASH = »disabilities of arm, shoulder and hand«). Es handelt sich um einen Evaluationsmaßstab, mit dem sowohl eine Einschränkung der oberen Extremität in ihrer Schwere eingeschätzt werden
als auch durch mehrfache Bestimmung ein Verlauf (z.€B. prä- und postoperativ) dargestellt werden kann (Mod. nach Germann et al. 1999)
86 · Untersuchungs- und Dokumentationsbögen
Disabilities of Arm, Shoulder and Hand – DASH-Fragebogen (Fortsetzung)
. Abb. 86.3╇ (Fortsetzung)
831
86
832
Kapitel 86 · Untersuchungs- und Dokumentationsbögen
Disabilities of Arm, Shoulder and Hand – DASH-Fragebogen (Fortsetzung)
. Abb. 86.3╇ (Fortsetzung)
Literatur Germann G, Wind G, Harth A (1999) Der DASH-Fragebogen – Ein neues Instrument zur Beurteilung von Behandlungsergebnissen an der oberen Extremität. Handchir Mikrochir Plast Chir 31: 149–152
86
87
Klassifikationen U. Mirastschijski, A.G. Gohritz, P.M. Vogt
87.1
ASA-Klassifikationâ•… – 835
87.2
Glasgow Coma Scaleâ•… – 835
87.3
Frakturenâ•… – 836
87.3.1 87.3.2 87.3.3 87.3.4 87.3.5
Klassifikation offener Frakturenâ•… – 836 Distale Radiusfrakturâ•… – 837 Skaphoidfrakturenâ•… – 838 Fingerfrakturenâ•… – 838 Frakturen im Kindesalterâ•… – 838
87.4
Nervenâ•… – 838
87.4.1 87.4.2 87.4.3 87.4.4
Nervenanatomieâ•… – 838 Nervenrezeptoren – Mechanorezeptorenâ•… – 839 Traumaâ•… – 839 Plexus brachialisâ•… – 839
87.5
Lappenplastikenâ•… – 840
87.5.1 87.5.2 87.5.3 87.5.4
Klassifikation des fasziokutanen Lappens â•… – 840 Örtliche Defektdeckungâ•… – 840 Gefäßgestielte Lappenplastikenâ•… – 840 Klassifikation der Faszien- und fasziokutanen Lappenâ•… – 840
87.6
Gesichtâ•… – 841
87.6.1 87.6.2 87.6.3 87.6.4 87.6.5
Ästetische Zonen des Gesichtsâ•… – 841 Einteilung des Gesichts in Proportionenâ•… – 841 Einteilung der Nase in Proportionenâ•… – 841 Augenanomalie (Telekanthus, Hypertelorismus, Hypotelorismus)â•… – 841 Spaltbildungâ•… – 841
87.7
Mammaâ•… – 841
87.7.1 87.7.2
Kapselfibroseâ•… – 841 Ptoseâ•… – 842
87.8
Hand und Handgelenkâ•… – 842
87.8.1 87.8.2 87.8.3 87.8.4
Strecksehnenfächerâ•… – 842 Strecksehnen – Zonenâ•… – 842 Beugesehnen – Zonenâ•… – 843 Traumatische und degenerative Veränderungenâ•… – 843 Fortgeschrittener karpaler Kollapsâ•… – 844
87.8.5
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9_, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
87.8.6 87.8.7 87.8.8
Handfehlbildungenâ•… – 845 Fehlbildungen der Fingerâ•… – 845 Schnürringsyndromâ•… – 846
87.9
Komplexes regionales Schmerzsyndromâ•… – 846
87.10
Arthrosis deformansâ•… – 847
87.11
Malignomeâ•… – 847
87.11.1 87.11.2
Melanomâ•… – 847 Basalzellkarzinomâ•… – 847
835
87.2 · Glasgow Coma Scale
87.1
ASA-Klassifikation
.€Tab.€87.1, 7€Kap.€3.1.
. Tab. 87.1╇ ASA-Klassifikation zur perioperativen Risikobeurteilung
ASA-Klassifikation
Kennzeichen
ASA I
Gesunder normaler Patient
ASA II
Patient mit geringgradiger systemischer Erkrankung
ASA III
Patient mit schwerwiegender systemischer Erkrankung
ASA IV
Patient mit lebensbedrohlicher Allgemeinerkrankung
ASA V
Moribunder Patient, Tod innerhalb von 24€h mit oder ohne Operation zu erwarten
ASA VI
Patient mit festgestelltem Hirntod, dessen Organe zur Organspende entnommen werden
87.2
Glasgow Coma Scale
Die Glasgow Coma Scale (GCS) beurteilt die Grundfunktionen des Bewusstseins (.€Tab.€87.2). Die Auswertung ist in .€Tab.€87.3 dargestellt. . Tab. 87.2╇ Glasgow Coma Scale (GCS). Beobachten → Ansprechen → Schmerzreiz setzen nach Teasdale u. Jennett (1974)
Kriterium
Erwachsene
Augen öffnen
Spontan
4
Spontan
4
Auf Ansprache
3
Auf Ansprache
3
Auf Schmerzreiz
2
Auf Schmerzreiz
2
Keine Reaktion
1
Keine Reaktion
1
Orientiert
5
Plappert; folgt Gegenständen
5 4
Sprache
Mororik
Kinder
Desorientiert
4
Schreit; inadäquate Reaktion
Inadäquat
3
Kann nicht getröstet werden
3
Unartikuliert
2
Stöhnt
2
Keine Antwort
1
Keine Antwort
1
Befolgt Aufforderungen
6
Spontanbewegung normal
6
Gezielte Schmerzabwehr
5
Gezielte Schmerzbwehr
5
Ungezielte Schmerzbwehr
4
Ungezielte Schmerzbwehr
4
Beugereaktion
3
Beugereaktion
3
Streckreaktion
2
Streckreaktion
2
Keine Reaktion
1
Keine Reaktion
1
. Tab. 87.3╇ Schweregrade der Bewusstseinsstörung, ermittelt mit der Glasgow Coma Scale (GCS)
CGS
Bewusstseinsstörung
>12
Leicht
11–8
Mittelschwer
4,0€mm€mm und/oder Clark-Level V
Stadium IIB
pT4 (>4,0€mm)*
N0
M0
43%
pT4b
Satelliten innerhalb von 2€cm vom Primärtumor
Stadium IIIA
pTa, pTb
N0
M0
28%
N
Regionäre Lymphknoten
Stadium IIIB
jedes pT
N1, N2
M0
19%
NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
Stadium IV
jedes pT
jedes N
M1
╇ 3%
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
a
N1
Metastase(n) 3€cm oder weniger in größter Ausdehnung in irgendeinem regionären Lymphknoten
N2
Metastase(n) mehr als 3€cm in größter Ausdehnung in irgendeinem regionären Lymphknoten und/oder In-transit-Metastasenb
N2a
Metastase(n) mehr als 3€cm in größter Ausdehnung
N2b
In-transit-Metastase(n)
N2c
Metastase(n) mehr als 3€cm in größter Ausdehnung und In-transit-Metastase(n)
M
Fernmetastasen
M0
Keine Fernmetastasen
M1a
Befall von Haut, Subkutis oder Lymphknoten jenseits der regionären LK
M1b
Viszerale Metastasen
a
Bei Diskrepanzen zwischen Tumordicke und Clark-Level richtet sich die pT-Kategorie nach dem jeweils ungünstigsten Befund. b In-transit-Metastasen sind Metastasen der Haut oder Subkutis, die mehr als 2€cm vom Primärtumor entfernt, aber nicht jenseits der regionären Lymphknoten liegen.
b
b
Die pT-Klassen werden nach der vertikalen Tumordicke nach Breslow festgelegt, nur bei fehlender Tumordickenangabe wird der Invasionslevel nach Clark in Anlehnung an die TNM-Klassifikation herangezogen. Satelliten-Metastasen werden als pTa und In-transit-Metastasen als pTb bezeichnet.
87.11.2
Basalzellkarzinom
Die histologische Subtypisierung der Basalzellkarzinome basiert auf unterschiedlichen Differenzierungsmustern, die auch in der aktu ellen histologischen Klassifizierung der WHO zum Ausdruck kom men (Lever u.Schaumburg-Lever 1990; Heenan et al. 1996). Die in .€Tab.€87.46 dargestellte Einteilung hat sich in der Praxis bewährt (7€Kap.€32.2.2).
848
Kapitel 87 · Klassifikationen
. Tab. 87.46╇ Basalzellkarzinom – histologische Subtypisierung Multifokales superfizielles Basalzellkarzinom
(superfiziell multizentrisch)
Solides noduläres Basalzellkarzinom Adenoides noduläres Basalzellkarzinom Zystisches noduläres Basalzellkarzinom Infiltratives Basalzellkarzinom, nicht sklerosierend/sklerosierend
(desmoplastisch, morpheaartig)
Fibroepitheliales Basalzellkarzinom Basalzellkarzinom mit adnexoider Differen� zierung
(follikulär, ekkrin)
Basosquamöses Karzinom Keratotisches Basalzellkarzinom Pigmentiertes Basalzellkarzinom Basalzellkarzinom beim Basalzellnävussyndrom Mikronoduläres Basalzellkarzinom
Literatur
87
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87.11 · Malignome
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87
Stichwortverzeichnis
P. M. Vogt, Praxis der Plastischen Chirurgie, DOI 10.1007/978-3-540-37573-9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
852
Stichwortverzeichnis
A A-zu-M-Verschluss 100 Abbé-Lappen 150, 153 Abbreviated Burn Severity Index (ABSI) 653 ABCDE-Regel 280 Abdomen – Adipositas 728 – apertum 180 – Bodylift 718 – Dermolipektomie 719 – Fettschürze 718, 722, 730 – Gastroschisis 178 – Hernie 178 – Liposuktion 719 – Nahttechnik, /-material 47 – Omphalozele 178 – Rekonstruktion Bauchwanddefekt 178 – Wundverschluss 178 Abdominoplastik 718 ABSI-Score (Abbreviated Burn Severity Index) 653 Achillessehnenrekonstruktion 228 Acrylat 54 Adenomyoepitheliom, Mamma 621 Adipositas – bariatrische Operation 728 – Bodycontouring 729 – Klassifikation 728 Advancement, frontoorbitales 777 Advancement-Lappen, einfacher 141 Aitken, Klassifikation Fingerfrakturen nach 478 Aknenarben – Dermabrasio 677 – Laser-Resurfacing 678 – Peeling 675 – Needling 682 Akrosyndaktylie 803, 845 Akrozephalosyndaktyliesyndrom 772 Aktivkohleverband 14 Alexander, Sandwichtechnik zur SpalthautÂ� gewinnung nach 662 Alginat 14 Allen-Test 452 Allgöwer-Naht 49 Allograft 78 Allotransplantation 236 α-Hydroxysäure 673 Altersflecken 276 Altershand 757 Amastie 793 Amputation – Arm 246 – Bein 225 – – Komplikationen 262, 265 – – Operationsprinzipien 257 – Definition 523 – Elektrotrauma 654 – Extremität – – obere 246 – – untere 225, 255–265 – Finger 246
– – – –
Fuß 225 – Komplikationen 262 – Operationsprinzipien 260 Grad der Behinderung/Minderung der Erwerbstätigkeit 249 – Hand 246, 520 – Höhe – – obere Extremität 246 – – untere Extremität 256 – Komplikationen 248, 262, 265 – Ohr 134, 137 – postoperatives Management 249, 263 – Replantation 246 – Salvage 226 – Schnittführung 257 – Spare-part-Konzept 265 – Stumpfkorrektur 265 – Stumpfprobleme 315 – Stumpfverlängerung 312 – subtotale, Definition 843 – totale, Definition 843 Amputationsneurom 248 Amputationsverletzung – Hand 520, 524 – Ischämiezeit 524 – Kind 526 – Transport Amputat 524 amyotrophe Lateralsklerose (ALS) 364 Analgesie 26, 28 Anästhesie – Facelift 688 – Lappenplastik 100 – Leitungsanästhesie 69 – Lokalanästhesie 68 – Nervenblockade 68 – Tumeszenzanästhesie 70 Angiographie in der Handchirurgie 463 Angiom 300 Angiomatose 297 Angiosarkom 300 Angiosom 91, 171 Anisomastie 796 Antia u. Buch, Resektion nach 135 Ankylose 560 Anogenitalregion – Dekubitus 190 – Hypertelorismus-Hypospadie-Syndrom 774 – Rekonstruktion 203 – Tumor, maligner 186, 310 Antibiotika – Infektion Hand 532 – Wundheilung 17 Antikoagulation 20 AO-Klassifikation – Radiusfraktur 837 – Skaphoidfraktur 838 Apert-Syndrom 815 – Gesicht 772 – Hand 802, 809 Aplasie 792 Apostasis otis 712 Arbeitsunfähigkeit, Definition 823
