Dr. med. Gabriel Stux
Studium der Humanmedizin in Freiburg, Frankfurt und Düsseldorf Studium der Akupunktur in China, Sri Lanka und Indien Lehr- und Vortragstätigkeit weltweit seit 30 Jahren Autor von zahlreichen Büchern Herausgeber von Büchern zu den wissenschaftlichen Grundlagen der Akupunktur: – Scientific Basis of Acupuncture, gemeinsam mit B. Pomeranz – Clinical Acupuncture, Scientific Basis, gemeinsam mit R. Hammerschlag Veröffentlichung von über 100 Beiträgen in Fachzeitschriften sowie Internetpublikationen Entwicklung der Chakren Akupunktur, einer neuen EnergiemedizinMethode Gründer und Vorsitzender der Deutschen Akupunktur Gesellschaft Mitglied des Dachverbandes der deutschen Akupunkturgesellschaften Herausgeber und Autor des 14-tägig erscheinenden InternetInformationsdienstes zur Akupunktur: www.Akupunktur-aktuell.de
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Gabriel Stux Niklas Stiller Brian Berman Bruce Pomeranz Akupunktur Lehrbuch und Atlas
Gabriel Stux Niklas Stiller Brian Berman Bruce Pomeranz
Akupunktur Lehrbuch und Atlas Übersetzung chinesischer Begriffe: von Karl Alfried Sahm Zeichnungen von Petra Kofen
7., überarbeitete und erweiterte Auflage
Mit 90 Abbildungen und 48 Tabellen
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Dr. med. Gabriel Stux
Professor Brian Berman M.D.
Akupunktur Centrum Goltsteinstraße 26 D - 40211 Düsseldorf E-Mail:
[email protected] Complementary Medicine Program University of Maryland School of Medicine James L. Kerman Hospital Mansion, 2200 Kerman Drive Baltimore. MD 21207-6697, USA
[email protected] Dr. med. Niklas Stiller Prof. Bruce Pomeranz, M.D. , Ph.D.
Schumannstraße 17 D - 40237 Düsseldorf
ISBN-13 978-3-540-76762-6
Dept. Of Physiology (Faculty of Medicine) Dept. of Zoology (Faculty of Arts an Science) University of Toronto 158 Syndhurst Ave, Toronto M5R2Z9 Ontario, Canada
7. Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg
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22/2122/cb – 5 4 3 2 1 0
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Vorwort zur 7. Auflage Im 30. Jahr der täglichen Akupunkturpraxis des Erstautors erscheint die 7. Auflage von »Akupunktur Lehrbuch und Atlas«, einem seit über 22 Jahren bestens eingeführten Standardlehrbuch. Mit der 2007 erfolgten Aufnahme der Akupunktur in die »Regelversorgung« der gesetzlichen Krankenkassen auf Krankenschein war eine Reduzierung des Indikationsspektrums der Akupunktur auf lediglich zwei Diagnosen für Kassenpatienten verbunden. Durch die Aufnahme der Akupunktur in die EBM, die Einheitlichen Bewertungsmaßstäbe, erfolgte zudem eine Minderung der Vergütung auf den Stand von 1985. Die Kassenpatienten werden zukünftig die Akupunkturen, wie auch in anderen westlichen Ländern, selbst finanzieren müssen, sofern sie Akupunktur bei einem breiten Indikationsspektrum in Anspruch nehmen möchten. Akupunktur wird sich so außerhalb der EBM-Einschränkungen freier entwickeln können. Deshalb wird in dieser 7. Auflage ein besonderes Augenmerk auf die Qualität der Akupunkturpraxis gelegt. In diesem Standardlehrbuch werden die vielfältigen Modalitäten beleuchtet, die zu einer Verbesserung der Wirksamkeit der klinischen Akupunkturanwendung beitragen können. Eine Vertiefung der Akupunkturfortbildung ist ein essentieller Baustein der Anwendung einer Qualitätsakupunktur.
Der traditionelle Hintergrund der Chinesischen Medizin wurde durch die Ergänzung und Überarbeitung des Therapiekapitels (Kap.11) vertieft. Das Kapitel 2 »Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur« wurde mit einer Zusammenfassung der neuesten ART- und Gerac-Ergebnisse erweitert. Die Methode der Chakrenakupunktur, eine Ausweitung der chinesischen Akupunktur durch die Aufnahme des indischen Chakrensystems, wurde mit der Darstellung der Spirituellen Akupunktur in Kapitel 13 aufgenommen. Zahlreiche Detailzeichnungen erhöhen die Anschaulichkeit und tragen dazu bei, wichtige Akupunkturpunkte leichter zu finden. Im Anhang D ist das Curriculum der Bundesärztekammer für das Ärztediplom, die Zusatzbezeichnung »Akupunktur«, neu aufgenommen. Dieses Curriculum wurde von den deutschen Akupunkturgesellschaften gemeinsam erarbeitet und von der Bundesärztekammer als »Akupunktur Kursbuch« benannt. Als nützliche und übersichtliche Hilfsmittel zum Studium der Chinesischen Medizin erweisen sich die Akupunktur- Poster und Punkteselektor (Springer-Verlag, ISBN 978-3-540-31110-2). März 2007
Gabriel Stux
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Vorwort zum Lehrbuch der klinischen Akupunktur Dieses Buch soll für die praktische Ausbildung und das klinische Training der Akupunktur eine klar strukturierte und einfache theoretische Grundlage schaffen. Wir haben uns im Wesentlichen an die Ausbildungsinhalte der Akademie für Traditionelle Chinesische Medizin Peking und der Acupuncture Foundation of Sri Lanka gehalten. Der Seniorautor, Prof. Dr. A. Jayasuriya, ist Chef der Akupunkturabteilung des Colombo South General Hospital in Sri Lanka, in dem in den vergangenen Jahren über 30 000 Patienten mit Akupunktur behandelt wurden, und Präsident des International College of Acupuncture in Colombo, wo bereits 3000 Ärzte aus aller Welt in Akupunktur unterrichtet wurden. Die drei anderen Autoren haben jeweils in mehreren längeren Aufenthalten an diesem Krankenhaus gearbeitet und in Europa Akupunktur praktiziert, gelehrt und darüber publiziert. Ausgangspunkt des Buchs war ein Werk des Seniorautors in englischer Sprache. Da dieses Buch jedoch auf den Gebrauch in der dritten Welt hin geschrieben war und für europäische Verhältnisse in vieler Hinsicht nicht ideal erschien, haben wir eine gründliche Neubearbeitung des Stoffs unternommen, so daß letzten Endes ein weitgehend neues Lehrbuch entstand (gekürzt). Oktober 1980
Die Autoren
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Vorwort zum Atlas der Akupunktur Graphische Abbildungen der Meridiane des menschlichen Körpers und der daraufliegenden Akupunkturpunkte existieren seit der Antike. Solche Darstellungen entdeckte man nicht nur in China, sondern auch in Südostasien und Sri Lanka. So finden sich Akupunkturpunkte auf der berühmten chinesischen Bronzestatue aus dem 16. Jahrhundert. Schwierigkeiten bereitete von jeher der Versuch, die Dreidimensionalität des Körpers auf zweidimensionalem Papier darzustellen. Die Akupunkturpunkte liegen zwar auf der Hautoberfläche, sie sind jedoch anhand von Sehnen, Gelenkspalten und markanten Knochenstellen aufzufinden, die meist in einem Begleittext beschrieben wurden. Besonders die Beziehung vieler Akupunkturpunkte zu Knochenvorsprüngen oder Gelenkspalten ist für deren Lokalisation von entscheidender Bedeutung. Auch bei Punkten, die mit dem relativen chinesischen Körperzoll »Cun« ausgemessen werden, bilden solche Knochenstellen oder Beugefalten von Gelenken den Ausgangspunkt. In diesem Atlas der Akupunktur wurde bewusst auf photographische Abbildungen der Körperoberfläche verzichtet, weil auf diese Weise die unter der Haut liegenden Strukturen nicht sichtbar werden. Um eine übersichtliche und trotzdem exakte Darstellung zu gewährleisten, sind die Knochen im Hintergrund im Grauton gezeichnet, um nicht die Übersichtlichkeit der einzelnen Meridianverläufe zu stören. Aus unserer täglichen Praxis im Umgang mit Büchern sind wir es gewohnt, zweidimensionale Darstellungen in räumliche Bilder zu übertragen. Erfahrungsgemäß kann man sich zweidimensionale Bilder leichter einprägen als räumliche Darstellungen. Die chinesischen Punktenamen und Begriffe sind in der Pin-Yin-Transkription von 1956 angegeben. Bei wichtigen Punktekategorien ist auch die früher gebräuchliche Wade-Giles-Transkription aufgeführt. In diesem Atlas fand die Punktebenennung und Numerierung der Akademie für Traditionelle Chinesische Medizin Peking Verwendung. Aus didaktischen Gründen wurde auf die Beschreibung der selten verwendeten Punkte verzichtet. Dieser Atlas zeigt in konzentrierter Form die morphologischen Gegebenheiten und Zusammenhänge in der Akupunktur. Auf eine didaktisch einprägsame Darstellung der Meridiane unter Vermeidung von Unwichtigem wurde besonderer Wert gelegt. Bei der Beschreibung der Punkte mit ihrer Lokalisation, Indikation und Art der Nadelung stützen wir uns auf die Lehrerfahrung, die während der Ausbildung von mehreren tausend Ärzten aus Sri Lanka und Deutschland gewonnen wurde. Auch aus der Arbeit an Videolehrfilmen sind wichtige darstellerische Impuse in den Atlas eingeflossen (gekürzt). November 1981
Die Autoren
IX
Inhaltsverzeichnis 1
Geschichte der Akupunktur und neuere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1
1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.4 1.5
Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuere Entwicklungen in westlichen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Westliche Form der Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chinesische Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Essenzen der Akupunkturwirksamkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9
1 2 2 4 7 7 8 8
B. Pomeranz, B. Berman, G. Stux 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3
2.8.4 2.8.5 2.9
Akupunkturanalgesie – neurophysiologische Grundlagenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Neurale Mechanismen der Akupunkturanalgesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Schmerzhemmung auf 3 Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Wissenschaftliche Belege für die Rolle der Endorphine in der Akupunkturanalgesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Experimentelle Belege für den Zusammenhang von Mittelhirnmonoaminen und Akupunkturanalgesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Experimentelle Belege für die Beteiligung des Hypothalamus-Hypophysen-Systems an der Akupunkturanalgesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Experimentelle Belege für Akupunkturanalgesie bei chronisch entzündlichen Schmerzzuständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Kontrollierte Studien bei chronischen Schmerzzuständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Akupunktur und Drogenentzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Antiemetische Akupunkturwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Neurologische, kardiovaskuläre, urogenitale, pulmonale, gastrointestinale und andere Akupunkturwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Akupunkturpunkte – gibt es sie wirklich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Führt die Nadelung an den Akupunkturpunkten zu besseren Ergebnissen als an Nicht-Akupunkturpunkten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Gibt es spezifische anatomische Strukturen an Akupunkturpunkten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Besitzen Akupunkturpunkte spezifische physiologische Eigenschaften (z. B. niedrigen Hautwiderstand, hohes elektrisches Potential, Hautströme)?. . . . . . . . . . . . . 26 Welche Nervenfasern werden durch Akupunktur aktiviert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Zukünftige Forschungsrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Modelluntersuchungen ART und Gerac . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Einige Basisdaten zur Akupunktur in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Zusammenfassung der ART- und Gerac-Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 ARC-Studien zu HWS-Schmerzen, OA der Hüfte, Asthma, Allergische Rhinitis und Dysmenorrhoe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Signifikanz Problematik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Kritische Bewertung der ART und Gerac Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
3
Hintergründe und Theorien der Chinesischen Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
Tao, Yin und Yang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Die Lebensenergie Qi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Jing, die Lebensessenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Shen, der Geist, die psychische Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Störungen des Qi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.7 2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3
X
Inhaltsverzeichnis
3.6 3.7 3.8 3.8.1 3.9
Ätiologie der Chinesischen Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Das Entsprechungssystem der fünf Wandlungsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Äußere klimatische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Beschreibung der einzelnen klimatischen Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Innere emotionale Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
4
Diagnostik in der Chinesischen Medizin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.7.1 4.7.2 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12
Acht diagnostische Kategorien, Ba gang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Innen und Außen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Schwäche oder Fülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Kälte und Hitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Yin und Yang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Vier Untersuchungen, Si jian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Betrachten Wang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Chinesische Konstitutionstypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Betrachten der Motorik, des Shen, der Hautfarbe und der Zunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Hören und Riechen Wen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Erfragen Wen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Untersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Chinesische Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Wichtigste chinesische Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
5
Chinesisches System der Meridiane, Organe und Punkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6 5.2.7 5.2.8 5.2.9 5.2.10 5.2.11 5.2.12 5.2.13 5.2.14 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.3.7
Meridiane und Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Hauptmeridiane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Meridianumläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Meridianachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Sekundärmeridiane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Akupunkturpunkte und Punktekategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Shu-, Zustimmungspunkte, dorsale Segmentpunkte oder Transportpunkte . . . . . . . . . . . . . 69 Mu- oder segmentale Alarmpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Meisterpunkte, Hui Xue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Akutpunkte, Xi-Punkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Antike Punkte oder Shu-Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Tonisierungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Sedierungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Der 1. Antike Punkt, Jing-Punkt (Ursprung, Brunnen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Der 2. Antike Punkt, Ying-Punkt (Bach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Der 3. Antike Punkt, Yuan-Punkt, Shu-Punkt (kleiner Fluss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Der 4. Antike Punkt, Jing-Punkt (Fluss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Der 5. Antike Punkt, He-Punkt (Delta, Mündung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Verbindungspunkt, Luo-Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Kardinal-, Schlüsselpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Methoden der Punktelokalisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Anatomische Anhaltsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Proportionale Messung mit Hilfe des Cun-Maßes (Cun-Messung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Proportionale Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Lokalisation durch Einnehmen einer besonderen Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Lokalisation mit Hilfe von Widerstandsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Lokalisation, indem man andere Punkte als Ausgangspunkt wählt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Aufsuchen von Punkten, die schmerzhaft sind oder eine Veränderung ihrer tastbaren Konsistenz aufweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
XI Inhaltsverzeichnis
6
Systematische Darstellung der Meridiane und Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15 6.16 6.17 6.18 6.19 6.20 6.21 6.21.1
Lungenmeridian Lu. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Dickdarmmeridian Di. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Magenmeridian Ma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Milz-Pankreas-Meridian MP. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Herzmeridian He. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Dünndarmmeridian Dü. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Blasenmeridian Bl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Nierenmeridian Ni. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Perikardmeridian, Kreislaufmeridian Pe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Drei Erwärmer-Meridian, Sanjiao-Meridian SJ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Gallenblasenmeridian Gb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Lebermeridian Le. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Lenkergefäß Du Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Konzeptionsgefäß Ren Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Gefäß der breiten Bahn Chong Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Gürtelgefäß Dai Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Aufsteigendes Yang Gefäß Yangqiao . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Aufsteigendes Yin Gefäß Yinqiao . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Haltegefäß des Yang Yangwei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Haltegefäß des Yin Yinwei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Extrapunkte Ex.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Weitere Extrapunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
7
Regionen mit den wichtigsten Akupunkturpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.2 7.3 7.4 7.4.1 7.4.2
Gesicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Im Bereich der Augen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Im Bereich der Ohren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Im Bereich der Nase und der Wange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Nacken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Rücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Abdomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Epigastrium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Mittel- und Unterbauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
8
Technik der Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7
Akupunkturnadeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Methoden der Nadelung und Stimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 De Qi-Gefühl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Tonisierende und sedierende Methoden der Nadelstimulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Elektrostimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Sterilisation der Nadeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Komplikationen und Nebenwirkungen der Akupunkturtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
9
Moxibustion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8 9.9
Indikation und Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Direkte Moxibustion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Indirekte Moxibustion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Moxibustion mit »Moxazigarren« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Moxibustion mit Erhitzung der Nadeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Moxibustion mit Moxakästchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Infrarotmoxibustion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Punktauswahl bei der Moxibustion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Selbstbehandlung mit Moxibustion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
XII
Inhaltsverzeichnis
10
Ohrakupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
10.1 10.2 10.3
Technik bei der Ohrakupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Repräsentanz des Körpers auf der Ohrmuschel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Chinesische Regeln der Punktauswahl am Ohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
11
Akupunkturtherapie spezieller Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.2.5 11.2.6 11.2.7 11.2.8 11.2.9 11.2.10 11.2.11 11.2.12 11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4 11.3.5 11.4 11.4.1 11.4.2
Therapieprinzipien der Chinesischen Medizin und Regeln der Punkteauswahl. . . . . . . . . . 218 Regeln der Punkteauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Leitlinien für die Akupunkturanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Qualitätsakupunktur durch sieben Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Erkrankungen des Bewegungsapparates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Kiefergelenkarthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 HWS-Syndrom, Tortikollis, zervikale Spondylosis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Interkostalneuralgie, Thoraxprellung, ankylosierende Spondylitis, Zosterneuralgie . . . . . 232 LWS-Syndrom, Lumbalgie, Lumboischialgie, Ischialgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Schulter-Arm-Syndrom, Periarthritis humeroscapularis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Epikondylitis, Tennisellbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Schmerzen des Handgelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Schmerzen der Hand, rheumatoide Arthritis, Dupuytren-Kontraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Koxarthrose, Koxarthritis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Gonarthrose, Schmerzen des Kniegelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Schmerzen des Sprunggelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Rheumatoide Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Neurologische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Kopfschmerzen und Migräne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Trigeminusneuralgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Hemiparesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Fazialisparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Epilepsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Psychische Störungen und psychiatrische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Depression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Psychogene Erschöpfungszustände, Burn-out-Syndrom, Rekonvaleszenz nach chronischen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Erregungszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Schlafstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Schizophrenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Suchterkrankungen, Drogenabhängigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Alkoholabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Zigarettenabhängigkeit, Raucherentwöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Adipositas, Gewichtsabnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Sexuelle Störungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Erkrankungen der Atmungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Grippaler Infekt, Erkältungskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Tonsillitis, Laryngitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Sinusitis maxillaris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Sinusitis frontalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Chronische Bronchitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Asthma bronchiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Kardiovaskuläre Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Koronare Herzerkrankungen mit Angina pectoris. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Herzneurosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Herzrhythmusstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Erschöpfungszustände bei Herzerkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
11.4.3 11.4.4 11.4.5 11.4.6 11.4.7 11.4.8 11.4.9 11.4.10 11.5 11.5.1 11.5.2 11.5.3 11.5.4 11.5.5 11.5.6 11.6 11.6.1 11.6.2 11.6.3 11.6.4 11.6.5
XIII Inhaltsverzeichnis
11.6.6 11.6.7 11.7 11.7.1 11.7.2 11.7.3 11.7.4 11.7.5 11.7.6 11.7.7 11.7.8 11.7.9 11.8 11.8.1 11.8.2 11.8.3 11.8.4 11.8.5 11.8.6 11.8.7 11.8.8 11.8.9 11.8.10 11.9 11.9.1 11.9.2 11.9.3 11.9.4 11.9.5 11.10 11.10.1 11.10.2 11.10.3 11.10.4 11.10.5 11.10.6 11.11 11.11.1 11.11.2 11.11.3 11.11.4 11.11.5 11.11.6 11.12 11.12.1 11.12.2 11.12.3
Hypotonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Periphere Durchblutungsstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Gastroenterologische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Ösophagitis, Dysphagie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Gastritis, Gastroenteritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Ulcus ventriculi et duodeni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Diarrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Irritables Kolon, Reizdarm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Obstipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Hämorrhoiden, Analfissuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Lebererkrankungen, Hepatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Cholangitis, Cholezystitis, Gallenwegdyskinesie, Gallenkolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Gynäkologische Erkrankungen, Geburtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Dysmenorrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Klimakterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Amenorrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Adnexitis, Salpingitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Schmerzen bei Tumoren im Beckenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Pruritus vulvae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Hyperemesis gravidarum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Geburtsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Geburtserleichterung, Analgesie während der Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Laktationsschwäche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Urologische Erkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Pyelonephritis, chronische Harnweginfekte, Glomerulonephritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Nierenkolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Prostatitis, Uroneurosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Impotenz, Fertilitätsstörungen beim Mann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Enuresis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Erkrankungen der Sinnesorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Schwerhörigkeit, Hörsturz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Tinnitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 M. Ménière, Schwindel, Reisekrankheit, Labyrinthitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Chronische Konjunktivitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Glaucoma simplex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Visusschwäche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Hauterkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Acne vulgaris. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Ulcus cruris, schlecht heilende Wunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Neurodermitis, Ekzeme, endogenes Ekzem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Psoriasis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Herpes zoster, Zosterneuralgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Herpes simplex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Akute Krankheitsbilder und Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Ohnmacht, Kreislaufkollaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Epileptischer Anfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Akute Schmerzzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
12
Chinesische Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
13
Energietherapiemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
13.1 13.2 13.2.1
Chakrenakupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Spirituelle Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Tiefes bewusstes Atmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
XIV
Inhaltsverzeichnis
13.2.2 13.2.3 13.2.4 13.2.5
Fokussieren des Bewusstseins nach Innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Qi Gong während der Akupunktursitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Chakren Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Seele-Körper-Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
Anhänge A-G . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 A B C D E
Deutsche Standardnomenklatur der Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 WHO-Indikationsliste für Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Akupunkturindikationsliste 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Curricula für Zusatzbezeichnung Akupunktur aufbauend auf »Kursbuch Akupunktur« . . . . . . . 310 Übersetzung chinesischer Ideogramme und Punktenamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
1 Geschichte der Akupunktur und neuere Entwicklungen 1.1
Geschichte – 1
1.2
Neuere Entwicklungen in westlichen Ländern
1.3
Chinesische Akupunktur
1.4
Die Essenzen der Akupunkturwirksamkeit
1.5
Literatur
1.1
Geschichte
– 2
– 7 – 8
– 8
Die Ursprünge der Akupunktur sind nicht eindeutig feststellbar. Die früheste datierbare schriftliche Erwähnung einer Nadeltherapie findet sich in dem historischen Werk Shiji von Sima Qian aus dem Jahre 90 v. Chr., die einmalige Anwendung einer Nadel an einem Punkt am Kopf eines Patienten wird dort dem halblegendären Wanderarzt Bian Que aus dem 6.–5. Jh. v. Chr. zugeschrieben. Zwar sind in urzeitlichen chinesischen Gräbern, wie in Gräbern anderer Kulturen auch, Nadeln gefunden worden, doch ist ein Zusammenhang zwischen diesen Horn- und Knochennadeln und einer therapeutischen Anwendung von Nadeln bislang nicht nachweisbar. Die gegenwärtige historische Forschung sieht es als erwiesen an, dass das System der Akupunktur im Rahmen der Medizin der systematischen Entsprechungen im zweiten und ersten Jahrhundert v. d. Z. aus bislang nicht bekannten Anstößen, die auch aus Indien gekommen sein können, entwickelt wurde. Für diese Annahme spricht unter anderem, dass die Akupunktur in den frühesten bislang aufgefundenen chinesischen heilkundlichen Texten, das sind die Seidenmanuskripte aus dem Mawangdui Grab von 167 v. Chr. noch nicht erwähnt wird, obschon alle übrigen bekannten chinesischen Eingriffsweisen dort aufgeführt sind und obgleich offensichtliche theoretische Vorstufen zu dem späteren Klassiker der Chinesischen Medizin, dem Huang Di Nei Jing, in diesen Texten enthalten sind. Das Huang Di Nei Jing ist eine Sammlung verschiedener und zum Teil untereinander widersprüchlicher Schriften aus dem späten zweiten und ersten Jahrhundert v. Chr., die mit wenigen Ausnahmen als Dialoge zwischen dem Gelben Kaiser (Huang Di) und verschiedenen Gesprächspartnern strukturiert sind. In diesen Dialogen wird die Akupunktur bereits recht systematisiert dargestellt. Die praktischen Methoden der traditionellen Chinesischen Medizin umfassen die Arzneikunde, die Akupunktur, die Moxibustion und die Massage. Kleinchirurgische Eingriffe etwa am Auge, für den Aderlass oder bei Hämorrhoidalleiden spielten eine marginale Rolle. Die Diagnostik umfasste Bereiche, die für die moderne Medizin unverändert wichtig sind, wie Anamnese des Krankenverlaufs und der Lebensgewohnheiten, weiter die genaue Untersuchung und Beobachtung des Kranken. Hinzu kam die Methode der Zungen- und Pulsdiagnostik. Nach traditioneller chinesischer Auffassung lässt sich aus den Pulsen sehr viel mehr herauslesen, als die westliche Medizin annimmt; es sollen sich recht genaue Schlüsse auf den Zustand einzelner inne-
2
1
Kapitel 1 · Geschichte der Akupunktur und neuere Entwicklungen
rer Organe ziehen lassen. Die körperliche Untersuchung achtete besonders auf den Zustand von Akupunkturpunken: Druckempfindlichkeit kann dort eine viel spezifischere Aussage beinhalten als anderswo (z. B. »Alarmpunkte«). China ging zu Beginn unserer Zeitrechnung in eine lange Periode verhältnismäßig großer Stabilität über, die allmählich zu einer Erstarrung führte, was mit einzelnen Aspekten der konfuzianischen Philosophie in Verbindung gebracht wird. Durch die Opiumkriege im 19. Jh. wurde das alte chinesische System aufgebrochen. Unter den von nun an wirksamen westlichen Einflüssen wurden die traditionellen Methoden als Aberglaube und als Kennzeichen der unterlegenen Kultur verächtlich gemacht. Erst unter Mao Tse Tung mit seinem Bestreben, die Eigenständigkeit Chinas wieder zu stärken, wurde auch im Bereich der Medizin an die traditionellen Methoden angeknüpft. Kombinationen mit westlichen Methoden wurden gesucht, sowohl in der Therapie als auch in der Diagnostik. Der Erfolg, den die Chinesen damit auf einigen Gebieten erzielen konnten, vor allem aber die dramatischen Berichte und Dokumente von Operationen unter Akupunkturanästhesie, erzeugten Interesse sowohl in den westlichen Ländern als auch in der dritten Welt. Für die dritte Welt tut sich hier die Chance auf, mit einfachen Mitteln die Gesundheitsversorgung großer Bevölkerungsmassen zu verbessern. Für den Westen bieten sich neue Therapiemöglichkeiten in einigen Bereichen, wo die westliche Schulmedizin wenig vermag oder ihre Mittel mit starken unerwünschten Nebenwirkungen behaftet sind, so bei psychosomatischen Erkrankungen oder bei chronischen Schmerzzuständen.
