Klaus Bellmann, René Haak (Hrsg.) Der japanische Markt
WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
Klaus Bellmann, René Haak (Hrsg.)
Der japanische Markt Herausforderungen und Perspektiven für deutsche Unternehmen
Mit einem Geleitwort von Junichi Kosuge
Deutscher Universitäts-Verlag
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1. Auflage März 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Schöller Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0735-2
Geleitwort
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Geleitwort Meine herzlichen Glückwünsche gelten der Veröffentlichung der Publikation „Der japanische Markt – Herausforderungen und Perspektiven für deutsche Unternehmen“. Diese Veröffentlichung ist eine Zusammenstellung der Beiträge des „Wirtschaftstages Japan“, der im Herbst 2005 in Mainz stattfand, sowie weiterer Abhandlungen. Auch ich war zu diesem Seminar eingeladen worden; der Wirtschaftstag ist mir noch gut in Erinnerung als eine interessante, bedeutungsvolle Veranstaltung im Sinne einer weiteren Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Rheinhessen und Japan. Was uns Japaner betrifft, so wünschen wir eine weitere Ausweitung der Investitionen aus Rheinhessen nach Japan. Aber ich möchte zuvor kurz darlegen, in welcher Lage sich die japanische Wirtschaft gegenwärtig befindet. Die japanische Konjunktur wird weiterhin als auf einem stabilen Weg der Gesundung befindlich beurteilt. Das reale Bruttoinlandsprodukt verzeichnete nach einem Wachstum von 1,7 Prozent im Fiskaljahr 2004 (April 2004 bis März 2005) im Fiskaljahr 2005 ein noch höheres Wachstum von 2,7 Prozent. Nach einer vorläufigen Berechnung der Regierung wird für das Fiskaljahr 2006 ein Wachstum von 1,9 Prozent erwartet, so dass gute Aussichten für ein stabiles Wachstum bestehen. Die strukturellen Reformen, die unter der starken Führung von Ministerpräsident Koizumi nach dem Motto „ohne strukturelle Reformen gibt es keine Regeneration und Entwicklung Japans“ eingeleitet worden sind, zeitigen umfassende Wirkungen. Mit einem Wort gesagt: Japan hat die lange dunkle Periode nach dem Zusammenbruch der Luftblasen-Wirtschaft bereits überwunden. Jetzt, da die Wirtschaft solch günstige Zukunftsaussichten bietet, hat unsere Regierung einen aktiven Plan in Angriff genommen, um Investitionen aus dem Ausland nach Japan zu holen. Ich meine die Kampagne „Invest Japan“. Ministerpräsident Koizumi hat in seiner Regierungserklärung vom Januar 2003 das Ziel deutlich gemacht, innerhalb von fünf Jahren die Bilanz der Direktinvestitionen Japans zu verdoppeln. Seit Mai 2003 wird in allen beteiligten Präfekturen und Einrichtungen unter dem Motto „Invest Japan“ ein Service angeboten, durch welchen Gespräche und Informationen in Bezug auf Investitionen in Japan angeboten werden. Die deutschen Ausfuhren nach Japan stiegen von 11,9 Milliarden Euro im Jahr 2003 auf 12,7 Milliarden Euro im Jahr 2004; das entspricht einem Zuwachs von 6,8 Prozent. Die deutschen Direktinvestitionen in Japan hingegen sind im gleichen Zeitraum leider
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Jonichi Kosuge
ein wenig gesunken, nämlich von 7,83 Milliarden Euro auf 7,38 Milliarden Euro. Wir sind entschlossen, uns auch weiterhin verstärkt um ein Vorantreiben der Kampagne „Invest Japan“ zu bemühen. In jüngster Zeit findet das hohe Wachstum in China auch in Deutschland Beachtung: Die deutschen Direktinvestitionen in China sind 2003 um 9,2 Prozent gestiegen. Für Deutschland ist China, noch vor Japan, bereits zum größten Handelspartner in Asien geworden. (Und auch für Japan ist China, noch vor den USA, seit dem vergangenen Jahr der größte Handelspartner.) Selbstverständlich ist es ganz natürlich, dass China für die deutschen Unternehmen ein wichtiges Land ist, aber ich glaube nicht, dass man deswegen behaupten kann, Japan sei für die deutschen Unternehmen zu einem Markt ohne Reiz geworden. Zwar gibt es Analysen, nach welchen das chinesische Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2025 dasjenige Japans und im Jahr 2050 dasjenige der USA übertreffen wird, aber zumindest in der Gegenwart beträgt der Umfang des japanischen Bruttoinlandsproduktes ungefähr das Dreifache des chinesischen, und das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt ist in Japan etwa 30mal höher als in China. Etwa 60 Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes von Asien werden von Japan erwirtschaftet; Japan bietet einen dementsprechend großen, reifen, kaufkraftträchtigen Markt. Und es muss wohl nicht eigens erwähnt werden, dass in Japan ein stabiles Rechtssystem, ein hohes technisches Niveau und eine stabile Umwelt mit wenig Regulierungen und geringem Risiko hervorragende Rahmenbedingungen für die Tätigung von Geschäften bieten. Außerdem ist der japanische Markt in Anbetracht der Produktqualität und des Lieferservices der Erzeugnisse wohl auch der strengste Markt auf der Welt. Aber gerade dies bedeutet, dass es sich um ein Land handelt, welches Unternehmen mit einzigartigen Erzeugnissen und Technologien aus allen Ländern vielfältige geschäftliche Chancen bietet. In Deutschland gibt es viele Unternehmen, die einzigartige, herausragende Erzeugnisse anfertigen; solche Unternehmen können in Japan große Erfolge erzielen. Und ich möchte es nicht unerwähnt lassen, dass tatsächlich viele deutsche Unternehmen in Japan große Erfolge erzielen. Zwar ist es unvermeidlich, dass deutsche und japanische Unternehmen auf den asiatischen Märkten grundsätzlich Konkurrenten sind, aber es ist doch wohl auch möglich, dass deutsche Unternehmen, die nach Japan expandieren, zusammen mit japanischen Unternehmen im Hinblick auf den asiatischen und den weltweiten Markt auf den Ge-
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bieten von Forschung und Entwicklung gemeinsame Projekte in Angriff nehmen. Ich würde es begrüßen, wenn Japan gleichsam als Eingangstor in die expandierende und immer mehr zusammenwachsende Wirtschaft Asiens dienen könnte. Mein Wunsch geht dahin, dass durch diese Publikation der Handel und die Investitionen zwischen Rheinhessen und Japan eine sprunghafte Entwicklung nach vorn nehmen mögen. Auch das Generalkonsulat von Japan ist bestrebt, gemeinsam mit Institutionen wie der JETRO, der Development Bank of Japan, dem Vertretungsbüro der Präfektur Fukuoka oder dem Vertretungsbüro der Stadt Yokohama, einen aktiven Beitrag zur Förderung der Investitionen in Japan zu leisten. Junichi Kosuge Generalkonsul von Japan in Frankfurt
Vorwort Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Rheinland-Pfalz und Japan sind vital und entwickeln sich dynamisch. Es lohnt sich, in Japan aktiv zu sein, sei es durch Handel und Verkauf, sei es durch Produktion oder Forschung und Entwicklung. Dies bestätigen nicht nur die mutigen Wirtschaftsreformen in Japan, sondern vielmehr auch die Handelszahlen. So ist Japan mit einem Handelsvolumen von rund 921 Mio. Euro nach wie vor zweit wichtigster Wirtschaftspartner des Landes Rheinland-Pfalz in Asien. Auf der anderen Seite interessieren sich Japaner wieder mehr für den hiesigen Wirtschaftsstandort - und das nicht nur wegen der Fußball-WM 2006 oder dem Deutschlandjahr in Japan. Ich darf in diesem Zusammenhang auf erfolgreiche industrielle Investitionen japanischer Unternehmen in Rheinland-Pfalz hinweisen. Aber auch im Weinbereich sind japanische Unternehmen erfolgreiche Partnerschaften mit rheinland-pfälzischen Weinbaubetrieben eingegangen. Dies sind Belege für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Rheinland-Pfalz, aber auch für die Effektivität der rheinland-pfälzischjapanischen Wirtschaftsbeziehungen. Bei dieser Betrachtung darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass sowohl beim Handelsvolumen als auch bei den Direktinvestitionen noch Entwicklungspotenziale bestehen. Dies gilt vor allem bei den Zukunftstechnologien wie beispielsweise der Biotechnologie, der Informationstechnologie oder aber der Umwelttechnik. Gerade auf diesen Feldern empfiehlt sich Rheinland-Pfalz als attraktiver Technologiestandort mit einer gut ausgebauten Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur sowie einem hohen Bildungsstandard der Ingenieure. Um die Entwicklungspotenziale in den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu stimulieren, unterstützt das Land Rheinland-Pfalz seine Wirtschaft durch eine gezielte Außenwirtschaftsförderung. Wesentliche Instrumente sind Gemeinschaftsbeteiligungen an ausgewählten Auslandsmessen, Wirtschaftsreisen, Symposien und Informationsveranstaltungen. Darüber hinaus bietet unsere Kontaktstelle für die rheinland-pfälzische Wirtschaft in Tokio kompetente Beratung an und vermittelt Wirtschaftskontakte. Schließlich runden die Aktivitäten der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern und der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz das Außenwirtschaftsinstrumentarium wirkungsvoll ab. Dies alles trägt mit dazu bei, dass Rheinland-Pfalz auf dem japanischen Markt gut positioniert ist und seine Chancen dort konsequent nutzt. Günter Eymael Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort Junichi Kosuge
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Vorwort Günter Eymael
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Einführung in die Thematik Japan – Über Märkte und Management in der mächtigsten Wirtschaftsregion Asiens Klaus Bellmann und René Haak
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Teil I Japan ist wieder da Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan: Kurzzeitige Aufhellung oder nachhaltige Entwicklung? Werner Pascha
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Japan ist wieder da – Perspektiven für deutsche Unternehmen Wilhelm F. Meemken
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Chancen auf japanischen Wachstumsmärkten Shunzo Arai und Katharina Bandlow
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Herausforderungen und Chancen für deutsche Unternehmen in Japan Kerstin Teicher
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Teil II Konsumgütermärkte Produkt- und Produktionsmanagement für Konsumgüter auf dem japanischen Silbermarkt Frank Himpel und Andrea Berzlanovich
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Japans Konsumelektronik setzt Standards Jürgen Maurer
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Strategien ausländischer Unternehmen am japanischen Kosmetikmarkt Franz Waldenberger und Alexander von Mylius
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Gewinnorientierte Preisverhandlungen in Japan Pawel Komender
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Eintritt in den japanischen Markt– Strategien im Überblick René Haak
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Teil III Industriegütermärkte Innovation und Entrepreneurship: Japans Wettbewerbsfähigkeit in institutioneller Perspektive Cornelia Storz
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Strategische Implikationen für Akteure auf dem japanischen Gesundheitsmarkt Frank Himpel und Jörg M. Krütten
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Toyota – Managementsystem des Wandels René Haak
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Erneuerbare Energien – Kooperationsoptionen für deutsche Unternehmen in Japan Frank Himpel und Markus Pütz
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Inhaltsverzeichnis
Als Dienstleister am Puls der Unternehmen Günter Jertz
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Teil IV Interkulturelle Aspekte Japanisches Personalmanagement im Spannungsfeld zwischen Kontinuität und Wandel Markus Pudelko
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Bildung und Berufsbildung in Japan Helmut Demes und Walter Georg
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Deutsche Qualität unter japanischer Lupe Elizabeth Stich
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Das Japangeschäft – interkulturelle Aspekte des Geschäftserfolgs Ulrike Maria Haak
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Autorenverzeichnis mit Kurzlebensläufen und Kontaktadressen
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Teil I Japan ist wieder da Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan: Kurzzeitige Aufhellung oder nachhaltige Entwicklung? Werner Pascha
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Japan ist wieder da Wilhelm F. Meemken
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Chancen auf japanischen Wachstumsmärkten Shunzo Arai und Katharina Bandlow
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Herausforderungen und Chancen für deutsche Unternehmen in Japan Kerstin Teicher
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Einführung in die Thematik Japan – Über Märkte und Management in der mächtigsten Wirtschaftsregion Asiens Klaus Bellmann und René Haak
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Japan Über Märkte und Management in der mächtigsten Wirtschaftsregion Asiens Klaus Bellmann und René Haak *
* Univ.-Prof. Dr. Klaus Bellmann, Center of Market-Oriented Product and Production Management (CMPP), Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Produktionswirtschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dr.-Ing. René Haak, Bundesministerium für Bildung und Forschung, vormals stellvertretender Institutsdirektor Deutsches Institut für Japanstudien (DIJ), Tokyo.
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Der japanische Markt ist groß, zukunftsorientiert, und seine Konsumenten sind wohlhabend und anspruchsvoll. Mit einem BIP von 4.571 Mrd. US-Dollar im Jahre 2005 zählt Japan mit Abstand zur größten Volkswirtschaft Asiens. Japan gebührt eine besondere Aufmerksamkeit in den Strategien westlicher Unternehmen, die dieses wirtschaftliche Schwergewicht in den letzten Jahren aufgrund der oft blinden Begeisterung für den chinesischen Markt vernachlässigten. Der Anteil Japans am Weltkonsum beträgt etwa 20 Prozent, und dies bei einer Bevölkerungsgröße, die gerade einmal einem Zehntel der chinesischen Bevölkerungszahl entspricht. Japan wird, auch wenn China und Indien in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen, weiterhin in der Spitzenliga der Weltwirtschaft bleiben. Japanische Märkte, japanische Technologie und nicht zuletzt japanische Produkt- und Fertigungstechnologie setzen Maßstäbe im internationalen Geschäft und dominieren zu einem nicht geringen Teil die aufstrebenden Märkte in Asien-Pazifik. So wird Japan seine Stellung als führende Wirtschaftsnation mit dem höchsten Bruttosozialprodukt, der höchsten Kaufkraft und vielen international erstklassig positionierten Unternehmen und Forschungsinstitutionen auch in den nächsten Jahren behaupten. Und vergessen werden sollte auch nicht, bei aller durch die Medienwelt verbreiteten Begeisterung für China und Indien, dass Japan immer noch, nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist. Das Land hat den Modernisierungsprozess, der seinen Aufstieg in die Weltwirtschaft begründete, erst in den letzten 150 Jahren vollzogen, nachdem es zuvor über Jahrhunderte hinweg eine Politik der Abschottung und Isolation gegenüber dem Ausland betrieben hatte. Auf die Jahre des Wirtschaftsbooms folgte in den 90er Jahren mit dem Platzen der Seifenblasenwirtschaft eine Phase der Stagnation und Verunsicherung, die das Land aus eigenen Mitteln nun wieder verlässt. In Folge der Asienkrise schrumpfte die japanische Wirtschaft in den Jahren 1998 und 1999, in den Jahren 2000 und 2001 verharrte das japanische Bruttoinlandsprodukt auf mageren Wachstumsraten von 0,4 und 0,1 Prozent, und erst ab 2003 zeigte sich dann eine andauernde Erholung der Wirtschaft mit jährlichen Wachstumsraten um zwei Prozent. So kann heute wieder von einem guten Wachstum der Wirtschaft gesprochen werden, das für die Zukunft hoffen lässt. Für das Engagement deutscher Unternehmen bieten sich damit vielfältige Chancen, die nicht immer selbstverständlich waren. Nach dem zweiten Weltkrieg lag die japanische Wirtschaft am Boden, und der japanische Markt galt für viele westliche Unternehmen als unbedeutend. Erst mit dem einsetzenden
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Wirtschaftswachstum Mitte der 1950er Jahre änderte sich diese Einschätzung westlicher Unternehmen. Der wichtigste Faktor für die rasante Wirtschaftsentwicklung Japans nach dem zweiten Weltkrieg war der rapide industrielle Aufschwung, der im Kern durch Massenproduktion und Automatisierungstechnologie getragen wurde. Für die wirtschaftliche Entwicklung Japans nach dem zweiten Weltkrieg waren vor allem die Reformen im Verlauf der amerikanischen Besatzungszeit bedeutend. Die Dekonzentrationsmaßnahmen, die ihren Niederschlag in der kapitalbezogenen, organisatorischen und personellen Entflechtung der zehn großen Wirtschaftskonglomerate (zaibatsu) fanden, schufen wesentliche Voraussetzungen für den Wettbewerb, der die Wiederaufbau- und Hochwachstumsphase bis Anfang der siebziger Jahre trug. Der Nachfrageboom im Zuge des Koreakrieges trug maßgeblich zur Erholung der japanischen Wirtschaft bei, die sich noch zu Beginn der 1950er Jahre in einem labilen Zustand befand. Nach einer kurzen Phase, in der sich nach dem Korea-Boom die Wachstumsraten etwas verringerten, vor allem bedingt durch die nachlassenden privaten Anlageinvestitionen, begann von 1956/57 an die Periode des so genannten Investitionsbooms, kôdo seichô (rapides Wachstum). Die hohen Investitionen waren auf die Entwicklung der Schwerindustrie ausgerichtet. Die Entwicklung neuer Produkte, aber auch die Verbesserung von Prozesstechnologien standen im Vordergrund des unternehmerischen Technologiemanagements. Die Produktionskapazitäten sollten gesteigert, die Modernisierung und Rationalisierung der Produktionsanlagen weiter vorangetrieben werden. Die Wirtschaftspolitik war auf Wachstum festgelegt. Das strategische Marketing vieler japanischer Unternehmen der Konsumgüterbranchen richtete die Unternehmensressourcen auf die Marktdurchdringung und auf die Ausweitung des Marktanteils aus. Das reale jährliche Wirtschaftswachstum lag in Japan zwischen 1955 und 1960 bei 8,6 %, zwischen 1960 und 1965 bei 10,6 % und von 1965 bis 1970 erreichte es sogar den durchschnittlichen Spitzenwert von 11,2 %. Auch wenn die Hochwachstumsphase der japanischen Wirtschaft bis zur ersten Ölkrise 1973/74 nicht frei von konjunkturellen Schwankungen blieb, so war die wirtschaftliche Expansion in den sechziger Jahren nicht zuletzt in Anbetracht der Zerstörungen im Verlauf des zweiten Weltkrieges doch erstaunlich. Bis in die 1950er Jahre hinein überwogen im verarbeitenden Gewerbe jene Zweige, die auch in der Vorkriegszeit vorherrschend waren, wie beispielsweise die Textilin-
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dustrie. Doch zu den Hauptträgern der Hochwachstumsphase entwickelten sich neben den Grundstoffindustrien vor allem die Montageindustrie wie der Automobilbau, die Elektrotechnik, der Maschinenbau, besonders der Werkzeugmaschinenbau, und die Feinmechanik. Der japanische Staat förderte bestehende und neue Industriezweige durch steuerliche Vergünstigungen und durch die Vergabe günstiger Kredite. Für den Import von Rohstoffen und fortschrittlicher Maschinentechnologie wurden gezielt Devisen zugeteilt. Darüber hinaus schloss man große Teile des Inlandsmarkts gegenüber Importen und Direktinvestitionen, um so einerseits die im Aufbau befindliche heimische Industrie zu schützen, andererseits erleichterte die Abschottung den Technologieimport, weil sie die Optionen ausländischer Unternehmen, am japanischen Markt zu partizipieren, auf die Lizenzierung von Technologie reduzierte. So entwickelten zwar viele westliche Unternehmen angesichts der schnell wachsenden japanischen Wirtschaft ein Interesse an einer Präsenz auf dem japanischen Markt, doch waren durch den japanischen Staat hohe, fast unüberwindbare Hürden für ausländische Direktinvestitionen errichtet worden. Zu dieser Zeit mussten sich westliche Unternehmen häufig mit einer Minderheitsbeteiligung in einem Joint-Venture mit einem japanischen Unternehmen zufrieden geben, um überhaupt an den Fortschritten des japanischen Marktes Anteil zu haben. Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre, als der weltweite Erfolg japanischer Unternehmen nicht mehr zu übersehen war empfanden vor allem US-amerikanische Unternehmen das Vorgehen der japanischen Unternehmen als zentrale Herausforderung im nationalen und internationalen Wettbewerb. Japanische Unternehmen strebten nicht nur in Japan selbst, sondern vor allem seit den frühen 80er Jahren in den USA nach einer Ausweitung ihrer Marktmacht. Umfangreiche Investitionen in Produktionsund Vertriebseinrichtungen, eine auf den Konsumenten ausgerichtete Produkt- und Preispolitik sowie eine auf kontinuierliche Verbesserung (kaizen) der Fertigungstechnik und -abläufe ausgerichtete Unternehmensphilosophie führten zu einer zuvor nicht gekannten Produktivitäts- und Qualitätssteigerung, die die Marktmacht japanischer Hersteller in Schlüsselbranchen wie der Automobil-, der Elektro- und Elektronik- sowie vielen Bereichen der Konsumgüterindustrie manifestierte. Der Erfolg japanischer Unternehmen wurde in jenen Jahren nicht als Chance begriffen. Westliche Unternehmen empfanden etablierte japanische Unternehmen als Bedrohung ihrer Marktstellung. Positiv gewendet, sahen westliche Manager in den aufstrebenden japanischen Unternehmen eine Herausforderung, der man begegnen musste, wenn man
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die traditionell führende Position auf Schlüsselmärkten im eigenen Land und in den aufstrebenden neuen Märkten aufrechterhalten wollte. Seit mehr als 20 Jahren wird nun schon nach den Gründen für die Wettbewerbsfähigkeit japanischer Unternehmen geforscht, nach Gründen für ihre Stärke und Marktmacht auf den ausländischen, vor allem aber auch auf ihrem Heimatmarkt. Es liegen mittlerweile eine Vielzahl von Analysen und Studien vor, die beschreiben, wie japanische Unternehmen neue Produkte entwickeln, Märkte erschließen, Arbeitsabläufe in der industriellen Produktion organisieren und die Qualität ihrer Erzeugnisse sicherstellen. Sich mit den Ursachen für die japanische Stärke auseinander zu setzen, galt als Erfolgsrezept, um sich erfolgreich im japanischen Markt zu behaupten und gleichzeitig den international aktiven japanischen Unternehmen auf anderen viel versprechenden Märkten „die Stirn zu bieten“. Die „Erfolgsgeschichte“ vieler japanischer Unternehmen stellte zugleich auch eine theoretische Herausforderung dar. Mit den etablierten Ansätzen der Managementlehre ließ sich die Entwicklung vieler japanischer Unternehmen offensichtlich nicht erklären. Die schlechte japanische Rohstoffposition und die unzureichende Verfügbarkeit von Land wiesen eher Wettbewerbsnachteile auf, die die japanische Volkswirtschaft am Ende doch zum Vorteil gereichten, da diese Rahmenbedingungen den Zwang auslösten, sich auf High-Tech Industriebereiche zu konzentrieren und diese Situation darüber hinaus eine andauernde Prozessrationalisierung in fast allen Industriebereichen induzierte (Porter 1990). Die Rolle des Staates für die Entwicklung der japanischen Wirtschaft ist sehr ausführlich von Johnson (1982) beschrieben worden. Eine große Bedeutung wurde in diesem Zusammenhang dem Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (Ministry of International Trade and Industry, MITI), heute Ministry of Economy, Trade and Industry (METI) zugeschrieben, und zwar vor allem im Hinblick auf die Unterstützung und Koordination von Grundlagenforschung. Für die 1980er Jahre weist jedoch Porter (1990: 398) darauf hin, dass die Rolle des MITI hier nicht überschätzt werden dürfte, da sich der wesentliche Teil der Forschungen in den F&E Abteilungen einzelner Unternehmen abspielte und keineswegs kollektiv zugänglich war. Auch die Netzwerkstruktur japanischer Unternehmen wird als ein zentraler Faktor für den Erfolg der Unternehmen angeführt (Imai 1989; Odagiri 1992, Sydow 1992). Für Chandler (1990; 1992) ist die Netzwerkstruktur japanischer Unternehmen so zentral, dass er von der japanischen Wirtschaft als einem „Group Enterprise Capita-
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lism“ spricht. In Erweiterung der Arbeiten von Chandler sieht Suzuki (1991) die Entwicklung und Stärke der japanischen Unternehmen durch eine Internalisierung der Ressource Personal. In den führenden Unternehmen der Textil- und Maschinenbauindustrie und der Metallverarbeitung habe es Anfang des 20. Jahrhunderts in besonderer Weise das Problem gegeben, genügend und hinreichend ausgebildetes Personal zu akquirieren und im Unternehmen auch zu halten. Unter diesen Bedingungen wurde damit begonnen, ein internes Training aufzubauen und ein Entlohnungssystem zu entwickeln, das auf der Länge der Firmenzugehörigkeit basierte. In Einklang mit Suzuki (1991) werden im Ansatz von Odagiri (1992), der im wesentlichen auf einer ressourcenorientierten Sichtweise nach Penrose (1959) aufbaut, vor allem die Personalressourcen und die Bedeutung lebenslanger Beschäftigungsverhältnisse für den Unternehmenserfolg herausgestellt. Damit verbunden sind nach Odagiri zwei Aspekte. Zum einen die starke Wachstumsorientierung der japanischen Unternehmen und zum anderen die hohe Wettbewerbsintensität auf allen Märkten. In seinem Ansatz erklärt er dieses Verhalten damit, dass bei der Erwartung einer lebenslangen Beschäftigung eine Präferenz für starkes Wachstum ganz natürlich sei, weil damit langfristig gute Ertragschancen sowie eine Ausweitung von interessanten Arbeitsfeldern und Karriereoptionen einhergingen. Starkes Wachstum fördere aber einerseits auch direkt die Konkurrenz zwischen den Unternehmen. Anderseits sei durch die Bindungen des Einzelnen an das Unternehmen ein Unternehmenswechsel nicht ohne weiteres möglich. Das aber wirke sich förderlich auch für den internen Wettbewerb zwischen den Mitarbeitern aus. All dies habe Auswirkungen auf die Marktstrukturen, auf wirtschaftliche Stabilität und Wachstum, technischen Fortschritt und internationale Wettbewerbsfähigkeit, auf makroökonomische Strukturbedingungen, die sich dann ihrerseits wiederum produktiv für das Angebot von Human Ressourcen sowie von finanziellen Ressourcen auswirken. Odagiris Ansatz kann einen Teil der empirischen Evidenz zum japanischen Unternehmens- und Markterfolg erklären, doch ist seine Analyse hinsichtlich der Überbetonung des Human-Resource-Arguments und die gleichzeitige Abwertung des Einflusses der Kapitalgeber problematisch. Aoki (1989) setzt sich intensiv mit dem Faktor „HumanResource“ und dem Faktor „Kapital“ auseinander, wobei die Überbewertung des Faktors Human Ressource für eine Erklärung japanischer Unternehmenserfolge zu kurz greifen würde (1989: 363). Zusammenfassend unterscheidet Aoki (2000) zwei Arten, wie Unternehmen erfolgreich zu betreiben sind und sich dadurch langfristig auf dem Heimatmarkt und wettbewerbsintensiven internationalen Märkten durchsetzen. Den zentralen Kern für den
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Erfolg japanischer Unternehmen (J-Typ) sieht Aoki darin begründet, einen intensiven horizontalen Informationsaustausch mit einer vertikal orientierten Kontrolle über Aufstieg und Kontrolle der Mitarbeiter zu verbinden. Der freie Informationsfluss in japanischen Unternehmen, der erhebliche positive Wirkungen für die Unternehmensentwicklung entfaltet, erhält durch die vertikale Kontrolle eine klare Anreizstruktur. Die amerikanische Firma (A-Typ) löst das Problem der Abstimmung zwischen Informationsaustausch und Anreizen im Personalsystem auf eine andere Art. Die Firma des ATyps verbindet ein horizontal durchlässiges Personalsystem, das eine starke Spezialisierung mit den dabei möglichen Vorteilen einschließt und externe Arbeitsmärkte zur Karrieresteuerung nutzt, mit einer relativ rigiden Abschottung der vertikal orientieren Informationskanäle. Aoki geht davon aus, dass beide System auf ihre Art erfolgreich sein können und spricht in diesem Zusammenhang von einem Dualismusprinzip. Die Vorzugwürdigkeit eines Typus hängt von den jeweiligen Umfeldbedingungen ab; konkret also von der Dynamik der Branchenumwelt eines Unternehmens, wie sie sich zum Beispiel durch neue Wettbewerber und Zulieferer, veränderte Konsumententrends oder auch durch die Verfügbarkeit neuer Technologie und Materialien zeigen kann. So diskutiert Aoki vor allem den Grad von Unsicherheit in der Unternehmensumwelt und kommt zu dem Schluss, dass bei sehr niedriger als auch bei extrem hoher Unsicherheit vor allem der hierarchische A-Typus erfolgreicher ist. Bei mittlerer Unsicherheit kommen eher die Vorzüge des J-Typus zum Tragen. Daraus leitet Aoki (1994) die Erfolge japanischer Unternehmen in den Verarbeitungs- und Montageindustrien wie Automobil-, Elektroindustrie etc. ab und stellt dem die Vorteile des A-Typus in den Bereichen Luftfahrt und Chemie gegenüber. Kommunikation und Information sowie Personal-Anreizsysteme sind zentrale Säulen in seinem Erklärungsansatz. Ohne im Rahmen dieser Einleitung weiter auf die nach der Agency-Theorie und der modernen Spieltheorie abgefassten Analysen Aoki´s weiter einzugehen, lässt sich doch zumindest festhalten, dass für die die Erklärung des Erfolgs japanischer Unternehmen das Human Resource Management eine ganz entscheidende Rolle einnimmt. Zu den einflussreichsten Arbeiten auf dem Gebiet des Human Resource Management zählt die Entwicklung der Theorie Z von Ouchi (1981), die als eine Weiterführung der Arbeiten von McGregor (1960) über „Theorie X und Y“ verstanden werden kann. McGregor ging zunächst von der Annahme aus, dass jede Führungsentscheidung auf einer Reihe von Hypothesen über die menschliche Natur und menschliches Verhalten beruht. Die Annahmen der traditionellen Managementansätze fasst er unter dem Begriff der Theorie X zusammen und stellt ihnen als Idealtyp die Theorie Y gegenüber.
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Die Theorie X geht davon aus, dass der Mensch eine angeborene Abscheu vor Arbeit hat und demnach so gut es geht versucht, sie zu vermeiden. Dieser Annahme entsprechend müssen die meisten Menschen kontrolliert, geführt und mit Strafandrohung gezwungen werden, einen produktiven Beitrag zur Erreichung der Organisationsziele zu leisten. So basiert die Theorie X auf der Grundannahme, dass der Mensch gerne geführt wird, Verantwortung meidet und wenig Ehrgeiz besitzt sowie sich vor allem Sicherheit wünscht. Demgegenüber stellt die wichtigste Annahme der Theorie Y heraus, dass der Mensch keine angeborene Abneigung gegenüber Arbeit besitzt. Im Gegenteil, Arbeit wird in dieser Theorie als eine wichtige Quelle von Zufriedenheit begriffen. Wenn der Mensch sich mit den Zielen der Organisation identifiziert, sind externe Kontrollen durch das Management oder durch vorgegebene Organisationsstrukturen unnötig. Der Mitarbeiter wird Selbstkontrolle und eigene Initiative entwickeln und somit einen besseren Beitrag zur Zielreichung des Unternehmens leisten. Als die wichtigsten Arbeitsanreize werden die Befriedigung von „Ich-Bedürfnissen“ und das Streben nach Selbstverwirklichung in der Theorie Y genannt. So nimmt die Theorie weiter an, dass der Mensch bei entsprechender Anleitung eigene Verantwortung sucht und Einfallsreichtum und Kreativität des Mitarbeiters in den Betrieben keine Ausnahme darstellt, sondern weit verbreitet ist, jedoch in den meisten industriellen Betrieben kaum aktiviert wird. McGregor, aufbauend auf der Hypothese von Maslow (1954), dass die menschlichen Bedürfnisse in einer Hierarchie angeordnet seien, sieht das Streben der Menschen, ihre Motivation sich in den industriellen Arbeitsprozess einzubringen, nicht auf die Befriedigung materieller Bedürfnisse (Annahme Theorie X) reduziert, sondern vor allem durch das Streben nach der Befriedigung sozialer und ideeller Bedürfnisse (Annahme Theorie Y). Obwohl diese Aussage von McGregor in dieser allgemeinen, undifferenzierten Form nicht aufrechtzuerhalten sind und er es auch versäumt die Bedingungen zu nennen, unter denen die Annahmen der Theorie X und diejenigen der Theorie Y Gültigkeit beanspruchen, so war doch seine stark simplifizierende Beschreibung des dualistisches Ansatzes sehr eingängig. Ouchi (1981) bediente sich dieser dualistischen Gegenüberstellung, um sein auf der Grundlage intensiver vergleichender Studien USamerikanischer und japanischer Managementmethoden entwickeltes normatives Führungs- und Machtmodell vorzustellen. Ouchi ging von der Annahme aus, dass sich die nordamerikanische und japanische Gesellschaft und ihre Organisationen signifikant unterscheiden. Die kulturelle Umwelt US-amerikanischer Unternehmen beschreibt Ouchi als heterogen, mobil und individu-
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alistisch orientiert. Die japanische Gesellschaft hingegen wird eher als homogen, stabil und kollektivistisch gekennzeichnet. Die signifikanten Merkmalsunterschiede nordamerikanischer Unternehmen (Typ A) und japanischer Unternehmen (Typ J) sind klar voneinander zu unterscheiden. So sind US-amerikanische Unternehmen durch kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse, häufige Leistungsbewertung und schnelle Beförderung, spezialisierte Karrierewege, explizite Kontrollmechanismen, individuelle Entscheidungsfindung und Verantwortung charakterisiert. Im Gegensatz hierzu wird der Typ J durch lebenslange Beschäftigung, seltene Leistungsbewertung und langsame Beförderung, breite Karrierewege („wandering around“), implizierte Kontrollmechanismen und vor allem durch kollektive Entscheidungsfindung und Verantwortung charakterisiert. Über den Typ A und Typ J hinausgehend, entwarf Ouchi den Typ Z. Bei Z-Unternehmen handelt es sich um originär amerikanische Unternehmen, die ein japanisches Profil aufweisen, ohne jemals versucht zu haben, japanische Unternehmen zu kopieren. Sie sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die Kultur dieser Unternehmen vor allem durch Vertrauen, Freundschaft und Zusammenarbeit geprägt ist. Im Kern forderte Ouchi Anfang der 1980er Jahre den Übergang der amerikanischen Unternehmenskultur zu seiner Theory Z, um erfolgreich im Wettbewerb gegenüber japanischen Unternehmen zu bestehen. Pascale und Athos (1981) empfahlen, statt auf die „harten“ nunmehr verstärktes Gewicht auf die „weichen“ Variablen des Managementprozesses zu legen. In der Sprache des 7-S Ansatzes von McKinsey hieß dies „Skills, Staff, Style and Superordinate Goals“ (Pascale und Athos 1981; Peters und Waterman 1982; Nonaka und Johansson 1985). Auf der Suche westlicher Manager und Wissenschaftler nach japanischen Erfolgsmethoden und der daraus resultierenden Marktmacht wurden häufig Ursachen und Folgen verwechselt. Die Qualifikation der japanischen Mitarbeiter, ihre Arbeitsmoral und die Loyalität gegenüber dem Unternehmen ermöglichten erst die Erfolgsmethoden zu praktizieren und langfristig weiterzuentwickeln (kaizen). Nicht einzelne Managementtechniken und Formen der Arbeitsorganisation, wie Kanban, Just-in-Time oder auch Qualtitätszirkel, bestimmten den Erfolg japanischer Unternehmen, sondern die durch die japanischen Mitarbeiter verinnerlichte Unternehmensphilosophie des kontinuierlichen Wandels, der Suche nach fortwährender Verbesserung, die als Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit und damit für das langfristige Marktmacht des Unternehmens fungieren Das japanische Human Resource Management stellt eine Schlüsselgröße zum Verständnis der Wettbewerbsfähigkeit japanischer Unternehmen dar. Grundlage des japa-
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nischen Human Resource Managements sind eine Reihe von Normen und Prinzipen, die in erfolgreichen japanischen Unternehmen mit großer Konsequenz umgesetzt werden. So spielt Vertrauen und Treue zwischen Unternehmen und Mitarbeiter ebenso eine große Rolle wie ein am Wohl des Unternehmens orientierter Interessenausgleich der Unternehmensführung und der Mitarbeiter. Man würde sicherlich nicht zu weit gehen, wenn man eher von einer japanischen Human-Resource Philosophie spricht, in der nicht zuletzt auch die Gleichheit der Mitarbeiter mitschwingt. Intensive, auch außerhalb des Arbeitsalltags hinausreichende Kommunikation zwischen Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten, ein hohes Maß an Leistungswille, Disziplin und Einsatzbereitschaft für das Unternehmen sowie eine auch über die Arbeitsbeziehungen hinausreichende Fürsorge des Unternehmens für seine Mitarbeiter bestimmten Jahre lang das Bild der japanischen Human-Resource-Philosophie. Zu den weithin bekannten Charakteristika des japanischen Human Resource Managements zählten vor allem die lebenslange Beschäftigung, die Entlohnung und Beförderungen nach dem Lebensalter (Senioritäts-Prinzip) und die häufig auf Ausgleich zwischen Leitung und Mitarbeitern ausgerichteten Betriebsgewerkschaften. Gruppenorientierung und Harmonie als Gebote der Zusammenarbeit, zirkuläre, eher von unten nach oben laufende Entscheidungsprozesse, die alle betroffenen Mitarbeiter mit einbeziehen, und patriarchalische Führung, basierend auf Loyalität und Gefolgschaft durch den Mitarbeiter sowie persönliche Unterstützung und Förderung durch den Vorgesetzten prägten das Bild des japanischen Human Resource Management. Trifft dieses Bild heute noch zu? Welche Veränderungen hat das japanische Human Resource Management in den letzten Jahren erfahren? Auch hierüber wird der Band Auskunft geben. Doch beginnen wir systematisch: Der Band gliedert sich in drei Abschnitte: Teil I:
Japan ist wieder da,
Teil II:
Konsumgütermärkte,
Teil III:
Industriegütermärkte und
Teil IV: Interkulturelle Aspekte. Der erste Teil öffnet das Thema mit der Diskussion der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Die neunziger Jahre werden in Japan häufig als das „verlorenes Jahrzehnt“ bezeichnet. Rezessive Tendenzen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung überlagerten die Phasen wirtschaftlicher Erholung. Doch die letzten drei Jahre der wirtschaftlichen Bilanz lassen den Ausruf „Japan ist wieder da“ mehr als
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gerechtfertigt erscheinen. In seinem Beitrag zeichnet Werner Pascha ein Bild der japanischen Konjunkturperspektiven. Hierbei setzt er sich mit drei zentralen Fragestellungen auseinander: Unterscheidet sich der gegenwärtige Aufschwung von den Strohfeuer-Erholungen der 90er Jahre? Was ist die entscheidende Basis der vom Binnenmarkt ausgehenden Belebung? Zuletzt geht Pascha der Frage nach, ob die starke Staatsverschuldung das Land in eine Finanzkrise stürzen kann. Wilhelm F. Meemken verdeutlicht in seinem Beitrag die Wirkungen der Reformmaßnahmen unter der Regierung Koizumi, die sich nicht zuletzt in den Rekordgewinnen japanischer Unternehmen und der zunehmenden Konsumfreude der Japaner in den letzten beiden Jahren zeigen. Die Deflation scheint endlich überwunden, die Börse weist ein dynamisches Bild mit steigenden Aktienkursen auf. Fazit: Japan präsentiert sich als eine gefestigt wachsende Ökonomie, die gestärkt aus den Krisen der letzten Jahre hervorgegangen ist. Auf die spezifischen Chancen für ausländische Unternehmen auf japanischen Wachstumsmärkten gehen die Autoren Shunzo Arai und Katharina Bandlow in ihrem Beitrag detailliert ein. Sie stellen die komparativen Standortvorteile Japans, wie Marktgröße, Kaufkraft der Verbraucher sowie die Infrastruktur und rechtliche Rahmenbedingungen vor. Ergänzt wird diese kenntnisreiche Aufarbeitung durch die Präsentation der attraktivsten Sektoren, wie der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Umwelttechnologie, der Medizin- und Gesundheitstechnologie sowie der Automobilzulieferindustrie. Den Schluss des ersten Teils des Bandes und zugleich den Übergang zum nächsten Abschnitt bildet der Beitrag von Kerstin Teicher, die Herausforderungen und Chancen für deutsche Unternehmen in Japan untersucht. Sie stellt am Beispiel von japanischen Konsumgüterherstellern dar, welche Besonderheiten in Japan aktuell bedeutsam sind, wie Zielgruppen im Rahmen eines international ausgerichteten Marketing-Mix in Japan identifiziert und angesprochen werden und wie man mit deutschen Produkten in Japan erfolgreich sein kann, wobei sie auf eine Vielzahl von Praxisbeispielen zurückgreift. Im zweiten Abschnitt „Konsumgütermärkte“ stehen zunächst der japanische Silbermarkt und das Verhalten der Konsumenten in diesem Markt mit ihren individuellen Prädispositionen im Fokus der Betrachtung. Frank Himpel und Andrea Berzlanovich durchmustern die grundsätzlichen Unterschiede in den Anforderungsprofilen von älteren und jüngeren Konsumenten an die funktionalen Eigenschaften von Konsumgütern. Die aufgezeigten Sachverhalte legen nahe, die Besonderheiten nicht nur beim Pro-
Japan – Über Märkte und Management in der mächtigsten Wirtschaftsregion Asiens
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duktmanagement, sondern auch beim Produktionsmanagement von Konsumgütern zu bedenken. Jürgen Maurer thematisiert die Pionierrolle der japanischen Konsumelektronik. Digitalisierung, Standardisierung und Konvergenz mit der Informationstechnik lassen weltweit ein hohes Marktwachstum in der Zukunft erwarten. Als globale Marktspieler wollen japanische Konzerne davon verstärkt profitieren. Sie versuchen deshalb, durch Innovationen technologisch einen Vorsprung und somit die Marktführerschaft zu erhalten und durch Kooperationen mit anderen japanischen Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen. Franz Waldenberger und Alexander von Mylius mustern die Schwierigkeiten und Chancen eines nicht-japanischen Kosmetikunternehmens bei einem Engagement in Japan. Auch wenn ausländische Unternehmen im japanischen Kosmetikmarkt immer noch stark unterrepräsentiert sind und nicht nur mit den traditionellen kulturellen Unterschieden zu kämpfen haben, so handelt es sich doch um einen viel versprechenden asiatischen Markt, in den der Eintritt nur über originäre Strategien gelingen kann. Über den Erfolg eines Unternehmens in Japan entscheidet letztlich der richtige Preis. Diese These ist Anlass für Pawel Komender, sich mit der Wichtigkeit und der Durchsetzung des richtigen Preises in Verhandlungen zu befassen. In seinem Beitrag zeigt er auf, wie der Preisverhandlungsprozess unter den Besonderheiten des japanischen Marktes erfolgreich abgeschlossen werden kann. Das Eintreten in den japanischen Markt und sich in dieser hoch wettbewerbsintensiven Umwelt langfristig zu behaupten, gehören zu den großen aktuellen unternehmerischen Herausforderungen. René Haak bietet einen grundlegenden Überblick über die wesentlichen Strategien des Markteintritts und der Marktbearbeitung in Japan. Dabei sollte nicht allein auf die Wirkung des Marketings abgestellt werden. Auch andere Funktionen, in denen japanische Unternehmen internationale Standards setzen, wie bspw. Forschung & Entwicklung, Produktdesign oder Service, können instrumentell Wirkung entfalten. Der dritte Abschnitt wendet sich den Besonderheiten japanischer Industriegütermärkte und den damit verbundenen Problemstellungen zu. Cornelia Storz setzt sich kritisch mit dem japanischen Innovationssystem auseinander. Während bis etwa Ende der 80er Jahre das japanische Innovationssystem als besonders nachahmenswert galt, haben sich seine Schwächen hinsichtlich des Eintritts in neue Technologiefelder offenbart. In sämtlichen als Zukunftstechnologien geltenden Sektoren wie bspw. Biotechnologie
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Klaus Bellmann und René Haak
oder Softwaretechnologie ist Japan auf dem Weltmarkt kaum oder gar nicht präsent. Der Beitrag identifiziert Systemmängel und Reformansätze und geht insbesondere der Frage nach, inwieweit das japanische Modell Unternehmertum und Innovationen behindert. Der Markt für Medizintechnik ist einer der bedeutenden Wachstumsmärkte in Japan und aufgrund seines hohen Potentials eine äußerst attraktive Arena für ausländische Investoren. Aus den Gegebenheiten des Marktumfelds und der Marktstrukturation leiten Frank Himpel und Jörg M. Krütten strategische Implikationen für Marktakteure ab, wobei insbesondere produkt- und preispolitische Gestaltungsoptionen im Blickpunkt stehen. Die Forschung ist sich weitgehend einig, dass die guten Ergebnisse des japanischen Automobilherstellers Toyota das Ergebnis produkt- und produktionstechnischer Exzellenz sind. René Haak zeigt in seinem Beitrag auf, dass die Stärke von Toyota in dem Management des Wandels begründet ist, ein Managementsystem, das Veränderungen nicht als Krise und Gefahr, sondern als Chance perzipiert. Frank Himpel und Markus Pütz untersuchen Kooperationsoptionen für deutsche Unternehmen in Japan mit dem Fokus auf Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien. Angesichts der weltweiten Marktpotenziale derartiger Technologien kann eine deutsch-japanische Zusammenarbeit auf den Feldern Anlagenbau und -betrieb sowie Forschung & Entwicklung und Beratung sowohl beim Auf- und Ausbau von neuen Kompetenzen als auch bei der Nutzung von Kompetenzvorsprüngen für beide Seiten attraktive Geschäftschancen eröffnen. Wie kaum ein anderes Land profitiert Deutschland von offenen Weltmärkten und internationalen Verflechtungen. Kleine und mittlere Unternehmen weisen jedoch häufig Defizite in der internationalen Expansion ihres Geschäftsfelds aus. Um Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern, sollten diese insbesondere in wachsenden Märkten intensiver nach Globalisierungschancen suchen. Vor diesem Hintergrund informiert Günter Jertz über Initiativen, außenwirtschaftliche Veranstaltungen und Dienstleistungen der Industrie- und Handelskammern zur Förderung von Auslandsaktivitäten. Der letzte Teil des Bandes, der sich den interkulturellen Aspekten eines unternehmerischen Engagements in Japan widmet, befasst sich zunächst mit Entwicklungen im japanischen Personalmanagement. Die lang anhaltende Stagnation der japanischen Wirtschaft hat vermehrt zu der Auffassung geführt, dass das japanische Management und
Japan – Über Märkte und Management in der mächtigsten Wirtschaftsregion Asiens
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insbesondere das Personalmanagement sich in einer Krise befinden. Westliche Personalmanagement-Praktiken werden in diesem Zusammenhang oftmals als Vorbild akzentuiert. Markus Pudelko versucht, auf die Frage, inwieweit sich Handlungsmuster aus einem anderen Kulturraum erfolgreich auf den japanischen Kontext übertragen lassen, eine Antwort zu geben. Der hohe Stellenwert der Bildung, der sich in einer starken Bildungsexpansion und in einem intensiven Bildungswettbewerb ausdrückt, ist eines der auffälligsten Merkmale der japanischen Gesellschaft. Helmut Demes und Walter Georg zeigen detailliert die Facetten des allgemeinen Bildungssystems sowie der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Japan auf und setzen sich differenziert mit den Auswirkungen der erkennbaren Entwicklungstrends auseinander. Elizabeth Stich mustert schlaglichthaft die Qualität deutscher Erzeugnisse mit einer japanischen Lupe. Die aufgezeigten Eigenheiten und Eigenarten japanischer Kunden verleiten manchmal zum Schmunzeln, zeigen jedoch zugleich auf, dass deutsche Unternehmen ihre Vorstellungen von Qualität erheblich revidieren müssen, wollen sie im japanischen Markt Erfolg haben: Qualität ist letztlich das, was der Kunde will! Der vierte Teil schließt mit der Untersuchung interkultureller Aspekte, die den Geschäftserfolg in Japan fördern oder behindern können. Gerade bei kleinen und mittleren deutschen Unternehmen bestehen oft starke Vorbehalte und erhebliche Bedenken gegenüber dem als schwierig geltenden japanischen Markt. Expansionschancen bleiben deshalb oft ungenutzt und werden ausländischen Unternehmen überlassen. Ulrike Maria Haak exemplifiziert an einer ersten Geschäftsreise nach Japan praktische Beispiele und Hinweise, die Vorurteilen und Bedenken ausländischer Unternehmen entgegenwirken und ´zugleich aufzeigen, wie ein Japan-Engagement erfolgreich gestaltet werden kann.
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Teil II Konsumgütermärkte Produkt- und Produktionsmanagement für Konsumgüter auf dem japanischen Silbermarkt Frank Himpel und Andrea Berzlanovich
87
Japans Konsumelektronik setzt Standards Jürgen Maurer
101
Strategien ausländischer Unternehmen am japanischen Kosmetikmarkt Franz Waldenberger und Alexander von Mylius
113
Gewinnorientierte Preisverhandlungen in Japan Pawel Komender
129
Eintritt in den japanischen Markt– Strategien im Überblick René Haak
139
Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan: Kurzzeitige Aufhellung oder nachhaltige Erholung? Werner Pascha *
Inhalt
Kurzfassung 1
Fragen und Thesen
2
Zum Charakter der gegenwärtigen Konjunkturentwicklung
3
Zwischen einzelwirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und gesamtwirtschaftlicher Malaise
4
Japans Staatsverschuldung – die ultimative Konjunkturbremse?
5
Fazit: Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen Aufschwung
Literaturverweise
* Prof. Dr. Werner Pascha, Lehrstuhl für Ostasienwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.
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Werner Pascha
Kurzfassung Der Aufsatz zeichnet ein Bild der japanischen Konjunkturperspektiven vor dem Hintergrund von drei zentralen Fragestellungen. Unterscheidet sich der gegenwärtige Aufschwung von den Strohfeuer-Erholungen der 90er Jahre? Was ist die entscheidende Basis der vom Binnenmarkt ausgehenden Belebung? Und drittens: Kann die überbordende japanische Staatsverschuldung das Land in eine Finanzkrise stürzen? Die Betrachtungen kommen zu dem Ergebnis, dass sich erstmals seit vielen Jahren eine positive Dynamik der heimischen Nachfrage abzeichnet; Motor ist nicht mehr allein der Export. Dabei ist die einzelwirtschaftliche Entwicklung – Restrukturierung der Unternehmen, Gewinndynamik – viel besser als die gesamtwirtschaftliche Performance. Insofern ist das japanische Muster typisch für viele fortgeschrittene Länder, einschließlich Deutschland. Hinsichtlich der Staatsverschuldung wird trotz aller Probleme die tatsächliche Belastung wahrscheinlich überschätzt. So ist die Nettoverschuldung deutlich geringer als die meist ausgewiesene Bruttostaatsschuld. Es bleibt allerdings die Herausforderung, Steuererhöhungen und geldpolitische Schritte sehr sorgfältig auszutarieren.
Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan
1
27
Fragen und Thesen
Japans Wirtschaft macht es dem Beobachter nicht leicht. Viele Jahre dominierten Negativschlagzeilen. Kurzzeitige Erholungen wie im Jahr 1996 blieben Strohfeuer. 1997 verhinderten beispielsweise Steuererhöhungen und die im weiteren Jahresverlauf einsetzende Asienkrise einen nachhaltigen Aufschwung. Auch aktuell ist wieder ein Aufschwung zu verzeichnen. Die Wirtschaft wächst, wenn auch noch bescheiden, die Arbeitslosigkeit geht zurück, ein Ende der Deflation ist absehbar. Schon ist eine vorsichtige Rekalibrierung der japanischen Geldpolitik in Sicht. Ist der gegenwärtige Aufschwung aber wirklich nachhaltiger als seine Vorgänger? Die Börse zieht markant an. Anfang Dezember 2005 überwand sie wieder die 15.000 Punkte-Marke und liegt damit seit Jahresanfang mit über 30 Prozent im Plus. Getragen wird das Börsenplus aber im Wesentlichen noch von Ausländern, die Milliardenbeträge in den japanischen Aktienmarkt investierten. Kann aber das Ausland die Entwicklung in Japan wirklich besser einschätzen als die inländischen Anleger? Sind japanische Investoren einmal mehr Nachzügler bei sich entfaltenden Markttrends? Im Folgenden soll versucht werden, ein realistisches Bild der japanischen Konjunkturperspektiven zu zeichnen: Ist der Alptraum überwunden, und hat die Morgenröte eingesetzt? Auf wenigen Seiten können naturgemäß nicht alle relevanten Aspekte mit der gebotenen Sorgfalt behandelt werden. Insbesondere kann es auch nicht darum gehen, die aktuellsten Konjunkturdaten zu referieren, die zum Zeitpunkt der Drucklegung doch schon wieder überholt sind. Zumindest einige Aspekte sollen aber genauer erörtert werden1. Sie sollen hier in Thesenform vorgestellt werden: Unterscheidet sich der gegenwärtige Aufschwung von den Strohfeuer-Erholungen der 90er Jahre? Ja, es zeichnet sich eine positive Dynamik der heimischen Nachfrage ab; Motor ist nicht mehr (allein) der Export. Was ist die entscheidende Basis der vom Binnenmarkt ausgehenden Belebung? Die einzelwirtschaftliche Entwicklung – Restrukturierung der Unternehmen, Gewinndynamik – ist viel besser als die gesamtwirtschaftliche Performance. Kann die überbordende japanische Staatsverschuldung das Land in eine Finanzkrise stürzen? Die Antwort ist ein vorsichtiges Nein, denn trotz aller Probleme wird die tatsächliche Belastung überschätzt.
28
2
Werner Pascha
Zum Charakter der gegenwärtigen Konjunkturentwicklung
Nach den gängigen Wachstumsschätzungen für 2006 und darüber hinaus kann Japan wieder zu den anderen Ländern der weltwirtschaftlichen Triade aufschließen. Erwartungen um 2 Prozent p. a. erscheinen zwar zunächst kaum Aufsehen erregend, wenn man sie mit dem Schnitt der OECD-Ökonomien vergleicht (vgl. Tab. 1), immerhin wird damit aber wieder das Niveau der Euro-Zone erreicht, und das ostasiatische Land kann gegenüber früheren Jahren positiv überraschen. 2005
2006
2007
reales BIP Wachstum USA
3.6
3.5
3.3
Japan
2.4
2.0
2.0
Euro-Gebiet
1.4
2.1
2.2
OECD Staaten
2.7
2.9
2.9
Inflation USA Japan
2.7
2.5
2.3
-1.1
-0.1
0.6
Euro-Gebiet
1.8
1.7
1.9
OECD Staaten
2.1
1.9
1.9
Arbeitslosenrate USA
5.1
4.8
4.7
Japan
4.4
3.9
3.5
Euro-Gebiet
8.7
8.4
8.1
OECD Staaten
6.5
6.3
6.0
Welthandelswachstum
7.3
9.1
9.2
Anmerkung: Wertangaben in Prozent Quelle: OECD Economic Outlook 78 (2005/12)
Tabelle 1: Japans Wirtschaftsentwicklung im Vergleich
Üblicherweise werden die konjunkturellen Erwartungen an den Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage festgemacht, hinter denen wiederum unterschiedliche Determinanten stehen. Auch hier sollen deshalb sukzessive der binnenwirtschaftliche Konsum, die staatliche Nachfrage, der Exportüberschuss sowie die Investitionen betrachtet werden2. Einen ersten Überblick über aktuelle Trends vermittelt Tab. 2, die zeigt, welchen Beitrag die verschiedenen Teilaggregate zum realen gesamtwirtschaftlichen Wachstum in den zurückliegenden Quartalen geleistet haben.
Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan
29
2004 Real GDP Domestic demand Private consumption Non-Resi. Investment Residental Investment Private Inventory Public Demand Public ment Net Exports of goods and services Exports Imports Nominal GDP
s.a.; q/q % chg. 2005 Q2 Q3 1,2 0,2 1,1 0,3
Q3 0,1 0,3
Q4 -0,1 -0,1
Q1 1,4 1,4
0,3 0,5 0,1 (0.2) -0,8
-0,3 0,7 0,5 (-0.1) 0,3
1,2 3,3 -1,2 (0.1) 0,6
0,7 2,4 -2,1 (0.3) 0,4
0,4 1,6 1,6 (-0.4) 0,5
-3,8 (-0.2) 0,3 1,9 -0,1
-0,1 (-0.0) 1,6 2,1 0.0
-0,5 (-0.0) -0,1 0.0 0,7
1,1 (0.2) 3,1 2,2 0,9
0,3 (-0.0) 2,7 3,3 -0,2
Invest-
Anmerkung: Werte in Klammern zeigen den Beitrag zum realen Wirtschaftswachstum an. Quelle: BOJ Monthly Report 2005/2
Tabelle 2:
Beiträge zum realen Wirtschaftswachstum
Der private Konsum macht allein mehr als die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage aus. Nach Jahren der Stagnation zeichnete sich 2005 eine leichte Erholung ab. Dahinter steht ein entspannteres Verbrauchsklima, wie verschiedene Indikatoren oder Verbraucherbefragungen belegen. Zentral ist dabei die Einkommensentwicklung, die nach Jahren der Stagnation ebenfalls wieder aufwärts weist. Besonders beruhigend ist, dass die zweimal jährlichen Sonderzahlungen, die Boni, wieder zunehmen, was auf eine positive Gewinnentwicklung der Unternehmen hindeutet. Zusätzliches Einkommen wird nur dann im Konsum verausgabt, wenn sich die Zukunftsaussichten positiv entwickeln, wenn man z. B. nicht damit rechnen muss, bald arbeitslos zu werden. Auch diese Rahmenbedingungen haben sich spürbar verbessert. So ist die Arbeitslosigkeit nachhaltig unter fünf Prozent zurückgegangen; auch weist die Zahl der offenen Stellen markant nach oben. Nicht zuletzt hat sich die Qualität der angebotenen bzw. neu besetzten Stellen zum Positiven gewendet: Vermehrt werden wieder reguläre Vollzeitarbeitsplätze geschaffen. Firmen stellen zunehmend in Rechnung, dass der Faktor Arbeit angesichts der Alterung und geringer Immigration von Arbeitskräften immer knapper und strukturbedingt wertvoller wird. Offenbar sind wieder zunehmend Ressourcen verfügbar, um eine langfristig tragfähige Personalpolitik zu wählen. Die öffentlichen Ausgaben haben seit längerem keinen wesentlichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum mehr geleistet. Insbesondere die öffentlichen Arbeiten gehen
30
Werner Pascha
seit Ende der 90er Jahre strukturell zurück, auch wenn in verschiedenen Quartalen des Jahres 2005 positive Beiträge durch erdbebeninduzierte Maßnahmen in der NiigataPräfektur anfielen. Die „Krankheit“ früherer Zeiten, Wirtschaftsaufschwünge durch eine expansive Ausgabenpolitik gleichsam erzwingen zu wollen, ist jedenfalls seit einer Reihe von Jahren nicht mehr virulent, ohne dass dies in der westlichen Öffentlichkeit bereits deutlich wahrgenommen worden wäre. Eine zweite traditionelle Stütze des japanischen Wachstums war über Jahrzehnte der japanische Außenhandel. Aktuell ist der Zuwachs bei den Exporten – fast wie zu erwarten - nicht gering zu veranschlagen. 2004 nahmen sie z.B. real um über 14 Prozent zu. Allerdings steigen auch die Importe aufgrund erhöhter Rohstoffpreise tendenziell an, so dass in der Summe auf einen positiven Nettobeitrag zum Wachstum nicht mehr unbedingt Verlass ist. Gerade das letzte Quartal 2005 hat zwar durch eine starke Nettozunahme des Außenbeitrags überrascht, bei einem sogar leichten Rückgang der Importe, doch zeigt sich gerade daran, wie schwierig der Faktor einzuschätzen ist. Wenn oben davon gesprochen wurde, dass der Konsum aufgrund wieder leicht ansteigender Lohneinkommen und einer gesunkenen Arbeitslosigkeit positive Anregungen empfängt, so könnte dies durch den Ausfall ausgabenpolitischer Impulse des Staates und als unsicher eingeschätzter Nettoexportzunahme gefährdet sein. Zwar könnte seitens der Konsumenten der Abschied des Staates von seinem Konzept der Konjunkturanregung durch Ausgabensteigerung durchaus positiv interpretiert werden, doch dürfte die außenwirtschaftliche Flanke Sorgen bereiten. Zum einen könnten noch höhere Rohstoffkosten und damit Importpreise drohen. Zum anderen wäre es gefährlich, wenn wichtige Weltmarktnachfrager Zeichen von Schwäche entwickeln würden. Abb. 1 zeigt die Entwicklung bezüglich der wichtigsten japanischen Exportregionen, nämlich Asien und dabei insbesondere China, das mittlerweile schon fast 15 Prozent aller japanischen Ausfuhren ausmacht, die USA und Europa. Europa liegt seit vielen Jahren stabil um etwa 15 Prozent. Eine große Dynamik ist hier jedoch kaum zu erwarten. Der zweite große Absatzmarkt in den fortgeschrittenen Ländern sind die USA. Deren relative Bedeutung geht kontinuierlich zurück, was zum Teil durch das starke Wachstum dieser weltgrößten Volkswirtschaft aufgefangen wird. Sollte es hier zu einem Abschwung kommen – die Gefahren des „twin deficits“ oder des heißgelaufenen Immobilienmarktes mögen als Stichwörter genügen -, würde dies den noch fragilen Aufschwung in Japan spürbar treffen.
Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan
31
Quelle: EcoWin
Abbildung 1: Japans Exporte mit wachsender Abhängigkeit von Asien und insbesondere China Von besonderer Bedeutung ist von daher der Absatz in Asien selbst, der mittlerweile schon fast die Hälfte des Gesamtexportes ausmacht. Nur zum Teil handelt es sich dabei um Endnachfrage aus der Region. Vielfach werden Vorprodukte aus Japan, z. B. Hightech-Komponenten elektronischer Artikel, in anderen asiatischen Ländern nur weiterverarbeitet, um letztlich auf die Märkte der fortgeschrittenen Länder zu gelangen. Die Abhängigkeit von der US-Konjunktur ist von daher durchaus noch massiv, selbst wenn sie im direkten bilateralen Handel nicht mehr so deutlich zum Ausdruck kommt. Ein besonderes Risiko stellt China dar. Zu den gerade dargestellten allgemeinen Unsicherheiten der asiatischen Verarbeitungsstandorte kommt die Gefahr eines möglicherweise überhitzten chinesischen Binnenmarktes und politischer Spannungen zwischen China und Japan hinzu. Selbst wenn man ausgesprochene Krisenszenarien für unrealistisch hält, ist doch fraglich, ob Wachstumsraten der japanischen China-Exporte wie 42 Prozent im Jahre 2003 oder 22 Prozent 2004 noch lange gehalten werden können. Aufgrund der mittlerweile beachtlichen Verflechtung in der Region würde sich ein Nachlassen der Chinadynamik auch auf andere wichtige Handelspartner spürbar auswirken. Südkorea und Taiwan stellen inzwischen jeweils knapp 8 Prozent der japanischen Exporte und wären durch Abkühlungserscheinungen in Bezug auf ihre Exporte nach China erheblich betroffen, mittelbar also auch Japan.
32
Werner Pascha
Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass der Außenbeitrag gegenwärtig keine verlässliche Stütze des Wachstums mehr ist, selbst wenn die letzten Quartale (2005) aus japanischer Sicht positiv zu bewerten waren. Von einer möglichen Abkühlung der Weltwirtschaft (USA, China) geht jedenfalls ein nicht unbeträchtliches Gefahrenpotential aus, was die noch zarte Erholung des Konsums erheblich beeinträchtigen könnte. Die privaten Investitionen reflektieren zu einem erheblichen Teil die positiven (oder negativen) Tendenzen anderer Nachfragekomponenten. Angesichts des insgesamt aufgehellten Bildes überrascht es nicht, dass sich dieser gerade auch aus längerfristigen Wachstumserwägungen wichtige Nachfragezweig positiv entwickelt. Das gilt nicht zuletzt für Schlüsselkomponenten wie die Nachfrage im Maschinenbau. Neben den positiveren Zukunftserwartungen, wie sie etwa im Stimmungsbarometer „Tankan“ zum Ausdruck kommen, haben sich auch die Finanzierungsmöglichkeiten verbessert. Von der erfreulichen Gewinnentwicklung war bereits die Rede. Auch die Fremdfinanzierung fällt wieder leichter – mit leichten Abstrichen für kleine und mittlere Unternehmen -, da die Unternehmen ihre Eigenkapitalbasis inzwischen verbessert haben und die Banken das Problem Not leidender Kredite zunehmend überwinden, damit wieder eher bereit sind, neue Kredite zu vergeben. Abb. 2 zeigt für die wichtigsten Großbanken anhand einer Gegenüberstellung von noch abzutragenden Not leidenden Krediten und operativen Gewinnen des Fiskaljahres 2004, dass die Relation nicht mehr wirklich bedrohlich erscheint. Mit dem Verweis auf den Bankensektor wird daran erinnert, dass monetäre Probleme bei der Würdigung der konjunkturellen Entwicklung bisher noch nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Zentrale Aufmerksamkeit genießt die Entwicklung der Preise. Die Lage ist insofern unübersichtlich, als verschiedene Preisindizes durchaus unterschiedliche Trends ausweisen. Auch statistische Probleme sind beachtlich, so dass die jeweils neu publizierten Daten kein eindeutiges Bild vermitteln. Dennoch lässt sich argumentieren, dass ein Ende der Deflation mittlerweile in greifbare Nähe gerückt ist. Während die Konsumentenpreise noch nicht markant im positiven Terrain sind, ziehen die Produzentenpreise bereits deutlich an. Steigende Importpreise für Rohstoffe sind dabei ein zentraler Faktor. Auch wenn ein noch schwächelnder Binnenmarkt eine rasche Überwälzung in die Konsumentenpreise erschwert, ist doch abzusehen, dass die Konsumentenpreise über kurz oder lang nachziehen werden.
Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan
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2500 Bad Loans
2000
Betriebsergebnis Verlust/Gewinn nach Steuern
1500
1000
500
0 Mizuho
Resona
MTFG
SMBC
UFJ
-500
Anmerkung: Tokyo Mitsubishi und UFJ haben zwischenzeitlich fusioniert. Quelle: übernommen vom Duisburger Seminar Ostasienwirtschaft/Japan des Sommersemesters 2005
Abbildung 2: Entwarnung im Bankensektor: Fiskaljahresabschlüsse der japanischen Großbanken vom 31. März 2005
Der Gouverneur der Zentralbank ging Anfang Dezember 2005 zum ersten Mal so weit, ein sich näherndes Ende der Anti-Deflationspolitik in Aussicht zu stellen. Von den Aktienmärkten wurde dies zwar sofort mit (kurzzeitigen) Kursabschlägen quittiert, doch müsste eine vorsichtige Straffung der Geldpolitik, sollte ihr wirklich ein Ende der Deflation vorausgehen, die Konjunktur nicht abbremsen. Einsetzende Inflationserwartungen werden von sich aus aufgestauten Konsum freisetzen, und auch die Investitionen könnten von einer geringeren Realzinsbelastung profitieren, sofern denn die Zinsentwicklung einer mäßigen Erhöhung der Preise nicht vorauseilt. Eine verwandte Frage stellt die Wechselkursentwicklung dar. Viele Beobachter waren 2005 von der Stärke der amerikanischen Währung angesichts der US-Defizite überrascht. Die japanische Exportwirtschaft konnte durch einen schwächeren Yen profitieren, während umgekehrt der gemeinhin befürchtete Inflationsdruck auf der Importseite für Japan offenkundig kein Problem darstellte. Ob diese Win-Win-Situation anhält,
34
Werner Pascha
muss aber als offen gelten. Eine Abschwächung der US-Wirtschaft würde Japan nicht nur über die „Volumenseite“ der Exporte beeinträchtigen, sondern auch insoweit damit eine Stärkung des Yen gegenüber dem Dollar verbunden wäre. Schwierig wird es dann, wenn sich ein Ende der Zinssteigerungen durch die amerikanische Federal Reserve bei einem gleichzeitigen Eintritt in einen Zinserhöhungszyklus in Japan ergibt. Dies müsste den Yen einem erheblichen Aufwertungsdruck aussetzen, der bei einem noch zögerlichen Aufschwung schwer zu kompensieren wäre.
3
Zwischen einzelwirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und gesamtwirtschaftlicher Malaise
Eine entscheidende Triebkraft der jüngsten Erholung stellt offenbar die zunehmende Profitabilität japanischer Unternehmen dar. Gewiss gibt es dabei wie oben erwähnt eine Reihe positiver Umstände, die der japanischen Wirtschaft gegenwärtig in die Hände spielen. Dazu gehört die relative Schwäche der japanischen Währung, welche die Exporterlöse absichert. Man kann die finanzielle Gesundung im Unternehmenssektor aber nicht nur mit solchen Sonderfaktoren erklären. Die Jahre der wirtschaftlichen Stagnation wurden dazu genutzt zu restrukturieren und die Bilanzen zu bereinigen. Anfallende Gewinne wurden längere Zeit nicht in erster Linie für zusätzliche Investitionen verwendet, was die Nachfrage sichtbar gestützt hätte, sondern um die Eigenkapitalbasis zu verbessern und damit ein solides Fundament für zukünftige Stärke zu schaffen. Das von daher nur scheinbar „verlorene Jahrzehnt“ weist damit übrigens interessante Parallelen zu früheren Schwächephasen der wirtschaftlichen Entwicklung in Japan auf, etwa zu den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts und den 70er Jahren, nach denen sich die Wirtschaft immer wieder gestärkt zurückmeldete. In der öffentlichen Wahrnehmung wurde über viele Jahre vor allem die gesamtwirtschaftliche Malaise wahrgenommen, kaum aber die sich weiter verstärkende oder zurück gewonnene Schlagkraft vieler Unternehmen. Dieses Phänomen kann anhand der Berichterstattung in den einschlägigen Untersuchungen zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit nachvollzogen werden3. So werden Japan im World Competitiveness Report 2003 ein problematisches gesamtwirtschaftliches Umfeld und schwache öffentliche Einrichtungen attestiert. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt erreicht nur den Rang 24 bzw. 30, wobei diese beiden Sub-
Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan
35
indizes immerhin 50 % der Gesamtbewertung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit ausmachen (vgl. Tab. 3). Bezüglich der technologischen Leistungsfähigkeit, welche eine zentrale Komponente nachhaltiger Gewinnmöglichkeiten ausmacht, wird dem Land dagegen eine Platzierung an immerhin fünfter Stelle zugebilligt.
Allgemeiner Index der Wettbewerbsfähigkeit (GCI) (100%)
Makroökonomisches Umfeld (25%)
Öffentliche Institutionen
TechnologieIndex
(25%)
(50%)
2
14
17
1
Germany
13
21
9
14
Japan
11
24
30
5
Korea
18
23
36
6
USA
Anmerkung: Rang der Wettbewerbsfähigkeit nach dem Bericht des Weltwirtschaftsforums 2003 Quelle: WEF, 2003
Tabelle 3: Japans Wettbewerbsfähigkeit: Negatives Image aufgrund gesamtwirtschaftlicher Schieflage
Noch deutlicher kommt diese Diskrepanz zum Ausdruck, wenn man zentrale Determinanten der volks- und betriebswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wie in Abb. 3 gegenüberstellt. Für Japan ist die Abweichung zwischen beiden Kategorien außergewöhnlich hoch, das Übergewicht privatwirtschaftlicher Qualität besonders ausgeprägt. Flock und Meierhans (2004) können empirische Belege dafür vorlegen, dass die Einschätzung der japanischen Wettbewerbsfähigkeit der tatsächlichen Entwicklung – gemessen an der BIP-Entwicklung – ohnehin nachläuft. Dies ist unter anderem damit verbunden, dass die Beurteilung vieler Faktoren, etwa der Qualität der öffentlichen Einrichtungen, wesentlich auf weichen Survey-Daten beruht und damit in besonderer Weise von subjektiven Image-Faktoren abhängt. Fazit ist, dass der japanische Unternehmenssektor deutlich gesünder dasteht als oft vermutet. Die in den vergangenen Jahren häufig negative Grundhaltung zu Japan wird von der Berichterstattung über gesamtwirtschaftliche Probleme dominiert. Dabei sind die Einschätzungen oft nachlaufend, reagieren auf frühere Schieflagen und nehmen Veränderungstendenzen nur unzureichend auf.
36
Werner Pascha
The relative development of companies and the microeconomic business environment
Germany
USA
1,9 Operations and Strategy
Index of the Sophistication of Company
2,1
Japan 1,7 1,5
Singapore
1,3
Taiwan
1,1
Australia
Korea
0,9 0,7
Malaysia 0,5 0,5
0,7
0,9
1,1
1,3
1,5
1,7
1,9
2,1
Index of the Quality of the National Business Enviroment
Quelle: Flock/Meierhans 2004
Abbildung 3: Betriebswirtschaftliche versus volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit: Für Japan ist die Divergenz besonders groß
4
Japans Staatsverschuldung – die ultimative Konjunkturbremse?
Manche Beobachter betrachten die japanische Erholung allein deshalb als auf tönernen Füßen stehend, weil im Hintergrund die mit Abstand höchste Staatsverschuldung der industrialisierten Welt droht: Die OECD sah 2004 eine Bruttoverschuldung von 170 Prozent des BIP voraus. Selbst Italien kommt „nur“ auf eine Größenordnung von 120 Prozent (vgl. OECD 2004). Jenseits dieser Relationen könnte zweierlei als besonders bedrohlich empfunden werden4. Zum einen wächst die Verschuldung im Falle Japans immer noch markant. Die Neuverschuldung beträgt mehr als sechs Prozent p. a. selbst für die Jahre 2004 und 2005 - mehr als das Doppelte des bekannten Maastricht-Limits. Auch dies ist ein im negativen Sinne führender Wert unter den Industrienationen, der allerdings nicht durch steigende Ausgaben, sondern die mittlerweile große Lücke zwischen stagnierenden Staatsausgaben und Steuereinnahmen entsteht. Zum anderen wird die eigentlich zu erwartende Wirkung der Verschuldung auf eine Zerrüttung der Staatsfinanzen derzeit wegen der sehr niedrigen Nominalzinssätze abgefedert. So machen die Zinszahlungen für die aufgenommenen Kredite nach der Planung für das Finanzjahr 2005 noch immer „nur“ 22 Prozent des allgemeinen Staats-
Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan
37
haushalts aus. Sollten sich die langfristigen Kapitalmarktzinsen von derzeit etwa 1 ½ Prozent bei einer einmal den im Westen üblichen 3 bis 4 Prozent annähern, müssten die entstehenden budgetären Engpässe als exorbitant erscheinen. Noch ist der Schuldendienst in Relation zum BIP niedriger als etwa in Belgien, doch könnte sich das bei einem Aufschwung, der die Zinsen nach oben treibt bzw. Inflationserwartungen weckt und damit die Zinsen am langen Ende ebenfalls erhöht, bald anders werden. 2000
2001
2002
2003
Bruttoverschuldung des Staates
134,1
142,3
149,3
157,5
Nettoverschuldung der allgemeinen Staatstätigkeit
59,9
65,2
71,4
79,3
„tatsächlicher“ Nettowert der BoJ
14,1
15,4
17,0
17,3
Konsolidierte Nettoverschuldung von Staat und BoJ
45,0
49,7
54,4
62,0
Davon: inländische Nettoverschuldung
53,8
60,8
66,5
77,3
Davon: (minus) Vermögensbestände in ausländischen Devisen
(-) 8,8
(-) 11,1
(-) 12,1
(-) 15,3
Quelle: Lebow 2004, S. 5, leicht modifiziert; OECD 2004 für die Bruttoverschuldung
Tabelle 4: Brutto- und Nettoverschuldung des japanischen Staates (jeweils in % des BIP) Angesichts dieses Negativszenarios stellt sich allerdings die Frage, warum die Kapitalmarktteilnehmer diese Entwicklung nicht antizipieren und staatliche Anleihen nicht schon jetzt eine sehr viel höhere Zukunfts- bzw. Risikoprämie als die derzeit marktgängigen ca. 1 ½ Prozent fordern und durchsetzen5. Ist die fiskalische Lage in Japan vielleicht doch weniger dramatisch als gerade dargestellt? Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Überlegungen, welche zu einer Relativierung Anlass geben.6 Ein erster Punkt besteht darin, dass im Wert der Bruttoverschuldung nicht die bestehenden Vermögen sowie die Verschuldung von Gebietskörperschaften untereinander gegengerechnet sind. Dieser Nettowert liegt 2005 „nur“ bei geschätzten 90 Prozent und ist damit zumindest nicht mehr so weit vom OECD-Schnitt entfernt wie der Bruttowert (vgl. auch Tab. 4). Modifizierend ist allerdings darauf hinzuweisen, dass mehr als die Hälfte der im Nettowert heraus gerechneten Werte aus momentan
38
Werner Pascha
noch bestehenden Überschüssen der sozialen Sicherungssysteme besteht, die in Zukunft zur Abgeltung von Ansprüchen gebraucht werden und nicht der Schuldenkonsolidierung zur Verfügung stehen. Wie diese zukunftsbezogenen Forderungen und Verbindlichkeiten aber in den Verschuldungskennziffern angemessen berücksichtigt werden sollten, ist zumindest umstritten. Broda und Weinstein (2004) argumentieren, dass die Mehrbelastungen aus der demographischen Alterung für Japan nicht so dramatisch werden müssen wie manchmal befürchtet. Sie verweisen etwa darauf, dass sich in vielen Ländern nach einem temporären Einbruch der Geburtenraten, wie gegenwärtig in Japan zu beobachten, die Geburtenzahl wieder erhöht. Diese Erholung ist allerdings keineswegs zwingend, wie neuere Untersuchungen zu Europa belegen7. Als zweiter Punkt ist zu berücksichtigen, dass auch die japanische Zentralbank (BoJ) mittlerweile in erheblichem Umfang japanische Staatstitel hält, die im Hinblick auf die hier behandelten Zusammenhänge ebenfalls mit dem Staatssektor konsolidiert werden sollten. David Lebow (2004), der für die Baseler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) und die amerikanische Federal Reserve arbeitet, errechnet aus den BoJ-Vermögenswerten, denen „eigentlich“ keine wirklich greifenden Verbindlichkeiten gegenüberstehen, einen „Nettowert“ der BoJ von immerhin knapp 20 Prozent des BIP, was die Nettoverschuldung von konsolidiertem Staat plus BoJ um ein weiteres Viertel auf gut 60 Prozent des BIP für 2003 reduziert (Tab. 4). Drittens ist freilich zu beachten, dass die hier erfassten Werte eine solche makroökonomische Relevanz bzw. Größenordnung besitzen, dass sie nicht einfach als feste Größen angesetzt werden können. Während Staat und BoJ gemeinsam 15 Prozent des BIP in ausländischen Devisen besitzen, würde ein Verkauf zur Bedienung von Schulden den Wert der abgegebenen ausländischen Währungen, vor allem wohl den Dollar, markant drücken und damit den einsetzbaren Betrag vermindern – von politischen Inopportunitäten ganz abgesehen. Relevanter noch ist die Frage, wie die BoJ mit den von ihr gehaltenen Staatsanleihen operieren könnte. Unterstellt man ein nachhaltiges Aufschwungszenario, wird die große Sorge der BoJ darin bestehen, wie der bestehende Geldüberhang möglichst bald abgebaut werden könnte. Die Geldbasis ist in den vergangenen Jahren auf über das Doppelte der üblichen Relation zum BIP angeschwollen, was sich bald in einer Inflation äußern könnte. Die Bank müsste dann zu massiver Offenmarktpolitik greifen, also Staatsanleihen verkaufen und damit Geld aus dem Umlauf nehmen. Damit bleiben die Zinsen niedrig, wenn der Staat gleichzeitig glaubwürdig konsolidiert und nicht die Erwartung auf eine längerfristige Verstetigung von Inflation schürt, was zu höheren Zin-
Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan
39
sen am langen Ende führen müsste. Lebow (2004, S. 10-12) kommt jedenfalls auf der Basis von Alternativberechnungen zu dem Ergebnis, dass die konsolidierte Nettoverschuldung unter verschiedenen Szenarien mit 50 bis 60 Prozent zwar nicht ungefährlich, aber überschaubar bleibt. Entscheidend wird sein, dass vorgesehene Steuererhöhungen nur sehr vorsichtig umgesetzt werden, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Für das Fiskaljahr 2006 (ab 1.4.) ist die Rücknahme verschiedener, 1999 eingeführter Steuererleichterungen insbesondere für Unternehmen vorgesehen. Man wird aufmerksam registrieren müssen, wie die Wirtschaft darauf reagiert. Noch gewichtiger ist die bald nach der Zeit von Premier Koizumi – d. h. nach 2006 – zu erwartende Erhöhung der Mehrwertsteuer. Es ist von Sätzen um die 10 % die Rede, was aus deutscher Sicht vermeintlich wenig ist, für Japan aber eine Verdopplung des Steuersatzes von derzeit 5 % darstellen würde. Man kann nur hoffen, dass eine um ihre Wiederwahl besorgte Post-Koizumi-Regierung das notwendige Fingerspitzengefühl aufbringen wird. Was ist schließlich davon zu halten, dass die Halter japanischer Staatsanleihen erstaunlich gelassen zu bleiben scheinen und trotz eines Zinssatzes von nur 1 ½ Prozent nicht verkaufen? Während ein überzeugter Marktliberaler bzw. Vertreter der rational expectations-Schule darin das ultimative Signal sehen würde, dass die Entwicklung der Staatsfinanzen zu keiner Besorgnis Anlass gibt, sollten einige Rahmendaten nicht übersehen werden. Zum einen werden die japanischen Staatsanleihen ganz überwiegend von inländischen Investoren gehalten, und darunter wiederum von institutionellen Anlegern wie den Banken. Diesen Anlegern ist klar, dass eine Verkaufswelle die Anleihenkurse so unter Druck setzen würde, dass letztlich alle und auch sie damit sehr hohe Buchverluste realisieren müssten. Auch dem Staat sind diese Zusammenhänge bewusst8. Er hat ein ganz ausgeprägtes Interesse daran, Zinserhöhungen so moderat vorzunehmen, dass keine Verkaufswelle an den Märkten entsteht und die Finanzinstitutionen samt Staat in eine neuerliche Finanzkrise gezogen werden. Die „Ruhe“ am Anleihenmarkt entspricht also einem gemeinsamen Interesse der wichtigsten Marktteilnehmer beider Seiten.
40
5
Werner Pascha
Fazit: Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen Aufschwung
In der Summe konnte gezeigt werden, dass nach langen Jahren zum ersten Mal die Aussicht auf einen nachhaltig von der Binnenwirtschaft getragenen Aufschwung besteht. Offenbar hat ein Großteil des Unternehmenssektors seine Bilanzprobleme zumindest so weit bereinigt, dass wieder ernsthaft expansive Maßnahmen – auch im Personalbereich – in Erwägung gezogen werden können. Damit reagiert Japan nicht mehr nur auf weltwirtschaftliche Trends, sondern könnte selber wieder zu einer Stütze der Weltnachfrage werden. Gewiss gibt es bei diesem positiven Bild Schattenseiten in Form von Gefährdungen. Eine offene Flanke ist die Außenwirtschaft. Japan ist eng mit Volkswirtschaften wie den USA und China verflochten, die in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich gewachsen sind, bei denen mittlerweile aber erhebliche „downside“-Risiken bestehen. Japan kann hier wenig mehr als hoffen, dass die Weltkonjunktur so lange gut läuft, bis die eigene Erholung noch deutlicher an Fahrt aufgenommen hat und sich zurück gestaute Konsum- und Investitionsnachfrage massiv Bahn bricht. Brisant ist auch das erreichte und immer noch steigende Niveau der staatlichen Verschuldung. Szenariorechnungen unter Berücksichtigung der Vermögensposition der Zentralbank zeigen zwar, dass die Größenordnungen nicht unbeherrschbar geworden sind. In einem Aufschwung bewegen sich Volkswirtschaft, Staat und Zentralbank jedoch auf einem äußerst labilen Kurs: der bestehende Geldüberhang wird nominales Wachstum ermöglichen, sich gleichzeitig aber auch in der Preisentwicklung niederschlagen. Das Problem wäre nicht mehr die Überwindung der Deflation, sondern die Kanalisierung einer rasch um sich greifenden Inflation, und zwar unter Berücksichtigung von Zins- und Wechselkursentwicklung sowie der Steuerpolitik. Einerseits könnte eine Welle von Preiserhöhungen erwünscht sein, um die Realbelastung der Staatsverschuldung niedrig zu halten, andererseits müssen überbordende Nominalzinssteigerungen vermieden werden, da sie den Aufschwung abdrosseln könnten. Der Staat muss in den Aufschwung konsolidieren, wird die Steuern dabei aber nur sehr umsichtig erhöhen können. Gewiss sind das keine einfachen Aufgaben. Zum ersten Mal seit einem guten Jahrzehnt stellen sie sich aber unter positiven Rahmenbedingungen aller wichtigen konjunkturellen Komponenten.
Chancen der konjunkturellen Entwicklung in Japan
41
Literaturverweise BoJ (Bank of Japan) (2005): Monthly Report of Recent Economic and Financial Developments. 11/2005, Tokyo. Broda, Christian & Weinstein, David E. (2004), Happy News from the Dismal Science: Reassessing Japanese Fiscal Policy and Sustainability. Manuskript. The Economist (11.02.2006): The fertility bust, S. 32. Lebow, David (2004): The monetisation of Japan´s government debt. BIS (Bank for International Settlements) Working Paper No. 161. Meierhans, Ingo und Flock, Christian (2004): Wie wettbewerbsfähig ist Japan. In: Pohl, Manfred und Iris Wieczorek (Hrsg.): Japan 2004 - Politik und Wirtschaft. Hamburg: Institut für Asienkunde, S. 167-189. MoF (Ministry of Finance, Japan) (2005): Current Japanese Fiscal Conditions and Issues to be Considered. http://www.mof.go.jp/english/budget/pamphlet/cjfc2005. pdf (Stand: 2006-03-06). OECD (12.2005): Economic Outlook 78. Paris. Pascha, Werner (2003): „Teil 1: Wirtschaft“, in: Paul Kevenhörster, Werner Pascha und Karen Shire: Japan. Wirtschaft Gesellschaft Politik. Opladen: Leske + Budrich, S. 13-178. Pascha, Werner (2006): Gesamtwirtschaftliche Megatrends in Japan und ihre Implikationen für die Industriestruktur. Erscheint in: Institut für Asienstudien: Japan aktuell. Hamburg. WEF (World Economic Forum)(2003): The Global Competitiveness Report 20022003. Oxford.
Anmerkungen 1
Insbesondere können hier nicht jene „Megatrends“ angesprochen werden, welche den Pfad und das Niveau des japanischen Wirtschaftswachstums langfristig markant prägen werden, für die kurzfristige Konjunkturentwicklung aber weniger deutlich ins Gewicht fallen. Dazu zählen etwa die Alterung der Bevölkerung oder Reformen der industriellen Produktionsstruktur einschließlich der Interfirmenbeziehungen (vgl. zu letzterem etwa Pascha 2006).
2
Vgl. grundsätzlicher zur Anwendung dieses Ansatzes auf Japan Pascha 2003, S. 52-59
3
Die folgenden Ausführungen beruhen wesentlich auf einer an unserem Duisburger Lehrstuhl durchgeführten Untersuchung und den sich daraus ergebenden Diskussionen (Flock/Meierhans 2004).
42
Werner Pascha
4
Vgl. zu den Fakten der Verschuldung genauer, auch in transparenter grafischer Aufmachung: MoF 2005.
5
Angesichts der noch leichten Deflation sind diese nominal 1 ½ % in realer Perspektive nicht unbedingt niedriger als in den meisten anderen führenden Industrieländern – aber sie sind jedenfalls auch nicht höher.
6 7 8
Vgl. insbesondere Broda/Weinstein 2004, Lebow 2004. Vgl. den Bericht in Economist 2006 zu einer neuen, an der University of Pennsylvania durchgeführten Studie. Ich verdanke die Einsicht in die zentrale Bedeutung dieser Aspekte Peter Baron.
Japan ist wieder da – Perspektiven für deutsche Unternehmen Wilhelm F. Meemken *
Inhalt
Kurzfassung 1
Japans Rückkehr nach der Krise
2
China nach der Euphorie
3
Japan im Umbruch
4
Zukunftsbranchen in Japan
5
Förderung ausländischer Investitionen
6
Zusammenfassung
Literaturverweise
* Wilhelm F. Meemken, Geschäftsführer der ECOS Japan Consult GmbH, Osnabrück.
