Rolf Dieter Stoll · Christian Niemann-Delius Carsten Drebenstedt · Klaus Müllensiefen (Hrsg.)
Der Braunkohlentagebau Bedeutung, Planung, Betrieb, Technik, Umwelt
Rolf Dieter Stoll · Christian Niemann-Delius Carsten Drebenstedt · Klaus Müllensiefen (Hrsg.)
Der Braunkohlen tagebau Bedeutung, Planung, Betrieb, Technik, Umwelt 1. Auflage Mit 550 Abbildungen und 60 Tabellen
123
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Rolf Dieter Stoll ehem. RWTH Aachen Am Kapellenbusch 14 50374 Erftstadt Germany
[email protected] Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Carsten Drebenstedt TU Freiberg Institut Bergbau und Spezialtiefbau Gustav-Zeuner-Straße 1a 09596 Freiberg Germany
[email protected] Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Niemann-Delius RWTH Aachen Institut für Rohstoffgewinnung über Tage und Bohrtechnik Lochnerstraße 4–20 52046 Aachen Germany
[email protected] Dr.-Ing. Klaus Müllensiefen RWE Power AG, Bergheim Sparte Tagebau Auenheimer Straße 50129 Bergheim-Niederaußem Germany
[email protected] ISBN 978-3-540-78400-5
e-ISBN 978-3-540-78401-2
DOI 10.1007/978-3-540-78401-2 © 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: Thomas Rey, RWE Power, Grafikzentrum Satz & Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Printed on acid-free paper 987654321 springer.com
Vorwort
Anfang des 21. Jahrhunderts ein Grundlagenwerk zur Braunkohlegewinnung vorzulegen, setzt Zuversicht in die Perspektiven dieses Energieträgers voraus. Und in der Tat: Mindestens in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts wird auf Braunkohle in der Energieversorgung, zumal in der Verstromung, nicht verzichtet werden können. Das gilt nicht nur in globalem Maßstab, es gilt ebenso für Europa und speziell für Deutschland. Hier zwingt vor allem der politisch forcierte Verzicht auf Kernenergie dazu, alle denkbaren Alternativen zu nutzen, um die Versorgung zu sichern. Wenn das Land nicht völlig vom Ausland abhängig werden soll, ist dabei der Rückgriff auf die Braunkohle als einzigen reichlich verfügbaren und wettbewerbsfähigen heimischen Energieträger weiterhin völlig unvermeidlich. Das Unvermeidliche auch verantwortbar zu machen, ist Hintergrund umfangreicher Forschungs- und Investitionsprogramme der Unternehmen, die sich in Deutschland mit der Gewinnung und Verwendung von Braunkohle befassen. In erster Linie geht es dabei darum, vor dem Hintergrund der Klimadiskussion die mit jeder Verbrennung notwendig verbundene Emission von Kohlendioxid zu verringern. In einem Drei-Phasen-Programm geht die deutsche Braunkohlenindustrie diese Aufgabe an: Kurzfristig Steigerung der Effizienz der bestehenden Kraftwerksblöcke; mittelfristig Ersatz der älteren Anlagen durch neue mit höchstmöglichen Wirkungsgraden von um die 50%; langfristig Bau von Kraftwerken mit CO2-Abscheidung und -speicherung. Für die Realisierung dieses Programms stellen die Unternehmen viele Milliarden an Investitionsmitteln bereit. Angesichts nicht beliebig vermehrbarer Vorräte an Öl und Gas eröffnet sich für den Kohlenstoffträger Braunkohle eine weitere Perspektive: Der Einsatz als Rohstoff in der Chemie oder auch als Grundstoff für die Erzeugung von synthetischem Öl oder Gas. Die
in Deutschland lagernden geologischen Vorräte an Braunkohle von rund 35 Milliarden Tonnen entsprechen in ihrem energetischen Gehalt dem 1,3-fachen der Öl- und Gasreserven der Nordsee. Man muss kein Verfechter energiepolitischer Autarkie sein, um die Nutzung einer solchen Option vernünftig zu finden. Eine dimensionelle Gewinnung von Braunkohle wird also auch künftig erforderlich sein. In Deutschland ist aus geologischen Gründen die Förderung von Braunkohle nur im Tagebau sicher und wirtschaftlich möglich. Die dafür in diesem Land entwickelte Technik kann inzwischen auf eine mehr als hundertjährige Tradition zurückblicken. Sie hat sich so gut bewährt, dass sie inzwischen überall in der Welt dort eingesetzt wird, wo die geologischen Verhältnisse das erfordern bzw. erlauben. Deutsche kontinuierliche Tagebautechnik ist zum Begriff und Maßstab geworden. Das vorliegende Buch bietet einen Überblick über den heutigen Stand von Theorie und Praxis der Gewinnung von Braunkohle im Tagebau. Eine aktuelle Monographie dieser Art gibt es bisher nicht, allenfalls ältere Werke oder verstreut erschienene Aufsätze und Artikel. Viele davon waren zudem auf die speziellen Verhältnisse in den Revieren entweder der alten oder der neuen Bundesländer zugeschnitten. Die seit der Wiedervereinigung erfreulicherweise mögliche und nötige Gesamtschau des Themas fehlte bislang. Insofern verbinden Herausgeber und Autoren mit diesem Buch die Hoffnung, eine Lücke zu füllen. Als Fachbuch zum Thema Braunkohlegewinnung im Tagebau richtet es sich an Studenten der Rohstoffwissenschaften ebenso wie an Mitarbeiter der Genehmigungsbehörden und betriebliche Praktiker sowie allgemein an Personen, die an der Energiewirtschaft interessiert sind. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf den heute fördernden großen Revieren in Deutschland: Lausitz, Mitteldeutschland und Rheinland. Nur mit wenigen Beispielen wird auf interessante Aspekte von Gewinnungstechniken jenseits der deutschen Grenzen eingegangen. An Stoff mangelt es dennoch nicht, wie die Vielfalt der Beiträge zeigt. Von der Entstehung der Lagerstätten über die planerische Vorbereitung der Braunkohlegewinnung sowie Betrieb und Technik bis zu Aspekten der Umsiedlung und Rekultivierung spannt sich der Themenbogen.
VI
Vorwort
Diese Breite des Stoffes war nur als Gemeinschaftswerk zu bewältigen. Neben einschlägig arbeitenden Hochschulen, wie der RWTH Aachen, der TU Bergakademie Freiberg und der TU Berlin haben sich die Bergbehörden der Länder Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen sowie die Unternehmen LMBV GmbH, Mibrag mbH, RWE Power AG, Vattenfall Europe Mining AG, SST Ingenieurgesellschaft mbH und auch der Deutsche-Braunkohlenindustrie-Verein e.V. in die Arbeit eingebracht. Entsprechend gefächert ist die Herkunft der Autoren. Sie kommen aus der Wissenschaft, aus den Bergbehörden und aus der Praxis der Braunkohlenbetriebe und einschlägiger Ingenieurbüros sowie aus dem gemeinsamen Verband. Mein Dank gilt allen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben. An erster Stelle zu nennen sind die Herausgeber: Universitäts-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Carsten Drebenstedt, TU Bergakademie Freiberg; Universitäts-Prof. Dr.-Ing. Christian Niemann-
Delius, RWTH Aachen; Universitäts-Prof. Dr.-Ing. Rolf Dieter Stoll, ehem. RWTH Aachen; Dr.-Ing. Klaus Müllensiefen, Sparte Tagebaue, RWE Power AG. Sie haben das Werk konzipiert und koordiniert und durch eigene Beiträge an der Umsetzung mitgewirkt. Für wertvolle Beiträge aus der Sicht der Genehmigungsinstanzen danke ich den Autoren aus den Bergbehörden. Ebenso geht mein Dank an die Autoren aus Tagebauplanung und -betrieb für ihre praxisnahen Ausführungen. Schließlich danke ich dem Springer-Verlag, der Produktion, Gestaltung und Vertrieb des Werkes übernommen hat. Ich wünsche dem Buch eine Vielzahl interessierter Leser. Matthias Hartung (Vorsitzender des Vorstands des Deutschen Braunkohlen-Industrie-Verein e.V.)
1
Inhaltsverzeichnis
Perspektive des Rohstoffs Braunkohle .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 George Milojcic
1.1
Entstehung, Lagerstätten, Hauptförderländer . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Sven Asmus, Thomas Thielemann
1.1.1
Braunkohlenlagerstätten und -vorkommen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Braunkohlenförderung und -nutzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Braunkohlenentstehung .. . . . . . . . . . . . . 7 Plattentektonik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Klima .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kohlebildende Ökosysteme . . . . . . . . . . 9 Biochemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Torfbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 1.1.7 1.1.8
1.2
Die europäischen Braunkohlenreviere . . . . . . . . . . . . . . . 13 Hartmut Ernst, Helmut Wolff, Sven-Uwe Schulz
1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7
Griechenland .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tschechische Republik .. . . . . . . . . . . . . Serbien und Kosovo . . . . . . . . . . . . . . . . Bulgarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rumänien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3
Die deutsche Braunkohle im Energiemix – Gewinnung und Nutzung der Braunkohle im Jahr 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Uwe Maaßen, Hans-Wilhelm Schiffer
1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.3.1 1.3.3.2
Braunkohle und Energiewirtschaft .. . Vorkommen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufkommen und Außenhandel .. . . . . Braunkohlenförderung .. . . . . . . . . . . . . Verwendung der Braunkohle .. . . . . . .
14 16 19 23 27 29 31 33
35 36 38 38 40
1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7
Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedernutzbarmachung . . . . . . . . . . . . Bewältigung des Strukturbruchs in den neuen Ländern .. . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung .. . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48 49 50 51 51
1.4
Nutzung der Braunkohle unter den Gesichtspunkten des Marktes . 53 Bernd-Uwe Haase, Werner Pfennig
2
Planung von Braunkohlentagebauen . . . . . . . . . . . 55 Christian Niemann-Delius
2.1
Überblick über die kontinuierliche Tagebautechnik .. . 57 Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgewählte Grundbegriffe . . . . . . . . . Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung zu heutigen Systemen der kontinuierlichen Tagebautechnik . 2.1.4.1 Bagger-Band-Absetzer Systeme .. . . . . 2.1.4.2 Direkt-Versturz-Systeme .. . . . . . . . . . . 2.1.5 Abgrenzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6 Entwicklungsschwerpunkte . . . . . . . . . 2.1.7 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57 57 59 62 62 63 66 66 67 68
2.2
Systematische Planungsschritte für einen Braunkohlentagebau .. . . 69 Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
2.2.1
Abstrakt: Folgerichtige Tagebauplanung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planungsschritte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbemerkung .. . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2 2.2.3 2.2.4
69 69 70 75
VIII
Inhaltsverzeichnis
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2.3
2.3.1 2.3.1.1 2.3.1.2 2.3.1.3 2.3.1.4 2.3.2 2.3.2.1 2.3.2.2 2.3.2.3
2.4
2.4.1 2.4.2 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.4.2.4 2.4.3
2.4.3.1 2.4.3.2 2.4.3.3 2.4.3.4 2.4.4 2.4.5 2.4.5.1 2.4.5.2
Lagerstättenerkundung und -geologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Ralf Kühner, Sven Asmus, Rudolf Bönisch, Thomas Fischkandl Methoden der Lagerstättenerkundung . . . . . . . . . . . . . Erkundung durch Bohrungen . . . . . . . Oberflächengeophysik . . . . . . . . . . . . . . Tagebaukartierung, Probenahme . . . . Lagerstättenmodellierung .. . . . . . . . . . Geologie der großen deutschen Braunkohlenreviere .. . . . . . . . . . . . . . . . Das Rheinische Braunkohlenrevier . . Das Lausitzer Braunkohlenrevier . . . . Das Mitteldeutsche Braunkohlenrevier .. . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78 78 79 80 81
85 85 87 88 92
2.4.5.3 Nutzung von Tagebausümpfungswasser .. . . . . . . . . 107 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2.5
Angewandte Bodenmechanik im Tagebau .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Dieter Dahmen, Kai Wagner, Wolfgang Sandner
2.5.1
Aufgaben der Bodenmechanik im Tagebau .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche und normative Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geotechnische Grundlagen . . . . . . . . Kennwerteermittlung aus Laborund Feldversuchen . . . . . . . . . . . . . . . . Modellbildung und bodenmechanische Berechnungsverfahren .. . . . . . . . . . . . Standsicherheit von Betriebsböschungen und Tagebaugroßgeräten .. . . . . . . . . . Gewinnungsböschungen und Bagger .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kippenböschungen und Absetzer . . Förderbrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berücksichtigung ehemaliger Bergbautätigkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . Standsicherheit von Randund Endböschungen . . . . . . . . . . . . . . Randböschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Endböschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Restsee-Endböschungen . . . . . . . . . . . Weitere geotechnische Aufgaben im Tagebau .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur: .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.2 2.5.3 2.5.3.1 2.5.3.2
2.5.4
Tagebauentwässerung, Planung, Modellierung und Wasserwirtschaft . . . . . . . . . . . . . 93 Peter Jolas, Christian Forkel, Bernd Rechenberger
2.5.4.1
Wasserhaushalt und bergbauliche Wasserwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Entwässerungsverfahren . . . . . . . . . . . . 93 Filterbrunnenentwässerung . . . . . . . . . 93 Dichtungswände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Sonderentwässerungsverfahren .. . . . . 98 Fassung und Ableitung von Grubenwasser .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Hydrogeologische Modellierung und Dimensionierung von Entwässerungsanlagen .. . . . . . . . . . . . 100 Analytische Berechnungsverfahren . 100 Analoge Grundwasserströmungsmodelle . . . . 101 Numerische Grundwasserströmungsmodelle . . . . 102 Bemessung von Anlagen zur Wasserfassung und Ableitung . . . . . . 105 Grundwassermonitoring .. . . . . . . . . . 105 Wasserqualität, Wasserbehandlung, Nutzung von Grubenwasser .. . . . . . . 106 Wasserqualität .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Grubenwasserreinigung .. . . . . . . . . . . 106
2.5.5
2.5.4.2 2.5.4.3 2.5.4.4
2.5.5.1 2.5.5.2 2.5.5.3 2.5.6
2.6
2.6.1
109 109 110 110
111
111 112 114 119 120 124 124 125 125 126 127 127
Betriebswirtschaftliche Begleitung des Prozesses der Braunkohlegewinnung .. . . . . . 129 Bernd-Uwe Haase, Werner Pfennig
Betriebswirtschaftliche Bewertung von Tagebauinvestitionen .. . . . . . . . . 2.6.1.1 Vorbemerkungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1.2 Betriebswirtschaftliche Kennziffern zur Bewertung der Varianten .. . . . . . 2.6.1.3 Betriebswirtschaftliche Variantenvergleiche .. . . . . . . . . . . . . . .
129 129 129 131
Inhaltsverzeichnis
2.6.1.4 Vorstudien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1.5 Machbarkeitsstudie .. . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Betriebswirtschaftliche Charakteristik des Tagebaubetriebes .. . . . . . . . . . . . . 2.6.2.1 Vorbemerkungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2.2 Die Kostenrechnung in Bergbaubetrieben . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2.3 Lebenszyklus eines Tagebaus . . . . . . . 2.7
2.7.1
2.7.2 2.7.3 2.7.4 2.8 2.8.1
2.8.1.1 2.8.1.2 2.8.1.3 2.8.1.4 2.8.1.5 2.8.1.6 2.8.1.7 2.8.1.8 2.8.1.9 2.8.1.10 2.8.1.11 2.8.2
IX
131 132
133 133 134 135
EDV-Einsatz in den Braunkohlenbetrieben . . . . . . . . . . . 139 Walter Thiels Ein kurzer Blick zurück – Entwicklung der EDV in der Braunkohlenindustrie . . EDV-gestützte Planungshilfsmittel . Spezielle Software für die Bergbauindustrie . . . . . . . . . . . Grenzen des Softwareeinsatzes . . . . .
139 140 147 148
Betriebliche Beispiele . . . . . . . . . . . . 151 Abbau mit kontinuierlichem Direktversturz am Beispiel des Tagebaues Jänschwalde .. . . . . . . . 151 Gert Klocek Übersicht des Lausitzer Reviers .. . . . Tagebau Jänschwalde – Geologie .. . . Hydrologie und Entwässerung .. . . . . Planerische Rahmenbedingungen . . Planungsystematik .. . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung des Tagebaues Jänschwalde .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fördertechnik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedarfs-, Leistungs-, Geräte-, Personalentwicklung .. . . . . . . . . . . . . . Bergbaufolgelandschaft, Rekultivierung (s. Abb. 2.8.1-6) .. . . . Umsiedlungen, Verlegemaßnahmen . Immissionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . .
151 152 153 153 154 154 157 158
2.8.2.2 Tagebau Hambach .. . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.2.3 Genehmigungsrechtliche und planerische Rahmenbedingungen .. . 2.8.2.4 Bergtechnik und Betriebsführung – Aufschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.2.5 Planung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.2.6 Rekultivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.2.7 Umsiedlungs – und Verlegemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.2.8 Immissionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.2.9 Zusammenfassung und Ausblick . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.3
2.8.2.1 Das Rheinische Revier . . . . . . . . . . . . . 164
167 172 174 175 177 177 178
180 180
181 183 190
Begleitende Bereitstellung von natürlichen Sekundärrohstoffen . . . . 197 Wolfgang Müller, Claudia Schumacher
2.8.4.1 Landesplanung und Raumordnung . 197 2.8.4.2 Gebündelte Gewinnung von Sand und Kies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2.8.4.3 Absatz von Sand und Kies .. . . . . . . . . 198 3
Betriebsmittel, Betriebstechnik und Betriebsorganisation im Tagebau .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Carsten Drebenstedt
3.1
Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb . . . . . . . . . . . . . . . 203 Carsten Drebenstedt
3.1.1
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
160 160 162
Führung eines Tagebaus mit kontinuierlichem Strossentransport im Rheinischen Revier am Beispiel des Tagebaus Hambach . . . . . . . . . . . . 164 Lars Kulik, Oliver Röggener
164
Spezifische Abbaubedingungen im Mitteldeutschen Revier und deren technologische Beherrschung . . . . . . 180 Berthold Hofmann
2.8.3.1 Das Revier .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.3.2 Lagerstättenbedingungen der Hauptförderstätten . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.3.3 Gewinnungs- und Förderkonzepte, Großgeräte- und Mobiltechnikeinsatz . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.3.4 Sondertechnologien mit Großgeräten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.3.5 Einsatzbeispiele für Mobiltechniksysteme . . . . . . . . . . . . . . 2.8.4
164
X
Inhaltsverzeichnis
3.1.2 3.1.3 3.1.3.1 3.1.3.2 3.1.4 3.1.4.1 3.1.4.2 3.1.5 3.1.5.1 3.1.5.2 3.1.5.3 3.1.6 3.1.6.1 3.1.6.2 3.1.7 3.1.7.1 3.1.7.2 3.1.8 3.1.8.1 3.1.8.2 3.1.8.3 3.1.8.4 3.1.9 3.1.9.1 3.1.9.2 3.1.10 3.1.10.1 3.1.10.2 3.1.11 3.1.11.1 3.1.11.2 3.1.11.3 3.1.11.4 3.1.11.5 3.1.11.6 3.1.11.7 3.1.12 3.1.14 3.1.15 3.1.15.1 3.1.15.2 3.1.15.3
Leistungsermittlung kontinuierlicher Abbausysteme .. . . . Schaufelradbagger .. . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbautechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Eimerkettenbagger . . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbautechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Continuous Surface Miner . . . . . . . . . Konstruktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbautechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbausysteme .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bandwagen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatztechnologie .. . . . . . . . . . . . . . . . Schrägförderer/Bandbrücken .. . . . . . Konstruktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technologie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bandverkippungsgeräte/Absetzer .. . Konstruktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technologie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mobiler Portalbrückenabsetzer . . . . Absetzerbandanlagen – Mobile Stacking Conveyor-MSC .. . . . . . . . . . Direktversturzkombinationen . . . . . . Konstruktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technologie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abraumförderbrücken .. . . . . . . . . . . . Konstruktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatztechnologie .. . . . . . . . . . . . . . . . Bandanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktive Details .. . . . . . . . . . . . . . Rücken der Gurtbandförderer . . . . . Einsatztechnologie .. . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsermittlung von Bandanlagen .. . . . . . . . . . . . . . . . . Bandschleifenwagen . . . . . . . . . . . . . . . Spezialbandanlagen .. . . . . . . . . . . . . . . Brecher/ In-Pit-Crushing . . . . . . . . . . Kontinuierliche Systeme zum Schüttgutumschlag .. . . . . . . . . . . Kontinuierlicher Nassabbau .. . . . . . . Nassgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Förderung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkippung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 203 206 206 211 215 215 217 219 219 221 223 223 223 225 225 225 225 226 226 227 228 228 229 231 231 231 232 234 237 237 238 241 242 243 246 246 251 254 256 256 258 259 260
3.2.1 3.2.2
Diskontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb . . . . . . . . . . . . . . . 263 Carsten Drebenstedt, Christian Niemann-Delius
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsermittlung diskontinuierlicher Abbausysteme . . 3.2.3 Lösetechnik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.1 Sprengtechnik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.2 Mechanische Löseverfahren (Reißen, Hydraulikhammer) . . . . . . . 3.2.4 Diskontinuierlich arbeitende Lade-/Gewinnungstechnik . . . . . . . . 3.2.4.1 Löffelbagger .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.2 Schürfkübelbagger (Dragline) . . . . . . Die Baugruppen des Walking Dragline . . . . . . Schürfkübel und Arbeitszyklus . . . . . . . . . . . . . . Geräte- und Einsatzsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . Dragline im Ladebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.3 Radlader .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.4 Flachbagger .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.5 Nassbagger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Diskontinuierlich arbeitende Fördertechnik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5.1 Schwerlastkraftwagen . . . . . . . . . . . . . 3.2.5.2 Zugförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5.3 Diskontinuierliche Förderung in der Nassgewinnung .. . . . . . . . . . . . 3.2.6 Diskontinuierliche Verkippungstechnik .. . . . . . . . . . . . . . 3.2.6.1 SKW-Dozer Kippen . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6.2 Zugkippen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Kombinierte Abbausysteme .. . . . . . . Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3
263 263 266 266 267 268 268 270 271 274 277 280 281 282 283 284 284 285 286 286 286 286 287 287 288
Nebenprozesse und Infrastruktur in den Braunkohletagebauen des Rheinischen Reviers .. . . . . . . . . 289 Hans-Joachim Bertrams, Joachim Witzel
3.3.1 Nebenprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 3.3.1.1 Maßnahmen zur Beräumung des Vorfeldes .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 3.3.1.2 Unterstützung des Großgeräteeinsatzes durch Erdbauarbeiten .. . . . . . . . . . . . . 291
Inhaltsverzeichnis
3.3.1.3 Vorbereitung und Durchführung von Banddurchfahrten .. . . . . . . . . . . . 3.3.1.4 Rücken von Bandanlagen . . . . . . . . . . 3.3.1.5 Bandreinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1.6 Umklemmen der Trommelleitung (Kabelaktion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1.7 Oberflächenentwässerung .. . . . . . . . . 3.3.1.8 Immissionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1.9 Maßnahmen im Zuge der Wiedernutzbarmachung .. . . . . . . 3.3.2 Tagebauinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.1 Bereitstellung und Betrieb von Hilfsgeräten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2 Anlegung und Unterhaltung von Wegen und Plätzen . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3 Bereitstellung und Betrieb einer Stromversorgung .. . . . . . . . . . . . 3.3.2.4 Gewährleistung der Arbeitssicherheit .. . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.5 Bereitstellung eines Brandbekämpfungsund Rettungswesens . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.6 Gewährleistung einer ausreichenden Sicherung des Tagebaus .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.7 Bereitstellung übergeordneter Dienstleistungen . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4
3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.3.1 3.4.3.2 3.4.3.3 3.4.3.4 3.4.3.5 3.4.4 3.4.5
XI
298 299 306 307 308 308 314 317 319
319
Technik und Betrieb der Tagebauentwässerung . . . . . . . 333 Wolfgang Kortmann, Klaus Kuhlmann, Bernd Rechenberger
3.5.1 3.5.1.1 3.5.1.2 3.5.1.3 3.5.1.4 3.5.1.5 3.5.2 3.5.3
Brunnenbetriebstechnik . . . . . . . . . . . Brunnenaufbau .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tauchmotorpumpen .. . . . . . . . . . . . . . Brunnentypen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsarten Brunnen .. . . . . . . . . . . . Brunnenbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wasserversorgung .. . . . . . . . . . . . . . . . Pegel- und Untersuchungs bohrungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinnen von Gebirgsproben .. . . . . Geophysikalische Messungen .. . . . . . Spezifischer Widerstand (IEL) .. . . . . Natürliche Radioaktivität (GR) .. . . . Spezifische Dichte (CDL) . . . . . . . . . . Kaliber und Neigung .. . . . . . . . . . . . . . Grundwassermessstellen (GWMST) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brunnenbohrungen .. . . . . . . . . . . . . . . Vakuumbrunnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dichtwand .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5.3.1 3.5.3.2 3.5.3.3 3.5.3.4 3.5.3.5 3.5.3.6 3.5.3.7
334 334 334 336 337 338 340 342 343 343 343 344 344 344 344 345 347 347
321
3.5.4 3.5.4.1 3.5.5
321 322
3.6
Instandhaltung als Bestandteil der Betriebsstrategie .. . . . . . . . . . . . 353 Ralf to Baben, Uwe Köhler, Eckhard Klöhn
3.6.1
Dimension der Förderaufgabe in BandanlagenBraunkohlentagebauen . . . . . . . . . . . . Grundsätzliche Betriebsund Instandhaltungssituation in Braunkohlentagebauen .. . . . . . . . . Grundsätzlicher Aufbau der Fördersysteme .. . . . . . . . . . . . . . . . Charakteristika der Anforderungen an die Förderanlagen in einem Tagebau .. . . . . . . . . . . . . . . . . Gliederung in Hauptund Infrastrukturprozesse .. . . . . . . . . Unterschiedliche Aufgaben der Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . Angewendete Instandhaltungsstrategien .. . . . . . . . . Formen der Instandhaltung . . . . . . . .
Förderung außerhalb des Tagebaus .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Hermann Oppenberg Transportaufgaben außerhalb des Tagbaus .. . . . . . . . . . . . Genese der Zugförderung .. . . . . . . . . Infrastrukturelemente . . . . . . . . . . . . . Gleisnetz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rollendes Gut .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bahnstromversorgung . . . . . . . . . . . . . Zugsicherungstechnik/ Stellwerkstechnik .. . . . . . . . . . . . . . . . . Be- und Entladeanlagen .. . . . . . . . . . . Bahninstandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . Bahnbetrieb .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 292 293 297
323 323 324 324 325 327 328 329 329 330 331
3.6.2
3.6.3 3.6.4
3.6.5 3.6.6 3.6.7 3.6.8
353
354 354
356 360 360 362 363
XII
Inhaltsverzeichnis
3.6.9
Verflechtung von Produktion und Instandhaltung als Zeitgradoptimierung . . . . . . . . . . . 3.6.10 Zusammenwirken von maschinentechnischer und elektrotechnischer Instandhaltung .. 3.6.11 Monitoring der betrieblichen Prozesse .. . . . . . . . 3.6.12 Einordnung in die Gesamtkosten .. . 3.6.13 Positionierung von Anlagenund Produktverantwortung .. . . . . . . 3.6.14 Abstufung, Bedeutung und Rolle betriebsnaher und zentraler Werkstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.15 Instandhaltung als strategisches Werkzeug der Prozessverbesserung am Beispiel eines Abraumförderbrückenverbandes . . . 3.6.15.1 Direktantriebe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.15.2 Eimerketten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.15.3 Tragwerk .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 3.7.1
366 367 368 368
370
370 370 370 373
Betriebliche Beispiele . . . . . . . . . . . . 375 Betriebsorganisation am Beispiel eines Förderbrückenbetriebes in der Lausitz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Thomas Penk
3.7.1.1 Voraussetzungen für den Einsatz von Förderbrücken . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1.2 Betriebliche Planungsdokumente .. . 3.7.1.3 Prozessorientierte Strukturen in der Bergbau- und Instandhaltungsabteilung . . . . . . . . . . 3.7.1.4 Stab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1.5 Produktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1.6 Aus- und Vorrichtungen . . . . . . . . . . . 3.7.1.7 Mechanische und Elektrische Instandhaltung .. . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2
365
375 375
377 381 382 384 388 390
Überwachung und Steuerung der Prozesse in den Braunkohletagebauen im Rheinland . 391 Dieter Gärtner, Ralf Hempel
3.7.2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 3.7.2.2 Steuerung der Betriebsabläufe in einem Tagebau .. . . . . . . . . . . . . . . . . 392
3.7.2.3 3.7.2.4 3.7.2.5 3.7.2.6 3.7.2.7
Tagebauprozessmodell .. . . . . . . . . . . . Hauptprozess „Produktion“ . . . . . . . . Optimierung der Hauptprozesse .. . . Nebenprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollund Überwachungssysteme . . . . . . . . 3.7.2.8 Zusammenfassung und Ausblick . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
393 395 399 404 406 407 408
3.7.3
Kohlenqualitätsmanagement . . . . . . . 409 Lutz Kunde, Detlef Trummer
3.7.3.1 3.7.3.2 3.7.3.3 3.7.3.4 3.7.3.5 3.7.3.6
Definition .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lieferkette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitätsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . Angebot der Tagebaue . . . . . . . . . . . . . Bedarf der Abnehmer .. . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten der Qualitätsbeeinflussung .. . . . . . . . . . . . Betriebsführungssysteme . . . . . . . . . . Technische Sicherung der Qualitätsansprache .. . . . . . . . . . . . Aufbauorganisation .. . . . . . . . . . . . . . . Ablauforganisation . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7.3.7 3.7.3.8 3.7.3.9 3.7.3.10
409 410 410 411 411 414 420 421 423 425
4
Tagebau im Spannungsfeld zwischen Eingriff und Ausgleich .. 427 Klaus Müllensiefen
4.1
Rechtsgrundlagen und Genehmigungsverfahren als Rahmen bergbaulicher Tätigkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Reinhard Schmidt
4.1.1
Bergfreie und grundeigene Bodenschätze .. . . . Bergbehörden .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verantwortliche Personen .. . . . . . . . . Betriebsplanverfahren . . . . . . . . . . . . . Der Rahmenbetriebsplan . . . . . . . . . . Der obligatorische Rahmensbetriebsplan nach § 52 Absatz 2 a BBergG . . . . . . . Der Hauptbetriebsplan .. . . . . . . . . . . . Sonderbetriebspläne .. . . . . . . . . . . . . . Gemeinschaftlicher Betriebsplan . . . Abschlussbetriebsplan . . . . . . . . . . . . . Genehmigungen außerhalb des Bergrechts .. . . . . . . . . .
4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.4.1 4.1.4.2
4.1.4.3 4.1.4.4 4.1.4.5 4.1.4.6 4.1.5
429 429 432 433 433
433 434 434 434 434 435
Inhaltsverzeichnis
4.1.6 4.1.7 4.1.8 4.1.9 4.1.10 4.1.11 4.1.12 4.1.12.1 4.1.12.2 4.1.12.3 4.1.12.4 4.1.12.5 4.2
Wasserrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immissionsschutzrecht .. . . . . . . . . . . . Abfall- und Bodenschutzrecht .. . . . . Raumordnungsrecht .. . . . . . . . . . . . . . Braunkohlenplanverfahren .. . . . . . . . Besonderheiten im Beitrittsgebiet .. . Weitere Vorschriften des Bundesberggesetzes .. . . . . . . . . . . Risswerk .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bergverordnungen .. . . . . . . . . . . . . . . . Zulegung, Grundabtretung, Rohstoffsicherungsklausel .. . . . . . . . . Baubeschränkungsgebiete .. . . . . . . . . Bergschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Umsiedlungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichtliche Entwicklung .. . . . . . . Von der Planung zur Umsetzung . . . Der Prozess „Umsiedlung” und seine Besonderheiten .. . . . . . . . . 4.2.2 Verlegung von Verkehrswegen .. . . . . 4.2.2.1 Der weite Planungsund Genehmigungsweg .. . . . . . . . . . . 4.2.2.2 Der Konsensfindungsprozess .. . . . . . 4.2.2.3 Herausragende Verkehrsprojekte . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.3.1 4.3.3.2 4.3.3.3 4.3.3.4 4.3.4
435 435 435 435 436 436 436 436 438 438 438 438
Umsiedlung und Verlegung öffentlicher Infrastruktur .. . . . . . . . 439 Christian Lögters, MichaelHennemann,JoachimKretschmer, Elisabeth Mayers-Beecks, Martin Köther, Hendrik Stemann, Florian Reeh
4.2.1 4.2.1.1 4.2.1.2 4.2.1.3
4.3
XIII
439 439 440
4.3.4.1 Einleitung, Grundlagen, Definitionen und Messverfahren . . . 4.3.4.2 Rechtliche Vorgaben und Immissionsgrenzwerte .. . . . . . . . 4.3.4.3 Behördliche Überwachung und Zuständigkeiten am Beispiel NRW .. . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4.4 Feinstaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4.5 Grobstaub (Staubniederschlag) .. . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endnoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
461 462
463 464 465 466 467
4.4
Wasserwirtschaftliche Genehmigungen und Ausgleichsmaßnahmen . . . . . . . . . . 469 Christian Forkel, Wolfgang Rolland, Peter Jolas
4.4.1
Zur Bedeutung der wasserwirtschaftlichen Genehmigungen in der Braunkohlengewinnung . . . . . Wasserwirtschaftliche Genehmigungsverfahren .. . . . . . . . . . Wasserwirtschaft in landesplanerischen und bergrechtlichen Verfahren . . . . . Wasserrechtliche Vorgaben aus der europäischen Wasserrahmenrichtlinie .. . . . . . . . . . . Wasserrechtliche Verfahren . . . . . . . . Ausgleichsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . Stützung grundwasserabhängiger Feuchtgebiete und Gewässer .. . . . . . Ausgleich bzw. Ersatz von Gewässern und Feuchtgebieten . Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen der öffentlichen und privaten Wasserversorgung .. . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.2 4.4.2.1
469 469
469
445 446
4.4.2.2
446 447 449 452
4.4.2.3 4.4.3 4.4.3.1
Nachbarschaftsschutz und Braunkohlenbergbau .. . . . . . . 453 Michael Kirchner, Rolf Petri, Peter Asenbaum, Dieter Jung
4.4.3.3
Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lärmschutz in Tagebauen . . . . . . . . . . Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Rahmenbedingungen . . . Betriebsplanverfahren . . . . . . . . . . . . . Betriebsplanzulassung und behördliche Überwachung .. . . . Staubimmissionen .. . . . . . . . . . . . . . . .
453 454 454 454 455 456
4.5
Umweltmonitoringsysteme als integraler Bestandteil der Überwachung im Braunkohlenbergbau des Bundeslandes NRW .. . . . . . . . . . . . . . 481 Werner Grigo, Christian Bolle
459 461
4.5.1 4.5.2
Einführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 Monitoring der Tagebaue Garzweiler II und Inden . . . . . . . . . . . 482
4.4.3.2
470 472 474 474 478
480
XIV
Inhaltsverzeichnis
4.5.2.1 Normative Grundlagen .. . . . . . . . . . . 4.5.2.2 Konzeption und Aufgaben .. . . . . . . . 4.5.2.3 Zusammenhang zwischen Monitoring und behördlicher Überwachung . . . 4.5.2.4 Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . 4.5.2.5 Durchführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2.6 Grundlagen zur Bewertung der Monitoringergebnisse . . . . . . . . . 4.5.3 Zusammenfassung, Fazit und Ausblick .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6
4.6.1 4.6.1.1 4.6.1.2 4.6.1.3 4.6.1.4 4.6.1.5 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.4.1 4.6.4.2 4.6.4.3 4.6.5
4.7
4.7.1
482 482
483 483 486 487 489 490
Bodenbewegungen und Bergschadensregulierung . . . 491 Werner Schaefer, Joachim Kretschmer, Markus Heitkemper Das Rheinische und das Lausitzer Braunkohlenrevier .. . . . . . . . . . . . . . . . Geologie/Hydrologie . . . . . . . . . . . . . . Ursachen der Bodenbewegungen . . . Gleichförmige, unschädliche Bodenbewegungen . . . Ungleichförmige, schädliche Bodenbewegungen .. . . . . Hebungen infolge Grundwasserwiederanstiegs .. . . . . . . Bergschadensregulierung . . . . . . . . . . Bergschadensvorsorge durch „Dichtwandverfahren“ .. . . . . . Sanierung von Bergschadensobjekten . . . . . . . . . Fallbeispiel Aue .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeispiel Tektonik .. . . . . . . . . . . . . . Ein Fallbeispiel bei glazogenen Wechsellagerungen in der Lausitz . . Zusammenfassung .. . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
491 491 491 492 494 496 497 498 499 499 500 502 503 503
Grundlagen der Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung, Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Wasserwirtschaft, Erholung und Gewerbe .. . . . . . . . . . 505 Klaus Freytag Die gesetzliche Pflicht zur Wiedernutzbarmachung .. . . . . . . 505
4.7.2 Landesplanung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.2.1 Wiedernutzbarmachung und Rekultivierung im Braunkohleplan . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.2.2 Wiedernutzbarmachung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren .. . . . . . . . . . . . 4.7.3 Arten der Wiedernutzbarmachung .. 4.8 4.8.1
505
506 506
Betriebliche Beispiele . . . . . . . . . . . . 511 Landwirtschaftliche Rekultivierung am Beispiel des Tagebaus Garzweiler .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Michael Eyll-Vetter, Werner Sihorsch
4.8.1.1 Landinanspruchnahme und Wiedernutzbarmachung im rheinischen Braunkohlerevier .. . 4.8.1.2 Verteilung der Bodennutzungsarten .. . . . . . . . . . . . . . 4.8.1.3 Lösslagerstätte als Voraussetzung für nachhaltige Wiedernutzbarmachung . . . . . . . . . . . 4.8.1.4 Landesplanerische Vorgaben . . . . . . . 4.8.1.5 Bergrechtliche Konkretisierung .. . . . 4.8.1.6 Planerische Rahmenbedingungen und struktureller Wandel in der Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . 4.8.1.7 Bodenschonende Wiedernutzbarmachung . . . . . . . . . . . 4.8.1.8 Schulung und Motivation der Mitarbeiter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.1.9 Zwischenbewirtschaftung . . . . . . . . . . 4.8.1.10 Monitoring/Erfolgskontrolle . . . . . . . 4.8.1.11 Flächenverwertung (z. B. Landtausch und -rückgabe sowie Landverkauf) .. . . . . . . . . . . . . . . 4.8.1.12 Konfliktlösungen zwischen landwirtschaftlicher Bodennutzung, Erholung und Freizeit sowie als Lebensraum für Tiere und Pflanzen . . . . . . . . . . . . 4.8.1.13 Fazit und Ausblick .. . . . . . . . . . . . . . . . Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2
505
511 511
512 512 513
515 516 518 518 518
519
520 521 521
Die forstliche Rekultivierung der überhöhten Innenkippe des Tagebau Hambach . . . . . . . . . . . . . 522 Norbert Möhlenbruch
Inhaltsverzeichnis
4.8.2.1 Entwicklung von Rekultivierungstechniken im Rheinischen Revier – kurzer geschichtlicher Abriss .. . . . . . 4.8.2.2 Herleitung der Rekultivierungsziele aus den Vorgaben der in Anspruch genommenen Landschaft . . . . . . . . . . 4.8.2.3 Oberflächengestaltung im Absetzerbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2.4 Böden und Exposition als Schaltstelle ökologischer Entwicklungen . . . . . . . 4.8.2.5 Bodenvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2.6 Start der Biotopentwicklung .. . . . . . . 4.8.2.7 Erschließung mit Wegen und Gewässern .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2.8 Rekultivierung als Wirtschafts-, Biotop- und Erholungsraum .. . . . . . . 4.8.2.9 Entwicklungs- und Pflegekonzept für die Freiflächen auf der überhöhten Innenkippe des Tgb. Hambach .. . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2.10 Allgemeine Pflege und Entwicklungshinweise .. . . . . . . . Literatur: .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.3
522
522 524
4.8.4.1 Tagebau Cottbus-Nord .. . . . . . . . . . . . 4.8.4.2 Genehmigungen als Voraussetzung für die Bergbaufolgelandschaft . . . . . 4.8.4.3 Herstellung der Bergbaufolgelandschaft . . . . . . . . . . . . 4.8.4.4 Cottbuser Ostsee und spätere Nutzer . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur: .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.5
526 527 528
552 554 555 559 561
Wiedernutzbarmachung von unplanmäßig stillgelegten Tagebauen in Mittel- und Ostdeutschland .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 Michael Illing, Thorsten Pietsch
530
4.8.5.1 Rahmenbedingungen vor der unplanmäßigen Stilllegung .. . . . . . . . 562 4.8.5.2 Besondere Herausforderungen des Sanierungsbergbaus .. . . . . . . . . . . 567 4.8.5.3 Fazit und Ausblick .. . . . . . . . . . . . . . . . 572
532
4.8.6
529
534 537
Herstellung eines Fließgewässers am Beispiel des Flusses Inde im Tagebau Inden . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 Arthur Oster
4.8.3.1 Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.3.2 Anforderungen bei der Gestaltung des neuen Flussbettes .. . . . . . . . . . . . . 4.8.3.3 Durchführung der Indeverlegung .. . 4.8.3.4 Forstliche Rekultivierung und naturnahe Ausgestaltung der Indeflur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur: .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.4
XV
538 539 543
548 551
Bergbaufolgelandschaft Tagebau Cottbus-Nord .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 Birgit Schroeckh
Entwicklung eines vielgestaltigen Rekultivierungsgebietes im Bereich des Landschaftssees Großstolpen . . . 573 Marcel Schmidt
4.8.6.1 Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.6.2 Planungskonzept des Landschaftssees Großstolpe . . . . 4.8.6.3 Realisierung und Gestaltung von Teilbereichen des Rekultivierungsgebietes . . . . . . . . 4.8.6.4 Zusammenfassung und Ausblick . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
573 574
574 578 579
Autorenverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . 581
Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589
1
Perspektive des Rohstoffs Braunkohle George Milojcic
Der energiewirtschaftliche und umweltpolitische Rahmen Über die Perspektive der deutschen Braunkohle kann im Jahr 2008 nur im europäischen und globalen Kontext gesprochen werden. Das weltweit wirkende Spannungsfeld zwischen wachsender Bevölkerung, zunehmendem Wohlstand und damit einhergehend der stetig wachsende Energiebedarf sowie die ungleiche Ressourcenverteilung, die Versorgungsrisiken und die Klimavorsorge bestimmen auch die Energiestrategie der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten. Der steigende Energiebedarf, insbesondere in den Entwicklungs- und Schwellenländern, trifft in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts mit voller Wucht auf eine Ressourcenbasis, die nicht im gleichem Maße ausgeweitet werden kann. Im Zentrum der Energieversorgung steht immer noch das Öl, das aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften im Bereich Mobilität derzeit unersetzlich ist, insbesondere da der Verkehrssektor überdurchschnittliche Wachstumsraten aufweist. Die Ressourcenbasis, auf der die Ölproduktion beruht, ist offensichtlich fragil und die überlagernden politischen Einflüsse unkalkulierbar. Das Stichwort „Peak Oil“ steht für die Erkenntnis, dass in absehbarer Zeit für das Öl offensichtlich zunehmend härtere Grenzen bezüglich der Verfügbarkeit erreicht werden. Die Welterdgasproduktion ist heute noch besser diversifiziert als die Ölförderung. Obwohl die Ressourcenbasis breiter ist, stellen sich auch hier Fragen nach Verfügbarkeit und der notwendigen Infrastruktur. Sofern man davon ausgeht, dass Öl tendenziell der knappste fossile Energierohstoff ist, wird das Erdgas nicht nur im Bereich Wärme, wo es bereits viel Öl substituiert hat, sondern längerfristig auch im Bereich Mobilität benötigt werden. Damit hat die nach den Ölkrisen in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte Strategie der OECD-Staaten, die Stromversorgung auf Grundlage der Kohle und Kernenergie versorgungs- und preissicher auszubauen, weiter Gültigkeit. Die wie in den 70er Jahren stark gestiegenen Ölund Gaspreise und die Verfügbarkeit von großen Kohlenvorkommen in China und Indien sind die maßgeblichen Gründe für einen wachsenden Kohlen-
verbrauch. Weltweit stieg der Verbrauch an Kohle zwischen 2000 und 2007 um gut 40% auf etwa 4,7 Mrd. t. Die Zuwachsrate im Kohlenverbrauch lag in diesem Zeitraum etwa doppelt so hoch wie bei Gas und dreimal so hoch wie bei Öl. Ein starker Treiber war die Kohlenverstromung. Etwa 40% der Stromerzeugung in der Welt basieren auf Kohle und eine weitere Zunahme wird erwartet. In der erweiterten Europäischen Union basieren etwa je 30% der Stromerzeugung auf Kohle und Kernenergie. Die Wasserkraftwerke, insbesondere in den Alpen und in den Gebirgen der Iberischen Halbinsel, tragen mit etwa 10% zur Stromerzeugung bei. Die Stromerzeugung aus Gas liegt bei etwa 20 %. Der Ausbau der Erneuerbaren Energie wird insbesondere in der EU und Deutschland massiv gefördert. Der Anteil von Wind und Biomasse an der Stromerzeugung liegt 2006 in der EU bei rd. 2% und in Deutschland bei rd. 6%. Das ist ernüchternd. Es bleibt auf absehbare Zeit bei additiven Beiträgen. Unter dem Eindruck sowohl der Ressourcenknappheit als auch des befürchteten Klimawandels bekennt sich die EU zu einer Politik der Vorsorge. Längerfristig will die Europäische Union daher die CO2-Emissionen drastisch reduzieren. Klimavorsorge und eine zukunftsfähige Energieversorgung sind untrennbar miteinander verknüpft, so wie die zwei Seiten einer Medaille. Beide Fragen sind demgemäß nur im Zusammenhang zu beantworten. Energieverbrauch und die damit verknüpften CO2-Emissionen haben sehr viel damit zu tun, wie die Menschen heute, morgen und übermorgen leben und wie mit der Energie gewirtschaftet wird. Wegen der systembedingten Trägheit ist es notwendig, die angestrebte, integrierte Klima- und Energiestrategie langfristig und dauerhaft, aber auch hinsichtlich der konkreten Ziele und Handlungsfelder, auf überschaubare Zeiträume zu beziehen. Die im Rahmen der laufenden Diskussionen im Bereich der EU immer wieder angesprochene Jahreszahl 2020 ist in diesem Sinn als ein Etappenziel zu verstehen. Auf Grundlage der Ratsbeschlüsse der EU vom März 2007 ist im laufenden Meinungsbildungsprozess insbesondere zu hinterfragen, ob die für 2020 anvisierten Ziele realistisch sind und wie sie erreicht werden können. Anzusprechen ist das CO2-Minderungsziel von minus 20% für die EU-27 und der angestrebte
2
Kapitel 1 Perspektive des Rohstoffs Braunkohle
Ausbau der Erneuerbaren Energien auf einen Anteil von 20% am Endenergieverbrauch sowie die Absicht, den Energie- und Stromverbrauch deutlich abzusenken. Es geht also konkret darum, die mit den Stichworten Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Energie verknüpften Fragestellungen mit den anspruchsvollen Zielen abzugleichen, die erste Schritte für den Ausbau des Energiesystems beschreiben. Eine enorme Herausforderung ist, die auf Ebene der EU formulierten Vorgaben im Rahmen einer Lastenverteilung für die Mitgliedstaaten verbindlich zu machen. Gemäß den Ratsbeschlüssen und dem Verständnis innerhalb der EU sind die in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Besonderheiten zu berücksichtigen. Dazu gehören beispielsweise die Ressourcenverfügbarkeit und Entscheidungen zur Struktur der Energieversorgung. Die Industriestrukturen können nur über längere Zeit angepasst und fortentwickelt werden, wobei die Verdrängung energieintensiver Produktion, z. B. Stahl, Zement oder Aluminium, keine Lösung ist. Eine aus Sicht der Kohlenindustrie langfristig sehr bedeutsame Frage ist, wie der Produktionsfaktor CO2 zukünftig behandelt wird. Dabei geht es um die Budgets für CO2, d. h. die Emissionsobergrenzen, und um die Frage, wie der CO2-Emissionshandel im Detail ausgestaltet wird. Bei der Fortschreibung des EU-Burdensharing ist zu entscheiden, ob die CO2Budgets weiter länderbezogen und mit dem Anfangsjahr 1990 definiert werden, oder ob es ein einheitliches EU-Budget gibt. Hier plädiert der europäische Kohleverband – EURACOAL – für die Fortschreibung des bisherigen Systems, das länderbezogene Grenzen vorsieht. Beim Emissionshandel wird ein System der kostenlosen Zuteilung auf Grundlage von brennstoffspezifischen Benchmarks und Auslastungsfaktoren angestrebt. Dieses kann ggf. modifiziert werden durch Erfüllungsfaktoren oder eine partielle Versteigerung. Die Überlegung, den Emissionshandel im Bereich Strom auf einen immer größeren, vielleicht sogar 100%igen Anteil Auktionierung umzustellen, führt nach Einschätzung von EURACOAL im Ergebnis zu einer variablen CO2-Steuer. Da Energie ohnehin schon sehr teuer ist, muss ein solcher Ansatz ernsthaft in Frage gestellt werden. Die bisher mit dem CO2-Emissionshandel gewonnenen Erfahrungen und die nicht erkennbare Bereitschaft anderer Weltregionen, dem Vorbild Europas auf diesem Gebiet zu folgen, lassen hier ein behutsames Vorgehen angeraten erscheinen. Für den Energieträger Kohle und seine Nutzung ist maßgeblich, dass über
eine kluge Ausgestaltung der Zuteilungsregeln für CO2 die Modernisierung im Stromsektor unterstützt wird. Diese Modernisierung des Stromsektors sollte im Rahmen eines ausgewogenen Energiemixes erfolgen, denn der umfangreiche Einsatz von Gas zur Stromerzeugung bedeutet für Europa deutlich wachsende Gasimporte. Damit verbunden wären, ähnlich wie beim Öl, wachsende Versorgungs- und Preisrisiken. Weltweit gesehen ist der Ersatz von Kohle durch Gas ohnehin keine Lösung, weil mit der verstärkten Nutzung von Gas auch große CO2-Emissionen verbunden wären, die in keiner Weise mit den langfristigen Zielvorstellungen zu CO2-Emissionen in Übereinstimmung stehen. Tiefe Einschnitte bei den CO2-Emissionen lassen sich daher nur längerfristig und durch den Einsatz neuer Techniken erreichen. Die Kohlenindustrie meint, dass in überschaubaren Zeiträumen die Effizienzsteigerung in allen Bereichen und der Erhalt eines diversifizierten Energiemixes vorrangig sind. Mittelfristig und parallel zur Modernisierung geht es darum, die Voraussetzungen zu schaffen, CO2 bei der Erzeugung von Strom abzuscheiden und in geeigneten geologischen Formationen dauerhaft zu lagern. Ab etwa 2020 könnte diese Technik voraussichtlich in größerem Maßstab eingesetzt werden.
Die Rolle der Kohle in der EU und in wichtigen Mitgliedstaaten Die Verhältnisse in der Europäischen Union sind recht unterschiedlich. Hinter einem Durchschnittswert von 30% Anteil aller Kohlen am Strommix verbirgt sich eine große Varianz. Die Spannweite reicht von über 90% Kohlenanteil in Polen bis zu 1 % Kohlenanteil in Schweden. Deutschland liegt mit rd. 50% im Mittelfeld, wobei wegen der Größe des deutschen Marktes ein erheblicher Teil der Kohlenverstromung innerhalb der EU auf Deutschland entfällt. Die gewachsenen Strukturen basieren häufig auf der Verfügbarkeit von Kohlenlagerstätten. Das gilt speziell für die deutsche Braunkohle. Darauf aufbauend sind wichtige und regionalprägende Wirtschaftsstrukturen entstanden. Das belegt der Blick auf die deutschen Braunkohlenreviere im Rheinland, in Mitteldeutschland und in der Lausitz. Ökonomische Untersuchungen belegen, dass die Stromerzeugung auf Grundlage heimischer Lagerstätten in der Regel nicht nur ökonomisch attraktiv, sondern gleichzeitig mit einer hohen lokalen Wertschöpfung verbunden ist. Darüber hinaus sind
George Milojcic
3
die Kohlengewinnung und -verstromung häufig der Ausgangspunkt für lange Wertschöpfungsketten, die bildlich gesprochen in diesen Regionen durch die Rohstoffgewinnung verankert werden. Neben der energiewirtschaftlichen Dimension besitzt also die Kohle noch eine gewichtige regionalwirtschaftliche Komponente. Die selbst im weltweiten Maßstab bedeutenden Braunkohlenvorkommen in Deutschland leisten auf absehbare Zeit wichtige Beiträge zur Preis- und Versorgungssicherheit. Es ist daher eine wichtige Aufgabe für die Politik, aber auch für die Unternehmen, die Braunkohle im Portfolio haben, den Zugang zu diesen Lagerstätten offen zu halten. Neue Lagerstättenteile können wegen der notwendigen Vorlaufzeiten und erheblichen Investitionen nur in Betrieb genommen werden, wenn die ökonomischen und planerischen Randbedingungen positiv gestaltet sind. Der Lagerstättenschutz bleibt wegen der weltweiten Knappheit an Energierohstoffen ein wichtiges energiepolitisches Ziel, speziell auch für Deutschland und die hier verfügbaren wertvollen Braunkohlenvorkommen. Im Jahr 2007, etwa 15 Jahre nach der Wiedervereinigung, haben die Unternehmen in der Lausitz und in Mitteldeutschland erste Überlegungen in die Öffentlichkeit getragen, wie längerfristige Abbaukonzeptionen aussehen könnten. Die unternehmerische und politische Aufgabe besteht nun darin, dass die energie- und umweltpolitischen Parameter herausgearbeitet werden und in die Abwägungsprozesse im Rahmen der Raumordnungs- und Genehmigungsverfahren angemessen einfließen.
Dabei werden die Erneuerbaren Energieträger zusätzliche und wachsende Beiträge leisten. In Deutschland stellt sich die Situation Anfang 2008 schwierig dar, weil einerseits sehr ambitionierte CO2-Minderungsziele formuliert werden (–30 bis –40% CO2) und gleichzeitig am Ausstieg aus der Kernenergie festgehalten wird. Das politisch erörterte Ziel, gegen 2020 ein Viertel oder mehr des Strombedarfs aus Erneuerbaren Energien zu decken, beinhaltet keine Antwort auf die Frage, wie die restlichen 75 oder 70% abgedeckt werden können. Aus Sicht der deutschen Braunkohlenindustrie geht es in dieser Debatte darum, die naheliegenden Effizienzpotenziale über Investitionen in modernste Technik zu heben. Darüber hinaus sind erhebliche Anstrengungen erforderlich, die im Zeitraum bis 2020 geleistet werden können, um die Grundlage für eine CO2-arme Verstromung von Kohle und auch Gas zu erarbeiten. Eine ungelöste Aufgabe ist bisher, wie der angestrebte größere Anteil Erneuerbarer Energien sicher in das Stromversorgungssystem integriert werden kann. Die Erzeugungscharakteristik von Erneuerbaren Energien aus Wind oder Sonne hat eine andere Ganglinie als der Stromverbrauch. Was ist, wenn der Wind nicht bläst oder die Sonne nicht scheint? Nach bisherigem Stand der Technik kann die Stromversorgung nur durch einen ausgewogenen Mix aus unterschiedlichen Technologien sichergestellt werden. In diesem Zusammenhang spielen heute und morgen Kohle- und Kernkraftwerke eine wichtige Rolle, indem sie Grundlast bereitstellen und Netzstabilität gewährleisten.