1.2
Neuere Entwicklungen in westlichen Ländern
In den Jahren seit Erscheinen der letzten Ausgabe hat es einige bedeutende Entwicklungen und Fortschritte für die Akupunktur gegeben, vor allem was deren Akzeptanz in den westlichen Ländern betrifft. Vor allem die Entwicklung in den Vereinigten Staaten, die lange hinter der europäischen Entwicklung hinterherhinkte, ist durch zwei wichtige Schritte so stark in Gang gekommen, dass sie nun wiederum positiv ausstrahlt auf die Entwicklung der Akupunktur in der übrigen westlichen Welt.
1.2.1
USA
Das erste Ereignis, über das in diesem Zusammenhang zu berichten ist, war eine Entscheidung im März 1996 durch die amerikanische Food and Drugs Administration (FDA), den gesetzlichen Status der Akupunktur neu einzustufen [196 c]. Die FDA ist die wichtigste Regulierungsinstanz für medizinische Produkte und Verfahren in den USA. Vor 1996 hatte die FDA Akupunkturnadeln in die Klasse III eingestuft (Klasse I umfasst wirksame und sichere Instrumente, Klasse II beinhaltet Instrumente, die wirksam und sicher sind mit Einschränkungen, die entsprechend kenntlich gemacht werden müssen, und Klasse III umfasst Instrumente im Versuchsstadium). Als Klasse III eingestuft, konnte die Akupunktur nur in anerkannten wissenschaftlichen Untersuchungszusammenhängen ausgeführt werden (z. B. Forschungsprogrammen in Universitätskrankenhäusern), und spezifische medizinische oder therapeutische Indikationen konnten nicht beansprucht werden. Obwohl diese Vorschrift der FDA nicht strikt durchgesetzt wurde, hinderte sie doch die Krankenversicherungen in beträchtlichem Ausmaß daran, die Kosten für Akupunkturtherapien zu erstatten. Im April 1994 veranstaltete das Office of Alternative Medicine an den National Institutes of Health einen aufwendigen Workshop, um dieses Problem zu lösen. Dreizehn Akupunkturforscher aus aller Welt wurden eingeladen, wissenschaftliche Studien vor 22 leitenden FDA-Beamten vorzustellen, welche die Präsentation kritisieren und kommentieren durften. Die Vortragenden stellten die Ergebnisse klinischer Studien zu fünf großen Forschungsgegenständen vor: Schmerz, Drogenabhängigkeit, Schlaganfall, Asthma und Brechreiz/Übelkeit. Auch Ergebnisse zur Unbedenklichkeit der Methode wurden präsentiert, aus denen hervorging, dass in kundiger Hand die Akupunktur ein recht sicheres Verfahren ist. Einer der Autoren dieses Buches, Bruce Pomeranz, trug die Grundlagenforschung vor, die einige der Akupunkturwirkungen erklären konnte (s. dazu auch Kap. 2 dieses Werkes). Im ganzen waren die FDA-Beamten recht beeindruckt von der umfangreichen Substanz an Grundlagenforschung und klinischer Forschung, wobei sie aber die Heterogenität der Arbeiten monierten. Es gab keine Multizenter-Studien, wie sie bei der Prüfung neuer Medikamente durchgeführt werden. Die Forschung zur antiemetischen Wirkung kam dieser Anforderung der FDA am nächsten, da alle Studien zum Brechreiz den Punkt Pe. 6 einsetzten und
3 1.2 · Neuere Entwicklungen in westlichen Ländern
mit einer »Pseudoakupunktur« verglichen, bei der ein Nicht-Akupunkturpunkt in der Nähe von Pe. 6 auf dem Unterarm genadelt wurde. Auf der anderen Seite sah die FDA jedoch gerade das Problem der Pseudoakupunktur als kritischen Punkt an, da diese selbst Wirkungen hervorruft und daher als Plazebokontrolle ungeeignet ist. Manche der FDA-Beamten empfahlen, zukünftige klinische Studien sollten eine Akupunktur gegen eine konventionelle Therapie in randomisierten Studien vergleichen, ohne Plazebokontrolle. Denn schließlich ging es ihnen nur darum, die Wirksamkeit nachzuweisen, und nicht, den Wirkmechanismus aufzudecken. Wenn die Akupunktur bei geringeren Nebenwirkungen genauso gut wirkte wie Medikamente oder Chirurgie, dann würde sie das überzeugen, so die Beamten. Aufbauend auf der Reaktion der FDA-Beamten bei dieser Konferenz legte die AkupunkturGemeinde in den USA der FDA ein Petitionsdokument von über 3000 Seiten Umfang vor, in dem die Neu-Klassifizierung der Akupunktur für 5 Indikationen verlangt wurde: Schmerz, Schlaganfall, Antiemesis, Drogenabhängigkeit und Asthma. Am 29. März 1996 reklassifizierte die FDA die Akupunkturnadeln von Klasse III zu Klasse II, allerdings ohne einen Hinweis auf eine Wirksamkeit bei irgendeiner medizinischen Indikation, womit sie die politischen Konsequenzen einer Unterstützung der Akupunktur gegenüber den Krankenversicherungen vermied. Dies war ein deutlicher Sieg für die Akupunktur in den Vereinigten Staaten, jedoch blieb noch viel Arbeit zu tun, um die Wirksamkeit für spezifische Erkrankungen nachzuweisen. Klasse-II-Instrumente unterliegen speziellen Einschränkungen, und für die Akupunkturnadeln sind das die folgenden: a) einmaliger Gebrauch, und Einsatz nur durch oder auf Veranlassung von qualifizierten Praktikern, die durch den Staat zertifiziert sind, b) Biokompatibilität des verwendeten Materials und c) Sterilität der Instrumente. Das zweite große Ereignis war eine Konsens-Konferenz der NIH. Im November 1997 riefen die National Institutes of Health – das Bundes-Gesundheitsinstitut der Vereinigten Staaten – eine dreitägige Konsens-Konferenz über die wissenschaftliche Situation der Akupunktur in Washington zusammen. Solche Konferenzen halten die NIH jedes Jahr ab, um die medizinische Praxis optimieren zu helfen, im Allgemeinen bezogen auf »westlich« orientierte Medizin. Zum Beispiel beschäftigte eine kürzlich abgehaltene Konferenz sich mit den derzeit besten Therapien für Aids. Bei diesen Konferenzen sitzt eine Kommission von 15 Experten (Dekane medizinischer Fakultäten, Leiter großer Krankenhäuser, Statistiker, Grundlagenforscher u. a.), die nicht mit eigenen Interessen dem zu prüfenden Gegenstand verbunden sind, zu Gericht über wissenschaftliche Präsentationen von 20 weltweit ausgesuchten Fachwissenschaftlern, die als führend auf dem zu untersuchenden Gebiet angesehen werden. Nach 3 Tagen intensiver Kreuzverhöre der 20 Experten ziehen die Kommissionsmitglieder sich zurück, um in Abgeschiedenheit einen Konsens zu formulieren, der ihre Beurteilung der Qualität der vorgelegten wissenschaftlichen Ergebnisse und des Standes des betreffenden Gebiets wiedergibt. Dieser Konsens wird dann weitgestreut publiziert. Er entscheidet normalerweise darüber, in welcher Weise Krankenversicherungen für Behandlungen aufkommen, wie Krankenhäuser verschiedene Verfahren priorisieren und wie die Regierung medizinische Verfahren reguliert. Als die Akupunktur für eine solche Konferenz als Thema ins Auge gefasst wurde, war dies allein schon ein wichtiger Schritt. Pomeranz, auch hier wieder als einer der vortragenden Experten eingeladen, hatte zunächst Sorge, dieses skeptische Gremium werde schwer zu überzeugen sein. Denn bis zu dieser Konferenz war die Akupunktur von der großen Mehrheit der amerikanischen Ärzteschaft mit äußerster Skepsis gesehen worden. Die präsentierten wissenschaftlichen Befunde umfassten sowohl die Grundlagenforschung als auch klinische Studien. Nach 3 Tagen intensiver Beratung kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Akupunktur im Wesentlichen wissenschaftliche Geltung beanspruchen kann und deswegen von der amerikanischen Ärzteschaft akzeptiert werden sollte. Auch wenn einige Einschränkungen gemacht wurden, fiel das Gesamturteil positiv aus. Man muss dabei unterstreichen, dass nicht alle von der Akupunktur beanspruchten Indikationen unterstützt wurden. Die Kommission stellte fest, dass es klare Beweise für die Wirksamkeit von Akupunktur gibt bei Übelkeit und Brechreiz, postoperativ und in Begleitung einer Chemotherapie, bei Schwangerschaftsübelkeit und bei postoperativen Zahnschmerzen. Darüber hinaus empfahl die Kommission den Einsatz von Akupunktur als »zusätzliche Methode, als akzeptable Alternative oder als komplementäre Therapie« bei Suchterkrankungen, Kopfschmerzen, Menstruationsschmerzen, Tennisellbogen, Fibromyalgien, Rückenschmerzen, Karpaltunnelsyndrom, Asthma bronchiale und Rehabilitation nach Schlaganfällen. Für diese Indikationen wurden die Hinweise auf eine Wirksamkeit der Akupunktur in der vorgelegten Literatur bereits als substantiell eingeschätzt. Zugleich wurde weitere Forschung zur genaueren Bestimmung der Wirksamkeit empfohlen, ebenso wie für weitere Indikationen, für die noch weniger valide wissenschaftliche Ergebnisse vorliegen.
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Kapitel 1 · Geschichte der Akupunktur und neuere Entwicklungen
Die Kommission stellte weiterhin fest, dass die Nebenwirkungen der Akupunktur extrem niedrig sind, häufig niedriger als die der konventionellen Therapien und empfahl die Kostenübernahme für Akupunktur durch private Krankenversicherungen und staatliche Krankenkassen (Medicare, Medicaid) für die aufgeführten Indikationen. Die amerikanischen Medien brachten diese Nachricht in prominenter Weise, wogegen in Europa leider i. Allg. nur wenig präzise über diese Entwicklung berichtet wurde. In den USA gibt es seit einigen Jahren ein dramatisches Wachstum im Bereich der alternativen (auch komplementären) Medizin. In Reaktion auf diese Entwicklung hat sich die Erforschung der Akupunktur und Alternativmedizin in den USA in den zurückliegenden 5 Jahren enorm beschleunigt. Im Jahr 2001 wurden alleine vom National Center der National Institutes of Health, 89 Mill. $ (2000–68,3 Mill., 99–48,9 Mill. 98–19,5 Mill.) dafür bereitgestellt. 2002 soll die 100-MillionenGrenze überschritten werden. Auch private Stiftungen fördern die Erforschung der Alternativmedizin erheblich. Die positive Entwicklung begann in den USA bereits 1992 mit der Gründung des Office of Alternative Medicine am NIH. Bereits 1993 wurden 30, 1994 weitere 12 Studien gestartet. Die Komplementärmedizinforschung wurde durch die Einrichtung von 9 Forschungszentren, den National Centers for Complementary and Alternative Medicine NCCAM dezentralisiert ( Abschn. 2.7). Die Zentren sind: ▬ Addiction – Minneapolis Medical Research Foundation, Minneapolis, MN ▬ Aging and Women’s Health – Columbia University, New York, NY ▬ Arthritis – University of Maryland School of Medicine, Baltimore, MD ▬ Cardiovascular Disease – University of Michigan Taubman Health Care Center, Ann Arbor ▬ Cardiovascular Disease and Aging in African Americans, Fairfield, IA ▬ Chiropractic – Palmer Center for Chiropractic Research, Davenport, IA ▬ Craniofacial Disorders – Kaiser Foundation Hospitals, Portland, OR ▬ Neurological Disorders – Oregon Health Sciences University, Portland, OR ▬ Pediatrics – University of Arizona Health Sciences Center, Tucson, AZ Die Akupunkturwirkung wird bei zahlreichen Störungen und Erkrankungen erforscht, u. a. bei Fibromyalgie, Depression, Hypertonie, Karpaltunnelsyndrom, Rückenschmerzen, Gonarthrose und Schwangerschaftsdepression. Neben der klinischen Forschung sollen in den nächsten Jahren auch die Schlüsselkonzepte der traditionellen Akupunktur wie Qi und das Meridiansystem erforscht werden. Kurse in Komplementärmedizin sind jetzt Bestandteil der Curricula an 27 amerikanischen medizinischen Fakultäten, darunter auch die renommiertesten wie Harvard, Stanford, Columbia, Johns Hopkins, Yale, UCLA.
1.2.2
Deutschland
Akupunktur hat sich in den zurückliegenden 30 Jahren in Deutschland von einer exotischen Außenseitermethode zu einer Standardtherapie bei vielen schmerzhaften Erkrankungen entwickelt. Die Methode ist bei Patienten wegen ihrer guten Wirksamkeit und ihrer Nebenwirkungsfreiheit sehr beliebt. In Deutschland praktizieren insgesamt 10% der niedergelassenen Ärzte Akupunktur; 40% der niedergelassenen Orthopäden und 36% der Allgemeinmediziner behandeln mit Akupunktur in der Praxis. Im Rahmen der Modellvorhaben der gesetzlichen Krankenkassen haben sich 6–7 Mio. Patienten in den vergangenen 5 Jahren mit Akupunktur behandeln lassen. Die Zahl der Akupunktursitzungen wird auf 15–20 Mio. im Jahr geschätzt. 250–300 Mio. Euro wurden jährlich dafür ausgegeben, dies sind 1% der Aufwendungen für Arzneimittel oder 1–1,5 Promille der gesamten Gesundheitskosten. Die großen Akupunkturgesellschaften haben einheitliche Fortbildungsrichtlinien erarbeitet. Auf der Basis dieser einheitlichen Fortbildungsgrundsätze, hat die Ärztekammer Westfalen-Lippe in einer Vorreiterfunktion eine »Zertifizierung« der Akupunktur mit einem Fortbildungsleitfaden verabschiedet. Dieser Fortbildungsleitfaden sah zukünftig eine Fortbildungszeit von 350 h vor. Bereits 1998 wurde der Fortbildungsumfang auf 350 h ausgeweitet. Die Implementierung dieser neuen Fortbildungsdauer, Vollausbildung genannt, vollzog sich sehr langsam. Nach Schätzung von Akupunkturgesellschaften haben 20 000 Ärzte eine Mindestfortbildung von 140 h (A-Diplom) und 4000 Ärzte den neuen Standard von 350 h Fortbildung (B-Diplom). Unter Akupunkturexperten besteht die einhellige Meinung, dass zukünftig eine fundierte Akupunkturausbildung einen
5 1.2 · Neuere Entwicklungen in westlichen Ländern
zeitlichen Umfang von 350 Stunden mit 50% Praxisanteil haben sollte. Dies war der gemeinsame Vorschlag an die Bundesärztekammer (BÄK) für den Ausbildungsumfang für die Zusatzbezeichnung Akupunktur.
Zusatzbezeichnung Akupunktur mit Ärztekammerdiplom Nach der Weiterbildungsordnung der BÄK von 2004 ist für die Zusatzweiterbildung »Akupunktur« eine Facharztanerkennung, 120 h-Kurs-Weiterbildung mit praktischen Übungen in Akupunktur und anschließend unter Anleitung eines Weiterbildungsbefugten 60 h praktische Akupunkturbehandlungen und 20 h Fallseminare gefordert. Dies entspricht der bisherigen »Grundausbildung Akupunktur« mit einigen ergänzenden Praxiskursen. Die BÄK beschreibt die Akupunktur als eine »therapeutische Technik«. Dies entspricht nicht dem Wesen der chinesischen Akupunktur, die auch ein differenziertes chinesisches Diagnosesystem beinhaltet, und begünstigt in der Praxis eine verwestlichte und symptomatische Akupunkturanwendung. Die von der BÄK eingeführte Zusatzbezeichnung Akupunktur, ist mit 200 h Ausbildungszeit nicht ausreichend für eine ganzheitliche chinesische Akupunkturanwendung. Wer die Akupunktur und die Chinesische Medizin als Teil einer ganzheitlichen energetischen Medizin bei einem breiten Spektrum von Indikationen begreift und eine qualitativ hochwertige Akupunktur anwenden möchte, wird sich über das Ärztekammerdiplom hinaus auch weiterhin umfassender in Akupunktur und Chinesischer Medizin fortbilden. Der Qualitätsmangel in der Akupunktur hat viele Ursachen. Zunächst besteht ein weit verbreiteter Mangel an Ausbildungsqualität. Neben 5 großen Akupunkturgesellschaften, die meist eine Fortbildungserfahrung von 20 Jahren haben und in einem Dachverband kooperieren, gibt es über 30 weitere Anbieter von Akupunkturfortbildungen sehr unterschiedlicher Qualität. Seitens der Ärzte, die Akupunktur anwenden, entsteht zunehmend eine Trennung in 2 Gruppen: ▬ Die erste Gruppe sticht Nadeln symptomatisch in Punkte ohne fundierte Fachkenntnis nach ähnlichen Behandlungsprinzipien wie in der westlichen Medizin: schmerzlindernde Punkte, beruhigende Punkte etc. Dies geschieht ohne chinesischen Hintergrund. ▬ Die zweite Gruppe, vermutlich in der Minderzahl, versucht das System einer anders fundierten östlichen Medizin von den Wurzeln zu ergründen. Sie sind bestrebt, dem Wesen des wichtigsten Phänomens der Chinesischen Medizin, dem Qi, in Diagnose und Therapie auf den Grund zu gehen und eine Therapie mit Akupunktur auf einer chinesischen Diagnose aufzubauen.
Modelluntersuchungen und die Folgen für die Praxis Der Bundesausschuss Ärzte und Krankenkassen hat in seiner Entscheidung Ende 2000 die Akupunktur nicht als Leistungsbestandteil der gesetzlichen Krankenkassen anerkannt, aber eine auf drei Jahre begrenzte, modellhafte Erprobung für die Behandlung von Schmerzindikationen »befürwortet«. Durch die Entscheidung des Bundesausschusses erfolgte eine Einengung der Indikationen auf chronische Kopfschmerzen, Migräne, chronische Lendenwirbelsäule (LWS)Schmerzen und chronische osteoarthritische Schmerzen. Die Begrenzung der Akupunktur auf wenige Schmerzindikationsgruppen war willkürlich und keineswegs wissenschaftlich begründbar. Entsprechend hielten sich nicht alle Ärzte an diesen Diagnosevorgaben. Das Gutachten der National Institutes of Health (NIH) Kommission von 1997 hatte bei zahlreichen Erkrankungen z. B. bei Emesis deutlich mehr Evidenz für die Wirksamkeit gefunden als bei chronischen Schmerzen. Die Wirksamkeit der Schmerzbehandlung mit Akupunktur war ähnlich gut wie bei Asthma, Drogenabhängigkeit, Dysmenorrhö, oder Rehabilitation nach Schlaganfall aus der zweiten Indikationsgruppe des NIH. Die Akupunktur wurde im Rahmen der Modellvorhaben der gesetzlichen Krankenkassen für 5 Jahre unter Zuzahlung eines Eigenanteils der Patienten »erprobt« und gleichzeitig wissenschaftlich intensiv erforscht. Das sensationelle Ergebnis dieser wissenschaftlichen Evaluation war, dass sich die Akupunktur in der Langzeitwirksamkeit bei allen drei Indikationen einer westlichen leitlinienorientierten Standardtherapie sehr deutlich überlegen zeigte. Akupunktur ist bei chronischen Rückenschmerzen in der Langzeitwirksamkeit zweimal so wirksam wie übliche westliche Standardtherapie mit Antiphlogistika, Krankengymnastik und Massage und bei Knieschmerzen dreimal so effektiv. Auch bei Migräne hat die Akupunktur mit 11 Sitzungen in 6 Wochen eine etwas bessere Wirksamkeit als eine westliche prophylaktische medikamentöse Therapie über 6 Monate! Daraus das Resümee des deutschen »Kopfschmerz-Papstes« Prof. Dr. Hans-Christoph Diener:»Die Akupunktur stellt beim chronischen Kopfschmerz eine effektive und risikoarme Ergänzung des therapeutischen
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Kapitel 1 · Geschichte der Akupunktur und neuere Entwicklungen
Konzepts dar, was eine Anwendung der Akupunktur im Rahmen der schmerztherapeutischen Behandlung rechtfertigt.« Und weiter ein Kommentar des Leitungsgremiums von Gerac: »Überraschenderweise zeigte sich bei Migräne keine Überlegenheit der kontinuierlichen, sechsmonatigen medikamentösen Prophylaxetherapie über die sechswöchige Akupunkturtherapie« Bei Spannungskopfschmerzen, der vierten Diagnose, waren die Patienten nicht bereit, die Antidepressiva des Standardtherapiearmes einzunehmen. Dieser Studienarm mußte deshalb abgebrochen werden. Die Patienten favorisierten Akupunktur.
Kassenakupunktur über den Krankenschein Anfang 2007 wurde die Akupunktur als Folge der guten Ergebnisse der Modelluntersuchungen in das kassenärztliche Medizinsystem der gesetzlichen Krankenkassen integriert und über den Krankenschein abgerechnet. Diese Neuregelung beinhaltete eine erneute Reduzierung der Akupunkturindikationen auf lediglich zwei Diagnosen, chronische Schmerzen der LWS und chronische Schmerzen in einem Kniegelenk durch Gonarthrose, die länger als 6 Monate bestehen. Für alle übrigen Indikationen ist die Akupunktur als vertragsärztliche Leistung der GKV ausgeschlossen. Somit endete die 25-jährige relativ großzügige »Erstattungspraxis« der Akupunktur für gesetzlich versicherte Patienten. Durch die einengende Entscheidung des Bundesausschusses wurde erneut eine gute Möglichkeit vertan, Akupunktur in der klinischen Praxis bei einem breiten Indikationsgebiet einzuführen bzw. weiter zu erforschen. Medizinbürokraten haben wieder einmal eine Entscheidung gegen Patienten und gegen eine im klinischen Alltag hochwirksame Therapie getroffen. Die Erstattung der Akupunktur für Kassenpatienten erfolgt Anfang 2007 zu deutlich reduzierten Honorarsätzen von ca. 20 Euro, die dem Stand der Honorierung von 1985 entsprechen. Die Patienten dürfen in dem reglementierten Kassensystem nicht, wie bisher üblich einen Eigenanteil zuzahlen, der für eine gewisse Qualitätskontrolle durch die Patienten sorgen würde. Dieses System bewirkt zunächst eine Verschleierung der Verhältnisse. Die direkte PatientArzt-Beziehung, die für gute Transparenz in den Modellvorhaben sorgte und die bisher noch für Akupunkturpatienten gültig war, wird verschleiert, indem die Kassenärztliche Vereinigung die Kosten über Krankenschein anonym abwickelt. Diese Abwicklung ist wenig transparent und birgt zahlreiche Fußangeln. Jederzeit kann der Punktwert reduziert werden, oder sonstige Einschränkungen erfolgen. Bei einem solch reduzierten Honorarsatz wird die Akupunktur zukünftig in einer einfachen Form praktiziert ohne ausreichendem Zeitaufwand und Qualität und nach lediglich westlichen Gesichtspunkten, ähnlich der Anwendung der medikamentösen Therapie. Nach den Prinzipien der Rezeptakupunktur, stehen eine einfache Kombination von Punkten im Mittelpunkt der Therapie, ohne eine vorangehende chinesische Diagnose, auf die eine ganzheitliche Therapie mit Akupunktur aufgebaut sein sollte.
Privatisierung der Akupunktur Es wird weiterhin viele Ärzte geben, die sich nicht auf zwei Diagnosen beschränken wollen, sondern auch zukünftig ihren Patienten die positiven Akupunturwirkungen bei einer Vielzahl von Diagnosen anbieten werden. Bei chronischen Schmerzen z. B. Migräne, Trigeminusneuralgie, bei Allergie und Asthma, bei psychosomatischen Erkrankungen, bei Tinnitus und Depression, Suchterkrankungen oder bei Rehabilitation nach Schlaganfall, also bei einem breiten Spektrum von Indikationen ist Akupunktur eine hochwirksame Methode, oft viel wirksamer als westliche Medizinmethoden, wie dies auch die Modelluntersuchungen der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) gezeigt haben. Die Kassenpatienten müssen zukünftig die Akupunkturen, wie auch in anderen westlichen Ländern, aus der eigenen Tasche bezahlen, sofern sie Akupunktur bei einem breiten Indikationsspektrum in Anspruch nehmen möchten. Hierdurch wir es zu einer Privatisierung der Akupunktur kommen. Gut ausgebildete Ärzte werden eine Akupunktur von hoher Qualität mit hoher Wirksamkeit anbieten. Die breitere Anwendung der Akupunktur könnte nicht nur zu einer besseren Medizin durch dauerhafte Heilung bei vielen Erkrankungen führen, sondern ist durch eine prophylaktische Wirksamkeit gekennzeichnet und könnte so dazu beitragen die Gesundheitskosten insgesamt signifikant zu senken. Jetzt wird sich in der Anwendung der Akupunktur die Spreu vom Weizen trennen: westliche symptomatische Akupunktur, von einer Akupunktur, die auf den energetischen Vorstellungen der Chinesischen Medizin aufbaut und die Lebenskräfte des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Pati-
7 1.3 · Chinesische Akupunktur
enten werden immer mehr auch die Qualitätsakupunktur, eine Akupunktur nach allen Regeln der Kunst von einer westlichten Akupunktur unterscheiden lernen.
1.2.3
Westliche Form der Akupunktur
Diese geht in erster Linie von westlichen Diagnosen und von Krankheitskonzepten der westlichen Medizin aus, wie sie in der Anwendung von Medikamenten üblich sind. Rezeptartige Punktekombinationen stehen hier ganz im Vordergrund, ohne Berücksichtigung der den Erkrankungen zugrundeliegenden energetischen Störungsmuster. Die Wirkungen der westlichen Akupunktur sind bei einfacheren Erkrankungen wie Gonarthroseschmerzen deutlich besser, als z. B. bei Migräne. Hier ist eine rigorose Anwendung einer Chinesischen Akupunktur erforderlich.