44
Wilhelm F. Meemken
Kurzfassung Japan ist wieder da: nach Jahren von Deflation und Wachstumsschwäche, Bankenkrisen und Finanzskandalen hat Japan innerhalb weniger Jahre einen beeindruckenden Aufschwung vollzogen. Die Reformmaßnahmen der Regierung Koizumi zeigen Wirkung, die Unternehmen steuern ein weiteres Jahr mit Rekordgewinnen an, die Verbraucher zeigen sich endlich wieder konsumfreudig und strömen in die großen Shoppingzentren. Die Deflation scheint überwunden, steigende Aktienkurse sorgen an der Börse für Bewegung. Japan ist wieder ein Hochwachstumsland. Auch wenn sich die Krise der 1990er Jahre auf hohem Niveau bewegte, trug sie doch dazu bei, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt von vielen deutschen Unternehmen zugunsten Chinas links liegen gelassen wurde. Die anfängliche blinde Begeisterung für den scheinbar unersättlichen asiatischen Riesen ist aber mittlerweile einer realistischeren Einschätzung der Chancen und auch der Risiken gewichen. Grund genug, den Blick wieder verstärkt nach Japan zu wenden, dessen Wirtschaft in vielen Bereichen gestärkt aus der Krise hervorgegangen ist.
Japan ist wieder da – Perspektiven für deutsche Unternehmen
1
45
Japans Rückkehr nach der Krise
Die deutsche Presse vermittelte in den letzten Jahren Krisenstimmung in Bezug auf Japan. Nicht ohne Schadenfreude wurde der „Absturz“ des einstigen Musterlandes nach dem schwindelerregenden Höhenflug der 1960er bis 1990er Jahre kommentiert. Tatsächlich musste Japan nach dem Platzen der kreditfinanzierten Spekulationsblase an Tokyos Börse Anfang der 90er Jahre mit wirtschaftlicher Rezession, Konsumentenzurückhaltung, Deflation und dem bis dahin unbekannten Phänomen der Arbeitslosigkeit kämpfen. Doch auch die wirtschaftliche Krise der 1990er Jahre war immer noch eine Krise auf hohem Niveau. Westliche Geschäftsreisende, die von den Presseberichten in der Heimat den Einruck mitbrachten, in Japan ließen sich keine Geschäfte mehr machen, bemerkten bei Besuchen auf Flaniermeile Ginza oder den Vergnügungszentren Shinjuku und Roppongi wenig von Kaufzurückhaltung und Wirtschaftsdepression in Japans pulsierender Hauptstadt Tokyo. Selbst im „verlorenen Jahrzehnt“, wie die Japaner die 1990er titulierten, verzeichneten Luxusartikelhersteller wie Hermès und Louis Vuitton anhaltende Umsatzsteigerungen. Ein Drittel aller weltweit über den Ladentisch gehenden Luxusartikel werden nach wie vor von Japanern gekauft. Zugleich kamen mit der wirtschaftlichen Flaute aber auch neuartige Fast-Retailing-Geschäfte am unteren Ende der Preisskala in Mode wie beispielsweise Uniqlo oder die 100 Yen-Shops – in Japan kein Widerspruch. Seit 2002 nun mehren sich die Anzeichen einer ökonomischen Erholung Nippons, Jahr für Jahr kam mehr in Schwung in die Wirtschaftsbelebung. Nach einem Höhepunkt Anfang 2004 kehrte die Industrieproduktion nach einer kurzen „Verschnaufpause“ auf einen gesunden Wachstumspfad zurück. Die stabile wirtschaftliche Expansion setzte sich - etwas moderater, aber immer noch recht beachtlich - fort. Im Jahr 2004 steigerte sich das Bruttoinlandsprodukt um 2,5 Prozent, im vergangenen Kalenderjahr gar um 2,8 Prozent. Insbesondere zum Jahresende legte Japans Wirtschaft zu und wuchs damit stärker als jede andere große Volkswirtschaft, während in Deutschland das Güter- und Dienstleistungsvolumen stagnierte und der Euro-Raum und die Vereinigten Staaten gerade mal ein Wachstum von 0,3 Prozent vorweisen konnten. Der Tankan-Bericht der Bank of Japan vom Dezember 2005 bezeichnete die Stimmung in Japans Unternehmen als „so gut wie seit zehn Jahren nicht mehr“. Zum dritten Mal in Folge peilt der japanische Unternehmenssektor 2005 Rekordgewinne an. Die OECD konstatierte mit Blick auf diese Entwicklung, dass Japan sich in der „bes-
46
Wilhelm F. Meemken
ten Verfassung seit einem Jahrzehnt“ befindet und korrigierte seine Wachstumsprognosen wiederholt nach oben.
5,6
4,2 3,4 2,8
3
2,9 2,6
2,6 1,8
1,3
1,3
1,4
0,6
I 2002
II III 2002-0,72002
IV I 2003 II 2002 2003
III 2003
IV I 2004 II 2003 2004
III 2004
IV I 2005 II 2004 2005
III 2005
-1,6
Quelle: OECD
Abbildung 1: Entwicklung des Bruttoinlandprodukts in Japan 2002-2005 Börsenexperten zeigen sich ob der ausgeprägten Dynamik der wirtschaftlichen Erholung erstaunt. Der Nikkei-Index kletterte in zuletzt nicht gekannte Regionen und entwickelte sich zum Börsenstar. Deutliches Zeichen für den Aufschwung sind auch die Grundstückspreise in Tokyo, die nach Jahren des Verfalls wieder anziehen. Neu entstandene urbane Komplexe wie Roppongi Hills oder Shiodome locken mit Büros, Restaurants, Läden und Hotels. Analysten der großen Finanzinstitute gehen mittlerweile davon aus, dass der Aufschwung nicht lediglich ein durch Konjunkturprogramme erzeugtes Strohfeuer der Regierung ist, sondern auf fundamentalen Zahlen wie steigenden Export, höheren Investitionsausgaben der Unternehmen und der anziehenden Nachfrage auf dem heimischen Verbrauchermarkt beruht. Angesichts deutlich gestiegener Gewinnerwartungen tätigte nicht nur die Großindustrie Investitionen auf Rekordniveau, auch Japans Mittelstand verzeichnete spürbare Auftragssteigerungen. Die Anlageinvestitionen stiegen innerhalb des letzten Jahres um 11,6 Prozent. Das produzierende Gewerbe verzeichnete einen Zuwachs von sogar 19,8 Prozent. Der Wert der Ausfuhren erhöhte sich 2005
Japan ist wieder da – Perspektiven für deutsche Unternehmen
47
um fast 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der günstige Yen-Kurs beflügelte diese Trends. Wichtiger Triebmotor für Japans Exporte waren die Ausfuhren in die Volksrepublik China. Das gegenwärtig rasante Tempo der Globalisierung gestalten japanische Unternehmen in entscheidendem Maße mit. Sichtbar wird dies am Rang der japanischen Direktinvestitionen in der EU, den USA, dem asiatisch-pazifischen Raum und zunehmend auch in den ehemals kommunistischen Staaten Mittel- und Osteuropas. Japans wiedergewonnene Stärke äußert sich in kontinuierlichen Handelsbilanzüberschüssen gegenüber der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten. In Branchen wie Unterhaltungselektronik und Mikro-Chip-Technologie besitzen Unternehmen des fernöstlichen Inselstaates marktbeherrschende Qualitätsvorsprünge mit zum Teil monopolartigen Marktstellungen. In der internationalen Arena der Fusionen und Übernahmen mischen japanische Konzerne kräftig mit. Toshiba erwarb vor kurzem den amerikanischen Kernkraftwerksbauer Westinghouse für vier Milliarden Euro. Nippon Sheet kaufte für 2,6 Milliarden Euro den renommierten britischen Glashersteller Pilkington. Mit dem Aufschwung bei den Unternehmen hat sich auch der Arbeitsmarkt deutlich entspannt. 2005 verzeichnete Japan mit 4,4 Prozent. eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten seit Ende der 1990er Jahre. Zu Jahresbeginn konnte jedem Arbeitssuchenden erstmals seit 13 Jahren eine offene Stelle angeboten werden. Nach etlichen Nullrunden stiegen die durchschnittlichen Gehälter wieder, die Großunternehmen bedachten ihre Angestellten mit kräftigen Bonuszahlungen. Kein Wunder, dass nach langen Jahren deutlicher Zurückhaltung diese erfreulichen Entwicklungen auch die Konsumenten wieder aus der Reserve lockten. Während die wirtschaftliche Erholung Japans zunächst wesentlich vom Export und von Kapitalinvestitionen der Unternehmen abhing, trägt seit etwa zwei Jahren auch der Konsum zur Stimmungsaufhellung bei. Die Ausgaben der japanischen Verbraucher, die gut die Hälfte des japanischen BIP ausmachen, stiegen 2004 im Vergleich zum Vorjahr sprunghaft um 7,2 Prozent an. Einen derartigen Anstieg hatte es zuletzt Ende 1982 gegeben. Besonders für Freizeit, Reisen und Unterhaltungselektronik geben Japans Verbraucher wieder mehr Geld aus. Dabei scheinen die Zeiten der Schnäppchenjäger vorbei: japanische Konsumenten kaufen heute wieder qualitätsbewusster und selektiver.
48
Wilhelm F. Meemken
Nach der überwundenen Krise scheint Japan wieder auf der Überholspur. Die viertgrößte Exportnation und zweitgrößte Volkswirtschaft ist ins ökonomische Weltgeschehen zurückgekehrt – und war nie wirklich verschwunden.
Abbildung 2: Die Konsumfreude ist zurückgekehrt: Warteschlange bei der Eröffnung des weltgrößten Dior-Shops auf der Tokyoter Einkaufsmeile Omotesando
2
China nach der Euphorie
Nicht nur die negativen Nachrichten aus der japanischen Wirtschaft in den 1990er Jahren, auch die China-Euphorie vieler deutscher Unternehmen führte zu einer beinah sträflichen Vernachlässigung des japanischen Marktes in den letzten Jahren. Die starke Unterbelichtung des japanischen Marktes durch die deutsche Industrie wird klar, wenn man sich bewusst macht, dass der Exportweltmeister Deutschland nach Japan mit 127 Mio. Einwohnern betragsmäßig beinahe genauso viele Waren ausführt wie nach Schweden mit nur sieben Mio. Einwohnern. Insbesondere mittelständische Firmen in Deutschland wollten den Zug der „Go China“-Bewegung nicht verpassen. Seit den 1990er Jahren beeindruckte das fernöstliche Riesenreich in der Tat mit teilweise zweistelligen Wachstumsraten – wenn auch bezogen auf eine relativ niedrige Ausgangsbasis. Ende 2004 war China bereits die Nummer 6 der weltgrößten Volkswirtschaften und wird laut Prognosen bis Ende 2005 vermutlich auf Rang 4 vorrücken.
Japan ist wieder da – Perspektiven für deutsche Unternehmen
49
Was jedoch häufig übersehen wird: trotz des rasanten Wachstums im Reich der Mitte war das Bruttoinlandsprodukt Japans 2004 immer noch 2,5mal so hoch wie das Chinas. 5000 4670,7
Mrd. USD
4000
3000 2745,5 2000 1933,2 1000
0 Japan
Deutschland
VR China
Quelle: OECD
Abbildung 3: Vergleich des Bruttoinlandproduktes Deutschland – China – Japan 2004
Hinzu kommt: in der Volksrepublik leben zwar etwa zehnmal so viele Menschen wie in Japan – das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen selbst eines Chinesen in den städtischen Gebieten hinkt jedoch weit zurück. 2004 verdiente ein Arbeiter in den ländlichen Gebieten Chinas im Jahr 355 US $, in der Stadt immerhin 1.139 US $. Das durchschnittliche japanische Pro-Kopf-Einkommen ist mit jährlich 36.183 US $ jedoch mehr als dreißigmal so hoch wie das eines Städters in China und liegt nach den USA weltweit an zweiter Stelle. Nicht vergessen werden sollten auch Risiken wie immense Umweltschäden durch das überhitzte Industriewachstum und mögliche soziale Spannungen durch die zunehmende Wohlstands-Kluft zwischen Stadt und Land in China. Auch japanische Unternehmen als zweitwichtigste Investoren in China sehen mittlerweile die Kehrseite der Medaille in China. Zwar haben große japanische Elektronikkonzerne wie Sony und Hitachi lohnintensive Produktion mit geringer Wertschöpfungstiefe nach China verlagert, belassen Forschung und Entwicklung sowie ihre
50
Wilhelm F. Meemken
High-Tech-Standorte aber im eigenen Land. Seit etwa zwei Jahren gibt es auch einen deutlichen Trend zur Rückverlagerung der Produktionen nach Japan. Nach einer Umfrage der Nikkei Shimbun sind bereits 35,5 Prozent der befragten großen Hersteller dabei und tragen sich weitere 23,5 Prozent mit dem Gedanken, ihre Produktion nach Japan zurückzuverlagern. Mittlerweile haben Know-how-Verlust in Zwangs-Joint-Ventures, Produktpiraterie und mangelnde Rechtssicherheit im Ein-Parteien-Staat auch in Deutschland den Begeisterungstaumel abgeschwächt. Ohne Zweifel sind China, Indien und Russland wichtige Zukunftsmärkte der deutschen Industrie, insbesondere im Automobil- und Automobilzulieferbereich. Ein Engagement im Reich der Mitte sollte jedoch nicht die Bearbeitung des lukrativen japanischen Marktes ausschließen Jetzt, da die „Goldgräberstimmung“ der letzten Jahre allmählich der Realität weicht, wird der Blick auf Japan wieder frei. Laut Prognosen wird erst im Jahre 2030 die chinesische Volkswirtschaft ein ähnliches Ausmaß wie die ihres östlichen Nachbarn erreichen. Japan ist und bleibt wohl auch noch einige Jahre die größte Volkswirtschaft Asiens.
3
Japan im Umbruch
Die zehnjährige Wirtschaftsflaute hatte auch eine gewisse „reinigende“ Wirkung auf die japanische Wirtschaft und Politik. Es scheint, als hätten Unternehmen und Regierung „ihre Hausaufgaben gemacht“ und seien gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Der Druck der Deflation, die tiefe Spuren in den Bilanzen japanischer Unternehmen jeder Größe und Branche hinterließ, zwang das Management zum radikalen Umdenken. Restrukturierungsmaßnahmen wurden eingeleitet. Viele Unternehmen traten Ende der 1990er Jahre auf die Kostenbremse. So konnten Überkapazitäten abgebaut und Lagerbestände reduziert werden, Kapitalverflechtungen wurden gelockert, Arbeitsverhältnisse flexibilisiert. Gleichzeitig investierten die Unternehmen stärker in Profitabilität und Automatisierung, um die Produktion in Japan zu halten oder dorthin zurückzuverlagern. Die Regierung sprang der Wirtschaft mit Gesetzesnovellen zu Neu-, Aus- und Umgründungen zur Seite. Firmengründungen können seither mit geringerem finanziellen und zeitlichen Aufwand betrieben werden. Das 2005 verabschiedete und Mitte 2006 in
Japan ist wieder da – Perspektiven für deutsche Unternehmen
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Kraft tretende neue Unternehmensgesetz soll die Ökonomie revitalisieren und die Deregulierung beschleunigen. Aus öffentlichen Haushalten wurden etliche Initiativen zur Unterstützung des heimischen Marktes ersatzlos gestrichen. Kleinere und mittelständische Betriebe müssen seitdem größere Rentabilitätsanstrengungen auf sich nehmen. Viele Konzerne fanden durch die Restrukturierungsmaßnahmen auf die Gewinnstraße zurück. Sichtbar wird dies u. a. an der Entwicklung der Insolvenzen, die sich seit dem Höchststand im Jahre 2002 merklich entspannt hat. 2003 sank die Zahl der Firmenpleiten um 15 Prozent, 2004 um 16 Prozent und im letzten Jahr um weitere knappe 6 Prozent. Mittlerweile betrachtet die Bank of Japan auch die Deflation als überwunden und hat eine geldpolitische Wende eingeleitet. Drückten die Zentralbanken vor fünf Jahren noch die Leitzinsen nahe Null Prozent, um durch die Liquiditätsschwemme die Deflation zu bekämpfen, kehrt Japan nun auch in diesem Bereich wieder auf den Weg der Normalität zurück. Bei der Kreditvergabe sind die Banken mittlerweile zu Methoden übergegangen, wie sie in westlichen Industrieländern gang und gebe sind, anstatt wie früher zahlungsschwache Betriebe mit Krediten zu stützen. Das bisherige main banking system, bei dem Hauptbanken ihre Konzernunternehmen unbegrenzt mit liquiden Mitteln versorgten, befindet sich in der Auflösung. Insgesamt erscheint die Konsolidierung im Bankensektor, ein großes Anliegen der Regierung Koizumi, als abgeschlossen. Faule Kredite aus der Zeit der bubble economy wurden schonungslos abgeschrieben, Bilanzen bereinigt. Unrentable Finanzinstitute wurden übernommen. Durch Zusammenschluss bildeten sich schlagkräftige Bankenriesen. Das jüngste Beispiel ist der Zusammengang von UFJ (United Financial Japan) mit der Tokyo Mitsubishi Bank zur UFJ Mitsubishi Bank. Heutzutage belegen Finanzinstitute aus Japan wieder Spitzenplätze in der Welt. Knapp die Hälfte der zehn größten Banken kommen aus dem Land der aufgehenden Sonne. Für dieses Jahr kündigten sie Überschüsse von zusammen 20 Milliarden Euro an. Nicht nur in den Bankensektor, auch in die damit zusammenhängenden keiretsuStrukturen ist Bewegung gekommen. Die engmaschige Netzwerkstruktur japanischer Unternehmenskonglomerate (keiretsu) wurde international häufig als nicht-tarifäres Handelshemmnis angeprangert. Die Spar- und Restrukturierungszwänge der bubble economy führten zu einer starken Lockerung der Beziehungen japanischer Verbundunternehmen untereinander. Viele vormals abhängige Unternehmen finden sich nunmehr
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im „freien Markt“ wieder und müssen sich den Herausforderungen der Internationalisierung stellen. Das hat eine neue, offenere Unternehmenskultur hervorgebracht, von der insbesondere Marktneulinge profitieren. Erwies es sich in der Vergangenheit für nicht-japanische Unternehmen als schwierig, qualifiziertes japanisches Personal zu rekrutieren, zeigen sich heute gut ausgebildete japanische Professionals an einer Tätigkeit in europäischen und amerikanischen Betrieben interessiert. Deutschen Firmen bietet sich hier die Chance, neue strategische Allianzen für den japanischen Markt einzugehen. Durch die Postprivatisierung und der damit verbundenen privatwirtschaftlichen Verwaltung der riesigen Gelder von Postsparkasse und Postversicherung entzog Ministerpräsident Koizumi dem als „Eisernen Dreieck“ bezeichneten Machtgefüge aus Bürokratie, Liberal Demokratischer Partei (LDP) und Industrie die finanzielle Grundlage. Mit etwa drei Billionen US-Dollar an Einlagen war die Postbank die größte Sparkasse der Welt und de facto ein zweiter japanischer Haushalt. Dieser entzog sich jeglicher parlamentarischer und ökonomischer Kontrolle. Einige wichtige Schritte zur Auflösung der alten „Japan AG“ sind damit getan. Die nächsten Strukturveränderungen will die Regierung 2006 und 2007 vornehmen. Hierzu zählen Steuerreform, Verringerung der Gesundheitsausgaben, Bürokratieabbau und Stärkung der finanziellen Ausstattung der lokalen Verwaltungen. Die demografische Entwicklung Japans macht zudem eine grundlegende Neuausrichtung der sozialen Sicherungssysteme unerlässlich. Zwar wird bereits um die Nachfolge des im September turnusmäßig zurücktretenden eisernen Reformers Koizumi gestritten, der eingeschlagene Weg liberaler Reformen gilt allerdings als unumkehrbar und hat auch für ausländische Unternehmen Vorteile und neue Chancen gebracht. Interessant ist: trotz Rezession und Deflation ließen japanische Konzerne nie ihr Entwicklungsbudget unter fünf Prozent des Jahresumsatzes sinken. Insgesamt geben japanische Firmen 100 Milliarden Euro jährlich für Forschung und Entwicklung aus. Dies entspricht drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. In Deutschland liegen die Vergleichszahlen bei gerade einmal 50 Milliarden Euro und 2,4 Prozent im Jahr. Dass die Zukunft zu einem Gutteil japanischen Unternehmen gehört, zeigt Toyotas Hybridmotor, NECs Erfolge in der Nanotechnologie und die maßgeblichen Entwicklungen von Sharp in der Solarzellentechnik.
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Zukunftsbranchen in Japan
Während das japanische Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) in den Jahren der Krise die notwendigen Neustrukturierungen der japanischen Unternehmen unterstützte, wurde 2004 vor dem Hintergrund der konjunkturellen Erholung eine Richtungsänderung zugunsten von Investitionen in Zukunftsbranchen vollzogen. Im nach dem damaligen Wirtschaftsminister benannten „Nakagawa-Report“ vom Mai 2004 legte das METI die Ausrichtung und Schwerpunkte seiner zukünftigen Industriepolitik fest. Demnach sollen sieben Produktbereiche gezielt aufgebaut und gefördert werden: x
Unterhaltungselektronik
x
Roboter (im industriellen und Dienstleistungssektor)
x
Brennstoffzellentechnik
x
Contents (digitale Inhalte der Unterhaltungsindustrie)
x
Medizintechnik und Serviceleistungen im Pflegebereich
x
Umwelttechnik und Dienstleistungen
x
Dienst- und Beratungsleistungen für Unternehmen.
Als Zukunftsmärkte, in denen insbesondere das ausländische Investment gefördert werden soll, definierte die Regierung Koizumi außerdem: x
Automobilzulieferindustrie
x
Nano- und Biotechnologie
x
IT und Software.
Der „Nakagawa-Bericht“ gibt zudem Zahlen für die zukünftige Entwicklung in den genannten Bereichen vor. Insgesamt soll deren Marktvolumens von aktuell ca. 1,5 Billionen Euro auf ca. 2,4 Billionen Euro im Jahr 2010 steigen und damit ein Drittel der einheimischen Industrieproduktion umfassen.
5
Förderung ausländischer Investitionen
Hintergrund der Anstrengungen Japans zur Erhöhung der ausländischen Investitionen ist das äußerst niedrige Niveau Japans im Bereich Foreign Direct Investment (FDI). Gemessen an der Wirtschaftskraft der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt machen die ausländischen Direktinvestitionen in Japan nur ca. 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, während die Quote in Deutschland bei über 20 Prozent liegt.
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Ministerpräsident Koizumi gab daher 2003 das ehrgeizige Ziel aus, die ausländischen Direktinvestitionen nach Japan innerhalb von nur fünf Jahren zu verdoppeln. Die FDIFörderung ist seither offizielles Regierungsziel und wird weltweit mit der Kampagne „Invest Japan“ umgesetzt. Neben der Erleichterung von Firmenbeteiligungen und M&A soll insbesondere die Unterstützung der japanischen Außenhandelszentrale JETRO (Japan External Trade Organization) ausländische Unternehmen ermuntern, in Japan zu investieren. So genannte FDI-Advisor in jedem Land unterstützen die Arbeit der JETRO. Die Förderprogramme für europäische Unternehmen richten sich an Betriebe, die sich über den japanischen Markt informieren möchten, japanische Partner suchen oder auf andere Weise japanbezogene Investitionen tätigen wollen. Ausgewählte Unternehmen können in den Genuss u.a. folgender Unterstützungen kommen: x
Kostenlose Marktinformationen
x
Möglichkeit zur Bewerbung für branchenspezifische Markterkundungsreisen auf Einladung der japanischen Regierung inklusive konkreter Gespräche mit potentiellen Partnern
x
Nutzung der JETRO Business Support Center in Japan wie z. B. das Foreign Direct Invest Support Center in Tokyo (kostenloser Büroraum für zwei Wochen bis zu vier Monaten, Unterstützung vor Ort durch Expertennetzwerk).
Im Blickfeld stehen dabei die als Zukunftsmärkte definierten Bereiche Automobilzulieferindustrie, Nano- und Biotechnologie, Umwelttechnologie, IT & Software, Medizintechnik, Pflege- und Rehatechnik sowie Analytische Geräte und Systeme.
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Zusammenfassung
Japan ist wieder da: nach Jahren von Deflation und Wachstumsschwäche, Bankenkrisen und Finanzskandalen hat Japan innerhalb weniger Jahre einen beeindruckenden Aufschwung vollzogen. Die Reformmaßnahmen der Regierung Koizumi zeigen Wirkung, die Unternehmen steuern ein weiteres Jahr mit Rekordgewinnen an, die Verbraucher zeigen sich endlich wieder konsumfreudig und strömen in die großen Shoppingzentren. Die Deflation scheint überwunden, steigende Aktienkurse sorgen an der Börse für Bewegung. Japan ist wieder ein Hochwachstumsland. Auch wenn sich die Krise der 1990er Jahre auf hohem Niveau bewegte, trug sie doch dazu bei, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt von vielen deutschen Unter-
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nehmen zugunsten Chinas links liegen gelassen wurde. Die anfängliche blinde Begeisterung für den scheinbar unersättlichen asiatischen Riesen ist aber mittlerweile einer realistischeren Einschätzung der Chancen und auch der Risiken gewichen. Grund genug, den Blick wieder verstärkt nach Japan zu wenden, dessen Wirtschaft in vielen Bereichen gestärkt aus der Krise hervorgegangen ist. Umstrukturierungen im Bankenbereich, eine teilweise Auflösung der keiretsu-Strukturen und die Öffnung vieler japanischer Unternehmen hin zu den internationalen Märkten bieten deutschen Unternehmen die Chance, neue strategische Allianzen auf dem japanischen Markt einzugehen und neue Marktanteile zu erschließen. Für ein Engagement in Japan sprechen eine ganze Reihe von Faktoren: x
hohes Pro-Kopf-Einkommen
x
hohe Gewinnmargen trotz starkem Euro
x
starke technologische Basis
x
Innovationskraft („In Japan findet die Zukunft früher statt“)
x
gut ausgebildetes Humankapital
x
Referenzmarkt für Technologien, Standards, Design, Konsumtrends
x
Erleichterter Markteintritt durch Strukturreform und Deregulierung
x
internationale Konkurrenz hat Japan bislang wenig beachtet.
Interessante Möglichkeiten bieten dabei vor allem die in Japan als Zukunftsmärkte definierten Bereiche Automobilzulieferindustrie, Nano- und Biotechnologie, Umwelttechnologie, IT & Software, Medizintechnik, Pflege- und Reha-Technik, aber auch viele Nischenmärkte, die aufgrund der Größe des Marktes insgesamt ebenfalls attraktiv sein können.. Unterstützung können interessierte deutsche Unternehmen unter anderem bei der japanischen Außenhandelsorganisation JETRO finden, die Unternehmen mit zahlreichen Förderprogrammen ein Engagement und Investitionen in den lukrativen, aber nicht immer ganz einfachen japanischen Markt erleichtern will.
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Literaturverweise Bahr, Holger: „Japan lächelt wieder“. In: FondsMagazin Februar 2006, S. 19. Maurer, Jürgen: „Wirtschaftstrends in Japan 2006“. In: Japan Markt Januar 2006, S. 813. von Seth, Frank: „Vorsichtiger Optimismus in 2006 – aber unternehmerische Risiken bleiben“. In: Japan Markt Januar 2006, S. 14-17. Finsterbusch, Stephan: „Das Ende der Alten Japan AG“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.01.2006. O.V.: „Post oder Partei? Junichiro Koizumi will Japan von vordemokratischen Machtstrukturen befreien“. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 14.08.2005. O.V.: „Japan kommt aus der Deflation heraus“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.03.2006. O.V.: „Die Wirtschaft kommt immer stärker in Fahrt“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.03.2006. O.V.: „Deutschland will auf Japans Spuren wandeln“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.03.2006. O.V.: Angaben zu BIP, Pro-Kopf-Einkommen: OECD 2006, Deutsche Botschaft Peking, 2006, JETRO 2005.
Chancen auf japanischen Wachstumsmärkten Shunzo Arai und Katharina Bandlow
Inhalt
Kurzfassung Einleitung 1
Standort Japan
2
Japanische Wachstumsmärkte
3
2.1
Informations- und Kommunikationstechnologie
2.2
Automobilzulieferindustrie
2.3
Umwelttechnologie
2.4
Medizin- und Gesundheitstechnologie
2.5
Biotechnologie
Unterstützung für ausländische Unternehmen
Literaturverweise
* Shunzo Arai, Katharina Bandlow, JETRO München.
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Shunzo Arai und Katharina Bandlow
Kurzfassung Japan ist für ausländische Investoren ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Zu den Standortvorteilen zählen u.a. die Marktgröße, die Kaufkraft der Verbraucher sowie Infrastruktur und rechtliche Rahmenbedingungen. Ausländische Unternehmen können vom wirtschaftlichen Aufschwung in Japan und dem Potenzial der Wachstumsindustrien profitieren. Zu den attraktivsten Sektoren gehören die Informations- und Kommunikationstechnologie, die Automobilzulieferindustrie, die Umwelttechnologie, die Medizin- und Gesundheitstechnologie sowie die Biotechnologie. Die japanische Regierung unterstützt ausländische Investoren durch eine Vielzahl von Dienstleistungen und Maßnahmen, die z. B. von der Japanischen Außenhandelsorganisation JETRO sowie auf Präfekturebene angeboten werden.
Chancen auf japanischen Wachstumsmärkten
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Einleitung Die Rahmenbedingungen und die Erholung der japanischen Wirtschaft machen Japan für ausländische Unternehmen attraktiver denn je. Diese entdecken die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt vermehrt nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch als Standort für Direktinvestitionen. Viele Gründe sprechen dafür, mit einer eigenen Niederlassung, einem Joint-Venture, einer Firmenbeteiligung oder einer Firmenübernahme (M&A) in Japan präsent zu sein.
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Standort Japan
Japan bietet ausländischen Unternehmen mit innovativen Produkten attraktive Möglichkeiten. Zudem hat die japanische Regierung in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, das Umfeld für ausländische Direktinvestitionen zu verbessern. Einige der wichtigsten Vorzüge des Standortes Japan sind im Folgenden zusammengefasst: Chancen im zweitgrößten Markt der Welt Der Anteil Japans am Weltmarkt beträgt derzeit ca. 11 %. Japan ist damit nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Trotz des hohen Wirtschaftswachstums anderer asiatischer Länder übersteigt das BIP Japans nach wie vor die Wirtschaftskraft dieser Nachbarländer bei weitem. So ist allein das BIP der Kanto-Region (Tokyo und die benachbarten Präfekturen) größer als das von ganz China. Der zweitwichtigste Wirtschaftsraum Japans, die Kinki-Region mit Osaka als Zentrum, erwirtschaftet ein BIP, das größer ist als das Indiens (JETRO 2005a: 5). Mehrere kaufkräftige Gruppen bestimmen das Bild der japanischen Konsumgesellschaft. Dazu zählen der „silberne Markt“ mit älteren und konsumfreudigen Verbrauchern sowie berufstätige junge Leute, die als Unverheiratete oft bei den Eltern wohnen und ein beträchtliches verfügbares Einkommen haben. Marktchancen bestehen vor allem bei qualitativ hochwertigen Waren der Konsumgüterindustrie sowie bei IT und Kommunikation. Bei Investitionsgütern und Vorprodukten haben deutsche Unternehmen häufig einen Vertrauensvorsprung: „Made in Germany“ genießt in Japan seit Jahrzehnten einen guten Ruf, deutsche Technologien und Qualität werden hoch geschätzt.
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USA 29%(11.733) Sonstige 33% (13.355)
Kanada 2 %(996)
Japan 11 %(4.668) China 4%(1.649) Italien 4 %(1.681) Frankreich 5 %(2.018)
Deutschland 7%(2.707) UK 5%(2.126)
Anmerkung: In Mrd. US-Dollar, Anteil am Weltmarkt in % Quelle: JETRO (2005a: 4)
Abb. 1: BIP 2004 nach Ländern
Verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen Das 2006 in Kraft tretende Gesellschaftsrecht vereinfacht Firmengründungen auch für ausländische Unternehmen und ermöglicht größere Flexibilität bei der Wahl der geeigneten Gesellschaftsform. Außerdem wurde die erforderliche Mindestkapitaleinlage erheblich reduziert. Weitere Gesetzesänderungen regeln u.a. die Übernahme japanischer Unternehmen durch ausländische Investoren. Deregulierung in Bereichen wie Telekommunikation, Gesundheitsfürsorge, Einzelhandel und Finanzindustrie erleichtern ebenfalls Direktinvestitionen aus dem Ausland (JETRO 2005a: 16-19). Knotenpunkt des Asiengeschäfts mit hoch entwickelter Infrastruktur Das japanische Verkehrsnetz, insbesondere das umfassende Bahnnetz mit dem zuverlässigen Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen, sind weltbekannt. Japan verfügt über ca. 100 Flughäfen (davon 24 mit internationalen Verbindungen) und über 1000 Häfen, davon 128 Haupthäfen (MLIT 2005, Interne, JETRO 2005a: 15). Der Warenaustausch zwischen Japan und seinen asiatischen Nachbarn ist immens. China hat die USA 2005 als wichtigsten Handelspartner Japans abgelöst, die wirtschaftliche Verflechtung auch mit anderen asiatischen Ländern wächst (Foreign Press Center 2005, Internet). Aufgrund seiner sehr guten Verkehrsverbindungen in diese Länder bietet sich Japan für ausländische Unternehmen als „Regional Headquarter“ an: Asienzentrale, Forschung
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und Entwicklung, Fertigung sowie Vertrieb werden in Japan angesiedelt, während die Herstellung von Vorprodukten oftmals in anderen asiatischen Ländern erfolgt. Moderne Technologien und qualifiziertes Fachpersonal Japanische Technologien sind auf vielen Gebieten weltweit führend. Umgerechnet 118 Mrd. €1 wurden 2002 in Forschung und Entwicklung investiert. Dies entspricht einem Anteil von 3,4 % am BIP und stellt eine erneute Steigerung gegenüber dem Vorjahr dar (JETRO 2005a: 10)2. Nach den USA steht Japan weltweit an 2. Stelle bei der Anzahl der eingereichten Patente. Geistiges Eigentum genießt in Japan einen hohen Schutz. Das japanische Schul- und Universitätssystem bildet zudem eine große Anzahl gut qualifizierter Fachkräfte aus. Ausländische Unternehmen können motivierte Berufsanfänger und Berufserfahrene, die neue Herausforderungen suchen, für sich gewinnen. Aus diesen Gründen entscheiden sich immer mehr ausländische Unternehmen für Japan als Standort für ihre F&E-Einrichtungen (JETRO München 2005: 7, JETRO 2006, Internet). Es gibt zahlreiche Beispiele ausländischer Unternehmen verschiedener Industrien, die in Japan erfolgreiche Investitionen getätigt haben. Deutsche Unternehmen sind vor allem in den Bereichen Maschinenbau, Automobilzulieferindustrie, Chemie und Medizintechnik präsent. Im Fiskaljahr 20043 betrug das Volumen der neuen ausländischen Direktinvestitionen in Japan umgerechnet ca. 30 Mrd. € und überstieg somit erstmals das Volumen neuer japanischer Direktinvestitionen im Ausland (MOF 2005, Internet).
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Japanische Wachstumsmärkte
Die genannten und weitere Standortfaktoren machen Japan zu einem attraktiven Land für Ansiedlungen aus dem Ausland. Marktchancen bestehen z.B. in den folgenden fünf Branchen mit hohem Wachstum bzw. Wachstumspotenzial: Informations- und Kommunikationstechnologie, Automobilzulieferindustrie, Umwelttechnologie, Medizinund Gesundheitstechnologie sowie Biotechnologie. Zudem unterstützen die japanischen Regierungen auf Landes- und Präfekturebene Unternehmen bei der Ansiedlung in diesen Regionen und fördern die Clusterbildung. Auch ausländische Unternehmen profitieren als Teil solcher Cluster von diesen Netzwerken.
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2.1 Informations- und Kommunikationstechnologie 2001 schrieb die japanische Regierung in der e-Japan Strategy ihr Ziel fest, Internetzugang nach neuestem Stand der Technik auf breiter Ebene zu ermöglichen. Ziel war es, bis 2005 zur weltweit führenden IT-Nation zu werden. Aufgrund der darauf folgenden hohen Verbreitung von Breitbandleitungen und Internetanschlüssen wurde bereits 2004 ein weiteres Ziel formuliert: Nicht nur die Errichtung der IT-Infrastruktur sollte Inhalt der Strategie sein, sondern auch die IT-Anwendungen. So lautet nun die Vorgabe, bis 2010 eine Gesellschaft mit allgegenwärtigen IT-Netzwerken zu schaffen (ubiquitous network society, kurz: u-Japan) (MIC 2005: 5, 55). Für die nächsten Jahre wird vor allem in Zusammenhang mit der Vernetzung von Informations- und Kommunikationsmedien ein hohes Wachstum erwartet. Bereits heute werden Internet und drahtlose Verbindungen für eine Vielzahl von Anwendungen wie die Bezahlung von Fahrkarten per Handy sowie im Haushalt und bei Einsätzen in der Medizin genutzt (JETRO 2005h, Internet und JETRO 2005i, Internet). Ein steigendes Marktvolumen wird daher u.a. bei den folgenden Produkten und Dienstleistungen erwartet: (Funk-)Netzwerke und IP-Telefonie, Geräte wie PCs, Netzwerkgeräte, ICKarten usw., Plattformen (elektronische Authentifizierung, Sicherheitsplattformen, Plattformen für finanzielle Dienstleistungen) sowie Dienstleistungen und Inhalte. Zusammen mit Handel (e-Commerce, Transaktionen mit Hilfe von elektronischen Tags und IC-Karten) und Infrastruktur (vor allem Unternehmensinvestitionen in Hard- und Software) gehen Studien von einer Verdreifachung der Marktgröße zwischen 2003 und 2010 aus, wobei die prognostizierten Wachstumsraten in einzelnen Bereichen wie Handel, Infrastruktur, Netzwerke im Haushalt sowie drahtlose Netzwerke weit darüber liegen (JETRO und MRI 2005: 8-9). Die japanischen Präfekturregierungen fördern die Ansiedlung von Unternehmen in Industrieclustern. So gibt es bereits zahlreiche Cluster der IT-Industrie. Eines davon befindet sich auf der nördlichen Hauptinsel Hokkaido. Im so genannten Sapporo Valley haben sich Unternehmen aus den IT- und Mobile-Content-Industrien angesiedelt, die u.a. Software für das führende Mobiltelefonunternehmen NTT DoCoMo entwickeln (JETRO 2004b, Internet).
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Anmerkung: In Mrd. € Quelle: JETRO und MRI (2005: 48-49)
Abbildung 2: Prognostizierte Marktentwicklung des Marktes für Netzwerkprodukte und -dienstleistungen
2.2 Automobilzulieferindustrie In Japan werden jährlich ca. 10 Millionen Autos hergestellt, dies entsprach 2003 einem Anteil von rund 17 % an der weltweiten Produktion von 61 Millionen Fahrzeugen (JAMA 2005, Internet, JETRO 2005g: 2,4). Aufgrund der hohen Bedeutung der japanischen Automobilindustrie sind die wichtigsten ausländischen Automobilzulieferunternehmen, darunter zahlreiche deutsche, bereits mit eigenen Standorten in Japan vertreten (JETRO München 2005: 15). Da Produktentwicklungen und Design in enger Abstimmung mit den Kunden, den Automobilherstellern, durchgeführt werden, ist eine Niederlassung vor Ort gerade in dieser Branche unerlässlich. Durch die hohen Anforderungen der japanischen Automobilhersteller gilt die Präsenz im japanischen Markt zudem für viele Unternehmen als Qualitätssiegel. Der Standort in Japan spielt dabei oft die Rolle einer regionalen Zentrale mit Wirkungskreis im weiteren asiatischen Raum. Deutsche Unternehmen profitieren außerdem von dem guten Image deutscher Produkte und deutscher Technologie.
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Shunzo Arai und Katharina Bandlow
Die Zeiten, in denen japanische Automobilhersteller und ihre Zulieferer eine undurchdringliche Einheit bildeten, die Zulieferern von außen keine Chance ließen, sind vorbei. Japans Automobilhersteller suchen unter Betrachtung von Technologie, Qualität und Kosten weltweit nach den zuverlässigsten Partnern. Am Beispiel der Automobilindustrie wird daher die internationale Zusammenarbeit besonders deutlich, in dieser Industrie ist die Anzahl der internationalen Joint-Ventures und Firmenbeteiligungen auffallend hoch (JETRO 2005g: 70-71). Ein bekanntes Erfolgsbeispiel ist die Beteiligung des französischen Automobilherstellers Renault an Nissan. Zu den Regionen, die für die Ansiedlung von Automobilzulieferern besonders attraktiv sind, zählt die Präfektur Aichi bzw. die Gegend um Nagoya. Grund dafür ist vor allem die Anwesenheit der Zentrale und 12 Produktionsstätten allein von Toyota in Aichi. Zahlreiche Zulieferer aus Japan und dem Ausland haben sich hier angesiedelt. Ein weiterer wichtiger Standort für die Automobilindustrie ist die Präfektur Fukuoka. Hier sind u.a. die Automobilhersteller Nissan Motor Co. und Toyota Motor Kyushu ansässig (JETRO 2005b: 14).
2.3 Umwelttechnologie Aufgrund eines wachsenden Bewusstseins für Umweltprobleme und strengeren Umweltvorschriften ist der japanische Markt für Umwelttechnologie in den letzten Jahren stark gewachsen. Zu den attraktivsten Geschäftsfeldern gehören:
Bodensanierung Japan ist ein dicht besiedeltes Land. Verunreinigte Böden mindern den Wert von Grundstücken und haben somit direkte Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Investoren, die Grundstücke erwerben wollen, verlangen immer häufiger Nachweise für einwandfreien Boden, so dass dem Geschäftsbereich der Bodenbewertung und -sanierung eine wachsende Bedeutung zukommt. Die japanische Regierung reagierte auf diese Anforderungen u.a. mit der Verabschiedung des Soil Contamination Countermeasures Law (2003), das den Druck erhöhen soll, Bodeuntersuchungen zügig durchzuführen und Schäden zu beseitigen. Dementsprechend besteht eine Nachfrage nach Methoden, Bodenqualität schnell und zuverlässig zu beurteilen sowie nach Tech-
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niken, mit Schadstoffen belastete Grundstücke wirksam und möglichst kostengünstig zu sanieren (JETRO und JMA 2005: 66). Wasseraufbereitung Fabriken und Produktionsstätten, die täglich mehr als 50 Kubikmeter Abwasser produzieren, unterliegen dem Water Pollution Control Law. Technologien und Anlagen, die z.B. Stickstoff und Phosphorsubstanzen aus dem Wasser filtern, sind daher gefragt. Auch kleinere Unternehmen unterliegen regionalen Vorschriften, die oft strikter sind als die nationalen Standards. Seit 2002 ist es Privatunternehmen möglich als Betreiber von Wasserfilteranlagen zu agieren. Seitdem schließen sich Betreiber von Abwasseranlagen immer häufiger mit privaten Unternehmen in Private Finance Initiatives (PFI) zusammen, was die Nachfrage zusätzlich erhöht (JETRO und JMA 2005: 66, JETRO 2004a: 14).
Brennstoffzellen Brennstoffzellen sind in einer breiten Palette von Anwendungen einsetzbar, die bedeutendsten sind sicherlich die Automobilindustrie und elektrische Haushaltsgeräte, z.B. in Bad, Küche und Fußbodenheizungen. Zahlreiche japanische Unternehmen, u.a. Sanyo Electric Co., Panasonic und Idemitsu Kosan Co. Ltd., sind in der Forschung von Brennstoffzellen aktiv, teilweise laufen bereits Testphasen für Haushaltsanwendungen. Ein Beispiel für internationale Zusammenarbeit ist das 1998 gegründete Joint-Venture zwischen Ebara Corporation und der kanadischen Ballard Power Systems Corp (JETRO und JMA 2005: 70-71).
Erneuerbare Energien Japanische Unternehmen gehören bei der Entwicklung von Photovoltaikanlagen zur Weltspitze. Dagegen wird der japanische Markt für Windenergie vor allem von europäischen Herstellern (insbesondere Dänemark, Deutschland und Spanien) dominiert (JETRO 2004a: 38-40). Kraft-Wärme-Kopplung, Biomasse und Biogas sind ebenfalls auf dem Vormarsch. Seit Ende der 1990er Jahre sind zahlreiche Cluster der Umweltindustrie und so genannte Eco-Towns entstanden. Die Region um Kawasaki sowie die Region um Kitakyushu sind in dieser Hinsicht besonders bekannt (JETRO 2005d: 12-13).
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2.4 Medizin- und Gesundheitstechnologie Nicht zuletzt aufgrund der hohen Lebenserwartung ist der Markt für Medizintechnik und Gesundheit einer der wachstumsstärksten in Japan. Die Lebenserwartung bei Geburt beträgt rund 86 Jahre für Frauen und 79 Jahre für Männer und ist damit die höchste der Welt (Zahlen von 2004, MHLW 2004, Internet). Aufgrund einer geringen Geburtenrate steigt überdies der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung. Allein zu den „Babyboomern“, die zwischen 2007 und 2010 das Rentenalter erreichen, zählen ca. 10 Millionen Menschen (JETRO und NRI, 2005: 1, 43). Diese und ältere Menschen verfügen oftmals über beträchtliche Ersparnisse und nutzen diese auch für ihre medizinische Versorgung und darüber hinaus, z.B. für Wellnessangebote.
Kategorie
Marktgröße (2003, in Mrd. €)
Medikamente
41,3
Medizinische Ausstattung
10,6
Hilfsmittel technischer Art
8,4
Medizinische Systeme Medizinische Betreuung
1,8
Med. Versorgungsdienste
10,8
Kranken- und Pflegedienste
36,9
Sonstige Pflegedienste Gesamt
0,7 110,5
Quelle: JETRO und NRI (2005: 24)
Tabelle 1: Struktur und Größe des Marktes für Medizin- und Gesundheitsprodukte sowie -dienstleistungen
Aufgrund des erwarteten hohen Wachstums und der hohen Nachfrage unterstützt die japanische Regierung ausländische Technologien und Investitionen in dieser Industrie. Für ausländische Unternehmen, die neu auf dem japanischen Markt sind, empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit japanischen Partnern, um auf bereits vorhandene Kontakte zu Krankenhäusern, Krankenkassen und Behörden aufzubauen sowie erforderliche Genehmigungen und Tests gemeinsam zu beantragen. Um ausländischen Unternehmen den Einstieg zu erleichtern, wurde und wird die Gesetzeslage entsprechend angepasst und die Deregulierung vorangetrieben.
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Einige wichtige Änderungen der letzten Jahre: x Die Leitung von medizinischen Institutionen und Pflegeheimen ist nun auch dem privaten Sektor erlaubt (JETRO und NRI 2005: 65). x Medizinische Einrichtungen dürfen ihr Angebot um Dienste erweitern, die nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt sind. Bisher bedeutete der Einsatz solcher so genannten „free care“-Dienste, dass die Kosten für die gesamte medizinische Behandlung vom Patienten selbst getragen werden mussten (JETRO und NRI 2005: 59). x Die Reform des Pharmaceutical Affairs Law erleichtert die Auslagerung der Medikamentenherstellung (JETRO und NRI 2005: 62). x Von der Überarbeitung der Regelungen für Rezeptgebühren im Jahr 2002 profitierte insbesondere der Markt für Generika. Sein Anteil ist in den letzten Jahren stetig gestiegen (JETRO und NRI 2005: 34, 62). Die nordjapanische Stadt Sendai zählt zu den Orten, in denen sich Unternehmen der Medizintechnologiebranche erfolgreich angesiedelt haben. Im japanisch-finnischen Kooperationsprojekt Finnish Well-Being Center haben sich zahlreiche Unternehmen aus Sendai und Finnland für die gemeinsame Produktentwicklung und die gegenseitige Vermarktung zusammengeschlossen.
2.5 Biotechnologie Der japanische Markt für Biotechnologie ist nach den USA der zweitgrößte der Welt und betrug 2003 ca. 1,66 Billionen Yen (ca. 12 Mrd. €). Aufgrund des steigenden Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung sowie eines wachsenden Gesundheitsbewusstseins geht der japanische Rat für Biotechnologiestrategien von einer Marktgröße von 25 Billionen Yen (ca. 188 Mrd. €) bis zum Jahr 2010 aus. Der Großteil wird demnach auf die Bereiche medizinische Versorgung und Lebensmittel (health foods) entfallen (JETRO 2005c: 4). Die japanische Regierung räumt der Forschung und Entwicklung in der Biotechnologie einen hohen Stellenwert ein. Forschungsgelder werden bevorzugt in Grundlagenforschung sowie den Aufbau von erstklassigen Forschungseinrichtungen investiert. Um Forschung auch im privaten Sektor voranzubringen, dürfen 10-12 % der Ausgaben
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für F&E steuerlich abgesetzt werden. Obwohl dieser Anreiz nicht nur für die Biotechnologie gilt, wird er hier - wegen der hohen F&E-Kosten im Vergleich zum Umsatz für besonders effektiv erachtet (JETRO 2005c: 6). Um ausländische Unternehmen bei der Ansiedlung in Japan zu unterstützen, wurden u.a. Teile des Pharmaceutical Affairs Law (PAL) geändert: Die Anmeldeformalitäten für Herstellung und Vertrieb wurden vereinfacht und teilweise zusammengelegt, so dass für beides nur noch eine gemeinsame Lizenz notwendig ist. Außerdem ist nun die Auslagerung der Medikamentenherstellung an Unternehmen in Japan und im Ausland zulässig. Weitere Gesetzesänderungen umfassen z.B. den Schutz geistigen Eigentums. 6RQVWLJH 8PZHOWXQG(QHUJLH
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Anmerkung: In Mrd. € Quelle: JETRO (2005c: 4)
Abb. 3: Markt für Biotechnologie 2010 (geschätzt)
In mehreren Regionen Japans gibt es bereits Biotechnologie-Cluster. So konzentrieren sich in der Kobe Medical Industry City der Kinki-Region (umfasst die Präfekturen Osaka, Hyogo und Nara) 52 Firmen und Institutionen, die medizinische und biotechnologische Forschung, vor allem für klinische Anwendungen und regenerative Medizin, betreiben. Darunter sind 13 Unternehmen aus dem Ausland (Stand Januar 2004, JETRO und Yano 2005: 170). Kobe ist außerdem eine so genannte Special Zone for Structural Reform. Im Zuge der Deregulierung wurden hier gesetzliche Regelungen für Einwanderung und Aufenthaltsrecht gelockert, so dass zehn weitere ausländische Wissenschaftler ihre Forschungstätigkeit in Kobe aufnehmen konnten. Weitere Beispiele für erfolgreiche Biotech-Cluster sind die Ansiedlungen in der Kanto-Region (Tokyo sowie die Präfekturen Chiba und Kanagawa mit der Stadt Yokohama) und im
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Großraum Nagoya (Präfekturen Aichi, Mie und Gifu) (JETRO 2004c, Internet und JETRO 2005j, Internet). Das Medical Valley in der Präfektur Mie unterhält außerdem enge Kooperationsbeziehungen auf wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene mit dem BioCon Valley in Mecklenburg-Vorpommern. Dieses Projekt wurde von JETRO im Rahmen des Region-to-Region-Programms von 2003-2006 gefördert.
Quelle: JETRO (2005c: 12-13)
Abb. 4: Biotechnologie-Cluster in Japan (Auswahl)
3
Unterstützung für ausländische Unternehmen
Ausländische Unternehmen können auf verschiedene Weise Investitionen in Japan tätigen. Die größte unternehmerische Eigenständigkeit bietet eine eigene Niederlassung. Aber auch Joint-Ventures oder Beteiligungen an japanischen Unternehmen sind geeignete Möglichkeiten, auf dem japanischen Markt präsent zu sein. Japanische Geschäfts- und Endkunden schätzen kurze Wege zu Ansprechpartnern und schnellen Service vor Ort. Sie sind nicht selten der Anlass für ausländische Unternehmen, eine eigene Niederlassung in Japan zu eröffnen. Im internationalen Vergleich ist der Bestand an Direktinvestitionen aus dem Ausland in Japan bisher gering und birgt ein großes Potenzial. Die japanische Regierung unter
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Ministerpräsident Koizumi verkündete im Januar 2003 das Ziel, den Bestand der ausländischen Direktinvestitionen in Japan innerhalb von fünf Jahren zu verdoppeln. Aus diesem Grund wurden eine Vielzahl von Maßnahmen, angefangen bei Gesetzesänderungen bis hin zu konkreter Unterstützung für ausländische Unternehmen, auf den Weg gebracht. Die japanischen Präfekturen unterstützen Ansiedlungen ausländischer Unternehmen auf regionaler Ebene. Darüber hinaus bietet die japanische Regierung über das Netzwerk der JETRO umfangreiche Hilfe für ausländische Unternehmen an. Dazu gehören die Publikation und der größtenteils kostenlose Zugang im Internet zu Marktberichten sowie Gesetzestexten und Standards in englischer Sprache. Des Weiteren unterstützt JETRO ausländische Unternehmen bei der Ansiedlung in Japan. JETRO unterhält ein weltweites Netzwerk von derzeit 38 Büros in Japan und 74 Büros im Ausland. Hier können Unternehmen Erstinformationen und Beratung kostenfrei erhalten. Ein umfassender Service steht allen Unternehmen vor Ort in Japan offen. Die Invest Japan Business Support Center (IBSC) der JETRO bieten zahlreiche kostenlose Dienstleistungen, nicht nur für Investoren, an: Englischsprachige Berater der JETRO, Marktexperten sowie Anwälte, Steuerberater u.a. geben in Sprechstunden Auskunft über die notwendigen Schritte bei der Geschäftsgründung oder beim Aufbau einer Handelsbeziehung. Die IBSC verfügen über Kontaktstellen in allen japanischen Ministerien, um Fragen rund um Investitionen schnell klären zu können. Außerdem können die Vertreter ausländischer Unternehmen individuelle Büroräume mietfrei nutzen. Auf diese Weise verfügen sie über eine feste Adresse in Japan während ihrer Suche nach eigenen Geschäftsräumen, z.B. mit Hilfe eines von JETRO vermittelten Maklers. Die Räume des IBSC können auch als Büro für die Zeit eigener Marktrecherchen oder als Besprechungsraum dienen. Ein Sekretariat sowie eine Bücherei mit Businessliteratur ergänzen dieses Angebot. Im IBSC Tokyo befindet sich außerdem eine Halle, die für Produktausstellungen oder Pressekonferenzen genutzt werden kann. IBSC gibt es in Tokyo, Yokohama, Nagoya, Osaka, Kobe und Fukuoka. Allein im Jahr 2005 betreuten die IBSC über 400 ausländische Firmen und begleiteten über 100 erfolgreiche Firmengründungen und andere Formen der Direktinvestitionen. Abschließend lässt sich sagen, dass zahlreiche ausländische Unternehmen das Potenzial des japanischen Marktes bereits erkannt haben. Die beschriebenen demographischen Entwicklungen und Anforderungen u.a. an Umweltschutz und Kommunikation bieten attraktive Chancen im japanischen Markt. Dienstleistungen wie die der JETRO können ausländischen Unternehmen auf ihrem Weg in Japan eine wertvolle Hilfe sein.
Chancen auf japanischen Wachstumsmärkten
71
Literaturverweise Foreign Press Center (2005): Japan Brief Nr. 0514: „China löst USA als wichtigsten Handelspartner Japans ab“. Tokyo. JAMA (Japan Automobile Manufacturers Association) (2005): Active Matrix Database JETRO (2004a): Guide to Business Opportunities in Japan - Environmental Market. Tokyo. JETRO (2004b): Trends and Topics, Business Topics: “Japan’s Regional Clusters (1): Sapporo Valley”. http://www.jetro.go.jp/en/market/trend/topic/2004_08_sapporo.html (Download 10.02.2006). JETRO (2004c): Trends and Topics, Business Topics: Japan’s Regional Clusters (3): Kobe Medical Industry City”. http://www.jetro.go.jp/en/market/trend/topic/ 2004_10_kobe.html (Download 10.02.2006). JETRO (2005a): 10 Advantages to Investing in Japan. Tokyo. JETRO (2005b): Attractive Sectors: Automotive Parts. Tokyo. JETRO (2005c): Attractive Sectors: Biotechnology. Tokyo. JETRO (2005d): Attractive Sectors: Environment. Tokyo. JETRO (2005e): Attractive Sectors: ICT – Information and Communication Technology. Tokyo. JETRO (2005f): Attractive Sectors: Medical Care. Tokyo JETRO (2005g): Japanese Market Report No. 76: “Automobile Assembly Parts”. Tokyo. JETRO (2005h): Trends and Topics, Industrial Report: “Networked Home Appliances in Japan”. http://www.jetro.go.jp/en/market/trend/industrial/pdf/jem0509-2e2.pdf (Download 10.02.2006). JETRO (2005i): Trends and Topics, Business Topics: “Japan’s Changing Medical Care Scene”. http://www.jetro.go.jp/en/market/trend/topic/pdf/jem0507-topic2. pdf (Download 10.02.2006). JETRO (2005j): Trends and Topics, Regional Trends: “Japan’s Regional Clusters – Yokohama the City of Life Sciences”. http://www.jetro.go.jp/en/market/trend/ trend/2005_06_yokohama.html (Download 10.02.2006).
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Shunzo Arai und Katharina Bandlow
JETRO (2006): Trends and Topics, Special Reports: “Japanese R&D Draws More Attention” http://www.jetro.go.jp/en/market/trend/special/pdf/jem0511-1e.pdf (Download 10.02.2006) JETRO und JMA (JMA Research Institute) (2005): Market Survey for Investment in Japan – Subject Fields: Environment. Tokyo. JETRO und MRI (Mitsubishi Research Institute) (2005): Market Survey for Investment in Japan – Subject Fields: ICT. Tokyo. JETRO und NRI (Nomura Research Institute) (2005): Market Survey for Investment in Japan - Subject Fields: Medical and Welfare. Tokyo. JETRO und Yano (Yano Research Institute Ltd.) (2005): Market Survey for Investment in Japan – Subject Fields: Bio Technology. Tokyo. JETRO München (2005): Japan als Standort für Forschung und Entwicklung. http://www.jetro.de/d/funde.pdf (Download 10.02.2006). MHLW (Ministry of Health, Labor and Welfare) (2004): Life expectancy at specific ages. http://www.mhlw.go.jp/english/database/db-hw/lifetb04/1.html (Download 10.02.2006). MIC (Ministry of Internal Affairs and Communications) (2005): Information and Communications in Japan, White Paper 2005: Stirrings of u-Japan. http://www.johotsusintokei.soumu.go.jp/whitepaper/eng/WP2005/2005index.html (Download 10.02.2006). MLIT (Ministry of Land, Infrastructure and Transport) (2005): Types and Numbers of Ports. http://www.mlit.go.jp/english/ports/kowan3.html (Download 10.02.2006). Civil Aviation Bureau: Airports in Japan. http://www.mlit.go.jp/koku/english/09_data/ 10_airports.html (Download 10.02.2006). MOF (Ministry of Finance), 2005: Foreign Direct Investment. http://www.mof.go.jp/ english/e1c008.htm (Download 10.02.2006).
Anmerkungen 1
Alle Umrechnungen mit dem Kurs 100 Yen = 0,7104 € (10.02.2006).
2
Zum Vergleich: in Deutschland betrug der Anteil am BIP 2,5 %, in den USA 2,7 %, Frankreich 2,3 % und UK 1,9 %.
3
Fiskaljahr 2004: 1. April 2004 – 31. März 2005.
Herausforderungen und Chancen für deutsche Unternehmen in Japan Kerstin Teicher *
Inhalt
Kurzfassung Einleitung 1
Ausgewählte Marktbesonderheiten in Japan
2
Wege zu einem erfolgreichen Eintritt in den japanischen Markt
3
Fallbeispiele
Literaturverweise
* Dr. Kerstin Teicher, Geschäftsführer, Mitglied des Vorstands, Deutsch-Japanischer Wirtschaftskreis (DJW).
74
Kerstin Teicher
Kurzfassung Da über die wirtschaftliche Attraktivität Chinas heutzutage sehr viel berichtet wird, wird schnell vergessen, dass Japan die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt ist und über einen außergewöhnlich kaufkraftstarken Binnenmarkt verfügt: Das Bruttoinlandsprodukt allein in der Kanto-Region ist größer als China und Südkorea zusammen. Kyushu, die südlichste Insel Japans, hat immerhin noch ein BIP so groß wie ganz Korea. Wenn man sich dies vergegenwärtigt, dann wird deutlich, dass es nach wie vor sehr sinnvoll für deutsche Unternehmen sein kann, nach Japan zu gehen. Im folgenden wird am Beispiel des Konsumgüterbereiches dargestellt, welche Besonderheiten aktuell in Japan wichtig sind, wie Zielgruppen in Japan identifiziert und angesprochen werden und anhand ausgewählter Beispiele gezeigt werden, wie man mit deutschen Produkten erfolgreich sein kann. Dabei werden weniger theoretische Konstrukte als vielmehr Praxisbeispiele verwendet, um dem Leser die Chancen und Herausforderungen des japanischen Marktes zu verdeutlichen.
Herausforderungen und Chancen für deutsche Unternehmen in Japan
1
75
Ausgewählte Marktbesonderheiten in Japan
Betrachten wir zunächst die Individuenseite: Aus Unternehmenssicht positiv festzustellen ist das international sehr hohe Bildungsniveau in Japan mit ca. 95% Oberschulabsolventen (entsprechend den deutschen Abiturienten); auch die Universitätsabsolventenquote liegt im oberen Bereich, und es gibt einen dementsprechend großen Pool sehr gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Wenn es auch heute aus verschiedenen Gründen noch nicht trivial ist, besonders gut ausgebildete Japaner als ausländisches Unternehmen zu rekrutieren, so ist dies doch in den letzten 10 Jahren deutlich einfacher geworden. Von der Abseitsseite her betrachtet sind Japaner anspruchsvolle (aus deutscher Sicht oft als „anstrengend“ wahrgenommen) Konsumenten. Die Japaner haben einen sehr hohe Qualitätsanspruch, sind gleichzeitig aber überaus neugierige Menschen, die willig und begeistert einkaufen, und sich von kreativen Produkten und neuen Trends überzeugen lassen. Selbst ältere Japaner, haben keine Berührungsangst vor Technologie. Vor allem aber japanischen Frauen kaufen gerne und viel ein: Obwohl Japan nicht einmal die Hälfte der Einwohner Amerikas hat, ist der japanische Bekleidungsmarkt doch nur marginal kleiner als der amerikanische. Gemessen am Umsatz sind lediglich die Firmen Adidas, Puma und Triumph die einzigen deutschen Erfolgsmarken in Japan in größerem Stil. Und dies, obwohl in den letzten Jahren die Markenfixierung allmählich gesunken ist und damit Chancen auch für andere Labels bestehen: trugen japanische Frauen in den 80er Jahren gern Markenetiketten bspw. für ihr französisches Luxustuch für jeden sichtbar nach außen, so ist dies heute nicht mehr unbedingt der Fall. Nichtsdestotrotz sind Qualität und eine gute Marke wichtig. Als ein weiterer großer Vorteil ist der sehr sichere rechtliche Rahmen in Japan zu nennen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo man – um wiederum nur ein einfaches Beispiel zu nennen - bei der Erstellung eines Business-Plans einen hohen Prozentsatz an Zahlungsausfällen einkalkulieren muss, kann man diese Problematik in Bezug auf Japan nahezu vernachlässigen. Die Zahlungsmoral ist außergewöhnlich hoch. Hinzu kommt, dass mittlerweile auch die Distribution und das Marketing in Japan einem Wandel unterworfen sind. In der Vergangenheit wurde gerade die komplizierte und komplexe Distributionsstruktur bemängelt. Auch heute noch funktioniert dies nicht automatisch, aber viele Strukturen haben sich verändert und sind einfacher geworden. Früher kauften japanische Kunden fast ausschließlich im Fachhandel und in
76
Kerstin Teicher
den teuren Kaufhäusern. Heute findet gibt es sehr erfolgreiche Factory Outlets und 100-Yen Shops (vergleichbar mit 1 Euro-Shops). Das Einzelhandelsgesetz hat sich verändert; seit 1991 wurden schrittweise Beschränkungen bzgl. der Größe und Öffnungszeiten gelockert, so dass es heute auch sehr große – auch ausländische – Flächenmarkte in japanischen Großstädten gibt; ein Beispiel hierfür ist die deutsche Metro. Auch die komplizierten Keiretsu- (Unternehmensnetzwerke)Strukturen haben sich gelockert, und die Abhängigkeit von Unternehmensnetzwerken – und damit auch der dazugehörigen Generalhandelshäuser (sôgô shôsha) hat sich verringert. Dies lässt sich an zwei Entwicklungen verdeutlichen: zeichneten die Generalhandelshäuser noch 1980 für jeweils 50% der japanischen Im- und Exporte verantwortlich, so betreuten sie 1999 nur noch 20% der Ex- und ca. 30% der Importe. Damit wird es einfacher für ausländische Unternehmen, die eigenen Produkte über andere Kanäle im Land zu vertreiben. Ein weiteres Beispiel für die Öffnung nicht nur der Netzwerke, sondern auch des gesamten Geschäftsverhaltens sind die aufgrund der Bankenkrise entstandenen netzwerkübergreifenden Bankenmerger. So ist beispielsweise die heutige Sumitomo Mitsui Bank aus der Sumitomo Bank (aus dem gleichnamigen Keiretsu) und der Sakura Bank entstanden. Letzte wiederum war ein Zusammenschluss der Mitsui und Taiyo Kobe Bank. Ein solcher netzwerkübergreifender Zusammenschluss war noch in den 80er Jahren in Japan völlig undenkbar. Von zentraler Bedeutung ist - wie in jedem anderen Land auch - dass man die länderspezifischen Strukturen und Gegebenheiten kennen lernt und zu nutzen weiß. Bei der Vermarktung von Konsumgüterprodukten beispielsweise lohnt es sich, die japanische Geschenkkultur zu berücksichtigen. Neben den auch in Deutschland üblichen Geschenkanlässen wie Hochzeit oder Umzug, die auch in Japan für den Kauf von Geschenken genutzt werden, gibt es zusätzlich japantypische, sehr kaufstarke Geschenkesaisons, nämlich „o-chûgen“ (Anfang Juni bis Mitte Juli) und „o-seibo“ (Dezember). Zu diesen Gelegenheiten geben Japaner statistisch gesehen 5.000 Yen (ca. 35 Euro) pro beschenkter Person aus – und dies umfasst mit Nachbarn, Kollegen, Mitarbeiter, Lehrer, Ärzte, Geschäftspartner, Verwandte, Mentoren, Vorgesetzte eine hohe Anzahl Personen, die beschenkt werden. Diese beiden Geschenksaisons allein hatten 2003 ein Marktvolumen von rund 14,7 Milliarden Euro. Die verschenkten Artikel unterscheiden sich dabei stark von westlichen Sitten und umfassen fast ausschließlich Lebensmittel (Bier, Saft, Früchte, Schinken usw.) und sonstige Verbrauchswaren (inklusive bspw. Waschmittel), allerdings in sehr dekorativer Aufmachung (vgl. Abb. 1).
Herausforderungen und Chancen für deutsche Unternehmen in Japan
77
Abbildung 1: Typische Geschenke für o-chûgen und o-seibo
Die nachfolgende Tabelle zeigt darüber hinaus die Produkte, die besonders gern verschenkt werden im Vergleich zu denen, die sich Japaner wünschen. Die fettgedruckten Produkte sind dabei Dinge, die für deutsche Unternehmen besonders interessant sein könnten. Top Ten Wünsche o-chûgen
Top Ten Wünsche o-seibo
•
Gutschein (56%)
•
Gutschein (56%)
•
Bier (32)
•
Schinken/Wurst (20)
•
Biergutschein (19)
•
Bier-Gutschein (17)
•
Saft (18%), Waschpulver/Seife (17), Öl (14), Nudeln (10), Obst (9), Europ. Süßigkeiten (9)
•
Bier (15), Speiseöl (13), Waschpulver/Seife (10), Kaffee (9,5), Fisch/Fleisch (9), Nori (7)
Top Ten tatsächlich geschenkt
Top Ten tatsächlich geschenkt Bier (35%)
•
Schinken/Wurst (24%)
•
•
Bier (14%)
•
Saft (18)
•
Europ. Süßigkeiten (14%)
•
Europ. Süßigkeiten (17)
•
Nori (12%), Sake/Shochu (12), Fisch/Fleisch (11), Dosen (10), Tsukemono (10), Gutschein (10), Kaffee (9)
•
Nudeln (17), Obst (13), Kaffee (9), jap. Süßigkeiten (9), Gutschein (9), Nori (9)
Quelle: Darstellung nach www.taka.co.jp/okuru/sasa_ochugen.htm; Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich
Tabelle 1: Produkte für o-chûgen und o-seibo
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Kerstin Teicher
Besonders wichtig in Japan ist ebenfalls, die Zielgruppen richtig anzusprechen. Und gerade auf dem japanischen Markt gibt es einige sehr interessante Zielgruppen. Auch wenn auch Japan ein schrumpfender Markt ist, so haben die Jugendlichen wie in anderen Ländern eine hohe Kaufkraft. Darüber hinaus spielen in Japan, wie bereits oben erwähnt, die jungen Frauen, die als so genannte ledige „Office Ladies“ (OLs) oft noch zu Hause wohnen, eine große Rolle im Konsumgütermarkt. Als dritte Gruppe sollen hier schließlich beispielhaft die Senioren genannt werden, die im Marketing als Segment „Silver Market“ bezeichnet werden.
Altersgruppe Bev-Anteil Charakteristika
Jugendliche
Singles / OLs
Silver Market
15-19 Jahre
25-35 Jahre
60 Jahre und älter
7,5 Mio.
10,5 Mio.
24 Mio.
Hohe Markenorientierung, aber wechselhaft
Hohe Markenorientierung
Niedrige Markenorientierung, hohes Qualitätsbewußtsein
Verhalten stark von Medien beeinflußt Orientierung an Freunden
Produkte wichtig wegen Originalität und Mode Status/Selbst-darstellung wichtig
Bequemlichkeit Kaufen viele Geschenke (v.a. Enkel: Spielzeug, .) Interesse an mit Hobbies verbundenen Produkten
Informationsquellen
Media (Zeitschriften, Internet), Mundpropaganda, Celebreties
Media (Zeitschriften, Internet)
Kinder, Freunde, TV, Mundpropaganda
Hauptkonsumgüter
Uhren, Kleidung, Taschen, Outdoor Goods
Ausländische Marken, Outdoor Goods
Gesundheitsprodukte, Spielzeug
Quelle: eigene Zusammenstellung
Tabelle 2: Ausgewählte interessante Zielgruppen in Japan Dies veranschaulicht nochmals die vielfältigen Möglichkeiten für Konsumgüterprodukte in Japan. Während Japaner zwar von deutschen Investitionsgütern ein sehr gutes Bild haben und in diesem Segment typische Marken kennen, fallen die Antworten hinsichtlich deutscher Konsumgütern nicht positiv aus bzw. sind von Unwissenheit gekennzeichnet. Diese Tatsache spiegelt sich auch in einer Studie der japanischen Werbeagentur Dentsu wieder, die Japaner über ihr Image verschiedener europäischer Länder befragte. Wie an Abb. 2 zu sehen ist, finden sich hohe Werte für Deutschland für all die Tugenden, die als typisch deutsch bezeichnet werden können: Konservativität, Excellenz, Praktische Orientierung, Verlässlichkeit. In diesem Bereich bewegen sich Frankreich und Italien eher auf der unteren Skala. Dieses Bild kehrt sich um hinsichtlich der Werte, die für Konsumgüter wichtig sind: fun, free, flexibel, fashionable, etc. Dies ist ein
Herausforderungen und Chancen für deutsche Unternehmen in Japan
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entscheidendes Problem, wenn man den japanischen Konsumgütermarkt erobern möchte. Es gibt also große Chancen für deutsche Unternehmen in Japan, aber es braucht auch Mut, sich diesen Themen zu stellen.
100 (%)
87 80 70 66 60 51 44
46
40
41
39
33 29
29
14
12
8
11
10
9
13
8
ᨀᨥ ᨲᨡᨮ ᨯᨡ
Abundant
Friendly
Active
Sympathetic
Urban
Naive
Cutting edge
Germany
17 13
13
7
7
6
5 10
7
3
Reliable
7
Practical
Excellent
3
18
18
17
Free
8
26
24 18
11
10
Calm
Diligent
0
9
Conservative
7 6
10
14
Fun
11
29
28 25
18
France
3
2
Fashionable
23 20
Exciting
30
Gentle
45 40
59
56
50
Flexible
51
Italy
Quelle: Dentsu-Studie 2003, nach: http://www.djw.de/dinj.html
Abbildung 2: Das Deutschlandbild der Japaner
2
Wege zu einem erfolgreichen Eintritt in den japanischen Markt
Die Möglichkeiten und Wege, in einen Markt einzutreten, sind auch in Japan grundsätzlich die gleichen wie auch für andere Länder. Obwohl Messen in Japan einen anderen Stellenwert und ein wenig andere Funktion als in der westlichen Welt haben, ist dieses Instrument gerade für Firmen, die sich zunächst ein wenig orientieren möchten und unter dem Dach und der Organisation einer etablierten Plattform agieren möchten, ein sehr gutes erstes Mittel. Dies hat sich auch im „Deutschlandjahr in Japan 2005/2006“ besonders eindrücklich gezeigt (vgl. Teicher 2006, S. 53).
80
Kerstin Teicher
Die Vergabe von Lizenzen, die Bearbeitung des Marktes durch Export, Vertragshändler, Handelsvertreter, das Eingehen eines Joint Ventures oder der Kauf eines Unternehmens sowie der Aufbau einer eigenen Niederlassung/Repräsentanz oder Tochtergesellschaft sind im Wesentlichen eine reine Businessentscheidung und nicht besonders für Japan zu berücksichtigen. Diese Eintrittsformen werden hier daher nicht weiter berücksichtigt. Die Handelshäuser, die bereits kurz im vorangegangenen Abschnitt beschrieben wurden, stellen jedoch eine Besonderheit in Japan dar. Handelshäuser gibt es zwar in anderen Ländern auch, in Japan jedoch besonders ausgeprägt und in der Form von „Spezialhandelshäusern“ (senmon shôsha) und „Generalhandelshäusern“ (sôgo shôsha). In der Vergangenheit war es für ausländische Unternehmen eher schwierig, an diese heranzukommen. War ein Produkt für eines dieser japanischen Generalhandelshäuser nicht interessant genug, dann waren die Chancen, dass jemand anderes dieses Produkt in Japan vertrieb, verschwindend gering. Heutzutage, sowohl durch die Öffnung der Unternehmensnetzwerke als auch durch die allgemein internationalere Orientierung und auch die Möglichkeit, per Internet nach Vertriebspartnern zu suchen, ist dieses Fenster nach Japan wesentlich breiter geworden. Dies bedeutet nicht, dass man ein Handelshaus für jedes Unternehmen oder Produkt der richtige Weg ist, und gerade für kleine, mittlere Unternehmen lohnt es sich auch andere Wege in Betracht zu ziehen. Dadurch, dass viele Mitarbeiter in den Unternehmen mittlerweile viel besser Englisch sprechen, ist es einfacher geworden diese auch direkt zu kontaktieren. Bei der konkreten Bearbeitung des Marktes ist das zielgruppengerechte Marketing besonders wichtig. Bereits bei der Produktpräsentation, ist es wichtig zu wissen, wen man ansprechen möchte. So lohnt es sich, eine Präsentationen, die ganz erfolgreich in den USA vorgetragen wurde, für Japan zu überarbeiten. Auch muss man sich Gedanken machen, ob man direkt, bzw. über Händler vertreiben möchte, wobei es auch hier keine Patentrezepte gibt. Die Zielgruppe selbst muss über die richtigen Kanäle angesprochen werden (siehe Tabelle 2). Jugendliche beispielsweise sind sehr offen für Empfehlungen oder Trends von Celebrities, also bekannten Personen aus dem öffentlichen Leben. Auch die Mitarbeiterrekrutierung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Bei der Neueinstellung sollten nicht nur die Sprachkenntnisse, sondern viel mehr die Fachkenntnissen im Mittelpunkt stehen – auch wenn es viel bequemer ist, einen Japaner zu nehmen, der sehr gut Deutsch spricht, aber fachlich eventuell nicht gut ist. Für kleine Unternehmen
Herausforderungen und Chancen für deutsche Unternehmen in Japan
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auf dem japanischen Markt, lohnt es sich z.B. eher auf Berufserfahrung, Stellenwechsler, zurückzugreifen. Aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktslage hat sich dieses Bild leicht verändert, und mittlerweile ziehen es 70% aller Absolventen in Betracht, für ein ausländisches Unternehmen zu arbeiten. Als deutsches Unternehmen wird man jedoch mit bestimmten Vorurteilen konfrontiert. Japaner setzen ausländische Unternehmen und ausländische Menschen immer mit Amerika gleich, d.h. auch mit der amerikanischen Unternehmenspraxis des hire und fire. Das heißt, es muss erst diese Hürde überwunden werden, um klar zu machen: dies ist ein deutsches Unternehmen mit deutschen Tugenden. Nur so kann man dann eventuell den notwendigen Vertrauensbonus bekommen, damit die Menschen sich für das eigene Unternehmen interessieren. Quelle
Inhalte
Internetadresse
Bfai (Portal: Ixpos)
- Zollinformationen, Import- Export
www.ixpos.de und www.bfai.de
DBJ (Development Bank of Japan)
- Staatliche Bank, die bei mittel- und langfristigen Krediten und M&A kostengünstig hilft
www.dbjffm.de
DIHKJ (Deutsche Industrieund Handelskammer Japan)
- Handelskammer der deutschen Unternehmen in Japan
www.dihkj.or.jp
DJW
- Individuelle (kostenpflichtige) Leistungen - Individueller Informations- und Anfrageservice rund um Japan
www.djw.de
- Veranstaltungen zu verschiedenen Japanthemen - Kostenloser Newsletter-Download zu verschiedenen Themen - Jobbörse Japanische Botschaft
- Nützliche Hinweise und weitere Links rund um Japan
www.botschaft-japan.de
JETRO (Japanische Außenhandelsorganisation)
- Online-Geschäftspartnersuche (TTPP)
www.jetro.de
- Messeinformationen - Marktstudien - Invest Japan Business Support Center
JIHK (Japanische Industrieund Handelskammer)
- Kammer der japanischen Unternehmen in Deutschland
www.jihk.de
- Jobbörse
Quelle: Eigene Darstellung
Tabelle 3: Nützliche Informationsquellen im deutsch-japanischen Wirtschaftsumfeld Abschließend sei noch auf die vielen Institutionen hingewiesen, die in Zusammenhang mit einem Engagement in Japan hilfreich sein können. Dies sind zum einen die jewei-
82
Kerstin Teicher
ligen Handelskammern in Deutschland; es gibt aber auch JETRO, die japanische Außenhandelsorganisation, u.v.m. Diese Institutionen ergänzen sich gegenseitig und es ist sinnvoll, zu versuchen, die Angebote möglichst aller zu nutzen. Die Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die wichtigsten Institutionen und deren Angebot.
3
Fallbeispiele
Die folgenden kleinen Fallbeispiele sollen zusammenfassend einige Ideen geben, mit welchen zum Teil sehr einfachen, aber kreativen Ansätzen Produkte in Japan erfolgreich sein können. Unterstützend wirkt hier, dass sich auch der Geschmack der Japaner in den letzten 20 Jahren stark verändert hat: Wollten die Japaner früher eher nicht auffallen, so hat sich dies etwas gelockert, und v.a. die jüngeren Japaner und Japanerinnen sagen häufig, sie kaufen ein Produkt, weil sie sich damit identifizieren, weil es den eigenen Charakter unterstreicht. x Ein gutes Beispiel für die Wirksamkeit der Nutzung von Celebrities für die eigenen Produkte in Japan ist das „Rotwein“-Zitat: In den 1990er Jahren gab es ein einziges Mal eine Sendung mit einem sehr bekannten, japanischen Moderator, der nur einmal in dieser Sendung erwähnte, roter Wein sei förderlich für die Gesundheit. Ergebnis: Innerhalb einer Woche waren die Rotweinlager in Japan leergekauft. Auch heute noch erinnern sich viele Japaner automatisch an diese eine Sendung, wenn man sie nach Wein fragt, um im gleichen Atemzug von dem gesundheitsförderlichen Rotwein zu sprechen. x In Bezug auf emotionalisierte Kommunikation lässt sich das Beispiel der Firma Bär anführen. Der Gründer und Inhaber Herr Bär hatte am Anfang des Markteintritts in japanischen Kaufhäuser mit seiner Frau seine eigenen Schuhe selber anprobiert und vorgeführt. Auch in den diversen Versandhandelskatalogen, über die die Schuhe auch in Japan vertrieben werden, zeigen beide sich als Fotomodell. Mit dieser einfachen Demonstration, wurden für die japanischen Kunden die Glaubwürdigkeit unterstrichen (vgl. Abb. 6). x In dem Nischensegment elektrische Zahnbürsten, die zum überwiegenden Teil importiert werden, hat Deutschland allein 40% Marktanteil. x Ein gut gelungenes Beispiel für die Anpassung der Produkte an den japanischen Markt stellen die Handtaschen der Firma Bree dar. Obwohl die Firma erst vor ca.
Herausforderungen und Chancen für deutsche Unternehmen in Japan
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10-15 Jahren in Japan angefangen hat, verfügt sie mittlerweile über 20 Outlets in Japan. Neben anderen Produkten verkaufen sie in Japan und Deutschland Ledertaschen, die Papiertüten nachahmen, in verschiedenen Farben: etwas blumigere Pastellfarben werden in Japan angeboten, während die Farbpalette in Deutschland eher gedeckt ist.
Quelle: Bär GmbH
Abbildung 3: Werbung der Firma Bär Schuhe in Japan
Literaturverzeichnis http://www.taka.co.jp/okuru/sasa_ochugen.htm, gefunden am 28.4.2006 DJW (Hrsg.) (2003): Ratschläge für das Japangeschäft Teicher, Kerstin (2006): Die Wirtschaftssäule des Deutschlandjahrs – Potentiale für den Mittelstand, in: Vondran, Ruprecht (Hrg.): Deutschland in Japan 2005/2006 – Was hat es gebracht?, Düsseldorf 2006.
Teil III Industriegütermärkte Innovation und Entrepreneurship: Japans Wettbewerbsfähigkeit in institutioneller Perspektive Cornelia Storz
159
Strategische Implikationen für Akteure auf dem japanischen Gesundheitsmarkt Frank Himpel und Jörg M. Krütten
181
Toyota – Managementsystem des Wandels René Haak
195
Erneuerbare Energien – Kooperationsoptionen für deutsche Unternehmen in Japan Frank Himpel und Markus Pütz
213
Als Dienstleister am Puls der Unternehmen Günter Jertz
237
Produkt- und Produktionsmanagement für Konsumgüter auf dem japanischen Silbermarkt Frank Himpel und Andrea Berzlanovich *
Inhalt
Kurzfassung Einleitung 1
Demographische Herausforderung in Japan
2
Spezifische Anforderungen an Konsumgüter aus Sicht von älteren Menschen
3
Konzeptualisierungszugänge zum Produkt- und Produktionsmanagement
Literaturverweise
* Dr. Frank Himpel, Center of Market-Oriented Product and Production Management, Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Univ.-Prof. Dr. med. Andrea Berzlanovich, Institut für Rechtsmedizin der LudwigMaximilians-Universität München sowie Department für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien.
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Frank Himpel und Andrea Berzlanovich
Kurzfassung Aus betriebswirtschaftlicher Sicht stellt der japanische Silbermarkt kein homogenes, in sich abgeschlossenes und klar umrissenes Marktsegment dar. Das Konsumentenverhalten von Akteuren auf dem Silbermarkt und die kaufentscheidenden individuellen Prädispositionen werden durch lebensindividuelle, persönliche Erlebnisse und Erfahrungen mitgeprägt. Die Produktgestaltung von Konsumgütern sollte diesen Artefakten geeignet Rechnung tragen. Gleichzeitig gilt auch, dass die funktionalen Anforderungen an diese Güter von älteren Konsumenten sich teils grundsätzlich von den Anforderungsprofilen jüngerer Käufer unterscheiden. Hierzu zählen bspw. biologische, motorische und kognitive Veränderungen im Alter. Ein geeignetes Produkt- und Produktionsmanagement nimmt im Rahmen der Konzeptualisierung von Produktgestaltungen die vorbezeichneten Aspekte bereits in der Entwicklungsphase von Konsumgütern mit auf.
Produkt- und Produktionsmanagement für Konsumgüter
1
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Demographische Herausforderungen in Japan
Mit einem Bevölkerungsstand von rund 128 Millionen Einwohnern hat Japan den zahlenmäßigen Höhepunkt seiner demographischen Entwicklung in den Jahren 2005 und 2006 erreicht. Bevölkerungsprognosen aus unterschiedlichen offiziellen Quellen gehen nahezu übereinstimmend davon aus, dass sich die Einwohnerzahl Japans bis zum Jahr 2050 auf einem Plateau von weniger als 110 Millionen einpendeln wird. Zur zahlenmäßigen Erhaltung des Bevölkerungsstands der japanischen Gesellschaft auf dem gegenwärtigen Niveau wäre es erforderlich, dass jede Japanerin im statistischen Mittel zwei gesunde Kinder gebärt. Die statistische Fertilitätsrate liegt jedoch gegenwärtig nur bei rund 1,3 Kindern pro Frau (sie ist seit 1950 weitgehend ständig gefallen, damals betrug die Fertilitätsrate rund 3,65 Kinder pro Frau). Mit Blick auf die Frage nach den Ursachen für diese Entwicklung lassen sich keine eindeutigen und keine unidirektional-monokausalen Antworten formulieren. Ein Indikator wird jedoch bspw. darin gesehen, dass gegenwärtig rund 25 % der japanischen Frauen als Single leben, während diese Quote noch vor zehn Jahren nur rund 14 % betrug. Aus soziologischer Sicht lassen sich eine Reihe an Tendenzen zur gesteigerten Selbstverwirklichung von Japanerinnen indizieren. So sind derzeit bereits rund 65.000 kleinere und mittlere japanische Unternehmen im (mehrheitlichen) Besitz von Frauen. Ein weiterer Indikator für die verschlechterte Fertilitätsrate wird bspw. auch darin gesehen, dass rund ein Drittel der jungen Japaner innerhalb von drei Jahren nach ihrem Universitätsabschluss den Arbeitgeber wechseln und somit ihren Karrierestart mit Hilfe von – in Europa und den USA mittlerweile üblichen – Zeitverträgen aufbauen. Gerade junge Männer mit „unstabilen“ Beschäftigungsaussichten sind aber noch immer unattraktive Ehe- und/oder Lebenspartner für viele Japanerinnen. Während der prognostizierte zahlenmäßige Rückgang der japanischen Bevölkerung um rund 15 % in den kommenden 50 Jahren nicht ein isolierter Trend der japanischen Gesellschaft allein ist (bspw. werden ähnliche Wachstumsprognosen auch für die Bundesrepublik Deutschland formuliert; zudem stellt sich ein vergleichbar gelagertes „Wachstumsdefizit“ aufgrund der Ein-Kind-Politik auch in der Volksrepublik China ein), so birgt insbesondere die Entwicklung in Japan aufgrund der spezifischen Kombination von hoher Lebenserwartung einerseits und niedrigerer Geburtenrate andererseits besondere Herausforderungen: Die Lebenserwartung von heute geborenen Japanern beträgt mehr als 80 Jahre; sie ist damit in keinem Land höher als in Japan. Die japanische Bevölkerung altert, da die jüngeren Altersgruppen zahlenmäßig kleiner werden und zudem langsamer wachsen als die älteren. Aber auch in Europa ist die Le-
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Frank Himpel und Andrea Berzlanovich
benserwartung im statistischen Mittel stetig gestiegen. Eine Ursache dafür vermag zu sein, dass eine vergleichsweise hohe Lebensqualität und eine vergleichsweise sehr gute medizinische Versorgungsdichte dazu führen, dass die Menschen in den angesprochenen Ländern länger und länger gesund leben. Und auch die Geburtenrate ist in Europa zurückgegangen. Insofern sind die grundsätzlichen Effekte in Japan und Europa weitgehend gleichgerichtet. Mit Blick auf die demographische „Durchsetzung“ unterschiedlicher Altersschichten in der Bevölkerung zeigt sich weiter, insbesondere jetzt am Beispiel Japans, dass der Anteil der Ruheständler im Verhältnis zum Anteil der sich vor dem Ruhestand befindlichen Erwerbspersonen deutlich ansteigen wird. Bspw. sind gegenwärtig rund ein Fünftel der Japaner über 65 Jahre alt; im Jahr 2040 sind es nach diversen ökonometrischen Schätzungen bereits mehr als ein Drittel. Der Pool an erwerbsfähigen Arbeitskräften wird (in Anlehnung an die heutige Erwerbsfähigkeitsdefinition) signifikant zurückgehen. Als eine von mehreren denkbaren Konsequenzen aus dieser Entwicklung wird das Renteneintrittsalter wahrscheinlich ansteigen (auch das ist mit Blick auf die Bundesrepublik Deutschland keine Eigenheit des japanischen Gesellschaftssystems). Das Alter wird in diesen Gesellschaften damit für die Betroffenen mehr und mehr zu einer planbaren und gestaltbaren Lebensphase; das „Leben nach dem Arbeitsleben“ ist nicht mehr eine bloße „Restlebenszeit“. Viele Japaner bspw. bringen heute bessere Voraussetzungen für das Alter mit als die Generationen von Älteren vor Ihnen. Neben einer verbesserten gesundheitlichen Absicherung zählt dazu u.a. auch eine bessere materielle Absicherung, die wiederum eine selbstverantwortlichere Gestaltung des Alltags ermöglicht. Eine Erweiterung des Aktivitätsradius sowie des Interessenspektrums sind gerade für viele ältere Japaner Mittel, um als Teil der Gesellschaft aktiv zu bleiben. Heutige Ältere sind daher auch seltener passiv und zurückgezogen, sondern durchaus lebenszugewandt und freizeitorientiert (wenngleich viele Japaner allerdings auch nach dem ersten Berufsleben weiterarbeiten, notfalls auch indem sie sich selbständig machen bzw. Teilzeitbeschäftigung(en) nachgehen).
