Seewölfe 31 1
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Der Kopf Sir Thomas Doughtys rollte über die Planken der Kuhl. Auf der „Pelican“, dem Fla...
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Seewölfe 31 1
John Curtis 1.
Der Kopf Sir Thomas Doughtys rollte über die Planken der Kuhl. Auf der „Pelican“, dem Flaggschiff John Drakes, herrschte entsetztes Schweigen. Noch dröhnten allen die Worte Drakes in den Ohren, die er mit schneidender Stimme allen zugerufen hatte, die Zeuge der Hinrichtung geworden waren. „Seht, so enden alle Verräter!“ John Doughty, der Bruder des Hingerichteten, schlug die Hände vors Gesicht, als Dan O'Flynn den dahinrollenden Kopf stoppte, an den Haaren packte und dann hochhielt. Zwar war Dan, der Jüngste aus Hasard Killigrews Crew, leichenblaß, aber seine Augen funkelten. Langsam ging er mit dem abgeschlagenen Haupt zu Carberry hinüber, der als Profos der „Pelican“ das Urteil vollstreckt hatte. „Da hast du ihn, diesen Bastard, Carberry. Möge er in der Hölle schmoren, dieser Hundesohn hat Hasard und uns allen ständig nach dem Leben getrachtet Wäre es nach ihm gegangen, dann wären wir alle längst tot, und die große Fahrt hätte nie stattgefunden.“ Carberry, das Narbengesicht mit dem Rammkinn, trat auf Dan zu. „Gib her, Dan“, sagte er und streckte seine Rechte vor. Als Dan zögerte, während ihm das Blut vor die Füße auf die Decksplanken tropfte, griff er zu. Auf der Stirn Carberrys stand eine steile Falte, seine Lippen bildeten nur noch einen schmalen Strich. „Laß endlich los, Junge“, sagte er, und seine Stimme klang so rauh und drohend, daß selbst dem vorlauten Bürschchen Dan O'Flynn ein eisiger Schauer über den Rücken rann. „Was immer dieser Mann getan haben mag, Dan, er hat gesühnt. Der Tod löscht alles aus, du wirst das in deinem Leben noch oft zu spüren kriegen. Ruf jetzt den Segelmacher, er soll den Toten einnähen.“ Als Dan immer noch zögerte, versetzte Carberry ihm einen blitzschnellen Hieb auf die Kehrseite.
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„Verdammt noch mal, du sollst den Segelmacher holen. Wird's bald? Sonst zieh ich dir die Haut von deinem Affenarsch ...“ Das letzte Wort hörte Dan schon nicht mehr. Er hatte sich längst außer Reichweite gebracht, denn er wußte, daß mit Carberry nicht zu spaßen war. Und in diesem Moment, nachdem er gerade einem Mann den Kopf abgeschlagen hatte, schon gar nicht. Denn so brutal Carberry auch rein äußerlich wirken mochte - er haßte es, Seeleute zu bestrafen oder gar Hinrichtungen zu vollziehen. Unter seiner rauhen Schale verbarg sich bei Carberry ein gutes Herz, ein Kerl, der sich in Stücke schießen ließ, wenn es galt, einem Kameraden zu helfen oder ihn herauszuhauen. Es war völlig unnötig, daß Dan den Segelmacher holte - Patrick Evarts stieg mit seinem Gehilfen bereits die Kuhl hinunter. Die beiden Männer hatten auf Drakes Befehl bereits alles vorbereitet, so daß der Segeltuch- sack nur noch am Kopfende zuzunähen war. Schweigend schoben die beiden Männer den Leichnam Sir Doughtys in den Segeltuchsack, zuletzt den abgetrennten Kopf. Dann nähte Evarts das steife Segeltuch am Kopfende mit großen festen Stichen zu, nach- dem sein Gehilfe zuvor noch den not- wendigen Ballast in Form einiger Kanonenkugeln hineingetan hatte. Noch immer standen die Seeleute schweigend an Deck - ehe von ihnen, unter ihnen Matt Davies und Smoky, grinsten schadenfroh. Die Gentlemen auf dem Achterkastell hingegen, der Kaplan Frans Fletcher, Kapitän Thomas, der die „Marygold“ befehligte und Kapitän Winter von der „Elizabeth“, hatten die Hände auf die Reling des Achterkastells gestützt und starrten aus schmalen Augen auf die makabre Szenerie zu ihren Füßen. Auch John Doughty hatte die Hände wieder vorn Gesicht genommen -in seinen Zügen zuckte es unkontrolliert, als der Segelmacher sich schließlich erhob und den nunmehr eingenähten Toten zur Steuerbordreling hinüberschleppte.
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Drake, neben dem Hasard Killigrew stand, schritt langsam zum Niedergang hinüber, der vom Achterkastell zur Kuhl hinunterführte. Stufe für Stufe stieg er hinunter, ging über das Deck und blieb neben dem Toten stehen. Eine Weile blickte er auf das weiße Segeltuch, dann klappte er die Bibel auf, die er in der Rechten gehalten hatte. „Wir hören aus der Heiligen Schrift, aus den Briefen des Paulus an die Römer vorn 13. Kapitel den ersten und den zweiten Vers: Jedermann sei untertan der Obrigkeit. die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit, ohne von Gott, wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzet, der widerstrebet Gottes Ordnung: die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen.“ Drake richtete sich etwas auf. Der Wind zerrte an seinen braunen Haaren und sang in den Pardunen der „Pelican“, als er abermals die Stimme erhob. „Und wir hören aus den Römerbriefen aus dem 9. Kapital Vers 15 und 16: Der Herr spricht zu Moses: Welchem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und welches ich mich erbarme, des erbarme ich mich. So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.“ Drake klappte die Bibel zu und wandte sich ruckartig um. Seine Blicke wanderten über die Seeleute und dann hinauf zu den Gentlemen auf dem Achterkastell. „Hier wurde ein Mann gerichtet, der schwere Schuld auf sich geladen hatte. Die schwerste, die jemand von uns auf sich laden kann: Verrat an unserem Land, an unserer Sache. Wer das aber tut, der darf nicht bei mir und bei keinem Gericht, daß ich dann einberufe, auf Gnade rechnen. Ich werde auch künftig jedes Vergehen dieser Art auf das Allerstrengste bestrafen.“ Wieder schwieg Drake einen Moment Dann drehte er sich langsam um. „Sir Thomas Doughty, wir übergeben deinen Leib jetzt der See: Gott sei deiner Seele gnädig!“
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Er gab dem Segelmacher und seinem Gehilfen ein Zeichen. Sie schöben den Toten an und ließen ihn über die Reling gleiten. Mit einem dumpfen Klatschen verschwand der Leichnam Sir Thomas Doughtys gleich darauf in dem dunklen Wasser Port St. Julians. Drake sprach ein kurzes Gebet, dann wandte er sich abermals um und sah die Männer an Bord der „Pelican“ an. Seine Augen begannen zu funkeln. „Hier auf den Schiffen streiten sich die Seeleute mit den Herren und die Herren mit den Seeleuten derart, daß es mich wild macht, auch nur davon zu hören. Aber, Männer, daß muß aufhören, denn ich befehle, daß die Herren mit den Seeleuten und die Seeleute mit den Herren an einem Strang ziehen. Wir müssen als ein einiges Schiffsvolk auftreten!“ Die Stimme Drakes dröhnte über die Decks der „Pelican“, und die Männer starrten ihn aus großen Augen an. Sogar Dan O'Flynn war das Grinsen endgültig vergangen. „Wenn wir unsere Aufgabe lösen wollen, dann werden wir alle Kraft. die wir haben, dazu brauchen, um weiterzusegeln, um den Stürmen zu trotzen, die auf uns warten. Auf uns alle lauern Gefahren, von denen wir jetzt noch keine Vorstellung haben, Ich verlange von diesem Moment an an Bord aller Schiffe eiserne Disziplin, ich erwarte von jedem einzelnen, daß er seine Pflicht für England tut, solange auch nur noch ein Funken Leben in ihm ist. Ich werde bei keinem, der gegen dieses Gebot verstößt, eine Entschuldigung gelten lassen. Kapitäne und Offiziere sind von diesem Moment an nichts anderes als die ersten Seeleute meiner Schiffe, jeder hat mit dem anderen Hand in Hand zu arbeiten und zuzupacken, wo die Situation das erfordert.“ Drake trat einen Schritt vor und sah die Gentlemen auf dem Achterkastell an. „Und damit alle begreifen, wie ernst es mir mit dieser Anordnung ist, enthebe ich hier und jetzt alle Offiziere, Kapitäne und alle Hänge ihres Amtes.“
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Er sah, wie die Gesichter auf dem Achterkastell erstarrten, wie Zornesröte die Züge Kapitän Thomas überzog, wie Kapitän Winter ihn anstarrte, als verstünde er plötzlich die Welt nicht mehr. Philip Hasard Killigrew hingegen, der Seewolf, grinste. Seine schwarzen Haare flatterten im Wind, während er sich leicht gegen Drake verneigte. Nur der Schiffskaplan an seiner Seite, Francis Fletcher, war totenbleich geworden. Er sah Drehe an, seine Lippen zuckten und seine dicken Finger krampften sich um die Bibel, die er mit beiden Händen umfaßt hielt. „Aber Kapitän“, stotterte er, „ Sie selbst haben soeben noch gesagt, daß jede Obrigkeit von Gott ist, niemand kann mich meines Amtes entheben, niemand kann mich so einfach zum Gemeinen degradieren, ich habe mein Amt von ...“ „Schweigen Sie, Fletcher. Gehören Sie zu meiner Besatzung oder nicht? Unterstehen Sie meinem Befehl oder nicht? Wenn ich alle sage, ohne jede Ausnahme, dann sind auch Sie gemeint Ich warne Sie, Fletcher, ich werde ab sofort keinerlei Widersetzlichkeit mehr dulden, gleichgültig von wem.“ Er trat abermals einen Schritt vor. „Sie alle sind von diesem Tag an genau das, wofür ich Sie einsetze: Ich ganz allein und niemand anders. Sie, Mr. Thomas, werden weiterhin die Führung der ,Marygold` übernehmen. Und Sie, Mr. Winter, die der ,Elizabeths'. Killigrew wird weiterhin die Dienste des Piloten der 'Pelican' versehen, gleichzeitig wird er für alle seemännischen Belange dieses Schiffes verantwortlich sein. Mir persönlich und niemand anderem. Carberry fungiert als Profos, als oberster Zuchtmeister des Verbandes. Alle anderen Hänge werden von diesen Herren nach Eignung besetzt - aber ich bin sicher, daß sich da keine nennenswerten Änderungen ergeben werden. Nur: Sollte es notwendig sein, werde ich es jederzeit ändern. Und zwar so, wie es die Interessen unseres Unternehmens erfordern.“
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Er wandte sich dem Kaplan zu, der immer noch bleich und völlig fassungslos an der Reling des Achterkastells stand. „Auch Sie, Mr. Fletcher, werden weiterhin die geistliche Betreuung der Besatzungen meiner Schiffe be- sorgen - aber denken Sie bei Römer 13 an den zweiten Vers!“ Francis Fletcher wurde noch bleicher. Er rang die Hände, dann zischelte er etwas, was aber selbst der Seewolf neben ihm nicht verstand. Trotzdem war Hasard sofort klar, wie ernst diese Warnung Drakes gemeint war, denn Fletcher war ein intrigant, und von dort bis zum Aufwiegler war es nicht mehr weit. Er grinste Ben Brighton an. der neben ihm stand. Dann wandte er sich dem Kaplan zu. „Wenn ich Sie wäre, Mr. Fletcher, würde ich diese Warnung des Kapitäns beherzigen. Es ist bestimmt seine allerletzte! Ich hoffe, wir verstehen uns!“ Fletcher zuckte zusammen. „Mr. Killigrew, wollen Sie damit etwa sagen, daß ich…“ Der Seewolf unterbrach ihn hart. „Ja, genau das will ich sagen, und zwar zu Ihrem Besten. Glauben n Sie etwa, ich wüßte nicht um ihre Konspiration mit Sir Thomas Doughty? Sie hätten Ihre Gespräche eben nicht führen dürfen, während ich Wache ging! Seien Sie froh, daß Sie mit so heiler Haut davongekommen sind. Ich bin nicht sicher, daß Sie Ihr geistliches Gewand schützen würde!“ Dem Seewolf und Ben Brighton war sofort klargewesen, warum Drake diese ganze Farce der „Amtsenthebungen“ durchgespielt hatte. Er hatte damit seine uneingeschränkte Befehlsgewalt demonstrieren wollen und keinen der Herren auf den gefährlichen Gedanken bringen wollen, ihm irgendwann bei irgendeiner Situation Widerstand leisten zu können und sich dabei etwa darauf zu berufen, daß ihm sein Rang von der Königin von England verliehen worden sei. An diesem Punkt allerdings stoppte die laute Stimme Drakes die Überlegungen des Seewolfs. Denn Drake hatte inzwischen
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dem rothaarigen Hünen Ferris Tucker, dem einstigen Schiffszimmermann der „Isabella“, ein Zeichen gegeben. Hasard sah gerade noch, wie Tucker aufs Vorkastell lief und dabei seine riesige Zimmermannsaxt schwang. Gleich darauf hallten schwere Schläge über das Schiff. Hasard hatte den Eindruck, Cis würde die ganze „Pelican“ unter den gewaltigen Streichen des Hünen erbeben. Fragend starrte er Ben Brighton an - aber auch der hob nur die Schultern. Der Seewolf und Ben Brighton setzten sich in Bewegung. Sie turnten die Stufen zur Kuhl hinunter und bahnten sich einen Weg durch die Seeleute. Dabei schoben sich, der Kutscher und Smoky an sie heran. „Jetzt ist Ferris total übergeschnappt, Hasard!“ flüsterte der Kutscher mit beschwörender Stimme. Gleichzeitig warf er einen scheuen Blick zu den Rauchwolken hinüber, die auch an diesem Tag über den Bergen jenseits der Bucht standen und nichts Gutes verhießen. Denn dort - so wußten sie, hausten die Patagonier, Wilde, in graues Leder gekleidete Gestalten, die ihren Feinden die Köpfe mit ihren Steinbeilen zerschmetterten. „Ferris zerschlägt die Galionsfigur, Hasard“, flüsterte der Kutscher erregt. „Das ist ein Frevel, das bringt Unglück über das Schiff. Ich weiß gar nicht, was Dan zwängte. sich zwischen ihn und den Seewolf. Und im nächsten Augenblick hatte er sich auch schon vorbeigedrängelt und starrte Sekunden später ebenfalls fassungslos auf den wie ein Irrsinniger wütenden Ferris Tucker, unter dessen Hieben der Pelikan am Bug des Schiffes zersplitterte. „He, Ferris!“ rief das Bürschchen mit sich überschlagender Stimme. „Du rothaariger Affe bist wohl total übergeschnappt, wie kommst du dreimal vom Teufel besessener Hammel dazu, unser Schiff in Grund und Boden zu ruinieren?“ In diesem Moment spaltete die Axt des Hünen mit einem letzten gewaltigen Streich die Galionsfigur endgültig mitten durch. Ein weiterer Hieb, und die beiden
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Hälften klatschten ins Wasser. Dann richtete sich Ferris Tucker auf. Mit einem blitzschnellen Griff packte er Dan und schwang ihn über die Brüstung des Vorkastells über die dunkle Wasserfläche hinaus. Er hielt Dan dabei nur mit dem linken Arm fest, und Den zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen und schäumte vor Wut. . „Wenn du abgebrochener Riese mich noch einmal einen rothaarigen Affen nennst, denn gerbe ich dir das Fell, bis deine schwarze Seele wieder makellos weiß geworden ist und du endgültig vergessen hast, daß du das vorlauteste Bürschchen bist, das je auf einem Schiff ihrer Majestät vor dem Mast gefahren ist. So, und jetzt kühl deine Wut mal ein wenig ab!“ Ferris Tucker ließ den zappelnden und tobenden Dan einfach los. Er klatschte in das eiskalte Wasser der Bucht, und über ihm erdröhnte Gelächter von rauhen Seemannskehlen. Hasard grinste. Er wußte, wie sehr gerade Penis. Tucker das Bürschchen ins Herz geschlossen hatte, aber diese Zurechtweisung war schon längst fällig gewesen. Ferris Tucker richtete sich zu seiner vollen, imponierenden Größe auf. Dann warf er Drake einen fragenden Blick zu, und der nickte. Wie der Blitz verschwand der Hüne vom Achterkastell und tauchte ins innere der „Pelican“ hinab. Nur Augenblicke später tauchte er wieder auf. Genau in dem Moment, als Dan zornbebend und zähneklappernd wieder an Deck enterte. Ferris Tucker registrierte eben noch, daß Dan ihn anstarrte wie eine Erscheinung. Dann war er auch schon vorbei - und mit sich schleppte er eine in goldene Farbe weithin leuchtende Hirschkuh, die er auf Anordnung von Drake in vielen Stunden mühsamer Arbeit heimlich und in aller Stille unter Deck geschnitzt hatte. Die Männer auf der Pelican rissen die Augen auf, während der Schiffszimmermann die goldene Hirschkuh auf dein Vorderkastell abstellte.
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In diesem Moment betrat auch Drake das Vorderkastell. Sofort verstummten die Stimmen der Männer, und auch auf dem Hauptdeck unterhalb des Vorderkastells drängten sich die Seeleute. Viele enterten in die Takelage auf - keiner wollte sich das entgehen lassen, was nun geschehen würde. Drake trat zu Ferris Tucker und legte seine beiden Hände auf die goldene Hirschkuh, die der Riese zwischen seinen Pranken hielt. „Hiermit taufe ich unser Schiff, die einstige 'Pelican' auf den Namen ‚Golden Hind'. Möge der ‚Golden Hind' Glück beschieden sein in allen Stürmen und in allen Gefahren. Möge die goldene Hirschkuh unser Schiff zu dem Goldland jenseits des Atlantik führen, möge diese neue Galionsfigur, die zugleich das Wappentier eines der tapfersten Männer unseres Landes ist, der zudem noch in der Gunst unserer Königin steht, England und der Krone zu Ruhm und Ehre gereichen. Und möge der neue Name unseres Schiffes, ‚Golden Hind’, für jeden von uns neue unwiderrufliche Verpflichtung sein, für England und unsere Königin das Letzte, und wenn es sein muß auch das eigene Leben mit Freuden dahinzugeben.“ Er sah den hünenhaften Ferris Tucker an. „Schiffszimmermann, walten Sie Ihres Amtes!“ Ferris Tucker riß die goldene Hirschkuh vom Deck hoch, und Ben Brighton und Hasard packten mit zu. Dann bolzte er sie mit wuchtigen Schlägen unter dem Jubel der Männer am Schiffsbug fest. Drake trat zu Carberry. „Profos – Rum für alle. Aber ich will kein sinnloses Besäufnis, verstanden?“ Carberry grinste über beide Backen, die Narben seines Gesichtes begannen zu tanzen. „Aye, aye, Sir! Ich werde jedem, der besoffen an Deck liegenbleibt, eigenhändig die Haut von seinem Affen… ich mein, äh, Sir, eben abziehen.“ Carberry sah wie ein Lächeln über die Züge Drakes huschte. Er berührte den Profos mit seiner Rechten leicht am Arm.
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„Recht so, Profos. Andernfalls müsste ich Ihnen die Haut von Ihrem Affen… äh, ich meine, Ihnen die Haut eben persönlich abziehen. Verstanden?“ Drake ließ den verblüfften Carberry einfach stehen. Dann enterte er zum Achterkastell auf und bat die Herren zu einer Besprechung in seine Kammer. 2. Kapitän Drake blickte von der Karte, die auf dem schweren Eichentisch in der Kapitänskammer ausgebreitet lag, hoch. Aus seinen braunen Augen sah er die Kapitäne seiner drei Schiffe an. „Meine Herren, wir sollten uns keinerlei Täuschungen hingeben. Uns steht eine höllische Reise bevor. Obwohl Magellan. die nach ihm benannte Straße durchsegelte, bevor er auf der Mactan-Insel im Kampf gegen die Eingeborenen den Tod fand, wissen wir über die Magellanstraße nur wenig. An ihrem Ende soll der sagenumwobene Kontinent Terra Australis liegen, den aber bisher keines Menschenauge je erblickte. Niemand von uns weiß, was uns dort erwartet. In der Magellanstraße selbst haben wir- gegen heftige Gezeitenströmungen zu kämpfen, plötzliche Stürme werden unser ganzes Können erfordern, scharfe Klippen und Sandbänke werden eine ständige Bedrohung für unsere Schiffe sein. Von allen anderen Gefahren, die uns möglicherweise begegnen werden, ganz zu schweigen.“ Drake sah den Seewolf an, der vor einem der achterlichen Fenster der Kammer stand, die Arme über der Brust gekreuzt. „Sie, Mr. Killigrew, werden neben Ihren seemännischen Pflichten bei der Durchfahrt der Magellanstraße und auf der gesamten weiteren Reise zusammen mit Senor Silva als Lotse und Pfadfinder fungieren. Die ,Golden Hind` wird den beiden anderen Schiffen stets voraussegeln. Sie also ragen für unseren Verband die volle Verantwortung. Sie erhalten von mir jede nur erdenkliche Unterstützung. Suchen Sie sich für Ihre
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schwere Aufgabe aus den Besatzungen die Männer, die Ihnen am geeignetsten¬ erscheinen. Aber ich nehme an, daß Sie auf Ihre alte Isabella- Crew zurückgreifen werden?“ Der Seewolf nickte. Er wußte, daß er keine besseren Männer finden konnte. Ganz davon abgesehen konnte er sich auf jeden einzelnen Mann seiner Crew hundertprozentig verlassen. „Gut“, fuhr Drake fort, „das wäre geklärt. Ab sofort wird auf allen Schiffen mit einer gründlichen Überholung begonnen, mit genauer Durchsicht der Takelage, des Rumpfes, der Geschütze, einer strengen Überprüfung der Handfeuerwaffen. Das ist eine Menge Arbeit - sorgen Sie dafür, meine Herren, daß unverzüglich begonnen wird. Und richten Sie sich mit Ihrer Arbeit so ein, daß Sie auf allen Schiffen bis spätestens morgen früh fertig sind. Beim ersten günstigen Wind nach diesem Termin geht unser Verband ankerauf, Kurs Süd. Meine Herren, ich danke Ihnen!“ Die Gentlemen erhoben sich, soweit sie am langen Konferenztisch der Kapitänskammer Platz genommen hatten. Kapitän Thomas und Kapitän Winter eilten an Deck, um an Bord ihrer Schiffe zurückzukehren. Der portugiesische Lotse, Nuno da Silva, ein dünner, schwarzhaariger Mann mit Knebelbart und stechenden schwarzen Augen ging ebenfalls an Deck der „Golden Hind“. Lediglich Hasard blieb noch mit gekreuzten Armen am Fenster stehen. Drake warf ihm einen fragenden Blick zu. „Was gibt es, Killigrew?“ fragte er schließlich, und ein kaum wahrnehmbares Lächeln spielte um seine Lippen. „Sir, Sie sollten darauf achten, daß John Doughty sich grundsätzlich am Bord der ‚Golden Hind' befindet. Ich müßte mich sehr täuschen, wenn er nicht Arges gegen Sie ausbrütet. Desgleichen sollten Sie ein .wachsames Auge auf den Kaplan behalten. Diese beiden Männer stecken mir zu oft die Köpfe zusammen, und intrigant sind sie beide.“ Der Seewolf machte eine Pause, seine eisblauen Augen funkelten.
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„Ich habe ein paar meiner Männer beauftragt, die beiden nicht aus den Augen zu lassen. Unter anderem Ben Brighton, der als mein Bootsmann rast immer an Bord der 'Golden Hind‘ sein wird. Das war das eine, was ich Ihnen sagen wollte, Sir. Das andere, das ich absichtlich nicht vorhin während der Besprechung erwähnt habe, betrifft die 'Marygold'.“ Drake hob unwillkürlich die Augen brauen. „Wollen Sie etwa andeuten, daß John Thomas sich ebenfalls an Konspirationen gegen mich beteiligt hat?“ Drake trat unwillkürlich auf Hasard zu. Doch der schüttelte den Kopf. „Nein, um Himmels willen, nein!“ wehrte er ab. „John Thomas - der würde sich eher in Stücke schlagen lassen. als auch nur einen einzigen Finger gegen Sie zu erheben, Sir. Nein - es betrifft sein Schiff. Die Marygold` befindet sich in einem schlechten Zustand. Sie hat zu viele Schäden erlitten, die sich hier in der Bucht nicht ausreichend beheben lassen. Hinzu kommt, daß dieses Schiff zwar von einem hervorragenden Kapitän gesegelt wird, aber die Besatzung von John Thomas ist nicht mit der unseren zu vergleichen. Um es ganz klipp und klar auszusprechen, Sir: Ich weiß nicht, ob die 'Marygold` den Anforderungen der bevorstehenden Reise noch gewachsen ist.“ Drake stand nur knapp zwei Schritte vor dem Seewolf. Er sah den hochgewachsenen Mann mit den schwarzen Haaren, dem braungebrannten und von Wind und Wetter gegerbten Gesicht aufmerksam an: Er wußte ganz genau, daß gerade der Seewolf eine solche Behauptung niemals aufstellen würde, wenn er sich nicht zuvor genau von ihrer Richtigkeit überzeugt hätte. Und darum war das für Drake eine üble, eine schlimme Nachricht, nachdem sein Verband bereits auf drei Schiffe zusammengeschmolzen war. „Haben Sie mit Thomas darüber gesprochen, Mr. Killigrew?“ fragte er schließlich. Hasard nickte.
