Arbeiten zur römischen Epigraphik und Altertumskunde
Band 1
Herausgegeben von
R. Frei-Stolba und
M. A. Speidei
Uni...
57 downloads
1209 Views
38MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Arbeiten zur römischen Epigraphik und Altertumskunde
Band 1
Herausgegeben von
R. Frei-Stolba und
M. A. Speidei
Universitäten Bern und Lausanne
Titelseite: Bauinschrift aus dem Legionslager Vindonissa (CIL Xßi 11515). Photo: A. & J.-L. Veuthey, Lausanne.
DIE VERWALTUNG DES RÖMISCHEN REICHES IN DER HOHEN KAISERZEIT
Ausgewählte und erweiterte Beiträge
1. Band
von
WERNERECK
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Eck, Werner: Die Verwaltung des Römischen Reiches in der Hohen Kaiserzeit : ausgewählte und erweiterte Beiträge I von Werner Eck. - Basel : F. Reinhardt. Bd. 1 (1995) (Arbeiten zur römjschen Epigraphik und Altertumskunde; Bd. 1) ISBN 3-7245-0866-2
NE:GT
Alle Rechte vorbehalten
© 1995 by Friedrich Reinhardt Verlag Basel/Berlin Printed in Switzerland by Reinhardt Druck Basel ISBN 3-7245-0866-2
VORWORT DER HERAUSGEBER Die öffentliche Verwaltung, ihr Aufbau und
ihre Entwicklung, in Rom, Italien
und in den Provinzen gehört zu den bestimmenden Gesichtszügen des Römischen Reiches. In ihr spiegeln sieb die Gebiete staatlicher Einflussnahme
und die Art staatlichen Handelns. Lokale Erscheinungen prägen dabei
das Bild
der römischen Verwaltung ebenso wie reichsweite Einrichtungen. Die Forschungsbeiträge auf diesem Gebiet sind jedoch, vor allem wegen der starken Bindung an die wichtige Quellengruppe der Inschriften, nicht selten in nur schwer zugänglichen, lokalen Publikationen zu finden. Die Reihe «Arbeiten zur römischen Epigraphik und Altertumskunde (A.R.E.A.)» will deshalb die wichtigsten Beiträge zur Verwaltung und damit zur Geschichte des Römischen Reiches und seiner Provinzen zusammentragen und somit leichter als bisher zugänglich machen. Gleichzeitig werden die einzelnen Beiträge, soweit dies erforderlich scheint, von den Autoren auf den neuesten Stand der Forschung gebracht oder durch neue Beiträge ergänzt Ausführliebe Register sollen schliesslich helfen, die Beiträge vollständig zu erschliessen.
Die Forschung der letzten Jahrzehnte bat sich ausführlieb und mit wichtigen Erfolgen mit der Prosopographie der römischen Verwaltungsbeauftragten be schäftigt. Deren administrative Aufgaben und Tätigkeiten sowie die Funktion des Verwaltungssystems standen dabei jedoch nur selten
im
Vordergrund. Eine
zusammenfassende Beschreibung der Administration des Römischen Reiches, ihres Aufbaus., ihrer Funktion und
ihrer Entwicklung
fehlt gar bis heute.
Es ist
uns deshalb eine besondere Freude, die Reihe A.R.E.A. mit den vorliegenden, ausgewählten und grösstenteils stark erweiterten Beiträgen von Wemer Eck zur Verwaltung des Römischen Reiches zu eröffnen. Seine Arbeiten haben in den letzten Jahren grundlegend zum Verständnis der römischen Verwaltung beige
tragen. Die hier vorgelegte Auswahl umfasst die Beschreibung allgemeiner
Prinzipien der staatlieben Administration, die Reformen des Augustus sowie die Untersuchung einzelner, wichtiger Verwaltungszweige. Die Beiträge ergänzen sich gegenseitig zu einem in sich geschlossenen Bild und sind durch ausführliebe Register erschlossen. Vervollständigt wird dieses Bild durch Wemer Ecks Aufsätze des in Vorbereitung befindlichen zweiten Bandes, die neben weiteten Beiträgen zu den Prinzipien
der römischen
Administration und zu einzelnen,
ausgewählten Verwaltungszweigen vor allem auch die Entwicklung des Verwaltungssystems unter den auf Augustus folgenden Kaisem beleuchten.
l
Unser besonderer Dank gilt Herrn A. Rüdisühli und dem Friedrich Reinhardt Verlag für die Aufnahme der Reihe in das Verlagsprogramm. Ferner haben wir dem «Institut d' Archeologie et d'Histoire Ancienne» der Universtität Lausanne für
d i e Zurverfügungstellung der dortigen Infrastruktur zu danken, sowie Frau B. Maire und Herrn J.-L. Veuthey für ihre technische Hilfe.