2
Spezifische Anforderungen an Konsumgüter aus Sicht von älteren Menschen
Aus betriebswirtschaftlicher, und insbesondere aus marketingorientierter, Sicht hingegen stellen die älteren Japaner keine homogene Käuferschicht in einem klar umrisse-
Produkt- und Produktionsmanagement für Konsumgüter
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nen Marktsegment dar. Wenngleich der Begriff Silbermarkt auf den Markt für Produkte für ältere Menschen rekurriert, gestaltet sich dieser Markt nicht als monolithisches, in einem Ganzen erfassbares, Konstrukt aus. Das (Konsumenten-)Verhalten und die kaufentscheidenden individuellen Prädispositionen sowie die (durchaus auch kaufverhaltensrelevanten) Einstellungen der Älteren wurden u.a. auch durch lebensindividuelle, persönliche Erlebnisse und Erfahrungen aus der Vergangenheit (mit-)geprägt. Aus marketingorientierter Sicht stellt sich damit für Produkt- und Serviceanbieter zunächst die Frage, wie der Silbermarkt zunächst aus marktbearbeitungstechnischen Gründen weiter segmentierend ausdifferenziert werden kann,1 und darüber hinaus, welche Produkteigenschaften von den älteren Japanern auf welche Art und Weise mit einer korrespondierenden funktionalen und abstrakten Nutzenperzeption belegt sind. Bislang sind die Bemühungen vieler Unternehmen, das Absatz- und Umsatzpotential des Silbermarkts auf geeignete Art und Weise zu adressieren, allerdings noch nicht umfassend ausgeprägt. Demgegenüber gilt allerdings die Relativierung, dass Akteure auf dem japanischen Silbermarkt im weltweiten Vergleich dennoch relativ am Fortschrittlichsten auf seniorengerechte Produktkonfiguration und -allokation fokussieren sowie auf dem Silbermarkt auch signifikante Gewinnpotentiale aufbauen und realisieren. Neben den Absatzchancen für Reisen, Versicherungen und Finanzdienstleistungen sind insbesondere diejenigen für Pflege-, Gesundheits- und Hilfsprodukte positiv von der demographischen Entwicklung Japans beeinflusst. So bietet bspw. das Reiseunternehmen Kintetsu International rund 200 sog. „Interessenclubs“ an, innerhalb deren Kontexte nahezu gleichaltrige Gleichgesinnte Reisen unternehmen. So werden bspw. durch die japanischen Anbieter von Mobilfunktelefonen Geräte mit größeren Tasten und verbesserter Les- und Bedienbarkeit angeboten. Mit Blick auf Pflegeprodukte offeriert das Unternehmen Shiseido spezielle Kosmetika, die auf der Grundlage von Lichtspiegelungseffekten Falten in der älteren menschlichen Haut optisch „glätten“. Der japanische Automobilhersteller Toyota bietet bspw. Pkw mit extrabreiten (Schiebe-)Türen zum problemfreieren Ein- und Aussteigen an; dazu lässt sich ein Sitz multifunktional auch als Rollstuhl verwenden. Darüber hinaus bieten zahlreiche Hersteller mobile Roboter an, welche u.a. Gesundheitschecks durchführen und im Sinne eines „Therapieroboters“ der Vereinsamung ihrer „silbernen“ Käufer entgegenwirken sollen. Der US-amerikanische Hersteller Harley Davidson bietet speziell für den japanischen Silbermarkt Motorräder an, die aufgrund einer spezifischen Anpassung an ergonomische und funktionale Anforderungen von älteren Menschen komfortabler und ermüdungsfreier gefahren werden können. Im Rahmen der Bemühungen, welche von den in der Kyoyo Hin Foundation zusammengeschlossenen Unternehmen seit Ende der
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1990er Jahre vorgenommen werden, wird allerdings auch auf ein sog. Universal Design geachtet. Dieser Grundsatz impliziert, dass das Produktdesign für eine altersunabhängige, universelle Nutzbarkeit der Produkte steht. Hierdurch soll eine Stigmatisierung von älteren Menschen und die Attribution von bestimmten Produkten und Services auf nur für ältere Menschen geeignete Verwendungsmuster und -anforderungen vermieden werden. Etwas vereinfacht formuliert folgt diese Überlegung dem Postulat, wonach Produkte für ältere Menschen im Grundsatz problemlos auch für jüngere Menschen geeignet sind – wenngleich dieses nicht vice versa gilt. Grundlegend für veränderte funktionale Nutzenstiftungsanforderungen sind die sozialen und biologischen Veränderungen des Menschen im Alter. Aus geriatrischer und gerontologischer Sicht2 zeigen sich vielfältige Ursachen für spezifische Produkt- und Leistungserfordernisse von älteren Menschen. Grundsätzlich gilt, dass die Zielgruppendefinition über das Alter allein nicht ausreichend erscheint, da das biologische Alter eines Menschen sehr wenig über den leistungs- und aktivitätsbezogenen Zustand oder etwas über individuelle Prädispositionen, Bedürfnisse und Präferenzen aussagt. Insofern gestaltet sich also auch der Silbermarkt nicht als homogenes Marktsegment aus, sondern ist genauso auszudifferenzieren wie die Marktsegmente für jüngere Konsumenten. Allerdings gilt mit Blick auf den Silbermarkt, dass es gemeinsame Faktoren gibt, die für unterschiedliche Menschen mit zunehmendem Alter in nahezu gleichem Maße emergieren. Folglich sollte bei der Produktkonzeptualisierung von Angeboten für den Silbermarkt speziell auf die biologisch bedingten Veränderungen im Alter eingegangen werden, wenngleich diese Veränderungen im Detail dennoch unterschiedlich ausdifferenziert und konkretisiert sein können. Die biologischen Veränderungen des Menschen im Alter diffundieren in erster Linie in dessen sensorische, kognitive, motorische und emotionale Fähigkeiten und induzieren diverse Ursachen für spezifische Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster und potentiale im Alter. Im Rahmen der Veränderungen des sensorischen Systems treten im visuellen Kontext primär Verengungen der Pupille, Presbyopie, 3 Linsentrübung und Gesichtsfeldeinschränkungen auf. In der Folge steigt die Blendempfindlichkeit, Adaptions- und Akkomodationsfähigkeit der Augen werden vermindert,4 die Unterscheidung von bestimmten Farbverläufen und -sequenzen wird erschwert und sich bewegende Objekte am Rand des Gesichtsfeldausschnitts sind schwerer zu erkennen. Zudem verschlechtert sich das Zusammenspiel zwischen Gehirn und Augen, was u.a. in eine verschlechterte Einschätzung der Entfernung und/oder Geschwindigkeit und/oder Bewegungsrichtung von fokussierten Objekten mündet. Für die Produktent-
Produkt- und Produktionsmanagement für Konsumgüter
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wicklung bedeuten die sensorischen Veränderungen z.B., dass auf Displays und Produktbeschreibungen Kontraste so gut wie möglich herausgearbeitet werden sollten, dass Bilder mit Wischeffekten vermieden werden sollten, dass Informationshierarchien analysiert werden und so erforscht wird, welche Informationen die potentiellen Kunden zuerst auf einer Produktbeschreibung suchen – was wiederum Impulse für die Verpackungsgestaltung geben kann. Im Rahmen der sensorisch-auditiven Veränderungen können altersbedingt umweltabhängige Hochtonverluste emergieren, in deren Folge die Hörschwelle steigt, hohe Frequenzen stark eingeschränkt wahrgenommen werden und ggf. Wortdiskrimination bei Hintergrundgeräuschen auftreten kann. Mit Blick auf die Gestaltung von auditiven Werbebotschaften ist in diesem Kontext bspw. darauf zu achten, dass die Kenngröße „Informationsdichte pro Zeitfenster bei angepasster Sprechgeschwindigkeit“ seniorengeeignet ausgestaltet wird. Im Rahmen der Veränderungen der kognitiven Fähigkeiten verringert sich die Leistungsfähigkeit zur Informationsverarbeitung. Darüber hinaus wird die Fähigkeit zur Datenhaltung im Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und Langzeitspeicher schwächer. In der Großhirnrinde emergiert ein Verlust von Nervenzellen, die Anzahl der Neurotransmitter verringert sich, die Nervenleitungsgeschwindigkeit wird reduziert und Hirnwindungen verschmälern sich. In der Folge fällt es älteren Menschen immer schwerer zu entscheiden, welches relevante Informationen aus einer empfangenen „Datenflut“ sind. Die Entscheidungen von Senioren, welche empfangenen Daten als Information wichtig sind, benötigen deshalb mehr Zeit und sie erfolgen weniger planmäßig. Die Erinnerungsleistung älterer Menschen sinkt, längere (Informations-)Verarbeitungsgeschwindigkeiten gehen häufig mit verlängerten Reaktionsgeschwindigkeiten einher. Mit Blick auf die Produktentwicklung sowie marketingpolitische Maßnahmen ist in dieser Sicht darauf zu achten, dass Informationen zum Produkt strukturiert, konkret, langsam, bildhaft und auf Erfahrungen aufbauend präsentiert werden, am Besten auch in mehreren Wiederholungen. Mit Blick auf die Motorik zeigt sich, dass Bänder, Sehnen und Muskeln älterer Menschen weniger dehnbar sind, die Gelenkbeweglichkeit zurückgeht und sich der Mineralstoffgehalt der Knochen verringert. Zudem erfolgt häufig eine Einschränkung des Herzschlagvolumens. In der Folge resultiert daraus u.a. eine erhöhte Anfälligkeit für Knochenbrüche bei Stürzen, eine grundständig geringere Beweglichkeit sowie eine verminderte Körperkraft. Die körperliche Belastbarkeit wird mitunter stark eingeschränkt. Bspw. Knochenbrüche können ihrerseits zur dauerhaften Einschränkung der Mobilität führen. Im Rahmen der Produktgestaltung sollte auf die eingeschränkten mo-
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torischen Fähigkeiten eingegangen werden, bspw. indem Packungsgrößen bei Lebensund Haushaltsmitteln geeignet reduziert werden und die Handhabbarkeit von Produkten – sowie insbesondere auch deren Verpackungen – auf die eingeschränkte, mit verminderter Kraft und eingeschränkter Beweglichkeit unterfütterte, „Fingerfertigkeit“ älterer Menschen geeignet berücksichtigt wird. Das ganze Motiv- und Emotionssystem des Menschen ändert sich im Alter auf Grundlage von veränderten Nervenbotenstoffen und Hormonen. Das Balancesystem, das Dominanzsystem und das Stimulanzsystem innerhalb des limbischen Systems im Gehirn liefern alternierende Impulse für das menschliche Verhalten. Für die limbischen Instruktionen sind genauer Dopamin für die Stimulanz, Testosteron für die Dominanz und Cortisol als Stress- und Angsthormon für die Balance verantwortlich. Die relative Anteil von Dopamin, Testosteron und Cortisol im limbischen System ändert sich jedoch bei Menschen im Zeitablauf. Durch die hormonellen Umstellungen werden auch die Emotionen berührt, welche ihrerseits das Kaufverhalten der Senioren entscheidend beeinflussen. Bei den 20- bis 40-jährigen sind bspw. Dominanz und Stimulanz besonders ausgeprägt, aber sowohl Dopamin als auch Testosteron gehen im Alter signifikant zurück. Bei den 60-jährigen ist Cortisol das dominierende Hormon, weshalb das Balancesystem entscheidend die limbischen Instruktionen im Gehirn prägt. Dies drückt sich bspw. in der Nachfrage nach Sicherheitsgütern aus. Dazu zählen z.B. Versicherungen aller Art, Medikamente, Arztbesuche sowie das Sicherheitssystem im Pkw. Auf dieser Grundlage achten ältere Konsumenten auch verstärkt auf verlässliche Qualität und lange Haltbarkeit eines Produkts. Neben den hier skizzierten Veränderungen im Gehirn emergieren eine Reihe weiterer „Anpassungen“ im Alter. So wird bspw. Serotonin, welches innerlich gelassener macht, schneller abgebaut; die Stärke der Erregung und die Aktivierung intensivieren sich. Nahezu jede kleinste Aufregung verursacht z.T. heftigste Emotionen. Ältere Menschen neigen nach allem auch dazu, unbekannte Situationen zu meiden; die Risikobereitschaft geht deutlich zurück. Mit Blick auf das Kaufverhalten zeigt sich, dass z.B. impulsive Kaufhandlungen weitgehend nachlassen. Folglich favorisieren Senioren gewohnheitsmäßige Kaufentscheidungen von Konsumgütern und fragen zunehmend traditionelle Produkte nach, die sich über die Jahre kaum verändert haben bzw. entscheiden sich für Produkte, mit deren Marken sie über längere Jahre vertraut sind. Für die Nachfragestruktur sind die skizzierten emotionalen Veränderungen von großer Signifikanz, weil bspw. Produkte, die das Dominanz- und/oder Stimulanzsystem im Gehirn ansprechen, im Alter an Attraktivität und an „habituellem Wert“ verlieren, folglich also kaum noch präferiert werden. Das
Produkt- und Produktionsmanagement für Konsumgüter
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Konsummuster vom gesteigerten Sicherheitsbedürfnis dominiert demgegenüber weitgehend das Kaufverhalten im Silbermarkt. Mit Blick auf das Angebot von Konsumgütern zeigt sich, dass insbesondere Lebensmittel, Kosmetikartikel und Medikamente im Fokus unternehmerischer Bemühungen auf dem Silbermarkt stehen. Diese Produkte werden bei ihrer Anwendung verbraucht. Da nahezu sämtliche Produkte dieser Kategorie in einer Verpackung angeboten werden, ist es vor dem Hintergrund der zuvor skizzierten Überlegungen erforderlich, dass auch die Verpackungen seniorengerecht gestaltet werden. Empirische Untersuchungen legen nahe, dass vor allem Produktqualität, -marke und -preis sowie die Verpackungsgestaltung auf dem Silbermarkt kaufentscheidend sind. Hieraus leiten sich mehrere Überlegungen zu einer geeigneten Produktgestaltung ab. Produkte und ihre Verpackung sollten nicht stigmatisierend wirken; sie sollten nicht die Defizite, sondern die Bedürfnisse der Senioren ansprechen. Das Konsumgut ist nutzbar für Menschen mit unterschiedlich ausgeprägten motorischen, sensorischen und kognitiven Fähigkeiten; die Anwendung des Konsumguts sollte zudem einfach sein und sich unmittelbar erschließen. Lebensmittel sollten bspw. einfach zuzubereiten sein; sog. Convenience-Produkte (bspw. bequem zuzubereitende Backmischungen) rücken zunehmend in den Fokus. Die auf den Verpackungen dargebotenen Informationen sollten gut lesbar und inhaltlich aussagekräftig sein. Dies gilt insbesondere für zentrale Produktinformationen, wie bspw. Sicherheitsvorschriften, Warnungen für bestimmte Nutzergruppen (bspw. Diabetiker), Entsorgungshinweise, Angaben zum Hersteller und zur Herkunft des Produkts. Besonders präferiert werden Produkte, die ohne ein großes Maß an Zusatzstoffen auskommen und in dieser Sicht „gesund“ und „rein“ sind. Konsumenten auf dem Silbermarkt legen hohe Qualitätsanforderungen an Konsumgüter an; zudem ist das Markenbewusstsein bei den Senioren sehr ausgeprägt. Mit Blick auf das Handling der Konsumgüter gilt, dass die Verpackungen dieser Produkte leicht zu öffnen und wieder zu verschließen sein sollten. Zudem sollte die Packungsgröße und Darreichungsform geeignet angepasst, also i.d.R. in kleineren Einheitsgrößen angeboten, werden.
3
Konzeptualisierungszugänge zum Produkt- und Produktionsmanagement
Der japanische Konsumgütermarkt, insbesondere auch der für nicht-zyklische Konsumgüter, gilt als ausgesprochen qualitäts- und marken- bzw. imagesensitiv. Nur
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hochqualitative, mit einem hervorragenden Image versehene Leistungsangebote allozieren die erforderliche Nachfrage, um längerfristig ökonomisch vorteilhaft auf diesem Markt agieren zu können. Es ist vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen durchaus zweckmäßig, davon auszugehen, dass das Silbersegment im Konsumgütermarkt in weiten Teilen in sich noch anspruchsvoller ist. Insofern stellt sich für industrielle Anbieter von entsprechenden Produkten die Frage, auf welche Weise die Produkte in ökonomisch längerfristig sachzielkonformer Art hervorzubringen und zu vermarkten sind. Produkt- und Produktionsmanagement als die beiden zentralen Aktions- und Gestaltungsfelder des strategischen Management5 in diesem Kontext sind von ausschlaggebender Bedeutung. Doch nicht nur isolierte Maßnahmen im Produktmanagement6 und im Produktionsmanagement sind angezeigt; vielmehr gilt es, eine hinreichend geeignete Verzahnung zu einem wirkungsvollen und schlagkräftig integrierten Produkt- und Produktionsmanagement zu vollziehen. An die Hervorbringung von „seniorengerechten“ Produkten werden aus Anbietersicht besondere Anforderungen geknüpft. Da ausnahmslos hohe Qualitätserwartungen zu erfüllen sind, und zudem noch eine „starke“ Markenpositionierung und -persönlichkeit im Silbermarkt erwartet wird, erfährt auch das Management der Schnittstelle von Markenmanagement und Qualitätsmanagement eine besondere Signifikanz.7 Marketingseitig werden damit Produkt- und Markenmanagement, produktionsseitig Qualitäts- und Produktionsmanagement besonders wichtig. Sofern das Markenmanagement als Teil des Produktmanagement sowie das Qualitätsmanagement als Teil des Produktionsmanagement interpretiert wird, konzeptualisieren sich die zielorientierten Gestaltungshandlungen an der Schnittstelle von Produkt- und Produktionsmanagement als Kernbereich der Leistungsgestaltung für den Silbermarkt. Aus strategischer Sicht geht es bei Anbietern auf dem Silbermarkt genauer darum, auf der Grundlage umfassender marketingseitiger Forschungsbemühungen zu den Bedarfs- und Motivationsstrukturen und -mustern der Älteren einen Einblick darüber zu bekommen, welche Werthaltungen das menschliche Verhalten letztlich treiben. Diese Werthaltungen werden ihrerseits durch funktionale und abstrakte Nutzenstiftungen unterfüttert bzw. „erfüllt“, wobei die Nutzenkomponente sich ebenfalls sehr stark an der physiologischen Veränderungen der Älteren spiegelt. Konkret abgebildet werden die Nutzenerwartungen durch die physikalisch-chemisch-technischen Produkteigenschaften. Damit diese Produkteigenschaften eine spezifische technische Qualität aufweisen (was die Ausprägung einer aus Anbietersicht geeigneten wahrgenommenen
Produkt- und Produktionsmanagement für Konsumgüter
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Qualität der Senioren beeinflusst), sind aus Produktionssicht geeignete Prozessarrangierungen im Fertigungsprozess angezeigt. Es geht hier bspw. konkret um einen zweckmäßigen Abgleich des Aufbaus und der Nutzung von marktsegmentbezogenen Kapazitäts- und Flexibilitätspotentialen in der Produktion und um die geeignete Justierbarkeit von kapazitiven und technologischen Potentialen zum Abgleich von kundenorientierter und fertigungsbasierter Qualität. Die Hervorbringung von – von Senioren als „nutzenstiftend“ perzipierten – Leistungsangeboten führt im optimalen Fall zur Kundenzufriedenheit und -bindung an den Hersteller. Der gesamte Ursache-WirkungsVerbund ist in Abb. 1 dargestellt.8
Loyalität und Kundenbindung (ohne Entscheidungsanomalien)
Kognition und Emotionen *
(Un-)Zufriedenheit mit dem Kauf / Produkt
Reale und abstrakte Nutzenerwartungen *
Produktmanagement
(Perzipierte) Nutzenstiftung aus der Produktnutzung
(Perzipierte) Produkteigenschaften
Produktnutzen
Technische Spezifikationen und Produktionskonfiguration
Produktionsmanagement Technische Qualität und leistungsseitige Hervorbringungsflexibilität * unter dem Einfluss von sensorischen, motorischen, kognitiven und emotionalen Veränderungen im Alter (wirken ihrerseits ursächlich auf den abstrakten Soll-Ist-Vergleich zur (Un-)Zufriedenheit mit dem Kauf / Produkt)
Abbildung 1: Wesentliche Artefakte und Konstrukte zum Produkt- und Produktionsmanagement Im Rahmen dieser Überlegungen gelten für den Silbermarkt einige Besonderheiten bzw. spezifische Leistungsanforderungen, was die Interaktionsgestaltung der Schnittstelle zwischen Produkt- und Produktionsmanagement in concreto sowie die anbieterseitige Leistungsgestaltung in corpore betrifft. Diese lassen sich in folgenden Thesen abschließend verdichten: x
Ansatzpunkte für das Produktmanagement im Silbermarkt sind die Emotionen sowie die Nutzenerwartungen der älteren Konsumenten in den Zielsegmenten.
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Dabei spielen die physiologischen Veränderungen im Alter ihrerseits eine große Rolle bei der altersdependenten Ausprägung von Nutzenerwartungen und Produktanforderungen. Insbesondere für höherpreisige Konsumgüter bietet sich ein lukratives Absatzpotential, da die älteren Konsumenten über eine hohe Preisbereitschaft verfügen, sofern die Qualität hinreichend gut ist. Luxusgüter lassen sich also in den „silbernen“ Marktsegmenten auch vergleichsweise großvolumig absetzen. Dabei gilt, dass der Bedarf an Luxusgütern in der „Welt der Wünsche“ entsteht und in der „Welt der Gefühle“ realisiert wird. Für ältere Menschen ist insbesondere wichtig, dass sie sich nicht allein gelassen fühlen - der Konsum von Luxusgütern kann die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder die Bindung an präferierte „in groups“ z.T. deutlich ausbilden. Vor dem Hintergrund, dass die traditionellen Lebensverhältnisse in japanischen Großfamilien immer mehr erodieren, u.a. da sich die Arbeitsplätze der einzelnen Familienmitglieder nicht mehr in räumlicher Nähe zueinander befinden, rücken alternative Bezugsgruppen für Senioren im Sinne von sozialen Netzwerken an die Stelle des traditionellen Familienverbands. x
Die von den Senioren perzipierten Produkteigenschaften sollten aus Anbietersicht durch entsprechend hochqualitative physikalisch-chemisch-technische Merkmale unterfüttert werden; hierbei gilt, dass keine absoluten Optimalitätsmaßstäbe zu erreichen sind. Vielmehr muss das Produktangebot eines Herstellers streng genommen lediglich „als besser“ wahrgenommen werden als das des relevanten Wettbewerbs. Da japanische Senioren in zunehmendem Maße aber immer bessere Vergleichsmöglichkeiten über unterschiedliche Produktangebote erhalten, und diese Informationen z.T. auch aktiv im Kaufentscheidungsprozeß über diverse Medien nachfragen, gelten in summe nichtsdestotrotz weiter steigende, hohe Qualitätsanforderungen, die mit zunehmender angebotsseitiger Transparenz für die älteren Konsumenten noch weiter steigen dürften.
x
Sofern sich im Rahmen des realisierten Kaufakts eine Situation der Kundenzufriedenheit bei den Senioren einstellt, dürfte sich eine entsprechend hohe Loyalität gegenüber dem Produktangebot eines Herstellers ausbilden. Diese Überlegung folgt zunächst den grundsätzlichen Überlegungen zur Herausbildung von Zufriedenheitswahrnehmungen im Rahmen von Kaufhandlungen. Mit Blick auf den Silbermarkt dürfte die sich hier ausbildende Kundenbindung bei erfolgter Kundenzufriedenheit aber in weit stärkerem Maße ausprägen. Es ist somit nahe liegend, dass die Hersteller mit einer signifikant höheren Kundenbindung und -loyalität
Produkt- und Produktionsmanagement für Konsumgüter
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rechnen können. Dieses resultiert aus der Situiertheit, wonach die Senioren - wie oben skizziert - auf der Grundlage von emotional-hormonellen Veränderungen wechsel- und risikoaversiv sind. x
Die Wechsel- und Risikoaversivität dürfte sich neben den Kundenzufriedenheiten und Kundenbindungen auch signifikant auf die Markenwechselneigung auswirken; mit anderen Worten, es kann davon ausgegangen werden, dass zufriedene Kunden weitaus weniger bereit sind, Markenanbieter zu wechseln und Produkte mit einer anderen Marke zu konsumieren. Der Wechselnutzen, der aus dem Konsum einer anderen als der traditionell präferierten Marke im Sinne eines „variety seeking“ gezogen wird, dürfte in dieser Konsumentengruppe schwächer kaufverhaltensbeeinflussend sein.
x
Aus Sicht eines industriellen Anbieters zeigt sich somit, dass es ausgesprochen wichtig ist, eine Reihe an Gestaltungsaspekten und -handlungen zu berücksichtigen, welche den ökonomischen Unternehmenserfolg im Silbermarkt in längerfristiger Sicht determinieren. Dazu zählen zusammenfassend die Fokussierung auf Senioren mit Blick auf die Leistungsangebotsgestaltung, wobei die älteren Konsumenten mit Blick auf ihre individuellen Bedürfnisse „ernstgenommen“ werden müssen. Verstärkend wirkt die Argumentation, wonach ein Großteil des Absatzmarkts überhaupt sukzessive vom Silbermarkt eingenommen - bzw. von diesem verdrängt - wird. Die Leistungsgestaltung durch geeignete Vermaschung von Produkt- und Produktionsmanagement ist in diesen Märkten besonders kritisch, da einmal „gewonnene“ Kunden im Silbermarkt aufgrund diverser mentaler und funktionaler Prädispositionen lange an den Produkten eines Herstellers festhalten und eine entsprechende längerfristig stabile Loyalität zu den Herstellerprodukten ausprägen. Demgegenüber dürfte es ausgesprochen schwierig und aufwendig sein, „verlorene“ Senioren wieder zurück zu gewinnen; zumindest dürften die Hürden zur Zurückgewinnung von Konsumenten in den silbernen Segmenten aus Herstellersicht mitunter sehr hoch sein. Produkt- und Produktionsmanagement im japanischen Silbermarkt stellt in dieser Sicht eine strategische Aktionsvariable aus Unternehmenssicht dar, die den Unternehmenserfolg auf langfristige Sicht signifikant zu beeinflussen vermag. Insofern ist bei strategischen Gestaltungsmaßnahmen und -zielsetzungen also auch ein „langer Atem“ vorzuhalten und im Rahmen von betrieblichen Strategie- und Entscheidungsprozessen eine grundständig langfristige Perspektive zu betonen.
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Literaturverweise Albers, S./Herrmann, A. (eds.) (2002): Handbuch Produktmanagement. Strategieentwicklung - Produktplanung - Organisation - Kontrolle, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2002. Herrmann, A. (1996): Nachfragerorientierte Produktgestaltung. Ein Ansatz auf Basis der „means-end“-Theorie, Wiesbaden 1996. Herrmann, A. (1998): Produktmanagement, München 1998. Himpel, F. (2004): Marktorientiertes Produkt- und Produktionsmanagement. Zur Gestaltung der Interaktion von Marketing und Produktion, Wiesbaden 2004. Himpel, F./Lampert, R. (2004): Markenmanagement und Qualitätsmanagement. Eine empirische und simulationsbasierte Analyse ihrer Wechselwirkungen, Wiesbaden 2004. Himpel, F./Srnka, K.J. (2006): The Japanese „silver market“ from an integrated marketing & operations management perspective, in: Haak, R./Pudelko, M. (eds.): Japanese business in the age of globalization. Learning, restructuring, and transformation for a new state of competitiveness, Munich 2006 (forthcoming).
Anmerkungen 1
Siehe Himpel/Srnka (2006); dort wird eine psychographische Marktsegmentierung anstelle einer demographischen Marktsegmentierung vorgeschlagen.
2
Geriatrie hat das Ziel der medizinischen Altersforschung. Gerontologie als Spezialgebiet der Verhaltenswissenschaften kennzeichnet die Erforschung des menschlichen Verhaltens im Alter; das Ziel ist die Erforschung der Ursachen und Wirkungen des Alterns an sich sowie die Erforschung der Ursachen und Wirkungen regulär fortschreitender Verhaltensänderungen, die mit dem Lebensalter jeweils korrespondieren.
3
Alterssichtigkeit
4
Zu verstehen als die Anpassungsleistung der Pupille von hell zu dunkel (und umgekehrt) (Adaption) und die Anpassungsleistung des Auges an einen fokussierten Gegenstand (Akkomodation).
5
Siehe Himpel (2004).
6
Zum Produktmanagement siehe in extenso die Beiträge im Sammelwerk von Albers/Herrmann (2002).
7
Siehe Himpel/Lampert (2004).
8
Zum Konzept der nachfragerorientierten Produktgestaltung, in dessen Kontext ebenfalls eine Verzahnung von Marketing und Produktion mit Blick auf Produkt- und Produktionsmanagement konzeptualisiert wird, siehe Herrmann (1996) sowie Herrmann (1998).
Japans Konsumelektronik setzt Standards Jürgen Maurer *
Inhalt
Kurzfassung 1
Digitaler Konsum: Standardisierung und Technologiewettbewerb
2
Konkurrenzkampf im Bereich neue optische Speichersysteme
3
Konkurrenzkampf im Bereich Flachbildschirmtechnologie
4
3.1
Kapazitätsausbau
3.2
Konzentration
3.3
Kooperation
Marktführerschaft auch über Japan hinaus
Literaturverweise
* Jürgen Maurer, Wirtschaftskorrespondent der Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai), Tokyo.
102
Jürgen Maurer
Kurzfassung Japan setzt in der Konsumelektronik Standards. Dabei sind Videoapparate - seien es die mit Magnetbändern oder die 2006 in den Markt eingeführten neuesten optischen Speicherscheiben - und Flachbildschirm-Fernsehgeräte die wichtigsten Vertreter. In den nächsten Jahren wird der Konsumelektronikbereich mit hohem Wachstum aufwarten, unterstützt durch Digitalisierung, Standardisierung und dem Zusammenwachsen mit der Informationstechnik. Von diesen Entwicklungen wollen japanische Konzerne als wichtige Marktspieler weltweit profitieren. Sie sind dabei nicht konkurrenzlos, aber versuchen verstärkt, durch Innovationen technologisch einen Schritt voraus zu bleiben, wie aber auch durch Zusammenarbeit an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen.
Japans Konsumelektronik setzt Standards
1
103
Digitaler Konsum: Standardisierung und Technologiewettbewerb
In der Konsumelektronik spielen japanische Unternehmen eine wichtige Rolle, denn sie initiieren neue Trends bei der Geräteentwicklung und setzen Standards für Hardware und Software. So halten Sharp, Panasonic und Toshiba die wichtigsten Patente im LCD- und Plasmabildschirmbereich und haben dadurch strategische Stärke als Markenanbieter und Zulieferanten. Mit Samsung und LG Electronics stellen sie die weltweit wichtigsten Hersteller in diesen Bereichen dar. Auch im Bereich der optischen Speichermedien sind es japanische Unternehmen, die neue Technologien, wie Blu-ray und HD-DVD, entwickelt haben, und dazu die Patente besitzen. Flachbildschirm-Geräte, neue optische Speicher und andere digitale Geräte, wie z.B. Notebooks, sowie die Vorprodukteherstellung haben sich schon jetzt zu wichtigen Wachstumsmotoren der Konsumelektronik im japanischen Markt und weltweit entwickelt. Dies schlägt sich sichtbar in den Investitionen nieder, die in Produktionskapazitäten in Japan getätigt werden, in den projizierten Produktionszahlen der Teile und Endgeräte sowie in den Absatzerwartungen, wie die Tabelle 1 zeigt. Dabei wird sich für die Konsumelektronikbranche 2006 als ein entscheidendes Jahr etablieren. Denn die Umsetzung der digitalen Heimnetze wird einen wichtigen Schritt voranschreiten und den Absatz von Unterhaltungselektronik fördern. Ziel ist es, einen neuen digitalen Lebensstil zu ermöglichen, der einen einfachen Zugang zu digitalen Inhalten schafft und dazu Informationstechnologie und Unterhaltungselektronik vernetzt. 2003
2010
Weltweit
Japan
Gesamt
54,1
Geräte*
18,7
Displays**
Weltweit
Japan
10,6
95,6
17,5
2,3
33,0
4,0 1,4
7,2
1,1
14,6
21,3
5,2
35,7
8,5
Elektronisches Material
3,6
1,2
7,4
2,4
andere
3,3
0,8
4,9
1,2
Chips, Komponenten
*Geräte: TV, DVD, Digitalkameras, Mobiltelefone, Kfz-Navigationsgeräte etc. **Displays: LCD, Plasma, OLED, HDD-Einheiten Anmerkung: 1 Euro = 131,1 Yen im Jahresdurchschnitt 2003 Quelle: Ministry of Economy, Trade and Industry (2004)
Tab. 1: Absatzentwicklung von Geräten für digitale Heimnetzwerke (in Billionen Yen)
104
Jürgen Maurer
Vernetzung verschiedener Technologien braucht gemeinsame Plattformen und technische Spezifikationen. Dazu sind die meisten japanischen Elektronikkonzerne der Digital Living Network Alliance (DLNA), einer relativ neuen Kooperation von bislang bereits weit über 200 Unternehmen aus dem Hardware- und Softwarebereich, beigetreten. In dieser Allianz haben sich die Unternehmen auf technische Spezifikationen geeinigt, wie verschiedene Geräte des Heimnetzwerkes miteinander kommunizieren und wie Informationen und digitale Inhalte durch verkabelte und kabellose Netzwerke ausgetauscht werden können1. Dies soll eine gemeinsame Zertifizierung von Geräten ermöglichen, die den Endkunden eine Interoperabilität verschiedener Hersteller bescheinigt (DLNA 2005). Trotz all der Bemühungen um Standardisierung bleiben die Konsumelektronik- und Informationstechnikanbieter dennoch im Wettbewerb. Das zeigt sich deutlich in der Auseinandersetzung um Unterstützung für die beiden 2006 eingeführten Speicherformate Blu-ray und HD-DVD. Eine Einigung auf ein Format konnte nicht erreicht werden. Und in der Flachdisplaytechnik wird der Wettbewerb noch weiter angefacht werden, wenn zusätzlich zur LCD- und Plasmabildschirmen die SED (surface conduction electron-emitter display)- sowie die OLED (organic light emitting diode)-Technologie voraussichtlich 2007 auf den Markt gebracht werden. Zudem konkurrieren weitere Technologien um die Kundengunst, wie beispielsweise Rückprojektionsfernsehgeräte, die bislang allerdings nur geringe Stückzahlen und Marktanteile aufweisen.
2
Konkurrenzkampf im Bereich neue optische Speichersysteme
Ende März 2006 überraschte Toshiba die Konkurrenz, indem das Unternehmen Geräte für das neue optische Speicherformat HD-DVD (high definition digital versatile discs) als erstes auf den Markt brachte. Geräte für das konkurrierende Format - Blu-ray DVD - waren von Sony für Sommer 2006 angekündigt (Financial Times 2006). Bei optischen Speichern sind es japanische Unternehmen, die als Technologieführer das Sagen haben. Hinter der Entwicklung des Blu-Ray-Formats stehen Sony und Matsushita Electric Industrial bzw. Panasonic; als Schlüsselunternehmen des HD-DVD-Lagers sind Toshiba und NEC zu nennen.
Japans Konsumelektronik setzt Standards
105
Kurz zuvor, Mitte März 2006, hatte die Japan Electronics & Information Technology Association (JEITA) erklärt, dass eine Einigung auf einen gemeinsamen Standard trotz langer Verhandlungen zwischen den beiden Lagern nicht erreicht werden konnte (Japan Times 2006). So wiederholt sich das Bild, das vor mehr als zwei Jahrzehnten mit der Einführung der Videokassetten und den beiden Standards VHS und Betamax bekannt erscheinen dürfte. Beim HD-DVD-Format handelt es sich um eine Plattform, die Unterhaltungselektronik und Informationstechnologie weiter zusammenwachsen lässt. Von daher finden sich in dem Unterstützungskonsortium für das HD-DVD-Format auch viele der Unternehmen, deren Hauptfeld bislang die Computerbranche war, wie Intel und Microsoft (HD-DVD Promotion Group 2005). Das Blu-ray-Format, das auf einer neuen Entwicklung der Abtasttechnologie basiert, nutzt blaue Dioden-Laser - daher auch der Name Blu-ray. Durch andere Aufnahmetechnik wartet diese Technologie mit einer höheren Speicherkapazität auf. Im Blu-rayLager sind neben Sony und Panasonic auch Samsung und Philips vertreten. Zudem setzen einige der großen Hollywood-Studios auf diese Plattform (Blu-ray Disc Association 2005). Beide neuen optischen Speicherformate liefern sich ein Rennen um die Gunst der Film- und Videospieleanbieter und letztlich der Endkonsumenten für ihr jeweiliges System. Denn der Absatz von Geräten ist natürlich sehr stark vom ausreichenden Angebot an digitalen Inhalten auf den neuen Speicherscheiben abhängig. Jedoch sind die beiden Formate nicht gänzlich unterschiedlich. Wie die Vorgängerscheiben DVD werden beide den gleichen Durchmesser haben. Sie werden beide auf einer Verschlüsselungs- und Copyright-Managementbasis arbeiten, die das illegale Kopieren verhindern soll. (Asahi Shimbun 2005a). Und beide sollen dafür sorgen, dass die Geräteverkäufe im High-end-Bereich angeregt werden, da im klassischen DVDGerätemarkt die Profitmargen schon stark zusammengeschmolzen sind. Die Verbreitung von DVD-Rekordern in japanischen Haushalten hatte zum Ende des Fiskaljahrs 2004 (März 2005) bereits ca. 50% erreicht, so Angaben des Economic and Social Research Institutes (ESRI 2006). Praktisch alle japanischen Elektronikkonzerne, allen voran Matsushita, Sony und Toshiba, haben DVD-Rekorder in ihrer Angebotspalette. Mit einer sehr viel höheren Speicherkapazität als Vorgängergenerationen und einer hochauflösenden Bildqualität können diese neuen optischen Speichermedien Heimki-
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no auf höchstem Niveau bieten. Dabei ist Japan der wichtigste Testmarkt, weil hier die Nachfrage nach DVD-Rekordern hoch ist, die neueste Technologie schnell adaptiert wird und Kunden bereit sind, dafür viel Geld auszugeben. Um die Vorteile der neuen Formate hervorzubringen, spielt die zunehmende Verfügbarkeit und Verbreitung von High-Definition Flachbildschirmgeräten eine wichtige Rolle. Während der Wettbewerb bei den neuen optischen Speichern gerade erst beginnt, ist er bei den Fernsehgeräten schon in vollem Gange. In beiden Bereichen wollen die japanischen Elektronikkonzerne hervorragen. Denn es geht um nichts Geringeres, als die Weichen für das volldigitalisierte Zeitalter zu stellen.
3
Konkurrenzkampf im Bereich Flachbildschirmtechnologie
Im Jahr 2006 ist der Siegeszug der Flachbildschirm-Fernsehgeräte in Japan weiter vorangeschritten. Der inländische Absatz wächst zweistellig. Auch weltweit finden Flachbildschirm-Apparate eine wachsende Abnehmerschar und lassen damit einen neuen Technologiezyklus beginnen. Denn in den 60er und 70er Jahren waren es japanische Hersteller von Röhrengeräten, wie Matsushita und Sony, die weltweit zu einem Haushaltsnamen wurden, weil sie qualitativ hochwertige TV-Geräte erzeugten und verkauften. Im Jahr 2005 hatten die Verkäufe von LCD-Fernsehgeräten in Japan erstmals den von TV-Röhrengeräten abgelöst. Mit einem 58,3%igen Zuwachs gegenüber 2004 kamen die Lieferungen von LCD-Geräten auf 4,22 Mio. Einheiten, wohingegen die von Röhrengeräten nur noch 3,98 Mio. Einheiten erreichten. Für Plasma-Fernsehgeräte und Monitore lag die Steigerung bei 37,8% auf 0,47 Mio. Einheiten (JEITA 2005a). Zwischen 2004 und 2009 soll der inländische Absatz von LCD-Fernsehgeräten um das 3,4-fache auf 8,3 Mio. Einheiten zulegen, und der von Plasma-TV um das 3,5-fache auf 1,2 Mio. Einheiten. Bis 2009 wird in Japan der Anteil der FlachbildschirmFernsehapparate voraussichtlich auf 86% gestiegen sein. Weltweit rechnet JEITA mit einem Anteil von 40%. Dabei sollen sich die weltweiten Verkäufe von PlasmaModellen auf 11,6 Mio. Einheiten verfünffachen und von LCD-Modellen um das 7,4fache auf 59 Mio. Einheiten expandieren, so Prognosen des Branchenverbandes (JEITA 2005b).
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Jedoch dürften diese Angaben eher konservativ kalkuliert sein. Denn zum einen weiten die Hersteller ihre Kapazitäten sehr stark aus und auf der anderen Seite dürften aufgrund sinkender Panel- und Endgerätepreise die Verkäufe deutlich zunehmen und in den nächsten Jahren kontinuierlich zweistellig wachsen, so die einhellige Meinung verschiedener Zahlen von Marktforschungsunternehmen.
3.1 Kapazitätsausbau Um den schnell wachsenden Absatz bedienen zu können, investieren die Endgerätehersteller und die Zulieferer hohe Summen in Produktionskapazitäten. Matsushita Electric Industrial Co., der führende Hersteller von Plasma-Panels, nahm im Herbst 2005 die bisher größte Produktionsstätte in Japan in Betrieb. Und das Unternehmen Sharp Corp. als führender Hersteller von LCD-Panels expandiert seine Kapazitäten in Japan ebenfalls stark durch den Bau einer zweiten Produktionsstätte (Asahi Shimbun 2005b). Sharp will mit Kapazitätsausweitung dem Ziel näher kommen, einen 25%igen Anteil am globalen LCD-TV-Markt zu erzielen. Für Matsushita ist es erklärtes Ziel, seinen globalen Marktanteil auf 40% zu erhöhen. Hitachi als zweitgrößter Plasma-TVHersteller will seine Produktionskapazität bis 2008 verdreifachen und bis dahin auch seinen globalen Marktanteil von erwarteten 11% Ende des Fiskaljahrs 2005 (März 2006) auf 20% im Fiskaljahr 2008 ausbauen, so verschiedene Unternehmensmeldungen2.
Unternehmen Sharp IPS Alpha Technology Matsushita Electric Industrial Toshiba/Canon Hitachi
Bereich
Investitionssumme (in Mrd. Yen)
Inbetriebnahme
LCD
350
2006
LCD
110
2006
Plasma
180
2007
SED
180
2007
Plasma
100
2008
Quelle: Unternehmensmeldungen
Tab.2: Ausweitung der Produktionskapazitäten
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Sony, bis vor wenigen Jahren bei hochwertigen Bildröhren führend, hatte die Entwicklung für Flachbildtechnologie zunächst verpasst. Durch die Kooperation mit dem südkoreanischen Elektronikriesen Samsung und der gemeinsamen Produktion von LCD-Panels seit 2005 ist der Anschluss an die Konkurrenz wieder geschafft (Nikkei Weekly 2006a).
3.2 Konzentration Die Marktführerschaft japanischer Anbieter soll nicht nur durch hohe Stückzahlen, sondern zudem durch technologische Vorsprünge erzielt werden. Da die Konkurrenz von Flachbildschirm-Fernsehgeräten von anderen asiatischen Herstellern zunimmt, bauen Japans Elektronikkonzerne ihre Standbeine im HDTV (high definition television)-Bereich aus. Zudem dehnen sie die Grenzen des Machbaren mit immer größeren Bildschirmdiagonalen aus. Mit dem Übergang zu größeren TV-Diagonalen, zu digitalem Rundfunk (seit Ende 2005 soll die Hälfte der japanischen Haushalte bereits empfangen können und ab 2011 analoge Ausstrahlung ganz aufgegeben werden) und zu hochauflösendem Fernsehen (Bildauflösung von 1.920 x 1.080 Pixel) wird eine höhere Qualität der Displays benötigt, bei denen bislang japanische Hersteller die Nase vorn haben. Um ihre Stärken auszuspielen und dem Preiswettbewerb voraus zu sein, konzentrieren sich die japanischen Hersteller immer stärker auf den Bereich der kleinen Panels für leistungsfähige Mobilgeräte, wie Mobiltelefone, PDA und Subnotebooks, oder großer Panels von über 32-Zoll-Diagonale. Denn das Mittelsegment - PC-Monitore und TVGeräte - wird mehr und mehr von billigeren Anbietern aus Südkorea (Samsung und LG Electronics) und Taiwan (AU Optronics, Chi Mei Optoelectronics, Quanta) besetzt (Nikkei Weekly 2005a). So hat Mitsubishi Electric Corp. angekündigt, bis 2008 die Produktion von PCDisplays einzustellen. Fujitsu hat seine Ambitionen in dem Bereich Flachbildschirme weitgehend aufgegeben und an Sharp verkauft sowie seinen Anteil am Joint Venture Fujitsu Hitachi Plasma Display stark verringert. Ebenso hat NEC seine Plasmaaktivitäten an Pionier veräußert.
Japans Konsumelektronik setzt Standards
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3.3 Kooperation Unterdessen sind Hitachi und Matsushita Electric Industrial eine Allianz eingegangen, um gemeinsam Plasma-Panels zu produzieren. Für LCD-Panels haben beide Firmen bereits mit Toshiba eine Produktion in Form der IPS Alpha Technology. Sanyo und Seiko Epson haben seit 2004 ihre Erzeugung von LCD-Panels zusammengelegt (Nikkei Weekly 2005b). Untereinander gehen die japanischen Unternehmen immer mehr Kooperationen ein, um Kosten zu senken und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, aber auch um gemeinsame Forschung zu betreiben. Für letzteres ist beispielsweise Toshiba und Canon mit ihrer Entwicklung der neuen Flachbildschirmtechnik SED (surface conduction electron-emitter display) zu nennen. Im Jahr 2004 als Ergebnis gemeinsamer Forschung vorgestellt, soll die Markteinführung, ursprünglich 2006 gedacht, nun 2007 erfolgen (Nikkei Weekly 2006b). Aber auch andere Formen der Zusammenarbeit sind vorhanden. So hatten sich bereits 2003 mehrere Unternehmen in dem Advanced PDP Development Center Corp. zusammengetan, um gemeinsame Forschung zur Verbesserung von Plasma Displays zu betreiben, finanziell unterstützt durch die New Energy and Industrial Technology Development Organization (NEDO). Die Gründerunternehmen dürfen auf die erreichten Technologieverbesserungen zurückgreifen (APDC 2006).
4
Marktführerschaft auch über Japan hinaus
Die wichtigen japanischen Akteure in der Konsumelektronikbranche weiten ihre Investitionen aus, und es ist damit zu rechnen, dass ihre ohnehin schon hohen Marktanteile in Japan noch weiter steigen. Aber nicht nur in Japan, sondern auch in Übersee sind die japanischen Elektronikhersteller fest entschlossen, sich ihre Position als Marktführer nicht so schnell nehmen zu lassen.
Dazu bauen sie ihre Geschäftsverbindungen mit ausländischen Unternehmen aus, wie z.B. im Flachbildschirmbereich Sony mit Samsung, Sharp mit dem taiwanischen Unternehmen Chi-mei, Sanyo Electronics mit Quanta und auch Sharp mit dem deutschen Hersteller Loewe. Zudem sind Japans Branchenerzeuger aktiv als Zulieferanten für
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elektrische Materialien und Komponenten z.B. auch mit koreanischen und taiwanischen Erzeugern, und versuchen, die vertikalen Beziehungen weiter zu entwickeln (JETRO 2005). Darüber hinaus haben Toshiba und Microsoft Mitte 2005 beschlossen, im Konsumelektronik- und Informationstechnikbereich zu kooperieren, z.B. gemeinsam die nächste Generation von interaktiver DVD-Technologie zu entwickeln und auch bei Notebooks zusammenzuarbeiten. Dazu wurden gegenseitige Lizenzierungsvereinbarungen getroffen (Nihon Keizai Shimbun 2005). In dem Bemühen, sich auch im wichtigen Absatzmarkt Europa eine gute Position zu sichern, bauen die japanischen Anbieter auch in Europa neue Produktionsstätten auf oder rüsten ihre bestehenden Anlagen um. Matsushita Electric Industrial hat ein Werk für Plasmafernseher in Tschechien, Sharp kündigte im April 2006 hat an, in Polen 2007 eine LCD-Module herzustellen, die dann in Spanien zu Endgeräten montiert werden. Sony hat Spanien und Slowenien im Visier. Und Hitachi will ebenfalls in einem osteuropäischen Land LCD- wie auch Plasma-TV-Geräte produzieren (Nikkei Net Interactive 2006). Aus der Entwicklung der japanischen Konsumelektronik können sich auch für deutsche Unternehmen Absatzchancen ergeben. Zwar sind kaum noch deutsche Anbieter im Endgerätemarkt für Konsumelektronik übrig geblieben, jedoch sind einige Spezialisten in Segmenten aktiv, die sich von der Lieferung von Vormaterialien, Herstellungsausrüstung bis zu Komponenten erstrecken.
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Literaturverweise APDC (2006): Advance PDP Development Center Corp. http://www.advanced-pdp.jp/english/apdc/greet/index.html (Download 07.04.06). Asahi Shimbun (22.04.2005a): DVD rivals aim to avert format war. Asahi Shimbun (21.10.2005b):Sales, rivalries robust for flat TVs. Blu-ray Disc Association (2005): What is Blu-ray? http://www.blu-ray.com/info/ (Download 10.10.05). DLNA (2005): What is DLNA? http://www.dlna.org/about/dlna_white_paper_2006. pdf (Download 10.10.05). ESRI (2006): Shohi Doko Chosa (Consumer Confidence Survey). http://www.esri.cao. go.jp/jp/stat/menu.html (Download 16.03.06). Financial Times (01./02.04.2006): Toshiba first with new DVD format. HD-DVD Promotion Group (2005): What is HD DVD? http://www.hddvdprg.com/technology/index.html (Download 10.10.05). Japan Times (24.03.2006): Uniform DVD format quest ends. JEITA (2005a): Domestic Shipments of Major Consumer Electronic Equipment. http://www.jeita.or.jp/english/stat/shipment/2005/ship_12.htm (Download 16.02.06). JEITA (2005b): AV Shuyohinmoku Sekai Juyo Yosoku - 2009 made no Juyo Tenbo (AV Main Items Worldwide Demand - Forecast to 2009), 7.02.2005. JETRO (2005): LCD & Plasma Component Makers Raise Their Competitiveness. JETRO Japan Economic Monthly, November 2005. Ministry of Economy, Trade and Industry (2004): Shin Sangyo Sozo Senryaku (New Industry Creation Strategy), Oktober 2004, S.69. Nihon Keizai Shimbun (28.06.2005): Kaden-Pasokon Teikei Kyoka (Home electronics appliance and PC strengthen cooperation). Nikkei Net Interactive (14.04.2006): Japanese flat-panel TV makers to hike output in Europe. http://www.nni.nikkei.co.jp (Download 14.04.2006).
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Nikkei Weekly (26.09.2005a):Japan LCD makers shifting output to smaller models, S. 15. Nikkei Weekly (14.02.2005b): Flat-panel TV makers doing deals, S. 14. Nikkei Weekly (30.01.2006a): Sony on road to consumer electronics recovery with new LCD TV brand, S. 14. Nikkei Weekly (13.03.2006b): Toshiba, Canon to postpone release of SED flat-panel TV, S. 5.
Anmerkungen 1
Darüber hinaus existieren noch andere Initiativen, durch die Interoperabilität von digitalen Geräten verbessert werden soll. Hierzu gehören HDMI (High Definition Multimedia Interface) und Hana (High-Definition Audio-Video Network Alliance).
2
Damit ist keine Ausschließlichkeit vorgegeben. Die Hersteller von Flachbildschirm-Fernsehgeräten bauen nicht nur auf eine Technologie, sondern Matsushita und Hitachi produzieren auch LCD-Fernsehen ebenso wie Sharp auch Plasma-Fernsehen anbietet.
Strategien ausländischer Unternehmen am Japanischen Kosmetikmarkt Franz Waldenberger und Alexander von Mylius *
Inhalt
Kurzfassung 1
Einleitung
2
Der Japanische Kosmetikmarkt
3
4
2.1
Historische Entwicklung
2.2
Die derzeitige Marktlage
Ausländische Unternehmen am japanischen Kosmetikmarkt 3.1
Erfolgreiche ausländische Unternehmen am japanischen Kosmetikmarkt
3.2
Schwierigkeiten und Besonderheiten am japanischen Kosmetikmarkt
Fazit - Starker Wettbewerb, komplexes Distributionssystem und übermächtige Vormachtstellung der Japaner
* Prof. Dr. Franz Waldenberger, Alexander von Mylius, M.A., Ludwig-Maximilian Universität München, Japan-Zentrum.
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Franz Waldenberger und Alexander von Mylius
Kurzfassung Auf dem japanischen Kosmetikmarkt sind ausländische Unternehmen immer noch stark unterrepräsentiert. Europäische bzw. deutsche Unternehmen der Kosmetikbranche haben in Japan nicht nur mit traditionellen kulturellen Unterschieden zu kämpfen, auch die Aktivitäten japanischer Konkurrenten fordern neue originäre Strategien für diesen viel versprechenden asiatischen Markt. Vom Umsatz her gesehen, kann keines der ausländischen Unternehmen mit den großen japanischen Kosmetikherstellern konkurrieren, selbst der Weltmarktführer L’Oréal nicht. Doch trotz allem lohnt sich das Engagement in Japan, wenn Raum für alternative, auf die Erfordernisse des japanischen Markts und seiner anspruchsvollen Konsumenten zugeschnittene Strategien der Marktbearbeitung gelassen wird. Nach einem kurzen historischen Überblick über die Entwicklung des japanischen Kosmetikmarkts werden am Beispiel ausgewählter japanischer und nicht-japanischer Kosmetikhersteller die Schwierigkeiten und Chancen des Engagements in Japan verdeutlicht.
Strategien ausländischer Unternehmen am Kosmetikmarkt
1
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Einleitung
Bei der Analyse von Strategien ausländischer bzw. europäischer oder deutscher Unternehmen am japanischen Kosmetikmarkt fällt zuerst ins Auge, dass es kaum ausländische Kosmetikunternehmen zu geben scheint, die am japanischen Markt aktiv sind. Auffallend ist die starke Dominanz japanischer Hersteller auf dem heimischen Markt für Kosmetikartikel. Selbst der Weltmarktführer L’Oréal ist in Japan zwar vertreten, kann dort aber vom Umsatz her gesehen nicht mit den großen japanischen Unternehmen mithalten. Diese Arbeit geht der Frage nach, warum der japanische Kosmetikmarkt so „fest in japanischer Hand“ ist, und wie es einige ausländische Unternehmen trotzdem geschafft haben, in Japan erfolgreich zu sein. Auf einen Überblick über den japanischen Kosmetikmarkt und die größten japanischen Kosmetikhersteller folgt die Vorstellung einiger europäischer bzw. deutscher Kosmetikunternehmen, die sich in Japan erfolgreich platzieren konnten. Im Anschluss daran werden die Schwierigkeiten und Besonderheiten des japanischen Kosmetikmarktes aufgezeigt, mit denen ausländische Unternehmen bei ihrem Engagement in Japan konfrontiert werden. Aufgrund der Aktualität des Themas bezieht sich diese Arbeit größtenteils auf Internetquellen die frei zugänglich sind. Alle aufgeführten Internetverweise waren unter den angegebenen Adressen Anfang März 2005 abrufbar.
2
Der japanische Kosmetikmarkt
2.1
Historische Entwicklung
Anfänge in der Meiji Zeit Ein Markt für moderne Kosmetikprodukte entstand in Japan im Zuge der Modernisierung des Landes ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert. Nach der Öffnung Japans durch Kommodore Perry im Jahre 1854 wurden die ersten Kosmetikartikel sowie Techniken zur Herstellung aus dem Ausland importiert. Die Nachfrage nach „westlichen“ Luxusgütern stieg an, und bald erschienen die ersten japanischen Kosmetikartikelhersteller auf dem Markt. Der heutige Marktführer Shiseido wurde bereits im Jahre 1872 gegründet. Der japanische Markt wurde bis zum 2. Weltkrieg jedoch von zwei
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Franz Waldenberger und Alexander von Mylius
anderen Unternehmen dominiert: zum einen von Hirao Sanpei aus Tokyo mit dem Label Rate (࠻), zum anderen von Nakayama Takaharu aus Osaka mit dem Label Club (ࠢࡉ).1 So spricht man vor dem Krieg von einem zwei geteilten Markt, dem „östlichen Rate“ und dem „westlichen Club“.2
Starkes Wachstum nach dem Krieg Nach dem Krieg wurden die zerstörten Fabriken wieder aufgebaut; viele neue Hersteller erschienen auf dem Markt, und es kam zu einem raschen Wachstum der Branche. Neben dem allgemein wachsenden Wohlstand ist einer der Gründe für das beachtliche Wachstum die Emanzipierungsbewegung in den 60er Jahren. Durch die Emanzipationsgedanken wurden mehr Frauen berufstätig, sie verfügten über selbst verdientes Geld und investierten dies auch gerne in Kosmetikartikel. Um die Gunst der Kundinnen zu gewinnen, entstanden in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts besondere Verkaufskonzepte. Wie zum Beispiel jahreszeitliche Sonderverkäufe (ࠪ ࠭ࡦࡊࡠࡕ࡚ࠪࡦ) oder auch Sonderverkäufe mit einem Geschenk und Bonussystem (ࡊࡦ࠻࡞). Auch das Direktverkaufen von Kosmetikartikeln an der Haustür kam in den 70er Jahren auf. Insgesamt verzehnfacht sich das gesamte Marktvolumen in der Zeit von 1965 bis 1985.3 Andererseits sollte jedoch auch erwähnt werden, dass während dieser Zeit viele Hersteller wegen Umweltverschmutzung verklagt wurden und diverse unseriöse Firmen mit schneeballsystemartigen Methoden die Kosmetikbranche in ein schlechtes Licht rückten.4
Gesättigter Markt seit den 80er Jahren Seit Mitte der 80er Jahre gilt der japanische Kosmetikmarkt als gesättigt, mit einem leichten durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 1% bis 2%. Während die japanische Wirtschaft Anfang der 90er Jahre mit dem Platzen der Seifenblasenwirtschaft herbe Verluste einstecken musste, war der Kosmetikmarkt davon kaum betroffen. Das zeigt, dass diese Brache sehr resistent gegen Rezessionen zu sein scheint. Allerdings ist der durchschnittliche Preis für ein einzelnes Kosmetikprodukt seit dem Platzen der Bubble Economy stetig gesunken. 5
Strategien ausländischer Unternehmen am Kosmetikmarkt
2.2
117
Die derzeitige Marktlage
Gesamtvolumen und Produktkategorien Im Jahr 2000 umfasste das Gesamtvolumen des japanischen Kosmetikmarkts etwa 1,48 Billionen Yen6 (ca. 14,8 Milliarden Euro7). Damit ist der japanische Kosmetikmarkt der zweitgrößte nach den USA. Der Vergleich mit Deutschland, das 2000 ein Gesamtvolumen von 10,6 Mrd. Euro8 aufzuweisen hatte, erweist sich als schwierig, da im deutschen Körperpflegemittelmarkt auch Zahn- und Mundpflegemittel sowie Badeund Duschzusätze enthalten sind, die in Japan nicht zum Kosmetikmarkt zählen. Da die Kategorisierung der Produkte, die als Kosmetika eingestuft werden, nationalen Unterschieden unterliegt, sollen im Folgenden die Kategorien des japanischen Kosmetikmarkts und ihre Anteile am Gesamtmarkt im Jahre 2000 charakterisiert werden.9 x Hautpflegeprodukte Mit 557 Mio. Yen (39,1% des Gesamtmarktes) sind Hautpflegeprodukte das stärkste Segment. Zur Hautpflege zählen die folgenden Produkte: Cremes, Schaum und Seifen für Gesichtsreinigung, Massage- und Kühlungscremes, Feuchtigkeitscremes, Körpermilchlotionen, Lotionen, Gesichtsmasken, Hautbleichungs-Produkte (sog. whitening Produkte). x Haarpflegeprodukte Haarpflegeprodukte stellen mit 447 Mio. Yen (31,3% des Gesamtmarktes) das zweitstärkste Segment dar. Zur Haarpflege zählen die folgenden Produkte: Shampoos, Spülungen, Haarwasser, Haarkuren, Pomaden, Haarcremes, Haarsprays, Haarwachs, Tönungen und Färbemittel. x Make-up Produkte Make-up Produkte sind mit 362 Mio. Yen (25,4% des Gesamtmarktes) die dritte Säule des japanischen Kosmetikmarktes. Zu den Make-up Produkten zählen Grundierungen, Puder, Lippenstifte, Lippencremes, Augen-Make-up, Augenbrauenpflege, Wimperntusche und -pflegeprodukte, Produkte zur Maniküre- und Pediküre (inkl. Lackentferner). x Kosmetik für spezielle Anwendungsgebiete Kosmetik für spezielle Anwendungsgebiete machen mit 50,9 Mio. Yen Umsatz ca. 3,6% des Marktes aus. Zu dieser Kategorie zählen Sonnenschutzmittel, Rasur Produkte, Bade-Kosmetika.
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x Parfüms und Eau de Cologne Den geringsten Teil machen Parfüms und Eau de Cologne aus. Dieses Segment macht in Japan mit einem Umsatz von nur 8,5 Mio. Yen nur 0,6% des Gesamtmarktes aus. Im Vergleich zu den USA und Europa fallen bei der Kategorisierung der japanischen Kosmetikprodukte zwei Besonderheiten auf: zum einen der hohe Anteil von Hautpflegeprodukten, zum anderen der extrem niedrige Anteil von Parfüms und Eau de Cologne. Der hohe Anteil von Hautpflegeprodukten wird einerseits mit dem asiatischen/japanischen Schönheitsideal von weißer Haut erklärt, was zum hohen Absatz von sog. whitening Produkten führt. Zum anderen fördert das japanische Klima mit seinen feuchten Sommern und trockenen Wintern den Umsatz von Hautpflegeprodukten. Erklärungsansätze für den geringen Verbrauch von Parfüms verweisen zum einen auf die Tatsache, dass die japanischen Konsumenten im allgemeinen kleiner und schlanker sind, und von daher nicht soviel transpirieren wie die Konsumenten in den USA und Japan. Zum anderen gilt ein zu starker Geruch in Japan als eher störend oder unpässlich, weshalb auch eher leichte, kaum riechbare Düfte als starke Parfüms abgesetzt werden. Parfüms werden des Weiteren auch eher als Geschenk für andere gekauft als für den eigenen Gebrauch.
Importvolumen Im Jahr 2000 hat Japan Kosmetikartikel im Wert von insgesamt 106 Mrd. Yen10 aus dem Ausland importiert. Das entspricht einem Anteil von ca. 7,2% des Gesamtmarktes. Dem steht ein Exportvolumen von 55,2 Mrd. Yen gegenüber (ca. 3,7% des Gesamtmarktes). Mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von ca. 7% hat der Importmarkt jedoch eine ca. drei bis viermal so hohe Wachstumsrate wie der Gesamtmarkt. Es scheinen also in zunehmenden Maße Kosmetikartikel nach Japan eingeführt zu werden. Auch bei den Importen machen Hautpflegeprodukte mit 34,3% den größten Anteil aus. Im Gegensatz zum Gesamtmarkt allerdings, liegen Parfüms und Eau de Cologne bei den Importen mit 23,1% den auf dem zweiten Platz. Der Anteil von Make-up Produkten liegt hier bei 20,4%, spezielle Kosmetik kommt auf 12,6%, und Haarpflege macht
Strategien ausländischer Unternehmen am Kosmetikmarkt
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9,6% des Importmarktes aus. Aus diesen Zahlen lässt sich schließen, dass ein Großteil der Parfüms und Duftwasser, die in Japan verkauft werden, Importware sein muss. Der größte Exporteur von Kosmetik nach Japan im Jahre 2000 war Frankreich (33,6%), dicht gefolgt von den USA (30,2%). Auf dem dritten Platz findet sich Großbritannien (5,7%), während Deutschland mit 4,6% auf Platz vier liegt. Im Jahr 2004 rückte China als Exporteur auf den dritten Platz.
Wer dominiert den Markt – Die Top Fünf des japanischen Kosmetikmarkts Betrachtet man den verhältnismäßig geringen Anteil von Importen am Gesamtmarkt, so lässt sich ein weiteres Merkmal des japanischen Kosmetikmarktes ableiten: die überwältigende Dominanz der inländischen Hersteller auf dem japanischen Markt. Obwohl es in Japan insgesamt etwa 1600 Kosmetikartikelhersteller gibt, wird der Markt von einer kleinen Anzahl großer Anbieter dominiert. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Umsätze der größten japanischen Hersteller betrachtet, aus deren Reihen die führenden fünf Unternehmen kurz vorgestellt werden sollen.11 x Shiseido ⾗↢ၴ (gegründet 1872) Mit einem Umsatz von 489,5 Mrd. Yen 12 im Kosmetikbereich ist Shiseido der Marktführer in Japan. Um die 75% seines Umsatzes erzeugt das Unternehmen am inländischen Markt. Bereits in den 1920er Jahren errichtete Shiseido ein chainstore-Distributionssystem13 und gilt daher als Erfinder dieser Art der Kosmetikdistribution in Japan. Shiseido produziert Produkte in allen Kategorien und allen Preisklassen des japanischen Kosmetikmarktes. Die Produkte im niedrigen und mittleren Preissegment werden hauptsächlich über den Großhandel vertrieben, die teureren Produkte über das chain-store System. Shiseido produziert auch einige sog. Non-Shiseido-Brands, die nicht unter dem Namen Shiseido laufen, und auf spezielle Preisklassen und/oder Distributionswege beschränkt sind.14 Shiseido ist ein reines Kosmetikunternehmen und erwirtschaftet 80% seines Umsatzes mit Kosmetikartikeln. Außerhalb des klassischen Kosmetikgeschäfts produziert Shiseido Toilettenartikel und betreibt einige Restaurants der gehobenen Klasse 15 sowie Beauty-Salons 16 im hohen Presssegment, in denen Shiseido-Produkte sowie ihre Anwendung in Form von Dienstleistungen (Massagen, WellnessProgramme, etc.) verkauft werden.
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Franz Waldenberger und Alexander von Mylius
x Kao ⧎₺(gegründet 1887) Im Kosmetikbereich konnte Kao im Jahr 2004 einen Umsatz von 241,4 Mrd. Yen17 erwirtschaften und liegt damit an zweiter Stelle. Das Chemieunternehmen macht jedoch den Großteil seines gesamten Umsatzes in Höhe von 865,2 Mrd. Yen mit Chemikalien für den industriellen Verbrauch und chemischen Haushaltswaren für den Endverbraucher (Waschmittel, Spülmittel, Reinigungsmittel etc.). Im Kosmetikbereich produziert Kao vor allem Haut- und Haarpflegeprodukte im mittleren Preissegment. Der Fokus liegt jedoch auf Hautpflegeprodukten im mittleren Preissegment (z.B. die Boiré- und Sofina-Serie)18, die über den Großhandel vertrieben werden. Kao produziert jedoch auch einige exklusive Marken im oberen Preissegment, die nur über Kaufhäuser vertrieben werden (z.B. est). x Kanebo ࠞࡀࡏ࠙(gegründet 1887) Kanebo war ursprünglich ein reines Textilunternehmen: In der Zeit um die Jahrhundertwende gehörte Kanebo zu den großen Herstellern japanischer Seide. Erst ab 1961 begann Kanebo, auf dem japanischen Kosmetikmarkt aktiv zu werden. Auch heute noch sind die Hauptsäulen des Kanebo-Konzerns die Textil- und Lebensmittelsparte. Kanebo Cosmetics erwirtschafte 2004 einen Umsatz von 194,8 Mrd. Yen19 und ist damit der drittstärkste Kosmetikhersteller Japans. Kanebo produziert hauptsächlich Hautpflege und Make-up Produkte im mittleren und hohen Preissegment, die genau wie bei Shiseido entweder per Großhandel (z.B. die Kate Serie) oder per chain-store-System (z.B. die Testimo Serie) vertrieben werden.20 Auffällig ist, dass Kanebo seine Kosmetikstrategie von Anfang stark auf den ausländischen Markt ausgelegt hat. So begann man schon in den 60er Jahren, Produkte in Hong Kong abzusetzen, in den späten 70er Jahren folgten die Absatzmärkte in den USA und Europa. So sind Kanebo und Shiseido die einzigen japanischen Hersteller in der Reihe der Top Fünf, die ihre Produkte auch in Deutschland verkaufen. x Kosé ࠦ (gegründet 1948) Kosé ist ein reines Kosmetikunternehmen und erwirtschaftete 2004 nach eigenen Angaben einen Umsatz von 160,6 Mrd. Yen 21 . Kosé produziert in erster Linie Make-up und Hautpflegeprodukte in allen Preissegmenten, darunter besonders viele whitening Produkte. Von daher überrascht es nicht, dass Kosé außerhalb Japans vor allem auf dem asiatischen Markt (Korea, Hong Kong, Taiwan, China, Singapur, Malaysia und Thailand) aktiv ist. Kosé bietet seine Produkte teilweise unter länder-
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spezifischen Marken in den jeweiligen asiatischen Länder an. Beispielsweise die Marke AVENIR, die ausschließlich auf dem chinesischen Markt verkauft wird22. In Europa ist Kosé bisher nicht vertreten. Kosé produziert seine Kosmetik in acht Fabriken in Japan und jeweils einer Fabrik in Taiwan und China. x Pola ࡐ (gegründet 1929) Pola konnte im Jahre 2004 einen Umsatz von 140,4 Mrd. Yen23 erwirtschaften. Pola stellt hauptsächlich Haut- und Körperpflegeprodukte im mittleren Preissegmenten her und vertreibt diese ausschließlich durch Direktverkauf. Um die Produkte an der Haustür bzw. bei Hausbesuchen zu verkaufen, unterhält Pola ein komplexes Vertretersystem (Pola Consultants). Als Pola Consultants arbeiten mehrheitlich Frauen, die als selbstständige Verkäuferinnen für Pola in einer Art FranchiseSystem tätig sind. Nach demselben Prinzip plant Pola seine Produkte in naher Zukunft auch in Mittel- und Südamerika abzusetzen.24
3.
Ausländische Unternehmen am japanischen Kosmetikmarkt.
3.1
Erfolgreiche ausländische Unternehmen am japanischen Kosmetikmarkt
Aufgrund seines enormen Marktvolumens, stellt der japanische Kosmetikmarkt trotz der beschriebenen Dominanz der japanischen Hersteller auch für ausländische Unternehmen einen lukrativen Markt dar. Wie ausländische, insbesondere europäische und deutsche Unternehmen sich erfolgreich am japanischen Kosmetikmarkt etablieren konnten, soll im Folgenden anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden. Es folgt die Darstellung der Schwierigkeiten und Besonderheiten, mit denen ausländische Unternehmen auf dem japanischen Kosmetikmarkt konfrontiert werden. x Nivea Kao Mit geschätzten 15% Anteil am weltweiten Markt für Hautpflegeprodukte gilt Nivea als die weltweit erfolgreichste Hautpflegemarke.25 In Japan ist Nivea seit 1972 auf dem Markt. Die Beiersdorf AG ging damals zu diesem Zweck ein Joint Venture mit dem japanischen Chemie- und Kosmetikunternehmen Kao ein. 60% der Anteile des in Tokio ansässigen Joint Venture Nivea Kao gehören Beiersdorf, während 40% im Besitz von Kao sind.26 Vergleicht man die Produkte von Nivea in Japan mit denen in Deutschland, so fällt auf, dass fast die gesamte Produktpalette unterschiedlich ist.27 Lediglich die klassi-
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sche Nivea Creme sowie einige Produkte aus der Nivea-Men-Serie scheinen identisch zu sein. Unterschiede sind sowohl in der Verpackung, als auch in der Art der Produkte zu erkennen. Beispielsweise gibt es innerhalb der Nivea-Body-Serie in Japan viele whitening Produkte, während dieselbe Serie in Deutschland von Hautstraffungscremes dominiert wird. Auch bietet Nivea in Japan beispielsweise keine Make-Up Produkte an. Nivea ist auf dem japanischen Markt fest etabliert, und die wenigsten Konsumenten sind sich des ausländischen Ursprungs der Marke bewusst. Im Allgemeinen wird Nivea als japanische Marke wahrgenommen. Dies wird durch den Namen des Joint Venture, Kao Nivea natürlich begünstigt, weil es dem Konsument suggeriert, Nivea sei eines der Produkte aus dem Hause Kao. Diese Strategie der „Lokalisierung von Nivea“ verfolgt Beiersdorf nicht nur in Japan, sondern in allen Ländern, in denen die Marke Nivea auf dem Markt ist.28 x Wella Japan Wella begann bereits 1965 mit dem Vertrieb seiner Produkte in Japan, bereits wenig später, ab 1970 begann man die Produktion in Japan aufzubauen. Im Jahre 1972 wurde Wella Japan als Tochterunternehmen des deutschen Mutterkonzerns gegründet.29 Anfangs verkaufte Wella Japan seine Haarpflegeprodukte nur an Friseure, inzwischen erfolgt der Vertrieb auch an den Endabnehmer. Der Großteil des Umsatzes wird jedoch weiterhin mit Friseuren und Salons gemacht. Wella Japan bietet zudem Weiterbildungen und Trainingsprogramme für Friseure an. Durch die Wella-Salons sowie durch das seit 2003 erfolgreiche Internet-Portal www.salonpartner.jp fungiert Wella Japan als Trendsetter auf dem Frisurenmarkt. Auf dem Markt für Produkte aus dem Haarpflegebereich, die direkt an Friseure und Salons verkauft werden, ist Wella Japan der Marktführer in Japan.30 Im Jahr 2003 erwirtschaftete Wella Japan einen Umsatz von ca. 250 Mio.31 Euro, und ist damit der erfolgreichste deutsche Kosmetikhersteller auf dem japanischen Markt. Wella hat zwar kein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Japan, dafür ist jedoch eines von insgesamt acht Testlabors in Japan angesiedelt. Für den japanischen Markt stellt Wella spezielle Produkte her, die besonders gut auf die japanischen Haartypen abgestimmt sind.32 x L’Oréal Nihon L’Oréal kam 1963 durch ein Joint Venture mit Kosé nach Japan. Am Anfang stand der Vertrieb von professionellen Haarpflegeprodukten, seither wurde die Produktpalette kontinuierlich erweitert. 1996 wurde das Joint Venture mit Kosé beendet,
Strategien ausländischer Unternehmen am Kosmetikmarkt
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und L’Oréal Nihon wurde gegründet. L’Oréal Nihon ist eine Tochter der L’OréalGruppe, an der die L’Oréal-Gruppe 70% der Anteile hält.33 L’Oréal Nihon ist der größte und erfolgreichste ausländische Hersteller auf dem japanischen Kosmetikmarkt, dabei liegt der Hauptfokus auf Haarpflegeprodukten und Kosmetika aus dem Hochpreissegment. 34 Die bekanntesten und erfolgreichsten Marken von L’Oréal in Japan sind Lancôme, Maybelline New York und Helena Rubinstein. Im Bereich der Luxusmarken konnte L’Oréal im Jahr 2003 seine Stellung festigen, indem man die Aktienanteile am japanischen Unternehmen Shu Uemura auf 52,9% erhöhte und damit die Managementkontrolle erhielt.35 Die Produkte von Shu Uemura gehören in Japan zu den bekanntesten Kosmetikmarken im Bereich der Luxusmarken. Der große Erfolg von L’Oréal in Japan geht auf die Tatsache zurück, dass sich das Unternehmen nicht wie viele Kosmetikfirmen auf den Verkauf von Importprodukten beschränkte, sondern bereits 1983 ein eigenes Forschungs- und Entwicklungszentrum in Tokio errichtete. In den 90ern folgten zwei weitere Forschungs- und Entwicklungszentren in Kanagawa und Tsukuba.36 Die Produkte, die L’Oréal in Japan entwickelt hat, finden bei der japanischen Kundschaft ein positives Echo und sind auch im Ausland erfolgreich. Der weltweit sehr erfolgreiche Water Shiny Diamonds Lippenstift aus der Maybelline-Serie wurde beispielsweise in Japan entwickelt.37 Die Bedeutung der japanischen Einrichtungen von L’Oréal nimmt weiter zu, und Tokio gesellt sich zu Paris und New York als eines der Kreativzentren der L’Oréal-Gruppe38.
3.2
Schwierigkeiten und Besonderheiten am japanischen Kosmetikmarkt
Spezifische Produkte für den japanischen Markt Bei der Betrachtung des japanischen Kosmetikmittelmarkts im Vergleich mit dem deutschen Markt für Kosmetika fällt die unterschiedliche Bandbreite der Produkte in den jeweiligen Ländern auf. Ein Grund ist in der unterschiedlichen Nachfrage zu sehen, die, wie bereits erwähnt, auf unterschiedliche Schönheitsideale in Japan und Deutschland zurückgeht. In Japan ist beispielsweise eine hoch differenzierte Auswahl an so genannten whitening Produkten auf dem Markt, die für einen möglichst weißen Teint sorgen sollen.
124
Franz Waldenberger und Alexander von Mylius
Weiterhin fällt der Wunsch des japanischen Kosmetikkonsumenten nach Produkten mit einem möglichst hohen Qualitätsstandard ins Auge. Dies betrifft sowohl die Verpackung, bei der jedes Detail stimmen muss39, als auch das eigentliche Produkt. Der Konsument erwartet, dass das Produkt auf die Besonderheiten von japanischer Haut und japanischem Haar abgestimmt ist. Dies führt unweigerlich dazu, dass faktisch alle erfolgreichen ausländischen Unternehmen eigene Produkte für den japanischen Markt entwickeln, und Testlabors oder ganze Forschungs- und Entwicklungszentren in Japan betreiben. Der japanische Kosmetikmarkt gilt zudem als sehr schneller Markt. Gerade Make-UpProdukte werden beispielsweise nur für den Frühling und Frühsommer entwickelt und verkaufen sich dann nur in dieser Periode von drei bis vier Monaten. Als Gründe dafür werden die starken klimatischen Unterschieden zwischen Sommer und Winter angeführt.40 Möchte ein ausländisches Unternehmen in diesem Marktsegment aktiv werden, so muss es die japanischen Trends gut beobachten und seine Produkte dementsprechend immer wieder anpassen und vermarkten.
Gesetzliche Regulationen Der Verkauf und der Import von Kosmetikartikeln wird in Japan durch das Arzneimittelgesetz41 und das Hochdruckgas Sicherheitsgesetz42 reguliert. Die wichtigen Punkte dabei sind, dass man einerseits als Hersteller oder Importeur eine spezielle Lizenz braucht, die periodisch erneuert werden muss. Zum anderen braucht man für jeden einzelnen Artikel, der verkauft oder importiert werden soll, eine eigene Lizenz. Um die nötigen Lizenzen für einen Artikel zu erhalten, müssen bestimmte Vorraussetzungen auf inhaltsstofflicher Basis erfüllt sein. Für die Unternehmen bedeutet dies zum einen, dass die Herstellung bestimmter Produkte für den japanischen Markt gesondert erfolgen muss, weil bestimmte Inhaltsstoffe einen bestimmten Grad nicht überschreiten dürfen. Zum anderen entstehen weitere Mehrkosten durch Testen der Produkte und den Lizenzerwerb. 43 Die Regulierungen schreiben außerdem eine besondere Kennzeichnung der Inhaltsstoffe auf der Verpackung vor. Von diesen Regulierungen sind besonders Produkte für den Importmarkt betroffen. Hier entstehen Zusatzkosten, die für die chemische Analyse der Produkte anfallen. Außerdem müssen die Produkte teilweise mit neuen Etiketten beklebt werden, um der Kennzeichnungspflicht zu entsprechen.44 Diese gesetzlichen Regulierungen werden seit 2001 mit dem Ziel der Deregulierung überarbeitet. Die Deregulierung zielt in erster Linie auf eine neue Charakterisierung
Strategien ausländischer Unternehmen am Kosmetikmarkt
125
der Artikel, die unter das Arzneimittelgesetz fallen. Nach Angaben der Japan External Trade Organization (JETRO) kann das starke Wachstum auf dem Importmarkt als erste positive Auswirkung dieser Deregulierungen angesehen werden.45 Die Deregulierung führt auch dazu, dass die Preise für Kosmetik in Japan zwar zurückgehen, aber im Vergleich mit Europa, Amerika und den restlichen Asiatischen Ländern immer noch recht hoch sind.46
Komplexes Distributionssystem Möchte ein ausländisches Unternehmen in den japanischen Kosmetikmarkt eintreten, dürfte eines der größten Hindernisse das komplexe Distributionssystem von Kosmetikartikeln in Japan sein. Das Distributionssystem für Kosmetika in Japan wird im Allgemeinen in vier unterschiedliche Distributionswege aufgeteilt, die im Folgenden kurz skizziert werden. Bei dem Großhandels-Distributionssystem (GHD)47 handelt es sich um die Distribution über Großhandelshäuser. Der Großhandel bezieht seine Waren von mehreren Herstellern, teilt sie auf, und leitet sie dann, falls notwendig mehrstufig, an den Einzelhandel weiter. Das GHD wird meist für Alltagskosmetik und Toilettenartikel verwendet. Die wichtigsten Einzelhändler stellen Supermärkte und Convenience Stores dar. Im Direkt-Selektiven-Distributionssystem (DSD) 48 erfolgt der Vertrieb entweder direkt an den Einzelhandel oder über eine Verkaufsfirma, deren Kapital vom Hersteller zur Verfügung gestellt wird. Dabei haben die Firmen so genannte Chain-StoreVerträge mit den Einzelhändlern. Dieses Franchise-Verkaufssystem sichert dem Hersteller Preisstabilität und, durch die Beratungsgespräche, die Erforschung der Verbraucherbedürfnisse. Im Gegensatz zum GHD werden über das DSD hauptsächlich Artikelgruppen des höheren und hohen Preissegments abgesetzt. Der Direktverkauf an der Haustür49 und der Versand per Post stellt neben dem GHD und dem DSD die dritte wichtigste Säulen des japanischen Marktes für Kosmetik und Köperpflege dar. Im Gegensatz zu Europa, wird über diese Art der Distribution in Japan ein beträchtlicher Teil des Gesamtmarktes abgewickelt. Dies ist am Beispiel des zuvor beschriebenen Herstellers Pola gut zu erkennen. Pola setzt seine Produkte ausschließlich über den Haustürverkauf ab, und zählt damit zu den fünf umsatzstärksten Herstellern in Japan. Der letzte Distributionsweg führt zu Geschäften50, womit beispielsweise Friseure oder Schönheitssalons gemeint sind. Dieser Distributionsweg, der von den inländischen
126
Franz Waldenberger und Alexander von Mylius
Herstellern lange Zeit vernachlässigt wurde, wurde hauptsächlich von den großen ausländischen Unternehmen wie L’Oreal Nihon und Wella Japan genutzt, um sich in Japan zu platzieren.51 Von daher hat diese Art der Distribution in den letzten 20 Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen können, während der Haustürverkauf stetig zurückging.
4
Fazit - Starker Wettbewerb, komplexes Distributionssystem und übermächtige Vormachtstellung der Japaner
Zusammenfassend kann man feststellen, dass der japanische Markt für Kosmetikartikel ein sehr konkurrenzbetonter Markt ist. Die japanischen Hersteller sichern und verteidigen ihre Marktanteile und stehen auch untereinander im starken Wettbewerb zueinander. Trotzdem kann der japanische Kosmetikmarkt auch für ausländische Unternehmen sehr lukrativ sein, wie die vorgestellten erfolgreichen Unternehmungen von Wella, Beiersdorf und L’Oréal beweisen. Diese Beispiele zeigen auch, dass Erfolg am japanischen Kosmetikmarkt mit hohen Investitionen und einer langfristigen Strategie verbunden ist. Der japanische Markt und seine Nachfrage müssen gut analysiert werden, und die eigene Produktpalette muss den Bedürfnissen der japanischen Konsumenten angepasst werden. Ein Neueinstieg in den Markt ohne einen japanischen Partner ist sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Neben der erdrückenden Vormachtstellung der japanischen Hersteller52 ist die größte Hürde das komplexe Distributionssystem. Ohne einen japanischen Partner kann es beim Absatz der Produkte zu großen Problemen kommen. Die erfolgreichen Unternehmen Wella, Beiersdorf und L’Oréal wählten als Strategie des Markteintritts in Japan anfangs alle die Form des Joint Ventures. Wella und L’Oréal bauten sie durch das Joint Venture mit einem japanischen Partner ihre eigenen Vertriebsstrukturen über Schönheitssalons und Friseurgeschäfte auf, wodurch es ihnen später möglich wurde, sich von ihren Joint Venture Partnern zu lösen. Wobei hier erwähnt werden sollte, dass L’Oréal Nihon auch heute noch einige Artikel vom ehemaligen Joint Venture Partner Kosé herstellen lässt.
Strategien ausländischer Unternehmen am Kosmetikmarkt
127
Anmerkungen 1
Heute unter dem Namen Club Cosmetics (ࠢࡉࠦࠬࡔ࠴ࠗࠢࠬ) bekannt.
2
s. http://www.jncm.co.jp/cosmetics/materials/materials01.html
3
ebenda.
4
ebenda.
5
S. 8 - Jetro Market Report – Cosmetics 2000. Im Internet unter http://www.jetro.go.jp/en/market/reports/jmr/033.pdf
6
http://strategis.gc.ca/epic/internet/inimr-ri.nsf/en/gr-78880e.html
7
bei 100Yen/Euro – entspricht in etwa dem Kurs von 2001
8
S. 12 - Media Report Kosmetik und Düfte, Seven One Media GmbH, München 2001
9
Die folgenden Kategorien und ihre Anteile aus: S.3, 5, 6 - Jetro Market Report – Cosmetics 2000. Sowie aus http://strategis.gc.ca/epic/internet/inimr-ri.nsf/en/gr-78880e.html
10
Zahlen und Anteile des Imports aus S. 8 - Jetro Market Report – Cosmetics 2000. Sowie aus http://strategis.gc.ca/epic/internet/inimr-ri.nsf/en/gr-78880e.html
11
gemessen am Umsatz 2004
12
S.3 http://www.shiseido.co.jp/e/e0406fac/img/fac00006.pdf
13
Eine detaillierte Beschreibung der diversen Distributionswege folgt auf S. 14 im Kapitel 3 unter dem Punkt „Komplexes Distributionssystem“
14
z.B. D'ICI LA, eine Skincare Serie im Hochpreis Segment, die nur über Kaufhäuser und Shiseido Chain Stores verkauft wird. Andere ähnliche Beispiele sind IPSA und AYURA.
15
z.B. L’osier und Shiseido Parlour an der Ginza in Tokyo.
16
z.B. Visage Hiroo in Tokyo.