1.3
Chinesische Akupunktur
Im Mittelpunkt der Vorstellung der Chinesischen Medizin und somit auch der Akupunktur stehen die Vitalität des Patienten und deren Störungen. Der Titel eines Lancet Leitartikels von Andrew Moore und Henry McQuay Acupuncture: not just needles? zeigt, dass es bei der Akupunktur nicht nur auf das Stechen der Nadeln ankommt und nicht nur auf Schmerzlinderung: »Certainly, a major benefit patients report is that acupuncture makes them feel better. Making patients feel better is important.« Mit dieser Aussage kommen die im Lancet nach Evidenz suchenden Mediziner zum Wesen, zur Essenz der Akupunktur. Wenn das Fließen der Lebenskraft Qi durch die Akupunktur gefördert wird, fühlt man sich gesund und vital. Wenn Qi in Ungleichgewicht ist, zu viel, zu wenig, oder im Fließen blockiert, ist man krank. Eine der großen Vorteile der Chinesischen Akupunktur ist, dass sie die Lebensenergie des Patienten in den Mittelpunkt stellt und sich gerade mit den vielfältigen Störungen durch Schwäche der Energie beschäftigt. Da das therapeutische Vorgehen bei einer qualitativ guten Akupunktur die Lebensenergie des Menschen anregt und auch die tieferen Organebenen einbezieht, fühlen sich die Patienten selbst Wochen und Monate nach dieser Akupunktur viel besser, vitaler, frischer, ausgeglichener und weniger eingeschränkt in ihrer Leistungsfähigkeit. Das Lebensgefühl wird meist durch die Aktivierung des Flusses der Lebenskräfte deutlich verbessert. Bedrückte Stimmungen wandeln sich oft in Aktivität und in Lebensfreude. Sie sagen oft »die Batterie ist wieder gut aufgeladen.« Eine Chinesische Akupunktur vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Therapiemodalitäten, die für eine nachhaltige Wirksamkeit sorgen. Diese findet zunehmende Beachtung. Eine Akupunktur nach den Regeln der Kunst verläuft schrittweise und beinhaltet weitere Faktoren und Modalitäten. Diese sind hier kurz aufgeführt: Bei der Chinesischen Akupunktur analysiert und beurteilt man im ersten Schritt, also beim Stellen einer chinesischen Diagnose, die Lebenskräfte des Patienten und deren Störungen. Die chinesische Diagnose ist immer ein integraler Teil der Therapie. Aus der chinesischen Diagnose folgt die therapeutische Absicht, die Therapiestrategie in Form eines differenzierten Therapieplans, der neben der Auswahl optimaler Punktekombinationen auch Heilkräuter, Qi Gong und Tuina (chinesische Massagen) einschließen kann. Die Intentionalität der Therapie ist für die nachhaltige Wirksamkeit von entscheidendem Wert. Die Art und Weise der Nadelung und der Stimulation der Nadeln, tonisieren oder sedierend, mit deutlich provoziertem Nadelgefühl, dem De Qi, wird von Experten als essenzieller Bestandteil einer wirkungsvollen Akupunktur angesehen. Wesentlich ist auch, dass der Patient nach dem Setzen der Nadeln, also während der Liegezeit, sich entspannt, und mit seinen Empfindungen nach innen geht. Der Fokus der Aufmerksamkeit sollte von der Außenwelt nach Innen zu seinen Gefühlen und inneren Empfindungen gerichtet sein. Dies setzt ruhige Räume voraus, offene Kabinen sind unangebracht. Auch die Länge der Liegezeit von 20–30 Minuten ist entscheidend für die Wirksamkeit der Therapie. Die ausreichende Anzahl von Sitzungen sowie eine adäquate Behandlungshäufigkeit meist von 2 Sitzungen in der Woche, die von der Schwere und Chronizität der Erkrankung und der Art des Störungsmusters abhängt, ist wesentlich für die Nachhaltigkeit der Wirksamkeit. Die individuelle Reaktionsfähigkeit des Patienten, die meist deutlich vom Konstitutionstyp abhängt, ist essenziell für die therapeutische Wirksamkeit. Patienten, die sich leicht entspannen können oder gute Fähigkeiten zur Introversion zeigen, brauchen z. B. deutlich weniger Sitzungen für eine nachhaltige Therapiewirkung. Frauen reagieren meist sensibler auf Akupunktur.
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Kapitel 1 · Geschichte der Akupunktur und neuere Entwicklungen
Die Information des Patienten in einem ausführlichen Gespräch über die Diagnose und den Therapieplan sind essenzielle Voraussetzungen für die Akupunkturbehandlung, gerade bei der Durchführung von zusätzlichen Therapiemaßnahmen wie Qi Gong, Tai Ji oder einer Umstellung der Ernährung oder Heilkräuteranwendung. Aufgrund der Problematik der niedrigen Qualität der Akupunktur in den Krankenkassenstudien, haben sich einige Akupunkturgesellschaften mit kompetenten Partnern in einer Qualitätsinitiative Akupunktur zusammen getan, um sich für eine gesicherte Qualität in der Akupunktur und damit eine bestmögliche und hochwertige Akupunkturtherapie zu engagieren. In Form eines Konsenspapiers zur Akupunktur Qualität wurden sieben Leitlinien für eine Qualitätsakupunktur erarbeitet. Ein Qualitätssiegel zur Akupunktur ist daraus erwachsen, das neben einer fundierten Ausbildung und jährlichen Fortbildungen die Anwendung dieser sieben Leitlinien für die Praxis der Akupunktur beinhaltet. Mit dem Qualitätssiegel werden Ärzte signalisieren, dass ihre Akupunktur mehr ist als einfaches Nadelsetzen und zeigen damit ihren Patienten, dass sie sich in erfahrene und kompetente Hände begeben (siehe auch die Internetseite www.Akupunktur-Qualitaet.info).
1.4
Die Essenzen der Akupunkturwirksamkeit
Die Akupunktur war im Vergleich mit westlicher Standardtherapie diesen Therapiemethoden deutlich überlegen. In der Diskussion der neuen Ergebnisse aus den Gerac-Studien wird immer wieder gefragt wie Akupunktur wirkt. Einige sprechen in der Diskussion von einem möglichen Superplazebo. Hier muss man sich einerseits mit der seit 30 Jahren publizierten neurophysiologischen Grundlagenforschung intensiv beschäftigen, die die Wirkungen von Endorphinen in drei Gehirnbereichen (Rückenmark, Mittelhirn und Hypothalamus) nachweisen konnte ( Kap. 2). Andererseits sind die Erklärungen der Chinesischen Medizin, die auf dem Konzept einer allem Leben innewohnenden Lebensenergie Qi zum Verständnis hilfreich. Dieses Erklärungskonzept, das auch in der westlichen Medizin im 19. Jahrhundert weit verbreitet war, lässt sich z. B. bei Hufeland, dem Leibarzt Goethes nachlesen. Diese Vorstellungen von einer Lebenskraft wurden jedoch im 19. Jahrhundert einerseits von mechanistisch denkenden Physikern und andererseits von Pathologen wie beispielsweise Virchow bekämpft, die nur noch das Sichtbare, das Messbare und chemisch Nachweisbare in der Medizin gelten lassen wollten. In den Publikationen der Krankenkassenstudien wird diese Essenz der Akupunktur, das Phänomen der Lebenskraft des Menschen mit keinem Wort erwähnt. Bedauerlicherweise wird die Mehrzahl der Akupunkturen in der Praxis ohne Berücksichtigung der Lebenskräfte des Patienten praktiziert. Diese Kräfte zu ignorieren, bedeutet eine Akupunktur ohne die Essenz, den Geist der Methode anzuwenden. Um dem Qualitätsverfall in der Akupunkturanwendung entgegenzuwirken wird zunehmend die Forderung laut: Keine Akupunktur ohne Qi! Weitere Informationen zur Akupunktur, auch zu aktuellen Entwicklungen finden sich im 14tägig erscheinenden Internet-Informationsdienst unter www.Akupunktur-aktuell.de.
1.5
Literatur
Literaturlisten finden sich im Internet unter www.Akupunktur-Aktuell.de und www.springer.de/
978-3-540-76762-6. Sie werden laufend aktualisiert.
2 Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur B. Pomeranz, B. Berman, G. Stux
2.1
Akupunkturanalgesie – neurophysiologische Grundlagenforschung
– 9
2.2
Kontrollierte Studien bei chronischen Schmerzzuständen
2.3
Akupunktur und Drogenentzug – 21
2.4
Antiemetische Akupunkturwirkung – 22
2.5
Neurologische, kardiovaskuläre, urogenitale, pulmonale, gastrointestinale und andere Akupunkturwirkungen – 23
2.6
Akupunkturpunkte – gibt es sie wirklich? – 25
2.7
Zukünftige Forschungsrichtungen
2.8
Modelluntersuchungen ART und Gerac
2.9
Literatur
– 19
– 30 – 31
– 36
In diesem Kapitel werden über 400 neuere Forschungsarbeiten über Akupunktur aufgearbeitet. Da sich die Forschung in der Hauptsache auf die Akupunkturanalgesie (AA) konzentriert hat, wird diese das Hauptthema sein. Zwei wesentliche Schlussfolgerungen werden gezogen: Zum einen, dass die Akupunkturanalgesie in der Behandlung chronischer Schmerzzustände wirksam ist (besser als Plazebo) und zum zweiten, dass die Einsicht in die neurologischen Wirkungszusammenhänge der AA rapide wächst. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass Akupunktur dünne myelinisierte Nervenfasern im Muskel aktiviert, die Impulse zum Rückenmark leiten, wodurch 3 in der Analgesie zusammenwirkende Zentren aktiviert werden: das Rückenmark, das Mittelhirn und die Funktionseinheit Hypothalamus-Hypophyse. Im Rückenmark werden die afferenten Schmerzreize mit Hilfe von Enkephalin und Dynorphin blockiert. Im Mittelhirn wird das absteigende Raphesystem durch Enkephalin aktiviert, welches die Schmerzweiterleitung im Rückenmark mit Hilfe der Monoamine Serotonin und Noradrenalin unterdrückt. Das dritte Zentrum, die Funktionseinheit Hypothalamus-Hypophyse, setzt β-Endorphin ins Blut und in den Liquor frei und übt so eine analgetische »Fernwirkung« aus. So spielen alle 3 Endorphinarten (Enkephalin, β-Endorphin und Dynorphin) eine Rolle in der AA; außerdem sind 2 Monoamine (Serotonin und Noradrenalin) beteiligt. Wenn hochfrequente Stimulation mit niedriger Stromstärke angewendet wird, tritt ein nicht-endorphinabhängiger Typ von Analgesie ein.
2.1
Akupunkturanalgesie – neurophysiologische Grundlagenforschung
Erst von 1972 an, als diplomatische Besuche in China häufiger wurden, begannen westliche Wissenschaftler, die Akupunktur ernst zu nehmen. Delegationen amerikanischer Ärzte waren in den folgenden Jahren besonders beeindruckt von größeren chirurgischen Eingriffen, die die Chinesen an Patienten bei wachem Bewusstsein durchführten, deren Schmerzempfindung durch die Akupunkturanalgesie im Wesentlichen ausgeschaltet war. Anstatt die Akupunkturpunkte durch manuelles Drehen der Nadeln zu stimulieren, wurde die Stimulation hier durch elektrischen Strom von etwa derselben langsamen Frequenz (2–4 Hz) bewirkt. Dies ist natürlich sehr viel praktischer als unter die Operationstücher zu greifen, um stundenlang von Hand die Nadeln zu stimulieren. Die neue Methode nennt sich Elektroakupunktur (EA) oder Elektrostimulationsakupunktur. Besuchern wurde mitgeteilt, dass in den 60er Jahren über 400 000 größere chirurgische Eingriffe in China unter AA durchgeführt wurden. Heute, wo chemische Anästhetika auch in China leichter zu bekommen sind, werden weniger als 10 % der Patienten mit AA operiert, weil die Methode verhältnismäßig schwierig in der Anwendung, zeitraubend und nicht hundertprozentig zuverlässig ist. Außerdem wird AA in der Bauchchirurgie wenig eingesetzt, da die notwendige Muskelrelaxation durch
10
2
Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
sie nicht geleistet wird. Die AA erfordert, dass die Patienten sorgfältig ausgewählt und vorbereitet werden, um sicherzustellen, dass ihnen nicht während der Operation schlecht wird. Auch wenn die AA den Schmerz zum größten Teil aufhebt, können viele Patienten doch bei wachem Bewusstsein den psychologischen Stress der Operation nicht ertragen. Aus diesem Grund wurden zahlreiche Operationen unter AA nach einer entsprechenden Prämedikation (Tranquilizer, Opiate) durchgeführt; dies hat dann zu beträchtlichen Kontroversen über die Wirksamkeit der AA im Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen Anlass gegeben. In den westlichen Ländern war in den letzten Jahren die Indikation der Akupunktur im Wesentlichen auf die Behandlung chronischer Schmerzzustände beschränkt; bei chirurgischen Eingriffen wurde sie bis auf wenige Ausnahmen kaum benutzt. Wie sollte eine in die Hand eingestochene Nadel einen Zahnschmerz lindern können? Da solche Phänomene nicht ohne Weiteres in das vorhandene physiologische Wissen passten, waren die Wissenschaftler verunsichert und skeptisch. Viele erklärten die beobachteten Wirkungen durch den wohlbekannten Plazeboeffekt, der durch Suggestion, Ablenkung oder auch Hypnose funktioniert [199, 200]. So hatte Beecher 1945 gezeigt, dass Morphium bei 70 % der Patienten chronische Schmerzen erleichterte, Traubenzuckerinjektionen (Plazebo) dagegen nur bei 35 % der Patienten, wenn sie glaubten, sie bekämen Morphium [11]. In derselben Weise, so nahmen viele medizinische Wissenschaftler in den frühen 70er Jahren an, könne auch die Akupunkturwirkung als Plazebo – also als rein psychologischer Effekt – aufgefasst werden. Aber mit dieser Deutung gab es verschiedene Schwierigkeiten. Wie wollte man sich denn dann den Gebrauch der AA in der Tiermedizin während der letzten 1000 Jahre in China und während etwa 100 Jahren in Europa sowie ihre fortschreitende Verwendung bei Tieren auch in Westeuropa und den USA erklären? Tiere unterliegen nicht der Suggestion in diesem Sinn, und nur bei wenigen Arten beobachtet man die »still-reaction« (sog. Tierhypnose). In ähnlicher Weise ist auch die AA-Wirkung bei kleinen Kindern zu beurteilen. Verschiedene psychologische Untersuchungen zeigten keine gute Korrelation zwischen der Suggestibilität der Patienten und der Akupunkturwirkung [98]. Die Hypnose wurde als Erklärung ebenfalls ausgeschlossen. In 2 Studien wurde gezeigt, dass Naloxon bei Hypnose und Akupunkturanalgesie unterschiedliche Reaktionen hervorruft: Die Akupunkturanalgesie wird durch Naloxon aufgehoben, die Hypnose bleibt durch diesen Endorphinantagonisten unbeeinflusst. Die Wissenschaftler haben sich mit 2 wichtigen Fragen auseinandergesetzt: 1. Wirkt die Akupunkturanalgesie tatsächlich – also über einen physiologischen und nicht nur Plazebo-/psychologischen Effekt? 2. Wenn sie wirkt, dann auf welchen physiologischen Wegen? Die erste Frage (wirkt sie?) musste mit Hilfe kontrollierter Studien angegangen werden, um Plazeboeffekte, Spontanremissionen u. ä. mit statistischer Signifikanz aussieben zu können. Solche Studien wurden durchgeführt in der klinischen Praxis mit Patienten, die unter chronischen
Schmerzsyndromen litten ( Abschn. 2.2); im Laboratorium mit Versuchspersonen, die akuten, experimentell induzierten Schmerzreizen ausgesetzt wurden ( Abschn. 2.5), und in Tierversuchen ( Abschn. 2.5).
2.1.1
Neurale Mechanismen der Akupunkturanalgesie
Zehn Jahre Forschung in unserem Laboratorium, in Verbindung mit über 100 Publikationen der westlichen wissenschaftlichen Literatur, haben zu einer zwingenden Hypothese geführt. ⊡ Abb. 2.1–2.3 fassen verschiedene Aspekte der Hypothese über die neurale Wirkungsweise der AA zusammen. Zuerst werden wir die Abbildungen erklären und dann detailliert die Beweise für die Hypothese vorstellen. ⊡ Abb. 2.1 zeigt, wie Schmerzreize von der Haut zur Hirnrinde geleitet werden. Links ist schematisch die Haut dargestellt mit (links unten) einem Muskel. Eine Akupunkturnadel dringt in ihn ein. Das Viereck rechts davon ist das Rückenmark, noch weiter nach rechts folgen weitere Rechtecke: Mittelhirn, Thalamus, Hypothalamus-Hypophyse und Hirnrinde (Kortex). Die offenen Dreiecke stehen für exzitatorische Synapsen, die ausgefüllten Dreiecke für inhibitorische Synapsen. Der schlanke Pfeil repräsentiert den Schmerzimpuls, die dicken Pfeile die Flussrichtung der Impulse in den Axonen. Um die in ⊡ Abb. 2.1 dargestellte Schmerzübertragung zu verstehen, verfolge man die dicken Pfeile oben. Eine Verletzung der Haut aktiviert die Rezeptoren (Quadrat) dünner afferenter Hautnervenfasern (als Zelle 1 gekennzeichnet) vom A-δ- und C-Typ. Nervenfasern sind nach Kaliber klassifiziert und danach, ob sie im Muskel oder in der Haut entspringen: Dicke myelinisierte Fasern A-β (Haut) oder Gruppe I (Muskel) leiten Berührungsreiz bzw. Propriozeptionsreize. Dünne markhaltige Fasern A-δ (Haut) oder Gruppen II und III (Muskel) leiten »Schmerz«. Die dünnen, marklosen Fasern C (Haut) und Gruppe IV (Muskel) leiten ebenfalls Schmerzreize. Die Gruppe II, III und IV sowie C leiten aber auch nichtschmerzhafte Reize. Zelle 1 gibt eine Synapse an eine Zelle des Tractus spinothalamicus (TST), die mit 2 gekennzeichnet ist. Der TST (Zelle 2) schickt sein Axon zum Thalamus und gibt dort eine Synapse auf Zelle 3 ab, die ihre Impulse an den Kortex leitet, wo sie Zelle 4 aktiviert. Was den Funktionszusammenhang der übrigen Nervenzellen (5–14) angeht, so wenden wir uns ⊡ Abb. 2.2 zu. Hier stimuliert die Akupunkturnadel einen sensorischen Rezeptor (Quadrat) im Muskel, und dieser sendet Impulse an das Rückenmark über die Zelle 5, die afferente Nervenzellfasern der Gruppen II und III (Muskel) repräsentiert (also dünn myelinisierte Afferenzen). Gruppe-II-Fasern vermitteln, so nimmt man an, das Taubheitsgefühl (De Qi), das mit der Nadelung einhergeht, und Gruppe III das zugleich vorhandene Gefühl von Schwere. Wenn außerdem eine Schmerzempfindung entsteht, wird diese über marklose Gruppe-IV-Fasern vom Muskel geleitet (aber Schmerz gehört normalerweise nicht zum De-Qi-Gefühl). An einigen Akupunkturpunkten gibt es keine Muskulatur (z. B. an Fingerspitzen, über größeren Nervensträngen); hier sind andere Nervenfasertypen involviert. Wenn Hautnerven aktiviert werden, so handelt es sich dabei um A-δFasern. Zelle 5 gibt im Rückenmark eine Synapse auf eine Zelle
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11 2.1 · Akupunkturanalgesie – neurophysiologische Grundlagenforschung
Schmerzreiz
TST
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3
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Thalamus
1
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11 Mittelhirn
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10 Haut
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9
E
Muskel Akupunkturnadel
8 12
6 5
13
Rückenmark
Zeichenerklärung: Nervenzelle
Exzitatorische Synapse
Inhibitorische Synapse
Blutgefäß
Transmitterausschüttung
Schmerzreiz
Flußrichtung der Impulse
Sensorischer Rezeptor
Akupunkturnadel
Sensorischer Nerv
⊡ Abb. 2.1. Schmerzübertragung
des Tractus anterolateralis (TAL) ab, Zelle 6, die zu einem bis drei Zentren weiterleitet, zum Rückenmark, zum Mittelhirn und zur hypothalamisch-hypophysären Funktionseinheit. Innerhalb des Rückenmarks schickt Zelle 6 einen segmentalen Ast an Zelle 7, die eine endorphinerge Zelle ist. Diese Zelle setzt entweder Enkephalin oder Dynorphin frei, jedoch nicht β-Endorphin. Es gibt 3 verschiedene Gruppen von Endorphinen: die Enkephaline, das β-Endorphin und das Dynorphin. Alle drei werden in ⊡ Abb. 2.2 und 2.3 mit einem E symbolisiert. Die Rezeptoren für Enkephalin, β-Endorphin und Dynorphin werden als δ-, μ- bzw. κ-Rezeptoren (delta, my, kappa) bezeichnet. Die Rückenmarkendorphine bewirken eine präsynaptische Hemmung von Zelle 1, blockieren also die Weitergabe der Schmerzimpulse von 1 auf 2. So blockieren Enkephalin und Dynorphin die Schmerzübertragung auf der Rückenmarkebene. Man beachte aber auch, dass Zelle 7 ebenfalls durch absteigende Systeme von Zelle 11 über den Tractus dorsolateralis (TDL) aktiviert werden kann (s. ⊡ Abb. 2.3), wie unten eingehender besprochen.
Die präsynaptische Hemmung funktioniert wahrscheinlich über einen verminderten Kalziumeinstrom während des Aktionspotentials in den Endigungen von Zelle 1, der dann eine verminderte Ausschüttung des Transmitters nach sich zieht. Der Schmerztransmitter, der Zelle 1 mit Zelle 2 verbindet, ist nicht bekannt: Glutamat, Substanz P und ATP wurden vorgeschlagen; bekannt ist, dass Endorphine die Freisetzung von Substanz P vermindern. Nicht in ⊡ Abb. 2.2 dargestellt sind die zahlreichen Peptide, die in den Endigungen von Zelle 1 vorhanden sind, unter ihnen Cholezystokinin (CCK), Somatostatin, Neurotensin, Bombesin, Calzitonin, »gene-related peptide«, Angiotensin, Substanz P und vasoaktives Intestinalpeptid. Bislang konnte nur von Cholezystokinin gezeigt werden, dass es in der AA eine Rolle spielt [71]; wie der Opiatantagonist Naloxon blockiert es die endorphinvermittelte AA. Zelle 6 entsendet auch einen Zweig über den Tractus anterolateralis (TAL) zum Mittelhirn, wo es Zellen im periaquäduktalen Grau (PAG; Zellen 8 und 9) reizt, was zu
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Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
Schmerzreiz
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TST
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Kortex
Thalamus
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11 TDL
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Mittelhirn 10
M Haut
E
HypothalamusHypophyse
E
14
9 E
E
Muskel Akupunkturnadel
TAL
6 5
8 12
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Rückenmark
Zeichenerklärung: Nervenzelle
Exzitatorische Synapse
Inhibitorische Synapse
Blutgefäß
Transmitterausschüttung
Schmerzreiz
Flußrichtung der Impulse
Sensorischer Rezeptor
Akupunkturnadel
Sensorischer Nerv
⊡ Abb. 2.2. Akupunktur – niedrige Frequenz, hohe Intensität
einer Enkephalinfreisetzung führt. Diese enthemmt Zelle 10 (die damit gereizt ist), was wiederum zu einer Erregung des Raphekerns, Zelle 11, führt (der Raphekern sitzt im kaudalen Ende der Medulla oblongata) und diesen dazu bringt, Signale über den Tractus dorsolateralis (TDL) abwärts zu entsenden und dort Monoamine freizusetzen (Serotonin und Noradrenalin), die auf die Rückenmarkzellen wirken [67]. Zelle 2 wird postsynaptisch gehemmt, während Zelle 1 präsynaptisch über Zelle 7 inhibiert wird (die ihrerseits durch die Monoamine gereizt wird). Jeder dieser beiden Monoaminmechanismen kann die Schmerzfortleitung unterdrücken. Zusätzlich zum serotonergen Einfluss des Nucleus raphe magnus auf das Rückenmark könnte auch der benachbarte Nucleus reticularis paragigantocellularis (nicht dargestellt) über den Tractus dorsolateralis durch Noradrenalinfreisetzung auf die Spinalzellen einwirken (Noradrenalin bindet an einen α-Rezeptor im Rückenmark und blockiert die Schmerzübertragung). Ein solcher Synergismus von Serotonin und Noradrenalin wird von einigen Autoren angenommen [65]. Einiges spricht dafür, dass es sich bei dem exzitatorischen
Neurotransmitter zwischen Zelle 10 und 11 um Neurotensin handelt [9]. Die genaue Rolle dieser deszendierenden Monoamineinflüsse im Zusammenhang der Akupunkturanalgesie ist noch nicht abgeklärt; manche Ergebnisse sprechen dafür, dass ein Teil des serotonergen Rapheeinflusses auf die AAWirkung noch über aszendierende Fasern vom Raphekern zum Vorderhirn vermittelt sein könnte (nicht dargestellt). Noch weniger wissen wir über die Wirkung von Zelle 6 auf die Zellen 12 und 13 (den Hypothalamus-Hypophysen-Komplex). Zelle 12 im Nucleus arcuatus könnte durch β-Endorphin die Raphekerne aktivieren und Zelle 13, im Hypothalamus, eine Endorphinfreisetzung aus der Hypophyse auslösen. Zwar ist man sich weitgehend darin einig, dass die Akupunkturanalgesie mit erhöhten Spiegeln von β-Endorphin im Liquor und im Blut einhergeht und dass Hypophysenverletzungen die AA beeinträchtigen, jedoch besteht keine Einigkeit darüber, wie das β-Endorphin von der Hypophyse ins Gehirn gelangt und dort Analgesie verursacht. Einiges spricht dafür, dass über das Hypophysenpfortadersystem Hormone retrograd direkt ins Gehirn transpor-
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13 2.1 · Akupunkturanalgesie – neurophysiologische Grundlagenforschung
Schmerzreiz
TST
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E
Kortex
Thalamus
M
1
4
3
11 TDL
7
Mittelhirn 10
M Haut
HypothalamusHypophyse
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Muskel Akupunkturnadel
TAL
6 5
8 12
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Rückenmark
Zeichenerklärung: Nervenzelle
Exzitatorische Synapse
Inhibitorische Synapse
Blutgefäß
Transmitterausschüttung
Schmerzreiz
Flußrichtung der Impulse
Sensorischer Rezeptor
Akupunkturnadel
Sensorischer Nerv
⊡ Abb. 2.3. Akupunktur – hohe Frequenz, geringe Intensität
tiert werden können [13]. Vielleicht kann auch Zelle 14 unmittelbar auf Zelle 9 einwirken, wie durch den dünnen Pfeil (s. ⊡ Abb. 2.2) angedeutet, ohne dass die Blut-Hirn-Schranke durchquert werden muss. Dann allerdings wäre die Funktion des im Blut zirkulierenden Endorphins unklar. – Dieses freigesetzte Endorphin ist aber obendrein noch begleitet durch eine höchst interessante Korrelation: Es werden nämlich ACTH und β-Endorphin gemeinsam und in äquimolaren Mengen aus der Hypophyse ins Blut freigesetzt (die beiden werden ja auch aus einem gemeinsamen Vorläufer synthetisiert) [161]. Das ACTH gelangt zur Nebennierenrinde und löst die Ausschüttung von Kortisol ins Blut aus, was erklären könnte, wieso Akupunktur bei Arthritis entzündungshemmend wirkt und bei Asthma Bronchospasmen löst. (Die Cortisolfreisetzung durch Akupunktur ist mengenmäßig gering und fein reguliert, sodass die Nebenwirkungen einer medikamentösen Steroidtherapie ausbleiben.) ⊡ Abb. 2.2 und 2.3 zeigen auch die Bedeutung verschiedener Stimulationsparameter. Niederfrequente Elektrostimulation von hoher Intensität aktiviert alle 3 Zentren (⊡ Abb. 2.2)
und setzt sämtliche Endorphinmechanismen in Gang [30]. Dementsprechend wird sie durch Naloxon antagonisiert. Hochfrequente Stimulation von geringer Intensität dagegen aktiviert nur zwei der Zentren (⊡ Abb. 2.3), nämlich das Mittelhirn (dessen Endorphinsynapsen hier umgangen werden) und das Rückenmark. Auch für die weiteren Ausführungen dieses Kapitels gehören Niederfrequenz und hohe Intensität sowie Hochfrequenz und niedrige Intensität zusammen. Hochfrequenz-AA kann entsprechend nicht mit Naloxon blockiert werden, ist aber empfindlich für Manipulationen mit Monoaminen [33]. Außerdem hat Hochfrequenzstimulation eine ausgeprägte segmentale Wirkung, die nicht naloxonblockierbar ist, was dafür spricht, dass Zelle 7 mit nicht-endorphinergen Transmittern arbeitet (z. B. GABA, γ-Aminobuttersäure). Wegen der noch unzureichenden wissenschaftlichen Daten haben wir andere Zentren ausgelassen, die nach einigen Experimenten ebenfalls in der AA involviert sind, z. B. den Nucleus accumbens, Nucleus amygdala, Nucleus habenula und Nucleus caudatus anterior [75, 224]. Das Axon der TST-Zelle (Zelle 2) gibt eine Kollateralfaser an Zelle 8 im Mittelhirn ab, die
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2
Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
Analgesie verursacht. 1979 entdeckten Le Bars et al. [90 a] ein Phänomen, das sie DNIC nannten (»diffuse noxious inhibitory control«), bei welchem ein Schmerz den anderen hemmt. Eine Bedeutung für die AA ist jedoch nicht gesichert. Neuere Untersuchungen an Ratten ergaben, dass die Zerstörung der C-Fasern (Gruppe IV) durch das Toxin Capsicain das DNIC blockiert, während die AA unbeeinträchtigt bleibt, was dafür spricht, dass es sich hier um unterschiedliche Systeme handelt [221 a]. Darüber hinaus würde eine Stimulation von ausreichender Stärke, um C-Fasern (Gruppe IV) zu aktivieren, unerträgliche Schmerzen hervorrufen, wogegen das De Qi der AA nur eine milde Empfindung und keinen eigentlichen Schmerz auslöst (s. unten, Abschn. 2.5.4). Le Bars et al. [13 a] haben kürzlich DNIC und AA an Ratten verglichen und behaupten, sie seien einander ähnlich: Beide seien bei Ratten durch Naloxon zu blockieren, haben denselben zeitlichen Verlauf und blockieren nozizeptive konvergierende Neuronen im Rückenmark [13 a]. Es ist dann jedoch seltsam, dass Plazebo-Akupunktur (sham-acupuncture) dieselben Ergebnisse erbrachte [13 a].