Areola – banking 645 – Rekonstruktion 645 Arm – Amputation 246, 248 – Anatomie – – Handmuskulatur 446 – – Muskelkompartimente 548 – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) 237 – CRPS 594 – DASH-Fragebogen 830 – Ellbogenfunktion 381, 385, 394 – Ersatzoperation, muskuläre 390 – Fehlbildung 802 – Froment-Test 425 – Gewichtsreduktion, massive, Formkorrektur 754 – Kennmuskeln Plexus brachialis 344 – Kompartmentsyndrom 548 – Kontraktur 548 – Krukenberg, Operation nach 248 – Mittelfingertest 420 – Motor Grading Scale des British Medical Research Council 343 – Nevenschädigung 355, 366 – Neurotisation 382 – Parese 371 – Plexus, Untersuchungsbogen 828, 829 – Plexus-brachialis-Parese 342, 839, 840 – – Therapie 381, 386 – Pronatorsyndrom 422 – Prothese 250 – Rekonstruktion 210 – Spendernerv 382 – Sulcus-N.-ulnaris-Syndrom (SNUS) 425 – Supinatorsyndrom 420 – Tetraplegie 390, 394 – Volkmann-Kontraktur 551 – Wartenberg-Syndrom 421 – Weichgewebstumor, maligner 312 Arsen 286 Arterie, VTE-Prophylaxe 23 Arthrographie in der Handchirurgie 463, 469 Arthrogryposis multiplex congenita 810 Arthrose – Arthrosis deformans 847 – ausgebrannte 560 – Denervation 412 – Hand 560 – Handgelenk 565 – Zeichen 847 ASA-Klassifikation 20, 835 ASSH-Klassifikation der Handfehlbildung 802 Ästhetische Chirurgie – Aufklärung 25 – Nikotinabusus 687 – VTE-Prophylaxe 24 Atasoy, palmare VY-Dehnungslappenplastik nach 497 Atemhilfsmuskulatur, Thoraxwandrekonstruktion 164, 175
853
Stichwortverzeichnis
Athelie 793 Aufklärung 25 – Ästhetische Chirurgie 25 – – Nase 700 – – Rejuvenation 670 – Bluttransfusion 26 – Eigenblutspende 26 – Haarentfernung 37 – Schmerzen, postoperative 26 – Thoraxwandrekonstruktion 164 – Weichgewebstumor, maligner 307 Auge – Hypertelorismus 841 – Hypotelorismus 841 – N.-facialis-Parese 335 – Ota-Nävus 276 – Schädelfehlbildung 770 – Telekanthus 841 Augenbraue, Facelift 692 Augenlid – Anatomie 140 – Ektropium 145 – Entropium 147 – Ptosis/Blepharoptosis 147 – Rekonstruktion 140 Austauschplastik 90 Autograft 78 AV-Fistel, AV-Malformation 300 Avulsion, Ohr 134 axial pattern flap 840 Axon 322, 324, 330 – Plexus-brachialis-Parese 345 Axonotmesis 323, 331, 839 Azetylsalizylsäure (ASS) 20
B Baker, Kapselfibrose 741, 841 banana peel flap 100 bariatrische Operation 728 Basalzellkarzinom 283 – Hand 584 – Typen 284 Basedow, Morbus, Augenlidchirurgie 148 Bauchnabel, Abdominoplastik 719 Bauchwand – Abdominoplastik 718 – Anatomie 719 – Perfusion, Hugier-Zoneneinteilung 719 Bauchwanddefekt 178 – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) 239 – Gastrochisis 178 – Hernie 178 – – Abdominalplastik 722 – Omphalozele 178 – Operationsplanung 178 – Wundverschluss 178 Baux, Verbrennungsindex nach 653 Bayne u. Klug, Klassifikation der radialen Klumphand 605
Becken – Dekubitus 184, 190 – Kompressionssyndrom 430 – Lappenplastik 187 – Nervenschädigung 432 – Tumor, maligner 184, 187 Begutachtung 822 Bein – Amputation 255, 262 – – Unterschenkel 257 – Ästhetische Chirurgie 760 – CRPS 594 – Denervation 415 – Fußheberlähmung 364 – Knie, nervale Versorgung 415 – Kompressionssyndrom 430 – Liposuktion 760 – Meralgia paraesthetica 430 – Nevenschädigung 362, 404, 430–436 – Reithosendeformität 760 – Rekonstruktion 224 – Stelze, biologische 404 – Umdrehplastik nach Borggreve-van Nes 258 – Weichgewebstumor, maligner 312 Bell-Parese 334 Benelli, periareoläre Straffung nach 750 Bennett-Fraktur 485 Bernard-(Burow-)Operation 151, 153 Berufskrankheit 823 Berufsunfähigkeit 822 best of parts 805 Beugesehnen Hand, Zoneneinteilung 843 Bewusstseinsstörung, GCS 835 bilobed flap 88 – Gesicht 116 – Schnittführung 116 Biobrane 660, 663 Biopsie, Technik 272 bipedicled flap 119 Bissverletzung – Hand 511, 536 – Mensch 533, 536 – Ohr 134 – Tier 533, 536, 541 – Wundversorgung 533 – Zahnschlagverletzung 537 Blasenexstrophie 198 Blauth, Klassifikation der Daumenhypoplasie nach 601 Blauth, OP-Grundsätze nach 812 Blauth u. Borisch, Klassifikation der SpaltfußÂ� bildung 815 Blepharoplastik Ober-/Unterlid 695 Blepharoptosis 147 Blindenschrift 496 Blutegeltherapie 56 Blutstillung 54 Bluttransfusion 26 – Tumorresektion 307 Blutung, perioperative – Antikoagulanzien 23
A–C
Body-Mass-Index (BMI) 728 – Abdominalplastik 719 – Total Bodylift 722 Bodycontouring 729 Bodylift 730 – Total Bodylift 722 – Upper Bodylift 718 Bogensehnenphänom 522 Borderline-Störung, Narbe 683 Borggreve-van Nes, Umdrehplastik 258 bow-stringing 554 Bowen, Morbus 286 Bowers, Ulnakopfhemiresektion und Kapselinterposition nach 563 Brachioplastik, Gewichtsreduktion 757 Brachydaktylie 802, 804 Brachysyndaktylie 802 Brachyzephalus 769 brain-derived neurotrophic factor (BDNF) 324 Brand, Sehnentransfer nach 375 Brandverletztenzentrum 657 Brandverletzung 7 Verbrennungsverletzung 650 BRCA1-Gen/breast cancer gene 625 Brent, Ohrknorpeltransplantation nach 136 Breslow, Klassifikation nach 584 Bridle procedure 407 Brückenlappen 90 – Gesicht 119 – Schnittführung 119 Brunner, Hautinzision nach 513, 590 Brust 7 Mamma Brustwand – Brustrekonstruktion nach Tumorchirurgie 636 – Interponat, synthetisches 165 – Lappenplastik 165 – Rekonstruktion 164 – – Weichgewebstumor, maligner 310 Buck-Gramcko, Zeigefingerpollizisation nach 601 buddy-taping 483 Bundesknappschaft 823 Büngner-Band 324 Bupivacain 68 buried penis 199, 206 Burkhalter, Transposition des M. extensor indicis nach 373 Burow-Dreieck 88, 105 Busch-Fraktur 511
C Café-au-lait-Flecken 37 Camitz, Transposition des M. palmaris longus nach 373 Campbell, Stadieneinteilung Dekubitalulzera 10 Caput-ulnae-Syndrom 574 Carcinoma in situ der Mamma – duktales 626 – lobuläres 621 Carpenter-Syndrom 772 Charcot-Fuß 9
854
Stichwortverzeichnis
Chen-Klassifikation der funktionellen Ergebnisse nach Replantation der oberen Extremität 530 Chimärenlappen 112 Chondrosarkom 297 ciliary neurotrophic factor (CNTF) 324 Clark, Infiltrationstiefe nach 282 clasped thumb 808 Cleland-Band 444 Coleman-Verfahren zur Fettinjektion der Hand 757 complex regional pain syndrome (CRPS) 594 – Klassifikation 846 Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) 236 Composite Graft 85 Contergan 808 Converse-tunnel-Defektdeckung 136 Cornu cutaneum 273 Crikelair-Lappen 135 Cross-face-Anschluss 336 Cross-face-Nerventransplantat 338 Cross-finger-Lappen 247, 497, 501, 503, 504, 523, 543 cross-hatching 49 Cross-leg-Lappen 90 Crouzon-Syndrom – Gesicht/Schädel 772, 775 – Hand 809 CRPS 7 complex regional pain syndrome Cup-Cone-Verfahren 575 Cutis laxa, Medical Needling 682 Cyanoacrylat 65 Cystosarcoma phylloides, Mamma 621
D Darrach, Ulnakopfresektion nach 563 DASH-Fragebogen 830 Daumen – Anatomie 444, 508 – Aplasie 806 – Bänder, stabilisierende 482 – Denervation 415 – Faktur 485 – – Bennett-Fraktur 485 – – Rolando-Fraktur 486 – – Winterstein-Fraktur 486 – Fehlbildung 802, 804, 845 – Finkelstein-Test 453 – Greifformen 600 – Grind-Test 454 – Großzehentransfer 601 – Hypoplasie 806 – – Klassifikation nach Blauth 601 – Infektion 532 – Karpaltunnelsyndrom (KTS) 424 – Luxation 482 – Rekonstruktion 496 – – Fingerpollizisation als Daumenersatz 601, 602 – – wrap-around flap 606
– – Zweitzehentransplantation 605 – Replantation 522, 600 – Rhizarthrose 561 – Skidaumen 483 Débridement – Dekubituschirurgie 184 – Prinzip 40 – Tumorchirurgie 184 Decoulx, Klassifikation der Lunatummalazie nach 844 deep plane advancement 124 deep plane dissection 125 Dejerine-Klumpke-Lähmung 342 Dekubitus – Becken/Leistenregion 190 – Definition 184 – Fuß 226 – Operationsindikation 184 – Prädilektionsstellen 184 – Stadieneinteilung nach Campbell 10 Deltaphalanx 804 Deltopektorallappen, Kopf-Hals-Region 161 Dendrit 322 Dermabond 65 Dermabrasio 670 – Durchführung 676 – Vorbehandlung der Haut 672 Dermatofibrosarcoma protuberans (DFSP) 585 Dermatolipektomie – Abdomen 719 – Arm 754 Dermatom 78, 662 Dermistransplantation 83 Dermolipektomie – Abdomen 719 – Gesäß, Oberschenkel 760 Desmoidtumor 296, 297 Diabetes mellitus – Infektion 532 – Kompressionssyndrom 430 – Wundheilung, gestörte 9 Diagnostik – Bildgebung 458 – Elektiveingriff 20 – Routineuntersuchung 20 Dieffenbach, postaurikulärer Lappen nach 136 disabilities of arm, shoulder and hand 830 Discus ulnocarpalis 472, 474 Dissoziation, skapholunäre 844 dog ear 124, 720, 738 Donati-Naht 49 Doppelkinn 697 Dorsalis-pedis-Lappen 226, 230, 231, 312 Down-Syndrom, Handfehlbildung 809 Drainage – Amputation 264 – Becken/Leistenregion 194 – Blutegeltherapie 56 – Lappenplastik Skalp 100 – offene/geschlossene 55 – Sogstärke 55 Dreiecksschädel 769
Duchenne-Hinken 363 Duchenne-Lähmung 342 Dufoumentel-Lappen 90, 119 Duktektasie 622 Dupuytren-Kontraktur 588 Dysfunktion, erektile (Schädigung N. pudendus) 431 Dysostosis – acrofacialis 773 – craniofacialis 768, 772 – mandibulofacialis 773 – otomandibularis 773 Dysplasie – kraniofaziale 768 – okuloaurikulovertebrale 774
E ear banking 138 Eaton-Littler, Rhizarthrose des Daumens nach 562 Eigenblutspende 25 Eingriffsgröße 20 Einschlusszyste, epidermale 578 Einzelknopfnaht 48 Ektropion 335 Ektropium 145, 297 Elektiveingriff – Aufklärung 25 – Nikotinabusus 687 – Patientenvorbereitung 20 – – Rejuvenation 670 – VTE-Prophylaxe 24 Elektromyographie (EMG) 328 Elektrotrauma 653 Ellbogenbeugung 381, 385 Ellbogenstreckung 381, 394 Enchondrom 581 Endonuklease 287 Energiemehraufwand nach Amputation der unteren Extremität 255, 259 Enthaarung, präoperative 25 Entropium 147 Ephelis 276 Epicell 663 Epigard 663 Epinephrin 68 Epispadie 198 Epithelisierungsphase 6 Epping, Resektionsarthroplastik bei Rhizarthrose nach 562 Erb-Duchenne-Lähmung 840 Erb-Lähmung 342 Erfrierung 654 – Ohr 134 Erwerbsunfähigkeit, Definition 822 Erythroplasie 286 Escharotomie – Elektrotrauma 654 – Verbrennungsverletzung 659 Esser-Lappen 142
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Stichwortverzeichnis
Estlander-Lappen 150, 153 Expander 64 – Bauchwanddefekt 180 – Skalp 101 – Wange 124 Exstrophie 198 Exsudationsphase 4 Extremitäten – Erhalt 224 – Lokalanästhesie 69 – Nahtmaterial 47 – Nahttechnik 47 Exzisionsbiopsie 272