17
Umsatz der Bereiche Personal Care (inkl. Oral Care Products) und Prestige Cosmetics - S.12 http://www.kao.co.jp/e/ir%5Fe/ar/pdf/2003/kao_ar03.pdf
18
S. 13. http://www.kao.co.jp/e/ir%5Fe/ar/pdf/2003/kao_ar03.pdf
19
http://www.kanebo-cosmetics.co.jp/company/e/profile/consept.html
20
S. 4ff. in http://www.kanebo-cosmetics.co.jp/company/profile/pdf/guide.pdf
21
S.3 in http://www.kose.co.jp/english/ir/ar/pdf/2004/2004annual.pdf
22
S 15ff. ebenda.
23
http://www.pola.co.jp/company/com/outline.html
24
http://www.pola.com/opportunity.htm
25
http://www.businessweek.com/1999/99_26/b3635224.htm
26
http://www.kao.co.jp/nivea/about/profile.html
27
vgl. http://products2.nivea.com/products.php?lan=de&hook=product_intro und http://www.nivea.co.jp/products.php
28
http://www.businessweek.com/1999/99_26/b3635224.htm
29
http://www.ojo.ne.jp/ojo/02number/200307/07gi.html
30
ebenda.
31
errechnet aus den prozentualen Anteilen Japans am Gesamtumsatz in http://de.wella.com/reference/ir_download_5062_0_sl.pdf?
32
http://www.ojo.ne.jp/ojo/02number/200307/07gi.html
33
http://www.loreal.de/_de/_de/kurzportrat/ruckblick/ruckblick.aspx
34
http://www.jetro.go.jp/en/invest/whyjapan/success_stories/pdf/2_loreal.pdf
35
http://www.loreal.de/_de/_de/kurzportrat/ruckblick/ruckblick.aspx
128
36
Franz Waldenberger und Alexander von Mylius
ebenda.
37
http://www.japantoday.com/e/?content=executive&id=123&page=6
38
http://www.jetro.go.jp/en/invest/whyjapan/advantage/10a_7.html#04
39
S. 24 - Jetro Market Report – Cosmetics 2000. Im Internet unter http://www.jetro.go.jp/en/market/reports/jmr/033.pdf
40
http://www.japantoday.com/e/?content=executive&id=123&page=6
41 42
Engl. Pharmaceutical Affairs Law - Jap. ⮎ᴺ Engl. High Pressure Gas Safety Law - Jap. 㜞ࠟࠬᴺ
43
S. 12 ff. - Jetro Market Report – Cosmetics 2000. Im Internet unter http://www.jetro.go.jp/en/market/reports/jmr/033.pdf sowie http://www.jetro.go.jp/en/stats/survey/access/e_keshohin.pdf
44
Referat von Hr. Yamaguchi von Sanyo Management Co., Ltd. vor Studenten der LMU am 8.10.2004 in Yokohama.
45
http://www.jetro.go.jp/en/stats/survey/access/e_keshohin.pdf
46
http://www.jetro.go.jp/en/stats/survey/access/cosmetics.html
47
In japanischer Quellen wird hier von ᐲຠ gesprochen.
48
Jap. ৻⥸ຠ; oft auch als Chain Store System bezeichnet; Die Begriffe „Großhandels Distributionssystem GHD“ sowie „Direkt Selektiven Distributionssystem - DSD“ stammen aus dem Referat von Nobuo Takehara (Deputy General Manager von Kanebo), auf dem achten wirtschaftspolitischen Unternehmergespräch der Axel Springer Verlag AG am 6. April 1989 in Berlin.
49
Jap. ⸰⽼ᄁ
50
Jap. ᬺോ↪ຠ
51
http://www.jncm.co.jp/cosmetics/materials/materials01.html
52
dazu siehe Interview mit David Ashley (Chairman von L’Oréal Nihon) vom 10. Juni 2003 unter: http://www.japantoday.com/e/?content=executive&id=123&page=6.
Gewinnorientierte Preisverhandlungen in Japan Pawel Komender*
Inhalt
Kurzfassung 1
Die Wichtigkeit des Preises
2
Der Preisverhandlungsprozess
3
Die wichtigsten Preisverhandlungsregel
4
Fazit
* Pawel Komender, Simon - Kucher & Partners Japan K.K. , Tokyo
130
Pawel Komender
Kurzfassung Was ist für den Erfolg von Unternehmen in Japan entscheidend? Wie überall auf der Welt, der Gewinn. Und was ist für den Gewinn entscheidend? Der richtige Preis. In dem Zusammenhang gibt es zwei Aufgaben: Die Ermittlung des „richtigen“, das heißt des optimalen Preises, und dessen Durchsetzung auf dem Markt. Unser Aufsatz beschäftigt sich mit der zweiten Aufgabe. Wir zeigen, wie erfolgreiche Preisverhandlungen durchgeführt werden und gehen dabei auf die Besonderheiten des japanischen Marktes ein.
Gewinnorientierte Preisverhandlungen in Japan
1
131
Die Wichtigkeit des Preises
Bevor wir uns dem eigentlichen Thema der gewinnorientierten Preisverhandlungen in Japan widmen, möchten wir klären, warum der Preis wichtig ist. „Warum nicht mit dem Preis heruntergehen, wenn der Kunde uns dann den Auftrag erteilt?“ „Was haben wir davon, wenn wir hohe Preise verlangen, jedoch nur ein Teil der potenziellen Kunden unsere Produkte kauft?“ „Wenn wir unsere Preise erhöhen, verlieren wir Marktanteile!“ Derartige Aussagen hören wir in Japan sehr oft. Wegen der lang andauernden Konjunkturflaute herrscht in den meisten Märkten starker Wettbewerb, begleitet von erbitterten Preiskämpfen. Unternehmen versuchen um jeden Preis ihr Absatzvolumen zu erhöhen oder zu halten. Das Verhalten der zuständigen Vertriebsmanager und Verkäufer ist einerseits nachvollziehbar. Andererseits muss klar gemacht werden, dass nicht der Marktanteil beziehungsweise der Absatz, sondern vor allem der Gewinn für den Shareholder-Value und das Wohl des Unternehmens entscheidend ist. Darüber hinaus ist die Absatzmenge unter den drei Gewinntreibern Preis, Menge und Kosten im Vergleich zum Preis von weit geringerer Bedeutung. Wir zeigen es an einem Beispiel: In der Ausgangssituation wird bei dem Produktpreis von 100 Yen die Verkaufsmenge von 1 Million Stück realisiert. Mit den variablen Stückkosten von 60 Yen sowie den fixen Kosten von 30 Millionen Yen ergibt sich ein Gewinn von 10 Millionen Yen. Gelingt es uns den Preis um 10 Prozent zu erhöhen, erreichen wir einen Gewinn von 20 Millionen Yen. Dies entspricht einer Steigerung von 100 Prozent. Verfahren wir analog mit der Verkaufsmenge, erzielen wir lediglich eine 40prozentige Gewinnsteigerung (vgl. Abb. 1). Eine 10prozentige Verbesserung von…
Gewinntreiber
Preis
Absatzmenge
Leseprobe:
... erhöht den Gewinn um…
Gewinn
Alt
Neu
Alt
Neu
\100
\110
\10 Mio.
\20 Mio.
1 Mio.
1.1 Mio. \10 Mio.
\14 Mio.
100%
40%
40%
Eine 10prozentige Verbesserung des Preises erhöht den Preis auf \110; bei Konstanz aller anderen Faktoren führt dies zu einer Gewinnsteigerung um 100 Prozent auf \20 Millionen.
Abbildung 1: Preis als der wirkungsvolle Gewinntreiber
132
Pawel Komender
Ähnlich ist es im umgekehrten Fall: Ein Preisnachlass von 5 Prozent bewirkt einen Gewinnrückgang um 50 Prozent, während eine um 5 Prozent reduzierte Absatzmenge den Gewinn lediglich um 20 Prozent absinken lässt (vgl. Abb. 2). Dieses Verhältnis hängt natürlich von der jeweiligen Situation ab und wird in starkem Maß von der Struktur der Unternehmenskosten sowie der Industrie beeinflusst. Unserer Erfahrung nach, ist Preis jedoch in den meisten Fällen der wichtigste Gewinntreiber. Eine 5prozentige Verschlechterung von…
Gewinntreiber
Preis
Absatzmenge
Leseprobe:
Gewinn
Alt
Neu
Alt
Neu
\100
\95
\10 Mio.
\5 Mio.
\10 Mio.
\8 Mio.
1 Mio. 0.95 Mio.
... reduziert den Gewinn um…
-50%
-20%
Eine 5prozentige Verschlechterung des Preises reduziert den Preis auf \95; bei Konstanz aller anderen Faktoren führt dies zu einer Gewinnreduzierung um 50 Prozent auf \5 Millionen.
Abbildung 2: Preis als der wirkungsvolle Gewinntreiber
Daher ist das unüberlegte Gewähren von Preisnachlässen und Rabatten äußerst gefährlich. Darüber hinaus müssen alle relevanten Grenzkosten jedes zusätzlichen Geschäfts berücksichtigt werden. In Japan wird auf intensive Kundenbetreuung großen Wert gelegt. Beinah mit jedem Geschäft gehen zahlreiche Rückfragen und zusätzliche Kundenwünsche einher. Diese können in der Regel nicht extra in Rechnung gestellt werden, der entsprechende Aufwand ist jedoch enorm. Daher kann preisaggressiver Verkauf einen doppelt negativen Effekt haben: Zum einen den Verlust durch den niedrigeren Preis, zum anderen höhere Kosten durch zusätzliche Kundenbetreuung. Die Preiskämpfe der letzten Jahre bescherten zahlreichen Unternehmen in Japan nicht nur sinkende Gewinnmargen, sondern auch Imageverluste. Ein Beispiel: Mc Donald’s. Vor einigen Jahren kostete ein Hamburger über 200 Yen. Heute liegt der Preis bei 80 Yen. Der Konsument fragt sich, wo der Preisunterschied herkommt, obwohl das Produkt absolut gleich geblieben ist.
Gewinnorientierte Preisverhandlungen in Japan
133
Der Preisverfall bringt häufig auch für Verbraucher Nachteile. Wegen sinkender Gewinnmargen müssen Unternehmen Kosten sparen. Die Produkt- und Servicequalität sinkt, nicht selten werden Produkte nur begrenzt angeboten oder ganz aus dem Markt genommen. Daher ist es wichtig, dass die Produkte und Dienstleistungen basierend auf dem „Value-to-Customer“ (dem Wert für den Kunden) und nicht etwa auf Kosten („Cost-Plus“) gepreist werden. Auf diese Weise wird eine „Win-Win-Situation“ herbeigeführt, in der einerseits das Unternehmen den gewinnoptimalen Preis realisiert, andererseits der Kunde mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis zufrieden ist. Bei den Preisverhandlungen geht es darum den Value-to-Customer-Preis auf dem Markt erfolgreich durchzusetzen. Dafür haben wir auf Basis unserer langen Erfahrung ein wirkungsvolles Konzept in Form eines „Preisverhandlungsprozesses“ entwickelt, das wir im Folgenden vorstellen.
2
Der Preisverhandlungsprozess
Der Preisverhandlungsprozess besteht aus 4 Phasen (vgl. Abb. 3). In Phase 1. „Vorbereitung“ geht es darum, klare, quantifizierbare Ziele für die anstehenden Verhandlungen festzulegen. Diese können beispielsweise der Nettopreis bei einer bestimmten Verkaufsmenge, der Durchschnittspreis bei einem bestimmten Produktmix oder der maximale Rabatt sein. Im weiteren Sinne können auch der Umsatz oder Konditionen als Ziele gesetzt werden. Entscheidend ist, dass der geplante Deckungsbeitrag beziehungsweise Profit mit dem anstehenden Geschäft erzielt wird.
1. Vorbereitung
Klare, quantifizierbare Ziele
2. Durchführung
Anwendung der „4x5” Preisverhandlungsregeln
3. Bewertung
Bewertung der Verhandlungen (Soll/Ist)
4. Lerneffekte
Analyse der Ergebnisse, Lernen aus Erfahrungen
Konsequente Umsetzung der Lerneffekte
Abbildung 3: Der wirkungsvolle Preisverhandlungsprozess
Gewinnmaximierende Preise/ Konditionen
134
Pawel Komender
Wichtig ist auch die Überlegung einer Verhandlungsstrategie, mit der die oben genannten Ziele erreicht werden sollen. Schließlich sind mögliche Einwände und Gegenargumente seitens des Kunden im Voraus zu berücksichtigen. Die Vorbereitung sollte unbedingt schriftlich dokumentiert werden. Phase 2 besteht aus den eigentlichen Verhandlungen. Dabei setzen wir das Konzept der „4 x 5 Preisverhandlungsregeln“ ein. Auf das Vorgehen gehen wir im dritten Abschnitt detailliert ein. Nach der Verhandlung geht es in Phase 3 darum, das Ergebnis festzustellen. Haben wir unsere Ziele erreicht? Wenn ja, welche waren die entscheidenden Erfolgsfaktoren? Falls nein, warum? Was ist schief gelaufen? Auch diese Analyse, die in Phase 4 fällt, sollte schriftlich festgehalten werden. Damit können die Lerneffekte für künftige Preisverhandlungen genutzt werden. Unserer Erfahrung nach werden Preisverhandlungen besonders in Japan oft unprofessionell vorbereitet und durchgeführt. Es fehlen konkrete Ziele und eine nachstehende Ergebnisanalyse. Sehr oft versuchen die Verkäufer um jeden Preis ins Geschäft zu kommen, Preisnachlässe und Rabatte werden leichtsinnig gewährt. Wozu dies führt kann, haben wir oben dargestellt.
3 A
Die wichtigsten Preisverhandlungsregeln Die Preis-Regeln ԘEs lässt sich nicht vermeiden, während der Geschäftsverhandlung über den Preis zu reden. An erster Stelle sollte jedoch gerade in Japan der Wert für den Kunden, der Value-to-Customer, kommuniziert werden. ԙPreiskonzessionen sollten in Schritte und einzelne Komponenten aufgesplittet werden. Japaner gehen selbst eher in inkrementalen statt radikalen Schritten vor. ԚPreiskonzessionen mit dem geringsten Aufwand für den Anbieter sind zu bevorzugen, zum Beispiel Loyalitäts- oder Naturalrabatt statt reinem Preisrabatt. Da Japaner an langfristigen Geschäftsbeziehungen interessiert sind, kommen Loyalitätsrabatte gut an. ԛSollten Preiskonzessionen gemacht werden, sind Gegenleistungen anzustreben, z.B. höhere Abnahmemenge, Bündelung mit anderen Produkten, frühere Bestellung/Lieferung. ԜDie Preisentscheidungskompetenz kann auf die Zentrale übertragen werden.
Gewinnorientierte Preisverhandlungen in Japan
135
Damit wird der Druck auf den Verkäufer reduziert und Zeit gewonnen. Der Verkäufer kommuniziert die Produkteigenschaften und den Value, lässt sich jedoch nicht auf Preisdiskussionen ein. Diesbezügliche Kundenwünsche werden an die Zentrale weitergeleitet und deren Entscheidung wird dem Kunden mitgeteilt. Japaner sind gewohnt, dass die Zentrale mitredet und akzeptieren deshalb diese Vorgehensweise.
B
Die Value-Regeln ԘDer Preis ist der Spiegel des Value. Ein adäquater Preis erfordert primär die effektive Kommunikation des Value. Value-Kommunikation ist in Japan besonders wichtig, da die Japaner tendenziell „wert-orientiert“ sind. ԙDie Vergleichbarkeit zu den Wettbewerbsprodukten durch das Angebot von Value-Eigenschaften sollte reduziert werden. Das beinhaltet beispielsweise Produktfunktionen oder Anwendungsgebiete, die sich von denen der Konkurrenz deutlich unterscheiden. Japaner tendieren dazu, ähnliche Produkte zu vergleichen und die preisgünstigste Alternative zu wählen. Durch diese Differenzierung verliert der Preis zu Gunsten anderer Kriterien an Bedeutung. ԚDer Value sollte in mehrere Komponenten aufgesplittet werden. Diese Komponenten sind anschließend nacheinander (nicht zugleich) vorzustellen. In der Regel wird der Verkaufspreis des Produktes niedriger gesetzt als die Summe der einzelnen Komponenten. Der Kunde möchte genau wissen, wofür er sein Geld bezahlt und aus welchen Komponenten sich der Preis gegebenenfalls zusammensetzt. ԛMaterielle Values sind nicht immer effektiver als immaterielle Values. Kurzfristige Values können effektiver sein als langfristige Values. Dazu kann auch auf die Produkt-Lebenszyklus-Kosten eingegangen werden. ԜEs ist herauszufinden, welchen Wert der Kunde den einzelnen Produkteigenschaften beimisst und dann entsprechend zu verhandeln. Japaner sind sehr markenbewusst. Daher ist insbesondere auf die Value-Eigenschaft einzugehen. In der Regel ergibt sich hier ein beachtliches Preis-Potenzial.
C
Die Persönlichkeits-Regeln ԘEs geht nie um den Preis allein. Die Personen und ihre Beziehungen sind immer mit von der Partie. In Japan spielen die persönlichen Beziehungen für das Geschäft eine entscheidende Rolle. Das reflektiert sich auch im Preis.
136
Pawel Komender
ԙDer Verhandlungspartner wird sein Gesicht wahren wollen („Mentsu“). Der Verkäufer sollte ihm daher etwas geben, womit er sich brüsten und Verluste auf den Nebenkriegsschauplätzen bewusst in Kauf nehmen kann. Es kann wirkungsvoll sein, als Gegenleistung für das Geschäft ein Gegengeschäft anzubieten oder zu akzeptieren (zum Beispiel den Kauf eines Produktes aus einem anderen Bereich des Kundenunternehmens). In Japan hat sich dafür sogar ein feststehender Begriff durchgesetzt: „Give-and-Take“. ԘDer Verkäufer sollte den Verhandlugspartner viel reden lassen. Je mehr er redet, desto eher wird er den Preis akzeptieren. Die Verhandlungen mit japanischen Geschäftspartnern dauern in der Regel sehr lange. Dabei wird immer wieder über den gleichen Punkt diskutiert. Ab und zu kommt es zu längerem Schweigen. Der Verkäufer sollte geduldig sein und sich für die Verhandlungen die notwendige Zeit nehmen. ԙJe mehr Zeit der Partner in die Verhandlungen investiert, desto wertvoller wird später das Geschäft für ihn sein. Da die Japaner besonders lange arbeiten, ist eine Zeitinvestition für sie schwierig, dadurch aber auch entsprechend wertvoll. ԚEs ist wichtig, die Preisentscheidungsträger beim Kunden zu kennen. Jeder dieser Entscheidungsträger muss mit den aus seiner Sicht relevanten Argumenten angesprochen werden. Für einen Techniker mögen bestimmte technische Eigenschaften des Produkts von Interesse sein. Für den Controller spielt die Wirtschaftlichkeit eine große Rolle. In Japan werden die Entscheidungen in der Regel durch einen Gruppenkonsensus getroffen, daher ist es wichtig mit jedem einzelnen Entscheidungsträger eine Übereinstimmung herbeizuführen. D
Die Wissens-Regeln ԘDer Verkäufer muss genau wissen, was er erreichen will. Eine exakte Planung der Verhandlungen ist unverzichtbar. Was sind die Ziele? Wie sieht der Prozess aus? ԙGenerell gilt: Wer besser informiert ist, der gewinnt. Der Verkäufer muss über seinen Verhandlungspartner bessere Informationen haben als dieser über ihn. Japaner sind besonders neugierig und zugleich vorsichtig. Sie informieren sich genauestens über den Gesprächspartner. ԚDie genaue Kenntnis über die Wettbewerbspreise muss vorhanden sein. Die japanischen Kunden sind besonders gut informiert. Sie kennen die Wettbe-
Gewinnorientierte Preisverhandlungen in Japan
137
werbsprodukte und ihre Preise bis zum letzten Detail. Eine wirkungsvolle Argumentation ist nur möglich, wenn beim Verkäufer zumindest der gleiche Wissensstand vorhanden ist. ԛDie spezifischen Verhandlungsregeln einerseits und die allgemeinen Wirtschaftskenntnisse andererseits müssen perfekt beherrscht werden. Die japanischen Verhandlugspartner reagieren oft emotional. Der Verkäufer muss wissen, in welchen Situationen wie zu reagieren ist. In Japan spricht der Einkaufende oft nur unzureichend Englisch, der ausländische Verkäufer in der Regel kein Japanisch. Das ist eine ungünstige Situation. Am besten ist es in diesem Fall einen sprach- und industriekundigen „Go Between“ mitzunehmen. ԜWas zählt, ist die Wahrnehmung nicht die Realität. Es kann sein, dass ein Produkt eine bestimmte Eigenschaft besitzt. Es nutzt jedoch nichts, wenn diese Eigenschaft vom Verhandlungspartner etwa auf Grund einer mangelhaften Kommunikation nicht wahrgenommen wird. Dieses Risiko ist wegen der Sprach- und Kulturbarrieren ausgesprochen hoch. Entsprechend sorgfältig ist vorzugehen. Lieber öfter nachfragen, ob eine Aussage wirklich verstanden wurde, als das Risiko des Nichtverstehens einzugehen.
4
Fazit
Auf Basis unserer Erfahrungen mit Preisverhandlungen in Japan und den oberen Ausführungen halten wir folgende Punkte als Fazit fest: x
Der Gewinn ist entscheidend für das Wohl des Unternehmens und damit für den Shareholder-Value.
x
Trotzdem wird von den Unternehmen in Japan weitgehend der Marktanteil als Hauptziel verfolgt. Diese Orientierung muss sich ändern.
x
Der Preis ist ein wichtiger, oft der wichtigste Gewinntreiber. Daher ist eine zielgerichtete Preisstrategie und deren Umsetzung durch erfolgreiche Preisverhandlungen für ein profitables Überleben der Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Dies gilt insbesondere in Japan, wo angesichts der jahrelangen Deflation und erbitterter Preiskämpfe zahlreiche Firmen unter Gewinndruck stehen.
x
Als Basis für erfolgreiche Preisverhandlungen müssen zunächst die Produkte und Dienstleistungen richtig gepreist werden. Als Grundlage dient der Value-to-
138
Pawel Komender
Customer und nicht die Kosten. Um den Value-to-Customer zu ermitteln, müssen Analysen mit hoch entwickelten Methoden unter Berücksichtigung der japanischen Besonderheiten durchgeführt werden. Die erfolgreichen Preisverhandlungen laufen in Form eines Prozesses mit 4 Schritten ab. Bei der Durchführung der Verhandlungen hat sich das Konzept der „4 x 5 Preisverhandlungsregeln“ bewährt. Für dessen erfolgreiche Umsetzung sind neben dem Beherrschen der Methodik tiefgehende Kenntnisse des japanischen Marktes, der japanischen Kultur und Mentalität notwendig.
Eintritt in den japanischen Markt – Strategien im Überblick René Haak*
Inhalt
Kurzfassung 1
Einleitung
2
Besuch von Fachmessen
3
Lizenzvergabe
4
Indirekter Export
5
Direkter Export
6
Franchising
7
Verkaufsbüro – Kundenbetreuung und Servicenetz
8
Aufbau eines Joint Venture
9
Strategische Allianzen
10
Tochtergesellschaft
11
Mergers & Acquisition
Literaturverweise
* Dr.-Ing. René Haak, Bundesministerium für Bildung und Forschung, vormals stellvertretender Institutsdirektor Deutsches Institut für Japanstudien (DIJ), Tokyo.
140
René Haak
Kurzfassung Zu den großen unternehmerischen Herausforderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts gehört es, in den japanischen Markt einzutreten und sich in dieser hoch wettbewerbsintensiven Umwelt langfristig zu behaupten. Die Durchdringung des Marktes, der Aufbau guter und enger Kontakte zu Geschäftspartnern, die Pflege wichtiger Anspruchsgruppen sowie die Entwicklung eines zuverlässigen und kaufkräftigen Kundenstamms zählt zu den anspruchsvollsten Aufgaben im internationalen Management. Doch nicht nur der Aspekt des Marketings ist für den unternehmerischen Erfolg in Japan von Bedeutung. Das deutsche Management sollte auch in Erwägung ziehen, andere unternehmerische Funktionsbereiche nach Japan zu verlagern. Denn besonders auf den Gebieten Forschung und Entwicklung sowie Produktdesign und Service ist der japanische Standard international unter den Ersten und kann somit als Benchmark für deutsche Unternehmen gelten. Der Beitrag bietet einen grundlegenden Überblick über die wichtigsten Formen des Markteintritts und der Marktbearbeitung in Japan. Die verschiedenen Strategien werden im Hinblick auf ihre Praxistauglichkeit unter japanischen Bedingungen gewertet und gewichtet, um so dem Management wichtige Orientierungen für die Marktbearbeitung zu bieten.
Eintritt in den japanischen Markt – Strategien im Überblick
1
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Einleitung
Gegen den Mythos eines schwierigen und kulturell verschlossenen Marktes, von dem sich vor allem mittlere und kleine Unternehmen verunsichern lassen, werden seit geraumer Zeit von der japanischen Regierung Anstrengungen unternommen. Im Zuge der gegenwärtigen Reformpolitik bemüht man sich von offizieller Seite verstärkt um ausländische Direktinvestitionen (Foreign Direct Investments, FDI), ein Ansatz, der noch vor wenigen Jahren gänzlich fehlte, von dem sich die japanische Regierung jedoch heute Impulse für die Gebiete der Management- und Geschäftsmethoden, der Technologie, der Forschung und Entwicklung, für innovative Produkte und Produktionsverfahren sowie für den Arbeitsmarkt verspricht. Ausländisches Engagement soll darüber hinaus einen Beitrag zum Reformprozess leisten, der vom bisherigen Regierungschef Koizumi seit April 2001 stark vorangetrieben wird. Im Frühjahr 2003 wurden die Bemühungen, ausländische Investoren nach Japan zu holen, noch weiter verstärkt. Das eigens gegründete Invest Japan Support Centers soll mögliche ausländische Investoren mit allen relevanten Informationen zum Thema Investitionen in englischer Sprache versorgen, mit dem Ziel des besseren Überblicks über die rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die in Japan herrschen. Die Unterstützungen von japanischer Seite sind sicherlich hilfreich, doch die Entscheidung, welche Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategie für Japan getroffen werden sollte, um erfolgreich auf dem wettbewerbsintensiven japanischen Markt bestehen zu können, bleibt dem Management des ausländischen Unternehmens überlassen. Die umfangreiche Literatur in der Betriebswirtschafts- und Managementlehre versucht stets von neuem, theoretische Modelle oder konzeptionelle Bezugsrahmen für die Wahl der richtigen Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategie zu identifizieren. Die managementorientierte Japanforschung, Unternehmungsberatungen und wirtschaftsnahe Institutionen haben zahlreiche empirische Studien vorgelegt, die, nicht selten mit Bezug zu theoretischen Konzeptionen, nachdrücklich zu erklären versuchen, welche Faktoren in welcher Gewichtung für die Wahl der Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategie eine Rolle spielen. Trotz umfangreicher Befragungen und statistischer Analysen, die nach den Faktoren fragen, die einen Einfluss auf die Wahl der Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategie ausüben, gibt es jedoch kein allgemeingültiges Modell, das alle relevanten Faktoren für ein erfolgreiches Japangeschäft berücksichtigt (Dietz 2001). Im Folgenden sollen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit,
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die wichtigsten Instrumente zum Markteintritt in Japan vorgestellt und im Hinblick auf ihre Praxistauglichkeit unter japanischen Bedingungen gewertet und gewichtet werden.
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Besuche von Fachmessen
Beginnen wir den Weg nach Japan mit einer der ältesten Form der Kontaktaufnahme und der Geschäftsanbahnung, dem Besuch von Fachmessen, auf denen erste Kontakte mit japanischen Geschäftspartnern geknüpft werden können. Auf der Grundlage von Messegesprächen bildet sich ein erster Eindruck vom Geschäftspartner, von Marktund Technologieentwicklungen sowie über Chancen und Risiken der Marktbearbeitung. Bei der Suche, Auswahl und Organisation von Messen und Fachtagungen sollte auf die Unterstützung der Japan External Trade Organisation (JETRO) für das spezifische Produkt- oder Leistungsangebot der ausländischen Unternehmung zurückgegriffen werden. Japanische Geschäftsleute betrachten Fachmessen in der Regel jedoch nur als Ort der Kontaktaufnahme, der Information, Prüfung und Erkundung, gegebenenfalls auch zur Vertiefung schon zuvor geknüpfter Geschäftskontakte und nicht mit dem Ziel der schnellen Geschäftsanbahnung und des Vertragsabschlusses.
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Lizenzvergabe
Für den ersten Schritt auf den japanischen Markt bietet sich eine recht einfache Form der Markteintritt- und Marktbearbeitungsstrategie an: die Lizenzvergabe, die primär die Bereiche Forschung und Entwicklung, Produktion und Absatz betrifft. Vor allem Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Warenzeichen (Marken), Urheberrechte, technisches und kaufmännisches Know-how kommen für eine Lizenzvergabe in Frage (Eli 2004). Die Vorteile der Lizenzvergabe liegen auf der Hand: Lizenzen ermöglichen es dem Lizenzgeber, die im Inland bereits erfolgreichen Vermögenswerte (beispielsweise Patente, Marken) ohne großen Aufwand parallel in Japan zu vermarkten, was zu zusätzlichen Einnahmen führt (Macharzina und Oesterle 2002). Durch die im Land des Lizenznehmers erzielten Einnahmen lässt sich beispielsweise die Amortisationsdauer von Investitionen verkürzen. Darüber hinaus kann bei Vermögenswerten, die bei der
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ausländischen Unternehmung am Ende ihres Lebenszyklus´ angelangt sind, durch die Lizenzierung an einen japanischen Partner eine weitere Verwertung sichergestellt werden. Der geringe Ressourcenverbrauch ist ein weiterer entscheidender Vorteil der Lizenzvergabe. Die Kosten entstehen in erster Linie bei der Auswahl des richtigen Lizenznehmers in Japan, bei der Abfassung des adäquaten Lizenzvertrags und - nicht zu unterschätzen hinsichtlich des Aufwands – im Zuge der Kontrolle zur Einhaltung des Lizenzvertrags. Durch das Lizenzgeschäft lassen sich Transportkosten vermeiden, Wechselkursrisiken minimieren, und der Markteintritt in Japan kann rascher erfolgen als beispielsweise durch den Aufbau einer eigenen Vertretung. Von großer Bedeutung sind die guten lokalen Kenntnisse des Marktes, über die japanische Lizenznehmer häufig verfügen. Oftmals kommen noch eine gewachsenen Kundenstruktur und traditionelle persönliche Geschäftsbeziehungen dazu - Faktoren, die gerade die Startphase des Japangeschäfts erheblich erleichtern. Für eine tiefere Durchdringung des japanischen Marktes mit langfristiger Perspektive ist das Lizenzgeschäft allein jedoch nicht ausreichend (Eli 2004). Für eine tiefergreifende Marktbearbeitung ist es wichtig zu wissen, welche Schritte die japanischen Wettbewerber auf dem japanischen Markt und auch auf anderen asiatischen Märkten vornehmen, wie sie sich aufstellen, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen und die Führung in strategischen Geschäftfeldern zu übernehmen. Nur wer auf dem japanischen Markt in der einen oder anderen Form direkt tätig wird, kann diese Erkenntnisse erlangen (Janocha 1998; Müller und Kornmeier 2002). Ein weiteres Problem, dass mit dem Lizenzgeschäft einhergehen kann, besteht in der Gefahr des Aufbaus eines zukünftigen starken japanischen Konkurrenten, der das durch das Lizenzgeschäft gewonnene Know-how zu eigenen Zwecken einsetzt. Die Eintragung von Patenten, Gebrauchs- und Geschmacksmustern sowie Handelsmarken sollte aus diesem Grund frühzeitig in Japan erfolgen. Damit einher geht die grundsätzliche Schwierigkeit, einen vertrauensvollen japanischen Partner zu finden, der sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen für den Abschluss eines Lizenzvertrages mitbringt. So kann es bei der Wahl eines nicht adäquaten Unternehmungspartners beispielsweise zu Qualitätsproblemen bei der Produktion, zu fehlendem Engagement im Marketing oder sogar zu Imageproblemen bei den Zielgruppen in Japan kommen. Zwar ist das Lizenzgeschäft eine recht sinnvolle Möglichkeit, ohne großes finanzielles Engagement am japanischen Markt zu profitieren, doch muss sich der Lizenzgeber
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darüber im Klaren sein, dass sich viele japanische Märkte schneller verändern und dynamischer entwickeln als vergleichbare Märkte im Ausland. Im konkreten Fall heißt dies, dass der japanische Lizenznehmer in wenigen Jahren in der Lage sein kann, eine zum Zeitpunkt der Lizenzvergabe überlegene Technologie in vergleichbarer Form für den japanischen Markt zu entwickeln und für diesen zugänglich zu machen.
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Indirekte Exporte
Das Japangeschäft kann auch mit dem indirekten Export beginnen, wobei für diesen Fall die Hilfe Dritter benötigt wird, die über spezifische Marktkenntnisse in Japan verfügen, um Kunden zu betreuen und Produkte dort abzusetzen. Die Außenhandelsaktivitäten mit dem Zielland Japan erfolgen durch Einschaltung von Handelsmittlern im Inland. Zwischen einem inländischen Exporteur und dem japanischen Geschäftspartner besteht nur indirekt über einen Intermediär im Land des Exporteurs eine Geschäftsbeziehung. Der indirekte Export über Exportagenten oder Handelshäuser nach Japan ist relativ risikoarm für die inländische Unternehmung, da sie über eine inländische Außenhandelsunternehmung bzw. ein inländisches Exporthaus nach Japan liefert. Die Unternehmung wagt also nicht selbst, sondern nur über einen Intermediär im eigenen Land den Weg nach Japan. Bei den Absatzmittlern kann es sich um Exportagenten oder Handelshäuser handeln, die im Inland Produkte kaufen und sämtliche die Ausfuhr betreffenden Aufgaben und Kosten übernehmen. Sie handeln auf eigene Rechnung und übernehmen zusätzlich die Risiken des Vertriebs. Demgegenüber übernehmen Exportagenturen die Ausfuhren auf Rechnung des Herstellers, so dass die wesentlichen Risiken und Kosten beim Produzenten und nicht beim Agenten verbleiben. Bei fehlenden Erfahrungen mit dem japanischen Markt und wenigen Kontakten in das Zielland bietet sich diese einfache Markterschließungsform an, um weiterführende Marktkenntnisse zu sammeln und Erfahrungen über Geschäftspraktiken in Japan zu vertiefen. Später kann dann gegebenenfalls eine höhere Stufe der Markterschließung und Marktbearbeitung erfolgen. Die Vorteile des indirekten Exports unter der Einschaltung von Handelshäusern und Exportagenten sind die Schonung finanzieller und personeller Ressourcen beim Hersteller im Inland, die Übernahme der Exportrisiken durch Absatzmittler in Japan und die Nutzung spezifischer Marktkenntnisse der Absatzmittler in Japan. Die schnelle
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internationale Expansion nach Japan wird durch Absatzmittler begünstigt, da diese auf bestehende Kundenbeziehungen zurückgreifen können oder auch Erfahrungen bei der Abwicklung von Zollformalitäten und behördlichen Genehmigungen mitbringen (Kutschker und Schmid 2002). Als Nachteile dieser Markerschließungsform sind zu nennen, dass ein Teil des Gewinns beim Absatzmittler bleibt, dass sich eine Abhängigkeit vom Absatzmittler ergibt durch seine Marktstellung und seinen Wissensvorsprung und dass für den ausländischen Hersteller der unmittelbare Kontakt zu den Kunden auf den japanischen Märkten fehlt.
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Direkte Exporte
Beim direkten Export nach Japan können einige negative Effekte des indirekten Exports vermieden werden, da die Außenhandelsaktivitäten ohne Einschaltung von Handelsmittlern im Heimatland erfolgen und somit eine unmittelbare Beziehung zwischen einem nicht-japanischen und einem japanischen Geschäftspartner existiert. Auf diese Weise ist die exportierende Unternehmung besser in der Lage, eine Steuerung des Geschäftes in Japan vorzunehmen. Durch die Unmittelbarkeit beim direkten Export lassen sich auch komplexe Produkte oder Dienstleistungen nach Japan exportieren, die für einen Absatz über Außenhandelsunternehmungen oder Exporthäuser im Zuge des indirekten Exports nicht geeignet wären. Zwar ist der Aufwand beim direkten Export nach Japan etwas höher als beim indirekten Export, doch fallen sie im Vergleich zu anderen Markteintritts- und Marktbearbeitungsformen, wie etwa der Errichtung einer Verkaufsniederlassung in Japan, immer noch relativ gering aus. Durch den direkten Export nach Japan erwirbt sich die exportierende Unternehmung ein spezielles Japan Know-how, das eine gute Basis bei der Wahl weiterführender Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien darstellt. Der Wechsel zu einer Alternative der Marktbearbeitung ist zudem beim direkten Export einfacher zu realisieren als in den meisten anderen Fällen. Zum Aufbau eines Beziehungsgeflechts stehen beispielsweise in Japan ansässige ausländische Handelshäuser zur Auswahl, des weiteren die international aktiven japanischen Universalhandelshäuser (sogo shosha) oder auch eine der spezialisierten japanischen Importfirmen (Fachimporteur). Der Exporteur übergibt die Abwicklung des Importgeschäftes und die Distribution in die Hände des Agenten. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Exporteur weiterhin durch die Gestaltung des Exklusiv-Vertrages Ein-
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fluss auf die Marketingpolitik (Verkaufspreise, Sales- Promotion, Produktpräsentation usw.) nehmen kann. Daher sollten klar definierte und kontrollierte Mindestaufwendungen für ein zielgerichtetes Marketing festgelegt werden. Um Absatzmittler zu umgehen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einen japanischen Großabnehmer direkt zu beliefern. Dies setzt jedoch eine gute Integration in das japanische Geschäftsumfeld, Kenntnisse der Vertriebsstrukturen und Erfahrungen im Umgang mit japanischen Behörden und Wettbewerbern voraus. Die direkte Belieferung bildet oftmals die kostengünstigste Variante der Marktbearbeitung in Japan. Kommt es zusätzlich zum Einsatz eigener Auslandsreisender in Japan, entstehen zwar entsprechende zusätzliche Kosten, doch können die Vorteile letztlich überwiegen. Die exportierende Unternehmung führt über ihre Auslandsreisenden eine unmittelbare Marktbeobachtung durch und erhält so profunde Kenntnisse über die japanischen Konsumenten, ihre Wünsche und Bedürfnisse sowie wertvolle Informationen über die Konkurrenz auf den japanischen Märkten. Eine Alternative zum Alleingang sind Kooperationen mit japanischen Unternehmungen. So kann beispielsweise über eine Vertriebskooperation mit einer japanischen Unternehmung, die vergleichbare Produkte herstellt und vertreibt, nachgedacht werden (Haak 2000a). Der japanische Partner stellt sein Vertriebsnetz zur Verfügung und gestaltet die Instrumente des Marketing-Mix, während der ausländische Unternehmenspartner durch seine Produkte das Leistungsspektrum und damit auch das Kompetenzprofil der japanischen Unternehmung erweitert. Die Gefahr, dass die Produkte vom japanischen Partner kopiert werden, ist jedoch nicht auszuschließen.
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Franchising
Aus der Sicht des ausländischen Franchisegebers handelt es sich bei dieser Form des Markteintritts und der Marktbearbeitung in erster Linie um eine Vertriebsaufgabe. Die ausländische Unternehmung überlässt dem japanischen Franchisenehmer ein häufig schon seit langem eingeführtes und erprobtes Management-, Vertriebs- und Marktkonzept. Das unternehmerische Gesamtkonzept wird zum Gegenstand des gemeinsamen Vorgehens im japanischen Markt zwischen dem ausländischen und dem japanischen Unternehmungspartner. So werden nicht einzelne Vermögenswerte an den japanischen Geschäftspartner, sondern ein gesamtes Leistungssystem übertragen. Zu den bekann-
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testen Beispielen auf dem japanischen Markt zählen MacDonald´s, The Body Shop, Pizza Hut, Star Bucks und Kentucky Fried Chicken. Für den ausländischen Franchisegeber bringt das Franchising mit einem japanischen Partner zahlreiche Vorteile mit sich. Ohne großen Kapitaleinsatz kann der kostenintensive japanische Markt bearbeitet und so die hohe Kaufkraft japanischer Konsumenten abgeschöpft werden. Das Kapital für die Marktbearbeitung in Japan wird im Wesentlichen durch den japanischen Franchisenehmer erbracht, der sich somit mit den hohen Personal-, Miet- und Dienstleistungskosten auseinandersetzen muss. Für die ausländische Unternehmung ist das Risiko im japanischen Markt einen Fehlschlag zu erleiden, erheblich minimiert. Trifft das Konzept des Franchisegebers auf große Resonanz in Japan, so kann die Marktbearbeitung mit großer Geschwindigkeit erfolgen, wie es das Beispiel McDonalds eindrucksvoll vorgeführt hat. Jedoch hängt der Erfolg des gesamten Franchising vom Verhalten der einzelnen japanischen Unternehmungspartner ab. Probleme bei einer der japanischen Partnerunternehmungen (z. B. Qualitätsprobleme) können den Ruf und das Image des gesamten Franchising in Japan gefährden. Obwohl der Franchisegeber umfangreiche Weisungsund Kontrollrechte gegenüber dem Franchisenehmer hat, stehen ihm doch geringere Einflussmöglichkeiten als bei vollbeherrschten Tochtergesellschaften offen. Auch darf nicht vergessen werden, dass die unternehmerische Steuerung des Franchisenetzwerkes in Japan ein höchst aufwendiger Prozess ist, der mit entsprechenden Investitionen einhergehen muss.
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Verkaufsbüro – Kundenbetreuung und Servicenetz
Bei der Eröffnung eines eigenen Verkaufsbüros in Japan muss ein ausreichendes Umsatzvolumen mit entsprechenden Gewinnmargen diese Form des Markteintritts und der Marktbearbeitung rechtfertigen, da die Kosten für Personal und Miete in Japan jedoch immer noch sehr hoch sind. Der Aufbau eines eigenständigen Kundenservice, der in Japan einen außerordentlich hohen Stellenwert hat, und die Unmittelbarkeit, mit der Informationen über das Marktgeschehen und das Wettbewerbsumfeld gesammelt werden können, sprechen für diese Alternative (Eli 2004). Besonders bei komplexen und technisch anspruchsvollen Produkten ist eine gute Kundenbetreuung und ein entwickeltes Servicenetz für viele japanische Märkte zwingend erforderlich. Neben den hohen Kosten stellt sich häufig noch ein weiteres Problem ein: die Rekrutierung von a-
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däquatem japanischem Personal, insbesondere von Ingenieuren, die neben ihrem fachlichen Know-how auch entsprechende Sprachkompetenz besitzen und bereit sind, in einer ausländischen Unternehmung in Japan langfristig zu arbeiten. Die Mobilität am japanischen Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren verbessert. Dennoch müssen für die Suche nach hervorragendem japanischen Personal erhebliche Mittel aufgewendet werden. Auch wenn der Personalmarkt in den letzten Jahren erheblichen Veränderungen unterlag, ist die Erwartung einer möglichst lebenslangen Beschäftigung in einer renommierten Unternehmung bei japanischen Arbeitnehmern noch stark präsent. Bei der Einstellung japanischer Mitarbeiter sollten jedoch keine diesbezüglichen Zugeständnisse eingegangen werden, es sei denn, der Fall einer lebenslangen Beschäftigung in der Unternehmung entspräche den Usancen der Personalführung. Die Suche nach hervorragendem Personal sollte sich nicht nur auf Japan beschränken und mit Unterstützung japanischer Geschäftspartner, die häufig über gut entwickelte persönliche Netzwerke verfügen, erfolgen. Ausschreibungsverfahren über Zeitungen allein stellen kein geeignetes Mittel dar.
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Aufbau eines Joint Venture
Gerade wegen der oben geschilderten Schwierigkeiten, hochqualifiziertes japanisches Personal zu finden, wird häufig die Gründung eines Joint Venture ins Auge gefasst. Das notwendige Personal für die Marktbearbeitung stellt in diesem Fall der japanische Partner zur Verfügung. Die Gründung eines Joint Venture jedoch allein aus der Not heraus, geeignetes Personal zu finden, ist nicht empfehlenswert (Zentes, Swoboda und Morschett 2003). Als Grund für das Eingehen eines Joint Venture in Japan wird häufig angeführt, dass beim Eintritt in die wettbewerbsintensiven japanischen Märkte die Marktkenntnisse des lokalen Partners dringend benötigt werden. Beschaffung und Marketing sind leichter zu organisieren, und häufig fallen auch die Kontakte zu Regierung und Bürokratie durch die Wahl eines japanischen Unternehmungspartners erheblich leichter. So können in einem Joint Venture komplementäre Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen gebündelt werden.
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Langfristig tragfähig kann ein Joint Venture nur sein, wenn die Interessen der Unternehmungspartner wirklich komplementär sind. Bei beiden Unternehmungspartnern muss die Überzeugung bestehen, dass der Erfolg auf dem japanischen Markt eine gemeinsame Unternehmung voraussetzt (Perlitz und Seger 2000). Die Partner, die ein Joint Venture eingehen wollen, sollten sich gut kennen, und die Entscheidung zur Gründung sollte aus langjährigen Geschäftsbeziehungen resultieren. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für das erfolgreiche Management eines Joint Venture ist ein entwickeltes Vertrauensverhältnis. Wenn sich die Zielvorstellungen der Partner im Zeitablauf in unterschiedliche Richtungen entwickeln und somit die Interessenlagen der am Joint Venture Beteiligten zu divergieren beginnt, kann der Fortbestand des Joint Venture in Gefahr geraten. Joint Venture führen, wie andere kooperative Formen der Auslandsmarktbearbeitung, zu einem Know-how Abfluss. Für die Existenz eines Joint Venture wird dieser Abfluss von Fachwissen dann zu einem ernsten Problem, wenn der ursprünglich explizit oder auch implizit vereinbarte Grad des Transfers von Know-how zwischen den Partnern einseitig überschritten wird und sich somit die Lern- und Wissensfortschritte vorrangig bei einem Joint Venture Partner konzentrieren. Für einen Erfolg von Unternehmungskooperationen werden in empirischen Studien die folgenden Aspekte immer wieder genannt: Stärken und Schwächen der eigenen Unternehmung kennen und bewerten, Stärken und Schwächen des Unternehmungspartners kennen und bewerten, in beiderseitigen Vorteilen denken und somit so genannte winwin-Situationen schaffen, Sorgfalt bei der Auswahl des oder der Partnerunternehmungen walten lassen, durch Konflikt lernen, Kommunikation in und zwischen den Unternehmungen fördern, Konsens suchen, Personalentwicklung fördern, Flexibilität zeigen sowie motiviertes und leistungsstarkes Personal für das Management des Joint Venture bereit stellen (Steinmann und Schreyögg 1997; Kutschker und Schmid 2002) Da es sich bei einem Joint Venture um eine gemeinsame Unternehmung zweier oder mehrerer Partner in Japan handelt, somit also eine „neue“ Unternehmung mit eigener Rechtspersönlichkeit geschaffen wird, sollten Regelungen zur friedlichen Einigung im Vertrag unbedingt festgelegt werden, für den Fall, dass die Interessen der jeweiligen Partner auseinander gehen. Hinsichtlich des sachlichen Kooperationsbereiches ist es durchaus möglich, nur einzelne Felder der Unternehmung für die Kooperation vorzusehen (beispielsweise nur die Produktion oder Aspekte im Bereich der Forschung und Entwicklung). Das Joint
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Venture kann auch mehrere sachliche Gebiete umfassen oder sich gar auf die gesamte Wertschöpfungskette mit allen umfassenden Aktivitäten beziehen. Ein Joint Venture in Japan kann zeitlich befristet oder aber auf Dauer angelegt werden. Für beide Seiten kommt eine zeitliche Befristung dann in Frage, wenn die Motive für das Engagement im Joint Venture für beide Partner nach Ablauf eines bestimmten Zeitrahmens hinfällig sind. Bei einem Forschung- und Entwicklungsprojekt kann dieser Fall durchaus eintreten. Die wirtschaftliche Praxis in Japan zeigt jedoch, dass die Verträge für die meisten Joint Venture unbefristet abgeschlossen werden, und auch die große Zahl langfristig operierender und erfolgreicher Joint Venture in Japan verdeutlicht diese Praxis. Themen wie das ausländische und japanische Firmenimage, das neue Image des Joint Venture, die Form der Personalpolitik, die Bezahlung und die Anzahl von Expatriates, der Grad der Anpassung des Marketing-Mix, die Regelung von Konflikten und die Verwendung von technologischen Innovationen sollten im Verlauf der Verhandlungen über die Gründung eines Joint Venture in Japan ausführlich besprochen und vertraglich festgelegt werden sollten (Eisele 1995; Endress 1991; Engelhard und Sinz 1999), um spätere Konflikte möglichst auszuschließen .
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Strategische Allianzen
Eine weitere Form der kooperativen Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien ist die Strategische Allianz, die sich in den meisten Fällen nicht auf einen nationalen Markt beschränkt, sondern über die Landesgrenzen hinausreicht (Albach 1992). Ein erfolgreiches Beispiel für die Strategische Allianz zwischen einer japanischen Unternehmung und mehreren internationalen Beteiligten ist das unternehmerische Engagement der japanischen Fluggesellschaft All Nippon Airways, das in der Strategischen Allianz Star Alliance mit den Fluggesellschaften Lufthansa, Thai Airways, Austrian Airlines, Air Canada, United Airlines, SAS, Singapore Airlines, VARIG, Air Newzealand, Mexicana Airlines, British Midland und Ansett Australia Kooperationen eingegangen ist (Kutschker und Schmid 2002; Haak 2000c). Charakteristikum der Strategischen Allianz ist die Übereinkunft der ausländischen Unternehmung(en) und des bzw. der japanischen Partner(s), in einem genau definierten Bereich zu kooperieren, der für beide oder mehrere Unternehmungen strategische Relevanz besitzt (Backhaus und Meyer 1993). Es geht bei der Zusammenarbeit also nicht
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um die Verwirklichung einer kurzfristigen und zeitlich definierten Aufgabe, wie sie sich häufig bei einfachen Kooperationsprojekten zeigt, sondern um einen langfristigen Plan zur Stärkung der strategischen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmungspartner. Im Gegensatz zum Joint Venture wird auf die Etablierung einer gemeinsamen Unternehmung in Japan verzichtet, so dass wechselseitige Kapitalbeteiligungen ausbleiben. Fragt man nach den Vorteilen und Motiven sowie nach den Problemen und Nachteilen von Strategischen Allianzen, so wird deutlich, dass große Gemeinsamkeiten zur Form des Joint Venture bestehen. Ein zentrales Motiv ist die Erzielung von Größeneffekten, die die Partner im Alleingang nicht erreichen könnten. Durch diese Form der Zusammenarbeit zwischen ausländischen und einem oder mehreren japanischen Unternehmungen können Strategische Allianzen sich Zugang zu komplementären Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen erarbeiten, die alle der beteiligten Unternehmungen im Alleingang unmöglich erreicht hätten (Haak 2000b). Auch die Teilung des unternehmerischen Risikos und ein schneller Markteintritt in Japan zählen zu den Hauptmotiven der Bildung von Strategischen Allianzen mit japanischen Unternehmungen. Aber auch die Probleme und Nachteile sind in einschlägigen wissenschaftlichen und praxisorientierten Schriften gut dokumentiert (Literaturangabe). So müssen strategische Allianzen wie auch andere Formen des Markteintritts und der Marktbearbeitung den Anforderungen des japanischen Wettbewerbsrechts genügen. Grundsätzlich besteht somit das Risiko, dass die von den Allianzpartnern geplanten Vorhaben aufgrund rechtlicher Bedingungen in Japan nicht verwirklicht werden können. Der Koordinations- und Abstimmungsbedarf ist bei Strategischen Allianzen außerordentlich hoch, und auch der nicht gewollte Verlust von zentralem Know-how an die Partner der Allianz kann langfristig zu Problemen führen. Für den Erfolg einer Strategischen Allianz mit japanischen Unternehmungspartnern ist in erster Linie eine hervorragende Personalpolitik Vorraussetzung, da der Abschluss, der Aufbau und die Pflege einer Strategischen Allianz unterschiedliche Managementqualifikationen erfordern. Vertrauen und Commitment sind zwei Schlüsselgrößen, die wesentlich den Erfolg der Zusammenarbeit auf strategischer Ebene zwischen japanischen und ausländischen Unternehmungspartnern bestimmen (Balling 1998).
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Tochtergesellschaft
Der Aufbau einer Tochtergesellschaft in Japan hat den entscheidenden Vorteil der unmittelbaren Präsenz vor Ort. Dies ist nicht zuletzt aus Imagegründen von großer Bedeutung. Ein weiterer Vorteil gegenüber anderen Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien, die häufig in Unternehmungskooperationen eingebunden sind, um ihre Zielsetzungen zu erreichen, ist das große Maß an Unabhängigkeit, da die Unternehmung nicht auf Dritte (z.B. Lizenznehmer, Joint Venture Partner oder auch Allianzpartner) angewiesen ist. Mit diesem Vorteil sehr eng verbunden, ist die leichtere Durchsetzung der eigenen Strategien, da langfristige und kostenintensive Abstimmungsprozesse ausbleiben. So können auch die eigenen Wettbewerbsvorteile innerhalb der Unternehmungsgrenzen verbleiben, ein ungewollter Wissenstransfer ist nicht zu befürchten (Macharzina und Osterle 2002). Der Aufbau einer eigenen Tochtergesellschaft zählt zu den schwierigsten und kostenintensivsten Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien in Japan. Das Grundproblem liegt in der personellen Ausstattung einer Neugründung mit qualifizierten japanischen Mitarbeitern, die sowohl über wirtschaftliche Verbindungen verfügen, als auch ausreichende Markt- und Wettbewerbskenntnisse für einen erfolgreichen Start in Japan mitbringen. Die ausländische Unternehmung muss sich im klaren sein, dass es lange dauert, bis ein gutes Team von Fachpersonal für die Tochtergesellschaft zur Verfügung steht, da finanzielle Anreize nicht zu den Hauptmotiven für einen Wechsel eines japanischen Managers aus einem renommierten japanischen Unternehmen in eine ausländische Gesellschaft zählen. Ein Stellenwechsel wird eher als Indiz für persönliche Schwierigkeiten denn als Zeichen erhöhter Flexibilität bewertet. Wichtige Positionen in der Tochtergesellschaft sollten jedoch mit qualifizierten Japanern besetzt werden, um die Schwierigkeiten des japanischen Distributionssystems zu meistern, Behörden und Geschäftspartnerkontakte zu pflegen und ein persönliches Netzwerk adäquat aufzubauen. Die Auswahl der Mitarbeiter erfolgt häufig in erster Linie über ihre Sprachkompetenz. Fachliche und methodische Qualifikationen sollten jedoch eine ebenso große Rolle bei Personalentscheidungen spielen. Im Gegensatz zur Markteintritts- und Marktbearbeitungsform des Joint Venture oder der Strategischen Allianz werden bei der Tochtergesellschaft Risiken des wirtschaftlichen Engagements auf den wettbewerbsintensiven japanischen Märkten nicht geteilt.
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Ein Rückzug aus Japan ist mit einer Tochtergesellschaft nicht so einfach wie bei anderen Formen des Markteintritts- und der Marktbearbeitung der Unternehmung. Durch die Gründung einer Tochtergesellschaft geht die Unternehmung eine Art Verpflichtungserklärung gegenüber Japan ein. Die Tochtergesellschaft übernimmt somit erhebliche Verantwortung für die Stellung der Unternehmung auf dem japanischen und den internationalen Märkten. Ein „Mismanagement“ aufgrund unerfahrener Manager aus dem Heimatland der Unternehmung und gering qualifizierter japanischer Manager zählt zu den größten Gefahren in der Startphase der Tochtergesellschaft.
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Mergers & Acquisitions
Der Kauf einer japanischen Gesellschaft, eine in den 80er und frühen 90er Jahren als Markteintritts- und Marktdurchdringungsstrategie noch mit Schwierigkeiten behaftete Option im Japangeschäft, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und Mergers & Acquisitions stellen mittlerweile eine beachtenswerte Alternative für das unternehmerische Engagement in Japan dar. So sind seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre die Chancen, den japanischen Markt auf diese Weise zu bearbeiten aufgrund der niedrigen Unternehmungsbewertungen sehr gut. Der zeit- und kostenintensive Aufbau einer eigenen Tochtergesellschaft entfällt, ein nicht zu unterschätzender Vorteil, der sich in beschleunigter Marktbearbeitung zeigt. Die gesetzlichen Hürden sind keine Hinderungsgründe für diese Form des Markteintritts, doch ist es nicht immer einfach, eine viel versprechende zum Verkauf stehende japanische Firma zu finden. Zwar hat sich diese Situation zugunsten des ausländischen Engagements in letzter Zeit verbessert, doch hat auch diese Form des Markteintritts- und der Marktbearbeitung problematische Seiten. In fast allen Fällen ist die Übernahme, oder auch die Fusion als weitere Alternative des Markteintritts und der Marktbearbeitung, nur dann erfolgreich, wenn schon zuvor langjährige Geschäftsverbindungen bestanden und ein intensives Vertrauensverhältnis aufgebaut und gepflegt wurde. Eine sorgfältige Vorbereitung durch fundierte Markt- und Konkurrenzanalysen ist auch bei langfristigen Geschäftsbeziehungen unerlässlich.
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Teil IV Interkulturelle Aspekte Japanisches Personalmanagement im Spannungsfeld zwischen Kontinuität und Wandel Markus Pudelko
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Bildung und Berufsbildung in Japan Helmut Demes und Walter Georg
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Deutsche Qualität unter japanischer Lupe Elizabeth Stich
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Das Japangeschäft – interkulturelle Aspekte des Geschäftserfolgs Ulrike Maria Haak
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Innovation und Entrepreneurship: Japans Wettbewerbsfähigkeit in institutioneller Perspektive Cornelia Storz *
Inhalt
Kurzfassung 1
Innovation made in Japan. Wie ist Japan international positioniert?
2
Das US-amerikanische Innovationsmodell als Modell für Japan
3
Diskussion: Innovation, Akkumulation von Wissen und Spezifität
4
Fazit
Literaturverweise
*
Prof. Dr. Cornelia Storz, Japan-Zentrum der Philipps-Universität Marburg.
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Cornelia Storz
Kurzfassung Das japanische Innovationssystem gilt gegenwärtig als nicht sonderlich geeignet, um in neuen Industrien Fuß zu fassen: In sämtlichen, als Zukunftsindustrien geltenden Schlüsselsektoren wie der Biotechnologie oder der Softwareindustrie ist Japan kaum bis gar nicht auf dem Weltmarkt präsent. Noch wenige Jahre zuvor, bis ungefähr Ende der 80er Jahre, galt umgekehrt das japanische Innovationssystem als nachahmenswert; unter dem Begriff des „Japanese model“ wurden zahlreiche Elemente im Ausland übernommen. Offenbar behindern gegenwärtig diejenigen Institutionen, die den Erfolg des japanischen Systems bedingt hatten, nun dessen Adaptionsfähigkeit und die Ausrichtung auf neue Schlüsselindustrien. In der japanischen Politik hat dies zu enormen Reformbemühungen und teilweise drastischen Änderungen der wirtschafts- und innovationspolitischen Rahmenbedingungen geführt. Dieser Beitrag skizziert im Folgenden die identifizierten Schwächen und Reformmaßnahmen, und widmet sich dann besonders der Frage, inwieweit das japanische Modell in der Tat Unternehmertum und Innovation behindert.
Innovation und Entrepreneurship
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Innovation made in Japan. Wie ist Japan international positioniert?
Das japanische Innovationssystem steht gegenwärtig in vehementer Kritik. Zwar hat Japan erhebliche Weltmarktanteile bei wissenschaftlichen Publikationen und deren Zitation gewonnen1; in den USA halten japanische Firmen einen hohen Anteil unter den gewährten Patenten2, die Technologiehandelsbilanz Japans hat sich deutlich verbessert3, und Japan ist mit 344 Mrd. US Dollar der zweitgrößte Exporteur von FuEintensiven Waren (Tab. 1). Als besorgniserregend allerdings gilt, dass die USA im Unterschied zu Japan ihre führende Weltmarktposition bei FuE-intensiven Waren seit den 90er Jahren sukzessive ausbauen konnten. Während bis 1995 die japanischen Exporte FuE-intensiver Waren noch größer als diejenigen der USA waren, hat die USA ab Mitte der 90er Jahren ihre Wettbewerbsposition ausgebaut und den Abstand zu Japan (und Deutschland) deutlich vergrößert (Stand 2000; Schumacher, Legler und Gehrke 2003: 31). Weiter schrumpft Japans Weltmarktanteil im engeren Bereich der Spitzentechnik4. Entsprechend besitzt Japan zwar in 18 Warengruppen komparative Vorteile gegenüber anderen OECDStaaten; dieser Vorteil aber ist in Folge der relativ schlechten Export- und der dynamischen Importentwicklung seit den 90er Jahren geschrumpft (Tab. 1). Exporte in Mrd. US-$ Japan
USA
Deutschland 294,1
FuE-intensive Waren
344,4
470,6
Spitzentechnologie
116,3
247,0
88,6
Hochwertige Technologie
228,0
233,7
205,5
Zunahme gegenüber 1991 (in %) Japan
USA
Deutschland
Exporte FuE-intensive Waren
54
115
49
Importe FuE-intensive Waren
147
157
40
Quelle: Schumacher, Legler und Gehrke (2003: 31)
Tabelle 1: Außenhandel mit FuE-intensiven Waren 2000
Konkret zeigt sich die Schwäche Japans in seiner geringen Präsenz auf dem Weltmarkt in zahlreichen neuen Industrien: In der Softwareindustrie etwa findet sich unter den 20 größten Unternehmen weltweit nur ein einziges japanisches Unternehmen. Wenig überraschend beträgt der Umsatz mit Softwareprodukten nur 1/20 der US-
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Cornelia Storz
amerikanischen Unternehmen. Auch die Anzahl der Unternehmen im Softwaresektor differiert erheblich: Während in den USA 56.480 im Bereich der Softwareindustrie tätig sind, sind es in Japan nur 5812 (Stand 1994; OECD 1998; US ITC 1995). Auch im Biotechnologiesektor war Japan nicht in der Lage, eine eigene kompetitive Industrie zu entwickeln, so dass es sich mittlerweile ebenso zu einem Netto-Importeur entwickelt hat (Kishida und Lynn 2005). Es wird davon ausgegangen, dass sich 70% des japanischen Biotechnologiemarktes auf Innovationen aus den USA stützen (Wieczorek 2003: 165) Die geringe Leistungsfähigkeit in der Spitzentechnik gilt als problematisch, da befürchtet wird, dass diese Positionierung mittelfristig zu Wohlfahrtsverlusten führt. Insbesondere die nachholende Entwicklung Chinas und anderer ostasiatischer Staaten sowie die hohe Wettbewerbsfähigkeit Koreas in denjenigen Industrien, in denen Japan ausgeprägte Vorteile besitzt – Fahrzeugbau, Elektrotechnik (besonders Rundfunk-, TV-und Videogeräte), Maschinenbau – erhärten die Befürchtung, dass Japan sich gewissermaßen in einer „Sandwich“-Position befindet: In der höherwertigen Technik kann es von nachholenden Staaten in seiner Kompetenz bedrängt werden, in der Spitzentechnik kann es neue Sektoren nur unzureichend erschließen.
2
Das US-amerikanische Innovationsmodell als Modell für Japan
In Anspielung auf das bekannte Werk von Ezra Vogel „Japan as No. 1“ von 1967 sind die Rankings des World Competitiveness Reports des Lausanner Managementinstituts IMD, bei dem Japan im Jahre 2005 auf 21. Stelle positioniert wurde, in den japanischen Medien mit Titeln wie „Japan as No. 21“ aufgenommen worden. Auch wenn eine gewisse Distanz zu solchen Rankings sicherlich angebracht ist, lässt sich festhalten, dass zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung das japanische Innovationssystem mit seinem industriebasierten Innovationsprofil und seiner Schwäche in den Wissens- und Dienstleistungsindustrien als problematisch und reformbedürftig gesehen wird. Zahlreiche Publikationen haben sich seit den 90er Jahren daher mit der Frage beschäftigt, worin die Ursachen der Anfang der 90er Jahre noch unerwarteten Schwäche zu suchen sind (vgl. z.B. Goto 2000). Es zeigt sich, dass es insbesondere das spezifische institutionelle Setting ist, das zwar durch seine Förderung von Wissensdiffusion für Japans nachholende Entwicklung vorteilhaft war, jedoch Nachteile für die Genese und insbesondere Durchsetzung von innovativem Wissen besitzt. Die geringe Präsenz
Innovation und Entrepreneurship
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Japans in neuen Industrien wurde so auf ein „failure of institutions“ zurückgeführt (Anchordoguy 2000; Baba et al. 1996: 125). Im Vergleich zu den USA, denen im Unterschied zu Japan offenbar eine Neuausrichtung seines Innovationssystems gelungen ist, fallen Spezifika insbesondere im Arbeitsund Kapitalmarkt auf, welche die Entwicklung und Durchsetzung radikaler Innovationen behindert haben: Der Arbeitsmarkt mit seinen langfristigen Beschäftigungsverhältnissen, die im OECD-Vergleich auch gegenwärtig nach Polen und Italien zu den längsten weltweit zählen, oder das in-house orientierte Ausbildungssystem behindern gleichermaßen den Aufbau spezialisierter Kompetenzen und die Mobilität zwischen Arbeitsmärkten, die für die Entwicklung von Spitzentechnologien als begünstigend gelten. Auch das bankendominierte Finanzsystem befördert aufgrund seiner risikoaversen Orientierung gerade nicht diejenigen risikobehafteten Technologien, die für eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit erforderlich wären. Unter den OECD-Staaten besitzt Japan den am schwächsten entwickelten Risikokapitalmarkt (Yahagi und Isobe 2000), und auch love money, also ein informelles Investment durch Individuen, das zunächst als funktionales Äquivalent zu der Bereitstellung von Risikokapital über Kapitalmärkte gesehen wurde, kann diese Funktion weder quantitativ noch qualitativ ersetzen (Kutsuna und Harada 2004). Als besonders problematisch gilt die weitgehende Entkopplung von Wissensgenese und -umsetzung. Es fehle in Japan, so wird plakativ formuliert, weniger an Ideen, sondern an einer Schließung des knowing doing gaps (Posen 2001). Dies behindert die Reallokation von Ressourcen, und die Erschließung neuer Wachstumsoptionen. Kleinund Mittelunternehmen (KMU) nehmen offenbar nicht die Funktion wahr, die sie im amerikanischen Innovationssystem erfüllen: als Transmissionsriemen zwischen Wissensgenese und dessen Durchsetzung. Quantitativ spielen KMU in der japanischen Volkswirtschaft eine wichtige Rolle – 6 Mio. Betriebe sind mittelständisch, dies sind 99,2% aller Betriebe, und 79,9% aller Beschäftigten arbeiten im Mittelstand (CKC 2005: 382, 386) –, aber Vergleiche zeigen, dass japanische KMU im internationalen Vergleich eine deutlich geringere Produktivität und deutlich höhere Lohnstückkosten aufweisen (MITI: Kôgyô Tôkeihyô; versch. Bände; Statistisches Bundesamt; vgl. Posen 2001). Fast jedes zweite Unternehmen in der verarbeitenden Industrie, nämlich 47,9%, sind als Zulieferer tätig; in einzelnen Branchen wie der Elektrotechnik oder dem Fahrzeugbau liegt der Anteil mit 65,2% bzw. 69,3% deutlich höher (CKC 2005: 35). Aus Sicht der Transaktionskostenökonomik wurde die Externalisierung von Transaktionen unter den Bedingungen von Unsi-
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cherheit, Häufigkeit von Transaktionen und Spezifität als der effizienteste Mechanismus zur Senkung von Transaktionen identifiziert (Maruyama 1996; Williamson 1985). Ähnlich argumentierten netzwerkbasierte Ansätze, welche die japanische Industrieorganisation als eine intermediäre Organisationsform verstehen, die sowohl Wettbewerb zwischen ihren Mitgliedern initiiert, als auch – gleichzeitig – Koordination begünstigt (Kooij 1991). Aus spieltheoretischer Sicht wurde insbesondere die Langfristigkeit der Transaktionsbeziehungen hervorgehen, da nur bei wiederholten Spielen, als welche langfristig angelegte Transaktionen verstanden werden können, Reputation eine Rolle spielt, so dass in der Erwartung gegenseitigen Vertrauens und der Einhaltung von Verträgen auch hoch risikobehaftete Projekte in Kooperation durchgeführt werden können (vgl. Kimura 2002). Aktuelle empirische Arbeiten zeigen aber, dass mit Ausnahme einer kleinen Gruppe hochtechnologieorientierter Zulieferer dieses Bild auf das Gros der Zulieferer nicht zutrifft: Jüngeren Studien zufolge korreliert die Entscheidung, als Zulieferer zu arbeiten, negativ mit der technologischen Kapazität des Zulieferers und seinen im In- und Ausland erwirtschafteten Umsätzen (Kimura 2002; CKC 2005: 71). Dies ist überraschend, denn bis in die 90er Jahre wurde das Instrument des outsourcing in den hierarchisch koordinierten Verbünden oft als Ursache für Innovationskraft und Effizienz international positionierter Industrien wie dem Fahrzeugbau, der Elektrotechnik und dem Maschinenbau identifiziert. KMU sind offenbar unzureichend in der Lage, Innovationen zu generieren und durchzusetzen. Von einer Gruppe innerhalb des Mittelstandes wird ein besonderer Beitrag zur Durchsetzung von Innovation erwartet: den Unternehmensgründungen. Auch hier zeigt sich, dass Gründungen diese Funktion nur bedingt wahrnehmen: Seit Mitte der 80er Jahre werden in Japan mehr Unternehmen liquidiert als neu gegründet (vgl. Abb. 1); im Zeitraum zwischen 1999 bis 2001 lag die Gründungsrate (d.h. also der Anteil neu gegründeter an bestehenden Unternehmen) bei 3,8%, und damit unter der Liquidationsrate von 4,2% (CKC 2005: 229; 3965)
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Quelle: METI (2002: 50).
Abbildung 1: Durchschnittliche Gründungs- und Liquidationsraten in Japan in % (ohne primären Sektor) Alternativ kann die Gründungsaktivität in einem Land anteilig zur Bevölkerung errechnet werden, wie es der Global Entrepreneurship Monitor (GEM 2005) unter 34 Staaten regelmäßig vornimmt (sog. total entrepreneurial activity). Auch diesem Indikator zufolge liegt die unternehmerische Aktivität in Japan äußerst niedrig: Nur 1,5% aller Erwachsenen gelten in Japan als unternehmerisch aktiv. Bedenklich ist nicht nur der im Vergleich zu anderen Ländern niedrige Anteil unternehmerischer Erwachsener – der Durchschnittswert liegt bei 9,3% –, sondern insbesondere auch der erhebliche Rückgang in den letzten Jahren: Für 2000 und 2001 wurde noch eine Bereitschaft von 5% bis 6% gemessen (GEM 2005: 16-17). 2000
2001
2002
2003
2004
Japan
6,4
5,2
1,8
2,8
1,5
USA
16,6
11,6
10,5
11,9
11,3
Deutschland
7,5
8,0
5,2
5,2
4,5
Durchschnittswert für alle Länder 2004: 9,3 Quelle: GEM (2005: 17)
Tab. 2: Total Entrepreneurship Activity im Zeitraum 2000 bis 2004 (in %)
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Grundsätzlich muss eine niedrige Unternehmensgründungsaktivität nicht problematisch sein, denn bis Ende der 80er Jahre zeigte die japanische Wirtschaft trotz einer relativ niedrigen Gründungsrate ein beachtliches Wachstum, so dass Innovation und Wachstum offenbar weniger durch Neugründungen, denn durch interne Expansion realisiert wurden (Watanabe 1999); das veränderte technologische Umfeld und die Notwendigkeit, selbst innovative Felder zu besetzen, stellen diese Wachstumsstrategie allerdings zunehmend in Frage. Insbesondere hochtechnologieintensive Neugründungen, die neues Wissen kommerzialisieren, stellen qualitativ eine Schwäche in der japanischen Unternehmenslandschaft dar: Die absolute Zahl von technologiebasierten Unternehmensgründungen, die neues Wissen in marktfähige Produkte umsetzen, liegt in Japan lediglich bei 25% des US-amerikanischen Niveaus. In diesem Zusammenhang ist ebenso die schwache Zusammenarbeit zwischen Universität und Privatwirtschaft zu verorten; auch hierdurch wird das in der Wissenschaft generierte Wissen wenig in marktrelevantes Wissen umgesetzt (Motohashi 2005). High tech ventures sind selbst in neuen Industrien wie der Informations- und Kommunikationstechnologie wenig verbreitet. Weitgehend herrschen dort zulieferähnliche Beziehungen vor, und die Unternehmen selbst sind deutlich weniger forschungsintensiv als etwa in den USA (CKKS 1999)6. Die in dieser Branche gegründeten klein- und kleinstbetrieblichen Unternehmen, die auf japanisch häufig als SOHO-Unternehmungen bezeichnet werden (Small Office Home Office), sind im Unterschied zu den USA eher in Koordinationsformen eingebunden, die aufgrund ihrer hierarchischen Struktur der Entwicklung und Umsetzung von Innovationen tendenziell entgegenstehen. Hinzu kommt, dass Neugründungen, aber auch bestehende Unternehmen in Japan im internationalen Vergleich überdurchschnittlich häufig von älteren Personen geführt werden: Bei den selbständig Erwerbstätigen liegt der Anteil älterer Selbständiger (über 55 Jahre) bei knapp 30%, im Unterschied zu anderen OECD-Staaten, bei denen der Anteil um 10 bis 20% liegt (CKKS 2000: 12). Im einzelnen sind von den selbständig Erwerbstätigen 14,7% 55-65 Jahre, und 32,1% älter als 65 Jahre; in den USA liegt der Anteil erheblich niedriger bei 10,5% respektive 16,2% (CKC 2005: 236) 7 . Empirische Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Alter und Unternehmensgründung geben Hinweise darauf, dass das Alter des Unternehmers signifikant negativ korreliert ist mit der Produktivität der Neugründung. Je älter Unternehmer sind, desto stärker ist dieser Effekt ausgeprägt (Harada 2004), doch gerade diese Altersgruppen sind in Japan besonders häufig selbständig. Festgehalten werden kann, dass die niedrige Gründungsrate zum einen, und die Qualität der Neugründungen zum anderen Indikatoren eines schwachen Transmissionsrie-
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mens zwischen Wissensgenese und Wissensdurchsetzung sind. Da dies technologischen Fortschritt und die Schaffung neuer Arbeitsplätze behindern kann, wurden in der Folge von politischer Seite eine Vielzahl von Initiativen ergriffen, um das japanische Innovationssystem umzugestalten (vgl. Hemmert 2005; Imai und Kawagoe 2000). Besonders seit den 90er Jahren wird das Augenmerk auf die Förderung von Gründungsunternehmen und innovativen high tech ventures bzw. auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für diese Unternehmen gelenkt. So wurde 1994 im Ministry of Economy, Trade and Industry (METI) das „New Business Promotion Office“ eingerichtet, das die Konzeption und Durchsetzung einer neuen Entrepreneurship-Politik zum Ziel hatte. Einen Meilenstein stellt die Reform des „Basic Law for Small and MediumSized Enterprises“ von 1999 dar, das die Zielsetzung des Vorläufergesetzes von 1963 einer Protektion wenig leistungsfähiger KMU aufgab, und sich die Förderung dynamischer und innovativer KMU zum Ziel setzte (Storz 2002; Storz 2005). Weiter werden auf Basis des „Law Facilitating the Creation of New Business“ (auch: „New Businesses Law“) von 1998 in Anlehnung an das US-amerikanische “Small Business Innovation Research Program” (SBIR Program) Subventionen für die Erschließung neuer Geschäftsfelder und für Unternehmensgründungen bereitgestellt. Ein breites Bündel von Maßnahmen zielt zudem auf eine Verbesserung der Schnittstelle zwischen Universitäten als Ort der Wissensgenese einerseits, und universitären start-ups zur Umsetzung von Wissen andererseits. Die seit 1998 gesetzlich geförderten Gründungen von Technology Licencing Organisations (TLO) an den nationalen Universitäten werden als ein wichtiger Schritt gesehen, um die Genese von high tech ventures zu begünstigen. Bis Ende 2004 wurden in ganz Japan 32 TLO vom Ministry of Education and Science bzw. vom METI auf Grundlage des seit 1998 gültigen „Law for Facilitating Technology Transfers from Universities“ anerkannt. Damit ist der Abstand zu den USA mit 170 TLO zwar immer noch beträchtlich; gleichwohl ist die explizite Förderung dieser Schnittstelle ein Novum im japanischen Innovationssystem 8 . Bis Ende 2003 wurden über 5000 Patente aus TLO dem japanischen Patentamt sowie rund 1300 Patente ausländischen Patentämtern gemeldet (Kishida und Lynn 2005; Yamada 2003). Zudem wurden ab Mitte der 90er Jahre erstmals umfassende gesetzliche und institutionelle Rahmenbedingungen für venture businesses durch einen verbesserten Zugang zu Risikokapital geschaffen. Dazu zählen Maßnahmen, die das Angebot an Risikokapital durch einen liberalisierten Zugang ausländischer Risikokapitalgesellschaften und Investoren sowie durch die steuerliche Begünstigung von Investitionen in Risikokapital verbessern. Seit 1997, dem so genannten „Big Bang“, wurde der Zugang für ausländische Gesellschaften für eine Betätigung im japanischen Markt sukzessive erleich-
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Cornelia Storz
tert, und ebenfalls seit 1997 können „business angels“, die insbesondere in der hoch risikobehafteten seed-Phase Investitionen tätigen, auf Basis des „Angel Tax System“ frühere Verluste auf Gewinne aus Investitionen über 3 Jahre nach Verlust angerechnet werden. Weitere Maßnahmen schaffen Regulierungen im Binnenverhältnis Risikokapitalgeber/Risikokapitalnehmer ab, durch die im Ergebnis die Kontrollmöglichkeiten der Risikokapitalgeber erhöht werden. Im einzelnen zählen hierzu etwa die Aufhebung des bisher beschränkten Eigentumsanteils am Risikokapitalnehmer von 50%, die Aufhebung des Entsendungsverbots von Mitgliedern des institutionellen Investors in den Aufsichtsrat von venture businesses, oder die verbesserten Bedingungen für stock options (Storz 2000; Takada 2000; Pascha und Mocek 2002). Schließlich begünstigen auch grundsätzliche Reformen im Kontext einer veränderten Zielsetzung der Innovationspolitik die Genese von venture businesses. Hierzu zählen Änderungen in der Rechtsprechung und Rechtsprechungspraxis zu geistigen Eigentumsrechten, die in Anlehnung an die US-amerikanische Praxis in den letzten Jahren vorgenommen wurden. In Folge des 2003 erschienenen Berichtes zu „Strategic Framework for Intellectual Property“, bei dem die japanische Regierung die Bedeutung von Eigentumsrechten zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit anerkennt, werden zunehmend neue Bereiche durch Eigentumsrechte geschützt wie etwa Geschäftsmodelle im Internet (Motohashi 2003). Zahlreiche als Besonderheiten geltende Regelungen wie der stark restringierte Patenanspruch und die eingeschränkte Patentreichweite, die Möglichkeit der Einspruchnahme vor Erteilung des Patents (sog. pre-grant-opposition) oder die niedrigen Strafzahlungen im Falle von Patentverletzungen wurden in den Grundzügen dem internationalen Usus angeglichen und entsprechend geändert (Sakakibara 2001). Für Risikokapitalgeber bedeutet der verbesserte Schutz geistiger Eigentumsrechte eine deutlich verbesserte Sicherheit, da so auch bei Liquidation eines Venture Capital-Nehmers immaterielle Werte gesichert werden können. Dies macht die Investition auch in hoch risikobehaftete Unternehmen für Kapitalgeber attraktiver und reduziert ihr Risiko im Falle eines Scheiterns erheblich. In der Summe kann festgehalten werden, dass sich die Reformen sowohl in ihrer Grundkonzeption als auch bei einzelnen konkreten Maßnahmen an das USamerikanische Innovationssystem anlehnen, das idealtypisch durch ein hohes Aktivitätsniveau von high tech ventures und durch etablierte Schnittstellen zum Risikokapitalmarkt und zur Universitätslandschaft gekennzeichnet ist9.
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Diskussion: Innovation, Akkumulation von Wissen und Spezifität
Zu Beginn dieses Beitrags wurde die Frage gestellt, wie die geringe internationale Positionierung Japans im Bereich der Spitzentechnik zu erklären ist. Als ursächlich hierfür gelten Pfadabhängigkeiten bestimmter institutioneller Arrangements, welche die Richtung von Innovationsprozessen steuern und begünstigend auf Wissensdiffusion und die Genese und Durchsetzung höherwertiger Technologien wirken, gleichzeitig aber die Durchsetzung originärer Spitzentechnologien behindern. Als besonders defizitär wurde die bisher schwach ausgeprägte Schnittstelle zwischen Wissensgenese und -durchsetzung, wie sie sich in der geringen Verbreitung innovativer venture business zeigt, identifiziert, was erklärt, warum das in diesem Segment sehr viel erfolgreichere US-amerikanische Innovationssystem für Japan Modellcharakter zur Umgestaltung des eigenen Innovationssystems besitzt. Die Reformen in den letzten Jahren können daher als eine „partial replication of a US style innovation system“ (Kishida und Lynn 2005: 129) bezeichnet werden. Auch wenn gegenwärtig noch erhebliche Hürden bewältigt werden müssen, und Japan noch weit davon entfernt ist, tatsächlich ein USamerikanisches Innovationsmodell abzubilden, so ist auffällig, dass die Reformen trotz ihres Anspruchs eines Paradigmenwechsels in einem überraschend breiten Konsens umgesetzt werden. Abschließend soll deswegen danach gefragt werden, wie die geplante und teilweise vollzogene Umgestaltung des japanischen Innovationssystems zu bewerten ist. Zunächst kann auf einer empirischen Ebene argumentiert werden, dass die Schwäche Japans im Bereich der Spitzentechnik nur ein vermeintliches Problem darstellt, und davon abhängt, welche Indikatoren verwendet werden, und zu welchen Ländergruppen Japan eine „Anomalie“ aufzeigt. Vergleicht man etwa die Handelsströme pro Kopf, stellt sich Japan im Vergleich mit den USA im Bereich der Spitzentechnologien sogar etwas besser dar (Japan: 916 US Dollar; USA: 897 US Dollar; Schumacher, Legler und Gehrke 2003: 31). Viele Indikatoren, die verwendet werden, um die technologische Position eines Landes zu erfassen, weisen zudem erhebliche Schwächen in ihrer Aussagekraft auf: Aussagen zu Exporten von Spitzentechnik und höherwertiger Technik verdecken, dass der absolute Wert für Hochtechnologiegüter sehr viel kleiner als im höherwertigen Bereich ist; Technologiebilanzen erfassen Finanzströme aus Lizenzabkommen, die 10-15 Jahre zurückliegen, und stellen die heutige Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft nur schlecht dar.
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Cornelia Storz
Doch selbst wenn von einer Schwäche Japans in der Spitzentechnik ausgegangen würde, ist die grundsätzliche Frage entscheidend, ob Spitzentechnik eher als höherwertige Technik einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil generiert. Hier scheinen Zweifel angebracht, denn ein hoher Anteil im Bereich der Spitzentechnik kann umgekehrt bedeutet, dass ein Land im Bereich der höherwertigen Technik unterrepräsentiert ist, wie es etwa für die USA der Fall ist (vgl. Patel und Pavitt 1995). Forschungen zu nationalen Innovationssystemen, die explizit institutionelle und evolutionäre Ökonomie, also die Frage der Interdependenz von Institutionen und Wissensakkumulation verbinden, zeigen, dass nationale Innovationssysteme technologische Spezialisierungen und komparative Stärken aufweisen. Trotz zunehmender globaler Integration wirtschaftlicher Tätigkeiten verändern sich die spezifischen Innovationsprofile der Systeme nur langsam. Den Stärken von Innovationssystemen in bestimmten Technologiefeldern unterliegen spezifischen institutionellen Konfigurationen, die durch die komplexe Interdependenz von technologischen und institutionellen Entwicklungen entstanden sind (Lundvall und Maskell 2000). In dieser Sichtweise besitzt das japanische Innovationssystem spezifische Stärken in denjenigen Wissensbereichen, die durch das etablierte institutionelle Setting bisher begünstigt wurden – wie etwa komparative Vorteile im Bereich von Fahrzeugbau oder der Elektrotechnik (Schumacher, Legler und Gehrke 2003: 35). Zur Technologiedissemination wurden verschiedene Instrumente eingerichtet, die in den 90er Jahren von den USA übernommen wurden, wie lokale Technologiezentren (kôsetsushi), die rund 10% des japanischen Mittelstandes erreichen und ihnen damit den Zugang zu neuem Wissen erleichtern (Storz 2005; Izushi 2005). Genauso plausibel wie die Frage, warum japanische Firmen Schwächen im Bereich der Spitzentechnologie besitzen, ist daher nach wie vor die Frage, warum amerikanische Firmen „such poor imitators“ sind (Rosenberg und Steinmueller 1988). Angesichts der pfadabhängigen Akkumulation von Kompetenzen ist sollte aber grundsätzlich bedacht werden, inwieweit der politisch initiierte Versuch eines Paradigmenwechsels des japanischen Innovationssystems in der Tat angemessen ist, oder ob es nicht sehr viel sinnvoller wäre, das Innovationssystem von spezifischen Wissensprofilen ausgehend zu stärken. Die gegenwärtigen Reformbemühungen werfen weiter die Frage auf, inwieweit die Akkumulation spezifischer Wissensstocks und die Pfadabhängigkeit von Institutionen tatsächlich Restriktionen darstellen, und wie groß die Freiheitsgrade der innerhalb eines institutionellen Settings agierenden Akteure sind. 10 In der Nanotechnologie etwa zeigt sich, dass akkumulierte Kompetenzen in marktnaher Entwicklung zum einen, und relative Wettbewerbsvorteile in der Elektrotechnik, in dem Sektor Präzisionsmaschinen und im Fahrzeugbau zum anderen, eine Führungsposition Japans in der Minia-
Innovation und Entrepreneurship
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turisierung durch Nanotechnologie in diesen Industrien bedingen. Man mag die marktgetriebene Entwicklung im Vergleich zu einer technologiegetriebenen Entwicklung aus den oben genannten Gründen für weniger nachhaltig einschätzen; festzuhalten ist aber, dass Japan in diesen Segmenten eine Führungsposition auf dem Weltmarkt bekleidet. Dieser Position entspricht auch eine hohe Rate von Patentabtretungen (rate of assigned patents)11, die für Japan unter den OECD Staaten am höchsten ist (Marinova und McAleer 2003). In engen Zusammenhang mit der Frage von Pfadabhängigkeit mit seiner Begünstigung spezifischer Innovationsstrategien steht eine weitere Frage: Sind die gemeinhin als „Zukunftsindustrien“ identifizierten Sektoren tatsächlich diejenigen, die am ehesten das nachhaltige Wachstum von Volkswirtschaften begünstigen? Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass gänzlich andere Industrien künftig auf dem Weltmarkt relevant werden als gegenwärtig erwartet. Zu einer solchen Industrie zählt etwa die Spieleindustrie, der von PriceWaterhouseCoopers weltweit ein Wachstum von 16,5%, für den asiatisch-pazifischen Raum sogar von 18% vorausgesagt wird (PWC 2005), und in der Japan sowohl im Hardware-, als auch – überraschenderweise, wenn man seine Schwäche im Softwaresektor bedenkt – im Bereich der Spielesoftware eine weltweit führende Position besitzt. Die hardware, insbesondere hochleistungsfähige Konsolen, wird von japanischen Unternehmen weltweit dominiert; im Absatz von Spielesoftware liegt Japan, je nach Indikator, gleichauf mit den USA bzw. befindet sich sogar in einer stärkeren Position (OECD 1998: 32). Ohne die Ursachen an dieser Stelle im einzelnen analysieren zu können (vgl. Storz forthcoming a), ist für den Erfolg der Spieleindustrie Unternehmertum abseits des dominanten Innovationspfades entscheidend, dem in der Literatur bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. In diesem Sektor ist das Muster hierarchischer Koordination kaum existent, was sich etwa darin ausdrückt, dass Kapitalbeteiligungen von größeren Unternehmen – Hardwareproduzenten wie Sony oder Nintendo – an etablierten oder neugegründeten Softwarehäusern keine Rolle spielen, was eine rege Gründungstätigkeit insbesondere im Großraum Tokyo begünstigt hat. Tokyo kann heute in seiner Bedeutung für die Spieleindustrie mit der Bedeutung Silicon Valleys für die Business Software verglichen werden: Ungefähr 70% aller japanischen Softwarehäuser in der Spieleentwicklung haben ihren Standort in Tokyo; 70% von ihnen sind mittelständisch (Baba und Shibuya 2000; Shintaku 2002). Die hohe lokale Agglomeration kann möglicherweise durch die Notwendigkeit erklärt werden, dem multidisziplinären Anspruch der Softwareentwicklung – Programmierung, Design,
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Cornelia Storz
Musik, story-writing – Rechnung zu tragen. In Tokyo kommen projektbezogene Akteure mit einem unterschiedlichen Wissensstock und verschiedenartig spezialisierten Wissensstrukturen zusammen. Ähnliche soziokulturelle Orientierungen der Akteure, die aus ihrer weiteren Einbettung in soziale, professionelle und lokale Netzwerke resultieren, erleichtern Interaktions- und Lernprozesse, die in Innovationsprozessen für die Kombination von bestehenden und neuen Wissenspartikeln erforderlich sind. Solche Organisationsformen, die in allen Industrien an Bedeutung gewinnen, sind insbesondere in wissensintensiven Dienstleistungen verbreitet, und unterscheiden sich von der bisher dominanten Form hierarchischer Koordination. Voraussetzung für die Durchsetzung dieser Produkte am Markt war zum einen die akkumulierte Kompetenz aus der animierten Cartoonindustrie sowie zum anderen die Carrier-Funktion der Hardwareproduzenten in den Bereichen Produktion, Marketing und Distribution. Verschiedene Indikatoren, so die deutlich höhere Wertschöpfung von Softwarehäusern im Vergleich zu den hardware-Produzenten, die große Bedeutung von Software für die Bewertung von Spieleprodukten durch Finanzanalysten und zuletzt der prognostizierte Bedeutungszuwachs von Rollenspielen, für die eine netzwerkartige Zusammenarbeit jüngeren Arbeiten zufolge vorteilhafter als eine in-house Produktion ist (Tanaka 2002; OECD 2005; Storz forthcoming b), können als Hinweise darauf gewertet werden, dass die bisher sich am Rande des japanischen Innovationssystem befindlichen Akteure an Bedeutung gewinnen. Die Spieleindustrie zeigt damit sehr anschaulich, dass Pfade aufgrund spezifischer akkumulierter Kompetenzen einen Wettbewerbsvorteil darstellen können – umgekehrt hätten US-amerikanische oder deutsche Unternehmer eben gerade nicht auf diesen spezifischen Wissensstock zurückgreifen können.
