Springer-Lehrbuch
Marian Paschke
Medienrecht 3., vollst. überarb. Auflage
1C
Prof. Dr. Marian Paschke Universität Hamburg Fakultät für Rechtswissenschaft Schlüterstr. 28 20146 Hamburg Deutschland
[email protected] ISSN 0937-7433 ISBN 978-3-540-49087-6 e-ISBN 978-3-540-49088-3 DOI 10.1007/978-3-540-49088-3 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1993, 2001, 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort
Im Zuge der Konvergenz der Medien ist die hergebrachte Unterscheidung der einzelnen Medien, insbesondere die Unterscheidung zwischen Print-, Rundfunk- und Onlinemedien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht immer weniger gerechtfertig. Die vorgelegte dritte Auflage des Lehrbuchs soll noch deutlicher die Fortentwicklung des traditionell gewachsenen Rechts der Medien zum Medienrecht sichtbar machen, als dies in den Vorauflagen erfolgte. Zu diesem Zweck war eine nahezu vollständige Überarbeitung des Textes erforderlich. Das Lehrbuch versucht, das Medienrecht der konvergierenden Medien unter Betonung der übergreifenden Regelungsbereiche darzustellen. Insofern beruht es auf einem in Lehrveranstaltungen erprobten, didaktisch motivierten Konzept. Das Medienrecht wird als eigenständiges Rechtsgebiet, als Sonderrecht der Massenmedien dargestellt, unbeschadet des Umstandes, dass es ein die einzelnen Medien überformendes Mediengesetzbuch im deutschen Recht nicht gibt. Die didaktische Konzeption ist in Gesprächen und Diskussionen mit Studierenden des Medienrechts vor allem in den Lehrveranstaltungen an der Universität Hamburg entstanden. Für Studierenden des Medienrechts ist dieses Buch auch in erster Linie geschrieben. Es mag helfen, die komplexe Rechtsmaterie, ihre rechtlichen Zusammenhänge und Besonderheiten zu verstehen und näher zu studieren. Vielleicht gelingt es zusätzlich, dem fortgeschrittenen Leser weiterführende Anregungen zum Verständnis des Medienrechts zu geben. Der Verfasser schuldet den Mitarbeitern an der Neuauflage Dank. Der Dank gilt Christian Wöhe, der als studentischer Mitarbeiter an dem Kapitel des Ordnungs- und Aufsichtrechts mitgewirkt hat. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Katharina Sahr hat bei der Erstellung der urheber- und markenrechtlichen Teile wertvolle Hilfe geleistet. Katharina Schuwalski hat an den Teilen des Medienstraf- und Medienprozessrechts intensiv mitgewirkt; überdies hat sie vor allem die Verweisungsapparate und das gesamte Sachverzeichnis bearbeitet; dafür gilt ihr mein Dank. Besonderer Dank gilt Herrn wissenschaftlicher Mitarbeiter Peter Husmann der die Fertigstellung des Manuskripts mit hervorragender Umsicht und unermüdlichem Fleiß begleitet und maßgeblich gefördert hat. Die neue Auflage befindet sich auf dem Stand der Rechtsentwicklung bis Juni 2009. Die gesetzgeberischen Aktivitäten im Medienrecht ergeben sich in rascher Folge von Neuregelungen. Auf erkennbar bevorstehende Änderungen ist vereinzelt hingewiesen worden. Anregungen und Vorschläge zum Lehrbuch sind willkommen und mögen dem Verfasser zugeleitet werden, zum Beispiel per E-Mail unter
[email protected]. Hamburg, im Juli 2009
Marian Paschke
Inhaltsübersicht
Erster Teil: Medienrecht als Rechtsdisziplin § 1 Medienrecht als Recht der Massenkommunikation .......................................... 1 § 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts......................................................... 19
Zweiter Teil: Allgemeine Grundlagen 1. Abschnitt: Europa- und verfassungsrechtliche Grundlagen ..................43 § 3 Europäisches Medienrecht .............................................................................. 44 § 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes................................. 61
2. Abschnitt: Regelungsziele und Rechtsgrundätze ................................115 § 5 Regelungsziele des Medienrechts .................................................................115 § 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts .............................................................127
Dritter Teil: Besondere Regelungsbereiche 1. Abschnitt: Medienmärkte und -wettbewerb ........................................172 § 7 Marktordnung durch Regulierungsrecht .......................................................173 § 8 Marktordnung durch Medienkartellrecht ......................................................194 § 9 Marktordnung durch Allgemeines Kartellrecht ............................................200
2. Abschnitt: Zulassung und Organisation von Medienunternehmen .....209 § 10 Zulassung von Medienunternehmen ..........................................................209 § 11 Innere Ordnung von Medienunternehmen ..................................................219
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3. Abschnitt: Medienerzeugnisse – Schutz, Herstellung, Werbung und Vertrieb ............................................................................................ 233 § 12 Urheber- und Markenrechtsschutz ............................................................. 233 § 13 Rechtsregeln für die Herstellung von Medienerzeugnissen ........................ 261 § 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen ............................ 266 § 15 Rechtsregeln für Werbung ......................................................................... 287
4. Abschnitt: Individualrechtsgüterschutz .............................................. 307 § 16 Rechtsgüterschutz ....................................................................................... 307 § 17 Pflichtenbindung ......................................................................................... 351 § 18 Haftung und Verantwortlichkeit ................................................................. 364 § 19 Rechtsbehelfe .............................................................................................. 379
5. Abschnitt: Schutz von Interessen der Allgemeinheit .......................... 419 § 20 Mediendatenschutz .................................................................................... 419 § 21 Jugendmedienschutz ................................................................................... 428 § 22 Medienbezogenes Strafrecht ....................................................................... 436 § 23 Medienbezogenes Strafverfahrensrecht ...................................................... 454
6. Abschnitt: Transparenz des Medienangebots ...................................... 469 § 24 Impressumspflicht ....................................................................................... 469 § 25 Publizitäts- und Kenzeichungspflichten ...................................................... 479 § 26 Archivierungspflichten ............................................................................... 485
7. Abschnitt: Medienaufsicht .................................................................. 489 § 27 Legitimation, Aufgaben und Abgrenzung................................................... 489 § 28 Aufsichts- und Kontrollregeln .................................................................... 492
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................. V Inhaltsübersicht ................................................................................................. VII Abkürzungsverzeichnis .................................................................................XXIII
Erster Teil: Medienrecht als Rechtsdisziplin § 1 Medienrecht als Recht der Massenkommunikation ..................................... 1 A. Medienrecht als Querschnittsdisziplin .......................................................... 1 B. Vom „Recht der Medien“ zum „Medienrecht“ ............................................. 5 C. Massenkommunikation als Regelungsgegenstand des Medienrechts ........... 9 D. Massen- und Individualkommunikation ..................................................... 14 I. Eigenarten und Erscheinungsformen ....................................................... 14 II. Fortdauernde Bedeutung der Unterscheidung von Massen- und Individualkommunikation ........................................................................... 17 § 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts ...................................................... 19 A. Presse .......................................................................................................... 20 B. Rundfunk ..................................................................................................... 21 C. Film ............................................................................................................. 26 D. Telemedien, Telemediendienste.................................................................. 27 E. Exkurs: Telekommunikation ....................................................................... 30 I. Rechtsbegriff der Telekommunikation..................................................... 30 II. Entwicklung und Grundzüge des Telekommunikationsrechts ................ 31 F. Einordnung ausgewählter Dienste ............................................................... 35 I. Sprachvermittelnde Dienste ..................................................................... 36 II. Bild- und Tonübertragende Dienste ........................................................ 37 1. Handy-TV .......................................................................................... 37 2. Video-on-demand ............................................................................... 38 3. Web-casting........................................................................................ 39 4. Live-streaming ................................................................................... 39
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III. Textübertragende Dienste ..................................................................... 40 IV. User Generated Content ........................................................................ 40 V. Kommunikationsplattformen in virtuellen Welten ................................. 42
Zweiter Teil: Allgemeine Grundlagen 1. Abschnitt: Europa- und verfassungsrechtliche Grundlagen ....................... 43 § 3 Europäisches Medienrecht ........................................................................... 44 A. Grundlagen ................................................................................................. 44 B. Primärrecht.................................................................................................. 47 I. Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 – 55 EGV ............................................... 47 II. Zoll- und Warenverkehrsfreiheit, Art. 23 – 31 EGV .............................. 49 III. Wettbewerbsrecht, Art. 81, 82 EGV ..................................................... 51 IV. Rechtstellung öffentlicher Unternehmen, Art. 86 EGV ........................ 51 V. Staatliche Beihilfen, Art. 87 - 89 EGV................................................... 52 VI. Kulturauftrag nach Art. 151 EGV ......................................................... 54 C. Sekundärrecht ............................................................................................. 54 I. Kommunikationsinfrastruktur-Richtlinien ............................................... 55 II. Inhalte-Richtlinien .................................................................................. 57 1. Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste ...................................... 58 2. Richtlinien zum elektronischen Geschäftsverkehr .............................. 60 3. Datenschutzrichtlinie .......................................................................... 60 § 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes............................ 61 A. Grundlagen ................................................................................................. 61 B. Meinungs- und Informationsfreiheit ........................................................... 65 I. Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG) ...................................... 65 II. Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG) ................................ 73 C. Medienfreiheiten (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) ............................................... 75 I. Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. GG) ...................................... 75 1. Abwehrrechtliche Dimension ............................................................. 75 2. Institutsgarantie und objektiv-rechtliche Dimension .......................... 79 II. Freiheit der Rundfunkberichterstattung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GG) .................................................................................................. 83 1. Die Rundfunkurteile des BVerfG ....................................................... 83 2. Strukturmerkmale der Rundfunkfreiheit ............................................. 88 a) Staatsfreiheit des Rundfunks .......................................................... 88 b) Erforderlichkeit einer „positiven Ordnung“ ................................... 89 c) Bindung an den Parlamentsvorbehalt ............................................. 91 3. Duale Rundfunkordnung .................................................................... 91 a) Rundfunkfreiheit öffentlich-rechtlicher Veranstalter ..................... 92 b) Rundfunkfreiheit privater Veranstalter .......................................... 94 4. Rundfunkbegriff und gegenständlicher Schutzbereich ....................... 97 5. Persönlicher Schutzbereich ............................................................... 100 III. Freiheit der Filmberichterstattung (Art. 5 Abs. 1 S. 2, 3. Alt. GG) ..... 101
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D. Die Schranken der Kommunikationsfreiheitsrechte.................................. 102 I. Die Unterscheidung von Ausgestaltung und Beschränkung .................. 103 II. Die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG .................................................... 104 III. Das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG .................................. 108 IV. Verfassungsimmanente Schranken ..................................................... 110 E. Exkurs: Art. 10 EMRK .............................................................................. 110 I. Verhältnis zum nationalen Recht ........................................................... 111 II. Sachlicher und persönlicher Schutzbereich .......................................... 112 III. Schranken ............................................................................................ 113 2. Abschnitt: Regelungsziele und Rechtsgrundsätze ...................................... 115 § 5 Regelungsziele des Medienrechts ............................................................... 115 A. Kommunikationsbezogene Regelungsziele............................................... 116 I. Gewährleistung einer Kommunikationsinfrastruktur ............................. 116 II. Öffnung des Zugangs und Gewährleistung chancengleichen Zugangs zur Kommunikationsinfrastruktur............................................... 117 III. Gewährleistung publizistischer Vielfalt .............................................. 119 IV. Förderung der Qualität von Medienangeboten .................................... 120 V. Gewährleistung von Rezipientenschutz ................................................ 120 VI. Gewährleistung kultureller Identität .................................................... 121 B. Nicht-kommunikationsbezogene Regelungsziele ..................................... 122 I. Gewährleistung von Persönlichkeitsschutz ............................................ 122 II. Gewährleistung von Jugendmedienschutz ............................................ 123 III. Gewährleistung des Schutzes geistigen Eigentums ............................. 124 IV. Gewährleistung von Konsumentenschutz ........................................... 126 § 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts .......................................................... 127 A. Massenmedien privilegierende Rechtsgrundsätze .................................... 127 I. Gewährleistung von Informationsfreiheit .............................................. 128 1. Medienrechtliche Informationsansprüche ......................................... 128 2. Auskunftsansprüche gegenüber Privaten, Zutrittsrechte zu privaten Veranstaltungen ...................................................................... 133 3. Recht auf Berichterstattung............................................................... 135 a) Recht auf Kurzberichterstattung ................................................... 136 b) Recht auf Übertragung von Großereignissen ............................... 138 c) Wirksamkeitsschranken von Exklusivverträgen .......................... 139 4. Wahrnehmung berechtigter Interessen.............................................. 140 II. Gewährleistung der Kommunikationsfreiheit ....................................... 142 1. Schutz vor staatlicher Einflussnahme ............................................... 142 a) Zensurverbot ................................................................................ 142 b) Zeugnisverweigerungsrecht ......................................................... 144 c) Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote............................... 145 2. Schutz vor fremder, nicht-staatlicher Einflussnahme ....................... 147 a) Schutz des Redaktionsgeheimnisses ............................................ 147 b) Tendenzschutz.............................................................................. 149
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3. Privilegien im Urheberrecht.............................................................. 150 4. Sonderregelungen des Datenschutzes ............................................... 151 5. Privilegien im Wettbewerbsrecht...................................................... 152 B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze ...................................... 153 I. Pflichten im Allgemeininteresse ............................................................ 153 1. Öffentliche Aufgabe ......................................................................... 153 2. Wahrheits- und Sorgfaltspflicht ........................................................ 154 3. Vielfaltsicherung............................................................................... 158 a)Vielfaltsicherung durch Wirtschafts- oder Medienrecht ............... 158 b) Binnenplurales oder außenplurales Modell .................................. 162 4. Inhaltsbindungen .............................................................................. 163 5. Trennung von Werbung und redaktioneller Berichterstattung.......... 165 6. Produktionsquoten ............................................................................ 167 7. Versorgungspflichten ........................................................................ 168 8. Verlautbarungen Dritter, Verhalten bei Wahlwerbung ..................... 169 II. Pflichten im Individualinteresse ........................................................... 169 III. Ordnungsrecht der Massenmedien ...................................................... 169 1. Sog. Impressumspflicht ................................................................... 169 2. Publizitätspflichten ........................................................................... 170 3. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten ................................. 170
Dritter Teil: Besondere Regelungsbereiche 1. Abschnitt: Medienmärkte und -wettbewerb ............................................... 172 § 7 Marktordnung durch Regulierungsrecht .................................................. 173 A. Regulierung der Telekommunikationswirtschaft ...................................... 174 B. Marktregulierung nach dem TKG ............................................................. 177 I. Überblick ............................................................................................... 177 II. Verfahren der Marktregulierung ........................................................... 178 1. Grundsätze ........................................................................................ 178 2. Marktabgrenzung .............................................................................. 179 3. Marktanalyse .................................................................................... 180 III. Netzzugangsregulierung ...................................................................... 182 1. Übersicht........................................................................................... 182 2. Netzzugang nach den §§ 21 ff. TKG ................................................ 183 a) Grundsätze ................................................................................... 183 b) Einzelne, ausgewählte Zugangsverpflichtungen .......................... 186 aa) Netzzusammenschaltung ....................................................... 186 bb) Roaming ................................................................................ 187 cc) Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung ............................... 187 dd) Zugang zu Mietleitungen....................................................... 188 ee) Breitbandzugang und Bitstream Access ................................ 188 ff) Netzzugang durch Resale ....................................................... 189 2. Betreiberauswahl nach § 40 TKG ..................................................... 190 3. Mietleitungen für Endkunden ........................................................... 191
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IV. Entgeltregulierung...............................................................................191 1. Genehmigungsmaßstäbe ...................................................................192 a) Maßstäbe genehmigungspflichtiger Entgelte ...............................192 b) Allgemeine Maßstäbe der Entgeltregulierung..............................193 2. Verfahren der Entgeltregulierung .....................................................193 § 8 Marktordnung durch Medienkartellrecht ................................................194 A. Konzeption der Vielfaltsicherung im Rundfunksektor .............................195 B. Vielfaltsicherung nach den §§ 25 ff. RStV ...............................................197 I. Sicherung publizistischen Wettbewerbs ................................................ 197 II. Verbot vorherrschender Meinungsmacht..............................................197 § 9 Marktordnung durch Allgemeines Kartellrecht.......................................200 A. Grundsätze ................................................................................................201 B. Medienbezogene Anwendung des Allgemeinen Kartellrechts..................201 I. Kartellkontrolle ......................................................................................202 II. Missbrauchskontrolle............................................................................204 III. Zusammenschlusskontrolle .................................................................205 C. Preisbindung bei Verlagserzeugnissen......................................................206 2. Abschnitt: Zulassung und Organisation von Medienunternehmen ..........209 § 10 Zulassung von Medienunternehmen........................................................209 A. Grundsatz der Zulassungsfreiheit..............................................................210 B. Zugang zur Telekommunikation ...............................................................211 C. Zugang zum Rundfunk.............................................................................212 I. Veranstaltung öffentlich-rechtlichen Rundfunks ...................................213 II. Zulassungspflichtiger Zugang zum privaten Rundfunk........................215 1. Persönliche Zulassungsvoraussetzungen ..........................................216 2. Sachliche Zulassungsvoraussetzungen .............................................217 a) Vielfaltsicherung im bundesweiten Fernsehen.............................217 b) Vielfaltsicherung im Hörfunk und im Lokalfernsehen ................218 III. Vereinfachter bzw. zulassungsfreier Zugang zum Rundfunk..............218 § 11 Innere Ordnung von Medienunternehmen .............................................219 A. Grundlagen................................................................................................220 B. Individualarbeitsrecht im Medienunternehmen.........................................222 I. Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses ....................................222 II. Tendenzschutz und Loyalitätspflicht ....................................................224 III. Schutz der Gewissensfreiheit des Medienmitarbeiters ........................227 IV. Freistellung des Medienmitarbeiters von Ansprüchen Dritter ............227 V. Tendenzschutz und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.......228 C. Kollektives Arbeitsrecht im Medienunternehmen.....................................228 I. Betriebliche Mitbestimmung..................................................................228 II. Unternehmensmitbestimmung ..............................................................230 D. Arbeitskampf und Tarifvertrag im Medienunternehmen ..........................230
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3. Abschnitt: Medienerzeugnisse – Schutz, Herstellung, Werbung und Vertrieb ...................................................................................................... 233 § 12 Urheber- und Markenrechtsschutz.......................................................... 233 A. Urheberrechtlicher Werkschutz des Medienschaffens .............................. 234 I. Schutzgegenstand................................................................................... 235 II. Schutzinhaber ....................................................................................... 237 III. Schutzinhalt ......................................................................................... 238 1. Urheberpersönlichkeitsrecht ............................................................. 238 2. Verwertungsrechte ............................................................................ 240 a) Körperliche Verwertung............................................................... 241 b) Unkörperliche Verwertung .......................................................... 243 IV. Schutzschranken ................................................................................. 244 V. Vergütungsansprüche ........................................................................... 247 VI. Nutzungsrechte, Urhebervertragsrecht ................................................ 248 B. Urheberrechtliche Leistungsschutzrechte ................................................. 251 C. Verwertungsgesellschaften im Medienurheberrecht ................................. 253 D. Marken- und Kennzeichenschutz .............................................................. 255 I. Titelschutz.............................................................................................. 255 1. Entstehen des Titelschutzes .............................................................. 255 2. Schutzinhaber ................................................................................... 257 3. Schutzinhalt ...................................................................................... 257 4. Übertragung von Titelrechten ........................................................... 258 II. Markenrecht .......................................................................................... 258 1. Entstehen des Markenschutzes ......................................................... 258 2. Schutzinhaber ................................................................................... 259 3. Schutzinhalt ...................................................................................... 259 4. Übertragung von Markenrechten ...................................................... 261 § 13 Rechtsregeln für die Herstellung von Medienerzeugnissen ................... 261 A. Organisationsverträge ............................................................................... 262 I. Kooperationsverträge ............................................................................. 262 II. Auftragsproduktion............................................................................... 264 B. Finanzierungsverträge ............................................................................... 265 C. Realisationsverträge .................................................................................. 265 § 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen ....................... 266 A. Vertrieb von Verlagserzeugnissen ............................................................ 267 I. Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenhandel.............................................. 267 II. Presse-Grosso-Vertrieb ......................................................................... 268 III. Zeitungskauf und Abonnement ........................................................... 270 IV. Online-Absatz ..................................................................................... 271 V. Verlagsrechtliche Grundlagen .............................................................. 271 B. Film ........................................................................................................... 272 C. Rundfunk (und vergleichbare Telemedien)............................................... 274 I. Programmvertrieb, Rundfunkübertragung ............................................. 275
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1. Technisch-wirtschaftliche Grundlagen der rechtlichen Ordnung .....275 2. Rechtlicher Ordnungsrahmen ........................................................... 276 3. Regelungsgrundsätze des TKG.........................................................278 4. Regelungsgrundsätze des allgemeinen Kartellrechts ........................ 279 5. Ausgewählte Regulierungsbereiche.................................................. 279 II. Werbezeitenvertrieb..............................................................................280 D. Musik ........................................................................................................281 E. Fotos..........................................................................................................283 F. Computerspiele..........................................................................................284 G. Onlinevertrieb ...........................................................................................284 § 15 Rechtsregeln für Werbung .......................................................................287 A. Allgemeines Wettbewerbsrecht ................................................................288 I. Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ....................................................288 1. Grundzüge.........................................................................................288 2. Telefon-, e-mail- und Faxwerbung ...................................................291 II. Verordnung zur Regelung der Preisangaben ........................................292 B. Medienspezifisches Werberecht................................................................292 I. Grundsatz der Trennung von Werbung und sonstigen Medieninhalten .293 1. Screen Splitting.................................................................................293 2. Product Placement, Schleichwerbung...............................................294 3. Virtuelle Werbung ............................................................................297 4. Sponsoring ........................................................................................298 5. Bartering ...........................................................................................300 6. Medienverbund .................................................................................300 7. Merchandising ..................................................................................301 II. Rundfunkwerberecht ............................................................................302 1. Gemeinsame Rechtsregeln für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk .........................................................................302 2. Werberegeln für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk .....................303 3. Besondere Regeln für den privaten Rundfunk ..................................304 4. Abschnitt: Individualrechtsgüterschutz ......................................................307 § 16 Rechtsgüterschutz......................................................................................307 A. Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts .........................................308 B. Spezialgesetzlich geregelte Persönlichkeitsrechte ....................................309 I. Schutz der Ehre ......................................................................................309 1. Ehrbegriff und Ehrträger...................................................................310 2. Gesetzessystematik ...........................................................................311 3. Die Tatbestände der Ehrverletzung...................................................312 a) Verleumdung................................................................................312 b) Üble Nachrede .............................................................................313 c) Beleidigung ..................................................................................314 d) Politische üble Nachrede..............................................................316 e) Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ............................316
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f) Beleidigung ausländischer Staatspersonen ................................... 316 4. Rechtswidrigkeit und Wahrnehmung berechtigter Interessen .......... 317 II. Der Bildnisschutz ................................................................................. 319 1. Gesetzliche Grundlagen im KUG und StGB .................................... 320 2. Gegenstand und Umfang .................................................................. 321 a) Bildnis .......................................................................................... 321 b) Bildnisherstellung ........................................................................ 321 c) Gesetzliche Fotografierverbote .................................................... 322 d) Bildnisveröffentlichung ............................................................... 323 aa) Veröffentlichtes Bildnis ......................................................... 324 bb) Einwilligung nach § 22 Satz 1 KUG ..................................... 324 cc) Abbildungsfreiheit nach § 23 Abs. 1 KUG............................ 325 dd) Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten ........... 328 ee) Ausnahmen im öffentlichen Interesse.................................... 330 III. Der Schutz des gesprochenen Wortes ................................................. 330 IV. Namens- und Kennzeichenschutz ....................................................... 332 1. Bürgerlich-rechtlicher Namensschutz............................................... 332 2. Domain-Namensschutz..................................................................... 332 3. Kennzeichenschutz nach dem MarkenG........................................... 334 C. Rechtsfortbildend anerkannte Persönlichkeitsrechte................................. 336 I. Gegenstandsbereich ............................................................................... 336 1. Intimsphäre ....................................................................................... 336 2. Privatsphäre ...................................................................................... 337 3. Sozialsphäre...................................................................................... 338 II. Ausprägungen....................................................................................... 339 1. Autonome Festlegung des sozialen Geltungsanspruchs ................... 339 2. Schutz des Lebens- und Charakterbildes .......................................... 342 3. Schutz der informationellen Selbstbestimmung ............................... 342 4. Schutz gegen ungewollte Kommerzialisierung................................. 343 5. Das sog. IT-Grundrecht ................................................................... 344 IV. Postmortaler Persönlichkeitsschutz..................................................... 344 D. Schutz des Rechts am Unternehmen......................................................... 346 I. Grundlagen ............................................................................................ 346 II. Schutzvoraussetzungen......................................................................... 347 1. Eingerichteter und ausgeübter Gewerbetrieb .................................... 347 2. Betriebsbezogener Eingriff ............................................................... 347 3. Rechtswidrigkeit ............................................................................... 348 III. Ausgewählte Schutzbereiche............................................................... 349 1. Betriebsinterna.................................................................................. 349 2. Produkt- und Unternehmenskritik..................................................... 350 3. Testberichterstattung, Marktforschungsstudien ................................ 350 § 17 Pflichtenbindung ....................................................................................... 351 A. Pflichtenbindung bei der Medienberichterstattung ................................... 352 I. Publizistische Wahrheits- und Sorgfaltspflicht ...................................... 352 II. Pflichtenumfang ................................................................................... 354
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III. Pflichtenträger .....................................................................................355 B. Pflichtenbindung bei der Medienrecherche...............................................357 I. Grundsätze .............................................................................................357 II. Unzulässige Recherchemethoden und -mittel....................................... 359 1. Strafrechtliche Verbotsnormen .........................................................359 2. Zivilrechtliche Pflichtenbindung ...................................................... 360 III. Gegenständliche Grenzen der Recherchetätigkeit ...............................361 1. Räumlich-gegenständliche Grenzen .................................................361 2. Sachbereichsbezogene Grenzen........................................................363 § 18 Haftung und Verantwortlichkeit.............................................................. 364 A. Medienrechtliche Verbreiterhaftung .........................................................364 B. Sonderregeln für das Internet ....................................................................367 I. Rechtsentwicklung .................................................................................367 II. Rechtslage nach dem TMG ..................................................................368 1. Grundsätze ........................................................................................368 2. Haftung und Verantwortlichkeit für eigene Informationen...............370 3. Haftung und Verantwortlichkeit für fremde Informationen..............370 a) Grundregeln des TMG .................................................................370 b) Störerhaftung von Host- und Access-Provider.............................372 c) Täterschaftliche Haftung von Host- und Access-Provider ...........373 d) Haftung des Forenbetreibers und ähnlicher Diensteanbieter........373 4. Haftung für Links..............................................................................375 C. Haftungsprivilegien...................................................................................376 I. Haftung der Presse für Anzeigenveröffentlichungen .............................377 II. Presseprivileg des § 9 S.2 UWG...........................................................377 III. Medienprivilegierung im ProdHG.......................................................378 § 19 Rechtsbehelfe .............................................................................................379 A. Der Gegendarstellungsanspruch ...............................................................379 I. Rechtsnatur und Bedeutung ...................................................................379 II. Rechtsgrundlagen .................................................................................381 III. Anspruchsvoraussetzungen .................................................................382 1. Anspruchsberechtigung ....................................................................382 2. Materielle Voraussetzungen..............................................................383 a) Veröffentlichung ..........................................................................383 b) Tatsachenbehauptung...................................................................384 c) Fehlen von Ausschlussgründen ....................................................385 d) Form- und inhaltsgerechte Gegendarstellung ..............................387 e) Zuleitung des Veröffentlichungsverlangens.................................389 IV. Die Veröffentlichungspflicht ..............................................................390 V. Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs ...................................391 VI. Verhältnis zu anderen Ansprüchen .....................................................392 B. Der Unterlassungsanspruch.......................................................................393 I. Anspruchsgrundlage ..............................................................................394 II. Anspruchsvoraussetzungen...................................................................394
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1. Anspruchsberechtigte ....................................................................... 394 2. Anspruchsverpflichtete ..................................................................... 395 3. Widerrechtlichkeit der Störung......................................................... 395 4. Begehungsgefahr .............................................................................. 396 5. Mehrdeutige und verdeckte Behauptungen....................................... 397 6. Prozessuale Durchsetzung ................................................................ 397 C. Der Berichtigungs-/Widerrufsanspruch .................................................... 399 I. Anspruchsgrundlage .............................................................................. 400 II. Anspruchsvoraussetzungen .................................................................. 400 1. Unwahre Tatsachenbehauptung ........................................................ 400 2. Fortdauernde rechtswidrige Beeinträchtigung .................................. 401 3. Erforderlichkeit................................................................................. 402 III. Die Berichtigungserklärung ................................................................ 402 IV. Durchsetzung des Berichtigungsanspruchs ......................................... 403 D. Der Schadenersatzanspruch ...................................................................... 403 E. Die Geldentschädigung ............................................................................. 406 I. Entwicklung und dogmatische Herleitung ............................................. 406 II. Anspruchsvoraussetzungen .................................................................. 408 1. Schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung ......................................... 408 2. Unabwendbares Bedürfnis für eine Entschädigung .......................... 409 3. Schweres Verschulden des Verletzers .............................................. 409 4. Kein anderer Ausgleich möglich ...................................................... 410 III. Höhe der Geldentschädigung .............................................................. 410 F. Der Herausgabeanspruch........................................................................... 411 G. Der Rückrufanspruch ................................................................................ 412 I. Grundlagen und Bedeutung ................................................................... 412 II. Voraussetzungen................................................................................... 413 1. Schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts................................. 413 2. Interessenabwägung.......................................................................... 414 3. Versagen der hergebrachten Rechtsbehelfe des Persönlichkeitsschutzes .................................................................. 415 4. Unabhängigkeit vom Rückgabeanspruch.......................................... 415 III. Gegenstand des Rückrufs .................................................................... 416 IV. Verschuldensunabhängigkeit .............................................................. 416 V. Anspruchsgegner .................................................................................. 416 VI. Reichweite und Inhalt der Rückrufverpflichtung................................ 417 H. Hilfsansprüche .......................................................................................... 417 5. Abschnitt: Schutz von Interessen der Allgemeinheit.................................. 419 § 20 Mediendatenschutz.................................................................................... 419 A. Rechtliche Anforderungen ........................................................................ 420 I. Rechtsgrundlagen................................................................................... 420 II. Schutzgegenstand ................................................................................. 420 III. Schutzgrundsätze................................................................................. 422 1. Überblick .......................................................................................... 422
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2. Erlaubnistatbestände des BDSG ....................................................... 422 a) Einwilligung ................................................................................. 422 b) Sondergesetzliche Erlaubnistatbestände ...................................... 423 c) Erlaubter Umgang mit Vertragsdaten ........................................... 423 d) Erlaubter Umgang mit allgemein zugänglichen Daten ................ 424 e) Erlaubnis bei überwiegendem Unternehmensinteresse ................ 424 B. Rechtschutzgrundsätze .............................................................................. 425 I. Rechte des Betroffenen .......................................................................... 425 1. Informationsansprüche...................................................................... 425 2. Anspruch auf Berichtigung, Löschung und Sperrung ....................... 426 3. Widerspruchsrecht ............................................................................ 426 4. Datenschutzrechtlicher Schadenersatzanspruch................................ 426 II. Sonstige Sanktionen.............................................................................. 427 III. Kontrolle durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten............... 427 § 21 Jugendmedienschutz ................................................................................. 428 A. Übersicht ................................................................................................... 428 B. Kernregelungen des JMStV ...................................................................... 430 I. Anwendungsbereich ............................................................................... 430 II. Das dreistufige Schutzsystem ............................................................... 431 C. Kernregelungen des JuSchG ..................................................................... 433 I. Anwendungsbereich ............................................................................... 433 II. Schutzregeln ......................................................................................... 434 D. Erschwerung des Zugang zu kinderpornographischen Inhalten ................ 435 § 22 Medienbezogenes Strafrecht ..................................................................... 436 A. Das Strafgesetzbuch .................................................................................. 436 I. Straftaten gegen die öffentliche Ordnung .............................................. 437 II. Der Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs, §§ 201 ff. StGB ......................................................................................... 443 III. Sonstige Straftatbestände des StGB .................................................... 446 B. Vorschriften des Neben- und Sonderstrafrechts ........................................ 448 I. Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) ............................................................ 448 II. § 33 KUG ............................................................................................. 450 III. §§ 106 ff. UrhG ................................................................................... 450 IV. Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG) ...................................... 451 V. Sonderstrafrecht der Presse .................................................................. 451 VI. Sonderregelungen im Bereich des Rundfunks .................................... 454 § 23 Medienbezogenes Strafverfahrensrecht .................................................. 454 A. Das publizistische Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO) .................... 455 I. Aufgabe und Bedeutung......................................................................... 455 II. Träger des Rechts ................................................................................. 456 III. Inhalt des Zeugnisverweigerungsrechts............................................... 457 B. Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote............................................ 459 I. Beschlagnahme zu Beweiszwecken, §§ 94 – 98 StPO ........................... 460
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Inhaltsverzeichnis
II. „Auflagenbeschlagnahme“ zur Einziehung, §§ 111m, 111n StPO ....... 462 III. Durchsuchungen, §§ 102 ff. StPO ....................................................... 464 C. Sonstige Zugriffsmöglichkeiten ................................................................ 465 6. Abschnitt: Transparenz des Medienangebots ............................................. 469 § 24 Impressumspflichten ................................................................................. 469 A. Allgemeines .............................................................................................. 469 B. Inhaltsbezogene Impressumspflichten ...................................................... 470 I. Allgemeine Impressumspflichten .......................................................... 470 1. Adressaten ........................................................................................ 470 2. Inhalt der Impressumspflicht ............................................................ 471 II. Erweiterte Impressumspflichten ........................................................... 472 1. Adressaten ........................................................................................ 472 2. Inhalt der erweiterten Impressumspflicht ......................................... 473 a) Verantwortlicher (Redakteur) ...................................................... 473 b) Verantwortlicher für den Anzeigenteil......................................... 475 c) Impressum bei Übernahme fertiger Teile ..................................... 475 d) Offenlegung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse .............. 476 C. Wirtschaftsbezogene Impressumspflichten ............................................... 476 I. Adressaten.............................................................................................. 476 II. Inhalt der wirtschaftsbezogenen Impressumspflichten ......................... 477 D. Durchsetzung ............................................................................................ 478 § 25 Publizitäts- und Kennzeichnungspflichten .............................................. 479 A. Kennzeichnung kommerzieller Kommunikation ...................................... 479 I. Allgemeines ........................................................................................... 479 II. Pressegesetzliche Kennzeichnungspflicht ............................................ 480 III. Kennzeichnungspflicht bei Telemedien .............................................. 482 IV. Durchsetzung ...................................................................................... 484 B. Publizitätspflichten nach dem RStV ......................................................... 485 § 26 Archivierungspflichten ............................................................................. 485 A. Die Abgabe von Pflichtexemplaren .......................................................... 485 B. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten .......................................... 486 7. Abschnitt: Medienaufsicht............................................................................ 489 § 27 Legitimation, Aufgaben und Abgrenzung ............................................... 489 A. Legitimation staatlicher Aufsichtstätigkeit ............................................... 489 B. Aufgaben und Abgrenzung ....................................................................... 489 § 28 Aufsichts- und Kontrollregeln .................................................................. 492 A. Freiwillige Selbstkontrolle ........................................................................ 492 I. Der Presserat .......................................................................................... 493 II. Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft .............................. 494
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B. Co-Regulierung .........................................................................................495 I. Jugendschutz ..........................................................................................495 II. Datenschutz ..........................................................................................497 C. Regulierung ...............................................................................................498 I. Aufnahmeüberwachung .........................................................................498 1. Telekommunikation ..........................................................................498 2. Rundfunk ..........................................................................................499 II. Ausübungsüberwachung.......................................................................500 1. Staatliche Ausübungsüberwachung .................................................. 501 a) Infrastruktur .................................................................................501 b) Jugendschutz (Trägermedien und Bildträger) ..............................502 c) Datenschutz ..................................................................................503 d) Kundenschutz...............................................................................504 e) Telemedien...................................................................................504 2. Staatsfreie Ausübungsüberwachung .................................................505 a) Medienintern ................................................................................505 b) Medienextern ...............................................................................507 D. Staatsaufsicht ............................................................................................508 Sachverzeichnis..................................................................................................511
Abkürzungsverzeichnis
a.A. ................................ anderer Ansicht a.a.O. ............................. am angegebenen Ort ABl. EG ......................... Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Jahr, Nummer und Seite) abl. ................................. ablehnend ABl. ............................... Amtsblatt Abs. ............................... Absatz AcP ................................ Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift) a.E. ................................ am Ende a.F. ................................ alte Fassung AfP ................................ Archiv für Medien und Kommunikationsrecht (früher Presserecht) (Zeitschrift) AG ................................. Aktiengesellschaft; Amtsgericht AGG............................... Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AGB .............................. Allgemeine Geschäftsbedingungen AK ................................. Alternativkommentar AktG .............................. Aktiengesetz ALM .............................. Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten allg. ............................... allgemein Alt. ................................ Alternative a.M. ............................... andere Meinung amtl. .............................. amtlich Anm. ............................. Anmerkung AO ................................. Abgabenordnung AöR ............................... Archiv des öffentlichen Rechts AP ................................. Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts. Arbeitsrechtliche Praxis (AP), Entscheidungssammlung (1950 ff.) ArchPF .......................... Archiv für Post und Telekommunikation ARD .............................. Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland arg. ................................ argumentum Art. ................................ Artikel AT ................................. Allgemeiner Teil ATM ............................. Asynchronous Transfer Mode Az. ................................. Aktenzeichen BAG .............................. BAGE ............................ BayObLG ...................... BB ................................. Bd. ................................. BeckTKG-Kommentar .. Begr. ..............................
Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band Beck’scher Kommentar zum TKG Begründung
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Abkürzungsverzeichnis
BEGTP........................... Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen ber. ................................ berichtigt betr. ............................... betreffend BetrVG .......................... Betriebsverfassungsgesetz BDSG............................. Bundesdatenschutzgesetz BFH .............................. Bundesfinanzhof BGB .............................. Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. ............................ Bundesgesetzblatt BGH .............................. Bundesgerichtshof BGHSt .......................... Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Band und Seite) BGHZ ........................... Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BKartA .......................... Bundeskartellamt BNetzA .......................... Bundesnetzagentur BPatG ............................ Bundespatentgericht BPjM.............................. Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien BR ................................. Bundesrat BRAO ........................... Bundesrechtsanwaltsordnung BR-Drs. ......................... Bundesrats-Drucksache bspw. ............................. beispielsweise BT ................................. Bundestag BT-Drs. ......................... Bundestags-Drucksache BVerfG ......................... Bundesverfassungsgericht BVerfGE ....................... Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG........................ Bundesverfassungsgerichtsgesetz BVerwG ........................ Bundesverwaltungsgericht bzw. ............................... beziehungsweise CA-System..................... Conditional Access System CEPT ............................. Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications (Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation) CR ................................. Computer und Recht (Zeitschrift) Datenbank-Richtlinie ..... Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken DB ................................. Der Betrieb (Zeitschrift) ders. ............................... Derselbe DFL................................ Deutsche Fußball Liga GmbH d.h. ................................ das heißt dies. ............................... dieselbe DJT ............................... Deutscher Juristentag DÖV .............................. Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) DVBl. ............................ Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) DVB-H........................... Digital Video Broadcasting Handhelds DVB-T ........................... Digital Video Broadcasting Terrestrial DRM .............................. Digital Rights Management EBU ............................... European Broadcasting Union EG ................................. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amsterdamer Fassung); Europäische Gemeinschaft EGMR ........................... Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
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EGV .............................. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Maastrichter Fassung) Einf. ............................... Einführung Einl. ............................... Einleitung EKMR ........................... Europäische Kommission für Menschenrechte EMRK ........................... Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundrechte – Europäische Menschenrechtskonvention – vom 4. 11. 1950 endg. .............................. endgültig Entsch. ........................... Entscheidung entspr. ............................ entsprechend Entw. ............................. Entwurf epd ................................. epd Medien (Zeitschrift) ERG .............................. European Regulators Group etc. ................................. et cetera EU ................................. Europäische Union EuG ............................... Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften EuGH Slg. .................... Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (Sammlung der Recht-sprechung des Gerichtshofs) EuGH ............................ Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften EuGRZ .......................... Europäische Grundrechte-Zeitschrift EuR ............................... Europarecht (Zeitschrift) EuZW ............................ Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWGV .......................... Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag ................ siehe EWGV EWR .............................. Vertrag über einen einheitlichen Wirtschaftsraum f. .................................... ff. ................................... FG ................................. FKVO............................. Fn. ................................. FS .................................. FSF................................. FSK ................................ FSM ...............................
folgende fortfolgende Festgabe EG-Fusionskontrollverordnung, Verordnung Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen Fußnote Festschrift Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter
gem. ............................... gemäß GEMA ........................... Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte GewA (GewArch) ......... Gewerbearchiv (Zeitschrift) GewO ............................ Gewerbeordnung GG ................................. Grundgesetz ggf. ................................ gegebenenfalls GmbH ............................ Gesellschaft mit beschränkter Haftung GRUR ........................... Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) GRUR Int. ..................... Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (Zeitschrift) GRUR-RR ..................... Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) GVBl. ............................ Gesetz- und Verordnungsblatt GVG .............................. Gerichtsverfassungsgesetz GWB ............................. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
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Halbs. ............................ HansOLG ...................... HGB .............................. h.L. ................................ h.M. ............................... Hrsg. ............................. HTTP .............................
Halbsatz Hanseatisches Oberlandesgericht Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber Hypertext Transfer Protocol
idF. ................................ idR. ............................... iE. .................................. ieS. ................................ IFG ................................. iHv. ............................... IN .................................. insbes. ........................... InsO .............................. IP ................................... IP-TV ............................. iRd. ............................... iSd. ................................ iSv. ................................ ITU ................................ IuKDG ..........................
in der Fassung in der Regel im Ergebnis im engeren Sinne Informationsfreiheitsgesetz in Höhe von Intelligente Netzdienste insbesondere Insolvenzordnung Internet Protocol Internet Protocol Television im Rahmen des/der im Sinne des/der im Sinne von International Telecommunication Union Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informationsund Kommunikationsdienste iVm. .............................. in Verbindung mit iwS ................................ im weiteren Sinne iZw. ............................... im Zweifel JA .................................. Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) JMStV ........................... Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien JuSchG .......................... Jugendschutzgesetz JR .................................. Juristische Rundschau (Zeitschrift) JW ................................. Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) JZ .................................. Juristenzeitung (Zeitschrift) K&R .............................. KDLM ........................... KEL ............................... KEK ............................... Kap. ............................... KG ................................ krit. ................................ KSchG ........................... KUG .............................. KUR ..............................
Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich Kapitel Kammergericht Kritisch Kündigungsschutzgesetz Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie Kunstrecht und Urheberecht (Zeitschrift)
LAG .............................. Landesarbeitsgericht LG ................................. Landgericht lit. .................................. litera, Buchstabe
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LM ................................ Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring LPG ............................... Landespressegesetz LS .................................. Leitsatz MA ................................ Markenartikel (Zeitschrift) MarkenG ....................... Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz – MarkenG) MDR ............................. Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MDStV .......................... Mediendienste-Staatsvertrag m.E. ............................... meines Erachtens mind. ............................. Mindestens MitbestG ........................ Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, Mitbestimmungsgesetz Mio. ............................... Million/en MK ................................ Medien & Kommunikationswissenschaft (Zeitschrift) MMR ............................ Multimedia & Recht (Zeitschrift) MP ................................. Media Perspektiven (Zeitschrift) MStV HSH .................... Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und SchleswigHolstein MüKo ............................ Münchener Kommentar m.w.N. ........................... mit weiteren Nachweisen n.F. ................................ NJW .............................. NJWE-WettbR .............. NJW-RR ........................ Nr. ................................. Nrn. ............................... NRB .............................. NStZ .............................. NVwZ ........................... NZA ..............................
neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Entscheidungsdienst Wettbewerbsrecht (Zeitschrift) NJW- Rechtssprechungs-Report Zivilrecht (Zeitschrift) Nummer Nummern Nationale Regulierungsbehörde(n) Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
o.ä. ................................. oder ähnliche(s) OLG .............................. Oberlandesgericht OLGE ............................ Entscheidungen der Oberlandesgerichte einschließlich freiwillige Gerichtsbarkeit OLGR ............................ OLG-Rechtsprechung OVG .............................. Oberverwaltungsgericht OWiG ............................ Gesetz über Ordnungswidrigkeiten PatG .............................. Patentgesetz PreisangabenVO............. Preisangabenverordnung RabattG ......................... RefE .............................. RegBegr. ....................... RegE .............................. RG ................................. RGBl. ............................ RGZ .............................. RL ................................. Rn. .................................
Rabattgesetz Referentenentwurf Regierungsbegründung Regierungsentwurf Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinie Randnummer
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RRL .............................. Rahmenrichtlinie – Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.3.2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste Rs. ................................. Rechtssache Rspr. .............................. Rechtsprechung RStV .............................. Rundfunkstaatsvertrag S. ................................... s. .................................... Sec. ............................... SLD................................ Slg. ................................ SMP .............................. sog. ................................ SpuRT ........................... StGB ............................. StPO .............................. str. ................................. stRspr. ........................... StUG ..............................
Seite siehe Section Second Level Domain Sammlung; siehe auch EuGH Slg. significant market power (beträchtliche Marktmacht) so genannte(r/s) Zeitschrift für Sport und Recht Strafgesetzbuch Strafprozessordnung streitig ständige Rechtsprechung Stasi-Unterlagen-Gesetz
TAE .............................. TAL .............................. TDG .............................. TKG .............................. TLD ............................... TMG .............................. TNV ............................... TV ................................. TzBfG ............................
Teilnehmeranschlusseinheit Teilnehmeranschlussleitung Teledienstegesetz Telekommunikationsgesetz Top-Level-Domain Telemediengesetz Telekommunikations-Nummerierungsverordnung Television Teilzeitbefristungsgesetz
u. ................................... und u.a. ................................ und andere UDRL ........................... Universaldienstrichtlinie – Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 7.3.2002 über den Universaldienst und Nutzerrecht bei elektronischen Kommunikationsdiensten und -netzen Ufita .............................. Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (Band und Seite) unzutr. ........................... unzutreffend UrhG ............................. Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, Urheberrechtsgesetz Urt. ................................ Urteil usw. ............................... und so weiter u.U. ............................... unter Umständen UWG ............................. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. ................................... Var. ............................... VerlG ............................. Verw ............................. VG ................................ VGH .............................. vgl. ................................
von, vom, versus Variante Gesetz über das Verlagsrecht, Verlagsgesetz Die Verwaltung (Zeitschrift) Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche
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VO ................................. Verordnung Vorbem. ........................ Vorbemerkung(en) VVDStRL ..................... Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VwGO ........................... Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG .......................... Verwaltungsverfahrensgesetz WahrnG.......................... Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, Urheberrechtswahrnehmungsgesetz WIPO ............................ World Intellectual Property Organization WiVerw ......................... Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift); Wirtschaftsverwaltung WM ............................... Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) WRP .............................. Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) WTO ............................. World Trade Organisation (Welthandelsorganisation) WuW ............................. Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) WuW/E ......................... Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungssammlung WWW ............................ World Wide Web ZAW ............................. ZAK ............................... z.B. ................................ ZHR .............................. Ziff. ............................... ZPO ............................... ZRL ..............................
ZRP ............................... ZS .................................. z.T. ................................ ZugabeVO...................... ZugErschwG .................. ZUM .............................. ZUM-RD ....................... zust. ............................... zutr. ...............................
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW eV Kommission für Zulassung und Aufsicht zum Beispiel Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zivilprozessordnung Zugangsrichtlinie – Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 7.3.2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr und Seite) Zivilsenat zum Teil ZugabeVO Zugangserschwerungsgesetz Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht – Rechtsprechungsdienst (Zeitschrift) zustimmend zutreffend
Erster Teil: Medienrecht als Rechtsdisziplin
§ 1 Medienrecht als Recht der Massenkommunikation
Literatur Beater, Medienrecht, 2007, § 1; Beater, Medienrecht als eigenständiges Rechtsgebiet, JZ 2005, S. 822 ff.; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie – Das Recht der Massenkommunikation, 2008, Teil 1; Petersen, Medienrecht, 4. Auflage 2008, § 1.
A. Medienrecht als Querschnittsdisziplin Medienrecht ist dasjenige Rechtsgebiet, das die rechtliche Ordnung des gesamten 1 Massenkommunikationswesens medienübergreifend regelt; es ist das Sonderrecht der Massenkommunikation. Die Rechtsregeln des Medienrechts finden sich nicht in einem umfassenden Kodex, etwa einem Mediengesetzbuch; verstreut über verschiedene Regelungsbereiche und Gesetze lässt sich das Medienrecht nicht einmal einem einzelnen Rechtsgebiet wie dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht zuordnen. Die Regelungen des Medienrechts enthalten sowohl behördliche Regulierungs- und Aufsichtsregeln als auch solche zivil- oder handelsrechtlicher Art. Der Rechtsbegriff Medienrecht findet sich seit etwa 1985 im rechtswissen- 2 schaftlichen Schrifttum. Medienrecht ist der - als solcher aber nicht einvernehmlich verwendete - Ausdruck für ein Rechtsgebiet, das sich aus dem Recht der einzelnen Medien entwickelt und zu einem komplexen Rechtsgebiet emanzipiert hat. Medienrecht wurde zunächst insbesondere als Oberbegriff für das Presserecht und das Rundfunk- und Filmrecht verstanden; in diesem, die genannte Rechtsgebiete übergreifenden Verständnis fand der Begriff Medienrecht Eingang in einschlägige Lexika,1 wurde Gegenstand einführender Lehr- und Handbuchdarstellungen2 und 1
2
Vgl. die Stichwortbearbeitung im Münchener Rechtslexikon, Redaktion H. Tilch, 1987 Bd. 2, S. 905; Creifelds, Rechtswörterbuch, 10. Auflage 1989, S. 735; Ricker, in: Noelle-Neumann/Schulz/Wilke, Fischer Lexikon, Publizistik Massenkommunikation, 2002, S. 241 ff. Bamberger, Einführung in das Medienrecht, 1986; Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, 1989; v.Olenhusen, Handbuch des Medienrechts, 1988; Pape/Sahmland (Hrsg.), Medienhandbuch, 1988; Schiwy/Schütz, Medienrecht, 2. Auflage 1990 (der Begriff Medienrecht taucht in dieser Darstellung als eigenständiger Rechtsbegriff aller-
2
§ 1 Medienrecht als Recht der Massenkommunikation
kennzeichnete die Forschungsbereiche von Instituten und Universitäten. Die Bundesregierung erstattete erstmals 1985 einen sogenannten Medienbericht,3 der an die Stelle der bis dahin veröffentlichten Berichte über die Lage von Presse und Rundfunk trat.4 Eingeführte Zeitschriften wurden umbenannt zu solchen des Medienrechts.5 Auf verbandsorganisatorischer Ebene fand diese Entwicklung des Zusammenwachsens der Einzelmedien zu einem umfassenden Medienkomplex eine Entsprechung durch die Gründung der Industriegewerkschaft Medien und die Auflösung der Einzelgewerkschaften im Mediensektor. Medienrecht bezeichnet keine in dem Sinne gesetzlich geprägte Rechtsdiszip3 lin, dass sich über ihren Inhalt im Wege einer Textexegese Aussagen treffen ließen. Es gibt bis heute kein Mediengesetzbuch oder einen vergleichbaren Rechtstext, der den Begriff des Medienrechts definiert, im Einzelnen beschreibt oder auch nur erwähnt. Das Medienrecht ist regelungstechnisch verstreut über eine Vielzahl von Einzelbestimmungen in verschiedenen Regelungsbereichen und Gesetzen. Die zentralen Regelungen des Medienrechts umfassen sowohl öffentlichrechtliche Elemente, mit denen der Staat regulatorische Rahmenbedingungen für den Mediensektor setzt, als auch solche, bei denen er im Vertrauen auf den wirtschaftlichen Wettbewerb den Mediensektor der Entfaltung privater Initiative mit den Mitteln des Privatrechts überlässt. Für die Ordnung des Rundfunks beispielsweise bedient sich der Staat wesentlich öffentlich-rechtlicher Zulassungs- und Aufsichtsregeln, um die verfassungsrechtlich vorgegebene Public-Service-Orientierung des Rundfunks zu gewährleisten.6 Im Bereich des Pressewesens dagegen vertraut der Mediengesetzgeber auf die sich im Rahmen des Wirtschaftsrechts entfaltenden Marktkräfte und konzentriert sich unter Verzicht auf struktursteuernde Regulierung wesentlich auf den vor allem über das Zivilrecht zu gewährleistenden Schutz nicht-kommunikationsbezogener Schutzgüter. Medienrecht erweist sich insofern als eine Querschnittsdisziplin, die aus einem 4 Regelungsreservoir in den verschiedenen juristischen Fachsäulen, im Öffentlichen Recht einschließlich des Strafrechts, ebenso wie Zivilrecht schöpft. Mit Blick auf den Querschnittscharakter wird bis heute in Frage gestellt, ob das 5 Medienrecht ein eigenes Rechtsgebiet darstellt. Medienrecht sei – so wird mit Blick auf die Regelungen unterschiedlicher Herkunft und Bedeutung geltend ge-
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dings noch nicht auf); vgl. ferner die Erläuterungen von Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 2. Auflage 1986, S. 3 Rn. 13 ff., S. 5 Rn. 13. Bericht der Bundesregierung über die Lage der Medien in der Bundesrepublik Deutschland 1985, BT-Drs. 10/5663 vom 16.06.1986; zuletzt: Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008, BT-Drs. 16/11570 vom 23.12.2008. BT-Drs. 8/2264 vom 09.11.1978. Vgl. insbesondere die "Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht", die bis 1985 in 28 Jahrgängen unter dem Titel "Film und Recht" herausgegeben wurde, sowie das "Archiv für Presserecht", das bis 1978 den Untertitel "Zeitschrift für Fragen des Presse-, Urheber- und Werberechts" führte, und sodann den Untertitel "Zeitschrift für das gesamte Medienrecht" trug und sich nunmehr seit 1994 als „Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht“ bezeichnet. Vgl. dazu näher bei Rn. 1405 ff.
A. Medienrecht als Querschnittsdisziplin
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macht – nicht mehr als die Summe eines nach Branchenzugehörigkeit begründeten Konglomerats heteronomer Normen verschiedener Rechtsgebiete und disparater Lebenssachverhalte, damit aber keine eigene Rechtsdisziplin.7 Der Querschnittscharakter einer Materie, das zeigt der Blick auf Rechtsgebiete wie das Handels- und Wirtschaftsrecht, das Bankrecht, das Umweltrecht oder das Medizinrecht, steht einer Disziplinbildung allerdings nicht prinzipiell entgegen. Soll aber Medienrecht mehr als die Summe heteronomer Regelungen sein und den Charakter eines eigenen Rechtsgebiets beanspruchen können, dann muss die Regelungsmaterie von einem übergreifenden, eben disziplinbildenden Regelungskonzept getragen wird. Die Vorstellung von Medienrecht als Rechtsdisziplin setzt nicht anders als etwa die des Handelsrechts, das nach herkömmlicher Auffassung als „Sonderprivatrecht der Kaufleute“8 konzipiert ist, einen rechtssystematischen Bezugspunkt sowie übereinstimmende Wertungen und Strukturen voraus. Den rechtssystematischen Bezugspunkt der rechtlichen Ordnung des Medienwesens und den Ansatzpunkt für das disziplinbildende Verständnis des Medienrechts bildet das Phänomen der Massenkommunikation. Medienrecht ist der Inbegriff rechtlich geordneter Massenkommunikation durch die Massenmedien. Im Zuge der Rechtsentwicklung, die sich insbesondere mit der fortschreitenden technischen Entwicklung im Medienwesen in allen medienrechtlichen Teilgebieten des Öffentlichen Rechts und des Privatrechts ergeben hat, ist die Erkenntnis gewachsen, dass der Massenkommunikation in Abgrenzung zur Individualkommunikation eine Sonderstellung im Prozess der Informations- und Meinungsbildungsfreiheit zukommt. Massenkommunikation ist ein Phänomen der Lebenswelt; seine Bedeutung erschöpft sich aber nicht im Tatsächlichen. Die Kommunikationsrechte des Grundgesetzes messen der medialen Massenkommunikation durch Presse, Rundfunk und Film eine grundlegende, in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich erwähnte und besonders hervorgehobene rechtliche Bedeutung zu. Massenkommunikation steht nicht nur unter dem Schutz dieser grundgesetzlich verbürgten Freiheitsrechte, Massenkommunikation ist Ausdruck der verfassungsrechtlichen Kommunikationsfreiheit. Es wird noch zu zeigen ein, dass sämtliche Prinzipien, Wertungen und Strukturen des Medienrechts auf dieser Grundlage entwickelt sind und deswegen dem Medienrecht seine disziplinbildende Statur verleihen.9 Das Medienrecht gewinnt seinen disziplinbildenden Charakter aus der spezifischen Grundrechtsgebundenheit seines Regelungsgegenstandes, eben der Massenkommunikation, und den aus der Grundrechtsgebundenheit folgenden übereinstimmenden Wertungen und Regelungsstrukturen. Massenkommunikation ist Gebrauchmachen von den verfassungsrechtlich durch die Kommunikationsfreiheitsrechte des Art. 5 GG gewährleisteten und geschützten Grundrechten. Der von 7
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So insbesondere Petersen, Medienrecht, 4. Auflage 2008, § 1 Rn. 16, 27 ff.; vgl. auch Dörr/Schwartmann, Medienrecht, 2. Auflage 2008, Rn. 25 ff. Vgl. dazu nur Canaris, Handelsrecht, 24. Auflage 2006, § 1 I und III zugleich mit kritischen Anmerkungen zur Inhomogenität des geltenden Handelsrechts. Ebenso Beater, Medienrecht, 2007, insbesondere Rn. 8 ff. und 13 ff.; Ders. JZ 2005, S. 822 ff.
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ihnen gewährleistete Schutz besteht auch dann, wenn - wie regelmäßig - die Massenkommunikation zwischen privaten Akteuren, etwa dem Massenmedienunternehmen und privaten Rezipienten erfolgt. Einer besonderen Begründung oder Rechtfertigung der Geltung der Grundrechte, etwa über die Lehre von der Drittwirkung der Grundrechte,10 bedarf es dabei nicht. Massenkommunikation über die Massenmedien Presse, Rundfunk und Film steht ohne weiteres unter dem Schutz von Art. 5 GG; mediale Massenkommunikation ist Wahrnehmung der Grundrechte des Art. 5 GG. 11 Den übereinstimmenden Wertungsgrundlagen entsprechen übereinstimmende 10 Sonderregeln und Sonderrechtsbehelfe. Sie sind der spezifischen Situation des Massenkommunikationsgeschehens geschuldet, rechtfertigen medienrechtsspezifische Sonderregeln, die in der allgemeinen Rechtsordnung keine Parallele finden und geben dem Medienrecht seine inhaltliche Struktur. Ohne auf Einzelheiten an dieser Stelle eingehen zu können,12 sind der medienrechtliche Gegendarstellungsanspruch,13 die medienrechtliche Befugnis zur Kurzberichterstattung,14 die Befugnis der Massenmedien zur Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen,15 der medienrechtliche Rückrufanspruch16 sowie die medienrechtliche Verbreiterhaftung17 zu nennen, um nur einzelne Spezifika des Medienrechts hervorzuheben. Jede dieser medienrechtlichen Rechtsschutz- bzw. Rechtsbehelfsregeln ist mit Rücksicht auf die massenmediale Kommunikation und die daraus resultierenden spezifischen Regelungserfordernisse geschaffen worden. Die vereinzelt entwickelte Vorstellung des Medienrechts als „Unternehmens11 recht“18 bleibt demgegenüber für die rechtliche Kategoriebildung ohne Bedeutung. Das moderne Massenkommunikationsgeschehen wird allerdings stark beeinflusst, wenn nicht geprägt durch das Auftreten unternehmerisch handelnder Produzenten, Veranstalter und Kommunikatoren; dies trifft für sämtliche Bereiche des Massenkommunikationsgeschehen zu für das Presse- und Rundfunkwesen ebenso wie etwa für das Film- und Multimediawesen. Aber auch dann, wenn nicht unternehmerisch agierende Akteure massenmediale Äußerungen tätigen, wenn politische, karitative oder mäzenatische Massenkommunikation in Rede steht, ergeben sich aus dem Medienrecht die Rahmenbedingungen für die dabei zu beachtenden Freiräume und Grenzen.
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Vgl. dazu unter Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 1 Rn. 57 ff. Vgl. dazu näher unter Rn. 166 ff. Vgl. dazu die insbesondere Ausführungen unter Rn. 1050 ff. Vgl. dazu Meyer, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 41. Abschnitt. Vgl. dazu Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 75. Abschnitt Rn. 17 ff. Vgl. dazu unter Rn. 390. Vgl. dazu Wanckel, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 47. Abschnitt. Vgl. dazu unter Rn. 1010 ff. So Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 10 ff.
B. Vom „Recht der Medien“ zum „Medienrecht“
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B. Vom „Recht der Medien“ zum „Medienrecht“ Die rechtliche Ordnung des Medienwesens hat sich ursprünglich als eine Materie 12 entwickelt, in denen die einzelnen Medien je gesondert erfasst wurden. So entwickelte sich zunächst das Presserecht, das mit seiner bis auf die Erfindung der Buchdruckerkunst zurückgehenden Geschichte heute die längste Tradition aufweist.19 Seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts ist parallel zur technischen Entwicklung Rechtsregeln für den Rundfunk entstanden, das sich später in das Hörfunk- und Fernsehrecht aufgegliedert hat.20 Daneben entwickelte sich wiederum selbständig das Filmrecht.21 Im Zuge der Weiterentwicklung der Kommunikationstechnik wurden Telekommunikationsdienstleistungen entwickelt; 22 die Videotechnik23 und die (schon wieder überholte) Bildschirmtexttechnik24 begannen sich zu entwickeln; die parallel zu dieser technischen Entwicklung einsetzende Gesetzgebung hat allerdings die rechtliche Segmentierung der Ordnung des Medienwesens noch weiter betrieben. Auch die in den Jahren ab 1984 verabschiedeten sogenannten Mediengesetze der Länder haben weder zu einer umfassenden Ordnung des Medienwesens geführt, noch diese auch nur angestrebt; geregelt wurden in diesen Bestimmungen vor allem die thematisch auf die Einführung des privaten Rundfunks begrenzten Fragen. Die technische Entwicklung hat zunehmend die Einsicht gefördert, dass die 13 Verbreitungstechnik der verschiedenen Medien keinen sachgerechten Anknüpfungspunkt für die rechtliche Kategoriebildung bildet. So hat beispielsweise das Phänomen der Internetzeitung, nämlich die Verbreitung von Presseartikeln auf elektronischem Wege über das Internet, anschaulich werden lassen, dass im modernen Kommunikationsgeschehen die tradierte Vorstellung über die unterschiedlichen technischen Verbreitungsformen von Presse und Rundfunk nicht ohne 19
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Vgl. Delp, Das gesamte Recht der Publizistik, Loseblatt, 125. Auflage 2005; Groß, Presserecht, 3. Auflage 1999; Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage 2005. Zur Geschichte des Presserechts vgl. Bullinger in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, Einl. Rn. 1 ff.; Kosyk, Deutsche Presse 1914-1945, 1972; Pross, Deutsche Presse seit 1945, 1965. Vgl. Bausch, Rundfunk in Deutschland, 1980; G. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, 1975; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit durch Rundfunkorganisation, 1979; Jarass, Die Freiheit des Rundfunks vom Staat, 1981; Reinemann, ZUM 2006, S. 523 ff. Vgl. v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 4. Auflage 2004; v.Gamm, Grundfragen des Filmrechts, 1957; Roeber/Jacobi, Handbuch der filmwirtschaftlichen Medien, 1973; Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 144 ff. Zur Entwicklung des Telekommunikationswesens vgl. Ritter, Deutsche Telekommunikationspolitik 1989-2003, 2004; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, S. 11 ff.; Heun, CR 2004, S. 893 ff. Vgl. dazu unter Rn. 66. Vgl. dazu Bartl, Handbuch Btx-Recht, 1984; Klußmann, Lexikon der Kommunikationsund Informationstechnik, 3. Auflage 2001, S. 821.
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§ 1 Medienrecht als Recht der Massenkommunikation
weiteres fortgeführt werden können. So wie die hergebrachte Unterscheidung von Presse- und Rundfunkrecht brüchig wurde, sind durch das Aufkommen der Kabelund Satellitenübertragungstechnik, der Einsatz der Mikroelektronik und Computertechnik25 und das dadurch ermöglichte Zusammenwachsen von Fernmelde- und Datenverarbeitungstechnik26 die verbreitungstechnisch gesetzten Grenzen der klassischen Kommunikationsmedien gesprengt worden. Eine daran orientierte Rechtsgebietsabgrenzung ist deshalb zumindest nicht mehr sachgerecht.27 Einen bedeutenden Einfluss für die Herausbildung eines übergreifend verstan14 denen Medienrechts hatte die Zulassung privater Unternehmen als Rundfunkveranstalter. Die Bundesländer haben mit der Verabschiedung neuer Mediengesetze die Rechtsgrundlagen für Rundfunksendungen durch private Träger geschaffen, damit den Startschuss für die Einführung von rein werbefinanzierten Rundfunkund Fernsehprogrammen gegeben und das bis dahin bestehende Monopol28 der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abgeschafft. Da seither für private Unternehmen einschließlich der Presseunternehmen der Zugang zum Rundfunk eröffnet ist, lässt sich eine trennscharfe Unterscheidung von Presse- und Funkmedienunternehmen gerade auch angesichts der tatsächlich zu beobachtenden Verflechtungen29 nicht mehr durchführen. Nachdem erkannt wurde, dass weder die Verbreitungstechnik, noch die herge15 brachte Unterscheidung der Organisationsformen insbesondere im Print- und Funkmedienbereich eine gesonderte rechtliche Behandlung der einzelnen Medien rechtfertigen, ist das Gemeinsame, das eine rechtssystematische Gesamtkonzeption des Medienrechts Verbindende deutlich geworden: Die rechtliche Ordnung des Phänomens der Massenkommunikation. Die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien 16 ist in den letzten Jahren weiter fortgeschritten. Ihre Dynamik war und ist so erheblich, dass von einer „digitalen Revolution“ und von einem neuen „MultimediaZeitalter“ gesprochen wird. Die Schlüsseltechnologie dieser neuen Entwicklungsstufe ist die Einführung der Digitaltechnik und die damit ermöglichte elektronische Kommunikation. Die Digitalisierung von Daten erlaubt es, mittels Datenreduktion und Datenkompression die Übertragungskapazitäten und Übertragungs25
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Vgl. dazu Monopolkommission, Hauptgutachten 1982/83, 1984, S. 177 ff.; Bundesministerium für Forschung und Technologie (Hrsg.), Informationstechnik, 1984, S. 17 ff.; Bundesverband der Deutschen Industrie (Hrsg.), Neue Informations- und Kommunikationstechniken und ihre gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen, 1982; EnqueteKommission, Neue Informations- und Kommunikationstechniken, BT-Drs. 9/2442, S. 14 ff. Der Begriff "Telematik" ist eine Wortschöpfung aus den Begriffen Telekommunikation und Informatik, mit der die technische Zusammenführung beider Bereiche bezeichnet wird; vgl. Maier, ArchPF 2 (1984), S. 132 ff. und Holznagel/Kibele, in: Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 5 Rn. 56. Instruktiv J. Wolf, Medienfreiheit und Medienunternehmen, 1985, S. 39 ff.; Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 62 ff. Zu dem tradierten Verbund des rechtlichen Fernmeldemonopols mit dem teils rechtlichen teils faktischen Rundfunkmonopol vgl. nur Harms, AfP 1981, S. 244 ff. Vgl. Media Perspektiven, Basisdaten 2008 – Daten zur Mediensituation in Deutschland.
B. Vom „Recht der Medien“ zum „Medienrecht“
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geschwindigkeiten gegenüber den herkömmlichen analogen Übertragungsformen deutlich zu erhöhen. Die Technik hat zu einer drastischen Veränderung der Medienangebote und zur Entwicklung von Multimedia-Angeboten geführt. Der Vertrieb von Medienprodukten aller Art, von Presse, Rundfunk und Film, kann heute über das Internet erfolgen. Der Vertriebs von Fernsehsendungen wird als pay-perchannel-Abonnement bzw. als pay-per-view- angeboten, entgeltpflichtige Fernsehprogramme sind in kurzen Abständen auf verschiedenen Kanälen verfügbar (sog. near-video-on-demand) und in nicht allzu ferner Zukunft wird sich der Rezipient von einem Videoserver ohne zeitliche Vorgaben das von ihm gewünschte Angebot auf sein Empfangsgerät abrufen können (sog. true-video-on-demand). Die technische Entwicklung hat die herkömmliche Trennung der verschiedenen 17 Medien tendenziell beseitigt und wird voraussichtlich auch die Vielfalt der dafür bisher benötigten verschiedenen Endgeräte aufheben. Das hergebrachte Merkmal der Presse, die Verkörperung von Gedankeninhalten auf bedrucktem Papier, hat seine prägende Kraft verloren, nachdem elektronische Text-, Bild- und Tonspeicher als Medium der „elektronischen Presse“ entdeckt wurden; auch Rundfunkveranstalter verbreiten die Inhalte ihrer Programme längst nicht mehr nur mittels der herkömmlichen terrestrischer Übertragungstechnik, sondern bedienen sich des Internets und vertreiben Ton- und Bilddokumente in CD- und DVD-Formaten. Die technische Entwicklung führt zur Konvergenz der bisher getrennt operie- 18 renden Medien.30 Die fortschreitende Digitalisierung macht es möglich, Telefon, Radio, Fernseher und Computer nicht mehr getrennt nutzen zu müssen, sondern dadurch, dass die Funktionen der Geräte miteinander verbunden werden, gleichsam „mit einer Technik“ zu nutzen. Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie werden weiter konvergieren.31 Die Multimedia-Anwendungen mit der Verkoppelung von Daten-, Ton- und Bildkommunikation haben in den letzten Jahren schon erheblich zugenommen und weitere technische Entwicklungen werden das Angebot traditioneller Dienstleistungen erweitern. Unter Konvergenzbedingungen verliert die tradierte Unterscheidung von Indi- 19 vidual- und Massenkommunikation an Trennschärfe.32 Zunehmend zeigen sich fließende Übergänge von individueller zu überindividueller Kommunikation. So werden im Internet Dienste angeboten, die es ermöglichen, Mitteilungen per Mausklick bald an eine bestimmte Einzelperson, bald an einen größeren Personenkreis zu adressieren. Der Personalcomputer ist zum wichtigsten Instrument der Entwicklung der Multimediadienste geworden. Er fungiert längst nicht mehr nur als Datenverarbeitungsgerät, sondern übernimmt immer mehr die Funktionen einer Empfangs-, Verarbeitungs- und Übermittlungsstation für individuelle und massenkommunikative Informationen aller Art. Der Computer ist sowohl techni30 31
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Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158, 172 f. Vgl. nur EU-Kommission, Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen, KOM (97) 623. Vgl. Degenhart, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 5 I, II, 1999, Rn. 667 ff.; Gersdorf, Der Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, 1995; Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 ff.; Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 ff.
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§ 1 Medienrecht als Recht der Massenkommunikation
sches Hilfsmittel für die individuelle Kommunikation via E-Mail, als auch technisches Instrument zur Herstellung von Telekommunikationsverbindungen zwischen Nutzern auf dem ganzen Globus via Internet. Die technische Entwicklung nimmt Einfluss auf die inhaltliche Struktur von 20 Kommunikationsvorgängen in einer Weise, dass sich die Massenkommunikation graduell individualisiert und die Individualkommunikation graduell entindividualisiert.33 Diese Individualisierung und damit die Abschwächung des massenkommunikativen Charakters wird beispielsweise im Rundfunkbereich deutlich. Durch Zielgruppen- und Spartenprogramme sowie durch das Angebot von Zugriffs- und Abrufdiensten nähern sich ehemals massenkommunikative Rundfunkangebote den von Einzelinteressenten gewünschten Kommunikationsinhalten und damit der Individualkommunikation sukzessive an. Teile der herkömmlichen Individualkommunikation weisen eine entgegengesetzte Entwicklungsrichtung hin zu einer zunehmend überindividuellen Kommunikation auf. Solche umwälzende Entwicklungen vollziehen sich beispielsweise bei den hergebrachten Ansagediensten, bei denen zunächst automatisierte Textabrufdienste wie der Bildschirmtext entstanden und später neue, über das Internet global erreichbare, digitale Informationsspeicher verfügbar wurden. Die Entwicklung elektronischer Kommunikationsformen sind nicht ohne Ein21 fluss auf die Medienrechtsordnung geblieben. Sie haben nicht nur den Gesetzgeber vor die Aufgabe gestellt, eine den neuen technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten von Individual- und Massenkommunikation angemessene rechtliche Ordnung zu schaffen. In der rechtswissenschaftlichen Diskussion haben sie eine umfängliche rechtspolitische Debatte zu der Frage befördert, ob und inwieweit die Medien analog zur technischen Entwicklung auch rechtlich einem übergreifenden, einheitlichen Regelungsregime unterworfen werden sollten.34 Die hergebrachte Separierung der Ordnung des Massenkommunikationswesens 22 in das Recht der einzelnen Medien wird infolge der technischen Entwicklung zunehmend überholt.35 Die europäische Medienrechtsordnung hat deshalb die Konsequenz gezogen und im Hinblick auf die Herausforderungen der Konvergenz der Medien36 bereits Ende der 1990er Jahre eine Fortentwicklung der Fernsehrichtlinie zu einer technologieneutralen Inhalte-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste begonnen37 und durch die Verabschiedung der entsprechenden Richtlinie im Dezember 2007 zu einem vorläufigen Höhepunkt geführt.38 Die darin zum Ausdruck kommende übergreifende Konzeption des Medienrechts ist die gebotene Folge der
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Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, 1997, S. 16 ff. Vgl. grundlegend Gounalakis, Verhandlungen DJT 2002, Gutachten C; ferner Schoch, JZ 2002, S. 798 ff.; Blaue, ZUM 2005, S. 30 ff.; Hain, K&R 2006, S. 325 ff. So im Ergebnis auch Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 47 ff. Vgl. Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnolgien und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen, KOM (97) 623 endg. Vgl. dazu näher Mückl, DVBl 2006, S. 1201 ff. und unter § 3. Vgl. Richtlinie 2007/65/EG, ABl. L 332 vom 18.12.2007, 27.
C. Massenkommunikation als Regelungsgegenstand des Medienrechts
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technischen Konvergenzentwicklung.39 An die Stelle des „Rechts der Medien“ tritt das „Medienrecht“. Noch ist nicht ausgemacht, wie das neu entstandene übergreifende Rechtsgebiet 23 „Medienrecht“ dauerhaft oder endgültig beschaffen sein wird. Konzeptionell geht es dabei um die grundsätzliche Frage, ob ein Medienrecht als rechtliche Sonderordnung mit tendenziell hoher Regulierungsdichte nach Art des Rundfunks oder aber als ein nach Art eines medienspezifisch variierten Wirtschafts- oder Unternehmensrecht gestaltet werden soll.40 Auch im Regulierungsrecht der Telekommunikation wird die Frage diskutiert, ob es sich dabei um ein transitorisches Übergangsrecht zur Begleitung der Prozesse der Transformation ehemals monopolistisch strukturierter Ausnahmebereiche in eine marktwirtschaftliche Wettbewerbsordnung handelt oder dem Staat eine dauerhafte Sonderaufgabe zur Regulierung der Netzwirtschaft zufällt.41 Unter dem Aspekt der Disziplinbildung im Recht stellt sich angesichts der glei- 24 tenden Übergänge zwischen den verschiedenen Kommunikationsformen und der technisch bedingten Annäherung von Individual- und Massenkommunikation die im Weiteren näher zu verfolgende Frage, ob die Unterscheidung von Individualund Massenkommunikation als rechtssystematischer Ansatzpunkt für die rechtliche Kategoriebildung weiterhin tauglich ist.
C. Massenkommunikation als Regelungsgegenstand des Medienrechts Individualkommunikation und Massenkommunikation sind idealtypisch grundle- 25 gend verschiedene Phänomene. Die Individualkommunikation ist durch eine Punkt-zu-Punkt-Kommunikationsstruktur oder genauer: durch eine Kommunikation von Individuum zu Individuum gekennzeichnet. Massenkommunikation weist demgegenüber eine Punkt-zu-viele-Kommunikationsstruktur auf, bei der ein Kommunikator Inhalte an ihm individuell nicht bekannte Rezipienten massenhaft verbreitet. Nach sozialwissenschaftlichem Verständnis wird Massenkommunikation durch 26 folgende Merkmale gekennzeichnet:42
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Vgl. noch unter Rn. 159. Vgl. zu den Gestaltungsoptionen insbesondere Degenhart, K&R 2000, S. 49 ff.; Engel, Medienordnungsrecht, 1996. Dazu Säcker, in: Berliner Kommentar zum TKG, 2006, Einl. I, Rn. 10 ff. 14; vgl. näher Rn. 455 ff. Vgl. dazu Schulz, in: Noelle-Neumann/Schulz/Wilke, Fischer Lexikon, Publizistik, Massenkommunikation, 2002, S. 154, 160 und Scholz, ebd, S. 64; Hunziker, Medien, Kommunikation und Gesellschaft, 1996, S. 5 ff; vgl. auch Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 1 Rn. 14 ff.
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Die Kommunikationsinhalte werden an eine dem Kommunikator als Person unbekannte Menge von Rezipienten verbreitet (Anonymitätsmerkmal). Massenkommunikationsinhalte sind öffentlich, nämlich in dem Sinn prinzipiell für jedermann zugänglich, dass von ihrem Empfang niemand - jedenfalls nicht absichtlich durch gezielte Maßnahmen - ausgeschlossen ist (Öffentlichkeitsmerkmal). Bei den Kommunikatoren handelt es sich typischerweise um komplex aufgebaute Organisationen, während die Empfänger der Kommunikationsinhalte regelmäßig keinen oder nur einen geringen Organisationsgrad aufweisen (Organisationsmerkmal). Der Prozess der Massenkommunikation verläuft im Unterschied zur Individualkommunikation einseitig. Die Kommunikatoren gestalten den Kommunikationsprozess aktiv, während die Empfänger mehr oder weniger passiv lediglich rezipieren. Ein Rollentausch zwischen Kommunikatoren und Rezipienten findet nicht statt (Linearitätsmerkmal43).
27 Diese Eigenarten der Massenkommunikation bildeten in historischer Perspektive die Ursache und den Anlass für die Schaffung medienrechtlicher Regelungen, die für die Individualkommunikation nicht bestehen. Es entspricht historischer Erfahrung, dass Massenkommunikation mittels Massenmedien aufgrund ihrer Eigenarten ein Potential von Chancen und Risiken für die Verwirklichung der verfassungsrechtlich verbürgten Informations- und Kommunikationsfreiheit enthält. Deshalb erscheint es nicht hinnehmbar, Massenkommunikation als rechtlich ungeordnetes Geschehen dem Belieben von Kommunikatoren und Rezipienten zu überlassen. Unbeschadet der mit der technischen Entwicklung einhergehenden Verschränkung von Individual- und Massenkommunikation hat diese Erkenntnis ihre Berechtigung und Überzeugungskraft nicht eingebüßt. Auch unter Berücksichtigung der modernen Entwicklungen des Kommunikationsgeschehens bleibt die Massenkommunikation der Regelungsgegenstand des Medienrechts.44 Massenkommunikation ermöglicht es in besonderer Weise, Vorgänge in Staat 28 und Gesellschaft, in Wirtschaft und Politik und allen sonstigen Lebensbereichen einem breiten Publikum zu vermitteln und transparent zu machen. Massenmedien kommt eine herausragende Bedeutung für die Verwirklichung des Grundrechts der Informationsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG zu, sich aus allgemein zugänglichen Quellen unterrichten zu können. Allzu häufig bestehen faktische Grenzen für eine unmittelbare Unterrichtung an der Quelle der Information, so dass die Massenmedien die weitaus wichtigsten allgemein zugänglichen Informationsquellen darstel43
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So jetzt auch Art 1e) der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste; vgl. dazu bei Rn. 159 ff. Vgl.a. § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV für den Rundfunkbegriff in der Fassung des 12. RÄStV. Zum Verständnis der Massenkommunikation als disziplinbildendem Gesichtspunkt vgl. a. J. Wolf, Medienfreiheit und Medienunternehmen, 1985, S. 49 ff.; Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage 1994, S. 206 ff.; Paschke, ZUM 1990, S. 209, 212; Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, Einleitung Rn. 9 f.; Kübler, Medien, Menschenrecht und Demokratie, 2008, S. 3 ff.
C. Massenkommunikation als Regelungsgegenstand des Medienrechts
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len, indem sie informieren, kontrollieren und meinungsbildend tätig sind.45 Die Massenmedien erfüllen deshalb eine "öffentliche Aufgabe".46 Dieses, in der historischen Rückschau keineswegs selbstverständliche Verständnis, ist heute für die wichtigsten Massenmedien gesetzlich verbürgt. Die Landespressegesetze47 sehen entsprechende Normierungen für die Presse und für Hörfunk und Fernsehen vor. Inhaltlich übereinstimmend enthalten die Landesmediengesetze, zwischen den Bundesländern abgeschlossene Staatsverträge oder auch die Satzungen der Rundfunkanstalten entsprechende Festlegungen. In diesen Bestimmungen kommt eine grundsätzlich bedeutsame Wertentschei- 29 dung für die Massenkommunikation und damit auch für die Tätigkeit der Massenmedien zum Ausdruck. Sie bringt eine auf das Bismarck'sche Reichspressegesetz zurückgehende freiheitliche Konzeption des Medienrechts zum Ausdruck. Diese Konzeption wendet sich ebenso gegen ein auf Ruhe und Ordnung im Staat vor Störungen durch "gefährliche Druckschriften" bedachtes polizeirechtliches Verständnis obrigkeitsstaatlicher Denkart wie gegen ein durch staatliche Organisation gelenktes Medienwesen nationalsozialistischer Prägung.48 Die Massenmedien sind durch die gesetzliche Anerkennung ihrer öffentlichen Aufgabe zum Mitträger unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaftsordnung geworden. Die Sonderstellung der Massenmedien im Kommunikationsprozess ist empi- 30 risch unabweisbar und dementsprechend auch verfassungsrechtlich verbürgt.49 Die Rechtsprechung des BVerfGs hat insbesondere der Presse und dem Rundfunk übereinstimmend eine schlechthin konstituierende Bedeutung für die Freiheit demokratischer Staatsordnung zuerkannt,50 ihnen eine institutionelle verfassungsrechtliche Garantie eingeräumt51 und zugleich bescheinigt, Massenmedien seien "das wichtigste Instrument der Bildung der öffentlichen Meinung".52 Presse und Rundfunk - so heißt es schon im ersten Fernsehurteil von 1961 - gehören zu den "unentbehrlichen modernen Kommunikationsmitteln, durch die Einfluss auf die öffentliche Meinung genommen und diese öffentliche Meinung mitgebildet wird".53 Die Möglichkeit, das Grundrecht der Informationsfreiheit tatsächlich zu verwirklichen, stellt sich nicht von selbst ein, sondern bedarf entsprechender rechtlicher, medienrechtlicher Gewährleistungsregeln. Die Zuerkennung eines In45
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Vgl. BVerfGE 12, S. 113, 125; 20, S. 205 ff.; 50, S. 234, 239; vgl. auch Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit, NJW 1964, S. 2291; Löffler, NJW 1964, S. 2278 ff.; Schulz, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 5. Abschnitt Rn. 6, 34. Vgl. dazu nur BVerfGE 12, S. 205, 260; 20, S. 162, 175; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 3 Rn. 1 ff.; näher dazu Rn. 212 ff. und 340 ff. Eine Ausnahme macht lediglich Hessen, wo eine entsprechende Bestimmung fehlt. Vgl. dazu hervorragend Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 3 Rn. 6 ff. Dazu näher Rn. 210 ff. Vgl. BVerfGE 7, S. 198, 208; 10, S. 118, 121; 12, S. 205, 259 ff.; 20, S. 162, 174 ff. So wie BVerfGE 10, S. 118, 128; 20, S. 162, 174; zu Grundlagen und Auswirkungen der institutionellen Sicht vgl. Bullinger, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 2. Auflage 2002, Bd. VI, § 142 Rn. 34 ff. BVerfGE 12, S. 113, 125; 20, S. 205 ff.; 50, S. 234, 239. BVerfGE 12, S. 205, 260 – Deutschland-Fernsehen.
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§ 1 Medienrecht als Recht der Massenkommunikation
formationsanspruchs gegenüber Behörden (§§ 4, 25 LPG) und die Zuerkennung eines Interessenwahrnehmungsrechts bei ehrverletzenden Delikten (§ 193 StGB), der Tendenzschutz nach dem Betriebsverfassungsrecht (§ 118 BetrVG), das Zeugnisverweigerungsrecht für Angehörige von Presse und Rundfunk sowie die Beschränkung der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefugnisse der Strafverfolgungsbehörden sind Beispiele für zentrale gesetzlichen Vorkehrungen, mit denen die Rechtsordnung die Verwirklichung von Informationsfreiheit durch Massenmedien zu gewährleisten sucht. Der fördernde Beitrag, den die Massenmedien für die Grundrechtsver31 wirklichung zu leisten vermögen, stellt den einen Rechtfertigungsgrund für die rechtliche Sonderstellung der Massenmedien im rechtlich geordneten Kommunikationsprozess dar. Als Kommunikationsform, die den Adressaten wesentlich zum bloßen Empfänger, zum sogenannten Rezipienten der dargebotenen Information stempelt, über deren Inhalt und Tendenz allein der sog. Kommunikator entscheidet,54 birgt Massenkommunikation aber auch Risiken für die Verwirklichung der Informationsfreiheit. Daraus folgt ein weiterer Legitimationsaspekt für die Medienrechtsordnung: Zwar ist die einst verbreitete Vorstellung eines grenzenlosen Einfluss- oder Manipulationspotentials der Massenmedien durch die Medienwirkungsforschung inzwischen deutlich relativiert. Unbestritten kommt den Massenmedien aber eine Sonderstellung für die Meinungsbildung zu.55 Vor allem die „Faktormedien“ wie Presse- und Funkmedien sind Mittel der Massenkommunikation, die Wirkungen in allen Lebensbereichen entfalten, sich nicht nur auf Entwicklungen im Staatswesen und das Zeitgeschehen, sondern auch auf Entwicklungen im gesellschaftlichen Leben beziehen und nicht zuletzt selbst den Freizeitund Erholungsbereich beeinflussen.56 Massenmedien können insbesondere den Wertehaushalt und das Wertebewusstsein, das Orientierungs- und Qualifikationswissen, die gesellschaftlichen Stereotypen, die Plausibilitätsstrukturen sowie Inhalt und Umfang wahrgenommener Bedürfnisse und damit die soziale Wirklichkeitskonstruktion beeinflussen.57 Wegen dieser Wirkungen und wegen der Möglichkeit des Massenmedienanbieters zur einseitigen Auswahl und Steuerung der übermittelten Informationen besteht ein spezifischer Bedarf für eine rechtliche Ordnung des Massenkommunikationswesens. Die verfassungsrechtlich gebotenen Regelungen zur Vielfalt- und Ausgewogenheitspflege sind typisches Korrelat der Bedeutung des Rundfunks als massenkommunikationstypischer Faktor der Meinungsbildung. Ebenso finden beispielsweise die einfachrechtlichen Bestimmungen 54 55 56 57
Zur Struktur des Massenkommunikationsprozesses Schulz, in: Noelle-Neumann/ Schulz/Wilke, Fischer Lexikon, Publizistik, Massenkommunikation, 2002, S. 154 ff. Vgl. Kepplinger, in: Noelle-Neumann/Schulz/Wilke, Fischer Lexikon, a.a.O. S. 360 ff.; Hunziker, Medien, Kommunikation und Gesellschaft, 1996, S. 22 ff., 72 ff. Vgl. nur BVerfGE 35, S. 222; 57, S. 319; 59, S. 258. So Hoffmann-Riem/Schulz, Hamburger Medienrecht, S. 31 unter Bezugnahme auf Erkenntnisse der Medienwirkungsforschung; vgl. W. Schulz (Hrsg.) – Deutsche Forschungsgemeinschaft, Medienwirkungsforschung in der Bundesrepublik Deutschland, 1986; Schenk (Hrsg.), Medienwirkungsforschung, 1987; Groebel/Winterhoff-Spurk (Hrsg.), Empirische Medienpsychologie, 1989.
C. Massenkommunikation als Regelungsgegenstand des Medienrechts
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für die Presse sowie die entsprechenden Regelungen für den Rundfunk über publizistische Sorgfalts- und Wahrheitsanforderungen bzw. über den Gegendarstellungsanspruch des von der Medienberichterstattung Betroffenen ihre Legitimation in der in weite Lebensbereiche hineinreichenden Wirkung massenmedialer Berichterstattung. Medienrecht bezeichnet keine nur pragmatisch-perspektivische Zusammenstel- 32 lung heterogener, systemflüchtiger Normen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten.58 Der Bezug zum Phänomen Massenkommunikation stellt vielmehr den für die wissenschaftliche Kategoriebildung fruchtbaren und verständnisleitenden Kristallisationskern dar. Der Rechtsbegriff des Medienrechts ist funktional durch die von den Chancen 33 und Gefahren des Massenkommunikationswesens herrührenden spezifischen Regelungsbedürfnisse geprägt. Diese resultieren nicht aus den Eigenarten der jeweiligen Kommunikationsmedien, sondern werden durch die Struktur- und Wirkungseigenarten der Massenkommunikation bestimmt. Der Rechtsbegriff des Medienrechts erschöpft sich deshalb nicht in einem Verständnis des Medienrechts als Summe derjenigen rechtlichen Normen, die für das Medienwesen Bedeutung haben.59 Ebenso wenig wird den medienübergreifend bestehenden Regelungsaufgaben ein Verständnis gerecht, das Medienrecht als (systemflüchtigen) Oberbegriff eines je gesondert konzipierten Presse-, Rundfunk- und Filmrechts erfasst. 60 Mit der Anerkennung des Medienrechts als einem disziplinbildenden Rechts- 34 begriff ist noch keine allgemein akzeptierte Regelungskonzeption mitgedacht, wohl aber der spezifisch rechtliche Regelungsgegenstand, die Massenkommunikation bezeichnet. Dies unterscheidet das so verstandene Medienrecht von einem "Äußerungsrecht", bei dem die sinnliche Äußerung und Wahrnehmbarmachung von Kommunikationsinhalten schlechthin für die rechtliche Begriffs- und Disziplinbildung herangezogen wird.61 Die Äußerung als solche stellt die Rechtsordnung allerdings nicht vor Regelungsaufgaben, die nicht schon mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen insbesondere des Persönlichkeits- und Ehrenschutzes im Zivilund Strafrecht zu bewältigen wäre. Insbesondere die Äußerungen im Rahmen der Individualkommunikation begründen auch dann keinen spezifisch medienrechtlichen Regelungsbedarf, wenn sie massenhaft abgewickelt wird bzw. publizistische mit nicht-publizistischen Kommunikationsleistungen in einem (integrierten) Übertragungsnetz übermittelt werden. Die etwa durch Telefone oder Telefax vermittelte Individualkommunikation gehört daher nicht zum Gegenstand des Medienrechts.
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So Branahl, Medienrecht, 5. Auflage 2006, S. 13. In diesem Sinn Bamberger, Einführung in das Medienrecht, 1986, S. 23. So Wenzel, in: Münchener Rechtslexikon, Bd. 2, Stichwort: Medienrecht. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, insbesondere Einleitung, Rn. 18 ff.; vgl. auch Sieber, NJW 1989, 2569 ff., der den noch weniger konturierten Begriff "Informationsrecht" zu etablieren versuchte.
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§ 1 Medienrecht als Recht der Massenkommunikation
Erhebliche Ordnungsprobleme stellen sich für elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, die insbesondere über das Internet zugänglich sind.62 Die Entscheidung darüber, ob auch sie den „Faktormedien“ zuzuordnen sind oder bloße „Forummedien“ darstellen, denen grundsätzlich keine massenmedientypische Wirkung für die Bildung der öffentlichen Meinung zukommt, zieht weit reichende Konsequenzen für die rechtliche Regulierung dieser Kommunikationsmittel nach sich. Zwar besteht Einigkeit darüber, dass sich die elektronischen Informationsund Kommunikationsdienste funktionell vom Rundfunk unterscheiden, weil sie gerade nicht ein Gesamtprogramm darbieten, das nach einem zeitlichen Schema abläuft und das Publikum gesamthaft an sich zu binden versucht. Dennoch ist damit nicht notwendig entschieden, dass diese Dienste aus dem Medienrecht und dem damit geschaffenen Ordnungsrahmen auszusondern sind und ihnen ein rechtsfreier Raum zu beliebigen Äußerungen und Informationsangeboten eröffnet ist. Anbieter elektronischer Informations- und Kommunikationsdienste halten zum individuellen Abruf bestimmte Informationsangebote massenhaft vor. Sie stehen funktionell im Zwischenbereich von klassischen Rundfunk und traditioneller individueller Telekommunikation. Die Rechtsordnung hat darüber zu entscheiden, ob und inwieweit auch diese Dienste einen massenkommunikativen Charakter haben und sie bzw. deren Anbieter deshalb medienrechtlichen Regelungen zu unterwerfen sind. Der deutsche Gesetzgeber hat für elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit es sich nicht um Telekommunikationsdienste i.S.d. § 3 Nr. 24 TKG oder um Rundfunk handelt, mit der Verabschiedung des Telemediengesetzes (TMG) einen Regelungsrahmen geschaffen, der insbesondere die wirtschafts- und datenschutzbezogenen Vorschriften für Telemedien enthält.63
D. Massen- und Individualkommunikation I. Eigenarten und Erscheinungsformen 36 Informations- und Kommunikationsdienste sind heute vielfach digitalisierte Informationsangebote, die auf elektronischem Wege netzvermittelt und zeitbeliebig in einer Weise in Anspruch genommen werden können, dass die verschiedenen Arten von Informationen in Texten, Bildern, Graphiken und Tönen einzeln oder auch kombiniert empfangen und – vielfach auch interaktiv - genutzt werden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Verbreitung und der Empfang von Informationen ungeachtet ihrer massenhaften Verfügbarkeit für jeden einzelnen individuell möglich werden. Multimediadienste sind gekennzeichnet durch eine Individualisierung überindividueller Kommunikation. Die scharf konturierten Abgrenzungen herkömmlicher Individual- und Massenkommunikation erodieren unter den Bedingungen der Digitalisierung und der damit einhergehenden Konvergenz von Te62
63
Zu Begriff und Eigenarten der Informations- und Kommunikationsdienste (früher sog. Multimediadienste) vgl. noch Rn. 72 ff. Vgl. dazu unter Rn. 1019 ff., 1348 ff., 1363 ff.
D. Massen- und Individualkommunikation
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lekommunikations- und Computertechnik zu fließenden Übergängen. Die Gegensätze von Massen- und Individualkommunikation verlieren sich in gleitenden Übergängen.64 Mittels globaler Telekommunikationsdienste und geeigneter Computertechnik 37 bieten Vermittlungsnetze wie das Internet jedem beliebigen Nutzer die Möglichkeit, an einem weltumspannenden Informationsverbund teilzunehmen und zu dem Informationsverbund hinzuzutreten, indem sich der Nutzer mit seinem Rechner über einen der vorhandenen Knotenpunkte in das Netz einloggt. Ein weltweit einheitliches Adressierungsschema ermöglicht es, dass nahezu beliebige Datenpakete ihre Empfänger durch die Telekommunikationsnetze über zwischen-geschaltete Vermittlungsrechner hindurch finden. Durch die digitale Verfügbarkeit aller Daten können im Internet in sekundenschnelle Verbindungen zwischen praktisch unbegrenzt vielen lokalen und regionalen Netzen hergestellt werden, die sämtliche Teilnehmer in einem „global village“ einer virtuellen Cyberwelt versammeln. Die aus dem Zusammenwachsen der Telekommunikations- und Computertech- 38 nik entstandenen Dienste eröffnen eine breite Palette von Möglichkeiten des Informationsaustauschs, welche die Teilnehmer am Kommunikationsgeschehen in vielfältigsten Formen und Varianten der Individual- und Massenkommunikation miteinander in Verbindung bringt. Die Anwendungsmöglichkeiten des mit der Digitalisierung und Kompression der Übertragungssignale einhergehenden Entwicklungsprozesses sind noch nicht endgültig abzusehen. Schon heute aber bietet die Multimediatechnik vielfältige Möglichkeiten sowohl für die Massenkommunikation, für die überindividuelle Kommunikation etwa in Unternehmen und Behörden, als auch für die Individualkommunikation. Im Zuge der fortschreitenden Konvergenz von Telekommunikations- und Computertechnik sind neue Kommunikationsangebote verfügbar und werden weitere entwickelt werden. Diese Entwicklung betrifft sowohl den Bereich der herkömmlichen massenkommunikativen Angebote insbesondere im Rundfunk, als auch die Möglichkeiten der Individualkommunikation. Das Phänomen der Konvergenz65 lässt sich nicht auf die technische Ebene be- 39 schränken.66 Auf dieser technischen Ebene geht es um eine Konvergenz der Informationstechnologien und in der Folge auch um eine Konvergenz von Infrastrukturen wie Telekommunikationsnetzen auf der Angebotsseite und den Empfangsgeräten auf der Seite der Nutzer.67 Mit diesem technischen Phänomen geht eine Konvergenz der Diensteangebote einher. Schon bisher bekannte Angebote 64
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Vgl. Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008, BT-Drs. 16/11570, S. 6 f. So die seit dem Grünbuch der EU-Kommission „zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen“, KOM (97) 623 allgemein verwendete Bezeichnung für das Zusammenwachsen der Medien. Zu den verschiedenen Formen der Konvergenz vgl. Hoffmann-Riem/Schulz/Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 19 ff. Vgl. Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008, BT-Drs. 16/11570, S. 4 ff.
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§ 1 Medienrecht als Recht der Massenkommunikation
konvergieren und neue Diensteangebote entstehen, so etwa wenn das klassische Fernsehen via Internet um interaktive Angebote erweitert wird (enhanced TV).68 Erwartet wird schließlich auch eine Konvergenz des Nutzungsverhaltens, das sich voraussichtlich in einer Verschiebung des Verhältnisses von Online- und Rundfunknutzungsverhalten niederschlagen wird.69 Das Angebot von Onlinediensten im Rundfunkbereich hat sich unter den Be40 dingungen technischer Konvergenz bereits spürbar erweitert und lässt in näherer Zukunft weitere Neuerungen erwarten. Zu nennen sind insofern die Möglichkeiten des pay-per-channel, insbesondere bestimmte Spartenprogramme über bestimmte Kanäle zu vertreiben, oder die des pay-per-view, die es dem Teilnehmer erlauben, das Abspielen ausgewählter Filme, gegebenenfalls spezialisiert für bestimmte Zielgruppen gegen Entgelt in Anspruch nehmen zu können. Zugriffsdienste werden es möglich machen, dass die Teilnehmer bestimmte Filme, die wiederholt und im Wechsel ausgestrahlt werden, über ihre Fernsehgeräte betrachten können (nearvideo-on-demand-Dienste). Noch weiter entwickelte Abrufdienste werden es erlauben, dass jeder Teilnehmer einzelne Sendungen oder Sendefolgen voraussichtlich gegen Entgelt aus einem elektronischen Datenspeicher auf den eigenen Bildschirm des Fernsehgerätes oder Personalcomputer holen kann (true-video-ondemand). An der Linearität der angebotenen Dienste ändert dies solange nichts, als das (in Programmschleifen) zur Verfügung gestellte Angebot immer nur gleichzeitig für alle Rezipienten empfangbar ist.70 Andere Onlinedienste lassen sich als technische Weiterentwicklungen der Indi41 vidualkommunikation einstufen. Hierzu gehören in erster Linie die Sprach-, Bildtelefon- und Mailboxdienste. Elektronische Post (E-Mail), das Fernkopieren von Daten und der Zugriff und das Arbeiten auf entfernt stehenden Rechnern gehören längst zu den weit verbreiteten Anwendungen des individuell-privaten, gewerblichen oder wissenschaftlichen Informationsaustauschs auf digitaler Basis. Zu nennen sind auch die über das Internet erreichbaren Chat-Rooms und der Zugang zu den Homepages von kommerziellen oder nichtkommerziellen Kommunikatoren. Teleshopping und Telebanking stellen Dienste dar, die schon heute zunehmende Verbreitung gefunden haben. In neuerer Zeit haben Foren und Blogging-Dienste ebenso an Bedeutung gewonnen wie Dienste, welche sog. User-GeneratedContent anbieten.71 Die elektronischen Informations- und Kommunikationsangebote führen zur 42 Vermischung der hergebrachten Kommunikationsstrukturen. Die Punkt-an-vieleKommunikationsstruktur der „klassischen“ Massenmedien nähert sich im Zeitalter der Digitalisierung einer Punkt-zu-Punkt-Struktur an, die es dem Nutzer von Multimediadiensten erlaubt, selbst für eine breite Öffentlichkeit bestimmte Informationsangebote individuell abzurufen. Wird der Fernseher eines Tages zum Multimedia-Home-Center entwickelt sein, ermöglicht dieser über Set-Top-Box und Server eine solche Menge von digitalisierten Daten zu empfangen, mit denen so68 69 70 71
Zerdieck, u.a., Internet-Ökonomie, S. 236 ff. Vgl. Hoffmann-Riem/Schulz/Held, a.a.O., S. 23 ff. Vgl. Schulz, EuzW 2008, S. 107, 109 f. Dazu mehr unter Rn. 108 ff.
D. Massen- und Individualkommunikation
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wohl der individuelle Abruf von interaktiven Fernsehprogrammen, Filmen, Nachrichten- und Informationssendungen, als auch der Teleeinkauf mittels Telecash oder aber (bildunterstütztes) Telefonieren erfolgen können. Die Eigenart dieser Multimediadienste besteht zusammengefasst darin, dass sie 43 im Zwischenbereich zwischen Medien der Massenkommunikation nach Art des Rundfunks und Fernsehens und der medienvermittelten Individualkommunikation nach Art des Telefon-Ferngesprächs angesiedelt sind. Multimediadienste sind funktionell weder massenkommunikativer Rundfunk noch reine Individualkommunikation. Sie ermöglichen vielmehr – wie es Bullinger/Mestmäcker formuliert haben -, „im Zwischenbereich zwischen Rundfunk und individueller Telekommunikation jedermann, jederzeit Informationen für jedermann zu individueller Auswahl anzubieten oder aufzusuchen und dabei mehrere technische oder inhaltliche Mittel überindividueller wie individueller Kommunikation zu verknüpfen oder im Wechsel zu nutzen“72. II. Fortdauernde Bedeutung der Unterscheidung von Massen- und Individualkommunikation Die Unterscheidung der Massen- von der Individualkommunikation ist im Multi- 44 mediazeitalter trotz aller Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Kommunikationsformen mit fortschreitender Konvergenz der Kommunikationstechnik nicht obsolet geworden. Der Mediengesetzgeber behält auch unter modernen Konvergenzbedingungen die Aufgabe, eine medienrechtliche Rahmenordnung für die Verwirklichung der verfassungsrechtlich verbürgten Informationsfreiheit zu schaffen und dabei der Sonderstellung der Massenkommunikation im Kommunikationsgeschehen Rechnung zu tragen. Mag auch die Abgrenzung zwischen Massen- und Individualkommunikation im einzelnen schwierig sein bzw. in den Randzonen verschwimmen, so berührt dies nicht die Erkenntnis, dass sich Massenkommunikation wegen der redaktionellen Gestaltung von Informationen zur Meinungsbildung von der rein individuellen Meinungsäußerung grundlegend unterscheidet und im Hinblick auf die damit möglichen Auswirkungen auf die Freiheit der Meinungsbildung besonderer rechtlicher Aufmerksamkeit bedarf. Presseerzeugnisse bleiben auch dann Produkte der Massenkommunikation, wenn sie auf elektronischem Wege individuell abgerufen werden können. Rundfunkmäßig aufbereitete Programme leisten auch dann einen Beitrag zur Massenkommunikation, wenn der Zugang zu ihnen über elektronische Verteil- oder Abrufdienste erfolgt. Jeweils hat die rechtliche Ordnung nicht den Verbreitungstechniken, sondern den Inhalten Rechnung zu tragen. Die Sonderstellung der Massenkommunikation hat konzeptionell auch der Mul- 45 timedia- bzw. Onlinedienste-Gesetzgebung in Deutschland zugrunde gelegen. Die Abgrenzung der Mediendienste von den Telediensten, die der Gesetzgeber in den – nunmehr durch das Telemediengesetz (TMG) ersetzten - Regeln der §§ 2, 23 MDStV und § 2 TDG getroffen hatte, entspricht konzeptionell der Unterscheidung 72
Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, 1997, S. 31.
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§ 1 Medienrecht als Recht der Massenkommunikation
von Individual- und Massenkommunikation.73 Die Kritik, die gegenüber dieser Konzeption der Multimedia-Gesetzgebung geäußert wurde und zur Schaffung des Telemediengesetzes (TMG) geführt hat, galt in erster Linie kompetenzrechtlichen Abgrenzungsfragen74 und nicht der Unterscheidung von Individual- und Massenkommunikation als Anknüpfungspunkt medienrechtlicher Regelungen. Während die Länder die Gesetzgebungskompetenz für Multimediafragen für sich beanspruchten und dafür sowohl auf die Dynamik des Rundfunkbegriffs als auch auf die fehlende Kompetenz des Bundes zur Regelung von Telekommunikationsinhalten verwiesen,75 stützte der Bund seine Gesetzgebung im Multimediabereich auf seine Gesetzgebungskompetenz für die Telekommunikation nach Art. 73 Nr. 7 GG hin.76 Der seinerzeit gefundene Weg, die Zuständigkeit zur Multimedia-Gesetzge46 bung in einen der Landeskompetenz zugewiesenen Bereich für Mediendienste und einen der Bundeskompetenz unterstellten Regelungskomplex der Teledienste aufzuteilen, beruhte anerkanntermaßen auf einem politischen Kompromiss und konnte nicht ohne Kritiker bleiben. In der Folge umfänglicher Diskussionen und Vorschläge,77 im Interesse der Förderung der Verbreitung von Informations- und Kommunikationsdienste ein „einheitliches Medienordnungsrecht“78 oder zumindest ein umfassendes „Multimediagesetz“79 zu schaffen, konnten mit dem Telemediengesetz (TMG) die kompetenzrechtlichen Bedenken gegen eine einheitliche (bundes-)gesetzliche Regelung überwunden werden. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, dass der Bund den wirtschaftlichen Handlungsrahmen für den gesamten Bereich der Informations- und Kommunikationsdienste einschließlich des Datenschutzes regelt und die Länder die inhaltsbezogenen Regelungen treffen.80 Die sachliche Berechtigung der Unterscheidung zwischen Individual- und Massenkommunikation ist durch das Telemediengesetz (TMG) an keiner Stelle in Frage gestellt worden. In der Gesetzesbegründung ist ausdrücklich bekräftigt worden, dass nicht die Verbreitungstechnik oder -art, sondern insbesondere hinsichtlich der Regelungsdichte die „unterschiedliche Funktion für die Meinungsbildung“81 und damit die Gestaltung und Aufbereitung der Inhalte des Informations73
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Vgl. Spindler, in: Roßnagel, Recht der Multimediadienste, Teil 2, § 2 TDG Rn. 10, 25 ff.; Gounalakis/Rhode, CR 1998, S. 490. Vgl. Degenhardt, ZUM 1998, S. 340 ff.; Hochstein, NJW 1997, S. 2979; Jarass, AfP 1998, S. 134 ff. Kröger/Moos, ZUM 1997, S. 470 f. So insbesondere Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, 1997; vgl. auch EngelFlechsig, ZUM 1997, S. 233. Vgl. grundlegend Gounalakis, Verhandlungen DJT 2002, Gutachten C und Schoch, JZ 2002, S. 798 ff. So die Empfehlung des Rat für Forschung, Technologie und Innovation, 1995, 25, E 13; vgl. dazu Rüttgers, CuR 1996, S. 51 ff.; vgl. auch Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technologiefolgenabschätzung des Deutschen Bundestages „Multimedia“, BT-Drs. 13/2475, S. 16 ff.. So die Eckwerte des Bundesgesetzgebers für ein Multimedia-Gesetz vom 2.5.1996. Vgl. Schmitz, K&R 2007, S. 135 ff.; Hoeren, NJW 2006, S. 801 ff. Vgl. RegE zum TMG, BT-Drs. 16/3135, S. 17.
D. Massen- und Individualkommunikation
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angebots, nämlich deren durch redaktionelle Gestaltung geschaffene Eignung zur massenkommunikativen Meinungsbildung, den zentralen Ordnungs- und Regelungsansatz des Medienrechts bilden. Die fortdauernde Bedeutung der Unterscheidung von Individual- und Massen- 47 kommunikation auch unter Konvergenzbedingungen entspricht der Regelungskonzeption des europäischen Medienrechts.82 Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste83 konzediert zwar der Konvergenzentwicklung ihren technologieneutralen Ansatz und bezieht sich ihrem Anwendungsbereich nach auf alle audiovisuellen Mediendienste; im Weiteren unterscheidet die Richtlinie aber zwischen linearen und solchen (nicht-linearen) Diensten, über deren Übertragung allein der Nutzer durch Abruf bestimmt.84 Eben darin kommt vom Regelungsansatz her die Differenzierung zwischen Massen- und Individualkommunikation zum Ausdruck.
§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
Literatur Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie – Das Recht der Massenkommunikation, 2008, Teil II und III; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage 2005; Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006; Schütz, Kommunikationsrecht, 2005.
Regelungsgegenstände des Medienrechts bilden sowohl die "klassischen" Mas- 48 senmedien wie Presse, Rundfunk und Film, als auch die „neuen Medien“, die als Telemedien, Internet- oder Multimedia- oder Onlineangebote bezeichnet werden. Letztere sind nur auf elektronischem Wege über Telekommunikation erreichbar. Deshalb gehört auch das Telekommunikationswesen zu den Regelungsgegenständen des Medienrechts.85 Die für die verschiedenen Regelungsgegenstände geltenden Rechtsregeln wer- 49 den in diesem Lehrbuch nicht nach den jeweiligen Medien geordnet. Vielmehr wird Medienrecht als das die verschiedenen Regelungsgegenstände der Massenkommunikation insgesamt betreffende, übergreifende Rechtsgebiet dargestellt. Nachfolgend werden aber die zentralen Merkmale und Besonderheiten der zahlreichen Regelungsgegenstände des Medienrechts behandelt. Sie sollen zugleich einen Überblick über den durch das Medienrecht geregelten Ausschnitt der Lebenswelt geben, der in seiner Vielgestaltigkeit und Verschiedenheit den Gegenstandsbereich des Medienrechts ausmacht.
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Dazu unter Rn. 123 ff. Vgl. Rn. 159 ff. Vgl. Schulz, EuZW 2008, S. 107, 109 f.; Castendyck/Böttcher, MMR 2008, S. 13, 14 f. Vgl. schon oben Rn. 15 ff.
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
A. Presse 50 Mit dem Begriff „Presse“ werden traditionellem Verständnis gemäß zunächst einmal Zeitungen86 und Zeitschriften bezeichnet. Darin erschöpft sich der Begriff aber nicht. Nicht nur der Zeitungsbegriff unterliegt Veränderungen etwa des äußeren Erscheinungsbildes und der Drucktechnik sowie dem Wandel durch neue Zeitungstypen wie den Anzeigenblättern.87 Ebenso verhält es sich mit dem umfassenderen medienrechtlichen Pressebegriff, der auf technologische Entwicklungen trifft und diesen nicht im Wege steht. Nach dem heute akzeptierten Begriffsverständnis umfasst Presse sämtliche 51 Formen der Verkörperung von Gedankeninhalten für einen unbestimmten Personenkreis, unabhängig davon, ob dies in Form von gedrucktem Papier oder von Ton- und Bildspeichern erfolgt.88 Dementsprechend ist anerkannt, dass der medienrechtliche Begriff des Presseerzeugnisses bzw. des Druckwerks, der in den Landespressegesetzen Verwendung findet, ungeachtet des nach herkömmlichem Sprachgebrauch engeren Begriffsverständnisses weit auszulegen ist.89 Dieser umfasst nach § 7 der Pressegesetze der Länder nicht nur die periodischen Druckwerke wie Zeitungen und Zeitschriften, sondern sämtliche mittels eines zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahrens hergestellten und zur Verbreitung bestimmten Erzeugnisse. Damit werden Schriften, bildliche Darstellungen mit und ohne Schrift, besprochene Tonträger und Musikalien mit Text und Erläuterungen einbezogen90. Als "Druckwerk" wird auch das Nachrichtenmaterial von Nachrichtenagenturen und Pressekonferenzen in Wort- und Bildform angesehen.91 Der medienrechtliche Presse- und Druckwerkbegriff geht über die umgangs52 sprachliche Bedeutung und auch über die Bedeutung des Begriffs „Sprachwerk“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG hinaus.92 Er erschließt und unterstellt damit ein weit reichendes Kommunikationsfeld dem Bereich der Presse und damit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Freiheitsverbürgungen zugunsten der Presse in Art. 5 Abs. 1 GG.93 Das Pressegesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland beruht auf landes53 rechtlichen Regelungen. Nach dem Scheitern der Bemühungen des Bundes, ein
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Für ein entwicklungsoffenes Verständnis auch des Zeitungsbegriffs Stober, in: Festschrift für Roellecke, 1997, S. 345 ff. Zur Einbeziehung der Anzeigenblätter in den Zeitungsbegriff OLG Hamm, AfP 1980, S. 45 f. Vgl. zu diesem Verständnis des Pressebegriffs Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 1 Rn. 68 ff. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 1 Rn. 5; Bamberger, Medienrecht, 1986, S. 2. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 1 Rn. 7. Vgl. Löhner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 7 Rn. 49, 50. Vgl. dazu Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage 2008, § 2 Rn. 54 ff., insbesondere Rn. 59. Näher zur Pressefreiheit unter Rn. 201 ff.
B. Rundfunk
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Presserechts-Rahmengesetz zu verabschieden,94 haben die Bundesländer auf der Grundlage eines Modellentwurfs von 1963 je eigene landesrechtliche, aber in den wesentlichen Punkten übereinstimmende Pressegesetze verabschiedet. Nach der Wiedervereinigung Deutschland haben auch die neuen Länder eigene Pressegesetze in Anlehnung an die Gesetzgebung der alten Länder geschaffen.95 Die Landespressegesetze verfolgten und verfolgen noch immer das Ziel, der 54 Bundesrepublik ein weitgehend einheitliches Presserecht zu geben und es dem Verständnis der Pressefreiheit des Grundgesetzes in Art. 5 GG in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des BVerfGs Rechnung zu tragen. Dieser Zielsetzung haben die Landespressegesetze vor allem durch die nachfol- 55 gend genannten Regelungen Rechnung zu tragen versucht. Von hervorragender Bedeutung sind die Vorschriften, die zum Ausdruck bringen, dass die Presse einen maßgeblichen Beitrag zur Bildung der öffentlichen Meinung leistet. Dazu gehören die Vorschriften der Landespressegesetze, die – abgesehen von den Regelungen in Hessen und Bayern – der Presse ausdrücklich bescheinigen, eine „öffentliche Aufgabe“ zu leisten. Dazu gehören aber auch die Vorschriften, die der Presse in Anerkennung dieser Aufgabe einen gerichtlich durchsetzbaren Informationsanspruch gegenüber Behörden geben und sie andererseits der besonderen pressegestzlichen Sorgfaltspflicht unterwerfen, alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung „mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt“ auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.
B. Rundfunk Der Rundfunk umfasst in seiner traditionellen juristischen begrifflichen Prägung 56 Hörfunk und Fernsehen. Seine Geschichte beginnt in der Weimarer Zeit96 und verzeichnet in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Wiederaufbau nach 1945 bewegte und dynamische Entwicklungen.97 Unter der Aufsicht der Alliierten wurde der Rundfunk in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs öffentlichrechtlich, in der Rechtsform von Anstalten des öffentlichen Rechts (Rundfunkanstalten) neu aufgebaut. Mit dem Ziel, eine staatliche Instrumentierung wie in der nationalsozialistischen Zeit zu verhindern,98 wurde die „Staatsfreiheit des Rundfunks“ zur Grundmaxime des Neuaufbaus.99 Die weitere Entwicklung des Rundfunkwesens in Deutschland ist durch drei Phasen gekennzeichnet: die Phase des 94 95
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Vgl. Hoffmann-Riem/Plander, Rechtsfragen des Pressereform, 1977. Vgl. den Überblick bei Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, Einleitung Rn. 90. Zur Entstehung des Rundfunks in Deutschland vgl. Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, 2. Auflage 2004; Lerg, Die Entstehung des Rundfunks. Herkunft und Entwicklung eines publizistischen Mittels, 1965. Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 1 Rn. 2 ff. Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 1 Rn. 24 f.; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, 2008, S. 23 f. Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 1 Rn. 27.
22
§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
Aufbaus bundesstaatlicher Strukturen des Rundfunks,100 in die auch das Entstehen des Fernsehens fällt;101 die Phase der Etablierung einer dualen Rundfunkordnung, die durch die Zulassung privater Rundfunkveranstalter geprägt ist,102 und die Phase, die mit den Schlagworten der digitalen Revolution und Konvergenz im Multimediazeitalter gekennzeichnet ist.103 Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 begann die Phase 57 des Aufbaus des Rundfunks, in der die bis heute prägenden bundesstaatlichen Strukturen ausgeprägt wurden. Es entwickelte sich eine Zusammenarbeit der Landesrundfunkanstalten, die 1950 zu der Gründung der „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands“ (ARD) führte. Zahlreiche weitere Vereinbarungen zur Zusammenarbeit wurden geschlossen, insbesondere der Fernsehvertrag von 1953, der zur Grundlage des ARD-Gemeinschaftsprogramms wurde, das ab dem 1. November 1954 ausgestrahlt wurde. Nachdem Bemühungen der Bundesregierung zur Schaffung eines bundeseigenen Rundfunks gescheitert waren, gründete die Bundesregierung eine „Deutschland Fernsehen GmbH“. Dies führte zu einem Bund-Länderstreit vor dem BVerfG, das 1961 sein berühmt gewordenes, die weitere Entwicklung des Rundfunk maßgeblich prägendes Fernsehurteil erließ.104 Die Deutschland-Fernsehen-GmbH wurde nicht nur wegen fehlender Zuständigkeit des Bundes, sondern auch deswegen für verfassungswidrig erklärt, weil sie den Rundfunk dem Staat auslieferte und darin vom BVerfG ein Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit gesehen wurde.105 Unmittelbare Konsequenzen des Urteils bestanden darin, dass auf der Grundlage des in Teilen verabschiedeten Bundesrundfunkgesetzes zwei Rundfunkanstalten des Bundes gegründet wurden (die Deutsche Welle zur Veranstaltung von Kurzwellensendungen für das Ausland und der Deutschlandfunk zur Veranstaltung von Hörfunksendungen für die DDR und das Ausland). In Ausführung der vom BVerfG bestätigten Kompetenz beschlossen die Bundesländer ein Abkommen über die Gründung einer weiteren Fernsehanstalt in Gestalt des ZDF-Staatvertrages von 1961. In diese Phase der Entwicklung des Rundfunkwesens fällt auch der „Staatsvertrag über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens“, mit dem die bis dahin geübte Praxis des Gebühreneinzugs durch die Bundespost beendet und die Verwaltung des Gebührenaufkommens einer von den Landesrundfunkanstalten gegründeten gemeinsamen Gebühreneinzugszentrale zugewiesen wurde. Die Entstehung des dualen Rundfunksystems hängt mit der Zulassung privaten 58 Rundfunks zusammen. Wiederum war es eine Entscheidung des BVerfGs, die maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung hatte. In einem Rechtsstreit um die Vergabe einer Rundfunklizenz an die „Freie Rundfunk Aktiengesellschaft in Gründung“ (FRAG) legte das angerufene Gericht in seinem Urteil von 1981 die 100 101 102 103 104
105
Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 1 Rn. 38 ff. Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 1 Rn. 40. Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 1 Rn. 71 ff. Vgl. Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, 2008, S. 23. BVerfGE 12, S. 205 ff. – Deutschland-Fernsehen; vgl. die Dokumentation der Entscheidung in: Zehner, Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, 1964. Zur verfassungsrechtlichen Rundfunkfreiheit näher unter Rn. 218 ff.
B. Rundfunk
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Kernelemente für die Einführung privaten Rundfunks fest. Es verlangte zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit insbesondere effektive gesetzliche Vorkehrungen, mit denen sicherzustellen ist, dass sämtliche gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen können.106 Das BVerfG stellt zwei idealtypische Ordnungsmodelle gegenüber, mit denen die gebotene Ordnung verwirklicht werden könnte: Das vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk her bekannte Modell des Binnenpluralismus, bei dem die gesellschaftlich relevanten Gruppen in plural zusammengesetzten Gremien an der Kontrolle des Rundfunks beteiligt werden und das Modell des Außenpluralismus, bei dem jeder Veranstalter – vergleichbar dem Modell für das Pressewesen – seine eigene Tendenz verfolgt und die Summe der Einzelprogramme ein alle Meinungsrichtungen widerspiegelndes Gesamtprogramm ergeben. Gemäß diesen verfassungsgerichtlichen Vorgaben wurden ab 1984 sukzessive 59 Privatrundfunkgesetze in allen Bundesländern erlassen. Die Verabschiedung dieser Gesetze wurde begleitet von tief greifenden Meinungsverschiedenheiten über die Frage der Wünschbarkeit privaten Rundfunks und sein Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie traten bei den Beratungen der Ministerpräsidenten der Länder über die Vergabe von Übertragungskanälen für Satellitenrundfunk zutage und ließen den Wunsch aufkommen, die Rahmenbedingungen für privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einem Staatsvertrag festzulegen. In die Zeit der sich anschließenden grundlegenden medienpolitischen Auseinandersetzungen fiel die Entscheidung des BVerfGs zum Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz, in der das Gericht grundlegende Vorgaben für das Verhältnis von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk im dualen System festlegte.107 Insbesondere hielt es eine Reduzierung der Vielfaltanforderungen an private Veranstalter für hinnehmbar, solange die „Grundversorgung“ durch die öffentlichrechtlichen Anstalten gewährleistet sei. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, die Vorbedingungen für die „Grundversorgung“ in umfassender Weise herzustellen. Letztlich gab die Entscheidung den Anstoß zur Einigung auf einen Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens, der am 1. Dezember 1987 in Kraft trat. Der Rundfunkstaatsvertrag wurde zur Grundlage des dualen Systems von öf- 60 fentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde der „Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland“ unterzeichnet, der am 1. Januar 1992 in Kraft trat. Er enthält neben dem Rundfunkstaatsvertrag,108 in weiteren Artikeln den ARD- und ZDF-Staatsvertrag sowie den Rundfunkgebühren- und den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag. Die Staatsverträge bilden das grundlegende Vertragswerk für die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland und wollen zugleich der europäischen Entwicklung des Rundfunks Rechnung tragen.109 Der Rundfunkstaatsvertrag enthält einen allgemeinen Teil, in dem der Rechts- 61 begriff des Rundfunks, aber auch Fragen des Jugendschutzes, der Kurzberichter106 107 108 109
BVerfGE 57, S. 295 ff. – FRAG. BVerfGE 73, S. 118 ff. – Niedersachsen. Seither wurden elf Rundfunkänderungsstaatsverträge verabschiedet. Vgl. z.B. die Präambel des RStV. Näher zum europäischen Recht unter Rn. 123 ff.
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
stattung über bestimmte Veranstaltungen und Ereignisse und Fragen der Werbung im Rundfunk und des Sponsoring geregelt werden. In zwei weiteren Abschnitten finden sich grundlegende Vorschriften zum öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Der fünfte Abschnitt ist den Fragen der Zuordnung von Übertragungskapazitäten und insbesondere der Ordnung von Plattformen mit Rundfunkangeboten gewidmet. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird im Rundfunkstaatsvertrag eine 62 Garantie für dessen Bestand und Entwicklung110 festgeschrieben. Dazu gehört seine Teilhabe an allen technischen Möglichkeiten in der Herstellung und zur Verbreitung sowie die Möglichkeit der Veranstaltung neuer Formen von Rundfunk. Bestimmt wird, dass die finanziellen Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschließlich des dazu gehörigen Finanzausgleichs zu erhalten und zu sichern sind. Für den Aufgaben- und Funktionsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommt der unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 GG abgeleitete111 „Grundversorgungsauftrag“ die herausragendste Bedeutung zu. Das BVerfG zählt drei Elemente zur Grundversorgung: eine Übertragungstechnik, bei der ein Empfang für alle sichergestellt ist, ein inhaltlicher Standard der Programme, der dem Auftrag des Rundfunks voll entspricht und die wirksame Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt in der Darstellung bestehender Meinungsrichtungen.112 Der verfassungsrechtliche Grundversorgungsauftrag wird vom BVerfG als Bestands- und Entwicklungsgarantie verstanden,113 welche „die nötigen Anpassungen“ einschließt, damit die Rundfunkanstalten im dualen System konkurrenzfähig bleiben kann.114 Damit verbunden sind die in den Rundfunkgesetzen und Staatsverträgen enthaltenen Regelungen zum Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.115 Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zielt nach seiner gesetzlichen Konkretisierung in §§ 11, 11a bis f RStV vor allem darauf, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet.116 Angefügt wurde mit der Neufassung des 12. RÄStV, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten „dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen“ haben, § 11 Abs. 1 Satz 1 RStV. Mit der Frage des Umfangs und der Reichweite des Auftrags der Anstalten sind wiederum die Regelungen zur Berechtigung der (wirtschaftlichen) Betätigung der Rundfunkanstalten über den Bereich der Programmherstellung und –verwertung im engeren Sinn hinaus verbunden.117 Privaten Veranstaltern werden im Rundfunkstaatsvertrag der Ausbau und die 63 Fortentwicklung eines privaten Rundfunksystems ermöglicht. Dazu sollen ihnen 110 111 112
113 114 115 116 117
Grundlegend BVerfGE 74, S. 297, 350 f. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 4. BVerfGE 73, S. 118, 123; 74, S. 297, 326; vgl. den Überblick bei Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 4 ff. BVerfGE 83, S. 238, 298 – WDR; 74, S. 297, 325 – Baden Württemberg. BVerfGE 90, S. 60, 93 – Rundfunkgebühr. Vgl. wiederum den Überblick bei Hesse, a.a.O., Kap. 4 Rn. 19 ff. BVerfGE 119, S. 181, 214, Tz. 115. Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 30 ff.
B. Rundfunk
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ausreichende Sendekapazitäten zur Verfügung gestellt und angemessene Einnahmequellen erschlossen werden. Die den privaten Rundfunk betreffenden Regelungsabschnitte beziehen sich insbesondere auf das Zulassungsverfahren, die Sicherung der Meinungsvielfalt, die Organisation der Medienaufsicht, sowie Regelungen zu Programmgrundsätzen und zur Finanzierung und Werbung. Rundfunkgesetze und Staatsverträge haben ein umfängliches Regulierungskonzept verwirklicht, das der traditionellen Public-Service-Orientierung des Rundfunks verhaftet geblieben. Im privaten Rundfunk soll die erwünschte pluralistische Vielfalt zwar durch den Wettbewerb der Rundfunkunternehmen untereinander hergestellt werden, dennoch greifen die Rechtsregeln für den Rundfunk mehr auf struktursteuernde Regelung zurück, als dass es auf die Kräfte eines sich entwickelndes Rundfunkmarktes vertraut.118 Im Multimediazeitalter und seit dem Umstellen auf die Digitaltechnik stellen 64 sich neue Herausforderungen für den Rundfunk; er wird in eine neue Entwicklungsphase geworfen. In Frage gestellt ist, ob die Regulierungserfordernisse nicht in dem Maß entfallen, in dem aufgrund der digitalen Möglichkeiten Übertragungswege in nahezu unbegrenzter Zahl zur Verfügung stehen werden. Weitere Grundfragen werden dahin gestellt, ob Rundfunk mit der Digitalisierung und der dadurch ermöglichten zunehmenden Individualisierung des Angebots etwa durch pay-TV und on-demand-Dienste nicht zu einem Wirtschaftsgut wie jedes andere wird und es deswegen keiner besonderen Regulierung mehr bedürfe.119 Manchen Herausforderungen hat sich der Gesetzgeber insbesondere durch Änderungen des Rundfunkstaatsvertrages bereits gestellt.120 Andere Regelungsfragen sind noch unbewältigt und bedürfen einer Neuordnung unter Berücksichtigung der neu entstandenen Rechtsregeln für Multimediadienste und der Konvergenz der verschiedenen Dienste im Digitalzeitalter. Der Rechtsbegriff des Rundfunks hat angesichts der technischen Entwicklun- 65 gen im Digitalzeitalter seine klaren Konturen verloren. Die (als Pilotprojekt zugelassene121) Übertragung von Bewegtbildern über Mobiltelefone („Handy-TV“) macht schlaglichtartig deutlich, dass der Rundfunk sorgfältig von anderen Informations- und Kommunikationsdiensten abzugrenzen ist, da von dieser Abgrenzung das Eingreifen durchaus unterschiedlicher Regelungsregime abhängt.122 Die geltende Rechtslage durch ein Auseinanderfallen von gesetzlichem und verfassungsrechtlichem Rundfunkbegriff gekennzeichnet. Während der gesetzliche Rundfunkbegriff des Rundfunkstaatsvertrages auf den sog. Programmrundfunk festgelegt ist,123 hat das BVerfG den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG offener bestimmt und auch Formen der elektronischen
118 119 120
121 122 123
Zu den Einzelheiten vgl. Hesse, a.a.O., Kap. 5 Rn. 1 ff. Vgl. Eberle, ZUM 1995, S. 249 ff.; Holznagel, ZUM 1996, S. 16 ff. Vgl. etwa die Problematik der Online-Angebote durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten; dazu Rn. 250. VGH Baden-Württemberg, MMR 2006, S. 569 ff. Vgl. dazu noch Rn. 90 ff. Vgl. Rn. 257 ff.
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
Kommunikation dem Rundfunkbegriff zugeordnet.124 Damit ergeben sich zwar nicht im Kernbereich, wohl aber in den Randbereichen des Rundfunkbegriffs erhebliche Abgrenzungs- und Zuordnungsschwierigkeiten, die sich insbesondere bei der Abgrenzung von Informations- und Kommunikationsdiensten zum Rundfunk zeigen.125 Ein near-video-on-demand-Angebot ist weiterhin als Fernsehen einzustufen, da alle Rezipienten das angebotene Programm nur in der Weise empfangen können, wie es vom Veranstalter linear in einer wiederkehrenden Schleife zur Verfügung gestellt, während bei Podcasts die Inhalte definitionsgemäß einzeln zum Nutzer geliefert bzw. von diesem abgerufen werden.126
C. Film 66 Das Filmschaffen gehört zu den „klassischen“ Erscheinungsformen des Massenkommunikationswesens. Seine tatsächliche und rechtliche Behandlung hat über die Jahre und Jahrzehnte tiefgreifende Veränderungen erfahren. Die Auswertungsformen für Filmwerke, die ursprünglich ganz auf Vorführungen in Filmtheatern konzentriert waren, haben sich erheblich verändert. Zunächst hat die Fernsehtechnik neue Verwertungsmöglichkeiten geschaffen. Die Videotechnik hat dem einzelnen Nutzer die Möglichkeit gegeben, Filmwerke über Abspielgeräte individuell und zeitunabhängig verfügbar zu machen. Die moderne Digitaltechnik hat bereits und wird zukünftig noch vermehrt neue Verwertungsmöglichkeiten und damit auch veränderte Grundlagen für die rechtliche Regelung schaffen. Für den Rechtsbegriffs „Film“ gibt es keine einschlägige Legaldefinition. Als 67 Film wird die öffentliche Wiedergabe geistiger Gehalte und Gefühle in unkörperlicher Form mit filmischen Mitteln verstanden.127 Nach der Art der Verbreitung ist zwischen Kino- und Fernsehfilmen zu unterscheiden. Dabei umfasst der Filmbegriff im audiovisuellen Speicherverfahren aufgezeichnete Bild- und Tonsignale, die mittels elektronischer oder optischer Verfahren auf Magnetbänder (Videofilme) oder Kunststoffplatten (Bildplatten) übertragen werden (sog. HV-Medien).128 Im Urheberrecht ist zwischen Filmwerken, nämlich schöpferisch gestalteten 68 und deshalb urheberrechtsschutzfähigen, beweglichen und durch Fotografie oder ähnliche Verfahren hergestellten Bild- oder Bild-Ton-Folgen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG129 und einfachen Laufbildern i.S.d. § 95 UrhG zu unterscheiden. Letztere sind nicht eigenschöpferisch gestaltete Bild- oder Bild-Ton-Folgen (z. B. Filmbe124
125 126
127 128
129
Dazu näher Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 73 ff. Vgl dazu näher unter Rn. 90 ff. Dazu Schulz, EuZW 2008, S. 107, 109 f.; Castendyck/Böttcher, MMR 2008, S. 13, 15 ff. Vgl. nur v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, Kap. 1. Vgl. Michelfelder, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht der Neuen Medien, 1989, S. 53 ff. Vgl. Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage 2008, § 2 Rn. 201 ff. sowie zur Abgrenzung von Filmwerken und Laufbildern § 95 Rn. 2 ff.
D. Telemedien, Telemediendienste
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richterstattung über gesellschaftliche, politische oder Sport-Ereignisse); sie genießen keinen Urheberschutz, sondern nur einen eingeschränkten urheberrechtlichen Leistungsschutz.130 Der verfassungsrechtliche Filmbegriff umfasst - wie derjenige der Presse und 69 derjenige des Rundfunks - die Gesamtheit der im Filmwesen eingesetzten persönlichen und sächlichen Mittel und Leistungen einschließlich ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen sowie die Erzeugnisse des Filmschaffens.131 Das Recht des Filmschaffens ist über zahlreiche Gesetze verstreut. Für die 70 Filmschaffenden selbst sind insbesondere die Regeln des Urheberrechts von Bedeutung, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken bestehen. Das bürgerlich-rechtliche Vertragsrecht ist heranzuziehen, wenn die einer Filmproduktion zugrunde liegenden Vertragswerke oder auch Filmverwertungsverträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Verwertungsformen in Filmtheatern, im Fernsehen und über die Videotechnik zu beurteilen sind. Für den Filmschaffenden ist darüber hinaus die Filmförderung und das diese regelnde Filmförderungsrecht132 nicht selten von elementarer Bedeutung, weil ohne diese Förderung viele Produktionen gar nicht erst in Angriff genommen werden könnten. Zur rechtlichen Ordnung des Filmschaffens gehören ferner die Schutzrechte 71 der allgemeinen Rechtsregeln des Jugendschutzes,133 des Namens- und Persönlichkeitsschutzes, die der verfassungsrechtlich garantierten Filmfreiheit Schranken setzen.
D. Telemedien, Telemediendienste Mit den sog. Telemedien wird ein Regelungsgegenstand des Medienrechts be- 72 zeichnet, dessen Inhalt in der Rechtssprache geprägt wurde. Der Begriff Telemedien wurde erstmals im Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV)134 benutzt und hat später dem Telemediengesetz (TMG)135 seine Bezeichnung gegeben. Der Begriff ist wenig konturenscharf und außerhalb des juristischen Sprachgebrauchs wenig gebräuchlich; stattdessen finden sich unterschiedliche Begriffe die weithin synonym verstanden werden, wie Neue Medien, Multimediaprodukte, elektronischen Medien, Internetangebote oder e-commerce-Angebote. Der Rechtsbegriff Telemedien ist nicht präzise gesetzlich definiert. Das TMG 73 bezieht seine Regelungen nicht auf „Telemedien“ sondern auf „elektronische Informations- und Kommunikationsdienste“, soweit sie nicht Telekommunikation 130
131 132 133 134 135
Vgl. Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage 2008, § 95 Rn. 1, vgl. auch BGHZ 90, S. 219, 222, 226. Vgl. nur Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 49 ff. Vgl. dazu Rn. 712 f. Zur Durchführung des Jugendschutzes auf dem Filmgebiet siehe unten Rn. 1236 ff. Vgl. §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV. Gesetz vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179).
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
oder Rundfunk sind.136 Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV sind Telemedien alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, ebenfalls soweit sie nicht Telekommunikationsdienste oder Rundfunk sind. Elektronische Informations- und Kommunikationsdienste können aber auf verschiedenen Datenträgern, auch beispielsweise auf einer CD oder DVD gespeichert und angeboten werden, ohne dass diese nach dem Willen des Gesetzgebers in den Regelungsbereich des TMG einbezogen werden sollten.137 Das TMG ist die Folgeregelung zu den außer Kraft gesetzten Regelungen des Teledienstegesetz (TDG) und des MediendiensteStaatsvertrages (MDStV), die für „elektronische Informations- und Kommunikationsdienste“ galten, die „mittels Telekommunikation“ übermittelt werden und „für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Töne bestimmt sind“ oder „an die Allgemeinheit gerichtet“ sind. Der von diesen Bestimmungen betroffene Regelungsgegenstand sollte durch das TMG, mit dem die schwierigen Abgrenzungs- und Zuständigkeitsfragen der bisherigen Regelungen überwunden werden sollten,138 nicht erweitert werden. Das Merkmal der Übermittlung „mittels Telekommunikation“ taucht allerdings im Wortlaut der Neuregelung des TMG nicht mehr auf; im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte stellt es aber ein vom Gesetzgeber weiterhin unausgesprochen gewolltes Regelungsmerkmal dar. Der Gesetzgeber hätte den vom TMG geordneten Regelungsgegenstand sach74 gerechter durch den Begriff „Telemediendienste“ beschreiben können.139 Der europäische Gesetzgeber verwendet in der Mediendienste-Richtlinie140 den Begriff der „audiovisuellen Mediendienste“ und schafft für den deutschen Gesetzgeber die Aufgabe einer sachgerechten Umsetzung dieser Richtlinie durch die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen.141 Der Bezug zum Dienstebegriff passt nicht nur besser zu der gesetzlichen Begrifflichkeit für die Adressaten der Regelung, die als „Diensteanbieter“ bezeichnet werden,142 er stimmt auch besser mit dem zentralen Gesetzesbegriff „Informations- und Kommunikationsdienste“ überein. Informations- und Kommunikationsdienste sind nach geltendem Recht der Oberbegriff für Telemediendienste, Telekommunikation und Rundfunk. Telemediendienste sind somit alle mittels Telekommunikation übertragenen Informations- und Kommunikationsdienste, die weder Telekommunikation noch Rundfunk sind.143 Telemediendienste sind somit Online-Angebote für Waren und Dienstleistun75 gen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit, multimediale Presseangebote, News136 137 138 139 140
141 142 143
Vgl. § 1 Abs. 1 TMG. Vgl. Begründung zum Entwurf des TMG, BT-Drs. 16/3078, S. 13 f. Vgl. Begründung zum Entwurf des TMG, BT-Drs. 16/3078, S. 11. So auch Roßnagel, NVwZ 2007, S. 743, 744. Zur sog. Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, Richtlinie 2007/65/EG v. 11. 12. 2007, ABlEG Nr. L 332/27 v. 18. 12. 2007; dazu Schulz EuZW 2008, S. 107 ff. Zweifelnd Hoeren, NJW 2007, S. 801, 802. Siehe § 2 Nr. 1 TMG. Zur Abgrenzung nach der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (dazu Rn. 159 f.) vgl. Castendyck/Böttcher, MMR 2008, S. 13, 15 ff.; Schulz, EuZW 2008, S. 107, 109 f.
D. Telemedien, Telemediendienste
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Clubs, Chatrooms, Suchdienste und die kommerzielle Verbreitung von Informationen über das Angebot von Waren und Dienstleistungen mittels sog. WerbeMails.144 Mit dieser Festlegung der Regelungsgegenstände des Medienrechts im Bereich 76 des e-commerce sind allerdings die medienrechtlichen Zuordnungs- und Abgrenzungsfragen nicht gelöst. Nach geltendem Recht können die mittels Telekommunikation übermittelten Informations- und Kommunikationsdienste nicht notwendig nur einem, sondern durchaus mehreren Rechtsregeln zugeordnet werden, namentlich dem Telemediengesetz (TMG), dem Telekommunikationsgesetz (TKG) und dem Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Am Beispiel des Diensteangebots einer elektronischen Nachrichtenagentur wird deutlich, dass alle drei Regelungskreise parallel einschlägig sein könne, das TKG für den technischen Vorgang der Telekommunikation, der RStV für den Inhalt der übermittelten Nachrichte und das Telemediengesetz für die Anforderungen an die Ausführung des Diensteangebots. Die Einbeziehung der via Telekommunikation übermittelten Informations- und 77 Kommunikationsdienste in das Medienrecht macht eine Zuordnung und Abgrenzung der Dienste nicht entbehrlich, sondern im Hinblick auf die einschlägigen unterschiedlichen Regelungskreise des Medienrechts sogar erforderlich. Der technische Vorgang der Telekommunikation unterliegt den im TKG vorgesehen Rechtsregel. Das TMG regelt, „wie“ das Angebot und die Durchführung von Telemediendiensten zu erfolgen hat; es enthält die sog. wirtschaftsbezogenen Vorschriften für Telemediendienste. Dazu gehört der Grundsatz, dass grenzüberschreitend angebotene Dienste nur den Anforderungen des jeweiligen Herkunftsstaats unterliegen (sog. Herkunftslandsprinzip); ferner sind Regelungen zu den Informationspflichten und zur Verantwortlichkeit der Anbieter vorgesehen, sowie den Grundsatz, dass Telemediendienste zulassungs- und anmeldefrei angeboten werden können. Der RStV wiederum regelt die inhaltsbezogenen Anforderungen an Telemedien, etwa im Hinblick auf Impressumspflichten, journalistische Sorgfaltspflichten und Gegendarstellungsbefugnisse. Zudem unterstellt er den Rundfunk der Aufsicht durch die Landesmedienanstalten, was angesichts der Konvergenz von Rundfunk und Internetangeboten dazu führt, dass elektronische Informations- und Kommunikationsdienste einer Inhaltsregulierung unter der Aufsicht der Landesmedienanstalten unterworfen sein können. Auf die sich insofern stellenden Zuordnungs- und Abgrenzungsfragen wird noch gesondert einzugehen sein.145
144 145
Siehe BT-Drs. 16/3078, S. 13. Vgl. unter 90 ff.
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
E. Exkurs: Telekommunikation I. Rechtsbegriff der Telekommunikation 78 Die Einbeziehung der Telekommunikation in die Darstellung des Medienrechts versteht sich nicht von selbst. Sie soll die zwischen den inhaltsbezogenen Informations- und Kommunikationsdiensten und der technischen Seite ihrer Übermittlung mittels der Technik der Telekommunikation bestehende Zusammenhänge aufzeigen. Die Informations- und Kommunikationsdienste sind nur deshalb überhaupt massenkommunikationstauglich, weil ihre Inhalte mittels Telekommunikation abgerufen oder verteilt werden. Das Telekommunikationswesen schafft die unentbehrliche Voraussetzung für die Erbringung von Massenkommunikationsdiensten; insofern sind Telekommunikation und elektronische Informations- und Kommunikation komplementäre Erscheinungen des Mediengeschehens. Rechtlich handelt es sich um verschiedenartige Regelungsbereiche: Die Rechts79 regeln für die Telekommunikation betreffen grundsätzlich den technischen Vorgang der Telekommunikation, während das Recht der Informations- und Kommunikationsdienste die inhaltsbezogenen Fragen der Dienste regelt. 146 Telekommunikation ist nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 22 TKG der „technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art in der Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels Telekommunikationsanlagen ...“. Nach § 3 Nr. 24 TKG sind Telekommunikationsdienste „in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen“. Die Abgrenzung der technischen Seite der Telekommunikation von deren In80 haltsseite wird vom Gesetzgeber kategorisch getroffen. Nach § 1 Abs. 1 TMG gilt das Telemediengesetz nicht für Telekommunikationsdienste und nach § 1 Abs. 4 TMG ergeben sich die „an die Inhalte von Telemedien zu richtenden besonderen Anforderungen“ aus dem Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien. Damit wird eine prinzipiell klare Abgrenzung angestrebt,147 die allerdings durch den Wortlaut des § 1 Abs. 1 TMG relativiert wird. Der Gesetzgeber des TMG hat in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben148 den Begriff „elektronische Informations- und Kommunikationsdienste“ bewusst als Oberbegriff gewählt,149 der sowohl die Telekommunikationsdienste als auch den Rundfunk und die Telemediendienste umfasst und deshalb Abgrenzungsfragen aufwirft.150
146 147 148 149 150
Vgl. BT-Drs. 16/3078, S. 20. Vgl. BT-Drs. 16/3078, S. 20. Vgl. dazu näher unter 161 ff. BT-Drs. 16/3078, S. 20. Vgl. dazu unter Rn 90 ff.
E. Exkurs: Telekommunikation
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II. Entwicklung und Grundzüge des Telekommunikationsrechts Das Telekommunikationswesen war lange Zeit von der Vorstellung eines sog. na- 81 türlichen Monopols geprägt, nach der die Telekommunikation als wirtschaftlichem Wettbewerb nicht zugänglich und deshalb unter staatlicher Daseinsvorsorge stehen sollte.151 In Deutschland – wie in den meisten anderen europäischen Staaten - wurden Telekommunikationsdienste ausschließlich von Monopolanbietern als Leistung der Daseinsvorsorge in hoheitlicher Tätigkeit angeboten. Nach Art. 87 Abs. 1 GG a.F. waren sämtliche Postdienste, nämlich das Post- und Fernmeldewesen sowie das Postbankwesen in bundeseigener Verwaltung zur führen. Die Deutsche Bundespost, ein Sondervermögen des Bundes, war in Deutschland der von Bund mit umfassenden Monopolrechten ausgestattete und deswegen alleinige Anbieter von seinerzeit kaum entwickelten Telekommunikationsdiensten. Seit Ende der 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstand die Idee einer 82 Deregulierung und Liberalisierung der Telekommunikation, die sich vor allem aus wirtschaftlichen und konzeptionellen Erwägungen Bahn brach. Die Vorstellung, dass ein staatlicher Monopolist im Telekommunikationssektor aufgrund seiner Größen- und Verbundvorteile zum Wohl der Allgemeinheit kosten- und leistungseffizient agiere, wurde von der Überzeugung abgelöst, dass dynamischer Wettbewerb konkurrierender Anbieter auch in der Telekommunikation möglich und die Gemeinwohlziele besser zu erreichen vermag.152 Die Überzeugung von der Richtigkeit der Öffnung der Telekommunikationsnetze gewann vor allem auf der Ebene der EU-Kommission die Oberhand, die wiederum dem aus den USA kommenden handelspolitischen Druck ausgesetzt war, Hindernisse für einen Wettbewerb in der Telekommunikation im Hinblick auf die Regeln über die Marktzugangsliberalisierung der Welthandelsorganisation (WTO) zu beseitigen. 153 Ausgehend von der Öffnung der Märkte für Endgeräte entwickelte die EU-Kommission zahlreiche Richtlinien zur Liberalisierung des europäischen Telekommunikationssektors. 154 In Deutschland wurde das Monopol der Deutschen Bundespost schrittweise155 83 aufgehoben, die Deutsche Bundespost selbst wurde gänzlich neu strukturiert, indem die operativen Aufgaben in der Telekommunikation einem neu gegründeten Unternehmen zugewiesen wurden und eine begrenzte Öffnung der Telekommunikation für Wettbewerb im Bereich der Endgeräte, der Firmennetze und des Satelli-
151
152 153 154
155
Zu Begriff und Konzeption sog. natürlicher Monopole vgl. Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, GWB, 4. Auflage 2007, Anhang 1 Rn. 1 ff.; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 5 ff.; ferner unter Rn. 451 ff. Vgl. Möschel, a.a.O., Anhang 1 Rn. 12; Holznagel/Enaux/Nienhaus, a.a.O., Rn. 8 ff. Holznagel/Enaux/Nienhaus, a.a.O., Rn. 22. Vgl. zum europäischen Rechtsrahmen näher Klotz, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum TKG, 2006, Einl. II, Rn. 3 ff. Zur Geschichte der Postreformen und früheren Ansätzen der Reform der Deutschen Bundespost vgl. Pfeffermann/Kühne, in: Beck’scher Post-Kommentar, 2. Auflage 2003, Einf. Rn. 1 ff.
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
ten- und Mobilfunks erfolgte (sog. Postreform I156). Im Jahr 1994 (mit der sog. Postreform II157) erfolgte eine Privatisierung der Aufgaben und der Rechtsform des neu entstandenen Telekommunikationsunternehmens, das als Deutschen Telekom AG gegründet wurde. Nachdem die Gesellschaft zum Ende des Jahres 1996 an die Börse gegangen war, erfolgte durch die Veräußerung der vom Bund gehaltenen Anteile auch materiell die Privatisierung des Unternehmens. In einem weiteren Liberalisierungsschritt (sog. Postreform III158) hob der deutsche Gesetzgeber die verbliebenen Monopolrechte auf und vollendete mit der Schaffung des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996159 eine vollständige Liberalisierung der Telekommunikation.160 Der Gesetzgeber musste mit der Verabschiedung des TKG die Kernfrage ent84 scheiden, ob für die Marktöffnung in der Telekommunikation das Vertrauen auf die Eigengesetzlichkeiten des Marktgeschehens und die Anwendung des allgemeinen Kartellrechts ausreichen oder aber eine besondere staatliche Regulierung von Telekommunikationswettbewerb erfolgen sollte.161 Nach der in § 1 TKG 1996 getroffenen Kernbestimmung hat der Gesetzgeber den Zweck des Telekommunikationsgesetzes dahingehend festgelegt, „durch Regulierung im Bereich der Telekommunikation den Wettbewerb zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten sowie eine Frequenzordnung festzulegen.“ Seither ist die Telekommunikation Gegenstand sektorspezifischen Regulierungsrechts.162 Für die Umsetzung der wettbewerblichen Öffnung der Telekommunikations85 märkte auf der Grundlage des TKG sollte eine Regulierungsbehörde, die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP, jetzt: Bundesnetzagentur – BNetzA163) zuständig sein. Dieser neu geschaffenen Regulierungsbehörde - und nicht dem Bundeskartellamt - wurde die Aufgabe der Aufsicht über den Wettbewerb in der Telekommunikation zugewiesen. Diese Entscheidung wurde aus der Überzeugung heraus getroffen, dass die Telekommunikationswirtschaft – wie die Netzwirtschaften insgesamt – wegen ihrer historisch bedingten monopolistischen Struktur einer besonderen Regulierung durch eine spezialisierte Behörde bedarf
156
157 158 159 160
161
162
163
Vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 25 ff. Vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, a.a.O., Rn. 38 ff. Vgl. Schuster, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, Einl. A Rn. 2 ff. BGBl. I, S. 1120. Zu Konzeption und Regelungsinhalten des TKG 1996 vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 39 ff.; sowie dies., Grundzüge des Telekommunikationsrechts, 2001, S. 17 ff. Vgl. dazu BT-Drs. 13/3609, S. 34; vgl. zur heutigen Notwendigkeit von Regulierung Säcker, in: Säcker, Berliner Kommentar zum TKG, 2006, Einl. I Rn. 10 ff. Zu Begriff und Bedeutung eines Sonderkartellrechts vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Auflage 2007, Anhang 1 Rn. 17 ff. Vgl. Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970) sowie §§ 116 ff. TKG.
E. Exkurs: Telekommunikation
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und der Ausbau der Kartellbehörden und die Erweiterung von deren Aufgaben keine sachgerechte Alternative darstellten.164 Beide Entscheidungen des Gesetzgebers, die Schaffung sektorspezifischen Re- 86 gulierungsrechts und die Einrichtung einer besonderen Regulierungsbehörde, haben grundlegende Bedeutung für das Telekommunikationsrecht. Die Konzeption des Regulierungsrechts der Telekommunikation im TKG bringt die spezifischen komplexen Aufgaben und Ziele zum Ausdruck, die sich nach der Privatisierung des Telekommunikationssektors stellen. Der Gesetzgeber hat seine Aufgabe dahingehend definiert, gleichzeitig eine effiziente, flächendeckende und sichere Netzinfrastruktur und eine kosteneffiziente und gemeinwohlbezogene universelle Zugänglichkeit von Telekommunikationsdiensten für Verbraucher und Unternehmen zu gewährleisten. Diese hybride Aufgabenstruktur der Schaffung kompetitiver, chancengleicher Bedingungen für die (privatrechtliche) Gestaltung von Rechtsverhältnissen über Telekommunikationsdienste einerseits und der das Gemeinwohl fördernden (öffentlich-rechtlichen) Grundversorgung mit Telekommunikationsdiensten andererseits, macht den Kern des medienrechtlichen Regulierungsrechts aus.165 Ein solchermaßen komplex angelegtes Regulierungsrecht der Telekommunikation sprengt den Rahmen des allgemeinen Wettbewerbsrechts. Deshalb musste auch eine neben dem Bundeskartellamt tätige spezielle Regulierungsbehörde geschaffen werden.166 Die Überführung eines ehemaligen Monopolsektors in eine wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft und die gesetzlich normierte Förderung von Wettbewerb im Telekommunikationssektor stehen ebenso wie die Gewährleistung einer flächendeckenden Telekommunikationsversorgung außerhalb der Aufgaben und Befugnisse der Wettbewerbsbehörde nach dem GWB. Das Telekommunikationsrecht blieb auch nach der Verabschiedung des TKG 87 im Jahr 1996 unter fortlaufender rechtspolitischer Beobachtung. Nach kleineren Reformen durch den nationalen Gesetzgeber hat die EU-Kommission mit dem im Jahr 2002 verabschiedeten neuen Rechtsrahmen des europäischen Telekommunikationsrechts167 wesentliche Vorgaben für eine Reform des Telekommunikationsrechts gesetzt. Das Ziel der von Europa angestoßenen Reform bestand vor allem darin, eine Vereinfachung des Regulierungsrechts und seine europaweite Harmonisierung zu erreichen und dabei dem Umstand der Konvergenz der Medien Rechnung zu tragen.168 Die Umsetzung dieser Vorgaben erfolgte in Deutschland durch die Verabschiedung des TKG 2004.169 Den vorläufig letzten größeren Re-
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Vgl. BT-Drs. 13/3609, S. 51. Säcker, in: Säcker, Berliner Kommentar zum TKG, 2006, Einl. I Rn. 13; vgl. zu den konzeptionellen Grundsätzen des deutschen Regulierungsrechts v.Dannwitz, DÖV 2004, S. 977, 980. Säcker, a.a.O., Einl. I Rn. 4 ff. Vgl. näher Grussmann, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, Einl. B. Rn. 99 ff. Vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 47. Gesetz vom 26.6.2004 BGBl. I 2004, S. 1190.
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
formschritt brachte die Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2007,170 die dem TKG seine derzeit geltende Gestalt gegeben hat.171 Das geltende TKG erklärt als vorrangiges Ziel weiterhin die sektorspezifische, 88 gemäß den europarechtlichen Vorgaben technologieneutrale172 Regulierung, die den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen gewährleisten soll. Hinzugekommen ist das Ziel, „leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern“. Der damit gewollte Dualismus von Infrastruktur- und Dienstewettbewerb 173 findet Niederschlag in den Zielvorgaben des Gesetzes, die einerseits die Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs und die Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte im Bereich der Telekommunikationsdienste und -netze sowie die Förderung effizienter Infrastrukturinvestitionen umfassen.174 Das Gesetz gewährleistet nunmehr gemäß den europarechtlichen Vorgaben und unter Abschaffung des bis dahin geltenden Genehmigungsvorbehalts die Freiheit der elektronischen Kommunikation ohne vorherige staatliche Genehmigung.175 Das Herzstück der Regelung bilden die Regelungen der Marktregulierung. Sie bestehen aus eine komplexen Marktanalyseverfahren (§§ 9 – 15 TKG),176 den Regelungen über die Regulierung des Zugangs zu elektronischen Kommunikationsnetzen und – diensten sowie ihrer Zusammenschaltung (§§ 16 – 26 TKG) 177 und gesonderten Regeln über die Entgeltregulierung (§§ 27 – 39 TKG).178 Weiterhin ist eine sektorspezifische Missbrauchaufsicht179 vorgesehen sowie umfängliche Regelungen zum Kundenschutz (§§ 43a – 47b sowie §§ 66a – 66l TKG).180 Auf die Einzelheiten ist noch im jeweiligen Sachzusammenhang näher einzugehen. Mit dem TKG 2004 ist noch nicht darüber befunden, ob die Regulierung der 89 Telekommunikation eine vorübergehende Aufgabe der Überführung der Telekommunikationswirtschaft in eine Wettbewerbswirtschaft darstellt oder aber eine dauerhafte daseinfürsorgliche Staatsaufgabe. Nach modernem wirtschaftsverfassungsrechtlichem Verständnis obliegt dem Staat eine Gewährleistungsaufgabe und
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Gesetz vom 18.2.2007 (BGBl. I S. 106); beachte auch das Gesetz vom 21.12.2007 (BGBl. I S. 3198). Das TKG wurde zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.12.2008 (BGBl. I S. 3083). Dazu Scherer K&R 2002, S. 273 ff. Vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 243. Vgl. § 2 Abs. 2 TKG 2004; dazu näher Scheuerle, in: Scheuerle/Mayen, 2. Auflage 2008, § 2 Rn. 5 ff. Grundsätzlich besteht gem. § 6 TKG nur noch eine Meldepflicht. Vgl. näher Paschke, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 6. Abschnitt Rn. 1 ff. Vgl. näher Paschke, a.a.O., 6. Abschnitt Rn. 73 ff. Vgl. näher Paschke, a.a.O., 6. Abschnitt Rn. 1 ff. Zu den allgemeinen Vorschriften der Entgeltregulierung des TKG vgl. Berger/Rößner, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 9. Abschnitt Rn. 1 ff. Vgl. dazu näher Klaes, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 12. Abschnitt Rn. 15 ff. und 14. Abschnitt Rn. 58 ff.
F. Einordnung ausgewählter Dienste
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–verantwortung,181 insbesondere wenn durch den Rückzug des Staates aus bestimmten Bereichen die Gefahr entsteht, dass „Machtpositionen Privater begründet werden, dass Machtungleichgewichte befördert werden, dass selektive Interessenbewertungen in staatliche Entscheidungszusammenhänge eingeführt werden, dass die rechtsstaatlich gebotene Distanz zu den Beteiligten eingeebnet wird“.182 Dieses Verständnis spricht im Bereich der Telekommunikation dafür, die Gewährleistung der Versorgung mit effizienten und flächendeckender Telekommunikationsinfrastrukturen und -netzen als dauerhafte Staatsaufgabe zu verstehen, jedenfalls solange als Telekommunikation im höchstrangigen Gemeinwohlinteresse liegend bewertet wird und deshalb die Rechtsordnung einen Schutz vor den mit Telekommunikationsmonopolen verbundenen Gefahren für das Funktionieren der gesamtwirtschaftlichen Ordnung zu gewährleisten hat.183
F. Einordnung ausgewählter Dienste Nachdem die zentralen Merkmale und Besonderheiten der zahlreichen Regelungs- 90 gegenstände des Medienrechts behandelt wurden, sollen nachfolgend eine Zuordnung und Abgrenzung einzelner Informations- und Kommunikationsdienste vorgenommen werden, bei denen nicht die grundsätzliche Zuordnung zum Medienrecht, wohl aber die medienrechtliche Einordnung im Detail in Frage steht. Die Einordnungsfragen stellen sich vor allem angesichts des Umstandes, dass das Telemediengesetz zwar für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste gilt, eine Einschränkung aber nach § 1 TMG gilt, „soweit“ sie nicht Rundfunk oder Telekommunikation sind. Medienrechtlich besteht danach die Notwendigkeit, die verschiedenen elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste voneinander abzugrenzen, um deren Einordnung als Telekommunikation, als Telemediendienst bzw. als Rundfunk vor dem Hintergrund der Regelungen des TKG, des TMG und des RStV vorzunehmen. In den Kernbereichen der jeweiligen Medien ist diese Abgrenzung ohne weite- 91 res möglich. Hörfunk- und Fernsehprogramme hergebrachter Art, die eine Mehrzahl von Programmelementen zu einem einheitlichen Angebot zusammenfassen, sind Rundfunk im Sinne des RStV.184 Online-Angebote von Waren- und Dienstleistungen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit sind typische Telemediendienste im Sinne des TMG.185 Die herkömmliche Sprachtelefonie über Fest- oder Mobilfunknetze ist als Telekommunikation iSd TKG einzuordnen.186
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Säcker, in: Säcker, Berliner Kommentar zum TKG, 2006, Einl. I Rn. 10; ders., AöR 130 (2005), S. 180 ff. Trute, Gemeinwohlsicherung im Gewährleistungsstaat, in: Schuppert/Neidhart, Gemeinwohl: Auf der Suche nach Substanz, WZB-Jahrbuch, 2002, S. 330 f. In diesem Sinne Säcker, a.a.O., Einl. I Rn. 10 ff., 13 ff. Vgl. oben Rn. 65. Vgl. oben Rn. 75. Vgl. oben Rn. 79.
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
Die Einordnung ist in den Rand- und Übergangsbereichen der jeweiligen Medien schwieriger. So versteht sich nicht von selbst, ob die Internet-Telefonie (voice over internet) als herkömmliche Sprachtelefonie zu behandeln oder als voice over IP-Dienst als Telemediendienst einzuordnen ist. Video-on-demand kann nicht ohne weiteres als Rundfunk klassifiziert werden; zwar ist die Möglichkeit des Empfangs durch die Allgemeinheit gegeben, dennoch erscheint die Einordnung als Telemediendienst möglich, wenn der Dienst auf individuellen Abruf eines Dienstleistungsempfängers hin erfolgt.187 Web-casting wiederum, also die ausschließliche Übertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über das Internet, erfordert eine Abgrenzung zwischen Telemediendiensten und Rundfunk. Abgrenzungsfragen stellen sich vor allem zwischen Telemediendiensten und 93 Rundfunk. Diese Abgrenzung lässt sich sachgerecht nicht anders als unter Berücksichtigung der Erwägungen treffen, die den Rundfunk und seine nach herrschendem Verständnis vorhandene Sonderstellung charakterisieren.188 Die „positive Rundfunkordnung“ wird von der Rechtsprechung des BVerfG unter Hinweis auf die wesentliche Beeinflussung der öffentlichen Meinungsbildung durch die Rundfunkinhalte gefordert, die wiederum von ihrer Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft ausgeht.189 Die Erscheinungsformen der angebotenen Dienste befinden sich in ständiger 94 Entwicklung und Ergänzung. Die nachfolgende Darstellung trifft eine Auswahl der bekanntesten und am häufigsten genutzten Dienste. Dabei erfolgt eine Gliederung in Dienste nach ihrer hauptsächlichen Orientierung an der Sprachvermittlung bzw. der Text- oder Bildübermittlung. Eine gesonderte Erwähnung finden die von den Nutzern selbst erstellten Inhalte, so genannte user-generated-content Anwendungen, sowie sich abzeichnende Weiterentwicklungen. Ein weiteres Phänomen stellen Kommunikationsplattformen in sog. virtuellen Welten dar. Die getroffene Auswahl und Einteilung kann aufgrund der Dynamik des Medienmarktes selbstverständlich nur vorläufigen Charakter haben und bedarf daher in Zukunft einer kontinuierlichen Überprüfung. 92
I. Sprachvermittelnde Dienste 95 Telefonieren über das Internet ist durch eine bestimmte Übertragungstechnologie möglich geworden und untrennbar mit dem Schlagwort Voice-over-IP (VoIP) verbunden. Bei der VoIP-Technologie wird anders als bei der herkömmlichen Telefontechnik die Verbindung für Telefongespräche nicht mehr durch die Zusammenschaltung mehrerer Leitungsabschnitte des Telefonnetzes aufgebaut, die dann für die Dauer des Gesprächs allein für die individuelle Verbindung genutzt wird. Die Sprachinformation wird in einzelne Datenpakete verpackt und mit Hilfe des Internet-Protokolls (IP) je gesondert übertragen und am Ende des Transportweges 187 188
189
Siehe dazu näher unter Rn. 102. Vgl. Schmitz, K&R 2007, S. 135 ff.; Hoeren, NJW 2007, S. 801, 802 f.; Spindler, CR 2007, S. 239, 240 f.; Bauer/v.Einem, MMR 2007, S. 423, 424. So insbesondere BVerfGE 90, S. 60, 87.
F. Einordnung ausgewählter Dienste
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zusammengeführt, entpackt und in die ursprüngliche Sprachinformation zurückverwandelt. Voice-over-IP stellt keinen Telemediendienst dar und ist medienrechtlich nach 96 den gleichen Regeln wie die herkömmliche Sprachtelefonie geordnet.190 Nach § 1 Abs. 1 TMG fallen Dienste, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen (§ 3 Nr. 24 TKG) ausschließlich in den Anwendungsbereich des TKG. Davon zu unterscheiden sind TK-Dienste, die überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehen (ebenfalls § 3 Nr. 24 TKG), nämlich neben der Übertragungsdienstleistung noch eine andere inhaltliche Dienstleistung anbieten (z.B. den Internetzugang oder die e-mail-Übertragung); sie sind zugleich Telemediendienste und unterfallen somit auch dem TMG – mit Ausnahme des Datenschutzes.191 TK-gestützte Dienste iSd § 3 Nr. 25 TKG, also insbesondere Angebote für Sonderdienste über nicht geographisch gebundene Sondernummern192 - fallen nach § 1 Abs. 1 TMG nicht in den Anwendungsbereich des TMG. Nach zutreffender Einordnung handelt es sich dabei um eine Individualkommunikation zwischen dem Telekommunikationsdiensteanbieter und dem Kunden, bei der der Anbieter dem Kunden eine bestimmte inhaltliche Dienstleistung erbringt; diese müsste entgegen der nach § 1 TMG geltenden Gesetzeslage wie die Dienste der Access und e-mail-Provider auch - dem TMG unterfallen.193 Das bloße Telefonieren über das Internet dagegen weist keinen erheblichen Unterschied zur herkömmlichen leitungsgebundenen Sprachtelefonie auf. Deshalb unterliegt die VoIP-Telefonie ausschließlich dem TKG.194 II. Bild- und Tonübertragende Dienste 1. Handy-TV Fernsehen am Mobiltelefon kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen. So 97 können die herkömmlichen Programme zeitgleich und unverändert auf das Mobiltelefon übertragen werden (sog. Simulcast); es können aber auch Programme speziell für die Interessen der Nutzer mobiler Endgeräte zusammengestellt werden. Möglich sind ferner on-demand-Dienste, die den Abruf durch den Rezipienten ermöglichen, aber auch Programme mit interaktiven Elementen. Die linearen Angebote können ohne weiteres dem Rundfunk zuzuordnen sein; 98 bei ihnen steht die Meinungsbildungsrelevanz der herkömmlicher Programme auch dann nicht nach, wenn sie speziell für die Nutzer mobiler Endgeräte entwickelt werden;195 die geringere Bildschirmgröße geht nicht mit einer verminderten 190
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193 194 195
So Begr. zum TMG, BT-Drs. 16/3078, S. 17 f., während nach dem vorhergehenden RefE zum TMG vom 19.4.2005 die Internet-Telefonie noch dem TMG unterworfen sein sollte. Vgl. § 11 Abs. 3 TMG. Sog. Mehrwertdienste (z.B. Auskunfts- und Beratungsdienste), die über spezielle Rufnummern zu erreichen sind (z.B. 0900-er Rufnummern). Vgl. Roßnagel, NVwZ 2007, S. 743, 745. Vgl. Bender/Kahlen, MMR 2006, S. 590, 591. Bauer/v.Einem, MMR 2007, S. 423, 424 f.; Schulz, EuZW 2008, S. 107, 109.
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
Suggestivkraft einher; das kleinere Display verlangt im Gegenteil einen höheren Aufmerksamkeitswert.196 On-demand-Dienste, bei denen der Nutzer über den Inhalt und Übertragungs99 zeitpunkt allein befinden kann (sog. pull-Dienste), sind als Telemedien einzuordnen. Stellt dagegen der Veranstalter zusammen (pay-per-channel) handelt es sich um Rundfunk.197 Kombinierte Programme, bei denen redaktionell gestaltete Inhalte mit interak100 tiven Elementen vermischt sind (z.B. Integration von Teleshopping in herkömmliche Programme) sollen in ihren Bestandteilen, sofern diese trennbar sind, nach ihrer jeweiligem Charakter beurteilt werden, andernfalls nach einer wertenden Gesamtschau ein und demselben Regime unterstellt sein. 198 Besondere Einordnungsfragen werfen die sog. Handy-TV-Plattformen auf, die 101 ganz unterschiedliche Angebote für den Handy-Nutzer bereitstellen können. Allein der sich dem Wettbewerb der verschiedenen Plattformen stellende Aufbau und die Inhalteauswahl einer einzelnen Plattform dürfte kaum eine dem Rundfunk gleichkommende Meinungsbildungsrelevanz haben, weswegen zu Recht vertreten wird, dass reine Plattformbetreiber der Aufsicht über den Rundfunk nicht unterstellt sind.199 2. Video-on-demand 102 Auf Abruf (on-demand) für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltungen und Verbreitungen von Darbietungen fordern eine Abgrenzung zwischen Rundfunk und Telemedien200. Die Abgrenzung soll nach § 1 TMG und der dazu ergangenen Gesetzesbegründung danach erfolgen, ob der Dienst zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt ist und nicht auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht wird. Solche Dienste unterliegen allein der Rundfunkregulierung nach dem RStV. Dementsprechend wird wegen des überwiegenden vereinheitlichenden Effekts der Übertragung auch das sog. near-video-on-demand als Rundfunk einzuordnen sein, bei dem die Übertragung desselben Programms zu unterschiedlichen, sich teilweise überlappenden Zeiten oder in sich wiederholenden Sendeschleifen erfolgt.201 Ebenso hat der EuGH entschieden, dass diese Sendungen als Fernseh196
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200
201
Vgl. Reinemann, ZUM 1996, S. 523, 528; Bauer/v.Einem, MMR 2007, S. 423, 424 f.; a.A. Janik, K&R 2001, S. 572, 578. Bauer/v.Einem, MMR 2007, S. 423, 425; vgl. auch Schulz, EuZW 2008, S. 107, 109 f.; Castendyck/Böttcher, MMR 2008, S. 12, 15 ff. Bauer/v.Einem, MMR 2007, S. 423, 425. Zu der streitig diskutierten Rechtsfrage vgl. Ory, ZUM 2007, S. 7, 12; Bauer/v.Einem, MMR 2007, S. 423, 426; vgl. aber jetzt die Regelungen in §§ 52 ff. RStV. Immer mehr Rundfunkanbieter gehen dazu über, ausgewählte Sendungen im Internet in sog. Podcasts (http://www.tagesschau.de/infoservices/podcast/index.html) oder Mediatheken (http://www.zdf.de/ZDFmediathek) für die Nutzer zum individuellen Abruf bereit zu halten; zur Problematik des sog. Drei-Stufen-Tests beim Online-Angebot von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, vgl. Rn. 250. Vgl. Hoffmann-Riem, Duale Rundfunkordnung, 2002, S. 81 f., 184.
F. Einordnung ausgewählter Dienste
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sendung im Sinne der Fernsehrichtlinie der Regulierung des Rundfunks unterliegen.202 Anders verhält es sich, wenn ein individueller Abruf durch einen Dienstleis- 103 tungsempfänger möglich ist; in diesem Fall des sog. true-video-on-demand soll ein Telemediendienst vorliegen.203 Für die rechtliche Einordnung ist unerheblich, ob das Programm gegen Entgelt 104 empfangbar und verschlüsselt verbreitet wird. Rundfunk kann nach der gesetzlichen Wertung des § 2 Abs. 1 Satz 2 RStV auch bei pay-TV-Programmen vorliegen. Entscheidend ist somit allein, ob das Programm durch den Veranstalter zusammengestellt wird (sog. pay-per-channel) – dann liegt Rundfunk vor - oder ob die einzelne Sendung gegen Entgelt abgerufen werden kann (sog. pay-per-view) – in diesem Fall ist ein Telemediendienst gegeben.204 3. Web-casting Hierbei handelt es sich um die ausschließliche Übertragung herkömmlicher Rund- 105 funkprogramme über das Internet. Sie stellen mit Rücksicht auf ihre Meinungsbildungsrelevanz durch ihre Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft Rundfunk dar.205 In der Zwischenzeit gibt es eine Vielzahl von Radio- und Fernsehstationen, die ihr Programm ausschließlich online verbreiten206. Die Landesmedienanstalten gehen davon aus, dass im Wege des Web-castings übermittelte Programme Rundfunk darstellen, wenn zeitgleich 500 Zugriffe durch potentielle Nutzer möglich sind207. Bisher haben die Landesmedienanstalten jedoch keine Maßnahmen unternommen, von den Veranstaltern sog. Web-Radios einen Zulassungsantrag auch tatsächlich einzufordern.208 Gleichwohl haben einige Anbieter freiwillig die Zulassung beantragt.209 4. Live-streaming Im Falle der zeitgleichen zusätzlichen Übertragung herkömmlicher Rundfunkpro- 106 gramme über das Internet (Simulcast) ist dieselbe Einordnung wie beim Webcasting geboten. Der Rundfunkcharakter des Live-streaming folgt auch insofern 202 203 204 205 206 207
208 209
Vgl. auch EuGH, MMR 2005, S. 517 – Mediakabel. Begr. RegE-TMG, BT-Drs. 16/3078, S. 21. Vgl. auch Dierking/Möller, MMR 2007, S. 426, 428 ff. Begründung zum TMG, BT-Drs. 16/3078, S. 13. Sog. Internet-Broadcaster. Vgl. ALM Jahrbuch 2007, S. 45, abrufbar unter: http://www.alm.de/fileadmin/Download/ALM_Jahrbuch_2007_Druckversion.pdf; vgl auch Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 28. Vgl. Ory, in: Medienrecht Praxishandbuch, 2008, 4. Teil, Kap. 1 Rn. 74. Vgl. Ory, a.a.O. 4. Teil, Kap. 1 Rn. 73; dagegen müssen die Betreiber bei den Verwertungsgesellschaften Lizenzgebühren für die ausgestrahlten urheberrechtlichen geschützten Inhalte entrichten; vgl. z.B. für die GEMA: https://lizenzshop.gema.de unter dem Stichwort Webradio.
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
aus der dem alleinigen herkömmlichen Rundfunkprogramm zumindest vergleichbaren Meinungsrelevanz.210 III. Textübertragende Dienste 107 Fernseh- und Radiotexte sind grundsätzlich als Telemediendienste einzuordnen.211 Werden sie aber nicht selbständig angeboten, sondern in die Inhalte eines Rundfunkprogramms integriert, ändert sich deren rechtliche Einordnung. IV. User Generated Content 108 Eine stetig wachsende Bedeutung erlangen auch die von den Nutzern selbst erstellten Inhalte (user-generated-content). Diese Erscheinungsform wird vielfach mit dem Schlagwort Web 2.0 bezeichnet. Im Unterschied zu klassischen Medienangeboten, steht hier nicht der von einer 109 kleinen Gruppe, meist einer Redaktion, aufbereitete Inhalt im Mittelpunkt. Vielmehr sind alle Nutzer dieser Dienste auch selbst berechtigt, ihre eigenen Inhalte der Öffentlichkeit zu präsentieren. Oft geschieht die Verbreitung derartiger Inhalte über bekannte Plattformen und Portale mit hohen Nutzerzahlen. Anders als z.B. bei einer privaten Homepage, über die auch eigene Inhalte transportiert werden können, besteht die wesentlich höhere Chance, dass die Nutzerinhalte von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Einige Anwendungsbeispiele sollen im Hinblick auf deren Popularität an dieser Stelle etwas eingehender erläutert. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia212 ist mittlerweile das Standard-Nach110 schlagewerk in der Online-Welt geworden. Das im Internet frei zugängliche Lexikon beruht auf der Idee, dass grundsätzlich jeder einen Beitrag erstellen und bearbeiten kann. Gleichwohl gibt es auch in Wikipedia einige selbst gesetzte Grundsätze, mit denen insbesondere die Neutralität und Nachprüfbarkeit der Beiträge gewährleistet werden sollen.213 Die Einhaltung dieser Grundsätze soll durch Abstimmungen und Diskussionen in offenen Foren gewährleistet werden. YouTube214 stellt derzeit das bedeutendste Portal für Videos im Internet dar.215 111 Der Dienst erlaubt es den Nutzern einerseits eigene Videos für die Öffentlichkeit hochzuladen und andererseits die Videos anderer Nutzer zu betrachten. Neben Privatpersonen gehen zunehmend selbst bekannte Künstler216 und Fernsehsender217 dazu über, ihre Inhalte über YouTube zu verbreiten. 210 211 212 213 214 215 216
Begründung zum TMG, BT-Drs. 16/3078, S. 13. Begründung zum TMG, BT-Drs. 16/3078, S. 13. http://www.wikipedia.org. http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia. http://www.youtube.com. http://www.alexa.com/site/ds/top_sites. http://www.youtube.com/user/Samydeluxe.
F. Einordnung ausgewählter Dienste
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Die sozialen Netzwerke XING218, studiVZ219 und facebook220geben den Nutzern die Möglichkeit sich selbst mittels eines Profils mit Angaben zu Lebenslauf und Interessen zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen. Trotz der immensen Bedeutung sind die vorgenannten Dienste (noch) vom individuellen Abruf der Nutzer geprägt.221 Zudem kann aufgrund der Vielzahl der Nutzer, die Inhalte zur Verfügung stellen, und des fehlenden inhaltlichen Zusammenhangs nicht von einem Gesamtprogramm mit Massenwirkung ausgegangen werden; sie sind daher als Telemedium einzuordnen.222 Bei Blog-Portalen wie myspace223 und blogger224 steht die Verbreitung von eigener Musik sowie von eigenen Erlebnissen und Meinungen im Vordergrund. Der Vielfalt der Inhalte sind dabei keine Grenzen gesetzt. Die Bandbreite reicht von kleinen privaten Nachrichtenblogs bis hin zu aufwendig gestalteten Nachrichtenund Themenblogs. Eine besondere Ausprägung hat das Blogging im sog. Mikro-Blogging gefunden. Bekanntester Anbieter auf diesem Gebiet ist derzeit Twitter.225 Dieser Dienst ermöglicht es den Nutzern, durch kurze, auf 140 Zeichen beschränkte Nachrichten (sog. „tweets“ - engl. für „zwitschern“), die Öffentlichkeit über seine derzeitigen Aktivitäten226 zu informieren. Falls man sich für die Aktivitäten eines bestimmten Nutzers interessiert, kann man sich über die Portal-Homepage als „Follower“ für die Kurznachrichten des jeweiligen Nutzers anmelden. Anschließend erhält man die sog. Updates in sein Twitter-Postfach oder – soweit gewünscht - per SMS auch auf sein Mobiltelefon. Grundsätzlich stellen Blogs und Mikro-Blogs nach deutschem Medienrecht Telemedien dar. Ob auch ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 RStV vorliegt, kann nur anhand des Einzelfalles beurteilt werden. Je aktueller und regelmäßiger die Inhalte aktualisiert werden, desto eher wird diese Frage zu bejahen sein.227 Soweit Blog-typische Informationen in Audio- oder Videodateien - meist in sog. Podcasts228 - bereit gehalten werden, gilt Entsprechendes.229 217 218 219 220 221 222
223 224 225 226 227
228 229
http://www.youtube.com/zdf. http://www.xing.com. http://www.studivz.net. http://www.facebook.com. Vgl. dazu Leitgeb, ZUM 2009, S. 39, 42. Vgl. aber zur sich ändernden Bedeutung des Internet unter Berücksichtigung des Rundfunkbegriffs Klaes, ZUM 2009, S. 135 ff. m.w.N.; vgl. auch die Erfassung von Plattformanbietern in § 2 Abs. 2 Nr. 10 RStV und Plattformen in § 52 RStV in der Fassung des 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 12. Juni 2008. http://www.myspace.com. https://www.blogger.com. https://www.twitter.com. Ausgangspunkt ist die simple Frage „What are you doing?“. Vgl. näher Breutz, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 39. Abschnitt Rn. 187 ff. und 213. Vgl. z.B. http://www.jcast.de. Zur Haftung der Betreiber von Blogging-Diensten vgl. näher Rn. 1036.
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§ 2 Gegenstandsbereiche des Medienrechts
Während die Verbreitung von Web 2.0 weiter voran schreitet, ist bereits die Entwicklung eines neuen Phänomens in der Anwendungsentwicklung: das sog. semantische Web (engl. Semantic Web). Ziel dieser Entwicklung ist es, Standards zu entwickeln, welche es ermöglichen, die Inhalte des WWW maschinenlesbar zu gestalten. Am Ende der Entwicklung könnte dann eine Art Antwortmaschine stehen, welche die Suchmaschinen heutiger Zeit ersetzen könnten, über die der Nutzer eine konkrete Antwort auf seine Frage erhält. Die Kombination aus Web 2.0 und semantischem Web wird auch als Web 3.0 bezeichnet. Die konkrete Ausgestaltung ist derzeit aber noch nicht abzusehen. V. Kommunikationsplattformen in virtuellen Welten
117 Nicht zuletzt bedürfen aufgrund ihrer erheblichen tatsächlichen Verbreitung Plattformen in sog. virtuellen Welten wie Second Life 230 und HiPiHi231 der Erwähnung und kurzen Beschreibung. In diesen virtuellen Onlinewelten können Nutzer nach Installation einer Client-Software mittels sog. Avatare ihre eigenen (virtuellen) Lebenswelten gestalten. In ihnen werden auch Unternehmen der realen Welt tätig und vermarkten ihre Produkte virtuell. Dies geschieht insbesondere mittels einer eigenen virtuellen Währung, die gegen eine real existierende Währung getauscht werden kann. Medienrechtlich sind solche Plattformen als Telemediendienste einzuordnen, 118 da sie grundsätzlich von der individuellen Nutzung geprägt sind. Gleichwohl kann für einzelne Teile der Plattform im Einzelfall etwas anderes gelten, beispielsweise wenn es innerhalb der virtuellen Welten zu audio-visuellen Darbietungen mit einer dem herkömmlichen Rundfunk entsprechenden Wirkung kommt. Grundsätzlich können darüber hinaus in der virtuellen Welt die gleichen 119 Rechtsbeziehungen und –probleme wie in der realen Welt auftreten. So stellt sich beispielsweise die Frage, wem die Rechte an virtuellen Gegenständen zustehen.232 Eine Antwort darauf kann nur für jeden Einzelfall und unter Berücksichtigung der jeweiligen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen der verwendeten Plattform beantwortet werden. Sicher dürfte aber sein, dass sich rechtliche Fragen und Auseinandersetzungen aufgrund der Popularität virtueller Welten in Zukunft vermehrt ergeben werden.
230 231 232
http://www.secondlife.com. http://www.hipihi.com/index_en.html . Vgl. dazu näher Rippert/Weimar, ZUM 2007, S. 272, 274 ff.
Zweiter Teil: Allgemeine Grundlagen
1. Abschnitt: Europa- und verfassungsrechtliche Grundlagen
Alle Regelungen der noch darzustellenden besonderen Regelungsbereiche des 120 Medienrechts beruhen auf den grundlegenden rechtlichen Vorgaben, die das Europa- und Verfassungsrecht für die Medienrechtsordnung setzt. Dass dem so ist, dass also der Gesetzgeber der besonderen Bestimmungen des Medienrechts an diese allgemeinen europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden ist, hat im Medienrecht nicht nur die normhierarchische Ursache des Vorrangs des Europa- und Verfassungsrechts vor dem einfachen Recht. Die Medienrechtsordnung verwirklicht die Informations- und Kommunikationsfreiheitsrechte, die im Europa- und Verfassungsrecht ihr rechtliches Fundament haben, und verleiht deshalb den im Europa- und Verfassungsrecht wurzelnden Grundlagen unmittelbar rechtlichen Ausdruck. Das Verhältnis der Grundlagenregelungen des Medienrechts zueinander, das 121 Verhältnis des Europarechts zum nationalen Verfassungsrecht berührt allgemeine Grundsatzfragen, die weit über das Medienrecht hinaus von Bedeutung sind; sie können im vorliegenden Zusammenhang nur gestreift werden. Das BVerfG anerkennt in seiner Rechtsprechung einen grundsätzlichen Vorrang des Gemeinschaftsrechts. Es hat dafür erkannt, dass es seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht und dessen Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht mehr ausüben werde, solange die Europäische Gemeinschaft einen wirksamen und vergleichbaren Schutz gewährleistet.1 Es hat aber im MaastrichtUrteil auch entschieden, dass es Gemeinschaftsrecht daraufhin kontrollieren könne, ob es sich an die durch die Verträge den Gemeinschaftsorganen zugewiesenen Kompetenzen hält.2 Die Kenntnis des europäischen Medienrechts ist davon unbenommen für das Verständnis der Medienrechtsordnung von eminent wichtiger Bedeutung.
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BVerfGE 73, S. 339, 375 f. – Solange II; näher Hilf, EuGRZ 1987, S. 1 ff.; Ipsen, EuR 1987, S. 1 ff.; Gersdorf, DVBl. 1994, S. 674 ff. BVerfGE 89, S. 155, 188 – Maastricht; vgl. auch näher Dörr, ZUM 1995, S. 14 ff.; Klein, AfP 1994, S. 9 ff.; Tomuschat, EuGRZ 1993, S. 489 ff.
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§ 3 Europäisches Medienrecht
Das Verfassungsrecht hat für das Verständnis des einfachen Medienrechts eine nicht mindere Bedeutung. Das Verfassungsrecht und seine Auslegung durch das BVerfG haben im Medienrecht zwar keine prinzipiell andere Bedeutung als in anderen Rechtsbereichen auch, wenn die Grenzen des einfachen Rechts in seiner Gestaltung durch den Gesetzgeber und seiner verbindlichen Auslegung durch die Gerichte durch die Verfassung gezogen werden. Die Rechtsprechung des BVerfG hat allerdings für die Medienrechtsordnung eine besondere Bedeutung erlangt. Seine Rechtsprechung zu den Kommunikationsfreiheitsrechten des Grundgesetzes hat die deutsche Medienrechtsordnung in einer Weise beeinflusst, die das Medienrecht tiefgreifender als andere Rechtsdisziplinen entwickelt und geprägt hat. Dies gilt für sämtliche Elemente des Medienrechts, für die öffentlich-rechtlichen ebenso wie für die zivilrechtlichen.
§ 3 Europäisches Medienrecht
Literatur Finke/Cole/Keber, Europäisches und Internationales Medienrecht, 2008, Kapitel 1 und 2; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, § 19; Oeter/Wolff, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, Abschnitte 1, 2.
A. Grundlagen 123 Bei Verabschiedung der Gemeinschaftsverträge Ende der 1950er Jahre war noch nicht erkennbar, welche erhebliche Bedeutung das europäische Recht für die Entwicklung des nationalen Medienrechts haben würde. Das Vertragsrecht der seinerzeit noch sog. Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) war der Bezeichnung entsprechend als Wirtschaftsrecht konzipiert und sah keine medienrechtsspezifischen Regelungen vor. Dem Gemeinschaftsrecht war an der Herstellung eines Binnenmarktes ohne Grenzen gelegen; für den Mediensektor gab und gibt es bis heute es keine Sonderbestimmungen. Zunehmend entwickelte sich allerdings die Erkenntnis vom hybriden Charakter der Medien als Wirtschafts- und Kulturgut. Die „audiovisuelle Industrie ist damit nicht einfach eine Industrie wie jede andere, sie produziert nicht nur Waren, die auf dem Markt verkauft werden wie alle anderen. (...) Sie hat eine entscheidende Funktion bei der Vermittlung, Entwicklung und sogar beim Aufbau kultureller Identität“.3 Damit bahnte sich ein Verständnis, das die Medien einerseits, nämlich in ihrer Bedeutung als Wirtschaftsgut den Regeln der Waren- und Dienstleistungsverkehrsfreiheit sowie der Wettbe3
Mitteilung der Kommission „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter, v. 14.12.1999, KOM (1999) 657 endg., Ziff 1 a.E.
A. Grundlagen
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werbspolitik der Gemeinschaft im Binnenmarkt unterwarfen, das aber andererseits Beschränkungen der Marktfreiheiten im Binnenmarkt mit Blick auf die Bedeutung der Medien als Kulturgut einforderte.4 Kommission und Gerichtshof haben in dieser Spannungslage seit je her Beschränkungen der Verkehrsfreiheiten und Besonderheiten bei der Anwendung der Wettbewerbspolitik im Mediensektor anerkannt, die darauf ausgerichtet wurden, die Sicherung der Meinungsvielfalt im demokratischen Gemeinwesen sowie die Bildung und Aufrechterhaltung kultureller Identitäten in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu gewährleisten.5 Beispielsweise hat der Europäische Gerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung die Bedeutung der Gewährleistung einer pluralistischen Rundfunkordnung für das demokratische Gemeinwesen und seine kulturellen Identitäten betont und damit Beschränkungen der Marktfreiheiten des EG-Vertrages begründet.6 Im Laufe der Zeit hat sich in der Praxis von Kommission und Gerichtshof eine 124 medienspezifische Auslegung insbesondere der Grundfreiheiten des EG-Vertrages ergeben, mit der insbesondere bei der Bestimmung von Reichweite und Schranken der Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit, aber auch bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln dem hybriden Charakter der Medien als Wirtschafts- und Kulturgut Rechnung getragen und gebotene Gemeinwohlbelange berücksichtigt wurden. Durch die mit dem Maastricht-Vertrag eingeführte Kulturkompetenz der Gemeinschaft nach Art. 151 EGV wurde die spezifisch kulturrechtliche Ausrichtung der Grundfreiheiten und der Wettbewerbspolitik im Mediensektor bestärkt. Europäisches Medienrecht findet sich nicht in einer bestimmten Norm des Pri- 125 märrechts oder einem dem Mediensektor gewidmeten Normkomplex des EGVertrages. Europäisches Medienrecht bezeichnet zunächst die medienspezifische Ordnung des Mediensektors durch eine auf die besonderen medienbezogenen Gemeinwohlbelange geprägte Auslegung und Anwendung des Primärrechts des EG-Vertrages. Es besteht vor allem in der besonderen Anwendung der Grundfreiheiten und der Wettbewerbspolitik des EG-Vertrages auf den Mediensektor.7 Daneben ist ein auf den Mediensektor bezogenes Sekundärrecht entstanden, das 126 eine Vielzahl von Rechtsfragen des nationalen Rechts europarechtlich überformt.8 Die Kenntnis dieser Rechtsgrundlagen des europäischen Richtlinienrechts ist für weite Regelungsbereiche des nationalen Medienrechts unabdingbar. Dies gilt vor allem für die Regelungen der Fernsehrichtlinie und ihre vor der Verabschiedung stehende Nachfolgeregelung, die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste.9 Mit ihnen geht eine Grundharmonisierung des Rundfunk- und Telemediendiensterechts einher, die wiederum europaweit gültige Grundstandards der Sicherung bestimmter Gemeinwohlbelange bei der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit in den
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Vgl. Schwarze, ZUM 2000, S. 779 ff. Schoch, JZ 2002, S. 798 ff.; Schwarze, ZUM 2000, S. 779, 783 ff. Vgl. nur EuGH, Slg. 1991, I-4007, Rn. 19 ff. – Gouda. Dazu unter Rn. 131 ff. Vgl. den Überblick bei Oeter/Wolff, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 2. Abschnitt. Dazu unter Rn. 159.
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§ 3 Europäisches Medienrecht
berührten Regelungsbereichen des Mediensektors gewährleisten.10 Die Fernsehrichtlinie hat deshalb einerseits die wechselseitige Anerkennung der Zulassung von Rundfunkveranstaltern in anderen Mitgliedstaaten vorgesehen, zugleich aber Vorschriften über Quoten für europäische Werke, Werbungs-, Sponsoring- und Teleshoppingbestimmungen sowie etwa Regelungen zum Jugendschutz getroffen, die die nationalen Rechtsregeln für den Rundfunk in der EU in weit reichender Weise harmonisieren. Die Marktöffnung in der Telekommunikation unter Überwindung der hergebrachten nationalen Monolpolstrukturen ist – um ein weiteres Beispiel für den Einfluss des europäischen Sekundärrechts auf den Mediensektor zu nennen - von der Europäischen Union nicht nur maßgeblich angestoßen, sondern durch Richtlinien zur Liberalisierung und Harmonisierung auch entscheidend geprägt worden.11 Europäisches Medienrecht stellt keinen in sich geschlossenen umfassenden Re127 gelungskomplex dar. Dies wird auf absehbare Zeit so bleiben, da das europäische Recht - anders als das deutsche Verfassungsrecht - die Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Gesetzgebung nicht nach bestimmten Sachbereichen, sondern im Hinblick auf die Erreichung bestimmter Regelungsziele regelt. Folglich lässt sich im europäischen Recht keine Rechtsgrundlage finden, auf welche die Gemeinschaft eine Regelungskompetenz für den gesamten Sachbereich Medien insgesamt stützen kann. Die grundlegenden Aufgabenbestimmungen der Art. 2 und 3 EGV sehen die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die Beseitigung der diesem entgegenstehenden Hindernisse vor. Die Kompentenzregeln der Gemeinschaft beruhen auf dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.12 Eine herausragende Bedeutung für die Kompetenzgrundlage hat die vom EG128 Vertrag gewährleistete Dienstleistungsfreiheit; auf sie hat der EuGH vor allem die Regelungskompetenz der Gemeinschaft für Rundfunkfragen gestützt, indem die Ausstrahlung von Rundfunksendungen in ständiger Rechtsprechung als Dienstleistung im Sinne des EG-Vertrages angesehen wird.13 Diese Rechtsprechung hat die Kompetenzfrage der Gemeinschaft gegen vor allem in Deutschland zunächst vertretene Extremstandpunkte geklärt. 14 Weder fehlt der Gemeinschaft wegen der kulturellen Prägung der Medientätigkeit eine Regelungskompetenz,15 noch ist die Kompetenz der Gemeinschaft wegen der Fundierung in der Dienstleistungsverkehrsfreiheit des EG-Vertrages praktisch unbegrenzt.16 Der EG-Vertrag enthält nämlich weder einen generellen “Kultur- oder Medienvorbehalt” zugunsten der 10 11 12
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Dazu unter Rn. 131 ff. Dazu unter Rn. 87 f. Vgl. dazu Lienbacher, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Auflage 2009, Art. 5 EGV Rn. 9 ff. Grundlegend EuGH, Slg. 1974, S. 409 Rn. 6 – Sacchi und Slg. 1980, S. 833 Rn. 8 – Debauve. Vgl. die Übersicht bei Oppermann, Europarecht, 3. Auflage 2005, Rn. 1601 ff.; Astheimer/Moosmeyer, ZUM 1995, S. 365 ff. In diesem Sinn Ossenbühl, Rundfunk zwischen nationalem Verfassungsrecht und EGV, 1986, S. 55 ff. So tendenziell Schwartz, ZUM 1989, S. 389 ff.
B. Primärrecht
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Mitgliedstaaten,17 noch ist im EG-Vertrag eine schrankenlose Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Regelung von Medienangelegenheit im Binnenmarkt vorgesehen. Die medienbezogene Richtlinien-Gesetzgebung musste die Gemeinschaft man- 129 gels einheitlicher Kompetenzgrundlage auf verschiedene, jeweils bereichsspezifisch gewählte Rechtsgrundlagen stützen. Die Fernsehrichtlinie18 beispielsweise wurde als Maßnahme der Rechtsangleichung auf Art. 47 Abs. 2 und Art. 55 EGV gestützt. Die Richtlinien zur Liberalisierung der Telekommunikation19 haben dagegen ihre Rechtsgrundlage in 86 Abs. 3 EGV. Die Richtlinie zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste wurde als Rechtsangleichungsmaßnahme auf Art. 95 EG-Vertrag gestützt. 20 Die so begründete Kompetenz der Gemeinschaft zur Schaffung europäischen 130 Medienrechts ist in der deutschen Medienrechtswissenschaft zunächst kritisiert worden, weil das Medienrecht damit als originär wirtschaftlicher Sachverhalt verstanden und seine kulturelle Bedeutung vernachlässigt werde.21 Nachdem das BVerfG die entsprechende „gefestigte Vertragsauslegung“ des Europäischen Gerichtshofs als für die Bundesrepublik verbindlich anerkannt hat,22 spielt diese Kritik in der Rechtspraxis keine Rolle mehr.23 Die grundsätzliche Kompetenz der Gemeinschaftsorgane zur Gesetzgebung im Medienrecht wird heute nicht mehr in Frage gestellt.24
B. Primärrecht I. Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 – 55 EGV Die Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages hat im Zentrum der Entwicklung des 131 europäischen Medienrechts gestanden. Auf die Dienstleistungsfreiheit und ihre Rechtsgrundlage in den Art. 49 - 55 EGV wurde schon in den grundlegenden Entscheidung des EuGH zur Ausstrahlung von Rundfunksendungen Bezug genommen, in der diese als grenzüberschreitende Dienstleistungen im Sinne des EG17
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Vgl. jetzt auch Art. 151 EGV; dazu unter Rn. 149 f.; vgl. auch Rudolph, AfP 1986, S. 106 ff. ABl. EG Nr. L 298 v. 17.10.1989, S. 23 ff. Z.B. Richtlinie 88/301/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunkations-Endgeräte, ABl. EG Nr. L 131 vom 27.5.1998, S. 73. Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste, ABl. EG Nr. L 192 v. 24.7.1990, S. 10. Dezidiert Dörr, EWS 1991, S. 259 ff.; Hoffmann-Riem, RuF 1988, S. 5, 10 ff.; vgl. auch Kugelmann, Der Rundfunk und die Dienstleistungsfreiheit des EWG-Vertrages, 1991. BVerfGE 92, S. 203, 241 – EG-Fernsehrichtlinie. Vgl. Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, 1997, S. 92 f. Vgl. nur Roßnagel/Scheuer, MMR 2005, S. 271 ff.; Dörr, Media Perspektiven 2005, S. 333 ff.
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§ 3 Europäisches Medienrecht
Vertrages charakterisiert wurden.25 Grenzüberschreitend werden nicht nur solche Dienstleistungen erbracht, bei denen sich der Leistungserbringer über die Grenze begibt (sog. aktive Dienstleistungsfreiheit) und solche, bei denen der Leistungsempfänger die Grenze überschreitet (sog. passive Dienstleistungsfreiheit); ausreichend ist es, dass die Leistung die Grenze überschreitet (sog. Korrespondenzdienstleistungen).26 Wegen der Einbeziehung der Korrespondenzdienstleistungen unterfallen weite Bereiche der elektronischen Medien dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages.27 Die Entgeltlichkeit der betreffenden Leistung muss nur regelmäßig gegeben sein, so dass nach der Rechtsprechung des EuGH auch die Ausstrahlung von (öffentlich-rechtlichen) Rundfunksendungen dem Kompetenzbereich der Gemeinschaft zuzurechnen ist.28 Mit dieser Zuordnung sind zentrale Weichenstellungen verbunden. Gemein132 schaftsrechtlich ist von einer subjektiven Medien- und insbesondere Rundfunkveranstalterfreiheit auszugehen.29 Diskriminierende Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit sowie alle Beschränkungen dieser Freiheit, die geeignet sind, die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung innerhalb eines Mitgliedstaats erschwert, sind deshalb europarechtlich grundsätzlich verboten.30 Danach unterfallen beispielsweise Werbeverbote im Rundfunk,31 strukturelle Vorgaben für Sendeanstalten,32 die Erhebung von Abgaben auf Parabolantenne33 sowie die Genehmigungspflicht für den Betrieb einer digitalen Fernsehstation34 dem Beschränkungsverbot der Dienstleistungsfreiheit. Noch nicht endgültig geklärt ist, ob eine Beschränkung dann nicht vorliegt, wenn die in Frage stehende Regelung lediglich (Absatz-)Modalitäten zum Gegenstand hat, die für alle Verkehrsteilnehmer in In- und Ausland gleichermaßen gelten.35 Nach Art. 55, 46 EGV können Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit 133 durch das nationale Medienrecht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zulässig sein. Beachtliche Gründe dieser Art sind in der umfänglichen Rechtsprechung des EuGH konkretisiert worden; anerkannt sind da-
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EuGH, Slg. 1974, S. 411, 428 – Sacchi. Vgl. nur Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, 3. Auflage 2007, Art. 50 Rn. 24 ff. Vgl. zuletzt EuGH, Slg. 2003, S. I-13031 Rn. 53 ff. – Gambelli (Sportwetten); vgl. auch Frenz, Handbuch Europarecht, 2004, Bd. 1 Rn. 2497 ff. EuGH, Slg. 2003, S. I-2489 Rn. 77 – RTL/NLM; Slg. 1999, S. I-7599 Rn. 29, 29 f. – ARD/ProSieben. Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, 2004, Bd. 1 Rn. 83 ff. Zum Verständnis insbesondere der Rundfunkfreiheit nach deutschem Verfassungsrecht vgl. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, 1997, Rn. H 44. EuGH, Slg. 2001, S. I-9445 Rn. 30 – DE Coster. EuGH, Slg. 1988, S. 2085 Rn. 21 ff. – Bond van Adverteerders. EuGH, Slg. 1991, S. I-4007 Rn. 21 f. – Gouda. EuGH, Slg. 2001, S. I-9445 Rn. 30 f. – De Coster. EuGH, Slg. 2002, S. I-607 Rn. 29 ff. – Canal Satélite Digital SL. Vgl. EuGH, Slg. 2002, S. I-607 Rn. 29, 30 – Canal Satélite Digital SL; ferner Tiedje/Troberg, in: Groeben/Schwarze, Bd. 1, 6. Auflage 2003, Art. 49 Rn. 105 ff. – Zu dieser für den Warenverkehrsfreiheit entwickelten sog. Keck-Doktrin vgl. noch Rn. 137.
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nach beispielsweise kulturpolitische Belange im Rundfunksektor,36 der Schutz eines pluralistischen Rundfunkwesens37 sowie der Schutz des geistigen Eigentums.38 Jeweils stellt der EuGH eine eingehende Verhältnismäßigkeitsprüfung an, um vor allem zu ermitteln, ob die Beschränkungen zur Erreichung von Gemeinwohlzielen geeignet sind und das erstrebte Ziel nicht durch mildere Mittel erreichbar ist.39 II. Zoll- und Warenverkehrsfreiheit, Art. 23 – 31 EGV Die Zoll- und Warenverkehrsfreiheit hat medienrechtliche Bedeutung zunächst für 134 alle körperlichen Medienerzeugnisse, die den Warenbegriff der Art. 23 ff. EGV erfüllen. Für diese verbieten Art. 28 und 29 EGV mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen sowie die praktisch heute allein noch relevanten Maßnahmen gleicher Wirkung. Warencharakter im Sinne der Freiverkehrsregeln haben die herkömmlichen 135 Druckereierzeugnisse40 sowie Tonträger41 und Datenträger im Videobereich.42 Dem Schutzbereich des Art. 28 EGV unterfallen aber auch die zur Ausstrahlung von Rundfunksendungen benutzten Materialien. Gewerbliche Schutzrechte und Urheberrecht sind grundsätzlich nicht als Ware zu klassifizieren, es sei denn, dass eine getrennte rechtliche Behandlung einer Ware und dem mit ihr verbundenen immateriellen Schutz (z.B. Vertrieb von Erzeugnissen unter Benutzung einer Marke) nicht sinnvoll ist.43 Die Abgrenzung zur Dienstleitungsverkehrsfreiheit wird erforderlich, wenn 136 körperliche Gegenstände mit unkörperlichen Leistungen verbunden sind (z.B. der Handel mit Tonträgern). Der EuGH hat insofern bisher noch keine einheitliche Linie gefunden und stellt in seiner Rechtsprechung bald auf den Schwerpunkt des zu beurteilenden Phänomens, bald auf eine Prüfung beider Grundfreiheiten ab.44 Die Bedeutung dieser Abgrenzungsfrage wird dadurch gemindert, dass die Verbotsund Rechtfertigungsregeln vom EuGH in beiden Bereichen stark angenähert sind.45 Die wohl bedeutendste Konsequenz der Abgrenzung von Ware und Dienst-
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EuGH, Slg. 1991, S. I-4007 Rn. 15 – Gouda; zur Frage der Verhältnismäßigkeit von Sportwettenverboten vgl. EuGH, Slg. 2003, S. I-13031, Rn. 67 – Gambelli. EuGH, Slg. 1994, S. I-4795 Rn. 18 – TV10. EuGH, Slg. 1980, S. 881 Rn. 15 ff. – Coditel. EuGH, Slg. 1991, S. I-4007 Rn. 22 f. – Gouda. EuGH, Slg. 1985, S. 1339 Rn. 12. EuGH, Slg. 1981, S. 147 Rn. 8 – GEMA. EuGH, Slg. 1985, S. 2605 Rn. 10 – Cinétèque. EuGH, Slg. 1996, S. I-6039 Rn. 13 ff. – Ditta Fransa; siehe auch EuGH, Slg. 1981, S. 147 Rn. 8 – GEMA (für Musikwerke). Die Ausübung der Rechte hat allerdings Dienstleistungscharakter und unterliegt allein der Dienstleistungsfreiheit; EuGH, Slg. 1993, S. I-5145 Rn. 24 – Phil Collins. Eingehend Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, Rn. 657 ff. Vgl. Oeter/Wolff, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 1. Abschnitt Rn. 5.
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leistung liegt im Zollrecht und dort bei der Frage der Verzollbarkeit und der Bestimmung des Zollwertes.46 Verbotene Maßnahmen von gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ein- und 137 Ausfuhrbeschränkungen sind nach der Formel der Dassonville-Entscheidung des EuGH sämtliche Maßnahmen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.47 Die außerordentliche Weite dieses Beschränkungsbegriffs hat der Gerichtshof später durch die sog. Keck-Formel eingeschränkt, nach der rein absatzbezogene Regeln, die sich nur auf die Ware selbst beziehen und also bloße Verkaufsmodalitäten darstellen, keine Beschränkung im Sinne der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 darstellen, sofern sie für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten und sich deshalb nicht diskriminierend als Marktzugangshindernis auswirken.48 Die Abgrenzung ist im Einzelfall schwierig; Werberegelungen sind zumindest regelmäßig von den nach Art. 28 EGV verbotenen Beschränkungen aus;49 anders verhält es sich aber, wenn ein Werbeverbot faktisch den Marktzugang behindert (z.B. Verbot des Internetversandhandels)50 und dadurch ein Handelshemmnis für die betroffenen Waren schafft.51 Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit können nach den Rechtsfertigungs138 gründen des Art. 30 EGV gestattet sein; darüber hinaus hat der Gerichtshof ungeschriebene Rechtsfertigungsgründe entwickelt. Im Zusammenhang mit Medienerzeugnissen sind von den in Art. 30 EGV geregelten Rechtfertigungsgründen vor allem das gewerbliche und kommerzielle Eigentum von Bedeutung mit der Folge dass Verletzung gewerblicher Schutzrechte - und des insoweit gleich gestellten Urheberrechts52 - der Einfuhr von Medienerzeugnissen entgegen gesetzt werden können. Allerdings kann der Inhaber gewerblicher Schutz- und Urheberrechte nach dem sog. Erschöpfungsgrundsatz die Einfuhr einer Ware nicht verhindern, wenn diese von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung rechtmäßig auf dem Markt eines anderen Mitgliedstaates in den Verkehr gebracht wurde.53 Die anderen, ungeschriebenen Rechtsfertigungsgründe hat der Gerichtshof 139 grundlegend in der Cassis-de-Dijon-Entscheidung benannt. Handelshemmnisse können danach gerechtfertigt sein, um zwingenden Erfordernissen des Gemeinwohls Rechnung zu tragen, sofern die entsprechenden Regelungen unterschiedslos für einheimische und importierte Erzeugnisse gelten.54 Der Schutz erfordert das
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Frenz, Handbuch Europarecht, 2004, Bd. 1, Rn. 660, 677 ff. EuGH, Slg. 1974, S. 837 Rn. 5 – Dassonville. EuGH, Slg. 1993, S. I-6097 Rn. 16 f. – Keck. EuGH, Slg. 1995, S. I-179 Rn. 22 – Leclerc. EuGH, Slg. 2003, S. I-14887 Rn. 71 ff. – Doc Morris. Vgl. Müller-Graf, in: Groeben/Schwarze, Bd. 1, 6. Auflage 2003, Art. 28 Rn. 148 ff. EuGH, Slg. 1981, S. 147 Rn. 10 ff. – GEMA. EuGH, Slg. 1976, S. 1039 Rn. 6 – Terrapin Overseas und seither st. Rspr. EuGH, Slg. 1979, S. 649 Rn. 8 – Cassis de Dijon. Die Cassis-Formel gilt nach EuGH, Slg. 1997, S. I-3843 Rn. 53 – De Agostini auch für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit.
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Vorliegen gewichtiger nichtwirtschaftlicher Gründe; im Medienbereich ist der Schutz der Medienvielfalt als Grund für Handelshemmnisse anerkannt worden.55 Eine Rechtfertigung der Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit kommt nur 140 in Betracht, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Der Gerichtshof prüft in diesem Zusammenhang vor allem, ob die Beschränkungsregelung erforderlich ist und der mit ihr bezweckte Schutz des Allgemeininteresses bereits durch gleichwertige Maßnahmen im Herkunftsland erreicht wird.56 III. Wettbewerbsrecht, Art. 81, 82 EGV Die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages zur Kartell- und Missbrauchsaufsicht 141 sowie die Fusionskontrolle nach der sind Bestandteil des europäischen Primärrecht, der auch im Mediensektor ökonomischen Wettbewerb gewährleisten soll. Die europäischen Rechtsregeln entsprechen weitgehend denen des deutschen Rechts. Wegen dieser Übereinstimmung soll die medienbezogenen europäischen Wettbewerbsschutzregeln zusammen mit denen des deutschen Wettbewerbsrechts behandelt werden. Erst an dieser Stelle soll ferner auf das Verhältnis von ökonomischem und publizistischem Wettbewerb eingegangen werden.57 IV. Rechtstellung öffentlicher Unternehmen, Art. 86 EGV In medienrechtlicher Hinsicht ist die Regelung des Art. 86 EGV über öffentliche 142 Unternehmen, für deren Verhalten die Mitgliedstaaten eine besondere Verantwortung tragen, vor allem in den Bereichen Telekommunikation und Rundfunk von Bedeutung. Nach Abs. 1 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Wettbewerbsund Beihilferegeln und im Verhältnis zu von ihnen kontrollierten oder privilegierten öffentlichen Unternehmen einzuhalten, sofern nicht eine Ausnahme nach Abs. 2 besteht. Aus Art. 86 Abs. 1 EGV i.V.m. Art 43 Abs. 1 EGV folgt, dass es den Mitglied- 143 staaten grundsätzlich untersagt ist, einem Sender das exklusive Recht zur Ausstrahlung von Fernsehwerbung einzuräumen.58 Die Vermengung unternehmerischer Tätigkeit mit hoheitlichen Aufsichts- und Kontrollfunktionen, die bei den traditionell monopolistisch aufgestellten öffentlichen Unternehmen im Bereich der Telekommunikation anzutreffen war, ist mit Art. 86 Abs. 1 i.V.m. Art. 82 EGV nicht vereinbar.59 In der Konsequenz dieser Regeln hängt die Zulässigkeit von
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EuGH, Slg. 1997, S. I-3689, Rn. 18 – Familiapress. Näher dazu Kingreen, in: Groeben/Schwarze, Bd. 1, 6. Auflage 2003, Art. 28/29/30 Rn. 96. Vgl. Rn. 525 ff. EuGH, Slg. 1999, S. II-2329 Rn. 102 ff. – VTM. EuGH, Slg. 1991, S. I-5941 Rn. 25 f. – GB-Inno-BM.