F Facelift 687 – minimal access cranial suspension lift (MACS) 689 – Nasolabialfalten 692 – superfizielles muskuloaponeurotisches System (SMAS) 689 Faden – geflochtener 46 – Mikrochirurgie 52 – monofiler 46 – nichtresorbierbarer 46 – resorbierbarer 46, 47 Fallfuß 364 Fallhand 357, 372 Falten – Medical Needling 682 – Nasolabialfalten 692 – Rejuvenation 670 – – Dermabrasio 676 – – Laser-Resurfacing 678 – – Peeling 672 Fanconi-Anämie 809 fascial partition 179 Faszie – Fasziektomie 549 – Fasziensystem , superfizielles 722 – Nahtmaterial, -technik 51 – Transplantation 84 Fasziitis – noduläre 297, 579 – nekrotisierende (Hand) 541 – proliferative 297 Faustschluss, Tetraplegie 398 Fazialisparese 334 – Ektropium 145 Fehlbildung, Fuß 812 Femoralisparese 404 Femur-Fibula-Ulna-Fehlbildung 813 Fernlappenplastik 90 Fettinjektion, autologe – Altershand 757 Fettschürzenresektion 719, 722, 729, 730 Fetttransplantation 83 Fibrin – Fibrinkleber 55
– Wundheilung, primäre 4 Fibroadenom, Mamma 621 Fibrom 272, 273, 297 Fibromatose 297 – Dupuytren-Kontraktur 588 Fibrosarkom 297, 304 Finger – Amputation 246 – Anatomie 444 – Arthrodese 560 – Arthrose 560 – Beugesehnen – – Anatomie 512 – – Infektion 537 – – Trauma 512 – Denervation 414 – Bänder, stabilisierende 482 – Diagnostik – – Bildgebung 458 – – Froment-Zeichen 359 – – Mittelfingertest 420 – Dupuytren-Kontraktur 588 – Einschlusszyste, epidermale 579 – Ersatzoperation, motorische, nach Querschnittslähmung 397 – Fehlbildung 802 – – Einteilung 845 – Fraktur – – Klassifikation 478, 838 – – Therapie 478, 479, 511 – Hammerfinger 508 – Infektion 532, 535 – Karpaltunnelsyndrom (KTS) 424 – Knopflochdeformität 508, 845 – Kombinationsverletzung 518 – Komplexverletzung 518 – Krallenstellung 375 – Kuppe, defekte 496 – Lappenplastik 542 – Lassoplastik 375, 399 – Loge-de-Guyon-Syndrom 427 – Lokalanästhesie 70 – Luxation 482 – Mallet-Finger 508, 844 – Mukoidzyste 579 – N.-interosseus-anterior-Syndrom 422 – Nerv – – Anatomie 448 – – Schädigung 357, 357, 422 – – Tastsinn 496 – Phlegmone 537 – Pollizisation als Daumenersatz 601, 602 – Rekonstruktion 496 – – Gewebetransfer, freier 503 – – Lappenplastik 496 – – Spare-part-Transplantation 503 – Replantation 523, 843 – – Blutegeltherapie 57 – rheumatoide Arthritis 574 – Ringavulsionsverletzung 526 – Ringbandstenose 554 – Schnapp-Phänomen 574
– schnellender 554 – Schwanenhalsdeformität 508, 552, 574, 845 – Sehnenerkrankung, degenerative 554 – Sehnenverletzung 508, 522 – Sensorik 496 – Streckaponeurose 508 – Strecksehnenausriss, knöcherner 478, 508 – Tendovaginitis stenosans (TVS) 554 – Tenosynovitis, septische 537 – Terminologie 444 – trigger finger 554 – Tumor – – benigner 578 – – maligner 584 – Weichteiltrauma 496 – Versorgung, motorische 448 – Versorgung, sensible 444 Fingernagel – Infektion 535 – Schnittführung, nagelfalzschonende 535 – Trauma 478 Finkelstein-Test 453, 555 Fitzpatrick-Klassifizierung des Hauttyps 280, 670 floating forehead 768 4-Flügel-Lappen 100 Fluorocarbon-Polymer 65 Folienverband 15 Fontanellenweite 771 Formkorrektur – Bein 762 – Gesicht 686 – Hals 697 – Mamma 643, 795, 797 – Nase 700, 704 – obere Extremität 754 – Ohr, Otoplastik 712 Foucher-Lappen 376, 497, 501, 543, 544 Fournier-Gangrän 202 Fraktur – Finger 838 – Kind 838 – Klassifikation 836 – Radius 837 – Skaphoid 838 Franceschetti-Zwahlen-Syndrom 773 Frau-zu-Mann-Transsexueller 205 Froment-Test, -Zeichen 359, 425 Frühmobilisation 21 Frykman, Klassifikation der Radiusfraktur nach 837 Funktionswiederkehr, motorische/sensible – Highet, Schema nach 331 – Seddon-Modifikation 349 Fuß – Amputation 255, 259, 260 – Anatomie 415 – Apert-Syndrom 815 – CRPS 594 – Denervation 415 – diabetischer 9 – Fallfuß 364
C–F
856
Stichwortverzeichnis
Fuß – Fehlbildung 812 – Hackenfuß 365 – Hebung 406 – Kompressionssyndrom 430 – Lokalanästhesie 69 – Morton-Metatarsalgie 435 – Nervenschädigung 362–365, 404–406, 433–436 – Parese 406 – Rekonstruktion 229 – Röntgen 812 – Sohlenhaut 259 – Spitzfuß 364 – Weichgewebstumor, maligner 312 – Weichteildefekt 229 Fußwurzelsynostose 813
G Galaktographie 616 Ganglion 578 Gastrochisis 178 Gastroknemiuslappen 94, 227, 228, 265, 267, 311, 434, 840 Gaumenplatte 786 Gaumenspalte 779, 784 GdB, Definition 822 Geburtstrauma, Plexus-brachialis-Parese 342 Gefäß – Anastomosenring 65 – Becken/Leistenregion (Tumorchirurgie) 189 – Clip 54, 65 – Coupler device 65 – Elektrokoagulation 54 – Finger – – Komplexverletzung 522 – – Replantation 529 – Flushen 23 – Hand – – Anatomie 448 – – Angiographie 463 – – Diagnostik 452 – – Komplexverletzung 522 – – Replantation 529 – Kompartmentsyndrom 548 – Laserbehandlung 36 – Ligatur 54 – Malformation 300 – Mamma 614, 641 – Muskelischämie 548 – Nahtmaterial, -technik 51 – Nase 700 – Revaskularisation 523 – Strahlenulkus 291 – Thromboembolie, venöse (VTE) 21 – Trauma 224 – Tumor, benigner 300, 581 – Übernähung 54 – Vasokonstriktion 54 – Venenanastomose, automatisierte 65
– Venenschleife 226 Gelenkdenervation 412 Genitale – Ästhetische Chirurgie 206 – Rekonstruktion 202 – Replantation 203 Gesäß – Ästhetische Chirurgie 760 – Liposuktion 760 – Total Bodylift 722 Geschlechtsdifferenzierung – gestörte 198, 199 – physiologische 198 Geschlechtsidentifikation, gestörte 198, 199, 205 Geschlechtsumwandlung 205 Gesicht – Allotransplantation 236, 240 – Anatomie – – Augenlid 140 – – Lippe 150 – – Nase 128 – – Wange 124 – Äthetische Chirurgie 686 – Augenbraue 692 – Blepharoplastik Ober-/Unterlid 695 – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) 237, 239, 240 – Einheit, ästhetische 679 – Entwicklung, embryonale 779 – Facelift 687 – Falten – – Medical Needling 682 – – Rejuvenation 670 – Fehlbildung, kraniofaziale 768, 775 – Formkorrektur 686 – Hautalterung 670 – Lappenplastik – – Komplikationen 120 – – Techniken 114 – MACS-Lift (minimal access cranial suspension lift) 689 – Medical Needling 682 – Mikrosomie 776 – N.-facialis-Parese 334 – Nahtmaterial, -technik 47 – Nase, Formkorrektur 700 – Nävus 275 – – Ota-Nävus 37, 276 – Nervenblockade 68 – Proportionen 686, 841 – Rejuvenation 670 – – Dermabrasio 676 – – Laser-Resurfacing 678 – – Peeling 672 – Rekonstruktion 114 – – Augenlid 140 – – Lippe 150 – – Nase 128 – – Wange 124 – Resurfacing 670 – Spaltbildung 779
– Einteilung nach Tessier 841 Stirn – Anatomie 104 – Facelift 692 – Rekonstruktion 104 superfizielles muskuloaponeurotisches System (SMAS) 689 – Verbrennungsverletzung 666 Gewebeallotransplantation 237 Gewebebehandlung, atraumatische 40 Gewebeexpansion 64 – Rücken 173 Gewebeklebstoff 48 Gewebetransfer – alloplastisches Material 65 – Composite Graft 85 – Dermistransplantation 83 – Expander 64 – Faszientransplantation 84 – Fetttransplantation 83 – Hauttransplantation 78 – Knochentransplantation 81 – Knorpeltransplantation 79 – Lappenplastik (7 auch jeweils dort) 88 – Muskeltransplantation 84 – Nerventransplantation 84 – Sehnentransplantation 84 Gewichtsreduktion, massive – Abdominoplastik 718, 722 – Bodycontouring 729 – obere Extremität 754 – Wundheilungsstörung 725 Gicht, Hand 542, 560 Gigantomastie 736 Gillies, Temporalistransposition nach 338 Glabella-Lappen 108, 129 Glasgow Coma Scale (GCS) 835 Gliazelle 322 Gliedertaxe, Definition 823 Glomustumor 300 – Finger 581 Gluteallapen 203, 643 Glykolsäure 673 Goldenhar-Syndrom 774 Gore-Tex 65 – Bauchwanddefekt 179 Grad der Behinderung (GdB) – Arm-/Handampuation 249 – Definition 822 Granulationsphase 5 Granuloma pyognicum 300 Grayson-Band 444 Grazilislappen 161, 180, 202–205, 523, 643 Green, Einteilung der Ringbandstenosen am Finger nach 554 Grind-Test 454 Gummizügel 60 Gustilo, Unterschenkelfraktureinteilung 224 Gutachen, ärztliches 822 Gynäkomastie 748 – Liposuktion 750 – Mastektomie 749
– – – – – –
857
Stichwortverzeichnis
H Haarentfernung – ästhetische (Laser) 37 – Rasur, präoperative 25 Hackenfuß 365 Hallux valgus 815 Hallux varus 815 Hals – Ästhetische Chirurgie 686 – Formkorrektur 686 – Liposuktion 697 – Nahtmaterial, -technik 47 – Platysmadopplung 697 – Rekonstruktion 157 – Wirbelsäule, Nervenverletzung 354 Haltetechnik, atraumatische 40 Hämangiom 36, 297, 300 – Hand 581 Hämangiomatose 300 Hämangioperizytom 297, 300 Hammerfinger 508 Hämodilution 25 Hämoglobin 25 Hämostyptikum 54 Hand – Allotransplantation 239, 240 – Altershand 757 – Amputation 246, 247 – Anatomie 444 – – Leitstrukturen bei Infektion 533 – – Muskelkompartimente 548 – Arthrodese 563 – Arthrose 560 – Basallzellkarzinom 584 – Beihand 376 – Beugesehnen – – Anatomie 512 – – Dupuytren-Kontraktur 588 – – Replantation 528 – – Trauma 512 – – Zoneneinteilung 843 – Bissverletzung 511, 536 – Brunner, Hautinzision nach 513 – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) 237, 239, 240 – CRPS 594 – DASH-Fragebogen 830 – Denervation – – Finger 414 – – Handgelenk 413 – Diagnostik – – Anamnese 450 – – Arthroskopie Handgelenk 468 – – Bildgebung 458, 468 – – Tests, spezifische 453 – – Untersuchung, klinische 450 – Einschlusszyste, epidermale 578 – Erysipel 540 – Fallhand 357, 372 – Fasziitis, noduläre 579 – Faustschluss (Tetraplegie) 398
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Fehlbildung 802, 845 Fraktur – metakarpale 487 – Mittelhand 487 – Skaphoid 489 Froment-Zeichen 359 Ganglion 578 Gefäßtumor, benigner 581 Gewichtsreduktion, massive, Formkorrektur 754 Greiffunktion 394, 397 Griffformen 249, 600 hand lifting 757 Haut 444 – Tumor, benigner 578 – Tumor, maligner 583, 584 Humpback-Deformität 489 Infektion 532 Karpaltunnelsyndrom (KTS) 424 Kienböck, Morbus 566, 568 Kleinert-Schiene 515 Klumphand 601, 605 Knochen – Anatomie 444, 459 – Tumor, benigner 581 – Tumor, maligner 586 Knopflochdeformität 575 Kombinationsverletzung 518 Kompartmentsyndrom 548 Komplexverletzung 518, 520 Kontraktur 548 – Dupuytren-Kontraktur 588 – Volkmann-Kontraktur 552 Kulissenphänomen 511 Lappenplastik (postinfektiöser Defekt) 542 Lipom 580 Loge-de-Guyon-Syndrom 427 Lokalanästhesie 69 Luxationsfraktur 487 Melanom 584 Muskelsystem, intrinsisches/extrinsisches 445, 508 N.-interosseus-anterior-Syndrom 422 Nahtmaterial, -technik 47 Nerv – Anatomie 448 – Blockade 478 – Schädigung 357, 371–375, 420 Parese 372 Phlegmone 539 Plattenepithelkarzinom 583 Plexus-brachialis-Parese 343, 352 Preiser, Morbus 569 Pronatorsyndrom 422 Prothese 249 Quetschtrauma 519 Rekonstruktion 210 Replantation 523 – Daumen 600 – Indikationen 843 rheumatoide Arthritis 542, 574 – Nervenengpasssyndrom 574