2.1.2
Schmerzhemmung auf 3 Ebenen
Zusammengefasst, aktiviert die Akupunktur Nervenfasern im Muskel, die Impulse an das Rückenmark entsenden und 3 Zentren aktivieren (Medulla, Mittelhirn, Hypophyse-Hypothalamus) und damit Analgesie hervorrufen. Auf spinaler Ebene werden bei niederfrequenter Stimulation Enkephalin und Dynorphin freigesetzt, die die Schmerzafferenzen blockieren, bei Hochfrequenzstimulation sind es andere Transmitter, möglicherweise GABA. Im Mittelhirn wird mit Enkephalin das absteigende Raphesystem aktiviert, das die Schmerzfortleitung im Rückenmark durch synergistische Wirkung der Monoamine Serotonin und Noradrenalin verhindert. Das Mittelhirn verfügt außerdem über eine Schaltung, bei der, unter hochfrequenter Stimulation, die endorphinergen Stationen umgangen werden. Im dritten Zentrum, dem Funktionszusammenhang Hypothalamus-Hypophyse, sezerniert die Hypophyse β-Endorphin in den Liquor und das Blut und übt damit eine analgetische Fernwirkung aus, z. B. im Mittelhirn. Außerdem entsendet der Hypothalamus lange Axone zum Mittelhirn und aktiviert über β-Endorphin das absteigende Analgesiesystem. Diese dritte Ebene wird nur bei niederfrequenter Stimulation aktiviert. Was ist nun die praktische Bedeutung dieses Schmerzhemmungssystems auf 3 Ebenen? Wenn Akupunkturnadeln in der Nähe des Schmerzortes oder in druckempfindliche Stellen (Ah Shi) oder an sog. Triggerpunkten eingestochen werden, werden die segmentalen Mechanismen (Zelle 7) maximal aktiviert und gleichzeitig über die Zellen 11 und 14 die beiden anderen Zentren ins Spiel gebracht (⊡ Abb. 2.2). Wenn man die Nadeln dagegen an distalen Punkten fern der Schmerzregion einsticht, aktivieren sie das Mittelhirn und das Hypothalamus-Hypophysen-System (Zellen 11 und 14), ohne die lokalen, segmentalen Wirkungen von Zelle 7 miteinzubeziehen. Die Zellen 11 und 14 bewirken Analgesie im ganzen Körper, während Zelle 7 eine lokale Analgesie hervorruft. Die lokale, segmentale Nadelbehandlung ergibt i. Allg. eine intensivere Analgesie als die distale nichtsegmentale Ap-
plikation, weil jene alle 3 Ebenen aktiviert. Meistens werden beide Behandlungsprinzipien (lokal und distal) kombiniert verwendet und verstärken einander. Eine weitere wichtige praktische Konsequenz dieses Systems sind die Zusammenhänge Frequenz und Intensität. Wie in ⊡ Abb. 2.2 dargestellt, wirkt die niederfrequente Stimulation mit hoher Stromstärke durch das gesamte Endorphinsystem und auf allen 3 Ebenen, wohingegen Stimulation mit hohen Frequenzen (50–200 Hz) nur die Zellen 7 und 11 aktiviert und das Endorphinsystem umgeht, wie in ⊡ Abb. 2.3 gezeigt. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Analgesieformen, die durch diese beiden Methoden erzeugt werden, höchst unterschiedlich sind [3]: Die niederfrequente Stimulation führt zu einer Analgesie von allmählichem Beginn und, was wichtiger ist, von langer Dauer, um 30 min bis viele Stunden über die Behandlungssitzung hinaus anhaltend. Außerdem kumuliert die Wirkung, wird also von Mal zu Mal intensiver. Dagegen erzeugt die hochfrequente Stimulation eine schnell einsetzende Analgesie von kurzer Dauer und ohne Kumulation. Die meisten Abhandlungen beenden die Auseinandersetzung über die Akupunkturanalgesie an diesem Punkt. Da jedoch die Akupunktur für die westliche Medizin noch immer relativ neu ist und kontrovers diskutiert wird, mag es weiterer wissenschaftlicher Ergebnisse bedürfen, um den Studierenden davon zu überzeugen, dass die in ⊡ Abb. 2.1–2.3 schematisierten Mechanismen der Akupunkturwirkungen wissenschaftlich wohlfundiert sind. Der eilige Leser mag die folgenden Seiten also überfliegen oder auslassen, er sollte aber auf jeden Fall das Literaturverzeichnis am Ende dieses Kapitels genau ansehen (wobei ein gewaltiger Corpus chinesischer Literaturstellen nicht berücksichtigt wurde; hätten wir ihn einbezogen, wäre die Liste mehr als doppelt so lang geworden). Es sollte genügend klar sein, dass die Akupunkturanalgesie wissenschaftlich besser untersucht ist als viele pharmazeutische Substanzen im Routinegebrauch – so wissen wir vergleichsweise wenig über die Wirkungsweise der meisten in der Anästhesie verwendeten Gase, fahren aber fort, diese regelmäßig zu gebrauchen. Der Leser sei außerdem auf ein paar neuere Übersichtsarbeiten hingewiesen [3 a, 67, 68 b, 74 a, 81 c, 94 a, 120, 143, 146, 146 a, 146 b, 151 a, 174 b, 179 a, 216 a, 223 a, 225 a].
2.1.3
Wissenschaftliche Belege für die Rolle der Endorphine in der Akupunkturanalgesie
Die wichtigsten und interessantesten Experimente, die das Feld der Akupunkturanalgesie für die Wissenschaft öffneten, waren die, in welchen Endorphinantagonisten (z. B. Naloxon, Naltrexone) benutzt wurden. Zunächst waren es 2 Gruppen, die berichteten, dass man mit Naloxon die AA antagonisieren kann: Mayer et al. [116] produzierten durch manuelle Stimulation von Akupunkturnadeln im Punkt Di.4 (Musculus adductor pollicis) AA bei freiwilligen Versuchspersonen, bei denen vorher ein laborinduzierter Zahnschmerz erzeugt worden war. In einer Doppelblindstudie gaben sie einer Gruppe Naloxon i. v. und der Kontrollgruppe physiologische Koch-
15 2.1 · Akupunkturanalgesie – neurophysiologische Grundlagenforschung
salzlösung. Die Kochsalzgruppe zeigte Akupunkturanalgesie in typischem zeitlichem Verlauf (30 min bis zum Beginn der Analgesie und dann anhaltende Schmerzfreiheit von mehr als 1 h). Die mit Naloxon behandelte Gruppe zeigte keine Analgesie. Da es keine zweite Kontrollgruppe gab, die Naloxon allein bekommen hätte, könnte man argumentieren, dass hier eine naloxoninduzierte Hyperalgesie vom Analgesieffekt einfach nur abzuziehen sei. Dies trifft aber wahrscheinlich nicht zu, da zahlreiche Studien über akute experimentell induzierte Schmerzen gezeigt haben, dass Naloxon allein nur selten eine Hyperalgesie hervorruft [60] (was wiederum zu der Annahme führt, dass es keinen Ruheendorphinspiegel gibt). Mayer et al. [116] arbeiteten mit einer Kontrollgruppe, die Plazebo»schmerzspritzen« erhielt und der gesagt wurde, dass eine starke analgetische Wirkung zu erwarten sei, aber eine solche wurde dann nicht beobachtet (wie in Beechers Arbeit über akuten Schmerz vorausgesagt, wo nur 3 % der Versuchspersonen Placeboanalgesie aufwiesen [11]. Die andere frühe Naloxonstudie wurde von Pomeranz und Chiu [149] an Mäusen durchgeführt; die Latenzzeit bis zum Quieken der Mäuse unter definiertem Schmerzreiz und unter elektroakupunktur am Punkt Di.4 wurde gemessen. Zahlreiche Kontrollgruppen gehörten zu diesem Experiment, um mögliche Artefakte auszuschließen. Die einzelnen Gruppen erhielten folgende Behandlung: EA allein; EA plus Kochsalzlösung; EA plus Naloxon i. v.; Pseudo-EA an Nicht-Akupunkturpunkten; Naloxon allein; Kochsalzlösung allein und gar keine Behandlung (nur die Schmerztests). Die Ergebnisse waren eindeutig: Naloxon blockierte vollständig die AA; Pseudo-EA erbrachte keine Wirkung; Naloxon allein erbrachte eine sehr geringfügige Hyperalgesie (nicht genügend, um die Blockade der AA durch Subtraktion erklären zu können). Diese Ergebnisse an Mäusen und Menschen zeigten zum einen, dass die AA keine psychologische Wirkung war, und zum anderen, dass sie mit Naloxon blockiert werden konnte. In einer anderen Studie registrierten Cheng und Pomeranz [29] eine Dosis-Wirkungs-Kurve für Naloxon und fanden, dass steigende Naloxondosen eine steigende AABlockierung zur Folge hatten. In einer dritten Studie mit anästhesierten Katzen registrierten Pomeranz und Cheng [148] die Aktionspotentiale von Schicht-5-Zellen im Rückenmark (Zelle 2 in ⊡ Abb. 2.1) und blockierten die Wirkung der Elektroakupunktur vollständig durch Naloxon i. v. Seit diesen frühen Veröffentlichungen hat es zahlreiche Studien gegeben, in denen systematisch Endorphinantagonisten benutzt wurden, um die Endorphinhypothese der AAWirkung zu prüfen. Die meisten Untersucher berichteten über eine Naloxonblockierung der AA [17, 21, 26 c, 29, 30, 31, 39, 53, 63, 75 b, 88, 91 b, 92, 136, 138, 148, 149, 152, 166, 172, 173, 176, 177, 180 a, 181, 189, 194, 210, 213, 224, 225], jedoch gab es auch einige Studien, in denen keine Naloxonwirkung gefunden wurde [1, 23, 24, 140, 187, 198, 214]. Drei dieser sieben Naloxonversager wurden beobachtet bei Stimulation mit hoher Frequenz und niedriger Intensität, die wahrscheinlich nichtendorphinerg ist [1, 198, 214]. In einem anderen Fall [24] wurde mit geringer Intensität stimuliert, was zum Ausbleiben der De-Qi-Empfindung führt; trotzdem zeigten noch 4 von 7 Individuen einen Naloxonantagonismus. In den 3 verbleibenden Studien sind die Gründe für die negativen Resultate nicht restlos geklärt, jedoch wurde kürzlich eine
mögliche Erklärung gefunden. Antagonisten wirken nämlich am besten, wenn sie vor der analgetischen Behandlung appliziert werden [147, 202], dagegen können sie eine schon eingetretene Analgesie nicht mehr rückgängig machen. In den 3 letzten negativen Studien versuchten die Untersucher aber, die AA nachträglich rückgängig zu machen, indem sie den Antagonisten nach und nicht vor der Akupunkturbehandlung verabreichten. Für die Unmöglichkeit, eine bereits eingetretene AA mit Naloxon wieder aufzuheben, gibt es eine plausible Erklärung: Naloxon bindet nur schwach an die κ-Rezeptoren und kann daher Dynorphin nicht von ihnen verdrängen. Nun ist, wie in ⊡ Abb. 2.2 gezeigt, Dynorphin im Rückenmark entscheidend für die AA-Wirkung. Han et al. [72] zeigten in einem eleganten Experiment, dass intrathekale Applikation eines Dynorphinantiserums die AA-Wirkung bei Kaninchen blockierte. In derselben Studie zeigten sie, dass intrathekal gegebenes Dynorphin einen der AA vergleichbaren Effekt hervorrief, der jedoch nachträglich kaum mit Naloxon aufgehoben werden konnte, wenngleich vorher angewendetes Naloxon die Analgesie verhindern konnte. Ähnlich beschrieben auch Basbaum et al. [9], dass sie die Analgesie durch intrathekal appliziertes Dynorphin zwar durch Naloxon verhindern, aber nicht im Nachhinein rückgängig machen konnten. Eine andere Deutung der Unmöglichkeit, endorphinerge Analgesie durch Naloxon aufzuheben, wird von Watkins u. Mayer [202] vorgeschlagen: möglicherweise setzen die Endorphine eine biochemische Kaskade in Gang, bei denen die nachfolgenden Schritte durch andere Neurotransmitter vermittelt werden und die Endorphine nicht mehr benötigt werden. Watkins und Mayer [202] schlugen einen modulatorischen Einfluss des Endorphins auf Synapsen, die mit anderen Neurotransmittern funktionieren, vor. Da der Naloxoneffekt, auch bei κ-Rezeptoren, auf einer kompetitiven Hemmung beruht, sollte es möglich sein, durch Steigerung der Naloxonkonzentration die Dynorphinwirkung doch noch rückgängig zu machen. In einer eigenen Untersuchung applizierten wir 28 μg Naloxon intrathekal (14-mal mehr als die übliche Dosierung); wir konnten jedoch noch immer nur die AA verhindern, nicht jedoch rückgängig machen [147]. Alles in allem lässt sich mit einer überwältigenden Menge von Beweisen zeigen, dass Naloxon die Wirkung der Akupunkturanalgesie antagonisiert und dass die wenigen negativen Ergebnisse auf ein ungünstiges Timing der Naloxonapplikation zurückgeführt werden können. Ein paar Wochen, nachdem die ersten Naloxonergebnisse im Science veröffentlicht worden waren [112], wurde in einem Leserbrief kritisiert, dass die Naloxonwirkung der einzige Beweis für die Endorphinhypothese der Akupunktur sei [74]. Seit diesem Brief sind 17 verschiedene experimentelle Wege aufgetaucht, die unabhängig voneinander die AAEndorphin-Hypothese stützen: 1. Viele verschiedene Opiatantagonisten blockieren die AA-Wirkung. 2. Die Naloxonwirkung ist stereospezifisch. 3. Mikroinjektionen von Naloxon (oder Endorphinantikörpern) blockieren die AA-Wirkung nur, wenn sie spezifisch an für die Analgesie wichtigen Stellen appliziert werden. 4. Mäuse mit erblich bedingtem Opiatrezeptormangel zeigen geringe AA-Wirkung.
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Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
5. Ratten mit erblich bedingtem Endorphinmangel zeigen geringe AA-Wirkung. 6. Die Endorphinspiegel steigen im Blut und im Liquor unter AA an, während sie gleichzeitig in bestimmten Gehirnarealen absinken. 7. Die AA-Wirkung wird verstärkt, wenn man den enzymatischen Abbau der Endorphine behindert. 8. Die AA-Wirkung kann sowohl durch Liquorübertragung als auch durch Zusammenkopplung der Blutkreisläufe von einem Tier auf ein anderes weitergegeben werden und ist dann auch im Empfängertier mit Naloxon zu blockieren. 9. Reduktion der Hypophysenendorphine dämpft die AAWirkung. 10. Die AA verursacht eine Vermehrung der messenger-RNS für Proenkephalin, was auf eine erhöhte EnkephalinSynthese während der AA hinweist. 11. Es gibt Kreuz-Toleranz zwischen AA und Morphin-Analgesie; dies spricht für die Beteiligung von Endorphinen bei der AA (s. unten, S. 18). 12. AA ist wirksamer gegen die emotionalen Aspekte des Schmerzes. Dies ist typisch für Endorphine. 13. Verletzungen des Nucleus arcuatus des Hypothalamus (Standort von β-Endorphinen) unterdrücken die AA. 14. Verletzungen des periaquäduktalen Graus (Standort von Endorphinen) unterdrücken die AA. 15. Das C-fos-Gen-Protein (ein Maß für gesteigerte neurale Aktivität) ist während der AA erhöht in Gehirnarealen, die mit Endorphinen zu tun haben. 16. Neue Befunde sprechen dafür, dass auch bei der Elektrostimulation mit 100 Hz Dynorphin involviert ist. 17. Elektrostimulation von Akupunkturpunkten bei Ratten ließ Vorläufersubstanzen der 3 Endorphine ansteigen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass 18 verschiedene Vorgehensweisen experimenteller Forschung hier beschrieben wurden (die 17 aufgelisteten und dazu die ursprünglichen Naloxonstudien), die gemeinsam einen substantiellen Beweis der AA-Endorphin-Hypothese darstellen. Warum gibt es, bei soviel konvergenter wissenschaftlicher Evidenz, noch immer Skeptiker? 1. Einige Skeptiker führen die Studien an, in denen es nicht möglich war, mit Naloxon die AA-Wirkung rückgängig zu machen. Wir haben oben schon erläutert, dass solche rückwirkenden Blockaden wegen der Eigenschaften des Dynorphins und des κ-Rezeptors wenig Aussichten auf Erfolg haben – Naloxon unterbindet die AA-Wirkung, hebt sie jedoch nicht nachträglich auf. 2. Andere Kritiker sagen, der Naloxonantagonismus sei ein notwendiger, aber kein hinreichender Beweis. Deswegen haben wir etliche Seiten damit gefüllt, 16 z. T. sehr verschiedene wissenschaftlich-experimentelle Nachweiswege darzustellen. 3. Manche Skeptiker greifen die Tierversuche zur Akupunkturanalgesie als »nicht auf den Menschen übertragbar« an. Erstens gibt es aber viele Versuche mit Menschen, deren Endorphinergebnisse mit denen der Tierversuche konform sind. Zweitens beweist die Übereinstimmung der Befunde durch viele Spezies die Allgemeingültigkeit des Phänomens.
4. Manche Skeptiker haben Bedenken, die AA-Wirkung bei Tieren könne ausschließlich eine stressinduzierte Analgesie sein (bei der ebenfalls Endorphine freigesetzt werden) und daher nichts mit Akupunktur beim Menschen zu tun haben. Auf einem Kongress über stressinduzierte Analgesie an der New York Academie of Sciences hielten wir einen Vortrag mit dem Titel »Das Verhältnis von stressinduzierter Analgesie zur Akupunkturanalgesie« [144]. Hier einige Punkte daraus: 1) Pseudoakupunktur an Nichtakupunkturpunkten (nahe bei den echten) induziert keine AA-Wirkung und liefert damit die Kontrolle, was den Stress angeht. 2) AA-Phänomene, die in anästhesierten Ratten und Katzen oder auch in dezerebrierten Katzen objektiviert wurden, können nicht auf psychologischen Stress zurückgeführt werden. 3) Die AA-Wirkung wird bei einer bestimmten Stimulationsfrequenz von Endorphin vermittelt, bei einer anderen von Serotonin – aber der Stress ist derselbe. 4) Viele Mechanismen der Stressanalgesie sind ganz unterschiedlich von denen der AA. 5) Resultate in Mäusen und Ratten wurden erzielt mit milder Stimulation, die A-β-Nervenfasern aktiviert, eine schmerzlose Prozedur die nicht mehr Stress mit sich bringt als eine Stimulation von Pseudopunkten. Zhang [223 d] stellte Unterschiede zwischen AA und StressAnalgesie zusammen: 1. AA ist naloxon-reversibel, während Stress-Analgesie auch durch hohe Dosen von Naloxon nur teilweise antagonisiert werden kann (20-mal höhere Dosen als die zur Umkehrung der AA-Wirkung erforderlichen). 2. Während der AA nehmen Plasma-cAMP-Spiegel ab, nicht dagegen bei Stress-Analgesie. 3. Das periaquäduktale Grau (PAG) ist essentiell für die AA, nicht jedoch für die Stress-Analgesie. 4. Dorsolaterale Verletzungen des Rückenmarks eliminieren die AA, nicht jedoch die Stress-Analgesie.
2.1.4
Experimentelle Belege für den Zusammenhang von Mittelhirnmonoaminen und Akupunkturanalgesie
In zahlreichen Arbeiten werden die Monoamine des Mittelhirns mit der akupunkturanästhesie in Verbindung gebracht, v. a. Serotonin und Noradrenalin. Da der RaphemagnusKern im Hirnstamm die meisten Serotoninzellen im Gehirn enthält, müssten Läsionen, die diese Zellen oder ihre Axone im Tractus dorsolateralis (TDL) zerstören, die AAWirkung beeinträchtigen, wenn Serotonin dabei eine Rolle spielt. (Solche Läsionen unterdrücken gewöhnlich die Morphinanalgesie, die durch eine deszendierende Hemmung über das Raphe-TDL-Serotonin-System vermittelt wird [9].) Zahlreiche Experimente zeigen, dass Läsionen dieses Systems tatsächlich auch die AA-Wirkung blockieren: Verlet-
17 2.1 · Akupunkturanalgesie – neurophysiologische Grundlagenforschung
zungen der medialen Medulla oblongata unterdrücken die AA vollständig, während Verletzungen des N.raphe magnus oder des TDL die AA-Wirkung reduzieren [45 a, 100 a, 171]. Ähnlich vermindern auch elektrolytische Schädigungen des Raphekerns oder chemische Läsion dieses Kerns durch 5,6Dihydroxytryptamin [119] die AA-Wirkung. Parachlorophenylalanin, das die Biosynthese des Serotonins blockiert, unterdrückt die AA beim Kaninchen [119] und bei Mäusen [32], ferner die Analgesie durch segmentale Nervenstimulation bei Ratten [215]. Methysergid, das Serotoninrezeptoren blockiert, unterdrückt die Analgesie durch periphere Nervenstimulation bei Mäusen [173], und Cinanserin (ein anderer Serotoninrezeptorblocker) verhindert die AA-Wirkung ebenfalls bei Mäusen [32]. Bei all diesen chemischen Versuchen zur AA-Serotonin-Hypothese wurden die verwendeten Substanzen systemisch gegeben, meistens intraperitoneal. Untersuchungen mit gezielten Mikroinjektionen erbrachten jedoch überraschende Ergebnisse, die nahelegten, dass das absteigende serotonerge Hemmsystem weniger wichtig sein könnte als die Rapheprojektionen auf das Vorderhirn: Intrathekale Cinanserininjektionen über dem Rückenmark erbrachten keine Blockade der AA-Wirkung bei Ratten [136], wogegen Läsionen des aszendierenden Raphetrakts durch Mikroinjektion von 5,6-Dihydroxytryptamin in die medialen Vorderhirnbündel eine selektive Abnahme des zerebralen Serotonins und eine korrelierende Abnahme der AA-Wirkung bei Ratten verursachte [66]. Mikroinjektionen von Cinanserin in verschiedene Gehirnzentren bestätigten die Bedeutung des aszendierenden Serotoninwegs; die AA ließ sich blockieren durch Injektionen ins limbische System und ins PAG des Mittelhirns [66]. Eine Verstärkung der AA-Wirkung wird beobachtet bei Ratten und Mäusen, wenn Serotonin systemisch oder intrazerebroventrikulär appliziert wurde, wobei der letztere Weg wirksamer als der intrathekale war [66]. Messungen von 5HT und seinem Metaboliten 5-Hydryindolessigsäure (5HIAA) in Gehirn und Rückenmark von Ratten unter AA zeigten Anstiege von Produktion und Verbrauch von 5HT [191 a, 223 c]. Die Bedeutung des Serotonins in der AA wurde auch klinisch bestätigt, in einer Doppelblindstudie mit Patienten, die den Serotoninresorptionsblocker Clomipramin einnahmen, und bei denen die AA potentiert war. All dies wirft einige neue Fragen auf: Warum stört eine Läsion des Tractus dorsolateralis im Rückenmark die AA, wenn das Rückenmarkserotonin die AA-Wirkung nicht vermittelt? Enthält der TDL andere Transmitter, die dies tun? Mayer u. Watkins [115] unterstellen, dass ein Synergismus von Serotonin und Noradrenalin der entscheidende Faktor sein könnte. Tatsächlich konnte Hammond [65] zeigen, dass eine Kombination intrathekaler Antagonisten (Methysergin für Serotonin und Phentolamin für Noradrenalin) die absteigende Analgesie durch Hirnstammstimulation am besten antagonisierte. Vielleicht sollte dies auch für die AA versucht werden. Auch zum Noradrenalin (allein, ohne Serotonin) hat es eine Reihe von Arbeiten im Zusammenhang mit der AA gegeben. Yohimbine, ein α 2-Noradrenalinantagonist, blockierte, systemisch gegeben, die AA in Mäusen [32]. Intrathekales Phentolamin (ebenfalls ein α 2-Blocker) blockierte die AA, was die Bedeutung des absteigenden Noradrenalinwegs zeigt [67]. Eine neuere Studie [220] zeigte, dass eine Schädigung
der absteigenden Noradrenalinbündel durch Mikroinjektion von 6-Hodroxydopamin in die Faserbündel die AA-Wirkung bei Ratten minderte. Ähnliche Experimente mit einer Schädigung der serotonergen Bahn durch 5,6-Dihydroxytryptamin erbrachten weniger deutliche Ergebnisse. Jedoch zeitigte die kombinierte Schädigung mit beiden Toxinen die beste Blockade der AA, was dafür spricht, dass der Synergismus beider Monoamine tatsächlich entscheidend ist [220]. Erwähnenswert ist, dass sich aufsteigende Noradrenalinaktivitäten im Zusammenhang mit der AA eher als hemmend denn verstärkend gezeigt haben: So hemmte eine Stimulation des Locus coeruleus im Mittelhirn die AA, hingegen ließ sich die AA-Wirkung durch eine elektrolytische Schädigung des Locus coeruleus potentieren [46]. Dies passt auch zum hemmenden Einfluss der noradrenergen Locus-coeruleus-Aktivität auf den Raphe-magnus-Kern [9]. Da Noradrenalin zentral und spinal entgegengesetzte Wirkungen entfaltet, ist es am besten, diese durch Mikroinjektionsexperimente getrennt darzustellen. Noradrenalinturnoverstudien haben einen gesteigerten Verbrauch erbracht, der zunächst einmal zu den gesteigerten Aktivitäten unter der AA passen würde [69]. Sicher ist, dass das gesamte Monoaminsystem nach weiterer Forschung verlangt. Wenn der Synergismus absteigender Noradrenalin- und Serotoninaktivitäten von Wichtigkeit ist, dann sollten alle zukünftigen Studien hierzu mit kombinierten intrathekalen Blockern arbeiten. Außerdem müssen die Bedeutungen aszendierender und deszendierender Systeme weiter abgeklärt werden. Ein wesentlicher Parameter der EA (und der TENS) ist die Frequenz der Stimulation, da diese entscheidet, welche Neurotransmitter freigesetzt werden. Es wurde verschiedentlich gezeigt, dass niederfrequente Stimulation endorphinerg ist und durch Naloxon antagonisiert wird [30, 176]. Hochfrequenzinduzierte AA ist dagegen nicht naloxonempfindlich [30, 176], sondern vielmehr monoaminerg und infolgedessen durch den Serotoninrezeptorblocker Cinancerin und den Syntheseblocker PCPA antagonisierbar; ferner ist die Hochfrequenz-AA durch den Serotoninvorläufer 5HTP zu verstärken [32]. Diese Frequenzeinflüsse wurden in Abschn. 2.1, ⊡ Abb. 2.2 und 2.3, zusammengefasst. Neuere Befunde weisen darauf hin, dass hochfrequente AA durch Dynorphine vermittelt sein könnte (eine der 3 Endorphingruppen). Dynorphine binden an κ-Rezeptoren Metenkephalin bindet an δ-, und β-Endorphin an μ -Rezeptoren, die weniger empfänglich für eine Naloxon-Blockade sind als die anderen Endorphinrezeptoren. Hieraus folgert man, dass Hochfrequenz-AA nicht durch Naloxon blockiert wird, obwohl sie durch Dynorphine (also eine endorphinergische Substanz) vermittelt wird [68 c].