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Monopolrechten öffentlicher Unternehmen insgesamt von einer Rechtfertigung anhand der Kriterien des Art. 86 Abs. 2 EGV ab.60 Die Ausnahmeregelung des Abs. 2 gilt – von der im Mediensektor nicht ein144 schlägigen Ausnahme für Finanzmonopole abgesehen - für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind. Insofern ist anerkannt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk unbeschadet seiner wirtschaftlichen Beutung im Interesse der Allgemeinheit i.S.d. Ausnahmeregelung liegt.61 Ebenso werden die sog. Universaldienste in der Telekommunikation als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse angesehen.62 V. Staatliche Beihilfen, Art. 87 - 89 EGV 145 Die Schutzbestimmung gegenüber wettbewerbsverfälschenden Beihilfen in Art. 87 EGV ist zu einem der zentralen Maßstäbe für die Finanzierung von Medienunternehmen avanciert. Nach dieser Vorschrift sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen den Wettbewerb verfälschen, mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar. Auf der Grundlage dieser Vorschrift sind im Medienbereich eine Reihe von Verfahren anhängig gemacht worden, die insbesondere die Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks betrafen.63 Die Kommission hat inzwischen ein bedeutendes Verfahren zur Gebührenfinanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks zumindest vorläufig eingestellt, nachdem sich ARD und ZDF zu Änderungen und mehr Transparenz verpflichtet hatten,64 weitere Verfahren zu anderen Finanzierungsmaßnahmen belegen die fortdauernde Kontroverse um den Beihilfetatbestand bei der Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten.65 Die besonderen Finanzierungsbedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stellen für die privaten Rundfunkveranstalter eine von diesen bekämpfte Wettbewerbsbeeinträchtigung dar. Die Lösung der damit verbundenen Rechtsfragen ist für den Fortbestand des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks zumindest in seiner gewachsenen Struktur und für die Verfassung des dualen Rundfunks in Deutschland von zentraler Bedeutung.66 60 61
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Vgl. näher Jung, in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, 3. Auflage 2007, Art. 86 Rn. 33. Vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über die staatlichen Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl. EG 2001 C 320, S. 5 Rn. 6. EuGH, Slg. 1991, S. I-5941 Rn. 22 – GB-INNO-BM. Vgl. Engel, Europarechtliche Grenzen für öffentlich-rechtliche Spartenprogramme, 1996; Selmer/Gersdorf, Die Finanzierung des Rundfunks in de Bundesrepublik Deutschland auf dem Prüfstand des EG-Beihilfenregimes, 1994; v.Wallenberg, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 867 ff. Kommission v. 4.4.2007, K(2007) 1761 endg. Vgl. Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, 3. Auflage 2007, Art. 87 Rn. 28; Ernst, in: Schiwy/Schütz/Dörr, Lexikon Medienrecht, S. 532 ff. Näher Thum, NVwZ 2007, S. 521, 524; Schwendiger, Gemeinschaftsrechtliche Grenzen öffentlicher Rundfunkfinanzierung, 2007; Oeter/Wolff, in: Paschke/Berlit/Meyer,
B. Primärrecht
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Wird der Tatbestand einer wettbewerbsverfälschenden Beihilfe bejaht, besteht 146 im Mediensektor vor allem die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung nach Art. 87 Abs. 3 lit. d EGV zu erlangen.67 Die Amsterdamer Regierungskonferenz hat in einer Protokollerklärung zu Art. 147 87 EGV die grundsätzliche Zulässigkeit der Gebührenfinanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks bestätigt.68 Die Erklärung lautet auszugsweise: „Die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft berühren nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlichrechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen festgelegt und ausgestaltet wurde, dient und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist.“ Das Protokoll hat jedoch keine den EG-Vertrag ändernde Bedeutung; es kann aber als Auslegungsregel berücksichtigt werden und steht deshalb der Anwendung des Beihilfenverbots in Art. 87 EGV auf die Rundfunkfinanzierung nicht grundsätzlich entgegen.69 Im Streit um die Zulässigkeit gebührenfinanzierter Online-Angebote der öffent- 148 lich-rechtlichen Rundfunkanstalten beanstandete die Kommission die seinerzeit geltende Regelung des RStV, wonach öffentlich-rechtliche Telemedienangebote mit programmbezogenem Inhalt programmbegleitend (§ 11 Abs. 1 Satz 2 RStV a.F.) zulässig sein sollten. Diese Regelung wurde nicht für geeignet angesehen, die Beachtung des öffentlich-rechtlichen Auftrags bei Online-Angeboten zu gewährleisten. Verlangt wurde vielmehr ein in Anlehnung an den sog. public value test des britischen Rechts konzipiertes Instrumentarium, mit dem kontrolliert werden sollte, ob das Online-Angebot zum öffentlich Auftrag gehört, qualitativ zum publizistischen Wettbewerb beiträgt und finanziell angemessen ist.70 Dieser sog. DreiStufen-Test71 ist durch Änderung des Rundfunkstaatsvertrags in Deutschland eingeführt worden (§ 11 Abs. 2 RStV). Die danach zulässigen journalistischredaktionell gestalteten Telemedienangebote entsprechen dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.72 Der Gesetzgeber des RStV erfüllt damit die europa-
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70
71 72
Hamburger Kommentar, 2008, 2. Abschnitt Rn. 102 ff.; Dörr, Media Perspektiven 2005, S. 333 ff.; Roßnagel/Strothmann, Die duale Rundfunkordnung in Europa, 2004. Vgl. Kleist/Scheuer, ZUM 2006, S. 108 ff.; Koenig/Kühling, EuZW 2000, S. 197 ff. Vgl. Protokoll Nr. 32 des EGV; es ist gem. Art. 311 Bestandteil des Vertrages. Vgl. v.Danwitz, NJW 2005, S. 529, 533; Dörr; Media Perspektiven 2005, S. 333, 335; Schwarze, ZUM 2000, S. 779, 797. Vgl. die Mitteilung der Kommission über die Einstellung des Beihilfeverfahrens, K (2007) 1761 endg.; abrufbar unter http://ec.europa.eu/community_law/state_aids /comp2005/e003-05.pdf; vgl. Rudolph Meyer, Der Drei-Stufen-Test und „public value“ Modell für Deutschland, 2008. Vgl. dazu Rn. 250 Vgl Sokoll, NJW 2009, S. 885 ff.
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§ 3 Europäisches Medienrecht
rechtlichen Anforderungen des Beihilfenrechts an gebührenfinanzierte OnlineMedien.73 VI. Kulturauftrag nach Art. 151 EGV 149 Die Vorschrift nennt Voraussetzungen und Grenzen für eine kulturpolitische Tätigkeit der Gemeinschaft, zu der beizutragen die Gemeinschaft nach Art. 3 Abs. 1 lit. q EGV befugt ist. Die Vorschrift zielt dabei auf eine Gewährleistung der kulturellen Vielfalt in Europa.74 Die Gemeinschaft selbst darf nämlich nach dem Wortlaut der Vorschrift nur einen „Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten“ leisten und hat dies „unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt“ zu tun.75 Zu dem von der Vorschrift geregelten Kulturbegriff gehört nach Art. 151 150 Abs. 2 EGV ausdrücklich auch das künstlerische und literarische Schaffen, einschließlich des audiovisuellen Bereichs. Auch insofern stellt die Regelung klar, dass es Sache der Mitgliedstaaten bleibt, kulturpolitische Maßnahmen zu treffen. Die Gemeinschaft ist nach Abs. 4 aber verpflichtet, bei ihren Tätigkeiten insbesondere in Bezug auf die wirtschaftlich ausgerichteten Grundfreiheiten und die Wettbewerbspolitik die kulturellen Aspekte zu berücksichtigen (sog. Kulturverträglichkeits-Klausel). Im Zusammenhang mit der wettbewerbsrechtlichen Behandlung der deutschen Buchpreisbindung hat die insofern notwendige Abwägung von kulturellen Aspekten mit entgegenstehenden Belangen Bedeutung im Mediensektor erlangt.76 Die Förderung der kulturellen Vielfalt i.S.d. Art. 151 EGV wurde auch explizit im Vorschlag zur Fortentwicklung der Fernsehrichtlinie zu einer Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste angeführt und zur Begründung der gewollten Förderung der Produktion und des Zugangs zu europäischen Werken herangezogen.77
C. Sekundärrecht 151 In den zurückliegenden Jahren, vor allem in den Jahren seit 1985 hat die Gemeinschaft den vom Primärrecht des EG-Vertrages gesetzten Regelungsrahmen für das Medienrecht durch ein sukzessive entwickeltes sekundäres Gemeinschaft ausgestaltet, das in zahlreichen Richtlinien geregelt ist. Diese Richtlinien bilden nach dem erreichten Entwicklungsstand weitere wesentliche Elemente des europäischen 73
74 75
76 77
Vgl. dazu: Mitteilung der Europäischen Kommission vom 2. Juli 2009 (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/state_aid/legislation/broadcasting_communication_de. pdf. Vgl. Schwartz, AfP 1993, S. 409 ff. Vgl. näher zu den daraus resultierenden Befugnissen und Beschränkungen Ress, DÖV 1992, S. 944 ff. Vgl. Entschließung des Rates, ABl. C 73 v. 6.3.2001, S. 5. Vgl. dazu noch Rn. 437.
C. Sekundärrecht
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Medienrechts. Der Gesetzgeber in den Mitgliedstaaten ist verpflichtet diese Richtlinien in nationales Recht umzusetzen und dabei diejenigen Formen und Mittel zu wählen, die am besten geeignet sind, die praktische Wirksamkeit der Richtlinien unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks zu gewährleisten (sog. effet utile-Grundsatz).78 Wesentliche Teile des nationalen Medienrechts sind vor diesem Hintergrund europarechtlich überformt, so dass die Kenntnis des sekundären Gemeinschaftsrechts für das Verständnis und die Auslegung des nationalen Rechts zentrale Bedeutung hat. Der europäische Gesetzgeber hat das Richtlinienrecht im Mediensektor nicht 152 nach einem bestimmten Muster entwickelt, bei dem ein bestimmter Bauplan für ein konzeptionell vorstrukturiertes europäisches Medienrecht Stück für Stück umgesetzt wird. Die Rechtsentwicklung hat ohne erkennbare Systemvorstellung in Detailbereichen stattgefunden. 1989 zunächst die EG-Fernseh-Richtlinie verabschiedet.79 In derselben Zeit wurde auch erste Schritte zur Liberalisierung und Harmonisierung des Telekommunikationswesens durch den Rat und die Kommission unternommen.80 Insgesamt konzentriert sich die Entwicklung des europäischen Medienrechts auf die elektronischen Medien; das ergangenen Richtlinienrecht lässt sich in zwei Segmente unterteilen: Das eine betrifft Regelungen zur Kommunikationsinfrastruktur im Bereich der elektronischen Medien, mit denen der europäische Richtliniengesetzgeber vor allem den Zugang zu der vorhandenen (Netz-)Infrastruktur regelt. Das andere Segment betrifft die Medieninhalte, insbesondere die Inhaltsdienste, die über elektronische Kommunikationsnetze erreicht werden können sowie den Schutz bestimmter Allgemeininteressen insbesondere im Bereich des Verbraucher- und Jugendschutzes sowie des Datenschutzes. Die bisher ergangenen Regelungen sind noch nicht harmonisch aufeinander 153 abgestimmt. Schon in der Begrifflichkeit differieren die verschiedenen Richtlinien. So ist von „Diensten der Informationsgesellschaft“ (in der e-commerceRichtlinie), von „audiovisuellen Mediendiensten“ (in der Mediendienste-Richtlinie) und „Fernkommunikationstechnik“ (in der Fernabsatz-Richtlinie) die Rede. Weiterer Diskussions- und Anpassungsbedarf ist in diesem Bereich angezeigt. I. Kommunikationsinfrastruktur-Richtlinien Im Bereich des Telekommunikationssektors hat die EU Richtlinien mit dem Ziel 154 verabschiedet, diesen traditionell und europaweit durch staatliche Monopole gekennzeichneten Bereich vollständig zu liberalisieren und für den Wettbewerb zu öffnen. Maßgebliche Bedeutung für die Entwicklung der Liberalisierungsschritte hatte dabei das „Grünbuch über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsgeräte“ vom 30.
78 79 80
Vgl. nur EuGH, Slg. 1984, S. 1921 Rn. 15 ff. – Harz/Deutsche Tradax. ABl. EG Nr. L 298 vom 17.10.1989, S. 23 ff. Zur Entwicklung des Richtlinienrechts der Telekommunikation vgl. nur Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 757 ff.
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§ 3 Europäisches Medienrecht
Juni 1987.81 Das Grünbuch legte nicht nur das Ziel fest, die Telekommunikationsmärkte zu liberalisieren, sondern sah auch vor, dass sich die erforderlichen Schritte zu diesem Ziel auf drei Bereiche, die Herstellung eines Endgerätemarktes, die Liberalisierung der Dienste und die Öffnung der Netze konzentrieren sollte. Der erste wichtige Liberalisierungsschritt bestand darin, den Endgerätemarkt zu 155 liberalisieren. Die hergebrachten Monopolrechte für den Verkauf und den Betrieb von Telekommunikationsendgeräten sollte beseitigt werden. Zu diesem Zweck wurde die Richtlinie 88/301 vom 16. Mai 198882 erlassen. Der nächste bedeutende Liberalisierungsschritt erfolgte durch die Richtlinie 90/388 vom 28.6.1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste.83 Mit ihr wurden die Telekommunikationsdienste zunächst allerdings mit wichtigen Ausnahmen für Sprachtelefondienste und Telexdienste für den Wettbewerb geöffnet. Mit der Richtlinie 96/19 vom 13. März 1996 hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten84 wurde festgelegt, dass auch die noch verbliebenen Monopolbereiche bis zum 1. Januar 1998 für den Wettbewerb zu öffnen waren. Parallel zur Liberalisierung der Dienste wurden die Öffnung der Telekommunikationsnetze und der Zugang zu diesen Netzen betrieben. Zeitgleich zur Richtlinie über die Liberalisierung der Dienste wurde die Richtlinie 90/387 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision – ONP) verabschiedet. Mit dieser Richtlinie und dazu ergangenen Einzelrichtlinien wurde gemeinschaftsweit der offene und effiziente Zugang zu den öffentlichen Telekommunikationsnetzen geregelt und eine Harmonisierung des nationalen Telekommunikationsrechts betrieben.85 Nach einem seit dem Jahr 1999 durchgeführten Review-Verfahren wurden die 156 Regelungen grundlegend umgestaltet. Geschaffen wurde zunächst eine Rahmenrichtlinie.86 Sie ist als eine Art Allgemeiner Teil für ein umfassenderes Richtlinienpaket konzipiert und regelt die Grundsätze und Ziele für die Regulierung der europäischen Telekommunikationsmärkte, die Aufgaben der mitgliedstaatlichen Regulierungsbehörden sowie Verfahren für die gemeinschaftsweit harmonisierte Anwendung des gesamten Rechtsrahmens.87 Zu diesem Rechtsrahmen gehören vier zeitgleich verabschiedete Richtlinien, eine über die Erteilung von Genehmigungen,88 eine über den Zugang zu und die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen,89 eine weitere über Universaldienste90 sowie eine über den Schutz 81 82 83 84 85
86 87 88 89 90
KOM (87) 290. ABl. EG Nr. L 131 vom 27. 5.1988, S. 73. ABl. EG Nr. L 293 vom 24.7.1990, S.10. ABl. EG Nr. L 74 vom 22.3.1996, S. 13. Zusammenfassend Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, S. 757 ff. ABl. EG Nr. L 108 vom 24.4.2002, S. 33 ff. Vgl. Husch/Kemmer/Ohlenburg, MMR 2003, S. 139 ff. ABl. EG Nr. L 108 vom 24.4.2002, S. 21 ff. ABl. EG Nr. L 108 vom 24.4.2002, S. 7 ff. ABl. EG Nr. L 108 vom 24.4.2002, S. 51 ff.
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der Privatsphäre und den Datenschutz.91 Während mit diesen Richtlinien die bis dahin geltenden Harmonisierungsrichtlinien ersetzt wurden, erfolgte mit der sog. Wettbewerbsrichtlinie92 eine Konsolidierung der vormals geltenden verschiedenen Liberalisierungsrichtlinien. Dieser Rechtsrahmen bestimmt maßgebliche das geltende nationale Recht für den Telekommunikationssektor.93 II. Inhalte-Richtlinien Im Segment der auf Medieninhalte bezogenen Richtlinien hatte sich das sekundäre 157 Gemeinschaftsrecht zunächst auf den Fernsehsektor konzentriert. Nachdem Überlegungen zurückgestellt wurden, den gesamten Rundfunk in einer Richtlinie zu erfassen, wurde 1989 die EG-Fernseh-Richtlinie verabschiedet.94 Diese Richtlinie wurde 1997 geändert,95 ohne dass allerdings eine Erweiterung des Regelungsbereichs um den Rundfunk erreicht wurde. Ebenfalls in einer EG-Richtlinie wurden die technischen Spezifikationen für die Direktausstrahlung von Fernsehsendungen über Satelliten festgelegt.96 Ferner erging die Richtlinie zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelverbreitung.97 Die in einem entsprechenden Grünbuch der Europäischen Kommission angeregte Richtlinie über Medienpluralismus und Medienkonzentration,98 in der medienrechtliche Regelungen der Konzentration im Rundfunk unter Berücksichtigung von Verflechtungen mit Presseunternehmen getroffen werden sollen, ist nicht verabschiedet worden. Die Fernseh-Richtlinie, an deren Stelle nunmehr die Richtlinie über audiovisu- 158 elle Mediendienste99 getreten ist, hatte für das inhaltsbezogene europäische Medienrecht eine beispielgebende und deshalb historische Bedeutung. Sie erfasste im Unterschied zum Fernseh-Übereinkommen des Europarats100 nicht nur grenzüberschreitende Fernsehsendungen, sondern bezog im Hinblick auf ihre Zielsetzung, zur Integration im europäischen Binnenmarkt durch Harmonisierung der Regelungen beizutragen,101 auch Fernsehsendungen ein, die nur im Sendestaat empfangen werden konnten. Die Richtlinie schuf Mindeststandards für Fernsehdarbietungen und verwirklichte das Sendestaatsprinzip als Ausprägung des aus dem EG-Vertrag übernommenen Ursprungslandprinzips, nach dem jede in einem Mitgliedstaat zu91 92 93
94 95 96 97 98
99 100 101
ABl. EG Nr. L 108 vom 24.4.2002, S. 27 ff. ABl. EG Nr. L 249 vom 17.9.2002, S. 21 ff. Vgl. den Überblick bei Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 775 ff. ABlEG Nr. L 298 vom 17.10.1989, S. 23 ff. ABlEG Nr. L 206 vom 30.6.1997, S. 60. ABlEG Nr. L 311 vom 6.11.1986, S. 28 ff. ABl EG Nr. L 248 vom 27.9.1993, S. 15 ff. Vgl. Grünbuch vom 23.12.1992 KOM (92) 480 endg.; vgl. dazu v.Wallenberg, WuW 1993, S. 910 ff. Dazu sogleich unter Rn. 159. Vgl. dazu unten Rn. 294. Vgl. die Erwägungsgründe der Fernseh-Richtlinie.
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§ 3 Europäisches Medienrecht
lässigerweise auf den Markt gebrachte Ware oder Dienstleistung im gemeinsamen Markt frei zirkulieren darf, ohne möglichen Sonderbestimmungen des Importstaates entsprechen zu müssen.102 In der Ausprägung für das Rundfunkwesen bedeutete dies, dass nur der Sendestaat berechtigt, aber auch verpflichtet ist, die Übereinstimmungen von Fernsehsendungen der seiner Hoheitsgewalt unterworfenen Veranstalter mit den europäischen Regeln zu kontrollieren.103 Ausnahmen sah Art. 2 Abs. 2 Fernseh-Richtlinie nur bei offensichtlichen und schwerwiegenden Verstößen gegen Jugendschutzbestimmungen vor.104 Geregelt wurde die Förderung der europäischen Programmproduktion, Fragen von Werbung und Sponsoring, Jugendschutz und das Recht zur Gegendarstellung. Wegen ihrer protektionistischen Tendenzen war die insbesondere von Deutschland kritisierte Quoten-regelung in Art. 4 sehr umstritten. Sie sah vor, dass die Mitgliedstaaten „dafür Sorge tragen“,105 im Rahmen des praktisch Durchführbaren darauf zu achten, dass die Fernsehveranstalter den „Hauptanteil“ ihrer Sendezeit europäischen Werken im Sinne des Art. 6 der Richtlinie vorbehalten.106 Die Änderung der Richtlinie im Jahre 1997 sah wichtige Neuerungen vor,107 etwa dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen hatten, dass Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung von der Übertragung im Free-TV nicht ausgeschlossen wurden, weil sie sich im Pay-TV besser vermarktet werden konnten oder die Regelungen zum Jugendschutz, die aktualisiert und nach verbreiterter Auffassung verbessert wurden,108 auch wenn der in seiner Wirksamkeit und Wirkung umstrittene V-Chip (Violence-Chip)109 nicht eingeführt wurde. Damit war der Grundstein für ein seither sukzessiv entwickeltes europäisches Medieninhaltsrecht gelegt. 1. Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste 159 Nach der schon im Grünbuch zur Konvergenz der Medien110 zum Ausdruck gebrachten Absicht wurde die sog. Mediendienste-Richtlinie111 in der Nachfolge der
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Näher zum Ursprungslandprinzip des EWG-Vertrages vgl. EuGH, Slg. 1979, 649 ff. Cassis de Dijon. Ausführlich Helberger, ZUM 1998 S. 50 ff. Vgl. Höfling/Möwes/Pechstein, Europäisches Medienrecht, 1991, S. 74 f. Nicolaysen, Europarecht II, 1996, S. 220 weist darauf hin, dass in „verschiedenen nicht veröffentlichten Protokollerklärungen“ von Rat und Kommission versucht worden sei, die Quotenregelung als nur politische Verpflichtung zu bestimmen. Kritisch zu den mit der Quotenregelung verbundenen Förderungsmöglichkeit für die europäische Kulturindustrie Hailbronner/Weber, DÖV 1997, S. 561 ff.; Eichler, ZUM 1995, S. 599 ff. Vgl. die Übersicht bei Schmitt-Vockenhausen, ZUM 1998, S. 377 ff. Vgl. Art. 22 ff. Fernseh-Richtlinie; näher dazu unter Rn. 1222 ff. Dabei handelt es sich um eine technische Ausrüstung von Fernsehgeräten, mittels derer die Ausblendung von zuvor zu kodierenden Gewaltdarstellungen ermöglicht werden soll; vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 7 Rn. 59. KOM (97) 623 endg.
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Fernseh-Richtlinie zu einer technologieneutralen Inhalte-Richtlinie für alle audiovisuellen Mediendienste fortentwickelt.112 Die Richtlinie erfasst nach ihren Anwendungsbereich neben dem herkömmlichen Fernsehen die linearen Mediendienste near-video-on-demand, Internetfernsehen, Web-casting und live-streaming;113 nicht-lineare Mediendienste bzw. Abrufdienste sind beispielsweise videoon-demand und pay-per-view. Von Nutzern produzierte nicht-entgeltliche Inhalte (Blogs, private Webseiten, E-Mails) werden als Instrumente der Individualkommunikation von der Richtlinie ebenso wenig erfasst wie Dienste, bei denen das Angebot audiovisueller Inhalte nur eine Nebenerscheinung zu einem anderen Hauptzweck darstellt (z.B. Suchmaschinen, Online-Spiele, Glücksspiele).114 Nicht erfasst werden elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften sowie der Hörfunk.115 Die Mediendienste-Richtlinie hält an dem aus der Fernseh-Richtlinie bekannten 160 Herkunftslandprinzip fest.116 Das neu gestaltete Werberecht betrifft den gesamten Bereich der „audiovisuellen kommerziellen Kommunikation“, umfasst also Bilder mit oder ohne Ton, die der unmittelbaren oder mittelbaren Absatzförderung von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbildes natürlicher oder juristischer Personen dienen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. Die Richtlinie sieht für alle audiovisuellen Mediendienste allgemeine Grundsätze der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation sowie Regelungen zum Sponsoring und zum product placement vor, das grundsätzlich verboten bleibt, aber unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.117 Danach gelten insbesondere ein Verbot der Schleichwerbung und subliminaler Werbetechniken, ein Diskriminierungsverbot sowie produktspezifische Werberegeln für Tabak, Alkohol und Arzneimittel für alle, auch die nicht-linearen Mediendienste. Besondere, weitergehende Regelungen gelten für das Fernsehen, insbesondere hinsichtlich der Werbezeiten und – formen. Die aus der Fernseh-Richtlinie bekannten Quotenvorgaben für europäische Werke werden aufrechterhalten, für nicht-lineare Dienste werden ähnliche Sonderbestimmungen eingeführt.118
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Richtlinie 2007/65/EG zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, ABlEG Nr. L 332 vom 18.12.2007, S. 27 ff. Zur Rechtsentwicklung vgl. Mückl, DVBl 2006, S. 1201 ff. Vgl. Erwägungsgrund 20. Vgl. Erwägungsgrund 18; zu den damit aufgeworfenen Abgrenzungsfragen näher Schulz, Zum Vorschlag für eine Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, 2006, S. 9 ff. sowie oben Rn. 90 ff.; ders., EuZW 2008, S. 107 ff.; Castendyck/Böttcher, MMR 2008, S. 13 ff. Vgl. Erwägungsgrund 21 f. Vgl. Rn. 158. Vgl. Art. 3 f. Abs. 2 Mediendienste-Richtlinie. Vgl. Kleist/Scheuer, ZUM 2006, S. 108, 110 f.; Leitgeb, ZUM 2006, S. 837 ff.
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§ 3 Europäisches Medienrecht
2. Richtlinien zum elektronischen Geschäftsverkehr 161 Der elektronische Geschäftsverkehr ist Gegenstand verschiedener Richtlinie. Die praktisch wohl bedeutendste ist die sog. e-commerce Richtlinie.119 Sie sieht für sämtliche Tätigkeitsphasen, die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft bei ihrer Teilnahme am elektronischen Geschäftsverkehr durchlaufen, grundlegende Regelungen vor. Die Regelungen betreffen die Niederlassung der Anbieter, ihre kommerzielle Kommunikation (Werbung), den Abschluss elektronischer Verträge, die Verantwortlichkeit der Vermittler und die Mechanismen zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten.120 Die Richtlinie für den Fernabsatz von Gütern und Dienstleistungen121 harmoni162 siert die Modalitäten des Vertragsschlusses im Fernabsatz. Sie schreibt einen Mindeststandard von Regelungen zum Verbraucherschutz vor, die ein Widerrufsrecht für den Verbraucher, bestimmte Informationspflichten für die Anbieter, Regelungen zur Vertragsdurchführung und nicht zuletzt auch (lauterkeitsrechtliche) Regelungen für die Verwendung von Fernkommunikationstechniken vorsehen. Der Fernabsatz von Finanzdienstleistung ist Gegenstand einer eigenen Richtli163 nie, die vom Rat am 23.9.2002 aufgestellt wurde.122 Diese Richtlinie sieht bestimmte Verbraucherschutzregelungen für den Fernabsatz von Dienstleistungen vor. Die Richtlinie für elektronische Signaturen vom 23.12.1999123 soll die Anwen164 dung elektronischer Signaturen im elektronischen Geschäftsverkehr erleichtern und ihre rechtliche Anerkennung sicherstellen. Dementsprechend enthält sie rechtliche Regelungen zur Rechtswirkung elektronischer Signaturen und zur Haftung von Zertifizierungsdiensteanbietern.124 3. Datenschutzrichtlinie 165 Der Datenschutz in der elektronischen Kommunikation hat auf europäischer Ebene ebenfalls Aufmerksamkeit gefunden und sich in zwei bedeutsamen Richtlinien niedergeschlagen. Der Regelungsgegenstand der sog. Datenschutzrichtlinie vom 24.10.1995 ist der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und der freie Datenverkehr.125 Die Datenschutzrichtlinie für die e119
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Der amtliche Titel lautet: Richtlinie 2000/31/EG vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. EG Nr. L 178 v. 17.7.2000, S. 1 ff.; vgl. unten Rn. 784. Vgl. dazu Marly, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Bd. III A/4, RL EWG 2000/31, Rn. 61. Richtlinie 97/7/EG vom 20.5.1997, ABl. EG Nr. L 144 v. 4.6.1997, S. 19 ff.; vgl. unten Rn. 783. Richtlinie 2002/65/EG, ABl. EG Nr. L 271 v. 9.10.2002, S. 16 ff. Richtlinie 99/93/EG, ABl. EG Nr. L 13 v. 19.1.2000, S. 12 ff. Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, 2008, S. 318 ff.; Engel-Flechsig, in: Nonta/Dreier, Rechtshandbuch zum e-commerce, Teil F, Rn. 134 ff. ABl. EG Nr. L 281 v. 23.11.1995, S. 31 ff.
A. Grundlagen
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elektronische Kommunikation vom 12.7.2002 harmonisiert die datenschutzbezogenen Bestimmungen für den speziellen Bereich der elektronischen Kommunikation.126 Rechtspolitisch umstritten war und ist weiterhin127 die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vom 15.3.2006,128 welche die Vorratsspeicherung von Daten betrifft, die bei der Bereitstellung öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden.
§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
Literatur Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar zum GG, 3. Auflage 2001 (Loseblatt), Art. 5 Rn. 1 ff; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, § 2; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie – Das Recht der Massenkommunikation, 2008, Teil I, 3. Kapitel; Schulz, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 3. Abschnitt.
A. Grundlagen Das Medienrecht der Bundesrepublik Deutschland wird von den Kommunikati- 166 onsfreiheitsrechten in Art. 5 des Grundgesetzes geprägt. Sie konstituieren eine freiheitliche Kommunikationsverfassung im demokratischen und sozialen Rechtsstaat. Die Kommunikationsverfassung des Grundgesetzes wird zusätzlich durch die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG, die Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG, die Vereinigungs- und Kommunikationsfreiheit des Art. 9 GG, das Post- und Fernmeldegeheimnis Art. 10 GG sowie das Petitionsrecht des Art. 17 GG mit geprägt. Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich auf die für das Medienwesen und seine Gestaltung zentral einschlägigen Kommunikationsfreiheitsrechten des Art. 5 GG. Die Gewährleistung der Kommunikationsfreiheiten im Grundgesetz ist in der 167 Weise gestaltet, dass einzelne Medien und ihre Freiheiten und zusätzlich die Meinungsfreiheit gewährleistet sind. Art. 5 Abs. 1 GG führt als geschützte Medien ausdrücklich nur die Presse, den Rundfunk und den Film an. Die Konzeption dieser Freiheitsrechte lässt offen, ob die benannten Freiheitsrechte zusammen mit der Gewährleistung der Meinungsfreiheit eine allgemeine „Medienfreiheit“ konstituie-
126 127 128
ABl. EG Nr. L 201 v. 31.7.2002, S. 37 ff. Vgl. Westphal, EuZW 2006, S. 555 ff.; Gitter/Schnabel, MMR 2007, S. 411 ff. ABl. EG Nr. L 105 v. 13.4.2006, S. 54 ff.
62
§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
ren.129 In Art. II-71 des Vertrages über eine Verfassung für Europa ist für die Kommunikationsfreiheiten der Absatz 2 vorgesehen, nach dem die „Freiheit der Medien und ihre Pluralität“ geachtet werden.130 Die Kommunikationsgrundrechte sind klassischem Grundrechtsverständnis ent168 sprechend zunächst Abwehrrechte gegenüber dem Staat; sie haben aber darüber hinaus eine programmatische Dimension, die den Staat anhält, „gefährdete Freiheit aktiv zu schützen, zu sichern und zu festigen”.131 Dementsprechend enthält die Verfassung in Art. 5 GG verschiedene individuelle und institutionelle Gewährleistungen. Sein erster Absatz schützt ein Menschenrecht, das die Äußerung und Verbreitung von Meinungen schützt und insofern auf einen Rezipienten als Adressat der geäußerten und verbreiteten Meinung angewiesen ist. Der Rezipient genießt seinerseits grundrechtlichen Schutz, die geäußerte Information aufzunehmen; andernfalls würde der Grundrechtsschutz des sich Äußernden leer laufen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet damit zugleich die Freiheit des Kommunikators als auch die des Rezipienten sowie den sich entfaltenden Kommunikationsprozess.132 Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entfaltet den Grundrechtsschutz jenseits der personalen 169 Kommunikation im Bereich des für das Massenkommunikationswesen unverzichtbaren Einsatzes von Medien. Die Medienfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist die Freiheit publizistischer Vermittlung durch ein Massenmedium.133 Sie umfasst die Freiheit der Presse als überkommenes Gut freiheitlicher Gewährleistungen, ausdrücklich auch die im 20. Jahrhundert neu entstandenen Phänomene des Rundfunks und Films. Mit den benannten Medien schützt das Grundgesetz die Formen der Verwirklichung von Meinungs- und Kommunikationsfreiheit nicht nur in ihrer historischen Bedingtheit, sondern auch unter Berücksichtigung ihrer Dynamik und Entwicklungsoffenheit.134 Dieser Grundrechtsschutz wird dahingehend verstanden, dass auch neu entstehende massenmediale Kommunikationsmittel in den Schutzbereich einzubeziehen sind. 135 Dies ist die Konsequenz einer Konzeption der Medienfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, die der Massenkommunikation neben der durch die Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs.1 Satz 1 GG geschützten Individualkommunikation eigenständige Bedeutung beimisst und selbständigen Schutz zukommen lässt.136 Die jeweiligen Kommuni129 130 131 132
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In diesem Sinne Hoffmann-Riem, AK GG, 3. Auflage, Art. 5 Abs. 1 Rn. 138. Dazu Stock, EU-Medienfreiheit, 2000, S. 77 ff. Rupp, AöR 101 (1976), S. 161, 165 ff. Vgl. Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage 1994, S. 205 ff. Hoffmann-Riem, a.a.O., S. 206 f. Vgl. BVerfG 10, S. 118, 121; 20, S. 162, 174 f.; 52, S. 283, 296; 77, S. 346, 253; 95, S. 28, 34. Vgl. BVerfGE 74, S. 297, 350 f. für rundfunkähnliche Kommunikationsdienste; vgl. näher zum verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff unten Rn. 257. Vgl. BVerfGE 85, S. 1, 11; Hoffmann-Riem, a.a.O., S. 210 f.; für eine rein individualrechtliche Sicht des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, dagegen Starck, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art.5 Rn. 4 f.
A. Grundlagen
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kationsgrundrechte haben nach diesem Verständnis unterschiedliche Stoßrichtungen: Die Kommunikationsfreiheiten des Abs. 1 Satz 1 zielen auf die Freiheit des Inhalts, der Ausdrucksform und des Informationszugangs, während die publizistische Vermittlung durch Massenmedien von Abs. 1 Satz 2 erfasst wird. Besondere Bedeutung hat das Verständnis der Kommunikationsverfassung des 170 Grundgesetzes für neue entstandne und weiter entstehende Medien, die keine ausdrückliche Erwähnung in Art. 5 GG gefunden haben. Insbesondere das Internet als Kommunikationsmittel und netzvermittelte Mediendienste haben derzeit keine ausdrückliche Verankerung in den Kommunikationsfreiheitsrechten des Art. 5 GG erfahren. Versteht man die Kommunikationsverfassung des Grundgesetzes nicht ohnehin als eine umfassende „Medienfreiheit“ und die benannten Medien als deren Ausprägungen,137 entsteht die Frage nach deren Einbeziehung in den Schutzbereich des Art. 5 GG. Als besonders „entwicklungsoffen“ und für die Einbeziehung neuer Medien geeignet wird die Rundfunkfreiheit angesehen. Internetgestützte Mediendienste werden deshalb als “rundfunkähnlicher Dienst” in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit einbezogen und auf diese Weise dem Schutz des Art. 5 GG unterstellt.138 Im Hinblick auf die entwicklungstechnische Dynamik des Internets, die informationsbezogene Vielfältigkeit und die beinahe ubiquitäre Verfügbarkeit ist dies kein zwingender Ansatz. Sachgerechter wäre es, die Internet-Freiheit als zusätzliches, ausdrücklich benanntes Kommunikationsfreiheitsrecht im Text des Art. 5 GG zu verankern. Die damit erforderliche Grundgesetzänderung ist entbehrlich, sofern das Grundgesetz in der geltenden Fassung hinreichenden Schutz auch der neuen Medien gewährleistet. Dementsprechend wird die Diskussion um den grundrechtlichen Schutz der Internet-Freiheit auf der Grundlage des geltenden Wortlauts des Grundgesetzes geführt. Sie bewegt die Frage, ob angesichts der bestehenden europarechtlichen Regeln139 überhaupt nationale Verfassungsbestimmungen einen geeigneten Ansatzpunkt für eine InternetVerfassung darstellen, an welcher Stelle gegebenenfalls die Internet-Freiheit im verfassungsrechtlichen Kommunikationsfreiheitsspektrum zwischen marktorientierter Offenheitspflege und rundfunkmäßiger Ausgewogenheitsverfassung anzusiedeln ist und wie diese demzufolge auszugestalten wäre, ist rechtswissenschaftlich nicht gesichert.140 Die Frage ist nicht entschieden durch die Anerkennung eines sog. IT-Grundrechts in der Rechtsprechung des BVerfG. Dieses „neu geschaffene“ Grundrecht auf „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“141 ist nicht in dem Sinne konzipiert, dass eine Internetfreiheit als Ausdruck oder Erweiterung der Kommunikationsfreiheitsrechten des Art. 5 GG anerkannt wurde; vielmehr schränkt das IT-Grundrecht als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht den Gebrauch informationstechnischer 137 138 139 140
141
Vgl. zuvor Rn. 169. Vgl. BVerfGE 74, S. 297, 350 f.; 83, S. 238, S. 302. Vgl. dazu Rn. 123 ff. Vgl. Bullinger, AfP 1996, S. 1 ff.; Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, 1997, insbesondere S. 39 ff.; Hoffmann-Riem, AfP 1996, S. 9 ff.; Mecklenburg, ZUM 1997, S. 525 ff.; Scherer, AfP 1996, S. 213 ff. BVerfGE 120, 274 ff.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
Systeme, etwa bei der Online-Durchsuchung durch staatliche Organe ein. Das Grundrecht auf „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ gewährleistet somit nicht internetbezogene Kommunikations-freiheitsrechte (Internetfreiheit), sondern ist eine Schrankenregelung im Interesse des Persönlichkeitsschutzes bei dem staatlichen Zugriff auf Internetkommunikation.142 Die grundgesetzliche Kommunikationsverfassung erlaubt in Art. 5 Abs. 2 GG 171 Beschränkungen dieser Kommunikationsfreiheiten durch „allgemeine“, d.h. sich nicht gegen bestimmte Kommunikationsinhalte richtende Gesetze sowie durch Bestimmungen zum Schutze der Jugend und der persönlichen Ehre und enthält in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einen Auftrag an den Gesetzgeber zur Gewährleistung der Medienfreiheit. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Schrankengesetze von den Ausgestaltungsgesetzen zu unterscheiden.143 Schrankengesetze ermöglichen einen Eingriff in die Kommunikationsfreiheiten zum Schutz einer kollidierenden, aber gleichfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition. Ausgestaltungsgesetze dienen demgegenüber der Verwirklichung des Kommunikationsgrundrechts selbst; sie werden im Interesse einer freien, öffentlichen Meinungsbildung zur Gewährleistung und Sicherung der Massenkommunikation erlassen.144 Zur Ausgestaltung der (Massenkommunikations-) Medienordnung stehen dem 172 Gesetzgeber unterschiedliche Regelungsalternativen offen, deren Umsetzung grundsätzlich seinem politischen Gestaltungsermessen anheim gestellt ist. 145 Aus medienverfassungsrechtlicher Sicht sind sowohl ein Marktmodell als auch ein Integrationsmodell bzw. Mischformen dieser Modelle möglich und prinzipiell grundrechtskonform. Im Marktmodell wird die Vermittlung publizistischer Inhalte den Funktionsbedingungen des ökonomischen Marktgeschehens anvertraut, nach denen sich in der Angebotskonkurrenz verschiedener Zeitungen, Programme und sonstiger massenmedialer Darbietungen Außenpluralität einstellen soll. Im Integrationsmodell wird die erwünschte publizistische Vielfalt durch entsprechende Anforderungen an das jeweilige Massenmedium angestrebt.146 Die grundrechtlichen Freiheitsgewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 GG dienen, 173 auch wenn sie selbständig nebeneinander stehen, einem gemeinsamen Zweck, nämlich im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung freie Kommunikation zu gewährleisten.147 Sämtliche Kommunikationsgrundrechte beinhalten neben einem subjektiv-rechtlichen Abwehranspruch des Bürgers auch objektiv-
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147
Näher zum sog. IT-Grundrecht unter Rn. 956 ff. Vgl. Rn. 274 ff. BVerfGE 57, S. 295, 321 – FRAG; 73, S. 118, 166 – Niedersachsen. Vgl. Hoffmann-Riem, a.a.O., S. 222 ff. Vgl. näher zu den Modellvarianten in rechtsvergleichender Sicht Schellenberg, Rundfunk-Konzentrationsbekämpfung zur Sicherung des Pluralismus im Rechtsvergleich, 1997. Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 1; Schmitt-Glaeser, AöR 113 (1988), S. 52 ff.
B. Meinungs- und Informationsfreiheit
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rechtliche Elemente, die insbesondere in dem Gestaltungsauftrag an den Staat, eine freiheitliche Medienordnung zu gewährleisten, zum Ausdruck kommen.148 Die Kommunikationsgrundrechte haben im Hinblick auf die Freiheitssicherung 174 für jeden einzelnen und den zugleich gegebenen Schutz der öffentlichen Auseinandersetzung in einer Massendemokratie eine kaum hoch genug einzuschätzende Bedeutung. Nach dem BVerfG zählt die Meinungsfreiheit zu den „vornehmsten Menschenrechten überhaupt“149 und die Kommunikationsfreiheit wird als für eine freiheitliche Demokratie geradezu „konstituierend“150 angesehen. Dennoch gibt es keine Privilegierung des Grundrechtsgebrauchs im thematischen Zusammenhang etwa mit politischen oder öffentlichen Angelegenheiten,151 da eine Differenzierung zwischen öffentlicher und privater Kommunikation im Tatbestand des Art. 5 Abs. 1 GG unzulässig wäre. Völlig private, belanglose oder etwa wirtschaftliche Interessen verfolgende Kommunikation wird ebenso geschützt wie der Beitrag im öffentlichen Interesse. Erst bei der Abwägung des konkreten Kommunikationsgrundrechts mit kollidierenden Grundrechten Dritter und sonstigen Schutzgütern im Schrankenbereich des Abs. 2 werden Wichtigkeit und kontroverser Charakter der jeweiligen Auseinandersetzung berücksichtigt.152
B. Meinungs- und Informationsfreiheit I. Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG)153 Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz GG hat jeder das Recht, seine Meinung in 175 Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Die herausragende Bedeutung dieses Rechts hat das BVerfG seit je her betont und im Lüth-Urteil, in dem es über einen Boykottaufruf des Hamburger Senatsdirektors Lüth zu befinden hatte, keine Filme des im "Dritten Reich" hervorgetretenen Regisseurs Veit Harlan zu besuchen,154 zum Ausdruck gebracht: Die Meinungsfreiheit sei unmittelbarster 148
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Vgl. hier nur BVerfGE 10, S. 118, 121; 20, S. 175; 80, S. 124, 134; näher sogleich bei der Erörterung der einzelnen Grundrechte. BVerfGE 7, S. 198, 208 – Lüth. Vgl. BVerfGE 20, S. 162, 174; 27, S. 71, 81; 52, S. 283, 296; 57, S. 295, 319 – FRAG; 62, S. 230, 247; 71, S. 206, 220; Jarrass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 2. Degenhardt, in: FS für Lukes, 1989, S. 287, 290 ff.; Friauf/Höfling, AfP 1985, 249 ff.; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 5 Rn. 5ff.; v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 1 f.; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 2. Vgl. BVerfGE 34, 269, 283 – Soraya; 61, S. 1, 11 – Meinungsäußerung im Wahlkampf; 66, S. 116, 151 – Springer/Wallraff; Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 2; vgl. auch Brugger, EuGRZ 1987, S. 189 ff. Vgl. dazu instruktiv Grimm, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des BVerfG, NJW 1995, S. 1697. BVerfGE 7, 198 ff. – Lüth = NJW 1958, 257; E 93, 266, 289 – Soldaten sind Mörder; zuletzt NJW 2000, 199, 200; zur Frage, ob Boykottaufrufe schon vom Schutzbereich
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft und insoweit „eines der vornehmsten Menschenrechte“ und „im gewissen Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“. Indem es die „ständige geistige Auseinander-setzung, den Kampf der Meinungen (ermögliche)“, gewinne es essentielle Bedeutung für den Prozess demokratischer Willensbildung und sei für die freiheitlich-demokratische Staatsordnung des Grundgesetzes, deren Lebenselement diese Auseinandersetzung ist, „schlechthin konstituierend.“155 Die Meinungsäußerungsfreiheit ist ein Menschenrecht („jeder“) und steht damit 176 gleichermaßen In- und Ausländern zu.156 Sie gilt gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch für inländische, nicht hingegen für ausländische juristische Personen.157 Staatliche Organe können sich zwar nicht auf das Grundrecht berufen, ihre Äußerungen können aber durch Kompetenz- und Statusnormen geschützt sein.158 Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen, wenn es sich um vom Staat unabhängige Einrichtungen handelt, zu deren Aufgaben auch die selbstverantwortliche Teilhabe am allgemeinen Kommunikationsprozess gehört. Damit fällt insbesondere die Tätigkeit von Rundfunkanstalten in den Geltungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.159 Der Begriff der Meinung ist „grundsätzlich weit zu verstehen“;160 er erfasst jede 177 Kundgabe eines Werturteils, Ansichten und Anschauungen aller Art.161 Das Grundrecht schützt nicht nur „wertvolle“ Meinungen, sondern sämtliche Äußerungen des Dafürhaltens oder Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung oder einer sozialen Kommunikation. 162 Unerheblich ist, welche Themen betroffen sind und ob öffentliche oder private, politische oder kommerzielle Zwecke verfolgt werden.163 Von der Meinungsäußerungsfreiheit wird deshalb auch die Wirtschaftswerbung umfasst;164 nach dem BVerfG ist dies jedenfalls dann der Fall, wenn die Werbung „einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat oder Angaben enthält, die der Meinungsbildung dienen“.165 Ebenso wenig wie es auf
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des Meinungsfreiheitsgrundrechts nicht gedeckt sind oder nur im Rahmen der Schrankenbestimmungen des Art. 5 Abs. 2 GG kontrolliert werden; vgl. Friauf/Höfling, AfP 1985, 249 ff. und Grimm, NJW 1995, S. 1697 ff. BVerfGE 7, S. 198, 208 – Lüth. Hoffmann-Riem, AK GG, 3. Auflage, Art. 5 Abs. 1 Rn. 35; a.A. BVerfGE 21, S. 207, 208 f.; 100, S. 3113, 364. Str.; vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. III/I, S. 1116 ff.; Hoffmann-Riem, a.a.O., Art. 5 Rn. 35. Vgl. Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 8; BVerfG, NJW S. 1984, 2591; zur Redefreiheit von Bundestagsabgeordneten vgl. BVerfGE 60, S. 374, 380 – Abelein. BVerfGE 31, S. 314, 321 f.; 97, S. 298, 310. BVerfGE 61, S. 1, 9 – NPD Europas = NJW 1983, S. 1415; E 71, S. 162, 179. Vgl. BVerfGE 30, S. 336, 352. BVerfGE 61, S. 1, 8 f. – NPD Europas = NJW 1983, S. 1415; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 8. BVerfGE 30, S. 336, 352; Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 3. H.M.; vgl. Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rn. 3; zum Streitstand vgl. Degenhart, in: FS Lukes, 1989, S. 287 ff. BVerfGE 71, S. 162, 175; 107, S. 275, 280; BVerfG NJW 2001, S. 3403 ff.
B. Meinungs- und Informationsfreiheit
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den Wert oder Unwert der Meinungsäußerung ankommt, ist von Belang, ob das Werturteil „richtig“ oder „falsch“, emotional oder rational begründet ist.166 Tatsachenbehauptungen werden nach h.M. vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 178 1 S. 1 GG nicht erfasst.167 Demgegenüber wird geltend gemacht, dass in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG eine mit Art. 10 EMRK übereinstimmende umfassende Garantie für die freie Mitteilung von geistigen Inhalten aller Art und damit für die freie Kommunikation der Menschen untereinander schlechthin zu sehen sei.168 Nach diesem Verständnis einer umfassenden Äußerungsfreiheit sollen selbst falsche Tatsachenmitteilungen in den Schutzbereich des Art. 5 GG fallen und erst bei der Abwägung mit anderen Schutzgütern im Rahmen der Schranken verfassungsrechtliche Anerkennung einbüßen.169 Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung Tatsachenmitteilungen vom Schutz des Grundrechts ausgenommen, wenn sie – wie beispielsweise Angaben statistischer Art - weder mit Werturteilen verbunden noch für die Meinungsbildung bedeutsam waren.170 Eine Unterscheidung von Werturteil und Tatsachenmitteilungen schon bei der 179 Bestimmung des grundrechtlichen Schutzumfangs zu treffen, erscheint vor allem deswegen problematisch, weil eine trennscharfe Unterscheidung kaum möglich ist und damit eine Verkürzung des Grundrechtsschutzes droht.171 Werturteile werden nicht selten auf Behauptungen gestützt und die Mitteilung von beweisbaren Tatsachen kann wegen seines Gesamtzusammenhangs als Werturteil erscheinen.172 Das BVerfG hat deshalb auf die Verzahnung von Tatsachen und Meinungen hingewiesen173 und jedenfalls dann, wenn eine Tatsachenmitteilung Voraussetzung für die Bildung von Meinungen ist, diese in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG einbezogen.174 Allerdings postuliert das BVerfG die „verfassungsrechtlich vorausgesetzte Aufgabe zutreffender Meinungsbildung“ und sieht in unrichtiger Information „kein schützenswertes Gut.“175 Zwar dürften die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht so bemessen werden, dass dadurch die Funktion der Meinungsfreiheit in Gefahr geriete; bei der bewussten Behauptung unwahrer Tat-
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BVerfGE 30, S. 336, 347; 33, S. 1, 14; 61, S. 1, 7; 93, S. 266, 289 – Soldaten sind Mörder; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rn. 3; Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), S. 60, 83. Vgl. nur Bethge, in: Sachs, GG, 5. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 27; mit der Formulierung in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG: "Freiheit der Berichterstattung". Badura, Staatsrecht, C 60; Schmitt-Glaeser, AöR 113 (1988), S. 52, 74 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 2. Auflage 2004, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 66 m.w.N. Vgl. Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 10. BVerfGE 65, S. 1, 40 f.; 61, S. 1, 8. In BVerfG NJW 1992, S. 1439, 1440 plädiert auch das BVerfG für einen weiten Meinungsbegriff im Sinne eines wirksamen Grundrechtsschutzes. Vgl. die Beispiele bei Wenzel, Handbuch, Rn. 4.41 ff. Vgl. BVerfGE 12, S. 205, S. 260; 31, S. 314, 326; BVerfG, NJW 1992, S. 1439, 1440. BVerfGE 61, S. 1, 8; 65, S. 1, 41; 85, S. 23, 31; 94, S. 1, 7; so auch Grimm, NJW 1995, S. 1697, 1699. BVerfGE 54, S. 208, 219 f. = NJW 1980, S. 2072 – Böll/Walden; 90, S. 241 – “Auschwitzlüge”; vgl. BGHZ 90, S. 113, 116.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
sachen176 oder der grobfahrlässigen Außerachtlassung der Wahrheit177 sei dies aber auch nicht zu befürchten. Erwiesenermaßen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen werden nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG nicht erfasst.178 Meinungsäußerungen sind durch ein subjektives „Element der Stellungnahme, 180 des Dafürhaltens gekennzeichnet“,179 während eine Tatsachenbehauptung der objektiven „Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist“.180 Bei der Beurteilung ist auf den Empfängerhorizont eines unbefangenen Durchschnittslesers abzustellen,181 der Gesamtzusammenhang der Äußerung zu betrachten182 und ihr Zweck zu berücksichtigen.183 Nach diesem Muster ist eine rechtssicher vorhersehbare Abgrenzung nur 181 schwer zu treffen: Obwohl beispielsweise die Äußerung „Die CSU ist die NPD Europas“ in einer Wahlrede dem Beweise zugänglich ist, muss sie als Meinungsäußerung eingestuft werden, da der Redner keine offensichtlich falsche Aussage machen, sondern seinen politischen Gegner durch polemische Äußerungen kritisieren wollte.184 Der verfassungsrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit beinhaltet eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede, so dass vor allem im politischen Meinungskampf der Tatsachenbegriff entsprechend restriktiv ausgelegt werden muss.185 Wer selbst schwerwiegende Vorwürfe erhebt oder durch sein
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BVerfGE 61, S. 1, 8; 90, S. 241 – “Auschwitzlüge”; zuletzt BVerfG NJW 2000, S. 199, 200; weitere Nachweise bei Grimm, NJW 1995, S. 1697, 1699, Fn. 25. Vgl. v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 27; wohl auch BVerfGE 54, S. 208, 219 f. BVerfG, AfP 1994, S. 126; NJW 1993, S. 1845; NJW 1991, S. 2074, 2076; NJW 1983, S. 1415; weitere Nachweise bei Soehring, NJW 1997, S. 360, 364; Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), S. 60, 85 f.; vgl. auch Schulz, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 5. Abschnitt Rn. 20 m.w.N. BVerfG, AfP 1994, S. 126; E 61, 1, 8 – NPD Europas = NJW 1983, S. 1415 f.; BVerfGE 7, S. 198, 210 – Lüth; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 8 m.w.N.; Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), S. 60, 83f. BGH, ZUM 1998, S. 834, 836; NJW 1997, S. 1148, 1149; NJW 1996, S. 1131, 1133; NJW 1993, S. 930, 931, alle m.w.N.; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 25 Rn. 10; Diese Terminologie wird in der gesamten Rechtsordnung einheitlich verwandt, so dass bei der Beurteilung auch auf andere Rechtsgebiete zurückgegriffen werden kann. BGH, NJW 1997, S. 1148, 1149; NJW 1994, S. 2614, 2616; BGH, AfP 1988, S. 25, 27; NJW 1987, S. 2225, 2226. BGH, AfP 1997, S. 634, 635; NJW 1996, S. 1131, 1133; NJW 1994, S. 2614, 2615. BVerfG, NJW 1991, S. 95, 96; NJW 1983, S. 1415, 1416; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 361-363. BVerfGE 61, S. 1, 8 – NPD Europas = NJW 1983, S. 1415, 1416; vgl. auch OLG Köln, AfP 1992, S. 155. Vgl. hierzu BVerfGE 7, S. 198, 212; 61, S. 1, 7; Seitz/Schmidt/Schoener, NJW 1980, S. 1553 f.
B. Meinungs- und Informationsfreiheit
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Verhalten Kritik auf sich lenkt, muss sich umgekehrt auch gefallen lassen, dass scharf und drastisch zurückgeschlagen wird.186 Der Gehalt einer Äußerung ist durch Auslegung zu ermitteln.187 Insbesondere 182 bei Auseinandersetzungen im Wahlkampf, in dem nach dem Parteiauftrag aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG „der politische Meinungskampf auf das höchste intensiviert ist“,188 darf die „Vermutung für die Zulässigkeit freier Rede“ nur im äußersten Fall eingeschränkt werden. Die Abgrenzungsschwierigkeiten mögen die nachfolgend genannten Beispiele aufzeigen.189 Oftmals werden tatsächliche und wertende Elemente in einer Äußerung vermengt. Wenn die Trennung der beiden Komponenten in Einzelaussagen nicht möglich ist, so ist im Interesse größtmöglichen Grundrechtsschutzes von einer Meinungsäußerung auszugehen.190 Umgekehrt enthalten auch Werturteile regelmäßig ein tatsächliches Element, da sie Aussagen über bestimmte Vorgänge betreffen. So beinhaltet das Werturteil, der Sänger X habe miserabel gesungen, zugleich die Behauptung, dass der Sänger X überhaupt gesungen hat. Dieser Tatsachenkern ist von den einkleidenden Wertungen zu isolieren. Unter den Tatsachenbegriff fallen nicht nur die sinnlich wahrnehmbaren „äuße- 183 ren Tatsachen“, sondern auch die sog. „inneren Tatsachen“, wie Motive, Absichten und Kenntnisse einer Person.191 So liegt in der Meldung „Die Mitglieder der Gruppe Z beteiligen sich nur aus taktischen Gründen an der Bürgerschaftswahl“ die Mitteilung eines Motivs und damit einer inneren Tatsache, deren Gegendarstellung verlangt werden kann.192 Unerheblich für die Abgrenzung ist die Formulierung der Aussage oder die Einkleidung in eine Frage,193 um eine Tatsachenbehauptung als Meinungsäußerung zu kaschieren. Selbst bildliche Darstellungen und Karikaturen können Tatsachenbehauptungen enthalten,194 was insbesondere bei retuschierten oder collagierten Fotos in Betracht kommt.195 Besonderheiten sind bei Satire und Karikatur zu beachten, da diese Kunstfor- 184 men wesensimmanent Sachverhalte überzeichnen und mit Verfremdungen experimentieren.196 Hier ist der inhaltliche Aussagekern streng von der äußeren Einkleidung zu unterscheiden und jeweils gesondert darauf zu überprüfen, ob sie eine 186 187
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BGHZ 45, S. 296, 309; BGH, NJW 1974, S. 1762, 1763. Vgl. BVerfG NJW 1991, S. 95, 96; NJW 1983, S. 1415, 1416; Seitz/Schmidt/Schoener, 3. Aufl. 1998, Rn. 361. BVerfG, NJW 1983, S. 1415, 1416 - „NPD Europas“. Zahlreiche weitere Beispiele bei Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 29 bis 31. BVerfG, AfP 1994, S. 126, 127; E 85, S. 1, 15f. = NJW 1992, S. 1439, 1440; NJW 1983, S. 1415, 1416; ebenso BGH, NJW 1996, S. 1131, 1133; GRUR 1994, S. 915, 916; vgl. auch Wenzel, Handbuch, Rn. 4.66.; Grimm, NJW 1995, S. 1697, 1699. BGH, MDR 1951, S. 404; BayVerfGH, AfP 1994, S. 216, 217. Vgl. OLG Hamburg, AfP 1983, S. 289, 290. Vgl. Wenzel, Handbuch, Rn. 4.55 und BVerfGE 85, S. 23, 31ff. = NJW 1992, S. 1442, 1444 – Fragen; ausführlich Grimm, NJW 1995, S. 1697, 1700. v.Dewall, Gegendarstellungsrecht, 1973, S. 33; Wasserburg, Schutz der Persönlichkeit, 1988, S. 410; Damm, in: Festschrift für Löffler, 1980, S. 31. OLG München, AfP 1973, S. 483; AfP 1979, S. 364; OLG Hamburg, AfP 1976, S. 55; LG Stuttgart, AfP 1989, S. 765. BVerfG, NJW 1992, S. 2073.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
Beleidigung der karikierten Person enthalten.197 Aufgrund des zusätzlichen Schutzes durch die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sind die Bewertungsmaßstäbe für die künstlerische Einkleidung dabei entsprechend großzügiger anzusetzen als für den Aussagekern. Hier wird ein größerer Freiraum für die darstellende Meinungsäußerung zuerkannt,198 der erst verlassen wird, wenn die gewählte Ausdrucksform ersichtlich den Zweck der Schmähung verfolgt.199 Einen Sonderfall stellen auch Zitate dar: zunächst indizieren sie die Behaup185 tung, dass der Zitierte sich überhaupt derart geäußert hat.200 Darüber hinaus ist der Inhalt des Zitates darauf zu überprüfen, ob hier eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil über einen Dritten abgegeben wird.201 Beurteilungen und Prognosen wie Warentests202 oder Sachverständigengutach186 ten203 werden in der Regel als Meinungsäußerungen eingestuft. Trotz ihres objektiven Anstrichs sind sie letztlich nur Schlussfolgerungen und damit subjektive Bewertungen bestimmter Sachverhalte. Auch rechtliche Beurteilungen, z. B. die Bezeichnung einer Person als Dieb, Mörder, Betrüger etc., sind als Meinung zu begreifen, wenn aufgrund von bestimmten in dem Zusammenhang aufgezeigten Ereignissen eine rechtliche Bewertung ausgesprochen wird.204 Ist das Urteil hingegen nicht als Rechtsauffassung erkennbar, sondern weckt es beim Adressaten die Vorstellung konkreter und beweisbarer Vorgänge, so ist es als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren.205 Angesichts der Schwierigkeiten der Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und 187 Werturteil ist versucht worden, Zweifelsregeln aufzustellen. So hat der BGH im Constanze-Fall206 eine möglichst weite Auslegung des Begriffs Tatsache verlangt, um den Ehrenschutz umfassend zu sichern. Andere Gerichte sind zum gegenteiligen Ergebnis gelangt.207 Eine entsprechende Auseinandersetzung findet sich in der Literatur.208 Solche Zweifelsregelungen sind jedoch grundsätzlich problematisch, 197
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BVerfG, AfP 1998, 52, 53; NJW 1992, S. 2073, 2074; NJW 1987, S. 2661; OLG Hamburg, ZUM 1995, S. 280; OLG Düsseldorf, NJW 1992, S. 1235. Vgl. nur OLG Karlsruhe, NJW 1982, S. 647. Vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.; vgl. auch BVerfGE 75, S. 369, 376; BVerfG, NJW 1990, S. 2541 zum Grundrechtsschutz satirischer Darstellungen. BVerfG, NJW 1980, S. 2072 = BVerfGE 54, S. 208; LG Bonn, NJW-RR 1994, S. 802, 803; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 366 f.; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 200. BGH, NJW 1996, S. 1131, 1133; GRUR 1969, S. 147, 150. BGH, GRUR 1976, S. 620. BGH, NJW 1978, S. 751, 752. BGH, NJW 1993, S. 930, 931; AfP 1989, S. 217, 218; NJW 1982, S. 2246, 2247 – Klinikdirektoren; kritisch dazu Soehring, NJW 1997, S. 360, 363 m.w.N. BGH, NJW 1993, S. 930, 931; NJW 1982, S. 2246, 2247; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 334. BGHZ 3, S. 270 – Constanze. OLG Köln, AfP 1972, S. 231; OLG Frankfurt, NJW 1971, S. 471, 472; OLG Karlsruhe, AfP 1981, S. 363, 364. Für eine extensive Auslegung des Tatsachenbegriffs: v.Gamm, S. 21; Kreutzer, Festschrift für Geiger, S. 61 f., S. 102; Wasserburg, Schutz der Persönlichkeit, 1988, S. 411.
B. Meinungs- und Informationsfreiheit
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da sie von zwei an sich gleichwertigen Rechtspositionen, nämlich dem Persönlichkeitsschutz und der Kommunikationsfreiheit, einer den Vorrang zu geben suchen. Eine Prävalenz der einen oder anderen verfassungsrechtlich geschützten Freiheit hat das BVerfG in seiner Rechtsprechung stets abgelehnt.209 Allein im politischen Meinungskampf rechtfertige es die Gewichtung der Grundrechte, im Zweifel eine in weiterem Rahmen zulässige Meinungsäußerung anzunehmen („in dubio pro libertate“).210 Ein Sonderfall der Meinungsäußerung ist die Schmähkritik, bei der nicht mehr 188 die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die bloße Diffamierung einer Person im Vordergrund steht211. Meinungs- und Pressefreiheit erlauben „zwar unter Umständen auch eine scharfe, schonungslose, „ausfällige“ Kritik, wenn sie sachbezogen ist. Sie (decken) jedoch keine Schmähkritik, d.h. eine Kritik, die auf eine vorsätzliche Ehrkränkung hinausgeht“212. Nach h.M. tritt bei der Abwägung im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 GG die Meinungsfreiheit in den Fällen der Schmähkritik regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurück.213 Nach anderer Ansicht verdient sie schon tatbestandlich nicht mehr den Schutz durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern ist ohne jede weitere Abwägung als rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung anzusehen.214 Die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) kann eine Schmähung rechtfertigen, sofern sie als „Recht zum Gegenschlag“ eine angemessene Reaktion auf das fragwürdige Verhalten des Kritisierten darstellt.215 Im Interesse umfassenden Grundrechtsschutzes erfordert die Annahme von Schmäh-
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Für eine enge Auslegung (im Zweifel Meinungsäußerung): Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 14.24, der diesen Grundsatz in zwei Urteilen des BVerfG und des BGH erkennen will. Die Urteile wurden indes nicht aufgrund einer Zweifelsregelung getroffen, sondern bewegten sich im Rahmen der hergebrachten Abgrenzungskriterien (Qualifizierung als Meinung bei polemischen Äußerungen im Wahlkampf oder bei rechtlicher Bewertung bekannter Ereignisse). BVerfGE 63, S. 131, 144 – Gegendarstellungsbeschluss. BVerfGE 61, S. 1 – NPD Europas = NJW 1983, S. 1415; E 85, 1 = NJW 1992, 1439; vgl. auch Grimm, NJW 1995, S. 1697 ff. BVerfG, NJW 1993, S. 1462; NJW 1991, S. 1475, 1477; E 82, 272, 283 f. – Zwangsdemokrat = NJW 1991, 95, 96; NJW 1974, S. 1762, 1763; E 61, S. 1, 12 – NPD Europas; AfP 1989, S. 535, 536; BGHZ 39, S. 124, 127. Näher zur Schmähkritik Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), S. 60, 90 f. und unten Rn.864 f. BGH NJW 1974, S. 1763; vgl. auch Grimm, NJW 1995, S. 1697, 1703. Zur Abwägung siehe unten. Hier nur BVerfGE 66, S. 116, 151; BVerfG, NJW 1990, S. 1980, 1981; NJW 1991, S. 95, 96; vgl. auch Soehring, NJW 1997, S. 360, 367 mit Beispielen. Vgl. nur aus jüngerer Zeit: BVerfG AfP 1994, S. 126, 127; NJW 1993, S. 1462; NJW 1992, S. 2815, 2816; NJW 1992, S. 2013, 2014; NJW 1992, S. 1439, 1441; NJW 1991, S. 95, 96. Vgl. BVerfGE 54, S. 129; BGH, NJW 1974, S. 1762; NJW 1969, S. 227; näher zu § 193 StGB unter Rn 371 f. und 871 ff.
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kritik allerdings höchste Vorsicht und kann wohl nur bei der Verwendung reiner Schimpfwörter angenommen werden.216 Die Merkmale „äußern“ und „verbreiten“ und die genannten Äußerungsformen „Wort, Schrift und Bild“ beziehen neben dem Inhalt der Mitteilung auch ihre Form bzw. die Art und Weise der Übermittlung in den Grundrechtschutz ein.217 Die Aufzählung in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist nur beispielhaft. Geschützt wird jede Form der Meinungsäußerung und -verbreitung, z.B. solche mit Hilfe von Tonträgern, Schallplatten oder auch bildhafte Meinungsäußerungen.218 Ebenso wie das Äußern einer eigenen Meinung ist jedes bloße Mitwirken an der Verbreitung einer fremden Meinung geschützt, da bereits damit für einen unbefangenen Rezipienten eine eigene kritische Stellungnahme erkennbar wird. Als sog. negative Meinungsfreiheit gewährt das Grundrecht Schutz gegenüber der Verpflichtung, eine bestimmte Meinung zu bekennen.219 Das Grundrecht gewährleistet Freiheit von staatlicher Lenkung, Behinderung und sonstiger Beeinträchtigung.220 Unzulässige Eingriffe sind dabei insbesondere rechtliche Beeinträchtigungen in Form von Gesetzen, Maßnahmen der Verwaltung oder der Gerichte, sofern diese nicht von der Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG gedeckt sind. Der Schutz besteht auch gegenüber faktischen Behinderungen der Möglichkeit der Meinungsäußerung (z. B. durch Übertönen der Sprachäußerung oder des Anhaltens von Briefpost),221 sofern sie von einigem Gewicht sind. Deshalb entfaltet die Meinungsäußerungsfreiheit auch Schutz gegen das heimliche Abhören oder Aufzeichnen von Meinungsäußerungen und sichert so die Unbefangenheit und Vertraulichkeit der Mitteilung.222 Neben dem subjektiv-rechtlichen Abwehrcharakter kommt dem Grundrecht auch ein objektiver Gehalt zu,223 aus dem sich ein Leistungs- und Teilhabeanspruch ergeben kann, beispielsweise öffentliche Straßen, Parks und andere Einrichtungen zu Zwecken der Meinungskundgabe zu nutzen.224
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Z.B. die Bezeichnung der Werke Bölls als „widerwärtigen Dreck“ durch Henscheid, BVerfG, NJW 1993, S. 1462. BGH, NJW 1997, S. 1148, 1149; BVerfGE 76, S. 171, 192; 60, S. 234, 241; 54, S. 129, 138 f.; Grimm, NJW 1995, S. 1697, 1698 m.w.N.; weitere Beispiele bei Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 15. Vgl. Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 7; v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 28 ff. Nach BVerfGE 65, S. 1, 40 f. – Volkszählung gehört dazu nicht der Schutz gegen die behördliche Anforderung von statistischen Daten, da diese wie gezeigt nicht unter den Begriff der Meinung fallen. Ausführlich Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 18. Vgl. nur Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 18. Vgl. Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 5 Rn. 74 ff. So schon BVerfGE 7, S. 198, 204 f. – Lüth; ferner E 57, S. 295, 319 f.; allerdings ist die objektive Komponente deutlich schwächer ausgeprägt als bei den Massenkommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. So BVerwGE 56, S. 56, 59 ff; Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 10.
B. Meinungs- und Informationsfreiheit
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II. Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG) Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. GG gewährt die Freiheit, sich aus allgemein zugängli- 193 chen Quellen ungehindert zu unterrichten. Dieses Grundrecht der Informationsfreiheit wurde in Ansehung von Praktiken der Informationsbeschränkungen unter der Herrschaft der Nationalsozialisten (z. B. durch Abhörverbote für ausländische Rundfunksender) in die Verfassung aufgenommen.225 Sie dient der Gewährleistung der Möglichkeit des Einzelnen, sein Informationsbedürfnis zu befriedigen und ist damit eine Grundvoraussetzung für die Persönlichkeitsentfaltung; zugleich ist das Grundrecht von fundamentaler Bedeutung für das nur auf der Grundlage einer informierten Öffentlichkeit funktionsfähige demokratische Staatswesen.226 Das BVerfG hat dafür erkannt, dass die Informationsfreiheit als selbständiges Grundrecht gleichwertig neben der Meinungsfreiheit steht,227 da die Informationsbeschaffung eine natürliche Voraussetzung der Meinungsbildung ist. Die Informationsfreiheit bezieht sich auf allgemein zugängliche Quellen, also 194 solche, die „technisch geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit (...) Informationen zu verschaffen“.228 Informationsquellen dieser Art können in erster Linie die Massenmedien sein, unter die Definition ist aber jeder denkbare Informationsträger zu fassen.229 Die Informationsfreiheit gewährleistet nicht nur die Unterrichtung „aus“ der 195 Quelle, sondern auch die Unterrichtung „an“ der Quelle. Sie schützt deshalb gleichermaßen die schlichte Entgegennahme wie das aktive Beschaffen von Informationen.230 Informationsquelle kann auch ein Ereignis selbst sein, so dass die Informationsfreiheit die Unterrichtung „am Ort des Geschehens“ umfasst.231 Da es grundsätzlich keine Rolle spielt, mit welchen Methoden die Information erlangt wurde, unterfällt auch die rechtswidrige Beschaffung dem Schutzbereich. Der mit der rechtswidrigen Beschaffung einhergehenden Rechtsverletzung ist dann aber im Rahmen der Schrankenabwägung nach Art. 5 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen.232 Ferner ist in diesen Fällen zu prüfen, ob sich die Beschaffungspraxis überhaupt noch auf eine allgemein zugängliche Informationsquelle bezieht.233
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BVerfGE 27, S. 71, 80 – Leipziger Volkszeitung. BVerfGE 27, S. 71, 81 f.; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 5 Rn. 84. BVerfGE 27, S. 71, 80. BVerfGE 27, S. 71, 83; 33, S. 52, 65; 103, S. 44, 60; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rn. 16 m.w.N.; Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 23. Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 22. BVerfGE 27, S. 71, 82 f.; von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 32; Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 22, 26; Hoffmann-Riem, AK GG, 3. Auflage, Art. 5 Abs. 1 Rn. 100. BVerfGE 103, S. 44, 66; a.A. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 5 Rn. 89 für Naturkatastrophen und Unglücksfälle. Vgl. Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 29. Vgl. dazu BVerfGE 66, S. 116, 137 – Springer/Wallraff; einschränkend Degenhardt, BK GG, Art. 5 Rn. 303 f.
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Über die Allgemeinzugänglichkeit einer Quelle kann grundsätzlich der Berechtigte befinden. Der Berechtigte kann grundsätzlich selbst über die Öffnung einer Informationsquelle schlechthin (z.B. Ausschluss der Öffentlichkeit) und die Modalitäten des Rezeptionsvorgangs (z.B. Ausschluss von Fernsehaufnahmen) entscheiden.234 In der Ausübung dieser Befugnis liegt somit keine Beschränkung des Informationsrechts, die diese Befugnis regelnden einfachen Gesetze demgemäß auch keine Schrankenregelungen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG.235 Dies gilt auch, wenn der Staat bestimmungsberechtigt ist, ohne dass der Staat die Zugänglichkeit allerdings beliebig gestalten darf, weil damit der Grundrechtsschutz ausgehöhlt wird.236 Die Gewährleistung schließt zudem die Freiheit ein, sich Informationen zu verschließen (sog. negative Informationsfreiheit); dem Bürger kann somit keine staatliche Verpflichtung auferlegt werden, fremde Meinungen anhören zu müssen, ohne sich entfernen zu dürfen.237 Das Grundrecht schützt jedermann, d.h. jede natürliche oder juristische Person, die „sich“ informieren will.238 Die Schutzrichtung der Informationsfreiheit ist adressatenbezogen, das Grundrecht verleiht insofern der „Rezipientenfreiheit“ Ausdruck. Die Informationsfreiheit begründet im Wesentlichen ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat.239 Die Freiheit, sich ungehindert zu unterrichten, bedeutet, die Informationswahl frei von rechtlich oder auch faktisch bestimmter staatlicher Lenkung, Registrierung, Behinderung oder gar Abschneidung treffen zu können. Selbst eine bloße Verzögerung des Informationszugangs kann einen Eingriff darstellen, sofern die Verzögerung nicht mehr zumutbar ist.240 Eine Leistungspflicht des Staates, allgemein zugängliche Informationsquellen einzurichten oder bestimmte Informationen zu übermitteln, lässt sich aus der als Abwehrrecht konzipierten Informationsfreiheit nicht ableiten.241 Der Staat trägt aber die Verantwortung für ein Mindestmaß frei zugänglicher Informationsquellen, damit die Informationsfreiheit durch den einzelnen Bürger überhaupt verwirklicht werden kann.242 Bedeutung kommt der Informationsfreiheit auch in Privatrechtsverhältnissen zu. Insofern ist die Ausstrahlung des Grundrechts in das Privatrecht betroffen
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BVerfGE 103, S. 44 ff. BVerfGE 103, S. 44, 60 f.; a.M. Gersdorf, AfP 2001, S. 29, 31. Dazu Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Rn. 280 ff. Skeptisch Hoffmann-Riem, AK GG, 3. Auflage, Art. 5 Abs. 1 Rn. 109. Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 18. Vgl. nur Wendt in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 28. Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rn. 19. BVerwGE 29, S. 214, 218; BVerwG DÖV 1979, S. 102; weitergehend: Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rn. 20 m.w.N. Während Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Rn. 280 dies aus dem objektiven Gehalt der Informationsfreiheit ableitet, hält Jarass, AfP 1979, S. 230 f. das Demokratieprinzip für einschlägig.
C. Medienfreiheiten (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG)
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(sog. Drittwirkung der Grundrechte243). Im Hinblick auf die Informationsfreiheit seines Vertragspartners wurde z.B. ein Vermieter für verpflichtet gehalten, die Anbringung von Parabolantennen zum Rundfunkempfang zu dulden, weil auf diese Weise - andere Informationsmöglichkeiten, etwa über Kabelfernsehen, standen nicht zur Verfügung - der ausländische Mieter seine Heimatprogramme empfangen konnte.244
C. Medienfreiheiten (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) I. Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. GG)245 Dem Grundrecht der Pressefreiheit kommt für den Einzelnen und die freiheitlich- 201 demokratische Grundordnung insgesamt ein herausragender Stellenwert zu, den das BVerfG wie folgt beschreibt: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gange (...). In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung.“246 1. Abwehrrechtliche Dimension Die Pressefreiheit war in historischer Perspektive zunächst als Abwehrrecht ge- 202 genüber dem Staat konzipiert. Den Ideen der Aufklärung folgend etablierte die Paulskirchenverfassung die Pressefreiheit als Abwehrrecht gegenüber jahrhundertelang üblichen staatlichen Einschränkungen wie Zensur, Lizenzzwang und Publikationsverboten.247 Mit der Weimarer Verfassung von 1919 wurde dann die Bedeutung als Abwehrrecht auch gegenüber nichtstaatlicher Einflussnahme erkannt und anerkannt.248 Diese Funktion als Abwehrrecht gegenüber Einflüssen sowohl des Staates als 203 auch nichtstaatlicher Kräfte kommt der Pressefreiheit auch heute unter Geltung
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Vgl. dazu Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 3 Abs. 1, Rn. 506; v.Münch, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Vorb. Art. 1 – 19 Rn. 33; Zöllner, AcP 196 (1996), S. 1 ff. BVerfGE 90, S. 27, 36f.; BVerfG, NJW 1993, S. 1253; 1995, S. 1666; vgl. Müller, NJW 1994, S. 101 f.; Paschke, in: Festschrift für Sonnenschein, 2002, S. 221 ff. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 1 Rn. 1 ff. BVerfGE 20, S. 162, 174 f. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 4 Rn. 13 ff. Vgl. v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 4.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
des Grundgesetzes zu.249 Bei Abhörmaßnahmen, Vernehmung von Journalisten und Durchsuchungen von Presseräumen hat die tradierte Abwehrfunktion des Grundrechts der Pressefreiheit heute seine sinnfällige Bedeutung.250 Die Beschränkungen der Beschlagnahme von Beweismitteln und der Durchsuchung von Redaktionsräumen nach den §§ 97, 98, 103 sowie der Schutz des Redaktionsgeheimnisses nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO sind durch Art. 5 GG geboten.251 Im Übrigen hat der grundrechtliche Schutz die Bedeutung einer Abwägungsregel, nach der im Rahmen der Schrankenprüfung nach Art. 5 Abs. 2 GG das Ausmaß der Beschränkung der Pressefreiheit und die Schwere des Delikts mit den kollidierenden Schutzgütern in Beziehung zu setzen ist. Der Schutz der Pressefreiheit kommt weiterhin in einem Funktionsverbot für 204 den Staat zum Ausdruck, das eine staatliche Presse oder eine staatliche Beteiligung an einem Presseunternehmen verbietet.252 Anders als bei den wirtschaftlich ausgerichteten Grundrechten gilt im Bereich der Pressefreiheit ein Abwehrrecht gegen staatliche Konkurrenz. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit von Behörden und öffentlichen Körperschaften ist damit nicht a limine verboten, aber sie hat die von der Pressefreiheit gesetzten Schranken zu beachten.253 Andererseits folgt aus der Pressefreiheit des Art. 5 GG kein Funktionsgebot des Staates dahingehend, in Anlehnung an die zum Rundfunk entwickelten Grundsätze254 eine öffentlichrechtliche Presse einzurichten, die etwa eine Grundversorgung der Rezipienten im dualen Nebeneinander zur privaten Presse zu gewährleisten hat.255 Der Begriff der Presse schließt alle zur Verbreitung an die Allgemeinheit ge205 eigneten und bestimmten Druckerzeugnisse ein.256 Dies sind nicht nur Zeitungen und Zeitschriften aller Art, sondern auch Bücher, Plakate, Handzettel und andere Informationsträger. Im Hinblick auf die rasant fortschreitende technische Entwicklung im Medienbereich wird der verfassungsrechtliche Pressebegriff und der Schutzbereich des Grundrechts dynamisch verstanden und ist eigenständig, nicht auf den Pressebegriff der Landespressegesetze fixiert auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Presse im Unterschied zu Rundfunk und Film verkörpert ist und bei ihr die Verbreitung der Informationen mittels eines zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahrens, sei es im Wege des herkömmlichen
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In BVerfGE 25, S. 256 hat das BVerfG anlässlich einer von einem Großkonzern gegenüber einem Presseverlag betriebenen Boykottmaßnahme erklärt, dass das Grundrecht der Pressefreiheit auch gegenüber nichtstaatlichen Kräften Rechtsschutz gewährt. BVerfGE 177, S. 244 ff. – CICERO. BVerfGE 20, S. 162, 187 f. Ladeur, ZUM 2004, S. 1 ff.; ders., in: Hamburger Kommentar, 2008, 4.Abschnitt Rn. 8. BVerfGE 44, S. 125 ff.; Ladeur, DÖV 2002, S. 1 ff. Vgl. Rn. 242 f. Dazu Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 24. Auflage 2008, Rn. 577 f.; vgl. HoffmannRiem, AK GG, 3.Auflage, Art. 5 Abs. 1 Rn. 222 f. Vgl. die Legaldefinitionen in den Landespressegesetzen, die in etwa dem verfassungsrechtlichen Pressebegriff entsprechen.
C. Medienfreiheiten (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG)
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Druckverfahrens oder eines modernen technischen Verfahrens erfolgt.257 Allerdings haben diese Unterscheidungskriterien mit fortschreitender Technik ihre Unterscheidungskraft eingebüßt und es kommt bei der Einordnung elektronischer Erscheinungsformen als Presse oder anderes Medium letztlich darauf an, welchem der „traditionellen“ Medien das in Frage stehende Produkt funktionell am nächsten kommt.258 Presseähnliche Mediendienste unterfallen danach ebenso dem Schutzbereich der Pressefreiheit wie elektronische Newsletter für einen unbestimmten Adressatenkreis.259 Als an die Allgemeinheit gerichtetes Erzeugnis setzt der verfassungsrechtliche Pressebegriff voraus, dass die redaktionellen Inhalte zwar nicht an einen beliebig großen, aber jedenfalls an einen individuell unbestimmten Personenkreis gerichtet sind. Der Inhalt des Presseerzeugnisses ist für den verfassungsrechtlichen Schutz 206 bedeutungslos. Er umfasst Klatsch- und Anzeigenblätter ebenso wie die seriöse Presse.260 Der verfassungsrechtliche Schutz der Pressefreiheit ist nicht auf bestimmte Genres begrenzt.261 Auch Anzeigenblätter fallen in den Schutzbereich der Pressefreiheit.262 Selbst der Anzeigenteil der Presse wird vom BVerfG als Ausdruck der Lebensformen von Lesern unter den Schutz des Art. 5 GG gestellt;263 erst recht gilt dies für Anzeigen, die Wirtschaftswerbung mit politischen oder satirischen Inhalten verknüpfen.264 Geschützt wird der gesamte wesensmäßig mit der Presse zusammenhängende 207 Tätigkeitsbereich von der Informationsbeschaffung bis zur Verbreitung von Nachrichten und Meinungen.265 Umfasst wird insbesondere der freie Zugang zu Presseberufen, die Zulassungsfreiheit von Printmedien,266 die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit,267 das als Tendenzautonomie bezeichnete Recht, frei von staatlicher Einwirkung die Meinungsrichtung zu bestimmen268 sowie das Vertrauensverhältnis zwischen Informant und Presse.269 Ebenso werden Vertriebswege und presse-
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261 262 263 264 265
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Degenhardt, in: BK GG, Art. 5 Rn. 361.; Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 25; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 30. Vgl. BVerfGE 36, S. 321, 338 und Hoffmann-Riem, a.a.O. S. 208; ferner oben Rn. 90. Vgl dazu Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 15. Vgl. BVerfGE 21, S. 271, 278; 64, S. 108, 114; BVerfG, NJW 1986, S. 1743. Der Schutz geht aber im Hinblick auf die Schrankenabwägung (Art. 5 Abs. 2 GG) beim Anzeigenteil weniger weit als der des redaktionellen Teils, vgl. BVerwG, NJW 1990, S. 701, 702; vgl. ferner Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rn. 26; Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 31. BVerfGE 95, S. 28, 34; 101, S. 361, 389. Vgl. BGHZ 116, S. 47, 54 ff. BVerfGE 21, S. 271, 279; 64, S. 108, 114. BVerfGE 102, S. 347; 107, S. 275 – Benetton; BGH, ZUM 2007, S. 55 – Lafontaine. Vgl. BVerfGE 20, S. 162, 176; v.Mangoldt/Klein/Starck, a.a.O., Art. 5 Rn. 62; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rn. 27 f.; Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 33. BVerfGE 20, S. 162, 175 f. – Spiegel. BVerfGE 20, S. 162, 176; 66, S. 116, 133 – Bild/Wallraff; BVerfGE 52, S. 283, 301. BVerfGE 20, S. 162, 176; 64, S. 108, 115; BVerfG NJW 1997, S. 386, 387.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
technische Hilfstätigkeiten erfasst, sofern sie „notwendige Bedingung einer freien Presse“ sind.270 Grundrechtsträger sind alle Personen und Unternehmen, die in enger organisa208 torischer Bindung zu den geschützten Tätigkeiten stehen, so z.B. Verlage, Herausgeber, Redakteure, Presseagenturen, Grossisten, usw.271 Ein Eingriff in die Pressefreiheit erfolgt durch jede staatliche Maßnahme, die 209 die Pressetätigkeit unterbindet oder auch nur behindert. Dies kann durch ein Berufsverbot für einen Redakteur,272 die Beschlagnahme von Unterlagen,273 die Durchsuchung von Redaktionsräumen,274 die Einführung staatlicher Genehmigungsverfahren275 oder eine Aussageerzwingung276 erfolgen. Im Zusammenhang mit der Beurteilung von zivilrechtlichen Exklusivvereinbarungen ist auch die verfassungsrechtliche Bedeutung von Zutrittsbegrenzungen für bestimmte Presseangehörige erörtert worden, mit denen Veranstalter versucht sein können, auf Inhalte der jeweiligen Veröffentlichung Einfluss zu gewinnen.277 Mit Rücksicht darauf, dass die Pressefreiheit auch die Informationsbeschaffung umfasst, besteht grundsätzlich ein verfassungsrechtlich gestütztes Zugangsrecht von Presseangehörigen zu öffentlichen Veranstaltungen.278 Die Pressefreiheit strahlt in das Privatrecht hinein und führt zu einer Einschränkung der Vertragsfreiheit und des Hausrechts privater Veranstalters.279 Aus nämlichen Erwägungen wurde das in den Landespressegesetzen280 verankerte Recht auf Kurzberichterstattung für verfassungsgemäß erklärt.281 Die gesetzliche Regelung eines unentgeltlichen Kurzberichterstattungsrechts der Presse dient dem Ziel, eine umfassende und objektive Information der Öffentlichkeit sicherzustellen; sie wird insofern von der institutionellen Bedeutung der Pressefreiheit getragen.282 Aus dem Grund nämlich steht Pressemitarbeitern unter dem Gesichtpunkt der Drittwirkung des Grundrechts ein
270 271 272 273 274
275 276
277
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280 281 282
BVerfGE 77, S. 346, 354. Näher Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rn. 28 und Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 33. BVerfGE 10, S. 118, 121. BVerfGE 56, S. 247, 248 f. BVerfGE 20, S. 162, 187 - Spiegel; 64, S. 108, 115; BVerfGE 117, S. 244 ff. – CICERO. BVerfGE 20, S. 162, 175 f. – Spiegel; ferner E 52, S. 283, 296; s. auch Art. 10 EMRK. BVerfGE 20, S. 162, 187; 36, S. 193, 204; näher Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 35. Zu den Zeugnisverweigerungsrechten von Presseangehörigen siehe unten Rn. 1298 ff. Holznagel/Höppener, Exklusivvereinbarungen versus Pressefreiheit, DVBl. 1998, S. 868 ff. BVerfGE 50, S. 234, 239 und 241; Pomorin, Die Presse als „watchdog“ – eine gefährdete Art?, ZUM 2008, S. 40 ff. Vgl. Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 34 m.w.N. zum Streitstand; Markfort, Popstars und die Pressefreiheit, ZUM 2006, S. 829, 832 f. Vgl. auch § 5 RStV für den Rundfunkbereich, dazu unten Rn. 360 f. BVerfG, MMR 1998, S. 202 ff. Holznagel/Höppener, Exklusivvereinbarungen versus Pressefreiheit, DVBl. 1998, S. 868, 871 f.
C. Medienfreiheiten (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG)
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verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf Zutritt zu Veranstaltungen und Ereignissen von allgemeinem Informationsinteresse zu.283 2. Institutsgarantie und objektiv-rechtliche Dimension Die Presse ist sowohl vermittelndes Medium als auch aktiver Faktor im öffentli- 210 chen Meinungsbildungsprozess.284 Wegen dieser überragenden Funktion garantiert das Grundgesetz die Freiheit der „Institution der Presse“.285 Das BVerfG hat aus der Garantie der Pressefreiheit in seinem Spiegel-Urteil286 die Verpflichtung des Staates betont, „in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Pressefreiheit berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen“. Seither ist für Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG neben dem subjektiv-rechtlichen Abwehrrecht auch eine Institutsgarantie anerkannt, die dem Staat eine Schutzpflicht für ein freies Pressewesen auferlegt. Sie richtet sich vornehmlich an den Gesetzgeber, dem die Aufgabe zufällt, die Freiheit des Kommunikationsprozesses zu gewährleisten und zu sichern.287 Diese Bedeutung ausdifferenzierend hat das BVerfG eine objektiv-rechtliche 211 Dimension der Pressefreiheit entwickelt, die in mehreren Wirkungsbereichen zum Tragen kommt.288 Sie richtet sich zunächst an den Gesetzgeber. Dieser ist z.B. gehalten ein Presseordnungsrecht zu schaffen, das dem Rechtsverkehr insbesondere Aufschluss über die Verantwortlichkeit für Presseerzeugnisse gibt (sog. Impressumspflicht289). Der objektiv-rechtlichen Dimension der Pressefreiheit entspricht die besondere Gestaltung allgemeiner wirtschaftsrechtlicher Regelungen des kollektiven Arbeitsrechts290 bzw. des Wettbewerbs- und Kartellrechts,291 und rechtfertigt es, insbesondere die intermediale Konkurrenz von Presse und Rundfunk gesetzlicher Regelungen und behördlicher Kontrolle zu unterwerfen.292 In seiner auf die Presseunternehmen gerichteten Wirkung kommt der objektiv- 212 rechtliche Gehalt der Pressefreiheit darin zum Ausdruck, dass es zu den Aufgaben der Presse gehört,293 die in einer Massendemokratie unentbehrliche mediale Publi-
283 284 285
286
287 288
289 290 291 292 293
Vgl. BVerfGE 50, S. 234, 239 ff.; Markfort, ZUM 2006, S. 829. BVerfGE 12, S. 205, 260 – Deutschland-Fernsehen. BVerfGE 10, S. 121; 20, S. 162, 176 – Spiegel; 66, S. 116, 135 – Bild/Wallraff; 80, S. 124, 133; BVerfG WM 2007, S. 1906; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 5 Rn. 1, Kap. 6 Rn. 3. BVerfGE 20, S. 162, 174 – Spiegel; vgl. auch BVerfGE 10, 121; 12, S. 205; 66, S. 116, 135; 80, S. 124, 133. Vgl. BVerfGE 20, S. 162, 174 – Spiegel. Vgl. dazu den Überblick bei Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 5 ff. Vgl. dazu Rn. 1330 ff. Vgl. z. B. die Tendenzschutzvorkehrungen im BetrVG und im TVG; dazu Rn. 592 ff. Zur „Presse-Fusionskontrolle“ vgl. Rn. 552 f. Dazu näher Rn. 525 ff. Seit dem Spiegel-Urteil des BVerfG, BVerfGE 20, S. 162, 173.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
zität zu gewährleisten.294 Diese öffentliche Aufgabe umfasst im Einzelnen drei Aspekte: Erstens setzt die Presse den öffentlichen Kommunikationsprozess in Gang und stellt dadurch einen vielfältigen Meinungsmarkt her (Kommunikationsaufgabe). Zweitens ermöglicht und erleichtert sie dem Rezipienten die eigene Meinungsbildung, indem er eine zustimmende oder ablehnende Haltung zu den publizierten Mitteilungen entwickeln kann (Meinungsbildungsaufgabe). Drittens trägt sie zur Vorformung politischer Aussagen bei, die in den demokratischen Willensbildungsprozess einfließen (Politisierungsaufgabe). Mit der “öffentlichen Aufgabe” wird kein Sonderrechts- oder Sonderpflichtenstatus der Presse bezeichnet, ist nicht die Kennzeichnung einer Stellung als Verfassungsorgan („vierte Gewalt“) verbunden; vielmehr ist die in retrospektiver, historischer Perspektive, aber auch für die Einschätzung nach geltendem Recht nicht weniger bedeutsame rechtliche Anerkennung der essentiellen Bedeutung freier Pressetätigkeit für die Entfaltung einer freiheitlich-demokratischen Ordnung gemeint.295 Diese Bedeutung der Pressefreiheit kann von einer organisierten staatlichen 213 Presse nicht sachgerecht erfüllt werden. Daher postuliert das BVerfG, dass sich Presseunternehmen im gesellschaftlichen Raum frei bilden und nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und in privatrechtlichen Organisationsformen arbeiten können müssen: „Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf“.296 Im Unterschied zum Rundfunkwesen hat sich im privat-wirtschaftlich organisierten Pressewesen eine Meinungsvielfalt ohne staatliche Regelung eingestellt,297 die es rechtfertigt, ihre privatwirtschaftliche Struktur als Teil der Institutsgarantie der freien Presse anzusehen.298 Die objektiv-rechtliche Dimension der Pressefreiheit kommt ferner in dem sog. 214 Tendenzschutz zum Ausdruck. Dieser ist Ausdruck und Voraussetzung des privatwirtschaftlich organisierten, marktmäßigen Wettbewerbs zwischen Presse- und Buchverlagen mit unterschiedlicher politischer, weltanschaulicher bzw. kultureller Richtung (Tendenz), die vom Verleger als demjenigen bestimmt wird, der die wirtschaftliche Macht zur Tendenzfestlegung besitzt und dafür das wirtschaftliche Risiko trägt.299 Der Gesetzgeber hat im Rahmen seiner den Grundrechtsschutz manifestierenden Ausgestaltungskompetenz die Aufgabe, eine rechtliche Ordnung des Pressewesens zu schaffen, welche Tendenzfreiheit des Verlegers gegenüber dem Staat und auch innerhalb des Presseunternehmens gegenüber Tendenzfreiheit 294
295 296 297
298
299
Eingehend Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 3 Rn. 4 ff. mit weiterführenden Nachweisen zu den abweichenden staats- und wertbezogenen Sichtweisen der öffentlichen Aufgabenstellung. Näher Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 3 Rn. 55 m.w.N. BVerfGE 20, S. 162, 175f. – Spiegel; vgl. auch 52, S. 283, 296; 66, S. 116, 133. Vgl. BVerfGE 57, S. 320 f., das auf den historisch bedingten Unterschied zu der durch Frequenzknappheit gekennzeichneten Ausgangslage im Rundfunkwesen hinweist. BVerfGE 20, S. 162, 175; 66, S. 116, 133. Zu dem Streitstand, ob und wieweit daneben eine staatliche Pressebetätigung zulässig wäre, siehe Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 43. Vgl. Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 1 Rn. 229 ff. m.w.N.
C. Medienfreiheiten (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG)
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beeinträchtigenden Einflüssen der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung der Beschäftigten und ihrer Vertretungen gewährleistet und sichert.300 Zur Abwehr der Gefahren der Pressekonzentration folgt aus dem Grundrecht 215 der Pressefreiheit der Gestaltungsauftrag des Staates, die Pressefreiheit durch gesetzgeberische Maßnahmen zur Verhinderung übermäßiger Pressekonzentration zu gewährleisten, da auf monopolistisch strukturierten bzw. hochkonzentrierten Märkten die verbliebenen Presseunternehmen ihre öffentliche Aufgabe nicht mehr erfüllen können. In diesem Sinne hat auch das BVerfG zu einem verfassungsrechtlichen Gebot für eine Konzentrationskontrolle im Pressewesen tendiert, indem es hervorhob, dass sich „auch an eine Pflicht des Staates denken (lässt), Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen“.301 Die Pressekonzentrationskontrolle nach dem GWB dient der Vielfaltssicherung im Pressewesen und erfüllt somit die Ausgestaltungsverpflichtung des Grundrechts der Pressefreiheit. Da keine publizistische Vielfaltskontrolle stattfindet, sondern die fusionskontrollrechtliche Interventionsschwelle lediglich niedriger als bei sonstigen Unternehmen angesetzt wurde, hat das BVerfG die Pressefusionskontrolle nach den Bestimmungen des GWB konsequent für verfassungsmäßig erklärt.302 Der objektiv-rechtliche Komponente der Pressefreiheit entspricht nach nicht 216 abschließend gesicherter Rechtsauffassung die Anerkennung einer Leistungsdimension der Pressefreiheit.303 Deshalb ist es grundsätzlich gerechtfertigt und geboten, der Presse einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Erteilung von Auskünften durch Behörden zuzuerkennen.304 Davon unbenommen bleibt, dass seiner Durchsetzung im Einzelfall rechtlich geschützte Interessen entgegenstehen können.305 Dagegen folgt aus der objektiv-rechtlichen Verfassung eines freiheitlichen Pressewesens kein Leistungsanspruch für den einzelnen Träger der Pressefreiheit auf staatliche Subventionierung.306 Erst wenn sich der Staat ohnehin zu Fördermaßnahmen für die Presse entschließt (wozu er jederzeit berechtigt ist307), ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eine Pflicht zur Neutralität, nach der jede Einflussnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseerzeugnisse sowie Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs insgesamt vermieden werden müssen.308 Im Allgemeinen sind die der Leistungsverwaltung zuzuordnenden Subventionen nicht an eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage gebunden, eine Verankerung der jeweiligen Positionen im Haushaltsplan wird für ausreichend erachtet. Bei Pressesubventionen gilt demgegenüber, dass eine rechtmäßige Subven300 301 302 303
304 305 306 307 308
Vgl. BVerfGE 52, S. 283, 296 ff.; vgl. näher unten Rn. 391 ff. BVerfGE 20, S. 162, 176; vgl. auch BVerfGE 52, S. 283, 296. BVerfG, NJW 1986, S. 1743 noch zu §§ 23 I 7, 24 IX GWB a.F.; vgl unter Rn. 553 f. Vgl. Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 12 f. A.A. BVerwGE 85, 283, 284. Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 12. BVerfGE 80, S. 124. BVerfGE 80, S. 124, 133. BVerfGE 80, S. 124, 133.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
tionierung nicht ohne spezialgesetzliche Grundlage erfolgen kann, die dann im Rahmen einer Konkurrentenklage als drittschützende Norm fungiert. Die staatliche Förderung eines Presseverlages kann nämlich gleichzeitig die Beeinträchtigung anderer Verlage darstellen und dadurch zumindest mittelbar bestimmte Meinungen oder Tendenzen begünstigen oder aber eine wirtschaftliche Abhängigkeit des geförderten Verlages bewirken.309 Allein der Umstand, dass der Wettbewerb der Presseunternehmen durch Subventionen faktisch beeinträchtigt wird, soll für sich genommen keinen Grundrechtseingriff darstellen.310 Die verfassungsrechtliche Diskussion um die sog. innere Pressefreiheit kreist 217 gleichfalls um die Reichweite der institutionellen Gewährleistungsgarantie der Pressefreiheit, insofern als die Freiheitsrechte der am Medienprozess mitwirkenden Journalisten, d.h. publizistische Kompetenzen und Mitwirkungsbefugnisse bei personellen und wirtschaftlichen Maßnahmen im organisatorischen Gefüge einer Presseredaktion betroffen sind.311 Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob der Zeitungsredaktion eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber dem Verleger entweder in Fragen der grundsätzlichen Tendenz oder aber auch des redaktionellen Tagesgeschäfts zuzuerkennen ist. Dies könnte zur Gewährleistung der Meinungsvielfalt in der periodischen Presse und zur Sicherung der publizistischen Freiheit von Journalisten und Redakteuren beitragen.312 Die vertretenen Standpunkte sind kontrovers, zumal das BVerfG bislang offen gelassen hat, ob die Statuierung einer inneren Ordnung für Presseunternehmen überhaupt zulässig wäre.313 Mit der privatwirtschaftlichen Struktur der Presse, die nach verfassungsrechtlicher Rechtsprechung als Teil der institutionellen Garantie der Pressefreiheit angesehen wird und dem Verleger das wirtschaftliche Risiko für das Presseerzeugnis zuweist, 314 lässt sich wohl nur ein Modell vereinbaren, das dem Verleger die Grundsatz- und Richtlinienkompetenz für die publizistische Tendenz seiner Zeitungen belässt.315 Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für die rechtliche Gestaltung der Binnenorganisation von Presseunternehmen wird nicht nur dadurch begrenzt, sondern auch durch den Gesinnungsschutz des einzelnen Journalisten.316
309 310 311
312 313 314 315
316
Vgl. Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 29. BVerwG, NJW 1995, S. 2938. Lecheler, Jura 1998, S. 225; vgl. auch Hoffmann-Riem, Innere Pressefreiheit als politische Aufgabe, 1979. Vgl. Kübler, Verhandlungen des 49. DJT, 1972, Bd. I, D. Vgl. BVerfGE 52, S. 283, 297. Vgl. BVerfGE 20, S. 162, 175. Näher v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 59 ff.; Degenhart, BK GG, Art. 5 Rn. 382 ff.; Lecheler, Jura 1998, S. 225. Näher Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 35 und 39.
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II. Freiheit der Rundfunkberichterstattung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GG)317 Die zweite Alternative des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG betrifft das neben der Presse 218 verbreitetste und wichtigste Massenkommunikationsmittel, nämlich den Rundfunk. Die verfassungsrechtliche Regelung der Rundfunkfreiheit318 schließt das Fernsehen mit ein.319 Ebenso wie die Presse wird auch der Rundfunkfreiheit eine überragende Bedeutung in Staat und Gesellschaft beigemessen: Nach den Worten des BVerfG ist die Rundfunkfreiheit von schlechthin konstituierender Bedeutung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.320 Der Rundfunk habe eine integrierende Funktion für das Staatsganze, er erfüllt eine öffentliche Aufgabe und ist Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung.321 Ihm komme „wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft besondere Bedeutung zu“,322 die sich in der Funktion des Grundrechts als subjektives Abwehrrecht, aber auch und besonders als objektives Prinzip niederschlägt, aus dem sich für den Gesetzgeber ein besonders umfassender Ausgestaltungsauftrag ergibt.323 Die Besonderheit der Rundfunkfreiheit liegt dabei darin, dass die Gewährleis- 219 tungen des Art. 5 GG den Grundrechtsträgern nicht zum Zwecke der Persönlichkeitsentwicklung oder Interessenverfolgung eingeräumt sind,324 sondern eine dienende Funktion haben.325 Gerade deshalb ist die von der Rundfunkfreiheit geprägte Gestaltung der Rundfunkordnung über die Jahrzehnte seit der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart Gegenstand besonders kontroverser Diskussionen und Auseinandersetzung gewesen. Sie zu einer Entscheidung und Gestaltung zu führen, war nicht selten Aufgabe des BVerfG. 1. Die Rundfunkurteile des BVerfG Der Rechtsprechung des BVerfG kommt für das Grundrecht der Rundfunkfreiheit 220 und die Entwicklung und Gestaltung der Rundfunkordnung in der Bundesrepublik 317
318
319
320 321 322 323
324 325
Vgl. Lecheler, Einführung in das Medienrecht, Jura 1998, S. 225 ff.; Degenhart, Rundfunk und Internet, ZUM 1998, S. 333 ff.; Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 2 Rn. 28 ff. Die im Wortlaut des Grundrechts vorgesehene Fixierung auf die Berichterstattung wird nicht als Begrenzung des Schutzbereichs verstanden; allg. Meinung; vgl. nur Hoffmann-Riem, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage 1995, S. 206 ff. Allg. Meinung; vgl. nur Bethge, in: Sachs, GG, 5. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 90; näher zum Rundfunkbegriff unten bei Rn. 257 ff. BVerfGE 35, S. 202, 219. BVerfGE 12, S. 205, 260 – Deutschland-Fernsehen; 47, S. 198, 225. BVerfGE 90, S. 60, 87 – Gebührenurteil; 97, S. 228, 256. BVerfGE 57, S. 295, 320 – FRAG; 74, S. 297, 323 – BaWü; 12, S. 205, 206 f. – Deutschland-Fernsehen; BVerwGE 39, S. 159, 163; Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 43. BVerfGE 87, S. 181, 197 – Hessen 3. BVerfGE 57, S. 295, 320 – FRAG.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
eine höchst bedeutsame, prägende Funktion zugewachsen. Die Kenntnis dieser Rechtsprechung ist bei der Beschäftigung speziell mit dem Rundfunkwesen aber auch mit dem Medienwesen insgesamt unerlässlich; eine geraffte Darstellung der Rechtsrechung steht deshalb am Anfang der Darstellung der Rundfunkfreiheit des Grundgesetzes. Die Reihe der Entscheidungen des BVerfG führt zurück auf die Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1961, mit der die grundrechtliche Behandlung des Rundfunks begann, und hat sich bis hin zur jüngsten Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2007 zur Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schrittweise. Sie hatte sämtliche Etappen der Entwicklung der durch das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk gekennzeichneten „dualen Rundfunkordnung“ mitbegleitet, grundlegend gestaltet und bis in die Einzelheiten ausdifferenziert. Das erste Rundfunkurteil vom 28.02.1961326 hatte über die Kompetenzvertei221 lung zwischen Bund und Ländern im Rundfunkbereich zu befinden. Das BVerfG erklärte die unter maßgeblicher Mitwirkung von Bundeskanzler Konrad Adenauer gegründete Deutschland-Fernsehen-GmbH für verfassungswidrig und führte zur Begründung aus, dass der Bund für die Übertragungstechnik (Telekommunikation, Art. 73 Nr. 7, 87 f. GG), die Länder aber für die Rundfunkorganisation und den Inhalt der Sendungen zuständig sind (Art. 70, 30 GG). Das Urteil gilt als die „Magna Charta des Rundfunks“327 in der Bundesrepublik Deutschland und hat die weitere Entwicklung des Rundfunkwesens maßgeblich geprägt.328 Es enthält nicht nur maßgebliche Aussagen zur Kompetenzabgrenzung, sondern auch zu den Anforderungen an die Rundfunkorganisation unter Einbeziehung des Erfordernisses der Vielfaltssicherung und zur Sicherung der Rundfunkfreiheit im Fernsehbereich. Dieses verlange, dass der Rundfunk als wichtiges Instrument der Meinungsbildung nicht einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werden dürfe. Dies sei wegen der Sondersituation des Rundfunks, die sich wegen Frequenzknappheit und des erforderlichen hohen finanziellen Aufwandes ergebe, aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich. Im Umsatzsteuerurteil vom 27.07.1971329 erklärte das BVerfG eine Regelung 222 des Umsatzsteuergesetzes für verfassungswidrig, nach der die Tätigkeiten der Landesrundfunkanstalten als "gewerbliche oder berufliche Tätigkeit" i.S. des Umsatzsteuerrechts qualifiziert wurden. In der Entscheidung führte das Gericht aus, die Veranstaltung von Rundfunksendungen sei nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche Aufgabe und die Rundfunkanstalten stünden „in öffentlicher Verantwortung“ und erfüllten zugleich „integrierende Funktionen für das Staatsganze“.330
326 327 328
329 330
BVerfGE 12, S. 205 – Deutschland-Fernsehen. So Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 1 Rn. 52. Das Verfahren ist dokumentiert bei Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit vor dem BVerfG, 1964. BVerfGE 31, S. 314 – USt. BVerfGE 31, S. 314, 329 – USt.
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Im dritten Rundfunkurteil vom 16.06.1981331 (FRAG-Urteil) hatte das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des Privatrundfunk zulassenden Saarländischen Gesetzes zur Veranstaltung von Rundfunksendungen zu entscheiden. Der Streit erhob sich in einer Auseinandersetzung um den Antrag der „Freie Rundfunkaktiengesellschaft in Gründung“ (FRAG), deren Konzessionsantrag zur Veranstaltung von Rundfunk unter Hinweis auf die andernfalls drohende Existenzgefährdung für die betroffene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, den Saarländischen Rundfunk, abgelehnt wurde. Das BVerfG erklärte privaten Rundfunk nicht für verfassungswidrig, verlangte aber wirksame gesetzliche Vorkehrungen, welche sicherstellen, dass alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Worte kommen können. Das maßgebliche saarländische Gesetz wurde für verfassungswidrig erklärt, weil es den verfassungs-rechtlichen Anforderungen an die Veranstaltung privater Rundfunksendungen nicht genüge. Zusammen mit dem vierten hat dieses Rundfunkurteil die duale Rundfunkordnung entscheidend geprägt. Das vierte, das sog. Niedersachsen-Rundfunkurteil vom 04.11.1986332 erging zum Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz, das als eines der ersten Landesmediengesetze einen Ordnungsrahmen für den Privatrundfunk geschaffen hatte. Das BVerfG hielt das Gesetz zwar für prinzipiell grundgesetzkonform, erklärte aber eine Reihe von Bestimmungen (zu Erlaubnisverfahren, Sendezeitenzuweisung, Vorkehrungen gegen vorherrschende Meinungsmacht, programmliche Ausgewogenheit) für ganz oder teilweise verfassungswidrig, weil sie die Rundfunkfreiheit nicht in der gebotenen Form zu gewährleisten vermochten. In diesem Urteil wurden Vielfaltsanforderungen an den Rundfunk in einer pluralistischen Rundfunkordnung herausgearbeitet. Es führte erstmalig den Begriff der „Grundversorgung“ als zentrale Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Sender an, die insoweit höheren Anforderungen als private Veranstalter ausgesetzt seien. Durch Beschluss vom 24.03.1987333 hob das BVerfG Vorschriften des badenwürttembergischen Mediengesetzes auf, die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten von der Veranstaltung von Spartenprogrammen und Online-Diensten ausschlossen. Zur Begründung wurde angeführt, dass auch solche Angebote der Grundversorgung unterfallen könnten, da diese nicht als Minimal-Versorgung verstanden werden dürfe. Die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen sowohl für die öffentlich-rechtlichen (Grund- und Ergänzungsversorgung) als auch privaten Rundfunkanbieter (Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Regional- und Lokalfunk) wurden insoweit präzisiert. Das sechste Rundfunkurteil vom 05.02.1991334 bestätigte die Verfassungsmäßigkeit des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den Westdeutschen Rundfunk Köln sowie des Landesrundfunkgesetzes.335 Es enthält eine Vielzahl präzisierender Aussagen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, z.B. zur Grundversorgungsaufgabe und der Bestands- und Entwicklungsgarantie, zur Mischfinanzie331 332 333 334 335
BVerfGE 57, S. 295 – FRAG. BVerfGE 73, S. 118 – Niedersachsen. BVerfGE 74, S. 297 – BaWü. BVerfGE 83, S. 238 – WDR. Mit Ausnahme der die Zuordnung von der Übertragungskapazität regelnden Vorschriften.
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rung, zur Übernahme von neuen Diensten, aber auch Angaben zur Ausgestaltung der Programmanforderungen für den privaten Rundfunk und zur Kooperation zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern. Das siebte Urteil, der sog. Hessen 3-Beschluss,336 stellt klar, dass ein gesetzliches Werbeverbot für öffentlich-rechtliche Anstalten keinen Eingriff in ihre Rundfunkfreiheit bedeutet, sondern als zulässige Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit zu bewerten ist. Das (erste) Gebührenurteil vom 22.02.1994337 erklärte das derzeitige Verfahren zur Rundfunkgebührenfestsetzung für mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar. Daraufhin wurden durch den 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrag Regelungen im RStV und im RFinStV eingeführt, die ein dreistufiges Verfahren zur Gebührenfestsetzung vorsehen: Bedarfsanmeldung der Anstalten; fachliche Überprüfung durch die unabhängige „Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF); eigentliche Gebührenfestsetzung durch die Landesparlamente. Das neunte, das EG-Fernsehrichtlinie-Urteil vom 22.02.1995338 befasste sich mit einer Klage des Freistaates Bayern und anderer Länder, die sich durch die Zustimmung der Bundesregierung zur EG-Fernsehrichtlinie in Art. 70 Abs. 1, 24 Abs. 1 GG verletzt sahen. Es enthält grundlegende Aussagen zur Kompetenzverteilung im Rundfunk zwischen der Europäischen Union, dem Bund und den Ländern.339 Mit Beschluss vom 7.11.1995340 (NDR-Rundfunkrat) stellte das BVerfG fest, dass der Gesetzgeber aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet ist, einseitige Einflussnahmen bei der Gremienzusammensetzung von öffentlich-rechtlichen Veranstaltern zu verhindern. Das bedeute allerdings nicht, dass gesellschaftlich relevanten Gruppen ein subjektives Recht zustehe, bei der Zusammensetzung des Rundfunkrates berücksichtigt zu werden. Das Urteil zur Kurzberichterstattung vom 17.02.1998341 betrifft die Vorschriften des § 3a WDR-Gesetz und des § 3a Landesrundfunkgesetz (NRW) zum Recht auf unentgeltliche Kurzberichterstattung.342 Mit Hilfe dieser Regelungen sollten die Bestrebungen des Privatfernsehens, über den Erwerb von Exklusivrechten ih336 337 338 339
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BVerfGE 87, S. 181ff. – Hessen 3. BVerfGE 90, S. 60 ff. – Gebührenurteil. BVerfGE 92, S. 203 ff. – EG-Fernsehrichtlinie. BVerfGE 92, S. 203, 231 ff., 238, 241 zur Frage, ob Fernsehen als Rundfunk (Länderkompetenz nach Art. 70 ff. GG) bzw. als Dienstleistung (EU-Kompetenz nach Art. 59 ff. EGV) zu charakterisieren ist. BVerfG, NVwZ 1996, S. 781 – NDR-Rundfunkrat; zur selben Thematik vgl. bereits BVerfGE 83, S. 238, 333 f. – WDR. BVerfGE 97, S. 228 ff. – Kurzberichterstattung. Vgl. dazu bereits oben Rn. 209, ferner auch § 5 RStV. Beachte insofern die zugrunde liegenden Regelungen des Art. 3a EU-Fernsehrichtlinie (ABlEG Nr. L 202 vom 30.06.1997, S. 60 ff.), wonach Veranstaltungen von großer Bedeutung selbst dann unverschlüsselt im „Free-TV“ zu übertragen sind, wenn Pay-TV-Sender Exklusivrechte erworben haben. Die einzelnen Mitgliedstaaten können Listen der entsprechenden Veranstaltungen aufstellen, die dann von allen anderen Staaten zu beachten sind.
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ren Zuschaueranteil zu vergrößern, unterbunden werden und eine umfassende Information im Free-TV gesichert werden. Die gesetzlichen Grundlagen des Kurzberichterstattungsrechts wurden vom BVerfG grundsätzlich für verfassungsmäßig befunden, da sie der Verhinderung von Informationsmonopolen dienten und dem Gesetzgeber dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zuzugestehen sei. Ein Verstoß (gegen Art. 12 Abs. 1 GG) wurde nur insoweit festgestellt, als die Regelung bei berufsmäßig durchgeführten Veranstaltungen eine Unentgeltlichkeit vorsah. Das BVerfG hielt die Zahlung eines angemessenen Entgelts für zumutbar und geboten, da andernfalls der Ertrag einer beruflichen Leistung den konkurrierenden Sendern zugute käme. Einer Anerkennung der Rundfunkunternehmerfreiheit bereitet das Urteil vom 20.02.1998343 den Weg. Das BVerfG erkannte, dass bereits der Bewerber im Zulassungsverfahren (hier „extra radio“ in Bayern) als Grundrechtsträger der Rundfunkfreiheit und damit als Inhaber der grundgesetzlich geschützten subjektivrechtlichen Rechtsposition anzusehen ist. Dieses Resultat wurde dogmatisch über eine „Vorwirkung“ der späteren Programmfreiheit hergeleitet. Jedenfalls könne in Bayern nach Art. 111a I 2 BayVerf nicht allein die Landesmedienanstalt als Rundfunkveranstalter angesehen werden. Der Nichtannahme-Beschluss im Fall Guldenburg vom 28.10.1998344 stellte klar, dass Fernseh-Randnutzungen durch bestimmte einnahmewirksame Formen des Merchandising dem Schutz der Rundfunkfreiheit unterfallen, sofern und soweit sie im Zusammenhang mit der Rundfunktätigkeit stehen. Dagegen wurde dafür erkannt, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, TitelMerchandising für gänzlich rundfunkferne Produkte nicht mehr als von der Rundfunkfreiheit gesichert angesehen hat. Die Radio-Bremen-Entscheidung345 beschäftigte sich mit Bestimmungen des Radio-Bremen-Gesetzes insbesondere zur Neuregelung der Amtszeit des Intendanten und stellte klar, dass der Gesetzgeber die Organisationsstruktur von Rundfunkanstalten ändern darf. Nach dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Grundsatz der Programmfreiheit dürften diese Änderungen keinen Einfluss auf die publizistische Tätigkeit haben. In vorliegenden Falle hielt das BVerfG sogar die Regelung der laufenden Amtsperiode wegen eines akuten und zwingenden Änderungsbedarfs (Fall der Existenzbedrohung) für zulässig.346 Im (zweiten) Rundfunkgebührenurteil vom 11.09.2007347 hat das BVerfG entschieden, dass die von seiner Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung der Rundfunkordnung zur Sicherung der Rundfunkfreiheit durch die Entwicklung von Kommunikationstechnologie und Medienmärkten nicht überholt seien. Es bekräftigte seine Rechtsprechung, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen dem öffentlichrechtlichen Rundfunk ermöglichen sollen, seinen klassischen Funktionsauftrag zu erfüllen, der neben seiner Rolle für die 343 344 345 346 347
BVerfGE 97, S. 298 – „Rundfunkunternehmerfreiheit“. BVerfG, GRUR 1999, S. 232, 235– Guldenburg. Nichtannahme-Beschluss vom 15.01.1999, MMR 1999, S. 277 ff. – Radio-Bremen. Kritisch dazu Dörr/Eckl, NJW 1999, S. 1925, 1935. BVerfGE 119, S. 181 ff.
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Meinungs- und Willensbildung, neben Unterhaltung und Information seine kulturelle Verantwortung umfasst. Nur wenn ihm dies gelinge und er im publizistischen Wettbewerb mit den privaten Veranstaltern bestehen könne, sei das duale System in seiner gegenwärtigen Form, in der die privatwirtschaftlich finanzierten Programme weniger strengen Anforderungen unterliegen als die öffentlichrechtlichen, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Die Mittelausstattung müsse nach Art und Umfang den jeweiligen Aufgaben des öffentlichrechtlichen Rundfunks gerecht werden. Mit den staatsvertraglichen Regelungen über das Verfahren der Gebührenfestsetzung (Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten, Prüfung der Anmeldung und Bedarfsfeststellung durch das politisch unabhängige Fachgremium der KEF und abschließender Festsetzung der Gebühr durch den Rundfunkgesetzgeber) werde den verfassungsrechtlichen Anforderungen Genüge getan. Für eine Abweichung vom Gebührenvorschlag der KEF müsste der Gesetzgeber nachprüfbare Gründe angegeben werden, welche die seine Abweichung rechtfertigenden Tatsachenannahmen nachvollziehbar benennen und seine daran anknüpfende Bewertung offen legen. Bei der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Gebührenfestsetzung wurden diese Grundsätze nicht eingehalten. In einem weiteren Entscheidungsteil bekräftigt das BVerfG, dass es nach wie vor alleinige Aufgabe der KEF sei, den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten „fachlich zu überprüfen und zu ermitteln“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RFinStV). Neben der Frage, ob sich die Programmentscheidungen „im Rahmen des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrags halten“, dürfe die KEF ausschließlich prüfen, „ob der aus ihnen abgeleitete Finanzbedarf zutreffend […] ermittelt worden ist“ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 RFinStV). Die zusätzlichen Merkmale im Staatsvertrag erweiterten den so festgelegten Prüfungsgegenstand nicht. Die KEF sei insbesondere nicht befugt, den - eigentlichen - Finanzbedarf im Gewande seiner näheren Definition einem Korrekturfaktor jenseits bloßer Bedarfskalkulationen zu unterwerfen und so die nach dem Gebührenurteil nur ausnahmsweise zulässige Abweichung von der bedarfsgerechten Finanzierung zur Regel zu machen. 2. Strukturmerkmale der Rundfunkfreiheit 236 Die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG in der Auslegung des BVerfG ist durch eine Reihe von Strukturmerkmalen geprägt. Es sind dies die Staatsfreiheit des Rundfunks, das Erfordernis der positivrechtlichen Ordnung des Rundfunks und die Bindung an den Parlamentsvorbehalt. a) Staatsfreiheit des Rundfunks 237 Zur Gewährleistungsfunktion des Art. 5 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GG gehört, dass der Rundfunk staatsfrei organisiert sein muss. Aus dem Merkmal der Staatsfreiheit folgt ein Verbot des Staatsrundfunks. Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dürfen nicht als Behörden verfasst sein, sondern sie müssen als unabhän-
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gige juristische Personen des öffentlichen Rechts organisiert sein.348 Abzulehnen ist das zu Recht insofern nicht unkritisch aufgenommene Entscheidung des BVerfG im Sechsten Rundfunk-Urteil, in der die Beteiligung von Gemeinden an Veranstaltergemeinschaften des Lokalrundfunks mit einer Minderheitsbeteiligung bis zu 25% an der Betriebsgesellschaft für verfassungsgemäß erklärt wurde.349 Der Staat darf jedenfalls keinen bestimmenden Einfluss auf Auswahl, Inhalt oder Ausgestaltung des Programms des Veranstalters gewinnen darf.350 Die Rundfunkfreiheit ist eine Rundfunkveranstalterfreiheit,351 die sich in der Programmautonomie der Veranstalter niederschlägt. Das Grundrecht sichert dem Veranstalter einen „status negativus“ und verbietet dem Staat jede auch nur mittelbare Programmbeeinflussung, etwa durch die Festlegung von Rundfunkgebühren352 oder über die Zuteilung von Sendefrequenzen. b) Erforderlichkeit einer „positiven Ordnung“ Der objektiv-rechtliche Gehalt des Grundrechts verpflichtet den Gesetzgeber zur 238 Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit. Die zu schaffende Rundfunkordnung darf sich nicht in einer Abwehr staatlicher Eingriffe erschöpfen und den Rundfunk damit den gesellschaftlichen Kräften überlassen, ohne garantieren zu können, dass damit freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk möglich wird. Die Rundfunkordnung ist vielmehr als „positive Ordnung“ zu gestalten, die materielle, organisatorische und verfahrenstechnische Regelungen für die Veranstaltung von Rundfunk umfasst.353 Sie hat sicher zu stellen, dass der Rundfunk seine Aufgabe umfassender und vielfältiger Information erfüllen kann und von einseitiger Einflussnahme auf das Programm frei bleibt.354 Diese positive Ordnung ist Ausdruck der dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit.355 Die vom Gesetzgeber zu schaffende positive Ordnung hat konstitutiven Charakter insofern, als erst durch sie die Grundlage für die Grundrechtsausübung geschaffen wird.356 Dieser Konzeption der Rundfunkordnung ist der Rundfunk in seiner Gesamtheit verpflichtet, sowohl der öffentlich-rechtliche als auch der private Rundfunk. 348
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Im Unterschied zum ZDF verfügt die ARD nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern eine Vereinigung der ihr angehörenden Länderanstalten. Zur Rechtsnatur der ARD vgl. Fessmann, FuR 1980, S. 623 (öffentlich-rechtliche Vereinigung eigener Art). Vgl. BVerfGE 83, S. 238, 331; kritisch Herrmann, ZUM 1991, S. 325, 331. BVerfGE 59, S. 231, 258; 74, S. 297, 349; 83, S. 238, 322; 90, S. 60, 88; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 46; Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 44. BayVerfGH, DÖV 1994, S. 692. BVerfGE 87, S. 181, 199; 90, S. 60, 90. Vgl. ferner bei Rn. 235. BVerfGE 57, S. 295, 320 – FRAG; 73, S. 118, 153 – Niedersachsen; 83, S. 238, 296 WDR; 90, S. 60, 87 ff. – Gebührenurteil; vgl. auch Lecheler, Jura 1998, S. 225. Zur Programmautonomie des Rundfunks Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 17 m.w.N. Vgl. nur BVerfGE 83, S. 238, 296 – WDR. Vgl. nur Gersdorf, ZUM 1995, S. 841, 843; beachte BVerfGE 97, S. 298 zum Zulassungsbewerber.
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Das Erfordernis einer positiven Ordnung des Rundfunks wurde zunächst vor allem mit Rücksicht auf die Knappheit der verfügbaren Sendefrequenzen gerechtfertigt.357 Später hat das BVerfG die Begründung ergänzt und erweitert und darauf abgestellt, dass sich der Rundfunk zu einem der mächtigsten Kommunikationsmittel entwickelt habe, das wegen seiner weitreichenden Wirkungen und der Gefahr des Missbrauchs nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden dürfe.358 Nach Ausweitung der Übertragungswege (z.B. durch Kabel und Satellit) wird auch auf Regulierungserfordernisse beim privaten Rundfunk und im internationalen Bereich abgestellt.359 In der dualen, von öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern getragenen Rundfunkordnung hat der Gesetzgeber dafür sorgen, dass das Gesamtangebot am Rundfunkdarbietungen letztlich eine gleichgewichtige Vielfalt der Berichterstattung gewährleistet. Nicht zulässig ist es, die privaten Veranstalter unter Hinweis auf die zur Ausgewogenheit verpflichteten öffentlichrechtlichen Anstalten von dem Vielfaltserfordernis zu entbinden.360 Daran ist nach der Rechtsprechung des BVerfG auch festzuhalten, wenn „die durch Knappheit der Sendefrequenzen und den hohen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen bedingte Sondersituation des Rundfunks im Zuge der modernen Entwicklung entfällt“.361 Um diese Konzeption der Rundfunkfreiheit als dienende Freiheit rankt ein tief240 greifender Meinungsstreit. Dieser kulminiert in der Grundfrage, ob noch von Freiheit gesprochen werden könne, wenn die rechtlichen Gewährleistungen nur nach bestimmter gesetzlich verordneter Maßgabe bestünden.362 In Ansehung der modernen multimedialen Darbietungsformen elektronischer Medien ist diese Kritik erneuert worden.363 Ein spürbarer Einfluss dieser Kritik auf die Rundfunkverfassung des Grundgesetzes in der Prägung durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ist derzeit nicht nachweisbar.364 Das BVerfG hat vielmehr im Jahr 2007 im (zweiten) Rundfunkgebührenurteil erneut betont, die Sondersituation für gesetzliche Regelungen des Rundfunks habe sich „im Grundsatz durch die technologischen Neuerungen der letzten Jahre und die dadurch ermöglichte Vermehrung der Übertragungskapazitäten sowie die Entwicklung der Medienmärkte nicht geändert.“365 239
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BVerfGE 12, S. 205, 261 – Deutschland-Fernsehen. So bereits BVerfGE 31, S. 314, 325 – USt. BVerfGE 73, S. 118, 154 f. – Niedersachsen; zu Recht kritisch Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Rn. 758 ff. BVerfGE 83, S. 238 – WDR. BVerfGE 57, S. 295, 322 – FRAG; vgl. auch BVerfGE 73, S. 118, 152 – Niedersachsen; 83, S. 238, 295 – WDR. Vgl. z.B. Pestalozza, NJW 1981, S. 2158 ff.; Kull, in: Festschrift für Lerche, 1993, S. 663 ff.; Engel, AfP 1994, S. 185 ff.. Vgl. z.B. Scholz, AfP 1995, S. 357 ff. Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 2 Rn. 46. BVerfGE 119, S. 181 ff.
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c) Bindung an den Parlamentsvorbehalt Adressat für die grundrechtliche gebotene Schaffung einer Rundfunkordnung ist 241 der parlamentarische Gesetzgeber. Die positive Rundfunkordnung unterliegt dem Parlamentsvorbehalt. Der Gesetzgeber und nicht etwa der Rundfunkveranstalter hat nach der Rechtsprechung des BVerfG die Rundfunkordnung in ihren wesentlichen Determinanten festzulegen.366 Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber daran gehindert ist, wesentliche Fragen der Rundfunkordnung der Exekutive zu überlassen, auch wenn damit kein Gebot für eine strikte Durchnormierung der gesamten Materie, insbesondere für eine Normierung der Programmgestaltung nicht verbunden ist.367 Wesentlich und damit per Gesetz zu regeln sind Vorkehrungen, die sicherstellen, dass der Rundfunk nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird (Vielfaltanforderungen); für den Inhalt des Gesamtprogramms sind Leitgrundsätze vorzusehen, die ein Mindestmaß an Ausgewogenheit und Sachlichkeit gewährleisten (Programmanforderungen); der Zugang zur Veranstaltung von Rundfunk ist gesetzlich zu regeln und darf allein an Voraussetzungen gebunden werden, die der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit dienen (Zugangsregeln); vom Gesetzgeber ist schließlich eine begrenzte Staatsaufsicht vorzusehen, die die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen überwacht (Aufsichtsregeln). 3. Duale Rundfunkordnung Der Gesetzgeber verfügt über weitreichendes politisches Ermessen bei der Gestal- 242 tung der Rundfunkordnung. Er ist zur Einführung privaten Rundfunks nicht verpflichtet und kann am Grundsatz öffentlich-rechtlicher Trägerschaft festhalten.368 Dann aber, wenn der Gesetzgeber Rundfunk (auch) in privater Trägerschaft zulassen will, ist er an die Beachtung der Strukturmerkmale der Rundfunkfreiheit gebunden, muss also eine positive Rundfunkordnung schaffen, die für die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Fragen per Gesetz regeln und die Staatsfreiheit des Rundfunks sicherstellen. Die Rundfunkordnung in Deutschland ist durch eine duale Ordnung, durch das 243 Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk gekennzeichnet. Das BVerfG hat dafür erkannt, dass durch die Zulassung des Privatrundfunks und die zunehmende Ausweitung privater Anbieter und der Verbreitung des Programmangebots die Berechtigung des Rundfunks in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft nicht entfallen ist. Vielmehr hat es ein eigentümliches Verhältnis beider Rundfunkformen entwickelt, in dem dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, deren Veranstalter verpflichtet sind, sich binnenpluralistisch zu organisieren, ihr Programm ausgewogen zu gestalten und sich aus vorrangig aus Gebühren zu finanzie-
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BVerfGE 57, S. 295, 321 – FRAG. Vgl. Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 1987, S. 33 f. So das Rundfunkorganisationsmodell in Bayern; vgl. Art. 111a Abs. 2 Satz 1 BayVerf. Und BayVerfGH 39, S. 96 ff.; 40, S. 69 ff.
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ren, die „Grundversorgung“ obliegt,369 während dem privaten Rundfunk mehr Freiräume eröffnet sind, weil er nur einem Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt zu entsprechen hat.370 Der Gesetzgeber ist befugt für privatwirtschaftlichen Rundfunk im Wesentlichen auf Marktprozesse zu vertrauen; hingegen unterliegt der öffentlichrechtliche Rundfunk besonderen normativen Bindungen seines Programmangebots. a) Rundfunkfreiheit öffentlich-rechtlicher Veranstalter 244 Die zentrale rundfunkverfassungsrechtliche Vorgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besteht in dem Gebot der Staatsferne und des Binnenpluralismus.371 Öffentlich-rechtliche Veranstalter sind besonderen organisatorischen Anforderungen zur Sicherung der Vielfalt und Unabhängigkeit unterworfen.372 Im System der vom Gesetzgeber gestalteten dualen Rundfunkordnung prägt die dienende Funktion der Rundfunkfreiheit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in besonderer Weise. Die verfassungsrechtlichen Determinanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestehen in organisatorischer und finanzierungstechnischer Hinsicht, bei der Gestalt der Binnenverfassung und in korporationsübergreifenden, föderativen Verbundstrukturen. Die von der Rundfunkfreiheit geforderte Freiheit gegenüber Einflüssen des 245 Staates und einer bzw. einzelnen gesellschaftlichen Gruppen373 kommt in einer spezifisch ausgeprägten Staats-, Partei- und Wirtschaftsferne zum Ausdruck, zu denen jeweils komplementäre Besonderheiten hinzutreten. Die Staatsferne des Anstaltsrundfunks geht mit begrenzter staatlicher Aufsicht einher, die Parteiferne wird bei proportionaler Berücksichtigung der politischen Parteien in den Anstaltsgremien realisiert und die Wirtschaftsferne steht partieller Kommerzialisierung nicht im Wege. Die Finanzierung erfolgt anders als bei den privaten Rundfunkveranstaltern vorrangig aus Gebühren, deren Höhe in einem komplexen Verfahren festgelegt wird.374 Sonstige Finanzierungsquellen, insbesondere Mittel aus Werbeeinnahmen dürfen nur im vom Gesetzgeber begrenzten Rahmen herangezogen werden.375 Die Binnenverfassung weist mit der Intendantenverfassung eine monokratische 246 Grundstruktur auf, die allerdings mit pluralistisch besetzten, anstaltsinternen Kon-
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BVerfGE 74, S. 297, 325 f.; 83, S. 283, 297 f. – WDR; vgl. auch Starck, NJW 1992, S. 3257 ff.; Ossenbühl, JZ 1995, S. 633 ff. BVerfGE 73, S. 118, 159 – Niedersachsen; 83, S. 238, 316 – WDR. BVerfGE 57, S. 295, 320, 333 f. und oben Rn. 58. BVerfGE 73, S. 118, 157 f.; 74, S. 297, 324 f.; 83, S. 238, 297 f.; 114, S. 371, 387; BVerfGE 90, S. 60 ff. – Gebührenurteil. Kritisch zur Verknüpfung der positiven Rundfunkordnung mit statusbestimmenden gesellschaftlich Gruppen als einem für die gegenwärtige Gesellschaftsstruktur nicht mehr angemessenen Erklärungsmodell Ladeur, NJW 2004, S. 393 ff. Vgl. dazu Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 128 ff. BVerfGE 74, S. 297, 342; 83, S. 238, 310; 90, S. 60 ff. – Gebührenurteil.
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trollorganen verwoben ist.376 Über den Rundfunkrat, in dem die gesellschaftlichen Gruppen vertreten sind, erfolgt wesentlich die Aufsicht über das Programm. Der Verwaltungsrat ist für Grundsatzentscheidungen und finanzielle Grundentscheidungen zuständig. Der Intendant trägt die Programmverantwortung; seine Wahl bzw. Abwahl erfolgt wiederum durch den Rundfunkrat. Schließlich ist dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Gestalt der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten Deutschland (ARD)377 und der von den Ländern getragenen Anstalt „Zweites Deutsches Fernsehen“ (ZDF)378 eine eigentümliche föderative Verbundstruktur eigen. Die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen gesetzlich festge- 247 legt sein.379 Der klassische Rundfunkauftrag und damit der Aufgabenkern der öffentlich-rechtlichen Anstalten liegt in der „Grundversorgung“.380 Der Inhalt des Begriffs ist nicht präzise bestimmt. Das BVerfG meint damit nicht in erster Linie ein Mindestangebot von Programmen, sondern ein der Vielfalt dienendes Programm, das in möglichst umfassender Breite die unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Erscheinungsformen zum Ausdruck bringt. Im Hinblick auf den Grundversorgungsauftrag unterliegt der öffentlich-rechtliche Rundfunk besonderen normativen Erwartungen an sein Programmangebot. Ihnen will der Gesetzgeber des RStV in den §§ 11 und 11a-f durch Regelungen zum Umfang und zu den Inhalten einschließlich verfahrensrechtlicher Fragen der Rundfunkangebote öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten Rechnung tragen.381 Das BVerfG hat aus Art. 5 GG für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine 248 Bestands- und Entwicklungsgarantie abgeleitet; es sieht diese als eine Konsequenz der objektiv-rechtlichen Garantie der Rundfunkfreiheit.382 Infolge der Bestandsgarantie ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Institution verfassungsrechtlich geschützt. Öffentlich-rechtliche Anstalten sind deswegen nicht nur nicht insolvenzfähig,383 sie haben auch einen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf Ausstattung mit Finanz- und Sachmitteln, die ihnen die Durchführung des Programmauftrags ermöglichen.384 Mit der „Entwicklungsgarantie“ für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ge- 249 währleistet das BVerfG, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk neue Programm376
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Zu Zusammensetzung und Aufgaben des Rundfunkrats und des Verwaltungsrats vgl. Hesse, a.a.O., Kap. 4 Rn. 77 ff. bzw. 97 ff. Zu Aufgaben und Rechtsgrundlagen vgl. eingehend Steinwärder, Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, 1998. Dazu Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, 2. Aufl. 1985. BVerfGE 57, S. 295, 320; 73, S. 118, 153; 83, S. 239, 296. Vgl. die Nachw. in der vorhergehenden Fn. und BVerfGE 87, 181, 199; Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 4 ff. Vgl. Begründung zum 12. RÄStV, S. 8 f. BVerfGE 83, S. 238, 326; Hesse, a.a.O., Kap. 1 Rn. 77, Kap. 4 Rn. 14. BVerfGE 89, S. 144 ff. BVerfGE 83, S. 238, 326 f.; BVerfGE 90, S. 60 ff. – Gebührenurteil II.
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formate und neue Technologien einsetzen sowie neben dem Kern des Programmauftrags auch Ergänzungsleistungen erbringen darf.385 Im Hinblick auf die Entwicklungsgarantie ist dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch das Angebot von Online-Diensten bzw. anderen Sendeformen gestattet, die sich im Zuge der Konvergenz der Medien und der Telekommunikation ergeben.386 Damit wird allerdings die Bestimmung dessen, was noch zur „Ergänzungsfunktion“ des Rundfunks gehört und was schon die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks387 zu Lasten der privaten Veranstalter überschreitet, schwierig und fordert letztlich eine vom Gesetzgeber zu treffende Legitimierung und Limitierung der Aufgaben der öffentlichen-rechtlichen Veranstalter heraus.388 Der deutsche Gesetzgeber will den Anforderungen an gebührenfinanzierte On250 line-Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die einerseits vom deutschen Verfassungsrecht389 und andererseits vom europäischen Beihilferecht390 gesetzt werden, durch den mit einer Änderung des Rundfunkstaatsvertrages eingeführten sog. Drei-Stufen-Test Rechnung tragen. Nach der Regelung des RStV gehören Telemedienangebote grundsätzlich zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sofern sie „journalistisch-redaktionell veranlasst“ und „journalistischredaktionell gestaltet“ sind, § 11d Abs. 1 RStV. Im Übrigen unterliegen gebührenfinanzierte Telemedienangebote – soweit nicht die Rundfunkanstalten durch den RStV selbst dazu ermächtigt werden391 – dem Drei-Stufen-Test darauf hin, ob das Angebot (1) den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen entspricht, (2) in welchem Umfang es in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beitragen wird und (3) welcher finanzielle Aufwand für das Angebot erforderlich ist.392 Der Test ist in einem bestimmten Verfahren von den zuständigen unabhängigen Aufsichtsgremien durchzuführen.393 b) Rundfunkfreiheit privater Veranstalter 251 Für die Veranstaltung von privatem Rundfunk und Fernsehen gelten in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zum öffentlichrechtlichen Rundfunk weniger streng ausgeprägte Anforderungen. Dies beruht auf 385 386 387 388
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BVerfGE 74, S. 297, 311 ff.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, 1997, S. 52 f. BVerfG, AfP 2007, S. 457 Tz. 119 ff. Vgl. Degenhart, in BK GG, Art. 5 Rn. 799 ff. Vgl. dazu Eifert, Konkretisierung des Programmauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2002, S. 140 ff.; Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 115. Vgl. BVerfG, AfP 2007, S. 457 ff.; vgl. dazu Eberle, AfP 2008, S. 329 ff.; MüllerTerpitz, AfP 2008, S. 335 ff. Zum sog. Beihilfe-Kompromiss betreffend Online-Angebot öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten vgl. oben Rn. 145 ff. Vgl. § 11d Abs. 2 RStV. Näher Dörr, in: Festschrift Drewitz, 2009, S. 203 ff; Peters, K&R 2009, S. 26 ff.; Sokoll, NJW 2009, S. 885 ff. Vgl. Sokoll, NJW 2009, S. 885, 886.
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der Grundanschauung des BVerfG zur Rundfunkfreiheit, dass dann, wenn die rundfunkmäßige Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gesichert ist, die Anforderungen der auch für Private erforderlichen Rundfunkordnung auf einen „Grundstandard“ abgesenkt werden können.394 Die geltende Rundfunkordnung hat dem in dem vielschichtigen Regelungsgefüge von Landesmediengesetzen und dem vom BVerfG als Koordinationsinstrument geforderten395 Rundfunkstaatsvertrag Rechnung getragen.396 Eine Rundfunkunternehmerfreiheit, nämlich die Freiheit ein Rundfunkunter- 252 nehmen zu gründen und zu betreiben,397 gibt es aber nach der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 5 Abs. 1 Satz GG nicht.398 Die Rundfunkfreiheit ist auch für private Veranstalter objektiv-institutionelle Freiheit, also eine der Meinungsbildung “dienende Freiheit”399, die als normgebundene Freiheit verstanden und deren Inhalt und Reichweite in das Gestaltungsermessen des einfachen Gesetzgebers gestellt ist.400 Die gegen ein subjektives Recht auf Gründung von Rundfunkunternehmen zunächst angeführte Begründung der “Sondersituation des Rundfunks”401, die in der Frequenzknappheit und dem großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunk bestanden hat, ist allerdings im Zuge der technischen Entwicklung inzwischen entfallen. Im Hinblick auf die systematische Einbettung der Rundfunkfreiheit in die individuelle Freiheitsrechte gewährleistenden Freiheitsgrundrechte im allgemeinen und der sonstigen subjektiv-rechtlich verfassten Kommunikationsfreiheitsrechte des Art. 5 Abs. 1 GG konnte ein strikt objektivinstitutionelles Verständnis der Rundfunkfreiheit402 nicht überzeugen.403 Mit Beschluss vom 20.2.1998404 hat das BVerfG deshalb zu Recht schon den Bewerber im Zulassungsverfahren dem Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterstellt.405 Der private Rundfunk muss seinerseits insgesamt der Maxime der Ausgewo- 253 genheit und Vielfältigkeit entsprechen. In verfassungskonformer Weise haben ver394 395 396 397
398 399 400
401 402 403
404 405
BVerfGE 83, S. 238, 316 – WDR. BVerfGE 73, S. 118, 196 f. – Niedersachsen. Zu den Einzelheiten vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 5. Bejahend Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 50 f.; Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 40; dagegen Hoffmann-Riem, AK GG, 3. Auflage, Art. 5 Abs. 1 Rn. 163. BVerfGE 57, S. 295, 319 f. So prägnant BVerfGE 87, S. 181, 197 – Hessen 3. Vgl. BVerfGE 73, S. 118, 152 f. – Niedersachsen; 83, S. 238, 295 - WDR; 87, S. 181, 197 – Hessen 3. So BVerfGE 12, S. 205, 261 f. – Deutschland-Fernsehen; 31, S. 314, 326 – USt. In diesem Sinn Hoffmann-Riem, AK GG, 3. Auflage, Art. 5 Abs. 1 Rn. 130. In diesem Sinn auch Starck, in: Festschrift für Stern, 1997, S. 777, 793 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 5 I, II Rn. 236; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. 1997, Art. 5 Rn. 33. BVerfGE 97, S. 298, 313. Unter Hinweis auf die „Vorwirkung der späteren Programmfreiheit“ ist damit der Sache nach eine Rundfunkveranstalterfreiheit anerkannt worden; vgl. Dörr/Eckl, NJW 1999, S. 1925, 1934; Herrmann, ZUM 1998, S. 311 f.; kritisch Stettner, ZUM 1998, S. 312, 314.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
schiedene Landesrundfunkgesetze allerdings die Vielfaltsicherung der Beurteilung der einzelnen Anbieter überantwortet und setzen damit auf ein außenplurales Vielfaltmodell. Bei Gewährleistung eines „Grundstandards“ an Vielfalt, erfolgt die Vielfaltkontrolle letztlich über das (Rundfunk- und Medien-)Kartellrecht. Der private Rundfunk finanziert sich ausschließlich selbst. Dies geschieht in 254 erster Linie durch Werbung und andere Finanzierungsformen (z.B. Gewinnspiele). Vor diesem Hintergrund ist es ein Gebot der Rundfunkverfassung, dass der Gesetzgeber effektive Finanzierungsmöglichkeiten für private Veranstalter gewährleistet.406 Daraus folgt, dass den privaten Veranstaltern Werbemöglichkeiten zur Verfügung stehen müssen, die ihre wirtschaftlichen Grundlagen gewährleisten. Die gesetzlich gesetzten Werbegrenzen stehen deshalb fortlaufend unter verfassungsrechtlicher Beobachtung. Ein anderes Element der Rundfunkfreiheit für private Veranstalter wird darin 255 gesehen, dass das Verhältnis zu den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern in einer Weise geordnet werden muss, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht über Gebühr die wirtschaftlichen Grundlagen privater Veranstalter beeinträchtigen darf. Der sachgerechten Aufgabendefinition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entspricht spiegelbildlich den Existenz- und Entfaltungschancen des privaten Rundfunks. Im Zuge der Konvergenz der Medien gefährdet eine expansiver werdende Nutzung elektronischer Mediendienste durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die wettbewerblichen Entfaltungschancen privater Rundfunkveranstalter. Deshalb wird zu Recht gefordert, dass der Rundfunkgesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten ist, in der dualen Rundfunkordnung neben der Aufgabendefinition für den öffentlich-rechtlichen und der Sicherung von Grundstandards privater Rundfunkveranstalter eine „dritte Regelungsdimension“ zu ordnen hat, die ein sachgerechtes, die jeweilige Funktionsfähigkeit gewährleistendes Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk gesetzlich zu regeln hat.407 Der übermäßigen, vielfaltgefährdenden Konzentration im privaten Rundfunk 256 hat der Gesetzgeber durch geeignete Vorkehrungen entgegenzuwirken.408 In den Rundfunkgesetzen und den dem RStV sind dazu die entsprechenden gesetzlichen Vorkehrungen getroffen. Sie beruhen im Kern auf dem Verbot vorherrschender publizistischer Meinungsmacht. Diese wird durch das Marktanteilsmodell des RStV konkretisiert, das bei Erreichen eines bestimmten Zuschaueranteils greift. Vorherrschende Meinungsmacht wird bei Erreichen des Schwellenwerts von 30% grundsätzlich und ferner bei einem Anteil von 25% am Zuschauermarkt unter bestimmten zusätzlichen Bedingungen vermutet. Die nach § 26 RStV zuständige Kommission zur Ermittlung der Konzentration (KEK) hat die Vorschrift so interpretiert, dass vorherrschende publizistische Meinungsmacht auch dann bestehen kann, wenn zwar die Zuschaueranteil im Fernsehen unterhalb der Schwellenwerte bleibt, aber die publizistische Meinungsmacht durch die wirtschaftliche Markt-
406 407 408
Vgl. BVerfGE 83, S. 283, 296, 311. Vgl. Ladeur, AfP 1998, S. 141 ff. BVerfGE 73, S. 119, 172; 97, S. 228, 258.
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macht auf verwandten Märkten verstärkt wird.409 Diese Auffassung ist verfassungsrechtlich bedenklich und auf verbreitete Ablehnung gestoßen.410 Sie verkennt die verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsgrenzen zwischen Landesrundfunkrecht und Bundeskartellrecht, indem der KEK eine Befugnis zur Beurteilung wirtschaftlicher Macht zuerkannt wird, die allein dem Bundeskartellamt auf der Grundlage des Bundesrechts zusteht.411 Ferner wäre es Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, die Bedeutung crossmedialer Meinungsmacht und intermedialer Konkurrenz wegen ihrer wesentlichen Bedeutung für die Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit durch eine gesetzliche Regelung zu ordnen.412 4. Rundfunkbegriff und gegenständlicher Schutzbereich Der Begriff des Rundfunks und damit die sachliche Reichweite des verfassungs- 257 rechtlichen Schutzes der Rundfunkfreiheit wird vom Grundgesetz nicht definiert, sondern vorausgesetzt. Ein Rückgriff auf einfachgesetzliche Definitionen, etwa die des RStV ist nicht möglich, weil diese mit dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff nicht übereinstimmen müssen. Rundfunk ist in der Weimarer Zeit entstanden und ließ sich durch die Übertragungstechnik mittels elektromagnetischer Schwingungen kennzeichnen. Im Laufe der Entwicklung hat Rundfunk allerdings mannigfaltige Veränderungen auch und gerade in technischer Hinsicht erfahren. Die Einführung des Fernsehens und die neuen technischen Möglichkeiten im Zuge der Entwicklung der elektronischen Medien belegen dies nachhaltig. Eine die gesamte Entwicklungszeit überdauernde Konstante ist allein der Umstand, dass es sich beim Rundfunk um eine für die Allgemeinheit geeignete und bestimmte Produktion und Verbreitung von Informationen in Form von Darbietungen aller Art handelt. Als Anknüpfungspunkt für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff kommt diese Konstante aber schon deswegen nicht in Betracht, weil Informationsdarbietung für die Allgemeinheit sämtliche in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG benannten Massenkommunikationsmittel, nämlich Presse, Rundfunk und Film leisten. Die sich anbietende Differenzierung nach der Verbreitungstechnik (bei der Presse: Druckwerke, beim Film: Fixierung von Bilderreihen auf Zelluloid oder vergleichbarem Material und beim Rundfunk: fernmeldetechnische Anlagen) hat sich ebensowenig als tragfähig erwiesen, nachdem die digitale Technologie neue Verbreitungsformen für sämtliche massenmedialen Produktionen ermöglicht hat, die eine Unterscheidung der Massenmedien nach der Verbreitungstechnik nicht sachgerecht erscheinen lassen, wenn nicht unmöglich machen.413 Das BVerfG hat vor diesem Hintergrund einen spezifisch verfassungsrechtli- 258 chen Rundfunkbegriff entwickelt und diesen richtungweisend zugunsten eines 409
410
411 412 413
Vgl. KEK, Nr. 293-1-6 jeweils vom. 10.01.2006 (abrufbar unter: http://www.kekonline.de). Vgl. Säcker, K&R 2006, S. 49 ff.; Paschke, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 7. Abschnitt Rn. 143. Vgl. Paschke/Goldbeck, ZWeR 2007, S. 49 ff. Vgl. Säcker, K&R 2006, S. 49 ff. Näher oben Rn. 12 ff.
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entwicklungsoffenen, dynamischen Verständnisses festgelegt. Grundlegend hat es schon im Baden-Württemberg-Beschluss ausgeführt: „Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verwendete Begriff „Rundfunk“ lässt sich nicht in einer ein für allemal gültigen Definition erfassen. Inhalt und Tragweite verfassungsrechtlicher Begriffe und Bestimmungen hängen (auch) von ihrem Normbereich ab; ihre Bedeutung kann sich bei Veränderungen in diesem Bereich wandeln (vgl. BVerfGE 73, 118, 154). Das gilt auch für den Rundfunkbegriff. Soll die Rundfunkfreiheit in einer sich wandelnden Zukunft ihre normierende Wirkung bewahren, dann kann es nicht angehen, nur an eine ältere Technik anzuknüpfen, den Schutz des Grundrechts auf diejenigen Sachverhalte zu beschränken, auf welche diese Technik bezogen ist, und auf diese Weise die Gewährleistung in Bereichen obsolet zu machen, in denen sie ihre Funktion auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten durchaus erfüllen könnte.“414 Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff ist in der Konsequenz dieser Recht259 sprechung kein Rechtsbegriff, aus dem sich rechtliche Schlussfolgerungen im Wege logisch-formaler Deduktion ableiten lassen. Vielmehr bestimmen das Schutzgut und die Schutzfunktion den Rechtsbegriff.415 Eine Zuordnung zum Rundfunkbegriff setzt deshalb voraus, dass in Frage stehende Beiträge, Dienste oder Angebote einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten. Diese publizistische Relevanz hat das BVerfG veranlasst, „rundfunk-ähnliche Kommunikationsdienste“ in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit einzubeziehen.416 Eine trennscharfe Grenzlinie ist damit weder zu den Telemedien noch zur Telekommunikation gezogen, da einzelne Telekommunikationsleistungen bzw. deren Standardisierung Auswirkungen auf die Programmseite haben können.417 Die Rundfunkfreiheit schützt gegenständlich alle wesensmäßig mit der Rund260 funkveranstaltung zusammenhängenden Tätigkeiten, von der Beschaffung der Information bzw. Meinung über die Produktion der Sendung bis hin zu ihrer Verbreitung,418 sowie die dazu erforderlichen Hilfstätigkeiten.419 Die Rundfunkfreiheit lässt sich von daher als „prozesshaftes Grundrecht“420 verstehen. Die jeweiligen Inhalte der Sendungen spielen für den Grundrechtsschutz keine Rolle.421 Auf der anderen Seite schließt die Rundfunkfreiheit die Gewährleistung der finanziellen Grundlagen der Rundfunktätigkeit ein. Öffentlich-rechtliche Veranstalter genießen eine umfassende Finanzgarantie;422 sie betrifft in erster Linie die Bereit414 415
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BVerfGE 74, S. 297, 350 – BaWü. Vgl. Degenhart, ZUM 1998, S. 333 ff.; Bullinger, AfP 1996, S. 1 ff.; Hoffmann-Riem, AfP 1996, S. 9 ff.; Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, 1995, insbesondere S. 158 ff. BVerfGE 74, S. 297, 350 – BaWü. Vgl. Rn. 18 ff. BVerfGE 77, S. 65, 74; 91, S. 125, 135; 57, S. 295, 319 – FRAG; 60, S. 53, 63; BVerwGE 75, S. 67, 70; BGHZ 110, S. 371, 375. BVerfGE 78, S. 101, 103. Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 93. BVerfGE 59, S. 231, 258. BVerfGE 83, S. 238, 303 f.; 90, S. 60, 92.
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stellung öffentlicher Mittel und sichert damit die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Privaten Rundfunkveranstaltern muss von der Rundfunkgesetzgebung eine Möglichkeit eröffnet werden, die Finanzierung ihres Rundfunkangebots zu ermöglichen.423 Diskussionen wirft immer wieder die Werbung als Finanzierungsquelle des öf- 261 fentlich-rechtlichen Rundfunks auf. Das BVerfG hat entschieden, dass der Gesetzgeber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Möglichkeit der Werbung vollständig versagen könnte.424 Wird Werbung als Finanzierungsquelle vom Gesetzgeber zugelassen, muss sie zugleich gesetzlich reglementiert und limitiert werden, um sowohl das Verhältnis zu Gebühren als auch und vor allen eine Beeinträchtigung der Finanzierungsbedingungen des Privatrundfunks zu vermeiden. Die Gestaltung der Rundfunkfinanzierung ist grundsätzlich Gegenstand der politischen Entscheidung des Gesetzgebers; im dualen System wird die Grenze der Gestaltungsfreiheit bezüglich der Rundfunkfinanzierung erreicht, wenn entweder der öffentlich-rechtliche Rundfunk an der Erfüllung seiner Grundversorgungsaufgabe gehindert wird oder private Veranstalter Bedingungen unterworfen werden, die Rundfunk erheblich erschweren oder gar unmöglich machen.425 Der Gegenstandsbereich der Rundfunkfreiheit betrifft – nicht anders als bei der 262 Presse426 – das Recht auf Berichterstattung. Auskunftsansprüche gegenüber Behörden und die Medienprivilegien im Strafverfahren427 und im Datenschutz428 finden deshalb ihre Grundlage in Art. 5 GG. Zur Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit gehört auch die Zulassung der Kurzberichterstattung nach dem RStV, durch welche die Exklusivität von Übertragungsrechten in verfassungskonformer Weise eingeschränkt wird.429 Im Hörfunkbereich besteht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein Recht auf Zugang zur Rundfunk-Berichterstattung auch im Bereich des Hörfunks. Die dabei auftretende Streitfrage, ob der Ereignisveranstalter für die Rundfunkberichterstattung ein Honorar beanspruchen darf,430 erscheint verfassungsrechtlich nicht determiniert; die Entscheidung des BVerfG steht freilich noch aus. Die Verbreitung von Rundfunkprogrammen auf den verschiedenen Übertra- 263 gungswegen fällt ebenfalls in den Schutzbereich des Grundrechts der Rundfunkfreiheit.431 Die nach dem RStV vorzunehmende Aufteilung der (begrenzten) verfügbaren terrestrischer Frequenzen für die Nutzung durch öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk ist eine Frage der verfassungsrechtlichen Rundfunkfreiheit; im Zuge der Digitalisierung der Übertragung ist dabei auch eine Konkurrenz
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BVerfGE 83, S. 238, 296, 311 – WDR. BVerfGE 74, S. 297, 343; 87, S. 181, 200; 90, S. 60, 91. BVerfGE 83, S. 238, 311. Vgl. Rn. 201 ff. Vgl. Rn. 1298 ff. Vgl. Rn. 1179 ff. Vgl. Sauer, SpuRt 2004, S. 93 ff. Vgl. BGH NJW 2006, S. 377 f. – Hörfunkrechte; ferner Mailänder, ZUM 2003, S. 820 ff. BVerfGE 83, S. 238, 322 f.
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zur Übertragung im Kabelnetz entstanden und zu ordnen.432 Noch nicht ausdiskutiert ist die Frage, ob Kabelnetzbetreiber ohne weiteres auch Rundfunkveranstalter sein dürfen und ob dabei verfassungsrechtliche Grenzen zu beachten sind. Im Zuge der Konvergenz von Telekommunikation und Rundfunk spricht vieles dafür, dem Kabelnetzbetreiber verfassungsrechtlichen Schutz gegen einen vollständigen Ausschluss von der Veranstaltung von Rundfunkinhalten einzuräumen, damit im dieser Wettbewerb der Technologien konkurrenzfähig bleiben kann.433 Die Konvergenz von Telekommunikation und elektronischen Mediendiensten hat den Blick dafür geschärft, dass es geboten erscheint, aus der verfassungsrechtlichen Rundfunkfreiheit eine Pflicht des Staates abzuleiten, gesetzliche Vorkehrungen zu treffen, welche eine Diskriminierung bestimmter Programminhalte durch Zugangsdienste, die Wahl der technischen Standards oder elektronische Programmführer ausschließen.434 5. Persönlicher Schutzbereich 264 Als Grundrechtsträger kommen nicht nur alle natürlichen, sondern gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch alle juristischen Personen sowie Personenvereinigungen in Betracht, die eigenverantwortlich Rundfunk veranstalten und verbreiten.435 Das sind die privaten Rundfunkveranstalter, Redakteure436 sowie selbst die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, da auch sie der Meinungsbildung des Bürgers dienen und insofern eine grundrechtstypische Gefährdungslage gegeben ist.437 Bei der Erfüllung ihres Auftrags handeln sie nicht als Teil des Staates und können sich deshalb auf Art. 19 Abs. 3 iVm Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen.438 Bislang ungeklärt ist die Grundrechtsträgerschaft der Landesmedienanstalten.439 265 Im Interesse der Vermeidung von Gefährdungslagen für die Verwirklichung der Rundfunkfreiheit sollte neben den Rundfunkanstalten auch den Landesmedienanstalten - zumindest gegenüber Maßnahmen, die die Aufgaben der Landesmedien-
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Dazu Ladeur, K&R 2007, S. 85 ff. Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 103. Faltau, ZUM 2007, S. 1 ff.; Ladeur, CR 2005, S. 99 ff.; Hoffmann-Riem, Duale Rundfunkordnung, 2000, S. 139 ff. Die Rundfunkfreiheit ist kollektiv ausübbar; vgl. ferner Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 41. Vgl. BVerfGE 77, S. 65, 74. Zur strittigen inneren Rundfunkfreiheit dürfte angesichts der Gleichstellung der Grundrechtsträgerschaft in BVerfGE 77, S. 65, 74 und 66, S. 116, 135 ff. das zur Pressefreiheit Ausgeführte entsprechend gelten. BVerfGE 31, S. 314, 322; 59, S. 231, 254. Allerdings nicht auf andere Grundrechte wie die Pressefreiheit, vgl. BVerfGE 83, S. 238, 314 f. – NRW, Art. 14 GG, vgl. BVerfG, NJW 1999, S. 709, oder auch Urheberrechte, vgl. BVerfGE 59, S. 237. BVerfGE 83, S. 238, 333 – WDR richtet sich nur gegen die Aufsichtsgremien; offen gelassen in BVerfG, ZUM 1997, S. 202 und AfP 1993, S. 730.
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anstalten nach der Rundfunkordnung betreffen - die Grundrechtsträgerschaft zugestanden werden.440 Für die sich im Rundfunk äußernden Personen sowie für Empfänger von Rund- 266 funksendungen sind hingegen allein die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG einschlägig, Art. 5 I 2 GG gewährt keine Leistungs- und Teilhaberechte zu Gunsten der Rezipienten.441 III. Freiheit der Filmberichterstattung (Art. 5 Abs. 1 S. 2, 3. Alt. GG)442 Die Medienfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet in ihrer dritten Al- 267 ternative die Freiheit der Berichterstattung durch Film. Das Grundrecht gründet auf dem Umstand, dass auch Filme Meinungen und Informationen enthalten und somit wie die Presse und der Rundfunk zur individuellen öffentlichen Meinungsbildung beitragen und diese beeinflussen. Die praktische Bedeutung der Filmfreiheit erscheint allerdings weniger ausgeprägt als die Presse- und Rundfunkfreiheit, wohl auch deswegen, weil für Filme vielfach die weiterreichende Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG einschlägig ist.443 Der Begriff „Film“ erfasst die für die Allgemeinheit geeignete und bestimmte 268 Produktion und Verbreitung von Informationen in Form von Darbietungen aller Art mit Hilfe von Bewegtbildern. Bedeutsam ist dabei insbesondere die Abgrenzung zum Fernsehen (Rundfunk), die angesichts der nahezu vollständigen Austauschbarkeit beider Medien in funktioneller Hinsicht herkömmlicher Weise nach der Übertragungstechnik vorzunehmen ist. Der mittels Fernmeldetechnik im Fernsehen ausgestrahlte Film ist deshalb dem Rundfunk zuzuordnen.444 Die Abgrenzung nach der Darbietungstechnik erfolgt aber im Multimediazeitalter nach einem Kriterium, dessen Tauglichkeit mit fortschreitender Technik problematisch geworden ist.445 Erfasst werden die herkömmlich projizierbaren belichteten Bildträger und ge- 269 mäß verbreitetem entwicklungsoffenen Verständnis auch Videobänder und Bildplatten.446 Das Abspielen von Videofilmen kann beide Freiheiten betreffen: während die Kinovorführung der Filmfreiheit zuzuordnen ist, gelangt die Rundfunkfreiheit bei TV-Vorführungen zur Anwendung. Umstritten ist allerdings die Ein-
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So im Ergebnis Gersdorf, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz, Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, 1996, S. 163 ff.; ablehnend Bethge, NJW 1995, S. 557. BVerwG, AfP 1992, S. 205. Vgl. v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004. Vgl. BVerwGE 1, S. 303, 305 – Die Sünderin; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 61, 89 ff.; v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, S. 2. Vgl. Starck, NJW 1980, S. 1359, 1363. Vgl. oben Rn. 90 ff. Degenhart, BK GG, Art. 5 Rn. 903; enger v.Mangold/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 167.
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ordnung eines privat abgespielten Videos, da hier eine nichtöffentliche Präsentation stattfindet.447 Das geschützte Verhalten wird durch den Begriff "Berichterstattung" bezeich270 net, der weit auszulegen ist. Über den gewöhnlichen Sprachgebrauch hinaus umfaßt er das Zugänglichmachen nicht nur von Tatsachenmeldungen, sondern auch Meinungsäußerungen sowie alle mit dem filmischen Geschehen zusammenhängenden Tätigkeiten von der Herstellung bis zur Verbreitung der Filme.448 Dementsprechend sind auch alle diejenigen Personen Träger der Filmfreiheit, die die geschützten Tätigkeiten ausüben.449 Die Filmfreiheit hat zunächst Abwehrcharakter gegenüber staatlichen Eingrif271 fen und konstituiert somit den Grundsatz der Staatsfreiheit im Sinne einer Institutsgarantie.450 Der Staat hat sich bei Maßnahmen der Filmförderung jeder Einflussnahme auf Inhalt und Gestaltung eines Filmes zu enthalten und er hat darauf zu achten, dass der publizistische Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird. Die objektive Seite der Kunstfreiheit und andere Verfassungsnormen können diese Beeinträchtigung allerdings rechtfertigen. Darüber hinaus rücken zunehmend Auswirkungen der staatlichen Filmförderung in das verfassungsrechtliche Blickfeld.451 Im Bereich der Filmförderung (Grundrechtsförderung) wird dem Staat ein wei272 terer Handlungsspielraum zuerkannt als bei Grundrechtseingriffen. Wohl ist es dem Staat untersagt, die Tendenz des Films zum Förderkriterium zu erheben, dagegen ist es grundsätzlich zulässig, die Förderung nach meinungsneutralen Kriterien selektiv zu vergeben.452 Eine Drittwirkung im Privatrecht wird bei Maßnahmen der freiwilligen Filmkontrolle durch die FSK relevant.453
D. Die Schranken der Kommunikationsfreiheitsrechte454 273 Keines der Kommunikationsgrundrechte wird vom GG schrankenlos gewährleistet. Der qualifizierte Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG führt ausdrücklich die allgemeinen Gesetze und die Bestimmungen zum Jugend- und Ehrenschutz als freiheitsbegrenzende Regelungen an. Zu beachten ist ferner das sog. Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG, das als spezielle „Schranken-Schranke“ seinerseits die Eingriffsschranken des Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt.455 Schranken der Kom447
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Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 50: Filmfreiheit; Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 61: Pressefreiheit. Näher Degenhart, BK GG, Art. 5 Rn. 909; Jarass/Pieroth, a.a.O. Art. 5 Rn. 51. Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rn. 52. BVerfGE 80, S. 124, 133 f. Vgl. Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Rn. 911; v.Mangoldt/Klein/Starck, a.a.O., Art. 5 Rn. 169. BVerfGE 80, S. 124, 133 ff. Vgl. Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Rn. 915. Vgl. allgemein Gersdorf, ZUM 1995, S. 841 ff.; Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), S. 60 ff., 94 ff. Vgl. nur Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 5 Rn. 173.
D. Die Schranken der Kommunikationsfreiheitsrechte
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munikationsfreiheiten können sich überdies auch aus kollidierenden Verfassungsnormen ergeben. I. Die Unterscheidung von Ausgestaltung und Beschränkung Nach der Dogmatik der Medienfreiheitsgrundrechte ist zwischen Regelungen zu 274 unterscheiden, mit denen der Gesetzgeber den Freiheitsbereich des Grundrechts ausgestaltet, und solchen, die das Grundrecht beschränken. Sofern die Grundrechtsausübung des Einzelnen der ausgestaltenden Ordnung durch den Gesetzgeber bedarf, kommt dem Ausgestaltungsgesetz freiheitsermöglichende Bedeutung zu.456 Es gestaltet das Grundrecht der Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG aus und stellt daher keinen Eingriff dar. Ein Ausgestaltungsgesetz ist selbst dann nicht an Art. 5 Abs. 2 GG zu messen, wenn es für einzelne Grundrechtsträger belastend wirkt.457 Das Ausgestaltungsgesetz hat nur einem eingeschränkten Verhältnismäßig- 275 keitserfordernis zu genügen. Danach ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit allein daran zu messen, ob das die Medienfreiheit ausgestaltende Gesetz dem Ziel der freien individuellen und kollektiven Meinungsbildung dient und zur Erreichung dieses Ziels geeignet ist. Bei der Eignung sind dem Gesetzgeber weite Prognose-, Wertungs- und Gestaltungsspielräume zuzuerkennen. Erforderlichkeit und Angemessenheit seines gewählten Regelungsmodells sind nicht zu prüfen.458 Verfassungsrechtliche Grenzen der Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers sind folglich erst dann erreicht, wenn die Meinungsbildung behindert,459die Veranstaltung von Rundfunk erschwert460 oder gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit verstoßen461 wird. Liegt dagegen ein die Medienfreiheit beschränkendes Gesetz vor, ist zu prüfen, ob es den Schrankenanforderungen des Art. 5 Abs. 2 GG genügt. Ein solches Eingriffs- oder Schrankengesetz ist gegeben, wenn es anderen Zwecken als der Medienfreiheit dient, also andere als kommunikationsbezogene Rechtsgüter schützen soll.462 Die Unterscheidung von Ausgestaltungs- und Schrankengesetzgebung hat be- 276 sonders für das Rundfunkwesen Bedeutung, da hier das Erfordernis der „positiven Ordnung“ den Gesetzgeber zur gesetzlichen Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit
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Gersdorf, ZUM 1995, S. 841, 843 ff. spricht plastisch davon, dass in den Fällen verfassungsrechtlich gebotener Ausgestaltung der Medienfreiheit „verboten ist, was nicht erlaubt ist“, während im Schrankenbereich „erlaubt ist, was nicht verboten ist“. BVerfGE 73, S. 118, 166 – Niedersachsen. Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot ist natürlich noch zu beachten, siehe BVerfGE 73, S. 118, 163 – Niedersachsen; 83, S. 238, 322 - WDR. BVerfGE 74, S. 297, 331 – BaWü (Sendeverbot). BVerfGE 73, S. 118, 157 – Niedersachsen; 83, S. 238, 317 – WDR. BVerfGE 83, S. 238, 323 f. - WDR; 90, S. 60, 89 f. – Gebührenurteil. Z.B. Jugendschutz, BVerfGE 57, S. 295, 326; Persönlichkeitsrechte, BVerfGE 73, S. 118, 200; weiterhin Verbraucherschutz, Gegendarstellungsrechte und Urheberrechte.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
verpflichtet. 463 Aber auch im Bereich des Pressewesens ist eine die Pressefreiheit ausgestaltende Gesetzgebung anzutreffen, die darauf gerichtet ist, die Funktion der Pressefreiheit auszudifferenzieren und verschiedene Elemente wie die Freiheit des Journalisten und den Schutz des Rezipienten ordnen. Ausgestaltungsgesetze der Medienfreiheitsrechte sind solche, welche die verschiedenen Aspekte des betroffenen Grundrechts aufeinander abstimmen und zum Ausgleich bringen bzw. Rangabstufungen vornehmen (z.B. Vielfaltregelungen für den Rundfunksektor).464 Bezweckt der Gesetzgeber dagegen den Schutz eines der Medienfreiheit entgegenstehenden Rechts (Persönlichkeitsrechte, Jugendschutz – z.B. Beschränkung der Gerichtsberichterstattung im Fernsehen465), liegt ein Schrankengesetz vor, das den Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 GG zu genügen hat. II. Die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG 277 Nach Art. 5 Abs. 2 GG finden die Kommunikationsfreiheiten ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre (sog. Schrankentrias). Die Schranke der allgemeinen Gesetze ist dabei die bedeutsamste, konzeptionell aber auch umstrittenste Grundlage von Eingriffen. Als „allgemeines Gesetz“ ist nicht schon jedes Gesetz gemeint, das für jedermann gleichermaßen gilt, da Art. 5 Abs. 2 GG ansonsten keine über Art. 19 Abs. 1 GG hinausgehende Bedeutung zukäme. Das BVerfG hat dazu die Auffassung geprägt, dass als „allgemeine Gesetze“ alle Gesetze im formellen und materiellen Sinne zu verstehen sind, die weder eine Meinung verbieten, noch sich gegen die Äußerung der Meinung als solche richten,466 sondern vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts und damit dem Schutz eines Gemeinschaftswertes dienen, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang beansprucht.467 Die Schrankenregelung begrenzt nach heute gesichertem Verständnis den Gel278 tungsbereich des Grundrechts nicht „von vornherein auf den Bereich ..., den ihm die Gerichte durch ihre Auslegung der Gesetze noch belassen.“468 Damit würde nämlich die besondere Bedeutung der Kommunikationsfreiheiten für die private und öffentliche Meinungsbildung verkannt, die gerade jede Relativierung des
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468
Vgl. oben Rn. 238. Hoffmann-Riem, AK GG, 3. Auflage, Art. 5 Abs. 1 Rn. 158; Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 67. Vgl. BVerfGE 103, S. 44 – n-tv; dazu Gotomzyk, JuS 2002, S. 228 ff. „Sonderrechtstheorie“: kein Sonderrecht gegen eine Meinung. „Abwägungslehre“; Grundlegend zur verbindenden Definition der Rechtsprechung: BVerfGE 7, S. 198, 209 f.– Lüth; seitdem st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 25, S. 64 – Kommunisten; 28, S. 282, 292; 42, S. 143 – Deutschland-Magazin; 42, S. 163 – DeutschlandStiftung. So noch die ältere Auffassung, vgl. dazu BVerfGE 7, S. 198, 207 – Lüth.
D. Die Schranken der Kommunikationsfreiheitsrechte
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Schutzbereiches durch einfaches Gesetz verbietet.469 Seit dem Lüth-Urteil des BVerfG gilt vielmehr: “Die ,allgemeinen Gesetze’ müssen in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, dass der besondere Wertgehalt dieses Rechts ... auf jeden Fall gewahrt bleibt. Es findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die ‚allgemeinen’ Gesetze zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts ... ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen.”470 Die Anwendung der Schrankenregelung erfordert daher aus verfassungsrechtli- 279 chen Gründen eine Prüfung der Wechselwirkung von Grundrechtsgewährleistung und Schrankennorm. Erforderlich ist eine Rechtsgüterabwägung im Einzelfall, wobei das Recht zur Meinungsäußerung nur zurücktreten muss, wenn schutzwürdige Interessen eines anderen von höherem Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt würden. Bei der Abwägung ist insbesondere auf die Motive, das Ziel und den Zweck des Beitrages zur Massenkommunikation abzustellen. Der Geltungsbereich eines grundrechtsbeschränkenden einfachen Gesetzes wird im Sinne dieser Wechselwirkungslehre beeinflusst und ist als spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als sog. Schranken-Schranke zu beachten.471 Grundrechtsbeschränkungen sind folglich zulässig, wenn sie auf einem Gesetz 280 beruhen, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 GG entspricht und das außerdem unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG ausgelegt und angewandt worden ist. Im Einzelnen ist die Wechselwirkungslehre schon bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Grundrechts, sodann bei der Auslegung der Schrankenregelung und schließlich bei der Anwendung der Schrankenregelung zu beachten. Zweifelhaft erscheint deshalb die Verfassungsmäßigkeit des Stalking-Gesetzes (§ 238 StGB), das auch journalistische Tätigkeit – etwa bei der Recherche und Beobachtung von Personen mit dem Zweck der Gewinnung von Informationen für die Berichterstattung durch die Presse, weil die Regelung keinen besonderen Schutz der Presse vorsieht.472 Bereits bei der Bestimmung des Schutzbereichs der Kommunikations- 281 freiheitsgrundrechte ist zu beachten, dass sich der Sinn einer Äußerung grundlegend nach ihrem Kontext bestimmt; ein und demselben Wortlaut können gegebenenfalls ganz unterschiedliche Bedeutungen beigemessen werden. Daher ist der Gehalt einer Äußerung grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln.473 Eine unzulässige Grundrechtsbeschränkung liegt daher vor, wenn bei mehrdeutigen Äuße-
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Allg. Ansicht seit BVerfGE 7, S. 198, 207 – Lüth. BVerfGE 7, S. 198, 208 f. – Lüth; vgl. ferner BVerfGE 12, S. 113, 124 f.; 20, S. 176 f.; 60, S. 234 ff.; 61, S. 1, 10 f.; 71, S. 206, 214; Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Rn. 72 ff. St. Rspr. seit BVerfGE 7, S. 198, 208 f.; vgl. auch ausführlich E 35, S. 202, 219 ff. – Lebach; NJW 1992, S. 1439, 1440; kritisch Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), S. 60, 95 f. Vgl. Tillmann/Führ, ZUM 2005, S. 441 ff. Dazu oben Rn. 182; vgl. ferner Grimm, NJW 1995, S. 1697, 1700; Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), S. 60, 71 ff.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
rungen ohne weiteres von einer zu beanstandenden Deutung ausgegangen wird.474 Eine ungerechtfertigte Beschränkung der Kommunikationsfreiheit wird nach der sog. Variantenlehre des BVerfG angenommen, wenn unter mehreren möglichen Deutungen der Äußerung eine gegeben ist, bei der eine Beeinträchtigung des in Frage stehenden Rechtsguts ausscheidet, ohne dass diese Deutung mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen wurde (z.B. Mehrdeutigkeit bei ehrenrührigen Behauptungen).475 Diese Ausstrahlungswirkung der Kommunikationsfreiheitsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist grundsätzlich sowohl bei der Anwendung zivilrechtlicher als auch strafrechtlicher Normen bereits auf der Tatbestandsebene zu beachten. Bei der Anwendung zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche scheidet ein Anspruch auf Unterlassung der Persönlichkeitsverletzung durch mehrdeutige Meinungsäußerungen aber nicht deshalb aus, weil die in Frage stehende Äußerung auch eine nicht verletzende Deutungsvariante zulässt.476 Die Wechselwirkungslehre fordert weiter, dass bei der Gesetzesauslegung eine 282 erste Abwägung zwischen dem Grundrecht einerseits und dem rechtlich geschützten Interesse, dem das Eingriffsgesetz dient, andererseits vorgenommen wird. Ziel dieser Abwägung ist die verhältnismäßige Zuordnung kollidierender Rechtsgüter. Stellt sich dabei heraus, dass ein „Beitrag zum Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“ vorliegt, so spricht dies für einen Vorrang der Kommunikationsfreiheit.477 Ausschlaggebendes Gewicht kommt der Wechselwirkungsprüfung bei der 283 Normanwendung im konkreten Einzelfall zu; hier hat eine die besonderen Umstände berücksichtigende konkrete Abwägung zu erfolgen. 478 Bei dieser einzelfallbezogenen Güter- und Interessenabwägung genießt keines der kollidierenden Rechtsgüter Priorität.479 Bei den Kommunikationsfreiheitsgrundrechten treten Grundrechtskollisionen vor allem mit Persönlichkeitsrechten auf.480 Um differenzierte Lösungen im Konfliktfall zu erleichtern hat die Rechtsprechung besondere Abwägungskriterien entwickelt,481 die im Folgenden exemplarisch dargestellt werden sollen. Zunächst ist das Gefährdungspotential für das kollidierende Rechtsgut zu be284 rücksichtigen. Bei Werturteilen beispielsweise ist dieses wegen des subjektiven Bezugs regelmäßig geringer als bei Tatsachenbehauptungen, die gegenüber dem 474
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BVerfGE 82, S. 43, 52 – Strauß-Transparent; NJW 1994, S. 2943 – Soldaten sind Mörder; vgl. ausführlich Soehring, NJW 1997, S. 360, 362 f. m.w.N. und Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), S. 60, 75. BVerfGE 93, S. 266, 295 f.; vgl. auch E 114, S. 339, 348; BVerfG, NJW 2003, S. 13033, 1304. BVerfG, NJW 2006, S. 207 ff. BVerfGE 71, S. 206, 220; 68, S. 226, 232; 66, S. 116, 139; 61, S. 1, 11. BVerfG, NJW 1997, S. 2669, 2670 – Scientology; NJW 1973, S. 1226, 1228 – Lebach; BGH, AfP 1997, S. 634, 636; NJW 1996, S. 1128, 1129 – Caroline III. Ausführlich mit Blick auf die Rspr. des US-amerikanischen Supreme Court: Grimm. NJW 1998, S. 1697, 1701f. Zu Einzelheiten und Auswirkungen siehe unten Rn. 847 ff. Anschaulich z.B. BVerfGE 34, S. 269 – Soraya; E 35, S. 202 – Lebach.
D. Die Schranken der Kommunikationsfreiheitsrechte
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Rezipienten die Vorstellung objektiver Wahrheit erwecken können.482 Neben dem Ausmaß für den Betroffenen sind die eingesetzten Mittel zu berücksichtigen,483 wobei insbesondere auf die Beachtung gebotener journalistischer Sorgfalt abzustellen ist. Bei der Beurteilung der Schwere der Beeinträchtigung ist immer der gesamte Kommunikationszusammenhang zu berücksichtigen. Deshalb kann eine Verknüpfung von Anlass und Reaktion ein „Recht zum Gegenschlag“ geben oder die freiwillige Teilnahme am öffentlichen Meinungskampf erhöhte Duldungspflichten begründen. Bei Auseinandersetzungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage gilt eine „Vermutung zugunsten der freien Rede“. 484 Sie ist gerechtfertigt, weil in einer pluralistischen Gesellschaft harte Meinungs- und Interessengegensätze aufeinanderstoßen und spontane Einseitigkeiten, Schärfen, Irrtümer und Unrichtigkeiten unvermeidlich sind.485 Anders wird geurteilt bei Meinungsäußerungen über „Gegenstände ohne allgemeines Interesse und bei Auseinandersetzungen im privaten Bereich“.486 Entsprechendes gilt, wenn die Kommunikationsfreiheiten zur Förderung privater Wettbewerbsinteressen benutzt werden.487 In den Fällen von Formalbeleidigungen oder Schmähkritik genießt der Persönlichkeitsschutz immer Vorrang vor der Meinungsfreiheit.488 Die Medienfreiheit hat ebenfalls stets zurückzutreten, wenn die Menschenwürde angetastet wird, da der damit geschützte Kernbereich aller Grundrechte nicht abwägungsfähig ist.489 Die Frage nach dem Verhältnis der Schrankenregelungen zueinander stellt sich angesichts der besonderen Hervorhebung des Jugend- und Ehrenschutzes in Art. 5 Abs. 2 GG, da dieser Schutz durch die Vorschriften des Zivil- und Strafrechts ohnehin gesetzlich verbürgt ist und insoweit bereits vom generellen Vorbehalt der „allgemeinen Gesetze“ erfasst sein könnte. Diese Systematik spricht dafür, dass auch Jugend- und Ehrschutzbestimmungen zwar nicht die Meinungsfreiheit als solche einschränken dürfen, aber ihnen doch besondere Bedeutung im Rahmen der Güterabwägung zukommen soll.490 Die Auswahl der Mittel, mit denen den von den Medien ausgehenden Gefahren für die Entwicklung Jugendlicher zu begegnen versucht wird, liegt in weitem Ma482 483 484
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Vgl. BVerfG NJW 1992, S. 1439, 1441. BVerfGE 25, S. 256, 264 f., 266 f.; 75, S. 369, 380; BVerfG, NJW 1983, S. 1181, 1182. Vgl. nur BVerfGE 7, S. 198 – Lüth; NJW 1992, S. 1439, 1441; ausführlich Grimm, NJW 1995, S. 1697, 1703, 1704; Soehring, NJW 1997, S. 360, 367 m.w.N. in Fn. 131; kritisch Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), S. 60, 102 ff. Soehring, NJW 1997, S. 360, 367 mit Beispielen aus der jüngeren Rspr.; vgl. auch BVerfG, NJW 1992, S. 1439, 1440 f. BVerfGE 34, S. 129, 137; 24, S. 269 – Soraya. BVerfG, NJW 1983, S. 1181 f.; BGH, NJW 1985, S. 62, 63; NJW 1987, S. 1082 f. Siehe hierzu ausführlich oben zur Meinungsfreiheit; vgl. hier nur BVerfG, NJW 1992, S. 1439, 1440 m.w.N. BVerfGE 75, S. 369, 380. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 11 Rn. 10 ff. m.w.N.; a.A. Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 5 Rn. 244; unentschieden BVerfGE 30, S. 336, 353.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
ße im Regelungsermessen des einfachen Gesetzgebers. Gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG müssen aber die grundlegende Bedeutung der Kommunikationsfreiheitsrechte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.491 Die Schaffung der „Kommission für den Jugendschutz“ und die Einführung privater Selbstkontrolle durch den Rundfunkgesetzgeber, werden für verfassungskonform gehalten.492 Bei der Anwendung der Ehrschutzbestimmungen ist eine Interessenabwägung mit den Kommunikationsfreiheitsrechten des Art. 5 Abs. 1 GG erforderlich.493 Die Anforderungen technischer Zugangssperren für die Verbreitung von Pornografie in geschlossenen Benutzergruppen nach § 9 Abs. 2 JMStV wird unter dem Aspekt des Jugendschutzes für zulässig erachtet.494 III. Das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG 289 Zensurmaßnahmen, welche die Vervielfältigung und Verbreitung eines Geisteswerkes von einer Prüfung und Genehmigung abhängig macht, gehörten historisch betrachtet zu den wirksamsten Mitteln zur Unterdrückung der Meinungs- und Medienfreiheit.495 Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG zieht daraus die zu den Wesenselementen einer freiheitlichen Demokratie gehörende 496 Konsequenz, indem angeordnet wird: "Eine Zensur findet nicht statt." Das Zensurverbot gilt für alle Grundfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG gleichermaßen. Es ist nicht als eigenständiges Grundrecht, sondern als spezielle „Schranken-Schranke“ ausgewiesen.497 Das Zensurverbot stellt eine absolute Eingriffsschranke dar; sie ist unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen einer Schrankenregelung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG in jedem Fall unzulässig.498 Charakteristisches Merkmal der Zensur ist die planmäßige Überwachung des 290 Inhalts von Geisteswerken, um Erscheinen bzw. Verbreitung unerwünschter Werke zu unterbinden.499 Das Zensurverbot richtet sich allein gegen den Staat als Träger öffentlicher Gewalt.500 Einwirkungen auf die Kommunikationsfreiheiten durch Privatpersonen oder Leitungsorgane von Unternehmen oder Rundfunkanstalten etwa aus Gründen des Tendenzschutzes können unterfallen nicht dem Zensurver491 492 493 494 495
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498 499 500
Vgl. BVerfGE 30, S. 336, 348. Zum Jugendschutz siehe unter Rn. 1282 ff. Ladeur, ZUM 2002, S. 859 ff. Vgl. BVerfGE 54, S. 129, 136; zuletzt BVerfG, NJW 2000, S. 199, 200 m.w.N. BVerwGE 116, S. 5 ff. Zur Geschichte des Zensurverbots vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 4; vgl. auch unten Rn. 375 ff. Vgl. BVerfGE 20, S. 162 – Spiegel, mit Bezug zum Pressewesen. BVerfGE 33, S. 52, 53; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 5 Rn. 296; Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Rn. 919; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 66; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 7 Rn. 23 m.w.N. BVerfGE 33, S. 52, 53; Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 66. Vgl. Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 7 Rn. 21. v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 175.
D. Die Schranken der Kommunikationsfreiheitsrechte
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bot.501 Die „Selbstzensur“ innerhalb des eigenen Funktionsbereichs stellt damit keine Zensur i.S. des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG dar.502 Das Zensurverbot entfaltet keine Drittwirkung in Privatrechtsverhältnissen: redaktionelle Maßnahmen im Verhältnis Verleger/Redaktion,503 Überwachung der Programmgrundsätze durch den Rundfunkrat,504 Vorschriften der Schulverwaltung über den Inhalt von Schulbüchern505 üben keine Zensur aus. 506 Selbstkontrollinstanzen wie die Freiwillige Selbstkontrolle Filmwirtschaft (FSK) bzw. der Deutsche Presserat sind ebenfalls keine Zensureinrichtungen, weil und solange es keinen staatlichen Einfluss auf die Kontrollgremien gibt.507 Das Zensurverbot betrifft die nach überwiegender Auffassung allein die sog. 291 Vorzensur.508 Dabei handelt es sich nach dem herrschenden formellen Zensurbegriff509 um präventive Maßnahmen, die die Herstellung oder Verbreitung von Geistesinhalten von einer behördlichen Vorprüfung oder Genehmigung abhängig machen.510 Kontroll- und Repressivmaßnahmen, die erst nach der Veröffentlichung einsetzen, sind danach als sog. Nachzensur daher nicht am Zensurverbot, sondern an den sonstigen Schrankenregelungen zu messen.511 Daraus folgt, dass für bereits veröffentlichte Geisteswerke die allgemeinen Regeln der Kommunikationsfreiheiten und ihre sich aus Art. 5 Abs. 2 GG ergebenden Schranken gelten.512 Die Verfassung geht von einem formellen Zensurbegriff aus, verbietet also nur 292 formelle behördliche Prüfungs- und Genehmigungsverfahren, erfasst dagegen nach h.M. keine faktischen Beeinträchtigungen von Beiträgen zur öffentlichen Meinungsbildung.513 Unerheblich ist außerdem, welches Ziel die Zensur verfolgt, solange sie sich nur als inhaltliche Prüfung darstellt.514
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Unter Aufgabe der in der Vorauflage vertretenen Ansicht siehe Jarass/Pieroth, GG, a.a.O., Art. 5 Rn. 63 f. Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 64. Vgl. Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 64. Vgl. Starck, JZ 1978, S. 306. Vgl. BVerwG, JR 1973, S. 437. Vgl. Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Rn. 921. Starck, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.1, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 177. Vgl. nur Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 1 LPG Rn. 128 ff. Vgl. BVerfGE 33, S. 52, 72 sowie Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 1 Rn. 129. Sog. „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“, siehe: BVerfGE 33, S. 52, 72; 47, S. 198, 236; 73, S. 118, 166; 83, S. 130, 155; 87, S. 209, 232; v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, S. 2, 4; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 62. BVerfGE 33, S. 52, 72; näher zum Meinungsstand unter Rn. 378. Vgl. BVerfGE 33, S. 52, 72; 47, S. 198, 237; Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 62; zur Einbeziehung der Nachzensur in den Verbotsbereich vgl. Rn. 378. Vgl. BVerfGE 33, S. 52, 72; Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 65 m.w.N.; v.Hartlieb/Schwarz, a.a.O., S. 5 m.w.N. Wendt, a.a.O., Art. 5 Rn. 63.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
IV. Verfassungsimmanente Schranken 293 Ungeschriebene, verfassungsimmanente Schranken sind zu beachten, wenn die Betätigung der Freiheitsrechte des Art. 5 Abs. 1 GG zu einer Kollision mit anderen Verfassungsnormen führt. Beispielsweise können Äußerungen in den Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG oder in die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG eingreifen oder aufgrund von Art. 9 Abs. 2 GG bzw. 21 Abs. 2 GG untersagt werden.515 Ähnliche Kollisionslagen können sich aus dem das Berufsbeamtentum regelnden Art. 33 Abs. 5 GG im Zusammenhang mit der einfach gesetzlich geregelten Pflicht zur Amtverschwiegenheit sowie der politischen Betätigung innerhalb und außerhalb des Dienstes ergeben.516
E. Exkurs: Art. 10 EMRK 294 In den Konventionsstaaten der EMRK werden die Kommunikationsfreiheiten der Bürger auch durch Art. 10 EMRK geschützt. Die von der Beratenden Versammlung des Europarats verfasste Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wurde als völkerrechtlicher Vertrag am 4. November 1950 in Rom unterzeichnet und ist nach der Ratifizierung durch zehn Staaten am 3. September 1953 in Kraft getreten.517 Im Laufe der Zeit sind alle Mitgliedstaaten des Europarats der Konvention beigetreten. In der Bundesrepublik Deutschland hat die EMRK nach der Zustimmung durch den Bundesgesetzgeber mit förmlichem Gesetz518 gemäß Art.59 Abs. 2 GG seit 1953 den Rang eines Bundesgesetzes.519 Gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV ist sie zugleich Teil des Rechts der Europäischen Gemeinschaften.520 Die EMRK ist durch zahlreiche Zusatzprotokolle ergänzt worden,521 von denen 295 das 11. Zusatzprotokoll522 zu erwähnen ist, welches das Rechtsschutzsystem dadurch grundlegend neu gestaltet hat, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als ständiger Gerichtshof eingerichtet wurde und seither als Kontrollorgan an die Stelle der bis dahin tätigen Europäischen Kommission für Menschenrechte und des seinerzeit nicht ständig tagenden Gerichtshofs getreten ist. Art. 10 gewährleistet in seinem Abs. 1 Satz 1 zunächst die allgemeine Äuße296 rungsfreiheit, die in Satz 2 dadurch konkretisiert wird, dass sie die Freiheit einschließt, Meinungen zu haben sowie Informationen und Ideen zu empfangen und mitzuteilen ohne Eingreifen öffentlicher Gewalt und ohne Rücksicht auf Grenzen. 515
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Vgl. BVerfGE 25, S. 44, 57. Vgl. dazu Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 5 Rn. 86. Vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Auflage 1996, Einf. Rn. 1 ff. BGBl. II 1952, S. 685 ff. BVerfGE 74, S. 358, 370; 82, S. 106, 120. EuGH, Slg. 1974, S. 491 ff.; Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf, Art. 6 EUV, Rn. 47 ff. Vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, 2. Auflage 2006, Einl. Rn. 44 ff. Abgedruckt in: EUGRZ 1994, S. 326 ff.
E. Exkurs: Art. 10 EMRK
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Abs. 1 Satz 3 enthält eine besondere Regelung für Rundfunk, Fernsehen und Film. In Art. 10 Abs. 2 werden die Möglichkeiten der Freiheitsbeschränkungen festgelegt. Art. 10 EMRK enthält damit umfassende Freiheitsrechte, die sowohl die Äußerungs- und Mitteilungsfreiheit wie die Medienfreiheit für Presse, Rundfunk und Film einschließt. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung ein liberales Verständnis der 297 Gewährleistungen des Art. 10 zur Geltung gebracht und insbesondere zur Abwägung zwischen der Berichterstattungsfreiheit der Presse und dem Persönlichkeitsschutz nach Art. 8 EMRK sowie in Anwendung des Art. 10 EMRK auf die nationale Rundfunkordnung eigene Grundsätze entwickelt, die teilweise in einem Spannungsverhältnis zum nationalen (Verfassungs-)Recht stehen und deshalb besondere Beachtung verdienen. Im vorliegenden Rahmen muss sich die Darstellung - ohne auf Einzelheiten eingehen zu können523 - auf das Verhältnis der EMRK auf das nationale Recht, eine knappe Darstellung des Schutzbereichs sowie der Schrankenregelung konzentrieren. Der EMRK in der Auslegung durch die Rechtsprechung des Europäischen Ge- 298 richtshofs für Menschenrechte kommt schon deswegen eine hervorragende Bedeutung im Medienrecht zu, weil sich der in seinen Grundrechten verletzt fühlende Bürger nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges an den Gerichtshofs mit der sog. Menschenrechtsbeschwerde nach Art. Art. 25 wenden kann.524 Liegt ein Verstoß gegen die Konvention vor, bestimmen sich die Rechtsfolgen nach völkerrechtlichen Grundsätzen.525 Die Staaten sind danach gehalten, ihre innerstaatliche Rechtsordnung konventionsgemäß zu gestalten.526 Verstoßen Gerichtsentscheidungen gegen Art. 10 EMRK, besteht keine völkerrechtliche Verpflichtung, die Rechtskraft dieser Gerichtsentscheidung zu beseitigen;527 allerdings dürfen die Entscheidungen des Gerichtshofs vor deutschen Gerichten auch nicht unberücksichtigt bleiben.528 I. Verhältnis zum nationalen Recht Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung deutlich gemacht, dass die EMRK in 299 der Auslegung des EGMR wegen ihres Gesetzesrangs von den deutschen Gerichten wie jedes andere Gesetzesrecht des Bundes zu beachten und anzuwenden ist.529 Die EMRK hat völkerrechtlichen Charakter, in der Bundesrepublik Deutschland aber keinen Verfassungsrang. Deswegen kann sich ein Spannungsverhältnis zum 523
524 525
526 527 528 529
Vgl. näher Schulz, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 3. Abschnitt Rn. 4 ff. Näher Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Auflage 1996, Art. 25. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Auflage 1999, Rn. 233. EGMR, EuGRZ 2004, S. 268, 275 – Assanidze/Georgien. BVerfG, EuGRZ 1985, S. 654. BVerfGE 111, S. 307, 315 ff. – Görgülü. BVerfGE 111, S. 307, 315 ff. – Görgülü.
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§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
nationalen Verfassungsrecht bilden. Dem versucht das BVerfG dadurch vorzubeugen, dass es das Grundgesetz völkerrechtsfreundlich auslegt und bei der Auslegung der Grundrechte den Konventionstext und die dazu ergangene Rechtsprechung des EGMR heranzieht. Letztlich aber bildet das nationale Verfassungsrecht die Grenze konventionsfreundlicher Auslegung. Die EMRK kann den nach dem Grundgesetz bestehenden Grundrechtsschutz weder beseitige noch einschränken.530 Deshalb kann auch keine Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erhoben werden, es läge eine Verletzung der Grundfreiheiten der EMRK vor.531 II. Sachlicher und persönlicher Schutzbereich 300 Der Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EMRK schützt sämtliche Meinungskundgaben, ohne das es darauf ankommt, in welcher Form, in welchem Medium und mit welchem Inhalt sie geäußert werden.532 Nach anerkannter Auffassung kommt es für die Anwendung von Art. 10 EMRK nicht darauf an, über welches Medium die Meinungsäußerung erfolgt, so dass auch die Kommunikation über Massenmedien, obwohl sie in Art. 10 EMRK keine ausdrückliche Erwähnung gefunden hat, erfasst wird.533 Der Schutz der Informationsfreiheit in Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK schützt 301 sowohl den (passiven) Empfang von Informationen als auch das (aktive) Bemühen, an Informationen zu gelangen.534 Ein Anspruch auf Information gegenüber dem Staat oder privaten wird dadurch allerdings nicht begründet.535 Art. 10 EMRK eröffnet den Schutz natürlicher und juristischer Personen536 vor 302 Eingriffen in die Kommunikationsfreiheiten durch den Konventionsstaaten zurechenbare Handlungen. Dieser abwehrrechtliche Gehalt wirkt auch in Privatrechtsverhältnisse hinein; der EGMR hat in seiner Rechtsprechung zu Art. 10 EMRK entschieden, dass Staaten gegen die Freiheiten der Konvention verstoßen, wenn sie die unter ihrer Hoheitsgewalt stehenden Personen nicht gegen Freiheitsbeeinträchtigungen schützen, die von Privaten ausgehen.537 Der EGMR leitet aus Art. 10 EMRK einen Auftrag an die Konventionsstaaten 303 ab, die Kommunikationsfreiheiten auch gegenüber Gefährdungen durch Dritte zu 530 531 532
533
534 535
536 537
BVerfG, NJW 2001, S. 2245 ff. BVerfG, EuGRZ 2004, S. 317, 318. EGMR, Urt. V. 24.2.1994 – Casado Coca/Spanien für den Bereich der Werbung; vgl. auch Meyer-Ladewig, 2. Auflage 2006, Art. 10 EMRK, Rn. 4 f. Harris/O’Boyle/Warbrick, Law of the European Convention on Human Rights, 1996, S. 378 f. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Auflage 1996, Art. 10 Rn. 13. EGMR, EuGRZ 1999, S. 188 – Guerra u.a./Italien; EGMR, Urteil v. 26.3.1987 – Leander/Schweden; Villinger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Auflage 1999, Rn. 611 f. EGMR, EuGRZ 1996, S. 302 – markt intern Verlag und K. Beermann/Deutschland. Z.B. EGMR, EuGRZ 2004, S. 404 – v.Hannover/Deutschland; näher zur Frage der Drittwirkung der EMRK Meyer-Ladewig, 2. Auflage 2006, Art. 10 EMRK Rn. 9.
E. Exkurs: Art. 10 EMRK
113
schützen.538 Daraus hat er weiter gefolgert, dass der Staat durch seine Rechtsordnung die Rechte der Bürger (etwa auf Persönlichkeitsschutz nach Art. 8 EMRK) auch gegenüber der Medienberichterstattung zu schützen habe.539 Der Gerichtshof hat vor diesem Hintergrund die Grenzen des Persönlichkeitsschutzes in eigenständiger, nur vom Konventionsrecht geprägter Weise gezogen. Er hat dabei die Grenzziehung für die Freiheit der Berichterstattung über zeitgeschichtlich bedeutsame Personen nach deutschem Recht in Frage gestellt und den Rahmen für erlaubnisfreie Bildberichterstattung restriktiver bestimmt. Der BGH hat daraufhin die schematische Anwendung der Rechtsfigur der „absoluten Person der Zeitgeschichte“ als Maßstab für die Berichterstattungsfreiheit in seiner Rechtsprechung aufgegeben und seine Maßstäbe bei der Abwägung der berührten Belange im Zusammenhang mit der Festlegung der Grenzen für die Berichterstattungsfreiheit der Rechtsprechung des EGMR angenähert.540 Damit aber können die nach vorrangigem deutschen Verfassungsrecht in der Auslegung des BVerfG bestehenden Freiheitsspielräume für die mediale Berichterstattung in bedenklicher Weise eingeengt werden.541 Die Vereinbarkeit von Regelung zur Vielfaltsicherung nach Art der deutschen 304 Rundfunkordnung mit Art. 10 EMRK wird nicht einheitlich behandelt. Während solche Regelungen vereinzelt als Gewährleistungsregeln angesehen werden, die nach Art. 10 Abs. 1 EMRK zu beurteilen sind, wird überwiegend angenommen, dass es sich um Eingriffe in die Konventions-Freiheitsrechte handelt, die den Anforderungen des Abs. 2 genügen müssen.542 III. Schranken Beschränkungen der Freiheiten nach Abs. 1 müssen den drei Kriterien des Abs. 2 305 entsprechen. Das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage verlangt, dass der in Frage stehende Rechtsakt der betroffenen Person zugänglich ist, diese die anstehenden Konsequenzen vorherzusehen vermag und die relevante Norm hinreichend bestimmt ist.543 Mit dem Maßstab der Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft ver- 306 bindet der EGMR vor allem eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Dabei werden den Konventionsstaaten zwar grundsätzlich Beurteilungsspielräume zuerkannt; geht es aber um Fragen von öffentlichem Interesse oder großer wirtschaftlicher Bedeutung privilegiert der Gerichtshof journalistische Äußerungen wegen ihrer
538 539 540 541
542 543
EGMR, Urt. V. 16.3.2000 – Özgür Gündem/Türkei. EGMR, EuGRZ 2004, S. 404 – v.Hannover/Deutschland. BGH NJW 2007, S. 1977, 1978 – Caroline von Hannover. Vgl. Heintschel v. Heinegg, AfP Sonderheft 2007, S. 40 ff.; Starck, JZ 2006, S. 76 ff.; Stürner, AfP 2005, S. 213 ff.; Gersdorf, AfP 2005, S. 221 ff.; vgl. noch unter 852 ff. Vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Auflage 1999, Art. 10 Rn. 9. EGMR, EuGRZ 1990, S. 325 – Groppera/Schweiz, Rn. 68; 1979, S. 386 – Sunday Times/Vereinigtes Königreich, Rn. 49.
114
§ 4 Die Kommunikationsfreiheitsrechte des Grundgesetzes
Bedeutung für die Entfaltung demokratischer Prozesse und akzeptiert grundsätzlich keine Beschränkungen.544 Für Regelungen, welche von der nach Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK eröffneten 307 Möglichkeit Gebrauch machen, Genehmigungsvorbehalte für die Veranstaltung von Rundfunk vorzusehen, hat der EGMR entschieden, dass solche Regelungen zusätzlich an Art. 10 Abs. 2 EMRK und damit am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen sind.545 In Deutschland wird diese Rechtsprechung im Hinblick darauf, dass solche Regelungen keine Schrankensetzung für die Rundfunkfreiheit zum Gegenstand hätten, kritisiert.546
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545
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EGMR, NJW 2006, S. 1255 – Steel u. Morris/Vereinigtes Königreich; NJW 2001, S. 1995 – Baskaya/Türkei; EuGRZ 1979, S. 386 – Sunday Times/Vereinigtes Königreich, Rn. 50. EGMR, EuGRZ 1990, S. 255 – Goppera/Schweiz; Meyer-Ladewig, 2. Auflage 2006, Art. 10 EMRK, Rn. 37. Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, 1994, S. 282 ff.
2. Abschnitt: Regelungsziele und Rechtsgrundsätze
Der übergreifende Charakter des Medienrechts zeigt sich in übereinstimmenden 308 Regelungszielen und Rechtsgrundsätzen. Beruhend auf europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundlagen finden sie in den einfachgesetzlichen Regelungen des Medienrechts quer in allen Regelungsbereichen des Medienrechts Niederschlag. Nachfolgend werden diese allgemeinen Regelungsziele und Regelungsgrundsätze zusammenhängend vorgestellt, bevor ihre gesetzestechnische Ausprägung in den Rechtsregeln und Rechtsbehelfen des besonderen Medienrechts behandelt wird.
§ 5 Regelungsziele des Medienrechts
Literatur DiFabio, AfP, Sonderheft 2007, S. 3 ff.; Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008, BT-Drs. 16/11570, S. 14 ff.; Hans-Bredow-Institut, Wissenschaftliches Gutachten zum Kommunikations- und Medienbericht der Bundesregierung, 2008, S. 283 ff.
Die Regelungsziele des Medienrechts lassen sich danach unterscheiden, dass ein 309 Teil einen auf das Kommunikationsgeschehen gerichteten Bezug aufweist, während ein anderer Teil, nicht-kommunikationsbezogene Ziele zum Gegenstand haben. Erstere sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich unmittelbar auf die Funktionsfähigkeit der massenmedialen Kommunikationsordnung beziehen, während der Schutz nicht-kommunikationsbezogener Ziele auf die in der allgemeinen Rechtsordnung geschützten Rechte und Interessen im Zusammenhang mit der Betätigung der Massenmedien abzielt. An dieser Stelle soll die verfassungsrechtliche Frage nach der Einordnung der jeweiligen Regelungsziele als Ausgestaltungsregeln der Kommunikationsfreiheitsrechte bzw. als deren Schrankenregelungen dahingestellt bleiben. Auf diese Frage wurde bereits im Zusammenhang der Darstellung der Grundrechte des Art. 5 GG eingegangen; auf sie wird an dieser Stelle verwiesen.1
1
Vgl. Rn. 166 ff.
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§ 5 Regelungsziele des Medienrechts
A. Kommunikationsbezogene Regelungsziele I. Gewährleistung einer Kommunikationsinfrastruktur 310 Massenmediale Kommunikation kommt ohne eine entsprechende Kommunikationsinfrastruktur nicht aus. Unzureichende Kommunikationsinfrastrukturen verhindern, dass Kommunikatoren ihre Inhalte verbreiten und Rezipienten Medienangebote erreichen können. Letztlich gilt diese Binsenweisheit für sämtliche Medien, auch wenn die Infrastrukturbedingungen von Medium zu Medium verschieden sind. Presse und Bücher beispielsweise brauchen ein funktionsfähiges Vertriebssystem, beim Rundfunk hängt die Rundfunkfähigkeit der Bürger von der Verfügbarkeit auch der erforderlichen Infrastruktur ab, die nach der Art der Übertragung auf herkömmlichem terrestrischem Wege, über das Kabel oder über Satelliten variiert. Keine andere Kommunikationsform hat allerdings die Notwendigkeit einer funktionsfähigen Infrastruktur so sehr deutlich gemacht wie die elektronische Kommunikation. Der Zugang zum Telekommunikationsnetz ist die unverzichtbare technische Bedingung für Varianten elektronischer Kommunikation, für gewerbliche Anbieter nicht anders als für private oder gewerbliche Nutzer. Deshalb legt der 1994 im Zuge der Liberalisierung und Privatisierung des Telekommunikationswesens2 in die Verfassung eingefügte Art. 87 lit. f Abs. 1 GG fest, dass der Bund im Bereich der Telekommunikation „flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen“ gewährleistet. Die Regelung zielt darauf ab, ein Maß an Kommunikationsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen, auf dem sich ein modernes Kommunikationswesen entwickeln und entfalten kann. Aus der Regelung in Art. 87 lit. f Abs. 2 GG wird deutlich, dass die Gewähr311 leistungsaufgabe keine Verpflichtung zu unmittelbar staatlicher Aufgabenerfüllung enthält; der Inhalt der Gewährleistung ist dem Gesetzgeber zur näheren Bestimmung überlassen. Die Infrastrukturgewährleistung bezeichnet somit keine Verpflichtung zur Leistungsbereitstellung oder Aufgabenerfüllung durch den Staat; die notwendigen Maßnahmen können auch durch private Anbieter erbracht werden. Die Verfassung beschreibt aber einen staatlichen Infrastruktursicherungsauftrag, ein sozialstaatlich motiviertes Staatsziel.3 Insofern verleiht die Vorschrift einer neuen Form staatlicher Aufgabenwahrnehmung Ausdruck, die als Wandel von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung treffend gekennzeichnet wird.4 Bei der gebotenen gesetzlichen Ausformung des medienrechtlichen Regelungs312 ziel der Gewährleistung einer funktionsfähigen Kommunikationsinfrastruktur geht es darum, wie der Staat seine Gewährleistungsverantwortung wahrnehmen kann und zugleich private Anbieter motivieren kann, die Erfüllung öffentlicher Aufga2 3
4
Vgl. oben Rn. 166 ff. Vgl. Badura, in: BK GG, Art. 87f Rn. 26, 28; Sachs, GG, 5. Auflage 2009, Art. 87f Rn. 8; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998, S. 256 ff. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, 1998, S. 15 ff.; Freund, Infrastrukturgewährleistung in der Telekommunikation, 2002, S. 8 ff.
A. Kommunikationsbezogene Regelungsziele
117
ben staatsentlastend zu übernehmen. Im Bereich der traditionellen Medien mag dafür die Errichtung eines Systems zur Gewährleistung unverfälschten Wettbewerbs genügen;5 einen besonderen Verfassungsauftrag gibt es dafür nicht. In der Telekommunikation schließt der Infrastruktursicherungsauftrag des Grundgesetzes aus, dass sich der Staat aus der Telekommunikation zurückzieht und diesen Bereich des Medienrechts dem Spiel der freien Kräfte überlässt. Die Verfassung sieht es gerade nicht als gewährleistet an, dass in einem solchen Fall flächendeckend angemessene und ausreichende Telekommunikationsdienstleistungen zur Verfügung stehen. Der nach Art. 87 lit. f GG bestehende Auftrag zielt nicht auf eine optimale Inf- 313 rastruktur, sondern auf eine Grundversorgung, die angemessen in der Qualität, ausreichend in der Quantität und flächendeckend in ihrer geografischen Verfügbarkeit zu sein hat.6 Das Ausmaß des Infrastruktursicherungsauftrags wird in der Verfassung nicht im Detail festgelegt, soll vielmehr nach „Maßgabe eines Bundesgesetzes“ geregelt werden. Aus der Verfassungsbestimmung läßt sich aber ableiten, dass mit ihr mehr als nur die Gewährleistung eines technischen Standards gemeint ist. Die Gewährleistungsaufgabe des Art. 87 lit. f GG verfolgt auch und nicht zuletzt ein kommunikationsbezogenes Ziel.7 Es geht darum, die Voraussetzungen für eine moderne Kommunikation in allen ihren Erscheinungsformen der öffentlichen, privaten oder wirtschaftlichen Kommunikation zu gewährleisten. Insofern kommt der Gewährleistung einer angemessenen und flächendeckenden Kommunikationsinfrastruktur die Bedeutung eines grundlegenden Regelungszieles des Medienrechts zu. II. Öffnung des Zugangs und Gewährleistung chancengleichen Zugangs zur Kommunikationsinfrastruktur Das Vorhandensein einer funktionsfähigen Kommunikationsinfrastruktur allein 314 genügt nicht zur Verwirklichung der Kommunikationsfreiheiten des Grundgesetzes. Ohne chancengleichen Zugang der Petenten zu dieser Kommunikationsinfrastruktur bestünden zunächst Gefahren der Monopolisierung in den Händen der Infrastrukturinhaber. Vor allem in der Konsequenz des Wandels staatlicher Leistungsverantwortung zu staatlicher Gewährleistungsverantwortung hat der Staat zu verhindern, dass an die Stelle des staatlichen Infrastrukturmonopols ein privates Monopol tritt.8 Setzt der Staat an die Stelle eigener, also staatlicher Leistungsbereitstellung eine bloße staatliche Gewährleistungsverantwortung, umfasst diese zugleich eine Gewährleistungsverantwortung für die Öffnung und Offenhaltung des Zugangs zur Kommunikationsinfrastruktur. Erst der chancengleiche Zugang zur Kommunikationsinfrastruktur gewährleistet die Möglichkeit der Ver5 6 7
8
Vgl. dazu Rn. 450 ff. Sachs, GG, 5. Auflage 2009, Art. 87f Rn. 10. Vgl. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen im Gewährleistungsstaat, 1998, S. 175 ff. Vgl. oben Rn. 81 ff.
118
§ 5 Regelungsziele des Medienrechts
wirklichung der Kommunikationsfreiheitsrechte der Verfassung. Erst wenn über die bestehende Infrastruktur insbesondere die Kommunikate an die Allgemeinheit gerichtet und von der Allgemeinheit empfangen und genutzt werden können, wird der Staat seiner Gewährleistungsverantwortung gerecht. Der Staat hat insbesondere im Zuge des Abbaus und der Privatisierung originär staatlicher Vorsorge für den Bestand einer leitungsfähigen Kommunikationsinfrastruktur zusätzlich dafür zu sorgen, dass ein chancengleicher Zugang zu der in privater Hand befindlichen Infrastruktur gewährleistet ist. Das Regelungsziel chancengleichen Zugangs zur Kommunikationsinfrastruktur 315 ist zunächst für den Bereich des Rundfunks behandelt worden. Die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG bedeutet nicht nur, dass sich der Staat jeden Eingriffs in die Veranstaltung von Rundfunk zu enthalten hat.9 Die Rundfunkfreiheit wird darüber hinaus - vor allem in Ansehung der Chancen und Risiken des digitalisierten Fernsehens – auch so verstanden, dass die Freiheit des Zugangs zum Rundfunk gewährleistet ist.10 Zentrale Bedeutung hat das Regelungsziel in der Telekommunikation erlangt. 316 Die Öffnung des Zugangs und die Gewährleistung chancengleichen Zugangs in der Telekommunikation ist der im Gemeinwohlinteresse unabdingbare Widerpart der Anerkennung privater Infrastrukturmonopole in der Netzwirtschaft der Telekommunikation.11 Für die Verwirklichung des Regelungsziels stehen vor allem zwei Instrumentenkästen zur Wahl: Das Regulierungsrecht setzt auf einen missbrauchsvorbeugenden Interessenausgleich zwischen Netzbetreibern und Netznutzern durch staatlich regulierten Netzzugang und die technologieneutrale Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte. Das Kartellrecht verfolgt den Ansatz einer Missbräuche bekämpfenden ex-post-Kontrolle und sieht in der Infrastrukturförderung keine seinem Regelungsmodell adäquate Ordnungsaufgabe. Das deutsche Telekommunikationsrecht hat sich in Umsetzung der europäischen Vorgaben für das Regulierungsmodell unter der Führung und Kontrolle der Bundesnetzagentur entschieden; zugleich hat der Gesetzgeber angeordnet, dass die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich anwendbar bleiben (§ 2 Abs. 3 TKG). Das TKG hat die Sicherstellung chancengleichen Wettbewerbs und die Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte der Telekommunikation zu seiner kardinalen Zielen bestimmt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG); sein regulierungsrechtlicher Charakter kommt überdies in den Vorschriften über die Netzzugangsverpflichtungen (§§ 16 ff. TKG) und den Regelungen über die Telekommunikationsentgelte (§§ 27 ff. TKG) zum Ausdruck. Das Regelungsziel kommt darüber hinaus in weiteren Bereich zum Ausdruck. 317 Die Offenhaltung der Kommunikationsinfrastrukturen erfolgt insbesondere mit den Mitteln der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen im Medienbe-
9 10
11
Vgl. oben Rn. 237 ff. Vgl. Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen – Regulierungskonzepte und perspektiven, 1999, S. 99 ff. Vgl. zu diesem Verständnis des modernen Telekommunikationsrechts Säcker, in: Berliner Kommentar zum TKG, 2006, Einl. Rn. 14.
A. Kommunikationsbezogene Regelungsziele
119
reich, namentlich im Printmedien- und Rundfunkmedienbereich.12 Zunehmend ist deutlich geworden, dass durch crossmediale Verflechtungen die Gefahr der Verstopfung des Zugangs zur Kommunikationsinfrastruktur und zur Vermachtung von Meinungsmärkten entsteht.13 Deren Bekämpfung dient nicht nur der Gewährleistung von Meinungsvielfalt14 sondern auch der Gewährleistung chancengleichen Zugangs für neue Anbietern und zu neuen Kommunikationsformen.15 III. Gewährleistung publizistischer Vielfalt Die Gewährleistung von Meinungsvielfalt im Massenkommunikationsgeschehen, 318 nämlich die Gewährleistung, dass in den Massenkommunikationsmedien die Vielfalt der vorhandenen Meinungen zum Ausdruck kommen kann, gehört ebenfalls zu den grundlegenden Zielen des Medienrechts. Es hat in der Rechtsprechung des BVerfGs zum Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG einen hervorragenden Platz eingenommen.16 Das BVerfG hat die Meinungsfreiheit als „schlechthin konstituierend“ für das Funktionieren der demokratischen Ordnung angesehen und zum Ausdruck gebracht, dass diese Meinungsbildung in einem freiheitlich demokratischen Staat notwendig „pluralistisch“, nämlich „im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen vor allem in Rede und Gegenrede“ erfolge.17 Die „institutionelle Garantie“ der Meinungsfreiheit hat das BVerfG auch auf die Medien erstreckt, die die wichtigsten Instrumente zur Bildung der öffentlichen Meinung seien.18 Es folgert daraus, dass sich auch in den Medien die Vielfalt der Meinungen widerspiegeln müsse.19 Vor diesem Hintergrund stellt sich für die Ordnung des Massenkommuni- 319 kationswesens allein die Frage, wie das Ziel der Gewährleistung von Meinungsvielfalt zu verwirklichen sind. Für die einzelnen Massenmedien sind dabei unterschiedliche Konzepte entwickelt worden. Für die Presse wird angenommen, dass die Meinungsvielfalt durch den Wettbewerb und seine Gewährleistung durch die Wettbewerbsordnung hinreichend gesichert sei. Für den Rundfunk dagegen wird „wegen der stärkeren Intensität des optischen Eindrucks und der Kombination von Bild und Ton, vor allem aber aus der ungleich größeren Reichweite ... eine Son-
12 13
14
15 16 17 18 19
Vgl. dazu näher unter Rn. 518 ff. Hain, K&R 2006, S. 325 ff.; Gounalakis/Zagouras, NJW 2006, S. 1624 ff.; dies., AfP 2006, S. 93 ff. Dörr, in: Festschrift für Mailänder, 2006, S. 481 ff.; Kübler, in: Prütting/Kübler u.a. Marktmacht und Konzentrationskontrolle auf dem Fernsehmarkt, 2000, S. 7 ff. Engel, Medienordnungsrecht, 1996, S. 27 ff. Vgl. Rn. 215 ff. BVerfGE 12, S. 205 260 ff. – Deutschland-Fernsehen BVerfGE 35, S. 202, 235. BVerfGE 57, S. 295, 319 ff. – FRAG; 73, S. 118, 152 f. – Niedersachsen; 74, S. 297, 320 – BaWü; 83, S. 238, 320 – WDR.