– Richtungszuordnung 444 – Ringavulsion 843 – Ruhigstellung, postoperative 60 – Schlüsselgriff (Tetraplegie) 397 – schnellender Finger 554 – Schwurhand 358 – Sehne – – Erkrankung, degenerative 554, 555 – – Replantation 528 – – Strecksehnenfach 508, 528, 554, 842 – – Verletzung 508, 522 – Supinatorsyndrom 420 – Tendovaginitis de Quervain 453, 555 – Tendovaginitis stenosans (TVS) 554 – Terminologie 444 – Tetraplegie 394 – – Klassifikation 397 – – Rekonstruktion 397 – Tumor – – benigner 578, 581 – – maligner 542, 583, 586 – Versorgung, motorische 448 – Versorgung, sensible 444 – Wartenberg-Syndrom 421 – Zahnschlagverletzung 487, 511, 537 Handgelenk – Abrasionsarthroplastik 475 – Anatomie 444 – Arthrose 565 – Arthroskopie 468 – – Traction-Tower 469 – – Zugang (Portal) 469 – Diagnostik, bildgebende 458, 468 – Discus ulnocarpalis 472, 474 – Ganglion 578 – – Resektion 474 – Knorpelläsion 474 – Phalen-Test 453 – rheumatoide Arthritis 574 – Ruhigstellung, postoperative 60 – skapholunäres Band 472 – SLAC wrist 567, 844 – SNAC wrist 493, 565, 567, 844 – Synovialektomie 474 – Wafer resection 475 Hannover-Klassifikation von Frakturen und Weichteiltraumata 224 Harnblasenkatheter 25 Haut – Abdominoplastik 718 – Alterung 670 – Angiektasie 300 – Antiseptik 25 – Basalzellkarzinom 283 – – Typen 847 – Biopsie 272 – Bodylift 718 – Cutis laxa, Medical Needling 682 – Desinfektion 25 – Dicke 670 – Ersatz 16, – – Material 660, 663
F–H
858
Stichwortverzeichnis
Haut – Expander 106 – Facelift 687 – Fitzpatrick-Klassifizierung des Hauttyps 670 – Hand 444 – Hautinzision – – Expander 64 – – Hand, Technik nach Brunner 513 – Laser-Rejuvenation 35 – Makula 272 – Malignitätskriterien 272 – Medical Needling 682 – Melanom 280, 847 – Memory-Effekt 634 – Mole, atypische 275 – Naht – – evertierende 50 – – fortlaufende 49 – – intrakutan fortlaufende 49 – – überwendlich fortlaufende 49 – Nase 700 – Nävus 272 – Neurofibromatose 276 – Nodulum 272 – Papula 272 – Photoaging 280, 670 – Plaque 272 – Plattenepithelkarzinom 285 – Präkanzerose 286 – Pyoderma gangraenosum 541 – Rejuvenation 670–678 – Replantation Hand/Finger 529 – Sohlenhaut 259 – Spalthaut 78 – Spannungslinien, Hautspaltlinien 40, 42 – Strahlendermatitis 287 – Strahlenfolgen 290, 291 – Struktur 670 – Transplantation 78 – – Areola 645 – – Expander 64 – – Fremdhaut 663 – – Hautbank 663 – – Kunsthaut 663 – – Penis 202 – – Rücken 171 – – Stirn 105 – – Verband 61 – – Verbrennungsverletzung 661 – Tumor – – benigner 272, 578 – – maligner 280, 283, 583, 847 – – Rekonstruktion 156 – Typ nach Fitzpatrick 280, 670 – Vollhaut 78 – Wundheilung – – gestörte 8 – – primäre 4 – Xeroderma pigmentosum 287 Hautspaltlinien 42 Hautspannungslinien 40, 42
Hebedefekt – Dekubituschirurgie 190 – Lappenplastik 88 – Spalthaut 79 – Verband 61 Heidelberger Lagerung 193 Hemiatrophia faciei progressiva 774 Hemikorporektomie 262 Hemipelvektomie 262 Heparin 20 HER-2-Status 629 Herbert, Klassifikation Skaphoidfrakturen nach 489 Herbert u. Fisher, Klassifikationen der Skaphoidfraktur nach 838 Hermaphroditismus 199 Hernie – Abdominalplastik 718 – Bauchwand 178, 180 – Narbenhernie 178 – Omphalozele 178 Hibernoma 297 hidden penis 199, 206 Highet, Schema der motorischen/sensiblen Funktionswiederkehr nach 331 Hirudo medicinalis 56 Histiozytom 297, 304 Hoffmann-Tinel-Zeichen 330, 453 Höhler, Mammareduktion nach 738 Holt-Oran-Syndrom, Handfehlbildung 809 Homograft 78 Horner-Syndrom 343 – Augenmotilität 147 Howship-Rhomberg-Syndrom 363 Huang, periareoläre Straffung nach 750 Huber, Transposition des M. abductor digiti minimi nach 374 Hueston-Lappen 499, 543 Hüfte – Amputation 262 – Denervation 412 – Kompressionssyndrom 430 – Nervenschädigung 362, 363, 430, 432 Hughes-Lappen 144 Hugier, Zoneneinteilung der Bauchwandperfusion nach 719 Hühnerbrust 164, 169 Humerusderotationsosteotomie 347 Hummerscherendeformität 813 Humpback-Deformität 489 Hydrochinon 672 Hydrofaserverband 14, 15 Hydrogelverband 14 Hydrokolloidverband 15 Hydrozephalus 776 Hypertelorismus 774, 841 Hypospadie 201 Hypotelorismus 774, 841 Hypothenar-Hammer-Syndrom 581
I Immunsuppression – Allotransplantation 238 – Infektion 532 – plastisch-chirurgischer Patient 236 Implantat – Dislokation 745 – Majorkomplikation 799 – Mammafehlbildung 799 – Ruptur 743, 745 Infektion – CRPS 596 – Hand – – Bissverletzung 536 – – Erregerspektrum 532 – – Erysipel 540 – – Gasbildung 540 – – Leitstruktur 533 – – Panaritium 535 – – Paronychie 535 – – Phlegmone 537 – – Tenosynovitis, septische 537 – – Therapie 532, 542 – – Zahnschlagverletzung 537 – Mastitis, periduktale 620, 622 – Verbrennungsverletzung 665 Inhalationstrauma 655 – Beatmung 658 Insellappen 116 – Schnittführung 116 Integra 663 intense pulse light (IPL) 35 Interimsprothese 249 Intersexualität 199 Instep-Lappen 232 Intrinsic-plus-Lagerungsschiene 483 Intrinsic-plus-Stellung 60 Invaliditätsgrad, Definition 823 Inzisionsbiopsie 272 Ischiasnerv, Schädigung 362, 404 Iselin, Stadieneinteilung der DupuytrenKontraktur nach 588 Interosseus-posterior-Lappen 220, 543, 544 Ito-Nävus 272
J Jackson-Test, Mammakarzinom 616 Jessner-Lösung 672 jump graft 336 Juri, Klassifikation der Mammaasymmetrie nach 796 juristische Aspekte 822 – Aufklärung 25 – – Weichgewebstumor, maligner 307 – Bluttransfusion/Eigenblutspende 25 – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) 241 – Minderung der Erwerbstätigkeit nach Arm-/ Handamputation 249
859
Stichwortverzeichnis
– Schmerzen, postoperative 26 – Transsexuellengesetz 205
K Kahnbeinnekrose 569 Kamptodaktylie 802, 804, 846 Kanthusrekonstruktion 148 Kapandji-Sauvé, Fusionspseudarthrose des DRUG nach 563 Kapitatumnekrose 570 Kaposi-Sarkom 272, 300 – Hand 586 Kapselfibrose 741, 745, 841 Kapselkontraktur 741 Karapandjic-Lappen 150, 153 – reverser 153 Karpalbogen (nach Gilula) 459 Karpaltunnelsyndrom (KTS) 424 Kausalität, haftungsbegründende/ haftungsausfüllende 824 Keloid 16 Keratinozyten-Sheet 79 Keratoakanthom 287 Keratose – aktinische 273, 274, 286 – seborrhoische 273, 274 – solare 286 Kieferorthopädie 777 Kieferspalte 779, 782 Kielbrust 164, 169 Kind – Amputation 265 – Amputationsverletzung 526 – Bauchwanddefekt 180 – Daumenhypo-/aplasie 600 – Formkorrektur Ohr 712 – Fraktur 838 – Glasgow Coma Scale (GCS) 835 – Hämangiomatose, neonatale 300 – Hauttransplantation 79 – Marquardt, Wachstumsknorpeltransplantat nach 267 – Plexus-brachialis-Parese, geburtstraumatische 342 – Säuglingshämangiom 301 – Weichteiltumor 304 – – Sarkom 307 Kinematographie in der Handchirurgie 462, 468 Kirchmayr-Kessler, Nahttechnik nach 514 Kirchmayr-Naht 51 Kirner-Deformität 804 Kleeblattschädel 769 Kleinert-Schiene 60, 515 Klinodaktylie 804 Klippel-Trénaunay-Syndrom – Fußfehlbildung 815 – Handfehlbildung 809 Klippel-Trénaunay-Weber-Syndrom 255, 300 Klitorisgigantismus 199
Klumphand 601, 808 – Klassifikation nach Bayne u. Klug 605 Klumpke-Lähmung 342, 840 Knie, Rekonstruktion 227 Knochen – Altersbestimmung 460 – Arthrose 560 – CRPS 594 – Epiphysenfugen, Wachstumspotenz 265 – Fraktur – Hannover-Klassifikation 224 – Osteoradionekrose 291 – Osteosynthesematerial, alloplastisches 65 – Rekonstruktion – – Hand 520 – – Stirn 107 – Replantation Hand/Finger 528 – Rotationsosteotomie des Humerus 385 – Transplantation 79, 81 – Tumor – – benigner 581 – – maligner 307, 586 Knochenwachs 54 Knochenzyste, aneurysmale 582 Knopflochdeformität – Definition 845 – rheumatoide Arthritis 575 – Sehnenverletzung 508 Knorpel – Abrasionsarthroplastik Handgelenk 475 – Tumor, benigner 581 Knorpel-Knochen-Transplantation 79 Knorpeltransplantation 79 Knoten – Fadeneigenschaften 46 – Techniken 48 – versenkter 49 Knotengleiten 46 knuckle pad 588 Koagulation 54 Koanalgetika 26 Kofferhenkel, Ohrrekonstruktion 136 Koilomastie 798 Kollageninduktionstherapie, perkutane 681 Kolumnarzellhyperplasie, Mamma 621 Koma, Glasgow Coma Scale (GCS) 835 Kompartmentresektion 305 Kompartmentspaltung 549 – Hand 550 Kompartmentsyndrom – Arm 548 – Elektrotrauma 654 – Hand 548 – Volkmann-Kontraktur 551 komplexes regionales Schmerzsyndrom 594 Komponentenseparationsmethode 179 Kompressionssyndrom – obere Extremität 420 – untere Extremität 430 Kompressionsverband 54 Konchaknorpeltransplantation 81 Kontraktur – Arm 548
H–L
– Dupuytren-Kontraktur 588 – Volkmann-Kontraktur 552 Konturlinien 42 Kopf-Hals-Region – Lappenplastik 160 – Melanom 282 – Rekonstruktion 156 Körpergewichtsreduktion, massive – Abdominoplastik 718, 722 – Bodycontouring 729 – obere Extremität 754 – Wundheilungsstörung 725 Körperoberfläche, verbrannte (VKOF), Ermittlung 651 Körperstamm – Adipositas 728 – Ästhetische Chirurgie 718 Kraftentwicklung, motorische 343 Krallenzehen 404, 406 kraniofaziale Fehlbildung 768, 775 Kraniosynostose 768, 776 Kranium, Anatomie 98 Kreuzband Hand, Anatomie 446 Krückenlähmung 357 Krukenberg, Operation nach 248 Kryotherapie, Blutstillung 54 Kulissenphänomen 511 Kürettage 272 Kutler-Lappen 497, 543
L Labienhypertrophie 206 Lagerung 25 – Dekubituschirurgie, Becken/Leistenregion 193 – Dekubitusprophylaxe 184 – Fußrekonstruktion 232 – intraoperative, bei Thoraxwanddefekt 166 – Plexus-brachialis-Parese 351 – postoperative – – Amputation der unteren Extremität 263 – – Thoraxwanddefekt 175 – Verbrennungsverletzung 660 Lagerungsschaden 40 Lagophthalmus 145, 335 – N.-facialis-Parese 338 LAHS-Nomenklatur der LKG-Spalten 781 Lambdanaht 769 Langer, Hautspannungslinien 40 Lanz, gestaffelte Arthrolyse bei DupuytrenKontraktur nach 592 lap band 728 Lappenkonditionierung 94 Lappenplastik – Abbé-Lappen 150, 153 – Advancement-Lappen 114, 141 – Allgemeines 88 – Anästhesie 100 – Anogenitalregion 203 – Arm 214
860
Stichwortverzeichnis