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„Thomas ist über den Zustand der ,Marygold` völlig im Bilde. Er tut, was er kann. Aber er würde sich eher die Zunge abbeißen, als Ihnen etwas zu sagen.“ Drake nickte nachdenklich „Sei es, wie es sei“, sagte er dann leise. „Ich kann die ,Marygold' weder hier zurücklassen noch nach England schicken. Ich kann die ,Marygold` und einen Mann wie John Thomas nicht entbehren. Aber ich werde darüber nachdenken, ob wir nicht nach der Durchsegelung der Magellanstraße an einem geeigneten Platz versuchen sollten, die 'Marygold' einer gründlichen Überholung zu unterziehen. Die Durchsegelung der Magellanstraße jetzt abermals zu verschieben, daß hieße dem Aberglauben der Mannschaften neue Nahrung zu geben, den Miesmachern und Schwarzsehern unter den Leuten Wasser auf ihre Mühlen zu gießen. Das hieße auch Leuten wie John Doughty den Boden für ihre Intrigen zu bereiten. Nein - es bleibt bei meinem Entschluß: Wir segeln von morgen früh an gerechnet beim ersten günstigen Wind. Aber es war gut, daß Sie reich informiert haben. Der Seewolf sah Drake einen Moment an. Drake hatte recht - sie mußten segeln, mußten Port St.Julian verlassen, und zwar so schnell wie möglich. Diese Bucht war bestimmt kein guter Platz. Zuviel hatte sich hier ereignet. Vor achtundfünfzig Jahren hatte Magellan hier eine Meuterei blutig niedergeschlagen und die Meuterer an einem weithin sichtbaren Galgen am Strand der Bucht unverzüglich hängen lassen. Bei ihrer Landung hatten Hasard und seine Männer die Schädel der Toten und Oberreste des Galgens vorgefunden. Dann der überraschende Angriff der Patagonier, die plötzlich hinter den Felsen hervorgestürmt waren. Und schließlich das Bordgericht und die Hinrichtung Sir Doughtys - nein, es wurde wirklich Zeit, daß den Besatzungen der Schiffe wieder ein ordentlicher Wind um die Ohren blies. Der Seewolf nickte Drake zu, dann verließ er die Kammer und befand sich wenige Augenblicke später schon an Deck. Er sah, wie die beiden Boote, mit denen Kapitän
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Thomas und Kapitän Winter längsseits gegangen waren, zur „Marygold“ und zur „Elizabeth“ zurückgepullt wurden. Sein Blick wanderte zur Kuhl, auch dort waren inzwischen die letzten Blutflecken beseitigt worden. Wie von Drake angeordnet, wurde an die Seeleute Rum ausgegeben. Hasard beschloß, ihnen die Zeit zum Trinken zu lassen, aber danach würde er sie durch Ben Brighton und Carberry gehörig anlüften lassen. Denn die Zeit drängte. Hasard stieg zum Achterkastell empor. Dort stieß er auf Francis Fletcher, den Kaplan, und John Doughty, den Bruder des Hingerichteten. Sofort verstummte das Gespräch der beiden. Hasard bedachte sie mit einem scharfen Blick, unter dem besonders Kaplan zusammenzuckte. Sein gerötetes, rundes Gesicht verfärbte sich als der Seewolf untermittelbar vor ihm stehenblieb. „Sie haben es vorhin gehört - meine Herren. Ich bin dem Kapitän für das Schiff verantwortlich. Nachdem Sie - wie ich hoffe - eine angenehme und fruchtbare Unterhaltung miteinander hatten, teile ich Sie beide ab sofort mit zu den Überholungsarbeiten an Bord ein. Sie werden sich bei Ferris Tucker, dem. Schiffszimmermann, melden. Die Geschütze müssen überprüft und festgenagelt werden. Mißverstehen Sie mich nicht, meine Herren, Sie werden diese Arbeit ausnahmsweise übernehmen, weil jede Hand an Bord gebraucht. wird. Aber wahrscheinlich wird dieser Ausnahmezustand - was das Zupacken eines jeden ohne jede Rücksicht auf seine Herkunft und Stellung betrifft -- für die ganze restliche Dauer der Reise gelten. Sie befinden sich auf einem Schiff ihrer Majestät, der Königin von England, und es wird allerhöchste Zeit, daß Sie mit diesem Schiff vertraut werden. Auch Sie, Mr. Fletcher, werden der Mannschaft gewiß einen sehr viel besseren geistlichen Beistand geben können, wenn Sie die Sorgen und Nöte der Männer an der Quelle kennenlernen.“
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John Doughty war unwillkürlich einen Schritt zurückgewichen. Sein eben noch kreidebleiches Gesicht rötete sich vor Zorn. „Mr. Killigrew - ich werde den Teufel tun!“ zischte er. „ich gehöre zu den Gentlemen dieses Schiffes. Mein Ansehen und meine Stellung würden untergraben, würde ich derartig gewöhnliche Arbeit verrichten. ich werde mich bei Mr. Drake über Sie beschweren, Mr. Killigrew, ich werde ...“ Mit einem Schritt war der Seewolf bei ihm und packte ihn am Arm. „Sie können sich beschweren, Mr. Doughty. Wenn Sie meinen Befehl ausgeführt haben. Und ich rate Ihnen dringend, sich die Ansprache des Kapitäns ins Gedächtnis zu rufen. Er hat da etwas gesagt, was die Zusammenarbeit der Herren und der Seeleute betrifft. Ich, Mr. Doughty, nehme solche Äußerungen des Kapitäns wörtlich. Ab jetzt mit Ihnen aufs Hauptdeck. Der Schiffszimmermann wartet, verstanden?“ Er versetzte John Doughty einen Stoß, der ihn über das Achterkastell in Richtung Niedergang katapultierte. „Und jetzt zu Ihnen, Mr. Fletcher. Haben auch Sie irgendwelche Einwände gegen meine Anordnungen?“ Fletcher hob die Arme und streckte dein Seewolf die Innenflächen seiner Hände entgegen. „Erzürne dich nicht über die Bösen, sei nicht neidisch auf die Übeltäter. Denn wie das Gras werden sie bald abgehauen, und wie das grüne Kraut werden sie verwelken!“ murmelte er und zog sich in Richtung Niedergang zurück. „Ans dem 37. Psalm; Mr. Killigrew. Vers eins und zwei!“ Und damit verschwand er. Der Seewolf starrte ihm nach. Aber dann huschte ein Grinsen über seine Züge. Dieser Fletcher war ein gerissener Bursche. Und verdammt noch mal, er verstand es meisterhaft, einem seine Bibelsprüche um die Ohren zu schlagen! Trotzdem würde er auf diesen Mann ein wachsames Auge haben, das nahm sich der Seewolf fest vor. Fletcher war bestimmt
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kein Held - Gegenteil. Aber er war gerissen, intelligent, eine schillernde Persönlichkeit, deren Einfluß an Bord nicht unterschätzt werden durfte. Hasard trat an die Brüstung des Achterkastells. Seine Blicke suchten das Hauptdeck nach Ben Brighton ab. Dann hatte er ihn entdeckt „Ben!“ brüllte er mit Stentorstimme, und sofort wandte Ben Brighton ihm sein grinsendes Gesicht zu. Er hatte soeben einen kräftigen Schluck aus der Rumbuddel genommen, die auf Anordnung von Drake unter den Männern die Runde machte. Er winkte ihn zu sich herauf, und Ben Brighton enterte wie der Blitz die paar Stufen zum Achterkastell empor. Dann erteilte ihm der Seewolf die notwendigen Befehle. Ben Brighton leckte sich die Lippen. „Und die beiden Figuren da auf dem Hauptdeck, Hasard. was haben die zu bedeuten?“ Er wies auf Doughty und Fletcher. Hasard erklärte es ihm. Ben Brighton wiegte den Kopf. „Hm.“ Sein Geicht war ernst geworden. „Du gibst die Befehle. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich ein guter Einfall war. Du hast die beiden tödlich beleidigt. Aber andererseits -ein wenig Arbeit kann den beiden auch nicht schaden. Nun gut, ich werde dafür sorgen, daß Ferris die beiden in Trab bringt.“ Dann grinste er plötzlich. „Vielleicht hätte diese Kur bei Sir Doughty auch geholfen. Vielleicht war deine Idee doch ganz gut. Wenn dieser Kerl, statt seine Intrigen zu spinnen, gearbeitet hatte, dann säße' ihm der Kopf wahrscheinlich noch recht fest auf den Schultern. Könnte es sein, daß du diesen Doughty vor sich selber schützen willst?“ Hasard starrte seinen Bootsmann an. Von dieser Warte aus hatte er die Angelegenheit noch gar nicht betrachtet Aber er ließ es sich nicht merken. „Ab jetzt mit dir. Ben. Sorge dafür, daß die Männer. die nicht auf die ‚Golden Hind'
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gehören, sofort an Bord ihrer Schiffe zurückkehren. Und beeil dich!“ Ben Brighton verschwand wie der Blitz. Schon Minuten später dröhnten seine Befehle über Deck. Mit wachsamen Augen verfolgte der Seewolf vorn Achterkastell aus die Arbeit der Männer. Dann - nach mehr als einer Stunde- stieg er langsam zum Hauptdeck hinunter. Dabei streifte sein Blick den eigenartigen bleigrauen Himmel über der Bucht und blieb an der dünnen Horizontlinie hängen, über die sich ein dunkler, Wicht gelblicher Streifen zu bilden begann. Ein sicheres Anzeichen für baldigen Wind, wenn nicht sogar für Sturm. Aus der Ferne drang das dumpfe Trommeln der Patagonier an seine Ohren. Überall auf den Bergen, die Port St. Julian umgaben, stiegen dunkle Rauchsäulen in den Himmel. Der Seewolf blieb stehen und spähte aus schmalen Augen zu den Rauchsäulen hinüber. Er hatte plötzlich das Gefühl, daß sie auf ihrer Fahrt durch die Magellanstraße keinen Augenblick lang unbeobachtet bleiben würden. Er entschloß sich spontan, die Handfeuerwaffen, die Pulvervorräte und die Geschütze der „Golden Hind“ persönlich zu inspizieren. Ihr Leben konnte von ihnen abhangen. * Gegen Mittag dieses Tages unternahm Kapitän Thomas einen Rundgang durch seine „Marygold“. Thomas war ein hervorragender Seemann - und ihm war keineswegs entgangen, daß die schweren Schäden, die die letzten Stürme an seinem Schiff hinterlassen hatten, nur notdürftig ausgebessert worden waren. Im Gegensatz zu Kapitän Winter von der „Elizabeth“, der zum Zögern neigte, war Thomas ein Mann schneller Entschlüsse. Außerdem mußte er seinen Anordnungen auf eine völlig unmißverständliche Weise Gehör zu verschaffen. Er war nur das, was man einen guten Kern mit rauher Schale nennt.
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Auch Kapitän Thomas ging dieses ewige Trommeln in den Bergen gehörig auf die Nerven. Außerdem warf er immer wieder einen schiefen Blick zum Himmel empor, dessen Farbe ihm ganz und gar nicht gefallen wollte. Auf dem Hauptdeck blieb er stehen und schickte einen Blick zum. Großmast hoch. Er sah den Segelmacher der „Marygold“ der mit seinem Gehilfen auf der Großrah hing und fluchend dem Großsegel einen Flicken verpaßte. Thomas sah ihm eine Weile zu. Er wollte sichergehen, daß der Mann die Arbeit dort oben auch ordentlich ausführte und nicht einfach aus purer Faulheit versuchte, das aufgegeite Segel zu flicken, um es nicht erst an Deck nehmen zu müssen. Immer noch nach oben blickend, ging er schließlich langsam weiter. Offenbar tat der Mann seine Arbeit ordentlich, er nahm sich aber vor, das später selber noch zu überprüfen. Gerade wollte er den Blick wieder den Geschützen auf dem Hauptdeck zusenden, als sein linker Fuß gegen einen ledernen Eimer stieß, der vor ihm auf den Decksplanken stand. Der Eimer kippte um, weiße, ausgebleichte Knochen fielen an Deck. Deutlich hörte Kapitän Thomas ihr eigenartiges, trockenes Rasseln. Ruckartig blieb er stehen. Sein Kopf zuckte nach unten - und er starrte Janas, einen seiner Männer, in die weit aufgerissenen Augen. Jonas war ein zerknitterter alter Fahrensmann. Er hatte schlohweißes Haar, ein tiefbraunes, von vielen Falten .durchzogenes Gesicht, sein Körper wirkte ausgemergelt wie der eines indischen Fakirs. Aber dieser Eindruck täuschte - denn Jonas, dessen richtigen Namen an Bord niemand kannte, war ein zäher und äußerst flinker Toppgast, der sich vor keinem Sturm, vor keinem Wetter je gefürchtet hatte und sogar nachts im heulenden Orkan mit traumwandlerischer Sicherheit auf den Rahen arbeitete, wenn es galt, Segel im Sturm zu bergen, ganz, gleich, wie stark das Schiff dabei rollte oder stampfte.
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Kapitän Thomas sah seine -weit aufgerissenen Augen, sah, wie er dann auf die an Deck liegenden Knochen blickte und sein Körper in sich zusammenzuschrumpfen schien. Kapitän Thomas konnte die Knochen nicht sehen, denn Jonas verdeckte sie mit seinem Körper. Mit einem raschen Schritt war Thomas um den Alten herum, dann blieb er selber wie erstarrt stehen und blickte auf die Knochen, die da, vor ihm. auf den Decksplanken lagen. John Thomas spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Die weißen, dünnen Vogelknochen, die Jonas auf jeder seiner Reisen stets bei sich führte und aus denen er den Männern der Besatzung die Zukunft las, hatten auf den Decksplanken drei Kreuze gebildet. Kapitän Thomas konnte nicht anders, sein Blick sog sich an diesen drei unheimlichen - Kreuzen fest, während sich die Männer seiner Besatzung, die auf das seltsame Gebaren der beiden Männer längst aufmerksam geworden waren, von allen Seiten heranschoben. Wieder hob Jonas den Blick. Und dem Kapitän. schien es, als ginge der Blick seiner grauen Augen durch ihn hindurch. Das Gesicht des Alten glich einer starren Maske. Dann fuhren seine Hände über die Planken und rafften die Knochen zusammen, noch bevor die Männer der Besatzung so weit heran waren, daß sie die drei Kreuze erkennen konnten. Ruckartig richtete sich Jonas vor dem Kapitän auf. Seine grauen Augen, deren Blick immer noch in unergründliche Fernen starrte, schienen sich ins Riesenhafte zu vergrößern, Die Stimme des Alten vernahm Kapitän Thomas, der die Bedeutung dieser verhängnisvollen drei Kreuze nur zu gut kannte, wie in Trance. „Wir müssen sterben, Kapitän“, flüsterte der Alte. „Alle. Das Meer wird unser Schiff verschlingen, keiner kehrt zurück, Kapitän. Keiner ...“ Der Alte verstummte. Nur mühsam kämpfte sich Kapitän Thomas in die Wirklichkeit zurück. Seine Pulse hämmerten. Er starrte in die fragenden,
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ängstlichen Gesichter seiner Männer, und das gab ihm endlich die notwendige Kraft. „Wollt ihr wohl an eure Arbeit gehen? He! Was gibt es hier zu gaffen? Profos! Ziehen Sie jedem Mann, der hier noch herumsteht und Löcher in die Luft gafft, eins mit der Neunschwänzigen über.“ Der Profos der „Marygold“ schoß heran, aber er kam zu spät, denn die Männer hatten sich längst wieder aus seiner Reichweite gebracht. Unwillkürlich hielt Kapitän Thomas nach Jonas Ausschau. Aber der Alte war und blieb verschwunden. Der Kapitän mußte sich zusammenreißen, um seinen Rundgang durch das Schiff fortzusetzen. Der Schreck, der ihm in die Glieder gefahren war, wich auch nicht, als er längst wieder in der geräumigen Kammer im Achterkastell der „Marygold“ war und sich aus der Rumflasche einen gehörigen Schluck genehmigte. Und wieder drang das dumpfe Trommeln aus den Bergen bis in seine letzten Nervenenden. Manchmal war ihm sogar, als höre er einen monotonen Sing-Sang, der von dort zur Bucht herüberdrang. John Thomas ächzte, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte. Er kannte Jonas, den Seher, wie ihn die Mannschaft nannte. Er wußte, daß auf die „Marygold“ und ihre Männer Unheil lauerte. * Die Nacht, die sich nach einem anstrengenden Tag über Port St. Julian senkte und in der wieder die Feuer ferner Vulkane loderten, verlief ruhig. Zwar trommelten diese unheimlichen Eingeborenen nach wie vor in ihren Bergen, und manchmal schien es auch, als rücke der Klang der Trommeln näher, aber es geschah nichts. In der zweiten Nachthälfte briste es auf. Von der offenen See her drangen Wellen mit weißen Schaumkronen in die Bucht. Die drei Schiffe begannen, an ihren Ankertrossen zu zerren. Francis Drake und der Seewolf standen auf dem Achterkastell der „Golden Hind“.
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„Es ist soweit, Mr. Killigrew. Sobald der Morgen graut, segeln wir“, sagte Drake. „Und noch etwas. Ich wünsche, daß mein Bruder und mein Neffe in Ihre alte Isabella-Crew eingegliedert werden. Beide sind noch reichlich grün hinter den Ohren, es wird Zeit, daß sie zu richtigen Männern werden. Ihre Crew ist dafür die Gewähr. Sie werden behandelt wie jeder andere Mann an Bord auch. Ich wäre Ihnen dankbar, Mr. Killigrew, wenn Sie alles Diesbezügliche veranlassen würden.“ „Aye, aye, Sir!“ Der Seewolf grinste. Drake war ein Mann nach seinem Geschmack. Da gab es keine verzogenen Muttersöhnchen mit besonderen Privilegien. Nun gut, seine Crew würde sich schon um die beiden Bengels kümmern, und das würde eine verdammt harte, aber dafür; erstklassige Schule werden. Mit dem ersten Morgengrauen, eine halbe Stunde, nachdem Tim Brewer, der blutjunge Trompeter Drakes, zum Wecken geblasen hatte, lichteten die „Golden Hind“, die „Marygold“ und die „Elizabeth“ ihre Anker. Man schrieb den 17. August 1578, und es wehte eine steife Brise aus Nordost. Hell leuchteten die windprallen Segel in der Sonne. Tausende von scharfen Augen folgten den drei Schiffen und beobachteten jede ihrer Bewegungen. Und in diesem Moment waren sogar die großen Trommeln der Patagonier verstummt. 3. Der gute Wind hielt zur Überraschung Drakes an. Graugrüne Wogen rollten von Nordosten heran, auf ihnen hoben und senkten sich die drei vor dem Wind laufenden Schiffe. Hasard stand auf dem Achterkastell. Seine Blicke suchten die Wasserfläche ab. Fast in Kiellinie hinter ihnen segelte die „Elizabeth“ unter Kapitän Winter. Ihr folgte in einer halben Meile Abstand die „Marygold“. Hasard registrierte, wie die „Marygold“ langsam aufkam und sich näher und näher an die „Elizabeth“ heranschob.
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An Steuerbord glitt die Küste vorüber. Waldgebiete wechselten mit bergigen, felsigen Regionen. Dunkle Rauchwolken zogen an vielen Stellen über Wälder und Berge. Es mußte im Innern dieses Landes noch eine Menge tätiger Vulkane geben. Ein lauter Ruf Dans, der als Toppsgast im Vormars saß, ließ den. Seewolf herumfahren. „Wale - achteraus an Backbord! Hunderte von Walen!“ Mit einem Schritt stand der Seewolf an der Achterreling. Mit einem Ruck zog er aus einer der großen Taschen seiner Segeltuchjacke das Perspektiv, das er an Bord grundsätzlich bei sich hatte. Er blickte hindurch - und wahrhaftig, dieser Satansbraten hatte recht! Es mußte sich um eine gewaltige Anzahl von Walen handeln. Er sah das deutlich an den weißen Fontänen, die unablässig aus der grüngrauen See emporstiegen. Sie verliehen der ganzen Szenerie fast etwas Gespenstisches. Sie wirkten wie kleine Geysire, die aus den träge dahinrollenden Seen emporwuchsen. Das fahle Sonnenlicht, das an diesem Morgen über der See lag, ließ den Walspout unheimlich und geisterhaft aufleuchten. Hasard war von diesem Anblick derartig fasziniert, daß er nicht bemerkte, wie Drake, der ebenfalls seine Kammer verlassen hatte und neben ihm auf dem Achterkastell stand, die Brauen zusammenzog. Seine Blicke glitten zu den hellen Fontänen hinüber. Er hörte das Trampeln der Männer an Deck, die an dieSteuerbordreling liefen oder in den Wanten des Groß- und Fockmastes aufenterten, um sich diesen einzigartigen Anblick nicht entgehen zu lassen. Auch Drake vermochte sich der Faszination dieses Augenblicks nicht zu entziehen, aber seine kundigen Augen bemerkten auch noch etwas anderes, und das jagte ihm einen gehörigen Schrecken ein. Er kam jedoch nicht mehr dazu, irgendetwas zu sagen oder sich dem neben ihm stehenden Seewolf mitzuteilen, in
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diesem Moment durchschnitt der schrille, weithin hörbare Ruf Dans das Heulen des Windes und das aufgeregte Geschnatter der Seeleute. „Verdammt, Hasard - die ,Marygold'! Sie läuft direkt in die Wale hinein, sie ... ah jetzt hat sie offenbar eins dieser Ungeheuer gerammt, Mann da ist ja der Teufel los, das ist doch ...“ Auch die Seeleute sahen in diesem Moment, was da achteraus mit der ,Marygold“ geschah, und ein vielstimmiger Schrei brandete über Deck. * Kapitän Thomas, der in diesem Moment auf dem Achterkastell seines Schiffes stand und verzweifelt Kommandos über Deck brüllte, wußte doch im selben Moment, daß nichts mehr zu retten war. Die plötzlich um ihn herum auftauchenden, an die Oberfläche emporschießenden Wale hatten ihn völlig überrascht. Er sah noch, wie der alte Jonas mit affenartiger Geschwindigkeit zur Back hinüberwieselte, einen langen Enterhaken in der Hand. Dann ging ein Ruck durch die „Marygold“. Das Wasser neben ihrem Rumpf sprang empor, der Wal, den die „Marygold“ gerammt hatte, versuchte zu tauchen, aber da war der dicke bauchige Rumpf, der ihn mit Titanenkräften vor sich herschob. Das riesige Tier geriet in Panik, wild peitschte seine gewaltige Fluke die Wasseroberfläche und schleuderte das Wasser tonnenweise an Deck. Und als es damit immer noch nicht von dem über ihn hinwegsegelnden Schiff freikam, warf es seinen schweren Körper herum. Es war, als wenn eine unsichtbare Faust die „Marsgold“ aus dem Wasser hob. Das Schiff stieg über den Bug empor, rollte dann nach Backbord über und fiel gleich darauf krachend in die See zurück. Jonas, mit seinem schweren Enterhaken bereits rittlings auf dem Bugspriet, verlor das Gleichgewicht Der Enterhaken entglitt seiner Faust, vergebens griff die Rechte nach einem Halt. Der allzu plötzliche Roller der „Marygold“, das Hineinfallen in
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die hochaufspritzende See mit dem Bug, katapultierte den weißhaarigen Alten in die tobende See. Zusammen mit dem grauschwarzen Riesenkörper des Wals verschwand Jonas in der gischtenden, tobenden See. Ein letzter Schrei hallte zu den vor Schreck erstarrten Seeleuten der „Marygold“ wie der Ruf einer verdammten Seele empor. Noch ein letzter, gewaltiger Schlag des Riesenfluke des Wals, dann richtete sich die „Marygold“ wieder auf. Brausend schäumte die Bugwelle am Rumpf empor. Und erst jetzt gellte der Schrei über Deck: „Mann über Bord! Jonas – der Wal hat Jonas geholt….“ Befehle schallten über Deck. Die Männer stürzten an die Brassen. Die „Marygold“ luvte an, und je mehr sie in den Wind drehte, desto mehr schwangen die Rahen des Fock- und Großmastes herum. Die „Marygold“ verlor an Fahrt. Wieder dröhnten die Kommandos von Kapitän Thomas über das Schiff. Die Männer am Großmast legten sich in die Brassen. Und abermals schwangen die Rahen herum, bis sie vierkant gebrasst waren und die Segel des Großmastes den Nordostwind nunmehr von vorn kriegten. Mit lautem Knallen und Knattern schlugen Groß- und Marssegel back und wirkten von diesem Augenblick an als Bremse. Die Segel des Fockmastes standen hart am Wind und ließen die „Marygold“ langsam leewärts driften. So schnell es ging, brachte ein Kommando von Seeleuten unter der Leitung des Steuermanns mittels einer Talje der Großrah das Boot zu Wasser. „Jonas, Jonas!“ schrien die Männer ein ums andere Mal, aber der weißhaarige Alte blieb verschwunden. Die grüngraue See, in deren Tiefe die Wale voller Panik nach Süden flohen, hatte den Seher der „Marygold“ verschlungen. Das Schlimmste geschah jedoch erst, nachdem das Boot längst wieder an Bord gehievt und die nutzlose Suche abgebrochen worden war. Kapitän Thomas sprach vor der versammelten Mannschaft gerade ein kurzes Gebet für den
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Dahingegangenen, der sich an Bord der „Marygold“ großer Achtung und Beliebtheit erfreut hatte, als einer der Männer plötzlich totenbleich auf eine Steile beim Schanzkleid an Steuerbord deutete. Unwillkürlich klappte Kapitän Thomas seine Bibel zu. „Was, zum Donnerwetter, gibt es denn, daß du es wagst, mit deinen verrückten Grimassen die Andacht für einen zu stören, den das Meer vor unser aller Augen zu sich genommen hat?“ grollte er und schob sich drohend auf den Mann zu. Aber der Mann beachtete den zornigen Kapitän gar nicht, sondern deutete nur immer wieder verstört unter die Nagelbank, in der Belegnagel steckten und über der sich die Wanten zum Großmars spannten. Mit einem Schritt war John Thomas neben dem Mann, aber, dann spürte auch er, wie sich ihm die Haare sträubten. Unter der Belegbank, direkt am Schanzkleid, lag der lederne Eimer des weißhaarigen Alten. Aber nicht nur das. In diesem Becher hatte Jonas auch stets jene dünnen, feinen und schlohweißen Vogelknochen aufbewahrt, aus denen er hin und wieder die Zukunft las. Diese Knochen lagen neben dem Becher und bildeten dort im Schatten der Nagelbank ein deutlich erkennbares Kreuz. Kapitän Thomas spürte, wie sich die Männer seiner Besatzung heranschoben, wie sie sich an ihm vorbeidrängten und ebenfalls auf jenes Kreuz aus bleichen Knochen blickten. Eine Weile schwiegen sie. Aber dann sagte Lars, der lange Norweger: „Jonas hat uns ein Zeichen hinterlassen, daß er uns holen wird. Uns alle, mit Mann und Maus!“ Durch die Mannschaft der „Marygold“ ging eine Bewegung. Kapitän Thomas hörte das anschwellende Gemurmel in seinem Rücken. Und wieder war es Lars, der lange Mann aus dem Norden, der das Wort ergriff. „Ihr alle habt den Alten Jonas genannt. Und er war ein Jonas - er war einer, der
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Schiff und Besatzung Unglück bringt. Er ist nun von Bord, die 'Marygold` wird ihm folgen. Aber paßt auf! So ein Jonas ist nichtwirklich ein Sterblicher wie wir. Er wird schon bald an Bord des nächsten Schiffes erscheinen, er wird sich bald einem nächsten Opfer ankündigen, das dann zu ihm hinab muß in sein nasses Reich.“ Und bevor es Kapitän Thomas verhindern konnte, bückte sich der Norweger. und raffte Eimer wie Knochen an sich. Sein langer Arm flog zurück, schnellte wieder vor, und die Knochen samt dem ledernen Eimer flogen in hohem Bogen in die See. „Ja, Jonas - hole uns! Es war Wahnsinn, diese Fahrt zu der Küste mit jenen braunhäutigen 'Teufeln und den brennenden Bergen zu unternehmen. Wir haben Gott versucht, wir haben die Hölle herausgefordert in unserer maßlosen Gier nach Gold und Reichtum, und jetzt tut sie sich vor uns auf. Du, Jonas, du warst der Bote des Satans, du wirst auch die anderen ...“ Kapitän Thomas packte zu. Er erkannte blitzartig die riesige Gefahr, die der lange Norweger in diesem Moment für Schiff und Besatzung darstellte. Ein solcher Mann konnte Anlaß für eine blutige Meuterei werden. Denn der Aberglaube unter den Seeleuten war so stark, daß sie. ohne zu überlegen, auf Lars, jenen Mann aus dem Norden, hören würden. Krachend landete die Rechte des Kapitäns am Kinn des Norwegers. Der Mann verdrehte die Augen und sackte in sich zusammen. „Steuermann, sperren Sie diesen Mann ein. Er erhält zwei Wochen verschärften Arrest. Sie sind mir persönlich dafür verantwortlich, daß dieser Befehl genau befolgt wird, verstanden?“ .“Aye, aye, Sir, ich werde den Kerl sofort...“ Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. Denn in diesem Moment fuhr der Norweger mit einem irren Schrei vom Boden hoch. Noch bevor der Steuermann ihn zu packen vermochte. hatte er ihn zur Seite gefegt. Seine tief hegenden Augen
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flackerten. Dann sprang er den Kapitän an und rannte John Thomas glatt über den Haufen. Der Kapitän schlug schwer an Deck. Im nächsten Moment hetzte der Norweger auf das Vorderkastell der „Marygold“ zu. Die entsetzten Seeleute sahen noch, wie er mit weit ausgebreiteten Armen die Stufen emportaumelte. Seine Stimme gellte über Deck: „Jonas, ich komme! Dann holen wir sie alle, alle ...“ Ein gellendes Gelächter hallte grausig über die „Marygold“ weg. Gleich darauf war Lars, der Mann aus dem Norden, verschwunden: Er hatte sich genau vor den Bug der unter vollen Segeln vor dem Wind laufenden „Marygold“ gestürzt. Das schwere Schiff hatte ihn sofort erfaßt und unter Wasser gedrückt. Trotz des sofort eingeleiteten Mann-überBord-Manövers blieb der Norweger verschwunden. Auch ihn hatte die grüngraue See verschlungen. Kapitän Thomas tat das einzige, was ihm in dieser Situation überhaupt noch zu tun blieb. Er trieb seine Besatzung erbarmungslos an die Arbeit. Bootsmann, Steuermann und Profos sorgten dafür, daß keiner der Männer für die nächsten Stunden Zeit erhielt, die Geschehnisse an Bord der „Marygold“ durch neue Gerüchte noch schlimmer werden zu lassen, als sie ohnehin schon waren. Dennoch spürte Kapitän Thomas, dass diese .Fahrt für ihn und sein Schiff unter keinem guten Stern stand. Er war viel zu lange Seemann, um solche Zeichen nicht insgeheim doch als heraufziehendes Unheil zu deuten. Sorgenschwer ging er unter Deck. Dann goß er sich ein großes Glas Rum ein. Dabei dachte er an seine Familie. An seine Frau Sandra und die beiden Kinder, die zu dieser Stunde wahrscheinlich in seinem kleinen, gemütlichen Haus in St.-ThomasThe-Apostle am brennenden Kamin zusammensaßen. Er dachte flüchtig an die schönen Frühlingstage, wenn die Bäume und Büsche am Ufer des Exe blühten, wenn die Sonne nach dem langen Winter viel heller zu scheinen schien als sonst...