120
§ 5 Regelungsziele des Medienrechts
derstellung“ reklamiert.20 Die Gewährleistung publizistischer Vielfalt steht wegen der Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft des Rundfunks21 im Zentrum der medienrechtlichen Ordnung. Für Telemedien wiederum verfolgt der Gesetzgeber ein Regelungskonzept, das unbeschadet bestimmter Ge- und Verbote22 vor allem auf den Markt und wettbewerbsrechtliche Instrumentarien zur Gewährleistung von Meinungsvielfalt setzt. IV. Förderung der Qualität von Medienangeboten 320 Dem Staat ist nach der Verfassungsordnung verwehrt, direkten Einfluss auf die Medienangebote zu nehmen. Die Erstellung und Verbreitung von Medienangeboten liegt nach dem GG allein bei den Grundrechtsträgern. Andererseits trägt der Staat die ihm verfassungsrechtlich obliegende Verantwortung und Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen und zu fördern, die den Grundrechtsträgern als Medienanbietern ein qualitativ hochwertiges Medienangebot ermöglichen.23 Ohne qualitativ hochwertige Medien kann sich die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit nicht entwickeln und diese könnte dann auch nicht ihre als „schlechthin konstituierend“ angesehene Bedeutung für das Funktionieren der demokratischen Ordnung entfalten.24 Insbesondere in den Bereichen der angemessenen Beteiligung der Urheber an den wirtschaftlichen Ergebnissen ihres geistigen Schaffens,25 der Stärkung der Selbstkontrolleinrichtungen der Medien26 und der fortlaufenden Entwicklung des Jugendmedienschutzes27 zeigen sich Schwerefelder des Medienrechts, mit denen die Rahmenbedingungen für eine Stärkung qualitativ hochwertiger Medienangebote und für einen Qualitätsjournalismus gesetzt werden. V. Gewährleistung von Rezipientenschutz 321 Der Schutz der Rezipienten im Massenkommunikationsgeschehen ist ein weiteres Regelungsziel des Medienrechts, das sich unmittelbar auf den Kommunikationsprozess bezieht. Für den Rezipienten muss insbesondere der Charakter der dargebotenen Information transparent sein. Im Interesse der Gewährleistung der Meinungsbildungsfreiheit reicht es nicht aus, die Kommunikationsinhalte von staatlichen Einflüssen frei zu halten. Für die Meinungsbildung des Rezipienten ist 20 21 22 23
24
25 26 27
BVerfGE 35, S. 202, 227; 90, S. 60, 88. BVerfGE 97, S. 228, 256; Urt. vom 11.9.2007, S. 46. Vgl. §§ 54 ff. RStV und §§ 5 ff. TMG; vgl. dazu Rn. 1421 ff. So Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008, BT-Drs. 16/11570, S. 19. Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008, BT-Drs. 16/11570, S. 18 f. Rn. 620 ff. Rn. 1387 ff. Rn. 1221 ff.
A. Kommunikationsbezogene Regelungsziele
121
es zunächst von Bedeutung zu erfahren, welchem Urheber die dargebotenen Inhalte zuzuordnen. Weiterhin müssen die Arten von Kommunikaten unterscheidbar sein. Beispielsweise hat der Rezipient ein berechtigtes Interesse daran, redaktionell gestaltete Kommunikationsangebote von Werbung unterschieden zu können, wenn damit er in der Lage ist, sein Urteil über die Inhalte frei zu bilden. Im medienrechtlichen Gebot der Trennung von Werbung und Programm 28 wird dieser Zielsetzung Rechnung getragen. Die Transparenz der Herkunft einer bestimmten Information zielt nicht nur auf 322 den Schutz von Urhebern schöpferischer Leistungen,29 sondern auch darauf, dass Rezipienten einschätzen können müssen, vom wem bestimmte Kommunikationsinhalte stammen. In der sog. Impressumspflicht, wie sie seit je her in den Pressegesetzen besteht30 und für die Telemedien nunmehr im Telemediengesetz angeordnet ist,31 kommen beispielhaft die damit verfolgten Zielsetzungen des Rezipientenschutzes zum Ausdruck. Der Rezipient soll in der Freiheit seiner Meinungsbildung geschützt werden soll, die erst dann gewährleistet ist, wenn er Kenntnis von der Herkunft des Kommunikats und der dahinter stehenden Kräften hat.32 Er soll über die Kenntnis des für die Publikation Verantwortlichen zugleich in die Lage versetzt werden, jederzeit mögliche Rechtsbehelfe gegen den Verantwortlichen geltend zu machen,33 ohne dass dieser sich seiner Haftung durch „Flucht in die Anonymität“ entziehen kann. 34 VI. Gewährleistung kultureller Identität In Anbetracht der überragenden Bedeutung von Massenmedienproduktionen aus 323 Übersee auch auf den europäischen und deutschen Medienmärkten hat sich die Gewährleistung der kulturellen Identität einer Gesellschaft als eine anerkannte Zielsetzung und Aufgabe des Medienrechts etabliert. Insbesondere die deutschen Rundfunkgesetze, aber auch die entsprechenden europäischen Regelungen sehen eine Reihe von Maßnahmen vor, um die Herstellung und Verbreitung europäischer und nationaler Rundfunkprogramme zu fördern und zu schützen. Deshalb schreiben Quotenregelungen vor, dass Fernsehveranstalter einen Teil ihrer Sendezeit europäischen Werken vorzubehalten haben.35 Und auch das Recht der 28 29
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34
35
Vgl. nur § 7 Abs. 3 RStV und unten Rn. 432 f. und 805 ff. Vgl. § 13 Satz 2 UrhG, der allerdings dem Urheber das Recht auf Anonymität zugesteht; dazu Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 1997, Rn. 335 ff. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 13 Rn. 2. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 72. Abschnitt Rn. 9 ff. Löhner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 8 Rn. 10. Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 192 sieht hierin die „praktisch Hauptbedeutung“ der Impressumspflicht. Zu diesem „historischen“ Anliegen, das schon mit dem Reichspreß-Gesetz von 1874 verfolgt wurde vgl. Löhner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 8 Rn. 2. Zur Quotenregelung schon der europäischen Fernseh-Richtlinie vgl. v. Bogdandy, EuZW 1992, S. 9 ff. Nach der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (vgl. oben
122
§ 5 Regelungsziele des Medienrechts
Fernsehveranstalter auf unentgeltliche Kurzberichterstattung über Veranstaltungen und Ereignisse, die öffentlich zugänglich und von allgemeinem Informationsinteresse sind, soll zur Gewährleistung der kulturellen Identität beitragen.36 In der medienpolitischen Diskussion wird die Gewährleistung der kulturellen 324 Identität in Europa als eine Zielsetzung diskutiert, die über den Bereich des Rundfunks, indem sie bereits fest etabliert ist, hinaus als generelle Zielsetzung des Medienrechts Geltung beansprucht. Quotenregelungen werden in diesem Sinn auch für audiovisuelle Abrufdienste in Art. 3i Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste für zulässig erachtet. Überdies sollen gem. Art. 5 der nämlichen Richtlinie Fernsehveranstalter Sendungen europäischer Werke mit einem bestimmten Anteil von Haushaltsmitteln fördern.37
B. Nicht-kommunikationsbezogene Regelungsziele 325 Zu den Regelungszielen des Medienrechts gehört auch die Gewährleistung solcher rechtlich geschützter Interessen, die keinen unmittelbaren Bezug zum Kommunikationsgeschehen aufweisen, aber durch die Betätigung der Massenmedien berührt, wenn nicht beeinträchtigt werden. Es geht dabei um den Schutz von Interessen und Rechtsgütern, die nach der allgemeinen Rechtsordnung anerkannt sind und damit über Beeinträchtigungen im Kommunikationsprozess hinaus Schutz gewähren. Ihnen kommt auch und gerade im Massenkommunikationsgeschehen ein besonderes Gewicht zu. Ihr Schutz und ihre Gewährleistung im Massenkommunikationsgeschehen gehört deswegen zu den nicht-kommunikationsbezogenen Regelungszielen des Medienrechts. I. Gewährleistung von Persönlichkeitsschutz 326 An vorderster Stelle steht der Schutz der Persönlichkeitsrechte der von der Berichterstattung in den Massenmedien. In der Massenkommunikation können die Persönlichkeitsrechte in ihren vielfältigen Ausprägungen beeinträchtigt werden. Es geht dabei zuvorderst um den Persönlichkeitsschutz in Gestalt des Ehr- und Bildnisschutzes bei Übergriffen in die Individualsphäre. Von immer gewichtigerer Bedeutung erscheint darüber hinaus der Schutz der informationellen Selbstbestimmung der Bürger, der gerade in Anbetracht der Entwicklung elektronischer Medien und der Menge der bei ihrer Nutzung anfallenden Daten spezifische Vorkehrungen der Medienrechtsordnung verlangt. Es kann deshalb nicht überraschen,
36 37
Rn. 159 f.) wird diese Zielsetzung in Art. 5 und Art. 3i beibehalten (vgl. Erwägungsgründe Nr. 48 ff). Zum Kurzberichterstattungsrecht vgl. näher bei Rn. 360 ff. Vgl. Kleist/Scheuer, MMR 2006, S. 127 ff.
B. Nicht-kommunikationsbezogene Regelungsziele
123
dass gerade die Gesetzgebung zum Telemedienrecht dem Datenschutz besondere Aufmerksamkeit widmet.38 Unbeschadet des Umstandes, dass die Berechtigung des Persönlichkeitsschut- 327 zes im Massenkommunikationsgeschehen nicht bestritten ist, gibt es lebhafte Auseinandersetzungen um die Frage, wie diese Zielsetzung im Detail zu verwirklichen ist. Insbesondere im Bereich der Telemedien ist auch nach der gesetzlichen Festlegung der Haftungsprivilegierung für Host- und Serviceprovider sowie für Accessprovider die Diskussion um die Konkretisierung der Privilegierung der Provider und der Reichweite der „Filterwirkung“ der Verantwortlichkeitsgrundsätze der §§ 7 ff. TMG nicht beendet worden.39 Der Streit entsteht dabei nicht selten vor dem Hintergrund, dass der Schutz von Rechtsgütern und rechtlich geschützter Interessen mit anderen Zielsetzungen in Konflikt tritt. Die Medienrechtsordnung steht dann vor der herausfordernden Fragestellung, ob es verfassungsrechtlich gerechtfertigt und im Rahmen des politischen Gestaltungsermessens des Gesetzgebers legitim erscheint, den Schutz von Rechtsgütern und rechtlich geschützten Interessen zugunsten bestimmter Politikzielen, wie der Wirtschafts- und Innovationsförderung, zu relativieren. Die Debatte um die Haftungsprivilegien für Telemedienanbieter belegt, dass in Abhängigkeit vom Vorverständnis des Betrachters die gesetzliche Entscheidung oder das gefundene Auslegungsergebnis entweder als missratene Standortsubvention oder aber als Errungenschaft im Multimediazeitalter bewertet wird.40 II. Gewährleistung von Jugendmedienschutz Gewaltszenen, pornografische Darstellungen und sittlich anstößige Darbietungen 328 in den Massenmedien aus Gründen des Jugendschutzes zu untersagen oder zumindest zu begrenzen, gehört zu den wichtigsten Zielen des Medienrechts überhaupt. Das Medienrecht hat Sorge dafür zu tragen, dass Massenmedien auf die fehlende Mündigkeit von Kindern und Jugendlichen Rücksicht nehmen. Die Zielsetzung war schon und ist noch immer bei den „klassischen“ Massenmedien von hervorragender Bedeutung und ist bei den Telemedien schon wegen der beinahe ubiquitären Verfügbarkeit zumindest nicht weniger bedeutsam.41 Die Instrumente zur Realisierung der Zielsetzungen des Jugendschutzes sollten 329 nach allgemeiner Auffassung vielfältig ansetzen.42 Sie sollten auch Maßnahmen umfassen, die Kinder und Jugendliche zum Umgang mit den Massenmedien befä-
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40
41 42
Vgl. Rn. 400. Vgl. BGH, NJW 2003, 3764 f.; Hoeren, MMR 2004, S. 168 ff.; Spindler, MMR 2004, S. 440 ff. Vgl. exemplarisch die kontroversen Positionen von Lehmann, CR 1998, S. 232 ff. und Spindler, in: Roßnagel, Handbuch, 2003, § 5 TDG Rn. 166 ff. Vgl. Schulz, MMR 1998, S. 127 ff. Vgl. Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008, BT-Drs. 16/11570, S. 89 ff.
124
§ 5 Regelungsziele des Medienrechts
higen und ihre Medienkompetenz stärken.43 Im Vordergrund des Jugendschutzes müssen allerdings nach aller Erfahrung Maßnahmen stehen, die geeignet sind, den Zugang zu nicht kind- und jugendgerechten Darbietungen zu reglementieren. Die Gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland verfolgen die Ziele des 330 Jugendmedienschutzes seit der grundlegenden Neuordnung im Jahr 2002 mit dem Jugendschutzgesetz und dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Die aus kompetenzrechtlichen Gründen differenzierte Gesetzgebung für den Bereich der Trägermedien einschließlich der Kinospielfilme dem Bundesgesetzgeber im JuSchG und für den Bereich der Telemedien und des Rundfunks im JMStV sieht insbesondere Verbreitungsverbote für jugendgefährdenden Medien und Regeln zur Beschränkungen des Konsums jugendgefährdender Medien vor.44 Der Jugendschutz ist danach eine Materie des Medienrechts von grundsätzlich 331 erheblicher Bedeutung. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor einer ihre Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefährdenden Beeinflussung durch die Massenmedien ist eine verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabe45 und somit ein rechtsgrundsätzlich bedeutsames Anliegen der gesetzlichen Ordnung des modernen Massenkommunikationswesens. Die Schaffung des gebotenen Jugendmedienschutzes stellt den Gesetzgeber vor komplexe und herausfordernde Regelungsaufgaben, weil schon den Jugendlichen den Zugang zu den Massenmedien zu öffnen und zu ermöglichen ist, damit sie von den Massenmedien im Interesse der Entwicklung ihrer Persönlichkeit Gebrauchmachen können, weil es andererseits aber Aufgabe des Staates ist, die sich erst entwickelnde Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen vor den besonders tiefgreifenden Gefährdungen des Medienkonsums zu schützen. III. Gewährleistung des Schutzes geistigen Eigentums 332 Massenmediale Kommunikation würde Gefahr laufen, sich auf Dauer selbst zu schädigen, würde die Rechtsordnung nicht Sorge für die Gewährleistung des Schutzes des geistigen Eigentums tragen. Der Urheber geistigen Schaffens ist auf das Urheberrecht insofern angewiesen, als ihm erst dieses Ausschließlichkeitsrecht die Herrschaft über sein Werk ermöglicht. Der Urheber kann die ihm damit eingeräumten Befugnisse nicht nur zur Durchsetzung seiner urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen einsetzen, sondern sie gegebenenfalls auch als vermögenswertes Recht kommerziell und marktmäßig einsetzen. Darin liegt neben der künstlerischen Überzeugung und anderen Motivation für geistiges Schaffen ein anerkannter Anreiz für das Erbringen schöpferischer Leistungen, auf die ein Massenkommunikationswesen unverzichtbar angewiesen ist.
43
44 45
Vgl. Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008, BT-Drs. 16/11570, S. 89 ff. Vgl. näher unter Rn. 1228 ff. Ukrow, Jugendschutzrecht, 2004, Rn. 12 ff.; Dörr/Cole, Jugendschutz in den elektronischen Medien, 2001, S. 19 ff.
B. Nicht-kommunikationsbezogene Regelungsziele
125
Der Schutz des geistigen Eigentums trifft auf ein komplexes Interessengeflecht 333 von Urhebern, Verwertern, Nutzern und Verbrauchern sowie der Allgemeinheit.46 Der Schutz des Urhebers geistigen Eigentums durch die Rechtsordnung hat darin und auch in einem immer komplexer werdenden Massenkommunikationswesen stets seine Bedeutung gehabt. Der Gesetzgeber hat, um dieser unbestrittenen Zielsetzung gerecht zu werden, die bestehenden Schutzregeln fortlaufend den sich ändernden Gegebenheiten anzupassen und diese fortlaufend zu modernisieren. Mit der fortschreitenden Globalisierung von elektronischen Kommunikationsnetzen werden dabei zunehmend internationale Regelungen an Bedeutung gewinnen.47 Die Gesetzgebung zum Schutz des geistigen Eigentums wurde und wird durch 334 die elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten in besonderer Weise herausgefordert. Mit der elektronischen Kommunikation gehen gleichermaßen große Chancen und Risiken für die Verbreitung und den Schutz geistigen Eigentums einher. Die digitale Technologie ermöglicht es, Inhalte jeder Art und damit auch solche, die dem Schutz geistigen Eigentums unterliegen, mit den Mitteln der Telekommunikation und damit praktisch ohne Qualitätsverlust in kürzester Zeit über das weltweite Netz zu verbreiten. Deshalb ist es notwendig, den Schutz der Rechtsinhaber auf die digitalen Verhältnisse auszurichten und dabei auch den Verwertern und Nutzern angemessene Rechtsregeln zur Verfügung zustellen. Der europäische Gesetzgeber hat vor allem mit zwei Richtlinien den der modernen Informationstechnologie angemessenen europarechtliche Rahmen für den geistigen Eigentumsschutz hergestellt: Die Richtlinie zur Harmonisierung des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte in der Informationsgesellschaft aus dem Jahr 200148 und die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums aus dem Jahr 2004.49 Die deutsche Umsetzungsgesetzgebung erfolgte in drei Schritten: Die Urheber- 335 rechtsreform 2003 (sog. Erster Korb) hat das Recht zur digitalen Kopie neu geregelt und es insbesondere ermöglicht, dass - gegen Zahlung einer Vergütung - bestimmte Werke oder Teile von ihnen in abgegrenzte, geschlossenen Netzwerke (Intranets) gestellt werden dürfen. Außerdem müssen Urheber seither im Hinblick auf Gemeinschaftsinteressen hinnehmen, dass ihre Werke ohne ihre ausdrückliche Zustimmung genutzt werden dürfen. Einzelne Privatkopien von Musik, Filmen oder Text sind seither erlaubt, allerdings ist es verboten einen Kopierschutz zu durchbrechen bzw. sog. Hackersoftware zu verbreiten (§ 95a UrhG).50 Mit der Urheberrechtsreform 2007 (sog. Zweiter Korb) wird das Urheberrecht weiter an die neuen technologischen Möglichkeiten im digitalen Zeitalter angepasst. Nunmehr 46 47
48 49 50
Vgl. nur Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 9 ff. So z.B. die Regierungsbegründung zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes durch das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz, BT-Drs. 13/7385, S. 39 mit Nachweisen insbesondere zur Tätigkeit der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO). ABl. EG Nr. L 167 v. 22.6.2001, S. 10 ff. ABl. EG Nr. L 196, S. 16 ff. Vgl. dazu Vormbrock, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 61. Abschnitt Rn. 18 ff.
126
§ 5 Regelungsziele des Medienrechts
wird die Nutzung illegaler Tauschbörsen klarer erfasst, indem das Verbot offensichtlich rechtswidrig hergestellter Vorlagen auf unrechtmäßig online zum Download angebotenen Vorlagen ausgedehnt wird. Als Ausgleich für die erlaubte Privatkopie erhält der Urheber eine nach neuer Methode berechnete pauschale Vergütung, die auf Geräte und Speichermedien erhoben und über Verwertungsgesellschaften an die Urheber ausgeschüttet wird. Über unbekannte Nutzungsarten kann der Urheber infolge der Gesetzesnovelle nunmehr vertraglich verfügen und erhält dafür eine gesonderte, angemessene Vergütung.51 Den dritten Reformschritt bringen die mit dem Gesetz zur Rechtsdurchsetzung im geistigen Eigentum52 einhergehenden Neuregelungen. Damit wird vor allem ein Auskunftsanspruch gegen Internet-Provider eingeführt, mit dessen Hilfe der Rechtsinhaber die Möglichkeit erhält, Rechtsverletzer ausfindig zu machen und gegen sie gerichtlich vorgehen zu können. Ferner werden Rechtsfolgenregelungen im Schadenersatzrecht (§§ 97 bis 101a UrhG) sowie beweisrechtliche Bestimmungen betreffend die Beweisvorlage und das Beweissicherungsrecht (§ 101b UrhG) zugunsten der Schutzrechtsinhaber verbessert. IV. Gewährleistung von Konsumentenschutz 336 Konsumentenschutz im Bereich des Massenkommunikationswesens ist ein vergleichsweise neues Thema. Im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Nutzung der traditionellen Medien hat er bisher keine ausgeprägte Bedeutung gehabt. Mit dem Aufkommen elektronischer Informations- und Kommunikationsdienstleistungen hat sich die Situation grundlegend geändert. Der europäische Gesetzgeber hat für den Fernabsatz von Waren und Dienstleistungen akuten Regelungsbedarf erkannt und in Gestalt einer europäischen Richtlinie53 Konsumentenschutz in den Mitgliedstaaten eingeführt. Der elektronische Geschäftsverkehr54 und der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen55 sind weitere Bereiche, in denen rechtliche Regelungserfordernisse mit dem Ziel einer Gewährleistung von Verbraucherschutz diskutiert und realisiert wurde. Der Konsumentenschutz ist mit der geschilderten Gesetzgebung zu einer festen 337 Zielgröße des Medienrechts geworden. Sachlich geordnet werden die vom elektronischen Geschäftsverkehr aufgeworfenen Rechtsfragen mit den Mitteln der allgemeinen Rechtsordnung. Im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss auftretenden Rechtsfragen werden beispielsweise nach allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsgrundlagen gelöst. Der deutsche Gesetzgeber hat deshalb die entsprechen-
51
52 53
54 55
Vgl. dazu Vormbrock, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 59. Abschnitt Rn. 37 ff. Gesetz vom 07.07.2008, BGBl I, S. 1191. Richtlinie 91/17/EG vom 17.2.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsschlüssen im Fernabsatz, ABl. EG Nr. L 144, S. 19; vgl oben Rn. 162. Zur sog. e-commerce-Richtlinie vgl. Rn. 161. Vgl. dazu unter Rn. 163.
A. Massenmedien privilegierende Rechtsgrundsätze
127
den Rechtsregeln in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert.56 Wegen des Querschnittscharakters des Medienrechts57 handelt es sich bei den Konsumentenschutzregeln für den Fernabsatz im BGB durchaus um ein Regelungsziel des Medienrechts.58 Konsumentenschutz ist als medienrechtliches Regelungsziel immer dann gefordert, wenn es darum geht, die aus der Verwendung eines Massenmediums herrührenden Gefahren für den Konsumenten zu domestizieren. Genau dies hat dem Gesetzgeber vorgeschwebt, als er die durch den Vertragsschluss im Fernabsatz entstehenden Gefahren konsumentenschutzorientiert regelte.59
§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
Das Grundgesetz unterstellt in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Vermittlung publizisti- 338 scher Inhalte durch Massenmedien einem besonderen grundrechtlichen Schutz. Die darin gewährleisteten Kommunikationsfreiheitsrechte erfahren in der einfachen Gesetzgebung besondere Ausgestaltungen und Schranken, die das Funktionieren einer freiheitlichen Kommunikationsordnung gewährleisten sollen. 60 Die durch die Verfassung geprägte Medienordnung wird vom einfachen Gesetzgeber gestaltet und konkretisiert. Bei einer systematisierenden Betrachtungsweise weist diese Ordnung Elemente auf, die als medienübergreifend geltende Rechtsgrundsätze die Medienrechtsordnung insgesamt charakterisieren. Diese Rechtsgrundsätze lassen nach einerseits berechtigenden und privilegierenden (dazu unter A.), andererseits nach verpflichtenden Grundsätzen (dazu unter B.) unterteilen. Neben den bereits zuvor behandelten Regelungszielen und den Rechtsgrundlagen des Verfassungs- und Europarechts vervollständigen die im Folgenden darzustellenden Rechtsgrundsätze die übergreifenden Allgemeinen Grundlagen des Medienrechts.
A. Massenmedien privilegierende Rechtsgrundsätze Die Massenmedien berechtigenden und privilegierenden Gewährleistungen der 339 Medienrechtsordnung betreffen den gesamten Bereich der verfassungsrechtlich geschützten Medienfreiheit, erstrecken sich also auf die gesamte Betätigung der Massenmedien bei der Beschaffung, Bearbeitung und Verbreitung von Kommuni-
56 57 58 59 60
Vgl. §§ 312b ff. BGB. Vgl. oben Rn. Rn. 1 ff. Dagegen Petersen, Medienrecht, 4. Auflage 2008, § 1 Rn. 4. Vgl. Hager, in: Festschrift Georgiades, 2005, S. 205 ff. Vgl. oben Rn. 166 ff.
128
§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
kationsinhalten.61 Das Medienrecht begründet zugunsten der Massenmedien spezifische, ihrer Doppelrolle als Medium und Faktor der öffentlichen Kommunikation entsprechende Befugnisse. Mit diesen Befugnissen gewährleistet die Medienrechtsordnung zunächst, dass die Massenmedien in die Lage versetzt werden, die für die Vermittlung von Fakten und Wertungen an die Öffentlichkeit erforderlichen Informationen zu beschaffen (dazu unter I.). Die Gewährleistungsfunktion des Medienrechts erstreckt sich darüber hinaus auch auf die weiteren Funktionsbereiche der Massenmedien. Im Interesse der Funktionsfähigkeit der Massenkommunikation wird gewährleistet, dass die Massenmedien ihre publizistischen Inhalte frei und von staatlicher Einflussnahme ungehindert schaffen und verbreiten können (dazu unter II.). I. Gewährleistung von Informationsfreiheit 1. Medienrechtliche Informationsansprüche 340 Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG besteht für jeden Bürger das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Informationsquellen zu unterrichten. Dagegen besteht kein Recht auf Öffnung einer Informationsquelle. Für die Massenmedien ist diese rechtliche Ausgangslage des Jedermann-Grundrechts unzureichend. Damit die Massenmedien ihrer Aufgabe gerecht werden können, über Vorgänge in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu berichten und dem Rezipienten einen für ihn durch eigene Recherchen praktisch nicht zu verwirklichenden Informationsstatus zu verschaffen,62 benötigen sie weiterreichende Informationsbefugnisse. Ihre öffentliche Aufgabe können sie sachgerecht nur erfüllen, wenn sie in der Lage sind, Informationen an der Quelle in Erfahrung zu bringen. Deshalb hat die Medienrechtsordnung Informationsansprüche zu gewährleisten, die den Zugang der Massenmedien zur Informationsquelle eröffnen, damit diese ihre öffentliche Aufgabe und insbesondere ihren Beitrag zur Bildung der individuellen und öffentlichen Meinung leiten können. Diesem Ziel dient in erster Linie der Auskunftsanspruch der Massenmedien gegenüber Behörden; die nämliche Zweckbestimmungen verfolgen die Rechtsregeln, die den Zutritt der Massenmedien zu Privatveranstaltungen, das Recht auf Kurzberichterstattung sowie die Kontrolle der Wirksamkeit von Exklusivberichterstattungsverträgen gewährleisten. Nach den Pressegesetzen der Länder63 sind die Behörden verpflichtet, der Pres341 se bzw. Vertretern der Presse die zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Gleiches gilt – allerdings nicht umfassend64 – für den Hörfunk und das Fernsehen65 und die Telemedien.66 Soweit ausnahmsweise spezi61
62 63 64 65 66
Zur Reichweite des verfassungsrechtlichen Schutzes der Medienfreiheiten vgl. oben Rn. 201 ff. Vgl. oben Rn. 212. Vgl. § 4 LPG bzw. § 3 hess. LPG. Vgl. die Nachw. bei Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 4 Rn. 13. Vgl. § 9a RStV. Vgl. § 55 Abs. 3 iVm § 9a RStV.
A. Massenmedien privilegierende Rechtsgrundsätze
129
algesetzliche Regelungen fehlen, wird vielfach ein verfassungsunmittelbarer, nämlich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteter Informationsanspruch befürwortet. 67 Die Anerkennung eines verfassungsunmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Anspruchs ist der notwendige medienrechtsspezifische Rechtsbehelf der Massenmedien für die Erfüllung ihrer öffentliche Aufgabe. Deshalb ist es auch folgerichtig und sachgerecht, dass für den Bürger ein vergleichbarer grundrechtsgestützter Anspruch nicht besteht.68 Das im Jahr 2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz (IFG)69 hat 342 nunmehr allerdings auf einfachgesetzlicher Grundlage einen grundsätzlichen Informationsanspruch für jeden Bürger gegenüber Behörden geschaffen.70 Diese nur einfachrechtliche Verankerung macht den zentralen Unterschied zum medienrechtlichen Informationsanspruch der Massenmedien aus. Während dieser der rechtlichen Disposition des einfachen Gesetzgebers anheim gestellt ist, ist der Informationsanspruch der Massenmedien nicht von der Gewährung durch den Gesetzgeber abhängig. Der Besonderheit des medienrechtlichen Auskunftsanspruch in § 1 Abs. 3 IFG durch den Vorrang des medienrechtlichen Auskunftsanspruch Rechnung getragen. Zur Geltendmachung medienrechtlicher Auskunftsansprüche sind die Vertreter 343 der berechtigten Massenmedien befugt, auch wenn der Auskunftsanspruch etwa in den Landes-Pressegesetzen ungenau der „Presse“ zugewiesen wird. Berechtigt sind diejenigen, deren Aufgabe gerade in der Beschaffung von Informationen und deren Verbreitung liegt, also Reporter und Redakteure. Nach der gebotenen funktionellen Auslegung werden aber auch freie Journalisten und Verleger für berechtigt gehalten, das Informationsprivileg geltend zu machen.71 Eine Beschränkung auf die periodische Presse enthalten die Bestimmungen nicht;72 auch Mitarbeiter von Nachrichtenagenturen und Buchverlagen sind daher privilegiert.73 Der Auskunftsanspruch richtet sich gegen Behörden. Damit sind alle staatli- 344 chen Einrichtungen gemeint, Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden ebenso wie Parlamente und Gerichte einschließlich der Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Damit wird deutlich, dass der Behördenbegriff nicht mit dem des Verwaltungsverfahrensrechts übereinstimmt.74 Eine solche Auslegung wäre mit der Funktion des Auskunftsanspruchs, die zwar eine Staatsgerichtetheit, nicht aber eine Beschränkung auf die staatliche Exekutive erkennen lässt, nicht verein67
68 69 70
71 72
73 74
Vgl. Hoffmann-Riem, AK GG, 3. Auflage, Art. 5 Rn. 99; eingehend zum Meinungsstand Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 4 Rn. 16 ff.; offen gelassen von BVerfG, NJW 1989, S. 382: vgl. auch BVerwG, NJW 1985, S. 1655. Kritisch aber Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 4 Rn. 22 ff. BGBl. I 2005, S. 2722. Dazu Kloepfer/v.Lewinski, DVBl. 2005, S. 1277; Kugelmann, NJW 2005, S. 3609 ff.; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, S. 984 ff. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, Kap. 19 Rn. 4 mit Nachweisen zur Gegenansicht. Eine Ausnahme bildet § 4 Abs. 1 Satz 2 LPG Bayern; verfassungsrechtliche Bedenken dagegen äußert Löffler, NJW 1964, S. 2277. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 19 Rn. 4 m.N. zur Gegenansicht. Vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG.
130
§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
bar.75 Aus dieser funktionellen Sicht wird verständlich, dass der Auskunftsanspruch auch besteht, wenn sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben der Organisationsformen des Privatrechts bedient und Daseinsvorsorgeleistungen durch Eigengesellschaften (Energieversorgungs- und Verkehrsbetriebe) erbringt,76 obwohl ein Auskunftsanspruch gegenüber privaten Unternehmen mit Rücksicht auf deren (verfassungsrechtlich geschützte) Betätigungsfreiheit grundsätzlich nicht besteht.77 Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterliegen der medienrechtlichen Auskunftspflicht nicht, da sie gerade keine staatlichen Aufgaben wahrnehmen, sondern selbst am Grundrechts-schutz des Art. 5 Abs. 1 GG teilhaben.78 Besonderheiten sind im Hinblick auf den besonderen verfassungsrechtlichen Status (Art. 140 GG) für die katholische und evangelische Kirche zu beachten; trotz ihrer Rechtsform als Körperschaft des öffentlichen Rechts besteht ihnen gegenüber kein Auskunftsanspruch, soweit die verlangte Auskunft innerkirchliche Angelegenheiten betrifft.79 Die Auskunftspflicht bezieht sich auf "die der Erfüllung ihrer öffentlichen Auf345 gabe dienenden Auskünfte".80 Den Gegenstand des Auskunftsanspruchs bilden danach Umstände, die dem Auskunftspflichtigen zu einem bestimmten Sachverhalt vorliegen. Im Unterschied zu der besonders erwähnten Zuleitung amtlicher Bekanntmachungen (vgl. § 4 Abs. 4 LPG) bezieht sich der Auskunftsanspruch auf die Erteilung von Einzelauskünften.81 Der Anspruch soll auf Tatsachenmitteilungen beschränkt sein und sich damit auf die Kommentierung oder Bewertung bestimmter Vorgänge seitens der Behörden nicht beziehen.82 Der Wortlaut der LPG sieht eine solche Beschränkung freilich nicht vor. Da zudem das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerade auch die Bewertung bestimmter Vorgänge durch die Behörden einschließen kann, bezieht sich der Informationsanspruch auch auf eine abgeschlossene Bewertung. Daraus kann indes nicht gefolgert werden, dass der Auskunftsanspruch einen Anspruch auf Interviews mit bestimmten Behördenvertretern oder bestimmten Politikern zum Gegenstand hat oder die betroffene Behörde sogar zu einer bewertenden Stellungnahme gezwungen werden kann. Liegt aber die Bewertung eines Vorgangs durch die Behörde vor, so bezieht sich der Auskunftsanspruch – vorbehaltlich seiner Schranken - auch auf die Mitteilung dieser Bewertung. Die erteilte Auskunft muss wahr und sachgerecht sein. Zur Wahrheit und Sach346 gerechtigkeit der Auskunft gehört, dass diese vollständig erteilt wird.83 Damit sind gleichermaßen verkürzende Entstellungen der mitgeteilten Informationen wie un75 76 77 78
79 80 81 82 83
Vgl. Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 4 Rn. 56. Ebenso Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 4 Rn. 57. Vgl. noch unter Rn. 355 ff. BVerfG, NJW 1989, S. 382; BVerwG, NJW 1985, S. 1655; kritisch dagegen Kull, AfP 1985, S. 75. Vgl. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 4.21. Vgl. § 4 der Landespressegesetze. Vgl. Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 4 Rn. 87. Burkhardt, a.a.O., § 4 Rn. 78; Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 4.40. BVerwG, NJW 1992, S. 62.
A. Massenmedien privilegierende Rechtsgrundsätze
131
wahre Auskünfte unzulässig. Andererseits besteht keine Verpflichtung, den gesamten Akteninhalt mitzuteilen; der Auskunftsanspruch beinhaltet weder ein direktes Akteneinsichtsrecht, noch bietet er die Grundlage für eine mittelbare Akteneinsicht durch Geltendmachung des Auskunftsrechts. Bei der Erfüllung des Auskunftsanspruchs hat die Auskunft erteilende Behörde 347 die Medienvertreter gleich zu behandeln. Für die Mitteilungen amtlicher Bekanntmachungen sehen die LPG diese Gleichbehandlungspflicht jedenfalls in zeitlicher Hinsicht vor. Darüber hinaus besteht für jede Auskunft auch in inhaltlicher Hinsicht ein Verbot, zwischen einzelnen Auskunftsberechtigten zu differenzieren, weil damit ein Einfluss auf die Medientätigkeit verbunden sein könnte. Somit ist es den Behörden untersagt, bei der Erteilung der Auskünfte über Zeit, Inhalt oder Umfang der Mitteilungen zwischen einzelnen Medienvertretern zu differenzieren.84 Angesichts der gegenständlichen Weite des medienrechtlichen Auskunftsan- 348 spruchs wird die Behörde nicht selten in eine Konflikt – oder Kollisionslage mit öffentlichen oder privaten Interessen durch eine Auskunftserteilung geraten. Der Gesetzgeber hat diese Lage erkannt und Schranken des Auskunftsanspruchs statuiert, die einerseits den Medienfreiheiten, andererseits aber auch den schutzwürdigen Rechtsgütern betroffener Dritter Rechnung tragen sollen. Die LPG sehen mit Unterschieden im Detail vor, dass der Anspruch auf Auskunft nicht besteht bzw. verweigert werden kann, soweit durch die Auskunft die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens gefährdet werden könnte, Geheimhaltungsvorschriften entgegenstehen, überwiegende öffentliche oder schutzwürdige private Interessen verletzt würden oder der Umfang der Auskunft das zumutbare Maß überschreitet.85 Die Schrankenregelungen machen deutlich, dass bei der Bestimmung der Reichweite des Auskunftsanspruchs im Einzelfall eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen vorgenommen werden muss. Dabei ist das Informationsinteresse der Medien den schutzwürdigen öffentlichen und privaten Belangen gegenüberzustellen.86 Bei der Abwägung ist in Rechnung zu stellen, dass der Auskunftsanspruch zu den fundamentalen Gewährleistungen der Funktionsfähigkeit der Massenmedien gehört, ohne den diese ihre öffentliche Aufgabe nicht wirksam erfüllen können. Im Hinblick auf den Geheimnisschutz ist anerkannt, dass ein bloßes Geheim- 349 haltungsinteresse der auskunftspflichtigen Behörde die Verweigerung der Auskunft allein nicht rechtfertigen kann. Erforderlich ist grundsätzlich, dass gesetzliche Geheimhaltungsbestimmungen das behördliche Geheimhaltungsinteresse rechtfertigen. Die Erklärung eines Vorgangs zur "Verschlusssache" ist somit allein nicht geeignet, eine Auskunftsverweigerung zu rechtfertigen; 87 die Behörde könnte andernfalls nach Belieben darüber befinden, ob und welche Auskünfte sie den 84
85
86 87
Vgl. nur Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 4.36 ff.; ferner OVG Bremen, NJW 1989, 926 (Abgabe von Gerichtsentscheidungen an Fachzeitschriften). Zu den Einzelheiten mit Beispielen aus der Rechtsprechung vgl. näher Wente, Das Recht der journalistischen Recherche, 1990, S. 35. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 4.28. Weitergehend wohl Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 4 Rn. 104.
132
§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
Massenmedien erteilt.88 Gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften bestehen in weitem Umfang. Die gebotene Abwägung mit dem Informationsinteresse der Medien führt dazu, dass nicht schon die Existenz einer solchen Geheimhaltungsvorschrift zur Auskunftsverweigerung berechtigt. Die beamtenrechtlichen Vorschriften zur Dienstverschwiegenheit89 beispielsweise unterwerfen nur die einzelnen Beamten, nicht hingegen die Behörde als solche einer Schweigepflicht.90 Weitere Geheimnisschutzvorschriften betreffen den strafrechtlichen Schutz von Staatsgeheimnissen in §§ 93 ff. StGB sowie von wichtigen öffentlichen Interessen in § 203 und § 353b StGB, den Schutz von Unternehmensinterna bei amtlichen Prüfungen in § 139 Abs. 1 Satz 3 GewO oder im Rahmen des Steuerverfahrensrechts, § 30 AO. Auch im Anwendungsbereich dieser Vorschriften kann die Abwägung mit dem Informationsinteresse der Medien ergeben, dass Auskünfte an die Massenmedien gerechtfertigt sind, weil der Geheimnisschutz hinter vorrangigen Informationsinteressen zurücktreten muss.91 Die Schrankenregelung bei Auskünften über schwebende Verfahren ist eben350 falls nicht als absolute Grenze des Auskunftsanspruchs zu verstehen. Zunächst ist nicht schon jeder noch nicht abgeschlossene Verwaltungsvorgang als schwebendes Verfahren im medienrechtlichen Sinne anzuerkennen. Nur im förmlichen Verfahren (wie strafrechtlichen Ermittlungs- oder Bußgeldverfahren, Gerichts- und Disziplinarverfahren) kann überhaupt von einem schwebenden, nämlich schon begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Verfahren die Rede sein. In einem schwebenden Verfahren können Auskünfte nach den Bestimmungen der LPG nicht schlechthin verweigert werden, sondern nur dann, wenn die sachgerechte Durchführung des Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden kann. Die Behörde muss also in jedem Einzelfall das Vorliegen zumindest eines der Tatbestandsmerkmale dartun, damit die Auskunft zu Recht verweigert werden kann. Der in den LPG genannte Schutz überwiegender öffentlicher oder schutzwürdi351 ger privater Interessen gibt unabhängig vom Vorliegen eines schwebenden Verfahrens ein Auskunftsverweigerungsrecht. Die Generalklausel berechtigt zur Auskunftsverweigerung ebenfalls nur nach einer Abwägung mit dem Informationsinteresse der Massenmedien. Dabei werden öffentliche Interessen nur ausnahmsweise die Auskunftsverweigerung rechtfertigen, weil sie nur beachtlich sind, wenn im Rahmen der Abwägung ein Überwiegen gegenüber dem Informationsinteresse der Massenmedien positiv festgestellt werden kann. Berührt die Auskunft dagegen private Interessen, so kommt es nach den LPG nicht auf die Vorrangigkeit, sondern nur auf die Schutzwürdigkeit dieser Interessen an. Diese Differenzierung ist nicht unproblematisch, weil sie die Wahrung des Persönlichkeits- und Unternehmensschutzes durch die Massenmedien schon im Vorfeld der massenmedialen Be88
89 90
91
Gleiches gilt für allgemeine, nicht auf gesetzlicher Grundlage geschaffene Verwaltungsvorschriften, die Behördenmitarbeiter zur Verschwiegenheit verpflichten. Vgl. z.B. §§ 77 i.V.m. 61 BBG. Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 4 Rn. 105; Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 4.45. Vgl. OLG Hamm, NJW 1981, S. 356 (betr. Parteispendenaffäre).
A. Massenmedien privilegierende Rechtsgrundsätze
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richterstattung in die Hände der Behörde verlagert und damit die Befugnis der Massenmedien beschneidet, selbst darüber zu entscheiden, ob und wie sie eine erteilte Auskunft für die Berichterstattung verwenden. Das in den LPG erwähnte Recht zur Auskunftsverweigerung, wenn deren Um- 352 fang das zumutbare Maß überschreitet, hat ebenfalls eine kritische Bewertung erfahren, weil damit scheinbar zu einseitig das Interesse der Behörde vor Störungen ihrer Tätigkeit in den Vordergrund gestellt wird.92 Diese Bedenken schlagen jedoch nicht durch, wenn man die Vorschrift verfassungskonform als Missbrauchstatbestand interpretiert, der Schutz gegenüber einem Arbeitsaufwand gewährt, der die Behörde von der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben abhält.93 Die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs hat grundsätzlich im Verwaltungs- 353 rechtsweg zu erfolgen.94 Besonderheiten gelten für Auskunftsbegehren gegenüber den Justizbehörden, insbesondere gegenüber Gerichten oder der Staatsanwaltschaft. Über die Rechtmäßigkeit einer Auskunftsverweigerung entscheiden in diesen Fällen die ordentlichen Gerichte, nämlich die Oberlandesgerichte, §§ 23, 25 EGGVG. Im Hinblick auf die lange Dauer eines Hauptsacheverfahrens und die Bedeu- 354 tung rascher Informationen für die Massenmedien kommt der Zulässigkeit von Eilverfahren ein erhebliches praktisches Gewicht bei der Durchsetzung des Auskunftsanspruchs zu. Die Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes für medienrechtliche Auskunftsbegehren ist nicht unbestritten, weil im Falle seines Erfolges damit das Ergebnis des Hauptverfahrens praktisch vorweggenommen wird.95 Die herrschende Meinung sieht allerdings im einstweiligen Rechtsschutz die einzig wirksame Möglichkeit, den Auskunftsanspruch ohne unzumutbare und nicht mehr auszugleichende Nachteile für die Informationsleistung der Massenmedien durchzusetzen; sie befürwortet deshalb die Durchsetzung des pressegestzlichen Auskunftsanspruchs im einstweiligen Verfahren.96 2. Auskunftsansprüche gegenüber Privaten, Zutrittsrechte zu privaten Veranstaltungen Gegenüber Privaten steht den Massenmedien kein Auskunftsanspruch zu. Ein sol- 355 cher Anspruch ist weder einfachgesetzlich vorgesehen, noch kann er direkt aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitet werden. Art. 5 GG entfaltet Schutzwirkungen gegenüber dem Staat und begründet auch nach der sog. Drittwirkungslehre gegenüber Privaten keine Leistungsansprüche.97 Die Massenmedien treten Privaten auf der Basis der Gleichordnung gegenüber und können deshalb keine Informations92
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96 97
Vgl. Rebmann/Ott/Storz, Das Baden-Württembergische Gesetz über die Presse, 1964, § 4 Rn. 36. Vgl. Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 3 Rn. 25, § 4 Rn. 52 ff. BVerwG, AfP 1975, S. 763. Vgl. v.Petersdorff-Campen, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 31. Abschnitt Rn. 155. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 22 Rn. 5. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 4.78 ff.; Stober, AfP 1981, S. 389.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
privilegien für sich in Anspruch nehmen, weil es jeder Privatperson anders als im Hoheitsbereich grundsätzlich unbenommen ist, sich gegenüber den Medien zu äußern und ihre Tätigkeit zu unterstützen. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten nur, soweit das Privatrecht selbst Be356 sonderheiten vorsieht. Dies gilt in erster Linie dann, wenn sich ein Privatrechtssubjekt durch vertragliche Vereinbarung zur Auskunftserteilung verpflichtet hat. Solche Verträge sind im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie zulässig; gegen ihre Verbindlichkeit sprechen keine grundsätzlichen Bedenken.98 In Ausnahmefällen kann sich ein Auskunftsanspruch gegenüber Privaten als Konsequenz des Verbots sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB bzw. des Diskriminierungsverbots nach § 20 GWB ergeben. Praktische Beispiele dafür lassen sich freilich kaum finden. Mit Soehring läge aber eine zivilrechtlich unzulässige Diskriminierung dann vor, wenn Nachrichtenagenturen bestimmte Medien ohne sachlichen Grund von der Belieferung mit Nachrichten ausschließen, die einen klagbaren Anspruch auf Abschluss eines Belieferungsvertrages und anschließender Auskunftserteilung zur Folge haben würde.99 Grundsätzlich besteht auch für Massenmedien und ihre Vertreter kein Anspruch 357 auf Zulassung zu privaten Veranstaltungen.100 Während bei Veranstaltungen staatlicher Stellen regelmäßig die Öffentlichkeit gesetzlich gewährleistet ist,101 kennt die Rechtsordnung Rechtsansprüche der Massenmedien auf Zutritt zu privaten Veranstaltungen grundsätzlich nicht. Vielmehr gelten das Hausrecht des Veranstalters und der aus der Privatautonomie abgeleitete Grundsatz, dass jeder private Veranstalter selbst darüber befinden kann, welchen Besucher er unter welchen Bedingungen zu einer Veranstaltung zulässt. Eine Ausnahme ist in § 6 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes vorgesehen, nach dem Pressevertretern (einschließlich der Rundfunk- und Fernsehjournalisten102 ein Zutrittsrecht zu öffentlichen Veranstaltungen einräumt.103 Im Übrigen zieht die Privatrechtsordnung gemäß § 826 BGB bzw. § 20 GWB Schranken gegenüber der Freiheit des Veranstalters, Medienvertretern Zutritt zu Veranstaltungen durch ausnahmsweise Anerkennung eines Kontrahierungszwangs zu gewähren.104 Unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung des Art. 5 GG in das Privatrecht lässt sich zumindest der Rechtssatz formulieren, dass die Verweigerung des Zutritts von Journalisten zu privaten öffentlichen Veranstaltungen einer zivilrechtlichen Überprüfung dann nicht stand hält, wenn die Verweigerung deshalb erfolgt, weil der Betroffene Journalist ist und recherchieren möchte.105 Darüber hinaus hat die Judikatur wiederholt erwogen, an die Gewährung von Subventionen besondere Rechtspflichten des Begünstigten zu 98 99 100 101 102 103 104
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Vgl. Wente, Das Recht der journalistischen Recherche, 1990, S. 188 ff. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 4.80. Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1033. Vgl. dazu eingehend Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 6.1 ff. Ott, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, 7. Auflage 2008, § 6 Rn. 5. Vgl. Kübler, Massenmedien und öffentliche Veranstaltungen, 1978, S. 64. Grundlegend bereits RGZ 133, S. 388 ff. – Theater-Kritiker; näher Staudinger/Oechsler, BGB, § 826 Rn. 433 Vgl. Wente, ZUM 1987, S. 167, 171; Stober, AfP 1981, S. 389, 395.
A. Massenmedien privilegierende Rechtsgrundsätze
135
knüpfen.106 Auf dieser Grundlage könnten auch für die Massenmedien im Einzelfall Zugangsansprüche abgeleitet werden.107 3. Recht auf Berichterstattung Dem Veranstalter steht grundsätzlich die Befugnis zu, neben dem Zugang zu der 358 Veranstaltung auch die Berichterstattung darüber zu kontrollieren und durch vertragliche Abreden zu ordnen.108 So können insbesondere Übertragungsrechte für bestimmte Veranstaltungen auf der Grundlage vertraglicher Lizenzvereinbarungen eingeräumt werden, ohne die der Zugang zur Veranstaltung zum Zwecke der Berichterstattung nicht zugelassen wird. verteilt werden. Den Massenmedien ist dann ohne Abschluss des Lizenzvertrages die Berichterstattung über die Veranstaltung untersagt. Die zivilrechtliche Zulässigkeit solcher Lizenzvereinbarungen steht nicht grundsätzlich in Frage.109 Ob dies auch für die Berichterstattung im Hörfunk gilt ist nicht endgültig geklärt. Der BGH hat dafür erkannt, dass der Zutritt eines Hörfunksenders zu Fußball-Bundesligaheimspielen zum Zwecke der Hörfunkübertragung von der Zahlung eines entsprechenden Entgelts abhängig gemacht werden darf.110 Die Rechtsfrage ist bis heute streitig geblieben111 und dem BVerfG zur Klärung vorgelegt worden.112 Die mögliche Beschränkung der Berichterstattung durch die Massenmedien zu 359 Informationen und Informationsquellen steht im Konflikt mit dem Interesse und der Aufgabe der Massenmedien, gegenständlich uneingeschränkt über alle Lebensbereiche informieren zu können.113 Die Medienrechtsordnung steht deshalb vor der Frage der Anerkennung eines Rechts auf Berichterstattung. Eine allgemeine (zivil-)rechtliche Grundlage dafür ergibt sich weder aus dem Verfassungsrecht noch dem einfachen Recht.114 Im Medienrecht wird nach derzeitiger Rechtslage nur punktuell gewährleistet, dass die Berichterstattung über Gegenstände und Ereignisse von allgemeiner Bedeutung oder allgemeinem Interesse nicht durch Ver106 107 108
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Vgl. BGHZ 63, S. 382, 386 f.; BGHZ 33, S. 20, 37. Vgl. Kübler, ZUM 1989, S. 326, 330; Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1035 ff. Zur umstrittenen Herleitung dieser Veranstalterbefugnis aus dem Hausrecht des Veranstalters (so z.B. Westerholt, ZIP 1996, S. 264 ff.) oder dem Wettbewerbsrecht (so z.B. Stopper, SpuRt 1999, S. 188 ff.) bzw. dem Recht auf kommerzielle Selbstbestimmung (dazu Beater, Medienrecht, Rn. 1475, 339) vgl. Petersen, Fußball im Rundfunk- und Medienrecht, 2001; Lochmann, Die Einräumung von Fernsehübertragungsrechten an Sportveranstaltungen, 2005. BGHZ 110, S. 371, 383 f. BGH, NJW 2006, 377 – Hörfunkrechte. Für ein Hörfunkvermarktungsrecht Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1474; Günther, WRP 2005, S. 703 ff.; a.A. Mailänder/Mailänder, in: Dörr/Mailänder, Freiheit und Schranken der Hörfunkberichterstattung über Spitzensport, 2003, S. 109 ff. Die Beschwerde wird beim Gericht unter dem AZ 1 BvR 26/06 geführt. Eine Terminierung ist bisher nicht erfolgt. Zur Informationsaufgabe insbesondere des Rundfunks vgl. BVerfGE 35, S. 202, 222 f.; 57, S. 295, 319 – FRAG; 73, S. 118, 157 f. – Niedersachen; näher unter Rn. 218 ff. Vgl. Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1408 ff.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
hinderung oder Monopolisierung unsachgemäß eingeschränkt wird. Deshalb wurden spezielle Berichterstattungsrechte eingeführt und deshalb werden auch Exklusivberichterstattungsverträge besonderer medienrechtlicher Kontrolle unterzogen. Die Rechtslage ist insgesamt wenig konsistent geordnet und lässt insgesamt noch keine gesicherte Grundlage für die Anerkennung eines medienrechtlichen Berichterstattungsanspruchs erkennen. a) Recht auf Kurzberichterstattung 360 Der Rundfunkstaatsvertrag sieht in seinem § 5 ein Recht auf unentgeltliche Kurzberichterstattung vor.115 Es handelt sich dabei um eine die Rundfunkfreiheit ausgestaltende Gesetzgebung.116 Dieses Recht bezieht sich seinem Wortlaut nach auf die Berichterstattung, verschafft dem Fernsehveranstalter aber inzident einen besonderen Informationsanspruch, ohne den das Recht auf Kurzberichterstattung nicht ausgeübt werden kann. Der persönliche Anwendungsbereich ist auf das Massenmedium Fernsehen zugeschnitten und begrenzt. Für andere Medien gibt es derzeit keinen solchen medienrechtlichen Berichterstattungsanspruch, obwohl auch bei anderen Massenmedien, insbesondere beim Hörfunk vergleichbare Interessenlagen bestehen, die eine entsprechende Regelung rechtfertigen.117 Das Recht auf Kurzberichterstattung sollte zukünftig zu einem allgemeinen medienrechtlichen Anspruch auf privilegierten Zugang der Massenmedien zur Quelle von Informationen fortentwickelt werden. Derzeit handelt es sich bei dem Recht auf Kurzberichterstattung noch um ein Sonderrecht für das Fernsehen, das der Gesetzgeber mit der medienübergreifend einschlägigen Begründung gerechtfertigt hat, dass sich das Medium Fernsehen zu einer der wichtigsten allgemein zugänglichen Quellen für die individuelle Informationsbeschaffung entwickelt habe und ohne allgemeine Berichterstattung im Fernsehen daher freie Meinungsbildung und Informationsfreiheit in ihrer heutigen Ausgestaltung nicht mehr denkbar seien.118 Mit dem in Deutschland erstmals durch den Staatsvertrag über die Fernseh361 kurzberichterstattung von 1990 eingeführten Anspruch, der später in den Rundfunkstaatsvertrag übernommen wurde, reagierte der Gesetzgeber auf das insbesondere bei Sportveranstaltungen zu beobachtende Phänomen, dass sich die Fernsehveranstalter darum bemühten, möglichst exklusive Übertragungsrechte an massenattraktiven Ereignissen zu erhalten, um so die Zuschauer an ihr Programm und die mit ihm ausgestrahlte Werbung zu binden. Im Zuge dieser Bemühungen sind die Kosten für die Übertragung entsprechender Ereignisse in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen.119 Damit entstand die Gefahr, dass die Berichterstattung gerade über besonders beliebte Ereignisse maßgeblich nach kommerziel115
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Inhaltsgleiche Regelungen finden sich auch im ZDF-Staatsvertrag und den Rundfunkgesetzen der Länder. BVerfGE 97, S. 228, 266 ff.; vgl. oben Rn. 231. Vgl. für den Rundfunk Roth, AfP 1989, S. 515 ff. Vgl. die Begründung zu § 4 Rundfunkstaatsvertrag 1991, abgedruckt in: Ring, Medienrecht, Bd. II, C-O.1, S. 7. Vgl. Amsinck, Media Perspektiven 1997, S. 62 ff.
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len Gesichtspunkten erfolgen würde. Der Gesetzgeber hat deshalb aus gutem Grund ein Kurzberichterstattungsrecht mit instrumentalen Zutritts-, Aufzeichnungs- und Sendebefugnissen eingeführt. Das BVerfG hat die gesetzliche Regelung im Wesentlichen für verfassungsgemäß erklärt.120 Das Recht auf Kurzberichterstattung bezieht sich auf Veranstaltungen und Er- 362 eignisse, die öffentlich zugänglich und von allgemeinem Informationsinteresse sind. Die Autonomie des Veranstalters zur Regelung des Zugangs bleibt bei diesen Veranstaltungen nur insofern erhalten, als er von dem (unberührt gebliebenen; vgl. § 5 Abs. 5 Satz 5 RStV) Recht Gebrauch macht, die Fernsehberichterstattung über die Veranstaltung insgesamt auszuschließen. Die Regelung schafft somit keinen allgemeinen Informationsanspruch, sondern zielt darauf ab, die Monopolisierung der Berichterstattung bei einem einzelnen Veranstalter zu vermeiden. Dabei macht die Regelung das Berichterstattungsrecht nicht davon abhängig, dass es sich um eine Veranstaltung von besonderem Informationsinteresse handelt; ausreichend ist vielmehr ein beim (Fernseh-) Publikum zu vermutendes "allgemeines Informationsinteresse".121 Dabei handelt es sich um eine für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe des Fernsehens begrüßenswert weite, für die Abgrenzung der betroffenen Veranstaltungen und Veranstalter aber auch bedenklich unbestimmte Regelung.122 § 5 Abs. 6 RStV sieht vor, dass der Veranstalter lediglich das allgemein vor- 363 gesehene Eintrittsgeld sowie Ersatz der notwendigen Aufwendungen, die durch die Rechtsausübung entstehen, verlangen kann. Dafür ist aber die Kurzberichterstattung auf eine „dem Anlass entsprechende nachrichtenmäßige Kurzberichterstattung“ beschränkt, § 5 Abs. 4 RStV. Das BVerfG hat allerdings in dieser Regelung eine unverhältnismäßige und deshalb verfassungswidrige Einschränkung der Berufsfreiheit insofern gesehen, als die Kurzberichterstattung über berufsmäßig durchgeführte Veranstaltungen unentgeltlich erfolgen kann.123 Es hatte den Gesetzgeber aufgefordert, eine gesetzliche Regelung zu treffen, die zugleich sicherstellt, dass das Kurzberichterstattungsrecht nicht durch überhöhte Entgelte ausgehölt wird.124 Die erforderlichen Regelungen sind inzwischen als Abs. 7 in § 5 des RStV eingefügt worden. Nach § 5 Abs. 2 RStV bleiben die Bestimmungen des Urheberrechts und des Persönlichkeitsschutzes unberührt. Das bedeutet, dass gegenüber urheber- und leistungsschutzrechtlichen Ausschließlichkeitsrechten der Mitwirkenden einer Veranstaltung das Kurzberichterstattungsrecht keinen Vorrang genießt, sofern sich die Berichterstattung nicht innerhalb der Schranken des Urheberschutzes (insbesondere § 50 UrhG) hält.125
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Vgl. BVerfG, ZUM 1998, S. 240 ff.; Einschränkungen betreffen die im Gesetzestext vorgesehene Unentgeltlichkeit und den Zeitpunkt der Ausstrahlung der Sendung; vgl. dazu sogleich und Brinkmann, Media Perspektiven 1998, S. 98 ff.; Holznagel, MMR 1998, S. 21 ff.; Lautkien, ZUM 1998, S. 253 ff.; Schwabe, JZ 1998, S. 514 ff. Vgl. die Begründung zu § 4 RStV, a.a.0. Fn. 46. Kritisch deshalb Badura, ZUM 1989, S. 325 f. BVerfGE 97, S. 228, 262 f. – Kurzberichterstattung; vgl. oben Rn. 231. BVerfGE 97, S. 263 – Kurzberichterstattung. Vgl. dazu näher unter Rn. 647 ff.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
Das Recht auf Kurzberichterstattung unterliegt einer Reihe im Gesetz vorgesehener Beschränkungen. Es muss in einer Weise geltend gemacht werden, dass vermeidbare Störungen der Veranstaltung unterbleiben, § 5 Abs. 5 RStV. Auf Kirchen und andere Religionsgemeinschaften findet es keine Anwendung, § 5 Abs. 3 RStV. Die Dauer ist nach § 5 Abs. 4 RStV reglementiert und bei kurzfristig und regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen vergleichbarer Art in der Regel auf 90 Sekunden begrenzt, § 5 Abs. 4 Satz 3 RStV. Das BVerfG hat im Wege verfassungskonformer Auslegung zusätzlich dafür erkannt, dass die Kurzberichterstattung erst nach Ablauf einer Karenzzeit zwischen Veranstaltungsende und Übertragung erfolgen dürfe. Es hat dieses Petitum auf die Fälle begrenzt, in denen der Inhaber der Übertragungsrechte selbst eine Karenzzeit aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Veranstalter einzuhalten hat.126 Weitergehend erscheint es gerechtfertigt, schlechthin die Einhaltung von Karenzzeiten zu fordern, weil auf diese Weise der gebotenen Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, den Interessen der Veranstalter und dem Rechteinhaber sachgemäß Rechnung getragen wird.127 Das Verfahrend der Geltendmachung des Kurzberichterstattungsanspruchs richtet sich nach § 5 Abs. 7 – 10 RStV. b) Recht auf Übertragung von Großereignissen
365 Durch den 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag128 wurden entsprechend der Regelung in Art. 3 a der novellierten Fernseh-Richtlinie (nunmehr Art. 3i der Richtlinie über audio-visuelle Mediendienste) Vorkehrungen zur Gewährleistung der Übertragung von Großereignissen im Free-TV eingeführt. Nach § 4 RStV dürfen im Einzelnen benannte Großereignisse im Wege des verschlüsselten Pay-TV nur übertragen werden, wenn gegen angemessenes Entgelt ermöglicht wird, dass die Übertragung desselben Ereignisses im Free-TV erfolgen kann. Der Rundfunkstaatsvertrag will damit einer Ausdünnung des Free-TV-Angebots vorbeugen, die dadurch erfolgen könnte, dass bestimmte Fernsehveranstalter massenattraktive Ereignisse exklusiv über verschlüsselte Pay-TV-Programme ausstrahlen; zugleich soll ein Ausschluss eines Teils der Bevölkerung, der sich den Zugang zum PayTV aus finanziellen Gründen nicht leisten kann, von bestimmten Programminhalten vermieden werden.129 Es handelt sich um eine die Rundfunkfreiheit des Art. 5 GG ausgestaltende Regelung.130 Die Regelung ermöglicht in der Regel die (zeitgleiche) Live-Übertragung; nur 366 in Einzelfällen, etwa bei mehreren parallel laufenden Einzelereignissen, kann die Übertragung „geringfügig zeitversetzt“ erfolgen. Damit die Ausstrahlung im FreeTV nicht durch überhöhte Entgeltforderungen blockiert werden kann, sieht § 4 RStV ein Schiedsverfahren zur Streitschlichtung zwischen dem Rechteinhaber und 126 127 128 129 130
BVerfGE 97, S. 228, 262 – Kurzberichterstattung. In diesem Sinn auch Lauktien, ZUM 1998, S. 253 ff. GVBl. Hamburg. 2000, Teil I, S. 43 ff. Vgl. Hesse, ZUM 2000, S. 183, 190. Hoffmann-Riem, AK GG, 3. Auflage, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 158; a.A. Altes, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 2. Auflage 2008, § 4 Rn. 39 ff.
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dem an der Übertragung interessierten Rundfunkveranstalter vor. Die betroffenen Großereignisse werden in § 4 Abs. 2 RStV abschließend aufgezählt. Es handelt sich dabei ausnahmslos um Sportereignisse. Der Begünstigte der Übertragungsregelung wird in der Vorschrift nur mit den 367 Worten umschrieben, dass die Übertragung in einem „frei empfangbaren und allgemein zugänglichen Fernsehprogramm in der Bundesrepublik Deutschland“ erfolgen können muss. Allgemein zugänglich ist nach § 4 Abs. 1 letzter Satz RStV ein Programm, das in mehr als zwei Drittel der Haushalte tatsächlich empfangbar ist. Ob es sich dabei um einen öffentlich-rechtlichen oder einen privaten Veranstalter handelt, wird in der Regelung nicht festgelegt. Insofern begründet die Großereignisregelung keinen individuellen Rechtsanspruch auf Übertragung. Ein konkreter Zwang zur Einigung des Rechteinhabers mit einem geeigneten FreeTV-Veranstalter wird allerdings dadurch geschaffen, dass die exklusive Übertragung der betroffenen Ereignisse im Pay-TV für unzulässig erklärt wird, § 4 Abs. 1 Satz 1 RStV. c) Wirksamkeitsschranken von Exklusivverträgen Exklusivverträge sollen nach der Intention der Vertragsparteien den Zugang der 368 Massenmedien zu einer Informationsquelle verschließen. Lediglich der Exklusivvertragspartner soll die Information publizistisch verwerten können; der Informant hat es nach dem Inhalt der Abrede zu unterlassen, irgendwelche Schilderungen über die von der Exklusivvereinbarung erfassten Tatsachen und Erlebnisse an andere Medien weiterzugeben. Mit der Exklusivvereinbarung soll dem berechtigten Massenmedium gegen Zahlung eines entsprechenden Honorars möglichst ein Informationsmonopol, zumindest aber ein Informationsvorsprung verschafft werden, welches ihm erlaubt, die Informationen publizistisch exklusiv zu vermarkten. 131 Zunächst stellt sich die Frage, ob Exklusivverträge überhaupt zivilrechtlich 369 wirksam sind. Nach den Richtlinien des Deutschen Presserats darf die Unterrichtung der Öffentlichkeit über Vorgänge und Ereignisse, die nach Bedeutung, Gewicht und Tragweite von allgemeinem Interesse und für die politische Meinungsund Willensbildung wesentlich sind, nicht durch Exklusivverträge mit den Informationsträgern oder durch deren Abschirmung eingeschränkt oder verhindert werden.132 Bei den Richtlinien handelt es sich um Standesrecht und nicht um rechtlich bindende Normen. Grundsätzlich ist in Ermangelung rechtsverbindlicher Schrankennormen von der Wirksamkeit von Exklusivberichterstattungsverträgen auszugehen.133 Soweit im zivilrechtlichen Schrifttum die Unwirksamkeit von Exklusivverträgen geltend gemacht wird, soll dies für Konstellationen gelten, in denen der 131
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Zu Begriff und Inhalt von Exklusivberichterstattungsverträgen vgl. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 7.48 ff. Vgl. die Richtlinien zu Ziff. 1 des Pressekodex; abgedruckt in: Ring, Medienrecht, B-I 2.5. Vgl. BGH, GRUR 1968, S. 209 – Lengede; vgl. auch Fuhr, ZUM 1988, S. 327 ff.; Krone, AfP 1982, S. 196; Kübler, Massenmedien und öffentliche Veranstaltungen, 1978, S. 70 ff.; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, S. 22 f.; Tettinger, ZUM 1986, S. 497 ff.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
Ausschluss der Medien von der Berichterstattung und die Beschränkung der Öffentlichkeit auf nur eine Informationsquelle zur Verstopfung üblicherweise allgemein zugänglicher Informationsquellen führen würde.134 Der BGH hat zwar Bedenken gegenüber der Wirksamkeit von Exklusivverträgen in Fällen anklingen lassen, in denen die Vereinbarung den Zweck hat, das Schweigen des Betroffenen zu erkaufen und die in Betracht kommenden Nachrichten der Öffentlichkeit vorzuenthalten.135 Vielfach wird mit Exklusivverträgen aber ein ganz anderes, durchaus entgegengesetztes Ziel angestrebt: Es sollen dem ausgewählten Massenmedium nämlich Informationsquellen exklusiv zur Verfügung gestellt werden, zu denen diese üblicherweise keinen Zugang haben. Solche Vereinbarungen werden in Ausübung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung getroffen136 und unterliegen keinen zivilrechtlichen Wirksamkeitsbedenken, zumal in den Fällen, in denen der bzw. die Betroffene die Unterlassung der Berichterstattung ohne die gebotene Zustimmung verlangen könnte. Mit der Frage der Bindungswirkung ist weitere Frage angesprochen, ob sich 370 aus der Existenz eines (wirksamen) Exklusivvertrages Schranken für die Berichterstattung durch andere Medien ergeben. Eine solche Bindungswirkung ist unter dem Aspekt der Unwirksamkeit von Verträgen zu Lasten Dritter jedenfalls dann zu verneinen, wenn sich konkurrierende Massenmedien die Informationen nicht an der vertraglich exklusiv gebundenen Informationsquelle, sondern auf anderem Wege rechtmäßig beschaffen.137 Ebensowenig können die Medien daran gehindert werden, die erstveröffentlichten Informationen in den Schranken des Urheberrechts im Wege der Zweitverwertung publizistisch zu verbreiten.138 Während die Verleitung zum Vertragsbruch des exklusiv gebundenen Informanten gegen § 3 UWG verstößt,139 liegt in der bloßen Ausnutzung fremden Vertragsbruchs keine wettbewerbswidrige und im Sinne des Deliktsrechts unerlaubte Handlung.140 4. Wahrnehmung berechtigter Interessen 371 Neben den medienrechtlichen Informationsansprüchen der Massenmedien ist die Anerkennung der Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die Massenmedien von zentraler Bedeutung für die rechtlich und tatsächlich effektive Umsetzung der Informationsfreiheit gewährleistenden Informationsrechte. Ohne die Anwendung des im Straf- und Zivilrecht gleichermaßen geltenden Rechtfertigungsgrundes der 134
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Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 7 Rn. 5; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 2.63; Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 7.54 f. BGH, GRUR 1968, S. 209. OLG Hamburg, ZUM-RD 1998, S. 116 ff. Vgl. BGH, GRUR 1968, S. 209. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 7.57. OLG Hamburg, ZUM-RD 1998, S. 116, 119 – Monika Weimar. Vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Auflage 2009, § 1 Rn. 644, 650; a.A. OLG Hamburg, ZUM-RD 1998, S. 120 – Monika Weimar, das selbst dann von der Unwirksamkeit ausgeht, wenn der Wunsch nach Zusammenarbeit mit dem Massenmedium von dem Informanten selbst ausgeht.
A. Massenmedien privilegierende Rechtsgrundsätze
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Wahrnehmung berechtigter Interessen liefen die Massenmedien stets Gefahr, dafür, dass sie Nachrichten beschaffen und verbreiten, Stellung nehmen und Kritik üben oder in sonstiger Weise an der Meinungsbildung mitwirken, zivil- oder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine solche Konsequenz wäre mit der öffentlichen Aufgabe der Massenmedien141 schlechthin unvereinbar. Deshalb wird den Massenmedien als Korrelat der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgabe zuerkannt, in Wahrnehmung berechtigter Interessen handeln zu können.142 Bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt es sich um einen im 372 Strafgesetzbuch (§ 193 StGB) gesetzlich geregelten Tatbestand. Dessen Geltung ist von der ganz h.M. in Rechtsprechung und Literatur auf die gesamte Rechtsordnung, insbesondere auf die zivilrechtlichen Haftungstatbestände erstreckt worden.143 Darüber hinaus findet dieser Rechtfertigungsgrund in einigen Landespressegesetzen ausdrückliche Anerkennung.144 Er hat damit exemplarisch für das Massenmedium Presse und für den Rundfunk eine tatbestandlich fixierte Rechtsgrundlage gefunden.145 Die rechtliche Bedeutung der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist bis heu- 373 te nicht vollständig geklärt. Der Wortlaut von § 193 StGB bringt nur zum Ausdruck, dass eine in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgte Äußerung nicht strafbar ist. Offen bleibt damit, ob § 193 StGB einen Rechtfertigungs- oder einen Strafausschließungsgrund regelt.146 Die Rechtsprechung betrachtet in neueren Entscheidungen die Wahrnehmung berechtigter Interessen als Anwendungsfall des sog. erlaubten Risikos, durch das dem Mitteilenden insbesondere das Risiko abgenommen ist, dass sich eine von ihm aufgestellte Behauptung (trotz Beachtung der von ihm zu verlangenden Sorgfaltspflichten147) nachträglich als falsch erweist.148 Die Berufung auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen hängt vor allem149 374 von zwei Voraussetzungen ab: Zum einen muss an der in Frage stehenden Mitteilung ein ernsthaftes öffentliches Interesse bestehen. Dieses ist gegeben, wenn Mitteilungen "über einzelpersönliche Bezüge hinausgehen und eine Thematik von großer Tragweite für das Gemeinschaftsleben ansprechen".150 Dagegen kann das öffentliche Interesse fehlen, wenn die Mitteilung mehr der Befriedigung von blo-
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Vgl. Rn. 212. Vgl. BVerfGE 54, S. 129; 50, S. 239; vgl. auch BGHZ 31, S. 308, 312. BVerfGE 12, S. 135; 42, S. 143, 152; BGH, NJW 1981, S. 675, 677; näher Kübler, AcP 172 (1972), S. 188; Schricker, AcP 172 (1972), S. 226. Vgl. Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 3 Rn. 23, 54. Vgl. Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 3 Rn. 23. Vgl. zum dogmatischen Streit E. Schmidt, JZ 1970, S. 8; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 6.28. Dazu sogleich Rn. 405 ff. Vgl. BGH, NJW 1985, S. 1621, 1622. Näher dazu Wenzel, a.a.O., Rn. 6.61 ff. BGHZ 45, S. 296 – Höllenfeuer; vgl. auch BVerfG, NJW 1983, S. 1415 – Wahlkampffälschung.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
ßen Unterhaltungs- oder Sensationsinteressen dient.151 Zum anderen setzt die Wahrnehmung berechtigter Interessen voraus, dass das Massenmedium die medienrechtlichen Sorgfaltspflichten152 beachtet hat,153 ohne dass an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten die Maßstäbe gerichtlicher Wahrheitsfindung angelegt werden.154 Insbesondere muss der medienrechtlichen Wahrheitspflicht nachgekommen werden, da an der Aufrechterhaltung oder Verbreitung einer unrichtigen Tatsachenbehauptung kein berechtigtes Interesse bestehen kann.155 Daraus folgt, dass sich das Massenmedium nicht gegenüber einem Widerrufs- oder Unterlassungsanspruch auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen kann, während ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Massenmedium von dem (bei Wahrnehmung berechtigter Interessen regelmäßig nicht zu führenden) Nachweis eines Verschuldens abhängig bleibt.156 II. Gewährleistung der Kommunikationsfreiheit 1. Schutz vor staatlicher Einflussnahme a) Zensurverbot 375 Die Zensur, die die Vervielfältigung und Verbreitung eines Geisteswerkes von einer Prüfung und Genehmigung abhängig macht, hat in der Geschichte mannigfach zu den Mitteln gehört, mit denen die staatliche Gewalt Kritik an ihrer Autorität und Ordnung zu unterdrücken versuchte.157 Zensurmaßnahmen stehen im diametralen Gegensatz zur Gewährleistung der Kommunikationsfreiheit der Massenmedien. Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG beendet diese historische Praxis mit der unmissverständlichen Anordnung: "Eine Zensur findet nicht statt". Die verfassungsrechtliche Grundlage weist das Zensurverbot als Wesenselement eines freien, nicht von der staatlichen Gewalt gelenkten Massenkommunikationswesens aus.158 Der Zensurbegriff ist nicht legal definiert und in seiner Reichweite nicht präzise 376 abgesteckt. Es ist anerkannt, dass zu den Merkmalen der Zensur die planmäßige Überwachung des Geisteslebens gehört, insbesondere die planmäßige Kontrolle des Inhalts von Geisteswerken durch eine geistig einflussreiche Institution mit dem Ziel, das Erscheinen bzw. die Verbreitung unerwünschter Geisteswerke zu verhindern.159 Die überwachende bzw. kontrollierende Institution muss in einen 151 152 153 154 155 156 157
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Vgl. BVerfGE 34, S. 269; BGHZ 24, S. 200. Vgl. dazu näher unter Rn. 405 ff. und 978 ff. St. Rspr.; vgl. z.B. BGH, NJW 1985, S. 1621, 1622. Vgl. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 6.72 ff. Vgl. BVerfGE 54, S. 208, 219. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 42 Rn. 68. Zur Geschichte des Zensurverbots vgl. Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 1 Rn. 121 ff.; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 4 Rn. 6 ff.; vgl. bereits oben Rn. 289 ff. Vgl. BVerfGE 20, S. 162 mit Bezug zum Pressewesen. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 7 Rn. 20 ff.
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fremden Funktionsbereich einwirken.160 Einwirkungen innerhalb des eigenen Funktionsbereichs (z.B. redaktionelle Maßnahmen im Verhältnis Verleger/Redaktion,161 Überwachung der Programmgrundsätze durch den Rundfunkrat,162 Vorschriften der Schulverwaltung über den Inhalt von Schulbüchern163 usw.) stellen somit keine Zensur dar. Das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG richtet sich allein gegen den 377 Staat.164 Es entfaltet in Privatrechtsverhältnissen keine Drittwirkung. Nur dadurch wird die Ausübung der Kommunikationsfreiheitsgrundrechte gewährleistet. Wenn beispielsweise eine Auswahl der zu veröffentlichenden Bücher und Aufsätze durch den Verleger oder Herausgeber als Ausdruck getroffen wird oder ein Redaktionsstatut bzw. die publizistische Tendenz eines Blattes durch den Herausgeber privatautonom bestimmt wird, liegt darin keine Maßnahme der Zensur sondern die Ausübung grundrechtlich gewährleisteter Kommunikationsfreiheitsrechte.165 Das Zensurverbot entfaltet wegen seiner Staatsgerichtetheit auch keine Drittwirkung in Privatrechtsverhältnissen. Die Ablehnung, bestimmte Medienprodukte zu verlegen oder zu vertreiben, stellt keine verbotene Zensur dar; die Kontrolle dieses unternehmerischen Verhaltens unterliegt der Missbrauchsaufsicht durch die Regulierungs- und Kartellbehörden auf der Grundlage des den Kommunikationsfreiheitsrechten Schranken setzenden einfachen Rechts, nicht aber dem Zensurverbot.166 Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist das Zensurverbot auf die Vorzensur, 378 nämlich einschränkende Maßnahmen vor Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes beschränkt.167 Diese Beschränkung des Zensurverbots überzeugt weder im Hinblick auf die geschichtlichen Erfahrungen mit Maßnahmen der Nachzensur168 noch von der Sache her, weil eine die Verbreitung von bereits hergestellten Massenmedien verbietende Nachzensur in ihren Wirkungen der Vorzensur gleichstehen kann. Nach zutreffender Auffassung unterfällt daher auch die Nachzensur, etwa die Kontrolle von eingeführten Presseprodukten oder Filmen, dem Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG.169 Die Rechtsprechung des
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161 162 163 164 165 166 167 168
169
Zur Problematik der Weigerung nichtjournalistischer Mitarbeiter von Presseverlagen, Beiträge in der Presse abzudrucken (sog. weiße Flecken) vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 36 Rn. 28. Vgl. Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd.1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 64. Vgl. Starck, JZ 1978, S. 306. Vgl. BVerwG, JR 1973, S. 437. Vgl. oben Rn. 289 ff. So Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 1 Rn. 166. Relativierend aber Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 1 Rn. 167. BVerfGE 33, S. 52, 72; 47, S. 198, 236; 83, S. 130, 155; vgl. bereits oben Rn. 291 ff. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 4 Rn. 7 unter Hinweis auf die Verbreitung der censura repressiva bis zur Erfindung der Buchdruckerkunst. Vgl. Rehbinder, DVBl. 1965, S. 550 ff.; kritisch Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 1 LPG Rn. 146 ff., 153 ff. und Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 7 Rn. 21
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
BVerfGs ist dem insofern gefolgt, als sie Maßnahmen mit „zensurgleicher“ Wirkung ebenfalls dem Zensurverbot unterstellt.170 b) Zeugnisverweigerungsrecht 379 Das Straf- und Zivilprozessrecht räumt den Mitarbeitern von Massenmedien bei der Zeugenvernehmung vor Gericht abweichend vom allgemeinen Zeugniszwang ein Zeugnisverweigerungsrecht ein.171 Dieses Sonderrecht stellt eine bedeutsame Konsequenz der Gewährleistung von Kommunikationsfreiheit der Massenmedien dar. Das Zeugnisverweigerungsrecht ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Massenmedien ihr wohl bedeutendstes Berufsgeheimnis, nämlich die Vertraulichkeit der ihr zugetragenen Informationen, wahren können. Ihre öffentliche Aufgabe können die Massenmedien wirkungsvoll nur erfüllen, wenn sie die dafür unentbehrlichen Informationsquellen insbesondere gegenüber staatlichem Zugriff geheimhalten können. Nur unter der Voraussetzung der Gewährleistung des Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen Journalist und Informant werden Informanten, bereit sein, ihr Wissen den Massenmedien mitzuteilen. Der Schutz betrifft den Informanten vor disziplinarischen oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen wegen seiner Informationsweitergabe und die Medien, die zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe des Schutzes des Zeugnisverweigerungsrechts bedürfen.172 Die Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts für ein funktionierendes Mas380 senkommunikationswesen kommt darin zum Ausdruck, dass das BVerfG insbesondere das Zeugnisverweigerungsrecht der Pressemitarbeiter aus dem Grundrecht des Art. 5 GG hergeleitet hat: „Die Gewährleistungsbereiche der Presse- und Rundfunkfreiheit schließen diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne welche die Medien ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen können. Geschützt sind namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse beziehungsweise Rundfunk und den Informanten (vgl. BVerfGE 100, S. 313, 365 m.w.N.). Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann (vgl. BVerfGE 20, S. 162, 176, 187; 36, S. 193, 204).“173 Beim Zeugnisverweigerungsrecht handelt es sich um eine Ausprägung der unbeeinflusste Massenkommunikation gewährleistenden institutionellen Medienfreiheiten des Art. 5 GG.174 Die Be170 171
172 173 174
Vgl. BVerfGE 33, S. 73, 76; 87, S. 209 ff. Vgl. § 53 Abs. 1 Ziff. 5 StPO, § 383 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO. Kraft Verweisung gilt dieses Zeugnisverweigerungsrecht auch für Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (§ 98 VwGO), den Sozialgerichten (§ 118 SGG), den Arbeitsgerichten (§ 46 ArbGG) sowie im Bußgeld- und Disziplinarverfahren (§ 46 OWiG); näher unter Rn. 1299 ff. BVerfGE 36, S. 193, 204. BVerfGE 117, S. 244 ff. – CICERO. So mit Bezug zum Pressewesen und unter Berufung auf BVerfG, AfP 1982, S. 100; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 30 Rn. 5.
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deutung des Zeugnisverweigerungsrechts ist somit eine doppelte: Zum einen schützt es das Vertrauensverhältnis zwischen Massenmedium und Informant; zum anderen gewährleistet es durch Wahrung des sog. Redaktionsgeheimnisses die Freiheit der Meinungsbildung in den und durch die Massenmedien.175 c) Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses durch das Zeugnisverweigerungsrecht 381 bliebe unvollständig, würde es nicht durch Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote ergänzt werden. Die Kommunikationsfreiheit der Massenmedien wird deshalb von der Medienrechtsordnung auch gegen die Beschlagnahme von Beweismitteln, die sich im Gewahrsam der zeugnisverweigerungsberechtigten Medienmitarbeiter befinden, geschützt. Die Vorschrift bezweckt, eine Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechts zu verhindern, damit sich nicht die Strafverfolgungsbehörden im Wege der Beschlagnahme von Redaktionsmaterial Kenntnis von Personen und von Mitteilungsinhalten verschaffen, die sie mit Hilfe des Zeugniszwangs nicht erlangen könnten.176 Somit dient das Verbot der Beschlagnahme von Beweismitteln dem gleichen doppelten Zweck wie das Zeugnisverweigerungsrecht, nämlich dem Schutz des Vertrauensverhältnisses von Massenmedium und Informant sowie dem Schutz des Redaktionsgeheimnisses.177 Soweit ein Beschlagnahmeverbot besteht, ist auch eine Durchsuchung unzuläs- 382 sig.178 Das Durchsuchungsverbot ergänzt das Beschlagnahmeverbot und stützt sich wie dieses auf die Zwecke des Informanten- und Redaktionsgeheimnisschutzes. Auf nähere Einzelheiten ist an andere Stelle einzugehen.179 Auch diese Verbote sind unmittelbare Ausprägungen der verfassungsrechtli- 383 chen Medienfreiheitsgarantien. Das BVerfG hat dementsprechend festgestellt, dass eine Durchsuchung von Redaktionsräumen wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit darstellt.180 Potentielle Informanten könnten durch die begründete Befürchtung, bei einer Durchsuchung könnte ihre Identität festgestellt werden, davon abgehalten werden, Informationen zu liefern, die sie nur im Vertrauen auf die Wahrung ihrer Anonymität herauszugeben bereit sind. Überdies liegt in der Verschaffung staatlichen Wissens über die im Bereich journalistischer Recherche hergestellten Kontakte ein Eingriff in das Redaktionsgeheimnis, dem neben dem Vertrauensverhältnis der Medien zu ihren Informanten eigenständige Bedeutung zukommt.181 175 176 177 178 179 180
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Zu Reichweite und Voraussetzungen des Zeugnisverweigerungsrechts vgl. unten § 22. Vgl. nur BVerfGE 20, S. 162, 188 – Spiegel. Vgl. nur Achenbach, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 23 Rn. 91. Vgl. nur BVerfGE 20, S. 162, 186 ff. – Spiegel. Vgl. dazu unten Rn. 1309 ff. Vgl. zuletzt BVerfG NJW 2005, S. 965 – Körperwelten; sowie BVerfGE 117, S. 244 ff. – CICERO. Vgl. BVerfGE 117, S. 244 ff. – CICERO; BVerfGE 66, S. 116, 133 ff.; 107, S. 299, 331.
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Die rechtsgrundsätzliche Bedeutung dieses medienrechtlichen Schutzes zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass der Schutz selbst dann zu berücksichtigen ist, wenn Medienmitarbeiter selbst strafverdächtig sind. Für Medien und Medienmitarbeiter gelten insofern verfassungsrechtlich geforderte Besonderheiten, die im einfachen Gesetzesrecht nicht explizit zum Ausdruck gebracht sind. Das BVerfG hat in dem Grundsatzurteil zur Durchsuchung von Redaktionsräumen der Zeitschriften-Redaktion CICERO wortwörtlich ausgeführt: „Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln (vgl. BVerfGE 20, S. 162, 191 f., 217). Auch wenn die betreffenden Angehörigen von Presse oder Rundfunk nicht Zeugen, sondern selbst Beschuldigte sind und der Schutz des § 97 Abs. 5 StPO deshalb nicht besteht, dürfen in gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren wegen einer Beihilfe zum Dienstgeheimnisverrat Durchsuchungen nach § 102 StPO sowie Beschlagnahmen nach § 94 StPO zwar zur Aufklärung der ihnen zur Last gelegten Straftat angeordnet werden, nicht aber zu dem vorrangigen oder ausschließlichen Zweck, Verdachtsgründe insbesondere gegen den Informanten zu finden. Andernfalls könnte der von der Pressefreiheit umfasste Informantenschutz unterlaufen werden.“182 In derselben Entscheidung hat das BVerfG das Risiko einer Verletzung des ver385 fassungsrechtlich gebotenen Informantenschutzes für besonders groß gehalten, wenn die Beschlagnahme auf den Verdacht einer Beihilfe-Straftat und allein darauf gestützt wird, dass das Dienstgeheimnis in der Presse veröffentlicht worden ist und das maßgebende Schriftstück allem Anschein nach unbefugt in die Hände des Journalisten gelangt war. „In einer solchen Situation“ – führt das BVerfG aus – „kann die Staatsanwaltschaft den betroffenen Journalisten durch Einleitung eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens zum Beschuldigten machen. Das ist als solches verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Würde jedweder Verdacht aber auch für die Anordnung von Durchsuchung und Beschlagnahme bei den von § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO betroffenen Personen ausreichen, hätte die Staatsanwaltschaft es in ihrer Hand, durch die Entscheidung zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens den besonderen grundrechtlichen Schutz der Medienangehörigen zum Wegfall zu bringen, selbst wenn die Anhaltspunkte für eine Beihilfe schwach sind. Das ist der Fall, wenn nicht bekannt ist, ob das Handeln des Geheimnisträgers auf eine Veröffentlichung des Geheimnisses zielte und auch sonst keine auf eine solche Absicht hindeutenden Umstände erkennbar sind. Die Möglichkeit, auch aufgrund eines derart unzureichenden Verdachts Durchsuchungen und Beschlagnahmen in der Redaktion oder bei einem Journalisten anzuordnen, würde zu dem nicht von der Hand zu weisenden Risiko führen, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren mit dem ausschließlichen oder überwiegenden Ziel einleitete, auf diese Weise den Informanten festzustellen. Dies aber widerspräche dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Informantenschutz (vgl. BVerfGE 20, S. 162, 191 f., 217). Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gebietet, diesem Risiko entgegenzuwirken. Deshalb müssen die strafprozessualen Normen über 384
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BVerfGE, 117, S. 244, Tz. 61 – CICERO.
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Durchsuchung und Beschlagnahme dahingehend ausgelegt werden, dass die bloße Veröffentlichung des Dienstgeheimnisses durch einen Journalisten nicht ausreicht, um einen diesen Vorschriften genügenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen. Zu fordern sind vielmehr spezifische tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vom Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des Geheimnisses und damit einer beihilfefähigen Haupttat.“183 2. Schutz vor fremder, nicht-staatlicher Einflussnahme Eine umfassende Gewährleistung der Kommunikationsfreiheit der Massenmedien 386 kann sich nicht in Abwehrrechten gegenüber dem Staat erschöpfen. Die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit und damit die bedeutsamste Ausprägung des Gewährleistungsgrundsatzes kann nicht nur durch den Staat, sondern auch durch gesellschaftliche Kräfte oder Private beeinträchtigt werden. Im Bild/Wallraff-Fall hat sich gezeigt, dass das Einschleichen einer Privatperson in die Redaktionskonferenz und die anschließende Veröffentlichung von Gesprächsinhalten dieser Konferenz in ihrer Wirkung nicht minder gravierende Beeinträchtigungen der Entfaltung der Medienfreiheiten mit sich bringen kann als staatliche Eingriffe. Das BVerfG hat allerdings in der Bild/Wallraff-Entscheidung darauf hingewiesen,184 dass Art. 5 Abs. 1 GG mit seinen gegenüber der Staatsgewalt schützenden subjektiven Freiheitsrechten keine der Staats-Gerichtetheit entsprechende Drittgerichtetheit gegenüber privaten Kräften oder Einzelpersonen entfaltet. Es hat aber insbesondere den Schutz der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit als Bestandteil der objektiven Prinzipien der Gewährleistung der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG anerkannt und deren Schutz mittelbare Drittwirkung gegenüber der Einflussnahme von gesellschaftlichen Kräften und Privaten zuerkannt.185 Diese objektivrechtliche, institutionelle Komponente der Medienfreiheit postuliert somit auch bei der Auslegung und Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften, die Freiheit der Massenmedien gegenüber fremder, nicht-staatlicher Einflussnahme zu gewährleisten. a) Schutz des Redaktionsgeheimnisses Das publizistische Zeugnisverweigerungsrecht sowie das Beschlagnahme- und 387 Durchsuchungsverbot stellen gesetzliche Ausprägungen des gegen staatliche Eingriffe zielenden verfassungsrechtlichen Schutzes des Redaktionsgeheimnisses dar.186 Der Schutz der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit erschöpft sich nicht in diesen spezialgesetzlichen Regelungen. Insbesondere das BVerfG hat schon frühzeitig im Spiegel-Urteil187 das Redaktionsgeheimnis als Schutzgut der Pressefreiheit anerkannt und dem Redaktionsgeheimnisschutz später im Bild/Wallraff183 184 185 186 187
BVerfGE 117, S. 244 ff., Tz. 61 f. – CICERO BVerfGE 66, S. 116, 135. BVerfGE 66, S. 116, 135. Vgl. oben Rn. 203 f. BVerfGE 20, S. 162, 186 f.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
Urteil188 eine eigenständige, von einer einfachgesetzlichen Ausformung unabhängige verfassungsrechtliche Bedeutung im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 GG zuerkannt. In der "Vertraulichkeit der gesamten Redaktionsarbeit" hat es eine "notwendige Bedingung" einer freien Presse gesehen und es mit dem Grundrecht für unvereinbar erklärt, wenn staatliche Stellen sich Einblick in die Vorgänge verschaffen dürften, welche zur Entstehung einer Zeitung oder Zeitschrift führten.189 Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses ist Bestandteil der Garantie der Me388 dienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG. Er gewährleistet die freie Meinungsbildung in den und durch die Massenmedien und gehört zu den als subjektives Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen konzipierten medienrechtlichen Rechtsgrundsätzen. Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses ist auch gegenüber privaten Übergriffen geboten. Ohne den Schutz der freien Rede in der Redaktionskonferenz, ohne den Schutz des für die Medienberichterstattung benötigten Materials und ohne den Schutz des Vertrauensverhältnisses zu den Informanten auch gegenüber Eingriffen durch gesellschaftliche Kräfte und Private,190 können die Massenmedien nicht die Aufgaben erfüllen, die ihnen als öffentliche Aufgabe zugewiesen sind. Der Redaktionsgeheimnisschutz ist die fundamentale, in den gesetzlich geregelten Bereichen freilich einfachgesetzlich konkretisierte, aber auf verfassungsrechtlicher Grundlage aufbauende Gewährleistung der Medienfreiheiten. Praktische Bedeutung erlangt der Schutz des Redaktionsgeheimnisses dann, 389 wenn eine spezialgesetzliche Ausformung des Schutzbereichs nicht gegeben ist. Da der Redaktionsgeheimnisschutz seine rechtliche Grundlage unmittelbar im Verfassungsrecht hat, bedarf es keiner spezifisch einfachgesetzlichen Regelung, um den Rechtsschutz des Reaktionsgeheimnisses zu gewährleisten; vielmehr entfaltet die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Redaktionsgeheimnisses auch in den einfachrechtlich nicht geregelten Bereichen eine den Rechtsschutz prägende Bedeutung. Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses richtet sich gegen die rechtswidrige 390 Beschaffung von Informationen aus publizistischen Redaktionen durch Private; der Schutz richtet sich auch gegen die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen.191 Zulässig ist die Verbreitung ausnahmsweise im Rahmen der sich nach Abwägung mit den Freiheitsrechten des sich Äußernden ergebenden Grundrechtsschranken, wenn die Bedeutung der Informationen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch bei der Informationsbeschaffung für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Ein überwiegendes Interesse an der Unterrichtung der Öffentlichkeit liegt in der Regel nicht vor, wenn die widerrechtlich beschafften Informationen Zustände oder Verhaltensweisen offenbaren, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind und Missstände 188 189 190 191
BVerfGE 66, S. 116 ff. BVerfGE 66, S. 116, 135. Vgl. BVerfGE 66, S. 116, 135. Vgl. BGHZ 73, S. 120 – Kohl/Biedenkopf; BGH, NJW 1987, S. 2667 – Langemann; dagegen sieht Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 12.85, in der Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung grundsätzlich kein Verwertungshindernis.
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von so erheblichem Gewicht betreffen, dass an ihrer Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht.192 b) Tendenzschutz Die Freiheit der Meinungsbildung in den und durch die Massenmedien hängt da- 391 von ab, dass die publizistische Grundrichtung des Mediums unbeeinflusst bestimmt und verwirklicht werden kann. Die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG umfassen deshalb die Freiheit, die publizistische Tendenz des Massenmediums festzulegen, beizubehalten oder zu verändern. Diese Freiheit gewährleistet Schutz gegenüber (unmittelbaren) Eingriffen des Staates, aber auch gegenüber fremden, nicht-staatlichen Einflüssen auf die Tendenz des Massenmediums.193 Für die Binnenorganisation von Medienunternehmen wird der gebotene Ten- 392 denzschutz in den Beziehungen relevant, in denen Mitbestimmungsbefugnisse der Arbeitnehmer nach dem BetrVG auf der Ebene des Betriebes bzw. nach dem MitbestG auf Unternehmensebene oder nach dem PersonalvertretungsG eine Einwirkung auf die Bestimmung oder Verwirklichung der Tendenz des Massenmediums ermöglichen. Die Zulassung des Mitbestimmungseinflusses z.B. durch den Betriebsrat nach dem BetrVG müsste das Massenmedium "fremdem" Einfluss aussetzen, weil der Betriebsrat die Interessen aller Arbeitnehmer im Betrieb zu vertreten hat unter Einschluss derjenigen, die keine publizistischen Funktionen ausüben, und er auch keine publizistischen Aufgaben, sondern die Interessen der Arbeitnehmer in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten wahrzunehmen hat. Steht aber die Festlegung und Verwirklichung der publizistischen Tendenz eines Massenmediums nur dem Tendenzträger zu, bedeutete die Zulassung von Mitbestimmung die Zulassung "fremden" Einflusses. Dieser Einfluss führte zu einer Einschränkung der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG.194 Ebenso könnte die Anwendung des MitbestG auf Massenmedienunternehmen einen Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Medienfreiheiten zur Folge haben.195 Die einfachgesetzliche Ausformung des gebotenen Tendenzschutzes hat der 393 Gesetzgeber heute insbesondere durch § 118 BetrVG und § 1 Abs. 4 MitbestG vorgenommen. Danach wird der Tendenzschutz durch einen Ausschluss bzw. eine Einschränkung der Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte nach dem BetrVG 192
193 194 195
BVerfGE 66, S. 116, 139, das die gegenteilige Entscheidung des BGH (BGHZ 80, S. 25, 33 ff. und BGH, NJW 1981, S. 1366) für verfassungswidrig erklärte; vgl. Dohnold, ZUM 1991, S. 28 ff.; kritisch Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1150. Vgl. nur BVerfGE 52, S. 283, 296. Vgl. BVerfGE 52, S. 283, 298. Zu der nicht unbestritten gebliebenen Rechtfertigung des Tendenzschutzes im Grundrechtsschutz vgl. BVerfGE 52, S. 283, 298 und die h.M. in der arbeitsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung; Nachweise bei Dietz/Richardi, BetrVG, 11. Auflage 2008, § 118 Rn. 13 ff. Nach a.A. dient der Tendenzschutz dagegen der grundrechtlich nicht gewährleisteten Ungestörtheit des Betriebsablaufs; vgl. Hilken, Tendenzbestimmung in Medienkonzernen, 1986, S. 26 ff. m.w.N.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
bzw. dem MitbestG realisiert.196 Voraussetzung ist jeweils, dass es sich um Unternehmen mit einer geistig-ideellen Zielsetzung handelt. Im Bereich der Medien werden alle Unternehmen bzw. Betriebe erfasst, die unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen, auf die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG anzuwenden ist.197 Das BetrVG schränkt in seinem § 118 die Anwendung der Mitbestimmungs394 rechte im Hinblick auf den verfassungsrechtlich geforderten Tendenzschutz in Medienunternehmen konsequent und zu Recht nur für solche Tendenzbereiche ein, in denen die „Eigenart des Unternehmens“ der Anwendung der Mitbestimmungsregeln „entgegensteht“. Danach ist von Gesetzes wegen die schwierige Unterscheidung von mitbestimmungsfreien „tendenzrelevanten“ Bereichen und mitbestimmten „tendenzneutralen“ Bereichen erforderlich. 198 Die Tendenzschutzregeln des BetrVG und des MitbestG bilden den vorläufigen 395 Abschluss der medienpolitischen Diskussion um die rechtlichen Grenzen der (publizistischen) Mitbestimmung in Massenmedien, insbesondere Presseunternehmen. Sie wurde begleitet von einer Vielzahl von Novellierungsvorschlägen und insbesondere der Forderung nach "innerer Pressefreiheit" durch Schaffung von tarifvertraglichen bzw. gesetzlichen Mitbestimmungskompetenzen von Redaktionsausschüssen und in Redaktionsstatuten.199 Die langjährige Diskussion hat zu einer Versachlichung der Kontroversen, vor allem aber zu einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten geführt, so dass derzeit ein Handlungsbedarf für gesetzgeberische Aktivitäten nicht erkennbar ist.200 3. Privilegien im Urheberrecht 396 Damit die Informationsaufgabe der Massenmedien sachgerecht verwirklicht werden kann, muss das Medienrecht auch die Kollisionslage zwischen der öffentlichen Aufgabe der Massenmedien und bestehenden Urheberrechten ordnen. Im Hinblick auf die den Grundrechten der Kommunikationsfreiheit entsprechende öffentliche Aufgabe bedürfen die Massenmedien auch im Bereich des Urheberrechts bestimmter Privilegien. Mit ihnen ist vor allem der Zugang der Medien zu Informationsquellen zu ermöglichen, damit die Medien ihrer Aufgabe nachkommen können, die Öffentlichkeit und damit die Medienrezipienten zu informieren. Solche Informationsprivilegien für die Massenmedien enthalten die §§ 48-50 UrhG. Nach § 48 UrhG dürfen bestimmte Reden, die bei öffentlichen Versammlungen 196 197
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Vgl. noch unten Rn. 610 ff. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, § 1 Abs. 4 Nr. 2 MitbestG; zur Reichweite des Anwendungsbereichs dieser Bestimmungen muss wiederum auf die Spezialliteratur verwiesen werden. Vgl. dazu BVerfG, AfP 2000, S. 82 ff. und BVerfG, AfP 2000, S. 84 ff.; näher Binder, in Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 70. Abschnitt Rn. 7 ff. Eingehend und kritisch zu den verschiedenartigen Vorschriften Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 37 Rn. 1 ff. Ebenso in der Einschätzung Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 37 Rn. 11 ff.; Mathy, Das Recht der Presse, 4. Auflage 1988, 4. Abschnitt Ziff. 5.
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gehalten werden, in Zeitungen und Zeitschriften bzw. im Rundfunk und im Internet verbreitet werden.201 § 49 UrhG enthält zugunsten der Presse- und Rundfunkberichterstattung einige Beschränkungen des Urheberrechts an Zeitungsartikeln und Rundfunkberichten.202 Am deutlichsten kommt die Massenmedien privilegierende Bedeutung in § 50 UrhG zum Ausdruck. Danach dürfen Funk und Film, Zeitungen und Zeitschriften für ihre Berichterstattung über aktuelle Ereignisse ansonsten urheberrechtlich geschützte Werke, die im Verlauf der Vorgänge, über die berichtet wird, wahrnehmbar werden, ohne Erlaubnis des Urhebers vergütungsfrei vervielfältigen, verbreiten und öffentlich wiedergeben, sofern die Werknutzung den durch den Zweck der Berichterstattung gebotenen Umfang nicht übersteigt.203 § 50 erleichtert damit jede Art der Ton- und Bildberichterstattung in den Massenmedien für die Zwecke der Berichterstattung über Tagesereignisse.204 4. Sonderregelungen des Datenschutzes Die medienrechtliche Gewährleistung von Informationsfreiheit durch die Mas- 397 senmedien privilegierende Kommunikationsrechte zeigt sich weiterhin im Medienprivileg des Datenschutzrechts. § 41 BDSG (ebenso wie die entsprechenden Regelungen des Landesrechts) erlaubt es „Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse, des Rundfunks und des Films“ personenbezogene Daten, die den Bestimmungen des Datenschutzrechts grundsätzlich unterfallen, zu „eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken“ zu verarbeiten. Während das BDSG personenbezogene Daten generell dadurch schützt, dass insbesondere Behörden und Personenvereinigungen des Privatrechts diese nur mit gesetzlicher Erlaubnis oder schriftlicher Einwilligung des Betroffenen speichern, weitergeben, verändern oder löschen dürfen, unterliegen die begünstigten Massenmedien im wesentlichen nur der Pflicht zur Wahrung des Datengeheimnisses nach § 5 BDSG, nämlich dem Verbot, medienbezogene Daten unbefugt zu verarbeiten. Die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten hängt dagegen nicht von der sonst erforderlichen Erlaubnis nach § 4 BDSG oder der Einwilligung des Betroffenen ab. Der Betroffene braucht auch nicht gem. § 33 BDSG von der Speicherung seiner Daten benachrichtigt zu werden. Ein Datenschutzbeauftragter ist im Medienunternehmen nach § 36 BDSG nicht zu bestellen. Besondere, privilegierende Regelungen bestehen auch für die Einsicht, die Verwendung und die Veröffentlichung von sog. Stasi-Unterlagen.205 Das Medienprivileg ist unmittelbarer Ausfluss der verfassungsrechtlich ge- 398 schützten Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG. Das Sammeln und Verbreiten von Informationen gehört zum Kernbereich des verfassungsrechtlichen Schutzes 201 202 203 204 205
Näher dazu unter Rn. 647. Dazu näher unter Rn. 647 f. Vgl. Rehbinder, Urheberrecht, 15. Auflage 2008, Rn. 512. Vgl. näher unter Rn. 649. § 34 iVm §§ 32, 33 Stasi-Unterlagen-Gesetz vom 20.12.1991, BGBl. I, S. 2272 in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.2.2007, BGBl. I, S. 162; s. dazu unten Rn. 1283 ff.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
der Massenmedien. In der sich bei der Wahrnehmung dieser verfassungsrechtlich geschützten Tätigkeiten ergebenden Konfliktlage mit dem grundrechtlichen Schutz der Persönlichkeit und der Menschenwürde hat der Gesetzgeber des BDSG die Einräumung des Medienprivilegs als sachgerechte Konfliktbewältigung angesehen. Diese Wertentscheidung ist um so bemerkenswerter, als gerade der Missbrauch personenbezogener Daten durch Medienunternehmen wegen ihrer Öffentlichkeitswirkung zu besonders schweren Persönlichkeitsverletzungen führen kann. In einem solchen Fall - und das ist die die gesetzgeberische Wertentscheidung letztlich tragende Erwägung206 - stehen dem Betroffenen aber sämtliche allgemeinen Vorschriften zum Schutz der Persönlichkeit zur Verfügung, die eine Einbeziehung auch der Medienunternehmen in das BDSG entbehrlich erscheinen lassen. Die damit einhergehende dominierende Gewichtung der Kommunikationsfreiheit der Massenmedien wird überwiegend für verfassungsgemäß gehalten.207 Inhaltlich ist das Medienprivileg dadurch begrenzt, dass die personen399 bezogenen Daten "ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken“ verarbeitet werden. Durch diese Formulierung hat das geltende BDSG das zuvor geltende Erfordernis von „publizistischen Zwecken“ präzisiert. Es trägt nach früher umstrittener Auffassung nunmehr die gesamte Tätigkeit der Massenmedien, insbesondere nicht allein die redaktionelle Tätigkeit, sondern auch die Verarbeitung personenbezogener Daten etwa im Zusammenhang mit dem Anzeigenteil eines Presseerzeugnisses.208 Für den Datenschutz in Telemedien gilt nach den Regelungen der §§ 11 ff. 400 TMG grundsätzlich, dass keine Privilegierung der Diensteanbieter vorgesehen ist und wie im allgemeinen Datenschutzrecht die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Inhalten für Telemediendienste unter einen Erlaubnisvorbehalt stellen.209 Besonderheiten gelten nach § 57 RStV insofern als Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse, die Telemedien anbieten, personenbezogene Daten zu ausschließlich eigenen journalstisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken erheben, bestimmte Privilegien genießen. 210 5. Privilegien im Wettbewerbsrecht 401 Eine privilegierte Stellung genießen Medienunternehmen schließlich im Wettbewerbsrecht. Hier gilt die tatbestandlich als „Presseprivileg“ ausgeprägte haftungsrechtliche Sonderbestimmung des § 9 Satz 2 UWG.211 Ansprüche auf Schadener-
206
207 208 209 210 211
Zum verfassungsrechtlichen Regelungsspielraum des Gesetzgebers des BDSG vgl. Simitis/Dammann/Mallmann, BDSG, § 1 Rn. 48; kritisch gegenüber der gesetzgeberischen Abwägungsentscheidung Mallmann, NJW 1981, S. 137, 138. Zur Diskussion vgl. Simitis, AfP 1990, S. 14 ff. Näher Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 1 Rn. 204 m.w.N. Vgl. Rossnagel, NVwZ 2007, S. 743, 747 f.; Hoeren, NJW 2007, S. 801, 804 f. Hoeren, NJW 2007, S. 801, 805. Vgl. dazu unter Rn. 1044 ff.
B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze
153
satz gegen verantwortliche Personen der Massenmedien,212 können danach nur bei vorsätzlichem Handeln geltend gemacht werden. Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung über das gesetzliche Haftungsprivileg hinaus dafür erkannt, dass auf das Wettbewerbsrecht gestützte Abdruckverbote hinsichtlich redaktioneller Beiträge und hinsichtlich von meinungsbildender Anzeigen an Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen sind.213
B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze I. Pflichten im Allgemeininteresse 1. Öffentliche Aufgabe Massenmedien haben eine öffentliche Aufgabe. Davon war bereits im verfas- 402 sungsrechtlichen Zusammenhang die Rede.214 Dort ist die verfassungsrechtliche Anerkennung der öffentlichen Aufgabe als Konsequenz der historisch errungenen, inzwischen verfassungsrechtlich anerkannten Erkenntnis dargestellt worden, dass es sich bei den Massenmedien um essentielle Mitträger der freiheitlich demokratischen Grundordnung handelt, ohne die ein modernes demokratisches Gemeinwesen nicht funktionieren kann; sie werden deshalb nach heutigem Verständnis für das freiheitliche Staatswesen zu Recht als "schlechthin konstituierend" anerkannt.215 Diese bedeutende Stellung lässt Massenmedien tatsächlich als eine "vierte Gewalt" im demokratischen Gemeinwesen erscheinen, die nicht selten eine bedeutendste Rolle bei der Kontrolle der Staatsgewalten und der Entfaltung politischer Impulse spielt.216 Dem korrespondiert ein rechtlicher Status der Massenmedien, der generalisierend mit dem Begriff der öffentlichen Aufgabe der Massenmedien gekennzeichnet wird. Der Begriff der öffentlichen Aufgabe beschreibt den besonderen Verfassungs- 403 auftrag der Massenmedien. Er hat in den meisten LPG eine einfach-gesetzliche Anerkennung und zugleich eine nähere Ausformung gefunden. Mit ihr verleiht der Gesetzgeber insbesondere den Massenmedien in ihrer Kommunikations-, Informations-, Meinungsbildungs- und Kontrollfunktion in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Ausdruck.217 Die rechtliche Bedeutung der öffentlichen Aufgabe der Massenmedien ist aller- 404 dings weder verfassungsrechtlich, noch im einfachen Gesetzesrecht verbindlich geklärt. Die Vagheit des Begriffs und die Unbestimmtheit seiner Ausformung et212
213 214 215 216 217
Zum persönlichen Anwendungsbereich der Regelung für Presse und Rundfunkunternehmen vgl. Boesche, 2. Auflage 2007, Wettbewerbsrecht, § 11. BVerfG, WRP 2003, S. 635, 636 – Benetton II. Vgl. oben Rn. 212. Vgl. nur BVerfGE 10, S. 121 und oben Rn. 218. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 3 Rn. 25. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 3 Rn. 4; Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 8 ff.
154
§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
wa in den Landespressegesetzen lassen einen Interpretationsspielraum für das Verständnis der öffentlichen Aufgabe, der sich in unterschiedlichen Grundauffassungen zum Verständnis des Begriffs der öffentlichen Aufgabe niedergeschlagen hat.218 Einem staatsbezogenen Verständnis nach haben die Massenmedien wegen ihrer öffentlichen Aufgabe demokratischen Grundsätzen zu entsprechen; daraus ergeben sich nachhaltige Konsequenzen insbesondere für die Ausgestaltung der inneren Ordnung der Massenmedien und der Transparenz der Herkunft und Verwendung ihrer Finanzierungsmittel.219 Nach dem wertbezogenen Verständnis des Begriffs der öffentlichen Aufgabe der Massenmedien soll den (verfassungs-) rechtlichen Schutz der Medienfreiheiten nur diejenige Tätigkeit der Massenmedien verdienen, die dem öffentlichen Interesse dient, die einen Beitrag zur Funktionsfähigkeit des Staates leistet.220 Nach heute überwiegender Auffassung entspricht dem freiheitlichen Verständnis der Kommunikationsgrundrechte der Massenmedien allein ein funktionales Verständnis des Begriffs der öffentlichen Aufgabe. Die Massenmedien erfüllen danach eine öffentliche Aufgabe, indem sie eine "Allgemeinzugänglichkeit" von Informationen herstellen und sich unabhängig von einer demokratiestaatlichen Grundsätzen entsprechenden inneren Ordnung oder ohne die Beschränkung auf gemeinwohlbezogene Informationsinhalte als Teilnehmer an der Herstellung eines möglichst offenen Meinungsmarktes betätigen können.221 Bei dem Rechtsbegriff der öffentlichen Aufgabe der Massenmedien handelt es sich nach diesem funktionalen Verständnis um eine Ausformung des im öffentlichen Interesse liegenden Verfassungsauftrags an die Massenmedien, aus dem sich wohl berufsethische, nicht aber rechtliche Verpflichtungen der Massenmedien im Kommunikationsprozess ableiten lassen.222 2. Wahrheits- und Sorgfaltspflicht 405 Die medienrechtliche Wahrheits- und Sorgfaltspflicht stellen massenmedientypisches Sonderrecht dar, das Massenmedien strengeren Maßstäben unterwirft als Privatpersonen. Sie bilden das angesichts der besonderen Wirkungsintensität massenmedialer Berichterstattung gebotene Korrelat der Medienfreiheiten zum Schutz der Rechtsgüter von Betroffenen und der Informationsfreiheit der Rezipienten. Für die Presse konnte das BVerfG im sog. Schmidt/Spiegel-Urteil223 und im Anschluss an die Rechtsprechung des BGHs deshalb feststellen: "Wenn die Presse von ihrem Recht, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Gebrauch macht, ist sie zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet. Die Erfüllung dieser Wahrheitspflicht wird ... schon um des Ehrenschutzes des Betroffenen willen gefordert ... Sie ist zugleich in der Bedeutung der öffentlichen Meinungsbildung im Gesamtorganis218 219
220 221 222 223
Eingehend Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 3 Rn. 37 ff. Vgl. exemplarisch Ridder, Die öffentliche Aufgabe der Presse im System des modernen Verfassungsrechts, 1962. Vgl. F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, 1962. Vgl. Ricker, Freiheit und Aufgabe der Presse, 1983. So Löffler, Presserecht, 3. Auflage 1998, § 3 Rn. 45. BVerfGE 12, S. 113 ff.
B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze
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mus einer freiheitlichen Demokratie begründet."224 Für die übrigen Massenmedien gelten diese Erwägungen ohne Einschränkung entsprechend. Die Landespressegesetze haben deshalb konsequent für Presse und Rundfunk eine medienrechtliche Wahrheits- und Sorgfaltspflicht statuiert.225 Der RStV sieht in seinem § 10 Abs. 1 Satz 1 für Rundfunksendungen und § 54 Abs. 2 Satz 2 für Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Inhalten eine Verpflichtung vor, Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen angemessenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.226 Die Wahrheits- und Sorgfaltspflicht besteht einmal im Allgemeininteresse an 406 sachlich zutreffender Information. Denn nur dann, wenn die Medien im Rahmen des Möglichen zutreffend unterrichten, kann sich die öffentliche Meinung zutreffend bilden.227 Zum anderen schützt sie den oder die Betroffenen davor, Objekt einer unwahren Medienberichterstattung zu werden. Insofern hat die medienrechtliche Wahrheits- und Sorgfaltspflicht den Charakter eines dem Einzelnen verpflichteten Schutzgesetzes. Die Wahrheits- und Sorgfaltspflicht ist deshalb nicht nur als berufsethischer oder standesrechtlicher Appell ausgestaltet,228 sondern sie ist als verbindliche Rechtspflicht anerkannt. Inhaltlich verlangt die Wahrheits- und Sorgfaltspflicht der Massenmedien zu- 407 nächst eine Prüfung der von den Medien übermittelten Nachrichten darauf hin, den Rezipienten vor Falschinformationen zu schützen.229 Die medienrechtliche Wahrheitspflicht will und kann im Interesse der Aufrechterhaltung aktueller Berichterstattung nicht zu einer schrankenlosen Gewährleistung der Vermittlung objektiver, "reiner" Wahrheiten durch die Massenmedien verpflichten; der Pflichteninhalt der medienrechtlichen Wahrheits- und Sorgfaltspflicht ist auf eine Prüfung der publizierten Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt beschränkt. Den Massenmedien obliegt die Pflicht, sich mit der gebotenen Sorgfalt um die Ermittlung des wahren Sachverhalts zu bemühen und den so ermittelten Sachverhalt publizistisch zu verbreiten.230 Der maßgebliche Sorgfaltsmaßstab wird in den LPG mit dem Begriff der "nach 408 den Umständen gebotenen Sorgfalt" festgelegt. In Übereinstimmung mit den zivilrechtlichen Grundsätzen bedeutet dies, dass dasjenige Maß an Sorgfalt anzulegen ist, das nach allgemein üblichen Maßstäben erforderlich ist. Auf individuelle Nachlässigkeiten der Redakteure und Journalisten können sich die Massenmedien nicht entlastend berufen.231 Im übrigen gilt ein flexibler, an den konkreten Umständen des Einzelfalles orientierter und deshalb kaum verallgemeinerungsfähiger 224 225
226 227 228 229 230
231
BVerfGE 12, S. 113, 130. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 7 ff. für die Presse; vgl. auch die Programmgrundsätze der Rundfunk- bzw. Mediengesetze der Länder. Vgl. Flechsig, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 2. Auflage 2008, § 10 RStV Rn. 24 ff. BVerfGE 12, S. 113, 130. Vgl. Ziff. 1, 2 des sog. Pressekodex des Deutschen Presserats. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 159. Eingehend Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 160 ff.; vgl. auch Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000. Rn. 2.08 ff. Vgl. nur BGHZ 30, S. 7.
156
§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
Maßstab. Anerkannt ist aber, dass die Anforderungen an die Sorgfaltsmaßstäbe davon abhängen, ob es sich um Nachrichten handelt, die auf Informationen aus seriösen Quellen gestützt werden oder auf selbstrecherchierte Vorgänge und Berichte.232 Auf Informationen aus anerkannt seriösen Quellen (z.B. Pressemitteilungen von Regierungen und Behörden, renommierten Nachrichtenagenturen) dürfen die Massenmedien ihre Publikationen stützen, ohne den Wahrheitsgehalt der Nachricht selbst nachrecherchieren zu müssen.233 Anders verhält es sich bei Berichten über selbstentdeckte und selbstrecherchier409 te Vorgänge. Die Intensität der dabei gebotenen Sorgfaltspflicht steht insofern in einer Relation zu der Intensität des potentiellen Eingriffs der Berichterstattung in die Rechte Dritter.234 Mit der Intensität des potentiellen Eingriffs in die Rechte Dritter steigt die Intensität der gebotenen Sorgfalt. Sie liegt besonders hoch bei Berichten von großer politischer, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Tragweite für den oder die Betroffenen;235 erst recht gelten hohe Maßstäbe für die Erfüllung der Sorgfaltsmaßstäbe bei der publizistischen Behandlung von Fragen aus dem Bereich der Privat- oder Intimsphäre.236 Bei Angelegenheiten von geringer gesellschaftlicher Bedeutung, zumal wenn sie keinen erkennbaren Einfluss auf das Ansehen und Fortkommen des Betroffenen haben, wird der medienrechtlichen Sorgfaltspflicht schon genügt, wenn der Bericht im Kern wahr ist; bloße Vergröberungen und Einseitigkeiten sind in diesem Bereich eher hinzunehmen.237 Neben der Intensität des potentiellen Eingriffs in Rechte Dritter hat das Infor410 mationsinteresse der Öffentlichkeit an aktueller Medienberichterstattung Einfluss auf die Intensität der medienrechtlich gebotenen Sorgfalt. Insbesondere bei Angelegenheiten von erheblicher politischer oder gesellschaftlicher Bedeutung kann aus Gründen der Aktualität der Medienberichterstattung die medienrechtliche Sorgfaltspflicht schon bei einem geringeren Verifizierungsgrad als erfüllt angesehen werden.238 Die Anhörung des/der Betroffenen vor der Medienberichterstattung und die 411 Einräumung einer Gelegenheit, zu der Nachricht Stellung zu nehmen, gehört ebenfalls zu den medienrechtlichen Sorgfaltspflichten.239 Die dogmatische Grundlage 232
233
234 235
236 237
238
239
Vgl. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 6.127 ff.; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 158. Vgl. z.B. OLG Stuttgart, AfP 1990, S. 145, 147; näher Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 169. BVerfGE 12, S. 113, 130 – Schmidt/Spiegel; BGHZ 31, S. 408, 312 – Alte Herren. Vgl. BVerfGE 54, S. 208, 219 f. – Böll/Walden; BGHZ 39, S. 124, 128 – Fernsehansagerin. BGH, AfP 1988, S. 34 – Intime Beziehungen. Vgl. BGH, NJW 1979, S. 1041; Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 2.17; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 5.83. BVerfGE 12, S. 113, 130 – Schmidt/Spiegel; 34, S. 269, 285 – Soraya; BGH GRUR 1990, S. 1012, 1014 – Pressehaftung.; vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 160 ff. BGHZ 59, S. 76, 79 – Geschäftsaufgabe; BGH, NJW 1977, S. 1288 – Abgeordnetenbestechung; AfP 1988, S. 34 – Intime Beziehungen; vgl. näher Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 170.
B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze
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dafür liegt nicht in erster Linie im Grundsatz des "audiatur et altera pars", der dem (Prozess-)Gegner eine gleichberechtigte Behandlung sichern soll, sondern im Schutz der Persönlichkeitsrechte Betroffener. Deshalb kann die Abstandnahme von der Pflicht zur Rückfrage beim Betroffenen nur in Ausnahmefällen als sorgfaltsgemäß angesehen werden. Die bloße Vermutung, die Rückfrage beim Betroffenen werde keinen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts leisten, kann als Rechtfertigungsgrund nicht vorgebracht werden,240 weil die Anhörungspflicht nicht wegen der und nur bei Erwartung einer Sachverhaltsaufklärung, sondern um des Schutzes des Betroffenen willen besteht. Denkbar ist aber, dass eine Anhörung des Betroffenen deshalb nicht zumutbar ist, weil der Betroffene innerhalb angemessener Frist nicht zu erreichen ist oder aber ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an sofortiger Berichterstattung besteht.241 Zweifelhaft ist, ob die medienrechtliche Sorgfaltspflicht die Pflicht zur Sach- 412 lichkeit der Darstellung umfasst. Im Interesse des Persönlichkeits- und sonstigen Rechtsgüterschutzes wäre ein entsprechendes Verständnis der Sorgfaltspflicht durchaus wünschenswert. Dementsprechend betont auch die Präambel des Pressekodex, dass die publizistische Aufgabe unbeeinflusst von sachfremden Beweggründen wahrgenommen werden soll. Zur "Leisetreterei" können die Massenmedien angesichts der verfassungsrechtlichen Freiheitsgewährleistungen jedenfalls nicht verpflichtet werden.242 Die Rechtsprechung hebt im Gegenteil hervor, dass die Massenmedien zu scharfer Kritik berechtigt und verpflichtet sind, wenn Mängel im öffentlichen Leben in Erscheinung treten.243 Bei Anerkennung dieses weiten Freiraums gibt es freilich Grenzen sorgfaltsgemäßer Medienberichterstattung, die von der Rechtsprechung durch den Hinweis auf die Unzulässigkeit "böswilliger und gehässiger Schmähkritik" und eben das Gebot der Sachbezogenheit selbst polemischer Kritik ansatzweise konkretisiert wurden.244 Davon zu unterscheiden ist die den Gesetzgeber treffende Pflicht, für den Inhalt des Gesamtprogramms im Rundfunk Leitgrundsätze verbindlich zu machen, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit und Sachlichkeit gewährleisten. 245 Ihr spezifisch rundfunkbezogener Hintergrund erlaubt indes keine medienübergreifende Verallgemeinerung zu einem medienrechtlichen Rechtsgrundsatz. Die Verletzung der Wahrheits- und Sorgfaltspflicht ist medienrechtlich sankti- 413 oniert. Die hauptsächliche Bedeutung auf der Rechtsfolgenseite liegt allerdings in der medienspezifischen Weiterentwicklung der bürgerlichen Sanktionen für Sorgfaltspflichtenverstöße nach deliktsrechtlichen Grundsätzen;246 insofern erscheint es
240 241
242 243 244 245 246
So aber Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 2.24. Vgl. OLG Stuttgart, NJW 1972, S. 2320 (Aufdeckung politischen Fehlverhaltens kurz vor Wahlen). So Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 39 Rn. 18. BVerfG, AfP 1982, S. 215; BGHZ 36, S. 77. Vgl. BGHZ 45, S. 296 – Höllenfeuer. Vgl. BVerfGE 57, S. 295, 325 f.; 12, S. 205, 263. Vgl. dazu unten Rn. 986 ff.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
bedenklich von einer „sanktionslosen Norm“ zu sprechen.247 Selbständige medienrechtspezifische Rechtsfolgen werden allerdings durch die Verletzung der Pflichten nur ausnahmsweise ausgelöst. Nach § 38 RStV ist die zuständige Landesmedienanstalt befugt, die Einhaltung der Wahrheits- und Sorgfaltspflicht zu überprüfen und bei Verstößen ein Beanstandungsverfahren nach 38 Abs. 3 RStV248 einzuleiten.249 3. Vielfaltsicherung 414 Die Freiheit der Massenmedien von staatlicher Beherrschung und Einflussnahme und entsprechenden Einflüssen fremder, nichtstaatlicher Macht- oder Interessengruppen bietet noch keine hinreichende Garantie für ein Massenkommunikationswesen, das die freie und umfassende Meinungsbildung jedes Einzelnen ermöglicht. Die Medienrechtsordnung hat zusätzlich Rahmenbedingungen zu schaffen bzw. zu sichern, welche die Freiheit der Meinungsbildung gewährleisten. Dabei ist die Einsicht unabweisbar, dass mit dem Mangel an Medienvielfalt ein Mangel an Medien- und Meinungsfreiheit einhergeht. Erst die Möglichkeit, sich aus verschiedenen, von einander unabhängigen und von fremder Einflussnahme freien Informationsquellen zu unterrichten, bietet die Gewähr für Informationsund Meinungsfreiheit. Eine nicht manipulierte öffentliche Meinung als Wesenselement der freiheitlichen Demokratie kann sich nur bilden, wenn die Medien verschiedene, unabhängige Ansichten und Meinungen vermitteln und zur Diskussion auf einem Meinungsmarkt stellen. a)Vielfaltsicherung durch Wirtschafts- oder Medienrecht 415 Der Mediengesetzgeber hat darüber zu befinden, wie Meinungsvielfalt im Kommunikationsprozess gewährleistet werden kann, ob dies durch wirtschaftlichen Wettbewerb und die ihn sichernde Wirtschafts- und Wettbewerbsordnung erreicht werden kann oder ob und inwieweit besondere medienrechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Insofern geht es um die Frage, ob das Medienrecht im allgemeinen Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht gleichsam aufgeht oder aber, ob es mit eigenem medienrechtsspezifischem Regelungsanspruch auftretend die wirtschaftlichen Wettbewerb schützende Rechtsordnung ergänzt, ersetzt oder modifiziert. Das kommunikationspolitische Ziel, ein möglichst vielfältiges Massenkommu416 nikationswesen zu gewährleisten, steht außer Frage. Über den Weg, wie man dieses Ziel erreichen kann, besteht dagegen kein durchgehender, medienübergreifender Konsens. Lässt man die Differenzierungen der Auffassungsunterschiede im Detail außer Betracht, so stehen sich zwei unterschiedliche Grundpositionen ge-
247
248 249
So aber Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 11; vgl. auch Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1162 ff. Vgl. Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 23 Rn. 80 ff. Flechsig, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 2. Auflage 2008, § 10 RStV Rn. 74 f.
B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze
159
genüber. Die eine250 geht davon aus, dass die Wirtschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland auf den Grundsätzen wirtschaftlichen Wettbewerbs gründet und wird auf die Überzeugung gestützt, dass ökonomischen Wettbewerb sicherndes Wirtschaftsrecht auch im Massenkommunikationswesen Chancengleichheit im intra- und intermediären Wettbewerb und damit letztlich Meinungsvielfalt gewährleistet. Die Vertreter dieser Position verweisen darauf, dass die Kräfte des Wettbewerbs als zentrales Ordnungselement im Presse- und Verlagswesen251 ebenso wie in der Film- und Tonträgerindustrie252 fungieren. Sie sehen im ökonomischen Wettbewerb und in der diesen Wettbewerb sichernden Rahmenordnung das am besten geeignete Instrument der Vielfaltsicherung im Massenkommunikationswesen. Die Gegenposition253 sieht demgegenüber in der Orientierung am ökonomi- 417 schen Wettbewerb keine hinreichende Ordnungsgrundlage für den Mediensektor. Jedenfalls für den Rundfunk reicht danach eine wirtschaftsrechtliche Ordnung nicht aus, da das Grundrecht der Rundfunkfreiheit zumindest in seinem Bezug auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung geschützt sei und es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gebe, dass ökonomischer Wettbewerb allein die Meinungsvielfalt in den Massenmedien sichere. Die skizzierten Meinungsunterschiede bildeten den zentralen Diskussionspunkt 418 bei der Einführung privaten Rundfunks und bei der Auseinandersetzung um seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit. Das BVerfG war kraft seiner kompetenziellen Stellung aufgerufen, die verfassungsrechtliche Kontroverse zu entscheiden. Es hat mit seinen Rundfunkurteilen254 die ordnungspolitische und verfassungsrechtliche Diskussion nicht beenden können, hat aber doch für die Entwicklung der Medienrechtsordnung richtungweisende Weichenstellungen getroffen, die für die Vielfaltsicherung im Massenkommunikationswesen auf absehbare Zeit prägend sind. Zum einen sieht das BVerfG in der Vielfaltsicherung nicht nur eine medienpolitische Aufgabe, sondern einen verfassungsrechtlichen Zielwert.255 In seiner Rechtsprechung zum Rundfunkwesen betont das BVerfG, dass die Rundfunkfreiheit neben dem Abwehrcharakter einen objektiv-rechtlichen Gehalt aufweise, und es leitet daraus die Pflicht des Staates ab, eine "positive Ordnung" zu schaffen, "welche sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und dass auf diese Weise umfassende Information geboten wird".256 250
251
252 253
254 255 256
Vgl. insbesondere Mestmäcker, 56. DJT, Bd. II, 1986, O 9 ff.; Möschel, in: Festschrift für v.Gamm, 1990, S. 627 ff.; Niewiarra, AfP 1989, S. 636 ff. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 73; Bappert/Maunz/Schricker, Verlagsrecht, 1984, Einleitung Rn. 35 ff. Vgl. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Auflage 1980, S. 40 f. Vgl. insbesondere Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, 1991; Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, 1991; Kübler, NJW 1987, S. 2961; Lerche, AfP 1984, S. 183 ff. Vgl. näher Rn. 220 ff. BVerfGE 73, S. 118, 156 – Niedersachsen. BVerfGE 57, S. 295, 320 – FRAG; 74, S. 297, 324 – BaWü.
160
§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
Zum anderen hat es deutlich gemacht, dass die Aufgabe der Vielfaltsicherung nicht bedeutet, dass sie für sämtliche Massenmedien mit den gleichen Instrumenten ausgeführt und umgesetzt werden müsse. "Während bei der Presse die geschichtliche Entwicklung zu einem gewissen bestehenden Gleichgewicht geführt hat, so dass es heute zur Sicherstellung umfassender Information und Meinungsbildung durch die Presse grundsätzlich genügen mag, Bestehendes zu gewährleisten",257 hebt das BVerfG unter Hinweis auf die bestehende Frequenzknappheit, die bestehenden ökonomischen Hürden zur Veranstaltung von Fernsehen und Hörfunk und die Gefahr des Missbrauchs zum Zweck einseitiger Einflussnahme auf die öffentliche Meinung258 hervor, dass von einem solchen Zustand auf dem Gebiet des privaten Rundfunks zumindest vorerst nicht ausgegangen werden könne. Für den Bereich des Rundfunks trage der Gesetzgeber die Verantwortung für ein Gesamtangebot, in dem die für die freiheitliche Demokratie konstitutive Meinungsvielfalt zur Darstellung gelangt.259 Wenn für die allgemeine Verkehrswirtschaft im Allgemeinen der Wettbewerb 420 als das bedeutendste Regulativ für das von Angebot und Nachfrage bestimmte Marktgeschehen angesehen wird, dann ist damit der wirtschaftliche Wettbewerb gemeint. Insbesondere durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist der dadurch normierte wirtschaftliche Wettbewerb zu einer für die Unternehmenspolitik vorgegebenen Kategorie geworden, durch die insbesondere wettbewerbsbeschränkende Verhaltenskoordinierungen verboten, marktmächtige Unternehmen einer am Leitbild funktionsfähigen Wettbewerbs orientierten Verhaltens-kontrolle unterworfen und das durch einen Zusammenschluss von Unternehmen begründete Entstehen von beherrschender Marktmacht untersagt wurden.260 Die medienrechtliche Sicht bezieht neben dem wirtschaftlichen Wettbewerb den publizistischen Wettbewerb in die Betrachtung der Gewährleistung von Meinungsvielfalt ein.261 Insbesondere das BVerfG geht in seiner Rechtsprechung zum Rundfunk davon aus, dass wirtschaftlicher Wettbewerb weder als alleinige noch als ausreichende Grundlage der Sicherung individueller und öffentlicher Meinungsbildung durch den Rundfunk angesehen werden könne; vielmehr stellt es den wirtschaftlichen Wettbewerb dem publizistischen gegenüber.262 Diese Gegenüberstellung ist verschiedentlich kritisiert worden, weil der Erfolg im publizistischen Wettbewerb vom wirtschaftlichen Wettbewerb - mit dem jener eng verzahnt sei - nicht getrennt werden könne und ohne wirtschaftliche Konkurrenz pub419
257 258
259 260 261
173
BVerfGE 57, S. 295, 322 f. – FRAG. BVerfGE 57, S. 295, 323 – FRAG; die Verschiedenheit von Presse und Rundfunk unter dem Aspekt der Vielfaltssicherung wird ebenfalls schon in BVerfGE 12, S. 205, 261 – Deutschland-Fernsehen betont. BVerfGE 57, S. 295, 323 – FRAG. Vgl. Paschke, in: Frankfurter Kommentar zum GWB, § 35 Rn. 1 ff. Vgl. Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, 1991, S. 21 ff.; Schuster, Meinungsvielfalt in der dualen Rundfunkordnung, 1990, S. 89 ff. BVerfGE 57, S. 295, 319 ff. – FRAG; 73, S. 118, 172, 174 ff. – Niedersachsen; 74, S. 297, 325, 331 ff. – BaWü.
B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze
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lizistische Vielfalt nicht zu erreichen sei.263 Das BVerfG hat, von dieser Kritik unbeeindruckt, an der Unterscheidung von publizistischem und wirtschaftlichem Wettbewerb festgehalten.264 Von ihr wird nachfolgend für das Verständnis des Medienrechts in der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen.265 Die Unterscheidung von publizistischem und wirtschaftlichem Wettbewerb 421 wurde vom BVerfG ursprünglich in Urteilen mit Bezug zum Pressewesen entwickelt. Grundlegend spricht das Spiegel-Urteil von "geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz" der Presseunternehmen, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf.266 In der Blinkfuer-Entscheidung zum Boykottaufruf eines Presseverlages gegenüber einem anderen Presseunternehmen erstreckt das BVerfG den Grundrechtschutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG "auf die Freiheit der geistigen Auseinandersetzung" im Verhältnis verschiedener Presseunternehmen; das Grundrecht gewährleiste den "geistigen Kampf der Meinungen".267 In den Rundfunkurteilen wird diese Unterscheidung aufgegriffen. Im dritten 422 Rundfunkurteil führt das BVerfG zur Rechtfertigung der Meinungsvielfalt gewährleistenden positiven Rundfunkordnung aus, dass auch bei einem Fortfall der insbesondere durch die Knappheit der Sendefrequenzen und den hohen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen gekennzeichneten Sondersituation des Rundfunks nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden könne, dass das Programmangebot in seiner Gesamtheit kraft der "Eigengesetzlichkeit des (wirtschaftlichen; Zusatz vom Verf.) Wettbewerbs"268 den Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen werde. Das BVerfG bezeichnet es als ungewiss, ob auf der Grundlage wirtschaftlichen Wettbewerbs ein "Meinungsmarkt" entstehe, auf dem die Vielfalt der Meinungsrichtungen ungekürzt zum Ausdruck gelangt.269 Auf dieser Annahme bauend entwickelt es den Grundsatz der Verantwortung des Gesetzgebers für ein Gesamtangebot, in dem die Meinungsvielfalt zur Geltung komme. Damit hat das BVerfG die Grundlagen für eine eigenständige Sicherung des publizistischen Wettbewerbs für den Rundfunk gelegt, ohne allerdings diesen Begriff zu verwenden und zu definieren. Dabei bleibt es auch im vierten Rundfunkurteil. In ihm lehnt das BVerfG eine "publizistische Gewaltenteilung" in dem Sinne ab, dass Presseunternehmen durch das Grundgesetz der Zugang zum Rundfunk verwehrt sei270 und befürwortet - konkret auf das Verhältnis von Kartellrecht und Rundfunkgesetzgebung bezogen - eine eigenständige Kompetenz für Regelungen gegen Meinungsmacht im Rundfunk. Vor allem sei es einerseits nicht zu beanstanden, wenn der Landesgesetzgeber die Kontrolle 263
264 265 266 267 268 269 270
Vgl. Mestmäcker, GRUR Int. 1983, S. 553; Immenga, AfP 1989, S. 621; Hoppmann, in: Mestmäcker, Offene Rundfunkordnung, 1988, S. 163; Monopolkommission, Sondergutachten 11, Tz. 11. BVerfGE 83, S. 238, 324 ff. – NRW. Vgl. nur Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, 1991, S. 38 ff. BVerfGE 20, S. 162, 175. BVerfGE 25, S. 256, 265. BVerfGE 57, S. 295, 322 – FRAG. BVerfGE 57, S. 295, 323 – FRAG. BVerfGE 73, S. 118, 175 – Niedersachsen.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
der Zusammenschlüsse von Rundfunkveranstaltern nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu beurteilen habe; der Landesgesetzgeber bleibe jedoch andererseits - und damit wird wiederum mittelbar die Unterscheidung von wirtschaftlichem und publizistischem Wettbewerb angesprochen - "aufgrund seiner ausschließlichen Kompetenz für den Rundfunk zu Vorkehrungen dagegen verpflichtet, dass Meinungsmacht im Rundfunk (...) nicht zu einer vorherrschenden wird".271 Im fünften Rundfunkurteil ist sodann ausdrücklich vom publizistischen Wett423 bewerb im Zusammenhang mit dem (Konkurrenz-) Verhältnis zwischen privatwirtschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern die Rede. Das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk sieht das BVerfG u.a. damit begründet, "dass der publizistische Wettbewerb zwischen beiden sich anregend und belebend auf das inländische Gesamtangebot auswirken und Meinungsvielfalt auf diese Weise gestärkt und erweitert werde".272 Und die Rechtfertigung des Verbots öffentlich-rechtlicher Programme im regionalen und lokalen Rundfunk mit dem Schutz privater Anbieter vor der Konkurrenz der Landesrundfunkanstalten verwirft das BVerfG mit dem zentralen Satz: "Marktchancen können eine Frage wirtschaftlicher, nicht aber der Meinungsfreiheit sein".273 Schon vorher wurde in klarer Unterscheidung der beiden Wettbewerbsbezüge zur Verfassungsmäßigkeit der Pressefusionsregelungen der 3. GWB-Novelle ausgeführt: "Nach ihrer Funktion und ihrer legislatorischen Zielsetzung dienen sie in erster Linie der Bekämpfung wirtschaftlicher Macht. Die PressefusionskontrollNovelle hat keine Sonderkriterien spezifisch publizistischen Wettbewerbs eingeführt. ... Unmittelbarer Regelungsgegenstand der Novelle ist nicht die publizistische Vielfalt auf den Pressemärkten, sondern die Wettbewerbszwecken dienende Ausgestaltung der Fusionskontrolle".274 Der Rechtsprechung des BVerfGs enthält keine Aussage über den Weg zur 424 Gewährleistung der Meinungsvielfalt im Massenkommunikationswesen. Ob dieser über eine Sicherung publizistischen Wettbewerbs durch wirtschaftlichen Wettbewerb führt oder aber wegen der Gefahren des Versagens wirtschaftlichen Wettbewerbs spezifisch publizistische Sicherungsvorkehrungen vorzusehen sind, wird vom BVerfG nicht vorgezeichnet. In dieser Situation verfügt der Gesetzgeber über ein Gestaltungsermessen.275 b) Binnenplurales oder außenplurales Modell 425 Der Gesetzgeber des Medienrechts hat nicht nur darüber zu befinden, ob die Vielfaltgewährleistung mit den Mitteln des Wirtschaftsrechts oder denen des Medienrechts erfolgt, sie hat im Rahmen des medienrechtlichen Konzepts auch über dessen Ausgestaltung zu befinden. Für die Vielfaltsicherung im Massenkommuni271 272 273 274 275
BVerfGE 73, S. 118, 174 – Niedersachsen. BVerfGE 74, S. 297, 332 – BaWü. BVerfGE 74, S. 297, 335 – BaWü. BVerfG, AfP 1985, S. 107. Vgl. Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, 1991, S. 43 f.
B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze
163
kationsgeschehen stehen mit dem binnenpluralen und dem außenpluralen Modell zwei idealtypische Modellvarianten zur Verfügung. In der konzeptionellen Konstruktion des rein außenpluralen Modells soll sich Vielfalt durch das Vorhandensein möglichst vieler Medienangebote unterschiedlicher publizistischer Ausrichtung einstellen.276 Im binnenpluralen Modell soll das Medienangebot in sich eine publizistische Breite aufweisen, die den Anforderungen an die Vielfaltgewährleistung genügt.277 In der deutschen Medienordnung hat der Gesetzgeber beide Modellkonzeptio- 426 nen aufgegriffen und in der Ordnung der verschiedenen Medienbereiche differenzierend berücksichtigt. Für die Presse und die Telemediendienste setzt der Gesetzgeber auf das außenplurale Modell. Der Gesetzgeber setzt für diese Medien darauf, dass viele Zeitungen und ein breites Angebot unabhängiger Telemediendiensteanbieter dafür sorgen, den Rezipient möglichst vielfältiger Informationsangeboten zu unterbreiten. Für das Pressewesen gilt die in historischer Erfahrung gewachsene Überzeugung, dass die Gewährleistung von Freiheit für Presseunternehmen ein Vielfaltsystem generiert, dass umfassende Informationsfreiheit für die Rezipienten und damit die Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung gewährleistet.278 Entsprechendes gilt für die Informationsmöglichkeiten über das Internet; Vielfaltsicherung ist bei diesem Medium die Konsequenz aus der gleichsam natürlich gegebenen Vielfalt der Informationsangebote. Das binnenplurale Modell findet sich in Deutschland in den medienrechtlichen 427 Regelungen für den Rundfunk verwirklicht. Insofern hat sich der Gesetzgeber in Umsetzung der richtungweisenden Judikate des BVerfGs nicht darauf verlassen, dass das Programm der Rundfunkveranstalter schon für sich die gebotene Vielfalt gewährleistet. Vielmehr wird grundsätzlich der einzelne Sender auf ein Programm verpflichtet, das an sich eine Binnenvielfalt aufweist. Dabei werden an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die privaten Rundfunkunternehmen unterschiedliche Anforderungen an die Ausgewogenheit gestellt, grundsätzlich aber vertraut der Gesetzgeber eben nicht darauf, dass schon allein durch die Existenz mehrerer Veranstalter dafür sorgt, dass grundsätzlich alle bedeutenden gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Strömungen im Rundfunk publizistisch zu Gehör kommen. 4. Inhaltsbindungen Die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG lassen keinerlei Vor- 428 schriften über eine bestimmte inhaltliche (publizistische) Ausrichtung massenmedialer Darbietungen zu. Dies bedeutet nicht, dass Massenmedien überhaupt keinen Inhaltsbindungen unterliegen. Selbstverständlich sind die Massenmedien der Verfassung unterworfen und ausweislich von Art. 5 Abs. 2 GG ausdrücklich an die Vorschriften der allgemeinen Gesetze gebunden. Die Bindung an die verfas276
277 278
Paschke/Tacke, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 7. Abschnitt Rn. 102 ff. Paschke/Tacke, a.a.O., 7. Abschnitt Rn. 108 ff. Vgl. nur BVerfGE 12, S. 205, 261; 57, S. 295, 323.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
sungsmäßige Ordnung folgt aus dem Geltungsanspruch der Verfassung selbst und wird in verschiedenen medienrechtlichen Bestimmungen deklaratorisch festgestellt. Entsprechende Bestimmungen finden sich beispielsweise für den Rundfunk in § 41 RStV und für die Telemediendienste in § 54 Abs. 1 RStV. Der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung entspricht dem nämlichen Beg429 riff des Art. 2 Abs. 1 GG. Er umfasst also nicht nur die Verfassungsordnung des Bundes und der Länder mit ihrer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sondern die verfassungsmäßige Rechtsordnung, nämlich die Verfassungsbestimmungen und die Gesamtheit der Rechtsnormen insgesamt, die mit der Verfassung in Einklang stehen. Massenmediendarbietungen müssen sich somit an die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen halten.279 Dazu gehören auch die Bestimmungen der „allgemeinen Gesetze“, deren Anwendung im Hinblick auf die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG eine besondere Bedeutung zukommt. 280 Vereinzelt sind in neueren Mediengesetzen besondere Förderungspflichten vor430 gesehen. So wird beispielsweise in § 5 Abs. 1, 3 ZDF-Staatsvertrag geregelt, dass das Rundfunkprogramm einen Beitrag zur Verwirklichung der Gleichstellung von Mann und Frau leisten solle. Die Programmgrundsätze des Rundfunkstaatsvertrages sehen in § 41 Abs.1 Satz 2, 3 RStV vor, dass Programme „die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten“ hätten und „die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland sowie die internationale Verständigung fördern und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken“ sollen. So wichtig diese als rechtliche Bindungen281 konzipierten Programmgrundsätze auch sind, so schwierig ist schon wegen der tatbestandlichen Unbestimmtheit ihre praktische Durchsetzung. Ihre Anwendung untersteht überdies den verfassungsrechtlichen Grundsätzen praktischer Konkordanz von Medienfreiheitsgewährleistung und gesetzlicher Schrankenbestimmung.282 Massenmedien unterliegen ferner den Bindungen des Jugendschutzrechts. Den 431 Vorschriften kommt zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor entwicklungsbeeinträchtigenden Medienhalten eine elementare, in ihrer Wirkung freilich umstrittene Bedeutung zu.283 Die Schutzbestimmungen sind über die Jahre weiterentwickelt und medienspezifisch angepasst worden; sie fanden sich zunächst verstreut über eine Vielzahl von Gesetzen. Inzwischen hat der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des Jugendschutzgesetzes284 und dem Staatsvertrag über den
279 280 281
282 283 284
Vgl. nur Harstein/Ring, Rundfunkstaatsvertrag, 1989, § 41 RStV Rn. 1 ff. Vgl. dazu oben Rn. 277 ff. Vgl. Bosmann, ZUM 1989, S. 6 ff.; Laschet, Programmgrundsätze für den kommerziellen Rundfunk, 1994, S. 28 f. Vgl. oben Rn. 279 ff. Näher Schulz, MMR 1998, S. 182 ff.; Kreile/Detjen, ZUM 1994, S. 78 ff. Gesetz vom 23.7.2002, BGBl. I, S. 2730.
B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze
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Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien285 zentrale Jugendschutzbestimmungen zusammengefasst und vereinheitlicht. 286 5. Trennung von Werbung und redaktioneller Berichterstattung Massenmedien unterliegen dem Gebot der Trennung von Werbung und redaktio- 432 neller Berichterstattung. Es basiert auf einem tradierten und allgemein anerkannten Grundsatz für Verlage, Journalisten und Werbetreibende.287 Seine Rechtsgrundlage findet der Trennungsgrundsatz in zahlreichen Einzelregelungen weitgehend übereinstimmenden Regelungsinhalts: für den Bereich der Presse in den Bestimmungen der Landespressegesetze,288 für den Bereich des Rundfunks findet sich die Rechtsgrundlage des Trennungsgebots in § 6 Abs. 2 - 6 RStV, in § 22 Abs. 3 ZDF-Staatsvertrag sowie in Art. 3e Abs. 1 Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste. Für andere Massenmedien ist das Trennungsgebot gleichfalls anerkannt. So schreibt § 10 LPG der periodischen Presse die strikte Trennung von Text- und Anzeigenteil vor.289 Für den Kinofilm gilt das Trennungsgebot ebenfalls.290 § 58 Abs. 1 TMG regelt das Trennungsgebot für Telemediendienste. Es findet in Ermangelung einer spezial-gesetzlichen Rechtsgrundlage nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung seine Grundlage jedenfalls in den wettbewerbsrechtlichen Generalklauseln des UWG.291 Das Trennungsgebot beruht auf drei zentralen Rechtfertigungselementen:292 433 Zum einen soll das Trennungsgebot die redaktionelle Unabhängigkeit der Massenmedien gegenüber der Einflussnahme durch politische oder wirtschaftliche Interessengruppen schützen. Besonders deutlich wird dieser Schutzaspekt in den Bestimmungen zum Rundfunk herausgestellt, wenn diese betonen, dass die Werbung oder Werbetreibende das übrige Programm inhaltlich und redaktionell nicht beeinflussen dürfen.293 Mit dieser Bedeutung ist der Trennungsgrundsatz Ausdruck und Gebot der objektiv-rechtlichen Garantie der Rundfunkfreiheit und hat nach deutschem Recht insofern Verfassungsrang.294 Zugleich schützt das Trennungsgebot 285 286
287
288 289 290 291 292
293 294
Vom 31.8.1991 mit den Änderungen durch den Neunten RÄStV aus dem Jahr 2006. Vgl. die Erläuterungen von Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, Teil 10 sowie unten bei Rn. 1222 ff. Vgl. die von dem Zentralausschuss der Werbewirtschaft und den Journalisten- und Verlegerverbänden aufgestellten ZAW-Richtlinien für redaktionelle Hinweise in Zeitschriften und Zeitungen; abgedruckt in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Auflage 2009. Vgl. jeweils § 10 (in Hessen § 8, in Bayern und Berlin § 9). Vgl. Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 10 Rn. 2 ff. BGH, NJW 1995, S. 3177, 3182 – Feuer und Eis. Vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Auflage 2009, § 1 Rn. 30, 45. Vgl. BGHZ 110, S. 278, 289 f. – Wer erschoss Boro; Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 10 Rn. 2 ff.; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 1 ff. Vgl. exemplarisch § 6 Abs. 2 RStV. Bosman, ZUM 1990, S. 549; Herkströter, ZUM 19992, S. 395; Holznagel/Stenner, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2008, § 3 RStV Rn. 21.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
die Interessen des Marktes und der Wettbewerber an der Gleichheit der wettbewerblichen Ausgangsbedingungen. Insofern hat das Trennungsgebot eine wettbewerbsrechtliche Bedeutung.295 Schließlich und nicht zuletzt soll der Medienrezipient vor Irreführungen durch getarnte Werbung, insbesondere in seinem Vertrauen darauf geschützt werden, in der redaktionellen Berichterstattung die Meinung der Redaktion und nicht die Meinung eines seine Ware und Leistungen anpreisenden Gewerbetreibenden zu erfahren. Insofern dient der Trennungsgrundsatz der Informationsfreiheit der Medienrezipienten, weil diese nur in Kenntnis des publizistischen Charakters einer Mitteilung die Informationen sachgerecht auswählen und würdigen können. Ein erheblicher Teil der Problematik der Anwendung des Trennungsgebots 434 rührt daher, dass Werbung heute zu einem Bestandteil der Lebenswelt geworden ist und daher in der Medienberichterstattung nicht ausgespart werden kann. Verstöße gegen das Trennungsgebot liegen daher nach der Rechtsprechung nicht vor, solange wettbewerbliche Auswirkungen bei der Medienberichterstattung unvermeidlich sind.296 Unvermeidlich ist, was programmlich erforderlich, nämlich aus redaktionellen, dramaturgischen oder journalistischen Gründen gerechtfertigt ist. Deshalb ist die Berichterstattung über wirtschaftliche Vorgänge zulässig, auch wenn diese eine werbende Wirkung für das betroffene Unternehmen nach sich zieht. Die Darstellung der Wirklichkeit erfolgt grundsätzlich ohne Verstoß gegen das Trennungsgebot. So ist, wenn beispielsweise bei Sportereignissen Bandenwerbung mit übertragen wird, diese Übertragung der Werbeträger Teil der vom Medienunternehmen vorgefundenen Lebenswirklichkeit und daher ohne Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz als unvermeidlicher Nebeneffekt der medialen Abbildung der Wirklichkeit hinzunehmen.297 Das medienrechtliche Trennungsgebot ist als Rechtspflicht ausgestaltet. Bei 435 Verstößen gegen die Rechtspflicht kommen verschiedene Sanktionen in Betracht. Zivilrechtlich sind die gegen das Trennungsverbot verstoßenden Verträge wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig; sie sind ggf. nach bereicherungsrechtlichen Regeln rückabzuwickeln.298 Ferner liegt in dem Verstoß gegen das Trennungsgebot eine Zuwiderhandlung gegen die Grundsätze lauteren Wettbewerbs bzw. das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot des UWG.299 Gegen insofern unlautere Werbung können die nach § 8 Abs. 3 UWG Aktivlegitimierten einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Schließlich handelt nach den LPG bzw. dem Rundfunkstaatsvertrag ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen das Trennungsgebot verstößt. Dem medienrechtlichen Trennungsgrundsatz wird dadurch Rechnung getragen, 436 dass Werbung in den Massenmedien als solche kenntlich gemacht wird. Durch eine hinreichende Kennzeichnung, die für den Rezipienten klar erkennbar macht, 295
296 297 298 299
Vgl. BGHZ 110, S. 278 – Wer erschoss Boro; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 27. Auflage 2009, § 4 UWG Rn. 3.45. BGHZ 110, S. 278, 287. Vgl. Greffenius/Fikentscher, ZUM 1992, S. 526 ff. Vgl. Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 10 Rn. 38. Vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 11.109.
B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze
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was Werbung und was redaktionelle Berichterstattung bzw. Programm ist, wird dem Trennungsgebot regelmäßig Rechnung getragen. Die Rechtsprechung stellt dabei strikte Anforderungen an die Kennzeichnungspflicht und verlangt, dass in Presseerzeugnissen der Begriff "Anzeige" Verwendung findet, und hält es für unzulässig, Anzeigen in Stil und Aufmachung von Reportagen, public relations oder redaktionell gestalteten Anzeigen zu publizieren.300 6. Produktionsquoten Von dem Erfordernis, bestimmte Anteile der Sendezeit für Produktionen aus eu- 437 ropäischer Produktion vorzusehen, war bereits im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Europarecht die Rede.301 Die aus der Fernseh-Richtlinie bekannten Quotenvorgaben für europäische Werke wurden auch in der neuen Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste werden aufrechterhalten und auf nicht-lineare Dienste erweitert.302 Dem Gesetzgeber geht es dabei darum, einen Beitrag zur „Darstellung der Vielfalt im deutschsprachigen und europäischen Raum und zur Förderung von europäischen Film- und Fernsehproduktionen“303 zu leisten. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass es für die Rundfunkveranstalter aus ökonomischen Gründen nicht selten günstiger ist, anstelle kostenintensiverer Eigenproduktionen etwa Kaufproduktionen insbesondere US-amerikanischer Herkunft in das Programm einzufügen. Als protektionistische Regelung fügen sich Quotenbestimmungen schwerlich in 438 das Konzept einer liberalen Handelsordnung ein,304 die für die Güter- und Dienstleistungsmärkte von der Welthandelsorganisation (WTO) angestrebt werden und im europäischen Binnenmarkt bereits realisiert wurden. Die Regelungen, die zum Teil in den Landesmediengesetzen konkretisiert werden,305 sind aus Gründen der Kulturförderung entstanden und erfahren aus dieser Perspektive ihre besondere Rechtfertigung. Im Bereich der Filmwirtschaft finden sich entsprechende Regelungen für die 439 Förderung der deutschen und europäischen Filmproduktion.306 Die Medienordnung reagiert hiermit auf die typischen Phänomene des so verstandenen Marktversagens. In anderen Regelungsbereichen des Medienrechts, etwa im Pressewesen, findet sich ein nämliches Marktversagen nicht und finden sich demzufolge entsprechende Regelungen auch nicht.
300 301 302
303 304 305 306
Vgl. BGH, NJW 1974, S. 1141; GRUR 1981, S. 835 – Getarnte Werbung. Vgl. dazu oben Rn. 158 und 437 ff. Vgl. Art. 5 und Art 3i Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste; Kleist/Scheuer, ZUM 2006, S. 108, 110 f.; Leitgeb, ZUM 2006, S. 837 ff. So § 6 RStV. Kritisch deshalb Eichler, ZUM 1995, S. 599 ff. m.w.N. Vgl. § 16 LandesmedienG BW und § 16 Hamburger MedienG. Vgl. v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, Kap. 36.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
7. Versorgungspflichten 440 Spezifisch auf Rundfunkanstalten zugeschnittene und im Allgemeininteresse liegende Pflichten ergeben sich nach der Rechtsprechung des BVerfGs zu Art. 5 Abs. 1 GG aus der Gewährleistung der Grundversorgung durch die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. Das Grundversorgungskonzept wird vom BVerfG aus dem Schutz umfassender und freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung durch die Verfassung abgeleitet. Die Medienordnung müsse die tatsächliche Gewähr dafür bieten, dass sie die ihr von der Verfassung aufgegebene Funktion erfülle. Es müsse deshalb auch für den Rundfunk sichergestellt sein, dass er in seinen Programmen umfassende Informationen biete und die Vielfalt der in der Gesellschaft bestehenden Meinungsrichtungen zum Ausdruck bringe. Nach der Rechtsprechung des BVerfGs ist - anders als etwa im Pressewesen oder auch bei Mediendiensten - nicht zu erwarten, dass der Markt und seine Gesetzmäßigkeiten diese Aufgabe erfüllen werden. Deshalb müsse die Rundfunkordnung entsprechende Vorkehrungen vorsehen. Dazu gehört insbesondere die Gewährleistung der Grundversorgung. Sie setzt sich aus drei Elementen zusammen: Erstens einer Übertragungstechnik, bei der ein Empfang der Rundfunkprogramme für alle, und deshalb bis auf weiteres mittels terrestrischer Technik, sichergestellt ist, zweitens der Gewährleistung inhaltlicher Standards der Programme, die nach Gegenstand und Art ihrer Darbietungen oder Behandlung dem verfassungsrechtlichen Auftrag des Rundfunks voll entsprechen, und drittens die wirksame Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt in der Darstellung der bestehenden Meinungsrichtungen. 307 Die Pflicht zur Grundversorgung gehört zu den wichtigsten Gewährleistungen 441 für den Rundfunk. Deshalb soll – auch wenn es sich um eine bereichsspezifische, nicht medienübergreifende Pflicht handelt – auf sie zumindest kurz eingegangen werden.308 Die Gewährleistung der Grundversorgung bedeutet keine Mindestversorgung. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind deshalb nicht etwa auf die Darbietung von Nischenprogrammen für besondere Rezipienteninteressen beschränkt, die von privaten Rundfunkanbietern nicht bedient werden.309 Grundversorgung ist ferner keine statische Aufgabe, die auf einem bestimmten Stand eingefroren werden kann, sondern sie ist gegenständlich und zeitlich offen und dynamisch zu verstehen, umfasst mithin eine verfassungsrechtlich verbürgte Bestands- und Entwicklungsgarantie.310 Die Bestimmung darüber, was die verfassungsrechtlich vorgegebene und gesetzlich näher umschriebene Funktionserfüllung publizistisch erfordert, steht den Rundfunkanstalten selbst zu, unterliegt also in weitem Maße ihrer Programmautonomie.311 Eine Privatisierung der Grundversorgung in dem Sinne, dass die Grundversorgung der Rundfunkanstalten entfalle, sobald das Programm der privaten Rundfunkveranstalter Grundversorgungsniveau 307 308
309 310 311
Grundlegend BVerfGE 74, S. 297, 326. Zusammenfassend Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 4 ff.; eingehend Bethge, Die verfassungsrechtliche Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der dualen Rundfunkversorgung, 1996. BVerfGE 74, S. 297, 326 – BaWü. BVerfGE 83, S. 238, 326 – NRW. BVerfGE 90, S. 60, 92 - Gebührenurteil.
B. Massenmedien verpflichtende Rechtsgrundsätze
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habe, wird überwiegend für unzulässig gehalten, weil die andernfalls bestehende Abhängigkeit vom Angebot privater Veranstalter gerade keine „Gewährleistung“ der Grundversorgung bedeute.312 8. Verlautbarungen Dritter, Verhalten bei Wahlwerbung Eine wiederum rundfunkspezifisch ausgeprägte Pflicht besteht darin, dass der 442 Rundfunk in bestimmten Grenzen für amtliche Verlautbarungen dienstbar gemacht werden darf.313 Den Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den Jüdischen Gemeinden sind auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen einzuräumen.314 Eine Privilegierung genießen die politischen Parteien insofern, als ihnen für die 443 Zwecke der Wahlwerbung Sendezeiten im Rundfunk zur Verfügung zu stellen sind.315 Dabei steht außer Frage, dass der nach allgemeinen Grundsätzen bestehenden Chancengleichheit der Parteien Rechnung zu tragen ist, auch wenn die sich daraus ergebenden Einzelheiten – etwa die Frage der Differenzierung zwischen den Parteien nach ihrer Größe – kontrovers diskutiert werden.316 II. Pflichten im Individualinteresse Zu den die Massenmedien verpflichtenden Rechtsgrundsätzen gehört der Schutz 444 individueller Interessen der von der Medienberichterstattung Betroffenen. Es geht dabei um den Ehren- und Bildnisschutz als Ausprägungen des besonderen Persönlichkeitsrechts der natürlichen Personen sowie den Schutz des grundsätzlich umfassend konzipierten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Ferner errichtet auch das Recht am Unternehmen Schranken für die Berichterstattung in den Massenmedien. Die einschlägigen medienrechtlichen Regelungen werden zusammenfassend im Zusammenhang mit der Darstellung des zivilrechtlichen Rechtsgüterschutzes im Besonderen Teil dieses Lehrbuchs dargestellt, auf das an dieser Stelle verwiesen wird.317 III. Ordnungsrecht der Massenmedien 1. Sog. Impressumspflicht Das Medienrecht sieht eine Rechtspflicht der Massenmedien vor, die bestehenden 445 Verantwortlichkeiten für die Medienberichterstattung offen zu legen, die sog. Impressumspflicht. Die Impressumspflicht dient dem Zweck, die zivil- und straf312 313 314 315 316 317
Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 18 m.w.N. Vgl. exemplarisch § 10 ZDF-StV und (weitergehend) § 11 NDR-StV. Vgl. exemplarisch § 11 Abs. 3 ZDF-StV und § 42 Abs. 1 RStV. Vgl. exemplarisch § 42 Abs. 2 RStV. Vgl. Hesse, RuF 1994, S. 351 ff.; Jene/Klute, AfP 1994, S. 93 ff. Vgl. unten 846 ff.
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§ 6 Rechtsgrundsätze des Medienrechts
rechtliche Verfolgung von Medieninhaltsdelikten und die staatliche Aufsicht dadurch zu ermöglichen, dass der Adressat in Betracht kommender Rechtsbehelfe bekannt gemacht werden muss.318 Zudem ermöglicht die Kenntnis der Identität des Massenmediums dem Rezipienten eine verbesserte Möglichkeit, den Medieninhalt besser zuordnen und bewerten zu können. Entsprechende Regeln, auch für die kommerzielle Kommunikation finden sich quer in den Rechtsregeln für sämtliche Massenmedien.319 2. Publizitätspflichten 446 Der RStV unterwirft in den Regelungen der §§ 23, 39 Veranstalter bundesweit verbreiteten Fernsehens besonderen Publizitätspflichten. Vorzulegen ist nicht nur ein Jahresbericht nach Maßgabe der für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften des Handelsgesetzbuchs;320 der zuständigen Landesmedienanstalt ist außerdem eine Aufstellung der Programmbezugsquellen vorzulegen. Diese Pflichten dienen dem Zweck, die Vorschriften über die Sicherung der Meinungsvielfalt zu effektivieren.321 3. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten 447 Zu den medienordnungsrechtlichen Pflichten gehören schließlich die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten der Rundfunkveranstalter. Die entsprechenden Regelungen322 dienen insbesondere der Beweisführung in medienrechtlichen Auseinandersetzungen, die nicht an der „Flüchtigkeit“ von Rundfunksendungen scheitern soll.
318 319
320 321 322
Vgl. Löhner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 8 Rn. 2 ff. Zu den Informationspflichten bei kommerzieller Kommunikation vgl. § 6 TMG; dazu Hoeren, NJW 2007, S. 801, 804; näher auch unter Rn. 1357 ff. §§ 264 ff. HGB. Näher unter Rn. 520 ff. Vgl. z.B. § 14 Abs. 1 und 3 ZDF-StV; vgl. unten Rn. 1374 ff.
Dritter Teil: Besondere Regelungsbereiche
Die besonderen Regelungsbereiche sind gemäß dem Charakter des Medienrechts 448 als Querschnittsdisziplin1 verteilt über die juristischen Fachsäulen des Öffentlichen Rechts und Strafrecht sowie des Zivilrechts. Die nachfolgende Darstellung sieht von der Zuordnung zu einer dieser Fachsäulen ab und stellt die verschiedenen, über die Fachsäulen verstreuten Regelungsbereiche des Medienrechts insgesamt dar. Diese Regelungsbereiche beruhen nicht auf einem gesetzlich vorgegebenen Regelungsplan, sondern beruhen auf der nachfolgend eigenständig entwickelten Ordnung, mit der deutlich gemacht werden soll, dass sich die vom Medienrechtsgesetzgeber geschaffenen einzelnen Rechtssätze in ein zusammenhängendes System einer die Einzelmedien übergreifenden Rechtsdisziplin einordenen lassen. Die nachfolgende Darstellung benennt die zentralen Regelungsbereiche, in 449 denen der Gesetzgeber medienübergreifend, wenn auch mit einer für die einzelnen Medien unterschiedlichen Regelungsintensität die Regelungsgrundsätze und Regelungsziele umsetzt. Dazu gehört zunächst der Regelungsbereich, der eine grundsätzliche Marktverfassung des Medienrechts gewährleistet. Dieser betrifft vor allem die Bereiche des Zugangs zu Medienmärkten sowie die Gewährleistung von wirtschaftlichem und publizistischem Wettbewerb in Medienmärkten. 2 In weiteren Abschnitten wird die Gründung von Medienunternehmen3 sowie die Herstellung und der Vertrieb von Medienprodukten behandelt.4 Ein weiterer Bereich betrifft den zivilrechtlichen Rechtsgüterschutz bei der Medienrecherche und bei der Medienberichterstattung.5 Anschliessend widmet sich die Darstellung dem Schutz der Interessen der Allgemeinheit im Massenkommunikations-geschehen durch die Medienordnung.6 Schließlich wird der Regelungsbereich des Medienaufsichts- und Ordnungsrechts7 dargestellt.
1 2 3 4 5 6 7
Vgl. oben Rn. 1 ff. Vgl. dazu unter §§ 7 – 9. Vgl. unter §§ 10, 11. Vgl. unter §§ 12 – 15. Vgl. unter §§ 16 – 19. Vgl. unter §§ 20 – 23. Vgl. unter §§ 24 – 28.
1. Abschnitt: Medienmärkte und -wettbewerb
450 Das Mediengeschehen ist Teil des gesamtwirtschaftlichen Geschehens. Seine gesetzliche Regelung und Ordnung unterliegt grundsätzlich denselben (marktwirtschaftlichen) Grundregeln, nach denen das gesamtwirtschaftliche Geschehen insgesamt geordnet ist. Besondere Herausforderungen für den Medienrechtsgesetzgeber stellen sich im Hinblick auf die Aufgabe der Vielfaltsicherung in publizistischer Hinsicht. Der Gesetzgeber des Medienrechts steht wegen der spezifischen verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Medienordnung vor der besonderen Aufgabe, nicht nur Regelungen schaffen, die eine Marktverfassung im Mediensektor, also wirtschaftlichen Wettbewerb gewährleisten, sondern der Gesetzgeber hat im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG besonders dafür zu sorgen, dass die publizistische Ordnung und Vielfalt gewährleistet ist. Das Medienrecht sieht keine einheitliche Verfassung für die Medienmärkte vor. 451 Vielmehr ordnet der Gesetzgeber die Medienmärkte unter Berücksichtigung der jeweiligen medienspezifischen Besonderheiten. In der geltenden rechtlichen Ordnung der Medienmärkte finden sich mehrere unterschiedliche Regelungskonzeptionen zur Gewährleistung wirtschaftlichen und publizistischen Wettbewerbs auf den Medienmärkten. Im Bereich des Telekommunikationsgeschehens sieht sich der Gesetzgeber vor die Aufgabe gestellt, die traditionell entstandenen Monopolstrukturen der als Aufgabe staatlicher Daseinsvorsorge verstandenen Telekommunikation überhaupt erst für wettbewerbliche Entwicklungen zu öffnen. Das dafür eingesetzte Instrumentarium ist das sog. Regulierungsrecht.8 Für das Rundfunkwesen hat der Gesetzgeber spezialgesetzliche Regeln für die publizistische Vielfaltsicherung geschaffen.9 Im Presse- und Telemedienwesen wiederum vertraut der Gesetzgeber darauf, dass die Anwendung des wirtschaftlichen Wettbewerb gewährleistenden allgemeinen Kartellrechts auch die publizistische Vielfalt auf den betroffenen Medienmärkten sichern kann.10 Der Vielgestaltigkeit der Regelungskonzeption entspricht die Vielgestaltigkeit 452 der verfassungsrechtlichen Grundlagen der Marktverfassung der Medienmärkte. Die Ordnung des Telekommunikationsgeschehens findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage und Legitimation in einer speziell für diesen Bereich geschaffenen Sonderregelung des Art. 87f GG.11 Die Verfassung der Rundfunkmärkte gründet unmittelbar in Art. 5 Abs. 1 GG. Sie wird deswegen nicht als eine die Rundfunkfreiheit beschränkende Ordnung verstanden, deren Rechtfertigung an den Schrankenbestimmungen des Art. 5 Abs. 2 GG zu messen ist, sondern die Rundfunkver8 9 10 11
Vgl. näher unter § 7. Vgl. oben Rn. 253 ff und unten § 8. Vgl. oben Rn. 213 ff. und unten § 9. Vgl. oben Rn. 310 ff.
A. Regulierung der Telekommunikationswirtschaft
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fassung wird als eine die Freiheit des Rundfunks mit publizistischer Vielfalt überhaupt erst schaffenden, die grundrechtliche Rundfunkfreiheit insofern konkretisierende Ordnung verstanden.12 Die Marktverfassung für Presse- und Telemedienunternehmen durch das Kartellrecht muss sich an der Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG messen lassen, nach der die Freiheit der Grundrechtsausübung in diesem Bereich nur durch allgemeine Gesetze und eben nicht durch medienspezifische Regelungen beschränkt werden kann.13 Diese bereichsspezifische Medienmarktverfassung ist im Weiteren näher zu 453 behandeln. Dabei soll die folgende Darstellung einen Überblick über die geltende Rechtslage bieten. Die geltende Rechtslage ist vorhersehbar nicht dauerhaft zementiert. Änderungen der tatsächlichen Marktverfassung erscheinen durchaus vorstellbar und werden dann die Frage aufwerfen, ob und wie die Regeln der geltenden Marktverfassung den veränderten Bedingungen anzupassen sind. Das Regulierungsrecht der Telekommunikation ist von vornherein als transitorisches Recht konzipiert.14 Wenn sich effektiver Wettbewerb auf den Telekommunikationsmärkten etabliert haben sollte, ist danach ein Übergang der Marktverfassung in diesem Mediensektor zu den Ordnungsregeln des allgemeinen Kartellrechts in Aussicht genommen. Sollte sich das allgemeine Kartellrecht in der Zukunft als nicht hinreichend effizient erweisen, um publizistische Vielfaltsicherung auf den Pressemärkten zu gewährleisten, wäre insofern eine Änderung der geltenden Marktverfassung angezeigt.15
§ 7 Marktordnung durch Regulierungsrecht
Literatur Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsentwicklung, DÖV 1997, S. 433 ff.; Masing, Grundstrukturen eines Regulierungsverwaltungsrechts, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 ff.; Röhl, Soll das Recht der Regulierungsverwaltung übergreifend geregelt werden?, JZ 2006, S. 831 ff.; Ruffert, Regulierung im System des Verwaltungsrechts, AöR 124 (1999), S. 237 ff.; Säcker, Das Regulierungsrecht im Spannungsfeld von öffentlichem und privatem Recht, AöR 130 (2005), S. 180 ff.; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, 2000, S. 403 ff.
12 13 14 15
Vgl. oben Rn. 218 ff. Nähe oben Rn. 273 ff. Vgl. Rn. 459. Vgl. z.B. die Diskussion um die Novellierung des Pressekartellrechts im Zuge der 7. GWB-Novelle; vgl. unter Rn. 553.
174
§ 7 Marktordnung durch Regulierungsrecht
A. Regulierung der Telekommunikationswirtschaft 454 In der marktwirtschaftlichen Ordnung, die das Wirtschaftsgeschehen in der Europäischen Union insgesamt und in der Bundesrepublik Deutschland prägt, stellt die dezentrale Ordnung des Wirtschaftsgeschehens durch den wirtschaftlichen Wettbewerb das zentrale Steuerungsinstrument dar.16 Wirtschaftlicher Wettbewerb befördert nach aller historischen Erfahrung in effizientester Weise das Wohl des Einzelnen und das der Allgemeinheit. Der staatliche Gesetzgeber hat deshalb dafür zu sorgen, dass vorhandener wirtschaftlicher Wettbewerb nicht durch die privaten Akteure beeinträchtigt wird und hat durch seine Kartell- und Wettbewerbsgesetzgebung zu gewährleisten, dass insbesondere Kartelle bekämpft, die missbräuchliche Ausübung von Marktmacht und das Entstehenden marktbeherrschende Stellungen durch Unternehmenszusammenschlüsse kontrolliert sowie Praktiken des unlauteren Wettbewerbs verhindert werden.17 Dieser Grundgedanke gilt auch und gerade im Medienrecht. Ohne wirtschaftlichen Wettbewerb bestehen grundsätzlich keine zureichenden Bedingungen für die Gewährleistung publizistischer Vielfalt.18 Die Konzeption der wettbewerblichen Steuerung des Marktgeschehens versagt, 455 wenn in einem bestimmten Wirtschaftssektor aufgrund der dortigen Gegebenheiten Wettbewerb als Steuerungsinstrument nicht anzutreffen und sich voraussichtlich auch nicht einstellen wird. Das Vertrauen auf die unsichtbare Hand des Wettbewerbs als Steuerungsinstrument ist dann nicht geeignet, zur Erreichung der Steuerungsziele beizutragen. Bei der rechtlichen Ordnung des Mediengeschehens stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Kräfte des Wettbewerbs und die diesen gewährleistende Wettbewerbsordnung tatsächlich effizient eine leistungsfähige Marktordnung im Mediensektor bewirken, oder aber eine durch staatliche Regulierung des Marktgeschehens besondere Vorkehrungen zu treffen sind. Die Antworten des Gesetzgebers auf diese Frage können auch innerhalb des 456 Mediensektors variieren. Während im Pressebereich die staatliche Wettbewerbsgesetzgebung für eine effiziente, die Regelungsziele und Rechtsgrundsätze gewährleistende Ordnung genügen mag und in der Vergangenheit traditionell als hinreichend angesehen wurde,19 kann die Antwort in anderen Bereichen des Mediengeschehens verschieden ausfallen. Das Telekommunikationsgeschehen, das zu den Gegenstandsbereichen der Darstellung des Medienrechts in diesem Lehrbuch gehört,20 wurde – wie andere leitungsgebundene Dienstleistungen anbietende Netzwirtschaften auch (z.B. die Energiewirtschaft) - in der Vergangenheit sogar als ein dem Wettbewerb unzugänglicher Wirtschaftsbereich angesehen. Dementsprechend hatte der Staat die Netzwirtschaft weitgehend in der öffentlichen Hand 16
17 18 19 20
Vgl. zum ökonomischen Wettbewerb im Bereich der Medien: Beater, Medienrecht 2007, § 9; vgl. auch: Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 1 ff. Beater, Medienrecht 2007, § 9 Rn. 815. Vgl. oben Rn. 318 ff. Vgl. oben Rn. 213. Vgl dazu oben Rn. 78 ff.
A. Regulierung der Telekommunikationswirtschaft
175
monopolisiert. Der Telekommunikationssektor wurde dabei aufgrund seiner vermeintlichen Größen- und Verbundvorteile als natürlicher Monopolbereich angesehen, in dem der Wettbewerb mehrerer Anbieter angesichts der Größenvorteile im Netzverbund (sog. economies of scale) und der Verbundvorteile des Angebots mehrerer Angebote (sog. economies of scope) als nicht effizientes Steuerungsinstrument auszuschalten war.21 Nach der entsprechenden verfassungsrechtlichen Regelung in Art. 87 Abs. 1 GG a.F. wurde der Telekommunikationssektor (zusammen mit sämtlichen Diensten des Post- und Fernmeldewesens einschließlich des Postbankwesens) vielmehr als Monopolaufgabe der öffentlichen Hand als bundeseigene Verwaltungsaufgabe geführt;22 der alleinige Anbieter von Telekommunikationsleistungen war dementsprechend die Deutsche Bundespost, ein Sondervermögen des Bundes, das vom Bund mit umfassenden Monopolrechten ausgestattet wurde.23 Erst die moderne Netzökonomie hat die Erkenntnis befördert, dass die statische 457 Konzeption der Telekommunikation als natürliches Monopol unzureichend und insbesondere die dynamische Prozesse im Bereich der Technologieentwicklung ursprünglich vor allem der Telekommunikationsendgeräte nicht adäquat zu erklären und zu steuern vermag.24 Konkurrenz im Bereich der Nutzung der Telekommunikationsinfrastruktur erschien zunächst aus ökonomischer Sicht möglich; die Zulassung bzw. Schaffung von Wettbewerb durch Abschaffung durch Marktzutrittsschranken erschien damit als neues Ordnungsmodell möglich.25 Mit der Konzeption der Marktregulierung wurde die Netzökonomie gleichsam 458 revolutioniert. In der Folge der in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstandenen modernen Netzökonomie entstand auch die rechtliche Überzeugung, dass der Übergang zur wettbewerblichen Ordnung anzustreben sei. 26 Die Steuerung der Netzwirtschaften durfte allerdings nicht dem freien Spiel der Wettbewerbskräfte überlassen werden. Im Hinblick auf die Monopolmacht der bisherigen Leistungsanbieter wurde vielmehr die staatliche Regulierung solcher Wirtschaftsbereiche für geboten erachtet, in denen universelle Dienstleistungen der Daseinsvorsorge erbracht werden, die für ein den modernes Leben des Einzelnen und das Funktionieren der komplexen Wirtschaft unverzichtbar und nicht ersetzbar sind.27
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Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 5 ff. Dazu und zur Neureglung des Post- und Telekommunikationswesens vgl. Gramlich, NJW 1994, S. 2785 ff. Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 31 ff. Vgl. zusammenfassend Kleindorfer/Pedell, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 2007, Sp. 1563 ff. Vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 20 ff. Vgl. den Überblick über die Rechtsentwicklung im europäischen und im deutschen Recht bei Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 20 ff. und 757 ff. Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Auflage 2004, § 2 Rn. 6 ff.
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§ 7 Marktordnung durch Regulierungsrecht
Während die etwa zur gleichen Zeit einsetzende Debatte um die Neuordnung des Rundfunkwesens stärkeres Vertrauen auf die Selbstorganisation des Rundfunkwesens im Wettbewerb des traditionell öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit privaten Anbietern setzte, dabei aber die vom BVerfG vorgegebene verfassungsrechtliche Maßgabe einer gesetzlichen „positiven Rundfunkordnung“ zu beachten war,28 nahm die Entwicklung im Telekommunikationssektor einen anderen Verlauf. Es setzte sich die Auffassung durch, der Staat solle sich aus seiner traditionellen Erfüllungsverantwortung für gemeinwohlorientierte Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikations-Netzwirtschaft zurückziehen; an die Stelle dieser hergebrachten Ordnung habe eine staatliche Gewährleistungsverantwortung dafür treten, dass bei der Erfüllung der netzwirtschaftlichen Gemeinwohlaufgaben durch Private nicht die Gefahren der Innehabung und Ausübung dominanter privater Machtpositionen eintreten.29 Der Übergang von der traditionellen staatlichen Monopolwirtschaft zur wettbewerblichen Öffnung der Märkte der Netzwirtschaften sollte durch ein die staatliche Gewährleistungsverantwortung regelndes und konzeptionell transitorisches Regulierungsrecht der Netzwirtschaften geschaffen und begleitet werden.30 Regulierungsrecht hat mit der Überführung ehemaliger Monopolbereiche in ei460 ne staatlich präventiv kontrollierte Wettbewerbswirtschaft komplexe Aufgaben zu leisten. Dem entspricht ein janusköpfiger Charakter des Regulierungsrechts: Es soll auf der einen Seite eine gemeinwohlorientierte Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Daseinvorsorge gewährleisten - insofern stellt es materiell öffentliches Recht dar. Auf der anderen Seite soll es die wettbewerbliche gesteuerte Koordination von Angebot und Nachfrage nach diesen Leistungen durch Abschluss von Austauschverträgen ermöglichen und stellt insofern materiell Privatrecht dar. Für den Bereich der Netzwirtschaft der Telekommunikation wurde eine Regu461 lierung des wirtschaftlichen Handelns für erforderlich gehalten, insbesondere um damit das Problem der sog. sunk cost zu bewältigen. Es besteht darin, dass der bisherige Monopolanbieter seine Investitionskosten für die Schaffung der Telekommunikations-Infrastruktur zu einem erheblichen Teil zu Monopolzeiten unter Einsatz von Steuergeldern getätigt hat, die in seine Preiskalkulation deshalb nicht mehr einfließen, während sich für die neuen Wettbewerber wegen solcher Investitionskosten kaum übersteigbare Marktzutrittsschranken ergeben.31 Mit der Regulierung der Telekommunikationswirtschaft soll nach der Konzep462 tion des europäischen Gesetzgebers, die der deutsche Gesetzgeber im TKG umgesetzt hat,32 zumindest für eine Übergangszeit unter den Kontrolle einer besonderen staatlichen Behörde eine Marktzutritts- und damit eine Netzzugangsregulierung 459
28 29
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31 32
Vgl. schon oben Rn. 238 Vgl. Schuppert, in: Schröter, Empirische Policy- und Verwaltungsforschung, 2001, S. 399 ff.; Trute, in: Schuppert/Neidhardt (Hrsg.), WZB-Jahrbuch 2002, S. 329 ff. Skeptisch zu dieser transitorischen Konzeption des Regulierungsrechts Säcker, in: BerlKomTKG, Einl. I, Rn. 14 ff. Vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 10 f. Vgl. dazu bereits oben Rn. 87.
B. Marktregulierung nach dem TKG
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unter Einschluss der Entgeltregulierung geschaffen werden, mit der bestehende Ungleichgewichte in den Ausgangspositionen alter und neuer Marktteilnehmer regulierungsrechtlich möglichst aufgehoben werden sollen. Nach Ablauf des Übergangszeitraumes wird eine Überführung des Regulierungsrechts in die allgemeinen Wettbewerbsordnung für möglich erachtet.33 Das Regulierungsrecht wurde vor diesem Hintergrund als Instrument der prä- 463 ventiven Freiheitssicherung konzipiert. Während das allgemeine Kartell- und Wettbewerbsrecht eine ex-post-Kontrolle der Ausübung dominanter privater freiheitsgefährdender Marktmacht statuiert, kommt dem Regulierungsrecht die Aufgabe zu, die Freiheitssicherung gleichsam präventiv zu gewährleisten. Das Regulierungsrecht soll im Regulierungssektor gewährleisten, dass die regulierten Unternehmen einer nicht erst nachträglich bei festgestellten Marktversagen im Einzelfall, sondern generalpräventiv und damit ex-ante dem Instrumentarium der Regulierung und den Maßnahmen einer zu schaffenden Regulierungsbehörde unterliegen. Insbesondere wird der Marktzugang von Wettbewerbern einer ex-ante Regulierung unterworfen, mit der staatlicherseits gewährleistet wird, dass diese neuen Marktteilnehmer einen Zugang zur Netzinfrastruktur haben und diese wettbewerbsanalogen Preisen beanspruchen und erforderlichenfalls durchsetzen können.
B. Marktregulierung nach dem TKG I. Überblick Das Recht der Marktregulierung bildet das Kernstück des Regulierungsrahmens 464 des TKG. Dieses Gesetz soll in Umsetzung sowohl der geänderten Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts34 als auch des europäischen Rechts35 vor allem chancengleichen Wettbewerb schaffen (Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG, §§ 1, 2 II TKG) und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen gewährleisten (Art. 87f Abs. 1 GG, § 1 TKG) soll. Ursprünglich hat das TKG in seiner Erstfassung des Jahres 1996 ein Instrumentarium der Marktzugangskontrolle mittels Lizenzerteilung vorgesehen. Das TKG 2004 sieht nurmehr eine Meldepflicht (§ 6 TKG) für Telekommunikationsunternehmen und ein Regulierungsregime vor, das wesentlich aus drei wesentlichen Elementen besteht: (1) das Verfahren der Marktregulierung, das der Festlegung derjenigen Märkte dient, auf denen kein wirksamer Wettbewerb besteht und die deshalb der Regulierung bedürfen, §§ 9 – 15 TKG; (2) die Regulierung des Zugangs zu elektronischen Kommunikationsnetzen und –diensten einschließlich ihrer Zusammenschaltung, §§ 16 – 26 TKG; (3) die Entgeltregulierung, §§ 27 – 39 TKG. Das in den §§ 9 – 15 TKG geregelte Verfahren der Marktregulierung ist als 465 mehrstufiges Verfahren konzipiert. Auf der ersten Stufe werden unter Berücksichtigung der Märkteempfehlung der Europäischen Kommission die der sektorspezi33 34 35
Schuster, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, Einl. A Rn. 4. Vgl. Rn 81 ff. Vgl. Rn 154 ff.
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§ 7 Marktordnung durch Regulierungsrecht
fischen Regulierung unterfallenden Märkte festgelegt, auf denen kein wirksamer Wettbewerb besteht und die deshalb der Steuerung durch das wirksamen Wettbewerb umhegende allgemeine Wettbewerbsrecht nicht überlassen werden, § 10 TKG.36 Damit verknüpft, konzeptionell aber als zweite Stufe ausweisbar, ist ein Marktanalyseverfahren. Dieses dient der Prüfung, ob auf dem untersuchten Markt wirksamer Wettbewerb besteht, § 11 Abs. 1 Satz 1 TKG. Das Verfahren in beiden Stufen unterliegt der Abstimmung und Kontrolle in einem komplexen Konsultations- und Konsolidierungsverfahren auf nationaler und europäischer Ebene, § 12 TKG. Auf der Grundlage der Marktanalyse erlässt die Regulierungsbehörde (die BNetzA) auf der folgenden Verfahrensstufe Regulierungsverfügungen, für die in §§ 16, 17 TKG allgemeine Grundsätze geregelt sind. In § 18 TKG werden Sonderregeln für Teilnehmernetzbetreiber getroffen. Für Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht enthalten die §§ 19 – 26 TKG mit der Gleichbehandlungsverpflichtung (§ 19), der Transparenzverpflichtung (§ 20 TKG), der Zugangsgewährungsverpflichtung (§ 21 TKG) und weiteren akzessorischen Verpflichtungen (§§ 22 ff. TKG) diejenigen Verfügungen, mit denen die Ziele und Zwecke der Marktregulierung konkret erreicht werden sollen. Die Entgeltregulierung dient dem Ziel, der missbräuchlichen Handhabung von preispolitischen Maßnahmen vorzubeugen; insbesondere unterliegen die Entgelte zugangspflichtiger Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, einer Genehmigungspflicht. II. Verfahren der Marktregulierung 1. Grundsätze 466 Die Vorschriften des § 10 regeln die Festlegung der Märkte durch die BNetzA, für die eine sektorspezifische Regulierung nach dem TKG in Betracht kommt. Die Regelungen sind in allen Teilen wesentlich durch das Europarecht geprägt.37 Nach § 10 Abs. 2 Satz 3 TKG hat die BNetzA dabei weitestgehend die bestehenden europarechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Die wesentlichen materiell-rechtlichen Vorgaben ergeben sich aus den in Abs. 2 Satz 1 genannten Kriterien. Das Ergebnis der Marktdefinition hat die BNetzA zur Durchführung des europaweiten Konsolidierungsverfahrens nach § 12 TKG der Kommission vorzulegen, wenn die getroffenen Marktabgrenzung Auswirkungen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hat, damit auf diese Weise keinen Defizite der Harmionisierung entstehen, die der Förderung des einheitlichen Binnenmarkts entgegenstehen. Die Kommission hat sich nicht nur eine Definition der relevanten Märkte38 sondern auch ein Vetorecht bei Binnenmarktrelevanz39 vorbehalten.40 36 37 38 39 40
Sog. Marktdefinitionsverfahren; vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 60. Heinen in: Säcker, Berliner Kommentar zum TKG, 2006, § 10 Rn. 10 ff. Art. 15 Abs. 2 Rahmenrichtlinie. Art. 7 Abs. 4 Rahmenrichtlinie. Vgl. Möschel K&R 2002, S. 161, 164; Husch/Kemmler/Ohlenburg, MMR 2003, S. 139, 140.
B. Marktregulierung nach dem TKG
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Die Marktabgrenzung nach § 10 TKG ist zwar als eigenständiger Verfahrens- 467 schritt am Rahmen des Regulierungsverfahrens ausgewiesen (§ 10 Abs. 1); das Ergebnis der Marktdefinition wird aber rechtlich nur zusammen mit der Marktanalyse nach § 11 TKG und diese wiederum werden nur zusammen mit den Regulierungsanordnungen insbesondere nach den §§ 18 ff. TKG als ein einheitlicher Verwaltungsakt erlassen, § 13 Abs. 3 TKG. Für den Rechtsschutz bedeutet dies, dass die Festlegung der Marktabgrenzung nicht isoliert angreifbar oder einklagbar ist. 2. Marktabgrenzung Die BNetzA nimmt die Marktabgrenzung, soweit keine Besonderheiten der sektorspezifischen Marktabgrenzung im Telekommunikationssektor zu beachten sind, nach den allgemeinen Grundsätzen der Marktabgrenzung vor, die auch im allgemeinen Kartellrecht des GWB bzw. der Art. 81 f. EG gelten.41 Sie hat gemäß § 10 Abs. 1 TKG eine Marktabgrenzung vor allem in sachlicher und räumlicher Hinsicht zu treffen. § 10 Abs. 2 Satz 1 TKG enthält drei besondere Kriterien für die Marktabgrenzung im Telekommunikationsbereich. Auch diese Kriterien sind europarechtlich vorgeprägt und der in Abs. 2 Satz 3 genannten Empfehlung der Kommission über relevante Produkt- und Dienstmärkte der elektronischen Kommunikation entnommen. In sachlicher Hinsicht kommt es für die Marktabgrenzung grundsätzlich auf die Austauschbarkeit aus der Sicht der Nachfrager an (sog. Bedarfsmarktkonzept42). Grundlage für die Marktabgrenzung ist auch insofern die Märkteempfehlung der Europäischen Kommission. In ihr hat die Kommission eine „Vorabdefinition“ der sachlich relevanten Märkte auf der Grundlage summarischer Kriterien festgelegt. An diese Marktdefinition ist die BNetzA nicht gebunden; sie kann von ihr abweichen, wenn spezifische nationale Besonderheiten dies erfordern.43 In räumlicher Hinsicht ist die Marktabgrenzung aus Rechtsgründen weder in § 10 TKG noch nach allgemeinen Kartellrecht auf ein bestimmtes geographisches Gebiet festgelegt. Vielmehr ist die Marktabgrenzung nach den jeweiligen ökonomischen Gegebenheiten der Produkt- und Dienstemärkte vorzunehmen. Sie kann deshalb - wie im allgemeinen Kartellrecht auch44 - über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinausgehen oder auch zur Identifikation von räumlichen Märkten führen, die kleiner als das Bundesgebiet sind. Der Drei-Kriterien-Test nach Abs. 2 Satz 1 bezieht sich darauf, ob (1) ein Markt durch beträchtliche und anhaltende strukturell oder rechtlich bedingte Marktzutrittsschranken gekennzeichnet ist, (2) dieser Markt auch längerfristig nicht zu wirksamem Wettbewerb tendiert und (3) die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts allein nicht ausreicht, um dem Marktversagen entgegenzuwirken. Der BNetzA ist bei der Berteilung dieser Kriterien vom Gesetzgeber gemäß 41 42 43 44
Vgl. Paschke, in: Frankfurter Kommentar zum GWB, § 19 Rn. 67 ff. Vgl. Paschke, in: Frankfurter Kommentar zum GWB, § 19 Rn. 78. Elkettani K&R 2004, Beilage 1, S. 11, 13 f. Dazu Paschke, in: Frankfurter Kommentar zum GWB, § 19 Rn. 105 ff.
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§ 7 Marktordnung durch Regulierungsrecht
Abs. 2 Satz 2 ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt. Auf der Grundlage der Märkte-Empfehlung der Europäischen Kommission für 472 die Unterscheidung insgesamt achtzehn Märkten, nämlich sieben Endkundenmärkten (Märkte 1 – 6) und elf Vorleistungsmärkten (Märkte 7 – 18) hat die BNetzA zahlreiche Marktabgrenzungsentscheidungen getroffen, deren Einzelheiten in diesem Rahmen nicht vorzustellen sind.45 3. Marktanalyse 473 Die auf der Grundlage der Marktdefinition nach § 11 TKG vorzunehmende Marktanalyse dient nach der Prüfung, ob auf dem relevanten Markt wirksamer Wettbewerb besteht oder aber die Marktsituation durch beträchtliche Marktmacht eines Unternehmens (significant market power – SMP-Unternehmen) gekennzeichnet ist. Der Rechtsbegriff der beträchtlichen Markmacht wird in der Vorschrift nicht definiert, wohl aber fingiert § 11 Abs. 1 Satz 3 TKG das Vorhandensein beträchtlicher Marktmacht bei Vorliegen einer der Beherrschung gleichkommenden Stellung. Im Übrigen ist der Rechtsbegriff der beträchtlichen Marktmacht europarechtlich geprägt, einerseits durch seine Verwandtschaft mit dem Begriff der marktbeherrschenden Stellung des allgemeinen Kartellrechts und andererseits durch die in Abs. 1 Satz 4 vorgeschriebene Berücksichtigung der RRL; überdies unterliegen die insofern vorläufigen Ergebnisse der Marktanalyse dem Konsultationsverfahren nach § 12 mit der Kommission, § 11 Abs. 3 TKG. Das Bestehen wirksamen Wettbewerbs wird in § 11 Abs. 1 Satz 2 TKG negativ 474 definiert. Er besteht nicht, wenn ein oder mehrere Unternehmen auf dem relevanten Markt über beträchtliche Marktmacht verfügen. Beträchtliche Marktmacht wird wiederum nach Satz 3 fingiert, wenn ein Unternehmen eine der Beherrschung gleichkommenden Stellung einnimmt. Letztere ist nach derselben Regelung gekennzeichnet als eine wirtschaftlich starke Stellung, die es ihm „gestattet, sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von Wettbewerbern und Endnutzern zu verhalten“. Das TKG greift hinsichtlich des Begriffs der beträchtlichen Marktmacht die Definition von Art. 14 Abs. 2 RRL auf, die wiederum den Begriff der Marktbeherrschung des allgemeinen Kartellrechts aufgreift.46 Insofern ist zur Bestimmung des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht auf die Beherrschungskriterien des allgemeinen Kartellrechts zurückzugreifen; da nach § 11 Abs. 1 Satz 3 TKG darauf abzustellen ist, dass eine der Marktbeherrschung „gleichkommende Stellung“ vorliegt, sind aber auch telekommunikationsspezifische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Nach den Kriterien des allgemeinen Kartellrechts ist die Prüfung des Vorlie475 gens von Marktbeherrschung anhand einer Analyse der Marktstruktur, der Unter-
45
46
Vgl. dazu näher Paschke, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 6. Abschnitt Rn. 60 ff. Kommission, Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht, ABl. 2002 Nr. C 165, S. 6, 6 ff.; Husch/Kemmler/Ohlenburg MMR 2003, S. 139, 141.
B. Marktregulierung nach dem TKG
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nehmensstruktur und des Marktverhaltens vorzunehmen.47 Weder nach europäischer noch nach deutscher Rechtslage lassen sich für den Beherrschungstatbestand allgemeingültige Kriterien angeben. Marktbeherrschung auf dem relevanten Markt wird vielmehr marktspezifisch unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles geprüft.48 Die Beherrschungsanalyse nach § 11 TKG weist gegenüber der Marktbeherr- 476 schungsprüfung nach allgemeinem Kartellrecht Besonderheiten auf. Das TKG verlangt zunächst – im Unterschied zur ex-post-Kontrolle nach § 19 GWB, Art. 82 EG - eine ex-ante-Beurteilung der Marktsituation und der Marktentwicklung. Dies entspricht der von Art. 16 RRL geforderten ex-ante-Konzeption der Marktzugangsregulierung.49 In sachlicher Übereinstimmung mit dem Konzept der Marktdefinition kommt es auch für die Marktbeherrschung des relevanten Marktes darauf an, ob „beträchtliche und anhaltende strukturell oder rechtlich bedingte Marktzutrittsschranken“ iSd § 10 Abs. 2 bestehen und „längerfristig nicht zu wirksamem Wettbewerb tendieren.“ Kennzeichnend für die Besonderheit der telekommunikationsrechtlichen Marktbeherrschungsprüfung ist insofern die Notwendigkeit einer marktentwicklungsbezogenen Prognoseentscheidung durch die BNetzA. Im Rahmen des TKG ist vorzugsweise eine Prüfung des Bestehens von Markt- 477 zutrittsschranken vorzunehmen, die gerade durch die Marktzugangsregulierung beseitigt werden sollen. Während im Rahmen der nach allgemeinem Kartellrecht Beherrschungsprüfung vorzugsweise eine auf Marktanteile gestützte Strukturanalyse vorzunehmen ist, kommt der Frage der Marktanteile für die Analyse nach § 11 TKG eine im Grundsatz weniger gewichtige Bedeutung. Stattdessen ist vorrangig darauf abzustellen, ob und inwieweit Marktzutrittsschranken bestehen, die der Entfaltung wirksamen Wettbewerbs entgegenstehen. Dabei wiederum ist die durch technische Entwicklung bedingte Dynamik der künftigen Marktentwicklung im Rahmen der Prognoseentscheidung besonders in Rechnung zu stellen wie die Möglichkeit der Konvergenz von Informationstechnologien.50 Der Kontrolle über nicht leicht zu duplizierende (Netz-)Infrastruktur kommt für 478 das Bestehen beträchtlicher Marktmacht eine zentrale Bedeutung zu. Wenn eine solche Kontrollposition gegeben ist, insbesondere eine sog. bottleneck-Situation gegeben ist, bei der ein Unternehmen die Verfügungsmacht über Engpasseinrichtungen inne hat, liegt die Annahme des Vorhandenseins beträchtlicher Marktmacht nahe.51 Das aus dem allgemeinen Kartellrecht bereits bekannte Phänomen der Übertragung von Marktmacht auf einen benachbarten Markt ist Gegenstand der Regelung in Abs. 1 Satz 5. Sie entspricht der Regelung in Art. 14 Abs. 3 RRL
47
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Eilmannsberger, in: Münchener Kommentar zum Kartellrecht, 2007, Art. 82 Rn. 71 ff.; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 82 Rn. 73. Grundlegend EuGH v. 14.02.1978, Slg. 1978, 207, 286 – United Brands. Korehnke, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 11 Rn 24. Korehnke, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 11 Rn 25. Kommission, Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht, ABl. EG Nr. C 165 v. 11.07.2002 Tz. 78.
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§ 7 Marktordnung durch Regulierungsrecht
mit der Besonderheit, dass es sich auch bei dem benachbarten Markt um einen regulierungsbedürftigen Markt handeln muss.52 Beträchtliche Marktmacht iSd § 11 Abs. 1 Satz 1 TKG, nämlich eine der Be479 herrschung gleichkommende Stellung können auch zwei oder mehr Unternehmen innehaben. Die sektorspezifische Regulierung übernimmt damit die im allgemeinen Kartellrecht anerkannte Rechtsfigur der kollektiven Marktbeherrschung, die nach den im deutschen Kartellrecht geprägten und entwickelten Grundsätzen gemeinsamer Marktbeherrschung durch Oligopolunternehmen53 auch in der Anwendungspraxis zu Art. 82 EG Anerkennung gefunden hat und für den Bereich der Telekommunikation in Art. 14 Abs. 2 RRL ausdrücklich aufgenommen wurde. Art. 14 RRL verweist in Abs. 2 Satz 2 zum Verständnis des Begriffs kollektiver Marktbeherrschung ausdrücklich auf die Rechtsprechung des EuGH zum allgemeinen Kartellrecht.54 Diese Rechtsprechung setzt damit auch für die europarechtskonforme Handhabung von § 11 TKG erste Maßstäbe.55 Auf der Grundlage dieser Rechtsgrundsätze hat die BNetzA ihre inzwischen 480 umfängliche Entscheidungspraxis zur Marktanalyse nach § 11 TKG entwickelt.56
III. Netzzugangsregulierung 1. Übersicht 481 Die Vorschriften des 2. Abschnitts im 2. Teil des TKG bilden das Herzstück der Netzzugangsregulierung. Sie regeln vor allem die Befugnisse, die der BNetzA gegenüber SMP-Unternehmen zur Verfügung stehen, nachdem sie im Wege der Marktdefinition und -analyse ermittelt hat, dass eine Anbieter auf einem regulierungsbedürftigen Markt über beträchtliche Marktmacht verfügt. Danach kann die Regulierungsbehörde neben einem Diskriminierungsverbot nach § 19 und einer Transparenzverpflichtung nach § 20 insbesondere eine Netzzugangsverpflichtungen nach den §§ 21 ff. anordnen. Überdies hat sie die Befugnis zur Regulierung der Entgelte nach §§ 27 ff. Hinzukommt die Befugnis zur getrennte Rechnungsführung nach § 24, die Verpflichtung zu Betreibervorauswahl nach § 40 und die Verpflichtung zur Bereitstellung eines Mindestangebots an Mietleitungen nach § 41. Die Vorschriften werden ergänzt durch die Befugnis der BNetzA zur Netzzusammenschaltung gegenüber nicht marktmächtigen Netzbetreibern, die den Zugang zu Endnutzern kontrollieren. In zwei weiteren Vorschriften enthält der 2. Abschnitt des TKG Sonderregeln, 482 die kraft Gesetzes bestehende, ohne Anordnung durch die BNetzA verbindliche 52 53
54
55 56
Näher Koenig/Kühling/Braun, CR 2001, S. 745 ff. Vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB; dazu Paschke, in: Frankfurter Kommentar GWB, § 19 Rn. 65. Vgl. Eilmannsberger, in: Münchener Kommentar zum Kartellrecht, 2007, Art. 82 Rn. 79 ff. Vgl. Krüger K&R 2003, Beilage 1, S. 9 ff. Vgl. dazu näher Paschke, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 6. Abschnitt Rn. 60 ff.
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Verpflichtungen enthalten, die Verpflichtung eines jeden Netzbetreibers zur Unterbreitung eines Zusammenschaltungsangebots nach § 16 und die gesetzesunmittelbare Verpflichtung zur Vertraulichkeit von Informationen nach § 17. 2. Netzzugang nach den §§ 21 ff. TKG a) Grundsätze Die Regeln über die Netzzugangsverpflichtungen bilden das Korrelat zum natürli- 483 chen Monopol des Netzbetreibers, dessen wettbewerbliche Stellung ohne regulatorische Eingriffe nicht angreifbar ist und ohne die sich deshalb Wettbewerb in der Telekommunikation nicht einstellen würde. Netzbetreiber mit beträchtlicher Marktmacht unterwirft der Gesetzgeber einem Regime der Netzzugangsregulierung, mit dessen Hilfe vor allem ein auf unreguliertem Wege nicht erreichbarer chancengleicher Wettbewerb sichergestellt werden soll. Das Netzzugangsrecht der SMP-Regulierung verfolgt den Zweck, die Erreichung der in § 2 Abs. 2 TKG niedergelegten Regulierungsziele zu gewährleisten und schafft die rechtsstaatlich gebotenen Ermächtigungsgrundlagen für die Auferlegung der für die Zweckerreichung notwendigen Netzzugangsverpflichtungen durch die BNetzA. Die Vorschriften der §§ 21 ff. regeln die nach dem TKG möglichen Zugangs- 484 verpflichtungen, welche durch behördliche Regulierungsentscheidung SMPUnternehmen zugunsten anderer Telekommunikationsunternehmen auferlegt werden können. § 21 stellt die Kernvorschrift eines mehrstufigen Regelungskomplexes dar. Die Vorschrift enthält zunächst die konditionierte Ermächtigung der BNetzA, Netzbetreibern mit beträchtlicher Marktmacht Zugangsverpflichtungen aufzuerlegen. Unter der Voraussetzung einer nach § 21 TKG auferlegten (abstrakt-individuellen) Zugangsverpflichtung räumt § 22 TKG den begünstigten Unternehmen einen Anspruch auf Abgabe eines Zugangsangebots durch das verpflichtete Unternehmen ein. Die zur Zugangsgewährung verpflichteten Netzbetreiber sollen durch die BNetzA nach § 23 TKG verpflichtet werden, ein diese selbst bindendes Standardangebot für die jeweiligen Zugangsleistungen zu veröffentlichen. Der Abschluss einer Zugangsvereinbarung kann erforderlichenfalls nach § 25 TKG durch eine (konkret-individuelle) Zugangsverfügung der Regulierungsbehörde angeordnet werden. In § 21 TKG finden sich in Abs. 1 zunächst die Grundsätze, die von der BNet- 485 zA bei der Zugangsregulierung zu beachten sind. Das TKG kennt in der geltenden Fassung in Übereinstimung mit den europarechtlichen Vorgaben keinen kraft Gesetzes bestehenden Zugangsanspruch. Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Zugangsgewährung ergeht nach Eröffnung und Durchführung eines von der BNetzA geführten Verwaltungsverfahren auf der Grundlage einer Ermessenentscheidung durch Verwaltungsakt iSd § 35 VwVfG, der an Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht adressiert wird.57 Der Gesetzgeber hat in § 21 TKG ermessensleitenden Vorgaben für die BNetzA geschaffen. Während die Regulierungsbehörde von der Auferlegung einer Zugangsverpflichtung in den Fällen 57
Ellinghaus, MMR 2004, S. 293, 294; a.A. Mayen, CR 2005, S. 21, 22 – Allgemeinverfügung.
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der sog. Soll-Verpflichtungen des Abs. 3 nur in begründeten Ausnahmefällen absehen darf, steht ihr in den Fällen der sog. Kann-Verpflichtungen des Abs. 2 ein größerer Ermessensspielraum zur Verfügung. Wird eine Zugangsverpflichtung auferlegt, kann der verpflichtete Netzbetreiber den Zugang nur verweigern, wenn er nachweist, dass durch den Zugang die Aufrechterhaltung der Netzintegrität oder die Sicherheit des Netzbetriebs gefährdet wird, Abs. 4. Der Entscheidung über die Verpflichtung zur Zugangsgewährung hat eine 486 Rechtfertigungsprüfung vorauszugehen. Bei dieser Prüfung steht der BNetzA nach – allerdings nicht verbindlich geklärter Rechtslage58 - kein Beurteilungsspielraum zu.59 Im Rechtsschutzverfahren kann deshalb einschränkungslos überprüft werden, ob die BNetzA die Tatbestandsmerkmale fehlerfrei angewendet hat.60 Auf der Rechtsfolgenseite eröffnet § 21 dagegen ein Entscheidungsermessen. Dabei hat die BNetzA kein Entschließungsermessen; sie ist nach § 9 Abs. 2 verpflichtet, einem Netzbetreiber mit beträchtlicher Markmacht Maßnahmen nach Teil 2 des TKG aufzuerlegen.61 Die Regulierungsbehörde hat aber Ermessen hinsichtlich der Auswahl der Regulierungsinstrumente: es liegt in ihrem pflichtgemäß auszuübenden Auswahlermessen, ob sie überhaupt und welche Art der Zugangsgewährungsverpflichtung (Zugang, Umfang der Entbündelung) sie gegebenenfalls auferlegt. Die Entscheidung kann auch die Durchsetzung des Diskriminierungsverbots (§ 19), der Transparenzverpflichtung des § 20 oder der Verpflichtung zu getrennter Rechnungsführung (§ 24 TKG) zum Gegenstand haben. Bei der Ermessensentscheidung hat die BNetzA zahlreiche, letztlich nur 487 schwierig zu überschauende Abwägungskriterien zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich zu einen um die in § 21 Abs. 1 Satz 1 TKG genannten Marktkriterien, wonach eine Marktzugangsverpflichtung insbesondere in Betracht kommt im Hinblick auf die Entwicklung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten nachgelagerten Endnutzermarktes oder die der Interessen der Endnutzer, sowie die in § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1-7 TKG genannten weiteren Kriterien. Zum anderen hat die Regulierungsbehörde zu prüfen, ob die Zugangsverpflichtung in einem angemessenen Verhältnis zu den Regulierungszielen des § 2 Abs. 2 TKG steht. Die Komplexität der danach erforderlichen Rechtfertigungsprüfung wird noch dadurch gesteigert, dass der Katalog der Regulierungsziele in § 2 Abs. 2 nicht vollständig demjenigen der europäischen Zugangsrichtlinie (ZRL) entspricht, der die Regulierungsziele des TKG nachgebildet sind. In Art. 8 Abs. 4 ZRL wird auf Art. 8 Rahmenrichtlinie (RRL) Bezug genommen, dessen Zielkatalog über den des TKG hinausgeht; wegen des Gebots europarechtskonformer Auslegung des TKG sind auch die Kriterien von Art. 8 Rahmenrichtlinie von der BNetzA bei der Abwägungs- und Ermessenentscheidung zu berücksichtigen. Die einzelnen Abwägungskriterien haben gleichrangige Bedeutung; der Ge488 setzgeber hat zwischen ihnen kein Stufenverhältnis geschaffen und damit keine Rangunterschiede vorgesehen. Die Behörde ist deshalb verpflichtet, sämtliche Kri58 59 60 61
Offen gelassen von BVerwG v. 31.03.2004 – 6 C 11/03 – BVerwGE 120, S.263 Tz. 16. A.A. Spoerr/Sellmann, N&R 2004, S. 98, 103 – „adminstrativer Gestaltungsspielraum“. Piepenbrock/Attendorn, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 21 Rn 328 ff. Jochum, MMR 2005, S. 161.
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terien bei der Ermessenentscheidung berücksichtigen; eine Ermessenentscheidung unter Außerachtlassung einzelner Kriterien genügt den rechtsstaatlich gebotenen Anforderungen an eine rechtmäßige Zugangsregulierungsentscheidung nicht.62 Nach § 22 TKG ist das zugangsgewährungspflichtige Unternehmen verpflich- 489 tet, in Erfüllung der behördlich angeordneten Zugangsgewährungspflicht ein Angebot über Zugangsvereinbarungen vorzulegen. Die Regelung dazu beitragen, dass die verfügte Zugangsgewährung auf freiwilliger privatrechtlicher Grundlage zustande kommt. Wenn dies nicht gelingt, hat die BNetzA die Befugnis, die Zugangsvereinbarung und deren Inhalte nach § 25 hoheitlich anzuordnen. § 25 TKG ermächtigt die BNetzA, die verfügte abstrakt-individuelle Zugangs- 490 verpflichtung durch konkret-individuelle Zugangsanordnungen durchzusetzen. Diese Zusammenschaltungsanordnung soll nach verbreiteter, aber umstrittener Auffassung eine doppelte Wirkung haben: Einerseits soll sie gegenüber dem Netzbetreiber ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis begründen, das die Verpflichtung zur Zugangsgewährung zu den festgelegten Bedingungen zum Gegenstand hat; andererseits soll durch die Anordnung ein privatrechtliches Rechtsverhältnis, nämlich die vertragliche Vereinbarung über die Zugangsgewährung begründet werden.63 Das TKG in seiner geltenden Fassung bietet für diese Doppelwirkung, die einen Kontrahierungszwang nicht nur hoheitlich anordnet, sondern diesen auch zivilrechtsverbindlich durchsetzen soll, keine tragfähige Grundlage. Vielmehr ist in § 25 Abs. 8 TKG ausdrücklich geregelt, dass der pflichtige Betreiber die Anordnung der BNetzA zu befolgen hat und der Gesetzgeber hat diese Pflicht durch die Befugnis der BNetzA, ein Bußgeld zu verhängen, bewehrt. Mit Wortlaut und Zweck dieser Regelung ist die Vorstellung einer von der Zugangsverfügung selbst bewirkten Durchsetzung des Kontrahierungszwang durch hoheitlich bewirkten Vertragsschluss nicht vereinbar.64 Die Vorschrift begründet allein öffentlich-rechtliche Pflichten; eine privatrechtliche Zugangsvereinbarung kommt durch die Anordnung nicht zustande. Die Anordnungsbefugnis ist eingebettet in das komplexe Zugangsregulierungs- 491 regime der §§ 18, 21 ff. TKG. Danach ist die privatrechtliche Gestaltung hoheitlich überformt, dieser gegenüber subsidiär ist (§ 25 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 TKG). Es soll zur Effektivierung des Zustandekommens von Zugangsvereinbarungen im Interesse der Verwirklichung der wettbewerbsfördernden Zwecke und Ziele der Zugangsregulierung nach dem TKG (§§ 1, 2) beitragen, indem der marktmächtige Betreiber zur Aufnahme von konkreten Vertragsverhandlungen mit nachfragenden Zugangspetenten bußgeldbewehrt verpflichtet und diese Verpflichtung vom Petenten auch auf dem Zivilrechtswege über die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 44 TKG durchgesetzt werden kann.