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Fazit
Ausgangspunkt dieses Beitrags ist das politische Bestreben in Japan, das japanische Innovationssystem zu reformieren, um der Schwäche in der Durchsetzung von Innovation besonders in der Spitzentechnologie zu begegnen, bei der Japan seit 1995 im Unterschied zu den USA Weltmarktanteile verloren hat. Auffällig ist insbesondere die offenbar fehlende Eignung des japanischen Innovationssystems, neues Wissen erfolgreich umzusetzen; der Anteil von high tech ventures oder Ausgründungen aus Universitäten am Gründungsbestand ist im Vergleich zu den USA um ein Vielfaches niedri-
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ger. Da dies den technischen Fortschritt und die Genese neuer Arbeitsplätze behindern kann, wurden umfangreiche politische Reformvorhaben in Angriff genommen, die insbesondere den wirtschafts- und innovationspolitischen Ordnungsrahmen verändert haben. Zu nennen sind die Liberalisierung der Kapitalmärkte, die Stärkung von Eigentumsrechten, und die Versuche eines verbesserten Schnittstellenmanagements zwischen Universitäten und Industrie. Die Reformen orientieren sich an dem USamerikanischen Innovationssystem, das aufgrund seines Erfolgs in der Spitzentechnik als nachahmenswertes Modell gilt. Gänzlich ungeklärt ist in diesem Kontext allerdings die Frage, ob seitens der japanischen Politik das US-amerikanische System „verstanden“ wurde: Gemeinhin werden spezifische institutionelle Settings und deren Schnittstellen als Ursache für den Erfolg dieser Industrien benannt. Dies kann aber nicht als gesichert gelten. Jüngere Studien zeigen, dass die Quelle des US-amerikanischen Wettbewerbsvorteils in diesen Industrien auch eine starke und selektive Subventionierung dieser Industrien ist12, und sich nicht auf einen unterschiedlichen Ordnungsrahmen beschränken. Sollte dies in der Tat richtig sein, dürften die japanischen Reformbemühungen nicht sehr weit greifen. Dann wären ein stärkeres Engagement des japanischen Staates in der Grundlagenforschung und eine bessere Ausstattung der Universitäten eine wichtige Voraussetzung. Weiter gilt zu bedenken, dass Innovationssysteme Wissensregime sind, die komparative Vorteile in bestimmten Kompetenzbereichen und spezifische Lernstrategien bedingen. Der Versuch, Industrien wie die Biotechnologie oder die Softwareindustrie zu fördern, die gänzlich andere institutionelle Settings und Kompetenzen benötigen, mag daher fehlgeleitet sein und umgekehrt vorhandene Kompetenzen unnötig gefährden. Schließlich ist die erfolgreiche Positionierung Japans in der Spieleindustrie ein Beispiele dafür, wie gerade entlang bestehender Wissensstocks alte Pfade weiterentwickelt und neue Pfade kreiert werden können. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint die Ausrichtung der gegenwärtigen Reformbemühungen am USamerikanischen Innovationsmodell in einem etwas kritischeren Licht.
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Innovation und Entrepreneurship
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Anmerkungen 1
Die absolute Zahl von Veröffentlichungen stieg zwischen 1986 und 1996 von 770.000 auf 990.000. Die Zahl US-amerikanischer Papiere sank im selben Zeitraum von 3.750.000 auf 3.460.000 (Posen 2001: 28-29).
2
Unter den 10 führenden Unternehmen, die US-amerikanische Patente halten, befinden sich sechs japanische (Posen 2001). Im Zeitraum zwischen 1992 und 1999 stieg die Anzahl der beim US Patent and Trademark Office registrierten japanischen Patente jährlich um durchschnittlich 10% (OECD 2001: 53).
3
Japan und Deutschland sind die größten Nettoexporteur von FuE intensiven Waren (Export-Import Salden von Deutschland bzw. Japan liegen bei 95,2 bzw. 192,3 Mrd. US Dollar; die USA liegt bei 71,8 Mrd. US Dollar) (Schumacher, Legler und Gehrke 2003: 34).
4
FuE-intensive Waren werden in Spitzentechnik und höherwertige Technik unterteilt.
5
Zwischen 1999 und 2001 wurden 232.403 Unternehmen gegründet, und 261.633 Unternehmen aufgegeben, was einer Schrumpfung absolut um 29.230 Unternehmen entspricht (CKC 2005: 396). Die Gründungs- und Schließungsrate unterscheidet sich zwischen einzelnen Sektoren erheblich: In der verarbeitenden Industrie liegt die Gründungsrate bei 1,6%, die Schließungsrate bei 4,1%; in dem Sektor Dienstleistungen übertreffen die Gründungen die Schließungen (4,0% vs. 2,9%) (CKC 2005: 398). Eine Ursache liegt damit in der schwachen Gründungsaktivität in einzelnen Sektoren, eine weitere in den hohen Austritten, die insbesondere aus fehlender Nachfolgeregelung resultieren: 2004 waren über 60% aller Unternehmensnachfolgen in Familienbetrieben nicht geklärt (CKC 2005: 189).
6
Japanische Unternehmer bewerten den Zugang zu neuem Wissen als schwierig und unterscheiden sich in dieser Einschätzung von US-amerikanischen Unternehmern, die hier keine Probleme identifizieren (Yahagi und Isobe 2001: 39).
7
Auch der Anteil der über 50jährigen Angestellten in KMU liegt mit 31,1% deutlich über dem Anteil in großbetrieblichen Unternehmungen (22,5%; CKC 2005: 182).
8
Was nicht ausschließt, dass zuvor Interaktionen informeller Natur bestanden.
9
Dies zeigt sich auch in zahlreichen Veröffentlichungen, die unter plakativen Titeln wie „From Keiretsu to Startups“ oder „Japanese Innnovation System Restructuring with High-tech Start-ups“ eine Umgestaltung des japanischen Innovationssystems in Richtung auf best practices in den USA vorschlagen (Rowen und Toyoda 2002; Maeda 2004). Vgl. zu einer ähnlichen Einschätzung Imai und Kawagoe 2000.
10
Ebenso ist nicht geklärt, inwieweit die institutionellen Rahmenbedingungen in Japan tatsächlich in der skizzierten Form Unternehmensgründungen behindern. So zeigen etwa empirische Vergleiche zu den USA, dass das Steuersystem von high tech entrepreneurs als begünstigend eingeschätzt wird (Suzuki, Kim und Bae 2002).
11
Die kommerzielle Nutzung wird vom Patentanmelder an ein Unternehmen abgetreten. Dieser Anteil gibt einen Hinweis darauf, wie nah sich Patente an kommerzieller Nutzung befinden.
12
Vergleiche zur Biotechnologieindustrie Kishida und Lynn 2005; zur Informations- und Kommunikationstechnologie Frieden forthcoming.
Strategische Implikationen für Akteure auf dem japanischen Gesundheitsmarkt Frank Himpel und Jörg M. Krütten *
Inhalt
Kurzfassung 1
Der japanische Gesundheitsmarkt
2
Marktstrukturation, -eintritt und -gestaltung
3
(Marketing-)Strategische Implikationen
Literaturverweise
* Dr. Frank Himpel, Center of Market-Oriented Product and Production Management, Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Jörg M. Krütten, Simon - Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants GmbH, Bonn.
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Frank Himpel und Jörg M. Krütten
Kurzfassung Der Markt für Medizintechnik ist einer der Wachstumsmärkte in Japan. Ausgehend von einer Beschreibung des grundlegenden Marktumfelds sowie der grundständigen Marktstrukturation werden Implikationen aus strategisch-langfristiger Sicht für Akteure auf dem japanischen Medizintechnikmarkt deduziert. Hier stehen sowohl produktals auch preispolitische Gestaltungsparameter im Blickpunkt. Für ausländische Akteure ist der Eintritt in diesen Markt mitunter ausgesprochen schwierig, so dass im Rahmen strategischer Überlegungen durchaus auch Kooperationsstrategien eine gewichtige Rolle spielen. Gleichfalls ist der Markt für Medizintechnik in Japan aufgrund seines hohen Wachstumspotentials eine hochattraktive Marktarena, sofern die dort agierenden Anbieter einen „langen Atem“ aufzubringen bereit sind.
Strategische Implikationen für Akteure auf dem japanischen Gesundheitsmarkt
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Der japanische Gesundheitsmarkt
Zu Beginn dieses Jahrzehnts betrug der Anteil der Gesundheitsausgaben am japanischen Bruttoinlandsprodukt rund 8 % - sie waren damit rund doppelt so hoch wie die öffentlichen Ausgaben für das japanische Bildungswesen und auch rund doppelt so hoch wie die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Mit einem Volumen von rund 25 Milliarden US$ ist der japanische Markt für medizintechnische Ausrüstungen und Geräte darin der zweitgrößte Markt für Medizintechnik überhaupt (dies entspricht rund 15 % des Weltmarkts für Medizintechnik). Die Schwerpunkte der Produktion von medizintechnischen Leistungsangeboten sind bildgebende diagnostische Systeme (vor allem Ultraschall-, Computertomographie- und Röntgenausrüstungen), Instrumente und Geräte für Behandlungszwecke (vor allem Geräte für Blutentnahme und -infusion), Geräte zur Unterstützung bzw. zum teilweisen oder vollständigen Ersatz anthropomorph-organischer Funktionen (vor allem Dialyseausrüstungen), Geräte zur Messung und Beobachtung von Biophänomenen (vor allem Endoskope) sowie therapeutische Geräte (bspw. Massagegeräte). Obgleich japanische Unternehmen in einigen dieser Produktfelder Weltmarktpositionen einnehmen (bspw. bei Endoskopiegeräten), sind diese Anbieter im Heimatmarkt mit einer sich noch weiter steigernden Anspruchshaltung an die Qualität und Leistungsfähigkeit der medizintechnischen Ausrüstung in Krankenhäusern und Kliniken konfrontiert. Die ohnehin hohen, und sich noch weiter ausdifferenzierenden und weiter steigenden, Anforderungen an pharmazeutische und medizintechnische Produkte in Japan sind kontextuell nicht zuletzt auch stark beeinflusst von der demographischen Entwicklung Japans. 1990 waren bereits mehr als 20 % der japanischen Bevölkerung mindestens 65 Jahre alt - für das Jahr 2050 wird sich dieser Anteil auf etwa 35 % erhöhen. Diese Alterungsentwicklung induziert ausnehmend hohe Anforderungen an das japanische Gesundheitssystem in corpore - und an die Anbieter von medizintechnischen Produkten in concreto. Die wesentliche Herausforderung besteht darin, das gesundheitliche Versorgungsniveau für alle Bevölkerungssegmente auf einem angemessen hohen Niveau zu halten, vor dem Hintergrund der Entwicklung, wonach die älter werdenden Bevölkerungspartiale jeweils intensivere und qualitativ noch hochwertigere stationäre und ambulante (sowie heimbasierte) Gesundheitsversorgung nachfragen. Bezogen auf das Gesundheitssystem verschlechtert sich die finanzielle Ausstattung der Versicherungsträger aber zusehends, so dass die erhöhte Nachfrage nur unzureichend durch entsprechende Kaufkraft und Finanzierungsmöglichkeiten unterfüttert ist.
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Frank Himpel und Jörg M. Krütten
Aus Sicht japanischer Medizintechnikanbieter und Pharmaanbieter zeigt sich zudem, dass der internationale Wettbewerb um die Erschließung und Nutzung von Ertragspotentialen auf globaler Basis stetig zunimmt. Gleichsam konkurrieren diese Akteure aber nicht nur unter international verschärften Angebots- und Nachfragebedingungen, sondern auch auf dem heimischen Markt geraten sie unter Marktdruck. So stieg bspw. der Importanteil medizintechnischer Produkte zu Anfang dieses Jahrzehnts auf bereits mehr als 40 %. Besonders vermehrt aus dem Ausland nachgefragt hat Japan seit Beginn dieses Jahrzehnts Instrumente und Geräte für Behandlungszwecke (bspw. Geräte für Blutentnahme und -infusion) sowie augenärztliche Instrumente und Geräte. Besonders hoch ist der Importanteil im Fall von Geräten zur Unterstützung bzw. zum teilweisen oder vollständigen Ersatz organischer Funktionen sowie bei Instrumenten und Geräten für Behandlungszwecke (bspw. kardiologische oder orthopädische Implantate; hier liegt der Importanteil mittlerweile bei jeweils über 60 %. US-amerikanische und deutsche Anbieter halten hier hohe Leistungsanteile. In einem vom japanischen Gesundheitsministerium formulierten (Innovations)Aktionsplan für den Zeitraum von 2003 bis 2007 werden u.a. verstärkte Maßnahmen zur Intensivierung der japanischen Forschung und Entwicklung postuliert. Besonders förderungswürdig erscheinen hier Medizinapplikationen im Bereich der regenerativen Medizin sowie biomedizinische Geräte und nicht-invasive therapeutische Instrumente und Ausrüstungen. Im Rahmen der (Neu-)Entwicklung von medizintechnischen Geräten wird vermehrt auch eine Intermittenz von Ärzten, Ingenieuren, Pharmakologen und Ökonomen im Kontext von interdisziplinär besetzten, gemeinschaftlichen Entwicklungsteams angeregt. Die multidisziplinäre Forschung und Entwicklung wird insbesondere in der japanischen Medizintechnik als einer der kritischen Erfolgsfaktoren für zukunftsfähige und -tragende Innovationen interpretiert. Neben der Intensivierung von Forschung und Entwicklung postuliert das japanische Gesundheitsministerium auch eine qualitative Verbesserung der Gerätezulassung durch zeitnäher und kontraktiv durchgeführte Zulassungsverfahren. US-amerikanische, japanische und deutsche Akteure sind weltweit die führenden Anbieter im Bereich der Medizintechnik. Die medizintechnische Wissens- und Forschungslandschaft, der Medizintechnikmarkt als solches sowie arrondierende innovative Technologien und grundständige Rahmenbedingungen der jeweiligen Gesundheitssysteme tragen zur Fokussierung auf Akteure aus diesen drei Wirtschaftsregionen bei. Weltweit stehen insbesondere Anwendungen und Fragestellungen aus der Biologie, der Biochemie und der Molekularbiologie im Zentrum jüngerer und jüngster me-
Strategische Implikationen für Akteure auf dem japanischen Gesundheitsmarkt
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dizintechnischer Innovationen (bspw. zellbiologische Ansätze und molekularbiologische Marker für Zwecke der klinischen Diagnostik, Tissue-Engineering, funktionsoptimierte Biokompatibilität sowie spezifischer bildgebender Verfahren und Visualisierungstechnologien). Besonders japanische Akteure sehen in der Computerisierung und Miniaturisierung als Fortschrittsdimensionen für die spezifische Innovationsentwicklung hohe Chancen. Bezogen auf das marktliche Makroumfeld für Akteure auf dem japanischen Gesundheitsmarkt zeigt sich, dass der komplette Gesundheitssektor stark staatlich reguliert und reglementiert ist. Insbesondere mit Blick auf Produktakkreditierung und -bepreisung - insbesondere auch von pharmakologischen Produkten - gelten strenge staatliche Regularien und Auflagen. Als Konsequenz repräsentieren Preise für Produkte auf dem Gesundheitsmarkt nicht in jedem Fall die Gleichgewichtsmengen zwischen Angebot und Nachfrage, die sich auf frei wirkenden Gütermärkten einstellen würden. Darüber hinaus sind aber nicht nur Preise, sondern auch weitere Schlüsselgrößen zur Allokation von Leistungsart und -umfang auf Nachfrager staatlich kontrolliert. Das zentrale System zur Erstattung stationärer und ambulanter Leistungen wird im zweijährigen Turnus an die jeweils geltenden Entwicklungen im Markt sowie an den Stand der Technik angepasst. Rund 80 % der Ausgaben im Gesundheitswesen wurden zu Beginn dieses Jahrzehnts über Sozialversicherungssysteme unterfüttert; nur rund 20 % wurden privat durch die Patienten selbst in Form von Direktzahlungen oder Zuschusszahlungen aufgebracht. Mehr als 50 % der Ausgaben in diesem Zeitfenster entfielen auf Leistungen, die von Krankenhäusern und Kliniken erbracht wurden, während auf ambulante Erst- und Folgeversorgung von Patienten rund 30 % der allozierten Ausgaben im Gesundheitssektor entfielen.1 Das gegenwärtige Gesundheitssystem hat nicht unerheblich dazu beigetragen, dass die japanische Bevölkerung im Durchschnitt einen - auch nach internationalen Maßstäben - weit überdurchschnittlich hohen Gesundheitsstand aufweist. Zu vergleichsweise moderaten Kosten sind gesundheitsnotwendige Dienstleistungen an alle Patienten alloziert worden. Gleichsam dürfte neben einer effektiven Gesundheitsversorgung andererseits aber gerade auch der grundständig gesundheitsorientierte japanische Lebensstil zu dem überaus positiven Gesundheitsstand in der Bevölkerung beitragen.2 Eine Herausforderung für das gegenwärtige System dürfte darin bestehen, dass das ein Großteil des gegenwärtigen Systems nicht zeitnah auf steigende Gesundheitsversorgungsansprüche reagieren kann. Die steigenden Ansprüche resultieren - bezogen auf ältere Patienten - insbesondere auch daher, dass Menschen in den älteren Bevölke-
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rungsschichten über hohes Eigenkapital im Sinne von Ersparnis verfügen, welches auch zur privatfinanzierten Gesundheitsversorgungsnachfrage alloziert wird. Zudem werden weite Bevölkerungskreise zunehmend sensitiver hinsichtlich der Qualität der angebotenen Gesundheitsdienstleistungen. Im gegenwärtigen System werden ambulante und stationäre Leistungen an Ärzte und Krankenhäuser von Sozial- und Krankenversicherungen im Sinne einer Drittfinanzierung pauschal hebesatzorientiert direkt an die jeweiligen Leistungserbringer bezahlt, unabhängig davon, ob die von den Patienten in Anspruch genommene Leistung qualitativ hochwertig bzw. effektiv und effizient war oder nicht. Rund 20 bis 30 % der Leistungen werden von den Patienten in Form von Zusatzzahlungen privat bezuschusst. Allerdings greifen hier bestimmte Obergrenzen, welche den privaten Selbstbehalt bzw. Selbstanteil beschränken. Derzeit liegt diese Obergrenze bei rund 600 US$ monatlich (das entspricht rund 15 % des durchschnittlichen disponiblen Einkommens). Zudem erscheint es erforderlich, dass wettbewerbliche Elemente in vielen Bereichen (bspw. freie Krankenkassenwahl) in das gegenwärtige System eingezogen werden. Ineffizienzen im Gesundheitssystem werden u.a. dadurch sichtbar, dass die durchschnittliche Verweildauer in Krankenhäusern und Kliniken rund 400 % des OECDDurchschnitts beträgt, und dass die Besuchshäufigkeit im Fall von ambulanter Behandlung bei Ärzten rund 250 % des OECD-Durchschnitts beträgt. Mit Blick auf die Demographie lässt sich die lange Behandlungs- und Verweildauer im stationären Bereich aber dahingehend begründen, dass zahlreiche ältere Menschen in Ermangelung alternativer Pflegeeinrichtungen bzw. der Bereitschaft des Besuchs alternativer Pflegeeinrichtungen stattdessen in Krankenhäusern und Kliniken kurative und regenerative „Sozialaufenthalte“ wahrnehmen. Aus einem marketingorientierten Standpunkt heraus gestalten sich mehrere Herausforderungen und Opportunitäten im gegenwärtigen Gesundheitssystem. Zum Beispiel zeigt sich, dass weder Patienten ihre Krankenversicherungen auswählen können (in Abhängigkeit ihres Arbeitsstatus und der Wahl ihres Arbeitgebers werden Beschäftigte auf entsprechende Krankenversicherungen alloziert), noch dass Krankenversicherungen einen Einfluss auf die Wahl der jeweiligen Leistungserbringer für die bei ihnen Versicherten wahrnehmen können.
Strategische Implikationen für Akteure auf dem japanischen Gesundheitsmarkt
2
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Marktstrukturation, -eintritt und -gestaltung
Mit einem Volumen von rund 60 Milliarden US$ zu Beginn dieses Jahrzehnts ist der japanische Pharmamarkt hinter dem der USA der zweitgrößte Pharmamarkt der Welt. Im Vergleich zu westlichen Märkten, auf denen jeweils auch zahlreiche international tätige Pharmaakteure aktiv sind, wird der japanische Pharmamarkt größtenteils von japanischen Anbietern dominiert. Nur vier der Top Ten-Pharmaunternehmen sind europäischen bzw. US-amerikanischen Ursprungs (Pfizer, Novartis, Merck (im Zusammenschluss mit Banyu Pharmaceuticals) und Roche (welches eine Mehrheitsbeteiligung an Chugai Pharmaceuticals hält). Takeda, Otsuka, Sankyo, Sisai, Daiichi und Yamanouchi Seiyaku sind die dominierenden japanischen Pharmaakteure. Diese Top Ten stellen rund 40 % des gesamten japanischen Pharmamarkts dar. Neben den wenigen großen, international aufgestellten japanischen Akteuren ist die Marktstruktur im japanischen Medizintechnik- und Pharmamarkt vor allem durch eine Reihe an kleineren und mittleren Unternehmen gekennzeichnet. Auf Initiative des japanischen Gesundheitsministeriums sind aus diesem Grund auch staatlich unterstützte Programme etabliert worden, die zu einer geeigneten Retikulation der Akteure im heimischen Markt beitragen sollen. Durch Vernetzung der kleineren und mittleren Akteure sollen u.a. auch Innovationsprozesse verbessert in Gang gesetzt werden. Darüber hinaus wurde in 2005 ein Gesetz verabschiedet, welches die Registrierungsprozeduren für pharmazeutische Produkte neu ordnet. Gegenwärtig passieren rund 50 % der neu entwickelten Präparate die erforderlichen Zulassungsregularien innerhalb von 12 Monaten nach ihrer Anmeldung auf Zulassung. Es wird gemeinhin erwartet, dass sich diese Rate mittelfristig auf rund 80 % erhöht. Trotz der umfassenden Bemühungen von staatlicher Seite zeigt sich der Zulassungsprozess noch immer als langatmiger, mit hohen Hürden durchsetzter Behördenmarathon. Ein Indiz dafür mag sein, dass nur 47 von 178 Präparaten, die zwischen 1999 und 2003 weltweit neu eingeführt wurden, auch in Japan vermarktet werden. Ein weiteres Indiz, weshalb es für ausländische Akteure aufwendig ist, neue Präparate in Japan einzuführen, ist auch in der staatlich reglementierten und überwachten Preispolitik für pharmazeutische Präparate zu verorten: So werden bspw. im Zweijahresturnus die Budgetgrenzen bzw. Preisobergrenzen auf der Nationalen Pharmazeutischen Produktliste nach unten angepasst, was dazu führt, dass die alimentierbaren Deckungsbeiträge für die entsprechend von den verordneten Preissenkungen betroffenen Präparaten im Zeitablauf stetig zurückgehen.
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Andererseits gilt aber auch, dass eine Reihe an pharmazeutischen Präparaten, die von japanischen Akteuren auf bzw. für den Heimmarkt neu entwickelt und eingeführt wurden, von westlichen Unternehmen international vermarktet werden. So wurde bspw. das Präparat Pravachol von Sankyo entwickelt und in Japan eingeführt, wohingegen es im internationalen Geschäft von Bristol Myers Squibb vertrieben wird. Aricept, eine Alzheimer-Medikation, wurde bspw. von Eisai im und für den heimischen Markt entwickelt, aber von Pfizer subsequent international eingeführt. Crestor, eine CholesterinMedikation, wurde zum Beispiel von Shionogi entwickelt und wird von AstraZeneca international vermarktet. Grundsätzlich offeriert der japanische Pharmamarkt signifikantes Umsatz- und Geschäftspotential für global agierende Anbieter. Das Maß an staatlichen Verordnungen und Reglementierungen ist sowie der Einfluss lokaler Anbieter sind jedoch sehr ausgeprägt. Insofern sind international übliche Standards hinsichtlich Pharma-Marketing, Pharma-Pricing und Pharma-Vertrieb vergleichsweise unterentwickelt. Hier ist deshalb deutlich zu akzentuieren, dass sich die skizzierten Potentiale nur langfristig, aber keinesfalls kurzfristig aufbauen und nutzen lassen dürften – „quick wins“ lassen sich bei einem Engagement in Japan in der Regel nicht realisieren. Ein ähnlich langer Atem wird auch von internationalen Akteuren im Medizintechniksektor abverlangt. Auch hier sind die Umsatz- und Gewinnpotentiale unseres Erachtens signifikant; wenngleich sie auch in diesem Sektor insbesondere nur in langer zeitlicher Frist aufbaubar und nutzbar sein dürften. Der japanische Markt für Medizintechnik repräsentiert - wie eingangs bereits skizziert - rund 15 % des Weltmarkts. 75 % davon werden von drei Produktkategorien dominiert: künstliche Organsubstitute und unterstützende Prothesen, Instrumente und Geräte für chirurgische Eingriffe sowie diagnostische bildgebende Verfahren. In diesem Markt wird nur ein sehr geringer Anteil an Produkten direkt von den medizintechnischen Herstellern oder Importeuren direkt an die Krankenhäuser und Kliniken vertrieben. Spezialisierte Handelsvertreter und Zwischenhandelsstufen übernehmen den Vertrieb an die klinischen Versorger, der sich damit aus Sicht eines industriellen Herstellers oder Importeurs als mediater Vertrieb darstellt. Importe medizintechnischer Ausrüstung gestalten sich - im Gegensatz zum Angebot importierter pharmazeutischer Produkte - vergleichsweise günstig für ausländische Anbieter. In Abhängigkeit vom konkreten medizintechnischen Produkt sind hier Importquoten zwischen 50 % und 100 % zu verzeichnen (insbesondere bei Herzschrittmachern werden nahezu 100 % des japanischen Verbrauchs importiert - rund 90 % der applizierten koronaren Stents sowie 80 % der Hüftgelenkprothesen werden
Strategische Implikationen für Akteure auf dem japanischen Gesundheitsmarkt
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ebenfalls importiert). Sofern der japanische Markt dichotomisierend typisiert wird in diagnostische Instrumente und Geräte (Diagnostik) einerseits und therapeutische Instrumente und Geräte (Therapeutik) andererseits, zeigt sich, dass für ausländische Anbieter insbesondere auf dem Gebiet der Therapeutik Wachstumschancen bestehen. Die Diagnostik wird zum überwiegenden Teil von einheimischen Anbietern abgedeckt. Aus Sicht eines ausländischen Akteurs gestaltet sich der Markt für Medizintechnik in den genannten Produktkategorien und in der Therapeutik aufgrund der zukünftigen Wachstumschancen und der damit antizipierbaren Gewinnpotentiale als attraktives Gestaltungsfeld aus. Gleichfalls gelten auch hier die spezifischen japanischen „Marktgebote“, wie sie insbesondere auch im Pharmabereich gelten: Der Zugang zum japanischen Markt erfolgt bestenfalls über in Japan lokalisierte Vertriebseinheiten, wobei der Kontakt zu den einheimischen Vertriebsmittlern enorm wichtig ist, um geeigneten Zugang zu den relevanten Versorgern zu erhalten. Zahlreiche ausländische Akteure haben mittels Akquisitionen von japanischen Akteuren bzw. Aktien- und Kapitalbeteiligungen an japanischen Unternehmen in den relevanten Segmenten diesen Kontaktkanal eröffnet. Daran zeigt sich, dass ein kurzfristiges Engagement hier nicht ökonomisch sinnvoll erscheint. Zudem erfordert der Zutritt in diesen Markt eine nicht unerhebliche Investitions- und Kapitalbereitstellungsbereitschaft. Unseres Erachtens erfordert ein Markteintritt in Japan die unbedingte und konsequente Orientierung und Kalibrierung strategischer Maßnahmen an einigen Empfehlungen. Ohne hinreichend genaue und umfassende Anpassung an japanische Wünsche und Erfordernisse lässt sich ein Markteintritt hier kaum sinnvoll realisieren. Zunächst macht es die grundständige Orientierung an der japanischen Mentalität unabdingbar, dass Produkte - insbesondere auch im Gesundheitsbereich - mit einer ausnehmend hohen, ausdifferenzierten Endkundenorientierung angeboten werden. Dies kann bspw. auch bedeuten, dass Produktausstattungen für den japanischen Markt angepasst werden müssen. Im Segment der angiographischen Katheter bspw. ist es mittlerweile üblich, vollständig individualisierte, patientenangepasste Lösungen zu offerieren. Neben einer umfassenden Endkundenorientierung erscheint es als unabdingbar, geeignete Vertriebskanäle aufzubauen. Hier können bspw. Vertriebspartnerschaften mit großen, etablierten japanischen Distributoren in der für einen Markteintritt anvisierten Zielregion vorteilhaft sein. Darüber hinaus wird in diesem Kontext die Steuerung und die Ausbildung der eigenen und/oder partnerschaftlich aufgestellten Vertriebsressourcen kritisch. Die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen sowie die Kontrakteure dieser Leistungen verlangen i.d.R. detaillierte und flexible technische und klinische Unter-
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Frank Himpel und Jörg M. Krütten
stützung für innovative Instrumente und Geräte sowie im Fall des Angebots von neuartigen Behandlungsformen. Dies macht den Aufbau umfassender After SalesStrukturen erforderlich. Anfragen, Beschwerden und sonstige Kontaktformen müssen in dieser Form institutionalisiert adressiert werden. Mit Blick auf die grundständige Mentalität, wonach eine hohe Qualitätsorientierung geradezu selbstverständlich ist müssen schnelle und inhaltlich effektive Kundenkommunikationskanäle etabliert werden. In der praktischen Erfahrung zeigt sich, dass insbesondere im Bereich der Medizintechnik vor allem hochinnovative, neuartige Produktlösungen am erfolgversprechendsten sind. Insbesondere Angebote, die auf dem japanischen Markt noch nicht in dieser Form erhältlich sind, versprechen hinreichenden Markterfolg – „me too“Produkte und andere Imitationen sind hingegen praktisch ineffektiv.
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(Marketing-)Strategische Implikationen
Aus makroskopischer Analyse verspricht der Gesundheitsmarkt in Japan aufgrund der allgemeinen demographischen Entwicklung sowie aufgrund der spezifischen Chancen im therapeutischen Medizintechniksegment sowie in weiteren ausgewählten pharmazeutischen Aktionsfeldern, die sich aus der Marktstrukturation ergeben, hinreichend geeignetes Umsatz- und Gewinnpotential - auch für ausländische Akteure. Diese Chancen lassen sich unseres Erachtens jedoch insbesondere nur dann realisieren, wenn nicht nur leistungserstellungsseitig auf eine herausragende Qualität und Neuartigkeit im Angebot geachtet wird. Flankierende Maßnahmen und im strategischen Zielradar kalibrierte Aktivitäten aus dem Marketingbereich erscheinen hier unabdingbar. Mögliche Zielmärkte für ausländische Akteure sind gerontologische Indikationsfelder sowie Instrumente, Geräte und Pharmazeutika zur Behandlung von Diabetes und onkologischen Erkrankungen. Kardiovaskuläre und orthopädische Segmente erscheinen gleichfalls attraktiv. Neben Produktlösungen, die primär auf stationäre (Erst)Versorgung hin ausgerichtet sind, bestehen darüber hinaus aber auch wachsende Marktchancen im Bereich der ambulanten (Erst-)Versorgung sowie der Heimpflege. Aus Sicht von Leistungsanbietern, gerade auch aus Sicht von ausländischen Akteuren, ist es unabdingbar, dass die klinische und gesundheitliche Effektivität und Effizienz (sowohl in medizinischer als auch in gesundheitsökonomischer Hinsicht) nachgewiesen wird. Der Nachweis der Überlegenheit gegenüber bestehenden und ausnehmend
Strategische Implikationen für Akteure auf dem japanischen Gesundheitsmarkt
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hohen japanischen Behandlungsstandards ist unabdingbar, um zeitnahe Marktzulassungen und -registrierungen zu erhalten. Die präzise und ausdifferenzierte Identifikation der Bedarfe von Endkunden (Patienten) und Versorgern einerseits sowie eine präzise und umfassende Wettbewerbsanalyse andererseits sind marketingseitige „Pflichtübungen“ für Akteure auf dem Gesundheitsmarkt. Um die dominierenden Distributeure und Handelsstufen - die gleichsam als „Gatekeeper“ fungieren - für Zwecke des Markteintritts zu überzeugen, sind langfristige Geschäftsanbahnungen erforderlich und Beziehungen laufend zu pflegen. Im japanischen Healthcare-Distributionssektor treten seit einiger Zeit Konsolidierungstendenzen auf, welche die Zahl potentieller Kooperationsakteure reduziert. Wichtig in diesem Kontext ist daher die Identifikation von Partnern, die in regionaler Ausdifferenzierung stabil aufgestellt sind. Kommunikations- und Werbemaßnahmen sind primär auf die Versorger auszurichten, da diese diejenigen sind, welche über die Applikation und Akzeptanz eines neuen medizintechnischen bzw. pharmazeutischen Produkts im (klinischen) Alltag entscheiden. Distributionsorientierten Kommunikationsmaßnahmen kommt insofern eine hohe Bedeutung zu, die wiederum effektive Kontaktschnittstellen zu den Versorgern erfordern. In langfristig orientierter, strategischer Sicht erscheint es aber auch angezeigt, die Patienten als Endnachfrager stärker als bisher immediat zu adressieren. Diese Empfehlung resultiert unter anderem aus der Überlegung, wonach Restriktionen und Retraktionen der öffentlichen Gesundheitsbudgets zukünftig in sehr viel stärkerem Umfang als bisher üblich private Zuzahlungen und private Nachfrage nach Gesundheitsprodukten stimulieren dürften. Während es auf der Leistungserstellungsseite uniargumentativ darum geht, hochinnovative Produkte einzuführen und anzubieten, gestaltet sich das preisseitige Aktionsfeld ungleich weniger „offen“ aus. Dennoch stehen Preis und Innovation in einem engen Wechselverhältnis zueinander: Preise für Produkte und Leistungen im Gesundheitssektor sind japanweit überaus streng reglementiert. Diese Situiertheit verdeutlicht, dass sich Wettbewerb von Akteuren, gleich ob japanischer oder internationaler Herkunft, sehr stark auf der Produkt- und Serviceseite etabliert. In Anlehnung an das staatliche Zulassungs- und Registrierungsverfahren für medizintechnische und pharmazeutische Produkte lassen sich von offizieller Seite konzedierte Premiumpreise in Form von erzielbaren Zuschlägen über konventionelle Preisniveaus hinweg nur für (hoch)innovative Produkte erzielen. Am Beispiel pharmazeutischer Produkte zeigt sich, dass Pharmazeutika, die von den Behörden als „marktfähig“ (shijosei) interpretiert werden,
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mit einem Premium zwischen 3 und 10 % attribuiert werden. Sofern neue Pharmazeutika als „nützlich“ (yuyosei) rezipiert werden, steigt der Zuschlag auf bis zu 30 %. Konzedierte Preispremiums i.H.v. 30 % sind jedoch nur ausnahmsweise zu alimentieren. Diflucan, eine Medikation zur Behandlung von Apergillusinfektion, erhielt im Jahr 2002 ein derartiges Preispremium. Noch seltener werden Produkte in die Kategorie „innovativ“ (kakkisei) offiziell aufgenommen. Dort sind Zuschläge zwischen 40 und 100 % denkbar. „Preismanagement“ konzentriert sich in dieser Form sehr stark auf effektive klinische und gesundheitsökonomische Nutzenargumentationen, auf Basis derer die entsprechenden Behörden aus Preissicht vorteilhafte Einstufungen neuer Produkte vornehmen können. Aufgrund der skizzierten Preisreglementierungen sind auch akteursinterne Steuerungsinstrumente wie bspw. Target Costing zunehmend wichtig. Mit Hilfe dieser Instrumente können deckungsbeitragsorientierte Entwicklungen insbesondere für medizintechnische Produkte angestoßen werden. Um insgesamt ökonomisch sinnvolle Gesamtdeckungsbeiträge vor dem Hintergrund hoher Vorlaufinvestitionen in landesspezifische produkt- und vertriebspolitische Maßnahmen mittel- und langfristig erzielen zu können, müssen Mengenschwellenwerte erreicht werden können. Ansonsten wird ein Akteursinvestment in den japanischen Gesundheitsmarkt mitunter leicht zum riskanten Wagnis. Ein Alleingang ist selbst internationalen Großunternehmen aus den skizzierten Gründen oftmals zu riskant. Zu langfristig sind die Planungshorizonte, bis sich ein BreakEven in der Gesamtkostenkalkulation unter Einbeziehung allfälliger Risikozuschläge einstellt. Insofern bietet es sich für ausländische Akteure an, strategische Partnerschaften und Kooperationen mit etablierten einheimischen Akteuren anzustreben. Auch Drittlandskooperationen erscheinen hier als mögliche strategische Option. Die interorganisationale Kooperationsfokussierung erscheint auch aus pragmatischen Gründen heraus angezeigt: Ähnlich wie in Deutschland ist auch der japanische Markt von Strukturen geprägt, auf denen eher kleinere und mittlere Akteure in der Mehrzahl vertreten sind. Das skizzierte erforderliche (Mindest-)Größenvolumen wird von diesen Akteuren im Alleingang auf absehbare Zeit kaum erreicht. Durch geschicktes Kooperations- und Interaktionsmanagement können ausländische Akteure in der langen zeitlichen Frist jedoch durchaus am Wachstum des japanischen Gesundheitsmarkts partizipieren. Wenngleich die Chancen hier überaus viel versprechend sind, stehen dem nicht zu unterschätzende Risiken gegenüber. Dieses Portfolio an Chancen und Risiken muss akteursindividuell im Rahmen strategischer Entscheidungsfindungen diskursiv
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gegeneinander abgewogen werden. Dabei steht unseres Erachtens die Aussicht im Vordergrund, wonach auch ausländische Akteure mit einem hochinnovativen, hochqualitativen Leistungsangebot die erforderlichen Deckungsbeiträge für ein geeignetes Produktions-, Vertriebs- und Produktinvestment im japanischen Gesundheitsmarkt realisieren können - insbesondere wenn sie auf die kulturellen und landesspezifischen Kontextfaktoren hinreichend geeignet einzugehen wissen und einen „langen Atem“ aufzubringen bereit sind.
Literaturverweise Imai, Y. (2002): Healthcare reform in Japan. OECD, Economics Department, Working Paper Number 321, OECD Paris 2002. Sakamaki, H.; Ikezaki, S.; Yamazaki, M.; Hayamizu, K. (2004): SHA-based Health Accounts in 13 OECD Countries. Japan National Health Accounts 2000, OECD Health Technical Paper Number 6, OECD Paris 2004.
Anmerkungen 1
Vgl. Sakamaki/Ikezaki/Yamazaki/Hayamizu (2004), S. 9.
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Vgl. Imai (2002), S. 5 ff.
Toyota – Managementsystem des Wandels René Haak *
Inhalt
Kurzfassung 1
Toyota – herausragende Gewinne, weitere Expansion
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Managementsystem Toyota
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Kaizen – Managementsystems des Wandels
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Vermeidung von Verschwendung
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Teambildung
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Nutzung der Mitarbeiterpotentiale
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Identifikation mit dem Ganzen
Literaturverweise
* Dr.-Ing. René Haak, Bundesministerium für Bildung und Forschung, vormals stellvertretender Institutsdirektor Deutsches Institut für Japanstudien (DIJ), Tokyo.
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René Haak
Kurzfassung Der japanische Automobilhersteller Toyota geht, unberührt von Krisenerscheinungen der japanischen Wirtschaft, den Weg der Unternehmensexpansion und schafft es, Jahr für Jahr höhere Gewinne auf dem krisenanfälligen Automobilmarkt im globalen Wettbewerb zu erzielen. Selbst in der Summe reichten die Gewinne von General Motors, Ford und DaimlerChrysler nicht an das herausragende Ergebnis von Toyota im Fiskaljahr 2005 (1. April 2004 bis 31. März 2005) heran. Der wichtigste Grund für die Stärke Toyotas ist in dem spezifischen Managementsystem des japanischen Automobilbauers zu sehen: ein Managementsystem des Wandels, das Veränderungen nicht als Krise und Gefahr, sondern als Chance begreift. Die guten Ergebnisse Toyotas in den letzten Jahren sind das Ergebnis produktions- und produkttechnischer Exzellenz, darin ist sich die Forschung weitgehend einig. Das Unternehmen stützt sich als so genannte lernende Organisation auf produktionswirtschaftliche- und ingenieurwissenschaftliche Werkzeuge sowie Qualitätsverbesserungsmethoden, die durch Toyota in der Welt der Produktion bekannt wurden. Doch ohne die Motivation und Weiterbildung der Mitarbeiter, die stets angehalten sind, Verschwendung auf allen Ebenen aufzuspüren und Fehler selbständig zu beheben, wäre das Managementsystem der kontinuierlichen Verbesserung, wie die Maxime bei allen Entscheidungen des japanischen Automobilherstellers lautet, nicht vorstellbar.
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Toyota – herausragende Gewinne, weitere Expansion
Toyota weist von Jahr zu Jahr höhere Gewinne aus und setzt seine Expansion auf den unterschiedlichsten Märkten der Welt rasant fort. Im Rahmen dieses Beitrag soll ein Blick auf das Managementsystem des japanischen Automobilbauers geworfen werden, auf ein Managementsystem des Wandels, um grundlegende Elemente für den langfristigen Erfolg bei Toyota zu verstehen. Für Manager und Wissenschaftler sind gerade die Produktions- und Managementkonzepte von Toyota interessant, weist doch Toyota kontinuierlich hohe Gewinne aus, und nicht nur dies: beeindruckend sind auch die absoluten Zahlen, da selbst in der Summe die Gewinne von General Motors, Ford und DaimlerChrysler nicht an das herausragende Ergebnis von Toyota im Fiskaljahr 2005 (1. April 2004 bis 31. März 2005) heranreichen. Toyota gab den Nettogewinn für das Fiskaljahr 2005 mit 11 Mrd. US Dollar an, ein in der Geschichte des Unternehmens noch nie erreichter Spitzenwert. Der Nettogewinn wuchs gegenüber dem Vorjahr um einen Prozentpunkt, während der Umsatz um sieben Prozentpunkte zunahm. Der Verkauf der Fahrzeuge von Toyota ist in fast allen Regionen der Welt gestiegen und nahm gegenüber dem Fiskaljahr 2004 um zehn Prozentpunkte auf 7,4 Millionen Fahrzeuge zu. Festhalten lässt sich auch, dass Toyota mittlerweile im Ausland dreimal so viele Autos verkauft wie in Japan selbst. Das bedeutet aber nicht, dass der Heimatmarkt nicht weiterhin eine hohe Bedeutung für das Unternehmen hat. Die Einführung des Lexus im August 2005 ist ein klassisches Beispiel für den hohen Stellenwert, den der japanische Markt für Toyota hat. Die Produktion im Ausland lag im Jahr 2005 bei 3,6 Millionen Fahrzeugen und wird in nicht allzu ferner Zukunft die Inlandsproduktion von 3,8 Millionen Fahrzeugen übertreffen. Die Produktion im Ausland boomt, immer wieder werden neue Werke eröffnet. So betreibt Toyota schon jetzt 52 Produktionsniederlassungen in 27 Ländern und verkauft seine Produkte in mehr als 170 Ländern. Die Produktpalette setzt sich aus 75 unterschiedlichen Modellen zusammen, ergänzt durch 8 Modelle der Luxusmarke Lexus (Stand 2006), auch dies eine beeindruckende Statistik.
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Managementsystem Toyota
Welches Managementsystem steht hinter diesem Erfolg? Wie kommt es, dass Toyota von Jahr zu Jahr seinen Gewinn steigert, das Unternehmen weiter weltweit expandiert, auch wenn die japanische Wirtschaft zwischenzeitlich in schwieriges Fahrwasser geriet und andere japanische Automobilhersteller lange kämpfen mussten, um sich im Marktgeschehen weiter zu behaupten? In der Forschung ist man sich weitgehend darüber einig, dass die guten Ergebnisse von Toyota in den letzten Jahren das Resultat produktions- und produkttechnischer Exzellenz sind. Toyota hat es geschafft, sein Produktions- und Qualitätssystem als strategische Unternehmensstärke einzusetzen. Die produktions- und produkttechnische Exzellenz basiert im Wesentlichen auf produktionswirtschaftlichen- und ingenieurwissenschaftlichen Werkzeugen sowie Qualitätsverbesserungsmethoden, die durch Toyota in der Welt der Produktion bekannt wurden. Just-in-time, kaizen, jidoka und heijunka sind Begriffe, die mit dem Unternehmen Toyota eng verbunden sind. Aber sind es wirklich nur diese Werkzeuge und Techniken, die ja im Grunde in unterschiedlichen Ausprägungen auch von anderen Automobilherstellern eingesetzt werden, durch die Toyota seine erstaunliche Leistungskraft erhält? Es lässt sich vermuten, dass der anhaltende erfolgreiche Einsatz dieser Instrumente auf der Anwendung eines spezifischen Managementsystems basiert, das der Motivation der Mitarbeiter, der Bildung von Teams, der Qualifizierung von Führungspersonen, der Pflege der Zulieferbeziehungen und vor allem der stetigen Weiterentwicklung des Unternehmens als lernende Organisation besonderen Wert beimisst. Neben Arbeitsorganisation und Fertigungstechnik (System der Autonomatisierung, japanisch jidoka), erlangte die interne und externe Produktionslogistik (Just-in-Time) im Zuge der Verbreitung des Toyotismus eine Schüsselstellung für den Unternehmungserfolg. Das Management von Toyota versteht Just-in-Time und jidoka als die zwei zentralen Säulen des Toyota-Produktions-Systems (Ohno 1978; Nihon Noritsu Kyokai 1978, Monden 1983), wobei die spezifische Arbeitsorganisation nicht explizit betont wird, obwohl sie einen erheblichen Anteil an dem Erfolg des ToyotaProduktions-Systems hat. Der Begriff jidoka kann mit dem Begriff der Autonomatisierung umschrieben werden. Dieser Begriff umfasst zum einen das Konzept der Automatisierung und zum anderen das der autonomen Fehlerkontrolle und Ursachenbeseitigung. Bei automatisierten Arbeitsprozessen kommt es zum Stillstand der Werkzeugmaschinen, sobald ein Fehler bzw.
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Qualitätsmängel aufgetreten sind. Weitergearbeitet werden kann erst dann wieder, wenn die Ursache für dieses Problem beseitigt wurde (Jürgens 1993). Durch die Unterbrechung eines Arbeitsschrittes kann es zum Stillstand der gesamten Produktion kommen, da unter den Voraussetzungen des Kanban-Systems nur minimale Zwischenlager vorgesehen sind. Teilweise entfallen diese Zwischenlager oder auch Puffer sogar ganz. Die Mitarbeiter im Produktionsprozess müssen daher in der Lage sein, den Fehler so schnell als möglich zu erkennen und umgehend die entsprechenden Schritte zur Fehlerbeseitigung einzuleiten, um die Produktionsunterbrechungszeiten zu minimieren. So sind beispielsweise für alle Arbeitsplätze Leuchtanzeigen, so genannte Andon vorgesehen, die im Falle eines auftretenden Problems die hierfür im Produktionsabschnitt vorgesehenen Mitarbeiter alarmieren. Die potentielle Störanfälligkeit des Produktionssystems auf der Basis von Autonomatisierung, Qualitätssicherung und Kostensenkung hat dem Toyotismus auch den Beinamen des Management by Stress eingetragen (Parker and Slaughter 1988). Bei diesem Produktionssystem ist zu bedenken, dass sich die Überstundenproblematik der Mitarbeiter in der Produktion verschärft, da vor allem Maschinenausfallzeiten zur Fehlerkorrektur nachgeholt werden müssen. Darüber hinaus kann auch der soziale Druck auf weniger leistungsstarke Mitarbeiter in der Gruppe zu einem Problem für die Leistungsfähigkeit und Motivation aller Gruppenmitglieder werden. Unter dem Blickwinkel der Unternehmung als lernende Organisation kann Stress jedoch auch lernfördernd wirken, solange er sich in einem bestimmten Rahmen bewegt (zu beachten hierbei beispielsweise Intensität, Zeitdauer, individuelle Konstitution, soziale Normen etc.). Die Betrachtung des Systems Autonomatisierung aus lerntheoretischer Betrachtungsweise wertet Stress somit nicht durchgehend negativ. Lean Production wurde bei der Produktion von Personenkraftwagen in den Betrieben der Toyota Motor Company entwickelt. Anwendung fand das System vornehmlich in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie. Beschränkt auf Japan blieb dieses Produktionssystem nicht, auch in anderen Volkswirtschaften wurden durch die wirkungsvollen Produktionsstrukturen erhebliche Produktivitäts- und Qualitätseffekte erzielt (Schmitt 1998; Yui 1999). Der Ansatz der schlanken Produktion geht zurück auf Eiji Toyoda und Taiichi Ôno. In der bekannten MIT-Schrift The Machine that Changed the World werden die Erfolgsfaktoren von Toyota mit Technologieführerschaft, Kostenführerschaft und Zeitführerschaft benannt (Womack, Jones und Roos 1990). Die Autoren sehen in ihrer vergleichenden Studie als Haupterfolgsfaktor japanischer Unternehmungen ihre spezifische Produktionsweise, Lean Production genannt, die sich
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von denen europäischer und amerikanischer Unternehmungen unterscheidet. In der schlanken Produktion werden nach Auffassung der Autoren die Vorzüge der handwerklichen Produktion mit denen der Massenproduktion verknüpft, wobei der Versuch unternommen wurde, die hohen Kosten der handwerklichen Fertigung und die Starrheit der Massenproduktion zu vermeiden. Hierbei arbeiten auf der einen Seite, wie auch bei der handwerklichen Produktion, vielseitig ausgebildete Arbeitskräfte in Gruppen zusammen, auf der anderen Seite werden, ähnlich der Massenproduktion, große Produktionsmengen aus standardisierten Teilen mit Hilfe von flexiblen, automatisierten Fertigungsmaschinen hergestellt (Womack, Jones und Roos 1990). Der internationale Vergleich zwischen Massenproduktion und schlanker Produktion ergibt folgende Charakteristika der schlanken Produktion (Womack, Jones und Roos 1990): x weniger Fehler bei der Herstellung von Automobilen, x der Herstellungsprozess ist erheblich schneller, x der Reparaturbereich in der Unternehmung ist geringer, x der Lagerbestand in der Unternehmung ist geringer, x die Arbeiter arbeiten überwiegend in Teams, x die Arbeiter wechseln häufiger die Stelle innerhalb der Unternehmung im Produktionsbereich, x die Arbeiter bringen mehr Vorschläge ein und werden länger eingearbeitet, x die Organisationsstrukturen sind flacher. Im Kern geht es um den organisationalen Lernprozess bei Toyota, der sich als Ergebnis in den Fortschritten der Fertigungstechnologie, der Arbeitsorganisation, der erhöhten Qualität der Produkte sowie als sparsamer Umgang mit Ressourcen zeigt. Weitere Ausdrucksformen dieses organisationalen Lernsystems sind niedrigere Lagerbestände, kürzere Produktentwicklungszeiten und ein geringer Personaleinsatz. Hinzu kam noch, insbesondere bei Toyota, die Einbeziehung der Montagearbeiter in die permanente Qualitätskontrolle und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess, genannt kaizen (Shimizu 1988). Produktionsfehler gingen damit drastisch zurück, und die kostenintensive Nacharbeit wurde minimiert.
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Kaizen – Managementsystems des Wandels
Das Managementsystem der kontinuierlichen Verbesserung von Strukturen und Systemen (kaizen) wirkt als Katalysator des lernenden Unternehmens Toyota. Organisationales Lernen wird als die Weiterentwicklung eines von den Organisationsmitgliedern geteilten Wissensbestandes interpretiert. Die kontinuierliche Verbesserung von Strukturen und Systemen, der Wandel des Unternehmens, bedient sich dabei einer systematischen Vorgehensweise, die auf dem PDCAZyklus (plan, do, check, act) des Amerikaners Deming beruht. Der PDCA-Zyklus wird in japanischen Betrieben benutzt, um Verbesserungen initiieren, verfolgen und reflektieren zu können. Bei der systematischen Vorgehensweise beginnt der Zyklus mit der PlanPhase (plan). So wird das Verbesserungsthema beispielsweise in der Arbeitsgruppe festgelegt, indem die Ziele, die wichtigsten Ergebnisse und die größten Hindernisse geklärt werden. Anschließend wird die Ist-Situtation analysiert. Um effektiv vorzugehen, wird das zu untersuchende Problem abgegrenzt und genau beschrieben. Um Ursachen zu ergründen, werden von den Mitarbeitern in der Produktion entsprechende Daten gesammelt. Erst auf der Grundlage der quantitativen Datenbasis ist es möglich, die Verbesserungspotentiale eindeutig zu identifizieren und entsprechende Teilziele abzuleiten sowie Maßnahmen festzulegen. Die Datenbasis ist auch die Voraussetzung, um die erzielten Verbesserungen im Laufe des Verbesserungsprozesses eindeutig für alle Mitarbeiter sichtbar zu machen. In der Durchführungs-Phase (do) des Verbesserungszyklus, werden die ausgewählten Maßnahmen umgesetzt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei Bedarf nicht in die PlanPhase zurückgekehrt werden kann, um weitere Informationen zu beschaffen und die Maßnahmen zu überarbeiten. Das Festlegen der Maßnahmen ist nur der erste Schritt auf dem Weg zum Ziel der Verbesserung der Systeme und Strukturen in der Produktion. In der sich daran anschließenden Überprüfungs-Phase (check) werden die Auswirkungen der geplanten Maßnahmen analysiert. Es wird untersucht, ob und wie die in der Plan-Phase festgelegten Ziele erreicht wurden. Dafür werden die Ergebnisse kontrolliert, dokumentiert und im Aktivitätenkatalog visualisiert. Bei einer regelmäßigen Erfolgskontrolle zeigt sich, ob die Ziele erreicht wurden. Ist dies nicht der Fall, so wird geprüft, warum es zu den unerwünschten Abweichungen kam. Auch die Misserfolge enthalten wichtige Informationen für die Ausgestaltung des Verbesserungsprozesses. Die letzte Phase des Zyklusǯ, (act) dient dazu, die zuvor durchlaufenen Phasen zu reflektieren und die Erfahrungen, die während dieses Prozesses gemacht wurden, zu sichern,
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indem man erfolgreiche Größen standardisiert und sie damit für andere Mitarbeiter in der Unternehmung verbindlich macht und Folgeaktivitäten anstößt. Daraus können dann Ziele für nachfolgende Zyklen der Verbesserung angestoßen werden. Wenn der Zyklus wie vorgesehen sequenziell durchlaufen wird, werden die betrachteten Probleme immer weiter eingegrenzt, da Wissen und Erfahrungen aus den vorher durchlaufenen Zyklen einfließen können. Die neu festgelegten Standards oder auch Regeln durch den kacho (Abteilungsleiter) oder auch bucho (Hauptabteilungsleiter) sind als Ergebnis des Verbesserungsprozesses, der zugleich Wandlungsprozess ist, keine unverrückbaren Gesetze. Das Ziel des Standards ist zum einen, die Basis für weitere Verbesserungen zu schaffen, aber auch das Vertrauen in die Beständigkeit zu fördern, eine grundlegende Basis für Ausbildung und Training von Mitarbeitern zu schaffen und Sicherheits- und Produkthaftungsprobleme zu beseitigen (Suzuki 1994). Erst wenn im Rahmen des Verbesserungsprozesses ein neuer Standard festgelegt wurde, wird der alte Standard abgelöst. Die Rolle des kakaricho (Sektionsleiter – unter dem Abteilungsleiter) bzw. des kumicho, des ersten unmittelbaren Vorgesetzten, der nicht in der Produktion mitarbeitet, besteht in diesem Zusammenhang darin, neue Standardvorgaben auf der Basis täglich erfasster Produktionsdaten zu ermitteln und diese in Zusammenarbeit mit Kaizen-Expertenteams, die für spezifische Problemlagen zusammengestellt wurden, durchzusetzen. Von Arbeitsgruppen getragene Verbesserungsaktivitäten sind in diesem Zusammenhang denkbar. Die auf den unterschiedlichen Unternehmungsebenen ablaufenden PDCA-Zyklen lassen sich sowohl nach oben als auch nach unten in der Unternehmungshierarchie integrieren. Somit können Projektteams in erster Linie im Bereich der Produktentwicklung oder bei Produktionsprozessinnovationen funktionsübergreifend agieren. Probleme, die auf einer Unternehmungsebene oder in einem Funktionsbereich nicht bewältigt werden können, gehen, wie auch im Fall von Störungen im Produktionsprozess, an die nächst höhere Ebene oder an die mit dem spezifischen Fachwissen ausgestattete Ebene weiter, um genau das für die Problemlösung notwendige Wissen für den Verbesserungsprozess zu nutzen. In diesem Zusammenhang kann der integrierte PDCA-Zyklus auch als Prozess des organisationalen Lernens verstanden werden, denn individuelles Fach- und Erfahrungswissen wird akkumuliert und steht durch verbesserte Standards zur Aufgabenbewältigung der Gesamtunternehmung zur Verfügung. Die Prozesse des Wandels sind systemimmanent.
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Vermeidung von Verschwendung
Ein zentrales Anliegen von kaizen ist es, Verschwendungen jeder Art in der Unternehmung zu beseitigen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Häufig werden Verschwendungen in der Unternehmung nicht wahrgenommen, weil sie auf historisch gewachsenen Abläufen beruhen und neue, einfachere Möglichkeiten nicht in Erwägung gezogen werden. Kaizen identifiziert im Produktionsbereich sieben Bereiche, in der Folge numerisch gekennzeichnet, bei denen es zu Verschwendungen kommen kann. Zu den wichtigsten Bereichen zählt das Problem der Überproduktion (1), d. h. es wird ein höheres Volumen gefertigt als der interne oder externe Kunde tatsächlich benötigt. Durch diese Art der Verschwendung entstehen unnötige Prozessschritte mit gravierenden Folgen, denn die Überproduktion zieht eine Reihe weiterer Verschwendungsarten nach sich. Das von Toyota entwickelte System des Just-in-Time und die Produktionssteuerung durch das Kanban-System haben hier Abhilfe geschaffen. Die Überproduktion führt zu mehr Umlaufbeständen (2), die eine Verschwendung darstellen, da sie Platz benötigen, zu Lagerkosten und Suchvorgängen führen, zusätzliche Materialbewegungen bedingen und vor allem Probleme im Produktionsprozess (z. B. Maschinenausfälle) oder instabile Prozesse verdecken. Auch ist im Verständnis des Toyota Produktions-Systems jede Art von Transport (3) als Verschwendung einzustufen, da Materialtransporte nicht unmittelbar wertschöpfend sind. Sind beispielsweise einzelne Arbeitsplätze weit voneinander entfernt, so fallen zusätzliche Kosten für den Transport der Umlaufbestände an. Die Durchlaufzeit des Produktes oder Werkstückes wird erhöht, damit erhöht sich die kalkulierte Stückzeit im Fertigungsprozess. Eine Folge von großen Puffern und langen Transportwegen sind Warte- und Liegezeiten (4). Diese Form der Verschwendung führt zu einer ungleichmäßigen Auslastung von Mitarbeitern und Maschinen. Die Verschwendungen im Fertigungsprozess (5) sind häufig eine Folge der gerade aufgeführten Verschwendungsarten. Es liegt aber auch Verschwendung im Herstellungsprozess dann vor, wenn es einen einfacheren oder schnelleren Weg gibt, um eine spezifische Produktionsaufgabe zu lösen. Hervorgerufen wird diese Art der Verschwendung durch unklare Aufträge, mangelnde Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse der Mitarbeiter oder auch durch zu viele unnötige Prüfvorgange. So ist einer der Grundüberzeugungen von Kaizen, dass der Herstellungsprozess ständig verbessert werden kann. Unnötige Bewegungen (6) innerhalb der Arbeitsabläufe sollen durch veränderte Arbeitssysteme vermieden bzw. verringert werden (z.B. Vermeidung
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langer Wege, wiederholtes Einarbeiten durch viele unnötige Unterbrechungen). Fehler (7), als siebter Bereich von Verschwendungen, entstehen häufig durch Unachtsamkeit bzw. durch mangelnde Konzentration. Fehler sind wiederum ursächlich für andere Arten von Verschwendung wie beispielsweise Doppel- und Mehrfacharbeit oder auch lange Liege- und Wartezeiten an Arbeitsplätzen. Toyota hat ein Lernsystem entwickelt, das in dem Managementsystem des kaizen zur täglichen Routine geworden ist. Im Unterschied zur traditionellen westlichen Organisationsentwicklung, die Wandel eher als Sonderfall versteht, wird bei Toyota Wandel als Regelfall konzipiert. Im Verlauf des organisatorischen Lernprozesses werden Organisationsstrukturen, die sich im Zeitverlauf verfestigt haben, auf ihre Koordinationseffizienz hin geprüft und bei Feststellung eines so genannten „performance gap“, einer negativen Abweichung, verändert, um die Effizienz der Geschäftsprozesse sicherzustellen. Die Ergebnisse dieses Managementsystems zeigen sich bei Toyota in den Fortschritten der Fertigungstechnologie, der Arbeitsorganisation, der hohen Qualität der Produkte sowie im sparsamen Umgang mit den Unternehmensressourcen. Weitere Ausdrucksformen dieses Lernsystems sind niedrige Lagerbestände, kurze Produktentwicklungszeiten und engagierte Mitarbeiter. Hauptbestandteile des Toyota-Managementsystems sind die Motivation und das Leistungspotential der Mitarbeiter: „We respect our employees and believe that the success of our business is led by each individual´s creativity and good teamwork. We stimulate personal growth for our employees“ (Guiding Principles at Toyota 2005). Das Management von Toyota geht davon aus, dass jeder Mitarbeiter täglich mit einer Vielzahl von Problemen im Betrieb konfrontiert wird. Auftretende Probleme in einem Unternehmensbereich werden jedoch nicht als produktionshemmend angesehen, sondern als Chance zur Verbesserung der gesamten Produktion begriffen. Schwierigkeiten im Produktionsalltag werden bei Toyota demnach nicht problematisiert, sondern durch die spezifische Lern- und Verbesserungskultur gelöst: Jeder Mitarbeiter kann ungestraft auf Fehler hinweisen und Probleme benennen, für die durch systematische und bereichsübergreifende Zusammenarbeit Lösungen erarbeitet werden.
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Teambildung
Das Managementsystem der kontinuierlichen Verbesserung ist Maxime bei allen Entscheidungen des japanischen Automobilherstellers. So stellt Toyota bereits auf der
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Ebene der Produktion Teams zusammen. Die Arbeitsorganisation in Teams wird vor allem unter den Gesichtspunkten von Kommunikation und Erfahrungsaustausch zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Gruppenmitglieder gesehen. Hierbei spielt das Instrument der Rotation innerhalb der für die Gruppe vorgesehenen Arbeitsplätze eine wesentliche Rolle der Mitarbeiterqualifizierung. Die Rotationspläne werden vom Vorgesetzten auf Tagesbasis so zusammengestellt, dass leistungsschwächere Gruppenmitglieder ihre Fähigkeiten verbessern können, leistungsstärkere Mitarbeiter hingegen als Springer für Produktionsunterbrechungen eingeplant werden können. Die Form der Arbeitorganisation in Teams ist dem Oberziel der Kostensenkung (Vermeidung von Verschwendung) und der Produktivitätssteigerung verpflichtet, die Mitarbeiterqualifizierung wird als Instrument zur Zielerreichung verstanden. Die Qualifizierung der Gruppenmitglieder dient der Planung und Durchsetzung eines möglichst flexiblen Personaleinsatzes. Einige Mitarbeiter, wie z. B. kurzzeitig Eingestellte, Neueingestellte, Bereichsfremde, kommen jedoch für einen Einsatz in solche JobRotation-Systeme von vornherein nicht in Frage. Und auch der Zeitaspekt spielt eine Rolle, denn es braucht eine gewisse Zeit, bis die nötige Arbeitserfahrung vorliegt, um die Gruppenmitglieder in das Rotationsschema einteilen zu können.
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Nutzung der Mitarbeiterpotentiale
Die vorhandenen Qualifikations- und Problemlösungspotentiale der Mitarbeiter, die im Rahmen der umfangreichen Verbesserungsaktivitäten genutzt werden, bilden eine wesentliche Informationsquelle zur Schaffung flexibler und effizienter Arbeitssysteme. Die strukturelle Integration und Nutzbarmachung des individuellen Erfahrungswissens läuft dabei als umfassendes Programm auf allen Ebenen bei Toyota ab. Für den Bereich der Produktion sind dies vor allem Qualitätszirkel, das Vorschlagswesen sowie Verbesserungsaktivitäten auf der individuellen Arbeitsebene. Alle diese Aktivitäten werden von Arbeitsgruppen, Expertenteams oder von Individuen getragen. Zu den Grundüberzeugungen von Toyota zählt, dass niemand so gut seinen Arbeitsplatz kennt, wie der Mitarbeiter, der tagtäglich im Produktionsprozess seine Leistung erbringt. Als vorrangiges Ziel der kontinuierlichen Verbesserung definiert Toyota die Erhöhung der Produktivität jedes einzelnen Mitarbeiters. Jeder Mitarbeiter ist weiterhin vor die Aufgabe gestellt, Verschwendungen jeder Art systematisch und konsequent
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zu erkennen und zu beseitigen. Jeder einzelne im Produktionsprozess Eingebundene trägt also Verantwortung und ist angehalten, aktiv zu werden, was sich positiv auf die Motivation der Mitarbeiter auswirkt. Auch erhöhte Bonuszahlungen aufgrund der guten Gesamtleistung des Unternehmens stimulieren die Motivation des Einzelnen, seinen Beitrag für Verbesserungen zu leisten. Auf allen Ebenen des Unternehmens sehen sich die Mitarbeiter immer wieder mit der Frage konfrontiert: Wie kann das Arbeitsumfeld von Verschwendungen befreit werden? Das Arbeits- und Produktionssystem unter Einbeziehung des Wissens, der Erfahrungen und Fertigkeiten der Mitarbeiter erhält seine optimale Gestaltung durch die Erweiterung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums der Mitarbeiter und der Arbeitsgruppe. Das Managementsystem von Toyota basiert gerade darauf, jedem Mitarbeiter mehr Macht für Veränderungen im Unternehmen einzuräumen, quer durch die Hierarchien. Durch die Einbindung des einzelnen Mitarbeiters in Teams bündelt sich bei Toyota das spezifische Wissen von Ingenieuren, Maschinenbedienern, Qualitätsexperten, Teamführern usw. Als besonders erfolgreiches Instrument dieser Teamarbeit ist die „5 S-Vorgehensweise“ zu nennen. Die 5 S-Vorgehensweise kann sich auf das gesamte Unternehmen beziehen, oder aber nur den einzelnen Arbeitsplatz im Fokus haben, und wird wie folgt definiert: 1 S (seiri):
Es gilt für den Mitarbeiter/für das Team zu unterscheiden, welche Arbeits- und Hilfsmittel am Arbeitsplatz unnötig sind; Aufgabe: Aussortieren des Unnötigen;
2 S (seiton):
Es gilt für den Mitarbeiter/für das Team, die für notwendig erachteten Arbeits- und Hilfsmittel zu ordnen, um diese beim Arbeitseinsatz griffbereit am richtigen Platz zur richtigen Zeit zu haben; Aufgabe: Ordnen des Notwendigen;
3 S (seiso):
Es gilt für das Team seinen Arbeitsplatz/das Arbeitssystem sauber zu halten, d. h., den geordneten Arbeitsplatz und die entsprechenden Arbeits- und Hilfsmittel zu reinigen und zu pflegen; Aufgabe: Arbeitsplatz sauber halten und pflegen;
4 S (seiketsu): Es gilt für das Team, Standards, Regeln und Vorschriften einzuhalten; Aufgabe: Anordnungen zu Regeln machen; 5 S (shitsuke): Es gilt für das Team, alle genannten Punkte einzuhalten und ständig zu verbessern, Aufgabe: Ständige Verbesserung des Arbeitsumfeldes.
Toyota – Managementsystem des Wandels
207
Die 5 S-Vorgehensweise ist eine Errungenschaft von Toyota und kein kurzfristiger Managementtrend. Um diese Vorgehensweise erfolgreich umzusetzen, sind Anstrengungen hinsichtlich guter Aus- und Weiterbildung, kontinuierliches Training und fortwährendes Engagement der Mitarbeiter auf allen Ebenen des Unternehmens erforderlich.
7
Identifikation mit dem Ganzen
Das Managementsystem von Toyota basiert auf der Erkenntnis, dass nicht einzelne Leitlinien, Methoden oder auch Werkzeuge zur Steigerung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu berücksichtigen sind, sondern dass alle Komponenten in einen Gesamtzusammenhang gebracht und zielorientiert eingesetzt werden müssen. Durch das Managementsystem des Wandels, das seinen deutlichsten Ausdruck im kontinuierlichen Verbesserungsprozess findet, wird die Motivation und Kreativität der Mitarbeiter stimuliert und koordiniert, um den Anteil der Mitarbeiter an der Wertschöpfung zu erhöhen und Verschwendungen bei Toyota zu minimieren. Die Partizipation des Einzelnen an den Erfolgen des Unternehmens erhöht gleichzeitig seine Identifikation mit dem Managementsystem, das nicht nur auf die Produktion beschränkt ist, sondern alle Wertschöpfungsbereiche des Unternehmens erfasst.
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Erneuerbare Energien – Kooperationsoptionen für deutsche Unternehmen in Japan Frank Himpel und Markus Pütz *
Inhalt
Kurzfassung 1
Nachhaltigkeitspotenziale der Nutzung erneuerbarer Energien im Kontext des globalen Wettbewerbs
2
Zum Stand der deutschen und japanischen Unternehmenstätigkeit im Sektor erneuerbarer Energien 2.1
Engagement und Stellung deutscher Unternehmen
2.2
Aspekte der japanischen Unternehmenstätigkeit
3
Kooperationsoptionen im Sektor erneuerbare Energien für deutsche Unternehmen in Japan
4
Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverweise
* Dr. Frank Himpel, Center of Market-Oriented Product and Production Management, Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dr. Markus Pütz; Lehrstuhl für Rechnergestütztes Controlling der Bergischen Universität Wuppertal.
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Frank Himpel und Markus Pütz
Kurzfassung Die Bundesrepublik Deutschland und Japan unterhalten seit Generationen rege Kontakte auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Gestaltungsfeldern; erste Anfänge können bis in die Edo-Zeit zurückverfolgt werden. Bis heute haben sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern wechselseitig stark ausdifferenziert - und beide Länder übernehmen mit Blick auf spezifische Technologien ihrerseits Spitzenpositionen auf dem Weltmarkt. Insbesondere auch auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien sind beide Länder aktiv. Der ökonomische, ökologische und soziale Stellenwert des Einsatzes von erneuerbaren Energien zeigt sich nicht zuletzt auch durch die absehbare Verknappung fossiler Energieträger. Während deutsche Unternehmen mit Blick auf die Entwicklung und die Verwertung bestimmter Energietechnologien Kooperationspotenziale in Japan aufbauen und nutzen können, zeigt sich, dass japanische Unternehmen auch mit Blick auf Energieeffizienzmaßnahmen entsprechendes Know-how in Kooperationen einbringen können. In dem vorliegenden Beitrag wird auf Kooperationsfelder im Bereich erneuerbarer Energien rekurriert - wobei die formulierten Aussagen durchaus auch einen potenzialorientierten, zukunftsgerichteten Charakter haben.
Erneuerbare Energien – Kooperationsoptionen für deutsche Unternehmen in Japan
1
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Nachhaltigkeitspotenziale der Nutzung erneuerbarer Energien im Kontext des globalen Wettbewerbs
Im Zuge der zunehmenden Verknappung fossiler Brennstoffe einerseits, allen voran des Erdöls, und der aktuellen und sich zukünftig abzeichnenden noch drastischeren ökologischen Probleme andererseits, wie z.B. der globalen Erderwärmung und dem wachsenden Ozonloch, gewinnt die Nutzung erneuerbarer Energien offenkundig mehr und mehr an Bedeutung. Einerseits folgt die Nutzung erneuerbarer Energien, zu denen im Wesentlichen die Bereiche Sonnenergie (in Form von Photovoltaik und Solarthermie), Windenergie, Wasserkraft, Gezeiten- und Wellenenergie, Geothermie und Biomasse gezählt werden,1 dem von der United Nations Conference on Environment and Development (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro gebildeten Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung als globalem politischen Leitbild für die Umwelt- und Entwicklungspolitik.2 Andererseits eröffnen sich im Wege der zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien, für die in diesem Sektor tätigen Unternehmen entsprechend verstärkt (nachhaltige) Erfolgspotenziale. Wenngleich für die im zuvor skizzierten Kontext relevanten Begriffe Nachhaltigkeit (Sustainability) sowie nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development) keine allgemein anerkannten Definitionen existieren, werden auf gesellschafts- wie auch unternehmenspolitischer Ebene zunehmend jene Begriffsbildungen verwendet, die an den drei Perspektiven Ökologie, Ökonomie und Soziales ausgerichtet sind.3 Eine wesentliche Grundlage des oben genannten Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung bildet die folgende, in dem 1987 erstellten Bericht der World Commission on Environment and Development (WCED)4 enthaltene Definition des Begriffs nachhaltige Entwicklung: „Humanity has the ability to make development sustainable – to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“.5 Im Hinblick auf die im Kontext solch einer nachhaltigen Entwicklung zu berücksichtigenden gesellschaftlichen Bedürfnisse sieht der WCED-Bericht eine Orientierung an der intergenerativen Gerechtigkeit (zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Generationen) und der intragenerativen Gerechtigkeit (dies zielt auf die zwischen Entwicklungs- und Industrienationen bestehenden, divergierenden Lebensverhältnisse ab) vor. Ferner ist im Hinblick auf die im Kontext der Nachhaltigkeit relevanten Aspekte eine Integration der entsprechend zu berücksichtigenden ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimension angestrebt.6 Hinsichtlich des UNCED-Leitbildes der nach-
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Frank Himpel und Markus Pütz
haltigen Entwicklung sei angemerkt, dass es denn auch neben einer ökologisch verträglichen Entwicklung sowohl die Förderung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft und zwischen den Nationen einschließt als auch die Sicherung der ökonomischen Grundlagen des Wohlstandes von heutigen wie auch zukünftigen Generationen.7 Von den zuvor skizzierten Ausprägungen der Nachhaltigkeit auf gesellschaftlicher bzw. gesellschaftspolitischer Ebene ist der Gegenstand der unternehmerischen Nachhaltigkeit zu differenzieren. Auf Unternehmensebene stehen häufig andere nachhaltigkeitsbezogene Problemfelder im Vordergrund, wie z.B. die Reputationssicherung des Produktprogramms, die Vertrauenssicherung im Hinblick auf den Zugang zu Finanzmärkten oder die Wahrung bzw. Ausbau von Akzeptanz und Unterstützung im zugehörigen (regionalen) Unternehmensumfeld.8 Insofern ergeben sich für eine unternehmungsspezifische Ausrichtung von Nachhaltigkeitszielen und Maßnahmen zwei verschiedene Referenzpunkte, und zwar zum einen die Fokussierung auf die Nachhaltigkeitswirkungen der Unternehmungstätigkeit und zum anderen die Orientierung am Beitrag des Unternehmens zur Erreichung der gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsziele (siehe hierzu Abb. 1).9 Die Zielsetzung von durch die Unternehmenstätigkeiten zu realisierenden absoluten Verbesserungen im ökologischen bzw. sozialen Bereich wird dabei als Öko-Effektivität (Kurzform für ökonomisch-ökologische Effektivität) bzw. Sozial-Effektivität bezeichnet, wogegen mit einer entsprechenden Öko- bzw. Sozial-Effizienz jeweils ein mit geringem Schadschöpfungsanteil verbundenes Verhältnis von Wertschöpfung zu Schadschöpfung angestrebt wird.10 Auf Unternehmensebene sind die jeweils erforderlichen, den ökologischen und sozialen Bereich betreffenden Nachhaltigkeitsmaßnahmen unter Einsatz entsprechender Managementteilkonzepte (Umwelt- und Sozialmanagement) möglichst integriert in das jeweilige, insbesondere auf die ökonomische Leistungserstellung ausgerichtete, ’konventionelle’ Managementsystem zu gestalten. 11 Die Gestaltung entsprechender Management-Konzepte erfordert von den betreffenden Unternehmen ein hohes Maß an Kreativität, da für solche Konzepte bisher keine klaren Standards, wie etwa eine ISO-Norm, verfügbar sind.12 Die in diesen Management-Konzepten enthaltenen Teilkonzepte des Umwelt- und Sozialmanagement können sich wohl nur dann langfristig als Nutzen stiftend erweisen und sich entsprechend hin zu einem Nachhaltigkeitsmanagement entwickeln, wenn sie dauerhaft einen merklichen Beitrag zum (ökonomischen) Unternehmenserfolg leisten. 13 In diesem Kontext dient das Nachhaltigkeitscontrolling dazu, insbesondere den Erfolg nachhaltiger Unternehmenstätigkeit durch
Erneuerbare Energien – Kooperationsoptionen für deutsche Unternehmen in Japan
217
die Erschließung und Entwicklung sowie Nutzung von Nachhaltigkeitspotenzialen zu gestalten, zu messen sowie zu bewerten. Unter Nachhaltigkeitspotenzialen werden dabei die Möglichkeiten bzw. möglichen Ansätze einer auf die drei entwicklungsorientierten Zielbereiche (Ökonomie, Ökologie und Soziales) ausgerichteten Unternehmenstätigkeit verstanden.14
Nachhaltigkeitswirkungen der Unternehmenstätigkeiten
Nachhaltigkeitsprobleme der Gesellschaft
Ziel
Optimierung unternehmerischer Öko- und SozialEffizienz bzw. Öko- und Sozial-Effektivität
Beitrag zur Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen der Gesellschaft
Ansatzpunkte für Maßnahmen
Tätigkeiten des Unternehmens und deren Nachhaltigkeits wirkungen (z.B. Nachhaltigkeitsaspekte der Prozesse und Produkte
Nachhaltigkeitsprobleme der Gesellschaft (z.B. Klima schutz, Energieeffizienz, Mobilität, Landwirtschaft, Tourismus)
Primär auf Unternehmensebene (operative und strategische Maßnahmen)
Primär auf übergeordneten Ebenen (transformative Maßnahmen)
Maßnahmen
Abbildung 1: Referenzpunkte unternehmerischer Tätigkeit 15 Die hier betrachteten erneuerbaren Energien offerieren im Kontext des in diesem Sektor vorherrschenden globalen Wettbewerbs in vielfältiger Weise Nachhaltigkeitspotenziale. Evident sind dabei die unmittelbaren Unternehmensbeiträge zur Lösung von gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsproblemen, etwa auf den Gebieten Klimaschutz und Energieeffizienz durch Produktion und Betrieb von Wasser- und Windkraftanlagen, Gezeitenkraftwerken, Solar- und Photovoltaikanlagen und Biomassekraftwerken. Hinzu kommen hinsichtlich der Nachhaltigkeitswirkungen der Unternehmenstätigkeit nicht zuletzt die Potenziale zur Optimierung unternehmerischer Öko-Effektivität und -effizienz im Bereich der betreffenden Produkte und Prozesse wie auch entsprechende Potenziale zur Wahrung bzw. Steigerung der Sozial-Effektivität und -Effizienz. Beispielhaft hierfür seien die Implementation und der Ausbau von nachhaltigen Beschäftigungsmaßnahmen genannt, die etwa durch eine Kombination aus Investitionen in produktive und zugleich flexible Produktionssysteme (z.B. flexibel automatisierte Pro-
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Frank Himpel und Markus Pütz
duktionssysteme), die vorzugsweise mit Hilfe von Nachhaltigkeitsfonds (Sustainability Fonds) oder auch staatlichen Fördermitteln finanziert werden können, und dem Einsatz von flexiblen Arbeitszeitmodellen realisiert werden können. Hierdurch ließen sich gerade auch Beiträge zur nachhaltigen Sicherung von Arbeitsplätzen in den inländischen (deutschen) Produktionsbereichen der im Sektor erneuerbarer Energien, zum Teil auch in entsprechenden Wertschöpfungsnetzwerken, tätigen Unternehmen realisieren.