Lappenplastik – Atasoy, palmare VY-Dehnungslappenplastik nach 497 – Augenlid 140 – Austauschplastik 90 – axiale 88, 93, 840 – A-zu-M-Verschluss 100 – banana peel flap 100 – Bauchwanddefekt 178, 180 – Becken/Leistenregion – – Dekubitus 190 – – Malignom 187 – Bein 226 – Bestandteile 88 – bilobed flap 88, 116 – bipedicled flap 119 – Brückenlappen 90, 119 – Chimärenlappen 112 – Crikelair-Lappen 135 – Cross-finger-Lappen 247, 497, 501, 503, 504, 523, 543 – Cross-leg-Lappen 90 – Dekubitus 190 – Delay 94 – Deltopektorallappen, Kopf-Hals-Region 161 – Dieffenbach, postaurikulärer Lappen nach 136 – Dorsalis-pedis-Lappen 226, 230, 231, 312 – Dufoumentel-Lappen 90, 119 – Esser-Lappen 142 – Estlander-Lappen 150, 153 – fasziokutane 840 – – Klassifikation 93 – Fernlappenplastik 90 – Finger 496, 497 – – Komplexverletzung 523 – 4-Flügel-Lappen 100 – Foucher-Lappen 376, 497, 501, 543, 544 – freie – – Blutegeltherapie 56 – – mikrovaskuläre 90 – – Verband 61 – Fuß 226, 230 – gefäßgestielte 840 – Gesicht 114 – – Komplikationen 120 – gestielte 93, 840 – Glabella-Lappen 108, 129 – Hand – – Defekt, postinfektiöser 542 – – Handrücken 218 – – Komplexverletzung 523 – Hueston-Lappen 499, 543 – Hughes-Lappen 144 – Immunsuppression 236 – Insellappen 116 – Instep-Lappen 232 – Interosseus-posterior-Lappen 220, 543, 544 – Karapandjic-Lappen 150, 153 – Klassifikation nach Nahai u. Mathes 840 – Kopf-Hals-Region 156, 157 – – Formen 88
– – – – – –
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
– kutane 160 – Vaskularisation 91 Kutler-Lappen 497, 543 Lappenpräparation, -konditionierung 94 Lappentraining 218 Leistenlappen 90, 93, 107, 203–205, 214, 218– 220, 248, 501, 504, 521, 523, 526, 543, 544, 600, 602, 609, 636 Limberg-Lappen 106, 118 Lippe 150 Littler-Lappen 497, 500 LLL-Lappen 119 M.-gastrocnemius-Lappen 94, 227, 228, 265, 267, 311, 434, 840 M.-gracilis-Lappen 161, 202–205, 523, 643 – Bauchwanddefekt 180 M.-latissimus-dorsi-Lappen 214, 526, 523, 544, 636 – Kopf-Hals-Region 160 – Mammarekonstruktion 636 M.-rectus-abdominis-Lappen 173, 180, 188, 640, 646 – BauchwandÂ�defekt 180 – deep inferior epigastric perforator (DIEP) 641 – extendierter VRAM 180 – freier 173 – muskelsparender 640 – superficial inferior epigastric artery perforator (SIEAP) 646 – transverser (TRAM) 203 – vertikaler (VRAM) 173 M.-rectus-femoris-Lappen 180, 311 M.-sartorius-Lappen 94, 180, 840 M.-soleus-Lappen 82, 226, 227, 230, 257, 258, 762 M.-tensor-fascia-lata-Lappen 180, 188 M.-trapezius-Lappen 111, 167, 173, 260, 840 – Kopf-Hals-Region 160 M.-vastus-lateralis-Lappen 191, 193, 215, 226, 311 Mastektomie 636 Mc Gregor, gestielter Leistenlappen nach 142, 218 Merle d’Aubigné, Radialisersatzplastik nach 349, 372 Mertakarpalarterienlappen, dorsaler (DMCA) 501, 502, 543, 544 Moberg, palmare Dehnungslappenplastik nach 498 M-Plastik 100 Muskellappen, Klassifikation 93 muskulokutane 840 Mustardé-Lappen 142, 712 mutton chop flap 180 Nahai u. Mathes, Klassifikation des faszioÂ� kutanen Lappens 840 Nahlappenplastiktechniken 120 Nase 129 Oberarmlappen 213 – posteriorer 214,215 – lateraler 213, 214, 228, 523, 543
– Oberschenkellappenplastik – – anterolaterale (ALT) 125, 161, 165, 187, 544 – – posteriore (posterior thigh) 193, 194 – Ohr 135 – Omentum-majus-Lappen 180 – Orticochea-Lappen 100 – O-zu-Z-Verschluss 100 – Paraskapularlappen 40, 61, 101, 125, 126, 165, 172, 187, 211–213, 229, 232, 310, 543, 544 – Perforatorlappen 93 – Planung 93 – postauriklärer Lappen (Dieffenbach) 136 – Prälamination, Präfabrikation 94 – Primärverschluss 100 – Radialislappen 161, 166, 204, 214, 218, 230, 236, 543, 544, 550 – Radiotherapie 291 – Random-pattern-Lappen 91 – Rautenlappen 100, 106, 118 – Rekonstruktion – – Mamille 644 – – Mamma 637 – Reversed-cross-finger-Lappen 501 – Rhomboidlappen 100, 106, 118 – Rotationsdehnungslappen, Skalp 100 – Rotationslappen 88, 10, 106, 116 – Rundstiellappen 119 – Saphena-Lappen 49, 173, 189, 190, 258, 416, 522, 608, 609, 764 – Schrudde, Wangen-Hals-Rotationslappen 90 – Schulter 210 – semizirkulärer Lappen 142, 148 – Skalp 99, 111 – Skapulalappen 83, 165, 230 – Song, Oberarmlappen nach 213 – Steal-Phänomen 226 – Stirn 104, 105, 128–130, 132, 148, 157 – superiorer Glutäalarterienperforator-Lappen (SGAP) 174, 643 – Suralislappen 226–231 – tarsokonjunktivaler Lappen 144 – Temporalislappen 111, 157 – Tenzel-Lappen 148 – thorakoepigastrischer Lappen 165 – Thoraxwanddefekt 165, 171 – Tranquilli-Leali, palmare VY-Dehnungslappenplastik nach 497 – Translationslappenplastik, bipedikuläre 90 – Transpositionslappenplastik 88 – – Stirn 106 – trilobed flap 116 – Tripier-Lappen 144 – tubed flap 119 – Türflügellappen 132 – Turn-in-flap 132 – Vaskularisation 91 – Venkataswami und Subramanian, laterale Dehnungslappenplastik nach 499 – Venkataswami-Lappen 497, 499 – Verschiebeschwenklappen 88 – Visierlappen 90, 107, 119
861
Stichwortverzeichnis
– – – – – –
vorgeschnittene 95 Vorschublappen 100, 105 VY-Dehnungslappen 88 VY-Vorschiebelappen 114 Wange 124 Wangen-Hals-Rotationslappen nach Schrudde 90 – Washio-Lappen 129 – Weichgewebstumor, maligner 310 – Windradlappen 100 – W-Plastik 114 – wrap-around flap zur Daumenrekonstruktion 601, 606 – YV-Vorschiebelappen 114 – Z-Plastik 91, 114 Lappentraining 218 Larynx, Anatomie 156 Laser – Gewebeinteraktion 34 – Hämangiom 301 – Indikationen 35 – Körperbehaarung 37 – Ota-Nävus 276 – physikalische Grundlagen 34 – Rejuvenation 35 – Resurfacing 670, 678 – – Vorbehandlung der Haut 672 – Typen 34 – Verbrennungsverletzung 666 Latissimuslappen 160, 214, 526, 523, 544, 636 Leiomyom 296, 297 Leiomyosarkom 297, 304 Leistenlappen 90, 93, 107, 203–205, 214, 218– 220, 248, 501, 504, 521, 523, 526, 543, 544, 600, 602, 609, 636 Leistenregion – Dekubitus 184, 190 – Kompressionssyndrom 430 – Lappenplastik 187 – Nevenschädigung 431 – Rekonstruktion 226 – Tumor, maligner 184, 187 Leistungsvermögen, Definition 823 Leiter, rekonstruktive 93 Leitungsanästhesie 69 Lejour, Mammareduktion 738 Lengemann-Naht 483 Lentigo 272 – maligna 280 – solaris 37, 276 Lepiscopo und Hoffer, Muskeltransposition nach 347 Leukoplakie 286 Lichtman, Klassifikation der Lunatummalazie nach 844 Lid – Blepharoplastik 695 – N.-facialis-Parese 335, 338 Lidocain 68 Limberg-Lappen – Gesicht 118 – Schnittführung 118
– Stirn 106 lines of maximum extensibility (LME) 118 Lipoaspiration, Arm 754 Lipoblastom 296, 297 Lipom 272, 274, 296 – Hand 580 – Mamma 622 Lipomatose 297 Liposarkom 297, 304 Liposuktion – Abdomen 719 – Bein 760 – Bodycontouring 730 – Gesäß 760 – Gynäkomastie 750 – Hals 697 – Mammareduktion 741 – Tumeszenzanästhesie 70 – Übersaugung 762 – vakuumassistierte 719 Lippe – Anatomie 150 – Funktion 150 – N.-facialis-Parese 335, 336 – Rekonstruktion 150 – Sekundärheilung 150 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte – Einteilung nach Tessier 841 – Klassifikation 780 – Therapie 785 Lippenkolobom 782 Lippenspalte 782 Littler-Lappen 497, 500 LKG-Spaltbildung 779 LLL-Lappen 119 lobster claw 813 Lochtuch 25 Löffelfuß 815 Löffelhand 815 Loge-de-Guyon-Syndrom 427 Lokalanästhesie – Extremität 69 – Gesicht 68 Lookwood-Dissektor 722 Puckett, Otoplastik nach 712 Lunatummalazie, Klassifikation 844 Lunatumnekrose 566, 568 Lungenfunktion nach Thoraxwandrekonstruktion 165 Lupus erythematodes 272 Lyell-Syndrom 655 Lymphangiom 297 Lymphangiosarkom 300 Lymphdrainage 28 Lymphknoten – Dissektion bei Melanom 282 – Gruppen 156 – Neck Dissection 157 – Weichgewebstumor, maligner 309
L–M
M M-Plastik 100 M.-gracilis-Lappen, Bauchwanddefekt 180 M.-latissimus-dorsi-Lappen 214, 526, 523, 544, 636 – Kopf-Hals-Region 160 – Mammarekonstruktion 636 M.-rectus-abdominis-Lappen, Bauchwanddefekt 180 M.-rectus-femoris-Lappen, Bauchwanddefekt 180, 311 M.-tensor-fascia-lata-Lappen, Bauchwanddefekt 180 M.-trapezius-Lappen 111, 167, 173, 260, 840 – Kopf-Hals-Region 160 Madelung-Deformität 810 Magnetresonanztomographie (MRT) in der Handchirurgie 462, 468 Makrodaktylie – Fuß 815 – Hand 802, 808 – Klassifikation 845 Makromastie 736 Makroreplantation 522, 527 – Definition 843 Makula 272 Mallet-Finger 508, 844 Mamille – Anatomie 614 – Biopsie 617 – Fehlbildung 792 – Hohl-/Schlupfwarze (Koilomastie) 798 – Hyperplasie 798 – Karzinom 616 – Morbus Paget 629 – Rekonstruktion 637, 644 Mamillen-Areola-Komplex – Brust, tuberöse/tubuläre 795 – Fehlbildung 792 – Hohl-/Schlupfwarze (Koilomastie) 798 – Innervation 615 – Klassifikation 736 – Mamillenhyperplasie 798 – Ptose 736 – Rekonstruktion nach Tumorchirurgie 643 Mamillotom 738 Mamma – Anatomie 614, 736 – Asymmetrie 796 – Atypie, flache epitheliale 621 – Aufklärung 737, 741 – Augmentation 741 – – Implantatform 743 – – Komplikationen 741, 745 – – Technik 743 – Befunderhebung 737, 826 – Biopsie 617 – Carcinoma in situ – – duktales 626 – – lobuläres 621 – Double Bubble 795
862
Stichwortverzeichnis
Mamma – Eigengeweberekonstruktion nach TumorÂ� chirurgie 637 – Eigengewebeverlagerung 745 – Entwicklung 614 – epitheliale Läsion, benigne 620 – Fehlbildung 792 – Frau-zu-Mann-Transsexueller 205 – Gynäkomastie 748 – Hyperplasie, atypische lobuläre/duktale 621 – Hypoplasie 793 – Implantat 743, 799 – Innervation 615 – Kapselfibrose 741, 745 – – Klassifikation nach Baker 841 – Karzinom – – Beurteilung 629, 630 – – Brustrekonstruktion 634 – – Diagnostik 615, 616 – – Lymphsystem 615 – – Mastektomie 627, 632, 635 – – Metastasierung 628 – – Nottingham-Prognose-Index 629 – – Prognose 626 – – Risikofaktoren 625 – – Therapie 627, 632, 635 – – Tumorrezidiv 632 – – Typen 629 – – WHO-Klassifkation 627 – Lymphsystem 614 – – Lymphangiosis carcinomatosa 629 – – Metastasierung 628 – – Sentinel-Lymphknoten 627, 632 – – TNM-Klassifikation 629 – Makromastie 793 – Malignomrisiko 621, 622 – Mann-zu-Frau-Transsexuelle 205 – Mastektomie 627, 632, 635 – – Gynäkomastie 749 – Mastitis, periduktale 620, 622 – Mastopathie 622 – Medical Needling 794 – Neoplasie, lobuläre 621 – Papillom 620 – Poland-Syndrom 170, 793, 797 – Ptose 736 – – Klassifikation 842 – Reduktion 736, 738 – – Aufklärung 737 – – Gynäkomastie 750 – – Komplikationen 738 – – Liposuktion 750 – – Technik 738 – Rekonstruktion – – Eigengeweberekonstruktion nach Tumorchirurgie 637 – – Mamillen-Areola-Komplex 643 – – Mastektomie 635 – Strahlenfibrose 292 – Striae 794 – Stuttgarter Gürtel 61 – Stütz-BH 61