Die Perspektive der Braunkohle in der Verstromung
Die längerfristige Perspektive der deutschen Braunkohle kann im Jahr 2008 nicht in einem einfachen Rechengang abgeleitet werden. Die Trends auf den Weltenergiemärkten und die eingeschränkte Verfügbarkeit von Rohstoffen sprechen dafür, dass Kohle insgesamt und speziell die Braunkohle in Deutschland weiter gebraucht wird. Die Braunkohle ist dabei hoch wettbewerbsfähig und bei der aktuellen Preislage für die Konkurrenzenergien sind Investitionen in neue Anlagen wirtschaftlich. Eine gleichermaßen bestimmende Frage ist, wie die CO2-Minderungspolitik über die Zeitachse gesehen ausgestaltet wird. Mittelfristig geht es darum, Technologien zu entwickeln, um die bei der Stromerzeugung auf Grundlage von fossiler Energie entstehenden CO2-Emissionen weiter zu mindern. Die hierfür erkennbaren Lösungsansätze unter der Überschrift „Steigerung
Es gehört zu den Erfahrungen, dass eine sparsam mit Energie wirtschaftende Industriegesellschaft gleichzeitig stromintensiv ist. Strom ist die Modernisierungsenergie schlechthin und in sehr vielen Fällen ist die angestrebte Energieeinsparung gerade an die Stromnutzung gebunden. Belastbare Prognosen zeigen, dass im Zeitraum bis 2020 und darüber hinaus der Strombedarf in der EU ansteigen wird. Für Deutschland hingegen wird eine geringfügige Abnahme erwartet, wenngleich dies sehr viel mit der Frage zu tun hat, wie die Industriestruktur hier längerfristig aussieht. Die Bedarfsdeckung in der EU wird bis 2020 im Wesentlichen durch die bestehenden Kraftwerke oder durch Neubauten auf Basis bekannter Technologien erfolgen.
Schlussbemerkung
4
Kapitel 1 Perspektive des Rohstoffs Braunkohle
der Wirkungsgrade und CO2-Abscheidung“ stimmen zuversichtlich. Man darf deswegen durchaus davon ausgehen, dass Kohle weiter gebraucht wird und es ist folglich sinnvoll, sich mit der Technik der Kohlengewinnung auseinanderzusetzen. Dabei haben die Ingenieure in der Braunkohlenindustrie schon früh erkannt, dass es nicht alleine um Fragen von Gewinnung, Transport oder Grundwasserhebung geht, sondern
integrierte Konzepte erforderlich sind, bei denen die wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden. Die besten Lösungen wurden immer dann erreicht, wenn beide Anforderungen integraler Bestandteil der technischen Lösung und der betrieblichen Organisation wurden.
1.1
Entstehung, Lagerstätten, Hauptförderländer Sven Asmus, Thomas Thielemann
1.1.1
Braunkohlenlagerstätten und -vorkommen
Braunkohle zeichnet sich im Vergleich zu allen anderen fossilen Energieträgern durch eine sehr lange Reichweite der heute bekannten Reserven von 222 Jahren aus. Im Gegensatz dazu reichen die Reserven an Erdöl und Erdgas weltweit nur noch wenige Jahrzehnte [BGR 4, 5 und 6]. Die Braunkohlegewinnung erfolgt mit einem besonderen Schwerpunkt in Mittel- und Westeuropa. Auch darin unterscheidet sie sich deutlich von Erdöl, Erdgas und Steinkohle. Braunkohle tritt mit Ausnahme der Antarktis auf allen Kontinenten auf (Abb. 1.1-1) und trägt zu 3% zum weltweiten Primärenergieverbrauch bei. Von den Braunkohlevorkommen ist nur ein Teil wirtschaftlich nutzbar. Um wirtschaftliche von unwirtschaftlichen Arealen zu unterscheiden, werden in der Rohstoffbranche die Begriffe Reserven und Ressourcen verwendet. Reserven sind jene Mengen eines Rohstoffes, die mit derzeit verfügbaren technischen Möglichkeiten wirtschaftlich zu gewinnen sind. Damit hängt die Reservenangabe auch vom Stand der Technik und von den Rohstoffpreisen ab. Synonyme für den Begriff Reserven sind etwa die Angaben „sicher gewinnbare
.. Abb. 1.1-1 Karte der weltweiten Vorkommen an Braunkohle
Vorräte“ und „bauwürdig ausbringbare Reserven“. Derzeit verfügen 43 Staaten über Braunkohlereserven. Im Gegensatz dazu sind Ressourcen Rohstoffmengen, die derzeit nicht wirtschaftlich gewinnbar sind sowie Mengen, die aufgrund von Rohstoffexploration und geologischer Hinweise nachgewiesen sind. Braunkohleressourcen lagern in 64 Ländern. Die Summe aus Reserven und Ressourcen ergibt die Gesamtressourcen. Wichtig ist, dass also Reserven nicht Teil der Ressourcen sind. Das Gesamtpotenzial geht noch darüber hinaus und stellt die Summe aus Reserven, Ressourcen und der kumulierten (also in der Vergangenheit bereits erfolgten) Förderung dar. Kohlevorkommen gibt es in vielen Ländern – unabhängig davon, ob es sich um OECD-Staaten, Schwellen- oder Entwicklungsländer handelt. Damit hat Kohle einen enormen geostrategischen Vorteil gegenüber Erdöl und Erdgas, deren Reserven zu etwa 70% in einer „geostrategischen Ellipse“ zwischen NWSibirien über den Kaspiraum bis zu den Anrainerstaaten des Persischen Golfs konzentriert sind. Die Braunkohleressourcen belaufen sich weltweit auf 1.025 Mrd. t. Dazu sind weitere gut 207 Mrd. t an Reserven zu rechnen (Abb. 1.1-2). Seit 1800 wurden bereits etwa 62,5 Mrd. t gefördert und verbraucht. Unterstellt man verschiedene Wachstumsszenarien der
6
Kapitel 1.1 Entstehung, Lagerstätten, Hauptförderländer
.. Abb. 1.1-2 Weltweite Verteilung des Braunkohle-Gesamtpotenzials 2005
Braunkohleförderung (Wachstumsraten von 0% / a bis 3%/a), dann werden bis zum Jahr 2100 unterschiedliche Mengen an Reserven in die Kategorie „bereits produziert“ überführt. Die weltweite Braunkohleförderung sank von einem Maximum von knapp 1,2 Mrd. t im Jahr 1988 auf 0,9 Mrd. t im Jahr 1995. In den letzten 12 Jahren ist die Weltförderung jedoch weitgehend stabil, mit Wachstumsraten zwischen 0 und 2%/a. Setzt sich dieser Trend fort, dann wird bis zum Jahr 2100 maximal die Menge der heute als Reserven ausgewiesenen Braunkohle verbraucht werden [22, 23]. Somit ist Braunkohle aus globaler Sicht ein Energierohstoff mit sehr hoher Versorgungssicherheit. Kein anderer fossiler Energieträger bietet eine schon heute für viele Jahrzehnte so sicher abzusehende Verfügbarkeit wie die Braunkohle. Mit Datenstand Ende 2005 lagerten von den weltweit 207 Mrd. t Braunkohlereserven 30,5% in Asien (63,2 Mrd. t), 20,5% (42,5 Mrd. t) in Ozeanien, 19,5% (40,5 Mrd. t) in Europa, 17,8% (37 Mrd. t) in Nordamerika, 8,9% in der GUS (18,4 Mrd. t), 2,7% (5,6 Mrd. t) in Mittel- und Südamerika, 0,1% (0,2 Mrd. t) in Afrika sowie sehr geringe Mengen im Nahen Osten [22, 23]. Abbildung 1.1-2 zeigt die Verteilung dieser Reserven weltweit. Dargestellt sind außerdem die kumulierte Förderung seit 1800 und die Ressourcen einzelner Regionen.
Dargestellt sind nach Regionen differenziert die Mengen an kumulierter Förderung, Reserven und Ressourcen [22].
1.1.2
Braunkohlenförderung und -nutzung
Die Jahresproduktion an Braunkohle wird weltweit zu etwa 87% zur Stromerzeugung eingesetzt. 11% dienen der Bereitstellung von Heiz- und Kochenergie, vor allem in asiatischen Ländern. Knapp 2% der Braunkohle werden zur Herstellung von Veredlungsprodukten verwendet und finden schließlich etwa in der Bauwirtschaft, der Metallveredlung, dem Brauereiwesen, der Abgas- und Abwasserreinigung oder in Privathaushalten Anwendung. Braunkohle ist vor allem ein europäischer Energierohstoff. Die wichtigsten Fördernationen sind Deutschland (180 Mio. t in 2006), gefolgt von den USA (75 Mio. t), Russland (70,3 Mio. t), Griechenland (68 Mio. t), Türkei (64,6 Mio. t), Polen (59,9 Mio. t) und Tschechien (48,8 Mio. t). Insgesamt werden etwa 16% des globalen Stromverbrauches durch Braunkohle gedeckt. 2006 waren es 2.500 Mrd. kWh (2.500 TWh). In Deutschland hat die Braunkohle eine zentrale Bedeutung für die Stromversorgung, zu der sie in 2006 zu 23,9% beitrug. Dieser Anteil ist in einigen anderen Ländern noch deutlich
Sven Asmus et al.
höher. So liegt er in Griechenland bei 65%, in Tschechien bei 59%, in Bulgarien bei 37% und in Polen bei 35%. Werden in einem Land weniger als 75% der Braunkohleförderung verstromt, so ist das typisch für kaum industrialisierte Länder, in denen Braunkohle noch in großem Stil auch im Hausbrand eingesetzt wird. Dieses gilt besonders für Indien und Thailand. Bei der Gewinnung und Nutzung von Braunkohle sind in den vergangenen Jahrzehnten die Effizienz und Umweltverträglichkeit kontinuierlich und deutlich verbessert worden. Aktuelles Beispiel sind die neuen Braunkohlenkraftwerke in Neurath (BoA2 + 3), die ab 2010 mit einem gesteigerten Wirkungsgrad um 45% ans Stromnetz gehen und den CO2-Ausstoß pro kWh Strom weiter reduzieren werden. Die seit den 1980er Jahren in allen Kraftwerken installierte Rauchgasreinigung führte zu deutlich minimierten SO2-Emissionen. Die Rekultivierung ehemaliger Tagebauflächen ist heutzutage durch ein modernes Flächenmanage-
7
ment geprägt, welches für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Umsiedlungsflächen, Forstgelände, Landwirtschaftsbedarf, Naturschutz sowie Freizeitflächen (Restseen) sorgt. In Deutschland entwickelte und übliche Standards setzen sich schrittweise auch in anderen Staaten durch.
1.1.3
Braunkohlenentstehung
Braunkohle besteht aus einer Anreicherung organischen Materials überwiegend terrestrischer Herkunft. Derartige Torfakkumulationen entstehen in Feuchtgebieten, die international unter dem Begriff „mires“ zusammengefasst werden [11]. Dabei sind zwei Typen zu unterscheiden, topogenetische und ombrogenetische Feuchtgebiete. Erstere entstehen bei Torfanreicherungen auf Höhe des Grundwasserspiegels, z. B. in Niedermooren. Sie sind vergleichsweise nährstoffreich
.. Abb. 1.1-3 Inkohlungsreihe organischen Materials vom Torf zum Anthrazit*
8
Kapitel 1.1 Entstehung, Lagerstätten, Hauptförderländer
(eutroph) und zeigen pH-Werte von 4,8 bis 6,5. Bei der zweiten Gruppe liegt der Grundwasserspiegel unterhalb des torfbildenden Niveaus. Die Wasserzufuhr erfolgt im Wesentlichen über den Niederschlag. Daher sind ombrogenetische Feuchtgebiete, z. B. Hochmoore, nährstoffarm (oligotroph). Dank des höheren Sauerstoffangebotes liegt hier der pH-Wert bei 3,3 bis 4,6 [19]. Wesentliche Einflüsse auf die Ausbildung dieser beiden Typen hatten und haben die Evolution der Pflanzen, das regionale Klima sowie die geographische und strukturelle Position des Bildungsraumes [3]. Torfanreicherungen können, wenn sie im Laufe der geologischen Geschichte nicht erodiert werden, unter dem Einfluss steigender Gebirgstemperatur und Zeit Kohleflöze bilden. Dieser so genannte Inkohlungsprozess kann aus dem Torf Braunkohle werden lassen, später Steinkohle und Anthrazit. Die Grenze Torf/ Braunkohle ist schon bei einem Unterschreiten eines Wassergehaltes von 75% erreicht, wie der Abb. 1.1-3 zu entnehmen ist. Das kann bereits ab 100 m Teufe der Fall sein [18]. Braunkohlelagerstätten haben ein karbonisches bis tertiäres Alter. Die weltweit ältesten Flöze aus einfachen Algen haben ein Alter von 2,3 Mrd. Jahren und treten in den USA (Michigan) auf. Flöze aus höher entwickelten Gefäßpflanzen (sog. Psilophyten) existieren in Gesteinen aus dem Devon. Die ältesten halbwegs wirtschaftlich gewinnbaren Steinkohlen stammen aus dem Mittleren Devon des Kusnetsk-Beckens in Russland, gefolgt von oberdevonischen Flözen Spitzbergens und der Bäreninsel. Die ältesten noch als Braunkohle erhaltenen Flöze sind die Kohlen aus dem Unterkarbon des Moskauer Beckens. Etwa 85% der weltweiten Braunkohlevorkommen haben jedoch ein tertiäres Alter.
1.1.4
Plattentektonik
Das Entstehen und die Eigenschaften von Sedimentbecken – in denen auch Kohlen gebildet werden können – hängen wesentlich von der plattentektonischen Situation ab. So können Ablagerungsräume auf Kontinenten entstehen, doch besonders häufig an Kontinenträndern und zwischen zwei nahe gelegenen Kontinentalschilden. Die Paläogeographie, der Ablauf der Sedimentation, das Klima, die Pflanzenvergesellschaftung und die Möglichkeit des Erhalts organischen Materials werden wesentlich von der Plattentektonik beeinflusst. In der Folge können sich Ökosysteme, in denen es zur Torfanreicherung kommt, in Sedimenttyp und
‑abfolge deutlich unterscheiden [7]. Kohleführende Ablagerungen bestehen weltweit neben Kohlen aus feinkörnigen Tonen bzw. Tonsteinen sowie mit größer werdendem Sedimentkorn aus Silt- und Sandsteinen bis hin zu Konglomeraten. Ob Kohleflöze lateral und vertikal gleichmäßig durchhaltend oder in sehr variabler Mächtigkeit und sogar aufspaltend ausgebildet sind, hängt sehr von den Ablagerungsbedingungen ab. Ein mächtiges Torflager entsteht, wenn der Grundwasserspiegel gleichmäßig steigt, so dass ein stabiler Abstand zwischen Grundwasser und Torfoberfläche bestehen bleibt. Dieses ist charakteristisch für Senkungsgebiete. Darüber hinaus muss das Torflager gegen erosive Überschwemmungen geschützt sein, etwa durch stabile Uferböschungen an Flüssen oder durch Sandbänke zum Meer hin. Sedimentschüttungen dürfen nicht oder nur in geringem Maße über das Torflager erfolgen. Wenn die Senkungsrate in einem Subsidenzgebiet zu gering ist, werden entstandene Torfschichten erodiert. Kann das Torfwachstum nicht mit einer sehr raschen Senkungsrate mithalten, dann wird das Areal entweder von Grundwasser oder von Meerwasser überflutet. Die Bildung eines mächtigen Torflagers verlangt daher ein ausgewogenes Zusammenspiel von Plattentektonik, Paläogeographie und Klima.
1.1.5
Klima
Die Kohlebildung erfolgte in der Erdgeschichte in sehr unterschiedlichen Klimazonen. Schwerpunkte waren Räume mit tropischem und subtropischem Klima. Doch auch in kalten Klimaregionen bis hin zur Subarktis (inklusive Permafrostregionen) kam und kommt es zu Torfakkumulationen, so in Sibirien und im Norden Kanadas. Die Jahresniederschläge variieren zwischen bis zu 4.000 mm/a in den Tropen (Sumatra) und nur 100 mm/a in der Tundra Sibiriens. In der Subarktis wächst das Torflager mit 0,1 bis 0,8 mm/a [15], in den Tropen hingegen mit bis zu 20 mm/a. Wärmeres Klima kann zu einem im Vergleich zur Arktis schnelleren Abbau organischen Materials führen. Das Netto-Torfwachstum ist jedoch in den Tropen deutlich höher als in der gemäßigten Zone oder der Subarktis. So können in tropischen Sümpfen Bäume innerhalb von 7 bis 9 Jahren bis zu 30 m hoch werden, während sie in dieser Zeit in gemäßigten Zonen nur bis zu 6 m erreichen [2, 25]. An einzelnen Lagerstätten lässt sich die Geschwindigkeit der Torfakkumulation rekonstruieren. So belegt Lang [13] an Braunkohlen aus der Lausitz, dass eine Torfanreicherung, die schließlich in ein 1 m
Sven Asmus et al.
mächtiges Braunkohlenflöz mündet, 2.400 bis 3.000 Jahre gedauert hat. Im Geiseltal bei Halle wurden für 1 m Braunkohle nur 1.000 bis 2.000 Jahre benötigt. 1 m Steinkohle entstand in Deutschland aus Torfakkumulationen, die über 6.000 bis 9.000 Jahre sedimentiert wurden [19]. Während Kohlen aus der Subarktis eher eine matte Oberfläche haben, können tropische Kohlen stark glänzen dank eines hohen Anteils an mächtigen Stämmen und Wurzeln.
1.1.6
Kohlebildende Ökosysteme
In der sauerstoffreichen Atmosphäre der Erde bleibt organisches Material nach dem Absterben eines Organismusses nicht lange erhalten. Folglich bedarf es ganzjährig stabil hoher Grundwasserstände, damit totes organisches Material unter Wasser geraten und somit einer Oxidation entzogen werden kann. Solch eine geographische Situation besteht an großen Inlandseen und an Meeresküsten, wo das See-/Meereswasser als hydraulische Barriere wirkt und ein allzu schnelles Abfließen von Grundwasser verhindert. Die dort auftretenden kohlebildenden Ökosysteme lassen sich nach Diessel [7] in fünf Gruppen gliedern: 1. den Ästuar (tidenbeeinflusst), 2. die Ebene mit verzweigtem Flusssystem, 3. die obere Deltaebene, 4. die untere Deltaebene und schließlich 5. die Inselküste (z. B. Haff) bzw. die Strandwall-Küste. Nach Levey [14] und Howell & Ferm [12] werden im Ökosystem der unteren Deltaebene die mächtigsten Kohlelager gebildet. Flöze aus der oberen Deltaebene hingegen unterliegen durch ein stärkeres Gefälle und wechselnden Flussverläufen Mächtigkeitsschwankungen. Teils sind dort Flöze komplett erodiert und etwa durch Sandsteinkörper ersetzt. Die tertiären Braunkohlenlagerstätten Deutschlands entstanden überwiegend sowohl in der oberen als auch unteren Deltaebene. Eine ungewöhnliche Entstehung haben eozäne Braunkohlen aus Helmstedt und Staßfurt. Dort formte Salztektonik (Halokinese) geographische Senken, in denen sich Torf anreichern konnte. Im Geiseltal führte im Tertiär Subrosion in Zechsteinund Buntsandsteinsalzen zu morphologischen Senken mit mächtigen Torfen [20]. Nördlich von Garmisch im Raum Schlehdorf-Buchenried lagert organisches Material aus dem Quartär, das aufgrund glazialer Überdeckung kompaktiert wurde und auch als Braunkohle angesprochen werden kann.
9
1.1.7
Biochemie
Lebewesen benötigen für ihren Stoffwechsel die Verfügbarkeit vieler Elemente. Bei kohlebildenden Pflanzen sind dieses etwa Aluminium, Bor, Kalzium, Chlor, Kupfer, Eisen, Jod, Wasserstoff, Kalium, Magnesium, Stickstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff, Natrium, Phosphor, Schwefel und Silizium. Die meisten der Elemente werden nur in Spuren benötigt und sind daher in der Regel für Pflanzen verfügbar. Werden Elemente in großen Mengen benötigt, können Mangelerscheinungen bei Pflanzen auftreten. Dieses ist vor allem für Kalium, Kalzium, Phosphor und Stickstoff der Fall [24]. Hochmoorlagen mit geringem Ascheeintrag sind reich an Sauerstoff und weisen einen pH-Wert von 3,3 bis 6,0 auf, da sich Huminsäuren in hoher Konzentration bilden und anreichern können. Dieses ist besonders charakteristisch für Torfmoos-(Sphagnum)-Moore. Da Sphagnum-Arten Phenole in großen Mengen produzieren, wirkt das neben dem sauren pH-Wert antibakteriell. Es findet kaum eine mikrobielle Umsetzung des Torfes statt. In Niedermooren führt der Eintrag von Sand, Silt und Ton zu neutraleren pH-Werten von 4,5 bis 7,5, etwa in den Sümpfen am Mississippi oder im Schwalm-Nette-Gebiet des Niederrheines. Die mikrobielle Aktivität ist hier gegenüber dem Hochmoor erhöht. Sie steigt weiter bei marinem Einfluss, da das Meer Kalzium einträgt und den pH-Wert alkalisch werden lässt. In den Mangroven Floridas liegt der pHWert bei 7,0 bis 8,1 [19]. Die erhöhte mikrobielle Aktivität führt zu einer Zersetzung des organischen Materials und zur Gelbildung. So entstanden die Gelkohlen im Rheinischen Braunkohlenrevier. Fortschreitende Inkohlung kann aus diesem Gel Öl werden lassen, wie am karbonischen Steinkohleflöz Katharina des Ruhrgebietes zu beobachten [17, 1, 21]. Schwefeldioxidemissionen bei der Kohleverbrennung können ein Umweltproblem darstellen. Der Schwefel gelangt über Stoffwechselprozesse in das organische Material. So fermentieren anaerobe Bakterien wie Clostridium Zellulose in Fettsäuren der Länge C3 und länger [9]. Sulfatreduzierende Bakterien wie Desulfovibrio desulfuricans nutzen – besonders bei pH-Werten zwischen 6,5 und 8 – diese Fettsäuren als Energiequelle, um Sulfat zu H2S zu reduzieren. H2S reagiert mit Eisen zu Pyrit und Markasit. Dabei stammt das Eisen v. a. aus Tonen im Ablagerungsraum und aus dem Wassereintrag über Oberflächen- und Grundwässer [16]. Kommt es bei der Torfbildung zu marinen Einflüssen, dann ist durch Meereseintrag mit höheren
10
Kapitel 1.1 Entstehung, Lagerstätten, Hauptförderländer
Schwefelgehalten zu rechnen. So weisen Torfe an der Atlantikküste von Connecticut Schwefelgehalte bis 2,3% auf. In getrocknetem Torf der Küstensümpfe von Florida zeigt Schwefel Gehalte bis 6% [9]. Dieses wird übertroffen von der Rasa-Kohle in Istrien, die bis zu 11% Schwefel enthält [19]. Geringe Aschegehalte in Kohlen zeigen einen geringen Sediment- und Nährstoffeintrag an, der auch zu niedrigen Schwefelgehalten führt. Diese gerade für oligotrophe Kohlen typische Situation führt etwa beim bis zu 100 m mächtigen Hauptflöz des Rheinischen Reviers in der gewonnenen Kohle zu geringen Mengen an Asche (1,5 bis 3%) und Schwefel (0,1 bis 0,4%).
1.1.8
Torfbildung
Zur Torfbildung gehören eine Reihe biologischer, chemischer und physikalischer Prozesse, welche direkt nach der Ablagerung von Pflanzenmaterial beginnen. Bis in eine Tiefe von 50 cm führen Pilze und aerobe Bakterien zu einer tiefgreifenden Umwandlung des organischen Materials. Darunter werden anaerobe Bakterien und Archaea aktiv. Unterhalb einer Teufe von etwa 10 m erfolgen nur noch physikalische und v. a. chemische Veränderungen. Zu letzteren zählen Kondensationsreaktionen, Polymerisationen und reduzierende Reaktionen. Auf die Torfbildung sowie -degradation wirken eine Reihe von Faktoren, so die Nährstoffversorgung, der Sauerstoffzugang, die Bodentemperatur und der pH-Wert. Eine steigende Nährstoffversorgung, bessere Sauerstoffverfügbarkeit, zunehmende Bodentemperatur und ein steigender pH-Wert beschleunigen die Mineralisierung des organischen Materials. Zu Beginn der Torfbildung werden (teils wasserlösliche) Substanzen wie Zucker, Stärke, Zellulose, Proteine und Pektine sehr schnell mikrobiell veratmet [10]. Es entstehen neben flüchtigen Substanzen wie Methan, Kohlendioxid, Ammoniak und Wasser auch feste Humine wie Lignine und Tannine. Das Verhältnis von Lignin zu Zellulose in einem Torf ist ein Maß für seinen Zersetzungsgrad [8].
[2] [3] [4]
[5]
[6]
[7] [8]
[9]
[10]
[11]
[12]
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[18]
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11
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1. 2
Die europäischen Braunkohlenreviere Hartmut Ernst, Helmut Wolff, Sven-Uwe Schulz
Mit rd. 500 Mio. t/a wird in Europa rd. die Hälfte des Weltaufkommens an Braunkohle gefördert [1]. Abb. 1.2-1 gibt einen Überblick über den Beitrag der einzelnen europäischen Länder. Festzustellen ist, dass die über viele Jahrzehnte betriebene Braunkohlengewinnung, z. B. in Österreich (Oberdorf, Barbara),
.. Abb. 1.2-1 Braunkohlenförderung in Europa 2006 in Mio. t [1]
Frankreich (Fuveau), Italien (Santa Barbara, Pietrafitta) bereits seit geraumer Zeit durch Erschöpfung der Lagerstätten zum Stillstand gekommen ist. Auch die bedeutende Braunkohlengewinnung im Tagebau Puentes de Garcia Rodriguez in Spanien wird in wenigen Jahren auslaufen.
14
Kapitel 1.2 Die europäischen Braunkohlenreviere
Angaben zur Braunkohlenförderung werden auch für Estland, Finnland und Irland gemacht. Nach der Klassifikation der Kohlearten gemäß Kapitel 1.1 handelt es sich jedoch in diesen Ländern um Torflagerstätten. Daher sollen hier die europäischen Braunkohlenreviere in der Reihenfolge der gegenwärtigen Förderzahlen am Beispiel der Länder Griechenland, Polen, Tschechische Republik, Serbien und Kosovo, Bulgarien, Rumänien und Ungarn vorgestellt werden. Weiterführende Angaben sind u. a. aus [2, 3, 4, 5] ersichtlich.
1.2.1
Griechenland
Neben geringen Vorkommen an Erdöl und Erdgas ist die Braunkohle die einzige bedeutende fossile Energiequelle Griechenlands. Die jährliche Förderung beträgt rd. 70 Mio. t und macht rd. 80% der griechischen Energieerzeugung, rd. 70% der Stromerzeugung und rd. 30% des heimischen Primärenergieverbrauches aus. Die nachgewiesenen Braunkohlevorkommen betragen rd. 5,8 Mrd. t. Davon werden rd. 3,2 Mrd. t als wirtschaftlich gewinnbar eingestuft. Die wichtigsten Lagerstätten liegen im Norden des Landes bei Ptolemais-Amyndeon, Florina, Drama und Elassona sowie im Süden des Landes bei Megalopolis, Tab. 1.2-1, Abb. 1.2-2. Die Betriebe im Bereich Ptolemais-Amyndeon und Florina werden unter dem Begriff „Braunkohlenzentrum Westmazedonien“ zusammengefasst. Hier werden in den Tagebauen Hauptfeld, Südfeld, Kardia, Amyndeon und Florina rd. 55,5 Mio. t/a und im Tagebaufeld Megalopolis rd. 14,5 Mio. t/a gefördert. Alle genannten Betriebe gehören zur staatlichen Gesellschaft Public Power Corporation (PPC) mit Sitz in
Athen. Bemerkenswert ist, dass die Abbaurechte für die Lagerstätten bei Drama und Elassona noch nicht an einen Bergbautreibenden vergeben sind. Die Lagerstätten haben eine durchschnittliche Teufe von 150 bis 200 Metern. Der untere Heizwert der Braunkohle in Megalopolis und Drama liegt zwischen 3.770 und 5.020 KJ kg–1, bei Ptolemais-Amyndeon zwischen 5.230 und 6.280 KJ kg–1 sowie in Florina und Elassona zwischen 7.540 und 9.630 KJ kg–1. Der Wassergehalt bewegt sich zwischen 41% in Elassona und 57,9% in Megalopolis. Der Schwefelgehalt beträgt in der Regel 0,5 bis 1,0%. Insgesamt fallen rd. 50 Mio. m³ Grundwasser und 25 Mio. m³ Oberflächenwasser, zusammen also
.. Abb. 1.2-2 Braunkohlenlagerstätten in Griechenland [5]
.. Tabelle 1.2-1 Charakteristische Angaben zu den Braunkohlenlagerstättendetails in Griechenland [6]
Hartmut Ernst et al.
75 Mio. m³ Wasser an, die im Durchschnitt zu einer spezifischen Kennziffer von 1,1 m³/t Braunkohle führen, die sich von Grube zu Grube in einer Bandbreite von 0,8 bis 2,2 m³/t bewegt. In allen Tagebauen kommen in Summe 43 Schaufelradbagger, 22 Absetzer und rd. 290 km Bandanlagen mit Kapazitäten von 10.000 bis 120.000 m³/Tag sowie rd. 1.000 Hilfsgeräte zum Einsatz (Tab. 1.2-2). Bemerkenswert ist eine ausgeprägte Wechsellagerung von Braunkohlenflözen und Zwischenmitteln, die ein hohes Maß an selektiver Gewinnung erforderlich machen (Abb. 1.2-3). Im Abraum und einzelnen Zwischenmitteln treten in beachtlichem Umfang verhärtete Schichten auf, die im Sonderbetrieb mit dem Einsatz von Bohr- und Sprengarbeit, Hydraulikbaggern, schweren Lastkraftwagen und Brecheranlagen beseitigt werden müssen. Die erheblichen Schwankungen im Heizwert und Aschegehalt der Kohle machen darüber hinaus eine sorgsame Mischung und Vergleichmäßigung der Kohlequalität erforderlich. Die Braunkohlenförderung versorgt acht PPCeigene Kraftwerke, die aus 22 Kraftwerksblöcken mit einer gesamten installierten Leistung von 5.200 MW bestehen und im Jahr 2004 eine Stromerzeugung von 32,5 TWh erzielten. Seit mehr als 20 Jahren befasst sich PPC zum Teil in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Landwirtschaft und anderen wissenschaftlichen und sozialen Einrichtungen mit allen Belangen des Umweltschutzes, insbesondere mit der Rekultivierung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Flächen. Im Bereich des Braunkohlenzentrums Westmazedonien wurden bereits rd. 40 km² und im Braunkohlenzentrum Megalopolis rd. 7,1 km² und damit rd. 25% der insgesamt bisher vom Bergbau in Anspruch genommenen Flä-
.. Tabelle 1.2-2: Geräteeinsatz in den Tagebauen der PPC [6]
15
chen rekultiviert. Die Rekultivierungsarbeit konzentriert sich auf die Erstellung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Nutzflächen. Schutzgebiete für Tiere sowie landwirtschaftliche Versuchsflächen gehören ebenfalls zum Programm. Von herausragender Bedeutung ist ein ehrgeiziges Projekt zur Schaffung eines Vielseitigkeitszentrums („Multi-Center“) auf dem Kippengelände des Hauptfeld-Tagebaus/Ptolemais, das nach seiner Fertigstellung aus einem Theater unter freiem Himmel, einem Gesundheitszentrum, einer Ausbildungsstätte für Bergbautechniker, einer Baumschule und landwirtschaftlichen Versuchseinrichtungen, einer St. Barbara Kirche und einer Indoor- und Outdoor-Fitnessanlage bestehen soll. Die Verfügbarkeit über ausreichende Reserven, die Sicherheit der Versorgung und wettbewerbsfähige und stabile Produktionskosten machen die Braunkohle auch in der Zukunft zu einem wichtigen Faktor der griechischen Energiewirtschaft. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Anstrengungen des Braunkohlenbergbaus insbesondere darauf gerichtet, weitere Wirkungsgradsteigerungen an den bestehenden Braunkohlenkraftwerkseinheiten vorzunehmen,
.. Abb. 1.2-3 Typische Wechsellagerung im Tagebau Ptolemais [7]
16
Kapitel 1.2 Die europäischen Braunkohlenreviere
neue Braunkohlenkraftwerksblöcke nach dem jeweils neuesten Stand der Technik mit maximalen Wirkungsgraden zu errichten, das Bewusstsein für alle Umweltbelange zu pflegen und die Akzeptanz des Braunkohlenbergbaus in der Öffentlichkeit zu fördern, die geeigneten Restrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen auf allen Stufen der bergbaulichen Wertschöpfungskette wahrzunehmen, die zur Minimierung und Stabilisierung der betrieblichen Kosten beitragen.
1.2.2
Polen
Braunkohle stellt neben Steinkohle den zweitwichtigsten Primärenergieträger in Polen dar. Die Anfänge des Braunkohlenbergbaus in Polen weisen bis in das 18. Jahrhundert zurück. Wirtschaftliche Relevanz erlangte er allerdings auch hier erst mit der Verfügbarkeit robuster Großtagebaugeräte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Aufstieg des Braunkohlenbergbaus ist eng mit dem Aufschluß der Lagerstätten von Turów und Konin in den 1960er Jah-
ren sowie der Betriebsaufnahme im Bełchatów-Becken in den 1970er Jahren verknüpft. Die Karte der Abb. 1.2-4 zeigt die aktuell in Betrieb stehenden Lagerstätten in West- und Zentralpolen, die in den Gebieten von Bełchatów, Adamów, Konin und Turów im Tagebau abgebaut werden. Die nach dem Abbaugebiet benannten Braunkohlenunternehmen firmieren seit den 1990er Jahren als Aktiengesellschaften. Neben der Hauptförderung aus den Großtagebauen existiert noch die Sieniawa-Grube im Gebiet von Lubuskie, in der ca. 40.000 bis 60.000 t/a im Tiefbau gewonnen werden. Diese Produktion geht ausschließlich an lokale Abnehmer. Polen verfügt insgesamt über Ressourcen von 13,6 Mrd. t Braunkohle, von denen 1,79 Mrd. t zur Zeit in Verhieb stehen. Davon werden 1,56 Mrd. t (ca. 87%) als ökonomische Reserven eingestuft (Tab. 1.2-3) [8]. Die Entwicklung von Produktion und Exploration zeigt die Abb. 1.2-5. Im Jahr 2004 wurden 61,2 Mio. t Braunkohle gewonnen, davon allein ca. 58% in Bełchatów und ca. 18% in Turów. Deutlich zeichnet sich hier, wie überall in Osteuropa, die starke Reduktion der Produktion seit den späten 80er bzw. frühen 90er Jahren des 20. Jahrhun-
.. Abb. 1.2-4 Braunkohlenlagerstätten in Polen [9]
Hartmut Ernst et al.
17
.. Abb. 1.2-5 Explorations- und Produktionsentwicklung in Polen [8]
.. Tabelle 1.2-3 Braunkohlenreserven und -ressourcen Polens [8]
derts ab. Seit ca. 2002 ist eine Konsolidierung der Jahresproduktion auf ca. 60 Mio. t zu verzeichnen. Das ist die benötigte Menge, um die für die polnische Energieversorgung benötigte Kraftwerkskapazität von 8.000–9.000 MW aus Braunkohle zu versorgen. Diese Produktion lässt sich derzeit aus den aktiven Gewinnungsbetrieben realisieren. Ab ca. 2040 soll sie allein aus der Lagerstätte Legnica/Lubin (vgl. Abb. 1.2-4) kommen. Hier werden nachgewiesene Reserven von 4 Mrd. t mit einem Heizwert von durchschnittlich 9450 KJ kg–1, 15–18% Aschegehalt und einem Schwefelgehalt von unter 1% angegeben. Die dortigen Reserven zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass Partien mit Aschegehalten unter 7% und Teergehalten > 12% anstehen, welche sehr gut für die chemische Verwertung bzw. Vergasung geeignet sind, und so der heimischen Braunkohle ein größeres Zukunftspotenzial bieten. Die Flözmächtigkeit beträgt hier ca. 14–20
m, mit A:K-Werten von 6,6–9 m³/t. Im Vergleich dazu gibt die Tab. 1.2-4 einen Überblick über die derzeit angetroffenen Lagerstättenparameter in Polen. Es zeigt sich damit, dass die Versorgung des Landes bei nahezu gleichbleibender Kohlequalität langfristig gesichert ist. Die derzeitigen Planungen stellen eine sichere Produktion bis etwa 2065 dar [9]. Diese teilt sich wie in Tab. 1.2-5 gezeigt auf. In allen 4 Tagebaubetrieben wird kontinuierliche Gewinnung mit Hilfe von Schaufelrad- und Eimerkettenbaggern aus polnischer bzw. deutscher Produktion betrieben. Zurzeit sind insgesamt 53 Gewinnungsgeräte im Einsatz, von denen ca. 50% älter als 30 Jahre sind. Darüber hinaus wird die Anzahl der Geräte jünger als 20 Jahre mit lediglich 20% angegeben. Der Einsatzfaktor liegt zwischen durchschnittlich 45% bis hin zu 60%, in einigen Betrieben bei einem Zeitfaktor von 30–55%. [9]
18
Kapitel 1.2 Die europäischen Braunkohlenreviere
.. Tabelle 1.2-4 Produktions- und Lagerstättenparameter derzeit in Verhieb befindlicher Braunkohlenlagerstätten in Polen [9; 10; 11]
.. Tabelle 1.2-5 Zukünftige Entwicklung der polnischen Braunkohlenproduktion [9] Jahr
Produktion aus den Lagerstätten [Mio. t] Adamów
Bełchatów
Konin
Turów
Legnica
gesamt
2005
4,4
35,3
11,0
13,2
63,9
2006
4,4
34,5
10,4
13,2
62,5
2007
4,4
35,8
10,4
13,2
63,8
2008
4,4
34,0
10,4
13,2
62,0
2009
4,4
40,5
10,4
13,2
68,5
2010
4,4
40,0
10,4
13,2
68,0
2015
4,4
42,5
10,4
12,4
69,7
2020
4,4
37,3
10,4
12,4
64,5
2025
37,5
10,3
11,3
25,0
84,1
2030
17,5
4,2
11,3
45,0
78,0
2035
3,6
11,3
60,0
74,9
2040
0,6
60,0
60,6
60,0
60,0
2046 – 2050
250,0
250,0
2051 – 2060
300,0
300,0
2061 – 2065
111,0
111,0
1800,0
3579,6
2045
Gesamt
83,7
1000,7
287,2
408,0
Hartmut Ernst et al.
19
.. Abb. 1.2-6 Stromerzeugung in Polen nach Primärenergieträgern [9; 12] .. Tabelle 1.2-6 Braunkohlenkraftwerke in Polen [9] Kraftwerk Adamów
Installierte Leistung
Betrieb bis
600 MW
Ca. 2020
4370 MW
Ca. 2017
Bełchatów II
840 MW
Ca. 2030
Konin
538 MW
Ca. 2019
Patnów
1200 MW
Ca. 2019
Turów
2109 MW
Ca. 2045
Bełchatów
nen von CO2, SO2 und NOx verursacht. Lediglich die Kraftwerke Bełchatów II und Patnów wurden in den letzten Jahren rekonstruiert. Allerdings haben in allen Kraftwerken Nachrüstungen bezüglich der Rauchgasentschwefelung stattgefunden. Nur das Kraftwerk Adamów verfügt aufgrund des sehr geringen Schwefelgehaltes der dort verfeuerten Kohle nicht über eine solche Anlage. Allein zur Aufrechterhaltung der Kapazität der Kohleverstromung müssen in Polen jährlich 800–1000 MW Neuinstallationen vorgenommen werden. Dafür werden bis 2016 ca. 10–14 Mrd. Euro investiert werden müssen. [9]
1.2.3 Die Abb. 1.2-6 stellt die Stromerzeugung aufgeteilt in die wichtigsten Primärenergieträger zwischen 1994 und 2004 dar. Insgesamt verfügt das Land derzeit über ca. 20 Kraftwerksblöcke, haupsächlich für die Verstromung von Steinkohle. Bis 2025 wird ein Anstieg der Nachfrage um 80–90% [9] erwartet. Dafür stehen aus Sicht der Braunkohle die in der Tab. 1.2-6 aufgezählten Kraftwerke zur Verfügung. Es handelt sich dabei überwiegend um Installationen aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Wirkungsgrad dieser Kraftwerke wird mit durchschnittlich 35% beziffert, was nicht nur einen erhöhten Energieträgereinsatz, sondern auch höhere Emissio-
Tschechische Republik
In der Tschechischen Republik stellt Braunkohle mit Abstand den wichtigsten heimischen Primärenergieträger dar. Die Gewinnung der Braunkohle in industriellem Maßstab geht ca. 150 Jahre zurück. Sie erreichte einen ersten Höhepunkt kurz vor und während des Zweiten Weltkriegs (25,8 Mio. t in 1943), als die Braunkohle zur Herstellung von Autokraftstoff genutzt wurde. Die höchste Jahresproduktion wurde 1984 mit 96,8 Mio. t erreicht, als die Braunkohle der wichtigste Energieträger für die Stromerzeugung war. In den späten 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, vor der Inbetriebnahme des ersten Kernkraftwerkes in Dukovany, produzierten
20
Kapitel 1.2 Die europäischen Braunkohlenreviere
.. Tabelle 1.2-7 Braunkohlenressourcen der Tschechischen Republik in 2003 [14] Braunkohle mit Heizwerten > 17.000 kJ/kg
43 Kraftwerke mit überkritischen Dampfzuständen
> 43 > 43
Lausitzer Revier Schwarze Pumpe
Schwarze Pumpe
800
41,2 Kraftwerke mit überkritischen Dampfzuständen
Schwarze Pumpe
Schwarze Pumpe
800
Vattenfall Europe
1998
41,2
Boxberg Block Q
Boxberg
907
Vattenfall Europe
2000
42,3
Boxberg Block R
Boxberg
670
Vattenfall Europe
2011geplant
43,9
Cottbus
Cottbus
80 1)
Stadtwerke
1999
Wirbelschichtfeuerung (PFBCAnlage)
40
Frankfurt/Oder
Frankfurt/Oder
49 2)
Stadtwerke
1997
Braunkohlenstaubfeuerung 3)
40
E.ON, Saale Energie
1996
Mitteldeutsches Revier Schkopau
Schkopau
980
Lippendorf Block R
Lippendorf
920
Vattenfall Europe
1999
Lippendorf Block S
Lippendorf
920
E.ON, EnBW
2000
Profen
Profen
500
MIBRAG
nach 2012
1) Leistung aus Kraft-Wärme-Kopplung von 120 MW bzw. über Spitzenlastkessel von 220 MW 2) Heizkraftwerk mit 80 MW auskoppelbarer Fernwärmeleistung 3) Braunkohlenstaubfeuerung / Hochdruck-Dampferzeuger Quelle: VDEW/DEBRIV
40 Kraftwerke mit überkritischen Dampfzuständen
42,8
42,8 > 43
46
Kapitel 1.3 Die deutsche Braunkohle im Energiemix – Gewinnung und Nutzung der Braunkohle im Jahr 2006
ziellen Einsatz. Am 22. Juni 2006 erfolgte der erste Spatenstich zur Errichtung der WTA-Prototypanlage (Wirbelschichttrocknung mit interner Abwärmenutzung) im Kraftwerk Niederaußem. Mit dieser Anlage soll das von RWE Power entwickelte WTA-Verfahren zur Vortrocknung der Rohbraunkohle zur kommerziellen Einsatzreife in zukünftigen Braunkohlenkraftwerken geführt werden. Die Trockenbraunkohle führt im Vergleich zur BoA-Technik zu einer zusätzlichen Wirkungsgradsteigerung um 4-Prozentpunkte. Die damit verbundene Effizienzverbesserung bewirkt, dass weniger CO2 pro erzeugte Kilowattstunde Strom emittiert wird. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2007 vorgesehen. Am 23. August 2006 fand die Grundsteinlegung für ein neues Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik (BoA) am Standort Neurath statt. Die beiden BoA-Blöcke 2/3 sind auf eine Nettoleistung von je 1050 MW mit einem Wirkungsgrad von über 43% ausgelegt. Die Inbetriebnahme der Anlage kann im Jahr 2010 erfolgen. Am 30. März 2006 hatte RWE bekannt gegeben, das weltweit erste großtechnische Kraftwerk mit integrierter Kohlevergasung, CO2-Abtrennung und -Speicherung errichten zu wollen. Konkrete Planungsschritte sind bereits eingeleitet worden. So wird parallel einerseits der Einsatz von Steinkohle geprüft und andererseits die Vergasung von Braunkohle erprobt. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wird RWE die Entscheidung treffen, welcher Primärenergieträger genutzt werden soll und an welchem Standort das Kraftwerk gebaut wird. Das Kohlenkraftwerk mit einer voraussichtlichen Bruttoleistung von etwa 450 MW könnte bei einem optimalen Planungs- und Umsetzungsverlauf bereits 2014 ans Netz gehen. Parallel zu diesem Projekt entwickelt RWE derzeit auch Verfahren zur nachgeschalteten CO2-Wäsche. Das Budget für diese Aktivität beträgt etwa 90 Mill. EUR. Dieses Verfahren könnte nach erfolgreicher Entwicklung in Zukunft nicht nur beim Bau neuer CO2-freier Dampfkraftwerke, sondern auch zur Nachrüstung bestehender konventioneller Dampfkraftwerke eingesetzt werden.
um acht Blöcke der 500-MW-Leistungsgruppe an den Standorten Jänschwalde (sechs Blöcke) und Boxberg (zwei Blöcke) sowie drei Neubaublöcke der Leistungsgruppe 800/900 MW am Standort Schwarze Pumpe (2 × 800 MW) und am Standort Boxberg (1 × 900 MW). Des Weiteren betreiben die Stadtwerke Frankfurt/Oder ein mit Braunkohlenstaub gefeuertes Heizkraftwerk mit 49 MW elektrischer Leistung und 80 MW auskoppelbarer Fernwärmeleistung. Die Stadtwerke Chemnitz verfügen über ein Braunkohlenkraftwerk mit einer installierten Bruttoleistung von 185 MW. Ferner hatte im Jahr 1999 in Cottbus ein Block mit druckaufgeladener Wirbelschichtfeuerung (PFBC-Anlage) den Betrieb aufgenommen. Das Werk wird mit Lausitzer Wirbelschichtkohle befeuert, hat eine elektrische Leistung von 80 MW und eine thermische Leistung aus Kraft-Wärme-Kopplung von 110 MW bzw. über Spitzenlastkessel von 220 MW. In Senftenberg wird ein Heizkraftwerk auf Basis Braunkohlenstaub mit einer Leistung von 11 MW betrieben. Die Vattenfall Europe AG hat am Standort Boxberg im April 2006 mit dem Bau eines 660-MW-Kraftwerks auf Basis von Braunkohle aus dem derzeit gestundeten Tagebau Reichwalde begonnen. Aus dem seit Oktober 1999 ruhenden Tagebau Reichwalde soll – nach erfolgter Modernisierung – ab 2010 wieder Braunkohle gefördert werden. Eine Inbetriebnahme des Neubaukraftwerks Boxberg kann im Jahr 2011 erfolgen. Am Standort Schwarze Pumpe errichtet Vattenfall Europe zurzeit eine Pilotanlage für ein CO2-freies Kraftwerk nach dem so genannten Oxyfuel-Verfahren. Bei dem Oxyfuel-Verfahren wird Braunkohle mit einem Gemisch aus reinem Sauerstoff und rezirkuliertem Rauchgas verbrannt. Die Pilotanlage dient der Forschung und Entwicklung, um die neue Technologie zur Marktreife zu führen. Sie soll nach einer etwa dreijährigen Bauzeit 2008 in Betrieb gehen. Auf Basis der Erkenntnisse aus einem dreijährigen Testbetrieb dieser Pilotanlage soll ein Demonstrationskraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 250 bis 300 MW geplant werden.
Lausitzer Revier
Im Mitteldeutschen Revier sind am Standort Lippendorf zwei Kraftwerksblöcke mit jeweils 920 MW (brutto) errichtet worden. Anteilseigner von Block S sind zu jeweils 50% EnBW und E.ON. Der im Dezember 1999 erstmals ans Netz genommene Block R gehört zu 100% der Vattenfall Europe Generation AG &
Im Lausitzer Revier betreibt die Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG (VE-G) drei Braunkohlenkraftwerke mit einer Brutto-Nennleistung von insgesamt 6.500 MW (Stand: 31.12.2006). Dabei handelt es sich
Mitteldeutsches Revier
Uwe Maaßen, Hans-Wilhelm Schiffer
Co. KG. Ende 1995 bzw. Mitte 1996 waren zwei Braunkohlenblöcke mit in Summe 980 MW (brutto) bzw. 900 MW (netto) am Standort Schkopau ans Netz genommen worden. Anteilseigner dieses Kraftwerks sind die E.ON Kraftwerke GmbH (58,1%) und die Saale Energie GmbH (41,9%). Daneben zählt das Kraftwerk Dessau der DVV Stadtwerke (57 MWel brutto/davon 12 MWel mit Kohle) zum Bereich der allgemeinen Versorgung. Die MIBRAG betreibt die Industrie-Kraftwerke Wählitz (37 MW installierte Leistung), Deuben (86 MW) und Mumsdorf (85 MW), die – neben der Erzeugung von Elektrizität und Wärme für den Energiebedarf – Strom ins Netz der allgemeinen Versorgung einspeisen. In den Kraftwerken der MIBRAG wurden 2006 rd. 1,3 TWh Strom erzeugt. Ferner verfügen die Südzucker AG Mannheim und die Südzucker Bioethanol GmbH am Standort Zeitz über zwei Anlagen mit einer Bruttoleistung von jeweils 20 MW sowie die Zuckerfabrik in Könnern (29 MW) über Kraftwerksleistung auf Braunkohlenbasis. In Amsdorf betreibt die ROMONTA GmbH ein Kraftwerk (48 MW).
Helmstedter Revier und sonstige Kraftwerke Die im Helmstedter Revier gewonnene Braunkohle wird im Kraftwerk Buschhaus (390 MW brutto) der BKB AG verstromt. 2006 wurden 2,2 TWh Strom (brutto) erzeugt. Das Kraftwerk Buschhaus soll bis zum Jahr 2015 zur Stromerzeugung und zur Mitverbrennung von Abfallstoffen genutzt werden. Das Fernwärmekraftwerk Kassel verfügt über eine elektrische Bruttoleistung von 38 MW und eine auskoppelbare Fernwärmeleistung von 80 MW thermisch. In der Anlage, die zu jeweils 50% der E.ON Kraftwerke GmbH und der Kasseler Fernwärme GmbH gehört, werden neben Hartbraunkohle (nach der Beendigung der Kohlegewinnung in Hessen) aus Tschechien Petrolkoks, Steinkohle und Ersatzbrennstoffe eingesetzt.
Veredlungsbetriebe Nach den Kraftwerken der allgemeinen Versorgung repräsentieren die Veredlungsbetriebe den wichtigsten Abnahmebereich der Rohbraunkohle. Im Jahr 2006 wurden 12,9 Mill. t in den Fabriken des Braunkohlenbergbaus zur Herstellung fester Produkte eingesetzt. 1,6 Mill. t wurden zur Stromerzeugung in
47
Grubenkraftwerken genutzt. In diesen Kraftwerken des Braunkohlenbergbaus wurden im Jahr 2006 insgesamt 2.146 GWh Strom erzeugt (davon 1.870 GWh im Rheinland und 276 GWh in Mitteldeutschland). Auf sonstigen Rohkohlenabsatz entfielen 0,8 Mill. t. Braunkohlenprodukte werden im Rheinischen, im Lausitzer und im Mitteldeutschen Revier hergestellt. Im Jahr 2006 sind bundesweit folgende Mengen produziert worden: 1,662 Mill. t Braunkohlenbriketts: 3,157 Mill. t Braunkohlenstaub: 0,619 Mill. t Wirbelschichtbraunkohle: 0,181 Mill. t. Braunkohlenkoks: Die in Deutschland hergestellten Braunkohlenprodukte wurden 2006 zu 85% im Inland abgesetzt und zu 15% exportiert. Hauptabnehmer waren die Industrie (vier Fünftel) sowie Haushalte und Kleinverbraucher (ein Fünftel). Braunkohlenprodukte aus dem Rheinischen Revier, also Braunkohlenbriketts mit dem Markennamen UNION sowie Braunkohlenstaub, Braunkohlenkoks und Wirbelschichtbraunkohle, werden von der Rheinbraun Brennstoff GmbH (RBB), Köln, vertrieben. RBB, eine 100%ige Tochter der RV Rheinbraun Handel und Dienstleistungen GmbH, ist zu 100% mit der RWE Power AG verbunden. Darüber hinaus vermarktete RBB vom 1. Juli 2001 bis zum 30. September 2007 auch die Lausitzer REKORDBriketts der Vattenfall Europe Mining AG, Cottbus. Braunkohlenstaub, Wirbelschichtbraunkohle sowie ab Oktober 2007 auch wieder Briketts aus der Lausitz vermarktet Vattenfall direkt. Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft AG (MIBRAG), Theißen, hatte ihre Brikettproduktion zum 19. Dezember 2003 eingestellt. Alle übrigen Veredlungsprodukte vertreibt MIBRAG direkt. Neue Produkte aus Braunkohle sind Xylit und Grillbrikett. Das in den Tagebauen anfallende Kohlen-/ Grubenholz Xylit ist ein aus Holz entstandener Wertstoff, der speziell für Erden- und Substrat-Produkte genutzt werden kann. Die Xylitfasern sind strukturstabil und haben einen hohen Gehalt an organischer Substanz. Das aufbereitete Material hat ähnliche pH-Werte und ein vergleichbares Nährstoffniveau wie Torf. Es ist stickstoffstabil und zersetzt sich nur sehr langsam. Somit eignet sich die Substanz in hervorragender Weise auch für den privaten und professionellen Gartenbau. Seit Ende 2004 erfolgt die Vermarktung einer ganzen Produktfamilie unter dem Markennamen „Naturprofi“ durch die Rheinbraun Brennstoff GmbH.