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Mit einem Schlag trieb er den Korken in den Hals der Rumflasche. „Das wird ja immer schöner!“ brummte er. „Jetzt hockte Kapitän John Thomas schon unter Deck seines Schiffes und benimmt sich wie eine weinerliche, seekranke Landratte auf der ersten Reise!“ Entschlossen stellte er die Flasche in ihr Fach zurück und sicherte es mit einem stabilen hölzernen Riegel. Dann kehrte er an Deck zurück. Als er auf dem Achterdeck auftauchte, sah er sofort, dass Drake mit seiner „Golden Hind“ abgefallen war und ganz offensichtlich auf ihn wartete. „Heiliges Kanonenrohr!“ murmelte der alte Seebär, als er Drake nun auch noch zu allem Überfluß herüberwinken sah. „Was sage ich ihm nur? Er wird bestimmt wissen wollen, was an Bord meines Schiffes passiert ist!“ Er kaute erregt auf seiner Unterlippe herum. „Hölle und Verdammnis!“ fluchte er vor sich hin. „Es hilft nichts, ich muß Drake über die Vorfälle an Bord der ‚Marygold’ Bericht erstatten. Aber der Satan soll mich lotweise holen, wenn ich ihm das so einfach hinüberbrülle. Es ist schon mehr als genug, dass meine eigene Besatzung verrückt spielt!“ Kapitän Thomas schnaubte grimmig, als die „Golden Hind“ sich geschickt in seinen Kurs hineinmanövrierte. Dann sah er Drake, der ihm schon vom Achterkastell zuwinkte. „Hat Ihr Schiff Schaden erlitten, Kapitän? Brauchen Sie Hilfe?“ hörte er ihn rufen. Kapitän Thomas atmete erleichtert auf. Er war sicher, dass Drake die Vorgänge auf der „Marygold“ genau beobachtet hatte, schließlich hielt der Seewolf, der neben ihm stand noch immer sein Spektiv in der Hand. „Danke an Bord ist alles wohl, Sir!“ schrie er zurück. „Die alte „Marygold“ hat den Zusammenstoß mit dem Wal gut überstanden, leider verlor ich in Folge dieses Zusammenstoßes zwei meiner besten Leute. Ich werde Ihnen Bericht
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erstatten, sobald wir irgendwo vor Anker liegen, Sir.“ Einen Moment schien es Kapitän Thomas, als sehe Drake ihn aufmerksam, fast prüfend an. „In Ordnung, Kapitän“, erwiderte er dann jedoch lediglich. Gleich darauf ging die „Golden Hind“ wieder vor den Wind. * Am dritten Tag nach diesen Vorfällen auf der „Marygold“ erreichten die drei Schiffe die Einfahrt in die Magellanstraße. An Steuerbord erhoben sich die schroffen Felsen von Kap de la Virgines. Vor ihnen, wie der weit geöffnete Schlund der Hölle, die Einfahrt in. die Magellanstraße. Die Sonne näherte sich dem Horizont, als Drake sich entschloß, trotz der hereinbrechenden Nacht vor der Küste zu ankern. Zur Einfahrt in die Magellanstraße brauchte er günstigen Wind. Dazu taugte der immer noch wehende Nordost nicht. Hinter den schützenden Felsen von Kap de la Virgines fand Hasard, der mit einem Boot und vier Mann vorausgerudert war, einen geeigneten Ankerplatz. Der Felsen deckte die Schiffe weitgehend von der aus Nordost heranrollenden langen Dünung, schützte sie aber auch vor den immer wieder plötzlich auftretenden Böen. Als die Sonne hinter den Felsen der Magellanstraße schließlich verschwand, zogen dichte Wolken heran, die innerhalb einer knappen Stunde den ganzen Himmel bedeckten. Es wurde eine rabenschwarze Nacht, in der nur hin und wieder die rötlichen Feuer der Vulkane an den Wolken entlangzuckten. Kapitän Thomas erschien kurz nach Anbruch der Nacht an Bord der „Golden Hind“. Drake und Hasard, die ihn allein empfingen, hörten sich schweigend seinen Bericht an. Schließlich erhob sich Drake. „Sie sind sich hoffentlich darüber im klaren, Kapitän, daß dies kein guter Auftakt für Ihr Schiff und für Ihre Mannschaft ist? Wenn es ihnen nicht gelingt, der Elemente in Ihrer Mannschaft
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habhaft zu werden, die von nun an nichts anderes tun werden, als Ihre Männer gegen Sie und gegen das ganze Unternehmen aufzuhetzen, dann weiden Sie einen schweren Stand an Bord haben.“ Er blieb dicht vor John Thomas stehen. „Ich gebe zu, diese Vorfälle müssen bei dem herrschenden Aberglauben der Seeleute wirklich ein schlechtes Omen für die bevorstehenden Strapazen aufgenommen werden. Aber Sie wissen, hoffe ich, doch selbst, daß das alles Humbug ist, oder?“ John Thomas sah Drake an. Dann den Seewolf, dessen eisblaue Augen durch ihn hindurchzusehen schienen. „Ich weiß nicht, Sir. Ich habe dergleichen Dinge schon einmal erlebt Es gibt bestimmte Zeichen auf See, die man nicht einfach mit Aberglauben abtun kann. Vergessen Sie nicht, Sir: Mein Fuß war es, der zum erstenmal den Eimer mit den Knochen umstieß ...“ John Thomas verstummte. Drake und dem Seewolf kam es vor, als erwache der alte Seebär aus einem Traum, aus einer Art Trance. Denn die letzten Worte hatte er mit leiser, kaum hörbarer Stimme gesprochen. „Ich bitte, an Bord meines Schiffes zurückkehren zu dürfen, Sir“, sagte er dann. Drake nickte. Sie hörten die Ruderschläge, mit denen sich das Boot Kapitän Thomas' schließlich von der „Golden Hind“ entfernte. Drake starrte dem Boot nach, als er den Schein einer der Deckslaternen durchquerte. „Mr. Killigrew, wie denken Sie über die Sache?“ fragte er schließlich, ohne sich umzudrehen. Aber der Seewolf schwieg. Und wenig später verließ er die Kammer Kapitän Drakes. * Der nächste Tag verlief ruhig. Der Wind schlief mehr und mehr ein- für diese Breiten eine Seltenheit. Hasard stand häufig mit Ben Brighton an Deck und schnupperte in die Luft. Ihm gefiel das
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Ganze nicht, zumal auch der Himmel eine merkwürdige gelbe Färbung annahm.. Dann begannen gegen Mittag. Wieder irgendwo die Trommeln zu dröhnen. Leise schließlich jedoch lauter und lauter. Die Patagonier sind uns gefolgt Oder sie haben uns durch ihre Trommelei weitergemeldet. Wir. werden beobachtet, Hasard, auf jeder verdammten Meile, die wir segeln, Werden wir beobachtet!“ stieß Ben Brighton hervor. Ferris Tucker trat zu ihnen. Er lehnte sich auf den überlangen Stiel seiner riesigen Axt. Seine Augen hatten sich verengt, während er zu den dunklen Felsen hinüberstarrte. „Irgendwann werden wir noch einmal Frischfleisch holen müssen“, sagte er. „Auf der bevorstehenden Fahrt werden unsere Männer kräftiges Essen benötigen. Wenn wir aber dieser. Gegend an Land gehen, dann werden wir auf der Hut sein müssen.“ Die beiden nickten, Plötzlich keckerte eine Stimme wütend auf dem Vordeck. Ben Brighton wandte sich sm und grinste dann. „Man an sollte dem Bürschchen doch mal eins mit dem Tauende überziehen“, sagte er. „Ich muß mit Carberry reden. Immer ärgert Dan unseren Arwenack“ Ferris Tucker lachte. Es war wirklich urkomisch, wenn Arwenack, der Schimpanse, der als Mannschaftsmaskottchen an Bord der „Golden Hind“ lebte, mitunter seinen Wutanfall kriegte. Dann fletschte er die Zähne, schimpfte lautstark von irgendeiner Rah auf Deck hinab, und meist steckte Dan dahinter. Obwohl gerade er und Arwenack sonst ein Herz und eine Seele waren. Sie sahen, wie der Schimpanse immer noch keckernd durch die Takelage turnte. Irgendetwas hatte er in seiner Rechten und gleich daraus warf er es. Der Erfolg seiner Aktion zeigte sich sofort. „O du verdammtes Biest. du Miststück von einem Satan, ich werde dir helfen, ordentliche Seeleute mit Belegnägeln zu werfen.“
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Wie der Blitz erschien Den auf der Bildfläche, und schreiend stob Arwenack davon. Hasard grinste nun ebenfalls. Dabei bewunderte er wieder einmal die ungeheure Geschicklichkeit und Fixigkeit, mit der Dan hinter dem Schimpansen durch die Wanten turnte. „Also, manchmal weiß ich wirklich nicht, wer von beiden denn nun der Affe ist“, sagte er und lachte. Doch dann wurde er auch schon wieder ernst. „Wie weit sind wir mit dem Schiff?“ Er meinte alle die Arbeiten. die die Männer in Port St Julian nicht mehr vor dem Auslaufen geschafft hatten. „Und wie haben sich eigentlich Doughty und der Kaplan bei dir angestellt, Ferris?“ wollte er dann noch wissen, denn erst jetzt fiel ihm ein, daß er von den beiden während der letzten beiden Tage auch nicht die Nasenspitze zu Gesicht bekommen hatte. Ferris Tuckers Augen funkelten boshaft. „Doughty hat sich die Figur verbogen, als er wieder einmal zu vornehm war, richtig zuzupacken. Eine Bohle ist ihm auf einem der Niedergänge aus den Händen gerutscht, und er ist mit ihr zusammen auf dem darunterliegenden Deck gelandet: Unglücklicherweise die Bohle auf ihm. Ein edler Körperteil mußte ihm von Mac Pellew verarztet werden. Jetzt hadert Doughty wahrscheinlich mit seinem Schicksal. daß er so unausstehlichen Barbaren wie uns in die Finger geraten mußte.“ „Was Ernstes?“ fragte der Seewolf. „Nein, nein, dieser Doughty wird schon wieder. Unsereiner hätte sich um so ein paar Schrammen am Hintern vermutlich nicht gekümmert. Na ja, die feinen Herren ...“ „Und Fletcher? Was ist mit ihm?“ „Der hat sich ganz gut gemacht. Aber ich fürchte, ihm sind seine frommen Sprüche ausgegangen. Jedenfalls sitzt er zur Zeit unter Deck und studiert die Bibel. Soll ich ihn irgendwo einsetzen?“ Der Seewolf schüttelte den Kopf. „Nur wenn wirklich Not am Mann ist, wir könnten mit Fletcher sonst tatsächlich mal
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Ärger kriegen. Der Bursche ist nicht dumm. Wir sollten ein wachsames Auge auf ihn haben. Ich will nicht, daß er die Mannschaft aufhetzt.“ Der Seewolf schwieg einen Moment und überlegte. Dann sah er Tucker und Brighton an, und sein braungebranntes Gesicht wirkte ungewöhnlich ernst. „Hört zu, ihr beiden“, sagte er. „Normalerweise erweise ich Geistlichen den ihnen gebührenden Respekt. An Bord eines Schiffes, besonders auf solchen Reisen wie dieser, ist ein guter Kaplan 'eine hervorragende Sache, vor allem im Hinblick auf Disziplin und Zucht unter den Seeleuten. Bei diesem Fletcher ist das jedoch anders. Der Kerl glaubt selber am allerwenigsten an das, was er da ständig in Form von frommen Sprüchen von sich gibt. Vor allem richtet er sich selber einen Dreck danach. Fletcher ist ein ganz mieser und oberfauler Vertreter seines Standes. Aber täuscht euch nicht, dieser Kerl, der wie die Gutmütigkeit selber aussieht, ist ein höchst gefährlicher Bursche. Er hat Freunde und Einfluß bei Hof. Diesem Umstand verdankt er es, daß er an dieser Reise teilnehmen durfte. Sir Doughty gehörte zu seinen Freunden. Ich fürchte sogar, daß diese beiden mehr miteinander verband, als wir wissen.“ Der Seewolf schwieg abermals, und in seinen Zügen zuckte es. Ferris Tucker und Ben Brighton starrten ihn entgeistert an. So kannten sie Hasard gar nicht. Er war normalerweise ein Mann, der ein Problem anpackte, der Schwierigkeiten, gleich welcher Art, zu Leibe rückte, wenn es sein mußte, auch mit Brachialgewalt. Aber er war kein Mann komplizierten Abwägen, auch wenn er jede seiner Aktionen, jede seiner blitzschnell getroffenen Entscheidungen sehr wohl und auch sehr genau durchdachte. Ferris Tucker stützte sich auf seine lange Axt. „Los, Hasard, rück schon damit raus, was du wirklich meinst. Sollen wir diesem Kerl ein wenig auf die Finger klopfen? Sollen wir ihm seine verdammten frommen
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Sprüche um die Ohren hauen, daß ihm Hören und Sehen vergehen?“ Hasard schüttelte den Kopf. „Nein, nichts von alledem. Wir werden ihn kurz halten und ihm die Flügel stutzen. Hier an Bord ist dieser Mann kein Problem, denn hier haben wir ihn unter Aufsicht Aber anders wird die Sache nach unserer Rückkehr nach England sein. Ich stehe voll hinter dem Urteil, das Drake über diesen verdammten Doughty verhängte, und ihr wißt das.“ Die beiden nickten. „Dennoch befürchte ich, daß dieser Fletcher und Doughtys Bruder in England alle Anstrengungen unternehmen werden, um gegen Kapitän Drake einen Prozeß in Gang zu bringen. Um das zu können, brauchen die beiden Zeugen, die für ihre Sache aussagen. Die aber können sie nur hier an Bord der anderen Schiffe finden. In dieser Richtung wird Fletcher bestimmt einiges unternehmen. Bringt er aber genügend Zeugen zusammen, dann kann Kapitän Drake einen schweren Stand haben. Es ist keine Kleinigkeit, einen Mann von Stellung Sir Doughtys enthaupten zu lassen.“ Ben Brighton ballte die Hände. „Zum Teufel, warum verhindern r das denn nicht von vornherein? Wir könnten diesen Schleicher doch einfach ...“ „Falsch, Ben, ganz falsch. Wir können gar nichts. Wenn Kapitän Drake zum Beispiel diesen Fletcher des Hochverrats oder der Sabotage überführen und ihn ebenfalls wie Doughty hinrichten lassen würde, dann würden zwei Dinge mit Sicherheit geschehen. Einmal würde die Mannschaft das als Frevel auffassen jedenfalls viele der Seeleute. Zum anderen würde sich der Kapitän in diesem Moment mit der Kirche anlegen und das wäre tödlich für ihn. Nein, so geht das nicht, und der Kapitän weiß das auch. Wir müssen etwas anderes tun: Ihr beide werdet zusammen mit mir und unserer Crew dafür sorgen, daß Fletcher keine Gelegenheit findet, seine Absichten zu verwirklichen. Das gleiche gilt den jungen Doughty, Fletcher nie ohne Begleitung eines zuverlässigen Mannes an
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Bord der anderen Schiffe. Ich bin überzeugt, dass der Kapitän sich selber zu schützen weiß, aber soweit wir können, sollten wir darauf achten, daß niemand überhaupt erst etwas gegen ihn in Gang bringt. Ganz davon abgesehen. daß wir für die nächsten Wochen und Monate keinen Streit und keine Zwietracht an Bord gebrauchen können. In diesem Zusammenhang gleich noch etwas. Wenn es sein muß greift hart durch. Aber bleibt gerecht, egal, um wen es sich handelt. So, unterrichtet Smoky und Carberry. Sie können die geeigneten Männer unter der Mannschaft dann einweihen. Die ganze Überwachung muß ab sofort beginnen, klar?“ Der Seewolf hatte leise gesprochen, und seine beiden alten Kampfgefährten spürten, wie ernst er es meinte. Ferris Tucker schulterte seine lange Axt. Du kannst dich auf. uns verlassen. Hasard. Außerdem steht die gesamte Mannschaft hinter Kapitän Drake -mit ein paar Ausnahmen genießt er bei allen hohes Ansehen. Wir hätten uns keinen besseren Führer für diese Reise wünschen können.“ Ben Brighton nickte ebenfalls Gleich darauf waren die beiden verschwunden. Der Seewolf sah ihnen nach.. Dann glitten seine- Augen über den Himmel. Er spürte die leichte Brise, die von See in die Bucht wehte. Er ahnte nicht, daß der Mann, um den es bei dieser Unterredung gegangen war, jedes Wort gehört hatte. Drake hatte auf der Galerie gestanden. Erst als sein Name fiel, hatte er aufgemerkt. Jetzt ging er langsam und nachdenklich in seine Kammer zurück Dieser große schwarzhaarige Mann, den seine Leute den Seewolf nannten und dessen Crew von den anderen die Seewölfe genannt wurden, hatte sich hervorragend entwickelt. Aus dem ungestümen, alle Widerstände über den Haufen rennenden Kämpfer und Draufgänger war ein Mann geworden, der sorgfältig überlegte. Und Drake wußte, daß er den Seewolf immer noch unterschätzt hatte. Denn so sehr ihm auch die Hinrichtung Sir Doughtys im Magen lag, ohne daß er es zeigte, so präzise hatte er
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über die möglichen Folgen noch gar nicht nachgedacht. „Es ist gut, daß ich diesen schwarzhaarigen Satan mit den eisblauen Augen und seine Männer an Bord habe“, murmelte er. „Denn soviel steht für mich fest, auf diese Kerls kann ich mich verlassen, nicht nur auf See, sondern auch in England, wenn wir zurück sein werden.“ Er ging ein paar Schritte auf und ab. Dann blieb er vor einem der Fenster seiner komfortabel eingerichteten Kammer stehen. Gewiß, dieser Killigrew war kein einfacher Untergebener, im Gegenteil, er war einer der schwierigsten und manchmal auch aufsässigsten Burschen, die Drake in seinem Leben bisher kennengelernt hatte. Aber er hatte das Herz auf dem rechten Fleck, genau wie seine Männer. Das allein zählte! Drake beschloß, noch ein wenig an Deck zu gehen und das Schiff zu inspizieren, bevor er sich weiterhin mit seinen Aufzeichnungen über den bisherigen Verlauf der Reise befaßte. Als er das Achterkastell betrat, 'war der Seewolf nicht mehr dort. Hasard befand sich zu dieser Zeit bereits auf dem Wege zum Vorderkastell, wo eine Gruppe von Männern auf den Planken hockte. In ihrer Mitte Francis Fletcher und John Doughty. Hasard verhielt den Schritt. Gleichzeitig bemerkte er Ben Brighton und Ferris Tucker, die nebeneinander an Steuerbord standen und offensichtlich interessiert dem zuhörten was der Kaplan den Männern zu sagen hatte. Langsam ging Hasard weiter, und jetzt erkannte er, daß es sich um die Männer der Freiwache handelte. Fletcher sah ihn kommen. Sein rosiges, gutmütig wirkendes Gesicht legte sich in undefinierbare Falten. „Recht so, Mr. Killigrew. Gesellen Sie sich zu uns. Ein wenig geistliche Erbauung wird auch Ihnen sicher gut tun. Wie steht geschrieben im 18. Kapitel der Sprüche Salomons? Wer sich absondert, der suche, was ihm gelüstet, und setzet sich wider alles, was gut ist. Wo der Gottlose hinkommt, da kommt Verachtung und Schmach mit Hohn. Und es Steht
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geschrieben im 5. Vers des 18. Kapitels: Es ist nicht gut, die Person des Gottlosen achten, zu beugen den Gerechten im Gericht Der Seewolf sah Fletcher an. Er wußte ganz genau, daß dieser Sprücheklopfer diese Verse ganz absichtlich zitiert hatte. Daß diese Sprüche einzig und allein auf ihn gemünzt waren. Aber der Seewolf beherrschte sich, obwohl ihn die Unverschämtheit dieses Kerls bis aufs Blut reizte. Stattdessen grinste er Fletcher an. Und nun kam es ihm zugute, daß auch er als Kind auf Verlangen der Herrin von Arwenack in der Bibel unterwiesen worden war. „Mr. Fletcher, möglicherweise halten Sie mich für dümmer, als ich bin. Ich bin zwar nicht so bibelfest wie Sie, aber auch ich hatte einen guten Lehrer. Im 26. Kapitel, im 25. bis 28. Vers steht geschrieben: Wenn er seine Stimme holdselig macht, so glaube ihm nicht; denn es sind sieben Greuel in seinem Herzen. Wer den Haß heimlich hält Schaden zu tun, des Bosheit wird vor der Gemeinde offenbar werden. Wer eine Grube macht, der wird hineinfallen; und wer einen Stein wälzet, auf den wird er zurückkommen. Eine falsche Zunge hasset, der ihn strafet, und ein Heuchelmaul richtet Verderben an.“ Der Seewolf stand hochaufgerichtet vor dem Schiffskaplan. Seine Augen blitzten unheildrohend. Fletcher hatte sich unter den Worten Killigrews geduckt. Wie Peitschenhiebe hatten sie den völlig Überraschten getroffen. Und nun starrte er den Seewolf mit offenem Munde an. Er konnte es nicht fassen, daß dieser Mann, den er für ungebildet und gewöhnlich gehalten hatte, ihm auf diese Weise zu antworten vermochte. Fletcher konnte nicht wissen, dass es nur drei Stellen in der ganzen Bibel gab, die Philip Hasard Killigrew auswendig konnte - und auch das nur durch einen Zufall. Fletcher brach der Schweiß aus. Eckartig erhob er sich. Dieser Mann wurde ihm allmählich unheimlich. Fletcher
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katzbuckelte ein paarmal, dann zog er sich lautlos zurück. John Doughty wollte ihm folgen, aber Hasard stoppte ihn mit einer energischen Handbewegung. Sie, Mr. Doughty, bleiben hier. Für Sie habe ich eine Beschäftigung, bei der Sie über meine und die Worte des Kaplans hervorragend nachdenken können. Sie sind des Schreibens kundig, Mr. Doughty. Sie werden Mr. Brighton jetzt helfen, eine genaue Liste unserer Vorräte an Bord, einschließlich Wasser, Frischfleisch, Pulver, Kanonenkugeln, Stangenkugeln und so weiter zu erstellen. Wenn Sie damit fertig sind, dann gehen Sie mit einem von mir zu bestimmenden Mann an Bord der ,Marygold` und wiederholen das Ganze. Anschließend zur ,Elizabeth` - und dann kehren¬ Sie an Bord dieses Schiffes zurück und erstatten mir einen genauen Bericht.“ Er sah, wie Doughty aufmucken wollte, aber er ließ ihm dazu keine Zeit. „Das ist eine verantwortungsvolle und äußerst ehrenhafte Aufgabe. Sie ist Ihrem Stande und. ihrer Bildung durchaus angemessen, Mr. Doughty, also keine Widerrede. Ben, ihr fangt sofort an!“ Ben Brighton schob sich grinsend heran. Dann winkte er dem vor Wut leichenblassen John Doughty und verschwand mit ihm auf dem Hauptdeck. Bei Ferris Tucker blieb Hasard einen Moment stehen. „Ferris, du begleitest Doughty auf die beiden anderen Schiffe. Sieh dir bei dieser Gelegenheit auch den Zustand der ,Marygold` nach einmal genau an und sag mir dann, ob wir für das Schiff etwas tun können. Ich mache mir Sorgen um Thomas und seine Männer.“ Der rothaarige Hüne nickte. Dann grinste er Hasard von der Seite her an. „Mit dir kann man schon einige Überraschungen erleben. Also das mit der Bibel, du meine Güte, wer hätte das bei dir vermutet ...“ Doch Hasard winkte ab. „Hat gerade so gepasst, Ferris. Viel mehr hab ich in dieser Beziehung auch nicht