Regula Frei-Stolba
Michael Alexander Speidei Lausanne, im März
1995
Friedrich Vittingho.ff und Geza Alföldy gewidmet
VORWORT DES AliTORS Die hier vorgelegten fünfzehn Beiträge sind fast alle in den letzten zehn Jahren
i verfaßt worden. Von verschiedenen Seiten versuchen se, Aspekte der staatlichen
Administration zu erfassen und sie im Zusammenhang der allgemeinen politischen Entwicklung sowie der Sozialstruktur während der frühen und hohen Kaiserzeit zu erörtern. Alle Beiträge sind als Vorarbeiten zu einer geplanten umfassenderen Darstellung der Administration, insbesondere in den Provinzen des kaiserzeitlichen Rom, zu sehen. Da jedoch das Vorhaben, die Administration des Imperium Romanum vom Ende der Republik bis zu ihrer großen Umgestaltung
im Verlauf des 3. Jahrhunderts
systematisch und im Detail zu beschreiben, noch
einige Zeit und weitere Vorarbeiten erfordert, bin ich gerne auf den Vorschlag der beiden Herausgeber der neuen Reihe, Regula Frei-Stolba und Michael Alexander Speidel, eingegangen, eine Auswahlsammlung zu dieser Thematik vorzulegen. Manche dieser Beiträge sind auch tatsächlich in etwas entlegenen Publikationen vorgelegt worden, so daß es für Interessierte nicht imme.r leicht war, die Aufsätze zu benutzen. So mag über das allgemeine Motiv, sachlich Zusammengehöriges an einem Ort gesammelt zu haben, auch dieser sehr unmittelbare praktische Grund eine Rechtfertigung dafür sein, d.iese Sammlung zu publizieren. Keiner der Beiträge wurde völlig unverändert wieder abgedruckt. Vielmehr wurden sie alle über stilistische Veränderungen binaus auch inhaltlieb in der einen oder anderen Weise erweitert und ergänzt. Quellen und neuere Literatur wurden, soweit nötig und möglich, nachgetragen, ohne daß dies freilich überall bis zur letzten Konsequenz getan werden konnte. Manche der Beiträge sind auf diese Weise wesentlich über die ursprüngliche Publikation hinaus fortgeschrieben worden. Deshalb schien es auch nicht möglich, die Ergänzungen durch Klammem zu kennzeichnen, da in manchen Aufsätzen dadurch eine zu starke Unruhe im Text entstanden wäre. Wegen der zahlreichen Zusätze und Nachträge wurde auch die Zählung der Anmerkungen, soweit nötig, von der in den ursprünglichen Publika lionen gelöst.
Zu danken habe ich den beiden Herausgebern, die den Vorschlag für die
Publikation des Bandes machten und auch die Auswahl zusammenstellten. Ich halte daran nur wenig zu ändern oder hinzuzufügen. Beide haben auch die Mühe auf sieb genommen, einen Index zu erarbeiten, wodurch, wie wir hoffen, der Inhalt der Beiträge leichter zugänglich gemacht wird. Gerade dafür möchte ich
auch hier nochmals meinen besonderen Dank sagen. Die Erfassung sämtlicher Beiträge auf dem PC
bat Frau Ursula Pitscb
übernommen. Sie hat diese Arbeit mit Engagement und wie gewohnt zuverlässig
erledigt, obwohl sie sich zur seihen Zeit auf ihr Staatsexamen vorbereitete. Dafür sei ihr mein besonderer Dank ausgesprochen. Ebenso möchte ich Dirk Eckelenz und Ulrich Heider danken, die beim Korrekturlesen behilflich waren. Wenn auf diese Weise ein Band entstanden wäre, der den für das Leben des kaiserzeitlichen Rom so wichtigen Bereich der Administration leichter zugänglich machte, bäue
sieb die gemeinsame Mühe gelohnt. WemerEck Köln, im März
1995
INHALT Vorwort der Herausgeber . Vorwort des Verfassers . .. . . . . . . .
. . .
.
I ID
. . . . . . . . ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
..
. . .
. . . . . . .
..
. . . . . . .
..
. . ..
.
.. . . . . . . . . . . . .
I. Strukturen - Allgemeines
1. Die staatliebe Administration des rtmiscben Reicbes in der hoben Kaiser zeit. Ihre strukturellen Komponenten . . . . . . . . . ...... .
..
.
. . . . . . . . . . . ..
. .
. . ..
2. Die Ausfommng der ritterlieben Administration als Antisenatspolitik? . ...
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
29
3. Zur Durcbsetzung von Anordnungen und Entscheidungen in der hohen Kaiserzeit Die administrative Informationsstruktur D.
.
. . . . . . . . . . . . . . .
..
.
. . . .
55
Augustus' Reformen
4. Augustus' administrative Reformen: Pragmatismus odec systematisches Planen? ....... . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . ... . .
.
.
. .
83
5. Die Umgestaltung der poi l tischen Führungsschiebt-Senatorenstand und Ritterstand ... ... ... .. .. ...... . .. ... . 103 . . . . . . . . . .
.
. .
. . . . . .
. . . . .
. .
..
.
.
. . .
. . .
111. Einzelne Verwaltungszweige 6. Organisation und Administration der Wasserversorgung Roms
.
. . . . . . . . 161 .
.
7. Die Wasserversorgung im römischen Reich: Sozio-politiscbe Bedingungen, Recbt und Administration
....... . . . . ..... . . . . . . . . . .
8. Staat und landwirtschaftliebes Bewässerun gssystem Ägyptens in römischer Zeit . ... . . . . . ... . . . . . . . .. . . .
. . .
.
.
.
.
. . .
. . ..
. .
. . .. . .
. . . .
9. Cura viarum und cura operum publicorum als kollegiale Ämter im frühen Prinzipat .. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
.
. . . .
.
.
..
..
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 179 .
. . . . . 253
.
. . .
10. Die Administration der italischen Straßen: Das Beispiel der via Appia
.281
..
295
11. Die italischen legati Augusti pro praetore unter Hadrian und Antoninus Pius
315
12. Die Leitung und Verwaltung einer prolruratoriscben Provinz
327
. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
13.Zur Erhebung der Erbschafts- und Freilassungssteuer in Ägypten im 2. Jh. n.Chr. . .. .. . ....... . . ...
. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
14.Die Einrichtung der Prokuratut der Illi publica Africae. Zu einem methodischen Problem
. . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
349
15. Terminationen als administratives Problem: das Beispiel der nord-
afrikanischen Provinzen ...................... . . .........................355
Nachweis der Erstveröffentlichungen
Register
. .. ..
.
. ..... .
..
. . . . . . . .
365
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
367
..
.
. . .
. . .
. .
.
.....