62 63
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VG Köln MMR 2005, S. 340 ff. Siehe BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 11/03, E 120, S. 263 Tz. 22 ff. zur Rechtslage nach dem TKG 1996; ebenso Piepenbrock/Attendorn, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 25 Rn. 2 zur Rechtslage nach dem TKG 2004/2007. I.E. ebenso Kühling/Neumann, in: Berliner Kommentar zum TKG, 2006, § 25 Rn. 67 ff.
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Im Einzelnen enthält § 25 TKG folgende Regelungen: Abs. 1 schafft die Ermächtigungsgrundlage für die konkret-individuelle Zugangsanordnung. Abs. 2 regelt die Subsidiarität hoheitlich verfügter Zugangsanordnungen zugunsten privatautonom getroffener Vereinbarungen. Die Ingangsetzung der Verfügungsverfahrens erfolgt nach Abs. 3 auf „Anrufung“ durch einen Nachfrager oder nach Abs. 4 von Amts wegen. Abs. 5 und 6 regeln den möglichen Inhalt von Zugangsanordnungen. Abs. 7 ermöglicht die Präklusion vorgelegter Unterlagen vom Verfahren. Eine Sanktionsregelung enthält schließlich Abs. 8. b) Einzelne, ausgewählte Zugangsverpflichtungen
493 Der Inhalt der in den §§ 21 ff. vorgesehenen Zugangsverpflichtungen ist variantenreich.. Ein vollständiger Überblick darüber und über das Regulierungsregime insgesamt, macht eine Darstellung erforderlich, die sowohl nach der Person als auch der Art der Nachfrage nach Zugangsleistungen differenziert. Die Nachfrage nach Zugangsleistungen geht von zahlreichen Petenten aus: von Infrastrukturanbietern, von Diensteanbietern, von Inhalteanbietern und letztlich auch von den Nutzer-Endkunden, die angebotenen Dienste nachfragen. Das gesetzlich geregelte Zugangsregime erfasst sowohl die vollständige Netzzusammenschaltung als auch sonstige Netzzugangsformen. Eine vollständige Darstellung aller Netzzugangsvarianten ist im vorliegenden Rahmen nicht möglich.65 Vielmehr konzentriert sich die nachfolgende Darstellung auf einzelne, nach ihrer Bedeutung ausgewählte Zugangsverpflichtungen. aa) Netzzusammenschaltung 494 Die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen bildet die fundamentale Voraussetzung für eine Kommunikation über die Grenzen des eigenen Netzes hinweg und damit eine grundlegende Voraussetzung für das Entstehen von Wettbewerb. Die Zusammenschaltung kann sowohl artgleiche Netze (z.B. Festnetze) als auch artverschiedene (z.B. Festnetze und Mobilfunknetze) betreffen. Erst die Zusammenschaltung ermöglicht es, dass ein Anschlusskunde des einen Netzbetreibers z.B. ein Telefongespräch mit dem Anschlusskunden eines anderen Netzbetreibers vornehmen kann. Im call-by-call-Verfahren wird das Gespräch von einem Anschlussnetz in das Verbindungsnetz eines Wettbewerbers übergeben (sog. Zuführung), über dieses Verbindungsnetz weitergeführt und sodann in das Anschlussnetz des angerufenen Kunden, an das dieser angeschlossen ist, nochmals übergeben (sog. Terminierung). An dem Ort der Zusammenschaltung (OdZ) erfolgt jeweils ein Zusammenschaltungsvorgang. Die Zusammenschaltungsleistung besteht vor allem aus der physischen, computertechnischen Verbindung der verschiedenen Netze. Damit verbunden sind zusätzliche Dienstleistungen, insbesondere solche, die für die Zusammenschaltung erforderlich sind. Dazu gehört insbesondere der räumliche Zugang zu den Zusammenschaltungsräumen (sog. Kollokation) sowie bestimmte Netzentstörungsleistungen. 65
Eingehend Schütz, Kommunikationsrecht, 2005, S. 131 ff.
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Die Rechtsgrundlage für die Zusammenschaltung von Netzen findet sich in § 495 21 Abs. 3 Nr. 2 TKG. Neben den in dieser Vorschrift erfassten SMP-Unternehmen können nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TKG auch Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht von der BNetzA zur Zusammenschaltung verpflichtet werden, sowie diese den Zugang zu Endnutzern kontrollieren. Damit wird in Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 lit. a) ZRL der End-zu-End-Verbund von Diensten gewährleistet werden.66 bb) Roaming Im Mobilfunkbereich erfolgt die Ermöglichung der Nutzung von Netzen anderer 496 Betreiber außerhalb des Versorgungsbereichs des nachfragenden Mobilfunknetzbetreibers für dessen Endkunden durch Roaming. Auf der Grundlage des Roaming im nationalen Bereich ist es Mobilfunknetzbetreibern möglich, Versorgungslücken ihrer Netze zu schließen. Soweit eine solche Roaming-Kooperation auf freiwilliger vertraglicher Grundlage erfolgt, sind die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen etwa des Kartellverbots einzuhalten. Eine Roaming-Verpflichtung kann einem SMP-Unternehmen nach § 21 Abs. 2 Nr. 4 TKG auferlegt werden. cc) Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung Nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 TKG soll die BNetzA SMP-Unternehmen verpflichten, 497 vollständig entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL) zu gewähren. Damit ist gemeint, dass ein Wettbewerber Teile des Netzes des SMPNetzbetreibers anmieten und in seinem eigenen Netz angliedern kann. Die aus einer Kupferdopelader oder Glasfaserkabel bestehende TAL verbindet die Telefonsteckdose beim Endkunden mit der nächsten Ortsvermittlungsstelle im Telekommunikationsnetz. Anbieter, die auf den unbeschalteten blanken Draht beim Kunden zugreifen könne, können diesem Kunden Netzanschlussprodukte über die eigenen Beschaltungseinrichtungen und damit ohne Nutzung der entsprechenden Einrichtungen des SMP-Unternehmens anbieten. Der TAL-Zugang ist damit von entscheidender Bedeutung für die Entstehung und Entfaltung von Wettbewerb auf der Grundlage einer kompetetiven Produktgestaltung und –bepreisung. Die hervorragende Bedeutung dieses Anspruchs wird nicht zuletzt durch die auf diesen speziellen Sachverhalt zugeschnittene TAL-Verordnung der EU Nr. 2887/200067 unterstrichen. Das danach und nach der Regelung in § 21 Abs. 3 Nr. 1 TKG bestehende Entbündelungsgebot besagt, dass das SMP-Unternehmen den Zugang nicht von der Nutzung bestimmter Übertragungsdienste oder von der Abnahme sonstiger Leistungen abhängig machen darf.68 Der Zugang zur TAL umfasst nach § 21 Abs.3 Nr. 1 TKG und der europäi- 498 schen TAL-Verordnung den Zugang zu Teilen dieser Leitung („zum Teilnetz“). Die BNetzA kann somit den SMP-Netzbetreiber verpflichten, Wettbewerbern das 66 67 68
Schütz, Kommunikationsrecht, 2005, S. 154 f. VO v. 18.1.2000, ABlEG Nr. L 336 v. 30.12.2000, S. 4. Vgl. BVerwGE 114, S. 160, 180 ff.
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sog. Line-Sharing anzubieten.69 Line-Sharing ermöglicht die Nutzung der TAL durch verschiedenen Anbieter für unterschiedliche Dienste, die dabei in unterschiedlichen Frequenzbereichen abgewickelt werden. Der Kunde kann deshalb beispielsweise seinen Sprachtelefonanschluss behalten und über einen anderen teil der TAL DSL-Produkte in Anspruch nehmen. Für die Wettbewerbsentwicklung im Telekommunikationsbereich ist diese Zugangsvariante deshalb ebenfalls von erheblicher Bedeutung.70 dd) Zugang zu Mietleitungen 499 Mietleitungen bilden einen Teil der Verkehrsinfrastruktur der Telekommunikation, die von Netzbetreibern und Diensteanbietern verwendet wird, insbesondere um durch den Anschluss an das weltweite Internet-Backbone ihre Dienste aufzubauen. Die Bereitstellung von Mietleitungen gehört deshalb zu den Voraussetzungen für eine wettbewerblich effiziente Kommunikationsinfrastruktur. Mit der Regelung des § 21 Abs. 1 Nr. 1 TKG, die den „Zugang zu bestimmten Netzkomponenten oder –einrichtungen“ zum Gegenstand hat, unterwirft der Gesetzgeber auch den Zugang zu Mietleitungen der Regulierung durch die BNetzA. Die Regelung betrifft – anders als die den Endkundenmarkt betreffende Regelung des § 41 TKG71 – die in der Empfehlung der Europäischen Kommission ausgewiesenen beiden sog. Vorleistungsmärkte, den Markt „Abschluss-Segmente von Mietleitungen“ (Nr. 13) und „Fernübertragungssegmente von Mietleitungen“ (Nr. 14) und bezieht sich damit auf lokale Mietleitungen, deren Enden in demselben Ortsnetzbereich liegen und Fernmietleitungen, deren Enden in verschiedenen Netzbereichen oder gar Ländern liegen.72 ee) Breitbandzugang und Bitstream Access 500 Die Bereitstellung breitbandiger Endkundenprodukte insbesondere auf der Grundlage der sog. DSL-Technologie stellt ein Vorleistungsprodukt dar, das dem Wettbewerber erlaubt, Hochgeschwindigkeitsverbindungen zum Kunden herzustellen, auf deren Grundlage wiederum eine breite Palette elektronsicher Dienste der multimedialen Breitband- und Internetdienste als Hochgeschwindigkeitsdienste angeboten werden können.73 Für den Wettbewerber ist es dabei von entscheidender Bedeutung, das er einen Bitstrom-Zugang (Bitstream-Access), also eine direkten Zugang zu der Endkundenbeziehung erhält und dem Endkunden damit ein Angebot von Anschluss und Breitbanddienst aus eigener Hand unterbreiten kann, ohne auf die Produktkonfiguration des Vorlieferanten angewiesen zu sein. BitstromZugang ist aus der Sicht der Wettbewerber des zugangspflichtigen Unternehmens 69 70 71 72 73
Vgl. BNetzA, MMR 2001, S. 775. So Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 233. Vgl. sogleich unter Rn. 507. Schütz, Kommunikationsrecht, 2005, S. 185 f. Zu verschiedenen Bitstrom-Zugangsvarianten vgl. Holznagel/Hombergs, MMR 2003, Beilage 10, S. 9 ff.
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somit ein Vorleistungsprodukt für den Marktauftritt auf dem DSL-Markt, dessen Verfügbarkeit es dem Wettbewerber ermöglicht, den eröffneten entbündelten Zugang zum Endkunden zu nutzen, um dem Endkunden selbst gestaltete DSL-Produkte anzubieten.74 Die Verpflichtung eines SMP-Unternehmens zur Bereitstellung von Bitstream 501 Access wird von § 21 Abs. 2 Nr. 1 TKG. Mit dem Hinweis auf die Entbündelung in Abs. 2 Nr. 1 will der Gesetzgeber gewährleisten, dass der Wettbewerber kein bereits vom zugangspflichtigen Unternehmen bereits gestaltetes DSL-Produkt erwerben muss. Der Gesetzgeber geht von der Grundvorstellung aus, dass chancengleicher Wettbewerb im DSL-Markt sich nur dann entwickeln kann, wenn der Wettbewerber des zugangspflichtigen Unternehmens allein den DSL-Zugang und die Bereitstellung der Netzübertragungsleistung erwerben kann, um diese mit individuellen Qualitätsparametern versehen zu können. Auf die Übertragungstechnik kommt es nach der gesetzlichen Regelung nicht an. Deshalb hat die BNetzA Verpflichtungen zur Gewährung sowohl des ATM-Bitstrom-Zugangs als auch des IP-Bitstrom-Zugangs verfügt;75 Das BVerwG hat diese Entscheidung in den den Netzzugang betreffenden Teilen inzwischen bestätigt.76 ff) Netzzugang durch Resale Beim sog. Resale erhält der Wettbewerber keinen Zugang zur physischen Leitung 502 des SMP-Unternehmen und es erfolgt auch keine Netzzusammenschaltung, sondern es werden Telekommunikationsdienste eines anderen Unternehmens zu Großhandelskonditionen eingekauft und an die Kunden des Resellers wiederverkauft. Das TKG sieht in § 21 Abs. 2 Nr. 3 eine Resale-Vverpflichtung vor. Die Regelung führt eine Rechtslage fort, die schon unter dem TKG 1996 begründet wurde, seinerzeit aber nur auf der Grundlage der Missbrauchsaufsicht erfolgte.77 Das TKG 2004 regelt die Verpflichtung marktmächtiger Betreiberunternehmen, Diensteanbietern Zugang zu seinen Diensten gewähren zu müssen, um diese in die Lage zu versetzen, diese Dienste im eigenen Namen und auf eigene Rechnung weitervertreiben zu können. Das TKG 2004 hat somit die Modalitäten der ResaleVerpflichtung gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage erheblich geändert, indem SMP-Unternehmen nunmehr einer grundsätzlichen Resale-Verpflichtung unterworfen werden können. Der Zugang ist zu Großhandelsbedingungen zu gewähren. Damit ist vor allem ein Preisabschlag gemeint, dessen Umfang nach § 30 Abs. 5 TKG zu berechnen ist. Überdies gehört es zu den Großhandelsbedingungen, 74
75 76
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Vgl. Gemeinsamer Standpunkt der ERG zum Bitstream Access v. 2.4.2004, ERGdocument (03)33 rev. 1, S. 6. Vgl. Paschke, in: Paschke/Meyer/Berlit, Hamburger Kommentar, 2008, 6. Abschnitt Rn. 207. BVerwG, Urt. vom 28.01.2009, Az.: 6 C 39.07, Tz. 11 ff.; hinsichtlich der Entgelte für den IP-Bitstrom-Zugang wurde nach Aufhebung einer vorhergehenden Entscheidung durch das BVerwG a.a.O. von der BNetzA mit Regulierungsverfügung vom 4.6.2009, Az. BK3d-09-009 eine Genehmigungspflicht verfügt. Vgl. BVerwG v. 3.12.2003, E 119, 282 ff.; vgl. dazu Orthwein K&R 2004, S. 275 ff.
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dass der Wiederverkäufer mit dem zugänglich gemachten Dienst eine eigene Beziehung zum Endkunden aufbauen kann.78 Zur Frage der Zulässigkeit der Bündelung von Diensten durch den zugangsgewährungspflichtigen Netzbetreiber findet sich in Abs. 2 Nr. 3 keine spezifische Aussage. Insofern kann aber die BNetzA im Rahmen der von ihr zutreffenden Abwägungsentscheidung und unter Berücksichtigung des Entbündelungsgebots nach § 21 Abs. 1 Satz 1 eine Entbündelung vorsehen, um eine autonome unternehmerische Disposition des Zugangspetenten über die Nutzung der zugänglich gemachten Dienste zu befördern. Diese Auffassung entspricht schon der Rechtslage TKG 1996, auf deren Grundlage die damalige RegTP entbündeltes Resale verfügt hatte.79 Satz 2 von § 23 Abs. 2 Nr. 3 TKG schränkt die Resaleverpflichtung dadurch 503 ein, dass die getätigten und zukünftigen Investitionen für innovative Dienste zu berücksichtigen sind. Damit wird dem Abwägungskatalog des § 21 Abs. 1 TKG noch ein weiterer Parameter hinzugefügt, der bei der Zugangsgewährungsentscheidung von der BNetzA zu berücksichtigen ist. Insofern ist einschränkend im Interesse der Herstellung chancengleichen Wettbewerbs vorzusehen, dass nur solche Investitionen berücksichtigt werden, die für die Auf- und Ausbau des konkret in Rede stehenden Dienstes getätigt wurden bzw. werden sollen.80 In der Nr. 2 ist dagegen kein Verbot zu Lasten des Zugangspetenten vorgesehen, das Resaleprodukt weiter zu entwickeln. Mit der im Gesetzestext gewählten Formulierung, dass der Zugang zum „Weitervertrieb“ zu verfügen ist, sollte im Interesse des Innovationsoffenheit der TKG-Zugangsregulierung kein Veredelungsverbot geschaffen werden.81 2. Betreiberauswahl nach § 40 TKG 504 Nach § 40 TKG ist die BNetzA grundsätzlich ermächtigt und nach Abs.1 Satz 1 auch zwingend verpflichtet, SMP-Unternehmen auf den Märkten für Festnetzanschlüsse ihren Teilnehmern den Zugang zu den Diensten aller unmittelbar zusammengeschlossenen Telekommunikationsanbieter zu ermöglichen. Die Regelung dient der Ermöglichung der Betreiberauswahl im Einzelfall (sog. call-by-call) bzw. durch eine festegelegte Betreibervorauswahl (sog. preselection). Damit will der Gesetzgeber dem Teilnehmer die Gelegenheit eröffnen, nicht nur die Dienste seines Anschlussnetzbetreibers sondern auch die anderer Anbieter, deren Netze mit seinem Anschlussnetz unmittelbar zusammengeschaltet sind, in Anspruch zu nehmen. Mit dieser Vorschrift wird deshalb eine praktisch durchaus bedeutende Voraussetzung für die Öffnung des Telekommunikationssektors für Wettbewerb insbesondere im Ortsnetz und in den Mobilfunknetzen geschaffen. Die Vorschrift setzt Art. 19 RRL um.
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BVerwG v. 3.12.2003, E 119, 282 ff. Tz. 56 – zum TKG 1996. RegTP v. 18.7.2003 – BK 3 b-03/009, S. 27, 31 f.; bestätigt von OVG NRW, MMR 2004, S. 119. Piepenbrock/Attendorn, BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 21 Rn 156. Piepenbrock/Attendorn, BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 21 Rn 155.
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Die Vorschrift ist Ermächtigungsgrundlage für die BNetzA, eine eigenständige, 505 von einer Regulierungsverfügung nach § 21 rechtlich unabhängige Verpflichtung gegenüber Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht anzuordnen. Technisch setzt die Betreiber(vor)auswahl voraus, dass die jeweiligen Netze zusammengeschaltet sind. Eine diesbezügliche Verpflichtung kann die BNetzA nach den Vorschriften der §§ 18, 21 TKG verfügen. Die nach diesen Vorschriften getroffene Zusammenschaltungsverfügung kann die Verpflichtung nach § 40 TKG enthalten. In § 40 Abs. 1 TKG wird die Verpflichtung von Festnetzbetreibern mit be- 506 trächtlicher Marktmacht geregelt. Für andere Unternehmen, insbesondere Kabelnetzbetreiber und Mobilfunkbetreiber mit beträchtlicher Marktmacht, sieht Abs. 2 eine besondere Regelung vor. Der ausgewählte pflichtige Netzbetreiber kann dem Teilnehmernetzbetreiber ein Entgelt für die Betreiberauswahl in Rechnung stellen. Dieses unterfällt der Regulierung von Entgelten für Zugangsleistungen nach den Vorschriften der §§ 27 ff. TKG. 3. Mietleitungen für Endkunden Die Vorschrift des § 41 TKG, die ein Mindestangebot an Mietleitungen gewähr- 507 leisten will, ist in Umsetzung von Art. 18 UDRL mit Anhang VII ergangen. Die Vorschrift regelt somit im Unterschied zu § 21 Abs. 2 Nr. 1 TKG die Bereitstellung von Mietleitungen für Endkunden. Zu diesem Zweck sieht die Vorschrift in Abs. 1 eine Ermächtigungsgrundlage zugunsten der BNetzA vor, Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zur Bereitstellung eines Mindestangebots an Mietleitungen zu verpflichten. Abs. 2 regelt in Umsetzung des europarechtlichen Transparenzgebots in Anhang VII Nr. 3 UDRL diesbezügliche Veröffentlichungspflichten der verpflichteten Unternehmen. Abs. 3 begrenzt den Inhalt der Vorschrift auf eine prinzipielle Bereitstellungspflicht, sieht dagegen keine Grundlage für Zugangsverpflichtungen oder die Entgeltregulierung vor, die nach den Vorschriften des zweiten und dritten Abschnitts (§§ 16 ff., 27 ff.) erfolgen. IV. Entgeltregulierung Die Entgeltregulierung bildet neben dem Verfahren der Marktregulierung und der 508 Zugangsregulierung den dritten Kernpfeiler des Regulierungsregimes des TKG. Nur wenn auch die Preise der zugangspflichtigen SMP-Unternehmen einer behördlichen Regulierung unterliegen, kann erwartet werden, dass SMP-Unternehmen den Wettbewerbern konkurrenzfähig Preise anbieten, die diese befähigen, effektiven Wettbewerb beim Angebot TK-Diensten zu entwickeln. Zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit konkurrierender Anbieter unterwirft § 30 Abs. 1 TKG alle Entgelte von Netzbetreibern mit beträchtlicher Marktmacht für Zugangsleistungen, welche die BNetzA auferlegt hat, einer grundsätzlichen Genehmigungspflicht (sog. ex-ante-Regulierung). Im Übrigen hat die BNetzA grundsätzlich die Befugnis zur nachträglichen Überprüfung der geforderten Entgelte.82 82
§ 30 Abs. 2 – 4 TKG.
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§ 7 Marktordnung durch Regulierungsrecht
Überdies unterliegen Entgelte, die von Endkunden gefordert werden, der Regulierung nach § 39 TKG. Die gesetzliche Regelung sieht sowohl Regelungen zu den materiellen Entgeltmaßstäben als auch solche zum Verfahren der Entgeltregulierung vor. 1. Genehmigungsmaßstäbe 509 Hinsichtlich der Maßstäbe, an denen die Entgeltregulierung auszurichten ist, unterscheidet das TKG zwischen den Maßstäben für genehmigungspflichtige Entgelte und allgemeinen, bei sämtlichen Regulierungsentscheidung im Entgeltbereich zu beachtenden Maßstäben. a) Maßstäbe genehmigungspflichtiger Entgelte 510 Genehmigungspflichtige Entgelte haben dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu entsprechen. Das SMP-Unternehmen ist danach nicht berechtigt, dem Wettbewerber seine tatsächlichen Kosten für die Leistungsbereitstellung in Rechnung zu stellen; vielmehr werden die Kosten im Genehmigungsverfahren einem KEL-Test unterzogen. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, dass der SMP-Unternehmer sein Entgeltanspruch nur auf der Grundlage einer hypothetischen Wettbewerbssituation bemessen kann.83 Damit wird zugleich ein Anreiz gegeben, ineffiziente Angebotsstrukturen anzubauen.84 Die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung ergeben sich nach § 31 Abs. 511 2 TKG „aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereiststellung und einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, einschließlich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals, soweit diese Kosten notwendig sind.“ Mit den zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung meint der Gesetzgeber solche Kosten, die dem Anbieter dadurch entstehen, dass er die auferlegte Zugangsleistung zusätzlich zu seinen Angebot bereit stellen muss.85 Dadurch, dass die Kosten „notwendig“ sein müssen, soll nicht nur erreicht werden, dass das SMP-Unternehmen Entgelte in Rechnung stellt, die mit der geforderten Leistung in keinem Zusammenhang stehen; die BNetzA hat überdies zu überprüfen, ob die in Ansatz gebrachten Kosten auch bei einem effizient arbeitenden Unternehmen angefallen wären. Darüber hinausgehende, also für eine effiziente Leistungsbereitstellung nicht notwendige Aufwendungen sind nur ausnahmsweise nach § 31 Abs. 3 Satz 1 TKG berücksichtigungsfähig, soweit und solange hierfür eine rechtliche Verpflichtung besteht oder das die Genehmigung beantragende SMP-Unternehmen eine sachliche Rechtfertigung für diese Kosten nachweist. In begründeten Ausnahmefällen kann die BNetzA auf der Grundlage des § 31 Abs. 1 Satz 1 TKGF eine Genehmigung auf der Grundlage einer Vergleichsmarktbetrachtung durchführen.86 83 84 85 86
Vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/2316, S. 68 f. Groebel, in: Berliner Kommentar zum TKG, 2006, Einl. I, Rn. 10 ff. Schuster/Ruhle, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 31 Rn. 33 ff. Schuster/Ruhle, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 31 Rn. 27 ff.
B. Marktregulierung nach dem TKG
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Eine besondere Regelung findet sich zur Regulierung des Resale-Entgelts. In § 512 30 Abs. 5 TKG hat der Gesetzgeber angeordnet, dass der „Retail-Preis“ „aus einem Abschlag auf den Endnutzerpreis, der einem effizienten Anbieter von Telekommunikationsdiensten die Erzielung einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals auf dem Endnutzermarkt ermöglicht.“87 b) Allgemeine Maßstäbe der Entgeltregulierung In den §§ 27 – 39 TKG hat der Gesetzgeber eine Reihe von allgemeinen Maßstä- 513 ben der Entgeltregulierung geregelt, die für alle regulierten Entgelte, also nicht nur die eine ex-ante-Genehmigungspflicht nach § 31 Abs. 1 TKG unterliegenden, gelten. Insgesamt ist die Entgeltregulierung dazu geschaffen, „eine missbräuchliche Ausbeutung, Behinderung oder Diskriminierung von Endnutzern oder von Wettbewerbern durch preispolitische Maßnahmen von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu verhindern“.88 Bei der Erreichung dieser Zielsetzung hat die BNetzA zu gewährleisten, dass 514 die „Entgeltregulierungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit aufeinander abgestimmt sind“. Durch dieses sog. Konsistenzgebot ist die Regulierungsbehörde auf das dem Rechtstaatsgebot entsprechende Postulat verpflichtet, ihre Entscheidungspraxis zu Entgeltregulierungsmaßnahmen zwischen den Beschlusskammern der Behörde zeitlich und inhaltlich koordiniert vorzunehmen.89 § 28 TKG statuiert ein entgeltbezogenes Missbrauchsverbot. Danach darf eine 515 Anbieter mit beträchtlicher Marktmacht bei der Forderung und Vereinbarung von Entgelten seine Macht nicht missbräuchlich ausnutzen. Damit sind insbesondere Entgelte verboten, die nur auf Grund der beträchtlichen Marktmacht auf dem jeweiligen Mark durchsetzbar sind, die die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf erhebliche Weise, etwa durch Verdrängungsstrategien durch zu niedrige Endkundenpreise beeinträchtigen oder einzelne Nachfrager diskriminieren. In § 28 Abs. 2 TKG werden in mehreren Vermutungsregeln einzelne wettbewerbsbehindernde Verhaltensregeln konkretisiert.90 2. Verfahren der Entgeltregulierung Hinsichtlich des Genehmigungsverfahrens unterscheidet das TKG zwischen dem 516 Einzelgenehmigungsverfahren und dem sog. Price-Cap-Verfahren. Im Einzelgenehmigungsverfahren wird das Entgelt für jede einzelne Dienstleistung einer Prüfung mit den Anforderungen der §§ 28 ff. TKG unterzogen, § 32 Nr. 1 TKG. Mit dieser Prüfung wird insbesondere ein Verbot der Quersubventionierung gewährleistet, weil es dem regulierten Unternehmen verwehrt, die Kosten für nicht effi-
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88 89 90
Schuster/Ruhle, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 30 Rn. 47 ff.; Müller, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2008, § 30 TKG Rn. 52 ff. § 27 Abs. 1 TKG. Vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 268. Vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 273.
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§ 8 Marktordnung durch Medienkartellrecht
ziente Dienste durch einen Einnahmentransfer aus effizienten Diensten in Ansatz zu bringen. Im Price-Cap-Verfahren fasst die BNetzA mehrere Telekommunikationsdienst517 leistungen jeweils in einem Korb zusammen. Die Preisregulierung erfolgt sodann nicht hinsichtlich jeder einzelnen Dienstleistung sondern hinsichtlich der Leistungsentgelte im Durchschnitt. Dabei legt die BNetzA für jeden der Körbe Änderungsraten fest, die nach § 34 Abs. 3 TKG insbesondere nach der gesamtwirtschaftlichen Preissteigerungsrate bestimmt werden. Der Cap begrenzt den Preisgestaltungsspielraum für das regulierte Unternehmen.
§ 8 Marktordnung durch Medienkartellrecht
Literatur Dittmann, Die allzu Kecke KEK?, in: Festschrift für Mailänder, 2006, S. 469 ff.; Dörr, Das für die Medienkonzentration maßgebliche Verfahrensrecht, in: Landesmedienanstalten (Hrsg.), Die Sicherung der Meinungsvielfalt, Berlin 1995, S. 331 ff.; ders., Vielfaltsicherung im bundesweiten Fernsehen AfP 2007 (Sonderheft), S. 33 ff.; ders., Vielfaltsicherung in Gefahr?, in: Festschrift für Mailänder, 2006, S. 481 ff.; Engel, Zuschaueranteile in der publizistischen Konzentrationskontrolle, ZUM 2005, S. 776 ff.; Gounalakis/Zagouras, Crossmedia Konzentration und multimediale Meinungsmacht, AfP 2006, S. 93 ff.; Gounalakis/Zagouras, Konglomerate Medienkonzerne und die Wettbewerbsaufsicht, NJW 2006, S. 1624 ff.; Gounalakis/Zagouras, Plädoyer für ein europäisches Medienkonzentrationsrecht, ZUM 2006, S. 716 ff.; Paschke/Berlit/Meyer (Hrsg.), Hamburger Kommentar, 2008, Abschnitte 7, 8; Paschke/Ploog, Fortschritte bei der Konzentrationskontrolle im Rundfunk?, in: Festschrift für Engelschall, 1996, S. 99 ff.; Prütting, Die Vermutung vorherrschender Meinungsmacht, in: Prütting/Kübler, Marktmacht und Konzentrationskontrolle auf dem Fernsehmarkt, 2000, S. 115 ff.; Säcker, Zur Ablehnung des Zusammenschlussvorhabens Axel Springer AG/Pro SiebenSat.1 Media AG durch KEK und Bundeskartellamt, K&R 2006, S. 49 ff.
518 Der Schaffung spezifischen Medienkartellrechts als Marktordnungsinstrument sind durch die Freiheitsverfassung der Mediengrundrechte in Art. 5 GG von vornherein Grenzen gezogen. Da den Medienfreiheiten nach Art. 5 Abs. 2 GG lediglich „Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze“ gezogen werden dürfen verbietet sich eine Beschränkung der Medienfreiheiten durch spezifisch medienkartellrechtliche Marktordnungsvorschriften. Möglich und zulässig ist allein eine inhaltliche Ausgestaltung der in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheitsrechte. Für den Bereich des Rundfunkwesens hat der deutsche Gesetzgeber eben eine 519 solche freiheitsgestaltende Ordnung geschaffen. Die Rundfunkgesetzgebung setzt damit die Maxime des BVerfGs um, dass es einer positiven Ordnung des Rundfunk bedürfe, um die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG zu gewährleisten. Die Marktordnungsregeln der §§ 25 ff. RStV zur Sicherung der Vielfalt des Pro-
A. Konzeption der Vielfaltsicherung im Rundfunksektor
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grammangebots der Rundfunksender sind Ausdruck dieser derzeit allein im Rundfunksektor bestehenden Marktordnung durch ein publizistische Vielfalt gewährleistendes Sonderkartellrecht. Das Sonderkartellrecht für den Rundfunk findet neben dem Konzentrationskontrollrecht des allgemeinen Kartellrechts (GWB und FKVO91) Anwendung. Damit existiert in Deutschland eine Unterscheidung zwischen der wirtschaftlich ausgerichteten Fusionskontrolle nach dem GWB und der auf die Sicherung der publizistischen Vielfalt ausgerichteten Konzentrationskontrolle nach dem RStV. Vorschläge, die rechtssystematischen Unterscheidung aufzugeben und durch ein einheitliches Konzentrationskontrollrecht zu setzen, das sowohl die Kontrolle wirtschaftlicher Machtstellung als auch die der Meinungsmacht ermöglicht, sind insbesondere an den verfassungsrechtlichen Hürden der zu unterscheidenden Bundes- und Landeszuständigkeit gescheitert, die einem einheitlichen Medienkonzentrationsrecht entgegen stehen.92
A. Konzeption der Vielfaltsicherung im Rundfunksektor Das rundbezogenen Sonderkartellrecht findet sich heute im 2. Unterabschnitt des 520 III. Abschnittes des RStV mit den Regelungen über die Sicherung der Meinungsvielfalt. Das rundfunkbezogene Marktordnungsrecht ist 1996 durch den 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingeführt worden. Es basiert auf dem sogenannten Zuschaueranteilsmodell. Während vor 1996 zur Vielfaltsicherung eine numerische Begrenzung von Programmbeteiligungen je Unternehmen vorgeschrieben war, erfolgt nach geltendem Recht eine Kontrolle der an Zuschaueranteilen gemessenen Meinungsmacht. Auf diese Weise will der Gesetzgeber Meinungsmacht besser erfassen; entscheidend ist nicht mehr die Anzahl der von einem Unternehmen veranstalteten Programme sondern die Anzahl an tatsächlich erreichten Zuschauern. Ein Veranstalter kann grundsätzlich eine unbegrenzte Anzahl von Programmen veranstalten, solange er nicht vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Die Vorschrift stellt den Dreh- und Angelpunkt innerhalb der Vorschriften zur 521 Konzentrationskontrolle im Rundfunk dar. Sie enthält die allgemeinen Anforderungen an die Meinungsvielfalt und konkretisiert, wie der Leitbegriff der Vielfaltsicherung unter Berücksichtigung und Ausformung seiner verfassungsrechtlichen Grundlagen in Art. 5 Abs. 1 innerhalb des Rundfunkstaatsvertrages zu verstehen ist. Die Rechtsprechung des BVerfGs ist dabei prägend für die Normen der Vielfaltsicherung gewesen.93 Mit dem Erlass der Vielfaltsicherungsvorschriften des 3. Rundfunkänderungs- 522 staatsvertrages 1996 sind die Vorgängerregeln aufgegeben worden. Insbesondere ist die Regelung des § 20 Abs. 2 RStV a.F. entfallen, nach der unter den in ihr aufgeführten Voraussetzungen jedes Vollprogramm zur Meinungsvielfalt verpflichtet 91 92
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Vgl. Rn. 550 ff. Vgl. Schulz/Held, Die Zukunft der Kontrolle der Meinungsmacht, 2006, S. 88; Medienund Konzentrationsbericht der Bundesregierung 2008, BT-Drs. 16/11570, S. 51 f. Vgl. nur BVerfGE 57, S. 293 ff.; 73, S. 118 ff.; 90, S. 60 f.
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§ 8 Marktordnung durch Medienkartellrecht
gewesen ist. Nach der Amtlichen Begründung zum 3. RÄStV 1996 stellt die Anzahl der in Deutschland verbreiteten kommerziellen Programme bei Einführung der §§ 25 ff. einen hinreichend stabilen Außenpluralismus sicher, so dass es keiner weiteren binnenpluralen Regelungen, wie der des § 20 Abs. 2 a.F., mehr bedurfte. Damit hat das neu entstandene außenplurale Regelungsmodell das gemischte außen- und binnenplurale Modell des Staatsvertrags von 1991 abgelöst. Zur Sicherung der (außenpluralen) Konzeption der §§ 25 ff. setzt der Rund523 funkstaatsvertrag auf die in § 26 normierte Rundfunkkonzentrationskontrolle; sie stellt die zentrale Vorschrift innerhalb der Vielfaltsicherungsmaßnahmen des RStV dar. Da § 25 selber keinerlei Eingriffsbefugnisse begründet, das Konzept der Meinungsvielfaltsicherung aber inhaltlich beschreibt, bildet die Vorschrift des § 25 die Grundlage, auf der die Eingriffsnorm § 26 aufbaut. Binnenpluralistische Sicherungen, also Meinungspluralität durch interne Vorkehrungen eines jeden Veranstalters, sind in den Beratungen des Rundfunkstaatsvertrages als nicht notwendig erachtet worden.94 Allerdings ist auch vom privaten Rundfunk ein Grundstandard an gleichgewichtiger Vielfalt zu gewährleisten.95 Insofern enthält § 25 Abs. 2 RStV ein binnenplurales Regelungselement. Die Anwendung dieser Marktordnungsregeln liegt in den Händen spezialisier524 ter Einrichtungen. Ursprünglich waren dies insbesondere die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) und die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM). Mit der (rechtspolitisch umstrittenen96) Reform des § 35 RStV durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag 2008 wurde die KDLM abgeschafft. Die Beurteilung von Fragen der Sicherung der Meinungsvielfalt im Zusammenhang mit der bundesweiten Veranstaltung von Fernsehprogrammen, liegt nach § 36 Abs. 4 RStV allein und abschließend bei der KEK. Die KEK stellt eine selbständige Organisation, die als Sachverständigengremium nach § 35 RStV gebildet ist.97 Die Zuständigkeit der Landesmedienanstalten für die Zulassungsentscheidung und die Aufsicht über den privaten Rundfunk im Außenverhältnis98 und die Prüfungszuständigkeit der neu geschaffenen anstaltsübergreifenden Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) im Innenverhältnis zur Landesmedienanstalt99 bleibt davon unbenommen.
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95 96
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98 99
Vgl. Rossen-Stadtfeld, in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 2. Auflage 2008, § 25 RStV Rn. 6. BVerfGE 73, S. 118, 119, 152-160. Vgl. Ritlewski, ZUM 2008, S. 403, 407 f.; Westphal, ZUM 2008, S. 854 ff.; Thaenert, ZUM 2009, S. 131 ff. Kritisch dazu wegen der Änderungen in § 35 Abs. 5 Nr. 2 RStV durch den 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag Westphal, ZUM 2008, S. 854 ff. § 35 Abs. 1 RStV; vgl. Gröpl, ZUM 2009, S. 21 ff. § 36 Abs. 2 RStV; vgl. dazu Ritlewski, ZUM 2008, S. 403, 407 f.; Gröpl, ZUM 2009, S. 21.
B. Vielfaltsicherung nach den §§ 25 ff. RStV
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B. Vielfaltsicherung nach den §§ 25 ff. RStV I. Sicherung publizistischen Wettbewerbs Die Konzentrationskontrolle nach dem RStV zielt auf die Sicherung des publizis- 525 tischen Wettbewerbs. Damit weist das Ordnungskonzept des RStV einen fundamentalen Unterschied zum Marktordnungsrecht durch das allgemeine Kartellrecht auf, das mit den im GWB verankerten Konzentrationskontrollvorschriften auf die Sicherung ökonomischen Wettbewerbs abstellt. Die Sicherung des ökonomischen Wettbewerbs trägt dazu bei, die Meinungsvielfalt zu schützen, ohne die spezifisch medienrechtliche Sicherung der Vielfalt im Rundfunk entbehrlich zu machen. Die für die freiheitliche Meinungsbildung in der Demokratie elementare Funktionsfähigkeit des Rundfunks kann – anders als im Bereich der Presse – nicht allein durch Verhinderung ökonomischer Machtstellungen gewährleistet werden. Es bedarf vielmehr spezifischer Konzentrationsregelungen, die durch die Sicherung des publizistischen Wettbewerbs auf dem Meinungsmarkt für ausreichend Meinungsvielfalt sorgen. Dies hat ein Nebeneinander von rundfunkstaatsvertraglicher und allgemein kartellrechtlicher Vielfaltkontrolle zur Folge.100 Die Sicherung der Meinungsvielfalt hat zu gewährleisten, dass die Vielfalt der 526 bestehenden Meinungen im Rundfunk in größtmöglicher Breite und Vollständigkeit zum Ausdruck gelangen.101 Dabei ist grundsätzlich auf das Gesamtangebot der elektronischen Medien abzustellen, sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die privaten. Der private Rundfunk unterliegt allerdings dem Gebot in abgesenkter Weise. Er hat nach der Rechtsprechung des BVerfGs zu Art. 5 GG lediglich einem „Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt“ zu entsprechen.102 II. Verbot vorherrschender Meinungsmacht § 26 Abs. 1 RStV stellt den Grundsatz auf, dass ein Unternehmen in der Bundes- 527 republik Deutschland eine unbegrenzte Anzahl von Programmen selbst oder durch nach § 28 zurechenbare Unternehmen im bundesweiten Fernsehen veranstalten darf. Dieser Grundsatz wird dadurch begrenzt, dass das Unternehmen nicht vorherrschende Meinungsmacht erlangen darf. Die Vorschrift sieht einen die Veranstalterfreiheit begrenzenden materiellen 528 Eingriffstatbestand vor, nach dem kein Veranstalter im bundesweiten Fernsehen vorherrschende Meinungsmacht erlangen darf. Dabei regelt § 26 Abs. 1 RStV, dass die Schranke der vorherrschenden Meinungsmacht „nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen“ anzuwenden ist. Damit wird insbesondere auf die Tatbestände des Abs. 2 verwiesen. Diese als Vermutungsregeln ausgewiesenen Vor100
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Dazu Hain K&R 2006, S. 325 ff.; Gounalakis/Zagouras, NJW 2006, S. 1624 ff.; Kübler, in: Prütting/Kübler, Marktmacht und Konzentrationskontrolle auf dem Fernsehmarkt, 2000, S. 7 ff. BVerfGE 57, S. 320, 323. BVerfGE 73, S. 118, 159; 83, S. 238, 297.
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§ 8 Marktordnung durch Medienkartellrecht
schriften enthalten Sonderregeln der Beweislast; sie sollen den Nachweis des materiellen Verbotstatbestandes erleichtern. Uneinigkeit besteht darüber, welche Bedeutung den Regeln des Abs. 2 im Verwaltungsverfahren zukommt. Die Beurteilung dieser Frage entscheidet insbesondere darüber, wie das Regelungsverhältnis von Absatz 1 zu Absatz 2 zu verstehen ist und wie viel Entscheidungsspielraum der Konzentrationskontrollbehörde bei der Beurteilung vorherrschender Meinungsmacht zusteht; sie hat deswegen letztlich grundsätzliche Bedeutung. Vielfach vertreten, von der Praxis der KEK allerdings nicht anerkannt, wird die 529 Auffassung, § 26 Abs. 2 RStV sei als abschließende materiellrechtliche Regelung zu verstehen. Nach dieser Auffassung kann die KEK nur auf der Grundlage der Zuschaueranteile des Abs. 2 vorherrschende Meinungsmacht ableiten; andere Umstände hat sie unberücksichtigt zu lassen.103 Der Wortlaut der Vorschrift und weitere Auslegungskriterien sprechen dafür, dass die Vorschrift des Abs. 2 als Vermutungstatbestand zu dem in § 26 Abs. 1 RStV liegenden Eingriffstatbestand konzipiert ist. Dies entspricht der ständigen Entscheidungspraxis der KEK.104 Nach diesem sog. qualitativen Ansatz stellt § 26 Abs. 1 RStV einen materiellen 530 Eingriffstatbestand dar, dessen Vorliegen nach Maßgabe der quantitativen Kriterien des § 26 Abs. 2 RStV vermutet wird.105 Im Rahmen des Absatzes 1 soll eine qualitative Gesamtbeurteilung der Tätigkeit des zu beurteilenden Unternehmens auf dem Meinungsmarkt vorgenommen werden. Insbesondere wird dadurch dem vom BVerfG betonten Petitum Rechnung getragen, dass sich vorherrschende Meinungsmacht aus der Zusammenwirken von Machtpositionen in den Printmedien und im privaten Fernsehen ergeben kann.106 § 26 RStV ermöglicht danach eine von den quantitativen Vorgaben seines Abs. 2 grundsätzlich unabhängige Medienkonzentrationskontrolle im bundesweiten Fernsehen, nach der vorherrschende Meinungsmacht bei Erreichen der Schwellenwerte vermutet wird, ohne Erreichen der Schwellenwerte aber nicht ausgeschlossen ist. Das in der Anwendungspraxis dominierende qualitative Verständnis hat zur 531 Folge, dass auch bei einem Zuschaueranteil unterhalb der Schwellenwerte des § 26 Abs. 2 von 30 bzw. 25% Zuschaueranteil vorherrschende Meinungsmacht in Betracht kommt. Dies soll gelten, obwohl die Vermutungsregelungen des § 26 Abs. 2 RStV das gesetzgeberische Leitbild dafür abgeben, wie der unbestimmte 103
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So KDLM, ZUM 1998, S. 1054 ff.; vgl. auch Engel ZUM 2005, S. 776 ff.; Peifer, Vielfaltsicherung im bundesweiten Fernesehen, 2005, S. 43 ff., 78; Müller, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, 2004, S. 226 ff., 239 ff.; Hepach, ZUM 2003, S. 112, 115 f. Vgl. Beschlüsse v. 26.01.1999, KEK 026 – Premiere; v. 21.09.1999, KEK 040 – RTL; v. 13.05, 2003, KEK 173-1- Sat.1; v. 10.01.2006, KEK 291-1 bis –5 – Springer/ProSiebenSat.1 Media AG; v. 12.12.2006, KEK 374 – N24. Die KEK hat diese Auffassung eingehend im Verfahren Springer/ProSiebenSat.1 Media AG begründet (KEK v. 10.01.2006, KEK 293-1 bis -5, 70 ff). Holznagel/Krone MMR 2005, S. 666, 667; Dörr AfP 2007, Sonderheft, S. 33, 36 f.; ders. Festschrift für Mailänder, S. 481, 484; Prütting, in: Stern/Prütting, Marktmacht und Konzentrationskontrolle auf dem Fernsehmarkt, 2000, S. 115 ff. 121 ff. BVerfGE 73, S. 118, 175 f.
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Rechtsbegriff der vorherrschenden Meinungsmacht zu konkretisieren ist.107 Dabei ist zu beachten, dass einerseits bei Nichtvorliegen der Vermutungsreglungen des § 26 Abs. 2 Satz 1, 2 gem. der amtlichen Begründung zum 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrag an den Nachweis vorherrschender Meinungsmacht erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Andererseits dürfen bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung aus den Leitbildern der Vermutungsregelungen nicht mehr Wertungen geschöpft werden, als der Gesetzgeber in sie hinein gelegt hat.108 Das bedeutet, dass die aus dem Absatz 2 entwickelten Leitbilder ihrerseits den Anforderungen der Vermutungstatbestände genügen müssen. Das ist dann der Fall, wenn sie rechtsstaatlich fundiert sind und sich systemgerecht in den Regelungszusammenhang einfügen. Mit der von der KEK befürworteten Gesetzesauslegung werden diese Maximen strapaziert.109 Die der Rundfunkunternehmerfreiheit Grenzen setzende Regelung des § 26 532 Abs. 1 RStV baut auf dem Merkmal der vorherrschenden Meinungsmacht auf. Dieses Merkmal ist der ausfüllungsbedürftige Inhalt des Eingriffstatbestands des Absatzes 1. Deshalb ist die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „vorherrschende Meinungsmacht“ das zentrale Element der rundfunkstaatsvertraglichen Konzentrationskontrolle. Bei der Konkretisierung des Rechtsbegriffs der vorherrschenden Meinungsmacht iSd § 26 RStV sind vor allem Sinn und Zweck der Vorschrift heranzuziehen. Die Vorschrift dient der Sicherung der Meinungsvielfalt. Sie hat somit zu gewährleisten, dass sowohl alle Meinungen, einschließlich von Mindermeinungen im privaten Rundfunk Gehör finden können, als auch dass einzelne Veranstalter keinen dominanten Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung erlangen dürfen.110 Die Auslegung und Anwendung des Rechtsbegriffs „vorherrschende Meinungsmacht“ ist wegen des Gebots der verfassungskonformen Auslegung des einfachen Rechts auf diese Auslegung festgelegt.111 Das Verbot „vorherrschender Meinungsmacht“ ist somit so anzuwenden, dass es der verfassungsrechtlichen Maxime gerecht wird, eine Beherrschung des bundesweiten Fernsehens durch eine oder einzelne gesellschaftlichen Gruppen auszuschließen. Zur Konkretisierung dieser Maxime wird in der Literatur auf das Bestehen 533 struktureller Vielfaltkriterien abgestellt.112 Unter strukturellen Vielfaltkriterien werden die Anzahl unterschiedlicher Programme und wirtschaftlich voneinander unabhängiger Veranstalter berücksichtigt. Vorherrschende Meinungsmacht soll dann vorliegen, wenn infolge einer strukturellen Verengung des Angebots die Rezipienten keine Möglichkeit mehr haben, zwischen einer ausreichenden Anzahl von unterschiedlichen meinungsrelevanten Programmtendenzen frei zu wählen, weil das Angebot auf einen einseitigen, in hohem Maße ungleichgewichtigen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung verengt ist. Wegen der abstrakten Ge107 108 109 110 111 112
KEK 293-1 bis -5, S. 78 ff.; Dörr, in: Festschrift für Mailänder, 2006, S. 481, 487 ff. Paschke/Goldbeck, ZWeR 2007, S. 49, 71 ff. Vgl. Paschke/Goldbeck, ZWeR 2007, S. 49, 67 ff. Vgl. BVerfGE 73, S. 118, 159 f. Dörr AfP 2007, Sonderheft, S. 33, 36. Vgl. Trute, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 2. Auflage 2008, § 26 RStV Rn. 29-32a.
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fährlichkeit von Vielfaltbeschränkungen für die freie Meinungsbildung sollen bereits die Angebotsverengung vorbereitende Maßnahmen von der Ausnahmeregelung des Abs. 1 erfasst werden, weil die eingetretene Gefährdung wegen des entstandenen vorherrschenden Einflusses nur schwer wieder rückgängig gemacht werden kann).113 Zur weiteren Konkretisierung des Begriffs der vorherrschenden Meinungs534 macht stellt die KEK in ihrer Entscheidungspraxis auf die in § 26 Abs. 2 RStV vertypten gesetzgeberischen Leitbilder ab, insbesondere bezieht die KEK neben dem Gesamtzuschaueranteil gem. § 26 Abs. 2 RStV auch Einflüsse anderer Medien auf die Meinungsbildung ein. Nicht zuletzt kann vorherrschende Meinungsmacht im Sinne des Abs. 1 durch crossmediale Effekte aus der Kumulation von Meinungsmacht im bundesweiten Fernsehen und in den medienrelevanten verwandten Märkten entstehen.114 Das Entstehen vorherrschender Meinungsmacht hängt, wie dargelegt, von einer 535 Vielzahl von Faktoren ab und entzieht sich einer nach festen Kriterien vorzunehmenden, abstrakt beschreibbaren Bestimmbarkeit. Die Feststellung vorherrschender Meinungsmacht verlangt vielmehr eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände unter maßgeblicher Berücksichtigung der Vorgaben des Abs. 2; dabei ist stets eine abwägende Einzelfallentscheidung erforderlich.115 Der KEK wird bei dieser situationsbezogenen Abwägung zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der vorherrschenden Meinungsmacht wegen der ihr zugewiesenen Sonderkompetenz für diese Aufgabe ein Beurteilungsspielraum zuerkannt.116
§ 9 Marktordnung durch Allgemeines Kartellrecht
Literatur Bechtold, Kommentar zum GWB, 5. Auflage 2008; Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, Europäisches Kartellrecht, 2. Auflage 2009; Emmerich, Kartellrecht, 11. Auflage 2008; Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Auflage 2004; Paschke/Berlit/Meyer (Hrsg.), Hamburger Kommentar, 2008, Abschnitte 15 – 23; Wiedemann (Hrsg.), Handbuch des Kartellrechts, 2. Auflage 2008.
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Vgl. BVerfGE 57, S. 295, 323; 95, S. 163, 172. KEK 293-1 bis – 5, S. 80. KEK 293-1 bis – 5, S. 79. Vgl. VGH Mannheim, NJW 1990, S. 340; OVG Berlin, ZUM 1996, S. 991; Hain, MMR 2000, S. 537, 543 f.; Kühn, Meinungsvielfalt im Rundfunk, 2003, S. 58 f.; Never, Meinungsfreiheit, Wettbewerb und Marktversagen im Rundfunk, 2002, S. 215 ff.; a.A. Hess, AfP 1997, S. 680, 684; Neft, ZUM 1995, S. 97, 102.
B. Medienbezogene Anwendung des Allgemeinen Kartellrechts
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A. Grundsätze Die Aufrechterhaltung bestehender Medienmärkte und die Gewährleistung des 536 Medienwettbewerbs werden nicht zuletzt durch das allgemeine Kartellrecht gesichert. Das allgemeine Kartellrecht kennt keine den Mediensektor insgesamt betreffenden bereichsspezifischen Anwendungsgrenzen und ist deshalb auch für Medienmärkte uneingeschränkt anwendbar. Im Zuge der Harmonisierung mit dem EG-Kartellrecht wurden die Sonderregeln für Urheberrechtsverwertungsgesellschaften (§ 30 GWB a.F.) und für die zentrale Vermarktung von Fernsehrechten an Sportveranstaltungen durch Sportverbände (§ 31 GWB a.F.) weitgehend aufgehoben; ausgenommen vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen sind nur noch der landwirtschaftliche Sektor und die Freistellung von Mittelstandskartellen (§ 3 GWB); für Preisbindungen bei Zeitungen und Zeitschriften bestehen allerdings Sonderregeln fort.117 Nicht anders als für andere Märkte sorgt das Kartellrecht somit dafür, dass auch 537 auf den Medienmärkten der bestehende Wettbewerb nicht durch vertragliche Wettbewerbsbeschränkungen beeinträchtigt wird, §§ 1 f. GWB. Für marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen gilt nach den §§ 19 f. GWB eine Verbot des Missbrauchs ihrer Stellung und das Recht der Zusammenschlusskontrolle der §§ 35 ff. GWB sorgt dafür, dass vorhandener Wettbewerb nicht durch externes Unternehmenswachstum beeinträchtigt wird. Für Sachverhalte mit europäischer Dimension gelten die entsprechenden Regeln des europäischen Kartellrechts.118 Die marktordnende Funktion dieser Regelungen des Allgemeinen Kartellrechts 538 kommt im Mediensektor durch ihre medienbezogene Anwendung zum Ausdruck. Im vorliegenden Rahmen ist es nicht möglich, diese bereichsspezifische Anwendung des allgemeinen Kartellrechts insgesamt darzustellen und ihre Bedeutung zu würdigen. Insofern ist auf die Spezialliteratur zu verweisen.119 Nachfolgend können lediglich einzelne ausgewählte Beispiele für die medienbezogene Anwendung des allgemeinen deutschen Kartellrechts im GWB angeführt werden, welche die beachtliche Bedeutung dieses Regelungsbereichs für den Mediensektor exemplarisch belegen sollen.
B. Medienbezogene Anwendung des Allgemeinen Kartellrechts Die Anwendung des Allgemeinen Kartellrechts auf den Mediensektor hat in sei- 539 nen sämtlichen Regelungsbereichen Bedeutung, im Rahmen der Kartellkontrolle ebenso wie im Bereich der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unter-
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Zu den Sonderregeln für die Preisbindung bei Verlagserzeugnissen sogleich Rn. 554 ff. Siehe Art. 81, 82 EG sowie die FKVO. Vgl. die Nachweise in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 3. Kapitel, Abschnitte 15 – 23.
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§ 9 Marktordnung durch Allgemeines Kartellrecht
nehmen und im Zusammenhang mit der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen. I. Kartellkontrolle 540 Mit der 7. GWB-Novelle 2005120 ist das deutsche Kartellverbot in § 1 GWB mit dem europäischen Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG harmonisiert worden. Die bis dahin im GWB getroffene Unterscheidung zwischen horizontalen (§§ 1 ff. GWB a.F.) und vertikalen (§§ 14 ff. GWB a.F.) Wettbewerbsbeschränkungen wurde zugunsten eines umfassenden Kartellverbots aufgehoben; der bis dahin geltende numerus clausus von Freistellungsmöglichkeiten wurde durch die Art. 81 Abs. 3 EG entsprechende Generalklausel des § 2 Abs. 1 GWB ersetzt; die EGGruppenfreistellungsverordnungen gelten über § 2 Abs. 2 GWB unmittelbar auch im deutschen Recht. Diese umfassende Harmonisierung des deutschen Kartellkontrollrechts erfolgte 541 im Zuge des Inkrafttretens der neuen EG-Verfahrensverordnung Nr. 1/2003,121 mit der ein Systemwechsel im EG-Recht vollzogen wurde. Die zuvor bestehende grundsätzliche Anmelde- und Genehmigungspflicht für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen wurde durch ein System der Legalausnahmen abgelöst, nach dem wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG automatisch freigestellt sind, wenn sie die Freistellungsvoraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG genügen. Zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten ordnet Art. 3 VO 1/2003 einen umfassenden Vorrang des Gemeinschaftsrechts im Bereich wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen an. Danach sind die Wettbewerbsbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten verpflichtet, Art. 81 EG auf Kartellsachverhalte, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen können, neben den Bestimmungen des nationalen Kartellrechts anzuwenden. Besondere Bedeutung im Rahmen der medienbezogenen Anwendung des All542 gemeinen Kartellrechts hat der koordinierte Erwerb von Übertragungsrechten für Sportereignisse gehabt. Die EU-Kommission hat in dem gemeinsamen Erwerb von Exklusivrechten der EBU, der Vereinigung von zumeist öffentlich-rechtlichen Hörfunk- und Fernsehanstalten, im Rahmen des auf Gegenseitigkeit beruhendes Eurovisionssystem zum Austausch von Fernsehprogrammen eine Beschränkung des Nachfragewettbewerbs zwischen den EBU-Mitgliedern gesehen; sie hat aber das System wegen seiner Effizienzgewinne für (zeitlich begrenzt) freistellungsfähig angesehen, weil vor allem die kleinen Fernsehsender aus kleineren Ländern von Verbesserungen wie Verringerung der Transaktions- und anderer Kosten profitieren und deswegen mehr und attraktivere Sportprogramme ausstrahlen können als ohne dieses System.122 Das EuG auch diese Entscheidung für nichtig erklärt, weil die Unterlizenzregelungen und deren Umsetzung keine Garantie für einen 120 121 122
BGBl. 2005 I, S. 1954 ff. ABl. EG 2003 Nr. L 1, S. 1. Kommission ABl.EG 2000 Nr. L 151, S. 18 ff. – Eurovision.
B. Medienbezogene Anwendung des Allgemeinen Kartellrechts
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Zugang von Nicht-Mitgliedern enthalte und somit den Wettbewerb im Sinne von Art. 81 Abs. 3 EG ausschalte.123 Die Zentralvermarktung von Medienrechten an Sportereignissen hat die Europäische Kommission als gemäß Art. 81 Abs. 3 EG freistellungsfähig angesehen, da sie zur Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung beitrage; das Markenprodukt Champions League werde dadurch überhaupt erst geschaffen und die Bündelung ligaspezifischer Rechtepakete verschaffe den Medienunternehmen, Fußballvereinen und Verbrauchern Vorteile, die bei individueller Vermarktung nicht erreichbar sind.124 Ebenso befand die Kommission in der Deutschen Fußball Bundesliga die zentrale Rechtevermarktung für zulässig,125 während auf nationaler Ebene die zentrale Vermarktung der Fernsehrechte an den Spielen der Bundesliga und der Regionalligen zuvor nach § 1 GWB untersagt worden war.126 In einer mit viel Aufmerksamkeit verfolgten informellen „Entscheidung“ hat das BKartA im Jahr 2008 durchgreifende Bedenken gegen eine geplante zentrale zur Rechtevergabe der Deutschen Fußball Liga (DFL) über einen privaten Sportrechtevermarkter geäußert. Begründet wurde die Einschätzung vor allem unter Hinweis auf die nach § 2 GWB erheblichen Erwägungen, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den sportlichen und wirtschaftlichen Belangen der Liga einerseits und den Zuschauer- und Fußballfaninteressen andererseits nicht gewährleistet war.127 Die von den Verwertungsgesellschaften im Bereich der des musikalischen Urheberrechts praktizierten Gegenseitigkeitsverträge, durch die sie einander das Recht gewähren, in ihrem räumlichen Tätigkeitsgebiet die Genehmigungen für öffentliche Werkaufführungen auch für Mitglieder anderer Gesellschaften zu erteilen, beschränken den Wettbewerb im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG grundsätzlich nicht. Ein Verstoß gegen das Kartellverbot kann allerdings dann vorliegen, wenn die Parteien Exklusivität in dem Sinne vereinbaren, dass die Verwertungsgesellschaften verpflichtet wären, den im Ausland ansässigen Benutzern den unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen zu verwehren.128 Urheber- und markerrechtliche Lizenzvereinbarungen sind ein weiterer Gegenstandsbereich der kartellrechtlichen Kontrolle im Mediensektor. Dabei gilt, dass der Umstand allein, dass der Rechteinhaber eine Exklusivlizenz für einen einzelnen Berechtigten erteilt, für sich genommen nicht kartellrechtlich bedenklich ist; vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob durch die Ausübung der Exklusivlizenz Hindernisse errichtet werden, die ungerechtfertigt, durch die etwa 123 124 125 126
127
128
EuG Slg. 2002, II-3805 ff. – Métropole Télévision (M6)/Kommission. Kommission, ABl. EG 2003 Nr. L 291, S.25 ff. – UEFA Champions League. Kommission, ABl. EG 2005 L 134, S. 46 ff. BKartA TB 1997/1998, S. 164; TB 1995/96, S. 153 f.; BKartA, WuW/E BKartA 2682 ff. – Fußball-Fernsehübertragungsrechte I; BKartA WuW/E BKartA 2696 ff. – FußballFernsehübertragungsrechte II; bestätigt durch BGH WuW/E DE-R 17 ff. – Europapokalheimspiele. Vgl. die Nachweise auf der Homepage des BKartA unter dem Stickwort „Zentralvermarktung der Verwertungsrecht der Fußball Bundesliga“. EuGH Slg. 1989, 2811 ff. – Lucazeau/SACEM.
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unangemessen hohe Vergütungen für die getätigten Investitionen verlangt werden oder eine Dauer der Vereinbarung erzielt wurde, die gemessen an den Einzelfallumständen als übermäßig lang anzusehen ist.129 II. Missbrauchskontrolle 547 Die Missbrauchskontrolle über marktbeherrschende Unternehmen bezweckt den Schutz der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit von Angehörigen der vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen vor der Machtausübung der marktbeherrschenden Unternehmen. Darüber hinaus wird der Schutz von Wettbewerbern vor Behinderungen und vor missbräuchlichem Einsatz wirtschaftlicher Macht seitens marktbeherrschender Unternehmen auf Drittmärkten abgestrebt. Der rechtliche Anwendungsbereich sowie die tatsächliche Bedeutung der Misskontrolle ist auch im Mediensektor weit. Marktbeherrschende Unternehmen unterliegen nach den Regeln der §§ 19, 20 548 GWB, Art. 82 EG einer spezifisch kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle. § 20 Abs. 2 GWB erweitert den persönlichen Anwendungsbereich für den Anwendungsbereich des deutschen Rechts auf sog. marktstarke Unternehmen.130 Damit werden die Vorschriften in dem auch medienrechtlich relevanten Bereich auf Unternehmen ausgeweitet, die unternehmensbedingt anhängig sind von einem bestimmten (Lieferanten-) Untermnehmen.131 Die Vorschriften verbieten den betroffenen Unternehmen insbesondere auch Maßnahmen des Nicht-Leistungswettbewerbs, wenn die durch die Marktmacht des Unternehmens gesteigerte Wirkung eine Gefahr für die wettbewerbliche Struktur des Marktes verursacht. Darstellen. Allerdings liegt eine solche Gefahr nicht schon dann vor, wenn ein marktbeherrschender Stromversorger den Abschluss von Stromlieferungsverträgen durch Preisvergünstigungen mit Telekommunikations-Dienstleistungen wirtschaftlich koppelt, bei denen er keine marktbeherrschende Stellung hat.132 Einen Missbrauch der Marktbeherrschenden Marktmacht können auch an sich leistungsgerechte Maßnahmen darstellen, wenn hierdurch Marktzutrittsschranken für Wettbewerber errichtet werden. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn das den Markt für Festnetzanschlüsse beherrschende Telefonunternehmen zusammen mit einem Tochterunternehmen, das auf dem Markt für den Internetzugang über eine starke Stellung verfügt, ISDN-Anschlüsse und Internetzugang gekoppelt anbietet und von diesem Kopplungsangebot eine tatsächliche Sogwirkung ausgeht.133 Die medienbezogene Anwendung der Verhaltenskontrolle über marktbeherr549 schende Unternehmen hat insbesondere bei der Anwendung der Regelbeispiele des § 19 Abs. 4 GWB eine nicht unerhebliche Bedeutung. So verbietet § 19 Abs. 4 129
130 131 132 133
Vgl. Bahr, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 15. Abschnitt Rn. 150 ff. Bahr, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 19. Abschnitt Rn. 7 ff. Vgl. z.B. OLG München WuW/E DE-R 1106 ff. – Kleinstadtkino. BGH, WuW/E DE-R 1210 ff. – Strom und Telefon II. BGH, WuW/E DE-R 1283 ff. – Der Oberhammer.
B. Medienbezogene Anwendung des Allgemeinen Kartellrechts
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Nr. 1 GWB eine gezielte Kampfpreisunterbietungen bei der Abonnementspreisgestaltung auf einzelnen Märkten zur Verdrängung der Konkurrenz.134 Ebenso sind Kombinationstarife bei der Anzeigenpreisgestaltung für attraktive und weniger attraktive Zeitungen verboten.135 § 19 Abs. 4 Nr. 3 GWB verbietet den Koppelungsmissbrauch beim gemeinsamen Anzeigenteil von Tageszeitungen.136 Über § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB kann gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen der Zugang zu Dienstleistungsnetzen (z.B. einem Zeitungszustellungsnetz) erwirkt werden.137 § 20 Abs. 2 GWB begründet einen praktisch bedeutsamen Kontrahierungszwang beim Abdruck von Anzeigen zugunsten von Unternehmen, die gegenüber einem marktstarken Unternehmen sortiments- oder unternehmensbedingter abhängig sind, sofern keine sachlich begründeten Abwehrbelange geltend gemacht werden können (z.B. eine erhebliche Beeinträchtigung des Ansehens).138 Auf die nämliche Rechtsgrundlage kann ein Anspruch auf Belieferung eines Zeitungshändlers durch Grossisten gestützt werden.139 III. Zusammenschlusskontrolle Die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen nach den Regeln der §§ 35 550 ff. GWB für den nationalen Bereich und nach der FKVO140 für Zusammenschlüsse von europäischer, nämlich „gemeinschaftsweiter Bedeutung“141 dient der Aufrechterhaltung wettbewerblicher Marktstrukturen gegenüber den als Zusammenschluss definierten Erscheinungsformen der Marktkonzentration. Während die Missbrauchskontrolle die Innehabung einer marktbeherrschenden Stellung hinnimmt und erst die missbräuchliche Ausnutzung dieser Stellung verbietet, untersagt die Zusammenschlusskontrolle das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung, sofern diese durch externes Unternehmenswachstum entsteht. Wegen der Einzelheiten zu der Rechtslage nachdem GWB und der teilweise abweichenden Rechtslage nach der FKVO ist an dieser Stelle auf die kartellrechtliche Spezialliteratur zu verweisen.142 Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf zwei medienbezogene Besonderheiten bei der Anwendung der deutschen Fusionskontrollnormen. Nach § 38 Abs. 3 GWB bestehen Besonderheiten bei der Berechnung der Um- 551 satzerlöse für die Zwecke der Fusionskontrolle: Die Umsätze im Medienbereich sind nach dieser Regelung mit dem Faktor 20 zu multiplizieren. Im Ergebnis wird 134 135 136 137 138 139
140 141 142
BGH, WuW/E BGH 1965 ff. – Gemeinsamer Anzeigenteil. KG, WuW/E OLG 1767. BGH, WuW/E BGH 1965. Dazu grundlegend EuGH, WuW/E EuR 127 – Bronner (zum europäischen Recht); Deselears, EuZW 1995, S. 563; Körber /Zagouras, WuW 2004, S. 1144 ff. So OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, S. 1488. Dazu KG, WuW/E OLG 5875; zur Berechtigung zur Lieferverweigerung durch Verleger bei Monopolgrossistensystem vgl. OLG Karlsruhe, WRP 1980, S. 636. VO 139/2004 v. 20.1.2004, ABl. EG Nr. L 24, S. 1 ff. Vgl. dazu Art. 1 der FKVO. Vgl. nur Braun, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 22. Abschnitt Rn. 1 ff.
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§ 9 Marktordnung durch Allgemeines Kartellrecht
damit eine vermehrte Anwendung der Zusammenschlusskontrolle im Mediensektor erreicht, weil die gesetzlichen Schwellenwerte für die Aufgreifkriterien schneller erreicht werden. Der Gesetzgeber verfolgt damit den Zweck, Marktkonzentrationen im regionalen und lokalen Bereich des Presse- und Rundfunkwesens besser bekämpfen zu können. Diese Sonderbehandlung ist verfassungsrechtlich unbedenklich.143 Besonderheiten gelten ferner nach § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB bei der Anwendung 552 der Bagatellklausel der deutschen Fusionskontrolle im Pressebereich. Ungeachtet ihres missglückten Wortlauts soll die Regelung sicherstellen, dass die Vorschriften der Zusammenschlusskontrolle ohne Berücksichtigung der Bagatellklausel des § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB anzuwenden sind, wenn durch einen Zusammenschluss der Wettbewerb auf Pressemärkten beschränkt wird.144 Die Unanwendbarkeit der Bagatellklausel wird angeordnet, obwohl diese wegen der Umsatzberechnungsregel des § 38 Abs. 3 GWB für Pressezusammenschlüsse ohnehin mit einer von 10 Mio. Euro auf 0,5 Mio. Euro herabgesenkte Umsatzschwelle anzuwenden wäre. Der Gesetzgeber wollte aber bei Zusammenschlüssen im Pressesektor jede Ausnahme zugunsten von Kleinunternehmen ausschließen, um damit eine möglichst effektive Pressefusionskontrolle zu gewährleisten. Mit der Siebten GWB-Novelle sollte die Pressefusionskontrolle vor allem in 553 zwei Punkten eingeschränkt werden: Ersten sollte eine Anhebung der Aufgreifschwellen erfolgen, zweitens sollte ein Ausnahmetatbestand zum Untersagungskriterium eingeführt werden. Vorgesehen war, dass eine marktbeherrschende Stellung im Pressesektor hinzunehmen sei, wenn bestimmte Vorkehrungen getroffen wurden, mit denen die Selbständigkeit der erworbenen Zeitung oder Zeitschrift langfristig gesichert wird. Trotz der erkennbar gewordenen Krise im Pressesektor wegen der erheblich zurückgehenden Werbe- und Anzeigenumsätze ist diese Reform wegen der damit verbundenen Gefahren für die Eigentümerkonzentration im Pressesektor zu Recht gescheitert.145
C. Preisbindung bei Verlagserzeugnissen 554 Die Preisbindung eines Herstellerunternehmens für den Absatz seiner Produkte durch Vertriebsunternehmen stellt nach § 1 GWB grundsätzlich einen Verstoß gegen das Kartellverbot dar. Eine solche Preisbindung insbesondere auch auf Letztverbrauchermärkten ist grundsätzlich verboten; entsprechende Vereinbarungen sind nach § 1 GWB, Art. 81 EG nichtig. Für die Preisbindung von Verlagserzeug143 144
145
Vgl. Paschke, in: Frankfurter Kommentar GWB, § 38 Rn. 12. Braun, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 22. Abschnitt Rn. 1 ff.; Paschke, in: Frankfurter Kommentar GWB, § 35 Rn. 23. Böge, Reform der Pressefusionskontrolle, MMR 2004, S. 227 ff.; Säcker, Fusions- und Kartellerleichterungen für Zeitungsverlage aus wettbewerbsrechtlicher Sicht, AfP 2005, S. 24 ff.; Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der 7. GWB-Novelle, Sondergutachten Nr. 42, 2004 [abrufbar über die Homepage der Monopolkommission. Sondergutachten].
C. Preisbindung bei Verlagserzeugnissen
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nissen gelten diese Grundsätze in Deutschland traditionell nicht. Ungeachtet aber auch unbeschadet der Ausnahme nach § 2 GWB sieht § 30 GWB eine sektorspezifische Ausnahme von Preisbindungsverbot für Zeitungen und Zeitschriften vor. Für Bücher gilt nach dem Buchpreisbindungsgesetz sogar eine Preisbindungspflicht. Das Preisbindungsrecht gemäß § 30 GWB dient dem Schutz der Pressefreiheit. Der Gesetzgeber will mit der Regelung das historisch gewachsene Vertriebssystem schützen, nach dem Presseerzeugnissen zu einheitlichen Preisen überall erhältlich sind.146 Die inländischen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage machen von dieser Möglichkeit nahezu uneingeschränkt Gebrauch. Der Zweck des Buchpreisbindungsgesetzes dient nach dem Wortlaut seines § 1 dem Schutz des Kulturgutes Buch. Es soll mit der Pflicht zur Buchpreisbindung ein möglichst breites Buchangebot erhalten bleiben und die Aufrechterhaltung der Existenz möglichst vieler Verkaufsstellen gefördert werden. Der Gesetzgeber betrachtet das Buch somit nicht als reine Handelsware, sondern anerkennt seine kulturbildende Funktion. Die Ausschaltung des Preiswettbewerbs zwischen den Vertriebsstellen macht eine Prävalenz des Rechtsgedankens der kulturellen Vielfalt gegenüber einem rein ökonomischen Wettbewerbsverständnis deutlich. Der Vertreib von Büchern durch den Buchhandel zu einheitlichen Preisen soll eine flächendeckende, schnelle und zuverlässige Versorgung der Bevölkerung mit Büchern gewährleisten.147 Die Vereinbarkeit dieser Ausnahmen vom Kartellverbot mit den europäischen Freiverkehrsregeln des Art. 28 EGV hat sich als nicht unproblematisch erwiesen. Preisbindungen beeinträchtigen den unbehinderten Handel mit diesen Erzeugnissen im Europäischen Binnenmarkt. Erst nach längerem Verfahren hat sich Erkenntnis durchgesetzt, dass Preisbindungen für Verlagserzeugnisse einen Beitrag zur Förderung des Kulturlebens im Sinne des Art. 151 Abs. 4 EGV leisten und auch mit Art. 28 EGV vereinbar sind, sofern keine Regelungen getroffen werden, die den Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.148 Dementsprechend ist in einer Entschließung des Rates zur Buchpreisbindung klar gestellt worden, „dass es jedem Mitgliedstaat freisteht, im Rahmen seiner Politik zugunsten des Buches und der Lektüre ein nationales Buchpreisbindungssystem auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage einzuführen.149 Den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen für die Freiheit des grenzüberschreitenden Handelsverkehrs musste insbesondere in Ansehung des Reimports von Büchern Rechnung getragen werden. § 4 Buchpreisbindungsgesetz ist Ausdruck des Einflusses des Europarechts.150
146 147 148 149 150
Vgl. BT-Drs. 14/9196, S. 14. BGH, NJW 1997, S. 1912 ff. – NJW auf CD-ROM. EuGH Slg. 2000, S. 8207 – Echirolles. ABl.EG Nr. C 2000, S. 73/5. Vgl. Bahr, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 17. Abschnitt Rn. 18 ff.
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2. Abschnitt: Zulassung und Organisation von Medienunternehmen
Im Regelungsbereich Zulassung und Organisation von Unternehmen stellt der Ge- 559 setzgeber grundsätzliche Weichenstellungen für die Medienunternehmen. Sie betreffen die Zulassung zur massenmedialen Betätigung und die dabei zu beachtenden Organisationsregeln. Mit den Regeln der Medienzulassung legt der Gesetzgeber fest, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen eine massenmediale Betätigung erfolgen darf (dazu unter § 10). Die Organisationsregeln für Medienunternehmen betreffen deren äußere, gesellschaftsrechtliche Verfassung und deren innere Verfasstheit. Für die äußere Organisation hat der Gesetzgeber keine medienspezifischen Regeln geschaffen. Medienunternehmen werden in den Rechtsformen des allgemeinen Unternehmens- und Gesellschaftsrechts organisiert. Im Rahmen eines medienrechtlichen Lehrbuchs finden die Regeln dieses Rechtsbereichs keine gesonderte Darstellung. Die innere Ordnung von Unternehmen wird durch das Arbeits- und Dienstvertragsrecht für Medienunternehmen geprägt. Dieses unterscheidet sich vom allgemeinen Arbeits- und Dienstvertragsrecht und findet unter § 11 eine einführende Darstellung.
§ 10 Zulassung von Medienunternehmen
Literatur Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 2 Rn. 17 ff.; Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 5 Rn. 33; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 190 ff.; Schütz, Kommunikationsrecht, 2005, Rn. 4 ff.
Für den Mediensektor gilt zunächst der Grundsatz der allgemeinen Gewerbefrei- 560 heit und damit der Grundsatz der Zulassungsfreiheit. Dieser Grundsatz ist im Medienrecht allerdings nicht durchgängig verwirklicht. Insbesondere für den Rundfunk hat er medienspezifische Einschränkungen erfahren.
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§ 10 Zulassung von Medienunternehmen
A. Grundsatz der Zulassungsfreiheit 561 Nach dem Grundsatz der Zulassungsfreiheit ist jedermann gewährleistet, im Rahmen der von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Organisationsregeln eine massenmediale Tätigkeit aufzunehmen. Dieser Grundsatz wurzelt unmittelbar in den Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG.1 Für die Presse2 und die Telemedien3 hat der Grundsatz ausdrückliche gesetzliche Erwähnung gefunden. Soweit solche medienspezifischen Regelungen nicht bestehen, gilt der allgemeine Grundsatz der Gewerbefreiheit. Der Grundsatz der Zulassungsfreiheit bedeutet, dass der Zugang zu massenme562 dialer Kommunikation nicht von präventiv wirkenden persönlichen Voraussetzungen abhängig ist. Er ergänzt das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG, das präventive gegenständliche Zugangshindernisse untersagt.4 Im Anwendungsbereich des Grundsatzes der Zulassungsfreiheit wird die massenmediale Betätigung in allen Tätigkeitsbereichen, von der Produktion bis zur Berichterstattung, erfasst. Die medienrechtliche Zulassungsfreiheit kann in Konflikt geraten mit den all563 gemeinen, insbesondere für die wirtschaftliche Betätigung bestehenden Regeln, etwa solchen des Gewerberechts. Beispielsweise stellt die auf § 35 GewO gestützte Untersagung der Fortführung nicht erlaubnispflichtiger gewerblicher Pressetätigkeit mangels Zuverlässigkeit eine personenbezogene präventive Maßnahme dar, die in ihrer Wirkung der Verweigerung einer Zulassung gleichsteht. In diesem Fall treten gewerberechtliche Rechtsbehelfe des Bundes in Kollision mit der im Landesrecht geregelten pressegesetzlichen Zulassungsfreiheit. Für die Bewältigung dieser Kollisionslage bieten sich verschiedene Lösungswege an. Ausgangspunkt ist der verfassungsrechtlich bestimmte Vorrang des Bundesrechts vor dem Landesrecht, Art. 31 GG. Der Grundsatz der Zulassungsfreiheit soll sich dennoch im Hinblick darauf durchsetzen, dass auf den überwiegenden Sachzusammenhang mit der Pressetätigkeit und der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit abzustellen ist.5 Vorzugswürdig erscheint die Erwägung, dass die aus allgemeinen Vorschriften abgeleiteten Untersagungsmöglichkeiten im Lichte der Verfassungsgarantie der Pressefreiheit presseinhaltsneutral auszuüben sind. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeitsprüfung eines Presseunternehmens darf deshalb nicht daran gemessen werden, dass Druckwerke verbreitet werden, deren Inhalt als unzulässig eingestuft wird, weil andernfalls eine inhaltlich präventive Zensur ausgeübt werde.6
1 2
3 4 5 6
Vgl. BVerfGE 20, S. 162, 175 – Spiegel (für die Zulassungsfreiheit im Pressebereich). Vgl. § 2 der Landespressegesetze; dazu Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 2. Vgl. § 4 TMG. Vgl. oben, Rn.289 ff. So Papier, AfP 1981, S. 249, 251 ff. So Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 2 Rn. 58.
B. Zugang zur Telekommunikation
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B. Zugang zur Telekommunikation Für den Bereich der Telekommunikation hat der europäische Gesetzgeber in der 564 sog. Genehmigungsrichtlinie7 entschieden, dass das am wenigsten schwerfällige Genehmigungssystem gewählt werden müsse, um die Entwicklung neuer elektronischer Kommunikationsdienste und gesamteuropäischer Kommunikationsnetze und -dienste zu fördern und um Anbietern und Nutzern dieser Dienste die Möglichkeit zu geben, von den Größenvorteilen des Binnenmarktes zu profitieren. Dieses Ziel sollte durch eine Allgemeingenehmigung für alle elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste erreicht werden, bei der keine ausdrückliche Entscheidung und kein Verwaltungsakt seitens der nationalen Regulierungsbehörde notwendig sind. Als Allgemeingenehmigung wird dabei derjenige Rechtsrahmen bezeichnet, der die Ordnung des Telekommunikationswesens festlegt.8 In Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben verlangt der deutsche Gesetzge- 565 ber für die Aufnahme, Änderung oder Beendigung telekommunikationsrechtlicher Betätigung lediglich eine förmliche Meldung nach § 6 TKG. Die noch unter dem TKG 1996 bestehenden Lizenzpflichten insbesondere für das Angebot von Sprachtelephonie sind damit entfallen. Die Meldepflicht nach § 6 TKG besteht für den gewerblichen Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und für den Anbieter gewerblicher Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit.9 Mit der Meldepflicht wird der BNetzA die Führung eines Verzeichnisses der Netzbetreiber sowie sie Durchführung ihrer Aufsichtsaufgaben ermöglicht.10 Die Vergabe und Nutzung der für den Betrieb des Telekommunikationsnetzes 566 gegebenenfalls benötigten Frequenzen ist einem strikteren Regime unterworfen. Im Interesse einer möglichst effizienten Nutzung des begrenzten Frequenzspektrums unterliegt die Frequenznutzung einer umfassenden internationalen und nationalen staatlichen Frequenzplanung. Die Ordnung der Frequenznutzung liegt auf internationaler Ebene bei der Internationalen Fernmeldeunion (ITU).11 Die Frequenzregulierung im europäischen Bereich erfolgt durch die Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation (CEPT).12 Auf der nationalen Ebene der Bundesrepublik Deutschland ist schließlich der Bund nach Art. 73 Nr. 7 GG für die Frequenzordnung zuständig. Die Aufgaben der Frequenzordnung umfassen die Erstellung eines als Rechtsverordnung der Bundesregierung ergehenden Frequenzbereichszuweisungsplanes nach § 53, 54 TKG, die Aufstel7
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Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und –dienste ABl.EG Nr. L 108 vom 24.4.2002, S. 21 – 32. Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a Richtlinie2002/20/EG; zur Unterscheidung vom verwaltungsrechtlichen Begriff des Verwaltungsaktes bzw. der Allgemeinverfügung vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 190. Näher Schütz, Kommunikationsrecht, 2005, Rn. 4 ff. BT-Drucks. 15/2316, S. 60. Vgl. näher Lieser, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 8 Rn. 1 ff. Vgl. näher Korehnke/Tewes, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, vor § 52 Rn. 67 ff.
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§ 10 Zulassung von Medienunternehmen
lung eines Frequenznutzungsplanes durch die BNetzA nach § 54 TKG und die Frequenzzuteilung auf der Grundlage dieser Pläne im Einzelfall in den Verfahrensvarianten des § 55 TKG.13 Das TKG regelt in § 61 zwei Formen des Zuteilungsverfahrens, die in den Fällen einer das Angebot an Frequenzen übersteigenden Nachfrage angeordnet wird: Danach werden die Frequenzen grundsätzlich in einem Versteigerungsverfahren und nur ausnahmsweise in einem Ausschreibungsverfahren vergeben, § 61 TKG.14 Die für die Bereitstellung spezieller Dienste, für die Sprachtelefonie und für In567 ternetzugänge benötigten Nummern werden durch die BNetzA auf der Grundlage der TNV15 vergeben. Die Zuteilung nach § 66 TKG erfolgt auf der Grundlage eines begünstigenden Verwaltungsaktes.16
C. Zugang zum Rundfunk 568 Für den Zugang zum Rundfunk hat in der Bundesrepublik Deutschland seit jeher eine besondere Rechtslage bestanden. Diese ist zunächst mit der im Hinblick auf die einst bestehende Frequenzknappheit geltend gemachte “Sondersituation des Rundfunks”17 begründet worden und hat dazu geführt, dass Rundfunk nur als durch Gesetz eingeführter Anstaltsrundfunk zugelassen war (dazu unter I.). Nach heutigem, im Zuge der technischen Entwicklung veränderten Verständnis geht es vor allem darum, den rundfunk-spezifischen Risiken für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch eine effektive Ausgewogenheitspflege18 zu begegnen und durch organisatorische und verfahrensrechtliche Regelungen sicherzustellen, dass sich in den veranstalteten Rundfunkprogrammen die gesellschaftliche Meinungsvielfalt größtmöglich im Programm wiederspiegelt. Die Einhaltung dieser verfassungsrechtlich geforderten und einfachrechtlich umgesetzten Bedingungen an die Veranstaltung von Rundfunk wird insbesondere durch eine Zulassungspflicht für private Rundfunkveranstalter in der Art eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt sichergestellt (dazu unter II.). Der Grundsatz der Zulassungsfreiheit besteht im Rundfunk nur für bestimmte Formen der Veranstaltung von Rundfunk, deren Wirkungs- und Risikopotential für die Meinungsbildung weniger hoch eingeschätzt wird (dazu unter III.).
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Näher dazu jeweils Schütz, Kommunikationsrecht, 2005, S. 13 ff. Dazu Schütz, Kommunikationsrecht, 2005, S. 23 ff. Telekommunikations-Nummerierungsverordnung (TNV) vom 5. Februar 2008 (BGBl. I S. 141). Näher Bühning/Weißenfels, in: BeckTKG-Kommentar, 3. Auflage 2006, § 66 Rn.18 ff. So BVerfGE 12, S. 205, 261 f. – Deutschland-Fernsehen; 31, S. 314, 326. So Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, 1997, S. 42 ff.
C. Zugang zum Rundfunk
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I. Veranstaltung öffentlich-rechtlichen Rundfunks Der in der Nachkriegszeit wiederaufgebaute bundesdeutsche Rundfunk wurde zu- 569 nächst ausschließlich in landesgesetzlich geschaffenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten organisiert. Die Landesgesetzgeber schufen den zu errichtenden Rundfunkanstalten ein Monopol für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen. Sie trugen damit - wie das BVerfG bescheinigte - der Sondersituation im Rundfunkwesen Rechnung, die durch Frequenzknappheit und äußergewöhnlich großen finanziellen Aufwand gekennzeichnet war. Die Veranstaltung von Rundfunk auf der Grundlage des Grundsatzes der Zulassungsfreiheit kam vor dem Hintergrund dieser Sondersituation nicht in Betracht. Das BVerfG bestätigte, dass der gesetzlich monopolisierte Anstaltsrundfunk zwar nicht die einzig mögliche Organisationsform zur Sicherung der Rundfunkfreiheit gewesen sei, unter den damaligen technischen Gegebenheiten aber mit Art. 5 Abs. 1 GG jedenfalls nicht in Widerspruch stand.19 Dem Modell der Zulassung per Gesetz folgten die Schaffung des ZDF durch 570 den “Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts Zweites Deutsches Fernsehen” von 1961 und die Gründung der Rundfunkanstalten des Bundes “Deutsche Welle” und “Deutschlandfunk” durch das Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts von 1960.20 Die 1950 beschlossene Gründung der ARD und der 1953 in Ergänzung der Satzung unterzeichnete Fernsehvertrag fügen sich ebenfalls in das Modell der per Gesetz zugelassenen Veranstaltung von Rundfunk, weil die ARD als loser Zusammenschluss der Rundfunkanstalten zu einer Arbeitsgemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit 21 ihre Kompetenz letztlich nur aus den Rundfunkanstalten gesetzlich eingeräumten Befugnissen zur Veranstaltungen von Rundfunkprogrammen herleiten konnte. Die technische Entwicklung hat die Legitimation für die Zulassung zur Veran- 571 staltung von Rundfunk durch Gesetz sukzessive verändert. An die Stelle eines landesweiten Monopolsystems ist das System des dualen Rundfunks, eines Nebeneinanders öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks, getreten. Für die Rundfunkanstalten hat sich in diesem System die sachliche Legimationsgrundlage fundamental geändert, die formalrechtliche Grundlage dagegen, die Zulassung von Anstaltsrundfunk per Gesetz, ist erhalten geblieben. Im Hinblick auf die sachliche Legitimationsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gilt heute, dass der Anstaltsrundfunk im System des dualen Rundfunks die spezifische Aufgabe der vom BVerfG so bezeichneten Grundversorgung zu erfüllen hat.22 Die Betätigung der Rundfunkanstalten wird durch die Rundfunkgesetze bzw. den Rundfunkstaatsvertrag in dem von der verfassungsrechtlichen Rund-funkfreiheit gewährleisteten Inhalt und Umfang zugleich legitimiert und limitiert.
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BVerfGE 12, S. 205, 262 – Deutschland-Fernsehen. Vgl. dazu bereits oben Rn. 57. Vgl. auch oben Rn. 57 ff. Grundlegend BVerfGE 73, S. 118, 157 f. – Niedersachsen; 74, S. 297, 324 ff. – BaWü; vgl. dazu oben Rn. 62.
214
§ 10 Zulassung von Medienunternehmen
Die in den Rundfunkgesetzen getroffene Aufgabenzuweisung bezieht sich - ungeachtet von Formulierungsunterschiede im Detail - auf die Veranstaltung von Rundfunk. Damit stellt sich im Zusammenhang mit der Interpretation des Rundfunkbegriffs23 die praktisch bedeutsame Frage, welche Tätigkeiten der Gesetzgeber den Rundfunkanstalten im Einzelnen zugewiesen hat bzw. welche ihnen verwehrt sind. Die Frage hat sich vor allem in Bezug auf die Beteiligungsmöglichkeit der Rundfunkanstalten an Telemedien sowie hinsichtlich der Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung von Rundfunkanstalten ergeben. Jeweils geht es um die Abgrenzung des Funktionsbereichs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Verhältnis zu den privaten Rundfunkveranstaltern. Rechtlich ist die Frage nicht zuletzt deshalb anspruchsvoll, weil die Auslegung des einfachrechtlichen Rundfunkbegriffs mit dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Übereinstimmung stehen muss, weil die Rundfunkanstalten selbst Träger der Rundfunkfreiheit sind.24 Im Baden-Württemberg-Beschluss hat das BVerfG ein dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auferlegtes Verbot, sich an rundfunkähnlichen Diensten ohne besondere gesetzliche bzw. staatsvertragliche Zulassung zu beteiligen, wegen Verstoßes gegen Art. 5 GG für nichtig erklärt.25 Online-Angebote gehören seit Einführung des 4. Rundfunkänderungsstaatsver573 trages26 zu den Tätigkeiten, die den Rundfunkanstalten offen stehen. Der seinerzeit neu formulierte Rundfunkstaatsvertrag stellte damit eine mit dem einfachrechtlichen Rundfunkbegriff nicht ohne weiteres kompatible und im juristischen Schrifttum deshalb umstrittene27 Praxis der Rundfunkanstalten auf eine gesicherte Rechtsgrundlage. Mit dem dynamisch und entwicklungsoffen verstandenen verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff des Art. 5 GG28 steht diese Rechtsgrundlage im Einklang.29 Im Zusammenhang mit der sog. wirtschaftlichen Betätigung der Rundfunkan574 stalten wurde und wird noch immer die Frage kontrovers diskutiert, ob Tätigkeiten, die nicht unmittelbar in der Sendung von Programmen bestehen, von der Aufgabe der Rundfunkanstalten, Rundfunkprogramme zu veranstalten und zu verbreiten, gedeckt ist. Das BVerfG hat in seinem WDR-Urteil eingehend zu dem Fragenkomplex Stellung genommen und ausgeführt, dass die wirtschaftliche Betätigung “nicht zum Selbstzweck” werden dürfe. Das maßgebliche Kriterium für die Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung sieht das Gericht darin, ob die in Frage stehende Tätigkeit den Anstaltsaufgaben dient.30 Vom Rundfunkauftrag gedeckt ist die Herstellung und Verwertung von Rundfunkproduktionen, auch wenn diese 572
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Zum Rundfunkbegriff vgl. oben Rn. 257 ff. Vgl. oben Rn. 277 ff. BVerfGE 74, S. 297, 350 ff. – BaWü. Vierter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 20. Juli 1999. Vgl. z.B. Degenhart, ZUM 1998, S. 333 ff.; Kreile/Neuenhahn, K&R 1998, S. 41 ff.; Michel, ZUM 1998, S. 350 ff. Vgl. BVerfGE 74, S. 297, 350 – BaWü und oben Rn. 257 ff. Vgl. zuletzt BVerfGE 119, S. 181 ff. BVerfGE 83, S. 238, 304 – WDR.
C. Zugang zum Rundfunk
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in Kooperation mit (privaten) Dritten erfolgt.31 Abgesehen von kartellrechtlichen Grenzen32 ergeben sich allerdings medienrechtliche Schranken zulässiger Programmbeschaffung über ausgelagerte Produktionsunternehmen (“outsourcing”) in den Fällen, in denen die Erfüllung des Programmauftrags dadurch maßgeblich von Bedingungen des Marktes abhängig wird.33 Die Herausgabe von Programmzeitschriften gehört zu der grundsätzlich zuläs- 575 sigen, in den Rundfunkgesetzen überwiegend vorgesehenen und vom BVerfG ausdrücklich anerkannten Aufgabe der Rundfunkanstalten, die ihre Grundlage in der Rundfunkfreiheit (und nicht etwa in der Pressefreiheit) findet.34 Dies lässt sich damit rechtfertigen, dass es sich um eine den Aufgabenkreis der Rundfunkanstalt “unterstützende Randtätigkeit” handelt. Einschränkend wird im Hinblick auf diesen verfassungsrechtlich gebotenen Aufgabenbezug verlangt, dass der Inhalt vorwiegend programmbezogen sein muss und die Herausgabe der Programminformation nicht in erster Linie aus einer wirtschaftlichen Zwecksetzung heraus erfolgen dürfe.35 In Ansehung dieser Kriterien erscheint es zweifelhaft, ob die sog. Randnutzung andernfalls brach liegender Potentiale durch die Rundfunkanstalten gedeckt ist.36 Die insoweit zentrale und wirtschaftlich erheblich bedeutsame, rechtlich aber zunächst umstrittene37 Frage der Zulässigkeit von Werbefunk durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, hat nach der Regelung im RStV an Bedeutung verloren.38 II. Zulassungspflichtiger Zugang zum privaten Rundfunk In der dualen Rundfunkordnung Deutschlands haben auch private Veranstalter 576 Zugang zum Rundfunk; der ehemals bestehende Anstaltsmonopolrundfunk gehört damit der Vergangenheit an.39 Zur Sicherstellung der verfassungsrechtlich gebotenen Ausgewogenheitspflege im Rundfunkwesen40 unterliegt der Zugang zum privaten Rundfunk einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das die Veranstaltung von Rundfunk von einer behördlichen Lizenzerteilung (sog. Lizenzmo31 32 33 34
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BVerfGE 83, S. 238, 303 f. – WDR. Vgl. insbesondere BGHZ 110, S. 371 ff. – Globalvertrag; dazu oben Rn. 536 ff. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 39; Bievert, ZUM 1998, S. 19 ff. Vgl. nur BVerfGE 83, S. 238, 312 ff. – WDR; dazu Berg, Media Perspektiven 1991, S. 217. BVerfGE 83, S. 238, 313 f. – WDR. Großzügiger Libertus, AfP 1992, S 229 ff.; Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 42 (für den Fall der Studiovermietung). Grundlegend Ipsen, NJW 1963, S. 2049; Lerche, Rechtsproblem des Werbefernsehens, 1965; vgl. auch Bullinger, ZUM 1985, S. 121 ff. Vgl. §§ 14 ff. RStV; dazu noch unten Rn. 834 ff; vgl. auch Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 4 Rn. 158 (“von eher akademischer Bedeutung”); kritisch demgegenüber Kresse, ZUM 1995, S. 67 ff. Vgl. bereits oben Rn. 242 ff. Vgl. oben Rn. 253.
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§ 10 Zulassung von Medienunternehmen
dell41) abhängig macht. Die bei der Vergabeentscheidung zu beachtenden Regeln finden sich in den einzelnen Landesmedien- bzw. Landesrundfunkgesetzen.42 Für bundesweit verbreiteten Rundfunk enthält der Rundfunkstaatsvertrag Sonderbestimmungen. Die Bestimmungen verfolgen das Ziel, die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Veranstaltung von privatem Rundfunk im dualen System umzusetzen. Dazu dienen insbesondere Inkompatibilitätsregelungen, die bestimmte Interessenten von vornherein vom Zugang zum privaten Rundfunk ausschließen (dazu unter 1.), sowie Konzentrations- und Vielfaltregelungen, die sachliche Zulassungsbeschränkungen zur Gewährleistung von Meinungsvielfalt im Rundfunk vorsehen (dazu unter 2.). Die Lizenzvergabe erfolgt in einem an den persönlichen und sachlichen Vor577 aussetzungen zur Rundfunkveranstaltung orientierten Auswahlverfahren durch die zuständige Landesmedienanstalt und nicht im Wege der Versteigerung.43 Das Vergabeverfahren beginnt mit einer Ausschreibung und endet mit der Erlaubniserteilung an einen Veranstalter.44 Eine Klage nicht berücksichtigter Konkurrenten gegen die Entscheidung ist zulässig.45 Dem Vergabeverfahren ist eine nach Landesrecht erfolgende frequenzplanerische Entscheidung vorgeschaltet, mit der die Art der Nutzung verfügbarer Übertragungsmöglichkeiten festgelegt wird, die wiederum auf der nach dem bundesrechtlichen Telekommunikationsrecht erfolgten Zuweisung von Frequenzen zu den verschiedenen Nutzungsarten beruht.46 1. Persönliche Zulassungsvoraussetzungen 578 Der Zugang zum privaten Rundfunk steht nach den Landesmedien- bzw. Landesrundfunkgesetzen natürlichen Personen sowie rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen des Privatrechts zu. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten dürfen nach ausdrücklicher Regelung in den meisten Gesetzen nicht zum privaten Rundfunk zugelassen werden. Andernfalls erfolgt ein Systembruch, da für den Anstaltsrundfunk eigene Zulassungsregeln47 (und Inhaltsbestimmungen) bestehen, die nicht unterlaufen werden dürfen. Aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen Staatsferne des Rundfunks48 579 sind staatliche Stellen, Gebietskörperschaften und juristische Personen des öffentlichen Rechts von der Erlaubniserteilung ausgeschlossen. Aus dem nämlichen 41
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Zu den Besonderheiten des Rundfunkwesens in Bayern und Nordrhein-Westfalen vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 5 Rn. 114 ff.; 122 ff. Vgl. dazu die Nachweise und den Überblick bei Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 5 Rn. 60 ff., 81 ff. So das Modell in Großbritannien; vgl. Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, 1996, S. 235 f.; Schellenberg, Rundfunk-Konzentrationsbekämpfung zur Sicherung des Pluralismus im Rechtsvergleich, 1997, S. 148 ff. Zum Vergabeverfahren vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 5 Rn. 33. Herrmann, Rundfunkrecht, 2. Auflage 2004, Kap. 18 Rn. 35. Vgl. oben Rn. 566 zur Frequenzvergabe nach dem TKG. Vgl. oben unter Rn. 569 ff. Vgl. oben Rn. 237.
C. Zugang zum Rundfunk
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Grund sowie mit Rücksicht auf den Gesichtspunkt der Überparteilichkeit des Rundfunks sehen manche Landesgesetze den Ausschluss politischer Parteien vom privaten Rundfunk vor. Das Bundesverfassunsgsgericht sah darin keinen Grund für verfassungsrechtliche Beanstandungen.49 Im Übrigen wird verlangt, dass der Antragsteller die aus dem Gewerberecht ge- 580 läufigen Voraussetzungen der Geschäftsfähigkeit und Zuverlässigkeit erfüllt. Teilweise wird zudem verlangt, dass der Antragsteller die für die Veranstaltung des geplanten Programms hinreichende Leistungsfähigkeit in ökonomischer und organisatorischer Hinsicht mit sich bringt. Im Hinblick auf eine sachgerechte, verfassungskonforme Interpretation ist dabei darauf zu achten, dass diese Tatbestandsmerkmale ohne Ansehen der publizistischen Leistung des Antragstellers und damit inhaltsneutral ausgelegt werden.50 Die Zulassung eines Rundfunkveranstalters, der als Aktiengesellschaft organi- 581 siert ist, darf nur erteilt werden, wenn er ausschließlich Namensaktien bzw. stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgibt, § 20a Abs. 2 Satz 2 RStV. Damit soll ein Schutz gegenüber einer Verschleierung der Beteiligungsverhältnisse ermöglicht werden.51 Über Abs. 3 derselben Vorschrift wird die Problematik der Transparenz der Eigentumsverhältnisse bei Konzernzugehörigkeit des Beteiligungsunternehmens zu erfassen versucht.52 2. Sachliche Zulassungsvoraussetzungen Die sachlichen Zulassungsvoraussetzungen betreffen, unterschieden nach dem in- 582 tendierten Verbreitungsgebiet, Regelungen der Medienkonzentrationskontrolle bzw. der Vielfaltsicherung. a) Vielfaltsicherung im bundesweiten Fernsehen Die vielfaltsichernden Voraussetzungen für die Zulassung zur Veranstaltung bun- 583 desweiten Fernsehen finden sich in den Regelungen der §§ 25 ff. RStV. Danach kann ein Unternehmen eine unbegrenzte Anzahl von Programmen veranstalten, sofern es nicht vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Nähere Einzelheiten dazu sind im Kapitel Medienkartellrecht dargelegt worden, auf die hier verwiesen wird.53
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BVerfGE 73, S. 118, 190 – Niedersachsen. Zum nämlichen Postulat bei der Auslegung gewerberechtlicher Bestimmungen im Zusammenhang mit Presseunternehmen vgl. oben Rn. 564. Begründung zum 10. RÄStV, S. 8. Dazu und zur Kritik an der Effektivität der Regelungen vgl. Ritlewski, ZUM 2008, S. 403. Vgl. § 8.
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§ 10 Zulassung von Medienunternehmen
b) Vielfaltsicherung im Hörfunk und im Lokalfernsehen 584 Die landesmedien- bzw. landesrundfunkgesetzlichen Bestimmungen beziehen sich auf den vom Rundfunkstaatsvertrag nicht geregelten Rundfunkbereich des Hörfunks und des nicht bundesweit verbreiteten Fernsehens. Die geltenden Regelungen beruhen auf unterschiedlichen Modellvorstellungen. Diejenigen Länder, die dem Modell des Außenpluralismus folgen, streben Vielfaltgewährleistung in der Weise an, dass eine Vielfalt von in ihrer Tendenz unterschiedlichen Programmen im Gesamtangebot besteht. Demgegenüber wird im Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen von jedem Vollprogramm ein binnenplurales Angebot verlangt.54 Erhebliche Bedeutung kommt den die intermediäre Verflechtung von Presse 585 und Rundfunk betreffenden Regelungen zu. Insofern haben sich Extrempositionen nicht durchsetzen können. Dies gilt für den Versuch, die lange de facto bestehende “publizistische Gewaltenteilung” in privatrechtlich organisierte Presseunternehmen und öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen dadurch aufrechtzuerhalten, dass die Presse von einer Beteiligung am Rundfunk schlechthin ausgeschlossen werden sollte. Das BVerfG hat solchen Überlegungen mit Rücksicht auf den chancengleichen Zugang zum Rundfunk eine Absage erteilt.55 Aus eben dieser Erwägung heraus ist auch das umgekehrte Ansinnen, der Presse einen privilegierten Zugang zum Rundfunk zu eröffnen, um einer Umschichtung der Werbeausgaben zu Lasten von Printmedienunternehmen zu kompensieren, vom BVerfG verworfen worden.56 Zugangsbeschränkungen finden sich aber in zahlreichen Bestimmungen des Inhalts, dass marktbeherrschende bzw. auflagenstarke Zeitungsverlage in ihrem Verbreitungsgebiet eine Rundfunkzulassung entweder gar nicht oder nur unter besonderen vielfaltsichernden Auflagen erlangen können.57 Zu beachten sind schließlich die in den einzelnen Ländern unterschiedlichen 586 Regeln, die es untersagen, einem Veranstalter mehr als eine bestimmte Anzahl von Lizenzen zu erteilen (sog. Verbot mehrfacher Programmträgerschaft). Erlaubt werden regelmäßig im Hörfunk und im Fernsehen je ein Voll- und ein Spartenprogramm. Dabei werden jedem Veranstalter die von ihm im Sinne des § 15 AktG abhängigen Unternehmen zugerechnet. III. Vereinfachter bzw. zulassungsfreier Zugang zum Rundfunk 587 In den Fällen der Weiterverbreitung von Programmen, die bereits andernorts veranstaltet wurden und anschließend durch Einspeisung in das Kabelnetz weiterverbreitet werden sollen, kann der Zugang zum Rundfunk, ohne gegen die Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu verstoßen, unter vereinfachten Voraussetzungen zugelassen werden. Die Weiterverbreitungsregeln der Landesmedienbzw. Landesrundfunkgesetze sehen mit Unterschieden im Detail vor, dass in den 54 55 56 57
Näher Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 5 Rn. 86. BVerfGE 73, S. 118, 175 – Niedersachsen. BVerfGE 73, S. 118, 192 f. – BaWü. Vgl. Stock/Röper/Holnagel, Medienmarkt und Meinungsmacht, 1997, S. 101 ff.; v.Wallenberg, ZUM 1998, S. 196 ff.
C. Zugang zum Rundfunk
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Fällen rechtmäßiger Programmveranstaltung im Inland, der am Ort der ersten Veranstaltung bereits eine Zugangskontrolle vorausgegangen sein muss, für die nachfolgende Weiterverbreitung aus Gründen des Medienrechts58 eine bloße Anzeige ausreichend, nicht hingegen eine besondere Zulassung in einem weiteren Bundesland erforderlich ist.59 Entsprechendes gilt im Hinblick auf die europäische Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste für solche Fernsehprogramme, die in einem EU-Mitgliedstaat rechtmäßig veranstaltet wurden.60 Um auch Personen oder Personengruppen, die nicht über die für regelmäßige 588 Rundfunkveranstaltungen erforderlichen sachlichen und personellen Voraussetzungen verfügen, den Zugang zum Rundfunk zu ermöglichen, ist in zahlreichen Länderregelungen die Errichtung eines offenen Kanals vorgesehen. Diese Einrichtung ermöglicht es jedem Interessenten, durch kostenfreie Zurverfügungstellung der erforderlichen technischen Ausrüstung Sendungen zu produzieren und zu verbreiten. Diese Sendungen unterliegen keiner redaktionellen Kontrolle. Die Einzelheiten des Zugangs werden in den Satzungen der Landesmedienanstalten geregelt.61 Politischen Parteien ist der Zugang zum Rundfunk im Interesse der Wahrung 589 der Überparteilichkeit des Mediums versperrt.62 Lediglich zum Zwecke der Wahlwerbung sind ihnen gegen Entgelt angemessene Sendezeiten zur Verfügung zu stellen. Dabei ist der Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten. Eine Abstufung nach der Größe der Partei ist dabei zulässig.63 Spezielle Zugangsrechte in Gestalt eines gesetzlichen Anspruchs auf Sendezeit 590 im (Voll-)Programm eines Rundfunkveranstalters sind gesetzlich schließlich zugunsten der Kirchen vorgesehen.64
§ 11 Innere Ordnung von Medienunternehmen
Literatur Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT Arbeitsrecht Rn. 1 ff.; Dieterich, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 9. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 1 ff.; Hesse/58
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Sonstige urheber- und wirtschaftsrechtliche Anforderungen bleiben unberührt; vgl. BGH, ZUM 1996, S. 679 (kartellrechtliches Diskrimierungsverbot); dazu auch Engel, ZUM 1997, S. 497 ff. Eingehend Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, Kap. 5 Rn. 137 f. Zu den Einzelheiten vgl. Art. 2a Richtlinie 2007/65/EG, ABl. L 332 v. 18.12.2007, S. 27 ff.; vgl. auch EuGH, ZUM 1997, S. 746 und S. 934. Vgl. näher Breunig, Media Perspektiven 1998, S. 236 ff. Vgl. oben Rn. 579. Vgl. BVerfGE 47, S. 198, 225 m.w.N..; vgl. auch Jene/Klute, AfP 1994, S. 93 ff. Dazu Lorenz, Das Drittsendungsrecht der Kirchen insbesondere im privaten Rundfunk, 1988.
220
§ 11 Innere Ordnung von Medienunternehmen
Schaffeld/Rübenach, Arbeitsrecht der Pressejournalisten, 1988; Rüthers, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 2, 2. Auflage 2000.
591 Die innere Ordnung von Medienunternehmen wird maßgeblich durch das Recht der Arbeits- und Dienstverhältnisse der Mitarbeiter von Medienunternehmen65 geprägt. Dieses Recht entspricht nicht durchweg dem in anderen Branchen anwendbaren allgemeinen Arbeits- und Dienstvertragsrecht. Die besondere verfassungsrechtliche Bedeutung und Stellung der Massenmedien hat zur Herausbildung besonderer Grundsätze und Regeln geführt, welche aufbauend auf den Grundsätzen des allgemeinen Arbeits- und Dienstvertragsrechts ein „Sonderarbeitsrecht der Medien“66 geschaffen haben. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf eine kursorische Darstellung und Erläuterung dieser Besonderheiten.
A. Grundlagen 592 Besonderheiten des Arbeits- und Dienstleistungsvertragsrechts der Medien finden sich in kodifizierter Form nur vereinzelt, insbesondere in der Sonderbestimmung für die betriebliche Mitbestimmung des § 118 BetrVG und in einigen Personalvertretungsgesetzen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kennt zwar in § 9 AGG einen Ausnahmetatbestand für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht aber einen solchen für Medienunternehmen. Arbeitsrechtliche Besonderheiten für Medienunternehmen ergeben sich aufgrund der durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundrechtlich garantierten Freiheit der Presse und der Berichterstattung durch Rundfunk und Film auf das Arbeitsrecht. Danach ist es dem Staat nicht nur untersagt, durch unmittelbare Eingriffe Einfluss auf die Tendenz von Medienunternehmen zu unternehmen, der Grundrechtsschutz verbietet auch, die Medien fremden Einflüssen zu unterwerfen oder durch rechtliche Regelungen eine solche Unterwerfung zu ermöglichen.67 Danach steht zunächst Presseunternehmen die grundrechtlich geschützte Frei593 heit zu, als "orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung"68 ihre grundsätzliche Haltung im "Kampf der Meinungen" 69 festzulegen, beizubehalten, 65
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Der Begriff der Medienunternehmen wird in diesem Kapitel als Oberbegriff für Unternehmen genutzt, die auf den Gebieten der Presse, des Rundfunks und Fernsehens und der neuen Medien gewerblich tätig sind. Medienunternehmen treten dabei als Verleger von Presseerzeugnissen, Veranstalter und Anbieter von privaten Rundfunk- und Fernsehprogrammen u.a.m. auf. Rüthers, in: Münchener Handbuch, 2. Auflage 2000, § 201 Rn. 1; gegen dieses Verständnis Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 9. BVerfGE 20, S. 162, 174 f.; 52, S. 283, 296; AfP 2000, S. 82 (83), 84 (85), 86 (87); Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 8; Rüthers, in: Münchener Handbuch, 2. Auflage 2000, Rn. 24, 26, 54; für den Rundfunkbereich vgl. Dieterich, Erfurter Kommentar, 9. Auflage 2009, Art. 5 GG Rn. 100 f. m.w.N. BVerfGE 20, S. 162 (174 f.). Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 8.
A. Grundlagen
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zu ändern und die dadurch erkennbare Tendenz in ihren Veröffentlichungen umzusetzen.70 Dieser grundrechtliche Tendenzschutz führt dazu, dass die staatlichen Regeln des allgemeinen Arbeitsrechts auf die Mitarbeiter von Medienunternehmen nicht uneingeschränkt Anwendung finden. Rundfunkunternehmen – private wie öffentlich-rechtliche – genießen aufgrund der Garantie des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eine dem Tendenzschutz vergleichbare Freiheit, hinsichtlich der Auswahl, des Inhaltes und der Ausgestaltung der einzelnen Sendungen („Programmfreiheit“), um die gebotene Programmvielfalt und Ausgewogenheit zu erreichen.71 Für Rundfunkunternehmen entspricht der Schutz der Programmvielfalt der 594 Rundfunkunternehmen in der Auswirkung auf das Arbeitsrecht dem Tendenzschutz im Pressewesen; der Vielfaltschutz soll u.a. den Schutz des Medienunternehmens vor einer Einflussnahme des Staates oder Dritter auf das Medienprodukt gewährleisten.72 Die zum Arbeitsrecht in Medienunternehmen ergangenen Entscheidungen des BVerfGs kommen demgemäß auf der Grundlage einerseits des Tendenzschutzes und andererseits der Programmfreiheit zu übereinstimmenden Ergebnissen.73 Das BVerfG betont in seiner Entscheidung zur Mitbestimmung des Betriebsrates in privaten Rundfunkunternehmen ausdrücklich den notwendigen Schutz der „Tendenz des privaten Rundfunkveranstalters”.74 Diese Übereinstimmung75 ermöglicht es, die arbeits- und dienstvertragsrechtlichen Besonderheiten in Presse und Rundfunk in einer einheitlichen Darstellung zu behandeln.76 Für die Beschäftigungsverhältnisse im Bereich von Telemedienunternehmen 595 gelten ebenfalls die Besonderheiten des Medienarbeitsrechts, sofern sie Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Inhalten entwickeln. Insofern unterfallen auch sie dem Schutzbereich der Rundfunkfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG, der ausweislich von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG medienrechtsspezifische Besonderheiten rechtfertigt und erfordert. Medienrechtliche Besonderheiten im Arbeits- und Dienstvertragsrecht aufgrund 596 der grundgesetzlichen Medienfreiheit sind nur insoweit gerechtfertigt, als Mitarbeiter in tendenzrelevanten Unternehmensbereichen betroffen sind, d.h. in Bereichen, in denen das Medienprodukt "geistig entsteht".77 Insbesondere Einschränkung des arbeitsrechtlichen Schutzes sind nur solche Mitarbeiter von Medienunternehmen unterworfen, die inhaltlich auf das Presseprodukt durch eigene Veröf70 71
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BVerfGE 52, S. 283 (296), AfP 2000, S. 82 (83), 86 (87); Dörner, a.a.O. Rn. 8. Vgl. BVerfG AP Nrn. 1 und 5 zu Art. 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit; AfP 2000, S. 84 (85) m.w.N.; Dieterich, Erfurter Kommentar, 9. Auflage 2009, Art. 5 GG Rn. 101. BVerfG, AfP 2000, S. 84, 85; Dieterich, a.a.O., Art. 5 Rn. 101. BVerfG, AfP 2000, S. 82, 83 f. einerseits und AfP 2000, S. 84, 85 andererseits. BVerfG, AfP 2000, S. 84, 85. Mit „Tendenz“ ist nachfolgend bei Presseunternehmen eine bestimmte inhaltliche Ausrichtung gemeint, bei Rundfunk- und Fernsehunternehmen die gebotene Ausgewogenheit und Vielfalt, die als besondere Ausrichtung des Tendenzschutzes verstanden werden kann. Vgl. auch die gemeinsame Behandlung bei Richardi, in: Münchener Handbuch, 2. Auflage 2000, § 26 Rn. 50. Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 9.
222
§ 11 Innere Ordnung von Medienunternehmen
fentlichung oder durch Auswahl und Redigieren von Meldungen, Berichten und Kommentaren anderer Einfluss nehmen,78 die mithin „die geistig-ideelle Zielsetzung der Unternehmen unmittelbar verwirklichen“79 bzw. „typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftliche, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft ... einbringen“80. Unter Hinweis auf den Tendenzschutz kann aber auch bei diesen Mitarbeitern nur in begrenztem Maße in den arbeitsrechtlichen Schutz eingegriffen werden,81 wobei eine Abwägung im Einzelfall zwischen der sozialen Schutzbedürftigkeit der Mitarbeiter und der Presse- und Rundfunkfreiheit des Medienunternehmens stattzufinden hat, bei der die besondere Stellung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu berücksichtigen ist.82 Für die Mitarbeiter, die nicht in tendenzrelevanten Bereichen beschäftigt sind,83 597 gelten die allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts, da zu ihren Lasten eine Einschränkung des arbeitsrechtlichen Schutzes von Verfassung wegen weder geboten noch gerechtfertigt ist. Die Besonderheiten des Medienarbeitsrechts zeigen sich generell darin, dass 598 dann, wenn Rechtsstreitigkeiten die Presse- und Rundfunkfreiheit berühren, die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des einfachen Gesetzesrechts unter Abwägung des Grundrechtsschutzes aus Art. 5 GG mit dem gesetzlichen geschützten Rechtsgut zu erfolgen hat.84 Die Auswirken bestehen sowohl im Individualarbeitsrecht und als auch im Kollektiven Arbeitsrecht.
B. Individualarbeitsrecht im Medienunternehmen I. Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses 599 Die Tätigkeit für ein Medienunternehmen kann auf der Grundlage unterschiedlicher vertraglicher Gestaltungen erfolgen. In Betracht kommen insbesondere die 78
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Dabei handelt es sich vornehmlich um die verantwortlichen und nachgeordneten Redakteure aller Sparten, aber auch um andere Redaktionsmitarbeiter wie Volontäre; BVerfG AP Nr. 5 zu Art. 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit; BAG AP Nr. 3 zu § 99 BetrVG 1972 (Lokalredakteur); BAG AP Nr. 11 zu § 101 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 7 zu § 118 BetrVG 1972 m. Anm. Löwisch (Sportredakteur); BAG AP Nr. 21 zu § 118 BetrVG 1972 m. Anm. Herschel (Redaktionsvolontär); Dörner, a.a.O., Rn. 9; Hesse/Schaffeld/Rübenach, Arbeitsrecht der Pressejournalisten, 1988, Rn. 2. BAG AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972. BVerfG AP Nr. 5 zu Art. 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit; Dieterich, Erfurter Kommentar, 9. Auflage 2009, Art. 5 GG Rn. 104 spricht insoweit zutreffend von „programmgestaltenden Mitarbeitern“. Rüthers, Münchener Handbuch, 2. Auflage 2000, § 210 Rn. 51 m.w.N. BVerfG AP Nr. 1 zu Art. 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit. Pförtner, Boten, Bürogehilfen; Buchhalter, Betriebshandwerker, Kraftfahrer, Sekretärinnen, Reinigungskräfte etc. BVerfGE 95, 28, 234 ff.; 62, 230, 244 ff.
B. Individualarbeitsrecht im Medienunternehmen
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Beschäftigung als Arbeitnehmer, als arbeitnehmerähnliche Person als freier Mitarbeiter oder als arbeitnehmerähnliche Person. Für die (arbeits-) rechtliche Beurteilung der Rechte und Pflichten von Mitarbeitern von Medienunternehmen ist deren Status von entscheidender Bedeutung, mithin die Abgrenzung zwischen den einzelnen Formen der Mitarbeit:85 Festangestellte Journalisten86 unterfallen als Arbeitnehmer dem Schutz des Arbeitsrechts in seiner besonderen medienrechtlichen Ausprägung.87 Daneben gibt es freiberuflich tätige sog. „freie“ Mitarbeiter, für die nicht das Arbeitsrecht, sondern allgemeines Werkvertrags- oder Auftragsrecht gilt.88 Zwischen beiden Gruppen sind die arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiter anzusiedeln, deren vertragliche Bindungen zu dem Medienunternehmen aufgrund der Eingliederung in dessen Arbeitsorganisation89 und einer Weisungsabhängigkeit90 eine derartige Intensität erlangen, dass auf sie bestimmte arbeitsrechtliche Schutzvorschriften angewendet werden.91 Die Einstufung in die drei Gruppen hat erhebliche arbeitsvertragsrechtliche Konsequenzen: So gelten für arbeitnehmerähnliche Mitarbeiter bestimmte tarifvertragliche Vergünstigungen,92 die ansonsten nur Arbeitnehmern, nicht aber freien Mitarbeitern zukommen. Diese Bedeutung der Einstufung eines Mitarbeiters hat zu zahlreichen Festan- 600 stellungsklagen, sog. Statusprozessen93, geführt, in denen aufgrund eines Werkvertrages oder eines Auftrages tätige Mitarbeiter von Medienunternehmen die Anerkennung als fest angestellter Arbeitnehmer, mindestens aber als arbeitnehmerähnliche Person begehrten. Die in derartigen Verfahren vorzunehmende Eingruppierung muss nach der grundlegenden Rechtsprechung des BVerfGs den besonderen Anforderungen des Tendenzschutzes genügen und darf Medienunternehmen nicht im Widerspruch zu Tendenzentscheidungen Mitarbeiter als Angestellte aufzwingen,94 sie ist aber nach der Rechtsprechung des BAGs anhand der allgemeinen Kriterien der tatsächlichen Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen und nicht de85 86
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Vgl. Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 38 ff. Sie werden im Allgemeinen als Redakteure bezeichnet, Dörner, a.a.O. Rn. 42; Hoffmann-Riem, Redaktionsstatute im Rundfunk, 1972, S. 121 m.w.N. Zu der besonderen Behandlung von Volontären siehe Dörner, a.a.O. Rn. 53 f. BAG AP Nr. 25 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Dörner, a.a.O. Rn. 40. Binder, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 69. Abschnitt Rn. 115 ff. BAG AP Nr. 21 zu § 611 BGB Abhängigkeit. BAG AP Nr. 15 zu § 611 BGB Rundfunk; BAG AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit. Vgl. § 12a Abs. 1 und 3 TVG. Die Vorschriften wurde in erster Linie für die Freien Mitarbeiter der Medien konzipiert; BAG AP Nr. 9 zu § 5 ArbGG. Z.B.: Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gem. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG; Urlaubsansprüche nach § 2 S. 2 BUrlG; Garantie der betrieblichen Altersversorgung nach § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG; Einbeziehung in Tarifverträge nach § 12a TVG; Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei Schwangerschaft; im Übrigen vgl. § 54b SchwbG, § 2 Abs. 2 ArbSchG, § 2 Abs. 2 Nr. 1 BeschSchG. Vgl. dazu Binder, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 69. Abschnitt Rn. 187. Vgl. BVerfG AP Nrn. 1 und 5 zu Art. 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit.
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§ 11 Innere Ordnung von Medienunternehmen
ren rechtlicher Bezeichnung durch die Vertragsparteien zu treffen.95 Das BAG verkennt dabei nicht die besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen96 an die Freiheit der Medienunternehmen zur freien Auswahl bei der Einstellung und der Beschäftigung von Mitarbeitern in tendenzrelevanten Bereichen, da die Entscheidung über die tatsächliche Ausgestaltung des Mitarbeiterverhältnisses vom Medienunternehmen in Ausübung dieser Freiheit vorgenommen werden kann. Damit bleibt zugleich die Freiheit gewahrt, durch entsprechende Ausgestaltung den vom Medienunternehmen gewünschten arbeitsrechtlichen Status des Mitarbeiters zu erreichen. Für die Befristung der Beschäftigungsverhältnisse bietet das Arbeitsrecht für 601 Medienunternehmen auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 TzBfG besondere, gegenüber den anderen Wirtschaftsbereichen weiter gehende Gestaltungsmöglichkeiten. Der nach Satz 1 dieser Vorschrift erforderliche sachliche Grund der Befristung, liegt nach Satz 2 Nr. 4 insbesondere dann vor, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt. Anerkannt ist, dass eine solche EigenartRechtfertigung für die Tätigkeiten im Bereich der Programmgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks97 und trotz strengerer Handhabung regelmäßig auch im Bereich des privaten Rundfunks98 gegeben ist.99 Für den Bereich der Presse wird eine Übertragung dieser Grundsätze dagegen nicht ohne weiteres befürwortet, weil der den Presseunternehmen zustehende Tendenzschutz eine stärkere Kontinuität in der inhaltlichen Gestaltung des Presseprodukts erfordern und deshalb die Eigenart-Rechtfertigung nicht generell in Betracht kommen soll.100 II. Tendenzschutz und Loyalitätspflicht 602 Medienunternehmen nehmen in legitimer Weise zu gewerblichen Zwecken101 an der geistigen Auseinandersetzung teil und stehen damit zueinander in "geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz";102 ihr wirtschaftlicher Erfolg hängt damit auch davon ab, ob es gelingt, im Meinungskampf die Leser, Zuhörer oder Zuschauer zu überzeugen und an sich zu binden. Den Inhabern von Medienunternehmen steht dabei das Recht zu, die Tendenz zu bestimmen, mit denen die Produkte des Un95 96 97 98 99
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BAG AP Nrn. 18, 21, 42, und 66 zu § 611 BGB Abhängigkeit. Vgl. hierzu BVerfG AP Nrn. 1 und 5 zu Art. 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit. BGH, NZA 2007, S. 321, 323. BGH, NZA 2007, S. 147. Näher zu den Einzelheiten Binder, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 69. Abschnitt Rn. 74 ff. Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 68; Dieterich, in: Erfurter Kommentar, 9. Auflage 2009, Art. 5 GG Rn. 74, 78; weitergehend dagegen Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 34 Rn. 19 ff. Soweit es sich nicht um öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen handelt. Zum Erwerbszweck eines Medienunternehmens siehe Fitting, Handkommentar, 23. Auflage 2006, Rn. 13 m.w.N. BVerfGE 20, S. 162 (174 f.).
B. Individualarbeitsrecht im Medienunternehmen
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ternehmens in die geistige Auseinandersetzung gehen und um Kunden werben.103 Dieses Recht zur Bestimmung der Tendenz des Unternehmens bedingt es, dass sich die Mitarbeiter zumindest in tendenzrelevanten Bereichen trotz möglicherweise gegenläufiger eigener politischer oder gesellschaftlicher Anschauungen dieser Tendenz bei der Erstellung des Medienproduktes unterordnen.104 Die damit einhergehende Beschränkung der (originären) Pressefreiheit der einzelnen Journalisten105 ist im Interesse der Erreichung eines einheitlichen Auftretens des Medienunternehmens und seiner Produkte gerechtfertigt.106 Im Grundsatz werden Tendenzschutz und Loyalitätspflicht der Mitarbeiter 603 durch die jeweiligen Manteltarifverträge107 und durch die Arbeitsverträge vorgezeichnet. Die Umsetzung der Tendenzfestlegung des Medienunternehmens in die tägliche Praxis erfolgt dann aber durch das Direktions- bzw. Weisungsrecht der jeweiligen Vorgesetzten gegenüber den nachgeordneten Mitarbeitern, mit dem die arbeitsvertragliche Leistungs- und Loyalitätspflicht konkretisiert wird.108 Diese Einzelweisungen müssen sich – soweit vorhanden – im Rahmen des für das jeweilige Medienunternehmen oder den jeweiligen Betrieb geltenden, zwischen Mitarbeitern und Medienunternehmen frei vereinbarten Redaktionsstatuts109 halten, das die Tendenz mit Bindungswirkung für die Mitarbeiter, aber auch für das Unternehmen selbst110 festlegt. Verstöße gegen die auf diesem Wege vereinbarten Richtlinien über die grundsätzliche Ausrichtung des Medienunternehmens berechtigen sowohl den Mitarbeiter als auch das Unternehmen zu einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grunde.111 Die Beschneidung der grundrechtlichen Meinungs- und Medienfreiheit des ein- 604 zelnen Mitarbeiters in einem tendenzrelevanten Bereich eines Medienunternehmens durch allgemeine Tendenzbestimmungen oder Einzelweisungen ist trotz der grundsätzlichen Tendenzbestimmungsfreiheit des Medienunternehmens nicht un103
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Für Rundfunkunternehmen gilt dies insoweit ebenso, als deren Mitarbeiter die gebotene Ausgewogenheit des Programms beachten und nicht zugunsten eigener Anschauungen verletzen dürfen. Zur verfassungsrechtlichen Herleitung des Tendenzschutzes siehe bereits oben Rn. 391 ff. Dörner, a.a.O., Rn. 96 nennt dies die „Tendenztreuepflicht“. Die Journalisten sind selbst Träger des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit, aber auch der Pressefreiheit in originärer eigener Trägerschaft. Im Rundfunkbereich hat dies zu Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern geführt, die ihre individuelle Meinungsäußerungsfreiheit schrankenlos zu eigenen Statements nutzten, Herrmann, Rundfunkrecht, 2. Auflage 2004, Rn. 34 f. Eine Übersicht über die im Bereich der Presse geltenden Tarifverträge bietet Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 14. Dörner, a.a.O., Rn. 85 ff.; Hesse/Schaffeld/Rübenach, Arbeitsrecht der Pressejournalisten, 1988, Rn. 76 ff. Der Begriff stammt aus dem Bereich der Presseunternehmen, ist aber auf andere Medienunternehmen ohne weiteres übertragbar; vgl. dazu Hoffmann-Riem, a.a.O. Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 90, 400 f. § 14 Abs. 4 Satz 2 Manteltarifvertrag/Zeitungsredakteure vom 25.2.2004 bestimmt dies für Presseunternehmen; einschränkend zur Erheblichkeit der tarifvertraglichen Festlegung des wichtigen Grundes Dörner, a.a.O., Rn. 279.
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§ 11 Innere Ordnung von Medienunternehmen
eingeschränkt möglich.112 Zumindest hinsichtlich der einzelnen aktuellen publizistischen Themen des Tages wird dem für Redaktion und Veröffentlichung zuständigen Mitarbeiter eine eigene Entscheidungskompetenz innerhalb der generell vorgegebenen Tendenz des Unternehmens zugebilligt,113 so dass dem Medienunternehmen die Richtlinienkompetenz und dem Mitarbeiter die Detailkompetenz zukommt.114 Über diese abgeleitete Detailkompetenz hinaus wurde in der Literatur erwogen, den einzelnen oder der Gruppe der Redaktionsmitarbeiter ein Mitspracherecht hinsichtlich der Tendenz im Sinne einer „inneren Pressefreiheit“ bzw. einer „inneren Rundfunkfreiheit“ einzuräumen.115 Die Rechtsprechung hat bislang offen gelassen, ob eine solche Mitsprache verfassungsrechtlich zulässig wäre.116 Die innere Pressefreiheit würde zu einer Unabhängigkeit der Redaktion innerhalb des Medienunternehmens im Sinne eines „Binnenpluralismus“ der Meinungen führen, der jedoch wegen des bestehenden „Außenpluralismus“ der Meinungen der einzelnen Medienunternehmen und ihrer Produkte nicht geboten ist.117 Das Medienunternehmen trägt das wirtschaftliche Risiko der Veröffentlichung einer Meinung und darf daher auch nach innen Tendenzschutz in Anspruch nehmen, eine innere Pressefreiheit ist ihm auch im Interesse einer funktionierenden Medienlandschaft nicht zuzumuten;118 dies gilt auch für private Rundfunk- und Fernsehunternehmen.119 Die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der vom Medienunternehmen vor605 gegebenen Tendenz betrifft naturgemäß im Wesentlichen den dienstlichen Bereich, daneben wird jedoch verlangt, dass sich Mitarbeiter von Medienunterneh112
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Dieterich, in: Erfurter Kommentar, 9. Auflage 2009, Rn. 50 spricht von einem notwendigen „Mindestmaß an Unabhängigkeit der publizistischen Mitarbeiter“. Dieterich, a.a.O., Rn. 76; Dörner, a.a.O., Rn. 88 weist dabei zu Recht auf ein bei drohenden rechtlichen oder finanziellen Nachteilen gegebenes Eingriffsrecht des Medienunternehmens oder seines Chefredakteurs hin. Rüthers, in: Münchener Handbuch, 2. Auflage 2000, Rn. 86 m.w.N. und Rn. 217. Vgl. Dörner, a.a.O., Rn. 87 m.w.N.; Dieterich, a.a.O., Rn. 595; Zu den darüber hinausgehenden Einschränkungen der Weisungskompetenz des Medienunternehmens durch die Gewissensfreiheit des Mitarbeiters siehe sogleich unter Rn. 606 ff. BVerfGE 52, S. 283, 297 f. macht eine solche Einschränkung der Tendenzautonomie des Medienunternehmens von einer verfassungsimmanenten oder einer auf verfassungsrechtlicher Ermächtigung beruhenden gesetzlichen Regelung abhängig und lässt es ausdrücklich dahinstehen, ob eine entsprechende gesetzliche Regelung verfassungskonform wäre. § 4 Abs. 1 S. 3 des Brandenburgischen Landespressegesetzes enthält zumindest eine Regelung von Redaktionsstatuten, die in den anderen Pressegesetzen nicht enthalten ist; vgl. Dörner, a.a.O. Rn. 395. BVerfGE 83, S. 238, 318 f. hält für den Bereich des Rundfunks eine formale Sicherung der inneren Rundfunkfreiheit für vorteilhaft, ohne diese jedoch als verfassungsrechtlich geboten anzusehen. Starck, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Auflage 2005, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 90; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, 5. Auflage 2000, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 39. So auch Starck, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Auflage 2005, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 187; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 39. Starck, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Auflage 2005, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 95; zweifelnd: Dieterich, in: Erfurter Kommentar, 9. Auflage 2009, Rn. 95 m.w.N.
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men auch im außerdienstlichen Bereich der Tendenz des Unternehmens entsprechend verhalten müssen.120 Richtig ist dabei zumindest, dass Mitarbeitern von Medienunternehmen aufgrund ihrer arbeitsrechtlichen Loyalitätspflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber auch außerhalb des Dienstes ein Verhalten untersagt ist, das den Interessen des Arbeitgebers zuwiderläuft;121 so darf sich ein Mitarbeiter in einem tendenzrelevanten Bereich auch außerhalb seines Dienstes nicht öffentlich widersprüchlich zur Tendenz des Medienunternehmens verhalten, anderenfalls riskiert er arbeitsrechtliche Sanktionen wegen einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses. 122 III. Schutz der Gewissensfreiheit des Medienmitarbeiters Da die originäre Meinungs- und Medienfreiheit der Medienmitarbeiter zum gro- 606 ßen Teil durch das Tendenzbestimmungsrecht des Medienunternehmens verdrängt wird, kommt dem Schutz der Gewissensfreiheit der Mitarbeiter eine besondere Bedeutung zu.123 Dieses Schutzes wegen umfasst das Direktionsrecht nicht Anweisungen an Medienmitarbeiter, Berichte zu verfassen oder Meinungen zu veröffentlichen, deren Inhalt mit ihrer Gewissensüberzeugung nicht zu vereinbaren ist.124 Wenn das Medienunternehmen seine Tendenz in einer Weise einseitig ändert, 607 die der Mitarbeiter aufgrund seiner eigenen Einstellung nicht umsetzen kann oder will, dann steht ihm ein besonderes Kündigungsrecht zu, das etwa für Zeitungsredakteure in § 15 des Manteltarifvertrages für Zeitungsredakteure vom 22.2.2004 so ausgestaltet ist, dass der Mitarbeiter innerhalb eines Monats seine Tätigkeit einseitig aufgeben kann, wenn ihm die Fortsetzung billigerweise nicht zugemutet werden kann. Der Mitarbeiter erhält in diesem Fall sein vertragliches Arbeitsentgelt bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, mindestens aber für sechs Monate fortgezahlt, wobei § 615 BGB entsprechende Anwendung findet.125 IV. Freistellung des Medienmitarbeiters von Ansprüchen Dritter Da es sich bei der Inanspruchnahme von Medienmitarbeitern durch Dritte für fal- 608 sche Tatsachenbehauptungen oder unzulässige Wertungen um ein berufstypisches 120
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Dieterich, a.a.O., Rn. 36, 38, 77; Rüthers, Münchener Handbuch, 2. Auflage 2000, § 201, Rn. 69 ff. unter Berufung auf eine Tendenzförderungspflicht. Beispiele für eine Verletzung dieser Pflicht bei Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 96 m.w.N. Dörner, a.a.O., Rn. 96 f. Dieterich, in: Erfurter Kommentar, 9. Auflage 2009, Rn. 51; Rüthers, in: Münchener Handbuch, 2. Auflage 2000, Rn. 84 m.w.N. Dieterich, ebenda m.w.N.; Rüthers, a.a.O., Rn. 86 m.w.N.; Starck, a.a.O., Rn. 89; Wendt, a.a.O., Rn. 35, 39 m.w.N. Dabei umfasst die Gewissensfreiheit nicht bereits jeglichen Wertungskonflikt der Medienmitarbeiters, vgl. Hoffmann-Riem, a.a.O., S. 133 f. Vgl. Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 322 ff.
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Risiko beim Betrieb eines Medienunternehmens handelt, hat der Medienmitarbeiter einen Freistellungsanspruch gegen das Unternehmen, für das er bei der inkriminierten Veröffentlichung tätig geworden ist.126 Dieser Freistellungsanspruch kann bei Verstößen gegen die arbeitsvertraglichen Sorgfaltspflichten je nach Maß des Verschuldens gemindert werden und entfällt bei Vorsatz insgesamt.127 V. Tendenzschutz und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses 609 Für die Beendigung unbefristeter Arbeitsverhältnisse durch Kündigung gelten im Medienunternehmen grundsätzlich keine Besonderheiten im Vergleich zu sonstigen Betrieben. Das Medienunternehmen ist insofern an die Vorschriften des KSchG gebunden. Bei der danach gebotenen Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung, insbesondere unter dem Aspekt der verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 KSchG wirkt sich allerdings der Tendenzschutz des Medienunternehmens als maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt aus. Deshalb ist ein Verstoß gegen die Tendenzverpflichtung128 ebenso wie tendenzunwürdiges Verhalten129 als Rechtfertigungsgrund für eine verhaltensbedingte Kündigung anerkannt. In der Konsequenz dieser Grundsätze liegt es, dass eine auf Gewissengründe gestützte Arbeitsverweigerung130 bzw. die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit131 ebenfalls anerkannte Rechtfertigungen für verhaltensbedingte Kündigungen durch das Medienunternehmen darstellen.
C. Kollektives Arbeitsrecht im Medienunternehmen I. Betriebliche Mitbestimmung 610 Die signifikantesten Besonderheiten im Arbeitsrecht für Medienunternehmen bestehen im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung nach dem BetrVG. Als Ausfluss des eingangs dargestellten Verbotes, Medienunternehmen fremden Einflüssen zu unterwerfen, sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Unternehmen und Betrieben, die unmittelbar132 und überwiegend Zwecken der Berichterstattung dienen und auf die Art. 5 Abs. 2 S. 1 GG anzuwenden ist, durch § 126 127 128 129 130 131 132
Rüthers, in: Münchener Handbuch, 2. Auflage 2000, Rn. 95 ff. m.w.N. Ders., a.a.O., Rn. 96 f. LAG München, AfP 1991, S. 560. BAG AP Nr. 49 zu § 102 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 169 zu § 626 BGB. BAG AP Nr. 1 zu § 611 BGB Gewissensfreiheit. BAG AP Nr. 8 zu § 611 BGB Treuepflicht. Zum Kriterium der Unmittelbarkeit vgl. Dörner, a.a.O., Rn. 343 ff.; das Kriterium ist nicht erfüllt bei Unternehmen, die nur mittelbar an der Veröffentlichung mitwirken, wie etwa Lohndruckereien; BAG AP Nr. 3 zu § 118 BetrVG 1972. Druckereien, die Teil eines einheitlichen Betriebs sind, unterfallen demgegenüber der Regelung des § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG.
C. Kollektives Arbeitsrecht im Medienunternehmen
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118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG eingeschränkt.133 Aufgrund seines Schutzzweckes unterfallen der Beschränkung nur Mitbestimmungsangelegenheiten von Mitarbeitern in tendenzrelevanten Bereichen des Medienunternehmens und auch nur solche, welche die Freiheit des Tendenzbetriebs zur Tendenzbestimmung verhindern oder ernsthaft beeinträchtigen können.134 Zu den durch § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG der betrieblichen Mitbestimmung 611 entzogenen Angelegenheiten gehören vor allem die Einstellung von Mitarbeitern in tendenzrelevanten Bereichen und die Kündigung derartiger Mitarbeiter.135 Die Einschränkung der Mitbestimmung in derartigen personellen Angelegenheiten zeigt zugleich die Grenze der Einschränkung bei nicht tendenzrelevanten Angelegenheiten.136 § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG gewährt Tendenzschutz nur insoweit als die „Verwirklichung der geistigideellen Zielsetzung des Unternehmens“ durch Maßnahmen des Betriebsrates beeinflusst werden kann.137 So bleiben Mitbestimmungsrechte hinsichtlich genereller Fragen ohne Einfluss auf konkrete Personalentscheidungen erhalten, wie die Informationsrechte des Betriebsrates nach § 92 BetrVG über den gegenwärtigen und zukünftigen Personalbedarf oder das Recht des Betriebsrates, nach § 93 BetrVG die innerbetriebliche Ausschreibung von zu besetzenden Stellen zu verlangen.138 Das Recht, die konkrete Entscheidung über die Auswahl und Einstellung von Mitarbeitern in tendenzrelevanten Bereichen ohne fremde Einflüsse zu treffen, bleibt jedoch dem Medienunternehmen vorbehalten, das so sein verfassungsmäßiges Recht zur Tendenzbestimmung in personeller Hinsicht ohne Einfluss des Betriebsrates umsetzen kann.139 Die Mitbestimmungsrechte gemäß § 99 BetrVG werden insoweit durch ein bloßes Informationsund Anhörungsrecht des Betriebsrates ersetzt.140 Bei Kündigungen gilt das Anhörungsrecht des Betriebsrates gemäß § 102 Abs. 612 1 BetrVG uneingeschränkt, da es die Letztentscheidungsbefugnis des Medienunternehmens unberührt lässt.141 Im Wege der Anhörung kann der Betriebsrat soziale Gesichtspunkte für die Kündigungsentscheidung einfließen lassen,142 tendenzrele133
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Für öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen gelten aufgrund der Personalvertretungsgesetze der Länder ähnliche Regelungen, die hier jedoch nicht im Einzelnen dargestellt werden können. BVerfG AfP 2000, S. 82 (83); S. 86 (87) für Presse- und AfP 2000, S. 84 (85) für Rundfunkunternehmen; Dörner, a.a.O., Rn. 347 m.w.N. Hanau/Kania, Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, 1994, Rn. 20; Rüthers, in: Münchener Handbuch, 2. Auflage 2000, Rn. 106. Eine Übersicht über Rechtsprechung zu einzelnen Mitbestimmungsangelegenheiten geben Hanau/Kania, a.a.O., Rn. 17 ff. m.w.N.; Rüthers, a.a.O., Rn. 105 m.w.N. BAG AP Nrn. 4 und 13 zu § 118 BetrVG 1972. Dörner, a.a.O., Rn. 349, 351 m.w.N.; Fitting, Handkommentar, 23. Auflage 2006, Rn. 34 m.w.N.; Hanau/Kania, a.a.O., Rn. 24 m.w.N. Vgl. BAG AP Nr. 11 zu § 101 BetrVG 1972 zur Einstellung eines Redakteurs; Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 358 m.w.N. BVerfGE 52, S. 283, 300 f.; BAG AP Nrn. 46 und 51 zu § 118 BetrVG 1972; AP Nr. 3 zu § 99 BetrVG m. zust. Anm. Kraft/Geppert. BVerfGE 52, S. 283, 300 f.; BAG AP Nr. 4 zu § 118 BetrVG 1972. BVerfGE 52, S. 283, 302; BAG AP Nr. 4 zu § 118 BetrVG 1972.
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vante Erwägungen darf der Betriebsrat jedoch nicht vorbringen.143 Das Widerspruchsrecht des Betriebsrates gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG ist durch den Tendenzschutz weitgehend dadurch eingeschränkt, dass der Betriebsrat tendenzbedingten Kündigungen nicht widersprechen darf.144 Selbst bei einer aus tendenzbedingtem wichtigen Grund erklärten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes ist der Betriebsrat auf Anhörungsrechte beschränkt und hat nicht das Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 103 BetrVG.145 Im Gegensatz zu der erheblich eingeschränkten Mitbestimmung des Betriebsra613 tes in personellen Angelegenheiten bleiben die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten weitgehend unberührt, da diese zumeist tendenzneutral sind.146 Für den praktisch relevanten Bereich der Arbeitszeitregelung ist entschieden worden, dass diese soweit tendenzneutral und damit der betrieblichen Mitbestimmung zugänglich ist, wie sie nicht die Aktualität der Berichterstattung gefährdet oder andere veröffentlichungsrelevante Festlegungen, etwa des Redaktionsschlusses, verhindert.147 II. Unternehmensmitbestimmung 614 Medienunternehmen unterliegen als Tendenzunternehmen nach § 1 MitbestG 1976 bzw. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DrittelbG nicht der Unternehmensmitbestimmung.148
D. Arbeitskampf und Tarifvertrag im Medienunternehmen 615 Aufgrund des weitgehenden Schutzes der Tendenzbestimmungsautonomie des Medienunternehmens können tendenzrelevante Bereiche des Verhältnisses von Medienunternehmen und Mitarbeiter nicht durch verbindliche Tarifverträge geregelt werden.149
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Vgl. BVerfG a.a.O. Dörner, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT ArbR Rn. 372 m.w.N. Dörner, a.a.O., Rn. 373 m.w.N. Vgl. BAG AP Nrn. 13, 44 m.w.N. und 49 zu § 118 BetrVG 1972. BVerfG AfP 2000, S. 82 (84); S. 86 (87) für Presseunternehmen; AfP 2000, S. 84, 85 f. für Rundfunkunternehmen. Diese Rechtsprechung wird allerdings im Hinblick auf die Schwierigkeiten einer Abgrenzung zeitlicher, personeller und publizistischen Dimension von Medienbetrieben kritisiert; vgl. Hesse/Schaffeld/Rübenach, Arbeitsrecht der Pressejournalisten, 1988, Rn. 670. Zur Unternehmensmitbestimmung im „Tendenz-Konzern“ siehe LG Hamburg, AfP 2000, S. 99 ff.; vgl. auch Behrens/Gragert, AfP 2000, S. 34. Rüthers, in: Münchener Handbuch, 2. Auflage 2000, Rn. 109 m.w.N. Die freiwillige Vereinbarung von Redaktionsstatuten wird jedoch allgemein für zulässig gehalten; sie bewirkt eine Selbstbindung des Medienunternehmens.
D. Arbeitskampf und Tarifvertrag im Medienunternehmen
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Trotz dieser weitgehenden Einschränkung der Tarifautonomie wird die Zuläs- 616 sigkeit von Arbeitskämpfen auch gegenüber Medienunternehmen allgemein bejaht, sofern diese geführt werden, um nicht tendenzrelevante Tarifforderungen durchzusetzen.150 Aufgrund der besonderen Bedeutung der funktionierenden Medien und deren durch Art. 5 GG garantierter Freiheit sind jedoch Einschränkungen hinsichtlich des Arbeitskampfrechts geboten.151 So wird der Kernbereich der Rundfunkgrundversorgung, zu dem Nachrichtensendungen und Notfallwarnungen gehören, als „streik-resistent“ angesehen;152 die Grundversorgung mit Rundfunk muss auch im Falle eines im Übrigen zulässigen Streikes gewährleistet bleiben.153
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Dieterich, in: Erfurter Kommentar, 9. Auflage 2009, Rn. 82 m.w.N., 108; so auch Rüthers, § 201 Rn. 114 f. m.w.N., der ausdrücklich auch Redakteure in den Kreis der Streikberechtigten einbezieht. Vgl. zu den Einzelheiten Rüthers, a.a.O., Rn. 118 ff. m.w.N.; Dieterich, a.a.O., Rn. 83 ff., 109. Herrmann, Rundfunkrecht, 2. Auflage 2004, Rn. 43. Herrmann, Rundfunkrecht, 2. Auflage 2004, Rn. 43. Dagegen wird ein Gebot zur Ermöglichung von Notausgaben bei Presseorganen zu Recht abgelehnt; Dieterich, a.a.O., Rn. 85 m.w.N.; Dörner, a.a.O., Rn. 448.
3. Abschnitt: Medienerzeugnisse – Schutz, Herstellung, Werbung und Vertrieb
Medienerzeugnisse sind zuvorderst das Ergebnis kreativ-schöpferischer Leistung 617 bzw. journalistisch-redaktioneller Arbeit. Die Rechtsordnung kann und will diese Vorgänge nicht beeinflussen oder gar steuern; sie setzt sie als gegeben voraus. Das Entstehen eines Buches, eines Filmes, eines Musikstückes, einer Sendung bzw. eines Multimediawerkes erfolgen prinzipiell rechtlich ungesteuert vor allem durch die schöpferische Kraft und Leistung der wirkenden Autoren und Produzenten. Die kreativ-schöpferische, journalistisch-redaktionelle Leistung der Medienschaffenden entspringt grundsätzlich einem vom Gesetzgeber vorgefundenen Impuls. Der Gesetzgeber hat aber dafür zu sorgen, dass die Herstellung und die Weitergabe bzw. der Vertrieb des Medienerzeugnisses in einem rechtlichen Rahmen erfolgt, der für die Medienschaffenden einen sachgerechten Schutz ihrer Interessen gewährleistet. Die Umsetzung des rechtlich gebotenen Schutzes ist die Domäne des Urheber- 618 rechts und des gewerblichen Rechtsschutzes. Den Regelungsgegenstand dieses eigenständig entwickelten und entfalteten Rechtsgebietes bilden sowohl der Schutz des Medienerzeugnisses und seiner Herstellung als auch dessen mediale Verbreitung. Massenmedial verbreitete Medienerzeugnisse genießen nicht selten urheberrechtlichen Werkschutz und die Herstellung sowie der Vertrieb von Medienerzeugnissen beziehen sich auf die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Gegenständen. Deshalb soll nachfolgend ein Überblick gegeben werden über die Grundsätze des urheberrechtlichen Werk- und Leistungsschutzes sowie des Marken- und Kennzeichenschutzes (dazu unter § 12), die speziell bei der Herstellung von Medienerzeugnissen zu beachtenden Rechtsregeln (dazu unter § 13) sowie die Grundsätze über den Vertrieb von Medienerzeugnissen (dazu unter § 14) nebst dem Regeln für die Werbung (dazu unter § 15).
§ 12 Urheber- und Markenrechtsschutz
Literatur Berlit, Markenrecht, 7. Auflage 2007; Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Auflage 2008; Fezer, Markenrecht, 4. Auflage 2008; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage 2008; v. Hartlieb/Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 4. Auflage 2004; Hildebrandt, Marken und andere Kennzeichen, 2006; Ingerl/Rohnke, Markengesetz,
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§ 12 Urheber- und Markenrechtsschutz
2. Auflage 2003; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2006; Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006; Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft, 6. Auflage 2003; Rehbinder, Urheberrecht, 15. Auflage 2008; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007; Schricker (Hrsg.), Urheberrecht, 3. Auflage 2006; Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 3. Auflage 2009.
619 Die Medienschaffenden haben Anspruch auf den Schutz ihrer Leistungen. Der Kulturschaffende soll den Schutz seiner ideellen Interessen und einen gerechten Lohn für seine schöpferische Leistung erhalten bzw. die nicht selten erheblichen Investitionen für die Herstellung von Medienerzeugnissen amortisieren können.1 Diesem Schutz des “geistigen Eigentums” dient das Urheberrecht. Darüber hinaus gewährt auch das Marken- und Kennzeichenrecht einen Schutz der Interessen des Medienschaffenden. Die nachfolgenden Darlegungen beschränken sich auf exemplarische Ausführungen zu den wichtigsten Rechtsfragen des Urheber- und Marken-/Kennzeichenschutzes für Medienschaffende und Medienerzeugnisse. Dabei geht es zunächst darum, diejenigen Rechtsgrundlagen zu behandeln, nach denen das Urheberrecht Schutz für die im Medienschaffen erbrachten schöpferischen Leistungen gewährt, einschließlich eines Überblicks über die urhebervertraglichen Grundlagen des Medienschaffens (dazu unter A.). Anschließend werden die Grundlagen der urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte (dazu unter B.) sowie in das Recht der Verwertungsgesellschaften im Massenkommunikationsgeschehen (dazu unter C.) behandelt. Der Marken- und Kennzeichenschutz wird unter D. dargestellt.
A. Urheberrechtlicher Werkschutz des Medienschaffens 620 Der urheberrechtliche Schutz medialen Schaffens unterteilt sich nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) in den Werkschutz, der persönlichen geistigen Schöpfungen der Literatur, Wissenschaft und Kunst zuteil wird,2 und den Schutz kulturvermittelnder Leistungen, den im Urheberrecht künstlerische Leistungen der Interpreten sowie unternehmerische Leistungen organisatorisch-technischer Art von Veranstaltern, Tonträgerherstellern, Sendeunternehmen und Filmherstellern durch Zuerkennung sog. verwandter Schutzrechte finden.3 Wegen ihrer Bedeutung für die mediale Vermittlung fremder urheberschutzfähiger Werke steht im Medienzeitalter nach verbreiteter Anschauung weniger der Komponist, der Texter oder der Drehbuchautor als kulturschaffender Urheber, sondern der Musiker, der Schauspieler, der Sänger, der Dirigent oder Tänzer als kulturvermittelnder Interpret im Mittelpunkt des Medieninteresses. Inhalt und Schranken des Urheberrechts sind von den verwandten Schutzrechten nach dem Urheberrechtsgesetz zu unterscheiden.
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Zur Funktion des Urheberrechts vgl. BGHZ 17, S. 266, 278 – Grundig Reporter. Vgl. §§ 1, 2 UrhG; dazu unter Rn. 621 ff. Vgl. §§ 70 – 87, 94 und 95 UrhG; dazu unter Rn. 661 ff.
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I. Schutzgegenstand Urheberrechtlicher Schutz kommt nach §§ 1, 2 UrhG Werken zu, die nach § 2 621 Abs. 2 UrhG als “persönliche geistige Schöpfungen” zu charakterisieren sind. Diese Charakterisierung setzt voraus, dass ein geistiger Inhalt in einer bestimmten Form individuellen Ausdruck gefunden hat. Eine bestimmte qualitative “Gestaltungshöhe”, die über die eigenschöpferische Ausdruckskraft hinausgeht, lässt sich nach der neueren gesetzlichen Entwicklung des Urheberrechts und in der damit vollzogenen Abkehr vom traditionell hehren kulturellen Verständnis des Urheberrechts nicht mehr als urheberrechtliche Schutzvoraussetzung aufrecht erhalten. 4 Nach heutiger Auffassung genügt “ein bescheideneres Maß geistig schöpferischer Tätigkeit”, um urheberrechtlichen Werkschutz beanspruchen zu können.5 Auch persönliche geistige Schöpfungen, die nur ein Minimum an Individualität aufweisen, können als sog. kleine Münze urheberrechtlichen Schutz genießen.6 Allerdings sind die Maßstäbe nicht für alle Werkarten gleich. Bei Werken der angewandten Kunst ist vor dem Hintergrund, dass für Erzeugnisse ohne besondere Gestaltungshöhe der spezialgesetzliche Geschmacksmusterschutz zur Verfügung steht, ein strengerer Schutzmaßstab gerechtfertigt, weil der Schutz der kleinen Münze insofern bereits über den Geschmacksmusterschutz erreicht wird.7 Im Bereich der Literatur ist die Schutzfähigkeit der kleinen Münze seit jeher umstritten,8 aber auch in anderen Bereichen legt die Rechtsprechung mitunter strengere Maßstäbe an die urheberrechtliche Schutzfähigkeit an.9 Journalistische Berichte aus den Bereichen des Zeitgeschehens, die massemedial aufbereitet werden, haben regelmäßig urheberrechtlichen Werkcharakter, weil sie Nachrichten mit Zusatz- und Hintergrundinformationen anreichern bzw. auf andere Art und Weise eine individuell geprägte Darstellung erreichen.10 Die Aufzählung der in § 2 Abs. 1 UrhG erwähnten Werkarten ist nicht ab- 622 schließend gemeint, sondern hat schon nach ihrem Wortlaut (“insbesondere”) beispielhaften Charakter und ermöglicht somit eine Anpassung an die sich ändernde und fortschreitende technische und kulturelle Entwicklung. Den klassischen Gegenstand des Urheberrechts bilden seit je her die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG ange4
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§ 69a Abs. 3 UrhG, der seinerseits auf der EG-Richtlinie 91/250/EWG beruht, hat den Urheberschutz richtungsweisend von entsprechenden qualitativen Kriterien gelöst; vgl. näher Schricker, in: Festschrift für Kreile, 1994, S. 715 ff.; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 154. BGHZ 116, S. 136, 144 – Leitsätze. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 261. Kritisch dazu aufgrund der Geschmacksmusterrechtsreform von 2004 sowie der europäischen Rechtsentwicklung Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht, 3. Auflage 2006, § 2 Rn. 33, 157. Dazu Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 264 f. So beispielsweise BGH, GRUR 1981, S. 352 – Staatsexamensarbeit (für wissenschaftliche Werke) oder BGH, GRUR 1986, S. 739 ff. – Anwaltsschriftssatz. BGH, GRUR 1997, S. 459, 460 f. – CB-infobank I; Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht, 3. Auflage 2006, § 2 Rn. 116.
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führten Sprachwerke. Damit kommt es für den kraft Gesetzes bestehenden Schutz, wie der Hinweis in der Bestimmung auf Schriftwerke und Reden belegt, allein auf die sprachlichen Ausdrucksmittel, nicht aber auf die schriftliche Fixierung des Werkes an. Zu den Sprachwerken gehören deshalb nicht nur belletristische und wissenschaftliche Bücher, Zeitschriftenaufsätze, Drehbücher und Libretti, sondern auch Reden und Rundfunkkommentare. Besonderheiten gelten für Computerprogramme, die seit der Gesetzesnovelle 623 von 1985 im Zusammenhang mit dem Begriff der Sprachwerke in § 2 Abs.1 Nr. 1 UrhG genannt werden. Der BGH hatte ursprünglich den urheberrechtlichen Schutz für Computerprogramme nur unter engen Voraussetzungen gewährt, indem er die Anforderungen an die für erforderlich gehaltene Schöpfungshöhe hoch ansiedelte.11 Im Ergebnis war damit die überwiegende Vielzahl von Computerprogrammen weitgehend ungeschützt12 und insofern ein - angesichts der zum Teil erheblichen Produktionskosten und leichten Kopierbarkeit - kaum haltbarer Zustand gegeben. Mit der 1993 erfolgten Einführung des § 69a Abs. 3 UrhG, der im Zuge der Umsetzung der EG-Richtlinie von 1991 über den Schutz von Computerprogrammen13 in das deutsche UrhG eingefügt wurde, ist das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe entfallen. Seither werden Computerprogramme geschützt, wenn sie “individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers sind”, § 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG.14 Die dem Urheber zustehenden Rechte sowie deren Beschränkung, die Folgen von Rechtsverletzungen sowie die Besonderheiten für Urheber von Computerprogrammen in Arbeits- bzw. Dienstverhältnissen regeln die §§ 69b – g UrhG. Musik im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG ist eine komponierte Folge von Tö624 nen, die dem Hörer ein akustisches Erlebnis vermitteln sollen, ohne Rücksicht darauf, auf welche Art und Weise die Töne erzeugt werden. Dementsprechend weit ist der Kreis der urheberschutzfähigen Musikwerke, der Opern und Sinfonien, Chansons und Popmusik, E-Musik und U-Musik, ja selbst die Hintergrundmusik in Kaufhäusern und Einkaufszentren umfasst, zumal es auf einen wie auch immer gearteten künstlerischen Wert nicht ankommt.15 Die künstlerische Fotografie wird als Lichtbildwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 625 UrhG geschützt. Im Unterschied zu den einfachen Lichtbildern, für die die Bestimmungen über Lichtbildwerke nach § 72 Abs. 1 UrhG entsprechend gelten, zeichnen sich Lichtbildwerke durch eine künstlerische Bildgestaltung aus.16 Die 11
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BGHZ 94, S. 276, 282 – Inkasso-Programm (Programme, die das handwerksmäßige Können eines Durchschnittsprogrammierers übersteigen). Mangels Patentierbarkeit (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 PatG) gab es Schutz nur im Rahmen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach § 1 UWG. Richtlinie 91/259/EWG vom 14.5.1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABlEG Nr. L 122, S. 42; dazu Iliopoulos, in: Paschke, Europäisches Privatrecht, 1998, S. 425 ff. Andere Kriterien dürfen zur Bestimmung der Schutzfähigkeit nach Satz 2 derselben Bestimmung nicht herangezogen werden; vgl. schon oben Rn. 621 ff. BGH, GRUR 1981, S. 267, 268 – Dirlada. Z.B. OLG Koblenz, GRUR 1987, S. 435 – Verfremdete Fotos.
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Abgrenzung von einfachen Lichtbildern und Lichtbildwerken ist regelmäßig nicht erheblich; allerdings kann der Inhalt des Lichtbildschutzes im Hinblick auf die nur entsprechende Anwendung der Urheberschutzregeln nach § 72 Abs. 1 UrhG hinter dem der Lichtbildwerke partiell zurückstehen.17 Einzelne Fernseh-, Film- und Videobilder sind ungeachtet ihrer unterschiedlichen technischen Herstellung als Lichtbildwerk geschützt, wenn sie die erforderliche individuelle Gestaltung aufweisen.18 Filmwerke genießen als eigenständige Werkart Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG. Nicht ausdrücklich genannte, aber vom nicht abschließenden Katalog der ge- 626 schützten Werke in § 2 UrhG dennoch erfasste Schöpfungen bilden die sog. Multimediawerke. Ihr Charakteristikum liegt in der digitalen Speicherung von Daten, durch die werkartenübergreifend Sprache, Computerprogramme, stehende oder laufende Bilder und Ton zu einer Einheit verschmolzen werden. Über den in entsprechender Anwendung geltenden Schutz durch die für Filmwerke geltenden Vorschriften der §§ 88 ff. UrhG hinaus können Multimediawerke, wie z.B. Computerspiele, wegen ihrer Komplexität urheberrechtlichen Werkschutz beanspruchen.19 II. Schutzinhaber “Urheber ist der Schöpfer des Werkes”, bestimmt § 7 UrhG apodiktisch. Im Un- 627 terschied etwa zum anglo-amerikanischen Copyright-Prinzip, das zwischen dem “creator” und dem “author” differenziert, beruht das deutsche Urheberrecht auf dem sog. Schöpferprinzip, das das Urheberrecht mit dem Schöpfungsakt unmittelbar in der Person entstehen lässt, die das Werk geschaffen hat. Urheber kann in dieser Konzeption ausschließlich eine natürliche und keinesfalls eine juristische Person sein. Leistungsschutzrechte, die eine organisatorisch-technische Leistung etwa von Tonträgerherstellern oder Sendeunternehmen belohnen, stehen dagegen dem Unternehmensträger, also regelmäßig der Produktionsfirma als juristischer Personen originär zu.20 Aus dem Schöpferprinzip folgt, dass nicht nur der freischaffende Künstler, 628 sondern auch der Arbeitnehmer, der im Beschäftigungsverhältnis Werke schafft, selbst Urheber der von ihm geschaffenen Werke ist und sein Arbeitgeber auf den derivativen vertraglichen Erwerb von Nutzungsrechten angewiesen ist.21 Diese Konzeption ist vielfach kritisiert worden, weil sie angeblich den wirtschaftlichen Realitäten der Schaffensleistung in organisierten, den Schaffensprozess steuernden und beherrschenden Unternehmen nicht gerecht werde.22 Das im deutschen UrhG 17 18 19
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Vgl. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 643. BGHZ 37, S. 1, 6 – AKI. Vgl. Nordemann, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage 2008, § 2 Rn. 92; Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht, 3. Auflage 2006, § 2 Rn. 76. Vgl. dazu gleich unter Rn. 661 ff. Vgl. auch §§ 43, 79 UrhG. Vgl. auf der Maur, UFITA 118 (1992), S. 87 ff.; Frey, UFITA 98 (1984), S. 53 ff.
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realisierte Schöpferprinzip stellt aber auf die schöpferische Leistung des einzelnen ab, dessen individuelle Leistung auch nicht dadurch gemindert oder relativiert wird, dass er in einen arbeitsteilig organisierten Schaffens- und Produktionsprozess eintritt.23 Dass damit auch der modernen Lebenswirklichkeit Rechnung getragen werden kann, zeigt die Regelung des § 69b UrhG für den Bereich der im Arbeitsverhältnis erstellten Computerprogramme, die eine cessio legis “aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm” an den Arbeitgeber vorsieht, aber an der Urheberschaft des Arbeitnehmer-Schöpfers festhält. Aus § 43 UrhG folgt für Arbeitnehmer die vertragliche Verpflichtung zur Einräumung von Nutzungsrechten.24 Arbeitnehmer in diesem Sinne ist, wer einem fremden Organisationsbereich eingegliedert ist und weisungsabhängige Arbeit leistet.25 Freie Mitarbeiter, die bei aller persönlichen Freiheit wirtschaftlich von bestimmten Medienunternehmen abhängig sind, sind nur arbeitnehmerähnliche Personen und als solche, um ihres urheberrechtlichen Schutzes willen, nicht in den Anwendungsbereich des den Arbeitgeber begünstigenden § 43 UrhG einbezogen.26 Gemeinsam geschaffene Werke begründen Miturheberschaft der mehreren 629 Schöpfer nach § 8 UrhG, wenn sich ihre Anteile nicht gesondert verwerten lassen. An dem einen Werk besteht dann auch nur ein Urheberrecht, das den Miturhebern rechtsgemeinschaftlich zusteht. Bei dieser Miturhebergemeinschaft handelt es sich um eine besondere urheberrechtliche Gesamthandsgemeinschaft, die das Veröffentlichungs- und Verwertungsrecht betrifft. Über die Verwertung ihres Werkes können die Miturheber deshalb nur einstimmig entscheiden, §§ 709, 714 BGB. Die Nutzungserträge stehen den Miturhebern nicht nach Kopfteilen, sondern “nach dem Umfang ihrer Mitwirkung an der Schöpfung des Werkes” zu, § 8 Abs. 3 UrhG. Bearbeitung vorbestehender Werke, welche die umgearbeiteten Werke in ihrem individuellen Charakter erkennbar belassen, können ihrerseits Urheberschutz beanspruchen, wenn die Umarbeitung selbst eine schöpferische Leistung aufweist.27 Das Urheberrecht am ursprünglichen Werk und das Bearbeitungsurheberrecht bestehen dann nebeneinander.28 III. Schutzinhalt 1. Urheberpersönlichkeitsrecht 630 Das Urheberrecht umfasst zunächst und vom Gesetzgeber in den §§ 12 - 14 UrhG an erster Stelle geregelt das sog. Urheberpersönlichkeitsrecht. Es schützt den Urheber – wie es in § 11 UrhG heißt – “in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk”. Die zentralen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnisse betreffen nach der nicht abschließenden gesetzlichen Regelung das Veröffentli23 24 25 26 27 28
Prägnant Schack, ZUM 1990, S. 61 ff. Dazu Rojahn, in: Schricker, Urheberrecht, 3. Auflage 2006, § 43 Rn. 38 ff. Vgl. Rojahn, a.a.O., § 43 UrhG Rn. 11 ff. Vgl. auch Rojahn, a.a.O., § 43 UrhG Rn. 18 m.w.N. Vgl. BGH ZUM 2000, S. 160 – Comic-Übersetzungen II. Vgl. näher Rehbinder, Urheberrecht, 15. Auflage 2008, Rn. 220.
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chungsrecht, das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft, das Recht auf Bestimmung der Urheberbezeichnung und den Integritätsschutz. Das Recht zu bestimmen, ob und auf welche Weise das Werk veröffentlicht wird, ist Inhalt des Veröffentlichungsrechts des Urhebers nach § 12 UrhG. Das Recht hat eine doppelte Schutzrichtung, weil es sowohl ideelle als auch vermögenswerte Interessen des Urhebers schützt. Die Entscheidung über die Veröffentlichungsreife seines Werkes trifft der Verfasser mit seinem “Imprimatur” auf dem korrigierten Exemplar der Druckfahnen, der Künstler regelmäßig damit, dass er das Original seines Werkes der bildenden Kunst veräußert (§ 44 Abs. 2 UrhG) und der Regisseur mit der Abnahme der Nullkopie des Filmes. Das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft nach § 13 UrhG gibt dem Urheber die Befugnis, sich gegen die Anmaßung der Urheberschaft durch einen Plagiator zu wehren, sowie die Befugnis dagegen vorzugehen, dass sein Werk unzutreffend einem anderen Urheber zugeschrieben wird. Das Recht wird ergänzt durch die Pflicht zur Quellenangabe nach § 63 UrhG, namentlich bei Zitaten aus einem fremden Werk. Das Recht zur Bestimmung der Urheberbezeichnung umfasst nach § 13 Satz 2 UrhG das Recht des Urhebers darüber zu entscheiden, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Das UrhG sichert damit sowohl das Recht auf Anonymität als auch das Recht, unter dem bürgerlichen Namen, einem Künstlernamen oder einem Pseudonym als Urheber in Erscheinung zu treten. Der Integritätsschutz des Urhebers wird nach § 14 UrhG in solchen Fällen der Beeinträchtigung des Werkes gewährleistet, die geeignet sind, ideelle Interessen des Urhebers, die sich nach Abwägung mit gegenläufigen Interessen Dritter als berechtigt erweisen, zu gefährden. Beeinträchtigungen in diesem Sinne kommen in verschiedener Weise vor. Dazu gehören Verstümmelungen, Übermalungen, Kürzung von Sprachwerken oder Filmen bzw. Tendenzänderungen.29 Integritätsschutz wird vom Urheberrecht nur gewährt, wenn die Beeinträchtigung zur Gefährdung geistiger oder persönlicher Interessen des Urhebers geeignet ist. Diese Eignung wird in den Fällen objektiver Wertbeeinträchtigungen indiziert. Die nach § 14 UrhG ferner gebotene Prüfung der Frage, ob ein Schutz berechtigter Urheberinteressen vorliegt, macht eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich. Abzuwägen ist das Integritätsinteresse des Urhebers mit dem Verwertungsinteresse eines Nutzungsberechtigten. Prägnant ist nicht nur der Interessengegensatz von Architekt und Bauwerkeigentümer. Vergleichbare Konflikte gibt es auch im medienrechtlichen Zusammenhang. Ein Zeitungsverleger darf danach wohl Artikel und Leserbriefe kürzen, diese jedoch nicht sinnverdrehend ändern. Eine wichtige Orientierungshilfe für die Abwägungsentscheidung bietet § 39 Abs. 2 UrhG, der dem Nutzungsberechtigten dem Vertragszweck entsprechende, sog. werkrealisierende Änderungen gestattet. Bearbeitungen und andere Umgestaltungen des Werkes (z.B. Übersetzungen, Verfilmungen, Dramatisierungen) dürfen nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten Werkes veröffentlicht und verwertet werden, § 23 UrhG. Dieses sog. 29
BGHZ 55, S. 1 ff. – Maske in Blau.
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Bearbeitungsrecht, eine Bearbeitung zu erlauben, das den Urheber in der Verwertung seines Werkes schützt, ist vom Bearbeiterurheberrecht des § 3 UrhG zu unterscheiden, das den Urheber der Bearbeitung schützt. Von den Werkbearbeitungen ist außerdem die freie Benutzung eines fremden Werkes zu unterscheiden. Ein in freier Benutzung geschaffenes Werk darf der Urheber veröffentlichen und verwerten, ohne die Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes einholen zu müssen, § 24 UrhG. Frei ist die Benutzung nur, wenn “angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten Werkes verblassen.”30 In diesem Rahmen der freien Benutzung sind etwa Parodien ohne Zustimmung des Parodierten erlaubt.31 Besonderheiten gelten für den Integritätsschutz der Urheber eines Filmwerkes. 636 Bei der Herstellung eines Filmwerkes sind Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts der Mitwirkenden etwa beim Schnitt oder infolge von Auflagen der Freiwilligen Selbstkontrolle Filmwirtschaft (FSK32) kaum zu vermeiden. § 93 UrhG beschränkt deshalb den ihnen zustehende Integritätsschutz nach §§ 14 und 75 UrhG auf “gröbliche Entstellungen oder andere gröbliche Beeinträchtigungen ihrer Werke und Leistungen”. Diese können beispielsweise durch Kolorierung von Schwarz-Weiß-Filmen, gravierende Laufzeitänderungen infolge von Cuts oder nicht genehmigte Einblendungen von Untertiteln gegeben sein. Anerkannt ist, dass auch Werbeunterbrechungen eine Wirkung haben können, die als gröbliche Entstellung zu werten ist.33 Schließlich gehört das Zugangsrecht des § 25 UrhG zu den Urheberpersönlich637 keitsrechten. Es gibt dem Urheber gegen den Besitzer des Originals oder eines Vervielfältigungsstückes seines Werkes den Anspruch, ihm dieses zur Herstellung von Vervielfältigungsstücken oder Bearbeitungen zugänglich zu machen. 2. Verwertungsrechte 638 Während die Urheberpersönlichkeitsrechte die ideellen Interessen des Urhebers an seinem Werk schützen, geht es bei den Verwertungsrechten vor allem um die materiellen Interessen des Urhebers. In Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung in Art. 14 GG, wonach der Urheber an den wirtschaftlichen Früchten seines Werkes zu beteiligen ist,34 erstreckt sich das umfassende Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers darauf, sein Werk zu verwerten, § 15 Abs. 1 und 2 UrhG. Die in der Vorschrift beispielhaft aufgezählten Verwertungsrechte beruhen auf dem Grundgedanken, dem Urheber für jede Erweiterung der Öffentlichkeit eine erneute Möglichkeit der Entlohnung zu geben. Die wichtigsten anerkannten Verwertungsrechte sind in den §§ 16 – 22 UrhG beispielhaft genannt und geregelt. Das Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers erstreckt sich auf alle Verwertungsformen, auch solche, die keine gesetzliche Regelung gefunden haben 30 31 32 33 34
BGHZ 122, S. 53, 60 – Alcolix. Dazu näher Vinck, GRUR 1973, S. 251 ff. Vgl. dazu Rn. 1387 ff. Vgl. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 363. BVerfGE 31, S. 229, 24; 81, S. 208, 219 – Bob Dylan.
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und neu entstehen.35 Nach der gesetzlichen Systematik ist zwischen der Verwertung in körperlicher und der in unkörperlicher Form zu unterscheiden. a) Körperliche Verwertung Die wesentlichen körperlichen Verwertungsrechte sind das Vervielfältigungsrecht 639 (§ 16 UrhG) und das Verbreitungsrecht einschließlich des Vermietrechts (§ 17 UrhG).36 Das Verbreitungsrecht unterliegt der Erschöpfung, § 17 Abs. 2 UrhG. Dies bedeutet, dass das Original oder Vervielfältigungsstücke weiterverbreitet werden dürfen, wenn sie innerhalb der EU oder der EWR-Staaten rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind; eine Ausnahme von dieser kraft Gesetzes eintretenden Erschöpfung besteht in den Fällen des Vermietens. Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes 640 herzustellen. Eine Vervielfältigung setzt eine körperliche Festlegung voraus; in welchem Verfahren und in welcher Anzahl die Vervielfältigungsstücke hergestellt werden, ist dagegen nach § 16 Abs. 1 UrhG unerheblich. Besondere Aufmerksamkeit verlangen dabei die sich aus dem Phänomen der Digitalisierung ergebenden Herausforderungen für das Urheberrecht. Zunächst besteht gem. § 69d UrhG für Computerprogramme eine die Anwendung von § 16 ausschließende Sonderregelung, die aber auch nur für diese gilt. Daraus folgt, dass die Speicherung auf der Festplatte eines Computers, einer Diskette, auf Magnetband, CD, CD-ROM oder anderen Datenträgern eine grundsätzlich zustimmungspflichtige Vervielfältigung im Sinne des Urheberrechts darstellt.37 Entsprechendes gilt für das Scannen oder anderweitig erfolgende Digitalisierungen von Werken, mögen sie auch nur zu einer vorübergehenden Speicherung im Arbeitsspeicher eines PC führen.38 Die Online-Nutzung stellt regelmäßig eine Vervielfältigung dar, weil sie eine Zwischenspeicherung im Arbeitsspeicher erforderlich macht; erst recht gilt dies für einen Download aus dem Internet, während die bloße Widergabe auf dem Bildschirm für sich mangels Körperlichkeit noch keine Verwertungshandlung darstellt.39 Das Verbreitungsrecht wird in § 17 Abs. 1 UrhG als das Recht bezeichnet, das 641 Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Die Formulierung ist insofern missverständlich, als das Recht, das verkörperte Werk der Öffentlichkeit anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, bereits aus dem Recht des Eigentümers, mit seinem Eigentum grundsätzlich nach eigenem Belieben zu verfahren, aus § 903 BGB folgt. Der eigentliche Kern des ausschließlichen Verbreitungsrechts liegt daher vor allem in dem Recht, das Anbieten oder Inverkehrbringen eines Werkes verhindern bzw. 35 36
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Vgl. Rehbinder, Urheberrecht, 15. Auflage 2008, Rn. 295. Dem Ausstellungsrecht des § 18 UrhG kommt eine relativ geringere praktische Bedeutung zu; es soll insbesondere im Hinblick auf die modernen elektronischen Verwertungsmöglichkeiten gesetzlich neu geregelt werden; vgl. eingehend Beyer, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, 2000, S. 103 ff. Vgl. BGH, GRUR 1982, S. 102, 103 – Masterbänder. OLG Düsseldorf, GRUR 1997, S. 75. BGH, NJW 1991, S. 1231.
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von der Zustimmung des Urhebers abhängig machen zu können. Häufig räumt der Urheber das Vervielfältigungs- und das Verbreitungsrecht zusammen einem einzigen Verwerter ein - so z.B. im Fall des Verlagsrechts nach § 8 VerlG - mit der Folge, dass eine selbständige Bedeutung des Verbreitungsrechts in erster Linie in rechtssystematischer Hinsicht besteht. Über Beschränkungen des Verbreitungsrechts – etwa in geographischer Hinsicht – kann der Urheber allerdings die Verbreitung seines Werkes unter Vermeidung der Erschöpfung des Rechts und damit ökonomisch effizient steuern. § 17 UrhG regelt nur die Verbreitung körperlicher Werkstücke, lässt also die unkörperliche Online-Verwertung unberührt. Diese Schutzlücke schließt die im Zuge der Urheberrechtsreform von 2003 eingeführte Vorschrift des § 19a UrhG. Sie statuiert ein neues, auf die Internetnutzung zugeschnittenes Verwertungsrecht der „öffentlichen Zugänglichmachung“. Es gewährt ein Ausschließlichkeitsrecht hinsichtlich des Bereitstellens von Werken zum interaktiven Abruf.40 Damit wird nun auch diese unkörperliche Form der Verwendung als urheberrechtliche Verwertungshandlung erfasst.41 Das Vermietrecht ist Bestandteil des Verbreitungsrechts, beansprucht aber vor 642 allem deshalb rechtlich selbständige Betrachtung, weil es gemäß §§ 17 Abs. 2, 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG nicht der Erschöpfung unterliegt. Das Vermietrecht wurde aufgrund einer europäischen Richtlinie42 europaweit eingeführt und hat im deutschen Urheberrechtsgesetz seinen Niederschlag in § 17 Abs. 3 UrhG gefunden. Die Sonderregelung des Vermietrechts ist vor dem Hintergrund der beträchtlichen wirtschaftlichen Bedeutung der Vermietung von Bild- und Tonträgern durch Videotheken zu sehen. Abgesehen von der technisch häufig einfachen Möglichkeit des Duplizierens des geschützten Gutes durch den Mieter war die Sonderregelung auch deswegen veranlasst, weil die Vermietung einen wirtschaftlichen Kern des geschützten Guts ausmacht und das ausschließliche Vermietrecht gewährleisten soll, dass der Urheber auch dafür angemessen entlohnt werden kann, dass dasselbe Werkexemplar von einem größeren Personenkreis genutzt wird. Dafür räumt das Gesetz dem Urheber in § 27 Abs. 1 UrhG einen unverzichtbaren gesetzlichen Vergütungsanspruch gegen den Vermieter auch dann noch ein, wenn der Urheber das Vermietrecht dem Bild- oder Tonträgerhersteller einräumt. Der Erschöpfungsgrundsatz ist die urheberrechtliche Reaktion auf den Um643 stand, dass das ausschließliche Verbreitungsrecht grundsätzlich auch das Weiterverbreitungsrecht einschließt. Dieses würde den Handel mit Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke massiv stören und die Verkehrsfähigkeit von Werkexemplaren beeinträchtigen können. Die auf dem international üblichen Erschöpfungsgrundsatz beruhenden Rechtsregeln der §§ 17 Abs. 2, 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG schränkt daher das Verbreitungsrecht des Urhebers im Interesse des Schutzes der Warenverkehrsfreiheit ein. Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts tritt ein, wenn (und weil) der Urheber beim erstmaligen Inverkehrbringen der 40 41
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Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar, 3. Auflage 2009, § 19a Rn. 1. Vgl. zum Anwendungsbereich des § 19a UrhG Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 19a Rn. 12 ff. Richtlinie 91/100/EWG vom 19.11.1992, ABlEG L 346, S. 61; vgl. dazu v.Lewinski, ZUM 1995, S. 442 ff.
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Werkexemplare Gelegenheit gehabt hat, seine Interessen zur Geltung zu bringen, also insbesondere eine Vergütung für die Einräumung des Verbreitungsrechts zu vereinbaren, die die späteren Veräußerungsfälle mitberücksichtigt. Darin liegt der Sinn der Formulierung in §§ 17 Abs. 2 und 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG, das erstmalige Inverkehrbringen der Werkexemplare müsse rechtmäßig, nämlich “mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten” und “im Wege der Veräußerung” erfolgt sein. Wie bereits angedeutet, lässt sich über eine gemäß § 31 Abs. 1 S. 2 UrhG zulässige Beschränkung des Nutzungsrechts eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts vermeiden.43 Dabei spielt insbesondere die geographische Beschränkung des Verbreitungsrechts eine praktisch bedeutsame Rolle. Die auf diese Weise erreichbare Abschottung nationaler Märkte wird zwar innerhalb der EU und des EWR wegen der Geltung der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EGV im Binnenmarkt nicht akzeptiert.44 Eine weltweite Erschöpfung sieht das Urheberrecht dagegen nicht vor, so dass ein Urheber, der das Verbreitungsrecht unter geographischer Beschränkung auf das nichteuropäische Ausland einräumt, den Import der dort in Verkehr gebrachten Werkexemplare untersagen kann.45 b) Unkörperliche Verwertung Das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG), das Recht auf 644 öffentliche Zugänglichmachung (§19a UrhG)46 sowie das Senderecht (§§ 20, 20a, 20b UrhG) sind Ausdruck der urheberrechtlichen Verwertungsrechte in unkörperlicher Form. Zu den genannten Erstverwertungsrechten gesellen sich die sog. Zweitverwertungsrechte, die erst ausgeübt werden können, nachdem eine andere Verwertungsform vorgenommen wurde. So muss beim Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21 UrhG) dieser Träger zunächst hergestellt, das Werk also vervielfältigt worden sein, und das Recht zur Wiedergabe von Funksendungen (§ 22 UrhG) kann erst ausgeübt werden, wenn zuvor vom Senderecht Gebrauch gemacht worden ist. Jedes dieser Verwertungsrechte setzt die Öffentlichkeit der Wiedergabe voraus. Diese ist nach § 15 Abs. 3 UrhG gegeben, wenn die Wiedergabe für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist und diese nicht untereinander oder mit dem Veranstalter persönlich verbunden sind. Die Verwertung in der privaten Sphäre gehört nicht dazu,47 während private Veranstaltungen, zu denen auch Gäste Zutritt haben, öffentlichen Charakter im Sinne des § 15 UrhG haben.48 43
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45 46 47
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A.A. Heerma, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar, 3. Auflage 2009, § 17 UrhG Rn. 21. Grundlegend bereits EuGHE 1971, S. 487 – Polydor; der Urheber wird daher bestrebt sein, die europaweite Erschöpfung bei der Verfügung über sein Verbreitungsrecht einzukalkulieren. Vgl. BGH, GRUR 1985; S. 924, 925 – Schallplattenimport II. Dazu auch bereits oben Rn. 641. BGH, GRUR 1996, S. 875, 876 f. – Zweibettzimmer im Krankenhaus; BGHZ 36, S. 171, 177 – Rundfunkempfang im Hotelzimmer. BGH, GRUR 1961, S. 97, 99 – Sportheim.
244
645
§ 12 Urheber- und Markenrechtsschutz
Das Senderecht ist das Recht, das Werk der Öffentlichkeit durch Funk zugänglich zu machen. Welche Technik angewendet wird, ist dabei gleichgültig. Eine Sonderregelung in § 20a UrhG hat aber die aufgrund europäischen Rechts eingeführte und als eigenständiges Recht ausgeprägte Europäische Satellitensendung erfahren. Das Ausstrahlen als urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung ist vom bloßen Empfang abzugrenzen. Abgrenzungsschwierigkeiten haben dabei die Fälle des Weiterleitens mittels Gemeinschaftsantennen empfangener Programme ausgelöst. Allgemein anerkannt ist insofern, dass die Einspeisung in ein mehrere Wohneinheiten umfassendes Netz innerhalb eines Hauses als bloßer Empfang und nicht als Fall des (Weiter-) Sendens anzusehen ist. Der BGH hat darüber hinaus dafür erkannt, dass dies auch der Fall sein könne, wenn mittels einer erweiterten Gemeinschaftsantenne benachbarte Häuser versorgt werden. Dies soll aber in Anwendung des urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes nur gelten, wenn lediglich eine Versorgungslücke geschlossen werde, die infolge einer Abschattung von Funksignalen durch benachbarte Häuser entstehe,49 während ein Fall des (Weiter-) Sendens gegeben ist, wenn über eine Zentralantenne eine Breitbandkabelanlage für ganze Ortschaften versorgt wird, die außerhalb des Versorgungsgebiets des betreffenden Rundfunkveranstalters liegt.50 Die Wiedergabe in abgegrenzten Verteilernetzen (z.B. Hotelvideoanlagen) stellt nach Auffassung des BGH dann einen Fall des (Weiter-) Sendens dar, wenn nicht nur die Antenne und das Kabelnetz betrieben werden, sondern der Betreiber auch die Empfangsgeräte zur Verfügung stellt.51 IV. Schutzschranken
646 Der Umfang des urheberrechtlichen Schutzes ergibt sich aus dem Zusammenspiel des soeben dargestellten Schutzinhalts mit den kraft Gesetzes bestehenden Schranken des Urheberrechts. Schranken des Urheberrechts bestehen in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht sowie, durch die Begrenzung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, auch in räumlicher Hinsicht. Zeitlich ist das Urheberrecht durch sein 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers eintretendes Erlöschen begrenzt, § 64 UrhG. Inhaltlich ist das Recht des Urhebers durch das Recht zum Zitieren beschränkt, § 51 UrhG. Kraft Gesetzes zulässig ist ferner die öffentliche Widergabe von Werken, wenn dafür niemand Geld erhält oder zu zahlen hat, § 52 UrhG. Zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch dürfen auch einzelne Vervielfältigungsstücke hergestellt werden, § 53 UrhG. Die Erstellung digitaler Privatkopien ist nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig. Technologische Schutzmechanismen dürfen dabei indes nicht umgangen werden (vgl. § 95a UrhG). Bis zum Inkrafttreten des zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft wurde die Zulässigkeit von Privatkopien insoweit beschränkt, als keine offensichtlich rechtwidrig hergestellten Vorlagen zur Vervielfältigung ver49 50 51
BGH, NJW 1982, S. 1042 – Kabelfernsehen in Abschattungsgebieten. BGH, NJW 1988, S. 1022 – Kabelfernsehen II. BGHZ 123, S. 149, 151 ff. – Verteileranlagen.
A. Urheberrechtlicher Werkschutz des Medienschaffens
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wendet werden durften. Daraus ergab sich hinsichtlich digitaler Privatkopien eine Schutzlücke, da die Formulierung den Download geschützter Dateien über Filesharing-Netzwerke nicht erfasste.52 Diesem Umstand hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass nunmehr nach § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG auch Privatkopien von Vorlagen zulässig sind, die offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht (d.h. zum Download bereitgestellt) wurden. Sofern nach der Art eines Werkes eine Vervielfältigung im Sinne von § 53 Abs. 1-3 zu erwarten steht, besteht grundsätzlich ein Vergütungsanspruch des Urhebers gegen den Hersteller von Geräten und Speichermedien, die zur Vornahme derartiger Vervielfältigungen benutzt werden (§ 54 UrhG). Zu den inhaltlichen Schranken des Urheberrechts gehört ferner das Recht, Werke an öffentlichen Plätzen wiederzugeben, § 59 UrhG, und bestellte Bildnisse durch Lichtbild zu vervielfältigen und entgeltlich zu verbreiten, § 60 UrhG. Schrankenregelungen finden sich zudem z.B. im Hinblick auf vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, § 44a UrhG, die Rechtspflege und die öffentliche Sicherheit, § 45 UrhG sowie die Verhinderung der Diskriminierung behinderter Menschen, § 45a UrhG. Weitere Schranken sind in den §§ 48, 49, 50, 55 und 57 UrhG zugunsten der 647 Medien vorgesehen. Sie verfolgen das Ziel, die öffentliche Berichterstattung nicht an urheberrechtlichen Befugnissen scheitern zu lassen. Deshalb ist es zulässig, Reden über Tagesfragen in Zeitungen, Zeitschriften und anderen Informationsblättern zu vervielfältigen und zu verbreiten, wenn die Reden in öffentlichen Versammlungen oder im Rundfunk gehalten worden sind, § 48 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Zulässig ist ferner die (vergütungspflichtige53) Vervielfältigung und Verbreitung einzelner Rundfunkkommentare und einzelner Artikel in anderen Zeitungen und aktuellen Informationsblättern sowie die öffentliche Wiedergabe solcher Kommentare und Artikel, wenn sie politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen betreffen, § 49 UrhG. Das daraus abzuleitende Nachdruckrecht besteht nur für Zeitungen im Sinne dieser Vorschriften. Dazu gehören sowohl als Berechtigte als auch als Verpflichtete nach umstrittener Auffassung Tageszeitungen, Anzeigenblätter und Sonntagszeitungen mit tagesaktueller Berichterstattung, nicht dagegen Publikumszeitschriften bzw. Wochenzeitungen,54 weil der Gesetzgeber gemeint hat, dass Zeitschriften, die neben tagesaktuellen Artikeln oft auch solche von “bleibender Bedeutung” veröffentlichen, gegen den Nachdruck geschützt sein sollten.55 Unabhängig davon kann der Nachdruck durch einen “Vorbehalt der Rechte” beschränkt werden. Der Vorbehalt entfaltet allerdings nur dann Wirksamkeit, wenn er an jedem einzelnen Artikel angebracht ist; der entsprechende Hinweis im Impressum reicht dafür nicht aus.56
52 53 54 55 56
Vgl. dazu Hoffmann, WRP 2006, S. 55 ff. Vgl. dazu sogleich Rn. 652. Vgl. nur Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 3.16 ff. Vgl. Amtl. Begründung, abgedruckt in: UFITA 45 (1965), S. 240, 282. Str.; wie hier Nordemann, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage 2008, § 49 Rn. 11; Melichar, in: Schricker, Urheberrecht, 3. Auflage 2006, § 49 Rn. 10; a.A. Berger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT UrhR Rn. 157.
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§ 12 Urheber- und Markenrechtsschutz
Umstritten ist, ob die Schutzschranke des § 49 Abs. 1 UrhG auf die von Unternehmen, Verbänden und Parteien herausgegebenen sog. Pressespiegel anwendbar ist.57 Dabei wird zu Unrecht in Zweifel gezogen, dass solche Pressespiegel Informationsblätter im Sinne der Vorschrift darstellen, weil eine zeitungsähnliche Aufmachung vom Gesetzgeber nicht vorausgesetzt wird.58 Auch mit dem Sinn und Zweck des Privilegs, einen Freiraum für die geistige Auseinandersetzung mit anderen Medien zu schaffen,59 erscheint die Herausgabe von Pressespiegeln gerechtfertigt, weil diese dem Leser die Möglichkeit geben, sich gezielt über den Meinungsstand zu bestimmten Themen zu unterrichten. Dieser Zweck wird aber dann verfehlt, wenn solche Pressespiegel kommerziell hergestellt und in Verfolgung kommerzieller Interessen vertrieben werden.60 Elektronische Pressespiegel dürfen ohne Rechteerwerb erstellt und verbreitet werden, sofern sie nur betriebsintern genutzt werden und zur Volltextrecherche nicht geeignet sind.61 Dem Autor der in den Pressespiegel eingestellten urheberrechtlich geschützten Artikel sichert § 49 Abs. 1 Satz 2 UrhG einen verwertungsgesellschaftspflichtigen Vergütungsanspruch. Zugunsten der Bild- und Tonberichterstattung in den Massenmedien Rundfunk, 649 Film und Tagespresse besteht wiederum im Interesse der Unterrichtung der Öffentlichkeit in einem durch den Zweck gebotenen Umfang Wiedergabefreiheit auch für geschützte Werke. Danach darf zwar nicht über das geschützte Werk selbst berichtet werden; die Wiedergabefreiheit besteht aber insofern, als das geschützte Werk im Rahmen der Berichterstattung über ein Tagesereignis wahrnehmbar wird. Kunstwerke im Rahmen der Berichterstattung von einer Ausstellungseröffnung62 oder die Übertragung der im Rahmen einer öffentlichen Feierstunde erklingenden Musik63 sind dafür sinnfällige Beispiele. Die Begrenzung durch den Berichterstattungszweck lässt es nicht zu, das gesamte Rahmenprogramm einer Veranstaltung zum Gegenstand der freien Berichterstattung zum machen;64 regelmäßig besteht das Privileg des § 50 UrhG nur für eine ausschnittweise Wiedergabe. § 55 UrhG enthält zugunsten von Rundfunkveranstaltern (Sendeunternehmen) 650 eine besondere Schrankenregelung, die es dem Inhaber des Senderechts erlaubt, eine Aufzeichnung zum Zwecke der einmaligen Ausstrahlung vorzunehmen. Damit reagiert der Gesetzgeber auf den Umstand, dass eine live-Ausstrahlung nur in Ausnahmefällen gewollt bzw. möglich sein wird. Die Aufzeichnungen sind nach 648
57
58 59 60
61
62 63 64
Vgl. z.B. Berger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT UrhR Rn. 155; eingehend Wild, AfP 1989, S. 701 ff. So Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 3.22 ff. Vgl. Amtl. Begründung, abgedruckt in: UFITA 45 (1965), S. 240, 282. Vgl. in diesem Sinn OLG Hamm, UFITA 96 (1983), S. 265; dagegen Melichar, in: Schricker, Urheberrecht, 3. Auflage 2006, § 49, Rn. 14. BGH, GRUR 2002, S. 963; BGH, K&R2005, S. 375; Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Auflage 2008, § 49 Rn. 20; Spindler, AfP 2006, S. 408. GHZ 85, S. 4 f. – Presseberichterstattung und Kunstwiedergabe I. Vgl. OLG Frankfurt, GRUR 1985, S. 380 – Operneröffnung. OLG Frankfurt, a.a.O.
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der ersten Ausstrahlung zu löschen, § 55 Abs. 1 Satz 2 UrhG. Eine Archivierungsbefugnis besteht deshalb grundsätzlich nicht; sie ist nur ausnahmsweise nach § 55 Abs. 2 UrhG möglich. Als amtliches Archiv gelten danach die Archive der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, nicht aber die der privaten Rundfunkveranstalter.65 Neben den allgemeinen Schrankenregelungen der §§ 44a ff. UrhG enthalten die 651 §§ 69d, 69e und § 87c UrhG spezielle Schrankenregelungen im Zusammenhang mit Computerprogrammen und Datenbankwerken.66 V. Vergütungsansprüche In einer Vielzahl von Vorschriften weist das UrhG in seiner heutigen Fassung dem 652 Urheber kraft Gesetzes bestehende Vergütungsansprüche zu.67 Sie beruhen auf dem Grundgedanken, dass der Urheber mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlich geforderte (Art. 14 Abs. 2 GG) Sozialbindung des Urheberrechts be-stimmte Nutzungshandlungen nicht verbieten können darf, dass er dafür aber eine Entschädigung erhalten müsse.68 Damit ist die klassische Konzeption des ausschließlichen Urheberrechts, nach der allein der Urheber durch Ausübung seiner Ausschließlichkeitsrechte über die Nutzung des Werkes und die dabei zu beachtenden Bedingungen, insbesondere die Zahlung eines Lizenzbetrages, zu befinden hatte, im Laufe der Geschichte des modernen Urheberrechts nicht ohne kritische Begleitung in der Rechtswissenschaft eingeschränkt und sukzessive zugunsten der Einführung gesetzlicher Lizenzen verändert worden.69 Die Vergütungsansprüche lassen sich in folgender Weise skizzieren: Die größte 653 wirtschaftliche Bedeutung haben die verwertungsgesellschaftspflichtigen Vergütungsansprüche gegen die Hersteller, Betreiber, Importeure und Händler von zur Vervielfältigung von Werken, bestimmten Geräten70 und Leerkassetten nach den §§ 54 und 54a UrhG. Sie schaffen einen Ausgleich für die nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG erlaubte Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch. Eine “angemessene Vergütung” hat der Gesetzgeber den Urhebern in den Fällen der erlaubnisfreien Nutzung nach §§ 45a Abs. 2, 46 Abs. 4, 47 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 UrhG zuerkannt. Einen Vergütungsanspruch besonderer 65 66 67
68 69
70
Nordemann, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage 2008, § 55 Rn. 4. Vgl. dazu Melchiar, in: Schricker, Urheberrecht, 3. Auflage 2006, Vor §§ 44a Rn. 5a. Vgl. §§ 20b Abs. 2, 26, 27 Abs. 1 und 2, 46 Abs. 4, 47 Abs. 2, 49 Abs. 1, 52 Abs. 1, 54, 54a UrhG; vgl. ferner §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 2 und 3, 77, 85 Abs. 3 und 94 Abs. 4 UrhG. Vgl. nur Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 430 ff. Vgl. Dietz, Urheberrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 1978, Rn. 366; KrügerNieland, in: Festschrift für Oppenhoff, S. 175 ff.; Melichar, in: Schricker, Urheberrecht, 3. Auflage 2006, vor §§ 44a ff. Rn. 13 Z.B. Tonbandgeräte, Videorecorder, Fotokopiergeräte, Laserdrucker, Scanner, Telefaxgeräte; seit der Entscheidung der Schiedsstelle nach dem WahrnG beim Deutschen Patent- und Markenamt (ZUM 2000, S. 599 ff.) auch CD-Brenner; dazu Kröber, ZUM 2000, S. 545 ff.
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Art sieht § 26 Abs. 1 UrhG für den Urheber von Werken der bildenden Künste vor; mit dem sog. Folgerecht hat der Gesetzgeber eine Erlösbeteiligung des Urhebers an den Wertsteigerungen des von ihm geschaffenen Kunstwerks eingeführt, die im Interesse des Urhebers erforderlich ist, weil sein Verbreitungsrecht infolge der Veräußerung des Werkes erschöpft ist.71 § 27 Abs. 1 Satz 1 UrhG schafft einen unverzichtbaren Vergütungsanspruch des Urhebers gegen den Vermieter von Bildund Tonträgern. Als Bibliothekstantieme wird der in § 27 Abs. 2 UrhG geregelte Vergütungsanspruch gegen öffentliche Einrichtungen bezeichnet, die Originale oder Vervielfältigungsstücke von Werken verleihen. VI. Nutzungsrechte, Urhebervertragsrecht 654 Das Urheberrecht ist nach deutschem Recht zwar vererblich, § 28 Abs. 1 UrhG, aber nicht veräußerlich, § 29 Abs. 1 UrhG. Urheberrechtlicher Rechtsverkehr ist deshalb nur dadurch möglich, dass der Urheber einem Lizenznehmer vertragliche Nutzungsrechte einräumt, die dem Urheber selbst die Inhaberschaft am Urheberrecht und den Verwertungsrechten belassen; in der Person des Erwerbers begründen sie Nutzungsrechte, welche die entsprechenden Verwertungsrechte vollständig oder ausschnittweise umfassen. Inhalt und Umfang der Nutzungsrechte unterliegen den Regelungen des Urhebervertragsrechts. Dieses hat in den letzten Jahren durch mehrere Reformen deutliche Änderungen erfahren. Zunächst wurden mit dem „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“72 Regeln zur Vergütung der Einräumung von Nutzungsrechten eingeführt, die dem Urheber ein angemessenes Entgelt für die Nutzung des Werkes sichern sollen (vgl. insb. § 32 ff., 36 UrhG). Mit dem „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“73 wurde die europäische Multimedia-Richtlinie74 umgesetzt. Am 1.1.2008 trat mit dem „Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“75 eine umfangreiche Reform in Kraft. Sie verändert das Vertragsrecht insbesondere hinsichtlich der Übertragung von Nutzungsrechten für bislang unbekannte Nutzungsarten (vgl. §§ 31 a, 32 c, 36 UrhG).76 Das Urhebervertragsrecht beruht auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Ur655 heber und Lizenznehmer können in den Schranken des Urheberrechts die beiderseitigen Rechte und Pflichten frei vereinbaren. Im Lizenzvertrag zwischen dem Urheber und dem Lizenznehmer wird zunächst festgelegt, ob ein einfaches Nutzungsrecht, das lediglich zur Nutzung berechtigt, oder aber ein ausschließliches 71 72 73 74 75 76
Zum Folgerecht im europäischen Kontext vgl. Katzenberger, GRUR 1997, S. 309 ff. BGBl. I 2002, S. 1155 ff. BGBl. I 2003, S. 1774 ff. Richtlinie 2001/29/EG v. 22.05.2001 (ABl. L 167 v. 22.06.2001, S. 10 ff.). BGBl. I 2007, S. 2513 (sog. 2. Korb). Die jüngste Reform erfolgte schließlich durch das „Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums“ (BGBl. I 2008, S. 1191, ber. 2070.), welche aber keine Auswirkungen auf das Urhebervertragsrecht hatte.
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Nutzungsrecht eingeräumt wird, das zusätzlich dazu berechtigt, anderen die Nutzung zu verbieten, § 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG. An Beiträgen für Zeitungen erwirbt der Verlag in Ermangelung einer anderweitigen vertraglichen Regelung ein einfaches Nutzungsrecht, § 38 Abs. 3 UrhG; selbst wenn der Urheber ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, verbleibt ihm das Recht, den Beitrag sogleich nach Erscheinen anderweitig zu verwerten, sofern nichts Gegenteiliges vereinbart wurde, § 38 Abs. 3 Satz 2 UrhG. Nach der Urheberrechtsreform von 2008 können Nutzungsrechte auch für noch 656 unbekannte Nutzungsarten erteilt werden. Das frühere Verbot in § 31 Abs. 4 UrhG a.F. wurde aufgehoben. Dafür regelt der neu eingefügte § 31a UrhG die Verträge über unbekannte Nutzungsarten. Die alte Regelung erschwerte die Verwertung älterer Werke durch neue Nutzungsarten, oder verhinderte diese ganz, da ein Nacherwerb der Rechte für die neue Nutzungsart vom Urheber selbst oder von dessen Erben erforderlich war. Durch die Streichung der Regelung des § 31 Abs. 4 UrhG a.F. wurde nunmehr z.B. eine Verwertung von Archivmaterial in neuen Medien ermöglicht.77 Die Einräumung von Nutzungsrechten für noch unbekannte Nutzungsarten oder die Verpflichtung hierzu bedarf aber nach § 31 Abs. 1 UrhG der Schriftform, sofern es sich nicht um ein unentgeltliches einfaches Nutzungsrecht für jedermann handelt. Diese Ausnahme vom Schriftformerfordernis erfasst das sog. Open Content/Source (z.B. Wikipedia, Linux), das sich gerade durch die kostenlose Zurverfügungstellung für jedermann auszeichnet78. Die Interessen des Urhebers werden ferner durch ein Widerrufsrecht (§ 31a Abs. 1 S. 3 UrhG) und einen gesetzlichen Vergütungsanspruch (§ 32c UrhG) geschützt. Für Altverträge, in denen alle wesentlichen Nutzungsrechte räumlich und zeitlich uneingeschränkt eingeräumt werden, gelten gem. § 137l Abs. 1 UrhG auch die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannten Nutzungsrechte als eingeräumt, sofern der Urheber dieser Nutzung nicht widerspricht.79 Die Einräumung des Nutzungsrechts kann räumlich, zeitlich und inhaltlich be- 657 schränkt erfolgen, § 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG. Inhaltliche Beschränkungen sind uneingeschränkt möglich, soweit sie hinreichend bestimmt sind.80 Bei Schriftwerken werden dem Verleger neben dem Vervielfältigungs- und dem Verbreitungsrecht regelmäßig auch die sog. Nebenrechte eingeräumt, die etwa zur Rundfunksendung oder zur Theateraufführung berechtigen. Praktisch bedeutsam ist dabei die Einräumung der sog. Merchandising-Rechte, die die Nutzung des Werkes oder eines Teils davon als Ware ermöglichen.81 Die Nutzungsrechte sind grundsätzlich übertragbar; die Übertragung bedarf aber nach § 34 Abs. 1 UrhG grundsätzlich der Zustimmung des Urhebers, die dieser wiederum nach derselben Vorschrift nicht entgegen Treu und Glauben verweigern darf. Der Inhaber eines ausschließlichen 77 78 79 80
81
Vgl. dazu BT-Drs. 16/1828, S. 21 f. Vgl. BT-Drs. 16/5939, S. 44. Dazu Schmidt-Hern, ZUM 2008, S. 927 ff.. Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar, 3. Auflage 2009, § 31 Rn. 15; BGH, NJW-RR 1990, S. 1061 – Bibelreproduktion. Vgl. zur lizenz- bzw. agenturvertraglichen Regelungstypik Schertz, Merchandising, 1997, S. 163 ff.
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Nutzungsrechts kann mit Zustimmung des Urhebers auch Unterlizenzen einräumen, § 35 UrhG. Der Umfang der Rechtseinräumung ergibt sich in erster Linie aus dem Lizenz658 vertrag. Soweit eine ausdrückliche bzw. stillschweigende Vereinbarung nicht ermittelt werden kann, enthält § 31 Abs. 5 UrhG82 die wichtige Auslegungsregel der sog. Zweckübertragungstheorie. Danach bestimmt sich der Umfang des Nutzungsrechts nach dem von beiden Vertragsparteien zugrunde gelegten Vertragszweck, wenn die Nutzungsarten, auf die sich das Recht erstrecken soll, bei seiner Einräumung nicht einzeln bezeichnet wurden. Um die Feststellung von Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsrechte zu erleichtern, ist demnach eine genaue Bestimmung des Vertragszwecks durch die Parteien ratsam.83§ 32 UrhG stellt sicher, dass der Urheber für die Einräumung der Nutzungsrechte an seinem Werk eine angemessene Vergütung erhält. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung, § 32 Abs. 1 S. 1 UrhG. Fehlt eine entsprechende Vergütungsvereinbarung, so gilt die angemessene Vergütung als vereinbart, § 32 Abs. 1 S. 2 UrhG.84 § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG schließlich gewährt dem Urheber einen Anspruch auf Vertragsanpassung, wenn eine vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist. § 32a UrhG regelt einen im Voraus nicht verzichtbaren Anspruch des Urhebers 659 gegen den Lizenznehmer auf Vertragsänderung. Dieser Anspruch ist für die Fälle vorgesehen, in denen zwischen den Erträgen der Werkverwertung und der vereinbarten Vergütung unter Berücksichtigung der gesamten Vertragsbeziehungen ein auffälliges Missverhältnis entsteht. Wann ein solches auffälliges Missverhältnis besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Es soll jedenfalls dann gegeben sein, wenn die vereinbarte Vergütung um 100% oder mehr von dem abweicht, was als angemessene Vergütung anzusehen wäre.85 Ein Anspruch auf Vertragsanpassung entsteht beispielsweise dann, wenn sich ein Buch zum Bestseller entwickelt und diese Entwicklung in der ursprünglichen Vergütungsvereinbarung zwischen Urheber und Verlag nicht berücksichtigt wurde. Zu Recht wird die Regelung deshalb auch als „Bestsellerparagraph“ bezeichnet. Für Verträge über künftige Werke gelten die Regelungen des § 40 UrhG. Ein 660 sog. Rückrufsrecht, nämlich die Befugnis des Urhebers, das Nutzungsrecht zurückzurufen, besteht nach § 41 UrhG, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht nicht oder nur unzureichend ausnutzt und dadurch berechtigte Interessen des Urhebers verletzt werden. Dieses Recht schützt die persönlichkeitsrechtlichen, aber auch die wirtschaftlichen Belange des Urhebers. Es hat vor allem dann Bedeutung, wenn der Urheber das ausschließliche Nutzungsrecht ohne korrespondierende Nutzungspflicht des Lizenznehmers eingeräumt hat, weil dann dem Urheber ein Rücktritt vom Lizenzvertrag nach allgemeinen bürger82 83 84
85
Vgl. auch §§ 37, 44 und 88 Abs. 2 UrhG. Vgl. Meinke, ZAP Fach 16, 255 (Nr. 19 v. 08.10.2003). Zur Problematik der Vereinbarung einer unentgeltlichen Nutzung vgl. Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar, 3. Auflage 2009, § 32 Rn. 11. Vgl. Meinke, ZAP Fach 16, 255, 256 (Nr. 19 v. 08.10.2003); Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 32a Rn. 18 ff.
B. Urheberrechtliche Leistungsschutzrechte
251
lich-rechtlichen Vorschriften (§ 323 BGB) nicht möglich ist.86 § 42 UrhG gewährt darüber hinaus ein besonderes Rückrufsrecht, das es ihm ermöglicht, ein Nutzungsrecht zurückzurufen, wenn das Werk seiner Überzeugung nicht mehr entspricht und ihm deshalb die Verwertung nicht mehr zugemutet werden kann.87
B. Urheberrechtliche Leistungsschutzrechte Neben dem Urheberrecht kennt das UrhG als verwandte Schutzrechte die Leis- 661 tungsschutzrechte. Dabei handelt es sich um Rechte, die künstlerische Leistungen ausübender Künstler sowie unternehmerische Leistungen auf organisatorischtechnischem Gebiet schützen.88 Neben dem Schutz wissenschaftlicher Ausgaben und nachgelassener Werke (§§ 70, 71 UrhG) umfassen die Leistungs-schutzrechte den Schutz der Lichtbilder (§ 72 UrhG), der ausübenden Künstler (§§ 73 – 83 UrhG), des Veranstalters (§ 81 UrhG), des Herstellers von Tonträgern (§§ 85 f. UrhG), des Sendeunternehmens (§ 87 UrhG) und des Datenbankherstellers (§§ 87a – e UrhG). Der Filmhersteller genießt ein Leistungsschutzrecht nach § 94 UrhG, das zusammen mit anderen Vorschriften im Komplex der besonderen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes für Filmwerke (§§ 88 ff. UrhG) geregelt ist. Leistungsschutzrechte gewähren vor allem das Recht der Vervielfältigung und 662 Verbreitung von Vervielfältigungsstücken, teilweise auch das Recht der öffentlichen Wiedergabe bzw. des Wiedersendens. Seit der Novelle von 1995 beträgt die Schutzfrist grundsätzlich 50 Jahre.89 Bedeutung im Medienwesen hat zunächst der Schutz der sog. Lichtbilder nach 663 § 72 UrhG. Der leistungsschutzrechtliche Schutz besteht für sämtliche Fotografien, insbesondere auch dann, wenn sie nicht die künstlerische Qualität eines Lichtbildwerks im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG erreichen. Dagegen werden bloße Fotokopien sowie Vergrößerungen und Verkleinerungen nicht geschützt.90 Dabei kommt praktisch dem Vervielfältigungsrecht die größte Bedeutung zu, das die vollständige und unveränderte Übernahme des Fotos insgesamt oder auch charakteristischer Teile davon umfasst. Solange keine freie Benutzung im Sinne des § 24 UrhG vorliegt, wird auch die elektronische Bildbearbeitung als Vervielfältigung angesehen.91 Gleiches gilt für das Einscannen sowie für den Up- oder Download von Bildern.92 86 87 88
89
90 91 92
Vgl. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 560. Vgl. dazu Hirsch, in: Festschrift für Nipperdey I, 1965, S. 351 ff. Zum Schutzzweck der Leistungsschutzrechte vgl. BGHZ 120, S. S. 67, 70 – Filmhersteller. Nach 25 Jahren enden die Rechte betreffend wissenschaftlicher Ausgaben und nachgelassener Werke, §§ 70 Abs. 3, 71 Abs. 3 UrhG, bzw. der Schutz des Veranstalters, § 82 UrhG. BGH, NJW-RR 1990, S. 1061 – Bibelreproduktion. Vgl. Maaß, ZUM 1992, S. 340, 346. Thum, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar, 3. Auflage 2009, § 72 Rn. 21.