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drauf, diesen Fletcher muß man mit seinen eigenen Waffen schlagen. Ist unten bei den Geschützen alles in Ordnung? Schnapp dir ein paar Leute und leg ein paar Stunden Geschützexerzieren ein, das kann nie schaden. Müßiggang ist aller Laster Anfang - steht auch in der Bibel, alter Freund Er nickte ihm zu und setzte seine Runde über die „Golden Hind“ fort. Aber das Schiff befand sich in einem ausgezeichneten Zustand. Zum Schluß enterte der Seewolf in die Takelage auf. Er verbrachte Stunden mit einer genauen Überprüfung des laufenden und stehenden Guts, der Fallen und Blöcke, der Rahen und der Segel. Auf dieser anstrengenden Tour nahm er Dan mit, den er dabei erwischte, wie er dem Kutscher ein Stück Fleisch aus der Kombüse stibitzte und damit auf die Großrah flüchtete, begleitet von dem keckernden und schimpfenden Arwenack. Schließlich senkte sich der Abend über die Einfahrt zur Magellanstraße. Die Brise, die nun stetig aus Ost wehte, war steifer geworden. Dunkle Regenwolken jagten über die grauen Felsen und das fast schwarze Wasser. Die drei Schiffe arbeiteten an ihren Ankertrossen. Sie hatten sich gedreht und lagen mit dem Heck voraus zur Magellanstraße. Die Temperatur war noch weiter gefallen. Fröstelnd zogen die Seeleute die Schultern hoch, und mancher Fluch wurde vom Wind nach Lee getragen. Francis Drake ließ den Seewolf und die Kapitäne der beiden anderen Schiffe in seine Kammer bitten. „Morgen, mit dem ersten Tageslicht segeln wir. Wir haben fast achterlichen Wind, besser könnten wir es gar nicht treffen. Reihenfolge: 'Golden Hind' segelt voraus. Es folgt die ,Marygold`, den Schluß bildet die ,Elizabeth`. Achten Sie darauf, meine Herren, daß unsere Schiffe genügend Abstand voneinander .halten. Gott möge mit uns allen sein.“ Anschließend lud Drake die Gentlemen zu einem nächtlichen Mahl ein. Auch Fletcher und John Doughty waren anwesend. In
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diesem Punkt hielt Drake sehr auf Etikette. Sein Neffe bediente die Runde der Herren, während Thomas Drake, sein zweiundzwanzigjähriger Bruder, zu seiner Linken Platz genommen hatte. Zur Rechten Drakes saß Kapitän Thomas, der an Jahren älteste der anwesenden Kapitäne. Erst weit nach Mitternacht verabschiedeten sich die Herren von Drake. Und dann, im ersten -Morgengrauen, schallten Kommandos über die Decks der drei Schiffe. Die Anker wurden gelichtet, Segel gesetzt und die Schiffe auf Kurs gebracht. Unter dem donnernden „Arwenack“, von den Männern des Seewolfs ausgestoßen, sehr zum Mißfallen des Schimpansen, der sofort in den Großmars flüchtete, glitt die „Golden Hind“ in die Magellanstraße. Man schrieb den 22. August 1578. 4. Drakes Glückssträhne schien anzuhalten. Vor dem zwar steif, aber beständig blasenden Wind aus Ost liefen die Schiffe mit guter Fahrt durch das erste seeartige Becken am Beginn der Magellanstraße. An Back- und Steuerbord zeigten sich flache, öde und felsige Küsten, auf denen sie nur hin und wieder eine kümmerliche Vegetation wahrnahmen. Nach etwa dreißig Meilen tauchte die erste Verengung des Fahrwassers auf. Drake, der neben dem Seewolf auf dem Achterkastell der „Golden Hind“ stand, lieh sich vom Seewolf das Spektiv. Sorgfältig suchte er die dunklen Felsen ab, aber die Durchfahrt schien breit genug und auch frei von Klippen zu sein. Dennoch befahl er, einen Teil der Segel zu bergen und die Fahrt zu verlangsamen. „Mr. Killigrew, nehmen Sie ein paar Leute, und erkunden Sie die Durchfahrt. Ich will kein unnötiges Risiko eingehen, auf die Karten, die wir über die Magellanstraße an Bord haben, verlasse ich mich ungern.“ Der Seewolf nickte. Der Einfachheit halber führte die „Golden Hind“ ihr Boot im Schlepp mit sich. Bei dem ruhigen Wasser in der Magellanstraße stellte das kein Problem dar. Ein ständiges Zuwasserlassen
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und wie Anbordnehmen wäre auch viel zu zeitraubend gewesen. „Smoky, Batuti, Ferris, Blacky – los, ins Boot mit euch!” brüllte Hasard über Deck und war bereits dabei, das Boot unter die Galerie am Heck der „Golden Hind“ zu ziehen. Die Gerufenen erschienen wie der Blitz. Hasard teilte ihnen nur kurz mit, um was es ging. Doch dann blickte er auf, und seine Brauen zogen sich zusammen. „He, wollt ihr etwa ohne Waffen los?“ fragte er. „Verdammt noch mal, holt euch gefälligst geladene Musketen, ein Fäßchen Pulver und was sonst noch nötig ist. Beeilt euch, sonst sind unsere Schiffe noch eher an der Durchfahrt als wir!“ Er zog seine sächsische doppelläufige Radschloßpistole aus dem Gürtel und überprüfte sie sorgfältig. Dann, als die anderen wieder auftauchten, turnte er als erster am Tau ins Boot hinunter und nahm seinen Platz am Steuer ein. Gleich darauf legte das Boot ab und glitt um das Heck der „Golden Hind“ herum, die gerade dabei war, in den Wind zu gehen. Sie benötigten etwa eine Viertelstunde, dann tat sich vor ihnen die Durchfahrt auf. Die Felsen waren hier etwas höher, als zuvor. Zum Wasser hin fielen sie steil ab, aber vorspringende Klippen zeigten sich nicht. Der Seewolf schätzte die Breite der Durchfahrt eine knappe Meile. „Loten, Ferris. Versuch mal, ob du hier mit dem Lot Grund kriegst!“ Der rothaarige Hüne erhob sich von seiner Ducht und griff nach dem Lot, das an einer langen Leine befestigt war. Er schwang es über Bord und ließ die Leine durch seine Finger laufen. Dann gab es einen Ruck. „Mindestens fünfzig Faden“, sagte er dann, „Gut, weiter!“ Die vier Männer griffen erneut zu den Riemen. Sie drangen weiter und weiter in die Durchfahrt vor, und immer wieder löteten sie die Wassertiefe aus: Das Ergebnis war mehr als gut, alle drei Schiffe, auch die „Golden Hind“, die mit
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ihren etwas über hundert Tonnen das größte der drei Schiffe war, würden immer reichlich Wasser unter dem Kiel behalten. Dennoch pullten sie noch weiter. Sie erreichten das Ende der Durchfahrt, und vor ihnen tat sich abermals ein weites, seeartiges Becken auf. An einem Ende gerade noch erkennbar, schien sich wieder eine Durchfahrt zu befinden. Ganz sicher war sich Hasard trotz seines Spektivs allerdings nicht, denn hin und wieder versperrten ihnen dichte Regenschleier die Sicht. „Umdrehen!“ befahl der Seewolf. „Dieses Becken hat noch Zeit. Wir werden jetzt erst mal dafür sorgen, daß die drei Schiffe hierher segeln.“ Seine Gefährten legten sich in die Riemen. Noch ein paarmal löteten sie die Tiefe aus, aber es blieb dabei, es gab in dieser Durchfahrt weder Untiefen noch tückische Unterwasserriffs, die den Schiffen gefährlich werden konnten. Jedenfalls nicht, so lange sie sich in der Mitte hielten. Als sie in das erste Becken einliefen, erblickten sie die „Golden Hind“, die sich unmittelbar vor der Durchfahrt postiert hatte. Hasard winkte Drake zu, der bereits ungeduldig zu warten schien. Sofort erschallten Kommandos, der Anker wurde gehievt, Segel begannen sich zu blähen. Minuten später stand Hasard an Bord und erstattete Drake Bericht, während Ferris Tucker und Batuti das Boot wieder am Heck der „Golden Hind“ vertäuten. Und dennoch hatten alle fünf Männer etwas ganz Wesentliches übersehen: die dunklen Gestalten, die tief in die Felsen und hinter die kümmerliche Vegetation geduckt, dies alles genau und aus glühenden Augen beobachtet hatten. Ihr Anführer wartete, bis die drei Schiffe in die Durchfahrt eingelaufen waren, dann gab er den Seinen ein Zeichen, sich zurückzuziehen. Sofort verschwanden die in graue Felle gekleideten Gestalten. Unsichtbar für Drake und seine Männer folgten sie dem Verband, umrundeten das nächste Becken und legten sich mit allen
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Anzeichen höchster Erregung bei der nächsten Durchfahrt. auf die Lauer. Die Regenschauer ließen nach, kurzzeitig kroch die Sonne hinter den Wolken hervor und tauchte das Land in einen unwirklichen Schein. Einer der Seeleute auf der „Marygold“ bekreuzigte sich. Er dachte an Jonas, den Seher, und an das, was anschließend noch geschehen war. Dieses eigenartige, gelblich-fahle Licht bestärkte ihn in der Meinung, daß sie nunmehr geradewegs an das Ende der Weit segelten, zur Einfahrt der Hölle, wo der Satan schon auf sie lauerte. * Drake riskierte auch bei der nächsten Durchfahrt nichts, obwohl sie sich als wesentlich breiter erwies. Und er tat gut daran, wie sich schon bald herausstellte. Denn an Steuerbord zog sich fast die gesamte Durchfahrt über eine gefährliche, mit spitzen Felsen übersäte Untiefe hin. Manchmal wurde das Fahrwasser so eng, daß Drake die „Golden Hind“ durch Boote schleppen ließ. Die Männer fluchten, Schweiß rann. über ihre Körper, der kalte Wind, der von den Felsen her über das Wasser strich, setzte ihnen zu. Aber sie schafften auch das. Am dritten Abend nach ihrem Aufbruch zur Durchquerung der Magellanstraße ankerten die Schiffe dicht nebeneinander in einer kleinen Bucht am Nordufer. Unweit von ihnen ragten aus dem Wasser einige kleinere Inseln empor. Im ersten Licht des neuen Tages sollte der Seewolf wiederum mit einem Boot vorausfahren, um zu erkunden, wie dieses dritte und offensichtlich wesentlich größere Becken weiterhin aussah. Allerdings beschloß Drake, in einigem Abstand zu folgen. Es war ihm einfach zu gefährlich, die Männer außer Sicht- und Rufweite der Schiffe allein operieren zu lassen. Der Wind hatte etwas nachgelassen, aber noch immer blies er beständig aus Ost. Für die Männer auf den Schiffen war es außerordentlich verwirrend, daß sowohl
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Sonne als auch Mond zur Zeit ihrer Kulmination in diesen südlichen Breiten hoch im Norden standen, statt wie gewohnt im Süden. Fletcher, der Schiffskaplan, sparte nicht mit Sprüchen über Hölle und Verdammnis, die auf sie alle warteten, falls sie noch weitersegeln würden. Aber die Männer hörten nicht auf ihn, denn bisher war die Reise gut verlaufen. Und auf die „Marygold“ ließ Hasard den Bordgeistlichen nicht. Am nächsten Morgen, die Sonne warf eben ihr erstes blasses Licht über die Bucht, brachen Hasard, Batuti, Smoky, Ferris Tucker, Blacky und Dan auf. Dan hatten sie wegen seiner scharfen Augen mitgenommen. Drake hingegen hatte die Besatzung der „Elizabeth“ beauftragt, vor der Weiterfahrt noch Frischfleisch zu jagen. Die Bucht und die in der Nähe gelegenen Küstenstriche wimmelten nur so von Pinguinen, auch Robben fehlten nicht. Drake konnte nicht wissen, daß diese Hasard und seinen Männern fast zum Verhängnis werden sollte, denn durch diese Aktion verzögerte sich auch die Abfahrt der „Golden Hind“. Batuti, Smoky, Blacky und Ferris Tucker bedienten die Riemen. Dan hockte mit der Lotleine im Bug, Hasard hatte die Ruderpinne übernommen. Er hielt geradewegs auf die größte der Inseln zu, denn er vermutete, daß hinter ihr wieder das Offene Fahrwasser beginnen würde. Die Durchfahrt zwischen den Inseln jedoch mußten sie erst ausloten. Bei ihrer Abfahrt hatte Drake ihnen noch eingeschärft, sich nicht zu weit von den Schiffen zu entfernen, sondern hinter den Inseln, sobald sie eine geeignete Durchfahrt gefunden hatten, zumindest auf die „Golden Hind“ zu warten. Hasard war auch entschlossen, das zu tun, aber dann kam alles ganz anders. Als sie aufgebrochen waren, hatten sie die starke Strömung gespürt, die vom Atlantik mit dem Wechseln der Gezeiten in die Magellanstraße drückte. Auf diese Weise gelangten sie sehr rasch vorwärts und brauchten sich nicht einmal sonderlich anzustrengen.
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Dan lotete unaufhörlich die Wassertiefen und sang den Faden aus. Wenn sich das Wasser zwischen den Inseln auch als flacher erwies, so reichte die Wassertiefe dennoch gut aus, um die drei Schiffe hindurchzulassen. Die größte der Inseln, die nun an Backbord, vorbeiglitt, machte einen felsigen Eindruck. Aber sie wies zum Erstaunen der Männer sandige, mit dichter Vegetation .. bestandene Buchten auf. „Das sollten wir uns eigentlich einmal näher ansehen“, murmelte Hasard. Ferris, der ihm, zusammen mit Smoky, am nächsten saß, nickte. In den Berichten Magellans hatten jene kleinen Inseln Erwähnung gefunden. Magellans Männer hatten dort versteckte Quellen entdeckt, die herrliches, kristallklares Trinkwasser lieferten. Etwas, woran die Schiffe Drakes zwar noch keinen Mangel litten, das sie aber unbedingt in allernächster Zeit ergänzen mußten. Hasard warf einen -Blick zur Insel hinüber. „Wo Vegetation ist, da muß es Wasser geben“, sagte er. Und damit war die Entscheidung gefallen. „Legt euch in die Riemen, Männer, wir werden uns diese Insel ansehen Vorwärts! Und haltet für alle Fälle die Waffen bereit Seine Gefährten grinsten, und das Boot schoß unter den Schlägen der Riemen auf das Eiland zu. Zwar hatte Hasard immer noch Bedenken, irgendeine innere Stimme warnte ihn vor diesem Abenteuer, vor dieser nicht vorgesehenen Landung.. Aber er wischte die Bedenken zur Seite. Die Durchfahrt zwischen den Inseln hatten sie ausgelotet und ihre eigentliche Aufgabe damit erfüllt. Seit sie die Durchsegelung der Magellanstraße begonnen hatten, war nirgendwo eine menschliche Seele an Land zu sehen gewesen. Außerdem hielt der Seewolf es für möglich, daß jene kleinen, überwiegend flachen Inseln bei Stürmen. wenn das Wasser des offenen Meeres in die Magellanstraße gedrückt wurde und Gezeitenströme den Druck noch vermehrten, überspült wurden. Schon aus
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diesem Grunde würden sie unbewohnt sein. Er beobachtete Dan, der vorn im Bug unruhig hin und her rutschte. Das war eine Sache nach Dans Geschmack - eine unbekannte Insel erkunden! Land betreten, das vielleicht noch nie eines Menschen Fuß betreten hatte! Was konnte es da nicht alles an Überraschungen geben! Sie näherten sich dem Eiland. Hasard überlegte, wie lange sie wohl brauchen würden, um die Insel abzusuchen. Er gelangte zu dem Ergebnis, daß sie längst damit fertig sein würden, ehe die „Golden Hind“ wieder die Segel setzte. Außerdem würde noch eine gehörige Weile vergehen, bis die Männer Kapitän Winters von der Jagd zurück waren. Dann mußte die Beute noch verteilt werden, bevor die drei Schiffe ihre Anker lichteten. Abermals musterte der Seewolf das Bürschchen. Er sah dem Jungen den Tatendrang an, der ihn erfüllte. „Dan!“ rief er, und seine Stimme war schärfer, als er es beabsichtigt hatte. Dan fuhr herum und starrte den Seewolf an. „Du unternimmst nach der Landung nichts auf eigene Faust, verstanden? Du hältst dich bei uns, oder ich ziehe dir die Haut ab, klar?“ Dan bedachte den Seewolf mit einem giftigen Blick. „Falls du es nicht wissen solltest, Sir“, murmelte er ergrimmt, „aber Donegal Daniel O'Flynn braucht schon seit ein paar Jahren keine Amme mehr. Schon gar nicht bei solchen Gelegenheiten!“ Er wandte sich abrupt um und starrte der Insel entgegen, der sie sich nun schnell näherten. Er dachte aber sogleich wieder an all das Neue, Unbekannte, das diese Insel bieten mochte. An die Überraschungen, die sie möglicherweise noch vor ihren Blicken verbarg. Dan behielt recht, es erwartete Hasard und seine Männer eine Überraschung. Aber eine andere, als Dan sie sich vorgestellt hatte. *
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Der Kiel des Bootes schob sich knirschend auf den Sand. Wie der Blitz sprang Dan an Land und zog das Boot an der Bugleine höher aufs Ufer. Dann blickte er sich um, und der Seewolf bemerkte diesen Blick sehr wohl. Das Bürschchen zitterte schon fast an allen Gliedern vor Unternehmungslust. Zusammen mit den anderen ging auch er an Land. Die Insel lag still vor ihnen. Nichts rührte sich. Es gab keine Vögel, die durch den dichten Vegetationsgürtel flatterten, der sich offenbar in der Uferzone rings um das Eiland zog. Nirgendwo war ein Laut zu hören, ausgenommen das Pfeifen des Windes, der in der letzten Stunde an Stärke mehr und mehr zugenommen hatte. Hasard ließ seine Blicke durch die kleine Bucht schweifen, in der sie sich befanden. Hinter dem Vegetationsgürtel schien das Terrain etwas anzusteigen. Nach Westen hin gab es so etwas wie einen Berggipfel, den Hasard jedoch auf eine Höhe von höchstens dreihundert Fuß schätzte. Er winkte den anderen und ging langsam auf den Pflanzengürtel zu. Er hatte Pflanzen dieser Art noch nie gesehen. Sie stellten eine Mischung aus niederen, verkrüppelten baumartigen Gewächsen und einer Art Schlingpflanzen dar, die sich überall zwischen die knorrigen Aste gerankt hatten. Prüfend zerrieb Hasard eins der Blätter zwischen seinen Fingern. Es war frisch und feucht, ein Zeichen dafür, daß es den Pflanzen an Wasser nicht mangeln konnte. „Es muß Wasser auf dieser Insel geben“, sagte der Seewolf schließlich, nachdem er noch mehrere Blätter auf diese Art einer Prüfung unterzogen hatte. „Also dann, auf was warten wir eigentlich noch?“ mischte sich. Dan ein, der vor Ungeduld von einen Bein aufs andere trat. „Wahrscheinlich finden wir schon gleich hinter diesen Pflanzen einen Tümpel, eine Quelle oder sonst irgendetwas!“ Ehe Hasard es verhindern konnte, hatte sich Dan an ihm vorbeigedrückt und verschwand in einer Lücke zwischen den
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Gewächsen, mit der gleichen unheimlichen Schnelligkeit und Geschicklichkeit, mit der er auch durch die Takelage eines Schiffes turnte. „Dan, verflixt noch mal, komm sofort zurück, oder ich werde dir ...“ Dan hörte das schon nicht mehr. Sein Entdeckungsdrang war mit ihm durchgegangen. Er schlängelte sich mit seinem schmächtigen Körper wie eine Schlange durch die Krüppelgewächse und Schlingpflanzen. Er war so in Fahrt, daß nicht einmal seine scharfen Augen die Fußspuren entdeckten, die durch eben diese Lücke ins Innere der Insel führten. Er merkte nicht, daß er sich auf einem Pfad entlangbewegte, den irgendjemand vor ihm durch das Dickicht gebahnt haben mußte. Nur einmal hörte er hinter sich das wütende Gebrüll von. Ferris Tucker, der sich gleich hinter dem fluchenden Seewolf durch das Dickicht arbeitete. Wo ihm die Pflanzen den Weg versperrten. da hieb er wütend mit seiner Axt auf sie ein. Plötzlich blieb Hasard ruckartig stehen und wäre von dem rothaarigen Hünen um ein Haar über den Haufen gerannt worden. Dem Seewolf war in diesem Moment aufgefallen, was Dans scharfen Augen entgangen war. „He, was gibt es, Hasard? Also diesem Hundesohn verpasse ich eine Tracht Prügel, die er so schnell nicht vergessen wird. Wenn dieser kleine Satan mir zwischen die Finger gerät! Ich will ihm schon beibringen, deine Befehle zu befolgen, ich Der Seewolf packte Tucker am Arm und deutete auf die Fußspuren, die vor ihm durch den Pflanzengürtel führten. „Die Insel ist bewohnt, Ferris. Wir haben uns wie Idioten benommen, und dieser verdammte Dan, er hat uns ...“ Hinter den beiden erscholl plötzlich ein durch Mark und Bein gehendes Gebrüll. Zwischen dem Grün der Pflanzen tauchten schemenhafte Gestalten auf. Sie drangen von allen Seiten zugleich auf Hasard und seine Männer ein. Ferris Tucker riß die Axt hoch. Mit furchtbarer Gewalt beschrieb die schwere
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Waffe einen Kreis um seinen Kopf und mähte alles nieder, was der scharfen Schneide in die Quere geriet. Der Seewolf hatte seine Radschloßpistole aus dem Gürtel gerissen. Er sah eine der schemenhaften Gestalten und drückte ab. Donnernd entlud sich die Waffe, aber dann antwortete ihm schrilles Geschrei. Schwere Steine flogen auf sie zu und durchbrachen mit entsetzlicher Gewalt die Äste der verkrüppelten Bäume. Hasard duckte sich, aber das half ihm nichts, genauso wenig, wie es Ferris Tucker etwas half. Er nahm- hinter sich eine Bewegung wahr und warf sich blitzschnell zur Seite. Seine Hände packten noch im Fallen einen jener unheimlichen Gegner, aber dann traf ihn auch schon ein mörderischer Hieb. Das letzte, was Hasard wahrnahm, war Ferris Tucker, der eben von drei oder vier Gestalten, die in grauen Fellen steckten, niedergerissen wurde. Dann verlor der Seewolf das Bewußtsein. Das alles war so plötzlich über die Männer Hasards hereingebrochen, daß auch keiner der anderen mehr Gelegenheit gefunden hatte, ernsthaften Widerstand zu leisten. Die unheimlichen Gegner waren von allen Seiten zugleich auf sie eingedrungen, hatten sie entweder durch Hiebe betäubt oder einfach zu Boden gerissen und anschließend gefesselt. Hasard spürte nicht, wie er ins Innere der Insel geschleppt wurde. Und keiner der Männer sah, wie andere in graue Felle gekleidete Gestalten das Boot, mit dem Hasard und seine Männer in der Bucht gelandet waren, auf den Strand zogen und ins Gebüsch so weit hineinzerrten, daß es vom Wasser aus nicht mehr zu sehen war. Als der Seewolf aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte, lag er an einem kleinen blauschwarzen See, der einen Durchmesser von allerhöchstens hundert Yards haben mochte. Vorsichtig blickte er sich um. Neben. ihm, fein säuberlich aufgereiht, la- gen seine Gefährten, samt und sonders mit unzerreißbaren Lederriemen an Händen und Füßen gefesselt.