48
Kapitel 1.3 Die deutsche Braunkohle im Energiemix – Gewinnung und Nutzung der Braunkohle im Jahr 2006
.. Tabelle 1.3-8 Herstellung von festen Braunkohlen-Veredlungsprodukten nach Revieren 1989
2002
2003
2004
2005
2006
Brikett
2.158
895
807
890
964
1.056
Staub
2.509
2.027
1.983
2.245
2.238
2.331
67
329
327
396
408
413
Rheinland
Wirbelschichtkohle Trockenkohle
172
–
–
–
–
–
Koks
135
184
165
187
173
181
Brikett
24.640
597
585
545
526
606
Staub
1.111
432
456
530
493
597
Wirbelschichtkohle
–
219
232
235
252
206
Trockenkohle
–
–
–
–
–
–
3.504
–
–
–
–
–
–
–
–
Lausitz
Koks Mitteldeutschland Brikett
22.596
60
73
Staub
724
198
214
Trockenkohle
533
–
–
–
–
–
2.487
–
–
–
–
–
Koks
228
192
228
Deutschland insgesamt Brikett
49.394
1.553
1.466
1.435
1.490
1.662
Staub
4.344
2.657
2.653
3.002
2.924
3.157
67
548
559
632
660
619
Wirbelschichtkohle Trockenkohle Koks
705 6.126
– 184
Ebenfalls als Neuentwicklung aus Braunkohle werden eiförmige Briketts angeboten. Diese Grillbriketts werden auf Basis des im Rheinischen Revier hergestellten Braunkohlenfeinkoks und unter Zumischung von Holzkohlestaub sowie eines lebensmitteltauglichen Bindemittels produziert.
– 165
1.3.4
– 187
– 173
– 181
Beschäftigte
Im Braunkohlenbergbau und in Braunkohlenkraftwerken der allgemeinen Versorgung von Unternehmen mit Braunkohlengewinnung waren zum 31. Dezember 2006 insgesamt rund 22.900 Mitarbeiter beschäftigt. Davon entfielen 11.161 auf das Rheinland, 8.456 auf
Uwe Maaßen, Hans-Wilhelm Schiffer
49
.. Tabelle 1.3-9 Anzahl der Beschäftigten der Braunkohlenindustrie 1989
2003 ***)
2004
2005
2006
Rheinland
15.565
11.876
11.158
11.105
11.161
Lausitz
79.016
9.632
9.489
8.881
8.456
Mitteldeutschland
59.815
3.002
2.658
2.642
2.610
Helmstedt
1.693
895
755
665
676
9
6
6
23.299
22.909
Kleinbetriebe (Hessen/Bayern)
642
10
Deutschland insgesamt
156.731
25.415
*) In dieser Zahl sind nicht enthalten Beschäftigte der Sanierungsgesellschaften darunter Beschäftigte nach § 272 ff. SGB III darunter ehemalige Bergbaubeschäftigte
24.069
*)**)
1.223 (Monatsdurchschnitt) 829 (Monatsdurchschnitt) 3 (Monatsdurchschnitt)
**) In dieser Zahl sind enthalten Beschäftigte i. d. Kraftwerken der allgem. Versorgung der Braunkohlenunternehmen Auszubildende
6.113 (Stand: Ende d. Jahres) 1.711 (Stand: Ende d. Jahres)
***) ab 2003 einschließlich Beschäftigte in Kraftwerken der allgemeinen Versorgung der Braunkohlenunternehmen
die Lausitz, 2.610 auf Mitteldeutschland und 676 auf Helmstedt. In Braunkohlenkraftwerken der allgemeinen Versorgung waren 6.113 der rund 22.900 Mitarbeiter beschäftigt (darunter 2.940 bei RWE Power, 2.918 bei Vattenfall Europe Generation und 255 bei BKB). Aus dem Kreise der genannten rund 22.900 Mitarbeiter waren 748 bei dem Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (davon 507 in der Lausitz und 241 in Mitteldeutschland) tätig. In der Gesamtzahl von rund 22.900 Mitarbeitern sind 1.711 Auszubildende (Stand: 31.12.2006) enthalten. Nicht berücksichtigt sind dagegen die 1.223 Mitarbeiter der Sanierungsgesellschaften, die die Wiedernutzbarmachung der in DDR-Zeiten entstandenen Altlasten sowie die Beseitigung der Folgen der vorzeitigen Schließung von Tagebauen nach der Wiedervereinigung durchführen. In Deutschland werden insgesamt mehr als 50.000 wettbewerbsfähige Arbeitsplätze durch Braunkohlenbergbau und -stromerzeugung gesichert. Der Stand des Arbeitsschutzes befindet sich im Braunkohlenbergbau seit langem auf einem hohen Niveau. Die Braunkohlenindustrie hat 2006 mit einer Quote von 4,8 anzeigepflichtigen Unfällen je 1 Mill.
verfahrener Arbeitsstunden das Vorjahresergebnis gehalten. Die Unfallzahlen aller Unternehmen der Braunkohlenindustrie bewegen sich weit unter dem Durchschnitt der deutschen Wirtschaft. So liegt die durchschnittliche Unfallquote der gewerblichen Wirtschaft mit 17,3 Unfällen je 1 Mill. verfahrene Arbeitsstunden (2005) – bei ebenfalls sinkender Tendenz – rund 3,5-mal so hoch wie in der Braunkohlenindustrie.
1.3.5
Wiedernutzbarmachung
In Deutschland ist die Landschaft durch Jahrtausende menschlicher Nutzung geprägt. Deswegen ist das Ziel der dem Bergbau nachfolgenden Landschaftsgestaltung und Rekultivierung eine neue Kulturlandschaft. Für die Planung gibt es drei Zielvorgaben: Eine Landschaft ist zu gestalten, die nachhaltig nutzbar und ökologisch stabil ist und ihren regionalen Charakter wieder spürbar zum Ausdruck bringt. In der annähernd 100-jährigen Rekultivierungspraxis hat sich gezeigt, dass die unterschiedlichen Nutzungsansprüche in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Die Rekultivierungsziele sind stark durch die
50
Kapitel 1.3 Die deutsche Braunkohle im Energiemix – Gewinnung und Nutzung der Braunkohle im Jahr 2006
.. Abb. 1.3-4 Arbeitsunfälle in der Braunkohlenindustrie 1990 bis 2006 im Vergleich zur deutschen Wirtschaft (Anzeigepflichtige Betriebsunfälle je 1 Million verfahrener Arbeitsstunden)
Nutzung vor dem Tagebau geprägt. Die Anforderungen an die Bergbaufolgelandschaft sind demgemäß unterschiedlich. Der regionale Charakter soll erhalten bleiben. Der Erhalt und die Wiederansiedlung von landschaftstypischen Tier- und Pflanzenarten besitzen eine hohe Priorität. Angestrebt wird, günstige Voraussetzungen für die Regeneration zu schaffen, damit eine nachhaltig nutzbare und ökologisch stabile Landschaft wieder entsteht. Es zeigt sich, dass man dieses Ziel erreichen kann. So sind beispielsweise im Rheinland rund 250 Hektar Rekultivierungsfläche als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Seit Aufnahme der Bergbautätigkeit bis Ende 2006 wurden in Deutschland 168.512 ha, d. h. rund 1.685 km², durch den Braunkohlenbergbau in Anspruch genommen; davon entfielen 29.596 ha auf das Rheinland, 82.973 ha auf die Lausitz, 47.968 ha auf Mitteldeutschland und der Rest auf die übrigen Reviere. Wieder nutzbar gemacht wurden bis heute insgesamt 111.370 ha. Im Rheinland wurden von der dort in Anspruch genommenen Fläche bereits 73% wieder einer Folgenutzung zugeführt. In der Lausitz sind es rund 59% und in Mitteldeutschland rund 74%. In den letzten Jahren war in den beiden ostdeutschen Revieren jeweils doppelt soviel Land rekultiviert wie vom Bergbau neu in Anspruch genommen worden.
1.3.6
Bewältigung des Strukturbruchs in den neuen Ländern
Mit der Wiedervereinigung zum 3. Oktober 1990 ergaben sich für die Braunkohlenindustrie in den neuen Ländern vollkommen veränderte Rahmenbedingungen. Die Produktion musste von rund 300 Mio. t auf zeitweilig unter 70 Mio. t reduziert werden. Eine Vielzahl von Tagebauen und Veredlungsbetrieben musste stillgelegt werden. Wegen der unplanmäßigen Stilllegungszeitpunkte kam es zu einer Anhäufung von zusätzlichen Arbeiten zur Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung industriell genutzter Flächen. Hinzu kamen erhebliche Rekultivierungsrückstände aus der DDR-Zeit. Die Bundesrepublik Deutschland ist Rechtsnachfolger der DDR und war zunächst über die Treuhandanstalt Eigentümer der Braunkohlenindustrie. Im Rahmen der Privatisierung war es notwendig, eine Trennlinie zwischen den Aufgaben der langfristigen Braunkohlengewinnung in privatisierten Unternehmen sowie der Bewältigung des Strukturwandels und Beseitigung der Altlasten im Bereich der ehemaligen Braunkohlenkombinate zu definieren. Mit dem Strukturwandel der ostdeutschen Energiewirtschaft entstand so neben den privatisierten, auf eine langfristige Berg-
Uwe Maaßen, Hans-Wilhelm Schiffer
bautätigkeit ausgerichteten Unternehmen LAUBAG und MIBRAG, auch die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV). Als Bundesunternehmen trägt die LMBV die bergrechtlichen Verpflichtungen der Alteigentümer. Zu ihren Aufgaben gehört: Wiedernutzbarmachung stillgelegter Tagebaue und Veredlungsstandorte als Voraussetzung für eine Folgenutzung, Normalisierung des Wasserhaushaltes in der Lausitz und in Mitteldeutschland, Beseitigung von Altlasten zur Gesundung der Natur, Abbruch von Industrieanlagen zur Neuansiedlung von Industrie und Gewerbe, Verkauf von Liegenschaften. Hauptziel des Unternehmens ist die schnelle und wirtschaftliche Sanierung der stillgelegten Tagebaue und Veredlungsbetriebe als eine entscheidende Voraussetzung zur Nachnutzung dieser Standorte für die Ansiedlung von Industrie und Gewerbe sowie für die touristische Nutzung. Die Wiedernutzbarmachung der ehemaligen Betriebsflächen erfolgt gemäß den im Bundesberggesetz festgelegten Verpflichtungen. Die LMBV zeichnet als Bergbauunternehmen und Projektträger insbesondere verantwortlich für Sanierungsplanung, Projektmanagement und Sanierungscontrolling. Das Schaffen der Voraussetzungen für die Gestaltung der Zukunft der Lausitz und Mitteldeutschlands wird nicht unerheblich durch die Arbeit der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH geprägt und gefördert. Insgesamt hat sie die Verantwortung für 39 ehemalige Braunkohlentagebaue mit 224 Restlöchern in den neuen Ländern übernommen. Hinzu kommen eine Vielzahl weiterer Flächen, die zu sanieren und zu verkaufen sind. Seit 1992 sind bis Ende 2006 insgesamt etwa 8,1 Mrd. € in die Wiedernutzbar-
51
machung und Revitalisierung der rund 100.000 ha bergbaulich beanspruchter Flächen investiert worden. Für den Zeitraum bis 2012 haben sich Bundesregierung und Länder im Sommer 2007 auf die Fortsetzung der Finanzierung mit einem Finanzvolumen von insgesamt gut 1 Mrd. € geeinigt.
1.3.7
Zusammenfassung
Die inländische Braunkohlengewinnung belief sich im Jahr 2006 auf 176,3 Mill. t. Von dieser Fördermenge, die einem Heizwert von 54,2 Mill. t SKE entspricht, wurden mit 161,0 Mill. t rund 91,3% in Kraftwerken der allgemeinen Versorgung eingesetzt. 12,9 Mill. t sind in den Fabriken des Braunkohlenbergbaus zur Herstellung fester Produkte eingesetzt worden. 1,6 Mill. t wurden zur Stromerzeugung in Grubenkraftwerken genutzt. Auf sonstigen Rohkohlenabsatz und Bestandsveränderungen entfielen 0,8 Mill. t. Zur gesamten Stromerzeugung in Deutschland hat die Braunkohle im Jahr 2006 mit 23,8% beigetragen.
Literatur Braunkohle in Deutschland 2007 – Profil eines Industriezweiges, Hrsg. DEBRIV – Bundesverband Braunkohle, Redaktion Dr. Hans Wilhelm Schiffer, Uwe Maaßen, Köln 2007 Braunkohlenreviere in Deutschland 2006, Wandkarte, Hrsg. DEBRIV – Bundesverband Braunkohle, Köln 2006 www.ag-energiebilanzen.de www.braunkohle.de www.kohlenstatistik.de
1.4
Nutzung der Braunkohle unter den Gesichtspunkten des Marktes Bernd-Uwe Haase, Werner Pfennig
Braunkohle ist ein an verschiedensten Orten der Welt gewinnbarer Primärenergieträger. Sie wird gegenwärtig zu cirka 90% zur Stromerzeugung genutzt. Die verbleibenden 10% dienen der stofflichen Veredlung, hauptsächlich zu Brikett, Staub, Koks und Wirbelschichtbraunkohle. Diese Produkte werden maßgeblich zur Wärmeerzeugung genutzt. Braunkohle steht sowohl bei der Strom- als auch bei der Wärmeerzeugung grundsätzlich im Wettbewerb zu anderen Primärenergieträgern, wie Steinkohle, Erdöl und Erdgas. Unter Marktgesichtspunkten bestehen neben den Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Primärenergieträgern erhebliche Unterschiede (siehe Tabelle 1.4-1). Obwohl alle Primärenergieträger weltweit gefördert werden, sind sie aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften in unterschiedlichem Maße weltweit handelbar und damit verfügbar. Während es für Steinkohle, Erdöl und Erdgas einen funktionierenden Weltmarkt gibt, ist Braunkohle wirtschaftlich sinnvoll nur in der Nähe des Gewinnungsortes zur Stromerzeugung oder zur stofflichen Verwertung einsetzbar, oder anders ausgedrückt, Gewinnung und Verwendung von Rohbraunkohle stehen in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld (siehe Abb. 1.4-1). Die lokalen Verbraucher bestimmen die Höhe der Förderung, d. h. neben den vorhandenen Kapazitäten ist sowohl beim Zubau von Förderkapazitäten als auch
beim Zubau von Verbrauchern die enge Abstimmung zwischen beiden bezüglich des jährlichen Bedarfes, des Beginns des Bedarfes und des Zeitraumes der Nutzung der Kapazitäten notwendig und sinnvoll. Der mögliche Preis der Rohbraunkohle ergibt sich indirekt aus dem Preis für das marktgängige Produkt Strom. Analoges gilt für die Veredelungsprodukte der Rohbraunkohle. Damit ist Braunkohle nur in sehr begrenztem Umfang ein marktgängiger Rohstoff und unmittelbar bezüglich Menge und Preis mit seiner weiteren Verwendung verbunden. Sollte es im Einzelfall zwingend notwendig und sinnvoll sein, einen Preis für die Braunkohle bestimmen zu müssen, ist das nur möglich unter Berücksichtigung der Herstellung des marktgängigen Produktes.
.. Abb. 1.4-1 Spannungsfeld
.. Tabelle 1.4-1 Vergleich der Primärenergieträger Braunkohle
Steinkohle
Erdöl
Erdgas
Energiegehalt
niedrig
mittel
hoch
hoch
Wassergehalt
hoch
gering
sehr gering
sehr gering
Aschegehalt
hoch
gering
sehr gering
sehr gering
Gewinnung
weltweit
weltweit
weltweit
weltweit
Spezifische Gewinnungskosten
niedrig
niedrig bis mittel
mittel bis hoch
mittel bis hoch
Spezifischer Transportaufwand
hoch
niedrig
niedrig
niedrig
54
Kapitel 1.4 Nutzung der Braunkohle unter den Gesichtspunkten des Marktes
Das setzt jedoch voraus, dass man neben den Brennstoffkosten die übrigen zur Herstellung dieses Produktes zu berücksichtigenden Kosten kennt. Näherungsweise und für erste Preisindikationen kann man bei Kraftwerkskohle noch einen anderen Weg beschreiten. Man ermittelt im ersten Schritt, normiert auf einen einheitlichen Heizwert, die Preise der
Wettbewerbsprimärenergieträger. Im 2. Schritt sind dann Zu- und Abschläge für Unterschiede in den Investitionen der Kraftwerke, in den sonstigen variablen und den fixen Kraftwerkskosten hinzuzurechnen. Zu beachten ist, dass insbesondere die CO2-Kosten genau zu betrachten sind, da diesbezüglich Braunkohle erhebliche Wettbewerbsnachteile hat.
2
Planung von Braunkohlentagebauen Christian Niemann-Delius
Bergbauprojekte setzen wirtschaftlich gewinnbare Vorräte voraus und sind standortgebunden. Ihre Planung muss außer den Gegebenheiten der Lagerstätte auch alle weiteren Einflussfaktoren einbeziehen. Durch die bei Tagebauen auf flözartigen Lagerstätten sukzessiv fortschreitende Inanspruchnahme großer Flächen verstärkt sich die Anforderung an Umweltverträglichkeit. In Folge der überwiegend engen Koppelung der Braunkohlennutzung an die Stromerzeugung überträgt sich die Standortbindung auch auf die Verwertungsanlagen, i.e. im Wesentlichen die braunkohle befeuerten Kraftwerke. Die Projektplanung von bergbaulichen Vorhaben schließt den gesamten Lebenszyklus von den Überlegungen zur technisch-wirtschaftlichen Machbarkeit bis hin zur Folgenutzung und vollständigen Wieder eingliederung der in Anspruch genommenen Flächen in das ökologische, soziale und wirtschaftliche Umfeld ein. Gerade das Berücksichtigen und Einbeziehen der Endlichkeit eines Vorhabens unterscheidet die Planung von der anderer großer industrieller Produktionsbetriebe. Prinzipiell sind für den Abbau von Rohstoffen unterschiedliche Verfahren mit den daraus resul tierenden Varianten zu prüfen und die beste Lösung auszuwählen. Für den Abbau von Braunkohle im Lockergestein haben sich jedoch in Abhängigkeit von den Randbedingungen Verfahren entwickelt, die in ihrem Grundkonzept als ausgereifter Stand der Technik angesehen werden können. Demzufolge lassen sich Planungsschritte formulieren, die eingeschränkt für Tagebauprojekte allgemein, aber im Besonderen für Braunkohlentagebaue gelten. Je nach Blickwinkel haben einzelne Bereiche besonderes Gewicht und beeinflussen dementsprechend die gesamte Planung und die darauf gestützten Entscheidungen. Gleichzeitig
fordert die Planung ein hohes Maß interdisziplinärer Vernetzung. Jede Abbauplanung geht von der Lagerstätte, deren Erkundung und Darstellung aus. Dazu kommt die Berücksichtigung von Einflussgrößen, wie Förderhöhe, Produktqualität, Umweltgesichtpunkte, Tagebauentwässerung und Bodenmechanik im Hinblick auf die Standsicherheit von Böschungen und tragfähigen Arbeitsebenen. Abbauvarianten unterscheiden sich u. a. hinsichtlich der Feldesgeometrie, der gewählten Abbautechnologie und der technischen Ausstattung. Fördermenge und Laufzeit können variieren. Gerade wegen der Unterschiedlichkeit wesentlicher Parameter und der in der Regel langen Zeiträume von der Projektplanung, über die Aufschlussphase und die Regel förderung bis hin zur Gestaltung und vollständigen Wiedereingliederung der in Anspruch genommenen Flächen stützt sich die wirtschaftliche Bewertung von Tagebauprojekten auf dynamische betriebswirtschaftliche Berechnungsverfahren. Zusätzlich haben auch übergeordnete Faktoren, wie z. B. genehmigungsrechtliche Risiken, der Einfluss und die Bewertung des Natur- und Umweltschutzes und die allgemeine soziale Akzeptanz, in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen. Die Planungsansätze bei verschiedenen Lagerstättenverhältnissen und die daraus abgeleiteten Techno logien und Verfahren, z. B. zum kontinuierlichen Direktversturz von Abraum, zum Strossentransport sowie bei spezifischen Bedingungen u. a. auch zum diskontinuierlichen Sonderbetrieb der Förderung aus Mehrprodukttagebauen, lassen sich an Hand von laufenden Projekten darstellen. Die verschiedenen Teilgebiete überlagern und durchdringen sich fachlich und inhaltlich. Daher lassen sich Überschneidungen nicht immer vermeiden.
2.1
Überblick über die kontinuierliche Tagebautechnik Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
2.1.1
Einführung
Der hier vorangestellte Überblick dient der Vermittlung ausgewählter Grundbegriffe, der chronologischen Entwicklung und der Gesamtzusammenhänge. Die für die kontinuierliche Tagebautechnik wichtigen Geräte und Verfahren werden in späteren Kapiteln einzeln und in Kombinationen detailliert behandelt. Die Zukunft einer Gesellschaft beginnt mit Bergbau, der die Volkswirtschaft mit den unerlässlichen Primärrohstoffen versorgt. Hierbei ist der Bergbau an den Standort der Lagerstätte gebunden. Rohstoff lagerstätten sind durchgängig nicht reproduzierbar und sollten daher möglichst vollständig abgebaut werden. Beim Tagebau erfolgt die Gewinnung von der Tagesoberfläche aus. Dabei werden die das Wertmineral überlagernden Deckgebirgsschichten planmäßig und vorlaufend abgeräumt sowie an anderer Stelle wieder verstürzt. Somit wird nur im unmittelbaren Abbaubereich das in Anspruch genommene Land devastiert. Die Rohstoffgewinnung vollzieht sich dabei in einer offenen Baugrube, die erforderlichenfalls durch Grundwasserabsenkung trocken zu halten ist. Die erforderliche Wiedernutzbarmachung folgt unmittelbar dem Abbaufortschritt. Schon während des laufenden Betriebes und abschließend nach Erschöpfung der Lagerstätte wird eine Bergbaufolgelandschaft möglichst hoher ökologischer Vielfalt geschaffen und diese in das umgebende Umfeld integriert. Wegen des Massendefizits werden beim Abbau unterhalb des Grundwasserspiegels die verbleibenden Resträume überwiegend zu Seen gestaltet. Bei einer Tagebaumaßnahme handelt es sich also um eine vorübergehende, zeitlich begrenzte Land inanspruchnahme und Beeinflussung der Umwelt. Die Entscheidung über eine Gewinnung im Tageoder Tiefbau hängt stark von den jeweiligen geologischen Verhältnissen ab. Tagebau wird dann betrieben, wenn die Summe der finanziellen Aufwendungen für Vorfeldberäumung, Abraumbeseitigung, Wasserhebung, Mineralgewinnung und Folgelandschaftsgestaltung niedriger als die Kosten der Tiefbaugewinnung
einschließlich der Aus- und Vorrichtungsarbeiten sind. Außerdem sind die stark unterschiedlichen Abbau verluste (meist 40% Tiefbau) und die Umweltverträglichkeit zu berücksichtigen. Damit verbunden werden insbesondere die Braunkohletagebaue im dicht besiedelten Mitteleuropa wegen der notwendigen Umsiedlungen, der weitreichenden Auswirkungen der Entwässerung und der Beeinflussung der Umwelt durch den Abbau zunehmend kritisch gesehen (vgl. Kap. 4). Der politisch oft verlangte Verzicht auf Umsiedlungen in einem Abbaugebiet bedeutet stets auch die Aufgabe von Teilen der endlichen Vorräte und steht damit im Gegensatz zu der Forderung nach einer Schonung der Ressource „Lagerstätte“. Weltweit hat die Tagebautechnik aufgrund der Mechanisierung und der damit verbundenen sehr hohen Geräteleistungen für die Rohstoffgewinnung größere Bedeutung als der Tiefbau erlangt. Der Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik ermöglicht es, Rohstoffe aus Lockergesteinstagebauen, auch großer Teufe und bei gestörten Lagerstättenverhältnissen, ökonomisch und weitgehend umweltverträglich zu gewinnen. Kontinuierlich arbeitende Gerätesysteme haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich fortentwickelt. Die fortschreitende Mechani sierung und Automatisierung führte von zunächst kontinuierlich arbeitenden Einzelgeräten ohne direkte Verknüpfung zu deren Kombination in unterschiedlicher Weise mit stets steigender Leistung. Daraus entwickelten sich die heute zum Einsatz kommenden hoch mechanisierten, automatisierten, verknüpft voll kontinuierlich arbeitenden, produkt- und prozessoptimier ten, leistungsstarken Gerätesysteme mit hohen Betriebspunktkonzentrationen, die kennzeichnend für die hiesigen Braunkohletagebaue sind.
2.1.2
Ausgewählte Grundbegriffe
Es wird vorausgesetzt, dass der fachkundige, fachnahe oder fachinteressierte Leser Kenntnis von Grundbegriffen des Tagebaus hat. Im Übrigen wird auf einschlägige Literatur verwiesen.
58
Kapitel 2.1 Überblick über die kontinuierliche Tagebautechnik
Zur Einheitlichkeit des Verständnisses der Systematik werden nachfolgend ausgewählte Definitionen erläutert, die oftmals unterschiedlich aufgefasst werden. Die Zusammenstellung ersetzt kein Glossar. Unterteilung von Tagebauen nach: Ablagerungsverhältnissen: Einflöz-, Mehrflöztagebau, Tieftagebau Förderart: Zug-, Band-, SKW- oder Direktversturztagebau Festigkeit des zu lösenden Materials: Locker- (Lösen und Laden, ein Arbeitsgang) und Festgesteinstagebau (Lösen mittels Sprengen, Laden, zwei Arbeitsgänge) Abbausystematik: Abbauart: Hügel- oder Hangabbau, Abbau nach der Teufe, flächenhafter Abbau Abbauverfahren: – Scheibenabbau, die Hauptverfahrensgänge werden jeweils auf einer Scheibe durchgeführt – Gruppenabbau, mehrere Sohlen werden zu Abbaugruppen zusammengefasst – Streifenabbau (Strip Mining), das Mineral wird in einem langen schmalen Streifen freigelegt, die Abbaufront bewegt sich senkrecht zur Verhiebsrichtung, das Deckgebirge wird direkt auf die Kippenseite verstürzt. Abbauführung – Parallelabbau: Parallel ausgerichtete Abbau strossen für Abraum und Kohle, die in eine Richtung parallel zu einander fortschreiten – Schwenkabbau: Eine Abbaufront nahezu konstanter Länge bewegt sich um einen festen Drehpunkt – Weitungsbau, die Abbaustrossen werden unregelmäßig und in beliebiger Richtung vorangetrieben. Beim flächenhaften Abbau des mitteleuropäischen Braunkohlentagebaus hat sich der Scheibenabbau als Abbauverfahren mit Schwenk- und/oder Parallelführung durchgesetzt. Abraum: Überlagerndes Deckgebirge, Böschungsanteile, Zwischenmittel, Abbauverluste an Grenzflächen, abbautechnisch bedingte Liegendüberschnitte Kippe: Planmäßige Ablagerung von Abraum im ausgekohlten Tagebaubereich oder auf gewachsenem Gelände in Form einer Halde
D : K-Verhältnis: Lineares Verhältnis der Mächtigkeiten von Deckgebirge und Kohle (m/m) A : K-Verhältnis: Verhältnis des zu bewegenden Abraumvolumens (m³) zum gewinnbaren Kohlevorrat (t) Abbaurichtung: Richtung, in die sich der offene Tagebauraum in Folge des Gewinnungsprozesses bewegt Verhiebsrichtung: Eingriffsrichtung nungsgerätes
des
Gewin-
Lastgrad: Maßzahl für die Ausnutzung eines Betriebsmittels bezogen auf seine technische Leistungsfähigkeit, i.d.R. als Quotient aus erbrachter Förderleistung und der Nennleistung oder auch Kapazität auf Basis der Gerätekenndaten und des Auflockerungsfaktors Zeitgrad: Maßzahl für die zeitliche Nutzung eines Betriebsmittels in einem bestimmten Zeitraum oder prozentuale Auslastung bezogen auf die Zeit, z. B. Anteil der tatsächlichen Betriebszeit an der Kalenderzeit Gesamtwirkungsgrad: Produkt aus Last- und Zeitgrad Beim Vergleich von Geräteleistungen mit Blick auf den Zeit- und den Lastgrad und somit auch auf den Gesamtwirkungsgrad ist es besonders wichtig darauf zu achten, dass gleiche Bezugsdaten gewählt werden. Hauptverfahrensgänge im Tagebau: Gewinnung, Transport, Verkippung (Abraum) bzw. Verladung/Bevorratung (Kohle) Kontinuierliche Tagebautechnik: Das anstehende Material wird kontinuierlich aus dem Gebirgsverband gelöst, geladen, transportiert, verstürzt bzw. zur Verladung gebracht. Eine typische Gerätekette besteht aus Schaufelradbagger, Bandanlagen, Bandschleifenwagen und Absetzer (around-the-pit) oder Eimerkettenbagger und Abraumförderbrücke (across-the-pit, Direktversturz, z. B. im Lausitzer Revier). Es gibt zahlreiche Kombinationen. Diese Technik wird auch als „Deutsche Tagebautechnik“ bezeichnet. Diskontinuierliche Tagebautechnik: Die Arbeitsabläufe sind hierbei durchgängig diskontinuierlich. Besonders hervorzuheben ist bei der Abraumbewegung der Schürfkübelbagger (Dragline), der den Abraum gewinnt, über den offenen Tagebau transportiert und
Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
auf der Kippenseite verstürzt. Die typische Gerätekette für die Kohlegewinnung besteht aus Seil- oder Hydraulikbagger und SKW. Hauptverbreitungsgebiet sind die USA und die von dort beeinflussten Bergbauregionen der Welt. Daher hat sich der Begriff „Amerikani sche Tagebautechnik“ eingebürgert. Die Auswahlkriterien für die jeweilige Tagebautechnik und verbunden damit der einzusetzenden Geräte und technischen Verfahren berücksichtigen eine Vielzahl von Einflussfaktoren. Dazu gehören u. a. Lagerstättenverhältnisse, Gesteins- und Mineraleigen schaften, Förderhöhe, Transportentfernungen und regionales Klima. Darüber hinaus wirken auch subjektive oder beeinflussbare Kriterien ein, wie Vertrautheit mit Geräten und Verfahren, Verfügbarkeit, Ersatzteilvorhaltung und Finanzierungsfragen. Vorteile Tagebau gegenüber Tiefbau: geringe Abbauverluste bessere Möglichkeit zur selektiven Gewinnung hohe Förderkapazität verhältnismäßige schnelle Aufnahme der Regelförderung
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hoher Mechanisierungs- und Automatisierungsgrad, d. h. hohe Leistung bei wenig Personal hohe Betriebs- und Arbeitssicherheit große Betriebseinheiten Bergschäden größtenteils vorhersehbar Transparenz des Betriebes ermöglicht einfache Betriebsüberwachung Nachteilig wirken sich folgende Faktoren aus: Abräumung der Oberfläche (Umsiedlung, Verlegung, Infrastruktur) Abhängigkeit von klimatischen Verhältnissen Grundwasserabsenkung im Tagebaubereich und Umfeld Entstehung von Restlöchern Große Aufschlussmassen und unproduktive Massenbewegung
2.1.3
Rückblick
Die Anfänge der Braunkohlengewinnung in Deutschland reichen in das 18. Jahrhundert zurück. Der heizwertarme Brennstoff wurde in einer Art bäuerlichem
.. Abb. 2.1-1 Eimerkettenbandgroßabsetzer von 1939 mit einem Dienstgewicht von 1941 t (Quelle: Privates Fotoarchiv H. Hojnczyk)
60
Kapitel 2.1 Überblick über die kontinuierliche Tagebautechnik
Nebenerwerb entlang der Flözausbisse manuell sowohl im Rheinland als auch in Mitteldeutschland abgegraben. Zunehmende Deckgebirgsmächtigkeiten ließen sich aber manuell nicht mehr bewältigen. Es kam zu ersten Tiefbaugruben. Bei der stürmischen Industrialisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde im Zusammenhang mit dem Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals der Eimerkettenbagger zur Bewältigung großer Lockergesteinsmassen entwickelt, dessen prinzipielle Bauweise bis heute Gültigkeit behalten hat. Es lag daher dann nahe, solche Geräte zur Abraumgewinnung in Braunkohlentagebauen zu nutzen. Der Ersteinsatz erfolgte um die Wende zum vergangenen Jahrhundert in einem Tagebau bei Brühl. Der Abraumabtransport erfolgte gleisgebunden in offenen Waggons und Loren, die manuell entladen bzw. gekippt wurden. Der Abraum wurde von Hand über die Kippenböschung geschaufelt oder gekratzt. Die arbeitsintensive Abraumverbringung führte zur Entwicklung von Kratzabsetzern, die etwa ab 1915 zum Einsatz kamen. Die ersten Geräte verfügten lediglich
über einen zwischen zwei Ketten geführten Kratzer. Erst später wurden sie um einen Ausleger mit Bandförderung erweitert und die Kratzförderung durch eine Eimerkettenförderung ersetzt (Abb. 2.1-1). Die kontinuierliche Tagebautechnik wurde in der Kohlegewinnung in den 20er Jahren durch den Betrieb von Kratzbaggern in Verbindung mit Kettenbahnen annähernd verwirklicht (Abb. 2.1-2), die später allerdings durch Zugförderung abgelöst wurde. Im Rheinischen Revier wurde der letzte Kettenbahnbetrieb im Tagebau Fischbach 1959 stillgelegt. Der Abbau der z. T. gestörten Lagerstätten im Rheinland erforderte später eine höhere Selektivität bei der Gewinnung. Dies führte etwa 1930 zur Entwicklung des Schaufelradbaggers. Die ersten Geräte (Abb. 2.1-3) waren wenig leistungsstark und störanfällig, so dass sie erst während des 2. Weltkriegs zu sich verbreiterndem Einsatz kamen. Zur Illustration der heutigen Geräte wird auf die Abbildungen in Kap. 3 verwiesen. Für den Massentransport dominierte über viele Jahrzehnte der Zugbetrieb. Aus planerischer Sicht ist hierbei kritisch anzumerken, dass seit der 1953 erfolgten Einführung des 96 m³ fassenden achtachsigen Abraumwagens und des 100–110 t Kohlewagens konstruktiv keine entscheidende Weiterentwicklung zur Erhöhung der Kapazität stattgefunden hat. Eine seitdem dennoch erfolgte deutliche Steigerung in der Effizienz des Zugbetriebes liegt in den Verbesserungen der Betriebsabläufe und technischer Details, die an dieser Stelle jedoch nicht angesprochen werden sollen, sondern dem Kap. 3.4 vorbehalten sind. Zunehmende Teufe von Tagebauen und das geringe Steigvermögen setzen dem Zugbetrieb innerhalb von Tagebauen und
.. Abb. 2.1‑2 Kratzbagger mit Zugförderung (Quelle: Privates Fotoarchiv H. Hojnczyk)
.. Abb. 2.1‑3 Erster Schaufelradbagger auf Gleisen der ehem. Maschinenbau-Anstalt Humboldt, Baujahr 1916
Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
hier insbesondere tiefen Tagebauen Grenzen. Der Zugbetrieb ist aber für weite söhlige Strecken noch bis heute im Einsatz (z. B. die Nord-Süd-Bahn, die Hambach-Bahn oder die Verbindungsbahn der Lausitzer Tagebaue mit den Verbrauchern). Schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden in Tagebauen im Helmstedter und dem ehemaligen Bayerischen Revier erste Bandanlagen erfolgreich für den Kohletransport aus dem Tagebau zu den Verbrauchern eingesetzt. Es mag auch der auf Grund der langen Projektlaufzeiten eher konservativen Grundeinstellung dieses Industriezweiges geschuldet sein, dass trotz des erfolgreichen Beispiels noch mehrere Jahrzehnte bis zur Einführung der ausschließlichen Bandförderung für den Abraum- und Kohletransport in einem Tagebau vergingen. Als erster Tagebau im Rheinland wurde der Tagebau Frechen ab 1960 zunächst für den Kohle- dann fortschreitend für den Abraumtransport mit rückbaren Strossenbandförderern ausgestattet. Unter kontinuierlicher Tagebautechnik wird, wie schon an anderer Stelle sinngemäß erwähnt, die Verknüpfung der Hauptprozesse Gewinnung, Förderung und Verkippung des Abraums bzw. Verladung oder Zwischenbunkerung des Wertminerals in einer oder mehreren Geräteketten mit kontinuierlich arbeitenden Geräten und Fördermitteln verstanden. Solche Systeme, deren Teile vielfältig optimiert wurden, sind durch hohen zeitlichen Ausnutzungsgrad, große Geräteleistungen und Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Lagerstättenbedingungen gekennzeichnet. Kontinuierlich arbeitende Gewinnungsgeräte sind Schaufelrad- und Eimerkettenbagger. Schaufelradbagger eignen sich beispielsweise für eine selektive Gewinnung besonders im Hochschnitt. Vorteile der eher im Tiefschnitt eingesetzten Eimerkettenbagger liegen in ihrer Robustheit. Gleichzeitig unterliegt hier aber das Graborgan starkem Verschleiß und der Betrieb ist mit erheblichen Geräuschemissionen verbunden.
61
Die Entwicklungsschritte der Bagger/Absetzersysteme zur Abraumbewältigung zeigt Abbildung 2.1-4. Die Abraumbewegung ist im Vergleich zur Kohleförderung überproportional gestiegen. Das A : KVerhältnis verschlechterte sich beispielsweise von kleiner 1 : 1 in den frühen Jahren auf 5 : 1 und größer im heutigen Rheinischen Braunkohlenbergbau und von anfänglich 2–3 : 1 auf 5–8 : 1 in der Lausitz. Wegen des schon anfänglich ungünstigen A : K-Verhältnisses musste dort frühzeitig eine kostengünstige Lösung für die Abraummassenbewegung gefunden werden. Es wurden Brückenkonstruktionen entwickelt, über die der gewonnene Abraum auf kürzestem Weg direkt in den ausgekohlten Tagebauraum verstürzt wird. Dabei handelt es sich um auf rückbaren Schienen verfahrbare, kippen- und abbaufrontseitig abgestützte Stahlgitterbauwerke. Sie sind mit einem Förderbandsystem ausgerüstet. Auf der Gewinnungsseite sind heute mehrere Eimerkettenbagger angebunden. Zum Aufbau von standsicheren Kippen verfügt die Brücke auf der Kippenseite über mehrere Abwurfstellen. Die erste Abraumförderbrücke hatte eine Abtragshöhe von 25 m und wurde ab 1924 erfolgreich im Tagebau Plessa eingesetzt. Bis 1945 wurden weitere 23 Abraumförderbrücken mit Abtragshöhen zwischen 20 und 60 m gebaut. In den USA war die Schaffung von Eisenbahnverbindungen zur Erschließung des riesigen Landes sowie zur Verbindung von Ost- und Westküste die vorrangige Aufgabe in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Riesige verfestigte Gesteinsmassen mussten bewegt werden. Dies führte zur Entwicklung des Seilbaggers, eines diskontinuierlich arbeitenden Eingefäßbaggers der über vergleichsweise hohe Reißkräfte verfügt. Solche Geräte wurden dann auch in Tagebauen eingesetzt. Später entwickelte Geräte für entsprechende Geräteketten folgten der diskontinuierlichen Arbeitsweise. So prägen zwei unterschiedliche nationale Aufgabenstellungen vor rd. 150 Jahren die zwei verschiedenen Abbautechnologien im Tagebau (kontinuierlich/
.. Abb. 2.1‑4 Entwicklungsschritte der Bagger/Absetzersysteme
62
Kapitel 2.1 Überblick über die kontinuierliche Tagebautechnik
diskontinuierlich), auch wenn es Übergänge und Kombinationen gibt. In den 1960er und 1970er Jahren unternahmen deutsche Hersteller besondere Anstrengungen, gezielt Kompakt-Schaufelradbagger in amerikanische sowie in von deren Technologie beeinflusste Tagebaue einzuführen. Gute Einsatzmöglichkeiten bestanden und bestehen in tiefer werdenden Tagebauen, bei denen die Deckgebirgsmächtigkeiten die Abtragshöhe von Schürfkübelbaggern (Dragline) überschreitet. Um doppelte Aufnahme des Haufwerks durch den Dragline oder einen zusätzlichen Bagger/SKW-Betrieb zu vermeiden, bietet sich die Einrichtung eines Vorschnitts mit Kompakt-Schaufelradbaggern an, gefolgt von der Kette Band, Bandabsetzer oder einem Übersetzgerät mit langem Ausleger. Diese Systeme werden in der amerikanischen Literatur als across-the-pit oder crosspit-system bezeichnet. Für das erste von Mannesmann DEMAG gelieferte System ließ sich die Texas Utility Co. die Bezeichnung XPS schützen (vgl. auch Seite 65 und Kap. 3.1.6–3.1.10). Diese technische Anwendung wird weiterhin als die einzige, aber durchaus bedeutende Marktlücke für den integrierten Einsatz eines Schaufelradbaggers in einem Tagebau mit amerikanischer Geräteausstattung gesehen. Nur zwei solcher Vorschnitt-Systeme haben bisher Bestand. Weitere Verkaufsbemühungen blieben ohne Erfolg. Nach der Problemanalyse eines Herstellers lag die Ursache nicht in der Technik, sondern bei unzurei-
.. Abb. 2.1‑5 Bandsammelpunkt Tagebau Hambach
chendem anwendungstechnischen Marketing und Service, Schwächen bei der Ersatzteilhaltung und zu kurzem Atem. Zum Vergleich sei erwähnt, dass es rd. 20 Jahre intensiver Einführungsanstrengungen bedurfte, bis sich der Hydraulikbagger gegenüber dem Seilbagger zumindest in den kleinen und mittleren Gerätegrößen durchsetzte.
2.1.4
Entwicklung zu heutigen Systemen der kontinuierlichen Tagebautechnik
2.1.4.1 Bagger-Band-Absetzer Systeme Die Gewinnung erfolgt heute überwiegend durch Schaufelradbagger z. T. mit Beladewagen und daran angehängtem Aufgabetisch bzw. separatem Aufgabewagen, der Transport ist strossengebunden, zur Verkippung werden Bandabsetzer eingesetzt. Die Materialübergabe auf den Absetzer erfolgt fließend durch Bandschleifenwagen. Die diese Geräte verbindenden Elemente sind leistungsfähige, große Entfernungen und Steigungen überbrückende rückbare und stationäre Bandanlagen. Bei geneigter Lagerung oder gestörten Verhältnissen ergibt sich bei den Gewin nungsschnitten ein Abraum-Kohle-Wechselbetrieb. Die auf verschiedenen Sohlen gewonnenen Massen (Abraum, Kohle) werden einem Bandsammelpunkt
Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
63
(ggf. auch einer Bandsammelschiene) zugeführt, von dem abfördernde Bänder zu den Absetzern und zum Kohlebunker führen (Abb. 2.1-5). Beliebige Verknüpfungen sind möglich, so dass ein hohes Maß an Dispositionsfreiheit für die Massen gegeben ist. Letztere ist die Voraussetzung für den Aufbau standsicherer Kippen, besonders in tiefen Tagebauen. Das gesteuerte Einbringen der oftmals wenig standfesten Abraum-Mischböden, die außerdem durch den Transport einer Entmischung unterworfen sind, ist wichtig für die Standfestigkeit der Kippenböschungen. Standfester und überwiegend wasserdurchlässiger Abraum wird im Böschungsfuß als Stützrippen, wenig standfestes und nasses Material hinter diesen Stützrippen eingebracht. Für Arbeitsebenen erfolgt eine Abdeckung mit trockenem, standfestem Material. Die qualitätsgesteuerte Abraumverkippung und Kohlegewinnung machen die Disposition der Massen über den Bandsammelpunkt notwendig und erfordern hohen planerischen Aufwand. Die Größenentwicklung der Schaufelradbagger wurde vor allem im Rheinischen Revier vorangetrieben. In und nach dem 2. Weltkrieg waren vornehmlich Geräte der sog. C-Rahmen Bauweise mit Tagesleistungen von 30.000–60.000 m³ + t im Einsatz. Etwa 1955 erfolgte der Entwicklungsschritt zu Großbaggern mit Turmbauweise und einer Tagesleistung von 100.000 m³ + t. Bis in die 80er Jahre wurde die Leistung dieser Geräte durch Ertüchtigung bei Stahlbau und Übergaben sowie der Verstärkung der Antriebe zunächst verdoppelt, dann auf 240.000 m³ + t/d (12.500 m³ + t/h bei statistisch zugrunde liegenden 19,2 Betriebsstunden/Tag) gesteigert, womit die Entwicklung abgeschlossen sein dürfte.
Die Entwicklung der Eimerkettenbagger war eng mit der der Förderbrücken verbunden. Während kleinere Geräte u. a. zur Kohlegewinnung auch Raupenfahrwerke nutzen, sind die großen Geräte gleisgebunden. Mit einem Eimervolumen von 3750 m³, einer theoretischen Förderleistung von rund 6000 m³/h und einer Dienstmasse von 4600 t ist aber auch hier wohl das Ende der Größenprogression erreicht. Anders als im Westen waren in der ehemaligen DDR z. B. bereits 1984 mehr als 50% aller Abraumgeräte Eimerkettenbagger. Die den Baggern nachfolgenden Geräte sind leistungsangepasst. Absetzer haben im Vergleich zu Schaufelradbaggern gleicher Leistungsgröße ungefähr nur die Hälfte der Dienstmasse und der installierten elektrischen Leistung. Die nachfolgende Tabelle 2.1-1 zeigt an Hand von Kennziffern eine Übersicht über die Entwicklung der Schaufelradbagger und typischer zugehöriger Geräte. Die Abbildung 2.1.-6 vermittelt einen Überblick über einen Tagebau, der mit Bagger-Band-Absetzer Systemen ausgestattet ist. Außer den Tagebauen mit Strossenbandsystemen setzen auch solche, die an sich mit Abraumförderbrücken oder mit diskontinuierlichem Direktversturz für die Abraumbewegung arbeiten, zusätzlich BaggerBand-Absetzer im Vorschnitt ein.
2.1.4.2 Direkt-Versturz-Systeme Abraumförderbrücke Der Einsatz von Abbauförderbrücken setzt annähernd ebene ungestörte Ablagerung der Abraum- und
.. Tabelle 2.1‑1 Entwicklung der Schaufelradbagger und typischer zugehöriger Geräte Baujahr
bis 1955
Schaufelradbagger
Bandanlagen
Absetzer
Leistungsklasse 3 m + t/d
Dienstgewicht t
Gurtbreite mm
Gurtgeschwindigkeit m/s
max. Antriebsleistung kW
60.000
3.600
1.800
5,2
6 × 430
Gurtbreite mm
Abwurfausleger Länge m
Dienstgewicht t
teilweise auch Zugbetrieb 1955–1960
100.000
7.900
2.200
5,2
6 × 630
2.400
100
2.500
ab 1976
240.000
13.000
2.800
7,5
6 × 2.000
3.200
100
5.000
64
Kapitel 2.1 Überblick über die kontinuierliche Tagebautechnik
.. Abb. 2.1‑6 Schema eines Braunkohlentagebaus mit Strossenbandtransport im rh. Revier (Quelle: DEBRIV 2005)
Kohleschichten und einen ausreichenden Anteil an rolligen Böden zum Aufbau einer standsicheren Kippe voraus. Diese Bedingungen sind in Deutschland vorrangig in der Lausitz gegeben. Nach den Erfahrungen bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurden danach in der ehemaligen DDR Einheitsförderbrücken für 34, 45 und 60 m Abtragshöhe entwickelt. Ausgewählte technische Daten der Einheitsförderbrücken enthält Tabelle 2.1-2. Die Kohlegewinnung erfolgt im sogenannten Grubenbetrieb separat, z. B. mit Eimerketten- bzw. Schaufelradbagger und Bandförderung. Abraumförderbrückenverbände sind außerordentlich leistungsfähig. Wo ihre Einsatzbedingungen gegeben sind, erreichen sie eine bessere zeitliche Auslastung (geringe Anzahl möglicher Störstellen), haben niedrigere spezifische Produktionskosten (kürzere Förderwege) und erfordern geringere Investitionen als die Strossenbandtechnik. Systembedingt entstehen beim Abraumversturz der Brücken sowohl sog. Randschläuche als auch Rippenkippen. Der getrennte Auftrag von kulturfähigem Boden ist nicht möglich. Die notwendige hochwertige Gestaltung und Rekultivierung der Bergbaufolge landschaften macht daher die Einrichtung eines Vorschnittes mit Bagger-Band-Absetzer Technik unum-
gänglich (vergl. oben). Die beschriebenen Vorteile werden daher durch die höheren Rekultivierungs aufwendungen zum Teil aufgezehrt. Einen Tagebau mit Abraumförderbrücke zeigt Abbildung 2.1-7.
Direktversturz mittels Bandwagen Eine weitere Möglichkeit der Förderung und Verkippung von Abraummassen auf kürzestem Weg ist der Direktversturz durch die Gewinnungsgeräte oder mittels Bandwagen auf das ausgekohlte Liegende. Dies ist jedoch in der Regel auf Zwischenmittel geringer Mächtigkeit oder Putzschnitte begrenzt (vergl. auch Kap. 2.8.3). Sollen größere Massen über den offenen Tagebauraum hinweg transportiert werden, ist der Einsatz von Bandwagen mit überlangem Ausleger oder ggf. Absetzern möglich. In besonderem Maße ist hier der Tagebauzuschnitt zu berücksichtigen. In zwei Braunkohlentagebauen in Texas ist seit Mitte der 1980er Jahre jeweils ein solches System erfolgreich im Einsatz (XPS, cross-pit-spreader, vergl. Kap. 2.1.3 Seite 62, und Kap. 3.1.6–3.1.10). Beide Tagebaue sind auf Streifenabbau (strip mining) ausgelegt. Ein Schürfkübelbagger (Dragline) gewinnt den Abraum, schwenkt über den Abbaustreifen und verstürzt das
Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
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.. Tabelle 2.1-2 Ausgewählte technische Daten der Einheitsförderbrücken Förderbrücken Typ
F 34
F 45
F 60
Abtragshöhe
m
34
45
Stützweite, einschl. Zubringer
m
180
225
272,5 + 150
272,5 + 160
Auslegerlänge
m
75
125
192
192
theor. Fördervolumen, Hauptband
m³/h
5.900
16.000
27.200
36.000
Bandbreite, Hauptbande
mm
1.600
2.000
2.500
3.000
Dienstmasse, ohne Bagger
t
2.650
5.600
13.000
15.900
angeschlossene Bagger
Typ
2 x ES 1120
2 x ES 1600
3 x ES 3150
3 x ES 3750
Welzow-Süd, Nochten
Jänschwalde
z.B. im Tagebau
60
60
.. Abb. 2.1‑7 Schema eines Brückentagebaus (Quelle: DEBRIV 2005)
Haufwerk direkt im ausgekohlten Bereich. Um ein mehrfaches Umsetzen der Massen (Rehandling) zu vermeiden, wurde bei zunehmender Abraummächtigkeit und sich verschlechternder Standfestigkeit der Kippe ein Vorschnitt eingerichtet. Dieser erfolgte bis zur Einführung des kontinuierlichen Direktversturzsystems mit Schürfkübelwagen (Scrapern). Die XPS-Geräte bestehen aus einem Fahrwerk mit drei Raupengruppen, einem Unterbau, einem über 200 m langen heb- und senkbaren Abwurfausleger sowie einem bzw. zwei Übernahmeauslegern, die mit Gurtbändern und Übergaben ausgestattet sind. Ein bzw. zwei Kompakt-Schaufelradbagger fördern dem Gerät zu. Der Abwurf auf die Dragline-Kippe erfolgt aus maximal 50 m Höhe. Die theoretische Leistung der Systeme liegt bei etwa 6.000 m³/h. XPS-Gerät und
Dragline können einander passieren. Die Abbildung 2.1-8 zeigt das Direktversturz-System mit zwei Kompaktbaggern im Tagebau Big Brown.
Sonderbetriebe Besondere Verhältnisse, z. B. Hartgesteinsschichten, häufige Findlinge, Toneinschlüsse, auch ausgeprägte Muldenstrukturen, können die Einrichtung von Sonderbetrieben erforderlich machen. Zur Bewältigung von Hartgestein dient Bohren, Sprengen, Laden mit Radlader oder Hydraulikbagger und Transport mit SKW, d. h. ein diskontinuierlich arbeitender Sonderbetrieb. Als weitere Möglichkeit ist hier auch das Reißen (ripping) mittels überschwerer Planierraupen sowie
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Kapitel 2.1 Überblick über die kontinuierliche Tagebautechnik
.. Abb. 2.1-8 Kontinuierliche Direktversturzkombination im Braunkohlentagebau Big Brown, Tx., USA
der Einsatz von mobilen Brecher- und anschließenden Bandanlagen anstelle des SKW-Transportes zu erwähnen. Zum Freilegen verhärteter Schichten für einen diskontinuierlichen Sonderbetrieb muss die Höhenlage der Strossen angepasst werden oder, z. B. beim selektiven Terrassenschnitt mit Schaufelradbaggern, ein entsprechender Zugang geschaffen werden. Zur Kohlegewinnung in Muldenstrukturen, die für Großgeräte unzugänglich waren, wurden u. a. im Mitteldeutschen Revier teilweise Fräswalzen vom Typ Easy Miner und Schwerlastkraftwagen eingesetzt. Bei ungünstiger Witterung gestalteten sich dabei die Fahrwegsverhältnisse schwierig. Die Übergabe der Kohle auf eine Bandanlage blieb wegen des schnellen Verhiebfortschrittes der Fräswalze technisch ungelöst (vergl. Kap. 2.8.3 Einsatzbeispiele für Mobiltechnologie).
2.1.5
Abgrenzungen
In dem Überblick über die kontinuierliche Tagebautechnik steht die Kern-Technologie im Mittelpunkt. Bezüglich weiterer Aspekte wird auf nachfolgende Kapitel verwiesen, u. a. zu den Themenfeldern Hilfsgeräte (u. a. Kap. 3.3.2.1) Wasserhaltung und Grundwasserwiederanreicherung (u. a. Kap 2.4 sowie 3.3.1.7 und 3.5) Böschungsstandsicherheit und Bodenmechanik (Kap. 2.5) Details der Arbeitsabläufe (u. a. Kap. 3) Rekultivierung und Tagebaufolgelandschaft (u. a. Kap. 4) Immissionsschutz (u. a. Kap. 4.1.7 und 4.3)
Personaleinsatz (u. a. Kap. 3.7) Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung (u. a. Kap. 2.3, 2.6 und 2.7) Betriebsplanung, -organisation und -steuerung (u. a. Kap. 3.7) Geräteeinsatzplanung und Materialdisposition (Kap. 2.8 und 3.3) Betriebsüberwachung (u. a. Kap. 3.7)
2.1.6
Entwicklungsschwerpunkte
Das Verfahren der kontinuierlichen Tagebautechnik und die hierfür eingesetzten Haupt- und Hilfsgeräte sind prinzipiell seit langem bekannt. Auf Grundlage der langjährigen Erfahrungen wurden zahlreiche Detailverbesserungen bzw. Ertüchtigungen sowie Optimierungen entwickelt und umgesetzt, was wesentlich den erreichten Stand der Technik ausmacht. Zu nennen sind beispielsweise: Bagger/Absetzer: Variable Erhöhung und Regelung von Schwenkgeschwindigkeit des Schaufelradauslegers, der Hubgeschwindigkeit und der Schüttungszahl, Einführung von Konturschnittautomatik, bedarfsgesteuerte Gewinnung zur Minimierung von Bandumstellungen und Absetzer-Fahrten (Verbesserung Zeitgrad), fahrerloser Betrieb von Bandschleifenwagen am Absetzer bzw. Beladewagen am Schaufelradbagger, deutliche Verbesserung der Instandhaltung und Verlängerung von Standzeiten, Einsatz des Global Positioning System (GPS) zur Optimierung der Gewinnungsschnitte und zur Schnittverfolgung auf der Gewinnungsseite mit Datentransfer zur Präzisierung
Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
des Lagestättenmodells oder zur Qualitätssteuerung sowie Kombination mit Laserscannern auf der Verkippungsseite zum „online“-Nachführen des Tagebauaufmaßes und der Massenbilanz Bänder: Einfacher modularer Aufbau und möglichst baugleiche Ausführung der Bauteile, Steigerung der Gurtbreiten, Einzellängen und der Antriebsleistung, Ersatz der Schreitfüße und Schreitwerke durch spezielle Transportraupen, automatische Bandüberwachung, Kontrolle, Wartung und Reinigung durch mobile Einsatztrupps, Verringerung des Zeitbedarfs für Gurt- und Trommelwechsel sowie für Gurtreparaturund Vulkanisierarbeiten, drehzahlgeregelte Bandanlagen zur Verschleißminderung und Energieeinsparung Hilfsgeräte: GPS-gestütztes Hilfsgeräteleitsystem, fahr erloser Betrieb von Haldengeräten Immissionsschutz: Konsequente Minimierung von Geräusch- und Staubemissionen an der Quelle, d. h. durch Einkapselungen u. a. von Getriebe und Motoren und Verwendung geräuschoptimierter Bauteile sowie Staubfangnetze, Bedüsung, Flächenberegnung und Zwischenbegrünung, Einsatz von Frischkompost gegen die Staubentstehung sowie als planerische Schutzmaßnahme das Absenken der obersten Strosse in der Nähe von Bebauungen, Vorziehen einer Hochschüttung auf der Kippenseite als Schutzwall und die Errichtung von bepflanzten Schutzdämmen.