I. STRUKTUREN- ALLGEMEINES
DIE STAA1LICHE ADMINISTRATION DES RÖMISCHEN REICHES IN DER HOHFN KAISERZEIT.
IHRE STRUKlURELLEN KOMPONENTEN' In der Überschrift der Res gestae cüvi Augusti, die vor dem Mausoleum des ersten Princeps in Rom publiziert wurden, heißt es, durch seine Taten habe Augustus den Erdkreis der Herrschaft des römischen Volkes unterworfen.2 In der Tat, Augustus, der in der späteren Historiographie oft als Friedensfürst erscheint, war in Wirklichkei t derjenige, der den größten Gebietszuwachs für das römische Imperium bewirkt hatte. Zwar konnte der griechische Historiker Polybios bereits für das Jahr 168 v.Cht. die Weltherrschaft Roms diagnostizieren;3 doch territorial-herrschaftlieb war dieser Zustand erst eineinhalb Jabrbunderte später unter Augustus erreicht. Nachfolgende Gebietserwerbungen unter den Kaisem Claucüus, Domitian, Traian und schließlic!b Septimius Severus waren zwar nicht unbedeutend, aber für den Charakter als Weltreich nicht mehr entscheidend. Setzt man die Ausdehnung, die das Imperium Romanum erreicht hatte, in moderne Wirklichkeit um,
so
beißt dies: Heute existieren 28 unabhängige Staaten auf
dem Gebiet, das seit der Zeit des Augustus bis ins 5. Jb. binein den Herr schaftsbereich Roms ausmachte, insgesamt mehr als 5 Millionen Quadrat kilometer. Daß Rom im Vergleich zu unserer modernen Welt, aber auch zu maneben Staaten der Antike, beispielsweise Ägypten, sein Herrschaftsgebiet niemals i n vergleichbarer Intensität organisatorisch und administrativ durchdrungen hat, ist 1 Eine Gesamtdarstellung der römischen Administration, sowohl der Grundprinzipien als auch der Entwicklung fehlt bis beute. Wichtig ist weiterbin 0. Hirschfeld, Die kaiserlieben Verwaltungsbeamten bis auf Diokletian, Berlin 190S. Für eine neue Siebtweise sind vor allem auch die Arbeiten von F. Miliar bedeutaam, vor allem: Emperors at Work, JRS 57, 1967, 9 ff.; ders., The Emperor in tbe Roman World, London 1977 ( Millar, Emperor), ferner die Beiträge von P.A. Brunt. Roman Imperial Themes, Oxford 1990. Ein lrurzer, aber instruktiver Oberblick jeweils bei P. Millar, Das römische Reich und seine Nachbarn (Fischer Weltgeschichte Bd. 8), Frankfurt 1966, 58 ff.; N. Purcell, The Arts of Govemment, in: The Oxford History of tbe Classical World, bg. J. Boardman u.a., Oxford 1986, 560 ff. und P. Garnsey-R. Saller, The Roman Empire, London 1987, 20 ff. Folgende Werke werden abgekUrzt zitiert.: Ann�e epigrapbique 1888 ff. (= AE); Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin 1863 ff. (= CIL); H. Dessau, Inscriptiones Latinae Selectae, Berlin 1892 ff. (= Dessau); W. Eck, Die staatliebe Organisation Italiens in der Hoben Kaiserzeit, MOneben 1979 ( Eck, Italien); H.-0. Pflaum, Les procurateiU'I �ueatres IOUI le Haut-Empire romain, Paris 1950 (= Pflaum. Procuratears). 2 Res gestae, bg. H. Volkmann. Berlin 3 1969, 10. 3 Polybios 1,1. =
=
2
Die staatliebe Administration
in der Forschung weithin akzeptierte Meinung. Freilieb herrscht keineswegs Einigkeit über den dennoch erreichten Grad der Verwaltungsintensität und insbesondere nicht über den Entwlcldungsrbythmus. Vor allem meinte man nicht selten, mit Augustus, dem Begrllnder der dauerhaften monarebischen Herr schaftsform in Rom, einen grundlegenden Wandel feststellen zu können, ohne stets genügend zu betonen, wie vieles sich sowohl nach der äußeren Form als auch in der inhaltlieben Ausfüllung erst in den auf Augustus folgenden Jahrhun derten entwickelt und ausgestaltet hat.4 Im Detail kann dies hier auf beschränktem Raum nicht ausgeführt werden, doch wird versucht, die strukturellen Entwicklungskomponenten von Augustus bis zur großen Krise in der Mitte des 3. Jb. n.Chr. aufzuzeigen, d.b. bis zu der Zeitspanne, aus der heraus sich die administrativen Reformen der beginnenden Spätantike mit stärkerem systematischen Charakter entwickelten.
1. Die regionalen Administrationsbereiche
Der Herrschaftsraum Roms erstreckte sieb über mehr als 5 Millionen Quadrat kilometer. Eine einheitliebe Gliederung nach gleichartigen Prinzipien ist bis zum Beginn des 4. Jb.s n.Chr. nie versucht worden. Vielmehr war die gesamte Gliederung wesentlich durch traditionelle Faktoren bestimmt Deshalb stehen Rom und Italien als das Kernland der römischen Macht und der römiscben Bürger den Provinzen als Untertanengebiet gegenüber. Dieser Zustand, der sieb seit der allgemeinen Vergabe des römischen Bürgerrechts an alle Bewohner Italiens seit 90/89 v.Chr. herausgebildet hatte, bestimmte auch die administrativen Formen.S Zuständig waren theoretisch für ganz Italien die stadtrömischen Magistrate, insbesondere Prätoren und Konsuln, die freilich ansschließlieb an das Zentrum gebunden waren. Sie wurden damit mehr und mehr zu Amtsträgern, die vornehmlieb die Bedürfnisse der Bewohner Roms zu erledigen hatten. Die Bewohner Italiens selbst aber waren fast in allen Belangen in die Or ganisationsform ihrer jeweiligen Heimatgemeinde eingebunden wie im übrigen auch alle Provinzbewohner. Nur in wichtigen Fragen, vor allem im Bereich der Jurisdiktion, blieb Rom noch lange das Zentrum, an das sieb alle zu wenden hatten, Einzelpersonen und Gemeinden. Eine wirkliebe administrative Gliederung
4
So etwa zuletzt wieder in dem insgesamt wichtige Einsichten vermittelnden Buch von W. Dablheim, Geschichte der römischen Kaiserzeit, München 1984, passim. 5 Dazu R. Tbomsen, Tbe ltalic Rego i ns from Augustus to the Lombard Invuion, Kopenhagen 1947; Eck, Italien, passim.