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Der Seewolf wälzte sich zur anderen Seite herum. Dabei registrierte er das dumpfe Dröhnen in seinem Schädel und die grauen Gestalten, die an einem mit kleiner Flamme brennenden Feuer hockten und zu ihm herüberstarrten. Hasard zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen. Das war eine ganz verdammte Situation, in die sie da hineingestolpert waren. Seine Augen suchten Dan. Das Bürschchen lag neben Smoky und zerrte wie wild an seinen Fesseln. Über seine rechte Wange lief eine breite Blutspur, die von einer Platzwunde an der Stirn stammte. Neben dem Seewolf lag Ferris Tucker. Auch er hatte soeben das Bewußtsein wiedererlangt. Er sah den Seewolf aus zusammengekniffenen Augen an. „Ho, Hasard! Da sind wir aber ganz schön in die Scheiße geraten. Hoffentlich haben uns diese Kerle da nicht auf ihre Speisekarte gesetzt. Ich erinnere mich, daß in irgendwelchen Berichten etwas von Menschenfressern gestanden haben soll.“ Der Seewolf erschrak. An diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht gedacht Das waren ja höllische Aussichten. Unwillkürlich sah er zu den Eingeborenen hinüber, die immer noch völlig bewegungslos an dem kleinen See hockten und zu ihnen herüberstarrten. Sie bewegten sich nicht, in ihren Mienen verzog sich kein Muskel, aber dennoch ging von ihnen etwas aus, was Hasard nicht gerade mit Optimismus erfüllte, soweit es ihre Lage betraf. Er gab sich einen Ruck. Nacheinander rief er die Namen seiner Gefährten auf. Alle antworteten ihm. Batuti konnte nicht länger an sich halten, er machte seinem Zorn gründlich Luft. „Binden Batuti los, und er euch alle einzeln ersäufen wie Ratten; wenn Schiff untergeht! Oh, gemeines hinterhältiges Mensch, mistiges Bewohner von dieses Insel! Batuti schlagen, von hinten auf Kopf! Wartet, Batuti euch allen die Hälse herumdreht, wenn zwischen die Fäuste kriegen! Geschrei wird ganz Magellanstraße zittern lassen. Batuti euch
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alle totschlagen wie räudiges Hund, euch in Stücke reißen und Teufel als Braten in Hölle schicken“, radebrechte er in seinem fürchterlichen Englisch. Er zerrte wie wild an seinen Fesseln - und tatsächlich, die Riemen an seinen Füßen gaben nach. Batuti stieß einen gewaltigen Schrei aus. Wie der Blitz war er hoch, jagte in langen Sätzen auf die völlig überraschten Gegner zu und war bereits über ihnen, bevor sie sich von ihrem Schrecken erholt hatten. Dan, der das sah, brüllte wie am Spieß, und auch die anderen fielen in das Gebrüll ein. Die Eingeborenen sprangen auf, griffen zu ihren Keulen und Steinbeilen, aber Batuti, der herkulisch gebaute Neger aus Gambia, trieb sie mit Tritten vor sich her, hieb mit seinen gefesselten Händen auf sie ein, walzte sie mit seinem riesigen Körper und seinen unheimlichen Kräften einfach nieder. Dabei brüllte er aus Leibeskräften und rollte in geradezu furchterregender Weise die Augen. Die Männer in den grauen Fellen wichen zurück. Deutlich stand die Furcht vor diesem rasenden Unhold in ihren Gesichtern. Doch dann sprang ein Mann auf Batuti zu, den Hasard zuvor noch gar nicht bemerkt hatte. Ein wahrer Riese, größer und breiter noch als Batuti. Sein nackter Oberkörper strotzte von eigenharten Muskelsträngen. „Batuti, paß auf. zurück, Batuti hierher!“ brüllte der Seewolf, aber es war bereits zu spät. Der unheimliche Riese packte Batuti, schleuderte ihn mit einer wilden Bewegung zu Boden und setzte dem Neger im nächsten Moment die Spitze seiner Lanze auf die Brust. Dann winkte er mit .herrischer Geste ein paar der Eingeborenen zu sich heran Gebieterisch deutete er auf die Füße Batutis, und im nächsten Moment war der Gambia-Neger so fest verschnürt, daß er sich aus eigenes Kraft bestimmt nicht wieder befrei- en konnte. Der Hüne stieß ein paar Laute in einer fremden Sprache aus, und seine Männer schleppten Batuti zu seinen Gefährten
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zurück und legten ihn wieder auf den Platz, an dem er zuvor schon gelegen hatte. Hasard und seine Männer hatten diese Szene voller Überraschung. beobachtet. Es wäre dem Hünen en leichtes gewesen, Batuti umzubringen. Also offenbar wollte man ihnen jedenfalls nicht sofort ans Leben! Hasard richtete sich ein Wenig auf soweit das seine Fesseln erlaubten. „Ihr habt gesehen, was geschehen ist. Er hätte Batuti umbringen können, er hat das nicht getan. Verhaltet Erich ruhig, reizt diese Leute nicht Warten wir ab, was sie mit uns vorhaben.“ Hasard hatte gerade ausgesprochen, als die nächste Überraschung passierte. Eine Überraschung, die ihm glatt den Atem verschlug. Aus dem einzigen Zelt, das die Eingeborenen am See aufgeschlagen hatten, trat ein alter Mann ins Freie Hasard sah sofort, daß es sich nicht um einen Eingeborenen, sondern um einen Weißen handelte. Er wirkte hager und ging ein wenig nach vorn gebeugt Sein Haar war schlohweiß, seine Gesichtshaut tiefbraun im Gegensatz zu der der Eingeborenen, die einen gelblichen Schimmer hatte. Am meisten faszinierte Hasard jedoch das Gesicht dieses Alten. Er hatte scharfe, fast asketische Züge. Seine steingrauen Augen hatten einen Blick, der durch Menschen hindurchzugehen schien wie durch Luft. Mit langsamen, gemessenen Bewegungen bewegte er sich auf Hasard zu, und doch steckte in diesen Bewegungen noch Elastizität und Kraft. Vor dem Seewolf blieb er stehen. Eine Weile heftete sich der durchbohrende Blick seiner Augen auf Hasard. „Sie sind also der Anführer dieser Männer“, sagte er schließlich, und zur grenzenlosen Überraschung Hasards sprach er ein leidliches Englisch. Hasard ruckte hoch, und auch die anderen starrten den Alten fassungslos an. Alles hätten sie erwartet aber ganz bestimmt keinen Weißen, der sie in ihrer Muttersprache anredete.
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Hasard brachte es gerade noch fertig, zu nicken. Dann sprach der Alte schon weiter. „Sie und Ihre Männer gehören zu den drei Schiffen, die hinter der Insel liegen?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Wieder nickte Hasard, aber dann hatte er seine Verblüffung endlich überwunden. „Sie sprechen englisch!“ stieß er hervor. „Was, zum Teufel, tun Sie unter diesen Barbaren, unter diesen Kerlen, die mich und meine Männer heimtückisch von hinten überfallen haben?“ Wieder sah ihn der Alte schweigend an. Dann gab er dem riesigen Anführer der Eingeborenen einen Wink. „Binde ihn los, aber laß ihn gut bewachen.“ Der Häuptling starrte den Seewolf einen Moment an. In seinem Blick lagen deutlich Zögern und Ablehnung, aber dann trat er an Hasard heran und löste seine Fesseln. Der Alte hatte Hasard nicht aus den Augen gelassen. „Versuchen Sie lieber nicht, mich zu überrumpeln, Fremder. Sie und Ihre Männer würden sofort getötet. Ich gelte bei diesem Indianerstamm als eine Art Medizinmann, ich bin in den Augen der Eingeborenen eine heilige Person. Wer mich auch nur anrührt, muß sterben, so wollen es die Gesetze dieses Volkes. Also, keine Dummheiten, vielleicht haben Sie dann noch eine Chance. Sie und Ihre Männer. Aber das wird unser Gespräch ergeben!“ Der Alte wartete, bis Hasard sich erhoben hatte. Dann winkte er ihm, ihm zu folgen. Mit gemessenen, fast feierlich wirkenden Bewegungen ging er voraus. In einigem Abstand folgte ihnen der riesige Häuptling, der jetzt eine schwere Steinaxt in der Rechten hielt Der Alte schlug das Fell, das vor, dem Eingang zu seinem Zelt hing, zurück. Dann forderte er den Seewolf auf, einzutreten und sich ihm gegenüber zu setzen. Der Häuptling, der ebenfalls auf einen Wink des Alten etwas Abseits Platz genommen hatte. ließ Hasard nicht aus den Augen. Hasard spürte, daß der Bursche ihm bei der
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ersten falschen Bewegung den Schädel mit seiner Steinaxt einschlagen würde. „Zum Teufel, wie kommen Sie zu diesen Kerlen, Mister?“ wiederholte Hasard seine Frage. Wieder schwieg der Alte eine Weile. „Das wäre eine lange Geschichte, Mister ...?“ „Killigrew, Philip, Hasard Killigrew“, stellte der Seewolf sich vor. Der Alte verneigte sich leicht. „Mich nennt man hier den ‚Heiligen Berg', und dabei wollen wir es belassen. Aber trotzdem will ich Ihre Frage beantworten, Mr. Killigrew. Ich weiß nicht, was inzwischen alles in der Welt passiert ist, aber ich lebe hier bei diesem Volk, seit es mir gelang, den Henkersknechten Magellans zu entkommen, die alle anderen Meuterer in Port St. Julian damals, vor nunmehr achtundfünfzig Jahren, henkten. Ich war damals Schiffsjunge auf Magellans Schiff, wurde in die Meuterei mit hineingezogen und zum Tode verurteilt. Es gelang mir, am Morgen vor der Hinrichtung zu entfliehen. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich damals durch Stürme, Felsen, Regen und Kälte irrte. Aber dann fanden mich Indianer dieses Stammes. Sie töteten mich nicht, sondern nahmen mich mit und zogen mich auf. Ich unterwies sie dafür kraft meines besseren Wissens in vielen Dingen und Fertigkeiten, von denen sie noch nie gehör, hatten. Langsam stieg ich innerhalb des Stammes auf. Schließlich, schon in der zweiten Generation, wurde ich zum Medizinmann gewählt. Ich trat allein die Wanderung zum heiligen Berg an, einem Vulkan südlich dieser Gewässer. Ein gefährliches und fast immer tödliches Unternehmen. Aber ich schaffte es, und seither gelte ich als unantastbar bei diesem Volk. Das etwa ist meine Geschichte, Mr. Killigrew.“ Der Alte schloß für einen Moment die Augen. Hasard spürte, wie die Jahre der Vergangenheit vor seiner Erinnerung vorbeizogen. Schließlich öffnete der Alte wieder die Augen. „Jetzt sind Sie an der Reihe. Wie kommen Sie hierher, was wollen Ihre Schiffe in
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diesem Becken, was suchten sie ausgerechnet auf dieser Insel?“ Hasard zögerte. Sollte er diesem Alten reinen Wein einschenken? Er entschloß sich, eine Gegenfrage zu stellen: „Befanden Sie und Ihre Männer sich zufällig hier, oder haben Sie uns beobachtet, und einen Hinterhalt gelegt? Und warum wurden wir von Ihren Indianern überfallen? Sie hätten sich doch sagen müssen, daß ein solcher Überfall eine Strafaktion nach sich ziehen muß, bei der es zumindest auf Ihrer Seite eine Menge Tote geben würde!“ Der Alte schüttelte den Kopf, und in seine Züge trat ein Ausdruck der Geringschätzigkeit. „Sie sind so überheblich wie alle Weißen, die ich kenne. Sollte Ihr Befehlshaber so dumm sein und eine Strafexpedition gegen mein Volk anordnen ...“ „Gegen Ihr Volk? Hören Sie, Sie vergessen ganz, daß Sie ein Weißer sind, daß Sie meine Sprache sprechen, daß Sie ...“ Der Alte hatte sich ruckartig kerzengerade aufgesetzt. Seine Augen funkelten plötzlich. „Ein Weißer, ich? Wissen Sie, wie lange ich schon unter diesen Menschen lebe? Fast sechs Jahrzehnte. Und wenn ich je beim Anblick Ihrer Schiffe den Gedanken oder den Wunsch gehabt hätte, in die Zivilisation zurückzukehren, dann hätte ich ihn in diesem Moment endgültig begraben. Denn Ihr seid immer noch genauso wie zu Magellans Zeiten. Wo Ihr erscheint, bringt Ihr Tod und Verderben. Mit euch halten Arroganz und Unterdrückung Einzug. Was man euch nicht gibt, das nehmt Ihr euch, mit Mord und Totschlag, wenn es sein muß. Oft auch dann, wenn es andere, bessere Möglichkeiten gäbe, wenn ein friedliches Miteinander möglich wäre. Aber ihr - ihr verhandelt ja nicht einmal mit Der weißhaarige Mann hatte sich in Erregung geredet, aber ebenso schnell wie sie ihn übermannt hatte, beherrschte er sich wieder. „Also gut, Mr. Killigrew, ich will Ihre Frage beantworten. Wir haben Sie seit
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langem beobachtet. Ich hatte mir vorgenommen, irgendwie Verbindung mit Ihnen aufzunehmen, weil ich wissen wollte, was alles geschehen ist, seit ich bei diesem Stamm lebe. Aber dann begingen Sie den Fehler, auf dieser Insel zu landen. Diese Insel ist heiliges Gebiet – Sie und Ihre Männer haben das Leben verwirkt. Ich weiß im Moment noch nicht, ob ich Ihnen aus der Klemme helfen kann, denn ich habe nicht das geringste Interessen an Ihrem Tod. Andererseits war es auch nicht möglich, die religiösen Gebräuche dieses Stammes, die in Jahrtausendem wuchsen, zu verändern, oder ich wäre selber ein toter Mann gewesen. Ich habe bei diesem Volk eine Familie, Mr. Killigrew. Zwei Söhne, eine Tochter, vier Enkel, sieben Urenkel. So ist das, Mr. Killigrew. Und nun berichten wenn sie wollen, daß ich überhaupt den Versuch unternehme, ihnen und ihren Männern zu helfen. Ich glaube, wären Sie Spanier oder Portugiese gewesen, ich hätte keinen Finger für Sie gekrümmt. Aber ich bin Engländer wie Sie.“ Der Seewolf mußte dem Alten innerlich recht geben, und im stillen leistete er ihm sogar Abbitte. Und dann erzählte er, wie er zu Drakes Mannschaft gepreßt worden war, obwohl er aus freien Stücken zu ihm auf sein Schiff gewollt hatte, und as alles seitdem geschehen war. Es wurde ein langer Bericht. Der Häuptling, der nach wie vor seine schwere Steinaxt schlagbereit in der Rechten hielt, verfolgte ihr Gespräch voller Aufmerksamkeit. Zwar verstand er nichts, aber er erkannte, daß diese beiden Männer sich nicht feindlich gesonnen waren. Als Hasard endlich mit seinem Bericht zu Ende war, in dem er lediglich die Dinge verschwiegen hatte, die er als geheim ansah, bedachte ihn der Alte mit einem langen Blick. In seinen steingrauen Augen stand so etwas wie Bedauern. „Ich werde versuchen, ihnen zu helfen, Mn Killigrew. Aber Sie werden für sich und Ihre Männer kämpfen müssen, eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Und zwar mit
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dem Häuptling, aber hüten Sie sich, ihn bei diesem Kampf zu töten. Der Kampf wird draußen am Auge der Götter stattfinden -ohne Waffen, allein mit der Kraft Ihrer Körper. Sieger ist derjenige, dem es gelingt, seinen Gegner ins Auge der Götter zu stürzen. Sollten Sie verlieren, Killigrew, werden Sie und Ihre Männer am Heiligen Berg den Göttern geopfert werden. Gewinnen Sie, dann garantiere ich freien Abzug. Zusätzlich werden meine Männer ihre Schiffe mit Frischwasser versorgen.“ Der Alte schwieg eine Weile. Dann sah er den Seewolf abermals an. „Aber ob Sie hier nun gewinnen oder nicht - Sie und alle Ihre Gefährten sind dennoch zum Tode verdammt. Sie segeln von hier aus weiter, zum Kap der Dämonen. Wissen Sie eigentlich, was Sie dort erwartet Stürme, wie Sie sie in ihrem Leben noch nie kennengelernt haben. Wogen, die höher als Berge sind. Ihre Schiffe wer den auf den Klippen zerschmettert werden, noch ehe sie die freie See zu gewinnen vermögen. Sie hätten via, leicht etwas früher noch eine Chance gebebt, aber jetzt beginnt die Zeit der Dämonen, die Zeit der Stürme und des Todes. Es wird schneien, tagelang, wochenlang. Es wird frieren, die Takelagen ihrer Schiffe werden vereisen, Ihre Männer werden erfrieren. Falls Sie sich und Ihre Männer freikämpfen können, was ich bezweifle, denn ich kenne den Häuptling besser als Sie. dann kehren Sie um, solange. es noch Zeit ist. Ich war einmal auf der anderen Seite dieses Landes, ich werde in meinem Leben nie wieder dorthin zurückkehren.“ Der Alte winkte dem Häuptling. Und zu Hasard gewandt, sagte er: „Gehen Sie jetzt zu Ihren Männern nach draußen. Warten Sie dort. Wenn ich den Häuptling dazu bringen kann, daß er es auf ein Urteil der Götter ankommen läßt, ob Sie und Ihre 'Männer geopfert werden sollen oder nicht. dann werde ich persönlich dem Kampf beiwohnen. Aber freuen Sie sich nicht zu früh, dieser Häuptling ist ein erfahrener und geübter Kämpfer, der noch nie besiegt wurde!“
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Der Seewolf spürte, wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken kroch. Er verließ das Zelt. Als er ins Freie trat, pfiff ein kalter Wind über den kleinen See, den die Eingeborenen das Auge der Götter nannten. Der Himmel hatte sich bezogen und dann vernahm er etwas, was ihn sofort an die rauhe Wirklichkeit erinnerte. Draußen. irgendwo vor der Insel, entlud sich donnernd einer der achtzehn Neunpfünder der „Golden Hind“. Blacky, der den Seewolf bereits entdeckt hatte, als er aus dem Zelt des Alten trat, fuhr trotz seiner Fesseln hoch. „Hölle und Teufel! Das war die ‚Golden Hind'! Sie suchen uns! Wenn wir ihnen doch ein Zeichen geben könnten, die würden uns hier heraushauen, die würden diesen Kerlen schon zeigen, wo's lang geht!“ Der Eingeborene, der neben Blacky hockte, stieß dem dunkelhaarigen Mann mit den harten Fäusten die Speerspitze auf die Brust, und Blacky verstummte mit einer Verwünschung. Hasard trat auf seine Gefährten zu. Mit knappen Worten erläuterte er ihnen, in welcher Lage sie sich befanden. „Wir können noch von Glück sagen, daß es diesen Alten gibt. Wenn er kann, dann wird er wenigstens diese Chance für uns erwirken. Warten wir es also ab.“ Er trat auf Dan zu. Und Dan hätte sich am liebsten in ein Mauseloch verkrochen. „Dan, hoffentlich erhältst du noch Gelegenheit, aus diesem Vorfall eine Lehre zu ziehen. Wärst du nicht einfach losgerannt, dann hätten wir zumindest die Fußspuren dieser Indianer noch rechtzeitig entdeckt, und vielleicht wäre dann alles anders verlaufen.“ Smoky, der ganz am Ende der Reihe lag, warf sich trotz seines Bewachers herum. „Hasard, hau ab! Verständige den Kapitän und die anderen, die hauen uns 'raus. Du bist nicht gefesselt, du könntest doch ...“ Auch er verstummte, weil sich eine Lanzenspitze in die Haut auf seiner Brust bohrte. Aber der Seewolf schüttelte den Kopf.
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„Ich käme nicht weit, Smoky. Ich weiß ja nicht einmal, an welcher Stelle der Insel wir uns befinden. e Außerdem wärt ihr alle tot, noch bevor wir euch helfen könnten, oder die Eingeborenen hätten euch längst fortgeschleppt, irgendwohin. Sie müssen Boote auf der anderen Seite der Insel haben - nein, das alles hat keinen Zweck. Warten wir ab, was der Alte bei dem Häuptling erreicht.“ Seltsamerweise hinderte keiner der Eingeborenen den Seewolf daran. mit seinen Gefährten zu sprechen. Er wollte seinen Männern noch einige Verhaltensmaßregeln geben, da trat der Alte zusammen mit dem Häuptling aus dem Zelt. Er blickte Hasard nur ganz kurz an und nickte ihm zu. „Du wirst mit dem Häuptling kämpfen. Deine Männer werden zusehen. Ich lasse ihnen jetzt die Beinfesseln entfernen. Aber schärfe ihnen ein, daß jeder, der zu fliehen versucht, auf der Stelle getötet wird. Mehr konnte ich nicht für euch erreichen. Und dies auch nur, weil ich dem Häuptling eingeredet habe, daß es den Göttern mißfallen könnte, wenn wir euch opfern würden, ohne durch diesen Kampf erst ihren Willen zu erforschen. Daß die Götter euch vielleicht erst am Kap der Dämonen in ihr Reich zuholen wünschten und wir ihrem Willen nicht vorgreifen dürften.“ Der Seewolf, der von dem Häuptling aufmerksam beobachtet wurde, konnte sich nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen. Dieser Alte war ja ein ganz geriebener Bursche! „Das haben Sie gut hingekriegt“, sagte er. „Verlieren wir keine unnötige Zeit mehr, sondern fangen wir Drake sucht uns bereits draußen vorm der Insel.“ Und wie, um seine Worte zu unterstreichen, dröhnte abermals ein Schuß. * Auf einem Felsplateau, etwa dreißig Fuß über dem Wasserspiegel des heiligen Sees, standen sich der Seewolf und der
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Häuptling gegenüber. Langsam umkreisten sie einander. Der Häuptling war vollständig nackt, sein muskulöser Körper, an dem sich kein Gramm Fett zuviel befand, war mit Robbenfett eingerieben. Er glänzte im fahlen Licht, das der Landschaft ringsum ein gespenstisches Aussehen verlieh. Mit einiger Besorgnis beobachtete der Seewolf, wie geschmeidig und überlegt sich der Häuptling bewegte. Die Gefährten des Seewolfs hatten sich, bewacht von den Eingeborenen, unterhalb des Plateaus am Auge der Götter .niedergelassen. Kein Laut drang über ihre Lippen. Auch der weißhaarige Alte, der unmittelbar' am Ufer des Sees auf einem großen Feil saß, das die Indianer für ihn dort ausgebreitet hatten, wandte den Blick nicht von den beiden Kämpfern. Der Seewolf erkannte die Absicht des Häuptlings, ihn angreifen zu lassen. Aber genau das tat er nicht, und er registrierte, wie der Häuptling unruhig zu werden begann. Möglicherweise schämte er sich vor seinen Stammesgenossen und befürchtete, von ihnen für feige gehalten zu werden, weil er nicht angriff. Hasard beschloß, den Häuptling zu provozieren, auch wenn das bestimmt höchst gefährlich werden konnte. Aber inzwischen hatte schon wieder das Dröhnen eines Schusses die atemlose Stille, die in diesem Moment am Auge der Götter herrschte unterbrochen. Der Seewolf glitt mit ein paar raschen Schritten auf den Häuptling zu. Gleichzeitig hob er die Fäuste, ob er sich auf ihn stürzen wollte. Der Häuptling, der seinen Vorteil sofort erkannte, wich zur Seite. Und damit hatte er die günstigere Position, denn der Seewolf befand sich jetzt am Rand des Plateaus, dreißig Fuß hoch über der dunklen Wasser fläche, die in diesem Moment wirklich wie ein überdimensionales Auge wirkte. Der Häuptling reagierte so, wie Hasard erwartet hatte. Mit einem Schrei stürzte er vor. Seine muskelbepackten Arme schossen auf Hasard zu und schlangen sich blitzartig um seinen Leib.
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Der Seewolf hatte auf die Zehntelsekunde genau reagiert. Erst im allerletzten Moment hatte er sich herumgeworfen, so daß der Häuptling ihn von hinten packte. Noch bevor sich dessen Arme .zur tödlichen Klammer zu schließen vermochten, ließ der Seewolf sich einfach nach vorn fallen. Dabei hebelte er den Häuptling über sich und brach damit die Umklammerung seiner Arme auf. Der Häuptling schlug schwer auf den Felsen des Plateaus, aber er wurde nicht bewußtlos, sondern rollte sich sofort zur Seite ab, um aus der Reichweite seines Gegners und wieder auf die Füße zu gelangen. Der Seewolf, der nicht den Fehler beging, diesen Gegner zu unterschätzen, wußte, daß er es auf einen langen, zermürbenden Kampf nicht ankommen lassen durfte. Denn dieser Goliath war ihm an Kraft und Geschmeidigkeit überlegen. Er hechtete hinter dem Häuptling her und riß ihn abermals zu Boden, als er gerade im Begriff war, aufzuspringen. Hasard hörte, wie seine Männer unten am See zu brüllen begannen. Er drückte den Häuptling auf den Felsen, spürte aber sofort, daß er ihn nicht am Boden halten konnte. Dazu war dieser Kerl einfach zu stark. Ganz überraschend ließ der Seewolf seinen Gegner los und sprang auf. Nur Bruchteile von Sekunden später schnellte sich der Häuptling mit einem wütenden Schrei ebenfalls vom Boden hoch und sprang den Seewolf an - genau hinein, in einen mit aller Wucht geschlagenen Haken. Der Schlag traf den Häuptling so schwer, daß er taumelte. Hasard ließ ihm keine Zeit, sich zu erholen. Er setzte eine Gerade nach, drehte sich gleich darauf mit unheimlicher Kraft um seine eigene Achse und .verpaßte dem Häuptling einen mit aller Wucht aus der Schulter gerissenen Rundschlag gegen den Schädel. Der Häuptling wurde von dem Schlag quer über das Plateau katapultiert - allerdings zur falschen Seite: Hasard, der die Wirkung dieses Schlages genau kannte, setzte nach. Aber er hatte
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nicht mit der unglaublichen Zähigkeit diesen Riesen gerechnet. ein mit entsetzlicher Gewalt aus der Hüfte geführter Tritt traf den Seewolf in den Leib. Dann prallte der Häuptling gegen die in seinem Rücken befindliche Felswand, stieß sich sofort wieder ab und rammte dem Seewolf seinen Eisenschädel gegen die Brust. Hasard sah nur noch Sterne. Feurige Kreise zerplatzten lautlos vor seinen Augen, dann knallte er auf den schwarzgrauen Felsen des Plateaus. Wieder schrien seine Männer unten auf. Auch die Eingeborenen waren aufgesprungen. Aus weit aufgerissenen Augen starrten sie zum Plateau empor. Hasard kämpfte sekundenlang gegen eine Ohnmacht an. Er erwartete jeden Moment den schweren Körper des Häuptlings zu spüren, seine Fäuste, die ihn zum Rand des Plateaus schleppen würden. Er sah nicht, daß der Häuptling, ebenfalls schwer angeschlagen, völlig benommen über das Felsplateau taumelte, unfähig, seinen Gegner zu entdecken. Dann brach er in die Knie. Der Seewolf erholte sich rasch. Er quälte sich auf die Beine Und torkelte, ehe sein Blick wieder klar wurde. Dann aber sah er den Häuptling, der am Boden kniete und sich den Schädel hielt. Der Seewolf sprang den Gegner an, und wieder tanzten Kreise und Sterne vor seinen Augen. Der Häuptling spürte die Gefahr, er warf sich mit letzter Kraft zur Seite und schoß abermals seinen Fuß aus der Hüfte ab, verfehlte Hasard jedoch. Der Seewolf stürzte sich auf ihn, schlug erbarmungslos zu, riß den fast Bewußtlosen vorn Plateau in die Höhe, schleppte ihn zum Rand des Plateaus und stieß ihn hinab ins Auge der Götter. gerade in dem Moment, in dem sieh der Häuptling mit einer schon übermenschlichen Anstrengung aus seinem Griff befreien wollte. Ein vielstimmiger Schrei brandete zu dem Seewolf hoch, dann klatschte der Häuptling ins Wasser.