– tuberöse/tubuläre 792, 794 – Tumor, benigner 620 – Verband 61 – Zyste, solitäre 620, 622 Mammaaugmentation – Fehlbildung 792 – Verband 61 Mammographie 616 – Gynäkomastie 748 – Mammaaugmentation 743 – Mammareduktion 737 Mann-zu-Frau-Transsexuelle 205 Marfan-Syndrom 164, 169 – Handfehlbildung 809 Marquardt, Operationen nach 267 Maschinenknoten 48 Mastektomie 627 – Gynäkomastie 749 – modifziert radikale 632, 635 – Rekonstruktion 636 – skin-sparing 637 Mastitis, periduktale 620, 622 Mastodynie 737 Mastopathie – fibrös-zystische 620 – Mammadysplasie, Mastopathia cystica fibrosa 622 Matriderm 663 Matrix, proteasemodulierende 15 Mayer, M.-trapezius-Transfer nach 347 Mayo-Klassifikation der intraartikulären Radiusfraktur 837 Mc Gregor, gestielter Leistenlappen nach 142, 218 McLaughlin, Technik der Reanimation des Mundwinkels nach 337 MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) – Definition 822 – Arm-/Handampuation 249 Mechanorezeptor 839 Medianusparese 372 Medical Needling 682ff. – Striae 794 MEEK-Verfahren 662 Meissner-Tastkörperchen 444, 839 Melanom 280 – ABCDE-Regel 280 – gutartiges juveniles 276 – Hand 584 – Klassifikation, Diagnose 280, 281, 847 – – Stadieneinteilung 847 – – TNM-Klassifikation 847 – Präkanzerose 280 – Therapie 282 Melanose 275, 276 Melasma 37 Melone, Klassifikation der Radiusfraktur nach 837 Meningozele 171 Meralgia paraesthetica 430 Merkel-Zellen 839 Merkel-Zellkarzinom 586
Merle d’Aubigné, Radialisersatzplastik nach 349, 372 mesh-graft 78, 662 Mertakarpalarterienlappen, dorsaler (DMCA) 501, 502, 543, 544 Mikrochirurgie, Instrumentarium 51 Mikropenis 201 Mikroreplantation 843 Mikrosomie, hemifaziale 773 Mikrozephalus 768 Milchleiste – Fehlbildung 792 – Poland-Syndrom 798 Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) – Definition 822 – Arm-/Handampuation 249 Miniabdominoplastik 719 minimal access cranial suspension lift (MACS) 689 Mittelfingertest 420 Moberg – Operation nach (passiver Schlüsselgriff ) 397 – palmare Dehnungslappenplastik nach 498 Mobilisation, Nervenrekonstruktion obere Extremität 370 Möbius-Syndrom, Handfehlbildung 809 Mod-Quad-Operation nach Shenaq 347 Moh, Technik nach 283 Mole 280 – atypische 275 Monheim-Röntgenaufnahme 460 Morbus Kienböck 566, 568 – Klassifikation 844 Morbus Ollier 581 Morbus Paget, Mamille 629 Morbus Preiser 569 Morbus Recklinghausen 276 Morbus Sudeck 594, 846 Morton-Metatarsalgie 365, 435 Motor Grading Scale des British Medical Research Council 343 Mukoidzyste 579 Mundhöhle – Anatomie 156 – Leukoplakie 286 – Rekonstruktion 161 musculofascial release 179 Musikantenknochen 358 Muskel – CRPS 594 – Ersatzoperation – – Ellbogen 385, 390 – – Schulter 383 – Hand 445 – – Diagnostik 452 – Ischämie 548 – Kompartmentsyndrom 548 – – Nase 700 – Lappenplastiken 7 dort – Transplantation – – Ellbogen 389 – – N.-facialis-Parese 336, 338
863
Stichwortverzeichnis
– Transposition – – Ellbogen 385 – – Plexus-brachialis-Parese 347 – – Schulter 383 – Volkmann-Kontraktur 551 Muskel-Venen-Pumpe 21 Muskellappen 7 Lappenplastik Muskelsystem, intrinsisches/extrinsisches 445 Mustardé-Lappen 142 Mustardé, Otoplastik nach 712 mutton chop flap 180 Myelinscheide 322, 324 Myelomeningozele 171 Myelozele 171 Myoepitheliom 297 Myoepitheliose, Mamma 621 Myositis ossificans/proliverative 297 Myxom 297
N Nachbrennen (Verbrennungsverletzung) 650 Nadelkisseneffekt 104, 120 Nager-de-Reynier-Syndrom 773 Nahai u. Mathes, Klassifikation des fasziokutanen Lappens 840 Nahrungskarenz, präoperative 25 Nahtextrusion 50 Nahtmaterial – Bestandteile 48 – Eigenschaften 46 – Entzündungsreaktion 47 – Faszie 51 – Gefäß 51 – Mikrochirurgie 52 – Nerv 51, 328 – Sehne 51 Nahttechnik 47 – Faszie 51 – Gefäß 51 – Haut 48 – Knoten 48 – mikrochirurgische 52 – Nerv 51, 328 – Replantation Hand/Finger 527 – Sehne 51 – – Hand 511, 514 – Wundverschluss, schichtweiser 49 Narbe – Akne – – Dermabrasio 677 – – Laser-Resurfacing 678 – – Peeling 675 – Dekubitus 190 – falltürartige 124 – hypertrophe 16 – – Bodylift 725 – Karpaltunnelsyndrom 425 – Lippendefekt 150 – Medical Needling 681 – Verbrennungsverletzung 665
Narbenbildung – Hautnaht 41 – Hautspannungslinien 42 – Keloid 16 – Körperregion 42 – Nahtmaterial 46 – Neurom 325 – Technik, chirurgische 41, 46 – überschießende 16 Narbendehiszenz 46 Narbenhernie 178 Narbenmanagement, postoperatives 50 Narbenrevision 42 Nase – Anatomie 128, 700 – Ästhetische Chirurgie 700 – Atemwege 129 – Einteilung in Proportionen 841 – Formkorrektur 700 – Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Therapie 788 – Prothese/Epithese 132 – Rekonstruktion 128 – Strahlenfolgen 291 – Untereinheit, ästhetische 128 Nasenknorpel 700 Nasenseptumknorpeltransplantat 81 Nasolabialfalte 153, 692 Nävus 272 – blauer 272, 276 – dysplastischer 275 – Entartung 280 – epidermaler 272 – Formen 274 – Melanomrisiko 280 – Naevus flammeus 300 – Ota 37, 276 – Pigmentnävus, angeborener 171 – Riesenzellnävus 276 Nävuszellnävus 274 Neck Dissection 157 – Schädigung N. accessorius 354 Neopenis 204 Neovaskularisation 6 Nerv – Anatomie 322, 838 – Aufbau 323 – CRPS 594 – Daumen, sensorische Ersatzoperation 600 – Defektgröße 331 – Denervation 412 – – obere Extremität 413 – – untere Extremität 415 – Diagnostik 328 – Fasern 323 – Femoralisparese 404 – Finger – – Replantation 529 – – Stereognosis 496 – – Tastsinn 496 – – Versorgung, motorische 448 – – Versorgung, sensible 444 – Funktion 323
– Funktionswiederkehr, motorische/sensible 331 – Fußhebung 406 – Hand – – Komplexverletzung 522 – – Replantation 529 – – Senisbilitätsprüfung 452 – – Versorgung, motorische 448 – – Versorgung, sensible 444 – Hoffmann-Tinel-Zeichen 453 – Ischiadikusparese 404 – Karpaltunnelsyndrom (KTS) 424 – Kompartmentsyndrom 548 – Kompressionssyndrom – – Diabetes mellitus 430 – – obere Extremität 420 – – Pathophysiologie 420, 430 – – untere Extremität 430 – Läsion – – Arten 331 – – Facelift 688 – Mamma (Innervation) 615 – Morton-Metatarsalgie 435 – N.-facialis-Parese 334, 335 – N.-facialis-Äste 335 – N.-interosseus-anterior-Syndrom 422 – N. trigeminus – – Ota-Nävus 276 – – Trigeminuslähmung 147 – Naht 328 – – Material, -technik 51 – – Wurzelausrissverletzung 351 – Nase 700 – Nervenengpasssyndrom bei rheumatoider Arthritis 574 – Neurom 325 – Neurotomie 412 – peripherer – – obere Extremität 354 – – untere Extremität 362 – Plexus-brachialis-Parese 342, 839, 840 – – Therapie 381 – Pronatorsyndrom 422 – Querschnittslähmung 381, 394 – Regeneration 324, 331 – – Plexus-brachialis-Parese 345 – Rekonstruktion – – Hand 522 – – N.-facialis-Parese 336 – – Naht 328 – – obere Extremität 372, 381 – – Prognose 331 – – Spendernerv 382 – – Technik, operative 328 – – Transplantation 329 – – Transposition 329 – Replantation Hand/Finger 529 – Rückenmarkläsion 381 – Schädigung 7 Nervenschädigung – Supinatorsyndrom 420 – Tarsaltunnelsyndrom 433 – Testblockade 412, 413
M–N
864
Stichwortverzeichnis
Nerv – Transplantation 84, 329 – – Arm 381 – – Plexus-brachialis-Parese 345 – – Schulter 381 – Transposition 329 – – Arm 370, 382 – – Hand 370 – – N.-facialis-Parese 336 – – Plexus-brachialis-Parese 345, 351 – – Schulter 382 – Trauma – – Klassifikation 323, 839 – – obere Extremität 354, 382 – – untere Extremität 362 – Tumor – – benigner 582 – – Weichgewebstumor, maligner 307 – Volkmann-Kontraktur 551 – Wartenberg-Syndrom 421 – Wurzelschädigung, bei Plexus-brachialisParese 350 nerve growth factor (NGF) 324 Nervenblockade – Gesicht 68 – Hand 69, 478 – Testblockade zur Denervation bei Schmerzsyndromen 412 Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) 328 Nervenschädigung – M. quadriceps 336, 338, 405 – N. accessorius 354 – N. axillaris 356 – N. cutaneus femoris lateralis 430 – N. dorsalis scapulae 354 – N. femoralis 362, 404, 432 – N. genitofemoralis 431 – Nn. glutaei 363 – N. iliohypogastricus/ilioinguinalis 431 – N. ischiadicus 362, 404, 432 – N. medianus 357, 371, 422 – N. musculocutaneus 355, 371 – N. obturatorius 363, 432 – Nn. pectorales 355 – N. peronaeus 343, 363, 404, 406, 434 – N. pudendus 431 – N. radialis 356, 371, 420 – N. saphenus 433 – N. supra-/subscapularis 354 – N. thoracicus longus 355 – N. thoracodorsalis 355 – N. tibialis 365, 433 – N. ulnaris 358, 371, 375, 425 Nervenstimulator, transkutaner elektrischer (TENS) 28 Nervenrezeptor 839 Neunerregel nach Wallace 651 Neurapraxie 323, 839 Neurofibrom 272 – Hand 582 Neurofibromatose 276 – Hand 582
Neurom 325, 330 Neuron 322 Neurorhaphie 328 Neurotisation – Arm 371, 382 – Hand 371 – intraplexuelle 345 – Schulter 382 Neurotmesis 323, 839 Neurotomie 412 Nikotinabusus 210 – Abdominalplastik 719 – Ästhetische Chirurgie 687 – Leukoplakie 286 – Rekonstruktion Finger 496 – Wundheilungsstörung 725 nipple sharing 644 Nodulum 272
O Oberarmlappen 213 – posteriorer 214,215 – lateraler 213, 214, 228, 523, 543 O-zu-Z-Verschluss 100 Oberlin, Doppelfaszikeltransfer nach 345, 351 Oberschenkellappen, anterolateraler (ALT) 125, 161, 165, 187, 544 Oberschenkellappenplastik, posteriore (posterior thigh) 193, 194 Oberschenkelrekonstruktion 226 Oberst-Leitungsanästhesie 69 Ohr – abstehendes 712 – Amputation 134, 137 – Anatomie 134 – Ästhetische Chirurgie 712 – Avulsion 134 – ear banking 138 – Formkorrektur 712 – Lappenplastik 135 – Mikrotie, kongenitale 134 – Ohrläppchen, abstehendes 713 – Otapostasis 712 – Rekonstruktion 134 – Replantation 134, 137 – Rippenknorpeltransplantat 81 – Schädelfehlbildung 773 – Trauma 134 Oligodaktylie Fuß 813 Omentum-majus-Lappen 180 Omphalozele 178 Open-palm-Technik 591 Operationsplanung 40 – Bauchwanddefekt 178 Operationsrisiko, ASA-Klassifikation 835 Operationszeit 40 Opioid 26 Organtransplantation – Hirntod 835 – plastisch-chirurgischer Patient 236
Orticochea-Lappen 100 Osteoradionekrose 291 Osteosarkom 297 Osteosynthese – alloplastisches Material 65 – Material 777 Ota-Nävus 272 Otapostasis 712 Otoplastik 712 Oxyzephalus 769