2.1.5
Experimentelle Belege für die Beteiligung des HypothalamusHypophysen-Systems an der Akupunkturanalgesie
Die dritte mögliche Ebene der Endorphinanalgesie mit Niederfrequenzstimulation ist das Hypothalamus-HypophysenSystem. Der Nucleus arcuatus des ventromedialen Hypotha-
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Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
lamus und die Hypophyse enthalten alle Endorphinzellen des Gehirns [14]. Da die Zellen des Nucleus arcuatus lange Axone haben, findet man β-Endorphin in anderen Gehirngegenden, aber dieses stammt sämtlich aus den Hypothalamuszellen [203]. Die Arcuatuszellen können über diese langen Axone Analgesie bewirken, beispielsweise indem sie das PAG stimulieren. Läsionen des Arcuatuskerns unterdrücken die AA bei Ratten [167]. Was die mögliche Rolle der humoralen β-Endorphine aus der Hypophyse in der Schmerzmodulation angeht, besteht einige Verwirrung. Die Beweise für eine Beteiligung der hypophysären Endorphine an der AA (Läsions- und Blutspiegeluntersuchungen) haben wir bereits angeführt. Die Beteiligung der Hypophyse an anderen Formen von Analgesie ist ebenfalls untersucht worden. Zum Beispiel führt die Entfernung der Hypophyse zu einem Verschwinden der stressinduzierten Analgesie; ferner kann Naloxon diese Stressanalgesie teilweise aufheben; Hirn- und Blutspiegel der β-Endorphine steigen unter Stress; und jedes Mol ACTH, das unter Stress ins Blut ausgeschüttet wird, ist von 1 mol β-Endorphin begleitet [161]. Diese Resultate lassen vermuten, dass Stressanalgesie mindestens teilweise durch die Hypophysen-β-Endorphine vermittelt ist. Die Hypophysenablation ist jedoch eine ziemlich unsichere Technik; und die Injektion von Naloxon könnte Nebenwirkungen haben. Schlimmer noch, bei manchen Tieren ist die Blut-HirnSchranke für β-Endorphin wenig durchlässig, z. B. bei Ratten [161], wenn auch Mäuse, Kaninchen und Menschen eine weniger wirksame Barriere haben [193]. Kürzlich wurde ein neuer Weg entdeckt, auf der die hypophysären Endorphine das Gehirn erreichen können [13, 124], nämlich das hypothalamischhypophysäre Pfortadersystem mit umgekehrter Strömungsrichtung.
2.1.6
Experimentelle Belege für Akupunkturanalgesie bei chronisch entzündlichen Schmerzzuständen
In den letzten 20–30 Jahren wurde durch Studien mit Versuchstieren, die in vorübergehenden, akuten Schmerzzuständen untersucht wurden, unser Wissen über den Wirkmechanismus von AA deutlich erweitert; jedoch konnte erst kürzlich mit einem neu entwickelten Tiermodell Licht auf den Mechanismus der Akupunktur bei anhaltendem (chronischem), entzündlich bedingten Schmerz geworfen werden [45 b, 101 a, 105 b, 88 b]. Modelle für chronischentzündliche Schmerzen wurden mithilfe von Ratten entwickelt, unter Anwendung von entzündungsverursachenden Substanzen wie Hefe, irländischem Moos und komplettem Freudschen Adjuvans (CFA), die jeweils Entzündungen über Stunden, Tage beziehungsweise Wochen erzeugen [210 a, 89 b, 82 i]. Die Injektion von Freudschem Adjuvans in die Plantaroberfläche der Rattenhinterpfote ruft – begrenzt auf die betreffende Pfote – eine intensive Entzündung hervor, die mit Ödem, Rötung und Überempfindlichkeit einhergeht [73 b, 158 b, 158 a]. Die Überempfindlichkeit wird gemessen durch Exposition der Pfote gegenüber einem thermischen oder mechanischen Reiz, der das Wegziehen der Pfote aus-
löst, und durch Messung der Latenzzeit zum Wegziehen (Pfoten-Wegzieh-Latenz, PWL) oder Messung der Intensität des mechanischen Stimulus, der das Wegziehen auslöst [79 f, 158 b]. Diese thermische Noxe wurde kürzlich angewendet, um ein Verhaltensmodell der Ratte im Zusammenhang mit chronisch entzündlichen Schmerzzuständen zur Untersuchung der AA entwickeln [88 b]. Im Gegensatz zur bisher in Untersuchungen zur AA üblichen Verwendung von gesunden, d. h. nichtverletzten Versuchstieren mit kurzzeitig wirksamen Schmerzreizen bietet das Tiermodell mit anhaltendem entzündlichem Schmerz aus wissenschaftlicher Sicht folgende Vorteile: ▬ Es bildet klinisch relevantere Schmerzzustände ab, wie den der rheumatoiden Arthritis und der Entzündung. ▬ Es erfordert geringere EA-Intensitäten bei Tieren, die nicht fixiert werden, um die stress-induzierte Analgesie zu minimieren, sowohl während der EA als auch während der folgenden Verhaltenstests. (Unter pathologischen Bedingungen können also niedrigere EA-Intensitäten, vergleichbar denen in der klinischen Praxis verwendeten, gewünschte antihyperalgische Effekte bewirken). ▬ Es kann dazu verwendet werden, die antihyperalgische und die antiinflammatorische EA-Wirkung separat zu ermitteln. ▬ Es liefert genügend Zeit (bis zu 2 Wochen), um die Nachwirkungen der EA nach Beendigung der Behandlung und um Dosis-Wirkungs-Beziehungen nach mehrfacher EA-Behandlung zu beurteilen [88 b]. Lao et al. [88] berichteten kürzlich, dass die Behandlung dieser Versuchstiere am Akupunkturpunkt Gb. 30 mit EA (10 Hz, 3 V und 0.1 ms Pulsdauer) für 20 min. eine signifikant längere Latenzzeit bis zum Wegziehen der entzündeten Pfote ergab als Placebo (Schein-Nadelung ohne Einstich) bei Kontrolltieren 2,5 h und 5 Tage nach Injektion von komplettem Freudschem Adjuvans. Das Pfotenödem war ebenfalls signifikant reduziert bei EA-behandelten Ratten im Vergleich zu Plazebokontrollen 24 h nach Beginn der Entzündung. Diese entzündungshemmende Wirkung der EA wird weiter belegt durch die Tatsache, dass EA die entzündungsbedingte spinale fos-Expression in der medialen Hälfte der Laminae I-II (hauptsächlich kleine, nichtmyelinisierte C-Fasern) signifikant unterdrückte, jedoch in den Laminae III-IV (hauptsächlich dickere A-Fasern) fos-Expression induzierte. Dieses Ergebnis zeigt, dass AA möglicherweise vermittelt wird durch selektive Unterdrückung der Subpopulation von Neuronen im Rückenmark, die Schmerzsignale weiterleiten und Aktivierung der Subpopulation von Neuronen, die Nicht-Schmerzsignale weiterleiten [88 b]. Einige Experimente legen darüber hinaus nahe, dass AA-Wirkung bei Ratten mit formalin-induziertem Entzündungsschmerz auf die Unterdrückung der Ausschüttung von Substanz P (SP) im Hinterhorn des Rückenmarks zurückzuführen sein könnte, einem Neurotransmitter zur Schmerzweiterleitung [45 b]. In verschiedenen Studien wurden auch die entzündungshemmenden Wirkungen der EA untersucht. Einige davon [223 g, 201 e] legen nahe, dass die antiinflammatorische Wirkung der EA sowohl peripher am Ort der Entzündung vermittelt wird als auch zentral über eine humorale Modulation.
19 2.2 · Kontrollierte Studien bei chronischen Schmerzzuständen
Es wurde beobachtet, dass EA bei Pferden das Plasmakortisol erhöhte [61 c] und die Ausschüttung sowohl von Endorphinen als auch von ACTH durch die Hypophyse auslöste [61 c, 29, 134 b]. Wang et al. berichten (1994) dass Naloxon eine durch EA-aktivierte Phagozytose, induziert durch experimentell erzeugte Peritonitis, unterdrückt, was dafür spricht, dass Neurotransmitter, die durch EA angeregt werden, bei der Modulation sowohl von Schmerz als auch von Entzündung eine Rolle spielen. Die Wirkung verschiedener EA-Parameter auf entzündungsinduzierten chronischen Schmerz wurde an der Universität Maryland am Tiermodel untersucht [223 e]. In einer Studie, welche die Wirkungen von EA auf CFA-induzierte Hyperalgesie bei verschiedenen Parametern untersuchte, erbrachten EA bei niedriger (10 Hz) und hoher Frequenz (100 Hz) unterschiedliche Resultate: Die 10-Hz-EA verlängerte die PWL sowohl in frühen (2,5–24 h) als auch in späten Phasen (5–7 Tagen), wogegen die 100-Hz-EA die PWL nur in der frühen Phase der Hyperalgesie verlängerte. Diese Ergebnisse sind konsistent mit den Erkenntnissen aus AA-Studien im Akut-Schmerz-Tiermodell. Die EA niedriger Frequenz produziert eine anhaltendere Analgesie, wogegen die EA hoher Frequenz eine kürzer dauernde Analgesie hervorruft (wie in Abschn. 2.1.1 besprochen). Dies wird weiter belegt durch die Ergebnisse aus dem Experiment zur Expression des zellulären Sofort-Früh-Gens, c-fos. Die Ratten, die hochfrequente EA erhielten (100 Hz, 3 mA) zeigen nicht nur die Hemmung fos-positiver Neuronen in den Laminae I–II – derselbe Effekt existiert auch bei Niederfrequenz-EA (10 Hz) – sondern präsentierten darüber hinaus auch mehr fospositive Neuronen in tieferen Schichten des Rückenmarks (Laminae V–IX) im Vergleich zu den Ratten, die niedrigere EA-Frequenzen erhielten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der antihyperalgische Effekt der EA von deren Parametern abhängig ist [223 e]. Die antihyperalgische Wirkung von EA zeigt auch PunktSpezifität. In einer Studie, in welcher der Akupunkturpunkt Gb. 30 hinsichtlich seiner antihyperalgischen Wirkung gegen verschiedene nichtspezifische Punkte verglichen wurde, zeigte nur Gb. 30 die Wirkung gegen entzündungsinduzierte Hyperalgesie, wogegen keiner der für diese Indikation unspezifischen Punkte wie Di. 4 Hegu in der Vorderpfote, ein Abdominalpunkt (3 mm lateral des Bauchnabels) und ein dem Akupunkturpunkt Gb. 30 gegenüber liegender Punkt den gegen Plazebo kontrollierten Effekt zeigten [88 c]. Das Tiermodell für anhaltenden entzündlichen Schmerz wurde kürzlich für Studien über Kombinationsbehandlungen von EA mit Medikamenten benutzt, um herauszufinden, ob EA in Kombination mit niedrigeren Dosen von schmerzund entzündungshemmenden Medikamenten wie Morphium (als dem repräsentativen Opiat-Rezeptor-Agonisten), Indomethacin (als nichtsterioidalem antiinflammatorischen Agens) oder MK-801 (als exzitatorischem Aminosäuren-Rezeptor-Antagonisten) synergistische oder additive antihyperalgische und antiinflammatorische Wirkungen hervorruft. Die Ergebnisse zeigen, dass EA sowohl bei 10 Hz als auch bei 100 Hz in Kombination mit niedrigeren Dosen von Morphin (2,5 mg/kg i. p.), Indomethacin (2 mg/kg i. p.) oder MK-801 (0,001 mg/kg i. t.) bessere antihyperalgische Effekte erzeugten als EA oder Medikamente allein [223 f].
2.2
Kontrollierte Studien bei chronischen Schmerzzuständen
Entgegen früheren Veröffentlichungen über diesen Gegenstand ist es nicht bekannt, ob Akupunktur eine effektive Behandlung gegen chronische Schmerzen ist oder nicht. Es gab mehr Forschung zur Akupunktur in dieser Indikation als zu jeder anderen. Bevor man jedoch diese Ergebnisse diskutiert, ist es erforderlich, die verschiedenen Typen von Studiendesigns anzusehen, die man besonders häufig in der Akupunkturforschung verwendet. In erster Linie gibt es 3 Klassen von Studien: Klasse A: Studien ohne Kontrollgruppe oder mit einer Kontrollgruppe, die keinerlei Behandlung erhielt. Klasse B: Studien, bei denen die Kontrollgruppe mit ShamAkupunktur – also Nadelung von Nicht-Akupunkturpunkten – behandelt wurde. Klasse C: Studien mit einer Plazebokontrollgruppe – nichteingeschaltete TENS-Geräte oder auf die Haut mit Pflaster aufgeklebte Akupunkturnadeln (die also nicht eingestochen wurden) stellten die Plazebos in dieser Kontrollgruppe zum Vergleich mit echter Akupunkturbehandlung dar. Diese kontrollierten Studien sind mit methodischen Fehlern behaftet. Ein Großteil der Unterschiede in Ergebnissen und Schlussfolgerungen bezüglich der Akupunktur ist auf Unterschiede in der Methodik zurückzuführen. So ist es zum Beispiel noch immer unklar, was eine korrekte Plazebokontrolle für die Akupunktur bedeutet. Pseudoakupunktur mit Nadeleinstich, die meist Sham-Akupunktur genannt wird, hat offenbar in vielen Fällen Wirkungen auf die ihr Unterzogenen, was für das Nichteinstechen der Nadeln als das adäquatere Plazebo spricht. Hier gibt es jedoch noch immer keinen endgültigen Konsens. Viele Akupunkturstudien kranken auch an zu geringen Stichprobenumfängen. Die Gruppengröße ist oft zu niedrig, und zusätzlich lassen manche Untersucher die Patienten selbst ihre Besserung einschätzen, was die Ergebnisse in hohem Maße der Gefahr von Verfälschungen aussetzt. Offensichtlich werden mehr randomisierte, kontrolliere Studien gebraucht, und es sollte größter Wert darauf gelegt werden, dass die Studiendesigns methodisch sauber angelegt sind, sodass die Ergebnisse und Schlussfolgerungen als valide angesehen werden können. In einem Konsensdokument, das 1997 durch das entsprechende Gremium der amerikanischen Gesundheitsbehörde National Institutes of Health veröffentlicht wurde, wird festgestellt, dass es vordringlich ist, zukünftige Forschung so durchzuführen, dass mehrdeutige Ergebnisse ausgeschlossen sind [4 a]. Dies erfordert größere Sorgfalt hinsichtlich Stichprobenumfang, angemessene Plazebokontrolle und Vermeidung von Verfälschungen. Da bekanntlich einzelne, schlecht konzipierte Studien irreführend sein können, sind systematische Übersichtsarbeiten (systematic reviews) ein nützliches Instrument zur Einschätzung der Wirksamkeit von Akupunktur. Eine Übersicht von Übersichtsarbeiten, die Linde [99 d] 2001 veröffentlichte, führte 3 systematische Reviews zum Thema »Chronische Schmerzen bei stationären Patienten
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Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
auf«. Alle drei kamen zu dem Ergebnis, dass es nur begrenzt aussagekräftige oder nicht schlüssige Untersuchungsergebnisse zum Nachweis der Wirksamkeit der Akupunktur in der Behandlung chronischer Schmerzzustände gibt. Die erste Übersicht von Patel [133 b], 1989 veröffentlicht, stellt 14 randomisierte, kontrollierte Studien (RKS) vor, in denen Akupunktur gegen Pseudoakupunktur, Standardbehandlung oder gar keine Behandlung verglichen wurden. Die Review-Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass den Studien zufolge die Patienten mit Akupunktur mit 18 % höherer Wahrscheinlichkeit eine Verbesserung erfuhren, jedoch wurde auf verschiedene Verfälschungsmöglichkeiten in den Studien hingewiesen. Eine weitere Übersichtsarbeit von Ter Riet [187 b] aus dem Jahr 1990 stellte 51 kontrollierte klinische Studien vor. Vierundzwanzig kleine Studien von niedriger Qualität zeigten positive Ergebnisse, und 27 Studien zeigten negative Ergebnisse. Die Mehrzahl der Studien von guter Qualität im Studiendesign war in der negativen Gruppe. Die neueste und vollständigste systematische Übersicht über Untersuchungen zu chronischen Schmerzen von Ezzo u. Berman [49 g] aus dem Jahr 2000 stellte 51 RKS vor. Einundzwanzig Studien zeigten positive, 3 Studien negative Ergebnisse, und 27 Studien waren unentschieden. Die vielversprechendste Schlussfolgerung, die hier erreicht wurde, besagte, dass es Hinweise von eingeschränkter Beweiskraft dafür gab, dass Akupunktur besser war als überhaupt keine Behandlung. Alle 5 RKS, die diese beiden Wege miteinander verglichen, hatten positive Ergebnisse zugunsten der Akupunktur, jedoch waren zugleich alle fünf von geringer Qualität. Elf RKS verglichen Akupunktur gegen physiologisch inerte Kontrollen, wobei 5 Studien positive und sechs Studien neutrale Ergebnisse erbrachten. Die Mehrzahl dieser Studien wurde jedoch als von niedriger Qualität eingestuft, daher gibt es hier keine schlüssigen Beweise für eine Überlegenheit der Akupunktur gegenüber Plazebo. Bei der Messung gegen Sham-Akupunktur zeigten 15 Studien neutrale und 7 positive Ergebnisse. Wenn auch diese Studien die höchste Zahl von methodisch hochwertigen Untersuchungen aufwiesen, wurde daraus dennoch geschlossen, dass die Beweise für eine bessere Wirksamkeit der Akupunktur im Vergleich zu Pseudoakupunktur gegen chronische Schmerzen unzureichend seien. Schließlich betrachteten die Autoren 12 Studien, in denen Akupunktur gegen Standardtherapie untersucht wurde, von denen jedoch alle bis auf eine von niedriger Qualität waren. Da nun alle diese Ergebnisse inkonsistent waren, gibt es also auch nur unzureichende Evidenz für eine Überlegenheit der Akupunktur gegenüber Standardtherapie. Die Gerac-Studie der gesetzlichen Krankenkassen konnte eine deutliche Überlegenheit der Akupunktur gegenüber Standardtherapie bei chonischen Gonarthrose und LWS-Schmerzen nachweisen. Wenn man auf die Gesamtheit aller Ergebnisse schaut, kann allerdings festgestellt werden, dass die meisten der hochwertigen Studien mit positiven Ergebnissen mit Schmerzen des Bewegungsapparates zu tun hatten [49 g].
HWS-Syndrom Als ein spezifischer chronischer Schmerzzustand wurde der chronische Nackenschmerz untersucht. Zwar ist Akupunk-
tur eine der meist angewendeten Komplementärtherapien für Nackenschmerzen, jedoch gibt es nur begrenzte Evidenz für Ihre Wirksamkeit in dieser Indikation. Zu diesem Ergebnis kommen 2 neuere Übersichtsarbeiten [209 a, 175 b]. In der ersten Arbeit betrachteten White u. Ernst [209 a] 14 randomisierte kontrollierte Studien, von den 7 positive und 7 negative Ergebnisse berichteten. Diese ausgeglichene Situation ändert sich jedoch, wenn man beachtet, dass von den 8 hochklassigen Studien 5 negativ und nur 3 positiv waren. Spezifisch zeigten die Studien, dass Akupunktur gleich oder besser war als Warteliste oder Physiotherapie, aber nicht unterscheidbar gegenüber Pseudoakupunktur. Ein Beispiel einer RKS, die Akupunktur gegen chronische Nackenschmerzen untersuchte, ist eine Studie von Forschern an der Universität von Reading, die Akupunktur und Physiotherapie miteinander verglichen [43 f]. Siebzig Patienten mit Nackenschmerzen aus Peitschenschlagverletzungen, Spondylosis, Arbeits- oder Haltungsschäden wurden zufällig verteilt auf 2 Behandlungsgruppen, Akupunktur vs. Physiotherapie. Bevor die Behandlungen begannen, wurde ein Ausgangsstatus etabliert unter Verwendung einer visuellen Analog-Skala (VAS) für Schmerz, ferner des Norwick Park Pain Questionnaires (NPQ) und einem allgemeinen Gesundheitsfragebogen (AGF). Sowohl Akupunktur als auch Physiotherapie wurden je 6-mal in wöchentlichen Abständen angewendet. Nach der Behandlung waren die Mittelwerte der Verbesserung in beiden Gruppen sehr ähnlich. Die Akupunktur zeigte geringfügig bessere Ergebnisse auf der VAS. Die NPQ-Ergebnisse waren ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich, wiesen jedoch darauf hin, dass Patienten mit niedrigeren Ausgangswerten oft bessere Ergebnisse mit Physiotherapie erzielten, während solche mit höheren Ausgangswerten mit der Akupunktur besser wegkamen. Auch der AGF zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungen. Die Ergebnisse dieser Studie reflektieren den allgemeinen Trend in der Behandlung von Nackenschmerzen mit Akupunktur. In der neuesten Übersichtsarbeit, die 13 randomisierte Studien betrachtet, wurden ähnliche Ergebnisse berichtet [175 b]. Die Untersucher fanden 5 positive und 8 negative Studien, wobei die höherklassigeren Studien oft negative Ergebnisse berichten. Akupunktur kann als Behandlungsmethode gegen eine Reihe weiterer Schmerzzustände wie Arthritis, Fibromyalgie und Kopfschmerz eingesetzt werden. Zur Zeit gibt es 4 systematische Übersichtsarbeiten zu den rheumatischen Erkrankungen [99 d], von denen zwei das Thema allgemein behandeln, während die zwei anderen spezifisch auf rheumatoide Arthritis fokussiert sind.