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Hasard torkelte über das Plateau, sein Atem .ging pfeifend. Als er schließlich den schmalen Pfad zu seinen Männern hinabsteigen wollte, glitt er aus, schlug hin und rollte dem weißhaarigen Alten, der ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrte, direkt vor die Füße. Als Hasard aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte, hockten der Häuptling und der Alte neben ihm. Seine Männer, denen man die Fesseln abgenommen hatte, umstanden ihn im Kreis. Der Alte sah ihn an. „Ihr seid frei. Der Häuptling und ich werden euch zu eurem Boot bringen. Meine anderen Gefährten werden inzwischen alles vorbereiten, um euch mit Wasser zu versorgen, wie es ausgehandelt war zwischen uns. Sorge du dafür, daß Wasserfässer zur Insel gebracht werden. Achte aber darauf, daß außer dir und deinen Männern niemand mehr dieses Eiland betritt, das würde sofort alle unsere Vereinbarungen außer Kraft setzen. Dort drüben“, er wies nach Norden, „lagert unser Stamm, Hunderte von Kriegern. Wir befinden uns auf dem Weg zum Heiligen Berg. Denke daran, ich traue dir, aber nicht den Männern auf den Schiffen.“ Der Alte half dem Seewolf auf die immer noch ziemlich wackeligen Beine und übergab ihn Ferris Tucker. Dann trat er noch einmal an den Seewolf heran. Seine Augen bohrten sich in die Hasards. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß du den Häuptling besiegen würdest. Du bist ein eigenartiger Mann. Killigrew. Schade, daß du am Kap der Dämonen sterben wirst. Du und alle anderen mit dir!“ Er machte mit der Hand ein Zeichen, dann ging er mit dem Häuptling voran, hinunter zur Bucht, in der sie gelandet waren. * Drake war voller Sorge um Hasard und seine Männer gewesen, zumal er nicht wußte, wo er ihn und die anderen suchen sollte. Als er dann plötzlich das Boot aus
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der Bucht herausschießen sah, atmete er auf. Jetzt. während Ferris Tucker und die anderen Wasserfässer zur Insel hinüberruderten und ebenfalls welche von den beiden anderen Schiffen übernahmen, hörte er Hasards Bericht. Darm bedachte er ihn mit einem eigentümlichen Blick. „Ihr Glück ist geradezu. unglaublich, Mr. Killigrew, sagte er. „Gebe Gott, daß es Sie nicht eines Tages verläßt, Sie und Ihre gesamte tollkühne Crew!“ Er ging in seiner Kammer auf und ab. Dann blieb er ruckartig. vor dem Seewolf stehen. „Sie wissen, daß es meine verdammte Pflicht wäre, diesen Alten da drüben festzunehmen? Dieser Mann ist Engländer!“ Doch ehe Hasard etwas erwidern konnte, schob sich Francis Fletcher, der Bordkaplan, in die Kammer Drakes. „Sie werden verzeihen, daß ich hier so unangemeldet eindringe, Kapitän, aber die .Umstände zwingen mich. leider dazu. In meiner Eigenschaft als Geistlicher muß ich Sie ersuchen, diesen Alten, der dort unter den Indianern als getaufter Christ das Leben eines Abtrünnigen, eines gotteslästerlichen Heiden führt, festzunehmen. Ganz abgesehen davon ist es unsere Pflicht, ihn, den rechtskräftig zum Tode verurteilten Meuterer, seiner wohlverdienten Strafe zuzuführen. Nach hochnotpeinlichem Verhör und Errettung seiner sündigen Seele, versteht sich. Sollten Sie sich weigern, Kapitän, meinem berechtigten Antrag zu entsprechen, dann müßte ich zu einem geeigneten Zeitpunkt leider gegen Sie und Mr. Killigrew in Wahrnehmung meiner Pflichten als Geistlicher, als Schiffskaplan dieses Verbandes und dieser Expedition, die erforderlichen Schritte unternehmen.“ Fletcher verneigte sich und wartete in leicht gebückter, devoter Haltung ab, wie Drake reagieren würde. Er wußte genau, daß er mit dieser Dreistigkeit nichts riskiert hatte. Drake mußte, ob er wollte oder nicht, sich zumindest mit dem kirchlichen Problem dieser Angelegenheit befassen.
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Drake kochte innerlich vor Wut, aber er beherrschte sich. Nur einen Ausweg aus der Klemme fand er nicht.. Hilfesuchend blickte er den Seewolf an, der ebenfalls erst einmal diese völlig ungewohnte Dreistigkeit Fletchers schlucken mußte. Doch dann handelte der Seewolf. Er trat auf Fletcher zu und seine funkelnden eisblauen Augen verhießen nichts Gutes. „Sie sind zu früh erschienen, Mr. Fletcher. Ein wenig zu früh, sonst hätte sich Ihre ganze sinnlose Intervention erübrigt. Jeher Alte, den Sie einen Meuterer nennen, ist keiner. Er wurde von Magellan zu Unrecht zum Tode verurteilt, konnte jedoch fliehen. Und jetzt rettete er mir und meinen Männern, Christen, das Leben; indem er uns davor bewahrte, von den Eingeborenen getötet zu werden. Können Sie mir beantworten, wie Sie nach achtundfünfzig Jahren - das Gegenteil von dem beweisen wollen, was der Alte mir erzählt hat? Und noch etwas, Mr. Fletchers Der Alte fuhr auf einem spanischen Schiff. Falls er tatsächlich meuterte, müßte er von uns noch einen Orden erhalten, nicht wahr?“ Fletcher zog sich ein paar Schritte zurück. „Auf jeden Fall ist es unsere Pflicht…“ ...diese Expedition, die wir im Auftrag Ihrer Majestät, der Königin von England, durchführen, nicht unnötig zu gefährden. Das würden wir aber tun, wenn wir auch nur den Versuch unternähmen, den Alten auf jener Insel dort festzunehmen. Hunderte von Indianern, von Pategoniern, lagern am Nordufer dieses Wasserbeckens. Es wäre nicht zu verantworten, sich auf einen solchen Kampf einzulassen.“ Der Seewolf sah Drake an. „Das hatte ich Ihnen in dem Augenblick noch mitteilen wollen, als sich Fletcher ungebeten in unser Gespräch einmischte. Übrigens, Mr. Fletcher, woher haben Sie eigentlich die Weisheit?“ Fletcher buckelte und verzog sich bereits rückwärts zu Tür. „So etwas spricht sich herum, Mr. Killigrew. Kein Fahrensmann kann solche Erlebnisse für sich behalten, nicht einmal Ihre Crew.”
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Er richtete sich auf und warf Drake einen Blick zu. „Ihre Entscheidung in dieser Sache, Sir?“ fragte er, und Seine Augen blickten tückisch „Aus Sicherheitsgründen und aus meine Verantwortung für die Expedition und die mir anvertrauten Schiffe nebst ihrer Besatzung kann ich Ihrem Antrag leider nicht entsprechen, Mr. Fletcher. Ich werde diese Unterredung jedoch ins Schiffsbuch aufnehmen und diese Eintragung später von ihnen und Mr. Killigrew auf ihre Richtigkeit hin unterzeichnen lassen.“ Fletcher verneigte sich und zog sich gleich darauf zurück. Drake starrte ihm düster nach. „Ich habe einen Fehler begangen, daß ich diesen Kerl an Bord nahm. Ich hätte Einspruch erheben sollen, der stand mir in der Wahl der Teilnehmer dieser Reise zu. Aber ich hatte den Kopf zu voll und konnte mich einfach nicht um alles und jedes kümmern. Ich weiß jedoch schön jetzt, daß Fletcher mir nach unserer Rückkehr eine Menge Ärger bereiten wird.“ Er straffte sich. „Gehen wir an Deck, Mr. Killigrew. Ich möchte endlich unter Segel geben. Wir haben schon eine Menge Zeit verloren. Das Schwierigste liegt noch vor uns, Kommen Sie!“ Die beiden Männer gingen an Deck. Dort beobachteten Sie, wie die drei Schiffe Frischwasser in ausreichender Menge an Bord nahmen. Der weißhaarige Alte hatte sein Wort gehalten, es gab keinerlei Zwischenfälle. Gegen Mittag setzten die drei Schiffe endgültig Segel. Es hatte aufgebrist, die Schiffe liefen gute Fahrt. Und damit begann der zweite Teil der Durchquerung der Magellanstraße, der sich als weit gefährlicher erweisen sollte. Als die „Golden Hind“, die „Marygold“ und die ,.Elizabeth“ mit vom Wind geblähten Segeln durch das dunkle Wasser des dritten Beckens der Magellanstraße davonsegelten, stand der weißhaarige Alte auf dem einzigen Berg der Insel und blickte ihnen nach. Seine Züge waren in
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diesem Moment noch schärfer geworden als sonst Er hatte die Siebzig längst überschritten und wußte, daß sich sein Leben dem Ende entgegen neigte. Mit diesen drei Schiffen entschwand für ihn die letzte Möglichkeit. England, das Land, in dem er vor langer Zeit geboren worden war, noch einmal wiederzusehen. Wie im Traum huschten Bilder von grünen Wiesen, kleinen, sich unter Sturm und Regen duckenden Häusern und das Geschrei spielender Kinder an seiner Erinnerung vorbei. Er sah die lachenden Augen seiner Mutter und hörte die dunkle, feste Stimme seines Väters. Ohne daß es dem Alten bewußt geworden war, hatte er die Augen geschlossen. Der kalte Wind zerrte an seinem schlohweißen Haar. Als er die Augen wieder öffnete, waren die drei Schiffe verschwunden. Eine dichte, graue Regenwand, die von den Bergen herabgeweht worden war, hatte sie verschluckt. Der Alte zog seine Felljacke fester um seinen Oberkörper. Von fern drang der Klang dumpfer Trommeln an seine Ohren. Sein Volk, jener Stamm, bei dem er fast sechzig Jahre lebte, rüstete zum Aufbruch und wartete darauf, daß er sie zum Heiligen Berg führte. Der Alte blickte noch einmal über die weite Wasserfläche, die mehr und mehr unter dichten Regenschleiern verschwand. Dann verließ er den Felsen. Wie ein Schatten folgte ihm der riesige Häuptling. Manchmal hatte der Alte das Gefühl, daß der Häuptling alle seine Gedanken erraten konnte. 5. Am Abend dieses Tages erreichten die drei Schiffe Kap Froward und. damit die Einfahrt in jene Meerenge, die fast gradlinig etwa einhundert- fünfundvierzig Meilen nach Nordwesten verläuft und vom Pazifik nur durch die Inseln Clarence, St. Ines und Desolation-Land getrennt wird. Erst bei Kap Pillar und den NarberoughInseln öffnet sich die Magellanstraße dann in den Pazifik.
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Drake ließ vor Kap Froward Anker werfen. Das Wetter hatte sich verschlechtert. Regenböen jagten über die Schiffe, und plötzlich einfallende Windböen setzten den Besatzungen immer wieder heftig zu. Erst spät, als sich die Nacht längst über Kap Froward und die vor seiner Küste ankernden Schiffe gesenkt hatte, kehrten Ferris Tucker und der junge Doughty von der „Marygold“ an Bord der „Golden Hind“ zurück. Der hünenhafte Schiffszimmermann hatte immer wieder in einzelnen Etappen jenen Auftrag erledigt, den Hasard ihm und John Doughty nach einer Auseinandersetzung mit dem Bordgeistlichen erteilt hatte. Die beiden hatten eine Liste über alle Vorräte und Waffen angefertigt, die sich an Bord der drei Schiffe befanden, wobei dem jungen Doughty der Part des Schreibens, zufiel, weil er des Schreibens und des Lesens :mächtig war. Ferris Tucker hatte den Auftrag des Seewolfs wörtlich genommen, zu wörtlich fast, denn Doughty war total erledigt Er war so fertig, daß er sofort im Zwischendeck auf seine Schlafstelle sank, unfähig, auch nur noch den geringsten Gedanken an irgendwelche Intrigen zu verschwenden. Ferris Tucker erstattete dem See-Wolf Bericht, denn er hatte bei dieser Gelegenheit auch die beiden anderen Schiffe einer gründlichen Inspektion unterzogen. „Die ,Elizabeth` ist in gutem Zustand, sie hält einiges aus, mit Sicherheit. Aber um die ,Marygold` steht es schlecht Die Verbände haben sich gelockert, das Schiff zieht Wasser, ohne Pumpen wenigstens einmal am Tag geht es auf der ,Marygold` nicht. Die Takelage ist in Ordnung, ebenso die Besatzung, wie es scheint. Aber die Stimmung an Bord ist miserabel. der alte Jonas und der über Bord gesprungene Norweger spuken den Männern immer noch in den Köpfen herum. Selbst .der olle Thomas ist angekratzt, zwar hat er sein Schiff und seine Besatzung noch völlig in der Hand, aber ich habe ihn dabei erwischt, wie er an Deck stand und vor sich hingrübelte oder auf die Planken stierte.
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Hat er früher nie getan, Hasard, ich kenne ihn schon eine ganze Weile.“ Der Seewolf sah auf. „Aber tun können wir für die ,Marygold' nichts, oder?“ Ferris Tucker schüttelte den Kopf. „Das Schiff müßte ganz und gar aus dem Wasser. Und selbst dann wäre es noch eine Frage, ob sich die Reparatur überhaupt lohnt.“ Hasard wandte sich ab. Wieder fuhr eine Fallbö heulend über Deck. Er hörte, wie Taue schlugen, wie die Rahen und die Masten zu knarren und zu ächzen begannen, dann trommelte der Regen an Deck. „Am besten legen wir uns aufs Ohr. Ben übernimmt mit ein paar Leuten die erste Wachen Danach Smoky, dann Matt Davies. Ich werde mich vor dem Morgengrauen nicht mehr an Deck sehen lassen, mir tut jeder einzelne Knochen im Leib weh. Ich kann dir sagen, dieser Häuptling hat ganz schön hingelangt. Na, Hauptsache, wir leben noch und sind wieder an Bord der guten alten ‚Golden Hind.“ Hasard langte nach einer Flasche und hielt sie dem rothaarigen Hünen hin. Der ließ sich nicht zweimal bitten, dann gab er sie Hasard zurück. „Und Dan? Was hast du mit diesem vermaledeiten Bengel angestellt? Oder hast du ihm wieder alles durchgehen lassen?“ Der Seewolf grinste. „Dan hat offenbar restlos die Schnauze voll. ich fürchte, Smoky und Batuti haben ihn gründlich in die Mangel genommen, vielleicht war auch Blacky noch mit von der Partie, Jedenfalls bewegte sich Dan außerordentlich vorsichtig an Deck und vermied es ängstlich, sich irgendwo auf den Hintern zu setzen. Ist mir auch ganz recht Ferris. Ich will gar nicht wissen, wann und wie sie ihm die längst fällige Abreibung verpaßt haben. Und Smoky, der kann mit einem Tauende umgehen, besser noch als Carberry oder Den. So, nimm noch einen Schluck, und dann hau dich hin, Ferris. Ich fürchte, morgen wird ein
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Tag, an dem wir uns noch lange Hände und Füße wärmen werden.“ Ferris Tucker lachte, trank, und verschwand. Hasard spürte, wie die „Golden Hind“ um den Anker zu schwojen begann. Dann legte er sich ebenfalls hin. Mit der ersten Morgendämmerung setzten die Schiffe wieder Segel und gingen ankerauf. Dunkle, dicke Wolken jagten von Ost nach West über den Himmel, Das dunkle Wasser hatte eine graugrüne Farbe angenommen, die Wellen, die gegen den bauchigen Rumpf der „Golden Hind“ brandeten, hatten weiße Gischtkronen aufgesetzt. Die „Golden Hind“ manövrierte sich zuerst in das knapp eine Meile breite Fahrwasser. Pete Ballie stand am Kolderstock, neben ihm, an Deck, er Seewolf. Die Mannschaft hing zum Teil in der Takelage, die anderen standen an den Brassen, bereit, auch auf den leisesten Befehl zu reagieren. Für die ersten Stunden erwies sich das Segeln zwar nicht als unproblematisch, aber die Schiffe zogen mit schäumenden Bugwellen durch die Magellanstraße. Drake, der auf dem Achterkastell stand, alles genau beobachtete und auch die beiden der „Golden 'Hind“ folgenden Schiffe nicht aus den Augen ließ, hätte sich keinen besseren Wind wünschen können. Dan hockte im Vormars. Ihn fror erbärmlich, denn der Wind war kalt, und immer wieder prasselten dichte Regenschauer auf ihn herab. Aber er hütete sich, zu Maulen oder sonst irgendetwas zu sagen, ihm steckte die enorme Abreibung, die ihm Smoky¬, Batuti und Blacky in aller Stille gnadenlos verabreicht hatten, noch immer in den Knochen. Sein verlängerter Rücken fühlte sich an wie ein Stück rohes Fleisch, das darauf wartet, endlich gegrillt zu werden, aber schon gepfeffert und gesalzen wurde. Dan langweilte sich. Gut, sein Abenteuer auf der Insel hatte er gehabt, aber nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Seine Rolle war im Gegenteil geradezu erbärmlich gewesen. Und in dieser verdammten Magellanstraße gab es auch nichts zu sehen außer Felsen und hin und
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wieder mit Bäumen bestandenen Uferstrichen. Die „Golden Hind“ bewegte sich mit dem Gezeitenstrom rasch vorwärts. Aber dann erhielten die Männer auf den drei Schiffen plötzlich einen Vorgeschmack von dem, was noch auf sie zukommen sollte. Eine dunkle Wolke baute sich über dem an Steuerbord liegenden Ufer auf. Dan, der sie im Vormars weit eher sehen konnte als seine Gefährten an Deck, starrte die Wolke aus weitaufgerissenen Augen an. Es war, als ob sie innerhalb von Sekunden ihre Farbe verändert und zu einem riesigen Berg emporwuchs, der schon bald das dämmerig-graue Tageslicht zu verschlucken schien. Dan erwachte aus seiner Erstarrung. Er schrie eine Warnung an Deck, und in diesem Moment fegte die erste Fallbö in die Magellanstraße. Dan sah, wie sich unter ihm die Segel wie Blasen wölbten, er spürte, wie die „Golden 1-lind“ nach Backbord gedrückt wurde und sich weiter und weiter überlegte. Dann gab das Marssegel des Großmastes donnernd nach. Es zerplatzte förmlich unter der Gewalt des Windes. Dan sah, wie die Fetzen davonflogen und hörte, wie die Reste in der Bö zu knattern und zu schlagen begannen. Kommandos schallten über Deck, Männer sprangen in die Wanten, enterten auf, und noch immer krängte die „Golden Hind“ unter dem ungeheuren Druck der Bö soweit nach Backbord, daß das Schanzkleid überspült wurde und das Wasser gurgelnd zwischen den Geschützen dahinschoß. Eine der Stückpforten gab dem Wasser nach, krachend brach sie aus ihrer Verriegelung, und ein zischender, gischtender Strom quirlenden Wassers schoß in die Magellanstraße zurück. Dann war der Spuk plötzlich vorbei, die „Golden Hind“ richtete sich wieder auf. Dan fuhr herum, seine scharfen Augen suchten die hinter ihnen segelnde „Marygold“. Auch sie hatte ein paar Segel verloren, schien aber sonst in Ordnung zu sein. Die „Elizabeth“ kämpfte noch immer mit der Bö, und Dan erschrak, als er sah,
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wie stark das Schiff nach Backbord krängte und dabei auch noch aus dem Ruder zu laufen schien. Aber dann richtete sich auch die „Elizabeth“ wieder auf, die Gefahr schien vorüber. Der Seewolf feuerte die Besatzung der „Golden Hind“ an. Ben Brightons Stimme dröhnte über Deck, und Ferris Tucker war schon dabei, die beschädigte Stückpforte wieder herzurichten. In Windeseile bargen die Männer einen Teil der Segel und ließen nur das Großsegel, das Untermarssegel, die Blinde und den Lateinerbesan stehen. Damit erreichten sie, daß plötzlich einfallende Böen das Schiff nicht mehr so stark zu krängen vermochten, denn dadurch. daß nur noch die unteren Rahsegel des Fock- und des Großmastes standen, verringerte sich auch die Hebelwirkung, und eine plötzlich einfallende Bö auf die Masten und Segel ausüben konnte. Allerdings verlor die „Golden Hind“ auch Fahrt. Dan begann schon, sich über diese in seinen Augen überflüssige Vorsichtsmaßnahme zu ärgern, als fast von einer Minute zur anderen ein heftiger Sturm aus Ost zu blasen begann. Wieder erschollen Kommandos, und die Männer an den Brassen begannen fieberhaft zu arbeiten Langsam schwangen die Rahen, die noch Segel trugen, herum. Dan registrierte, wie das Schiff sich abermals überlegte und dann vor dem Sturm dahinjagte. Die riesige Wolke hatte sich inzwischen über die Magellanstraße geschoben. Obwohl es noch nicht einmal Mittag war, wurde es so dunkel, daß Dan das Deck unter sich nur noch mit Mühe zu erkennen vermochte. Dann begannen plötzlich Blitze zu zucken. Donner rollte über die Magellanstraße, und der Regen, der eben schon wieder etwas nachgelassen hatte, verwandelte sich in einen Wolkenbruch. Gleichzeitig fiel die Temperatur noch weiter, so daß Dan schließlich vor Kälte mit den Zähnen au klappern begann. Erst zwei Stunden später - längst hatte Ben .Brighton den fast steif gefrorenen Jungen
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an Deck geholt - ließ der Stürm nach. Gischtende, pechschwarz wirkenden Wogen rollten durch die Magellanstraße und ließen die drei Schiffe schwer stampfen. Nur zögernd hellte es sich wieder etwas auf, und so brach der Abend herein, dem wenig später die stockfinstere Nacht folgte. Noch vor Einbruch der Nacht hatte .Drake Befehl gegeben, eine der kleinen Buchten anzulaufen und dort Anker zu werfen. Man konnte es keinesfalls riskieren; auch noch während der Dunkelheit weiterzusegeln. Erschöpft sanken die Männer auf ihre Lager unter Deck. Der nächste Tag verlief ähnlich,. der übernächste und die darauf folgenden auch. Sie hatten mit plötzlich auftretenden Böen oder mit Gewitterstürmen zu kämpfen, die sich innerhalb weniger Augenblick entwickelten. Die „Elizabeth“ verlor am achten Tag ihrer Durchfahrt der Magellanstraße einen Mann, der von einer groben, achterlichen See über Bord gewaschen wurde. Es war nicht möglich, dein armen Teufel noch Hilfe zu bringen, seine Gefährten sahen ihn in der aufgewühlten See verschwinden. Ihnen war, als hörten sie noch einen letzten, schrillen Todesschrei. Die Stimmung an Bord der Schiffe sank. Oft ließ es das Wetter nicht zu. daß Mac Pellew und der Kutscher für die Männer auf der „Golden Hind“ eine warme Mahlzeit zusammenbrachten. Für die beiden anderen, wesentlich kleineren Schiffe traf dies im verstärkten Maße zu. Es passierte am frühen Nachmittag des elften Tages als die „Golden Hind“ bei böigem Wind die Insel. St. Ines passierte. Drake war unter Deck in seiner Kammer, um Eintragungen in die Karte vorzunehmen, Hasard und Ben Brighton standen auf dem Achterkastell, Pete Baue und Blacky am Ruder. Den ganzen Vormittag hatten sie damit verbracht, vom Beiboot aus die Fahrwassertiefe auszuloten, weil es in dieser Gegend eine Menge scharfer Klippen gab, die aber zum Teil nicht über die Wasseroberfläche hinausragten.