2
Zum Stand der deutschen und japanischen Unternehmenstätigkeit im Sektor erneuerbarer Energien
2.1 Engagement und Stellung Erneuerbare Energien nutzen in direkter oder in indirekter Form die natürliche Energie der Sonne sowie Gravitationskräfte oder den Wärmestrom aus dem Erdinneren. Zu den in der Bundesrepublik Deutschland eingeführten erneuerbaren Energien zählen Solarthermie16, Solararchitektur, solarthermische Kraftwerke, Photovoltaik17, Windenergie18, Biomasse19, Wasserkraft20, Gezeitenkraftwerke sowie Geothermie21. Mit Blick auf ihre Einsatzeignung sind erneuerbare Energien hingegen durchaus unterschiedlich zu beurteilen; so existieren vielfältige Verwendungszusammenhänge, die zudem nicht unabhängig von einer regionalen sowie sozialen Eignung und Einbettung der alternativen Energieformen sind.22 Auch die technischen und wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der einzelnen Energieformen sind vielfältig. In der Bundesrepublik Deutschland sind die angeführten Energieformen bislang in unterschiedlichem Umfang staatlich gefördert worden; gleichsam existieren ordnungspolitische Instrumente, welche einzelne Energieformen stärker alimentieren als andere.23 Die staatliche Förderung von erneuerbaren Energien orientiert sich in der Bundesrepublik Deutschland typischerweise an der Notwendigkeit zur Nutzung (mit Blick auf Versorgungssicherheit und Klimaschutz), am potentiellen künftigen Beitrag zum Energiehaushalt (mit Blick auf das jeweilige technische Erzeugungspotenzial) sowie an der zukünftigen technischen Weiterentwicklungsmöglichkeit der diesbezüglichen Technologien. 24 Wenngleich die Risiken der Nutzung der Kernenergie sowie die Folgen der Nutzung von fossilen Brennstoffen in politischer Sicht uneinheitlich interpretiert werden,25 ist als „übergeordnete“ deutsche Sicht im Sinne eines „gemeinsamen Nenners“ konstatierbar, dass erneuerbare Energietechnologien zukünftig in vergleichsweise großem Umfang in die deutsche Energiewirtschaft einzuführen und heutige Strukturen der
Erneuerbare Energien – Kooperationsoptionen für deutsche Unternehmen in Japan
219
Energieversorgung grundständig zu modifizieren sind. 26 Entsprechend umfangreich sind staatliche Bemühungen zur Kontextsteuerung und zur direkten Förderung von Technologien für erneuerbare Energien und entsprechend breit werden die unterschiedlichen Formen erneuerbarer Energien staatlich unterstützt27 – auch mit Blick auf die Potenziale zur Substitution von Kern- und fossiler Energie durch erneuerbare Energien.28 Bspw. im Jahr 2002 hat eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags Ziele für die zukünftige Energiestruktur Deutschlands formuliert; dazu zählen u.a. die Erhöhung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien um 400% sowie die Ausweitung des Einsatzes von erneuerbaren Primärenergien um 350% bis zum Jahr 2020, die Minderung der nationalen Treibhausgasemissionen um 40% bis zum Jahr 2020, die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Energieproduktivität um 3% jährlich sowie baldmöglichste Verdopplung der Aufwendungen für Forschung & Entwicklung im nicht-nuklearen Energiebereich.29 Erneuerbare Energien implizieren die Nutzung von heimischen Reserven, was u.a. in geopolitischer Sicht die Abhängigkeit der OECD-Industriegesellschaften von den öl- und gasfördernden Staaten verringert. Im Jahr 2004 hat die Internationale Konferenz für Erneuerbare Energien in Bonn einen detaillierten Maßnahmenplan für die Förderung erneuerbarer Energien auf weltweitem Maßstab verabschiedet. 30 Das staatlich-regulative Umfeld in der Bundesrepublik Deutschland liefert in dieser Sicht zahlreiche Anreize für Unternehmen im Energiesektor, sich auf dieses Wachstumssegment auszurichten.31 In wirtschaftlicher Perspektive zeigt sich aus Unternehmenssicht, dass der ökonomisch vorteilhafte Einsatz von Technologien für erneuerbare Energien stark uneinheitlich ausgeprägt ist; die Kosten für den Einsatz sind in Abhängigkeit der fokussierten Technologievariante sehr heterogen. 32 Zu einem hohen Anteil werden die Kosten dabei vom Energieproduktionsvolumen beeinflusst – und in diesem Kontext ist Energiemassenproduktion quasi der „Schlüssel“ zur Realisierung von kostenwirksamen Skaleneffekten. Dies zeigt sich am Beispiel der deutschen Windenergie: Im Rahmen der vergangenen 15 bis 20 Jahre hat sich die Windenergietechnologie von einer stark subventionsabhängigen zu einer ökonomisch plausiblen und in sich tragfähigen Technologie gewandelt.33 Doch nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere auch international wächst die Nachfrage nach Windenergietechnologie. 34 Die deutsche Windbranche realisierte im Jahr 2005 einen Umsatz von rund 4 Mrd. Euro, wovon mehr als 70% in den Export gegangen sind.35 Insbesondere in den USA und in vielen Ländern der EU-25 steigt dabei die Nachfrage nach (deutscher) Windenergietechnologie. Vergleicht man die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland mit der in Japan, so zeigt sich, dass Japan in den vergangenen Jahren nur zwischen rund 2% und
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Frank Himpel und Markus Pütz
rund 8% der in Deutschland installierten Windleistung (gemessen in MW) realisiert hat. Lediglich im Bereich der Offshore-Windenergie – ein aus ökonomischer Sicht ggf. ebenfalls plausibles Geschäft36– bestehen deutsche Ausbaupotenziale im internationalen Wettbewerb.37 Im Jahr 2006 werden in der Bundesrepublik Deutschland erstmals über 20.000 MW aus heimischen Windparks erzeugt38 – in den kommenden fünf bis sechs Jahren sollen nochmals rund 10.000 MW hinzukommen. 39 Aufgrund der durch das hohe Wachstum sich auch verbessert realisierbaren Skaleneffekte haben sich die Kosten der Windenergie in den vergangenen zehn Jahren jeweils um rund 10% p.a. reduziert.40 In der Bundesrepublik Deutschland nimmt die Wasserkraft nach der Windkraft den zweithöchsten Anteil an den erneuerbaren Energieformen ein;41 der Anteil der Energieerzeugung aus Wasserkraft an der Gesamtstromerzeugung beträgt in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig rund 5%. Die Biomassenutzung wird dagegen insbesondere im globalen Maßstab einen großen Anteil der erneuerbaren Energieträger ausmachen.42 Auf weltweitem Maßstab repräsentiert die Biomasse rund 80% der erneuerbaren Energieträger, 43 wobei die erneuerbaren Energien im globalen Kontext derzeit rund 13% des Primärenergieverbrauchs abdecken.44 In isoliert deutscher Sicht wird das Verbreitungspotenzial der Biomasseenergie innerhalb von Deutschland jedoch als „nicht unbegrenzt“ eingeschätzt45 (den Vorteilen der Nutzung von Biomasse stehen in unreflektierter Nutzung zu beachtende Risiken gegenüber 46 ), wenngleich deutsche Unternehmen im Bereich der Biomasseenergie – ähnlich wie im Fall der Windkraft-, Wasserkraft- und Solarenergie – technologisch weltweit führend sind.47 Während in der Bundesrepublik Deutschland primär Wind-, Wasser- und Biomasseenergie zur Energieerzeugung im Rahmen von erneuerbaren Energien eingesetzt werden, sind es in Japan vor allem Wasser- und Biomasseenergie, die Windenergie ist in Japan derzeit unterrepräsentiert.48 Mit Blick auf die Nutzung von Biogas zeigt sich, dass bei seiner effizienten Nutzung49 in der Bundesrepublik Deutschland rund 5% des Strombedarfs hervorgebracht werden könnten.50 Durch die Mineralölsteuerbefreiung von Biokraftstoffen und die Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie der Biomasseverordnung hat die deutsche Politik entsprechende Anreize formuliert, durch welche die Energiegewinnung durch Biomasse angestoßen und weiter gefördert werden soll.51 Die Solarenergie bietet das größte immediate Nutzungspotenzial der erneuerbaren Energie. Die direkte Nutzung der Sonnenenergie kann zur Wärme- und Stromproduktion eingesetzt werden, wenngleich im Rahmen ihrer ökonomisch sinnvollen Nutzung vornehmlich großtechnische Anlagenlösungen in Be-
Erneuerbare Energien – Kooperationsoptionen für deutsche Unternehmen in Japan
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tracht kommen. Insbesondere mit Blick auf Forschung & Entwicklung sind deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen in der weltweiten Spitzengruppe.52 Deutsche Unternehmen beschäftigten im Jahr 2004 rund 157.000 Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien; davon entfielen rund 41% auf die Windenergie, rund 36% auf die Biomasse, rund 16% auf die Solarenergie, rund 6% auf die Wasserkraft und rund 1% auf die Geothermie.53 Deutsche Unternehmen erzielten im Jahr 2005 einen Jahresumsatz in Höhe von rund 9 Mrd. Euro mit der Errichtung von Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien; davon entfielen auf die Photovoltaik rund 33%, auf die Windenergie rund 23%, auf Biomassestrom rund 18%, auf Biomassewärme rund 14%, auf die Solarthermie rund 8%, auf die Geothermie rund 3% und auf die Wasserkraft weniger als 1%.54 Mehr als 7 Mrd. Euro wurden im Jahr 2005 in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Betrieb von Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien umgesetzt; davon entfielen rund 33% auf die Windenergie, rund 24% auf Biokraftstoffe, rund 15% auf Biomassestrom, rund 15% auf Wasserkraft, rund 7% auf Biomassewärme, rund 7% auf Photovoltaik und weniger als 0,1% auf die Geothermie.55 Für die zukünftigen Beschäftigungsentwicklungen von Arbeitsplätzen in deutschen Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien hat der Export bzw. der Außenhandel eine zentrale Bedeutung. 56 Für deutsche Unternehmen wird es entscheidend sein, inwieweit es ihnen gelingt, sich weiterhin nennenswerte Weltmarktanteile zu sichern. Die weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien von rund 40 Mrd. Euro im Jahr 2004 werden schätzungsweise auf bis zu 450 Mrd. Euro im Jahr 2030 ansteigen; die Bedeutung des deutschen Markts für das internationale Marktgeschehen wird demzufolge stark zurückgehen; gleichzeitig steigen jedoch die Exportchancen für deutsche Unternehmen aufgrund des skizzierten Weltmarktvolumens signifikant an; hier sollte dann auch die technologische Führungsposition der deutschen Unternehmen weiterhin eine tragende Rolle spielen können. In Anlehnung an konservative Schätzung des Bundesumweltministeriums könnte sich die Beschäftigtenzahl in deutschen Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien in der Folge bis auf das Jahr 2020 in etwa verdoppeln.57
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Frank Himpel und Markus Pütz
2.2 Aspekte der japanischen Unternehmenstätigkeit
Japan besitzt keine fossilen Ressourcen in nennenswertem Umfang; noch heute führt das Land rund 80% seines Energiebedarfs aus dem Ausland ein. 58 Diese Situation macht Japan vergleichsweise abhängig - nicht nur (energie-)wirtschaftlich, sondern auch geopolitisch.59 Die Reduktion dieser energiebezogenen Abhängigkeit vom Ausland hat u.a. dazu geführt, dass zusätzlich zum ausländischen Rohölimport eigene Kernkraftwerke sowie Kohle- und Flüssiggasimporte (hauptsächlich aus Südostasien) den japanischen Energiemix abrunden. In dieser Sicht begründet sich auch, weshalb Japan das energieeffizienteste Land der Erde ist.60 Um einen US$ seines jeweiligen Bruttoinlandsprodukts hervorzubringen, benötigt Frankreich insgesamt rund 10%, die Bundesrepublik Deutschland rund 17% und die USA rund 65% mehr Energie als Japan.61 Japanische Unternehmen sind aber nicht nur weltweit führend im Hinblick auf Energieeffizienz, sondern auch im Hinblick auf die Optimierung der Energieeffizienz von Produkten über ihren Produktlebenszyklus hinweg.62 Dieses Umweltbewusstsein, verbunden mit einem „Energieeffizienzbewusstsein“, ist in der japanischen Gesellschaft breit diffundiert - auch dadurch unterscheidet sich das Land von vielen anderen Industrienationen.63 Die staatliche Energieagentur Japans NEDO (New Energy and Industrial Technology Development Organization)64 fördert u.a. die Forschung & Entwicklung im Bereich erneuerbarer Energien. Öffentliche und private Fördereinrichtungen, Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen des Landes werden in entsprechenden Forschungsnetzwerken, welche von der NEDO angeregt und laufend unterstützt werden, zusammengeführt. Die Aktivitäten der NEDO stehen auch unter dem Eindruck der Reduzierungsverpflichtung Japans aus dem Kyoto-Protokoll, die Emission von Kohlendioxid bis zum Jahr 2010 um 56 Mio. t zu reduzieren.65 Windenergie, Wasserkraft, Solar- und Photovoltaikenergie sowie Biomasseenergie stehen im Fokus der Förderungen der staatlichen Energieagentur. Im Bereich der Photovoltaik nimmt Japan eine internationale Spitzenstellung ein: Im Jahr 2004 wurden weltweit rund 2.600 MW aus installierten Photovoltaikanlagen generiert, davon allein in Japan mehr als 1.100 MW (zum Vergleich: in der Bundesrepublik wurden im gleichen Zeitraum etwas weniger als 800 MW, in den USA rund 500 MW generiert).66 Bedingt durch entsprechende Skaleneffekte und durch die anfängliche „Massenproduktion“ von Photovoltaikenergie betragen die Produktionskosten in diesem Bereich nur noch rund 1% des Werts von vor 30 Jahren. NEDO projiziert, dass
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das Energiefördervolumen der japanischen Photovoltaikanlagen sich bis zum Jahr 2030 verzehnfacht haben soll. 67 Im Bereich Biomasseenergie besteht in Japan vermeintlich kein Mangel an Ausgangsstoffen (z.B. Holzbestände, Viehabfälle usw.) - das vorhandene Biomassevolumen wird aktuell nur zu rund 20% ausgenutzt.68 Allerdings ist derzeit eine ganze Reihe von Projekten zur energetischen Biomasseverwertung in der Planung. So soll im Fiskaljahr 2006 in der Tokioter Buch das größte Kraftwerk des Landes zur Verwertung von Nahrungsmittelabfällen an das Stromnetz angeschlossen werden. Zahlreiche weitere Projekte, u.a. auch mit Förderung der NEDO, werden landesweit verfolgt.69 Im Jahr 2010 soll das Energieangebot durch Windkraft rund 3.000 MW betragen; derzeit sind es etwas weniger als 1.000 MW.70 Insbesondere im Bereich der Windenergie besteht - gemessen am internationalen Vergleich – ein ausgeprägtes Wachstums- und Aufholpotenzial in Japan. Japan „exportiert“ sein Know-how im Bereich Energieeffizienz, -konservation und erneuerbare Energien, indem insbesondere asiatische Länder, welche einen hohen Energieverbrauch bzw. einen hohen Anstieg ihres Energieverbrauchs aufgrund des wirtschaftlichen Wachstums zu verzeichnen haben, an den entsprechenden japanischen Methoden und Technologien partizipieren können. So wird derzeit insbesondere in der Volksrepublik China branchenabhängig entsprechendes japanisches Know-how eingesetzt.71
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Kooperationsoptionen im Sektor erneuerbare Energien für deutsche Unternehmen in Japan
Unter Berücksichtigung der von deutschen Unternehmen in den Bereichen Windenergie, Wasserkraft, Sonnenergie und Biomasse im weltweiten Vergleich erreichten technologischen Spitzenpositionen einerseits und den skizzierten Spitzenpositionen Japans in den Bereichen Biomasse, Photovoltaik und Wasserkraft andererseits, bieten sich Anknüpfungsmöglichkeiten für Kooperationen offenkundig insbesondere in den übereinstimmenden Spitzenbereichen an. Eine Bündelung des dabei jeweils auf beiden Seiten verfügbaren Know-how bzw. der entsprechenden Leistungspotenziale ist in mehrfacher Hinsicht viel versprechend, was sich zunächst anhand einer Betrachtung der Kooperationsfelder Forschung & Entwicklung (F&E), Anlagenproduzenten und Anlagenbetreiber verdeutlichen lässt.
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Kooperationen im F&E-Bereich bieten dabei insbesondere die Möglichkeit, relevante Schlüsseltechnologien stärker zu fördern und dadurch gegebenenfalls Entwicklungssprünge herbeizuführen oder zeitnah zu adaptieren. Dies wird, wie im zweiten Kapitel erwähnt, beiderseits sowohl durch staatliche Fördermittel, insbesondere des BMU und des NEDO, als auch durch entsprechendes unternehmerisches Engagement begünstigt. Widerständen aus Erfindungsschutzgründen könnte in Form von Patent- oder Lizenzaustauschverträgen sowie Patentgemeinschaften begegnet werden. F&E-Kooperationen betreffend dürfte wohl der Bereich Biomasse vor den Bereichen Sonnenergie und Wasserkraft eine Priorisierung erfahren, da die Biomasse im weltweiten Vergleich mit 80% den mit Abstand größten Anteil an erneuerbaren Energieträgern hat.72 Kooperationen auf der Ebene der Anlagenproduzenten ermöglichen beim Aufbau von Produktionssystemen durch eine Harmonisierung von Produktionssystembestandteilen (wie z.B. Maschinen(-teile), Werkzeuge, Transportsysteme und Softwaresysteme), Skaleneffekte zu realisieren. Diese Effekte dürften sich vor allem im Bereich der Photovoltaik, der aufgrund der gemeinhin höheren Produktionskosten im Vergleich zu anderen Bereichen der erneuerbaren Energien bisher eher nur bedingt als wettbewerbsfähig gilt,73 als vorteilhaft erweisen. Etwaige Widerstände aufgrund von existenznotwendigen Erfindungsschutzansprüchen könnten dabei mithilfe von ’kooperationsfreundlichen’ Lizenzen ausgeräumt werden. Unter Berücksichtigung dessen wären z.B. Kooperationen innerhalb der Photovoltaik im Segment der ATF- (Advanced Thin Film) Module denkbar, deren zugrunde liegende Dünnschicht-Technologie sich u.a durch einen geringen Verbrauch an kostspieligem Halbleitermaterial auszeichnet. 74 Durch eine innerhalb der relevanten Wertschöpfungsnetzwerke, insbesondere auch auf kontinentale Absatzregionen (Europa, Nordamerika, Afrika, Asien, …) abgestimmte Planung von Produktions- und Logistikstandorten sowie Servicecentern lassen sich weitere Kosteneinsparpotenziale realisieren. Diese anlagenproduzentenbezogenen Kooperationsoptionen ermöglichen es nicht zuletzt, im Kontext globaler Wettbewerbsbedingungen, in Deutschland und Japan im Sinne eines „sustainable fair made“ nachhaltige Beschäftigungsanteile im Produktionsbereich zu realisieren bzw. auszubauen. Auf der Ebene der Anlagenbetreiber bieten sich Kooperationen an, um anknüpfend an das deutsche oder auch japanische Know-how und Leistungspotenzial insbesondere kostenintensive Anlagen, wie z.B. Offshore-Windkraftanlagen, Solarkraftwerke oder gegebenenfalls auch Wasserkraftwerke, mit verminderten finanziellen Risiken der einzelnen Kooperationspartner realisieren zu können.75 Davon könnten im Sinne der Förderung der intragenerativen Gerechtigkeit im Kontext des globalen Leitbilds einer
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nachhaltigen Entwicklung verstärkt gerade auch Entwicklungs- bzw. Schwellenländer profitieren. Als Kooperationspartner auf der Anlagenbetreiberseite kommen neben den Anlagenproduzenten selbst, vor allem Energieerzeugungsunternehmen und Finanzierungsinstitutionen (u.a. in Form von Sustainability Fonds) in Frage. Anlagenproduzenten steigern damit offenkundig insbesondere ihre Absatzchancen. Sofern, gestützt auf fundierte Prognosen, anhand der projektspezifisch geplanten Anlagennutzungsphasen von der Erzielung adäquater Renditen ausgegangen werden kann, dürfte dies nicht nur Finanzinvestitionen in Industrienationen wie Japan,76 sondern auch in Entwicklungsländern begünstigen. Darüber hinaus könnte das in Deutschland und Japan vorhandene Know-how verstärkt auch in kooperativen Unternehmensberatungsprojekten, etwa im wachstumsstarken asiatischen Bereich für Biomasse-Projekte und aufgrund der mustergültigen Erfahrungen Japans hinsichtlich Energieeffizienzmaßnahmen auch in diesem Anwendungsfeld genutzt werden.77 Eine grundsätzliche Motivation zum Engagement in den aufgezeigten Kooperationsfeldern liefert neben den langjährigen intensiven Beziehungen zwischen Japan und Deutschland vor allem die Tatsache, dass in Japan kulturbedingt auch beim Wissenstransfer die jeweils teilhabende Gruppe und somit der Teamgedanke im Vordergrund steht.78
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Zusammenfassung und Ausblick
Im Fokus dieses Beitrags standen Kooperationsoptionen für deutsche Unternehmen in Japan, und zwar im Wirtschaftssektor der erneuerbaren Energien, der sich im Wesentlichen auf die Bereiche Sonnenergie, Windenergie, Wasserkraft, Gezeiten- und Wellenergie, Geothermie und Biomasse erstreckt. Dabei wurden anknüpfend an das von der UNCED 1992 in Rio de Janeiro gebildete Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung als globalem politischen Leitbild für die Umwelt- und Entwicklungspolitik eingangs Nachhaltigkeitspotenziale der Nutzung erneuerbarer Energien im Kontext des globalen Wettbewerbs skizziert. Unter Berücksichtigung der den Problemkomplex der Nachhaltigkeit charakterisierenden Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales einerseits und den für die unternehmensspezifische Ausrichtung von Nachhaltigkeitszielen und Maßnahmen relevanten beiden Referenzpunkte, den Nachhaltigkeitswirkungen der Unternehmungstätigkeit und dem Unter-
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nehmensbeitrag zu den gesellschaftlichen Nachhaltigkeitszielen andererseits, wurden diverse Nachhaltigkeitspotenziale aufgezeigt. Hinsichtlich des letztgenannten Referenzpunktes wurden die Unternehmensbeiträge zu Klimaschutz und Energieeffizienz durch Produktion und Betrieb von Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien erwähnt. Die Nachhaltigkeitswirkungen der Unternehmungstätigkeit betreffend wurden insbesondere die Potenziale zur Optimierung unternehmerischer Öko-Effektivität und -effizienz auf Produkt- und Prozessebene sowie entsprechende Potenziale zur Wahrung bzw. Steigerung der Sozial-Effektivität und -effizienz, vor allem zwecks Implementation und Ausbau von nachhaltigen Beschäftigungsmaßnahmen, aufgezeigt. Anschließend wurde im zweiten Kapitel auf den Stand der deutschen und japanischen Unternehmungstätigkeit im Sektor erneuerbarer Energien eingegangen. Hierzu wurde verstärkt das Engagement und die Stellung deutscher Unternehmen thematisiert, wobei insbesondere die im weltweiten Vergleich erreichten Spitzenpositionen in den Bereichen Windenergie, Wasserkraft, Sonnenergie und Biomasse dargestellt wurden. Daraufhin erfolgte eine Skizzierung entsprechender Aspekte von japanischen Unternehmen und eine Würdigung der Spitzenpositionen Japans in den Bereichen Biomasse, Photovoltaik und Wasserkraft sowie bereichsübergreifend im Gebiet der Energieeffizienz. Deutsche und japanische Unternehmen könnten zum Aufbau und zur subsequenten Nutzung von Marktpotenzialen im Bereich erneuerbarer Energien auf weltweitem Maßstab sowohl mit Blick auf relevante Energietechnologien als auch mit Blick auf Energieeffizienzmaßnahmen kooperieren. Daran anknüpfend wurden im dritten Kapitel wesentliche Kooperationsoptionen im Sektor erneuerbare Energien für deutsche Unternehmen in Japan aufgezeigt. Dies erfolgte schwerpunktartig für die in beiden Ländern übereinstimmenden Spitzenbereiche, d.h. Biomasse, Sonnenergie und Wasserkraft. Die entsprechenden Möglichkeiten zur Bündelung von Know-how und Leistungspotenzialen wurden zunächst anhand der Kooperationsfelder F&E, Anlagenproduzenten und Anlagenbetreiber näher dargestellt. Im Kooperationsfeld F&E wurde insbesondere die durch Kooperationen mögliche stärkere Förderung der jeweils relevanten Schlüsseltechnologien, die gegebenenfalls Entwicklungssprünge hervorzubringen vermag oder eine zeitnahe Adaption derselben zulässt, gewürdigt. Im Kooperationsfeld der Anlagenproduzenten wurden u.a. die Möglichkeit, durch Harmonisierung von Produktionssystembestandteilen Skaleneffekte zu realisieren, und weitere Kosteneinsparpotenziale durch eine insbesondere auf Absatzregionen abgestimmte Planung von Produktions- und Logistikstandorten sowie Servicecentern genannt. Diese Kooperationsoptionen ermöglichen im Kontext des
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globalen Wettbewerbs zudem sowohl in Deutschland, als auch in Japan, nachhaltige Beschäftigungsanteile im Produktionsbereich zu implementieren bzw. auszubauen. Im Kooperationsfeld der Anlagenbetreiber bieten sich Kooperationen insbesondere an, um kostenintensive Anlagen (vor allem Offshore-Windkraftanlagen, Solarkraftwerke und Wasserkraftwerke) bei vermindertem Risiko der einzelnen Kooperationspartner zu realisieren. Als Kooperationspartner kommen dabei neben den Anlageproduzenten zuvorderst Energieerzeugungsunternehmen und Finanzierungsinstitutionen (u.a. Sustainability Fonds) in Frage. Aufgrund des in Japan und Deutschland in großem Maße vorhandenen Know-how im Sektor der erneuerbaren Energien wurden zudem Kooperationsoptionen auf der Unternehmensberatungsebene genannt, explizit im Bereich Biomasse und bei Energieeffizienzprojekten. Unter Berücksichtigung des im zweiten Kapitel in mehrfacher Hinsicht erwähnten immensen Wachstumspotenzials im Sektor der erneuerbaren Energien sollten zukünftig auch Kooperationen in den Bereichen in Erwägung gezogen werden, in denen die deutschen oder auch japanischen Unternehmen im weltweiten Vergleich bisher noch keine Spitzenpositionen erlangt haben, wie z.B. im Bereich der Geothermie sowie der Gezeiten- und Wellenenergie, und zwar verbunden mit der Intention, durch den wechselseitigen Know-how Transfer zumindest den Anschluss an die jeweiligen Marktführer nicht zu verlieren. Aufgrund der für nachhaltigkeitsbezogene Managementteilkonzepte bisher absehbar noch nicht verfügbaren Standards wird von den betroffenen Unternehmen zur Handhabung der Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales weiterhin ein hohes Maß an Kreativität eingefordert. In diesem Kontext stellt die Messung und Bewertung des Nachhaltigkeitsbeitrags der Unternehmenstätigkeit innerhalb eines Nachhaltigkeitscontrolling-Konzeptes eine große Herausforderung dar. Problematisch erweist sich dabei insbesondere, dass neben den eher in der ökonomischen und zum Teil auch in der ökologischen Dimension vorhandenen quantitativ messbaren Sachverhalten verstärkt in der sozialen Dimension vordergründig (zunächst) eher qualitativ zu charakterisierbare Sachverhalte (u.a. nachhaltige Arbeitszufriedenheit, menschenwürdige Arbeitsinhalte und berufliche Anerkennung) im Rahmen einer Operationalisierung von Nachhaltigkeit integrativ zu berücksichtigen sind. Neben der insofern offenkundig bei der Operationalisierung von Nachhaltigkeit zu bewältigenden Multiattributivität ist dabei wohl auch von einem mehrpersonellen Entscheidungsfindungsprozess auszugehen. Zur Lösung dieses Operationalisierungsproblems bieten sich daher insbesondere Verfahren der multiattributiven Entscheidungstheorie an, zu denen z.B. auch das von
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Saaty entwickelte Verfahren des Analytic(al) Hierarchy Process (AHP) zählt, 79 das bereits zur Operationalisierung der Nachhaltigkeit in einem viel versprechenden, weil für diverse Nachhaltigkeitsanwendungskontexte nützlichen, Ansatz angewendet wurde.80
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Anmerkungen 1
Vgl. Schönwandt (2004) S. 75; vgl. auch Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (1987) S. 193-197.
2
Vgl. Pütz/Bömkes (2006) S. 4-6, Schachtschneider (2005), S. 9-12.
3
Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde ursprünglich in der Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts geprägt und kommt in dem gleich lautenden Prinzip zum Ausdruck, das als Konsequenz aus den durch Rodungen im Mittelalter immens dezimierten Baumbeständen auf eine dauerhafte Nutzung von Forstbeständen ausgerichtet war; vgl. Hardtke/Prehn (2001) S. 13; Nutzinger/Radke (1995) S. 14 f.
4
Dieser Bericht wird nach dem Nachnamen der zuständigen Kommissionsvorsitzenden Gro Harlem Brundtland häufig auch als Brundlandt-Bericht bezeichnet; vgl. Hardtke/Prehn (2001) S. 58.
5
World Commission on Environment and Development (1987) S. 43.
6
Vgl. Pütz/Bömkes (2006) S. 6.
7
Vgl. Clausen/Loew/Klaffke/Raupach/Schoenheit/Freiberg (2002) S. 13.
8
Vgl. Dyllick (2004) S. 86 f.
9
Vgl. Pütz/Bömkes (2006) S. 10 f.
10
Vgl. Schaltdegger/Dyllick (2002) S. 33. Bei der Öko-Effizienz stellt der Wertschöpfungsanteil eine ökonomische Größe und der Schadschöpfungsanteil eine (belastete) ökologische Größe dar; vgl. hierzu auch Pütz/Bömkes (2006) S. 19.
11
Vgl. Pütz/Bömkes (2006) S. 24.
12
Vgl. Arnold/Freimann/Kurz (2003) S. 393.
13
Vgl. Schaltegger (2004) S. 165.
14
Vgl. Pütz/Bömkes (2006) S. 11.
15
Pütz/Bömkes (2006) S. 11; in Anlehnung an Dyllick (2004) S. 88.
16
Mit Hilfe von solarthermischen Anlagen wird Wärme für Warmwasserbereitung, Heizung und industrielle Prozesswärme direkt aus der solaren Strahlungsenergie gewonnen.
17
Photovoltaik kennzeichnet die direkte Umwandlung von Sonnenenergie in Strom. Das größte technische Stromerzeugungspotenzial haben Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen; mit einer Sonneneinstrahlung von bis zu 1.200 kWh p.a. bietet Bayern die vglw. besten Voraussetzungen zur Photovoltaiknutzung. Von den im Jahr 2001 insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland installierten 166 MWp Leistung entfielen mehr als ein Drittel auf Bayern. Allerdings ist die Photovoltaik gegenwärtig aufgrund der, unter Berücksichtigung der verfügbaren technologischen Möglichkeiten, höheren Kosten im Vergleich zu anderen Erzeugungstechnologien nur bedingt wettbewerbsfähig.
18
Windkraftanlagen wandeln mit Hilfe ihrer Rotoren die Strömung von Luft in mechanische Energie um, welche dann über konventionelle Generatoren zur Stromerzeugung genutzt wird. Die Windenergie ist eine der am stärksten geförderten Energieformen der Bundesrepublik Deutschland. Bis Ende des Jahres 2002 waren insgesamt etwas weniger als 14.000 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 12.000 MW in Betrieb. Innerhalb Deutschlands sind die „windstärkeren“ Küstenregionen im Norden stärker mit Windkraftanlagen ausgerüstet als bspw. die „südlicheren“ Bundesländer. Im Rahmen der Windenergienutzung werden vermehrt auch Offshore-Anlagen, also Windkraftanlagen auf See, installiert; vgl. auch von Hirschhausen/Jeske (2005), S. 4 f.
19
Biomasse stellt chemisch gespeicherte Sonnenenergie dar; sie kann aus unterschiedlichen Quellen stammen (bspw. Restholz aus Durchforstungsmaßnahmen, Abfallholz aus der Holzverarbeitung, Ernterückstände, Grünmasse aus der Landschaftspflege, Reststoffe aus der Tierhaltung sowie Nahrungsmittelreststoffe). Dabei können auch gasförmige Brennstoffe genutzt werden. Innerhalb Deutschlands ist Bayern das Bundesland, in dem die Energiegewinnung aus Biomasse den Landesenergiehaushalt mit Blick auf erneuerbare Energieträger am Bedeutendsten beeinflusst.
20
Im Jahr 2001 wurden bereits rund 5 % des Nettostromverbrauchs der Bundesrepublik Deutschland aus Wasserkraft erzeugt. Bayern und Baden-Württemberg verfügen über die besten Voraussetzungen zur Nutzung der Wasserkraft. Die Nutzung der Wasserkraft stellt die bedeutendste erneuerbare Stromerzeugungstechnologie dar; vgl. auch Hoppe-Kilpper/Brischke/Tiedemann (2006), S. 25 f.
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Geothermie wird in der Bundesrepublik Deutschland nahezu ausschließlich als Wärmequelle genutzt. Die Nutzung des hydrothermalen Tiefenwassers sowie weitere Verfahren der geothermischen Energiegewinnung lassen sich sowohl zur Wärmegewinnung als auch zur Stromerzeugung einsetzen. Die originäre Energie stammt dabei aus dem Erdkern, genauer gesagt aus den durch ihn aufgeheizten oberen Erdschichten, die – ausgehend von der Erdoberfläche – um rund 3 Grad Celsius pro 100m Tiefe ansteigen.
22
So gilt bspw. für fossile Brennstoffe, dass die Orte ihrer Förderung und die Orte ihrer Konsumption geographisch weit auseinander liegen (das gilt tendenziell auch für die natürlichen Gasvorkommen), was die Entstehung und Ausbildung von geopolitischen Konflikten z.T. stark begünstigt (dieses ist im Fall der Mineralölreserven besonders ausgeprägt). Im Jahr 1992 hat Europa bspw. dreimal soviel Erdöl konsumiert wie es gefördert hat – Japan hat gänzlich keine eigenen Mineralölreserven; vgl. Lehmann (1995), S. 4. Siehe zur Allokation von fossilen Brennstoffen auf Förderund Nachfrageländer Nitsch/Krewitt/Nast/Viebahn/Gärtner/Pehnt/Reinhardt/Schmidt/Uihlein/Barthel/Fischedick/Merten (2004), S. 2. Siehe zur Vielfalt der für die Unternehmen geltenden behördlichen Zulassungsvoraussetzungen für die unterschiedlichen Technologien in der Bundesrepublik Deutschland stellvertretend Klinski (2005).
23
Siehe Springmann (2005).
24
Auch spielt z.B. die uneinheitlich ausgeprägte Energieeffizienz eine Rolle im Rahmen derartiger Bewertungsverfahren.
25
So wird in den erneuerbaren Energien (und Kraft-Wärme-Kopplungen) bspw. auch ein Potenzial gesehen, um überalterte Kraftwerke zu ersetzen – siehe hierzu Peter/Lehmann (2004a).
26
Durch eine Fortschreibung des heutigen Energiemixes werden entsprechende Faktorknappheiten – insbesondere bei den fossilen Brennstoffen – in weniger als 20 Jahren zu erheblichen Verteuerungen führen; zudem legen die durch Kohlendioxidemissionen angestoßenen Klimaveränderungen eine deutliche Drosselung fossiler Brennstoffe nahe: Kohlendioxidemissionen führen zu einem mittleren globalen Temperaturanstieg, in dessen Folge u.a. sich die Lebensräume von Tieren und Pflanzen verschieben und Extremwetterereignisse emergieren (bspw. Starkniederschläge, Hitze- und Dürreperioden mit Konsequenzen für die Nahrungsmittelversorgung in weiten Teilen von Afrika, Asien und Lateinamerika); vgl. Vahrenholt (2002), S. 19. Mittelfristig sichert die Nutzung von erneuerbaren Energien die Abnehmer auch vor Preissteigerungen bei den fossilen und nuklearen Ressourcen ab; vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2006a), S. 8. Anthropogene Emissionen (wie bspw. die Kohlendioxidemissionen) haben dazu geführt, dass die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre seit dem Jahr 1750 um rund ein Drittel gestiegen ist.
27
Dadurch soll u.a. auch eine Versorgungssicherheit gewährleistet sein.
28
Siehe zu einer Analyse der Kosten von fossilen vs. erneuerbare Energien Krewitt/Schlomann (2006). Siehe zu einer Projektion zukünftig denkbarer Entwicklungspfade der alternativen erneuerbaren Energien Peter/Lehmann (2004b).
29
Siehe in extenso Deutscher Bundestag (2002). Siehe ergänzend auch Lehmann (2002).
30
Siehe Internationale Konferenz für Erneuerbare Energien (2004a) sowie Internationale Konferenz für Erneuerbare Energien (2004b).
31
Auch im internationalen Kontext werden entsprechende Förderprogramme aufgelegt; siehe in extenso Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2005b).
32
Während bspw. die Erschließung bzw. die Nutzung von Offshore-Windanlagen hohe Investitionen in Einzelprojekte und in die Infrastruktur zur Anbindung an das Stromnetz erfordert, fallen bei der Nutzung von Solarenergie auch in den ländlichen Gebieten der sonnenreichen Länder keine Netzerschließungskosten an (was die Nutzung wirtschaftlicher macht).
33
Während die hohe Subventionsleistung des Staates in die Windenergie in den Anfangsjahren umfänglich kritisiert worden ist, zahlt sie sich als volkswirtschaftliche Rendite – z.B. ausgedrückt durch eine Wertschöpfung im Auslandsgeschäft von bereits jetzt rund 3 Mrd. Euro – doch mehr und mehr aus. Ähnliches ist auch für andere Energietechnologien zu erwarten. Zur Effektivität und ökonomischen Effizienz der staatlichen Förderung im Bereich der Windenergie (Onshore-Segment) siehe Ragwitz (2005), S. 6.
34
In der Bundesrepublik Deutschland realisiert sich das Geschäft mit neuen Windparks ungleich viel besser als das Geschäft mit der Erneuerung von bestehenden Altanlagen (sog, Repowering), obgleich auch aus dem Repowering und aus dem Offshoring noch höhere Faktoreffizienz gewonnen werden könnten.
35
Obgleich der Weltmarktanteil deutscher Anbieter von Windkraftanlagen (bspw. Pfleiderer, Heilit & Wörner (Turmbau), Alsthom (Transformatoren und Mittelspannungsanlagen), Siemens, Loher (Generatoren), Flen-
Erneuerbare Energien – Kooperationsoptionen für deutsche Unternehmen in Japan
235
der (Getriebe), FAG Kugelfischer (Lager)) von 50% im Jahr 2004 auf 38% im Jahr 2005 gesunken ist, realisierten die deutschen Unternehmen trotzdem rund 1 Mrd. Euro mehr an Umsatz; dies zeigt die enormen Wachstumsbewegungen in diesem Geschäft. Siehe Trechow (2006b), S. 3. Deutsche Hersteller halten zudem im wachsenden internationalen Geschäft jeweils ihre Spitzenstellungen im Wettbewerb. 36
So kann der Energieertrag einer Offshore-Anlage im Vergleich zu einer Landanlage aufgrund der höheren Windgeschwindigkeiten auf See sowie der größeren Flügeldurchmesser um rund 40 % höher sein, so dass die Kosten für einen aufwendigeren Kabelanschluss von der Erzeugungsanlage zur Einspeisungsanlage (über-)kompensiert werden können – dieses ist jedoch von der Entfernung der Offshore-Anlage zum Land abhängig; vgl. Vahrenholt (2002), S. 20. Investitionsvolumina im Offshore-Bereich sind deutlich höher als für diejenigen an Land (u.a. weil die Infrastruktur zur Anbindung an das Stromnetz hier in weiten Teilen erst noch geschaffen werden muss, und u.a. weil die Einzelprojekte im Offshore-Segment größer sind als die im Onshore-Segment), was den Marktzugang für die Offshore-Nutzung auf kapitalstarke Akteure bzw. Konsortien reduzieren dürfte; vgl. Lehmann/Peter (2005), S. 5.
37
Schweden, Dänemark, Großbritannien und die Niederlande sind im Offshore-Windenergie-Segment derzeit führend. Vgl. inhaltlich von Hirschhausen/Jeske (2005), S. 8 f.
38
Noch im Jahr 2002 gingen industrielle Anbieter demgegenüber davon aus, 20.000 MW Leistung aus Windenergie in der Bundesrepublik Deutschland erst im Jahr 2020 realisieren zu können – siehe hierzu Vahrenholt (2002), S. 20.
39
Vgl. Trechow (2006a), S. 1.
40
Vgl. Vahrenholt (2002), S. 20.
41
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2005a), S. 5.
42
Siehe hierzu entsprechende Szenarien bei Lehmann (2001), S. 6 ff.
43
Vgl. Motlhatlhedi (2004), S. 3.
44
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2006a), S. 34.
45
Vgl. Vahrenholt (2002), S. 20.
46
So gelten die lokale Verfügbarkeit, niedrige Kosten und Einfachheit der Nutzung als Vorteile, wohingegen allfällige Gesundheitsrisiken, Kohlendioxidemissionen und Landerosion als Nachteile angeführt werden können; vgl. Motlhatlhedi (2004), S. 4.
47
Unternehmen aus der Bundesrepublik Deutschland erzielten im Jahr 2005 mit Geschäften im Bereich Biomasse einen Umsatz von rund 6,3 Mrd. Euro, im Bereich Windenergie einen Umsatz von rund 4,5 Mrd. Euro, im Bereich Solarenergie einen Umsatz von rund 4,3 Mrd. Euro, im Bereich Wasserkraft einen Umsatz von rund 1,2 Mrd. Euro und im Bereich Geothermie einen Umsatz von rund 270 Mio. Euro; vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2006b), S. 26.
48
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2006a), S. 37.
49
Hierbei wird organisches Ausgangsmaterial im Rahmen eines anaeroben Fermentationsprozesses u.a. in Biogas umgesetzt.
50
Vgl. Vahrenholt (2002), S. 20.
51
Siehe in extenso die Ausführungen bei Thrän/Weber/Scheuermann/Fröhlich/Zeddies/Henze/Thoroe/ Schweinle/Fritsche/Jenseit/Rausch/Schmidt (2005).
52
So wird die Forschung & Entwicklung zu organischen Solarzellen und transparenten Konduktoren bspw. in Form von industrie- und forschungsinstitutübergreifenden Netzwerken vollzogen; vgl. Luther (2004), S. 11.
53
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2006b), S. 28.
54
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2006b), S. 24.
55
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2006b), S. 25.
56
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2006c), S. 5.
57
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2006c), S. 6.
58
Die Bundesrepublik Deutschland deckt rund 60% ihres Energiebedarfs über Energieimporte.
59
So hat sich die Erdölkrise in den frühen siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sehr gravierend auf Japan ausgewirkt; der Rohölpreis vervierfachte sich damals innerhalb von nur einem Jahr. In der Folge wurden ab 1974 mehr als 50 Kernkraftwerke gebaut.
236
60
61
Frank Himpel und Markus Pütz
Bspw. haben Unternehmen in Japan flächendeckend Abwärmerückgewinnungssysteme etabliert; in den westlichen Industrienationen ist eine derartige Technologie hingegen nur rudimentär verbreitet. In Unternehmen der japanischen Stahlindustrie werden Brennstoffe verbraucht und hervorgebracht, bei deren Anteil sich die Energiebilanz nahezu kohlendioxidneutral gestalten lässt. Vgl. Kölling (2005), S. 71.
62
Bspw. fallen in der Ökobilanz eines Automobils rund 20% des Kohlendioxids während seiner Produktion an, wohingegen rund 80% im Rahmen der späteren Nutzung emittiert werden. Insofern legen japanische Automobilhersteller ein großes Augenmerk darauf, wie viel Energie ihre Produkte im Verlauf der Nutzungsphase sparen - und aufgrund der ohnehin schon hohen Produktionsenergieeffizienz immer weniger darauf, wie viel sich im Bereich der Produktion noch weiter einsparen lässt.
63
Bspw. verbraucht die japanische Bevölkerung im Privatbereich durchschnittlich pro Kopf nur halb so viel Energie wie die Einwohner der Bundesrepublik Deutschland.
64
Die staatliche Energieagentur Japans wurde bereits im Jahr 1980 gegründet. Anfänglich fokussierte die Förderung auf Bereiche der Photovoltaik, wird mittlerweile jedoch auf alle erneuerbaren Energieträger ausgerichtet.
65
Ausgehend von einem Niveau von 107 Mio. t Kohlendioxidemissionen im Jahr 1998, welches als "Basisjahr" für die Reduzierungsmaßnahmen festgelegt wurde, entspricht das nahezu einer Halbierung des ursprünglichen Emissionsvolumens.
66
Japan hält den relativ höchsten Anteil der Energieerzeugung durch Photovoltaikanlagen, bezogen auf die weltweite Energieerzeugung durch Photovoltaikanlagen, seit Anfang der 1990er Jahre. Zu bemerken ist, dass in den vergangenen Jahren der relative Anteil der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis jedoch noch etwas mehr gewachsen ist als der Anteil Japans.
67
Vgl. New Energy and Industrial Technology Development Organization (2006), S. 29.
68
Vgl. New Energy and Industrial Technology Development Organization (2006), S. 30.
69
Insbesondere auf Hokkaido, der nördlichsten Insel, bietet sich die energetische Nutzung von Biogas aus Gülle an - mehr als 50% der gesamten japanischen Viehwirtschaft sind auf Hokkaido konzentriert. Vgl. Japan External Trade Organization (2005), S. 4.
70
Im Jahr 2004 waren etwas mehr als 920 Turbinen landesweit installiert. Vgl. New Energy and Industrial Technology Development Organization (2006), S. 30.
71
Insbesondere die chinesische Zementindustrie steht im Fokus dieser Bemühungen.
72
Im Hinblick auf das Wachstumspotenzial im Bereich Energieerzeugung aus Biomasse sei hier noch einmal auf den mit 13 % im Referenzjahr 2003 eher geringen Anteil der erneuerbaren Energien am weltweiten Primärenergieverbrauch erinnert; siehe hierzu die entsprechenden Ausführungen in Abschnitt 2.1.
73
Vgl. hierzu die entsprechenden Hinweise in Fußnote 17.
74
In diesem Kontext sei angemerkt, dass die ANTEC Solar Energy AG mit Sitz und Produktionsstandort in Deutschland laut unternehmenseigener Information eines der beiden derzeit weltweit verfügbaren Unternehmen darstellt, das ATF-Module herstellt; vgl. ANTEC Solar Energy AG (2006).
75
Vgl. zur Kostenproblematik im Offshore-Segment der Windenergie erneut die entsprechenden Ausführungen in Fußnote 36.
76
Vgl. David/Yoshikawa/Chari/Rasheed (2006), S. 596.
77
Vgl. zu den Erfahrungen Japans im Bereich von Energieeffizienzmaßnahmen erneut die entsprechenden Ausführungen in Abschnitt 2.2.
78
Vgl. Hoffjan/Nevries/Wömpener (2005) S. 292.
79
Vgl. zum AHP z.B. Saaty (1996); Saaty/Vargas (2001); ferner Zelewski/Peters (2003).
80
Vgl. in extenso Pütz/Bömkes (2006) S. 64-85.
Als Dienstleister am Puls der Unternehmen Günter Jertz *
* Günter Jertz, Geschäftsführer Bereich International, Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Mainz.
Als Dienstleister am Puls der Unternehmen
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Globalisierungschancen für kleine und mittlere Unternehmen Weltweiter Handel und grenzüberschreitende Investitionen gehören zu den zentralen Voraussetzungen für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland. Wie kaum ein anderes Industrieland profitiert die Bundesrepublik von offenen Weltmärkten und ihren internationalen Verflechtungen. Die robuste Außenwirtschaftskonjunktur liefert konstante Wachstumsbeiträge, ohne die sich Deutschland seit Jahren in einer tiefen Rezession befände. Um in Deutschland Wohlstand und Arbeitsplätze zu sichern, müssen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen die Globalisierungschancen in den lukrativen Märkten in Asien, Amerika oder den mittel- sowie osteuropäischen Staaten noch intensiver nutzen. Auch das neue erweiterte Europa bietet Chancen für wirtschaftliche Kooperationen, die es von den Unternehmen zu nutzen gilt. Die bundesdeutschen Zahlen untermauern die Bedeutung des Auslandsgeschäfts: Der Export macht inzwischen 38 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Fast 9 Millionen Arbeitsplätze hängen von der Exportwirtschaft ab. Im Auslandsgeschäft erfolgreich tätige Firmen schaffen deutlich mehr neue Arbeitsplätze in Deutschland als Unternehmen, die nur Märkte im Inland bedienen. Drei neu im Ausland entstandene Arbeitsplätze schaffen im Durchschnitt einen zukunftssicheren Arbeitsplatz im Inland.
Gleich mehrere „außenwirtschaftliche“ Instrumente Vor diesem Hintergrund verstehen sich die Initiativen der Industrie- und Handelskammern, die nicht zuletzt den Mittelstand über alle Aspekte des internationalen Geschäfts informieren und bei Bedarf auch mit Recherchen auf den jeweiligen Zielmärkten unterstützen. Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) für Rheinhessen, die ihren Sitz in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz hat, versteht sich als kompetenter Dienstleister, wenn es um Fragen des Exportgeschäfts und der internationalen Geschäftsanbahnung der Unternehmen im Kammerbezirk geht. 34 000 Firmen, zumeist mittelständisch geprägt, werden durch die rheinhessische IHK repräsentiert. Die Exportquote in Rheinhessen liegt bei 38 Prozent (2005). Ganz nah am Puls der Unternehmen will die IHK mit ihren außenwirtschaftlichen Veranstaltungen sein. So sind so genannte Wirtschaftstage mit Länderschwerpunkten ein wichtiges Instrument, um die Außenwirtschaft im Kammerbezirk rund um Mainz zu fördern. Die inhaltliche Palette reicht vom makroökonomischen Überblick, Fragen des Markteinstiegs sowie den Formen der Kommunikation über Finanzierungsfragen
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bis hin zu rechtlichen Rahmenbedingungen. Intention ist es stets, den Unternehmern den Marktzugang zu erleichtern und Fehler, die zu einer finanziellen Schieflage führen können, vermeiden zu helfen. Gemeinsam mit der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz widmete sich die Kammer unter anderem dem japanischen Markt und seinen Besonderheiten, wobei auch Wirtschaftsräume wie Korea und Vietnam mit eigenen Veranstaltungen in den Fokus gerückt wurden. Zudem präsentiert die IHK regelmäßig Seminare zu Exportfragen sowie individuelle Ländersprechtage und ermöglicht Messebeteiligungen auf internationaler Bühne sowie Kooperationsbörsen, bei denen Unternehmer mit ausländischen Branchenkollegen Chancen einer Zusammenarbeit ausloten.
Erfolg basiert auf „Drei Säulen-Modell“ Zum Erfolg der Wirtschaft auf den Märkten der Welt hat auch das deutsche Modell der Außenwirtschaftsförderung beigetragen, das auf „drei Säulen“ basiert: Der Bundesagentur für Außenwirtschaft, den Botschaften und Konsulaten als offizielle diplomatische Vertretungen sowie den Auslandshandelskammern, die für die IHK sozusagen die internationalen Brückenköpfe sind. Sie dienen – mit unterschiedlichen Aufgaben – als eine Art von „Serviceverbund Außenwirtschaft“ den Interessen der deutschen Wirtschaft in der Welt. Und dieses System hat sich bewährt: Es gilt als flexibel, effizient und auf die individuellen Bedürfnisse der Wirtschaft zugeschnitten. Ein Novum: In keiner anderen großen Handelsnation trägt die Wirtschaft selbst so viel zur Finanzierung des Systems bei wie hier zu Lande. Beispiel dafür, wie die Stärke eines dezentralen, marktnahen Instruments mit einer gemeinsamen Strategie zur Geltung kommen kann, ist das gemeinsame Außenwirtschaftsportal Ixpos. Die Plattform bündelt die Serviceangebote von Bundesministerien, Kammern, Ländervereinen und Wirtschaftsorganisationen zur Förderung des Auslandsgeschäfts deutscher Unternehmen. In dem „Schwesterportal“ e-trade-center, der zentralen Internetbörse für internationale Geschäftskontakte, können deutsche und ausländische Firmen weltweit nach passenden Geschäftspartnern suchen sowie ihre Güter und Dienstleistungen online anbieten.
Als Dienstleister am Puls der Unternehmen
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Neue Dachmarke „DEinternational“ Schon heute engagiert sich jeder zehnte Mittelständler im Ausland. Dieser Entwicklung tragen die Auslandshandelskammern seit dem Jahresbeginn 2006 mit der neuen Marke „DEinternational“ Rechnung. Dahinter steht die Selbstverpflichtung zu einem Angebot an weltweit einheitlichen und ausgebauten Dienstleistungen. „DEinternational“ funktioniert ähnlich wie ein Franchise-Konzept. Die abgestimmten Leistungen der Marke werden langfristig in jedem der 120 Büros in 80 Ländern durch die örtlichen Experten angeboten. In einem ersten Schritt durchläuft „DEinternational“ in 32 Ländern eine Pilotphase, die Ende 2006 abgeschlossen sein. Die Koordination übernimmt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin. Damit ist das Netzwerk speziell auf die Bedürfnisse der mittelständischen Unternehmen abgestimmt, die trotz knapper Ressourcen die Chancen internationaler Geschäftsbeziehungen nutzen wollen. Zum Angebot von „DEinternational“ gehören individuelle Erstberatungen mit umfangreicher Adressrecherche, ausführlichen Informationen über das jeweilige Land sowie die Vermittlung von Terminen in der lokalen Wirtschaft und Politik. Die Mitarbeiter, die die Recherchen übernehmen, verfügen vor Ort über ein Netzwerk an Kontakten und bieten gründliche Marktanalysen, Absatz- sowie Rechtsberatung und einen Überblick über relevante Messen und Veranstaltungen. Die Büros von „DEinternational“ sind miteinander vernetzt, was den internationalen Austausch verstärkt. Für Unternehmen bedeutet das eine erhebliche Erleichterung: Werden Informationen aus verschiedenen Ländern benötigt, kann die Abfrage künftig über eine Auslandshandelskammer erfolgen.
Erstmals Studie für Rheinland-Pfalz Die eigene Arbeit und ihre Ergebnisse stellen die Kammern in regelmäßigen Intervallen auf den Prüfstand - so im Jahr 2005 mit der erstmals vorgelegten Studie „Going international – Erfolgsfaktoren im Auslandsgeschäft“, die die Industrie- und Handelskammern in Koblenz, Ludwigshafen, Trier und Mainz für Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben und veröffentlicht haben. Das Ergebnis wiederum unterstreicht die Arbeit der Kammern: Schafft doch das Auslandsengagement der rheinland-pfälzischen Unternehmen auch im Inland Wachstum und sichert Arbeitsplätze. Die Umfrage unter den 3325 im Ausland aktiven Unternehmen in Rheinland-Pfalz habe gezeigt, dass fast 42
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Prozent der Firmen seit Beginn ihres Auslandsengagements eine Gewinnzunahme verzeichnen können. Dass die Bedeutung internationaler Märkte in der nahen Zukunft noch zunehmen wird, zeigt ein weiteres Ergebnis der Studie: Haben die befragten Firmen 2004 einen Auslandsumsatzanteil von gut 39 Prozent angegeben, so planen die Firmen für 2009 bereits im einem Auslandsumsatz von über 48 Prozent. Nach wie vor belegt Rheinland-Pfalz beim Export im bundesweiten Vergleich einen Spitzenplatz: Mit 45,8 Prozent lag die Exportquote 2004 deutlich höher als im Bund. Seit Jahren ist das Auslandsengagement für viele rheinland-pfälzische Unternehmen fester Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie, wie die Umfrage der vier Kammern ergab. Drei wesentliche Beweggründe haben die Firmen zum Engagement im Ausland animiert: Die Erschließung neuer Absatzmärkte, eine Verbesserung ihrer Wettbewerbsposition mit dem jeweiligen Produkt oder der Dienstleistung sowie die Erschließung kostengünstigerer Einkaufsmärkte.
Erwartungen werden meist erfüllt Wie die Umfrage in den Kammerbezirken Mainz, Koblenz, Ludwigshafen und Trier weiter bilanziert, haben sich bei 92 Prozent der befragten Unternehmen die Erwartungen ihres Auslandsgeschäfts zu 88 Prozent erfüllt. Wo engagieren sich die Unternehmer am häufigsten? Über 92 Prozent in den bisherigen 15 EU-Staaten, 61,5 Prozent in den zehn neuen Mitgliedsländern der europäischen Union, über 57 Prozent auf dem asiatischen Markt und 53,4 Prozent in Nordamerika. Um lukrative Märkte beurteilen zu können, besuchen sie zunächst die jeweiligen Zielländer. Vor allem der Besuch von Messen bringt Unternehmern relevante Informationen über die Märkte. Eine zentrale Aussage und inhaltliche Bestätigung der IHKArbeit: Beim Aufbau internationale Geschäftsbeziehungen nutzen die Firmen vorrangig die Industrie- und Handelskammern mit ihrer vielfältigen Veranstaltungspalette zur Außenwirtschaft. 56,5 Prozent der befragten Firmen, und damit eine deutliche Mehrheit, greift auf die IHK-Angebote zurück. Auch die deutschen Auslandshandelskammern und der direkte Kontakt zu Geschäftspartnern spielen eine Rolle. Internationale Aktivitäten öffnen auch rheinland-pfälzischen Unternehmen die Augen für die Standortvorteile des Auslands. Die Unternehmen stehen deshalb vielfach vor der Frage, ob sie sich künftig unter den derzeitigen Standortbedingungen Produktion,
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aber Forschung und Entwicklung in Deutschland noch leisten können. Fast jedes vierte Unternehmen verlagerte laut der Umfrage seine Produktion ins Ausland, für überwältigende 94 Prozent haben sich die geknüpften Erwartungen erfüllt. Zumeist galten die Produktionsverlagerungen Asien, Rumänien, Bulgarien und den zehn neuen EUMitgliedsstaaten. Dennoch: In nur verschwindend geringem Umfang (4,4 Prozent) verlagern Unternehmen wissensintensive Bereiche und damit Forschung sowie Entwicklung an ausländische Standorte. Unterm Strich: Derartige Produktionsverlagerungen kosten auch in Rheinland-Pfalz Arbeitsplätze, werden aber gerade in einem so exportorientierten Bundesland vom Boom der auslandsaktiven Formen kompensiert, weil sie Stellen schaffen oder zumindest sichern. „Damit sichert das Exportgeschäft die Zukunft unserer Unternehmen ganz maßgeblich“, lautet das Resümee der Arbeitsgemeinschaft der vier rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern.
Mehr Firmen planen Exportgeschäft Ein deutliches Signal: Fast um Viertel wird sich die Steigerungsrate an Unternehmen erhöhen, die Auslandsaktivitäten jedweder Art planen. Momentan nutzen 39,1 Prozent die internationalen Märkte, 48,4 Prozent sind es laut der Prognose im Jahr 2005. Die größte Dynamik der Geschäftsentwicklung wird für die Länder Russland, Türkei, Indien, China, Rumänien und Bulgarien erwartet. Mit zwei Erfolgsfaktoren punkten die rheinland-pfälzischen Firmen auf internationalen Märkten: Produktqualität und Technologievorsprung. Wettbewerbsvorteile durch technologische Innovationen sind für ein Drittel aller Unternehmen der Schlüssel zum Erfolg, nicht zuletzt für die Branchen Maschinenbau, EDV, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik ist dieser Aspekt von besonderer Bedeutung.
Was fordert die Wirtschaft? Von klar definierten Erwartungen der deutschen Wirtschaft im Blick auf ihre mittelfristige Zukunft ist die skizzierte Förderung der außenwirtschaftlichen Aktivitäten begleitet. Eine dynamische, zukunftsorientierte Politik müsse dazu beitragen, das Auslandsengagement der deutschen Wirtschaft längerfristig auszubauen und zu sichern – so lautet eine der zentralen Forderungen, die für die Legislaturperiode der neuen Bundesregierung, die im Herbst 2005 gewählt
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Günter Jertz
wurde, formuliert worden war. Dabei muss abermals berücksichtigt werden, dass die deutsche Außenwirtschaft vom Mittelstand geprägt ist und daher besonderer Unterstützung, gerade von den 81 deutschen Industrie- und Handelskammern als kompetente Partner vor Ort, bedarf. Klar ist aber auch: Die positiven Auswirkungen der Auslandsaktivitäten des deutschen Mittelstands sowohl auf den allgemeinen Unternehmenserfolg als auch auf die Entwicklung von Konjunktur und Arbeitsmarkt im Inland werden in der politischen Diskussion häufig unterschätzt oder sogar bewusst verschwiegen. Die allzu sehr ideologisch geführten Debatten um internationale Arbeitsteilung und gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen müssten daher, so die nächste Aussage der Wirtschaft, unbedingt versachlicht werden. Die Globalisierung biete der deutschen Wirtschaft zahlreiche Betätigungsmöglichkeiten, die über bloße Produktionsverlagerungen hinausgehen und neue Arbeitsplätze, vor allem im höherqualifizierten Bereich, schaffen. Ziel ist daher aus Sicht der Unternehmer, die Globalisierung als Chance für Deutschland zu begreifen und als Daueraufgabe gemeinsam von Politik, Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu gestalten. Ein anderer Vorschlag: Die Bundesregierung könnte eine langfristig angelegte Informationskampagne zur Globalisierung auflegen, die im Besonderen auf die Handelspolitik, internationale Investitionspolitik, Instrumente der Außenwirtschaftsförderung, Zoll, Ausfuhrkontrolle und die Pflege der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ausgerichtet sein soll. Die öffentliche Debatte über die Globalisierung wäre so spürbar zu forcieren. Schließlich ist für ein Land wie Deutschland, das im höchsten Maße von internationalen Wirtschaftsentwicklungen abhängt, eine prononcierte Bearbeitung außenwirtschaftlicher Fragen von besonderer Bedeutung.
Von Messen bis Delegationsreisen Was zugleich heißen muss: Die politische Flankierung der Auslandsgeschäfte deutscher Unternehmen ist überall dort wichtig, wo Regierungen Investitionsentscheidungen treffen oder Projekte maßgeblich beeinflussen. Insbesondere bei der Vergabe von Großprojekten ist die Unterstützung der Bundesregierung als Ergänzung zu den Aktivitäten der übrigen Akteure der Außenwirtschaftsförderung von allergrößter Tragweite. Für den Mittelstand hat dabei etwa das Instrument der Wirtschaftsdelegationsreisen eine wichtige Türöffnerfunktion.
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Der durch das Auslandsmesseprogramm unterstützte Auftritt deutscher Unternehmen auf Auslandsmessen dient der Darstellung der Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland und seiner Unternehmen im Ausland. Deshalb gilt es, auch hier die Angebote mittelstandsnah weiterzuentwickeln – so etwa die Prüfung, inwieweit Auslandsmessen über die Präsentationen einzelner Branchen hinaus zur Werbung für den Standort Deutschland genutzt werden können. Auf einem anderen Sektor wäre ein Stück Entbürokratisierung notwendig: HermesBürgschaften, die dazu dienen, den Zugang der deutschen Exportwirtschaft zu schwierigen Märkten zu erleichtern, müssten im Entscheidungsverfahren für Deckungsanträge unbedingt weiter vereinfacht und vor allem beschleunigt werden.
Auch Zollfragen auf den Prüfstand Bei der internationalen Markterschließung spielen zudem Zollfragen eine zentrale Rolle. Auch hier gibt es Optimierungsbedarf: Zollrecht und Zollverfahren müssen sich an ihrer Wirtschaftsnähe, Effektivität und Effizienz messen lassen. Der Zoll ist insofern ein wichtiger Faktor der Wettbewerbsfähigkeit. Die Unternehmen haben einen Anspruch darauf, dass sie auch von der Zollverwaltung im Wettbewerb auf dem Weltmarkt unterstützt werden. Sie sind dabei insbesondere auf Verfahren angewiesen, die den Anforderungen des modernen Handels gerecht werden. Es kommt darauf an, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zollabwicklung möglichst anwenderfreundlich zu gestalten, insbesondere vor dem Hintergrund der gestiegenen Sicherheitsbedürfnisse. Außenwirtschaftsförderung und die Werbung für den Standort Deutschland sowie die Akquise ausländischer Investoren ist nach wie eng mit der Marke „Made in Germany“ verknüpft. Doch genau dieser Begriff muss ebenfalls dringend modifiziert werden, weil die Rahmenbedingungen in der rasanten Welt der Globalisierung längst andere als in den Zeiten sind, in denen der Slogan „Made in Germany“ erstmals die Runde machte. Unterm Strich müssen alle Marketingaktivitäten ein Ziel haben: Den Auftritt und die Erfolgschancen der Unternehmen im Ausland zu verbessern.
Japanisches Personalmanagement im Spannungsfeld zwischen Kontinuität und Wandel Markus Pudelko*
Inhalt
Kurzfassung 1
Rückschau auf das Ansehen des japanischen Personalmanagements
2
Japanisches Personalmanagement im Vergleich zum amerikanischen und deutschen Personalmanagement 2.1
Personalbeschaffung und -freisetzung
2.2
Betriebliche Aus- und Weiterbildung
2.3
Personalbeurteilung und Beförderungskriterien
2.4
Anreizgestaltung
2.5
Innerbetriebliches Kommunikationsverhalten
2.6
Innerbetriebliches Entscheidungsverhalten
2.7
Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis
2.8
Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse
3
Die Bereitschaft japanischer Personalmanager vom westlichen Personalmanagement zu lernen
4
Schlussbemerkungen: Kontinuität und Wandel im japanischen Personalmanagement
Literaturverweise
* Markus Pudelko, University of Edinburgh Management School.
250
Markus Pudelko
Kurzfassung Das japanische Management befindet sich aufgrund der lang anhaltenden Stagnation der japanischen Wirtschaft in einer Krise. Mehr und mehr setzt sich die Auffassung durch, dass nachhaltige Änderungen des Managements und hier insbesondere des Personalmanagements japanischer Unternehmen unumgänglich sind. Westliche Personalmanagement-Praktiken werden in diesem Zusammenhang oft als Vorbild angesehen. Aber inwieweit lassen sich Handlungsmuster aus einem anderen Kulturraum erfolgreich auf den japanischen Kontext übertragen? Auf diese zentrale Frage versucht dieser Beitrag eine Antwort zu geben. Zunächst werden die wichtigsten Erkenntnisse aus der Literatur diskutiert. Darüber hinaus greife ich insbesondere auf Resultate einer von mir durchgeführten empirischen Erhebung zurück. Hierbei wird zunächst das japanische mit dem amerikanischen und dem deutschen Personalmanagement verglichen, um so die besonderen Eigenschaften, Herausforderungen und Wandlungstendenzen des japanischen Modells herauszuarbeiten. Zudem wird vor allem der Frage nach der Bereitschaft japanischer Manager, vom westlichen Personalmanagement zu lernen, nachgegangen. Es wird dargelegt, dass das japanische Personalmanagement gegenwärtig einen nachhaltigen Wandel vollzieht. Hierbei besitzt das amerikanische Personalmanagement in vielerlei Hinsicht Vorbildcharakter. Vermehrte Flexibilisierung sowie Individualisierung stehen hierbei im Vordergrund. Gleichwohl sollte diese Erkenntnisse nicht zu der Annahme verführen, das japanische Unternehmen westliche Handlungsmuster eins-zu-eins kopieren. Vielmehr erfolgt eine Anpassung an den spezifisch japanischen Kontext.
Japanisches Personalmanagemenet im Spannungsfeld zwischen Kontinuität und Wandel
1
251
Rückschau auf das Ansehen des japanischen Personalmanagements
Noch während der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts galt das Personalmanagement japanischer Unternehmen als eine der wichtigsten Ursachen für den beeindruckenden Erfolg japanischer Unternehmen auf den Weltmärkten (vgl. z.B: Inohara 1990). Zahllose Veröffentlichungen beschäftigten sich damit, wie westliche Manager von japanischen Personalmanagement-Praktiken lernen konnten (vgl. z.B. Vogel 1979; Ouchi 1981; Pascale und Athos 1981; Peters und Waterman 1982). Jedoch nur wenige Jahre später fiel Japan in eine lang anhaltende wirtschaftliche Stagnation, von der sich das Land gegenwärtig nur mühsam wieder erholt. Paradoxerweise werden dieselben, kurz zuvor noch gepriesenen Personalmanagement-Ansätze nunmehr vielfach als wesentliche Faktoren zur Erklärung der Wettbewerbsprobleme japanischer Unternehmen angesehen (Smith 1997; Yoshimura und Anderson 1997). Die Frage, die gegenwärtig im Vordergrund der japanischen PersonalmanagementForschung steht lautet daher: Folgen japanische Unternehmen weiterhin tradierten Handlungsmustern im Personalmanagement oder führen sie grundlegende Anpassungsstrategien durch, wobei möglicherweise insbesondere westliche Managementansätze als Vorbild dienen. Diese Frage wird durchaus kontrovers diskutiert und beantwortet: Einige Autoren betonen weiterhin die Qualitäten des japanischen Personalmanagements und sehen keine umfassende Übernahme westlicher Ansätze (Kono und Clegg 2001; Ballon 2002, 2005). Andere Autoren stimmen zwar grundsätzlich mit der positiven Einschätzung des japanischen Personalmanagements überein, beobachten jedoch gleichwohl den Druck auf japanische Firmen westliche Praktiken zu übernehmen (Dore 2000). Sano (1993), Morishima (1995) sowie Matanle (2003) heben dagegen noch stärker die Notwendigkeit hervor, sich westlichen Managementmethoden anzupassen, betonen jedoch zugleich auch die besonderen kulturellen und institutionellen Rahmenbedingungen in Japan, die keine standardisierte Übernahme westlicher Ansätze gestattet; Frenkel (1994) arbeitet die Konvergenz in Richtung westlicher Standards noch stärker heraus und Ornatowski (1998) diskutiert schließlich sogar das Ende des japanischen Managements. Neben dem unmittelbaren Interesse an japanischen Managementpraktiken ist diese Debatte auch konzeptionell von Bedeutung. Der Frage des länder- und kulturübergreifenden Lernens von so genannten best practices kommt im Rahmen von Globalisierung und stetig steigendem Wettbewerbsdruck eine zunehmende Bedeutung zu. Sollte insbesondere das kulturell so singuläre und noch bis vor kurzem wirtschaftlich so er-
252
Markus Pudelko
folgreiche Japan dazu übergehen, westliche Managementansätze zu übernehmen – und dies zudem im Personalmanagement, das stärker als jede andere betriebswirtschaftliche Einzeldisziplin von kulturellen Rahmenbedingungen geprägt ist – so kann dies als ein gewichtiger Beleg für die Stichhaltigkeit des so genannten Konvergenzansatzes interpretiert werden, der die Möglichkeit und Notwenigkeit von best practices zu lernen propagiert. Im Folgenden werden zentrale Aspekte des traditionellen japanischen Personalmanagements kurz beschrieben und auf ihre weitere Verwendung bzw. Auswechslung durch westliche Praktiken untersucht. Dabei greife ich insbesondere auf eine von mir durchgeführte empirische Studie zurück, die das japanische mit dem amerikanischen und deutschen Personalmanagement vergleicht und Wandlungstendenzen explizit aufzeigt. Es handelt sich hierbei um die umfassendste Erhebung der letzten Jahrzehnte zum Personalmanagement der drei weltweit größten Volkswirtschaften. Insgesamt wurden dabei 232 Großunternehmen aus allen drei Ländern befragt sowie im späteren Verlauf noch 617 Auslandsniederlassungen von Unternehmen dieser drei Länder in den jeweils anderen beiden Ländern (detailliertere Informationen zu Methodik, Ergebnissen, statistischer Auswertung und Interpretation sind folgenden Quellen zu entnehmen: Pudelko 2000, 2004a, 2004b, 2005a, 2006a, 2006b).
2
Japanisches Personalmanagement im Vergleich zum amerikanischen und deutschen Personalmanagement
2.1. Personalbeschaffung und -freisetzung Ein zentrales Element des traditionellen japanischen Personalmanagement-Modells ist das so genannte lebenslange Beschäftigungsverhältnis. Mitglieder der Kernbelegschaft großer Unternehmen werden nach ihrem Schul- oder Hochschulabschluss eingestellt und verbleiben bis zur Verrentung im gleichen Unternehmen. Als Auswahlkriterien gelten dabei stärker soziale, verhaltensbezogene Kriterien, weniger dagegen Leistungskriterien. Bei der Aufnahme in die Unternehmensgemeinschaft wird von den Arbeitnehmern Loyalität, Einsatzbereitschaft und hohe Motivation erwartet. Im Gegenzug sorgt das Unternehmen umfassend für die materiellen und auch immateriellen Bedürfnisse ihrer Arbeitnehmer und verpflichtet sich implizit, diese auch bei wirtschaftlich schwieriger Lage nicht zu entlassen. Firmen mit hoher Fluktuationsrate gelten
Japanisches Personalmanagemenet im Spannungsfeld zwischen Kontinuität und Wandel
253
nicht nur als schlecht geführt, sondern darüber hinaus als inhuman. Ouchi (1981), Inohara (1990) und Matanle (2003) beschreiben die lebenslange Beschäftigung als die wichtigste Eigenart japanischer Unternehmen überhaupt. Die Tatsache, dass Matanle diese Bewertung noch im Jahr 2003 trifft, lässt auf die ungebrochene Bedeutung dieses Personalmanagement-Instruments schließen, eine Einschätzung, die von Kono und Clegg (2001) geteilt wird. Die Nachteile des lebenslangen Beschäftigungsprinzips treten gleichwohl immer stärker hervor. Bei niedrigem bzw. stärker fluktuierendem Wachstum können Unternehmen nur unzureichend mit Beschäftigungsanpassungen reagieren. Die Einführung von neuen Technologien, Prozessen und Produkten wird zudem dadurch erschwert, dass Spezialisten nur in Ausnahmen vom externen Arbeitsmarkt rekrutiert werden können. Die unternehmerische Flexibilität wird dadurch verringert (Aoki 1990). Darüber hinaus ziehen immer mehr Beschäftigte eine selbständigere Karrieregestaltung vor, die auch Unternehmenswechsel einbezieht. Ornatowski (1998) kommt daher zum Schluss, dass das Prinzip der lebenslangen Beschäftigung auf dem Rückzug ist. Die eigene empirische Erhebung ergab nunmehr, dass japanische Unternehmen im Vergleich zu deutschen und vor allem amerikanischen Unternehmen (nach wie vor) erstens ein auf Dauer angelegtes Arbeitsverhältnis anstreben, wobei die Besetzung höherer Stellen intern erfolgt; zweitens dass die Personalauswahl vornehmlich aufgrund sozialer Anpassungsfähigkeit (im Gegensatz zu Leistungskriterien) erfolgt; und drittens dass eine ausgeprägte Loyalität zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern besteht. Der direkte Ländervergleich im Bereich der Personalbeschaffung und freisetzung lässt somit auf eine weitgehende Kontinuität des traditionellen japanischen Personalmanagement-Modells schließen.
2.2 Betriebliche Aus- und Weiterbildung Leitbild der betrieblichen Aus- und Weiterbildung ist nach dem traditionellen japanischen Personalmanagement-Modell der vielseitig einsetzbare Generalist, nicht dagegen der Spezialist. Die Ausbildung erfolgt daher sehr zeit-, aufwands- und kapitalintensiv, kontinuierlich, umfassend, systematisch, team-orientiert und bezieht dabei die Unternehmensphilosophie ausdrücklich mit ein. Arbeit und Ausbildung gehen dabei ineinander über (training on the job). Auch aus Ausbildungsgründen kommt es häufig zu Arbeitsplatzwechseln (job rotation). Besonderes Gewicht wird der gründlichen
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Ausbildung von Arbeitnehmern der unteren und mittleren Hierarchiestufen beigemessen. Für Ballon (1992) ist es die wichtigste Funktion der betrieblichen Aus- und Weiterbildung japanischer Unternehmen, das kollektive Lernen in der Gesamtorganisation zu fördern. Auch wenn die Aus- und Weiterbildung japanischer Unternehmen häufig für ihren langfristig ausgerichteten Zeithorizont, ihre Teamorientierung und ihren Umfang gelobt wird, wird zunehmend auch Kritik geäußert. Dies betrifft vor allem die Tatsache, dass schnellere Produktzyklen und die ansteigende Komplexität von Technologien zunehmend Spezialistenwissen erfordern, das nur unzureichend von japanischen Firmen gefördert wird. Zudem streben Arbeitnehmer mehr und mehr an, sich in ihrem individuellen Interessenbereich zu spezialisieren (Leme Fleury 1996). Der von mir durchgeführten Studie ist weiterhin zu entnehmen, dass japanische Unternehmen (noch immer) erstens vielfältige Ausbildungsinhalte für weit definierte Aufgaben vermitteln, wobei der Generalist das Leitbild darstellt; zweitens die betriebliche Ausbildung umfangreich und auf Arbeitsgruppen ausrichten; und drittens sich intensiv um die Sozialisation der Unternehmensangehörigen kümmern. Während japanische Unternehmen bei den ersten beiden Punkten in klarem Gegensatz zu deutschen und insbesondere amerikanischen Unternehmen stehen, gibt es beim dritten Kriterium, in deutlicher Abweichung zu sämtlichen anderen Untersuchungsergebnissen, Gemeinsamkeiten zu amerikanischen Firmen. Insgesamt erweist sich somit auch bei der betrieblichen Aus- und Weiterbildung für japanische Unternehmen ein weitgehend von Kontinuität geprägtes Bild.
2.3 Personalbeurteilung und Beförderungskriterien Hinsichtlich der Personalbeurteilung steht bei japanischen Unternehmen das Erreichen von Gruppenzielen traditionell im Vordergrund. Weiterhin fokussiert sie stärker auf langfristige verhaltens- und weniger auf kurzfristige leistungsorientierte Ziele. Die Personalbeurteilung erfolgt eher auf impliziter, subtiler und informeller Grundlage. Primäres Beförderungskriterium ist dabei das Senioritätsprinzip, d.h. die Länge der Anstellung und nicht etwa individuelle Leistungen entscheiden vorrangig über das berufliche Weiterkommen. Das Senioritätsprinzip gehört, zusammen mit dem lebenslangem Beschäftigungsverhältnis und den Unternehmensgewerkschaften, zu den so ge-
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nannten drei Pfeilern des japanischen Personalmanagements (Taylor 2001; Methé 2005). Das Senioritätsprinzip wurde von einigen als ein Schlüsselfaktor für den Erfolg japanischer Unternehmen angesehen, da es die Harmonie und die Zusammenarbeit in der Gruppe fördert (Lincoln 1989). Anderseits wurde es auch kritisiert. So bemängelte Woronoff (1992) bereits vor über einem Jahrzehnt, dass das Senioritätsprinzip japanische Firmen zu weitgehend bürokratischen, nicht unternehmerischen Organisationen macht; dass es wenig befähigte Manager die Karriereleiter erklimmen lässt; und dass es dazu beiträgt, dass weitgehend loyale Anpasser das Sagen haben. Herausragende Führungspersönlichkeiten werden eher entmutigt, unbequeme Positionen zu vertreten. Des Weiteren bringt der talentierte Führungsnachwuchs immer weniger die Geduld auf, den mit dem Senioritätsprinzip verbundenem langsamen Karriereweg zu durchlaufen (Dalton and Benson 2002; Rowley et al. 2004). Somit ist in der Literatur zunehmend die Rede von einem Abrücken japanischer Unternehmen vom Senioritätsprinzip (Kono and Clegg 2001; Ballon 2002). Auch die eigene Untersuchung ergab, dass japanische Unternehmen das Senioritätsprinzip als Beförderungskriterium weit weniger anwenden, als nach dem traditionellen Modell zu erwarten wäre. Andererseits ist die Senioritäts- im Gegensatz zur Leistungsorientierung bei japanischen Unternehmen noch immer weit stärker ausgeprägt, als bei ihren deutschen und vor allem amerikanischen Konkurrenten. Des Weiteren erfolgt die Personalbeurteilung bei japanischen im Gegensatz zu deutschen und amerikanischen Firmen noch immer weitgehend informell, anhand qualitativer Faktoren und verhaltensbezogen. Der Berufsweg verläuft nach wie vor weitgehend abteilungsübergreifend. Insgesamt sprechen die Ergebnisse somit weitgehend für eine grundsätzliche Weiterführung traditioneller Praktiken.
2.4 Anreizgestaltung Der Unterschied zwischen Arbeiterlöhnen sowie Gehältern von Top-Managern gilt nach dem japanischen Personalmanagement-Modell als vergleichsweise gering ausgeprägt. Dadurch werden die Harmonie im Unternehmen und die Identifikation mit dem Unternehmen gestärkt. Die Entlohnung wird in japanischen Firmen traditionell, wie die bereits diskutierte Beförderung, vom Senioritätsprinzip bestimmt. Neben der eigentlichen Entlohnung bieten japanische Unternehmen darüber hinaus eine Reihe so-
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zial ausgerichteter Leistungen wie Erziehungszuschüsse, firmeneigene Gesundheitsvorsorge, Gestaltung von Urlaubs- und Freizeitaktivitäten und sogar firmeninterne Heiratsvermittlungen an. All dies sind Beispiele für die umfassende Fürsorge, die japanische Firmen ihren Mitarbeitern gegenüber traditionell zeigen. Materiellen Anreize spielen weiterhin eine eher untergeordnete Rolle als in vielen anderen Ländern; immaterielle Anreize wie die Anerkennung von Kollegen, sind dagegen umso gewichtiger. Ähnlich wie bei den Beförderungsentscheidungen mehren sich die Stimmen derjenigen Kommentatoren, die auch bei der Entlohnung die Bedeutung des Senioritätsprinzips schwinden sehen (Ornatowski 1998; Rowley et al. 2004). Dies liegt sowohl an Änderungen auf Unternehmensseite (Intensivierung des Wettbewerbsdrucks, Höhergewichtung von individuellen Leistungen und Qualifikationen) als auch an einem Einstellungswechsel von insbesondere jungen, gutausgebildeten und hochqualifizierten Nachwuchskräften, die entsprechend ihren Leistungen entlohnt werden möchten (Dalton and Benson 2002). Ein genaueres Bild ergibt der Rückgriff auf die bereits mehrfach zitierte empirische Erhebung. Wiederum zeigt sich, dass der Einfluss des Senioritätsprinzips geringer ausfällt, als nach dem traditionellen japanischen Personalmanagement-Modell zu erwarten wäre. Dennoch gilt auch hier, dass nach wie vor die Seniorität eine größere Rolle spielt als bei deutschen und insbesondere amerikanischen Firmen. Das gleiche differenzierte Bild zeigt sich auch bei immateriellen Anreizmaßnahmen. Deren Bedeutung ist einerseits geringer als man nach den hergebrachten Handlungsmustern erwarten könnte, andererseits ist sie stärker ausgeprägt als in den beiden Vergleichsländern. Nach wie vor sind dagegen die geringen Einkommensunterschiede zwischen Arbeitern und Managern sehr bezeichnend. Bei keinem der insgesamt 20 getesteten Personalmanagementkriterien zeigte sich das Grundmuster des Drei-Ländervergleiches so eindeutig wie bei diesen: Japan repräsentiert das eine Extrem (hier: die meisten Vorständer verdienen weniger als das 25-fache eines Arbeiters), die USA das andere Extrem (hier: die meisten Vorstände verdienen mehr als das 100-fache als eines Arbeiters) und Deutschland liegt zwischen den beiden Extrempositionen. Damit ergibt sich mit Einschränkung auch bei der Anreizgestaltung ein Bild der Kontinuität traditioneller Handlungsmuster.
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2.5 Innerbetriebliches Kommunikationsverhalten Sullivan und Nonaka (1986) vertreten die Meinung, dass das eigentlich Besondere des japanischen Managements der Nachdruck ist, den japanische Unternehmen auf das Lernen in der Organisation und durch die Organisation (organisational learning) legen. Der innerbetriebliche Informationsaustausch wird hierbei als die entscheidende Variable erkannt. Innerbetriebliche Kommunikation ist damit in japanischen Unternehmen von höchster Wichtigkeit und wird ausdrücklich kultiviert. Somit ist es wenig verwunderlich, dass das Kommunikationsvolumen innerhalb des japanischen Unternehmens besonders hoch ist. Neben der Informationsweitergabe gehört dabei die Förderung eines harmonischen Betriebsklimas zu den herausgehobenen Zielsetzungen. Neben dem formellen spielt vor allem auch der informelle Informationsfluss eine wichtige Rolle. Eine weitere Besonderheit der Kommunikation in japanischen Organisationen ist der Schwerpunkt auf dem horizontalen Informationsfluss, d.h. zwischen gleichrangigen Stellen. Aufgrund der Arbeitsplatzrotation bestehen vielfältige persönliche Kontakte zu anderen Abteilungen, wodurch die informelle, horizontale Kommunikation erleichtert wird. Auch wenn die Intensität des Informationsaustausches in japanischen Unternehmen und die damit verbundene Durchdringung der gesamten Organisation mit wichtigen Informationen vielfach gelobt wird, sind auch Nachteile festzustellen. Die Pflege der harmonischen, informellen Kommunikation ist überaus zeitaufwendig. Der informelle Charakter erschwert zudem die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Informationsflusses. Die empirische Untersuchung bestätigt, dass die Verständigung in japanischen Unternehmen im Vergleich zu den deutschen und vor allem amerikanischen Konkurrenten nach wie vor stärker durch einen primär horizontalen Kommunikationsfluss geprägt ist. Dieser soll zudem nachdrücklich ein harmonisches Betriebsklima fördern. Auch wenn die Ergebnisse das sich immer deutlicher abzeichnende Muster bestätigen – Japan an einem Extrem, USA am anderen und Deutschland in der Mittelposition – sind die Unterschiede zwischen den Ländern im Fall des innerbetrieblichen Kommunikationsverhaltens jedoch eher gering ausgeprägt. Gleichwohl unterstreichen auch hier die Resultate, dass beim innerbetrieblichen Kommunikationsverhalten anscheinend kein umfassender Wandel in japanischen stattfindet.
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2.6 Innerbetriebliches Entscheidungsverhalten Zur Charakterisierung des Entscheidungsverhaltens in japanischen Unternehmen werden häufig vier inhaltlich eng miteinander verbundene Begriffe herangezogen: ‚kollektiv’, ‚partizipativ’, ‚konsensorientiert’ sowie ‚bottom-up’. Diese Eigenschaften tragen zu einem weitgehend harmonischen Arbeitsklima bei. Die lange Firmenzugehörigkeit und die Arbeitsplatzrotation begünstigen dabei sowohl die Vertrautheit unter- und das Gespür füreinander wie auch das tiefe Verständnis für die Organisationsziele. Das gründliche Aus- und Weiterbildungssystem schafft zudem erst die fachlichen Voraussetzungen für die Entscheidungspartizipation selbst unterer Stellen. Auch wenn die Unternehmensziele und Kernstrategien von der obersten Führungsebene formuliert werden, obliegt es zu einem großen Teil der mittleren Managementebene, für die Umsetzung zu sorgen. Manager der mittleren Führungsebene besitzen hierbei ein hohes Maß an Entscheidungsverantwortung. Die Komplexität des kollektiven Entscheidungsprozesses bewirkt, dass radikale Richtungsänderungen oftmals nur sehr zögernd in Angriff genommen werden. Japanische Unternehmen tendieren eher dazu, intensiver an der Entwicklung und Verfeinerung einer Idee zu arbeiten, als sie fallen zu lassen und eine neue zu entwickeln. Aufgrund der Miteinbeziehung einer Vielzahl von Mitarbeitern, ist es zudem häufig kaum möglich, den Entscheidungserfolg oder -misserfolg einer bestimmten Person oder Abteilung zuzurechnen. Das Bestreben nach einem möglichst harmonischen Entscheidungsfindungsprozess birgt ferner die Gefahr in sich, dass Minderheitenmeinungen nicht genügend berücksichtigt werden. Das Entscheidungsverhalten fördert daher Passivität und behindert Kreativität sowie Gestaltungsfreiheit. Um unter sich verschärfenden Wettbewerbsbedingungen Entscheidungsprozesse zu beschleunigen, drastischere Kurswechsel zu ermöglichen sowie die Zuordnung von Erfolgsergebnissen zu Entscheidungsträgern zu verbessern, wird in letzterer Zeit zunehmend eine tendenzielle Höhergewichtung der Entscheidungsautonomie von Vorgesetzten beobachtet. Die Erhebungsergebnisse der eigenen Studie bestätigen jedoch, dass das Entscheidungsverhalten in japanischen Unternehmen im Vergleich zu dem ihrer deutschen und amerikanischen Konkurrenten (nach wie vor) stärker von den folgenden drei Eigenschaften gekennzeichnet ist: erstens Bottom-up-Entscheidungsrichtung; zweitens partizipatives, kollektives und konsensorientiertes Entscheidungsverhalten; drittens Bevorzugung qualitativer Gesichtspunkte (‚soft facts’). Somit zeigt sich auch hier ein Bild weitgehender Kontinuität.
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2.7 Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis Bei den Vorgesetzten-Untergebenen-Beziehungen japanischer Unternehmen herrscht traditionell ein emotionaler, kein legalistischer Ansatz vor. Die Kontrollfunktion der Vorgesetzten ihren Untergebenen gegenüber wird weniger anhand von Regeln wahrgenommen als durch das Betonen gemeinsamer Werte. Insofern ist das VorgesetztenUntergebenen-Verhältnis in Japan durch eine Form von Egalitarismus charakterisiert, das auf dem Gefühl der Zugehörigkeit zur gemeinsamen Organisation beruht. Auch der intensive Kommunikationsaustausch zwischen den Hierarchieebenen sowie die Einbeziehung der Untergebenen in Entscheidungsprozesse betonen eher die Gemeinsamkeiten als die Unterschiede der Mitarbeiter verschiedener Hierarchieebenen. Der Untergebene soll spüren, dass er nicht nur als Arbeitskraft, sondern auch als Mensch der Firmenleitung wichtig ist. Auch wenn Ausgestaltung des Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnisses als relativ stabil bezeichnet werden kann, ist doch nicht zu übersehen, dass durch die Höhergewichtung des Leistungsprinzips (im Gegensatz zum Senioritätsprinzip) die Rolle des Vorgesetzten sich zunehmend von der eines Förderers seiner Untergebenen zu der eines Leistungsbewerters wandelt. Da das Prinzip des lebenslangen Beschäftigungsverhältnisses an Bedeutung verliert, müssen Vorgesetzte zudem in schwierigen wirtschaftlichen Lagen entscheiden, wer u.U. seinen Arbeitsplatz verliert. Auch übernimmt er mehr und mehr eine eigenständigere Rolle im Entscheidungsprozess. Führung wird damit direkter ausgeübt. Der Handlungsspielraum der Untergebenen verringert sich bei gleichzeitigem Anstieg des Leistungsdrucks. Angesichts der Resultate der eigenen empirischen Untersuchung bestätigt sich, dass das Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis in japanischen Unternehmen (noch immer) erstens mehr personen- als sachorientiert ist; zweitens stärker durch gemeinsame Werte als durch Vorschriften geprägt ist; drittens sich dadurch auszeichnet, dass der Vorgesetzte nicht nur auf die Leistungsfähigkeit, sondern auch auf die persönlichen Belange der Untergebenen achtet. Damit hebt es sich z.T. deutlich vom VorgesetztenUntergebenen-Verhältnis deutscher und vor allem amerikanischer Unternehmen ab und unterstreicht wiederum die Kontinuität etablierter Praktiken.
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2.8. Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse Die Ergebnisse der eigenen Studie zeigen, dass das japanische Personalmanagement in vielerlei Hinsicht genau entgegengesetzt zum amerikanischen Modell ausgerichtet ist, wobei dem deutschen Personalmanagement eine Zwischenrolle zukommt (in 16 der 20 getesteten Fälle). Von den 20 getesteten Kriterien sind die Unterschiede im Vergleich zum deutschen Personalmanagement in 15 Fällen statistisch signifikant und zum amerikanischen in 17 Fällen. Diese Resultate vermitteln somit weitgehend ein Bild der Kontinuität des traditionellen japanischen Personalmanagements, das sich nach wie vor deutlich von westlichen Praktiken abhebt. Es ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass diese Erhebungsdaten lediglich das tatsächliche Handeln abbilden. Bislang unberücksichtigt blieben dagegen eventuelle Absichten, in näherer Zukunft von westlichen Praktiken zu lernen. Zu diesem Themenkomplex sollen daher die folgenden Daten Aufschluss geben. Sie wurden im Rahmen der Studie erhoben, die auch die Grundlage der hier zuvor getroffenen Aussagen bildet.