Knie-Osteoarthritis Seit diesen Übersichten sind zwei weitere randomiserte, kontrollierte Studien zur Osteoarthritis (OA) veröffentlicht worden, eine mit Bezug auf das Kniegelenk, die andere zum Hüftgelenk [12 c, 73 c] sowie eine RKS zur rheumatoiden Arthritis [43 g]. Die Knie-Osteoarthritis-Studie kam zu dem Ergebnis, dass Akupunktur eine sichere und wirksame Zusatztherapie ist, im Vergleich zu alleiniger konventioneller Therapie
21 2.3 · Akupunktur und Drogenentzug
[12 c]. Die Werte im WOMAC-Index sanken um 34 % nach 4 Wochen Behandlung, 42 % nach 8 Wochen Behandlung, so berichten die Untersucher. Das Gesamtergebnis war eine 35 %ige Besserung über dem WOMAC-Baseline-Mittelwert. Die Hüftstudie kam zu dem gleichen Ergebnis. Hier zeigte die Akupunktur-Gruppe einen verminderten Analgetikaverbrauch und abgesenkte WOMAC-Werte [73 c]. Die Werte vor der Behandlung lagen bei 870 und 854 für die Akupunktur- bzw. die Kontrollgruppe [73 c]. Nach der Behandlung hatte der Durchschnittswert der Akupunkturgruppe auf 696 abgenommen und nahm nach einer 8-wöchigen Nachuntersuchung nur auf 732 wieder zu. Die Kontrollgruppe zeigte keine signifikanten Unterschiede in den WOMAC-Werten an irgendeinem Zeitpunkt der Studie. Bedauerlicherweise wurde in keiner der OA-Studien eine Plazebokontrollgruppe mitgeführt. Jedoch geben die positiven Befunde einen starken Anlass für zukünftige Forschung; hier ist einiges bereits in Gang gekommen (s. unten). Die RKS zur rheumatoider Arthritis zeigt hingegen keine positiven Ergebnisse. Die Untersucher gingen von der Frage aus, warum Akupunktur ein besseres Behandlungsmethode bei degenerativen als bei entzündlichen Gelenkerkrankungen darstellt. Sechsundfünfzig Patienten wurden randomisiert zugeteilt entweder einer echten Akupunkturbehandlung oder einem Plazebo ohne Nadel-Einstich. Diese RKS war mit Verblindung der Patienten in beiden Gruppen verbunden. Bei einem Konfidenz-Intervall von 95 % konnten die Untersucher keine signifikanten Unterschiede zwischen Verum- und Plazebogruppe feststellen. Daraus zogen sie den Schluss, dass Akupunktur keine effektive Zusatztherapie für RA ist [43 g]. Die Literatur zu Kopfschmerzen ist umfangreicher und zugleich ähnlich wenig schlüssig. Die 6 systematischen Übersichtsarbeiten kommen allesamt zu dem Ergebnis, dass Akupunktur nicht signifikant besser sei als Sham-Akupunktur oder Physiotherapie [99 d]. Die meisten Autoren benennen unzureichende Untersuchungszahlen als Grund für die nichtschlüssigen Ergebnisse. Die vielversprechendsten Resultate stammen von Melchart [119 a], der 22 RKS betrachtete. Die meisten Trends deuteten eine bessere Wirkung der Akupunktur an, aber die Studien, in denen Akupunktur gegen andere Behandlungsmethoden wie Physiotherapie oder medikamentöse Behandlung gemessen wurde, ergaben widersprüchliche Resultate. Siehe dazu Ergebnisse der Modelluntersuchungen von ART und Gerac ( Kap. 2.8).
2.3
Akupunktur und Drogenentzug
Der bekannte Hongkonger Neurochirurg Wen entdeckte durch Zufall, dass Ohrakupunktur die Symptome des Drogenentzugs bessert. Dies wurde, wie im Kapitel zur klinischen Forschung eingehender dargestellt, in verschiedenen klinischen Untersuchungen erfolgreich reproduziert und auch praktisch genutzt. Was den Grundlagenaspekt dieses Phänomens betrifft, so spekulierten verschiedene Autoren, dass dieser Effekt durch Endorphin vermittelt sei [170]. In einer Studie mit 30 Heroinabhängigen zeigten die Blut- und Liquorspiegel von β-Endorphin unter Akupunktur keine Veränderung,
was für eine alterierte Reaktionslage der Opiatsüchtigen gegenüber den Normalpersonen spricht [209]. Man kann vermuten, dass das Endorphinsystem lahmgelegt wird durch das Heroin im Blut, welches ein negatives Feedback auf die Endorphin-Autorezeptoren ausübt. ACTH- und Cortisolspiegel werden bei Süchtigen in der Entzugsphase durch Akupunktur gesenkt, was die Reduktion von Stress und Entzugssymptomatik widerspiegelt [207]. Bei Mäusen gelang es, den Gesamtgehalt des Gehirns an β-Endorphin zu bestimmen; dieser ließ sich, unter Entzug, durch Akupunktur vermehren (während der Plasmaspiegel unbeeinflusst blieb). Außerdem wurden die Entzugssymptome bei diesen Mäusen durch Akupunktur gemindert, ein Ergebnis das sowohl durch unser eigenes Team [36] als auch durch andere mit Ratten reproduziert werden konnte [68 e, 127]. In Studien mit Drogensüchtigen konnte hingegen der Liquorspiegel des Metenzephalin durch EA erhöht werden [40 a]. So ist das Bild derzeit noch verwirrend, vielleicht auch aufgrund der komplexen Natur der Drogensucht. Zu beachten ist auch die Unterdrückung vegetativer Entzugssymptome durch EA. Die vielleicht eindrucksvollste Studie war die kürzlich von Bullock [17 b] vorgelegte, der chronische Alkoholiker mit Ohrakupunktur behandelte; von 50 Patienten erhielten 25 drei Nadeln in echte Ohrakupunkturpunkte, und 25 erhielten drei (»sham«-)Nadeln in falsche Ohrpunkte. Obwohl ihnen Alkohol ad libitum angeboten wurde, blieben unter echter Akupunktur 42 % der Alkoholiker 3 Monate alkoholfrei und weitere 28 % tranken weit weniger als sonst (also eine gesamte Erfolgsquote von 70 %). Die Akupunktur verminderte offenbar das Bedürfnis selbst und unterdrückte nicht allein die Entzugssymptome. die Pseudoakupunktur hatte keine Wirksamkeit. Bullock et al. [17 c] reproduzierten kürzlich diese Studie mit 80 Patienten und ähnlichen Ergebnissen, andere Studien laufen derzeit in mehreren anderen Zentren. Eine andere, kürzlich erschienene Studie von Avants et al. [6 a] bediente sich der Aurikulotherapie und bewertete deren Wirksamkeit gegen Kokainabhängigkeit. Die Autoren teilten 82 Methadon-substituierte Kokainabhängige randomisiert 3 Gruppen zu: Verumakupunktur, Nadel-EinstichKontrolle und Entspannung-ohne-Nadelung-Kontrolle. In den 3-mal wöchentlich erfolgenden toxikologischen Urinuntersuchungen zeigte sich, dass die Patienten der Akupunkturgruppe eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit negativer Urinproben aufwiesen, mit einer Wahrscheinlichkeitsquote von 3,41 zur Entspannungskontrolle und 2,40 zur Nadelinsertionskontrolle. Diese Befunde ließen den Schluss zu, dass Akupunktur eine vielversprechende Behandlung für Kokainabhängigkeit ist, trotz der Feststellung, dass die Ergebnisse durch methodische Schwächen der Studie relativiert werden. Ein Bereich, wo sich fast schlüssig gezeigt hat, dass Akupunktur keinen Nutzen zeitigt, ist die Raucherentwöhnung. In drei verschiedenen systematischen Übersichtsarbeiten kamen die Untersucher zu dem Ergebnis, dass Akupunktur keine größere Wirkung als Sham-Akupunktur [99 d, 209 b]. An dieser Stelle sollten wir eine kürzlich publizierte Metaanalyse von 22 Studien über die Wirksamkeit von Akupunktur bei Suchterkrankungen erwähnen. Ihre Schlussfolgerung war, dass »die Behauptung, dass Akupunktur als
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Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
Therapie für diese Suchterkrankungen wirksam sein soll, nicht durch Ergebnisse guter klinischer Studien gestützt wird« [187 a]. Die »Müll hinein – Müll heraus«-Kritik, die für eine Metaanalyse der Schmerzstudien zitiert wurde, trifft auch hier zu. Sind 20 schlechte Studien geeignet, 2 gute Studien zu widerlegen? Warum waren Anordnungen wie »kombinierte Akupunktur plus intensive Psychotherapie« nicht als Einschlusskriterium in die Metaanalyse vorgegeben? Hier sind weitere Arbeiten unbedingt erforderlich! Seit diese Metaanalyse vorgelegt wurde, hat das US-amerikanische NIDA (National Institute of Drug Abuse) starkes Interesse gezeigt, kontrollierte klinische Studien über Akupunktur zur Suchtbehandlung zu finanzieren. Dies hängt damit zusammen, dass weltweit der Einsatz von Akupunkturbehandlungen gegen Opiat- und Kokainsucht stark zugenommen hat. Basierend auf dem erfolgreichen Behandlungsprogramm, das von Michael O. Smith am New Yorker Lincoln Hospital während der 70 er Jahre entwickelt wurde, sind weltweit über 1600 Behandlungszentren gegründet worden [175 a, 16 f]. Die Behandlungsstrategie verbindet tägliche halbstündige Akupunkturbehandlungen mit Gruppenpsychotherapie. Verschiedene Rechtsinstanzen in Amerika stellen Drogenabhängige bereits vor die Wahl: Akupunkturbehandlung oder Haftstrafe. Das gestiegene Interesse an Akupunktur zur Behandlung von Suchterkrankungen hat zu mehreren neuen Übersichtsarbeiten geführt [16 g, 41 a, 118 a, 125 a]. Diese Arbeiten stimmen alle darin überein, dass trotz der positiven und sehr überzeugend erscheinenden kasuistischen Berichte zu diesem Gegenstand, z. B. von Margolin [110 a] und Konefal [86 a], weitere randomisierte kontrollierte Studien erforderlich sind, um die Wirksamkeit der Behandlung zu sichern. Die Verwendung von Pseudoakupunktur am Ohr bedeutet hier ein ernsthaftes Problem für das Studiendesign, da die Plazebogruppe hier partielle Verum-Wirkung erfährt (meist wird etwa 5 mm vom echten Punkt gestochen) [100 a]. Die National Acupuncture Detoxification Association, NADA, die 1985 in den USA gegründet wurde, hat heute mehr als 4000 Mitglieder, die Akupunktur zur Behandlung von Suchterkrankungen anwenden. Die von der Regierung geförderten Studien zu diesem Thema sollten in Kürze Ergebnisse zeitigen. Zum Abschluss ein paar Worte zur Behandlung der Esssucht mithilfe von Akupunktur. Unglücklicherweise gibt es kaum ordentliche kontrollierte Studien zu Akupunktur gegen Fettleibigkeit. Jedoch ergab eine neuere Studie mit Ratten ein vielversprechendes Ergebnis: Unter Ohrakupunktur reduzierte sich das Gewicht übergewichtiger Ratten auf normale Werte, während Pseudoakupunktur keine Wirkung zeigte.
2.4
Antiemetische Akupunkturwirkung
In einer kürzlich erschienenen Serie von Veröffentlichungen wurde die Wirksamkeit der Behandlung von Nausea durch Nadelung am Punkt Pe. 6 Neiguan klar erwiesen, der über dem N. medianus am distalen Unterarm liegt. Übelkeit und Erbrechen sind – zusammen mit postoperativem Zahnschmerz – der Begutachtung der NIH-Komission zufolge die einzige Indikationen, für die die Wirksamkeit der Akupunktur ausreichend bewiesen wurde [4 a].
In 27 von den 33 über Übelkeit und Erbrechen veröffentlichten Akupunkturstudien war die Behandlung sehr wirksam [253]. Noch ermutigender ist, dass 11 von 12 kontrollierten Studien positiv ausfielen. Akupunktur am Punkt Pe. 6 war erfolgreicher als alle Formen von Kontrolle (Plazebo, medikamentöse Behandlung und keine Behandlung). Jedoch gibt es Beispiele für das Versagen der Akupunkturbehandlung bei Brechreiz. Die betreffenden Studien wiesen sehr spezifische Unterschiede auf, die es erlauben, diese von der übrigen Literatur abzutrennen [253]. Eine der negativ verlaufenden Studien benutzte Akupressur, um experimentell erzeugten Brechreiz zu behandeln [17 a]. Eine andere applizierte die Akupunktur zu einem ungeeigneten Zeitpunkt: nach der Einleitung der Anästhesie und vor Beginn des chirurgischen Eingriffs [220 a]. Die Ergebnisse mit Akupressur am Punkt Pe. 6 ergaben schwächere Wirkung in Fällen von schwerem Erbrechen [46 g, 95 a], jedoch zeigte sich eine gute Wirkung bei geringergradigen Problemen wie dem morgendlichen Brechreiz bei Schwangerschaft [11 a, 43 a]. In Anbetracht der großen Gefahren medikamentöser Therapie bei Schwangeren wäre Akupressur also der medikamentösen Behandlung bei morgendlicher schwangerschaftsbedingter Übelkeit vorzuziehen. Akupressur erwies sich ebenfalls als wirksam bei milden Beschwerden von bewegungsbedingter Übelkeit [12 a, 79 c]. Der Wirkmechanismus ist jedoch ungeklärt. Erreichen sensorische Afferenzen des N. medianus auf irgendeine Weise die Area Postrema des Hirnstamms und blockieren dort den Brechreiz? Anästhetische Blockade des N. medianus mit Lidocain unterband jedenfalls die Wirkung, wie gezeigt werden konnte [46 f]. Elektrophysiologische Untersuchungen könnten dieses wichtige Problem möglicherweise lösen. Angesichts der wachsenden Literatur über Antiemesis gibt es jetzt einige Übersichtsarbeiten [142 a, 196 b]. Zum Beispiel kommt Vickers [196 b], wie erwähnt, zu dem Ergebnis, dass 27 von 33 kontrollierten Studien positiv ausfielen und gerade von den besonders rigorosen Untersuchungen 11 von 12 positiv verliefen. Parfitts Präsentation [142 a] vor der FDA war so überzeugend, dass von allen fünf geprüften Indikationen (Schmerz, Sucht, Schlaganfall, Lungenerkrankungen und Brechreiz) die FDA nur für die Antiemesis als vollkommen bewiesen akzeptierte. Dundee [46 i] präsentierte in einem Review seiner eigenen Arbeiten über Erbrechen bei Chemotherapie folgende Ergebnisse: Von 69 stationären Patienten hatten 97 % gute bis sehr gute Ergebnisse unter Akupunkturbehandlung, von 101 ambulanten Patienten hatten 90 % gute bis sehr gute Ergebnisse. Eine andere RKS über Erbrechen infolge von Chemotherapie wurde kürzlich von Shen et al. [171 a] durchgeführt. 104 Brustkrebs-Patientinnen, die hochdosierte Chemotherapie erhielten, wurden randomisiert 3 Gruppen zugeteilt, in denen unterschiedliche Behandlungen gegen das durch Chemotherapie verursachte Erbrechen durchgeführt wurden. Die Akupunkturgruppe bekam 5 Tage lang Elektroakupunktur, wogegen die Plazebogruppe Minimal-Nadelung und Pseudo-EA und die Kontrollgruppe Standard-Pharmakotherapie erhielten. Während der 5-tägigen Behandlungsperiode zeigten die Patienten mit echter Elektroakupunktur im Mittel die geringste Häufigkeit von Erbrechen mit 5
23 2.5 · Neurologische, kardiovaskuläre und andere Akupunkturwirkungen
Ereignissen, die Plazebogruppe hatte demgegenüber einen Median von 10 Erbrechensereignissen, und die Pharmatherapiegruppe wies einen Median von 15 Episoden auf. Diese Unterschiede waren signifikant. In einer 9-tägigen Followup-Zeit nahmen die Unterschiede ab, bis sie nicht mehr signifikant waren. Trotz der begrenzten Dauer der Wirkung kamen Shen et al. [171 a] zu dem Ergebnis, dass Elektroakupunktur zur Behandlung der chemotherapie-induzierten Emesis wirksamer ist als Plazebo und als alleinige Pharmakotherapie. Aikens u. Murphy [2 a] fanden in einer Übersichtsarbeit zum Schwangerschaftsbrechreiz, dass 6 von 7 Studien positive Ergebnisse berichteten. Ähnliche Studien zur Frühschwangerschaft wurden von Jewel [81 d] zusammengestellt, der 3 von 4 Studien als positiv beschreibt. Und vor kurzem wurde von Lee und Done [90 d] eine Metaanalyse über eine Reihe von nicht pharmakologischen Verfahren zur Prävention von postoperativem Brechreiz durchgeführt. Nach Durchsicht von 17 Studien kamen sie zu dem Ergebnis, dass nichtpharmakologische Verfahren den medikamentösen Antiemetika hinsichtlich der Wirkung äquivalent sind und signifikant wirksamer als Plazebo zur Prävention von Nausea und Erbrechen beim Erwachsenen, zugleich jedoch sicherer wegen fehlender Nebenwirkungen. Bei Kindern fanden sie hingegen keine Wirkung.
2.5
Neurologische, kardiovaskuläre, urogenitale, pulmonale, gastrointestinale und andere Akupunkturwirkungen
Die Stimulation der Nervenregeneration durch Akupunktur ist bislang noch nicht in regulären Doppelblindstudien untersucht worden. In China gibt es Kasuistiken mit über 100 000 Fällen von Fazialisparese, die unter Akupunkturbehandlung eine Remissionsrate von 92 % zeigten. Nun liegt bei dieser Erkrankung die Quote der Spontanremissionen bei etwa 80 %, sodass ohne eine Plazebokontrollgruppe keine klare Aussage zu machen ist. R. Cheng (1981, persönliche Mitteilung) hat 1500 Fallbeschreibungen zusammengestellt von Patienten mit (partieller) retinaler Blindheit, deren Sehvermögen durch Akupunktur wiederhergestellt werden konnte. Jedoch gab es auch hier keine Kontrollen (allerdings ist bei dieser Erkrankung die Spontanremission nicht von wesentlicher Bedeutung für die Bewertung des Ergebnisses). Wen führt zur Zeit eine kontrollierte Studie mit (partiell) blinden Patienten durch, und die ersten Resultate sprechen dafür, dass bei der Akupunkturgruppe eine wesentliche Verbesserung des Sehvermögens erreicht wird, wogegen sich bei der Plazebogruppe keine Verbesserung abzeichnet (H. L. Wen 1986, persönliche Mitteilung). Allerdings wird hier nur der Anspruch erhoben, dass die Therapie das Sehvermögen partiell blinder Patienten zu verbessern vermag, wogegen die gänzlich blinden nicht von der Therapie profitieren. Eigene Laborexperimenten zeigten, dass EA zu einer deutlich gesteigerten Regeneration motorischer und sensorischer Nerven führte, bei Ratten, deren Nervus ischiadicus verletzt worden war [118, 145, 154] (s. dazu auch Abschn. 1.5).
Eine systematische Übersichtsarbeit über 9 randomisierte kontrollierte Studien wurde kürzlich veröffentlicht, in der Akupunktur als Methode zur Rehabilitation nach Schlaganfall untersucht wurde [134 d]. Zwar berichteten einige dieser Studien signifikante Besserungen, jedoch befanden die Untersucher die Qualität der Studien als sehr niedrig. Die Stichprobenumfänge waren oft zu gering, und die fehlende Verblindung der Patienten verhinderte die Kontrolle unspezifischer Effekte wie Suggestion und Arzt-Patienten-Beziehung. Die Übersichtsarbeit kam daher zu dem Schluss, dass die vorgelegten Ergebnisse die Behauptung nicht belegen, Akupunktur sei eine wirksame Methode zur Rehabilitation nach Schlaganfall. Jedoch, so wurde festgehalten, seien die Ergebnisse vielversprechend genug, um weitere Erforschung des Themas nahe zu legen. Wenn auch 5 Studien nicht ausreichend sind, um solide Schlussfolgerungen zu ziehen, so mag doch der Hinweis interessant sein, dass in fernöstlichen Ländern Akupunktur bei Schlaganfallpatienten sehr häufig angewendet wird. In China sind viele Krankenhausstationen belegt mit Patienten, die Akupunktur erhalten gegen die Schlaganfallresidualzustände. In Seoul, Korea, führt ein modernes Regierungskrankenhaus, das auf Akupunktur spezialisiert ist, seit 20 Jahren Statistiken, die zeigen, dass in dieser Zeit 80 % der Betten mit Schlaganfallpatienten belegt waren. Keine der Studien in der oben erwähnten systematischen Übersichtsarbeit war von koreanischen, chinesischen oder japanischen Wissenschaftlern, weil deren Arbeiten die Einschlusskriterien nicht erfüllten. Weitere kontrollierte Studien sind also dringend erforderlich, um diese vielversprechende Indikation für Akupunktur zu untersuchen. Viele kardiovaskuläre Experimente wurden mit Tieren durchgeführt. In einem eleganten Versuch benutzen Yao et al. [219] eine akupunkturartige Stimulation des N. ischiadicus, um bei spontan hypertensiven, wachen Ratten den Blutdruck über längere Zeit zu senken. Diese Wirkungen waren naloxon-reversibel und hatten eine Serotoninkomponente, sehr ähnlich wie die AA. Kürzlich zeigten Hoffman und Thoren [79], dass es eine Zirkadianrhythmik der Akupunkturwirksamkeit zur Blutdrucksenkung gibt, in dem Sinne, dass die Akupunktur nur tagsüber wirkt, nachts dagegen nicht. Auch gab es keine Wirkungen bei Ratten mit renalem Hochdruck [79]. In einer anderen Studie zeigte Thoren [189], dass langdauerndes »Jogging« bei spontan-hypertensiven Ratten genau die gleichen Wirkungen hervorrief wie Akupunktur (Analgesie und Blutdruckabsenkung über Serotonin- und Endorphinmechanismen), was darauf hinweist, dass Gruppe-III-Muskelafferenzen normalerweise dazu dienen könnten, Analgesie während verschärfter Körperbelastung zu bewirken. (Zufällig lassen sich das bekannte »Jogger’s High« und die durch Laufen induzierte Analgesie beim Menschen beide durch Naloxon antagonisieren). Vielleicht ist dieses Phänomen geeignet, die normale physiologische (und teleologische) Funktion des Systems zu verstehen, dessen die Akupunktur sich bedient. Anästhesierte Hunde, die am Punkt Du 26 (an der Oberlippe) stimuliert wurden, zeigten einen Blutdruckanstieg, der nicht naloxonantagonisierbar war [91]. Darüber hinaus half die Stimulation dieses Punktes bei Hunden im hämorrhagischen Schock den Blutdruck durch erhöhte kardiale Förder-
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Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
leistung stabil zu halten [41]. Derselbe Autor beobachtete bei Hunden, dass die Absenkung der kardialen Förderleistung durch Stimulation des Punktes Ma. 36 mithilfe von Atropin blockiert werden könnte, was auf eine parasympathische Wirkung verweist. Neuere Studien an anästhesierten Katzen und Ratten zeigten, dass eine Stimulation von niedriger Intensität die Sekretion von Katecholaminen aus dem Nebennierenmark absenkte, wogegen eine intensive Aktivierung des peripheren Nerven die Sekretion steigerte. Dies führte dann weiter zur Blutdrucksenkung respektive Erhöhung [6]. Eine sehr interessante Studie aus der Sportmedizin zeigte kürzlich, dass richtige Akupunktur – überlegen im Vergleich mit einer Sham-Akupunktur – die körperliche Leistungsfähigkeit und kardiovaskuläre Funktion steigern konnte, gemessen mit Spiroergometrie bei 36 gesunden jungen Probanden [48 b]. Neuere Studien von Ernst und Lee [49 a, b] sprechen dafür, dass die Akupunktur am Punkt Di.4 und Ma. 36 bei normalen Versuchspersonen eine kutane Vasodilatation verursacht, nachgewiesen in Thermographieuntersuchungen. Dies ist konsistent mit einer neueren randomisiert kontrollierten Studie, die zeigt, dass Akupunktur die Anfälle von RaynaudSyndrom um 63 % reduzieren konnte, gegenüber 23 % in der Kontrollgruppe [5 a]. Jedoch gibt es 2 Studien mit Versuchspersonen, die nicht mit diesen Ergebnissen übereinstimmen. In einer Untersuchung führte die Elektroakupunktur an Punkten der Hand zu einer Abkühlung der Hauttemperatur dieser Hand [89 a]; in der anderen waren keinerlei Effekte festzustellen [6 c]. Eine neuere Studie an Ratten zeigte, dass Akupunktur die Sympathikusaktivität herabsetzte, gemessen an den renalen Nerven, und zugleich den Blutdruck absenkte. Dieser Effekt war unterdrückt bei spinalanästhesierten Tieren, ließ sich jedoch nicht mit Naloxon aufheben [132 a]. Eine weitere kardiovaskuläre Studie an Menschen ermittelte, dass Akupunktur die unter körperlichem Training erbrachte Leistung um 7 % zu steigern vermochte, mit einer verbesserten kardiovaskulären Leistungsfähigkeit, die an schnellerer Rückkehr zu Ausgangswerten von Herzfrequenz und Blutdruck abgelesen werden konnte. Dies war unter Pseudoakupunktur nicht zu beobachten [48 b]. Schließlich zeigten neuere Untersuchungen, dass manuelle und ElektroAkupunktur die Überlebensaussichten von muskulokutanen Autotransplantaten erhöhten, indem sie lokale Ischämien verhinderten [81 a, b]. In letzter Zeit sind einige klinische Studien über einen möglichen Nutzen der Akupunktur bei urogenitalen Störungen erschienen. In einer Studie erwies sich die Akupunktur der Pseudoakupunktur in der Behandlung der Dysmenorrhö überlegen [75 b]. In zwei anderen Studien wurden Blasenprobleme gebessert [20 a, 141 a], aber nur in einer dieser beiden Untersuchungen gab es eine Kontrollgruppe.
Geburtsvorbereitung Eine kontrollierte Studie von Römer et al. [160 b] untersucht den Einfluss von Akupunktur bei der Geburtsvorbereitung. Dabei zeigt sich eine hochsignifikante Verkürzung der Entbindungszeit bei Erstgebärenden in der Akupunkturgruppe (n = 329) im Vergleich zu einer Akupunkturkontrollgruppe mit psychisch wirksamen Punkten (n = 224) und zu einer
weiteren Kontrollgruppe (n = 325) die nicht behandelt wurde. Die Entbindungszeit war mit durchschnittlich 470 min in der Akupunkturgruppe im Vergleich zu 536 min bzw. 594 min in den Kontrollgruppen signifikant verkürzt. Neben Zeichen einer Verbesserung der Zervixreifung wie Zervixlängenverkürzung zeigte sich in der Akupunkturgruppe eine Trichterbildung des Os internum als Zeichen für Geburtsreife bei 82 % der Patientinnen im Vergleich zu 30 bzw. 29 % in den Kontrollgruppen. In einer Untersuchung erwies sich Ohrakupunktur als ebenso wirksam wie eine Hormonbehandlung gegen Fertilitätsstörungen (mit geringeren Nebenwirkungen). Schwangerschaften traten bei 22 von 45 fertilitätsgestörten Frauen ein, die mit Akupunktur behandelt wurden, verglichen mit 20 von 45, die Hormone erhielten [57 b]. Eine Studie ergab, dass Akupunktur zur Behandlung der Nierenkolik ebenso wirksam war wie das Medikament Avafortan, das zahlreiche Nebenwirkungen aufweist [93 a]. Akupunktur war wirksamer als Plazebo in der Behandlung von Inkontinenz bei älteren Patienten: 90 % der Akupunkturgruppe zeigte verminderte nächtliche Entleerungen, wogegen 11 % der Plazebogruppe (Pseudo-TENS) eine Wirkung zeigten [49 c]. In der Behandlung vasomotorischer menopausaler Symptome nahm die Häufigkeit von Hitzewallungen sowohl in der Verum- (Akupunktur) als auch in der Kontrollgruppe (subkutane Nadelung) um jeweils 50 % ab, aber in der dreimonatigen Nachbeobachtungszeit hielten sich die Besserungen nur in der Verumgruppe [216 b]. Dies könnte ein weiterer Hinweis auf eine »partielle Verum-Wirkung« unter Pseudoakupunktur sein. Offenbar sind weitere Arbeiten erforderlich, um diese urogenitalen Wirkungen der Akupunktur zu sichern.