P Page-Scaglietti, Operation nach 551 Palmarfaszie 444 Palmer, Einteilung des triangulären fibrokartilaginären Komplexes (TFCC) nach 844 Panaritium 535 Papillom, Mamma 620 Papula 272 Paraskapularlappen 40, 61, 101, 125, 126, 165, 172, 187, 211–213, 229, 232, 310, 543, 544 Parkland-Formel 657 Paronychie 535 Parry-Romberg-Syndrom 774 Patientenvorbereitung 20 – Aufklärung 25 – Darm 25 – Desinfektion 25 – Eigenblutspende 25 – Lagerung 25 – Nahrungskarenz 25 – Rasur, präoperative 25 – Schmerzprophylaxe 28 – Thoraxwandrekonstruktion 164 peau d’orange, Mamma 616 Pectus carinatum 164, 169 Pectus excavatum 164, 169 Pectus gallinatum 164 Peeling 670 – Substanzen 672 – Vorbehandlung der Haut 672 Penis – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) 239, 240 – Deviation 199 – Epispadie 198 – Frau-zu-Mann-Transsexueller 205 – Länge, durchschnittiche 208 – Mikropenis 201 – Neopenis 204 – Rekonstruktion 201, 203, 204 – Replantation 203 – Schädigung N. pudendus 431 – Umfang 208 – Verlängerung 206 – versteckter 199, 206 Perforatorlappen 7 Lappenplastik periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) 8 – Unterschenkelamputation 257, 262 Peronäusparese 404, 406
865
Stichwortverzeichnis
Pes equinovarus 404, 406 Pfeiffer-Syndrom 772 Phalen-Test 425, 453 Phantomgefühl 248 Pharynx – Anatomie 156 – Rekonstruktion 161 Phenol-Peeling 675 Phokomelie 802 Photoaging 280, 670 – Medical Needling 682 Phylloidestumor, Mamma 621 Physiotherapie – CRPS 597 – Infektion Hand 544 – Nervenrekonstruktion obere Extremität 370 – Plexus-brachialis-Parese 352 – Radialisersatzplastik 372 – Verbrennungsverletzung 664 Pigmentnävus, angeborener 171 pin cushioning 104, 120 Piriformissyndrom 430, 432 Pirogow/Spitzy, kalkaneotibiale Arthrodese nach 262 Plagiozephalus 769 Plaque 272 Plastische Chirurgie, Eingriffsgröße 20 Plättchenaggregation 54 Plattenepithelkarzinom 285 – Hand 583 – Präkanzerose 286 Platysmadopplung 697 Platyzephalus 769 Plexus brachialis – Anatomie 342 – Läsion 840 – Parese – – geburtstraumatische 342 – – Klassifikation 342, 839, 840 – – Spendernerv 383 – – Therapie 381, 386 – – Trauma bei Erwachsenem 349, 355 – Schlüsselgriff 376 – Untersuchungsbogen 828, 829 Poland-Syndrom 164, 170, 797, 802 – Handfehlbildung 809 Pollex flexus congenitus 554, 808 Polydaktylie – Fuß 812 – Hand 802, 804 Polymastie 793 Polysyndaktylie 803 – Fuß 814 Polytrauma 225 – Komplexverletzung Hand 519 – Plexus-brachialis-Parese 349 – Schockraumanagement 519 postauriklärer Lappen (Dieffenbach) 136 Primärverschluss 100 Probeexzision 306 Prolene, bei Bauchwanddefekt 179
Prothese – Arm 250 – Bein 264 – Fuß 264 – Hand 249 – Klassifikation 249 – Kopf-Hals-Region 157 – Umdrehplastik nach Borggreve-van Nes 264 Pseudohermaphroditismus, weiblicher/ männlicher 199 Psoriasis 272 psychologische Aspekte – Abdominalplastik 719 – Amputation der oberen Extremität 251, 523 – Borderline-Störung 683 – CRPS 594, 597 – Geschlechtsidentifikation, gestörte 198 – Geschlechtsumwandlung 205 – Gesichtstransplantation 237 – Hand (Komplexverletzung/Replantation) 523 – Penis – – Allotransplantation 240 – Replantation 203 – Querschnittslähmung 381, 394 Ptose 147 – Klassifikation 842 PU-Schaum 15 Pulvertaft-Durchflechtungsnaht 51 Pyoderma gangraenosum 541
Q Quengel-Schiene 60 Querschnittslähmung – Ellbogenfunktion 381, 385, 394 – Ersatzoperation – – Hand/Handgelenk 394 – – Schulter/Ellbogen 380, 381 – Handfunktion 397 – Höhe 394 – Rekonstruktion Rücken 173, 175 – Spastik 400 Quetschwunde Ohr 134 Queyrat-Erythroplasie 286
R Radialisersatzplastik 349, 372 Radialiskompressionssyndrom 420 Radialislappen 161, 166, 204, 214, 218, 230, 236, 543, 544, 550 Radialisparese 372 Radiodermatitis 11 Radiotherapie – Auswirkungen 186 – intraoperative 291 – Strahlenulkus 10, 290, 291 Radius – Derotationsosteotomie 371 – Fraktur, intraartikuläre 475
Random-pattern-Lappen 91 Ranvier-Schnürring 323 Rasur, präoperative 25 Rautenlappen ( 7 auch Lappenplastik – Rhomboidlappen) 100, 106, 118 – Gesicht 118 – Schnittführung 118 ReCell-Kit 663 Reflexdystrophie, sympathische 594 Regeneration, epitheliale 6 Regnault, Klassifikationen der Ptose nach 842 Reithosendeformität 760 Rekonstruktion – Allotransplantation 236 – Areola 645 – Augenlid 140 – Bauchwanddefekt 178 – Becken/Leistenregion 184 – Bein 224 – Composite-Tissue-Allotransplantation (CTA) 236 – Daumen 496 – Extremität – – obere 210 – – untere 224 – Finger 496 – Fuß 229 – Hand – – Gefäß 522 – – Komplexverletzung 520 – Leiter, rekonstruktive 105 – Lippe 150 – Mamillen-Areola-Komplex 643 – Mamma, nach Tumorchirurgie 634 – Nase 128 – Nerv – – N.-facialis-Parese 336 – – obere Extremität 372, 381 – – Plexus-brachialis-Parese 345 – – Prognose 331 – – Technik, operative 328 – Ohr 134 – Probeexzision 306 – Schädelbasis 110 – Stumpfkorrektur untere Extremität 265 – Tetraplegie – – Arm 397 – – Hand 397 – Thoraxwand 164 – Uhrwerk, rekonstruktives 241 – Urogenitaltrakt 198 – Verbrennungsverletzung 665 – Wange 124 – Weichgewebstumor, maligner 306, 310 Rektusdiastase 718 Rectus-femoris-Lappen 180, 311 Rektuslappen 188 – deep inferior epigastric perforator (DIEP) 641 – extendierter VRAM-Lappen 180 – freier 173 – muskelsparender 640
N–R
866
Stichwortverzeichnis
Rektuslappen 188 – superficial inferior epigastric artery perforator (SIEAP) 646 – transverser (TRAM) 203 – vertikaler (VRAM) 173 relaxed skin tension lines 40, 42 Remodellierungsphase 6 Replantation – Daumen 524 – Definition 523 – Finger 246, 518, 524 – – Blutegeltherapie 57 – Hand 518, 524 – – Komplikationen 530 – – postoperatives Management 529 – Instrumentarium 527 – Makroreplantation 522, 527 – Ohr 134, 137 – Penis 203 – Testes 203 – VTE-Prophylaxe 23 rerouting (Transposition Bizepssehne) 71 Resurfacing 670 Retin-A 672 Reversed-cross-finger-Lappen 501 Rhabdomyom 297 Rhabdomyosarkom 297, 304 rheumatoide Arthritis – Definition 574 – Diagnostik, Therapie 575 – Finger 560, 574 – Hand 542, 560, 574 – Klinik, Symptomatik 542, 574 Rhinophym 676 Rhinoplastik 700 – geschlossene/offene 704 Rhizarthrose 561, 845 Rhomboidlappen (7 auch Lappenplastik – Rautenlappen) 100 – Gesicht 118 – Schnittführung 118 – Stirn 106 Rhytiden 677 Riesenzellnävus 276 Riesenzelltumor Hand 580, 581 Ringavulsion 843 Ringband (Hand, Anatomie) 446 Rippenknorpeltransplantation 81 Rippling 799 Risikobeurteilung, perioperative 20, 835 Risswunde, Ohr 134 Robert-Röntgenaufnahme 486 Rolando-Fraktur 486 Röntgen – Fuß 812 – Hand 458 – Handgelenk 468 – Robert-Aufnahme 486 Ropivacain 68 Rotationsdehnungslappen, Skalp 100 Rotationslappen 88, 116 – Skalp 100
– Stirn 106 Roux-XY-Bypass 728 Royle-Thompson – Transposition des M. flexor digitorum superficialis 4 nach 373 Rücken – Interponat, synthetisches 165 – Lappenplastik 165, 171 – Nahtmaterial, -technik 47 – Rekonstruktion bei malignem WeichgewebsÂ� tumor 310 Rückenmarkläsion 381 Rückstichnaht 49 Ruffini-Körperchen 839 Ruhigstellung, postoperative 60 Rumpf, Adipositas 728 Rundstiellappen – Gesicht 119 – Schnittführung 119 Russe, Klassifikation Skaphoidfrakturen nach 489, 838
S Saethre-Chotzen-Syndrom 772 Saha, M.-trapezius-Transfer nach 347 Salter-Harris, Klassifikation Fingerfrakturen nach 478 Sarkoidose 272 Sarkom 300 – Klassifikation 304 – Lokalisation 304 – Therapie 307 – Typen 296, 304 Saphena-Lappen 49, 173, 189, 190, 258, 416, 522, 608, 609, 764 Säuglingshämangiom 301 Sartorius-Lappen 94, 180, 840 Scaglietti, Operation nach 551 scaphoid non union advanced collapse wrist (SNAC wrist) 493, 565, 567, 844 scapholunate advanced collapse wrist (SLAC wrist) 567, 844 Scapula alata 343, 355 Scarpa-Faszie, Bodylift 722 Schädel – Fehlbildung 768 – – Therapie 775 – Osteosynthesematerial 777 Schädelbasis, Rekonstruktion 110 Schädelnaht – Verknöcherung, vorzeitige 768 Schaumstoffverband 15 Schiefschädel 769 Schlüsselgriff, Tetraplegie 397 Schmerzen – Arthrodese 412 – Arthrose 412 – Denervation 412 – Kompartmentsyndrom 548, 549 – komplexes regionales Schmerzsyndrom 594
– postoperative 26 – – Messung 26 – – Therapie 26, 28 – – WHO-Stufenschema 26 – Strahlenulkus 291 – Testblockade 412, 413 – Verbrennungsverletzung 658 Schmerzsyndrom, komplexes regionales 594 Schnapp-Phänomen 574 Schnienenbehandlung 60 Schnittführung – Abdominoplastik 719 – Expander 64 – Extremität 41 – Facelift 688 – Hand 41 – Hautspannungslinien 40 – Kompartmentspaltung Hand/Unterarm 549 – Lappenhebung 40 – Prinzip 40 – Tumorexzision 41 Schnürringdeformität, -syndrom 805, 846 Schraubenziehertest 454 Schrudde, Wangen-Hals-Rotationslappen nach 90 Schulter – Arthrodese 383 – DASH-Fragebogen 830 – Ersatzoperation, muskuläre 383 – Muskelfunktion 380 – Nerv – – Transposition 382 – – Schädigung 354–356 – Neurotisation 382 – Plexus-brachialis-Parese 342, 839, 840 – – Therapie 381, 383 – Rekonstruktion 210 – Scapula alata 343 – Tetraplegie 383 Schulterdystokie 343 Schwanenhalsdeformität 552 – Definition 845 – rheumatoide Arthritis 574 – Sehnenverletzung 508 Schwangerschaftsstreifen, Medical Needling 682 Schwann-Zelle 322, 323, 324 Schwannom 296 – Hand 582 Schweißdrüsentumor, ekkriner 586 Schwimmhaut 802 Schwurhand 358 Screw driver test 454 Sehne – Nahtmaterial 51 – Nahttechnik 40, 51 – Ruhigstellung, postoperative 60 – Transplantation 84 semizirkulärer Lappen 142, 148 Shaving, Biopsietechnik 272 Shenaq, Mod-Quad-Operation nach 347 Silberverband 14
867
Stichwortverzeichnis
Silikon – Materialeigenschaften 65 – Silikoneinschwemmung 743 Skalp – Anatomie 98 – Hautexpander 101 – Lappenplastik 99, 111 – Nahtmaterial, -technik 47 – Spalthauttransplantation 101 Skaphoidfraktur 489 Skaphoidpseudarthrose 844 Skaphozephalus 768 Skapulalappen 83, 165, 230 Skidaumen 483 Sklerodermie 272 Skrotalraffung 208 Skrotumrekonstruktion 202 SLAC wrist 567, 844 SNAC wrist 493, 565, 567, 844 Snoopy-Phänomen 744 Soleuslappen 82, 226, 227, 230, 257, 258, 762 Sommersprossen 276 Song, Oberarmlappen nach 213 Sonnenexposition – Basalzellkarzinom 283, 584 – Hauttyp 280 – Melanom 280, 584 – Plattenepithelkarzinom 285, 583 – Präkanzerose 286 Sonographie, Handchirurgie 461, 468 sozialmedizinische Aspekte 822 Spaltbildung (Gesicht) 779 – Einteilung nach Tessier 841 Spaltfuß 813 Spalthand 802, 813, 845 Spalthaut – Abdomen apertum 180 – Augenlid 141 – Nase 129 – Operationstechnik 78 – Skalp 101 – Transplantateigenschaften 78 – Verbrennungsverletzung 661 Span, kortikospongiöser 81 Spare-part-Konzept 265, 503 Spiegelhand 805 Spina bifida 171 Spitz-Nävus 272 Spitzfuß 364 Spitzschädel 769 Spongiosaplastik 81 Stack-Schiene 478 Stanzbiopsie 272 Steal-Phänomen 226 Stegner, Transformationsstufen des MammaÂ� karzinoms nach 625 Steigbügelplastik 312, 404, 407 Steindler, Proximalisierung des FlexorenPronatoren-Ansatzes nach 347, 385 Steindler-Effekt 347 Stelze, biologische 312, 404 Stenström, Otoplastik nach 712