252
§ 12 Urheber- und Markenrechtsschutz
Der Hersteller eines Tonträgers hat nach § 85 Abs. 1 UrhG das ausschließliche Recht zu dessen Vervielfältigung und Verbreitung. Die über § 85 Abs. 4 UrhG entsprechend anwendbaren Regeln des § 27 Abs. 2 und 3 UrhG verschaffen dem Tonträgerhersteller einen Vergütungsanspruch in den Fällen des Vermietens und Verleihens. An der Vergütung des ausübenden Künstlers wird der Tonträgerhersteller nach Maßgabe des § 86 UrhG beteiligt. Sendeunternehmen steht nach § 87 UrhG, ungeachtet der Schutzfähigkeit des 665 Sendeguts, ein Katalog ausschließlicher Rechte zu. Er umfasst das Recht des Weitersendens, der Aufzeichnung einer Sendung, der Herstellung von Lichtbildern einer Fernsehsendung, das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung solcher Aufzeichnungen und Lichtbilder sowie das Recht der öffentlichen Wahrnehmbarmachung seiner Funksendungen an Stellen, die der Öffentlichkeit nur gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind. § 87b UrhG gewährt Datenbankherstellern auch für Datenbanken ohne Werk666 charakter das ausschließliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht sowie das Recht der öffentlichen Wiedergabe. Das Schutzrecht ist im Zuge der Umsetzung der Datenbank-Richtlinie der EU vom 11.3.199693 in das Gesetz eingefügt worden. Das Schutzrecht bezweckt, die für die Beschaffung, Überprüfung und Darstellung des Datenbankinhalts erforderlichen Investitionen zu schützen und die vom Werkschutz für Datenbanken als Schriftwerk oder Sammelwerk (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 UrhG) belassenen Schutzlücken zu schließen. Datenbank ist nach § 87a Abs. 1 UrhG eine Sammlung von Werken, Daten und anderen unabhängigen Elementen, wenn sie systematisch oder methodisch angeordnet sind, einzeln abgerufen werden können und eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordern. Sie kann als Online- oder Offline-Datenbank (z.B. CD-ROM) eingerichtet sein. Datenbankhersteller ist ohne Rücksicht darauf, wer die Datensammlung tatsächlich hergestellt hat, derjenige, der die Investition vorgenommen, also die wirtschaftliche Leistung erbracht hat, § 87a Abs. 2 UrhG. Das Schutzrecht umfasst die körperliche und unkörperliche Verwertung von Datenbanken. Schranken des Rechts ergeben sich aus der abschließend regelnden Schrankenbestimmung des § 87c UrhG. Sie privilegiert Vervielfältigungen, die einen wesentlichen Teil der Datenbank betreffen und – bei nichtelektronischen Datenbanken – zum privaten Gebrauch erfolgen bzw. – bei elektronischen Datenbanken – zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch oder für die Benutzung zur Veranschaulichung des Unterrichts erfolgen. Die Schutzdauer beträgt 15 Jahre ab Veröffentlichung der Datenbank. Die Sonderbestimmungen für Filme in den §§ 88 ff. UrhG sollen die ungestörte 667 Filmauswertung dadurch erleichtern, dass die zahlreichen Rechte, die regelmäßig in einem Film zusammentreffen, in der Hand des Produzenten zusammengeführt werden. Insbesondere werden die Rechte derjenigen eingeschränkt, die bei der Filmherstellung mitwirken (insbesondere Regisseur, Schauspieler, Kameraleute, Cutter, §§ 90 - 93 UrhG). § 94 UrhG gewährt dem Filmhersteller in Anlehnung an die Leistungsschutzrechte der Tonträgerhersteller und der Sendeunternehmen ein besonderes Leistungsschutzrecht, um auch insofern die Übernahme des wirtschaft664
93
ABlEG Nr. L 77, S. 20; in Deutschland umgesetzt durch Art. 7 des IuKDG.
C. Verwertungsgesellschaften im Medienurheberrecht
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lichen Risikos und der organisatorischen Tätigkeit zu honorieren.94 Das Leistungsschutzrecht des Filmherstellers umfasst das ausschließliche Recht, den Filmträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und zur öffentlichen Funksendung zu benutzen. Außerdem hat der Filmhersteller das Recht, jede Entstellung oder Kürzung des Bildträgers zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten Interessen an diesem zu gefährden. Die genannten Regelungen gelten unmittelbar nur für Filmwerke. Auf Filme, denen die Qualität einer persönlichen geistigen Schöpfung und deshalb die Werkqualität im Sinne des § 2 UrhG fehlt (sog. Laufbilder), finden die meisten Vorschriften allerdings nach § 95 UrhG entsprechende Anwendung.
C. Verwertungsgesellschaften im Medienurheberrecht Das materielle Urheberrecht und insbesondere seine ausschließlichen Verwer- 668 tungsrechte und gesetzlichen Vergütungsansprüche hat die Grundlage für die wirtschaftliche Gewährleistung des Urheberrechtsschutzes geschaffen. Das Urheberrechtswahrnehmensgesetz (WahrnG), die zentrale Rechtsgrundlage der Verwertungsgesellschaften, enthält die gesetzlichen Grundlagen für eine effiziente Verwirklichung der Ansprüche der Urheber und Inhaber von Leistungsschutzrechten. Der Blick auf die Vielzahl und Vielfalt etwa von Aufführungen musikalischer Werke zumal unter Berücksichtigung der heute immer bedeutender gewordenen internationalen Dimension zeigt, dass der einzelne Berechtigte in vielen Bereichen überfordert und nicht in der Lage ist, die ihm zustehenden Ansprüche durchzusetzen. Dies lässt sich sachgerecht und effizient nur im Rahmen eines organisierten, kollektiven Systems, einem System von Verwertungsgesellschaften realisieren. In Deutschland gibt es derzeit zwölf Verwertungsgesellschaften für die jeweils 669 aus ihrem Namen ersichtlichen, sich zum Teil überschneidenden Tätigkeitsbereiche:95 Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), die Verwertungsgesellschaft WORT (VG Wort), die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst), die Verwertungsgesellschaft Musikedition (VG Musikedition), die Verwertungsgesellschaft der Filmund Fernsehproduzenten (VFF), die Gesellschaft zur Wahrnehmung von Filmund Fernsehrechten (GWFF), die Verwertungsgesellschaft für Nutzungsrechte an Filmwerken (VGF), die Gesellschaft zur Übernahme und Wahrung von Filmaufführungsrechten (GÜFA), die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), die Urheberrechtsschutzgesellschaft für Filmhersteller und Filmverleiher (AGICOA), die VG Media Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen mbH und die VG Werbung + Musik. Die Aufgabe der Verwertungsgesellschaften besteht darin, die Rechte und An- 670 sprüche, die ihnen ihre Vertragspartner einräumen, gegenüber den Nutzern ihrer Werke und Leistungen treuhänderisch wahrzunehmen. Dazu schließen sie mit Ur94 95
Vgl. BGH, NJW 1993, S. 1470 – Filmhersteller. Vgl. näher Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 1155 ff.
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§ 12 Urheber- und Markenrechtsschutz
hebern und Inhabern verwandter Schutzrechte Wahrnehmungsverträge ab. Dabei handelt es sich um Rechte, bei denen “eine wirksame Wahrnehmung der Rechte und Ansprüche anders nicht möglich ist”, § 6 Abs. 1 WahrnG. Für die Geltendmachung der einzelnen verwertungsgesellschaftspflichtigen Vergütungsansprüche96 fehlt den Urhebern kraft Gesetzes die Aktivlegitimation. Bei anderen Ansprüchen wird eine individuelle Rechtewahrnehmung kaum in Betracht kommen. Regelmäßig räumt der Urheber der Verwertungsgesellschaft nicht nur Rechte an im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits geschaffenen Werken ein, sondern auch an solchen, die während der Vertragsdauer erst noch entstehen (sog. Vorausverfügung97). Infolge der Übertragung der Rechte zur Wahrnehmung bzw. Einziehung an eine Verwertungsgesellschaft kann der Urheber über diese selbst nicht mehr verfügen, sofern er nicht berechtigterweise einen Rückruf bestimmter Rechte vornimmt.98 Verwertungsgesellschaften unterliegen einem doppelten Kontrahierungszwang: 671 Gegenüber den Berechtigten besteht nach § 6 Abs. 1 WahrnG ein Wahrnehmungszwang und nach § 11 WahrnG besteht die Verpflichtung, jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen. Die Wahrnehmung der überlassenen Rechte und Ansprüche hat zu angemessenen Bedingungen zu erfolgen. Die Rechtseinräumung durch die Verwertungsgesellschaften geschieht deshalb auf der Grundlage von Gesamtverträgen im Sinne des § 12 WahrnG, die zwischen einer Verwertungsgesellschaft und einer Nutzervereinigung geschlossen werden, bzw. auf der Grundlage von Einzelverträgen, die auf der Grundlage der von den Verwertungsgesellschaften aufgestellten und im Bundesanzeiger veröffentlichten Tarifen abgeschlossen werden, § 13 Abs. 1 und 2 WahrnG. Streitigkeiten über die Angemessenheit der Tarife können vor der Schiedsstelle beim Deutschen Patentamt nach § 14 WahrnG ausgetragen werden. Die Ausschüttung der von den Verwertungsgesellschaften erzielten Überschüs672 se an die Wahrnehmungsberechtigten erfolgt aufgrund eines Verteilungsplanes im Sinne des § 7 WahrnG. Dieser strebt individuelle Verteilungsgerechtigkeit an, beruht aber aus Gründen praktischer Durchführbarkeitserfordernisse auf einem pauschalierenden Bewertungssystem. Die Verwertungsgesellschaften sind dabei gehalten, bestimmte Beträge für soziale Zwecke abzuzweigen, § 8 WahrnG. Die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften stellt eine nach §§ 1 – 5 WahrnG 673 erlaubnispflichtige Tätigkeit dar. Die Erlaubnis erteilt die Aufsichtsbehörde, das Patentamt, durch Verwaltungsakt im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt.99 Sie darf nur aus den in § 3 Abs. 1 WahrnG genannten Gründen versagt werden.
96 97 98 99
Vgl. §§ 27 Abs. 3, 49 Abs. 1 Satz 3, 54h Abs. 1 UrhG. Dazu Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 557. Vgl. oben Rn. 660. § 18 Abs. 3 WahrnG.
D. Marken- und Kennzeichenschutz
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D. Marken- und Kennzeichenschutz Das Medienerzeugnis wird als Werk des Medienschaffenden durch das Urheber- 674 recht geschützt. Dieser Schutz bezieht sich allein auf das Werk selbst. Darüber hinaus besteht ein im Markengesetz geregelter Marken- und Kennzeichenschutz. Dieser betrifft vor allem den Schutz von Werktiteln100 und von Marken101. Die Haftung des Medienanbieters für Kennzeichenrechtsverletzungen wird in § 16 behandelt. I. Titelschutz Während der Titel eines urheberrechtlich geschützten Werkes als Bestandteil des 675 Gesamtwerkes an dessen Schutz teilhaben kann102, ist ein urheberrechtlicher Schutz des Titels selbst als eigenständiges Werk mangels erforderlicher Originalität und Schöpfungshöhe zumeist nicht gegeben.103 Dabei kann durchaus ein Interesse an einem solchen, isolierten Schutz des Titels bestehen, etwa um zu verhindern, dass Dritte den Titel eines Werkes zur Bezeichnung ihrer eigenen Werke nutzen und damit eine Verwechselungsgefahr begründen. Kern eines solchen Schutzbedürfnisses ist weniger der Schutz des Titels als Produkt geistiger Schöpfung, als vielmehr ein Schutz des Titels als Mittel zur Unterscheidung eines Werkes von anderen. Der gebotene Schutz des Titels bezieht sich auf die Kennzeichenfunktion des Titels und betrifft damit um einen von Urheberschutz verschiedenen Schutzgegenstand.104 1. Entstehen des Titelschutzes Der kennzeichenrechtliche Titelschutz ist im Markengesetz normiert. Nach 676 § 5 Abs. 1 MarkenG werden Werktitel, wie auch Unternehmenskennzeichen, als geschäftliche Bezeichnungen im Sinne von § 1 Nr. 2 MarkenG geschützt. § 5 Abs. 3 MarkenG definiert den Begriff des Werktitels näher als Namen oder 677 besondere Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken. Unter die Letzteren fallen je nach den Umständen des Einzelfalls auch Rundfunksendungen,105 Computerprogramme,106 Warenkataloge,107 Spiele108 sowie periodisch ausgestrahlte Fernseh-109 100 101 102 103 104
105 106 107 108
Dazu unter Rn. 675 ff. Dazu unter Rn. 684 ff. Vgl. Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2006, Rn. 78. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 5 Rn. 106. Vgl. zur Abgrenzung zwischen Titelschutz und Urheberrecht Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 5 Rn. 106; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2006, Rn. 71, 77 f. BGH, GRUR 1993, S. 769, 770 – Radio Stuttgart. BGH, NJW 1997, S. 3313, 3314 – Powerpoint. BGH, GRUR 2005, S. 959, 960 – FACTS II. BGH, GRUR 1993, S. 767, 768 – Zappel-Fisch.
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§ 12 Urheber- und Markenrechtsschutz
und Hörfunksendungen.110 Der Werkbegriff des § 5 Abs. 3 MarkenG ist nicht mit dem des Urheberrechts identisch. Insbesondere können Titel von Werken schutzfähig sein, die keinen urheberrechtlichen Schutz genießen. Entscheidend ist dabei das Überwiegen des geistigen Inhaltes des Werkes gegenüber der körperlichen Form der Ware.111 Der Titelschutz entsteht mit Benutzungsaufnahme; einer Anmeldung oder Re678 gistereintragung bedarf es nicht. Voraussetzung ist das Vorliegen originärer oder kraft Verkehrsgeltung erlangter Kennzeichnungskraft; d.h. der Titel muss geeignet sein, ein Werk von einem anderen zu unterscheiden.112 Dies ist der Fall, wenn er entweder ein gewisses Maß an Originalität aufweist (originäre Kennzeichnungskraft) oder weil der Verkehr trotz fehlender Kennzeichnungskraft davon ausgeht, dass der Titel ein bestimmtes Werk bezeichnet (Kennzeichnungskraft aufgrund Verkehrsgeltung). Der erforderliche Grad der Kennzeichnungskraft von Werktiteln ist dabei geringer als derjenige, der für Marken oder Unternehmenskennzeichen verlangt wird.113 Sofern ein Titel originär kennzeichnungskräftig ist, entsteht der Titelschutz, sobald er für das gekennzeichnete Werk im geschäftlichen Verkehr benutzt wird.114 Dies kann durch den Vertrieb des Werkes, aber auch durch eine dem Vertrieb oder jedenfalls der Auslieferung unmittelbar vorausgehende werbende Ankündigung geschehen.115 Anderweitige Vorbereitungshandlungen werden demgegenüber nicht als Benutzungsaufnahme anerkannt.116 Eine Besonderheit im Zusammenhang mit der Entstehung von Titelschutzrech679 ten ist die Option der Titelschutzanzeige. Hierunter versteht man die öffentliche Ankündigung eines Titels für ein bestimmtes Werk in branchenüblicher Weise.117 Eine solche Titelschutzanzeige stellt zwar keine Benutzungsaufnahme dar, kann also den Titelschutz nicht zum Entstehen bringen. 118 Sofern jedoch das Werk innerhalb einer angemessenen Frist tatsächlich erscheint und dadurch der Titelschutz begründet wird, erfolgt eine Vorverlagerung der Priorität auf den Zeitpunkt der Titelschutzanzeige.119
109 110 111
112 113 114 115
116
117 118 119
BGHZ, 102 S. 88, 91 – Apropos Film. BGH, NJW 1982, S. 2255 – POINT. Vgl. dazu ausführlich Hildebrandt, Marken und andere Kennzeichen, 2006, § 19 Rn. 4; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 5 Rn. 77. Vgl. dazu Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14 Rn. 87 ff. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 5 Rn. 88. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 5 Rn. 79. BGH, GRUR 1998, S. 1010, 1013 – WINCAD; GRUR 1998, S. 155, 157 – Powerpoint; GRUR 1997, S. 902, 903 – FTOS. Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 5 Rn. 82; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2006, Rn. 1285. Ingerl/Ronke, a.a.O., § 5 Rn. 84. Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2006, Rn. 1287. Ausführlich zur Titelschutzanzeige Ingerl/Ronke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 5 Rn. 84 ff.; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2006, Rn. 1323 ff.
D. Marken- und Kennzeichenschutz
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Der Titelschutz endet mit der Aufgabe des Gebrauchs, dem Wegfall der Ver- 680 kehrsdurchsetzung, mit einem Austausch des vom Titel bezeichneten Werkes oder bei Veränderungen des Titels.120 2. Schutzinhaber Wer Inhaber des Titelschutzrechtes ist, richtet sich nach der Art des Werkes. Titel- 681 schutzrechte an Buchtiteln entstehen damit regelmäßig für den Autor. 121 Allerdings ist eine Übertragung z.B. an einen Verlag möglich.122 Unmittelbar beim Verlag entsteht das Titelschutzrecht für gewöhnlich bei Zeitungen und Zeitschriften123 Wird ein Werk von mehreren Personen geschaffen, so kann deren Anzahl sowie der Aspekt der einheitlichen Leitung eines Gesamtprojektes für die Beurteilung der Frage herangezogen werden, ob das Titelrecht den Autoren oder aber einem Inhaber der Leitungsmacht, wie z.B. einem Verlag oder einer Produktionsfirma zusteht.124 3. Schutzinhalt Nach § 15 Abs. 1 MarkenG besteht für den Inhaber einer geschäftlichen Bezeich- 682 nung ein Ausschließlichkeitsrecht. Dieses Ausschließlichkeitsrecht ist seiner näheren Ausgestaltung nach vor allem ein Verbietungsrecht.125 So kann der Inhaber eines (prioritätsälteren) Werktitelrechts von Dritten verlangen, die Verwendung dieses Titels unter bestimmten Voraussetzungen zu unterlassen (§ 15 Abs. 4 MarkenG). Dies gilt auch dann, wenn diese den Werktitel oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit dem geschützten Titel hervorzurufen (§ 15 Abs. 2 MarkenG).126 Bei im Inland bekannten Titeln ist es Dritten darüber hinaus untersagt, den Werktitel oder ein ähnliche Zeichen im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, wenn keine Verwechslungsgefahr besteht, soweit die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung des Titels in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (§ 15 Abs. 3 MarkenG).127 Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Titelverletzung besteht zudem ein Schadensersatzanspruch zugunsten des Titelinhabers (§ 15 Abs. 5 MarkenG).
120 121 122 123 124 125 126
127
Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 5 Rn. 98 ff. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 5 Rn. 97. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 5 Rn. 102. BGH, GRUR 1997, S. 661, 662 – B. Z./Berliner Zeitung. Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 5 Rn. 97. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rn. 5. Ausführlich zur Verwechslungsgefahr bei Werktiteln Hotz, GRUR 2005, S. 304 ff.; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rn. 99 ff. Vgl. dazu Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rn. 150 ff.
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§ 12 Urheber- und Markenrechtsschutz
4. Übertragung von Titelrechten 683 Titelschutzrechte können von ihrem Inhaber an Dritte übertragen werden. Überträgt z.B. ein Autor die Rechte an einem Werk selbst an einen Verlag, so ist auch ohne ausdrückliche Vereinbarung anzunehmen, dass die Titelschutzrechte mit übergehen.128 Umstritten ist die Frage, ob Titelschutzrechte auch isoliert, also ohne das durch den Titel bezeichnete Werk verkehrsfähig sind.129 II. Markenrecht 684 Die medienrechtliche Relevanz von Kennzeichenrechten erschöpft sich nicht im Bereich des Titelschutzes. Insbesondere kann der Schutz von Marken Bedeutung erlangen. So kann es sinnvoll sein, z.B. als Werktitel geschützte Titel zusätzlich als Marke einzutragen, etwa um den Prioritätsnachweis zu erleichtern oder um den räumlichen und zeitlichen Schutzumfang zu erweitern bzw. um ein vom Titelschutz nicht umfasstes Merchandisingprogramm abzusichern, das die Vermarktung eines Werkes begleiten soll.130 Auch kann ein Interesse daran bestehen, Sender- oder Verlagsnamen, auch wenn diese bereits als Unternehmenskennzeichen im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkenG geschützt sind, weiterreichenden markenrechtlichen Schutz zukommen zu lassen. 1. Entstehen des Markenschutzes 685 Markenschutz entsteht in erster Linie durch die Eintragung ins Markenregister, § 4 Nr. 1 MarkenG. Darüber hinaus können die Benutzung des Zeichens im geschäftlichen Verkehr bei bestehender Verkehrsgeltung (§ 4 Nr. 2 MarkenG) und die notorische Bekanntheit des Zeichens im Sinne des Art. 6bis Pariser Verbandsübereinkunft (§ 4 Nr. 3 MarkenG) Markenschutz begründen. Grundvoraussetzung jeglichen Markenschutzes ist die abstrakte Markenfähig686 keit des fraglichen Zeichens gem. § 3 MarkenG. Diese erfordert die Eignung eines Zeichens, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Grundsätzlich sind alle Zeichen abstrakt markenfähig.131 Einer Eintragung kön687 nen aber absolute Schutzhindernisse nach § 8 MarkenG entgegenstehen. Bei Werktiteln besteht beispielsweise die Gefahr, dass sie als nicht konkret unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG angesehen werden, dass ihnen also die Unterscheidungskraft hinsichtlich der konkreten Waren und Dienstleistungen fehlt, für welche eine Markeneintragung begehrt wird; dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sie ausschließlich als Hinweis auf den Inhalt des
128 129 130 131
Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 5 Rn. 102. Dazu Deutsch, WRP 1998, S. 14 ff.; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 5 Rn. 102. Deutsch, WRP 2004, S. 642, 643. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 3 Rn. 9.
D. Marken- und Kennzeichenschutz
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Werkes aufgefasst werden.132 So verneinte etwa der BGH die Unterscheidungskraft der Wortfolge „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ für „Tonträger; Bücher, Magazine (Zeitschriften); Ausstrahlung von Fernsehprogrammen; Darbietung von Shows, Fernsehunterhaltung, Filmproduktion, Filmproduktion (in Studios)“133. Hier zeigt sich, dass der Grad der für den Werktitelschutz erforderlichen Unterscheidungskraft geringer ist, als derjenige, der für eine Markeneintragung gefordert wird.134 Für Waren und Dienstleistungen außerhalb des Medienbereiches wurde dagegen der nämlichen Wortfolge ausreichende Unterscheidungskraft bescheinigt.135 Steht der Eintragung als Marke eines der Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 688 Nr. 1 – 3 MarkenG (fehlende konkrete Unterscheidungskraft, Freihaltebedürfnis, üblich gewordene Bezeichnung) entgegen, so verbleibt die Möglichkeit der Überwindung des Eintragungshindernisses durch Verkehrsdurchsetzung des Zeichens gem. § 8 Abs. 3 MarkenG.136 Liegen keine absoluten Schutzhindernisse vor, so können der Markeneintra- 689 gung noch ältere angemeldete oder eingetragene Marken als relative Schutzhindernisse entgegenstehen (§ 9 MarkenG). Diese sind jedoch nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern sie müssen vom Inhaber der älteren Marke gelten gemacht werden.137 2. Schutzinhaber Inhaber des Markenschutzes ist grundsätzlich derjenige, für den die Marke im Re- 690 gister eingetragen wird (vgl. die Vermutungsregel in § 28 Abs. 1 MarkenG). Gem. § 7 MarkenG kommen dafür natürliche und juristische Personen (§ 7 Nr. 1, 2) sowie Personengesellschaften in Betracht, die mit der Fähigkeit ausgestattet sind, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. 3. Schutzinhalt Laut § 14 Abs. 1 MarkenG erwirbt der Inhaber der Marke mit Entstehen des Mar- 691 kenschutzes ein Ausschließlichkeitsrecht an der Marke. Im Falle einer Markenverletzung gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 – 3 MarkenG steht ihm ein Unterlassungsanspruch (§ 14 Abs. 5 MarkenG) sowie bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung ein Schadensersatzanspruch (§ 14 Abs. 6 MarkenG) gegen den Verletzer zu. Verletzungshandlungen in diesem Sinne sind die Benutzung identischer Zei- 692 chen für identische Waren oder Dienstleistungen (Nr. 1), die Benutzung identischer oder ähnlicher Zeichen für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleis132 133 134
135 136 137
Ausführlich dazu Deutsch, GRUR 2004, S. 642, 643 ff. BGH, GRUR 2001, S. 1043, 1045 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten. So auch BGH, GRUR 2001, S. 1043, 1045 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten. Vgl. schon oben Rn. 678. BGH, GRUR 2001, S. 1043, 1045 f. – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten. Vgl. dazu Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 8 Rn. 321 ff. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 9 Rn. 8.
260
693
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695
696
§ 12 Urheber- und Markenrechtsschutz
tungen bei Bestehen einer Verwechslungsgefahr (Nr. 2) sowie die rufausbeutende oder –beeinträchtigende Benutzung bekannter Marken (Nr. 3). Ohne an dieser Stelle auf die Einzelfragen der einzelnen Verletzungsvarianten eingehen zu können, soll zumindest die Grundvoraussetzung jeder Markenrechtsverletzung erwähnt werden: Die markenmäßige Benutzung. Hierunter wird gem. der Definition des BGH die Verwendung eines Zeichens in der Weise verstanden, dass die objektive Möglichkeit besteht, ein nicht ganz unerheblicher Teil des Verkehrs könne zu der Vorstellung gelangen, die Bezeichnung diene als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung.138 Im Zusammenhang mit der Verwendung von Zeichen im Internet wird die Frage diskutiert, ob dabei überhaupt eine markenmäßige Benutzung vorliegt. Zu nennen sind hier vor allem die Verwendung von Zeichen im unsichtbaren Quelltext von Internetseiten (in sogenannten Metatags) sowie die Verwendung als Keyword für eine Ad-word-Werbung (Platzierung einer Werbanzeige im Werbefeld neben den Trefferlisten von Suchmaschinen). Fremde Marken oder Kennzeichen werden vielfach als Metatags im unsichtbaren Quelltext von Internetseiten verwendet, um zu erreichen, dass diese Seite auf der Trefferliste von Suchmaschinen erscheint, wenn das fragliche Markenwort in die Suchmaschine eingegeben wird. Verschiedene Instanzgerichte139 und Stimmen in der Literatur140 haben Markenrechtsverletzungen in solchen Fällen schon deshalb abgelehnt, weil eine solche Verwendung schon keine markenmäßige Benutzung darstelle. Es fehle bereits an einem Verkehrskreis, der in dem Metatag einen Hinweis auf ein Unternehmen bzw. die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens erblicken könne, da sich der Metatag nur an die Software der Suchmaschine, nicht aber an Menschen richte.141 Dieser Beurteilung ist der BGH (hinsichtlich der parallelen Problematik der kennzeichenmäßigen Benutzung) entgegen getreten.142 Danach soll in solchen Fallgestaltungen sehr wohl eine kennzeichenmäßige Benutzung gegeben sein. Dem stehe nicht entgegen, dass der Metatag für den Internetnutzer nicht wahrnehmbar sei. Maßgeblich sei vielmehr, dass mit Hilfe des Suchwortes das Ergebnis des Auswahlverfahrens beeinflusst und der Nutzer zu der entsprechenden Seite geführt werde. Das Suchwort diene somit dazu, den Nutzer auf das dort werbende Unternehmen und sein Angebot hinzuweisen. Zur Verwendung fremder Marken oder Kennzeichen als Keyword für Adword-Werbung hat sich der BGH Anfang des Jahres 2009 gleich in drei Entscheidungen geäußert.143 In zwei von diesen Entscheidungen hat der BGH die Ansprüche der Kennzeicheninhaber abgelehnt, da die Platzierung als eindeutig erkennba138 139 140
141 142 143
BGH, GRUR 1998, S. 830, 834 – Les-Paul-Gitarren. Vgl. z.B. OLG Düsseldorf, GRUR-RR, 2004, S. 353 – Kotte & Zeller. Kaufmann, MMR 2005, S. 348, 350; Viefhues, MMR 1999, S. 336, 339; differenzierend Hartl, MMR 2007, S. 12, 13 f. Viefhues, MMR 1999, S. 336, 338. BGH, GRUR 2007, S. 65, 66 f. – Impuls. BGH GRUR 2009, S. 498 ff. – Bananabay; BGH GRUR 2009, S. 500 ff. – Beta Layout; BGH GRUR 2009, S. 502 ff. – pcb; vgl. dazu Ohly GRUR 2009, S. 709 ff.
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re Werbeanzeige neben der eigentlichen Trefferliste jedenfalls dann gegen das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr spreche, wenn es sich bei dem Keyword lediglich um einen beschreibenden Begriff144 oder um ein mit einem fremden Unternehmenskennzeichen übereinstimmendes Keyword handelt.145 Das dritte Verfahren wurde ausgesetzt. Der BGH hat dem EuGH die Frage zur Auslegung zur Entscheidung vorgelegt, ob in der Verwendung eines geschützten Begriffs als Keyword eine markenmäßige Benutzung im Sinne der ersten Markenrichtlinie146 zu sehen ist.147 Insoweit bleibt die Rechtsentwicklung weiter abzuwarten.148 4. Übertragung von Markenrechten Das Recht an einer Marke ist gem. § 27 MarkenG übertragbar. Nach § 30 Mar- 697 kenG besteht zudem die Möglichkeit ausschließliche oder teilweise Lizenzen am Markenrecht zu vergeben.149
§ 13 Rechtsregeln für die Herstellung von Medienerzeugnissen
Literatur Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Auflage 2008; v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 4. Auflage 2004; Homann, Praxishandbuch Filmrecht, 3. Auflage 2009; Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft, 6. Auflage 2003; Wegner/Wallenfels/Kaboth, Recht im Verlag, 2004.
Die Herstellung von Medienerzeugnissen beruht regelmäßig auf einem komplexen 698 technisch-wirtschaftlichen Geschehen. Die Hersteller beispielsweise von Filmen, Rundfunk- und Fernsehsendungen bzw. von Multimediaerzeugnissen haben umfängliche Vorkehrungen zu treffen, um deren Produktion zu organisieren, zu fi144 145 146
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149
BGH GRUR 2009, S. 502, 505 – pcb. BGH GRUR 2009, S. 500, 501 f. – Beta Layout. Richtlinie des Rates 89/104/EWG v. 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG Nr. L 40 vom 11.2.1989, S. 1); vgl. auch die Neufassung: Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG Nr. L 299 vom 8.11.2008, S. 25). BGH GRUR 2009, S. 498 ff. – Bananabay. Die Vorinstanzen hatten eine markenmäßige Benutzung unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu Metatags angenommen: OLG Braunschweig MMR 2007, S. 789 ff. - Bananabay und LG Braunschweig MMR 2007, S. 121 ff. Vgl. dazu Berlit, Markenrecht, 7. Auflage 2007, Rn. 346 ff.
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§ 13 Rechtsregeln für die Herstellung von Medienerzeugnissen
nanzieren und schließlich zu realisieren. Dementsprechend finden sich auch ausdifferenzierte Rechtsregeln für die Herstellung von Medienerzeugnissen. Insbesondere gibt es nicht „den“ Medienproduktionsvertrag. Die Rechts- und Vertragsregeln der Medienproduktion sind vielmehr in Parallele zu dem technisch-wirtschaftlichen Geschehen unterteilt in das Recht der Organisationsverträge, mit denen das Zusammenwirken von zwei oder mehreren Partnern zu gemeinschaftlicher Produktion geregelt wird (dazu unter A.), das Recht der Finanzierungsverträge (dazu unter B.) und das Recht der Realisationsverträge, bei denen der Produzent Verträge mit den verschiedenen Mitwirkenden an der Medienproduktion schließt (dazu unter C.). Medienproduktionsverträge weisen bei aller Unterschiedlichkeit in den Details 699 übereinstimmend dem sog. Produzenten eine zentrale Stellung im Geschehen der Produktion von Medienerzeugnissen zu. Die Rechtstellung des Produzenten wird in den einzelnen Vertragsarten differenzierend ausgeprägt. Sie beruht auf dem vom Urheberrecht gewährten Schutz entweder seiner organisatorisch-wirtschaftlichen Leistung als Leistungsschutzrechtsinhaber oder aber seiner kreativ-schöpferischen Leistung als (Mit-)Urheber. Das UrhG kennt ein eigenes Leistungsschutzrecht für den Veranstalter von Darbietungen ausübender Künstler (§ 81 UrhG), Tonträgerhersteller (§ 85 ff. UrhG), den Filmhersteller (§ 94 UrhG), den Hersteller von Laufbildern (§ 95 UrhG) sowie den Datenbankhersteller (§ 87a ff. UrhG.150 Wird eine Produzent infolge einer kreativ-schöpferischen Leistung zum Co-Autor, Co-Regisseur oder beispielsweise Co-Schnittmeister, steht ihm an den entsprechenden Leistungen ein Miturheberrecht bzw. ein Bearbeitungsurheberrecht iSd §§ 8, 3 UrhG zu.151 Die Inhaberschaft und der Umfang der Rechte sind gesetzlich jeweils unterschiedlich ausgestaltet.152
A. Organisationsverträge 700 Mit dem Begriff der Organisationsverträge werden diejenigen Verträge zur Herstellung von Medienerzeugnissen bezeichnet, welche entweder eine Kooperation verschiedener Leistungserbringer zum Gegenstand haben (dazu unter I.) oder die Herstellung des Medienerzeugnis im Wege der Auftragsproduktion einem Dienstleister übertragen (dazu unter II.). I. Kooperationsverträge 701 Die vertraglich vereinbarte Co-Produktion stellt den bedeutendsten Produktionskooperationsvertrag dar. Zwei oder mehr Partner vereinbaren, ein Medienerzeugnis gemeinsam herzustellen. Diese kann als nationale oder auch als internationale 150 151 152
Vgl. näher unter Rn. 661 ff. Vgl. näher unter Rn. 635. Vgl. oben unter Rn. 627 ff
A. Organisationsverträge
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Co-Produktion zwischen einem inländischen und einem ausländischen Partner vereinbart werden. Der Co-Produktionsvertrag stellt rechtlich eine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung zwischen den Partnern dar, weil sich die Partner verpflichten, je einen Beitrag zur Förderung der gemeinsamen Produktion zu leisten. Der Förderbeitrag wird regelmäßig ein finanzieller Beitrag sein; in Betracht kommt aber auch eine Sachleistung etwa in Form der Einbringung von Rechten oder in Gestalt der Erbringung künstlerischer Leistungen. Nach deutschem Recht wird durch den Co-Produktionsvertrag eine BGB-Gesellschaft nach §§ 705 ff. BGB gegründet. Die Gesellschafter sind gemeinschaftliche, gesamthänderisch gebundene Eigentümer an den in Ausführung der CoProduktion entstehenden Rechten und Sachen, §§ 718 f. BGB. Charakteristisch für die Co-Produktion ist die gemeinsame Berechtigung aller Partner zur Geschäftsführung sowie am Gewinn bzw. Verlust der entfalteten Medienproduktionstätigkeit. Die Dispositivität der gesetzlichen Regeln des BGB-Gesellschaftsrechts erlaubt den Partnern eine auf die jeweiligen individuellen Verhältnisse zugeschnittene Gestaltung des Co-Produktionsvertrages. Die Co-Produktionsgesellschaft kann als sog. Außengesellschaft organisiert werden. In diesem Fall wird die Gesellschaft selbst berechtigt und verpflichtet, wobei sämtliche Partner für entstehende Verbindlichkeiten wir für eigene haften, wenn nicht ausnahmsweise besondere Vereinbarungen über die Beschränkung der Haftung153 getroffen werden. Möglich ist es auch, die Co-Produktionsgesellschaft als bloße Innengesellschaft zu verfassen. Zu diesem Zweck wird regelmäßig einer der Partner zum ausführenden Produzenten bestimmt, der im Außenverhältnis im eigenen Namen allein auftritt und die erworbenen Rechte treuhänderisch für die Co-Produktionsgesellschaft hält oder diese Rechte auf die Gesellschaft überträgt. Der Co-Produktionsvertrag enthält typischerweise Regelungen über den Gegenstand und Inhalt der gemeinsam herzustellenden Produktion; die Partner verabreden den Umfang der von den Mitwirkenden zu erwerbenden Rechte und regeln die Verteilung des Risikos der Überschreitung von Kosten- und Fristenfestlegungen sowie Bestimmungen über die Rechtsfolgen von Vertragsverstößen und das Ausscheiden aus bzw. die Beendigung der Produktionsgemeinschaft. 154 Zentrale rechtliche Konsequenzen der Vereinbarung eines Co-Produktionsvertrages liegen zunächst im Bereich des Urheberrechts. Entstehende Leistungsschutzrechte stehen den Co-Produzenten gemeinschaftlich zu (§§ 85, 94 UrhG für Produzenten von Tonträgern bzw. Filmhersteller).155 Vorausgesetzt wird dabei, dass jeder der Co-Produzenten einen hinreichenden Einfluss auf die Produktion
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Vgl. dazu Ulmer/Schäfer in: Münchener Kommentar zum BGB, Band V, 5. Auflage 2009, § 714, Rn. 62 ff. . Dazu Schwarz, ZUM 1991, S. 381 ff.; Schwarz/Reber, in: v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, Kap. 83. v.Hartlieb/Schwarz, a.a.O., Kap. 83.
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hat. Überdies ermöglicht die Co-Produktionsvereinbarung die Anerkennung jedes Co-Produzenten als Hersteller im steuerlichen Sinn.156 Eine alternative rechtliche Gestaltungsform des Co-Produktionsvertrages bildet 708 die (atypische) stille Gesellschaft, bei der sich ein stiller Gesellschafter am Gewerbe des Medienproduzenten im Sinne des § 230 HGB und ggf. auch an dessen stillen Reserven beteiligt. Dabei handelt es sich im Kern um eine bloße wirtschaftliche Beteiligung an der Medienproduktion, die zivilrechtlich in der alleinigen rechtlichen Verantwortung des Medienproduzenten verbleibt, steuerrechtlich aber als Fall der Mitunternehmerschaft anerkannt werden kann.157 II. Auftragsproduktion 709 Eine Auftragsproduktion ist dadurch gekennzeichnet, dass die Durchführung der Medienproduktion durch den Auftraggeber einem anderen übertragen wird. Der Auftraggeber übernimmt dabei die Finanzierung der Produktion, das Produktionsunternehmen verpflichtet sich, die Verwertungsrechte an der Produktion auf den Auftraggeber zu übertragen.158 Die Auftragsproduktion als Gestaltungsvariante des Kooperationsvertrages findet sich im Bereich der Filmproduktion, insbesondere im Bereich der Fernseh- und Kinospielfilm sowie der Werbefilmproduktionen. Im Verlagsbereich finden sich Auftragsproduktionsgestaltungen zur Herstellung von Computerspielen und Hörbüchern.159 Bei der sog. echten Auftragsproduktion überträgt der Auftraggeber dem Produ710 zenten die Herstellung des Medienprodukts in der Weise, dass der Produzenten die Herstellung als selbständiger Unternehmer mit im Wesentlichen eigner Verantwortung durchführt. Es handelt sich um eine echte Auftragsproduktion, bei der der Auftragnehmer die Realisationsverträge im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abschließt und selbst Hersteller des Medienprodukts ist. Zivilrechtlich handelt es sich somit um einen Werkvertrag iSd §§ 631 ff. BGB. Der Auftraggeber ist grds. Nur für die Finanzierung und Verwertung verantwortlich und zuständig; vielfach wird er sich begrenzte Zustimmungsvorbehalte für den Inhalt der Produktion einräumen lassen.160 Entstehende Leistungsschutzrechte gem. §§ 85, 94 UrhG bei der Film- oder Tonträgerproduktion stehen dem Auftraggeber zu; sie können dem Auftraggeber nach §§ 85 Abs. 2 S. 1, 94 Abs. 2 S. 1 UrhG übertragen werden. Eine unechte Auftragsproduktion liegt vor, wenn ein Auftragnehmer die Her711 stellung des Medienprodukts in Abhängigkeit vom Auftraggeber durchführt. Eine solche Abhängigkeit ist gegeben, wenn die wesentliche unternehmerische Verantwortung für die Produktion vertraglich dem Auftraggeber obliegt. Aus zivilrechtlicher Sicht handelt es sich dabei um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit 156 157 158 159 160
v.Hartlieb/Schwarz, a.a.O., Kap. 83, 297. v.Hartlieb/Schwarz, a.a.O., Kap. 297. Kreile, ZUM 1991, S. 386 ff. v.Hartlieb/Schwarz, a.a.O., Kap. 87. Homann, Praxishandbuch Filmrecht, 3. Auflage 2009, S. 249 ff.
C. Realisationsverträge
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dienstvertraglichen Elementen (§ 675 iVm § 611 BGB), nach dem der Auftragnehmer nicht die fertig gestellte Produktion schuldet, sondern zum Tätigwerden nach näherer Maßgabe der getroffenen Vereinbarung und der ergehenden Weisungen verpflichtet ist.
B. Finanzierungsverträge Das Recht der Finanzierungsverträge für Medienproduktion bildet einen zwar auf 712 den allgemeinen zivilrechtlichen Grundlagen aufbauenden, in den Details aber medienspezifisch variierten und ausgeprägten Regelungskomplex. Dieser wird insbesondere im Bereich der Kinofilmproduktion von Fördermaßnahmen nach dem Filmförderungsgesetz und den Regelungen des Deutschen FilmFörderFonds geprägt.161 Die gesetzlichen Regelungen stehen mit den europarechtlichen Vorgaben des Beihilfenrechts des EGV in Übereinstimmung.162 Die Finanzierung von Medienproduktionen über Bankkredite unterliegt Beson- 713 derheiten im Bereich der Stellung von Sicherheiten. Als Besicherungsgrundlage kommen in erster Linie die urheberrechtlichen Verwertungsrechte in Betracht. 163 Die Risiken der rechtzeitigen Fertigstellung des Medienprodukts und der Kostenüberschreitung werden typischerweise durch spezielle Garantien geregelt.164
C. Realisationsverträge Um die Herstellung eines Medienprodukts zu realisieren hat der Hersteller typi- 714 scherweise eine Vielzahl von Verträgen zu schließen. Hervorzuheben sind die Verträge mit Urhebern vorbestehender Werke, und mit Leistungsschutzberechtigten; sofern Persönlichkeitsrechte betroffen sind, hat der Produzent mit den betroffenen Persönlichkeitsträgern oder Wahrnehmungsberechtigten Gestattungsverträge zu schließen. Nicht zuletzt sind für die technische Herstellung des Medienprodukts zahlreiche Verträge zu schließen. Das Recht der Verträge mit Urhebern vorbestehender Werke und mit Leis- 715 tungsschutzberechtigten ist die Domäne des urheberrechtlichen Lizenzrechts. Dieses ist bereits in anderem Zusammenhang dargestellt worden; auf diese Darstellung kann hier verwiesen werden.165 Zur Gruppe der Realisationsverträge gehören ferner die mit Urhebern vorbeste- 716 hender Werke abzuschließenden Werkverträge, die – neben der erforderlichen Lizenzierung - darauf abzielen, ein vorbestehendes Werk für die Zwecke der Medienproduktion zu überarbeiten. Beispielsweise geben Filmhersteller ein Drehbuch 161 162 163 164 165
Vgl. dazu Schwarz, ZUM 2008, 730 ff. Vgl. Kasten, ZUM 2008, 751. V.Hartlieb/Schwarz, 4. Auflage 2004, Kap. 147. V.Hartlieb/Schwarz, a.a.O., Kap. 147. Vgl. dazu Rn. 654 ff.
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§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
in Auftrag oder ein Autor wird beauftragt, eine Bühnenfassung eines Stückes anzufertigen. Werkverträge über herzustellende Werke werden geschlossen, wenn es darum geht, für die Zwecke einer Medienproduktion ein bestimmtes urheberrechtliches geschütztes Werk, etwa eine Komposition für einen Film herzustellen. Geht es darum, dass für die Zwecke der Realisation einer Medienproduktion Dienstleistungen erbracht werden müssen, kann diese auch in Gestalt von Dienstverträgen erfolgen. Übersetzungsleistungen oder vorbereitende Leistungen zur Ermöglichung einer dramaturgischen Darstellung werden nicht selten von fest angestellten Mitarbeitern (eines Theaters oder eines Senderunternehmens) vorbereitet oder durch entsprechende Dienstverträge in Auftrag gegeben. Die erforderliche Einwilligung des Betroffenen in Fällen, in den die Medienproduktion Persönlichkeitsrechte berührt, wird durch einen sog. Gestattungsvertrag mit dem Betroffenen eingeholt. Dabei handelt es sich um lizenzartige Vereinbarungen, auf die nach h.M. § 31 Abs. 5 UrhG anzuwenden ist.166 Die Einholung einer Lizenz kommt auch bei der Verwendung von Werktiteln in Betracht. Sie ist bei der Verwendung solcher Werktitel erforderlich, die als Kennzeichen Schutz nach den §§ 5, 15 MarkenG genießen. Entsprechendes gilt für die Verwendung geschützter Marken.167 Zur Veröffentlichung von Sachfotos kann gleichfalls eine Lizenz erforderlich sein. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Abbildung des Gegenstandes oder Gebäudes urheberrechtlichen Schutz genießt.168
§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
Literatur Bappert/Maunz/Schricker, Verlagsrecht, 3. Auflage 2001, § 8 Rn. 1 ff. und § 14 Rn. 10 ff.; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage 2005, Kap. 45 f. ; Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT Vertriebsrecht, Rn. 1 ff.; v. Hartlieb, Handbuch des Film-, Fernseh-, und Videorechts, 4. Auflage 2004, Kap. 152 ff.
721 Der Vertrieb von Medienprodukten stellt ein in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht komplexes Phänomen dar. Die Vertriebsformen und -wege bei den einzelnen Massenkommunikationsmedien weisen in technischer Hinsicht große Unterschiede auf und diese Unterschiede finden sich in den einschlägigen rechtlichen Regeln wieder. Gemeinsame rechtliche Ordnungsstrukturen lassen sich für den Vertrieb 166
167 168
Schwarz/Wegner, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 51. Abschnitt Rn. 45 f. Vgl. dazu oben Rn. 685 ff. Vgl. Wanckel, Foto- und Bildrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 79 ff.
A. Vertrieb von Verlagserzeugnissen
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körperlich fassbarer, elektronisch vermittelter bzw. visuell und audiovisuell wahrnehmbarer Medienprodukte nicht ausmachen. Deshalb erfolgt die Darstellung der Rechtsregeln des Medienvertriebs gesondert nach den jeweiligen Massenmedien.
A. Vertrieb von Verlagserzeugnissen I. Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenhandel Hinsichtlich des Vertriebs von Verlagserzeugnissen ist zwischen dem Buchhandel 722 und dem Vertrieb periodischer Presseerzeugnisse zu unterscheiden. Der Vertrieb von Büchern erfolgt traditionell über den Buchhandel, der ein sog. Barsortiment vorhält; dieser wiederum wird vom Buchgroßhandel beliefert. Daneben erfolgt der Buchabsatz im Wege von Direktlieferungen des Verlages sowie über sog. Buchgemeinschaften, für die u.U. auf der Grundlage einer begrenzten Übertragung des Verlagsrechts nach § 28 VerlG eine spezielle Buchgemeinschaftsausgabe hergestellt wird. Ferner kann sich der Leser das von ihm gewünschte Buch über wissenschaftliche, sonstige öffentliche bzw. gewerbliche Leihbüchereien169 beschaffen. Online-Bestellungen über darauf spezialisierte Händler bilden ein neues, beachtlich wachsendes Marktsegment des Buchhandels. Der Vertrieb von periodischen Presseerzeugnissen erfolgt im Wesentlichen 723 über zwei Vertriebswege: den Einzelvertrieb und den Abonnementvertrieb. Der Einzelvertrieb erfolgt über Presse-Grossisten und den Einzelhandel, aber auch über den ambulanten Handel. Der bedeutendste Vertriebsweg ist der Absatz über Grossisten an den Einzelhandel (dazu unter II.). Über den Presse-Grosso wird der überwiegende Teil aller verkauften Zeitungen und Zeitschriften vertrieben. 170 Mehr als 75 Großhandelsfirmen in der Bundesrepublik Deutschland beliefern etwa 118.000 Einzelhändler.171 Dabei handelt es sich überwiegend um verlagsunabhängige Grossisten; es gibt aber auch Presse-Grossisten, die sich ganz oder überwiegend im Besitz von Verlagen befinden.172 Neben dem Presse-Grosso-Vertrieb erfolgt der Absatz von Zeitungen und Zeitschriften im Wege des Direktvertriebs an den Endabnehmer über das verlagseigene Abonnement (dazu unter III.). Der Abonnementvertrieb wird aber auch über den werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel abgewickelt. Nicht zuletzt bieten Lesezirkel ihren Kunden regelmäßig ein Bündel verschiedener Zeitungen und Zeitschriften an.173
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Im Unterschied zu öffentlichen Leihbüchereien werden Bücher in den gewerblichen Leihbüchereien nicht verliehen, sondern gegen eine feste Gebühr für eine bestimmte Zeit vermietet; vgl. Bappert/Maunz/Schricker, VerlG, 3. Auflage 2001, § 14 Rn. 13. Börner, Der Vertrag zwischen Verlag und Pressegrossisten, 1981, S. 11. Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT Vertriebsrecht Rn. 6. Vgl. Monopolkommission, 9. Hauptgutachten 1990/91, Tz. 742; Burkhardt, a.a.O., BT VertriebsR Rn. 6. Vgl. Burkhardt, a.a.O., BT VertriebsR Rn. 54 ff.
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§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
II. Presse-Grosso-Vertrieb 724 Das Vertriebssystem des Presse-Grosso ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:174 1. Monopolgrossistenabsprache mit Gebietsabgrenzung: Zwischen dem Verlag und dem Grossisten wird vertraglich vereinbart, dass der Grossist in einem bestimmten Gebiet die Einzelhändler mit sämtlichen Erzeugnissen aller Verlage beliefert und es ihm untersagt ist, andere Grossisten oder Einzelhändler außerhalb dieses Gebiets zu beliefern. 2. Preisbindungsmerkmal: Die Grossisten werden von den Verlagen an bestimmte Preise gebunden, zu denen sie den Einzelhandel beliefern und zu denen der Einzelhandel die Endverbraucher beliefern soll. Die Preisbindung für Endverkaufspreise wird dabei von den Grossisten an den Einzelhandel weitergegeben. 3. Remissionsrecht: Es erlaubt dem Groß- (und Einzel-) Handel, die bezogenen, aber nicht verkauften Exemplare einer Zeitung oder Zeitschrift gegen eine entsprechende Preisgutschrift an den Verlag zurück zu geben. 4. Dispositionsrecht: Es gewährleistet, dass der Verlag den Vertriebsweg und sämtliche den Vertrieb betreffenden Fragen (insbesondere die Sortiments- und Mengendisposition) festlegen kann und der Grossist nach den Vorgaben des Verlags tätig werden muss. 725 Die Tätigkeit der Presse-Grossisten fällt nach der Rechtsprechung des BVerfG in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG.175 Sie beruht auf einer vertraglichen Absprache mit dem Verleger. Es handelt sich um einen Vertrag eigener Art, der Elemente des Kaufvertrages, des Werkvertrages und des Geschäftsbesorgungsvertrages enthält. Indem der Grossist im eigenen Namen, aber wegen des Remissionsrechts auf Rechnung des Verlages tätig wird, ist er wie ein Kommissionsagent des Verlages nach § 384 HGB zu behandeln.176 Er unterliegt damit der sog. Neutralitätspflicht, die ihn zur Wahrung der Interessen aller mit ihm vertraglich gebundenen Verlage verpflichtet.177 Sein wirtschaftliches Auskommen hat er wie ein Eigenhändler durch die zwischen Ein- und Verkaufspreis liegende Großhandelsspanne zu erreichen.178 Die Monopolstellung im Grosso-Gebiet hat in der Vergangenheit eine pünktli726 che, umfassende und flächendeckende Versorgung mit den Erzeugnissen der Verlage ermöglicht und die Nachteile mehrfacher Belieferung der Einzelhändler durch mehrere Grossisten, wie erhöhte Remissionsquoten und Vertriebskosten, vermieden. Als Gebietsmonopolisten verfügen die Grossisten über eine marktbe174
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Vgl. Börner, Der Vertrag zwischen Verlag und Pressegrossisten, 1981, S. 11 ff.; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 46 Rn. 2 ff.; Kap. 69, Rn. 1 ff. BVerfGE 77, S. 346, 355; Kaiser, Das Recht des Presse-Grosso, 1979, S. 87 f.; a.A. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 46 Rn. 3. OLG Karlsruhe, WRP 1980, S. 636; Börner, Der Vertrag zwischen Verlag und Pressegrossisten, 1981, S. 16 ff. Börner, a.a.O., S. 21 ff. Wenzel, AfP 1979, S. 380, 388.
A. Vertrieb von Verlagserzeugnissen
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herrschende Stellung und unterliegen der Missbrauchsaufsicht nach § 19 GWB sowie dem Diskriminierungsverbot des § 20 GWB. Im Hinblick auf die Ergebnisse des Grosso-Vertriebssystems wird die ausschließliche Belieferung eines Monopolgrossisten als durch sachliche Gründe gerechtfertigt angesehen, so dass ein auf § 20 Abs. 1 GWB gestützter Belieferungsanspruch und kartellrechtliche Bedenken überhaupt gegenüber diesem wettbewerbsbeschränkenden Vertriebssystem im Ergebnis nicht durchschlagen.179 Die Preisbindung schließt den Preiswettbewerb sowohl auf der Grosso-Stufe als 727 auch auf der Einzelhandelsstufe aus. Die Preisbindung durch Verlagsunternehmen im vertikalen Bereich, nämlich gegenüber ihren Abnehmern oder deren Abnehmern bis zur Weiterveräußerung an den letzten Verbraucher (sog. Preisbindung der zweiten Hand) ist rechts- und wettbewerbspolitisch schon in der Vergangenheit nicht unbestritten gewesen; daran hat sich bis heute nichts geändert.180 Der Gesetzgeber hat die Preisbindung für Verlagserzeugnisse aber "unter kulturpolitischen Gesichtspunkten"181 gerechtfertigt und damit anerkannt, dass der Vertrieb geistiger Werke nicht ausschließlich nach wettbewerblichen Gesichtspunkten beurteilt werden dürfe. Der Europäische Gerichtshof hat das System fester Endverkaufspreise für Verlagserzeugnisse ebenfalls bestätigt und billigt es jedenfalls solange, als die Gemeinschaft auf diesem Gebiet keine gemeinsame Wettbewerbspolitik entwickelt hat.182 Die EG-Kommission hat nach langen Auseinandersetzungen ihre Genehmigung der einzelstaatlichen Regelungen zur getrennten Preisbindung in Deutschland und Österreich erteilt.183 Dem Remissionsrecht kommt ausweislich einer durchschnittlichen Remissi- 728 onsquote von derzeit mehr als 30%184 eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung im Presse-Grosso-Vertrieb zu. Es entbindet den Einzelhändler (und den Grossisten) weitgehend vom Absatzrisiko und wälzt dieses auf den Verlag ab. Dem Verlag steht zum Ausgleich dafür das Recht zu, die Titel und Mengen der Presseerzeugnisse festzulegen, die der Grossist bzw. der Einzelhändler anbietet. Der Monopolgrossist unterliegt einem aus § 20 Abs. 1 GWB folgenden Kontrahierungszwang hinsichtlich der Titel und Mengen der Presseerzeugnisse gegenüber den Verlegern185 und muss gegebenenfalls weniger auflagenstarke Titel mit gut gehenden Verlagserzeugnissen (sog. Brotobjekte) gleichsam alimentieren.186
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OLG Karlsruhe, WRP 1980, S. 636; vgl. auch BGH, GRUR 1979, S. 177; Wenzel, AfP 1979, S. 380 ff.; zuletzt Monopolkommission, 9. Hauptgutachten 1990/91, Tz. 751: "nach gegenwärtigem Erkenntnisstand hinnehmbar". Vgl. Emmerich, Kartellrecht, 11. Auflage 2008, § 25 Rn. 22. BT-Drs. 7/765, S. 4. EuGH Slg. 1985, S. 1, 31 ff.; S. 2515, 2520. Vgl. oben bei Rn. 554 ff. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 69 Rn. 2. Vgl. nur Wenzel, AfP 1979, S. 380, 384 ff. Vgl. Börner, Der Vertrag zwischen Verlag und Pressegrossisten, 1981, S. 50 ff.
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§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
III. Zeitungskauf und Abonnement 729 Im Abonnementvertrieb bzw. beim Direktabsatz von Zeitungen und Zeitschriften in ortsfesten oder mobilen Verkaufsstellen erfolgt der Vertrieb auf der Grundlage eines Kaufvertrages i.S.d. § 433 BGB. Im Unterschied zum sog. Handkauf einer einzelnen Zeitungsausgabe, der sich rechtlich in einem einmaligen Leistungsaustausch erschöpft, ist der Abonnementvertrag auf die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet. Dieses Dauerschuldverhältnis des Zeitungsabonnementvertrages hat grundsätzlich ebenfalls kaufrechtlichen Charakter, weil es auf den entgeltlichen Erwerb der vom Verleger in eigener Verantwortung hergestellten Ware und nicht etwa auf eine Schöpfung geistiger Werke für den Besteller i.S. einer werkvertraglichen Herstellerpflicht gerichtet ist.187 In Sonderfällen (z.B. Börseninformationsdienst mit Anlageempfehlungen) kann der Abonnementvertrag Elemente eines Geschäftsbesorgungsvertrages aufweisen.188 Rechtsbeziehungen aus dem Abonnementvertrag bestehen zwischen Abonnent und Verleger und zwar auch dann, wenn die Vertragsabwicklung über den Postzeitungsvertrieb der Post erfolgt, weil diese dann im Verhältnis zum Abonnenten als Stellvertreter des Verlegers tätig wird.189 Für die Vertragsbegründung, die Vertragsdurchführung und die Vertragsbeen730 digung gelten die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätze, soweit nicht, insbesondere durch nach dem AGB-Gesetz wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag, vorrangig zu beachtende Sonderabreden einschlägig sind.190 Abonnementbestellungen unterfallen als Ratenlieferungsvertrag den Verbraucherschutzvorschriften des § 505 BGB, wenn Vertragspartner ein Verbraucher ist.191 Die kaufrechtliche Gewährleistung bezieht sich nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der Zeitung.192 Dies folgt daraus, dass in Ermangelung besonderer Absprachen die Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgehen, das Risiko sachlich nicht zutreffender Mitteilungen und Berichte nicht als Fehler der Ware "Zeitung" oder "Zeitschrift" anzusehen.193 Unzutreffende Informationen können daher allenfalls eine deliktische Haftung gegenüber dem Betroffenen zur Folge haben.194 Im Einzelfall, insbesondere dann, wenn der Verlag im Abonnementvertrag eine Beratung des Abonnenten versprochen hat, kann eine Haftung des Verlegers für den Inhalt des Presseerzeugnisses in Betracht kommen.195 Der Printmedienvertrieb im Fernabsatzgeschäft erfährt eine besondere Behand731 lung durch die Verbraucherschutzregeln der §§ 312b ff. BGB. Fernabsatzverträge 187 188 189 190 191 192 193 194 195
Vgl. BGHZ 70, S. 356; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 45 Rn. 2. BGHZ 70, S. 356 ff.; vgl. auch Köndgen, JZ 1978, S. 391; Röhl, JZ 1979, S. 373 f. Vgl. nur Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 45 Rn. 2. Dazu näher Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 45 Rn. 5 ff. Vgl. Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT VertriebsR Rn. 65 ff. BGH, NJW 1965, S. 36 ff.; vgl. auch RGZ 148, S. 158. Näher Schröder, NJW 1980, S. 2279, 2280 f.; so wohl auch BGHZ 70, S. 356. Vgl. unten Rn. 1010 ff. Vgl. BGHZ 70, S. 356; ablehnend Schröder, NJW 1980, S. 2279.
A. Vertrieb von Verlagserzeugnissen
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sind solche, die unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln i.S. des § 312b Abs. 2 BGB zustande gekommen sind und die weiteren Voraussetzungen des § 312b Abs. 1 BGB erfüllen. Für solche Verträge hat der Gesetzgeber dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312d BGB eingeräumt. Das Widerrufsrecht besteht zwar nicht für Lieferverträge über Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierte, § 312d Abs. 3 Nr. 3 BGB. Anders ist die Rechtslage jedoch nach der nunmehr geltenden Gesetzesfassung, das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312d BGB besteht also, wenn dieser die Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat. IV. Online-Absatz Verlage nutzen zunehmend die Möglichkeit, Teile oder auch komplette Inhalte der 732 Print-Produkte online zu vertreiben. Sie werden eingestellt in den Webauftritt der Verlage und möglichst zielgruppengenau beworben. Online-Ausgaben können preisgebunden werden, wenn das Produkt abstrakt geeignet ist, das herkömmliche Print-Produkt zu substituieren und zumindest einen Teil der bislang hierauf gerichteten Nachfrage zu befriedigen.196 Von besonderer Bedeutung für den OnlineVertrieb haben sich elektronische Pressespiegel erwiesen.197 V. Verlagsrechtliche Grundlagen Die Verbreitung von Werken der Literatur (und der Tonkunst) jedenfalls in den 733 typischen Reproduktionsformen des Verlagsgewerbes (insbesondere im Druckverfahren) erfolgt nach verlagsrechtlichen Grundsätzen. Das Verlagsrecht verschafft dem Verleger das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung eines Werkes der Literatur und der Tonkunst, § 8 VerlG. Bei dem Verlagsrecht handelt es sich um ein auf der Verfügung des Autors bzw. eines sonstigen Verlaggebers beruhendes, aus dem Urheberrecht abgeleitetes absolutes Recht auf ungestörte Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes.198 Der verlagsrechtliche Vervielfältigungsbegriff erfasst nur die verlagstypischen und damit nur einen Teil der im Massenkommunikationswesen gebräuchlichen Reproduktionsformen eines Werkes. Nicht eingeschlossen wird grundsätzlich die Wiedergabe in unkörperlicher Form (z.B. in Rundfunksendungen), die elektronische Einspeicherung in Datenverarbeitungssysteme, die Verfilmung, Videoaufzeichnung bzw. die Aufnahme von Tonwerken auf Tonträger.199 Solche Verwertungsformen können jedoch den
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Dazu Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT VertriebsR Rn. 119. Zur urheberrechtlichen Zulässigkeit vgl. oben Rn. 648 und Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Auflage 2008, § 49 Rn. 20. Vgl. BGH, GRUR 1959, S. 331; Bappert/Maunz/Schricker, Verlagsrecht, 3. Auflage 2001, § 1 Rn. 11, § 8 Rn. 1. Näher zum verlagsrechtlichen Vervielfältigungsbegriff Bappert/Maunz/Schricker, Verlagsrecht, 3. Auflage 2001, § 1 Rn. 51.
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§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
Gegenstand besonderer Rechte und damit einen zusätzlichen Inhalt des Verlagsvertrages bilden.200 Das Verlagsrecht hat seine gesetzliche Ausgestaltung im Gesetz über das Ver734 lagsrecht (VerlG) gefunden. Nach dessen § 9 entsteht das Verlagsrecht unter einer zweifachen Voraussetzung: Erstens muss ein rechtswirksamer Verlagsvertrag vorliegen, durch das der Verlaggeber das wirtschaftliche Nutzungsrecht an seinem Werk auf den Verleger überträgt. Zweitens setzt das VerlG die Ablieferung des Werkes an den Verleger voraus. Der Inhalt des Verlagsrechts umfasst in Gestalt der Verwertungsrechte des Verlegers eine positive und in Gestalt der Abwehrrechte gegenüber Störern eine negative Komponente. Der Umfang der Rechteeinräumung ergibt sich aus der vertraglichen Abrede, die nach Maßgabe der urheberrechtlichen Zweckübertragungsregel auszulegen ist.201 Wegen der Einzelheiten etwa bezüglich des Zustandekommens bzw. der Beendigung des Verlagsvertrages und der Pflichten der Verlagsvertragsparteien wird auf die Spezialliteratur zum Verlagsgesetz verwiesen.202 Für Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge gelten verschiedene Sonderbestim735 mungen, die hier nur erwähnt werden können. Das VerlG selbst enthält in seinen §§ 41 - 46 besondere Bestimmungen hinsichtlich der Nutzungsbefugnisse der Parteien. Nach dem Manteltarifvertrag für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften etwa räumt der Redakteur dem Verleger das ausschließliche, räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkte Nutzungsrecht an den im Rahmen des Arbeitsvertrages erstellten Werken ein.203 Für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten bei Tageszeitungen gelten die besonderen Bestimmungen des für sie einschlägigen Tarifvertrages.204
B. Film 736 Die Verwertung von Filmwerken kann erfolgen durch öffentliche Filmvorführungen in Filmtheatern oder sonstigen Spielstätten, durch Ausstrahlung im Fernsehen oder im Rahmen des angesichts der gewandelten Konsumentenwünsche immer bedeutender gewordenen Home Entertainment, also durch den Vertrieb über Videokassetten bzw. DVD. Die Rechtsgrundlage dafür bietet jeweils ein Filmverwertungs- oder Lizenzvertrag. Dieser kann - z.B. bei Kinospielfilmen205 - zwi200 201 202
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204 205
Bappert/Maunz/Schricker, a.a.O., § 8 Rn. 5. Vgl. Bappert/Maunz/Schricker, a.a.O., § 8 Rn. 5a; vgl. oben Rn. 658. Vgl. insbesondere Bappert/Maunz/Schricker, Verlagsrecht, 3. Auflage 2001; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Auflage 1980; Haberstumpf/Hintermeier, Einführung in das Verlagsrecht, 1985; Delp, Der Verlagsvertrag, 8. Auflage 2008. Vgl. dazu mit kritischer Bewertung Rijahn, Der Arbeitnehmerurheber in Presse, Funk und Fernsehen, 1978, S. 43 ff. Vgl. den Überblick bei Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 35 Rn. 45. Zur Rechtslage bei Fernsehverwertungsverträgen insbesondere bei Eigen- oder Koproduktionen von Fernsehanstalten vgl. v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, Kap. 196 ff.
B. Film
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schen dem Filmhersteller und der Spielstätte, in welcher der Film vorgeführt wird, abgeschlossen werden. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle wird der Filmvertrieb allerdings über rechtlich selbständige Verleih- und Vertriebsfirmen, die eine Großhandelsfunktion im Filmsektor ausüben, abgewickelt. Der Filmvertrieb über Filmtheater erfolgt deshalb typischerweise über ein mehrstufiges System, das durch den Filmlizenzvertrag zwischen Filmhersteller und Vertriebsfirma auf der ersten (Großhandels-) Stufe und den sog. Filmbestellvertrag zwischen Filmverleiher und Filmtheaterbesitzer auf der zweiten (Einzelhandels-) Stufe sowie den Filmtheaterbesuchsvertrag mit dem Kinogänger rechtlich geordnet wird.206 Bei dem Filmlizenzvertrag handelt es sich um einen urheberrechtlichen Nut- 737 zungsvertrag eigener Art.207 Dieser kann Elemente des Gesellschaftsvertrages, des Werk- und Pachtvertrages und des Kaufvertrages enthalten.208 Das Verleihwesen, das Recht der Filmtheater, die rechtlichen Beziehungen von Co-Produzenten unterliegen wesentlich der vertraglichen Ausgestaltung nach allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen.209 Im Verhältnis zwischen den Filmherstellern und den Filmverleihern haben sich 738 vier idealtypisch unterscheidbare, in der Vertragspraxis aber nicht selten gemischte Typen des Filmlizenzvertrages herausgebildet.210 Der reine Lizenzvertrag enthält wesentlich die Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte eines Films für bestimmte Nutzungsarten (sog. Lizenzgegenstand), ein bestimmtes Auswertungsgebiet (sog. Lizenzgebiet) und eine bestimmte Auswertungszeit (sog. Lizenzzeit). Eine echte Filmauftragsproduktion ist gegeben, wenn ein Auftraggeber (Filmverleiher) einen Filmproduzenten zur Herstellung eines Films beauftragt, den dieser im eigenen Namen und für eigene Rechnung herstellt und sodann an den Verleiher zur Auswertung übergibt. Einen Unterfall der echten Filmauftragsproduktion bilden die verbreiteten Co-Produktionen oder Gemeinschaftsproduktionen, die durch eine Zusammenarbeit zwischen Filmproduzent und Filmverleiher bei der Filmherstellung gekennzeichnet sind.211 Als unechte Filmauftragsproduktion werden vertragliche Abreden bezeichnet, in denen ein Filmverleiher einen Produzenten beauftragt, einen Film im Namen und für Rechnung des Verleihers herzustellen.212 Die verschiedenen Arten der Verwertung von Filmwerken stehen den Verlei- 739 hunternehmen nicht uneingeschränkt zur Verfügung. Die Auswertungsbefugnis in Lichtspieltheatern schließt nicht automatisch das Senderecht und die Auswertung auf Videokassetten ein. Die Verwertungsrechte müssen vielmehr nach urheber206
207 208
209 210 211 212
Vgl. dazu die eingehende Darstellung bei v.Hartlieb/Schwarz, a.a.O., Kap. 109 ff., 131 ff., 167 ff. Grundlegend BGHZ 9, S. 262; 2, S. 331. Vgl. Nordemann, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage 2008, § 88 Rn. 1 ff.; Schricker, Urheberrecht, 3. Auflage 2006, vor §§ 28 ff. Rn. 105 ff.; v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, Kap. 112. Vgl. nur Nordemann, in: Fromm/Nordemann, a.a.O., vor § 88 Rn. 1 ff. Vgl. v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, Kap. 110. Vgl. v.Hartlieb/Schwarz, a.a.O., Kap. 199, 200; Paschke, FuR 1984, S. 403. Vgl. oben zur Auftragsproduktion Rn. 709 ff.
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§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
rechtlichen Grundsätzen je gesondert ausdrücklich vereinbart werden. 213 Ferner sind sog. Fernsehsperrfristen zugunsten der Filmtheaterauswertung zu beachten. Sie ergeben sich aus § 20 Filmförderungsgesetz insbesondere für solche Filme, die eine Referenzfilmförderung nach dem Filmförderungsgesetz erhalten wollen oder Förderungshilfen der Filmförderungsanstalt erhalten haben.214 Die Filmverwertung durch den Vertrieb von Videokassetten und DVDs ist eine 740 bedeutende Einnahmequelle von Filmproduzenten geworden. Dabei erteilt der Videolizenzgeber (Filmproduzent, Filmverleiher) im sog. Videolizenzvertrag die Rechte zur Videoauswertung an den Videovertrieb als Lizenznehmer. Als Videovertrieb wird dabei der Großhandel für DVDs und Videokassetten bezeichnet. Der Videovertrieb wiederum unterlizenziert in einem weiteren Videovertriebsvertrag den Videoeinzelhändler. Dieser verkauft oder vermietet die DVDs oder Videokassetten an Endkunden. Der Videolizenzvertrag hat die Einräumung der urheberund leistungsschutzrechtlich geschützten Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte (§§ 16, 17 UrhG) sowie das gesonderte Vermietrecht (§ 17 Abs. 3 UrhG) zum Gegenstand. Mittels Videovertriebsvertrag veräußert der Videovertrieb die produzierten Trägermedien an den Videoeinzelhändler; zugleich wird der Weiterverkauf oder die Weitervermietung an private Haushalte zum privaten Gebrauch gestattet. Am Ende der Vertriebskette erwirbt der Endkunde die DVD durch Abschluss eines Mietvertrages in einer Videothek215 oder durch Kauf, in dessen Durchführung Eigentum am Trägermedium, nicht aber ein Nutzungsrecht an dem auf der DVD verkörperten Filmwerk erworben wird. Mittels der Digitaltechnik lassen sich alle audiovisuelle Inhalte über Breitband741 verbindungen übertragen. Auf dieser technischen Grundlage werden video-ondemand, IP-TV sowie interaktives Fernsehen ermöglicht. Noch ist die Filmindustrie insofern sehr zurückhaltend, weil sie durch entsprechende Angebote den Absatz von DVDs beeinträchtigt sieht. Die Konsumenten sind ihrerseits bislang noch zurückhaltend, nicht zuletzt weil die technische Verbindung des Internetanschluss mit dem zum Digitalempfang gerüsteten Endgerät unausgereift erscheint, obwohl längst internetfähige Fernsehgeräte oder digitale Videorecorder verfügbar sind.
C. Rundfunk (und vergleichbare Telemedien) 742 Im Bereich des Rundfunks und speziell des Fernsehens, auf den die nachfolgende Darstellung konzentriert ist, sind unter dem Blickwinkel des Vertriebs zwei Bereiche zu betrachten: zum einen der „Vertrieb“ des Programmangebots, also dessen Übertragung, und zum anderen der für die Finanzierung des Werbefernsehens zentrale Bereich des “Vertriebs von Werbezeit” an die werbende Wirtschaft. Die einschlägigen Rechtsregeln beziehen sich nach § 50 RStV auch auf den 743 Vertrieb von mit dem Rundfunk „vergleichbaren Telemedien“. Damit meint der 213 214 215
Vgl. BGH, GRUR 1969, S. 364, 366. Vgl. dazu Gärtner/Gottschalk, ZUM 2008, 744 f. Brinkmann, NJW 1983, S. 599; Zippold, FuR 1983, S. 384.
C. Rundfunk (und vergleichbare Telemedien)
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Gesetzgeber ausweislich der Regelung in § 50 RStV solche Telemedien, die an die 743 Allgemeinheit gerichtet sind.216 Sie sind mit dem Rundfunk vergleichbar, weil ihnen eine rundfunkähnliche erhöhte Meinungsrelevanz zukommt und das zentrale Regelungsziel der Vorschriften, eine „vielfältiges Angebot“ zu ermöglichen und die „Sicherung der Meinungsvielfalt“ zu gewährleisten (vgl. § 52c RStV), auch für diese Telemedien zutrifft. I. Programmvertrieb, Rundfunkübertragung 1. Technisch-wirtschaftliche Grundlagen der rechtlichen Ordnung Die Übertragung des Rundfunkprogramms erfolgte herkömmlicher Weise, näm- 744 lich unter den Bedingungen der analogen Technik durch die schlichte Signaleinspeisung auf dem dafür vorgesehenen Weg beim Anbieter der Übertragungsinfrastruktur, insbesondere via Kabel, Antenne und Satellit. Für diese Rundfunkübertragung im analogen Verfahren standen aus technischen Gründen nur begrenzte und störanfällige Sendekapazitäten zur Verfügung. Die Technik ist inzwischen üb erholt; sie wird in Deutschland, Europa und in anderen Teilen der Erde sukzessive durch die digitale Übertragungstechnik ersetzt. In Deutschland wird der analoge switch-off im Jahr 2010 vollständig vollzogen. Die digitale Übertragung von Rundfunk – Entsprechendes gilt für Telemedien - 745 setzt in technischer Hinsicht217 Inhalte in digitalisierter Form voraus. Die Bildund Tonsignale werden deshalb entweder von vornherein digital aufgenommen oder im Falle herkömmlicher Analog-Vorlagen nachträglich digitalisiert. Zu der erforderlichen technischen Plattform für die Übertragung gehört weiterhin, dass die digitalen Datensätze im Play-out Center des Plattformbetreibers datentechnisch komprimiert, in einem sog. Multiplexingverfahren für die Übertragung verschlüsselt und gebündelt und so aufbereitet auf dem vorgesehenen Übertragungsweg verbreitet werden. Der Rezipienten kann die übertragenen Signale entweder auf seinem digitalen Receiver direkt oder auch auf herkömmlichen analogen Receivern mittels der Entschlüsselungstechnologie einer Set-Top-Box empfangen. Die Übertragung der Rundfunksignale kommt auf mehreren Verbreitungswe- 746 gen in Betracht: Am weitesten verbreitet ist in Deutschland die Fernsehübertragung über das Kabel, das reine Rundfunkkabel oder auch das Telefonnetz- oder Stromkabel, in dem sowohl Rundfunk- als auch andere Daten übertragen werden, so dass ein triple play-Angebot von Rund-, Telefon- und Internetübertragungen über einen Übertragungsweg angeboten werden kann. An das Kabelfernsehen ist bundesweit mehr als die Hälfte aller Haushalte angeschlossen. Einen zweiten großen Übertragungsweg stellt die Satellitenübertragung dar. Daneben gewinnt die Übertragung auf terrestrischem Wege größere Bedeutung, auch hier nicht mehr als herkömmlicher analogen Antennenrundfunk, sondern im digitalen Format des sog. 216
217
Vgl. Holznagel/Krone, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2008, § 53 RStV (a.F.), Rn. 25. Vgl. dazu Engel/Lüdemann, ZUM 2008, S. 904 ff.
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Digital Video Broadcoasting Terrestrial (DVB-T). Im Zuge der technischen Konvergenz werden zunehmend weitere Übertragungswege eingesetzt, insbesondere die DSL-Netze unter Nutzung der Internetprotokolle (IP-TV) sowie leistungsfähige Funknetze insbesondere auch für den mobilen Fernsehempfang (sog. Digital Video Broadcasting – Handhelds oder DVB-H). 2. Rechtlicher Ordnungsrahmen 747 In dem durch die Digitaltechnik gestalteten Umfeld der Übertragung von Rundfunkinhalten – Entsprechendes gilt für „vergleichbare“, also an die Allgemeinheit gerichtete Telemedien (vgl. § 50 RStV)218 - ergeben sich besondere Herausforderungen für die rechtliche Ordnung. Unternehmen, die Plattformdienstleistungen erbringen, kommt eine zentrale Stellung im Rundfunkgeschehen zu: Der Plattformbetreiber betätigt sich an der Schaltstelle zwischen dem Rundfunkinhalt und der Übertragungs-Infrastruktur, er sorgt für die Aufbereitung und Übertragung der Inhalte und er hat nicht zuletzt dem Rezipient die erforderliche EntschlüsselungsHardware (smart cards, Set-Top-Boxen) zur Verfügung zu stellen, ohne die ein Übertragungsvorgang entweder gar nicht oder zumindest nicht unter Beachtung der rechtlichen Anforderungen (etwa von Jugendschutzsperren219 oder Kopierschutzsystemen) erfolgen kann. Mit jeder seiner Tätigkeiten im „Bottleneck“Bereich der Verschlüsselung, der Smart Card-Verwaltung und der Schaffung von Zugangsberechtigungen kann der Plattformdienstleister Einfluss auf die Vielfalt des Programmangebots nehmen; er hat gleichsam eine Gate-Keeper-Stellung inne. Die Innehabung und Ausübung dieser Gate-Keeper-Stellung des Plattform748 betreibers bedarf rechtlicher Kontrolle. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die „positive Ordnung“ des Rundfunks Rechnung zu tragen,220 ist es gerechtfertigt und geboten, das komplexe technische Phänomen der Verbreitung des digitalen Rundfunks mit einer ebensolchen rechtlichen Ordnung und Kontrolle zu begleiten und zu regulieren. Der Medienrechtsgesetzgeber hat dies insbesondere ausweislich der fortlaufenden Anpassung des RStV an die technischen Besonderheiten der Übertragung von digitalem Rundfunk zum Ausdruck gebracht. Dabei fordert die Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Vielfaltanforderungen221 nicht nur die rechtliche Ordnung der Übertragung der Rundfunkinhalte; gesetzlicher Regelung bedarf auch die mit der Ver- und Entschlüsselung einhergehende Auswahl von Zugangsberechtigungen der Rezipienten sowie nicht zuletzt die Ordnung der hardwarebezogenen Plattformelemente, insbesondere die Gestaltung der den Zugriff auf die Rundfunkinhalte beeinflussenden Programmführer, sog. Navigatoren. Die Komplexität der Aufgabe spiegelt sich in der Breite der rechtlichen Rege749 lungskonzeption: Die rechtliche Ordnung der Plattformdienstleistungen erfolgt auf der Grundlage des allgemeinen Kartellrechts, des Sonderkartellrechts für die Tele218 219 220 221
Vgl. Rn. 72 ff. Vgl. § 9 Abs. 2 JMStV; vgl. dazu Rn. § 21. Vgl. Rn. 238 ff. Vgl. Rn. 239 ff.
C. Rundfunk (und vergleichbare Telemedien)
277
kommunikation und des spezifisch rundfunkbezogenen Medienrechts. Mit den jeweiligen Regeln werden vom Gesetzgeber unterschiedliche Zielrichtungen angestrebt. Das allgemeinen Kartellrecht verfolgt vor allem das Ziel, effektive Wettbewerbsmöglichkeiten der Programmdienstleistungsanbieter zu gewährleisten und insbesondere solchen Wettbewerb beeinträchtigende Wertschöpfungsketten vertikal integrierter Plattformbetreiber einer Kontrolle zu unterwerfen, damit keine wettbewerbsbeschränkende Markt- und Machtkonzentration auf den Rundfunkinhalts- und Übertragungsinfrastrukturmärkten entsteht. Das Telekommunikationsrecht hat vor allem die Aufgabe der Liberalisierung der Infrastrukturwege zur Übertragung von Rundfunk. Und das rundfunkbezogene Medienrecht will vor allem die Verbreitung eines vielfältigen Rundfunkangebots gewährleisten. Im Mittelpunkt der medienrechtlichen Regelungen zum Vertrieb von Rund- 750 funkprogrammen stehen die Regelungen des RStV. Seit dem Inkrafttreten des Zehnten Änderungsstaatsvertrages am 1.9.2008 haben die Ländergesetzgeber den Rechtsbegriff des Anbieters digitaler Plattformen in das Zentrum der rechtlichen Regelung gesetzt. Der Rechtsbegriff des Plattformanbieters ist in § 2 Nr. 10 RStV legal definiert und hat seither zwei Elemente: (1) Der Plattformanbieter muss eigene oder fremde („auch von Ditten“) Angebote bei der digitalen auf digitalen Übertragungskapazitäten zusammenfassen und als Gesamtangebot zugänglich machen, ohne diese (2) ausschließlich zu vermarkten. Die Zusammenfassung von Angeboten setzt eine Bündelungsleistung voraus; damit ist die technische Zusammenfassung des Angebots zu einzelnen Paketen gemeint, die insbesondere durch den Einsatz eines Verschlüsselungssystems erfolgt und die Verbreitung an unterschiedliche Berechtigte nach entsprechend gestalteten Berechtigungssystemen erlaubt. Die Bündelungsleistung unterscheidet den Plattformanbieter vom Anbieter bloßer Telekommunikationsdienstleistungen.222 Die Definition ist technikneutral gestaltet, so dass es auf den Übertragungsweg (terrestrisch, Kabel oder Satellit) nicht ankommt.223 Nach der Legaldefinition sind insbesondere Infrastrukturanbieter, die Inhalte 751 verschlüsseln, als Plattformanbieter zu qualifizieren. Damit greift der Gesetzgeber das Regelungsbedürfnis für einen vertikal integrierten Anbieter auf, der sowohl Verbreitungs- als auch sonstige Dienstleistungen auf seiner digitalen Übertragungskapazität anbietet. Nach der amtlichen Begründung setzt die Plattformqualifikation voraus, dass der Anbieter über die Zusammenstellung des Angebots auf der Übertragungskapazität bestimmen kann. Somit ist nur derjenigen Unternehmer Plattformanbieter i.S. des § 2 Nr. 10 RStV, der über eigene Infrastruktur (etwa als Kabelnetzbetreiber) oder zugewiesene Rundfunkfrequenzen (z.B. etwa Anbieter von Satellitenübertragungen) „bestimmt“, also Kontrolle ausübt. 224 Nach Satz 2 derselben Regelung sind diejenigen keine Plattformanbieter, die lediglich Inhalte zur Vermarktung zusammenfassen und verschlüsseln, und damit keine Kontrolle über die Übertragungskapazität haben, nicht Adressat der medienrechtlichen Re-
222 223 224
Begründung zum 10. RÄStV, S. 4. Begründung zum 10. RÄStV, S. 4. Begründung zum 10. RÄStV, S. 4.
278
§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
gelung.225 Darin kommt die Zielsetzung des Gesetzgebers zum Ausdruck, nur solche Unternehmen einer Regulierung zu unterwerfen, die gegenüber dem Rezipienten eine Vielfalt gefährdende Ausschließlichkeitsposition innehaben. § 52 Abs. 1 RStV nimmt Rückfunkübertragungen auf Plattformen in offenen 752 Netzen (z.B. Internet, UMTS) von der Regulierung aus. Diese Ausnahme ist damit begründet, dass in solchen Netzen jeder Anbieter sein Rundfunkangebot ohne Zusammenfassung durch einen Plattformbetreiber bereitstellen kann.226 Eine entsprechende Ausnahme gilt ferner für Plattformen, die unverändert ein Gesamtangebot übernehmen und unverändert an den Rezipienten weiterleiten; bei diesen besteht keine Regelungsbedürfnis, das nicht schon durch den regulierten Plattformanbieter auf der vorgelagerten Marktstufe befriedigt ist.227 3. Regelungsgrundsätze des TKG 753 Die digitale Rundfunkübertragung ist weiter telekommunikationsrechtlich geordnet. Insofern ist von Bedeutung, ob auf den Märkten der unterschiedlichen Übertragungswege wirksamer Wettbewerb besteht oder aber die Infrastrukturanbieter über beträchtliche Marktmacht verfügen und deswegen insbesondere die Märkte der Einspeisung von Rundfunksignalen in das Netz einer Regulierung nach dem TKG unterworfen sind. Die BNetzA hat in ihrem Marktanalyseverfahren für die Rundfunkübertra754 gungsmärkte (Einspeise- bzw. Signallieferungsmärkte i.S. des Markt Nr. 18 der Märkteempfehlung der EU-Kommisison228) im Bundesgebiet beträchtliche Marktmacht der Kabelregionalgesellschaften festgestellt.229 In der Konsequenz dieser Marktanalyse hat die BNetzA die betroffenen Unternehmen einer Entgeltregulierung nach § 39 Abs. 1 i.V. mit § 39 Abs. 2 – 4 TKG unterworfen; dagegen hat es keine Regulierungsmaßnahmen zu Plattformleistungen oder Zugangsansprüche zu den digitalen Übertragungskapazitäten der Plattformanbieter verfügt, weil Rundfunkveranstalter Nachfrager nach der Einspeiseleistung und damit als Endnutzer von TK-Dienstleistungen kein Adressat der Zugangsregulierung gem. §§ 16 ff. TKG sind. Somit kommt allenfalls in Betracht, dass ein Infrastrukturanbieter im Einzelfall seine Marktmacht dadurch missbräuchlich ausnutzt, dass dieser die Einspeisung von Rundfunksignalen in das Netz verweigert und nur zu missbräuchlichen Bedingungen i.S. des § 42 TKG gestattet.230
225 226 227 228 229
230
Vgl. Christmann, ZUM 2009, S. 7, 11. Vgl. Begründung zum 10. RÄStV, S. 26 f. Vgl. Begründung zum 10. RÄStV, S. 27. Vgl. oben Rn. 464 ff. Beschlüsse v. 25.4.2007, Az. BK 3b-06-013 und -014 und -017 (abrufbar über die Homepage der BNetzA). Beschlüsse v. 25.4.2007, Az. BK 3b-06-013 und -017 (abrufbar über die Homepage der BNetzA).
C. Rundfunk (und vergleichbare Telemedien)
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4. Regelungsgrundsätze des allgemeinen Kartellrechts Anbieter von Plattformdienstleistungen unterliegen dem Kartellverbot des § 1 755 GWB/Art. 81 EG sowohl im Verhältnis der Plattformanbieter untereinander (sog. Horizontalverhältnis) als auch in den Rechtsbeziehungen zu Rundfunkinhalteanbietern (im Vertikalverhältnis). Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltenweisen bei der Gestaltung von Preisen oder sonstigen Konditionen, die den Wettbewerb bei der Inanspruchnahme digitaler Plattformen spürbar beeinträchtigen, sind danach unzulässig und verboten. Das Verbot der Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen nach § 19 GWB 756 begrenzt den Verhaltensspielraum insbesondere der Breitbandkabel-Regionalgesellschaften, solange diese über ein Gebietsmonopol verfügen und betrifft auch die marktbeherrschend organisierte Bereitstellung von Satelliten-Transponder-kapazitäten für Rundfunkübertragungen. Insbesondere die sachlich nicht gerechtfertigte Verweigerung der Einspeisung von Rundfunksignalen in die Übertragungsnetze kann nach § 19 Ans. 4 Nr. 4 GWB/Art. 82 EG missbräuchlich sein. Überdies können Zusammenschlüsse von Infrastrukturanbietern nach § 35 ff. GWB oder der FKVO der Fusionskontrolle unterliegen. Für die marktbeherrschenden Anbieter im Bereich des Breitbandkabel-Übertragungsangebots und der Satellitentechnik ergeben sich für die marktbeherrschenden Anbieter Grenzen für ihr externes, durch Unternehmenszusammenschlüsse realisiertes Wachstum. 5. Ausgewählte Regulierungsbereiche a) Hinsichtlich der Belegung technischer Kapazitäten mit Fernsehprogrammen be- 757 steht gem. § 52b Abs. 1 Satz 1 RStV die Verpflichtung des Plattformanbieters, die technischen Kapazitäten in Umfang von höchstens einem Drittel der Gesamtkapazität für öffentlich-rechtlichen Rundfunk sicherzustellen. Diese sog. must-carryPrivilegierung begünstigt die bundesweit verbreiteten gebührenfinanzierten Programme einschließlich der landesweiten sog. Dritten Programme nebst ihrer programmbegleitenden Dienste sowie private Programme mit Regionalfenstern sowie die im jeweiligen Bundesland zugelassenen regionalen und lokalen Fernsehprogramme sowie die offenen Kanäle. Im gleichen Umfang trifft der Plattformbetreiber gem. § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 758 2 RStV die Entscheidung über die Belegung mit Fernsehprogrammen nicht gebührtenfinanzierter Programme, muss dabei aber die vorgegebenen Vielfaltkriterien beachten (sog. can-carry-Bereich). Nur in dem Bereich der verbleibenden Restkapazität ist der Plattformbetreiber bei der Belegungsentscheidung frei (sog. non-must-carry-Bereich). Eine Befreiung von den Belegungsvorschriften gilt für Plattformanbieter gem. 759 § 52b Abs. 3 RStV, wenn – wie bei Hybridempfangsgeräten (z.B. IPEmpfangsgerät mit DVB-T-Tuner) der Empfang auf einem gleichartigen Übertragungsweg und demselben Endgerät möglich ist (Nr. 1) oder bereits bei der Frequenzzuordnungs- oder -zuweisungsentscheidung die Vielfaltsicherung berücksichtigt wurde.
280
§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
760 b) Für Plattformen privater Anbieter mit Hörfunkprogrammen gelten die Bestimmungen des § 52 Abs. 2 RStV. 761 c) Die Implementation eines Zugangsberechtigungssystems erfolgt aus den verschiedensten Gründen grundsätzlich bei jedem Plattformangebot. Der Anbieter kann mit solchen Conditional Acess-Systemen (CA-Systeme) insbesondere eine geschützte Endkundenbeziehung aufbauen, seinen Premiumcontent schützen oder Satelliten-Overspill vermeiden. Regelmäßig entwickeln die Plattformanbieter das CA-System nicht selbst, sondern verwenden ein Ihnen von ihrem Vertragspartner lizenziertes, das sie dann auch im Rahmen des Smart Card Handling mit dem Endkunden zum Einsatz bringen. Das für digitales Fernsehen eingesetzte Ver- und Entschlüsselungsverfahren ist europaweit standardisiert und findet in Deutschland in § 48 Abs. 3 TKG seinen telekommunikationsrechtlichen Regelungshintergrund. Der Regulierungsrahmen für CA-Systeme wird einerseits durch § 50 TKG und 762 andererseits durch § 52c RStV abgesteckt. Die TKG-Regelung verfolgt den Grundsatz, dass Fernsehveranstaltern die Nutzung des CA-Systems unter chancengleichen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zu ermöglichen ist. Gem. § 52c Abs. 1 RStV dürfen Rundfunkanbieter bei der Verbreitung ihrer Angebote durch CA-Systeme des Plattformanbieters weder unbillig behindert noch gegenüber gleichartigen Anbietern diskriminiert werden. Nähere Einzelheiten werden durch Satzung und Richtlinien der Landesmedienanstalten geregelt, § 53 RStV. 763 d) Hinsichtlich der sog. elektronischen Programmführer (EPG) regelt § 52c RStV, dass Plattformbetreiber Rundfunkanbieter nicht durch die Verwendung von Benutzeroberflächen, die den ersten Zugriff auf die Angebote herstellen, unbillig behindern dürfen. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Rundfunkangebote erstens auffindbar sind und zweitens bestimmte Inhalte bei der Auffindbarkeit nicht bevorzugt werden. Auch insoweit werden nähere Einzelheiten durch Satzung uns Richtlinien der Landesmedienanstalten gem. § 53 RStV geregelt. 764 e) Das Verfahren der Zuordnung und Zuweisung drahtloser bundesweiter Übertragungskapazitäten (Satellitenübertragungskapazitäten) wird in §§ 51, 51a RStV geregelt. Der Gesetzgeber zielt mit diesen Vorschriften darauf ab, die Sicherung größtmöglicher Vielfalt des Gesamtangebots zu gewährleisten.231 II. Werbezeitenvertrieb 765 Das Angebot von Werbezeiten in Rundfunk und Fernsehen ist für die Veranstalter ein zentraler Vermarktungsgegenstand. Die privaten Veranstalter finanzieren sich – sieht man vom Entgeltfernsehen ab – ausschließlich über den Vertrieb von Werbezeiten. Die größten Veranstalter erzielen inzwischen Milliardenumsätze aus
231
Vgl. dazu Ritlewski, ZUM 2008, S. 403 f.
D. Musik
281
Werbeeinnahmen.232 Und auch die ARD-Werbegesellschaften und das ZDF erzielen beachtliche Werbefernsehumsätze.233 Der Vertragsschluss wird häufig nicht unmittelbar von dem Werbetreibenden 766 mit dem Rundfunkveranstalter geschlossen, sondern von einer spezialisierten Tochtergesellschaft des Rundfunkveranstalters einerseits und einer vom Werbeveranstalter in Anspruch genommenen Media-Agentur andererseits, die ihrerseits Werbezeiten regelmäßig zentral und nicht nur für einen einzelnen Werbetreibenden erwirbt. Die Rechtsnatur solcher Rundfunk- bzw. Fernsehwerbeverträge richtet sich nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Abgrenzungskriterien. In Anlehnung an die zum Filmtheaterwerbevertrag entwickelten Grundsätze, der das Recht des Werbeunternehmens zur Werbung im Filmtheater verschafft,234 wird auch der Rundfunk- bzw. Fernsehwerbevertrag als Pachtvertrag im Sinne des § 581 BGB, als Rechtspacht, zu qualifizieren sein.235 Von den genannten Werbeverträgen ist der Werbeauftragsvertrag zu unterscheiden, der zwischen der Media-Agentur und dem Werbetreibenden geschlossen wird.
D. Musik Beim Medienvertrieb im Musikbereich ist zu unterscheiden zwischen dem Li- 767 zenzhandel durch Musikverlage, der Aufführung in Konzerten, der Radioübertragung und dem Absatz von Aufnahmen im Rundfunk und auf Tonträgern. Der Lizenzhandel durch Musikverlage ist einerseits durch den zwischen Urhe- 768 ber und Musikverlag geschlossenen Musikverlagsvertrag und andererseits dadurch geprägt, dass Komponisten und Textdichter und deren Musikverlage regelmäßig mit der GEMA als Verwertungsgesellschaft einen Wahrnehmungsvertrag zur kollektiven Rechteverwertung schließen.236 Individuell werden von Musikverlagen vor allem Rechte zur Bearbeitung (z.B. für Klingeltönen), zur Filmherstellung (Filmmusik) und zur Nutzung zu Werbezwecken (Musik in Werbespots) gehandelt.237 Der Musikverlagsvertrag ist hinsichtlich der Verlagsrechte nach dem VerlG zu beurteilen.238 Regelmäßig lizenziert der Vertrag noch weitergehende Rechte, insbesondere das Aufführungs-, Sende-, Tonträgerherstellungsrecht; diese Rechte werden dann von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen. Dem Musikverlag bleibt vor allem die Aufgabe, den Absatz der Werke des Künstlers zu fördern und sich insgesamt für die Entwicklung des Künstlers einzusetzen.
232 233 234 235
236 237 238
Vgl. Media Perspektiven, Daten zur Mediensituation in Deutschland 2008, S. 15. Vgl. Media Perspektiven, Daten zur Mediensituation in Deutschland 2008, S. 8. Vgl. dazu v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, Kap. 174. So OLG Frankfurt, UFITA 41, S. 325 für den Filmtheaterwerbevertrag; nach a.A. handelt es sich um einen Werkvertrag iSd § 631 BGB; vgl. die Nachweise bei v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, Kap. 174 Rn. 4, 18. Vgl. Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Auflage 2008, vor § 31 Rn. 118 ff. Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Auflage 2008, vor §§ 31 Rn. 136 ff. Vgl. dazu oben 733 ff.
282
§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
Konzerte werden regelmäßig durch spezialisierte Konzertveranstalter organisiert.239 Dies erfolgt auf der Grundlage eines mit den Musikern bzw. deren Managements geschlossenen Konzertvertrages, der ein einzelnes Konzert oder eine Tournee zum Gegenstand hat. Konzertverträge enthalten keine urheberrechtliche Nutzungsrechtseinräumungen; die zur Konzertveranstaltung notwendigen Vorführungs- und Vortragsrechte werden vom Veranstalter von den Verwertungsgesellschaften und/oder Verlagen erworben. Der auftretende Künstler erhält als seine Vergütung eine Gage. Der Musikvertrieb über den Hörfunk ist im Zusammenhang mit dem Rundfunk 770 bereits dargestellt worden.240 Neben den dort angesprochenen Regeln für den Rundfunk prägen die in den Senderechtsverträgen zwischen Verwertungsgesellschaften und Musikverlagen enthaltenen Bestimmungen zur Musiknutzung das Vertriebsgeschäft. In der Vergangenheit wurden verschiedentlich insbesondere Vertriebsschutzklauseln vereinbart, die festlegen, dass das lizenzierte Musikwerk in der Sendung nicht vollständig gespielt werden darf, um den Mitschnitt des Werks aus der Radiosendung unattraktiv zu machen und den Absatz von physischen Tonträgern zu stärken. Mit der Einführung der digitalen Sendetechnik ist nicht nur das gleichzeitige Senden von Radio-Musik-Programmen über das Internet (sog. Simulcast) möglich geworden,241 insgesamt ist mit der Sendung von Musik über das Internet eine neue Vertriebsvariante entstanden. Bei diesem sog. Webcast,242 in welchem Radioprogramme als Stream gesendet werden, weist Vorzüge im Vergleich zur herkömmlichen Übertragungstechniken auf, die vor allem nichtkommerziell tätige Webcaster motiviert hat, da sich Webcast – jedenfalls bisher – nicht als Geschäftsmodell eignen. Diese Vorzüge liegen darin, dass das Angebot von verschiedenen Musikkanälen praktisch unbegrenzt, weltweit verfügbar und vergleichsweise preiswert verbreitet werden kann.243 Der Vertrieb von physischen Tonträgern (CDs, DVDs) erfolgt über die Tonträ771 gerhersteller. Sie nehmen Künstler unter Vertrag, für die sie die Aufnahme, die Produktion und den Vertrieb musikalischer Werke von Künstler organisieren. In Künstlerexklusivverträgen haben sie die Künstler an sich gebunden, erwerben in sog. Bandübernahmeverträgen Lizenzen an bereits produzierten Aufnahmen bzw. lassen sich in sog. Labelverträgen komplette Repertoires von Musikproduktionsunternehmen ohne eigene Vertriebsstruktur lizenzieren.244 Die Vertriebsstruktur erfolgt über Absatzmittler, insbesondere den Sortimentsgroßhandel, der den Import/Export besorgt und vor allem Warenhäuser beliefert, sowie den Systemgroßhandel, der den Einzelhandel beliefert und für diesen einzelne Zusatzdienstleistungen erbringt (z.B. Preisauszeichnung, Warensicherung, Logistik und Retourenabwicklung). Die zugrunde liegenden handelsrechtlichen Vertriebsver769
239
240 241 242 243 244
Dazu Gottschalk, in: Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft, 6. Auflage 2003, S. 451 ff. Vgl. oben Rn. 742 ff. Vgl. oben Rn. 106. Vgl. Handig, GRUR Int 2007, S. 206. Vgl. Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Auflage 2008, § 20 Rn. 13 ff. Beispiel bei BGH GRUR 1989, S. 198, 201 – Künstlerverträge.
E. Fotos
283
träge sind vielgestaltig, regelmäßig werden Kommissionsverträge (§§ 383 HGB ff.) vereinbart sein. Der nicht-physischen Vertrieb über Online-Shops und auf Handys erfolgt, so- 772 weit dies rechtmäßig geschieht, über die Tonträgerunternehmen. In MusikDownlad-Vertriebsverträgen245 werden digitalisierte Musikwerke an Betreiber von Download-Shops im Internet veräußert. Die Internet-Shops wiederum bereiten die Werke downloadfähig auf, versehen sie mit Kopierschutz- und weiteren digitaler Lizenzrestriktionen (DRM) und stellen die so angebotenen Titel im eigenen Namen zum entgeltlichen Download Endkunden zur Verfügung. Mittlerweile ist eine Zwischenhandelsstufe entstanden; sie bietet den Shop-Betreibern eine große Anzahl von Titeln unterschiedlicher Produzenten und Künstler an.
E. Fotos Die rechtliche Gestaltung des Vertriebs von Fotos hängt wesentlich davon ab, ob 773 das betroffene Foto die für eine persönliche geistigen Schöpfung erforderliche Schöpfungshöhe erreicht und ein Lichtbildwerke gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG urheberrechtlich Schutz genießt oder als Lichtbild im Sinne des Leistungsschutzrechts des § 72 UrhG anzusehen ist.246 Eine Vielzahl von Fotos wird über Bildagenturen gehandelt.247 Die Agenturen erwerben in der Regel ausschließliche Nutzungsrechte am Foto, die ihnen von freischaffenden Fotografen eingeräumt werden.248 Der Agenturkunde erwirbt das Foto auf der Grundlage einer Lizenz. Dabei sucht er Fotos der Agenturen in Fotodatenbanken aus, die über das Internet eingesehen werden können. Der Agenturkunde erhält nach Abschluss eines AGBRahmenvertrages (sog. Registrierung) den entgeltlichen Zugriff auf die Fotodateien nebst Lizenzbindung. Die Preisgestaltung hängt wesentlich davon ab, ob die Lizenzierung ausschließlich für redaktionelle oder aber für kommerzielle Zwecke erfolgt. Fotonutzungen im Internet bzw. auf CD-ROM sind gesondert zu lizenzieren.249 Werbe- oder Modefotos werden typischerweise auf einer zweistufigen Grund- 774 lage erworben: Fotograf und Lizenznehmer vereinbaren die Herstellung eines Fotos mit bestimmten Eigenschaften als Werk- oder Werklieferungsvertrag (§§ 631, 651 BGB) und schließen einen weiteren Lizenzkaufvertrag, sofern das Werk gefällt.250 Fotokunstwerke werden vergleichbar Gemälden und anderen Werke der bil- 775 denden Kunst und damit in der Weise veräußert, dass der Käufer des Werkoriginals Eigentum an dem Werkstück, im Zweifel aber keine über das Ausstellungs245 246 247 248 249 250
Vgl. Hoenike/Hülsdunk, MMR 2004, S. 59 ff. Vgl. dazu oben Rn. 662 und Dreier/Schulze, a.a.O., § 2 Rn. 195. Zum Bildagenturvertrag vgl. Mielke/Mielke, ZUM 1998, S. 646 ff. Dreier/Schulze, a.a.O., vor § 31 Rn. 122. BGH, GRUR 2002, S. 248, 251 – Spiegel-CD-ROM. BGH 1976, S. 390 – Werbefilm.
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§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
recht hinaus gehenden Nutzungsrechte (§§ 18, 44 Abs. 1 UrhG) erwirbt. Die Zulässigkeit des Abdrucks von Fotokunst (z.B. in Ausstellungskatalogen, Büchern, Zeitschriften) erfordert den Abschluss eines Vertrages eigener Art, dessen Inhalt sich an den Bestimmungen des VerlG orientiert.251
F. Computerspiele 776 Computerspiele werden in unterschiedlichen Märkten für Einzelspieler und solchen für Spiele vertrieben, welche über Netzwerkverbindungen gemeinsam mit mehreren Spielern, die teilweise in virtuellen Welten mit tausenden von Spielern über virtuelle Avatare in Kontakt treten.252 Zu unterscheiden sind PC-Spiele und sog. Konsolenspiele, die eine besondere Hardware, eben die „Spielkonsole“ voraussetzen. Der Vertrieb von Computerspielen (und der ggf. als Koppelungsprodukt ange777 botenen Hardware; sog. bundling) erfolgt sowohl im Direktvertrieb (Online, Direktversand) als auch über Groß- und Einzelhändler, die an den sog. Publisher vertraglich gebunden sind. Der Publisher kann als Verlag für Computerspiele angesehen werden, der die Rechte an den Spielen (Software, Marken, Titel etc.) von den Entwicklungsstudios auf der Grundlage von Lizenzverträgen erworben hat. Der Vertrieb von Spielen erfolgt durch den Verkauf von CD-ROM im Einzelhandel, zunehmend auch im Online-Vertrieb, insbesondere über Spieleportale, oder auf mobile Endgeräte („Handy-Spiele“). Zunehmende Bedeutung hat die Vermietung von Computerspielen durch Videotheken, die rechtlich dem Muster der Vermietung von Filmen entspricht.253 Online-Multiplayer-Games müssen von Endkunden in der Regel gegen monatliche Nutzungsgebühr abonniert werden.
G. Onlinevertrieb 778 Unter der Bezeichnung Onlinevertrieb wird herkömmlicher Weise der Vertrieb über das Internet verstanden. Das Internet ist dabei zunächst selbst Vertriebsgegenstand insofern, als der Zugang zu dem Medium selbst online verschafft wird, indem sich der Nutzer durch Online-Registrierung beim Zugangsprovider für die Internetkommunikation anmeldet. Zentrale Bedeutung hat das Internet aber zuvorderst dadurch, dass es den Absatz aller anderen Medien online ermöglicht. Das Online-Geschäft betrifft zunächst den Vertragsabschluss selbst. Die Durchführung und Abwicklung des so geschlossenen Vertrages kann dann offline erfolgen, indem die bestellte Ware physisch geliefert wird, oder auch online über das Internet
251 252
253
Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Auflage 2008, vor § 31 Rn. 274. Sog. online-multiplayer-games; zu den insoweit einschlägigen Rechtsverhältnissen vgl. Rippert/Weimer, ZUM 2007, S. 272 ff.; vgl. dazu oben Rn. 117 ff. Vgl. oben Rn. 740.
G. Onlinevertrieb
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abgewickelt werden, wenn die Verschaffung digitale Dateien Vertragsgegenstand ist. Das Vertragsrecht des Online-Vertriebs ist von anderen Medienvertriebsverträ- 779 gen grundlegend verschieden. Dabei ist zu differenzieren zwischen dem Businessto-Business-Geschäft (B2B-Geschäft) und dem Business-to-Consumer-Geschäft (B2C-Gechäft). Im B2B-Geschäft kommt der sog. Online-Lizenz von Werken eine herausragende Bedeutung zu; sie erlaubt dem Website-Unternehmer, das Medienerzeugnis auf einer Website überhaupt zugänglich zu machen. Die OnlineLizenz kann sich grundsätzlich auf sämtliche Medienerzeugnisse beziehen, insbesondere Musik und Filme, aber auch Texte und Bilder. Für die Online-Lizenz wird regelmäßig eine Lizenzgebühr verlangt, die als Pauschale, als Beteiligung am Umsatz oder nach der Zahl der Aufrufe der Website gestaltet werden. Letzteres ist ein Maß dafür, wie der lizenzierte Inhalt bei den Endkonsumenten ankommt.254 Der Betreiber eines Online-Shops benötigt überdies einen Download-Vertriebsvertrag; dieser berechtigt ihn etwa zum Verkauf von Musik- oder Filmdownloads oder der Shop-Betreiber ist zur Vermietung von Filmen in Online-Videotheken berechtigt. Download-Vertriebsverträge enthalten vor allem Regelungen zur Aufbereitung der Dateien zum Vertrieb („Encoding“) und Regelungen, die den Lizenznehmer durch geeignete Vorkehrungen (z.B. DRM oder Kopierschutzsysteme) vor unberechtigten Zugriffen schützen sollen. Sog. Portalverträge255 werden geschlossen, wenn ein Shop-Inhaber in einen elektronischen Marktplatz aufgenommen werden soll. Im B2C-Bereich ist der Endkunde nicht durchweg vertraglich gebunden. Das 780 Betrachten einer Website setzt grundsätzlich keinen bestehenden Nutzungsvertrag voraus. Der Abschluss eines Nutzungsvertrages wird aber im B2C-Geschäft vom Website-Unternehmer regelmäßig verlangt, wenn der Nutzer bestimmungsgemäß Downloads oder andere kostenpflichtige Transaktionen vornimmt. Auf der Grundlage von Auktions- und Plattformverträge wird der Online-Vertrieb im B2CGeschäft eröffnet, bei denen Verbraucherendkunden eigene Geschäfte über die Handelsplattform des Providers gegen eine Transaktionsgebühr vornehmen.256 Im Zusammenhang mit dem Online-Vertrieb stellen sich insbesondere folgende 781 Kernfragen: Zunächst geht es um die rechtlichen Modalitäten des Vertragsschlusses sowie um die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbeziehungen und die Beachtlichkeit zivil- und insbesondere verbraucherschützender Regelungen im Verhältnis zwischen Anbieter und Endkunde257 sowie zwischen Endkunde und Internet-Provider.258 Die “Verantwortlichkeit” für fehlerhafte oder rechtswidrige elektronische Informationen bildet eine weitere Kernfrage des Online-Vertriebs.259 Ferner wird die Frage nach dem Schutz der elektronisch vertriebenen Online254
255 256 257
258 259
Dazu näher Schuppert, in: Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Auflage 2004, S. 613 ff. Vgl. Huber, in: Beck’sches Formularbuch e-commerce, 2003, S. 368 ff. Dazu Cichon, in: Spindler, a.a.O., S. 815 ff. Vgl. Kaiser/Voigt, K&R 1999, S. 445 ff.; Junker/Benecke, Computerrecht, 3. Auflage 2003; dazu Mehrings, in: Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1. Vgl. dazu Spindler, BB 1999, S. 2037 ff. Vgl. dazu Rn. 1025 ff.
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§ 14 Rechtsregeln für den Vertrieb von Medienerzeugnissen
Angebote aufgeworfen,260 aber auch die Frage nach dem Schutz der Erklärungen261 und Daten262 der am elektronischen Geschäft beteiligten Parteien. Sämtliche Rechtsfragen rufen angesichts der Ubiquität sowohl der verfügbaren 782 Informationen als auch der Möglichkeiten zum Vertragsschluss nach einer möglichst breit wirkenden internationalen Regelung. Auch wenn eine solche noch nicht existiert, ist es zu begrüßen, dass sich die Europäische Union der Thematik vor allem durch zwei Richtlinien angenommen hat: Die Fernabsatz-Richtlinie263 und die e-commerce-Richtlinie.264 Die Fernabsatz-Richtlinie und das sie in Deutschland umsetzende Fernabsatz783 vertragsrecht der §§ 312b ff. BGB verfolgen das Ziel, den Verbraucher vor aggressiven bzw. irreführenden Praktiken des Direktmarketing in der spezifischen Situation des Fernabsatzes zu schützen.265 Zu diesem Zweck wurden vor allem unabdingbare qualifizierte Informationspflichten des Unternehmers sowie ein Widerrufsrecht des Verbrauchers (vgl. § 312d BGB) eingeführt, mit denen mögliche Gefahren für die Interessen der Verbraucher bewältigt werden sollen. Weitere Regelungen betreffen die Rechtslage bei Zusendung unbestellter Waren, die Telefonwerbung, die missbräuchliche Verwendung von Zahlungskarten, kreditierte Fernabsatzverträge sowie kollisionsrechtliche Fragen.266 Die e-commerce-Richtlinie regelt speziell den Handel über das Internet. Der 784 Anwendungsbereich und die Reichweite der Richtlinie werden durch den zentralen Begriff “Dienste der Informationsgesellschaft” festgelegt. Die Definition umfasst einen weiten Bereich, den Abschluss von Online-Verträgen, aber auch die Inanspruchnahme von Diensten, die - wie Suchmaschinen oder Informationsdienste - nicht von den Nutzern vergütet werden. Nicht unter die Definition fallen die im Anhang V zur sog. Transparenzrichtlinie267 genannten Dienstleistungen, insbesondere also die reinen Telekommunikationsdienstleistungen und der Rundfunk. Nach der Richtlinie gilt unabhängig vom Standort des jeweiligen Servers das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Anbieter seine Niederlasung hat. Hinsichtlich der unerbetenen kommerziellen Kommunikation (sog. spamming) sieht die Richtlinie vor, dass die Diensteanbieter regelmäßig Sperrlisten (sog. Robinson-Listen) zu berücksichtigen haben, in denen Nutzer entsprechende Sperrwünsche eintragen können (sog. opt-out-Verfahren). Es kann aber auch das nach geltendem deut260
261
262 263
264
265 266 267
Vgl. dazu Wiebe, in: Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 9; vgl. auch unten § 13. Dazu Geis und Mertes/Zeuner, in: Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.2 und 13.3; Roßnagel, in: Roßnagel, Recht der Multimedia-Dienste, 2003, Teile 5, 6. Schaar, in: Roßnagel, Handbuch, Teil 4, Abschnitt III. Richtlinie 97/7/EG vom 20.5.1997, ABlEG Nr. L 144, S. 19 ff.; vgl. dazu oben Rn. 162. Richtlinie 2000/31/EG vom 8. Juni 2000, ABlEG Nr. L 178, S. 1 ff.; vgl. dazu oben Rn. 161. Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 30 ff. Vgl. die Übersicht bei Bülow/Artz, NJW 2000, S. 2049 ff. Richtlinie 98/34/EG vom 22.6.1998 in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG vom 20.7.1998.
G. Onlinevertrieb
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schem Recht bestehende Konzept der generellen Unzulässigkeit unerbetener Werbung mangels Erlaubnis (sog. opt-in-Verfahren) aufrechterhalten werden. Die Providerhaftung wird in der Weise geregelt, dass der Provider beim “caching” und “hosting” generell keine Verantwortlichkeit für die Online-Inhalte trägt.268
§ 15 Rechtsregeln für Werbung
Literatur Berlit, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2005; Boesche, Wettbewerbsrecht, 3. Auflage 2009; Emmerich, Wettbewerbsrecht, 8. Auflage 2009; Lettl, Wettbewerbsrecht, 2009; Köhler, Vom deutschen zu europäischen Lauterkeitsrecht, NJW 2008, S. 3032 ff.; Säcker, Das UWG zwischen den Mühlsteinen europäischer Harmonisierung und grundrechtsgebundener Liberalisierung, WRP 2004, S. 1199 ff.
Massenmediale Werbung hat für die Existenz des Massenkommunikationswesens 785 eine kaum hoch genug einzuschätzende Bedeutung.269 Die Tagespresse etwa wird zu überwiegenden Teilen aus Werbeerlösen, also nicht in erster Linie aus Vertriebserlösen, den Erlösen aus dem Zeitungsverkauf, sondern aus Anzeigen- und Werbebeilagenerlösen finanziert. Privater Rundfunk wird, abgesehen vom Entgeltfernsehen, ausschließlich durch Werbeeinnahmen finanziert. Werbung in Filmtheatern kommt eine beachtliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Viele Telemediendienste könnten ohne Werbeeinnahmen nicht angeboten werden. Werbung hat zugleich zumindest ihrer Intention nach einen auf die Meinungen, Wünsche und Verhaltensweisen der Rezipienten Einfluss nehmenden Charakter. Vor diesem Hintergrund hat das Medienrecht Inhalt und Umfang der Werbung in den Massenmedien mit Umsicht und Bedacht zu regeln, wenn es sowohl die Chancen als auch die Risiken von Werbung in den Massenmedien sachgerecht erfassen will. Die für die Massenmedien erheblichen Werberechtsrechtsregeln finden sich in den Bestimmungen des allgemeinen Wettbewerbsrechts, welche ohne spezifischen Bezug zu den Massenmedien umfassend die Lauterkeit des Marktverhaltens der Marktteilnehmer gewährleisten sollen (dazu unter A.). Außerhalb des UWG finden sich eine Reihe besonderer, nämlich medienspezifisch ausgeprägter Werberechtsbestimmungen (dazu unter B.).
268 269
Zum deutschen Recht vgl. unten Rn. 1025 ff. Nachweise in Media Perspektiven, Basisdaten 2008, S. 86.
288
§ 15 Rechtsregeln für Werbung
A. Allgemeines Wettbewerbsrecht 786 Die zentralen Regeln des allgemeinen Wettbewerbsrechts in Deutschland finden sich in den Vorschriften des UWG. Dieses Gesetz geht auf das Jahr 1909 zurück und schuf mit der Generalklausel des Verbots eines Verstoßes von Wettbewerbshandlungen gegen die „guten Sitten“ für fast 100 Jahre eine Generalklausel für die Beurteilung von Werbemaßnahmen aller Art. Im Jahr 2004 wurde das Gesetz grundlegend überarbeitet, indem nunmehr der Sittenbezug in der Generalklausel durch die Lauterkeitstest ersetzt wurde und zugleich der Schutzzweck vom Individualschutz des einzelnen Konkurrenten unter Einbeziehung der Verbraucher um den Schutz der Interessen der Allgemeinheit erweitert wurde. Mit der Änderungsgesetzgebung zum UWG wurden zahlreiche Richtlinien der EU umgesetzt.270 Mit der damit durchgeführten „Modernisierung“ ging zugleich eine „Liberalisierung“ des Wettbewerbsrechts einher.271 Die UWG-Novelle aus dem Jahr 2008 hat das Gesetz an die europäischen Vorgaben der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern272 angepasst.273 Neben dem UWG hat die massenmediale Werbung eine Reihe von spezialge787 setzlichen Regeln zu beachten. Nachdem die Rabatte und Zugaben regelnde Spezialregelungen des RabattG und der ZugabeVO außer Kraft getreten sind, finden sich die wichtigsten wettbewerbsrechtlichen Regelungen heute im UWG. Von den darüber hinaus zu beachtenden Gesetzen kommt der Verordnung zur Regelung von Preisangaben erhebliche Bedeutung für die mediale (Preis-)Werbung zu (dazu unter II). I. Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb 788 Der vom UWG geregelte Bereich des allgemeinen Wirtschaftsgeschehens bildet einen eigenständigen komplexen Regelungsbereich des Wirtschaftsrechts, dessen Darstellung der Spezialliteratur vorbehalten bleiben muss.274 Nachfolgend können lediglich Grundzüge des Lauterkeitsrechts und besonders die massenmedienrelevanten Regelungen für das Direktmarketing mittels Telefon-, e-mail- und Faxwerbung dargestellt werden; auf das wettbewerbsrechtliche Presseprivileg gem. § 9 Satz 2 UWG ist im haftungsrechtlichen Zusammenhang einzugehen.275 1. Grundzüge 789 Der Gesetzgeber verfolgt mit den Vorschriften des UWG keinen massenmedienspezifischen, publizistischen Regelungszweck. Der Zweck des UWG ist nach sei270 271 272 273 274 275
Dazu Boesche, Wettbewerbsrecht, 3. Auflage 2009, Rn. 12. So die Gesetzesbegründung zum, UWG 2004; vgl. BT-Drs. 15/1487, S. 12. Dazu Gamerith, WRP 2003, S. 143 ff. Dazu Köhler, NJW 2008, S. 3032 ff.; Ohly, WRP 2008, S. 177 ff. Vgl. die Nachweise in dem diesem Kapitel vorangestellten Literaturhinweisen. Vgl. Rn. 1044 ff.
A. Allgemeines Wettbewerbsrecht
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nem § 1 auf einen umfassenden wettbewerbsrechtlichen Interessen- und Institutionenschutz gerichtet; geschützt werden nach der nunmehr kodifizierten Rechtslage die Mitbewerber, Marktteilnehmer und Verbraucher sowie das Interesse der Allgemeinheit an unverfälschtem, funktionsfähigem Wettbewerb. Im Unterschied zum Kartellrecht, das die Freiheit des Wettbewerbs gewährleisten soll, hat das UWG die Aufgabe, die Lauterkeit des Wettbewerbs zu sichern; geht es dem Kartellrecht um die Gewährleistung wettbewerblicher Marktstrukturen, betrifft das UWG das Verhalten der Teilnehmer im Wettbewerbsgeschehen und damit insbesondere im Werbegeschehen.276 Der sachliche Anwendungsbereich des UWG ist nicht auf Werbemaßnahmen begrenzt; nur einzelne Vorschriften enthalten dementsprechend das Tatbestandsmerkmal „Werbung“.277 Der den Anwendungsbereich sachlich abgrenzende zentrale Rechtsbegriff ist der der geschäftlichen Handlung. Dieser schließt nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG Werbung ohne weiteres ein, ohne sich darin aber zu erschöpfen; vielmehr erfasst der Rechtsbegriff der geschäftlichen Handlung grundsätzlich jedes unternehmerische Marktverhalten.278 Die Kernregelung des UWG findet sich in der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG, die ein Verbot des unlauteren Wettbewerbs vorsieht. Diese Generalklausel wird durch einen Katalog von Beispielen unlauteren Wettbewerbs konkretisiert; diese sollen den Verbotsbereich möglichst transparent machen, indem in § 4 UWG Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen angeführt werden, in §§ 5, 5a UWG Regelungen zu irreführender geschäftlichen Handlungen aufgelistet werden und in § 6 die vergleichende Werbung geregelt wird. Nach § 7 Abs. 1 UWG sind unzumutbare Belästigungen durch geschäftliche Handlungen unzulässig; in Abs. 2 von § 7 werden Fallgruppen in jedem Fall unzumutbar belästigender Werbung genannt. Um die Unzulässigkeit der geschäftlichen Handlungen zu begründen muss – mit Ausnahme der in § 7 geregelten Belästigungsfälle - die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG überschritten werden. § 3 Abs. 2 UWG regelt, unter welchen Voraussetzungen geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern unzulässig sind. Ohne Rücksicht auf die Spürbarkeit sind gemäß § 3 Abs. 3 UWG die im Anhang zum UWG aufgelisteten konkreten Verhaltensweisen gegenüber Verbrauchern unzulässig. Im Falle der Unzulässigkeit einer geschäftlichen Handlung wie einer Werbemaßnahme begeht der Verletzer deliktisches Verhaltensunrecht, das vor allem zivilrechtlich sanktioniert und durch die Geltendmachung zivilrechtlicher Rechtsfolgen verfolgt wird.279 Die zentralen Ansprüche betreffen die Beseitigung und Unterlassung des unlauteren Marktverhalten, § 8 UWG; Schadenersatz kann nach § 9 UWG verlangt werden und nach § 10 steht Verbänden unter bestimmten Vor276
277 278 279
Zur Abgrenzung von Wettbewerbs- und Kartellrecht vgl. Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage 2008, Einl. Rn. 6.1. ff. Vgl. §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 Satz 2 sowie Nr. 13 und 28 des Anhangs zum UWG. Vgl. Emmerich, Wettbewerbsrecht, 8. Auflage 2009, § 4 II. Daneben bestehen die unlauterkeitsrechtliche Straftatbestände der §§ 16-19 UWG, die tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle spielen; vgl. Emmerich, a.a.O., § 24.
790
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§ 15 Rechtsregeln für Werbung
aussetzungen ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns an den Bundeshalt zu, sog. Gewinnabschöpfungsanspruch gem. § 10 UWG. Die Sachbefugnis (Aktivlegitimation) zur Durchsetzung der Ansprüche steht 794 nach § 8 Abs. 3 den Mitbewerbern sowie unter zusätzlichen Voraussetzungen auch rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen oder selbständige beruflicher Interessen, bestimmten qualifizierten Einrichtungen (insbesondere Verbraucherverbänden) und den Industrie- und Handelskammern zu. Die Sachbefugnisregelung korreliert somit nicht vollständig mit der materiellen Schutzzweckregelung, weil der einzelne Verbraucher auch dann keine Sachbefugnis zur Durchsetzung von Ansprüchen hat, wenn er unmittelbar durch das unlautere Marktverhalten betroffen ist, obwohl er nach § 1 UWG in den Schutz des Gesetzes eingebogen ist.280 Sein Schutz wird somit mittelbar, insbesondere über die altruistische Verbandsklage der Verbraucherbände gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG realisiert. Die Beantwortung der Frage, wer Schuldner des Abwehranspruchs ist (sog. 795 Passivlegitimation), ergibt sich in erster Linie aus den allgemeinen deliktsrechtlichen Verantwortlichkeitsregeln, die durch die wettbewerbsrechtlichen Haftungsregeln des § 8 Abs. 2 UWG und die richterrechtlichen entwickelten Störerhaftungsgrundsätze konkretisiert werden. Die wettbewerbsrechtlichen Störerhaftungsgrundsätze gehen in Anlehnung an die zu § 1004 BGB entwickelten Grundsätze davon aus, dass grundsätzlich jeder, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt, als Störer haftet.281 Diesen besonders weit reichenden Zurechnungsgrundsatz hatte die Rechtsprechung des BGH bei der Inanspruchnahme nicht unmittelbar selbst Handelnder allerdings fallweise eingeschränkt.282 Eine Haftung des Störers sollte danach, um keine unzumutbaren Haftungsfolgen auszulösen, nur in Betracht kommen, wenn Prüfpflichten verletzt wurden. Bestand und Umfang einer Prüfpflicht wurden nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, beurteilt. Danach wurde insbesondere die wettbewerbsrechtliche Störerverantwortung desjenigen, der einen Hyperlink setzt oder aufrecht erhält eingeschränkt.283 In seiner neuen Entscheidungspraxis hat der BGH in Fortentwicklung und Ver796 festigung der Einzelfallrechtsprechung eine Kehrtwende in seiner Rechtsprechung zur Störerhaftung vollzogen. Seit der Grundlagenentscheidung „Jugendgefährdende Medien bei eBay“ aus dem Jahr 2007284 wurde die bisherige Störerhaftungsrechtsprechung ersetzt und wird seither auf den Grundsatz gestützt, dass eine Haftung Dritter nur noch für die Verletzung eigener wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten in Betracht kommt.285 Der Kern einer solchen Verkehrspflicht 280 281 282 283 284 285
So Regierungsbegründung BT-Drs. 15/1487, S. 22. Vgl. Emmerich, Wettbewerbsrecht, 8. Auflage 2009, § 21 Rn. 43. Vgl. nur BGHZ 172, S. 119, 131 f. Tz. 40 f.; Emmerich, a.a.O. § 21 Rn. 44. BGH GRUR 2004, S. 695 f. – Schöner Wetten; vgl. dazu auch Rn. 1038. BGHZ 173, S. 188 ff. Dazu Köhler, GRUR 2008, S. 1 ff.; Leistner/Stang, WRP 2008, S. 533 ff.
A. Allgemeines Wettbewerbsrecht
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wird regelmäßig eine Prüfpflicht sein, deren Bestand und Umfang wertend zu bestimmen sind. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Verpflichtete die ihm jeweils möglichen und zumutbaren Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu ergreifen hat, weil er andernfalls selbst als Täter (und nicht mehr als Drittstörer) des Rechtsverstoßes gegen §§ 3 und 4 Nr. 11 UWG zur Verantwortung gezogen werden kann.286 2. Telefon-, e-mail- und Faxwerbung Telefonwerbung ist nach der europäischen Fernabsatzrichtlinie grundsätzlich zu- 797 lässig und ist verboten, wenn der Verbraucher sie ablehnt (sog. opt-out). Art. 14 der Fernabsatz-Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten allerdings, strengere Vorschriften zu erlassen. Von dieser Befugnis hat der deutsche Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG Gebrauch gemacht. Werbung mit Telefonanrufen ist danach gegenüber Verbrauchern nur dann zulässig, wenn der Verbraucher eingewilligt hat (sog. opt-in). Der deutsche Gesetzgeber sieht im sog. cold calling ein belästigendes Eindringen in die Privatsphäre. Nach der geltenden Fassung des Gesetzes ist die ausdrückliche Einwilligung des Verbrauchers erforderlich, werbliche Telefonanrufe gegenüber sonstigen Marktteilnehmern setzen eine zumindest mutmaßliche Einwilligung voraus. Die Regelung behandelt nur den telefonischen Werbeanruf als solchen; aus Anlass des Telefongesprächs geschlossene Verträge werden von der Regelung betroffen; ihre Wirksamkeit bzw. Widerrufbarkeit richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts und dem Fernabsatzregeln der §§ 312b ff. BGB.287 Die Verbotsregelung für Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern hat sich an- 798 gesichts massenhaft vorkommender Verstöße als wenig effizient erwiesen. Daran wird voraussichtlich auch das im Jahr 2009 verabschiedete Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung, welches die soeben beschriebene Rechtslage hergestellt hat, nichts ändern. Der Gesetzgeber hätte besser daran getan, mit den im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagenen Mitteln der Selbstregulierung eines auf Verbandsebene kontrollierten Verbandskodex für faires Telefonmarketing für effizientere Rechtsdurchsetzungsstrukturen zu sorgen.288 Für die Werbung mittels automatischer Anrufmaschinen, Faxgeräten und elek- 799 tronischer Post gelten gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dieselben strikten Regeln wie für die Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern. Hinsichtlich der Werbung mittels elektronischer Post werden diese Maßstäbe allerdings in § 7 Abs. 3 UWG gelockert.
286 287 288
Vgl. noch Rn. 1032. Vgl. Rn. 731. Vgl. Paschke, Neuordnung der privatrechtlichen Grundlagen des Telefonmarketing, 2002, sowie die kritischen Stimmen in BT-Drs. 15/1487, S. 42.
292
§ 15 Rechtsregeln für Werbung
II. Verordnung zur Regelung der Preisangaben 800 Die Preisangabenverordnung verfolgt den Zweck, den Verbraucher durch wahre und vollständige Information über den Produktpreis zu schützen und durch Preiswahrheit und –klarheit zugleich den lauteren Wettbewerb zu fördern. Die Regelungen sehen keine Preisinhaltskontrolle vor, sondern sie darauf gerichtet die Preiswahrheit und Preisklarheit zu fördern. Die Preisregelungen beziehen sich auf den geschäftlichen Verkehr mit Letzt801 verbrauchern während der geschäftliche Verkehr mit gewerblichen Abnehmern nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, § 9 Abs. 1 Nr. 1 PreisangabenVO. Die Angabenpflicht besteht auch für die Fälle, in denen Hersteller oder (Groß- bzw. Einzel-)Händler gegenüber Letztverbrauchern gemeinschaftlich werben.289 Im geschäftlichen Verkehr mit Letztverbrauchern erfassen die Regelungen zwei 802 Formen der Werbung mit Preisangaben: (1) Das geschäftsmäßige Angebot von Waren oder Leistungen gegenüber Letztverbrauchern; (2) die Werbung unter Angabe von Preisen. Anzugeben sind die Bruttopreise, nämlich der Endpreis mit Mehrwertsteuer; die Angaben müssen in eindeutiger und deutlich lesbarer Weise genannt und dem jeweiligen Produkt eindeutig zugeordnet werden, § 1 Abs. 1, 6 PreisangabenVO. Die Angabepflicht besteht auch für Angebote im Internet.290 Besondere Regelungen gelten für die Preisauszeichnungen im Handel und insbesondere für die Preisangaben in Katalogen, Warenlisten oder Bildschirmen, § 4 Abs. 1 -5 PreisangabenVO. Ausgenommen von der Angabepflicht sind im Hinblick auf die unterschiedli803 chen Kostensituationen die Versandkosten; anzugeben sind die Versandkosten allerdings in der Werbung für den Abschluss von Fernabsatzverträgen, § 1 Abs. 2 PreisangabenVO.
B. Medienspezifisches Werberecht 804 Neben den Bestimmungen des allgemeinen Wettbewerbsrechts kennt das Medienrecht eine Reihe spezifischer, für die Massenkommunikationsmedien einschlägiger Werberechtsregeln. Sie beanspruchen teils - wie der medienrechtliche Trennungsgrundsatz (dazu unter I.) - medienübergreifende Bedeutung, teils enthalten sie - wie die Rechtsregeln für Werbung im Rundfunk (dazu unter II.) - spezielle Regeln für einzelne Medien.
289 290
BGH, NJW-RR 1990, S. 1374. BGH, NJW 2008, S. 1384, 1387, Tz. 30 ff.
B. Medienspezifisches Werberecht
293
I. Grundsatz der Trennung von Werbung und sonstigen Medieninhalten Vom Grundsatz der Trennung von Werbung und sonstigen Medieninhalten, insbe- 805 sondere der Trennung der Werbung von der redaktioneller Berichterstattung in den Massenenmedien war bereits im Zusammenhang mit den Rechtsgrundsätzen des Medienrechts die Rede; dabei wurde der sog. Trennungsgrundsatz als medienübergreifend geltender Rechtsgrundsatz des Medienrechts, der für den deutschen Rundfunk Verfassungsrang beansprucht, dargestellt; darauf wird an dieser Stelle zunächst verwiesen.291 Das medienrechtliche Trennungsgebot birgt eine Reihe von anwendungsprakti- 806 schen Umsetzungsschwierigkeiten. Sie hängen damit zusammen, dass Medienschaffende und insbesondere Werbetreibende immer wieder Darbietungsformen entwickeln, deren Vereinbarkeit mit dem Trennungsgebot nicht ohne weiteres gesichert ist. Nachfolgend sollen die wichtigsten dieser in Ansehung des Trennungsgrundsatzes als problematisch angesehenen Erscheinungsformen von Werbung behandelt werden. 1. Screen Splitting Hierbei geht es um das Phänomen der Nutzung von Bildschirmen in der Weise, 807 dass parallel zur Ausstrahlung redaktioneller Inhalte auf einem Teil des Bildschirms Werbeeinblendungen erfolgen. Ein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz lässt sich nur feststellen, wenn eine zeitliche Trennung von Werbung und Programm gefordert wird und die vorhandene räumliche Trennung nicht als genügend angesehen wird. Wegen der möglichen Interpretationsdifferenzen sah sich der Gesetzgeber (des 808 4. RÄStV) zur Klärung aufgerufen. In § 7 Abs. 4 RStV wurde eine Regelung getroffen, nach der dem Trennungsgebot nicht nur in zeitlicher sondern auch durch räumliche Unterteilung des Bildschirms Rechnung getragen werden kann. Eine gesonderte Behandlung der werblichen Bildschirmteile für die Zwecke der Werberegelungen darf seither nicht mehr vorgenommen werden. In der amtlichen Begründung zum 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird ausdrücklich angemerkt, dass auch Standbilder und Schriftbilder beim screen splitting auf die Dauer der Spotwerbung (vgl. §§ 16, 45 RStV) anzurechnen sind. Nach dem geänderten Rundfunkstaatsvertrag ist somit eine Gesamtbetrachtung des Bildschirminhalts vorzunehmen. Damit ist einerseits klargestellt, dass dem Trennungsgebot bereits durch eine räumliche Trennung von Programm und Werbung auf dem Bildschirm Rechnung getragen wird, dies allerdings um den Preis der Anrechnung der auf dem split screen mitgeteilten Werbeinhalte auf die Werbezeitengrenzen des Rundfunkstaatsvertrages.292
291 292
Vgl. oben Rn. 432 ff. Dazu und zu weiteren Einzelheiten des screen splitting Kreile, in: ZUM 2000, S. 194, 196 ff.
294
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§ 15 Rechtsregeln für Werbung
Screen splitting kann aber auch in der Weise erfolgen, dass neben einem Programmangebot auf dem Bildschirm zugleich eine optische Laufbandwerbung (sog. Werbe-Crawler) erfolgt. Während diese Crawler vor der Änderung des RStV als nicht dem RStV unterfallender Mediendienst eingeordnet wurden, ist durch § 7 Abs. 4 RStV klar gestellt, dass auch sie den Werberegeln des RStV unterfallen.293 Das Trennungsgebot fordert insofern allerdings, dass die Werbung nicht über das laufende Programm gelegt wird.
2. Product Placement, Schleichwerbung 810 Product Placement ist eine Form der verdeckten visuellen oder verbalen Platzierung von Werbung in den Massenmedien.294 Es erfolgt beispielsweise dergestalt, dass Markenartikel als Requisite im szenischen Ablauf eines Spielfilms oder einer Sendung gezeigt werden. Product Placement wird verbreitet auch als "Schleichwerbung" bezeichnet; diese Bezeichnung ist ungenau: Nach § 7 Abs. 6 RStV sind Schleichwerbung und entsprechende Praktiken unzulässig. Der Begriff der Schleichwerbung wird seit dem 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag in § 2 Abs. 2 Nr. 6 RStV definiert als "die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann". Eine Erwähnung oder Darstellung gilt nach derselben Vorschrift insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, „wenn sie gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung erfolgt.“ Product Placement ist somit nicht schlechthin, sondern dann unzulässig, wenn es als verbotene Schleichwerbung erfolgt.295 Vom Verbot erfasst werden somit Sachverhalte, bei denen dem Medienrezipienten Werbebotschaften unter Umgehung des Trennungsgebots vermittelt werden. Beispielsweise fährt der Held einer Fernsehserie ein bestimmtes Auto oder der Hauptdarsteller des Films raucht unübersehbar eine bestimmte Zigarettenmarke.296 Das Verbot der Schleichwerbung zielt in Umsetzung des Trennungsgrundsatzes darauf, die Programmverantwortlichen vor einer Beeinflussung durch die Werbewirtschaft zu bewahren und einer Irreführung der Verbraucher über den wahren Charakter einer Sendung entgegen zu wirken.297 Die Schwierigkeit der Beurteilung von massenmedialen Präsentationen als 811 Schleichwerbung ergibt sich daraus, dass insbesondere der Gebrauch und Verzehr von Markenartikeln bzw. die Inanspruchnahme von Dienstleistungen einen Be293
294
295 296 297
Goldbeck, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 28. Abschnitt Rn. 100. Engels/Giebel, ZUM 2000, S. 265, 278; Goldbeck, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 28. Abschnitt Rn. 123. Vgl. Goldbeck, a.a.O., 28. Abschnitt Rn. 123; Gounalakis, WRP 2005, S. 1476, 1489. Beispiele aus der Medienpraxis schildert Bork, GRUR 1988, S. 264, 265. Vgl. Gounalakis, WRP 2005, S. 1476, 1478 ff.
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standteil der modernen Lebenswirklichkeit ausmacht, der etwa in einer filmischen Darstellung eben dieser Lebenswirklichkeit gar nicht ausgeblendet werden kann. Deswegen fällt der Medienrechtsordnung die Aufgabe zu, unerlaubtes Product Placement von den zulässigen Formen der Einbeziehung der in der Lebenswirklichkeit erscheinenden Markenartikel und Dienstleistungen abzugrenzen.298 Der medienrechtliche Maßstab für diese Abgrenzung ist das Gebot der Trennung von Werbung und Programm, insbesondere der dieses Gebot tragende Gedanke des Schutzes des Rezipienten vor Irreführung. Derjenige, der Werbebotschaften an den Medienrezipienten vermitteln möchte, soll dies nach dem medienrechtlichen Trennungsgebot "mit offenem Visier" tun, er soll diese Absicht offenlegen. Verdeckte werbliche Absichten können freilich nicht allein aus dem Umstand der Erwähnung oder Präsentation einer Ware oder Dienstleistung in einem Massenmedium geschlossen werden. Die Nennung bestimmter Erzeugnisse oder Unternehmen kann durch die publizistische Informationsaufgabe der Massenmedien veranlaßt sein und unterliegt insoweit keinen medienrechtlichen Schranken.299 Beispielsweise gehört es zu den anerkannt schützenswerten und für die Entfaltung wettbewerblichen Marktgeschehens sogar unerläßlichen Aufgaben der Massenmedien, den Verbraucher durch eine kritische Produkt- und Dienstleistungsberichterstattung zu informieren.300 Unerlaubtes Product Placement liegt nicht schlechthin in jeder zu Werbezwe- 812 cken abgesprochenen Platzierung von Markenartikeln oder Dienstleistungen gegen Entgelt in den Massenmedien. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Differenzierung zwischen den Massenmedien mit Blick auf die Beachtung und Bedeutung, die der Verkehr werblichen Aussagen in den Massenmedien beimisst, geboten.301 Die auf Informations- und Meinungsbildung ausgerichteten Medien unterliegen strengeren Maßstäben, als sie beim Kinofilm angelegt werden. Für Kinospielfilme hat der BGH deshalb zu Recht dafür erkannt, dass Product Placement grundsätzlich zulässig ist, hat dann allerdings Hinweise auf die Entgegennahme von Werbegeldern vor Beginn der Vorführung verlangt.302 Die bezahlte Berichterstattung in der Presse303 ist demgegenüber ebenso unzulässig, wie die Platzierung etwa eines Markenprodukts im Fernsehprogramm gegen Entgelt.304 Im Rundfunk ist zwischen Eigen- und Kaufproduktionen zu unterscheiden. In 813 Eigenproduktionen dürfen Markenartikel abgebildet werden, wenn dies aus dramaturgischen Gründen erforderlichen ist; sie dürfen vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt werden, weil der Sender nicht gezwungen werden soll, für den unvermeidlichen Werbeeffekt auch noch bezahlen zu müssen. Dagegen ist die bezahlte Einführung eines Markenartikels in die Darbietung unzulässig; die entspre298 299
300 301 302 303 304
Vgl. dazu die Beiträge im Sonderheft der ZUM 1987. Zur Zulässigkeit sog. redaktioneller Hinweise vgl. BGHZ 50, S. 1 ff.; vgl. aber auch BGHZ 81, S. 247, 250 – Getarnte Werbung; BGH, ZUM 1990, S. 291, 295. Vgl. BGHZ 65, S. 325 – Warentest II; ferner Paschke, AfP 1991, S. 683 ff. Vgl. BGH, ZUM 1996, S. 146 und 1996, S. 152 – Feuer, Eis & Dynamit I und II. Vgl. BGH, a.a.O.; vgl. dazu Paschke, AfP 1991, S. 683 ff. Vgl. z.B. OLG Karlsruhe, AfP 1989, S. 462 (redaktionell verfasster "Einkaufstip"). Vgl. Bork, MA 1988, S. 377.
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chenden Verträge sind sittenwidrig und damit zivilrechtlich nichtig.305 Für Kaufproduktionen überwiegt angesichts der US-amerikanischen Praxis, Product Placement als übliche Finanzierungsmethode anzuerkennen, die Auffassung, dass die Sendung solcher, nach deutschen Maßstäben mit rechtswidrigem Product Placement versehenen Darbietungen nicht ohne weiteres unzulässig ist. Können die entsprechenden Szenen nicht ohne Beeinträchtigung der Gesamtaussage des Films entfernt werden, dann kann die Sendung nach einer Abwägung mit dem Interesse der Zuschauer an der Ausstrahlung zulässig sein. Unklar ist derzeit, welche Bedeutung dem durch den 4. Rundfunkänderungs814 staatsvertrag eingeführten Merkmal der Wettbewerbsabsicht zukommt. In Betracht kommt eine die Rundfunkveranstalter privilegierende Interpretation, so dass ihnen bei Auftragsproduktionen beispielsweise mangels Einfluß auf das Product Placement eine Absicht, zu Werbezwecken handeln zu wollen, nicht nachgewiesen werden kann. Umgekehrt erscheint es auch möglich, den Veranstaltern erhöhte Pflichten bei der Auswahl und Kontrolle der Sendungen abzuverlangen.306 Mit der Rechtsprechung ist von absichtlicher Schleichwerbung auszugehen, wenn das hinnehmbare Maß an medialer Produktdarstellung überschritten wird.307 § 2 Abs. 2 Nr. 6 RStV legt im Sinne einer juristischen Fiktion fest, dass Product Placement insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt “gilt”, wenn es gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt. Für die Rechtsanwendung sollte diese nicht widerlegliche Regelung eine Rechtssicherheit fördernde Bestimmung der Reichweite des Verbots unzulässiger Schleichwerbung ermöglichen. Der Gegenleistungscharakter der Leistung setzt voraus, dass sie in einem syn815 allagmatischen Verhältnis zur der vom Veranstalteter geleisteten Produktdarstellung oder -erwähnung erfolgt. Kostenlos oder unter Marktpreis zur Verfügung gestellte Ausstattungsgegenstände oder Leistungen erfüllen somit nicht ohne weiteres den Schleichwerbungstatbestand.308 Die EU-Kommisison wollte im Zuge der Schaffung der Richtlinie über au816 diovisuelle Mediendienste309 das Product Placement liberalisieren. Neben der verbotenen Schleichwerbung sollte für das Product Placement eine eigene Regelungskategorie geschaffen werden, nach der ein liberales, insbesondere Hinweispflichten und ein Beeinflussungsverbot enthaltendes Regelungsregime geschaffen werden.310 In Ansehung der insbesondere in Deutschland geäußerten Bedenken, der bloße Irreführungsschutz bei Product Placement-Gestaltungen würde der ver305 306 307
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309 310
Vgl. OLG München, AfP 1995, S. 655. Vgl. den Diskussionsbericht bei Pappi, ZUM 2000, S. 203 f. Vgl. Nieders. OVG, ZUM 1999, S. 347; die häufige und anpreisende Darstellung und Nennung der Barbie-Puppe, ihrer Kleidung und des Zubehörs anläßlich ihres 100. „Geburtstages“ übersteigt die zulässige Produktdarstellung im Fernsehen; vgl. auch Platho ZUM 2000, S. 46, 48. Goldbeck, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 28. Abschnitt Rn. 133; Gounalakis, WRP 2005, S. 1476, 1483 f. Vgl. Rn. 159 f. Vgl. zu dem ursprünglichen Richtlinienvorschlag Gounalakis/Wege, K&R 2006, S. 97 ff.; Kleist/Scheuer, MMR 2006, S. 206 ff.
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fassungsrechtlichen Bedeutung des Trennungsgrundsatzes nicht gerecht,311 sind diese Regelungen allerdings nicht verabschiedet worden. Die in Kraft gesetzte Regelung des Art. 3g Richtlinie über audiovisuelle Dienste sieht ein Verbot des Product Placement vor, erlaubt aber in Abs. 2 bestimmte Ausnahmen. 3. Virtuelle Werbung Hierbei handelt es sich um ein technisches Phänomen, bei dem eine Einfügung 817 von Werbung in eine Rundfunksendung in der Weise erfolgt, dass die Übertragung einer realen Darstellung digital verändert wird. Beispielsweise können in der Wirklichkeit vorhandene Werbeinhalte digital verändert werden oder gar bisher nicht vorhandene Werbebotschaften in das Bild eingefügt werden.312 Die rechtliche Zulässigkeit virtueller Werbung ist Gegenstand der Regelungen 818 im RStV geworden, § 7 Abs. 6 Satz 2 RStV. Die Regelung ist in der Nachbarschaft zum Schleichwerbungsverbot platziert, obwohl bei virtueller Werbung dem Betrachter die Werbung offen präsentiert wird und das verdeckte und virtuelle Moment darin besteht, dass die Bilddarstellung der Lebenswirklichkeit nicht entspricht, sondern eben digital verändert ist. Die Zulässigkeit etwa digital veränderter Bandenwerbung bei internationalen sportlichen Großveranstaltungen, die dem nationalen Zuschauer Werbung jeweils seiner geographischen Herkunft nach zuspielt, steht nach dem RStV nicht mehr grundsätzlich in Frage. Ihre Zulässigkeit ist daran gebunden, dass am Anfang und Ende der Sendung ein entsprechender Hinweis auf virtuelle Werbung erfolgt und durch die virtuelle Werbung „eine am Ort der Übertragung ohnehin bestehende Werbung ersetzt wird.“ Die Regelung des RStV zur virtuellen Werbung entspricht insofern dem me- 819 dienrechtlichen Trennungsgebot, als durch die Begrenzung virtueller Werbung auf die Fälle, in denen eine Sendung real vorhandene Werbung ersetzt, eine grundsätzliche Übereinstimmung von realer und virtueller Lebenswirklichkeit gefordert wird.313 Unzulässig ist deswegen das Aufstellen blanker Banden, die in der Rundfunkübertragung digital durch Werbung gefüllt werden, oder das Einblenden in der Wirklichkeit nicht vorhandener Werbung.314 Virtuelle Placements, mit denen Requisiten digital verändert werden, sind nach § 7 Abs. 6 Satz 2 RStV ebenfalls nicht zulässig.315 in Die Verbotsregelung findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Sendung ohnehin nicht ohne die Abbildung der in der Lebenswirklichkeit vorhandenen Werbung erfolgen könnte. Allerdings werden insofern Konzessionen zugunsten der Interessen der Werbetreibenden gemacht, als die real vorhandene Werbung inhaltlich verändert werden darf.
311 312 313 314 315
Vgl. v.Danwitz, AfP 2005, S. 417. Vgl. Ladeur, ZUM 1999, S. 672 ff. Vgl. Platho, ZUM 2000, S. 46, 51. Engels/Giebel, ZUM 2000, S. 265, 273 f. Goldbeck, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 28. Abschnitt Rn. 170; Holznagel Stenner, ZUM 2004, S. 617, 621.
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4. Sponsoring 820 Sponsoring ist nach der Definition des § 2 Abs. 2 Nr. 7 Rundfunkstaatsvertrag „jeder Beitrag einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Personenvereinigung, die an der Rundfunktätigkeit oder an der Produktion nicht beteiligt ist, zur direkten oder indirekten Finanzierung einer Sendung, um den Namen, die Marke, das Erscheinungsbild der Person, ihre Tätigkeit oder ihre Leistung zu fördern.“ Damit ist das sog. Sendungssponsoring gemeint, nämlich das Phänomen, dass vom Sponsor ein bestimmter Geldbetrag für die Finanzierung der Sendung zur Verfügung gestellt, dessen Name dafür in der Sendung als Sponsor genannt. Andere Formen des Sponsoring betreffen z.B. das Ereignis- bzw. Eventsponsopring, das Titel- oder Themensponsoring. Ereignissponsoring ist die finnazielle Unterstützung einer Veranstaltung durch einen Dritten, die dann Gegenstand der medialen Berichterstattung ist. In die Aufmerksamkeit des Medienrechts rückt Sponsoring nicht nur deswegen, 821 weil Sponsoring eine wichtige Form der Finanzierung von Medienangeboten sein kann,316 sondern vor allem deswegen, weil gerade durch die Finanzierung des Medienangebots von dritter Seite die Unabhängigkeit der Programmgestaltung beeinträchtigt werden kann. Der Sponsor mag im Geist rein altruistischen Mäzenatentums handeln oder er mag das Interesse haben, mit dem Sponsoring eigene wirtschaftliche Interessen, die Stärkung der eigenen Stellung im Wettbewerb, zu verfolgen. Geht es dem Sponsor um die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen, dann kann das durch Sponsoring begünstigte Massenmedium fremden Wettbewerb fördern; Sponsoring gerät dann in eine Konfliktlage mit dem medienrechtlichen Trennungsgebot.317 Die Gesetzgeber des RStV haben sich im Zuge der Rechtsentwicklung für eine 822 zunehmend liberalere Haltung gegenüber Sponsoring entschieden. Das gesetzlich geregelte Sponsoring ist nach dem RStV strikt vom Recht der Werbung zu unterscheiden. Die Regeln des Werberechts sind schon ausweislich der Gesetzessystematik, nämlich der Regelung in der eigenständigen Vorschrift des § 8 RStV, nicht auf die zugelassenen Sponsoringsachverhalte anzuwenden. Der Zweck der gesetzlichen Regelung liegt darin, die Sponsoringfinanzierung in besonderer Weise zu privilegieren; dafür muss die Mitwirkung des Sponsors offen gelegt werden (§ 8 Abs. 1 RStV) und die Verantwortung und die redaktionelle Unabhängigkeit des Sendungsveranstalters dürfen durch den Sponsor nicht beeinträchtigt werden, § 8 Abs. 2 RStV. Die Regelung des Sponsoring in § 8 RStV entspricht den Regelungen des 823 europäischen Rechts.318 Sie unterscheidet nicht (mehr) zwischen öffentlichrechtlichem und privatem Rundfunk.319 Durch die Einbeziehung der direkten und 316
317 318 319
Vgl. die Angaben bei Goldbeck, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 28. Abschnitt Rn. 201. Vgl. Henning-Bodewig, ZUM 1997, S. 633 ff.; Fricius, ZUM 1996, S. 1019 ff. Vgl. Art. 3f Richtlinie über audiovisuelle Medien und oben Rn. 159. Anders noch die Rechtslage vor Inkrafttreten des RStV 1991; vgl. Henning-Bodewig, AfP 1991, S. 487; Rüggeberg, GRUR 1988, S. 873.
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indirekten Finanzierung umfaßt Sponsoring sowohl die entgeltliche als auch die geldwerte Unterstützung der Sendeunternehmen, z.B. durch Bereitstellen von Produktionsmitteln.320 Erfasst wird von § 8 RStV nur das Sendungssponsoring; für das Ereignis- oder 824 Eventsponsoring gibt es keine einschlägige gesetzliche Sonderregelung, so dass sich dessen Zulässigkeit nach dem medienrechtlichen Trennungsgebot nebst dem Schleichwerbungsverbot beurteilt.321 Auch wenn in den Fällen des Ereignissponsoring durch die Medien eine Förderung fremden Wettbewerbs zumindest in Kauf genommen wird, wird angesichts des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit ein Verbot der Medien, über gesponsorte Veranstaltungen zu berichten, jedenfalls mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlich geschützten Informationsauftrag der Medien grundsätzlich für unzulässig gehalten.322 Verstöße gegen das Trennungsgebot kommen aber in Betracht, wenn sich das Sendeunternehmen verpflichtet, den Sponsor bei der Übertragung zu nennen bzw. sein Emblem einzublenden.323 Für das Sendungssponsoring schreibt § 8 Abs. 1 S. 1 RStV vor, dass durch ei- 825 nen Hinweis zu Beginn und am Ende der Sendung324 die Finanzierung durch den Sponsor gegenüber dem Zuschauer offengelegt werden muss. Der RStV nimmt damit grundsätzlich das Sendungssponsoring hin und lässt insofern die Förderung fremden Wettbewerbs durch das Sendeunternehmen zu. § 8 RStV erweist sich somit als eine das Trennungsgebot einschränkende Regelung. Hinter dieser Regelung steht die erklärte Absicht der Gesetzgeber des RStV, das Sendungssponsoring als "eigenständige Finanzierungsform neben der Werbung" zugunsten der Rundfunkanbieter anzuerkennen.325 Der Sponsorhinweis hat eine Aufklärungs- und Warnfunktion für den Zus- 826 chauer, der darüber informiert werden soll, dass die Finanzierung der Sendung von dritter Seite erfolgt ist. Gleichzeitig dient der Sponsorhinweis dem Interesse des Sponsors an Veröffentlichung seines Namens.326 Aus diesem Sinn und Zweck des Sponsorhinweises ergeben sich die Einschränkungen für die zulässige Dauer und seine Platzierung. Nach § 8 RStV hat der Hinweis „in vertretbarer Kürze“ zu erfolgen. Er muss dem Zuschauer die Möglichkeit der Wahrnehmung geben, soll aber andererseits keinen überzogenen Werbeeffekt für den Sponsor ermöglichen.327 Der Hinweis ist „zu Beginn und am Ende der Sendung“ so zu platzieren, 320
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Vgl. Greffenius/Fikentscher, ZUM 1991, S. 526, 529; Bork, Werbung im Programm, 1988, S. 110 ff. Vgl. Goldbeck, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 28. Abschnitt Rn. 230, 108. Vgl. die Nachweise in der vorhergehenden Fn. und Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 24.38 ff. BGH, ZUM 1993, S. 92 ff. Zum Begriff der Sendung in diesem Zusammenhang vgl. Holznagel/Stenner, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2008, § 8 RStV Rn. 6 ff. Vgl. schon die Begründung zu § 7 RStV a.F., abgedruckt in: Ring, Medienrecht, C-O.1, S. 14. Vgl. BGHZ 117, S. 353 ff. – Agfa. OLG Frankfurt, ZUM 1995, S. 800 ff. – Isostar.
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dass er seine Warnfunktion auch tatsächlich entfalten kann. Hinsichtlich der Gestaltung des Sponsorhinweises ist darauf zu achten, dass Werbeeffekte, die über die Aufklärung des Zuschauers durch Namhaftmachung des Sponsors hinausgehen, grundsätzlich unzulässig sind.328 Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 RStV ist es zulässig neben oder anstelle des Namens des Sponsors auch dessen Firmenemblem oder eine Marke einzublenden. Dagegen sind Werbeslogans nicht zulässig. Einschränkend werden in § 8 Abs. 2 und 3 RStV Regelungen zum Schutz der 827 redaktionellen Unabhängigkeit des Senders postuliert und - entsprechend dem Verbot der Schleichwerbung - Hinweise verboten, die dem Zweck dienen, zum Erwerb von Erzeugnissen oder Dienstleistungen des Sponsors anzuregen (sog. Animierungsverbot).329 Besondere Regelungen sind für das Sendungssponsoring durch Hersteller von Zigaretten, anderen Tabakerzeugnissen und Arzneimitteln in § 8 Abs. 4 und 5 RStV vorgesehen. Nachrichtensendungen und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen dürfen nicht gesponsort werden, § 8 Abs. 6 RStV. 5. Bartering 828 Verwandt mit dem Sponsoring, aber weniger bekannt und behandelt, 330 sind die dadurch charakterisierten Sachverhalte, dass von Werbetreibenden oder in deren Auftrag hergestellte, also fremdproduzierte Beiträge, den Massenmedien zur publizistischen Verwendung angeboten und zur Verfügung gestellt werden. Die Formen dieses sog. Bartering reichen von mehr oder weniger offen ausgewiesenen Werbefilmen in quasi-redaktioneller Aufmachung bis hin zu kulturell anspruchsvollen Produktionen, die zu marktüblichen Lizenzbedingungen angeboten werden.331 Sie begegnen im Hinblick auf das Trennungsgebot medienrechtlichen Zulässigkeitsbedenken, wenn sie eine werbewirksame Aussage etwa deswegen enthalten, weil bestimmte Produkte, Firmen oder Branchen in unkritischer Weise und in einem positiven Programmumfeld erscheinen.332 6. Medienverbund 829 Der Begriff des Medienverbundes bezeichnet verschiedene Phänomene der Kooperation oder Koordination mindestens zweier Medien in einer Weise, dass diese gezielt wechselseitig aufeinander, zu einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck Bezug nehmen.333 Bekannte Fälle solcher Medienverbundkooperationen bilden die eine Fernseh- oder Rundfunksendung begleitenden Buch- oder Zeitschriftenpublikationen bzw. Tonträgerherausgaben, nämlich das Begleitbuch zu Lehrzwecken ("Rundfunk- oder Telekolleg"), das Begleitbuch zu Kultur-, Ratgeber- und populärwissenschaftlichen Sendungen bzw. das Begleitbuch zu erfolgreichen 328 329 330 331 332 333
BGHZ 117, S. 353, 357 f. – Agfa. Vgl. BGH, ZUM 1990, S. 291, 295; näher Henning-Bodewig, ZUM 1997 S. 633, 641 f. Vgl. Bosman, ZUM 1990, S. 545, 553; Bork, Werbung im Programm, 1988, S. 102 f. Bosman, ZUM 1990, S. 553. Vgl. Bosman und Bork a.a.O. Vgl. die Begriffsdefinition bei Schardt, ZUM 1991, S. 61.
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Fernsehserien.334 Die gemeinsame Interessenlage der Verbundpartner ergibt sich dabei regelmäßig daraus, dass die Publizität einer Sendung die Absatzchancen der Begleitpublikation erhöht und der Rundfunkveranstalter seine Programmintention über die Sendung hinaus dadurch fortsetzen kann, dass er den Rezipienten medienübergreifend informieren, bilden oder auch unterhalten kann. Kooperationen zur Durchführung einer Medienverbundstrategie sind grundsätz- 830 lich zulässig. Grenzen der Zulässigkeit werden insbesondere durch das medienrechtliche Trennungsgebot; sie bestehen insbesondere für werbende Hinweise auf das Produkt des Kooperationspartners im Programm errichtet. Der Grundsatz der Trennung von Werbung und Programm besagt zwar nicht, dass jede werbliche Auswirkung einer Fernsehsendung das medienrechtliche Trennungsgebot verletzt.335 Eine nach dem Trennungsgebot unzulässige Werbung im Medienverbund liegt nach der Rechtsprechung des BGH solange nicht vor, als die in Frage stehenden Aussagen vom Programmauftrag gedeckt werden.336 Die bestehenden Grenzen sind fließend und können nur anhand von Indizien konkretisiert werden. Zu berücksichtigen sind dabei die Intensität der Werbewirkung, der Anlass und die dramaturgische Begründbarkeit, bestehende Absprachen oder personelle Verflechtungen zwischen den Verbundpartnern, das Vorhandensein einer Entgeltvereinbarung oder die Zuwendung sonstiger geldwerter Vorteile.337 Bei Vorliegen der Absicht, den Absatz von Produkten des Medienverbundpartners zu fördern, verstoßen Verbundhinweise grundsätzlich gegen das Trennungsgebot und dürfen nur dann ausnahmsweise im Programm erfolgen, wenn der Werbeeffekt (wie bei Begleitmaterial zu Sprachkursen oder Sendungen des Telekollegs) unvermeidbar ist.338 7. Merchandising Merchandising bezeichnet die Verwendung von populären Erscheinungen, insbe- 831 sondere von realen oder fiktiven Personen, Namen, Titeln, Logos, Designs oder Bildern außerhalb ihres eigentlichen Betätigungs- und Erscheinungsbereichs durch den Berechtigten selbst oder durch Einräumung von Rechten an Dritte zur wirtschaftlichen Verwertung zum Zwecke des Absatzes von Waren und Dienstleistungen einschließlich der Verkaufsförderung und Werbung. 339 Merchandising betrifft also die Phänomene, dass Figuren aus einer Fernsehsendung in den Handel gebracht werden oder der geschützte Titel einer Sendung auf im Handel befindli-
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339
Vgl. die Beispiele bei Becker, ZUM 1991, S. 47 ff.; Bork, ZUM 1991, S. 51, 54. Vgl. BGH, ZUM 1990, S. 291, 295. BGH, ZUM 1990, S. 295. Vgl. Bork, ZUM 1991, S. 51, 55. BGH, ZUM 1990, S. 295; kritisch dazu Schardt, ZUM 1991, S. 61; Niewiarra, ZUM 1991, S. 67. Zu möglichen Ausweichstrategien vgl. Eberle, ZUM 1991, S. 56, 60; kritisch dazu die Beiträge von Nordemann und Kreile in: ZUM 1991, S. 71, 72. Vgl. zum Begriff Schertz, Merchandising, 1997, S. 4 ff., 10 f.
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che Produkte angebracht wird, um auf diese Weise den Produktabsatz über den Bekanntheitsgrad der Sendung zu fördern.340 Ungeachtet der Frage nach der rechtlichen Schutzfähigkeit von Merchandising832 Objekten341 sieht die Rechtsprechung in Merchandising-Fällen das Trennungsgebot tangiert; sie hält allerdings Merchandising unter dem Aspekt programmbezogener Hilfstätigkeiten (im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sog. Randnutzung 342) grundsätzlich für zulässig. Grenzen des Merchandising sind nach der Rechtsprechung im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Programmgestaltung dann erreicht, wenn Figuren nur mit dem Ziel in die Sendung eingeführt werden, eine Vermarktung zu erreichen bzw. im Hinblick darauf, dass Druck auf die Programmgestaltung durch ein Ansinnen nach häufigerer Wiederholung der Sendung aus Gründen des Merchandising entsteht.343 II. Rundfunkwerberecht 833 Der Rundfunkstaatsvertrag enthält weitere, nur für den Rundfunk einschlägige Werberechtsregeln. Sie umfassen gemeinsame Bestimmungen für den öffentlichrechtlichen und den privaten Rundfunk und jeweils eigene Bestimmungen für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk. 1. Gemeinsame Rechtsregeln für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk 834 Die gemeinsamen Werberechtsregeln für den Rundfunk im dualen System finden sich im Rundfunkstaatsvertrag. Dieser enthält zunächst in § 2 Abs. 1 Nr. 5 eine weit gefaßte Definition des Werbebegriffs, die jede unternehmerische Äußerung mit dem Ziel der Absatzförderung einschließt. § 7 RStV enthält zunächst Anforderungen an den Inhalt der Rundfunkwerbung. Rundfunkwerbung darf nach § 7 Abs. 1 RStV nicht irreführen, den Interessen der Verbraucher nicht schaden und nicht Verhaltensweisen fördern, die Gesundheit oder Sicherheit der Verbraucher oder den Umweltschutz gefährden. Gemäß § 7 Abs. 2 RStV dürfen Werbung oder Werbetreibende das übrige Programm inhaltlich nicht beeinflussen dürfen. In § 7 Abs. 3 RStV findet sich der Trennungsgrundsatz mit der Formulierung, dass Werbung als solche klar erkennbar und “im Fernsehen durch optische Mittel, im Hörfunk durch akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein” muss.344 Das Schleichwerbungsverbot und die Sonderbestimmung für virtuelle Werbung sind in § 7 Abs. 6 i.V. mit § 2 Abs. 2 Nr. 6 RStV geregelt. Das Sponsoring ist in § 8 RStV davon getrennt geregelt. In § 7 Abs. 4 RStV findet sich die Regelung über die Teilbelegung des ausgestrahlten Bildes mit Werbung (“screen 340 341 342 343 344
Dazu mit Beispielen Ehlgen, ZUM 1996, S. 1008 ff.; Schertz, a.a.O., S. 12 ff. Dazu eingehend Schertz, a.a.O., S. 25 ff. Vgl. Libertus, AfP 1992, S. 229 ff. Vgl. BGHZ 120, S. 228 ff. – Guldenberg. Näher zum Trennungsgrundsatz bereits oben Rn. 432 ff.
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splitting”).345 Dauerwerbesendungen müssen nach § 7 Abs. 5 RStV als solche angekündigt und während der gesamten Dauer als solche gekennzeichnet werden. Sie sind überdies nur zulässig, wenn der Werbecharakter erkennbar im Vordergrund steht und die Werbung einen wesentlichen Bestandteil der Sendung darstellt, weil andernfalls redaktionell moderierte Werbesendungen den Zuschauer über den Charakter der Sendung irreführen könnten. Personale Anforderung stellt der Rundfunkstaatsvertrag insofern auf, als die in § 7 Abs. 7 genannten Personen in der Fernsehwerbung nicht auftreten dürfen. Schließlich ist nach § 7 Abs. 8 die Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art unzulässig. Diese allgemeinen Regeln weisen insgesamt eine nicht geringe, bisweilen gene- 835 ralklauselartige Weite aus. Hieran lässt sich - wie der Blick auf die noch allgemeiner formulierten Regelungen des UWG ergibt346 - keine grundsätzliche Kritik der Regelungen festmachen.347 In der Rechtsprechungs- und Rechtsanwendungspraxis ist es nämlich - nicht anders als für das Werberecht des UWG – sukzessive gelungen, Verlässlichkeit und Rechtssicherheit schaffende Konkretisierungen dieser Normen durchzusetzen. Der Rundfunkstaatsvertrag hat dies dadurch befördert, dass Richtlinien der Landesrundfunkanstalten bzw. der Landesmedienanstalten die Rechtslage konkretisieren.348 2. Werberegeln für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Werbung ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nur zulässig, sondern gehört 836 ausweislich des RStV zu dem Fundament seiner Finanzierung, § 13 RStV; sie ist Bestandteil des verfassungsrechtlichen Schutzes der Rundfunkfreiheit.349 Den von verschiedener Seite angestellten Überlegungen und Bemühungen, öffentlich-rechtlichen Rundfunk werbefrei zu gestalten und nur aus der Rundfunkgebühr zu finanzieren, ist bis heute Erfolg versagt geblieben. Der RStV enthält in seinen §§ 14 – 18 die zentralen Vorschriften zur Reglementierung der Werbung im öffentlichrechtlichen Rundfunk, insbesondere für die Werbung im Fernsehen. Darin finden sich zwingende Vorschriften zur Platzierung der Werbung im Programmablauf sowie zur Werbedauer. Der RStV erlaubt Werbung nur im Ersten Programm der ARD und im Zweiten 837 Programm des ZDF, während in weiteren bundesweit verbreiteten Fernsehprogrammen von ARD und ZDF sowie in den Dritten Fernsehprogrammen Werbung nicht zulässig ist, § 16 Abs. 1, 2 RStV. Fernsehwerbung darf nur werktags und nur bis 20.00 Uhr ausgestrahlt werden. Die Gesamtdauer der zulässigen Werbung ist in der Weise festgelegt, dass sie jeweils höchstens 20 Minuten werktäglich betragen darf; diese Festlegung wird auf den Jahresdurchschnitt bezogen und dadurch ergänzt, dass nicht vollständig genutzte Werbezeit werktäglich in einem Zeitraum 345 346 347 348 349
Vgl. oben Rn. 807 ff. Vgl. oben Rn. 788 ff. So aber Herkströter, ZUM 1992, S. 395 ff. Vgl. die gem. §§ 16a, 46 RStV ergangenen Richtlinien. BVerfGE 74, S. 297, 342 - BaWü; 83, S. 238, 310 f. – WDR; 87, S. 181, 200 – Hessen 3; 90, S. 60, 91 – Gebührenurteil.
304
§ 15 Rechtsregeln für Werbung
von bis zu 5 Minuten nachgeholt werden kann, § 16 Abs. 1 RStV. Insofern kann die tägliche Werbedauer im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausnahmsweise bis zu 25 Minuten betragen. Die Dauer der Spotwerbung innerhalb einer Stunde ist darüber hinaus auf 12 Minuten begrenzt, § 16 Abs. 3 RStV. § 17 RStV sieht eine Änderungsklausel vor, nach der durch Vereinbarung der Ministerpräsidenten Änderungen der Gesamtdauer der Werbung, ihrer tageszeitlichen Begrenzung und ihrer Beschränkung auf Werktage vorgenommen werden können.350 Hinsichtlich der Platzierung der Werbung im Programmablauf bestimmt § 15 838 Abs. 2 RStV, dass Werbespots im Fernsehen als Werbeblöcke und zwischen den Sendungen platziert werden sollen. Dieser Grundsatz wird allerdings durch eine Reihe von Ausnahmen durchbrochen, die Einzelspotwerbung und unter bestimmten Voraussetzungen auch Unterbrecherwerbung zulassen. Unterbrecherwerbung ist Werbung, die in laufende Fernsehsendungen eingefügt wird; sie darf bei Fernsehsendungen von mehr als 45 Minuten Dauer einmal geschaltet werden, § 15 Abs. 3 RStV. Vorausgesetzt wird, dass der “gesamte Zusammenhang und der Charakter der Sendung nicht beeinträchtigt werden und sofern nicht gegen die Rechte von Rechteinhabern verstoßen wird", § 15 Abs. 2 RStV. Die Übertragung von Sportereignissen, die Pausen enthalten, darf nur durch Werbung in diesen Pausen unterbrochen werden, § 15 Abs. 4 RStV, während im Übrigen auch Werbung zwischen eigenständigen Teilen von übertragenen Ereignissen und Darbietungen erfolgen kann, § 15 Abs. 3 RStV. Die 45 Minuten-Schranke ist nach dem sog. Brutto-Prinzip, also unter Einbeziehung der Werbedauer zu berechnen, § 15 Abs. 3 Satz 3 RStV. Für die Übertragung von Gottesdiensten und für Kindersendungen gilt ein Verbot für Werbeunterbrechungen, § 14 Abs. 1 RStV. 3. Besondere Regeln für den privaten Rundfunk 839 Die Werberegeln des RStV für den privaten Rundfunk sind konzeptionell den Regeln für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachgebildet; sie enthalten also Regeln für die Platzierung der Werbung im laufenden Programm und für die Dauer der Werbung. Inhaltlich sind sie allerdings deutlich liberaler angelegt als die Werberechtsbestimmungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dies erfolgte vor dem Hintergrund, dass sich der private Rundfunk wesentlich aus Werbeeinnahmen finanziert und deshalb Werberestriktionen nicht nur auf den wirtschaftlichen Erfolg privater Rundfunkunternehmer, sondern auf die Existenz privaten Rundfunks schlechthin durchschlagen. Der verfassungsrechtliche Gestaltungsauftrag des Rundfunkgesetzgebers recht840 fertigt es, das Rundfunkwerberecht auch im privaten Rundfunk nicht dem Belieben der Veranstalter und damit der Gefahr einer Überflutung der Programme mit Werbung zu überlassen. Die schwierige Gratwanderung für die Festlegung sachgerechter Werbestandards ist der Gesetzgeber mit den Regeln der §§ 44 ff. RStV und der Zulassung norm-konkretisierender Richtlinien der Landesmedienanstalten im Sinne des § 46 RStV gegangen.
350
Vgl. dazu Bethge, AfP 1991, S. 602 ff.
B. Medienspezifisches Werberecht
305
Für den privaten Rundfunk gelten im Fernsehbereich – nicht anders als für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – die Grundsätze des Blockwerbegebots und der Unzulässigkeit von Unterbrecherwerbung, § 44 Abs. 2 RStV. Diese Grundsätze erfahren nach § 44 Abs. 3 RStV Ausnahmen: Bei Fernsehsendungen, die aus eigenständigen Teilen bestehen, oder bei Sportsendungen und Sendungen über ähnlich gegliederte Ereignisse und Darbietungen mit Pausen kann Werbung zwischen die Teile oder in die Pausen eingefügt werden. Bei anderen Sendungen soll der Abstand zwischen den Werbeunterbrechungen innerhalb einer Sendung mindestens 20 Minuten betragen. Besondere Regeln gelten für die Übertragung von Kinospielfilmen und Fernsehfilmen: diese Übertragungen können für jeden vollen Zeitraum von 45 Minuten einmal unterbrochen werden. Sendungen von mindestens 90 Minuten dürfen zwei, und solche von mindestens 110 Minuten dürfen drei Werbeunterbrechungen haben, § 44 Abs. 4. Die Regelung will künstlerisch anspruchsvolle Filme von übermäßigen Werbeunterbrechungen freihalten. Ausgenommen sind deshalb Serien, Reihen, leichte Unterhaltungssendungen und Dokumentarfilme, für die die Grundregel des 20-minütigen Werbeabstands gilt. Die 45 Minuten-Dauer wurde vom Gesetzgeber des 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrages in Anlehnung an die Regelung in § 11 Abs. 3 der Europäischen Fernsehrichtlinie351 als Bruttozeit definiert (“programmierte Sendezeit”); bei der Berechnung der 45-Minuten-Grenze ist also die Dauer der Werbung in den Zeitraum einzubeziehen. Ein Verbot der Unterbrecherwerbung gilt für Übertragungen von Gottesdiensten und Kindersendungen, § 44 Abs. 1 RStV, sowie Nachrichtensendungen und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen, die nicht länger als 30 Minuten dauern.352 Die Dauer der zulässigen Werbung ist nach § 45 RStV reglementiert. Sie ist auf 15%, bzw. unter Einbeziehung von Teleshopping-Spots und anderen Werbeformen auf 20% der täglichen Sendezeit begrenzt. Innerhalb eines Zeitraums von einer Stunde darf die Spotwerbung (Werbespots und Teleshopping-Spots) 12 Minuten nicht überschreiten, § 45 Abs. 2 RStV. Tageszeitliche Begrenzungen und ein Sonn- und Feiertagswerbeverbot gelten für den privaten Rundfunk nicht. Besonderheiten gelten für Teleshopping-Fenster nach § 45a RStV.353
351 352
353
Vgl. dazu EuGH, ZUM 2000, S. 58. § 44 Abs. 5 RStV; diese Vorschrift gilt auch für Dokumentarfilme und Sendungen religiösen Inhalts. Allgemein zum Teleshopping Ridder, Media Perspektiven 1995, S. 414 ff.
841
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4. Abschnitt: Individualrechtsgüterschutz
Nach Art. 5 Abs. 2 GG finden die Kommunikationsgrundrechte des Abs. 1 „ihre 845 Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Diese der Medienfreiheit Schranken setzenden Gesetze haben ihre Bedeutung vor dem Hintergrund, dass Massenmedien bei ihrer Betätigung mit den Rechten Dritter in Konflikt geraten können. Solche Konflikte ergeben sich insbesondere mit Bestimmungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Einzelnen sowie dem Schutz des Unternehmens, die den zivilrechtlichen Rechtsgüterschutz als Schrankenregelung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG gewährleisten (dazu unter § 16). Für die Massenmedien besteht sowohl bei der Berichterstattung als auch bei der Medienrecherche eine spezifisch medienrechtliche Pflichtenbindung (dazu unter § 17). Die Verpflichteten können bei rechtsverletzenden Pflichtverletzungen nach den einschlägigen Haftungsgrundsätzen zur Verantwortung gezogen werden (dazu unter § 18). Dem Verletzten stehen zahlreiche Rechtsbehelfe zur Geltendmachung der von Gesetzes wegen bestehenden Ansprüche zur Verfügung (dazu unter § 19).
§ 16 Rechtsgüterschutz
Literatur Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 2. Auflage 1967; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, 2008, 13. Kapitel; Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 33. bis 38. Abschnitt; Steffen in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 54 – 152; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003.
Zivilrechtlicher Rechtsgüterschutz wird von der Rechtsordnung für verschiedene 846 Rechtspositionen gewährt. So dienen beispielsweise die einschlägigen deliktsrechtlichen Vorschriften der §§ 823 ff. BGB insbesondere dem Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und der Unternehmensintegrität.1 In diesem Kapitel werden die Rechte des von der massenmedialen Berichterstattung und sonstigen Betätigung Betroffenen insbesondere im Konflikt mit der von Art. 5 GG geschützten Informations- und Kommunikationsfreiheit der Medien dargestellt. Hierbei kommt dem Schutz des sog. Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der Schutz der spezialgesetz-
1
Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 42 Rn. 1.
308
§ 16 Rechtsgüterschutz
lich verankerten besonderen Persönlichkeitsrechte2 und der Schutz des Unternehmens gegenüber der Medienberichterstattung hervorragende Bedeutung zu.3
A. Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts 847 Der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts stellt die bedeutendste Kategorie des Rechtsgüterschutzes im Massenkommunikationsgeschehen dar. Dieser Schutz ist in Ermangelung einer umfassenden einfachgesetzlichen Regelung von der Rechtsprechung des BVerfG4 und des BGH5 rechtsfortbildend aus dem Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG und dem Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit durch Art. 2 Abs. 1 GG entwickelt worden. Geprägt werden die Inhalte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zudem durch die in der Bundesrepublik Deutschland als einfaches Bundesrecht geltende EMRK und die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen.6 Die Rechtsprechung zunächst des BGH7 und bestätigend die des BVerfG8 hat ihm die Anerkennung als ein „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB verschafft, das den in derselben Vorschriften benannten Schutz der Willenfreiheit, Gesundheit und körperlichen Integrität erweitert. Es konstituiert einen umfassenden Schutz der Persönlichkeitsrechte und schließt von den gesetzlich geregelten besonderen Persönlichkeitsrechten belassene Lücken mit dem Ziel eines umfassenden zivilrechtlichen Schutzes der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit.9 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bildet ein einheitliches und unteilbares 848 Rahmenrecht, aus dem einzelne persönlichkeitsrechtliche Teilrechte abgeleitet werden können. Sie gewähren – wie insbesondere der dargestellte Ehren-, Bildnis, Wort- und Namensschutz – den in gesetzlichen Spezialvorschriften ausdrücklich ausgeformten Schutz von Teilen des umfassenden Persönlichkeitsschutzes. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt als Rahmenrecht einen über die spezialgesetzlich geregelten Tatbestände hinaus geltenden Schutz der Persönlichkeit von generalklauselartiger Weite. Diese Konzeption, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als „offenen Tatbestand“10 zu gestalten, erlaubt es zugleich, den rechtstaatlich gebotenen Persönlichkeitsschutz den sich in der gesellschaftlichen Entwicklung auftuenden Schutzerfordernissen anzupassen und Schutzlücken schließen zu können; sie schafft aber auch eine regelungstechnische Unbestimmtheit, die es er2 3 4
5 6 7 8 9 10
Dazu sogleich unter Rn. 850 ff. Dazu Rn. 963 ff. BVerfG, NJW 1971, S. 1645 –Mephisto; NJW 1973, S. 1221, 1223 – Soraya; NJW 1973, S. 1226, 1227 – Lebach; NJW 1980, S. 2070 – Eppler; NJW 1997, S. 2669, 2670; NJW 1993, S. 1463. Erstmals in BGHZ 13, S. 334 ff. – Leserbrief. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 57. Grundlegend BGHZ 13, S. 334 ff. - Leserbrief. Vgl. BVerfGE 34, S. 269 ff. – Soraya. Grundlegend bereits BVerfGE 30, S. 173 ff. – Mephisto. BGHZ 45, S. 296 ff. – Höllenfeuer.
B. Spezialgesetzlich geregelte Persönlichkeitsrechte
309
forderlich macht, Inhalt und Grenzen des Schutzes richterrechtlich zu konkretisieren, auszugestalten und festzulegen. Die sich der Rechtsprechung stellende rechtsstaatlich gebotene Gestaltungsauf- 849 gabe macht Abwägungsentscheidungen erforderlich, die im medienrechtlichen Kontext im Sinne der vom BVerfG entwickelten Wechselwirkungslehre unter Abwägung mit den grundrechtlichen geschützten Medienfreiheitsrechten zu treffen sind. Letztlich hat der streitentscheidende Richter den Inhalt und die Grenzen des Persönlichkeitsschutzes festzulegen sowie die Rechtswidrigkeit von Eingriffen in das Rahmenrecht festzustellen. Der entwickelte zivilrechtliche Persönlichkeitsschutz im Massenkommunikationsgeschehen beruht deswegen in nicht unerheblichem Maße auf von Fall zu Fall entwickeltem Richterrecht. Die Rechtsprechung des BVerfG hat dabei eine Maßstab gebende Bedeutung für die Ausformung des Persönlichkeitsschutzes durch die Zivilgerichte, namentlich durch die Rechtsprechung des BGH. Darüber hinaus beeinflussen die in der EMRK verankerten Rechte in der Auslegung durch den EGMR die Reichweite des Persönlichkeitsschutzes.11 Die Festlegung und Fortbildung der Reichweite des Persönlichkeitsschutzes durch den richterlichen Akt des wertenden Erkennens ist sowohl bei den zunächst darzustellenden Tatbeständen des spezialgesetzlich geregelten Persönlichkeitsschutzes als auch bei den in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelten und entfalteten Tatbeständen des Persönlichkeitsschutzes erforderlich.
B. Spezialgesetzlich geregelte Persönlichkeitsrechte I. Schutz der Ehre Das Recht der persönlichen Ehre gehört zu den gesetzlich ausdrücklich geschütz- 850 ten Persönlichkeitsrechten12 und ist zugleich Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.13 Es schützt den Ehrträger vor Herabsetzungen und Kränkungen.14 Ehrverletzungen werden strafrechtlich von den §§ 185 ff. StGB erfasst und stellen zugleich zivilrechtlich unerlaubte Handlungen im Sinne des § 823 BGB15 dar. Darüber hinaus gewährleisten § 4 Nr. 7 und 8 UWG Schutz gegenüber herabsetzenden, verunglimpfenden oder geschäftsschädigenden Äußerungen zu Zwecken des Wettbewerbs bzw. § 824 BGB für den Bereich außerhalb des wirtschaftlichen
11
12
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14 15
Zur Bedeutung der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR für die Ausprägung de Persönlichkeitsschutzes vgl. vor allem BVerfG v. 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07, Tz. 52 ff. Zum Stellenwert vgl. v.Münch/Kunig, GG, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 83; Jarass/Pieroth, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 74 ff. BVerfG, NJW 1993, S. 1463 – Poller; NJW 1987, S. 2661, 2662; NJW 1980, S. 2070, 2071. BVerfG, NJW 1991, S. 95, 96 – Zwangsdemokrat. Über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB oder als Teilbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts über § 823 I BGB.
310
§ 16 Rechtsgüterschutz
Wettbewerbs. In Fällen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung gelangt § 826 BGB zur Anwendung. Ehrschutzdelikte können nicht nur durch das Aufstellen eigener Behauptungen 851 sondern auch das Verbreiten fremder Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen begangen werden. Insofern kommt dem Ehrschutz nach den §§ 185 ff. StGB für die Medienberichterstattung ein durchaus erhebliche Bedeutung zu. Der durch die Medienberichterstattung in seiner Ehre Betroffene hat die Wahl, ob er seinen Rechtsgüterschutz auf dem Zivilrechtsweg, dem Strafrechtsweg oder auf beiden Wegen suchen will.16 In der Praxis spielt der Rechtsgüterschutz auf dem Zivilrechtsweg eine dominante Rolle, vor allem weil der Verletzer schon bei Fahrlässigkeit auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann und für den Unterlassungs- und Widerrufsanspruch bereits die objektive Rechtswidrigkeit ausreicht. Überdies besteht die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz nach den §§ 935 ff. ZPO zu erlangen, durch dessen schnelle Realisierung drohender Schaden vermieden oder vermindert werden kann. Strafrechtliche Sanktionen hingegen setzen vorsätzliches Handeln des Schädigers nach § 15 StGB voraus. 1. Ehrbegriff und Ehrträger 852 Gegenstand des Ehrschutzes ist nicht ein subjektives Ehrgefühl des Einzelnen, sondern die objektiv zu ermittelnde Ehre.17 Ehrschutz besteht folglich unabhängig davon, wie der einzelne den Umfang der ihm gebührenden Ehre einschätzt; er steht auch Minderjährigen und Geistesschwachen zu. Der Ehrschutz folgt allein aus der Tatsache des Menschseins und verleiht jedem Menschen einen in der Menschenwürde des Art. 1 GG wurzelnden, unberührbaren Achtungsanspruch (sog. innere Ehre).18 Die Ehre bezeichnet auch das in der Gesellschaft erworbene Ansehen der Person (sog. äußere Ehre), sofern dieses redlich erworben wurde.19 Dagegen gibt es keinen Schutz der Familienehre; insofern fehlt es an einem eindeutig bestimmbaren Zuordnungssubjekt.20 Allerdings wird in den zu beurteilenden Fällen zu prüfen sein, ob mit der in Rede stehenden Äußerung zugleich eine Verletzung der Ehre der Familienmitglieder unter einer Kollektivbezeichnung einhergeht. Träger des Ehrschutzes sind zunächst alle lebenden natürlichen Personen ohne 853 Rücksicht auf ihr Alter und ihre geistige bzw. körperliche Verfassung. Für Verstorbene bietet hingegen die besondere Regelung des § 189 StGB Schutz. Die einzelnen Mitglieder einer Personengruppe werden selbst dadurch in ihrer Ehre verletzt, dass sie unter einer Kollektivbezeichnung angegriffen werden (sog. Kollektivbeleidigung), auch wenn das einzelne Mitglied der Personengruppe nicht 16
17 18 19 20
Zu beachten ist, dass die §§ 185 ff. StGB im Strafrechtswege grundsätzlich nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden, § 194 StGB. In Betracht kommt ferner ein Privatklageverfahren § 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO. Vgl. BGHSt GrS 11, S. 67. Vgl. BGHSt 11, S. 67. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 75. Rixecker, in: MüKo-BGB, Anhang zu § 12 BGB Rn. 19.
B. Spezialgesetzlich geregelte Persönlichkeitsrechte
311
exakt benannt wird. Vorausgesetzt wird von der Rechtsprechung dabei allerdings, dass sich die bezeichnete Personengruppe aufgrund bestimmter Merkmale so deutlich aus der Allgemeinheit heraushebt, dass der Kreis der Betroffenen klar abgegrenzt und deutlich überschaubar ist.21 Eine Kollektivbeleidigung scheidet ferner aus, wenn lediglich allgemeine Werturteile geäußert werden, die nicht geeignet sind, einzelne Menschen in ihrer Ehre zu kränken.22 Personengemeinschaften als solche genießen ebenfalls Ehrschutz und sind so- 854 mit beleidigungsfähig, wenn sie eine rechtlich anerkannte gesellschaftliche Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können.23 2. Gesetzessystematik Konzeptionell gewährleistet das StGB einen umfassenden Schutz der persönlichen 855 Ehre sowohl in Bezug auf Tatsachenbehauptungen und Werturteile gegenüber dem Ehrträger selbst oder auch gegenüber Dritten. Sie gliedern sich in drei äußerungsrechtliche Grundtatbestände: Eine Beleidigung i.S. des § 185 StGB begeht, wer durch Kundgabe der Geringachtung, der Nichtachtung oder Missachtung die Ehre eines anderen angreift, insbesondere durch die Äußerung eines Werturteils oder einer ehrenrührigen Tatsachenbehauptung. Wer gegenüber Dritten eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung aufstellt oder verbreitet, erfüllt den Tatbestand der üblen Nachrede des § 186 StGB, wenn er die Wahrheit der Behauptung nicht nachweisen kann. Den qualifizierenden Tatbestand der Verleumdung des § 187 StGB erfüllt, wer sogar wider besseres Wissen eine unwahre Behauptung dieser Art aufstellt oder verbreitet. Diese Grundtatbestände unterscheiden sich rechtssystematisch dadurch vonein- 856 ander, dass die §§ 186, 187 StGB nur Ehrverletzungen durch Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten erfassen, während der Tatbestand des § 185 StGB alle Ehrverletzungen sowohl durch die Kundgabe abfälliger Werturteile als auch ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Verletzten selbst sanktioniert. In der medialen Berichterstattung erfolgen Ehrverletzungen in erster Linie 857 durch unwahre oder verfälschende Informationen; der ehrverletzende Charakter solcher Informationen ist nach den §§ 186, 187 StGB zu beurteilen. § 185 StGB schützt vor solchen Medienveröffentlichungen, die mittels subjektiver Meinung oder eines Werturteils bzw. auf andere Weise den Betroffenen der Lächerlichkeit preisgeben.24 Die Wahrheit einer Tatsachenbehauptung steht ausweislich des § 192 StGB der Annahme einer Beleidigung nicht entgegen; eine Ehrverletzung kommt dann aber nur in Betracht, wenn die Beleidigung aus der Form oder den Umständen der Berichterstattung hervorgeht.
21
22 23
24
BGHSt 2, S. 38, 39; 11, S. 207, 208; 19, 235 (z.B. Soldaten der Bundeswehr, die deutschen Ärzte; nicht: die Polizei, die Akademiker). BGH, NJW 1985, S. 1365, 1366 (z.B.: "alle deutschen Ärzte sind Kurpfuscher"). Grundlegend BGHSt 6, S. 186, 191 (z.B. Vereine und Gesellschaften, politische Parteien und Gewerkschaften). Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 80.
312
858
§ 16 Rechtsgüterschutz
In dieser gesetzlichen Konzeption des Ehrschutzes spiegelt sich der verfassungsrechtliche Schutz der Äußerung wahrer Tatsachen sowie zum geistigen Meinungskampf beitragender Werturteile.25 Nach der Rechtsprechung des BVerfG schützt Art. 5 Abs. 1 GG selbst polemische, ungerechte oder „falsche“ Meinungen, während Tatsachenbehauptung, deren Unwahrheit feststeht, nicht einmal tatbestandlich den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genießen.26 Gegenüber der Kundgabe unwahrer Tatsachenbehauptungen kann grundsätzlich zivilrechtlicher Ehrschutz in Anspruch genommen werden. Bei Meinungsäußerungen führen die Freiheitsverbürgungen des Art. 5 Abs. 1 GG grundsätzlich dazu, dass eine Abwägung mit der Meinungsfreiheit des sich Äußernden vorzunehmen ist. Die Qualifizierung der Berichterstattung als Tatsachenbehauptung oder Werturteil ist somit für die Zulässigkeit bzw. die Unzulässigkeit einer Äußerung von zentraler Bedeutung.27 Deshalb muss durch sorgfältige Prüfung im Einzelfall festgestellt werden, ob eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil vorliegt. 28 Allenfalls im politischen Meinungskampf rechtfertigt es die Gewichtung der Grundrechte, im Zweifel von einer Meinungsäußerung auszugehen („in dubio pro libertate“). 29 3. Die Tatbestände der Ehrverletzung a) Verleumdung
859 Sie erfasst die Kundgabe unwahrer, ehrenrühriger oder kreditschädigender Tatsachen gegenüber Dritten. Die Unwahrheit der Tatsache ist objektives Tatbestandsmerkmal. Die Äußerung muss geeignet sein, den Ehrträger verächtlich zu machen oder ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, da nur ehrenrührige Tatsachenbehauptungen eine Verleumdung darstellen. Als solche kommen insbesondere der Vorwurf der Verletzung von sittlich-moralischen Pflichten, Unterstellungen stigmatisierender menschlicher Schwächen und sonstige Rufschädigungen in Betracht.30 Einen Sonderfall der Verleumdung stellt das Vermögensdelikt der Kreditschä860 digung wider besseres Wissen dar. Schutzgut dieser Regelung ist nicht die Ehre
25 26
27
28
29 30
Vgl. BVerfGE 7, S. 207, 212; 33, S. 14 f. Siehe BVerfGE 7, S. 198, 212 – Lüth; BVerfG, NJW 2003, S. 1109 – ethnische Säuberung. Zur systematischen Einordnung von Äußerungen siehe bereits oben Rn. 176 ff. im Rahmen des Art. 5 GG. Seitz/Schmidt/Schoener, NJW 1980, S. 1553, 1555; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 84 ff. BVerfGE 63, S. 131, 144 – Gegendarstellungsbeschluss. Vgl. BGH, AfP 1988, S. 34 ff.: Behauptung sexueller Beziehungen eines katholischen Geistlichen zu einer verheirateten Frau; ferner BGH, NJW 1993, S. 930, 931; AfP 1989, S. 669, 671; siehe auch die Beispiele bei Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, S. 136. Nicht ehrenrührige Tatsachenbehauptungen, die jenseits der objektiven Diskreditierung „nur“ den subjektiv empfundenen Geltungsanspruch verletzen, verletzen daher nur das tatbestandlich offenere Allgemeine Persönlichkeitsrecht.
B. Spezialgesetzlich geregelte Persönlichkeitsrechte
313
sondern das Vermögen. 31 Die Kundgabe einer unwahren Kredit gefährdenden Tatsache kann in einem eigenen Behaupten (dem Hinstellen eines Umstandes als nach eigener Überzeugung richtig) oder einem Verbreiten (der Weitergabe als Gegenstand fremden Wissens) gegenüber Dritten bestehen. Kredit im Sinne dieser Vorschrift ist das Vertrauen, das jemand wegen seiner vermögensrechtlichen Verbindlichkeiten genießt.32 Wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch die Verbreitung von Schriften i.S. des § 11 Abs. 3 StGB begangen wird, so findet sich in § 187, 2. Alt. StGB eine Qualifikation. Insoweit findet die Strafnorm eine zivilrechtliche Entsprechung in § 824 BGB, dessen Verletzung keinen Vorsatz erfordert. Subjektiv muss der Täter bezüglich der Unwahrheit der Tatsache wider besseres Wissen gehandelt, sie also positiv gekannt haben; dolus eventualis genügt nicht. Die Presse hat sich bei der Verbreitung fremder Äußerungen und sogar bloßer Mutmaßungen hinreichend von deren Inhalt zu distanzieren, um einer eigenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit aus § 187 StGB zu entgehen.33 b) Üble Nachrede Dieser Tatbestand erfasst die Kundgabe ehrenrühriger Tatsachen gegenüber Drit- 861 ten. Im Gegensatz zur Qualifikation des § 187 StGB ist die Nichterweislichkeit der Tatsache kein Tatbestandsmerkmal, sondern objektive Bedingung der Strafbarkeit, auf die sich der Vorsatz nicht beziehen muss. Nach der gesetzlichen Regelung wird dem Täter das Risiko der Nichterbringung des Wahrheitsbeweises auferlegt, d.h. dass das Scheitern des Wahrheitsnachweises allein zu seinen Lasten geht.34 Als Mindestanforderung muss der Behauptende den Tatsachenkern seiner Behauptung beweisen.35 In dieser Wertung spiegelt sich die verfassungsrechtliche Reichweite des Grundrechts der Meinungsfreiheit wider, unrichtige Informationen nicht als schützenswertes Gut anzuerkennen, weil sie der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Aufgabe zutreffender Meinungsbildung nicht dienen können.36 Für die mediale Berichterstattung hat diese Risikoverteilung erhebliche Bedeutung, weil sie den Publizisten vor die Aufgabe stellt, die Richtigkeit der Berichterstattung in beweiskräftiger Form zu überprüfen.37 Da dies in der Praxis aus zeitlichen und auch technischen Gründen auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, gewinnt die noch darzustellende Regelung des § 193 StGB an Bedeutung. Auch § 186, 2. Alt. StGB enthält eine Qualifikation, wenn die Tat öffentlich oder durch die Verbreitung von Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) begangen wird. Der subjektive Tat31 32 33
34
35 36 37
Vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 187 Rn. 1. Lenckner, a.a.O., § 187 Rn. 1. BGH, NJW 1997, S. 1148, 1149 – Chefarzt; NJW 1996, S. 1131, 1132 – Lohnkiller; ZUM 1996, S. 682, 683 – Beruf: Neonazi; OLG Hamburg, AfP 1983, S. 412 ff. Es handelt sich also nicht um eine Beweislastumkehr, sondern um eine Ausnahme vom Grundsatz „in dubio pro reo“. BGHSt 18, S. 182. Vgl. nur BVerfGE 54, S. 208, 219; BVerfG, NJW 1992, S. 1439. Die Beweisregel wird über § 823 Abs. 2 BGB auch in das Deliktsrecht transformiert wird; vgl. nur BGH, NJW 1996, S. 1131, 1132 – Lohnkiller.
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§ 16 Rechtsgüterschutz
bestand erfordert bedingten Vorsatz, d.h. der Täter muss zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass sich die Tatsache zur Diffamierung eignet und dass sie an eine dritte Person gelangt. c) Beleidigung 862 Den Beleidigungstatbestand des § 185 StGB erfüllt, wer durch Kundgabe einer Tatsache oder eines Werturteils seine Missachtung oder Nichtachtung ausdrückt.38 Der von § 185 StGB gewährleistete Schutz der Ehre richtet sich aber nicht gegen jede Unhöflichkeit oder Taktlosigkeit, vielmehr ist bei der Anwendung der Strafnorm die Ausstrahlungswirkung der Meinungsfreiheit bereits auf Tatbestandsebene zu beachten. Bei der Interpretation mehrdeutiger Äußerungen ist es deshalb unzulässig, von der zur Verurteilung führenden Deutung auszugehen.39 Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage erfordern bei der Prüfung einer Beleidigung besondere Sorgfalt.40 Die Meinungsäußerungsfreiheit findet eine Schranke in der sog. Schmähkri863 tik.41 Dabei handelt es sich um Beleidigungen durch Äußerungen, die sich jenseits jeder sachlichen Auseinandersetzung in der bloßen Diffamierungen einer Person erschöpfen.42 Nicht jede übertriebene Kritik darf als Schmähung gewertet werden; diese liegt vielmehr nur dann vor, wenn es dem Kritiker ohne jeglichen Sachbezug gerade um die vorsätzliche Herabsetzung der Person geht.43 Eine solche liegt vor allem bei der Verwendung von Schimpfwörtern ohne fassbaren Tatsachenkern (z.B. „Schuft“, „Knallkopf“,44 „Drecksau“45) vor. Deren Verwendung soll den Betroffenen verletzen und kann dann nicht mehr als griffige Übertreibung im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung angesehen werden. Der BGH fasst die von der Schmähkritik-Doktrin gezogene Schranke der Mei864 nungsfreiheit in dem Kernsatz zusammen: "Die Gewährleistung der Meinungsund Pressefreiheit erlaubt zwar unter Umständen auch eine scharfe, schonungslose, "ausfällige" Kritik, wenn sie sachbezogen ist. Sie deckt jedoch keine Schmähkritik, d.h. eine Kritik, die auf eine vorsätzliche Ehrkränkung hinausgeht".46 Das BVerfG hat diese Rechtsprechung verfassungsrechtlich bestätigt und ausgeführt, dass bei der Abwägung zwischen dem Ehrschutz und der Meinungsäuße38 39
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St. Rspr., vgl. nur BGHSt 1, S. 289; 11, S. 67. Vgl. nur BVerfG, NJW 1994, S. 2943 – Soldaten sind Mörder I; Soehring, NJW 1997, S. 360, 362 f. m.w.N. So BVerfGE 7, S. 198, 212; 61, S. 1, 7; 82, S. 272, 274 – Zwangsdemokrat. Näher Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 190 ff. BVerfGE 82, S. 272, 274 – Zwangsdemokrat; 93, S. 266, 293 ff. – Soldaten sind Mörder II. BGH, NJW 1981, S. 2117, 2119; OLG München, AfP 1993, S. 258, 260; OLG Düsseldorf, AfP 1990, S. 142. BVerfG, NJW 1993, S. 1462 – Böll. LG München, AfP 1997, S. 827. BGH, NJW 1974, S. 1763; so auch in NJW 1994, S. 124, 126 – FCKW; vgl. ferner Grimm, NJW 1995, S. 1697, 1703.
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rungsfreiheit in den Fällen der Schmähkritik die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ehrschutz zurücktritt.47 Im Interesse eines umfassenden Grundrechtsschutzes aus Art. 5 GG ist bei der 865 Annahme von Schmähkritik Zurückhaltung geboten.48 Selbst polemische Meinungen oder ausfällige Kritik sind somit nicht automatisch als Schmähkritik zu qualifizieren.49 Geht es um politisch-ideologische Auseinandersetzungen, sind auch Übertreibungen und verbale Entgleisungen hinzunehmen. Hat der Kritisierte durch eigene Äußerungen Gegenangriffe herausgefordert, wird die SchmähkritikSchranke durch das Recht zum Gegenschlag aufgehoben.50 Die Beurteilung einer Äußerung hat über deren Wortlaut hinaus alle damit zu- 866 sammenhängenden Umstände, z.B. das soziale Umfeld der Betroffenen, den Sprachgebrauch, das Alter etc., zu berücksichtigen. So kann einer satirischen oder karikierenden Aussage (sofern nicht ihr Aussagekern eine Ehrverletzung enthält) ein weiter Freiraum für die darstellende Meinungsäußerung zuerkannt werden, der erst dann verlassen wird, wenn die gewählte Ausdrucksform ersichtlich den Zweck der Schmähung verfolgt.51 Da nur die Kundgabe der eigenen Missachtung ein Ehrschutzdelikt darstellt, begehen die Medien keine Beleidigung, wenn sie rechtswidrige Äußerungen eines Dritten dokumentieren, sich von diesen Äußerungen aber inhaltlich deutlich distanziert.52 Beleidigungen erfolgen typischerweise durch ehrverletzende Werturteile. Tat- 867 sachenäußerungen haben nur ausnahmsweise beleidigenden Charakter, wenn sich dieser aus der Form oder den Begleitumständen der Tatsachenbehauptung ergibt (sog. „Formalbeleidigung“ nach §§ 192, 193 StGB). Ausnahmsweise ist in solchen Fällen die Äußerung, auch wenn ihre Wahrheit bewiesen werden kann, nach §§ 185, 192 StGB strafbar. Eine Formalbeleidigung kann in der Bezeichnung mit Schimpfwörtern oder in der Art der Darstellung (Verbreitung eines Plakats im Steckbriefformat53). Die Rechtsprechung verfährt allerdings wegen des weiten Schutzbereichs der Meinungsfreiheit nur zurückhaltend mit der Annahme von Formmalbeleidigungen.54
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BVerfGE 66, S. 116, 151. BVerfG, NJW 2003, S. 3760; vgl. auch Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2005, S. 578 ff. BVerfGE 85, S. 1, 15 – Kritische Bayeraktionäre; BVerfG, NJW 1992, S. 2815, 2816 – Gestapo-Methoden; BGH, NJW 2007, S. 686 ff. BVerfGE 66, S. 116, 150 – Der Aufmacher; BGHZ 99, S. 133, 136 – Oberfaschist; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 51. BVerfG, AfP 1998, S. 52, 53; NJW 1992, S. 2073; NJW 1990, S. 2541. BGH, ZUM 1996, S. 682, 683 – „Beruf: Neonazi“; siehe auch OLG Köln, NJW 1993, S. 1486, 1487 – „Lindenstraße“. OLG Frankfurt, AfP 1990, S. 228. BGH, NJW 1982, S. 2655 („Kredithaie“); OLG Karlsruhe, NJW-RR 2002, S. 1695 („Pfuscher, Scharlatan, pseudoreligiöser Vitaminguru“).
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d) Politische üble Nachrede 868 Eine Qualifikation des nach den §§ 186, 187 StGB gewährleisteten Ehrschutzes findet sich in § 188 StGB für den Fall, dass die üble Nachrede bzw. Verleumdung öffentlich, in einer Versammlung oder durch Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) gegenüber bestimmten Personen des politischen Lebens begangen wird und zumindest abstrakt geeignet ist, das öffentliche Wirken des Betroffenen durch Untergrabung des Vertrauens erheblich zu erschweren. Subjektiv erfordert die Tat bedingten Vorsatz und zusätzliche Beweggründe, die die Stellung des Opfers betreffen.55 Diese Vorschrift ist für die politische Berichterstattung, die sich vorwiegend mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens beschäftigt, von grundlegender Bedeutung. Deren erhöhter Ehrschutz wird damit gerechtfertigt, dass sie durch ihre ständige Medienpräsenz in erhöhtem Maße Verletzungen ausgesetzt sind und das politische Klima “sauber” gehalten werden soll.56 Schon im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz ist allerdings einer Ausuferung entgegenzuwirken, indem man den geschützten Personenkreis eng zieht und nur Personen erfasst, die sich auch dauerhaft mit den grundlegenden Fragen des Staates befassen und das praktische Leben maßgeblich beeinflussen.57 e) Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener 869 Die Vorschrift könnte als Ausdruck des postmortalen Persönlichkeitsschutzes verstanden werden. Ehrschutz für Tote kommt aber nach deutschem Strafrecht nicht in Betracht, so dass das Pietätsgefühl der Angehörigen und der Allgemeinheit das von dieser Vorschrift geschützte Rechtsgut darstellt.58 Die Verunglimpfung kann durch eine Verleumdung, durch eine schwere üble Nachrede oder auch eine Beleidigung unter besonders hässlichen Begleitumständen begangen werden. 59 f) Beleidigung ausländischer Staatspersonen 870 Von Bedeutung für die Medien ist nicht zuletzt § 103 StGB, der als Sonderfall des allgemeinen Beleidigungsrechts der §§ 185 ff. StGB die Beleidigung ausländischer Staatspersonen sanktioniert. Die Vorschrift aus dem 3. Abschnitt des Besonderen Teils des StGB schützt unter bestimmten Voraussetzungen ausländische Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder und Diplomaten, vgl. § 104a StGB.60
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BGHSt 4, S. 121. BGHSt 6, S. 161. BGHSt 4, S. 339; BayObLG, NJW 1982, S. 2511; Beispiele bei Vendt, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 35. Abschnitt Rn. 25. BVerfGE 30, S. 194. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 189 Rn. 2. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 52 Rn. 1; beachte ferner §§ 90, 90a StGB als im Staatsschutzrecht angesiedelte Beleidigungstatbestände mit eindeutig politischem Gewicht.
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4. Rechtswidrigkeit und Wahrnehmung berechtigter Interessen Die Rechtswidrigkeit einer Ehrverletzung wird im zivilrechtlichen Deliktsrecht bei 871 Verletzung eines Schutzgesetzes wie §§ 185, 186, 187 StGB indiziert. Ehrverletzungen können aber zunächst nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen infolge einer Einwilligung bzw. einer mutmaßlichen Einwilligung des Betroffenen in die Veröffentlichung gerechtfertigt sein. Zu prüfen ist darüber hinaus, ob eine Rechtfertigung des Angriffs auf die Ehre des Betroffenen nach den besonderen Rechtfertigungsgründen61 des § 193 StGB gerechtfertigt sein.62 Der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB stellt im medienrechtlichen Ehrschutzrecht die bedeutendste Ausprägung des Wechselspiels von Grundrechtsschutz und Grundrechtschranke, von Art. 5 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 GG dar.63 Das BVerfG betont in seiner Rechtsprechung den Stellenwert der Kommunikationsfreiheiten und hat deutlich gemacht, dass sie auch „auf die in § 193 StGB gebotene Güterabwägung zwischen Ehre und Meinungsfreiheit einen wesentlichen Einfluss“ ausübt.64 § 193 StGB bezieht sich nicht nur auf ehrenrührige Tatsachenbehauptungen (§ 186 StGB),65 sondern betrifft grundsätzlich den gesamten Bereich der Ehrschutzdelikte. Es handelt sich um einen Rechtfertigungsgrund, der über den Bereich des Strafrechts hinaus auch im zivilrechtlichen Rechtsgüterschutz zu berücksichtigen ist.66 Er führt insbesondere zu einer Begrenzung der zivilrechtlichen Haftung der Medien.67 § 193 StGB enthält insgesamt fünf verschiedene Rechtfertigungstatbestände. 872 Der im Mediengeschehen wohl bedeutsamste ist der Tatbestand der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Berechtigte Interessen im Sinne der Norm können nicht nur Individualinteressen, sondern auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sein. Die öffentliche Aufgabe der Medien wirkt sich deshalb bei der Medienberichterstattung besonders bedeutsam aus, sofern die Medien in Ausübung ihrer öffentlichen Aufgabe handeln. Medienunternehmen und Journalisten handeln nicht rechtswidrig, sofern sie mit der Berichterstattung ein ernsthaftes öffentliches Informationsinteresse verfolgen und die im Einzelfall erforderliche medienrechtliche Sorgfalt beachten.68 Auf Fälle der Verleumdung (§ 187 StGB) ist § 193 StGB nicht anzuwenden, weil 873 für bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen keine berechtigten Interessen in Betracht kommen.69 Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Kommunikationsfreiheiten hat die Rechtsprechung in den Fällen der Wahrnehmung berechtigter Interessen anerkannt, dass zugunsten der Massenmedien eine Beweislastumkehr hinsichtlich 61
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Zur Charakterisierung des § 193 StGB als Rechtsfertigungsgrund vgl. BGH NJW 1985, S. 1621, 1622 – Türkol I. Allgemein zur Bedeutung von § 193 StGB im Zivilrecht Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, S. 227 ff. BGHSt 18, S. 184. BVerfGE 12, S. 113, 125; 24, S. 178, 186; 42, S. 143, 152. Vgl. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 15.3. BGH NJW 1965, S. 1476. BVerfGE 10, 121; vgl. auch EGMR NJW 2006, S. 1645, 1648 f. BVerfG, NJW 1999, S. 1322, 1324; 1995, S. 3303. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 53 Rn. 29 ff.
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der Wahrheit der Tatsachenbehauptung i.S.d. § 186 StGB anzuerkennen ist: dem Publizisten wird eine Art „erlaubtes Risiko“ zugebilligt, falls er nur seinen Informationspflichten genüge getan und nicht leichtfertig Behauptungen aufgestellt hat.70 Keine Rechtfertigung ist nach dem Wortlaut des § 193 StGB allerdings bei der Formalbeleidigung nach §§ 185, 192 StGB möglich, da sich diese trotz Wahrheitsbeweises gerade aus der Form der Äußerung – und eben nicht aus ihrem Inhalt – ergibt.71 Voraussetzung für eine entsprechende Rechtfertigung sind im Einzelnen, dass 874 der Äußernde objektiv und subjektiv schutzwürdige Interessen verfolgt, zu deren Wahrnehmung die Äußerung geeignet und erforderlich ist und sich im Wege einer Interessenabwägung als angemessenes Mittel erweist. Dabei liegt der Schwerpunkt der Prüfung in der Güter- und Interessenabwägung und auch diese Rechtfertigung findet gegebenenfalls wiederum ihre Grenzen.72 Die Gerichte hatten verschiedentlich über den Konflikt zu entscheiden, der sich insbesondere dann ergibt, wenn das Medium sich um § 193 StGB beruft und die Unwahrheit der aufgestellten Tatsachbehauptung nicht feststeht. Sie hat dabei unter kritischer Begleitung durch das BVerfG Abwägungsgrundsätze entwickelt. Sie markieren insbesondere die Eckpunkte, dass Angriffe auf die Menschenwürde, Schmähkritik und Formalbeleidigungen nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgen, so dass in diesen Fällen der Ehrschutz in der Regel vorgeht.73 Anerkannt ist nach der Rechtsprechung des BVerfGs auch, dass die nämlichen Grundsätze in den Fällen von Meinungsäußerungen Anwendung finden.74 Als „berechtigte Interessen“ kommen zunächst alle von der Rechtsordnung als 875 schutzwert anerkannten öffentlichen und privaten Belange in Betracht. Bei den Medien ist das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit heranzuziehen.75 So ist in erster Linie zu berücksichtigen, ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt, oder ob sie lediglich ein Unterhaltungsbedürfnis befriedigt76 bzw. kommerzielle Interessen verfolgt. Etwaige private Rachegelüste, die Sensationsgier der Leserschaft oder allein wirtschaftliche Interessen sind keine „berechtigten“ Interessen 70
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BGH, NJW 1987, S. 2225, 2227; Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 193 Rn. 8. BGHZ 39, S. 124 – Fernsehansagerin. Zu den Abwägungskriterien Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, 3. Auflage 2008, Rn. 649 ff. BVerfG, NJW 1999, S. 1322, 1324 – Helnwein; NJW 2006, S. 207, 208 – „IMSekretär“ Stolpe; näher zu den entwickelten „Vorzugsregeln“ der Rspr. Damm/Rehbock, a.a.O., Rn. 650 f. BVerfG, NJW 2006, S. 207, 208 – „IM-Sekretär“ Stolpe; kritisch dazu SeelmannEggebert, AfP 2007, S. 86, 88. BVerfGE 34, S. 269 – Soraya; BGH, NJW 1966, S. 1617; NJW 1996, S. 1128 – Caroline III; HansOLG, AfP 1992, S. 83. BVerfGE 34, S. 169, 183 – Soraya; so auch BGH, NJW 1996, S. 1128, 1130 – Caroline III.
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i.S.d. § 193 StGB. Die Privatsphäre ist grundsätzlich zu achten und Berichte hierüber kann ein ernstliches Interesse nur im Ausnahmefall bei allgemeiner politischer Bedeutung rechtfertigen.77 Zur Feststellung der Angemessenheit von Mittel und Zweck hat eine umfassen- 876 de Güter- und Interessenabwägung stattzufinden, die die widerstreitenden Interessen zueinander in Beziehung setzt. Das Schutzinteresse des Betroffenen hat umso mehr zurückzutreten, je schwerer das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wiegt.78 Selbst unsachliche, übertriebene Überspitzungen sind im öffentlichen Meinungskampf hinzunehmen79 Wenn die Medien ehrverletzende Behauptungen aufstellen, treffen sie je nach 877 den Umständen des Einzelfalles Informations- und Nachforschungspflichten; so muss etwa zur Feststellung des wahren Sachverhalts alles Zumutbare getan werden. Leichtfertig aufgestellte Behauptungen, haltlose Vermutungen oder Beschuldigungen genießen keinen Schutz über § 193 StGB.80 Auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen kann sich nur berufen, wer die journalistische Sorgfaltspflichten beachtet hat81. Die jeweiligen Sorgfaltsanforderungen an die gebotene Recherche hängen im Einzelfall von dem Gewicht der Ehrverletzung und der Eilbedürftigkeit der Berichterstattung ab.82 Einen typischen Fall der Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die Medien stellt beispielsweise die Verdachtsberichterstattung dar.83 Da es hier durch die mediale Aufgabenerfüllung für den Betroffenen zu nachhaltigen Belastungen durch ehrenrührige, bislang aber unbewiesene Verdachtsäußerungen kommen kann, sind strenge Voraussetzungen an eine Rechtfertigung zu stellen, nach denen es sich um gravierende Vorgänge handeln muss, die Recherche mit erhöhter Sorgfalt zu erfolgen hat, die Unschuldsvermutung zu wahren und eine Identifizierung nur im Ausnahmefall zulässig ist. II. Der Bildnisschutz Der Bildnisschutz ergibt sich in erster Linie aus dem sog. „Recht am eigenen 878 Bild“ nach dem Kunsturhebergesetz(KUG).84 Die Entstehungsgeschichte des KUG hängt mit einem Vorfall in der Nacht des 31. Juli 1898 zusammen, als zwei Hamburger Fotografen in das Sterbezimmer Otto von Bismarcks eindrangen und 77
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Siehe dazu die Ausführungen zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht unter Rn. 932 ff.; vgl. hier nur BGH, NJW 1963, S. 902 ff. – Fernsehansagerin; NJW 1964, S. 1471 ff. Zu Einzelheiten der Abwägung vgl. die Ausführungen i.R. des Persönlichkeitsrechts: Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 193 Rn. 16 f. BVerfGE 66, S. 116; BVerfG, NJW 1984, S. 1741 ff.; vgl. Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 83 m.w.N.; OLG Hamm, NJW 1982, S. 1656, 1658; zur engen Auslegung vgl. zuletzt BVerfG, NJW 2000, S. 199, 200. BGHSt 14, S. 48; OLG Stuttgart, NJW 1972, S. 2320 f.; OLG Celle, NJW 1988, S. 354; Wessels/Hettinger, StGB BT I, 32. Auflage 2008, Rn. 508. BGH, NJW 1996, S. 1131, 1133 – Lohnkiller. Vgl. nur BGH, AfP 1988, S. 34 ff.; ausführlich Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, S. 233 ff. Näher siehe Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, S. 235 ff. 1965 wurde das KUG bis auf den Bildnisschutz aufgehoben (§ 141 Nr. 5 UrhG).