2.1.7
Ausblick
Die kontinuierliche Tagebautechnik hat ihren Schwerpunkt bei der Braunkohlegewinnung in europäischen, insbesondere deutschen Revieren. Da die Braunkohle weitaus überwiegend der Stromerzeugung dient, ist der Ausblick zur kontinuierlichen Tagebautechnik daher unmittelbar mit Energieerzeugung verknüpft. Die Nachfrage nach Energie wird weltweit weiter steigen, regional mit unterschiedlichen Steigerungsraten. Die in Kyoto, Bali und danach getroffenen Verabredungen zum Klimaschutz und zur Reduktion von CO2-Emissionen werden den steigenden Energiebedarf nicht umkehren. Die Verstromung von Braunkohle steht hierbei in Deutschland wegen der hohen spezifischen CO2-Emissionen besonders in der öffentlichen Kritik. Eine Verbesserung der politischen und gesellschaft-
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lichen Akzeptanz haben die Entwicklungsarbeiten unter dem Begriff „Clean Coal“ zum Ziel. Hierunter fällt die CO2-Abtrennung von Rauchgas und seine untertägigen Speicherungen in ausgebeuteten Erdgaslagerstätten oder tiefen Salzwasser-Aquiferen, im Ergebnis ein zur Atmosphäre hin CO2-emissionsfreies oder zumindest emissionsarmes Kraftwerk. Auf europäischer Ebene wird die Entwicklung u. a. als Gemeinschaftsprojekt unter dem Namen „Enhanced Capture of CO2“ (ENCAP) vorangetrieben. Technologische Basis für das von der Vattenfall Europe AG favorisierte Konzept ist das sog. Oxyfuel-Verfahren: Die Kohle wird dabei nicht mit Umgebungsluft, sondern in einer Atmosphäre aus rezirkuliertem Rauchgas und reinem Sauerstoff verbrannt. Durch Auskondensieren kann das Kohlendioxid aus dem Rauchgasstrom getrennt und mittels Druck verflüssigt werden. Die RWE Power AG entwickelt ein Kombikraftwerk mit integrierter Kohlevergasung unter der Bezeichnung IGCC-Verfahren (Integrated Gasification Combined Cycle). Dabei wird die Vergasung von Kohle mit einer CO2-Abtren nung kombiniert und der Strom in nachgeschalteten Gas- und Dampfturbinen erzeugt. Angesichts der insgesamt zahlreichen politisch veranlassten Maßnahmen zum Klimaschutz, die mit hohen Kosten verbunden sind, ist aber herauszustellen, dass ein hauptursächlicher Zusammenhang und eine langfristige Korrelation zwischen einer globalen Erwärmung und dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre wissenschaftlich nicht belegt ist. Im Energiemix werden die fossilen Energieträger, einschließlich Braunkohle, unverzichtbar ihre Bedeutung behalten. Erneuerbare Energiequellen dürften als Ergänzung zu sehen sein. In Deutschland, dem Land mit der weltweit höchsten Braunkohleförderung, hat sich die Braunkohlegewinnung bei rd. 180 Mio. t/a stabilisiert. Revierbezogen entfallen hiervon ca. 100 Mio. t auf das Rheinland, 60 Mio. t auf die Lausitz und 20 Mio. t auf Mitteldeutschland. Die Förderung dürfte im Rheinland auf diesem Niveau bleiben, für die Lausitz und Mittel deutschland gemeinsam erscheint eine Steigerung von derzeit 80 auf etwa 100 Mio. t/a durch den Aufschluss je eines weiteren Tagebaus möglich, d. h. die deutsche Jahresförderung dürfte mittelfristig bei insgesamt 180 bis 200 Mio. t liegen. Sprunghafte Steigerungen sind auch in den Revieren außerhalb Deutschlands nicht zu erwarten. In dem somit annähernd als gesättigt anzusehenden Markt werden in der Zukunft weitere Ertüchtigung an den Betriebsmitteln und eine Effizienz-
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Kapitel 2.1 Überblick über die kontinuierliche Tagebautechnik
steigerung den Vorrang haben. Der Einsatz von neuen Geräten dürfte auf Ersatzbeschaffungen und wenige Neuausstattungen beschränkt bleiben. Die Standard-Geräte der kontinuierlichen Tagebautechnik (vgl. Kap. 3.1) sind weitgehend ausgereift. Für eine Erhöhung der erreichten Leistungsgrenze von 240.000 m³ + t/d besteht kein Bedarf. Selbst diese Maximal-Geräte werden in Zukunft die Ausnahme bleiben. Ob und in welchem Umfang der steigende Energiebedarf zum Aufschluss und Abbau weiterer Ölsandund Ölschiefervorkommen im Ausland führen wird und ob die kontinuierliche Tagebautechnik für solche Einsätze besondere Vorteile aufweist, ist spekulativ. Ein wesentliches Wachstumspotenzial besteht, wie schon erwähnt, für leistungsstarke KompaktSchaufelradbagger im Zusammenwirken mit der diskontinuierlichen Tagebautechnik (vgl. Kap. 3.2). Auch solche Tagebaue entwickeln sich in Bereiche zunehmender Abraumüberdeckung, die dann beim StripMining einen Vorschnitt erforderlich machen wird. Hier bietet sich der Einsatz von Kompakt-Schaufelradbaggern mit Bandabsetzern oder Übersetzgeräten an. Sehr intensives Marketing wäre Voraussetzung für eine erfolgreiche Markteinführung.
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2. 2
Systematische Planungsschritte für einen Braunkohlentagebau Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
2.2.1
Abstrakt: Folgerichtige Tagebauplanung
Die Hauptplanungsschritte werden in einem chronologischen Abriss vorangestellt: Sichtung und Auswertung der Datenbasis des höffigen Bereichs Marktanalyse und Festlegung der benötigten Jahresförderung (Bandbreite) Voruntersuchung der prinzipiellen Genehmigungsfähigkeit (Übereinstimmung mit Zielen von Raumordnung und Landesplanung, rechtliche Gegebenheiten) Feststellung von internen und von außen wirkenden Einflussfaktoren, der Infrastruktur sowie von möglichen Erkundungsdefiziten, deren Behebung, Abschätzung von Bergschäden Detaillierte Planung (Überführung der Lagerstättendaten in ein 3D-Modell, Blockmodellierung, Massenberechnungen für Kohle und Abraum, Lage, Größe und Zuschnitt des Abbaufeldes, Massenströme und Abbaustände in zeitlichen Abständen, Konstruktion von Aufschluss, Außenkippe, Böschungsgeometrie, Arbeitsebenen und Sohlen mit Anbindung und Tagebauendstand, Ermittlung von Qualitäts- und Mächtigkeitsverteilung, Kippenentwicklung, Restraum und Gestaltung, Grundwassermodell) Festlegung der Abbautechnologie und Betriebsmittelauswahl Plankosten- und Wirtschaftlichkeitsrechnungen Abbauplanung in Alternativen, Prüfen der technischen Umsetzung und wirtschaftliche Betrachtung in iterativen Schritten, Entwicklung der optimalen Lösung Bevorratung, Tagesanlagen, Versorgung, Entsorgung bergbaubezogener Rückstände Immissionsschutz, Beeinflussung der Umwelt Rekultivierung und Bergbaufolgelandschaft Vorbereitung der Genehmigungsverfahren und der Umweltverträglichkeitsuntersuchung.
2.2.2
Vorbemerkung
Bei der Planung eines Tagebauneuaufschlusses, eines Anschlusstagebaus oder einer wesentlichen Erweiterung bzw. Veränderung eines Tagebaues ist die optimale Lösung unter wirtschaftlichen und damit zwingend einhergehend technischen, ökologischen und rechtlichen Gesichtspunkten zu finden. Im Sinne der Nachhaltigkeit und dem BBergG entsprechend ist die Lagerstätte möglichst vollständig zu nutzen, sie sollte also insgesamt erkundet werden, wenn auch mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad. Die Abbauverluste sollten so gering wie möglich, die Gewinnung qualitätsgesteuert und in ihrer Höhe flexibel gestaltbar sein. Vorhersehbare Bergschäden, der Wasserhaushalt und die Bergbaufolgelandschaft sind zu berücksichtigen. Besonders wichtig sind der Markt, die Ermittlung der vollen Selbstkosten über die Projektlebensdauer und die Abschätzung der Möglichkeit gravierender zukünftiger Veränderungen. Während der Planung ist jederzeit auf evtl. Ausschluss-Kriterien zu achten und nach Erreichen wichtiger Stufen sind Zwischenevaluationen angeraten. Außerdem sollte das Vorhaben mindestens in seiner Anfangs- und in der Schlussphase mittels Kenndaten mit anderen bestehenden und geplanten eigenen Vorhaben sowie solchen von Dritten verglichen werden (z. B. Benchmarking), um die Entscheidungsgrundlagen für das Management zu verifizieren. Nach getätigten Investitionen oder bei laufendem Betrieb können Korrekturen wegen ungenügender Planung äußerst kostspielig werden. Die Aufgabenfelder einer Tagebauplanung lassen sich mit folgender Struktur darstellen: Vorerkundung des höffigen Bereichs (Lagerstätte wenig detailliert), erste Abschätzung des Lagerstätteninhalts und der möglichen Bauwürdigkeit (ggfs. Aufgabe des Projektes) Marktanalyse (Absatz, Erlös, Mengen, Zeit), Zielfestlegung der Jahresförderung und damit bei bekannten Lagerstätteninhalt die mögliche Lebensdauer des Tagebaus
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Kapitel 2.2 Systematische Planungsschritte für einen Braunkohlentagebau
Rechtliche Gegebenheiten und Genehmigungssituation. Voruntersuchung zur prinzipiellen Genehmigungsfähigkeit (Übereinstimmung mit den Zielen von Raumordnung und Landesplanung, Unterschutzstellungen) Geologische und hydrogeologische Situation sowie Aufbau der Lagerstätte entsprechend bisheriger Erkundung Vorhersehbare Bergschäden (Umsiedlungen, Verlegungen) Eingriffe in den Wasserhaushalt vor, während und nach der bergbaulichen Tätigkeit Infrastruktur Detaillierte Planung Zusammenstellung der vorhandenen Datenbasis Äußere Einflüsse auf das Tagebaugebiet Aufstellung, Durchführung eines ExplorationsBohrprogramms (sofern notwendig) und Darstellung der Ergebnisse (evtl. erheblicher Zeitbedarf) EDV-gestützte 3-D-Blockmodellierung der Lagerstätte Feststellung von geologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten, D : K-Verhältnissen, Abgrenzung des Gesamtkohlefeldes, der Lage und Größe des zu beantragenden Baufeldes, der geologischen und der gewinnbaren Reserven Konstruktion des Tagebaus in Ständen, Bestimmung von Aufschlusslage, -technik und -massen, Konstruktion des Tagebauendstandes, der Böschungs geometrie und der Sohlenanbindungen Wasserwirtschaft Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft Massenberechnungen, Jahresförderung im Zeitablauf, betriebliche Lebensdauer Festlegung von Abbauart, -verfahren und -technik Betriebsmittelauswahl Altlasten (das Tagebaugebiet sollte hiervon frei sein) Kosten und Wirtschaftlichkeit Das Arbeitsprogramm gliedert sich in Vorarbeiten und Recherchen Befahrungen Auswertung sämtlicher Informationen, evtl. erforderliche Ergänzungen wie Bohrprogramm und Auswertung Planungen und Berechnungen, abgestimmt auf die Projekterfordernisse mit Abarbeitung der Aufgabenfelder Ergebnisdarstellung
Nicht alle Aufgabenfelder sind als eigenständige Planungsschritte zu untersuchen, müssen aber bei der Projektbearbeitung temporär oder fortlaufend mitbetrachtet und ggf. bewertet werden. Manche Aufgabenfelder können getrennt von der Planungsgruppe bearbeitet und die Ergebnisse in die Gesamtplanung eingebracht werden.
2.2.3
Planungsschritte
Die nachfolgenden Planungsschritte untergliedern die Aufgaben und zeigen beispielhaft die systematische Durchführung einer Tagebauplanung verbunden mit ergänzenden Anmerkungen, wobei deren Reihenfolge den Anforderungen des spezifischen Projekts angepasst oder auch danach abgewandelt werden kann. Es besteht viel Parallelität mit der Durchführung einer „Due-Diligence“-Untersuchung, jedoch gehen die Planungsschritte darüber hinaus.
1. Überblick Erstellung eines aufgabenbezogenen Überblicks des voraussichtlichen Arbeitsprogramms sowie eines vorläufigen Zeit- und Personal- sowie Kostenrahmens für die Planungsarbeit.
2. Vorhandene Datenbasis Sammlung, Sichtung und Auswertung vorhandener Informationen und Feststellung von wesentlichen Lücken. Dieser Punkt beschränkt sich nicht auf Lagerstätte und das Projekt, sondern sollte sich auch mit Infrastruktur, Umfeld, Markt und rechtlichen Gegebenheiten befassen. Mögliche Explorationsdefizite werden erkannt und diesbezüglich Vorschläge unterbreitet.
3. Feststellung von Einflussfaktoren auf das Tagebauprojekt Bei einer Planung dürfen von außen wirkende Faktoren nicht übersehen werden. Genannt werden Rechtliche, politische, genehmigungsrechtliche und soziale Gegebenheiten, Steuer- und Währungsfragen, zu erwartende Auflagen, bestehende Verpflichtungen
Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
Umwelt-, Natur- und Nachbarschaftsschutz, vorhersehbare Bergschäden sowie auch die Abschätzung unvorhersehbarer Bergschäden durch z. B. den Eingriff in den Grundwasserhaushalt oder schädliche Bodenbewegungen durch Abbaueinwirkung Klima: Auf den Tagebau als offene Baugrube wirkt das Klima stark ein. Einzelfaktoren, wie Niederschläge, Temperaturen, Windverhältnisse können die Wahl der Geräte sowie den zu erwartenden Zeit- und Lastgrad aller maschinellen Anlagen beeinflussen Altlasten und Bergschäden Infrastruktur Transportwege für Zulieferer und Personen Montagemöglichkeit Großgeräte Transport zum Verbraucher Energieversorgung Personalsituation Oberflächenwasser, Vorflutsystem. Innere Einflussgrößen ergeben sich aus der Geologie, der Lagerstätte, dem Deckgebirge und der Grundwassersituation
4. Erste Bewertung Erster Abgleich von Kenndaten des Projektes mit anderen eigenen und fremden Vorhaben (z. B. vorläufiges Benchmarking oder anderes geeignetes Verfahren), Bewertung und Empfehlung, mögliche Abbruchphase.
5. Lagerstätte Die Lagerstätte bildet die Grundlage der bergbaulichen Tätigkeit. Es wird unterstellt, dass gewisse Erkundungsergebnisse, z. B. aus einem vorausgegangenen Bohrprogramm, vorliegen. Folgende Gesichtspunkte werden herausgehoben: Erkundungsgrad (beeinflusst die Güte der Aussagen und die zu erstellende 3 D-Darstellung der Lagerstätte) Gesamt- bzw. Restinhalt der Lagerstätte (bestimmt die technisch gewinnbare Menge und damit die Lebensdauer) Qualität der Kohle, Qualitäts- und Mächtigkeitsverteilung (bestimmt u. a. das Abbauverfahren, die Abbauführung und die Schnittstelle zum Kraftwerk)
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Abraumüberdeckung und Wasserhaushalt (liefern Aussagen zur Bodenmechanik, Abbautechnik und Sümpfungsmaßnahmen) Sofern erforderlich, Aufstellung und Durchführung bzw. Überwachung eines ergänzenden ExplorationsBohrprogramms mit Auswertung der Ergebnisse. Besonders wichtig ist eine 3-D-Darstellung der Lagerstätte und der geologischen Situation mit Hilfe eines geeigneten EDV-Programms (z. B. SURPAC, vgl. Kap. 2.7). Die Block-Modellierung ist die Grundlage weiterer geologischer und hydrogeologischer Karten (Schichtflächen, Längs- und Querprofile, Grundwasserstände und Stockwerke in Hydroisohypsen und GW-Differenzenplänen) sowie der Massenberechnungen für Kohle und Abraum. Betriebs- und Endböschungsneigungen werden festgelegt, nutzbare beibrechende Minerale und Abbauerschwernisse (z. B. Findlinge, harte oder weiche Tonschichten) werden ermittelt. Die Blockmodellierung ist auch die Grundlage der Tagebauplanung.
6. Jahresförderung Nach diesen Vorarbeiten ist die Bestimmung der Jahresförderung und ihrer zeitlichen Dauer notwendig. Sie ergibt sich aus dem Bedarf von Kraftwerk und Veredlungsbetrieben sowie den Produktionsmöglichkeiten in Abhängigkeit von der Lagerstätte. Bei der engen Koppelung vom Gewinnungsbetrieb zum Abnehmer, insbesondere zum Kraftwerk, wird die Förderhöhe ganz wesentlich von diesem mitbestimmt. Da Braunkohlenkraftwerke vorzugsweise im Grundlastbereich eingesetzt werden, weist die Planung der Förderhöhe i.d.R. eine deutlich höhere Sicherheit auf als in Abbaubetrieben, die in unmittelbarer Konkurrenz zueinander stehen, wie es z. B. die weltweit auf Export ausgelegten Steinkohlenbetriebe sind. Die relative Abnahmesicherheit hat auch Auswirkungen auf die Investitionen und kann auf die Auswahl der technischen Systeme bzw. die Systemgrößen durchschlagen. Bei hoch mechanisierten Tagebauen sind die fixen Kosten von entscheidender Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit. Der Tagebau muss bereits vor der Inbetriebnahme bis zur Auskohlung technisch und wirtschaftlich durchgeplant werden. Zur Lösung dieser Aufgabe kann ein Wirtschaftlichkeitsplan dienen, der aus einer Reihe von Teilplänen besteht, wie Absatzplan, Erlösplan, Produktionsplan, Betriebsplan, Kapazitätsplan, Personalplan,
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Kapitel 2.2 Systematische Planungsschritte für einen Braunkohlentagebau
Geräte-Leistungsplan, Investitionsplan, Kosten- und Cashflow-Plan. Die Pläne finden später Eingang in eine Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung.
7. Analyse der Ist-Situation Die Ist-Situation ist zu erfassen. Planungsarbeit bezieht sich nicht allein auf einen Neuaufschluss, sondern meist auf Anschlusstagebaue oder die Planung wesentlicher Änderungen, auch Erweiterungen. Bei letzteren ist eine Prüfung der bestehenden Planung und eine Bewertung der vorhandenen Tagebaugeräte, der Wasserhaltung, der Werkstätten, der Ver- und Entsorgung sowie der Verkehrsanbindung zum Verbraucher beim Übergang in das neue Feld vorzunehmen und mit den zukünftigen Anforderungen abzugleichen.
8. Abbauverfahren und prinzipielle Überlegungen zu den Tagebauhauptgeräten Unter den geologischen Bedingungen Mitteleuropas ist die kontinuierliche Betriebsweise mit flächenhaftem Scheibenabbau, bei dem Lösen, Laden und Transportieren jeweils auf einer Scheibe durchgeführt wird, in Schwenk- oder Parallelführung vorrangig. Hauptgewinnungsgeräte sind Schaufelrad- und Eimerkettenbagger, letztere beschränkt auf ungestörte Lagerungsverhältnisse und Akzeptanz der hohen Geräuschemissionen. Bei Planungen unter anderen Bedingungen kann die diskontinuierliche Betriebsweise mit den dafür typischen Geräten von Vorteil sein, z. B. Strip Mining mit Schürfkübelbagger und Hydraulik- oder Seilbagger und SKW Betrieb oder auch Continuous Miner mit SKW- oder Bandbetrieb. Diese Verfahren können alleinig oder aber auch kombiniert zum Einsatz kommen. Vor dem Fortgang der Planung ist es notwendig, diesbezügliche Rahmenüberlegungen zu treffen, welche später angepasst werden können.
9. Abbau- und Kippenplanung sowie Massenberechnungen im Zeitablauf Auf der Grundlage der Block-Modellierung der Lagerstätte und der bisherigen Erkenntnisse erfolgen Abbau- und Kippenplanungen abschnittsweise in fortlaufenden Ständen über das Tagebaugebiet von Aufschlussbeginn bis zur Auskohlung mit Berechnung
der jeweils anstehenden Massen. Dabei wird, ebenfalls abschnittsweise nach kulturfähigem Boden, Abraum mit überwiegend bindigen/nicht bindigen Eigenschaften und Kohle differenziert. Die Kippenplanung muss eine standsichere Unterbringung der Kippenmassen, ausreichende Arbeitsfläche auf dem Liegenden und schnelle Beendigung der Außenverkippung berücksichtigen sowie eine zeitnahe Wiederherstellung der gestörten Landschaft ermöglichen. Das Verhältnis von Deckgebirgsmächtigkeit zu Kohlemächtigkeit (D : K in m : m) kann über das Feld verteilt unterschiedlich sein. Das Verhältnis von Abraum zu Kohle (m³ : t) ist wegen der Böschungsanteile, die neben der Lagerstätte und daraus resultierender gebirgsmechanischer Vorgaben von der Feldesform abhängen, ungünstiger. Hinzu kommen beispielsweise Zwischenmittel, nicht verwertbare Lagerstättenanteile und Gewinnungsverluste an Grenzflächen. Vom Abraum zu Kohleverhältnis des Gesamtfeldes ist das auf einzelne Zeitabschnitte bezogene betriebliche A : K-Verhältnis zu unterscheiden. Die absoluten Massenbewegungen sowie das betriebliche A : K-Verhältnis sollten sich im Zeitablauf nicht sprunghaft verändern und müssen die Regelförderung gewährleisten. Vorhersehbare Bergschäden, d. h. Verlegungen und Umsiedlungen, sollten möglichst vermieden bzw. minimiert werden. Die vorstehenden Überlegungen beeinflussen die Begrenzung der wirtschaftlich gewinnbaren Vorräte. Die Anordnung der Sohlen und Arbeitsebenen kann nach verschiedenen Gesichtpunkten erfolgen. Zu nennen sind Geräteparameter, z. B. gewinnungsseitig Abtrags- und Aushaltehöhen sowie zulässige Neigung typischer, in Frage kommender Geräte, analog kippenseitig zulässige Hoch- und Tiefschüttung. Die unmittelbare Verknüpfung der beiden Seiten ist hierbei zu berücksichtigen. Häufig sind iterative Planungsprozesse mit Änderungen oder Korrekturen erforderlich. Es kann hierbei z. B. sogar notwendig sein, alternativ die Abbauführung von Parallel- und Schwenkbetrieb unter Berücksichtigung eines oder mehrer Bandsammelpunkte bzw. Bandsammelschienen oder auch einer Kombination aus beiden Prinzipien die Materialverteilung zu planen und zu vergleichen. Die Planung muss auch die Lage des Restraumes und die Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft unter technologischen, wirtschaftlichen sowie umweltrelevanten Gesichtspunkten und der Wiederherstellung eines sich selbst regulierenden Grundwassergehalts berücksichtigen.
Christian Niemann-Delius, Rolf Dieter Stoll
Eine weitere Aufgabe der Tagebauplanung besteht darin, die für die Lagerstätte und die Förderhöhen am besten geeigneten Gerätetypen zu ermitteln. Sie sollten, insbesondere aus Gründen eines flexibleren Einsatzes und der vereinfachten Ersatzteilhaltung für die erforderliche Instandhaltung, möglichst standardisiert sein. Als Ergebnis der Planung können auch gebrochene Systemketten entstehen, z. B. getrennter Vorschnitt, diskontinuierlich arbeitender Sonderbetrieb zur Aufwältigung von Steine-Horizonten, Bandbetrieb/Abraum und Bahnbetrieb/Kohle. Der Detaillierungsgrad einer Planung kann sich von grob überschlägig bis hin zu Generalplanung für das Vorhaben entwickeln.
10. Bestimmung der einzusetzenden Geräte Die einzusetzenden Geräte werden auf Basis des Förderplanes, der abbauplanerischen Vorgaben und der geforderten Massenbewegung dimensioniert. Weiterhin gehen die Charakteristik der Lagerstätte und des anstehenden Materials, die Beschaffenheit des Bodens u. v. m. ein. Die Auswahl der Systemgrößen berücksichtigt außerdem die Ausnutzungsgrade bestehend aus Zeitund Lastgrad. Theoretische Berechnungen führen oft zu zu optimistischen Ansätzen, so dass Vergleiche mit bestehenden Betrieben vorgenommen werden sollten, bzw. bestehende Rechenmodelle erst nach sorgfältiger Prüfung auf Übertragbarkeit zur Hilfe genommen werden sollten. Der zu planende Gerätepark untergliedert sich in Hauptgeräte zur Gewinnung und Verkippung, Transportmittel und Hilfsgeräte. Hauptgewinnungsgeräte wurden unter Punkt 8 angesprochen. Für die Verkippungsseite sind Bandabsetzer, Bandschleifenwagen mit angeschlagenem Schwenkband sowie Direktversturzgeräte vorrangig zu erwähnen. Hinsichtlich der Transporträume sind der engere und der weitere Tagebaubereich zu unterscheiden. Transportmittel im erstgenannten Bereich folgen dem wandernden Abbauund Kippenfortschritt und haben Steigungen zu überwinden, im zweiten Bereich finden sich stationäre Strecken zum Verbraucher. Zum Einsatz kommen Band-, Bahn- und SKW-Transport. Auf Grundlage der reichlichen betrieblichen, auch veröffentlichten Erfahrungen und der Hersteller-Empfehlungen kann planerisch die Auswahl und Kombination der Geräte erfolgen. Typisch für Braunkohlentagebaue ist, dass wegen des hohen Wassergehalts (> 50%) im Allgemeinen angestrebt
73
wird, den Transport außerhalb des Tagebaus möglichst kurz zu halten. Die Notwendigkeit, mehrere Verbraucher zu versorgen, das Fortschreiten der Betriebe bzw. die Revierentwicklung oder industriepolitische Entscheidungen können zu Abweichungen führen. Auch die Planung des Geräteparks erfordert häufig die Entwicklung von Alternativen zur Wahl der besten Lösung.
11. Grund- und Oberflächenwasser Der Braunkohletagebau ist trocken zu halten, um so stabile Böschungen und tragfähige Arbeitsebenen zu gewährleisten. Bei der Entwässerungsplanung stellt sich zunächst die Aufgabe der Festlegung des vom projektierten Tagebau wasserwirtschaftlich beeinflussten Gebiets. Es erfolgen eine hydrogeologische Bestandsaufnahme und 3 D-Darstellungen der Grundwasser leitenden und stauenden Schichten, mit Permeabilität, Porosität, Grundwasserständen und deren natürlichen Veränderungen sowie möglicher Inhomogenitäten. Die Ist-Situation vor Beginn der bergbaulichen Tätigkeit ist zu erfassen (Ausgangsbasis im Hinblick auf Umweltschäden, spätere Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzwasseransprüche). Grundwasservorrat (vorhandenes Grundwasser im Tagebaubereich) und Zufluss sind zu ermitteln. Maßnahmen zu seiner Hebung sowie Absperrung (Feldes- und Randbrunnen, auch Dichtwände) und der Einleitung in die Vorflut (Ausbau, Wasserqualität) sind prinzipiell zu planen, ggf. sind auch Pumpversuche notwendig. Planerisch zu bearbeiten sind das Fernhalten von Oberflächenwasser sowie die Sammlung und Ableitung des Niederschlagswassers. Die hieraus resultierenden, wesentlichen Einrichtungen für die Entwässerung finden einen durchgängigen Eingang in die Gesamtplanung.
12. Aufschluss Bei einer Aufschlussplanung sind zahlreiche Kriterien zu bedenken. Einige werden für den engeren Bereich der Aufschlussfigur nachstehend genannt: Geringe absolute Teufe, günstiges A : K-Verhältnis Möglichst keine Bergschäden, gleichmäßige Topographie Keine oder nur geringe vorlaufende Grundwasserabsenkung
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Kapitel 2.2 Systematische Planungsschritte für einen Braunkohlentagebau
Möglichst frei von insbesondere tektonischen Störungen Kurze Transportwege, günstige Anbindung an Infrastruktur und Versorgung, Gerätetransport Minimale nahe Außenkippe, frühe Bereitstellung einer Regelförderung Günstiger Übergang zum Regelbetrieb Möglichst Einsatz von Tagebauhauptgeräten Manche solcher Forderungen können gegenläufig sein. Dann wird eine Abwägung erforderlich. Die Planung umfasst den Aufschluss mit Massen, Böschungsneigungen, Sohleneinteilung und deren Anbindung sowie Aufbau und Gestaltung der Außenkippe. Mittels Planung von Alternativen und deren Vergleich lässt sich die beste Lösung finden.
13. Ermittlung von Abbauständen in zeitlichem Ablauf Ausgehend vom Blockmodell der Lagerstätte erfolgte die Abbau- und Kippenplanung mit Massenberechnungen abschnittsweise über das Tagebaugebiet (vgl. Punkt 9). Unter Berücksichtigung der jährlichen Förderung werden hieraus Jahres- bzw. Mehrjahresstände. Freizulegender Kohlevorrat (Winterbetrieb) sollte als Abraumvorlauf eingeplant werden.
14. Bevorratung Es sind Überlegungen zur Notwendigkeit und Größe einer Misch- und Vorratshalde anzustellen. Erforderlichenfalls ist sie mit Lage, Größe und betrieblichen Einrichtungen in die Planung einzubeziehen. Das gilt analog für die Kohleverladung mit ihren Einrichtungen.
15. Tagesanlagen Die erforderlichen Tagesanlagen, wie Verwaltung, Werkstätten, soziale und weitere infrastrukturelle Einrichtungen, beispielsweise Tankstelle, Magazine, Betriebsüberwachung, Parkplätze, sind zu ermitteln und zu planen.
16. Versorgung, Entsorgung bergbaubezogener Rückstände Planerisch sind Aussagen über Sicherstellung der Verund Entsorgung des Tagebaus mit Wasser, Strom, Betriebsstoffen, Ersatzteilen u. a. m. zu treffen. Ebenfalls ist planerisch die Entsorgung bergbaubezogener Abfälle und Rückstände (Filter- und Kessel asche des Kraftwerks) und soweit erforderlich die Abbruchmassen aus dem Vorfeld im Tagebau sicherzustellen.
17. Immissionsschutz Über die Auflagen des Arbeitsschutzes hinaus müssen Braunkohlentagebaue strenge Immissionsschutzanforderungen erfüllen. Ansatzpunkt für Maßnahmen bietet die Minderung der Emissionen. Dabei hat die Planungsphase bereits Einfluss auf die später umzusetzenden technischen, organisatorischen oder planerischen Maßnahmen. Klassische technische Emissionsminderungsmaßnahmen sind z. B. Kapselung und Einhausung, Verwenden geräuscharmer Getriebe sowie Bandrollen oder Sprühanlagen gegen Staub. Eher organisatorischer Art sind Zwischenbegrünungen, Wegebefestigungen gegen Staub oder das Vermeiden von Arbeiten, insbesondere das Einsetzen von Hilfsgeräten, zu sensiblen Zeiten in Nachbarschaftsnähe. Zu den eher planerischen Maßnahmen zählen das Absenken der obersten Sohle, das Einkürzen von Strossen oder das Anlegen von Schutzwällen lange im Vorfeld des Abbaus. Heute werden statistisch relevante Staub- (Feinstaub-) und Lärmmessungen schon vor Beginn der bergbaulichen Tätigkeit durchgeführt (definierte Aus gangsbasis) und während des Betriebes regelmäßig zur Überprüfung und Dokumentation fortgesetzt (Zusatzbelastung, Einhaltung der Grenzwerte).
18. R ekultivierungsplanung und Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft Planerisch ist zu beachten, dass die Rekultivierung der Kippe zügig dem Abbau folgt. Hierzu gehört insbesondere der getrennte Abtrag und schonende Wieder auftrag der kulturfähigen Böden und die geeignete Technik. Die Planung der Rekultivierung und die Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft sollte im Einklang
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mit den Vorstellungen von zuständigen Behörden und Fachverbänden zum Landschafts-, Umwelt- und Naturschutz stehen. Das gilt analog für die gezielte Verkippung hochtragfähiger Böden zur Erstellung von Baugrund in entsprechenden Vorranggebieten.
19. Kosten und Wirtschaftlichkeit Eine Tagebauplanung wäre ohne Kosten- und Wirtschaftlichkeitsberechnung unvollständig. Es bietet sich an, die Gesamtkosten pro Jahr mit Hilfe der sog. Plankostenrechnung (statische Rechnung) zu ermitteln. Sie gliedert sich beispielhaft wie folgt (Tab. 2.2-1): .. Tab. 2.2-1: Plankostenrechnung vereinfachtes Model Kalkulatorische Kosten
Betriebsnahe Gemeinkosten
Betriebskosten
(Fix, ca. 50–60%)
(ca. 10%, weit gehend fix)
(30–40%, variabel)
• Verbrauchsbedingte Abschreibung • Betriebsbedingter Kapitaldienst
• Bergschadenskosten • Rekultivierungskosten • Allg. Gemeinkosten
• Arbeitskosten • Energiekosten • Sachliche Kosten • Materialverbrauch • Fremdleistungen • Instandsetzungsprojekte
Investitionen und Re-Investitionen werden ab dem Jahr berücksichtigt, in dem sie getätigt werden. Vorlaufende Kosten, wie für Erwerb, Exploration, Planung, Gutachten und Genehmigungsverfahren sowie die Kosten des Aufschlusses können wie Investitionen in die kalkulatorischen Kosten eingehen. Durch Division der jährlichen Kosten mit der Jahresförderung ergeben sich die jeweiligen Kosten pro Tonne Kohle. Zur Ermittlung der vollen Selbstkosten pro Tonne Kohle im Zeitablauf sowie zum Vergleich verschiedener Abbauvarianten und zur Berücksichtigung des Effekts von Zins- und Zinseszins, insbesondere mit Hinblick auf die unterschiedlichen Zeitpunkte von Zahlungen, bieten sich dynamische Verfahren der Wirtschaftlichkeitsrechnung an. Dabei können verschiedene Kennziffern einzeln oder in Kombination für die Bewertung der Vorteilhaftigkeit der Investition herangezogen werden, wie der Kapitalwert (Net Present Value), die Dynamische Amortisationsdauer
75
(Payback Period), der Interne Zinsfuß (Internal Rate of Return) oder eine auf der Kapitalwertmethode beruhende Ermittlung der Durchschnittskosten (vgl. Kapitel 2.6.1.2).
20. Abschließender Vergleich der ermittelten Kenndaten mit anderen eigenen und fremden Projekten Nach Durchführung der Planung stehen viele aussagekräftige Kenndaten über das Projekt zur Verfügung, die sich mit den Kenndaten anderer eigener und fremder laufender oder geplanter Vorhaben vergleichen lassen (z. B. Benchmarking). Es ergibt sich ein für die endgültige Investitionsentscheidung wichtiges Rating. Im internationalen Vergleich wird häufig eine Kennzahl aus dem Verhältnis von Investitionssumme zum Wert der geplanten Jahresförderung gebildet, die anderen Projekten auf der grünen Wiese (Green Field Projekt) oder solchen in bereits erschlossenen Revieren (Brown Field Project) gegenübergestellt werden können.
2.2.4
Schlussbemerkung
Vorstehend wurde beispielhaft eine systematische Tagebauplanung vorgestellt und ihre Komplexität aufgezeigt. Entsprechend den Erfordernissen eines konkreten Projektes können einzelne Planungsschritte verkürzt werden, wegfallen oder neue hinzukommen.
Literatur Berkner, Andreas: Wiedernutzbarmachung im Braunkohlenbergbau und forschungsseitige Grundlagen – Eine Standortbestimmung aus Sicht der Planungspraxis, aus: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung Sonderheft (2004) Heft 14 Nachhaltige Entwicklung von Folgelandschaften des Braunkohlentagebaus, S. 217–227 Goergen, Hans: Festgesteinstagebau, Trans Tech Publications, Clausthal-Zellerfeld, 1987 Goergen, H. et. al.: Folgerichtiger Gang einer Tagebauplanung mit kritischen Anmerkungen, aus: Braunkohle, 1980, Heft 8 (August), S. 223–229 Hempel, R.-J. et al.: Planung und Steuerung des Tagebaus Hambach, aus: World of Mining – Surface & Underground, Band 56 (2004) Heft 2, S. 93–104
76
Kapitel 2.2 Systematische Planungsschritte für einen Braunkohlentagebau
Krug, Martin: Planungskriterien und angewandte Planungsmethoden in den Tagebauen Frimmersdorf (1960–1975), aus: Braunkohle, 1976, Heft 10 (Oktober), S. 362–370 Krug, Martin; Fröhling, Ernst Peter, Zur Betriebswahrscheinlichkeit neuer Braunkohlentagebaue, aus: Braunkohle, 1973, Heft 9 (September), S. 249–253; Braunkohle, 1973, Heft 10 (Oktober), S. 288–298 Kulik, Lars et al.: Garzweiler II – Realisierung eines komplexen Projektes, aus: World of Mining – Surface & Underground, Band 58 (2006) Heft 4, S. 217–228 Leuschner, H.-J.: Planungskriterien für den Aufschluß des Braunkohlentagebaues Hambach, aus: Braunkohle, 1972, Heft 2 (Februar), S. 41–50 Staby, Dieter et. al.: Inhaltliche und methodische Grundlagen für die Bestimmung der Produktionskapazität von Braunkohlentagebauen, aus: Neue Bergbautechnik, Band 10 (1980) Heft 2 (Februar), S. 102–112
Steinmetz, R. et al.: Langfristige Planung von Tagebauen – eine Voraussetzung für den umweltgerechten Lagerstättenabbau, aus: Neue Bergbautechnik, Band 22 (1992) Heft 9/10, S. 366–370 Steinmetz, Richard; Mahler, Hermann: Tagebauprojektierung, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 1987 Strzodka, Klaus: Tagebautechnik I+II, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 1979/1980 Thiele, H.-J.: Das langfristige abbautechnische und wasserwirtschaftliche Planungskonzept für den Tagebau Garzweiler im Rheinischen Braunkohlenrevier, aus: Neue Bergbautechnik, Band 21 (1991) Heft 1, S. 27–36 Wibowo, Aryo Prawoto: Technisch-wirtschaftliche Untersuchungen zur Entwicklung des Bukit Asam Braunkohlevorkommens unter Berücksichtigung der Energieprognose der Republik Indonesien, Dissertation, RWTH Aachen, 2001
2.3
Lagerstättenerkundung und -geologie Ralf Kühner, Sven Asmus, Rudolf Bönisch, Thomas Fischkandl
Die Erkundung von Braunkohlelagerstätten setzt heute nahezu überall auf einem Informationsstand auf, in dem bereits grundlegende Kenntnisse über das jeweilige Braunkohlevorkommen vorhanden sind. Die Neuentdeckung wirtschaftlich gewinnbarer Braunkohlelagerstätten gehört weitgehend der Vergangenheit an. Ziel der Lagerstättenerkundung ist es daher zum einen, die Informationen über ein Braunkohlevorkom men vor dem Aufschluss eines Bergwerks so weit zu verdichten, dass die lagerstättengeologischen Grundlagen für erste Planungen bereitgestellt werden können. Am Schluss dieser Planungen steht dann die Entscheidung, ob und wo der Aufschluss eines Gewinnungsbetriebes erfolgen kann und in welchem Umfang eine Lagerstätte wirtschaftlich nutzbar ist. Auch nach der Aufnahme bergbaulicher Aktivitäten bleibt die betriebsbegleitende Lagerstätten erkundung (mining geology) eine der Kernaufgaben eines Bergbauunternehmens. Das Ziel der Erkundung ist es nun, die Lagerstättenkenntnisse in mehreren Iterationsschritten zu verdichten und damit die Genauigkeit von Lagerstättenmodellen und -darstellungen so weit zu steigern, dass diese sowohl eine Basis für alle technischen und wirtschaftlichen (Detail-) Planungen eines Gewinnungsbetriebes bilden können, als auch die für Betriebssteuerungsaufgaben erforderlichen geologischen Informationen beinhalten. Die Methodik und die Intensität der Lagerstättenerkundung sind neben der Komplexität der Lagerstätte abhängig von der im Bergbaubetrieb eingesetzten Gewinnungstechnik. Je flexibler die Gewinnungstechnik auf lagerstättenbedingte Unwägbarkeiten reagieren kann, umso geringer sind die Ansprüche an die Genauigkeit der Lagerstättenmodelle. Umgekehrt benötigt der Einsatz von Großgeräten, insbesondere der schienengebundener Großgeräte, eine besonders detaillierte geologische Vorerkundung. Ergebnisse der Lagerstättenerkundung sind einerseits Informationen über die räumliche Lage der (des) Braunkohlenflöze(s) und des Deckgebirges bzw. der Nebengesteinsschichten. Erste Hinweise über die Bauwürdigkeit eines Braunkohlevorkommens liefert das Verhältnis von Deckgebirgs- zu Kohlemächtigkeit (D : K-Verhältnis), vorausgesetzt der Abbau findet, wie heute überwiegend üblich, im Tagebau statt.
Ein wichtiges Erkundungsziel bei einer Braunkohlelagerstätte ist darüber hinaus die Ermittlung der brennstoffspezifischen Parameter, d.h. die Bestimmung des Energieinhaltes der Kohle und aller weiteren Parameter, die die Nutzungsmöglichkeiten der Kohle beeinflussen. Der Energieinhalt wird neben der anstehenden Kohlemenge maßgeblich vom unteren Heizwert (Hu) bestimmt. Der Betrag des Heizwertes ist abhängig vom Heizwert der wasser- und aschefreien Kohlesubstanz (Huwaf), dem Asche- sowie dem Wassergehalt der Braunkohle. Alternativ oder ergänzend zum D : K Verhältnis wird auch der Wärmeinhalt einer definierten Fläche der Lagerstätte, z. B. 1 m², mit dem Volumen der zu beräumenden Deck- und Nebengesteinsschichten derselben Fläche ins Verhältnis gesetzt. Dieses Vorgehen findet man vor allem bei Lagerstätten, in denen der Übergang von Kohle und Nebengestein fließend ist und damit der Heizwert der Kohle starken Schwankungen unterworfen ist. Die Lagerstätte ist dort häufig in eine Vielzahl einzelner Flöze aufgespalten. Die Grenze zwischen Kohle und Nebengestein wird durch eine aus der Gewinnungstechnik resultierende Mindestmächtigkeit und einem Mindestheizwert der Förderkohle definiert. Intensives Augenmerk ist bei der Lagerstättenerkundung auch auf die Lithologie der Nebengesteine zu richten. Ihre detaillierte Beschreibung bildet die notwendige geologische Grundlage (Basisdaten) zur Gewährleistung der geotechnischen Sicherheit, der Grundwassermodellierung, der Begleitrohstoffnutzung sowie zur Lösung umweltgeologischer und rekultivierungsrelevanter Fragestellungen. Ein weiterer wichtiger lithologischer Aspekt der Lagerstättenerkundung ist das Erkennen von Verfestigungen (Sand-, Schluff- oder Tonsteine) im Lockergestein, die die Gewinnung signifikant behindern. Große Unsicherheiten bei der Prädiktion von Verfestigungen treten häufig dort auf, wo sich die Eigenschaften der Verfestigungen nicht so deutlich von den sie umgebenden Lockergesteinen unterscheiden, als dass sie mit den zur Verfügung stehenden Erkundungs methoden erkannt werden. Die Bindemittel zwischen den Lockergesteinskörner verringern in diesen Fällen die Porenräume der Gesteine nur geringfügig. Häufig
78
Kapitel 2.3 Lagerstättenerkundung und -geologie
reichen diese Verfestigungen aber bereits aus, um einen Gewinnungsbetrieb mit kontinuierlich arbeitenden Großgeräten erheblich zu beeinträchtigen. Zu den geometrischen Aspekten der Lagerstättenerkundung zählt die exakte Erkennung der Lagerungsverhältnisse von Kohle und Nebengestein. Die ursprünglich horizontal abgelagerten Sedimentschichten können im Laufe der Erdgeschichte u. a. durch tektonische Prozesse, Subrosion im Untergrund, Erosion und glaziale Einflüsse ihre Erscheinungsform verändert haben. Als Folge zu beobachten sind z. B. kleinteilige Zergliederungen der Lagerstätte durch Verwerfungen, Auffaltungen von oberflächennahen Lagerstättenteilen und schnell wechselnde Mächtigkeiten sowie deutliche Variationen in Betrag und Richtung des Einfallens von Flözen und Nebengesteinsschichten. Erkundungsziel ist es auch, den Verlauf, das Einfallen und den Verwurfsbetrag tektonischer Störungen zu ermitteln. Die Lagerstättenerkundung und -modellierung ist ein Prozess, bei dem aus vergleichsweise wenigen Lagerstättenaufschlüssen Modelle und Darstellungen mit großem räumlichem Umfang abgeleitet werden. Das bedeutet, dass der Interpretation dieser Daten erhebliche Bedeutung zukommt. Die richtige Interpretation der Daten setzt sehr gute regionalgeologische Kenntnisse voraus, die nur durch ein ständiges Abgleichen von im Tagebau aufgeschlossener Lagerstätte mit dem zuvor erstellten Lagerstättenmodell zu erreichen sind. Zwischen den verschiedenen Schritten der Lagerstättenbearbeitung sollten daher so wenige Schnittstellen wie möglich bestehen. Lagerstättenerkundung und Modellierung ist, sofern sie als Kernaufgabe im Bergbauunternehmen angesiedelt ist, eine unternehmensinterne Dienstleistung für andere Fachbereiche. Hauptnutzer der Ergebnisse der Lagerstättenuntersuchungen sind im Bergbaubetrieb die Tagebauplanung und die Großgerätesteuerung, die Hydrologie und Entwässerungsplanung sowie die Gebirgsmechanik. Nutzer kohlequalitätsbezogener Daten aus der Lagerstättenbearbeitung sind auch die Betriebe, in denen die Kohle eingesetzt wird, beispielsweise Kraftwerke und Veredlungsbetriebe.
2.3.1
Methoden der Lagerstättenerkundung
2.3.1.1 Erkundung durch Bohrungen Das Abteufen von Bohrungen ist die in allen Braunkohlenrevieren eingesetzte Basismethode zur Lager-
stättenerkundung. Erkundungsbohrungen sind aber u. a. auch erforderlich, um Ergebnisse vorlaufender geophysikalischer Lagerstättenerkundungen mittels physischer Aufschlüsse zu überprüfen bzw. um detaillierte Kenntnisse zum Schichtenaufbau oder zur Schallausbreitungsgeschwindigkeit im Untergrund für die Interpretation geophysikalischer Messungen zu ermitteln oder um Sedimentproben zur Ermittlung bodenphysikalischer, rohstoffqualitativer oder petrographischer Parameter zu gewinnen. Darüber hinaus ist dort, wo geophysikalische Messungen von der Tagesoberfläche aus aufgrund ungünstiger Randbedingungen keine befriedigenden Beiträge zur Lagerstättenerkundung liefern können, das Abteufen von Erkundungsbohrungen die einzige Möglichkeit, Aufschlüsse in unverritzten Lagerstättenteilen zu erhalten. Auch im Tagebau selbst werden häufig zur Erkundung von Lagerstättendetails weitere Bohrungen abgeteuft. Die Bohrungsdichte und der Zeitpunkt des Abteufens von Bohrungen sind abhängig vom Genauigkeitsanspruch, der in den verschiedenen Phasen der Errichtung und des Betriebs eines Braunkohlentagebaus an die lagerstättengeologischen Darstellungen und Modelle gestellt wird. Die Bohrdichte wird darüber hinaus von der Komplexität der Lagerstätte bestimmt. Die zur Erkundung erforderlichen Bohrdichten besitzen eine große Bandbreite. Zur Definition eines Abbaufeldes und der Entscheidung zur Aufnahme einer Bergbautätigkeit können bereits wenige Bohrungen je km² ausreichend sein. Häufig anzutreffende maximale Bohrdichten bei durchschnittlich tektonisch beanspruchten Lagerstätten liegen bei ca. 15–50 Bohrungen je km². In räumlich begrenzten Lagerstättenteilen können zur Erkundung von Detailstrukturen aber auch deutlich darüber hinausgehende Bohrdichten erforderlich sein. Die Anordnung der Bohrungen muss so erfolgen, dass Lagerungsverhältnisse und Unstetigkeiten in einer Lagerstätte möglichst optimal erfasst werden. Bevor erste Erkenntnisse vorliegen, werden Bohrungen häufig in einem weitmaschigen quadratischen Raster abgeteuft. Liegen anschließend erste Informationen über das Generalstreichen von Flözen und ggf. existierenden tektonischen Verwerfungen vor, so werden die Bohrungen entlang von Schnittlinien abgeteuft. Diese verlaufen senkrecht zum Generalstreichen. Der Abstand zwischen den Bohrungen auf den Schnittlinien
Ralf Kühner et al.
ist geringer als der Abstand zwischen den Schnittlinien. Dieser Bohrungsverteilung liegt die Einschätzung zugrunde, dass die Variabilität der Flöze und Lagerungsverhältnisse in Einfallensrichtung deutlich höher ist, als in Streichrichtung. Auf das Abteufen von Bohrungen entfällt der höchste Kostenblock der Lagerstättenerkundung. Daher ist eine möglichst vielseitige Nutzung aller Bohrungen anzustreben. Bei der Planung von Bohrungen sollten daher generell Belange der Lagerstättenerkundung, der Hydrologie und der Gebirgsmechanik auf einander abgestimmt werden. Bohrungen werden überwiegend im Spülbohrverfahren abgeteuft (zur Bohrtechnik von Untersuchungsbohrungen siehe Kap. 3.5.3). Kernbohrungen bzw. das Gewinnen von Kernen aus einzelnen Abschnitten eines Bohrlochs sind nur dort erforderlich, wo Kohle und Nebengestein in ungestörter Form für weitergehende Untersuchungen benötigt werden bzw. geophysikalische Messergebnisse zu eichen oder zu überprüfen sind. Bei den Probenahmen aus Bohrungen ist darauf zu achten, dass Proben durch das Bohren nicht systematisch beeinflusst werden. Wie deutlich derartige Einflüsse aussehen können, lässt sich besonders am Beispiel des Wassergehaltes von Kohleproben aufzeigen: Die exakte Bestimmung der Wassergehalte, eine Grundlage für die Ermittlung des Heizwertes, erfordert eine sehr sorgfältige Probenahme, -lagerung, -aufbereitung und -analyse. Mechanisch beim Bohren stark beanspruchte Kohle ist einerseits in der Lage, aus der Bohrspülung Wasser aufzunehmen. Als Folge zeigen die Analysen systematisch zu hohe Wassergehalte. Andererseits setzt in Kohleproben nach Herauslösen aus der Lagerstätte unter normalen Umgebungs bedingungen unverzüglich ein Trocknungsprozess ein. Ohne geeignete Lagerung und baldige Analyse der Proben werden gegenüber dem in situ Bedingungen zu niedrige Wassergehalte analysiert und damit systematisch zu hohe Heizwerte bestimmt. Unerlässlich für die eindeutige Charakterisierung und teufengenaue Festlegung der erbohrten Gebirgsschichten sind geophysikalische Bohrlochmessungen (siehe Kap. 3.5.3). Bei vergleichsweise geringen Kosten liefern diese Messungen auch für die nachfolgenden Schritte der Lagerstättenmodellierung eine wichtige Grundlage.
79
2.3.1.2 Oberflächengeophysik Im Gegensatz zu den punktförmigen Aufschlüssen der Bohrerkundung ermöglichen geophysikalische Verfahren profil- oder flächendeckende, z.T. auch dreidimensionale Aussagen zum petrographischen Aufbau des Untergrundes sowie zur Lage und Verbreitung geologischer Strukturelemente. Die messtechnische Spezifik geophysikalischer Verfahren erlaubt jedoch nur indirekte, auf die Veränderungen physikalischer Parameter (Dichte, elektrische Leitfähigkeit, Wassergehalt, natürliche Radioaktivität u. a.) beruhende Aussagen. Daher wird eine komplexe Interpretation der Messwerte zur Bearbeitung konkreter, lagerstättenbezogener Fragestellungen erst unter Einbeziehung der spezifischen regionalgeologischen Bedingungen und Berücksichtigung der Ergebnisse benachbarter Bohroder Kartierungsprofile möglich. Geophysikalische Messungen kommen in verschiedenen Stadien der Lagerstättenerkundung zur Anwendung und bieten operativ auch im laufenden Tagebaubetrieb eine schnelle und effiziente Möglichkeit zur Klärung geotechnischer Schwerpunkte (Seibel & Kühner 2005). Im Lausitzer Revier sind, entsprechend Aufgabenstellung, verschiedene Verfahren im Einsatz: Gravimetrie: Sie misst die Dichteunterschiede zwischen einzelnen Sedimenten. Dabei bilden sich im Messergebnis vor allem die Schichtkomplexe ab, die gegenüber dem umgebenden Gebirge eine höhere (z. B. Geschiebemergel) oder geringere (z. B. Kohle) Dichte aufweisen. Das Verfahren wird vorwiegend zur Erkundung von Erosionsgrenzen, Sattel- und Muldenstrukturen oder Mächtigkeitsschwankungen im Flözbereich bzw. zur Abgrenzung von Geschiebemergelkomplexen genutzt. Im Lausitzer Braunkohlenrevier wurde zwischen 1972 und 1989 eine nahezu flächendeckende gravimetrische Vermessung durchgeführt, die speziell zur Lokalisierung regionalgeologischer Struktureinheiten herangezogen wird und eine wesentliche Grundlage für die Optimierung von Bohransatzpunkten bildet. Seismik: Sie beruht auf unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten von elastischen Wellen in verschiedenen Sedimenten. Ihr Einsatz erfolgt überwiegend zur Erkundung und Präzisierung von Verlauf, Ausbildung und Form endogener oder glazigener Lagerungsstörungen im Flözbereich. Vereinzelt kommen auch nahseismische Messungen zur Klärung der Lagerungsverhältnisse im Deckgebirge zur Anwendung.