Die staatliche Administration
3
des gesamten italischen Festlandes auf einer Ebene Ober den Städten wurde erst
zum Ende des 3. Jh.s n.Chr. erreicht. Zwar hatte Augustus Italien in 11 Regionen eingeteilt; aber spezifische administrative Aufgaben sind damit offensichtlich kaum verbunden gewesen und eigene Amtsträger sind dafür überhaupt nicht eingesetzt worden. Erst seit Mare Aurel (161-180 n.Chr.) wurden, nach einem nur kurzfristigen Versuch unter Hadrian, auf Dauer vier regionale Bereiche für bestimmte Teile der freiwilligen Rechtsprechung geschaffen, die allerdings in ihrer territorialen Ausdehnung und Zusammensetzung höchst variabel waren; bis zur Mitte des 3. Jh.s stieg die Zahl dieser Regionen auf insgesamt sechs. Andere Amtsträger, die im Verlauf des 2. Jh.s fUr weitere Aufgaben in Italien geschaffen wurden. orientierten sieb nicht
an diesen Gerichtsbezirken; ihre Amtsgewalt erstreckte sich vielmehr auf Territorien, die sich häufig mit mehreren Gerichtsbez.irlcen überschnitten. So dauerte es b is zum Ende des 3. Jh.s, bis eine relativ einheitliche Gliederung im Kernland des Reiches erreicht wurde. Der weitaus größte Teil des Imperiums war Untertanengebiet, das seit dem späteren 1. Jh. fast ausnahmslos in Provinzen gegliedert war. Bis zu dieser Zeit waren manche Regionen, obwohl sie durchaus dem Imperium zugehörten, im Status von Klientelstaaten verblieben. Seit den Eroberungen durch Pompeius und Caesar existierten 17 Provinzen, deren Zahl sich bis zum Ende des Augustns auf etwa 28 oder 29 erhöhte. Unter Traian waren es bereits 41, seit Septimius Severus/Caracalla 44. Ein Teil des Zuwachses war durch Eroberungen feindlicher Gebiete, aber auch durch die Umwandlung von Klientelkönigreichen in Untertanengebiete bedingt Dazu gehörten einerseits z.B. Britannien und Dakien, andererseits Thrakien, Kappadokien oder die beiden Mauretanien. Manche der Provinzen sind jedoch auch durch Teilung einer größeren Einheit entstanden, etwa die beiden mösischen Provinzen, die beiden pannonischen und die beiden syrischen (Syria Coele, Syria Phoenice). Doch zielte diese Vakleinerung nicht etwa auf eine bessere administrative Durchdringung, wie dies zumindest auch der Zweck der diokletianischen Reform am Ende des 3. Jh.s war. Vielmehr lagen die Gründe ausschließlich in militärischen bz.w. politischen Überlegungen. So war angesichts der Bedrohung durch Völker nördlich der Donau unter Domitian (81-96 n.Chr.} ein einziger Statthalter in Mösien an einer mehr als 1'000 km langen Flußgrenze nicht mehr ausreichend für die militärischen Aufgaben; zudem hätte er fünf Legionen unter seinem alleinigen Kommando gehabt und auf Grund dieses Potentials auch innenpolitisch für den Kaiser gefährlich werden können. In den beiden deshalb geschaffenen Provinzen Moesia superior und inferior lagen
Die staatliebe Administration
4
jeweils nur noch zwei bzw. drei Legionen.6 Auch Septimius Severus (193-
211 n.Chr..) teilte Syrien nur deshalb, weil diese militärstarke Provinz
im Osten
seinem Gegenspieler Pescennius Niger als Basis gedient hatte.7 Gelegentlich wurden Teile von Provinzen einer anderen zugeschlagen; dies geschah z.B. zwischen Germania superior und der Gallia Lugdunensis oder in Kleinasien zwischen Galatien und Kilikien.S Ob hierbei Überlegungen, auf die Verwaltung Einfluß z u nehmen, eine Rolle spielten, läßt sich bisher in keinem Fall nachweisen. Von Augustus bis zur Mitte des 3. Jh.s verblieben, abgesehen von den Teilungen, die Provinzen zumeist in der Größe, in der sie ursprünglich eingerichtet worden waren; d.h. für die Ausdehnung ood Grenzziehoog waren zu einem erheblichen Teil die Umstände zum Zeitpunkt der Eroberung bzw. der Eingliederung entscheidend. So ist es auch in den meisten Fällen zu erklären, daß die einzelnen territorialen Einheiten äußerst unterschiedlich in ihrer AUsdehnung waren. Die beiden germanischen Provinzen umfaßten rund 16'500 (Germania inferior) bzw. 93'500 Quadratkilometer (Germania superior); Dalmatien dürfte eine Ausdehnung von etwa 150'000 Quadratkilometer etreicht haben, die Provinz Tarraconensis auf
der
iberischen
Halbinsel mindestens 300'000
Quadratkilometer. Dagegen waren die Alpenprovinzen nur wenige Tausend Quadratkilometer groß, die Provinz Cypem etwas mehr als 9'000 Quadratldlometer.9 Diese Unterschiede zu betonen, wäre vielleicht nicht wichtig, wenn nicht zumindest in wesentlichen Teilen der Administration der penonelle Aufwand völlig unabhängig von der Größe der Provinz gewesen wäre, d.h., das Personal war zahlenmäßig gleich, ob es sich nun um einen Verwaltungsbereich von 9'000 oder 100'000 Quadratidiometee handelte; diesen Größenunterschied findet man beispielsweise bei der Provinz Cypern einerseits und der Baetica (im Süden Spaniens) andererseits. Dieser Umstand läßt von vomeberein vermuten, daß in solchen Fällen bei der Bemessung des Personals nicht der Gesichtspunkt der administrativen Erschließung im Sinne einer flächendeckenden Verwaltung entscheidend gewesen sein kann, vielmehr mußte dec Magistrat entsprechend
sein . Prinzip, das auch unter dem monarchischen
seinem Rang als Vertreter Roms adäquat mit Hilfspersonal ausgestattet Dies war ein republikanisches
Prinzipat im wesentlichen seine Gültigkeit behielt.