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Die Bereitschaft japanischer Personalmanager vom westlichen Personalmanagement zu lernen
Die Untersuchungsergebnisse ergaben, dass die befragten amerikanischen und deutschen Personalmanager für die Zukunft weit weniger Bereitschaft zeigen, vom japanischen Personalmanagement zu lernen als dies noch in der jüngeren Vergangenheit („seit den achtziger Jahren“) der Fall war. Als Grund dafür wurde eine zunehmend negative Beurteilung des japanischen Personalmanagements angegeben. Umgekehrt besitzen die japanischen Personalmanager für die Zukunft eine verstärkte Absicht, vom deutschen aber in weit größerem Maße vom amerikanischen Personalmanagement zu lernen. Diese Ergebnisse deuten somit auf eine relative Verschlechterung der Einschätzung des japanischen Personalmanagements hin und zwar bei westlichen wie auch bei einheimischen Managern und bestätigen damit die Ausführungen des ersten Abschnittes dieses Beitrages. Aufschlussreich für die weitere Entwicklung des japanischen Personalmanagements ist nun vor allem, welche konkreten Eigenschaften des amerikanischen Personalmanagements die japanischen Personalfachleute für übertragenswert erachten (die befragten Japaner machten insgesamt 169 Angaben zum amerikanischen und nur 11 zum ihnen
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weitgehend unbekannten deutschen Personalmanagement). Im Rahmen des häufig angesprochenen Personalmanagement-Bereichs Personalbeschaffung und -freisetzung konzentrieren sich die Angaben auf die eng miteinander zusammenhängenden Kriterien „Abkehr von lebenslanger Beschäftigung“, „Flexibilisierung von Einstellung, Entlassung und Firmenwechsel“, „Einstellen von berufserfahrenen Spezialisten auf konkret ausgeschriebene Stellen“ sowie „Führungskräfte werden extern rekrutiert und können auch leichter wieder entlassen werden“. Hinsichtlich des Bereichs Betriebliche Aus- und Weiterbildung wurde ausschließlich die „verstärkte Ausbildung von Spezialisten und Abkehr von der Generalistenausbildung“ angeführt. Der Bereich Personalbeurteilung und Beförderungskriterien wurde von den antwortenden Japanern mit Abstand am häufigsten thematisiert. Hervorzuheben sind vor allem die eng miteinander verbundenen Angaben „Leistungsorientierung“, „Ergebnis- und Zielorientierung“ sowie im Umkehrschluss die „Abkehr vom Senioritätsprinzip“. Am zweithäufigsten wurden Angaben zum Bereich Anreizgestaltung gemacht. Die Angaben „leistungsund ergebnisorientierte Entlohnung“ sowie „mehr Individualität, Flexibilität und Variabilität bei der Entlohnung“ knüpfen dabei an die zuvor beschriebenen Ergebnisse zur Personalbeurteilung an. Die Leistungs-, Ergebnis- sowie Zielorientierung bzw. die Abkehr vom Senioritätsprinzip stellt damit die von den Japanern bei weitem am meisten genannte Eigenschaft des amerikanischen Personalmanagements dar, von der zu lernen es sich lohnt. Die Personalmanagement-Bereiche innerbetriebliches Kommunikationsverhalten, innerbetriebliches Entscheidungsverhalten sowie VorgesetztenUntergebenen-Verhältnis wurden schließlich vergleichsweise in geringem Ausmaß angesprochen. Festzustellen ist damit, dass die von den japanischen Personalmanagern eingeforderte Übernahme amerikanischer Personalmanagementpraktiken vor allem solche Eigenschaft in Frage stellt, die bislang als Kernbestandteile des japanischen Personalmanagement-Modells galten: vermehrt Leistungsorientierung an Stelle von Senioritätsprinzip; verstärkt Flexibilisierung von Einstellung, Entlassung und Firmenwechsel und weniger lebenslange Beschäftigung; sowie verstärkte Ausbildung von Spezialisten und Abkehr von der Generalistenausbildung. Die Fragebogen-Ergebnisse deuten in Bezug auf die Beschreibung der tatsächlich angewendeten Personalmanagement-Praktiken darauf hin, dass das japanische Personalmanagement sich (noch immer) deutlich vom deutschen und insbesondere amerikanischen Modell abgrenzt und den tradierten Handlungsmustern weitgehend verhaftet bleibt. Anderseits zeigen die Ergebnisse im Hinblick auf die angestrebten Personal-
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management-Praktiken, dass sich eine deutliche Hinwendung zu westlichen Ansätzen abzeichnet. Dieser Eindruck konnte noch durch von mir durchgeführte Interviews in japanischen Unternehmen in Japan, den USA und in Deutschland sowie in amerikanischen und deutschen Niederlassungen in Japan untermauert werden. Japanische Firmen scheinen sich in der Tat nachhaltig amerikanischen Personalmanagement-Ansätzen zuzuwenden. Die Verstärkung des individuellen Leistungsprinzips (d.h. die Messung, Förderung und Belohnung von individueller Leistung durch individuellere Aufgabenzuordnung, leistungsabhängige Entlohnung und Beförderung) steht dabei im Vordergrund. Auch wenn weiterhin langfristige Arbeitsverhältnisse angestrebt werden, wird gleichwohl eine Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse als weitgehend unumgänglich angesehen. Dazu gehört auch eine Abkehr vom Generalistentum und Hinwendung zu mehr Spezialisierung in Ausbildung und Karriereplanung. Betont wurde in den Interviews jedoch stets die Erwartung, dass es nicht etwa zu einer bloßen Übernahme amerikanischer Ansätze kommen wird, sondern zu deren Anpassung an die spezifisch japanischen kulturellen und institutionellen Gegebenheiten. Bemerkenswert ist weiterhin, dass von den sieben hier untersuchten Personalmanagement-Bereichen vornehmlich die ersten vier nachhaltigen Änderungen unterworfen sind: Personalbeschaffung und -freisetzung, betriebliche Aus- und Weiterbildung, Personalbeurteilung und Beförderungskriterien sowie Anreizgestaltung. Dies sind zugleich die Personalmanagement-Bereiche im engeren Sinne, die die Beziehung zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern regeln. Die letzten drei Bereiche – innerbetriebliches Kommunikationsverhalten, innerbetriebliches Entscheidungsverhalten sowie Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis – die nur im weiteren Sinne dem Personalmanagement zuzurechnen sind und die weitgehend die Beziehung der Arbeitnehmer untereinander betreffen, sind dagegen weit weniger von Änderungen betroffen. Zwischenmenschliche Beziehungen sind augenscheinlich stärker kulturell bestimmt als betriebliche Strategien, selbst wenn dies Strategien sind, die das Personalwesen betreffen. Abschließend soll noch kurz auf die Ergebnisse aus meinen Befragungen der jeweiligen Niederlassungen eingegangen werden. Diese sind als durchaus erstaunlich zu bezeichnen und untermauern nachdrücklich den Wandel im japanischen Personalmanagement. Für das Personalmanagement japanischer Niederlassungen in Deutschland wäre zu erwarten, dass es sich als Kombinationsmodell ‚zwischen’ dem deutscher und japanischer Unternehmen beschreiben lässt. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass japa-
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nische Niederlassungen in Deutschland (so wie auch japanische Niederlassungen in den USA) sich mehr dem amerikanischen Modell angleichen. Sie entfernen sich somit also weit von dem Modell der eigenen Mutterunternehmen und gehen dabei sogar über das der deutschen Unternehmen hinaus. Offenbar passen sich japanische Niederlassungen in ihrem Personalmanagement bereits weitgehend dem Modell an, das als das wettbewerbfähigste angesehen wird: das amerikanische. Es ist dabei durchaus möglich, dass diese Entwicklung im Weiteren auch noch von den japanischen Mutterunternehmen nachvollzogen wird, so wie dies bereits in den Erwartungshaltungen der Personalmanager japanischer Mutterunternehmen zum Ausdruck kam.
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Schlussbemerkungen: Kontinuität und Wandel im japanischen Personalmanagement
Es scheint, als befände sich das Personalmanagement japanischer Unternehmen in einer Phase des Wandels. Dieser hat in Auslandsniederlassungen wohl bereits stattgefunden und ist nun auch in den Mutterunternehmen zu erwarten. Diese Wandlungstendenzen sollten dabei als Anpassung an ein sich grundsätzlich verändertes Wettbewerbsumfeld verstanden werden. Globalisierung der Märkte, Eintritt neuer Wettbewerbsteilnehmer wie etwa China, weltweit zunehmende Profit- und Shareholder-Value Orientierung, steigende Bedeutung neuer Kommunikations- und Informationstechnologien sowie die Zunahme individueller Verhaltensweisen auch in Japan bewirken ein zunehmend dynamisches, instabiles und an kürzeren Zeithorizonten orientiertes Wettbewerbsumfeld (Pudelko 2005b). Die bereits im Einzelnen diskutierten Anpassungsmaßnahmen des Personalmanagements japanischer Unternehmen lassen sich maßgeblich durch zwei Begriffe beschreiben: Flexibilisierung sowie Individualisierung (Pudelko 2004b). Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass japanische Unternehmen amerikanische Praktiken einfach kopieren werden. Ich nehme vielmehr an, dass es Japan auch in dieser Phase verstehen wird, Inspirationen vom Ausland aufzunehmen und diese behutsam und mit einigem Geschick den Besonderheiten des eigenen kulturellen und institutionellen Umfeldes anzupassen.
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Bildung und Berufsbildung in Japan Helmut Demes und Walter Georg *
Inhalt
Einführung 1
Das Allgemeine Bildungssystem
2
Berufliche Bildung in der Zuständigkeit des Arbeitsministeriums
3
Öffentliche Förderprogramme (über-)betrieblicher Berufsbildung
4
Betriebliche Aus- und Weiterbildung
5
Arbeitsmarkt und Beschäftigung
6
Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverweise
* Helmut Demes, Geschäftsführer Institut für Ostasienwissenschaften, Universität Duisburg-Essen. Prof. Dr. Walter Georg, Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Fern-Universität Hagen.
Bildung und Berufsbildung in Japan
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Einführung Eines der auffälligsten Merkmale der japanischen Gesellschaft ist der hohe Stellenwert der Bildung, der sich in einer weitgehenden Bildungsexpansion und in einem intensiven Bildungswettbewerb ausdrückt. Seit vielen Jahren liegen Japans Schüler in den internationalen Schulleistungsvergleichen wie z. B. PISA (Programme for International Student Assessment) im Spitzenbereich der Leistungsskala. Das gilt insbesondere für die Leistungsvergleiche in Mathematik und Naturwissenschaften. Zwischen dem individuellen Leistungserfolg im Schul- und Hochschulsystem und der anschließenden Karriere im Beschäftigungssystem besteht ein enger Zusammenhang, d.h. die Einstiegs- und Karrierechancen im Beschäftigungssystem werden wesentlich durch den Bildungserfolg definiert. Japaner kennzeichnen diesen hohen gesellschaftlichen Stellenwert von Bildung mit dem Ausdruck „Bildungsganggesellschaft“ (gakureki shakai). Zugleich gilt das japanische Bildungssystem als offen, d.h. die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft wird als relativ gering eingeschätzt. Das gilt umso mehr, als sich die Selektionskriterien und -verfahren bei den punktuellen Übergangsprüfungen zur nächst höheren Bildungsstufe weniger an Problemlösungskompetenzen als vielmehr an Wissensquantitäten orientieren. Durch zusätzliche Lernanstrengungen scheint Bildungserfolg deshalb für jeden „machbar“. Die Folgen dieser Offenheit und der hohen Bedeutung von Bildung für die individuellen Beschäftigungs- und Karriereperspektiven sind ein exzessiver Bildungswettbewerb und ein weit verbreitetes intensives „Pauken“, das häufig bereits im Vorschulalter beginnt und sich im Laufe des Schulbesuchs mit Hilfe privater Ergänzungsschulen und spezieller Vorbereitungsschulen zunehmend an den Aufnahmeprüfungen der Hochschulen ausrichtet. Wer bei der Zulassungsprüfung zu einer guten Oberschule oder Universität versagt, hat im späteren Berufsleben nur geringe Chancen, das Defizit wieder auszugleichen. Der Bildungswettbewerb hat in Japan früher als in anderen Industrieländern eine beispiellose Expansion „höherer Bildung“ in Gang gesetzt, die für ein hohes Bildungsniveau der Beschäftigten gesorgt hat. Der Schlüssel für den Zugang zu einem erstklassigen Erwerbssektor ist der Nachweis einer erstklassigen Schul- bzw. Hochschulbildung. Dauerbeschäftigung und Karrierestabilität hängen ab vom Erfolg beim Beschäftigungseinstieg, dessen Qualität wiederum von der Art des formalen Bildungsabschlusses und vom informellen Rang der besuchten Institution bestimmt wird. Auf die verschlechterten Einstiegschancen angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise reagieren viele Bildungsteilnehmer mit einem noch längeren Verbleib im Bildungssystem,
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um sich mit höheren Bildungsabschlüssen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die „berufliche“ Position und die Reichweite der beruflichen Karriere werden weitgehend vom formalen Niveau des Bildungsabschlusses bestimmt, ergänzt durch den Rang der besuchten Bildungsinstitution in der informellen Hierarchie der Schulen und Hochschulen. Dagegen scheint der Zusammenhang zwischen den Inhalten der Bildungsgänge und den späteren Arbeitsinhalten eher gering. Die starke Abhängigkeit der beruflichen Karriereperspektive vom Niveau des allgemeinen (Hoch-) Schulabschlusses hat die ursprünglich im Schulsystem angelegten berufsbezogenen Organisationsformen und Inhalte weitgehend marginalisiert. Insgesamt leistet das öffentliche japanische Bildungssystem nur einen geringen Beitrag zur Kanalisierung der Absolventen in bestimmte Berufslaufbahnen und Tätigkeitsfelder. Trotz des berufsfernen Milieus scheinen die Bildungsergebnisse des Schul- und Hochschulsystems durchaus den Erwartungen und Ansprüchen des Beschäftigungssystems zu entsprechen. Wenn auch der Stellenwert von Berufsbildung verschwindend gering ist, so ist doch der „heimliche Lehrplan“ des japanischen Schulsystems in vieler Hinsicht auf die reibungslose Einpassung der Absolventen in die Arbeitswelt ausgerichtet. Es sind weniger die Lehrinhalte als vielmehr das Training von Verhaltens- und Orientierungsmustern, die die Schule zu einer so wichtigen Sozialisationsinstanz machen. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, weshalb Berufsbildung in Japan kaum Thema politischer Auseinandersetzungen ist. Berufliche Aus- und Weiterbildung sind weitgehend integrierter Bestandteil betrieblicher Arbeit und damit vorrangig Angelegenheit unternehmerischer Arbeits- und Personalpolitik, ohne dass diese Zuordnung von anderer Seite in Zweifel gezogen wird. Weder Staat noch Öffentlichkeit erwarten von den Unternehmen irgendwelche Ausbildungsleistungen, die über eine unternehmensinterne Verwertbarkeit hinausgehen. Umgekehrt stellen die japanischen Unternehmen keine Ansprüche an den Staat bezüglich berufsbezogener Ausbildungsinvestitionen. Staatliche Berufsbildungspolitik beschränkt sich auf subsidiäre Funktion.
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Das Allgemeine Bildungssystem
Das japanische Kultusministerium (Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology; MEXT) ist zuständig für die Entwicklung und Kontrolle der Standards im Bildungssystem, dessen Institutionen im Folgenden kurz skizziert werden.
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Der Besuch einer vorschulischen Einrichtung ist für japanische Kinder die Regel. Kindergärten (yôchien) nehmen Kinder ab dem 3. Lebensjahr bis zum Beginn der Grundschule auf; ein Teil der Kindertagesstätten oder Kinderkrippen (hoikuen) akzeptiert auch Kinder unter drei Jahren. Nach der Einschulung mit sechs Jahren besuchen alle Kinder während der neunjährigen Pflichtschulzeit dieselben Schulformen mit einheitlichen Lehrplänen: die sechsjährige Grundschule (elementary school; shôgakkô) mit den Klassen 1-6 und anschließend die dreijährige Mittelschule (lower secondary school; chûgakkô) mit den Klassen 7-9. Ein Sitzenbleiben während der Pflichtschulzeit kommt so gut wie nicht vor. Nahezu alle Grund- und Mittelschulen befinden sich in kommunaler Trägerschaft. Als Folge der demografischen Entwicklung sind die Schülerzahlen im Pflichtschulbereich stark rückläufig. Seit 1980 ist die Zahl der Grundschüler (2005: 7,2 Mio.) um 40 %, die der Mittelschüler (2005: 3.6 Mio.) um ein Viertel gesunken. Die dreijährige Oberschule (upper secondary school; kôtô gakkô) (Klassen 10 – 12) für die 15-17jährigen ist keine Pflichtschule mehr, sondern wird freiwillig besucht. Aber schon in den 1950er Jahren wechselte mehr als die Hälfte der Mittelschulabsolventen in die Oberschule, in den 1960er Jahren stieg dieser Anteil auf weit über 70 % und erreichte Ende der 1970er Jahre über 90 %. Inzwischen beträgt die Übergangsquote 96 %. Das bedeutet, dass sich seit fast 30 Jahren Betriebe und Behörden daran gewöhnt haben, Neueinstellungen aus dem großen Reservoir der Oberschul- oder Hochschulabsolventen vorzunehmen, und dass sich über 95 % der 15jährigen Bevölkerung dem sozialen Erwartungsdruck ausgesetzt sehen, sich am Wettbewerb um den Zugang zur weiterführenden Bildung zu beteiligen. Trotz der prozentualen Erhöhung der Übergangsquote in die Oberschule sorgt die demografische Entwicklung auch auf dieser Ebene für einen deutlichen Rückgang der Gesamtschülerzahlen (2005: 3,6 Mio.). Der Höhepunkt der Oberschülerzahlen war 1990 mit 5,6 Mio. erreicht, seither ist die Gesamtzahl also um Drittel zurückgegangen. Wegen dieser Entwicklung hat man inzwischen auf dem Lande damit begonnen, Oberund Mittelschulen zusammenzulegen. Zusätzlich zum regulären Schulunterricht besuchen viele Schüler (je nach Jahrgangsstufe 30 – 60 %) an durchschnittlich 2 – 3 Tagen in der Woche (jeweils etwa 2 Stunden) eine Privatschule (auf der Grund- und Mittelschulebene juku, auf der Oberschulebene yobikô), um mit diesem Nachhilfe- und Paukunterricht die Chancen im Wettbewerb um die Aufnahme in die gewünschte Oberschule bzw. Universität zu verbessern. Der zentrale Zweck dieser Einrichtungen besteht darin, Schüler auf die Anforderungen
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der Aufnahmetests vorzubereiten. Der intensive Bildungswettbewerb hat inzwischen eine Art Bildungsindustrie entstehen lassen. Vor allem die letzten zwei Jahre der Pflichtschulzeit dienen der intensiven Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung zur Oberschule. In einer Vielzahl von Probetests erfährt jeder Schüler (und jeder Mitschüler) seine Position (hensachi) in der Rangordnung seiner Altersgruppe. Die Leistungsergebnisse bestimmen die Lehrerempfehlung und die Auswahl der Oberschule, deren eigene Position in der informellen Schulhierarchie wiederum davon abhängt, wie vielen ihrer Absolventen der Zugang zu den Spitzenuniversitäten gelungen ist. Insofern stehen auch die Schulen in einem Leistungswettbewerb. Der Aufbau eines Bildungssystems nach der Formel „6-3-3-4 Jahre“ sah ursprünglich die Universität (daigaku) mit einem vierjährigen Regelstudium als einen einheitlichen Hochschultyp vor. Das tatsächliche Bild der Studiengänge ist jedoch vielfältiger. Der vierjährige – in der Medizin sechsjährige – Studiengang schließt mit dem akademischen Grad des gakushi, der international dem Bachelor-Grad entspricht. Eine seit einigen Jahren deutlich steigende Anzahl der Studenten absolviert danach noch ein zusätzliches zweijähriges Studium zum Erwerb eines Master-Grades (shûshi) und (allerdings in vergleichsweise geringem Umfang) ein daran anschließendes dreijähriges Doktorandenstudium; der eigentliche Doktor-Grad (hakushi) wird häufig jedoch erst nach weiterer wissenschaftlicher Tätigkeit verliehen. Über 500 der rund 700 Universitäten bieten entsprechende Graduiertenstudiengänge (daigakuin) an. Von den insgesamt 2,8 Mio. Universitätsstudenten sind rund 2,5 Mio. in Bachelor-Studiengängen eingeschrieben. Als weiterer Hochschultyp hat sich neben der Universität die überwiegend zwei- (in Ausnahmefällen auch drei-) jährige Kurzuniversität (junior college; tanki daigaku) etabliert. Die Studienangebote konzentrieren sich weitgehend auf Geistes-, Sozial- und Hauswirtschaftswissenschaften. Etwa 90 % der Studierenden sind weiblich. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der anhaltenden Bildungsexpansion zugunsten der Universitäten hat sich die Zahl der Kurzuniversitätsstudenten seit 1995 mehr als halbiert (von 500.000 auf 220.000 im Jahr 2005). Ein dritter Hochschultyp ist die fünfjährige Fachhochschule (college of technology; kôtô senmon gakkô), eine Art Kombination aus einer zweijährigen beruflichen Oberschule und einer dreijährigen Hochschule. Wegen ihres deutlichen Berufsbezugs wird sie hier den beruflichen Schulformen zugerechnet – ebenso wie die Fachschulen (sen-
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mon gakkô), die als überwiegend postsekundäre Einrichtungen auch eine Art Hochschule darstellen (s. Abb.1).
Abbildung 1: Das japanische Bildungssystem
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Von einem eigenständigen Teilsystem beruflicher Bildung innerhalb des öffentlichen Bildungssystems lässt sich in Japan kaum sprechen. Im Zuge der anhaltenden Bildungsexpansion und der damit einhergehenden Konzentration des Schulunterrichts und der Schülerperspektiven auf die Aufnahmeprüfung in die nächsthöhere Bildungsstufe hat der Beitrag des Schulsystems zur beruflichen Qualifizierung deutlich an Stellenwert eingebüßt. Für die Chancen auf dem Arbeitsmarkt ist weniger bedeutsam, welche fachlichen Kompetenzen man aus der Schul- oder Studienzeit mitbringt, sondern vor allem, welche Schule oder Universität man besucht hat. Soweit Berufsbildung in Schulen stattfindet, bleibt sie ein nachgeordneter Teil des allgemeinen Schulsystems. Von der enormen Bildungsexpansion, in deren Verlauf sich die Oberschule zu einer Art Pflichtschule entwickelt hat, haben die beruflichen Varianten der Oberschulen (vocational high school; kôtô gakkô senmon gakka) nicht profitiert, sondern an Attraktivität eher eingebüßt. Seit Anfang der 1970er Jahre hat sich der Anteil der Schüler in den beruflichen Zweigen an der Gesamtzahl der Oberschüler von über 40 % fast halbiert und sich inzwischen bei rund 20 bis 25 % eingependelt. Die rund 3.500 Einrichtungen, die zum Typ der beruflichen Oberschule gezählt werden, sind teilweise mit allgemeinen Oberschulen verbunden, teilweise sind mehrere berufliche Zweige in einer beruflichen Oberschule zusammengefasst. Jeder berufliche Oberschulzweig (Technik, Wirtschaft usw.) unterhält eine Vielzahl von Fachrichtungen, für die unterschiedliche Aufnahmekriterien gelten; die Mittelschulabsolventen müssen sich also bereits zum Zeitpunkt ihrer Bewerbung für eine bestimmte Fachrichtung entscheiden. Am häufigsten gewählt werden in der technischen Oberschule die Fachrichtungen Maschinenbau, Elektrotechnik, Elektronik, Architektur, Bauwesen; in jüngerer Zeit wird besonders die Informationstechnik nachgefragt, deren Aufnahmekriterien entsprechend hoch liegen. Der 1994 neu eingerichtete Typ der integrierten Oberschule (kôtô gakkô sôgô gakka) räumt den Schülern eine weitgehend freie Entscheidung bei der Auswahl der – allgemeinen und beruflichen – Fächer und der Zusammenstellung ihres Curriculums ein. Unter dem Schlagwort ”Individualisierung durch Diversifikation des Curriculums” werden die Schüler nicht mehr wie bisher auf einen festen Lehrplan verpflichtet, vielmehr können sie aus einem – auch um neue Fächer wie z. B. Informatik, Touristik oder Sozialarbeit – erweiterten Fächerkanon auswählen. Da sich die Schüler im Prinzip vom Besuch des allgemeinen studienorientierten Oberschulzweiges größere Chancen bei der Aufnahmeprüfung zur Universität versprechen, bedeutet bereits die „Wahl“ eines beruflichen Zweiges in aller Regel den vorweggenommenen Verzicht auf ein späteres Studium. Insofern ist der Eintritt in eine berufli-
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che Oberschule nicht unbedingt das Ergebnis einer interessegeleiteten Auswahl alternativ zur Verfügung stehenden Bildungskarrieren. Vielmehr wird die Zuweisung der Mittelschulabsolventen auf die verschiedenen Oberschulzweige gesteuert durch das regionale Schulangebot, die finanziellen Möglichkeiten der Eltern im Hinblick auf die Finanzierung eines späteren Studiums, vor allem aber durch die Lehrerempfehlungen und die Testergebnisse der Aufnahmeprüfungen für die Oberschulzulassung. Zwar sind die Prüfungsinhalte innerhalb einer Präfektur einheitlich; die Gewichtung der Leistungen und die Entscheidung über die Aufnahme trifft jedoch jede einzelne Oberschule selbst. Ein Mittelschüler, der aufgrund der Leistungsergebnisse zum Beispiel zu den besten zehn Prozent seiner Jahrgangsgruppe gehört, wird sich kaum dagegen wehren (können), sich an der Top-Oberschule seines regionalen Einzugsbereichs zu bewerben. Im Allgemeinen ist das die Oberschule, deren Absolventen in den letzten Jahren die besten Erfolge beim Übergang zu den besonders anerkannten Universitäten hatten. Viele Schüler besuchen deshalb nicht den Oberschulzweig ihrer eigentlichen Wahl, sondern diejenige Schule, die ihren Testergebnissen angemessen erscheint. Insgesamt hat sich deshalb die berufliche Oberschule zu einem Sammelbecken der weniger erfolgreichen Mittelschulabsolventen entwickelt. Ihre generelle Kennzeichnung als Restschule ist jedoch zu oberflächlich. Nicht selten rangieren bestimmte Fachrichtungen der technischen oder auch der wirtschaftlichen Oberschule (z. B. mit einem Schwerpunkt in neuen Technologien) im vorderen Mittelfeld der Rangliste. Das Schlusslicht bilden meist private allgemeine und berufliche Oberschulen, die auch den Rest jener Mittelschulabsolventen aufnehmen, deren Aufnahmetestergebnisse im unteren Drittel liegen. Insgesamt gibt es also nicht nur ein Gefälle in der Rangordnung zwischen allgemeinen und beruflichen Oberschulen, sondern auch zwischen öffentlichen und privaten, innerhalb der allgemeinen und innerhalb der beruflichen Oberschulzweige. Technische Oberschulen (insbesondere bestimmte Fachrichtungen) rangieren vor den Wirtschaftsoberschulen, diese wiederum vor den Landwirtschafts- und Hauswirtschaftsoberschulen. Während von den Absolventen der allgemeinen Oberschule fast drei Viertel ihre Ausbildung an einer Hochschule oder einer anderen Bildungseinrichtung fortsetzen und weniger als 10 % ein Beschäftigungsverhältnis aufnehmen, war dieses Verhältnis bei den Absolventen der beruflichen Oberschule traditionell umgekehrt: Der überwiegende Teil der Absolventen wechselte unmittelbar nach dem Oberschulabschluss in eine Beschäftigung. Auch wenn die Ausbildung der beruflichen Oberschule als wenig tä-
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tigkeits- und anwendungsbezogen gilt, erfolgte der Übergang der Absolventen in das Arbeitsleben weitgehend friktionslos. Angesichts der sich generell verschlechternden Arbeitsmarktbedingungen neigen inzwischen auch die Absolventen der beruflichen Oberschulen zu einem längeren Verbleib im Bildungssystem. Obwohl quantitativ (mit lediglich 62 Einrichtungen und 58.000 Studenten) eher unbedeutend, ist der Typus der japanischen Fachhochschule (technical college oder college of technology; kôtô senmon gakkô) von besonderem Interesse, weil er zu den wenigen Ausbildungsgängen innerhalb des öffentlichen Bildungssystems zählt, deren Abschluss gezielt auf eine berufliche Verwertbarkeit angelegt ist. Ihre Gründung (1962) geht auf die ursprünglich von der Industrie angeregten Versuche der japanischen Bildungspolitik in den fünfziger und sechziger Jahren zurück, über einen stärkeren Berufsbezug einzelner Bildungseinrichtungen die Qualifikationsanforderungen des damaligen Industrialisierungsschubs zu erfüllen. Im Curriculum werden das der dreijährigen technischen Oberschule und das einer zweijährigen ingenieurwissenschaftlichen Hochschulausbildung zu einem eigenständigen fünfjährigen Bildungsgang verbunden. Damit wurde das bis dahin gültige 6–3–3–2/4-Einheitssystem zugunsten einer wählbaren 6–3–5-Alternative durchbrochen. Die Studienmöglichkeiten an der Fachhochschule beziehen sich fast ausschließlich auf ingenieurwissenschaftliche Fachrichtungen wie Maschinenbau, Elektrotechnik/Elektronik, Informatik, Bau, Technische Chemie, Biotechnologie, Informatik, Handelsschifffahrt (inzwischen auch Management). Der Frauenanteil an den Studierenden liegt bei unter 5 %. Die Beschäftigungschancen der Fachhochschulabsolventen gelten als ausgezeichnet. Dennoch ist die Aufnahme einer Beschäftigung nach dem Fachhochschulabschluss stark rückläufig: Wechselten noch Mitte der 1990er Jahre rund 90 % eines Absolventenjahrgangs in die Industrie, ist dieser Anteil inzwischen auf 60 % gefallen. Knapp 40 % setzen ihre Bildungskarriere – i.d.R. unter Anrechnung der bisherigen Studienleistungen – an einer Hochschule fort. Inzwischen können solche Aufbaukurse (senkôka) auch an vielen Fachhochschulen absolviert und mit dem Universitätsabschluss (B.A.) abgeschlossen werden. Die „Fachschule“ (special training school bzw. college; senshû gakkô) ist ein relativ junger Schultyp, der erst 1976 als eigenständige Schulform aus dem diffusen Segment der überwiegend privaten „verschiedenartigen Schulen“ (miscellaneous schools; kakushu gakkô) separiert und im Zuge einer Novellierung des Schulerziehungsgesetzes öffentlich anerkannt wurde. Die Reform war eingebunden in die in den 70er Jahren verstärkten Versuche des Kultusministeriums, die Expansion der Zahl der Hochschul-
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studenten und den Ausbau privater Hochschulen einzudämmen. Neben der Definition des Status und der Anerkennung des Schulabschlusses sehen die gesetzlichen Grundlagen auch die Möglichkeit finanzieller Unterstützung vor – vor allem mit der Zielsetzung, den staatlichen Eingriffs- und Kontrollspielraum auf den bis dahin weitgehend diffusen und ungeordneten Sektor privater Kursangebote zu vergrößern. Trotz gesetzlich definierter Mindeststandards ist die Qualität der Fachschulausbildung je nach Schule und Fachrichtung äußerst unterschiedlich. Nach ihrem Eingangsniveau lassen sich drei Kategorien von Fachschulkursen unterscheiden: Die „Oberschul“-Variante der Fachschule (upper secondary special training school; kôtô senshû gakkô) setzt nur den Mittelschulabschluss voraus und kann als Ersatz für die (berufliche) Oberschule besucht werden. Etwa 50.000 Schüler sind in solchen Kursen eingeschrieben. Bei der weitaus überwiegenden Zahl der Fachschulen handelt es sich um postsekundäre Einrichtungen, die als Eintrittsvoraussetzung den Oberschulabschluss verlangen (special training college; senmon katei). Seit 1995 erhalten die Absolventen dieses Fachschultyps den Titel eines „Spezialisten“ (senmon shi). Rund 690.000 Fachschüler belegen diesen Kurstyp. Eine dritte Kategorie von Fachschulen (general courses; ippan katei) mit knapp 50.000 Schülern bietet Kurse an, die keine besondere Eingangsqualifikationen voraussetzen und jedem Interessenten offen stehen. Auch diese Kurse werden überwiegend von Oberschulabsolventen belegt. Oftmals bieten die Fachschulen nicht nur eine, sondern mehrere dieser Kursarten an. Insgesamt absorbieren die Fachschulen einen wesentlichen Teil der Bildungsexpansion. Seit der offiziellen Anerkennung 1976 steigt die Zahl der Neueinschreibungen kontinuierlich an (von 76.000 in 1976 auf 407.000 in 2003). Allerdings ist ein Teil dieser Entwicklung auf die anhaltende Umwandlung „verschiedenartiger Schulen“ zurückzuführen, deren Neueinschreibungen von über einer Million (1976) auf unter 190.000 (2003) zurückging. Die starke Zunahme der Schul- und Schülerzahlen ist also vor allem ein statistischer Effekt der systeminternen Umschichtung. Beliebt ist die Fachschule besonders bei den Oberschulabsolventen aus dem unteren Mittelfeld der Leistungsränge. Während die besseren Absolventen der Oberschule nach wie vor ihre Chance auf ein Universitätsstudium wahrnehmen und die Oberschulabsolventen mit den schlechteren Leistungstestergebnissen sich schon frühzeitig in ihrer Schulkarriere mit dem direkten Übergang in das Beschäftigungssystem abgefunden haben, bleibt für die übrigen die Wahl zwischen einer zweit- oder drittklassigen Hochschulausbildung oder aber einer Fachschulausbildung. Zum Teil wird die Fachschule (in Teilzeitform) aber auch parallel zum Studium besucht, weil Spezialkur-
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se - etwa im Bereich der Softwareentwicklung - Defizite der Universitätsausbildung ausgleichen und die späteren Beschäftigungschancen zu verbessern versprechen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Kursteilnehmer den Fachschulbesuch als Vorbereitung auf eine staatliche Qualifikationsprüfung nutzen. Das inhaltliche Spektrum des Kursangebots der Fachschulen ist außerordentlich heterogen. Quantitativ besonders bedeutsam sind technische Kurse in Datenverarbeitung und Softwareentwicklung, Kurse im Gesundheitswesen für Krankenpflegeberufe, hauswirtschaftliche Kurse, Kurse für Modedesign und Textilverarbeitung, Wirtschaftsund Verwaltungskurse für Buchhalter und Sekretärinnen sowie Fremdsprachenkurse. Zumindest für einzelne Einsatzfelder scheint die Fachschule die Funktion einer einschlägigen beruflichen Erstausbildung zu übernehmen. Das gilt insbesondere für die Absolventen der Fachrichtung Gesundheit, die in medizinischen Hilfsberufen (z. B. Krankenpflege) tätig sind, aber auch für den größten Teil der Absolventen technischer und kaufmännischer Fachrichtungen, die überwiegend im Produktionsbereich bzw. in Verwaltungs- und Verkaufstätigkeiten eingesetzt werden. Als vorwiegend private, gewinnorientierte Einrichtungen reagieren die Fachschulen und „verschiedenartigen“ Schulen sehr viel flexibler als das öffentliche Schulsystem auf die vielfältigen Bildungsbedürfnisse und auf die wechselnden Nachfrageverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt. Sie dienen gleichermaßen der beruflichen Aus- und Weiterbildung wie auch der allgemeinen Fortbildung und füllen damit die Lücken, die das öffentliche, stärker auf bestimmte Abschlussebenen fixierte formale Bildungssystem offen lässt. Inwieweit sich mit der Entwicklung der Fachschulen eine Art privatschulisches Berufsbildungssystem etabliert, ist jedoch fraglich. Bisher haben sich die japanischen Unternehmer gegenüber Spezialisierungsansätzen im Bildungsbereich auch dann reserviert verhalten, wenn solche Spezialisierungen ausdrücklich mit einem entsprechenden betrieblichen Qualifikationsbedarf begründet wurden. Wie schon in der Bezeichnung „Verschiedenartige Schulen“ (kakushu gakkô; miscellaneous schools) zum Ausdruck kommt, handelt es sich bei diesem ‘Schultyp’ um eine Restkategorie, unter die Ausbildungsinstitutionen mit sehr heterogenen Angeboten an Fächern und Fachrichtungen fallen, von denen nur wenige im engeren Sinne berufliche Qualifikationen vermitteln. Ein Teil der Kurse dauert nur einige Monate, viele aber auch über ein Jahr. In formaler Hinsicht stellt der Staat nur geringe Anforderungen (im Hinblick auf Kursumfang, Vorbildung, Curricula) an diesen Schultyp. Die quantitativ bedeutsamsten Kurse sind die Fahrschulen zum Erwerb eines Führerscheins und die Einrichtungen zur Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung zur Universität (yobikô).
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Nur ein kleiner Teil der Verschiedenartigen Schulen bietet Kurse an, die im weitesten Sinne berufliche Qualifikationen in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft, Gesundheitswesen und Hygiene, Erziehungs- und Sozialwesen, Hauswirtschaft und Kultur vermitteln. Seit der Einrichtung des Schultyps „Fachschule“ 1976 und der Umwandlung (bzw. Umbenennung) des überwiegenden Teils der Verschiedenartigen Schulen in Fachschulen ist die Bedeutung dieses Schultyps stark rückläufig. Vor allem die in der beruflichen Bildung engagierten Verschiedenartigen Schulen wurden zu Fachschulen umgewandelt.
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Berufliche Bildung in der Zuständigkeit des Arbeitsministeriums
Traditionell ist der quantitative und qualitative Stellenwert einer staatlich organisierten und kontrollierten Berufsbildung in Japan gering. Berufliche Aus- und Weiterbildung ist prinzipiell Angelegenheit der Betriebe, nicht des Staates. Dessen Funktion beschränkt sich im Wesentlichen auf subsidiäre Leistungen vor allem im Zusammenhang mit kompensatorischer Arbeitsmarktpolitik. Folgerichtig ist dieser Sektor dem Kompetenzbereich des Arbeitsministeriums zugeordnet. Insgesamt grenzt sich die Berufsbildung in der Zuständigkeit des Arbeitsministeriums nicht nur institutionell, sondern auch in ihrer politischen Zielsetzung deutlich vom allgemeinen Bildungssystem des Erziehungsministeriums ab. Während letzteres sich seit den sechziger Jahren weitgehend den Veränderungen der Nachfrage nach Bildung angepasst hat, versteht sich die öffentliche und öffentlich geförderte Berufsbildung in der Regie des Arbeitsministeriums ausdrücklich als Beitrag zur Arbeitsmarktpolitik. In der Vergangenheit gab es kaum inhaltliche oder organisatorisch-institutionelle Verbindungen zwischen den Einrichtungen und den bildungspolitischen Leitlinien beider Ministerien. Erst unter dem Eindruck steigender Arbeitslosigkeit der Absolventen von Bildungseinrichtungen gibt es erste Ansätze zur Koordination zwischen Bildungspolitik und aktiver Arbeitsmarktpolitik. Das japanische Arbeitsministerium (Ministry of Health, Labour and Welfare; kôseirôdôshô) bildet die Zentrale eines breit gestreuten Netzes von regionalen und lokalen Arbeitsverwaltungen, mit denen es die Beschäftigungspolitik des Landes steuert. Die „Employment and Human Resources Development Organization of Japan“ (EHDO; koyô nôryoku kaihatsu kikô) ist eine dem Arbeitsministerium zugeordnete halbstaatliche Behörde, die 1961 als Employment Promotion Projects Corporation (EPPC)
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aus Anlass des Strukturwandels gegründet wurde. Das Aufgabenspektrum der EHDO reicht von der Förderung der Beschäftigung und Mobilität der Arbeitnehmer über die Unterhaltung von Wohlfahrtseinrichtungen und die Wohnungsförderung für Arbeitnehmer bis zur Trägerschaft von Einrichtungen zur Berufsbildung. Ein erheblicher Teil des Haushalts der EHDO wird aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung bestritten. Das in jedem von der EHDO unterhaltenen Präfekturzentrum eingerichtete Büro zur Laufbahnberatung steht Arbeitnehmern und Arbeitsuchenden als Anlaufstelle zur Verfügung, in der auf der Grundlage der bisherigen Erwerbskarriere und der individuellen Kompetenzen und Wunschvorstellungen nach individuellen Eingliederungsmöglichkeiten gesucht wird. Daneben bieten die Präfekturzentren der EHDO Beratung und Informationen für Unternehmen zur betrieblichen Personalentwicklung (Rekrutierung, Arbeitsorganisation, betriebliche Aus- und Weiterbildung, Arbeitsbedingungen, Rente) an. Die 1979 in der Zuständigkeit des Arbeitsministeriums eingerichtete „Japan Vocational Ability Development Association“ (JAVADA; chûô shokugyô nôryoku kaihatsu kyôkai) ist zuständig für die der Förderung der betrieblichen Berufsbildung und insbesondere für die Wahrnehmung aller Aufgaben, die im Zusammenhang mit den beruflichen Qualifikationsprüfungen stehen. Während die EHDO vor allem Aufgaben im Bereich der öffentlichen (staatlichen und lokalen) Berufsbildung wahrnimmt, stellt die JAVADA die Verbindungsstelle zwischen öffentlicher und privatbetrieblicher Berufsbildung dar und koordiniert betriebliche und überbetriebliche Ausbildungsaktivitäten. Mitglieder der JAVADA sind Behörden, Organisationen überbetrieblicher Berufsbildung, ausbildende Unternehmen und Gewerkschaften. Neben der zentralen JAVADA auf Landesebene besteht eine entsprechende Einrichtung in jeder der 47 Präfekturen. Arbeitsmarkt-, Berufs- und Berufsbildungsforschung sind seit 1989 im „Japan Institute for Labour Policiy and Training“ (nihon rôdôseisaku kenkyû kenshû kikô), einer Einrichtung des Arbeitsministeriums, zusammengefasst. Das Institut führt umfangreiche eigene Studien durch, unterhält eine breit angelegte Datenbank auf dem Sektor der Arbeits-, Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und unterstützt die Präfekturregierungen im Rahmen der regionalen Arbeitsmarktpolitik. In vieler Hinsicht sind die Aktivitäten des Instituts vergleichbar mit denen des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Der Schwerpunkt der berufsbildungspolitischen Aktivitäten liegt auf der Förderung der klein- und überbetrieblichen Berufsbildung, insbesondere im Zusammenhang mit den neuen Anforderungen beim Einsatz neuer Technologien, der Weiterbildung Er-
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wachsener angesichts der Verschiebungen in der japanischen Altersstruktur und der Berücksichtigung regionalspezifischer Anforderungen. Damit verbunden ist der Versuch, öffentliche und anerkannte private Berufsbildung über ein differenziertes Finanzierungssystem enger miteinander zu verzahnen. Seit den 1990er Jahren können nicht mehr nur Betriebe Unterstützung erhalten, sondern auch Individuen. Außerdem können white-collar-Beschäftigte in die Förderung einbezogen werden. Bei den von der EHDO und den Präfekturen getragenen Berufsbildungsangeboten lassen sich drei Adressatengruppen unterscheiden: x
Arbeitslosen wird in der Regel ein 6-Monats-Kurs zur Weiterbildung bzw. Umschulung angeboten. 2003 betrug die Zahl der Teilnehmer rund 430.000; davon erhielten 320.000 Teilnehmer den Kurs nicht in einem der öffentlichen Weiterbildungszentren, sondern in „beauftragten“ Einrichtungen (itaku kunren), z.B. einer Fachschule (senshû gakkô). Die öffentlichen Einrichtungen bieten vorwiegend Kurse im Bereich von Produktionstätigkeiten (blue collar) an, die „beauftragten“ Einrichtungen stärker im Bereich von Bürotätigkeiten (white collar). Etwa 70 % der in öffentlichen Einrichtungen und 53 % der in „beauftragten“ Einrichtungen Qualifizierten fanden im Anschluss an die Maßnahme eine neue Arbeit Job (2003). Grundsätzlich gilt das Angebot für Arbeitslose nur für die einmalige Teilnahme an einer solchen Maßnahme (Ausnahmen gibt es für Arbeitslose über 35 Jahre).
x
Beschäftigte Arbeitnehmer, denen in Kurzkursen von in der Regel einer Woche eine spezifische Fachqualifikation vermittelt wird (z. B. in Elektronik; CAD/CAM/CAE u. a.). 2003 nahmen etwa 150.000 Teilnehmer an einem solchen Kurs teil. Außerdem werden Kurzkurse zur Vorbereitung auf die staatlichen Qualifikationsprüfungen (trade skill tests), Kurse für untere Führungskräfte oder für andere Adressatengruppen angeboten.
x
Absolventen der Mittel- und Oberschulen ohne berufliche Vorkenntnisse und Erfahrungen, die in einer der öffentlichen Ausbildungseinrichtungen eine berufliche Erstausbildung zur Verbesserung ihrer Beschäftigungschancen erhalten. Je nach Fachrichtung und Vorbildung der Teilnehmer können diese Lehrgänge ein, zwei oder vier Jahre dauern. Der normale Ausbildungslehrgang (ordinary vocational training; futsû katei) vermittelt eine breite technische Grundausbildung auf einfachem Niveau; er dauert für Mittelschulabsolventen zwei Jahre, für Oberschulabsolventen ein Jahr. Der höherwertige Fachausbildungslehrgang (advanced vocational training; senmon katei) setzt den Schwerpunkt auf neue Technologien; er wen-
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det sich ausschließlich an Oberschulabsolventen und dauert meist zwei Jahre. Die Teilnehmerzahl in beiden Lehrgangstypen lag 2003 bei rund 20.000. Für die Durchführung der Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Umschulungskurse unterhalten Staat, Präfekturen und die EHDO unterschiedliche Einrichtungen: x Die fast ausschließlich von Präfekturen getragenen 201 Ausbildungszentren (human resources development centers; shokugyô nôryoku kaihatsukô) sind für die einfachen Ausbildungsgänge im Rahmen der beruflichen Erstausbildung und für Kurse zur beruflichen Weiterbildung und Umschulung für Arbeitslose oder auch für Beschäftigte zuständig. Ihre Einrichtungen können auch regionalen Betrieben für die eigenverantwortliche Durchführung von Kursen zur Verfügung gestellt werden. x In den 18 von der EHDO bzw. den Präfekturen getragenen Kurzhochschulen für Berufsbildung (polytechnic junior colleges; shokugyô nôryoku kaihatsu tanki daigakkô) findet die zweijährige berufliche Fachausbildung für Oberschulabsolventen statt. Der Namensbestandteil Kurzhochschule (tanki daigakkô) soll an die Nähe zu den entsprechenden Einrichtungen (tanki daigaku) im offiziellen Bildungssystem erinnern. Die Teilnehmerzahlen in der Erstausbildung nehmen seit langem kontinuierlich ab. Wegen des geringen Interesses der Schulabsolventen können die zur Verfügung stehenden Plätze für die berufliche Erstausbildung oft nicht voll besetzt werden. x Die EHDO ist auch Träger der 62 Weiterbildungszentren (polytechnic centers; shokugyô nôryoku kaihatsu sokushin sentâ), Einrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung, in denen ausschließlich Weiterbildungs- und Umschulungskurse stattfinden. x Träger der 19 Weiterbildungszentren für Behinderte (human resources development centers for the disabled; shôgaisha shokugyô nôryoku kaihatsu kô) sind der Staat bzw. die Präfekturen. x Das Top-Institut unter den Berufsbildungseinrichtungen im Zuständigkeitsbereich des Arbeitsministeriums ist die 1961 als Institut für Berufsbildung (Institute of Vocational Training; shokugyô kunren daigakkô) gegründete, inzwischen umbenannte Polytechnische Universität (Polytechnic University; shokugyô nôryoku kaihatsu sôgô daigakkô) in der Trägerschaft der EHDO. Ihre wichtigsten Aufgaben sind Aus- und Weiterbildung von Fachlehrern (für die Berufsbildungseinrichtungen im Zuständigkeitsbereich des Arbeitsministeriums), die Weiterbildung technischer
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Fach- und Führungskräfte, die Aus- und Weiterbildung von Ausbildern und technischem Fachpersonal aus Entwicklungsländern im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit sowie Forschungs- und Entwicklungsarbeiten (Entwicklung von Lehrplänen, audiovisuellen Lehrmaterialien, Textbüchern). Die praktische und theoretische Ausbildung in den verschiedenen Lehrgängen und Fachrichtungen erfolgt nach vorgegebenen Standards des Arbeitsministeriums. Die Ausbildungsdauer, die Ausbildungsinhalte und ihre Verteilung, die Ausstattung der Ausbildungseinrichtungen und die erforderlichen Ausbildungsmaterialien sind für jede Fachrichtung in einer Rechtsverordnung festgelegt. Die Fachausbildung für Mittelund Oberschulabsolventen, die Umschulungskurse und die Ausbildung der Behinderten erfolgen gebührenfrei; alle übrigen Kurse sind gebührenpflichtig. Ausbildungsmaterialien werden zur Verfügung gestellt. Zum Teil erhalten die Teilnehmer der Umschulungskurse und der Behindertenausbildung eine finanzielle Unterstützung. Zahlreiche Einrichtungen unterhalten eigene Wohnheime. Seit 2004 zählt die Einführung einer japanischen Variante des dualen Systems offiziell zu den Planungsvorhaben des Arbeitsministeriums. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht die Kombination theoretischen Unterrichts mit praktischer Betriebsausbildung. Die 6-Monats-Kurse für Arbeitslose, die von „beauftragten“ Weiterbildungseinrichtungen durchgeführt werden, sollen möglichst zur Hälfte in einem Betrieb stattfinden. Die (Wieder-) Beschäftigungsrate soll durch diese Maßnahme gesteigert werden. Um Betriebe zur Beteiligung zu motivieren, können die Bildungseinrichtungen einen entsprechenden Teil der vom Arbeitsministerium erhaltenen Mittel weitergeben. Allerdings zeichnen sich Probleme ab, genügend Betriebe zu finden, die sich am Programm beteiligen. Doch gibt es gerade im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe auch ein gewisses Interesse, weil sich die Betriebe durch das Praktikum eine geeignete Grundlage für ihre Personalrekrutierung versprechen. Für 2006 ist eine erste Evaluation geplant, von deren Ergebnis die Weiterführung des Programms abhängt. In einem Modellversuch in einzelnen Präfekturen ist die Einführung einer langfristig angelegten dualen Systemvariante probiert, die – in Anlehnung an das deutsche duale System – einen Ausbildungsvertrag zwischen Betrieb und Lehrling und auch eine Ausbildungsvergütung vorsieht. Die Funktion der Schule wird von den öffentlichen Berufsbildungszentren der Präfekturen wahrgenommen. Die Ausbildungszeit soll zwischen ein und zwei Jahren liegen; sie kann individuell festgelegt werden.
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Öffentliche Förderprogramme (über-)betrieblicher Berufsbildung
Die vom Arbeitsministerium festgelegten Mindeststandards für die einzelnen Fachrichtungen sind auch für die betriebliche und überbetriebliche Berufsausbildung verbindlich, soweit diese im Rahmen staatlich anerkannter Berufsbildung stattfindet (nintei shokugyô kunren). Voraussetzung für die Anerkennung und Förderung einer (über-) betrieblichen Ausbildungsstätte ist ein Akkreditierungsverfahren, das in der Verantwortung der Präfekturregierung liegt. Diese überprüft auf Antrag, ob Einrichtungen und Ausstattung der grundsätzlich produktionsgetrennten Ausbildungseinrichtungen den Mindeststandards für den jeweiligen Ausbildungsgang genügen und ob die Arbeitsschutzbedingungen eingehalten werden. Um die staatliche Anerkennung können sich einzelne Unternehmen, vor allem aber auch „Ausbildungskörperschaften“ bemühen, die sich aus Klein- und Mittelbetrieben zusammensetzen und meist ausschließlich auf dem Gebiet der Berufsausbildung kooperieren und ein gemeinsames überbetriebliches Ausbildungszentrum unterhalten. Die gemeinsame Trägerschaft überbetrieblicher Ausbildungszentren ist vor allem für kleinere Betriebe interessant, die auf sich gestellt den Ausbildungsanforderungen nicht genügen könnten. Teile der praktischen Ausbildung finden in solchen Fällen im einzelnen Betrieb statt. Die theoretische Ausbildung und die systematische Grundausbildung werden im gemeinsamen Ausbildungszentrum vermittelt. Zur Unterstützung der anerkannten betrieblichen und überbetrieblichen Berufsbildung werden erhebliche öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt: Im Falle von Klein- und Mittelbetrieben – im Produktionssektor mit bis zu 300 Beschäftigten – bzw. deren überbetrieblichen Einrichtungen werden zwei Drittel der laufenden Kosten vom Staat übernommen. Für Bau und Einrichtung von Ausbildungsstätten stellt die EHDO Darlehen zur Verfügung. Darüber hinaus können für einzelne Maßnahmen auch die öffentlichen Berufsbildungseinrichtungen und andere Schulungseinrichtungen der Präfekturen und Kommunen kostenfrei genutzt werden. Fachlehrer aus dem öffentlichen Berufsbildungsbereich können auf Antrag zeitweise abgeordnet werden. 2002 partizipierten rund 1.400 Klein- und Mittelunternehmen mit 22.000 Beschäftigten an dem Förderprogramm. Eine wesentliche Zielvorstellung der Gesetzesnovellierung des Berufsbildungsförderungsgesetzes von 1985 war, den Einfluss der Arbeitsverwaltung auf die betriebliche Berufsbildung zu erweitern und vor allem den Klein- und Mittelbetrieben Anreize für die geplante, systematische Organisation und Durchführung von Berufsbildungsmaß-
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nahmen zu geben. Das Berufsbildungsförderungsgesetz sieht zu diesem Zweck eine breite Palette finanzieller und anderer Förderungsmaßnahmen vor, deren Inanspruchnahme zwar an gewisse Auflagen gebunden ist, nicht aber an die Ausbildungsstandards und Fachrichtungen, wie sie vom Arbeitsministerium für die öffentliche und öffentlich anerkannte private Berufsbildung vorgeschrieben sind. Als Begründung für die Notwendigkeit einer Art (über-)betrieblicher Qualifizierungsoffensive verweist das Arbeitsministerium in seinen Werbemaßnahmen auf den raschen Wandel der Beschäftigtenstruktur mit der Verlagerung auf den tertiären Sektor, auf die Verbreitung der Mikroelektronik auch in kleineren Betrieben, auf die rapide Verschiebung der Altersstruktur der japanischen Bevölkerung und auf die zunehmende internationale Verflechtung der Wirtschaft. Zahlreiche Untersuchungen des Arbeitsministeriums belegen, dass vor allem Klein- und Mittelbetriebe kaum irgendwelche systematischen betrieblichen Qualifizierungsprogramme anbieten und dass insbesondere ältere Arbeitnehmer zunehmend weniger an Weiterbildungsmaßnahmen teilhaben. Um in den Genuss öffentlicher Unterstützung (über-)betrieblicher Berufsbildungsaktivitäten zu kommen, fordert das Gesetz vom Antragsteller die Vorlage eines betrieblichen Berufsbildungsplans, der gemeinsam mit der Betriebsgewerkschaft (soweit vorhanden) zu erstellen ist. Für die Einführung eines betrieblichen Personalentwicklungssystems können Unternehmen einen Zuschuss erhalten. Der gesetzliche Anspruch auf unmittelbare finanzielle Zuwendungen gilt vor allem für die eigenen innerbetrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen, die Freistellung der Beschäftigten für außerbetriebliche Bildungsmaßnahmen bei Lohnfortzahlung bzw. die Kostenübernahme durch den Betrieb sowie die Entwicklung und Durchführung betriebsinterner Qualifikationsprüfungen (trade skill tests; shanai kentei nintei). Grundsätzlich wird nicht die Vermittlung von Basisqualifikationen gefördert, sondern nur die fachliche Weiterbildung. Großbetriebe können für die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen die Erstattung von bis zu 25 % der Ausbildungskosten einschließlich der Lohnkosten beantragen; bei Klein- und Mittelbetrieben können bis zu 33 % erstattet werden. Die gleichen Erstattungssätze gelten bei externen Weiterbildungsmaßnahmen (Kurs- und anteilige Lohnkosten). Bei besonderen Strukturanpassungsproblemen oder einem besonders ausgeprägten regionalen Arbeitsmarktungleichgewicht können die Erstattungssätze für Großunternehmen auf bis zu 33 % und für Klein- und Mittelunternehmen auf bis zu 50 % erhöht werden. Das gilt auch, wenn sich ein Klein- oder Mittelunternehmen in bestimmten Branchen auf neue Produkte oder Produktionsmethoden einstellen muss, für die veränderte oder höhere Qualifikationen erforderlich sind. Für die Freistellung
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zur Teilnahme an den Qualifikationsprüfungen (ginô kentei) werden jeweils 75 % der Prüfungsgebühren und der Lohnkosten während der Prüfungszeit erstattet (begrenzt auf bis zu 100.000 Yen pro Unternehmen pro Jahr). Unabhängig von der direkten finanziellen Förderung stehen insbesondere Klein- und Mittelunternehmen für Weiterbildungsmaßnahmen die öffentlichen Weiterbildungseinrichtungen zur Verfügung. Außerdem stehen auf Präfekturebene Beratungs- und Serviceeinrichtungen zur Verfügung, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in allen Angelegenheiten der Berufsbildung unterstützen und beraten. Für die selbst initiierte Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen können beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitslose unter bestimmten Bedingungen staatliche Unterstützung erhalten. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass der entsprechende Lehrgang vom Arbeitsministerium als förderungswürdig anerkannt ist. Die Liste der vom Ministerium akzeptierten und individuell wählbaren (rund 15.000) Kurse wird halbjährlich überprüft, aktualisiert und ist über das Internet (oder auch in den Beratungszentren) einsehbar. Dabei handelt es sich überwiegend um Kurse, die von privaten Einrichtungen angeboten werden. Anbieter bemühen sich in der Regel selbst darum, in die Liste aufgenommen zu werden. Ein wichtiges Qualitätskriterium für die Anerkennung ist, dass die Kursziele klar formuliert und realistisch erreichbar sind. Auf Antrag können den Teilnehmern 40 % der Kursgebühren, höchstens jedoch 200.000 Yen, erstattet werden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller mindestens 5 Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. In solchen Fällen, in denen nur 3 – 5 Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt wurde, können 20 % der Kursgebühren, maximal 100.000 Yen, erstattet werden. Die Teilnehmerzahlen an diesem Förderprogramm schwanken von Jahr zu Jahr erheblich. 2004 waren es 470.000, 1999 noch 150.000. Das Programm gilt gleichermaßen für Arbeitslose und Beschäftigte und unabhängig von Qualifikation und Status. Die Auswahl aus dem Kursangebot steht jedem Interessenten frei und ist nicht begründungspflichtig. Nach Einschätzung der Gesprächspartner im Arbeitsministerium sind grundsätzlich auch Kursanbieter mit ausländischem Kapital denkbar, kaum aber ausländische Kursangebote. Der Gesamtbetrag für das individuelle Förderprogramm machte 2004 rund 80 Mrd. Yen aus. In der Zuständigkeit der JAVADA wird gegenwärtig ein neues Instrumentarium der Weiterbildungsförderung entwickelt. Den Unternehmen sollen Instrumente an die Hand gegeben werden, mit denen sie auf Basis einer Systematisierung der Beschreibung von Arbeitsanforderungen und der bisher vorhandenen Qualifikationen und Fertigkeiten der Beschäftigten Weiterbildungsnotwendigkeiten erkennen sowie Pläne da-
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zu entwickeln und umsetzen können. Mit der Verdichtung zu Tätigkeitsprofilen soll die Professionalisierung gefördert, sollen Beschäftigte in die Lage versetzt werden, ihr Qualifikationsprofil zu entwickeln und zu vervollständigen, und sollen die Unternehmen bei einer systematischen Personalentwicklung unterstützt werden. Obwohl weder das Bildungssystem noch die betrieblichen Formen der Arbeitsorganisation an beruflichen Standards und Abschlüssen orientiert sind, gibt es in Japan ein weit verbreitetes Prüfungswesen zum Nachweis fachlicher Qualifikationen. Abgesehen von solchen Prüfungen, deren Bestehen formale Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten ist, z. B. Architekt, Hebamme, Zahntechniker, Friseur, LKWFahrer, geht es bei der großen Mehrzahl der fachlichen Qualifikationsprüfungen nicht um den Zugang zu bestimmten Berufslaufbahnen, sondern um die individuelle Bestätigung fachspezifischer Kompetenzen, ohne dass ein entsprechendes Zertifikat mit einer lang- oder auch nur mittelfristigen Berufsperspektive in Zusammenhang steht. Im Gegensatz zu Deutschland sind häufig mit diesen Lizenzen und Qualifikationsprüfungen keine Berufsbilder verbunden, da es sich weniger um ein Bündel von Qualifikationen handelt als lediglich um einen Fähigkeitsnachweis in einem sehr eng begrenzten Bereich. Sie sind insofern eher einem „Führerschein“ ähnlich. Ein alljährlich neu aufgelegter Führer zu den Qualifikationsprüfungen und Lizenzen verzeichnet rund 1.400 verschiedene Zertifikate. Entsprechend unterschiedlich sind die Zertifikate in ihrer Qualität, in ihrer Bedeutung für die berufliche Tätigkeit des Erwerbers, in ihrem Schwierigkeitsgrad und den Voraussetzungen, zur Prüfung zugelassen zu werden. Die mit Abstand größte Zahl der offiziell angebotenen Qualifikationsprüfungen liegt in der Zuständigkeit des Arbeitsministeriums. Die Einführung eines Systems beruflicher Qualifikationsprüfungen (trade skill test; ginô kentei) 1959 fällt in eine Zeit, als die berufsbildungspolitischen Strategien der japanischen Regierung noch darauf gerichtet waren, nach dem Muster westlicher Länder ein einheitliches Facharbeiterniveau in den verschiedenen Fachrichtungen sicherzustellen und damit auch das zwischenbetriebliche Mobilitätspotenzial zu erhöhen. Heute dienen die Prüfungen in erster Linie dazu, dem einzelnen nach mehreren Jahren Berufstätigkeit fachliche Kompetenzen in einem abgegrenzten Tätigkeitsbereich zu bestätigen. Auf dem Arbeitsmarkt hat ein solches Zertifikat nur geringe Bedeutung; die Rekrutierungspraxis größerer Unternehmen orientiert sich ohnehin nicht an vorzeigbaren inhaltlichen Qualifikationen. Einen gewissen Tauschwert haben berufliche Zertifikate nur im kleinbetrieblichen Sektor und in Tätigkeitsbereichen mit relativ hoher Fluktuation der Arbeitskräfte, insbesondere im Bereich der Bauwirtschaft.
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Für ausländische Trainees führte das Arbeitsministerium zusätzlich 1993 noch zwei weitere Qualifikationsprüfungsniveaus (kiso ikkyû, kiso nikyû) ein, die den Erwerb einer beruflichen Basisqualifikation auf unterem Niveau bestätigen. Wer die berufliche Qualifikationsprüfung bestanden hat, erhält ein entsprechendes Zertifikat, das Prüfungsgrad und Fachrichtung ausweist. Mit dem Business Career System wurde das System der Qualifikationsprüfungen auf den White-Collar-Bereich ausgedehnt. In diesem modular aufgebauten Prüfungssystem haben nun auch Angestellte die Gelegenheit, ihr Wissen in verschiedenen Geschäfts- und Tätigkeitsfeldern zertifizieren zu lassen. Die mit dem Bestehen der Qualifikationsprüfung für den Kandidaten verbundenen beruflichen Vorteile sind schwer einzuschätzen. Einerseits stattet das Arbeitsministerium die Inhaber des Zertifikats mit gewissen Privilegien aus. Andererseits kann das Zertifikat ersten oder zweiten Grades in solchen Tätigkeitsbereichen, deren Ausübung an bestimmte Lizenzen gebunden ist, den Lizenzbewerber von bestimmten Prüfungen oder Prüfungsteilen entbinden. Weder auf dem externen Arbeitsmarkt noch für die innerbetriebliche Karriere spielt das Zertifikat eine entscheidende Rolle. Die Teilnahme wird eher von der Erwartungshaltung des Unternehmens bestimmt, das in aller Regel auch die Prüfungskosten trägt. Wird sie vom Personalmanagement propagiert, so wäre die Nichtteilnahme für die Karriere jedenfalls hinderlich.
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Betriebliche Aus- und Weiterbildung
Traditionell erfolgt die Rekrutierung neuer Stammbeschäftigter in japanischen Unternehmen einmal jährlich zur Zeit der Schul- bzw. Hochschulentlassungen (Anfang April). Nur in Ausnahmefällen werden Arbeitskräfte über den externen Arbeitsmarkt gesucht. Da beide Seiten zum Zeitpunkt der Einstellung noch immer von einer hohen Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften Beschäftigungsverhältnisses ausgehen, ist die Auswahl der „richtigen“ Bewerber für den Betrieb und des besten Unternehmens für den Bewerber von großer Bedeutung. Eine einmal getroffene Entscheidung lässt sich nur schwer rückgängig machen. Entsprechend aufwändig ist auf beiden Seiten der Suchprozess. Die übliche Rekrutierung unmittelbar nach dem Schul- oder Hochschulabschluss bedeutet, dass japanische Arbeitgeber keine Informationen über die fachliche Kompetenz der Bewerber erwarten. Die Einstellung orientiert sich deshalb vorwiegend an generellen Persönlichkeitsmerkmalen wie Gesundheit, Fleiß, Teamfähig-
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keit, Kommunikationsbereitschaft oder Lernfähigkeit. Dazu liefert das Niveau des absolvierten Bildungsgangs die wichtigsten Informationen: Wer den Zugang zu einer der Spitzenuniversitäten geschafft hat, dem wird ein hohes Maß an Einordnungs- und Lernbereitschaft zugeschrieben. Jeder Schüler bzw. Student kann vor dem Hintergrund der hierarchischen Einordnung seiner Bildungseinrichtung abschätzen, welche Übergangsmöglichkeiten ihm offen stehen und welche ihm auf Dauer verschlossen bleiben. Analog zu den Rekrutierungsmustern, die sich nicht an abgegrenzten Tätigkeitsfeldern orientieren, sondern am generellen langfristigen Personalbedarf, liegt auch in der betrieblichen Einarbeitungsphase die Betonung weniger auf einer fachspezifischen Qualifizierung, sondern zunächst auf der Grundlegung der persönlichen Verpflichtungen und Bindungen an den Betrieb. Wichtigstes Ziel ist die Identifizierung des Einzelnen mit dem Unternehmen, die Entwicklung einer corporate identity. Da von den Neueingestellten keine fachlichen Qualifikationen erwartet werden, bezieht sich die Einstellung auch nicht auf eine gezielte Verwendung an einem bestimmten Arbeitsplatz. Vielmehr beginnt der neue Jahrgang das Arbeitsverhältnis mit einer mehr oder weniger formalisierten Abfolge von Praktika, Schulungen und Arbeitseinsätzen auf der untersten Hierarchiestufe der Arbeitsorganisation, ohne dass zu diesem Zeitpunkt für den einzelnen seine spätere Verwendung im Betrieb bereits kalkulierbar wäre. Von jedem Mitarbeiter wird die Akzeptanz jedes Arbeitsplatzes erwartet. Da auch später die Entlohnung und der Status des einzelnen nur wenig mit der jeweiligen Tätigkeit in Zusammenhang stehen, bedeutet der Tätigkeitswechsel weder im Hinblick auf die innerbetriebliche Rangordnung noch im Hinblick auf die individuelle Vergütung einen Bruch mit den Karriereerwartungen und -perspektiven des Einzelnen, zumal die Orientierung an beruflich definierten arbeitsinhaltlichen Standards fehlt. Nach Abschluss der Einführungsphase werden die Neuen einzelnen Arbeitsgruppen zugewiesen, wo sie unter Anleitung erfahrener Gruppenmitglieder zunächst die einfacheren Arbeiten und schrittweise zusätzliche Aufgaben übernehmen. In der Regel geschieht das unter der beratenden Obhut eines mit dieser Aufgabe beauftragten, einige Jahre älteren Mitarbeiters. Die gängige Ausbildungsmethode ist die Mitarbeit am einzelnen Arbeitsplatz, das Lernen durch Beobachtung und durch die allmähliche Übernahme eigener Aufgabenbereiche. Betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen erfolgen also überwiegend informell im Rahmen betrieblicher Arbeitsprozesse. Das gilt für die Ebene der Blue-Collar-Ausbildung ebenso wie für die Ebene des Managements. Die Grenzen zwischen Arbeit und Qualifizierung sind fließend. Kompetenzerwerb erscheint als dauernder Prozess aktiver Auseinandersetzung mit neuen Anforde-
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rungen, als unterstützte „Selbsteroberung“ des Arbeitsplatzes unter Nutzung der Hilfestellung von Kollegen in der Arbeitsgruppe. Da diese Form der Kooperation und gegenseitigen Unterstützung auch sonst durchgängiges Prinzip der Arbeitsorganisation ist, stellt die Qualifizierungsphase keine Besonderheit dar. Die Arbeitsgruppe gilt als der wichtigste Ort betrieblicher Sozialisation und wechselseitiger Qualifizierung am Arbeitsplatz. Die gemeinsame Einbindung in eine unternehmensweite Kommunikationskultur erleichtert nicht nur die Kooperation innerhalb und zwischen den Arbeitsgruppen und Fachabteilungen, sondern auch die zwischen den einzelnen Hierarchieebenen. Fragt man japanische Arbeitnehmer, auf welche Weise sie die an ihrem aktuellen Arbeitsplatz notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten erworben haben, so ist „on-thejob” die Standardantwort. On-the-job Training (OJT), Lernen durch Zusehen, ist die dominante, in kleineren Betrieben häufig die einzige Form betrieblicher Qualifizierung. Das methodische Vorgehen Vormachen – Nachmachen – Kontrolle – Verbesserung gilt im Prinzip für alle Tätigkeiten auf allen Hierarchieebenen. Meist erfolgt die Zuweisung der Ausbildungsaufgabe unmittelbar vor Ort durch den direkten Vorgesetzten oder dessen Stellvertreter. Insofern ist die fachliche Qualifizierung am Arbeitsplatz immer auch Bestandteil der sozialen Integration in die Arbeitsgruppe und in die Betriebsgemeinschaft. Sie fördert die Akklimatisierung an die Normen der jeweiligen Arbeitsgruppe und damit die Einbindung in ein vielfältiges Netz persönlicher Beziehungen und gegenseitiger Verpflichtungen. Das gemeinsame Arbeiten und Lernen in nach Erfahrung und Alter heterogen zusammengesetzten Arbeitsgruppen ist eine besonders effektive und zugleich kosten- und zeitsparende Form betrieblicher Qualifizierung. Der Beitrag des Einzelnen zum Erfolg der Gruppe wird hoch bewertet. Dadurch wird einerseits die individuelle Konkurrenz innerhalb der Gruppe gefördert, andererseits aber auch die Kooperation gestärkt, weil die Einzelleistung immer auch im Rahmen ihres Beitrags zur Gruppenleistung Beachtung findet. Andere Varianten betrieblicher Qualifizierung wie Off-the-job Training (OffJT) oder Selbststudium sind dem Lernen am Arbeitsplatz (OJT) meist direkt zu- und untergeordnet. Insgesamt nimmt sich das Ausmaß eines systematischen OffJT eher bescheiden aus. (Das schließt nicht aus, dass es in einigen Großunternehmen auch eine länger dauernde systematische, vom Arbeitsplatz getrennte Ausbildung gibt – bis hin zu Ausbildungen in betrieblichen Fach- und Hochschuleinrichtungen.) Die Häufigkeit und Dauer solcher Angebote steigen mit der Betriebsgröße und mit der innerbetrieblichen Hierarchieebene. Die ein- oder mehrtägigen, arbeitsplatzgetrennten Schulungsangebo-
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te beschränken sich auf den unteren Hierarchieebenen meist auf Prüfungsvorbereitungen zum Erwerb von Zertifikaten (z. B. Kurse in Arbeitssicherheit, Kranführerschein o. ä.) oder auf Theoriekurse, wenn die Übernahme einer komplexeren Arbeitsaufgabe ohne ein solches Wissen nicht zu bewältigen ist. Angebote zur Vorbereitung auf Vorgesetzten- und Managementfunktionen oder auch zur allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung sind meist auf die Mitarbeiter in den oberen Hierarchieebenen beschränkt. Zunehmend mehr Großunternehmen schicken ausgewählte Mitarbeiter auch zu einem Studien- oder Trainingsaufenthalt in die USA oder nach Europa. Neue Herausforderungen am Arbeitsplatz sind häufig auch Anlass für selbst initiierte Weiterbildung. Die Aufgabenstellungen im Projektteam, in der Arbeitsgruppe oder im Qualitätszirkel erfordern oft sehr weitgehende spezielle technische und organisatorische Theoriekenntnisse, die sich die Teilnehmer – oft unter Anleitung eines erfahrenen Kollegen – über ein zusätzliches intensives Selbststudium (jiko keihatsu) aneignen müssen. Die Unternehmen fördern solche Aktivitäten auf vielfältige Weise: durch Empfehlung geeigneter Abend- oder Fernunterrichtskurse, durch Subventionierung oder Übernahme der Kursgebühren und der Materialkosten und vor allem auch durch die Berücksichtigung der selbst initiierten Weiterbildung bei der Personalbewertung und Beförderung. Grundsätzlich aber bleibt ein wesentlicher Teil der Verantwortung für den Erwerb des betrieblich erforderlichen Fachwissens bei den Beschäftigten selbst; von jedem Mitarbeiter wird die Bereitschaft und Eigeninitiative zum Erwerb zusätzlichen Wissens erwartet. Das Ausmaß der unternehmerischen Bereitschaft, in die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer zu investieren, hängt dabei ausschließlich von der erwarteten Verwertbarkeit der vermittelten Qualifikationen aus Sicht der Unternehmensleitung ab. Grundsätzlich reduziert sich der betriebliche Qualifizierungsaufwand auf das am jeweiligen Arbeitsplatz benötigte Wissen und Können. Umgekehrt hat das zur Folge, dass Arbeitnehmer immer nur in dem Ausmaß qualifiziert werden, wie das für ihre jeweilige betriebliche Beschäftigung erforderlich scheint. Das Spektrum der fachlichen Fähigkeiten, die ein Arbeitnehmer erwirbt, hängt von der Reichweite und Abfolge der ihm zugewiesenen Arbeitsplätze ab. Der Grad der Systematisierung, die Breite und Qualität der Ausbildung stehen in unmittelbarem Bezug zum Produktionsprogramm und zur technischen Ausstattung des einzelnen Unternehmens. Entsprechend schmal sind die Ausbildungsmöglichkeiten der Kleinbetriebe. Die im Laufe der Arbeitsbiographie erworbenen Qualifikationen beinhalten immer die latente Bereitschaft, auch andere und andersartige Arbeitsplätze zu übernehmen. Da die betriebsbezogenen Qualifikationen
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auf dem externen Arbeitsmarkt kaum verwertbar sind, brauchen Investitionsverluste nicht befürchtet zu werden. Je nach betrieblicher Arbeitsorganisation und unternehmensinternem Laufbahnsystem besteht der betriebsbezogene Erwerbsverlauf des Einzelnen aus einer mehr oder weniger geplanten Abfolge von Arbeitsplatzeinsätzen, Training on-the-job (OJT)- und arbeitsplatzgetrennten Training off-the-job (OffJT)-Phasen. Zumindest in den ersten Berufsjahren wird Arbeit möglichst so organisiert, dass sie für den Einzelnen einen Zuwachs an Kompetenz und damit auch einen Zuwachs an innerbetrieblicher Einsetzbarkeit bedeutet. Die Erweiterung des Erfahrungswissens im Bereich des eigenen Unternehmens ist meist auch mit einem schrittweisen Aufstieg in der innerbetrieblichen Hierarchie und der Ausdehnung des zugewiesenen Verantwortungsbereichs verbunden. Mit zunehmendem Alter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit – Indikatoren, die im System innerbetrieblicher Aus- und Weiterbildung einhergehen mit höherer Kompetenz – steigen auch Entgelt, Status und Position des Arbeitnehmers im Unternehmen an. Noch immer stellt dieses Senioritätsprinzip ein wesentliches Instrument personalpolitischer Bindungsstrategien auf dem innerbetrieblichen Arbeitsmarkt dar. Zugleich aber beinhaltet diese „beamtenähnliche“ Personalpolitik ausgeprägte Wettbewerbskomponenten. Zwar können alle Stammbeschäftigten mit einem Mindestaufstieg innerhalb des betrieblichen Laufbahnsystems rechnen, aber schon nach einigen Berufsjahren setzt ein ständig wachsender Wettbewerb um die Geschwindigkeit der Karriere ein, der in einen Ausscheidungswettbewerb um Aufstiegspositionen mündet. Die prinzipielle Möglichkeit des Aufstiegs stellt für die Stammbeschäftigten den wichtigsten Anreiz zur Weiterbildungsbereitschaft und -initiative dar. Dabei kommt es für den Aufstieg weniger darauf an, ein Zertifikat vorweisen zu können, als darauf, in der Personalbewertung durch den unmittelbaren Vorgesetzten gut abzuschneiden. Die in die Personalbewertung einfließenden Dimensionen von Persönlichkeit gehen weit über unser (formales) Verständnis von Qualifikation hinaus und beziehen sich nicht nur auf vergangenheitsbezogene Lern- und Arbeitsleistungen, sondern insbesondere auch auf die prognostizierten Fähigkeiten zur Bewältigung zukünftiger Aufgaben. Nicht der Erwerb zusätzlicher Qualifikationen wird prämiert, sondern die Erweiterung der individuellen Kompetenzen, soweit sich diese in der Fähigkeit zur Übernahme neuer Arbeitsaufgaben und Vorgesetztenpositionen niederschlägt. Jedenfalls erzeugt der Nachweis außerbetrieblich (aber auch innerbetrieblich) erworbener Qualifikationen keinen Anspruch auf Beförderung.
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Dauerbeschäftigung, Senioritätsprinzip und Betriebsgewerkschaften galten über lange Zeit als die drei „Säulen“ des japanischen Beschäftigungssystems. In der westlichen Wahrnehmung wird mit dieser Charakterisierung suggeriert, dass japanische Arbeitnehmer nach dem Schul- oder Hochschulabschluss und der ersten Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses bis zum Erreichen des Rentenalters in derselben Firma bleiben, dass sie während ihres Berufslebens mit steigendem Dienstalter kontinuierlich innerhalb der Firmenhierarchie einen höheren Status mit entsprechendem Lohnanstieg erreichen und dass ihre Interessen von der auf das einzelne Unternehmen (und nicht auf Branchen oder Berufsgruppen) bezogenen Betriebsgewerkschaft gegenüber dem Management vertreten werden. Aber dabei handelte es sich immer schon um eine idealtypische Beschreibung, die der tatsächlichen Vielfalt des japanischen Arbeitsmarkts nicht hinreichend gerecht wird. Japan gilt (stärker noch als die USA) als Musterbeispiel für eine duale Segmentation des Arbeitsmarktes, d.h. für eine relativ dauerhafte Spaltung und gegenseitige Abschottung von Teilarbeitsmärkten, die mit bestimmten Zugangsbeschränkungen verbunden sind. Das privilegierte Segment der Dauerbeschäftigungsverhältnisse wird erst ermöglicht durch einen großen Umfang zweitklassiger Arbeitsverhältnisse mit eingeschränkten Arbeits- und Lohnbedingungen und einem hohen Maß an Instabilität. Der wachsende Anteil der Randbeschäftigten dient als Puffer bei konjunkturellen Schwankungen und trägt die Hauptlast notwendiger Beschäftigungsanpassungen. Dazu zählen vor allem Frauen, ältere Personen, „erfolglose“ Jugendliche und Ausländer. Austauschprozesse zwischen dem Spitzensegment und den sekundären Arbeitsmarktgruppen finden kaum (und wenn, dann einseitig vom geschützten zum ungeschützten Segment) statt. Der externe Arbeitsmarkt dient vor allem als Reservoir jederzeit verfügbarer und wieder freisetzbarer Arbeitskräfte. Das Spitzensegment des japanischen Arbeitsmarktes bilden die Kernbelegschaften der Großunternehmen und der größeren Mittelbetriebe. Sie verfügen über die Privilegien der Dauerbeschäftigungs- und Beförderungsgarantie, überdurchschnittlicher Löhne und senioritätsorientierter Lohnsteigerungen, firmeneigener Systeme der Altersversorgung und Absicherung bei Krankheit und Invalidität. Der Zutritt zur Stammbelegschaft eines Großunternehmens gelingt in der Regel nur Berufsanfängern unmittelbar nach dem Schul- bzw. Hochschulabschluss auf der Basis eines vor allem am Bildungserfolg orientierten Selektions- und Rekrutierungsverfahrens. Betriebswechsler haben
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nur selten und dann auch nur in den ersten Berufsjahren und unter günstigen Wirtschaftsbedingungen des jeweiligen Unternehmens eine Chance, in die Stammbelegschaft aufgenommen zu werden. Die große Mehrheit der Schul- und Hochschulabsolventen ist noch immer am Einstieg in ein attraktives Großunternehmen interessiert und damit an der Sicherung der Privilegien, die mit den mit den Prinzipien der Dauerbeschäftigung (shûshin-koyô) und der Seniorität (nenkô joretsu) verbunden sind. Die Arbeitsmarktstatistiken unterscheiden üblicherweise zwischen „regulären“ Arbeitskräften (seishain) und „nicht-regulären“ Arbeitskräften (hi-seishain). Beim regulären „Normalarbeitsverhältnis“ handelt es sich um unbefristete Vollzeitbeschäftigte, die in der Regel direkt nach dem Schul- bzw. Hochschulabschluss in das Unternehmen eingetreten sind. Nicht-reguläre Beschäftigung ist durch Abweichungen vom Normalarbeitsverhältnis gekennzeichnet: Dazu gehören z. B. Teilzeitbeschäftigte (pâto taimâ), befristet Beschäftigte (keiyakushain), Gelegenheitsarbeitskräfte (arubaito), Leiharbeitnehmer (haken rôdôsha) oder Subkontraktarbeitskräfte (shagaikô). Nicht-reguläre Arbeitskräfte haben in aller Regel keinen Zugang zu den Privilegien der Stammbeschäftigten, d.h. sie kommen nicht in den Genuss betrieblicher Sozialleistungen oder von Bonuszahlungen, sie sind nicht Mitglied der Betriebsgewerkschaft, und sie bleiben weitgehend ausgeschlossen von den betrieblichen Weiterbildungsangeboten und Karrierelaufbahnen. Die ursprünglich relativ strengen arbeitsrechtlichen Reglementierungen der nichtregulären Beschäftigungsmöglichkeiten sind seit 1986 und insbesondere seit Beginn der Wirtschaftskrise in den letzten Jahren in mehreren Schritten gelockert worden. Im Zuge dieser Destandardisierung und der Ausweitung rechtlicher Möglichkeiten von Arbeitskräfteüberlassung, befristeten Arbeitsverträgen und privater Arbeitsvermittlung hat sich in Japan ein neuer Markt für Dienstleistungen etabliert und ausgeweitet, auf dem Firmen Dienstleistungen in verschiedenen Bereichen des Personalmanagements (Arbeitnehmerüberlassung, Outplacement, Outsourcing, Weiterbildung, Arbeitsvermittlung u. a.) anbieten. Parallel dazu weitet sich der Anteil nicht-regulärer Arbeit zu Lasten des Anteils regulärer Beschäftigungsverhältnisse weiter aus; in der Zeit von 1987 bis 2002 ist der Anteil regulärer Beschäftigung von 75 % auf 63 % gesunken (Imai 2004). Besonders zugenommen haben Formen der Leiharbeit (haken). Der größte Teil der Zeitarbeitsfirmen stellt Arbeitskräfte im Rahmen der so genannten allgemeinen Leiharbeit (ippan haken) nur vorübergehend je nach Bedarf ein, um sie für die Erledigung bestimmter Aufträge einzusetzen. Dieses Segment wird dominiert von Aushilfskräften für weniger
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anspruchsvolle Aufgaben wie etwa Büroarbeiten, Gebäudereinigung u.a.. Daneben wächst seit Jahren der Markt für „spezielle“ Leiharbeit (tokutei haken), der sich vor allem auf hoch qualifizierte Arbeitskräfte (z.B. spezifische Ingenieurleistungen oder Softwareentwicklung) bezieht. In diesem Fall sind die Leiharbeitnehmer als reguläre Arbeitskräfte beim Verleihunternehmen angestellt. Die ausleihenden Unternehmen (aus deren Sicht es sich um nicht-reguläre Mitarbeiter handelt) verschaffen sich auf diese Weise den Zugriff auf spezifische Qualifikationen, für die nur ein vorübergehender Bedarf besteht. Mit der Zunahme dieser Art von Arbeitnehmerüberlassung mehren sich zugleich die Hinweise auf einen steigenden Bedarf an Spezialqualifikationen, die über den Arbeitsmarkt bisher kaum zu rekrutieren und mangels einschlägiger betrieblicher Ausbildungskapazitäten auch betriebsintern nur ungenügend bereitzustellen waren. Die Veränderung der traditionellen Zugehörigkeitsbeziehungen könnte den Grad der qualifikationsgesteuerten zwischenbetrieblichen Mobilität auch auf der Ebene der Großbetriebe erhöhen und die Etablierung berufsfachlicher Arbeitsmärkte begünstigen. Eine an formalen Qualifikationsnachweisen orientierte Entgelt-, Karriere- und Arbeitsplatzstruktur würde auch zu einer Entlastung des mit dem Senioritätsprinzip verbundenen Kostendrucks beitragen. Angesichts sinkender Chancen auf eine Garantie permanenter Beschäftigung und innerbetrieblicher Karriere wird es auch für japanische Arbeitskräfte wichtiger, die Selbstvermarktung ihrer Arbeitskraft durch zertifizierte, überbetrieblich verwertbare Fachqualifikationen sicherzustellen. Mit der Variantenvielfalt nicht-regulärer Beschäftigungsformen verfügen die Unternehmen über ein breites Instrumentarium zur flexiblen Anpassung ihrer Personalbestände und zur Senkung ihrer Personalkosten. Die Gewichtsverlagerung zugunsten nicht-regulärer Beschäftigung wird flankiert und beschleunigt durch personalpolitische Maßnahmen im Bereich der Kernbelegschaften wie die vorzeitige Versetzung älterer Mitarbeiter in den Ruhestand und eine anhaltende Zurückhaltung der Unternehmen bei der jährlichen Neueinstellung von Schul- und Hochschulabsolventen. Bevor in Krisenzeiten rigorose Maßnahmen zum Personalabbau eingesetzt werden, bemühen sich japanische Unternehmen zunächst um die volle Ausschöpfung der weniger harten Anpassungsvarianten. Auf Entlassungen von Stammbeschäftigten reagieren die Betriebsgewerkschaften und Beschäftigten besonders empfindlich. Der bedingungslosen Loyalität der Stammbelegschaften gegenüber ihren Unternehmen entspricht die ebenso strikte Erwartungshaltung an die Stabilität der Arbeitsplatzgarantie. Entlassungen
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würden auch das Image der Firma in der Öffentlichkeit, bei Geschäftspartnern und Kreditgebern erheblich beeinträchtigen.
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Zusammenfassung und Ausblick
Nachdem Japan bereits in den 1970er Jahren ein im internationalen Vergleich auffallend hohes Niveau tertiärer Bildung erreicht hatte, setzte die Wirtschaftskrise der 1990er Jahre in Kombination mit der demografischen Entwicklung eine weitere Phase der Bildungsexpansion in Gang. Auf die sich verschlechternden Arbeitsmarktbedingungen reagieren viele Schüler und Studenten mit einem längeren Verbleib im Bildungssystem. Die individuellen Hoffnungen, mit einem höheren Bildungsabschluss die Chancen auf eine Einstellung und ein auf Dauer angelegtes Beschäftigungsverhältnis in einem attraktiven Unternehmen zu verbessern, haben der Bildungsexpansion einen neuen Schub verliehen. Seit Beginn der 90er Jahre ist die Quote des Übergangs von der Oberschule zur Universität von rund 40 auf etwa 50 % einer Jahrgangskohorte gestiegen. Einschließlich des Übergangs in eine private Fachschule wechseln heute über 70 % der Oberschulabsolventen in eine Institution des tertiären Bildungsbereichs. Die Eintrittsrate in ein Beschäftigungsverhältnis liegt bei den Oberschulabsolventen inzwischen unter 17 %. Zugleich verlängert sich auch der Verbleib im Universitätsstudium. Immer mehr Studenten setzen das Studium mit einem Master- bzw. Doktorkurs fort, statt es – wie früher üblich – mit dem Bachelorabschluss zu beenden. Der Staat versucht, dieser Tendenz mit einer verstärkten Förderung von Eliteinstitutionen entgegen zu wirken, was wiederum die Polarisierung zwischen höherrangigen und niederrangigen Hochschulen verstärkt. Ermöglicht wurde die erneute Expansion der tertiären Bildung erst durch die demografische Entwicklung. Da eine Anpassung der Hochschulkapazitäten an die schrumpfenden Jahrgangsstärken nicht stattfand, wird der Übergang von der Oberschule in die verschiedenen Varianten des tertiären Bildungsbereichs erleichtert. Die Teilnahmevoraussetzungen und der Schwierigkeitsgrad der Universitätszugangsprüfung korrespondieren eng mit dem Rang der Hochschule. Während die Bewerber um einen der knappen Studienplätze an einer staatlichen oder einer der wenigen hochrangigen privaten Universitäten im Rahmen eines gestuften und – in der ersten Stufe – zentral gesteuerten Verfahrens nach wie vor einen strengen Selektionsprozess durchlaufen müssen,
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führt der Großteil der privaten Universitäten eigene Eingangsprüfungen durch, deren Schwierigkeitsgrad wesentlich von der Bewerberlage abhängt. Diese Unterschiede ermöglichen auch den im scharfen Wettbewerb um die attraktivsten Studienplätze gescheiterten Oberschulabsolventen den Zugang zu einer – wenn auch rangniederen – Universität. Die neu eröffneten Optionen werden in dem Maße genutzt, in dem die Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt begrenzt sind. Langfristig wird diese Entwicklung dazu führen, dass sich ein Universitätsabschluss zur Regelvoraussetzung für den Zugang zu den internen Arbeitsmärkten entwickelt. Zugleich führt die demografische Entwicklung zu einer Umkehrung der Wettbewerbssituation im Bildungssystem: Während angesichts stark fallender Jahrgangsstärken der Wettbewerb um einen Studienplatz deutlich abnimmt, verschärft sich allmählich der Wettbewerb der Bildungsinstitutionen um Studierende. Langfristig werden vor allem Institutionen aus dem unteren Segment der Hochschulen ausscheiden; erste Hochschulen haben bereits ihre Pforten geschlossen. Das gilt insbesondere für die zweijährigen Kurz-Universitäten, deren Studentenzahl sich innerhalb von nur 10 Jahren (19932002) von über einer halben auf rund eine viertel Million halbiert hat. Noch gravierender sind die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Beschäftigungssystem, dessen zentrale Merkmale – wie relative Beschäftigungssicherheit, Senioritätsprinzip und innerbetriebliche Qualifizierung – nicht nur ein stabiles Wirtschaftswachstum, sondern auch eine ausgeglichene Altersstruktur und eine kontinuierliche Nachwuchsrekrutierung voraussetzen. Die demografische Alterung der Bevölkerung führt zu einer raschen Abnahme des Arbeitskräfteangebots bei gleichzeitiger Erhöhung des Durchschnittsalters der Belegschaften. Steigende Lebenserwartung und Rückgang der Geburtenrate kennzeichnen weltweit den Übergang von Agrar- zu Industriegesellschaften. Insofern holt Japan lediglich eine Entwicklung nach, die in anderen Industriegesellschaften bereits früher eingesetzt hat. Was Japan zum Sonderfall werden lässt und deshalb als Bedrohung der gesellschaftlichen Stabilität empfunden wird, ist die Komprimierung des demografischen Wandels auf eine relativ kurze Zeitspanne. Die beschäftigungspolitischen Reaktionen der Unternehmen auf die Veränderungen in der Altersstruktur deuten sich schon heute in der Ausweitung der Frauenerwerbstätigkeit, der Ausdehnung der (regulären) Lebensarbeitszeit und einer – wenn auch immer noch gesetzlich sehr begrenzten – Ausweitung der Ausländerbeschäftigung an. Außerdem kann man auch die zunehmende Auslagerung der Produktion ins Ausland (insbesondere in die asiatischen Nachbarländer) als Reaktion auf die inländische Verknappung des Produktionsfaktors Arbeit deuten.