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Die „Golden Hind“ segelte nur langsam dahin, denn Hasard hatte nur so viel Besegelung stehenlassen, daß das Schiff sauber im Ruder lief. Größere Fahrt zu machen, traute er sich in diesem Teil der Magellanstraße nicht. Der Wind hatte abermals aufgebrist und pfiff jetzt aus Nordnordost über das Schiff. Aber er wehte nicht beständig, sondern schralte hin und wieder, so daß der Seewolf die Männer immer wieder an die Brassen jagen mußte. Außerdem zwang sie das Fahrwasser, dicht an der Leeküste entlangzusegeln, was ohnehin für das Schiff eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellte. Denn Wind und Seegang, die beide auf diese Küste drückten, vermochten immer wieder, die „Golden Hind“ auf die Klippen dieses Ufers der Magellanstraße zu treiben. Um diese Zeit arbeitete der Schwede Stenmark zusammen mit Patrick Evarts, dem Segelmacher, vorn am Bugspriet an der Blinde. Die ständigen Böen hatten dem Segel arg zugesetzt, es sollte durch ein neues, das der Segelmacher inzwischen angefertigt hatte, ersetzt werden. Denn die Blinde, jenes Segel unter dem Bugspriet, das wie die anderen an einer Rah befestigt war, war äußerst wichtig für die Kursstabilität des Schiffes, wenn es, wie gerade jetzt, nur mit den allernotwendigsten Segeln fuhr. Die See unter dem Bugspriet war rauh, immer wieder sprangen Wogen, in die das Schiff hineinstampfte, bis zu den Männern auf dem Bugspriet empor. Gerade schüttelte Evarts fluchend das Wasser aus seinem Zeug, als der Bug der „Golden Hind“ tief in die See eintauchte. Gleichzeitig legte sich das Schiff unter einer Bö hart nach Steuerbord über. Stenmark verlor die Balance. Vergeblich griffen seine Finger nach dem nassen, glatten Holz, erwischten ein Tau, mit dem der Segelmacher sich am Bugspriet festgelascht hatte, weil er sich weit nach unten beugen mußte, um an der arg zerfledderten Blinde zu arbeiten, aber Stenmarks Finger rutschten ab.
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Mit einem Schrei stürzte er ins Wasser. Wild schlug er mit den Armen um sich, als der Bug des Schiffes ihn erfaßte und zur Seite schleuderte. „Mann über Bord!“ gellte der Schrei des Segelmachers über Deck, während er wie erstarrt auf den achteraus treibenden Stenmark starrte, ohne ihm irgendwie helfen zu können. Der Seewolf hörte den Ruf - und die anderen Männer ebenfalls. Auch Dan, der gerade an einem Block in der Takelage arbeitete, den Schimpansen Arwenack neben sich. „Stenmark - Stenmark ist über Bord!“ gellte ein Schrei über Deck. Dan ließ den Block los. Seine Finger packten eins der Geitaue, und gleich darauf sauste er schon hinab. Er landete ziemlich unsanft an Deck, seine Hände brannten wie Pest. Er merkte nicht, daß ihm die Haut an den Händen in Fetzen hing, sondern rannte. vom wilden Gekecker Arwenacks begleitet über das Hauptdeck zum Achterkastell hinüber. Noch im Laufen griff er sich eine aufgeschossene lange Leine und zog sie hinter sich her. Der Seewolf sah ihn und sah gleichzeitig, wie Stenmark am Schiff vorbeischoß und sich ein paarmal in den Heckwirbeln der „Golden Hind“ drehte. „Das Tau, Hasard, nimm das Tau!“ schrie Dan dem Seewolf zu, und schon hechtete er über die Achterreling. Die Leine hielt er fest und zog sie hinter sich her Der Seewolf und Ben Brighton sprangen hinzu, packten die Leine und ließen sie durch ihre Hände laufen. Sie stürzten an die Achterreling, aber sie sahen Dar, nicht mehr, sein biegsamer Körper war längst in den Wogen verschwunden. Dan war der beste Schwimmer an Bord. Er schwamm am schnellsten, tauchte am tiefsten und war im Wasser fast so zu Hause wie auf dem Deck eines Schiffes. Aber was er da bei diesem Wetter riskierte, bei einem trotz der wenigen Segel immer noch ziemlich schnell segelnden Schiff, das grenzte an Wahnsinn. Hasard warf einen verzweifelten Blick auf die Gischtstreifen der Küste an ihrer
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Leeseite. Es war unmöglich, er konnte weder die Segel bergen noch mit der „Golden Hind“ in diesem engen Fahrwasser eine Halse, riskieren. An Steuerbord lauerten scharfe Unterwasserriffe, an Backbord drohte die Küste, auf die sie der Wind sofort zutreiben würde, wenn er auch nur den geringsten Fehler beging. „Verdammt, Ben, wir müssen etwas tun, wir. können die beiden da doch nicht einfach absaufen lassen wie die Ratten!“ in diesem Moment erblickten sie weit achteraus. Er schwomm wie irrsinnig auf Stenmark zu, der seine Absicht erkannte und wie ein Besessener arbeitete, um nicht noch weiter abgetrieben zu werden. Da hatte Den es geschafft. Er packte Stenmark und warf ihm die Leine zu. Gerade noch rechtzeitig, denn in diesem Moment straffte sich die Leine, die Ben Brighton längst an einem der Festmacher auf dem Achterkastell belegt hatte. Dan schrie auf, denn der Ruck, der durch seinen Körper ging, war gewaltig. Stenmark und er wurden. so- fort unter Wasser gezogen, und die Geschwindigkeit der „Golden Hind“ war immer noch so groß, daß sie es kaum schafften, sich wieder an die Oberfläche zu arbeiten, um Luft zu schöpfen. Drake erschien an Deck, denn das Gebrüll der Männer, die außer Hasard, Evarts und Brighton den Vor- fall beobachtet hatten, war bis zu ihm in die Kammer im Achterkastell gedrungen und hatte ihn bei seiner Arbeit an den Seekarten gestört. „Was geht hier vor? Mr. Killigrew?“ fragte er zornig, aber dann begriff er sofort; und jede Erklärung wurde überflüssig. „Wir müssen die ‚Golden Hind` stoppen, Sir, oder wir bergen zwei Ertrunkene.“ Der Seewolf wartete eine Antwort gar nicht erst ab, sondern erteilte mit lauter, allen Lärm übertönender Stimme den Befehl zum Halsen. So oder so blieb ihm keine andere Möglichkeit, wollte er Dan und Stenmark retten. Die Männer sausten an die Brassen. Ben sprang aufs Hauptdeck hinunter, indem er einfach über die Balustrade flankte.
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Drake starrte den Seewolf an. Drake war ein hervorragender Seemann, der die halsbrecherische Gefährlichkeit dieses Manövers sofort erkannte. „Mr. Killigrew, sind Sie wahnsinnig geworden?“ herrschte er den Seewolf nach einem letzten Blick auf das drohende Ufer an ihrer Leeseite an, wo der Gischt baumhoch über scharfen und bizarr geformten Felsklippen emporsprang. „Wie können Sie unter solchen Umständen wegen zwei Männer der Besatzung das ganze Schiff aufs Spiel setzen?“ Die eisblauen Augen des Seewolfs begannen zu funkeln. Es war nicht gerade der erste Strauß, den er mit Drake wegen derartigen Sachen ausfocht. Während Drake in allererster Linie an das Schiff und die Aufgabe dachte, die er zu erfüllen hatte, war es dem Seewolf einfach unmöglich, auch nur einen einigen Mann im Stich zu lassen, solange noch die schwache Chance bestand, ihn zu retten. Das hatte bereits am Blackwater zu heftigen Kontroversen geführt, und das tat es auch jetzt wieder. Aber Drakes Einwand kam zu spät. Die „Golden Hind“ luvte an, während die Männer bereits wie die Berserker dabei waren, die restlichen Segel zu setzen, damit das Schiff später tun so schneller manövrieren konnte. „Sie sind zu weit weg, Sir. Wenn wir sie an der Leine an Bord ziehen, sehseiden sie bei der Fahrt, die unser Schiff läuft, unter und ertrinken. Wir können sie nur dann retten, wenn wir ihnen entgegenlaufen, eine andere Möglichkeit besteht nicht.“ Er starrte Drake an. „Schließlich hat Dan auch keinen Moment gezögert, hinter Stenmark herzuspringen. Das sollten Sie nicht vergessen, Sir!“. Die „Golden Hind“ schwang .herum, aber der steife Nordost drückte sie weiter und weiter ans nahe Ufer. Drake stand auf dem Achterkastell, und seine Miene verhieß nichts Gutes. Unterdessen waren Ferris Tucker und Batuti bereits damit beschäftigt, die Leine einzuholen, an der Dan und Stenmark hingen. Arwenack, der Schimpanse, sprang wie verrückt auf dem
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Achterkastell herum. und fletschte die Zähne. Erst als Matt Davies auftauchte und er dessen stählernen Haken am Unterarm erblickte, floh er mit panischen Geschrei in die Takelage und schimpfte von dort oben auf Matt Davies herab, was das Zeug hielt. Hasard war es gelungen, die Halse zu vollenden. Unter seinen Kommandos nahm die „Golden Hind“ wieder Fahrt auf. Langsam, gerade so schnell, daß sie dem Rüder gehorchte, segelte sie Dan und Stenmark entgegen. Unablässig hob und senkte sich ihr schwerer Rumpf auf den Wogen, die durch die Magellanstraße rollten. Dann war es. soweit. Batuti, Ferris Tucker und Matt Davies hievten die beiden an Deck. Erst jetzt sahen sie, daß Stenmark schlaff in den Armen des Jungen hing. Sein Kopf war blutverschmiert, das über ihn weglaufende Schiff hatte ihm den Schädel aufgeschlagen.. Sternmark wäre ohne die entschlossene Hilfe Dans verloren gewesen. Hasard warf nur einen kurzen Blick zu den beiden hinüber, dann gab er auch schon die neuen Kommandos. Abermals schwang die „Golden Hind“ herum. Diesmal schaffte sie es nur noch haarscharf, sich vorn Ufer an ihrer Leeseite freizusegeln. Drake starrte den Seewolf an. Es war das erstemal, daß Hasard Schweißperlen auf seiner Stirn erblickte, Drake starrte ihn. an, dann die beiden Geretteten, dann die Männer aus Hasards Crew, die sich um Dan und Stenmark drängten. Ohne ein Wort verließ er das Achterkastell und kehrte in seine Kammer zurück: So sehr der Seewolf sich auch auf einen gehörigen Anpfiff vorbereitete -Drake erwähnte diesen Vorfall während der ganzen Reise nicht ein einziges Mal wieder. Am Abend, als sie ankerten, lief Dan dem Seewolf vor die Füße. Er wollte vorbeiwischen, aber Hasard hielt ihn test und sah ihm in die Augen. „Du bist schon ein tolles Kerlchen, Dan“,. sagte er. „Ich glaube, keiner von uns wird dir je vergessen, was du für Stenmark getan hast.“ Er versetzte ihm einen Klapps
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auf die Schulter, und Dan zischte ab. Er tauchte blitzartig im Dunkel des Schlafdecks unter, dort sah wenigstens niemand, daß ihm Tränen der Freude und der Erleichterung über die Wangen liefen. Er hatte seine Scharte wieder ausgewetzt, die Gefährten und der Seewolf hatten ihm verziehen, alles andere zählte nicht. Dan fiel in einen bleiernen Schlaf, aus dem ihn erst der Trompeter Drakes riß, als er zum Wecken blies. Die folgenden Tage verliefen ohne nennenswerte Zwischenfälle. Sogar das Wetter hatte sich ein wenig beruhigt. Drake bat die Gentlemen zu einer Besprechung in seine Kammer. „Morgen gegen Mittag erreichen wir Kap Pillar und damit das Ende der Magellanstraße. Unser Freund Nuno da Silva, unser portugiesischer Lotse, meint, daß wir von da an in wenigen Tagen oder sogar nur Stunden die Küste des sagenhaften Kontinents Terra Australis erreichen werden. Bevor wir das jedoch tun, bevor wir die Magellanstraße und Kap Pillar wieder verlassen, habe ich vor, auf dem Kap zu Ehren Ihrer Majestät, unserer aus tiefstem Herzen verehrten Königin Elizabeth, ein Denkmal zu errichten. Auf das Wohl der Königin, meine Herren!“ Francis Drake hob sein Glas. die Gentlemen ebenfalls, und dann brauste ein Hochruf auf die Königin durch die Kammer. Drake ahnte .nicht, daß alles ganz anders kommen sollte. Am vierzehnten Tag. segelten sie, wie Drake vorausgesagt hatte, auf Kap Pillar zu. Und zu diesem Zeitpunkt hatten die Totenglocken bereits begonnen, für eines seiner drei Schiffe und dessen Besatzung zu läuten. 6. Francis Drake musterte die hochragenden und zum Teil nadelscharfen Felsen die an ihnen vorbeiglitten. In seinen Zügen lag ein Ausdruck tiefer Befriedigung. Er wandte sich dem Seewolf, Ben Brighton
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und Carberry, dem. Profils der „Golden Hind“, zu. „Meine Herren, wir haben die Magellanstraße in knapp zwei Wochen hinter uns gebracht. Das ist eine beachtliche Leistung. Nicht zuletzt dank unserer hervorragenden Besatzungen. Diese Fahrt wird in die Geschichte Englands eingehen, und ich bin stolz auf Sie und Ihre außerordentlichen Leistungen.“ Carberry kniff die Augen zusammen, bei ihm grundsätzlich ein Zeichen dafür, daß er etwas entdeckt hatte, was ihm absolut nicht gefiel. Dann stieß er sein Rammkinn vor. „Sir, ich rate dringend, die Schiffe auf schweres Wetter vorzubereiten. Sehen Sie da, hinter den Bergen von Kap Pillar, braut sich etwas zusammen!“ Hasard und Ben Brighton sahen sich nur an. Manchmal war ihnen Carberry direkt unheimlich. Er besaß eine geradezu unfehlbare Nase für kommendes Unheil. Und wenn er sich so abrupt in ein Gespräch einschaltete wie gerade jetzt, dann war zumindest auch Eile geboten. „Ben, laß Strecktaue auf allen Decks spannen. Schärfe den Leuten ein, daß sie sich anlaschen bei allem, was sie tun. Wer diesen Befehl ignoriert, den nimm dir vor, Carberry. Ein Mann, der in diesen Stürmen über Bord gewaschen wird, ist rettungslos verloren. Stenmark hat lediglich Glück gehabt, daß Dan so blitzartig reagierte.“ Carberry grinste. „Du kannst dich darauf verlassen, daß ich den Kerlen höchstpersönlich die Haut von ihren Affenärschen ziehen werde, wenn sie nicht aufpassen. Wollen gleich mal anfangen damit, ich glaube, wir haben bis zum Ausbruch des- Wetters nicht mehr allzu viel Zeit. Da - da schiebt es sich schon wieder schwefelgelb über die Bergspitzen heran. Das ist doch die miserabelste Gegend, in die meines Vaters Sohn seit seiner Geburt je geraten ist!“ Drake hatte den drei Männern schweigend zugehört. Auch er war oft erstaunt über den Instinkt, den diese drei Männer für herannahende Gefahren besaßen
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„Ferris!“ brüllte der Seewolf, während er schon zum Hauptdeck unterwegs war. Der rothaarige Hüne, der gerade zusammen mit einem Mann am Spül auf der Back etwas klarierte, richte sich auf. „Ja? Was gibt's, denn?“ brüllte er zurück. „Nimm dir ein paar Mann, Ferris. Alle Luken verschallten, alle Niedergänge verrammeln, nur die nötigsten Zugänge zu den Decks offenhalten. Geschütze und ihre Laschungen kontrollieren - los, beeil dich, der Tanz geht innerhalb der nächsten zwei Stunden los!“ Ferris Tucker blinzelte in die fahle Sonne, die sich eben hinter dahinjagenden Wolkenfetzen zeigte. „Zum Teufel, Hasard, hört ihr da hinten eigentlich die Flöhe husten, oder was ist eigentlich los? Wir .. Sein Blick hatte die schwefelgelbe Wolkenwand erfaßt, die sich hinter Kap Pillar emporschob. „Ach du heiliges Kanonenrohr!“ röhrte er. „Verflucht, so etwas habe ich bisher nur einmal in meinem Leben gesehen. Aber dann, was dann kam, o Mann!“ Er gab seinen Männern den Befehl, las Spill fertig zu klarieren, dann sauste er los. Unten auf dem Deck erdröhnte inzwischen Carberrys gewaltige Stimme. „Los, ihr verdammten Decksaffen! Bewegt euch, reißt eure Arschbakken auseinander, oder ich werde euch ...“ „ ...die Haut in Streifen von euren Affenärschen ziehen!“ brüllte die Crew im Chor, die diesen Lieblingsspruch des Profos nun schon zur Genüge kannte. Carberry blieb das Wort im Halse stecken. Dann lachte er dröhnend. „Recht so - ihr wißt wenigstens Bescheid. Also an die Arbeit, Leute!“ Er teilte die Männer ein, Hasard schnappte sich eine Gruppe, ebenfalls Ben Brighton und Smoky. Dabei lief Hasard der Bordkaplan in die Finger, der sich schleunigst unter Deck verdrücken wollte. In seinem Kielwasser John Doughty. „Halt, Gents. Hiergeblieben. Es wird jede Hand gebraucht. Sie sind hiermit zu meiner Gruppe eingeteilt. Los, besorgt Taue, helft den Männern, sie auf den Decks zu
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spannen. Und beeilt euch, oder der Teufel soll euch holen!“ Fletcher warf Hasard einen bösen Blick zu und wich ein paar Schritte zurück. „Ein bitterer Mensch trachtet, eitel Schaden zu tun; aber es wird ein grimmiger Engel über ihn kommen. Wer Gutes mit Bösen vergilt, von dessen Hause wird Böses nicht lassen. Wer Zank liebt. der liebt Sünde.“ Hasard funkelte den Bordgeistlichen. an. Dann tat er einen blitzschnellen Schritt auf ihn zu, aber Fletcher war schneller. Er verschwand, der Bibelspruch, den er eben noch auf den Lippen hatte, blieb ihm im Halse stecken. Er fürchtete Killigrew und wußte auch genau, daß er den Bogen nicht überspannen durfte. Aber gleichzeitig konnte es Fletcher nicht lassen« diesen schwarzhaarigen Teufel mit seinen Bibelsprüchen zu traktieren. Er wußte, daß er Hasard damit bis aufs Blut reizte. Es blieb indessen keine Zeit mehr an Bord, sich mit derlei Geplänkel zu befassen.. Als die „Golden Hind“ Kap Pillar passierte, hatte sich die gelbe Wolkenwand schon weit emporgeschoben. Das Wasser hatte eine geradezu unheimliche Färbung angenommen, die weißen Schaumkronen auf den Wellen leuchteten heil zu den Männern herauf. Dann schlief der Wind plötzlich ein. Von einer Minute zur anderen hingen die Segel schlaff an ihren Rahen. Vor der „Golden Hind“, der die „Marygold“ und dann die ,,Elizabeth“ in nur geringem Abstand folgten. öffnete sich die Magellanstraße ins offene Meer. Drake warf einen prüfenden Blick auf den Himmel und dann auf die Wasserfläche, die sich bis ins Endlose vor ihm erstreckte. Der Gezeitenstrom trieb die Schiffe auf das offene Meer zu. Niemand an Bord sprach ein Wort. Nur Ferris Tucker und seine Männer hämmerten noch fieberhaft an Deck herum, verschalkten Luken und versahen das Beiboot mit doppelten Laschungen, nachdem sie den Kiel nach oben gedreht hatten. Der Schiffszimmermann befürchtete, daß die Seen, die das Deck
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überrollten, das Boot glatt in Stücke schlagen würden. Mit dem Kiel nach oben bot es dem Wasser den geringsten Widerstand. Und dann ging es los. Zuerst hörten sie nur ein hohles Brausen, das aus allen Richtungen zugleich auf sie zuzustürmen schien. Erste Blitze zuckten nieder, berstender, krachender Donner rollte über Land und See. „Achtung!“ brüllte der Seewolf. Pete. Ballie und Matt Davies, die zusammen am Kolderstock standen, stemmten sich gegen das Ruder. Über ihnen blähten sich knallend die Segel. So stark war der Druck, daß der Bug der „Golden Hind“ sich tief in die See wühlte, als die Sturmbö das Schiff plötzlich in Fahrt brachte. Dann brach das Wetter los. Aus der Magellanstraße wälzte sich eine pechschwarze Woge auf die Schiffe zu. Weiß leuchtete der Gischt, der Sturm heulte zwischen den Felsen und fegte durch die Magellanstraße wie durch eine Röhre. Der Seewolf sah die Woge heranstürmen. Längst hatte er sich wie die anderen festgelascht. Die „Marygold“ wurde emporgehoben, die „Elizabeth“ war hinter einer schweren, vom Sturm gepeitschten Regenwand verschwunden. Die „Marygold“ holte weit über,' torkelte einen Moment auf der riesigen Woge herum, wurde von ihr ein Stück mitgerissen und verschwand dann plötzlich hinter ihr. Um die „Golden Hind“ zückten die Blitze, Regenmassen, sintflutliche Wolkenbrüche klatschten an Deck. Selbst die Mastspitzen und die Ausguckkörbe verschwanden in diesem Inferno aus Sturm, Regen und Blitzen. Dann war die Woge heran. Hasard spürte, wie die „Golden Hind“ emporgeschleudert wurde. Mit titanenhafter Gewalt wurde das schwere Schiff aus der Magellanstraße in die offene See gefegt. Die Männer auf dem Hauptdeck, soweit sie nicht längst auf die Kuhl oder auf das höher gelegene Achterkastell geflüchtet waren, klammerten sich an den Manntauen fest,
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suchten Schutz hinter den Schanzkleidern, verschwanden gleich darauf im gurgelnden, gischtenden Wasser, das das Schiff einfach von achtern überrollte und alles, was nicht niet- und nagelfest war, davonschwemmte. Einer der Belegnägel löste sich aus der Steuerbordbank des Großmastes, wurde von den schäumenden Wassermassen über das Hauptdeck gewirbelt und traf Matt Davies, der sich mit seiner Hakenprothese ver- zweifelt in einer von Ferris Tucker verholzten Gräting verkrallt hatte. Matt Davies spürte einen ungeheuren Schmerz, der seinen Leib durchzuckte, aber ließ nicht los, denn das wäre sein Ende gewesen. . Schließlich spürte er, wie die „Golden Hind“ übers. den Achtersteven von der Woge abrutschte. Die Masten ächzten, die Pardunen knirschten, der Sturm pfiff heulend durch das Rigg, dann war das Schlimmste scheinbar überstanden. Die „Golden Hind“ lag weit nach Backbord über, aber die Segel standen, das Schiff war nicht aus dem Ruder gelaufen. Matt Davies erhob sich taumelnd, der Schmerz in seinem Leib war immer noch höllisch. Aber er beglückwünschte sich im stillen, daß er diesen Brocken nicht an den Schädel gekriegt hatte. Dan hing im Großmars, er war wirklich als seefest zu bezeichnen, dennoch hatte sein sonnen- und wettergebräuntes Gesicht in diesem Moment alle Farbe verloren. Von oben hatte er deutlicher als alle anderen beobachten können, was für eine gewaltige Woge, die scheinbar ganz plötzlich aus dem Nichts heraus entstanden sein mußte, die. „Golden Hind“ überrollt hatte. Er hatte für das Schiff keinen Penny mehr gegeben. Neben Dan hockte der Bruders Drakes totenblaß im Mars. Er kämpfte mit seinem revoltierenden Magen, und schließlich übergab er sich. Dan half ihm so guter konnte, aber wenn er gehofft hatte, daß sich nach dieser Attacke das Wetter bessern würde, wurde er eines anderen belehrt. Die Riesenwoge war lediglich der Auftakt gewesen. Der Sturm nahm bis zum Abend und von da an für
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Wochen an Stärke immer mehr zu. Längst war die Küste hinter der Golden „Golden“ verschwunden, um sie herum türmten sich riesige Wasserberge auf, wehte salziger Gischt über die Decks und über die Männer. Trotz aller Verschalkungen, trotz der immerwährenden zermürbenden Arbeit, die die Männer unter der Leitung von Ferris Tucker leisteten. wenn sie immer wieder eingeschlagene Luken, Türen und manchmal ganze Niedergänge ersetzten - die „Golden Hind“ nahm Wasser über. Schon bald gab es im ganzen Schiff keine trockene Stelle mehr. Die Vorräte begannen zu schimmeln, Trinkwasser wurde immer knapper. Die Männer, die oft stundenlang an den Pumpen standen, waren nur noch Schatten ihrer selbst. Ausgemergelte, hohlwangige Gesichter starrten mit geröteten, entzündeten Augen auf die tobenden Elemente, selbst alte Seebären, die schon ungezählte Stürme abgewettert und abgeritten hatten, würden seekrank. Nuno da Silva, der portugiesische Lotse, der sich nur noch mühsam auf den Beinen hielt, stand auf Stützen. Der Sturm hatte sich weiterhin gesteigert. Er blies jetzt aus Nordost und jagte die „Golden Hind“ vor sich her nach Südwest in den tobenden Pazifik hinaus. Nuno da Silva rechnete jeden Moment damit, daß das Schiff irgendwo an den' Klippen des sagenhaften Kontinents Terra Australis zerschellen würde, und es gab nicht die geringste Möglichkeit in diesem Wetter, das alles bei weitem übertraf, was er bis dahin erlebt hatte, den Kurs zu ändern. Nuno da Silva tat nachts kein Auge mehr zu. Wenn der Seewolf die Männer am Kolderstock ablöste, wenn der Portugiese stundenweise der einzige war, der auf dem Achterkastell der „Golden Hind“ stand, dann revoltierten seine Nerven, während er sich die entzündeten und längst vereiterten Augen nach jener drohenden Küste ausstarrte. In diesen Momenten verfluchte er, sich jemals mit der See eingelassen zu haben - und der Portugiese war nicht der einzige Mann an Bord.