6 W. Eck, Senatoren von Vespasian bis Hadrian, München 1970, 7.
7 A.R. Birley, Septimius Severus. The African Emperor, London 1972, 180. 8 Ygl. etwa Cb.-M. Temes, ANRW ll 5,2, Berlin 1976, 740 ff.; Dessau 8827. 9 Die Zahlen fllr die einzelnen Provinzen können nur approximativ sein, da die exakte Grenze oft nicht
zu ermitteln ist. Eine Ausnahme bilden die Inselprovinzen.
Die staatliebe Administration
s
Wirkliche administrative Untergliederungen der Provinzen mit ständigen staatlichen Amtsträgem wurden nur in Ausnahmefällen eingerichtet. So war Ägypten in drei oder vier Bereiche gegliedert, deren jeweiliger Leiter, der sogenannte Epistratege, dem Statthalter der Gesamtprovinz unterstand 10 Ähnliches gab es im Norden Sparnens und für eine Zeit lang auch in Britannien und Kappadokien: einen iuridicus für die Rechtsprechung in einem Teil dieser Provinzen. Keine echten administrativen Einheiten waren dagegen die Kon ventsbezirke, die zu Gerichtszwecken vermutlich in allen oder fast allen Provinzen eingerichtet waren.ll In der Provinz Asia bestanden in der 1. Hälfte des 1. Jh.s n.Chr. 13 solcher Conventus, in der Tarraconensis während der
augusteischen Zeit sieben. Docb dienten die Cooventus nur periodisch für jeweils kurze Zeit als Zentrum für die jurlsdiktionelle Tätigkeit des Statthalters, außerhalb der Gerichtsperiode hatten sie, soweit heute erkennbar, keinerlei administrative Funktionen, was sieb am deutlichsten im Mangel an staatlichem Personal speziell filr die Konventsbezirke ausdrückte. Lediglieb bei der administrativen Information der Provinz könnten die Konventsorte teilweise eine Rolle gespielt haben. Damit waren alle unteren administrativen Einheiten, seien es Städte unterschiedlichen Rechts, Stammesgebiete, Tempelherrschaften und vielleicht auch große staatliche Domänenbezirke, soweit diese nicht über den Domänenprokurator direkt mit dem Kaiser verbunden waren, unmittelbar ohne Zwischeninstanz auf den Statthalter verwiesen. Gerade diese lokalen Einheiten haben den wesentlichen Bezugspunkt für die Provinzbewobner abgegeben und die meisten Bedürfnisse k onn ten dort bewältigt werden.12 Doch waren sie kein unmittelbarer Teil der staatlieben Administration; vielmehr genossen sie eine weitgehende Autonomie, was sieb symptomatisch in der freien Bestimmung der Amtsträger der Städte durch die Bürger in der Volksversammlung bzw. durch die Stadträte, den ordo decurionum oder die Bule, selbst manüestierte. Rom in Gestalt des Statthal ters hat hier unter normalen Verhältnissen nicht eingegriffen. hätte es auch bei der großen Zahl von Städten in manchen Provinzen gar nicht tun können, jedenfalls nicht ohne eine Änderung des gesamten Systems. Da andererseits die weitgebend autonomen Gemeinden die staatliebe Administration von vielen Aufgaben entlasteten und sie den Römern als ein adäquates, in seiner
10 J.D. Thomas, The Epistrategos in Ptolemaic and Roman Egypt. Part 2: Tbe Roman E istrategos, Opladen 1982, 15 ff. p I G.P. Burton, Proconsuls, Assizes and the Administration of Justice under tbe Empire, JRS 65, 1975, 92 ff. 12 Vgl. etwa F. Millar, The World of the Golden Ass, JRS 71, 1981, 6 ff. 3
Die staatliebe Administration
6
Struktur klares Herrschaftsinstrument erschienen. haben alle Principes seit Augustus in mehr oder weniger großem Ausmaß die Gründung neuer Städte bzw.