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von dessen Leichnam Fotografien anfertigten. Obwohl keine Verbotsnorm einschlägig war, untersagte das Reichsgericht deren Verbreitung, indem es sich auf das "natürliche Rechtsgefühl" sowie das verletzte Hausrecht der Angehörigen stützte.85 In Anbetracht der sich entwickelnden fotografischen Darstellungstechnik und zur legislativen Absicherung der vom Reichs-gericht getroffenen Wertung wurde später das KUG mit seinem besonderen Persönlichkeitsrecht der Bildanonymität verabschiedet; es trat am 9. Januar 1907 in Kraft. 1. Gesetzliche Grundlagen im KUG und StGB 879 Das „Recht am eigenen Bild“ nach §§ 22, 23 KUG schützt das Selbstbestimmungsrecht des Abgebildeten.86 Es ist ein immaterielles Recht und steht jeder natürlichen Person zu. Sein zivilrechtlicher Schutz erfolgt über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22 KUG als Schutzgesetz. Zu unterscheiden sind der Schutz durch das Recht am eigenen Bild nach dem 880 KUG und der durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht: das KUG erfasst nur die Verbreitung einer Aufnahme, deren Herstellung unterfällt nach h.M. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht.87 Ist die Verbreitung der Aufnahme nach den §§ 22, 23 KUG unzulässig, findet eine weitere Abwägung mit Interessen des Mediums an der Verbreitung nicht mehr statt. Die Vorschriften des KUG setzen die Erkennbarkeit der abgebildeten Person voraus und bieten nach dem Tod des Abgebildeten Schutz innerhalb der 10-Jahres-Frist des § 22 Abs. 3 KUG. Nach Ablauf dieser Frist ist die Bildnisveröffentlichung an den Grundsätzen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes zu messen.88 Das Recht am eigenen Bild kennt in § 33 KUG eine eigene Strafvorschrift, die 881 als Privatklagedelikt ausgestaltet ist (§ 374 I Nr. 8 ZPO). Einen strafrechtlichen Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gibt es dagegen nicht.89 § 201a StGB erweitert den Strafrechtsschutz des § 33 KUG auf das unbefugte Herstellen und Übertragen, Gebrauchmachen und Zugänglichmachen von Bildaufnahmen aus dem besonders schutzbedürftigen Kernbereichprivater Lebensgestaltung. Die Regelung hat nicht zuletzt wegen der Gefährdungen durch das Internet beachtliche Bedeutung.90 Sie ist Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB.91
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RGZ 45, S. 170, 173. BVerfG, NJW 1973, S. 1226, 1229 – Lebach; BGH NJW 1996, S. 1128, 1129 – Caroline III. BGH, ZUM 1995, S. 719, 720; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 119. Vgl. dazu in Rn. 959 ff. Zum Medienstrafrecht siehe Rn. 1248 ff. Vgl. dazu Flechsig, ZUM 2004, S. 605 ff. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 118.
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2. Gegenstand und Umfang a) Bildnis Der Schutzgegenstand des KUG bezieht sich mit dem Begriff des Bildnisses auf 882 die Darstellung von Personen, welche die äußere Erscheinung des Abgebildeten in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt.92 Auf die Darstellungsform oder -technik kommt es nicht an; deswegen ist auch die Veröffentlichung des Bildnisses eines Doubles oder die Darstellung durch einen Schauspieler in Film und Fernsehen am Bildnisschutz des KUG zu messen.93 Der Schutz des KUG verlangt die Erkennbarkeit der Person auf dem Bild.94 An 883 die Erkennbarkeit werden im Interesse eines effektiven Bildnisschutzes keine hohen Anforderungen gestellt. Die Erkennbarkeit selbst undeutlicher Abbildungen im engeren Bekanntenkreis des Abgebildeten wird für ausreichend erachtet.95 Deswegen ist im Einzelfall zu prüfen, ob Augenbalken oder das sog. Pixeln geeignet sind, die Abbildung dem Bildnisschutz der Person zu entziehen.96 Grundsätzliche Abbildungsfreiheit genießen Sachaufnahmen, da das Fotogra- 884 fieren als Realakt die Verfügungsbefugnis des Eigentümers unberührt lässt und somit keine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB vorliegt.97 Eine Ausnahme besteht dann, wenn Aufnahmen von einem für die Öffentlichkeit nicht frei zugänglichen Besitztum gemacht werden98 oder aber aufgrund der engen Verbundenheit des Gegenstandes zugleich das Persönlichkeitsrecht einer Person verletzt wird.99 b) Bildnisherstellung Das KUG bietet keinen Schutz gegenüber der Herstellung von Personenaufnah- 885 men.100 Dieser Schutz wird nunmehr seit dem Jahr 2004 durch § 201a StGB gewährleistet, der unter den dort näher genannten Tatbestandsvoraussetzungen auch die Herstellung von Bildaufnahmen unter Strafe gestellt. Bisher bot gegenüber der 92 93
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Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 121. BVerfGE 35, S. 202, 224 – Lebach; BGH, NJW 2000, S. 2201, 2201 – Der blaue Engel. BGH, NJW 1974, S. 1947 f. – Nacktaufnahme. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 122. OLG Karlsruhe, AfP 200, S. 42 ff. BGH, NJW 1989, S. 2251, 2252 – Friesenhaus; OLG Frankfurt a.M., NJW 1995, S. 878, 880; OLG Düsseldorf, AfP 1991, S. 424. BGH, NJW 2004, S. 762, 764 – Luftbildaufnahme I; OLG Hamburg, NJW-RR 2005, S. 414 – Privathaus des Künstlers; BGH, NJW 1975, S. 778 – Schloss Tegel. Z.B. Bilder von Privaträumen, Tagebücher u.ä.; vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1994, S. 1971; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, 1991, S. 56. Siehe den Wortlaut des § 22 KUG sowie die Motive des Gesetzgebers im stenographischen Bericht über die Verhandlungen des Reichstages, 11. Legislaturperiode, II. Session, 3. Anlageband, 1540; BGH, ZUM 1995, S. 718, 720; NJW 1977, S. 2075, 2076; a.A. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 21.1.
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Herstellung von Bildnissen nur das von § 823 Abs. 1 BGB geschützte Allgemeine Persönlichkeitsrecht Schutz, der eine umfassende Güter- und Interessenabwägung verlangt. Zulässig war danach insbesondere die Bildnisherstellung zu Beweiszwecken101 und - auf der Grundlage eines erst-recht-Schlusses - die Herstellung von Aufnahmen, die nach § 23 KUG veröffentlicht werden dürfen.102 Ob diese Rechtsprechung nach Inkrafttreten des § 201a StGB fortgeführt werden wird, erscheint nicht ausgemacht, da argumentiert werden kann, dass die Grenzen von Fotografierverboten nunmehr durch § 201a StGB gezogen.103 Unzulässig sollte jedenfalls in der Regel die erschlichene Bildnisherstellung 886 ohne Kenntnis des Betroffenen104 sowie die Herstellung gegen dessen erklärten Willen bleiben.105 Ebenso unzulässig sind Aufnahmen, die die Intim- oder Privatsphäre verletzen.106 Gleiches gilt, wenn bei der Herstellung ein Straftatbestand (z.B. ein Hausfriedensbruch, § 123 StGB) verwirklicht wird.107 c) Gesetzliche Fotografierverbote 887 Einzelne spezialgesetzliche Regelungen erweitern den Bildnisschutz. Zu beachten sind vor allem Gerichtsverhandlungen und militärische Einrichtungen betreffende Fotografierverbote. Zwar sind nach den §§ 169 ff. GVG Gerichtsverhandlungen einschließlich der Urteilsverkündung grundsätzlich öffentlich, was auch die Teilnahme von Vertretern der Massenmedien beinhaltet. Allerdings bestimmt § 169 S. 2 GVG seit 1964 ausdrücklich, dass die Herstellung von „Ton-, Fernseh- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung“ unzulässig ist. Dieses Aufnahmeverbot soll einen ungestörten Verfahrensablauf sichern, da die Wahrheitsfindung durch Rundfunk- und Filmaufnahmen beeinträchtigt werden könnte.108 Zeugen, Sachverständige und Angeklagte könnten von der Verhandlung abgelenkt, ihre Unbefangenheit könnte beeinträchtigt und ihre Aussagebereitschaft beeinflusst werden. Auch würde der noch nicht verurteilte Angeklagte in einer oft unerträglichen Weise in das Scheinwerferlicht einer weiten Öffentlichkeit gezerrt,109 was sein Recht auf umfassende Verteidigung (Art. 6 Abs.
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KG, NJW 1980, S. 89; OLG Frankfurt a.M., MDR 1981, S. 316; OLG Hamburg, AfP 1991, S. 437; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 7.28. BGH, NJW 1975, S. 2075, 2076; OLG Schleswig, NJW 1989, S. 352; OLG Frankfurt a.M., NJW 1995, S. 878, 880; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 7.25. So Damm/Rehbock, a.a.O., 3. Auflage 2008, Rn. 148. BGH, NJW 1996, S. 1128, 1130 – Caroline III. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 7.25. BGH, NJW 1996, S. 1128, 1130 – Caroline III; gegen die unzulässige Bildnisherstellung stehen dem Verletzten ein Herausgabe- oder Vernichtungsanspruch aus §§ 1004, 823 BGB bzw. §§ 37, 38 KUG analog sowie das ganze zivilrechtliche Instrumentarium zu. Vgl. hierzu den oben angesprochenen Fall „Otto von Bismarck“, Rn. 878. Siehe Begründung des Gesetzgebers für § 169 GVG, BT-Drs. 4/178, S. 45. Begründung des Gesetzgebers für § 169 GVG, BT-Drs. 4/178, S. 45.
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2 EMRK) und sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen kann.110 Allerdings erstreckt sich das Verbot nicht auf die Anfertigung von Fotos,111 deren Anfertigung kann aber vom Vorsitzenden des Gerichts in Ausübung der ihm übertragenen Sitzungsgewalt nach § 176 GVG untersagt werden.112 Bei dieser Entscheidung ist jedoch die Medienfreiheit aus Art. 5 GG zu berücksichtigen, wobei sich bei spektakulären Verhandlungen sogar ein Anspruch der Medien ergeben kann, außerhalb der eigentlichen Verhandlung Aufnahmen zu machen.113 Eine Ausnahme vom Verbot der Gerichtsberichterstattung galt schon bisher für 888 Verhandlungen vor dem BVerfG, denen ein besonders hoher Öffentlichkeitswert zukommt und bei denen Fragen des Persönlichkeitsschutzes regelmäßig keine Rolle spielen.114 Seit 1998 gibt es nach § 17a BVerfGG die Möglichkeit, Ton-, Film- und Fernsehaufnahmen der mündlichen Verhandlungen des BVerfGs zu machen, bis das Gericht die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt hat.; möglich ist danach auch, die öffentliche Urteilsverkündung zu filmen. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen auf andere Verfahrensarten hat das BVerfG angelehnt.115 Nach § 5 Abs. 2 des Schutzbereichsgesetzes vom 7.12.1956116 ist es verboten, 889 eine als Schutzbereich gekennzeichnete militärische Einrichtung ohne Genehmigung zu fotografieren. Auch ist ein „sicherheitsgefährdendes Abbilden“ gemäß § 109g StGB strafbar. d) Bildnisveröffentlichung An einer Aufnahme können mehrere Rechte bestehen, die vor einer Veröffentli- 890 chung beachtet werden müssen: zunächst besteht das Recht am eigenen Bild des Abgebildeten nach dem KUG, darüber hinaus sind allerdings auch Urheberrechte und das Eigentumsrecht zu berücksichtigen. Der Bildnisschutz nach dem KUG folgt einer dreistufigen Regel-Ausnahme- 891 Systematik: Bildnisse dürfen nach § 22 Satz 1 KUG grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis sind in § 23 Abs. 1 Nr. 1 – 4 KUG vorgesehen. Diese wiederum stehen allerdings nach § 23 Abs. 2 KUG unter dem Vorbehalt, dass kein „berechtigtes Interesse des Abgebildeten“ oder seiner Angehörigen verletzt wird.
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Vgl. auch BVerfG, AfP 2001, S. 48, 50 f. – n-tv II. BVerfG, NJW 1995, S. 184, 186 – Honecker II; BGH, NJW 1998, S. 1420. BVerfG, NJW 2000, S. 2890 – Sparkasse Mannheim; NJW 2003, S. 2513 – Gäfgen; AfP 2007, S. 117, 118 – Bundeswehrausbilder. BVerfG, NJW 1995, S. 184 – Strafverfahren gegen Honecker u.a. II; NJW 1992, S. 3288 – Strafverfahren gegen Honecker u.a. I. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 6.4 ff.; vgl. auch Morhardt, epd Nr. 30 vom 21.4.1993, S. 5 zur Fernsehübertragung des AWACS-Urteils des BVerfG. BVerfG, NJW 1999, S. 1951, 1952 – Kruzifix; 1996, S. 581, 583 – n-tv I. BGBl. I, S. 899.
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aa) Veröffentlichtes Bildnis 892 Zur Ermittlung der Reichweite des Bildnisschutzes ist in einem ersten Schritt zu fragen, ob überhaupt ein Bildnis im Sinne der Vorschrift veröffentlicht wurde.117 Ein „Bildnis“ ist die „Darstellung einer Person in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden Erscheinung“. Im Gegensatz dazu sind „Bilder“ die bloße Abbildung von Personen „als Beiwerk einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit“ (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG) bzw. als Teilnehmer an „Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen“ (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG). Der Bildnisschutz nach § 22 KUG setzt die Erkennbarkeit der Person voraus. Eine Veröffentlichung iSd § 22 S. 1 KUG erfolgt durch das Verbreiten, also die 893 körperliche Weitergabe, oder durch ein öffentliches Zurschaustellen, d.h. die Sichtbarmachung ohne Weitergabe der Verfügungsgewalt.118 bb) Einwilligung nach § 22 Satz 1 KUG 894 Die fehlende Einwilligung ist nach h.M. ein negatives Tatbestandsmerkmal, d.h. dass bei vorliegender Einwilligung in das Recht am eigenen Bild überhaupt nicht eingegriffen wird.119 Sie ist eine empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung,120 die einseitig oder in Form eines Vertrages erfolgen kann und entsprechend die Geschäftsfähigkeit des Abgebildeten voraussetzt.121 Bei Minderjährigen wird die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter verlangt.122 Im Hinblick auf die Grundrechtsmündigkeit des Minderjährigen selbst wird zusätzlich dessen eigene Einwilligung aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen verlangt. Die Einwilligung setzt keine bestimmte Form voraus; sie kann deshalb sowohl 895 ausdrücklich als auch konkludent erteilt werden.123 dabei ist aber zu ermitteln, ob nicht nur ein Fall der bloßen Duldung vorliegt. Bei der Verwendung eines Bildnisses zu Werbezwecken ist die Einwilligung jedenfalls ausdrücklich zu erteilen.124 Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 KUG gilt die Einwilligung im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete ein Honorar erhielt. Für eine wirksame Einwilligung müssen dem Abgebildeten Art und Umfang 896 der Veröffentlichung bekannt sein. Nach der aus dem Urheberrecht in das Medien-
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Dazu bereits oben Rn. 882 ff. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 123. Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 832 m.w.N; a.A. OLG Frankfurt a.M., AfP 1976, S. 181 (Rechtfertigungsgrund). Str.; wie hier Helle, AfP 1985, S. 93, 97; OLG Hamburg, AfP 1987, S. 703; a.A. BGH, NJW 1974, S. 1947, 1948 – Nacktaufnahme und Steffen in Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 124 (Realakt). Für eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung OLG München, NJW 2002, S. 305. Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, 3.Auflage 2008, Rn. 170. BGH, NJW 2005, S. 215, 217 – Alexandra v. Hannover. BGH, GRUR 1996, S. 195, 196; BGHZ 49, S. 288, 295; OLG Karlsruhe, AfP 2006, S. 467. BGH, NJW 1992, S. 2084 – Talkmaster; BGH, AfP 1995, S. 495 – Kundenzeitschrift.
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recht übernommenen „Zweckübertragungslehre“125 kann die Einwilligung immer nur soweit reichen, wie der mit ihrer Erteilung verfolgte Zweck.126 Die Veröffentlichung des Bildnisses in einem völlig anderen Zusammenhang ist von der ursprünglichen Einwilligung daher nicht gedeckt. 127 Die einmal erteilte Einwilligung ist grundsätzlich bindend (§ 130 BGB bzw. 897 §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB). Sie kann jedoch gemäß §§ 119 ff. BGB angefochten bzw. es kann ein vertraglicher Widerruf vereinbart werden. Ist die Einwilligung Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung kann die Einwilligung nur aus wichtigem Grund widerrufen werden.128 Im Einzelfall kann ein Widerrufsrecht in analoger Anwendung des § 42 Abs. 1 UrhG bei „gewandelter Überzeugung“ gegeben sein, wenn nach umfassender Abwägung dem Persönlichkeitsschutz aus Art. 1, 2 GG ausnahmsweise Vorrang vor dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ gebührt.129 Hierfür ist zu fordern, dass eine gewandelte innere Einstellung des Betroffenen zu derart objektiv veränderten Umständen geführt hat, dass ein Festhalten an der früheren Einwilligung für diesen nicht mehr zumutbar ist.130 Nach dem Tod der abgebildeten Person, kann nach § 22 Satz 3 KUG ein Foto 898 bis zum Ablauf von zehn Jahren nur mit Einwilligung seiner Angehörigen veröffentlicht werden. Dabei müssen alle im Gesetz genannten Angehörigen die Einwilligung erklären. Die Einwilligung nur des überlebenden Ehegatten ist deshalb nicht ausreichend. Ist der Tote eine Person aus dem Bereich der Zeitgeschichte iSd § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG kann die Veröffentlichung der Abbildung des Toten ohne die Einwilligung der Angehörigen zulässig sein.131 Die Beweislast für Existenz und Umfang der Einwilligung trägt derjenige, der 899 das Bildnis veröffentlicht.132 Dabei besteht nach der Rechtsprechung des BGH133 eine strenge Sorgfaltspflicht, die eigene Veröffentlichungsbefugnis zu prüfen. cc) Abbildungsfreiheit nach § 23 Abs. 1 KUG Von dem Grundsatz des § 22 KUG, dass Personenbildnisse nur mit Einwilli- 900 gung veröffentlicht werden dürfen, gibt es nach § 23 Abs. 1 KUG vier Ausnahmen: Die bedeutendste Fallgruppe stellt § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dar, die „Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ von dem Einwilligungserfordernis ausnimmt. Damit sollte nach der historischen Gesetzesbegründung dem echten Informationsbedürfnis der Allgemeinheit am zeitgeschichtlichen Geschehen Rech125 126
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Vgl. dazu oben Rn. 658. BGH, NJW 2005, S. 56, 57 – Charlotte Casiraghi II; KG, ZUM-RD 1998, S. 554; OLG Hamburg, ZUM 1996, S. 789, 790. OLG Frankfurt, AfP 1986, S. 140, 141 – Ferienkatalog. BGH, GRUR 1987, 128 – Nena. OLG München, AfP 1989, S. 570; OLG Oldenburg, GRUR 1988, S. 695; beachte hierbei die analog § 42 Abs. 3 UrhG zu zahlende Entschädigung. Vgl. Frömming/Peters, NJW 1996, S. 958. Damm/Rehbock, a.a.O., Rn. 185 ff.; Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 21.23. Allg. Ansicht, vgl. nur BGH, NJW 1956, S. 1554 – Paul Dahlke; NJW 1965, S. 1374. BGH NJW 1985, S. 1617, 1619 – Nacktaufnahme.
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nung getragen werden.134 Unter diesen Ausnahmetatbestand fallen insbesondere Abbildungen von sog. „Personen der Zeitgeschichte“. Dabei handelt es sich derzeit um die „wohl wichtigste Ausnahme vom Bildnisschutz“135, die aber zugleich die wohl am schwierigsten zu präzisierenden und deshalb umstrittensten Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes enthält. Im Begriff „Person der Zeitgeschichte“ verdichtet sich sprachlich das Spannungsverhältnis zwischen dem allgemeinen Publikationsinteresse des Massenmediums und dem Bildnisschutz des Abgebildeten, das exegetisch die einwilligungsfreie Abbildungsmöglichkeit von einer Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person abhängig macht. Der gesetzliche Anknüpfungspunkt für die Abbildungsfreiheit ist nach dem 901 Wortlaut der Regelung der zeitgeschichtliche Kontext; die Abbildungsfreiheit knüpft mit anderen Worten nicht an die abgebildete Person sondern daran, dass die Person in einem zeitgeschichtlichen Bezug steht, an dem ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Dieser Grundbefund drohte mit der lange Zeit beherrschenden Formel zur Operationalisierung der Tatbestandsmerkmale des § 23 Abs. 2 Nr. 1 KUG, Bildnisse von „absoluten“ bzw. „relativen Personen der Zeitgeschichte“ seien abbildungsfrei, verschüttet zu werden.136 Durch die Entscheidung des EGMR, mit der dieser ein Urteil des BVerfGs137 zur Zulässigkeit des Abdrucks von Fotos aufhob, die Prinzessin Caroline von Monaco bei privaten Auftritten in der Öffentlichkeit zeigten,138 ist die Notwendigkeit der Abwägung der divergierenden Interessen zur Feststellung eines überragenden Öffentlichkeitsinteresses an zeitgeschichtlich bedeutsamer Bildnissen mit besonderer Deutlichkeit hervorgehoben worden. Vergröbernd und vereinfachend lässt sich die hergebrachte Doktrin zur Abbil902 dungsfreiheit zeitgeschichtlicher Personen so skizzieren: Die Begriffe „absolute“ und „relative“ Person der Zeitgeschichte galten als Chiffre für den Stellenwert der jeweiligen Person für das öffentlich Interesse an der Abbildung. Absolute Personen der Zeitgeschichte (z.B. Monarchen und Prinzessinnen, herausragende Politiker oder weltbekannte Schauspieler, Sportler oder Musiker) hatten Fotoveröffentlichungen vorbehaltlich der Schranken des § 23 Abs. 2 KUG regelmäßig schlechthin hinzunehmen, auch dann, wenn das Foto keinen Bezug zu der wie auch immer gearteten öffentlichen Funktion des Abgebildeten aufwies. In der später vom EGMR beanstandeten Caroline von Monaco-Entscheidung des BVerfGs hieß es dementsprechend, „es kennzeichnet häufig gerade das öffentliche Interesse, welches solche Personen beanspruchen, dass es nicht nur der Funktionsausübung im engeren Sinn gilt. Vielmehr kann es sich wegen der herausgehobenen Funktion und der damit verbundenen Wirkung auch auf Informationen darüber 134
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137 138
Begründung des Regierungsentwurfs des KUG, Stenographischer Bericht der RTVerhandlung, 11. Legislaturperiode, II. Session, 2. Anlagenband, 1540 ff. So v.Strobl-Albeg, in: Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Kap. 8 Rn. 4. Die Begrifflichkeiten gehen zurück auf den bahnbrechenden Aufsatz von NeumannDuesberg, JZ 1960, S. 114 ff. BVerfG, NJW 2000, S. 1021, 1025 – Caroline von Monaco. EGMR, NJW 2004, S. 2647 – Caroline v. Hannover.
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erstrecken, wie sich diese Person generell, also außerhalb ihrer jeweiligen Funktion und in der Öffentlichkeit bewegen.“139 Für relative Personen der Zeitgeschichte, die nicht wegen außergewöhnlicher Verdienste oder Leistungen sondern im Zusammenhang mit einem informationswürdige Ereignis oder wegen familiäre Bindung zu einer absoluten Person der Zeitgeschichte in den Bereich zeitgeschichtlicher Bedeutung geraten sind, wurde nach der hergebrachten Doktrin das öffentliche Informationsinteresse in begrenzterem Maße und nur für solche Abbildung anerkannt, die in einem Zusammenhang mit dem maßgeblichen zeitgeschichtlichen Vorgang stehen. Nach der Aufsehen erregenden Entscheidung des EGMR im Caroline von Mo- 903 naco-Fall lässt sich diese hergebrachte Doktrin zur Abbildungsfreiheit zeitgeschichtlich bedeutsamer Personen nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten.140 In Ansehung von Fotos, die Caroline von Monaco beispielsweise auf einem Pferd sitzend, beim Einkaufen oder Tennis spielend zeigten, betonte der EGMR, dass die Öffentlichkeit trotz der allgemeinen Bekanntheit der Beschwerdeführerin kein berechtigtes Interesse daran hat, mittels Fotografie zu erfahren, wo sie sich befindet und wie sie sich allgemein in ihrem Privatleben verhält. „Bei der Abwägung zwischen dem Schutz des Privatlebens und der Freiheit der Meinungsäußerung ist darauf abzustellen, ob Fotoaufnahmen und Presseartikel zu einer öffentlichen Diskussion über eine Frage allgemeinen Interesses beitragen und Personen des politischen Lebens betreffen.“141 Über dies hat der EGMR Zweifel geäußert, ob die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte sachgerecht sei.142 Die Bundesrepublik Deutschland ist der EMRK beigetreten und ist nach Art. 46 Abs. 2 EGMRK verpflichtet, endgültige Urteile des Gerichtshofs zu beachten.143 Die nach dem Urteil des EGMR ergangene Rechtsprechung des BGH und des 904 BVerfG hat bisher nicht eindeutig erkennen lassen, ob sie wegen der Kritik an der Einordnung zeitgeschichtlich bedeutsamer Personen als absolute oder relative Personen der Zeitgeschichte von diesen Beurteilungskategorien abrücken wird.144 Ausdrücklich heißt es in der neuen Rechtsprechung des BGH, es ginge nicht um eine Frage nach der Begrifflichkeit der Person der Zeitgeschichte, sondern die Frage, unter welchen Voraussetzungen über öffentlich bekannte Personen einwilligungsfreie Fotoberichterstattungen erfolgen dürfen. 145 Dabei hat in jedem Fall eine Abwägung der berührten Belange unter Berücksichtigung des Informationswerts der Berichterstattung zu erfolgen. Dies gilt gleichermaßen für die bisher so 139 140
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145
BVerfG, NJW 2000, S. 1021, 1025 – Caroline von Monaco. Stürner, JZ 2004, S. 1018, 1019; Teubel, AfP 2006, S. 116 ff.; Wanckel, Foto- und Bildrecht, 2004, Rn. 179; zurückhaltender Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 130. EGMR, NJW 2004, S. 2647 (Leitsatz 5) – Caroline v. Hannover. EGMR, NJW 2004, S. 2647, 2650 (Tz. 73) – Caroline v. Hannover. Vgl. Heldrich, NJW 2004, S. 2634 ff. Vgl. BGH, NJW 2006, S. 2835, 2836 – Autobahnraser Ernst August v. Hannover II; BVerfG, NJW 2006, S. 448, 449 – Rivalin von Uschi Glas II. So treffend BGH, NJW 2007, S. 1981 – Prinz Ernst August v. Hannover.
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genannten absoluten oder relativen Personen der Zeitgeschichte; die hergebrachten Formeln haben insofern ihre Erkenntnis leitende Bedeutung eingebüßt – darin liegt die grundlegend bedeutsame Konsequenz des EGMR-Urteils.146 Zu Recht unterscheidet der BGH nunmehr auch bei den bisher sog. absoluten Personen der Zeitgeschichte zwischen Bildnisveröffentlichungen, die einen irgendwie gearteten Informationswert haben, also einer Berichterstattung, die zu einer Debatte mit Sachgehalt beiträgt, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht, und solcher, bei der es diesen Informationswert nicht gibt.147 Abbildungsfreiheit besteht für Personen als Beiwerk (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG), 905 die sich also nach dem Gesamteindruck des Bildes nur zufällig in der dargestellten Umgebung befinden, ohne den Gehalt des Bildes zu verändern. 148 Der entscheidende Gesichtpunkt, der für die Abbildungsfreiheit streitet, ist bei solchen Aufnahmen, die Unterordnung der Personenabbildung im Verhältnis zur Gesamtdarstellung.149 Nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG können Bilder von öffentlichen Versammlungen 906 u.ä. abgebildet werden, sofern es ihnen um das Geschehen als solches und nicht um die dargestellten Personen im Einzelnen geht.150 Ob dies auch für Personen gilt, die etwa bei einer Fernsehübertragung aus dem Publikum herausgezoomt werden, ist bis heute nicht abschließend geklärt.151 Um künstlerische Bildnisstudien zu ermöglichen, dürfen Bilder im höheren In907 teresse der Kunst (§ 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG) frei veröffentlicht werden.152 dd) Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten 908 Ausnahmen von der Abbildungsfreiheit des § 23 Abs. 1 KUG bestehen nach Abs. 2 der Vorschrift, wenn ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten der Bildnisveröffentlichung entgegensteht.153 Damit stellt § 23 Abs. 2 KUG ein Korrektiv zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen dar. Die Verletzung des berechtigten Interesses ist nach der Rechtsprechung durch eine Güter- und Interessenabwägung von Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG einerseits und Art. 5 GG andererseits in jedem Einzelfall zu bestimmen.154 146 147
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Vgl. Engels/Jürgens, NJW 2007, S. 2517 ff.; Teichmann, NJW 2007, S. 1917 ff. BGH, NJW 2007, S. 1977, 1978 – Caroline v. Hannover; NJW 2007, S. 1981, 1982 – Prinz Ernst August v. Hannover. BGH, NJW 1961, S. 558; NJW 1979, S. 2205, 2206. Vgl. v.Strobl-Albeg, in: Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Kap. 8 Rn. 48. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 138. Befürwortend v.Strobl-Albeg, in: Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Kap. 8 Rn. 51; dagegen Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, 3. Auflage 2008 Rn. 251; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 872. Götting, in: Schricker, UrhG, 2. Auflage 1999, § 23 KUG, Rn. 70. BGH, AfP 1997, S. 475, 476 – Bob Dylan; BGH, NJW 1996, S. 1128, 1129 – Caroline III. BGH, AfP 1997, S. 475, 476 – Bob Dylan; BGH, NJW 1996, S. 1128, 1129 – Caroline III; NJW 1994, S. 124 - FCKW.
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Bei der Anwendung des § 23 Abs. 2 KUG haben Fallgruppen berechtigter Interessen des Abgebildeten herauskristallisiert, bei denen die Einzelabwägung bei typisierender Betrachtung regelmäßig zu bestimmten Ergebnissen führt. Diese Fallgruppen betreffen Bildnisse aus dem Bereich der Intimsphäre, solche, die der Privatsphäre zugerechnet werden gebildet; Fotoveröffentlichungen, mit denen geschäftliche Interessen verfolgt werden, unterliegen eine anderen Beurteilung als solche, die einen satirischen Charakter haben oder solche, die wegen ihrer negativen Aussage eine Prangerwirkung erzeugen. In den jeweiligen Fallgruppen lassen sich zusammenfassend die nachfolgend zusammengestellten Abwägungsgrundsätze feststellen. Der Schutz der Intimsphäre ist absolut. Die Veröffentlichung von Nacktaufnahmen ohne Einwilligung der abgebildeten Person ist immer unzulässig.155 Grundsätzlich sind auch Bildnisse von Personen in erheblicher Bedrängnis oder von Verstorbenen dem Intimbereich zuzurechnen.156 In einer zweifelhaft begründeten Entscheidung wurde ausnahmsweise ein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse beim Foto des toten Attentäters vom Münchener Oktoberfest angenommen, weil es nicht nur der Information diene, sondern zugleich eine politischerzieherische Funktion erfülle.157 Eine sorgfältige Abwägung hat bei Bildnissen aus der Privatsphäre zu erfolgen. Seit der „Caroline III – Entscheidung“ des BGH158 wird neuerdings eine schützenswerte Privatsphäre auch außerhalb des häuslichen Bereichs angenommen: Sofern sich jemand an einen abgeschiedenen Ort begibt und sich dort im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit ganz privat so verhält, wie er es in der breiten Öffentlichkeit nicht täte, wird er in seiner Privatsphäre durch den verletzt, der diese objektiv erkennbare Arglosigkeit für seine Zwecke ausnutzt. Die Fortentwicklung dieser Fallgruppe wird wesentlich durch die Rechtsprechung des EGMR geprägt, die das Abwägungsergebnis neu justiert hat.159 Überwiegende Interessen des Abgebildeten werden ferner anerkannt, wenn Fotos nicht zur Befriedigung eines allgemeinen Informationsinteresses, sondern zur Verfolgung reiner Geschäftsinteressen verwertet werden.160 Da nur der Abgebildete darüber zu bestimmen hat, ob er sein Bild zu Werbezwecken zur Verfügung stellen will,161 erfordern nicht nur die reine Werbung, sondern auch Merchandising und andere Mischformen des Vertriebs immer eine ausdrückliche Einwilligung.162 Satirische Darstellungen zeitgeschichtlich bedeutsamer Personen werden für zulässig erachtet, solange der Aussagekern auf die zeitgeschichtliche Bedeutung 155 156
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BGH, NJW 1985, S. 1617, 1618 – Schulbuch; NJW 1974, S. 1947 – Nacktaufnahme. Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1292 unter Hinweis auf RGZ 45, S. 170, 173 – Otto v. Bismarck. OLG Hamburg, AfP 1983, S. 466, 468. BGH, NJW 1996, S. 1128, 1129 – Caroline III. Vgl. schon oben Rn. 900 ff. BGH, NJW 1997, S. 1152, 1153 – Bob Dylan; NJW 1996, S. 593, 595 – Abschiedsmedaille; LG Oldenburg, GRUR 1986, S. 464. BGH, NJW 1971, S. 700. Ausführlich Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 866 – 870.
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der dargestellten Person und den zeitgeschichtlich bedeutsamen Anlass für die Veröffentlichung Bezug nimmt. Gegenüber der Veröffentlichung von Plakaten klimaschutzkritischer Gruppen, die den Vorstandsvorsitzenden der Hoechst AG zeigen und den Text hinzufügen: „Alle reden vom Wetter, wir ruinieren es“, wurden demzufolge keine berechtigten Interessen des Abgebildeten anerkannt.163 § 23 Abs. 2 KUG steht einer Bildnisveröffentlichung entgegen, durch die eine 914 „starke soziale Prangerwirkung“ hervorgerufen werden könnte.164 Das bedeutet – wie der BGH in einer Grundsatzentscheidung festgestellt hat - allerdings nicht, dass die Presse über einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß einer in der Öffentlichkeit bekannten Person mit Namensnennung und Abbildung nicht mehr berichtet werden darf.165 Bei der Darstellung über Straftaten wirkt nach der Rechtsprechung des BVerfG das Resozialisierungsinteresse des Straftäters als Veröffentlichungshindernis,166 ohne dass damit aber eine „vollständige Immunisierung vor der ungewollten Darstellung“ einhergeht; statt dessen wird für entscheidend angesehen, in welchem Maß eine Berichterstattung die Persönlichkeitsentfaltung beeinträchtigen kann.167 ee) Ausnahmen im öffentlichen Interesse 915 Zum Zwecke der Rechtspflege und öffentlichen Sicherheit dürfen Behörden nach § 24 KUG Bildnisse frei verbreiten. Für diese polizeirechtliche Regelung gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz,168 so dass z.B. die Steckbrief-Voraussetzungen des § 131 StPO erfüllt sein müssen. Die Medien dürfen Fahndungsfotos nur veröffentlichen, wenn sie diese als solche von den Behörden zur Fahndungshilfe erhalten haben.169 III. Der Schutz des gesprochenen Wortes 916 Zu den spezialgesetzlich geregelten besonderen Persönlichkeitsrechten gehört ferner das Recht am gesprochenen Wort, dessen Schutz in der Strafnorm des § 201 StGB zum Ausdruck kommt; daneben genießt das gesprochene Wort den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.170 Die Regelung des § 201 StGB schützt
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BVerfG, NJW 1999, S. 2358 – Greenpeace; vgl. auch BGH, NJW 2007, S. 689, 699 – Lafontaine. BGH, NJW 1957, S. 1315, 1316 – Spätheimkehrer. BGH, NJW 2006, S. 599 – Autobahnraser Ernst August von Hannover I. BVerfG, NJW 1973, S. 1226 ff. – Lebach I. BVerfG, NJW 2000, S. 1859 ff. – Lebach II. OLG Hamm, GRUR 1993, S. 154, 155. OLG Frankfurt, NJW 1971, S. 47, 49. Siehe dazu Rn. 1265 ff.
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die Vertraulichkeit des Wortes.171 Während Absatz 1 Aufnahmen in reproduzierbarer Form und deren Verwendung verbietet, sanktioniert Absatz 2 die Ausspähung des Persönlichkeitsbereichs mittels technischer Geräte und bietet darüber hinaus auch einen inhaltlichen Schutz. Vor allem setzt das Verbot, das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufzunehmen oder mit einem Abhörgerät abzuhören (§ 201 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB) der journalistischen Recherche Grenzen.172 Eine derart verbotenerweise hergestellte Aufnahme darf weder gebraucht noch Dritten zugänglich gemacht (§ 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB); ihr Inhalt darf unter Beeinträchtigung berechtigter Interessen nicht öffentlich mitgeteilt werden (§ 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 StGB). Die Bagatellklausel in Absatz 2 Satz 2 nimmt ganz offensichtlich belanglose Äußerungen vom Strafrechtsschutz aus. Das Recht am gesprochenen Wort findet keinen absoluten Schutz, sofern nicht 917 der intime Kernbereich des Privatlebens betroffen ist.173 Die Strafbarkeit ist nach § 201 Abs. 2 Satz 3 StGB ausgeschlossen, wenn die öffentliche Mitteilung i.S.d. § 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wurde. Dieser Rechtfertigungsgrund fügt sich in die Grundrechtssystematik des Art. 5 Abs. 1 GG ein, der zwar die rechtswidrige Informationsbeschaffung nicht deckt, andererseits aber kein absolutes Verwertungsverbot schafft. Eine Rechtfertigung der Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Wor- 918 tes kommt in erster Linie durch die (mutmaßliche) Einwilligung des Betroffenen in Betracht.174 Umstritten ist, wie die wissentlich, aber ohne Einwilligung gemachte Tonbandaufnahme zu beurteilen ist: Bei solchen Sachverhalten kann die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes verneint werden, mit der Folge dass auch unbefangenen Äußerungen dem Schutz des § 201 StGB entzogen sind;175 zutreffender erscheint es, das Vorgehen auf der Grundlage einer mutmaßlichen Einwilligung als gerechtfertigt anzusehen. Absatz 3 der Vorschrift enthält eine Qualifikation für den Fall, dass die Tatbegehung durch einen Amtsträger oder Verpflichteten im öffentlichen Dienst nach § 11 Abs. 1 Nr. 2, 4 StGB begangen wird.
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BVerfGE 34, S. 238; BGHSt 14, S. 358; 31, S. 299. Geschütztes Rechtsgut ist auch das Allgemeininteresse an unbefangener Kommunikation; vgl. Lencker, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 201 Rn. 2. Dies war das Motiv für die Erweiterung des § 201 Abs. 2 StGB von 1990; vgl. BT-Drs. 11/6714, S. 3 und BT-Drs. 7414, S. 3 ff. BVerfG, NJW 1973, S. 891, 892 – Tonbandaufnahme; BGH NJW 1988, S. 1016, 1017; NJW 1982, S. 277 – Tonbandaufnahme II. Zu beachten sind ferner die Befugnisse für die Strafverfolgungsbehörden gemäß §§ 100a, 100b StGB. Verfassungsschutz und Geheimdienste können nach dem G-10Gesetz den Fernmeldeverkehr überwachen. Vgl. dazu insgesamt Bock, in: BeckTKGKommentar, 3. Auflage 2006, § 88 Rn. 28 ff. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 201 Rn. 13.
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IV. Namens- und Kennzeichenschutz 1. Bürgerlich-rechtlicher Namensschutz 919 Der Name einer Person ist Ausdruck seiner Individualität und dient zur Identifikation des Namensträgers.176 Das Bürgerliche Gesetzbuch schützt in seinem § 12 den Namen. Der Schutz bezieht sich zunächst auf den bürgerlichen Namen, so wie er nach den allgemeinen Bestimmungen des Namensrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch erworben wird.177 Im Zuge der Rechtsentwicklung wurde der Schutz des Namens darüber hinaus ausgedehnt. Geschützt werden die Namen juristischer Personen und Unternehmenskennzeichnungen jeder Art, einschließlich der Abkürzungen und Schlagworte.178 Der Anwendungsbereich des § 12 BGB ist verlassen, sobald die Namensbenutzung eine kennzeichenrechtliche Benutzung iSd §§ 5, 15 MarkenG darstellt.179 Schließlich fällt auch der Berufs- oder Künstlername in den Schutzbereich des § 12 BGB.180 Das Namensrecht gewährt Schutz gegenüber unbefugtem Namensgebrauch und 920 der Namensleugnung. Unbefugter Namensgebrauch ist von der bloßen Namensnennung zu unterscheiden, die auch dann nicht unter § 12 BGB fällt, wenn sie im Zusammenhang mit unrichtigen Sachaussagen erfolgt. Eine Verletzungshandlung setzt nicht notwendigerweise den unmittelbaren Gebrauch des Namens voraus. Notwendig und ausreichend ist, dass ein hinreichend deutlicher mittelbarer Hinweis auf den Namensträger vorliegt.181 Unbefugt ist der Namensgebrauch vor allem dann, wenn die Gefahr einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung entstehen.182 Eine solche Namensanmaßung kommt beim Gebrauch zur Bezeichnung der eigenen Person oder des Unternehmens, aber auch zur Bezeichnung eines Dritten in Betracht. Das Namensrecht endet grundsätzlich mit dem Tod des Namensträgers.183 Die 921 vermögenswerten Bestandteile des Rechts am eigenen Namen sind allerdings vererblich.184 Der Schutz dieses Rechts endet in entsprechender Anwendung von § 22 Satz 3 KUG nach Ablauf von 10 Jahren nach dem Tod des Namensträgers.185 2. Domain-Namensschutz 922 Domain-Namen als Bezeichnungen für Websites stellen zunächst eine tatsächlich erlangte Position dar, sie sind aber nicht selbst Namen oder namensartige Kenzei176 177 178 179 180 181 182
183 184 185
BVerfG, JZ 1982, S. 798. Vgl. insbesondere §§ 1355, 1616 ff., 1719 ff., 1757, 1767 BGB. Burkhardt, in: Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Kap. 10 Rn. 40. BGHZ 149, S. 191, 197 – Shell.de. OLG München, ZUM-RD 2006, S. 178 – Schweini; Freitag, GRUR 1994, S. 345.. BGHZ 126, S. 208, 215 – Rennwagen als Modellspielzeug. BGHZ 149, S. 191, 199 – shell.de; BGHZ 126, S. 209; 215 – Rennwagen als Modellspielzeug; 119, S. 237, 245 - Universitätsemblem. BGHZ 8, S. 318, 324 – Pazifist. BGH/ 143, S. 214, 218 ff. – Marlene Dietrich I. BGHZ 169, S. 193, 199 – kinski-klaus.de.
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chen. Wird eine Domain-Name aus dem eigenen geschützten Namen abgeleitet, unterfällt dieser grundsätzlich dem Schutz des § 12 BGB.186 Im Übrigen ist eine entsprechende Anwendung des § 12 BGB auf Domain-Namen in Erwägung zu ziehen. Die Domain bezeichnet eine vollständige (alphanumerische) Internet-Adresse. 923 Ihr ist eine bestimmte IP-Adresse zugeordnet, die ihrerseits einen bestimmten Computer identifiziert.187 Dabei weisen die Buchstabenfolgen „http“ auf das technische Übertragungsprotokoll (Hyper Text Transfer Protokoll) und „www“ auf die Serverangabe für das World Wide Web hin. Zum Domain-Namen gehört sodann eine Top-Level-Domain (TLD), eine Buchstabenfolge, die aufgrund internationaler Vereinbarungen als Länderkennung (z.B. „de“) oder als generische Kennung (z.B. „com“) festgelegt ist. Ferner kommt eine Second-Level-Domain (SLD) hinzu; sie ist grundsätzlich frei wählbar. Diese SLD ist der eigentlich kennzeichnende Bestandteil einer Domain. Die Vergabe und Verwaltung länderspezifischer Domain-Namen erfolgt durch nationale Vergabestellen, in Deutschland für die TLD beispielsweise durch die DENIC. Domain-Namen haben zunächst nur eine abstrakte Kennzeichenfunktion für die 924 Bezeichnung einer Website, sie stellen aber auch eine Verbindung zu einem Namensträger her und geben damit der Website einen „Namen“.188 Deshalb ist es gerechtfertigt, dem Domain-Namen Schutz in entsprechender Anwendung von § 12 BGB zuzusprechen, soweit der Domain-Name unterscheidungskräftig ist. Eine solche Unterscheidungskraft kann zwar nicht der TLD189 wohl aber der SLD zukommen.190 Für die als Internet-Pseudonyme genutzten Domain-Namen hat der BGH als Voraussetzung für den namensrechtlichen Schutz gefordert, dass die Bezeichnung Verkehrsgeltung erlangt hat.191 Gattungsbegriffe sind als Domain-Name durchaus zulässig; ein Freihaltebedürfnis – wie im Markenrecht192 – besteht bei der Registrierung von Domain-Namen nicht, so dass deren Registrierung nach dem Prioritätsprinzip erfolgen kann.193 Die Verletzung von Namensrechten durch Domain-Namen kommt in Betracht, 925 sofern Domains für Personen registriert werden, denen keine Rechte an dem vorbestehenden Kennzeichen zustehen oder die mit bereits bestehenden Kennzeichen identisch oder ähnlich sind. Nach dem derzeit praktizierten Registrierungsverfahren findet eine Prüfung der Berechtigung zur Nutzung der Domain-Namen nicht statt. Ein Namensinhaber hat keinen Anspruch auf Sperrung seines Namens gegenüber der DENIC.194 Treten geschützte Kennzeichen und Domainnamen in
186 187 188 189 190 191 192 193 194
BGHZ 155, 273, 275 – maxem.de. Vgl. Ubber, WRP 1997, S. 497. Vgl. OLG Hamm, MMR 1998, S. 214, 216 – krupp.de. BPatG, K&R 2000, S. 296, 297 – cyberlaw.de. Völker/Weidert, WRP 1997, S. 652, 657. BGHZ 155, S. 273, 277 – maxem.de. Vgl. dazu Rn. 684. BGHZ 148, S. 1, 10 – Mitwohnzentrale.de. BGH, NJW 2004, S. 1793 – kurt.biedenkopf.de.
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Konkurrenz zueinander, wird regelmäßig nachträglich Rechtsschutz gegenüber der unbefugten Namensnutzung gesucht. Gegenüber einer Registrierung und Nutzung von bereits geschützten Zeichen 926 als Domain-Namen kann der Inhaber eines Namensrechts nach § 12 BGB vorgehen, wenn im Gebrauchen des Domain-Namens eine unbefugte Namensnutzung iSd Vorschrift liegt und dadurch der Namensrechtsinhaber in seinen Interessen verletzt wird. Unbefugt erfolgt die Nutzung eines Domain-Namens nur dann, wenn der Inhaber der Domain im Verhältnis zu dem Inhaber des Namens kein oder zumindest kein besseres Recht zur Nutzung hat. Grundsätzlich ist es niemandem verwehrt seinen eigenen Namen als Domain-Namen zu verwenden. Grenzen dieser Befugnis ergeben sich zunächst im Falle der Konkurrenz Gleichnamiger. Dabei gilt im Ausgangspunkt das „Gerechtigkeitsprinzip der Priorität“,195 so dass derjenige Gleichnamige rechtmäßig und damit befugt handelt, der sich den vom Namen abgeleiteten Domain-Namen als erster registrieren lässt.196 Ausnahmen vom Prioritätsprinzip sind dann gerechtfertigt und geboten, wenn einer der beiden Namensträger eine überragende Bekanntheit genießt, der Verkehr seinen InternetAuftritt unter diesem Namen erwartet und der Inhaber des Domain-Namens dagegen kein besonderes Interesse gerade an dieser Internet-Adresse dartun kann. In diesem Fall ist der Inhaber der des Domain-Namens verpflichtet, seinem Namen der Internet-Adresse einen unterscheidenden Zusatz beizufügen.197 Die Interessenverletzung ergibt sich aus jeder Zuordnungsverwirrung und ist 927 somit bei der Registrierung des eigenen Namens durch einen Nichtberechtigten als Domain-Namen ebenso gegeben wie – erst recht - bei der Nutzung eines fremden Namens als SLD.198 Ihr kann dadurch vorgebeugt werden, dass dem Nutzer bei Aufruf der entsprechenden Website sofort deutlich gemacht wird, dass das Angebot nicht von dem erwarteten Namensträger stammt.199 Die Registrierung von Domains erfolgt teilweise ohne erkennbares Eigeninte928 resse des Domaininhabers. Damit nicht dieses sog. Domaingrabbing die Nutzung des Kennzeichens durch den Namensträger verhindert, wird angenommen, dass die nach § 12 BGB erforderliche Interessenverletzung schon in der Blockadewirkung der Registrierung als solcher liegt.200 3. Kennzeichenschutz nach dem MarkenG 929 Marken und andere nach dem MarkenG geschützte Kennzeichen sind Unterscheidungsmittel. Sie dienen z.B. der Unterscheidung von Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen (vgl. § 3 Abs. 1 MarkenG: 195 196 197 198
199 200
BGHZ 148, S. 1, 10 – Mitwohnzentrale.de. BGHZ 149, S. 191, 200 – shell.de. BGHZ 149, S. 191 ff. – shell.de. BGHZ 155, S. 273, 277 – maxem.de; nicht beanstandet von BVerfG, NJW 2007, S. 671. BGH, NJW 2007, S. 682, 684 – solingen.info; NJW 2002, S. 2096, 2097 – vossius.de. Differenzierend zwischen geschäftlichem und nichtgeschäftlichem Verkehr Müller, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2008, § 12 BGB Rn. 53 f.
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Marken), eines Unternehmens selbst von anderen Unternehmen (vgl. § 5 Abs. 2 MarkenG: Unternehmenskennzeichen) oder eines Werkes von anderen Werken (Werktitel).201 Der Hinweis auf die Herkunft von Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen ist erforderlich, um im Wirtschaftsgeschehen eine Orientierung zu ermöglichen und so die Marktmechanismen funktionsfähig zu erhalten.202 In dieser sog. Herkunftsfunktion liegt letztendlich der wesentliche Grund für den gesetzlichen Schutz von Kennzeichen. 203 Anders als z.B. im Urheberrecht wird also nicht etwa eine schöpferische Leistung honoriert, sondern vielmehr die Identifizierungswirkung des Kennzeichens als Marktinstrument geschützt.204 Das MarkenG schützt Marken und geschäftliche Bezeichnungen (also Unter- 930 nehmenskennzeichen und Werktitel) als Ausschließlichkeitsrechte (vgl. § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1 MarkenG).205 Sowohl bei Marken als auch geschäftlichen Bezeichnungen handelt es sich um Immaterialgüterrechte.206 Sie sind dem sachenrechtlichen Eigentum in ihrem verfassungsmäßigen Schutz nach Art. 14 Abs. 1 GG gleichgestellt.207 Während das Recht an einem Warenzeichen (dem Vorgänger der heutigen Marke) früher noch als Persönlichkeitsrecht eingeordnet wurde208, ist dies bei der Marke in ihrer heutigen Form nicht mehr der Fall. Sie ist als ein weder in seiner Entstehung, noch hinsichtlich seiner Übertragung an eine Person oder einen Geschäftsbetrieb gebundenes, frei verkehrsfähiges Immaterialgüterrecht vollständig von der Unternehmerpersönlichkeit abgekoppelt.209 Vergleichbares gilt für geschäftliche Bezeichnungen, wobei es hier, etwa wegen der gebräuchlichen Verwendung von Personennamen als Firmenbezeichnung, häufiger zu einem Nebeneinander des Immaterialgüterschutzes nach dem Markengesetz und dem bürgerlich-rechtlichen Namensschutz kommen kann.210 201
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In vergleichbarem Sinn soll der Schutz geographischer Herkunftsangaben (§ 1 Ziff. 3 MarkenG) die tatsächliche Verwendbarkeit von Produktbezeichnungen, die an geografische Gegebenheiten anknüpfen, gewährleisten. Vgl. EuGH, GRUR Int. 19909, S. 960, 961 – HAG II; BGH GRUR 2002, S. 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft; ferner Hildebrandt, Marken und andere Kennzeichen, 2006, § 1 Rn. 5. Weitere Funktionen sind deshalb nicht ausgeschlossen; EuGH, WRP 2002, S. 1415, 1420 – Arsenal. Vgl. etwa zum unterschiedlichen Schutzzweck von Marke und Urheberrecht Bercovitz, GRUR Int. 2001, S. 611. Zur Entstehung dieser Kennzeichenrechte vgl. 674 ff. BGH GRUR 2000, S. 709, 713 – Marlene Dietrich (für Marken); GRUR 1995, S. 825, 828 – Torres (für geschäftliche Bezeichnungen). Vgl. BVerfG NJW 1997, S. 2871, 2873; GRUR 1979, S. 773, 778; vgl. auch Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 14 Rn. 8 und § 15 Rn. 6. Vgl. z.B. RGZ 108, S. 8, 9 – Saccharin. BGH, GRUR 2000, S. 709, 713 – Marlene Dietrich. Zu persönlichkeitsrechtlichen Bezügen, die sich daraus ergeben können, dass eine Marke z.B. aus einem Personennamen gebildet wird vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, § 14 Rn. 9. Vgl. dazu Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rn. 6; Staudinger/Habermann, Neubearbeitung 2004, § 12 BGB Rn. 19 ff.
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Geschützt ist der Inhaber eines Marken- oder sonstigen Kennzeichenrechts insbesondere vor der Verwendung mit seinem Zeichen identischer Zeichen, der Verwendung von Zeichen, die eine Verwechslungsgefahr begründen sowie bei Bekanntheit vor einer rufausbeutenden oder -beeinträchtigenden Benutzung (vgl. §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 2, 3 MarkenG).
C. Rechtsfortbildend anerkannte Persönlichkeitsrechte I. Gegenstandsbereich 932 Das BVerfG hat in der Eppler-Entscheidung211 und im Volkszählungsurteil212 das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nach bestimmten Gegenstandsbereichen systematisiert. Die Systematisierung differenziert nach bestimmten Persönlichkeitssphären. Diese Unterscheidung entspringt der im Zuge der Richterrechtsentwicklung zunehmend gewachsenen und ausdifferenzierten Erkenntnis, dass die Freiräume der Person nicht in allen Lebensbereichen gleichermaßen geschützt sind und nicht einmal der gesamte Bereich des Privatlebens einen einheitlichen Schutz erfährt. Der Persönlichkeitsschutz des Einzelnen gegenüber Staat und Gesellschaft muss vielmehr umso stärker ausgeprägt sein, je mehr ein Vorgang der inneren Persönlichkeitssphäre zuzurechnen ist.213 Dementsprechend wird unterschieden zwischen einer Intim-, Privat- und Sozialsphäre.214 In seiner Entscheidung zu den sog. Online-Durchsuchungen der Verfassungs933 schutzbehörden hat das BVerfG im Jahre 2008 den Gegenstandsbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtsfortbildend erweitert.215 Damit gewährleistet das Grundrecht nunmehr auch den Schutz vor dem heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme; das Grundrecht umfasst seither die „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“.216 Der Gegenstandsbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seine Aus934 prägungen werden nachfolgend beschrieben. Dabei stehen zunächst die herkömmlichen Gegenstandsbereiche, also die Intim-, Privat- und Sozialsphäre im Vordergrund. 1. Intimsphäre 935 Der engste Persönlichkeitsbereich, die Intimsphäre, bezeichnet die innerste Gefühls- und Gedankenwelt, einen letzten unantastbaren Raum der Persönlichkeit 211 212 213 214
215 216
BVerfGE 51, S. 148 ff. – Eppler. BVerfGE 65, S. 1 ff. – Volkszählung. Grundlegend Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 2. Auflage 1967, S. 268 ff. Die Terminologie ist uneinheitlich, in der Sache ähneln sich die einzelnen Ansätze aber; lesenswert v.Arnauld, ZUM 1996, S. 286 ff. BVerfGE 120, S. 274 ff. Mehr dazu unter Rn. 956 ff.
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des Menschen. Dazu gehört insbesondere der Bereich des Sexuallebens,217 die körperliche und gesundheitliche Befindlichkeit des Menschen218 sowie der Bereich höchster menschlicher Erregung durch Trauer, Angst und Verzweifelung219. Dieser für die Entwicklung der Individualität eines Menschen unverzichtbare Bereich genießt absoluten Schutz. Berichte aus der Intimsphäre ohne Einwilligung des Betroffenen sind in jedem Falle unzulässig.220 Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in diesen absolut geschützten Kernbereich privater Lebensführung nicht rechtfertigen; eine Abwägung mit dem öffentlichen Informationsinteresse findet nicht statt.221 Für Medienberichte aus dem Intimbereich von Personen hängt die Zulässigkeit 936 der medialen Offenlegung von Themen aus dem Intimbereich nach der Rechtsprechung des BVerfG allerdings davon ab, wie intensiv und detailliert über intime Vorgänge berichtet wird.222 Auch der BGH hat wiederholt bei Veröffentlichungen aus der Gefühls- und Gedankenwelt einer Person den Persönlichkeitsschutz von Umfang und Genauigkeit der Schilderung abhängig gemacht.223 Berichte über Krankheiten wurden nicht der Intimsphäre zugerechnet, wenn sie in sachlicher, auf sensationserregende Details verzichtender Form abgefasst waren.224 2. Privatsphäre Die Privatsphäre betrifft das Leben des Menschen in seinem häuslichen Kreis 937 bzw. das sonstige, dem öffentlichen Einblick entzogene Privatleben.225 In erster Linie bildet der häusliche Bereich, in den der Einzelne sich zurückziehen kann, die Privatsphäre.226 Mit der „Caroline III” – Entscheidung des BGH wurde erstmals auch außerhalb des häuslichen Bereichs eine schützenswerte Privatsphäre anerkannt, wenn die Person in einer örtlichen Abgeschiedenheit erkennbar für sich sein will und sich im Vertrauen darauf so verhält, wie er es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun würde.227 Das BVerfG hat diese Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt.228 Die seinerzeit zugleich getroffenen Feststellung, dass absolute Personen der Zeitgeschichte die Veröffentlichung von Bildaufnahmen von sich hin217 218 219
220
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222 223 224 225 226
227 228
BVerfGE 47, S. 46 – Sexualkundeunterricht. BVerfGE 32, S. 273 – Patientenkartei; BGH, NJW 2005, S. 2844, 2848 – Esra. BVerfG, NJW 2000, S. 2189 – Scheidungsgrund; BGH, AfP 1999, S. 350 – Scheidungsgrund. BVerfG, NJW 1973, S. 891, 892; BGH, NJW 1988, S. 1984, 1985; NJW 1991, S. 1552, 1553. BVerfGE 34, S. 238 ff. – Tonbandaufnahme; relativierend Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 67 in Fällen der von schweren Missständen. BVerfG, NJW 2000, S. 2189 – Scheidungsgrund. BGH, NJW 1964, S. 1471; NJW 1965, S. 2149. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 42 Rn. 18. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 68. BVerfGE 131, S. 361, 381 ff. – Paparazzi-Fotos; 35, S. 202, 211 – Lebach; 34, S. 269 – Soraya. BGHZ 131, S. 332 – Caroline v. Monaco III. BVerfG 101, S. 361 – Caroline v. Monaco.
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nehmen müssten, auch wenn diese die Person nicht bei der Wahrnehmung öffentlicher Funktionen zeige,229 wurde Gegenstand eines Verfahrens vor dem EGMR. In seiner Entscheidung urteilte der EGMR, dass das BVerfG mit seinem Urteil gegen Art. 8 EMRK verstoßen habe.230 In der Folge dieser Entscheidung hat der BGH in Abkehr von seiner vorhergehenden Rechtsprechung entschieden, dass die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Paparazzifotos wesentlich davon abhänge, welchen objektiven Informationswert das Foto oder die begleitende Berichterstattung hat.231 Die Entscheidung betrifft ausdrücklich nur den Bereich der Bildveröffentlichungen. Sie erscheint aber so grundsätzlich angelegt, dass auch für jegliche Berichterstattung aus dem Bereich der Privatsphäre damit besondere Abwägungsund Beurteilungsmaßstäbe eingeführt wurden. Zur Privatsphäre gehören weiterhin alle Vorgänge des ehelichen, religiösen und 938 familiären Bereichs, insbesondere private Gespräche, persönliche Briefe und Tagebücher.232 Aber auch die beruflichen und geschäftlichen Kommunikationsbeziehungen fallen in diesen Bereich, sofern sie vertraulichen Charakter haben.233 Der Schutz der Privatsphäre ist kein absoluter. Er befindet sich in einem Span939 nungsverhältnis zu der gleichrangig gewährleisteten Medienfreiheiten insbesondere der Presse und des Rundfunks aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Daher hat besonders in diesem Bereich die umfassende Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall für den Persönlichkeitsschutz eine grundlegende Bedeutung. Bei überwiegendem Veröffentlichungsinteresse können Vorgänge aus dem Pri940 vatleben sehr wohl Gegenstand der Medienberichterstattung werden.234 In diesem Zusammenhang ist die sog. Geheimsphäre zu beachten, die den Schutz von Kommunikation und Dokumentation (Telefonate, Tonbandaufnahmen, Notizen, Gesundheitszeugnisse, Anwaltvermerke etc.) betrifft, für die die Rechtsordnung ein Geheimhaltungsinteresse anerkennt.235 Sie wird sich allerdings regelmäßig mit der Intim- oder Privatsphäre überschneiden. 3. Sozialsphäre 941 Jenseits der Privatsphäre beginnt die Sozialsphäre, in der der Mensch nach außen in Erscheinung tritt. Sie umfasst seine Interaktionen als Teil der sozialen Gemeinschaft, insbesondere im beruflichen oder politischen Wirken.236 Der Persönlich229 230 231 232
233
234 235 236
BVerfG 101, S. 361 – Caroline v. Monaco. EGMR, NJW 2004, S. 2467 – Caroline v. Hannover; vgl. schon oben Rn. 903 f. BGH, NJW 2007, S. 1981 – Prinz Ernst August v. Hannover. Verstärkt noch durch den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Vgl. nur BGHZ 13, S. 334; BGH, NJW 1979, S. 647 – Kohl/Biedenkopf; ausführlich Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 63 – 74. BGHZ 73, S. 120 – Kohl/Biedenkopf; BVerfGE 80, S. 367 – Tagebuch des Beschuldigten: vgl. auch Steffen in Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 69, der deshalb von der geschützten Geheimsphäre spricht. Vgl. BVerfGE 35, S. 302, 320 ff.; BGHZ 13, S. 334; 24, S. 72 ff. Vgl. BGH, NJW 1991, S. 1532, 1533; NJW 1987, S. 2667, 2668. BGH, AfP 1995, S. 404, 407; NJW 1981, S. 1366 – Der Aufmacher II.
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keitsschutz ist in dieser Sphäre am schwächsten ausgeprägt. Grundsätzlich gilt immer, dass jeder selbst entscheiden kann, ob persönliche Sachverhalte an die Öffentlichkeit gebracht werden.237 Entsprechend wird der Einzelne zwar auch in diesem Bereich davor geschützt, ohne besonderen Grund in das Rampenlicht der Öffentlichkeit gestellt zu werden.238 Der vom Betroffenen freiwillig gewählte Kontakt mit der Öffentlichkeit prägt die zu treffende Abwägungsentscheidung, mit der Folge, dass eine Berichterstattung grundsätzlich zulässig ist.239 Von der Sozialsphäre zu unterscheiden ist die Öffentlichkeitssphäre, in der der 942 Mensch sich ganz gezielt an die Öffentlichkeit wendet. Aus diesem Bereich darf grundsätzlich berichtet werden, solange keine unwahren Tatsachenbehauptungen, ehrverletzenden Äußerungen oder Schmähkritik geäußert werden.240 II. Ausprägungen Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht setzt sich nicht nur aus den bereits darge- 943 stellten besonderen Persönlichkeitsrechten zusammen und stellt diese in einen rechtssystematischen Kontext. Es ist selbst Entstehungs- und Schutzgrund für originäre, im geschriebenen Gesetz im Übrigen nicht benannte Schutzrechte der Persönlichkeit. Inhalt und Umfang dieser aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht fließenden Schutzrechte sind Gegenstand rechtstaatlich fortlaufend gebotener richterrechtlicher Konkretisierung. Mit diesen Schutzrechten gewährleistet die Rechtsordnung umfassenden Persönlichkeitsschutz. Dieser Schutz reflektiert dabei die jeweilige gesellschaftliche und mediale Entwicklung und ist deshalb in den gegenständlichen Persönlichkeitssphären mit unterschiedlicher Schutzintensität entfaltet.241 Der Prozess der mit der gesellschaftlichen und medialen Entwicklung fortschreitenden Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nicht abgeschlossen. Nachfolgend sollen die nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsentwicklung anerkannten Ausprägungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorgestellt werden. 1. Autonome Festlegung des sozialen Geltungsanspruchs Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt zunächst das Recht des Einzelnen, 944 selbst darüber zu befinden, ob er und wie er in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Dieses Recht des Einzelnen, den sozialen Geltungsanspruch autonom festlegen zu 237
238
239
240
241
BVerfGE 65, S. 1 ff. – Volkszählung; BVerfG, NJW 1973, S. 1126, 1127f. – Lebach; BGH, NJW 1981, S. 1366 – Bild/Wallraff. Siehe insbes. die „Bild/Wallraff“-Entscheidung des BGH, NJW 1981, S. 1366 mit Bezug auf BVerfGE 35, S. 202, 220. BGH, NJW 2006, S. 599 – Autobahnraser Ernst August v. Hannover; BGH, NJW 1981, S. 1366 – Der Aufmacher II. Vgl. BGHZ 31, S. 308, 313; OLG München, NJW-RR 1996, S. 1487, 1489; LG Berlin, NJW 1997, S. 1155; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 5.71; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 218. Vgl. oben Rn. 935 ff.
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können, hat das BVerfG über den spezialgesetzlich geregelten Bildnisschutz und ein Wortschutz hinaus als umfassendes Persönlichkeitsrecht anerkannt.242 Das Recht verleiht seinem Träger zwar keinen Anspruch darauf, in der medialen Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie es seinem Selbstbild entspricht oder ihm genehmen ist; es schützt aber gegenüber entstellenden und verfälschenden Darstellungen, ebenso wie gegenüber Darstellungen, die die Persönlichkeitsentfaltung wesentlich beeinträchtigen.243 Der so gewährte Autonomieschutz gilt nicht absolut und verlangt eine Abwä945 gung im Einzelfall mit dem Recht der Medien auf Berichterstattung. Der Einzelne ist ein Mitglied der Gemeinschaft und sein Verhalten als Mitglied dieser Gemeinschaft kann auch ohne sein Wissen und Wollen Gegenstand der medialen Aufmerksamkeit und Berichterstattung werden. Anerkannt ist, dass dem Einzelnen das Recht am gesprochenen Wort in dem 946 Sinne zusteht, dass jeder selbst die Befugnis hat zu bestimmen, ob und wie seine Worte auf Tonträger aufgenommen bzw. wieder abgespielt werden.244 Da die üblicherweise gegebene Flüchtigkeit des Wortes durch eine technische Aufnahme beseitigt und so quasi die Persönlichkeit des Sprechers „verdinglicht“ wird, darf dies grundsätzlich nicht ohne dessen Einwilligung erfolgen. Im Übrigen ist für die Bewertung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Verbreitung von Tonbandaufnahmen wiederum eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen. Danach kann beispielsweise eine heimliche Tonbandaufnahme im Gerichtsverfahren verwertet werden, wenn eine an § 34 StGB orientierte „notwehrähnliche Lage“ vorliegt und die Abwägung zugunsten der Wahrheitsfindung ausfällt (z.B. bei schweren Delikten im Strafprozess).245 Andererseits hat der BGH in der „Kohl/Biedenkopf“ – Entscheidung246 die Veröffentlichung des Wortlauts eines illegal abgehörten und mitgeschnittenen Telefongesprächs zwischen zwei Oppositionspolitikern für rechtswidrig erklärt und diese Entscheidung wesentlich darauf gestützt, dass der Inhalt des Telefongesprächs letztlich nur aus Belanglosigkeiten bestand, deren Veröffentlichung keinen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte rechtfertigte. Der Schutz wird durch die Strafnorm des § 201 StGB flankiert.247 Weiterhin gehört ein Abwehrrecht gegen das Unterschieben von Äußerungen 947 zum persönlichkeitsrechtlichen Autonomieschutz. Niemand muss sich gefallen lassen, dass ihm Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat
242
243 244
245 246 247
BVerfGE 97, S. 391, 403 – sexueller Missbrauch; 97, S. 125, 148 f. – Gegendarstellung auf Titelseite; BVerfG, NJW 2003, S. 1856 – Kernkraftwerk Krümmel. Vgl. nur BVerfGE 97, S. 391, 403 – sexueller Missbrauch. BVerfG, NJW 1980, S. 2070, 2071; BGH, NJW 1988, S. 1016, 1017; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 111ff. BVerfG, NJW 1973, S. 891, 893 – Tonbandaufnahme. BGHZ 73, S. 120 ff. Nach § 201 StGB liegt in der Verbreitung des Inhalts eines Telefonats eine strafbare Handlung.
C. Rechtsfortbildend anerkannte Persönlichkeitsrechte
341
und die seinen sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen.248 In einem Zitat steckt die Tatsachenbehauptung, dass sich jemand wie zitiert geäußert hat.249 In der Medienberichterstattung wird dem Zitat eine besonders hohe Überzeugungskraft beigemessen.250 Unrichtige Zitate werden aber nicht durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt, wobei die Frage nach richtiger oder falscher Wiedergabe maßgeblich durch die Selbstdefinition des Zitierten beantwortet wird.251 Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt außerdem bei der verfälschten, entstellten oder zusammenhanglosen Wiedergabe einer Äußerung vor und selbst dann, wenn die vertretbare Interpretation einer mehrdeutigen Äußerung kommentarlos als Zitat angeführt wird.252 Die Veröffentlichung von Interviews darf nicht ohne Zustimmung des Inter- 948 viewten erfolgen, da jeder Gesprächspartner über seine in der Medienöffentlichkeit erscheinenden Äußerungen selbst entscheiden kann.253 Dieser „Grundsatz der Interviewfreiheit“ bezeichnet vor allem die Freiheit, wem gegenüber und zu welchen Themen sich der Einzelne äußern möchte.254 Einer gesonderten Einwilligung bedarf es, wenn das Interview erst nach redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht wird, sofern dadurch der Wortlaut oder Aussagen des Interviews inhaltlich verändert werden.255 Erst recht dürfen dem Interviewten keine Äußerungen unterstellt werden, die er nicht (sog. erfundenes Interview) oder nicht in der dargestellten Art und Weise getätigt hat.256 In der Nichtbeachtung eines sog. Autorisierungsvorbehalts durch die Medien liegt ein Vertrags- und Persönlichkeitsrechtsverstoß.257 Redaktionelle Überarbeitungen von Leserbriefen, die sich nicht in formalen 949 Maßnahmen erschöpfen, sondern inhaltliche Entstellungen oder Änderungen zum Gegenstand haben, sind ebenso unzulässig,258 da niemand dulden muss, dass ihm Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat.259 Im Zusammenhang mit Leserbriefen bedeutet dies, dass die Veröffentlichung substantiell veränderter Briefe von der Zustimmung des Einsenders abhängt. Redaktionelle Kürzungsvorbehalte ändern an dieser Rechtslage nichts: Wer in deren Kenntnis einen Leserbrief einsendet, erklärt sich zwar konkludent damit einverstanden, dass Kür-
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249 250
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BVerfGE 54, S. 148, 156 – Eppler; NJW 1980, S. 2072 – Böll/Walden; BGH, NJW 1998, S. 1391, 1392; NJW 1995, S. 861, 862 – Caroline v. Monaco; NJW 1982, S. 635 – Böll/Walden II; NJW 1978, S. 1797 – Böll/Walden I. Vgl. BVerfG, NJW 1980, S. 2072 – Böll/Walden. BVerfG, NJW 1989, S. 1789 spricht davon, den Zitierten „als Zeuge gegen sich selbst ins Feld zu führen“. BVerfGE 54, S. 148, 155 f. – Eppler; BVerfG, NJW 1989, S. 1789. BVerfGE 54, S. 208, 221 – Böll/Walden. BVerfGE 54, S. 148, 155 – Eppler, mit Nachweisen zur Rspr. des BGH. Vgl. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 7.66 ff. BVerfGE 12, S. 113, 130f. – Schmidt/Spiegel. Vgl. BGH, NJW 1965, S. 685. Vgl. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 7.71. Vgl. nur Soehring, a.a.O., Rn. 7.63. BVerfGE 54, S. 148, 156 – Eppler.
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zungen durch die Redaktion vorgenommen werden,260 das Einverständnis deckt aber keine sinnentstellenden Kürzungen. 2. Schutz des Lebens- und Charakterbildes 950 Dem Einzelnen steht das Recht zu, selbst darüber zu befinden, ob und inwieweit die Medien sein Lebens- und Charakterbild darstellen. Grundlegend hat das BVerfG in der Lebach-Entscheidung ausgesprochen, jedermann dürfe „grundsätzlich selbst und allein bestimmen, ob und inwieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem öffentlichen Leben darstellen“.261 Einen absoluten Schutz gibt es aber auch hier nicht. Bezüglich der Kriminalberichterstattung über Straftaten und Straftäter, die be951 sonders intensiv Persönlichkeitsinteressen beschneiden kann, gilt der Grundsatz, dass eine identifizierende Berichterstattung unzulässig ist.262 Andererseits erlaubt die Medienfreiheit für die aktuelle Berichterstattung insbesondere über schwere Straftaten die Namensnennung und Abbildung des Täters und sie schließt das Recht zu Berichterstattung über „sein persönliches Leben“ ein, soweit es in unmittelbarer Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über die Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld des Täters aus der Sicht des modernen Strafrechts als wesentlich erscheint".263 Bis zur rechtskräftigen Verurteilung müssen die Massenmedien die strafrechtliche Unschuldsvermutung zu beachten und haben bei ihrer Berichterstattung auf Resozialisierungsschutzinteressen des Täters Rücksicht zu nehmen.264 3. Schutz der informationellen Selbstbestimmung 952 Diese eigenständige Ausprägung des Persönlichkeitsrechts gibt dem einzelnen die Möglichkeit selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und in welchem Umfang seine persönlichen Daten an die Öffentlichkeit gelangen.265 Es wurde vom BVerfG erstmals in dem Volkszählungsurteil von 1983266 entwickelt, um angesichts der Entwicklung der automatischen Datenverarbeitung eine unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten vom Persönlichkeitsschutz zu umfassen. Da solchen Daten die Gefahr innewohnt, ohne Wissen des Betroffenen zu einem Persönlichkeitsbild zusammengefügt zu werden und ihn so für die Öffentlichkeit „verfügbar“ zu machen, kann hierin eine erhebliche Per260
261 262 263 264 265
266
Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 7.63; a.A. ohne überzeugende Begründung Langohr, MDR 1989, S. 959, 960. BVerfGE 35, S. 202, S. 202, 220 – Lebach. BVerfGE 35, S. 202, 232 – Lebach. BVerfGE 35, S. 202, 233 – Lebach. BVerfGE 35, S. 202, 232 und 237 ff. BVerfGE 65, S. 1, 41 ff. – Volkszählung; BGH, GRUR 1994, S. 913, 914 – IM-Liste; GRUR 1991, S. 629, 630 – Notfalldienst (sah das Recht noch als Fallgruppe der Privatsphäre). BVerfGE 65, S. 1, 41 ff.
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sönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung liegen.267 Daher erfährt dieser hochsensible Bereich einen Schutz durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch bei der Sammlung personenbezogener Daten besteht eine Spannungslage 953 zwischen Schutzinteressen des Individuums und gegenläufigen Interessen der sozialen Gemeinschaft. Ihre Abwägung kann eine Beschränkung des Persönlichkeitsschutzes bei Vorliegen hinreichender Gründe des Gemeinwohls rechtfertigen.268 Der zulässige Umgang mit personenbezogenen Daten ist im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und den entsprechenden Ländergesetzen konkretisiert. Sofern die Daten in einer Form gehandhabt werden, die durch diese Gesetze nicht gedeckt ist, liegt eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vor.269 Oftmals ist zugleich das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person betroffen. 4. Schutz gegen ungewollte Kommerzialisierung Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt überdies gegen ungewollte Kommer- 954 zialisierung der Persönlichkeit. Dieser Schutz richtet sich sowohl gegen den Gebrauch von Namen und Bild in einem für die betroffene Person negativen Zusammenhang270 als auch auf die Befugnis, selbst darüber zu entscheiden, ob und in welcher Weise die Verwendung des Namens oder des Bildnisses für Werbezwecke zur Verfügung gestellt wird.271 Angesichts dieses Schutzes müssen es bekannte Persönlichkeiten nicht hin- 955 nehmen, dass Fotos von ihnen zu werblichen Illustrationszwecken kommerzialisiert werden.272 Dieser Schutz wird nicht nur bekannten Sportlerpersönlichkeiten273 sondern insbesondere auch Künstlern274 und Politikern275 zuerkannt. Die Rechtsprechung grenzt allerdings solche Fälle aus dem Schutz aus, in denen die Werbeanzeige dem kommentierten politischen Zeitgeschehen zugeordnet und als Teil einer satirischen Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen angesehen werden kann.276 267 268
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273
274 275 276
BVerfG, NJW 1984, S. 419, 422 – Volkszählung. BVerfG, NJW 1984, S. 429, 422 – Volkszählung; BGH, GRUR 1991, S. 629, 631 – Notfalldienst. BGH, NJW 1984, S. 1886, 1887 – AEG; NJW 1984, S. 436 – Schufa; zu den Einzelfällen siehe Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 124 ff. BGHZ 20, S. 345, 352 – Paul Dahlke. BGHZ 169, S. 340, 347 – Lafontaine. Die Rechtsprechung dazu ist allerdings nicht einheitlich; vgl. nur BGH, NJW 1979, S. 2203 – Fußballkalender (Kalenderabbildung zugelassen) und HansOLG, ZUM-RD 1999, S. 122, 126 – Backstreet Boys (Kalenderabbildung nicht zugelassen); näher Lober/Weber, ZUM 2003, S. 658 ff. OLG München, AfP 2007, S. 237, 238 – Boris Becker; mit kritischer Anmerkung Ladeur, AfP 2007, S. 242 f. OLG München, ZUM 2006, S. 341, 342 – Dieter Bohlen. BGHZ 169, S. 347 – Lafontaine. BGHZ 169, S. 348 – Lafontaine.
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5. Das sog. IT-Grundrecht 956 In seiner Entscheidung zu sog. Online-Durchsuchungen der Verfassungsschutzbehörden hat das BVerfG im Jahre 2008 den Gegenstandsbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtsfortbildend erweitert.277 Damit gewährleistet das Grundrecht nunmehr auch den Schutz vor dem heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme; das Grundrecht umfasst seither auch die „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“. Das BVerfG hat mit seiner Grundlagenentscheidung zur Anerkennung eines IT957 Grundrechts als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht etwa ein Kommunikationsfreiheitsrecht entwickelt.278 Es hat die seit der Entscheidung des BGH zur Zulässigkeit von Online-Durchsuchungen279 geführte Diskussion im Hinblick auf staatliche Eingriffe insoweit entschieden, als heimliche OnlineDurchsuchungen nur noch unter besonderen rechtsstaatlichen Voraussetzungen und in Abwägung mit dem IT-Grundrecht des betroffenen Trägers zulässig sein können. Darüber hinaus gehende Auswirkungen des Grundrechts, etwa auf die Be958 schlagnahme von Hardware informationstechnischer Systeme im Straf- bzw. Steuerstrafprozess280 oder gar auf den privatrechtlichen Bereich, insbesondere auf den Schutz des Einzelnen vor Ausforschung durch Unternehmen, sind damit noch nicht entschieden. Im Rahmen einer möglichen Drittwirkung kann dem Grundrecht auch im Privatrecht Bedeutung zukommen.281 Die Rechte des Betroffenen im strafprozessualen Beschlagnahmerecht würden eine über § 108 StPO hinausgehende Verstärkung erfahren, deren Reichweite nach Maßgabe einer rechtsstaatlich gebotenen Abwägung zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Einzelnen festzulegen ist. IV. Postmortaler Persönlichkeitsschutz 959 Träger des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind natürliche Personen von ihrer Geburt bis zum Tod. Da mit dem Tod zwar die Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) endet,282 nicht aber die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG und insbesondere das Andenken an den Verstorbenen und sein Lebensbild über den Tod hinaus geschützt bleiben, besteht auch der Persönlichkeitsschutz über den Tod hinaus.283 Die Rechtsordnung gewährleistet gemäß diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen postmortalen Persönlichkeitsschutz. Dieser Grundsatz kommt in 277 278 279 280 281 282
283
BVerfGE 120, S. 274 ff. Siehe oben Rn. 166. BGH, MMR 2007, S. 237 ff. mit Anmerkung Bär. Vgl dazu unten Rn. 1297 ff. Vgl. dazu auch Hornung, CR 2008, S. 299, 305; Leisner, NJW 2008, S. 2902 ff. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 42 Rn. 1, der dies plastisch als „aktives Schutzmoment“ bezeichnet. Grundlegend BGHZ 50, S. 133 ff. – Mephisto; bestätigt von BVerfGE 30, S. 173 ff. – Mephisto.
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der Vorschrift des § 189 StGB zum Ausdruck, die den Schutz vor Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener strafrechtlich sanktioniert. Zivilrechtlich besteht Schutz gegen grob verletzende Entstellungen des Le- 960 bensbildes nach dem Tod der betroffenen Person. Diesen Schutz der ideellen Interessen des Verstorbenen gewährleisten Unterlassungs- und Berichtigungsansprüchen.284 Den Schutz von kommerziellen Interessen an der (unbefugten) Verwertung des Bildnisses, des Namens oder der Stimme des Verstorbenen hatte die Rechtsprechung zunächst mit der Erwägung abgelehnt, dass dessen Funktion, Genugtuung für die zugefügte Persönlichkeitsverletzung zu verschaffen, durch eine Angehörigen zugesprochene Entschädigung nicht erfüllt werden könne. 285 Die neuere Rechtsprechung anerkennt seit der Grundlagenentscheidung des BGH zur Verwertung des Andenkens an Marlene Dietrich durch Merchandising-Maßnahmen auch den postmortalen Schutz der kommerziellen Persönlichkeitsrechte.286 Diese vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts sind vererblich und werden im Verletzungsfall durch Schadenersatzansprüche sanktioniert.287 Dem postmortalen Persönlichkeitsschutz sind Grenzen gesetzt, die mit dem 961 Verblassen der Erinnerung an den Verstorbenen zusammenhängen. Bei Personen wie Malern, Komponisten und Schriftstellern, die der Nachwelt ein bleibendes Werk hinterlassen haben, kann dieser Schutz längere Zeit andauern;288 bei ausübenden Künstlern wie Schauspielern, Sängern und Solisten wird zumindest regelmäßig eine kürzere Frist in Anlehnung an die Zehnjahresfrist des § 22 Satz 2 KUG für ausreichend erachtet.289 Die nicht übertragbaren, höchstpersönlichen ideellen Interessen des Verstorbe- 962 nen werden in erster Linie von den Personen wahrgenommen, welche der Verstorbene damit ausdrücklich oder stillschweigend betraut hat, im Übrigen sind die nächsten Angehörigen i.S.v. §§ 77 Abs. 2, 194 Abs. 2 StGB wahrnehmungsberechtigt.290 Die Geltendmachung der vererblichen kommerziellen Interessen des Verstorbenen erfolgt durch dessen Erben.291
284 285 286 287
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289 290 291
BGH, ZUM 1990, S. 180, 183 – Emil Nolde. BGH, NJW 1974, S. 1371 – Fiete Schulz. BGHZ 143, S. 214 ff. – Marlene Dietrich I. BGHZ 143, S. 214, 228 ff. – Marlene Dietrich I; BGH, NJW 2000, S. 2201 f. – Der blaue Engel. BGH, ZUM 1990, S. 180, 183 – Emil Nolde; vgl. Burkhardt, in: Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Kap. 5 Rn. 123. BGHZ 143, S. 214, 227 – Marlene Dietrich I. BGHZ 50, S. 133, 140. BGHZ 143, S. 214, 226 – Marlene Dietrich I.
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D. Schutz des Rechts am Unternehmen I. Grundlagen 963 Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das sog. Recht am Unternehmen, ist ebenfalls als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt.292 Es ist ursprünglich entwickelt worden, um bestehende Schutzlücken insbesondere im Bereich des gewerblichen Rechtschutzes sachgerecht ausfüllen zu können, beispielsweise im Falle unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen,293 der rechtswidrigen Benutzung nicht spezialgesetzlich geschützter Unternehmenskennzeichnungen294 oder hinsichtlich der Folgen rechtswidriger Streikmaßnahmen.295 Als allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG setzt das Recht am Unternehmen auch der Berichterstattungsfreiheit der Massenmedien Schranken.296 Die Rechtsprechung des BGH hat ursprünglich, eingeleitet durch die Constan964 ze-Entscheidung,297 den Unternehmensschutz gegenüber kritischer Medienberichterstattung weit ausgedehnt. Gewerbeschädigende Kritik wurde als unmittelbarer Eingriff in die freie Entfaltung des betroffenen Unternehmens im gewerblichen Bereich angesehen. Die Rechtswidrigkeit dieses Eingriffs sollte nur dann entfallen, wenn dafür ein besonderer Rechtfertigungsgrund angeführt wurde.298 Eine Abkehr von diesem weiten Verständnis des Unternehmensschutzes in der 965 Rechtsprechung erfolgte durch die Höllenfeuer-Entscheidung aus dem Jahre 1966.299 Das Recht am Unternehmen wurde darin als Auffangtatbestand konstituiert. Die Rechtswidrigkeit der Verletzung wurde nicht mehr aus der Tatbestandsmäßigkeit des Eingriffs abgeleitet, sondern musste aufgrund einer Güter- und Pflichtenabwägung festgestellt werden. Seither bietet das Recht am Unternehmen nach ständiger Rechtsprechung kei966 nen absoluten Schutz gegenüber gewerbekritischen Medienäußerungen, sondern der Schutz des Unternehmens wird - wie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als Rahmenrecht, als offener Tatbestand verstanden, dessen rechtswidrige Verletzung erst auf der Grundlage einer Abwägung im Einzelfall festgestellt wird.300 Die Eigenart des Rechts besteht darin, dass eine Verletzung nur in Betracht kommt, wenn der Eingriff sich direkt und unmittelbar gegen den Gewerbebetrieb richtet, dieser also betriebsbezogen ist.301 Der Tatbestand hat überdies nur subsidiäre Gel-
292 293 294 295 296 297 298 299 300
301
Vgl. nur Sprau, in: Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, § 823 Rn. 126 ff. BGHZ 38, S. 200; BGH, NJW 1976, S. 2162. BGH, NJW 1983, S. 2195; BGH, DB 1989, S. 2228. BAG, NJW 1978, S. 2114. BVerfG NJW-RR 2004, 1710. BGHZ 3, S. 270. Vgl. neben BGHZ 3, S. 270 insbes. BGH, NJW 1953, S. 294; GRUR 1956, S. 212. BGHZ 45, S. 296. St. Rspr.; vgl. z.B. BGHZ 80, S. 25; zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht vgl. oben Rn. 847 ff. BGHZ 29, S. 65 – Stromkabel.
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tung, kann also nur in den Fällen relevant werden, in denen speziellere Tatbestände zum Schutz des Unternehmens nicht vorhanden sind.302 II. Schutzvoraussetzungen 1. Eingerichteter und ausgeübter Gewerbetrieb Die Rechtsprechung gewährt den Schutz nur für vorhandene Unternehmen, insbe- 967 sondere den „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb", dabei aber für den gesamten beruflich-gewerblichen Tätigkeitsbereich.303 Für freie Berufe und Selbständige ist der Schutz heute ebenfalls eröffnet.304 Ist das Unternehmen einmal eingerichtet und wird es werbend am Markt tätig, wird die gesamte unternehmerische Tätigkeit in allen ihren Erscheinungsformen geschützt. Eine Begrenzung auf den Bestand des Unternehmens besteht nicht.305 Kunden- und Geschäftsbeziehungen fallen ebenso darunter wie Betriebsgeheimnisse und Außendarstellungen bis hin zu Werbeslogans306 soweit hier nicht spezial-gesetzlicher Rechtsschutz eingreift.307 2. Betriebsbezogener Eingriff Die Verletzung des Rechts am Unternehmen setzt einen „betriebsbezogenen Ein- 968 griff“ voraus.308 Betriebsbezogene Eingriffe sind solche, die eine unmittelbare Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs als solchen darstellen, sich also gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und eine Schadenseignung aufweisen, die über eine bloße Belästigung oder sozial übliche Behinderung hinausgehen.309 Eine finale Beeinträchtigung des Unternehmens wird nicht verlangt; ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass ein Eingriff „nach seiner objektiven Stoßrichtung gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit“ richtet.310 Eine physische Beeinträchtigung der Unternehmenstätigkeit wird nicht verlangt, so dass insbesondere
302 303 304 305 306 307
308
309 310
BGHZ 36, S. 252, 257 – Gründerbildnis. St. Rspr.; vgl. nur BGHZ 3, S. 370 –Constanze; BGHZ 153, S. 285. BGH, NJW 2003, S. 1308 ff. – Physiotherapeut; NJW 1981, S. 2000. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 142. Vgl. HansOLG, AfP 1998, S. 87. Bei der Medienberichterstattung spricht angesichts der öffentlichen Aufgabe der Medien keine Vermutung für die zur Anwendung des UWG führenden Wettbewerbsabsicht; vgl. BGH, NJW 2002, S. 2882 – Wir Schuldenmacher; NJW 1997, S. 2679 – Die Besten I. St. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 144, 145. BGHZ 86, S. 152. BGHZ 138, S. 311, 317 – Filmaufnahme in Ferienanlage.
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auch durch bestimmte Äußerungen betriebsbezogene Eingriffe in den Gewerbetrieb erfolgen können.311 Das Merkmal der Betriebsbezogenheit des Eingriffs wird von der Rechtspre969 chung strikt ausgelegt. Waren- und dienstleistungsbezogene Kritik, die nicht gegen individuell benannte Hersteller gerichtet ist und z.B. eine Gattungs- oder eine Systemkritik äußert, wird nicht als betriebsbezogen angesehen.312 3. Rechtswidrigkeit Die Rechtswidrigkeit ergibt sich wegen des Rahmencharakters des Rechts am Unternehmen nicht schon infolge des betriebsbezogenen Eingriffs als solchem, sondern ist gesondert durch eine Abwägung der berührten Interessen festzustellen.313 Eine besonders geschützter Unternehmensbereich, der dem Schutz der Privat- oder Intimsphäre der Person314 entspräche, ist nicht anerkannt.315 Bei der Abwägung fällt ins Gewicht, ob die beanstandete Äußerung eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betrifft; dann nämlich dürfen bei der Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze keine überhöhten Anforderungen an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik gestellt werden.316 Im Hinblick darauf, dass die Form einer Meinungsäußerung in den Bereich der von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung des Äußernden fällt,317 ist dieser nicht gehalten, sich bei seiner Äußerung des mildesten Mittels zu bedienen.318 Die Form der Äußerung muss sich allerdings in einem vertretbaren Verhältnis zu seinem sachlichen Anliegen und zu den belastenden Auswirkungen für den Betroffenen halten;319 in den Fällen der Schmähkritik, die eine gezielte Herabwürdigung des Kritisierten enthält, wird die Grenze der Äußerungsfreiheit überschritten.320 Besondere Herausforderungen stellen sich bei der Bewältigung des Konflikt971 feldes zwischen Informationsfreiheit und Unternehmensschutz im Zusammenhang mit der Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter Informationen erfahren. Fest steht, dass die rechtswidrige Informationsbeschaffung keinen Grundrechtsschutz genießt.321 Das bedeutet hingegen nach der Rechtsprechung des BGH noch nicht, dass die Veröffentlichung der so gewonnenen Informationen nicht vielleicht doch zulässig ist. Im Wallraff-Fall hatte der BGH über die Veröffentlichung des Buches 970
311 312 313 314 315
316 317 318 319 320
321
BGH, NJW 1985, S. 1620 f. Vgl. die Nachweise bei Sprau, in: Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, § 823 Rn. 128. BVerfG, NJW 1982, S. 2655 – Kredithaie; BGH, AfP 1998, S. 399, 400. Vgl. oben Rn. 935 ff. Burkhardt, in: Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Kap. 5 Rn. 143; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, 3. Auflage 2008, Rn. 448. BVerfG, NJW 1982, S. 2655 – Kredithaie. BVerfG, NJW 1982, S. 2655 – Kredithaie. BGHZ 91, S. 117 – Mordoro. BGHZ 91, S. 117 – Mordoro. BGH, NJW 2005, S. 279, 282 – Bauernfängerei: zum Begriff der Schmähkritik vgl. oben Rn. 184 ff. Vgl. nur BVerfGE 66, S. 117, 137 – Springer/Wallraff.
D. Schutz des Rechts am Unternehmen
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"Der Aufmacher" von G. Wallraff zu entscheiden. In dem Buch wurden Informationen u.a. über den Redaktionsleiter veröffentlicht, die Wallraff als unter falschem Namen Angestellter einer Bild-Redaktion gesammelt hatte (sog. Einschleichjournalismus). LG und OLG gaben der Unterlassungsklage statt, weil bei der Abwägung dem Persönlichkeitsrecht des Redaktionsleiters gegenüber erschlichenen Informationen der Vorzug gegeben wurde. Der BGH kam in seiner Revisionsentscheidung zu einem differenzierten Urteil: Lediglich die Schilderungen aus der Privatwohnung des Redaktionsleiters wurden untersagt, da "weder die Gestaltungsfreiheit des Autors, noch das Interesse der Leser, ... zur Abrundung des Bildes Privates zu erfahren, ... die schutzwürdigen Belange des Klägers an der Achtung seiner Privatsphäre verdrängen".322 Dagegen hat das BVerfG die Verwertung der mittels des sog. Einschleichjournalismus beschafften Informationen unter dem Aspekt des Unternehmensschutzes für unzulässig erklärt.323 Ausnahmen würden nur dann in Betracht kommen, „wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die (tatsächliche) Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss.“324 Solche Ausnahmen kämen nicht in Betracht, wenn Zustände oder Verhaltensweisen offenbart werden, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind.325 Nach diesen Grundsätzen wird auch nach der Rechtsprechung des BGH in das Recht des Unternehmens eingegriffen, wenn Betriebsgeheimnisse offenbart werden oder sich die Medien unrechtmäßigerweise vertrauliche Informationen beschaffen.326 III. Ausgewählte Schutzbereiche 1. Betriebsinterna Das Recht am Unternehmen gewährt insbesondere Schutz gegenüber unbefugten 972 Eingriffen in Betriebs- oder Geschäftsinterna. Dieser Schutz ist allerdings nicht so ausgeprägt wie der etwa von § 17 ff. UWG gewährleistete Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen. Soweit für die Medienberichterstattung ein schützenswertes Interesse der Allgemeinheit spricht, kann ein unbefugter Eingriff in den deliktischen Unternehmensschutz auf der Grundlage einer Abwägungsentscheidung mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit entfallen. Insbesondere wahrheitsgemäße Berichte über "gewichtige Missstände" werden regelmäßig auch dann von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sein, wenn sie betriebsinterne Vorgänge kritisieren.327
322 323 324 325 326 327
BGHZ 80, S. 25 – Bild/Wallraff. BVerfGE 66, S. 116 – Der Aufmacher. BVerfGE 66, S. 116, 139 – Der Aufmacher. BVerfGE 66, S. 116, 139 – Der Aufmacher. BGH, NJW 2005, S. 883 – Tierversuche. BGH, NJW 1981, S. 1089, 1092.
350
§ 16 Rechtsgüterschutz
2. Produkt- und Unternehmenskritik 973 Die wahrheitsgemäße Tatsachenmitteilung über die Qualität von Waren oder die Gefahr, die von Produkten oder Produktgruppen ausgeht, ist zulässig und wird auch nicht dadurch zu einem rechtswidrigen Eingriff in das Recht am Unternehmen, wenn einzelne Produkte beispielhaft herausgegriffen und benannt bzw. in einer Weise gezeigt werden, dass der Rezipient das Produkt identifizieren kann.328 In Übertragung der Rechtsprechung zur Verbraucherinformation einer Behörde329 auf die Medienberichterstattung ist allerdings zu verlangen, dass durch die Darstellung nicht der Eindruck entsteht, die allgemein gehaltene Kritik beziehe sich auch auf das exemplarisch angeführte Produkt, wenn dafür keine zureichenden Anhaltspunkte vorliegen.330 Geschäftsschädigende Werturteile über ein Unternehmen können eine rechts974 widrige Verletzung des Rechts am Unternehmen darstellen. Praktische Bedeutung hat diese Fallgruppe allerdings nur, wenn es sich nicht um ehrenrührige Urteile handelt, weil andernfalls schon der Ehrschutz des Unternehmensrechts eingreift. 331 Jedoch entfällt bei Wahrnehmung berechtigter Interessen die Rechtswidrigkeit, wenn die verletzenden Äußerungen nach Inhalt, Form und Begleitumständen das gebotene und notwendige Mittel zur Erreichung des rechtlich gebilligten Zwecks sind.332 Beiträge zur Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage unterfallen deshalb dem Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 GG.333 3. Testberichterstattung, Marktforschungsstudien 975 Eine besondere Rechtsprechung hat sich über Jahrzehnte zu vergleichenden Waren- und Dienstleistungstest entwickelt. In Ansehung des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit und dem Waren- und Dienstleistungstest zugrunde liegenden Zweck der Verbraucheraufklärung hat diese Rechtsprechung im Ergebnis die Testberichterstattung im Verhältnis zu anderen produkt- oder unternehmenskritischen Äußerungen privilegiert.334 Für Marktforschungsstudien und Rankings gelten entsprechende Grundsätze.335 Die Testberichterstattung ist nach ständiger Rechtsprechung zulässig, wenn sie nicht zu Wettbewerbszwecken erfolgt und die dem Bericht zugrunde liegenden Tests neutral, objektiv und sach-kundig durchgeführt wurden. Ferner müssen die Prüfungsmethoden und -kriterien von der Sache her vertretbar sein. Für die Darstellung der so gewonnenen Ergebnisse räumt der BGH dem Testberichterstatter einen erheblichen Ermessensfreiraum ein.336 Die 328 329 330 331 332 333 334 335 336
BGH, NJW 1987, S. 2746. Vgl. OLG Stuttgart, AfP 1990, S. 145. BGH, NJW 1987, S. 2746, 2747; vgl. auch Paschke, AfP 1991, S. 679 ff. Vgl. oben Rn. 850 ff. BGH, GRUR 1970, S. 465. BVerfGE 60, S. 234, 240 – Kredithaie. Grundlegend BGHZ 65, S. 325 ff. Vgl. Paschke/Grell, K&R 2000, S. 125 ff. NJW 1997, S. 2593 f.
D. Schutz des Rechts am Unternehmen
351
Grenze der Unzulässigkeit ist erst dann überschritten, wo es sich um bewusste Fehlurteile und bewusste Verzerrungen, insbesondere auch um unrichtige Angaben und einseitige Auswahl der zum Vergleich gestellten Waren und Leistungen handelt bzw. die aus den durchgeführten Untersuchungen gezogenen Schlüsse sachlich nicht mehr vertretbar erscheinen.337
§ 17 Pflichtenbindung
Literatur Breutz, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 39. und 40. Abschnitt; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage 2005, 39. Abschnitt; Söhring, Presserecht, 3. Auflage 2000, § 2; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 153-185.
Massenmedien und ihre Mitarbeiter unterliegen bei ihrer Tätigkeit zunächst den- 976 selben Rechtspflichten, denen alle Staatsbürger unterworfen sind. Sie sind – ohne dass das Medienrecht dies im Einzelnen regelt – nicht anders als andere Teilnehmer am Rechts- und Wirtschaftsgeschehen im Allgemeinen und am Massenkommunikationsgeschehen im Besonderen an die Normen des öffentlichen Rechts und die dem Schutz des Einzelnen dienenden Vorschriften des Privatrechts gebunden. Damit ist die Pflichtenstellung der Massenmedien allerdings nicht vollständig beschrieben. Die Massenmedien, die wegen ihrer besonderen Stellung in Staat und Gesellschaft besondere Rechte haben,338 unterliegen zugleich besonderen Pflichten. Diese besondere Stellung ergibt sich für die Massenmedien zum einen in der Konsequenz der Anerkennung ihrer öffentlichen Aufgabe, mit der auf der einen Seite besondere Rechte, dann aber auch besondere Pflichten korrespondieren.339 Die besondere Pflichtenbindung der Massenmedien ist zum anderen das Korrelat ihrer besonderen Wirkung im und für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung.340 Die besondere Pflichtenbindung der Massenmedien und ihre Durchsetzung sollen nachteiligen Folgen vorbeugen, die sich für den einzelnen und die Allgemeinheit bei einem Missbrauch publizistischer Macht ergeben können. In der medienrechtlichen Wahrheits- und Sorgfaltspflicht hat diese besondere Pflichtenbindung der Massenmedien ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden.341 Mit der Pflichtenbindung der Massenmedien schafft der Gesetzgeber grundle- 977 gende Rahmenbedingungen für die Gewährleistung der Qualität von Medienange337 338 339
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Vgl. die Übersicht bei Paschke/Grell, K&R 2000, S. 125, 126 ff. Vgl. oben Rn. 25 ff. Vgl. nur Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 39 Rn. 2 unter Hinweis auf BVerfGE 12, S. 113 ff. Vgl. oben Rn. 30. Vgl. zu den Rechtsgrundlagen bereits oben Rn. 405 ff.
352
§ 17 Pflichtenbindung
boten. Damit wird kein Qualitätsjournalismus verordnet; eine entsprechende Befugnis stünde dem Mediengesetzgeber auch nicht zu, da es nach der Verfassungsordnung Aufgabe der Grundrechtsträger als Medienanbieter ist, qualitativ hochwertige Medienangebote zu entwickeln und zu verbreiten. Mit den medienrechtlichen Wahrheits- und Sorgfaltsanforderungen schafft der Gesetzgeber aber in Umsetzung des entsprechenden grundlegenden Regelungsziels des Medienrechts342 einen gesetzlichen Rahmen, innerhalb dessen sich qualitativ hochwertige Medienangebote und Qualitätsjournalismus entfalten können und sollen.
A. Pflichtenbindung bei der Medienberichterstattung I. Publizistische Wahrheits- und Sorgfaltspflicht 978 Die medienrechtliche Pflichtenbindung der Massenmedien zielt nach ihrem Schutzzweck auf die Wahrhaftigkeit der Medienberichterstattung und unterwirft die Massenmedien im Hinblick auf ihre besondere verfassungsrechtliche Rolle bei Information, Kommunikation und Meinungsbildung in Staat und Gesellschaft spezifischen Pflichten. Diese gehen über die vom allgemeinen Zivil- und Strafrecht festgelegten Pflichten aller Staatsbürger hinaus. Massenmedien haben sich nicht nur im Interesse des Individualschutzes ehrverletzender, Kredit gefährdender oder täuschender Berichterstattung zu enthalten, sondern sind zu zutreffender, wahrheitsgemäßer Information verpflichtet. Rechtsgrundlagen der medienrechtlichen Sorgfaltspflichten sind für den Bereich der Presse die entsprechenden Regelungen in § 6 LPG, für den Bereich des Rundfunks die Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 2 RStV sowie für den Bereich der Telemedien § 1 Abs. 4 TMG, der auf den RStV verweist. § 54 Abs. 2 RStV bestimmt insofern, dass „Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden“, den „anerkannten journalistischen Grundsätzen“ zu entsprechen haben und Nachrichten vor ihrer Verbreitung vom Anbieter mit der „nach den Umständen gebotenen Sorgfalt“ auf „Inhalt, Herkunft und Wahrheit“ zu überprüfen sind. Schutzzweck der medienrechtlichen Wahrheits- und Sorgfaltspflicht sind nicht 979 nur die von einer unwahren Berichterstattung betroffenen Individualinteressen, sondern auch die Interessen der Allgemeinheit an wahrheitsgemäßer Unterrichtung. Im Vordergrund steht der Schutz von Individualinteressen der von einer Berichterstattung betroffenen Personen und Unternehmen.343 Vor dem Hintergrund, dass eine unwahre Berichterstattung in den Massenmedien für den Betroffenen oft existenzvernichtend sein kann, haben die Massenmedien eine besondere Verantwortung, die Betroffenen vor einer unwahren Berichterstattung zu bewahren, die diese in ihrem sozialen, persönlichen und wirtschaftlichen Geltungsanspruch in
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Siehe Rn. 320. BVerfG, NJW 2006, S. 207, 210 – Stolpe.
A. Pflichtenbindung bei der Medienberichterstattung
353
ungerechtfertigter Weise beeinträchtigen können.344 Darüber hinaus bezwecken die Sorgfaltspflichten auch, wenn Rechte Dritter nicht betroffen sind, das Interesse der Allgemeinheit an wahrheitsgemäßer Unterrichtung zu befördern. Die Massenmedien sind angesichts ihrer Aufgabe bei der öffentlichen Meinungsbildung verpflichtet, die von ihnen verbreiteten Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßer Berichterstattung dient dem Anliegen, dass die öffentliche Meinungsbildung auf zutreffenden Grundlagen erfolgen kann.345 Nicht zuletzt ist die journalistische Wahrheits- und Sorgfaltspflicht Ausdruck der grundrechtlich garantierten Medienfreiheit selbst. Durch eine pflichtgemäß wahre und sorgfältige Berichterstattung rechtfertigen und gewährleisten die Massenmedien ihre Sonderstellung im Kommunikationsgeschehen, insbesondere ihre Glaubwürdigkeit und ihren Einfluss.346 Die medienrechtliche Verpflichtung auf die Wahrhaftigkeit der Medienbericht- 980 erstattung beschreibt ein hehres Ziel, das seine Rechtfertigung daraus schöpft, dass die wahrheitsgemäße Unterrichtung die Grundlage jeder geistigen Auseinandersetzung, für das Funktionieren eines demokratisch kontrollierten Gemeinwesens letztlich unentbehrlich und für die spezifische Rolle der Massenmedien im Kommunikationsgeschehen deshalb Maßstab gebend ist.347 Die medienrechtliche Wahrheits- und Sorgfaltspflicht wird allerdings nicht me- 981 dienspezifisch sanktioniert. Im Bereich des Presse- und Rundfunkwesens kennt das Medienrecht keine selbständigen, über die allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsbehelfe hinausgehenden Sanktionen, mit denen die besondere Pflichtenbindung der Massenmedien durchgesetzt werden könnte.348 Insofern besteht eine Diskrepanz zwischen umfassenderem Schutzziel und begrenzter Sanktionierung. Sie erklärt sich daraus, dass die medienrechtliche Pflichtenbindung nicht überspannt werden darf. Treffend hat das BVerfG für den Bereich der Presse darauf hingewiesen, dass eine Verpflichtung auf die objektive Wahrheit zur einer Einschränkung oder gar völligen Lähmung der Pressetätigkeit führen müsste349 und damit die Erfüllung der Aufgabe der Presse insgesamt gefährden würde.350 Darin liegt keine pressespezifische Aussage.351 Vielmehr lässt sich für die Pflichtenstellung der Massenmedien insgesamt sagen, dass die konkrete Pflichtenbindung der Massenmedien sich erst nach Maßgabe einer Güterabwägung zwischen der Medienfreiheit und den Rechten Dritter die konkrete medienrechtliche Pflichtenbindung bestimmen lässt. 344
345 346 347
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349 350 351
BVerfGE 12, S. 113, 130 – Schmid; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn 4. BVerfGE 12, S. 113, 130 – Schmid. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn 2. Vgl. BVerfGE 12, S. 113, 130 – Schmid; Steffen, a.a.O., § 6 Rn. 154 f.; Ricker, Freiheit und Aufgabe der Presse, 1983, S. 21 ff. Zu den allenfalls in Betracht kommenden Möglichkeiten der Medienaufsicht vgl. Rn. 1387 ff. BVerfGE 54, S. 208, 219 f.; 61, S. 1, 8; 85, S. 1, 15, 17. Löffler, NJW 1965, S. 943 ff. BVerfGE 99, S. 185, 198.
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982
§ 17 Pflichtenbindung
Die Massenmedien genügen ihren Pflichten deshalb grundsätzlich immer dann, wenn sie bei ihrer publizistischen Tätigkeit Inhalt, Wahrheit und Herkunft der Informationen mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln überprüfen. Da die Medien nicht über die Möglichkeiten der Wahrheitsfindung verfügen, die beispielsweise der Justiz zur Verfügung stehen, sind die Massenmedien nach zutreffender Auffassung auf ein objektives und ernstliches Bemühen um wahrheitsgemäße Darstellung verpflichtet.352 Darin liegt kein absoluter, starrer Pflichtenmaßstab; der von den Massenmedien zu beachtende Sorgfaltmaßstab hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Inhalt und Umfang der medienrechtlichen Sorgfaltspflichten sind daher mit Rücksicht auf die Schwere des Eingriffs in fremde Rechte, die mit einer Publikation einhergehen können, zu bestimmen.353 Insofern sind die medienrechtlichen Sorgfaltspflichten, unbeschadet ihres umfassenderen Schutzzwecks, im Hinblick auf Inhalt und Umfang mit den zivilrechtlichen Sorgfaltspflichten der Massenmedien zum Schutz der individuell Betroffenen deckungsgleich.354 II. Pflichtenumfang
983 Der Umfang der medienrechtlichen Sorgfaltspflichten lässt sich nach dem Gesagten nur im Einzelfall präzise bestimmen. Es besteht ein gleitender Sorgfaltsmaßstab, der sachverhaltsspezifischer Präzisierung im Einzelfall bedarf. Sachverhaltsunabhängige, allgemeine Angaben, auf die sich die nachfolgenden Darlegungen beschränken müssen,355 haben deshalb nur einen Näherungswert für die für die Massenmedien im Einzelfall bestehenden konkreten Pflichten. Dogmatisch lassen sich zwei Kernelemente des medienrechtlichen Pflichtenumfangs der Massenmedien abstrahieren: Die Verpflichtung zum Bemühen um Wahrheit und die Bestimmung des nach den Umständen gebotenen Sorgfaltsmaßstabs. Das Bemühen um wahre Berichterstattung begründet eine Recherchepflicht, 984 verpflichtet also die Medien, einen Kern von Tatsachen beweiskräftig zu recherchieren, ohne den die Veröffentlichung unterbleiben muss.356 Neben der Inhaltsprüfung besteht auch eine Verpflichtung zur Herkunftsprüfung als Element des Bemühens um Wahrheit. Die Medien müssen sich deshalb vergewissern, dass die Quelle, auf die sich ein Bericht stützt, zuverlässig ist.357 Die Recherchepflicht be-
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353 354 355
356 357
Dazu sogleich; vgl. auch Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 39 Rn. 8; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 278. BVerfGE 54, S. 208 ff. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 155. Einzelheiten bei Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 39; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Kap. 11; Steffen, a.a.O., § 6 Rn. 153 ff. BGH, NJW 1997, S. 1148, 1149 – Chefarzt; BGHZ 132, S. 13, 24 – Lohnkiller. BVerfG, ZUM 2005, S. 917, 919 – Frauenfeindliche Fahrschule; BGH, NJW 1977, S. 1288, 1289 – Abgeordnetenbestechung.
A. Pflichtenbindung bei der Medienberichterstattung
355
steht auch bei der Übernahme von Nachrichten aus anderen Medien.358 Besondere Recherchepflichten entfallen regelmäßig, wenn der Journalist Informationen von einer als seriös angesehenen Nachrichtenagentur übernimmt oder Informationen von Behörden verwertet.359 Zitate und indirekt wiedergegebene Äußerungen müssen stets richtig wiedergegeben werden und dürfen damit auch nicht durch Weglassungen verfälscht werden.360 Die Bestimmung des gebotenen Sorgfaltsmaßstabs erfolgt nach den jeweils ge- 985 gebenen Umständen. Dabei ist insbesondere den Sachzwängen, die sich für eine auf Aktualität und Schnelligkeit angelegte Berichterstattung der Massenmedien ergeben, Rechnung zu tragen.361 Die Anforderungen dürfen deshalb “nicht überspannt, insbesondere nicht so bemessen werden, dass die Funktion der Meinungsfreiheit in Gefahr gerät”.362 Demgemäß verlangt der BGH, dass stets unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine sorgfältige Güterabwägung vorzunehmen ist, bei der sowohl dem Grundrecht des Äußernden als auch der verfassungsrechtlich geschützten Position des von der Äußerung Betroffenen das gebotene Gewicht beizumessen ist.363 Besonders hohe Anforderungen sind anzulegen, wenn die Medien über sog. heiße Eisen, also solche Vorgänge berichten, die in der Öffentlichkeit erfahrungsgemäß heftige Reaktionen auslösen364 bzw. bei der Berichterstattung über heikle Persönlichkeitsdaten.365 Hier besteht regelmäßig die Pflicht, dem Betroffenen vor der Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.366 III. Pflichtenträger Träger der medienrechtlichen Sorgfaltspflichten sind gemäß dem Schutzzweck der 986 Pflichten grundsätzlich alle Personen und Unternehmen, die bei der Vorbereitung, Herstellung und Verbreitung des Medienprodukts mitgewirkt haben. Im arbeitsteiligen Prozess der Produktion von Medienerzeugnissen wäre es allerdings verfehlt, jeden einzelnen Beteiligten ohne Ansehen seiner Aufgaben, Zuständigkeiten und Einflussmöglichkeiten für die Gesamtheit der zivilrechtlichen Pflichtenbindung verantwortlich machen zu wollen. Das Zivilrecht ermöglicht eine differenzierte 358
359 360 361
362 363 364
365 366
BVerfGE 99, S. 185, 199 anerkennt demgegenüber ein sog. Laienprivileg, das es Privatpersonen, nicht aber Journalisten erlaubt, eigene Tatsachenbehauptungen auf Presseberichte Dritter zu stützen. Einzelheiten bei Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 280. BVerfGE 54, S. 208 ff. BVerfGE 12, S. 112, 130 – Schmid; BGH, GRUR 1990, S. 1012, 1014 – Pressehaftung; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 163 ff. BGHZ 132, S. 13, 24 – Lohnkiller. BGHZ 132, S. 24 – Lohnkiller. BVerfGE 54, S. 208, 269 – Böll, dazu zählen auch die Fälle, bei denen in besonderem Maße Verletzungen von Persönlichkeitsrechten drohen; vgl. BGHZ 24, S. 200, 212 Spätheimkehrer. BGH, AfP 1988, S. 34 – Intime Beziehungen. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 166, 170.
356
§ 17 Pflichtenbindung
Pflichtenzuordnung in den Fällen, in denen eine Haftung für schuldhafte Pflichtverletzungen in Rede steht, also in Fällen der Schadenersatz- und Entschädigungsverpflichtungen.367 Dann, wenn es - wie in den Fällen der negatorischen oder quasi-negatorischen Ansprüche auf Unterlassung und Widerruf - allein auf das Vorliegen einer rechtswidrigen Störung ankommt,368 ist die Störereigenschaft regelmäßig schon bei bloßer Mitbeteiligung gegeben, so dass Differenzierungen nach der Pflichtenzuständigkeit nicht möglich sind. 369 Mit dieser Maßgabe sind folgende Besonderheiten für die jeweiligen Pflichtenträger anerkannt. Diejenigen, die das Medienunternehmen publizistisch und kaufmännisch 987 betreiben, sind in erster Linie die Träger medienrechtlicher Sorgfalts- und Prüfungspflichten. Verleger bzw. Sendeanstalten und Sendeunternehmen treffen deshalb unabhängig von ihrer Organisationsform die medienzivilrechtlichen Pflichten grundsätzlich uneingeschränkt und umfassend.370 Eine Ausnahme erkennt der BGH für Sendeanstalten an, “wenn das Fernsehen als Veranstalter oder Verbreiter einer Äußerung zurücktritt und - etwa im Rahmen einer gar ‚live’ ausgestrahlten Fernsehdiskussion - gewissermaßen nur als ‚Markt’ der verschiedenen Ansichten und Richtungen in Erscheinung tritt”.371 Sie ist auf die (wenigen) Fälle begrenzt, in denen Rundfunk wirklich als “Markt der Meinungen” fungiert. In dem Regelfall der vorproduzierten oder zumindest redaktionell konzipierten Rundfunksendungen greift dieser Ausnahmetatbestand nicht. Aus der Sicht des Verleger- und Sendeunternehmens bzw. der Sendeanstalt ist 988 die Delegierbarkeit der medienrechtlichen Sorgfaltspflichten von entscheidender Bedeutung. Würde eine notwendig persönliche Wahrnehmung der medienrechtlichen Sorgfaltspflichten durch den Einzelkaufmann bzw. die Organe der juristischen Person gefordert, könnte ein Verlag bzw. ein Sendeunternehmen nicht nach modernen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden, weil dies die Funktionsfähigkeit der Leitungsebene erheblich beeinträchtigen, wenn nicht gefährden würde und damit zugleich mit dem Schutz der Medienfreiheiten in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Konflikt geriete. Deshalb ist die Delegierbarkeit der medienrechtlichen Sorgfaltspflichten vom Betreiber des Medienunternehmens zu Recht anerkannt.372 Macht der Verleger von der Befugnis zur Delegation der Sorgfaltspflichten Gebrauch, verbleibt ihm allerdings im Hinblick auf die zu § 831 BGB entwickelten Grundsätze die Pflicht zu sorgfältiger Auswahl und Kontrolle des eingeschalteten Personals; der Verleger haftet dann für eigenes Organisationsver-
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371 372
Vgl. dazu noch unter Rn. 1135 ff. und 1142 ff. Vgl. dazu unter Rn. 1095 ff. und 1119 ff. BGH, AfP 1994, S. 136, 137; Differenzierungen sind aber auf der Ebene der gerichtlichen Durchsetzung möglich, weil das erforderliche Rechtsschutzinteresse nicht notwendig die Inanspruchnahme auch jedes entfernten Störers rechtfertigt; dazu Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 220, 276 ff. BGHZ 73, S. 120, 121 – Kohl/Biedenkopf; 99, S. 133, 136 – Oberfaschist, jeweils für den Bereich der Presse. BGHZ 66, S. 182, 186 – Panorama. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 221.
B. Pflichtenbindung bei der Medienrecherche
357
schulden.373 Die Rechtsprechung hat allerdings die Entlastungsmöglichkeit durch Delegation in Fällen sog. heißer Eisen374 ausgeschlossen und eine persönliche Pflichtenerfüllung durch den Verleger bzw. seine Gesellschaftsorgane verlangt.375 Ob der Herausgeber, dem die geistige Gesamtleitung der Publikation obliegt, 989 der deshalb im Unterschied zum Verleger nicht kaufmännisch, sondern publizistisch tätig ist,376 Träger der Sorgfalts- und Prüfungspflichten ist, hängt maßgeblich von dem Umfang seiner Einflussnahme auf die Veröffentlichung ab. Sofern er – wie typischerweise - in erster Linie das massenmediale Erzeugnis repräsentiert und auf dessen Tendenz und Niveau generell Einfluss nimmt, nicht aber in die Erstellung der einzelnen Nachricht bzw. Berichterstattung einbezogen ist, kann er sich auf die organisatorischen Vorkehrungen seines Verlegers verlassen. Er ist somit grundsätzlich nur für eigene Beiträge verantwortlich,377 wenn er nicht ausnahmsweise als „Herr“ der Veröffentlichung anzusehen ist.378 Der Redakteur ist der geborene Träger der medienrechtlichen Sorgfaltspflichten 990 in seinem Ressortbereich. Zu seiner Aufgabe, die zu publizierenden Inhalte auszuwählen und veröffentlichungsreif aufzubereiten, gehört die Wahrung der medienrechtlichen Sorgfaltspflichten. Diese Verpflichtung gilt im Rahmen seiner Ressortzuständigkeit.379 Der “verantwortliche Redakteur“ im Sinne der Pressegesetzgebung ist dagegen neben der kraft Gesetzes bestehenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen seiner pflichtgemäßen Benennung im Impressum allein noch kein Träger medienzivilrechtlicher Sorgfaltspflichten.380 Den Chefredakteur trifft über die von ihm selbst redigierten Beiträge hinaus grundsätzlich keine zivilrechtliche Verantwortlichkeit für die Arbeit der Ressort-Redakteure.381
B. Pflichtenbindung bei der Medienrecherche I. Grundsätze Bei der Informationsbeschaffung über Informanten und Nachrichtenagenturen un- 991 terliegen die Massenmedien der sich aus Grundsätzen der publizistischen Wahrheits- und Sorgfaltspflicht ergebenden Pflichtenbindung. 382 Besonderheiten gelten für die eigene Recherchetätigkeit der Massenmedien und 992 ihrer Mitarbeiter. Ein nicht geringer Teil der publizierten Nachrichten und Infor373 374 375
376 377 378 379 380 381 382
BGHZ 3, S. 270, 275 – Constanze; BGH, NJW 1986, S. 2503, 2505 – Landesverrat. Vgl. unten Rn. 1013. Sog. Fiktionshaftung für mangelhafte Organisation: BGH, AfP 1997, S. 909, 911 – Restaurantführer; vgl. dazu noch unter Rn. 1013. Bullinger, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, Einleitung Rn. 51. OLG Celle, AfP 1992, S. 295. Vgl. BGH, NJW 1980, S. 2810 – Medizin-Syndikat. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 225. Soehring, AfP 1977, S. 330. BGH, NJW 1979, S. 1041 – Exdirektor; Steffen, a.a.O., § 6 Rn. 226. Vgl. dazu Rn. 405 ff.
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§ 17 Pflichtenbindung
mationen beruht auf Material, welches das jeweilige Massenmedium durch seine Mitarbeiter selbst recherchiert. Der Recherchetätigkeit von möglichst vielen unabhängigen, lokal, regional und überregional tätigen Journalisten kommt für die Entfaltung von Informations- und Meinungsvielfalt im modernen Massenkommunikationswesen eine besondere Bedeutung zu. Die Recherchetätigkeit dient der Informationsbeschaffung durch die Massenmedien und gehört deshalb zum selbstverständlichen Bestandteil der verfassungsrechtlich geschützten Medienfreiheiten.383 Die Recherchetätigkeit der Massenmedien ist freilich nicht schrankenlos zuläs993 sig. Straf- und zivilrechtliche Grenzen der Recherchetätigkeit gehören zu den nach Art. 5 Abs. 2 GG beachtlichen Schranken der Medienfreiheiten. Den Journalisten stehen bei ihrer Recherchetätigkeit weder bei der Wahl der Mittel noch bei dem einzuschlagenden Weg ihrer Recherche besondere Privilegien zu. Ihre Tätigkeit wird zwar durch die medienrechtlichen Informationsansprüche der Massenmedien unterstützt.384 Weder kraft seiner Aufgabe noch unter Hinweis auf einen besonderen Informationswert des zu recherchierenden Informationsgegenstandes darf sich der Journalist über die von der allgemeinen Rechtsordnung gesetzten zivil- und strafrechtlichen Schranken hinwegsetzen. 385 Der Journalist genießt Privilegien beim Zugang zu den Informationsquellen, 994 nicht hingegen bei den Mitteln und Methoden der Informationsbeschaffung an der Informationsquelle.386 In seiner Bild/Wallraff-Entscheidung hatte der BGH387 noch eine andere rechtliche Bewertung vorgenommen. Der 6. Zivilsenat hatte die Verwertung illegal erlangter Informationen aus der Redaktionskonferenz der BildZeitung unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet. Es hat dafür erkannt, dass die illegale Recherchetätigkeit nicht notwendig ein Verwertungsverbot für die so erlangten Informationen nach sich zieht. Die Verwertung selbst rechtswidrig erlangter Informationen sei ausnahmsweise gerechtfertigt, “wenn und soweit sie wie hier dazu eingesetzt werden, Missstände ... aufzudecken, deren Offenlegung für die Allgemeinheit von besonderem Interesse ist”.388 Demgegenüber hat das BVerfG in derselben Sache die Unverbrüchlichkeit des Rechts betont. Es hat ausgeführt, dass der BGH in seiner Entscheidung “die Bedeutung des verfassungsrechtlich ebenfalls wesentlichen Mittels der Beschaffung und Veröffentlichung der Informationen unzutreffend gewürdigt”389 habe. Die prinzipielle Verbindlichkeit des Rechts sei “Grundvoraussetzung seiner Ordnungs- und Friedensfunktion, ohne die menschliches Zusammenleben nicht möglich sei”.390 Das BVerfG hat damit einer Privilegierung der Medienrecherchetätigkeit eine Absage erteilt und den sog.
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Vgl. oben Rn. 340 ff. Vgl. oben Rn. 340 ff. Vgl. BVerfGE 66, S. 116, 137; ferner Steffen, AfP 1988, S. 117, 118. Davon zu unterscheiden ist die Frage der Verwertung; vgl. Rn. 954 f. BGHZ 80, S. 25 ff. – Wallraff; siehe auch Rn. 1297. BGHZ 80, S. 25, 40 – Wallraff. BVerfGE 66, S. 116, 141 – Wallraff. BVerfGE 66, S. 116, 142 – Wallraff.
B. Pflichtenbindung bei der Medienrecherche
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investigativen Journalismus391 in die Schranken der allgemeinen Gesetze verwiesen.392 In der Konsequenz der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich 995 folgendes abgestuftes Konzept der Pflichtenbindung bei der Medienrecherche. Im Ausgangspunkt gilt der Grundsatz der Recherchefreiheit. Es ist dies ein Grundsatz der Freiheit zur Recherche und ein Grundsatz der Freiheit bei der Recherche. Um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, können die Massenmedien grundsätzlich selbst entscheiden, wann ein öffentliches Informationsinteresse vorliegt und wann Recherchemaßnahmen gerechtfertigt sind.393 Massenmediale Recherchetätigkeit ist mit anderen Worten nicht erst dann zulässig, wenn Gewissheit für das Vorliegen eines bestimmten Umstandes besteht. Es ist geradezu die Aufgabe von Journalisten und Massenmedien einem bloßen Verdacht bzw. bloßen Anhaltspunkten recherchierend nachzugehen. Das BVerfG hat in Würdigung der grundrechtlichen Medienfreiheiten des Art. 5 GG bloße Vermutungen als Grundlage der Recherche ausreichen lassen und in ihnen den berechtigten Ausgangspunkt für das Herausfinden erheblicher Tatsachen gesehen.394 Die Massenmedien und speziell Presse sollen grundsätzlich selbst darüber befinden, ob ein Verdacht die Recherche rechtfertigt und welche geeignet und erforderlich sind, um einen Sachverhalt aufzuklären.395 Die Massemedien sollen sich bei ihrer Recherchetätigkeit grundsätzlich zu er- 996 kennen geben.396 Deshalb sind unzutreffende Angaben des recherchierenden Journalisten über seine Identität und darüber, welches Organ er vertritt, mit den Pflichten der Massenmedien grundsätzlich nicht vereinbar. Die verdeckte Recherche kann aber ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Rechtfertigungsgründe zulässig sein. Dies gilt insbesondere, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind. Die Recherchefreiheit findet ihre Grenze in den allgemeinen Gesetzen. Ver- 997 stößt der Journalist bei der Recherche gegen geltendes Recht, ist jene widerrechtliche Beschaffung von Informationen durch die grundrechtlichen Verbürgungen der Medienfreiheiten nicht geschützt.397 II. Unzulässige Recherchemethoden und -mittel 1. Strafrechtliche Verbotsnormen Die Mittel der journalistischen Recherche sind zuallererst durch die strafrechtli- 998 chen Verbotsnormen begrenzt. Die danach bestehenden Schranken können hier 391 392 393 394 395 396 397
Vgl. Holzer, AfP 1988, S. 113; Kramp, AfP 1988, S. 114; Steffen, AfP 1988, S. 117. BVerfGE 66, S. 116 ff. – Wallraff. BVerfG, NJW 2001, S. 503 ff. BVerfG, NJW 2001, S. 505, 506. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2006, S. 1551. So auch ausdrücklich Richtlinie 4.1. des Pressekodex. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 53 m.w.N.; Burkhardt, in: Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Kap. 10 Rn. 18 ff.
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§ 17 Pflichtenbindung
nur exemplarisch angeführt werden. Nach § 201 StGB wird untersagt, dass das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufgezeichnet wird. Die Aufnahme von Telefongesprächen auf Tonträger ist danach ohne Einwilligung der Gesprächsteilnehmer unzulässig. Ebenso wenig ist es nach § 201 Abs. 2 StGB zulässig, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät unbefugt abzuhören. § 201a StGB verbietet die unbefugte Herstellung von Bildaufnahmen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich. § 202 StGB schützt das Briefgeheimnis, indem bestraft wird, wer unbefugt einen verschlossenen Brief oder ein anderes verschlossenes Schriftstück, die nicht zu seiner Kenntnis bestimmt sind, öffnet oder sich vom Inhalt eines solchen Schriftstückes ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft. Wer sich als Computer-Hacker betätigt, und sich unbefugt Daten verschafft, macht sich nach § 202 a StGB strafbar. Reporter, die aus Beruf oder Amt zur Verschwiegenheit Verpflichtete zum Verrat anvertrauter Privatgeheimnisse (§ 203 StGB) oder zum Bruch des Post- oder Fernmeldegeheimnisses (§ 354 StGB) bzw. des Steuergeheimnisses (§ 355 StGB) anstiften, benutzen ebenso unzulässige Recherchemittel wie diejenigen, die sich unter Verstoß gegen die §§ 17 ff. UWG Kenntnisse über Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse verschaffen. Generell beruht selbstverständlich auch die mittels Drohung oder Gewalt i.S.d. § 240 StGB abgenötigte Information auf illegalen Recherchemethoden. Nicht zuletzt setzt das durch den Tatbestand des Hausfriedensbruchs von § 123 StGB geschützte Hausrecht privater Personen oder Institutionen der journalistischen Recherche strafrechtsbewehrte Grenzen. 2. Zivilrechtliche Pflichtenbindung 999 Das Zivilrecht errichtet insbesondere zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergänzende Zulässigkeitsschranken für den Einsatz journalistischer Recherchemittel. Während das Strafrecht in § 201 StGB nur den heimlichen Mitschnitt eines Telefongesprächs auf einen Tonträger unter Strafe stellt, schützt das Zivilrecht die Vertraulichkeit des nichtöffentlich gesprochenen Wortes auch gegen heimliches Mithören und Mitschreiben.398 Die Aufzeichnung von Wortbeiträgen im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen, die vom Strafrecht ebenfalls nicht erfasst wird, ist unter dem Aspekt des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes von der Einwilligung des sich Äußernden abhängig, weil es dem Selbstbestimmungsrecht des einzelnen unterfällt, ob sein prinzipiell flüchtiger Wortbeitrag durch technische Aufzeichnung dauerhaft manifestiert werden soll.399 Das Fotografieren geöffneter Privatbriefe bzw. sonstiger vertraulicher Unterlagen ist zwar nicht unter Strafe gestellt, verletzt aber den Autor in seinem Persönlichkeitsrecht.400 398 399 400
Siehe oben Rn. 916 f. Vgl. BVerfGE 34, S. 238, 246; BGHZ 27, S. 284, 286. Steffen, AfP 1988, S. 117, 118; zurückhaltender Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 10.18, der erst gegen die Veröffentlichung der so erlangten Kenntnisse den Persönlichkeitsschutz mobilisiert.
B. Pflichtenbindung bei der Medienrecherche
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Die "Belagerung" der Wohnung von Personen, die wegen aktueller Ereignisse 1000 in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt sind, kann auch dann, wenn die Grenzen des strafrechtlichen Hausfriedensbruchstatbestandes beachtet werden, eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedeuten. Nicht jeder Versuch der Kontaktaufnahme im privaten Bereich verletzt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Eine unzulässige "Belagerung" wird dann gegeben sein, wenn die Privatwohnung planmäßig etwa durch Installierung einer Videokamera401 beobachtet wird oder wegen der Dauer der Präsenz von Journalisten die Bewegungsund Handlungsfreiheit des Betroffenen spürbar beschränkt ist.402 Eine in die Mediengeschichte eingegangene Form zivilrechtlich unerlaubter 1001 Recherchemethoden stellt schließlich der Einschleichjournalismus dar. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass sich jemand als gewöhnlicher Mitarbeiter eines Unternehmens einstellen lässt, tatsächlich aber gar nicht zum Unternehmenserfolg beitragen möchte, sondern als Mitarbeiter Informationen beschaffen will, die ihm als Außenstehendem nicht zugänglich sind.403 Wer so handelt, begeht bei Abschluss des Arbeits- oder Anstellungsvertrages nicht nur eine arglistige Täuschung; regelmäßig wird damit auch eine unerlaubte Handlung i.S.d. Deliktsrechts einhergehen, weil mit dieser Form des Einschleichens der deliktische Schutz der privaten oder geschäftlichen Sphäre verletzt wird.404 In den Richtlinien des Deutschen Presserats für die publizistische Arbeit wird deshalb das im Pressekodex unter Ziff. 4 genannte Verbot der Informationsbeschaffung mit unlauteren Methoden dahingehend konkretisiert, dass unwahre Angaben des recherchierenden Journalisten über seine Identität und darüber, welches Organ er vertritt, grundsätzlich mit dem Ansehen und der Funktion der Presse nicht vereinbar sind.405 III. Gegenständliche Grenzen der Recherchetätigkeit 1. Räumlich-gegenständliche Grenzen Rechtliche Schranken für journalistische Recherchen errichtet die Rechtsordnung 1002 nicht nur hinsichtlich der Recherchemethoden, sondern auch hinsichtlich des sachlichen und räumlich-gegenständlichen Bereichs, auf den sich die journalistische Recherchetätigkeit bezieht. 1003 401 402 403 404
405
OLG Köln, NJW 1989, S. 720. Vgl. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 10.23. So im Fall Bild/Wallraff, BGHZ 80, S. 25 ff.; vgl. ferner Rn. 994. BVerfGE 66, S. 116, 137; BGHZ 80, S. 25, ff.; vgl auch Bettermann, NJW 1981, S. 1065; Schmitt-Glaeser, AfP 1981, S. 314; Roellecke, JZ 1981, S. 688; 1982, S. 243; Maier, JZ 1982, S. 242. Allerdings soll nach derselben Richtlinie das Mittel der verdeckten Recherche im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind. Unter zivilrechtlichen Persönlichkeits- bzw. Unternehmensschutzaspekten erscheint diese Richtlinienregelung juristisch zweifelhaft.
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§ 17 Pflichtenbindung
Verschlossen gegenüber jeder Medienrecherche ist die Intimsphäre des Menschen. Der durch das Persönlichkeitsrecht garantierte Schutz der Individualität und Persönlichkeit des Einzelnen genießt in den innersten Schutzbereichen der Person absoluten Schutz. Recherchen in der Intimsphäre der Person verletzen diesen Schutz und sind deshalb gegenüber journalistischen Zugriffen schlechthin tabuisiert. Damit der Schutz des Privatbereichs als Ort und Quelle der Selbstverwirklichung gewährleistet werden kann, muss gerade die räumlich-gegenständliche Sphäre, in der sich die Persönlichkeit zuallererst entwickeln und entfalten kann, also die Intimsphäre, jedem Zugriff versperrt sein. Andernfalls wäre ein Freiraum für voyeuristische oder inquisitorische Recherchen eröffnet, der den gebotenen Persönlichkeitsschutz missachtete.406 Im Interesse des Persönlichkeitsschutzes wäre es wünschenswert, auch für den 1004 Bereich der Privatsphäre eine absolutes Rechercheverbot anzuerkennen, eine Abgrenzung der Intim- von der Privatsphäre - anders als für die Bestimmung der Schranken der Berichterstattungsfreiheit - für die Bestimmung des Bereichs zulässiger journalistischer Recherche nicht vornehmen zu müssen. Der häusliche, familiäre Bereich, der grundsätzlich die Privatsphäre kennzeichnet,407 ist zugleich derjenige Bereich, in dem Schutz der Intimsphäre geboten ist. Für die Privatsphäre gibt es nach geltendem Recht indes kein absolutes Rechercheverbot. Soweit eine Berichterstattung ausnahmsweise zugelassen ist,408 kann journalistische Recherchetätigkeit nicht schlechthin unzulässig sein. Allerdings erscheint es gerechtfertigt und geboten, die Recherchetätigkeit ihrerseits und eigenständig an den vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht gezogenen Schranken zu messen. Auch wenn die Berichterstattung über Vorgänge aus der Privat- und Intimsphäre unterschiedlich intensiven Beschränkungen unterliegt,409 ist damit kein Freibrief für journalistische Recherche mit allen Mitteln gegeben. Der Schutz der sog. Sozialsphäre, also desjenigen Bereichs, in dem sich der so1005 ziale Kontakt jedes Einzelnen, sei es im beruflichen, sei es im gesellschaftlichen Leben ereignet,410 ist gegenüber journalistischer Recherche geringer ausgeprägt. Dies beruht darauf, dass sich in der Sozialsphäre die Persönlichkeitsinteressen verschiedener Personen berühren. Während die eine an der Geheimhaltung bestimmter Informationen interessiert sein mag, kann es bei einer anderen Person in derselben Interaktionssphäre gerade dem Selbstbestimmungsinteresse entsprechen, die Erfahrungen und Erlebnisse anderen mitzuteilen. Die disparaten Persönlichkeitsschutzinteressen drängen wertungsmäßig keinen spezifischen Schutzstandard gegenüber der Recherchetätigkeit durch die Massenmedien auf. Grundsätzlich ist daher die journalistische Recherche in der Sozialsphäre, die Befragung von Mitarbeitern und Kollegen, von Nachbarn und Vereinskameraden usw. zulässig. Selbst die verabredete Vertraulichkeit der Behandlung bestimmter Kenntnisse aus der sozialen Interaktionssphäre bindet die Verabredungspartner nicht mit Wirkung ge1003
406 407 408 409 410
Steffen, AfP 1988, S. 117, 119. Vgl. oben Rn. 937. Vgl. oben Rn. 937. Vgl. oben Rn. 935 ff. Vgl. oben Rn. 941.
B. Pflichtenbindung bei der Medienrecherche
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genüber Dritten. Das rechtsfortbildend anerkannte Allgemeine Persönlichkeitsrecht schafft keinen Schutz gegenüber Indiskretionen bei journalistischen Nachfragen, den die geschriebene Rechtsordnung im Übrigen ebenfalls nicht kennt.411 Grenzen erlaubter Recherche werden allerdings erreicht, wenn die Massenmedien gezielt zum Bruch der gebotenen Vertraulichkeit verleiten und damit das Anstands- und Billigkeitsempfinden eines verantwortlichen Mitmenschen missachten412. Darüber hinaus bestehen auch in der Sozialsphäre Tabuzonen, die der journalis- 1006 tischen Recherche nicht zugänglich sind. Es geht dabei um das berufliche Beratungsgeheimnis etwa von Ärzten, Rechtsanwälten oder Richtern, das kraft allgemeiner Anerkennung eine Zone schützenswerter Vertraulichkeit darstellt, die Schutz gegenüber jeglicher Form von Indiskretion rechtfertigt.413 So wie es dem Journalisten verwehrt ist, in das Brief- oder Fernmeldegeheimnis einzudringen, so ist es ihm untersagt, dem ärztlichen Beratungsgespräch, der richterlichen Entscheidungsberatung oder der anwaltlichen Rechtsberatung ihre Vertraulichkeit im Rahmen von journalistischen Recherchen zu nehmen. 2. Sachbereichsbezogene Grenzen Die Verbote bestimmter Recherchemethoden sowie die räumlich-gegenständ- 1007 lichen Tabuzonen bezeichnen mittelbar auch jeweils sachbereichsbezogene Schranken journalistischer Recherchemaßnahmen. Die strafrechtlich geschützten Geheimnisbereiche errichten nicht nur Schranken gegenüber bestimmten Recherchemethoden, sondern bringen jeweils auch den vom Gesetzgeber gewollten Schutz bestimmter Sachbereiche der persönlichen und beruflichen Lebenssphäre zum Ausdruck. Darüber hinaus deuten sich seit der Anerkennung des Rechts auf informationel- 1008 le Selbstbestimmung414 eigenständige sachbereichsspezifische Grenzen für journalistische Recherchemaßnahmen an. Insbesondere der sog. Computer-Journalismus erlaubt die Verfügbarkeit und systematische Auswertung personenbezogener Daten, die mit den Grundsätzen informationeller Selbstbestimmung in Konflikt geraten können. Es erscheint nicht mehr ausgeschlossen, dass die Sammlung und Auswertung verfügbaren Datenmaterials ein Ausmaß erreicht, bei dem von einem Eindringen in den Kernbereich der Persönlichkeit gesprochen werden kann, das die persönlichkeitsrechtlichen Zulässigkeitsschranken überschreitet. Trotz des datenschutzrechtlichen Medienprivilegs415 sind der journalistischen Recherche dann zivilrechtliche Schranken gesetzt.416 Die computergestützte systematische Analyse einer Persönlichkeit nach den Erkenntnissen der Psychologie gegen oder ohne den 411 412
413 414 415 416
Vgl. Steffen, AfP 1988, S. 117, 119. Zur Fallgruppe des Verleitens zum Vertragsbruch als Anwendungsfall der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 BGB vgl. nur BGH, NJW 1981, S. 2184. Sog. Geheimsphäre; vgl. oben Rn. 940. Vgl. nur BVerfGE 65, S. 1 ff. und Rn. 952. Vgl. oben Rn. 397 ff. Vgl. Steffen, AfP 1988, S. 117, 120.
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§ 18 Haftung und Verantwortlichkeit
Willen der betroffenen Person stellt einen unzulässigen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Medienrecherche dar.417
§ 18 Haftung und Verantwortlichkeit
Literatur Breutz in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar – Gesamtes Medienrecht, 2008, 39. Abschnitt; Engel, Die Internet-Service-Provider als Geiseln deutscher Ordnungsbehörden, MMR-Beilage 4/2003, S. 1 ff.; Hoffmann, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2008, §§ 7-10 TMG; Steffen, in: Löffler, Presserecht Kommentar, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 230-281.
1009 Die Haftung und Verantwortlichkeit der Massenmedien für Verstöße gegen den zivilrechtlichen Rechtsgüterschutz beruht zunächst auf dem Grundsatz der Verantwortlichkeit des Medienunternehmens für eigene Inhalte. Da die Massenmedien aber nicht nur eigene, selbstrecherchierte Nachrichten und andere Medieninhalte produzieren, sondern in weitem Maße auch Äußerungen Dritter publizieren, stellt sich die Frage, ob und inwiefern Massenmedien auch dafür verantwortlich sind. Insofern gilt ein medienspezifischer Rechtsgrundsatz, der Grundsatz der medienrechtlichen Verbreiterhaftung. Er beruht auf dem Gedanken, dass die Medien, die fremde Äußerungen verbreiten, sich die verbreitete Äußerung zurechnen lassen müssen, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung fehlt (dazu unter A.). Für den Bereich der Internetkommunikation gelten nach der nunmehr um TMG verankerten, ausdrücklichen Regelung des Gesetzgebers Besonderheiten (dazu unter B.). Ferner sind zahlreiche Ausnahmen vom Grundsatz der Verbreiterhaftung für spezielle Bereiche massenmedialer Kommunikation zu beachten dazu unter C.).
A. Medienrechtliche Verbreiterhaftung 1010 Die Verantwortlichkeit der Massenmedien für Fremdäußerungen stellt aus rechtsdogmatischer Sicht ein Zurechnungsproblem dar. Durch Fremdäußerungen begangene Rechtsverstöße ist das Massenmedium, also ihr Verleger bzw. das Sendeunternehmen/die Sendeanstalt nur verantwortlich, wenn es sich diese Fremdäußerungen, die es nicht selbst getätigt hat, zurechnen lassen muss. Die einschlägigen zivilrechtlichen Zurechnungsvorschriften sind allerdings auf 1011 das massenmediale Berichterstattungsgeschehen nicht zugeschnitten. Die eine Zu417
Wente, Das Recht der journalistischen Recherche, 1987, S. 95.
A. Medienrechtliche Verbreiterhaftung
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rechnung von Fremdverschulden regelnde Vorschrift des § 278 BGB ist vom Bestehen rechtswirksamer Vertragsvereinbarungen abhängig; sie hat deshalb für die Störerverantwortlichkeit der Massenmedien keine praktische Bedeutung, da diese ihren Schwerpunkt im Bereich der Verantwortlichkeit für deliktisches Unrecht hat. Die Zurechnung von Fremdäußerungen nach §§ 164, 166 BGB setzt voraus, dass der sich rechtswidrig Äußernde als Vertreter der Massenmedien tätig wird; ein solcher Sachverhalt liegt bei der massenmedialen Berichterstattung regelmäßig nicht vor. Die Zurechnung nach § 31 BGB setzt voraus, dass der Handelnde eine Organstellung für das Massenmedium innehat, nämlich Vorstand oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter ist. Zwar hat die Rechtsprechung zunächst jenseits medienrechtlicher Fallkonstellationen die Haftungszurechnung in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift über den Wortlaut hinaus durchaus weit entfaltet; sie bezieht sowohl alle juristische Personen als auch Handelsgesellschaften in den Anwendungsbereich der Vorschrift ein.418 Die allgemeine Rechtsprechung versteht den Vertreterbegriff iSd § 31 BGB darüber hinaus im untechnischen Sinn, so dass dieser ebenfalls durchaus weit angewendet wird und alle Personen erfasst, die kraft allgemeiner Betriebsregelung oder Handhabung wichtige Aufgabenbereiche im Unternehmen selbständig und eigenverantwortlich wahrnehmen.419 Aber auch dieses Verständnis erlaubt im medienrechtlichen Zusammenhang regelmäßig keine Zurechnung von Rechtsverstößen durch Redakteure, freie Mitarbeiter oder andere in den Herstellungsprozess eingeschaltete Medienmitarbeiter ohne eigenverantwortliche Kompetenzen. § 831 BGB statuiert eine eigene Verantwortlichkeit des Medienunternehmens für eigenes Auswahl- und Aufsichtsverschulden, deren Reichweite aber durch den Exkulpationseinwand nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB erheblich eingeschränkt ist. Die medienrechtliche Verbreiterhaftung setzt sich über die allgemeinen zivil- 1012 rechtlichen Verantwortlichkeits- und Zurechnungsnormen hinweg und füllt bestehende Schützlücken, indem das rechtswidrige Verhalten von Medienmitarbeitern als rechtswidriges Verhalten der Massenmedien selbst qualifiziert wird und damit eine Verbreiterhaftung letztlich fingiert.420 Die von dieser Rechtsprechung entwickelten Haftungsgrundsätze werden deshalb auch zu Recht als medienrechtliche Fiktionshaftung bezeichnet.421 Diese Rechtsprechung greift die Grundgedanken der zu §§ 31, 823 und 831 BGB entwickelten Haftung für eigenes Organisationsverschulden auf422 und entwickelt sie medienspezifisch fort. Massenmedien, die fremde Äußerungen verbreiten, müssen sich grundsätzlich die verbreitete Äußerung zurechnen zu lassen, weil die fehlende Entdeckung des rechtswidrigen Inhalts der medialen Äußerung vor der Publikation zeige, dass das Medium selbst einen Organisationsfehler begangen hat. 418 419 420
421 422
Ellenberger, in: Palandt, 68. Auflage 2009, § 31 Rn. 3. Vgl. nur BGH, NJW 1998, S. 1856. BGHZ 39, S. 129 – Fernsehansagerin; BGH, NJW 1965, S. 685 – Soraya; 1980, S. 2810, 1811 – Medizin-Sydikat. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 223. Vgl. BGHZ 95, S. 63, 71 ff. (zum Arzthaftungsrecht); näher Esser/Weyers, Schuldrecht BT II/2, 8. Auflage 2000, § 58 I 2c.
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§ 18 Haftung und Verantwortlichkeit
Die Überprüfungs- und Organisationspflichten der Massenmedien werden dabei von den Gerichten so streng gehandhabt, dass sie im praktischen Ergebnis stets auf eine Haftung der Verlage und Medienunternehmen hinauslaufen.423 Schon in der Grundlagenentscheidung vom 26.10.1951 hatte der BGH in diesem Sinn entschieden, dass der Verleger als mittelbaren Störer angesehen werden kann, wenn er die Möglichkeit hatte, auf den Inhalt oder den Vertrieb der streitgegenständlichen Druckschrift Einfluss zu nehmen.424 In dem für Rechtsverletzungen anfälligen Bereich der Berichterstattung über sog. heißen Eisen gelten nach der Rechtsprechung besonders strenge Maßstäbe. Insofern ist anerkannt, dass der Verleger die Entscheidungen in Bezug auf das Ausmaß der Nachprüfungen im Rahmen der Sorgfaltspflichten einschließlich über die Gebotenheit einer Rückfrage beim Betroffenen der Berichterstattung, der Intensität der Darstellung und der Abwägung der berührten Interessen selbst zu treffen hat und nicht delegieren darf.425 Selbst die Einschaltung eines freien Rechtsanwalts mit der Aufgabe, die Veröffentlichung daraufhin zu überprüfen, ob eine Verletzung von Persönlichkeits- oder Unternehmensschutzrechten vorliegt, genügt in den verletzungsanfälligen Bereichen für eine Entlastung des Medienunternehmens nicht.426 Die medienrechtliche Verbreiterhaftung beruht letztlich auf dem Umstand, dass 1014 das Massenmedium, das mit der medialen Verbreitung nicht zuletzt seine eigenen Interessen befördert, für die damit einhergehenden Rechtsverletzungen einzustehen hat, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung fehlt.427 Darauf, dass sich das Massenmedium den fremden Inhalt zu Eigen macht, kommt es nicht an. Nur ausnahmsweise entfällt die Verbreiterhaftung das Massenmediums, insbesondere dann, wenn die verbreiteten Äußerungen den Charakter einer Dokumentation des Meinungsstandes haben, der Verbreitende also wie auf einem “Markt der Meinungen” verschiedene Äußerungen zusammen stellt.428 Entsprechendes soll gelten, wenn es um den Bericht eines Spezialisten aus seinem Fachgebiet geht, sofern keine Anhaltspunkte vorliegen, welche die Kompetenz und Gewissenhaftigkeit des Verfassers in Frage stellen.429 1013
423
424 425
426 427
428 429
Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 28.1 ff.; Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 1903. BGHZ 3, S. 270, 275 f. – Constanze. BGH, NJW-RR 1998, S. 250, 252 – Restaurantführer; NJW 1980, S. 2810, 1811 – Medizin-Syndikat. BGH, NJW 1980, S. 2811 – Medizin-Syndikat. St. Rspr.; BGH, NJW 1997, S. 1148, 1149 – Chefarzt; NJW 1996, S. 1131, 1132 – Lohnkiller; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 35; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 93; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 10.208 ff.; zur Haftung für Zitate Frömming, in: Festschrift für Engelschall, 1996, S. 47 ff. BGH, NJW 1976, S. 1198, 1199 – Panorama. BGH, NJW 1966, S. 1857 – Tai-Ginseng.
B. Sonderregeln für das Internet
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B. Sonderregeln für das Internet I. Rechtsentwicklung Die Haftung und Verantwortlichkeit für die internetgestützte Kommunikation un- 1015 terliegt besonderen Rechtsregeln. Darin liegt kein dogmatisch geforderter oder gesicherter bzw. gar gebotener Befund. Der Gesetzgeber hätte grundsätzlich durchaus regeln können, dass auch die Haftung und Verantwortlichkeit für Äußerungen im Internet den Grundsätzen der Verbreiterhaftung unterliegen. Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch schon mit den erstmals im Jahr 1997 eingeführten Regeln des Gesetzes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (IuKDG)430 Besonderheiten gegenüber den Regeln der Verbreiterhaftung vorgesehen. Besondere Regeln sollten nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum 1016 IuKDG vor allem die für Anbieter fremder Inhalte bestehenden Haftungsrisiken begrenzen, weil die Sorge bestand, dass bestehende die Investitionsbereitschaft in die seinerzeit noch ganz neuen Medien bremsen könnten.431 Die geschaffenen Sonderregelungen wurden nicht so konzipiert, dass sie die Haftung für bestimmte Inhalte oder Dienste begrenzen; vielmehr knüpfen die haftungsbegrenzenden Normen an die ausgeübte Funktion des Online-Diensteanbieters. Die Haftungsregeln differenzierten zwischen dem Bereithalten eigener Inhalte, dem Bereithalten fremder Inhalte und der reinen Zugangsvermittlung. Für diejenigen, die eigene Inhalte bereit stellten (sog. Content-Provider), verblieb es bei den allgemeinen Haftungsregeln.432 Für das Bereithalten fremder Inhalte dagegen sollten die sog. Hostoder Service-Provider433 bzw. die sog. Access-Provider434 nur sehr eingeschränkt haftbar und verantwortlich sein. Die eingeführten Bestimmungen enthielten keine spezifisch haftungsrechtlichen Regeln. Jeweils wurde die “Verantwortlichkeit” der Diensteanbieter geregelt und damit zum Ausdruck gebracht, dass die Normen einen umfassenden, die “Verantwortlichkeit” im Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht betreffenden Ansatz verfolgen.435 Mit dem Inkrafttreten des TMG im Jahr 2007 hat der Gesetzgeber in Anpas- 1017 sung an die Rechtslage nach der e-commerce-Richtlinie Fragen der Haftung und Verantwortlichkeit für Internetkommunikation in den §§ 7-10 TMG geregelt. Grundlegende Unterschiede zu der schon bis dahin geltenden Rechtslage hat der Gesetzgeber nicht eingeführt. Insbesondere unterscheidet das TMG zwischen Diensteanbietern, die eigene Informationen zur Nutzung bereithalten (§ 7 Abs. 1 430 431 432 433
434 435
BGBl. I 1997, S. 1870 ff. Begr. RegE zu Art. 1 IuKDG, BT-Drs. 13/7385, S. 16 f. Vgl. § 5 Abs. 1 MDStV und § 5 Abs. 1 TDG. § 5 Abs. 2 MDStV und § 5 Abs. 2 TDG machen die “Verantwortlichkeit” weiterhin davon abhängig, dass es den Service-Providern technisch möglich und zumutbar ist, die Nutzung der fremden Inhalte zu verhindern. § 5 Abs. 3 MDStV, § 5 TDG. Vgl. Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, 1999, S. 114 ff.; Spindler, in: Hoeren/Sieber, Handbuch, 1999, Kap. 29 Rn. 28 ff.
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§ 18 Haftung und Verantwortlichkeit
TMG), solchen, die fremde Inhalte in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln (§ 8 Abs. 1 TMG) sowie Diensteanbietern, die fremde Informationen zur Nutzung durch Dritte speichern (§ 10 TMG). Im Jahr 2009 ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen durch das Gesetz 1018 zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz) verstärkt worden. Die zunächst geplante Änderung des TMG ist durch die Verabschiedung dieses Sondergesetzes vermieden worden, um zu gewährleisten, dass eine Ausweitung von Sperrmaßnahmen zu bestimmten Internetseiten über Kinderpornographie hinaus nicht statt finden kann.436 Zivilrechtlich437 sind die Diensteanbieter nach § 7 Abs. 1 ZugErschwG nur dann verantwortlich, wenn Sie die Sperrliste des BKA schuldhaft nicht ordnungsgemäß umsetzen. Zudem wird durch § 7 Abs. 2 ZugErschwG klar gestellt, dass Diensteanbieter nicht zivilrechtlich verpflichtet werden können, mit den aufgrund des ZugErschwG geschaffenen technischen Vorkehrungen Sperrungen anderer Inhalte vorzunehmen.438 Gegen die durch das ZugErschwG vorgesehenen Maßnahmen sind aufgrund der Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 10, 12 und 14 GG verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht worden439 Ob umfassend wirksame Sperren technisch überhaupt möglich sind, darf vor dem Hintergrund des derzeitigen Stands der Technik bezweifelt werden. II. Rechtslage nach dem TMG 1. Grundsätze 1019 Mit den Regeln des TMG hat der Gesetzgeber das schon nach vormaliger Rechtslage bestehende Privilegienregime für die Internetkommunikation stabilisiert. Der Gesetzgeber schafft mit den Regeln des TMG eine sog. Filterwirkung in dem Sinn, dass eine zivil- oder strafrechtliche Haftung der Diensteanbieter für fremde Inhalte nur in Betracht kommt, wenn der jeweilige Anbieter nach der jeweils einschlägigen Norm des TMG für den Inhalt der Information überhaupt verantwortlich ist. Ein Schadenersatz gegenüber einem Telemedienanbieter kommt danach nur in Betracht, wenn zunächst festgestellt werden kann, dass dieser nach den §§ 7 ff. TMG verantwortlich ist; erst anschließend und zusätzlich ist zu prüfen, ob der Anbieter die allgemeinen zivilrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Für Unterlassungsansprüche entfaltet das TMG dagegen keine Filterwirkung. 1020 Nach § 7 Abs. 2 TMG unterliegen die Diensteanbieter zwar keiner Verpflichtung, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder 436 437 438
439
Vgl. dazu BT-Drs. 16/13411, S. 17. Zu den Schutzinhalten im Übrigen vgl. Rn. 1245 ff. Damit wird verhindert, Diensteanbieter aufgrund der neu geschaffenen Infrastruktur z.B. zur Sperrung von Seiten zu verpflichten, die Rechte am geistigen Eigentum verletzen. Vgl. dazu die Bedenken von Süme, MMR 2009, S. 1 f.; Frey, MMR 2009, S. 221 f; und Sieber, wiedergegeben in BT-Drs. 16/13411, S. 12.
B. Sonderregeln für das Internet
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nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tat hinweisen. Nach Satz 2 der Vorschrift bleiben die Verpflichtungen des Diensteanbieters zur Entfernung oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen jedoch unberührt. Vor diesem Hintergrund, der mit Art. 14 Abs. 3 e-commerceRichtlinie übereinstimmt,440 entschied der BGH schon zu der bis zum Inkrafttreten des TMG geltenden Rechtslage, dass die Haftungsprivilegierung auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar ist.441 Diese Rechtslage hat das TMG nicht geändert.442 Der Frage nach dem internationalen Anwendungsbereichs der Regelungen 1021 kommt angesichts der ubiquitären Verfügbarkeit der Daten, die an den Staatsgrenzen nicht halt machen, praktisch eine besondere Bedeutung zu. Insofern regelt Art. 3 Abs. 1 e-commerce-Richtlinie das sog. Herkunftslandsprinzip, nämlich die Verpflichtung jedes Mitgliedstaates, dafür Sorge zu tragen, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften für den EU-weit koordinierten Bereich entsprechen. Dementsprechend regelt § 3 TMG, dass nach dessen Abs. 1 die in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassenen Diensteanbieter und ihre Telemedien den Anforderungen des deutschen Rechts unterliegen, dies gilt auch dann, wenn Telemedien in einem anderen Staat innerhalb des Geltungsbereichs der e-commerceRichtlinie geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden. Nach § 3 Abs. 2 TMG wird der freie Dienstleistungsverkehr von Telemedien, die in der Bundesrepublik Deutschland geschäftsmäßig von Diensteanbietern angeboten oder erbracht werden, die außerhalb Deutschlands niedergelassen sind443, nicht eingeschränkt. Dementsprechend ist anerkannt, dass redaktionell gestaltete Internet-Angebote 1022 der Presse grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Herkunftslandsprinzips unterfallen, sofern es sich bei diesen Angeboten nicht um Verteildienste iSd § 2 Nr. 4, § 3 Abs. 4 Nr. 5 TMG handelt.444 Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob das Herkunftslandprinzip auch Anwendung findet, wenn deliktische Ansprüche geltend gemacht werden, wenn also etwa eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in Frage kommt. Insofern ist umstritten, welche Bedeutung der Regelung des § 1 Abs. 5 TMG zukommt; danach trifft dieses Gesetz „weder Regelungen im Bereich des internationalen Privatrechts noch regelt es die Zuständigkeit der Gerichte“.445 Nach verbreiteter, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland bisher aber nicht entschiedener446 Auffassung gilt auch insofern das Herkunftslandsprinzip; 447 dieses nämlich soll den Diensteanbieter davor bewahren, für eine 440 441 442 443
444 445 446 447
Vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 14/6098, S. 23. BGHZ 158, S. 236, 246 ff. – Internet-Versteigerung. Näher in Rn. 1029 ff. Die Niederlassung muss nach § 3 Abs. 2 aber innerhalb des Geltungsbereichs der ecommerce-Richtlinie liegen. Vgl. Smid, AfP 2006, S. 224. Ebenso Art. 1 Abs. 4 e-commerce-Richtlinie. Offen gelassen von BGH, MMR 2007, S. 104 – Pietra di Soln. Vgl. Mankowski, JZ 2002, S. 258; Spindler, NJW 2002, S. 921, 926 f.
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Angebot eine Vielzahl einschlägiger Rechtsordnungen berücksichtigen zu müssen.448 2. Haftung und Verantwortlichkeit für eigene Informationen 1023 Für Diensteanbieter, die eigene Inhalte im Internet bereithalten, gilt, dass sie unter den Voraussetzungen der allgemeinen Gesetze uneingeschränkt verantwortlich sind. Für die sog. Content-Provider gibt es somit keine Haftungsprivilegierungen und schon gar keine Haftungsbefreiung; sie sind auch nach den einschlägigen Bestimmungen voll verantwortlich. Eine Haftungsprivilegierung für eigene Inhalte kommt nicht in Betracht und 1024 wäre wertungsmäßig im Hinblick darauf nicht zu rechtfertigen, dass derjenige, der eigene Inhalte anbietet, für Rechtsverletzungen unabhängig davon einzustehen hat, ob sie offline oder online verbreitet werden. Wertungsmäßig mag eine Privilegierung bestimmter Diensteanbieter für die Online-Kommunikation gerechtfertigt sein, dagegen wäre es nicht gerechtfertigt, im Netz einen rechtsfreien Raum entstehen zu lassen. Für Äußerungsdelikte, für fehlerhafte Produkte wie fehlerhafte Informationen oder fehlerhafte Software, für die Verletzung von Urheber- bzw. Markenrechten beispielsweise, muss der Content-Provider nach allgemeinen Vorschriften einstehen. 3. Haftung und Verantwortlichkeit für fremde Informationen 1025 Die zivil- und strafrechtliche Haftung bzw. Verantwortlichkeit für online verbreitete fremde Informationen soll nach der ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers abweichend von den Grundsätzen der medienrechtlichen Verbreiterhaftung geordnet werden. Eine Zurechnung fremder Rechtsverstöße zu Lasten derjenigen, die den Zugang zum Internet dadurch vermitteln, dass sie eine technische Schnittstelle zwischen dem lokalen Computer und dem Internet bzw. den darüber erreichbaren Inhalten herstellen, sollte wegen der dann befürchteten negativen wirtschaftlichen Wirkungen für die von diesen Regelungen betroffenen Technologieentwickler rechtlich gerade nicht erfolgen.449 Im TMG findet sich die Umsetzung dieses rechts- und wirtschaftspolitischen Regelungsanliegens.450 a) Grundregeln des TMG 1026 Nach § 8 Abs. 1 TMG haften Diensteanbieter, die lediglich fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, grundsätzlich nicht. Zu Recht konditioniert der Gesetzgeber in derselben Vorschrift die Haftungsfreistellung der Diensteanbieter durch die Voraussetzungen, dass diese die Übermittlung der Informationen weder veranlasst ha448 449 450
Mankowski, CR 2001, S. 630. Vgl. soeben bei Rn. 1025 ff. Zum urheberrechtlichen Auskunftsanspruch gegen Host- und Accessprovider siehe den neu geschaffenen § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG.
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ben noch den Adressaten der übermittelten Information sowie die übermittelten Informationen selbst ausgewählt oder die Informationen verändert haben. Unter diesen Voraussetzungen besteht nach der gesetzlichen Wertentscheidung eine Privilegierung für den Accessprovider, die ihn von einer Schadenersatzhaftung oder einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Inhalte selbst dann freistellt, wenn ihm grundsätzlich bekannt ist, dass mittels seiner Dienste Zugang auch zu rechtswidrigen Inhalten hergestellt werden kann. Die Privilegierung endet nach § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG allerdings dann, wenn der Access-Provider absichtlich mit Nutzern seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Der Gesetzgeber kodifiziert mit diesem Tatbestand eine Ausnahme von der Privilegierungsregel, die ihren Grund darin findet, dass sich der Betroffene selbst, nämlich durch Zusammenwirken mit einem weiteren Täter, über die Rechtsordnung hinwegsetzt. Der kollusiv Handelnde verdient - wie in anderen Fällen der Kollusion auch451 – die von der Rechtsordnung eigentlich gewährte Rechtsfolge nicht. Ein automatisches, kurzzeitiges Zwischenspeichern auf eigenen Servern führt 1027 grundsätzlich nicht zum Verlust der Privilegierung. Dies gilt nach § 8 Abs. 2 TMG zunächst für die Zwischenspeicherung beim Access-Provider zum Zwecke der Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz auf sog. ProxyCache-Servern. Ebenso führt nach § 9 TMG das Speichern auf Proxy-Servern nicht zum Verlust der Privilegierung wegen der im Gesetzeswortlaut selbst angeführten Erwägung, dass die Zwischenspeicherung unschädlich ist, wenn und weil sie die Übermittlung der fremden Information an anderen Nutzer auf deren Anfrage effizienter gestaltet, nämlich zur beschleunigten Übermittlung beiträgt. Der Fortbestand der Privilegierung setzt nach § 9 TMG voraus, dass die Informationen nicht verändert werden und die Bedingungen für den Zugang zu den Informationen sowie die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 beachtet werden. Für Host- oder Service-Provider, die Informationen für Dritte dauerhaft auf ei- 1028 genen Servern speichern und zum Abruf bereit halten, richtet sich die Haftung und Verantwortlichkeit nach § 10 TMG. Trotz der größeren technischen Nähe dieser Provider zu den fremden Informationen, die sie auf ihren technischen Plattformen bereit halten, sind sie nach § 10 TMG für Rechtsverstöße nicht haftbar und verantwortlich, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrige Handlung oder der Information haben. Sobald die entsprechende Kenntnis vorliegt – ein „Kennen müssen“ reicht dafür nicht aus452 -, müssen die Provider unverzüglich tätig werden, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Für Schadenersatzansprüche gilt die Privilegierung nur, wenn dem Hostprovider auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird.
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Vgl. etwa zur Kollusion beim Missbrauch der handelsrechtlichen Stellvertretung Canaris, Handelsrecht, 24. Auflage 2006, § 14 Rn. 38. So Spindler/Schmitz/Geis, TDG, § 11 Rn. 11.
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§ 18 Haftung und Verantwortlichkeit
b) Störerhaftung von Host- und Access-Provider 1029 Das Haftungsprivileg des § 10 TMG bezieht sich auf die Schadenersatzhaftung sowie die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Host-Providern. Die Störerhaftung, nämlich die Verpflichtung zur Unterlassung wird in dieser Vorschrift nicht miterfasst453 und bedarf deshalb nach § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG gesonderter Prüfung, da nach dieser Vorschrift Diensteanbieter auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit nach §§ 8 – 10 TMG „nach den allgemeinen Gesetzen“ verpflichtet bleiben. Die entscheidende Rechtsfrage der Störerverantwortlichkeit von Host-Providern, die lediglich fremde Informationen hosten, ist die, ob sie als Störer angesehen und deshalb auf Unterlassung etwa nach § 1004 BGB in Anspruch genommen werden können. In den regelmäßig vorliegenden Fällen, in denen sich der Host-Provider die rechtsverletzenden fremden Inhalte nicht zu Eigen gemacht hat, hängt die Störereigenschaft davon ab, ob sich feststellen lässt, dass der Provider einen rechtlich erheblichen willentlich und adäquat-kausalen Beitrag zur Rechtsverletzung geleistet hat.454 Ein solcher erheblicher Beitrag könnte in dem Unterlassen rechtlich gebotener Prüfungspflichten bestehen; allerdings bestimmt § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG, dass die Provider zumindest Prüfpflichten hinsichtlich des Vorliegens rechtswidriger Tätigkeiten gerade nicht unterliegen. Der BGH hat – auf der Grundlage der Rechtslage nach dem TDG – die sich 1030 auftuende Dilemmalage dadurch bewältigt, dass es entschieden hat, dass zwar keine Untersuchungs- und Prüfpflichten vor der Veröffentlichung des Angebots bestünden; Untersuchungs- und Prüfpflichten kämen aber in Rahmen des nach dem Umständen Zumutbaren in Betracht. Nach der Grundlagenentscheidung des BGH vom 11. März 2004 wegen Markenrechtsverletzung bei Versteigerungen im Internet muss die Provider-Unternehmung „immer dann, wenn sie auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren ..., sie muss vielmehr auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Markenverletzungen kommt.“455 Insofern besteht im Fall der Verletzung dieser Pflichten ein Anhaltspunkt für eine Störerhaftung des Providers; dieser kann von den Betroffenen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Eine Sperrung einer ganzen Internet-Domain mit den dahinter stehenden Inhal1031 ten der Website ist bisher jedenfalls von den Zivilgerichten nicht angeordnet worden.456 Die Access-Provider hafteten nicht allein deshalb für fremde, rechtswidrige Angebote, weil die Provider den Zugang zu diesen Angeboten vermittelten.457 Eine Haftung – sei es als Täter, Teilnehmer oder Störer – scheitere einerseits an einer fehlenden vertraglichen Verbindung zwischen Website-Betreiber und Access453
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BGH, NJW 2007, S. 2558 – Meinungsforum; NJW 2007, S. 2636 – InternetVersteigerung II. BGHZ 148, S. 13, 17 – ambiente; 158, S. 236, 251 – Internet-Versteigerung. BGHZ 158, S. 236, 252 – Internet-Versteigerung. OLG Frankfurt, MMR 2008, S. 166 ff. m. Anm. Spindler; LG Düsseldorf, MMR 2008, S. 349; LG Hamburg, Urteil v. 12.11.2008 – Az. 308 O 548/08; LG Kiel, MMR 2008, S. 123 f. mit Anm. Schnabel. LG Kiel, MMR 2008, S. 123 f. mit Anm. Schnabel.
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Provider. Anderseits gebe es aufgrund der vielen Umgehungsmöglichkeiten auch nach derzeitigem Stand auch keine wirksamen technischen Sperrmaßnahmen für die Provider. Aus letzterem Grund sind auch die überwiegend von den Verwaltungsgerichten458 bestätigten Sperrverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf459, nach welchen inländische Access-Provider ausländische Websites mit nationalsozialistischen Inhalten sperren sollten, nahezu folgenlos geblieben.460 c) Täterschaftliche Haftung von Host- und Access-Provider Ein Paradigmenwechsel hat der BGH durch eine Entscheidung im Jahre 2007 für 1032 die Haftung von Hostprovidern für Verstöße gegen das Lauterkeitsrecht eingeleitet.461 Danach kommt der Betreiber einer Plattform für Internetversteigerung als Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung in Betracht, wenn sein Handeln die Gefahr begründet, die durch das Wettbewerbsrecht geschützten Interessen der Marktteilnehmer zu verletzten. Der Betreiber sei aufgrund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dazu verpflichtet, Vorsorgemaßnahmen zu treffen und Prüfungspflichten zu beachten, um gleichartige Gefahren im Rahmen des Zumutbaren zukünftig zu beschränken.462 Ob sich diese Rechtsprechung auch bei der Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter, wie Urheber- und Markenrechten, durchsetzten wird, bleibt abzuwarten. Die Unterschiede einer derartigen täterschaftlichen rechtlichen Bewertung im Vergleich zur Störerhaftung sind beachtlich, da der Täter einer Verletzungshandlung auch auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann und nicht wie ein Störer lediglich auf Unterlassung haftet. d) Haftung des Forenbetreibers und ähnlicher Diensteanbieter Die sog, Forenhaftung betrifft die Frage, ob und inwieweit der Betreiber eines In- 1033 ternetforums für die Meinungsäußerungen der Teilnehmer an der Forumskommunikation haften muss. Für den Betreiber stellt sich hier das Problem, dass die Eingabe des Inhalts durch den Nutzer selbst erfolgt und er vorab keine Kenntnis von den jeweiligen Äußerungen erlangt. Zwar hat das OLG Hamburg eine generelle Verpflichtung zur Kontrolle von Forenbeiträgen vor Veröffentlichung abgelehnt; damit würde die durch das Grundgesetz garantierte Äußerungsfreiheit zu stark
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OVG Münster, NJW 2003, S. 2183 ff.; VG Düsseldorf, MMR 2003, S. 205 mit Anm. Stadler und VG Köln, MMR 2005, S. 399. Vgl. statt aller die Verfügung vom 06.02.2002 gegenüber der Oberon.net GmbH, Az. 21.50.30, abrufbar unter: http://www.odem.org/material/verfuegung/. Vgl. zum Ganzen Engel, MMR-Beilage 4/2003, S. 1 ff m.w.N. (abrufbar unter: http://rsw.beck.de/rsw/downloads/Beilage4_03.pdf); sowie Mankowski, MMR 2002, S. 277 ff. BGH, GRUR 2007, S. 890 ff. - Jugendgefährdende Medien bei eBay; Köhler, GRUR 2008, S. 1 ff.; vgl. bereits oben Rn. 796. BGH, aaO; vgl. näher Klatt, ZUM 2009, S. 265, 267.
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eingeschränkt.463 Gleichwohl treffe den gewerblichen Betreiber eine Überprüfungspflicht von eingestellten Beiträgen, wenn in bestimmten Foren bereits eine Rechtsverletzung stattgefunden habe oder aufgrund der Themenwahl zu erwarten sei.464 Eine solche Pflicht zur Überprüfung sei dem Betreiber jedenfalls bei der Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen zumutbar, weil sich einzelne Internetforen überschaubar kontrollieren ließen. Daneben können die Betreiber eines Forums nach Auffassung des BGH auch 1034 für ehrverletzende Forenbeiträge in Anspruch genommen werden. Dies soll selbst dann gelten, wenn dem Verletzten die Identität des Autors bekannt ist.465 Der Betreiber hafte in diesem Fall ab Kenntnis von dem jeweiligen Beitrag ohne Rücksicht auf Ansprüche gegen den Ersteller (Urheber) des Beitrags auf Unterlassung.466 Die für Live-Sendungen im Radio und TV aufgestellten Grundsätze zur Haftungsbeschränkung des Veranstalters467 seien auf Forenbetreiber nicht anwendbar, weil diese es – wie im Falle der Wiederholung einer Live-Sendung – selbst in der Hand hätten, bekannte Störungen zukünftig zu unterbinden.468 Dagegen hat das OLG Düsseldorf469 für einen nicht gewerblich handelnden Fo1035 renbetreiber sowohl eine Überprüfungspflicht als auch einen Anspruch auf Unterlassung abgelehnt. Nur wenn ein privater Betreiber nachweisbar Kenntnis von einer Rechtsverletzung habe, müsse er die relevanten Inhalte löschen470. Auch das OLG Hamburg hat in einem jüngeren Urteil die Haftung der Forenbetreiber eingeschränkt. Demnach hafte der Betreiber nicht auf Unterlassung und Schadensersatz für die urheberrechtswidrige Veröffentlichung eines Fotos im Forum, wenn er das Foto nach entsprechendem Hinweis unverzüglich entfernt, es sich um einen erstmaligen Verstoß handelte und sich anschließend keine weiteren Rechtsverletzung mehr ereignet haben.471 Die für Foren aufgestellten Grundsätze gelten gleichermaßen auch für Beiträge 1036 Dritter in Blogs oder Wikis.472 Obwohl die Rechtsprechung sich in einem steten Wandel befindet und noch keine gesicherte Rechtslage besteht, sind die restriktiven Urteile nicht ohne Folgen geblieben. So sind viele Kommunikationsplattformbetreiber inzwischen dazu übergegangen, Beiträge nur noch während normaler Bürozeiten zuzulassen, um eine effektive Überprüfung gewährleisten zu können.
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OLG Hamburg, MMR 2006, S. 744, 745 mit Anm. Feldmann – heise.de mit Verweis auf die beschränkte Verbreiterhaftung bei Live-Sendungen in Funk und Fernsehen. OLG Hamburg, MMR 2006, S. 744, 746 mit Anm. Feldmann – heise.de. BGH, ZUM 2007, S. 533, 534 f. mit Anm. Schmelz; insoweit anders die Vorinstanz OLG Düsseldorf, MMR 2006, S. 553. BGH, ZUM 2007, S. 533, 535 mit Anm. Schmelz. Vgl. BGHZ 66, S. 182, 188 – Panorama; vgl. oben Rn. 987. BGH, ZUM 2007, S. 533, 535 mit Anm. Schmelz. OLG Düsseldorf, MMR 2006, S. 618 ff. OLG Düsseldorf, MMR 2006, S. 618, 620. OLG Hamburg – Urteil vom 04.02.2009 – 5 U 180/07. Vgl. Schmelz, ZUM 2007, S. 535, 536; zu Bewertungsportalen im Internet vgl. Greve/Schärdel, MMR 2008, S. 644 ff.
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4. Haftung für Links Die Funktionstüchtigkeit des WWW basiert zu einem nicht unerheblichen Teil auf der Verknüpfung von Inhalten durch Hyperlinks. Die Gerichte hatten in der Vergangenheit immer wieder zu entscheiden, ob der Betreiber einer Homepage für die Linksetzung auf die rechtswidrigen Inhalte, die sich „hinter“ den Links verbergen, haften muss. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Haftung für Hyperlinks existiert bisher nicht. So lassen sich auch die Haftungsregeln des TMG nicht eindeutig der besonderen Situation der Linksetzung auf fremde Inhalte zuordnen. Gleichwohl können aufgrund der vorhandenen höchstrichterlichen Entscheidungen Grundsätze zur Haftung von Hyperlinks aufgestellt werden. So haftet ein Linksetzender für die verlinkten Inhalte wie für seine eigenen Inhalte, wenn er sich die fremden Inhalte durch Solidarisierung mit diesen zu Eigen macht.473 Dagegen kommt eine Haftung nicht in Betracht, wenn sich der Linksetzende hinreichend von den verlinkten Inhalten distanziert. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn eine Verweisung aus wissenschaftlichen Gründen oder im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung erfolgt. In Bezug auf Letzteres hat der BGH in seinem Urteil „Schöner Wetten“ entschieden, dass ein Presseunternehmen jedenfalls dann nicht für einen Link auf die Internetpräsenz eines Glückspielanbieters von im Inland rechtswidrigen Angeboten haften muss, wenn das Unternehmen bei der erstmaligen Setzung und Aufrechterhaltung des Links zumutbare Prüfpflichten eingehalten hat und das verlinkte Angebot nicht offensichtlich rechtswidrig ist.474 Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Presseunternehmen nicht in Wettbewerbsabsicht handelt; wegen Art. 5 GG, der auch die Berichterstattung mittels Hyperlinks erfasse, komme nicht einmal eine Störerhaftung des Presseunternehmens in Betracht; aus gleichem Grund dürften auch die Anforderungen an die Prüfungspflichten nicht zu hoch besetzt werden.475 Im „Paperboy“ Urteil entschied der BGH, dass das Setzen eines Links auf eine Website mit urheberrechtlich geschütztem Inhalt keine unerlaubte Vervielfältigung darstellt, wenn der Inhalt ohnehin im Internet frei zugänglich ist. 476 Für die bloße Erleichterung des Auffindens des verlinkten Inhalte sei keine besondere Genehmigung erforderlich, da derjenige der ein Werk im Internet veröffentliche bereits selbst die Nutzungen ermöglicht, die ein Abrufender – mit oder ohne Hilfe eines Links – vornehmen könne. Insofern sei die Situation mit dem Hinweis auf ein Druckwerk in der Fußnote einer Fachpublikation vergleichbar.477 Noch zu entscheiden ist ein Grundsatzfragen berührender Rechtsstreit von mehreren Unternehmen der Musikindustrie gegen einen Verlag für IT-Fachinformationen.478 Auf der Homepage des Verlags wurde im Rahmen einer kritischen Berichterstattung über einen Hersteller von Computerprogrammen zur Ver473 474 475 476 477 478
Vgl. OLG, ZUM 2001, S. 809, 811 ff. Vgl. BGH, GRUR 2004, S. 693. 695 – Schöner Wetten. Vgl. BGH, GRUR 2004, S. 693. 695 f. – Schöner Wetten. BGH, GRUR 2003, S. 958 ff. – Paperboy. BGH, GRUR 2003, S. 958, 962 – Paperboy. Gegen die ergangene Entscheidung des OLG München, GRUR-RR 2009, S. 85 ff. – AnyDVD II wurde die Revision zum BGH zugelassen.
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vielfältigung von DVDs ein Link auf die Website des Herstellers gesetzt.479 Die Software ermöglichte die Vervielfältigung von DVDs, die mit einer wirksamen Kopierschutzmaßnahme im Sinne von § 95a Abs. 2 UrhG versehen sind. Das OLG München sah darin einen Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG und verurteilte den Verlag auf Unterlassung der Verlinkung nach den Grundsätzen der Teilnehmerhaftung gem. §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB.480 Der Nachrichtenbeitrag fördere mit seinem Link den Verstoß des Softwareunternehmens gegen das Urheberrecht, da dadurch der Zugang zu der fraglichen Software wesentlich erleichtert werde. Dabei sei es ohne Belang, dass der Nutzer bis zum Download der Software noch einige weitere Zwischenschritte (mehrere „Clicks“) unternehmen müsse. Unerheblich sei, dass der Download auch gänzlich ohne Hilfe des Links, z.B. durch Eingabe des Unternehmensnamens in eine Suchmaschine, erfolgen könne, da eine tatsächlich erfolgte Gehilfenhandlung auch dann rechtswidrig bleibe, wenn die Haupttat auch auf anderem Wege erfolgen könne481. Etwas anderes ergebe sich auch nicht vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein Eingriff in die Medienfreiheit durch Verbot des Links482 sei durch das Urheberrecht und die Grundsätze der Teilnehmerhaftung gerechtfertigt, wenn durch die Verlinkung die Gefahr gewerbsmäßiger Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang ausgehe und dem Berichterstatter die Rechtswidrigkeit des verlinkten Angebots im Zeitpunkt der Linksetzung bekannt gewesen sei483.
C. Haftungsprivilegien 1041 Von den dargestellten Haftungsgrundsätzen kennt das Medienrecht neben den zuvor erwähnten Besonderheiten im Internet eine Reihe von weiteren Ausnahmen. Sie bewirken im Ergebnis ein Haftungsprivileg zugunsten der Massenmedien. Dieses Privileg beruht auf dem Gedanken, dass an die Massenmedien bei der Verbreitung von Äußerungen Dritter nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden dürfen wie an eigene.484 Sie dienen damit der Funktionsfähigkeit der Massenmedien und sind letztlich Ausdruck der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.485
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Zur Dokumentation des Falles vgl. die Darstellung von Heidrich/Bleich unter http://www.heise.de/heisevsmi. OLG München, GRUR-RR 2009, S. 85, 87 – AnyDVD II; GRUR-RR 2005, S. 372, 373 f. – Any DVD I. OLG München, GRUR-RR 2009, S. 85, 88 – AnyDVD II. Der Artikel ohne Link ist von dem Verbot nicht betroffen und immer noch abrufbar. OLG München, GRUR-RR 2009, S. 85, 89 – AnyDVD II. Grundlegend BGH, AfP 1972, S. 319, 320 – Geschäftsaufgabe; GRUR 1973, S. 203, 204 – Badische Rundschau. Vgl. BGH, GRUR 1992, S. 618, 619 – Pressehaftung II.
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I. Haftung der Presse für Anzeigenveröffentlichungen Verleger und Redakteure sind nach den dargestellten Grundsätzen auch bei der 1042 Entgegennahme von Anzeigenaufträgen grundsätzlich zur Prüfung verpflichtet, ob die Veröffentlichung der Anzeige gegen gesetzliche Vorschriften verstößt.486 Der BGH hat in seiner Rechtsprechung zur Haftung für Fremdanzeigen allerdings hinzugefügt, dass bei der Festlegung der Anforderungen an die Prüfungspflicht zu beachten sei, dass die Gewährleistung der Pressefreiheit durch Art. 5 Abs. 1 GG auch den Anzeigenteil einer Druckschrift einschließt; deshalb wird eine verfassunsgkonforme Auslegung des Inhalts der Prüfungspflichten für geboten erachtet. Bei ihr müsse beachtet werden, dass die Presse “unter Zeitdruck steht und dass eine umgehende Überprüfung sämtlicher Anzeigen auf Gesetzesverstöße die Arbeit der Presse unzumutbar erschweren würde.”487 Die Anforderungen an das Ausmaß der Prüfung dürften deshalb “entsprechend den praktischen Notwendigkeiten des Pressewesens” nicht überspannt werden.488 Bei der Anzeigenwerbung beschränkt sich daher die Prüfungspflicht der Verle- 1043 ger und Redakteure auf grobe und unschwer zu erkennende Verstöße.489 Die Prüfung der Frage, ob eine Anzeige vom angegebenen Besteller herrührt und ob ihr Inhalt der Wahrheit entspricht, kann der Presse nur bei Vorliegen besonderer Umstände zugemutet werden.490 In allen übrigen Fällen besteht eine alleinige Verantwortlichkeit des Inserenten. II. Presseprivileg des § 9 S.2 UWG Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) enthält in seinem § 9 S. 2 1044 das sog. Haftungsprivileg der Presse. Nach der Bestimmung sind Redakteure und Verleger nur dann zum Schadenersatz verpflichtet, wenn sie vorsätzlich gegen § 3 UWG verstoßen haben.491 Die Neufassung der Regelung ist - im Gegensatz § 13 Abs. 6 Nr. 1 UWG a.F. - 1045 nicht mehr auf das Irreführungsverbot beschränkt.492 Das Privileg gilt allerdings nur für Periodika, also solche Druckwerke, die nicht notwendig auf regelmäßiges, aber mindestens auf wiederkehrendes Erscheinen ausgerichtet sind. Obwohl die Neuregelung nur noch von „verantwortlichen Personen“ spricht, gilt das Privileg auch weiterhin für die in der alten Fassung genannten Privilegierten, also Redakteur, Verleger, Herausgeber, Drucker und Verbreiter der Druckschrift.493
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BGH, GRUR 1973, S. 203, 204 – Badische Rundschau. BGH, GRUR 1990, S. 1010, 1012 – Pressehaftung. BGH, a.a.O. St. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, NJW 1995, S. 2490, 2491 – Kinderarbeit. BGH, AfP 1972, S. 319, 320 – Geschäftsaufgabe. Vgl. dazu oben Rn. 1044 ff. Vgl. BT-Drs. 15/1487, S. 23. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Auflage 2009, § 9 Rn. 2.14.
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Die Regelung trägt insbesondere den Gegebenheiten des Anzeigengeschäfts494 und dessen Bedeutung für den einzelnen Verlag sowie das Pressewesen insgesamt Rechnung. Ohne dieses Privileg müssten wohl die Verlage wegen der dann bestehenden Haftungsrisiken “den Anzeigenteil abschaffen”;495 damit wäre die wirtschaftliche Existenz der Presse nicht mehr gewährleistet. Insofern kommt dem wettbewerbsrechtlichen Presseprivileg eine institutionelle Bedeutung für das Pressewesen zu. Vor diesem Hintergrund hat es nicht an Versuchen gefehlt, den Anwendungs1047 bereich des Presseprivilegs über den Gesetzeswortlaut hinaus auszudehnen. Eine entsprechende Anwendung wurde schon nach alten Gesetzesfassung für andere Verstöße als Irreführungsverstöße vorgeschlagen worden,496 weil für sämtliche Werberechtsverstöße nach dem UWG bzw. §§ 823, 824 BGB dieselben Rechtfertigungsgründe zugunsten eines Presseprivilegs angeführt werden können.497 Dass der BGH eine entsprechende Anwendung mit nicht überzeugendem Hinweis auf das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke abgelehnt hatte,498 ist durch die Neufassung des gesetzlichen Tatbestandes nicht mehr erheblich. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift sollte ferner zugunsten des Rundfunks erfolgen, weil kein sachlich überzeugender Differenzierungsgrund dafür ersichtlich ist, die Presse bezüglich wettbewerbsrechtlicher Klagen besser zu stellen als andere Medien.499 1046
III. Medienprivilegierung im ProdHG 1048 Eine Privilegierung der Medien kommt weiterhin bei der grundsätzlich anzuerkennenden Haftung für verkörperte intellektuelle Leistungen nach § 1 ProdHG500 in Betracht. Im Hinblick darauf, dass für inhaltliche Fehler zunächst der jeweilige Urheber haftet, der als Hersteller des Produkts im Sinne des ProdHG anzusehen ist, kann sich ein Verlag bzw. ein anderes Medienunternehmen mit dem Enthaftungseinwand nach § 1 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. ProdHG entlasten, weil der Fehler der verkörperten intellektuellen Leistung durch die Anleitungen ihres Urhebers und Produktherstellers verursacht worden ist.501
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495 496 497 498 499
500 501
Hingewiesen wird auf den bestehenden Zeitdruck bei der Anzeigenveröffentlichung, die große Zahl inhaltlich unterschiedlichster Anzeigen und die Verantwortlichkeit des Inserenten für den Anzeigeninhalt. So Löffler, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT Anz Rn. 205 ff, 236 ff. Henning-Bodewig, GRUR 1985, S. 258, 261 ff. Löffler, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT Anz Rn. 238. BGH, GRUR 1992, S. 1010, 1011 – Pressehaftung. So Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Auflage 2009, § 9 Rn. 2.13; HenningBodewig, GRUR 1985, S. 264 f. Vgl. Cahn, NJW 1996, S. 2903. Zur umstrittenen Zulässigkeit dieses Einwands vgl. Oechsler in: Staudinger, Neubearbeitung 2009, § 2 ProdhHG, Rn. 73 ff. m.w.N.
A. Der Gegendarstellungsanspruch
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§ 19 Rechtsbehelfe
Den von der Medienberichterstattung Betroffenen stehen eine Reihe zivilrechtli- 1049 cher Rechtsbehelfe zur Verfügung, mit deren Hilfe diese ihren Standpunkt und ihre rechtlich geschützten Interessen zur Geltung bringen. Die Rechtsbehelfe sind zum Teil – wie der Gegendarstellungs- und der Rückrufanspruch - spezifisch medienrechtlicher Art und haben im allgemeinen Zivilrecht keine Parallele; zu einem anderen Teil bauen sie auf allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsbehelfen auf und erfahren durch das Medienrecht eine spezifische Ausprägung. Die nachfolgende Darstellung führt in die Art, die rechtlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der wichtigsten Rechtsbehelfe ein.
A. Der Gegendarstellungsanspruch Literatur Damm, Der Gegendarstellungsanspruch in der Entwicklung der neueren Rechtsprechung, Festschrift für Löffler, 1980, S. 31 ff.; Groß, Die Gegendarstellung im Spiegel von Literatur und Rechtsprechung, AfP 2003, S. 497 ff.; Gounalakis, Gegendarstellung bei gemischten Äußerungen, Festschrift für Georgiades, 2006, S. 187 ff.; Meyer in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar – Gesamtes Medienrecht, 2008, 41. Abschnitt; Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 1 ff.; Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch in Presse, Film, Funk und Fernsehen, 3. Auflage 1998.
Wird jemand durch eine Darstellung in den Massenmedien persönlich betroffen, 1050 so kann er verlangen, dass das Medium eine von ihm selbst verfasste Gegendarstellung in gleicher Weise veröffentlicht wie die Erstmitteilung. Dieser Gegendarstellungsanspruch ist ein Spezifikum des Medienrechts, das im allgemeinen Zivilrecht keine Entsprechung findet. Die Besonderheit des Anspruchs liegt darin, dass er rein formal ausgestaltet ist, also keinerlei Rechtsverletzung und weder eine unwahre noch eine ehrverletzende Darstellung voraussetzt. Das Gegendarstellungsrecht ist die medienrechtliche Regelung, mit der der Gesetzgeber versucht, in Ansehung der Erscheinungsformen der modernen Massenkommunikation einen wirksamen Schutz des einzelnen gegenüber der Berichterstattung in den Massenmedien zu gewährleisten. I. Rechtsnatur und Bedeutung Das Reichspressegesetz sah in seinen Vorläuferbestimmungen zum heutigen Ge- 1051 gendarstellungsanspruch keinen gerichtlich durchsetzbaren zivilrechtlichen Erfüllungsanspruch, sondern nur strafrechtliche Sanktionen für die Durchsetzung einer
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§ 19 Rechtsbehelfe
„Berichtigung“ vor.502 Deshalb wurde vielfach angenommen, das Schutzgut des Gegendarstellungsrechts sei die öffentliche Ordnung.503 Nachdem unter der Geltung der Landespressegesetze vermehrt angenommen wurde, dass ein zivilgerichtlich durchsetzbarerer Anspruch auf Gegendarstellung bestehe,504 anerkannte auch der BGH505 die zivilrechtliche Natur des Gegendarstellungsanspruchs. Seit 1964 ist überdies seine zivilgerichtliche Klagbarkeit in den einschlägigen Rechtsgrundlagen ausdrücklich verankert. Daher ist der zivilrechtliche Charakter des Anspruchs inzwischen allgemein anerkannt.506 Das Gegendarstellungsrecht hat eine doppelte Schutzrichtung: Einerseits dient 1052 es dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der von der Medienberichterstattung Betroffenen.507 Andererseits verhilft es dem öffentlichen Interesse an sachlich richtiger Information.508 Jeder einzelne kann als Konsequenz seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich selbst darüber befinden, wie er sich gegenüber der Öffentlichkeit darstellen will und ob bzw. inwieweit Dritte über seine Persönlichkeit verfügen können, indem sie sie zum Gegenstand öffentlicher Erörterungen machen509. Daher ist es gerechtfertigt, dem von der Medienberichterstattung Betroffenen eine Möglichkeit einzuräumen, an gleicher Stelle, mit derselben Publizität und vor demselben Forum mit einer eigenen Darstellung zu Wort zu kommen.510 Insofern stellt der Gegendarstellungsanspruch einen Ausgleich dafür dar, dass die Medien über persönlichkeitsrelevante Angelegenheiten berichten dürfen. Er dient folglich im Konflikt der Art. 1 und 2 GG mit Art. 5 GG vorwiegend dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen.511 Darüber hinaus gewährleistet die Gegendarstellungspflicht, dass dem öffentli1053 chen Informationsbedürfnis Rechnung getragen wird und neben dem Kritiker auch der Betroffene zu Wort kommt (Grundsatz des „audiatur et altera pars“)512. Inso502 503 504
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§ 11 i.V.m. § 19 Reichspressegesetz, RGBl. 1874, S. 65. Sog. öffentlich-rechtliche Theorie, vgl. Häntzschel, Reichspreßgesetz, 1927, S. 78. OLG Köln, NJW 1962, S. 48; Uhlitz, NJW 1962, S. 526; Groß, NJW 1963, S. 479, 480; Neumann-Duesberg, Arbeitstagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit, vgl. NJW 1962, S. 904; Löffler, NJW 1957, S. 714, 715. BGH, NJW 1963, S. 1155 - Geisterreigen. Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 1998, Rn. 10; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.27. Vgl. BVerfG, AfP 1998, S. 500 f. - Wehrmachtsausstellung; NJW 1998, S. 1381 f. – Gegendarstellung auf der Titelseite. BVerfG, NJW 1998, S. 1381 f. – Gegendarstellung auf der Titelseite. BVerfGE 63, S. 131 ff. – NDR-Staatsvertrag; zu den Ausprägungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts siehe oben Rn. 940 ff. BVerfG, NJW 1983, S. 1179 - NDR-Staatsvertrag; BGHZ 66, S. 182, 195 - Panorama. BVerfG, AfP 1998, S. 500, 501 - Wehrmachtsausstellung; NJW 1998, S. 1381, 1382 Gegendarstellung; NJW 1982, S. 1179, 1180; BGH, AfP 1979, S. 307, 309 - ExDirektor; NJW 1965, S. 1230 - Bamfolin; Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 41; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.28. BVerfGE 97, S. 125, 146 - Gegendarstellung; BGH, NJW 1963, S. 151 – Staatskarosse; NJW 1963, S. 1155 - Geisterreigen; NJW 1964, S. 1132, 1134 - Uhren-Weiß; NJW 1965, S. 1230 – Bamfolin; Sedelmeier in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 26.
A. Der Gegendarstellungsanspruch
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fern bedeutet das Gegendarstellungsrecht eine Ausgestaltung des durch Art. 5 Abs. 1 GG garantierten Rechts auf freie Meinungsäußerung,513 das ein Recht auf Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung beinhaltet.514 Der Gegendarstellungsanspruch findet seinen verfassungsunmittelbaren Gel- 1054 tungsgrund im Persönlichkeitsrecht und in der Meinungsäußerungsfreiheit. Er stellt deshalb einen das Medienrecht durchziehenden allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, der selbst dann gilt, wenn eine konkrete Gesetzesvorschrift fehlen sollte. 515 Allerdings verpflichtet der gebotene Schutz des Persönlichkeitsrechts den Gesetzgeber zu einem wirksamen Schutz des Einzelnen vor den Gefahren moderner Massenkommunikation und gebietet daher die Regelung eines Gegendarstellungsanspruchs.516 II. Rechtsgrundlagen Für die Gegendarstellungspflicht der Massenmedien findet sich keine einheitliche 1055 Rechtsgrundlage. Vielmehr bestehen in jedem Bundesland517 eigenständige Vorschriften, da die Gesetzgebungszuständigkeit für die Medien vorrangig bei den Ländern liegt.518 Darüber hinaus sind die Gegendarstellungsansprüche jeweils in verschiedenen, auf das betreffende Medium abgestimmten Gesetzen geregelt. So finden sich die einschlägigen Anspruchsgrundlagen in den Pressegesetzen, den Mediengesetzen oder auch den Rundfunkgesetzen und -staatsverträgen der Länder. Angesichts dieser Vielfalt der gesetzlichen Regelungen und des Umstandes, 1056 dass sie in Einzelheiten differieren, spielt das Auffinden der einschlägigen Rechtsgrundlage eine bedeutende Rolle. Da die meisten Medien Ländergrenzen überschreitende Verbreitung finden, hat in der Regel eine Auswahl unter mehreren in Frage kommenden Landesgesetzen zu erfolgen. Maßgeblich ist grundsätzlich der Veröffentlichungsort, d.h. der Ort, an dem das Medienerzeugnis nach dem Willen des Verfügungsberechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird519. Dies ist bei Druckwerken regelmäßig der Verlagsort520 und bei Sendungen 513 514
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Ebenso Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 43. Von Mangold/Klein/Starck, GG, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 22; SchmidtBleibtreu/Klein, GG, 10. Auflage 2004, Art. 5 Rn. 3. Ebenso Löffler, JZ 1956, S. 344, 345; Koebel, NJW 1963, S. 790, 791; Köbl, Entgegnungsanspruch, 1966, S. 118, 122; Bullinger, AfP 1991, S. 465, 466; a.A. Greiff, NJW 1963, S. 1137. BVerfGE 97, S. 125, 146 - Gegendarstellung; NJW 1987, S. 239, 250 - Nieders. LRundfunkG; NJW 1983, S. 1179 - NDR-StV. Vgl. die Übersicht bei Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 2 ff. Vgl. Art. 75 Nr. 2 GG für die Presse und Art. 70, 71, 74 GG für den Rundfunk. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.32 m.w.N.; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 45. Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 45; ausführlich Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 455.
382
§ 19 Rechtsbehelfe
der Ausstrahlungsort521. Diese Grundregel gilt für Rundfunkerzeugnisse allerdings nur insofern, als keine Sonderbestimmungen für die ausstrahlende Rundfunkanstalt bestehen (z. B. NDR-Staatsvertrag, ZDF-Staatsvertrag etc). Im europäischen Recht wird der Gegendarstellungsanspruch für die Ausstrah1057 lung von Fernsehprogrammen in der Richtlinie für audiovisuelle Kommunikation geregelt. Deren Art. 23 enthält die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Ausgestaltung eines gerichtlich durchsetzbaren Gegendarstellungsrechts oder gleichwertiger Maßnahmen zu treffen. Eine ähnliche Regelung enthält Art. 8 der vom Europarat beschlossenen Konvention "Fernsehen ohne Grenzen".522 Diese nur auf grenzüberschreitende Fernsehprogramme anwendbare Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet sicherzustellen, dass jede Person ein Gegendarstellungs- oder ähnliches Recht ausüben und dieses vor Gericht auch durchsetzen kann. III. Anspruchsvoraussetzungen 1. Anspruchsberechtigung 1058 Gegendarstellungsberechtigt ist "jede Person oder Stelle", die durch eine Medienmitteilung "betroffen"523 ist. Die allgemein gehaltene Formulierung "Person oder Stelle" zeigt, dass der Gesetzgeber den Kreis der Anspruchsberechtigten möglichst weit ziehen wollte.524 Personen sind danach nicht nur natürliche oder juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts, sondern auch sonstige Personenvereinigungen, die klagen und verklagt werden können (z.B. die Handelsgesellschaften des HGB)525. Nicht rechtsfähige Vereine, Gesellschaften oder Gruppen sind nach überwiegender Ansicht ebenfalls "Personen" in diesem Sinne526. Nicht von dieser Formulierung erfasst sind Verstorbene.527 "Stellen" sind in
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Bzw. der Unternehmenssitz, vgl. Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 246; OLG München, AfP 1997, S. 823, 824; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 457 m.w.N. Abgedruckt bei Ring, Medienrecht, E I. Bzw. “jede Person oder Behörde” und “unmittelbar betroffen” nach einzelnen Regelungen (z.B. dem bayerischen Pressegesetz), die im Ergebnis aber keinen Unterschied machen (dazu unten). Allg. M.: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 47; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.71; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 59. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 24 Rn. 1. Str. für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts; vgl. Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 53 f.; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.71; OLG Köln, AfP 1971, S. 173; Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 48, der sie allerdings unter "Stellen" subsumiert. OLG Hamburg, AfP 1994, S. 322; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, S. 599; kritisch dazu Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 134.
A. Der Gegendarstellungsanspruch
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erster Linie Behörden sowie alle Körperschaften, Organisationen und Anstalten, soweit sie nicht unter den Begriff der "Personen" fallen.528 Anspruchsberechtigt ist nur, wer durch die Veröffentlichung individuell "be- 1059 troffen" ist. Ein derartiges Betroffensein setzt keine Rechtsverletzung voraus,529 sondern lässt eine bloße Berührung in der eigenen Interessensphäre ausreichen, wenn die Person oder Stelle zu der mitgeteilten Tatsache in einer individuellen Beziehung steht.530 Ein solches eigenes Berührtsein ist zunächst immer dann zu bejahen, wenn über die Person oder Stelle selbst berichtet wird.531 Darüber hinaus kann eine Person (oder Stelle) auch bei einer Veröffentlichung über ihr nahestehende Personen in der eigenen Interessensphäre berührt sein, wenn diese Berichterstattung auf die eigenen Verhältnisse des Anspruchsstellers ausstrahlt. Das Erfordernis des individuellen Berührtseins dient der Vermeidung von "Po- 1060 pular-Gegendarstellungsverlangen".532 Daher berechtigt eine nur generelle Betroffenheit als Angehöriger eines größeren Personenkreises (wie z.B. als Europäer, Raucher, Parteimitglied) nicht zur Gegendarstellung. 533 Wer von einer Berichterstattung betroffen ist, beurteilt sich nach dem Verständnis eines unbefangenen Lesers. Betroffen kann deshalb auch jemand sein, den das Medium mit seiner Äußerung gar nicht gemeint hat.534 2. Materielle Voraussetzungen Der Gegendarstellungsanspruch setzt in materieller Hinsicht voraus, dass
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1. in einem periodischen Druckwerk oder einer bestimmten Sendung 2. eine den Anspruchsteller betreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt wurde und 3. der Anspruch nicht mangels berechtigten Interesses oder anderer Gründe ausgeschlossen ist, ferner 4. eine form- und inhaltsgerechte Gegendarstellung vorliegt sowie 5. ein Gegendarstellungsverlangen dem Anspruchsgegner zugeleitet wurde. a) Veröffentlichung Eine Gegendarstellung ist nur zu Erstmitteilungen möglich, die in einem "periodi- 1062 schen Druckwerk" bzw. in einer bestimmten "Sendung" veröffentlicht worden sind. Unter den Begriff der periodischen Druckwerke fallen nach den Legaldefini528
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Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.74; vgl. OLG Karlsruhe, AfP 1998, S. 66, 67. Vgl. nur BVerfG, NJW 1998, S. 1381, 1383 – Gegendarstellung. Vgl. OLG Hamburg, AfP 1982, 232, 233; OLG Frankfurt, AfP 1984, S. 222, 225; Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 54. Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 57. Scheer, Deutsches Presserecht, 1966, S. 264. Vgl. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.81. OLG Hamburg AfP 1986, S. 137; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 62, 66; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.77, 83.
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§ 19 Rechtsbehelfe
tionen der Landespressegesetze "alle Zeitungen, Zeitschriften und andere in ständiger, wenn auch unregelmäßiger Folge und im Abstand von nicht mehr als 6 Monaten erscheinende Druckwerke."535 Diese Definition gilt unabhängig von dem Charakter der Publikation (auch Agenturtexte, wissenschaftliche Publikationen u.s.w.) und der Auflagenstärke.536 Für den Bereich des Rundfunks sind die Anforderungen an die Ver1063 öffentlichungsform noch geringer, die einschlägigen Gesetze fordern lediglich die Verbreitung in einer Sendung. Da hierunter jede Übertragung durch Hörfunk oder Fernsehen verstanden wird, ist der Anwendungsbereich nahezu unbegrenzt. b) Tatsachenbehauptung 1064 Die Gegendarstellung kann sich nur auf eine aufgestellte Tatsachenbehauptung beziehen, die der Öffentlichkeit bereits zur Kenntnis gebracht worden sein muss.537 Aufgrund der formalen Ausgestaltung des Anspruchs ist irrelevant, ob diese Behauptung wahr oder unwahr ist, ob sie beleidigenden Charakter hat oder nicht.538 Auch muss es sich nicht notwendigerweise um eine eigene Mitteilung des Mediums handeln. Um das Recht auf Gegendarstellung nicht auszuhöhlen,539 genügt die Wiedergabe einer fremden Mitteilung.540 Die Behauptung muss nicht einmal ausdrücklich ausgesprochen werden, da ein sich zwischen den Zeilen ergebender Eindruck bei ausreichenden Bezugspunkten ebenfalls gegendarstellungsfähig ist.541 Dass eine Tatsachenbehauptung sogar im Wege einer Bildnisveröffentlichung aufgestellt werden kann, wird beispielsweise bei Fotomontagen deutlich.542 Besonderheiten gelten für mehrdeutige Äußerungen, denen verdeckte Aussagen 1065 unterlegt sein können. Das BVerfG hat insofern dafür erkannt, dass erhebliche Risiken der Medien für eine Inanspruchnahme auf Gegendarstellung bestünde, würde der Gegendarstellungsanspruch sich auf jede nicht fern liegende Deutung einer Äußerung beziehen und selbst auf nicht fernliegende Annahmen einer verdeckten Aussage erstreckt. Es hat wegen der damit einhergehenden Gefahren für die Medienfreiheiten entschieden, dass Äußerungen mit solchen Inhalten nicht als gegen-
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Z.B. § 11 LPG NRW; § 6 LPG Berlin / Mecklenburg-Vorpommern / Sachsen-Anhalt / Thüringen; §§ 6, 7, 19 BayLPG; § 4 LPG Hessen; §§ 6, 15 LPG Sachsen; § 7 LPG Baden-Württemberg. Zwar setzt § 6 II BayPG voraus, dass die Auflage 500 Exemplare übersteigt, stellt aber eine nicht übertragbare Sonderregelung dar. Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 289. BGH, NJW 1965, S. 1230; NJW 1964, S. 1133, 1134; NJW 1963, S. 151; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 641. OLG Frankfurt, AfP 1985, S. 288, 290; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 487. OLG München, ArchPR 1974, S. 108; v. Dewall, Gegendarstellungsrecht, 1973, S. 34; OLG Düsseldorf, AfP 1976, S. 194; zur Einordnung von Zitaten siehe bereits oben Rn. 185. OLG Frankfurt, AfP 1980, S. 38, 39; OLG Köln, AfP 1985, S. 64, 66; OLG München, AfP 1987, S. 604, 605. OLG München, AfP 1973, S. 483, 485.
A. Der Gegendarstellungsanspruch
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darstellungsfähig anzusehen sind, die sich als nicht „nicht fernliegende Deutung“ oder gar als „nicht fernliegender Eindruck“ verstehen.543 Die Beschränkung des Anspruchs auf Tatsachen verhindert, dass bei der Be- 1066 richterstattung ständig vorkommende Wertungen angegriffen und so die Medientätigkeit lahmgelegt werden kann.544 Allerdings ist diese Beschränkung nicht unumstritten,545 zumal in anderen Staaten eine Gegendarstellung auch gegen Meinungsäußerungen möglich ist.546 Anzeigen bzw. Werbung, die ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr die- 1067 nen, sind grundsätzlich nicht gegendarstellungsfähig.547 Damit wird vermieden, dass Konkurrenzunternehmen oder politische Parteien in einen „Medienkrieg“ eintreten, indem sie Anzeigen und Werbung als Gegendarstellung präsentieren; da deren Veröffentlichung grundsätzlich kostenfrei zu erfolgen hat, könnten die Beteiligten so politische Propaganda verbreiten auf Kosten von Zeitungen und Rundfunk verbreiten.548 Allerdings ist diese Grenze der Gegendarstellungsfähigkeit umstritten, soweit eine entsprechende gesetzliche Ausschlussregel nicht vorhanden ist.549 Seinem Sinn, einen kostenlosen „Medienkrieg“ von Unternehmen und Parteien zu unterbinden, kann bereits durch die Pflicht zur Tragung der üblichen Annoncekosten Rechnung getragen werden.550 Hinsichtlich der Abgrenzung von Tatsachen gegenüber Werturteilen ist auf die 1068 von Literatur und Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätze des Äußerungsrechts zurückzugreifen,551 wonach die Tatsachenbehauptung dem Beweise zugänglich, d.h. objektiv „wahr oder unwahr“ sein muss.552 c) Fehlen von Ausschlussgründen Der Gegendarstellungsanspruch besteht nur dann, wenn keine besonderen Aus- 1069 schlussgründe vorliegen. Im Vordergrund steht hierbei das Fehlen eines berechtigten Interesses an der Veröffentlichung der Gegendarstellung. Dieser Aus543 544
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BVerfG v. 19.12.1007 – 1 BvR 967/05, Tz. 36 ff., 42. Vgl. dazu auch Wenzel, AfP 1971, S. 161; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 25 Rn. 9; Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 88. Vgl. die Auseinandersetzungen anlässlich des 58. Deutschen Juristentages 1990, insbesondere das Gutachten von Stürner; außerdem den Tagungsbericht in: ZUM 1990, S. 564 f. Vgl. Haase-Becher, Gegendarstellungsanspruch in rechtsvergleichender Sicht, 1969; Löffler/Golsong/Frank, Gegendarstellungsrecht in Europa, 1974. Vgl. Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 68 ff. Vgl. Scheer, Deutsches Presserecht, 1966, Seite 265. Vgl. Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 286; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 25 Rn. 7; a.A. Sedelmeier in: Löffler, Presserecht, 1966, § 11 LPG Rn. 71. Diese Kostenpflicht ist in fast allen Gegendarstellungsnormen vorgesehen. Wo sie fehlt, werden in der Praxis dennoch die Insertions- bzw. Werbekosten verlangt; vgl. Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, 3. Auflage 2008, Rn. 936 ff. Siehe hierzu bereits oben Rn. 176 ff. BGH, NJW 1997, S. 1148, 1149 – Chefarzt; NJW 1996, S. 1131, 1133 – Lohnkiller; NJW 1993, S. 930. 931 – Fellhandel.
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§ 19 Rechtsbehelfe
schlussgrund ist in den meisten Presse- und Rundfunkbestimmungen ausdrücklich geregelt;553 wo eine solche Bestimmung fehlt,554 wird er aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitet.555 Das berechtigte Interesse kann zunächst wegen Belanglosigkeit der gewünschten Gegendarstellung fehlen, wenn diese also z.B. nur für die Berichterstattung völlig unerhebliche Korrekturen enthielte. Auch Gegendarstellungen, die eine bloße Wiederholung der Erstmitteilung darstellen556 oder die bereits in der Veröffentlichung gleichgewichtig enthalten sind,557 können für belanglos gehalten werden. Eine Berichtigung der Erstmitteilung in allen relevanten Punkten kann das berechtigte Interesse entfallen lassen, sofern damit jeder Anschein der Richtigkeit beseitigt wurde.558 Bei der Beurteilung des berechtigten Interesses kommt es nicht nur auf das Verständnis eines unbefangenen Beobachters, sondern im Sinne des wirksamen Grundrechtsschutzes auch auf das Selbstverständnis des Betroffenen an. Es ist folglich im Einzelfall zu beurteilen, ob nachvollziehbare Interessen gerade des Betroffenen berührt sind. So kann z.B. eine unzutreffende Altersangabe grundsätzlich ohne Belang sein, bei einem Teenager im Hinblick auf seine Minder- oder Volljährigkeit aber eine erhebliche Bedeutung haben. Obwohl es wegen des formellen Charakters des Gegendarstellungsrechts grundsätzlich nicht auf den Wahrheitsgehalt der Erstmitteilung oder der Entgegnung ankommt,559 kann das Medium doch die Veröffentlichung einer offensichtlich unwahren Gegendarstellung ablehnen. Da das Gericht hierüber keinen Beweis erhebt, muss die Unwahrheit für den Durchschnittsleser klar auf der Hand liegen.560 Dies ist anzunehmen, wenn die Behauptung offenkundig oder gerichtsbekannt unwahr ist, § 291 ZPO.561 Zu verneinen ist ein berechtigtes Interesse schließlich, wenn die Gegendarstellung irreführend ist, d.h. bei dem Leser einen Eindruck hervorruft, der mit der Wahrheit nicht in Einklang steht.562 Ebenso wäre eine Gegendarstellung irreführend, die sich gegen die Behauptung eines Dritten wendet, aber durch ihre
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Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Schleswig-Holstein, Berlin, Hamburg, Sachsen. Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt. BGH, NJW 1965, S. 1230; v.Dewall, Gegendarstellungsrecht, 1973, S. 35; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.51 ff. Vgl. OLG Hamburg, AfP 1978, S. 25. Vgl. LG Düsseldorf, AfP 1992, S. 315; kritisch Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 492 f. LG Köln, AfP 1992, S. 389, 390. Siehe bereits oben; BVerfG, AfP 1993, S. 474 f.; OLG Karlsruhe, AfP 1992, S. 373 f. OLG Karlsruhe, AfP 1977, S. 356, 357; OLG Hamburg, AfP 1980, S. 104, 105 und AfP 1979, S. 400, 401; OLG Hamburg, NJW-RR 1994, S. 1179, 1180; OLG München, ZUM 1998, S. 846, 848; KG, ArchPR 1974, S. 109, 110. OLG Karlsruhe, AfP 1992, S. 373, 375. OLG Dresden, AfP 2002, S. 55.