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Aufgrund der beiden Geburtenwellen in der unmittelbaren Nachkriegszeit und Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre war die Altersstruktur Japans bis 1990 günstiger (d.h. der Anteil der älteren Bevölkerung geringer) als in den meisten anderen Industriegesellschaften. Die relativ hohe Zahl junger Personen im erwerbsfähigen Alter und die steigende Binnennachfrage haben die Entwicklung der Wirtschaft nachhaltig gestützt. Seit Mitte der 1970er Jahre ist die demografische Entwicklung von einem rapiden Rückgang der Geburtenziffer gekennzeichnet. Seit 1993 sinkt die Zahl der 18jährigen; bis zum Jahr 2000 betrug die Abnahme der Kohortenstärke bereits über ein Viertel. Die Bevölkerungsprojektionen zeigen, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzt. Angesichts veränderter Konjunktur- und Marktlagen sind heute die Verwertungsmöglichkeiten von Bildungsabschlüssen beim Übergang in den Arbeitsmarkt weniger kalkulierbar. Die Expansion akademischer Bildung und die Ausdifferenzierung der Arbeits- und Beschäftigungsformen durch die Zunahme nicht-regulärer Beschäftigung haben die traditionellen Beziehungen zwischen Bildungsabschluss, Erwerbseintritt und Karriereperspektiven nachhaltig verändert. Umwege, Neuanfänge, längere Suchphasen und Warteschleifen verlängern die Phase zwischen Bildungsabschluss und Erwerbseintritt und heben den traditionellen Schwellencharakter des Übergangs auf. Die Übergangsprozesse verlängern sich, werden unüberschaubarer und revisionsanfälliger. Parallel dazu werden für viele Tätigkeitsbereiche, für deren Besetzung vorher der Oberschulabschluss ausreichte, College- und Universitätsabsolventen rekrutiert. Die tendenzielle Verlängerung der Verbleibdauer im Bildungssystem hat die Verwertungschancen von Bildungsabschlüssen auf dem Arbeitsmarkt also deutlich verschoben. Seit 1997 ist der häufigste Abschluss beim Erwerbseintritt nicht mehr der Oberschulabschluss, sondern der Abschluss eines mindestens 4jährigen Universitätsstudiums. Inzwischen verfügen über 70 % der dem Arbeitsmarkt jährlich neu zur Verfügung stehenden Absolventen über den Abschluss einer tertiären Bildungseinrichtung. Auch in Japan gilt, dass ein höherer Bildungsabschluss relativ besser vor Arbeitslosigkeit schützt. Aber angesichts der sich rapide verändernden Qualifikationsstruktur der Bildungsabsolventen steht das Beschäftigungssystem unter erheblichem Absorptionsund Anpassungsdruck. Andererseits wird sich die Rekrutierungsbasis für die Unternehmen vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in absehbarer Zukunft deutlich verkleinern. Allein während der nächsten zehn Jahre wird die Jahrgangskohorte der 18jährigen nochmals um rund 20 % abnehmen.
Bildung und Berufsbildung in Japan
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Helmut Demes und Walter Georg
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Deutsche Qualität unter japanischer Lupe Elizabeth Stich *
* Elizabeth Stich, Geschäftsführerin Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) für Cumulus Wines Pty Ltd. Australien
Deutsche Qualität unter japanischer Lupe
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Qualität ist, was der Kunde will Reh Kendermann ist die führende exportierende Weinkellerei Deutschlands. Wir exportieren unsere Marken in 56 Länder der Welt. Allein meine Funktion ist ein kleiner Hinweis auf einen kulturellen Unterschied. In den USA wäre ich „Vice President Export Global Markets“. In Deutschland in der Weinwirtschaft richten wir unseren Blick nach England, unserem Hauptmarkt, und schließen diese Insel, mein Herkunftsland, in Europa ein und unterscheiden zwischen Europa und Übersee. Ein interessanter Gedanke! Dem Engländer muss ich immer wieder erklären, dass ich ebenfalls für UK zuständig bin, dass wir England als Teil Europas sehen. Obwohl ich viele Ähnlichkeiten zwischen Japan und Deutschland erkenne, freue ich mich, dass mir meine britische Herkunft den Alltag mit unseren japanischen Geschäftspartnern etwas erleichtert. Unsere Kommunikationswege und Sprachwelt befindet sich halbwegs zwischen der Befehlssprache Deutsch und den Höflichkeitssprache Japanisch. Ich möchte aber nicht über die sprachliche Kommunikation mit unseren japanischen Partnern sprechen, sondern über die deutsche Qualität unter der japanischen Lupe. Allein das Wort Qualität wird von den beiden Kulturen unterschiedlich aufgefasst. Wenn ich bei uns in der Kellerei über Qualität, Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung spreche, dann denkt man automatisch an die Produktion. Als deutsches Unternehmen sind wir auf den hohen technischen Stand unserer Kellerei zu Recht stolz. Alle Mitarbeiter, die sich mit der Qualität unserer Leistungen befassen, wissen, jedoch, dass sich Qualität nicht nur auf die Technik unserer Produktion und den Inhalt unserer Produkte bezieht. Vielmehr bezieht sich Qualität auf unsere gesamte Serviceleistung dem Kunden gegenüber. Als ISO-zertifizierter Betrieb haben wir Qualitätsziele in allen Bereichen. In meinem Bereich, Export, ist es ein wichtiges Ziel, die Kundenwünsche zu erfüllen. Dieser Wunsch fängt beim Angebot an, über die Auftragserfassung, termingerechte Auslieferung, korrekte Erstellung der Versandpapiere, Umsetzung der Marketing Strategien und die Kundenbetreuung auch vor Ort. Bevor wir aber Kundenwünsche erfüllen können, müssen wir anfangen, richtig zu verstehen, was unser Kunde will.
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Fangen wir mit dem Produkt an Mein japanischer Kollege sieht die Ausstattung der Flasche, die Verpackung des Weines, ganz anders als ich. Jeder Schönheitsfehler, egal wie klein, ist nicht akzeptabel. Er beweist einen Mangel an Sorgfalt für den Inhalt und für das Produkt. Der Konsument erwartet eine Verpackung, bei der die Sorgfalt des Herstellers und die Achtung vor dem Produkt nachgewiesen sind. Jedes einzige Mal. Schon bei dieser Vorstellung von „Qualität“ müssen deutsche Betriebe „umdenken“. Unsere Abfüllung läuft mit einer Geschwindigkeit von 25.000 Flaschen pro Stunde auf einer Linie. Kleine Schönheitsfehler bei der Ausstattung der Flasche können vorkommen. Der Industrienorm liegt bei knapp 1%. Bei Weinen im Mittelpreissegment wird diese Tatsache vom westeuropäischen und nordamerikanischen Handel akzeptiert. Es gehört zum Alltag. Man lebt damit. Beschädigte Flaschen werden reklamiert, manchmal billiger verkauft, aber als der normale Alltag angesehen. Und ein Schnäppchen will schließlich jeder ergattern; der Engländer, wenn er in Calais Bin Ends kauft, der Deutsche bei der Durchsicht der wöchentlichen Werbung der Discounter, der Amerikaner beim Einkauf bei Wal Mart – every day low price. Wir erwarten ein Preisleistungs-Verhältnis aber nicht die Perfektion. Es ist daher schwierig für meine Kollegen zu verstehen, warum unsere japanischen Partner keine Schönheitsfehler akzeptieren. Eine reklamierte Flasche aus Japan stand auf dem Tisch unseres Betriebsleiters. „Kannst du den Fehler sehen?“ fragt er. „Die Flasche hat keinen Fehler, der Kork sitzt bündig, die Kapsel ist perfekt geschrumpft, die Etiketten sind gerade und alle am richtigen Platz“, sagt er, verzweifelt. Ich schaue die Flasche an und sehe ein Rückenetikett auf Japanisch. „Klar“, sage ich. „Die Ecke unten links scheint nicht 100% angeklebt zu sein.“ „Das merkt doch kein Mensch!“ erwidert er. „Doch“, sage ich, „ein Japaner!“ Geschäfte mit Japan machen zu wollen bedeutet unsere deutschen Kollegen zu bitten, ganz aus ihrem üblichen Rahmen zu denken. Sie dürfen ihren üblichen Maßstab nicht anwenden. Sie müssen eine neue Qualitätsprüfung für den japanischen Markt erarbeiten. Bei der Besichtigung einer australischen Weinkellerei letztes Jahr habe ich Einfuhrzungen, die die Flaschen in den Karton einführen, aus weichem Kunststoff in einer Ecke entdeckt. „Für was sind sie?“ fragte ich. Für unsere Japanfüllungen, kam die Antwort. Damit die Ecken der Etiketten nie beschädigt werden. Aber die Teile haben
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einen hohen Verschleiß. Deswegen setzten wir sie nur für Japan ein. Mittlerweile wir auch!
Was ist Schmutz? Der Außenkarton ist für die meisten Kunden ein Transportkarton. Nur in USA, wo Displays mit vollen Kartons gebaut werden, bzw. im Cash & Carry Bereich, wo der Wein kartonweise verkauft wird, hat der Außenkarton einen hohen Stellenwert. Auch als Werbeträger für unsere Marken sehen wir den Karton als wichtiges Element. Wir verwenden ihn als Marketing Tool, um die Marke zu präsentieren. Er dient auch dem einwandfreien Transport und wird in der Regel im Geschäft aufgerissen und weggeworfen. Neutrale Kartons werden auf jeden Fall nur für den Transport verwendet und sind daher in unseren deutschen Augen von etwas geringer Bedeutung. Aber für meine japanischen Kollegen ist der Karton Teil der Verpackung und Ausdruck der Sorgfalt in der Behandlung des Produktes. In unserem Lager, wie in jedem Lager, werden Schmutzpartikel ständig in die Luft getragen, nicht zuletzt von den Rädern der Gabelstapler. Nach einigen Tagen setzten sich die Schmutzpartikel auf die oberen Reihen der Kartons ab. Die restlichen Kartons werden durch eine Schutzfolie geschützt. In Westeuropa sowie in USA/Kanada wird diese Tatsache akzeptiert. Etwas Schmutz bei der Lagerung und beim Transport ist „normal“, d.h. in der Norm. Nicht so bei unseren japanischen Geschäftsfreunden. Der Schmutz auf dem Außenkarton ist ein Mangel an Sorgfalt. Für Japan legen wir eine Schutzlage aus Pappe auf jede Palette, bevor sie mit Folie umwickelt wird. Bei längerer Lagerung werden die Schutzfolie und die Schutzlage gereinigt, bevor die Palette verladen wird. Ja, umdenken und umstellen aber, natürlich, mit höheren Kosten. Eine Reklamation aus dem Jahre 2004 mit den Worten „Fußabtritte auf einigen Kartons“ bleibt mir ewig in Erinnerung. „Welcher respektlose Mitarbeiter hat es gewagt, über die Kartons zu klettern?“ Meine Frage wurde mit etwas Erstaunen entgegen genommen. Wollte er die Kartons bei der Inventur zählen oder hat der LKW-Fahrer eine Palette im Überseecontainer festkeilen wollen? Egal. Fußabtritte: nein danke! Wir denken uns nichts dabei, aber unser japanischer Kunde war enttäuscht. Solche Kartons kann er unmöglicherweise seinem Kunden weiterleiten. Er musste den Wein umpacken. Wenn wir Black Tower an eine Supermarktkette in England liefern, ist der Wein qualitativ einwandfrei und alle analytischen Werte liegen innerhalb vereinbarter bzw. in der
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EU gesetzlich vorgeschriebenen Toleranzen. In jedem Land, in das wir exportieren, müssen die Etiketten den gesetzlichen Anforderungen des Landes entsprechen. Der Wein natürlich auch. Diese Anforderungen stellen einer besonderen Herausforderung am exportierenden Betriebe. Diese Anforderungen können nur mit Fachwissen und Erfahrung geschickt an eine rationelle Produktion, die nach Leistung und Kosten gemessen wird, angepasst werden. Japan stellt uns vor einige schwierige Herausforderungen in der Produktion. Für Japan dürfen Weine nicht mit Metaweinsäure zur Stabilisation behandelt werden. Jedoch werden viele Weine auf dieser Art behandelt. In Europa, Amerika und Australien ist diese Behandlungsmethode üblich. Für Japan muss der Wein getrennt produziert – mehr Aufwand, weniger Synergie. Für weinhaltige Getränke sind einige in Europa zulässigen Zusatzstoffe in Japan verboten. Wenn man die Skandale der letzten Jahre in Japan bedenkt, und nicht zuletzt den Skandal über amerikanisches Rindfleisch, haben japanische Handelspartner zu Recht vor einem weiteren Skandal, der ihre Produkte und ihren Ruf betreffen könnte, Angst. Die Angst vor einem Skandal bedeutet auch, dass unsere japanischen Partner oft offizielle Aussagen über verschiedene Themen haben möchten, Zusicherungen, weit reichende Beweise. Diese Angst wird oft von deutschen Kollegen als übertrieben, sogar lästig empfunden. Service jedoch bedeutet, dass wir unbedingt versuchen müssen, unsere japanischen Geschäftspartner zu verstehen. Es genügt nicht, deutsche Qualität zu produzieren. Die deutsche Qualität muss auch unter der japanischen Lupe standhalten. Für die deutschen Kollegen, die mitbekommen, dass in Japan japanischer Wein aus italienischem Traubenkonzentrat hergestellt werden kann, wobei sie in Deutschland nur deutscher Wein aus deutschen Trauben herstellen dürfen, ist die unterschiedliche Behandlung der beiden Themen unverständlich. Auf der einen Seite, aus deutscher Sicht, ist man bestrebt, in Japan ein reines Produkt ohne Zusatzstoffe auf den Markt zu bringen, den Konsumenten zu schützen. Auf der anderen Seite stellt man in Japan einen „Wein“ her, der in Deutschland nicht verkehrsfähig wäre und scheint dem Konsumenten vorzumachen, dass der Wein ein japanisches Produkt ist, wobei das Produkt nur aus japanischer Herstellung stammt. Die Rohstoffe, die Trauben, wurden anderswo angebaut. Zugegeben fehlt eine gewisse Logik aus deutscher Sicht. Sicher ist, dass jedes Land die Hoheit über seine eigenen Gesetze hat und solche „Ungereimtheiten“ nur über Verhandlungen auf Landesebene gelöst werden können. Auch hierzulande sind manche Einstellungen und Gesetze nicht nur für den Japaner ohne Logik!
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In USA lächelt man über den deutschen Planungswahn. Es wird gesagt, dass die Deutschen 70% ihrer Zeit planen und ihre Pläne in 30% der Arbeitszeit umsetzen. Allerdings, sagen die Amerikaner, funktioniert dann meistens das geplante deutsche Vorhaben. In USA plant man 30% der Zeit, setzt den Plan um, mit dem Vorsatz, sollte der Plan nicht funktionieren, dann wird er zur Seite gelegt und ein anderer Plan ausprobiert. So ähnelt die deutsche Vorgehensweise meines Erachtens eher der japanischen als der amerikanischen. Jedoch empfinden wir die Zeit, die unsere japanischen Kollegen benötigen, um jährliche Forecasts, Promotionen, Antworten auf Sachfragen zu formulieren und erstellen als sehr lang. Keiner darf die Entscheidung allein treffen. Wo der Angelsachse zum Entscheidungsindividualist und der Deutsche zum Mitglied eines Entscheidungsgremiums erzogen werden, scheint der Japaner zum Sammelzentrum der Entscheidungskriterien einer sehr langen Entscheidungskette zu sein. Es dauert sehr lange, bis man eine Antwort bzw. eine Entscheidung hat. Die Erfahrung der letzen Jahre zeigt, dass es mittlerweile Ausnahmen gibt und Manager, die durchaus die Befugnisse haben, etwas selbständiger zu entscheiden. Somit wird die Zeit zwischen Anfrage und Antwort in letzter Zeit etwas kürzer. Trotzdem sind Entscheidungen, die bereits getroffen wurden, für den japanischen Partner in der Regel in Stein gehauen. So sieht er nämlich den Auftrag. Ein Auftrag wird schriftlich platziert und der japanische Kunde erwartet, dass dieser Auftrag ohne Änderung durchgeführt wird. Jede Änderung bedeutet einen langwieriger Prozess, die Zustimmung zu der Änderung zu bekommen. Eine Flexibilität und freie Entscheidung des japanischen Gesprächspartners kann nicht erwartet werden. Auch wenn die Änderung auf einer für uns ganz normalen Logik basiert. Wenn 4 Kartons Wein von einer Charge nach der Ausführung eines Auftrages übrig bleiben würden, würde der Engländer oder Amerikaner den Auftrag um 4 Kartons erhöhen. Dies ist von unseren japanischen Geschäftspartnern selten zu erwarten. Wir haben daher eine andere interne Lösung für solche Fälle finden müssen. Qualität bedeutet auch, das auszuliefern, was gefragt wird; den Kunden zufrieden zu stellen und mit unseren internen Belangen nicht zu belästigen. Zum Schluss möchte ich Ihnen einen Gedanken, der mir bei einem Besuch in Japan eingefallen ist, weitergeben. Frau Kusuda arbeitet in Osaka. Sie war erkältet und kam mit einem Mundschutz zur Arbeit. Schließlich will man andere Menschen in der SBahn bzw. bei der Arbeit nicht anstecken. Ich dachte unwillkürlich an meine eigenen Worte, als eine Mitarbeiterin mit einer Erkältung zur Arbeit kam. Ich schickte sie nach Hause mit den Worten, sie tue sich selbst keinen Gefallen, mit Fieber zu arbeiten und
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stecke auch die ganze Mannschaft an. Ja, beide Frauen wollten arbeiten, was sicherlich lobenswert ist. Die Japanerin wollte aber ihre Mitmenschen dabei schützen. Einen Mundschutz, dachte ich, trägt man im Westen nur dann, wenn man sich selbst schützen will! Ich hoffe, dass auch meine Erfahrungen aus der Praxis ein kleiner Hinweis darauf sind, wie sehr wir alles was wir tun in den richtigen Kontext stellen müssen, wie wir unsere Haltung innerhalb einer Arbeits- und Lebenskultur ständig prüfen müssen. Wer dies tut, zeigt Flexibilität und wird als Mensch und Mitarbeiter nur reicher.
Das Japangeschäft - Interkulturelle Aspekte des Geschäftserfolgs Ulrike Maria Haak *
Inhalt
Kurzfassung 1
Einleitung
2
Der japanische Markt zwischen Mythos und Moderne
3
Faktoren zur erfolgreichen Kontaktaufnahme 3.1. Faktor Zeit
4
3.2
Faktor Hierarchie
3.3
Faktor Sprache
3.4
Faktor Persönlichkeit
Verpflichtungen vor Ort 4.1. Vertrauensbildung durch geselliges Zusammensein
5
4.2
Gesprächsverlauf
4.3
Entscheidungsfindung
Pflege der Geschäftsbeziehungen
* Ulrike Maria Haak (M.A.), Kulturredakteurin (ZDF/3sat), Publizistin mit Schwerpunktthemen interkulturelle Vergleiche, Wirtschaft und Soziales.
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Ulrike Maria Haak
Kurzfassung Untersuchungsgegenstand sind die interkulturellen Aspekte, die den Geschäftserfolg in Japan behindern oder befördern können, je nachdem, wie gründlich die Vorbereitungen des deutschen bzw. ausländischen Unternehmens vor dem Engagement in Japan verlaufen. Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen ist der Respekt vor dem als verschlossen und schwierig geltenden japanischen Markt noch immer stark, und sie lassen sich durch zögerliches Verhalten Geschäftsvorteile in der Konkurrenz mit anderen ausländischen Unternehmen entgehen. Bei richtiger Vorbereitung und engagierter Beharrlichkeit im Verlauf des Engagements in Japan sind die interkulturellen Faktoren jedoch durchaus zu meistern und können sich, bei entsprechendem Handeln, als Vorteil für das international tätige Unternehmen im globalen Wettbewerb erweisen. Am Beispiel einer geplanten ersten Geschäftsreise nach Japan gibt dieser Aufsatz praktische Beispiele und Hinweise, die Vorurteilen und Bedenken ausländischer Unternehmen entgegenwirken und das Japan-Engagement erfolgreich gestalten können. Festzuhalten ist, dass der japanische Markt nicht schwieriger ist als andere Märkte auf der Welt und über die Vorteile relativ geringer staatlicher Beschränkungen, einer geringen Kriminalitätsrate und somit großer Sicherheit und Stabilität verfügt.
Das Japangeschäft – Interkulturelle Aspekte des Geschäfterfolgs
1
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Einleitung
Überall dort, wo sich Menschen begegnen, kann es zu Verständnisschwierigkeiten und Missverständnissen kommen, selbst dann, wenn die Beteiligten aus dem gleichen Kulturraum stammen und dieselbe Sprache sprechen. Jeder Mensch ist in erster Linie Individuum, geprägt und sozialisiert von seiner unverwechselbaren Umgebung und hat eigene Vorstellungen, die sich oft nicht mit denen seiner Mitmenschen decken. Konflikte, Konfliktbewältigung und Kompromissfindung sind tägliche Begleiterscheinungen des Geschäftslebens nicht nur im international tätigen Unternehmen. Das internationale Management sollte sich schon zu Beginn einer internationalen Ausrichtung darüber im Klaren sein, dass es in der Begegnung mit fremden Kulturkreisen ganz natürlich zu Verständnisschwierigkeiten und Missverständnissen kommen kann, die in erster Linie auf mangelndes Wissen zurückzuführen sind. Die Schulung der im Auslandsgeschäft tätigen Mitarbeiter sollte daher ein wichtiger Bestandteil des Managements sein und sich nicht in einigen Vorbereitungskursen im Heimatland erschöpfen, sondern konsequent im Zielland seine Fortführung finden. Interkulturelle Konflikte – Konflikte, die im Zusammentreffen verschiedener Kulturkreise auftreten können - sollten nicht als besonders problematische Faktoren im Auslandgeschäft betrachtet werden, sondern als selbstverständlich auftretende Schwierigkeiten, die mit dem richtigen Ansatz und dem richtigen Wissen zu lösen sind. Zum Verständnis des Begriffs Kultur sei angemerkt, dass von einem weiten Kulturbegriff ausgegangen wird. Allen vielfältigen Definitionen von Kultur ist gemein, dass es ein System gemeinsam geteilter Werte, Normen und Einstellungen, Überzeugungen und Ideale ist [Staehle 1999: 499]. Der umfassende Kulturbegriff wie in diesem Aufsatz verwendet, betrachtet Kultur sowohl als integrativen Bestandteil jeglicher Sozialsysteme und damit als empirisch zu beobachtende Phänomene eines Sozialgebildes als auch als Ideensystem, d.h. als ein System von Bedeutungen in den Köpfen der Kulturträger, das konkret nicht fassbar und nicht zu beobachten ist. Die beiden unterschiedlichen Sichtweisen werden demnach in diesem Aufsatz zu einer gebündelt, bei der einerseits Organisationen in einer Kultur leben bzw. eine Kultur besitzen, die empirisch zu beschreiben ist und zweitens Organisationen als Kultur verstanden werden. Konkret auf den Fall des ausländischen Engagements auf dem japanischen Markt angewendet heißt dies, dass einerseits die unterschiedlichen Kulturkreise, aus denen das ausländische und das oder die japanischen Unternehmen stammen, berücksichtigt werden müssen, genauso wie die jeweiligen Unternehmenskulturen hinzugezogen werden
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müssen. Die Erkenntnis, das diese Analyse unabhängig von der Entfernung auch im Heimatland bei dem Geschäft mit dem Unternehmen im Nachbarort angestellt werden kann (denn auch das Ignorieren regionaler Unterschiede kann gravierende Folgen haben), sollte dem Japangeschäft etwas von seiner Exotik nehmen.
2
Der japanische Markt zwischen Mythos und Moderne
Japan, das seine Politik der Abschottung erst vor gut 150 Jahren aufgab und sich unter der Meiji-Restauration auf allen Gebieten dem Westen öffnete, gilt noch heute als schwieriges Terrain für Touristen wie Geschäftsreisende. Zur so gänzlich anders wirkenden Kultur kommt die als schwer erlernbar geltende Sprache, die sich noch dazu in drei Schriftarten aufteilt. Japaner pflegen den Stolz auf die eigene Kultur und sind von der Einzigartigkeit des japanische Volkes überzeugt, die kein Außenstehender je begreifen kann [Woronoff 1992]. Auf den Geschäftsbereich übertragen, kann als Beispiel für dieses Gefühl der Einzigartigkeit die Sonderstellung des japanischen Reis angeführt werden. Um den heimischen Markt vor Billigimporten aus den benachbarten asiatischen Ländern oder gar den USA zu schützen, vertrat die japanische Regierung die Überzeugung, dass nur der im eigenen Land angebaute Reis für den japanischen Magen gut verträglich sei. Wo bei dieser Argumentation die Grenze zwischen wirklicher Überzeugung und geschickten Marketings verläuft, ist selbst für Japaner nicht immer einsichtig. Festzuhalten ist, dass Japaner in Bezug zu anderen Kulturkreisen eher die Unterschiede betonen als Gemeinsamkeiten zu suchen. Integrationsbemühungen wie in europäischen Ländern existieren in Japan nicht, das noch immer eine restriktive Einwanderungspolitik vertritt. Gleichzeitig tritt man Außenstehenden, die im täglichen Umgang auch offen als solche bezeichnet werden (gaijin), freundlich, höflich und tolerant gegenüber, in dem Bewusstsein, das diese nur in seltenen Fällen für immer im Land bleiben und dass sie das Wesen des Japanischen ohnehin nie ganz verstehen und erfassen können. Durch das von vielen Ritualen geprägte höfliche Miteinander erfolgen Diskriminierungen in subtiler Form und werden oftmals, wenn überhaupt, erst im Nachhinein als solche erkannt. Geschäftsreisende, die der Sprache nicht mächtig und wohlmöglich zum ersten Mal im Land sind, profitieren von diesem Verhalten. Hilfestellungen unter Mobilisierung der noch so spärlichen Englischkenntnisse ist ihnen zumindest in Tokio in allen Lebenslagen sicher, sofern sie wenigstens eine Bezugsperson oder -
Das Japangeschäft – Interkulturelle Aspekte des Geschäfterfolgs
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institution im Land nennen können. Die mangelnden Englischkenntnisse zählen in Japan zu den Problemen, die häufig in den Medien diskutiert werden und bisher trotz Förderungsprogrammen auch von staatlicher Seite keine nennenswerte Besserung erfahren haben. Positiv zu vermerken ist jedoch, dass sich die japanische Regierung selbst stark dafür einsetzt, Direktinvestitionen (FDI) ins Land zu holen, eine Tatsache, von der deutsche Unternehmen bei ihrem Japan-Engagement durchaus profitieren können [Haak, U.; Haak, R. 2006: 53ff.]. Als Beispiel für „Integration“ wie Japaner sie verstehen, sei hier der erfolgreiche Nissan-Renault Manager Carlos Goshn genannt, der während seiner Zeit in Japan Respekt und Bewunderung erfuhr, weil er das Unternehmen Nissan durch radikale Kostensenkung als rentabel etablierte. Der Südamerikaner Goshn ereichte dies nicht durch Anpassung, sondern durch seine harten Reformen im japanischen Traditionsunternehmen Nissan, ohne dessen Identität zu negieren, sondern dieser vielmehr eine neue, den globalen Erfordernissen entsprechende, Richtung zu geben. Goshn präsentiert den Typus des ergebnisorientierten Managers, der in der Konzentration auf die wesentlichen Stärken des Unternehmens Tugenden wie Disziplin, Fleiß und Visionskraft verinnerlicht hat, vergleichbar mit Elementen aus der Tradition des Zen. Tugenden, die nicht nur in Japan, dort jedoch in besonderem Maße verehrt werden. Misstrauen und Befremden erweckt eher jener Ausländer, der mit Macht versucht, japanische Etikette anzulegen, ohne dies durch jahrelanges Wohnen im Land verinnerlicht zu haben [DJW 2003]. Zum Vergleich: das oft angeführte Beispiel eines Japaners in bayerischer Nationaltracht würde in Deutschland ähnliche Reaktionen hervorrufen. Die Pflege des eigenen persönlichen Stils, verbunden mit auch in europäischem Umfeld geschätzten gepflegten Umgangsformen sind beste Voraussetzungen, Wohlwollen und Interesse von japanischer Seite zu erhalten. Wenn der Geschäftsreisende dann noch hier und da Kenntnisse über Land, Kultur und Sprache einfließen lässt, dann könnte das erste Kennen lernen unter einem guten Stern stehen.
3
Faktoren zur erfolgreichen Kontaktaufnahme
Unbestritten zählt Japan zu den interessantesten und gewinnträchtigsten Märkten in Asien. Für den Konsumgüterbereich, gerade auch für Luxusgüter, besitzt Japan den Status eines weltweiten Schlüsselmarkts. Deutsche Unternehmen sollten den anspruchsvollen japanischen Markt bei ihren Internationalisierungsbestrebungen keines-
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falls vernachlässigen, zeigt doch Japan in allen asiatischen Märkten mehr oder minder Präsenz. Doch der Eintritt in den japanischen Markt gilt immer noch als höchst schwierig, so dass vor allem kleine und mittelständische Unternehmen vor einem Engagement in Japan zurückschrecken: den vielleicht auf einer der Fachmessen geknüpften ersten persönlichen Kontakten mit Vertretern japanischer Unternehmen folgt dann in der Regel kein tiefergreifendes Engagement. Im Folgende sollen am Beispiel einer geplanten ersten Geschäftsreise nach Japan einige praktische Beispiele und Hinweise gegeben werden, die eventuelle Berührungsängste deutscher Unternehmen beseitigen und zu einem erfolgreichen Abschluss im Japan-Engagement führen könnten.
3.1
Faktor Zeit
Bei jedem Engagement in Japan sollte vor allem berücksichtigt werden, dass dem Faktor Zeit in Japan große Bedeutung zugemessen wird. Ungeduld und Hast gelten als Untugenden, die schon bei der ersten Planung einer Geschäftsreise unbedingt vermieden werden sollten. Die Vorbereitungen sind zeitintensiv und sollten unter Beachtung folgender Punkte verlaufen: Festlegung eines geeigneten Besuchstermins, Bestimmung der Teilnehmer der Geschäftsreise, nochmalige Kontaktaufnahme durch Empfehlungsschreiben einer beiden Unternehmen bekannten Person, frühzeitiges Einbinden von Dolmetschern, Verfassen eines Dankesschreibens bei Zustandekommen eines Termins, Drucken von Visitenkarten japanischen Standards, Überlegungen zur Kleiderordnung, Besorgen von Geschenken. Das japanische Geschäftsjahr beginnt jeweils am 1. April und endet am 31. März jedes Jahres. Ein Besuchstermin während der Zeit der Budgetplanung, also insbesondere im März und im September (Halbjahresabschlussgeschäft), ist nicht ideal, da japanische Manager in diesem Zeitraum mit Planungs- und Rechnungsabschlussgeschäften belastet sind. Die Feiertage Ende April und Anfang Mai werden aufgrund der Häufung als „GoldenWeek“ bezeichnet. Viele japanische Unternehmen schließen für eine ganze Woche, deshalb ist die Golden-Week die Hauptreisezeit der Japaner. Frühzeitige Flug-, Zugund Hotelreservierungen sind dringend erforderlich. Für eine Geschäftsreise ist dieser Zeitraum eher ungeeignet. Zu den wichtigsten Familienfesten der Japaner Mitte Juli bzw. Mitte August (o-bon) und zum Jahreswechsel (o-shogatsu) könnte es ebenfalls schwierig sein, Geschäftstermine zu vereinbaren.
Das Japangeschäft – Interkulturelle Aspekte des Geschäfterfolgs
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Feiertage in Japan: x
Januar (Neujahr, ganjitsu)
x
10. Januar (Tag der Volljährigkeit, seijinnohi)
x
11. Februar (Staatsgründungstag, kenkokukinenbi)
x
21. März (Frühlingsanfang, shunbunnohi)
x
29. April (Tag des Grüns, midorinohi)
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Mai (Verfassungstag, kempokinenbi)
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5. Mai (Tag des Kindes, kodomonohi)
x
18. Juli (Tag des Meeres, uminohi)
x
19. September (Tag der älteren Menschen, keironohi)
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23. September (Herbstanfang, shubunnohi)
x
10. Oktober (Tag des Sports, taiikunohi)
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November (Tag der Kultur, bunkanohi)
x
23. November (Tag der Arbeit, kinrokanshanohi)
x
23. Dezember (Geburtstag des Kaisers, tennonotanjobi)
3.2
Faktor Hierarchie
Bei der Zusammenstellung der Teilnehmer an der Geschäftsreise nach Japan sollte darauf geachtet werden, dass der Delegation auf jeden Fall ein Vertreter der Führungsebene angehört, da Rang und Status für japanische Geschäftsleute einen hohen Stellenwert besitzen. Auf japanischer Seite wird dann ebenfalls ein Vertreter aus der entsprechenden Führungsebene des japanischen Unternehmens an den Gesprächen beteiligt sein [Winkels, Schlütermann-Sugiyama 2000]. Ein Empfehlungsschreiben ist in Japan der klassische Weg, Zugang zu neuen Kunden oder Lieferanten zu erhalten. Für den Aufbau einer neuen Unternehmenspartnerschaft bietet es sich ebenfalls an. Das Empfehlungsschreiben stellt die Vorzüge einer neuen Geschäftsverbindung heraus und hebt die unternehmerischen Besonderheiten auf japanischer und deutscher Seite hervor. Verfasser des Empfehlungsschreibens sollte eine Vertrauensperson sein, mit der sowohl das deutsche Unternehmen als auch das neu zu kontaktierende Unternehmen in enger Verbindung stehen, die einen besonderen gesellschaftlichen Status aufweist, oder der gegenüber sich der zukünftige Geschäftspartner aufgrund langjähriger Geschäftsbeziehungen verpflichtet fühlt.
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Die Vertrauensperson ist im Idealfall mit den Geschäftsgepflogenheiten des japanischen Unternehmens vertraut, kann also schon im Vorfeld des Besuchs Informationen bereitstellen und den für das Vorhaben geeigneten Adressaten im japanischen Unternehmen ansprechen, was eine enorme Zeitersparnis bedeutet. Die Bedeutung von Empfehlungsschreiben für die Anbahnung aber auch für die Erweiterung von Geschäftsbeziehungen in Japan sollte nicht unterschätzt werden. Die Pflege persönlicher Beziehungen zu japanischen Geschäftspartnern, die den Aufbau eines intensiven Vertrauensverhältnisses nach sich ziehen, ist eine grundlegende Investition für den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen in Japan. Eine der Hauptaufgaben ausländischer Manager in Japan und Voraussetzung für Geschäftserfolge ist die Pflege und der Ausbau des persönlichen Netzwerks zur Stabilisierung der unternehmerischen Geschäftsbeziehungen.
3.3
Faktor Sprache
Damit die Geschäftsreise nach Japan erfolgreich verläuft, sollten zumindest beim ersten Besuch Dolmetscher zum Einsatz kommen. Bei der Auswahl eines Dolmetschers oder einer Dolmetscherin sollte darauf geachtet werden, dass er oder sie nicht nur perfekt die Techniken des Faches beherrscht, sondern auch mit der Mentalität der Japaner und den geschäftlichen Gepflogenheiten in Japan und Deutschland vertraut ist. Gerade für die erste Geschäftsanbahnung wäre es von erheblichem Vorteil, wenn er oder sie sich auch mit den Produkten, Technologien und den Managementprinzipien des Unternehmens auskennen. Aus diesem Grund ist es durchaus sinnvoll, einen Dolmetscher oder eine Dolmetscherin aus Deutschland mitzunehmen und bereits in die Vorbereitung der Geschäftsreise einzubinden wie z.B. bei der Erstellung von Firmenmaterialien in japanischer Sprache [Winkels; Schlütermann-Sugiyama 2000]. Von entscheidendem Vorteil kann es sein, wenn der/die Dolmetscher/-in nicht nur bei den offiziellen Geschäftsgesprächen dabei ist, sondern auch an den gemeinsamen gesellschaftlichen Aktivitäten teilnimmt wie z.B. bei einem Restaurantbesuch, auf dem Golfplatz oder bei Ausflügen, denn im eher informellen Kreis werden viele geschäftliche und persönliche Informationen ausgetauscht, die im offiziellen Rahmen nicht zur Sprache kommen.
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3.4
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Faktor Persönlichkeit
Im Dankesschreiben an das japanische Unternehmen für die Zusage des geschäftlichen Treffens in Japan sollten die Namen, Funktionen und Positionen der Personen mitgeteilt werden, die den Weg nach Japan antreten. Geschickt ist es, schon vorab die Visitenkarten der Reiseteilnehmer mitzuschicken. Japanische Manager schätzen es, sich gründlich und zeitintensiv auf ein vereinbartes Treffen vorbereiten zu können. Überraschungsmomente dagegen sind nicht ihre Sache: in unvorhersehbaren Situationen können sie sich erstaunlich unflexibel zeigen. Wenn sie dagegen durch beigefügte Visitenkarten, die sie durch die verschiedenen Ebenen ihres Heimatunternehmens weiterleiten können, ein genaues Bild über die Besucher, ihre Funktion und Position im Unternehmen erhalten, sind die Voraussetzungen für ein entspanntes Zusammentreffen günstig. In Japan hat die Visitenkarte eine Funktion ähnlich der eines persönlichen Ausweises: sie gibt prägnant Auskunft über Name, Funktion und Position einer Person innerhalb ihres Unternehmens und damit über ihren sozialen Status. Der soziale Status wie ihn die Visitenkarte als Instrument zur Wahrung der in Japan so wichtigen gesellschaftlichen Hierarchie transportiert, bestimmt entscheidend die weiteren persönlichen Beziehungen, den gesellschaftlichen Umgang miteinander. Aus diesem Grund wäre es undenkbar und ein Zeichen grober Nachlässigkeit, ohne Visitenkarten bei offiziellen Anlässen zu erscheinen. Jede erste Begegnung mit japanischen Geschäftspartnern beginnt mit dem rituellen Austausch der auf japanisch meishi genannten Visitenkarte. Für die Geschäftsreise nach Japan sollten mindestens hundert Visitenkarten eingeplant werden. Falls die Visitenkarten unterwegs doch einmal ausgehen, sollte die meishi möglichst umgehend im Zusammenhang mit einem Dankesschreiben nachgereicht werden. Für die Gestaltung der Visitenkarte gilt das Standardformat von 91x55mm. Eine Seite sollte auf Japanisch, die andere in Deutsch oder besser noch Englisch Auskunft über Name des Unternehmens, Name und Titel der Person sowie ihre Funktion und Position im Unternehmen geben. Die Art, wie die Visitenkarte an den Geschäftspartner überreicht wird, spielt für den ersten Eindruck eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Visitenkarte wird beim ersten Kontakt bereitgehalten und mit der für den Geschäftspartner lesbaren Seite überreicht. Das Halten und Annehmen der Karten mit beiden Händen wäre besonders höflich, ist jedoch häufig aus praktischen Gründen – schließlich halten beide Partner gleichzeitig ihre Visitenkarte bereit – oft nicht umzusetzen. Die Karte des Gegenübers sollte nie-
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mals achtlos angenommen werden. Ein Studieren der Visitenkarte und genaues Nachfragen bei Klärungsbedarf einzelner Punkte sind in Japan üblich. Das Austeilen der Visitenkarte nach Art eines Kartenspiels an alle umstehenden Geschäftspartner würde daher zu erheblichen Irritationen auf japanischer Seite führen [Lee 2000]. Die Visitenkarte ist in Japan ein wichtiger Teil der persönlichen Identität. Erst durch die Visitenkarte erhält der Einzelne eine berufliche Identität, über die er seine Position in seiner unmittelbaren sozialen Gruppe (Kollegen, Familie, Freunde) und in der Gesellschaft im Kontakt mit Außenstehenden definiert. Das gewissenhafte Umgehen mit Visitenkarten, die mit kurzen persönlichen Notizen versehen, im Lauf der Zeit zu einer wertvollen Datei anwachsen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines ausländischen Managers mit Geschäftsfeld Japan. Die Wahl der Kleidung folgt in Japan strengeren Regeln als in Europa. Japanische Angestellte und Manager tragen meist blaue oder graue Anzüge (im Sommer dürfen sie auch einmal heller sein), das Hemd sollte einfarbig und möglichst weiß, die Krawatte unauffällig sein. Jeans und auffällige Haartrachten sind im Berufsleben immer noch weitgehend ein Tabu. Ausnahmen finden sich in kreativen Berufen (Künstler, Designer, Architekt etc.). Bei der ersten Geschäftsreise sollte man sich diesem Kleidungsstil möglichst anpassen. Gerade auf der Führungsebene ist man mit einem klassisch dezenten Stil gut beraten. Die Praxis des Händeschüttelns ist in Japan unüblich, zur Begrüßung, zum Dank oder zum Abschied verbeugt man sich nach genau festgelegtem Neigungsgrad voreinander. Von ausländischen Geschäftspartnern erwartet man nicht, dass sie diese subtile Praxis beherrschen, es genügt, wenn sie als Erwiderung dieser Ehrerbietung eine kurze Verbeugung in ähnlicher Form andeuten. Oft übernehmen aber japanische Manager im Kontakt mit westlichen Partnern auch die Sitte des Händeschüttelns, um ihre Aufgeschlossenheit zu demonstrieren. Genauso undenkbar wie ohne Visitenkarte zum ersten Geschäftstreffen zu erscheinen wäre es, ohne ein Gastgeschenk die Reise nach Japan anzutreten. Die Geste zählt, und so werden landestypische, besser noch, regionaltypische Besonderheiten geschätzt wie deutscher Wein, hochwertiges Porzellan oder Süßigkeiten, die aus der näheren Umgebung des Unternehmenssitzes stammen und von möglichst hoher Qualität und sorgfältig verpackt sein sollten. Die Geschenke werden dem höchstrangigen Gesprächspartner am Ende des Gesprächs überreicht. Da die Gastgeschenke oft nicht sofort ausgepackt werden, sondern möglicherweise noch zu einer nächst höheren Stelle in der Abteilung
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oder im Unternehmen gelangen, empfiehlt es sich, eine Visitenkarte am Geschenk zu befestigen [Kobayashi 1996]. Die Geschenktradition folgt strengen Regeln in Japan. Ausländische Geschäftsleute, die länger in Japan leben, sollten die Regeln des Schenkens beherrschen, wollen sie nicht als Außenseiter gelten. Grundregel des Schenkens in Japan ist das Gleichgewicht des Gebens und Nehmens, das unbedingt zu wahren ist. Zwischen gesellschaftlich Gleichgestellten, aber auch zwischen Untergebenen und Vorgesetzten sollten Wohltaten unmittelbar mit einem Gegengeschenk ähnlicher Größenordnung oder mit einer Einladung zum Essen beantwortet werden. Begrüßungsgeschenke bei einer ersten Vorstellung sind als Ausdruck für Engagement und die Hoffnung auf gute Zusammenarbeit zu verstehen. Bei langjährigen Geschäftsbeziehungen sind Geschenke vor allem Ausdruck der Dankbarkeit, bei verschuldeten Fehlern Ausdruck der Entschuldigung. Treffen sich ausländische und japanische Geschäftspartner gelegentlich, so sind Geschenke Ausdruck der Sympathie. Bei einem längeren Abschied sind Geschenke als Ausdruck der Dankbarkeit und Hoffnung auf die Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen ein Muss, ebenso zur Geburt eines Kindes, zu Hochzeiten und Todesfällen. Dazu kommen in Japan noch besondere Geschenkzeiten (Neujahr, Sommer), bei denen Geschenke als Ausdruck der Anerkennung und des Respekts zu verstehen sind sowie die Hoffnung auf das Weiterbestehen der Beziehung eine Rolle spielt.
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Verpflichtungen vor Ort
4.1
Vertrauensbildung durch geselliges Beisammensein
Bei einem ersten Geschäftsgespräch ist häufig schon ein Tisch im Restaurant für das anschließende Essen reserviert. Es ist zwar möglich, eine Essenseinladung mit dem Hinweis auf die Anstrengungen der langen Anreise abzuschlagen, doch würde beim japanischen Gastgeber ein negativer Eindruck zurückbleiben: er könnte denken, dass die Vertreter des westlichen Unternehmens nicht an zwischenmenschlichen Beziehungen interessiert sind. Die Grundlagen für eine langfristige Vertrauensbasis zwischen den Unternehmen sollten nach japanischer Sitte durch ein eher informelles, in angenehmer Atmosphäre stattfindendes Essen gelegt werden [Kobayashi 1996].
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Das Essen im Restaurant folgt besonderen Ritualen. Zum Essen wird im allgemeinen Bier getrunken. Der gemeinsame Abend wird in der Regel mit einem Prosit, japanisch kanpai, eingeläutet, bei dem die möglichst noch vollen Gläser erhoben werden. Später wechselt man häufig zu Sake, auch mit Wasser verdünnter Whiskey wird gern getrunken. Der alkoholisierte Zustand (nicht der Zustand von Volltrunkenheit) nach Dienstschluss ist in Japan kein Makel, im Gegenteil, er gehört zum geselligen Beisammensein dazu. In der Regel bestellt der Gastgeber nach kurzer Rückfrage für alle Anwesenden. Kommen Getränke in Flaschen auf den Tisch, so ist zu beachten, dass sich der Gast in Japan niemals selbst das Glas füllt, sondern diese Geste dem Gastgeber oder seinen Tischnachbarn überlässt. Auch das Nachschenken übernehmen die anderen. Umgekehrt sollte der Gast den Umsitzenden bei Bedarf ein- und nachschenken. Diese Sitte wird auch im privaten Bereich gepflegt. Zweck dieser Abende ist es, die persönlichen Beziehungen zu intensivieren. Dabei ist im angetrunkenen Zustand einiges erlaubt. Man amüsiert sich über japanische Eigenheiten, aber auch der ausländische Gast kann Gegenstand der Neugier werden. Besonders beliebt ist die Frage, ob er oder sie denn wirklich alle Köstlichkeiten der japanischen Küche verspeisen könnte und die kindliche Freude daran, das eine oder andere ungenießbare Gericht herauszufinden. Der westliche Gast darf sich durchaus von der allgemeinen Heiterkeit anstecken lassen. Er sollte jedoch niemals den Fehler begehen, sich am nächsten Morgen für sein Verhalten am Abend zuvor zu entschuldigen. Eine peinlich berührte Stimmung wäre die Folge, da durch eine solche Entschuldigung auch die japanischen Gastgeber in ein schlechtes Licht gerückt würden. Die Trennung von gesellschaftlich akzeptierter Lockerheit nach Dienstschluss und dem Ernst offizieller Verhandlungen gehört in Japan zum Geschäftsalltag. Es bietet sich an, nach dem Essen eine Gegeneinladung nach Deutschland mit Besichtigung des deutschen Unternehmens auszusprechen. So lässt sich der Dank für die Einladung geschickt mit der Prüfung des japanischen Interesses an einer solchen Gegeneinladung verbinden. Besteht Interesse, so ist den japanischen Managern höchstwahrscheinlich an der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit dem deutschen Unternehmen gelegen. Ein japanisches Geschäftsessen dauert wie die meisten Feiern in Japan etwa zwei Stunden. Es ist jedoch durchaus üblich, dass sich nach dem Restaurantbesuch kleinere
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Gruppen in einer nahen Bar wieder finden. Ein beliebtes Vergnügen ist der Besuch einer der zahlreichen Karaoke-Bars. Von den Besuchern wird selbstverständlich erwartet, dass sie sich dem allgemeinen Spaß des Singens bekannter Popsongs vor Publikum anschließen. Es ist unmöglich abzulehnen, es sei denn, sie wollen sich als „Spielverderber“ bei ihren zukünftigen Geschäftspartnern gleich zu Beginn der Gespräche einen Namen machen. Sollte der Besucher in die Rolle des Gastgebers gelangen, so sind hinsichtlich des Bezahlens einige Dinge zu beachten: Es wird in Japan als ausgesprochen unhöflich und peinlich empfunden, wenn die Rechnung im Restaurant genau geprüft wird, möglicherweise noch vor den Augen der japanischen Gäste. Die Rechung sollte diskret direkt an der Kasse bezahlt werden wie es in Japan üblich ist. Trinkgeld gibt man in Japan weder im Restaurant oder Taxi noch bei sonstigen Dienstleistungen. Geschäfts- und Privatleben werden in Japan sorgfältig voneinander getrennt. Unüblich und die große Ausnahme ist es, dass der ausländische Geschäftspartner von japanischen Geschäftsleuten nach Hause eingeladen wird. Öffnet der japanische Partner sein Privatleben, so entsteht eine Vertrauensbasis, die mit viel Engagement beantwortet werden sollte. So erwartet der japanische Geschäftspartner bei seinem Gegenbesuch in Deutschland wie selbstverständlich eine vergleichbar zuvorkommende und engagierte Behandlung. Privatwohnungen oder -häuser betritt man ebenso ohne Schuhe wie Schreine, Tempel, historische Bauwerke, japanische Gasthäuser oder Umkleidekabinen in manchen Kaufhäusern. Japanische Gastgeber halten meist Pantoffeln am Eingang für Besucher bereit. In der Gästetoilette steht ein weiteres Paar Pantoffeln, das nur in diesem Raum benutzt wird und dort unbedingt zurückgelassen werden muss. Mit Reisstrohmatten (tatami) ausgelegte Räume in Restaurants, Wohnungen etc. sind nur auf Strümpfen zu betreten, Hausschuhe sind nicht erlaubt.
4.2
Gesprächsverlauf
Ein erstes Gespräch mit japanischen Geschäftspartnern beginnt zunächst mit dem Aufbau einer guten Gesprächsatmosphäre. Der ausländische Gast wird mit Fragen über den Verlauf der Reise nach Japan, seinem Hotel und seinen ersten Eindrücken von dem fremden Land in einen für die weiteren Verhandlungen wichtigen small-talk gezogen, dem er sich geduldig überlassen sollte. Das erste Treffen steht nicht unter dem
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Druck, konkrete Ergebnisse oder gar Abschlüsse zu produzieren. Nicht inhaltliche Diskussionen und der Austausch unterschiedlicher Standpunkte und Argumente sind daher gefragt, sondern eine weit angelegte Konversation mit dem Ziel des gegenseitigen Kennenlernens. Im Verlauf des Gesprächs folgen die Vorstellung des Unternehmens, die Produkte und Fertigungsverfahren, Aussagen über das Image und die Stellung im Markt. Generell wird all das besprochen, was zuvor schon im ersten Anschreiben erwähnt wurde oder durch die Homepage und Firmenprospekte bereits verfügbar war. Informationen sollten nicht nur in Deutsch und Englisch, sondern möglichst auch auf japanisch verfügbar sein. Es kann vorkommen, dass sich die westliche Delegation in Japan einer zahlenmäßig überlegenen japanischen Gruppe gegenüber sieht und das erste Treffen wortkarg und schleppend verläuft. Verunsicherung und hektische Überaktivität auf Seiten der Besucher wären hier die falschen Reaktionen. Stattdessen sollten Gelassenheit und Ruhe demonstriert werden, Eigenschaften, die Japaner als Zeichen von Stärke deuten. Im Regelfall sind es dann die japanischen Manager, die das Gespräch aufnehmen und unter positiven Vorzeichen weiterführen. Geduld spielt eine große Rolle, denn häufig werden die gleichen Fragen in unterschiedlichen Zusammenhängen während des Gesprächs wiederholt gestellt. Durch diese Wiederholungsfragen holen japanische Manager bei besonders interessanten oder besonders kritischen Aspekten Bestätigungen ein und prüfen, ob die Aussagen in sich schlüssig sind. Die Sitzordnung während des Geschäftsgesprächs gibt Aufschluss über die Rangordnung der Manager im japanischen Unternehmen. Der höchste Manager nimmt den wichtigsten Platz in der Mitte des Tisches ein. Links und rechts von ihm folgen die niedrigeren Ränge nach ihrer hierarchischen Position. Die Gäste erhalten Plätze im hinteren Teil des Raumes, nicht mit dem Rücken, sondern mit Blick zur Tür. Das Gespräch sollte sich nicht nur auf den Ranghöchsten konzentrieren, sondern möglichst alle Anwesenden einbeziehen, da später ein Mitarbeiter aus dem Gesprächskreis zur weiteren Kontaktperson bestimmt wird. Bei einem ersten Gespräch sollten Vorschläge von japanischer Seite, die nicht adäquat sind, auf keinen Fall direkt zurückgewiesen werden. Die Antwort, man werde sich den Vorschlag durch den Kopf gehen lassen und noch Rücksprache halten, wäre hilfreich für einen entspannten Gesprächsverlauf. Die offene Kritik ist unbedingt zu vermeiden, nicht nur die Kritik an dem japanischen Gesprächspartner, sondern auch kritische Bemerkungen unter den Kollegen der Besucherdelegation. Die Gesprächsatmosphäre und
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das für Japaner so wichtige gute Grundgefühl (kimochi), würde unter dem aggressiven Element der Kritik leiden. Wichtige Kritikpunkte sollten unter vier Augen mit dem betreffenden japanischen Manager in einer eher informellen Atmosphäre, beispielsweise in einem Restaurant oder einer Bar, besprochen werden. Oberstes Prinzip im Umgang miteinander ist in Japan das Verhaltensmuster von honne und tatemae, etwa: „wahre Absicht“ und „Fassade“ und oft mit dem Begriff „Doppelgesichtigkeit der Japaner“ umschrieben. Zur Wahrung der zwischenmenschlichen Harmonie (wa) ist es im privaten wie geschäftlichen Bereich verpönt, die eigene Meinung ohne Rücksicht auf die Interessen der anderen Beteiligten offen und direkt auszusprechen (honne), selbst wenn die Äußerungen keine harsche Kritik darstellen. Durch Verschweigen und Umschreibung (tatemae) der wahren Absichten sollen Situationen vermieden werden, die die andere Seite als Konfrontation verstehen könnte.
4.3
Entscheidungsfindung
Bei einem ersten Geschäftsgespräch sind direkte Entscheidungen und Zusagen von japanischer Seite nicht zu erwarten. Da in vielen japanischen Unternehmen das ringiSystem zur Anwendung kommt, durchläuft ein Vorschlag oder Plan viele verschiedene Instanzen der Unternehmenshierarchie. Je bedeutender das Geschäft und je größer der Umfang umso mehr unterschiedliche japanische Funktionsträger und Spezialisten werden in den Entscheidungsprozess miteinbezogen. Der Zeitraum wird in japanischen Unternehmen dabei sehr großzügig bemessen. Japanische Manager vermeiden das direkte „Nein“, japanisch iie. Es gibt eine Vielzahl von blumigen Umschreibungen für „Nein“. Typisches Beispiel ist die Antwort, dass es keinen Präzedenzfall für etwas gäbe. Wenn man weiß, dass in Japan Präzedenzfälle nach Möglichkeit vermieden werden, wird die Ablehnung offensichtlich. Selbst Formulierungen wie „ich werde die Angelegenheit prüfen“ oder „ich werde mit meinem Vorgesetzten darüber sprechen“ bis hin zu „ich werde mein Bestes tun“ sind eher in Richtung Ablehnung durch den japanischen Partner zu interpretieren. Unterbreitet ein Mitarbeiter einen über seinen Kompetenzbereich hinausgehenden Vorschlag, so bedient er sich des so genannten ringi-Systems. Der Mitarbeiter stellt einen Antrag bei seinem Vorgesetzten auf der Grundlage eines ringi-Dokuments, das die Sachlage und spezifische Handlungsschritte zu ihrer Umsetzung enthält. Wird der Vorschlag von allen beteiligten Vorgesetzten positiv bewertet, so steht seiner Umset-
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zung im Unternehmen nichts im Weg. Die nötigen Handlungsschritte werden von allen Beteiligten getragen, da sie ja durch das ringi-System ihre Zustimmung erteilt haben und zu Mitverantwortlichen geworden sind. Wird der Vorschlag auf einer der höheren Ebenen dagegen abgelehnt, so wird er über die verschiedenen Hierarchiestufen des Unternehmens wieder an den verantwortlichen Mitarbeiter zurückgeleitet. Er ist nun aufgefordert Änderungen vorzunehmen und den abgewandelten Vorschlag erneut an seinen unmittelbaren Vorgesetzten zu geben. Da die Ablehnung eines Vorschlages auf jeder Stufe der Unternehmenshierarchie erfolgen kann und der Mitarbeiter somit jeweils gezwungen wird, den Änderungsvorschlägen durch eine Neubearbeitung Rechnung zu tragen, kann der Prozess umfangreiche Zeit in Anspruch nehmen. So erklärt sich die mitunter extrem lange Entscheidungsdauer in japanischen Unternehmen. Bestehen bereits mehrjährige Beziehungen zum japanischen Unternehmen und sind die einzelnen Geschäftspartner durch die Abwicklung verschiedener Geschäfte schon vertraut, so kann eine Entscheidungsfindung durch nemawashi beschleunigt werden. Beim nemawashi-Prinzip gilt es, eine Vertrauensperson unter den japanischen Partnern zu finden. Sie sollte über die praktische Abwicklung eines Geschäftes informiert sein und auch die notwendige Kompetenz besitzen, Vorschläge zu unterbreiten und Entscheidungen voranzubringen [Konno; Clegg 2001]. Mit dieser japanischen Vertrauensperson sollte man vor anstehenden Geschäftsgesprächen problematische Themen im informellen Rahmen eines Restaurants, eines Golfplatzes oder einer Bar besprechen. Gelingt es in den Vorgesprächen, die Person des Vertrauens für das eigene Anliegen zu gewinnen, wird sie ihren Einfluss positiv zur Geltung bringen, so dass es möglicherweise schon vor dem offiziellen Gespräch zu Vereinbarungen kommt und dies ganz ohne unerfreuliche Auseinandersetzungen [Winkels; Schlütermann-Sugiyama 2000]. Das nemawashi- und ringi-System wirken häufig Hand in Hand. Einsame Entscheidungen sind in Japan nicht üblich, auch wenn dies vielleicht für den einen oder anderen westlichen Geschäftspartner so erscheinen mag. Unternehmerische Entscheidungen sind gemeinsame Beschlüsse, die über durch ein langwieriges Verfahren von vielen Beteiligten im japanischen Unternehmen getragen werden.
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Pflege der Geschäftsbeziehungen
Selbst für den Fall, dass das Engagement in Japan erfolgreich verlaufen ist, können die guten Beziehungen nicht als selbstverständlich angesehen werden. Auch wenn nicht unmittelbar weitere Verhandlungen anstehen erwarten japanische Geschäftspartner die aufmerksame Pflege der Geschäftsbeziehungen. Die in Japan so wichtigen Grußkarten zu Weihnachten, Neujahr und im Sommer sind hervorragend geeignet, sich in Erinnerung zu halten und dem japanischen Partner Respekt zu zollen. Zur weiteren Festigung der Unternehmensbeziehungen sollte im Idealfall mindestens einmal im Jahr eine Reise nach Japan auf dem Programm stehen. Japanische Geschäftsbeziehungen gründen sich auf die Faktoren Vertrauen, Harmonie und gegenseitige Verpflichtungen. Bevor eine Geschäftsbeziehung mit japanischen Partnern überhaupt zustande kommen kann, muss sich ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen den zukünftigen Partnern entwickelt haben. Um das für wahre Partnerschaft wichtige Vertrauen (shinyo) zu erreichen, wird in Japan viel Zeit investiert. Es gilt das jeweilige Gegenüber auf beruflicher wie privater Ebene möglichst gut kennen zu lernen und mehr über dessen Charakter zu erfahren. Das Streben nach Vertrauen erklärt die in Japan übliche Verquickung von persönlich-privaten und geschäftlichen Bereichen. Es erklärt auch, warum die Phase des Sich-Kennenlernens beim ersten Geschäftstreffen so eine wichtige Rolle spielt und warum soviel Zeit für scheinbar nebensächliche Aktivitäten aufgewendet wird. Hat sich ein solches Vertrauensverhältnis erst einmal entwickelt, bedarf es aufmerksamer Pflege, es zu erhalten. In allen gesellschaftlichen Bereichen gilt in Japan die Harmonie in der Gruppe (wa) als Idealzustand, der unter allen Umständen zu erreichen und zu bewahren ist. Das Verständnis von Harmonie umfasst Einigkeit, Gleichklang, Frieden und stilles Einverständnis in den zwischenmenschlichen Beziehungen einer Gruppe, die durch Harmonie erst zur vollen Leistungskraft gelangt. Den Zustand von Harmonie streben Japaner in Geschäftsbeziehungen als Voraussetzung für einen später zu erzielenden Konsens an. Harmonie und die aus ihr resultierenden Faktoren Vertrauen, Loyalität und Kooperation gelten als Erfolgsfaktoren in geschäftlichen wie privaten Beziehungen. Aus Sorge um die Harmonie in der Gruppe vermeidet der Einzelne nach Möglichkeit direkte und offene Meinungsäußerungen (s.a. honne und tatemae). Es gilt, Konfrontationen jeder Art zu vermeiden. Das heißt jedoch nicht, dass es in Japan generell keine Kon-
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flikte gibt, die Form der Konfliktlösung ist nur generell eine andere als in westlichen Industrieländern. Durch die Geschäftsbeziehung ist der ausländische Partner in ein Vertrauensverhältnis mit Japanern getreten, gleichzeitig aber auch in ein Verhältnis gegenseitiger Verpflichtungen (giri), das in der oben erwähnten Geschenke-Tradition eine entscheidende Rolle spielt. Selbst wenn kein Besuch nach Japan geplant ist, unterstreichen Präsentpäckchen aus dem Ausland als Ausdruck freundschaftlicher Verpflichtung das Interesse an den Geschäftsbeziehungen. Der japanische Geschäftspartner erwartet im Gegenzug zuvor erwiesener Freundlichkeiten u.U. auch Hilfeleistungen bei privaten Reisen ins Ausland, nicht nur für sich selbst, sondern auch für Freunde und Familienmitglieder. Umgekehrt darf der ausländische Geschäftspartner auf Unterstützung von Anliegen vertrauen, die ebenfalls privater Natur sind, oder vielleicht sogar zusätzliche Geschäftsfelder erschließen. Dauerhafte, vielleicht sogar lebenslange Geschäftsbeziehungen haben in Japan einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert und können für alternative Strategien im Land entscheidende Wettbewerbsvorteile darstellen. Das ernsthafte Auseinandersetzen mit japanischen Gepflogenheiten und die Vermeidung von Denken in Klischees, von denen in Deutschland über „die Japaner“ genug existieren und von den Medien stets weiter transportiert und bedient werden, sind zusammen mit sachlichem Denken und einem funktionalen Vorgehen sowie Respekt, Höflichkeit und Zurückhaltung gute Voraussetzungen, um erfolgreich mit Japanern ins Geschäft zu kommen. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass der japanische Markt nicht schwieriger ist als andere Märkte auf der Welt. Im Gegenteil: Japan besitzt gegenüber den Märkten in Südamerika, China oder Russland den entscheidenden Vorteil geringer staatlicher Beschränkungen, einer geringen Kriminalitätsrate und somit großer Sicherheit und Stabilität.
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Autorenverzeichnis
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Autorenverzeichnis mit Kurzlebensläufen und Kontaktadressen Shunzo ARAI Jahrgang 1948; 1966-1970 Studium der Soziologie an der Tohoku Universität in Sendai, 1970 Bachelor of Arts; seit 1970 in verschiedenen Positionen bei JETRO, u.a. 1987-1991 Stv. Generaldirektor JETRO Düsseldorf, 1995-1997 Stv. Generaldirektor EU-Japan Centre for Industrial Cooperation, 1997-2000 Generaldirektor JETRO Kagoshima, 2000 zuständig für den Japan-Pavillion auf der EXPO Hannover, seit 2001 Generaldirektor JETRO München; Veröffentlichungen: mehrere Beiträge in EU no ugokiga yoku wakaru Q & A 100 [100 Fragen und Antworten zur EU], Hrsg.: Kiyoshi ƿta und Nobuyo Tanaka. Kontaktadresse: JETRO München, Promenadeplatz 12, D-80333 München; Tel.: +49 89/2908420; Fax: +49 89/29084289; E-Mail:
[email protected]; http://www.jetro.de. Katharina BANDLOW Jahrgang 1971; 1990-1994 Studium der Volkswirtschaftslehre und Japanologie am Bates College, Lewiston, Maine (USA), Tokyo und Nagoya, 1994 Bachelor of Arts in Economics; 1995-1998 Studium der Volkswirtschaftslehre an der Georg-AugustUniversität Göttingen, 1998 Diplom-Volkswirtin; 1998-2001 Europa-Vertrieb in einem japanischen Handelsunternehmen in Frankfurt am Main und München; seit 2001 Projektkoordinatorin bei JETRO München. Kontaktadresse: JETRO München, Promenadeplatz 12, D- 80333 München; Tel.: +49 89/2908420; Fax: +49 89/29084289; E-Mail:
[email protected]; http://www.jetro.de. Univ.-Prof. Dr. Klaus BELLMANN Jahrgang 1943, Studium der Elektrotechnik an der TU Darmstadt, Abschluss Dipl.Ing. 1969; 1974 Promotion an der Universität Mannheim in Betriebswirtschaftslehre; 1974 – 1990 Leiter des Instituts für Physikalische Technologie an der Universität Mannheim, Projektforschung (Drittmittel); 1990 Habilitation an der Universität Mannheim; venia legendi in Betriebswirtschaftslehre. 1990 – 1992 Lehrstuhlvertretung an den Universitäten Mannheim und Mainz; seit 1992 C4-Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Produktionswirtschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Co-Direktor des Center of Market-Oriented Product and Production Management (CMPP), Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
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Autorenverzeichnis
Forschungsschwerpunkte: Produktions- und Logistikmanagement, Qualitäts- and Umweltmanagement, Forschung und Entwicklung, Produktionsnetzwerke, Komplexe Systeme. Kontaktadresse: Center of Market-Oriented Product and Production Management (CMPP), LS für Betriebswirtschaftslehre, insb. Produktionswirtschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Jakob-Welder-Weg 9, D-55099 Mainz; Tel.: +49 6131/39-22007; Fax: +49 6131/39-23005; E-Mail:
[email protected]; http://www.produktionswirtschaft.bwl.uni-mainz.de. Univ.-Prof. Dr. med. Andrea BERZLANOVICH Jahrgang 1960; seit 1989 am Department für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien. Habilitation im Jahr 2005 mit einer Arbeit zum Thema Forensische Gerontologie. Gerichtliche Gutachterin und Autorin zahlreicher Artikel zu aktuellen medizinischen und gesellschaftspolitischen Themen. Referentin auf internationalen Tagungen und Konferenzen. Universitätsprofessorin für Medizin im Fachgebiet Rechtsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Kontaktadresse: Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Rechtsmedizin, Frauenlobstraße 7a, D-80337 München; E-Mail:
[email protected]. Helmut DEMES Jahrgang 1956; Studium der Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität Stuttgart-Hohenheim und der Freien Universität Berlin; 1982 DiplomVolkswirt und Diplom-Handelslehrer. Japanaufenthalt mit einem Stipendium des japanischen Erziehungsministeriums (1984-86) Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin (1983-84), der Universität Duisburg (1987-89), dem Deutschen Institut für Japanstudien (1989-94) und der Fern Universität Hagen (1994-1997). Gastwissenschaftler an der Universität Tôkyô (1984-86, 1988) und dem Wissenschaftszentrum Berlin (1987), Gastprofessor an der Universität Nagoya (2001-2002). Seit 1997 Geschäftsführer des Instituts für Ostasienwissenschaften der Universität Duisburg. Forschungsschwerpunkte: Personalmanagement, Qualifikationsentwicklung, Arbeitsmarkt und Industrielle Beziehungen in Japan. Kontaktadresse: Universität Duisburg-Essen, D-47048 Duisburg, Tel: +49 203/379-4191; Fax: +49 203/379-4157; E-Mail:
[email protected]; http://www.in-east.de.
Autorenverzeichnis
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Univ.-Prof. Dr. Walter GEORG Jahrgang 1943; Dipl.-Hdl., M.A., Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an den Universitäten Göttingen, Saarbrücken und Darmstadt. Diplom 1969, M.A. 1971, Promotion zum Dr. phil. 1974. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Berufspädagogik der Technischen Universität Darmstadt (1970-1976). Wissenschaftlicher Rat und Professor für Wirtschaftspädagogik an der Universität Hamburg (1976/77). Seit 1977 „ordentlicher“ Professor für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Fern Universität Hagen. Seit 1978 diverse Funktionen in der Universitätsselbstverwaltung: Dekan des Fachbereichs Erziehungs- und Sozialwissenschaften; Prorektor für Forschung, Direktor des Instituts für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung; Vorstandsmitglied des Instituts für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung. Forschungsschwerpunkte: International vergleichende Berufsbildungsforschung mit Schwerpunkt Ostasien (Japan, VR China, Südkorea): Theorien und Methoden des Vergleichs, Zusammenhang von Bildung und Beschäftigung, Karrierestrukturen, Arbeitsmarkteffekte. Qualifikationsforschung: Bildung, Arbeitsmarkt und Beschäftigung, Arbeitsorganisation und Qualifikationsstruktur, Institutionenökonomie, Effekte technischer und wirtschaftlicher Innovationen. Betriebliches Bildungswesen: Organisationsentwicklung und Personalentwicklung, betriebliche Weiterbildung, Lernen am Arbeitsplatz. Kontaktadresse: Fern-Universität Hagen Universitätsstr. 11, D-58084 Hagen; Tel: +49 2331/987-2747 Fax: +49 2331/987-338; E-Mail:
[email protected]. Dr.-Ing. René HAAK Jahrgang 1967; 1986-1992 Studium der Neueren Geschichte und Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin, 1992 Diplom-Kaufmann, 1994-1996 Studium der Arbeitswissenschaft und Produktionstechnik an der Technischen Universität Berlin, 1997 Promotion zum Dr.-Ing. an der TU Berlin, 1993 bis 1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) in Berlin, 1995 bis 1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der TU Berlin, 1997 bis 1998 Studium an der Towa Universität in Fukuoka, Japan, Projektmanagement bei Roland Berger Strategy Consultants in Tokyo, 1998 bis 1999 Projektleitung Forschungsgruppe Luft- und Raumfahrt am Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK), Berlin. Im Jahr 1999 wissenschaftlicher Angestellter am Deutschen Institut für Japanstudien (DIJ) in Tokyo, von 2001 bis 2005 Leiter der Wirtschaftsabteilung, von
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Autorenverzeichnis
2002 – 2005 zusätzlich stellvertretender Institutsdirektor des DIJ, seit 2005 Bundesbeamter im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Internationale Abteilung, Arbeitsbereich Europäische Forschungs- und Innovationspolitik. Lehraufträge an der Hosei Universität in Tokyo, der Europa Universität Viadrina Frankfurt Oder, der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und der Johannes GutenbergUniversität in Mainz, Forschungsschwerpunkte: Innovations- und Technologiemanagement, Produktionsnetzwerke, Entrepreneurship, Japanisches Management, Internationalisierungsstrategien in Asien-Pazifik. Kontaktadresse: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Heinemannstr.2, D-53175 Bonn, E-Mail:
[email protected]. Ulrike Maria HAAK Jahrgang 1965; Kulturredakteurin (ZDF/3sat) und Publizistin. Schwerpunkte: interkulturelle Vergleichsstudien, Wirtschaft und Soziales. Nach Studienaufenthalt in Paris 1986 Aufnahme des Studiums der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Germanistik und Romanistik an den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Lyon und Köln mit dem Abschluss Magister Artium (M.A.) 1992. Studienbegleitend freie Mitarbeiterin bei Presse (u.a. Badische Zeitung, Südwestpresse Ulm), Hörfunk (Radio 7) und Fernsehen (ZDF). Nach einem Zeitungsvolontariat in Würzburg mit dem Schwerpunkt Wirtschaft (Die Tagespost) seit 1995 Fernsehredakteurin beim ZDF für den Kulturkanal 3sat (Redaktionen DENKmal und Bookmark, das Sachbuchmagazin). Von September 1999 bis Oktober 2005 Beurlaubung von der redaktionellen Tätigkeit bei 3sat und Auslandsaufenthalt mit der Familie in Japan, Tokio: Korrespondentin für das ZDF/3sat, arte sowie für die Wochenzeitung Die Zeit und den Tagesspiegel in Berlin. Für den Tagesspiegel neben Berichten für die Ressorts Politik und Wirtschaft auch eine monatliche Kolumne für die Wirtschaftsseite („Post aus Tokio“). Kontaktadresse: Ulrike Haak, Jakob Laubach Str. 64, D-55130 Mainz; Tel.:+49 06131/143-28 67, E-Mail:
[email protected]. Dr. Frank HIMPEL Jahrgang 1970; Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion zum Dr. rer. pol. an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; seit 2003 Habilitand am Center of Market-Oriented Product and Production Management (CMPP) - Lehrstuhl Betriebswirtschaftslehre, insb. Produktionswirtschaft. Forschungsschwerpunkte: Luftverkehrsallianzen, Unternehmensnetzwerke, Komplexe Systeme, Systemtheorie.
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Kontaktadresse: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Center of Market-Oriented Product and Production Management (CMPP), Jakob Welder-Weg 9, D-55099 Mainz; Tel.: +49 6131/39-22088; Fax: +49 6131/39-23005; E-Mail:
[email protected]; http://www.produktionswirtschaft.bwl.uni-mainz.de. Günter JERTZ Jahrgang 1960; Geschäftsführer Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen in Mainz, Bereich International mit Schwerpunkten Kroatien und die Ukraine. Koordinator aller außenwirtschaftlichen Aktivitäten der Kammer, Federführung in Fragen des Starterzentrums und der Existenzgründung. Gelernter Redakteur, Ressortleitung der größten Tageszeitung der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Leiter des Referats Außenwirtschaft im rheinland-pfälzischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau (Grundsatzfragen der Außenwirtschaftspolitik des Landes mit Schwerpunkt China und USA). Kontaktadresse: Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Schillerplatz 7, D55116 Mainz; Tel.: +49 6131/ 262-1700; Fax: +49 6131/262-2700; E-Mail:
[email protected]. Pawel KOMENDER Jahrgang 1964; Studium der Wirtschaftswissenschaften in der Fachrichtung „European Business“ an der Universität Paderborn und am Trent Polytechnic (gegenwärtig Trent University) Nottingham; Abschluss 1990. Achteinhalb Jahre Tätigkeit in Führungspositionen für Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum in Japan: Dreieinhalbjahre Vertriebstätigkeit im Bereich der Zugangskontrollsysteme, sowie insgesamt fünf Jahre als kaufmännischer Leiter in der Agrochemie- bzw. der Maschinenbaubranche. 1999 bis 2001 Simon - Kucher & Partners in Bonn, von 2001 bis 2006 Leiter des Tokioter Büros. Beratungsschwerpunkte: Marketing, Pricing, vorwiegend in den Bereichen Technology/Maschinenbau, Consumer Products und Life Science. Seit 2007 Chief Operating Officer bei Sansui Electric Co Ltd. in Tokyo. Japanisch in Wort und Schrift. Autor zahlreicher Fachpublikationen in deutschen und japanischen Medien, Referent bei verschiedenen Konferenzen und Fachseminaren in Deutschland und Japan. Gastreferent an der Gakushuin und and der Waseda Universität in Tokyo. Kontaktadresse: Mail:
[email protected]; Tel.: +81-90-3918-2676.
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Jörg M. KRÜTTEN Jahrgang 1969; Studium des Maschinenbau- und Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Unternehmensplanung an der Technischen Universität München und der Universität Karlsruhe (TH). Executive Vice President von Simon - Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants. Leiter des internationalen Kompetenzcenter Medizintechnik; Betreuung von Klienten aus USA, Europa und Asien in den Bereichen Strategische Unternehmensentwicklung, Licensing & Acquisitions und strategisches Marketing. Autor zahlreicher Artikel zu aktuellen Management-Themen; externer Dozent an der Universität Basel; Referent auf Tagungen und Konferenzen. Kontaktadresse: Simon - Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants, Haydnstrasse 36, D-53115 Bonn; Tel.: +49 228/9843-105; Fax: +49 228/9843-120; E-Mail:
[email protected]; http://www.simon-kucher.com. Dr. Jürgen MAURER Jahrgang 1962; Studium der Informationswissenschaft, Politikwissenschaft (Schwerpunkt China) und Ostasienwirtschaft (Schwerpunkt Japan) an den Universitäten Saarbrücken und Duisburg, Forschungsaufenthalte an der University of Washington (Seattle) und University of Michigan (Ann Arbor). Promoviert im Bereich internationale Beziehungen. Seit Mitte 1996 Wirtschaftskorrespondent der Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai), einer Servicestelle des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Von 1997 bis 2003 Korrespondent in Beijing, seit 2004 in Tokio tätig. Kontaktadresse: German Federal Office of Foreign Trade Information (bfai), Sanbancho KS Bldg., 5 Fl., 2-4 Sanbancho, Chiyoda-ku, Tokyo 102-0075, Japan; Tel: +81 3-5276-9791; Fax: +81 3-5276-9792; E-Mail:
[email protected]. Wilhelm F. MEEMKEN Geschäftsführer der ECOS Japan Consult GmbH, Osnabrück. Seit mehr als 15 Jahren in der Vermittlung deutsch-japanischer Wirtschafts- und Technologie-Kooperationen tätig. Seit April 2004 offizieller Foreign Direct Investment Adviser für deutsche Unternehmen im Auftrag der japanischen Außenhandelsorganisation JETRO. Kontaktadresse: www.ecos-consult.com; E-Mail
[email protected]. Alexander von MYLIUS M.A. Jahrgang 1975; 1998 bis 2006 Studium der Japanologie mit den Nebenfächern Informatik und Medienrecht an der LMU in München. Ab Herbst 2001 einjähriges Studium
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an der juristischen Fakultät der Kyushu Universität in Fukuoka, gefördert durch ein Stipendium des japanischen Ministeriums für Erziehung und Kultur. Interessen und Schwerpunkte während des Studiums in den Themen Politik, Wirtschaft und Recht Japans. Zahlreiche private Reisen, kurze Studienaufenthalte sowie Praktika in bzw. nach Japan, Taiwan, Hong Kong und China. Im Frühjahr 2006 Magister im Fach Japanologie an der LMU München mit einer Arbeit zur Rolle des Staatsanwaltes in der zeitgenössischen japanischen Rechtssprechung. Kontaktadresse: c/o Chen, 4F., No.105, Guangcyuan Rd., Banciao City, Taipei County 220, Taiwan (R.O.C.); Tel.: +88 6 953 962 749 Prof. Dr. Werner PASCHA Jahrgang 1957; 1976-1986 Studium der Volkswirtschaftslehre in Freiburg i. Br., an der London School of Economics und an der Universität Nagoya, Japan; 1981 DiplomVolkswirt, 1986 Promotion zum Dr.rer.pol. in Freiburg; 1984-1991 wiss. Angestellter, später Hochschulassistent in Freiburg; 1991 Habilitation; seit 1992 Lehrstuhl für Ostasienwirtschaft an der Universität Duisburg (heute: Duisburg-Essen); verschiedene Forschungsaufenthalte in Ostasien, zuletzt 2003 an der Waseda-Universität, Tokyo, als Invited Fellow der JSPS; Forschungsschwerpunkte: wirtschaftlicher, insbesondere institutioneller Strukturwandel in Japan, Südkorea und den Wirtschaftsbeziehungen in und mit der Region Asien-Pazifik. Kontaktadresse: Institute for East Asian Studies and Chair for East Asian Economic Studies, Department of Business Studies University of Duisburg-Essen, D-47048 Duisburg, Tel.: +49 203/379-4114; Fax: +49 203/379-4157; E-Mail:
[email protected]; http://www.uni-duisburg.de/Institute/OAWISS/index.html. Dr. Markus PUDELKO Jahrgang 1967; Studium der Betriebwirtschaftslehre an der Universität zu Köln (Diplom 1994); der Volkswirtschaftslehre an der Sorbonne Universität, Paris (Maitrîse 1992); und des Internationalen Managements an der Universität zu Köln sowie der Bocconi Universität, Mailand (Master 1994). Promotion in Betriebswirtschaft an der Universität zu Köln mit Forschungsaufenthalten an der Stanford Universität, Palo Alto und Sophia Universität, Tokio (2000). Seit 2001 Lecturer an der University of Edinburgh Management School. Forschungs- und Lehraufenthalte an der Sophia Universität, Tokio; Columbia Business School, New York; San José State University; sowie University of Melbourne. Forschungsschwerpunkte: Vergleich von Management-
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Systemen, interkulturelles Management, japanisches Management, Beziehungen zwischen Firmenzentralen und Niederlassungen. Kontaktadresse: University of Edinburgh Management School, Edinburgh, UK; Tel.: +44 131/651 1491; Fax: +44 131/668 3053; E-Mail:
[email protected]. Dr. Markus PÜTZ Jahrgang 1965; Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln mit den Schwerpunkten Controlling sowie Operative und strategische Prozesssteuerung. 1993 Abschluss als Diplom-Kaufmann. Von 1994 bis 1999 bei der Babcock Prozeßautomation GmbH in Oberhausen tätig, bis 1997 als Projektleiter und danach als Unternehmensberater im Bereich Analyse und Entwicklung von Fertigungsplanungs- und steuerungssystemen. Von März 1998 bis zur Promotion zum Dr. rer. oec. im April 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Rechnergestütztes Controlling der Bergischen Universität Wuppertal; seit 2004 ebendort wissenschaftlicher Assistent und Habilitand. Kontaktadresse: Bergische Universität Wuppertal, Lehrstuhl für Rechnergestütztes Controlling, Gaußstraße 20, D-42199 Wuppertal; Tel.: +49 202/439-2980; Fax.: +49 202/439-2448; E-Mail:
[email protected]. Elizabeth STICH Jahrgang 1953; Geschäftsführerin Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) für Cumulus Wines Pty Ltd. Australien, vormals Geschäftsführerin Export Weinkellerei Reh-Kendermann, Bingen; Kontaktadresse: Cumulus Wines, 44 Pitt Street, Sydney, N.S.W 1225; E-Mail:
[email protected]. Prof. Dr. Cornelia STORZ Jahrgang 1965; Professorin für Japanische Wirtschaft an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main. Von 2001 bis 2006 Professorin für Japanische Wirtschaft an der Philipps-Universität Marburg. Studium der Betriebswirtschaftslehre und Japanologie an der Universität Bonn. Stipendiatin des in die Geschäftsbereiche des deutschen und japanischen Auswärtigen Amtes gehörende Japanisch-Deutsche Zentrum, Berlin, 1989 – 1993 feste freie Mitarbeiterin eines der führenden japanischen Fernseh- und Rundfunkanstalten Mainichi Broadcasting System sowie zeitgleich für ZDF/Saarländischen Rundfunk; 1993-1996 wissenschaftliche Mitarbeiterin Universität Duisburg am Lehrstuhl für Ostasienwirtschaft/Japan; 1993/94 und Gastforscherin am Forschungsinstitut der Präfektur Osaka „Osaka Institute for Advanced Industry Deve-
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lopment;“ seit 1994 verschiedentliche Einladungen an das RIETI (Research Institute of METI); 1996 Promotion zur Volkswirtin (Dr. rer. oec). mit einer Arbeit zum japanischen entrepreneur mit dem Titel „Der japanische Unternehmer“, verlegt im NomosVerlag; 1997 Lehrbeauftragte für Wirtschaft und Gesellschaft Japans an der Hochschule Bremen; 1997 - 2001 Professorin für Wirtschaft und Gesellschaft Japans an der Hochschule Bremen. Seit Februar 2001 Professorin für Japanische Wirtschaft an der Philipps-Universität Marburg, 09/2003-10/2003 visiting scholarship an der KansaiUniversität, Osaka, Japan, 05/2006-06/2006 visiting researcher am JIL (Japan Institute for Labour Policy). Kontaktadresse: Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main, Sophienstraße 44, D-60487 Frankfurt am Main; Tel.: +49 69/798-23910/-23911; Fax +49 69/798-28866; E-Mail:
[email protected]. Dr. Kerstin TEICHER ,CJTICPI1967; Diplom-Kaufmann und MA Japanologie an den Universitäten FU Berlin und Waseda University Tokyo. 1996 Promotion in Kassel. Rund 13 Jahre Berufserfahrung im Bereich Asien und Japan in verschiedenen Unternehmen, u.a. als Manager bei der A.T. Kearney-Unternehmensberatung sowie als Vice President Asia Development Center bei der Bertelsmann AG tätig für die Asienstrategie des Gesamtkonzerns inklusive Aufbau von Tochterunternehmen in Japan. Seit 2002 Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands des DJW in Düsseldorf. Regelmäßige Veröffentlichungen und Vorträge zu verschiedenen Bereichen der japanischen Wirtschaft. Weitere Funktionen u.a. als Mitglied des Beirats des AWS Bremen, als Mitglied der Auswahlkommission neuer Stipendiaten für die Studienstiftung des Deutschen Volkes sowie als Gutachter bei Aquin zur Akkreditierung von BA- und MA-Studiengängen in Deutschland. Kontaktadresse: DJW, Stockumer Kirchstr. 61, D-40474 Düsseldorf; Tel: +49 211/4560-8381; Fax: +49 211/4560-8511; E-Mail:
[email protected]; http://www.djw.de. Prof. Dr. Franz WALDENBERGER Studium der Volkswirtschaftslehre in Heidelberg, Köln und Tokyo. Diplom 1986, Promotion 1990 und Habilitation 1996 im Fach Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln. Nach Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Staatswissenschaftlichen Seminar der Universität zu Köln, im Stab der Monopolkommission und am Deutschen Institut für Japanstudien, Tokyo, seit November 1997 Inhaber der Professur für Japanische Wirtschaft am Japan-Zentrum der Ludwig-Maximilians-
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Universität München, Mitglied der Fakultäten für Kulturwissenschaft und Betriebswirtschaft. Lehrangebot im Wahlfach „Wirtschaft und Gesellschaft Japans“ für Wirtschaftswissenschaftler und Japanologen. Gastprofessuren am Institute of Innovation Research der Hitotsubashi Universität, an der Graduate School of Business der Osaka City University und am Institute of Social Science der Universität Tokyo. Shimomura-Fellow am Research Institute of Capital Formation der Development Bank of Japan. Forschungsschwerpunkte: Wirtschaft Japans, vergleichende Analyse von Wirtschaftssystemen, Corporate Governance, Internationales Management. Kontaktadresse: Ludwig-Maximilian Universität München, Japan-Zentrum, Oettingenstr. 67; D-80538 München, Tel.: +49 89/2180 9821; Fax: +49 89/2180 9827; E-Mail:
[email protected].