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John Doughty, der Bruder des Hingerichteten, war dem Wahnsinn nähe. Einmal erwischte Hasard ihn dabei, wie er trotz schwerer überkommender Seen ohne jede Sicherung über das Hauptdeck schoß und bei jedem unerwarteten Roller des Schiffes gegen eins der Schanzkleider oder gegen' as Beiboot geschleudert wurde, daß es nur so krachte. Als Hasard sich John Doughty griff, um ihn unter Lebensgefahr unter Deck zu bringen, drehte Doughty durch. Er fiel Hasard an wie eine wilde Bestie. Er trat, schlug, kratzte, spuckte und biß um sich. Hasards rechter Unterarm blutete von einem Biß des Rasenden, dem die Todesangst und die alles beherrschende Panik geradezu Riesenkräfte verliehen. Erst als es dem Seewolf gelang, den Tobenden durch einen mit aller Kraft geführten Hieb bewußtlos zu schlagen und ihm einer der Männer zu Hilfe eilte, schafften sie es, Doughty unter Deck zu schleppen. Dort laschten sie ihn fest. Anders der Bordgeistliche. Ihn hatte die Seekrankheit so gepackt, daß er nur noch in irgendeiner Ecke lag und nicht mehr imstande war, sich zu rühren. So verging eine Woche, die zweite und schließlich auch die dritte. Immer noch steigerte sich der Sturm. Die „Golden Hind“ wurde zum Spielball der See. Sie segelte nicht mehr, sondern stampfte, rollte, schlingerte Meile um Meile weiter in den Pazifik. Drake war es kaum noch möglich, den Kurs, den das Schiff nahm, zu bestimmen. So brach auch der 30. September an. * Am Morgen dieses Tages hatte sich Kapitän Thomas nur noch mühsam vorn klatschnassen Lager in seiner Kammer emporgequält. Seine Männer lagen apathisch an Deck. Obwohl die Sonne längst aufgegangen sein mußte, umgab die „Marygold“ noch Finsternis. Dunkle Wolken, dichte, völlig undurchdringliche Regengüsse, die neben den ständig überkommenden Brechern das Schiff mit
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wahren Wassermassen peinigten, beschränkten die Sicht auf nur wenige Yards. Es war dem Kapitän nicht einmal möglich, das Vorderkastell seines Schiffes deutlich zu erkennen. Etwa gegen Mittag, der Sturm tobte in einer Stärke, die auch John Thomas noch niemals zuvor erlebt hatte, flogen donnernd die letzten Segel der „Marygold“ davon. Das Schiff lief aus dem Ruder und schlug quer. Sofort versuchte der Kapitän, einen Treibanker ausbringen zu lassen, aber allein bei dem Versuch wurden drei seiner Männer über Bord gewaschen. Nicht einmal ihre Schreie wurden gehört, der Sturm riß sie mit sich fort. Die Gruppe, die bis dahin an den Pumpen gearbeitet hatte, gab auf. Die Männer fielen an Deck, blieben einfach liegen und rührten sich nicht mehr. Da half auch das Gebrüll des Profos' nicht mehr. Einige von ihnen waren bewußtlos, zwei starben eine halbe Stunde später im quirlenden Gischt einer See, die die „Marygold“ überrollte. Auch Kapitän Thomas spürte, wie die Knie unter dem Körper einzuknicken begannen. Längst gab es keine warme Mahlzeit mehr, eine See hatte den Koch samt Kombüsenaufbau über Bord gewaschen. John Thomas wußte, daß das Ende der „Marygold“ nahte und sie diesen Tag nicht mehr überstehen konnte. Er laschte sich auf dem Achterkastell mit letzter Kraft so fest, dass auch die stärkste See ihn nicht von Bord waschen 'konnte. Es gab auf der „Marygold“ keinen einzigen Mann mehr, der noch in der Lage gewesen wäre, neue Segel zu setzen. Auch der Segelmacher war längst tot. Bei einem schweren Roller des Schiffes war er von einer Rah aufs Deck gestürzt und mit gebrochenem Genick liegengeblieben. Ihm hatten sie noch ein ordentliches Seemannsbegräbnis geben können, aber es war auch zugleich das letzte gewesen. Gegen Mittag nickte Kapitän Thomas vor Erschöpfung. ein. Haltlos pendelte sein Körper in den Tampen, mit denen er sich festgezurrt hatte, hin und her, wenn die
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„Marygold“ vorn Kamm einer See ins nächste Wellental kippte. Am frühen Nachmittag wachte der Kapitän wieder auf. Er war nicht allein auf dem Achterkastell. Fast alle Überlebenden seiner Besatzung hatten sich ebenfalls dorthin geflüchtet, denn es bot noch am meisten Schütz. Das Hauptdeck stand inzwischen fast ständig unter Wasser, die „Marygold“ krängte schwer nach Steuerbord, ihre Bewegungen waren wesentlich schwerfälliger als noch vor wenigen Stunden. Nur mühsam richtete sie sich nach einem schweren Roller wieder auf. Kapitän Thomas spürte das, er war ein viel zu guter Seemann, um diese Veränderung nicht sofort wahrzunehmen. Er sah seine Männer der Reihe nach an. Die meisten hatten sich wie er festgelascht. Einige hatten die Augen geschlossen, schliefen oder waren bewußtlos. John Thomas wußte es nicht. Wieder rollte von Backbord ein schwerer Brecher heran. Die „Marygold“ wurde emporgeschleudert, stürzte vom Kamm dieser riesigen Woge hinunter und legte sich dabei so weit über, daß der Kapitän unwillkürlich die Augen schloß. Wasser rauschte über das Schiff, sprang vorn Hauptdeck zum Achterkastell hoch, begrub die Männer unter sich und drückte das Schiff in die nächste rollende Woge. Kapitän Thomas schnappte verzweifelt nach Luft, als das Meer ihn endlich wieder freigab. Die Krängung der „Marygold“ schätzte er in diesem Moment auf sechzig bis siebzig Grad. Dann fuhr er sichunwillkürlich mit den Händen über die Augen. Saß da vor ihm auf der Balustrade nicht Jonas, der weißhaarige Seher? Ganz deutlich sah ihn John Thomas, auf der flachen Hand hielt er ihm ein Kreuz aus bleichen Vogelknochen entgegen. „Es ist soweit, Kapitän!“' hörte er ihn sagen, und Jonas' Stimme hatte einen merkwürdig hohlen, hallenden Klang. Seine blauen, gebrochenen Augen starrten ihn an.
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Er saß noch immer da, als der nächste Brecher die „Marygold“ unter sich begrub, und sie endgültig zum Kentern brachte. Es wurde dunkel um Kapitän Thomas und seine Männer. Aber die Stille, die diese Dunkelheit brachte, tat ihm wohl. Merkwürdig, dachte John Thomas, wie kommt der Alte nur wieder an Bord? Er ist doch ertrunken, irgendwann auf dieser Reise - wirklich seltsam... Mit diesem Gedanken starb Kapitän Thomas. Er spürte nicht mehr, wie seine „Marygold“ die Fahrt in die Tiefe mit ihm und seinen Männern antrat. Sie verlor sich irgendwo in den Tiefen des Pazifik - ein Schiff auf seiner letzten Reise. 7. Als wären die tobenden Elemente damit zufriedengestellt, daß sie endlich ihr Opfer hatten, flaute der Sturm kurz nach dem Untergang der „Marygold“ ab. Zwar atmeten die Männer an Bord der „Golden Hind“ und der „Elizabeth“ erleichtert auf, aber die Bilanz, die nach dem Sturm gezogen wurde, war erschreckend. Am besten war noch die „Golden Hind“ davongekommen. Außer einigen Schäden, die mit Bordmitteln behoben werden konnten, war das Schiff intakt geblieben. Etwas anders lagen die Dinge bei' der kleineren „Elizabeth“. Ein Brecher hatte ihn den Lateinerbesan weggeschlagen, und dabei war das Schiff in eine fast ausweglose Situation geraten, als es aus dem .Ruder lief. Nur mit Mühe hatte die total erschöpfte Mannschaft das laufende und stehende Gut kappen können, um sich von dem an Backbord hängenden Mast wieder zu befreien. Dabei war die „Elizabeth“ quer zur See geschlagen, die Brecher hatten innerhalb von Minuten die Stückpforten eingedrückt und eins der Geschütze aus seinen Laschungen gerissen. Es war beim folg Überrollen der „Elizabeth“ quer über das Hauptdeck geschossen und hatte einen Teil des Steuerbordschanzkleid des
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zertrümmert. bevor es' außenbords gekippt und in der Tiefe verschwunden war. Sofort gab es auf. der „Elizabeth“ erheblichen Wassereinbruch, aber auch das hatte die Mannschaft wieder in den Griff gekriegt, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht so erschöpft war, wie die Männer auf der „Marygold“. Die dann folgende Woche hatte dem Schiff jedoch schwer zugesetzt, und jetzt lag es wie ein total zerfledderter Schwan in der hochgehenden Dünung des Pazifik. So sehr Kapitän Winter auch oft bei notwendigen Entscheidungen zauderte, diesmal entschloß er sich schnell. Er nahm Kurs auf Kap Pillar, denn er vermutete nicht zu Unrecht, daß auch Drake wieder dorthin zurückkehren würde, nachdem die Schiffe einander während de: Sturms aus den Augen verloren hatten. Mühsam, mit einem behelfsmäßig errichteten Besan, knüppelte Winter sein Schiff zur Magellanstraße zurück. Er erreichte sie als erster, denn die „Golden Hind“ hatte der Sturm weit nach Südwesten verschlagen. In der Bucht vor Kap Pillar warf die „Elizabeth“ Anker. Nach einer kurzen Erholungspause, während er das Wetter keine besondere Schwierigkeiten bot, begann die Mannschaft mit den vordringlichsten Reparaturen. Am dritten Tag nach Ankunft der „Elizabeth“ traf auch die „Golden Hind“ vor Kap Pillar ein: Unweit der „Elizabeth“ ließ der Seewolf Anker werfen. Auch an Bord der „Golden Hind“ richtete man sich auf eine Erholungspause ein, die jeder Mann an Bord dringend nötig hatte. Gleichzeitig hoffte, man auf beiden Schiffen, daß auch die „Marygold“ die Sturmwochen überstanden hatte. Lediglich Ferris Tucker und Hasard hatten von Anfang an keinerlei Hoffnung. Rund acht Stunden vergingen. Drake hatte der Mannschaft absolute Ruhe verordnet. Mit den vordringlichsten Reparaturen sollte erst am nächsten Tag begonnen werden. Hasard, der fast den ganzen Tag verschlafen hatte, übernahm bei Sonnenaufgang die Wache: Zusammen mit
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Ben Brighton unternahm er einen Rundgang durchs Schiff und wollte zum Achterkastell zurück- kehren. In diesem Augenblick geschah es. Durch die Magellanstraße fegte eine. Bö heran. Hasard hörte sie, vernahm ihr hohles Pfeifen, dann das Brausen und Heulen, mit dem sie über die, Berge von Nordosten heranraste. Sein Alarmruf gellte über Deck, er selbst rannte zum Achterkastell, aber er schaffte es nicht mehr ganz. Die Bö packte die „Golden Hind“ und schob sie vor sich her. Die Ankertrosse straffte sich, schnellte aus dem Wasser und erst jetzt sah Benn Brighton, der mit wenigen Sätzen die Back erreicht hatte, daß sie über einen scharfkantigen Felsen lief. Die Bö entpuppte sich als Sturm, der wie aus heiterem Himmel aus Nordost über die beiden Schiffe herlief. Mehr und mehr straffte sich die Ankertrosse, scheuerte dabei über den scharfkantigen Felsen und riß genau in dem Moment mit lautem Knall, als die Besatzung an Deck stürzte. Die schwere Trosse schlug zurück, knallte gegen die Blinde-Rah und zerschlug sie, daß die Splitter nur so über das Vorderkastell fegten. Die „Golden Hind“ trieb auf die Klippen an der anderen Seite der Bucht zu. Hasard wollte seine Befehle brüllen, aber die Männer hatten längst geschaltet. Sie enterten wie die Affen in die Takelage, klammerten sich an den Rahen fest, lösten die angeschlagenen Segel aus den Zurrings. Drake war ebenfalls an Deck geeilt. Aus tiefliegenden Augen und hohlwangigem Gesicht starrte er abwechselnd auf die Klippen, an denen sich drohend die Wogen brachen und den weißen Gischt himmelhoch auf die Felsen sprühten, und dann wieder auf die Männer in der Takelage, die wie die Besessenen schufteten, um die „Golden Hind“ unter Segel zu kriegen. Hasard stand am Kolderstock, und erst als Pete Ballie ihn dort ablöste, schwang er sich wieder an Deck. Die ersten Segel standen. Sofort blähten sie sich im Druck
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des Sturms wie Ballons auf. Die Männer an den Brassen verrichteten beinahe Wunder. Nur fünfzig Yards von den drohenden Klippen entfernt hatte die ,Golden Hind“ soviel Fahrt, daß sie dem Ruder gehorchte. Irgendwann während der endlosen Sekunden, die die Männer auf das Krachen und Bersten warteten, mit dem ihr Schiff an einer dieser Klippen zerschellen würde, rumpelte einmal kurz etwas gegen den Rumpf der „Golden Hind“, aber dann hatte sie auch schon das freie Wasser erreicht. Der Sturm jagte sie aus der Bucht, fast südwärts diesmal. Und keiner der Männer an Bord ahnte, daß diese Fahrt noch um vieles schlimmer werden sollte, als die Sturmwochen zuvor. Fast einen Monat lang schlingerte, rollte und stampfte die „Golden Hind“ durch die tobende See. Diesmal forderte die See auch von ihr Tribut Sie verlor drei Männer, der Fockmast zersplitterte unter dem Anprall eines gigantischen Brechers, Segel knallten aus den Lieks, reihenweise kippten die Männer während der Arbeit vor Erschöpfung um. Ein Brecher zerschlug einen Teil der Galerie am Achterkastell und überschwemmte die Kammer Kapitän Drakes in Sekundenschnelle. Nur mit Mühe vermochte sich Drake vor dem Sog. der zurückflutenden Wassermassen zu retten. Am Ende der dritten Sturmwoche verwandelte sich der Regen in Schnee. Sie begegneten ersten Eisbergen, das laufende und stehende Gut der „Golden Hind“ begann zu vereisen. Auch auf den von Wasser überfluteten Decks bildeten sich dicke Eisschichten, Um das Schiff manövrierfähig zu halten, mußten die Männer mit Beilen,. Hämmern und Eispickeln die Blöcke, Taljen, Fallen und Wanten immer wieder freischlagen. Es war ein Kampf auf Leben und Tod, und Drake begriff sehr schnell, daß sie sich vom Sturm nicht mehr weiter südwärts jagen lassen durften, wenn sie überhaupt noch eine Chance zum Überleben behalten wollten.
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Zusammen mit dem Seewolf und' den anderen Männern der Besatzung begann er, die „Golden Hind“ immer wieder gegen den Sturm zu knüppeln. Arwenack, der Schimpanse, hatte sich unter Deck verkrochen. Auch er starrte die Männer hohlwangig an. Wenn sich ihm jemand zu nähern versuchte, fletschte er seine langen, gelben Zähne. Dan bildete die einzige Ausnahme. Hasard war abgemagert wie ein hungernder Wolf. Bis zur Erschöpfung stand er am Kolderstock. Er hatte schon längst jedes Gefühl für die wahnwitzigen Roller, Stampf- und Schlingerbewegungen der „Golden Hind“ verloren. Er wunderte sich nur darüber, von welch unerhörter Zähigkeit und Qualität dieses Schiff war. Denn es hielt allen Brechern dieses Sturmes, der kein Ende zu nehmen schien, stand. Am Ende der vierten Woche, als der Sturm endlich nachließ und Drake das Schiff auf Nordkurs knüppelte, stolperten die Männer vor Erschöpfung über ihre eigenen Füße. Selbst Carberry, der eiserne Profos, hatte keinen Gedanken mehr für die vielen Affenärsche, denen er höchstpersönlich die Haut abziehen würde. Stattdessen arbeitete er schweigend und verbissen mit den Männern überall dort, wo er gerade gebraucht wurde. Die Rede Francis Drakes, in der er noch in Port St. Julian die Herren und Seeleute aufgefordert hatte, endlich den Streit untereinander zu begraben und an einem Tau zu ziehen, war auf diese Weise verwirklicht worden, die sich damals noch keiner hätte träumen lassen. Eines Tages sichteten die Ausgucks an Steuerbord voraus eine felsige Insel. Drake eilte sofort an Deck. Auch ihm schlotterten die Kleider am Leib. „Mr. Killigrew, bereiten Sie alles zur Landung vor. Wir ankern in jener kleinen Bucht dort drüben. Ich muß endlich eine korrekte Positionsbestimmung vornehmen, ich muß wissen, wo wir uns befinden!“ Drake starrte zu dem Felseneiland hinüber. Er erhob sich wie ein Berg aus der graudunklen Wasserwüste. Undeutlich
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erkannte er, daß es dort Pinguine und Seevögel in Mengen gab. Das bestärkte seinen Entschluß nur noch. „Mr. Killigrew, veranlassen Sie, daß ein Jagdkommando zusammen gestellt wird. Wir brauchen dringend frisches Fleisch an Bord, es wird höchste Zeit, daß wir alle wieder etwas auf die Rippen kriegen.“ Wieder warf er der Insel einen Blick zu. „Ich glaube nicht mehr an die Existenz des Kontinents Terra Australis“, sagte er dann plötzlich. „Atlantik und Pazifik gehen hier ineinander über. Diese Insel dort“, er wies auf die düster-grauen Felsen, die sich zeitweilig hinter Schneeund Regenschauern verbargen, „diese Felsen dort stellen wahrscheinlich das äußerste Kap all dieser Vorgebirge dar, die wir gesehen haben. Ich habe von Bord aus verschiedentlich versucht, unsere Position zu nehmen, sobald sich auch nur ein Schimmer von Sonne zeigte. Wenn ich richtig gerechnet habe, befinden wir uns etwa auf 60 Grad südlicher Breite - nun, wir werden sehen, Gentlemen.“ Drake versank abermals in Gedanken, während vom Vorschiff und vorn Hauptdeck her die lauten Kommandos Carberrys, Ben Brightons und Smokys ertönten. Ferris Tucker arbeitete schweigend und verbissen mit einer Handvoll von Männern am Lateinerbesan Und wieder waren die Segel brettsteif gefroren und die Taue steif. Drake dachte an jene entsetzliche Gewitternacht, in der auf allen Mastspitzen, an allen Rahen jene unheimlichen kleinen blauen Feuer geflackert hatten, die einige der Seeleute schließlich für die Vorboten der Hölle gehalten und sich strikt geweigert hatten, auch nur einen Fuß in die Wanten zu setzen.: Er dachte an jenen Tag, an dem sie vor Durst den Schnee, der sich auf Deck gesammelt hatte, in der Kombüse Mac Pellews schmolzen und dann als köstliches, frisches Wasser tranken. Es war die einzige Nacht in allen diesen Wochen gewesen, in denen der Sturm. für Stunden einmal nachgelassen und der Mond durch
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die aufgerissene Wolkendecke geschienen hatte. Die See war in dieser Nacht unter seinem kalten Silberlicht wie Berge von wanderndem Blei gewesen. Die „Golden Hind“ hatte in dieser Nacht' unter ihrem dicken Eispanzer, den die Männer erst immer am Morgen wieder wegschlagen konnten, geleuchtet wie ein Gespensterschiff. Dann aber waren die blauen Feuer in der Takelage wieder erloschen, und der Sturm hatte mit einer Wucht eingesetzt, als habe er die kurze Pause nur dazu benutzt, neue Kräfte zu sammeln. Drake riß sich aus seinen Gedanken. Die „Golden Hind“ näherte sich der kleinen Bucht. Eine Gruppe von Seeleuten, unter ihnen auch der unverwüstliche Matt Davies, standen auf dem Vorderkastell am Spill klar bei Anker, den Ferris Tucker längst durch ein Reservestück ersetzt hatte. Wenig später klatschte der Anker ins Wasser und faßte sofort. Unter lautem Gebrüll geiten die Backbord- und die Steuerbordwache die Segel auf. Sie spürten es schon nicht mehr, wenn dabei die Haut in ihren Handflächen zum Teufel ging, die meisten von ihnen hatten ohnehin statt der Handfläche dicke 'Hornschwielen, denen nicht mehr so leicht beizukommen War, auch nicht durch vereiste Geitaue und gefrorene, brettsteife Segel. Hasard ließ vorsichtshalber auch noch den Heckanker ausbringen, dann wurde das Beiboot klariert und zu Wasser gebracht. Als erster setzte Drake auf die Insel über. Seine Navigationsinstrumente nahm er mit. Dann holte Boot ein paar Männer, die mit Musketen, Entermessern und Enterbeilen ausgerüstet waren. Diese Gruppe ging auf Jagd. Allen anderen gönnte Hasard eine kurze Erholungspause. Danach wurden am Schiff sofort die nötigsten Reparaturen in Angriff genommen, und mehr als einmal wunderte sich der Seewolf über die unverwüstliche Bärennatur Ferris Tuckers, der trotz all der Strapazen, die hinter ihnen lagen, mit den anderen Schiffszimmerleuten von morgens bis abends schuftete und dabei noch die
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Kraft fand, seine Männer bei Laune zu halten. Drake und die Männer der „Golden Hind“ hatten Glück. Das Wetter beruhigte sich, und kein neuer Sturm zog herauf. Es war, als hätten die brüllenden Fünfziger, das höllische Revier um Kap Horn, fürs erste ihre Kraft erschöpft. 8. Unterdessen ankerte die „Elizabeth“ immer noch vor Kap Pillar. Aber die Stimmung an Bord war miserabel, und sie wurde von Tag zu Tag schlechter. Drake und die „Golden Hind“ waren verschollen, seit mehr als einem Monat schon. Von der „Marygold“ hatte niemand je wieder eine Mastspitze oder eine Spiere gesehen. Die. Männer der „Elizabeth“ hatten die große Reise satt. Die Kap-Horn-Region hatte ihnen das Fürchten gelehrt. Sie wollten zurück nach England und sonst nichts. Nach langem, vom Steuermann der „Elizabeth“ mit großer Zähigkeit führten Verhandlungen, wobei der Steuermann Arthur Gonson als Sprecher der Männer vor dem Mast auftrat, willigte Kapitän Winter schließlich ein. Auch er betrachtete die Reise Drakes als gescheitert. Am 11. November 1578 lichtete die „Elizabeth“ die Anker und begann, sich ostwärts durch die Magellanstraße den Weg zurückzukämpfen, den sie mit der „Golden Hind“ und der „Marygold“ einst westwärts gesegelt war. Sie erreichte England tatsächlich, aber von ihrer Besatzung lebte nur noch ein gutes Drittel. Alle anderen waren den ständigen Strapazen, den Stürmen und den eisigen Brechern des Atlantik zum Opfer gefallen. Um diese Zeit, als die „Elizabeth“ sich durch die Gezeitenströme und Tücken der Magellanstraße kämpfte, lichtete auch die „Golden Hind“ ihre Anker wieder. Die Mannschaft hatte an dem Schiff wahre Wunder vollbracht. Vor rauhem Wind segelte sie nach Norden. Das Wetter blieb annehmbar, die Stimmung der Mannschaft wurde von Tag zu Tag besser.
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Die „Golden Hind“ erreichte Pillar vier Tage später. Drake ließ ankern und das Boot aussetzen. Aber die „Elizabeth“ war verschwunden. Seine Männer fanden am Kap noch Fußspuren, die eindeutig von englischen Stiefeln stammten. Sie fanden die Reste riesiger Feuer, die Kapitän Winter unterhalten hatte, um der „Golden Hind „ ihren Standort zu signalisieren, um vielleicht auch der „Marygold“ zu zeigen, daß noch jemand am Kap Pillar auf sie wartet, falls sie doch noch irgendwann zurückgekehrt wären. Nach einer langen Beratung in der Kapitänskammer an Bord der „Golden Hind“ ordnete Drake an, nochmals das gesamte Kap nach dem Männern der „Elizabeth“ abzusuchen. „Wir können nicht ausschließen, daß die 'Elizabeth' ebenfalls ein Opfer dieser furchtbaren Sturmwochen wurde“, sagte er abschließend. „Mr. Killigrew, Sie nehmen Ihre besten Männer, ich weiß, daß ich mich auf Sie verlassen kann wie auf mich selbst.“ Hasard und seine Männer suchten jede Insel ab, die im Umkreis des Kaps lag. Sie suchten und fahndeten auf Kap Pillar selber - vergeblich. Sie fanden keine neue Spuren. Auch die Böllerschüsse, die die „Golden Hind“ abfeuerte, zeigten kein Ergebnis. Drake ließ die Suche abbrechen. Am nächsten Morgen, einem Tag, an dem die fahle Sonnenscheibe hinter dünnen, weißgrauen Wolken zu sehen war, ging die „Golden Hind“ wieder ankerauf und segelte mit Nordkurs davon.. Drake stand neben dem Seewolf auf dem Achterkastell. „Mr. Killigrew, ich glaube, wir haben den südlichsten Punkt dieses Kontinents betreten. Meine Positionsbestimmung
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ergab knapp 56 Grad südlicher Breite. Sehen wir uns jetzt an, was uns weiter nordwärts erwartet. Ich habe das Gefühl, daß. wir das sagenumwobene Goldland, von dem alle Seefahrer immer wieder reden, doch noch finden werden, ehe wir nach England zurückkehren!“ Er lächelte dem Seewolf zu, dann verschwand er in seiner Kammer, um seinen Bericht über die letzten Wochen zu schreiben. Der Seewolf roch den salzigen Gischt, der vorn Vorderkastell herüberwehte, wenn die „Golden Hind“ mit dem Bug in eine der anlaufenden Seen krachte - und er war glücklich in diesem Moment. Was kümmerten ihn Stürme und Strapazen, solange. er ein Schiff wie dieses unter den Füßen hatte? „Ben!“ brüllte er, einer plötzlichen Eingebung folgend. Der Bootsmann der „Golden Hind“ tauchte wie der Blitz auf dem Achterkastell auf und sah ihn fragend an. „Ben, Rum für alle!“ brüllte ihm Hasard durch das Heulen und Singen des Windes zu. Er grinste, als eine sich überschlagende Stimme den alten Kampfruf seiner Crew anstimmte. Und der Seewolf schrie mit, als alle anderen Männer der Besatzung einfielen. „Arwenack!“ donnerte es über die Decks, daß Kapitän Drake in seiner Kammer zusammenfuhr. Aber dann huschte auch über seine Züge ein Lächeln. Das war genau die Crew, mit der er, wenn nötig, selbst den Teufel aus der Hölle holen würde Einer der Männer stimmte ein wildes Lied an, und die anderen fielen ein. Francis Drake merkte nicht, daß er schließlich selber mitsummte, während er die Eintragungen in seine Seekarte vornahm…
ENDE