A. Der Gegendarstellungsanspruch
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Formulierung den Eindruck erweckt, als habe die Redaktion selbst das Urteil abgegeben.563 Die Gegendarstellung darf darüber hinaus auch keinen strafbaren Inhalt haben. 1074 Mit dieser Inhaltsbeschränkung soll sichergestellt werden, dass der Anspruchsgegner durch die Gegendarstellungspflicht nicht gezwungen werden kann, eine strafbare Handlung zu begehen. Ein "strafbarer Inhalt" ist gegeben, wenn der Text einer Gegendarstellung den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt und rechtswidrig ist.564 Darüber hinaus kann im Anschluss an das Lebach-Urteil des BVerfG565 auch dann ein Ausschluß des Gegendarstellungsrechts angenommen werden, wenn das Persönlichkeitsrecht eines unbeteiligten Dritten durch Abdruck der Gegendarstellung in ungerechtfertigter Weise verletzt würde.566 In den meisten gesetzlichen Regelungen des Gegendarstellungsanspruchs567 ist 1075 ausdrücklich verankert, dass der Anspruch ausgeschlossen ist, wenn er sich gegen wahrheitsgetreue Berichte über öffentliche Sitzungen von Parlamenten und Gerichten richtet. Zweck dieser Privilegierung ist der Schutz der Berichterstattung über besonders wichtige Erörterungen des öffentlichen Interesses.568 Wahrheitsgetreu ist der Bericht, wenn er den Beratungsgegenstand im Wesentlichen vollständig und richtig wiedergibt, wobei er weder wortgetreu noch lückenlos zu sein braucht.569 Gibt er den Inhalt der Verhandlung einseitig, tendenziös oder unvollständig wieder, liegt keine wahrheitsgetreue Berichterstattung vor.570 Macht der Anspruchsteller dies geltend, so ist die Gegendarstellung zulässig, ohne dass eine materielle Wahrheitsfindung erfolgt. 571 d) Form- und inhaltsgerechte Gegendarstellung Der Anspruchsteller hat dem Anspruchsgegner eine form- und inhaltsgerechte 1076 Gegendarstellung zu übermitteln. Sie muss zunächst schriftlich fixiert, d.h. in Form von Schrift oder Bild niedergelegt sein. Eine mündlich oder fernmündlich vorgebrachte Gegendarstellung wird nicht veröffentlicht. 572 Darüber hinaus muss die Gegendarstellung unterzeichnet sein. Dabei ist umstritten, ob die Unterschrift handschriftlich vollzogen werden muss oder ob auch eine technisch per Fax, Tele563 564
565 566 567 568 569
570 571
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OLG Düsseldorf, AfP 1976, 194. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 25 Rn. 20; Sedelmeier in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 114 ff. BVerfGE 35, S. 202, 221. Siehe dazu LG Oldenburg, AfP 1986, S. 299, 300. Ausnahme: § 10 VI Sachsen; in Bayern fehlt diese Regelung gänzlich. OLG Hamburg, AfP 1977, S. 240, 241. OLG Karlsruhe, AfP 1984, S. 114; Sedelmeier in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 75. LG Berlin, AfP 1992, S. 177, 178 - Mauerschützen. H.M.; LG Berlin, AfP 1992, S. 177, 178; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 1998, Rn. 282; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn 11.60 ff.; Sedelmeier in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 76; alle unter Ablehnung eines Urteils des Hanseatischen OLG, AfP 1979, S. 361. Sedelmeier in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 138.
388
§ 19 Rechtsbehelfe
gramm oder Fernschreiber übermittelte Unterschrift genügt. Nach einer älteren Ansicht wird eine eigenhändige Unterschrift "ein übertriebener Formalismus" angesehen, der über den Sinn der Unterschrift, nämlich den Verfasser zu identifizieren, hinausgehe.573 Dieser Ansicht wird heute überwiegend widersprochen, da eine handschriftliche Unterschrift bei einer höchstpersönlichen Erklärung wie der Gegendarstellung unentbehrlich sei.574 Nur durch eigenhändige Unterschrift könne die Verantwortlichkeit für den Inhalt der Gegendarstellung kenntlich gemacht werden.575 Vereinzelt wird auch die Übermittlung eines Gegendarstellungsverlangens per Telefax als unzureichendes Gegendarstellungsverlangen angesehen, da dieses nicht dem Schriftformerfordernis des Pressegesetzes entspreche.576 Diese Auffassung lässt allerdings unberücksichtigt, dass beim Telefax - im Gegensatz zum Fernschreiben oder Telegramm - eine exakte bildliche Wiedergabe der Originalunterschrift erstellt wird.577 Die Übersendung per Telekopie bzw. Fax ist somit einer Übersendung des Originals gleichzusetzen und als zulässig zu erachten.578 Umstritten ist ferner, ob die Gegendarstellung von dem Betroffenen persönlich 1077 unterzeichnet werden muss oder ob eine Stellvertretung möglich ist. Die meisten Regelungen sehen vor, dass gewillkürte Stellvertretung nicht zulässig ist;579 lediglich die Unterzeichnung durch den Betroffenen selbst oder seinen gesetzlichen Vertreter ist zugelassen.580 Wo keine ausdrückliche Regelung besteht, ist eine gewillkürte Vertretung mit der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ausgeschlossen.581 Nach seinem Ursprung ist der Gegendarstellungsanspruch ein höchstpersönlicher Anspruch, der keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sondern eine persönliche Aussage ermöglicht.582 Die Gegendarstellung enthält regelmäßig fünf Teile: Auf die Überschrift „Ge1078 gendarstellung“ folgen die Anknüpfung an die Erstmitteilung und deren Wiedergabe; sodann folgen die Erwiderung und die Unterzeichnung. Die beanstandete 573
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Köbl, Entgegnungsanspruch, 1966, S. 57; Häntzschel, Reichspreßgesetz, 1927, S. 78; v.Dewall, Gegendarstellungsrecht, 1973, S. 39. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 25 Rn. 18; OLG Hamburg, AfP 1971, S. 37; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.147; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 177. Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 176. Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 177; OLG Hamburg, NJW 1990, S. 1613 und AfP 1989, S. 746. OLG Saarbrücken, AfP 1992, S. 287, 288; BFH, NJW 1982, 2520. Ebenso OLG Saarbrücken, AfP 1992, S. 387; OLG München, AfP 1991, S. 531; LG Köln, AfP 1995, S. 684, 685. So dann auch OLG Hamburg, AfP 1979, S. 405; OLG München, AfP 1976, S. 88; OLG Schleswig, AfP 1982, S. 45. In Thüringen und Hessen ist nicht einmal die Unterschrift des gesetzlichen Vertreters zugelassen. Vgl. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.147; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 192. Zu beachten ist jedoch die gegenteilige Rechtsprechung des KG Berlin, des OLG Bremen und des OLG Celle; vgl. die Nachweise bei Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 191.
A. Der Gegendarstellungsanspruch
389
Mitteilung ist genau zu bezeichnen,583 um für den Rezipienten die Gefahr von Missverständnissen auszuschließen. Die Gegendarstellung darf nur Tatsachen enthalten. Nach dem Schutzzweck des Gegendarstellungsrechts sollen nur „Tatsachen gegen Tatsachen“, nicht Werturteile gegen Werturteile gestellt werden. 584 Schließlich darf der Umfang der Gegendarstellung nicht unangemessen sein, 1079 was anhand des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen ist. Grundsätzlich kann der Umfang der beanstandeten Erstmitteilung als Orientierung für die Gegendarstellung dienen.585 Ist sie umfangreicher, kommt es darauf an, ob dies zur verständlichen und konzentrierten Stellungnahme erforderlich ist.586 Bei der Formulierung der Gegendarstellung ist zu beachten, dass von der herr- 1080 schenden Meinung das „alles-oder-nichts“-Prinzip vertreten wird, nach der bereits eine unzulässige Formulierung den Anspruch als Ganzes scheitern lässt.587 e) Zuleitung des Veröffentlichungsverlangens Die Medien sind schließlich erst dann zur Veröffentlichung verpflichtet, wenn ih- 1081 nen neben der Gegendarstellung selbst auch ein Veröffentlichungsverlangen zugegangen ist. Diese geschäftsähnliche Handlung ist an keine Form gebunden, sie kann daher sowohl schriftlich als auch mündlich oder konkludent erfolgen. 588 Da erst mit Zugang von Gegendarstellung sowie Veröffentlichungsverlangen der Anspruch entsteht, stellt dies eine materiellrechtliche und keine prozessrechtliche Voraussetzung dar.589 Deren Zuleitung ist Realakt und ist daher nach § 130 BGB analog zu beurteilen.590 Die Gegendarstellung muss „unverzüglich“, d.h. nach § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB 1082 „ohne schuldhaftes Zögern“ zugeleitet werden. Dabei ist dem Betroffenen nach Kenntnisnahme der Erstmitteilung eine angemessene Frist zur Überlegung und Beratung einzuräumen, die sich nach den Umständen des Einzelfalles bemisst.591 Darüber hinaus findet sich regelmäßig eine Bestimmung, nach der auch ohne 583 584 585
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Dies ist in den einschlägigen Rechtsgrundlagen unterschiedlich geregelt. OLG Hamburg, AfP 1978, S. 155; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.38. OLG Düsseldorf, AfP 1980, S. 160; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 232; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.139 f. OLG Hamburg, ZUM 1990, S. 581, 582. OLG Hamburg, ZUM 1995, S. 887; AfP 1989, S. 465; OLG Karlsruhe, AfP 1994, S. 317; OLG München, AfP 1998, S. 89, 90; OLG Celle, NJW 1953, S. 1767; OLG Oldenburg, AfP 1986, S. 84, 86; a.A. neuerdings OLG München, NJW-RR 1998, S. 1632, 1633; ZUM-RD 1999, S. 8, 11; früher schon OLG Frankfurt, AfP 1985, S. 288, 291; OLG Celle, NJW-RR 1995, S. 794; vgl. auch Rn. 1089. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 25 Rn. 25; OLG Schleswig, AfP 1982, S. 45. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.158; ausführlich hierzu Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 573 ff. Vgl. Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 156. Als Richtschnur kann aber nach OLG Hamburg, AfP 1994, S. 225 gelten, dass eine Zuleitung innerhalb von 2 Wochen jedenfalls als rechtzeitig zu bewerten ist. Vgl. auch BVerfG, NJW 1983, S. 1179.
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§ 19 Rechtsbehelfe
schuldhaftes Zögern die Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs nach bestimmter Wochenfrist ausgeschlossen ist. Wo eine Ausschlussfrist fehlt, gelangt die sog. "Aktualitätsgrenze" zur Anwendung.592 Danach muss die Berichterstattungsangelegenheit objektiv betrachtet noch so aktuell sein, dass sie noch nicht aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit geraten ist.593 Sie wird regelmäßig bei etwa drei Monaten angenommen, wobei für den Fristbeginn der Tag der Veröffentlichung der Erstmitteilung maßgeblich ist.594 IV. Die Veröffentlichungspflicht 1083 Dem Anspruch des Berechtigten korrespondiert die Pflicht zur Veröffentlichung der Gegendarstellung. Form und Ort der jeweils zu veröffentlichenden Gegendarstellung sind in den verschiedenen Normen ähnlich geregelt. Es gilt der Grundsatz der Waffengleichheit, nach dem der Betroffene dieselbe Möglichkeit der Einwirkung auf das Publikum erhalten soll, die auch der Verfasser der Erstmitteilung besessen hat.595 Um eine alsbaldige Publizierung der Gegendarstellung zu ermöglichen, ist vor1084 gesehen, dass sie unverzüglich in der "nächstfolgenden Ausgabe bzw. Sendung" erfolgen muss. Damit muss sie nach einer kurzen Überlegungsfrist in die nächste noch nicht abgeschlossene Ausgabe eines Presseerzeugnisses eingefügt werden.596 Sie muss dann "im gleichen Teil des Druckwerks oder der Sendung" platziert werden. So wird gewährleistet, dass die Gegendarstellung den gleichen Empfängerkreis wie die Erstmitteilung hat. Nach dem Grundsatz der Waffengleichheit kann sogar ein Abdruck auf der Titelseite nötig sein, wenn hier auch die beanstandete Erstmitteilung stand.597 War die Erstmitteilung im Inhaltsverzeichnis angegeben, kann auch eine dortige Ankündigung der Gegendarstellung verlangt werden.598 Um dieselbe optische Wirkung zu erzielen, muss die Gegendarstellung in glei1085 cher Schrift und Aufmachung wie die Erstmitteilung veröffentlicht werden. Auf das Angebot, statt der Gegendarstellung einen Leserbrief bzw. ein Interview zu
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Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 149. OLG München, AfP 1998, S. 373. OLG München, NJW-RR 1989, S. 180; AfP 1988, S. 269, 270; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.165; längere Fristen befürwortend Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 574-577. Reumann, Waffengleichheit in der Gegendarstellung, 1971, S. 10; OLG Hamburg, ZUM 1986, S. 403, 404; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1996, S. 728, 729. OLG Hamburg, AfP 1973, S. 108; OLG München, AfP 1973, S. 232; vgl. auch OLG München, AfP 1992, S. 158. Der frühere Streitstand hierzu ist seit BVerfG, NJW 1998, S. 1381, 1382, 1384 geklärt; ausführlich dazu Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 593 ff. BVerfG, NJW 1998, S. 1381, 1384; OLG Hamburg, AfP 1992, S. 278; 1977, S. 245; 1974, S. 113, 114; insoweit enger OLG München, NJW 1995, S. 2297.
A. Der Gegendarstellungsanspruch
391
veröffentlichen, muss der Betroffene nicht eingehen.599 Das Medium ist verpflichtet die Gegendarstellung ohne Einschaltungen und Weglassungen abzudrucken.600 Nicht untersagt ist, im Anschluss an die Gegendarstellung einen sog. Redakti- 1086 onsschwanz abzudrucken. Darin kann sich der Verpflichtete von der Gegendarstellung inhaltlich distanzieren. Er hat aber die Einschränkungen dieses Redaktionsvorbehalts zu beachten, dass dieser sich auf tatsächliche Angaben beschränken muss (- anders nur in Bayern, wo auch Meinungsäußerungen möglich sind) und ein Glossierungsverbot einzuhalten hat.601 Da in den Medien dem "letzten Wort" besonderes Gewicht zukommt und entsprechende Meinungsäußerungen die Gegendarstellung entwerten könnten, ist ein solches Glossierungsverbot gerechtfertigt.602 Für die elektronischen Medien regelt § 56 Abs. 1 Satz 5 RStV, dass die Erwiderung auf die Gegendarstellung auf tatsächliche Angaben beschränkt sein muss und nicht unmittelbar mit der Gegendarstellung verknüpft werden darf. V. Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs Für die gerichtliche Durchsetzung ist nach den Gegendarstellungsvorschriften 1087 ausdrücklich der Zivilrechtsweg eröffnet. Der Anspruch ist in einem besonderen Schnellverfahren geltend zu machen, auf das die Vorschriften über die einstweilige Verfügung (§§ 935 f. ZPO) entsprechend anzuwenden sind.603 Die Dringlichkeit des Anspruchs muss daher ebenso wenig wie der Wahrheitsgehalt nach den §§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht werden.604 Da es sich um einen nicht vermögensrechtlichen Anspruch handelt, dessen Streitwert in der Regel 5.000.- Euro übersteigt, ist das Langgericht sachlich zuständig (§§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG).605 Für die örtliche Zuständigkeit gilt nach § 12 ZPO der allgemeine Gerichtsstand, d.h. der Wohnsitz (§ 13 ZPO) oder der Geschäftssitz (§ 17 ZPO) des Anspruchsverpflichteten.606 Ein viel diskutiertes Problem betrifft die Zulässigkeit von Änderungen der Ge- 1088 gendarstellung im Verfahren.607 Die Frage wird aktuell, wenn während des Verfahrens klar wird, dass Teile der Gegendarstellung fehlerhaft sind. Eine nachträg599 600
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Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 178. OLG Frankfurt, NJW 1965, S. 2163; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 432, 710; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.182. Eine Ausnahme bilden orthographische oder grammatikalische Fehler. Vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2006, S. 484. Vgl. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.199 ff. BGH, NJW 1968, S. 792; Ausnahmen gelten in Bayern, Hessen und Sachsen, wo auch ein Hauptverfahren möglich ist. BVerfG, AfP 1993, S. 474, 476; BGH, NJW 1968, S. 792, 793. BGH, NJW 1965, S. 1230, 1231; NJW 1969, S. 151; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 28 Rn. 4. Der „fliegende Gerichtsstand“ der Medien bei den übrigen zivilrechtlichen Ansprüchen gilt nach h.M. nicht, vgl. Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 586 m.w.N. Vgl. die Nachweise bei Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 558-587.
392
§ 19 Rechtsbehelfe
liche Änderung der Gegendarstellung durch das Gericht wird überwiegend unter Hinweis auf das „alles-oder-nichts“-Prinzip und mit der Erwägung abgelehnt, eine Gegendarstellung könne als höchstpersönliche Erklärung nicht vom Gericht ersetzt werden könne.608 Da dies zu einem hohen Zeit- und Geldverlust in einem erneuten Verfahren führt, sollte es dem Gericht aber nach vorzugswürdiger Ansicht zumindest möglich sein, die Parteien auf Mängel hinzuweisen, die es für bedenklich hält.609 Hält das Gericht den Antrag schließlich für zulässig und begründet, ordnet es 1089 die Veröffentlichung des vorgelegten Gegendarstellungstextes an und stellt diese Abdruckanordnung gem. § 929 Abs. 2 ZPO zu. Das Gericht kann gemäß § 938 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen bestimmen, welche Modalitäten der Veröffentlichung (Platzierung, Schriftgröße etc.) erforderlich sind.610 Es empfiehlt sich daher für den Betroffenen, die gewünschte Art und Weise der Gegendarstellung in seinen Antrag mit aufzunehmen, um diese in der Beschlussformel wiederzufinden. Kommt der Verpflichtete der Anordnung nicht nach, kann die Veröffentlichung 1090 als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO durch Zwangsgeld erzwungen werden. Eine Revision findet gemäß § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht statt. 611 VI. Verhältnis zu anderen Ansprüchen 1091 Neben dem medienspezifischen Gegendarstellungsanspruch kann der von einer Veröffentlichung Betroffene weitere Ansprüche geltend machen.612 Diese Ansprüche spielen in der Praxis neben dem Gegendarstellungsanspruch eine erhebliche Rolle. Zu unterscheiden sind insbesondere der Anspruch auf Unterlassung, der Anspruch auf Widerruf und der Anspruch auf Schadensersatz. Im Unterschied zum Gegendarstellungsanspruch können sie nur durch ehrverletzende und unwahre Mitteilungen ausgelöst werden.613 Der Anspruch auf Unterlassung aus § 1004 BGB, der einen Schutz gegen ehr1092 kränkende und unwahre Tatsachenbehauptungen gewährt, kann sowohl im Verfügungsverfahren, als auch im normalen Klageverfahren durchgesetzt werden. Er ist grundsätzlich kumulativ anwendbar,614 wobei allerdings nach erfolgreicher Geltendmachung eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs die Notwendigkeit einer Gegendarstellung entfällt. Der Gegendarstellungsanspruch kann nicht zusammen mit dem Unterlassungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung 608
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614
Vgl. Meyer, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 41. Abschnitt Rn. 72; Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 208 ff. Kritisch zum „alles-oder-nichts“-Prinzip Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 447 ff. und 618 ff. OLG Hamburg, AfP 1977, S. 245; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 11.266 ff. BGH, NJW 1965, S. 1230. Näher zu den zivilrechtlichen Ansprüchen unten Rn. 1095 ff. BVerfG, NJW 1998, S. 1381, 1383 – Gegendarstellung; BGH NJW 1963, S. 151 – Staatskarosse; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 13. Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 17.
B. Der Unterlassungsanspruch
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geltend gemacht werden, da das Gegendarstellungsverfahren ein solches eigener Art ist.615 Der Anspruch auf Berichtigung, der sich ebenfalls aus § 1004 BGB ergibt, 1093 knüpft an die Unrichtigkeit einer Veröffentlichung die Verpflichtung zur Bekanntgabe des objektiv richtigen Sachverhalts. Da hier die Berichtigung nicht von der betroffenen Person, sondern von dem Medium selbst verfasst wird, stellt dies eine Richtigstellung der Erstmitteilung dar, die über den Gegendarstellungsanspruch hinaus geht. Daher ist der Berichtigungsanspruch neben der Gegendarstellung durchsetzbar.616 Umgekehrt braucht das verpflichtete Medium nach Veröffentlichung einer Berichtigung der beanstandeten Behauptung nicht auch noch eine Gegendarstellung abzudrucken, da für diese das berechtigte Interesse fehlt.617 Bei dem Anspruch auf Schadenersatz wegen unwahrer Behauptungen in den 1094 Medien wird zwischen Schadensersatz für materielle und immaterielle Schäden unterschieden.618 Auch er ist neben dem Gegendarstellungsanspruch anwendbar, wobei allerdings eine abgedruckte Gegendarstellung schadensmindernde Wirkung haben kann.619 Schadensersatzansprüche, Geldentschädigung und Bereicherungsansprüche stehen nebeneinander,620 da der materielle Schadenersatz Ausgleich für einen tatsächlich entstandenen Schaden darstellt, während die Geldentschädigung der Genugtuung und Prävention für Persönlichkeitsrechtsverletzungen dient und daher ganz verschiedene Rechtsgüter geschützt werden. Daneben ist zusätzlich ein Bereicherungsausgleich möglich.
B. Der Unterlassungsanspruch Literatur Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Auflage 2008, Rn. 921 ff.; Meyer in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 42. Abschnitt; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, 12. Kapitel; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, 12. Kaptitel.
Neben dem Gegendarstellungsanspruch kommt dem Unterlassungsanspruch die 1095 größte Bedeutung im Zusammenhang mit der Medienberichterstattung zu. Der Anspruch kann zur Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen geltend gemacht werden, er kann aber auch schon bei bevorstehenden Rechtsverletzungen geltend gemacht werden (sog. vorbeugender Unterlassungsanspruch); er kann im Wege 615
616 617
618 619 620
Vgl. Meyer, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 41. Abschnitt Rn. 67; Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 189. Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 17. So Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage 1998, Rn. 269, 499 m.w.N.; differenzierend Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 66. Vgl. zu den Voraussetzungen sogleich unter Rn. 1135 ff. BGH, NJW 1965, S. 685, 686; NJW 1976, S. 1198, 1202. BGH, NJW 1959, S. 1269; OLG München, ZUM 1996, S. 160, 163.
394
§ 19 Rechtsbehelfe
der einstweiligen Verfügung vorläufig, aber häufig wirksam durchgesetzt werden. Insbesondere der vorbeugende Unterlassungsanspruch gibt dem Betroffenen einen praktisch bedeutsamen Rechtsbehelf, um schon vor der Veröffentlichung in den Medien die Verbreitung etwa rechtsverletzender Berichte oder Photos zu verhindern. Der Unterlassungsanspruch ist auf die Abwehr künftiger Störungen gerichtet. Er setzt, anders als ein Schadenersatzanspruch nach den §§ 823 ff. BGB, kein Verschulden, sondern einzig eine bevorstehende widerrechtliche Störung voraus. I. Anspruchsgrundlage 1096 Gesetzlich geregelte Unterlassungsansprüche sind bei der Verletzung absoluter Rechte wie dem Namensrecht, dem Eigentum sowie bei Besitzstörungen gegeben. Die Rechtsprechung hat die Anwendung dieser Regelungen allerdings auf andere absolute Rechte, wie das Persönlichkeitsrecht und das Unternehmensrecht,621 erstreckt. Dementsprechend ist dieser Unterlassungsanspruch als quasi-negatorischer Anspruch anerkannt und wird auf eine Analogie zu § 1004 BGB gestützt.622 II. Anspruchsvoraussetzungen 1097 Der Unterlassungsanspruch setzt eine (bevorstehende) Verletzung absolut geschützter Rechtsposition des Anspruchstellers voraus. Die Beeinträchtigung anderer Rechte, insbesondere die Verletzung vertraglicher Ansprüche genügt nicht. 1. Anspruchsberechtigte 1098 Anspruchsberechtigt ist nur, wer durch eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung in seinem Persönlichkeitsrecht individuell betroffen ist. Erfolgt dies durch Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung, bilden die §§ 185-187 StGB mit § 823 Abs. 2 BGB den Verletzungstatbestand. Geht es um die Veröffentlichung von Bildnissen,623 ist Anspruchsgrundlage § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit den §§ 22, 23 KUG als Schutzgesetz. Auch die Verletzung der Vorschriften der §§ 824 und 826 führt zu einem Anspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Besondere Bedeutung im Medienwesen hat der quasi-negatorische Unterlassungsanspruch in den Fällen der Verletzung des als sonstiges Recht i.S. des § 823 Abs. 1 BGB anerkannten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.624 Eine solche Verletzung liegt insbesondere vor bei der Verbreitung nicht getaner Äußerungen (Schutz der Selbstdarstellung), der Verbreitung wahrer Tatsachen, die wegen Verletzung der 621
622 623
624
BGH, NJW 1997, S. 1148 f. Vgl. Damm/Rehbock, a.a.O., 3. Auflage 2008, Rn. 796. Die Herstellung des Photos allerdings unterfällt § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht; vgl. BGH, ZUM 1995, S. 719, 720 und Rn. 886. Vgl. oben Rn. 847 ff.
B. Der Unterlassungsanspruch
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Privat- oder Intimsphäre nicht verbreitet werden dürfen sowie rechtswidrig erlangter Informationen (Schutz vor Indiskretion). Die erforderliche individuelle Betroffenheit ist nur gegeben, wenn der An- 1099 spruchsteller in der Medienberichterstattung erkennbar ist. Zwar ist hierfür eine Namensnennung oder Abbildung der Person nicht zwingend erforderlich, da auch sonstige individualisierende Merkmale eine Erkennbarkeit begründen können.625 Bloße Fernwirkungen auf Dritte (wie Angehörige und Freunde) sind für eine Aktivlegitimation nicht ausreichend, da sich deren Persönlichkeitsverletzung nicht in erster Linie aus der Berichterstattung, sondern aus der Beziehung zum Betroffenen ergibt. Bei Verstorbenen sind der dazu Berufene bzw. die Angehörigen entsprechend § 22 Satz 4 KUG, § 77 Abs. 2 StGB für den postmortalen Persönlichkeitsschutz wahrnehmungsberechtigt.626 2. Anspruchsverpflichtete Die Haftung auf Unterlassung kann grundsätzlich jeden treffen, der die Störung 1100 entweder herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Störung erwarten lässt. Der Anspruchsverpflichtete ist nach den Grundsätzen der medienrechtlichen Verbreiterhaftung zu bestimmen. Auf die entsprechenden Ausführungen wird an dieser Stelle verwiesen.627 3. Widerrechtlichkeit der Störung Die Störung muss widerrechtlich erfolgen. Wie bei allen negatorischen Ansprü- 1101 chen ist auch hier kein Verschulden des Verletzers erforderlich.628 Daher ist ein Rechtsirrtum des Anspruchsverpflichteten unerheblich. Der Begriff der Widerrechtlichkeit stellt ein „Einfallstor der Grundrechte“ dar, mit der Folge, dass zur Feststellung der Rechtswidrigkeit eine Abwägung des Persönlichkeitsrechts mit entgegenstehenden Grundrechten des sich Äußernden (Art. 5 Abs. 1 GG) vorzunehmen ist.629 Bei der Prüfung von § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) ist zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift für zukünftige Veröffentlichungen keine Anwendung findet, da kein berechtigtes Interesse an weiteren unwahren Tatsachenbehauptungen besteht.630
625 626 627
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Ausführlich Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 305. BGH, NJW 1968, S. 1773 - Mephisto; NJW 1996, S. 953. Vgl. dazu Rn. 1010 ff. Vgl. nur BGHZ 38, S. 206. Vgl. Rn. 847 und zur Rspr. des BVerfGs vgl. Grimm, NJW 1995, S. 1697, 1705. So BGH, NJW 1977, S. 1681; zu den Besonderheiten bei Übernahme von Äußerungen Dritter vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 44 Rn. 4.
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§ 19 Rechtsbehelfe
4. Begehungsgefahr 1102 Die behauptete Rechtsverletzung muss bevorstehen,631 d.h. es muss die auf Tatsachen gestützte objektive ernstliche Gefahr alsbaldiger, nicht zu duldender Störungen bestehen. Die Begehungsgefahr kann entweder in Form einer Wiederholungsgefahr oder in Gestalt einer Erstbegehungsgefahr bestehen und führt dann entweder zum Unterlassungs- oder zum vorbeugenden Unterlassungsanspruch. Von einer Wiederholungsgefahr geht die Rechtsprechung aus, wenn bereits ein 1103 rechtswidriger Angriff erfolgt ist, da dann eine tatsächliche Vermutung i.S. eines Anscheinsbeweises für die Wiederholung besteht.632 Dies entlastet den Betroffenen von der Darlegung einer tatsächlich bestehenden Wiederholungsgefahr, die dieser nicht leisten könnte, weil er regelmäßig keinen Einblick in die Interna des Massenmediums und dessen geplante Berichterstattung hat. Die Wiederholungsgefahr entfällt ausnahmsweise vor allem dann, wenn der 1104 Anspruchsverpflichtete eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, sich also verpflichtet, die beanstandete Äußerung oder Darstellung nicht bzw. nicht mehr zu verbreiten und für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine angemessene Vertragsstrafe zu zahlen.633 Nach der Rechtsprechung des BGH634 ist hierin ein abstraktes Schuldversprechen zu sehen, das - mit Ausnahme von Vollkaufleuten, §§ 350, 351 HGB - der Schriftform nach § 780 BGB bedarf. Ferner kann das Massenmedium durch eine freiwillige Korrektur der Erstmitteilung, z.B. durch die Veröffentlichung einer Richtigstellung, die Wiederholungsgefahr beseitigen.635 Besondere Bedeutung erlangt der zivilrechtliche Rechtsbehelf im Medienge1105 schehen als sog. vorbeugender Unterlassungsanspruch; insofern setzt er die Darlegung einer Erstbegehungsgefahr voraus. Da über § 1004 i.V.m. den §§ 823 ff. BGB bereits der unzulässigen Erstveröffentlichung zuvorgekommen werden kann, ist hierdurch ein besonders effektiver Rechtsschutz des Betroffenen möglich. Der Betroffene kann beispielsweise wegen einer, aufgrund der journalistischen Sorgfaltspflicht regelmäßig gebotenen Rückfrage Kenntnis von der bevorstehenden Berichterstattung erlangen und hat nun die Möglichkeit, die Berichterstattung bereits vor der Erstveröffentlichung vom Gericht unterbinden zu lassen. Der Hinweis auf eine Recherchetätigkeit des Massenmediums reicht für die 1106 Darlegung einer Erstbegehungsgefahr allein noch nicht aus, da es gerade der Aufgabe der Medien aus Art. 5 GG entspricht, Vermutungen nachzugehen. Hinzukommen müssen weitere Anhaltspunkte, die eine bevorstehende Veröffentlichung nahelegen. Eine Vermutung wie bei der Wiederholungsgefahr besteht insofern 631 632
633
634 635
Vgl. BGHZ 81, S. 225. BGH, NJW 1987, S. 2227; GRUR 1994, S. 913, 915; NJW 1994, S. 1281, 1283; AfP 1994, S. 295, 296. BGH, NJW 1967, S. 675, 677, auf fehlendes Rechtsschutzbedürfnis abstellend; wie hier BGH, NJW 1985, S. 191; GRUR 1996, S. 290, 291; GRUR 1997, S. 379, 380; vgl. die genaue Formulierung in BGH, GRUR 1998, S. 379, 380 (Wegfall der Wiederholungsgefahr). Besonders ausführlich hierzu Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 338-353. GRUR 1997, S. 386, 387 - Altunterwerfung. OLG Karlsruhe, AfP 1989, S. 542 f.; OLG Köln, AfP 1989, S. 764; a.A. OLG Hamburg, NJW-RR 1996, S. 90, 92.
B. Der Unterlassungsanspruch
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nicht.636 Die erforderliche Darlegung entsprechender Umstände kann sich zwar im Einzelfall als schwierig erweisen; sie sind aber jedenfalls dann gegeben, wenn es bereits zu Rechtsverstößen gekommen ist. Wenn z.B. bereits unzulässige Bildnisse angefertigt wurden, indiziert dieser Rechtsbruch als konkreter Anknüpfungspunkt bereits den weiteren Rechtsbruch der unzulässigen Veröffentlichung. 5. Mehrdeutige und verdeckte Behauptungen Der Anspruch auf Unterlassung im Zusammenhang mit mehrdeutigen Äußerungen 1107 wirft die Frage auf, ob bei der Beurteilung der Rechtsverletzung auf die gleichsam „zwischen den Zeilen“ stehende Berichterstattung bzw. auf welche Deutungsvariante der mehrdeutigen Äußerung überhaupt abzustellen ist. In der Rechtsprechung hatte sich die Auffassung durchgesetzt, dass eine Unterlassung verdeckter Behauptungen nur dann verlangt werden konnte, wenn diese Behauptung sich dem Rezipienten als unabweisbare Schlussfolgerung der Medienberichterstattung geradezu aufdrängen musste, für den Rezipienten mithin der „zwischen den Zeilen“ vermittelte Eindruck gleichsam zwingend war.637 Diese tradierte Rechtsprechung ist durch eine Entscheidung des BVerfG grundlegend geändert worden. In der Entscheidung „IM-Sekretär“-Stolpe hat das BVerfG entschieden, der Umstand, dass eine Äußerung auch eine Deutungsvariante zulässt, die zu keiner Persönlichkeitsbeeinträchtigung führt, dem Unterlassungsanspruch nicht entgegenstehe.638 Bei der Prüfung des Unterlassungsanspruchs sind danach die das Persönlichkeitsrecht verletzenden Deutungsvarianten zugrunde zu legen, sofern es sich nicht um fernliegende Deutungen handelt. Den zentralen Grund für diese Rechtsrechung sieht das BVerfG in der durchgreifenden Erwägung, dass kein Rechtfertigung dafür erkennbar sei, von einer Verurteilung zum Unterlassen abzusehen, wenn der Äußernde seiner Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben.639 Dieser Kerngedanke ist nach der Rechtsprechung nicht auf Tatsachenbehauptungen begrenzt; er kann auch auf verletzende Werturteile angewendet werden.640 6. Prozessuale Durchsetzung Vor der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches ist nach überwiegender 1108 Auffassung zunächst eine Abmahnung mit Fristsetzung erforderlich, wenn nicht der Anspruchsteller Gefahr laufen will, bei sofortigem Anerkenntnis des Verpflichteten nach § 93 ZPO die Prozesskosten tragen zu müssen.641 Als Reaktion auf diese Abmahnung wird das Medium gegebenenfalls eine strafbewehrte Unter636 637 638 639 640 641
BGH, GRUR 1989, S. 432, 434. Vgl. vor allem BGH AfP 1994, S. 299, 301 – Verdeckte Behauptungen II. BGH, NJW 2006, S. 207. BGH, NJW 2006, S. 207, 209 – „IM-Sekretär“ Stolpe. BVerfG, NJW 2006, S. 3769 – Babycaust. OLG Köln, AfP 1997, S. 834 f.; OLG Celle, AfP 1997, S 819 f.; OLG Düsseldorf, AfP 1982, S. 44; a.A. wegen der besonderen Eilbedürftigkeit OLG München, NJW-RR 1992, S. 731, 732.
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§ 19 Rechtsbehelfe
lassungsverpflichtungserklärung abgeben, mit der Folge, dass dann das Rechtsschutzbedürfnis des Anspruchstellers bzw. die Wiederholungsgefahr für das Unterlassungsbegehren entfällt. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs kann entweder im Hauptsacheverfahren im Wege der allgemeinen Leistungsklage oder aber im Verfahren der einstweiligen Verfügung erfolgen.642 Für äußerungsrechtliche Streitigkeiten steht nach § 13 GVG der Zivilrechtsweg offen. Auch Ansprüche gegen öffentliche Stellen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk führen vor die ordentlichen Gerichte, da Äußerungen grundsätzlich als Realakte zu werten sind und der Folgenbeseitigungsanspruch letztlich eine Parallele zu § 1004 BGB darstellt.643 Allein Äußerungen von Amtsträgern in öffentlichen Angelegenheiten sind nach § 40 Abs. 1 VwGO auf dem Verwaltungsrechtsweg anzugreifen. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand gem. §§ 13, 16, 17 ZPO, d.h. dem Wohnsitz bzw. gewerblichen Sitz des Beklagten oder aber nach dem “fliegenden Gerichtsstand“ der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO.644 Letzterer ist im Medienwesen von außerordentlicher Bedeutung, da danach überall, wo die Äußerung bestimmungsgemäß verbreitet wird, auf Unterlassung geklagt werden kann. Bei bundesweit tätigen Medienunternehmen ergibt sich somit für den Kläger praktisch die Möglichkeit, ein Gericht seiner Wahl anzurufen. Die sachliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte richtet sich nach § 23 Nr. 1 GVG, wobei das Landgericht zuständig ist (§ 71 GVG), sofern der Streitwert wie üblich 5.000.- Euro übersteigt. Eine Revision gegen Berufungsurteile der Oberlandesgerichte über den Unterlassungsanspruch findet, da es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch handelt, nur bei Zulassung unter den Voraussetzungen des § 546 Abs. 1 ZPO statt.645 Wegen der besonderen Eilbedürftigkeit wird der Verletzte in medienrechtlichen Äußerungsstreitigkeiten regelmäßig keine Hauptsacheklage anstrengen, sondern im einstweiligen Verfügungsverfahren vorgehen, um raschen Rechtsschutz zu erlangen. Er muss dabei nur Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund nach § 294 ZPO glaubhaft machen, d.h. statt des Vollbeweises nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit darlegen.646 Bei beiden Verfahren gilt eine Umkehr der Beweis- bzw. Glaubhaftmachungslast nach § 186 StGB, nach der der Schädiger die Wahrheit seiner Behauptung nachzuweisen hat, sofern er nicht die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ geltend machen kann. Die sofortige Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung setzt eine Zustellung innerhalb der Monatsfrist der §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO voraus. Zu beachten 642 643 644 645 646
Zu den prozessualen Einzelheiten vgl. Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 359 - 437. Allgemeine Meinung, vgl. BGH, NJW 1976, S. 1198, 1199 – Panorama. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 27. Auflage 2009, § 32 Rn. 14. BGH, NJW 1996, S. 999, 1000 m.w.N. Geimer, in: Zöller, ZPO, 27. Auflage 2009, § 194 Rn. 1.
C. Der Berichtigungs-/Widerrufsanspruch
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ist dabei die Pflicht zur verschuldensunabhängigen Schadenersatzzahlung beachtet werden, die nach § 945 ZPO dann eintritt, wenn sich die Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist. Auch wenn ein Medienunternehmen oft die untersagten Äußerungen durch andere ersetzten kann und ihm daher durch die Unterlassungsverfügung nur selten ein Schaden i.S. des § 249 BGB entstehen wird, so kann es doch zu ersatzfähigen Vermögenseinbußen kommen, wenn dadurch der gesamte Absatz des Produktes unmöglich gemacht wird. Die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel erfolgt nach § 890 ZPO. Dies 1117 hat zur Folge, dass bei schuldhaften Zuwiderhandlungen des Mediums ein Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft festgesetzt werden kann.647 Zusätzlich zum Unterlassungsanspruch kann der Verletzte nach § 1004 BGB 1118 bzw. § 823 i.V.m. § 249 Satz 1 BGB die Veröffentlichung des Unterlassungstitels verlangen, sofern dies zur Folgenbeseitigung erforderlich, also insbesondere kein Berichtigungsanspruch gegeben ist.648
C. Der Berichtigungs-/Widerrufsanspruch Literatur Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 3. Auflage 2008, Rn. 841 ff.; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage 2006, 44. Kapitel; Meyer in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 43. Abschnitt; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, 14. Kapitel; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, 13. Kapitel.
Der Terminus „Berichtigung“ ist nach herrschender Auffassung der Oberbegriff, 1119 der den Widerruf der gesamten oder die Richtigstellung von Teilen einer Erstmitteilung umfasst.649 Die Berichtigung zielt auf die Beseitigung der noch andauernden Folgen einer rechtswidrigen Tatsachenbehauptung, die auch in Form einer Bildnisveröffentlichung erfolgen kann. Im Unterschied zur Gegendarstellung ist die Berichtigung der unwahren Erstmitteilung vom Medium selbst vorzunehmen und wird daher weder durch das Versprechen, die beanstandete Medienäußerung künftig zu unterlassen, noch durch eine Gegendarstellung des Betroffenen ausgeschlossen.650 Die Verwendung der Begrifflichkeiten erfolgt nicht einheitlich. 651 Anstelle des 1120 Berichtigungsanspruchs ist verschiedentlich von einem Widerrufsanspruch652 bzw.
647 648 649
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BVerfG, NJW 1991, S. 3139. BGH, NJW 1987, S. 1400, 1401. BVerfG, NJW 1998, S. 1381, 1382 f.; BGH, NJW 1995, S. 861, 862; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 669; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 13.1. Vgl. Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 31.1; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 674. Vgl. die Übersicht zu der in der Praxis verwendeten Vielfalt von Begriffen bei Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 13.61 ff.
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§ 19 Rechtsbehelfe
von einem Beseitigungsanspruch653 die Rede. Der Kern der rechtlichen Bedeutung der verwendeten Begrifflichkeiten ist jeweils identisch: Es geht jeweils darum, dem Zustand fortdauernder (Persönlichkeits-)Rechtsbeeinträchtigung dadurch ein Ende zu bereiten, dass diese abzustellen ist. I. Anspruchsgrundlage 1121 Der Berichtigungsanspruch kann entweder als Schadensbeseitigungsanspruch für begangenes deliktisches Unrecht im Sinne der §§ 823, 824, 826 BGB geltend gemacht werden und folgt dann auf der Rechtsfolgenseite den Regeln des § 249 Abs. 1 Satz 1 BGB. Oder der Anspruch wird als Folgenbeseitigungsanspruchs erhoben und dann auf eine entsprechende Anwendung von 1004 BGB gestützt. In Verbindung mit dem jeweiligen Verletzungstatbestand findet entweder die eine oder die andere Anspruchsgrundlage Anwendung. Beide Anspruchsgrundlagen sind im Grundsatz identisch, unterscheiden sich aber in einem zentralen Punkt, der Voraussetzung des Verschuldens. Der auf § 1004 BGB analog gestützte Folgenbeseitigungsanspruch setzt im Unterschied zu dem deliktischen Schadenersatzanspruch kein Verschulden voraus. II. Anspruchsvoraussetzungen 1122 Der Berichtigungsanspruch hat – abgesehen von dem Verschuldenserfordernis bei deliktischer Begründung des Anspruchs654 - drei Voraussetzungen:655 Es muss 1. eine erweislich unwahre Tatsachenbehauptung aufgestellt worden sein, 2. die eine andauernde rechtswidrige Persönlichkeitsbeeinträchtigung ausgelöst hat, 3. zu deren Beseitigung die Berichtigung erforderlich ist. 1. Unwahre Tatsachenbehauptung 1123 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Berichtigung nur von Tatsachenbehauptungen möglich, nicht aber von Werturteilen.656 Dies ergibt sich schon aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG, der es nicht zuließe, jemandem die Korrektur seiner geäußerten Meinung aufzuzwin-
652 653 654 655 656
So vor allem die Rechtsprechung; vgl. nur BGH, NJW 1995, S. 861, 862 – Caroline v. Monaco I; Damm/Rehbock, a.a.O., 3. Auflage 2008, Rn. 841 ff. Sprau, in: Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, Einf. vor § 823 Rn. 28. Vgl. dazu soeben Rn. 1121. BGH, NJW 1995, S. 861, 863 - Caroline II; GRUR 1987, S. 397, 398. Siehe BGH NJW 1976, S. 1198 – Panorama; Damm/Rehbock, a.a.O., 3. Auflage 2008, Rn. 859 ff.; vgl. dazu oben Rn. 177 ff.
C. Der Berichtigungs-/Widerrufsanspruch
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gen.657 Da niemand zur Unwahrheit gezwungen werden darf, setzt der Berichtigungsanspruch weiter voraus, dass die Unwahrheit der beanstandeten Medienäußerung vom Anspruchssteller dargetan und erforderlichenfalls bewiesen wird.658 Dieser Negativbeweis ist vom Kläger oftmals schwerlich zu führen, zumal die Beweislastumkehr über die Vorschriften der §§ 823 Abs. 2 BGB, 186 StGB - anders als beim Unterlassungsanspruch - nicht greift. Dem Kläger kommt aber regelmäßig die von der Rechtsprechung geforderte erweiterte Substantiierungspflicht des Beklagten zugute, nach der dieser im Bestreitensfall die konkreten Vorgänge benennen muss und sich nicht auf ein schlichtes Bestreiten beschränken darf.659 Nur ausnahmsweise, wenn für einen objektiven Beobachter ex ante überhaupt 1124 keine ernsthaften Anhaltspunkte für die Wahrheit der Behauptung ersichtlich sind, kommt eine Richtigstellung auch ohne Wahrheitsbeweis in Betracht.660 Im Falle von unzulässigen, aber wahren Behauptungen (z.B. Berichten aus der Intimsphäre) kommt demnach kein Berichtigungsanspruch, sondern gegebenenfalls nur ein Unterlassungsanspruch in Betracht. 2. Fortdauernde rechtswidrige Beeinträchtigung Da der Berichtigungsanspruch nicht der Genugtuung des Betroffenen,661 sondern 1125 der Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes dient, muss die unwahre Äußerung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen noch fortwirkend verletzen.662 Bei Medienveröffentlichungen kann die Beeinträchtigung regelmäßig über Jahre hinweg andauern663 und wird sich nur in Ausnahmefällen erledigen. Eine Gegendarstellung beseitigt sie ebenso wenig wie eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung, da hierbei keine nach außen erkennbare Klarstellung durch den Störer selbst erfolgt. In Betracht kommt lediglich eine freiwillig veröffentlichte Korrektur, die keinen Zweifel an der Richtigstellung der Erstmitteilung lässt. Gegen unwahre, aber nicht verletzende Behauptungen kann sich der Betroffene nur im Wege der Gegendarstellung wehren. Nicht die Behauptung selbst muss rechtswidrig aufgestellt worden sein, son- 1126 dern es muss der geschaffene Zustand rechtswidrig fortdauern. Wenn beispielsweise die Behauptung zunächst wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt war und sich später deren Unwahrheit herausstellt, so besteht kein schutzwürdiges Interesse mehr, den nunmehr rechtswidrigen Zustand weiter andauern zu lassen und ein Berichtigungsanspruch ist gegeben.664 657 658 659 660 661 662
663 664
BGH, NJW 1982, S. 2246; zweifelnd Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 31.7 im Hinblick auf BGH, NJW 1987, S. 1400. BGH, NJW 1962, S. 1438 – Eheversprechen. Andernfalls kommt § 138 Abs. 3 ZPO zur Anwendung. BGH, NJW 1984, S. 1102, 1103. BGH, NJW 1977, S. 1681, 1682 - Heimstättengemeinschaft. BGH, NJW 1995, S. 861, 862f. - Caroline v. Monaco I; AfP 1994, S. 309- Antragswechsel; NJW 1987, S. 397, 398 – Insiderwissen. BGH, NJW 1995, S. 861, 863 - Caroline v. Monaco I. Vgl. BVerfG, NJW 1997, S. 2589 - FBA; BGH, NJW 1972, S. 431, 432 - Freispruch.
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3. Erforderlichkeit 1127 Die Richtigstellung muss schließlich zur Beseitigung der fortdauernden Beeinträchtigung erforderlich sein.665 Diese Erforderlichkeit ist wegen der Breitenwirkung von Medienberichterstattungen allerdings regelmäßig anzunehmen.666 Nur ausnahmsweise, etwa bei bereits freiwillig durchgeführter, aber formfehlerhafter Richtigstellung667 oder zu großem zeitlichen Abstand kann die Erforderlichkeit im Einzelfall zweifelhaft sein.668 III. Die Berichtigungserklärung 1128 Liegen die Anspruchsvoraussetzungen vor, so kann der Verletzte vom Verlag bzw. der Redaktion eine eigene Erklärung verlangen, die die Störung beseitigt. Diese Berichtigungserklärung kann, wie bereits angedeutet, in Form eines Widerrufes oder einer Richtigstellung erfolgen. Wenn die Behauptung im Ganzen unwahr ist, so hat der Verpflichtete eben diese gänzlich zu widerrufen.669 Sollten hierdurch Unklarheiten verbleiben, so kann im Wege des sogenannten „qualifizierten Widerrufs“ auch noch der tatsächliche Sachverhalt mitzuteilen sein. Eine Richtigstellung kommt bei im Einzelnen einzuschränkenden Erklärungen in Betracht.670 Dies kann der Fall sein, wenn die Behauptung nur zum Teil unwahr, unvollständig, übertrieben ist oder einen falschen Eindruck vermittelt.671 Die Berichtigung hat an vergleichbarer Stelle wie die Falschmeldung zu erfol1129 gen, weil nur so gewährleistet werden kann, dass dieselben Leser erreicht werden. Mangels spezifischer Regelungen gilt insofern das „Prinzip der Waffengleichheit“ aus dem Gegendarstellungsrecht in gleicher Weise.672 Da die Unwahrheit der Behauptung erst mit rechtskräftigem Urteil feststeht, ist 1130 die Veröffentlichung in der ersten Ausgabe nach Rechtskraft vorzunehmen.673 Aus
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BGH, AfP 1984, S. 33 f. BGH NJW 1995, S. 861, 863 - Caroline v. Monaco I; GRUR 1987, S. 397, 399 - Insiderwissen. Vgl. Damm/Rehbock, a.a.O., 3. Auflage 2008, Rn. 872 ff.; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 44 Rn. 28. Vgl. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 13.38 ff. Sog. „voller Widerruf“; BGH NJW 1995, S. 861, 862 - Caroline v. Monaco I; GRUR 1987, S. 397, 398 - Insiderwissen; NJW 1982, S. 2246, 2248 - Klinikdirektoren; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 13.61. Sog. „eingeschränkter Widerruf“; BGH NJW 1995, S. 861, 862 - Caroline v. Monaco I; GRUR 1987, S. 397, 399 - Insiderwissen; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 13.65. Vgl. BGH, NJW 1982, S. 2246, 2248 - Klinikdirektoren; NJW 1995, S. 861 - Caroline v. Monaco I; NJW 1996, S. 984 - Caroline c. Monaco II. Das OLG Hamburg, AfP 1970, S. 968, 969 verweist dabei ausdrücklich auf die Regeln zur Gegendarstellung (vgl. § 11 HmbPresseG); ebenso Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 31.23; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 699. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 13.98.
D. Der Schadenersatzanspruch
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der Pflicht zur Folgenbeseitigung folgt, dass der Beklagte auch die Kosten der Veröffentlichung zu tragen hat.674 Da die Berichtigung eine höchstpersönlich unvertretbare Handlung ist, ist zwar 1131 eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Anspruchsverpflichteten (in Betracht kommen der Autor, der verantwortliche Redakteur, der Verlag und die Sendeanstalt675) nicht denkbar, diese können jedoch eine gemeinsame Erklärung abgeben. IV. Durchsetzung des Berichtigungsanspruchs Da der Berichtigungsanspruch den Beweis der Unwahrheit voraussetzt und dieser 1132 im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht zu erbringen ist, kann er nur im Wege der Hauptsacheklage durchgesetzt werden.676 Die Urteilsvollstreckung erfolgt nach herrschender Meinung nach § 888 ZPO, 1133 da die Berichtigungserklärung eine unvertretbare Handlung darstellt und dem Verletzten mit der Fiktion des § 894 ZPO regelmäßig nicht gedient ist.677 Für den Rechtsweg, die Zuständigkeiten, die Streitwerte etc. ist auf die Ausfüh- 1134 rungen zum Unterlassungsanspruch zu verweisen.678
D. Der Schadenersatzanspruch Literatur Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 3. Auflage 2008, Rn. 921 ff.; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, 15. Kapitel; Wanckel in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 44. Abschnitt; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, 14. Kaptitel, Rn. 20 ff..
Ein Schadenersatzanspruch wegen Rechtsverletzungen durch eine Medienbericht- 1135 erstattung kommt nicht nur bei unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern auch bei unzulässigen wahren Behauptungen, Werturteilen oder Bildberichterstattungen in Betracht. Vom Anspruch auf Ersatz eines Vermögensschadens nach den §§ 823 ff. BGB ist der Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Schäden wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen zu unterscheiden.679 Da für die deliktischen Ansprüche im Medienrecht keine Besonderheiten im 1136 Vergleich zum allgemeinen Zivilrecht gelten, ist nachfolgend nur kursorisch auf 674 675
676
677
678 679
Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 13.100. Siehe dazu die Ausführungen zur medienrechtlichen Verbreiterhaftung, oben Rn. 1010 ff. BGH, AfP 1992, S. 361, 363 - Plagiatsvorwurf ; GRUR 1987, S. 397, 398 - Insiderwissen; NJW 1987, S. 1400, 1401 – Oberfaschist. BGH, NJW 1962, S. 1438 - Eheversprechen; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 13.105; a.A. OLG Frankfurt a.M., JZ 1974, S. 62. Vgl. Rn. 1110 ff. Dazu unter Rn. 1142 ff.
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die Anspruchsvoraussetzungen einzugehen. Nach den allgemeinen Grundsätzen muss neben der Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestands der §§ 823 ff. BGB auch die haftungsausfüllende Kausalität gegeben sein. Als haftungsbegründende Ansprüche kommen in Betracht:680 -
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§ 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder des Recht am Unternehmen; § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den Schutzgesetzen der §§ 185 ff. StGB bei Ehrverletzungen oder der §§ 22, 23 KUG bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild; § 824 BGB; § 826 BGB.
Anspruchsberechtigt ist derjenige, der durch die Veröffentlichung unmittelbar betroffen wurde.681 Ferner muss die haftungsbegründende Kausalität gegeben sein, es muss also ein Ursachenzusammenhang zwischen Verletzungshandlung und Verletzungserfolg bestehen, der vom Kläger zu beweisen ist.682 Weiterhin muss Widerrechtlichkeit vorliegen, die durch Abwägung der betroffenen Interessen festzustellen ist.683 Der Schadenersatzanspruch setzt anders als die quasinegatorischen Ansprüche analog § 1004 BGB ein Verschulden des Verletzers nach § 276 BGB (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) voraus. Das Vorliegen von Verschulden beurteilt sich nach den Maßstäben der publizistischen Sorgfaltspflicht.684 Medienrechtliche Besonderheiten gelten auf der Rechtsfolgenseite, also für die 1138 Art und den Umfang des geschuldeten Schadenersatzes. Grundsätzlich gelten für die Schadensberechnung die Regeln der §§ 249 ff. BGB. Danach ist der Schädiger gem. § 249 Satz 1 BGB zur Naturalrestitution verpflichtet. Zwar kann der Verletzte nach § 249 Satz 2 BGB Geldersatz fordern; bei Persönlichkeitsverletzungen handelt es sich allerdings nicht um eine Verletzung der Person im Sinne des § 249 Satz 2 BGB, weil diese Vorschrift auf Fälle der Gesundheitsverletzung abstellt.685 In Betracht kommt deshalb nur eine Geldzahlung nach den §§ 251, 252 BGB, wenn die Naturalrestitution nicht möglich und nach §§ 252 Satz 1, 249 BGB der entgangene Gewinn zu ersetzen ist, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war (§ 252 Satz 2 BGB).686 Danach ist der Schaden nach den Regeln der Differenzhypothese zu beurteilen,687 also auf der Grundlage eines Vergleichs der aktuellen, tatsächlichen mit der hypothetischen 1137
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Zu verweisen ist wiederum in den Fällen der §§ 186, 187 StGB auf die Beweislastumkehr zu Lasten des Schädigers, die jedoch wiederum bei Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) unter publizistischer Sorgfalt entfällt. Dazu näher Rn. 1098 f. Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, vor § 249, Rn. 55. Vgl. die Ausführungen zum Unterlassungsanspruch, Rn. 1101. Vgl. dazu Rn. 978 ff. Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, § 249 Rn. 8. OLG Frankfurt, ZUM 1992, S. 361, 366; OLG Köln, ZUM 1993, S. 34. Vgl. nur BGH, NJW 1994, S. 2357; BGHZ 99, S. 196; BAG, NJW 1985, S. 2545; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, vor § 249 Rn. 8 m.w.N.
D. Der Schadenersatzanspruch
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Vermögenslage, die ohne schädigendes Ereignis bestünde. Vielfach wird dem Verletzten allerdings kein Vermögensschaden durch die Persönlichkeitsverletzung entstanden sein. Die wird beispielsweise regelmäßig bei rechtsverletzenden Bildnisveröffentlichungen der Fall sein, insbesondere von der Abgebildete seine Einwilligung auch gegen Zahlung einer Vergütung nicht erteilt hätte. Im Medienrecht sind deshalb Besonderheiten für die Schadenberechnung entwickelt worden. Die Schadensberechnung erfolgt in Anlehnung an die aus dem Immaterialgü- 1139 terecht bekannte Methode der dreifachen Schadenberechnung, die in § 97 UrhG spezialgesetzlich Niederschlag gefundne hat. Der Schaden kann nach Wahl des Verletzten berechnet werden entweder (1) nach dem konkret eingetretenen Schaden, (2) nach dem vom Verletzer erzielten Gewinn oder (3) nach einer angemessenen Lizenzgebühr, die der Verletzer für die Berichterstattung zu zahlen hätte. Diese Schadenberechnungsmethode ist inzwischen im Medienrecht gewohnheitsrechtlich verfestigt.688 Der BGH hebt in seiner Rechtsprechung hervor, dass es für die Schadenser- 1140 satzzahlung in Form einer fiktiven Lizenzgebühr nicht darauf ankommt, ob der Verletzte bereit und in der Lage war in eine Lizenzzahlung einzuwilligen.689 Wegen dieser Konsequenz wird allerdings deutlich, dass der so berechnete Anspruch der Sache nach einen bereicherungsrechtlichen Charakter hat. Mit dieser Erkenntnis lässt sich zugleich legitimieren, dass es bei der Berechnung der Höhe des Anspruchs anders als im allgemeinen Schadenersatzrecht nicht auf den Vermögensverlust beim Verletzten abzustellen ist, sondern – wie im Bereicherungsrecht - auf den Vermögenszuwachs beim Verletzer.690 Im Hinblick auf die im Schadenersatzund Bereicherungsrecht gleichermaßen bedeutsame Abgrenzung materieller und immaterielle Güter wird der Ausgleich nach Lizenzanalogie auf die Verletzung von Befugnissen zur kommerziellen Verwertung der vermögenswerten Bestandteile der Persönlichkeit begrenzt bleiben müssen. Nicht jede Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann deshalb einen Ersatzanspruch nach Lizenzanalogie nach sich ziehen.691 Bei Bildnisveröffentlichung ist zu fordern, dass die Veröffentlichung einen kommerziellen Wert hat. Dieser wird regelmäßig in der Werbung gegen sein, während freie Veröffentlichungen (etwa nach § 23 KUG) gerade keinen nach der Lizenzanalogie berechneten Schadenersatzanspruch generieren.692
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BGHZ 20, S. 345, 353 – Paul Dahlke; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 320.; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 904; Wanckel, in Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 44. Abschnitt Rn. 38. BGH, NJW 2007, S. 689, 690 – Lafontaine; dass in dem Fall der betroffene Politiker nach Art. 66 GG nicht in der Lage war, eine Einwilligung gegen Entgelt zu erteilen, hat den BGH nicht als Hinderungsgrund für den in Lizenzanalogie zu berechnenden Schaden angesehen. Vgl. BGH, NJW 2006, S. 135 – Pressefotos, der die Lizenz unter Berücksichtigung der Auflagenhöhe berechnet; vgl. auch Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 320. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 320. BGH, NJW 2007, S. 689, 690 - Lafontaine..
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§ 19 Rechtsbehelfe
Für Verstorbene gilt, dass die vermögenswerten Bestandteile der Persönlichkeit nach dem Tode auf die Erben über.693 Dabei dient die 10-Jahresfrist des § 22 S. 3 KUG als Schranke für die Verletzung der kommerziellen Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts.694 Insbesondere Werbung unter Verstoß gegen den postmortalen Persönlichkeitsschutz löst deshalb Schadenersatzansprüche der Erben aus.695
E. Die Geldentschädigung Literatur Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, 16. Kapitel; Wanckel, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 45. Abschnitt; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, 14. Kapitel, Rn. 83 ff..
I. Entwicklung und dogmatische Herleitung 1142 Das Schadenersatzrecht des BGB ist ausweislich der §§ 249 ff. BGB auf den Ersatz materieller Schäden konzentriert. Immaterielle Schäden sind nach § 253 Abs. 1 BGB nur in den durch das Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen ersatzfähig. Dazu gehören nach § 253 Abs. 2 BGB die Fälle der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit sowie die der Freiheitsberaubung. Der Gesetzgeber hat aber auch bei der Novellierung dieser ursprünglich in § 847 BGB a.F. geregelten Grundsätze daran festgehalten, dass die Verletzung der Ehre und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts keinen Fall des gesetzlichen (nunmehr in § 253 Abs. 2 BGB) geregelten ausdrücklich bestimmten Ersatzes immaterieller Schäden darstellen. Das Anspruchssystem des Schadenersatzrechts des BGB verfolgt in erster Linie 1143 eine Ausgleichsfunktion. Der Gedanke der Genugtuung des Opfers und der Schadensprävention sind dagegen typische Anliegen eines Entschädigungsanspruchs, das im tradierten Ausgleichskonzept des Schadenersatzrechts des bürgerlichen Rechts keine nachhaltige Beachtung findet. Vor dem Hintergrund eines sich dynamisch entwickelnden Massenkommunika1144 tionswesens, in dem Persönlichkeitsverletzungen regelmäßig erfolgen, wenn nicht sogar aus Gründen der wirtschaftlichen Interessen der Massenmedien zumindest in Kauf genommen oder gar aufmerksamkeitssteigernd provoziert werden, hat aber die Rechtsprechung einen Anspruch auf Geldentschädigung in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelt. Bei diesem Anspruch auf Geldentschädigung steht, anders als beim Schadenersatzanspruch, vor allem der Gedanke der Genugtuung für das Opfer und der Gedanke der Prävention, nämlich des Vorbeugens vor einer Verkümmerung des Persönlichkeitsschutzes, im Vordergrund.
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BGHZ 143, S. 214, 228 – Marlene Dietrich; vgl. oben Rn. 959 ff. BGH, NJW 2007, S. 684, 687 – kinski-klaus.de. Zu der dabei erforderlichen Abwägung zwischen dem (postmortalen) Persönlichkeitsschutz und den Medienfreiheiten vgl. BGZ 151, S. 26 ff. – Marlene Dietrich II.
E. Die Geldentschädigung
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Im Zeitpunkt der Schaffung des BGB ausgangs des 19. Jahrhunderts war die ra- 1145 sante Entwicklung der Medien und die mit ihr einhergehende Gefährdung von Persönlichkeitsrechten nicht vorherzusehen. Die Rationalität und Legitimität des hergebrachten bürgerlich-rechtlichen Systems des Schutzes der Person ist deshalb in Zweifel gezogen worden. Die Erkenntnis der Beeinträchtigungsgefahren für den Einzelnen im Massenkommunikationsgeschehen hat zunächst zur Anerkennung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den BGH696 geführt. Später, in der Herrenreiter-Entscheidung von 1958,697 wurde erstmals auch ein Anspruch auf Geldentschädigung gewährt, der als Anspruch auf „seelisches Schmerzensgeld“ mit einer Analogie zu § 847 BGB a.F. begründet wurde. Er stand damit noch in der Konzeption des hergebrachten Ausgleichsdenkens im Schadenersatzrecht. Die ursprüngliche Rechtfertigung und Begründung für den Entschädigungsan- 1146 spruch hat der BGH später verändert und an ihre Stelle den Gedanken der Genugtuung für das Opfer und der Prävention gestellt.698 Dementsprechend wird der Entschädigungsanspruch nicht nur sprachlich vom Schmerzensgeldanspruch des § 253 Abs. 2 BGB unterschieden und unter eigenen Voraussetzungen und nach besonderen Bemessungskriterien gewährt, die einen Rückgriff auf die für Körperverletzungen üblichen „Schmerzensgeldtabellen“ verbieten699 und auf einen angemessenen Ausgleich zwischen Genugtuungs- und Präventivfunktion einerseits und dem Schutz der Pressefreiheit andererseits abzielen.700 Nach der inzwischen gefestigten Rechtslage ist der Entscheidungsanspruch als 1147 eigenes Rechtsinstitut anerkannt701 und wird heute unmittelbar aus § 823 BGB i.V. mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet.702 So wie die Rechtsprechung den Tatbestand des Persönlichkeitsrechtsschutzes im Laufe der Rechtsbildung rechtsfortbildend ausgeprägt hat, erfolgte mit der Anerkennung des Entschädigungsanspruchs bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen eine bedeutende Rechtsfortbildung auf der Rechtsfolgenseite des Persönlichkeitsschutzes. Der von der Rechtsprechung ganzheitlich, nämlich auf der Tatbestandsseite und auf der Rechtsfolgenseite geprägte Persönlichkeitsschutz gestaltet insgesamt den Rechtsschutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus.
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BGHZ 13, 334 ff - Leserbrief; siehe hierzu Rn. 847 ff. BGHZ 26, S. 349. Grundlegend BGH, NJW 1995, S. 861, 865 – Caroline v. Monaco I; NJW 1996, S. 984, 985 – Caroline v. Monaco II; NJW 1997, S. 1148, 1150 – Chefarzt. Die Einordnung als Schmerzensgeldanspruch etwa von OLG Celle, AfP 1997, S. 819, 820; OLG Hamburg als Vorinstanz zu BGH, NJW 1996, S. 984, 985 ist heute überholt. Wegweisend BVerfG, NJW 1973, S. 1221, 1224 – Soraya und BGH, NJW 1995, S. 861, 865 – Caroline v. Monaco I; NJW 1996, S. 984, 985 – Caroline v. Monaco II. Seit BVerfG, NJW 1973, 1221, 1223 - Soraya; BGH, NJW 1996, S. 984, 985 – Caroline v. Monaco II m.w.N.; NJW 1995, S. 861, 864 – Caroline v. Monaco I; NJW 1971, S. 698, 699; vgl. zur Entwicklung Prinz, NJW 1996, 953, 954. BGH, NJW 2005, S. 215 – Alexandra v. Hannover; NJW 1996, S. 984, 985 – Caroline v. Monaco II; NJW 1995, S. 861 – Caroline v. Monaco I.
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§ 19 Rechtsbehelfe
II. Anspruchsvoraussetzungen 1148 Der Geldentschädigungsanspruch wird unter folgenden Voraussetzungen gewährt:703 Zunächst muss eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegen, für die Gewährung der Entschädigung muss ein unabwendbares Bedürfnis bestehen, auf Seiten des verletzenden Mediums muss schweres Verschulden vorliegen und für den in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffene darf keine anderweitig zumutbare und den Umständen des Einzelfalles angemessenen Ausgleichsmöglichkeit gegeben sein. 1. Schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung 1149 Ein geringfügiger Eingriff löst keinen Entschädigungsanspruch aus.704 Ob der erforderliche schwere Eingriff vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalles festzustellen und hängt „insbesondere von seiner Bedeutung und Tragweite, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab“. 705 Nach der Rechtsprechung kommt eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts wegen der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs insbesondere706 in Betracht bei Verletzungen der Intim- und Privatsphäre,707 bei erfundenen Interviews und Zitaten,708 bei ehrenrühriger Behauptung schwerwiegender Verfehlungen,709 bei besonderer Hartnäckigkeit, wie z.B. der wiederholten Veröffentlichung gegen den Willen des Betroffenen,710 und beim unfreiwilligen Einsatz seiner Person zu Werbezwecken, die zu einem Ansehensverlust des Betroffenen führt.711 Ist vorrangiger Anlass und Beweggrund des Verletzers die Verfolgung kom1150 merzieller Interessen wie etwa eine Auflagensteigerung, so ist dies insbesondere bei der Höhe der Geldentschädigung zu berücksichtigen.712
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BGH, NJW 2005, S. 861, 864 – Caroline v. Monaco I; zusammenfassend Damm/Rehbock, a.a.O., 3. Auflage 2008, Rn. 952 ff.; Steffen in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 334 ff.; Wanckel, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 45. Abschnitt Rn. 5 ff. BGH, NJW 1985, S. 1617, 1619; NJW 1961, S. 2059, 2060. Std. Rspr.; vgl. nur BGH, NJW 1995, S. 881, 864 – Caroline v. Monaco I; grundlegend bereits BGHZ 26, S. 349 - Herrenreiter. Ausführlich zu den Fallgruppen Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 746 – 753 und 908 – 914. BGH, AfP 1988, S. 34, 35 - intime Beziehungen. BGH, NJW 1995, S. 861, 864 – Caroline v. Monaco I; NJW 1982, S. 635, 637 – Böll/Walden II; BVerfG, NJW 1973, S. 1221, 1223 – Soraya. BGH, NJW 1997, 1148, 1149 – Chefarzt. BGH, NJW 1996, S. 985, 986 – Kinderfotos; NJW 2005, S. 215 – Kind von Caroline v. Monaco. BGHZ 26, S. 349 ff. – Herrenreiter. BGH, NJW 1995, S. 861, 865 – Caroline v. Monaco I; NJW 1996, S. 984, 985 – Caroline v. Monaco II.
E. Die Geldentschädigung
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2. Unabwendbares Bedürfnis für eine Entschädigung Die Gewährung eines Entschädigungsanspruchs kommt nur in Betracht, wenn da- 1151 für ein unabwendbares Bedürfnis besteht.713 Damit ist gemeint, dass eine Notwendigkeit besteht, dem Verletzten einen billigen Ausgleich in Geld zuzusprechen, um ihm damit Genugtuung für die erlittene Rechtsverletzung zu geben. An einem solchen unabwendbaren Bedürfnis wird es regelmäßig fehlen, wenn 1152 der Störer bereits freiwillig Genugtuung geleistet hat und insbesondere eine öffentliche Entschuldigungserklärung abgegeben hat.714 Das Bedürfnis für eine Entschädigung kann entfallen, wenn eine unwahre Tatsachenbehauptung durch die Medien widerrufen wird.715 Ebenso wenig besteht ein unabwendbares Entschädigungsbedürfnis, wenn der 1153 Betroffene selbst sein Privatleben der interessierten Öffentlichkeit geöffnet hat.716 Wer sich bewusst in der Unterhaltungsöffentlichkeit bewegt und in der Unterhaltungsöffentlichkeit seine Bekanntheit zu steigern versucht, muss damit rechnen, dass die Unterhaltungsmedien diese Situation aufgreifen und Vorgänge verdichten oder zuspitzen, auch wenn dies dem Betroffenen nicht mehr gefällt.717 3. Schweres Verschulden des Verletzers Dem verletzenden Medium muss schweres Verschulden zur Last gelegt werden 1154 könne, damit ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt.718 Es ist dies eine Konsequenz aus der Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs. Diese soll das Medium zu einem besonderen Aufwand für die Vermeidung schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzung veranlassen. Dieser Aufwand muss so angelegt werden, dass schwerwiegendes Fehlverhalten des Massenmediums und seiner Mitarbeiter bei der Berichterstattung im Interesse eines effektiven Persönlichkeitsschutzes vermieden werden.719 Schweres Verschulden liegt vor allem bei vorsätzlich begangenen Persönlich- 1155 keitsrechtsbeeinträchtigungen vor. Notwendige Voraussetzung ist aber ein vorsätzlicher Verstoß ist.720 Insbesondere kann auch ein grobfahrlässiges Verhalten
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BGH, NJW 1976, S. 1198 – Panorama BGH, NJW 1980, S. 994, 995 – Wahlkampfillustrierte. BGH, NJW 1995, S. 861, 864. – Caroline v. Monaco. BGH, NJW 2005, S. 594, 595 – Rivalin von Uschi Glas; BVerfG, NJW 200, S. 1021 – Caroline v. Monaco.. In diesem Sinn BGH, GRUR 1969, S. 301 – Spielgefährtin II; OLG Stuttgart, NJW 1981, S. 2871 – Rudi Carell. So BVerfG, NJW 1973, S. 1221 – Soraya; BGH, NJW 1961, S. 2059 – Ginseng; NJW 1971, S. 698 – Pariser Liebestropfen. In diesem Sinn Damm/Rehbock, a.a.O., 3. Auflage 2008, Rn. 984; Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 32.26; a.A. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 14.115. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 335 setzt die Schwere des Eingriffs mit der Schwere des Verschuldens gleich. BGH, NJW 1980, S. 2807 – Medizin Syndikat; BGHZ 26, S. 349 ff. – Herrenreiter.
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§ 19 Rechtsbehelfe
einen Entschädigungsanspruch des Verletzten auslösen.721 Dagegen scheidet in Fällen leichter Fahrlässigkeit ein Entschädigungsanspruch aus, weil der vom Massenmedium andernfalls zu leistende Vermeidungsaufwand unverhältnismäßig hoch wäre und die vom Präventionsgedanken gesetzten Grenzen des Entschädigungsanspruchs sprengen würde.722 Für den Grad des Verschuldens kommt es vor allem auf Inhalt und Ausmaß der 1156 publizistischen Sorgfaltspflicht an.723 Insofern ist zu prüfen, ob die Medien ihren Pflichten zu sorgfältiger Recherche nachgekommen sind.724 4. Kein anderer Ausgleich möglich 1157 Entsprechend der Bedeutung des Entschädigungsanspruchs, vorhandene Lücken für einen effektiven Persönlichkeitsschutz zu schließen, wird der Entschädigungsanspruch nur als „ultima ratio“ gewährt wird.725 Er besteht nur dann, wenn andere Rechtsbehelfe zu keinem der Genugtuungs- und Präventionsfunktion entsprechenden Ausgleich führen.726 Ausreichender Schutz der Persönlichkeitsrechte kann vielfach schon durch die Durchsetzung der Unterlassungsverpflichtung erreicht werden.727 Die Ansprüche auf Gegendarstellung und Berichtigung/Widerruf stellen dagegen regelmäßig keine den Entschädigungsanspruch ausschließenden Rechtsbehelfe dar, weil mit ihnen eine erneute Publizität verbunden ist, die vom Betroffenen gerade nicht erwünscht ist bzw. nicht in seinem Interesse liegt.728 III. Höhe der Geldentschädigung 1158 Die Höhe der zu zahlenden Entschädigung ist gemäß § 287 Abs. 1 ZPO vom Gericht nach „freier Überzeugung“ zu bestimmen. Wie bereits angesprochen, kommen die bei Schmerzensgeldern üblichen Tabellen bei diesem Anspruch nicht zur Anwendung. Vielmehr muss die Höhe einen gerechten Ausgleich darstellen zwischen dem Genugtuungs- und Präventionsgedanken einerseits und der Wahrung der Medienfreiheit andererseits. Diese in den Caroline-Entscheidungen des
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Damm/Rehbock, a.a.O., 3. Auflage 2008, Rn. 985. A.A. Prinz/Peters, 1999, Rn. 755, die den Grad des Verschuldens bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs berücksichtigen wollen. BGH, NJW 2005, S. 58; NJW 1995, S. 861 – Caroline v. Monaco; NJW 1985, S. 1617 – Schulbuch. Vgl. dazu oben Rn. 978 ff. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 338. BGH, NJW 1995, S. 861, 864 – Caroline v. Monaco I; Damm/Rehbock, 3. Auflage 2008, Rn. 988. Vgl. Steffen, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 6 Rn. 338 f. Dagegen Damm/Rehbock, a.a.O., 3. Auflage 2008, Rn. 990 für den Widerrufsanspruch.
F. Der Herausgabeanspruch
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BGH729 dargelegte Argumentation hatte in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg der zugesprochenen Beträge zur Folge.730
F. Der Herausgabeanspruch Literatur Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, 18. Kapitel; Wanckel in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 46. Abschnitt; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, 15. Kapitel, Rn. 11 ff..
Der bereicherungsrechtliche Herausgabeanspruch dient im Mediengeschehen in 1159 erster Linie der Effektivierung des Unterlassungsanspruchs nach § 1004 BGB analog. Materialien, deren Veröffentlichung zu unterlassen ist, sind unter den Voraussetzungen des § 812 BGB vom Störer an den Betroffenen herauszugeben. Im Zuge der Digitalisierung hat dieser Anspruch allerdings seine Bedeutung weitgehend eingebüßt, weil es an einer Unterscheidbarkeit von Original und digitaler Kopie fehlt. Dass angesichts dieses Umstandes der Herausgabeanspruch bezüglich des Originals zu einem Löschungsanspruch bezüglich der digitalen Kopie mutiert, wird zu Recht gefordert, führt aber letztlich zu keiner Effektivierung des Unterlassungsrechtsschutzes.731 Der bereicherungsrechtliche Herausgabeanspruch kann im Zusammenhang mit 1160 der Medienberichterstattung eine Rolle spielen, wenn der Eingriff in den vermögensrechtlich erheblichen Zuweisungsgehalt des Namensrechts oder des Rechts am eigenen Bild einen Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen der Eingriffskondiktion i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB auslöst, der für den deliktischen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschuldensnachweis aber nicht geführt werden kann.732 Dieser Anspruch kommt dann in Betracht, wenn üblicherweise für eine Veröffentlichung eine Vergütung zu zahlen gewesen wäre, wie insbesondere in Fällen der widerrechtlichen Bildnisveröffentlichung oder Namensnennung zu Werbezwecken. Die Befugnis des Betroffenen, über die Verwertung seines Bildes oder Namens zu Werbezwecken selbst zu entscheiden, stellt ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht dar. Nach ständiger Rechtsprechung gelangen bei dessen Verletzung Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung zur Anwendung.733 Die Durchsetzung dieses Anspruchs kann auch in der Weise erfolgen, dass die Befugnis zur Verwertung eines Bildnisses einer Verwertungsagentur übertragen und
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BGH NJW 1995, S. 861, 864 f. – Caroline v. Monaco I; NJW 1996, S. 984, 985 – Caroline v. Monaco II. Vgl. dazu Wanckel, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 45. Abschnitt Rn. 57 ff.; ferner Steffen, NJW 1997, S. 10, 14; Prinz, NJW 1996, S. 953, 957. Wanckel, in Paschke/Meyer/Berlit, Hamburger Kommentar, 2008, 46. Abschnitt Rn. 2. BGH, NJW 1992, S. 2084, 2085 - Talkmaster. BGH NJW 1992, S. 2084, 2085 - Talkmaster; GRUR 1987, S. 128 - Nena; NJW 1979, S. 2205, 2206 - Fußballtorwart; NJW 1956, S. 1554 – Paul Dahlke.
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§ 19 Rechtsbehelfe
diese ermächtigt wird, den bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend zu machen. geltend zu machen.734 In der Medienberichterstattung bedeutet die rechtswidrige Nutzung des Namens 1161 oder Bildnisses einen eigenmächtigen Eingriff in das Recht des Betroffenen „in sonstiger Weise“. Dies geschieht zu Lasten des Betroffenen und damit „auf dessen Kosten“ jedenfalls in den Fällen, in denen üblicherweise ein Honorar zu entrichten ist.735 Herauszugeben ist der Wert dieses Rechts. Dieser wird im bereicherungsrecht1162 lichen Sinn durch den Wert des ersparten Honorars gebildet, das der Betroffene für seine Erlaubniserteilung erhalten hätte.736 In der Herrenreiter-Entscheidung737 hatte der BGH noch vertreten, dass kein Entgelt zu zahlen sei, wenn der Betroffene die Bildverwendung nicht gestattet hätte. Inzwischen ist die Rechtsprechung von dieser Position jedoch abgerückt, da auch in diesem Fall geldwerte Vorteile gezogen werden.738 Das Ergebnis wird auch von der Funktion des Bereicherungsrechts getragen, tatsächlich erlangte rechtswidrige Vermögensvorteile abzuschöpfen. 739 Die Verwertungsbereitschaft des Betroffenen stellt deshalb zu Recht keine Anspruchsvoraussetzung mehr ist.740 Geschuldet ist die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr an den Verletzten.741
G. Der Rückrufanspruch Literatur Paschke/Busch, Hinter den Kulissen des medienrechtlichen Rückrufanspruchs, NJW 2004, S. 2620 ff.; Wanckel in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 47. Abschnitt; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, 15. Kapitel, Rn. 11 ff..
I. Grundlagen und Bedeutung 1163 Der medienrechtliche Rückrufanspruch gibt dem in seinen Persönlichkeitsrechten Betroffen ein Anspruch gegen den Verleger des Medienprodukts, auf Rückruf der Medienprodukte mit rechtsverletzenden Inhalt. Der Anspruch dient der Verhinderung der Verbreitung von körperlichen Veröffentlichungen (wie z.B. Büchern, Zeitschriften, CD) mit rechtsverletzenden Inhalten. Er befriedigt das daraus resultierende besondere Rechtsschutzbedürfnis im Mediensektor, dass massenmedial verbreitete Inhalte ein breites Publikum erreichen und rechtswidrige Mediener734 735 736 737 738 739 740 741
BGH, GRUR 1987, S. 128, 129 – Nena. BGH, NJW 1992, S. 2084, 2085 – Talkmaster. BGH, NJW 1979, S. 2205, 2206. BGH, NJW 1958, S. 827, 829. BGH, NJW 1979, S. 2205, 2206. Sprau, in: Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, vor § 812 Rn. 1/2. Vgl. BGH, NJW 1992, S. 2084, 2085; OLG Hamburg, AfP 1983, S. 282, 283. BGH, NJW 1992, S. 2084, 2085 - Talkmaster.
G. Der Rückrufanspruch
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zeugnisse deshalb eine erhebliche Breiten- und Streuwirkung zu Lasten des Betroffenen haben können.742 Sind die Exemplare einmal ausgeliefert, ist es dem Betroffenen i.d.R. weder zumutbar noch tatsächlich möglich, gegen alle Verbreiter des rechtsverletzenden Medienerzeugnisses vorzugehen.743 Nach den Grundsätzen der Verbreiterhaftung sind diese zwar jeweils zur Unterlassung der Verbreitung rechtswidriger Medieninhalte verpflichtet; der Betroffene wird jedoch regelmäßig außer Stande sein, alle Verbreiter umfassend und rechtzeitig in Anspruch zu nehmen, um seine Persönlichkeitsschutzinteressen auf diesem Wege zu wahren.744 Dieses faktische Versagen des Rechtschutzes gegenüber den Endverbreitern 1164 macht es erforderlich, wirksamen Rechtsschutz gleichsam bei der Wurzel anzusetzen und den die Verbreitung der Medienerzeugnisse in Gang setzenden Verleger zum Rückruf ausgelieferter Medienerzeugnisse zu verpflichten. Im Interesse eines effektiven Persönlichkeitsrechtsschutzes kann es nicht hingenommen werden, dass die Weiterverbreitung von Medienerzeugnissen aufgrund der von den Medien selbst gewählten Veröffentlichungsweise nicht mehr aufgehalten werden können. Bei dem Rückrufanspruch handelt es sich um einen ungeschriebenen, im Wege 1165 der Rechtsfortbildung zu schaffenden und auszugestaltenden (quasi-) negatorischen medienrechtlichen Sonderrechtsbehelf. Der Rückrufanspruch ist in Ansehung der Gefahrenlagen, die durch ehrverletzende Publikationen zu Lasten Dritter in den Medien provoziert werden, der gebotene Rechtsbehelf, um dem verfassungsrechtlich verbürgten Schutz des Persönlichkeitsrechts effektiven Rechtsschutz zukommen zu lassen. II. Voraussetzungen Der Rückrufanspruch ist ein mit Rücksicht auf die Effektivität des verfassungs- 1166 rechtlich verbürgten Persönlichkeitsschutzes im Wege der Rechtsfortbildung geschaffener medienrechtlicher Anspruch des Verletzten gegen den Verleger des Medienerzeugnisses, denjenigen Verbreiter, den der Verleger mit dem rechtsverletzenden Medienerzeugnis beliefert hat, aufzufordern, den Vertrieb einzustellen und das ausgelieferte Medienerzeugnis zurückzugeben Im Einzelnen hat der Rückrufanspruch die nachfolgend genannten Voraussetzungen. 1. Schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts Der Anspruch setzt zunächst voraus, dass das verbreitete Medienerzeugnis eine 1167 schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung enthält.745 Die Rechtsfortbildung über den Plan des geschriebenen Rechts hinaus ist wegen der damit einhergehende Übergriffe in die Rechtssphäre von Medienunternehmen, Handel und Autoren nur 742 743 744 745
Vgl. näher Paschke/Busch, NJW 2004, S. 2620 ff. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 15.17. Meyer-Bohl, NJW 2000, S. 2135, 2137 f. So auch Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 516; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 15.21.
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§ 19 Rechtsbehelfe
zu rechtfertigen, wenn wegen der Schwere der Verletzung ein unabweisbares Rechtsfortbildungsbedürfnis zur schöpferischen Weiterbildung der Rechtsbehelfe des Persönlichkeitsrechtsschutzes besteht.746 Die Voraussetzung einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung wurde und 1168 wird weiterhin zur Rechtfertigung des im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschaffenen Geldentschädigungsanspruchs gefordert.747 Das BVerfG hat das Schwerekriterium damit gerechtfertigt, dass es gefordert werde, um nicht die Sorgfaltsanforderungen an verantwortungsvoll arbeitende Medienunternehmen zu überspannen.748 Für den Rückrufanspruch gelten diese Erwägungen entsprechend. Ein verhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der Medienunternehmen und Autoren ist nur dann gegeben, wenn diese nicht mit überzogenen Sorgfaltsanforderungen bei ihrer Tätigkeit belastet werden. Unverhältnismäßig wäre es, einen mit der Rückrufverpflichtung einhergehenden Übergriff in die Rechtssphäre Dritter – nämlich des Handels - schon bei Vorliegen irgendeiner Persönlichkeitsrechtsverletzung verlangen zu können. Andernfalls würde eine bereits Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten sanktionierende Rückrufverpflichtung die Tätigkeit von Medienunternehmen und Autoren in einer mit den Grundrechten nicht mehr zu vereinbarenden, unangemessenen Weise beeinträchtigen. 2. Interessenabwägung 1169 Vor der Gewährung eines Rückrufanspruchs ist eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen. Dabei ist eine Abwägung zwischen den betroffenen Persönlichkeitsrechte auf der einen Seite und der Freiheiten des Medienverlages aus Art. 5 I GG,749 gegebenenfalls der Kunstfreiheit des Art. 5 III GG, der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG und der Eigentumsfreiheit des Art. 14 I GG vorzunehmen. Die Verpflichtung zum Rückruf persönlichkeitsrechtswidriger Medienerzeugnisse berührt nicht nur die wirtschaftlichen Interessen der Verleger;750 sie stellt auch einen Eingriff in die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG dar. Bei einer Abwägung der betroffenen Grundrechte des Verlages mit den Persönlichkeitsrechten des Betroffenen wird regelmäßig ein Überwiegen der Persönlichkeitsechte festzustellen sein. Dies ergibt sich nicht nur wegen der überragenden Bedeutung des Persönlichkeitsschutzes nach Art. 1 und 2 GG,751 sondern auch deswegen, weil nur schwere Persönlichkeitsverletzungen den Rückrufanspruch zu rechtfertigen vermögen. Ein schützenswertes Interesse der Verleger daran, eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung in Verfolgung der eigener Interessen vornehmen zu dürfen, wird sich allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefäl-
746 747 748 749 750 751
Grundlegend BVerfGE 34, S. 269, 269 ff.; 59, S. 104, 114 ff. BGHZ 128, S. 1 ff. – Caroline v. Monaco I. BVerfGE 34, S. 269, 286. OLG München, AfP 1992, S. 809, 809 ff. So wohl Meyer-Bohl, NJW 2000, S. 2135, 2137. So zu Recht Meyer-Bohl, NJW 2000, S. 2135, 2137 und Berlit, Aufbrauchfrist, 1997, Rn. 200 im Zusammenhang mit der Gewährung von Aufbrauchfristen.
G. Der Rückrufanspruch
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len752 begründen lassen. Ist die Schwere der Persönlichkeitsverletzung einmal festgestellt, wird gerade deshalb regelmäßig ein Zurücktreten der schützenswerten Interessen des Verlegers gerechtfertigt sein.753 3. Versagen der hergebrachten Rechtsbehelfe des Persönlichkeitsschutzes Der Rückrufanspruch kommt nur dann in Betracht, wenn die beanstandeten Er- 1170 zeugnisse vom Verleger bereits ausgeliefert sind und sich im Besitz Dritter befinden.754 Diese ist eine Konsequenz des Umstandes, dass die Verpflichtung zum Rückruf eine vom allgemeinen Zivilrecht belassene Rechtsschutzlücke effektiv schließen soll. Nach Auslieferung der rechtswidrigen Medienerzeugnisse durch den Verlag steht dem Verletzten kein herkömmlicher Rechtsbehelf des Zivilrechts zur Verfügung, um die weitere Verbreitung des inkriminierten Erzeugnisses zu verhindern. Der Verweis auf die Rechtsverfolgung gegenüber jedem einzelnen Händler, stellt den einzelnen Verletzten praktisch rechtlos, weil es ihm tatsächlich unmöglich ist, die dann erforderlichen massenhaften Rechtsschutzansprüche überhaupt und rechtzeitig zu stellen und durchzusetzen. 4. Unabhängigkeit vom Rückgabeanspruch Damit der Rückrufanspruch die Lücken des bestehenden Persönlichkeitsrechts- 1171 schutzes effektiv schließen kann, besteht der Anspruch unabhängig von zivilrechtlichen Herausgabeansprüchen. Den Rückrufanspruch nur dann zu gewähren, wenn die Rückrufempfänger – die Grossisten und Einzelhändler – rechtlich verpflichtet sind, den Rückruf zu befolgen,755 würde bedeuten, den Schutz der Persönlichkeit vom Bestehen zivilrechtlicher Ansprüche in Drittverhältnissen abhängig zu machen. Mit der Bedeutung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Persönlichkeitsschutzes wäre eine solche Konsequenz unvereinbar. Der Rückrufanspruch selbst begründet keinen Anspruch auf Rücknahme oder Wegnahme der Erzeugnisse, sondern lediglich die Verpflichtung, Dritte zur Rückgabe aufzufordern. Auch wenn die Befolgung der Aufforderung zum Rückruf Dritten gegenüber nicht beansprucht werden kann,756 ist der Rückrufanspruch nicht wirkungslos, weil die Rückrufadressaten ein eigenes Interesse haben, dem Rückruf nachzukommen, weil sie im Falle des Weitervertriebs nach Eingang einer Rückrufaufforderung im vollen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit ihres Tun handeln würden. Daher genügt bereits die Möglichkeit einer freiwilligen Rückgabe für die Anordnung eines Rückrufgebots. Dritte aufzufordern, den Vertrieb rechtswidriger Erzeugnisse zurückzugeben, 752
753
754 755 756
Denkbar wäre etwa das Vorliegen eines überragenden öffentlichen Aufklärungsinteresses. Ähnlich Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 15.17 f.; Prinz/Peters, 1999, Rn. 780; zu diesem Abwägungsergebnis auch OLG Hamburg, NJW-RR 2000, S. 1068, 1072. A.A. OLG Hamburg, NJWE-WettbR 2000, 15, 16. Rheineck, WRP 1992, S. 753, 756; OLG Hamburg, NJWE-WettbR 2000, S. 15, 16. Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, Rn. 15.18.
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liegt jedenfalls in der Rechtsmacht des Medienunternehmens, auch wenn diesem kein vertraglicher oder dinglicher Herausgabeanspruch zusteht. III. Gegenstand des Rückrufs 1172 Im Interesse eines effektiven Schutzes der Persönlichkeitsrechte können grundsätzlich sämtliche Medienerzeugnisse Gegenstand des Rückrufanspruchs sein. Der Umstand, dass bei Büchern – aufgrund ihrer Langlebigkeit – eine stärkere Betroffenheit der Persönlichkeitsrechte gegeben sein kann als bei tagesaktuellen Publikationen,757 schließt letztere nicht aus dem Anwendungsbereich der Rückrufverpflichtung aus. Auch in (kurzlebigen) Zeitungs- und Zeitschriftenpublikationen können Persönlichkeitsrechte in schwerwiegender Weise verletzt werden. Sind die Exemplare vom Verlag an den Handel ausgeliefert, können auch sie Gegenstand einer Rückrufverpflichtung sein, weil die hergebrachten medienrechtlichen Rechtsbehelfe, also Gegendarstellungs- und Berichtigungsansprüche sowie Unterlassungs-, Schadensersatz oder Entschädigungsansprüche die bereits im Markt befindlichen persönlichkeitsrechtsverletzenden Erzeugnisse nicht mehr wirksam aufzuhalten vermögen.758 Da bei einem Rückruf kurzlebiger tagesaktueller Erzeugnisse jedoch der Eingriff in die Grundrechte der Medienunternehmen und Autoren noch massiver wirkt, sind an die Interessenabwägung im Einzelfall noch höhere Anforderungen zu stellen. IV. Verschuldensunabhängigkeit 1173 Der Rückrufanspruch besteht unabhängig vom Verschulden des verbreitenden Medienunternehmens. Dies ist vor allem eine Konsequenz daraus, dass der Rückrufanspruch in Abkehr von den Grundsätzen des deliktischen Schadenersatzrechts zu konzipieren ist. Das darin verankerte Verschuldenserfordernis verpflichtet den Verletzten insbesondere auch zum Nachweis eines bewusst rechtswidrigen Persönlichkeitseingriffs durch den Verletzer und würde damit Hürden für die Rechtsdurchsetzung schaffen, die einem wirksamen Persönlichkeitsschutz entgegenstehen. V. Anspruchsgegner 1174 Der Rückrufanspruch besteht gegenüber Medienunternehmen, die Persönlichkeitsrechte verletzende Medienerzeugnisse verbreiten. Der Anspruch besteht somit in erster Linie gegenüber dem Verleger von Medienerzeugnisse. Rückrufansprüche 757 758
So Meyer-Bohl, NJW 2000, S. 2135, 2135. Nach OLG München, WRP 1992, S. 809, 810 muss der Rückruf einer tagesaktuellen Publikation selbst dann noch veranlasst werden, wenn bereits 90 – 95 % der Auflage an Endabnehmer verkauft worden sind.
H. Hilfsansprüche
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kommen aber auch gegenüber dem Groß- und Zwischenhandel in Betracht. Auch diesem gegenüber versagen die herkömmlichen medienrechtlichen Rechtsbehelfe des Persönlichkeitsschutzes, wenn die rechtswidrigen Medienerzeugnisse an deren Abnehmer ausgeliefert sind. Dann verlangt ein sachgerechter effektiver Persönlichkeitsschutz, dass der Verletzte auch vom Groß- und Zwischenhandel den Rückruf der inkriminierten Erzeugnisse verlangen kann. Gegenüber Autoren kommt ein Rückrufanspruch nicht in Betracht; ihnen gegenüber kann der Verletzte die herkömmlichen Rechtsbehelfe geltend machen. VI. Reichweite und Inhalt der Rückrufverpflichtung Zum Inhalt der „Rückruf“-Verpflichtung gehört es zunächst, sämtliche gewerbli- 1175 chen Abnehmer aufzufordern, den Weitervertrieb der persönlichkeitsrechtswidrigen Publikationen einzustellen. Dem Anliegen, die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen effektiv zu wahren, wird ein Rückrufbegehren regelmäßig nur gerecht, wenn es zusätzlich die Aufforderung enthält, die Publikationen gegen Kosten- und Kaufpreiserstattung zurückzusenden bzw. zur Abholung bereitzustellen und ggf. zurück zu übereignen. Der Antrag, nur den Weitervertrieb einzustellen, reicht nicht aus, um dem Risiko einer Weiterverbreitung durch den Handel effektiv zu begegnen. Ohne die Aufforderung zur Rückgabe würde der Versuchung des Handels, das Verbot des Weiterverkaufs zu unterlaufen, nicht ausreichend entgegengetreten. Zweifelhaft ist dagegen, ob der Rückrufanspruch auch zur Auskunftseinholung über die gewerblichen Abnehmer der vom Verlag belieferten Großhändler verpflichtet. Hierdurch könnte sichergestellt werden, dass der Verlag selbst den Rückruf gegenüber den Einzelhändlern durchführen müsste und sich gegenüber dem Verletzten nicht auf mangelnde Sorgfalt des Großhandels berufen könnte. Damit droht allerdings eine unverhältnismäßig belastende Aufforderung zur Preisgabe von Betriebsgeheimnissen seitens des Großhandels. Die Aufforderung zum Entfernen persönlichkeitsrechtswidriger Teile von Me- 1176 dienerzeugnissen – Schwärzen etc. - durch den Handel kann nicht Inhalt des Rückrufanspruchs sein. Da kein Anspruch auf Durchführung der Schwärzung besteht und zugleich eine Schwärzung für den Handeln mit einem noch höheren Aufwand verbunden ist als die Durchführung der Rückgabeaufforderung, verspricht die Aufforderung zu Schwärzung keinen effektiven Persönlichkeitsschutz.
H. Hilfsansprüche Zur Durchsetzung der dargestellten Hauptansprüche auf Unterlassung, Berichti- 1177 gung, Schadensersatz und Geldentschädigung können gegebenenfalls vorbereitende oder sichernde Hilfsansprüche geltend gemacht werden, auf die an dieser Stelle
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§ 19 Rechtsbehelfe
aber nicht näher eingegangen werden soll.759 Lediglich zu nennen sind hier der Auskunftsanspruch über den Inhalt der Veröffentlichung oder deren Breitenwirkung, der Herausgabeanspruch betroffener Druckwerke oder Bilder bzw. sogar deren Vernichtung.760
759
760
Vgl. dazu näher Wanckel, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 48. und 49. Abschnitt; Wenzel, Handbuch, 5. Auflage 2003, 15. Kapitel. Bei veröffentlichten Bildnissen: Herausgabe § 38 KUG, Vernichtung § 37 I KUG (im Zivil- oder Strafverfahren durchsetzbar, § 42 KUG); bei unveröffentlichten Bildnissen §§ 1004, 823 BGB.
5. Abschnitt: Schutz von Interessen der Allgemeinheit
Die nachfolgende Darstellung betrifft die Bereiche des Datenschutzes und des Ju- 1178 gendmedienschutzes im Massenkommunikationsgeschehen sowie das medienbezogene Straf- und Strafverfahrensrecht. Die zu behandelnden Rechtsregeln begrenzen die Freiheit der Massenmedien einerseits im Interesse des jeweils Geschützten, sind andererseits aber auch aus einem übergreifenden Interesse der Allgemeinheit an der Beachtung der Schutzregeln im Massenkommunikationsgeschehen legitimiert. Nachdem im vorherigen Abschnitt der zivilrechtliche Schutz des Rechtsgüter des Einzelnen im Massenkommunikationsgeschehen dargelegt wurde, soll im folgenden Abschnitt der medienbezogene Datenschutz und Jugendschutz sowie das medienbezogene Strafrecht und Strafverfahrenrecht als Schutz der Interessen der Allgemeinheit dargestellt werden.
§ 20 Mediendatenschutz
Literatur Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 9. Auflage 2007; Kramer, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, Abschnitte 78 – 80; Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 6. Auflage 2006.
In der massenmedialen Kommunikation werden bei zahlreichen Gelegenheiten 1179 personenbezogene Daten erhoben, gespeichert und verarbeitet. Dies gilt in erster Linie für die elektronische Kommunikation, die ohne die Verwendung personenbezogener Daten technisch gar nicht möglich ist, aber auch für alle anderen Bereiche des Medienwesens, in denen Verlage, Sendeunternehmen oder Medienvertriebspartner im Rahmen ihrer Betätigung personenbezogene Daten von Kunden und Rezipienten erhalten und mit ihnen umgehen. Das Datenschutzrecht verfolgt ein doppeltes Schutzanliegen: Es bezweckt ei- 1180 nerseits – wie es in § 1 BDSG heißt –, „den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Zugleich will das Datenschutzrecht – ausweislich etwa von § 9 BDSG - die gebotene Sicherheit im Umgang mit Daten gewährleisten. Die Gewährleistung von Datensicherheit zielt dabei sowohl auf die erforderlichen technischen Standrads als auch auf die Schaffung organisatorischer Vorkeh-
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§ 20 Mediendatenschutz
rungen im Medienunternehmen, um einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden sicheren Umgang mit Daten zu gewährleisten. Die datenschutzrechtlichen Verpflichten betreffen nach §§ 13 ff. BDSG die Da1181 tenverarbeitung durch öffentliche Stellen. Die §§ 28 ff. BDSG regeln die Datenverarbeitung nicht-öffentlicher Stellen und damit den Umgang von Medienunternehmen mit personenbezogenen Daten.
A. Rechtliche Anforderungen I. Rechtsgrundlagen 1182 Die Rechtsgrundlagen des Datenschutzrechts finden sich heute in erster Linie in den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder. Darüber hinaus gibt es bereichsspezifische Regelungen, die thematisch begrenzte datenschutzrechtliche Regelungen enthalten, insbesondere sind hier der gesetzliche Schutz des Steuergeheimnisses in § 30 AO, des Postgeheimnisses in § 39 PostG, des Telekommunikationsgeheimnisses in § 88 TKG oder des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses in § 17 UWG zu nennen.1 Das BVerfG hat dem Datenschutzrecht seit dem Volkszählungsurteil aus dem 1183 Jahr 19832 Verfassungsrang eingeräumt. In dem Urteil hat es festgestellt, dass sich der Datenschutzanspruch des Bürgers aus seinem in Art. 1 und 2 GG geschützten Persönlichkeitsrecht ableite.3 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, nach dem der Einzelne über seine persönlichen Daten selbst bestimmen könne.4 II. Schutzgegenstand 1184 Das Datenschutzrecht schützt in erster Linie „personenbezogene Daten“. Dies sind nach der Legaldefinition in § 3 BDSG „Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person“. Der Rechtsbegriff der personenbezogenen Daten setzt nicht voraus, dass die natürliche Person beim Umgang mit den Daten namentlich genannt wird. Daten sind auch dann personenbezogen, wenn die Person beispielsweise über die Telefonnummer, die E-mail- oder IP-Adresse identifizierbar ist. Besonders geschützt werden besonders sensitive Daten, die sog. besonderen 1185 Arten personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG. Sie betreffen Daten über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder 1 2 3 4
Zu den datenschutzrechtlichen Regelungen des TMG und RStV siehe Rn. 400. BVerfGE 65, S. 1 ff. Vgl. oben Rn. 952 f. BVerfGE 65, S. 1, 41 – Volkszählung.
A. Rechtliche Anforderungen
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Sexualleben. Bei diesen Daten ist das Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt durch gesetzliche Ausnahmetatbestände strikter verwirklicht und für den Umgang mit diesen Daten eine ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen erforderlich.5 Anonyme Daten, bei denen die betroffene Person unbekannt bleibt, unterfallen den Regeln des Datenschutzrechts nicht. Informationen über juristische Personen sind ebenfalls nicht Schutzgegenstand des BDSG; sie können aber durch bereichsspezifische Regeln in Spezialgesetzen geschützt sein.6 Der Datenschutz besteht unabhängig davon, wie die Daten generiert bzw. gehalten werden. Der Schutz bezieht sich sowohl auf den elektronischen Umgang mit Daten, die sog. automatisierte Datenverarbeitung iSd § 3 Abs. 2 Satz 1 BDSG, als auch grundsätzlich auf die nicht automatisierte Datenverarbeitung etwa auf Papier. Die nicht automatisierte Datenverarbeitung unterliegt nach § 3 Abs.2 Satz 2 BDSG allerdings nur dann dem Datenschutz, wenn „sie „gleichartig aufgebaut ist und nach bestimmten Merkmalen zugänglich ist und ausgewertet werden kann.“ Damit können geordnete Karteien oder auch Akten unter den Datenbegriff des BDSG fassen. Keine Anwendung findet das Datenschutzrecht auf Informationen, die für persönliche oder familiäre Zwecke verwendet werden, § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG. Das Gesetz schützt insofern die Sphäre des Datenverwenders, sofern er nicht mit Daten zu geschäftlichen Zwecke umgeht. Das Datenschutzrecht erfasst grundsätzlich sämtliche Formen des „Umgangs mit Daten“, § 1 Abs. 1 BDSG. Dementsprechend führt § 3 Abs. 3 bis 5 BDSG als Umgangsformen auf: das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten. Erhoben werden Daten immer dann, wenn sie beschafft werden, § 3 Abs. 3 BDSG. Damit sind alle aktiven oder veranlassten Datenerhebungsvorgänge gemeint, nicht aber personenbezogene Daten, die ein Betroffener von sich aus unverlangt übermittelt.7 Der Begriff des Verarbeitens betrifft zunächst das Speichern von personenbezogenen Daten. Speichern umfasst nicht nur das zielgerichtete Erfassen und Aufnehmen auf einem Speichermedium, sondern nach § 3 Ans. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG auch das Aufbewahren personenbezogener Daten auf einem Datenträger zum Zwecke ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung. Ebenso wird die Veränderung von Daten mit dem Begriff der Verarbeitens erfasst, womit nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BDSG die Umgestaltung etwa in Form einer förmlichen Neustrukturierung nach bestimmten Kategorien gemeint. Die Verarbeitung geschützter Daten in der Form der Übermittlung liegt nicht nur dann vor, wenn die Daten an einen Dritten weitergegeben werden, sondern nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 BDSG auch dann, wenn der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft. Zusätzlich sieht der Gesetzgeber auch das Sperren und Löschen als Variante des Verarbeitens personenbezogener Daten an, § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 und 5 BDSG.
5 6 7
Vgl. insbesondere § 28 Abs. 6 – 9 BDSG. Vgl. z.B. § 91 Abs. 1 S. 1 TKG für den Datenschutz im Telekommunikationsrecht. Simitis, BDSG, 6. Auflage 2006, § 3 Rn. 104.
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Der gesondert aufgeführte Tatbestand der Nutzung von Daten stellt einen Auffangtatbestand dar. Er erfasst vor allem die Durchführung der Datenverarbeitung durch einen Dienstleister im Wege der Auftragsdatenverarbeitung, §§ 3 Abs. 8 Satz 3, 11 BDSG.8 Mit dem Sondertatbestand des § 11 BDSG erfasst der Gesetzgeber die praktisch bedeutsamen Vorgänge des Outsourcing beim Umgang mit personenbezogenen Daten auf Call-Center und andere Dienstleister und unterwirft ihn bestimmten Anforderungen.9 III. Schutzgrundsätze 1. Überblick
1193 Jeder Umgang mit personenbezogenen Daten greift in das in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein und bedarf deshalb einer gesetzlichen Rechtfertigung. Die Schutzkonzeption des Datenschutzrechts beruht auf dem Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten ist danach grundsätzlich verboten, wenn nicht einer der gesetzlichen Erlaubnistatbestände vorliegt. Die grundlegenden Erlaubnistatbestände für den Umgang von (Medien-) Unternehmen mit personenbezogenen Daten sind in §§ 4 und 28 BDSG geregelt. Dabei handelt es sich um insgesamt fünf Erlaubnistatbestände. Überdies gelten nach § 3a BDSG die Grundsätze der Datenvermeidung und Da1194 tensparsamkeit. Nach diesen Grundsätzen haben sich alle Datenverarbeitungssysteme an dem Ziel ausrichten, keine oder so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen. Insbesondere ist nach Maßgabe von § 3a BDSG von den Möglichkeiten der Anonymisierung und Pseudonymisierung Gebrauch zu machen. 2. Erlaubnistatbestände des BDSG a) Einwilligung 1195 Die Einwilligung des Betroffenen in den Umgang mit personenbezogenen Daten ist vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 BDSG und damit als Regelung in den allgemeinen Bestimmungen des BDSG gleichsam vor die Klammer der sonstigen gesetzlichen Erlaubnistatbestände gezogen worden. Der Einwilligung kommt auch deswegen ein besonderer Stellenwert zu, weil die Einwilligung in den Umgang mit besonders sensitiven Daten, den sog. besonderen Arten personenbezogener Daten iSd § 3 Abs. 9, grundsätzlich von der Einwilligung des Betroffenen abhängig ist. Die Einwilligung ist nach § 4a BDSG an besondere Wirksamkeitsbedingungen 1196 gebunden. Ihre gesetzliche Ausgestaltung und strenge Handhabung in der Rechtsprechung machen die Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung und – nutzung von umfänglichen und in der Praxis nicht leicht zu erfüllenden Voraus8 9
Vgl. Simitis, BDSG, 6. Auflage 2006, § 3 Rn. 195. Vgl. dazu Gola/Schomerus, BDSG, 9. Auflage 2007, § 11 Rn. 1 ff.
A. Rechtliche Anforderungen
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setzungen abhängig. Die Einwilligung hat danach nicht nur auf einer freiwilligen Entscheidung des Betroffenen zu beruhen, § 4a Satz 1 BDSG; erforderlich ist weiterhin insbesondere, dass -
das Unternehmen den Betroffenen auf den vorgesehenen Verwendungszweck beim Umgang mit den Daten hinreichend informiert; das Unternehmen den Betroffenen auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinweist; die Einwilligung grundsätzlich schriftlich erteilt sein muss; die Einwilligung für die Zukunft frei widerruflich sein muss; die Einwilligung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen optisch besonders hervorgehoben sein muss und die Einwilligung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 BGB keine unangemessenen Benachteiligung des Betroffenen darstellen darf.
b) Sondergesetzliche Erlaubnistatbestände Nach § 4 Abs. 1, 2 Nr. 1 BDSG ist die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung nach sondergesetzlichen Erlaubnistatbeständen außerhalb des BDSG erlaubt. Solche Tatbestände finden sich beispielsweise in § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG, der dem Diensteanbieter erlaubt, für Zwecke der Werbung, Marktforschung oder zur bedarfsgerechten Gestaltung der Telemedien Nutzungsprofile bei Verwendung von Pseudonymen zu erstellen, sofern der Nutzer dem nicht widerspricht. Auf die Widerspruchsmöglichkeit hat der Diensteanbieter den Nutzer hinzuweisen, § 15 Abs. 3 Satz 2 TMG. Nach § 14 Abs. 2 TMG und § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG darf der Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über Bestands- und Nutzungsdaten geben, soweit das für die Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist.
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c) Erlaubter Umgang mit Vertragsdaten § 28 Abs. 1 Satz1 Nr. 1 BDSG berechtigt Unternehmen, personenbezogene Daten 1198 von Vertragspartnern zu erheben, zu speichern zu verändern oder zu übermitteln, wenn es der „Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnissen mit dem Betroffenen dient.“ Die Vorschrift erlaubt somit einen vertragszweckentsprechenden Umgang mit Kundendaten für die Anbahnung und Durchführung von Verträgen mit den betroffenen Kunden. Der Erlaubnistatbestand lässt sich wertungsmäßig darauf stützen, dass dem Kunden in aller Regel bekannt ist oder zumindest bekannt sein muss, dass das Unternehmen seine Vertragsdaten speichert und verarbeitet und deshalb eine Einwilligung in den Datenumgang nicht erforderlich ist. Es handelt sich um einen Erlaubnistatbestand, dessen Reichweite durch den Vertragszweck selbst und das Erfordernis, dem Vertragszweck „dienen“ zu müssen, konditioniert und begrenzt ist. Das
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§ 20 Mediendatenschutz
Merkmal, dass der Datenumgang der Vertragszweck zu dienen hat, wird deshalb nach h.M. restriktiv im Sinne einer Erforderlichkeitskriteriums ausgelegt.10 d) Erlaubter Umgang mit allgemein zugänglichen Daten 1199 § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG erlaubt den Umgang mit allgemein zugänglichen Daten. „Allgemein zugänglich“ sind solche Daten einer Informationsquelle, die technisch geeignet und dazu bestimmt ist, der Allgemeinheit Informationen zu beschaffen. Die Regelung betrifft vor allem Daten aus den ohne Einschränkung zugänglichen öffentlichen Registern und aus Publikationen in den Medien. Einschränkungen ergeben sich zu einen aus dem in § 28 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 1200 BDSG ausdrücklich vorgesehenen Abwägungsvorbehalt. Weiterhin wird einschränkend gefordert, dass der Erlaubnistatbestand den Umgang mit den personenbezogenen Daten nur in der Weise gestattet, in der sie öffentlich zugänglich sind. Der Umgang mit diesen Daten in veränderter Form, etwa durch Anreicherung dieser Daten, wird von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG nicht erlaubt.11 e) Erlaubnis bei überwiegendem Unternehmensinteresse 1201 § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG enthält einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand, nach dem die Befugnis zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von einer Interessenabwägung abhängig gemacht ist. Hierbei handelt es sich um einen in tatbestandlicher Hinsicht unbestimmten Erlaubnistatbestand, der eingreift, wenn auf Seiten des Unternehmens ein Datenerhebungs- und -verwendungsinteresse vorliegt, die Datenerhebung und -verwendung erforderlich ist, um das angestrebte Interesse zu erreichen, und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange des Betroffenen überwiegen. Der Ausnahmetatbestand wird für die Datenerhebung und -verwendung im 1202 werblichen Zusammenhang herangezogen. Anerkannt ist, dass Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten für Werbezecke haben und insofern ein überwiegendes Interesse der betroffenen gegen die Nutzung der Daten für Werbezwecke nicht besteht.12 Ein Überwiegen des Betroffeneninteresses wird angenommen, wenn aus um1203 fangreichen Datenerhebungen stammende Daten zu Kundenprofilen verarbeitet werden sollen. Aus diesem Grund wird die Verarbeitung der aus der Verwendung von Kundenkarten erhobenen Daten nicht mehr als von dem Abwägungserlaubnistatbestand gedeckt angesehen.13
10
11 12 13
Gola/Schomerus, BDSD, 9. Auflage 2007, § 28 Rn. 13; Simitis, BDSG, 6. Auflage 2006, § 28 Rn. 91. Kramer, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 79. Abschnitt Rn. 35. Kramer, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 79. Abschnitt Rn. 42. So Kramer, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 79. Abschnitt Rn. 43 m.w.N.
B. Rechtschutzgrundsätze
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B. Rechtschutzgrundsätze Rechtschutz im Datenschutzrecht kann auf verschienen Wegen geltend gemacht 1204 werden. Zunächst stehen dem Betroffenen zivilrechtliche Rechtsbehelfe zur Verfügung (dazu unter I.). Die Verletzung der Rechtsregeln des Datenschutzes ist ferner strafrechtlich sanktioniert (dazu unter II.). Die Kontrolle über die Einhaltung der Datenschutzregeln obliegt überdies den betrieblichen Datenschutzbeauftragten (dazu unter III.). Auf die Aufsicht im Datenschutz durch die zuständigen Behörden ist in anderem Zusammenhang einzugehen.14 I. Rechte des Betroffenen Dem Betroffenen stehen im Falle der Verletzung von Datenschutzrecht wegen der 1205 persönlichkeitsschutzrechtlichen Bedeutung dieser Regeln Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche zu. Diese ergeben sich aus dem allgemeinen zivilrechtlichen quasi-negatorischen Anspruch (§ 1004 BGB analog) und dem deliktischen Anspruch gem. § 823 BGB. Auf diese Regeln des allgemeinen Zivilrechts ist an dieser Stelle nicht näher einzugehen.15 Hervorzuheben sind vielmehr die spezifisch datenschutzrechtlichen Rechte des Betroffenen. 1. Informationsansprüche Das Datenschutzrecht sieht zugunsten des Betroffenen spezifische Informations- 1206 ansprüche vor. Diese Ansprüche bestehen als Anspruch des Betroffenen auf Unterrichtung/Benachrichtigung und auf Auskunft. Die Ansprüche unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass die Unterrichtung des Betroffenen auf Initiative des Unternehmens zu erfolgen hat, während der Auskunftsanspruch vom Betroffenen geltend zu machen ist. Der Anspruch auf Unterrichtung besteht grundsätzlich in den Fällen der Daten- 1207 erhebung beim Betroffenen nach § 4 Abs. 3 BDSG. Der Anspruch umfasst die Unterrichtung über die Identität der datenerhebenden Stelle, den mit dem Datenumgang verfolgten Zweck und die Kategorien von Empfängern der Daten. Vielfach wird allerdings in diesen Fällen der Datenerhebung beim Betroffenen ein gesonderte Unterrichtung des Betroffenen entbehrlich sein, weil der Betroffene bereits durch die Datenerhebung selbst, die entsprechenden Informationen erlangt haben wird und damit iSd § 4 Abs. 3 BDSG „bereits auf andere Weise“ unterrichtet wurde. Gewichtigere Bedeutung kommt dem in § 33 BDSG geregelten Anspruch des 1208 Betroffenen auf Benachrichtigung über die Speicherung personenbezogener Daten zu, wenn die Datenerhebung bei Dritten ohne Kenntnis des betroffenen erfolgt. Der Betroffenen ist über den Umstand der Speicherung von Daten als solchen, die
14 15
Vgl. dazu unter Rn. 1401 und 1418 f. Vgl. dazu Gola/Schomerus, BDSG, 9. Auflage 2007, § 4a Rn. 5i.
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§ 20 Mediendatenschutz
Person des Erhebenden und des Verwendenden, die konkrete Zweckbestimmung des Datenumgangs und die künftigen Übermittlungsempfänger zu informieren. Die Verpflichtung zur Benachrichtigung besteht für das Unternehmen unter den 1209 Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 BDSG von Gesetzes wegen nicht. In all diesen Fällen hat das Unternehmen nach § 33 Abs. 2 Satz 2 BDSG schriftlich festzulegen, unter welchen Voraussetzungen von einer Benachrichtigung abgesehen wird. § 34 BDSG gewährt dem Betroffenen einen nach § 6 BDSG nicht abdingbaren 1210 Auskunftsanspruch. Er erstreckt sich inhaltlich nicht nur auf die Informationen, die Gegenstand der Unterrichtungspflicht des speichernden Unternehmens sind, sondern erstreckt sich auch auf Auskunft über die Herkunft der Daten. Die Pflicht zur Auskunftserteilung besteht unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 4 BDSG nicht. 2. Anspruch auf Berichtigung, Löschung und Sperrung 1211 § 35 BDSG schafft einen von den zivilrechtlichen Voraussetzungen des § 1004 BGB gelösten, eigenständigen datenschutzrechtlichen Berichtigungsanspruch. Das Unternehmen hat danach gespeicherte Daten immer dann zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. 3. Widerspruchsrecht 1212 § 28 Abs. 4 BDSG räumt dem Betroffenen ein datenschutzrechtliches Widerspruchsrecht ein. Dieses bezieht sich thematisch auf die Nutzung oder Übermittlung personenbezogener Daten für Zwecke der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung. Über der Betroffene sein Widerspruchsrecht aus, ist die Nutzung oder Übermittlung seiner Daten für diese Zwecke unzulässig. Damit gewährt der Gesetzgeber ein sog. opt-out Befugnis, die den gesetzlichen Erlaubnistatbestand für den Datenumgang wegen überwiegender Unternehmensinteressen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG) beschränkt. Im Interesse einer effektiven Möglichkeit zur Geltendmachung des Widerspruchsrechts verpflichtet der Gesetzgeber das Unternehmen, den Betroffenen bei einer Ansprache zum Zwecke der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung über das Widerspruchsrecht zu unterrichten. 4. Datenschutzrechtlicher Schadenersatzanspruch 1213 Das BDSG sieht in seinem § 7 einen eigenständig geregelten Schadenersatzanspruch des Betroffenen vor. Der Anspruch gegenüber dem Unternehmen ist - anders als der verschuldensunabhängige Anspruch gegenüber Behörden nach § 8 BDSG - ein Schadenersatzanspruch, der Verschulden voraussetzt. Das Verschulden des Unternehmens wird allerdings von Gesetzes wegen (§ 7 Satz 2 BDSG) vermutet; dem Unternehmer ist der Nachweis gestattet, dass es die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt im Umgang mit den personenbezogenen Daten des Betroffenen beachtet hat. Der Schadenersatzanspruch bezieht sich als Schadenersatzanspruch auf den Er1214 satz von Vermögensschäden. Ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden
B. Rechtschutzgrundsätze
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kennt das BDSG nicht; insofern kommt nur ein Entschädigungsanspruch nach den allgemeinen Grundsätzen des Persönlichkeitsschutzes in Betracht;16 dieser Anspruch setzt somit voraus, dass eine schwerwiegende Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt.17 II. Sonstige Sanktionen § 43 BDSG sanktioniert die wesentlichen Verstöße gegen das materielle Daten- 1215 schutzrecht als Ordnungswidrigkeit. Die Ordnungswidrigkeiten werden mit Geldbußen geahndet, für die in § 43 Abs. 3 BDSG ein differenzierter Bußgeldrahmen besteht. Nach § 44 BDSG stellen bestimmte vorsätzliche Verstöße gegen datenschutz- 1216 rechtliche Bestimmungen eine Straftat dar, die nach Maßgabe dieser Bestimmung mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet wird. Außerhalb des BDSG können Verstöße gegen das Datenschutzrecht nach den 1217 Regeln des Wettbewerbsrechts sanktioniert werden. Zu prüfen ist dann, ob der Verstoß gegen das Datenschutzrecht eine unlautere Wettbewerbshandlung i.S. der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG darstellt. Dies kommt immer dann in Betracht, wenn die datenschutzrechtliche Bestimmung zumindest auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG geschützten Mitbewerber und Verbraucher als Marktteilnehmer zu regeln. Im Falle der rechtswidrigen Erhebung oder Übermittlung von personenbezogenen Daten zu geschäftsbezogenen Zwecken (z.B. Adressenhandel) kommt eine solche Rechtsfolge in Betracht.18 III. Kontrolle durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten Eine datenschutzrechtsspezifische Form der Kontrolle des Datenschutzrechts stel- 1218 len die Befugnisse eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten dar.19 Ein betrieblicher Beauftragter für den Datenschutz ist in Unternehmen insbesondere20 zu bestellen, wenn mehr als neun Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind, § 4f Abs. 1 Satz 4 BDSG. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte hat die Aufgabe, auf die Einhaltung 1219 des BDSG und anderer Vorschriften über den Datenschutz hinzuwirken, § 4g BDSG. Dies umfasst die Aufgabe, die Datenverarbeitungsmaßnahmen daraufhin zu überwachen und gegebenenfalls im Wege der Vorabkontrolle nach § 4d Abs. 5 BDSG zu überprüfen, ob diese datenschutzkonform durchgeführt werden, § 4g Abs.1 Satz 4 Nr. 1 BDSG. Zu den Aufgaben des betrieblichen Datenschutzbeauf-
16 17 18 19 20
Vgl. dazu oben Rn. 1142 ff. Gola/Schomerus, BDSG, 9. Auflage 2007, § 7 Rn. 19. Vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 27. Auflage 2009, § 4 Rn. 42. Vgl. dazu unten Rn. 1401. Vgl. auch den Bestellungstatbestand des § 4f Abs. 1 Satz 6 BDSG.
428
§ 21 Jugendmedienschutz
tragten gehört ferner die Aufgabe der Mitarbeiterschulung, § 4g Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BDSG. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte hat eine besondere Rechtstellung im 1220 Unternehmen. Er ist einerseits der Geschäftsleitung unterstellt, andererseits handelt er bei seiner Aufgabenerfüllung wie eine fachlich weisungsunabhängige Einrichtung. Die Geschäftsleitung ist nicht befugt, dem Datenschutzbeauftragten Weisungen für die Durchführung seiner Kontroll- und Schulungsmaßnahmen zu erteilen.
§ 21 Jugendmedienschutz
Literatur Bornemann, Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder, NJW 2003, S. 787 ff.; Dörr/Cole, Jugendschutz in den elektronischen Medien, 2001; Liesching, Jugendmedienschutz in Deutschland und Europa, 2002; ders., Das neue Jugendschutzgesetz, NJW 2002, S. 3281 ff.; Ukrow, Jugendschutzrecht, 2004.
A. Übersicht 1221 Der gesetzliche Jugendmedienschutz hat in Deutschland im einschlägigen Gesetzesrecht eine vom allgemeinen Straf- und Ordnungsrecht gesonderte und dadurch besonders herausgehobene Regelung erfahren. Jugendmedienschutz ist danach konzipiert als Schutz vor der Zugänglichmachung bestimmter als jugendgefährdend eingestufter Medieninhalte. Das einschlägige Gesetzesrecht ist zweigeteilt in die medienbezogenen Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) einerseits und die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) andererseits. Die daneben bestehen Bestimmungen des allgemeinen Strafrechts im Strafgesetzbuch (StGB) werden an dieser Stelle nicht gesondert berücksichtigt. Das StGB enthält eine Reihe von Bestimmungen, die – wie etwa das Verbot von bestimmten gewaltverherrlichenden Darstellungen (§ 131 StGB) oder das Pornographiestrafrecht der §§ 184 ff. StGB - auch unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes bedeutsam sind; diese Regeln verfolgen aber keinen spezifisch jugendmedienschutzrechtlichen Ansatz und sollen deshalb an dieser Stelle nicht näher erläutert werden.21 Eine knappe Darstellung erfährt das Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (dazu unter D.). Der gesetzliche Jugendmedienschutz differenziert zunächst nach Medienspar1222 ten. Diese Differenzierung ist letztlich vor dem Hintergrund der kompetenzrechtli21
Vgl. dazu näher § 22.
A. Übersicht
429
chen Aufteilung der Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Ländern nach Art. 30, 72 ff. GG entstanden.22 Der Jugendschutz im Bereich des Rundfunks und der Telemedien obliegt danach zuständigkeitshalber den Bundesländern, ist aber von den Bundesländern einheitlich im JMStV geregelt worden. Das JuSchG des Bundes regelt den Jugendschutz für den Bereich der sog. Trägermedien. Dabei handelt es sich nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 JuSchG um die „Medien mit Texten, Bildern oder Tönen auf gegenständlichen Trägern, die zur Weitergabe geeignet, zur unmittelbaren Wahrnehmung bestimmt oder in einem Vorführ- oder Spielgerät eingebaut sind.“ Der gesetzliche Jugendmedienschutz bezieht sich auf Kinder, die noch nicht 14 Jahre als sind (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG, 3 Abs. 1 JMStV), und Jugendliche, die 14, aber noch nicht 18 Jahre als sind. Inhaltlich schaffen die Regelungen die Rechtsgrundlage für aufsichtsrechtlich und ordnungswidrigkeitenrechtlich sanktionierte Vertriebs- und Verbreitungsbeschränkungen, die das Medienangebot nach ihrer Gefährlichkeit für Kinder und Jugendliche beurteilen. Das Regelungskonzept sieht drei Regelungskörbe vor, die nach Maßgabe einer differenzierten Bewertung der jugendgefährdenden Bedeutung der Inhalte zwischen absolut unzulässigen Angeboten, im Regelfall unzulässigen Angeboten und sog. entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten differenzieren. Die Einstufung als jugendgefährdendes Medium erfolgt nach dem JuSchG durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Deren Indizierungsentscheidungen ergehen als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.23 Aus den ergangenen Entscheidungen wird eine Indizierungsliste zusammengestellt, die beim Vorsitzenden der BPjM geführt wird, § 24 JuSchG. Sie ist nach § 18 Abs. 2 JuSchG in vier Teilen zu führen, die den besonderen Gefährdungsgrad der Angebote zum Ausdruck bringt. Der Jugendmedienschutz für den Bereich von Filmen sowie Film- und Spielprogrammen wird durch deren Eignungskennzeichnung für bestimmte Altergruppen nach § 14 JuSchG gewährleistet. Die Alterskennzeichnung erfolgt nach den Kategorien ohne Altersbeschränkung, freigegeben ab sechs, zwölf und sechzehn Jahren oder keine Jugendfreigabe, § 14 Abs. 2 JuSchG. Diese Kennzeichnung erfolgt durch die obersten Landesbehörden, die in einem Prüfverfahren entscheiden, das eine Kooperation mit den Selbstkontrolleinrichtungen vorsieht.24 Die Verbreitungsbefugnisse für solche Medien richten sich gem. §§ 11, 12 JuSchG nach dieser Alterskennzeichnung. Mit der Änderung des Jugendschutzgesetzes im Jahr 2008 sind vor allem Maßnahmen zur Verbesserung des Jugendmedienschutzes und insbesondere zum wirksameren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor gewaltbeherrschten Videound Computerspielen in Kraft gesetzt worden. Aus diesem Grunde ist der Katalog der schwer jugendgefährdenden Trägermedien, die nach § 15 Abs. 2 JuSchG indi22
23 24
Vgl. dazu Ukrow, Jugendschutzrecht, 2004, Rn. 73 ff.; Liesching, Jugendmedienschutz in Deutschland und Europa, 2002, S. 249 ff.; ders., ZUM 2002, S. 868 ff.; Reinwald, ZUM 2002, S. 119 ff. Dörr/Cole, Jugendschutz in den elektronischen Medien, S. 96 f. Vgl. Rn. 1396 ff.
1223
1224
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ziert sind, erweitert worden. Überdies sind die in § 18 Abs. 1 JuSchG genannten Indizierungskriterien in Bezug auf mediale Gewaltdarstellungen erweitert und konkretisiert worden. Die Aufsicht über die Jugendmedienschutzgesetzgebung entspricht dem Ne1227 beneinander von staatlicher, staatsfern organisierter Aufsicht und der Selbstkontrolle durch den Medienanbieter. Diese Aufsichtsregeln haben im Jugendmedienschutzrecht eine institutionell und verfahrensrechtlich besondere Ausgestaltung erfahren, auf die im Zusammenhang mit der Darstellung der Aufsichtsregeln im Medienrecht näher einzugehen ist.25
B. Kernregelungen des JMStV I. Anwendungsbereich 1228 Der JMStV enthält die Jugendmedienschutzvorschriften für den gesamten Bereich der elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien und somit für den Rundfunk und die Telemedien, § 2 JMStV. Da der JMStV auf eine eigenständige Festlegung der rechtlich erheblichen Begriffe verzichtet, ist auf die allgemein im Medienrecht geltenden Rechtsbegriffe des Rundfunks und der Telemedien zurückzugreifen.26 Damit unterfallen den Bestimmungen des JMStV der gesamte Bereich des Hörfunks und Fernsehens sowie die sämtliche Datenangebote von Texten, Zeichen, Bildern oder Tönen, die mittels elektronischer Telekommunikation übermittelt werden. Telemedien sind insbesondere alle Online-Angebote, die im Internet abrufbar sind. Abgrenzungsschwierigkeiten und damit Schwierigkeiten bei der rechtlichen 1229 Beurteilung der Frage, welche aufsichtrechtlichen Regeln des Jugendmedienschutzes gelten, ergeben sich im Hinblick auf den Jugendmedienschutz für die sog. Trägermedien iSd § 1 Abs. 2 JuSchG bei Verwendung multifunktionaler Geräte. Beispielsweise stellt das Handy, dessen gespeicherte Inhalte über das Display visualisiert und einem anderen Jugendlichen dargestellt werden, grundsätzlich ein Vorführgerät und damit ein Trägermedium iSd § 1 Abs. 1 JuSchG dar; werden aber die auf dem Handy gespeicherten Inhalte etwa mittels des Übertragungsstandards „bluetooth“ auf ein anderes Handy oder einen anderen Datenträger übertragen, handelt es sich um eine Telemedium iSd JMStV. Nach der herrschenden nutzungsorientierten Rechtsanwendung ist für die rechtliche Einordnung auf die konkrete Verwendung des Mediums im Einzelfall abzustellen.27 Damit wird die rechtliche Problematik der Medienkonvergenz im Jugendmedienschutz allerdings nur theoretisch gelöst, während die sich in der rechtsaufsichtsrechtlichen Praxis
25 26 27
Vgl. dazu Rn. 1395 ff. und 1416 f. Vgl. dazu Rn. 56 ff und 72 ff. Ukrow, Jugendmedienschutz, Rn. 102; Scholz, in: Liesching, Jugendschutz, 4. Auflage 2004, § 1 JuSchG Rn. 11.
B. Kernregelungen des JMStV
431
stellenden Abgrenzungs- und Nachweisprobleme mit der einzelfallbezogenen Nutzungsorientierung letztlich bestehen bleiben. II. Das dreistufige Schutzsystem Der JMStV unterscheidet die Medienangebote nach dem Grad der mit ihnen ein- 1230 hergehenden Gefährdung von Kindern und Jugendlichen. Besonders gefährliche Inhalt werden nach § 4 JMStG als absolut unzulässig Angebote geregelt. Weniger strikte Sanktionen erfahren Angebote die wegen ihrer Jugendschutzerheblichkeit zwar grundsätzlich unzulässig sind, aber unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise doch zugänglich gemacht werden dürfen, § 4 Abs. 2 JMStV. Für Angebote, die als entwicklungsbeeinträchtigend eingestuft werden, gelten nach § 5 JMStV am wenigsten einschneidende Beschränkungen der Zugänglichmachung. Besondere Regelung finden sich in § 6 JMStV für den Bereich der Werbung.28 Die generell unzulässigen Angebote, deren Verbreitung nicht nur gegenüber 1231 Kindern und Jugendlichen sondern auch gegenüber Erwachsenen unzulässig ist, sind in § 4 Abs. 1 JMStV abschließend aufgelistet. Bei den dort aufgelisteten Straftatbeständen handelt es sich um solche Delikte des allgemeinen Strafrechts, die in besonderer Weise gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung öffentliche Ordnung stören und die Menschenwürde verletzen, einschließlich grausamer und sonst unmenschlicher Gewaltdarstellungen, unabhängig davon, ob diese real oder virtuell dargestellt werden.29 Zusätzlich regelt die Vorschrift spezifisch jugendschutzrechtliche Unzulässigkeitstatbestände. Sie erfassen nach § 4 Abs. 1 Nr. 11 JMStV die in den Teilen B und D der Liste nach § 18 JuSchG indizierten Angebote. Nach der Nr. 9 derselben Vorschrift werden Darstellungen von Kindern und Jugendlichen in „unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung“ und damit Sachverhalte erfasst, die als „Einstieg“ für Pädophilie-Darstellungen gelten.30 § 4 Abs. 1 Nr. 8 JMStV regelt den Verbotstatbestand der menschenwürdever- 1232 letzenden Angebote, der durch eine Reihe von Regelbeispielen konkretisiert wird. Die Regelung greift die allgemeinen Programmgrundsätze für Rundfunkveranstalter nach dem RStV auf und macht deren Inhalte auch für Anbieter von Telemediendiensten anwendbar. Die Regelung hat einen gewichtigen Gehalt zum Schutz der Menschenwürde in Rundfunk und Telemedien nicht zuletzt in Ansehung von Tendenzen zur Kommerzialisierung persönlicher Schicksale und Lebenssituation in diesen Medien.31 Sie wirft allerdings auch erhebliche Anwendungsprobleme auf, etwa im Zusammenhang mit der Frage, ob und inwiefern der Wille des Be-
28
29 30 31
Vgl. dazu Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 82. Abschnitt Rn. 12 ff. Vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 5 JMStV. So Cole, in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch Medienrecht, 2008, S. 263. Vgl. eingehend Di Fabio, Der Schutz der Menschenwürde durch Allgemeine Programmgrundsätze, 2000, S. 30 ff.
432
§ 21 Jugendmedienschutz
troffenen bei der Beurteilung der Menschenwürdeverletzung zu berücksichtigen ist.32 § 4 Abs. 2 JMStV regelt, dass eine Reihe weiterer Angebote als unzulässige 1233 Angebote gelten, für die aber bei der Verbreitung in Telemedien bestimmte Ausnahmen zugelassen sind. Erfasst werden die sonstigen, von § 4 Abs. 1 JMStV nicht erfassten pornographischen Angebote (Nr. 1), die in den Teilen A und C der Liste nach § 18 JuSchG indizierten Medienangebote (Nr. 2) und die zu schwerer Jugendgefährdung offensichtlich geeigneten Angebote (Nr. 3). Der relative Verbotscharakter dieser Regelung kommt darin zum Ausdruck, dass die wegen der Jugendgefährdung geregelten Verbote dann nicht gelten, wenn die Angebote in Telemedien verbreitet werden und sichergestellt wird, dass nur Erwachsene Zugang zu ihnen haben, § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV. An die „Sicherstellung“ der Zugänglichkeit nur für diese „geschlossene Benutzergruppe“ im Sinne dieser Vorschrift werden strenge Anforderungen gestellt, indem eine Volljährigkeitsprüfung, die über persönliche Kontakte erfolgen muss, und eine Authentifizierung beim einzelnen Nutzungsvorgang gefordert wird.33 Verifizierungssysteme, die auf einer nutzerseitig einzugebenden Personalausweis- oder Kreditkartenidentifizierung beruhen, werden wegen der bestehenden Umgehungsmöglichkeiten von der Rechtsprechung zu Recht nicht als hinreichend erachtet.34 Für Angebote, die zwar nicht schwer jugendgefährdend, aber doch als entwick1234 lungsbeeinträchtigend einzustufen sind, gilt nach § 5 JMStV, dass sie grundsätzlich zulässig sind, aber differenziert nach Altersstufen nur so verbreitet werden dürfen, dass Kinder und Jugendliche der betroffenen Alterstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen. Der Gesetzgeber greift dabei auf die Alterseinstufungen nach dem JuSchG zurück und regelt in § 5 Abs. 2 JMStV eine gesetzliche Vermutung für die Eignung zur Entwicklungsbeeinträchtigung, wenn eine Altersfreigabe nach dem JuSchG nicht vorlangt. Zur Gewährleistung des Wahrnehmungsschutzes verlangt der Gesetzgeber entweder die Einrichtung technischer Mittel als Zugangshindernis (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 JMStV) oder die Einhaltung bestimmter Sende- oder Verbreitungszeiten, zu denen Kinder und Jugendliche üblicherweise die Angebote nicht wahrnehmen.35
32
33
34
35
Dazu eingehend Dörr, Big Brother und die Menschenwürde. Die Menschenwürde und die Programmfreiheit am Beispiel eines neuen Sendeformats, 2000, S. 55 ff. Vgl. Ziff. 5 der normkonkretisierenden Richtlinien der Landesmedienanstalten; dazu Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 81. Abschnitt Rn. 10 f. m.w.N. Vgl. BGH GRUR 2008, S. 534 ff. - ueber18.de; vgl. dazu Liesching, in: Paschke/Berlit/ Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 81. Abschnitt Rn. 11. Vgl. dazu näher Cole, in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch Medienrecht, 2008, S. 268 ff.
C. Kernregelungen des JuSchG
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C. Kernregelungen des JuSchG I. Anwendungsbereich Das JuSchG bezieht sich nach seinem gegenständlichen Anwendungsbereich in 1235 erster Linie auf Trägermedien iSd § 1 Abs. 2 sowie den Kinder- und Jugendschutz bei Filmveranstaltungen (§ 11). Spezielle Regeln sind vorgesehen für den Versandhandel mit Bildträgern (§ 12 Abs. 3 Nr. 2) sowie die Automatenabgabe von Bildträgern (§ 12 Abs. 4). Der in § 1 Abs. 2 JuSchG legaldefinierte Begriff der Trägermedien erfasst zu- 1236 nächst (Alt. 1) alle mobilen Datenträger wie insbesondere Disketten, CD-Rom oder DVD sowie Audio- und Videokassetten. Diese Medien sind – wie es § 1 Abs. 2 JuSchG verlangt – zur Weitergabe der Inhalte geeignet, weil sie anders als Festplatten oder Speicherchips aus einem Betriebssystem ohne weiteres entnommen und in ein anderes eingefügt werden können.36 PC und Notebooks sind als Daten verarbeitende Medien keine Trägermedien.37 Das gesetzliche Erfordernis von „gegenständlichen Trägern“ stellt zwar grundsätzlich auf einen traditionellen Aspekt der Verkörperung des Mediums ab. In § 1 Abs. 2 Satz 2 JuSchG wird aber das elektronische Verbreiten dem körperlichen Vorgang gleichgestellt. Hiermit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass das Verbreiten von Medien insbesondere als Attachement einer e-mail dem JuSchG unterfällt.38 Die Gesetzesfassung lässt indes außer Acht, dass es nicht möglich ist, Trägermedien ohne vorherige Digitalisierung elektronisch zu verbreiten. Erfolgt aber das Digitalisieren von Trägermedien beispielsweise durch Einscannen, handelt es sich nicht mehr um Trägermedien sondern um Telemedien, die nach dem JMStV zu behandeln sind, § 16 JuSchG.39 Insofern ist der Anwendungsbereich der Regeln über Trägermedien auf solche Fälle beschränkt, in denen die Inhalte von gegenständlichen Trägermedien ohne Zwischenspeicherung übermittelt werden.40 In der Alt. 2 des § 1 Abs. 2 JuSchG werden die unmittelbar zur Wahrnehmung 1237 geeigneten Medien erfasst. Der Anwendungsbereich dieser Regelung bezieht sich vor allem auf das Plakat und sonstige Aushänge an Litfasssäulen oder Plakatwänden und –tafeln. Die in einem Vorführ- oder Spielgerät eingebauten Medien im Sinne der Alt. 3 des § 1 Abs. 2 JuSchG betreffen in erster Linie eingebaute (Spiele-)Dateien, regelmäßig aber nicht den herkömmlichen PC, bei dem nicht die Vorführung von Daten sondern deren Verarbeitung im Vordergrund steht.41
36 37 38 39 40
41
Vgl. Liesching, NJW 2002, S. 3281, 3283. Liesching, NJW 2002, S. 3281, 3283. RegE BT-Drs. 14/9013, S. 18. Liesching, NJW 2002, S. 3281, 3283; Bornemann, NJW 2003, S. 787, 788. Z.B. durch unmittelbaren Online-Zugriff über das Internet (Online-Tauschbörsen); vgl. Liesching, NJW 2002, S. 3281, 3283; ebenso Petersen, Medienrecht, 4. Auflage 2008, § 16 Rn. 6. Liesching, NJW 2002, S. 3281, 3283.
434
§ 21 Jugendmedienschutz
II. Schutzregeln 1238 Im Vordergrund der Regeln des Jugendschutzes im Bereich der Medien steht die Alterskennzeichnung von Filmen nach § 11 JuSchG. Bei öffentlichen Filmveranstaltungen darf nach Maßgabe des § 11 JuSchG die Anwesenheit nur solchen Kindern und Jugendlichen gestattet werden, die der jeweiligen Altersfreigabe für den Film entsprechen. § 12 JuSchG trifft eine Sonderregelung für sog. Bildträger mit Filmen und 1239 Spielen. Für sie muss eine Alterskennzeichnung erfolgen und die Zugänglichmachung dieser Medien darf nur an solche Kinder und Jugendlichen erfolgen, die das in der Altersfreigabe genannte Alter erreicht haben, §§ 12, 18 Abs. 1 Nr. 15 JuSchG. Nach § 14 JuSchG sind Filme und Film- und Spielprogramme mit jugendge1240 fährdenden Inhalten mit einer ihrem Inhalt entsprechenden Alterfreigabe zu kennzeichnen. Die einzelnen Alterstufen ergeben sich aus § 14 Abs. 2 JuSchG, dies sind im Einzelnen: „ohne Altersbeschränkung“, ab „sechs“, „zwölf“ oder „sechzehn Jahren“ sowie „ohne Jugendfreigabe“.42 Für jugendgefährdende Trägermedien gelten die in § 15 JuSchG geregelten 1241 Vertriebs- und Werbebeschränkungen. Betroffen sind zunächst diejenigen Trägermedien, die in die Liste jugendgefährdender Medien iSd § 18 JuSchG aufgenommen sind. Über die Aufnahme in die Liste (oder die Streichung aus der Liste) entscheidet die BPjM nach den Kriterien des § 18 Abs. 1 JuSchG. Danach kommt es darauf an, ob das Medium zur Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen geeignet ist. In § 18 Abs. 1 Satz 2 JuSchG hat der Gesetzgeber nicht abschließend aufgezählte Regelbeispiele für die Eignung zur Entwicklungsbeeinträchtigung aufgelistet. Dazu zählen vor allem unsittliche und verrohend wirkende oder zu Gewalttätigkeiten und Verbrechen anreizende Medien. Die Gesetzesnovelle von 2008 hat in den Nummern 1 und 2 des Satzes 2 die Indizierungskriterien erweitert und ergänzt. Die Regelbeispiele lassen erkennen, dass eine Indizierung von Trägermedien erst ab einem erheblichen Gefährdungsgrad in Betracht kommt. Schwer jugendgefährdende Trägermedien unterliegen den Vertriebs- und Wer1242 bebeschränkungen des § 15 JuSchG, ohne dass es einer Aufnahme in die Liste bedarf. Der Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 2 JuSchG diejenigen Tatbestände aufgeführt, nach denen schwer jugendgefährdende Trägermedien vorliegen. Die Tatbestände betreffen schwere Straftaten und entsprechen denen des § 4 Abs. 1 JMStV.43 Erfüllt der Inhalt eines Trägermediums einen der in § 15 Abs. 2 JuSchG ge1243 nannten Tatbestände oder ist es in die Liste jugendgefährdender Schriften gem. 42
43
Die Kennzeichnung erfolgt gem. § 14 Abs. 2 JuSchG durch die jeweilige oberste Landesbehörde oder die jeweilige Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle. Vgl dazu näher: Hans-Bredow-Institut (2008): Zur Entwicklung der Medien in Deutschland zwischen 1998 und 2007. Wissenschaftliches Gutachten zum Kommunikations- und Medienbericht der Bundesregierung, S. 223 f.; abrufbar unter: http://www.hans-bredow-institut.de/de/forschung/kommunikations-medienberichtbundesregierung.
D. Erschwerung des Zugang zu kinderpornographischen Inhalten
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§ 18 JuSchG aufgenommen worden, so erfolgt gem. § 14 Abs. 2 JuSchG keine Kennzeichnung. Ein Verbot des Versandhandels besteht nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG für in 1244 der Indizierungsliste bekannt gemachte Trägermedien sowie nach § 12 Abs. 3 JuSchG für Bildträger, die keine Alterskennzeichnung aufweisen oder die mit „Keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnet wurden. Nach § 1 Abs. 4 JuSchG besteht aber eine bedeutsame Einschränkung dieses Versandhandelsverbots, wenn – insbesondere durch ein Altersverifikationssystem - gewährleistet ist, dass die betreffenden Medien nicht an Kinder und Jugendliche versendet werden.44
D. Erschwerung des Zugang zu kinderpornographischen Inhalten Aufgrund der Vielzahl nachteiliger Folgen von Kinderpornographie, welche den 1245 Missbrauch von Kindern und deren sexueller Ausbeutung dokumentiert,45 ist das „Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (ZugErschwG) erlassen worden. Nach § 2 Abs. 1 ZugErschwG haben Internet-Service-Provider geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Sperrung von Websites mit kinderpornographischen Inhalten im Sinne von § 184b StGB zu unternehmen. Die Provider erhalten dafür vom Bundeskriminalamt eine täglich aktualisierte Liste mit den zu sperrenden Internetseiten. Soweit Websites, welche von im Geltungsbereich der e-commerce-Richtlinie 1246 niedergelassenen Anbietern betrieben werden, von Maßnahmen nach dem ZugErschwG betroffen sind, erfolgt eine Sperrung gem. § 2 Abs. 1 ZugErschwG, die allerdings nur als subsidiäre Rechtsfolge zur Löschung der einschlägigen Inhalte in Betracht kommt. Erst wenn eine Löschung nicht oder nicht in angemessener Zeit erwartet werden kann, erfolgt bei diesen Websites eine Aufnahme in die Sperrliste. Möchte ein Internetnutzer Websites mit gesperrten Inhalten aufrufen, wird er 1247 von seinem Access-Provider zu einer sog. Stoppmeldung weitergeleitet, welche den Nutzer über die Gründe der Sperrung und eine Kontaktmöglichkeit zum BKA informiert (§ 4 ZugErschwG).46 Ob die Eintragung in die Sperrliste inhaltlich gerechtfertigt ist, wird von einem Expertengremium stichprobenartig überwacht, welches beim Bundesbeauftragten für Datenschutz eingerichtet worden ist (§ 9 ZugErschwG). Gegen die Aufnahme in die Sperrliste steht den Betreibern der betroffenen Websites gem. § 12 ZugErschwG der Verwaltungsrechtsweg offen.
44 45 46
Vgl. Liesching, NJW 2002, S. 3281, 3284. Vgl. BT-Drs. 16/12850, S. 5. Vgl zum ZugErschwG auch Rn. 1018.
436
§ 22 Medienbezogenes Strafrecht
§ 22 Medienbezogenes Strafrecht
Literatur Dörr/Kreile/Cole (Hrsg.), Handbuch Medienrecht, 2008, S. 233 ff. (Abschnitt G); Geiger/Klinghardt, Stasi-Unterlagen-Gesetz – Kommentar, 2. Auflage 2006, §§ 34, 44 StUG; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, 2008, §§ 30, 31, 34; Löffler, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage 2005, Kapitel 48 bis 58; Paschke/Berlit/Meyer (Hrsg.), Hamburger Kommentar - Gesamtes Medienrecht, 2008, 87. bis 90. Abschnitt; Petersen, Medienrecht, 4. Auflage 2008, 5. Teil; Schröder, Strafrechtliche Risiken für den investigativen Journalismus? – Die Meinungs- und Pressefreiheit und das Wertpapierhandelsgesetz, NJW 2009, S. 465 ff.
1248 Zu den im Interesse der Allgemeinheit errichteten Schranken der Medienfreiheiten gehören die Regelungen des materiellen Strafrechts. Bei ihnen handelt es sich um „allgemeine Gesetze“ i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG.47 Nachfolgend kann und soll nicht das gesamte materielle Strafrecht dargestellt werden. Vielmehr werden die Straftatbestände behandelt, die entweder einen speziellen Medienbezug aufweisen oder deren Beachtung im Rahmen der Betätigung der Medien besonders bedeutsam ist. Da die Medienangehörigen bei ihrer Berufsausübung von den Medienfreiheiten 1249 des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Gebrauch machen, kommen ihnen andererseits bestimmte Privilegien zugute. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die aus den Sozialadäquanzklauseln der §§ 86 Abs. 3, 131 Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB) resultierenden Befugnisse, sowie der besondere Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB48 zu nennen.
A. Das Strafgesetzbuch 1250 Die für Jedermann geltenden strafrechtlichen Bestimmungen finden grundsätzlich bei Rechtsverstößen der Medien und ihrer Mitarbeiter Anwendung. Darüber hinaus enthält das StGB zahlreiche für die Medienbetätigung einschlägige Bestimmungen. Da die Medienfreiheiten besonders häufig mit die öffentliche Ordnung schützenden Vorschriften, sowie mit dem in den §§ 201 ff. StGB geregelten Schutz des Lebens- und Geheimbereichs kollidieren, soll der Schwerpunkt der nachfolgenden Darstellung auf diesen Regelungsbereichen liegen. Zwar finden sich im StGB auch den Ehrenschutz betreffende Vorschriften (§§ 185 ff. StGB); deren Bedeutung liegt - wie dargestellt49 - besonders im Zivilrecht.
47
48 49
Dazu bereits Rn. 277 ff.; zu den strengen Bestimmtheitsanforderungen bei Strafnormen BVerfGE 47, S. 198; 27, S. 88, 99 für die StPO; 71, S. 214 f.; 82, S. 50 für die Presse; Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 5 Rn. 55 ff. Siehe hierzu oben, Rn. 371 ff und 871 ff. Vergleiche Rn. 850 ff.
A. Das Strafgesetzbuch
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I. Straftaten gegen die öffentliche Ordnung Die ersten Abschnitte des Besonderen Teils des StGB enthalten Schutzbestimmungen bezüglich des Bestands der Bundesrepublik Deutschland, ihrer „äußeren“ Sicherheit gegenüber anderen Staaten, sowie ihrer „inneren“ Sicherheit als dem Schutz der öffentlichen Ordnung. Da die Medien zur Verwirklichung ihrer „öffentlichen Aufgabe“ nahezu alle gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Ereignisse kontrollieren und kritisieren, ist eine Verletzung anderer, vor allem öffentlicher Rechtsgüter oftmals sehr naheliegend. Zahlreiche Tatbestände setzen etwa eine Tatbegehung „öffentlich ... oder durch die Verbreitung von Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB)50“ voraus und sind daher für die Medien besonders relevant. Sie können auch zugleich ein sog. „Presseinhaltsdelikt“ darstellen, auf das die Sonderregelungen der §§ 20, 24 LPG Anwendung finden.51 Zunächst stellen die Strafbestimmungen für bestimmte Formen der Propaganda einen für die Massenmedien wichtigen Komplex dar. Nach § 86 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer Propagandamittel einer verfassungswidrigen Organisation (Ziffern 14) verbreitet u.ä., so sich der Inhalt der Schriften i.S. des § 11 Abs. 3 StGB gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung52 oder die Völkerverständigung richtet (Abs. 2). Das Tatbestandsmerkmal des „Verbreitens“ wird restriktiv als Gewahrsamsübertragung i.S. eines körperlichen Zugänglichmachens der Schrift interpretiert53, sodass die bloße Bekanntgabe ihres Inhalts folglich nicht genügt. Für Massenmedien ist dieses Sonderdelikt insofern relevant, als Schriften, Filme und sonstiges Ton- oder Bildmaterial mit einer „aktiv kämpferischen, aggressiven Tendenz“ Propagandamittel i.S. des § 86 StGB sein können.54 Auf ausländische Zeitschriften ist diese Vorschrift gemäß Art. 296 EGStGB nicht anwendbar. Durch ihr Verbot bestimmter Meinungsäußerungen greifen die genannten Strafvorschriften vor allem in das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ein. Mithin gelangen sie bei Berichterstattungen, die aufklärerischen, geschichtlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen u.ä. Bestrebungen dienen, nicht zur Anwendung (Sozialadäquanzklausel der §§ 86 Abs. 3, 86a Abs. 3 StGB).55 Strafbar macht sich weiter, wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften i.S. des § 11 Abs. 3 StGB den Staat (die Bundesrepublik, ein Bundesland oder die verfassungsmäßige Ordnung, § 90a Abs. 1 Ziff. 1
50
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Unter „Schriften“ sind Zeichen zu verstehen, die einen geistigen Sinngehalt verkörpern, sowie bestimmt und geeignet sind, diesen zu vermitteln. Näher zum Sonderstrafrecht nach den Landespressegesetzen siehe unten Rn. 1291 ff. Die freiheitlich demokratische Grundordnung i.S. des § 86 StGB umfasst die in § 92 Abs. 2 StGB aufgezählten Verfassungsgrundsätze; vgl. auch BGHSt 23, S. 64 ff. BGHSt 18, S. 63, 64; OLG Hamm, NStZ 1989, S. 578. BGHSt 23, S. 72. Nach h.M. führt dies zum Tatbestandsausschluss, siehe Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2007, § 86 StGB Rn. 17; vgl. Beispiele bei Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 50 Rn. 26 ff.
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StGB), seine Symbole (Flagge, Farben, Wappen oder die 3. Strophe der Hymne56, § 90a Abs. 1 Ziff. 2 StGB), den Bundespräsidenten (§ 90 StGB) oder andere Verfassungsorgane (§ 90b StGB) verunglimpft. Die Tatbestände können durch mündliche, schriftliche oder bildhafte Äußerungen und Darstellungen verwirklicht werden, wobei allerdings die Freiheiten des Art. 5 GG57 regelmäßig zur restriktiven Auslegung ihrer Merkmale führen. Grenzen der Medienfreiheiten werden zudem von Bestimmungen errichtet, die 1255 eine Gefährdung bzw. Störung der äußeren Sicherheit des Staates58 unter Strafe stellen. Hierfür ist der zweite Abschnitt des StGB bedeutsam, soweit er den Verrat von Staatsgeheimnissen betrifft und ist insbesondere im Rahmen der Medienberichterstattung über militärische Angelegenheiten zu beachten. Der Begriff des Staatsgeheimnisses wird in § 93 Abs. 1 StGB legaldefiniert und bezeichnet alle Tatsachen, Gegenstände und Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und geheim gehalten werden müssen, um die äußere Sicherheit der Bundesrepublik nicht zu gefährden. § 95 und § 97 StGB erfordern zusätzlich die tatsächliche Geheimhaltung des Geheimnisses durch eine amtliche Stelle (sog. „faktischer Geheimnisbegriff“).59 Der Landesverrat des § 94 StGB setzt die Absicht des Täters voraus, durch Verrat von Staatsgeheimnissen die Bundesrepublik zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen. Im Gegensatz dazu macht sich nach § 95 StGB strafbar, wer – ohne eine solche verräterische Absicht – ein Staatsgeheimnis an einen Unbefugten gelangen lässt oder öffentlich bekanntmacht; § 97 StGB regelt dieses Delikt bei Fahrlässigkeit. Im Rahmen einer Berichterstattung ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass das öffentliche Informationsinteresse bei geheimen Einzelheiten der Rüstungspolitik, Bundeswehr, Verteidigungskonzepten etc. regelmäßig hinter dem Staatsschutzinteresse zurücktritt.60 Ein übergesetzlicher Rechtfertigungsgrund kann sich nur im Ausnahmefall aus den Grundsätzen der Güterabwägung ergeben, wenn der Täter Geheimnisse offenbart, um illegale Zustände aufzudecken und ihnen entgegenzuwirken.61 Auf Erkenntnisse und Schlussfolgerungen, die Publizisten aus verschiedenen allgemein zugänglichen Quellen zu einem neuen Gesamtbild verknüpfen, ist die Regelung nicht anwendbar, da hierdurch die Berichterstattungsfreiheit übermäßig beschränkt würde.62 Auch gilt anderes, wenn journalistische Räumlichkeiten aufgrund des Verdachts der Beihilfe zu einem Amtsgeheimnisverrat i.S.v. § 353b StGB durchsucht bzw. Beschlagnahmungen vorgenommen worden sind, da die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses nicht ausreicht, die Vornahme solcher Maßnahmen zu ermächtigen.63 56 57 58 59 60 61 62
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Vgl. BVerfG NJW 1990, S. 1985, 1986. Vgl. zur Meinungs- und Kunstfreiheit BVerfGE 81, S. 278, 294 f. Vgl. BGH, NJW 1971 S. 441. Siehe Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 50 Rn. 55, 60, 65. Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 95 Rn. 17. Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 95 Rn. 12 ff. Sog. „Mosaiktheorie“, BVerfGE 20, S. 162 ff. – Spiegel; differenziert Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 50 Rn. 56 m.w.N. Cicero-Entscheidung: BVerfGE 177, S. 244 – CICERO.
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Die Straftaten der §§ 109 ff. StGB dienen dem Schutze der Landesverteidi- 1256 gung und damit ebenfalls der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Wer etwa, um die Bundeswehr an ihrer Aufgabenerfüllung zu behindern, unwahre oder grob entstellende Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, die Tätigkeit der Bundeswehr zu stören, wider besseres Wissen aufstellt oder in Kenntnis ihrer Unwahrheit verbreitet, macht sich wegen „Störpropaganda gegen die Bundeswehr“ nach § 109d StGB strafbar. Da unwahre Tatsachenbehauptungen kein Informationsinteresse bedienen64, kommt eine Rechtfertigung über die Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG nicht in Betracht. Für Werturteile gilt die Norm nicht, sie begründet allenfalls eine Strafbarkeit aus § 185 StGB. § 109f StGB stellt das Sammeln von Nachrichten über Angelegenheiten der Landesverteidigung oder das Betreiben eines militärischen Nachrichtendienstes unter Strafe, um den Gefahren einer Ausforschung der Landesverteidigung bereits im Vorfeld zu begegnen.65 Eine journalistische Verwertung von Informationen wird den Tatbestand der Norm allerdings in der Regel nicht erfüllen, da Satz 2 die „zur Unterrichtung der Öffentlichkeit im Rahmen der üblichen Presse- oder Funkberichterstattung ausgeübte Tätigkeit“ ausdrücklich von der Strafbarkeit ausnimmt. Die beiden Tatbestände des § 109g StGB behandeln letztlich die Anfertigung oder Verbreitung von sicherheitsgefährdenden Abbildungen militärischer Anlagen und Vorgänge (Abs. 1) oder von Luftbildaufnahmen bestimmter Gebiete und Gegenstände (Abs. 2). Beide erfordern die wissentliche Herbeiführung einer konkreten Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik oder die Schlagkraft der Bundeswehr, die dann anzunehmen ist, wenn ein Schaden wahrscheinlicher ist als dessen Ausbleiben.66 Das einträchtige Miteinander der einzelnen Bevölkerungsgruppen ist die 1257 Grundlage für ein sicheres und ungestörtes Zusammenleben. Verhaltensweisen, die diesen Zustand inneren Friedens erheblich beeinträchtigen, sind daher von der Meinungs- und Medienfreiheit nicht geschützt. Dem Schutz der inneren Ordnung dient zunächst das Verbot des § 111 StGB, öffentlich in einer Versammlung oder durch die Verbreitung von Schriften i.S. des § 11 Abs. 3 StGB zur Begehung von konkret bezeichneten Straftaten aufzufordern.67 Die strafbare Handlung des Aufforderns kann in jedweder Form der Anstiftung ausdrücklich, konkludent oder auch auf verstecke Weise (z.B. durch Einschaltung der Medien) erfolgen. Die Veröffentlichung einer fremden Aufforderung erfüllt nur dann den Tatbestand des § 111 StGB, wenn diese erkennbar zu einer eigenen Mitteilung des Mediums gemacht wird.68 Allerdings ist hierbei die (widerlegbare) Vermutung nach den Landespressegesetzen zu beachten, dass der verantwortliche Redakteur einer periodischen Druckschrift den Inhalt seiner Veröffentlichung grundsätzlich als eigene
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Dazu siehe ausführlich oben Rn. 179. BGH, MDR 1980, S. 454; zu den staatsgefährdenden Nachrichtendiensten siehe hingegen die §§ 98 – 100 StGB. BGHSt 8, S. 31; 11, S. 164; 13, S. 70. Eine Aufforderung zu bloßen Ordnungswidrigkeiten genügt nicht, vgl. § 116 OWiG. OLG Frankfurt a.M., NJW 1983, S. 1207.
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Äußerung will.69 Wegen der besonderen Gefährlichkeit solcher „Appelle“ unterliegt die Aufforderung selbst dann der Strafe, wenn sie nicht befolgt wird.70 Angriffe gegen die Menschenwürde bestimmter Bevölkerungsgruppen in Form 1258 von massiven Beschimpfungen, Hasstiraden oder Aufforderungen zu Gewaltmaßnahmen erfüllen den Tatbestand der Volksverhetzung, § 130 StGB.71 Da ein Angriff auf die Menschenwürde als unverzichtbarem Persönlichkeitskern Tatbestandsvoraussetzung ist, genügen bloße Ehrverletzungen nicht.72 Vielmehr muss die Tathandlung eine doppelte Angriffsrichtung – gegen einen soziologisch abgrenzbaren Bevölkerungskreis einerseits und die Menschenwürde andererseits – verfolgen und geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören.73 Abs. 2 enthält eine Qualifikation für den Fall, dass eine zum Rassenhass aufstachelnde Hetze mittels Schriften (Nr. 1) bzw. Rundfunk oder Telemedien (Nr. 2) verbreitet wird.74 Bedeutsam für die Medien ist zudem die nach Abs. 6 anwendbare Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB, wonach eine Strafbarkeit der aufklärerischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Berichterstattung entfällt.75 Eine verherrlichende, verharmlosende oder die Menschenwürde verletzende 1259 Darstellung von grausamen oder sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten76 erfüllt den Tatbestand des § 131 StGB, der gemäß Abs. 2 auch auf Rundfunk und Telemedien Anwendung findet. Als abstraktes Gefährdungsdelikt will dieses Verbot den Gefahren entgegenwirken, die durch die ständige Darstellung von Gewalt in den Massenmedien, vor allem bei Jugendlichen befürchtet werden.77 Seit einer Änderung 2004 erstreckt sich der Tatbestand des Abs. 1 nunmehr auch auf „menschenähnliche Wesen“, sodass die bis dahin andauernde Diskussion an Bedeutung verliert, da nunmehr fiktive Wesen, beispielsweise in Comics, erfasst werden.78 Das Berichterstattungsprivileg des § 131 Abs. 3 StGB schließt den Tatbestand aus, soweit es sich um eine „Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte“ handelt, d.h. dem Rezipienten ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild vermittelt und nicht nur seine Sensationsgier befriedigt werden soll. Überdies macht sich nach § 130a StGB, der mit Blick auf terroristische Gefah1260 ren eingeführt wurde, strafbar, wer Schriften, Ton- und Bildträger oder Darstel-
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Siehe oben Rn. 1342 ff. Abs. 2 als Erweiterung des § 30 StGB, d.h. Spezialfall des Anstiftungsversuches. Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 130 Rn. 4 mit Nachweisen zu einzelnen Fallgruppen. BGHSt 36, S. 83, 90; BGH, NStZ 1981, S. 258; OLG Hamburg, MDR 1981, S. 71. Sog. „potentielles Gefährdungsdelikt“, vgl. BGHSt 16, S. 49; BGH, NJW 1978, S. 58. Z.B. antisemitische Hetze, OLG Köln, NJW 1981, S. 1280 f.; BGHSt 31, S. 231; BGH NStZ 1981, S. 258; Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 130 Rn. 18 ff. Vgl. oben Rn. 1253. Z.B. Folterszenen: OLG Koblenz, NJW 1986, S. 1700 f.; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 131 Rn. 9 ff. Löffler/Ricker, Handbuch, Kap. 52 Rn. 18 m.w.N. Nichtsdestotrotz bleiben unklare Grenzbereiche; hierzu ausführlich Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 131 Rn. 6 ff.; vgl. auch Cole, in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch Medienrecht, 2008, S. 242 f.
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lungen verbreitet, die als Anleitung79 zur Begehung einer der in § 126 Abs. 1 StGB genannten schweren Straftaten dienen können und die Bereitschaft dazu wecken oder fördern. Auch wer eine solche bereits begangene schwere Straftat belohnt oder sie öf- 1261 fentlich in einer Versammlung oder durch die Verbreitung von Schriften i.S. des § 11 Abs. 3 StGB billigt, wird bestraft. Einschlägig ist sodann § 140 StGB, der zusätzlich auf die in § 138 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 StGB genannten Straftaten, sowie nunmehr auf zahlreiche Sexualdelikte verweist und insgesamt der Wahrung des öffentlichen Friedens dient.80 Eine Billigung setzt voraus, dass jemand aus der Sicht eines unbefangenen Durchschnittsempfängers einer konkreten Tat zustimmt und sich moralisch hinter den Täter stellt – eine allgemein gehaltene Billigung genügt nicht.81 Ferner muss diese geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören, was bei historischen Delikten ausscheidet.82 Öffentlichkeit ist gegeben, wenn sich einer unbestimmten Personenanzahl die Möglichkeit zur Kenntnisnahme bietet, z.B. in öffentlichen Internetforen.83 Für die Medien ergibt sich die Konsequenz, dass sie sich bei ihrer Kriminalberichterstattung von den jeweiligen Straftaten so zu distanzieren haben, dass die Berichterstattung zumindest wertfrei erfolgt und damit jegliche Identifikation ausgeschlossen ist.84 Entgegen seiner Stellung im siebten Abschnitt des StGB schützt der Tatbestand 1262 des einfachen Hausfriedensbruchs des § 123 StGB allein das private Hausrecht; erst die Qualifikation des § 124 StGB dient daneben auch dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Der das Hausrecht schützende Straftatbestand des § 123 StGB bedroht den Eindringling ebenso mit Strafe wie denjenigen, der sich auf eine Aufforderung des Berechtigten hin nicht entfernt. Bei der Alternative des Eindringens ist immer ein tatbestandsausschließendes Einverständnis zu berücksichtigen, das bei öffentlichen Räumen wie Kaufhäusern etc. auch in Form einer generellen Zutrittserlaubnis vorliegen kann. Von öffentlichen Versammlungen in geschlossenen Räumen, bei denen gem. § 7 Abs. 4 VersG der Leiter das Hausrecht ausübt, können durch ihren Presseausweis legitimierte Medienvertreter nach § 6 Abs. 2 VersG nicht ausgeschlossen werden. Eine darüber hinausgehende übergesetzliche Rechtfertigung für die Verletzung der räumlichen Privatsphäre durch recherchierende Journalisten lässt sich aus Art. 5 GG aber nicht ableiten, da § 123 StGB dem Hausrecht gegenüber dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit ein
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Zum Begriff der Anleitung Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 88. Abschnitt Rn. 26. BGHSt 22, S. 282, 285. BGHSt 22, S. 282, 286; BGH, AfP 1979, S. 303; 1990, S. 117; MDR 1990, S. 643. So z.B. die Ermordung Cäsars: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 52 Rn. 27; nicht allerdings die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen: BGH, NJW 1978, S. 58; vgl. auch Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, 2008, § 31 I. Ebenso Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 88. Abschnitt Rn. 37. BGH, NJW 1978, S. 58 f.; OLG Braunschweig, NJW 1978, S. 2044 ff.
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größeres Gewicht einräumt.85 Dies gilt ebenso für Räumlichkeiten der öffentlichen Hand, bei denen Betretensverbote allein durch die Zweckbestimmung des betreffenden Raumes begrenzt werden können.86 Besondere Relevanz erlangt diese Strafnorm im Zusammenhang mit Fotoaufnahmen, zu deren Herstellung ein Hausfriedensbruch begangen wird. Der Tatbestand wird bereits dadurch verwirklicht, dass ein Journalist oder Fotograf in öffentlich zugängliche Räume eindringt, um – ohne Rücksprache mit dem Hausrechtsinhaber – Aufnahmen anzufertigen; ein solches Verhalten ist ganz offensichtlich auch von der generellen Zutrittserlaubnis nicht gedeckt.87 Von erheblicher Bedeutung ist ferner, dass das Hausrecht nicht nur an Wohnungen und Geschäftsräumen, sondern während des Aufenthalts auch an Hotelzimmern besteht.88 Der Qualifikationstatbestand zu § 123 Abs. 1 Alt. 1 StGB in § 124 StGB ist er1263 füllt, wenn der Hausfriedensbruch in gewalttätiger Absicht von einer sich zusammenrottenden Menschenmenge begangen wird. Journalisten, die sich zum Zwecke der Berichterstattung an dem Eindringen beteiligen, fehlt es an der gewalttätigen Absicht; sie werden daher nur aus dem Grundtatbestand des § 123 StGB bestraft.89 Die Wahrung des öffentlichen Friedens gebietet notwendig auch die Achtung 1264 vor dem Pietätsgefühl Andersdenkender. Entsprechend schützt § 166 StGB den religiösen Frieden und die gegenseitige Toleranz in einer pluralistischen Gesellschaft, indem er öffentliche oder in Form von Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) verbreitete Beschimpfungen unter Strafe stellt, die sich gegen weltanschauliche oder religiöse Bekenntnisse anderer richten und geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Den gleichen Schutz genießen nach Abs. 2 inländische Kirchen, sonstige Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen. Die Beschimpfung setzt eine nach Form und Inhalt besonders verletzende Kundgabe der Missachtung voraus90, die bloß kritische Auseinandersetzung mit Inhalten unterfällt dem Begriff in verfassungskonformer Auslegung daher nicht.91 Die Rundfunkgesetze der Länder beinhalten darüber hinaus besondere Toleranzgebote: So haben 85
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OLG München, AfP 1992, S. 78, 90; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, S. 538 m.w.N.; vgl. auch den Bericht in AfP 1990, S. 292 zu den Fotografien der Leiche des Ministerpräsidenten Barschel, die im Oktober 1987 in einem Genfer Hotel aufgenommen wurden. Vgl. Öffentlichkeitsgrundsatz bei Gerichtsverhandlungen (§ 169 GVG). Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, S. 538. Vgl. zur unzulässigen Bildanfertigung bereits oben Rn. 887. RGZ 169, S. 87; Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 123 Rn. 3; Soehring, Presserecht, 3. Auflage 2000, Rn. 10.5. BVerfGE 10, S. 121; 20, S. 176. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 166 Rn. 9; ferner LG Düsseldorf, NStZ 1982, S. 290; LG Göttingen, NJW 1985, S. 1652 ff.; OLG Celle, NJW 1986, S. 1275 f.; OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 ff. BVerfGE 12, S. 55; Lackner-Kühl, StGB, 26. Auflage 2007, § 166 Rn. 4 i.V.m. § 90a Rn. 6; gegen eine Anwendbarkeit auf die im Jahre 2006 nach dem Abdruck in einer dänischen Zeitung für Proteste und Aufsehen verantwortlichen Mohammed-Karikaturen: Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 166 Rn. 12; ausführlich hierzu auch Steinbach, JZ 2006, S. 495 ff.
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die Veranstalter etwa die Menschenwürde, das Leben, die körperliche Unversehrtheit, Glauben und Religion, sowie die Freiheit anderer Mitmenschen zu achten. Sendungen, die Vorurteile wegen der Rassenangehörigkeit, des Volkstums, der Religion oder der Weltanschauung schüren, sind verboten.92 II. Der Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs, §§ 201 ff. StGB Die im fünfzehnten Abschnitt des StGB befindlichen Straftatbestände der §§ 201 1265 ff. schützen nicht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, wohl aber dessen Kernbereich, den persönlichen Lebens- und Geheimhaltungsbereich.93 Diese Vorschriften sind sowohl bei der medialen Informationsbeschaffung, als auch der –verbreitung zu beachten.94 Die Regelung des § 201 StGB schützt die Vertraulichkeit des Wortes. Sie flan- 1266 kiert in sofern den zivilrechtlichen Schutz des „Rechts am gesprochenen Wort“ auf strafrechtlicher Ebene.95 Der Schutz des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 geht noch weiter, indem er Diskretionsinteressen und Geheimnisschutz erfasst.96 Während Abs. 1 Aufnahmen in reproduzierbarer Form und deren Verwendung verbietet, sanktioniert Abs. 2 die Ausspähung des Persönlichkeitsbereichs mittels technischer Geräte und bietet darüber hinaus einen inhaltlichen Schutz. Vor allem setzt das Verbot, das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen 1267 auf einen Tonträger aufzunehmen oder mit einem Abhörgerät97 abzuhören (§ 201 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB) der journalistischen Recherche Grenzen. Eine derart verbotenerweise hergestellte Aufnahme darf weder gebraucht noch einem Dritten zugänglich gemacht (§ 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB), oder ihr Inhalt unter Beeinträchtigung berechtigter Interessen öffentlich mitgeteilt werden (§ 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 StGB). Praktische Bedeutung erlangt die Regelung insbesondere im Bereich des „Aufdeckungsjournalismus“, bei dem einer verdeck92 93
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Zu den jeweiligen Bestimmungen vgl. Branahl, Medienrecht, 5. Auflage 2006, S. 225 f. Zur Ergänzung des Schutzes des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in den datenschutzrechtlichen Bestimmungen vgl. Rn. 1183. Vgl. das gesetzgeberische Motiv für die Erweiterung des § 201 Abs. 2 StGB von 1990: Regierungsentwurf (BT-Drs. 11/6714, S.3 f.) und Antwort des Rechtsausschusses (BTDrs. 11/7414, S. 3 ff.). BVerfGE 34, S. 238, 245; BGHSt 14, S. 358, 359; 31, S. 299; siehe ferner oben Rn. 999; Geschütztes Rechtsgut ist auch das Allgemeininteresse an unbefangener Kommunikation, vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 201 Rn. 2. Vgl. BT-Drs. 11/6714 S. 4; Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 201 Rn. 2. Nach BGH, NJW 1982, S. 1397 f. und OLG Hamm, StV 1988, S. 375 unterfallen dem Begriff des Abhörgerätes keine postalisch zugelassenen Mithöreinrichtungen an Telefonanlagen, vielmehr muss es sich um verbotene Verstärker handeln, die nicht zur verkehrsüblichen Ausstattung gebräuchlicher Kommunikationsmittel gehören (z.B. versteckt angebrachte Mikrophone, Stethoskope u.ä.); vgl. auch BVerfGE 1962, S. 332.
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ten Recherche die Veröffentlichung solcher heimlich erlangter Informationen folgt.98 Der Indiskretionstatbestand des § 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB versucht gerade diese Verbreitung mithilfe von Massenmedien zu unterbinden. Eine „Bagatellklausel“ in Abs. 2 Satz 2 (in Bezug auf Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) 1268 nimmt ganz offensichtlich belanglose Äußerungen vom Strafrechtsschutz aus. Indem somit die Publikation rechtswidrig beschaffter Informationen mit Strafe bewehrt ist, wird auch der Medienberichterstattung Grenzen gesetzt.99 Gerade bei Veröffentlichung entsprechender Aufnahmen in Massenmedien dürften berechtigte Interessen regelmäßig beeinträchtigt sein, zumal es ohne Bedeutung ist, um welche Interessen es sich handelt, sofern diese rechtlichen Grundsätzen nicht zuwiderlaufen. Im Übrigen genügt bereits die Geeignetheit der Beeinträchtigung durch eine Verbreitung.100 Aber auch das Recht am gesprochenen Wort als Teil des Allgemeinen Persön1269 lichkeitsrechts bietet keinen absoluten Schutz vor Eingriffen, sofern nicht der intime Kernbereich des Privatlebens betroffen ist.101 So kann die Strafbarkeit ausnahmsweise nach § 201 Abs. 2 Satz 3 StGB ausgeschlossen sein, wenn die öffentliche Mitteilung i.S.d. § 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wurde. Auch dieser besondere Rechtfertigungsgrund fügt sich nahtlos in die Grundrechtssystematik des Art. 5 Abs. 1 GG ein, der zwar die rechtswidrige Informationsbeschaffung nicht deckt, andererseits aber auch kein absolutes Verwertungsverbot begründet.102 Dem BVerfG folgend liegt eine Rechtfertigung vor, wenn die Bedeutung der Informationen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Rechtsordnung nach sich ziehen.103 Ist der Tatbestand des § 201 StGB erfüllt, kommt eine Rechtfertigung vor allem 1270 durch die (mutmaßliche) Einwilligung des Betroffenen in Betracht.104 Für wissentliche, aber ohne Einwilligung gemachte Tonbandaufnahmen lehnt die h.M. entgegen einer Ansicht, welche die Vertraulichkeit verneint und der daraus resultieren-
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Siehe hierzu Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 89. Abschnitt Rn. 14. Motiv für die Erweiterung des § 201 Abs. 2 StGB von 1990: Regierungsentwurf (BTDrs. 11/6714, S. 3) und Antwort des Rechtsausschusses (BT-Drs. 11/7414, S. 3 ff.). Graf, in: MüKo-StGB, 2003, § 201 Rn. 37; Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 201 Rn. 12. BVerfG, NJW 1973, S. 891, 892 – Tonbandaufnahme; BGH NJW 1988, S. 1016, 1017; NJW 1982, S. 277 – Tonbandaufnahme II; zum Schutzumfang siehe oben Rn. 919 und 947. Siehe oben Rn. 917. BVerfG NJW 1984, S. 1741, 1743. BGHSt 30, 306; Wessels/Hettinger, StGB BT I, 32. Auflage 2008, Rn. 532; zu beachten sind auch die besonderen gesetzlichen Befugnisse für die Strafverfolgungsbehörden gemäß §§ 100a, 100b StPO, BGHSt 34, S. 51, früher BVerfG, NJW 1973, S. 891, 89. Verfassungsschutz und Geheimdienste können nach dem G-10-Gesetz den Fernmeldeverkehr überwachen.
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den unbefangenen Äußerungen den Schutz des § 201 StGB versagen will,105 eine Rechtfertigung unter Verweis auf die Möglichkeit der mutmaßlichen Einwilligung ab.106 Auch im Falle einer nur nach den Umständen (konkludent) gegebenen Einwilligung entfällt die Tatbestandsmäßigkeit; ein solcher Fall liegt insbesondere bei solchen Personen vor, die sich trotz offensichtlicher Kenntnis von der Aufnahme artikulieren; diese Situation wird regelmäßig bei Interviews mit Medienvertretern gegeben sein.107 Eine Einwilligung zum Mithören legitimiert nicht ohne weiteres eine Aufnahme auf Tonträger.108 § 201 Abs. 3 der Vorschrift enthält eine Qualifikation für den Fall, dass die Tatbegehung durch einen Amtsträger oder Verpflichteten im öffentlichen Dienst nach § 11 Abs. 1 Nr. 2, 4 StGB begangen wird (unechtes Amtsdelikt). Seit Einführung von § 201a StGB im Jahre 2004 wird auch der höchstpersönli- 1271 che Lebensbereich strafrechtlich geschützt.109 Danach wird bestraft, wer unbefugt Bildaufnahmen von einer Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, herstellt oder überträgt (Abs. 1). Bis zum Erlass dieser Vorschrift war strafrechtlich lediglich die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen ohne Einwilligung des Abgebildeten durch § 33 i.V.m. §§ 22, 23 KUG verboten, nicht jedoch deren Herstellung bzw. Weitergabe an Dritte. Die Norm soll dem Umstand der Weiterentwicklung der Videotechnik (Miniaturisierung, Digitalisierung) Rechnung tragen, die es ermöglicht unbefugt hergestellte Aufnahmen in Echtzeit im Internet zu verbreiten.110 Hierdurch kann nicht zuletzt auch die Arbeitsweise von Fotografen und Bildagenturen erschwert werden. Der Schutzbereich des § 201a StGB umfasst den Bereich, der Begriff der „Intimsphäre“ entspricht; unter ihn fallen jedenfalls Krankheit, Tod und Sexualität.111 Diesem Schutzbereich entsprechend ist der Wohnungsbegriff enger gefasst als bei § 123 StGB.112 Rechtfertigungsgrund kann neben der Einwilligung ein Notstand i.S.v. § 34 StGB sein; eine Rechtfertigung für investigativen Journalismus ergibt sich daraus regelmäßig nicht.113 Zur Abwehr einer übermäßigen Behinderung der journalistischen Tätigkeit durch die Regelung des § 201a StGB, ist eine verfassungskonforme Auslegung in unmittelbare Anwendung von Art. 5 GG vorzunehmen.114 § 193 StGB hingegen findet keine Anwendung.115 105
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Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 201, Rn. 13; weiter noch Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 54 Rn. 13, der diese Situation nicht einmal tatbestandlich erfassen will. Vgl. nur BGHZ 88, S.1017; Wessels/Hettinger, StGB BT I, 32. Auflage 2008, Rn. 532 ff. Graf, in: MüKo-StGB, 2003, § 201 Rn. 40. Fischer, StGB. 56. Auflage 2009, § 201 Rn. 10. BT-Drs. 15/2466. Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 201a Rn. 2; Wessels/Hettinger, StGB BT I, 32. Auflage 2008, Rn. 545a. BT-Drs. 15/2466, S. 5; kritisch Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 201a Rn. 14. Vgl. oben, Rn. 1263; Wessels/Hettinger, StGB BT I, 32. Auflage 2008, Rn. 545b. Hoyer, in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 201a Rn. 26. Lackner/Kühl, StGB, 26. Auflage 2007, § 201a Rn. 9 m.w.N. Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 201a Rn. 16.
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§ 22 Medienbezogenes Strafrecht
§ 201a Abs. 2 StGB stellt den Gebrauch unbefugt hergestellter Aufnahmen (z.B. durch Speichern, Kopieren, Archivieren oder die Verwendung für Fotomontagen116), sowie das Ermöglichen des Zugriffs auf diese durch Dritte unter Strafe. Schließlich werden auch befugt hergestellte Bilder durch strafrechtlich erfasst, sofern diese wissentlich unbefugt einem Dritten zugänglich gemacht werden (§ 201a Abs. 3 StGB). Damit sind Fälle gemeint, in denen einer mit Einwilligung hergestellten Aufnahme ein nachträglicher Vertrauensbruch folgt.117 Das Briefgeheimnis nach § 202 StGB verletzt, wer ein sich von einem nicht zu 1273 seiner Kenntnis bestimmten Schriftstück oder Abbild Kenntnis verschafft – sei es, dass er ein verschlossenes Schriftstück öffnet (Abs. 1 Nr. 1), sich technischer Mittel bedient (Abs. 1 Nr. 2) oder aber ein verschlossenes Behältnis mit Schriftstück öffnet (Abs. 2). § 202a StGB betrifft die moderne Form der Verletzung des Briefgeheimnisses, 1274 nämlich das Ausspähen von Daten, und schließt die Strafbarkeitslücke für die computergesteuerte Kommunikation. Danach macht sich strafbar, wer sich oder einem anderen Zugang zu elektronisch oder magnetisch gespeicherten Daten118 verschafft, die nicht für ihn bestimmt und gesondert gesichert sind. Seit Erweiterung des Tatbestandes im Jahre 2007 liegt die Tathandlung bereits im Verschaffen des Zugangs, sodass auch das sog. Hacking erfasst wird. § 202a StGB aF stellte ein solches „bloßes“ Eindringen in ein fremdes Computersystem nicht unter Strafe.119 Die neuen §§ 202b und 202c StGB120 konkretisieren die Regelungen zum Da1275 tenschutz, indem sie das Abfangen von nichtöffentlich übermittelten Computerdaten bzw. entsprechende Vorbereitungshandlungen unter Strafe stellen. 1272
III. Sonstige Straftatbestände des StGB 1276 Im Folgenden soll ein knapper Überblick über weitere, für die Massenmedien bedeutsame Tatbestände des StGB gegeben werden. Die Darstellung konzentriert sich auf die medienrechtlich bedeutsamen Fragestellungen.121 Der letzte Abschnitt des StGB (Amtsdelikte, §§ 331 ff. StGB) beinhaltet entge1277 gen seiner Überschrift auch Delikte, die Nichtangehörige des öffentlichen Dienstes betreffen. Für die Massenmedien hat § 353d StGB Bedeutung, da er ein sog.
116 117 118
119 120 121
BT-Drs. 15/2466 S. 5; Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 201a Rn. 18. Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 201a Rn. 22. Der Datenbegriff wird in § 202a Abs. 2 StGB legaldefiniert; genauer hierzu Graf, in: MüKo-StGB, 2003, § 202a Rn. 8 f. und Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 89. Abschnitt, Rn. 23. Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 202a Rn. 10a. BT-Drs. 16/3656; 16/5449. Hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen wird auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen.
A. Das Strafgesetzbuch
447
Presseinhaltsdelikt enthält122 und die Gerichtsberichterstattung beschränkt. Grundsätzlich gilt der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren (§ 169 GVG), der zusammen mit den Informationsund Medienfreiheiten den Grundsatz der freien Gerichtsberichterstattung durch die Medien schafft.123 § 353d StGB enthält drei spezielle Schranken dieser Gerichtsberichterstattungsfreiheit. Da diese Vorschrift dem Schutz der an bestimmten Gerichtsverfahren Beteiligten vor Beeinflussung dient, ist sie als „allgemeines Gesetz“ i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG zu klassifizieren und kann die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG zulässigerweise einschränken.124 § 353d Nr. 1 und 2 StGB verbieten unter bestimmten Voraussetzungen die berichtende und kommentierende Wiedergabe des Prozessverlaufs. Nr. 1 bedroht dabei Publikationen über Gerichtsverhandlungen mit Strafe, bei denen die Öffentlichkeit zum Schutze der Staatssicherheit nach § 174 Abs. 2 GVG ausgeschlossen war. Das Veröffentlichungsverbot erstreckt sich auch auf amtliche Schriftstücke eines solchen Prozesses und flankiert in sofern die Staatsschutzbestimmungen auf gerichtsprozessualer Ebene. Nach § 353d Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer unter Verstoß gegen eine gerichtlich auferlegte Schweigepflicht Tatsachen offenbart, die im Verlauf einer nicht-öffentlichen Gerichtsverhandlung oder ein entsprechendes amtliches Schriftstück zu seiner Kenntnis gelangt sind. Das Gericht kann - nachdem bereits die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde - nach § 174 Abs. 3 GVG eine solche zusätzliche Schweigepflicht der Anwesenden zum Schutze der Staatssicherheit (§§ 174 Abs. 3, 172 Nr. 1 GVG), des persönlichen Lebensbereichs eines Prozessbeteiligten (§§ 171b, 172 Nr. 2 GVG) oder eines Privatgeheimnisses (§ 172 Nr. 3 GVG) durch Beschluss anordnen. Nach Nr. 3 wird bestraft, wer amtliche Schriftstücke öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert wurden oder das Verfahren abgeschlossen ist. Allerdings wird nur ihre vollständige oder die wesentlichen Teilen beinhaltende, sowie jedenfalls wörtliche Widergabe erfasst. Aufgrund des Erfordernisses der Mitteilung „im Wortlaut“ ist die Vorschrift vielfach kritisiert und ihre Wirksamkeit angezweifelt,125 jedoch vom BVerfG als verfassungsgemäß angesehen worden.126 Im Zusammenhang mit den neuen Medien gewinnen Computerkriminalität sanktionierende Tatbestände an Bedeutung. Beispielsweise sind die Sonderfälle der Sachbeschädigung, § 303a StGB (Datenveränderung) und § 303b StGB 122
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Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 353d Rn. 1, § 78 Rn. 7; Cole, in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch Medienrecht, 2008, S. 234, 249; vergleiche zu Presseinhaltsdelikten unten, Rn. 1292. Vgl. BGHSt 22, S. 297, 361 und Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 16 Rn. 1. BVerfGE 71, S. 206, 213 f., 218 f. hat daher die Verfassungsmäßigkeit ausdrücklich bejaht; zustimmende Anmerkung von Hoffmann-Riem, JZ 1986, S. 494. OLG Köln, JR 1980, S. 473, 474; Fischer, StGB, § 353d Rn. 6; Samson, in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 353d Rn. 16; Schaumburg, ZRP 1982, S. 142 ff. BVerfG JZ 1986, S. 491 ff.
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§ 22 Medienbezogenes Strafrecht
(Computersabotage) über das Internet besonders leicht zu verwirklichen und deshalb strafwürdig. Der Datenbegriff richtet sich hierbei jeweils nach der Legaldefinition des § 202a Abs. 2 StGB.127 Durch § 303a StGB, der das Löschen, Unterdrücken, Unbrauchbarmachen oder Verändern verbietet, werden nahezu alle denkbaren Konstellationen einer Datenänderung erfasst. Einen typischen Anwendungsfall der Computersabotage stellt das Einspeisen eines Virus in ein Computersystem dar128; auch im Falle des Portscannings kann die Vorschrift einschlägig sein.129 Als weitere computerorientierte Vorschriften sind die Datenfälschung (§§ 268-270 StGB) und die Softwarepiraterie (§§ 69a, 106 UrhG)130 sowie der Computerbetrug gem. § 263a StGB zu nennen, wonach bestraft wird, wer das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst.131
B. Vorschriften des Neben- und Sonderstrafrechts 1282 Neben dem StGB enthalten aber auch andere Gesetze Strafnormen, die für die Medien relevant sind. Der Schwerpunkt liegt hier vor allem auf dem medienspezifischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht der einschlägigen Landesgesetze.132 I. Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) 1283 Das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) vom 20.12.1991133 regelt als abschließendes Spezialgesetz die Handhabung der Bespitzelungsakten des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR. Die §§ 32 ff. StUG befassen sich mit der Verwendung von Unterlagen des 1284 Staatssicherheitsdienstes für die politische und historische Aufarbeitung. Für Medien ist § 34 StUG zu beachten, der die Verwendung durch Presse, Rundfunk, Film, deren Hilfsunternehmen und die für sie journalistisch-redaktionell tätigen Personen regelt und auf die entsprechend anzuwendenden §§ 32, 33 StUG verweist. Demnach gewährt § 34 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 und 4 StUG den Medien ein entsprechendes Zugangsrecht zu den Unterlagen.134 Das Verfahren wird durch 127 128 129 130 131
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133 134
Vgl. oben, Rn. 1274. Barton, Multimedia-Strafrecht, 1999, Rn. 18. Petersen, § 17 Rn. 22, 24. Siehe unten, Rn. 1289. Einzelfragen im Zusammenhang mit dem sog. „phishing“ sind noch weitgehend offen; vgl. dazu Popp, NJW 2004, S. 3517 ff. und Stuckenberg, ZStW 118 (2006), S. 878 ff. Gesetzgebungszuständigkeit des Landesgesetzgebers nach Art. 70 Abs. 1, 30 GG kraft Sachzusammenhangs zur Pressegesetzgebung; vgl. auch BVerfGE 7, S. 29; BVerfG, NJW 1978, S. 1911. BGBl. I, S. 2272 ff. Die Vorschrift umfasst auch Anträge ausländischer Medien und Journalisten, vgl. Rapp-Lücke, in: Geiger/Klinghardt, StUG-Kommentar, 2. Auflage 2006, § 34 Rn. 1.
B. Vorschriften des Neben- und Sonderstrafrechts
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§ 33 StUG geregelt. Aufgrund des Verweises auf die §§ 32 ff. StUG gelten grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie für Forschung und politische Bildung. Allerdings ist die Rechtsprechung des BVerwG zu berücksichtigen, nach der für Medien bei der Verwendung personenbezogener Informationen zum Teil strengere Grundsätze angewendet werden.135 Zudem unterliegen auch Medienanträge dem in § 32 StUG genannten gesetzlichen Zugangszweck, sodass dieser in der beabsichtigten journalistisch-redaktionellen Tätigkeit und Veröffentlichung liegen muss.136 Die Veröffentlichung personenbezogener Informationen beschreibt § 32 Abs. 3 1285 StUG. Wer in Nichtübereinstimmung mit dieser Regelung137 geschützte Originale oder Duplikate mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte ohne deren Einwilligung ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut öffentlich mitteilt, macht sich gem. § 44 StUG strafbar. Die Vorschrift dient dem strafrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sowie dem Allgemeininteresse, eine unbefugte Verbreitung der benannten Stasi-Unterlagen zu verhindern.138 Vorbild dieser Vorschrift ist § 353d Nr.3 StGB.139 Problematischerweise erfasst § 44 StUG nur die authentische Veröffentlichung, 1286 nicht aber die Veröffentlichung unter Abänderungen, seien es auch nur geringfügig. Obwohl die Wirkung für den Betroffenen ähnlich sein dürfte, ist der Straftatbestand mithin nicht erfüllt, wenn eine sinngemäße bzw. zusammenfassende Wiedergabe öffentlich mitgeteilt wird.140 Zwar genügt nach Satz 1 die Mitteilung wesentlicher Teile, sodass unbedeutende Änderungen des Wortlauts die Anwendbarkeit des § 44 StUG grundsätzlich nicht verhindern, sofern die wichtigsten Passagen im Wortlaut wiedergegeben werden.141 Allerdings dürfte die klare Abgrenzung „unwesentlicher“ Teile schwer zu treffen sein. Damit kann die Regelung keinen wirksamen Opferschutz gewährleisten, da der Schutzzweck aufgrund des Tatbestandmerkmals „im Wortlaut“ in einfacher Weise unterlaufen werden kann.142 Des Weiteren erscheint ebenfalls problematisch, dass § 44 StUG lediglich die Veröffentlichung erfasst, nicht aber die widerrechtliche Übermittlung und Verwertung von Opferdaten. Nach § 44 Satz 2 entfällt die Strafbarkeit der Veröffentlichung, wenn der Betroffenen oder Dritte in diese eingewilligt haben. Die Einwilligung ist ein Rechtfertigungsgrund.143 135
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Hierzu ausführlich: Rapp-Lücke, in: Geiger/Klinghardt, StUG-Kommentar, 2. Auflage 2006, § 34 Rn. 2, 10 f. BVerwG, NJW 2004 S. 2462 f., Rapp-Lücke, in: Geiger/Klinghardt, StUG-Kommentar, 2. Auflage 2006, § 34 Rn. 9. Zur genauen Abgrenzung der Veröffentlichungsbefugnis aus § 32 Abs. 3 und der Strafvorschrift des § 44 StUG: Schmidt/Dörr, Stasi-Unterlagen-Gesetz, 1993, § 44 Rn. 5. BT-Drs. 12/1540 S. 43 f., 63 f.; 12/1563 S. 3; Rapp-Lücke, in: Geiger/Klinghardt, StUG-Kommentar, 2. Auflage 2006, § 44 Rn. 1. Hierzu ausführlich: Stoltenberg, StUG-Kommentar, 1992, § 44 Rn. 10 ff. sowie Kloepfer, Das Stasi-Unterlagen-Gesetz und die Pressefreiheit, 1993, S. 78 ff. Rapp-Lücke, in: Geiger/Klinghardt, StUG-Kommentar, 2. Auflage 2006, § 44 Rn. 6; Schmidt/Dörr, Stasi-Unterlagen-Gesetz, 1993, § 44 Rn. 4. Weberling, StUG-Kommentar, 1993, § 44 Rn. 5. So auch Stoltenberg, StUG-Kommentar, 1992, § 44 Rn. 9. Schmidt/Dörr, Stasi-Unterlagen-Gesetz, 1993, § 44 Rn. 6.
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§ 22 Medienbezogenes Strafrecht
Die §§ 45, 46 StUG enthalten strafbewehrte Anzeigepflichten (§ 7 Abs. 3 StUG) bzw. Herausgabepflichten an den Besitzer von Stasi-Unterlagen. II. § 33 KUG
1288 Der Schutz des „Rechts am eigenen Bild“ wird durch die Strafvorschrift des § 33 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG) verstärkt. Danach wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 KUG144 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt. Obwohl es keinen allgemeinen strafrechtlichen Schutz des Persönlichkeitsrechts gibt, spielt diese Strafnorm in der Praxis keine nennenswerte Rolle; da es sich um ein Privatklagedelikt nach § 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO handelt, wird von vornherein ein zivilrechtliches Vorgehen bevorzugt.145 Im Übrigen wird die Schutzregelung nunmehr durch § 201a StGB ergänzt und auch erweitert; dieser stellt bereits die unbefugte Herstellung von Bildaufnahmen unter Strafe, sofern dadurch der höchstpersönliche Lebensbereich berührt wird.146 III. §§ 106 ff. UrhG 1289 Mit zunehmender Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten gerade im Bereich des Internets wird auch die Umgehung von Urheberrechten erleichtert, wodurch das Urheberstrafrecht an Bedeutung gewinnt. Neben den zivilrechtlichen Ansprüchen finden sich in den §§ 106 ff. Urheberrechtsgesetz (UrhG) strafrechtliche Sanktionen, die mehrere Verletzungshandlungen mit Strafe bedrohen. Zentral ist die Regelung des § 106 Abs. 1 UrhG, der die Strafbarkeit unerlaubter Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe eines Werkes festlegt. Tatbestandsmäßig sind oftmals Fälle im Zusammenhang mit Online-Musiktauschbörsen.147 Weiterhin sind das unzulässige Anbringen von Urheberbezeichnungen (§ 107 UrhG), sowie unerlaubte Eingriffe in verwandte Schutzrechte (§ 108 UrhG) bzw. in technische Schutzmaßnahmen und zur Rechtewahrnehmung erforderliche Informationen (§ 108 b UrhG) strafbar.148 Nach § 374 Abs. 1 Ziff. 8 StPO gehören die Urheberrechtsverletzungen nach §§ 106 bis 108 UrhG zu den Privatklagedelik-
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148
Dazu ausführlich oben, Rn. 879 ff. Siehe die einführenden Bemerkungen unter Rn. 1251 ff. Etwa wurde die weitere Verfolgung der Strafanzeige der Geigerin Mutter von der StA abgelehnt, OLG München, NJW-RR 1996, S. 93. Vgl. aber Schöffengericht Ahrensböck, DJZ 1920, S. 196 – Badehosenfotos von Reichspräsident Ebert und Reichswehrminister Noske. Siehe hierzu ausführlich Rn. 1272 ff. Heghmanns, MMR 2004, S. 14 ff.; Cole, in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch Medienrecht, 2008, S. 250; Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 90. Abschnitt Rn. 6. Vgl. zu den einzelnen Tatbestandserforderungen Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage 2008, § 106 ff.
B. Vorschriften des Neben- und Sonderstrafrechts
451
ten, sodass öffentliche Anklage nur in Fällen erhoben wird, die nach § 376 StPO im öffentlichen Interesse liegen. IV. Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG) Im Kapitalmarktrecht finden sich Normen, die die Ausnutzung bzw. unbefugte 1290 Weitergabe sog. Insiderinformationen (§ 13 Abs. 1 WpHG) unter Strafe stellen. Zum einen kann sich, wer über Insiderinformationen verfügt, gem. § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG des Insiderhandels strafbar machen, zum anderen verbietet § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG deren unbefugte Weitergabe. Das durch Recherche erworbene exklusive Wissen sowie die folgende Veröffentlichung von Informationen, die z.B. börsennotierten Banken oder Finanzmärkte betreffen, gehört jedoch zur typischen journalistischen Tätigkeit. Dies wirft die Frage auf, inwieweit Kapitalmarktgesetze als allgemeine Gesetze i.S.v. Art. 5 Abs. 1 GG die Meinungs- und Pressefreiheit – insbesondere im Bereich des investigativen Journalismus – einschränken.149 Ungeklärt ist, ob eine Veröffentlichung durch Journalisten, die infolge ihrer Informationsbeschaffung gem. § 38 Abs. 1 Nr. 2c WpHG zu sog. Primärinsidern werden150, als unbefugte Weitergabe zu sehen ist.151 Nur in diesem Fall wäre eine Sanktionierung möglich. Die Verhaltensgrundsätze des Deutschen Presserats erachten die Publikation von Insiderinformationen für grundsätzlich zulässig, da gerade dies Wesensmerkmal der journalistischen Aufgaben sei.152 Darüber hinaus können Insiderinformationen i.S.v. § 13 Abs. 1 WpHG als Gegenstand öffentlichen Interesses gesehen werden, sodass sie Art. 5 Abs. 1 GG unterfallen. V. Sonderstrafrecht der Presse Die §§ 20-22, 24 LPG153 enthalten das Sonderstrafrecht für die Presse. Ein sog. 1291 Presseinhaltsdelikt nach § 20 LPG liegt vor, wenn der geistige Inhalt der Presseveröffentlichung einen Tatbestand des StGB verwirklicht.154 Hierauf finden prinzipiell die allgemeinen Bestimmungen Anwendung (insoweit ist auf die Ausführungen zum StGB zu verweisen), allerdings wird die strafrechtliche Haftung nach § 20 Abs. 2 LPG auf den verantwortlichen Redakteur, den Herausgeber oder Verleger ausgedehnt (Sonderhaftung) und es gilt die verkürzte Verjährung des § 24 149 150 151 152
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Hierzu ausführlich Schröder, NJW 2009, S. 465 ff. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Auflage 2007, § 14 Rn. 51. Zum Streit Schröder, NJW 2009, S. 465, 466 f. „Journalistische Verhaltensgrundsätze und Empfehlungen des Deutschen Presserats zur Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung“, 2006, abrufbar unter www.presserat. de/fileadmin/download/Finanzberichterstattung.pdf. Im Folgenden wird auf die Gesetzesfassung Baden-Württembergs Bezug genommen. Vgl. im Übrigen die entsprechenden §§ der jeweiligen Landesgesetze. Vgl. BGHSt 27, S. 353; Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 90. Abschnitt Rn. 2; Lecheler, Einführung in das Medienrecht, Jura 1998, S. 225, 227.
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§ 22 Medienbezogenes Strafrecht
LPG. Nach § 20 Abs. 2 LPG liegt ein Presseinhaltsdelikt jedenfalls dann vor, wenn „mittels eines Druckwerkes eine rechtswidrige Tat begangen worden (ist), die einen Straftatbestand verwirklicht“. Dies sind z.B. § 86 StGB, § 184 StGB, § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB, § 111 StGB. Auch ansonsten kann jedes Allgemeindelikt Presseinhaltsdelikt werden, wenn es mittels Verbreitung einer Druckschrift begangen wird, so z.B. § 129a Abs. 3 StGB oder die §§ 185 ff. StGB. Durch die von der Wissenschaft entwickelte und vom Gesetzgeber übernommene Bezeichnung des Presseinhaltsdelikts kann gerade die gefährliche Massenvervielfältigung und – verbreitung von Schriften mit strafbarem Text erfasst werden. Wiederum beruht die genannte Sonderhaftung auf dem Hintergrund, dass der Täter eines solchen Delikts aufgrund der Anonymität der Presse und der vielen dort Mitwirkenden oftmals nicht zu ermitteln ist.155 Die Verbreitung eines Druckwerkes mit strafbarem Inhalt ist notwendige Ausführungshandlung jedes Presseinhaltsdelikts,156 die bloße Verbreitung seines Inhalts genügt den besonderen Anforderungen nicht.157 Auch muss das Druckwerk gerade in seiner typischen Eigenschaft als Einwirkungsmittel auf eine Vielzahl von Lesern dienen.158 Bei den sog. Presseordnungsverstößen handelt es sich um vorsätzliche Zuwi1292 derhandlungen gegen wichtige Ordnungsvorschriften der Landespressegesetze. Sie werden je nach Ausmaß als Vergehen (§ 21 LPG) oder als bloße Ordnungswidrigkeiten (§ 22 LPG) geahndet. Presseordnungsvergehen nach § 21 LPG werden mit Freiheitsstrafe oder Geld1293 strafe bestraft und setzen vorsätzliches Handeln i.S.v. § 15 StGB voraus. Bei Fahrlässigkeit werden die Verstöße i.d. Regel nach § 22 Abs. 2 LPG als bloße Ordnungswidrigkeiten behandelt, der bloße Versuch ist nach § 23 Abs. 1 StGB mangels anderweitiger Anordnung straflos. 1294
Die einzelnen strafbaren Ordnungsvergehen werden in § 21 LPG159 erschöpfend aufgeführt: -
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Die Bestellung eines nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 9 LPG entsprechenden veranwortlichen Redakteurs durch den Verleger (§ 21 Ziff. 1 LPG);160 sowie das (tatsächliche) Tätigwerden als verwantworlicher Redakteur, ohne den besagten Anforderungen zu entsprechen (§ 21 Ziff. 3 LPG); die Verletzung der Impressumspflicht nach § 8 LPG durch V.I.S.D.P. oder Verleger bei strafbarem Inhalt (§ 21 Ziff. 3 LPG). Ist der Inhal nicht strafbar oder fehlt der erforderliche Vorsatz, wird dieser Verstoß als Ordnungswidrigkeit bestraft (s.u.); BGH NJW 1990, S. 2828, 2830; Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 90. Abschnitt Rn. 2. BGH, NJW 1989, S. 989. BGHSt 18, S. 63; BGH, MDR 1977, S. 809. BGH, NJW 1989, S. 989; OLG München, MDR 1989, S. 181. Die einzelnen Länder haben z.T. abweichende Regelungen getroffen haben. Vgl. BGH, NJW 1990, S. 2830.
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-
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schließlich die Verbreitung oder Wiederabdruck von Exemplaren eines beschlagnahmten Druckwerks entgegen dem Verbot des § 15 LPG (§ 21 Ziff. 4 LPG). Aufgrund der vorrangigen bundesrechtlichen Regelungen der § 111m und § 111n StGB wurde diese Vorschrift gegenstandslos und von einigen Ländern bereits aufgehoben.
Unter der Bezeichnung Presseordnungswidrigkeiten (§ 22 LPG) werden weni- 1295 ger gravierende Ordnungsverstöße als bloßes Verwaltungsunrecht behandelt und dem „Gesetz über Ordnungswidrigkeiten“ (OWiG) unterstellt161, das nach § 2 OWiG auf Bundes- und Landesrecht Anwendung findet. Die Vorschriften des StGB gelten zwar nicht, jedoch sind StPO, GVG und JGG mittelbar anwendbar. Nach dem Opportunitätsprinzip im Geltungsbereich des OWiG liegt die Verfolgung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Die einzelnen Ordnungswidrigkeiten-Tatbestände162 gliedern sich in: - Leichter Verstoß gegen die Impressumspflicht (§ 22 Abs. 1 Ziff. 1 LPG), vgl. oben. Die Prüfungspflicht des Verlegers (die er aber auf einen verantwortlichen Betriebsleiter delegieren kann und dann nur noch in Form einer Aufsichtspflicht besteht, vgl. § 130 OWiG) erstreckt sich auf das gesamte Impressum, während der verantwortliche Redakteur lediglich die redaktionsspezifischen Angaben auf ihre Richtigkeit überprüfen muss. Auch einem Unternehmer (z.B. einem Grossisten) ist es untersagt, Druckwerke ohne vollständiges Impressum gewerbsmäßig zu verkaufen, verteilen oder sonstwie zu verbreiten. Seine Prüfungspflicht beschränkt sich allerdings auf Vorhandensein und Vollständigkeit des Impressums, inhaltliche Prüfungspflichten obliegen ihm nicht.163 - Verletzung des Trennungsgebots von Anzeigenteil und redaktionellem Teil nach § 10 LPG (§ 22 Abs. 1 Ziff. 2 LPG). - Verstoß gegen die Ablieferungspflicht von Pflichtexemplaren an die Bibliotheken des Landes.164 - Verletzung des Glossierungsverbots im Rahmen einer Gegendarstellung (§ 22 Abs. 1 Ziff. 3 LPG).165 - Auch die fahrlässige Begehung gewisser Presseordnungsvergehen wird als Ordnungswidrigkeit bestraft (§ 22 Abs. 2 i.V.m. § 21 LPG).
161
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165
Vgl. BVerfG, NJW 1977, S. 293; ausführlich Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 17 Rn. 35 ff. Zu beachten sind auch hier die Besonderheiten der Pressegesetze der einzelnen Länder. Vgl. dazu BGH, AfP 1986, S. 124. Die gesetzliche Regelung dieser Ablieferungspflicht ist in den Ländern verschieden geregelt; in Hamburg z.B. durch § 6 Pflichtexemplargesetz vom 14.9.1988 (GVBl. S. 180). Zur Gegendarstellung siehe Rn. 1050 ff.
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§ 23 Medienbezogenes Strafverfahrensrecht
VI. Sonderregelungen im Bereich des Rundfunks 1296 Während die allgemeinen Strafbestimmungen die Medien gleichermaßen wie jeden Bürger auf die Einhaltung gewisser „Mindeststandards“ verpflichten, enthalten die Rundfunkgesetze der Länder eine Reihe von Vorschriften, die den Freiheitsspielraum enger ziehen. Im Bereich des Staatsschutzes wären etwa das Verbot von Sendungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (z.B. § 7 Abs. 1 NDR-StV, § 6 Abs. 1 SWR-StV) oder soziale Gerechtigkeit (§ 5 Abs. 3 WDR-Gesetz) gerichtet sind, sowie das Gebot einer demokratischen Gesinnung (§ 4 Abs. 2 Radio Bremen-Gesetz), der Verteidigung demokratischer Freiheiten (§ 5 Abs. 3 WDR-Gesetz) und die Verpflichtung zur kritischen Haltung allen undemokratischen Erscheinungen gegenüber (ZDF-Programmrichtlinien, III.1) zu nennen. Rundfunkprogramme sollen zur sozialen Gerechtigkeit mahnen, von Menschlichkeit getragen sein und zur Verwirklichung der Gleichberechtigung beitragen. Schließlich haben sich Rundfunksender mit allen Kräften für Freiheit und Selbstbestimmungsrechte der Völker einzusetzen. Damit enthalten die Rundfunkgesetze Normen für die inhaltliche Gestaltung der Programme, die über strafrechtliche Mindeststandards hinausgehen. Diese Wertvorgaben sind mit der Medienfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, da ihre Überwachung nicht durch staatliche Organe erfolgt, sondern vielmehr im Rahmen einer Binnenaufsicht, sodass die Staatsfreiheit des Rundfunks gewahrt bleibt.166 Zu den jugendschützenden Regelungen betreffend den Rundfunk siehe Rn. 1233 ff.
§ 23 Medienbezogenes Strafverfahrensrecht
Literatur Dörr/Kreile/Cole (Hrsg.), Handbuch Medienrecht, S. 382 ff.; Löffler, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage 2005, Kapitel 30, 31, 49; Löffler/Ricker (Hrsg.), Presserecht Kommentar, 5. Auflage 2006, §§ vor 13 ff, 23 LPG ; Paschke/Berlit/Meyer (Hrsg.), Hamburger Kommentar - Gesamtes Medienrecht, 2008, 91. bis 93. Abschnitt; Schnabl, Strafprozessualer Zugriff auf Computerdaten und die „Cyber-Crime“-Konvention, Jura 2004 S. 379 ff.
1297 Die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG strahlen auf die gesamte öffentliche und private Rechtsordnung aus. Ihrem Schutz entspringen für das Verfahrensrecht medienspezifische Privilegierungen, die der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe dienen.167 Diese Regelungen sind kompetenzrechtlich dem allgemeinen Verfah-
166
167
Vgl. hierzu Ladeur, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 4. Abschnitt Rn. 133 sowie Hesse/Nickel, 29. Abschnitt Rn. 6. Vgl. nur BVerfGE 15, S. 223, 288; 20, S. 162; 36, S. 193, 204; 38, S. 105; 64, S. 108; 77, S. 65 ff. und ferner bereits oben Rn. 210 ff.