80
Kapitel 2.3 Lagerstättenerkundung und -geologie
gen ist mit der geoelektrischen Sondierungskartierung auch die Ermittlung von vertikalen Widerstands verteilungen durch Berechnung teufenbezogener, spezifischer Schichtwiderstände möglich.
.. Abb. 2.3-1 Ergebnis von Gravimetriemessungen in einem glazigen gestörten Gebiet, Tagebau Welzow-Süd, Messfläche ca. 3,8 Km2. Der Verlauf der Flözsättel zeichnet sich deutlich als Schwereminima (dunkel- bis blaugrüne Bereiche) ab (Geophysik GGD 1993)
Seit 2006 ist die moderne 3D-Seismik im Einsatz, die ein hochauflösendes Bild des Untergrundes liefert und dreidimensionale Darstellungen der einzelnen Strukturelemente ermöglicht. Geoelektrik: Geoelektrische Messungen nutzen den unterschiedlichen elektrischen Widerstand der Sedimente in Abhängigkeit vom Ton-/Schluffgehalt. Sie werden zur Abgrenzung rollig-bindiger bzw. rolligkohliger Ablagerungen im Tagebauvorfeld, den Arbeitsebenen im Tagebau oder auf Kippenflächen eingesetzt. Konventionelle Kartierungen werden standardmäßig mit ein oder zwei Eindringtiefen durchgeführt (Messpunktraster 20 mal 20, Aufstellung AB/2 = 20 m und AB/2 =60 m), erlauben jedoch nur die Darstellung der horizontalen Ausdehnung bindiger Horizonte. Dage-
Georadar: Bei diesem Verfahren werden mittels einer Send-Empfangs-Antennenkombination die Laufzeiten hochfrequenter Wellen zu Inhomogenitäten im Untergrund gemessen. Das Verfahren wird seit 1985 angewendet und ist für die Belange des Braunkohlenbergbaus entsprechend weiterentwickelt und spezifiziert worden (Forkmann & Petzold 1989). Es ist routinemäßig vorwiegend im Tagebauvorfeld und den Arbeitsebenen zur Ortung von Steinen mit Kantenlängen ab 0,5 m im Einsatz und ermöglicht in rolligen Sedimenten ihren Nachweis bis in eine Teufe von 15 m. Weitere Einsatzgebiete liegen in der Erkundung von Restwasser führenden Bereiche und dem Nachweis lokaler Sattel- und Muldenstrukturen.
2.3.1.3 Tagebaukartierung, Probenahme Kartierungen sind ein wesentlicher Bestandteil der abbaubegleitenden Erkundungsmaßnahmen und werden nach Bedarf an den Abraum- und Kohleböschungen sowie im Tagebauvorfeld zur Überprüfung und Präzisierung des bestehenden Lagerstättenmodells durchgeführt. Böschungskartierungen ermöglichen die detaillierte, flächenhafte Ansprache der einzelnen Schichtglieder sowie eine eindeutige Klärung ihrer räumlichen Lagebeziehungen zueinander. Sie werden vorwiegend
.. Abb. 2.3-2 Beispiel einer geoelektrischen Sondierungskartierung in einem mächtigen, stark strukturierten Geschiebemergelkomplex, Tagebau Jänschwalde (GMB mbH 2001)
Ralf Kühner et al.
81
.. Abb. 2.3-3 Messfahrzeug mit Sende-Empfangs-Antenne auf der Vorschnitt-Arbeitsebene zur Ortung von Steinen, Tagebau Welzow-Süd (GMB mbH 1998)
.. Abb. 2.3-4 Böschungskartierung zum Nachweis der lagemäßigen Verbreitung harnischführender Schluffe (Ha), Tagebau Jänschwalde
in Bereichen mit ungenügend bekannten Lagerungsverhältnissen eingesetzt und stehen meist mit der Entnahme von Bodenproben zur sedimentspezifischen Klassifizierung einzelner Horizonte in Verbindung. Zahlreiche Fragen zu faziellen und petrographischen Besonderheiten geotechnisch relevanter Schichten, der Häufigkeit von Steinen, dem Auftreten und der Verbreitung vorgegebener Gleitflächen und der Lage von Klüften und Störungsbahnen sind nur durch Kartierung sicher zu beantworten. Daneben ist sie ein unverzichtbares Hilfsmittel zur Abgrenzung unterschiedlicher Qualitätsparameter im Braunkohlenflöz und zu gewinnender Begleitrohstoffe. In Verbindung mit Bohrungen im Vorfeld und/ oder geophysikalischen Verfahren wird sie auch zur operativen Abbauführung herangezogen. Die Oberflächenkartierung erfolgt überwiegend im Vorfeld der Tagebaue, vereinzelt auch auf den Kippenflächen oder Arbeitsebenen. Dabei wird schwerpunkt
mäßig die flächenhafte Verbreitung relevanter Ablagerungen (organogene bzw. bindige Sedimente oder Steine) erfasst und geomorphologische Struktureinheiten (z. B. Endmoränen) in erforderlicher Genauigkeit eingegrenzt.
2.3.1.4 Lagerstättenmodellierung Die Lagerstättenerkundung mittels der zuvor beschriebenen Verfahren liefert dem Lagerstättenbearbeiter die unterschiedlichsten Informationen: Punktinformationen, z. B. die Lage des Hangenden eines Flözes, gewonnen durch die Tagebaukartierung Informationen entlang einer Linie, z. B. die lithologisch beschriebene Abfolge der mittels einer Bohrung durchteuften Gesteinsschichten Flächige Informationen, z. B. eine mittels seismischer Messungen ermittelte flächige Grenze zwischen zwei Schichten mit unterschiedlichen Gesteinsarten.
82
Kapitel 2.3 Lagerstättenerkundung und -geologie
Charakteristisch ist, dass jeder lithologischen, stratigraphischen, geochemischen, geotechnischen und anderen Sachinformation eine dreidimensionale Koordinate zugeordnet ist, die den Ort dieser Information eindeutig beschreibt. Mit jedem durch eine Koordinate beschrieben Ort können gleichzeitig verschiedene Sachinformationen verbunden sein. Die Aufgabe der Lagerstättenmodellierung ist es, aus den räumlich und inhaltlich sehr heterogen verteilten Daten ein vollständiges, ausreichend detailliertes, alle für den Bergbaubetrieb wesentlichen Informationen enthaltendes dreidimensionales Modell der Lagerstätte zu entwickeln. Wichtig beim Aufbau eines Lagerstättenmodells ist es, eine Vorstellung über die Genese der Lagerstätte und die nachfolgenden Gebirgsbildungsprozesse zu entwickeln, mit dessen Hilfe die heutige Erscheinungsform der Lagerstätte erklärt werden kann. Dies gilt gleichermaßen für die Modellierung der Geometrie der Lagerstätte, der Lithologie sowie der geochemischen- und brennstoffphysikalischen Daten. Nur unter Nutzung eines schlüssigen Modells aller Prozesse der Lagerstättenentstehung können aus häufig vergleichsweise wenigen Aufschlüssen einer Lagerstätte vollständige und hinreichend genaue Lagerstättenmodelle entwickelt werden.
Der Prozess der Lagerstättenmodellierung beginnt mit der Korrelation ausgewählter Lagerstättenflächen der Kohle bzw. der Nebengesteine. Ausgangsdaten für die Korrelation sind meist die geophysikalischen und lithologischen Logs der Untersuchungsbohrungen. Das Ziel ist es, zunächst eine stratigraphische Gliederung der Abfolge aller für die Lagerstättenbeschreibung erforderlichen Gesteinsschichten zu entwerfen und alle Daten in dieses stratigraphische System einzupassen (Abb. 2.3-5). Jede Lagerstätteninformation besitzt nun neben der 3-dimensionalen Koordinate eine stratigraphische Zuordnung. Biostratigraphische Daten aus Bohrkernen eignen sich ebenfalls sehr gut für die Lagerstättenkorrelation. Allerdings stehen derartige Daten nur in wenigen Braunkohlerevieren zur Verfügung. Wurden oberflächengeophysikalische Messungen durchgeführt, so sind deren Ergebnisse ebenfalls in die Korrelationen einzubeziehen. Das Ergebnis der zunächst großräumigen Korrelationen muss durch eine ausreichende Anzahl von Schnitten, sowohl in Streich- als auch in Einfalls richtung der Lagerstätte überprüft werden (Abb. 2.3-6). Bei den in den Korrelationen erkannten Unstetigkeitsstellen muss geprüft werden, ob sie ein plausibles räumliches Muster ergeben. Bei Verwerfungen
.. Abb. 2.3-5 Beispiel einer Korrelation auf Basis des Schichtenverzeichnisses, der Gamma Ray und Dichtemessung. Im Bereich des Kohleflözes stehen für die Korrelation ergänzend die ermittelten Asche- und Eisengehalte zur Verfügung (RWE Power AG, Tagebau Inden)
Ralf Kühner et al.
83
.. Abb. 2.3-6 Erster in der Länge unmaßstäblicher Kontrollschnitt einer Korrelation von Flöz und Nebengesteinsschichten (RWE Power, Tagebau Hambach)
muss sicher gestellt sein, dass sich deren Art, Streichen, Einfallen, Aufspaltungen durch die tektonische Beanspruchung der Lagerstätte erklären lassen und sich ein schlüssiges den Gesetzen der Mechanik entsprechendes Bewegungsbild entwickeln lässt. Die Korrelation sehr heterogener Aufschlussdaten führt häufig nicht zu eindeutigen Ergebnissen, sondern verlangt vom Bearbeiter Entscheidungen, welche Korrelationen als richtig einzustufen sind und damit die Basis für die nachfolgenden Prozessschritte bilden sollen. Insbesondere häufige Fazieswechsel und Erosionen in einzelnen Horizonten erschweren oder verhindern das Verfolgen von Schichtgrenzen von Bohrung zu Bohrung. Unstetigkeiten in Lagerstättenflächen durch tektonische Verwerfungen können die Orientierung innerhalb einer Schichtenabfolge insbesondere dann erschweren, wenn deutliche Mächtigkeitsunterschiede einzelner Horizonte zu beiden Seiten von Verwerfungen auftreten. Unregelmäßige Verformungen als Folge von Setzung, Subrosion oder glazigener Beanspruchung können die Korrelation erheblich erschweren, im Extremfall auch vollständig verhindern. Neu hinzukommende Lagerstättenaufschlüsse führen unter Umständen zu einer Neuinterpretation lagerstättengeologischer Zusammenhänge mit der Folge,
dass die bestehenden Korrelationen und nachfolgend die Lagerstättenmodelle überarbeitet werden müssen. Nach der Korrelation erfolgt die Modellierung von Verwerfungs- und ausgewählter Horizontflächen. Bei der Modellierung der Horizontflächen steht als Differenz der Höhenlage benachbarter Flächen die Mächtigkeit der jeweiligen Schicht sofort zur Plausibilitätskontrolle zur Verfügung (s. Abb. 2.3-7)
.. Abb. 2.3-7 Beispiel einer Modellierung ausgewählter Horizonte in einer durch Verwerfungen stark gegliederten Lagerstätte (RWE Power, Tagebau Inden)
84
Kapitel 2.3 Lagerstättenerkundung und -geologie
Durch Hinzufügen weiterer Horizonte wird das Modell entsprechend der erforderlichen Differenziertheit und der Komplexität der Lagerstätte weiter vervollständigt. Bei den hinzuzufügenden Flächen kann es sich sowohl um Flächen handeln, die Schichten unterschiedlicher Lithologie gegeneinander begrenzen, als auch um Flächen, die innerhalb der Kohleflöze Schichten unterschiedlicher Qualität von einander trennen. Jede Fläche erhält eine Kennzeichnung entsprechend dem jeweiligen lokalen stratigraphischen System. Die zwischen den Flächen liegenden Volumina werden im Lagerstättenmodell in räumlich begrenzte Einheiten zerlegt, um ihnen ortabhängige Sachinformationen zuweisen zu können. Die gebräuchlichste Art der Zerlegung ist die Rasterung der Lagerstätte. In diesem Fall zerfällt das Volumen zwischen zwei Flächen in Quader. Eine Alternative ist die Zerlegung der Flächen in Dreiecke und die Aufteilung des dazwischen liegenden Volumens in Tetraeder. Der Aufbau der geometrischen und stratigraphischen Daten im Lagerstättenmodell ist damit abgeschlossen. In den nachfolgenden Prozessschritten der Lagerstättenmodellierung werden den Volumina zwischen
den Lagerstättenflächen ergänzende Informationen zugewiesen. Hierzu zählt zunächst die Lithologie der Schichten. Differenziert wird beispielsweise entsprechend DIN 21920, Teil 1. Die umfangreichsten Datenbestände, die den Volumenelementen von Lagerstättenmodellen zugeordnet werden, beinhalten Werte über die brennstoffphysikalischen Eigenschaften, die chemische Zusammensetzung und zum Teil auch petrographischen Eigenschaften der Kohle. In umfangreichen Modellen werden heute mehr als 20 Parameter vorgehalten, die zur Charakterisierung der Kohle erforderlich sein können. Als Algorithmen für die Modellierung der verschiedenen Daten stehen die verschiedensten Verfahren zur Verfügungen. Sie reichen von der linearen Interpolation bis zu geostatistischen Verfahren. Als Ergebnis der Lagerstättenbearbeitung entstehen Lagerstättenmodelle, die alle für den Bergbaubetrieb relevanten Informationen enthalten. Ein Beispiel für ein derartiges Modell zeigt die Abb. 2.3-8. Die Arbeiten der Lagerstättenbearbeitung werden heute weitgehend IT basierend durchgeführt. Programmsysteme, in denen alle primären Informa-
.. Abb. 2.3-8 Prinzipskizze eines integrierten Lagerstättenmodells in dem Lagerstättengeometrie, Lithologie und Kohlequalität zusammen gespeichert sind
Ralf Kühner et al.
tionen einer Bohrung (Lithologie, geophysikalische Logs, geochemische u. brennstoffphysikalische Daten) in Datenbanken gespeichert, visualisiert und interaktiv bearbeitet werden können, sind am Markt verfügbar. Gleiches gilt für Programme, mit denen die geometrischen Modellierungsschritte sowie die Modellierung der anderen Parameter vorgenommen werden kann. Die Lagerstättenmodelle werden überwiegend in relationalen Datenbanken gespeichert. Auch wenn Nutzer der Lagerstättenmodelle, zum Beispiel mittels Planungsprogrammen, direkt auf die digitalen Modelle der Lagerstätte zugreifen, kommt der Visualisierung der Lagerstätte eine große Bedeutung zu. Diese Visualisierung benötigt sowohl der Nutzer zur Erfassung der geologischen Sachverhalte als auch der Lagerstättenbearbeiter zur Kontrolle seiner Arbeitsergebnisse. Während aber bei analoger Arbeitsweise geologische Schnitte oder beispielsweise Isohypsenkarten eines Flözhangenden als eigenständiges Ergebnis der Lagerstättenbearbeitung vorlagen, lassen sich diese heute aus den digital gespeicherten Modellen, bei Bedarf zusammen mit den primären Aufschlussdaten, darstellen.
85
2.3.2
Geologie der großen deutschen Braunkohlenreviere
2.3.2.1 Das Rheinische Braunkohlenrevier Die Braunkohlenlagerstätte des Rheinlands ist eingebettet in eine Abfolge känozoischer Sedimente der Niederrheinischen Bucht. Begrenzt durch das Rheinische Schiefergebirge nach Nordosten und Südwesten ist die Niederrheinische Bucht Teil eines jungen Riftsystems, dass sich vom Oberrheintalgraben nach Nordwesten über die Niederlande hinausgehend bis in die Nordsee erstreckt. Krustendehnungsprozesse beginnend im Oligozän führten zur Ausbildung des Grabenbruchsystems der Niederrheinischen Bucht mit der Folge tektonischer Bewegungen und einem Absinken der Erdkruste. Die großen Verwerfungen liegen in ihrem Schwerpunkt im mittleren Bereich des Senkungsgebietes und gliedern es in mehrere tektonische Schollen. Diese besitzen in zentralen Bereichen des Reviers eine deutliche Kippung zum Grabentiefsten (Abb. 2.3-10). In dem entstehenden Senkungsraum wurden über einen Zeitraum von ca. 35 Mio. Jahren
.. Abb. 2.3-9 Geologischer Schnitt durch eine Braunkohlenlagerstätte (RWE Power, Tagebau Inden)
86
Kapitel 2.3 Lagerstättenerkundung und -geologie
.. Abb. 2.3-10 Schnitt durch die Lockergesteinsschichtenabfolge der Niederrheinischen Bucht
tertiäre und quartäre Lockergesteinssedimente in einer Gesamtmächtigkeit von bis zu ca. 1.200 m abgelagert. Vorherrschend sind zunächst marine Sedimente, in die nur geringmächtige festländisch geprägte Sedimente mit ersten dünnen Braunkohleflözen ohne wirtschaftliche Bedeutung eingelagert sind. Während des Miozäns wurden dann in einer mehrere Millionen Jahre anhaltenden Moorbildungsphase Torfmächtigkeiten bis zu ca. 270 m akkumuliert (Hauptflözgruppe), die heute als Braunkohle maximal ca. 100 m Mächtigkeit besitzen. Im späten Miozän entstanden in einer zweiten Phase erneut mächtige Torfmoore, die heutige Oberflözgruppe. Die Sedimente des Pliozäns bestehen aus einer Wechselfolge grob- bzw. feinklastischer Sedimente festländischen Ursprungs. Die Kiesschüttungen des Pleistozäns und die Lößablagerungen der letzten Eiszeiten vervollständigen die Sedimentationsabfolge der Niederrheinischen Bucht. Die Rheinische Braunkohlenlagerstätte erstreckt sich über eine Fläche von ca. 2.500 km2 und reicht von den nördlichen, an den Rändern des Maastals einsetzenden Ausläufern bis in die südlichen Teile der Niederrheinischen Bucht (Abb. 2.3-11). Im Südwesten bildet der aufsteigende paläozoische Untergrund die Begrenzung der Lagerstätte, nach Nordosten die Verwerfungen entlang des Villerückens, die den Übergang zur flözleeren Köln-Scholle bilden. Regional voneinander abweichende Entstehungsbedingungen führen dazu, dass sich die Geologie der
drei heute betriebenen Abbaufelder Garzweiler, Hambach und Inden z.T. signifikant voneinander unterscheidet: Im Abbaubereich Garzweiler wird das in die drei Teilflöze Garzweiler, Frimmersdorf und Morken aufgespaltene Hauptpflöz abgebaut. Die bis zu ca. 80 m mächtigen marinen Sandmittel sind Relikte von Meeresvorstößen aus Nordwesten, die die Moorbildung zeitweilig unterbrochen haben. Insbesondere das Flöz Frimmersdorf wurde bei diesen Vorstößen deutlich beansprucht, was heute an sehr unregelmäßigen sandigen Flözverunreinigungen erkennbar ist. Während die Flöze Frimmersdorf und Morken im gesamten Abbaufeld verbreitet sind, verläuft die nördliche Grenze der Verbreitung von Flöz Garzweiler quer durch das Abbaugebiet. Die hangenden tertiären Nebengesteine sind mangels eines entsprechenden Absinkens nur in geringmächtigen Resten verbreitet. Verwerfungen sind im Abbaufeld nur in geringem Umfang und mit geringen Versatzbeträgen zu finden, eine stärkere tektonische Beanspruchung zeigt sich lediglich an den südlichen Rändern des Abbaugebietes am beginnenden Übergang von der Venlo- zur Erft-Scholle. Im Unterschied zum Abbaugebiet Garzweiler sind im Bereich des Tagebaus Hambach die Flöze Garzweiler und Frimmersdorf überwiegend kompakt abgelagert, Flöz Morken ist abgespalten und nicht in bauwürdiger Mächtigkeit ausgebildet. Die Schichtenabfolge des Deckgebirges ist vollständig vorhanden. Tektoni-
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.. Abb. 2.3-11 Verbreitung des Braunkohlenvorkommens in der Niederrheinischen Bucht
sche Verwerfungen, abschnittsweise mit Versatzbeträgen von mehreren 10 m durchziehen das Abbaufeld. Im Unterschied zu den Abbaubereichen Garzweiler und Hambach sind im Abbaufeld Inden, das in der Rurscholle liegt, die Oberflöze verbreitet und bauwürdig ausgebildet. Der Tagebau bezieht seine Förderung derzeitig ausschließlich aus der Oberflözgruppe, die bereichsweise zusammen, im weiteren Abbaufeld aber zunehmend in die Einzelflöze Schophoven, Kirchberg und Friesheim aufgespalten vorliegt. Im südöstlichen Lagerstättenteil gewinnen die Flöze Garzweiler und Frimmersdorf an Mächtigkeit, so dass mit weiter fortschreitendem Abbau auch diese Flöze in Verhieb kommen werden.
2.3.2.2 Das Lausitzer Braunkohlenrevier Das Lausitzer Revier ist durch eine wechselhafte Folge känozoischer Lockergesteine charakterisiert, deren Mächtigkeit von Süden nach Norden relativ schnell ansteigt und im Zentralteil bereits Werte um 200 m erreichen kann. Sie überlagern eine prätertiäre, von vertikaler Bruchtektonik, Lateralverschiebungen und vereinzelt auch subrosiven Erscheinungen geprägte Festgesteinsoberfläche. Die endogenen Bewegungen sind mehrfach, teilweise bis ins Quartär, reaktiviert worden und haben vor allem die Sedimentationsprozesse während des Tertiärs beeinflusst. Als bestim-
mendes Strukturelement tritt der NW-SE streichende Lausitzer Hauptabbruch in Erscheinung. Er trennt den im Südwesten liegenden Lausitzer Block aus proterozoischen Grauwacken und kieseligen Peliten von den mesozoischen Sand-, Schluff- und Kalksteinen der Norddeutschen Kreidesenke. Sie überlagern vor allem Karbonat- und Salzgesteine des Perms, an die im Raum Cottbus kleinere Erdöl-/Erdgas-Vorkommen, bei Spremberg-Graustein auch Kupfererz-Vorkommen gebunden sind. Im Tertiär gelangte die Niederlausitz in den Übergangsbereich der marin geprägten Norddeutschen Senke zum Lausitzer Bergland. Durch zyklische Veränderungen der Küstenlinie im Zuge tektonischer Hebungs- und Senkungsprozesse drang das Meer aus dem zentralen Nordseeraum mehrfach nach Südosten vor und lagerte eine bis 200 m mächtige Folge aus marinen und brackischen Sedimenten ab, die von terrestrischen Einschüttungen unterbrochen werden. Während im Eozän nur der Nordwestteil der Lausitz unter marinen Einfluss gelangte, erreichte die ober oligozäne Meerestransgression bereits die nördliche Oberlausitz. Mit der Heraushebung des südlich angrenzenden Lausitzer Berglandes zu Beginn des Miozäns wurden ausgedehnte Schwemmfächer aus Sanden und Kiesen sowie graubraune bis grünliche Schluffe und Tone nach Norden und Nordwesten geschüttet (Spremberg-Formation). Sie verzahnen sich mit den Ablagerungen des zurückweichenden Meeres, in des-
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Kapitel 2.3 Lagerstättenerkundung und -geologie
sen lagunärem Randsaum die Bildung des 4. Lausitzer Flözkomplexes (LFK) erfolgte. Er ist meist aus einzelnen, bis 5 Meter mächtigen Braunkohleflözen zusammengesetzt, besitzt jedoch keine aushaltende Verbreitung und erreicht nur im Raum Spremberg-Welzow Mächtigkeiten größer 10 Meter. Mit den Ablagerungen der Brieske-Formation begann ein neuer Sedimentationszyklus, der durch sandig-schluffige Bildungen des in mehreren Etappen vordringenden Meeres charakterisiert wird und den lokal in Mächtigkeiten bis 5 m ausgebildeten 3. LFK enthält. Im Anschluss blieb die Niederlausitz für längere Zeit im unmittelbaren Randbereich des Meeres, dessen Uferlinie nur geringfügigen Veränderungen unterworfen war und somit die dauerhafte Entwicklung einer reichen Sumpfwaldvegetation ermöglichte. Sie bildete die Grundlage für die Entstehung des 2. LFK, der in der Südlausitz als kompaktes Flöz mit durchschnittlichen Mächtigkeiten von 12 Meter ausgebildet ist. Nach Norden und Westen erfolgt eine Aufspaltung durch geringmächtige, nur auf kurzzeitige Transgressionen zurückgehende Zwischenmittel in bis zu drei Flözbänke. Der Übergang zu marin-brackischen Verhältnissen beendete die Torfbildung und führte zur Ablagerung von schwarzbraunen, kohligen Schluffen sowie meist dunkelbraunen Mittel- bis Feinsanden. Diese Bedingungen hielten bis zur letztmaligen Hebung des Lausitzer Berglandes an, in deren Folge sich das Meer endgültig aus der Lausitz zurückzog. Die regressive Phase wurde erneut von einer Küstenmoorentwicklung begleitet, aus der sich der 1. LFK an der Basis der Rauno-Formation entwickeln konnte. Er erreichte im Zentralteil der Flözentwicklung Kohlemächtigkeiten bis 25 Meter, ist jedoch infolge früherer Bergbauaktivitäten nahezu vollständig abgebaut. Im Hangenden folgen festländisch geprägte, kiesig-sandige Schüttungen einer miozänen Ur-Elbe. Ihre charakteristischen Ablagerungen treten im Wechsel mit graublauen bis graugrünen Schluffen und Tonen, den sog. Flaschentonen, auf. Die Sedimente der Rauno-Formation sind durch nachfolgende Erosionsprozesse weiträumig zerstört worden und nur noch im Bereich einzelner, inselförmiger Tertiärhochflächen in größerer Verbreitung erhalten. Die Entwicklung im Quartär wird im Wesentlichen durch gravierende, periodisch ablaufende Klimaveränderungen geprägt, die zu einer mehrfachen Überdeckung der Lausitz durch das skandinavische Inlandeis führte. Vielfältige, nach- und nebeneinander ablaufende Prozesse von Abtragung und Akkumulation während der Elster-, Saale- und Weichsel-Eiszeit
prägten nachhaltig die gesamte Oberfläche und führten zu erheblichen Umgestaltungen des Landschaftsbildes. Das Inlandeis griff mit Erosion, Schollenverfrachtung und tiefreichenden Deformationen weit in den tertiären Untergrund ein, dabei wurde der 2. Lausitzer Flözkomplex durch ein sich ausbildendes, netzartiges Rinnensystem in zahlreiche Einzelfelder zerschnitten. Die Rinnen erreichen Tiefen bis zu 250 m und besitzen meist eine komplizierte, häufig wechselnde Füllung aus glazilimnischen Sedimenten, groben Schmelzwassersanden und -kiesen, Moränenmaterialien sowie abgerutschten Tertiärschollen. Im Vorland der Gletscher sedimentierten in ausgedehnten Staubeckenseen mächtige Komplexe aus Bändertonen und -schluffen, die abfließenden Schmelzwässern lagerten besonders in den Urstromtälern enorme Mengen an Sanden und Kiesen ab. Die Grundmoränen der einzelnen Eisvorstöße sind in weiten Teilen der Lausitz noch in großer Verbreitung und mit lokalen Mächtigkeiten von teilweise über 20 m erhalten. Sie können durch ihre Steinführung und hohe Festigkeiten erhebliche Probleme bei der Abraumgewinnung verursachen. Einen besonderen Schwerpunkt bilden Steine und Großgeschiebe, die gehäuft an der Basis von Schmelzwasserrinnen, auf Steinsohlen oder in den Blockpackungen der Satzendmoränen anzutreffen sind. Aus den vielfältigen, vorwiegend lastbedingten Prozessen vor und unter dem Inlandeis resultierten eine Reihe sehr intensiver Lagerungsstörungen. Sie treten überwiegend in Form komplizierter Faltenstrukturen, Auf- und Abschiebungen oder Verschuppungen in Erscheinung. Diese als Stauchmoränen bezeichneten Großstrukturen sind im Bereich ehemaliger Eisrandlagen über mehrere Kilometer streichender Länge zu verfolgen und haben die liegende Schichtenfolge bis in eine Teufe von 200 m beeinflusst.
2.3.2.3 Das Mitteldeutsche Braunkohlenrevier Die größte und bekannteste Braunkohlen führende Region Mitteldeutschlands ist das Weißelster-Becken. Der prätertiäre Untergrund besteht aus Gesteinen des Molasse- und Unteren Tafelstockwerkes. Der tektonische Bau ist das Ergebnis saxonischer Gebirgsbewegungen. Während der kimmerischen Phasen entstanden die Bornaer und Zeitz-Schmöllner Mulde. Beide Mulden werden von Störungen begrenzt, von denen die Röthaer Störung den prätertiären Untergrund des
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.. Abb. 2.3-12 Stratigraphisches Normalprofil des Tertiärs der Niederlausitz (nach DIN 21919-3; Wolf & Alexowsky 1994, Stackebrandt & Manhenke 2002)
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Kapitel 2.3 Lagerstättenerkundung und -geologie
Weißelster-Beckens in die nordsächsische Hochscholle und die nordwestsächsische Tiefscholle trennt, auf der Zechstein und Unterer Buntsandstein erhalten sind. In diesem Gebiet ist der Zechstein von kretazischer und alttertiärer Verwitterung und auf der Hochscholle von flächenhafter Abtragung erfasst worden, so dass meist nur Relikte des ehemaligen Zechsteinprofiles erhalten blieben. Die Salinarfolgen besaßen für den Sedimetationsablauf der folgenden Serien wesentliche Bedeutung, indem sich der Einfluss der Auslaugung bemerkbar machte. Die Sedimentation känozoischer Schichten wird geprägt durch die Überlagerung epirogener Absenkung des Gebietes einerseits und subrosiver Prozesse andererseits. Dadurch entstanden an der Oberfläche zu unterschiedlichen Zeiten große und tiefe Senken, die entsprechend des jeweiligen Stoffangebotes mit verschiedenartigen Sedimenten gefüllt bzw. von Moorflächen bedeckt wurden. Die auf die Nordwestsächsische Tiefscholle begrenzte intensive Subrosion findet ihren stärksten Ausdruck in den positiven Mächtigkeitsanomalien der Flöze, den synchron zur subrosiven Absenkung entstandenen „Kohlekesseln“ und den postsedimentär gebildeten „Mulden“. Die ältesten tertiären Sedimente, die sog. Liegendfolge, finden sich in den Subrosionssenken, die sich nach der fluviatil-erosiven Freilegung des Zechsteins gebildet hatten. Dazu gehören die Älteren Liegendkiese, Tone und das Sächsisch-Thüringische Unterflöz (Flöz 1). Dieses Flöz mit einer durchschnittlichen Mächtigkeit von 3 bis 5 m, erreicht in den durch Subrosion entstandenen zahlreichen Kesseln Mächtigkeit von über 20 m, im Maximum bis zu 75 m. Den Abschluss der mitteleozänen Sedimentation bildet der Deckton des Unterflözes. Die obereozänen Ablagerungen beginnen mit der Älteren Flusssandfolge zwischen dem Unterflöz (Flöz 1), dem Bornaer Hauptflöz (Flöz 23U) und dem Thüringer Hauptflöz (Flöz 23O). Dieser bis zu 40 km breite fluviatile Schwemmfächer beendete die Moor-
.. Abb. 2.3-13 Stratigraphisches Normalprofil des Quartärs der Niederlausitz (vereinfacht nach Lippstreu 1999, Kühner 2005) 1 – Geschiebemergel, 2 – glazilimnische Bänderschluffe, 3 – Schmelzwassersande und -kiese, 4 – fluviatile Sande, 5 – Beckenschluffe, 6 – Mudden und Torfe
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bildung des Unterflözes. Bis zur Bildung des Hauptflözes kam ein max. 15m mächtiger kiesiger, grobsandiger Schichtkörper zur Sedimentation. Dieser geht auf große Flächen von einem schluffig-sandigen bis zu einem reinen Ton über, der die Basis des Hauptflözes bildet. Dieses mäandrierende Flusssystem behauptet sich richtungskonstant über die gesamte Zeit der Moorbildung des Hauptflözes und trennt das Hauptflözmoor in einen nordöstlichen Flözkörper (Bornaer Hauptflöz) und ein südwestliches Flöz (Thüringer Hauptflöz), die ein gleiches Alter besitzen. Das Bornaer Hauptflöz hat im zentralen Verbreitungsgebiet eine durchschnittliche Mächtigkeit von 12 bis 15 m, im Maximum 20 m, und das Thüringer Hauptflöz 10 bis 12, maximal 15 m. Das Mittel zwischen Hauptflöz und Böhlener Oberflöz (Flöz 4) lässt sich regional in zwei Faziesbereiche teilen. Im Osten des Gebietes findet sich ein fluviatillimnischer Sedimentationszyklus mit dem marin beeinflussten Sandkomplex und dem Haselbacher Ton. Im Westteil ist der marin-ästuarine Domsener Komplex ausgebildet. Innerhalb dieser Domsener Sande
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kam es durch Einkieselung zur Bildung der so genannten Tertiärquarzite. Das im Hangenden dieses Sedimentkomplexes ausgebildete Böhlener Oberflöz (Flöz 4) und die marinen klastischen Sedimente der Böhlener Schichten sind, bedingt durch die quartäre Erosion, nur noch in ausgeprägten Muldenstrukturen erhalten geblieben. Sie bilden den Abschluss der tertiären Schichtenfolge. Älteste quartäre Bildungen stellen verschiedene Schotterkörper dar, ein frühelsterkaltzeitlicher Komplex ist noch über große Flächen erhalten geblieben. Während der Elster- und Saaleeiszeit war das Gebiet mehrfach von Inlandeis bedeckt, so dass sich mehr oder weniger vollständige glaziäre Zyklen ablagerten. Von Bedeutung sind der Leipziger Bänderton als Vorschüttbildungen, ein mächtiger Geschiebemergelkomplex und Schmelzwassersande als glazifluviatile Rückzugbildungen. Die frühsaaleglazialen Schotter der Weißen Elster bilden mit dem Böhlener Bänderton das Liegende der Saalegrundmoräne. Der Abschluss der quartären Schichtenfolge sind die weichselglazialen Lössaufwehungen.
.. Abb. 2.3-14 Normalprofil der Braunkohlenlagerstätten der MIBRAG
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Kapitel 2.3 Lagerstättenerkundung und -geologie
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2.4
Tagebauentwässerung, Planung, Modellierung und Wasserwirtschaft Peter Jolas, Christian Forkel, Bernd Rechenberger
2.4.1
Wasserhaushalt und bergbauliche Wasserwirtschaft
Die sichere Gewinnung der Braunkohle im Tagebau erfordert in der Regel die vollständige Entwässerung der wasserführenden Schichten im Deckgebirge und die Absenkung des Wasserdruckniveaus im Liegenden der abzubauenden Flöze bis auf ein Niveau unterhalb der tiefsten Sohle. Durch die bergbaulichen Wasserhaltungsmaßnahmen werden die Voraussetzungen geschaffen, dass im Gewinnungs- und Verkippungsbetrieb standsichere Böschungen und Böschungssysteme hergestellt bzw. Durchbrüche von artesischem Grundwasser im Bereich des Tagebauliegenden verhindert werden. Die in diesem Zusammenhang zu hebenden Wassermengen übersteigen im Normalfall die niederschlagsbedingte Grundwasserneubildung. Somit sind die bergbaulichen Wasserhaltungsmaßnahmen, zumindest temporär, mit einem spürbaren Eingriff in den Wasserhaushalt verbunden. Im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Ressource Grundwasser und unter betriebswirtschaftlichen Aspekten gilt schon in der Phase der Planung der Entwässerungsmaßnahmen der Grundsatz, nur so viel Wasser zu heben, wie es für die Freimachung der Lagerstätte unbedingt erforderlich ist. Zur Umsetzung dieses Grundsatzes stehen umfangreiche Werkzeuge zur Verfügung, die eine Prognose der erforderlichen Wasserhebung und der damit verbundenen Auswirkungen auf das Umfeld der Tagebaue ermöglichen. Mit Hilfe der hydrogeologischen Modellierung (vergleiche Kapitel 2.4.4) ist es möglich, die Wechselwirkungen zwischen den Wasserhaltungsmaßnahmen und dem Grundwasserhaushalt nachzubilden. Da der Tagebaubetrieb den Witterungseinflüssen nahezu ungeschützt ausgesetzt ist, kommt auch der Fassung und Ableitung von Grubenwasser eine große Bedeutung zu. Der oberirdisch abfließende Anteil des im Einzugsgebiet eines Tagebaues fallenden Niederschlagswassers muss so gelenkt werden, dass eine Beeinträchtigung des Betriebes der Anlagen und Geräte des Tagebaues weitestgehend ausgeschlossen wird. In Abhängigkeit von der Morphologie des Einzugsgebietes und von der Lage des Tagebaues zu den regionalen Vorflutern sind für den Fall von extremen
Niederschlagsereignissen spezielle Maßnahmen für den Hochwasserschutz erforderlich (vergleiche Kapitel 2.4.2.4).
2.4.2
Entwässerungsverfahren
2.4.2.1 Filterbrunnenentwässerung In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die untertägige Entwässerung, die bis dahin dominierende Form der Tagebauentwässerung, durch die Filterbrunnenentwässerung abgelöst. Gegenüber dem Abteufen von Schächten und dem Auffahren von Entwässerungsstrecken, verbunden mit der Herstellung von Steck- und Fallfiltern, konnte die Effektivität und die Produktivität durch die Einführung der Filterbrunnenentwässerung erheblich erhöht werden. Das Wirkprinzip des Filterbrunnens beruht auf der Absenkung des Wasserstandes innerhalb der Brunnenbohrung durch eine Tauchmotorpumpe, die in der Regel unterhalb der zu entwässernden Schicht in den Brunnen eingehängt wird. Durch die Wasserentnahme aus dem Brunnen entsteht zwischen dem Wasserspiegel im Brunnen und dem Grundwasserstand im angrenzenden Grundwasserleiter ein hydraulisches Gefälle, das zu einer Fließbewegung aus dem Gebirge zum Filterbrunnen führt. Die Reichweite der Entwässerungswirkung eines Filterbrunnens ist dabei von den Grundwasserströmungsverhältnissen, den Gebirgseigenschaften, der Ausführung des Brunnens sowie der installierten Pumpe abhängig. Innerhalb der Brunnenreichweite bildet sich bei unbeeinflussten Strömungsverhältnissen um den Filterbrunnen herum ein rotationssymmetrischer Grundwasserabsenkungsbereich – im Sprachgebrauch Absenkungstrichter genannt – heraus. Um eine flächenhafte Entwässerungswirkung zu erzielen, werden mehrere Filterbrunnen gleichzeitig betrieben, deren Absenkungsbereiche sich überlagern. Der Aufbau, die Herstellung und der Betrieb von Filterbrunnen wird im Kapitel 3.5 erläutert. In Abhängigkeit von der Lage der Filterstrecke werden Brunnen in Hangend-, Liegend- und kombinierte Hangend- und Liegendbrunnen unterschieden
94
Kapitel 2.4 Tagebauentwässerung, Planung, Modellierung und Wasserwirtschaft
(vergleiche Abb. 2.4-1). Die Auswahl der jeweiligen Brunnenart ist abhängig von der Entwässerungszielstellung. Die gleichzeitige maximale Grundwasserabsenkung in allen Grundwasserstockwerken wird durch kombinierte Hangend- und Liegendbrunnen erreicht. Das abgeförderte Sümpfungswasser ist dabei als Mischwasser aus allen vom Brunnen erfassten Grundwasserleitern zu betrachten. Soll eine Vermischung der Wasserqualitäten einzelner Grundwasserleiter ausgeschlossen werden, muss jeder Grundwasserleiter mit einem separaten Filterbrunnen bestückt werden. Die Aufschlussentwässerung eines Tagebaues erfolgt in der Regel durch gleichzeitig betriebene Brunnengruppen im Bereich der geplanten Aufschlussfigur. Während des Tagebaubetriebes werden zur Abriegelung der seitlichen Zuflüsse zum offenen Tagebauraum entsprechend der Strömungsverhältnisse Randriegelbrunnen in einer oder mehreren Reihen entlang der Oberkante bzw. im Bereich der Markscheide des Tagebaues betrieben. Der Entwässerungsvorlauf vor den aktiven Baggerschnitten wird durch Filterbrunnen im Vorfeld des Tagebaues gesichert (Feldesbrunnen), die
bis zur Annäherung der Gewinnungsgeräte betrieben und nach der Außerbetriebnahme überbaggert werden. In Abhängigkeit von den geologischen und hydrogeologischen Verhältnissen können Filterbrunnen vor der Überbaggerung im Bereich der Arbeitsebene des nachfolgenden Gewinnungsschnittes mit einem Packer vor Nachfall geschützt werden, um sie nach der Überbaggerung auf der Arbeitsebene wieder in Betrieb nehmen zu können. Bei Erfordernis werden Filterbrunnen auch im offenen Tagebau niedergebracht und betrieben (Sohlenbrunnen). Die Wahl des Filtermaterials ist abhängig von den Einsatzbedingungen, der Standzeit und der Einbauart des Filterbrunnens. Für Brunnen mit einer sehr langen Standzeit außerhalb des Abbaufeldes (Randriegelbrunnen) sind Filtermaterialien wie PVC, Stahl und Keramik sowie insbesondere im Rheinischen Revier auch mit Kies beklebte, gelochte GFK-Rohre sowie Polymerbetonfilter geeignet. Für Feldesbrunnen, die im Rahmen der Abbauführung überbaggert werden, sind die Materialien Stahl und Keramik weniger geeignet. Die Wasserableitung von den Einzelbrunnen erfolgt in der Regel über s. g. Stich- und Sammelleitungen, die das Sümpfungswasser den Hauptableitern zuführen. Die Ableitungssysteme werden zum überwiegenden Teil als Druckrohrleitungssysteme betrieben.
2.4.2.2 Dichtungswände Seit Mitte der 70-er Jahre des vorigen Jahrhunderts wird in der Lausitz die Dichtwandtechnologie eingesetzt. Ziel ist es die Grundwasserbeeinflussung zu reduzieren und damit grundwasserabhängige Landschaftsteile vor einer Absenkung des Wasserstandes zu schützen, die Grundwasserabsenkung auf den unmittelbaren Tagebaubereich zu beschränken und die Wasserhebung zu reduzieren.
.. Abb. 2.4-1 Filterbrunnenarten
In den Lausitzer Braunkohletagebauen sind bereits drei Dichtwände errichtet worden: Tagebau Berzdorf mit einer Gesamtlänge von 5,5 km (Herstellung von 1983 bis 1993), Tagebau Jänschwalde mit einer Gesamtlänge von 10,9 km (seit 1979 mit einer Unterbrechung von 2001 bis 2007 sind 9,1 km realisiert) und Tagebau Cottbus-Nord mit einer Gesamtlänge von 7,1 km (Herstellung von 1993 bis 2007 mit einer Unterbrechung von 1998 bis 2000).
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Weitere Dichtwände sind für die Tagebaue Reichwalde mit ca. 7 km und Welzow-Süd mit 14 km in Vorbereitung. Während die Dichtwandtechnik aufgrund der Lagerungsverhältnisse auch im Mitteldeutschen Revier Anwendung finden kann, ist im Rheinischen Revier der Einsatz von Dichtwänden nicht möglich, da die komplexe, heterogene Hydrogeologie eine ausreichende Dichtwirkung der erforderlichen stauenden Schichten (s. u.) nicht gewährleistet und zudem die erforderlichen Teufen den wirtschaftlichen Einsatz von Dichtwänden nicht zulassen. Im Gegensatz zur Baugrubenentwässerung handelt es sich bei den Dichtwänden im Braunkohlenbergbau um keinen in sich geschlossenen Ring. An den jeweiligen Enden der Dichtwand kommt es zu einer Umströmung und damit zu einer Zuströmung von Grundwasser zum Tagebau. An den Endbereichen ist also die Dichtwirkung nicht gegeben. Die Länge des Umströmungsbereiches ist je nach hydrogeologischer Situation unterschiedlich. Grundwasserfließrichtung, Grundwassergefälle und der Aufbau der Grundwasserleiter sind die bestimmenden Faktoren. Ist die Herstellung der Dichtwand über den beidseitigen Umströmungsbereich vorangeschritten, beginnt der Grundwasseraufstau und damit setzt die Dichtwirkung ein. Die Dichtwand als Absperrelement für den Grundwasserzufluss wird solange benötigt, wie der anlie-
.. Abb. 2.4-2 Wirkprinzip der Dichtwand
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gende Tagebaubereich offen liegt. Das heißt mit Anlegen der Kippe an das Randböschungssystem verliert die Dichtwand ihre Aufgabe der Dichtwirkung. Legt die Kippe nicht an das Randböschungssystem an, endet die Aufgabe der Dichtwand mit dem erfolgten Rückbau aller Anlagen in der Grube nach der Auskohlung. Dem Einsatz einer Dichtwand im Braunkohlenbergbau gehen eine Vielzahl unterschiedlichster Untersuchungen voraus. Im Ergebnis sind folgende Fragestellungen zu beantworten: Die Existenz eines flächenhaft ausgebildeten Grundwasserstauhorizontes ist nachzuweisen, in den die Dichtwand mindestens 2 m eingebunden werden kann und dessen Teufenlage durch das Schlitzgerät erreicht werden kann. Das vor einer bergbaulichen Beeinflussung zu schützende Grundwasservorkommen/Oberflächen gewässer darf keinen anderen anthropogenen Einflüssen, wie z. B. Überlagerung der Absenkungstrichter mehrerer Tagebaue in einem Revier oder erhebliche Grundwasserentnahmen des Bergbaus aus Teufen größer 100 m mit nachhaltigen Wirkungen auf die zu schützenden Objekte, unterliegen. Die Platzverhältnisse für die notwendige Dichtwandtrasse sind zu prüfen. Es müssen die aus den bodenmechanischen Bearbeitungen ermittelten Abstände zur Tagebauböschung eingehalten werden.
96
Kapitel 2.4 Tagebauentwässerung, Planung, Modellierung und Wasserwirtschaft
Das Deckgebirge der Braunkohlenflöze, aber auch die Bereiche entlang der Kohlefeldgrenzen, sind in der Lausitz maßgeblich durch Stauchungs- und Auswaschungsvorgänge der Eiszeiten geprägt. So ist nicht in jedem Fall in technisch erreichbarer Teufe ein durchgehender Einbindehorizont vorhanden. Eine Forderung nach generellem Einsatz von Dichtwänden scheidet daher aus objektiven Gründen aus. Der Dimensionierung der Dichtwand (Festlegung der Lage und Länge) geht ein umfangreicher Prozess der Grundwassermodellierung voraus. Mit dem Modell ist nachzuweisen, dass das Schutzgut keinerlei Beeinflussung durch die Tagebauentwässerung unterliegt. Im Jahre 1976 begann die Testphase für das bis heute in den Grundzügen beibehaltene Lausitzer Dichtwandverfahren. Es handelt sich dabei um ein Fräsverfahren mit starrem Airlift (Führungs- und Lufthebeförderpfahl). Eine daran angeschlagenes Kettenschrämgerät löst das anstehende Gebirgsmaterial. Das erfräste Gebirgsgut wird nach dem Mammutpumpenprinzip an die Tagesoberfläche transportiert und im offenen Schlitz verspült. Das Verfahren ist ausführlich im Abschnitt 3.5.4 beschrieben.
.. Abb. 2.4-3 Dichtwandherstellung
Die Verspülräume für dieses im Zweiphasenverfahren eingebrachte Hinterfüllmaterial werden durch künstliche, verlorene Sperrwände untereinander abgegrenzt. Die Verfüllung erfolgt zur Einhaltung der zulässigen Druckkräfte terrassenartig. Das Fräsverfahren arbeitet mit sehr langen offenen Erdschlitzen. Um diese gegen Verbruch zu schützen, ist die Stützsuspension zur Aufnahme des Erddrucks mit ausreichender Dichte zu versehen und in Abhängigkeit von den bodenmechanischen Kennwerten eine temporäre Grundwasserabsenkung im oberen Schlitzbereich sicherzustellen. Neben den Anforderungen an die Standsicherheit des offenen Schlitzes während der Herstellung und der Qualitätssicherung ist die Existenz einer wirksamen Dichtwand wichtiger Bestandteil bei der bodenmechanischen Dimensionierung der Randböschungssysteme. Zwischen Abgrabungsgrenze und der Dichtwand achse muss der Gebirgsblock so bemessen sein, dass der wasserseitig auf die Dichtwand wirkende Druck ohne die Gefahr von Horizontalbewegungen aufgenommen werden kann. Für Lausitzer Verhältnisse gilt dabei ein Maß von ca. 120 m.
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.. Abb. 2.4-4 Standsicherheit des Schlitzes
.. Abb. 2.4-5 Standsicherheit der Dichtwand
Im Ergebnis der bodenmechanischen Untersuchungen werden folgende Aussagen und Vorgaben getroffen: ortskonkreter Mindestabstand von der Oberkante der Tagebauböschung,
die Abhängigkeiten zwischen Spülungsdichte, offener Schlitzlänge und erforderlicher Vorabsenkung des Grundwasserstandes, Stand des Spülungspegels unter Geländeoberkante im Schlitz.
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Kapitel 2.4 Tagebauentwässerung, Planung, Modellierung und Wasserwirtschaft
2.4.2.3 Sonderentwässerungsverfahren Schluck- und Sickerbrunnen Schluck- und Sickerbrunnen stellen Sonderformen der Entwässerung dar, die unter bestimmten geologischen Verhältnissen zur Anwendung gebracht werden können. Als Schluckbrunnen bezeichnet man mit Vollund Filterrohr ausgebaute Bohrungen, mit deren Hilfe Oberflächenwasser in tiefer liegende Grundwasserleiter abgeleitet werden kann. Voraussetzungen für die Anwendung von Schluckbrunnen bilden die ausreichend große Durchlässigkeit und Aufnahmefähigkeit des Grundwasserleiters, in den das Wasser eingebracht werden soll sowie eine ausreichend große Wasserspiegeldifferenz zwischen dem aufnehmenden Grundwasserleiter und der Ableitungsebene. Die gleichen Voraussetzungen gelten für die Anwendung von s. g. Sickerbrunnen. Hierbei ist die Wasserspiegeldifferenz zwischen aufnehmenden und abgebenden Grundwasserleiter maßgeblich. Mit Hilfe von Sickerbrunnen kann Wasser aus einem Grundwasserleiter in einen tiefer liegenden Grundwasserleiter abgeleitet werden. Sinnvoll ist diese Sonderform der Entwässerung z. B., wenn in den höher liegenden Grundwasserleitern eine Entwässerung erforderlich ist, jedoch so geringe Durchlässigkeiten anzutreffen sind, dass der Betrieb von Filterbrunnen aufgrund von geringen Ergiebigkeiten unwirtschaftlich erscheint.
Horizontalbrunnen und Horizontalbohrungen Während bei den vertikalen Entwässerungselementen (z. B. Filterbrunnen) die entwässerungswirksame Filterfläche mit der Absenkung des Wasserspiegels im brunnennahen Raum ständig abnimmt, kann bei horizontalen Entwässerungselementen die gesamte Filterfläche bis zur Absenkung des Wasserspiegels auf das Niveau des Entwässerungselements vollständig genutzt werden. Horizontalbrunnen werden seit Jahrzehnten in der Wasserwirtschaft zur Grundwassergewinnung genutzt. Ein Horizontalbrunnen besteht im Prinzip aus einem Schacht, von dem aus in horizontaler oder leicht ansteigender Richtung Filter- und Vollrohre in die zu entwässernden Schichten gepresst oder gebohrt werden. Der Schacht besitzt dabei die Funktion eines Sammlers, aus dem das gewonnene Grundwas-
ser in der Regel mit Hilfe einer Tauchmotorpumpe gehoben wird. Während des Einpressvorganges werden im filternahen Bereich aufgrund des hydrostatischen Überdrucks im Gebirge feinste Bestandteile der Lockergesteinsmatrix ausgetragen (Suffosion). Der so um das Filterrohr herum entstehende „natürliche“ Filter trägt zur Erhöhung der Brunnenergiebigkeit bei. Aufgrund der hohen Aufwendungen für die Herstellung derartiger Horizontalbrunnen ist deren Anwendung im Rahmen der Tagebauentwässerung jedoch nicht üblich. Spezielle Einsatzfälle, wie die Sicherung einer dauerhaften Wasserspiegelabsenkung in Vernässungsbereichen (Hoyerswerda) oder die Nutzung als hydraulische Barriere in Kombination mit einer Wasseraufbereitung (Altlastsanierung), belegen jedoch die erfolgreiche Anwendungsmöglichkeit des Verfahrens unter speziellen Bedingungen. Auch die Nutzung von Horizontalbohrungen für die Zwecke der Tagebauentwässerung ist bisher auf spezielle Einsatzfälle beschränkt. Die Entwicklung auf dem Gebiet der konventionellen Horizontalbohrtechnik (Spülbohrung) hat dazu geführt, dass heute Horizontalbohrungen mit unterschiedlichen Durchmessern (zumeist kleiner als 100 mm) über 150 m tief ins Gebirge vorgetrieben und mit Filterrohren ausgebaut werden können. Da derartige Bohrungen in der Regel nicht mit Pumpen ausgerüstet werden können, müssen diese Bohrungen zur sicheren Ableitung des Wassers vom Ansatzpunkt einen stetig steigenden Verlauf aufweisen. Aufgrund der Wirkung der Schwerkraft auf das Bohrgestänge ist diese Voraussetzung bei Bohrteufen größer 150 m zumeist nicht gegeben. Horizontalbohrungen in der beschriebenen Art können zur Restentwässerung von Grundwasserleitern im Bereich von geologisch vorgegebenen Strukturen, zum Abbau des Wassergehaltes in Mischbodenkippen und Wassergehaltsreduzierung der Kohle eingesetzt werden. Auf Grund der hohen Herstellungskosten und aufwendigen technologischen Vorbereitungsmaßnahmen führt erst eine lange Standzeit des Horizontalfilterbrunnens zu einem akzeptablen Kostenbild. Eine Sonderform der Horizontalbohrung stellt die verlaufsgesteuerte Horizontalbohrung dar. Dieses Verfahren, in der Literatur auch als HDD-Verfahren (Horizontal Directional Drilling) bezeichnet, ermöglicht die Herstellung von gerichteten Bohrungen (vertikale und horizontale Ablenkungen des Bohrloches) entlang einer vorgegebenen Linienführung. Bohrlochlängen größer 500 m stellen dabei keine Seltenheit dar. Die Steuerung erfolgt durch die Ablenkung der keilförmi-
Peter Jolas et al.
gen Bohrkopfspitze durch den Erdwiderstand des zu bohrenden Lockergesteins. Die Ortung der genauen Lage und der Stellung des Bohrkopfes erfolgt von der Erdoberfläche aus. In der Regel wird der zur Wasser erschließung erforderliche Filter nach der Herstellung einer durchschlägigen Pilotbohrung beim Ziehen des Bohrgestänges in das Bohrloch eingezogen. Zumeist wird durch einen sog. Aufweitkopf, der am Ende des Bohrgestänges (unmittelbar vor dem Filterstrang) angebracht wird, der Bohrlochdurchmesser entsprechend des Filterdurchmessers vergrößert. Zum mechanischen Schutz des Filters (Zugbelastung) wird dieser in einem Hüllrohr in das Bohrloch eingezogen. Das Hüllrohr wird nach dem Filtereinbau in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten entweder vom Ansatzpunkt oder vom Zielpunkt aus dem Bohrloch gezogen. Die Entwicklung der sog. Überwaschtechnik ermöglicht das Einbringen eines Filterstranges in nicht durchschlägige Bohrungen. Der Filter wird dabei vom Ansatzpunkt in ein Hohlgestänge eingeführt. Das Gestänge wird nach dem Filtereinbau aus dem Bohrloch gezogen. Bei beiden Verfahren wird davon ausgegangen, dass nach dem Ziehen des Hüllrohres bzw. des Hohlgestänges durch die Entspannung des Gebirges im unmittelbaren Umfeld des Filters ein Auflockerungsbereich entsteht, der zu erhöhten Durchlässigkeiten führt. In der Praxis konnte die Entwässerungswirksamkeit von verlaufsgesteuerten Bohrungen mit Filtereinbau in kiesigen Horizonten nachgewiesen werden. Die Ergiebigkeit derartiger Bohrungen in feinkörnigeren Lockergesteinen blieb bisher hinter den Prognosen zurück. Ge-
.. Abb. 2.4-6 Verlaufsgesteuerte Horizontalbohrung im Tagebau Vereinigtes Schleenhain
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genwärtig wird in verschiedenen Institutionen an der Weiterentwicklung des Verfahrens gearbeitet, um die theoretischen Vorzüge dieses Verfahrens (s. o.) gegenüber den vertikalen Entwässerungselementen praxiswirksam umzusetzen.