Asthma Verschiedene Übersichtsarbeiten haben in letzter Zeit die Ergebnisse der Akupunkturanwendung in der Behandlung von Asthma und Lungenerkrankungen zusammengefasst. Die kompetenteste Arbeit war die Übersicht, die Jobst [82 b] 1994 für die FDA zusammenstellte, die zu dem Ergebnis kam, dass 11 von 13 randomisiert kontrollierten Studien positive Wirkungen zeigten, wobei in 3 von diesen 11 positiven Studien Akupunktur aber nicht besser abschnitt als Pseudoakupunktur; beide jedoch waren besser als die unbehandelte Kontrollgruppe (was erneut die Frage aufwirft, ob Pseudoakupunktur nicht ein ungeeignetes Kontrollinstrument ist). Diese 13 Studien beinhalten die Behandlung von Bronchialasthma [37 a, 38 b, 85 a, 90 c, 97 a, 185, 197 c), histamin- oder methylcholininduziertem Asthma [82 a, 97 a, 186], belastungsinduziertem Asthma [183, 221 a] oder chronischer, leistungsmindernder Atemnot [43 c]. Man muss allerdings anmerken, dass viele dieser Studien von geringer Qualität waren, trotz des randomisiert kontrollierten Studiendesigns. In einer früheren Metaanalyse über 18 Studien anhand eines Kriterienrasters wurde festgestellt, dass nur 8 Studien hinsichtlich der biometrischen Qualität auf über 50 von 100 möglichen Punkten kamen und dass die genauesten Studien die schlechtesten Ergebnisse erbrachten [85 a]. Die neueste Übersichtsarbeit von Linde et al. [99 e] untersuchte 7 Studien mit 174 BronchialasthmaPatienten. Leider gab es nicht viel Übereinstimmung zwischen
25 2.6 · Akupunkturpunkte – gibt es sie wirklich?
den Studien. Die Stichprobenumfänge waren durchweg klein, die Patienten waren den Akupunktur- bzw. Plazebogruppen zufällig zugeteilt, und die Behandlungszeiten waren durchweg kurz. Davon abgesehen gab es jedoch erhebliche Unterschiede in den Studiendesigns. Zum Beispiel wurden einige Studien mit Nadeln, andere mit Laserakupunktur durchgeführt, einige nur an Kindern, andere ausschließlich an Erwachsenen und einige hatten gemischte Populationen. Außerdem wurden verschiedene Typen von Pseudoakupunktur als Plazebo verwendet. Die Hauptzielgröße, die gemessen wurde, war die Lungenfunktion bzw. die expiratorische Flow-Rate, gemessen in Litern pro Minute. Der durchschnittliche Unterschied zwischen Pseudo- und echter Akupunktur betrug 8,4 l/min.; dieser Unterschied war nicht signifikant als Beweis für eine überlegene Wirksamkeit der Akupunktur im Vergleich zur Pseudoakupunktur. Die Untersucher kamen also zu dem Ergebnis, die vorliegenden Befunden zeigten nicht schlüssig, dass eine Kurzzeitbehandlung mit Akupunktur eine signifikante Wirkung bei Asthma hat [99 e]. Drei randomisierte kontrollierte Studien untersuchten die Wirkung von Akupunktur als Behandlung für die Dysfunktion des Kiefergelenks [49 e]. Diese Studien untersuchten Akupunktur im Vergleich zu Standardtherapie bzw. keiner Therapie, mit Ergebnissen, die nahe legen, dass Akupunktur eine wirksame Behandlung ist. Sowohl subjektive als auch objektive Zielparameter zeigten Akupunktur signifikant besser als die unbehandelten Kontrollen, jedoch gab es in keiner Studie Kontrollen auf mögliche Plazebo-Effekte. Außerdem wurde nur geringe Information über den Randomisierungsvorgang geliefert, und in keiner Studie waren die Patienten verblindet. Die Untersucher kamen daher zu dem Ergebnis, dass trotz der positiven Befunde der randomisierten kontrollierten Studien weitere Forschung mit besserer methodischer Qualität erforderlich ist [49 e]. Kürzlich erschien eine sehr beeindruckende Arbeit im renommierten American Journal of Physiology, die zeigte, dass Elektroakupunktur bei Hunden die Magensekretion nach einer Mahlzeit blockieren kann. Erstaunlicherweise war der Effekt offenbar durch Endorphine vermittelt, die ihrerseits die Spiegel von 3 Plasmapeptiden zum Ansteigen brachten, nämlich Somatostatin, VIP und β-Endorphin [82 e]. Eine andere Arbeit zeigte jedoch einen entgegengesetzten Effekt bei Ratten, bei denen Elektroakupunktur zu einem Ansteigen der Magenazidität führte; dies war durch den Vagusnerv vermittelt [130 a]. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den 2 Studien war, dass die erste mit wachen Hunden durchgeführt wurde und die zweite mit anästhesierten Ratten. Prinzipiell ist man geneigt, die Arbeit an wachen Tieren als aussagekräftiger einzuschätzen, wenn Stressfaktoren klein gehalten werden können. Eine weitere Studie mit Versuchspersonen im Wachzustand erbrachte, dass Elektroakupunktur die Magensäure verminderte, während Pseudoakupunktur keine Wirkung zeitigte [105 a]. Zusätzlich zu den 6 bisher überblickten Themenkategorien (neurologisch, kardiovaskulär, antiemetisch, urogenital, pulmonal und gastrointestinal) wurden einige Studien über weitere Einzelthemen geschrieben. In 2 Studien wurde Mundtrockenheit (Xerostomie) behandelt. In der ersten erbrachte 12-wöchige Akupunkturbehandlung einen verbesserten Speichelfluss für mindestens ein Jahr [13 c, e].
Ein weiterer Gegenstand, bei dem Untersucher nach besser konzipierten Studien verlangen, ist die Akupunkturbehandlung von chronischem Tinnitus. Eine systematische Übersichtsarbeit über 6 RKS zeigte keine signifikante Wirkung [134 c]. Zwei der 6 Studien hatten positive Ergebnisse, jedoch waren die Patienten nicht verblindet. Die vier mit negativem Ergebnis wiesen eine Verblindung auf, was dafür spricht, dass die Studien auf Plazeboeffekte kontrolliert werden müssen. Eine weitere Studie mit Ratten erbrachte, dass Akupunktur die motorische Aktivität vermehrte, möglicherweise vermittelt durch Monoamine im Gehirn [36 a]. In einer anderen Arbeit jedoch sank die motorische Aktivität unter Akupunktur ab, und zwar in Korrelation mit gestiegenen Peptidspiegeln im Hippokampus (Substanz P, Neurokinin A und Neuropeptid Y) [17 d].
Nebenwirkungen Zum Schluss eine Übersichtsarbeit über unerwünschte Wirkungen der Akupunktur, die kürzlich veröffentlicht wurde [49 f]: Die Autoren betrachteten 9 Studien zur Sicherheit der Akupunktur. Sie fanden, dass alle Arbeiten dieselben unerwünschten Wirkungen berichteten, jedoch mit großen Unterschieden bezüglich der Häufigkeit. Die häufigsten Ereignisse waren Einstichschmerz (1–45 %), Müdigkeit (2–41 %), Blutungen (0,03–38 %) und Entspannungsgefühle (86 %). Wenige Patienten hatten Gefühle von beginnender Ohnmacht (ca. 0,3 %).
2.6
Akupunkturpunkte – gibt es sie wirklich?
Die Frage nach der Existenz der Akupunkturpunkte – und nach deren anatomischphysiologischen Grundlagen – wurde auf verschiedenen Wegen untersucht: 1. Durch Wirkungsvergleich der Nadelung echter Punkte gegen Pseudoakupunktur an Nicht-Akupunkturpunkten 2. Durch die Suche nach speziellen anatomischen Strukturen an Akupunkturpunkten 3. Durch die Untersuchung der elektrophysiologischen Eigenschaften der Haut an Akupunkturpunkten 4. Durch Untersuchung der Nerven, die durch Akupunktur aktiviert werden
2.6.1
Führt die Nadelung an den Akupunkturpunkten zu besseren Ergebnissen als an NichtAkupunkturpunkten?
Verschiedene Untersucher haben für den akuten, experimentell erzeugten Schmerz bei menschlichen Versuchspersonen gezeigt, dass die Nadelung an richtigen Akupunkturpunkten ausgeprägte Analgesie erzeugt, wogegen die Behandlung an Plazebopunkten nur sehr schwache Wirkungen erbringt [16 e, 22, 179]. Die Ergebnisse waren eindeutig, da die Wirkung der Stimulation von Pseudopunkten bei experimentell induziertem akutem Schmerz praktisch nicht existent war
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Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
(entsprechend haben Plazebotabletten bei akuten Schmerzen wenig Wirkung, nur in 3 % der Fälle verursachen sie eine Analgesie). Im Gegensatz zu diesen sehr klaren Ergebnissen fielen die Untersuchungen an Patienten mit chronischen Schmerzen weniger deutlich aus. Wie in Abschn. 1.2 erwähnt, hat Plazebo-Anästhesie bei chronischen Schmerzzuständen eine erhebliche Wirkung, sie funktioniert bei 30–35 % der Patienten. Nadelbehandlung an Nicht-Akupunkturpunkten scheint sogar bei 33–50 % der Patienten zu wirken, während echte Punkte bei 55–85 % der Fälle wirksam sind [197]. Um die statistische Signifikanz dieser Differenzen zwischen Akupunktur und Sham-Akupunktur herauszuarbeiten, bedürfte es großer Patientenzahlen – mindestens 122 pro Studie [197] ( Abschnitt 1.2). Es ist einigermaßen verwirrend, dass Sham-Akupunktur bei 33–35 % der Patienten mit chronischen Schmerzen wirksam ist, während sie bei akutem, laborinduziertem Schmerz praktisch gar nicht wirkt. Wegen dieser Probleme wurde die Spezifität der Akupunkturpunkte bisher nur in Studien bei Versuchspersonen mit akutem Schmerz nachgewiesen und muss für die chronischen Schmerzzustände erst noch schlüssig untersucht werden, da die Zahl der beteiligten Patienten hier noch nie die erforderlichen 122 erreichte. In Tierversuchen mit Mäusen [149], Katzen [19, 56], Pferden [35], Ratten [182, 188] und Kaninchen [55, 99] haben viele Untersucher gezeigt, dass Verum-Akupunktur bei akuten Schmerzzuständen besser wirkt als Plazebonadelung. Diese Ergebnisse sind in Übereinstimmung mit der Forschung über den akuten Schmerz beim Menschen. Wichtig ist es bei solchen Tierversuchen, milde Stimulation beim wachen Tier anzuwenden, um stressinduzierte Analgesie auszuschließen; starke Stimulation auch an Pseudopunkten kann Stressanalgesie hervorrufen [144]. Viele Studien über akuten Schmerz bei Tieren und Menschen zeigen in aller Deutlichkeit, dass AA unter Verwendung richtiger Akupunkturpunkte weitaus besser wirkt, als AA mit Pseudopunkten. Notwendig sind jedoch weitere Studien über chronische Schmerzen, um zu sehen, ob die echten Punkte auch hier wirksamer sind als beliebige Punkte.
2.6.2
Gibt es spezifische anatomische Strukturen an Akupunkturpunkten?
Obwohl verschiedene histologische Untersuchungen der Haut und der subkutanen Strukturen an Akupunkturpunkten durchgeführt worden sind, konnten keine spezifischen Strukturen gefunden werden. Jedoch haben verschiedene Autoren [62, 123] die scharfsinnige Beobachtung angestellt, dass die Mehrzahl der Akupunkturpunkte mit »Triggerpunkten« zusammenfällt: Zum Beispiel stellten Melzack et al. [123] fest, dass 71 % der Akupunkturpunkte Triggerpunkten entsprechen. Dies lässt vermuten, dass die Nadeln sensorische Nerven, die von Muskeln ausgehen, aktivieren. Dies wiederum stimmt überein mit Erkenntnissen, dass die Stimulation von Muskelafferenzen für die Erzeugung von Analgesie von Bedeutung ist [37, 104, 201]. Die Forschungsarbeit von Travell [190, 191] über Triggerpunkte, beginnend 1952 und gipfelnd 1983 in einem umfangreichen Buch, zeigt, dass es in den myofascialen Strukturen kleine, hypersensitive Bezirke
gibt, welche, wenn sie abgetastet oder gedrückt werden, eine größere schmerzhafte Fläche in einem anliegenden oder auch entfernten (korrespondierenden) Gebiet hervorrufen. Sie fand heraus, dass »trockenes Stechen« dieser Triggerpunkte mit Injektionsnadeln – also Stechen, ohne die Injektion eines Medikaments – Schmerzerleichterung hervorbrachte. Wenn Hautstellen druckempfindlich sind, nennen die Chinesen sie Ah-Shi-Punkte und empfehlen deren Nadelung. In einer kürzlich erschienenen Übersichtsarbeit zur Anatomie der Akupunkturpunkte zählt Dung [47] zehn Strukturen auf, die in der Nachbarschaft von Akupunkten gefunden werden (wobei vor allem 5, 6, und 9 den Triggerpunkten zuzuordnen sind). Mit abnehmender Wichtigkeit nennt er: 1. Größere periphere Nerven. Je größer der Nerv, desto besser 2. Nerven, die von einer tieferen Lokalisation entspringen und in ihrem Verlauf mehr an die Oberfläche treten 3. Hautnerven, die von tiefen Faszien entspringen 4. Nerven, die aus Knochenforamina hervortreten 5. Motorpunkte an neuromuskulären Verbindungsstellen: Dies sind die Punkte, an denen die Nerven in die Muskelmasse eintreten. Mit dem Ort der eigentlichen synaptischen Verbindung, der neuromuskulären Endplatte, sind sie nicht immer identisch. Diese kann ein paar Zentimeter weiter im Muskel liegen, nachdem der Nerv sich in kleinere Äste verzweigt hat. Die pathophysiologische Bedeutung dieser neuromuskulären Verbindungsstellen ist nicht bekannt 6. Blutgefäße in der Nachbarschaft von neuromuskulären Verbindungsstellen 7. Nerven, die sich aus Fasern verschiedener Stärke zusammensetzen. Dies ist bei muskulären Nerven häufiger als bei Hautnerven der Fall 8. Verzweigungspunkte peripherer Nerven 9. Sehnen und Bänder, Gelenkkapseln, Faszienblätter, Kollateralbänder, da diese Strukturen reich an Nervenendigungen sind 10. Knochennähte des Schädels
2.6.3
Besitzen Akupunkturpunkte spezifische physiologische Eigenschaften (z. B. niedrigen Hautwiderstand, hohes elektrisches Potential, Hautströme)?
Es hat eine Reihe von Berichten gegeben, dass der Hautwiderstand an Akupunkturpunkten niedriger sei als der der umgebenden Haut [10, 18], aber dieses Ergebnis ist oft als ein durch den Druck der Elektroden erzeugtes Artefakt in Zweifel gezogen worden [117, 131, 192]. Normalerweise hat trockene Haut einen Gleichstromwiderstand in der Größenordnung von 200 000 bis 2 Millionen Ohm. An Akupunkturpunkten liegt er dagegen – den Studien zufolge, die spezifische Eigenschaften von Akupunkten annehmen – bei 50 000 Ohm. Diese Beobachtungen hatten die Einführung kommerzieller »Punktsuchgeräte« zur Folge, bleistiftförmige Abtastelektroden mit Metallspitze, über Drähte mit einem Widerstandsmesser verbunden. Der Stromkreis wird
27 2.6 · Akupunkturpunkte – gibt es sie wirklich?
vervollständigt durch eine zweite Elektrode in Form eines Metallzylinders, den der Patient in der Hand hält (mit ausgedehntem Hautkontakt auf der schweißfeuchten Handfläche: Daher herrscht hier ein Widerstand von nur ca. 1000 Ohm). Das Punktsuchgerät misst im Allgemeinen den Gleichstromwiderstand nach dem Ohmschen Gesetz (U = IR): eine konstante Spannung wird angelegt und der resultierende Strom wird gemessen, woraus direkt der Widerstand (R) entnommen werden kann. Die meisten Geräte produzieren obendrein einen Piepton, dessen Frequenz (oder Intensität) dem gemessenen Widerstand proportional ist. Dies erlaubt es, mit der Stiftelektrode über die Haut zu wandern und dabei auf den Ton zu hören. Kasuistische Beschreibungen gehen davon aus, dass diese Geräte für bestimmte Gegenden besonders geeignet sind (z. B. Hände, Gesicht, Ohren), wo nämlich Akupunkturpunkte und niedriger Hautwiderstand besonders gut korrelieren (s. dazu jedoch [121] mit negativen Ergebnissen am Ohr). Außerdem wird behauptet, dass die Erkrankung bestimmter Organe mit einer weiteren Senkung des Hautwiderstands an den entsprechenden Akupunkturpunkten einhergehen soll (s. jedoch [121]). Die japanische Methode (Ryodoraku) den Hautwiderstand an den Körper-Akupunkturpunkten zu messen, ist in Japan seit der Einführung 1950 durch Nakatani [128] sehr verbreitet, während Nogier und die französische Schule Beobachtungen an Ohr-Akupunkturpunkten angestellt haben (aber s. [121]). In Deutschland befasst sich der Apparat nach Voll und Vega mit einem anderen hautelektrischen Phänomen, bei welchem die Messung der ursprünglichen Widerstandsminima aufgegeben wird und stattdessen das Ansteigen der gemessenen Werte zu einem steady-state (also höherem Widerstand) als diagnostisch verwertbar angesehen wird. In der UdSSR entwickelte Gaikin das »Toboskop« als Punktsuchgerät, das auf der Weltausstellung in Montreal 1967 ausgestellt wurde. Dies wurde von Nechuschkin in den 70er Jahren weiterentwickelt. Zwei sorgfältige Experimente wurden angestellt um die Brauchbarkeit der Punktsuchgeräte am Ohr zu überprüfen [121, 133]. Oleson et al. [133] verglichen in einer EinfachBlindstudie mit 40 Patienten die Diagnosen, die mithilfe eines Punktsuchgeräts (9 V Gleichstrom, 50 μA) durch Abtasten der Ohrpunkte erstellt wurden, mit den Diagnosen die bei denselben Patienten mit den Mitteln der westlichen Medizin gefunden wurden. Die Ohruntersucher wussten also die »westlichen Diagnosen« nicht. Interessanterweise betrug die Korrelation zwischen Ohrdiagnose und westlicher Diagnose 72,5 %, was hochsignifikant jenseits einer Zufallsübereinstimmung liegt [133]. Melzack u. Katz [121] konnten jedoch keinen Unterschied im Hautwiderstand feststellen zwischen Akupunkturpunkten im Ohr und dicht danebenliegenden Kontrollpunkten, bei Patienten mit chronischen Schmerzzuständen. Unglücklicherweise wurden bisher weder Ryodoraku noch das Gerät nach Voll ähnlichen kontrollierten Studien unterworfen. Auch die Behauptung im Zusammenhang mit dem Voll-Apparat, dass parallel zur Untersuchung gegebene homöopathische Medikamente die Ergebnisse beeinflussen sollen, und die Methode sich deshalb eignet, die Wirksamkeit einer Behandlung für die diagnostizierte Krankheit festzustellen, ist bislang nicht wissenschaftlich untersucht worden [83 a].
Bis vor kurzem waren wir recht skeptisch gegenüber dem gesamten Phänomen »Hautwiderstand«, weil die Messungen nicht im Einklang mit anerkannten biophysikalischen Methoden durchgeführt wurden. Weder die publizierten Studien [10, 18, 157, 158] noch die berichteten klinischen Fälle standen im Rahmen ordnungsgemäß angelegter Studien, wie auch schon von anderen dargelegt wurde [18, 117, 131, 192]. Vor kurzem haben wir die Methodologie verbessern können. Um elektrochemische Potentiale auszuschließen, haben wir -Ag-/AgCl-Elektroden mit einer Salzbrücke verwendet; um Polarisation durch den Gleichstrom zu vermeiden, haben wir mit biphasischen Impulsen gearbeitet; um elektrische Schädigungen der Haut auszuschließen, arbeiteten wir mit schwachen (Mikroampère-) Strömen; um eine mechanische Schädigung der Haut zu vermeiden, benützten wir federgelagerte Untersuchungselektrodengriffel; und um Unterschiede der Hautfeuchtigkeit auszugleichen, ließen wir kleine Mengen von Kochsalzlösung durch einen Mikroporenfilter aus der Salzbrücke austreten. Mit diesen zusätzlichen Maßnahmen wurde eine zuverlässige Methodik erreicht [174]. Vorläufige Resultate lassen zur Zeit darauf schließen, dass Akupunkturpunkte manchmal einen niedrigeren Hautwiderstand haben als die umgebende Haut. Ganz gleich, ob sich letztlich herausstellt, dass Akupunkturpunkte allgemein einen niedrigeren Widerstand aufweisen, sind die marktgängigen Punktsuchgeräte jedenfalls von geringer Verlässlichkeit [174]. Wir haben keinerlei Vorstellung, welches die physiologische Bedeutung eines niedrigeren Hautwiderstandes der Akupunkturpunkte sein könnte. Bekannt ist, dass Schwitzen einen ausgeprägten Einfluss auf den Hautwiderstand besitzt; dies ist die Grundlage des Lügendetektortests. Stress löst über eine Sympathikusaktivierung Schwitzen und einen Abfall des Hautwiderstandes aus.
Elektrisches Potential von Akupunkturpunkten Eine andere Beobachtung im Zusammenhang mit Akupunkturpunkten ist, dass diese ein elektrisches Potential gegenüber der umgebenden Haut besitzen [10] und damit sozusagen eine Stromquelle darstellen, wobei die Punkte um 5 mV positiver als die Umgebung sind. Leider wurden die meisten dieser Spannungsmessungen nicht mit kunstgerechten biometrischen Methoden durchgeführt, wie oben schon für die Widerstandsmessungen angemerkt. Dies ist besonders ungünstig, weil die möglichen chemoelektrischen Artefakte an der Elektrode-Haut-Kontaktstelle groß sind, gemessen an den durch den Körper generierten Spannungen. Kürzlich wurde von Jaffe et al. [81] eine ausgezeichnete Studie veröffentlicht, die zeigt, dass die menschliche Haut ein Ruhepotential von 90 mV an ihrer Epidermalschicht besitzt (außen negativ, innen positiv). Diese Veröffentlichung ging nicht auf Akupunkturpunkte ein. Dennoch kann man spekulieren, dass die Akupunkturpunkte mit ihrem niedrigen Widerstand die epidermale Batterie kurzschließen und auf diese Weise nach einem bestimmten Verteilungsmuster Ströme durch die Haut fließen, die durch das 90-mV-Ruhepotential aufrechterhalten werden. Dies wäre konsistent mit der oben erwähnten 5-mV-Beobachtung [10]. Eine wichtige Messung in der genannten Arbeit von Jaffe et al. [81] zeigt, dass eine Verletzung (ein Schnitt) in der
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Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
Haut einen Verletzungsstrom zur Folge hat, der durch Kurzschließen der Hautbatterie zustandekommt. Vielleicht führt dann auch das Einstechen von Akupunkturnadeln zu Verletzungsströmen, die biologische Einflüsse auf die umliegenden Gewebe ausüben. Unser Team konnte kürzlich zeigen, dass sehr schwache Ströme (nur 1–10 μA), angelegt über Akupunkturnadeln oder als Batterieimplantate, das Nervenwachstum im Bein der erwachsenen Ratte fördern [118, 145, 147 a, 154]. In China gibt es kasuistische Berichte von über 100 000 Patienten mit Fazialisparese, die von EA und einfacher Akupunktur profitiert haben sollen (s. dazu auch Abschn. 1.4) [216]. Vielleicht fördert in diesen Fällen der Verletzungsstrom, verursacht durch die Nadelung und aufrechterhalten durch die 90-mV-Hautbatterie, die Nervenregeneration. Erwähnenswert ist hier auch die Beobachtung, dass Nerven, die in Zellkulturen gezüchtet werden, Äste auf die Elektroden eines schwachen Gleichstromfelds hin aussenden [134]. Dieses Wachstum ist am stärksten in Richtung auf die negative Elektrode [134]. Auch die Veröffentlichungen aus unserem Institut belegen ein verstärktes Nervenwachstum in Richtung auf den negativen Pol des angelegten Gleichstromfeldes [118, 145, 154]. Die Einstichlöcher von Akupunkturnadeln dürften ebenfalls eine Negativität am Einstichort erzeugen, verursacht durch den Verletzungsstrom. Es wurde berichtet, dass auch die Regeneration amputierter Amphibiengliedmaßen durch elektrischen Strom oder ein in Richtung auf den negativen Pol angelegtes elektrisches Feld gefördert wird [15]. An erwachsenen Säugetieren sind solche Wirkungen noch nicht gezeigt worden, jedoch gibt es indirekte Hinweise auf entsprechende Effekte beim Menschen. Wenn Kinder bei einem Unfall eine distale Finger- oder Zehenphalanx verlieren, so wird diese unter der Bedingung, dass die Wundfläche feucht bleibt, komplett wieder regeneriert (mit Nagel, intakter Fingerbeere etc.). Dies erlaubt nämlich einen Verletzungsstrom, der distal negativ gepolt und etwa 1 μA stark ist [80]. Gleichströme und konstante elektrische Felder wurden auch im Zusammenhang mit Knochenheilung, Pflanzenwachstum, embryologischen Vorgängen und der Regeneration des Rückenmarks bei paraplegischen Meerschweinchen angewendet [132]. Erste Untersuchungen in unserem Institut (Pomeranz) weisen darauf hin, dass die Nadelung der Haut ein anhaltendes Absinken des lokalen Hautwiderstandes zur Folge hat. Eine einfache Berechnung nach dem Ohmschen Gesetz bringt uns zu der Annahme, dass ein kleines, durch die Akupunkturnadel hervorgerufenes Loch einen ausreichenden Verletzungsstrom zur Folge hat, um eine Förderung von Gewebewachstum und -Regeneration zu bewirken. Das Ohmsche Gesetz besagt, dass U = IR sei. Wenn U 90 mV beträgt (das Hautpotential), wenn weiter die Akupunktur für längere Zeit eine elektrische Leitungsbahn herstellt, wo der Widerstand (R) auf 9000 Ohm absinkt, würde dies einen Verletzungsstrom (I) von 10 μA zur Folge haben. Dies liegt im Bereich der Stromstärke, die das Nervenwachstum [145] und die Regeneration von Gliedmaßen [15] fördern kann. Diese winzigen Ströme wären übrigens nicht ausreichend, um Nervenimpulse auszulösen, sodass die Mechanismen, die in ⊡ Abb. 2.1 und 2.2 dargestellt sind, hier keine Bedeutung haben.