A. Das publizistische Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO)
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rensrecht des Bundes zugeordnet,168 da sie der konkurrierenden Gesetzgebung gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unterfallen. Vor allem das publizistische Zeugnisverweigerungsrecht und die ergänzenden Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote gehören diesbezüglich zu den wichtigsten, aber auch umstrittensten Materien des Medienrechts. Sie dienen insbesondere dem in Art. 5 GG verankerten Schutz des Redaktionsgeheimnisses. Schon im Spiegel-Urteil169 hat das BVerfG es als Schutzgut der Pressefreiheit anerkannt und seinem Schutz später im Bild/Wallraff-Urteil170 eine eigenständige verfassungsrechtliche Bedeutung im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 GG zuerkannt. Folglich erschöpft sein Schutz sich nicht in den spezialgesetzlichen Ausformungen einfacher Gesetze. Das BVerfG sieht in der „Vertraulichkeit der gesamten Redaktionsarbeit“ eine „notwendige Bedingung“ der freien Presse und hielte es für mit Art. 5 GG unvereinbar, wenn sich staatliche Stellen Einblicke in die Herstellungsvorgänge eines Medienorgans verschaffen dürften.171
A. Das publizistische Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO) Die Verfahrensordnungen des Bundes räumen Medienmitarbeitern bei der Zeu- 1298 genvernehmung vor Gericht172 ein Zeugnisverweigerungsrecht ein.173 I. Aufgabe und Bedeutung Das Zeugnisverweigerungsrecht bezweckt vornehmlich den Schutz der Informati- 1299 onsbeschaffung durch die Massenmedien. Da der freie Zugang zur Informationsquelle für ein funktionsfähiges Kommunikationswesen unabdingbar ist, ergibt sich der Schutz unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.174 Ihre öffentliche Aufgabe 168
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Hierzu BVerfGE 36, S. 193; 38, 103. Die Vorschriften der StPO sind „allgemeine Gesetze“ i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG, vgl. nur BVerfGE 27, S. 88, 99. Urt. v. 5.8.1966, BVerfGE 20, S. 162, 186 f. – Spiegel. Urt. v. 25.1.1984, BVerfGE 66, S. 116 ff. – Bild/Wallraff. BVerfGE 66, S. 116, 135 – Bild/Wallraff. Und in polizeilichen bzw. staatsanwaltlichen Vernehmungen, § 161a StPO. Die Möglichkeit der Zeugnisverweigerung besteht nicht nur im besonders praxisrelevanten Strafprozess (§§ 53 Abs. 1 Nr. 5, 97 StPO), sondern auch im Zivilprozess (im Gegensatz zu früher nicht mehr wörtlich übereinstimmend, jedoch in Teilen, siehe § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, vgl. dazu auch OLG München, AfP 1989, S. 567). Kraft Verweisung gilt es auch für Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (§ 98 VwGO), den Sozialgerichten (§ 118 Abs. 1 SGG), den Arbeitsgerichten (§ 46 Abs. 2 ArbGG), in Bußgeld- und Disziplinarverfahren (§ 46 OWiG), vor Untersuchungsausschüssen (Art. 44 Abs. 2 GG) sowie nach § 84 FGO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO für finanzgerichtliche Verfahren. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst nicht nur die Verbreitung, sondern auch die Beschaffung einer Information, siehe oben Rn. 207 ff. und BVerfGE 10,
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können die Massenmedien nur dann wirkungsvoll erfüllen, wenn sie die dafür unentbehrlichen Informationsquellen gegenüber staatlichem Zugriff geheim halten können.175 Da die Medien nämlich häufig auf vertrauliche Insider-Informationen angewiesen sind, muss sich der Informant zum eigenen Schutz vor etwa disziplinarischen oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen darauf verlassen können, dass die Medien ihr Redaktionsgeheimnis wahren und ihre Informationsquelle nicht preisgeben. Nur dann wird er bereit sein, sein Wissen den Medien mitzuteilen. Als Ausnahme von dem allgemeinen Zeugniszwang176 stellt das publizistische Zeugnisverweigerungsrecht eine unabdingbare Voraussetzung dafür dar, die Anonymität der Informationsquellen und damit das Vertrauensverhältnis zum Informanten zu schützen.177 Letzteres ist Teil der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Pressefreiheit.178 Dem Zeugnisverweigerungsrecht kommt somit eine doppelte Bedeutung zu: 1300 Zum einen schützt es das Vertrauensverhältnis zwischen Medium und Informant, zum anderen gewährleist es durch Wahrung des Redaktionsgeheimnisses die Freiheit der Meinungsbildung durch die Massenmedien.179 Somit ist es Ausdruck der Kollision von freier Informationsbeschaffung als Bestandteil der Medienfreiheit einerseits und der Erfordernisse des Verfahrensrechts (Zeugniszwang, Beschlagnahme und Durchsuchung), die ihrerseits für die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege unabdingbar sind, andererseits. Infolgedessen sind in diesem Zusammenhang der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz180 und die Freiheitsvermutung181 von besonderer Wichtigkeit. II. Träger des Rechts 1301 Das publizistische Zeugnisverweigerungsrecht berechtigt „Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben“.182 Folglich steht es sämtlichen Medienmitarbeitern zu, sofern sie beruflich an der Berichterstattung mitgewirkt haben. Es beschränkt sich daher nicht auf redaktionelle Mitarbeiter, sondern erfasst auch technische und kaufmän-
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S. 121; ferner E 20, S. 162, 166, 213; 25, S. 296 305; 36, S. 193, 211; BVerfG, NJW 1990, S. 701, 702; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 30 Rn. 5. BVerfGE 20, S. 162. Vgl. §§ 59 ff., 68, 69, 70 StPO, §§ 390 ff., 391, 395, 396 ZPO, auf die alle übrigen Verfahrensordnungen verweisen. BVerfGE 20, S. 162, 176, 187 ff. – Spiegel; 77, S. 65, 74, 81; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 26. BVerfG, NStZ 1982, S. 253. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 26 m.w.N. BVerfGE 15, S. 78; 20, S. 162. Zum Grundsatz des „in dubio pro libertate“ vgl. BVerfGE 7, S. 198, 208; 10, S. 121. § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO; vergleiche auch den z.T. ähnlichen Wortlaut von § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.
A. Das publizistische Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO)
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nische Beschäftigte oder sonstige Hilfspersonen.183 Das Merkmal der Berufsmäßigkeit verlangt weder die gewerbsmäßige, noch die hauptberufliche Beschäftigung.184 Da allein die Absicht der Person erforderlich ist, aus der Mitwirkung eine dauernde oder doch wiederkehrende Beschäftigung zu machen, steht freien Mitarbeitern das Zeugnisverweigerungsrecht ebenso zu wie Redakteuren.185 Da die Erzielung eines Einkommens nicht vorausgesetzt ist, wird selbst die gewollt regelmäßige ehrenamtliche Mitarbeit erfasst. Auch nach Beendigung der Tätigkeit besteht das Zeugnisverweigerungsrecht weiter fort.186 Seit der Gesetzesnovelle kann es sich nunmehr um jegliche Druckwerke han- 1302 deln, d.h. es müssen nicht mehr periodische sein. Mithin können sich auch Mitarbeiter sonstiger Medienunternehmen (z.B. Buch- und Musikverlage, Film- und Videoindustrie) auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen. III. Inhalt des Zeugnisverweigerungsrechts Der Berechtigte hat das Recht, die Aussage zu verweigern „über die Person des 1303 Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmung.“187 Entsprechend entbindet das Zeugnisverweigerungsrecht nur davon, vor Gericht Aussagen zur Sache zu machen und betrifft Auskünfte sowohl zur Person des Informanten, als auch zum Inhalt der Mitteilung selbst. Es befreit hingegen nicht von der Pflicht, vor Gericht oder Staatsanwaltschaft zu erscheinen und Aussagen zur eigenen Person zu treffen. Der Quellenschutz schützt die Anonymität des Informanten umfassend. Er be- 1304 schränkt sich nicht nur auf dessen Namen, sondern erfasst sämtliche Angaben, die zu seiner Ermittlung führen könnten.188 Geschützter Informant in diesem Sinne sind zunächst der Verfasser als geistiger Urheber von redaktionellen Beiträgen oder entsprechenden Unterlagen, auch wenn dieser nicht Redaktionsmitglied ist,189 des Weiteren der Einsender fremder Beiträge oder Unterlagen als Übermittler, und schließlich sonstige Informanten, die reine Informationen liefern, aus denen die Redaktion erst noch Beiträge erstellt. Wenn die Medien die Identität des Informanten selbst preisgeben, dürfen Auskünfte gegenüber Strafverfolgungsbehörden 183
184 185
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189
LG Hamburg, AfP 1984, S. 172 f. - Justitiar; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 31. BGHSt 1, S. 383; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 31 m.w.N. Ausführlich Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 30 Rn. 24; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 31. Vgl. Achenbach, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 23 Rn. 27 ff, insb. Rn. 38. § 53 Abs. 1 Satz 2 StPO und § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. BVerfG, NStZ 1982, S. 253; BGHSt 28, S. 240, 246; 36, S. 298; BGH, NJW 1990, S. 526; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 34. LG Hamburg, AfP 1984, S. 172.
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allerdings nicht mehr zurückgehalten, sondern nur noch Fragen zum Inhalt der Mitteilung verweigert werden.190 Ausnahmsweise steht den Medienmitarbeitern trotz Aufdeckung eines Informanten das Zeugnisverweigerungsrecht weiterhin im ganzen Umfang zu, wenn einerseits ein nur geringfügiges Strafinteresse gegeben ist und andererseits die Veröffentlichung keinem bloßen Unterhaltungsbedürfnis, sondern der sachlichen und ernsthaften Erörterung von Fragen des öffentlichen Interesses dient.191 Das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht sich weiterhin darauf, ob Informatio1305 nen überhaupt mitgeteilt wurden sowie auf deren Inhalt.192 Zu den derart geschützten Mitteilungen gehören alle Informationen, die dem Mitarbeiter im Hinblick auf seine journalistische Tätigkeit überbracht wurden. Folglich muss es sich gerade um Informationen zur beruflichen Verwertung handeln, Erkenntnisse aus dem privaten Umgang bleiben außer Betracht. Auch Archiv- und Hintergrundmaterial sind geschützt, selbst wenn dessen Veröffentlichung niemals beabsichtigt war.193 Es kommt nicht einmal darauf an, ob die Mitteilung nach dem Willen des Informanten vertraulich behandelt werden sollte oder nicht: Da das Zeugnisverweigerungsrecht im freien Ermessen des Berechtigten steht, beinhaltet es keine Rechtspflicht zur Geheimhaltung. Ein Anspruch des Informanten darauf, dass der Journalist von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, besteht – wenngleich die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses Teil der Standesregeln ist194 – nur dann, wenn dies ausdrücklich und konkret vertraglich vereinbart wurde.195 Der Informantenschutz gilt uneingeschränkt, soweit er Mitteilungen für den re1306 daktionellen Teil der Medienberichterstattung betrifft;196 hingegen wird die Anonymität eines Anzeigen- bzw. Werbekunden nicht in gleicher Weise gewährleistet. Das BVerfG hat diese Begrenzung auf den redaktionellen Teil für verfassungsgemäß erklärt,197 obwohl es grundsätzlich auch den Anzeigenteil mit seinem „Chiffre-Geheimnis“ dem Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG unterstellt.198 Wenn allerdings im Einzelfall die Anzeige wie ein redaktioneller Beitrag eine meinungsbildende
190 191 192 193
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BVerfG, AfP 1982, S. 100 f.; BGHSt 28, S. 240 ff.; BGH, NJW 1979, S. 1212 ff. BGHSt 28, S. 240, 246 ff. BGH, NJW 1979, S. 1212, 1214; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 38. Der Wortlaut stellt auf “Unterlagen” ab; vgl. hierzu auch BGHSt 28, S. 240, 251; BGH, NJW 1979, S. 1212, 1214; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 38 m.w.N. Siehe Ziff. 5 der Publizistischen Grundsätze des Deutschen Presserats (sog. Pressekodex); Achenbach, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 23 Rn. 79 ff. OLG Hamburg, AfP 1984, S. 109 f.; BVerfG, NStZ 1982, S. 253; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 26. Vgl. § 53 Abs. 1 Satz 3 StPO; hierzu sind auch Leserbriefe zu zählen, KG NJW 1984, S. 1133. BVerfGE 64, S. 108, 117; BVerfG, AfP 75, S. 95; NJW 1990, S. 701, 702. Kritik bei Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 30 Rn. 35. BVerfGE 64, S. 108, 114 f.
B. Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote
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Aufgabe erfüllt, kommt auch hier ein (verfassungsunmittelbares) Zeugnisverweigerungsrecht in Betracht.199 Seit der Neuregelung fallen nunmehr auch von der Redaktion selbstrecherchier- 1307 tes Material und berufsbezogene Wahrnehmungen gemäß dem Wortlaut des § 53 Abs. 1 Satz 2 StPO unter das publizistische Zeugnisverweigerungsrecht. Demzufolge erfasst die Vorschrift z.B. Notizen, Negative oder Fotos, die von Journalisten selbst erarbeitet worden sind,200 sowie solche Wahrnehmungen, die nicht mit einer von Dritten stammenden Information in Zusammenhang stehen.201 Allerdings erfährt das inhaltlich sehr weitgehende Zeugnisverweigerungsrecht 1308 durch § 53 Abs. 2 Satz 2 StPO im staatlichen Strafverfolgungsinteresse eine Einschränkung für Verbrechen i.S.v. § 12 Abs. 1 StGB, sowie die in Abs. 2 Satz 2 Nr.1 bis 3 abschließend aufgelisteten Straftaten. Diese Einschränkung ist subsidiär und greift daher lediglich im Falle, dass die Erforschung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.202 Zudem findet sich hierzu in Abs. 2 Satz 3 wiederum eine Rückausnahme, wonach der Zeuge die Aussage verweigern kann, soweit sie zur Offenbarung der Person des Verfassers usw. führen würde. Hiermit wird „Gemengelagen“ von Mitteilungen und Recherche Rechnung getragen.203
B. Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote Bei der Beschlagnahme ist streng zwischen zwei wesensverschiedenen Arten zu 1309 unterscheiden: Zunächst soll die das Zeugnisverweigerungsrecht flankierende Beschlagnahme von einzelnem Redaktionsmaterial zu Beweiszwecken behandelt werden (§§ 97, 98 StPO), um danach auf die Beschlagnahme zur Einziehung der Gesamtauflage (§§ 111m, n StPO) einzugehen. Die hier angesprochenen Regelungsbereiche beziehen sich ausschließlich auf Beschlagnahmen bzw. Durchsuchungen für Zwecke der repressiven Strafverfolgung; für präventiv-polizeiliche Maßnahmen gelten die entsprechenden Bestimmungen der Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder und die §§ 45 ff. BGSG. Da Eingriffe in den Produktionsablauf die Funktionsfähigkeit der Medien gravierend beeinträchtigen können, ist bei allen Beschlagnahmen und Durchsuchungen streng der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Dementsprechend sind staatliche Zwangsmaßnahmen nur zulässig, wenn und soweit eine gesetzliche Grundlage diese ausdrücklich zulässt und sie zur Sicherung eines gleichgewichtigen Rechtsgutes geboten sind.204 199
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BVerfGE 64, S. 108; BVerfG, NJW 1990, S. 701, 702; AfP, 1983, S. 385; Meyer-Goßner, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 40. BT-Drs. 14/5166, S. 8. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 39; Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 92. Abschnitt Rn. 22. Hierzu kritisch: Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 39b m.w.N. BT-Drs. 14/5166, S. 9; BGH NJW 1990, S. 525; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 53 Rn. 39c. Zu beachten ist auch hier immer Art. 5 GG.
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§ 23 Medienbezogenes Strafverfahrensrecht
I. Beschlagnahme zu Beweiszwecken, §§ 94 – 98 StPO 1310 Gegenstände, die in Strafverfahren205 als Beweismittel zur Verfügung stehen sollen, dürfen gemäß § 94 Abs. 1 StPO von den Strafverfolgungsbehörden sichergestellt werden. Folgt der Besitzer nicht freiwillig seiner Herausgabepflicht aus § 95 StPO, so sind sie zu beschlagnahmen, § 94 Abs. 2 StPO. Als solcher Gegenstand kommen unbewegliche und bewegliche Sachen jeder Art in Betracht, so beispielsweise auch Speichermedien oder Computerausdrucke.206 Nicht beschlagnahmefähig sind hingegen einzelne gespeicherte Daten, sondern nur das körperliche Trägermedium, das „Gegenstandsqualität“ aufweist (Disketten, EDV-Anlage, usw.).207 Hierbei ist im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insbesondere auf die Vermeidung des Zugriffs auf für das Verfahren unbedeutende Informationen zu achten, soweit dies möglich ist.208 In diesem Zusammenhang könnte künftig auch das neue sog. IT-Grundrecht relevant werden, dessen Bedeutung für Fälle der Hardware-Beschlagnahme allerdings bislang ungeklärt ist.209 Die Beschlagnahmeanordnung erfolgt durch den Richter, bei Gefahr in Verzug 1311 auch durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen (§ 98 Abs. 1 StPO). Allerdings sind die Medien insoweit privilegiert, als Beschlagnahmen oder Durchsuchungen in Räumlichkeiten einer Redaktion, eines Verlags, einer Druckerei oder einem Rundfunksender selbst bei Gefahr im Verzuge nur durch den Richter angeordnet werden dürfen (Richterprivileg nach § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO).210 Aus den §§ 96 ff. StPO oder aus Grundrechten können sich Beschlagnahme1312 verbote ergeben: Gemäß den §§ 97 Abs. 5, 98 StPO sind Beschlagnahmen von Schriftstücken, Abbildungen, Ton-, Bild- und Datenträgern durch die Strafverfolgungsbehörden bei zeugnisverweigerungsberechtigten Personen und in Redaktionen verboten, soweit das Zeugnisverweigerungsrecht reicht. § 97 Abs. 5 StPO verbietet somit explizit die Beschlagnahme von Beweismitteln, die sich im Gewahrsam eines Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden. Die Strafverfolgungsbehörden könnten sich ansonsten mittels einer Beschlagnahme von Redaktionsmaterial die erwünschten Erkenntnisse über Personen und Inhalte verschaffen und so das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO umgehen.211 205
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211
Auch anzuwenden in Bußgeldverfahren (§ 46 OWiG), Disziplinarverfahren (§ 25 BDO), Ehrengerichtsverfahren gegen Rechtsanwälte (§ 116 BRAO) und vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen (Art. 44 GG). BVerfG NJW 2005, S. 1917; weitere Beispiele: Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 94 Rn. 4. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 94 Rn. 4, 16a; ausführlich auch Schnabl, Strafprozessualer Zugriff auf Computerdaten und die „Cyber-Crime“-Konvention, Jura 2004, S. 379, 382 f. BVerwG NJW 2005, S. 1917; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 94 Rn. 18a. Dazu Rn. 958. Die Anordnung der Beschlagnahme darf an diesen Orten allein durch den Richter erfolgen, § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO. An anderen Orten (z.B. Wohnung, Auto) besteht eine Eilbefugnis von Staatsanwaltschaft und Polizei, § 98 Abs. 1 Satz 1 StPO. Vgl. nur BVerfGE 20, S. 162, 188 – Spiegel; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 97, Rn. 1 m.w.N. und 45.
B. Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote
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Daher flankiert das Beschlagnahmeverbot gleichermaßen das Zeugnisverweigerungsrecht, es beansprucht in demselben Umfang Geltung und schützt gleichfalls sowohl das Vertrauensverhältnis zum Informanten als auch das Redaktionsgeheimnis.212 Da das Verbot also nicht im Interesse des Betroffenen besteht, ist seinem Einverständnis mit der Beschlagnahme auch keine Bedeutung beizumessen.213 Infolge der Wortlauterweiterung des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO214 und der dorthin führenden Verweisung aus § 97 Abs. 5 StPO erstreckt sich das Beschlagnahmeverbot nunmehr - im Gegensatz zur früher h.M. - auch auf selbst recherchiertes Material. Der Beschlagnahmeschutz gilt nur, solange das Beweismaterial im Gewahrsam 1313 eines Zeugnisverweigerungsberechtigten, z.B. der Redaktion, des Verlages, der Druckerei oder der Rundfunkanstalten, befindlich ist.215 Mit der Weitergabe an Dritte erlischt es.216 Wird gegen das Beschlagnahmeverbot verstoßen, so zieht dies ein Verwertungsverbot nach sich.217 Eine Grenze findet das Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 5 i.V.m. § 97 1314 Abs. 2 Satz 3 StPO, wenn der Zeugnisverweigerungsberechtigte im Verdacht (§ 152 Abs. 2 StPO) steht, in die zu ermittelnde Straftat verstrickt zu sein.218 In Betracht kommen alle Formen der Beteiligung sowie Hehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung, oder auch eine Verstrickung der Gegenstände etwa in Form illegal beschafften Materials.219 Diese Verbotsschranke stellt die gebotene Balance zwischen Strafverfolgungsinteresse und Medienfreiheit her, da die Medienprivilegien bei bestehendem Tatverdacht zurückzutreten haben. Da der Verdacht einer Teilnahme an Straftaten bei Journalisten kraft ihrer Verantwortung für den Inhalt publizistischer Beiträge aber zwangsläufig naheliegt,220 erscheint es sachgerecht, an den Tatverdacht besondere Anforderungen zu stellen.221 Liegen die Voraussetzungen der §§ 94, 97 Abs. 2 Satz 3 StPO vor, so muss die 1315 Beschlagnahme nach dem Legalitätsprinzip angeordnet werden. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist jedenfalls das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu be212 213 214 215
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Vgl. BVerfGE 20, S. 162, 187 – Spiegel; vgl. auch oben, Rn. 1300 f. Fezer, JuS 1978, S. 767, Fn. 32. Zu beachten ist aber den Fall des § 53 Abs. 2 StPO. Vgl. oben, Rn. 385. Abs. 2 S.1 i.V.m. Abs. 5 S. 1. Zum Gewahrsam ausführlich Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 97 Rn. 11 ff. Strittig bei Verlust oder Diebstahl, vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 97 Rn. 13; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 30 Rn. 48a, beide m.w.N. BGHSt 18, S. 227; Näheres bei Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 97 Rn. 46 ff. m.w.N. Ist er sogar selbst Beschuldigter, entfällt mit seinem Zeugnisverweigerungsrecht natürlich auch das Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbot des § 97 Abs. 5 StPO; BGH, NJW 1992, S. 763, 765; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 97 Rn. 45 für den Fall von Medienangehörigen. Ausführlich Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 30 Rn. 51 f. und MeyerGoßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 97, Rn. 18 ff., 21 ff. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 30 Rn. 51 unter Hinweis auf die sog. Presseinhaltsdelikte wie Beleidigung. Krekeler, NJW 1977, S. 1417; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 97 Rn. 45.
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§ 23 Medienbezogenes Strafverfahrensrecht
achten; so ist für die Zulässigkeit einer Beschlagnahme die Schwere der Tat, das Ausmaß des Tatverdachts, die Erforderlichkeit und die geringstmögliche Behinderung der Medien zu bewerten.222 II. „Auflagenbeschlagnahme“ zur Einziehung, §§ 111m, 111n StPO 1316 Während die Beschlagnahme von Beweismitteln für ein beabsichtigtes Strafverfahren gem. der §§ 94 ff. StPO der Verfahrenssicherung dient, betrifft die vollstreckungssichernde Beschlagnahme insbesondere eine solche von Schriften, Abbildungen, Ton- und Bildträgern223, die wegen ihres Inhalts in ihrer Gesamtauflage beschlagnahmt, eingezogen und vernichtet werden sollen. Folglich gilt das dargestellte Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 5 StPO nicht für derartige Verfallsund Einziehungsgegenstände, die nach den §§ 111b ff. StPO auch bei Zeugnisverweigerungsberechtigten beschlagnahmt werden können.224 Bei der Auflagenbeschlagnahme handelt es sich deshalb um eine medienspezi1317 fische Sonderregelung, die ihre Normierung sowohl in den bundesgesetzlichen Vorschriften der §§ 111m, 111n StPO, als auch in einigen §§ 12 - 20 der Landespressegesetze225 gefunden hat. Zwar ist streitig, welche Vorschriften nunmehr einschlägig sind,226 aufgrund ihrer inhaltsgleichen Interpretation kann der Streit allerdings dahinstehen. Gegenstände unterliegen der Beschlagnahme nach den §§ 111b, 111c StPO, 1318 wenn Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Voraussetzungen der Einziehung nach §§ 74 ff. StGB gegeben sind.227 Bis zur Gesetzesänderung im Jahre 1998 waren an dieser Stelle „dringende Gründe“ erforderlich, sodass seitdem die Eingriffsschwelle auf das Niveau des einfachen Tatverdachts abgesenkt ist.228 Zwar entfiel damit eine bedeutende Hürde für die Anordnung der Auflagenbeschlagnahme, jedoch gebieten das Gewicht der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 14 GG sowie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine sorgfältige Ver-
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Unzulässig ist die Beschlagnahme daher, wenn es sich um Bagatelldelikte handelt, kein Tatverdacht gegeben ist oder andere Beweismittel vorliegen. Grundsätzlich sind nur Kopien, keine Originale herauszugeben. Vgl. LG Trier, AfP 1988, S. 86; LG Berlin, AfP 1981, S. 417, 419. Vgl. § 111m StPO i.V.m. § 74 d und § 11 Abs. 3 StGB. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 97, Rn. 3. Mittlerweile bspw. in den LPG Hessens, Hamburgs oder Nordrhein-Westfalens entfallen. OVG Brandenburg, NJW 1997, S. 1387; Lecheler, Einführung in das Medienrecht, Jura 1988, S. 225, 227; Achenbach, Alte und neue Fragen zur Pressebeschlagnahme, NStZ 2000, S. 123 ff. - Nach Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 31 Rn. 5 und Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 111m Rn. 2 ist mit der h.M. von einem Vorrang des Bundesrechts auszugehen. Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage 2004, § 111b Rn. 1 ff. BT-Drs. 13 / 8651
B. Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote
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dachtsprüfung. Demnach verlangt die pressespezifische Beschlagnahme entgegen dem Wortlaut auch in Bezug auf den Verdachtsgrad erhöhte Anforderungen.229 Die §§ 74 - 76a StGB230 regeln das Recht zur endgültigen Einziehung und Un- 1319 brauchbarmachung von Gegenständen des Strafverfahrens, das im Strafurteil auszusprechen ist und als Strafe oder Sicherungsmaßnahme verhängt werden kann.231 § 74d StGB enthält als Spezialvorschrift die Einziehung von bestimmten Schriften i.S. des § 11 Abs. 3 StGB bei Delikten, deren Strafbarkeit sich aus dem geistigen Inhalt der Schrift ergibt (Inhaltsdelikte), und ist daher die zentrale Einziehungsbestimmung für die Presse.232 Aufgrund der potentiellen Gefährlichkeit erstreckt sich die Einziehung nach § 74d StGB auf die gesamte (noch verfügbare) Auflage und stellt somit wegen der u.U. existenzgefährdenden Folgen einen besonders schweren Eingriff in die Pressefreiheit dar.233 Während die allgemeine Einziehung nach § 74 StGB nur die mit der konkreten Straftat zusammenhängenden Gegenstände erfasst, erstreckt sich die Einziehung nach § 74d StGB wegen der potentiellen Gefährlichkeit auf die gesamte (noch verfügbare) Auflage der Schrift.234 Mit Rücksicht auf die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Medienfreiheit beschränken die §§ 111m, n StPO wiederum die Regelung des § 74d StGB235: Nach der Sonderregelung des § 111m Abs. 2 S. 1, Abs. 3 StPO ist die Beschlagnahme auf die genau zu bezeichnenden strafbaren Teile des Gegenstandes zu beschränken, wodurch der Verlag bzw. Sender zunächst Gelegenheit erhält, diese durch die Entfernung der beanstandeten Passagen abzuwenden (Abs. 4). Ist dies unmöglich, sodass die gesamte Publikation eingezogen werden muss, so sind wegen des weitreichenden Grundrechtseingriffs besonders strenge Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zu stellen.236 Als formelle Voraussetzungen finden sich schließlich in § 111n StPO das richterliche Anordnungsmonopol für die Beschlagnahme periodischer Druckwerke237 sowie eine Ausführungsfrist von zwei Monaten.
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Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage 2004, § 111b Rn. 1 und 15; Achenbach, Alte und neue Fragen zur Pressebeschlagnahme, NStZ 2000, S. 123, 126 f. Zu beachten ist auch der Spezialtatbestand des § 92b StGB, der eine erweiterte Einziehungsmöglichkeit für die Staatsschutzdelikte der §§ 80a-90b StGB enthält. Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 74d Rn. 15. Ausführlich dazu siehe Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 49 Rn. 27 ff. OLG Düsseldorf, AfP 1992, S. 280 f.; Achenbach, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, vor §§ 13 ff. Rn. 5. OLG Düsseldorf, AfP 1992, S. 280 f.; Achenbach, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, vor §§ 13 ff. Rn. 5. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 111m Rn. 1; Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 92. Abschnitt Rn. 26. Siehe nur BVerfGE 71, S. 213 sowie die Spezialkommentierungen zu § 111 m, § 111n StPO. Zu beachten ist aber die Durchbrechung des § 111n Abs. 1 S. 2 StPO für nichtperiodische Druckwerke.
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§ 23 Medienbezogenes Strafverfahrensrecht
III. Durchsuchungen, §§ 102 ff. StPO 1320 Hand in Hand mit der Beschlagnahme kann auch eine Durchsuchung von Redaktionsräumen oder Mitarbeitern durch die Strafverfolgungsbehörden stattfinden. Solche Durchsuchungen nach den §§ 102 ff. StPO dienen dem Zweck, einen Beschuldigten zu ergreifen, Spuren einer Straftat zu verfolgen, Beweismittel aufzufinden oder einzuziehende Gegenstände sicherzustellen (§§ 102, 103, 111b Abs. 4 StPO). Wie auch bei der Beschlagnahme kann man zwei Arten von Durchsuchungen unterscheiden: während die eine der Sicherstellung von Redaktionsmaterial als Beweismittel dient und sich entsprechend an den vom Zeugnisverweigerungsrecht gesteckten Rahmen hält, bezweckt die andere das Auffinden von Druckwerken strafbaren Inhalts als Verfalls- und Einziehungsgegenstände und orientiert sich an den Voraussetzungen zur Auflagenbeschlagnahme. Generell ist eine Durchsuchung nur zulässig, wenn auch die Beschlagnahme 1321 der gesuchten Gegenstände zulässig wäre (sog. akzessorischer Charakter der Durchsuchung). Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Durchsuchung nicht durchgeführt werden darf, soweit ihr Beschlagnahmeverbote entgegenstehen. 238 Wäre beispielsweise fraglich, ob bei der „Suche“ auch EDV-Anlagen in Betrieb genommen werden dürfen, so müsste entsprechend differenziert werden: Eine Inbetriebnahme zum Zwecke der gezielten Suche nach beweiskräftigen Dateien unterfällt der Durchsuchung; sobald aber die entsprechende Information gefunden wurde, sind die Beschlagnahmeregeln anzuwenden.239 Während für die Durchsuchung bei einem Verdächtigen nach § 102 StPO die 1322 bloße Vermutung ausreicht, sie würde zur Auffindung von Beweismitteln oder einzuziehender Gegenstände führen, müssen für Durchsuchungen bei Unverdächtigen gem. § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO bereits konkrete Tatsachen darauf hindeuten, dass sich Solches in den Räumlichkeiten befindet.240 „Zufallsfunde“ anderer Straftaten dürfen nur als Beweis verwertet werden, sofern ihrer Beschlagnahme wiederum kein gesetzliches Verbot entgegensteht.241 Durchsuchungs- wie Beschlagnahmeverbote in Bezug auf das Redaktionsmate1323 rial (§§ 97, 98, 103 StPO) dienen dem Informanten- und Redaktionsgeheimnisschutz und beziehen sich – das Zeugnisverweigerungsrecht gleichsam ergänzend – auf Ermittlungen sowohl zur Person eines Informanten als auch zum Inhalt der Mitteilung gegenüber Medienmitarbeitern.242 So steht etwa ein Zeugnisverweigerungsrecht der Durchsuchung nach § 103 StPO nicht von vornherein entgegen, jedoch wäre ihre Durchführung unzulässig, wenn sie gerade den Zweck verfolgte, dem Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 5 StPO unterfallende Gegenstände auf238 239 240 241
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Vgl. nur BVerfGE 20, S. 162, 186 ff. – Spiegel. Bär, in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch, 2003, Einl. StGB, Rn. 100 ff. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 102 Rn. 2 bzw. § 103 Rn. 4 ff. Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, vor §§ 13 ff. Rn. 37 f.; zu Verwertungsmöglichkeiten von Gegenständen aus fehlerhaften Durchsuchungen siehe Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 94 Rn. 21. BVerfGE 20, S. 162 – Spiegel; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 30 Rn. 43.
C. Sonstige Zugriffsmöglichkeiten
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zuspüren.243 Zudem sind nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG Durchsuchungen (wie auch Beschlagnahmen), die im Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige lediglich das Ziel verfolgen, die Person des Informanten zu ermitteln, unzulässig.244 In entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO über § 105 Abs. 1 1324 StPO sind Durchsuchungen von Räumen eines Presseverlags, einer Pressedruckerei, einer Redaktion oder eines Rundfunksenders allein durch den Richter anzuordnen.245 In der Praxis erfolgt dies oft in Verbindung mit der Beschlagnahmeanordnung. Da die Durchsuchung einen schweren Eingriff in die Medienfreiheit darstellt, 1325 muss die Anordnung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besonders berücksichtigen246 und sowohl den Tatvorwurf als auch das gesuchte Beweismaterial hinreichend bezeichnen.247 Wie gesehen, lässt sich zwar ein genereller Ausschluss von Durchsuchungen unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht herleiten, jedoch führt seine Berücksichtigung zur restriktiven Anwendung der Zwangsmaßnahmen.248 Deshalb sind etwa Durchsuchungen unverhältnismäßig, die erheblich in den Betrieb eingreifen, um einen wenig wahrscheinlichen Tatbestand aufzuklären.249 Die Anordnung einer Durchsuchung zur bloßen Ausforschung wird von der Regelung des § 102 StPO nicht erfasst.250
C. Sonstige Zugriffsmöglichkeiten Unter den Bedingungen der sich entwickelnden Informationsgesellschaft haben 1326 sich die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden nach den §§ 94 ff. StPO als nicht ausreichende Befugnisse zur sachgerechten Strafverfolgung erwiesen. Nachfolgend ist auf weitere Eingriffsbefugnisse hinzuweisen, die den technischen Ent-
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LG Köln, NJW 1981, S. 1746; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 97 Rn. 1, § 103 Rn. 7 m.w.N.; Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 23 Rn. 96 ff. BVerfGE 177, S. 244 – CICERO; BVerfGE 20, S. 162, 191 f. – Spiegel; Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 92. Abschnitt Rn. 4 und 25. Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, vor §§ 13 ff. Rn. 31; § 13 Rn. 22. Ein weiteres Richterprivileg normiert § 22 Abs. 7 RStV in ganz anderem Kontext, nämlich der Durchsuchung zur Überwachung der Vielfaltssicherung bei Veranstaltern bundesweit verbreiteten Fernsehens. LG Bremen, NJW 1981, S. 592; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 102 Rn. 15 m.w.N. BVerfGE 42, S. 212, 221; LG Lüneburg, JZ 1984, S. 343; Pfeiffer, StPO, 5. Auflage 2005, § 102 Rn. 1, 4. BVerfGE 20, S. 162, 198 – Spiegel; Wendt, in: v.Münch/Kunig, GG, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 35. BVerfGE 20, S. 162, 204 – Spiegel; BVerfG AfP 1976, S. 123; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 102 Rn. 16.; Pfeiffer, StPO, 5. Auflage 2005, § 102 Rn. 1. LG Bremen, StV 2002, S. 536; BVerfGE 177, S. 244 – CICERO.
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§ 23 Medienbezogenes Strafverfahrensrecht
wicklungen angepasst wurden und in erster Linie Eingriffe in das von Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis erlauben.251 Eine Überwachung bzw. Aufzeichnung der Telekommunikation,252 d.h. ein Ab1327 hören des Fernmeldeanschlusses und damit auch des Online-Anschlusses wird den Strafverfolgungsbehörden253 unter den Voraussetzungen des § 100a StPO auf richterlichen Beschluss hin ermöglicht, der nach heutigem Verständnis auf alle modernen Formen der Datenkommunikation (auch digitale, z.B. E-Mail oder Voice over IP) anwendbar ist.254 Die Vorschrift erlaubt allerdings nicht den Zugriff auf zugangsgeschützte Internetbereiche.255 Der Online-Zugriff auf allgemein zugängliche Datenbestände erfordert hingegen keine besondere Ermächtigungsgrundlage.256 Des Weiteren sind Online-Durchsuchungen mittels E-Mails bzw. „TrojanerProgrammen“ unzulässig und werden insbesondere auch als heimliche Ermittlungsmaßnahme nicht von § 102 StPO erfasst.257 Die abgehörte Person muss verdächtig sein, eines der Staatsschutzdelikte aus 1328 dem Katalog der § 101a Abs. 1 StPO begangen zu haben. Dieser Katalog ist durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG im Jahr 2008 erweitert worden; er erfasst nunmehr auch z.B. § 184b Abs. 1-3 StGB.258 Da die Überwachung eines Anschlusses auch unverdächtige Benutzer treffen kann, ist die strenge Verhältnismäßigkeit des Eingriffes zu beachten. Dem trägt insbesondere der Subsidiaritätsgrundsatz in § 100a Abs. 1 Nr. 3 StPO Rechnung, nach dem die die Anordnung der Überwachung nur bei Unentbehrlichkeit zulässig ist, wenn also die Erforschung des Sachverhalts anderweitig nicht möglich bzw. wesentlich erschwert ist. Liegt keine der abschließend aufgezählten Katalogtaten nach § 100a Abs. 1 1329 StPO vor, so gewinnt die Auskunft der TK-Anbieter über zurückliegende Kommunikationsvorgänge an Bedeutung für die Ermittlungstätigkeit. Die entsprechende allgemeine Befugnis zur Erhebung von Telekommunikations-Verkehrsdaten regelt die neu ausgestaltete Vorschrift des § 100g StPO. Sie fasst unter Erweiterungen die §§ 100g, 100h StPO a.F. zusammen und trägt den Vorgaben der sog. „Cybercrime-Konvention“ Rechnung. Dieser Anspruch betrifft allerdings nicht die 251
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Bär, in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch, 2003, Einl. StGB, Rn. 83 ff.; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 100a Rn. 1. Der Begriff umfasst gem. der Legaldefinition des § 3 Nr. 22 TKG den gesamten Datenverkehr mittels Telekommunikationsanlage, siehe auch BGH NStZ 2003, S. 668, 669. Verfassungsschutz und Geheimdienst können den Fernmeldeverkehr nach dem G-10Gesetz überwachen. Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 92. Abschnitt Rn. 9; zur Problematik des Zugriffs auf Mailboxen: Meyer-Goßner, 51. Auflage 2008, § 101a Rn. 6. Es fehle hierfür bislang grds. eine entsprechende Regelung in der StPO, Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 101a Rn. 7. BVerfG NJW 2008, S. 822, 836. BGH NJW 2007, S. 930; BVerfG NJW 2008, S. 822; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 100a Rn. 7 f. BR-Drs. 275/07, S. 6 ff.; kritisch: Eckhardt, CR 2007, S. 336, 337.
C. Sonstige Zugriffsmöglichkeiten
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Kommunikationsinhalte (dazu dient § 100a StPO), sondern nur die technischen Verbindungsdaten wie Standort, Datenmenge, Datum und Uhrzeit, die im späteren Hauptverfahren auch verwertet werden dürfen.259 Der Ermittlung der näheren Umstände des Fernmeldevorgangs, die i.d.R. dem durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützten Fernmeldegeheimnis unterfallen, kann auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entgegenstehen.260
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BGH, NStZ 1993, S. 192; NStZ 1998, S. 92. „Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und Information“: OLG Dresden NJW 2007, S. 3511; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 100g Rn. 3.
6. Abschnitt: Transparenz des Medienangebots
§ 24 Impressumspflichten
Literatur Brunst, Umsetzungsprobleme der Impressumspflichten bei Webangeboten, MMR 2004, S. 8 ff.; Ernst, Die wettbewerbsrechtliche Relevanz der Online-Informationspflichten des § 6 TDG, GRUR 2003, S. 759 ff.; Löffler, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage 2005, Kap. 13; Ott, Impressumspflichten für Webseiten, MMR 2007, S. 354 ff; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer (Hrsg.), Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt.
A. Allgemeines Bei der Verbreitung von Inhalten an eine Vielzahl von Rezipienten durch mas- 1330 senmediale Kommunikation wird nicht selbstverständlich der hinter der Information stehende Verantwortliche kenntlich gemacht. Um aber den Kommunikationsinhalt besser bewerten bzw., um Rechtsverletzungen geltend machen und effizient durchsetzen zu können, ist es für den Rezipienten unerlässlich, Kenntnis von der Identität des Kommunikators zu haben. Zur Herstellung dieser Transparenz stellt das geltende Recht an verschiedenen Stellen spezifische Impressumspflichten auf. Diese ermöglichen die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche, sie dienen staatlichen Stellen zur Durchsetzung rechtlicher Vorgaben und sichern die strafrechtliche Verfolgung medienbezogener Delikte.1 Impressumspflichten bestehen sowohl für Druckwerke als auch für Telemedien. 1331 Dabei ist insoweit zu unterscheiden zwischen Impressumspflichten, die vorwiegend der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen dienen (geregelt im TMG), und inhaltsbezogenen Impressumspflichten, die auf die Meinungsrelevanz der betroffenen Medien reagieren (geregelt in den Landespressegesetzen sowie im RStV). Für inhaltlich besonders bedeutsame Angebote (periodische Druckwerke und journalistisch-redaktionelle Telemedien) bestehen darüber hinaus erweiterte Impressumspflichten.2 Im Bereich des privaten Rundfunks wird die Transparenz mittelbar über die 1332 Landesmedienanstalten hergestellt, über die Angaben zum Veranstalter in Erfah1
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Vgl. BGH AfP 1989, S. 732, 734; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn 1. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 1.
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§ 24 Impressumspflichten
rung zu bringen sind. Nach den Landesmediengesetzen3 muss ein Rundfunkveranstalter, wenn er nicht eine natürliche Person ist, Namen und Anschrift mindestens einer für den Inhalt des Programms verantwortlichen Person benennen, die neben dem Veranstalter für die Erfüllung der sich aus dem Landesmediengesetz ergebenden Verpflichtungen verantwortlich ist. Diese Angaben werden auf Verlangen durch die zuständige Landesmedienanstalt mitgeteilt.4 Die persönlichen Anforderungen an die verantwortlichen Personen entsprechen denen des verantwortlichen Redakteurs nach den Landespressegesetzen.5 Andere Landesmediengesetze sehen zusätzlich die Angabe des für den Inhalt einer Sendung verantwortlichen Redakteurs am Ende jeder Sendung vor. Teilweise ist außerdem die Nennung des Veranstalters am Anfang und am Ende der täglichen Sendezeit vorgeschrieben.6
B. Inhaltsbezogene Impressumspflichten I. Allgemeine Impressumspflichten 1. Adressaten 1333 Die allgemeine Impressumspflicht für Druckwerke ist in den Landespressegesetzen7 geregelt, diejenige für Telemedien in § 55 Abs. 1 RStV. Erfasst sind nach den Landespressegesetzen alle Druckwerke, die im Geltungsbereich des jeweiligen Gesetzes erscheinen. Der Begriff „Druckwerk“ ist in den Landespressegesetzen einheitlich definiert und umfasst neben Zeitungen, Zeitschriften und Büchern auch CDs und andere Trägermedien, ferner die Mitteilungen von Nachrichtenagenturen, Pressekorrespondenzen und ähnlichen Presse- und Redaktionszulieferern.8 Nicht erfasst sind sog. „harmlose Druckwerke“ wie ausschließlich amtliche Mitteilungen und Druckwerke, die nur Zwecken des Gewerbes und Verkehrs, des häuslichen und geselligen Lebens dienen, wie Formulare, Preislisten Familienanzeigen und dergleichen, sowie Stimmzettel für Wahlen.9 Der Erscheinungsort ist grundsätzlich der Verlagsort, entscheidend ist jedoch das tatsächliche und rechtliche Schwergewicht der verlegerischen Tätigkeit.10 Adressaten der allgemeinen Informationspflichten nach § 55 Abs. 1 RStV sind 1334 Anbieter von Telemedien, die nicht ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen. Telemedien werden in § 1 Abs. 1 TMG im Wesentlichen durch 3 4 5 6
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Vgl. § 8 MStV-HSH. Vgl. § 8 Abs. 3 MStV-HSH. Zum „Verantwortlichen Redakteur“ vgl. unten Rn. 1342 ff. Dazu näher: Held, in: Hamburger Kommentar, Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 1. Vgl. § 8 Abs. 1 HmbPresseG. Vgl. § 7 Abs. 1, 2 HmbPresseG. Vgl. § 7 Abs. 3 HmbPresseG. Vgl. BGH AfP 1989, S. 732, 733 f.; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 5.
B. Inhaltsbezogene Impressumspflichten
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eine negative Abgrenzung zum Rundfunk i.S.d. RStV und zu reinen Telekommunikationsdiensten sowie sog. „Mehrwertdiensten“ nach dem TKG definiert.11 Anbieter ist nach § 2 S. 1 Nr. 1 TMG, wer eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Auch Anbieter von Unterseiten innerhalb eines Portalangebots – etwa gewerbliche Anbieter auf einer Verkaufsplattform – können impressumspflichtig sein, soweit es sich bei den Unterseiten um Angebote mit hinreichender kommunikationsbezogener Eigenständigkeit handelt.12 Entscheidend ist, wem aus der Sicht des Nutzers die tatsächliche und rechtliche Kontrolle über das Telemedium zukommt.13 Die Ausnahme von der Impressumspflicht für private Telemedien begründet 1335 sich aus dem Schutz der Privatsphäre des Anbieters, aber auch damit, dass eine Kennzeichnungspflicht dazu führen würde, dass ein Großteil privater Internetkommunikation schlichtweg unterbliebe, obwohl diese als „Medium und Faktor der Meinungsbildung“14 durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt ist. Die schutzwürdigen Belange der Beteiligten seien nach der Begründung des Gesetzgebers durch die persönliche Bekanntschaft zwischen Anbieter und Nutzer oder über den Betreiber, auf dessen Plattform private Kommunikation verbreitet wird, gewahrt.15 Die Privatheit des Angebots kann sich aus der Beschränkung der Zugänglichkeit oder aus dem Inhalt ergeben, wenn ausschließlich Informationen aus dem persönlichen oder familiären Lebensbereich angeboten werden. 16 Ferner ist darauf abzustellen, ob neben den Bekannten des Anbieters Dritte ein berechtigtes Interesse an dessen Identität haben.17 2. Inhalt der Impressumspflicht In Druckwerken sind nach den Landespressegesetzen Name oder Firma des Ver- 1336 legers und des Druckers, beim Selbstverlag die des Verfassers oder Herausgebers anzugeben,18 bei Telemedien gem. § 55 Abs. 1 RStV Name und Anschrift des Anbieters nach § 2 S. 1 Nr. 1 TMG sowie eines etwaigen Vertretungsberechtigten. Als Drucker ist der Inhaber des Druckereibetriebs anzugeben,19 Verleger ist der Unternehmer, der das Erscheinen und Verbreiten von Druckwerken im eigenen Namen bewirkt.20
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Vgl. Engels/Jürgens/Fritzsche, K&R 2007, S. 57 f.; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 27. Vgl. OLG Frankfurt, MMR 2007, 379 ff. Näher: Engels/Jürgens/Fritzsche/Kleinschmidt, K&R 2007, S. 57, 59; 2008, S. 65 f. So für den Rundfunk: BVerfGE 12, S. 205, 260 – Deutschland-Fernsehen. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 49. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 51. Ott, MMR 2007, S. 354. Vgl. § 8 Abs. 1 HmbPresseG. Vgl. näher: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 13 Rn. 17b. OLG Düsseldorf, NJW 1980, S. 71; näher: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 13 Rn. 18 ff.
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§ 24 Impressumspflichten
Entsprechend dem Zweck der Impressumspflicht müssen die Angaben im Druckwerk klar und eindeutig sein, damit sich der Leser ohne Mühe, rasch und zuverlässig über die Herkunft informieren kann.21 Sie müssen vom übrigen Text deutlich abgehoben sein und sind einheitlich an einer Stelle aufzuführen, eine konkrete Platzierung ist jedoch nicht vorgeschrieben.22 Für das Impressum in Telemedien sieht § 55 Abs. 1 RStV vor, dass diese leicht 1338 erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten sind. Das Merkmal der leichten Erkennbarkeit erfordert eine Platzierung an prominenter Stelle und spezielle Kennzeichnung. Führen Links zu den Angaben sind auch diese entsprechend zu platzieren und zu kennzeichnen. Die Worte „Anbieterkennung“ oder „Impressum“ sind nicht zwingend erforderlich, es kommen auch andere Begriffe wie etwa „Kontakt“ oder „Mich“ in Frage, die sich im Verkehr durchgesetzt haben und aus der Sicht des durchschnittlich informierten Internetnutzers zur Anbieterkennzeichnung führen.23 Unmittelbar erreichbar sind die Angaben, wenn der Nutzer an sie ohne wesentliche Zwischenschritte und ohne langes Suchen gelangen kann. Dies setzt nicht zwingend die Abrufbarkeit mit einem Klick voraus, auch ein Erreichen der Informationen über zwei Links erfordert nach der Rechtsprechung des BGH24 regelmäßig kein langes Suchen, wenn die Links deutlich abgesetzt und in eine übersichtlich angeordnete Navigationsleiste integriert sind.25 Ständige Verfügbarkeit schließlich ist gewährleistet, wenn die Informationen ohne zeitliche Beschränkung jederzeit abrufbar sind, was die Möglichkeit einer dauerhaften Archivierung und des Ausdruckens durch den Nutzer einschließt.26 1337
II. Erweiterte Impressumspflichten 1. Adressaten 1339 Periodische Druckwerke und Anbieter von Telemedien mit journalistischredaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckwerke in Text oder Bild wiedergeben werden, unterliegen nach den Landespressegesetzen27 bzw. § 55 Abs. 2 RStV zusätzlich zu den allgemeinen Informationspflichten einer erweiterten Impressumspflicht. Diese erweiterte Pflicht besteht wegen des besonderen Einflusses dieser Medien auf die 21
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24 25
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BGH, NJW 1990, S. 1992; OLG München, APR 1972, S. 98; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Kapitel Rn. 7. Dazu näher: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 13 Rn. 9 f. BGH, NJW 2006, S. 3633, 3635; KG Berlin, K&R 2007, S. 575; vgl. näher Engels/Jürgens/Fritzsche, K&R 2007, S. 57, 61 f.; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn 33. Dazu: BGH, NJW 2006, S. 3633. Vgl. BGH, NJW 2006, S. 3633, 3635; dazu Held, a.a.O., 71. Abschnitt Rn. 34; Engels/Jürgens/Fritzsche, K&R 2007, S. 57, 62 f. Vgl. Brunst, MMR, 2004, S. 8, 12; Held, a.a.O., 71. Abschnitt Rn. 35. Vgl. § 8 Abs. 2 HmbPresseG.
B. Inhaltsbezogene Impressumspflichten
473
öffentliche Meinung infolge ihres regelmäßigen Erscheinens und der regelmäßig hohen Auflage periodischer Presse bzw. der nahezu unbeschränkten Erreichbarkeit derartiger Telemedien.28 Periodische Druckwerke sind nach den Landespressegesetzen Zeitungen, Zeit- 1340 schriften und andere in ständiger, wenn auch unregelmäßiger Folge und im Abstand von nicht mehr als 6 Monaten erscheinende Druckwerke,29 wobei vorübergehende Überschreitungen des 6-Monats-Zeitraums unschädlich sind.30 Zur Bestimmung, ob ein Telemedium mit journalistisch-redaktionellem Ange- 1341 bot i.S. des § 55 Abs. 2 RStV vorliegt, können die Pressevorschriften nicht ohne weiteres herangezogen werden, es bedarf vielmehr einer eigenständigen, telemedienbezogenen Auslegung.31 Erforderlich ist zumindest eine Strukturierung des Angebots hinsichtlich Auswahl und Zusammenstellung des Inhalts. Dies umfasst das Sammeln und Aufbereiten verschiedener Informationen oder Meinungen sowie eine inhaltliche, sprachliche, grafische oder akustische Bearbeitung. Entscheidend ist jedoch der Beitrag, den das konkrete Angebot auf die öffentliche Meinungsbildung ausübt. Wenngleich von der Rechtsprechung die konkreten Anforderungen an die „journalistisch-redaktionelle Gestaltung“ in letzter Zeit reduziert wurden, bleiben doch erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen „lediglich“ an die Allgemeinheit gerichteten Telemedien und solchen mit „journalistisch-redaktionell“ gestalteten Angeboten.32 Jedenfalls von § 55 Abs. 2 RStV erfasst ist die sog. „elektronische Presse“, also reine Internetzeitungen und OnlineAbleger gedruckten Presseerzeugnisse.33 Aber auch die Selbstdarstellung eines Fußballvereins mit Texten über „Große Spieler“, „Große Spiele“ oder „Das Double ´78“ kann aufgrund des angestrebten Imagegewinns als meinungsprägend und somit als „journalistisch-redaktionelles Angebot“ einzustufen sein.34 InternetDatenbanken sollen nach der Rechtsprechung jedoch nicht als derartige Angebote anzusehen sein, da die von Dritten aufbreiteten Informationen ohne redaktionelle Bearbeitung bereitgestellt würden.35 2. Inhalt der erweiterten Impressumspflicht a) Verantwortlicher (Redakteur) Liegt ein periodisches Druckwerk oder ein Telemedium mit journalistisch- 1342 redaktionelle gestaltetem Angebot vor, ist nach den Landespressegesetzen ein ver28 29 30 31
32
33 34
35
Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 12 Rn. 15 f. Vgl. § 7 Abs. 4 HmbPresseG. Näher zu periodischen Druckwerken: Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 12 Rn. 15 ff. Vgl. Weiner/Schmelz, in: K&R 2006, S. 453, 457; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 57. Vgl. näher: Engels/Jürgens/Fritzsche, in: K&R 2007, S. 57 f.; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 57 ff. Vgl. Weiner/Schmelz, in: K&R 2006, S. 453 ff. Vgl. OVG NRW, 22.11.2006 – 13 B 1796/06; dazu: Engels/Jürgens/Fritzsche, K&R 2007, S. 57, 58. Vgl. OVG NRW, NJW 2000, S. 1968 f.; Held, a.a.O., 71. Abschnitt Rn. 59.
474
§ 24 Impressumspflichten
antwortlicher Redakteur bzw. nach § 55 Abs. 2 RStV ein Verantwortlicher zu benennen. Dieser hat die besondere Aufgabe, die Publikation von strafbaren Inhalten frei zu halten,36 was durch die eigenständige Strafbarkeit des verantwortlichen Redakteurs zum Ausdruck kommt.37 Ferner ist er neben dem Verleger eines Druckwerks zum Abdruck etwaiger Gegendarstellungen verpflichtet.38 Eine zivilrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs ist grundsätzlich nur nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts gegeben.39 Trotz der rechtlich bedeutsamen Funktion des Verantwortlichen (Redakteurs) 1343 sieht das Gesetz keine näheren Bestimmungen über seine Bestellung vor. Nach der sog. Stellungstheorie ist Verantwortlicher (Redakteur), wer mit dieser Stellung vom Verleger oder Anbieter tatsächlich beauftragt wurde und kraft dieser Stellung darüber verfügen kann, ob ein Beitrag veröffentlicht wird oder wegen eines strafbaren Inhalts zurückzuweisen ist.40 Die Nennung im Impressum gilt als außergerichtliches Geständnis dafür, dass der Benannte auch tatsächlich die Stellung des Verantwortlichen (Redakteurs) bekleidet habe, soweit der Nachweis erbracht wurde, dass die Benennung mit Wissen und Willen des Benannten erfolgt ist.41 Eine Aufteilung der Verantwortlichkeit auf mehrere Personen ist möglich, sofern deutlich wird, wer für welchen Teil oder sachlichen Bereich des Angebots verantwortlich ist.42 „Teil“ bezieht sich hierbei auf die räumliche Aufteilung des Angebots bzw. Druckwerks, „sachlicher Bereich“ meint einzelne, klar abgrenzbare Sachgebiete wie Politik, Wirtschaft oder Sport.43 Wegen seiner besonders wichtigen Aufgabe stellt das Gesetz an die Person des 1344 Verantwortlichen (Redakteurs) besondere Anforderungen.44 Sie muss ihren ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben, wovon in einigen Ländern die zuständige Behörde jedoch in besonderen Fällen eine Befreiung erteilen kann45 (etwa bei wissenschaftlichen Zeitungen mit Mitarbeitern im Ausland). Ferner muss sie mindestens 18 bzw. 21 Jahre alt und voll geschäftsfähig sein (eine Ausnahme hievon gilt für die Jugendpresse, vgl. § 9 Abs. 2 HmbPresseG) und darf nicht infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, oder das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, verloren haben. Außerdem 36 37 38 39
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41 42 43 44
45
Vgl. Held, a.a.O., 71. Abschnitt Rn. 12, 61. Vgl. § 19 Abs. 2 HmbPresseG. Vgl. § 11 Abs. 1 HmbPresseG. Zur zivilrechtlichen Haftung des verantwortlichen Redakteurs vgl. näher: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 13 Rn. 25. RGSt 27, S. 246; BGH, NJW 1997, S. 225; 1990, S. 2828; Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 13 Rn. 23a; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 13. KG, NJW 1998, S. 1420, 1421; vgl. Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 13 Rn. 23c. § 8 Abs. 2 S. 2, 3 HmbPresseG; § 55 Abs. 2 S. 2 RStV. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 15. Vgl. § 9 HmbPresseG, § 55 Abs. 2 S. 3 RStV; dazu näher: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 13 Rn. 28 ff.; Held, a.a.O., 71. Abschnitt Rn. 16 ff. Vgl. § 9 Abs. 3 HmbPresseG.
B. Inhaltsbezogene Impressumspflichten
475
enthalten § 55 Abs. 2 S. 3 Nr. 4 RStV sowie die meisten Landespressegesetze mit Ausnahme von Hamburg und Rheinland-Pfalz das Erfordernis unbeschränkter strafrechtlicher Verfolgbarkeit. Dies ist vor allem im Zusammenhang mit der Immunität von Abgeordneten relevant und eine Antwort auf die Zustände in der Weimarer Republik, als Anfang 1931 in den deutschen Parlamenten mehr als 400 Anträge auf Aufhebung der Immunität von Abgeordneten wegen Tätigkeiten als verantwortliche Redakteure vorlagen.46 b) Verantwortlicher für den Anzeigenteil Auch für den Anzeigenteil periodischer Druckwerke ist nach den Landespressege- 1345 setzen47 ein Verantwortlicher zu benennen. Dieser Person obliegen für den Anzeigenteil die gleichen Pflichten wie dem verantwortlichen Redakteur bezüglich des redaktionellen Teils und es gelten die gleichen persönlichen Anforderungen. Sie hat den Anzeigenteil insbesondere von strafbaren Inhalten frei zu halten, ist aber auch für die Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen verantwortlich. Bei Gegendarstellungsansprüchen, die sich auf den Anzeigenteil beziehen, ist der Verantwortliche neben dem Verleger passiv legitimiert. Seine zivilrechtliche Haftung bestimmt sich ebenso wie die des verantwortlichen Redakteurs nach den medienrechtlichen Verantwortlichkeitsgrundsätzen.48 Der „Verantwortliche für den Anzeigenteil“ kann auch der alleinige verantwortliche Redakteur des Gesamtblattes sein, wenn er dann im Impressum auch speziell für den Anzeigenteil benannt wird.49
c) Impressum bei Übernahme fertiger Teile Aufgrund der fortschreitenden Pressekonzentration, die zu einem Rückgang der 1346 selbständigen publizistischen Einheiten führt, übernehmen immer mehr Zeitungen (sog. Anschluss- oder Kopfzeitungen) regelmäßig wesentliche Teile des redaktionellen Teils anderer Zeitungen (als sog. Hauptzeitung bezeichnet). Dabei wird dieser Teil mit dem lokalen Zeitungs- oder Titelkopf versehen und um den lokalen redaktionellen und Anzeigenteil ergänzt. Um dem Leser die redaktionellen Abhängigkeitsverhältnisse seiner Zeitung kenntlich zu machen, haben diese Zeitungen nach den Landespressegesetzen50 in ihrem Impressum auch den Verleger und den verantwortlichen Redakteur des übernommenen Teils anzugeben,51 weil nur 46 47 48 49
50 51
Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 13 Rn. 33. Vgl. § 8 Abs. 2 S. 4 HmbPresseG. Vgl. Rn. 1010 ff. Vgl. näher zum Verantwortlichen für den Anzeigenteil: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, 13. Kap. Rn. 36 f. Vgl. § 8 Abs. 3 HmbPresseG. Bremen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen fordern nur die Angabe dieses verantwortlichen Redakteurs, Baden-Württemberg, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hingegen sogar die Angabe des Titels der Hauptzeitung.
476
§ 24 Impressumspflichten
eine transparente Zeitungspresse die ihr zukommende Aufgabe bei der freien Meinungsbildung sachgemäß erfüllen kann.52 Zusätzlich dient die Vorschrift der Haftungsabgrenzung für die jeweils verantwortlichen Redakteure, da eine alleinige Haftung der Verantwortungsträger der Lokalzeitung für den gesamten Zeitungsinhalt, auf den sie nur teilweise wirklich Einfluss nehmen können, unbillig wäre.53 d) Offenlegung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse 1347 Die Bedeutung der periodischen Presse für die öffentliche Meinungsbildung erfordert ein besonders hohes Maß an Transparenz, um dem Rezipienten möglichst vollständige Transparenz über die an der Gestaltung der Zeitung beteiligten Personen zu geben. Dies erfordert nicht nur Aufschluss über die direkt mit dem Inhalt befassten Personen (vorwiegend Verleger, Redakteure), sondern auch über die am Unternehmen wirtschaftlich Beteiligten, da von denen ein indirekter Einfluss ausgehen könnte. Deshalb normieren einige Landespressegesetze die Verpflichtung, regelmäßig im Impressum periodischer Druckwerke die Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse offen zu legen,54 wie etwa § 7 Abs. 4 PresseG S-H.55
C. Wirtschaftsbezogene Impressumspflichten 1348 § 5 Abs. 1 TMG enthält Informationspflichten für Anbieter von Telemedien, die der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen dienen und geht auf Art. 5 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr56 zurück. Ziel der Regelung ist der Verbraucherschutz. Der Verbraucher soll Angaben erhalten, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Anbieter ermöglichen.57 I. Adressaten 1349 Die Verpflichtungen des § 5 Abs. 1 TMG gelten nur für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien. Laut amtlicher Begründung, die ihrerseits auf die Vorgaben der e-commerce-Richtlinie verweist, setzt das Merkmal 52
53
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56 57
Vgl. BVerfGE 12, S. 113, 125; 20, S. 162, 174 f.; Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 13 Rn. 12. Dazu näher, insbesondere zur Frage der „Regelmäßigkeit“ und „Wesentlichkeit“: Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 13 Rn. 11 ff. Vgl. Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 13 Rn. 15 ff.; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 22. Ähnliche Vorgaben enthalten: Art. 8 Abs. 3 BayPresseG, § 5 Abs. 2 HPresseG, § 7 a BPresseG, § 9 Abs. 4 LMG Rh-Pf, § 9 BbgPresseG, § 7 Abs. 4 PresseG M-V, § 8 SächsPresseG, § 8 ThürPresseG. RL 2000/31/EG ABl. EG Nr. L 178 v. 17.7.2000 – e-commerce-Richtlinie. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 25 f.
C. Wirtschaftsbezogene Impressumspflichten
477
der Geschäftsmäßigkeit eine gewisse Nachhaltigkeit des Angebots voraus, das Merkmal der Entgeltlichkeit eine wirtschaftliche Gegenleistung. § 5 Abs. 1 TMG ist jedoch nicht dahin gehend eng auszulegen, dass die Inhalte selbst entgeltpflichtig angeboten werden müssen, es genügt eine wirtschaftliche Relevanz des Dienstes, wie dies bei Internetauftritten von Unternehmen der Fall ist. Nicht von diesen Verpflichtungen erfasst sind rein private Homepages ohne wirtschaftlichen Hintergrund, da diese nicht „in der Regel gegen Entgelt“ angeboten werden58. Für diese gilt jedoch vorbehaltlich der dortigen Ausnahmen § 55 RStV. II. Inhalt der wirtschaftsbezogenen Impressumspflichten Auch die Angaben nach § 5 Abs. 1 TMG müssen – ebenso wie die nach § 55 1350 RStV - leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein.59 Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG haben die Anbieter den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform, den Vertretungsberechtigten und, sofern angegeben, nähere Informationen über das Gesellschaftskapital verfügbar zu halten. Bei juristischen Personen ist als Anschrift der Sitz der Gesellschaft anzugeben, wobei auf den Mittelpunkt der Tätigkeiten abzustellen ist, im Zweifel also die Anschrift der Hauptniederlassung.60 Es muss sich um eine ladungsfähige Anschrift i.S.v. § 253 Abs. 1 i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO handeln, um den Nutzern die Bestimmung des Gerichtsstandes und gerichtliche Eilverfahren zu ermöglichen. Daher sind weder die Angabe einer E-MailAdresse noch die eines Postfachs ausreichend.61 Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG sind Angaben zur Ermöglichung einer schnellen 1351 elektronischen Kontaktaufnahme und unmittelbaren Kommunikation mit dem Anbieter zu machen. Noch ungeklärt ist in diesem Zusammenhang, ob neben der ausdrücklich genannten E-Mail-Adresse zusätzlich die Angabe einer Telefonnummer erforderlich ist.62 In seiner Vorlageentscheidung zum EuGH hat der BGH63 ausgeführt, dass zwar weder TMG noch e-commerce-Richtlinie ihrem Wortlaut die Angabe einer Telefonnummer forderten; die Angabe könnte aber zur Ermöglichung einer unmittelbaren und effizienten Kommunikation zwischen Anbieter und Nut-
58 59 60 61
62
63
Dazu näher: Held, a.a.O., 71. Abschnitt Rn. 31. Siehe dazu die Ausführungen zu § 55 RStV, oben Rn. 1339 ff. Vgl. Hoenike/Hülsdunk, MMR 2002, S. 415, 418; Brunst, MMR 2004, S. 8, 10. Dazu näher: Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 36. Dafür: OLG Köln, GRUR-RR 2005, S. 24; Fezer/Mankowski, UWG, 2005, § 4 – S. 12 Rn. 149; Wüstenberg, WRP 2002, S. 782, 783; Ernst, GRUR 2003, S. 759; verneinend: OLG Hamm, NJW-RR 2004, S. 1045, 1046; Härting, DB 2001, S. 80, 81; Föhlisch, in: Hören/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, 1999, Kap. 13.4, Rn. 127 f.; Engels/Jürgens/Kleinschmidt, K&R 2008, S. 65, 67 m.w.N. BGH, 26.4.2007 – I ZR 190/04, K&R 2007, 400.
478
§ 24 Impressumspflichten
zer erforderlich sein. Denkbar sei aber auch die Verpflichtung zur Eröffnung eines zweiten, bestimmten Anforderungen genügenden Kommunikationsweges. 64 Soweit der Dienst im Rahmen einer genehmigungsbedürftigen Tätigkeit er1352 bracht wird, sind gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde zu machen. § 5 Abs. 1 Nr. 4 TMG verlangt die Angabe des Handels-, Vereins-, Partnerschafts- oder Genossenschaftsregisters, in das der Anbieter eingetragen ist, einschließlich der entsprechenden Registernummer. Wird der Dienst in Ausübung eines reglementierten Berufs (Rechtsanwälte, Ärzte, Steuerberater etc.) oder eines Berufs, der von der Führung eines bestimmten Titels abhängt (Architekten, Ingenieure etc.), angeboten oder erbracht, sieht § 5 Abs. 1 Nr. 5 TMG spezielle berufsspezifische Angaben vor.65 § 5 Abs. 1 Nr. 6 TMG verlangt die Angabe der Umsatzsteuer- bzw. Wirtschafts-Identifikationsnummer, § 5 Abs. 1 Nr. 7 TMG fordert bei Kapitalgesellschaften in Abwicklung oder Liquidation eine Angabe hierüber. Weitergehende Informationspflichten, die nach § 5 Abs. 2 TMG unberührt 1353 bleiben, ergeben sich unter anderem aus dem Fernabsatzrecht gem. §§ 312 b ff. BGB, der Preisangabenverordnung, dem Fernunterrichtsschutzgesetz oder dem Versicherungsaufsichtsgesetz.66
D. Durchsetzung 1354 Verstöße gegen die Impressumspflichten werden nach den Landespressegesetzen,67 § 16 Abs. 2 Nr. 1 TMG sowie § 49 Abs. 1 Satz. 2 Nr. 13, 14 RStV als Ordnungswidrigkeiten geahndet, einige Verstöße68 sogar als Straftaten.69 Ferner treffen die nach § 59 Abs. 2 RStV zuständigen Landesbehörden bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung des § 55 Abs. 1 RStV die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung dieses Verstoßes gegenüber dem Anbieter, die bis zur Sperrung des Angebots reichen können. Jedoch sind Verstöße gegen § 59 Abs. 2 und 3 RStV von dieser Befugnis ausdrücklich ausgenommen. Differenziert zu betrachten ist die Frage nach der wettbewerbsrechtlichen Rele1355 vanz (§§ 3, 4 UWG) eines Verstoßes gegen Impressumspflichten mit der Folge möglicher Beseitigungs-, Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche nach §§ 8, 9 UWG. Unlauter handelt gem. § 4 Nr. 11 UWG, wer „einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln“. Bei den pressegesetzlichen Impressumspflichten handelt es sich nicht um derartig wettbewerbsbezogene Normen, ebenso 64
65 66 67 68 69
Vgl. dazu näher: Engels/Jürgens/Kleinschmidt, in: K&R 2008, S. 65, 67; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn 37. Dazu näher: Held, a.a.O., 71. Abschnitt Rn. 40. Vgl. Held, a.a.O., 71. Abschnitt Rn. 45. Vgl. § 21 HmbPresseG. Vgl. § 20 HmbPresseG. Vgl. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 23, 43, 62.
A. Kennzeichnung kommerzieller Kommunikation
479
wenig bei § 55 Abs. 2 RStV, sondern um reine Ordnungsvorschriften zur Durchsetzung zivilrechtlicher Individualansprüche und zur Sicherung strafrechtlicher Verfolgung von Pressedelikten. Nur wenn besondere wettbewerbliche Umstände hinzutreten, die den Verstoß auch aus wetttbewerblicher Sicht anstößig erscheinen lassen, ist dieser wettbewerbswidrig i.S. der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.70 Dagegen sind sowohl § 5 Abs. 1 TMG als auch § 55 Abs. 1 RStV aufgrund der 1356 verbraucherschützenden Elemente als Marktverhaltensregeln i.S. des § 4 Nr. 11 UWG anzusehen71. Nach der Rechtsprechung verfolgten sie zumindest auch das Ziel, dass der Internetauftritt aller Anbieter zum Schutze der Mitbewerber den gleichen Voraussetzungen und Regeln unterliegt. Auch der Harmonisierungszweck des ElGVG72 bestätige die Funktion des § 5 Abs. 1 TMG73, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen74.
§ 25 Publizitäts- und Kennzeichnungspflichten
Literatur Fuchs, Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung redaktioneller Werbung in Presseerzeugnissen unter besonderer Berücksichtigung der Kopplung von entgeltlicher Anzeige und redaktioneller Berichterstattung, GRUR 1988, S. 736; Piersson, Online-Werbung nach der UWG-Reform – Teil I, K&R 2006, S. 489; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer (Hrsg.), Hamburger Kommentar, 2008, 72. Abschnitt.
A. Kennzeichnung kommerzieller Kommunikation I. Allgemeines Die Massenmedien genießen regelmäßig ein besonderes Vertrauen hinsichtlich ih- 1357 rer Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit in der redaktionellen Berichterstattung. 70
71
72
73 74
Vgl. BGH, GRUR 1989, S. 831 f.; Engels, AfP 2004, S. 316, 322; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 24, 64. Vgl. BGH, K&R 2006, S. 575, 576; OLG Sachsen-Anhalt, K&R 2006, S. 414: OLG Karlsruhe, WRP 2006, S. 1038; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 71. Abschnitt Rn. 44, 63; Engels/Jürgens/Fritzsche, K&R 2007, S. 57, 62. Gesetz zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste vom 26.2.2007 (BGBl. I 2007, S 179), dessen Art. 1 das TMG darstellt. Vgl. zur Vorgängernorm § 6 TDG: OLG Koblenz, K&R 2006, S. 345, 346. Näher dazu, insbesondere zur Auslegung der Erheblichkeitsschwelle gem. § 3 UWG: Engels/Jürgens/Fritzsche, K&R 2007, S. 57, 62.
480
§ 25 Publizitäts- und Kennzeichnungspflichten
Dafür ist es notwendig, dass jedermann Informationen und Stellungnahmen objektiver Dritter von subjektiven Aussagen werbetreibender Unternehmen unterscheiden kann. Zu diesem Zweck normiert das geltende Recht an verschiedenen Stellen spezielle Kennzeichnungspflichten für kommerzielle Kommunikation.75 Diese sollen einerseits die Unabhängigkeit des redaktionellen Teils des Medienangebots vor wirtschaftlich motivierter Beeinflussung durch Unternehmen sichern, damit die Massenmedien ihren verfassungsrechtlichen Auftrag der zutreffenden Information der Öffentlichkeit und der unabhängigen Kritik am öffentlichen und wirtschaftlichen Geschehen erfüllen können. Ferner dienen diese Kennzeichnungspflichten dem Schutz des lauteren Wettbewerbs, da sich die für Schleichwerbung zugänglichen Unternehmen gegenüber ihren korrekt handelnden Konkurrenten ebenso einen Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch verschaffen wie unlauter werbende Inserenten gegenüber ihren Konkurrenten. Ein nicht minderer Regelungszweck liegt im Schutz des Rezipienten vor Irreführung, da die Kenntnis des publizistischen Hintergrundes einer Veröffentlichung Voraussetzung für eine sachgerechte Information und Auswahl zwischen verschiedenen Angeboten ist.76 II. Pressegesetzliche Kennzeichnungspflicht 1358 Die pressegesetzliche Kennzeichnungspflicht ergibt sich aus den Landespressegesetzen77 und gilt nur für die periodische Presse, da nur bei Zeitungen und Zeitschriften mit Blick auf ihren meinungsbildenden Einfluss die Gefahr der pressefremden Beeinflussung und Schleichwerbung akut ist.78 Insofern sind verschiedenste Formen unzulässiger redaktioneller Werbung bekannt geworden.79 Verbreitet ist die – nur schwer als Werbung identifizierbare – redaktionell gestaltete Anzeige, die in Form und Inhalt den Anschein einer unabhängigen redaktionellen Mitteilung erweckt, um sich die Glaubwürdigkeit und das publizistische Gewicht des redaktionellen Teils zu erschleichen.80 Überhaupt nicht als Werbung erkennbar sind redaktionelle Hinweise, die sich als übliche Textbeiträge darstellen. Dies sind Veröffentlichungen der Redaktion, die auf bestimmte Erzeugnisse, Dienstleistungen oder Unternehmen hinweisen oder diese günstig beurteilen.81 Schwierig zu beurteilen sind sog. Kopplungsgeschäfte, bei denen der Inserent bzw. das beworbene Produkt zusätzlich zur normal bezahlten Anzeige im redaktionellen Teil positiv erwähnt wird. Sie sind unzulässig, wenn der Inserent seinen Anzeigenauftrag von dieser zusätzlichen Begünstigung abhängig macht oder der 75
76 77 78 79 80
81
Vgl. Siegel, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 24. Abschnitt Rn. 1; Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 72. Abschnitt Rn. 1. Vgl. bezüglich der Presse: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 2 f. Vgl. § 10 HmbPresseG. Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 14 Rn. 9 a.E. Vgl. dazu näher: Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 14 Rn. 4 ff. m.w.N. Vgl. OLG Hamm, AfP 1981, S. 294; OLG München, AfP 1992, S. 368; OLG Hamburg, AfP 1988, S. 246. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 5.
A. Kennzeichnung kommerzieller Kommunikation
481
Verleger sie zur Neuwerbung oder Bindung von Anzeigenkunden anbietet. Derartige Berichterstattung kann jedoch zulässig sein, wenn sie unentgeltlich erfolgt, die sachliche Unterrichtung der Leser im Vordergrund steht und die daneben eintretende Werbewirkung lediglich Begleiterscheinung ist.82 Kennzeichnungspflichtiger ist jedenfalls der Verleger,83 nach den meisten Pres- 1359 segesetzen zusätzlich auch der Verantwortliche für den Anzeigenteil.84 Voraussetzung für die Kennzeichnungspflicht ist die Entgeltlichkeit der Veröffentlichung, unentgeltliche Veröffentlichungen sind auch beim Vorliegen werblicher Zwecke nicht erfasst.85 Der Begriff des Entgelts ist grundsätzlich weit auszulegen und umfasst jede geldwerte unmittelbare und mittelbare Gegenleistung,86 so etwa auch die Übernahme von Druckkosten87 oder das Einräumen von Preisnachlässen beim Kauf des beworbenen Produkts.88 Erforderlich ist jedoch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Entgelt und Veröffentlichung, der bereits vor dem Abdruck des Inserats gegeben sein muss.89 Bei sog. Koppelungsgeschäften liegt eine solche unmittelbare Verknüpfung von Veröffentlichung und Entgelt in der Regel nicht vor, da nur für die Anzeige, nicht jedoch für die redaktionelle Erwähnung gezahlt wird, so dass dieser Teil nicht von der Kennzeichnungspflicht umfasst ist. Deshalb haben die Gesetzgeber in Brandenburg und Sachsen Formulierungen gewählt („aus Anlass oder im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung“90), die auch Koppelungsbeiträge kennzeichnungspflichtig machen.91 Die Landespressegesetze92 schreiben vor, dass entgeltliche Veröffentlichungen 1360 deutlich mit dem Wort „Anzeige“ zu bezeichnen sind, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen sind. Diese Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht greift nur, wenn die Entgeltlichkeit der Veröffentlichung von einem unbefangenen Durchschnittsleser auf den ersten Blick zweifelsfrei erkannt werden kann.93 Hierbei ist an den flüchtigen, mit der betreffenden Materie nicht besonders vertrauten Leser gedacht. Auch kommt es auf die
82
83 84
85 86 87 88 89
90 91 92 93
Vgl. OLG Köln, AfP 2004, S. 136; näher dazu: Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 14 Rn. 5 a.E., insbesondere zur wettbewerblichen Relevanz Rn. 20 ff. Dazu näher: Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 14 Rn. 9 ff. Zur Kennzeichnungspflicht des Verantwortlichen für den Anzeigenteil nach dem HmbPresseG: Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 72. Abschnitt Rn. 2. Vgl. Held, a.a.O., 72. Abschnitt Rn. 3. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 7. OLG Düsseldorf, NJW 1975, S. 2018. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 5 m.w.N. Vgl. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 72. Abschnitt Rn. 3; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 8. § 11 BbgPresseG, § 9 SächsPresseG. Kritisch dazu: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 8. Vgl. § 10 HmbPresseG. Vgl. BVerfG, AfP 1998, S. 500; BGH, NJW 1974, S. 1141; OLG München, AfP 1998, S. 86; OLG Hamburg, AfP 2000, S. 462.
482
§ 25 Publizitäts- und Kennzeichnungspflichten
inhaltliche Gestaltung der Anzeige nicht an, es ist lediglich auf die äußere Anordnung und Gestaltung abzustellen.94 Der insoweit eindeutige Wortlaut der Pressegesetze lässt anderweitige Be1361 zeichnungen als das Wort „Anzeige“ zur Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen nicht zu.95 Es ist an sichtbarer Stelle und in ausreichender Größe so zu platzieren, dass es vom Leser nicht übersehen werden kann, mithin unmittelbar über der Werbe-Veröffentlichung.96 Es darf keine zu kleine Schriftgröße gewählt werden.97 Vielmehr muss die Kennzeichnung mit dem Wort „Anzeige“ umso deutlicher sein, je weniger sich der Anzeigencharakter aus der sonstigen Anordnung und Gestaltung ergibt.98 Bei der Auslegung der Kennzeichnungspflicht für entgeltliche Veröffentlichun1362 gen sind auch die standesrechtlichen Regeln zu beachten. 99 Sowohl der Presserat als auch der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) haben Richtlinien zur Kennzeichnungspflicht erlassen, insbesondere zu redaktionellen Anzeigen. Diese Grundsätze werden auch von den Gerichten zur Auslegung der Pressegesetze herangezogen.100 III. Kennzeichnungspflicht bei Telemedien 1363 Für kommerzielle Kommunikation und Onlinewerbung stellen § 6 TMG101 und § 58 RStV besondere Kennzeichnungspflichten auf. Eine gesetzliche Definition des Begriffs der „Onlinewerbung“ existiert nicht; § 2 Abs. 2 Nr. 5 RStV gilt nur für Rundfunkveranstalter.102 Verstünde man unter Werbung – angelehnt an herkömmliche Formen in Presse und Fernsehen - „jede Äußerung gegenüber Dritten zur Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen“,103 wären einige Varianten des Online-Marketings nicht erfasst, da diese gar keine „Äußerung gegenüber Dritten“ erfordern (so etwa Suchmaschinenmarketing104). Deshalb erscheint es näher liegend, den Begriff der Onlinewerbung weiter zu fassen im Sin94 95
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97 98 99 100
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104
Zum Ganzen näher: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 13 ff. Vgl. BGH, NJW 1974, S. 1141; OLG Karlsruhe, WRP 1988, S. 757; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 15. OLG Hamm, AfP 1985, S. 283; OLG Düsseldorf, AfP 1978, S. 53; Fuchs, GRUR, 1988, S. 736, 739; Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 16. OLG Hamm, AfP 1980, S. 295. LG Hamburg, AfP 1969, S. 1069. Dazu näher: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 14 Rn. 19. Vgl. etwa BGH GRUR, 1969, S. 474; OLG Düsseldorf, AfP 1971, S. 261; OLG Celle, BB 1958, S. 78. In Umsetzung von Art. 6 Richtlinie 2000/31/EG – e-commerce-Richtlinie. Vgl. Goldbeck, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 28. Abschnitt Rn. 26. Vgl. Art. 2 Nr. 1 Richtlinie Nr. 84/450/EWG vom 10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung. Dazu näher: Plog, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 30. Abschnitt Rn. 9 ff.
A. Kennzeichnung kommerzieller Kommunikation
483
ne „kommerzieller Kommunikation“ entsprechend § 2 Nr. 1 TMG.105 Diese ist definiert als „jede Form der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren, Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer sonstigen Organisation oder einer natürlichen Person dient, die eine Tätigkeit im Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen freien Beruf ausübt“. Keine kommerzielle Kommunikation stellt die Übermittlung von Angaben dar, die unmittelbaren Zugang zur Tätigkeit des Unternehmens, der Organisation oder der Person ermöglichen (insbesondere Domain-Name oder EMail-Adresse) sowie unabhängige und unentgeltliche Angaben. Die kommerzielle Förderungsabsicht wird dabei weit ausgelegt. Nach der 1364 Rechtsprechung kann schon die Einladung zu einem kostenlosen Online-Seminar als Werbung anzusehen sein, da hierdurch eine größere Öffentlichkeit für die gewerbliche Tätigkeit erlangt und somit wirtschaftliche Interessen befördert werden sollen.106 Aber auch die Verwendung sog. Meta-Tags, also in der Kopfzeile einer Webseite niedergelegte, für den Nutzer in der Regel nicht wahrnehmbare Schlüsselbegriffe, die von Suchmaschinen aufgespürt werden, ist kommerzielle Kommunikation in diesem Sinne, da sie die Aufmerksamkeit für die Website durch eine verbesserte Suchmaschinenpräsenz erhöht.107 Auch dem Recht der kommerziellen Internetkommunikation liegt - ebenso wie 1365 den Regeln für Rundfunk und Presse - nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und § 58 Abs. 1 RStV der Grundsatz der Trennung von redaktionellem und werblichem Inhalt zugrunde.108 Eine bestimmte Form der Kennzeichnung, etwa als „Anzeige“, ist nicht vorgeschrieben, es sind auch andere, gleichsam eindeutige Begriffe wie etwa „Werbung“ oder „Shopping“ zulässig. Die Erkennbarkeit des kommerziellen Charakters kann sich auch bei der Onlinekommunikation aus Anordnung und Gestaltung des Angebots ergeben.109 Da der Nutzer im Internet in erheblichem Maße an Werbung gewohnt ist, soll aber nach der Rechtsprechung ein großzügigerer Maßstab gelten.110 So muss zwar ein Hyperlink, der aus einer redaktionell gestalteten Seite auf eine Werbeseite führt, einen deutlichen Hinweis auf den Werbecharakter des Links enthalten. Dieser Vorgabe genügt jedoch bereits die Abbildung eines Einkaufswagens in Verbindung mit einem auf den Anbieter der Werbeseite hinweisenden Text, wenn dem durchschnittlich aufmerksamen und informierten Nutzer damit hinreichend deutlich erkennbar wird, dass er den redaktionellen Bereich verlässt.111 105
106
107 108 109 110 111
Vgl. auch Art. 2 f. Richtlinie 2000/31/EG – e-commerce-Richtlinie; dazu näher: Plog, a.a.O., 30. Abschnitt Rn. 2 f.; Pierson, in: K&R 2006, S. 489, 491. LG Berlin, 15.12.2006, 15 O 389/06; dazu näher: Engels/Jürgens/Kleinschmidt, in: K&R 2008, S. 65, 68. Vgl. dazu: Plog, a.a.O., 30. Abschnitt Rn. 10 ff. Zum Trennungsgrundsatz vgl. Rn. 432 ff. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 72. Abschnitt Rn. 12. LG Berlin, WRP 2007, S. 1020 KG Berlin, K&R 2006, S. 466; LG Berlin, WRP 2007, S. 1020; MMR 2005, S. 778; näher dazu: Engels/Jürgens/Fritzsche, K&R 2007, S. 57, 63; Engels/Jürgens/Kleinschmidt, K&R 2008, S. 65, 69.
484
§ 25 Publizitäts- und Kennzeichnungspflichten
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 TMG schreibt weiterhin vor, dass die natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag kommerzielle Kommunikation erfolgt, klar identifizierbar sein muss. Die ist beispielsweise bei Angabe des Namens, der Firma oder sonstiger Unternehmenskennzeichen dieser Person gegeben. Eine unmittelbare Nennung mit der kommerziellen Kommunikation ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Zugang zu diesen Informationen jederzeit und ohne großen Aufwand etwa über einen Link gewährleistet ist.112 Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 TMG müssen Angebote zur Verkaufsförderung wie 1367 Preisnachlässe, Zugaben oder Geschenke klar als solche erkennbar sein, und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden. Das gleiche gilt nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG für Gewinnspiele mit Werbecharakter und deren Teilnahmebedingungen. Eine Sonderbestimmung für E-Mails enthält § 6 Abs. 2 TMG. Demnach darf 1368 bei kommerzieller Kommunikation, die per elektronischer Post versandt wird, in Kopf- und Betreffzeile weder der Absender noch der kommerzielle Charakter der Nachricht verschleiert oder verheimlicht werden. Ein Verschleiern oder Verheimlichen liegt vor, wenn die Kopf- oder Betreffzeile absichtlich so gestaltet sind, dass der Empfänger vor Einsichtnahme in den Inhalt der Kommunikation keine oder irreführende Informationen über die tatsächliche Identität des Absenders oder den kommerziellen Charakter der Nachricht erhält.113 1366
IV. Durchsetzung 1369 Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen die pressegesetzlichen Kennzeichnungspflicht entgeltlicher Veröffentlichungen durch den Verleger oder den Verantwortlichen für den Anzeigenteil stellt eine Ordnungswidrigkeit dar,114 ebenso gem. § 16 Abs. 1 TMG der absichtliche Versand von Spam-E-Mails. Die Durchsetzung im Onlinebereich dürfte in der Regel jedoch an der Identifizierung des tatsächlichen Absenders scheitern – soweit die Nachricht überhaupt aus Deutschland stammt. Die genannten Bußgeldtatbestände kommen neben den wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung.115
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114 115
Vgl. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 72. Abschnitt Rn. 13. Zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz von Spam-E-Mails, insbesondere zum „mutmaßlichen“ Einverständnis und „Double-Opt-In“-Verfahren: Engels/Jürgens/Kleinschmidt, K&R 2008, S. 65, 67 ff.; Plog, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 30. Abschnitt Rn. 44 ff. Vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 2 HmbPresseG. Vgl. Plog, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 30 Abschnitt Rn. 53; Pierson, K&R 2006, S. 547, 550; Siegel, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 24. Abschnitt Rn. 6.
A. Die Abgabe von Pflichtexemplaren
485
B. Publizitätspflichten nach dem RStV § 23 RStV stellt für zugelassene, bundesweite Rundfunkveranstalter und an ihnen nach § 28 RStV Beteiligte spezielle Publizitätspflichten bezüglich bestimmter Informationen auf. § 23 Abs. 1 RStV erklärt die Vorschriften zur Rechnungs- und Bilanzaufstellung der §§ 264 ff. HGB, die für große Kapitalgesellschaften gelten, für alle Rundfunkveranstalter unabhängig von Größe und Rechtsform für anwendbar.116 Demnach ist jährlich binnen einer Neun-Monats-Frist der Jahresabschluss (§ 242 HGB) mit Anhang (§ 264 Abs. 1 HGB) zu erstellen und nach § 325 HGB im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Außerdem ist ein Lagebericht mit Angaben zu Geschäftsverlauf, Marktstellung, Unternehmensstruktur, Absatzentwicklung und besonderen geschäftlichen Ereignissen zu erstellen und entsprechend zu veröffentlichen.117 Nach der Begründung dient diese Norm der Beobachtung und Kontrolle der Veranstalter durch die Öffentlichkeit. § 23 Abs. 2 RStV fordert ebenfalls innerhalb der Neun-Monats-Frist die Vorlage einer Aufstellung der Programmbezugsquellen an die zuständige Landesmedienanstalt. Diese Vorschrift dient im Wesentlichen der KEK zur Feststellung, ob Unternehmen regelmäßig wesentliche Teile der Sendezeit eines Rundfunkveranstalters mit ihren Produkten gestalten (§ 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV) und ob der Programmzulieferer aus diesem Grund dem Veranstalter nach § 28 Abs. 1 RStV konzentrationsrechtlich zuzurechnen ist.118 Die Verletzung der Frist stellt bezüglich der Erstellung und Veröffentlichung von Jahresabschlusses samt Anhang und Lagebericht eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 20 RStV), ebenso ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht bezüglich der Programmbezugsquellen (§ 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 RStV).
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§ 26 Archivierungspflichten
A. Die Abgabe von Pflichtexemplaren Im Interesse der Allgemeinheit, der Öffentlichkeit Zugang zu im Inland hergestell- 1374 ten Druckwerken zu ermöglichen und diese zugleich vollständig zu erfassen und zu dokumentieren, obliegt der Presse die gesetzliche Pflicht, derartige Druckwerke den vom Gesetzgeber bestimmten öffentlichen Bibliotheken anzubieten und abzuliefern. Sowohl die einzelnen Länder als auch der Bund haben diese Ablieferungs116 117 118
Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 72. Abschnitt Rn 19. Vgl. Held, a.a.O., 72. Abschnitt Rn. 22 ff. Vgl. Held, a.a.O, 72. Abschnitt Rn. 19, 25.
486
§ 26 Archivierungspflichten
pflicht ihren Bedürfnissen entsprechend geregelt, so dass hier eine erhebliche rechtliche Unterschiedlichkeit besteht.119 Der Ablieferungspflicht unterliegen alle periodischen wie nicht-periodischen 1375 Druckwerke i.S. der Pressegesetze, neben Büchern, Zeitungen und Zeitschriften also auch Schallplatten, CDs, Bild- und Tonkassetten sowie Musikalien, ferner Landkarten oder Atlanten. Nicht unter die Ablieferungspflicht fallen die sog. harmlosen Druckwerke wie etwa Formulare, Preislisten, Familienanzeigen und ähnliches. Aber auch Druckwerke, an denen das kulturelle Bedürfnis der Allgemeinheit fehlt, wie Materialien von Nachrichtenagenturen, Pressekorrespondenzen usw. sind ablieferungsfrei. Für amtliche Druckwerke, die an sich nicht unter die für Druckwerke geltenden pressegesetzlichen Bestimmungen fallen, haben Bund und Länder aufgrund ihrer Bedeutung für die Erfassung der Zeitgeschichte die Ablieferungspflicht ausgedehnt.120 Adressat der Ablieferungspflicht ist der Verleger, der im Geltungsbereich des 1376 betreffenden Gesetzes Druckwerke verlegt. Im Fall des Selbstverlages oder wenn der Verlagsort außerhalb, der Druckort jedoch innerhalb des Geltungsbereichs des jeweiligen Gesetzes liegt, obliegt diese Pflicht nach den meisten Landespressegesetzen dem Drucker.121 Mit der Pflichtexemplar-Entscheidung122 hat das BVerfG die Abgabepflicht als 1377 verfassungsgemäße Belastung des Eigentums eingestuft. Sie stellt demnach keine Enteignung i.S. des Art. 14 Abs. 3 GG dar, sondern fällt unter die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG, weshalb durch die Abgabe keine generelle Entschädigungspflicht entsteht. Wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit muss jedoch in Fällen, in denen die Abgabe für den Pflichtigen eine unzumutbare Belastung darstellt, eine Entschädigung erfolgen. So machen die meisten Gesetze eine Entschädigung davon abhängig, dass die unentgeltliche Ablieferung – etwa wegen des hohen Wertes des Druckwerks – für den Betroffenen nicht zumutbar erscheint. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland hingegen ist für jeden Fall der Zwangsablieferung eine Entschädigung vorgesehen, lediglich Bremen und Schleswig-Holstein sehen keine derartige Vergütungsverpflichtung vor.123
B. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten 1378 Private Rundfunkveranstalter unterliegen nach den Landesmediengesetzen124 der Pflicht zur vollständigen Aufzeichnung und Aufbewahrung aller Sendungen sowie 119
120 121 122 123 124
Vgl. insbesondere zur derzeitigen Rechtslage: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 15 Rn. 3 ff. Dazu näher: Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 15 Rn. 21 ff. Vgl. Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 15 Rn. 27 f. BVerfGE 58, S. 137. Vgl. dazu: Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 15 Rn. 29 ff. Vgl. § 9 MStV-HSH.
B. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten
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auf Verlangen zur unentgeltlichen Übersendung an die zuständige Landesmedienanstalt. Soweit ein Filmwerk verbreitet wird, genügt die Aufbewahrung des Filmwerks oder die Sicherstellung der entsprechenden Kopie vom Verleiher. Die Pflicht zur Aufzeichnung und Aufbewahrung dient der Beweissicherung bei der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche sowie der Verfolgung medialer Straftaten. Ferner soll sie den Landesmedienanstalten die Durchführung ihrer Kontrolltätigkeit ermöglichen.125 Die Aufbewahrungspflicht ist auf einen gewissen Zeitraum beschränkt, so be- 1379 trägt die Aufbewahrungsfrist gem. § 9 Abs. 2 MStV-HSH sechs Wochen nach dem Zeitpunkt der Sendung. Sofern die Verletzung eigener Rechte durch eine Funksendung glaubhaft dargelegt wird, können auch Privatpersonen Einsicht in die Aufzeichnungen bzw. Filme nehmen und gegen Erstattung der Kopiergebühren Vervielfältigungsstücke der Aufzeichnung herstellen lassen.126 In technischer Hinsicht obliegt die Art und Weise der Umsetzung dem Veranstalter. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht stellt keine Ordnungswidrigkeit dar, kann aber Maßnahmen der zuständigen Landesmedienanstalt wie z.B. eine Beanstandung nach sich ziehen.127
125 126 127
Nach BVerfGE 95, S. 220 sind diese Pflichten mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Vgl. § 9 Abs. 4 MStV-HSH. Vgl. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 73. Abschnitt.
7. Abschnitt: Medienaufsicht
§ 27 Legitimation, Aufgaben und Abgrenzung
Literatur Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, Grundlagen des Wirtschaftsverfassungsund Wirtschaftsverwaltungsrechts, des Weltwirtschafts- und Binnenmarktrechts, 16. Auflage 2008, § 19; Schütz, Kommunikationsrecht, 2005, Teil 9.
A. Legitimation staatlicher Aufsichtstätigkeit Aufsichtstätigkeit, insbesondere die staatliche Aufsicht über die Wirtschaft, gehört 1380 zu den herkömmlichen Staatsaufgaben. Wirtschaftsaufsichtstätigkeit ist in der modernen Industrie-, Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft eine anerkannte Gemeinschafts- und Staatsaufgabe, die ihre Legitimation aus dem Werteparallelogramm einer Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb und grundrechtlichen Schutzpflichten zieht.1 Sie steht in der Tradition des wirtschaftlichen Liberalismus und hat sich als Korrektiv der Gewerbefreiheit entwickelt und etabliert. Wirtschaftsüberwachung hat die Aufgabe, für die Einhaltung der Bestimmungen des Wirtschaftsverwaltungsrechts zu sorgen und verlangt deshalb nach einer Betriebs-, Produkt- und Anlagenüberwachung.2
B. Aufgaben und Abgrenzung Im Medienbereich steht das Aufsichtsrecht unter spezifischen Legitimationsanfor- 1381 derungen. Die grundgesetzlichen Informations- und Kommunikationsfreiheiten und insbesondere die daraus abgeleiteten Gebote der Staatsfreiheit und Regierungsferne ziehen für die Aufsichtstätigkeit im Medienbereich verfassungsrechtliche Grenzen. Vor diesem Hintergrund hat das BVerfG in seiner Rechtsprechung seit je her betont, dass der Medienbereich „höchstens einer beschränkten staatlichen Aufsicht unterworfen ist“.3 Im Lichte der Grundrechtsgarantien hat es mit Bezug auf den Rundfunk ausgesprochen, dass verfassungsrechtlich zulässig, aber 1 2 3
Vgl. nur Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, 16. Auflage 2008, § 29 S. 196. Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, 16. Auflage 2008, § 29 S. 196. BVerfGE 12, S. 205, 261 – Deutschland-Fernsehen zur Aufsicht über den Rundfunk.
490
§ 27 Legitimation, Aufgaben und Abgrenzung
auch erforderlich eine begrenzte Staatsaufsicht ist, „die – nur – der Aufgabe zu dienen hat, die Einhaltung der zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit ergangenen Bestimmungen sicherzustellen“.4 Das Zensurverbot des Art 5 Abs. 1 Satz 3 GG schließt eine auf Medieninhalte bezogene präventive Aufsicht aus5. Art. 5 Abs. 2 GG kann jedenfalls für eine spezifische Medienaufsicht als Legitimation nicht herangezogen werden, weil es ihr gerade an der nach der Schrankenregelung erforderlichen Allgemeinheit fehlt.6 Für die Medienwirtschaft lässt sich aus dem Verfassungsrecht keine zwingende 1382 Wertung dafür ableiten, dass eine staatliche Aufsicht vorgesehen werden muss. Vielmehr ist die Schaffung einer Aufsicht über die Massenmedien in das Gestaltungsermessen des einfachen Gesetzgebers gestellt, der grundsätzlich frei in der Entscheidung darüber ist, ob und wie die Aufsicht über die Massenmedien erfolgt. Dem Gesetzgeber stehen deshalb von Verfassungs wegen verschiedene Möglichkeiten der Festlegung einer Medienaufsicht zur Verfügung. Er kann eine veranstalterinterne Kontrolle durch eigene Organe des Veranstalters vorsehen, möglich ist ferner eine externe Kontrolle durch staatliche oder nicht-staatliche Einrichtungen. Er kann aber auch auf ein spezifisch medienrechtliches Aufsichtsrecht verzichten und die Beteiligten und Betroffenen auf die Regeln und Rechtsbehelfe des allgemeinen Privat- und Wirtschaftsrechts verweisen. Das geltende Medienrecht ist von einer einheitlichen Struktur der Aufsichtsre1383 geln weit entfernt und kennt eine breite Palette von Aufsichtsmechanismen. Es hat seine Basis im Verlauf der rasanten technischen Entwicklung um neue Anwendungsfelder verbreitert, aufgrund der Heterogenität der Gebiete und der Komplexität der Kontrollinstrumentarien fehlt es jedoch an begrifflicher Klarheit. Auch der zunehmende Rückzug des Staates aus dem Medienbereich aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Liberalisierungsvorgaben und die damit einhergehende Pflicht, die Privatisierung durch ein entsprechendes Privatisierungsfolgenrecht aufzufangen - der Wandel der staatlichen Leistungs- und Erfüllungsverwaltung hin zu einer Gewährleistungsüberwachung - haben zu teilweise pauschalierenden und irreführenden Bezeichnungen geführt.7 Staatsaufsicht ist die unabhängige Überprüfung staatlichen Handelns im Rah1384 men der Eigenkontrolle oder durch eine verwaltungsdistanzierte Prüfungsinstanz der Exekutive anhand eines vorgegebenen rechtlichen Maßstabes, der auch Aspekte der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einbeziehen kann.8 Nach dem Initiator einer Kontrolle kann zwischen selbst- und fremdinitiativer Kontrolle, nach der Art der gesetzlichen Verfahrensausgestaltung zwischen formloser und förmlicher Kontrolle unterschieden werden.9 Staatsaufsicht stellt ein Instrument der 4 5 6 7
8 9
BVerfGE 57, S. 295, 326 – FRAG. Vgl. dazu oben Rn 289 ff. Leibholz, in: Festschrift für Scheuner, 1973, S. 343, 374. Vgl. Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, 16. Auflage 2008, § 29 S. 197 f.; ders. in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 3, 5. Auflage 2004, § 93 Rn. 14 ff. Vgl. Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, 16. Auflage 2008, § 29 S. 197 f. Vgl. Stober, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 3, 5. Auflage 2004, § 101 Rn. 2 ff.
B. Aufgaben und Abgrenzung
491
Ausübung von Leitungsmacht dar und ist deshalb im Bereich der Massenmedien verfassungsrechtlich nur begrenzt zulässig. Die Regulierungsüberwachung, missverständlich auch Regulierungs- oder Kon- 1385 trollaufsicht genannt, bezeichnet die staatliche Wirtschaftsüberwachung bzw. Unternehmerkontrolle und ist als Korrelat der Gewerbefreiheit das dogmatische Gegenteil von Aufsicht. Sie ist im Zuge der Privatisierung zunehmend an die Stelle der Staatsaufsicht getreten und konkretisiert die nunmehr bestehende staatliche Gewährleistungsverantwortung.10 Regulierung erfolgt durch Vorschriften und Maßnahmen, die bei der Aufnahme, Ausübung und Beendigung wirtschaftlicher Tätigkeit ansetzen. Im Interesse eines wirksamen Rechtsgüterschutzes bedürfen Pflichtverstöße regelmäßig der Sanktionierung durch verwaltungsrechtliche Maßnahmen und insbesondere durch das Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht11. Im Medienbereich dient die Regulierung insbesondere der Ordnung und Sicherung des Zugangs zu Medienmärkten sowie dem Schutz bestimmter Personenkreise vor Mediengefahren (z.B. Jugendschutz, Verbraucherschutz). Medienregulierung weist zwar spezifische Besonderheiten gegenüber anderen 1386 staatlichen Regulierungen auf, ist aber hoheitliche Regulierung und kann auf die im Kern gleichen Regulierungskonzepte und –instrumente zurückgreifen. Aufgrund der besonderen Sensibilität der Kommunikationsordnung gegenüber staatlichen Eingriffen ist in vielen Bereichen des Medienrechts eine Abnahme der Intensität staatlicher Regulierung und insbesondere eine Zurücknahme des Einsatzes hoheitlich-imperativer Instrumente hin zu einem System der Selbst- und CoRegulierung zu verzeichnen.12 Unter Co-Regulierung wird eine Kombination aus staatlicher und durch die Wirtschaft selbst organisierter Regulierung verstanden, bei reiner Selbstregulierung fehlt es an der staatlichen Komponente.13 Selbstregulierung setzt das freiheitsbezogene Autonomieprinzip um, die regulatorische Umhegung solcher Selbstregulierung sichert den Gemeinwohlbezug und das Prinzip der Rücksichtnahme auf andere.14 Dem System der Selbst- und Co-Regulierung liegt der Gedanke der funktionalen Äquivalenz privat inspirierter Steuerung zugrunde, wonach der freie Markt durch den auf ihm herrschenden ökonomischen Wettbewerb als Motor kommunikativer Vielfalt wirkt und das Eigeninteresse des Unternehmers an einem bestimmten wirtschaftsverwaltungsrechtlich gewünschten Verhalten fördert.15 Nach der Rechtsprechung des BVerfGs reicht im Bereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ökonomischer Wettbewerb als Grundlage der Funktionsfähigkeit der Medienordnung jedoch nur aus, wenn er auch zu einem funktionsfähigen publizistischen Wettbewerb auf dem durch die Verfassung vorgegebenen Niveau führt.16 Im Medienbereich hat die Wirtschaft mittlerweile mehrere Institu10 11 12 13 14 15
16
Stober, Bes. Wirtschaftsverwaltungsrecht, 14. Auflage, § 51, S. 210 f. Vgl. Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, 16. Auflage 2008, § 29 S. 202 ff. Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten, 2002, S. 49. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 77. Abschnitt Rn. 20. Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten, 2002, S. 49. Vgl. Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten, 2002, S. 50; Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, 16. Auflage 2008, § 29 S. 207. Vgl. BVerfGE 74, S. 297, 332
492
§ 28 Aufsichts- und Kontrollregeln
tionen der Freiwilligen Selbstkontrolle errichtet, die vor allem im Bereich des Jugendschutzes eine wichtige Rolle spielen.17
§ 28 Aufsichts- und Kontrollregeln
Literatur Hahn/Vesting, (Hrsg.), Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Auflage 2007, Vor § 35 Rn. 1 ff.; Hepach, Die Verfahrensrechte der Kommissionen nach § 37 Abs. 4 RStV in der Fassung des 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrags, ZUM 2008, S. 934 ff.; Knothe/Wanckel, Rechtsaufsicht und Staatsfreiheit des Rundfunks – ein Widerspruch?, DÖV 1995, S. 365 ff.; Kröger/Moos, Regulierungsansätze für Multimediadienste, ZUM 1997, S. 462 ff.; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage 2006, 40. Kapitel; Martin, Staatsaufsicht über die Landesmedienanstalten, ZUM 1993, S. 515; Sellmann, Die FSM zwischen staatlicher Lenkung und Selbstregulierung, MMR 2006, S. 723 ff.
A. Freiwillige Selbstkontrolle 1387 Im Bereich von Presse und Film kennt das deutsche Medienrecht kein spezifisches Aufsichtsrecht. Der Gesetzgeber hat insofern die Medienkontrolle den Mechanismen des publizistischen und ökonomischen Marktes überlassen, die den Akteuren die Möglichkeit gibt, auf der Grundlage der von der allgemeinen Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe des Zivil- und Strafrechts sowie des Wirtschaftsrechts tätig zu werden. Die Zurückhaltung des Gesetzgebers beruht auch darauf, dass in Presse und Film eine langjährige Tradition von Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle besteht. Dabei handelt es sich um den Deutschen Presserat und die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK). Daneben bestehen weitere Organisationen, die spezielle Selbstkontrollaufgaben vor allem im Bereich des Werbewesens erfüllen.18 1997 wurde überdies die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter errichtet, die Funktionen im Bereich der reinen Selbstregulierung hat: es existieren ein Kodex der Suchmaschinenanbieter und ein Kodex der Mobilfunkanbieter.19 Die Idee der Selbstkontrolle steht in Verbindung mit den Grundgedanken des 1388 tradierten Standesrechts, nach denen – getragen von einem entsprechenden Standesethos – durch Selbstverwaltung und Selbstahndung von Berufsverfehlungen für 17 18
19
Vgl. dazu sogleich Rn. 1387 ff. Insbesondere der Deutsche Werberat, der Deutsche Rat für Public Relations, der Arbeitsausschuss Automobilwerbung und der Gemeinschaftsausschuss der Heilmittelwerbung; vgl. Ronneberger, in: Schiwy/Schütz, Medienrecht, 4. Auflage 2006, S. 379 f. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 77. Abschnitt Rn. 28.
A. Freiwillige Selbstkontrolle
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eine sachgerechte, standesgerechte Berufsausübung gesorgt werden soll. 20 Durch verstärkten Einfluss wirtschaftlicher Interessen und Änderungen der Wertevorstellungen in der Gesellschaft sind die Einrichtungen der Selbstkontrolle einem vermehrten Legitimationsdruck und Zweifeln an ihrer Daseinsberechtigung ausgesetzt.21 Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich deshalb auf eine kurze Darstellung der beiden Organisationen der Selbstkontrolle, die unbeschadet der Diskussion um ihr Selbstverständnis und ihre Effektivität22 die derzeit wohl größte tatsächliche Bedeutung haben. I. Der Presserat Der Deutsche Presserat wurde 1956 nach dem Vorbild des Britischen Presserates 1389 mit dem Ziel gegründet, eine seinerzeit diskutierte gesetzliche Regelung der Presseverhältnisse in einem Bundespressegesetz möglichst überflüssig zu machen.23 Er setzt sich heute aus 20 Mitgliedern zusammen, die jeweils zur Hälfte von den Berufsverbänden der Verleger und der Journalisten benannt werden. Seine Aufgaben24 umfassen neben dem Schutz der Pressefreiheit und der Wahrung des Ansehens der deutschen Presse,25 insbesondere die Bekämpfung von Missständen im Pressewesen sowie die Prüfung von Beschwerden über einzelne Presseorgane. Maßstab der Prüfung von Beschwerden ist der vom Deutschen Presserat 1973 1390 ausgearbeitete Pressekodex, der die allgemein anerkannten Standesregeln der Presse enthält und durch laufend erweiterte Richtlinien konkretisiert und aktualisiert wird. Die wichtigsten publizistischen Grundsätze sind die „Achtung vor der Wahrheit“ und die „wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit“ als „oberste Gebote der Presse“ (Ziff. 1), die Achtung der Persönlichkeit, ihres Privatlebens und ihrer Intimsphäre (Ziff. 8), die Unabhängigkeit redaktioneller Veröffentlichungen von privaten oder geschäftlichen Interessen Dritter (Ziff. 7), der Verzicht auf die Anwendung unlauterer Methoden bei der Nachrichten-, Bild- und Informationsbeschaffung (Ziff. 4) sowie eine vorurteilsfreie Gerichtsberichterstattung ohne einseitige oder präjudizierende Stellungnahme (Ziff. 9). 26 Das Beschwerdeverfahren gegen Zeitungen und Zeitschriften sowie deren Ver- 1391 leger, Herausgeber oder Redakteure ist in einer Beschwerdeordnung geregelt, die es jedermann erlaubt, Beschwerden an den Rat heranzutragen. Erkennen der Beschwerderat oder das Plenum des Presserats eine Beschwerde als begründet an, so kann ein Hinweis, eine Missbilligung, in schwerwiegenden Fällen eine öffentliche oder - unter Berücksichtigung des Opferschutzes - nicht-öffentliche Rüge ausge20 21
22 23 24 25 26
Vgl. Pitschas, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 2, 1996, § 9. Die Selbstkontrolle der Illustrierten (SdJ) und die Selbstkontrolle Illustrierter Zeitschriften (SIZ) haben sich mangels Interesses an ihrem Fortbestand aufgelöst. Vgl. Bermes, Der Streit um die Pressekontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991. Vgl. Ronneberger, in. Schiwy/Schütz, Medienrecht, 4. Auflage 2006, S. 383. Dazu näher Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 40 Rn. 14 ff. § 1 der Satzung des Trägervereins des Deutschen Presserats. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 40 Rn. 6 ff.
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sprochen werden. Für die öffentliche Rüge ist vorgesehen, dass sie von dem gerügten Presseorgan selbst publiziert wird.27 Ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Deutschen Presserats ist nicht gegeben. Eine Kontrolle der Tätigkeit des Deutschen Presserats findet mittelbar dadurch statt, dass er auf Unterlassung, Widerruf und gegebenenfalls sogar auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden kann, wenn der Spruch des Presserats im Einzelfall eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB darstellt.28 Im Jahr 2007 traf der Presserat 310 Entscheidungen in Beschwerdeverfahren, 1392 mit denen er 48 Hinweise, 74 Missbilligungen, 31 öffentliche und 4 nicht-öffentliche Rügen aussprach. Von den 31 öffentlichen Rügen wurden 20 durch das betroffene Publikationsorgan abgedruckt.29 Wenngleich der Presserat keine gesetzliche Instanz ist und von daher auch keine Entscheidungen mit rechtsverbindlicher Wirkung treffen kann,30 legen doch die Gerichte bei der Konkretisierung der journalistischen Sorgfaltspflichten regelmäßig die Standesauffassung zugrunde, so dass der Tätigkeit des Deutschen Presserates mittelbar beachtliche rechtliche Bedeutung zukommt.31 II. Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft 1393 Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (ehemals „Kinowirtschaft“) ist eine 1948 gegründete Einrichtung der Spitzenorganisationen der Filmwirtschaft (SPIO), die ihrerseits auf einem Zusammenschluss der filmwirtschaftlichen Verbände beruht. Die Aufgaben der FSK haben sich im Laufe der Jahre mehrfach gewandelt. Ihre ursprüngliche Aufgabe, eine staatliche Filmzensur zu verhindern, ist obsolet geworden, da diese nach dem Grundgesetz ohnehin unzulässig ist. Die Vorprüfung von Filmen dient heute vor allem dem Interesse von Produzenten, Verleihern und Theaterbesitzern daran, bei der Auswertung von Filmen darauf vertrauen zu können, dass deren Vorführung nicht gegen gesetzliche Vorschriften, insbesondere des Strafrechts bzw. des Jugendschutzes verstößt. Die Freigabe durch die FSK stellt Filmproduzenten, -verleiher und -theaterbesitzer von strafrechtlichen Sanktionen frei.32 Standesrechtliche Bedeutung hat die Tätigkeit der FSK insofern, als sie darüber wacht, dass kein Missbrauch der Filmfreiheit (etwa durch Gewaltdarstellungen) erfolgt, auch wenn strafrechtlich erhebliche Sachverhalte nicht gegeben sind. Darüber hinaus wurde der FSK die Durchführung des Jugendschutzes im Bereich Film sowie Film- und Spielprogramme gem. § 14 Abs. 2, 6 JuSchG sowie die Durchführung des Feiertagschutzes nach den Feiertagsgesetzen der Länder übertragen. 27
28 29 30 31 32
Vgl. Ziff. 16 des Pressekodex; von einer Abdruckverpflichtung ist im Hinblick auf Art. 5 GG abgesehen worden; vgl. Löffler/Ricker, a.a.O., Kap. 40 Rn. 9. Dazu Ulmer, AfP 1975, S. 838 ff Jahrbuch des Deutschen Presserates 2008, S. 214 ff. Weyand, in: Jahrbuch des Deutschen Presserates 2008, S. 141. Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch, 5. Auflage 2005, Kap. 40 Rn. 13. Vgl. v.Hartlieb/Schwarz, Handbuch, 4. Auflage 2004, Kap. 10 Rn 19.
B. Co-Regulierung
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B. Co-Regulierung Medienrechtliche Co-Regulierung ist ein Prototyp der hoheitlichen Regulierung 1394 gesellschaftlicher Selbststeuerung.33 Sie ist geprägt durch Strukturvorgaben und Verhaltenspflichten, die auf die Beachtung eines rechtlich gesetzten Rahmens wie etwa Werberestriktionen, jugendschutzbezogene Bindungen und Programmvorgaben zur Vielfaltsicherung zielen. Hierdurch sollen möglichst optimale Voraussetzungen der Kommunikationsversorgung aller in einem Bereich ermöglicht werden, der vorrangig auf Eigenverantwortung der Akteure setzt.34 I. Jugendschutz Co-Regulierung spielt im privaten Rundfunk und für die Telemedien vor allem im 1395 Bereich des Jugendschutzes eine wichtige Rolle.35 So haben gem. § 7 JMStV Veranstalter von länderübergreifendem Fernsehen und geschäftsmäßige Anbieter entwicklungsbeeinträchtigender oder jugendgefährdender Telemedien sowie Suchmaschinenanbieter einen fachkundigen, weisungsunabhängigen Jugendschutzbeauftragten zu bestellen. Für Veranstalter nicht bundesweit verbreiteten Fernsehens und kleinere Anbieter entsprechender Telemedien besteht gem. § 7 Abs. 2 JMStV die Möglichkeit der Delegation der Aufgaben des Jugendschutzbeauftragten auf eine Selbstkontrolleinrichtung. Seine Aufgaben umfassen vorrangig die umfassende Beratung des Anbieters in Jugendschutzfragen, daneben steht er den Nutzern des Angebots als Ansprechpartner zur Verfügung (§ 7 Abs. 3 JMStV). Die Vorschrift gewährleistet, dass Angebote bereits vor ihrer Verbreitung unter Jugendschutzgesichtspunkten durch eine weitgehend unabhängige Selbstregulierungsinstanz geprüft werden.36 Zuständig für die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des JMStV 1396 ist die jeweilige Landesmedienanstalt des Landes, in dem die Zulassung des Rundfunkveranstalters erteilt wurde oder der Anbieter von Telemedien seinen Sitz hat (§ 20 Abs. 6 JMStV). Zur Erfüllung der Aufgaben der Landesmedienanstalten wurde die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) gebildet, die als Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt tätig wird (§ 14 Abs. 2 JMStV). Die KJM besteht aus 12 Sachverständigen, die zur Hälfte aus dem Kreis der Direktoren der Landesmedienanstalten und von den Bundes- und Landesjugendschutzbehörden entsandt werden (§ 14 Abs. 3 JMStV). Der KJM gem. § 18 JMStV organisatorisch angebunden ist „jugendschutz.net“. Dies ist eine durch die obersten Landesbehörden eingerichtete gemeinsame Stelle für Jugendschutz aller Bundesländer. Sie unterstützt die KJM bei Ihren Aufgaben insbesondere durch Überprüfung von Telemedienangeboten und durch Beratungen und Schulungen im Umgang mit Telemedien (§ 18 Abs. 2 und 3 JMStV). Zu ihren Aufgaben gehört neben 33 34 35 36
Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten, 2002, S. 49. Vgl. Hoffmann-Riem, a.a.O., S. 49 ff. Zum Jugendmedienschutz vgl. bereits oben Rn. 1221 ff. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 84. Abschnitt Rn. 9.
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der Anbieter- und Veranstalterüberwachung die Anerkennung von Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle sowie von Jugendschutzprogrammen nach § 11 JMStV (§ 16 Satz 2 Nr. 2, 6 JMStV). Für die Anerkennung der Selbstkontrolleinrichtungen setzt § 19 Abs. 3 JMStV insbesondere die Unabhängigkeit und Sachkunde der benannten Prüfer, eine sachgerechte Ausstattung durch eine Vielzahl von Anbietern sowie eine funktionsgerechte Verfahrensordnung voraus. Seit Inkrafttreten des JMStV kommt Entscheidungen anerkannter Einrichtun1397 gen der freiwilligen Selbstkontrolle erheblich gesteigerte Bedeutung zu. Während nach alter Rechtslage deren Gutachten von den Landesmedienanstalten bei ihren Entscheidungen lediglich einzubeziehen waren, sieht der geltende JMStV einen „Schutzschild“ der Selbstkontrolle vor.37 Demnach verhindern Entscheidungen anerkannter Selbstkontrolleinrichtungen unter bestimmten Voraussetzungen Entscheidungen der KJM, soweit die Selbstkontrolleinrichtung die rechtlichen Grenzen ihres Beurteilungsspielraums nicht überschreitet (§ 20 Abs. 3, 5 JMStV). Dieser Beurteilungsspielraum ergibt sich aus Auslegungsspielräumen bei der Bewertung eines konkreten Angebots als Folge der Unbestimmtheit im Jugendschutz verwandter Rechtsbegriffe wie etwa „Eignung zur Entwicklungsbeeinträchtigung“ (§§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 3 JMStV), „in unnatürlich geschlechtsbezogener Körperhaltung“ (§ 4 Abs. 1 S.1 Nr. 9 JMStV) oder „Werbeinhalte, die seelischen Schaden zufügen können“ (§ 6 Abs. 2 JMStV). Die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums bestimmen sich nach den Rechtsvorschriften zum Jugendschutz einschließlich der hierfür erlassenen Satzungen und Richtlinien. Zu beachten sind insbesondere die gemeinsamen Jugendschutzrichtlinien der Landesmedienanstalten über Sendezeitbeschränkungen nach § 8 Abs. 1 JMStV sowie Ausnahmen nach § 9 Abs. 1 JMStV.38 Die Überprüfung von Entscheidungen der Selbstkontrolleinrichtungen durch die KJM beschränkt sich auf Verfahrensfehler, die Ermittlung eines unrichtigen Sachverhalts, die Verkennung anzuwendenden Rechts und die Verletzung allgemein gültiger Wertungsmaßstäbe bei der Rechtsanwendung.39 Anerkannte Einrichtungen der Selbstkontrolle sind für den Bereich des Privat1398 fernsehens die „Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen“ (FSF) und für den Bereich der Telemedien die „Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter“ (FSM). Der Vorrang einer FSF-Entscheidung greift gem. § 20 Abs. 3 S. 1 JMStV bei vorlagefähigen - mit dem notwendigen zeitlichen Vorlauf zur Verfügung stehenden - Sendungen nur, wenn diese vor der Ausstrahlung der FSF vorgelegt werden, ansonsten entscheidet die KJM nach eigener Beurteilung selbst. Bei nichtvorlagefähige Sendungen, etwa Live-Sendungen oder aktuellen Einspielungen, ist gem. Satz 2 hat zunächst die FSF zu entscheiden, Maßnahmen der KJM können auch hier nur in den Grenzen des entsprechend anzuwendenden Satz 1 ergehen. Eine präventive Vorlagepflicht für Telemedien ist gem. § 20 Abs. 5 JMStV 1399 nicht vorgesehen. Nach der Verbreitung ist vorrangig die FSM mit dem Angebot zu befassen, sofern nicht Verstöße gegen die Absolutverbote des § 4 Abs. 1 37 38 39
Vgl. Held, a.a.O., 77. Abschnitt Rn. 18. Held, a.a.O., 86. Abschnitt Rn 11. Held, a.a.O., 86. Abschnitt Rn. 8 f.; Sellmann, MMR 2006, S. 723, 724.
B. Co-Regulierung
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JMStV in Rede stehen. Maßnahmen der KJM gegen Anbieter von Telemedien sind ebenfalls nur bei Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch die FSM zulässig. Faktische Bedeutung kommt der FSM auch im Hinblick auf die Indizierung von Telemedien durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) nach § 18 Abs. 6 JuSchG zu. Denn die BPjM darf gem. § 18 Abs. 8 S. 3 JuSchG ein von der FSM bewertetes Telemedium nur dann indizieren, wenn die KJM dessen Inhalt für jugendgefährdend hält. Im Bereich des Jugendschutzes bei Trägermedien ist ebenfalls eine Co- 1400 Regulierung gesetzlich zugelassen. Nach § 14 Abs. 6 JuSchG können die Obersten Landesbehörden in Zusammenarbeit mit Selbstkontrolleinrichtungen der Wirtschaft ein gemeinsames Verfahren für die Freigabe und Kennzeichnung von Filmen sowie Film- und Spielprogrammen vereinbaren. Im Rahmen dieser Vereinbarung kann bestimmt werden, dass die Selbstkontrolleinrichtung für die obersten Landesbehörden entscheidet, soweit nicht eine dieser Landesbehörden für ihren Bereich eine abweichende Entscheidung trifft. II. Datenschutz Die Kontrolle der Einhaltung der Datenschutzbestimmungen liegt in erster Linie 1401 bei den Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern, jedoch sieht das Gesetz mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten auch hier eine unternehmensinterne Beratungs- und Kontrollinstanz vor. Unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere, wenn mindestens zehn Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind, ist innerhalb eines Unternehmens zwingend ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen (§ 4f Abs. 1 BDSG). Er wirkt gem. § 4g Abs. 1 BDSG auf die Einhaltung der Datenschutzvorschriften hin. Dies beinhaltet zum einen die Überprüfung der einzelnen Datenverarbeitungen auf ihre Übereinstimmung mit den Datenschutzvorschriften (Konformitätskontrolle), daneben hat er die mit personenbezogenen Daten umgehenden Mitarbeiter des Unternehmens mit den Vorschriften und Erfordernissen des Datenschutzes vertraut zu machen (Mitarbeiterschulungen etc.). Um seine Aufgabe unbeeinflusst wahrnehmen zu können, ist der Datenschutzbeauftragte nicht an Weisungen gebunden. Er ist in der Unternehmensorganisation unmittelbar der Geschäftsleitung zu unterstellen, damit diese darüber befinden kann, wie etwaig festgestellten Mängeln abgeholfen werden kann.40
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Kramer, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 80. Abschnitt Rn. 12.
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§ 28 Aufsichts- und Kontrollregeln
C. Regulierung I. Aufnahmeüberwachung 1402 Medienrechtliche Aufnahmeüberwachung setzt bei der Aufnahme massenmedialer wirtschaftlicher Betätigung an. Sie dient vornehmlich der Ordnung des Zutritts zu den Medienmärkten und schafft damit die Grundlage funktionsfähigen ökonomischen und publizistischen Wettbewerbs.41 1. Telekommunikation 1403 Seit der Aufgabe des Telekommunikationsmonopols und der Schaffung des Art. 87f GG obliegt der telekommunikationsrechtlichen Regulierung die Gewährleistung der Voraussetzungen einer funktionsfähigen Telekommunikationsordnung.42 Zuständig ist die BNetzA, die gem. § 1 S. 2 BEGTP als selbstständige Bundesoberbehörde mit Amtssitz in Bonn fungiert.43 Sie ist als unabhängiges Organ ausgestaltet, das über hinreichend große Entscheidungsspielräume bei der Anwendung und Konkretisierung der Regulierungsinstrumente verfügt. Ihre organisatorische Unabhängigkeit wird durch die Ausgliederung aus der Ministerialbehörde hergestellt, in verfahrenstechnischer Hinsicht stärkt insbesondere der gerichtsähnlich ausgestaltete Entscheidungsprozess ihre Unabhängigkeit. Von großer Bedeutung ist ferner ihre weitgehende Weisungsfreiheit, die tagespolitisch motivierte Einflussnahme seitens der Regierung praktisch verhindert.44 Die BNetzA entscheidet je nach Sachgebiet entweder durch die Beschlusskammern (§ 132 Abs. 1 S. 1 TKG), bestehend aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, oder durch die Präsidentenkammer (§ 132 Abs. 3 S. 1 TKG). Das TKG 2004 hat das Instrumentarium der Marktzugangskontrolle mittels Li1404 zenzerteilung gemäß dem TKG 1996 durch eine bloße Meldepflicht ersetzt und an dessen Stelle ein Regime der Markt-, Zugangs- und Entgeltregulierung gesetzt.45 Meldepflichtig sind nunmehr gem. § 6 Abs. 1 TKG Aufnahme, Änderung und Beendigung der Tätigkeit sowie Firmenänderungen. Bei diesem Standardinstrument handelt es sich um die mildeste Überwachungsmaßnahme. Die Meldepflicht soll das fortbestehende Überwachungsbedürfnis der Regulierungsbehörde mit dem neuen Institut der Allgemeingenehmigung zum Ausgleich bringen.46 Wer schuld-
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Vgl. Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten, 2002, S. 47 f.; Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 13 Auflage 2004, § 51 S. 181 f. Vgl. Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 13. Auflage 2004, § 51 S. 181 f. Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn vom 7. Juli 2005. Vgl. Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rn. 433; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 146. Vgl. oben Rn. 464 ff.; Paschke, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 6. Abschnitt Rn. 1. Vgl. Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 13. Auflage 2004, § 51 S. 186.
C. Regulierung
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haft die Meldung nach § 6 TKG nicht oder nicht vollständig vornimmt, begeht nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 TKG eine Ordnungswidrigkeit. 2. Rundfunk Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfGs bedarf es beim Rundfunk einer 1405 positiven rechtlichen Ordnung, die eine effektive Aufsicht umfasst.47 Die Aufnahmeüberwachung ist dabei für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk grundlegend verschieden geregelt. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten werden unmittelbar auf der Grundlage von Landesgesetzen errichtet, die Aufgabe und Organisation der Anstalt regeln.48 Private Rundfunkveranstalter hingegen bedürfen gem. § 20 Abs. 1 RStV (etwa 1406 i.V. mit § 17 Abs. 1 MSV-HSH) einer Zulassung nach Landesrecht. Zuständig für die Zulassung ist die Landesmedienanstalt des Sitzlandes des Antragstellers. Aufgrund der spezifischen Besonderheit des Medienrechts, Massenmedien keiner staatlichen Kontrolle unterwerfen zu dürfen und Regulierungsbefugnisse einer gegenüber dem Staat rechtlich verselbständigten unabhängigen Einrichtung zuweisen zu müssen, sind die Landesmedienanstalten in den einzelnen Bundesländern übereinstimmend als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert, die die ihnen zugewiesenen Befugnisse in eigener Verantwortung und weisungsfrei ausüben. Sie verfügen regelmäßig über zwei Organe, ein Exekutivorgan und ein nach dem Versammlungs- oder Ratsmodell organisiertes Hauptorgan. Ihre Finanzierung erfolgt – wiederum zur Gewährleistung ihrer Staatsfreiheit – wesentlich aus einem Anteil an der allgemeinen Rundfunkgebühr. Die Zulassung für bundesweiten privaten Rundfunk ist in den §§ 20 ff. RStV 1407 normiert. § 20 RStV regelt das Zulassungsverfahren nicht selbst, sondern gibt den rechtlichen Rahmen dafür vor und verpflichtet die Bundesländer, die Zulassung zu regeln. Dadurch weichen die konkreten Zulassungsvoraussetzungen und -verfahren teilweise erheblich voneinander ab, übereinstimmend ist jedoch geregelt, dass jeder Veranstalter eine eigene, grundsätzlich nicht übertragbare Zulassung benötigt.49 Zur Gewährleistung bundeseinheitlicher Standards und um ein effektives und zügiges Zulassungsverfahren zu ermöglichen stellen die §§ 21 f. RStV Mitwirkungspflichten des Antragstellers auf und gewähren den Landesmedienanstalten Auskunftsrechte und Ermittlungsbefugnisse.50 Schließlich ist gem. § 20 Abs. 1 S. 2 RStV die Programmkategorie nach § 2 Abs. 2 RStV (Voll-, Sparten-, Satellitenfenster- oder Regionalfensterprogramm) festzulegen. Stellt sich heraus, dass bei dem antragstellenden Unternehmen vorherrschende Meinungsmacht nach § 26 RStV vorliegt, wird gem. § 26 Abs. 3 RStV weiteres Unternehmenswachstum zwingend begrenzt, es darf keine Zulassung für weitere diesem Unternehmen zurechenbare Programme erteilt werden. 47 48 49
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Vgl. oben Rn. 238 ff. Z.B: NDR-Staatvertrag, ZDF-Staatsvertrag. Vgl. Paschke/Tacke, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 7. Abschnitt Rn. 1 ff. Vgl. Paschke/Tacke, a.a.O., 7. Abschnitt Rn. 25 ff.
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§ 28 Aufsichts- und Kontrollregeln
Das Zulassungsverfahren51 ist gem. § 35 Abs. 1 RStV in der Weise geregelt, dass die Landesmedienanstalten gegenüber den Antragstellern und Veranstaltern, für die Zulassung und Aufsicht des privaten Rundfunks zuständig sind. Die interne Prüfung und Entscheidung ist nach § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 RStV der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) übertragen. Die ZAK dient der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt und damit als sog. Wanderorgan bei der Erfüllung von deren Zulassungs- und Aufsichtsaufgaben. Die ZAK-Beschlüsse sind im Innenverhältnis gegenüber der Landesmedienanstalt bindend. Abgeschafft wurden mit dem 10. RÄStV die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM) und deren Beurteilungszuständigkeit von Fragen der Meinungsvielfalt und der Medienkonzentration. Der medienpolitische Entscheidungseinfluss der Direktoren als gesetzliche Vertreter der Landesmedienanstalten wird seither vorverlagert, indem die bisher aus sechs Sachverständigen zusammen gesetzte KEK gem. § 35 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 RStV um sechs Direktoren aus dem Kreis der Landesmedienanstalten ergänzt werden. Zusätzlich hat die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) durch § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 RStV eine staatsvertragliche Grundlage bekommen. Die GVK fungiert als gemeinsames Organ und hat dabei Zuständigkeiten insbesondere bei der Zuweisung von Übertragungskapazitäten. In § 35 Abs. 7 RStV werden die Landesmedienanstalten verpflichtet, für die gemeinsamen Organe eine gemeinsame Geschäftsstelle zu bilden. Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung einen subjektiven Zulassungsan1409 spruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG anerkannt und ausgeführt: „Auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit können sich auch Bewerber um eine Rundfunklizenz im Zulassungsverfahren vor den Landesmedienanstalten berufen“ und „das objektivrechtliche dienende Grundrecht steht auch subjektiv-rechtlich im Dienst der Grundrechtssicherung“.52 Telemedien unterliegen grundsätzlich keiner Zulassungsverpflichtung. Da die 1410 Abgrenzung von Rundfunk zu anderen Diensten inhaltlich und unabhängig von der technischen Verbreitungsart vorzunehmen ist, bedürfen jedoch auch Telemedien gem. § 20 Abs. 2 RStV einer Zulassung, wenn und soweit sie als Rundfunk einzustufen sind. Stellen alle Landesmedienanstalten einvernehmlich die Rundfunkeigenschaft fest, hat der Anbieter unverzüglich einen Zulassungsantrag zu stellen oder den Dienst derart fortzuführen, dass er nicht dem Rundfunk zuzuordnen ist. Diesbezüglich ist der Anbieter berechtigt, bei der zuständigen Landesmedienanstalt einen Antrag auf rechtliche Unbedenklichkeit zu stellen.53 1408
II. Ausübungsüberwachung 1411 Die Überwachung der Ausübung massenmedialer Wirtschaftstätigkeit dient vornehmlich der Sicherung und Erhaltung funktionsfähigen ökonomischen und publizistischen Wettbewerbs sowie dem Schutz typischerweise durch Massenmedien 51 52 53
Dazu näher Gröpl, ZUM 2009, S. 21 ff.; Ritlewski, ZUM 2008, S. 403, 407 ff. BVerfGE 97, S. 298, 312ff.; Paschke/Tacke, a.a.O., 7. Abschnitt Rn. 10. Vgl. dazu Paschke/Tacke, a.a.O., 7. Abschnitt Rn. 12 ff.
C. Regulierung
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gefährdeter Rechtsgüter (z.B. Verbraucherschutz, Jugendschutz). Die medienrechtliche Ausübungsüberwachung ist regelmäßig staatsfrei ausgestaltet, staatliche Regulierung ist wegen des Gebots der Staatsferne der Massenmedien nur in eng begrenzten Bereichen zulässig. 1. Staatliche Ausübungsüberwachung a) Infrastruktur Die Gewährleistung einer flächendeckend angemessenen und ausreichenden Tele- 1412 kommunikationsinfrastruktur obliegt gem. Art. 87f. Abs. 1 GG dem Bund, der nach Art. 87f. Abs. 2 GG Hoheitsaufgaben in diesem Bereich in bundeseigener Verwaltung wahrnimmt. Zu diesem Zweck wurde die BNetzA errichtet und durch das TKG mit verschiedensten Regulierungsbefugnissen ausgestattet. § 126 TKG räumt ihr dabei umfassende allgemeine Befugnisse ein, die neben 1413 die spezifischen Befugnisse aus den Teilen 1 bis 7 des TKG treten.54 Sofern ein Unternehmen seine Verpflichtungen aus dem TKG nicht erfüllt, sieht § 126 Abs. 1 TKG eine Aufforderung zur Stellungnahme und freiwilligen Abhilfe unter Fristsetzung vor. Hilft das Unternehmen der Pflichtverletzung nicht ab, kann die BNetzA nach § 126 Abs. 2 TKG die zur Einhaltung der Verpflichtung erforderlichen Maßnahmen treffen und als ultimo ratio unter den Voraussetzungen des § 126 Abs. 3 TKG die Untersagung einer Tätigkeit anordnen. Daneben besteht nach § 126 Abs. 5 TKG die Möglichkeit, ein Zwangsgeld bis zu 500.000 Euro festzusetzen. Wird durch die Pflichtverletzung die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar und erheblich gefährdet oder führt sie bei anderen Telekommunikationsanbietern oder -nutzern zu erheblichen wirtschaftlichen oder betrieblichen Problemen, sind gem. § 126 Abs. 4 TKG vorläufige Maßnahmen zulässig. Flankiert werden diese Befugnisse durch spezielle Auskunfts-, Ermittlungs- und Beschlagnahmerechte nach den §§ 127 ff. TKG. § 126 TKG ist als Auffangtatbestand konzipiert und tritt zurück, soweit das TKG speziellere Eingriffsbefugnisse55 vorsieht.56 Die zentralen Regulierungsinstrumente des 2. Teils des TKG sind die Zugangs- und Entgeltregulierung im Rahmen der Marktregulierung nach den §§ 10 ff. TKG.57 Neben der Marktregulierung obliegt der BNetzA die Regulierung der Rund- 1414 funkübertragung (§§ 48 ff. TKG), die Frequenzordnung (§§ 52 ff. TKG) sowie die Nummerierung (§§ 66 ff. TKG). Die Vorschriften zur Rundfunkübertragung dienen der Förderung des Digitalisierungsprozesses und regeln die Interoperabilität von Fernsehgeräten (§ 48 TKG) und digitaler Signalübertragung (§ 49 TKG) so54
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57
Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rn. 440; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage 2006, Rn. 167 ff.. Z.B. gem. §§ 25, 29, 42, 115 TKG; Vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 100. Vgl. dazu: Kühling/Elbracht, a.a.O., Rn. 440 ff; für einen Überblick und eine Aufteilung der verschiedenen Verpflichtungen vgl. Holznagel/Enaux/Nienhaus, a.a.O., Rn. 221. Vgl. oben Rn. 481 ff.
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wie die Beschaffenheit von Zugangsberechtigungssystemen (§ 50 TKG).58 Die Frequenzordnung dient ausweislich des § 52 Abs. 1 TKG der Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Frequenznutzung. Hierzu ist ein mehrstufiges Verfahren vorgesehen. Die Frequenzplanung (§§ 53 f. TKG) ordnet in sachlicher Hinsicht die physikalischen Frequenzbereiche den verschiedenen Nutzungsarten zu, die Frequenzzuteilung (§§ 55 ff. TKG) entscheidet in persönlicher Hinsicht, wer bestimmte Frequenzbereiche nutzen darf. Die Überwachung der Frequenznutzung (§ 64 TKG) dient der Einhaltung der Frequenzordnung durch die Nutzer.59 § 62 TKG schließlich sieht eine Freigabe bestimmter Frequenzbereiche für den Frequenzhandel vor. Gem. § 66 TKG obliegt der BNetzA die Strukturierung und Ausgestaltung des Nummernraumes und insbesondere die diskriminierungsfreie Zuteilung von Nummernressourcen an die verschiedenen Anbieter.60 § 67 TKG ermächtigt hierfür zu jeglichen Maßnahmen, die die Einhaltung der gesetzlichen und behördlichen Vorgaben im Bereich der Nummernverwaltung gewährleisten.61 Diese reichen bis zum Entzug der rechtswidrig genutzten Nummer.62 Schließlich kann die BNetzA nach den §§ 78 ff. TKG Maßnahmen zur Sicher1415 stellung der flächendeckenden Versorgung mit Universaldienstleistungen i.S.d. § 78 Abs. 2 TKG zu erschwinglichen Preisen63 ergreifen. Hierzu ist sie gem. § 81 ff. TKG befugt, Unternehmen zu einem Beitrag an dieser Grundversorgung zu verpflichten. Dieser Beitrag liegt entweder in der Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistung (§ 81 TKG) oder in der Zahlung einer etwaigen Ausgleichsabgabe (§§ 82 f. TKG).64 Gewährt die BNetzA einen Ausgleich nach § 82 TKG, handelt es sich bei Universaldienstleistungspflicht um eine entgeltliche Indienstnahme des verpflichteten Unternehmens im Rahmen der Daseinsvorsorge.65 b) Jugendschutz (Trägermedien und Bildträger) 1416 Auch der Jugendschutz im Bereich der Trägermedien wird - gestützt auf die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG – durch staatliche Stellen ausgeübt. Es sind zwei Instrumente vorgesehen. Einerseits sieht § 14 JuSchG eine gestufte Altersfreigabe und Kennzeichnung für Trägermedien mit jugendbeeinträchtigenden Film- oder Spielinhalten durch die oberste Landesbehörde vor, die jedoch auch durch eine Selbstkontrolleinrichtung vorgenommen werden kann.66 Diese Kennzeichnung gilt gem. § 14 Abs. 4 JuSchG ebenfalls für die Vorführung in öffentlichen Filmveranstaltungen. Im Falle der Ausstrahlung oder elektronischen Verbrei58 59 60 61 62
63 64 65 66
Näher: Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rn. 327 ff. Vgl. Kühling/Elbracht, a.a.O., Rn. 328. Kühling/Elbracht, a.a.O., Rn. 345. Kühling/Elbracht, a.a.O., Rn. 361. Näher: Klaes, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 14. Abschnitt, Rn. 38 ff. Vgl. § 78 Abs. 1 TKG. Dazu näher: Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rn. 370 ff. Vgl. Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 13. Auflage 2004, § 51 S. 189. Dazu Rn. oben 1400.
C. Regulierung
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tung gekennzeichneter Inhalte sind die Beschränkungen der §§ 5, 12 JMStV zu beachten.67 Für (schwer) jugendgefährdende Trägermedien gilt gem. § 14 Abs. 3 JuSchG 1417 der Vorrang des Indizierungsverfahrens nach §§ 18, 21 ff. JuSchG. Diese werden durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) in eine Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen. Die BPjM ist eine kollegial zusammengesetzte und kollegial entscheidende Bundesoberbehörde, die gem. § 19 Abs. 4 JuSchG weisungsfrei handelt. Ihre Entscheidungen sind Verwaltungsakte, die im Verwaltungsrechtsweg angefochten werden können (§ 25 JuSchG). Ein Beurteilungsspielraum, der die Indizierung der vollen gerichtlichen Kontrolle entziehen könnte, steht der BPjM nicht zu.68 Ferner ist in § 18 Abs. 5 JuSchG eine gesetzlich angeordnete Listenaufnahme bei strafgerichtlicher Entscheidung vorgesehen. Für die Indizierung von Telemedien räumt § 18 Abs. 6 JuSchG der KJM eine über das bloße Antragsrecht hinausgehende Sonderstellung ein, wonach eine Indizierung ohne weiteres Entscheidungsverfahren zu erfolgen hat. Die Tendenzschutzklausel des § 18 Abs. 3 JuSchG konkretisiert das allgemeine Zensurverbot des Art. 5 Abs. 3 GG und trägt der besonderen Bedeutung der Meinungsfreiheit Rechnung. Eine Streichung aus der Liste erfolgt gem. § 18 Abs. 7 JuSchG, wenn die Voraussetzungen der § 18 Abs. 1, 15 Abs. 2 JuSchG etwa aufgrund eines nachhaltigen Wertewandels nicht mehr vorliegen oder seit der Aufnahme 25 Jahre vergangen sind. 69 c) Datenschutz Die Kontrolle der Einhaltung der Datenschutzregelungen obliegt neben dem be- 1418 trieblichen Datenschutzbeauftragten70 in erster Linie den Aufsichtsbehörden der Länder (§ 38 Abs. 6 BDSG), für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (§§ 22 f. BDSG) bestehen Sonderzuweisungen für Telekommunikations- und Postunternehmen (§ 115 Abs. 4 S. 1 TKG, § 42 Abs. 3 S.1 PostG). Die Aufsichtsbehörde ist nach § 38 Abs. 4 BDSG befugt, zur Erfüllung ihrer 1419 Aufgaben während der Betriebs- und Geschäftszeiten Grundstücke oder Geschäftsräume des zu kontrollierenden Unternehmens zu betreten und dort Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen sowie geschäftliche Unterlagen und Datenverarbeitungsprogramme einzusehen. Daneben besteht gem. § 38 Abs. 3 BDSG eine Auskunftspflicht seitens der kontrollierten Stellen. Das typische Handeln der Aufsichtsbehörde ist die Abmahnung des Unternehmens, sie kann gem. § 38 Abs. 5 BDSG aber auch Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Mängel anordnen und in bei schwerwiegenden Mängeln den Einsatz einzelner Datenverarbeitungsverfahren untersagen. Ferner besteht die Möglichkeit der Abberufung des betrieb67
68
69 70
Vgl. Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 85. Abschnitt Rn. 1 ff. BVerwG, NJW 1993, S. 1491, 1492; NJW 1997, S. 602; Liesching, a.a.O., 85. Abschnitt Rn. 10. Vgl. Liesching, a.a.O., 85. Abschnitt Rn. 8 ff. Dazu Rn. 1218.
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lichen Datenschutzbeauftragten (§ 38 Abs. 5 S. 3 BDSG), des Informierens der Gewerbeaufsicht (§ 38 Abs. 1 S. 6 BDSG) sowie der Verhängung von Bußgeldern nach § 43 BDSG. d) Kundenschutz 1420 Das TKG bedient sich zur Gewährleistung des Kundenschutzes in den §§ 43a ff., 66a ff. TKG71 hauptsächlich zivilrechtlicher Instrumente und beschränkt insoweit die Vertragsfreiheit der Parteien, um das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Telekommunikationsanbietern und –nachfragern auszugleichen.72 Dennoch nimmt die BNetzA auch in diesem Bereich verschiedene Aufgaben wahr. So unterliegen Entgelte für die Rufnummerportierung nach § 46 Abs. 3 TKG sowie für die Bereitstellung von Teilnehmerdaten für Teilnehmerverzeichnisse und Auskunftsdienste gem. § 47 Abs. 4 TKG der nachträglichen Regulierung. Ferner fungiert die Behörde gem. § 47 Abs. 3 TKG, 47a TKG als Schlichtungsstelle bei bestimmten Streitigkeiten zwischen Teilnehmern oder Unternehmen und Telekommunikationsanbietern. Entscheidend sind jedoch die Befugnisse aus § 67 i.V. mit §§ 66a ff. TKG zur Sanktionierung missbräuchlicher Mehrwertdienste sowie § 126 i.V. mit §§ 43a ff. TKG bei Verstößen gegen den allgemeinen telekommunikationsrechtlichen Kundenschutz. e) Telemedien 1421 Die Aufsicht über die Telemedien ist in § 59 RStV geregelt. Sie ist das regulierungsrechtliche Korrelat einer ohne präventive Kotrolle zugelassenen massenmedialen Betätigung, die der Gesetzgeber angesichts spezifischer Gefahren dieser massenmedialen Kommunikation für die Gewährleistung insbesondere des Jugend- und Datenschutzes nicht dem freien Belieben der Anbieter überlassen, sondern behördlicher Kontrolle unterstellen wollte. Die Telemedien-Regulierung ist thematisch begrenzt und themenspezifisch organisiert. Die Einhaltung der Bestimmungen für Telemedien mit Ausnahme des Datenschutzes, den § 59 Abs. 1 den zuständigen Datenschutzbehörden zuweist, wird nach § 59 Abs. 2 RStV durch eine nach Landesrecht zu bestimmende Aufsichtsbehörde überwacht. In einigen Bundesländern ist dies die Landesmedienanstalt73, in anderen Ländern eine Regierungsstelle.74 Die Aufsicht über den Jugendmedienschutz weist § 20 JMStV generell den 1422 Landesmedienanstalten bzw. der KJM zu, jedoch ist der Vorrang der Selbstkontrolle nach § 19 JMStV zu beachten. Dies führt zwar zu einer Vielfalt der Zuständigkeiten, organisiert aber die Kontrolle in einer Weise, dass staatliche Regulierungsbefugnisse kompetenziell differenziert und thematisch im Schrankenbereich der Kommunikationsfreiheitsgrundrechte angesiedelt bestehen. Einer verfassungs71 72 73 74
Zur Rechtslage nach dem TKG 2009 vgl. Ufer/Dittscheid, MMR 2009, S. 367 ff. Vgl. Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rn. 261. Etwa in Hamburg und Schleswig-Holstein, § 38 Abs. 1 MStV-HSH. Vgl. Hartstein/Ring/Kreile, RStV, 1989, § 59 Rn. 16.
C. Regulierung
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rechtlichen Überprüfung unter dem Aspekt der Staatsfreiheit und Regierungsferne dürfte dieses Konzept Stand halten.75 Die Effektivität einer so beschaffenen Regulierung ist in Zweifel gezogen wor- 1423 den.76 Dies betrifft die Aufsplitterung der Zuständigkeiten, die in Jugend- und Datenschutzangelegenheiten bei den jeweiligen Fachbehörden liegt, im Bereich der sonstigen Angelegenheiten aber einer nach Landesrecht zu bestimmenden Aufsichtsbehörde zugewiesen ist.77 Damit sind für die Kontrolle ein und desselben Telemediums drei Behörden zuständig. Effizienzverluste durch Verwaltungsaufwand und Rechtsunsicherheit für den Anbieter erscheinen in einer solchen Konzeption unvermeidlich. Ermächtigungsgrundlage für die Behörde ist die Vorschrift des § 59 Abs. 3 1424 RStV, die insbesondere die Untersagung und Sperrung rechtswidriger Angebote umfasst. Eine Maßnahme nach § 59 Abs. 3 RStV ist gegenüber dem Anbieter zu treffen, die Sperrung des Angebots kann jedoch gem. § 59 Abs. 4 RStV auch gegenüber dem Anbieter fremder Inhalte nach den §§ 8-10 TMG, insbesondere gegenüber dem Access-Provider getroffen werden, sofern dies technisch möglich und zumutbar ist.78 Ein Anwendungsfall, der erhebliche Aufmerksamkeit gefundne hat, betraf die sog. Düsseldorfer Sperrverfügungen gegen Access-Provider; mit ihnen wurde der Zugang zu rechtsradikalen Seiten aus den USA gesperrt, da Maßnahmen gegen den Anbieter der Seiten als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend angesehen wurden.79 2. Staatsfreie Ausübungsüberwachung a) Medienintern Die Einhaltung rechtlicher Bindungen bei massenmedialer Betätigung ist staats- 1425 bürgerliche Pflicht der Mitarbeiter jedes Massenmediums.80 Insofern ist die medieninterne Kontrolle integrales Element jeder massenmedialen Organisation. Einer spezifisch medienrechtlichen Regelung bedarf es für diese, aus der individuellen Verantwortlichkeit der Medienmitarbeiter folgenden Pflicht zu rechtstreuem Verhalten nicht. Medienrechtlich geprägte interne Kontrolle wird deshalb nachfolgend nur als Kontrolle in denjenigen Fällen verstanden, in denen die Me-
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76 77 78
79 80
Modellkritische Stimmen rühren denn auch in erster Linie daher, dass mit dem Modell der staatlichen Kontrolle über Telemedien die Komplexität des medienrechtlichen Regulierungsmodells zugunsten einer nur marktorientierten Offenheitspflege unterschritten werden; vgl. dazu Vesting, in: Rossnagel, Recht der Multimedia-Dienste, § 18 MDStV, Rn. 1ff. Vgl. Kröger/Moos, ZUM 1997, S. 462, 470. Eine Übersicht über die zuständigen Behörden gibt Vesting, a.a.O., Rn. 26 f. Vgl. Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar, 2008, 77. Abschnitt Rn. 35 ff. Vgl. Held, a.a.O., Rn. 37; vgl. dazu näher bereits Rn. 1031. Vgl. dazu bereits Rn. 428 ff.
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dienordnung eigenen (internen) Organen oder Einrichtungen eines Massenmediums besondere Kontrollaufgaben oder –befugnisse auferlegt. Medieninterne Kontrolle in diesem Sinn findet nach geltendem Recht im Rund1426 funk, nämlich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk statt. Der Rundfunkrat und der Verwaltungsrat sind die nach den Rundfunkgesetzen berufenen anstaltsinternen Gremien, denen die Aufgabe der Kontrolle der Betätigung der Rundfunkanstalten zugewiesen ist. Vor dem Hintergrund der schon zu Beginn der Neuordnung des Rundfunks in Deutschland getroffenen Grundentscheidung, den Rundfunk mit Rücksicht auf die Staatsfreiheit und Regierungsferne „höchstens einer beschränkten staatlichen Aufsicht“ zu unterwerfen,81 ist die interne Kontrolle der Rundfunkanstalten durch gruppenplural zusammengesetzte Gremien das dem öffentlichrechtlichen Rundfunk gemäße Aufsichtsmodell. Es setzt auf den Umgang und die Kräfte der Selbstregulierung im Binnenbereich des Rundfunkveranstalters und tritt neben die von der allgemeinen Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Mechanismen und Rechtsbehelfe. Die Staatsaufsicht hat daneben nur eine begrenzte Bedeutung.82 Von den Kontrollaufgaben des Rundfunkrats (bzw. dem Fernsehrat des ZDF), 1427 insbesondere im Verhältnis zum Intendanten als dem Exekutivorgan der Rundfunkanstalten, war bereits die Rede; darauf wird hier verwiesen.83 Während der Rundfunkrat für unmittelbare Programmangelegenheiten zuständig ist, hat der Verwaltungsrat Kontrollkompetenzen für Fragen der Geschäftsführung außerhalb des Programmbereichs, insbesondere für die Kontrolle der Tätigkeit des Intendanten sowie die Prüfung des Haushaltsplans. Die Kontrollaufgaben von Rundfunkrat und Verwaltungsrat sind Bestandteil eines komplexen Aufgabenbündels, das den jeweiligen Organen in Form von Informations-, Beratungs-, Beanstandungs- und Zustimmungskompetenzen obliegt, und für die sie – sowie in engen Grenzen auch die einzelnen Organmitglieder – klagebefugt sind.84 Die Kontrollbefugnis beider Organe umfasst zunächst die Rechtmäßigkeitskon1428 trolle, bezieht sich also auf die Vereinbarkeit der zu kontrollierenden Gegenstände mit Recht und Gesetz. Insbesondere ist in den Anstaltsstaatsverträgen festgelegt, dass der Rundfunkrat die im Staatsvertrag enthaltenen Programmanforderungen zu überwachen hat.85 Eine Zweckmäßigkeitskontrolle geht notwendig mit der Entscheidung einher, soweit Informations-, Beratungs- und Zustimmungskompetenzen in Rede stehen. Abgrenzungsprobleme zwischen Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle treten auf, wenn – wie im Bereich der Programmanforderungen – die rechtlichen Maßstäbe tatbestandlich weit und vage formuliert sind.86 81 82 83 84 85 86
BVerfGE 12, S. 205, 261 – Deutschland-Fernsehen. Vgl. Rn. 244 ff. Vgl. Rn. 246 ff. Näher Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, 4. Kap., Rn. 62 ff. Vgl. nur exemplarisch § 18 Abs. 2 NDR-StV Dazu näher Berg, Media Perspektiven 1987, S. 737 ff.; Cromme, NJW 1985, S. 351 ff.; Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, 4. Kap., Rn. 85 ff.; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit durch Rundfunkorganisation, 1979, S. 61.
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Für den privaten Rundfunk bestehen vergleichbare medieninterne Kontroll- 1429 strukturen und –einrichtungen nicht. Das Regulierungsmodell für den Rundfunk begnügt sich bei den privaten Veranstaltern mit internen Kontrollregeln nicht, sondern sieht vielmehr eine externe Aufsicht vor, die durch die Landesmedienanstalten vorgenommen wird.87 Nur ausnahmsweise sieht das Medienrecht ein internes Kontrollorgan privater Rundfunkveranstalter vor. Dabei handelt es sich um den nach dem Rundfunkstaatsvertrag einzurichtenden Programmbeirat. Die Schaffung eines Programmbeirats stellt ein Instrument der Vielfaltsicherung im privaten Rundfunk dar, das Veranstalter mit vorherrschender Meinungsmacht vor dirigistischen Eingriffen bewahren kann.88 Dies setzt nach § 32 Abs. 1 S. 3 RStV in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfGs89 dessen „wirksamen Einfluss“ auf das Programm voraus, der durch Vertrag oder Satzung zu gewährleisten ist. b) Medienextern Die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG lassen es nicht zu, die Massenme- 1430 dien einer staatlichen Aufsicht zu unterwerfen.90 Der Mediengesetzgeber, der sich nach dem ihm zustehendem Gestaltungsermessen mit medieninternen Kontrollorganen nicht begnügen will, hat deshalb externe Kontrolle der Massenmedien staatsfrei zu organisieren. Medienrechtliche Kontrollbefugnisse sind dann einer dem Staat gegenüber rechtlich verselbständigten, von ihm unabhängigen Einrichtung zuzuweisen. Dieses Aufsichtsmodell hat der Gesetzgeber für den privaten Rundfunk und die Telemedien vorgesehen, über die die Landesmedienanstalten die Aufsicht ausüben. Die Aufsichtstätigkeit der Landesmedienanstalten umfasst das gesamte Spekt- 1431 rum der den privaten Rundfunk positiv gestaltenden, vielfaltsichernden Rundfunkordnung.91 Insbesondere gehört dazu die mit dem Erlaubnisvorbehalt durchgeführte präventive Kontrolle92 privater Rundfunkunternehmen und die nach Aufnahme des Betriebs des Rundfunkveranstalters einsetzende repressive Kontrolle über die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen für die lizenzierte Rundfunktätigkeit. Bei der Aufsicht handelt es sich um reine Rechtsaufsicht, also um eine Überwachung der von den Rundfunkveranstaltern zu beachtenden allgemeinen und medienrechtlichen Bestimmungen.93 Das den Landesmedienanstalten zur Verfügung stehende Aufsichtsinstrumentarium entspricht dem üblichen Instrumentarium zur Gefahrenabwehr, umfasst also auf der Mittelebene etwa Auskunfts- und Vorlageansprüche, und auf der Sanktionsebene ein abgestuftes Instrumentarium, das bis zum Widerruf der Rundfunkerlaubnis reicht, der als ultimo 87 88 89 90
91 92 93
Dazu sogleich, Rn. 1431. Vgl. § 26 Abs. 4 i.V.m. § 30 Nr. 2 RStV. BVerfGE 73, 118, 174 f. – Niedersachsen. Zum Grundsatz der allenfalls beschränkten Staatsaufsicht vgl. BVerfGE 12, S. 205, 261 – Deutschland Fernsehen und oben Rn. 237. Dazu Bumke, Die öffentliche Aufgabe der Landesmedienanstalten, 1995. Vgl. dazu oben Rn. 562. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, 5. Kap., Rn. 31.
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§ 28 Aufsichts- und Kontrollregeln
ratio verfügt werden darf.94 Die Aufsichtsmaßnahmen der Landesmedienanstalten ergehen als Verwaltungsakte dar, bei deren Erlass den Anstalten ein Beurteilungsspielraum zusteht.95 Gegen die Aufsichtsmaßnahmen ist der Verwaltungsgerichtsweg nach Maßgabe der VwGO eröffnet.
D. Staatsaufsicht 1432 Eine Staatsaufsicht über Massenmedien stellt angesichts der grundrechtlichen Kommunikationsfreiheiten nur ein beschränkt zulässiges Medienaufsichtsmodell dar.96 Jedenfalls muss sichergestellt sein, dass ein staatlicher Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Kommunikationsfreiheit der Massenmedien durch Aufsichtsmaßnahmen nicht erfolgt. Der Mediengesetzgeber hat deshalb eine Staatsaufsicht über die Massenmedien nur ausnahmsweise und inhaltlich jeweils spezifiziert geregelt. Im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist in den meisten Bundeslän1433 dern97 eine Staatsaufsicht durch die Landesregierung vorgesehen.98 Da diese nach den verfassungsrechtlichen Grundlagen nur begrenzt zulässig ist, kommt Staatsaufsicht nur subsidiär in Betracht. Die anstaltsinterne Kontrolle hat somit Vorrang. Die Staatsaufsicht im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist somit kein die Organisationsstruktur prägendes Element, sondern eine Einrichtung, die unter Wahrung der Gebote der Staatsfreiheit und Regierungsferne die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sicherstellen will. Eine Begrenzung der Staatsaufsicht ist in der Weise erforderlich, dass es sich 1434 um keine Fachaufsicht, sondern um eine reine auf die Einhaltung der gesetzlichen Normen gerichtete Rechtsaufsicht handeln darf. Die Abgrenzung beider Aufsichtsbereiche ist wegen der Vagheit und tatbestandlichen Weite der die Kontrollmaßstäbe enthaltenden Normen der Rundfunkgesetze schwierig zu ziehen. Damit die Aufsicht nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Fachaufsicht ausufert, ist die Rechtsaufsicht nur als Evidenzkontrolle zulässig.99 Wegen des Zensurverbots in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG ist in Programmangelegen1435 heiten eine präventive Aufsicht ausgeschlossen. Die auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Mittelverwendung bezogene Finanzaufsicht wird von der Rechtsaufsicht mit umfasst.100 Ein Weisungsrecht der Aufsichtsbe94 95 96 97
98
99 100
Vgl. dazu näher wiederum Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, 5. Kap., Rn. 31. Str.; vgl. Bumke, a.a.O, S. 270; a.A. Rüggeberger, in: Festgabe für Ule, 1988, S. 109 ff. Zur Rechtsprechung des BVerfG vgl. oben Rn. 166 ff. Eine Ausnahme bildet Hessen; dort ist nach § 1 Abs. 2 HR-G eine staatliche Aufsicht ausdrücklich ausgeschlossen. Das Ressortprinzip, also die Zuweisung der Aufgabe an den sachlich zuständigen Minister, wird wegen der autonomen Stellung der Rundfunkanstalten nicht angewandt; vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, 4. Kap., Rn. 113 ff. Vgl. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, 4. Kap., Rn. 121. Dazu Hoffmann-Riem, Finanzierung und Finanzkontrolle der Landesmedienanstalten, 2. Auflage 1994.
D. Staatsaufsicht
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hörde lässt sich mit der verfassungsrechtlichen Stellung der Rundfunkanstalten nicht vereinbaren und wird deshalb in manchen Regelungen ausdrücklich ausgeschlossen.101 Der staatliche Ordnungsanspruch beansprucht zwar auch für den Bereich des 1436 privaten Rundfunks in Gestalt einer Staatsaufsicht Geltung. Diese Aufsicht ist aber, um die Kompatibilität des durch externe, staatsfreie Kontrolle charakterisierten Regulierungsmodells des Privatrundfunks zu wahren, in der Weise organisiert, dass eine Staatsaufsicht allein über die Aufsichtstätigkeit der Landesmedienanstalten, nicht aber über die privaten Veranstalter selbst stattfindet. Dabei handelt es sich um eine Rechtsaufsicht, die nur in eingeschränkter Weise zulässig ist, damit nicht die fachliche Autonomie der Regulierungstätigkeit durch die Landesmedienanstalt beeinträchtigt wird.102
101 102
So. z.B. § 37 Abs. 3 S. 2 NDR-StV. Dazu Knothe/Wanckel, DÖV 1995, S. 365 ff.; Martin, ZUM 1993, S. 515 ff.
Sachverzeichnis
Die Ziffern verweisen auf die Randnummern dieses Buches. Abbildungsfreiheit 900 ff. Abhörgerät 1267 Ablieferungspflicht 1295, 1374 ff. Abmahnung 1108 Abonnement - verlagseigenes 723 - Vertrag 729 f. - Vertrieb 723, 729 Abonnenten 730 Abrufbarkeit 1338 Abrufdienste 20, 159 - Textabrufdienste 20 Access-Provider (s. Provider) Ad-word-Werbung 694, 696 AGG 592 Aktualitätsgrenze 1082 "alles-oder-nichts"-Prinzip 1080, 1088 allgemeines Gesetz 277 f., 429, 518, 963, 994, 1248, 1277, 1290 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 170, 847 ff., 880 f., 885, 916, 933 f., 943 f., 957 f., 966, 999 f., 1004 f., 1008, 1052, 1098, 1142, 1145, 1147, 1265, 1269 "Allgemeinzugänglichkeit" 404 Altersfreigabe 1234, 1238 ff. Alterskennzeichnung 1225, 1238 f., 1244 Altersverifikationssystem 1244 Anbieterkennung 1338 Angebot, journalistisch-redaktionelles 1339, 1341 Anordnungsmonopol 1319 Anonymität 633 Anscheinsbeweis 1103 Anschlusszeitungen 1346 Anstaltsrundfunk 568, 571 Anzeige 1358 ff. Anzeigenblätter 206
Anzeigenteil 206, 1345 f., 1359 Anzeigenwerbung 1043 Arbeitnehmer 599 arbeitnehmerähnliche Person 599 Arbeitskampfrecht 616 Arbeitsspeicher 640 Arbeits- und Dienstvertragsrecht 591 ff. Archiv, amtliches 650 Archivierung 1338 Archivmaterial 1305 ARD 57, 246 Attachement 1236 audiovisuelle Kommunikation, Richtlinie für 1057 audiovisuelle Mediendienste 74 - Richtlinie über 22, 47, 150, 158 ff., 324, 365, 587, 816 - lineare Dienste 47, 159 - nicht-lineare Dienste 47, 159 f. Aufbewahrung 1378 f. Aufbewahrungspflichten 447 Aufdeckungsjournalismus 1267 Aufführungsrecht 644, 768 Auflagenbeschlagnahme 1316 ff. Aufnahmeüberwachung 1402, 1405 Aufsichtsbehörde 1352, 1419 Aufsichtsmaßnahmen 1432 Aufsichtsmodell 1426 Aufsichtsrecht 1381 Aufsichtstätigkeit 1380 ff. Auftragsdatenverarbeitung 1192 Auftragsproduktion 709 ff. - echte 710, 738 - unechte 711, 738 Auftragsrecht 599 Aufzeichnung 1378 Aufzeichnungsbefugnisse 361 Aufzeichnungspflichten 447 Auktionsverträge 780
512
Sachverzeichnis
Ausgestaltungsgesetze 171, 274 ff. Auskunftsanspruch 335, 342 ff., 355 ff., 1177, 1206, 1210, 1431 Auskunftspflicht 345, 1419 Auskunftsverweigerungsrecht 351 f. Aussageerzwingung 209 Ausschließlichkeitsrecht 638, 641, 652, 682, 691 außenplurales Modell 425 ff. Außenpluralismus 58, 522, 584, 604 Äußerungsfreiheit 178 Äußerungsrecht 34 Ausstrahlungsort 1056 Autor 681, 699 Avatare 117, 776 Baden-Württemberg-Beschluss 572 Bandübernahmeverträge 771 Barsortiment 722 Bartering 828 BDSG 953, 1401 Beanstandungsverfahren 413 Bearbeiterurheberrecht 634 Bedarfsmarktkonzept 469 Befristung 601 Begehungsgefahr 1102 Beihilfen, staatliche 145 ff. Beihilferecht 250, 712 Beiwerk 905 Belagerung 1000 Belästigungen, unzumutbare 1206 Beleidigung 855, 857, 862 ff. Benachrichtigung 120 berechtigtes Interesse 875, 908 Bereicherungsanspruch 1094 Berichterstattung 270, 358 ff. - Kriminalberichterstattung 1261 - Wahrhaftigkeit 978 ff. Berichterstattungsprivileg 1259 Berichtigung 1119, 1131 Berichtigungsanspruch 1093, 1120, 1126, 1132 - datenschutzrechtlicher 1211 Berufsname 919 Beschäftigungsverhältnis 601 - Beendigung 609 Beschlagnahme 209, 958, 1255, 1310 ff. - Anordnung 1324 - pressespezifische 1318 - Schutz 1313
Beschlagnahmeverbot 381 ff., 1297, 1312 ff. Beschlusskammern 1403 Beseitigung(sanspruch) 793, 1355 Besitzstörungen 1096 Bestandsdaten 1197 Bestands- und Entwicklungsgarantie 248 "Bestsellerparagraph" 659 Beteiligungsverhältnisse 1347 - Verschleierung der 581 Betreffzeile 1368 Betreiberauswahl 504 Betreibervorauswahl 481 betriebliche Mitbestimmung 592 betriebsbezogene Eingriffe 968, 970 Betriebsgeheimnisse 967, 971, 998, 1182 Betriebsinterna 972 Betriebsrat 392, 610 ff. Beurteilungsspielraum 471 Beweismittel 1310 Beweissicherungsrecht 335 Beweisvorlage 335 Bezeichnung, geschäftliche 676, 682 Bibliothekstantieme 653 Bilanzaufstellung 1371 Bildagenturen 773 Bildnis 882 Bildnisherstellung 885 Bildnisschutz 326, 444, 878, 891 f., 900, 944 Bildplatten 67 Bildschirmtext 12, 20 Bildträger 1235 Bild/Wallraff-Fall 386 f., 971, 994, 1297 Binnenmarkt 123, 158 binnenplurales Modell 425 ff., 522 Binnenpluralismus 58, 244, 604 Binnenverfassung 246 Bismarck'sches Reichspressegesetz 29 Bitscream Access 500 f. Bitstrom-Zugang 500 f. - ATM 501 - IP 501 Blinkfuer-Entscheidung 421 Blockwerbegebot 841 Blogs 113 ff., 159, 1036 blogger 113 BNetzA 85, 469, 471, 476, 480 ff., 495, 501 ff., 1403, 1412 ff. bottleneck 478, 747
Sachverzeichnis Boykottaufruf 421 BPjM 1225, 1241, 1399, 1417 Breitbanddienst 500 Breitbandkabel 645, 756 Briefgeheimnis 998, 1006, 1273 Brutto-Prinzip 838 Bruttozeit 842 Bücher 622 Buchgemeinschaften 722 Buchhandel 722 Buchpreisbindungsgesetz 554 ff. Bündelungsleistung 750 Bundeskartellamt 85 Bundespost, Deutsche 83 call-by-call 504 Call-Center 1192 can-carry-Bereich 758 Caroline von Monaco 901, 903 - Entscheidung 902 f., 911, 937, 1158 Cassis-de-Dijon-Entscheidung 139 CA-Systeme 761 f. CD 640 CD-Rom 640 CEPT 566 Champions League 543 Chancengleichheit 443 Chat-Rooms 41, 75 Chefredakteur 990 Chiffre-Geheimnis 1306 Cicero 384 Co-Autor 699 cold calling 797 Computer-Journalismus 1008 Computerkriminalität 1281 Computerprogramme 623, 628, 650 Computersabotage 1281 Computerspiele 626, 709, 776 f. Constanze-Fall 187, 964 Content-Provider 1023 f. Co-Produktion 701 ff., 738 Copyright 627 Co-Regisseur 699 Co-Regulierung 1386, 1394 f. crossmedial 256, 317, 534 Cybercrime-Konvention 1329 Daseinsvorsorge 81, 460 Dassonville-Entscheidung 137 Daten
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- allgemein zugängliche 1199 - anonyme 1186 - Fälschung 1281 - geschützte 1191 - Nutzung 1192, 1202 - personenbezogene 397 ff., 1179 ff. - sensitive 1185 - Speichern 1191 Datenbank 666, 1341 - Hersteller 661, 666, 699 - Online-/Offline- 666 - Richtlinie 666 Datenerhebung und -verwertung 1201 ff. Datengeheimnis 397 Datenkompression 16 Datenreduktion 16 Datenschutz 397 ff., 1180 ff., 1418 ff. - Richtlinie 165 Datenschutzbeauftragter 397, 1218 ff., 1247, 1401, 1418 fDatensicherheit 1180 Datensparsamkeit 1194 Datenträger 135 Datenverarbeitung 1187, 1202 Datenvermeidung 1194 "Deutschland Fernsehen GmbH" 57, 221 DFL 544 Dienstgeheimnisverrat 384 Dienstleistungsfreiheit 123 f., 131 ff. Dienstverschwiegenheit 349 "digitale Revolution" 16, 56 Digitalisierung 1271 Direktionsrecht 603 Dirigent 620 Diskriminierungsverbot 486, 726 Domaingrabbing 928 Domain-Namen(sschutz) 922 ff., 1364 Download 772 - Vertriebsvertrag 779 Drehbuchautor 620 Drehbücher 622 Drei-Kriterien-Test 471 Drei-Stufen-Test 148, 250 Drittwirkung 200 DRM 772, 779 Drucker 1045 Druckereierzeugnisse 135, 978 Druckfahnen 631 Druckkosten 1359 Druckschrift 1042, 1045, 1257
514
Sachverzeichnis
Druckwerk 51 f., 1045, 1062, 1084, 1301, 1320, 1331, 1333, 1336, 1339 f., 1342, 1345, 1347, 1374 ff. DSL-Markt 501 DSL-Produkte 498, 501 DSL-Zugang 501 Durchsuchung 208, 1320 ff. Durchsuchungsverbot 381 ff., 1297 Düsseldorfer Sperrverfügungen 1424 DVB-H 746 DVB-T 746 DVD 736, 740 ebay 796 EBU 542 E-commerce Richtlinie 161, 784, 1017, 1020 f., 1246, 1349 economies of scale 456 economies of scope 456 effet utile-Grundsatz 151 EG-Fernsehrichtlinie-Urteil 229 EGMR 295 ff., 901 EG-Vertrag 123 ff. Ehre 846, 850 ff., 1258 - äußere / innere 852 Ehrenschutz 188, 287, 326, 444, 851 ff., 871 Ehrkränkung 864 Eigenart-Rechtfertigung 601 Eignungskennzeichnung 1225 Eilbedürftigkeit 1114 Eilverfahren 354 Einschleichjournalismus 971, 1001 einstweiliger Rechtsschutz 354, 851 einstweilige Verfügung 1087, 1095, 1109, 1116 Eintragungshindernisse 688 Ein- und Ausfuhrbeschränkungen 134 Einwilligung 871, 894 ff., 918, 1195 ff., 1270 Einzelhandel 723 Einzelvertrieb 723 Einziehung 1316 ff. elektronische Programmführer 263 elektronischer Geschäftsverkehr 336 f. E-Mail(-Adresse) 41, 159, 1184, 1351, 1363, 1368 EMRK 294 ff., 847 Encoding 779 Endgerätemarkt 155 Endkundenmärkte 472
Endnutzer(märkte) 487 End-zu-End-Verbund 495 enhanced TV 39 Entbündelung 502 Entgelte, genehmigungspflichtige 510 Entgeltregulierung 88, 462, 464 f., 507 f., 1413 - Genehmigungsmaßstäbe 509 - Verfahren 516 Entschädigung 652, 1152, 1377 Entschädigungsanspruch 1146, 1151, 1154 ff., 1377 Entwicklungsgarantie 248 f. Eppler-Entscheidung 932 EPG 763 Erlaubnistatbestand 1198 erlaubtes Risiko 373, 873 Ermessen 486, 488 Erschöpfung 639, 641ff. Erschöpfungsgrundsatz 138, 643, 645 Erstbegehungsgefahr 1102, 1105 Erster Korb 335 Erstmitteilung 1078, 1083 Erstveröffentlichung 1105 Europäisches Medienrecht 123 ff. - öffentliche Unternehmen 142 ff. Eventsponsoring 820 EWG 123 Exklusivberichterstattungsverträge 359, 369 Exklusivlizenz 546 Exklusivvereinbarung 209, 545 Exklusivverträge 368 ff. ex-ante 463, 476, 508 ex-post-Kontrolle 316, 463, 476 facebook 112 "faktischer Geheimnisbegriff" 1255 "Faktormedien" 31, 35 Falschinformationen 407 Fernabsatz, Richtlinie für den 162, 336, 783 Fernmeldegeheimnis 166, 998, 1006, 1326 Fernsehen 12 - interaktives 741 - "ohne Grenzen" 1057 - privates 251 Fernsehfilm 709 Fernsehrichtlinie 129, 152, 157 f., 437 Fernsehsperrfrist 739
Sachverzeichnis Fernsehübereinkommen 158 Fernsehurteil 30, 57 Festanstellungsklagen 600 Festplatte 640 Filesharing-Netzwerke 646 Film 12, 66 ff., 267 ff., 649, 710, 736 ff. - Auswertung 667 - Selbstkontrolle 1393 - Veranstaltungen 1235 - Verleih 736, 738 - Vertrieb 736 Filmberichterstattung, Freiheit der 267 Filmbestellvertrag 736 Filmförderung 70, 272, 439, 712, 739 FilmFörderFonds, Deutscher 712 Filmhersteller 620, 667, 699, 707, 738 Filmlizenzvertrag 736 ff. Filmmusik 768 Filmtheater 736 Filmwerke 66, 625, 661, 667, 736 Filmzensur 1393 Finanzdienstleistungen 336 Finanzgarantie 260 Finanzierungsverträge 712 f. Filterwirkung 1019 f. FKVO 519, 550 "fliegender Gerichtsstand" 1111 Folgenbeseitigungsanspruch 1121 Folgerecht 653 Formalbeleidigung 286, 873 f. Foren 1033 Forenbeitrag 1033 f. Forenhaftung 1033 "Forummedien" 35 Fotoberichterstattung, einwilligungsfreie 904 Fotodatenbanken 773 Fotos 773 ff. Fotografie, künstlerische 625 Fotokopien 663 Fotokunstwerke 775 FRAG 58, 223 Free-TV 158, 231, 365 f. freiberuflich 599 Freihaltebedürfnis 924 Freistellungsanspruch 608 Fremdäußerungen 1010 f. Frequenzen 1414 - Bereichszuweisungsplan 566 - Knappheit 252, 419, 422, 569 - Nutzung 566, 1414
515
- terrestrische 263 - Zuteilung 566 Frequenzordnung 566, 1414 FSF 1398 FSK 272, 290, 636, 1387, 1393 FSM 1398 f. Fusionskontrolle 423 Fußball-Bundesliga 358, 543 Gate-Keeper-Stellung 748 Gattungsbegriffe 924 Gebietsabgrenzung 724 Gebührenfestsetzung 235 Gebührenfinanzierung 145, 220, 260 - Online-Angebote 148, 250 Gebührenurteil 228, 235 Gefahr in Verzug 1311 Gegendarstellung 1050 ff., 1125, 1129, 1342 - Änderung 1088 - Fähigkeit 1067 - Glossierungsverbot 1295 Gegendarstellungsanspruch 4, 1050 ff. Gegendarstellungspflicht 1053, 1055 Gegenschlag, Recht zum 285, 865 Geheimhaltungsvorschriften 349 Geheimnisschutz 349 Geheimnisverrat 385 Geistiges Eigentum 332 ff., 619 - Richtlinie 334 GEMA 669, 768 Geldentschädigung 1094, 1144, 1148, 1150 Gemeinschaftsantenne 645 Gemeinwohlaufgaben 459 Genehmigungsrichtlinie 564 Gerichtsberichterstattung 888 Gerichtsverhandlungen 887 Gesamtprogramm 412 Gesamtverträge 671 Gesamtzuschauerurteil 534 Geschäftsinterna 972 "geschlossene Benutzergruppe" 1233 Geschmacksmusterschutz 621 Gewährleistungsaufgabe 89 Gewerbeaufsicht 1419 Gewerbebetrieb, Recht am eingerichteten und ausgeübten 963, 967 Gewerbefreiheit 560, 1380 Gewerberecht 580 Gewinn 1139
516
Sachverzeichnis
Gewinnabschöpfungsanspruch 793 Gewissensfreiheit 606 Gleichbehandlungsverpflichtung 465 Glossierungsverbot 1295 Glücksspiele 159, 1038 Großereignisse 365 Grossisten 208, 549, 723 Gruppenfreistellungsverordnungen 540 Grundfreiheiten 124 Grundordnung, freiheitlich demokratische 402, 429 Grundversorgung 59, 62, 224, 247, 313, 440 f., 616 Guldenburg 233 GVK 1408 GVL 669 GWB-Novelle 553 Hackersoftware 335 Hacking 998, 1274 Haftungsprivilegierung 327, 1022, 1044 Handy-TV 65, 101 Hardware 958, 1310 Hauptsacheklage 1114, 1132 Hauptsacheverfahren 354, 1109 Hauptzeitung 1346 Hausfriedensbruch 886 Hausrecht 357, 878 heiße Eisen 985, 988, 1013 Herausgabeanspruch 1159 ff., 1177 Herausgeber 208, 1045, 1291 Herkunftsfunktion 929 Herkunftslandsprinzip 160, 1021 f. Herkunftsprüfung 984 Herrenreiter-Entscheidung 1145, 1162 Hessen 3-Beschluss 227 Hilfsansprüche 1177 Hintergrundmaterial 1305 HiPiHi 117 höchstpersönlicher Anspruch 1077 höchstpersönliche Erklärung 1076 Höllenfeuer-Entscheidung 965 Homepage, private 1349 Honorar 1162 Hörbuch 710 Hörfunk 12, 160, 358, 1063 Host-Provider (s. Provider) http 923 HV-Medien 67 Hybridempfangsgeräte 759 Hyperlink 795, 1037 f., 1365
Identifizierungswirkung 929 Immunität 1344 Impressum 990, 1295, 1338, 1345 ff. Impressumspflicht 211, 322, 445, 1294 f., 1330 ff., 1354 f. Imprimatur 631 Individualkommunikation 25, 159 Indizierungsliste 1225 Indizierungskriterien 1226 "in dubio pro libertate" 858 Informant 379 ff., 1304 Informantenschutz 385 ff., 1306, 1323 informationelle Selbstbestimmung 952 f., 1008, 1183, 1193, 1214 Informationsanspruch 341, 1206 Informationsbeschaffung 209 Informationsfreiheit 193 ff., 301, 340 ff., 360, 371, 1418 - negative 197 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) 342 Informationspflichten 877, 1334, 1348 Informationsprivileg 343 Informationsquelle 340, 368 ff., 379 ff., 1299 Informations- und Kommunikationsdienste 35, 74, 78 Infrastruktursicherungsauftrag 311 ff. Infrastrukturmonopol 314, 316 Infrastruktur- und Dienstewettbewerb 88 Inhaltsprüfung 984 Insiderinformationen 1290, 1299 "Institution der Presse" 210 Integrationsmodell 172 Intendant 234, 246 Intendantenverfassung 246 Interessensphäre 1059 Internet 881 Internet-Adresse 923, 926 Internet-Angebote 1022 Internet-Backbone 499 Internet-Domain 1031 Internetfernsehen 159 Internetforen 1033 (s. Foren) Internet-Freiheit 170 Internet Protocol 741 Internetversteigerung 1032 Internetzeitung 13, 1341 Interoperabilität von Fernsehgeräten 1414 Interview 948
Sachverzeichnis Interviewfreiheit, Grundsatz der 948 Intimbereich 910, 936 Intimsphäre 886, 909 f., 932, 935 f., 970, 1003 f., 1098, 1149, 1271, 1390 investigativer Journalismus 994 IP-Adresse 923. 1184 IP-TV 746 Irreführungsgrundsatz 435 Irreführungsverbot 1045 IT-Grundrecht 170, 956 f., 1310 ITU 566 IuKDG 1015 Jahresabschluss 1371 JMStV 1221, 1396 journalistisch-redaktionell 617, 978, 1284, 1305, 1331, 1339, 1341 jugendgefährdende Schriften 1243 Jugendlichen, Gefährdung von 1230, 1234 Jugendmedienschutz 320, 330, 431, 1221, 1422 Jugendschutz 287 f., 328 ff., 1396 f. Jugendschutzsperren 747 JuSchG 431, 1221 Kabelnetz 263, 587 Kabelregionalgesellschaften 754, 756 Kameraleute 667 "Kampf der Meinungen" 593 Kampfpreisunterbietungen 549 Kann-Verpflichtung 485 Karenzzeit 364 Karikaturen 183 f. Kartelle 454 Kartellrecht (vgl. Medienkartellrecht) - allgemeines 470, 476 ff., 536 ff., 755 - europäisches 537 - Spezialliteratur 550 Kartellverbot 496, 540 - Freistellungsmöglichkeiten 540 KDLM 524, 1408 Keck-Formel 137 KEF 228, 235 KEK 256, 524, 529, 531, 534, 1408 KEL-Test 510 Kennung, generische 923 Kennzeichenrechte 684 Kennzeichnungskraft 678
517
Kennzeichnungspflicht 1358, 1359, 1369 Keyword 696 Kindern, Gefährdung von 1230 Kinderpornographie 1018, 1245 Kinospielfilm 709, 736 Kinovorführung 269 Kirchen 590 KJM 1396 ff. "kleine Münze" 621 Klingeltöne 768 Kohl/Biedenkopf-Entscheidung 946 Kollektivbeleidigung 853 Kollokation 494 Kombinationstarife 549 Kommerzialisierung, ungewollte 954 Kommunikation, kommerzielle 1363, 1366 Kommunikationsfreiheit 166 ff. Kommunikationsgrundrechte 168 Kommunikationsinfrastruktur 310 ff., 499 - Richtlinie 154 - Zugang 310, 314 ff. Kommunikationsverfassung 166 Komponist 620 Konkurrenztätigkeit 609 Konsistenzgebot 514 Konsolenspiele 776 Konsolidierungsverfahren 465 f. Konsultationsverfahren 465 Konsumentenschutz 336 f. Kontakt 1338 Kontrahierungszwang 357, 490 Kontrollaufsicht 1385 Konvergenz 18, 39, 56, 249, 255, 263, 477 Konzentrationskontrolle 215, 519, 521, 525 - Schwellenwerte 530 konzentrationsrechtlich 1372 Konzert 769 Konzertvertrag 769 Kooperationsverträge 701 ff., 709 Kopfzeile 1368 Kopfzeitungen 1346 Kopie, digitale 1159 Kopierschutz 335, 747, 772, 779, 1040 Koppelungsmissbrauch 549 Kopplungsangebot 548 Kopplungsgeschäfte 1358 f.
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Sachverzeichnis
Korrelat 371 kreativ-schöpferische Leistung 617, 699 Kreditkartenidentifizierung 1233 Kreditschädigung 860 KUG 878 ff., 894 ff. kulturelle Identität 323 f. Kulturverträglichkeits-Klausel 150 Kundenkarte 1203 Kundenprofile 1203 Kundenschutz 88 Kündigung 609 Kunstfreiheit 166, 267 Künstler, ausübender 661, 699 Künstlerexklusivverträge 771 Künstlername 919 Kurzberichterstattung 4, 263, 360 ff. - Recht auf 209, 340, 360 - unentgeltliche 323, 360 - Urteil zur 231 Labelverträge 771 Lagebericht 1371 Landesmedienanstalten 265, 413, 1332, 1406, 1421 f., 1431 f. Landesmediengesetze 251, 1332, 1336 Landespressegesetze 54 f., 205, 209, 1292, 1336 Laufbilder 667, 699 Lauterkeit 789 Lauterkeitstests 786 Lebach-Entscheidung 950, 1074 Lebens- und Charakterbild 950 Leerkassetten 653 Leihbüchereien 722 Leistungsklage, allgemeine 1109 Leistungsschutzberechtigte 714 f. Leistungsschutzrechte 627, 661 f., 699, 710 Leserbriefe 634, 949 Liberalisierungsvorgaben 1383 Lichtbilder 625, 661, 663, 773 Lichtbildwerke 625, 773 Line-Sharing 498 Links 1039 f. Literatur 733 Live-Sendung 1034 Live-streaming 106, 159 Live-Übertragung 366 Lizenzanalogie 1140 Lizenzerteilung 464 Lizenzgebühr 1139 f., 1162
Lizenzhandel 768 Lizenzmodell 576 Lizenzpflichten 565 Lizenzrecht 715 Lizenzvereinbarungen 358, 546 Lizenzvergabe 576 f. - Auswahlverfahren 577 Lizenzzwang 202 Lokalzeitung 1346 Löschungsanspruch 1159 Loyalität 605 Loyalitätspflicht 605 Lüth-Urteil 175, 278 Maastricht-Urteil 121 Maastricht-Vetrag 124 Marke 684 ff. - Unterscheidungskraft 687 f. Markenfähigkeit 686 f. Markengesetz 930 Markenregister 685 Marktabgrenzung 466 ff. - Entscheidungen 472 Marktanalyse(verfahren) 88, 465, 467, 480, 754 Marktbeherrschung 473 ff., 553 Marktdefinition 466 f. "Markt der Meinungen" 987 Märkteempfehlung 465, 472 Marktforschungsstudien 975 Marktkonzentration 550 Marktkriterien 487 Marktteilnehmer 789 Marktmacht 465 - beträchtliche 473 ff., 481, 506 - Übertragung von 478 Marktmodell 172 Marktöffnung 126 Marktordnung 525 Marktregulierung 458, 464 ff. Marktverhaltensregeln 1355 Marktzugangskontrolle 464, 1404 Marktzutrittsschranken 457, 461, 471, 476 f. Marlene Dietrich 960 Massenkommunikation 7 ff., 25 ff. - Punkt-zu-Punkt 25, 42 MDStV 73 Medienarbeitsrecht 598 Medienaufsicht 1381 f. Medienbericht 2
Sachverzeichnis Mediendienste-Richtlinie 74, 159 f. Medienfreiheit 167 ff., 606, 979 - negative 190 Mediengesetzbuch 1 Medienkartellrecht 518 ff. Medienkonvergenz 1129 Medienmärkte 449 ff. Medienmitarbeiter 1323 Medienprodukt 714 Medienproduktionsverträge 698 f. Medienprivilegien 262, 1314 - datenschutzrechtliche 1008 Medienrecht 1 ff., 1383, 1387 - Rechtsgrundsätze 338 ff. - Regelungsziele 209 ff., 325 ff. Medienverbund 829 f. Medienvielfalt 414 Mehrwertdienste 1334 Meinung 177 ff. Meinungsäußerung 851, 858, 1098 Meinungsäußerungsfreiheit 176 Meinungsfreiheit 175, 300, 414, 606, 858 Meinungsmacht - crossmediale 256 - vorherrschende 256, 520, 527 ff. Meinungsmonopole 215 Meinungspluralität 523 Meinungsvielfalt 317 ff., 415 ff., 521, 525, 532 Meldepflicht 464, 565, 1404 Menschenwürde 847, 852 Merchandising 233, 657, 684, 831 f., 960 Metatags 694 f., 1364 Mietleitungen 499 - Mindestangebot an 481 Miniaturisierung 1271 Missbrauchsaufsicht 88, 502, 726 Missbrauchskontrolle 547, 550 MitbestG 392 ff. Mitbestimmung, betriebliche 610 Mitbewerber 789 Miturheber 629, 699 Monopolbereich, natürlicher 456 f. Monopolgrossisten 724, 726 Monopolsektor 86 Multimedia-Angebote 16 "Multimediagesetz" 46 Multimedia-Home-Centre 42 Multimedia-Richtlinie 654
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Multimediawerke 626 Multimediawesen 4 "Multimediazeitalter" 16 Multiplexingverfahren 745 Musik 624, 767 ff. Musiker 620 Musiktauschbörse, Online- 1289 Musikverlagsvertrag 768 must-carry-Privilegierung 757 myspace 113 Nachdruckrecht 647 Nachforschungspflichten 877 Nachrichtenagentur 984 Namensrecht 919 ff., 1096 Namensschutz, bürgerlich-rechtlicher 919, 930 near-video-on-demand 16, 40, 65, 102, 159 Netz, offenes 752 Netzökonomie 457 f. Netzwirtschaft 23, 85, 456 ff. - Regulierung 23 Netzzugangsregulierung 462, 481 ff. Netzzugangsverpflichtungen 316, 481, 483 ff. Netzzusammenschaltung 493 ff. Newsletter, elektronische 205 Niedersachsen-Rundfunkurteil 224 non-must-carry-Bereich 758 Nullkopie 631 Nummernraum 1414 Nutzungsarten - neue 656 - unbekannte 335, 654, 656 Nutzungsdaten 1197 Nutzungsprofile 1197 Nutzungsrecht 628, 654 ff., 735 - ausschließliches 657 - einfaches 655 offener Kanal 588 "offener Tatbestand" 848, 966 öffentliche Aufgabe 28, 212, 402 ff. öffentliche Ordnung 1251 öffentliche Zugänglichmachung 641 - Recht auf 644 öffentliches Zurschaustellen 893 öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten 244, 569 - Online-Angebote 148
520
Sachverzeichnis
- Werbung 836 ökonomischer Wettbewerb 417, 525 Oligopolunternehmen 479 on-demand-Dienste 64, 99, 102 ff. Online-Ableger 1341 Online-Angebote 148, 250, 572 Online-Ausgaben 732 Online-Durchsuchung 170, 933, 956 f., 1327 Online-Lizenz 779 Online-Marketing 1363 Online-Multiplayer-Games 777 Online-Spiele 159 Online-Vertrieb 778, 781 Online-Verwertung 641 Online-Werbung 1363 Online-Zugriff 1327 Open Content/Source 656 Open Network Provision 155 opt-in 784, 797 opt-out 784, 797, 1212 Ordnungsanspruch, staatlicher 1436 Ordnungsvergehen 1294 f. Ordnungswidrigkeiten 1295, 1385 Organisationsverträge 700 Outsourcing 574, 1192 "pacta sunt servanda" 897 Paparazzifotos 937 "Payerboy"-Urteil 1039 Parabolantennen 200 Parlamentsvorbehalt 241 Parodien 635 Parteien, politische 589 Paulskirchenverfassung 202 pay-per-channel 16, 40, 99, 104 pay-per-view 16, 40, 104, 159 Pay-TV 64, 158, 365 ff. PC-Spiele 776 Periodika 1045 periodisch 722 f., 978, 1062, 1331, 1339, 1342, 1345, 1347 Personalausweisidentifizierung 1233 PersonalvertretungsG 392 Person der Zeitgeschichte 900 ff. - absolute 303, 901 ff., 937 - relative 901 ff. personenbezogene Informationen 1285 Personengemeinschaften 854
Persönlichkeitsrechte 276, 326, 714, 887, 908, 916 , 1052, 1096, 1107, 1125, 1136, 1155, 1167 ff., 1183 (s. auch Allgemeines Persönlichkeitsrecht) Persönlichkeitsschutz 326 f., 351, 363, 897, 1004, 1144, 1147, 1163, 1167, 1214 - postmortaler 880, 959, 961, 1099, 1141 Persönlichkeitsverletzung 960, 1094, 1099, 1135, 1138, 1144, 1147, 1167 ff. - schwere 1149 Pflichtenbindung, medienrechtliche 978, 981 Pflichtenträger 986 ff. Pflichtexemplar 1295, 1374 ff. - Entscheidung 1377 Plagiator 632 Plattform - Anbieter 750 f., 757 - Betreiber 745, 747, 749 - Dienstleistungen 747, 755 - Verträge 780 Play-out Center 745 Podcast 65, 115 Polizei- und Ordnungsgesetze 1309 pornographische Angebote 1233 Portalverträge 779 Postreform (I - III) 83 PreisangabenVO 800 ff. Preisbindung 554 ff. - der zweiten Hand 727 - Grosso 724, 727 - Preisbindungsrecht 555 - Verbot 554 Premiumcontent 761 preselection 504 Presse 50 ff., 205 Presseagenturen 208 Presseausweis 1262 Presseerzeugnis 51, 206, 722 f. Pressefreiheit 201 ff., 211 ff., 1299, 1319 - innere 217, 395, 604 - objektiv-rechtliche Dimension 211 Presse-Grosso 723 ff. Presseinhaltsdelikte 1251, 1277, 1291 Pressekodex 1001, 1390 Pressekonzentration 215, 1346
Sachverzeichnis Presseprivileg 401, 1047 Presserat, Deutscher 270, 1001, 1290, 1389 ff. Presserechts-Rahmengesetz 53 Presseordnungsrecht 211, 1292 ff. Pressespiegel 648, 732 Pressesubventionen 216 Pressezusammenschlüsse 552 Price-Cap-Verfahren 516 f. Prioritätsnachweis 679, 684 Prioritätsprinzip 924, 926 Privatgeheimnis 1279 Privatkopien 335, 646 Privatrundfunkgesetze 59 Privatsphäre 875, 886, 909, 911, 932, 937 ff., 970, 1004, 1098, 1149 ProdHG 1048 Product Placement 160, 810 ff. Produktionskooperationsvertrag 701 Produktionsquoten 437 Produzent 699, 707, 714 Programmanforderungen 241 Programmauftrag 62 Programmbeirat 1429 Programmbezugsquellen 445, 1373 Programmfreiheit 593 f. Programmverantwortung 246 Programmvielfalt 594 Programmzeitschriften 575 Programmzulieferer 1372 Propagandamittel 1252 Provider - Access-Provider 96, 327, 1016, 1026 f., 1031, 1247, 1424 - Content-Provider 1016 - E-Mail-Provider 96 - Host-Provider 327, 1016, 1028 f., 1032 - Internet-Provider 335 - Service-Provider 327, 1016, 1028, 1245 Proxy-Cache-Server 1027 Prüfpflichten 795 f., 987, 1032, 1042, 1295 Pseudonym 633, 924, 1197 Public-Service-Orientierung 3, 63 Public value test 148 Publikationsverbot 202 Publizitätspflichten 445 "publizistische Gewaltenteilung" 585 publizistische Vielfalt 318 f., 519 f.
521
Punkt-an-viele-Struktur 25, 42 Punkt-zu-Punkt-Struktur 25, 42 pull-Dienste 99 Qualitätsjournalismus 320 quasi-negatorische Ansprüche 1096, 1098, 1137, 1205 Quellenangabe, Pflicht zur 632 Quellenschutz 1304 Quelltext 694 Quersubventionierung 516 Quoten 324, 437 f. RabattG 787 Radio-Bremen-Entscheidung 234 Rahmenrecht 848, 966 Rahmenrichtlinie 487 Randnutzung 575, 832 Ratsmodell 1406 Realisationsverträge 716 Recherche 992 ff. - Freiheit 995, 997 - Pflicht 984 - Tätigkeit 993, 995 - Verbot 1004 - verdeckte 996 Rechnungsaufstellung 1371 Rechnungsführung, getrennte 481, 486 Recht am eigenen Bild 878 f., 1136, 1288 Recht am , gesprochenen Wort 916 f., 946, 1266, 1269 Rechtfertigungsprüfung 487 Rechtsaufsicht 1431 Rechtsbruch 390 Rechtsgrundsätze 1069 Receiver 745 Redakteur 208, 264, 990, 1045, 1301 (s. auch Chefredakteur) - Ressort 990 - verantwortlicher 990, 1291, 1294, 1342 ff. Redaktionsarbeit 386 f. Redaktionsausschüsse 395 Redaktionsgeheimnis 203, 381 ff., 387 ff., 1300, 1305, 1323 Redaktionsräume 383 Redaktionsschluss 613 Redaktionsschwanz 1086 Redaktionsstatut 377, 395, 603 Reden 396, 622, 647
522
Sachverzeichnis
Regierungsferne 1433 Regisseur 667, 699 Registernummer 1352 RegTP 502 Regulierung 1385 ff., 1413 f. - sektorspezifische 86, 88, 465 f., 479 - technologieneutrale 88 Regulierungsinstrumente 486, 1413 Regulierungsrecht 454 ff. - ex-ante / ex-post 463, 476 - transistorisches 459 f. Regulierungsüberwachung 1385 Regulierungsziele 487 Remissionsquoten 726, 728 Remissionsrecht 724, 728 Repertoire 771 Resale 502 f. Resale-Entgelt 512 Ressort-Redakteure 990 "Retail-Preis" 512 Review-Verfahren 156 Rezipientenschutz 321 Richter 1324 Richtigstellung 1104, 1127 f. Richtlinien 151 ff. Roaming 496 Robinson-Listen 784 RRL 473, 504 Rückrufanspruch 4, 1163 ff. Rückrufaufforderung 1171 Rückrufsrecht 660 Rückrufverpflichtung 1168, 1172 Rufnummerportierung 1420 Rundfunk 56 ff., 649, 1063, 1334 - Begriff 257 ff., 573 - Erlaubnis 1431 - Grundstandards 251, 253 - Grundversorgung 59, 62, 224, 247, 440 ff. - Konzentrationskontrolle 523 - öffentlich-rechtlicher 569 ff., 836 ff., 1433 - privater 251, 571, 576 ff., 839 ff., 1429 - Programmauftrag 62 - Selbstorganisation 459 - Staatsfreiheit 56, 237, 1433 - Zugang 568 ff. Rundfunkfinanzierung 261
Rundfunkfreiheit 218 ff., 244 ff., 315, 418 - dienende 240, 244, 252 - Schutzbereich 264 Rundfunkgebührenurteil 235 Rundfunkkommentare 647 Rundfunkordnung - duale 220, 242 f., 251, 571 - positive 93, 238 ff., 459, 748 Rundfunkrat 246, 1426 f. - Organmitglieder 1427 Rundfunkstaatsvertrag 60 ff., 76 ff. - Marktanteilsmodell 256 - Ordnungskonzept 525 Rundfunksystem, duales 58 Rundfunkübertragung 1414 Rundfunkurteile 220 ff., 418, 422 ff. Rundfunkunternehmerfreiheit 252 Rundfunkwerberecht 833 ff. Sachverständigengutachten 186 Sammelwerk 666 Sänger 620 Satelliten-Overspill 761 Satellitenrundfunk 59 Satellitensendung 645 Satire 184, 913 Scannen 640 screen splitting 807 ff., 834 Schaden - eingetretener 1139 - immaterieller 1135, 1142, 1214 - materieller 1142 Schadensberechnung, dreifache 1139 Schadensersatzanspruch 374, 793, 1032, 1094 f., 1121, 1137, 1143, 1355 - datenschutzrechtlicher 1213 f. Schadensersatzrecht 335, 1173 Schauspieler 620, 667 Schimpfwörter 863 Schleichwerbung 160, 810 f., 824, 827, 834, 1358 Schlichtungsstelle 1420 Schmähkritik 188, 286, 412, 863 ff., 874, 942 Schmähkritik-Doktrin 864 Schmerzensgeldanspruch 1146 "Schöner Wetten"-Urteil 1038 schöpferische Leistung 619 Schöpferprinzip 627 f. Schöpfung, persönliche geistige 621
Sachverzeichnis Schöpfungsakt 627 Schöpfungshöhe 623 Schranken 273 ff. - Urheberrecht 646 ff. - verfassungsimmanente 293 Schrankengesetze 171, 276 Schrankenregelung 278 ff. Schrankentrias 277 Schriftwerke 622, 666 Schutzgesetz 881 Schutzhindernisse 689 Schutzrechte - gewerbliche 135 - verwandte 620, 1289 Schutzrechtsverwarnungen 963 Schwärzung 1176 Schweigepflicht 349, 1279 Schwergewicht 1333 Second Life 117 Selbstbestimmungsrecht 879 Selbstkontrolle 288, 320, 1388, 1393, 1396 Selbst-Regulierung 1386 "Selbstzensur" 290 semantic Web 116 Sendeanstalten 987, 1010 Sendebefugnisse 361 Senderecht 644 f., 768 Sendernamen 684 Sendeunternehmen 620, 627, 661, 665, 987 f., 1010 Sendezeiten 442 Sendung 1062 f., 1084 Sendungssponsoring 820, 825 Service-Provider (s. Provider) Set-Top-Box 42, 745, 747 Shopping 1365 Signalübertragung, digitale 1414 Signaturen, elekotronische 164 significant market power (s. SMP) Simulcast 97, 106, 770 SLD 923 f. 927 smart card 747, 761 SMP-Netzbetreiber 498 SMP-Unternehmen 473, 481, 484, 495 ff., 508 SMP-Regulierung 483 Softwarepiraterie 1281 Soll-Verpflichtung 485 Sonderarbeitsrecht der Medien 591 Sonderkartellrecht 519
523
Sorgfaltspflicht 405 ff., 899, 979 ff. - Pflichtenträger 986 ff. - publizistische 1137, 1156 Sozialsphäre 932, 941 f., 1005 f. Spam 1369 Speichermedien 335, 646 Sperrungen 1018, 1031, 1247 Spiegel-Urteil 219, 387, 405, 421, 1297 Sponsorhinweis 826 Sponsoring 820 ff. Spotwerbung 844 Sprachtelefonie 96 Sprachwerke 622 Staatsaufsicht 1432 ff. Staatsferne, Gebot der 244 f., 579, 1433 Staatsfreiheit 56, 237, 1433 Staatsgeheimnisse 349 Stasi-Unterlagen 397, 1283 ff. Stalking-Gesetz 280 Störer 986, 1152 Störerhaftung 795 f., 1029 f., 1038 Störerverantwortlichkeit 1011, 1013, 1029 Strafrecht 1385 Strafinteresse 1304 Strafverfolgung, repressive 1309 Strafverfolgungsbehörde 1304 studiVZ 112 StUG 1283 ff. Suchmaschinen 159, 1363 f. sunk cost 461 swich-off, analoger 744 Tagesereignisse 396 Tagespresse 649 TAL 497 f. TAL-Verordnung 497 f. Tänzer 620 Tarifautonomie 616 Tatsachen 179 ff., 1078 - äußere 183 - innere 183 Tatsachenbehauptung 178 ff., 284, 851, 855 ff., 871, 947, 1064, 1068, 1098, 1101, 1107, 1123, 1135, 1152, 1256 Tatsachenmitteilung 179 Tauschbörsen 335, 1289 Technik 7 Teilnehmeranschlussleitung (s. TAL) Teilnehmerhaftung 1040 Teledienstegesetz (TDG) 73
524
Sachverzeichnis
Telefonwerbung 797 ff. Telekommunikation 78 ff. - Liberalisierung 82, 154 - natürliches Monopol 81 - Verkehrsdaten 1329 - Zugang 310 Telekommunikationsendgeräte 457 Telekommunikationsentgelte 316 Telekommunikationsgeheimnis 1182 Telekommunikationsgesetz 76 ff. Telekommunikationsinfrastruktur 457, 461, 1412 Telekommunikationsüberwachung 1328 Telemedien 72 ff., 978, 1331, 1334 ff., 1348, 1396, 1410, 1421, 1430 Telemediendienste 72 ff. Teleshopping-Fenster 844 Teleshopping-Spots 844 Tendenz 214 ff., 377, 391, 592, 602 ff. Tendenzbestimmungen 604, 610 f. Tendenzfestlegung 214 Tendenzfreiheit 214 Tendenzschutz 30, 290, 391 ff., 593 ff., 603 ff., 1417 Tendenzträger 392 terrestrische Frequenzen 263 Testberichterstattung 975 Texter 620 Themensponsoring 820 Titel 675 - Kopf 1346 - Unterscheidungskraft 682 - Verwechslungsgefahr 675, 682 Titelschutz(rechte) 675 ff. - Anzeige 679 - Inhaber 681 TLD 923 f. TMG 45 ff., 72 ff., 1017 ff., 1348 ff. TNV 567 Tonbandaufnahmen 1270 Tonkunst 733 Tonträger 135, 707, 710 Tonträgerhersteller 620, 627, 661, 664, 699, 768, 771 Trägermedien 1229, 1235 ff., 1416 f. transparente Zeitungspresse 1346 Transparenzverpflichtung 465, 481, 486 Trennungsgebot 432 ff., 806 ff., 821, 824, 828, 830, 1285 Trennungsgrundsatz 432 ff., 805 ff., 834, 1365
triple play-Angebot 746 true-video-on-demand 16, 40, 102 TV 741 twitter 114 Übertragungsrechte 358 - exklusive 361, 367 - Großereignisse 365 Übertragungsweg 750 üble Nachrede 855, 861 - politische 868 UDRL 507 Umsatzsteuernummer 1352 Umsatzsteuerurteil 222 Unschuldsvermutung 877 Universaldienste-Richtlinie 156 Universaldienstleistungen 1415 Unterlassungsanspruch 374, 793, 851, 986, 1034, 1092, 1095 ff., 1355 - quasi-negatorischer 1096, 1098 - vorbeugender 1095, 1102, 1105 Unterlassungs(verpflichtungs)erklärung, strafbewehrte 1104, 1108 unlauteren Wettbewerbs, Verbot des 791 Unternehmen - Interna 349 - marktbeherrschende 548 - marktstarke 548 - öffentliche 142 ff. - Recht am 963, 973 - Zusammenschlüsse 317, 454 Unternehmensintegrität 846 Unternehmensinteressen, 1212 Unternehmenskennzeichen 676 Unternehmensrecht 1096 Unternehmensschutz 351 Unternehmerpersönlichkeit 930 Unterrichtung 1206 Unterschieben von Äußerungen 947 Unterschrift, eigenhändige 1076 Urheber 332 f., 620, 715 Urheberbezeichnung 633 Urheberpersönlichkeitsrecht 630, 638 Urheberschutz 363 Urheberrecht 135, 332, 363, 396 f., 619 ff., 707, 890, 896, 929 - Richtlinie 334 - Schranken 646 ff. - Verletzungen 1040 Urheberstrafrecht 1289 Urhebervertragsrecht 654
Sachverzeichnis UrhG 620 ff. Ursprungslandprinzip 158 Urteilsverkündung 888 User-Generated-Content 41, 108 ff. UWG 786 ff., 1044 ff. Variantenlehre 281 V-Chip (Violence-Chip) 158 Veranstalter 620, 661 Verantwortlicher (s. Redakteur) Verbandsklage 794 Verbraucher 789 Verbraucherschutz 730 f. Verbreiter 1045 Verbreiterhaftung 1010 ff., 1100, 1163 Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen 390 Verbreitungstechnik 5 Verbreitungsrecht 639 ff., 740 Verdachtsberichterstattung 877 Vereinigungsfreiheit 166 verfassungsmäßige Ordnung 428 f. Vergleichsmarktbetrachtung 511 Vergütungsanspruch 646, 652 f., 664, 668 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 1309 Verifizierungssystem 1233 Verkehrsdurchsetzung 688 Verkehrsfähigkeit 643 Verkehrsgeltung 685 Verkehrspflicht, wettbewerbsrechtliche 1032 Verlag 208, 988, 1324 Verlagserzeugnisse 722 Verlagsname 684 Verlagsort 1056, 1333 Verlagsrecht 733 Verlagsvertrag 733 Verlautbarungen, amtliche 442 Verleger 987 f., 1010, 1045, 1164, 1170, 1291, 1347, 1359 Verleihfirmen 736 Verleumdung 855, 859 ff., 873 Vermarktung, zentrale 536 Vermietrecht 639, 642, 740 Vermögensschaden 1135, 1138 Vernichtung 1177 Veröffentlichung 893 Veröffentlichungspflicht 1083 Veröffentlichungsrecht 631 "Verschlusssache" 349
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Versorgungspflichten 440 f. Versteigerung 577, 1032 Verteilernetz, abgegrenztes 645 Vertragsbruch 370 Vertrauensverhältnis 379 ff. Vertrieb 721 ff. Vertriebsschutzklausel 770 Ver- und Entschlüsselung 748 Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener 869 Vervielfältigungsbegriff 733 Vervielfältigungsrecht 639 ff., 663, 740 Vervielfältigungsstücke 640 f. Verwaltungsakt 485 Verwerter 333 Verwertungsgesellschaften 335, 536, 545, 668 ff., 768, 770 - Kontrahierungszwang 671 Verwertungsrechte 638 ff. - Filmwerke 739 - körperliche 639 - unkörperliche 644 Verwertungsverbot 917 Versammlungsmodell 1406 VG Bild-Kunst 669 VG Media 669 VG Wort 669 Videofilme 67, 269 Videokassette 736, 740 Videolizenzvertrag 740 video-on-demand 741 Videotechnik 12, 66, 1271 Videothek 740 Vielfaltanforderungen 241, 748 Vielfaltskontrolle 215, 253, 525 Vielfaltkriterien 533 Vielfaltssicherung 414 ff., 426, 520 ff., 582 ff. "vierte Gewalt" 212, 402 virtuelle Welten 776 virtuelle Werbung 817 ff., 834 voice over internet 92 Voice-over-IP 92, 95 f. Volkszählungsurteil 932, 952, 1183 Vollprogramm 584 Volltextrecherche 648 Vorausverfügung 670 Vorführungsrecht 644 Vorlageanspruch 1431 Vorlagepflicht 1373 Vorleistungsmärkte 472, 499
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Sachverzeichnis
Vorleistungsprodukt 500 Vorratsdatenspeicherung 165 Vorsatz 608 Vortragsrecht 644 Waffengleichheit, Prinzip der 1129 Wahlwerbung 443 Wahrheitsfindung, medienrechtliche 374 Wahrheitspflicht 405 ff., 979 ff. Wahrnehmung berechtigter Interessen 188, 371 ff., 871 ff., 1249 Wahrnehmungsberechtigter 714 WahrnG 668 Wahrnehmungsvertrag 670 Warenbegriff 134 Warentests 186 Warenverkehrsfreiheit 123 f., 134 ff. WDR-Urteil 574 Web 2.0 108, 116 Web 3.0 116 Webcast 770 Web-casting 92, 105, 159 Web-Radio 105 Webseiten 159 Wechselwirkungslehre 278 ff., 849 Weimarer Verfassung 202 Weisungsabhängigkeit 599 Weisungsrecht 603, 1435 Weiterverbreitung 587, 643 Werbe-Crawler 809 Werbefunk 575 Werbe-Mails 75 Werbespots 768 Werbezeiten 765 Werbung 254, 261, 785 ff., 1365 - Begriff 834 - vergleichende 791 - virtuelle 817 ff., 834 Werkarten 622 Werkstücke, körperliche 641 Werktitel 677, 717 Werkvertragsrecht 599 Werturteil 177 ff., 284, 853, 855 ff., 1078, 1107, 1123, 1135 - geschäftsschädigendes 974 Wettbewerb 471 - chancengleicher 316, 464 - ökonomischer 417, 525 - publizistischer 525, 1411 - unsichtbare Hand 455 - wirtschaftlicher 454
Wettbewerbsabsicht 814 Wettbewerbsbeschränkungen 537 Wettbewerbsrecht 86, 141, 471, 786, 1217 Wettbewerbsrichtlinie 156 Widerruf 1128 Widerrufsanspruch 374, 851, 986 Widerrufsrecht 897 Widerspruchsrecht 1212 Wiederholungsgefahr 1102 ff. Wikipedia 110 Wikis 1036 Wirtschafts-Identifikationsnummer 1352 Wirtschaftsüberwachung 1380 Wissenschaftsfreiheit 166 Wort - nicht öffentlich gesprochen 998, 1267 - Recht am gesprochenen 916 f., 946, 1266 - Vertraulichkeit des 916, 1266 WpHG 1290 www 923, 1037 Xing 112 YouTube 111 ZAK 524, 1408 ZDF 246, 1427 ZDF-Staatsvertrag 57 Zeichen 687 - Verwechslungsgefahr 931 Zeitgeschichte 900 ff. (s. auch Personen der Zeitgeschichte) Zeitungskopf 1346 zeitversetzt 366 Zensur 201 f., 290 ff., 375 ff. Zensurmaßnahmen 289 Zensurverbot 273, 289 ff., 375 ff., 562, 1435 Zentralvermarktung 543 Zeugnisverweigerungsberechtigte 1312 ff. Zeugnisverweigerungsrecht 379 ff., 1298 ff., 1323 f. Zeugniszwang 1299 Zitate 185, 947, 984 Zollfreiheit 134 ZRL 495 ZugabeVO 787
Sachverzeichnis Zugang 310, 314 ff., 360, 483 ff., 754, 1284 - entbündelter 500 - privater Rundfunk 576 ff. Zugangsanordnung 490 ff. Zugangsberechtigungssystem 761, 1414 Zugangsgewährungsverpflichtung 465, 484 ff. Zugangskontrolle 587 Zugangsleistungen 493 Zugangsrecht 637 Zugangsrichtlinie 487 Zugangssperren 288 Zugangsverfügung 484 Zugangsverpflichtung 484 ff., 507 ZugErschwG 1018, 1245 Zufallsfunde 1322
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Zugriffsdienste 20, 40 Zulassungsfreiheit 560 ff. Zulassung per Gesetz 470 Zulassung zu Veranstaltungen 357 Zulassungsverfahren 1408 Zusammenschaltung 88, 464, 490, 494 f., 505 Zusammenschlusskontrolle 537, 550 ff. Zuschaueranteil 531 Zuschaueranteilmodell 520 Zutrittsbefugnisse 361 Zutrittsrecht 357 Zweckübertragungstheorie 658, 734, 896 Zweiter Korb 335 Zweitverwertung 370, 644 Zwischenspeicherung 640