die Umwandlung schon bestehender zu römisch organisierten gefördert. Erst auf dieser Basis ist es überhaupt möglich gewesen, die vor allem personell so
beschränkte Form der römischen Administration über Jahrhunderte binweg
aufrecbtzuerhalten.13
2. Kommunikation im administrativen Bereich. Zwei Arten von Kommunikation sind in der AdminisUaüoo zu untascheiden: Einmal der Informationsfluß zwischen den verschiedenen administrativen Ebenen, also vom Kaiser bzw. Senat in Rom zu den Amtsträgern in den Provinzen und umgekehrt zurück in die Hauptstadt,l4 ferner zwischen Amtsträgern innerhalb derselben Provinz oder auch verschiedener Provinzen. Sodann aber der Verkehr zwischen denen, die voo der Administration betroffen wurden, und den Trägern der staatlichen MachL Diese «Objekte des Verwaltungshandelns,. waren Einzelpersonen, Gruppen von Personen und Städte.l5 Augustus scheint sehr bald erkannt zu haben, daß die Stabilität seiner Herrschaft nicht unwesentlich auf einer schnellen und umfassenden Infoonalioo über alle für ihn wichtigen Vorgänge im Imperium beruhte. Deshalb hat er frühzeitig ein System geschaffen, das zuverlässig Nachrichten an ihn gelangen
ie l ß und ihm ebenso erlaubte, Anordnungen an diejenigen gelangen zu lassen, die diese brauchten. Dieses System, zunächst vehiculatio, später cursus publicus genannt.l6 beruhte auf der ständigen Bereitstellung von Reittieren und Transportmitteln, vor allem Wagen, entlang der Reicbsstraßen. In regelmäßigen Abständen wurden Wechselstationen erbaut. an denen Kuriere die ermüdeten Reittiere gegen frische eintauseben konnten; auch Wagen standen dort zur 13 F. Vittingboff, «Stadbo und Urbanisierung in der griecbi.scb-rOmiscben Antike, HZ
226, 1978, .S46 ff. ders., Civitas Romana. Stadt und politiJcb-10ziale Integration im Imperium Romanum der Kaiserzeit, bg. W. Eck, Stuttgart 1994, 11 ff. 14 Dazu jetz.t W. Eck, Zur Durcbaetzuna von Anordnungen und Entscheidungen in der Hoben Kaiserzeit: Die administrative ln.formationsstruktur. Studi Ital. di fllol. clasa., =
3. aer., 10, 1992, 915 ff.
•
in diesem Band S.
SS ff. Vgl. aucb R. Duncan-Jonea,
Communication Speed and Contact by Sea in the Roman Empire, in: den., Structure
and Scale in tbe Roman Economy, Cambridge 1990, 7 ff. 15 Dieser Aspekt der römischen Administration wurde am besten von Miliar, Emperor
275 ff.
behandelt.
16 H.-G. Pflaum, Essai sur
le cursus publicua sous
le Haut-Empire romain, Paria
1940.
Die staatliebe Administration
7
Verfügung. Für die Überquerung der Adria, vielleicht auch für die Verbindung Italiens mit Africa standen Teile der italischen Flotten bereit. 1 7 Daß der cursus publicus auch reisende Amtsträger zu versorgen hatte, braucht in unserem Zusammenbang nicht zu interessi eren.18 Nicht jeder Bote durfte freilieb dieses Nachrichten- und Transportsystem benutzen, vielmehr bedurfte es dazu eines eigens vom Princeps ausgestellten Dokuments, eines Diploms. Allerdings scheinen die Kaiser sieb bei der Ausgabe solcher Dokumente im allgemeinen eher zurückgehalten zu haben. Allein dieser Umstand läßt bereits darauf schließen, daß nicht alle administrativen Schreiben, die über längere Strecken überbracht werden mußten, mit dem cursus publicus transportiert werden konnten. Vielmehr waren die Statthalter und sonstigen höheren Amtsträger in der i , soweit ihnen überhaupt Diplome zur Verfügung standen, vermutlieb Provnz gehalten, deren Benutzung auf wichtige Situationen zu bescbränken. Ansonsten aber wurden Nachrichten und Dokumente entweder von speziellen Boten, sogenannten tabellarii, wie sie maneben administrativen Einheiten zur Verfügung standen,l9 oder auch von Staatssklaven und Soldaten überbracbt;20 ferner ist nicht ausgeschlossen, daß auch Reisenden immer wieder Schreiben mitgegeben wurden, wie es während der Republik ganz üblich gewesen war. Der Austausch von Schreiben und Dokumenten bzw. das Überbringen mündlieber Nachrichten zwischen Rom und den Provinzen bzw. umgekehrt muß beträchtlich gewesen sein, ohne daß es für uns möglich wäre, dies näher quantitativ zu bestimmen. Lediglich durch den Briefwechsel des Plinius mit Traian haben wir einen punktuellen Einblick. Plinius bat im Verlauf von nicht einmal zwei Jahren 61 epistulae an den Kaiser gesandt, der seinerseits48 Antwortschreiben an ihn richtete. Wie diese Briefe befördert wurden, ist nicht zu sehen. Immerhin läßt dieses Beispiel doch erkennen, daß bei rund 40 Provinzen, von denen viele, vor allem wegen der dort stationierten Heereseinheiten oder auch der Anzahl der Städte und des Umfangs der Bevölkerung, wesentlich bedeutsamer waren als Pontus-Bitbynien, allein zwischen Kaisem und Statthaltern ein erhebliebes Briefvolumen angefallen ist. Zählt man die anderen, von den Provinz gouverneuren unabhängigen Amtsträger, also Prokuratoren für Steuer- und 17 W. Eck. Tac., Ann. 4,2 ,1 und der cunus publicus auf der Adria, Scripta Class. 7 Israelica 13, 1993, 60 ff. 18 Zuletzt St. Mitchell, Requisitioned Transport in the Roman Empire: A New Inscription from Pisidia, JRS 66, 1976, 106 ff.; Eck, Italien 88 ff. 19 Solche kennt man z.B. ftlr die Getreideversorgung Roms (CIL VI 8473 Dessau 1705) oder ftlr das Büro der 5%igen Erbschaftssteuer in Rom (CD.. VI 8445 Dessau 1553). 20 Siehe z.B. Apuleius, Metamorph. 10, 3. 1 =
=
Die staatliebe Administration
8
Zolleinzug, für das Gladiatorenwesen oder für die Domänen, Bergwerke und Steinbrüche, hinzu, so muß der Anfall an Schriftverkehr zwischen der Zentrale und den einzelnen administrativen Bezirken beträchtlich gewesen sein, ohne daß man zu einer echten numerischen Kookretisienmg gelangen könnte.