Vakuumentwässerung Bei der Entwässerung von feinsandig-schluffigen Lockergesteinen, wie sie lokal in allen deutschen Braunkohlenrevieren anzutreffen sind, geraten die Methoden der gravitativen Entwässerung an ihre Grenzen. Speziell unter dem Aspekt der schwer abzubauenden Porenwasserdrücke stellen derartige Böden, sowohl im gewachsenen Gebirge als auch in Kippen, Schwerpunkte in Bezug auf die Standsicherheit von Böschungen dar. Unter diesen Bedingungen bietet der Einsatz der Vakuumentwässerung eine Möglichkeit der Einflussnahme. Bei der Vakuumentwässerung wird im verfilterten Bohrloch zusätzlich ein Unterduck erzeugt, der zur Lösung des Wassers aus den Poren mit hohen inneren Bindungskräften beiträgt. Nach Literaturangaben [1] eignen sich Schluffe bzw. schluffige Feinsande mit einem wirksamen Korndurchmesser von 0,003 bis 0,03 mm und einem Durchlässigkeitsbeiwert von 10–5 und 10–7 m/s für die Anwendung der Vakuumentwässerung, die bis in eine Tiefe von maximal 6 m einsetzbar ist. Bei diesem Verfahren werden Filterlanzen in den Boden eingespült. An die Lanzen wird ein Vakuum mittels Vakuumpumpe angelegt und somit das Wasser aus dem Boden gelöst.
.. Abb. 2.4-7 Vakuumentwässerung im Tagebau Nochten
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Kapitel 2.4 Tagebauentwässerung, Planung, Modellierung und Wasserwirtschaft
Tiefendränagen Speziell im Zusammenhang mit der Problematik der Standsicherheit von Kippensystemen ergibt sich die Aufgabenstellung, den Grundwasserwiederanstieg so zu beeinflussen, dass kritische Wasserstände im Kippensystem nicht erreicht werden. Entsprechende Effekte lassen sich durch die Anwendung von Tiefendränagen erzielen. Dazu ist es erforderlich, vor der Verkippung Dränagen im Tagebauliegenden einzubauen, die nach der Verkippung das neu gebildete Grundwasser unter dem Kippensystem abführen. Aufgrund der enormen Belastung des Liegenden im Verlauf der Verkippung müssen diese Dränagen in Liegendgräben mit ausreichender Dränagekiesüberdeckung eingebaut werden. Alternativ ist die nachträgliche Herstellung von konventionellen oder verlaufsgesteuerten Horizontalbohrungen möglich. Dabei sind die o. g. Randbedingungen zu beachten. Ein weiterer Einsatzfall für Tiefendrainagen ergibt sich mit der Entwässerung von Grundwasserleitern mit geringer Erdüberdeckung. Mit einer Fräsmaschine können Dränagerohre bis in eine Tiefe von 6 m verlegt werden. Herstellen des Erdschlitzes, Einbringen der Dränagerohre, Einbringen einer Kiesummantelung um die Dränagerohre und Schließen des Erdschlitzes erfolgen in einem Arbeitsgang.
2.4.2.4 Fassung und Ableitung von Grubenwasser Wie im Kapitel 2.4.1 dargestellt, ist der Tagebaubetrieb den jeweils vorherrschenden klimatischen Einflüssen nahezu ungeschützt ausgesetzt. Dementsprechend ist anfallendes Grubenwasser so zu fassen und abzuleiten, dass Behinderungen des Produktionsprozesses weitestgehend vermieden werden. Als Grubenwasser wird dabei freies Wasser verstanden, das bei Niederschlägen, bei Schneeschmelze im Einzugsgebiet eines Tagebaues gebildet wird oder als Restwasser aus Böschungen und aus dem Liegenden zufließt bzw. diesem zuströmt. Durch die Fassung und Ableitung des Grubenwassers mit Hilfe von Gräben wird das anfallende bzw. zufließende Wasser Stauräumen und Wasserhaltungen zugeführt, von denen aus eine gezielte Übergabe in das Ableitungssystem des Tagebaues oder eine direkte Ableitung in die Vorflut erfolgt. Im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz ist durch ein geeignetes System von Gräben und Stauräumen in den Randbereichen
.. Abb. 2.4-8 Tiefendränage im Tagebau Nochten
eines Tagebaues dafür Sorge zu tragen, dass das bei extremen Niederschlagsereignissen entstehende Oberflächenwasser nicht in den Tagebau gelangen kann. Innerhalb des Tagebaues muss bei der Anlage von Gräben sowohl das Einfallen der Bermen als auch die Beschaffenheit des von dem jeweils eingesetzten Gewinnungsgerät hergestellten Planums berücksichtigt werden. Unter dem Aspekt der Vermeidung von Vernässungen der Arbeitsebenen durch Standwasser ist im Bereich der Gewinnungs- und Verkippungsgeräte die Herstellung eines Feinplanums unerlässlich. Auf den Baggerbermen werden Fassungs- und Ableitungsgräben meist unmittelbar am Böschungsfuß angelegt und längs der Böschung mitgeführt. Das in den Gräben gefasste Grubenwasser wird zumeist Gesenken oder instationären Wasserhaltungen zugeführt, von denen aus das Wasser mit Hilfe von Schmutzwasserpumpen und flexiblen Leitungen in das Ableitungssystem des Tagebaues abgegeben wird.
2.4.3
Hydrogeologische Modellierung und Dimensionierung von Entwässerungsanlagen
2.4.3.1 Analytische Berechnungsverfahren Grundsätzlich ist die Grundwasserströmung anhand der Massenkontinuität mit Speicherterm und der Abbildung der Grundwassergeschwindigkeit über das Gesetz von Darcy physikalisch mathematisch anhand einer partiellen Differentialgleichung zweiten Grades beschreibbar.
Peter Jolas et al.
Derartige Differentialgleichungen sind einer analytischen Lösung im Allgemeinen zwar nicht zugänglich, für einzelne Sonderfälle lassen sich mit Hilfe analytischer Berechnungsverfahren jedoch Grundwasserströmungsprozesse mit relativ einfachen Mitteln mathematisch modellieren. Die Anwendung dieser ein- oder zweidimensionalen Verfahren setzt jedoch eine weitestgehende Schematisierung der realen Strömungsvorgänge voraus, so dass die Ergebnisse der analytischen Berechnungsverfahren entsprechend des Approximationsgrades als Überschlag bzw. erste Näherung zu betrachten sind. Das den analytischen Lösungen zugrunde liegende mathematische Modell der Grundwasserströmung wird dabei in expliziter Form gelöst. Aufgrund der schnellen Verfügbarkeit der Ergebnisse sind diese Verfahren jedoch nach wie vor für die Anwendung im Rahmen von Planungsaufgaben geeignet. Durch Superposition der Grundgleichungen lassen sich eine Vielzahl von komplexen Aufgabenstellungen mit den einfachen Mitteln der analytischen Grundwasserhydraulik lösen. Außerdem basieren grundlegende Algorithmen von numerischen Modellen (vergleiche Kapitel 2.4.4.3) auf analytischen Lösungen. Typische Berechnungsfälle für die Anwendung von eindimensionalen analytischen Berechnungsverfahren sind mit der Grabenanströmung und der Brunnenanströmung gegeben. Eindimensionale analytische Berechnungsverfahren sind anwendbar, wenn sich der zu modellierende Strömungsprozess als Stromröhre darstellen lässt und die maßgebenden geohydraulischen Parameter wie z. B. Durchlässigkeitsbeiwert des Lockergesteins, Durchfluss, Mächtigkeit des betrachteten Grundwasserleiters oder Grundwasserneubildung als Konstanten zu betrachten sind. Ausgehend von der Beschreibung der stationären Grabenanströmung für gespannte (Druckströmung) und ungespannte (freie Grundwasseroberfläche) Strömungsverhältnisse lassen sich Lösungen für eine Reihe von Grundwasserströmungsproblemen ableiten: Ungeschichtete bzw. geschichtete Grundwasserleiter; Horizontale oder geneigte Grundwasserleitersohle; Durchströmung halbdurchlässiger Schichten (leaky aquifer). Durch Einführung der Zeitabhängigkeit lassen sich die stationären eindimensionalen Lösungen in instationäre Lösungen überführen. Ähnlich wie bei der Grabenanströmung lassen sich
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schematisierte Ansätze für die eindimensionale rotationssymmetrische Strömung nutzen, um die Strömungsverhältnisse im Umfeld eines Filterbrunnens mathematisch zu modellieren. Die Herleitung der analytischen Lösungsansätze für die mathematische Modellierung von Grundwasserströmungsprozessen und konkrete Ansätze für die Lösung von grundlegenden Aufgaben aus dem Bereich der Strömungstechnik kann der Literatur (u. a. in [1], [2], [3] und [4]) entnommen werden.
2.4.3.2 Analoge Grundwasserströmungsmodelle Die Nutzung von analogen Modellen zur Simulation von Grundwasserströmungsprozessen fand nach /1/ in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Für diese Form der Modellierung der Grundwasserströmungsprozesse wurden Analogiebeziehungen zwischen der Grundwasserströmung und der Bewegung von viskosen Flüssigkeiten in porösen Medien oder Gefäßen (hydraulische Analogie, z. B.: Sand-, Kugel- oder Spaltmodelle) sowie der Bewegung von Ionen in einem elektrischen Leiter (elektrische Analogie, z. B. elektrolytischer Trog, Papiermodelle oder elektrische Netzwerke) genutzt. Für die Darstellung entwässerungstechnischer Probleme im Tagebau wurden dabei zumeist Elektroanalogiemodelle in Form von Papiermodellen und elektrischen Netzwerken verwendet, wobei Papiermodelle die weiteste Verbreitung in Industrie und Forschung fanden. Die Analogiebeziehung zwischen Grundwasserströmung und elektrischem Strom ergibt sich aus analogen mathematischen Beziehungen zur Beschreibung der Energie- bzw. Impulserhaltung. Während bei der Grundwasserströmung auf der Grundlage der Kontinuitätsgleichung davon auszugehen ist, dass die Summe der Zu- und Abflüsse an einem Volumenelement gleich null ist, trifft dies nach dem 1. Kirchhoff ’schen Gesetz für die Stromflüsse an einem Knotenpunkt zu. Die zweite Analogiebeziehung ergibt sich bei der Betrachtung der grundlegenden dynamischen Grundbeziehungen, dem Gesetz von Darcy bei der Grundwasserströmung bzw. dem Ohm’schen Gesetz der Elektrotechnik. Unter Beachtung dieser Analogiebeziehungen ist es möglich Versuchsanordnungen zu schaffen, mit denen reale Strömungsräume des Grundwassers als Papiermodell oder elektrische Netzwerke nachgebildet werden können. Der Vorteil dieser Modelle besteht darin,
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Kapitel 2.4 Tagebauentwässerung, Planung, Modellierung und Wasserwirtschaft
dass die den hydraulischen Parametern (Durchlässigkeitskoeffizient, hydraulisches Gefälle, Durchfluss) entsprechenden elektrischen Größen (spezifische Leitfähigkeit, Spannung und Stromstärke) direkt variiert bzw. gemessen werden können. Die nachfolgende Abbildung zeigt ein Papiermodell, mit dessen Hilfe die Strömungsvorgänge im Umfeld eines Horizontalfilterbrunnens modelliert wurden. Mit dem Hilfsmittel der Elektroanalogie lassen sich Aufgabenstellungen der Tagebauentwässerung mit relativ geringem Aufwand auf anschauliche Weise lösen. Wobei einschränkend hinzugefügt werden muss, dass zur Simulation nichtstationärer Prozesse für jeden Zeitschritt die Herstellung eines separaten Modells erforderlich ist. Grundlegende Zusammenhänge in Bezug auf die Anwendung von analogen Grundwasserströmungsmodellen werden in [2] vermittelt.
.. Abb. 2.4-9 Papiermodell zur Simulation der Grundwasserströmungsverhältnisse im Umfeld eines Horizontalfilterbrunnens
2.4.3.3 Numerische Grundwasserströmungsmodelle Die enorme Entwicklung der Rechentechnik seit Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts ermöglichte es zunehmend, große Datenmengen zu verwalten und eine Vielzahl von Rechenoperationen in kurzer Zeit durchzuführen. Damit waren die Voraussetzungen für die effektive Lösung von großen Gleichungssystemen mit einer Vielzahl von Unbekannten geschaffen, eine Aufgabe, die es bei der mathematisch-numerischen Modellierung von Grundwasserströmungsprozessen zu lösen gilt. Anders als bei den analytischen Modellansätzen sind bei der numerischen Grundwassermodellierung somit auch komplexe Strömungsprozesse in heterogenen hydrogeologischen Formationen mit diversen hydraulischen Einflüssen erfassbar und prognostizierbar. Im Rahmen der mathematisch-numerischen Modellierung der Grundwasserströmung ist es dabei erforderlich, die natürlichen Prozesse in Teilmodellen nachzubilden. Das Strukturmodell enthält alle Angaben zur Geometrie des Strömungsraumes. In diesem Teilmodell werden die räumlichen Daten der Aquifer, wie Liegendhöhen und Mächtigkeit aber auch vertikale oder horizontale Verbindungen (Kopplungen) und hydraulisch dichtende Verwerfungen zwischen einzelnen Schichten erfasst. Im Strukturmodell muss darüber hinaus auch der Abbaufortschritt der Tagebaue und ggf. eine Veränderungen der Geländeoberfläche abgebildet werden. Das Parametermodell spiegelt die physikalischen Eigenschaften der durchströmten Lockergesteinsschichten (z. B. Durchlässigkeitskoeffizient, entwässerbare Porosität und Speicherkoeffizient) wider. Das Signalmodell erfasst alle erforderlichen Daten, die es ermöglichen, hydrologische und meteorologische Einflüsse auf den Strömungsraum nachzubilden. Über den Parameter Grundwasserneubildung wird z. B. die niederschlagsbedingte Ergänzung des Grundwasserkörpers mathematisch formuliert. Innerhalb dieses Teilmodells werden mit Hilfe von Randbedingungen u. a. die hydraulischen Auswirkungen von Oberflächengewässern und Wasserentnahmen auf die Grundwasserströmung erfasst. Damit sind auch die Elemente der Tagebauentwässerung, deren Dimensionierung und lokale Anordnung mit Hilfe der mathematischen Modelle erfolgen soll, Bestandteil dieses Teilmodells. Für die numerische Lösung von Grundwasserströmungsproblemen ist es erforderlich, den Strömungsraum horizontal und vertikal auf eine endliche Anzahl von Volumenelementen zu unterteilen (räumliche
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Diskretisierung). Für jedes, auf diese Weise entstandene Volumenelement ist es erforderlich, für jeden Zeitschritt (zeitliche Diskretisierung) die Bilanzgleichung (Gesetz von der Erhaltung der Masse) zu lösen und somit die zu- und abströmenden Wassermengen zu ermitteln. Damit entsteht ein Gleichungssystem mit der Anzahl Gleichungen, die der Anzahl der räumlichen Diskretisierungselemente entspricht. Dieses Gleichungssystem ist für jeden Zeitschritt erneut zu berechnen. Im Ergebnis der Berechnungen werden für jeden Zeitschritt die Zu- und Abflüsse über die Ränder der einzelnen Volumenelemente mit den entsprechenden Strömungsgeschwindigkeiten ausgegeben. Über die Auswertung der o. g. Randbedingungen kann ortsdiskret ermittelt werden, wie viel Wasser dem Strömungsraum entnommen bzw. zugeführt werden muss, um einen vorgegebenen Wasserstand zu erreichen. Im Umkehrschluss ist es möglich, eine Entnahme oder Zugabe von Wasser ortsdiskret vorzugeben und im Ergebnis der Berechnungen den Wasserstand in den beeinflussten Volumenelementen oder an den definierten Randbedingungen zu ermitteln. Für die Belange der Tagebauentwässerung ergeben sich daraus zwei grundsätzliche Betrachtungsmöglichkeiten. Zum einen kann über geeignete Randbedingungen das Entwässerungsziel (Wasserstand) räumlich und zeitlich vorgegeben und die dafür erforderliche Wasserhebung ermittelt werden. Zum anderen ist es möglich, die Wasserentnahme räumlich und zeitlich vorzugeben, um den Verlauf der Absenkung bzw. des Anstiegs des Wasserspiegels prognostizieren zu können. Diese grundsätzlichen Aufgabenstellungen können mit Hilfe der mathematisch-numerischen Modellierung sowohl großräumig als auch lokal (bis hin zum Einzelbrunnen) gelöst werden. In der Regel werden für großräumige Betrachtungen, wie z. B. für die Ermittlung des Einflusses der bergbaulichen Wasserhaltungsmaßnahmen eines Tagebaues auf das angrenzende Territorium, regionale Modelle mit größeren Diskretisierungsweiten (Größe der Volumenelemente des Modells) genutzt. Für die Dimensionierung der Entwässerungsanlagen im Tagebau werden demgegenüber z. T. Detailmodelle genutzt, die eine geringere Diskretisierungsweite aufweisen. Grundsätzlich ist die Diskretisierungsweite von verschiedenen Faktoren abhängig. Da z. B. der Aufbau des jeweiligen Strukturmodells eine Interpolation der vorhandenen Aufschlussdaten auf das Netz der Volumenelemente darstellt, darf bei der Festlegung der Diskretisierungsweite die Aufschlussdichte nicht unbeachtet bleiben. Aufgrund der heutigen Leistungsfähigkeit der Rechner ist es jedoch
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auch möglich, Detail- und Großraummodellierungen innerhalb eines Modells abzubilden. Abbildung 2.4-10 verdeutlicht dies am Beispiel des Hydrogeologischen Großraummodells Leipzig-Süd (HGMS), mit dem die hydraulischen Wechselwirkungen zwischen dem Sanierungsbergbau (Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH – Restseeflutung und Grundwasserwiederanstieg) und dem aktiven Bergbau (Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH – Grundwasserabsenkung) im Südraum der Stadt Leipzig auf der Grundlage des Programmsystems PCGEOFIM nachgebildet bzw. prognostiziert werden. Innerhalb eines Grundrasters mit einer Diskretisierungsweite von 500 m ermöglichen lokale Netzverfeinerungen bis zu einer Diskretisierungsweite von 62,5 m mit diesem Modell Detailbetrachtungen in Bezug auf bergbautypische, ökologische und altlastenrelevante Problemstellungen. Mit dem Modell wird eine Fläche von ca. 1.800 km² erfasst. Der Grad der Anpassung eines Grundwasserströmungsmodells an die realen Verhältnisse ist neben der Wahl der Diskretisierungsweite in besonderem Maße von der Qualität der Eichung des Modells abhängig. Im Rahmen der sog. Modellkalibrierung wird ein zurückliegender Zeitraum mit Hilfe des Modells nachvollzogen. In Abhängigkeit von der Größe der Abweichung der berechneten Ergebnisse von den real gemessenen Daten, erfolgt in dieser Phase der Modellierung eine zielgerichtete Anpassung des Parametermodells bzw. des Signalmodells. Erst wenn Modellergebnisse und Messwerte des Eichzeitraumes, die im Rahmen des Grundwassermonitorings erhoben werden (vergleiche Kapitel 2.4.4), eine annähernde Übereinstimmung zeigen, kann von einer guten Anpassung des Modells und von gesicherten Prognoseergebnissen ausgegangen werden. Die Planung der Tagebauentwässerung erfolgt in der Gegenwart in allen deutschen Bergbaurevieren auf der Basis von numerischen Grundwasserströmungs modellen. Dabei kommen unterschiedliche Programmsysteme zur Anwendung, die parallel zur Entwicklung der Rechentechnik entsprechend der Bedürfnisse der Anwender ständig modifiziert werden. Speziell für die Zwecke der bergbaulichen Wasserwirtschaft finden die Programmsysteme MODFLOW (Entwickler: U.S. Geological Survey ), PCGEOFIM (Entwickler: Ingenieurbüro für Grundwasser GmbH Leipzig) und FEFLOW (Entwickler: DHI Wasser & Umwelt GmbH BerlinBohnsdorf) in den Braunkohlenrevieren Deutschlands breite Anwendung. Im Rheinischen Revier wird darüber hinaus auch noch eine Eigenentwicklung
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Kapitel 2.4 Tagebauentwässerung, Planung, Modellierung und Wasserwirtschaft
.. Abb. 2.4-10 Modellgrenzen und Diskretisierung des Hydrogeologischen Großraummodells Leipzig-Süd
(GWDREI) eingesetzt. Sowohl für die räumliche Anordnung der Ansatzpunkte als auch für die Dimensionierung der Filterbrunnen werden derartige Modelle verwendet. Mit Hilfe der hydrogeologischen Modellierung können alle Prozesse der Tagebauentwässerung, von ggf. erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Reduzierung der Grundwasserabsenkung in
schützenswerten Feuchtgebieten und der Restseefüllung sowie des Grundwasserwiederanstiegs nach der Einstellung der bergbaulichen Wasserhaltung simuliert bzw. prognostiziert werden. Damit ist es möglich, noch vor Aufschluss eines Tagebaues zum einen das für eine sichere Abbauführung erforderliche Entwässerungssystem zu planen (einschließlich der wirtschaftlichen
Peter Jolas et al.
Bewertung), zum anderen die Auswirkungen der bergbaulichen Wasserhaltungsmaßnahmen auf das Umfeld (Ökosysteme, Grundwassernutzungen, Bausubstanz) im Voraus zu prognostizieren und gezielt Maßnahmen zur Verminderung negativer Auswirkungen abzuleiten. Speziell unter dem letztgenannten Gesichtspunkt stellen die Ergebnisse der Grundwasserströmungsmodellierung eine Grundlage für die Vorbereitung und Durchführung bergrechtlicher Genehmigungsverfahren dar. Weiterführende Betrachtungen zu den theoretischen Ansätzen der Modellierung der Grundwasserströmung sind u. a. in [2] enthalten.
2.4.3.4 Bemessung von Anlagen zur Wasserfassung und Ableitung Aufgrund der räumlichen Begrenzung und der sich ständig wandelnden Morphologie eines Tagebaues wird für die Dimensionierung von Gräben und Stauräumen im offenen Tagebau häufig ein vereinfachtes Verfahren zur Ermittlung des oberirdischen Abflusses nach Niederschlagsereignissen zur Anwendung gebracht. Als Niederschlagsmodell wird häufig ein Bemessungsniederschlag mit konstanter Intensität und Dauer (Blockregen) genutzt. Ein solcher Blockregen wird durch die Parameter Niederschlagsdauer, Intensität und Häufigkeit bzw. Eintrittswahrscheinlichkeit charakterisiert. Mit Hilfe von statistischen Auswertungsmethoden lassen sich anhand von langjährigen Messreihen des Niederschlags ortsbezogene Bemessungsniederschläge ableiten. Für die Dimensionierung von Gräben und Stauräumen wird dieser Bemessungsniederschlag, der bezogen auf das oberirdische Einzugsgebiet eines Tagebaues den maximalen Wasseranfall als Folge des Niederschlagsereignisses darstellt, durch den s.g. Abflussbeiwert abgemindert. Dieser Abflussbeiwert oder auch das Abflussverhältnis ist nach [5] als Verhältnis des direkten Abflusses zum Niederschlag definiert. Durch den Abflussbeiwert wird die Größe, die Form und das Gefälle des Einzugsgebietes sowie dessen Bodenart, -nutzung, Vegetationsdichte bzw. Versiegelungsgrad und Bodenfeuchte charakterisiert. Die Größe der erforderlichen Stauräume zur Rückhaltung abfließenden Niederschlagswassers ergibt sich vereinfacht durch die Multiplikation der Fläche des Einzugsgebietes mit der Niederschlagsspende des Bemessungsniederschlags und dem Abflussbeiwert. Ableitungsgräben werden so dimensioniert, dass die gesamte, während eines Niederschlagsereignisses im Einzugsgebiet des Grabens gebildete Wassermenge im Zeitraum des Ereignisses
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schadlos abgeleitet werden kann. Die Abmessungen des erforderlichen Grabens werden dabei unter Beachtung der Reibungsverluste (Beiwerte nach ManningStrickler) ermittelt. Die für diese Dimensionierung erforderlichen Berechnungsansätze und Kennwerte sind u. a. in [6] und [7] zusammengestellt.
2.4.4
Grundwassermonitoring
Die Wirksamkeit eingesetzter Entwässerungsverfahren und deren Auswirkungen auf die Grundwasserströmungsverhältnisse lassen sich mit Hilfe der Beobachtung der Grundwasserstandsentwicklung nachvollziehen. Um die Auswirkungen eines Tagebaubetriebes auf den Wasserhaushalt umfassend betrachten bzw. erforderliche Entwässerungsmaßnahmen in der erforderlichen Genauigkeit planen zu können, ist die Beobachtung der Entwicklung des Grundwasserstandes über den Zeitraum des eigentlichen Abbaubetriebes hinaus erforderlich. Dies gilt sowohl für den Zeitraum vor Beginn der Entwässerungsmaßnahmen als auch für die Zeit nach der Einstellung der Wasserhaltungsmaßnahmen bis zum Abschluss des Grundwasserwiederanstiegs. Aufgrund des stockwerkartigen Aufbaus der Erdkruste ist in der Regel die getrennte Beobachtung der einzelnen Grundwasserleiter erforderlich. Dazu werden Grundwassermessstellen genutzt, deren Aufbau und Wirkungsweise im Kapitel 3.5.3 beschrieben ist. Da die Auswirkungen der Entwässerungsmaßnahmen über den Bereich des eigentlichen Rohstoffabbaus hinaus gehen, ist der gesamte, von der Grundwasserabsenkung betroffene Raum in die Grundwasserbeobachtung einzubeziehen. Die Festlegung des Beobachtungsbereichs erfolgt mit Hilfe von Grundwasserströmungsmodellen (vergleiche Kapitel 2.4.3.3), mit denen die Auswirkungen der bergbaulichen Wasserhaltungsmaßnahmen prognostiziert und die Reichweite der Entwässerungsmaßnahmen bestimmt werden. Bereits in der Phase der Erkundung werden die ersten Grundwassermessstellen zur Erfassung des Ausgangszustandes hergestellt. Die Messstellendichte und -anordnung ist dabei maßgeblich von den Lagerungsverhältnissen abhängig. Mit Beginn der Entwässerungsmaßnahmen wird das Messnetz speziell innerhalb des Grundwasserabsenkungsbereichs im Zuge der weiteren Erkundung verdichtet. Die Messstellen werden in der Regel als sog. Messstellenprofile angeordnet (beginnend im Bereich der Randriegelbrunnen mit nach außen hin größer werdenden Abständen), deren Ausrichtung sich
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Kapitel 2.4 Tagebauentwässerung, Planung, Modellierung und Wasserwirtschaft
im Wesentlichen nach zu schützenden Objekten (Wasserfassungen, setzungsempfindliche Bausubstanz u. a.) richtet. Neben der Entwicklung der Wasserstände in den gewachsenen Grundwasserleitern wird mit Hilfe des Monitoringsystems auch der Grundwasserwiederanstiegsprozess in den Kippen und Halden überwacht. Die Wasserstände werden in der Regel zyklisch erfasst. Die Häufigkeit der Messungen richtet sich dabei nach der zu lösenden Aufgabenstellung (z. B. geotechnische Schwerpunkte oder sensible Bereiche in kürzeren Abständen, Randbereich des Absenkungstrichters größere Abstände). Besonders sensible Bereiche können dabei auch mit automatischen Messwerterfassungssystemen ausgerüstet werden, deren Messfrequenz bis in den Minutenbereich hinein gehen kann. Die Daten dieser s. g. Datenlogger können mit Hilfe eines geeigneten Feldrechners zyklisch ausgelesen oder per Funk übertragen werden. Zur Überwachung der Grundwasserqualität werden spezielle Grundwassergütemessstellen mit größerem Rohrdurchmesser (4 oder 5") hergestellt, aus denen mit Hilfe von Schöpfern oder Probenahmepumpen (Membranpumpen o. Ä.) Wasserproben zur Bestimmung der Inhaltsstoffe entnommen werden können.
2.4.5
Wasserqualität, Wasserbehandlung, Nutzung von Grubenwasser
2.4.5.1 Wasserqualität Durch die Anwendung der im Kapitel 2.4.2 erläuterten Entwässerungsverfahren erfolgt in der Regel keine, über eine Belüftung (Zufuhr von Luftsauerstoff) des Wassers hinausgehende Beeinflussung der Qualität des Grundwassers. Jede Veränderung der Wasserqualität des gehobenen Wassers gegenüber dem Zustand im unbeeinflussten Grundwasserleiter ist das Ergebnis von Oxidationsprozessen der Wasserinhaltsstoffe oder Austauschprozessen mit der Bodenmatrix. Durch den Entwässerungsprozess wird im Grundwasserabsenkungsbereich Luftsauerstoff in die gewachsenen Grundwasserleiter eingetragen. Dieser Luftsauerstoff führt speziell in tertiären Lockergesteinen mit einem hohem Mineralbestand aus Schwefel-Eisen-Verbindungen (Pyrit, Markasit u. a.) zu Stoffumwandlungen, in deren Ergebnis der Eisen- und Sulfatgehalt des Grundwassers steigt. In Abhängigkeit vom natürlichen Puffervermögen des Grundwassers kann bei diesen Umwandlungsprozessen auch der pH-Wert des Grundwassers
bis in den sauren Bereich zurückgehen. Aufgrund der beschriebenen Prozesse ist Sümpfungswasser häufig durch erhöhte Eisen- und Sulfatgehalte gekennzeichnet. Besonders in Kippen können diese Abweichungen gegenüber der Qualität des unbeeinflussten Grundwassers erhebliches Ausmaß annehmen. Dieser Umstand resultiert aus dem zusätzlichen Sauerstoffeintrag in das Lockergestein im Zuge des Gewinnungs-, Transportund Verkippungsprozesses sowie der intensiven Vermischung der verschiedenen Lockergesteinsarten. Im Zusammenhang mit dem Grundwasserwiederanstieg (niederschlagsbedingte Grundwasserneubildung und seitlicher Zustrom aus den gewachsenen Grundwasserleitern oder dem Liegenden) gehen die Oxidationsprodukte in Lösung. In Abhängigkeit vom Mineralbestand können dabei – speziell in Bereichen mit dauerhafter Sauerstoffdisposition (z. B. Kippenendböschungen) – im Grundwasser Eisengehalte > 100 mg/l und Sulfatgehalte > 1000 mg/l bei pH-Werten im stark sauren Bereich entstehen. Im Rahmen der Einleiterlaubnisse (vergleiche Kapitel 4.4.2) werden in der Regel Eisengehalte und pH-Werte des Sümpfungswassers limitiert, so dass zusätzliche Aufwendungen zur Konditionierung des einzuleitenden Wassers erforderlich werden können (vergleiche Kapitel 2.4.5.2).
2.4.5.2 Grubenwasserreinigung Wie bereits im vorhergehenden Kapitel beschrieben, werden vor der Einleitung des im Tagebau gehobenen Wassers in die Vorflut teilweise qualitätsverbessernde Maßnahmen erforderlich. Nach dem gegenwärtigen Stand der Technik sind unter Beachtung der im Zuge der bergbaulichen Wasserhaltung zu bewegenden Volumenströme großtechnisch nur die Parameter Eisengehalt und pH-Wert wirtschaftlich vertretbar zu beeinflussen. Die Konditionierung des Wassers erfolgt dabei mit Hilfe von Grubenwasserreinigungsanlagen auf der Grundlage des Prinzips der Eisenfällung. Dieser Prozess beruht auf der Umwandlung von zweiwertigem in dreiwertiges Eisenoxid und der Ausfällung der entstehenden Reaktionsprodukte (Eisenflocken). Da dieser Prozess nur im neutralen bis schwach basischen Milieu optimal verläuft, ist der Fällung meist eine pH-Wert-Anhebung durch Zugabe von Kalk oder Kalkmilch vorgeschaltet. Zur Beschleunigung der Flockenbildung wird nach der Sauerstoffzufuhr zumeist ein sog. Flockungshilfsmittel zugesetzt. Der Eintrag von Sauerstoff erfolgt durch Zwangsbelüftung (z. B. Wendelbelüfter). In nachgeschalteten Absetzbecken
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kommt es zur Sedimentation des gefällten Eisens und der Kalkreste. Für die Absetzbecken kommen dabei unterschiedlichste Bauarten zur Anwendung. In Analogie zur Abwasserbehandlung werden zunehmend Rundbecken mit Räumschilden eingesetzt, die einen kontinuierlichen Schlammabzug ermöglichen. In Abhängigkeit von der weiteren Verwendung des Eisenhydroxid-Schlammes erfolgt eine Schlammeindickung oder Schlammentwässerung. Die Entsorgung des Eisenhydroxid-Schlammes erfolgt entweder durch Verspülung in geeignete Absetzräume oder Deponierung. Aufgrund der Rest-Alkalinität des Reststoffes erscheint auch eine stoffliche Verwertung des Materials zur Erhöhung des Säurepuffervermögens von Kippen denkbar.
2.4.5.3 Nutzung von Tagebausümpfungswasser Das bei der Freimachung der Lagerstätte anfallende Sümpfungswasser stellt einen Rohstoff dar, der unterschiedlichen Verwendungszwecken zugeführt werden kann. Unter Beachtung wirtschaftlicher Aspekte sollte der Nutzung des im Tagebau gehobenen Wassers Vorrang gegenüber dem Abschlag in die Vorflut eingeräumt werden. In Abhängigkeit von der Qualität des Wassers sind unterschiedliche Nutzungsarten möglich. Entspricht die Konzentration der Wasserinhaltsstoffe den Vorgaben der Trinkwasserverordnung, kann
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Sümpfungswasser als Rohwasser für die Trinkwasseraufbereitung genutzt werden. Unter ähnlichen qualitativen Rahmenbedingungen wird Sümpfungswasser direkt oder nach Durchlauf geeigneter Reinigungsstufen zur Versorgung der Tagesanlagen der Bergbaubetriebe mit Trink- und Brauchwasser genutzt. Breite Anwendung findet Tagebausümpfungswasser zur Brauchwasserversorgung von Industriebetrieben. Aufgrund der üblicherweise direkten Nachbarschaft von Tagebau und Kraftwerk wird ein großer Teil des Sümpfungswassers als Kühlwasser im Kraftwerksbetrieb eingesetzt. Hierbei stellt zunehmend der Parameter Sulfat einen limitierenden Faktor dar, da Sulfatgehalte größer 300 mg/l bereits einen erheblichen Entsalzungsaufwand erfordern. Neben den genannten Nutzungen wird ein erheblicher Teil des Sümpfungswassers der Bergbaubetriebe für wasserwirtschaftliche Ausgleichsmaßnahmen genutzt. Kapitel 4.4.3 gibt einen Überblick über derartige Anwendungsfälle.
Quellenverzeichnis [1]
[2]
Strzodka, K. (Hrsg.): Hydrotechnik im Bergbau und Bauwesen; 3.überarbeitete Auflage Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1981 Busch, K.-F.; Luckner, L.; Tiemer, K.: Geohydraulik, 3. neubearbeitete Auflage Gebrüder Bornträger, Berlin-Stuttgart 1993
.. Abb. 2.4-11 Grubenwasserreinigungsanlage Tzschelln (Vattenfall)
108
[3]
[4] [5]
Kapitel 2.4 Tagebauentwässerung, Planung, Modellierung und Wasserwirtschaft
Härtig, H.; Ciesielski, R.; Strzodka, K.; Steinmetz, R. (Hrsg.): Grundlagen für die Berechnung von Tagebauen, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1982 Langguth, H.-R.; Voigt, R.: Hydrogeologische Methoden, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage Springer-Verlag, Berlin 2004 Dyck, S.; Peschke, G.: Grundlagen der Hydrologie, Verlag für Bauwesen Berlin, 3. Auflage 1995
[6] [7]
Bollrich, G.: Technische Hydromechanik, Teil 1: Grundlagen, Huss-Medien-GmbH Berlin, 6. Auflage 2007 Lecher, K.; Lühr, H.-P.; Zanke, U. C. (Hrsg.): Taschenbuch der Wasserwirtschaft, Vieweg Verlag/GWV Fachverlage GmbH, 8. Auflage 2001
2.5
Angewandte Bodenmechanik im Tagebau Dieter Dahmen, Kai Wagner, Wolfgang Sandner
2.5.1
Aufgaben der Bodenmechanik im Tagebau
Die Boden- oder Geomechanik beschäftigt sich mit den physikalischen Eigenschaften des anstehenden Gebirges (Locker- und/oder Festgestein). Auf der Grundlage geotechnischer Kennwerte wird das Verhalten bspw. unter Belastungen analysiert. Bodenmechanische Berechnungsmodelle können Verformungs-, Tragfähigkeits- und Standsicherheitsprobleme abbilden. Hauptaufgabe der Bodenmechanik im Tagebau – wegen der im Vergleich zum Grundbau großen Teufen hier auch häufig als Gebirgsmechanik bezeichnet – ist die Gewährleistung der geotechnischen Sicherheit von Personen und Anlagen sowie des Tagebauumfeldes [1]. Damit ist die Beherrschung der bodenmechanischen Verhältnisse sowohl entscheidend für die Gewährleistung eines planbaren und störungsfreien Tagebaubetriebes als auch für die Wirtschaftlichkeit eines Tagebaus. Da die Generalneigung der Tagebaurandböschungen einen direkten Einfluss auf das Abraum : Kohle-Verhältnis eines Tagebaus hat, entscheiden die bodenmechanischen Randbedingungen bereits in der Planungsphase eines Tagebaus über dessen Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Realisierung. Ziel ist eine möglichst steile Generalneigung der Randböschungen (auch verbunden mit einer größtmöglichen Ausnutzung des jeweiligen Lagerstätteninhaltes bzw. der Minimierung der Flächeninanspruchnahme) bei gleichzeitiger Gewährleistung der Standsicherheit für die Dauer der Nutzung. Aufgabe der Bodenmechanik ist hier der Nachweis der Standsicherheit und damit verbunden die Abwägung zur Begrenzung des Risikos eines Böschungsbruchs auf der Grundlage möglichst zuverlässiger geologischer, hydrologischer und bodenmechanischer Kennwerte zur Beschreibung der geotechnischen Gesamtsituation. Die Aufgabenstellung bei der Beurteilung der Standsicherheit von Tagebauböschungen unterscheidet sich damit deutlich von der Vorgehensweise im Bauwesen. Bei der Anlage von bleibenden Böschungen (Endböschungen) besteht die Aufgabe der Bodenmechanik darin, diese dauerstandsicher so zu konzipieren, dass eine dauerhafte Überwachung oder Unterhaltung nicht erforderlich ist.
Die Standsicherheit der Tagebaugroßgeräte und Betriebsböschungen zählt ebenfalls zu den Aufgaben der Gebirgsmechanik. Mit Blick auf einen wirtschaftlichen Tagebaubetrieb gilt es hier, Maßnahmen und Vorgaben zur Gewährleistung der Standsicherheit möglichst so zu gestalten, dass es nicht zu betrieblichen Leistungseinschränkungen für die Großgeräte kommt. Auch bei der Anlage von Reparaturplätzen sowie Transporttrassen von Großgeräten ist es Aufgabe der Bodenmechanik, die Tragfähigkeit und Standsicherheit nachzuweisen bzw. unzulässige Setzungen zu vermeiden. Weitere Aufgaben (vgl. Kap. 2.5.6) liegen in der Sicherstellung geotechnischer Qualitätsanforderungen bei der Rekultivierung sowie dem Deponieund Gewässerbau. Zusätzlich zu den Bearbeitungen für den aktiven Tagebaubetrieb ergeben sich Aufgaben innerhalb der rückwärtigen Bereiche, so beispielsweise bei der Sanierung und der Bebauung von Kippenflächen bzw. der Renaturierung der Kippengebiete.
2.5.2
Rechtliche und normative Grundlagen
In der Bundesrepublik Deutschland fordert die BVOBr in §37 für die Randböschungen der Braunkohlentagebaue den Nachweis der Standsicherheit sowie die Überwachung deren Verformungen [2]. Sie gibt weiterhin vor, dass Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen sind, falls sich aus der Überwachung Hinweise auf mögliche Gefahrensituationen ergeben. Die weiteren bergrechtlichen Vorgaben finden sich in den Richtlinien der Landesbehörden (z. B. Richtlinien Geotechnik in Sachsen und Brandenburg [3], Richtlinie für Standsicherheit in NRW [4]). Für den Nachweis der Standsicherheit gilt in Sachsen und Brandenburg das Sachverständigenwesen, bei dem die Beurteilung bzw. der Nachweis der Standsicherheit von einem behördlich anerkannten bzw. akzeptierten „Sachverständigen für Böschungen“ vorzunehmen ist. In NRW ist dagegen die durch den Bergbautreibenden der Behörde vorgelegte Standsicherheitsuntersuchung durch einen von der Behörde anerkannten sachverständigen Dritten zu prüfen.
110
Kapitel 2.5 Angewandte Bodenmechanik im Tagebau
Die o.g. Richtlinien beinhalten auch Vorgaben zu zulässigen Berechnungsverfahren und zur Anwendung von Normen beispielsweise für Laboruntersuchungen. Weiterhin sind Regeln zur Festlegung von nachzuweisenden Standsicherheitskoeffizienten enthalten, wobei die Richtlinien den besonderen Bedingungen im Bergbau bei der Anlage von Böschungen gerecht werden. Sie grenzen sich damit beispielsweise gegenüber einer DIN 1054 (Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erdund Grundbau), die ausdrücklich nicht für Braunkohlentagebaue gilt, ab und gehen gleichzeitig darüber hinaus, indem auch die Beobachtung der Böschungen während ihrer Nutzungsdauer sowie der Schutz von Personen, Anlagen und Umfeld geregelt werden. Sie berücksichtigen dabei insbesondere den Aspekt der nur temporären Nutzung von Tagebauböschungen, bei der Dimensionierung von Randböschungen darüber hinaus den Lagerstättenschutz, die im Braunkohlenplanverfahren festgelegten Sicherheitszonen und räumliche Standsicherheitseffekte.
Neben Standsicherheitsberechnungen im Rahmen der Tagebauplanung werden auch Berechnungen für bestehende Böschungen durchgeführt, um Aussagen zu deren Standsicherheitsniveau und deren Zustand zu erhalten. Weiterhin werden Rückrechnungen von erfolgten Böschungsrutschungen durchgeführt. Hierbei wird von einem Standsicherheitskoeffizienten von 1,0 ausgegangen und üblicherweise ein Winkel der Gesamtscherfestigkeit ermittelt, der dann wieder für die Bemessung zukünftiger Böschungen genutzt werden kann. Zur Ermittlung des Verformungsverhaltens sind unterschiedliche Methoden anwendbar. Zu erwähnen sind hier neben den klassischen analytischen Setzungsberechnungen insbesondere numerische Berechnungsverfahren (z. B. unter Anwendung der Finite Elemente Methode FEM).
2.5.3
Zur zutreffenden Beschreibung des bodenmechanischen Verhaltens im Tagebau ist die möglichst genaue Kenntnis über die Eigenschaften der anstehenden und verkippten Lockergesteine (und ggf. Festgesteine) erforderlich. Probennahmen erfolgen durch Kerngewinnung aus Untersuchungsbohrungen im Vorfeld oder operativ unmittelbar im laufenden Tagebaubetrieb. Zusätzlich erfolgen Beprobungen am freigelegten Stoß. Darüber hinaus sind auch Feldversuche üblich (insbesondere Druck- und Kombinationsdrucksondierungen). Neben der makroskopischen Bemusterung und der Klassifizierung der Materialarten (Dichten wie Feuchtrohdichte, Dichte unter Wassersättigung; beschreibende Kenngrößen wie Fließ- und Ausrollgrenze, Plastizitäts- und Konsistenzzahl, Kornverteilung) werden auch Untersuchungen zum Durchlässigkeits verhalten und insbesondere zum Festigkeitsverhalten oder zum Setzungsverhalten infolge Auflast durchgeführt. Üblich sind hier neben direkten Scherversuchen und Triaxialversuchen auch spezielle Untersuchungen zur Ermittlung von Restscherfestigkeiten nach langen Verformungswegen oder bei Bodenverflüssigung (Mehrstufenversuche) sowie von Trennflächenscherfestigkeiten. Proben aus großen Teufen werden vor dem Abscheren zunächst rekonsolidiert (Wiederherstellung des ursprünglichen Spannungs- und Sättigungszustandes). Bei den Untersuchungen ist neben der Probenteufe auch die Überkonsolidation von
Geotechnische Grundlagen
Bergbauliche Tätigkeit sowohl im Tief- als auch im Tagebau greift in den ursprünglichen Spannungszustand des Gebirges ein. Aus den durch die Massenentnahme im Braunkohlentagebau bedingten Spannungsänderungen – wie auch aus den Spannungsänderungen infolge Grundwasserabsenkung – resultieren Verformungen im Gebirge. Die Boden- bzw. Gebirgsmechanik muss sicherstellen, dass die auftretenden horizontalen und vertikalen Verformungen nicht zu Schäden führen. Zu unterscheiden sind hier Brucherscheinungen (Verlust der Tragfähigkeit) und starke Verformungserscheinungen, die zu Schäden an Bauwerken oder Anlagen führen können (Verlust der Gebrauchstauglichkeit). Die Überprüfung der geotechnischen Sicherheit gegenüber einem möglichen Bruchzustand erfolgt üblicherweise anhand von Standsicherheits- oder Grundbruchberechnungen. Für verschiedene kinematisch und statisch mögliche Bruchmechanismen (Gleitkreise, Gleitlinienpolygone, logarithmische Spiralen usw.) werden mit Hilfe spezieller Berechnungsverfahren Standsicherheitskoeffizienten ermittelt, die die Ausnutzung der Festigkeitseigenschaften und damit die Sicherheit gegenüber dem Bruchzustand angeben. Anhand dieser Ergebnisse ist die Standsicherheit vor dem Hintergrund der geotechnischen Randbedingungen zu bewerten.
2.5.3.1 Kennwerteermittlung aus Labor- und Feldversuchen
Dieter Dahmen et al.
Proben z. B. infolge ehemaliger Eisauflast zu berücksichtigen. Spezielle Untersuchungen zur Ermittlung von Scherfestigkeiten in Verwerfungen sind ebenfalls erforderlich. Die Untersuchungsergebnisse sind statistisch auszuwerten mit dem Ziel, zuverlässige und repräsentative Kennwerte für die anschließenden Standsicherheitsberechnungen zu erhalten (Reibungswinkel, Kohäsion). Bei der Auswertung ist auch die lithologische Ausbildung (z. B. schluffiger Ton oder reiner Ton) zu berücksichtigen. Die Ergebnisse aus Untersuchungsbohrungen und Laboruntersuchungen sind regelmäßig anhand der angetroffenen Verhältnisse im Tagebau zu überprüfen (Geotechnische Kontrollbefahrungen).
2.5.3.2 Modellbildung und bodenmechanische Berechnungsverfahren A Modellbildung Grundlage einer Standsicherheitsberechnung ist die Erstellung eines geotechnischen Berechnungsmodells in dem basierend auf den geologischen Verhältnissen die hydrogeologischen Daten und die bodenmechanischen Parameter sowie die geplante Böschungstopographie (Technologie mit Schnittwinkeln, Böschungshöhen, Belastungen, Vorländern, Versturzteufen, etc.) hinterlegt sind. Die Entwicklung geht dahin, solche Modelle durch die gemeinsame Nutzung geeigneter CAD-Plattformen aus den in den jeweiligen Fachabteilungen eines Bergbauunternehmens vorhandenen Ausgangsdaten automatisiert zu generieren.
111
B Berechnungen und Berechnungsverfahren Heute übliche Berechnungsverfahren zur Standsicherheit sind schnittbasiert und damit zweidimensional. Untersucht werden für Teilabschnitte längs von Böschungen repräsentative Schnitte, die möglichst exakt im Einfallen der Böschung verlaufen und jeweils die ungünstigsten Verhältnisse für den Teilabschnitt darstellen. Berechnungsverfahren sind den jeweiligen geotechnischen sowie betrieblichen Fragestellungen anzupassen. Die Bandbreite anwendbarer Verfahren reicht von der für langgestreckte böschungsparallele Gleitlinien angewendeten tanϕ / tanβ-Methode über die bspw. zur Dimensionierung von Kohlefesten und Großgeräte-Sicherheitsabständen genutzten Erddruckmethoden, die bekannten Lamellenmethoden (Bishop, Borowicka, Janbu, Morgenstern-Price) bis hin zu Berechnungen mit der sogenannten Starrkörpermethode (zusammengesetzte Bruchmechanismen mit geraden Gleitlinien). Darüber hinaus sind auch räumliche Berechnungen möglich, die entweder aus den o. g. Verfahren abgeleitet sind, oder auf numerischen Methoden (bspw. FEM, FDM) basieren. Letztere erlauben darüber hinaus durch die Anwendung verschiedener Stoffgesetze die Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Spannung und Verformung und damit rechnerische Prognose der zu erwartenden Verformung von Böschungen über deren Lebensdauer (Standzeit). Wichtig bei allen Verfahren sind die Kenntnis der jeweiligen Anwendungsgrenzen und Stärken/Schwächen sowie eine entsprechende Erfahrung bei der Bewertung (Beurteilung) der Ergebnisse. Zur Quantifizierung der Standsicherheiten werden im Braunkohlenbergbau üblicherweise Standsicherheitskoeffizienten als globale Standsicherheiten entsprechend der Felleniusregel oder durch den direkten Vergleich von aufnehmbaren und vorhandenen Kräften bzw. Spannungen ausgewiesen.
2.5.4
.. Abb. 2.5-1 Modellbildung für geotechnische Berechnungen
Standsicherheit von Betriebsböschungen und Tagebaugroßgeräten
Betrieblich genutzte Tagebauböschungen müssen für die Dauer ihrer Nutzung ausreichend standsicher sein, Einflussparameter auf die Standsicherheit sind [5]: 1. Aufbau und Eigenschaften des Lockergebirges – Tektonische Beanspruchung des Lockergebirges
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Kapitel 2.5 Angewandte Bodenmechanik im Tagebau
– Zusammensetzung bzw. Aufbau und Bruchfestigkeit der anstehenden bzw. gekippten Lockergesteine, – Einfallen geologisch vorgegebener Gleitflächen – Restscherfestigkeit in geologisch vorgegebenen Gleitflächen 2. Wirkung des Wassers – Grundwasser, Oberflächenwasser – Restwasser, Wassersättigung in Kippen – Wasserdruck in Liegendgrundwasserleitern 3. Böschungshöhe – quadratische Zunahme des resultierenden Erddrucks mit der Böschungshöhe 4. Böschungsneigung – Entlastung von Böschungen am Böschungskopf – Anbau oder Einbau von Massen am Böschungsfuß 5. Böschungslänge – räumliche Einspannungseffekte bei begrenzter Böschungslänge 6. Böschungsstandzeit – temporäre Nutzung von Tagebauböschungen 7. Zusatzbelastung – Großgeräte, Anlagen, Hilfsgeräte – Last aus den Stützkräften der Förderbrückenauflager Punkt 1 widerspiegelt die zu erkundende geotechnische Situation. Der Punkt 2. ist durch entwässerungstechnische, die Punkte 3. bis 7. sind durch bergmännische Maßnahmen beeinflussbar.
2.5.4.1 Gewinnungsböschungen und Bagger Wie in Kap. 2.5.1 dargelegt, ist auch für die fortschreitenden Gewinnungsböschungen die geotechnische Sicherheit zu gewährleisten. Im Zuge der Tagebauplanung sind die geotechnischen Verhältnisse hinsichtlich möglicher Gefährdungen für die Standsicherheit der Großgeräte und der Betriebsböschungen zu prüfen [5]. Ziel sollte sein, die Arbeitsebenenzuschnitte und die Großgeräteeinsätze möglichst so zu planen, dass ein sicherer und leistungsgerechter Baggerbetrieb erreicht werden kann. Da sich diese Ziele nicht immer optimal miteinander vereinbaren lassen, müssen im Dialog zwischen Geotechnik und Tagebaubetrieb unter Beachtung der geotechnischen Sicherheit gemeinsam geeignete Lösungen entwickelt werden. Ein gut entwässertes Gebirge ist dabei Grundvoraussetzung für einen
Leistungsbetrieb; hohe Restwasserstände und Wassersättigung können zu Einschränkungen für Tagebaubetrieb und Tagebauleistung führen und sind durch geeignete Entwässerungsmaßnahmen zu vermeiden. Wichtiges Kriterium im Zuge der geotechnischen Bewertung ist der Einfluss äußerer Lasten. So hat das Gewicht des Großgerätes großen Einfluss auf die Böschungsstandsicherheit, wenn die Böschung unterhalb der Gerätearbeitsebene liegt. Dies ist regelmäßig der Fall bei Einsatz eines Eimerkettenbaggers im Tiefschnitt, aber auch bei der Arbeit eines Schaufelradbaggers im Tiefschnitt. Gegebenenfalls muss auch der Einsatz von Hilfsgerätetechnik in Nähe einer Böschung geprüft werden. Es muss auch die Planumstragfähigkeit beachtet werden, denn die Großgeräte tragen relativ große Lasten in den Untergrund ein. Wenn wenig tragfähige Schichten im Untergrund anstehen, sind daher Grundbruchuntersuchungen durchzuführen. Insbesondere wenn rutschungsbegünstigende Verhältnisse vorliegen sind bodenmechanische Berechnungen zur Prüfung der geotechnischen Sicherheit notwendig. In Abbildung 2.5-2 bis Abbildung 2.5-4 sind beispielhaft ungünstige geotechnische Verhältnisse dargestellt. In den deutschen Braunkohlentagebauen ergeben sich häufig rutschungsbegünstigende Verhältnisse aus dem Vorhandensein von Schichten mit geringen Scherfestigkeiten, wodurch sich Gleitflächen entlang von Schichtflächen ausbilden. Oft sind auch primär vorliegende Großharnische zu beachten, entlang derer nur noch Festigkeiten in Größenordnung der Restscherfestigkeit vorliegen [6 + 7]. Ursachen der Ausbildungen von Großharnischen können sein Beanspruchungen während der Eiszeiten Tektonische Beanspruchungen Mulden- und Kesselbildungen durch Salzwanderung oder durch Salzauslaugung in den Zechsteinschichten Daneben sind als rutschempfindliche Schichten die während der Eiszeiten entstandenen Bändertone zu nennen, die sehr geringe Scherfestigkeiten aufweisen. Im Rheinischen Revier müssen als weitere Besonderheit Gleitflächen entlang von großen Verwerfungen beachtet werden. In den von den Eiszeiten geprägten Revieren ist die Überkonsolidation zu nennen, bei der es durch die Inlandeisbedeckung von mehreren hundert Metern Mächtigkeit zeitweilig zu einer sehr hohen vertikalen Belastung kam. Dies führte nach dem Abschmelzen
Dieter Dahmen et al.