Steppergang 364, 404 Stereognosis 496 Stillfähigkeit 737 Stirn – Anatomie 104 – Defektdeckung 105 – Facelift 692 – Gewebeexpansion 106 – Knochenrekonstruktion 107 – N.-facialis-Parese 334, 335 – Rekonstruktion 104 – Wundverschluss 104 Stirnbein, schwimmendes 768 Stirnlappen 104, 105, 128–130, 132, 148, 157 Strahlendermatitis 287 Strahlenfibrose 186 Strahlenfolgen 290 Strahlenulkus 10, 291 Strecksehnenfach Hand – Anatomie 446, 508, 842 – Sehnenerkrankung, degenerative 554 – Tendovaginitis 555 – Trauma 508, 842 Streeter-Syndrom 805 Striae – distensae 718 – Mamma 794 – Medical Needling 683 Stumpfbelastbarkeit 255 Sturge-Weber-Syndrom 300, 817 Stuttgarter Gürtel 61, 745 Stütz-BH 745 Subkutannaht 49 subscapular release 347 Sulcus-N.-ulnaris-Syndrom (SNUS) 425 superfizielles muskuloaponeurotisches System (SMAS), Gesichtstraffung 689 superiorer Glutäalarterienperforator-Lappen (SGAP) 174, 643 Supinatorsyndrom 420 Suprathel 663 Sutura coronalis 769 Sutura frontalis 768 Sutura lambdoidea 769 Sutura sagittalis 768 Suralislappen 226–231 Swanson, Einteilung der Handfehlbildungen nach 845 Swanson-Spacer 65 Symbrachydaktylie 803 Syme, transmalleoläre Amputation nach 262 Symphalangismus 804 Syndaktylie 845 – Apert-Syndrom 815 – Hand 802 Synovialsarkom 304 Syringomyelozele 171 Szintigraphie in der Handchirurgie 463
T Taille 719 Tarsaltunnelsyndrom 433 tarsokonjunktivaler Lappen 144 Tastsinn 496 Tätowierung – Laser 37 – Rekonstruktion Areola 645 Telekanthus 775, 841 Temporalislappen 111, 157 Tendinitis – M. extensor carpi ulnaris 557 – M. flexor carpi radialis 557 Tendovaginitis – de Quervain 453, 555 – Hand 580 – Handgelenk 556 Tensor-fascia-lata-Lappen 180, 188 Tenzel-Lappen 148 Tessier, Klassifikation der Gesichtsspalten nach 841 Testes, Replantation 203 Tetraplegie – Ellbogenfunktion 381, 385, 394 – Ersatzoperation – – Hand/Handgelenk 394 – – Schulter/Ellbogen 381, 390 – Hand(funktion) – – Faustschluss 398 – – Schlüsselgriff 397 – Schulterfunktion 380 – Spastik 400 Thalidomid 802 Thenaratrophie 422 thorakoepigastrischer Lappen 165 Thoraxwand – Atemtraining 171, 175 – Brust 164 – Interponat, synthetisches 165 – Lappenplastik 165, 171 – Poland-Syndrom 797 – Rekonstruktion 164 – – Weichgewebstumor, maligner 310 – Rücken 171 – Strahlenfibrose 292 Thromboembolie, venöse (VTE) – Prophylaxe 21 – Risikogruppen 21 Tibialis-anterior-Syndrom 364 Tinel-Zeichen 365 Traction-Tower 469 Tränendrüse 140 Tranquilli-Leali, palmare VY-DehnungslappenÂ� plastik nach 497 Translationslappenplastik, bipedikuläre 90 Transplantat – Allograft 78 – Autograft 78 – Composite-Transplantation 79 – Composite Graft 85 – Definition 78
R–T
868
Stichwortverzeichnis
Transplantat – Dermis 83 – Faszie 84 – Fett 83 – Haut 78 – Homograft 78 – Keratinozyten-Sheet 79 – Knochen 81 – Knorpel 79 – Muskel 84 – Nerv 84 – Sehnen 84 – Xenograft 78 Transplantation – Allotransplantation 236 – plastisch-chirurgischer Patient 236 Transpositionslappenplastik 88 – Stirn 106 Transsexualismus 198, 205 Trapezius-Lappen 111, 167, 173, 260, 840 trap door deformity 124 Treacher-Collins-Syndrom 773 Trendelenburg-Hinken 363 Tretinoin 672 triangulärer fibrokartilaginärer Komplex 843 Trichloressigsäure (TCA) 673 Trichterbrust 164, 169 – Silikon 65 Triefauge 147 Trigeminuslähmung, Augenmotilität 147 trigger finger 554 Trigonozephalus 769 trilobed flap – Gesicht 116 – Schnittführung 116 Trinkgeld-Stellung 343 Trinkplatte 786 Tripier-Lappen 144 Trisomie 21 – Handfehlbildung 809 tubed flap – Gesicht 119 – Schnittführung 119 Tumeszenzanästhesie 70 Tumor – benigner – – Einschlusszyste, epidermale 578 – – Fasziitis, noduläre 579 – – Gefäß 581 – – Hand 578 – – Haut 272, 578 – – Klassifikation 578 – – Knochen 581 – – Knorpel 581 – – Mamma 620 – – vaskulärer 300 – – Weichgewebe 296, 578 – maligner – – Adenomyoepitheliom, Mamma 621 – – Amputation der unteren Extremität 255 – – Augenlid 140, 142 – – Bauchwand 178
Becken/Leistenregion 184, 187 Hand 542, 583 Haut 280, 283, 583, 847 Infektion 532 Knochen 586 Mammakarzinom 615, 616, 625 obere Extremität 210 Strahlenfolgen 290 Thoraxwand 164 Umdrehplastik nach Borggreve-van Nes 258 – – untere Extremität 224 – – Vagina 205 – – vaskulärer 300 – – Weichgewebe 304, 586 – Präkanzerose der Haut 286 Tumorverschleppung 309 Türflügellappen 132 Turn-in-flap 132 Turner-Syndrom, Handfehlbildung 809
– – – – – – – – – –
– – – – – – – – – –
U Überknüpfverband 61 Ulkus – Dekubitus 7 auch dort 10 – diabetisches 9 – Strahlenulkus 10 – Ulcus cruris venosum 10 Ulnarisparese 375 Umdrehplastik – Borggreve-van Nes 258 – Sauerbruch 259 Unfallversicherungswesen 822 Unfurling 795 Unterschenkel – Fraktureinteilung nach Gustilo 224 – Rekonstruktion 227 Urbaniak, Ringavulsionsverletzungen nach 526 Urethrarekonstruktion 199, 201 Urinableitung 25 Urogenitaltrakt – Ästhetische Chirurgie 206 – Fehlbildung 198 – Rekonstruktion 198 UV-Strahlung – Basalzellkarzinom 283, 584 – Melanom 280, 584 – Plattenepithelkarzinom 285, 583 – Photoaging 280, 670 – Präkanzerose 286
V Vagina – Mann-zu-Frau-Transsexuelle 205 – Rekonstruktion 204 Vaginalatresie 204 Vakuumtherapie 16 Vakuumverband 62
Van Nuys-Klassifikation und Prognoseindex des duktalen Carcinoma in situ 626 Vastus-lateralis-Lappen 191, 193, 215, 226, 311 Vater-Pacini-Lamellenkörperchen 839 Velopharyngoplastik 786, 787 Venkataswami-Lappen 497, 499 Venkataswami und Subramanian, laterale Dehnungslappenplastik nach 499 Verätzung 653 Verband – Arten 14 – Dupuytren-Kontraktur, postoperativ 592 – Fußrekonstruktion 232 – Gynäkomastieoperation 750 – Hauttransplantation 61, 79 – Hebedefekt 61 – interaktiver 14 – Kompartmentsyndrom 548 – Kompression 54, 61 – Mamma 61 – Replantation Hand/Finger 529 – Ruhigstellung, postoperative 60 – Skalp 101 – Technik 60 – Verbrennungsverletzung 659, 664 – Vakuumverband 62 – Wundauflage, aktive/passive 14 Verbrennungsverletzung 650 – Analgesie, Sedierung 658 – Ausdehnung 651 – Bettenverteilungszentrale 656 – Escharotomie 659 – Grade 651 – Hautersatzmaterial 660, 663 – Hauttransplantation 78, 662 – Inhalationstrauma 655 – Lyell-Syndrom 655 – Nachbrennen 650 – Narbenmanagement 665 – – Medical Needling 682 – Nekrektomie 661 – Nekrolyse, toxisch-epidermale 655 – Ohr 134 – Pathophysiologie 650 – postoperatives Management 664 – Schwere 653 – Spalthaut 661 – Sterbewahrscheinlichkeit 653 – Temperaturabhängigkeit 650 – Therapie – – Beatmung 658 – – chirurgische 660 – – intensivmedizinische 656 – – Planung 658 – – Rekonstruktion, ästhetisch-funktionelle 665 – – Volumenersatz 657 – Tiefe 651, 660 – Verband 659 – Verlegung in Brandverletztenzentrum 657 – VTE-Prophylaxe 24 – Zonen 650 Verbrühung 653
869
Stichwortverzeichnis
Verdan, Zoneneinteilung bei StrecksehnenÂ� verletzungen der Hand nach 508 Vermillion 150, 152 Verschiebeschwenklappen 88 Vicryl-Netz, Bauchwanddefekt 179 Videofluroskopie in der Handchirurgie 468 Visierlappenplastik 90 – Gesicht 119 – Schnittführung 119 – Stirn 107 visuelle Analogskala (VAS) zur Schmerzmessung 26 Volkmann-Kontraktur 551 Vollhaut – Augenlid 140 – Nase 129 – Operationstechnik 78 – Transplantateigenschaften 78 – Wange 124 von Heimburg, Klassifikation der tuberösen Brust nach 794 Vorschublappen 100 – Stirn 105 VTE-Prophylaxe 21 VY-Dehnungslappen 88 VY-Vorschiebelappen 114
W W-Plastik (Gesicht) 114 Wachstumsfaktoren, Wundheilung 6 Wade, Vergrößerung/Verschmälerung 762 Wafer resection 475 waiters tip position 343 Wallace, Neunerregel nach 651 Waller-Degeneration 323 Wange – Anatomie 124 – Gewebeexpansion 124 – Konturdefekt 126 – N.-facialis-Parese 335 – Rekonstruktion 124 – Rotationslappen 116 – Vollhauttransplantation 124 Wangen-Hals-Rotationslappen nach Schrudde 90 Wartenberg-Syndrom 421 Washington-Regime 515 Washio-Lappen 129 Watschelgang 363 Watson-Test 454 Wedge-Resektion 135 Weichgewebe – Abdominoplastik 718 – Traumaklassifikation 836 – Tumor – – benigner 296, 297, 578 – – maligner 304, 307, 312–315, 586 Weichteiltrauma – Finger 496 – Hannover-Klassifikation 224
– Nahtmaterial, -technik 46 WHO-Stufenschema der Schmerztherapie 26 Windradlappen 100 Winkel, karpaler 459 Winkelmann-Klassifikation 258 Winterstein-Fraktur 486 wrap-around flap zur Daumenrekonstruktion 601, 606 Wundabdeckung 14 Wundauflage, aktive/passive 14 Wunde, chronische (Definition, Ursachen) 8 Wundheilung – Antibiotoka 17 – gestörte 8 – – Amputation der unteren Extremität 263 – – Mangelernährung 729, 730 – – Narbenbildung, überschießende 16 – Phasen 4 – Physiologie 4 – primäre 4 – Stirn 105 – Wachstumsfaktoren 6 – Wundmanagement 14 Wundkontraktion 4 Wundödem 4 Wundverschluss – Blutstillung 54 – Drainage 55 – Nahtmaterial 46 – Nahttechnik 48 – Prinzip 42 – Stirn 104 – Ulkus, diabetisches 10 – Vakuumtherapie 16 – Verbände 14 – Wundmanagement 14
X Xenograft 78 Xeroderma pigmentosum 287
Y YV-Vorschiebelappen 114
Z Z-Plastik 90 – Gesicht 114 – Schnittführung 114 – Variationen 91 Zahnschlagverletzung 487, 511, 537 Zancolli, Kapsulodese/Lassoplastik nach 375 Zange, sensible 312 Zechner, Nahttechnik nach 51, 514 Zehen – Amputation 260 – Fehlbildung 812
– – – – – – –
T–Z
Fingerersatz 503 Großzehentransfer als Daumenersatz 601 Hallux varus/valgus 815 Krallenzehen 404, 406 Morton-Metatarsalgie 435 Schädigung N. peronaeus 343 Zweitzehentransplantation, als Daumenersatz 605 Zehenpulpatransplantation, mikrochirurgische 503 zentrales Nervensystem (ZNS), Regeneration 324 Zitherspieler-Röntgenaufnahme 460 Zunge, Rekonstruktion 161 Zyste, dermale 272