Noch weit weniger konkret sind unsere Kenntnisse über die «Befellls,struktur» beispielsweise zwischen dem Statthalter und den einzelnen Städten seines Amtsbereiches. Auch wenn vieles routinemäßig und aus der Tradition heraus im Ablauf geregelt war, was nicht ständig einer eigenen Anordntmg von seiten des Statthalters bedurfte, so gab es mit Sicherheit immer wieder grundsätzliche neue Anweisungen, die allen Städten bekannt gegeben werden mußten, so z.B. in jedem Jahr die Termine, wann der Statthalter in den einzelnen Konventsorten Gericht halten werde. Möglicherweise geschah dies auf die Weise,
daß die
jeweiligen Konventsorte eine Nachricht vom Statthalt er erhielten, die dann ihrerseits verpflichtet waren, alle Gemeinden, die zu einem Konventsbezirk gehörten, über den Termin zu verständigen. In Ägypten, das freilich, soweit wir sehen, nicht in allem einer normalen Provinz entsprach, gingen häufig Anweisungen des praejectus Aegypti zunächst an die Epistrategen. Diese gaben die Befehle an die Leiter der einzelnen Gaue, die Strategen, weiter, die dann ihrerseits die Amtsträger in jedem Dorfbenachrichtigten.21 Ein analoges Prinzip ist auch in anderen Provinzen vorstellbar, jedoch bisher noch nirgends nachzuweisen. Doch der Präfekt von Ägypten verkehrte sehr häufig auch direkt mit den Strategen und ließ ihnen unmittelbar seine Anweisungen zukommen. 22 Ähnliche Probleme der generellen Information stellen skb auch für AoordniDl
gen, die von Rom ausgingen, sei es vom Kaiser, sei es vom Senat So mußte beispielsweise jeweils vor Jahresbeginn mitgeteilt werden, wer die Konsuln des nächsten Jahres waren, damit bei Datierungen die zutreffenden Namen eingesetzt wurden. Da es seit dem Jahr 5 v.Chr. regelmäßig auch Suffek:tk:onsuln gab, die während des laufenden Jahres ihr Amt antraten, verschärfte sieb das Problem. Allgemein bekannt gemacht wurden die Konsulnpaare einschließlieb der vorgesehenen Amtszeit von einigen Monaten auf jeden Fall, zumindest in Italien; aber auch in den Provinzen ist es kaum anders vorstellbar. Durch zahlreiche Wachstafeln, die in Pompeü bzw. Herculaneum gefunden wurden,23 21 J.D. Thomas, The Administrative Divisions of Egypt, Xllth. Intern. Congreas of Papyrology. Americ. Society of Papyr. 7, 1970, 465 ff. 22 Siebe Eck (Anm. 14) 931 ff. 23 Vgl. z.B. CIL IV tabulae ceratae 1-155; 0. Camodeca, Puteoll 6, 1982, 3 ff.; 718, 1983/4, 3 ff.; vgl. auch AE 1983, 184 ff. Vgl. W. Eck, Consulea ordinarii und consules suffecti als eponyme Amtstrlger, in: Epigrafia. Actes du colloque en m�moire de A. Degrassi Rom 1994, 15 ff. ,
Die staatliche Administration
9
ergibt sich, daß selbst Privatverträge und -abmachungen jeweils entsprechend datiert wurden, und zwar auch mit den Suffektkonsuln; jedenfalls ist dies bis etwa zum Jahre 79 n.Cbr. anband dieser Wachstafeln zu zeigen. Nur ist es völlig unklar, wie die Menschen in den einzelnen Städten Italiens oder auch die Statthalter in den Besitz der jeweiligen Kenntnisse kamen. Bei den Amtsträgem in den Provinzen ist es jedenfalls unvorstellbar, man habe sich darauf verlassen,
si e würden die notwendigen Informationen schon aufirgendeine Weise erhalten.
Man muß eine Regelung voraussetzen, nach der unter Normalbedingungen den
2 Statthaltern die Namen der neuen Obermagistrate übermittelt wurden. 4 So
könnte man sich vorstellen, daß dies durch die Konsuln geschah, die die Wahlen
für das nächste Jahr leiteten. Nach den Wahlen konnte dutch entsprechend viele Briefboten die schriftliebe Mitteilung mit den Namen der designierten Konsuln an die einzelnen Statthalter überbracht worden sein, die sodann die Publikation zumindest n i der Provinzialhauptstadt veranlaßten. Ob die Konsuln jedoch z.B. an ritterliche Gouverneure in den Provinzen schreiben konnten? Bei den Gemeinden in Italien ist es immerhin vorstellbar, daß sie sieb selbst aktiv um die neuesten Nachrichten und Anweisungen zu bemühen halten, soweit sie davon betroffen wurden.25 So ist einem senatus consultum des Jahres 19 n.Cbr. zu entnehmen, die Konsuln sollten die Magistrate und Abgesandten der Kolonien und Munizipien Italiens anweisen, eine Abschrift dieses senatus consultum in ihre Städte zu senden, was auch für die Kolonien in den Provinzen galt26 Der Zweck war natürlich, daß dort dann dem senatus consultum entsprechend gehandelt würde. Es scheinen also zumindest noch unter Tiberius (14-37 n.Cbr.) Städte Italiens und der Provinzen in Rom Beauftragte (legati) beschäftigt zu haben, die sich (auch) um die für ihre Heimatstädte nötigen Informationen zu i kümmern hatten. Vielleicht haben sie n entsprechender Weise die Namen der
jeweils gewählten Konsuln übermittelt Doch ist weder bekannt, ob alle Städte Italiens solche legati in Rom hatten (was kaum vorstellbar ist) oder ob für mehrere Städte ein gemeinsamer Beauftragter agierte; ebenso ist unbekannt , wie lange möglicherweise diese Art der administrativen Nachrichtenübermittlung praktiziert wurde und ob sie auch in größerem Umfang von provinzialen Städten ndet wurde.