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.. Abb. 2.5-2 Schlecht entwässerbare schluffige Feinsande im Planum des 1. Schnittes, Abbaufeld Schwerzau, Tgb. Profen
.. Abb. 2.5-3 Massenaustrag in einer lokalen wasserführenden Struktur, Tgb. Profen
.. Abb. 2.5-4 Muldenstruktur mit Harnisch und beginnenden Rutschungen, Tgb. Profen
114
Kapitel 2.5 Angewandte Bodenmechanik im Tagebau
der Gletscher zu einem hohen Überkonsolidierungsgrad, wobei sich das ursprüngliche Spannungsgefüge im Halbraum stark veränderte. Dies verursacht bodenmechanisch zusätzliche negative Aspekte (großer Unterschied zwischen Bruch- und Restscherfestigkeit, überproportional hohe horizontale Spannungen im Untergrund). Weiterhin zu beachten sind Wasserdrücke im Liegenden, die zu grundbruchartigen Verformungen oder unkontrollierten Wasseraustritten auf dem Liegenden führen können. Um einen kontinuierlichen Leistungsbetrieb absichern zu können, ist zunächst zu prüfen, ob mit dem vorgesehenen Großgerät für die geplante Stoßhöhe standsichere Böschungswinkel hergestellt werden können. Liegen keine rutschungsbegünstigenden Verhältnisse vor, so können reviertypische Erfahrungswerte für standsichere Böschungswinkel herangezogen werden, die die Bodenart (Abraum, Kohle) berücksichtigen. Anderenfalls sind bodenmechanische Untersuchungen vorzunehmen. Im Ergebnis dieser Prüfungen muss entschieden werden, ob die Stoßhöhe des Schnittes zu verringern ist oder sogar ein zusätzlicher Schnitt erforderlich wird. Oftmals zeigt sich, dass lediglich lokal geotechnisch ungünstige Situationen vorliegen. Diese können durch Anpassung der technologischen Fahrweise des Großgerätes beherrscht werden. Beispielhaft seien für einen unbelasteten Hochschnitt genannt: Richtungsbaggerung, Anpassung der Blockbreite, Einführung einer Hochstufe. Im Fall des Tiefschnittes kämen in Frage: Richtungsbaggerung, Seitenblockbetrieb, Tiefstufe, Verringerung des Böschungswinkels oder Verringerung der Ausschnitttiefe, Überrücken einer Steilflanke. Lassen sich keine wirtschaftlichen Sonderlösungen finden, besteht auch die Option, den Baggerbetrieb mit nur temporär standsicheren Böschungen zu führen. Diese Option wird in der Regel nur für unbelastete Hochschnittböschungen genutzt. Hierbei werden das duktile Verhalten des Lockergebirges und die infolge von Porenwasserunterdrücken zu beobachtende Zeitverzögerung zwischen Freischneiden der Böschung und Einsetzen der Bruchvorgänge an der Böschung ausgenutzt. Angewandt werden kann dies nur, wenn die Verhiebsgeschwindigkeit des Baggers so groß ist, dass Brüche erst hinter dem Baggerstandort einsetzen. Praktisch verwertbare Zeitverzögerungen im Bruchverhalten sind häufig an Versagensmechanismen entlang vorgegebener Gleitflächen gebunden. Um belastbare Angaben zur Ableitung von Vorgaben zu erhalten,
kann vergangenes Bruchgeschehen hinsichtlich des zeitlichen Ablaufes statistisch ausgewertet oder bspw. ein zeitabhängiges Scherfestigkeitsmodell für die vorgegebene Gleitfläche aufgestellt werden [8]. Zur Vermeidung von Gefährdungen für das eingesetzte Personal und das Gewinnungsgerät sind entsprechende Sicherheitsmaßnahmen und Verhaltensanforderungen vorzugeben und umzusetzen. Als Beispiele für Sicherheitsvorgaben seien genannt: Einrichtung von Sicherheitsstreifen vor und hinter der Böschung, die nicht betreten bzw. befahren werden dürfen; Einsetzen eines geschulten Stoß- bzw. Rissbeobachters, wenn Arbeiten innerhalb des Sicherheitsstreifens erforderlich werden, wie z. B. das Ausheben von Entwässerungsgräben. In Abbildung 2.5-5 ist ein Böschungsabschnitt mit zeitlich verzögerten Böschungsbrüchen (ca. 1 bis 3 Tagen nach dem Ausschneiden) auf dem Bänderton als vorgegebener Gleitfläche zu sehen. Zu bedenken ist bei nachträglich brechenden Böschungen, dass die gerutschten Massen bei Wasserzutritt sehr schnell ihre Konsistenz verlieren und damit später Probleme bei der Gewinnung, Förderung und Verkippung bereiten können. DieVerfahrensweise zur Durchsetzung einer sicheren Baggerung oder dieVorgabe geotechnisch erforderlicher Parameter (Böschungshöhe, -winkel, Gerätevorland) und der Baggerfahrweise werden in Standsicherheitsnachweisen, Arbeits- oder Betriebsanweisungen (z. B. [9]) sowie Geräteeinsatzplänen dokumentiert. Bei häufig wechselnden geotechnischen Verhältnissen oder komplizierten Situationen sowie Sonderfällen ist es sinnvoll, die geotechnischen Vorgaben zeitaktuell im Rahmen der technologischen Kurzzeitplanung auszuarbeiten und betrieblich vorzugeben.
2.5.4.2 Kippenböschungen und Absetzer Gegenüber den Böschungen im Gewachsenen ergeben sich bei Kippenböschungen andere Anforderungen zur Gewährleistung der geotechnischen Sicherheit [10]. Die Besonderheit gekippter Böschungen besteht darin, dass sich der Verkippungsboden ähnlich einem Fluid verhält und sich eine im Verkippungsprozess aufbauende Einzelböschung immer mit dem Winkel der inneren Reibung und damit einem Sicherheitszustand im Grenzgleichgewicht aufbaut. Bei Gesamtböschungen ergeben sich höhere Sicherheiten durch eingeschaltete Zwischenbermen (abgesetzte Böschungen), die auch
Dieter Dahmen et al.
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.. Abb. 2.5-5 Rutschungen auf der vorgegebenen Gleitfläche Leipziger Bänderton, 1. Schnitt, Tgb. Vereinigtes Schleenhain
.. Abb. 2.5-6 Rutschung von Bagger 262, Tgb. Fortuna. Am 13.10.1973 rutschte der im Tiefschnitt arbeitende Bagger 262 im Tagebau Fortuna auf einer mit 16° geneigten Schwächezone im Rotton ab. Die Bergung des Baggers konnte erst nach 99 Tagen im Januar 1974 erfolgen. Dieses Ereignis führte zur Erarbeitung der „Betriebsanweisung für Gewinnungsarbeiten mit Schaufelradbaggern in Gefahrenbereichen“[9]
116
Kapitel 2.5 Angewandte Bodenmechanik im Tagebau
aufgrund materialspezifischer Grenzhöhen für Einzelböschungen erforderlich sind. Sofern keine Aufsättigung erfolgt, wird gewöhnlich mit zunehmender Standzeit der Sicherheitszustand infolge von Konsolidierungsprozessen erhöht. Das Kippgut besteht in der Regel aus einer durch den Gewinnungsprozess bedingten Mischung unterschiedlicher Bodenarten und wird je nach Förderkonzept aus mehreren Abraumschnitten zugefahren. Das ursprüngliche Gefüge im Gewachsenen ist durch den Gewinnungsprozess und den mehr oder weniger langen Transport aufgelöst. Es entsteht ein neuer sogenannter Mischboden mit einem heterogenen Makrogefüge. Es liegt verkippungsbedingt eine lamellenartige Schrägschichtung vor. Auch bei den Kippenböschungen ist zwischen den unbelasteten Hochschüttungen und den durch den Absetzer oder Förderbrücke (in Sonderfällen auch Lkw) belasteten Tiefschüttungen zu unterscheiden. Geotechnische Zielstellung ist die Sicherheit von Personal, Absetzer und der Bandanlage sowie – sofern die Kippe unmittelbar dem Abbau folgt – der vorangehenden, fortschreitenden Kohleböschung. Daraus ergeben sich folgende Anforderungen: Herstellung einer stabilen Hochschüttung Herstellung eines tragfähigen Absetzerplanums Gewährleistung der Sicherheit am Absetzerstandort bzw. Vorgabe eines sicheren Vorlandes Verhinderung von Rissen oder rutschungsbedingten Setzungen im Planum zur Absicherung des Rückmaßes Verhinderung des Anlaufens von Kippmassen an den vorauseilenden Kohleschnitt Wasserfreihaltung des Liegenden vor dem Kippenfuß und Verhinderung eines Wasseraufganges in der aktiven Kippe. Das Vorgehen zur Gewährleistung eines sicheren Absetzerbetriebes sowie die Erstellung standsicherer Kippenböschungen ist vielfach in Standsicherheitsnachweisen und/oder speziellen Betriebs- und Dienstanweisungen festgelegt, z. B. [11]. Einfluss auf die Stabilität der Kippenböschung haben die Scherfestigkeiten von Kippgut und Kippenbasis, die Morphologie und der Entwässerungszustand der Kippenbasis, die Schütthöhe und die Belastungsgeschwindigkeit bzw. die Geschwindigkeit in Versturzrichtung. Bodenmechanische Untersuchungen werden immer dann erforderlich, wenn rutschungsbegünstigende Verhältnisse (hohe Anteile bindiger Bestandteile, Kippgut mit hohem Wassergehalt, geringe Scherfestigkeit in der Kippenbasis, einfallende Kippenbasis,
Überkippung einer vorhandenen gewachsenen oder gekippten Böschung) zu beachten sind, technologische Sonderlösungen zu beurteilen sind oder im laufenden Betrieb Ereignisse auftreten, die auf bisher nicht erkennbare bzw. neu aufgetretene ungünstige geotechnische Verhältnisse hinweisen. Für rein rolliges Kippenmaterial liegen im Allgemeinen die günstigsten Schereigenschaften vor, mit zunehmenden Anteilen bindiger Bestandteile verschlechtern sich diese. Im Gewinnungsprozess fällt der bindige Boden als mehr oder weniger großes Pseudokorn bis hin zu großen Klumpen an. Durch den Bandtransport wird das Pseudokorn vor allem durch die dynamischen Einflüsse zerkleinert und vermischt. In Niederschlagsperioden kann besonders bei langen Transportwegen der Wassergehalt des Kippgutes steigen. Auch kann es im Laufe des Förderprozesses zu einer Veränderung der Konsistenz von bindigen Bestandteilen infolge der Vermischung mit wassererfüllten nichtbindigen Schichten kommen. Solche Effekte verschlechtern die Schereigenschaften. Durch den Verkippungsvorgang kommt es wiederum zu einer gewissen Entmischung des Kippgutes derart, dass größeres Pseudokorn sich insbesondere bei geringeren Förderleistungen mehr an der Kippenbasis ansammelt. Dies kann zu ungünstigen Verhältnissen an der Kippenbasis führen. Im ungünstigen Fall ist die Scherfestigkeit des Kippgutes so schlecht, dass sich schon bei Überschreitung geringer Versturzteufen eine stabile Kippenböschung nicht aufbauen lässt (sog. „nicht-aufbaufähiges“ Material). Die Verhältnisse auf der Kippenbasis (Tagebauliegendes oder vorlaufende Kippe) haben ebenfalls großen Einfluss auf die Standsicherheit der Kippenböschung. Hier kann Scherversagen entlang einer vorgegebenen Gleitfläche auftreten, die durch eine bindige Kippenbasis oder eine Schlammschicht vorgezeichnet ist. Ebenso ist ein eventueller Liegendwasserdruck zu beachten. Fällt die Kippenbasis ein, so kann der Kippenfuß ausbrechen und es stellt sich eine flache Generalneigung der Kippenböschung ein. Aber auch große Versturzteufen oder eine sehr schnelle Belastung können zu einer instabilen Kippe führen. Hier kann es bei entsprechendem Wassergehalt zum Aufbau von Porenwasserüberdrücken kommen, die die wirksame Scherfestigkeit vermindern. Diese Einflüsse führen für sich oder in Kombination miteinander zu den bekannten Fließerscheinungen an einer Kippenböschung mit relativ steilem oberem und flachem unterem Teil. Der Boden verhält sich hier wie eine zähe Flüssigkeit (Abbildung 2.5-7, Abbildung 2.5-8). Diese Faktoren
Dieter Dahmen et al.
müssen bei der Ausarbeitung der Kippentechnologie beachtet werden. Bei Planung der Kippentechnologie sind alle diese Faktoren zu beachten. Zunächst ist ausgehend von der gewünschten Kippleistung zu prüfen, welche ungefähre Zusammensetzung das Kippgut besitzt, wie die Kippenbasis beschaffen ist (Schwächeschicht im Liegenden, Einfallen, Liegendwasserdruck, Oberflächenwasser, Altkippe) und ob sonstige rutschungsbegünstigende Verhältnisse vorliegen. An Hand der ermittelten Sachlage ist zu prüfen, ob die geplanten Versturzhöhen
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in Tief- und Hochschüttung unter Beachtung der Geräteparameter (Auslegerlänge, Gerätegewicht) problemlos zu bewältigen sind und der Absetzer und die Bandanlage sowie ggf. eine vorauseilende untere Kippscheibe oder ein Gewinnungsschnitt nicht gefährdet werden. Im Ergebnis der Prüfung muss entschieden werden, ob die Höhenlage des Absetzerplanums verändert werden kann, bzw. muss, oder ggf. eine Hochoder Tiefstufe vorzusehen ist. Möglich ist auch die gerätetechnische Anpassung an besondere Verhältnisse. So wurde zum Beispiel im Tgb. Profen Süd bei der
.. Abb. 2.5-7 Typische Böschungsform einer ausfließenden Kippe an einer Muldenflanke, Tgb. Profen. Zu erkennen ist eine typische Böschungsform mit flach auslaufender Kippenbasis und steilem oberen Böschungsteil zu sehen. Ursache ist bindiger Boden in Verbindung mit der Verkippung an einer Kesselflanke
.. Abb. 2.5-8 Extrem weit ausfließende Kippe in einem Randschlauchbereich, Tgb. Profen Zu erkennen ist, wie auch in Abbildung 2.5-7 eine weit ausgelaufene Kippenböschung (bis 500 m, Generalneigung etwa 1 : 9) infolge der Verkippung von pleistozänen Böden (Geschiebemergel, Löß) im Gemisch mit schlecht entwässerbaren schluffigen Feinsanden und relativ großen Versturzteufen von etwa 60 m im Bereich eines Randschlauches
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Kapitel 2.5 Angewandte Bodenmechanik im Tagebau
Planung der ersten Innenkippe aufgrund der steilen und tiefen Mulden- und Kesselstrukturen (Kipphöhen bis 80 m) ein Absetzer mit einer Auslegerlänge von 150 m vorgesehen, was sich als äußerst vorteilhaft hinsichtlich eines stabilen und leistungsstarken Kippbetriebes und damit trotz höherer Beschaffungskosten als wirtschaftlich erwies [12]. Oft lassen sich durch Einführung eines speziellen Kippregimes Lösungen für einen stabilen Kippbetrieb finden. Solche Maßnahmen sind teilweise aufwendig in der betrieblichen Umsetzung und bedürfen einer hohen Disziplin bei der Durchführung. Als Lösungsmöglichkeiten seien genannt: Herstellung der Hochschüttung in mehreren Scheiben (stufenweise Belastung zur Begrenzung von Porenwasserüberdrücken). Schüttung einer durchgehenden oder kreisförmigen Außenrippe mit anschließender Verfüllung. Aufbau der Hoch- und Tiefschüttung in mehreren Teilschüttungen (sog. „Regelprofile“, vgl. Abbildung 2.5-9). Ansetzen der neuen Kipprippe vor dem Fuß der vorhergehenden Kipprippe.
Herstellung von Großpoldern zur Aufnahme nicht aufbaufähigen Bodens im Rheinischen Revier; Verkippungsbetrieb mit sich verformenden Böschungen (Abbildung 2.5-10). Auffüllen von Liegendmulden durch einsetzendes Fließen des Kippgutes aus einer sicheren Absetzerstellung heraus (Mitteldeutsches Revier). Zuweilen bereitet das Überkippen von Fließzungen Probleme derart, dass die frisch geschütteten Kipprippen in die Fließzunge einsinken. Es kommt in Abhängigkeit von der Größe des Schüttkörpers und den Schereigenschaften des Bodens zu weit ausholenden Bruchkreisen, die bis in das Absetzervorland (Sicherheitsabstand Absetzerfahrwerk – Böschungsoberkante) reichen können. Zur Überwindung der Situation können Sondermaßnahmen eingeleitet werden (Zurückrücken, Belastungspausen, Setzen von Außenrippen in max. weitem Abstand, z. B. im Vor-Kopf-Betrieb, Teilversturz). Die Stabilität des Absetzerplanums hat großen Einfluss auf die geplanten Leistungsparameter. So wird bei ungünstigem Boden im Planum die Standsicherheit
.. Abb. 2.5-9 Regelprofile zur Verkippung nicht aufbaufähiger Mischböden im Rheinischen Revier [13]
Dieter Dahmen et al.
119
.. Abb. 2.5-10 Schematische Darstellung eines Großpolders im Rheinischen Revier
der Hochschüttung und die Standfestigkeit des Absetzers bis hin zu Grundbrüchen negativ beeinträchtigt. Nach Möglichkeit sollte Boden mit hohem Wassergehalt oder konsistenzempfindlicher Boden in mittlere Bereiche von Tief- oder Hochschüttung verkippt werden. Wird ungünstiger Boden in der Tiefschüttung abgesetzt, so muss darüber eine ausreichend mächtige tragfähige Schicht verkippt werden [14]. Darüber hinaus ist bei Bedarf auch eine Planumsbesandung bzw. -bekiesung vorzusehen. Eine besondere Problematik für die Kippen stellen setzungsfließempfindliche Sande dar. Kommt es hier zu einer merklichen Wasserführung in der Kippe, kann durch ein initiales Ereignis (dynamische Beanspruchung durch Gerätegewicht oder Massenabwurf, Böschungsbruch, plötzliche Sackungssetzung) in der im Allgemeinen locker gelagerten Kippe ein Gefügezusammenbruch im wassergesättigten Teil ausgelöst werden, der sich zum Setzungsfließen ausweiten kann. In fortschreitenden Kippenböschungen ist ein böschungsnaher Wasseraufgang zwar nicht zu befürchten, dies sollte jedoch kontrolliert werden. Kriterien zur Beurteilung der Setzungsfließgefährdung sind in [15] dokumentiert. Anders stellt sich die Situation dar, wenn eine ältere Kippscheibe überzogen wird. Hier ist auf jeden Fall vorher zu prüfen, wie hoch ein eventueller Wasserstand in dieser Kippe ist und ob setzungsfließempfindliche Sande vorliegen. Eine sichere Überkippung ist dann gewährleistet, wenn eine ausreichend mächtige Schicht erdfeuchten Bodens über dem wassergesättigten Teil vorliegt. Diese Mächtigkeit ist durch bodenmechanische Berechnungen zu bestimmen. Die Überkippung einer Kippenböschung bei vorhandener Setzungsfließgefährdung sollte möglichst vermieden werden und bedarf, falls nicht zu vermeiden, einer gründli-
chen bodenmechanischen Untersuchung. Der aktuelle Kenntnisstand zur Setzungsfließproblematik und Vorgehensweisen für bodenmechanische Untersuchungen sind in [15] enthalten. Auf die Problematik der Verkippung setzungsfließempfindlicher Sande im Randböschungsbereich wird in Kap. 2.5.5.3 eingegangen.
2.5.4.3 Förderbrücken Wesentliches Merkmal der Förderbrückentechnologie ist die unmittelbare räumliche Konzentration des Gewinnungs-, Transport- und Verkippungsprozesses. Dieser für geeignete Lagerstättenformen hervorzuhebende Vorteil bedingt jedoch, wegen der begrenzten Stützweiten der Förderbrückenkonstruktionen, nur begrenzt anlegbare Fördervorräte. Da das Betriebsregime direkt vom vollständigen Beherrschen der jeweiligen geotechnischen Situation abhängig ist, nimmt die Bodenmechanik eine Schlüsselrolle für die erfolgreiche Anwendung der Förderbrückentechnologie ein. Das gilt sowohl für den Abraumbetrieb auf der Gewinnungs- und Verkippungsseite, als auch für das Zusammenwirken mit dem dazwischen liegenden und den vorgegebenen Platzverhältnissen untergeordneten Grubenbetrieb. Dieser Abhängigkeit der Betriebsführung geschuldet, werden die auf bodenmechanischen Berechnungen basierenden Vorgaben grundsätzlich in Standsicherheitsnachweisen als Dokumente zur Betriebsführung zusammengefasst. Die Erstellung solcher Dokumente steht in Verantwortung eines zuständigen Sachverständigen für Böschungen (SfB). Die Standsicherheit der hier als Betriebsböschungen bezeichneten fortschreitenden Bagger- und Kippenböschungen bzw. Böschungssysteme ist von den
120
Kapitel 2.5 Angewandte Bodenmechanik im Tagebau
im Hauptabschnitt 2.5.4 genannten Einflussfaktoren abhängig. Die dort aufgeführten Einflussfaktoren wirken grundsätzlich auf die Standsicherheit einer Böschung, sind jedoch unter dem eingangs formulierten Gesichtspunkt der räumlichen Konzentration der unterschiedlichen Betriebspunkte bei Förderbücken besonders zu berücksichtigen. In Abbildung 2.5-11 ist der Aufbau eines Förderbrückenbetriebes beispielhaft schematisch dargestellt. Aus Abbildung 2.5-11 wird deutlich, dass die Förderbrücke auf einer baggerseitigen und einer kippenseitigen Stütze lagert. Baggerseitig sind bodenmechanisch zulässige Schnittwinkel und einzuhaltende Vorlandbreiten für die an die Förderbrücke gekoppelten Eimerkettenbagger vorzugeben. Werden aus bodenmechanischen Gründen insbesondere für die Tiefschnittböschungen Schnittwinkelbegrenzungen er forderlich, ist u. U. technologisch die Lage der Arbeitsebene so zu verändern, dass eine vollständige Kohlefreilage ermöglicht wird. Gleichzeitig sind kippenseitig zulässige Gesamtkippenhöhen und erforderliche Vorschüttungsbreiten zu berücksichtigen. Die Gesamtkippenhöhen hängen, neben den oben genannten Einflüssen, wiederum vom Niveau der Aufstandsebene für die Kippenstütze der Abraumförderbrücke ab, wobei technisch vorgegebene Stützhöhendifferenzen zwischen Bagger- und Kippenstütze ebenfalls einzuhalten sind. Darüber hinaus sind weitere Randbedingungen, wie bspw. die mögliche Verschwenkung der Brückenkonstruktion und sich daraus ergebende Änderungen der Kippengeometrie oder die Begrenzung der Verhiebsgeschwindigkeit zum zeitlich verzögert
ablaufenden Abbau von Porenwasserdrücken in den Liegendschichten zu beachten. Zur Beherrschung der Förderbrückentechnologie hat sich eine Vorgehensweise zur Böschungs- und Kippendimensionierung mit Hilfe von Bemessungsdiagrammen bewährt. Diese Diagramme stellen die zur Dimensionierung erforderlichen Parameter (bspw. Böschungswinkel, Kippenhöhen oder Vorlandbreiten) in Abhängigkeit von der zu erkundenden geologischen und der vorliegenden technologischen Situation dar. Mit den hier nur andeutungsweise geschilderten Zusammenhängen soll auf die komplexen Wechselbeziehungen zwischen den bodenmechanischen und den technisch-technologischen Aufgabenstellungen beim Einsatz von Förderbrücken hingewiesen werden. Auf alle diese Wechselbeziehungen beeinflussenden Faktoren einzugehen, ist nicht die Aufgabe dieses Fachbuches. Es bedarf, wie Abbildung 2.5-12 verdeutlicht, dazu nicht zuletzt der gesammelten Erfahrungen im Umgang mit dieser Technologie.
2.5.4.4 Berücksichtigung ehemaliger Bergbautätigkeit Zur vollständigen Ausnutzung von Kohlefeldern, Restpfeilern oder tiefer liegenden Flözen wird es zunehmend notwendig, Bereiche ehemaligen Bergbaus zu überbaggern. Das sind zum einen ehemalige Tiefbaugruben und zum anderen Altkippen. Die geotechnische Problematik zwischen beiden Komplexen ist verschieden.
.. Abb. 2.5-11 Beispiel für einen Abraumförderbrückenbetrieb – schematische Darstellung
Dieter Dahmen et al.
121
Für die Überbaggerung ehemaligen Tiefbaus sind demnach zwei Hauptbereiche zu unterscheiden: Grubengebäude, bestehend aus Schächten, Strecken und Sondergrubenbauen (Streckenkreuze und -abzweige, Kammern, Überhauen) im unzerstörten Gebirge Bruchfeld über den abgebauten Kammern.
.. Abb. 2.5-12 Im Jahr 1958 bedingt durch einen Liegendgrundbruch havarierte Förderbrücke
Tiefbaugruben In den deutschen Tiefbaugruben, die in den jetzigen aktiven Revieren liegen, kam überwiegend der als Bruchbau geführte Kammerbau zur Anwendung. Von Vorrichtungsstrecken aus wurden etwa 4 m hohe Abbaukammern ausgekohlt. Zwischen den Abbaukammern blieben Festen aus Kohle stehen, wodurch teilweise die Lagerstättenausbeute sehr gering war. Nach Auskohlung der Kammern wurden diese beraubt und gingen zu Bruch (Alter Mann). Die einsetzende Bruchtätigkeit erfasste das gesamte Deckgebirge und es kam zu einer charakteristischen Absenkung des Geländes. Der Abbau erfolgte je nach Flözmächtigkeit und Flözteufe in mehreren Scheiben von oben nach unten.
Daneben können in Randbereichen älterer Tagebaue Streckensysteme vorhanden sein, die ehemals zur Entwässerung des Tagebaufeldes angelegt worden sind. Mit Einzug der Filterbrunnenentwässerung wurde die Anlage solcher Entwässerungsstrecken unwirtschaftlich. Von der geotechnischen Problematik her sind sie gleichzusetzen mit den Bedingungen im Bereich des Grubengebäudes alter Tiefbaue. Das Grubengebäude alter Tiefbaue stellt ein System miteinander verbundener Hohlräume dar, die vorwiegend innerhalb des abgebauten Flözes verlaufen. Geotechnisch sind für diese Hohlräume hauptsächlich zwei mögliche Gefährdungsmechanismen relevant: Gefährdung durch Bruchschlote infolge des Zubruchgehens einer Strecke infolge Alterung; (erzwungener) Bruch über eine Strecke durch die Baggerauflast. Darüber hinaus kann es bei einer Wasserführung im Streckensystem bei Anschnitt zu starken konzentrierten Wasseraustritten kommen. Dieser Aspekt ist wegen des hohen Wasserdrucks insbesondere bei noch vorhandenen und mit dem Grubengebäude verbundenen wassererfüllten Schächten zu beachten.
.. Abb. 2.5-13 Förderbrücke F60 im Tagebau Jänschwalde im Jahr 2003
122
Kapitel 2.5 Angewandte Bodenmechanik im Tagebau
.. Abb. 2.5-14 Anschnitt einer unversetzten Strecke
Je nach den speziellen geologischen Verhältnissen, der Zeitspanne und der Geometrie des Hohlraumes kann sich ein Bruchschlot durch das gesamte Deckgebirge bis hin zur Tagesoberfläche (Tagesbruch) ziehen und damit mehrere Arbeitsebenen betreffen. Häufig verweilen Bruchschlote über längere Zeit an der Unterkante fester bindiger Schichten. Um Gefährdungen für die auf den Arbeitsebenen eingesetzten Geräte zu minimieren, ist es ratsam, den möglichen Bruchbereich auf der Arbeitsebene einzugrenzen und durch spezielle Untersuchungen den Durchmesser eines Bruchschlotes zu bestimmen [16]. Eventuell kann auch durch eine Auswertung gegangener Tagesbrüche unter Beachtung der speziellen geotechnischen Verhältnisse auf die Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit und den möglichen Durchmesser von Bruchschloten geschlossen werden. Die vorlaufende Erkundung von durch Bruchschlote verursachten Hohlräumen unter einer Arbeitsebene mittels Sondierungen oder geophysikalischer Verfahren ist in Einzelfällen ebenfalls möglich. Der zweite Versagensmechanismus, Geräteeinbruch in eine Strecke, kann schwerwiegende Auswirkungen haben, wenn ein ganzes Fahrwerk betroffen ist. Je nach Lage der Strecke zum Fahrwerk des Baggers und der Streckenbreite kann ein relativ großer Bruch entstehen, der in kurzer Zeit abläuft. Über Sondergrubenbauen können durchaus zu beachtende Breiten von bis zu 10 m vorhanden sein. Durch Vorgabe eines ausreichend großen Abstandes zwischen Arbeitsebene und Streckenfirste lässt sich ein auflastbedingter Bruch vermeiden. Einfluss auf die Größe des Sicherheitsab-
standes haben die Abmessungen der Fahrwerke und die daraus resultierenden Spannungen infolge des Gerätegewichts, die Größe des zu beachtenden Streckenquerschnittes, der Zustand des Streckenausbaues sowie die Festigkeit der Kohle und des angrenzenden Deckgebirges. Als konservativer Ansatz wird bei alten Gruben oft von einem weitgehend zerstörten Ausbau (insbesondere bei Holzausbau) ausgegangen. Hilfreich sind wegen der räumlichen Problematik, auf der FEM-Methode basierende Berechnungsverfahren zur Ermittlung der erforderlichen Mindestüberdeckung. In Abbildung 2.5-15 ist die Spannungsverteilung über einem Hohlraum für einen Zweischichtfall (oben Kies, Strecke in der Kohle) infolge der Lasteinwirkung durch einen Bagger dargestellt. Für einen Bagger SRs 2000 wurde beispielsweise im Tagebau Profen ein Mindestabstand zur Streckenfirste in mulmiger Kohle von 3 m (Streckenbreite bis 3 m) berechnet, wobei das Fahrwerk über die gesamte Länge auf der Strecke steht. Um beginnende Einbrüche frühzeitig erkennen zu können ist, bspw. der Einbau spezieller Neigungssensoren an den Baggerfahrwerken möglich. Oft wurden abgeworfene Teile des Grubengebäudes noch während der Betriebszeit versetzt oder es erfolgte in späteren Zeiten ein Versatz. Bei gutem Versatzgrad (größer als 85%, was zu prüfen ist) sind geotechnische Gefährdungen kaum zu erwarten. Bei Baggerung im Bruchfeld muss beachtet werden, dass das Deckgebirge nicht mehr im ursprünglichen Zustand vorliegt. Nahe des Kohlehangenden ist es in
Dieter Dahmen et al.
123
.. Abb. 2.5-15 Spannungsverteilung über einem Streckenholraum; Zweischichtfall bestehend aus Kies und Kohle
der Regel vollständig verändert. Im Abbildung 2.5-16 ist ein Beispiel eines angeschnittenen Bruchfeldes zu sehen (im unteren Teil der Böschung Kohle mit Altem Mann, darüber Geschiebemergel). Sind plastische bindige Schichten größerer Mächtigkeit vorhanden, können diese die Brüche abfangen und lediglich zu einer flexurartigen Verbiegen der höheren Hangendschichten führen, ohne dass das Gebirge zerrüttet ist. Die Scherfestigkeit des Hang
enden wird durch die Bruchtätigkeit verringert. Durch Wasserzuflüsse im beeinflussten Gebirge kann sich die Konsistenz ändern. Eine lange Liegezeit des Bruchfeldes wiederum führt zu einer gewissen Konsolidation und damit zu einer Erhöhung der Festigkeit. Diese Faktoren sind bei den bodenmechanischen Untersuchungen durch jeweils angemessene Festigkeitsansätze zu berücksichtigen.
.. Abb. 2.5-16 Anschnitt eines Tiefbaubruchfeldes, Tgb. Profen
124
Kapitel 2.5 Angewandte Bodenmechanik im Tagebau
Baggerung in Altkippen Ebenso wie im Gewachsenen sind im Bereich von Altkippen die Standsicherheit der Gewinnungsböschung und die Planumstragfähigkeit zu gewährleisten. In Abhängigkeit von den Wasserzuflüssen (Grund-/Oberflächenwasser) und der Liegezeit der Kippe bildet sich entweder ein zusammenhängender Grundwasserkörper oder es entstehen isolierte, an die Kippenstruktur gebundene Körper mit unterschiedlichem Wasserstand (sog. „schwebende“ Grundwasserhorizonte). Daraus ergeben sich die beiden spezifischen Problemstellungen für die Überbaggerung von Altkippen: Geringere Standfestigkeit sowie verminderte Planumstragfähig keit. Voraussetzung einer Kippenbaggerung wird in jedem Fall sein, die Kippe zu entwässern. Gelingt dies nicht bzw. nur unvollständig, ist der Einsatz eines Großgerätes fraglich und ein Leistungsbetrieb kaum möglich. Zu beachten ist bei Vorliegen entsprechender Randbedingungen auch eine mögliche Setzungsfließgefährdung. Zur Planung der Baggertechnologie für die Kippenbaggerung müssen rechtzeitig die notwendigen Schritte eingeleitet werden: Erkundung des Kippenkörpers Gegebenenfalls Einleitung von Entwässerungsmaßnahmen, wobei zu beachten ist, dass in Mischbodenkippen die Entwässerung nur eingeschränkt möglich ist und langsam vonstatten geht. Planung der Arbeitsebenenführung unter Beachtung verminderter Böschungshöhen und von Maßnahmen zur Planumsstabilisierung sowie daraus resultierend verminderter Leistung. Gegebenenfalls Bemessung einer verbleibenden Kohlefeste.
2.5.5
Standsicherheit von Rand- und Endböschungen
Randböschungen verlaufen entlang einer Tagebaugrenze. Sie zeichnen sich durch eine zeitlich begrenzte Nutzungsdauer aus und werden danach überkippt oder überbaggert. Endböschungen bleiben dagegen nach Beendigung der Bergbautätigkeit als Landschaftsbestandteil dauerhaft erhalten (bleibende Böschungen). Sie können sowohl aus gewachsenem als auch aus verkipptem Lockergestein aufgebaut sein. Beispiele für gekippte Endböschungen sind die Außenflanken von bleibenden Abraumhalden über Gelände. Gewachsene Endböschungen liegen unter dem Niveau des umgebenden Geländes
und werden damit i.d.R. später zu Restseeböschungen. Endböschungen aus sowohl gewachsenem als auch gekipptem Lockergestein sind bspw. ehemalige Randböschungen mit Kippenvorschüttungen.
2.5.5.1 Randböschungen In den Kapiteln 2.5.1 und 2.5.2 wurde schon auf die Besonderheiten von Tagebaurandböschungen im Vergleich zu Böschungen im Bauwesen hingewiesen. Diese liegen in der begrenzten Nutzungsdauer, der begrenzten freigelegten Länge (bzw. Fläche), und der räumlichen Einspannung durch die Gewinnungssohlen und die Verkippungsstrossen. Darüber hinaus erfolgt im Rahmen des Plan- und Genehmigungsverfahrens die Festlegung einer Sicherheitszone zwischen Sicherheitslinie und Böschungsoberkante, in der ein dauerhafter Aufenthalt von Personen (zu Wohnzwecken) nicht zulässig ist. Weiterhin wird das Verformungsverhalten der Randböschungen überwacht. Wegen der zeitlich begrenzten Nutzungsdauer können an Randböschungen Verformungen zugelassen werden, solange diese nicht zu Schäden externer (Bauwerke in Tagebaunähe) oder interner Art (bspw. an Brunnen oder Pegeln) führen oder dadurch die Standsicherheit gefährdet wird (z. B. infolge progressiven Bruchs). Bei der Dimensionierung von Randböschungen werden die unter 2.5.3.2 genannten Berechnungsverfahren angewendet, wobei möglichst ungünstige Mechanismen zu untersuchen sind. Bei der Beurteilung der ermittelten Standsicherheiten bzw. der Festlegung der erforderlichen (angemessen über 1,0 liegenden) Standsicherheitskoeffizienten sind entsprechend der genannten Richtlinien im Böschungsrandbereich liegende zu schützende Objekte (Beispiel Abb. 2.5-17), die vorgesehene Nutzungsdauer der Böschung, die Zuverlässigkeit der geotechnischen Unterlagen, die Orientierung der untersuchten Schnittlagen zum Böschungseinfallen sowie der Verlauf von Verwerfungen relativ zur Böschung zu berücksichtigen. Darüber hinaus können auch räumliche Einspannungseffekte und mögliche Maßnahmen zur Erhaltung oder Erhöhung der Standsicherheit sowie die Beobachtung der Böschung berücksichtigt werden. Zur Überwachung von Tagebaurandböschungen ist neben der Anwendung klassischer terrestrischer Verfahren heute auch der Einsatz automatisierter Totalstationen („Georobot“) oder semistationärer GPSEinrichtungen üblich. Darüber hinaus werden (insbesondere in den tiefen Tagebauen des Rheinischen Reviers) Inklinometermessungen zur Ermittlung des
Dieter Dahmen et al.
125
.. Abb. 2.5-17 Blick in die nördliche Randböschung Tagebau Hambach, 2003, im Vordergrund die Ortslage und Zuckerfabrik Elsdorf
Verformungsverhaltens des Lockergebirges im Inneren der Böschungen durchgeführt. Solche Messungen sind derzeit bis zu 600m Teufe möglich. Der Nachweis der Standsicherheit einer geplanten Tagebaurandböschung gegenüber der Bergbehörde erfolgt entweder mittels Standsicherheitsnachweis durch einen Sachverständigen für Böschungen oder aber im Rahmen eines Sonderbetriebsplanverfahrens.
2.5.5.2 Endböschungen Endböschungen oder bleibende Böschungen sind unter Berücksichtigung der endgültigen wasserwirtschaftlichen und bodenmechanischen Verhältnisse dauerhaft sicher so anzulegen, dass eine regelmäßige Unterhaltung und eine Überwachung der Verformungen nicht erforderlich sind [4]. Dies ist durch entsprechende Standsicherheitsuntersuchungen nachzuweisen. Für bleibende Böschungen sind im Rheinischen Revier entsprechend der gültigen Richtlinie zusätzlich durch mögliche Erdbeben bedingte Einwirkungen angemessen zu berücksichtigen. Bleibende Böschungen können aus der Bergaufsicht entlassen werden.
2.5.5.3 Restsee-Endböschungen Die Thematik der Restsee-Endböschungen (meist kurz Restseeböschungen genannt) umfasst einen sehr weit reichenden Teil aus dem Komplex der Geotechnik im
Tagebau. Dabei ist zwischen dem Sanierungsbergbau und dem heute aktiven Bergbau zu unterscheiden. Während im ersteren Fall des Sanierungsbergbaus ein vorliegender Zustand als gegeben zu betrachten und im Folgenden auf diesen Zustand zu reagieren ist, setzen im heute aktiven Bergbau die Planungen für die Nachnutzung und Endgestaltung bereits vor der eigentlichen bergbaulichen Inanspruchnahme ein. Die weiteren Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf den Bereich des heute aktiven Bergbaus und die dabei zu planenden Restseeböschungen. Einen Überblick mit Bemessungsregeln sowie Gestaltungshinweisen für Tagebaurestseen bietet [17]. Unabhängig von der geplanten Nutzung eines Restsees sind in jedem Fall stabile Böschungen und Uferbereiche sicherzustellen. Prinzipiell muss bei den Untersuchungen von Restseeböschungen zwischen dem Nachweis der bodenmechanischen Stabilität der Böschungen und dem Nachweis der hydromechanischen Stabilität der Uferbereiche unterschieden werden. Während beim Nachweis der bodenmechanischen Stabilität vordergründig die Sicherheit der Böschungen gegen Rutschungen und Grundbrüche unter sich – insbesondere während der Seebefüllung – ändernden hydraulischen Bedingungen zu untersuchen ist, steht beim Nachweis der hydrodynamischen Stabilität die Sicherheit der Ufer gegen die Wirkung der Wellen und der Strömung des freien Wassers im Mittelpunkt. In [17] wurde ein Ablaufplan (Abb. 2.5-18) entwickelt, der eine durchgängige Planung von Gestaltungsund Sanierungsmaßnahmen an Tagebaurestlöchern
126
Kapitel 2.5 Angewandte Bodenmechanik im Tagebau
und Tagebaurestseen sicherstellt, weiterhin finden sich detaillierte Angaben zu den in Abbildung 2.5-18 aufgeführten Planungsschritten, weshalb an dieser Stelle auf eine tiefer gehende Betrachtung verzichtet wird. Abschließend sei noch auf die Besonderheiten bei der Beurteilung der Standsicherheit von Kippenbereichen als Restseeböschungen hingewiesen. Die Verkippung setzungsfließempfindlicher und zur spontanen Verflüssigung neigender Sande insbesondere in bleibenden Böschungen stellt stets ein geotechnisches Risiko dar. Die mit dem aufgehenden Grundwasser einhergehende Aufsättigung locker gelagerter Kippenbereiche kann in der Folge eines auslösenden Initials zu Setzungsfließrutschungen führen. Dabei sind nicht ausschließlich Böschungsbereiche betroffen, auch Grundbruchmechanismen auf ebenen Kippenoberflächen sind zu betrachten. Zur Problematik des Setzungsfließens entstanden insbesondere an der TU Bergakademie Freiberg etwa seit Beginn der 1980er Jahre eine Reihe von For-
schungsarbeiten, die in zusammengefasster und für die praktische Anwendung aufbereiteter Form gewissermaßen als Leitfaden mit dem Titel „Beurteilung der Setzungsfließgefahr und Schutz von Kippen gegen Setzungsfließen“ [15] vorliegen. Im Rahmen der Sanierung der Bergbaufolgelandschaften im Lausitzer Revier wurden umfangreiche praktische Erfahrungen bei der geotechnischen Sicherung setzungsfließgefährdeter Kippen- und Kippenrandbereiche gesammelt [18].
2.5.6
Weitere geotechnische Aufgaben im Tagebau
Weitere Aufgaben der Geotechnik im Tagebau sollen hier nur stichwortartig erwähnt werden: Tragfähigkeitsuntersuchung und Baubegleitung von Reparaturplätzen für Großgeräte Entwicklung von Abdichtungskonzepten im Deponie- und Gewässerbau sowie geotechnische Baubegleitung und Qualitätssicherung
.. Abb. 2.5-18 Schema zur durchgängigen Planung von Gestaltungs- und Sanierungsmaßnahmen an Tagebaurestlöchern und Tagebaurestseen nach [17]
Dieter Dahmen et al.
Dimensionierung, Baubegleitung und Qualitätskontrolle für Dichtwände im Tagebauvorfeld oder im Bereich von Randböschungssystemen Geotechnische Begleitung der Errichtung baulicher Anlagen im Tagebau (z. B. Bandsammelpunkte) sowie Dimensionierung und Begleitung von Gründungs- und Verdichtungsmaßnahmen insbesondere auf Kippen Geotechnische Begleitung bei Gewinnung und Verkippung von Sondermaterialien (Deponieton, Abdichtungsmaterial, Drainagekiese, Poldermaterialien usw.) Dimensionierung von Absetzanlagen für Asche oder Kohletrübe (Bau von Absperrdämmen, Tragfähigkeiten)
127
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[9]
[10] [11]
[12]
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[14]
Quellenverzeichnis [1]
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Pfeiffer, H.: Ein einfaches Modell zur Ermittlung der zeitlichen Festigkeitsreduzierung in Geschiebemergelböschungen auf Leipziger Bänderton, Neue Bergbautechnik, 19, Heft 3, März 1989 RWE Power Betriebsanweisung für Gewinnungsarbeiten mit Schaufelradbaggern in Gefahrenbereichen, RWE Power AG (2007) Henning, D.: Einflussgrößen auf die Standfestigkeit von Kippenböschungen. Braunkohle 32 (1980). Heft 6, Seite 161–168 RWE Power: Betriebsanweisung für Verkippungsarbeiten mit Absetzen unter schwierigen Bedingungen, RWE Power AG (2005) Maier, H., Jolas, P.: Geotechnische Schwerpunkte bei der Verkippung von Kesselstrukturen im Tagebau Profen, Surface Mining, Braunkohle & Other Minerals 53 (2001), Nr. 2, S. 207–214. Pierschke, K.-J.: Standfestigkeit bei der Verkippung von nicht aufbaufähigen Mischböden im Rheinischen Braunkohlenrevier, Braunkohle 47 (1995) H. 12, S. 5–12 Pierschke, K.-J., Gudehus, G.: Grundbruch unter Absetzerfahr werken auf körnigen Deckschichten über weichen bindigen Böden, Vortrag Baugrundtagung der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik, 1982, Braunschweig LMBV: Beurteilung der Setzungsfließgefahr und Schutz von Kippen gegen Setzungsfließen, 1998 Fenk, J.: Eine Theorie zur Entstehung von Tagesbrüchen über Hohlräumen im Lockergestein VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1981 LMBV: Empfehlungen und Bemessungsgrundlagen für die Gestaltung von Tagebaurestseen, 2001 Novy, A., Reichel, G., et al: Geotechnische Untersuchungen und Verfahren bei der Sicherung setzungsfließgefährdeter Tagebaukippen der Niederlausitz, Braunkohle Surface Mining 51, Heft 4, Juli/August 1999
Literatur: Förster, W.: Mechanische Eigenschaften der Lockergesteine, Teubner Verlag, Stuttgart, Leipzig (1996) Förster, W.: Bodenmechanik, Teubner Verlag, Stuttgart, Leipzig (1998) Schubert, Kurt: Böschungen, Dämme – Halden – Kippen, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1972
2.6
Betriebswirtschaftliche Begleitung des Prozesses der Braunkohlegewinnung Bernd-Uwe Haase, Werner Pfennig
2.6.1
Betriebswirtschaftliche Bewertung von Tagebauinvestitionen
2.6.1.1 Vorbemerkungen Ausgehend von den konkreten Bedingungen der Lagerstätte, insbesondere den geologischen und hydrologischen Gegebenheiten dem Braunkohlebedarf insgesamt und nach Jahren vorhandenen Randbedingen für den Feldesabbau, wie Bebauungen des Abbaugebietes, Verund Entsorgungsleitungen, möglichen Medien anbindungen notwendigen und ggf. vorhandenen und aus erschöpften Gruben umsetzbaren Geräten und Anlagen Transportentfernungen zu den Verbrauchern bestehen in der Regel verschiedene Möglichkeiten des Feldesaufschlusses und der Tagebauentwicklung. In Vorstudien werden deshalb verschiedenste Abbau varianten betrachtet, die sich hinsichtlich Feldesgeometrie, Abbautechnologie, Abbautechnik und Fördermenge unterscheiden. Ziel dieser Vorstudien ist, k.o. – Kriterien zu finden und Abbauvarianten auszuschließen, die wenig betriebswirtschaftlichen Erfolg versprechen. Ergänzend ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass zunehmend Faktoren zu berücksichtigen sind, die betriebswirtschaftlich nicht hinreichend quantifizierbar sind, wie z. B. genehmigungsrechtliche Fragen, Naturschutz oder notwendige Umsiedlungen.
2.6.1.2 Betriebswirtschaftliche Kennziffern zur Bewertung der Varianten Der Aufschluss und der Betrieb von Tagebauen zeichnen sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht insbesondere aus durch: hohen Investitionsumfang vor und während des Aufschlusses hohen Aufwand zur Grundwasserabsenkung und zur bergtechnischen Herstellung der Aufschlussfigur bis zur ersten nennenswerten Kohleförderung
infolge des Fortschreitens des Tagebaues in der Landschaft betriebsbegleitende Investitionen und Bergschadensausgaben infolge des begrenzten Vorrates der Lagerstätte an wirtschaftlich gewinnbarer Braunkohle endliche Nutzungsdauer des Betriebes des Tagebaues Bergschadensausgaben zur Restraumgestaltung nach Ende der Braunkohleförderung Insgesamt gesehen weichen die Ausgaben für Investitionen, laufenden Betrieb und Beseitigung von Bergschäden zeitlich erheblich von den Einnahmen aus dem Verkauf der Braunkohle ab. Diesen Gegebenheiten ist in der betriebswirtschaftlichen Bewertung Rechnung zu tragen. Das geschieht, indem über den gesamten Betrachtungszeitraum neben der Höhe auch der Zeitpunkt der Aus- und Einzahlungen in die Bewertung einfließt. Die Zahlungen werden nach Jahren erfasst. Die Bewertung der Zahlungen erfolgt durch die Anwendung dynamischer Verfahren der Wirtschaftlichkeitsrechnung. Durch die Berücksichtigung des Zins- und Zinseszinseffektes in Abhängigkeit vom Zahlungszeitpunkt werden die Zahlungen miteinander vergleichbar gemacht. Folgende Kennziffern werden einzeln oder in Kombination ermittelt und für die betriebswirtschaftliche Bewertung der Vorteilhaftigkeit der Investitionen herangezogen: Kapitalwert (NPV, Net Present Value) Bei der Kapitalwertmethode wird die Summe der Barwerte der erwarteten Aus- und Einzahlungen durch Diskontierung mit einem vorgegebenen Zinssatz auf einen vorgegebenen Bewertungszeitpunkt ermittelt. Eine Investition ist dann absolut vorteilhaft, wenn ihr Kapitalwert größer als Null ist. Bei dem Vorhandensein von Alternativvarianten ist die mit dem höchsten Kapitalwert zu wählen. C = � T
t=
(E t −A t ) (+i�)t
C Kapitalwert t laufendes Jahr E Einzahlung im Jahr t A Auszahlung im Jahr t
130
Kapitel 2.6 Betriebswirtschaftliche Begleitungen des Prozesses der Braunkohlegewinnung
i vorgegebener Zinssatz in % T Betrachtungszeitraum Dynamische Amortisationsdauer PBP, Payback Period, Kapitalrückflussdauer) Die Ermittlung der dynamischen Amortisationsdauer basiert auf der Kapitalwertmethode. Sie umfasst den Zeitabschnitt von der ersten Investitionszahlung bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Summe der diskontierten Einzahlungen größer wird als die Summe der diskontierten Auszahlungen, d. h. die Summe der diskontierten Einzahlungsüberschüsse positiv wird. Je kürzer dieser Zeitraum im Vergleich zur Nutzungsdauer ist, desto günstiger ist es. Interner Zinsfuß (IRR, Internal Rate of Return) Der interne Zinsfuß definiert sich als jener Zinssatz, bei dem über den Betrachtungszeitraum der Barwert der Einzahlungen gleich dem Barwert der Auszahlungen ist. Wenn der interne Zinsfuß mindestens so groß wie, besser jedoch deutlich größer als die geforderte Mindestverzinsung ist, so ist die betreffende Investition vorteilhaft. C = � T
t=
(E t −A t ) (+i i �)t
=
C Kapitalwert t laufendes Jahr E Einzahlung im Jahr t
A Auszahlung im Jahr t i i Interner Zinssatz in % T Betrachtungszeitraum Finanzmathematische Durchschnittskosten (FMDK) Für den Fall, dass keine Einnahmen sondern nur eine Menge an Produkten, z. B. Rohbraunkohle in Tonnen pro Jahr verfügbar ist, kann man diese mit einem einheitlichen Preis bewerten und somit eine Einnahmen reihe entwickeln. Unter Verwendung der Kapitalwertmethode und der Randbedingung, dass der Kapitalwert sich zu Null ergeben soll, kann man den notwendigen Preis errechnen. Dieser Preis wird auch als FMDK bezeichnet und stellt ein gutes Kriterium zum Vergleich verschiedener Varianten dar. C = � T
t=
(P�M t −A t ) (+i i �)t
=
P=
t � A t �((+i�) ) T
t= T
� M t �((+i�)t )
t=
C Kapitalwert t laufendes Jahr M Braunkohlemenge im Jahr t A Auszahlung im Jahr t i vorgegebener Zinssatz in % T Betrachtungszeitraum P notwendiger Preis, FMDK Abb. 2.6-1 zeigt typische Verläufe für ausgewählte Kennziffern:
.. Abb. 2.6-1 Einzahlungsüberschuss, Amortisationsdauer, Kapitalwert
Bernd-Uwe Haase, Werner Pfennig
2.6.1.3 Betriebswirtschaftliche Variantenvergleiche Um die Varianten miteinander vergleichen zu können, sind jeweils nach einheitlichen Prinzipien über die gesamte Laufzeit die notwendigen Primärdaten zu ermitteln. Diese sind in Zahlungsreihen umzuwandeln. Da die Aus- und Einzahlungen grundsätzlich in den einzelnen Jahren in unterschiedlicher Höhe anfallen, sind sie finanzmathematisch zu bewerten. In der Regel sind jedoch die Einnahmen infolge Fehlens eines Preises für die Braunkohle nicht kalkulierbar. Deshalb ist zu ermitteln, welcher Erlös bzw. Preis pro Tonne Rohbraunkohle (FMDK) über die gesamte Betrachtungszeit erforderlich ist, um die Personal- und Sachkosten zu decken sowie eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu gewährleisten. Bei der Ermittlung der Primärdaten sind grundsätzlich nach Jahren auszuweisen: Rohbraunkohleförderung Abraumbewegung Wasserhebung Investitionen (Anfangsinvestitionen und wesentliche Erweiterungen bzw. Veränderungen) Bergschadensausgaben, wie Verlegungen von Orten, Straßen und Leitungen, Rekultivierungen und die Restraumgestaltung Energiebedarf Personalbedarf Materialbedarf und Fremdleistungen während des laufenden Betriebs Sonstiger Aufwand
2.6.1.4 Vorstudien Sofern in den vorstudienhaften Betrachtungen die notwendige Tiefe der Primärdatenerfassung nicht gegeben ist, um aus einem detaillierten Mengengerüst Aus- und Einzahlungsreihen kalkulieren zu können, muss auf Vergleichskennziffern zurückgegriffen werden, die aus Ist-Daten vorhandener Tagebaue abgeleitet werden. Sofern dabei Kennziffern Länder übergreifend verwendet werden sollen, ist kritisch ihre Nutzbarkeit infolge unterschiedlicher Randbedingungen, wie z. B. das jeweilige Lohnniveau oder das unterschiedliche Energiepreisniveau, zu hinterfragen. Ggf. sind Anpassungen vorzunehmen. Folgende Mindestangaben sollten für die betriebswirtschaftliche Bewertung der Varianten bereitgestellt werden:
131
Rohbraunkohlemenge nach Jahren und Gesamtzeitraum der Gewinnung Abraumbewegung nach Jahren und Festlegung der Hauptausrüstungen bei nennenswertem Grundwasseranfall Menge pro Jahr und Entwässerungstechnologie Ableitung der Investitionen aus den Hauptausrüstungen kostenintensive Bergschadensprojekte wie Ortsinanspruchnahmen, Straßen-, Fluss- und Leitungsverlegungen sowie die Restraumgestaltung Aus vorgenannten Daten sind in einer qualifizierten Schätzung bzw. aus Analogieschlüssen zu anderen Tagebauen zu ermitteln: Personalaufwand aus der Besatzung der Hauptgeräte, einem angemessenen Personal für die Ausund Vorrichtung sowie für die Instandhaltung Energieaufwand aus dem zu bewegenden Abraum, der Kohleförderung, den eingesetzten Hauptausrüstungen und dem zu hebenden Wasser Materialaufwand als Prozentsatz der Investitionen Fremdleistungen als Prozentsatz der Investitionen sonstiger Aufwand zur Berücksichtigung der der Leitungs- und Verwaltungskosten sowie sonstiger Gemeinkosten als Prozentsatz der Personalkosten Zur Risikoabdeckung und für Unvorhergesehenes ist eine Reserve festzulegen, die je nach Risikoeinschätzung sich an den Investitionen, den Bergschadensausgaben und/oder den laufenden Kosten orientieren kann. Aus den Daten sind die Auszahlungen nach Jahren, beginnend bei der ersten Investition und endend bei den letzten Bergschadensausgaben zur Restraum gestaltung, abzuleiten. Aus der Zahlungsreihe werden die finanzmathematischen Durchschnittskosten ermittelt. Im ersten Schritt der Ergebnisbewertung einer Variante ist die Frage zu beantworten, ob die Höhe der FMDK unter oder in der Größenordnung der notwendigen und erwarteten FMDK liegen. Dabei sind die notwendigen FMDK aus den Preisen für die aus Braunkohle herstellbaren marktgängigen Produkte abzuleiten, siehe Kap. 1.4. Bei deutlichen Abweichungen ist zu entscheiden, ob eine weitere Bearbeitung des Projektes sinnvoll ist, d. h. genügend Kostensenkungspotential gefunden werden kann. Im nächsten Schritt zeigt ein Vergleich der FMDK der einzelnen untersuchten Varianten, welche Varianten aus betriebswirtschaftlicher Sicht aus der weiteren Untersuchung ausgeschlossen werden können.