Versuche, die Veränderungen im biomagnetischen Feld des Körpers unter Akupunktur zu messen, waren erfolglos, weil die magnetischen Felder des Körpers sehr schwach sind und kaum gemessen werden können [82 g].
Propagated Sensations along Channels Vielleicht das seltsamste Phänomen im Zusammenhang mit den Meridianen ist die entlang den Meridianen fortgeleitete Empfindung (»propagated sensations along the channels«, PSC). Bei ungefähr 10 % der Population verursacht die Nadelbehandlung eine Empfindung, die sich von der Nadel weg den Meridian entlang fortsetzt, unabhängig vom Verlauf der Nerven in der betreffenden Körpergegend (z. B. sollen sich Parästhesien grundsätzlich von proximal nach distal verbreiten, während PSC oft von distal nach proximal verläuft). Die Wandergeschwindigkeit von PSC beträgt ungefähr 10 cm/s, damit ist sie 10-mal niedriger als die Leitgeschwindigkeit der langsamsten C-Nervenfasern, die mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde fortleiten [11 b, 11 c]. Außerdem folgt PSC nicht der Verteilung somatosensorischer Nerven und verbleibt auch nicht in einem oder 2 Dermatomen. Bossy [16 i] hat einen plausiblen Mechanismus vorgeschlagen, der nicht auf dem chinesischen Qi beruht, sondern als neurologische Erklärung formuliert ist. Er schlägt vor, dass die neurale Information vom Akupunkturpunkt zum Rückenmark geleitet wird und dort einige Rückenmarksegmente (also Dermatome ...) aufwärts und abwärts weitergegeben wird, über interneuronale Netze in den Laminae 2 und 3 des Hinterhorn nach Rexed. Das Gehirn würde dies dann wahrnehmen als eine Sensation, die sich in diese Dermatome hinein fortpflanzt (also eine Art Illusion).
2.6.4
Welche Nervenfasern werden durch Akupunktur aktiviert?
Elektrophysiologische Untersuchungen (s. u.) zeigen, dass die Stimulation von Muskelafferenzen (Fasern von Gruppe II und III) De-Qi-Empfindungen hervorruft [201], wobei Signale ans Gehirn weitergeleitet werden, die zur Freisetzung von Neurotransmittern (Endorphinen, Monaminen, Kortison) führen. Vielleicht sind Akupunkturpunkte die Lokalisationen, wo Gruppe-II- und -III-Fasern anzutreffen sind. Eine der frühesten und aussagekräftigsten Veröffentlichungen zu diesem Thema wurde von dem ausgezeichneten chinesischen Physiologen Chiang [37] 1973 publiziert; er wies darin nach, dass das De-Qi-Gefühl das entscheidende Korrelat der Analgesie ist: das Gefühl von Taubheit, von Schwere und manchmal von Wundsein (soreness) [37]. Indem er 2 %ige Procainlösung an den Akupunkturpunkten Di. 4 und Di. 10 injizierte, gelang ihm beim Menschen der Nachweis, dass subkutane Injektion die De-Qi-Empfindung nicht verhinderte, dass aber die intramuskuläre Injektion das De-Qi-Gefühl annulierte. Mit der De-Qi-Empfindung war gleichzeitig auch die Analgesie blockiert. Entsprechende Experimente mit Tieren [19, 55, 151] zeigten ebenfalls, dass mit Procaininjektionen die Analgesie aufgehoben wird. Um den Einfluss im Blut zirkulierender, durch Akupunktur freigesetzter Substanzen auszuschalten, wiederholte er diese
29 2.6 · Akupunkturpunkte – gibt es sie wirklich?
Experimente mit Unterbindung der Blutzirkulation am Arm: Solange das De-Qi-Gefühl vorhanden war, bestand auch die Analgesie. Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieser Arbeit von Chiang [3] ist das Fehlen einer lokalen Spezifität der Wirkung: Akupunkturpunkte am Arm produzierten gleiche Analgesie in allen Regionen des Körpers, wie entsprechende Hauttests erwiesen (den betreffenden Arm bezog er in diese Hauttests nicht mit ein; andernfalls hätte er hier einen stärkeren segmentalen Analgesieeffekt gefunden). Zwei andere Untersuchungen zeigten dasselbe Fehlen von Spezifität bei akutem, experimentell induziertem Schmerz [100, 106]. Diese Ergebnisse sind in Übereinstimmung mit den in ⊡ Abb. 2 dargestellten Mechanismen. Es muss sehr deutlich darauf hingewiesen werden, dass die Autoren der beiden letztgenannten Arbeiten durch ihre im Übrigen ausgezeichneten Untersuchungen zu falschen Schlussfolgerungen gelangt sein dürften: Sie folgerten nämlich aus dem Fehlen einer lokal umschriebenen Wirkrichtung der Akupunkturbehandlung, dass die gesamte beobachtete Analgesie eine reine Plazebowirkung sei. Wie jedoch bereits oben erörtert, berichtet Beecher [11], dass bei akutem, experimentell hervorgerufenem Schmerz nur 3 % der Versuchspersonen Plazeboanalgesie empfinden; die 60 %-Wirksamkeit in der Studie mit akutem Schmerz [106] kann also nicht plazebobegründet sein. Da diese Autoren echte Akupunkturpunkte stimulierten, beobachteten sie eine allgemeine Analgesie ohne lokale Wirkungsspezifität. Wir deuten all diese Ergebnisse folgendermaßen: Die Akupunkturatlanten geben als Akupunkturpunkte die Lokalisationen an, wo die De-Qi-Empfindung am besten ausgelöst werden kann (also die Lokalisation von Gruppe-II- und -III-Muskelafferenzen). Und in diesem Sinn sind die Akupunkturpunkte spezifisch.
Spezifität von Punkten Die Annahme, dass die Punktspezifität (in der ersten Bedeutung) nicht einfach Unsinn ist, ergibt sich aus vielen Studien über akuten Schmerz bei Tieren und Menschen, bei denen Pseudoakupunktur keine Analgesie erbrachte. Wobei »Pseudo-« bedeutet, dass die Nadeln in Nicht-Akupunkturpunkte eingestochen wurden (s. a. Abschn. 1.2). Hier wird in letzter Zeit, auch in den deutschen Veröffentlichungen zunehmend der Begriff Sham d. h. vortäuschen, verwendet, man spricht so von Sham-Akupunktur. Man beachte aber, dass Lynn und Perl [106] die Nadeln in echte Akupunkturpunkte einstachen, die nur für die angestrebten lokalen Analgesiewirkungen ungeeignet waren. Ihre Punkte waren also keine Pseudopunkte im Sinne von Nicht-Akupunkturpunkten. Im Gegensatz dazu gibt es Untersuchungen am Menschen, in denen die Nadelung von Di. 4 zu einer Heraufsetzung der Schmerzschwelle für Zahnschmerz führte (geprüft unter einer Signal-Nachweis-Hypothese), wogegen die Nadelung des vierten Interossensmuskels (Pseudopunkt) keine Analgesie erbrachte [22]. Eine ähnliche Studie zur Schmerzschwelle des Halses beim Menschen erbrachte vergleichbare Ergebnisse [179]. In zahlreichen Tierstudien konnte diese Art von Spezifität ebenfalls nachgewiesen werden: Bei Mäusen [149], Katzen [19, 56], Pferden [35], Ratten [188] und Kaninchen [55, 99] ließ sich mit Pseudopunkten keine Analgesie erzeugen, wohl aber mit echten Akupunkturpunkten. Die umfassendste Reihe
von Experimenten zur Pseudoakupunktur wurde jedoch von Takeshige et al. [54, 77, 78, 86, 125, 142, 167, 181, 182 a, c, f, 195] in Japan mit Ratten durchgeführt. Nicht nur zeigte diese Gruppe, dass Pseudoakupunktur keine Analgesie hervorrief (im Gegensatz zu richtiger Akupunktur bei denselben Tieren), sondern es gelang ihnen auch noch, eine einleuchtende Erklärung aufzuweisen. In einer Serie von eleganten Experimenten (bei Weitem zu kompliziert, um sie hier im Detail zu besprechen) kartografierten sie ein AA-Hemmungssystem im Gehirn, dass durch die Stimulation von Nicht-Akupunkturpunkten aktiviert wird: und zwar über Nervenbahnen zum hinteren Hypothalamus, dann zum lateralen contromedianen Thalamuskern und schließlich zum lateralen PAG, wodurch das Mittelhirn-AA-System inhibiert wird. Eine Zusammenfassung dieses umfangreichen Forschungsprojekts bietet [182]. Die Verletzung dieses Hemmsystems setzt wiederum die unterdrückte AA-Wirkung frei, sodass Nicht-Akupunkturpunkte dann analgetisch wirksam werden. Dies bringt uns zu den direktesten Experimenten auf diesem Gebiet durchgeführten: der Messung von Impulsen in den an der AA-Wirkung beteiligten Nervenfasern. Pomeranz und Paley [151] zeigten bei Mäusen mit Impulsmessungen in Afferenzen aus dem Punkt Di. 4, dass Gruppe-II-Afferenzen zur Vermittlung der AA-Wirkung ausreichend sind. Die Aktivierung von Schmerzfasern (Gruppe III und IV) bei wachen Mäusen wurde bewusst vermieden, um die Erzeugung von Stress-Analgesie auszuschließen. Ähnliche Ergebnisse wurden von Toda u. Ichioka [188] berichtet, auch hier erwiesen sich die Gruppe-II-Afferenzen als ausreichend zur Vermittlung der AA-Wirkung, das Einbeziehen von Fasern der Gruppen III und IV vermehrte die Analgesie nicht. Experimente mit Affen, bei denen A α- und A β- (= Gruppe I und II-) Fasern des Nervus tibialis gereizt wurden, erbrachten nur eine geringe Hemmung der Schmerzantwort des Tractus spinothalamicus [39 a]. Wurde jedoch die Reizintensität erhöht bis zu einem Niveau, auf dem die A δ- (= Gruppe III-) Fasern erregt wurden, stellte sich eine starke Hemmung ein [39 a]. Im Übrigen ist zu betonen, dass es nicht erforderlich ist, die Reizintensität soweit zu steigern, dass C-Fasern (Gruppe IV) erregt werden, zumal dies dem wachen Patienten unerträgliche Schmerzen verursacht. In einer kürzlich erschienenen Arbeit zeigt Lu [104], dass Afferenzen vom Gruppe II und III bei Katzen und Kaninchen für die AA-Wirkung von Bedeutung sind: Die Blockade von Gruppe-IV-Fasern durch 0,1 %ige Procainlösung hatte keine Wirkung auf die Analgesie, wogegen die ischämische (oder die anodale) Blockade von Gruppe-II- und -III-Fasern die AA-Wirkung unterdrückte (alle Blockaden wurden durch direkte Impulsaufzeichnung aus den blockierten Nerven kontrolliert). Somit vermitteln bei diesen beiden Spezies’ die Fasertypen II und III die Akupunkturanalgesie. Das vielleicht beste Experiment wurde kürzlich beim Menschen durchgeführt, mit direkten Mikroelektroden-Messungen in einzelnen Fasern des Medianusnervs, während distal davon Akupunkturpunkte appliziert wurde [201]. Wenn das De-Qi-Gefühl eintrat, konnten folgende Beobachtungen angestellt werden: Gruppe-II-Muskelafferenzen produzierten das Taubheitsgefühl, Gruppe-III-Fasern die Empfindung von Schwere und Entspannung und marklose Gruppe-IV-Fasern das Gefühl von Wundsein. Da dieses letztere Gefühl ein eher
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Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
ungewöhnlicher Aspekt des De Qi ist, folgern wir, dass die Hauptkomponenten der De-Qi-Empfindung von Gruppe II und III-Afferenzen fortgeleitet werden, also dünnen, markhaltigen Muskelafferenzen. Schließlich sollte auch das gelegentlich eintretende Gefühl des Akupunkteurs erwähnt werden, dass die Nadel von den Muskelfasern fester erfasst wird, wenn das De-Qi-Gefühl sich einstellt. Elektromyografische Aufzeichnungen am Akupunkturpunkt beim Eintritt des De Qi zeigten ausgeprägt Muskelaktivität zu dem Zeitpunkt, wenn der Therapeut das Gefühl hatte, jetzt werde die Nadel von den Muskelfasern umfasst [5].
Zusammenfassung Die praktische Bedeutung von all dem könnte wie folgt zusammengefasst werden: Für die Akupunkturanalgesie ist es wichtig, starke Stimulation zu verwenden um De-QiEmpfindungen hervorzurufen; die Akupunkturatlanten sind spezifisch in dem Sinn, dass sie die Punkte mit Gruppe-II- und -III-Fasern aufzeigen, die notwendig sind, um De Qi zu erzeugen. Jedoch sind die Akupunkturpunkte möglicherweise nicht spezifisch im Hinblick auf angezielte Wirkungsorte, wie dies durch die Meridiantheorie behauptet wird. Die einzige lokale Wirkungsspezifität geht aus segmentalen Wirkungen durch Stimulation von Ah-Shi-Punkten (druckempfindlichen Punkten) hervor, bei welchen es eine zusätzliche analgetische Wirkung durch spinale, segmental wirkende Endorphine gibt (s. ⊡ Abb. 2, Zelle 7), zusätzlich zur Ganzkörperwirkung durch die Mittelhirn- und Hypophysen-Endorphine (s. ⊡ Abb. 2, Zelle 11 und 14). Von den 3 behaupteten Akupunkturwirkungen, der lokalen, der meridiangebundenen und der Ganzkörperwirkung, haben wir wissenschaftliche Nachweise für die lokale (⊡ Abb. 2, Zelle 7) und die Ganzkörperwirkung (⊡ Abb. 2, Zellen 11 und 14), jedoch bislang nicht für die Meridianwirkungen.
2.7
Zukünftige Forschungsrichtungen
Aufgrund des wachsenden Interesses in der Bevölkerung an alternativen Behandlungsmethoden und der Notwendigkeit, die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Behandlungen besser zu verstehen, richteten die National Institutes of Health (NIH) der USA 1992 das Office of Alternative Medicine (OAM) ein [64 b]. In den folgenden Jahren gab es bedeutende Entwicklungen in der Erforschung und Untersuchung dieses Gebiets, insbesondere auch der Akupunktur, im Zuge derer die Akupunkturnadeln von der FDA als »wirksame und sichere« medizinische Geräte eingestuft wurden; außerdem wurde die NIH Consensus Development Conference zur Akupunktur im Jahr 1997 durchgeführt. Das OAM wurde mit deutlich erhöhtem Etat zum National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) hochgestuft, um die Wirksamkeit, Sicherheit und Grundlagen der komplementären und alternativen Therapien zu erforschen [64 b]. In den letzten Jahren hat das NCCAM der NIH eine Reihe von Studien zur Akupunktur finanziert, zu denen eine Datenbank über die Website der Computer Retrieval Information on Scientific Projects (CRISP) zugänglich ist.
Derzeit gibt es hier 2 große Forschungsfelder: die Grundlagenforschung zur Akupunktur und die klinische Forschung. Viele Grundlagenstudien beschäftigen sich mit der physiologischen Reaktion des Organismus auf Akupunktur. Zum Beispiel untersucht eine laufende Studie von Langelin an der Universität von Vermont die lokale Gewebereaktion auf den Einstich der Nadel. Das Gewebe um den Akupunkturpunkt zieht sich oft fest um die Akupunkturnadel zusammen, was wohl zur De-Qi-Empfindung beiträgt. Die Untersucher erforschen, welche fundamentalen biomechanischen Prozesse für dieses Phänomen verantwortlich sind. Andere Studien nutzen fMRI, um Änderungen der Gehirnaktivitäten unter Akupunktur zu untersuchen. Der Akupunkturforscher Zang-Hee Cho von der University of California, Irvine, benutzt fMRI-Technologie, um festzustellen, welche funktionellen Beziehungen im Gehirn existieren, die bei therapeutischen Akupunkturwirkungen mitwirken. Eine ähnliche Studie wird von Forschern an der University of Pennsylvania durchgeführt, die ebenfalls MRI- und MRS-Technologie einsetzen, um Signalveränderungen in der Gehirnaktivität und Veränderungen metabolischer Vorgänge im Organismus unter Akupunktur zu untersuchen. Ein Bereich, in dem diese neuen Techniken mit besonderem Nutzen zum Einsatz kommen, ist der Vergleich von Sham-, d. h. vorgetäuschte Akupunktur gegen echte Akupunktur. Die Frage, ob Sham-Akupunktur ein geeignetes Plazebo darstellt, ist schon lange kontrovers diskutiert worden.
Eine Studie an der Northwestern University bedient sich bildgebender Verfahren, um die unterschiedlichen Gehirnaktivitäten bei Pseudo- und echter Akupunktur am Patienten zu untersuchen sowie die Unterschiede zwischen verschiedenen Typen von Pseudoakupunktur. Auch die derzeit laufenden klinischen Studien zur Akupunktur umfassen ein breites Spektrum von Themen wie Schmerz, Inkontinenz, Fibromyalgie, Osteoarthritis (OA), Asthma, Hypertonie, Depression, Drogenabhängigkeit und Nausea. Interessant zu nennen sind hier die beiden OAStudien an der University of Pennsylvania und der University of Maryland, in denen die Akupunktur als adjuvantes Therapieverfahren untersucht wird. Diese großangelegten randomisiert kontrollierten Studien, die auf früher durchgeführten, kleineren Studien aufbauen, in denen vielversprechende Ergebnisse gefunden wurden, untersuchen die Wirksamkeit und Sicherheit von Akupunktur in der Schmerzbehandlung. Eine andere chronische Erkrankung, die Fibromyalgie, ist z. Z. Gegenstand dreier von der NIH geförderter Studien. Vielversprechende Ergebnisse in früheren Studien sprechen dafür, dass Akupunktur eine sichere und wirksame Behandlung für fibromyalgiebedingte Schmerzen ist. Die gegenwärtigen Studien vertiefen jedoch nicht nur die Untersuchung der Wirksamkeit von Akupunktur allgemein, sondern fragen darüber hinaus nach der wirksamsten Art und Weise, die Akupunktur einzusetzen (Häufigkeit, Dauer, Punktspezifität etc.). Andere Beschwerden, die z. Z. von Akupunkturforschern untersucht werden, umfassen Kurzatmigkeit, Inkontinenz, Hypertonie und Brechreiz. Nausea und Erbrechen sind die Indikationen, für die die Wirksamkeit der Akupunktur am besten nachgewiesen wurde, und derzeit gehen die Forscher mit ihrer Fragestellung über die Akupunktur hinaus und
31 2.8 · Modelluntersuchungen ART und Gerac
untersuchen Akupressur an demselben Punkt (Pe. 6) [4 a]. Dieser Punkt wird am häufigsten eingesetzt, um Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie zu behandeln. In Anbetracht der vielen offenen Fragen zur Akupunktur gibt es also viele Richtungen für künftige Forschung. So finden sich im Bereich der Grundlagenforschung viele offene Fragen zur Physiologie der Akupunkturwirkung bei Patienten-, etwa: Welche biomechanischen Prozesse laufen während und nach der Akupunkturbehandlung im Körper ab? Ein Bereich, in den Forscher eindringen, ist die Frage nach dem physiologischen Unterschied zwischen Akupunkturbehandlung am Kranken und beim Gesunden. Die meisten Studien zur Grundlagenforschung werden mit Versuchstieren durchgeführt; die Nadelbehandlung könnte jedoch Wirkungsunterschiede bei kranken und gesunden Tieren haben ( Abschnitt 2.1.5). Diesen Unterschied zu verstehen, könnte erhebliche Rückwirkungen auf die klinische Praxis haben. Andere Themen, die für zukünftige Forschung anstehen, betreffen die Akupunkturpunkte selbst. Kann man die Punkte am Körper genau kartografieren? Kann man die Meridiane anatomisch identifizieren? Zur Zeit kann das De Qi-Gefühl zwar empfunden aber nicht gemessen werden. Die Wissenschaftler fragen, ob man De Qi quantitativ ermitteln kann.
Studiendesign In der klinischen Forschung gibt es sogar noch mehr Richtungen zu verfolgen. Das kritische Thema par excellence ist hier die Frage nach dem richtigen Studiendesign. Viele der publizierten Studien leiden an der geringen methodischen Qualität. Und damit die Ergebnisse in Zukunft valider sein können, ist es erforderlich, dass bessere Studiendesigns zum Einsatz kommen ( Abschnitt 2.8). Eine Empfehlung des NIH-Konsens-Statements zur Akupunktur betrifft die Gegenwart eines erfahrenen Akupunkturpraktikers, der gewährleistet, dass die Patienten tatsächlich eine kunstgerechte Akupunkturbehandlung erhalten (zumal hier für gewöhnlich die angewendete Therapie auf den einzelnen Patienten und seine Symptome individuell zugeschnitten wird) [4 a]. Dieser Ansatz verschiebt die Akupunkturforschung in Richtung auf ein pragmatisch ausgerichtetes Studiendesign, wo die Methodologie in höherem Maß das reflektiert, was auch in der klinischen Praxis stattfindet, im Gegensatz zur Standardisierung der Therapie, die in der explanatorischen RKS die Norm darstellt. Die Zuordnung eines Akupunkturfachmanns zusammen mit erfahrenen Methodikern und Statistikern hilft, das doppelte Ziel korrekter Akupunkturanwendung und hieb- und stichfester Studiendesigns, -Umsetzungen und -Reportings zu realisieren. Für die Zukunft wird es lebenswichtig sein bei unserem Bemühen, die Akupunktur auf die Grundlage stabiler Wirksamkeitsnachweise zu stellen, dass Institutionen wie NCCAM und akademische Medizinzentren die Forscher weiter darin unterstützen, die Studiendesigns zu verbessern, und auch Karrieren in der Akupunkturforschung zu ermöglichen, indem in größerer Zahl Perspektiven wie postdoctoral Fellowships oder wissenschaftliche Assistentenstellen eröffnet werden. Um die Qualität zukünftiger Akupunkturstudien zu verbessern, versammelten sich in 2001 Akupunkturforscher
aus der ganzen Welt, um Standards für das Reporting von Akupunktur-RKS zu formulieren [107 a]. Die Empfehlungen werden als »Standards for Reporting Interventions in Controlled Trials of Acupuncture« (STRICTA) bezeichnet. Sie umfassen das Reporting der folgenden Einzelheiten: das Rationale für die Akupunkturbehandlung, oder welche Art von Akupunktur eingesetzt wurde und die Begründung für ihren Einsatz, Einzelheiten der Nadelung wie die Punktlokalisation, Einstichtiefe, Stimulation, hervorgerufene Reaktion; Behandlungsregime, Dauer und Frequenz der Behandlung, zusätzliche Behandlungsmaßnahmen wie Moxibustion, Phytotherapien oder körperliche Übungen; ferner den Ausbildungshintergrund des Akupunkteurs und die Einzelheiten der Kontrollbehandlungen. Die Absicht der STRICTA-Autoren ist es, dass diese Empfehlungen den Berichterstattern der Studien und den Autoren von Übersichtsarbeiten helfen werden, Studien besser zu analysieren, zu interpretieren und zu kritisieren [107 a]. Übersetzt und bearbeitet von Niklas Stiller.
2.8
Modelluntersuchungen ART und Gerac
Anfang 2001 sind zwei große kontrollierte Studien mit jeweils vier Diagnosen angelaufen, die Bochumer »German Akupunktur Trial« (Gerac) für AOK- und BKK-Patienten und die »Akupunktur Randomized Trials« (ART) im Rahmen der Modellvorhaben der Ersatzkassen. Die ART-Studien wurden in Kooperation vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité in Berlin für Modellvorhaben der Techniker Krankenkasse und einzelner BKKs und vom Zentrum für naturheilkundlicher Forschung der TU München für Modellvorhaben der Ersatzkassen durchgeführt. Nach den Vorgaben des Bundesausschusses waren in einem »zweiarmigen Studiendesign klinische Untersuchungen durchzuführen, vorzugsweise randomisiert, zum Vergleich einer zu definierenden »Verum“-Akupunktur mit einer Plazebo- oder Scheinakupunktur. Optional ist ein dritter Arm vorgesehen, ebenfalls vorzugsweise randomisiert, mit weiterer Therapieoption (z. B. anerkannte Standardtherapie) oder eine spezifische Therapie«.
2.8.1
Einige Basisdaten zur Akupunktur in Deutschland
Am Modellvorhaben der Krankenkassen nahmen 12617 Ärzte teil, dies sind 10,1% aller niedergelassenen Ärzte. Von 2001 bis 2005 wurden im Rahmen der Modellvorhaben 4,5–5 Mio. Patienten behandelt, d. h. jährlich 1,5 Mio. Patienten. Die Zahl der Akupunktursitzungen wird auf 15–20 Mio. im Jahr geschätzt. 250 Mio. Euro wurden jährlich dafür ausgegeben, dies sind 1% der Aufwendungen für Arzneimittel oder 1–1,5 Promille der gesamten Gesundheitskosten. Ziel der Gerac-Studien war ein Wirksamkeitsvergleich zwischen Verum-, Sham-Akupunktur (oberflächliche Akupunktur, ohne Nadelstimulation, an »falschen Punkten«) und einer leitlinienorientierten Standardtherapie. Die leit-
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Kapitel 2 · Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur
linienorientierte Standardtherapie bestand für die Indikationen Knie- und Kreuzschmerzen aus einer Kombination von physikalischer Therapie und unterstützender Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika. Die meisten Akupunkturärzte in Gerac waren Allgemeinmediziner bzw. praktische Ärzte mit zusammen 52,4%, gefolgt von Orthopäden mit 19%. Betrachtet man einzelne Fachgruppen, so nahmen 41% der Orthopäden an den Modellvorhaben teil, gefolgt von 36% der Allgemeinmediziner und 31% der Neurologen: Ziele der Modellvorhaben der Ersatzkassen war die Bestimmung von Wirksamkeit in der Routineversorgung effectiveness in Akupunktur in Routine Care (ARC), Wirksamkeit an spezifischen Akupunkturpunkten efficacy in ART, sowie die Therapiesicherheit und Wirtschaftlichkeit von Akupunkturbehandlungen in Akupunktur Safety and Health Economics Studies (ASH). So gab es 3 sich methodisch und inhaltlich ergänzenden Studienteilen: Akupunktur Randomised Trials (ART) mit 1164 Patienten dreiarmige randomisierte, kontrollierte Studien zum Vergleich von Akupunktur an spezifischen Akupunkturpunkten versus Minimalakupunktur versus Wartelistenkontrolle. ART zeigte eine hochsignifikante (p