verwe
24 Daß in einem Papyrus aus der Provinz. Arabia lediglich auf die Konsuln, die n a c h den Konsuln Glabrio und Tebanianus im Amt waren, verwiesen wird, ohne
jedoch ihre Namen zu nennen, (H. Cotton, ZPE 100, 1994, 550), ist völlig un �ewöhnlich. 5 Eck, Italien 17 ff.; Eck (Anm. 14) 926 ff. 26 J. Gonz8lez, ZPE 55, 1984, 76 = AB 1984, 508 frag. n col. b.
10
Die staatliebe Administration
Mit den vorausgehenden Bemerkungen ist auch bereits ein Teil der Frage erörtert worden, wie die «Objekte des Verwaltungshandelns• mit den Funktions
trägem in Verbindung treten konnten. Obwohl Schriftlichkeit eine wichtige i Rolle in de.r römischen Administration spielte - Ägypten mit seinen zahlrechen Papyri ist dabei wohl keine Ausnahme, denn auch Arabien läßt nunmehr Vergleichbares erkennen,27 ebenso auch Syrien28 war es für jeden, der einen Antrag stellte oder eine Frage behandelt wissen wollte, notwendig, den Antrag persönlich oder durch eine andere Person unmittelbar v
264
Staat tmd landwirtscbaftllcbes Bewässerungssystem
hauptkasse bestritten wurden.53 Oben wurde auf die Beschwerde der Landbesitzel' in Kerkesoucha aus dem J. 210011 verwiesen. Was sie vor allem beklagen, war die Nicbtanlieferung des nötigen Holzes durch dafür vorgesehene Funktions träger.54 Diese waren aber sicher nicht verpflichtet, dieses Baumaterial aus der eigenen Tasche zu bezahlen; sie hatten sieb nur um die Anlieferung zu
kümmern. Yennutlieb wurde ihnen entweder das Holz unmittelbar zur Verfügung gestellt oder, wabrscbeinlicber, die zum Kauf ausreichenden Fmanzmittel. Somit kann man annehmen, daß bestimmte Aufgaben für die Bewässerung, die fmanziell abgegolten wurden. zu Lasten der kaiserlieben Kasse gingen und damit über das Xc.tlJ.Ul't\lc6v fmanziert wurden.55 Doch die Masse der für Kanäle, Dämme und weitere Bewässenmgsein· ricbtungen nötigen Arbeiten wurde auf andere Weise bewältigt, nämlich durch unmittelbare Tätigkeit derer, die auch Nutznießer der entsprechenden Ein richtungen waren, d.h. jeder Ptlichtige hatte ein bestimmtes Quantum an Arbeit für die Gemeinschaft zu erbringen. Für das Bewässenmgssystem war dies bereits im Pharaoneureich üblich gewesen, ebenso auch in der Ptolemäerzeit.S6
Während der ersten drei Jahrhunderte der römischen Herrschaft kennen wirzwei Arten der Fronarbeit an den öffentlichen Bewässetungseinricbtungen. Die eine Art dürfte landesweit üblich gewesen sein.57 Benannt wurde sie nach dem Raummaß va'\Sßtov (N4ubion), das in römischer Zeit eine Seitenlänge von etwa 1,56 m (= 3 königliche Ellen zu je 0,52 m), somit rund 3,8 cbm umfaßte. Dies
hieß, daß im allgemeinen bei solchen Arbeiten von einet Person eine bestimmte Menge von Erde bewegt werden mußte,S8 was im Zusammenbang mit Kanal
und Dammbau sehr wobl verständlich ist Denn das bevv �1m cl 1t0t'l\at-te t1'UV A.aß6�ot tv otc; tav 5tx:c4tJ c.OOe-tt, x:ata 'tOV 'ti\c; rlx:oo 'ti\c; v4Lov 1tpt11\1m, umschrieben. Die Herausgeberio hat dies alsprocuraJOrXX libertalis verstanden. Es wäre jedoch erstaunlich, wenn der Präfekt voo Ägypten eine solch unpräzise, vage beschreibende Formulierung statt des üblichen bd'tpon:oc; rlx:oo't'f\c; tk"U9tptci>v verwendet hätte. Noch erstaunlicher wäre es allerdings, wenn überhaupt die Untergebenen eines zumindest sexagenaren ritterlichen Prokurators einer solchen Empfehlung zur Zusammenarbeit mit den Strategen bedurft hätten. Vor allem aber hätte der Ausdruck npayJ.La'tt'Utai eine Warnung vor dieser Interpretation sein mUssen; denn dieser Ausdruck bezeichnet das Personal von Steuereinnehmern und ist im Lateinischen mit dem Begriff actor gleicbzusetzen.16 Unter diesen Umständen haben wir also keineswegs einen ritterlichen Prokurator voc uns, soodern den ersten privaten Steoererlleber, der in Ägypten für die XX libertalis bekannt ist. 17 Dann ist es aber auch verständlich, wenn der Präfekt bei den Strategen eine Empfehlung ausspricht, weil offensichtlich Futius Secundus eben erst seine Tätigkeit angetreten hat; da die Empfehlung an die 16
Dazu vor allem
M. Rostowzew, Geschichte der Stutspacht in der römischen
Kaiserzeit bis Diokletian, Philol. Suppl.
cb:t�
9, 1904, 405.
Efh. VI 2245 ein KO\VO'NfiN t\x:O