132
Kapitel 2.6 Betriebswirtschaftliche Begleitungen des Prozesses der Braunkohlegewinnung
Grundsätzlich gilt, je deutlicher die FMDK voneinander abweichen, umso geringer sind die Anforderungen an die Datenbasis. Sollten die Ergebnisse von 2 oder mehreren Varianten sehr eng beieinander liegen, ist zu entscheiden, ob es nichtmonetäre Ausschlusskriterien für einzelne Varianten gibt oder ob in der weiteren Bearbeitung mehrere Varianten parallel betrachtet werden sollten.
2.6.1.5 Machbarkeitsstudie Als Grundlage für die Entscheidung zur Durchführung der Investition in einen neuen Tagebau zur Braunkohlegewinnung ist mit einer Machbarkeitsstudie der Nachweis zu erbringen, dass der Aufschluss und Betrieb des Tagebaus technisch machbar und betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Bei der Erweiterung eines bestehenden Tagebaus ist analog zu verfahren. Die grundsätzliche Herangehensweise ist mit der bei der Vorstudie vergleichbar, jedoch ist eine höhere Primärdatenspezifizierung erforderlich. Im Einzelnen ist folgendes Mengengerüst zu erarbeiten: Tagebauplanung Angaben zum Abbaufeld: Feldesinhalt (Braunkohle, ggf. Begleitrohstoffe), Kohlequalität, Flächenbilanz, Massenberechnungen für die Abraum- und Kippenseite Angaben zur technischen Ausrüstung: Bagger-, Absetzer-, Förderbrückeneinsatzplan, Bandanlageneinsatz, beschrieben durch Bandbilanzen, Einsatz mobiler Technik Angaben zu Leistungen: jährliche Abraumbewegung und Kohleförderung (gerätebezogen), Transportentfernungen Investitionen Ausweis der einzelnen Projekte mit Angabe von Wertumfang und Jahr der Ausgabe Bergschäden Angaben zu folgenden Komplexen: – Rekultivierung: Fläche pro Jahr, Art der Rekultivierung – Umsiedlungen: Gemeinschaftseinrichtungen, Be triebe, Wohneinheiten und Einwohner, Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Ortschaft – Verlegungsmaßnahmen z. B. Bahntrassen, Flussläufe, übergeordnete Straßen und Stromversorgungsleitungen: die in Anspruch genommene
– – – –
und neu zu verlegende Länge sowie das Jahr, in dem die alte Trasse unterbrochen wird Deponien Wasserwirtschaftliche Maßnahmen und Entschädigungen Rückbau von Anlagen und Geräten, baulichen Anlagen Restraumgestaltung: Angaben zur Restraumnutzung und -gestaltung, Art und Weise der Böschungsstabilisierung sowie der Wasserzuführung bei Restseen
Entwässerungsplanung Angaben zu Sümpfungswassermengen, Teufe und Anzahl der neu zu bohrenden Filterbrunnen/Pegel auf der Grundlage von Grundwasser modellrechnungen Angaben zu den über die Tagebauwasserhaltung zu hebenden Oberflächenwässer unter Berücksichtigung der Betriebsfläche Sondermaßnahmen, z. B. Grubenwasserreinigungsanlagen, Vorflutmaßnahmen, Errichten einer Dichtungswand, geologische Erkundungsbohrungen etc. Personalaufwand Angaben zum Personalkonzept, abgeleitet aus: – den Normativen zu Arbeitsplätzen für den Betrieb der Geräte und Anlagen – dem Schichteinsatz – den Erfordernissen zur Sicherstellung der Ausund Vorrichtung – den notwendigen Instandhaltungsstunden – den pro Mitarbeiter jährlich zur Verfügung stehenden Arbeitsstunden Energie Angaben zum Energieverbrauch, ermittelt aus den von der Tagebauplanung vorgegebenen Mengen, den eingesetzten Großgeräte und Bandanlagen sowie ihrem spezifischen Energieverbrauch Instandhaltung Auf der Basis des Betreuungsvolumens Angabe des Mengengerüstes für den Instandhaltung nach – Instandhaltungsstunden – Material – laufende Fremdleistungen und Instandhaltungsprojekte
Bernd-Uwe Haase, Werner Pfennig
Hilfsgeräte und Fahrzeuge Angabe der Anzahl und der Spezifik der Hilfsgeräte und Fahrzeuge Betriebsmaterial und Fremdleistungen Angaben zu Betriebsmaterial, laufenden Fremdleistungen und Betriebsprojekten, z. B. bei Drehpunktverlegungen oder Veränderung von Abraum schnitten Sonstiger Aufwand und Gemeinkosten Angaben zu Leitungs- und Verwaltungsaufwand sowie sonstigen Kosten, abgeleitet aus Vergleichstagebauen Zur Erhöhung der Aussagefähigkeit ist es vorteilhaft, vorgenannte Mengengerüste nach Betriebsbereichen wie Abraumbetrieb, ggf. untersetzt nach Vorschnitt und Brückenbetrieb, Grubenbetrieb, Entwässerungsbetrieb oder Stromversorgung, zu erfassen. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, Ausgabenschwerpunkte und Kostensenkungspotentiale zu identifizieren. Aus dem Mengengerüst sind die Zahlungen auf der aktuellen Preisbasis nach Jahren zu ermitteln. Ausgehend von der erwarteten Eskalation der Preise der einzelnen Kostenarten sind aus den Zahlungen auf aktueller Preisbasis nominale Zahlungen zu kalkulieren. Eine Reserve ist zur Risikoabdeckung und für Unvorhergesehenes zu bilden. Dabei sind die verschiedensten Sachverhalte zu berücksichtigen, wie: hohe Volatilität der Eskalation einzelner Preise sprunghafte Entwicklung am Rohstoffmarkt Veränderungen der Verhältnisse am Markt, wie Wandel von Käufermarkt zu Verkäufermarkt, Anzahl der potentiellen Lieferfirmen schwierige geologische Verhältnisse im Genehmigungsprozess zu erwartende Auflagen und Forderungen langfristig fehlende rechtlichen Rahmenbedingungen oder ihre zu erwartende Änderung unklare politische Verhältnisse. Die finanzmathematische Bewertung der Zahlungsreihen kann vor oder nach Steuern erfolgen. Für die Bewertung nach Steuern ist es erforderlich, Investitionen in Abschreibungen und Bergschadensausgaben in Rückstellungen umzuwandeln. Auf dieser Grundlage kann dann als zusätzliche Ausgabenposition die Steuerzahlung berücksichtigt werden. Aus den Kennziffern NPV, IRR, PBP bzw. FMDK werden betriebswirtschaftliche Aussagen zur Vorteilhaf-
133
tigkeit der Investitionen abgeleitet und Empfehlungen zu Entscheidungen gegeben. Vorteilhaft sind ein möglichst hoher positiver NPV, ein möglichst deutlich größerer IRR als der vorgegebene Zinsfuß und eine kurze Amortisationszeit bzw. möglichst niedrige FMDK. Zusätzlich zur Wirtschaftlichkeitsrechnung basierend auf den Eingabedaten ist eine Sensitivitätsanalyse sinnvoll. Mit dieser Analyse wird ermittelt, wie sich die Kennziffern bei Variation der Eingangsgrößen verändern. Dabei ist jeweils nur eine Eingangsgröße zu ändern und die Wirtschaftlichkeitsrechnung erneut zur Kennziffernbestimmung durchzuführen. Die Veränderung der jeweiligen Eingangsgröße sollte prozentual bei allen Rechnungen gleich sein. So kann man bestimmen, auf welche Änderungen das Projekt sensibel reagiert und welche Änderungen nur einen geringen Einfluss haben.
2.6.2
Betriebswirtschaftliche Charakteristik des Tagebaubetriebes
2.6.2.1 Vorbemerkungen Mit der Entscheidung für ein Tagebauprojekt verändert sich der Focus in der Betrachtungsweise betriebswirtschaftlicher Kennzahlen. Stehen während der Vor- und Machbarkeitsstudie Zahlungsströme – Ein- und Auszahlungen – im Vordergrund, so gewinnen im laufenden Betrieb periodenbezogene Betrachtungen von Aufwendungen und Erträgen zusätzlich an Bedeutung. Für die tägliche operative Organisation des Produktionsprozesses ist die monetäre Bewertung (Kosten) des Verbrauchs materieller Güter von größerem Gewicht. Die Auswirkungen werden durch die Abbildung des Betriebsgeschehens in der Gewinn- und Verlustrechnung (G&V), in der Kapitalflussrechnung (Cash flow) und in der Bilanz sichtbar. Die zeitnahe kostenbezogene Betrachtung muss außerdem auf die Diskontierung auf einen Ausgangszeitpunkt verzichten, da nicht zahlungswirksame Kosten in den periodischen Aufwendungen enthalten sind. Mit der Verkürzung des Zeitraumes zwischen Bewertung und realem Betrieb sinkt der Anteil der Aufwendungen, die durch Änderungen von Technik und Technologie zu beeinflussen sind. Mit der Entscheidung zum Aufschluss eines Tagebaus bzw. Abbaufeldes ist ein Großteil der zukünftigen betriebswirtschaftlichen Eckpunkte durch die
134
Kapitel 2.6 Betriebswirtschaftliche Begleitungen des Prozesses der Braunkohlegewinnung
geologischen und technisch-technologischen Vorgaben fixiert. Die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebes ändern sich dadurch in nicht geringem Maße. Wird langfristig über Betriebsgröße, Technologie und Technik entschieden, so liegt die mittelfristige Einflussnahme in der Optimierung der Ausrüstungen zur Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen sowie in der Erarbeitung von Ersatz- und Rationalisierungsstrategien. Kurzfristig ist die Einflussnahme im Wesentlichen durch eine Änderung in der Auslastung der Produktionskapazität und in der operativen Betriebsführung zu suchen. Die Aufwendungen, die mit der operativen Betriebsführung beeinflusst werden können, stellen im Regelfall nur einen Bruchteil der Gesamtaufwendungen dar. Die vorab realisierten Investitionen in Technik und Aufschluss bewirken Abschreibungen und u.a. aus den zu erwartenden Aufwendungen für die Restraumgestaltung leiten sich Bergschadensrückstellungen ab. Diese werden den operativen Kosten zugeschlagen. Doch auch Aufwendungen für Wartung und Instandhaltung, Personal und Energie sind kurzfristig nur im geringem Maße beeinflussbar. Da ein Tagebau im Regelfall Bestandteil eines Unternehmens ist, überlagern zudem unternehmensstrategische Entscheidungen über Aufwandszuordnungen die objektkonkreten Bedingungen und spiegeln sich in den Aufwandsstrukturen eines Tagebaus wider. Die genannten Kriterien spielen bei der Vorbereitung von Bergbauprojekten keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Mit dem Einstieg in die Realisierung der Projekte erhalten die unterschiedlichen Betrachtungen aus der Sicht von Zahlungsströmen und Aufwendungen zunehmend an Gewicht. Für die Phase des operativen Bergbaugeschehens spielt aus diesem Grund die Abbildung der Aufwendungen eine wichtige Rolle. Dazu dient u. a. die Kostenrechnung.
2.6.2.2 Die Kostenrechnung in Bergbaubetrieben Aufgabe der Kostenrechnung ist der Nachweis der bei der Leistungserstellung entstandenen Kosten in Ein-
heit von Kostenarten, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung. Als eines der wichtigsten Kostenrechnungsprinzipien sichert das Verursachungsprinzip die Zuordnung der Kosten zu Kostenträgern und Kostenstellen, welche ursächlich für die Entstehung der Kosten verantwortlich sind. Die Kostenartenrechnung dient der Erfassung und der sachlichen Abgrenzung der Kosten für den Verbrauch Material und Leistungen (Produktionsfaktoren). Diese wurden unter Punkt 2.6.1.5 bereits ausführlich benannt und beinhalten: Abschreibungen, Personalkosten, Energie, Material und Fremdleistungen, Rückstellungen, Sonstiges. Werden in den Phasen der Studien zu einem Bergbauprojekt Unterteilungen in einzelne Betriebsbereiche vorgenommen, um Schwerpunkte der Aufwandsentwicklung besser zu lokalisieren und beeinflussen zu können, so erfolgt spätestens in der Phase des Aufschlusses einer Lagerstätte eine detaillierte Untersetzung in Betriebsabteilungen und Betriebspunkte (Kostenstellen). Typischer Weise sind die Kostenstellen analog der Organisationsstruktur des Unternehmens gegliedert, so dass sich in der Regel daraus die Verantwortungsbereiche der Mitarbeiter ableiten lassen. Aufgabe der Kostenstellenrechnung ist die Erfassung und Zurechnung der Kosten nach dem Ort ihrer Entstehung und Verursachung. Sie hat, speziell im Bergbau, eine Brücken- und Vermittlungsfunktion zwischen Kostenarten- und Kostenträgerrechnung zu erfüllen. Mit der Kostenträgerrechnung werden die Kosten den erbrachten und hergestellten Leistungen zugerechnet, z. B. Wasserhebung, Abraum, Rohkohle und Begleitrohstoffe. Für die Aufwandsanalyse haben außerdem folgende Unterscheidungskriterien Bedeutung: fixe und variable Kosten (Beeinflussbarkeit und Veränderlichkeit), Einzelkosten und Gemeinkosten sowie direkt und indirekt (über Verrechnungsbasen) zurechenbare Kosten, zahlungswirksame Kosten (z. B. Lohn-, Materialund Energiekosten) und nicht zahlungswirksame Kosten (z. B. Abschreibungen und Rückstellungen),
Bernd-Uwe Haase, Werner Pfennig
135
nach dem Merkmal der Aufwandsgleichheit aufwandsgleiche (direkt verbrauchsäquivalente) und nicht aufwandsgleiche Kosten (sogenannte Zusatzkosten) und Primärkosten als bewerteter Verbrauch fremdbezogener Güter und Leistungen und Sekundärkosten als bewerteter Verbrauch innerbetrieblich erstellter Güter und Leistungen. Die Gestaltung der Kostenrechnung in Bergbauunternehmen orientiert auf eine weitgehende Übereinstimmung von Prozessstellen, Leistungsstellen und Kostenstellen. Sie ist in ihrem Wesen eine Prozesskostenrechnung. Hohe Fixkostenintensität und wechselnde Produktionsbedingungen erfordern im Bergbau Entscheidungsprozesse, für die die Kostenrechnung durch die Bereitstellung ausreichender Informationen, das Aufzeigen von Kostentreibern und Kostensenkungspotentialen und die Vorbereitung neuer Projekte und die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsrechnungen
2.6.2.3 Lebenszyklus eines Tagebaus Neben der Kenntnis über Aufwandsstrukturen und die Zusammenhänge bezüglich der Ableitung von Aufwandskennziffern bis hin zur Bestimmung der Herstellkosten ist ein weiteres Merkmal im Bergbau die Besonderheit des zeitlichen Verlaufs der Leistungsprozesse. Der Lebenszyklus eines Tagebaus gliedert sich, wie aus der Abbildung 2.6-1 ersichtlich, in drei wesentliche Abschnitte. Die Aufschlussphase, die Braunkohlegewinnung und die Restraumgestaltung. So gehen der eigentlichen Rohstoffgewinnung umfangreiche Tätigkeiten voraus. Das sind u. a.: die Erkundung, der Erwerb von Tagebauflächen, die Vorfeldberäumung, die Entwässerung sowie die Abraumbewegung. Der zeitliche Vorlauf für diese Prozesse kann z. T. mehrere Jahre betragen. Das betrifft vor allem die Aufschlussphase.
Voraussetzung ist.
Betriebsbereich
Abteilung
Abraumbetrieb
Gewinnung
Bagger 1 Kostenstellen
Bagger 2 Bagger 3
Transport Band/ Bandsystem 1 Band/ Bandsystem 2 Band/ Bandsystem 3 Bandsammelpunkt
Kostenträger
Abraum
Betriebsbereich/ Abteilung
Tgb. Leitung/ Werkdienst
Grubenbetrieb
Verkippung
Gewinnung
Absetzer 1
Bagger 4
Absetzer 2
Bagger 5
Absetzer 3
Bagger 6
Transport
Stapelplatz/ Übergabe an Bahnbetrieb
Band/ Bandsystem 4 Band/ Bandsystem 5 Band/ Bandsystem 6 Sammelband
Kohle
technische Vorbereitung/ Labor
Aus- und Vorrichtung
Entwässerung/ Bohrbetrieb
.. Abb. 2.6-2 Schematische Abb. einer möglichen Organisationsstruktur und der Leistungsverflechtung eines Tagebaues
136
Kapitel 2.6 Betriebswirtschaftliche Begleitungen des Prozesses der Braunkohlegewinnung
Aufschlussphase Die Aufschlussphase ist gekennzeichnet von einer hohen Belastung des Unternehmens durch die zu tätigenden Investitionen in den Aufschluss des Tagebaus. Neben den bereits angeführten Punkten zur Erkundung und zum Erwerb von Vorfeldflächen haben vor allem die Investitionen in bergbauliche Ausrüstungen erhebliches Gewicht. Aber auch die ersten bergmännischen Arbeiten zur Entwässerung und Abraumbeseitigung erfordern erhebliches Finanzierungspotential. Durch die tendenziell ungünstiger werdenden Lagerstättenbedingungen nehmen letztere eine wachsende Rolle ein. Bedingt durch steigende Teufen erreicht die Aufschlussfigur ein Volumen von bis zu zehn Prozent der Gesamtabraumbewegung. Der notwendige zeitliche Vorlauf wird ebenfalls immer größer. Die Bewegung des Deckgebirges zur Gestaltung des Regelprofils der Aufschlussfigur wird in der Regel als Grubenaufschluss bezeichnet. Der dafür erforderliche Aufwand wird im Anlagegut Grubenaufschluss aktiviert. Die kostenseitige Berücksichtigung findet dieser in den Abschreibungen. In den Unternehmen wird die Abschreibung des Grubenaufschlusses unterschiedlich gehandhabt. Möglich ist eine laufzeitbezogene (meistens kürzer als die Projektlaufzeit) oder eine auf den Feldesinhalt bezogene Abschreibung. In der Regel erfolgt in dieser Periode keine Deckung des entstehenden Aufwandes durch Erlöse aus dem Absatz von Rohkohle, da nur im begrenztem Umfang Aufschlusskohle gewonnen wird. Erst mit dem Beginn der kontinuierlichen Braunkohlegewinnung und dem Übergang vom Aufschluss in den Regelbetrieb sich diese Situation. Es ist daher grundsätzlich von Interesse, dass der Aufschluss eines Tagebaus in einem kurzen Zeitrahmen erfolgt und möglichst frühzeitig die Förderung der Rohkohle beginnt. Diese betriebswirtschaftliche Prämisse führt konsequenter Weise zu dem Schluss, dass Lagerstätten in der Regel dort aufgeschlossen werden, wo die günstigsten geologischen Verhältnisse vorherrschen.
Braunkohlegewinnung Der zweite Abschnitt der Tagebauentwicklung ist dadurch gekennzeichnet, dass durch den Absatz der Braunkohle Erträge erzielt werden, die sowohl die laufenden Aufwendungen als auch die Abschreibungen sowie Rückstellungen decken müssen.
In dieser Phase sind die Mittel zu erwirtschaften, die nach Beendigung der Braunkohlengewinnung erforderlich sind um eine den Anforderungen der Rahmenbetriebsplanung entsprechende Restraumgestaltung realisieren zu können. Die in der Betriebsphase Braunkohlegewinnung zu erwirtschaftenden Erträge müssen also neben der Finanzierung der hohen Investitionen zu Beginn des Tagebaubetriebes auch dazu dienen, die Verpflichtungen zum Rückbau vorhandener Anlagen und zur Restraumgestaltung, die sich u. a. aus dem Bundesberggesetz ergeben, finanziell abdecken zu können. Naturgemäß zeigt die Kostenstruktur auf Grund des einmal eingerichteten Kapazitätsprofils einen gegenüber anderen Industriezweigen vergleichsweise hohen Fixkostenanteil. Der Zuschnitt der Förderkapazität auf das langfristige Abnahmepotential für die Braunkohle hat damit auf die Höhe der Kosten je Tonne Braunkohle entscheidenden Einfluss. Leistungseinsenkungen im Tagebaubetrieb führen zu empfindlichen Mehrbelastungen je Tonne Produkt und können die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts und damit des gesamten Unternehmens in Frage stellen. Den unter Punkt 2.6.1. genannten Rahmenbedingungen, die Kapazitätsgröße eines Tagebaus betreffend, kommt deshalb während des Regelbetriebs eine besondere Bedeutung zu. Im Unterschied zu anderen Betrieben , die ortsgebunden produzieren, ist die Gewinnung der Braunkohle an die Geometrie der Lagerstätte gebunden. Der Tagebau ändert somit ständig seine Lage und Größe. Um vom Ort des Aufschlusses den Gewinnungsorten zu folgen müssen die Tagebauausrüstungen immer wieder erweitert werden. Das ist erforderlich, um ungünstiger werdende Lagerstättenverhältnisse aber auch größere Transportentfernungen zu bewältigen. Daraus resultiert, dass neben den hohen Anfangsinvestitionen ein Tagebauprojekt auch dadurch gekennzeichnet ist, dass permanente Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen vorgenommen werden müssen. Sich verändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen zwingen zur ständigen Anpassung und Optimierung sowohl der technisch-technologischen Systeme im Tagebau als auch aller betriebswirtschaftlich relevanten Aufwendungen. Dazu zählen u. a. die organisatorische Gestaltung des operativen Tagebaubetriebes, das Anpassen von Instandhaltungszyklen und die Überprüfung eingesetzter Materialien (sowohl von Verschleiß- als auch Verbrauchsmaterial).
Bernd-Uwe Haase, Werner Pfennig
Diese Optimierung muss im Einklang stehen mit den kurz-, mittel- und langfristigen Planungen und Zielstellungen. Daraus folgt die Suche nach Möglichkeiten zur Anpassung der technologischen Konzepte an sich ändernde Bedingungen. Dabei sind alle Spielräume für Hilfs- und Nebenprozesse aber auch hinsichtlich neuer Technologien auszuloten. Es ist konsequent, wenn kontinuierlich nach neuen Wegen gesucht wird, die Wirtschaftlichkeit des Tagebaubetriebes zu erhöhen. Trotz der weitgehend an die Lebensdauer des Tagebaus angepassten technologischen Hauptausrüstungen erfordert die lange Lebensdauer des Tagebaus in einigen Betriebsbereichen Ersatzinvestitionen. Permanente Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bezüglich dieser Investitionen müssen eingebettet sein in die Überprüfung der Gesamtwirtschaftlichkeit des Tagebaus. Der verantwortungsbewusste Umgang mit den anvertrauten Ausrüstungen und die Optimierung des Ausrüstungsersatzes folgen diesem Ziel.
Restraumgestaltung Mit der Auskohlung der Lagerstätte bzw. dem Erreichen der festgelegten Abbaugrenzen ändert sich die Ertragsituation des Tagebaus. In der Regel erfolgt dann
137
keine Kohlegewinnung mehr und Erlöse entstehen nur aus der Liquidation noch vorhandener Sachanlagen. Im Normalfall ist diese Phase dadurch gekennzeichnet, dass der Rückbau der technischen Anlagen, die standsichere Gestaltung von Böschungssystemen, die Flutung verbleibender Resträume und die Rekultivierung der verbleibenden Geländeoberfläche erfolgt. Die Sicherung von Böschungssystemen, die Rekultivierung ehemaliger Betriebsflächen und nicht zuletzt die Flutung des Restsees, einschließlich der Herstellung der geforderten Wasserqualität, sind eingebettet in einen langen Zeitraum der Nachsorge. Der dafür erforderliche hohe Kapitalbedarf und die daraus folgenden Rückstellungen sind gewissenhaft zu kalkulieren, da sie eine nicht zu unterschätzende Größe für die Wirtschaftlichkeit eines Tagebauprojektes sind. Für eine Vertiefung der betriebswirtschaftlichen Betrachtung von Bergbauprojekten sei an dieser Stelle auf das Fachbuch „Bergwirtschaftslehre“ Teil 1 und 2 von Slaby/Wilke, erschienen im Verlag der Technischen Universität Bergakademie Freiberg 2005, verwiesen.
2.7
EDV-Einsatz in den Braunkohlenbetrieben Walter Thiels
2.7.1
Ein kurzer Blick zurück – Entwicklung der EDV in der Braunkohlenindustrie
Die Entwicklung der EDV in der Braunkohlenindustrie unterscheidet sich zu Beginn der EDV kaum von der Entwicklung in anderen Industriezweigen. Zunächst wurden die Computer zur Beschleunigung von Berechnungsprozessen benutzt und fungierten eher als programmierbare Taschenrechner. Die Entwicklung der Hard- und Software war enorm. Es wurden in den Firmen in den verschiedensten Bereichen eigene Entwicklungen betrieben, es gab keine bzw. noch wenig Software, die im technischen Bereich direkt eingesetzt werden konnte. Das Programmieren war ebenso um einiges umständlicher und aufwändiger, wenn man es mit den heutigen Möglichkeiten vergleicht. Bis Mitte der siebziger Jahre waren überwiegend Großrechner mit Terminals im Einsatz und zur Programmierung wurden Lochkarten eingesetzt, die an speziellen Geräten erst gestanzt und dann in einem weiteren Gerät eingelesen wurden. Für die Ausgabe standen Drucker zur Verfügung, die nur Text darstellen konnten. Rudimentäre Grafiken wurden mit Textzeichen erstellt. In der weiteren Entwicklung der Soft- und Hardware standen eher die allgemeinen Aufgaben der Verwaltung von Betrieben im Vordergrund. Das ist in sofern gut nachvollziehbar, da der Bedarf an Softwareunterstützung in diesem Bereich von allgemeiner Natur war. Für die speziellen Anwendungen im Bergbau und besonders in der Braunkohle gab es keinen Softwaremarkt, so dass weiterhin die Eigenentwicklungen vorangetrieben wurden. Damit konnten schon einige Arbeitsprozesse enorm verbessert werden, vor allem diejenigen, die wiederholende rechentechnische Schritte benötigten, wie z. B. in der Gebirgsmechanik. Keine Entwicklung in der Industrie hat so große Fortschritte gemacht wie die der EDV. Zwar gab es keine größeren speziellen Entwicklungen für die Bergbauindustrie, aber von den allgemeinen Entwicklungen profitierten auch die Braunkohlenbetriebe. Im Rahmen der weiteren technischen Entwicklung kamen neue Ausgabegeräte wie Bildschirme in Farbe, Plotter usw. hinzu. Dies ermöglichte die Einführung
von DV-technisch erstellten Plänen, mit Einhaltung der MarkschBergV auch die Erstellung von Rissen. Es wurde im Rheinischen Revier und später auch in der Lausitz eine spezielle Hardware- und Softwarekombination eingeführt und weiterentwickelt. Dies war ein System, das unter dem Namen Intergraph an vielen Arbeitsplätzen eingesetzt wurde und hauptsächlich der Abbauplanung und in der Markscheiderei Verwendung gefunden hat. Die Firmen Intergraph (Hardware) und Bentley (Software) gaben später ihre Kooperation auf. Fortan konnte die CAD-Software MicroStation der Fa. Bentley auch mit leistungsfähigen PCs betrieben werden. In den mittel- und ostdeutschen Betrieben gab es eine vergleichbare eigene Entwicklung („Gebauer“Programme), die auf russischen Großrechnern eingesetzt wurden. 1990 wurde dann eine teilweise Portierung auf das PC-Betriebssystem DOS vorgenommen und erst später abgelöst. In Mitteldeutschland wurden dabei einige Programmteile in die dort eingesetzte Software der Fa. Mincom übernommen. Inzwischen verwenden alle Braunkohlenbetriebe im Bereich der Markscheiderei und Planungsabteilungen die CAD-Software MicroStation. Von den Betrieben selbst entwickelte oder in Auftrag gegebene Aufsätze erlauben eine erweiterte Funktionalität über die Planerstellung hinaus. Hierzu sind derzeit Program mierungen in der MicroStation eigenen Sprache MDL oder in VBA möglich. Fast jeder Arbeitsplatz ist mit einem PC oder anderen Rechnern ausgestattet. Dabei ist die Funktionalität der Rechner am Arbeitsplatz sehr weit reichend. Über die speziellen Anwendungen am Arbeitsplatz hinaus hat die interne und externe Kommunikation in den letzten zehn Jahren sehr an Bedeutung gewonnen. Grundlage dafür ist die Vernetzung innerhalb der Unternehmen (Intranet), auch zwischen verschiedenen Standorten, und durch das Internet mit dem gesamten geschäftlichen Umfeld. Die Vernetzung ist noch nicht abgeschlossen, hier finden zurzeit noch die größten Veränderungen statt. Dabei ist weniger die physikalische Vernetzung durch Intra- oder Internet gemeint, sondern das Ineinandergreifen der verschiedenen Anwendungen untereinander. Das Ziel optimaler Vernetzung ist die Administration der Informationen in einer Form, dass sie
140
Kapitel 2.7 EDV-Einsatz in den Braunkohlenbetrieben
an einem Ort verwaltet werden und an allen Stellen, die für diese Informationen Verwendung finden, zur Verfügung stehen. Diese Entwicklung erfordert sehr genaue Regeln, welcher Personenkreis Informationen hinzufügen, verändern oder nur lesen darf. Dies kann auch durch verschiedene Berechtigungsstufen geregelt werden. Die nachfolgende Beschreibung einzelner Anwendungen zeigt bereits einen relativ hohen Vernetzungsgrad. In der weiteren Entwicklung wird die Vernetzung der Arbeitsprozesse auch in der EDV abgebildet. Zurzeit werden Daten noch nicht durchgängig einheitlich verwaltet, da die Anwendungen aus verschiedenen Quellen stammen und durchweg ein proprietäres, also ein nur der Herstellerfirma bekanntes Datenformat verwenden. Die von der Software MicroStation generierten Daten zum Erstellen von Zeichnungen sind für diesen Zweck optimiert codiert und daher sehr kompakt in Dateien abgelegt. Von einigen Ausnahmen abgesehen kann dieses Dateiformat auch nur von dieser Software verarbeitet werden. Die Kommunikation mit anderer Software muss dann über einen Export aus der einen Software und den Import der anderen Software erfolgen. In der Regel funktioniert das nur im begrenzten Umfang. Dies ist darin begründet, dass der Funktionsumfang der beiden Anwendungen nicht identisch ist. Naturgemäß können Anwendungen, die den gleichen Zweck verfolgen, weitgehend vollständig Daten austauschen. Innerhalb eines Unternehmens sollte es diese Konstellation aber gar nicht geben, da idealerweise nur eine Software für denselben Zweck eingesetzt werden sollte. Je nach Zweck ist es auch nicht nötig, dass alle Informationen der einen Software an eine andere übertragen werden, sondern nur diejenigen, die für die weitere Verarbeitung auch erforderlich sind. In einem Riss, der mit der Zeichnungssoftware erstellt wurde, sind beispielsweise die Grundstücksgrenzen in Hochund Rechtswert erfasst und dargestellt. Ein Betriebsplan im Textformat, der die Koordinaten aufführen soll, kann aber die zeichnerisch dargestellten Grenzen nicht lesen. Die auf einem GIS-System (= Geographic Information System) basierende Liegenschaftsverwaltung benötigt neben den Koordinaten aber noch Informationen wie Besitzverhältnisse, Auflagen zur Nutzung, Größe des Grundstücks und weitere Angaben. Also wäre es wünschenswert, wenn möglichst viele Informationen an einer zentralen Stelle verwaltet werden und alle Anwendungen sich diese von dort für die eigene Weiterverarbeitung abholen. Hier gibt es schon einige Ansätze, beispielsweise in der Form, dass die
genannten Informationen über Koordinaten, Eigentümer, Flächengröße usw. in einer Datenbank abgelegt werden. Die Anwendungen rufen dann die für den Zweck benötigten Daten entsprechend ab.
2.7.2
EDV-gestützte Planungshilfsmittel
Im Folgenden werden Kernaufgaben beschrieben, die mit Hilfe der EDV effektiv umgesetzt werden können. In der Praxis stellen sich die Aufgaben sehr viel komplexer dar. So wird bei Lagerstättendaten streng zwischen originären Daten und daraus abgeleiteten Basismodellen für die Planung getrennt (Abb. 2.7-1).
Massenberechnung Der Tagebau liefert eine vereinbarte Menge Braunkohle an den Stromerzeuger, evtl. ergänzt um eine kleinere Menge an sonstige Abnehmer. Die Absatzmenge ist die steuernde Größe, aus der sich auch die zu gewinnende Menge an Abraum ergibt. Durch die Kenntnis der Lagerstätte und der überlagernden Schichten lassen sich die Grenzflächen definieren. Je nach Lagerstättenmodell wird dann zwischen verschiedenem Abraummaterial, Kohle unterschiedlicher Qualität, Zwischen mittel usw. unterschieden. Näheres darüber ist im Kap. 2.3.1.4 beschrieben. Die Masse, d.h. die Tonnage eines definierten Raumes, wird nicht direkt, sondern über den Umweg der Volumenberechnung bestimmt. Diese Volumenberechnung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Dabei sind zwei Verfahren am meisten vertreten. Beide Verfahren nutzen die Stärken der Datenverarbeitung, nämlich viele sich wiederholende Operationen sehr schnell durchzuführen. Das erste Verfahren berechnet das Volumen zwischen Grenzflächen, sog. digitale Geländemodelle (DGM). Der auch häufig verwendete englischsprachige Begriff lautet Digital Terrain Model (DTM). Das zweite Verfahren beruht darauf, dass der Raum des geplanten Abbaus durch kleine Volumeneinheiten, Blöcke genannt, unterteilt und in Summe als Blockmodell bezeichnet wird. Ein DGM entsteht durch die Vermaschung, auch Triangulation genannt, der Stützstellen der Fläche. Es ist eine im Raum liegende Fläche, mathematisch beschrieben durch ƒ(x,y) = z d.h. zu jeder Lage, beschrieben durch Rechts- und Hochwert, existiert genau eine Höhe. Geländeoberflächen bzw. Flächen, die messtechnisch erfasst werden können, haben naturgemäß mehr
Walter Thiels
141
.. Abb. 2.7-1 Datenfluss bis zur Lagerstättenmodellierung (Quelle: RWE Power AG)
Stützstellen als beispielsweise ein Zwischenmittel, das nur durch diskrete, d. h. an bestimmten Orten festgelegte Bohrungen erfasst ist. Der Raum dazwischen wird interpretiert. Ein DGM besteht also aus Dreiecken, deren Ecken durch die Stützstellen definiert sind. Jedes Dreieck hat eine durch die drei Raumkoordinaten gegebene Fläche Ai mit einer mittleren Höhe hi. Bezogen auf ein beliebiges Höhenniveau ergibt sich ein Prisma mit dem Volumen Vi. Das Gesamtvolumen V zwischen der Fläche A und dem beliebigen Höhenniveau ergibt sich durch die Summe der Teilvolumina Vi. In der Praxis werden weitere Einschränkungen für die Flächen hinzugefügt wie eine definierte laterale Begrenzung der Flächen, Böschungen, Materialwechsel und Störungen.
Datenbanken Die in der Braunkohle tätigen Unternehmen benötigen, wie andere große Unternehmen auch, eine leistungsfähige zentrale Datenhaltung. Für viele Angelegenheiten der Verwaltung stellen sich dieselben Aufgaben wie in anderen Industriezweigen auch. Diese zentrale Datenhaltung hat einige Vorteile. So kann die Administration der Datenbank an zentraler Stelle erfolgen und die Nutzer der Datenbank müssen sich nicht um Dinge wie die Sicherung der Daten kümmern. Alle Nutzer können auf eine Datenbasis zurückgreifen, wo-
durch Inkonsistenzen vermieden werden. In der Regel dürfen nicht alle Mitarbeiter alle Daten einsehen oder verändern. Die Datenbanksoftware erlaubt hier die Vergabe unterschiedlicher Rechte zum Anlegen von Tabellen und zum Lesen, Verändern, Hinzufügen, Löschen von Datensätzen. Der Zugriff der Nutzer erfolgt über das Netzwerk auf den Datenbankserver. Um mit der Datenbank Informationen austauschen zu können, benötigt der Anwender ein spezielles Programm für die Datenbank. Dieses Prinzip des Datenzugriffs auf die Datenbank wird als ”Client-Server-Architektur“ bezeichnet. Der Nutzer ist der Client, der Anfragen an den Server stellt. Eine Anfrage wird dann auf dem speziellen Datenbankserver von der Datenbanksoftware verarbeitet und das Ergebnis der Anfrage an den Client zurückgeschickt. Ein vereinfachtes Beispiel soll dieses Prinzip verdeutlichen: angenommen, es soll die Jahresförderung der Kohle aus einem Tagebau ermittelt werden, bei dem mehrere Geräte im Wechselbetrieb arbeiten. Arbeitstäglich wurden die Massen der einzelnen Geräte aufgezeichnet und nach Abraum und Kohle unterteilt abgelegt. Die Anfrage an den Server lautet dann beispielsweise, über alle Geräte die Datensätze zu summieren, deren Materialart der Kohle zugeordnet ist und die im vorgegebenen Zeitraum liegen. Eine entsprechende Funktion zur Durchführung der Anfrage kann
142
Kapitel 2.7 EDV-Einsatz in den Braunkohlenbetrieben
menügesteuert oder in einer anderen benutzerfreundlichen Form in der Clientsoftware definiert sein. Die Anfrage wird dann mit all ihren Einschränkungen in Form eines SQL-Statements an den Datenbankserver geschickt. Die Abkürzung „SQL“ steht für den Begriff „Structured Query Language“, also strukturierte Abfrage-Sprache. Das Ergebnis der Abfrage wird dann über das Netzwerk zurückgeschickt und eventuell dort aufbereitet dem Nutzer zur Verfügung gestellt. Hier wird nebenbei ein weiterer Vorteil des Client-Serverprinzips deutlich: die Netzbelastung ist auf diese Weise minimal, da nur die Abfrage und das Ergebnis über das Netzwerk gehen. Die große zu durchsuchende Datenmenge verbleibt auf dem Server. Datenbanken werden für alle möglichen Daten benötigt. Ob Personaldaten, Lagerstättendaten, Instandhaltung und Reparatur, Betriebsmittel für die Wasserhaltung usw. Diese Datenbanken sind zudem teilweise untereinander verknüpft. Im Folgenden soll nur eine vereinfachte bergbauspezifische Datenbank, die Bohrlochdatenbank, im prinzipiellen Aufbau erläutert werden. Eine Datenbank besteht aus Tabellen, die jeweils thematisch sinnvolle Daten zusammenfassen. Die Tabellen selbst werden charakterisiert durch Datenzeilen (= Datensätze) und durch Spalten, die jeweils für ein Attribut einer Datenzeile stehen. Man kann sich diese Attribute als Spaltenüberschriften vorstellen. Beispielsweise gibt es eine Tabelle mit dem Namen Ansatzpunkt. Diese Tabelle verfügt über die Spalten (=Attribute) Bohrlochbezeichnung, Rechtswert, Hochwert, NN-Höhe, maximale Teufe, Datum und Bohrunternehmer. Weiterhin enthält die Datenbank eine Tabelle Bohrlochverlauf, um die Neigungen eines Bohrlochs aufzunehmen und zwei weitere Tabellen, Schichten und Beprobung. In der Tabelle Schichten ist der geologische Aufbau abgelegt, die Tabelle Beprobung enthält für die Kohlebereiche Angaben wie Brennwert, Asche-, Wasser und Schwefelgehalt. Für das Kraftwerk sind noch wesentlich mehr Parameter interessant, für das Beispiel sollen aber nur die genannten Parameter gelten. Die Ansprache von Bohrkernen erfolgt in Bezug auf ihre relative Teufe zum Ansatzpunkt, entsprechend sind die Schichtenverzeichnisse aufgebaut. Wenn bei 61,5 m unter der Geländeoberfläche ein 23,7 m mächtiges Flöz angetroffen wird, erfolgt der Eintrag für dieses Kohleflöz in der Datenbank als Intervallwert zwischen 61,5 m und 85,2 m. Dies wird benötigt, um das Flöz korrekt modellieren zu können, aber damit ist die Lage im Raum allein noch nicht beschrieben. Wenn
das Bohrloch nicht senkrecht verläuft, muss auch noch die Abweichung berücksichtigt werden und ggf. die scheinbare Mächtigkeit in eine wahre Mächtigkeit umgerechnet werden. Die Software für die Bergbauplanung errechnet die korrekten Hoch-, Rechts- und z-Werte mit Hilfe der Angabe über Neigung, Richtung und Länge aus der Tabelle Bohrlochverlauf sowie der Ansatzpunktkoordinaten aus der Tabelle Ansatzpunkt. Datenbanken, deren Tabellen miteinander verknüpft sind, werden als relationale Datenbanken bezeichnet. Die Relation erfolgt über Schlüsselfelder, die pro Datensatz eindeutig sein müssen. In dem Beispiel der Bohrlochdatenbank ist die Bohrlochbezeichnung immer ein Teil des Schlüssels. Je nach Tabelle werden jedoch weitere Attribute benötigt, um einen Schlüssel zu bilden. In der Tabelle Bohrlochverlauf ist beispielsweise noch die Höhe wichtig. Hier wird es mehrere Datensätze zu einer Bohrlochbezeichnung geben. Erst die zusätzliche Betrachtung der Höhe ermöglicht eine eindeutige Identifizierung eines Datensatzes. Über die Verknüpfung mehrerer Tabellen lassen sich (über verschiedene Tabellen verteilte) Informationen zusammenführen. Einem Datensatz der Tabelle Bohrlochverlauf lässt sich so über die Bohrlochbezeichnung ein Hochwert aus Ansatzpunkt zuweisen. Oftmals werden solche Relationen zwischen Datensätzen verschiedener Tabellen wiederum in separaten Tabellen abgelegt. Nicht selten bezeichnet man daher Tabellen auch als Relationen. Die Ergebnisse der Anfrage werden dann aus Gründen der Effizienz in die Tabelle Schichten eingetragen. Von besonderem Interesse sind die Datensätze, die sich auf die Braunkohle beziehen. Für die Kesselauslegung der Kraftwerke ist eine Reihe von chemischen und physikalischen Parametern von Interesse. Zu den wichtigsten gehören die Eigenschaften Heizwert, Wasser-, Asche- und Schwefelgehalt. Diese Parameter werden im Labor bestimmt und anschließend in der Tabelle Beprobung abgelegt. Software, die Bohrlochdaten verwaltet, ist in der Regel auch in der Lage, Eingaben oder Daten aus anderen Quellen in einem gewissen Umfang auf Plausibilität zu prüfen. So können für die Felder Grenzwerte festgelegt werden. Damit können Prüfungen stattfinden, ob die Teufenangabe der Probe nicht tiefer als die maximale Bohrlochtiefe oder das eingegebene Kürzel für die Schichtbeschreibung Teil der zugelassenen Beschreibungen ist. Durch die Bohrungen und Analysen sind die Flöze an diskreten Punkten bestimmt. Von den punktuellen Informationen muss auf die Gesamtheit geschlossen
Walter Thiels
werden. Als erstes werden mit einer geeigneten Software die Schichtgrenzen modelliert. Hierzu lassen sich die entsprechenden Informationen aus der Bohrlochdatenbank extrahieren und am Bildschirm visualisieren. Durch Digitalisieren lassen sich korrelierende Schichtgrenzen der Bohrlöcher miteinander verbinden und anschließend durch Vermaschung die Grenzflächen erstellen. Dieser Prozess ist in der Praxis aufwändig und setzt viel Erfahrung der bearbeitenden Person voraus. Störungen, Auf- und Abschiebungen auskeilender Flöze und Zwischenmittel in wechselnden Mächtigkeiten sind einige der Gründe hierfür. Die Software erleichtert und unterstützt die Arbeit der geologischen Modellierung, indem sämtliche verfügbaren Informationen in ihrem wahren räumlichen Bezug dargestellt werden können. Hierin liegt der besondere Vorteil des EDV-Einsatzes. Während die Bohrlochdatenbank räumliche Informationen an diskreten Orten enthält, beschreibt ein Blockmodell den gesamten Untergrund. Blockmodelle bestehen aus kleinen Volumeneinheiten gleicher oder ähnlicher Größe, je nach dem, ob einheitliche z-Werte verwendet werden oder nicht. Diesen Volumeneinheiten lassen sich beliebige Eigenschaften, so genannte Attribute, zuordnen. Es ist naheliegend, die lithologische Beschreibung aufzunehmen, so wie sie der geologischen Modellierung entspricht. Zur Beschreibung der Kohle enthält das Blockmodell die Attribute aus der Tabelle Beprobung der Bohrlochdatenbank. Bei der Definition des Blockmodells stehen zunächst nur die Blockgröße, die räumliche Erstreckung des Modells und die Attribute fest. Es ist noch „leer“ und muss mit Werten „gefüllt“ werden. Für die Lithologie werden die Grenzflächen aus der Modellierung herangezogen. Die Zuweisung des Wertes für das Attribut Litho entspricht dann einem Befehl, der in etwa lautet: „Setze das Attribut Litho auf den Wert Floez1, wenn sich der Block unterhalb der Hangendfläche von Flöz1 und oberhalb der Liegendfläche von Flöz1 befindet“. Es wird also mit Einschränkungen, den so genannten Constraints gearbeitet, um das Blockmodell zu füllen oder Daten zu extrahieren. Letztlich ist ein Blockmodell auch eine Datenbank mit der speziellen Eigenschaft, dass die Elemente auch mit Hilfe räumlicher Einschränkungen ausgewählt werden können. Für die Abbauplanung und Qualitätssteuerung ist es von besonderer Bedeutung, die Kohleeigenschaften in ihrer räumlichen Ausprägung zu kennen. Durch die Laborergebnisse, die in der Bohrlochdatenbank abgelegt sind, besteht eine räumliche Zuordnung zur
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Qualität. Diese Datenbasis hat aber eine entscheidende Schwäche: die Informationen sind punkt- bzw. streckenbezogen. Der gesamte Raum um die Bohrlöcher herum ist datentechnisch gesehen leer. Es muss demnach noch der Schritt vollzogen werden, von den diskreten Einzelinformationen auf die Gesamtheit zu schließen. Die Software stellt unterschiedliche Methoden zur Festlegung von Blockinhalten zur Verfügung. Diese reichen von einer einfachen Zuweisung von Eigenschaften, bis hin zur Ermittlung gewichteter Mittelwerte. Der Ermittlung von Wichtungsfaktoren kann hierbei eine besondere Bedeutung zukommen. Grundsätzlich handelt es sich bei allen Verfahren um mehr oder weniger aufwändige Schätzverfahren. Die Schätzungen stützen sich immer auf vorhandene Daten. Wichtig hierbei ist die Kenntnis der räumlichen Position dieser Informationen. Diese können Analysen aus Bohrungen, Einzelproben oder auch physikalisch-technische Eigenschaften sein. Die Lage der vorhandenen Daten, ihre Verteilung, ihre Dichte sowie ihre Variabilität in Abhängigkeit von ihrer Lage, Dichte und Verteilung sind der Schlüssel bei der Auswahl des entsprechenden Schätzverfahrens. Drei unterschiedliche Schätzverfahren sind im Folgenden hinsichtlich ihrer Methodik kurz beschrieben: 1. Die Nearest-Neighbor-Methode berücksichtigt lediglich den nächsten Nachbarn. Genau der Wert des nächsten Nachbarn wird dem Block zugewiesen. 2. Die Inverse-Distance-Methode berücksichtigt umliegende Werte, gewichtet sie nach Abstand (je weiter entfernt, desto geringer die Gewichtung) und weist den Blöcken schließlich gewichtete Mittelwerte zu. Hierbei kann bereits eine räumliche Anisotropie berücksichtigt werden. 3. Für die Anwendung der Kriging-Methode muss im Vorfeld die Variabilität der umliegenden Daten untersucht werden. Mit dieser Untersuchung beschäftigt sich u. a. die Geostatistik. Bei geologischen Daten ist die Variabilität immer von ihrer räumlichen Lage zu einander abhängig. Diese Abhängigkeit lässt sich ggf. mit einem mathematischen Modell beschreiben. Mit einem solchen Modell lassen sich dann Wichtungsfaktoren für jeden Datenpunkt ermitteln. Maßgeblich ist hierbei ein Optimierungsprozess, durch den eine Minimierung der Schätzvarianz errechnet wird. Je nach Methode, Auflösung und Größe des Blockmodells kann die Schätzung von Blockwerten einige Rechenzeit beanspruchen. Es ist auch kein einmaliger
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Kapitel 2.7 EDV-Einsatz in den Braunkohlenbetrieben
Prozess, da durch den Abbaufortschritt und weitere Bohrungen die Datenmenge empirisch ermittelter Werte wächst. Das Blockmodell wird ständig aktualisiert und damit genauer. Um die Datenmenge effektiv handhaben zu können, werden daher in der Regel Teilmodelle extrahiert bzw. Langfristmodelle und Teilmodelle parallel administriert. Das Blockmodell als räumliche Datenbank ist ein mächtiges Hilfsmittel in der Planung. Einer der wichtigsten Aufgaben ist die Vorhersage der Qualität der Kohle und die Möglichkeit, vor dem tatsächlichen Abbau eine Abschätzung vorzunehmen. Durch die Simulation verschiedener Abbauszenarien kann die optimale Variante ermittelt werden, wie dem Kraftwerk eine möglichst gleich bleibende Qualität geliefert werden kann. Eine letzte weitere Vergleichmäßigung findet dann noch durch die Kohlebunkerbewirtschaftung statt. Die Arbeit mit dem Blockmodell erlaubt den Einsatz fast beliebiger Abfragetechniken, indem die auszuwählenden Blöcke einem vorgegebenen Kriterium entsprechen oder nicht. Ähnlich den Einschränkungen eines SQL-Befehls werden die bereits erwähnten Nebenbedingungen zusammengesetzt und das Ergebnis räumlich angezeigt, weiterverarbeitet und beispielsweise als Bericht aufbereitet. In diesem kann dann beispielsweise vermerkt sein, wieviele Tonnen der Qualität Q1 mit einem mittleren Wassergehalt von x%, einem Schwefelgehalt von y% durch den Abbau des ausgewählten Bereichs gewonnen wurden. Die Werte in einem Blockmodell erscheinen durch die Angabe von Nachkommastellen sehr genau. Letztlich ist es eine mathematische Vorschrift, die den Wert des Attributes eines Blockes festlegt. Diese sehr exakt ermittelte Größe mit beliebig vielen Nachkommastellen darf nicht vergessen lassen, dass nur der Rechenprozess exakt ist. Es bleibt eine Schätzung, das heißt, der wahre Wert des Blockes weicht um eine unbekannte Größe vom Schätzwert ab. Die Güte der Schätzung kann in Grenzen überprüft werden, beispielsweise indem die bekannten Werte aus der Bohrung mit Hilfe der umgebenden Bohrungen geschätzt werden. Die so ermittelten Abweichungen vom wahren Wert lassen Rückschlüsse dieser Bewertung zu. Generell gilt, dass die Streuung der wahren Werte um einiges größer ist, als es die Schätzungen widerspiegeln, da jede Schätzung zu einer Glättung der Verteilung führt. Dasselbe gilt auch für die Qualitätsbetrachtung über die Zeit. Im Jahresmittel trifft die Erwartung wesentlich besser zu als im Monats-, Wochen- oder Tagesmittel.
Schichtenmodelle Darüber hinaus gibt es eine weitere Methode, um Lagerstätteninformationen zu speichern und zur weiteren Verarbeitung zu nutzen. Das Prinzip beruht auf einem gleichmäßigen Raster mit Knotenpunkten. Jeder Knotenpunkt – analog dem Mittelpunkt eines Blockes im Blockmodell – verfügt über eine räumliche Koordinate sowie die bereits genannten Attribute. Den digitalen Geländemodellen gleich, passt sich die räumliche Fläche mit den Knoten der Morphologie der Schichten an. Alle Knoten liegen in ihrer Lage übereinander. Der Unterschied zwischen Knoten- und Blockmodellen ist nicht sehr groß. Generell ist der Speicherbedarf durch die Anpassung an Schichten gegenüber Blockmodellen geringer, die Visualisierungsmöglichkeiten aber beschränkter. Die Möglichkeiten, Informationen aus dem Modell abzurufen und weiterzuverarbeiten, sind dagegen weitgehend gleich. In der Regel arbeiten Softwareprodukte entweder mit Schichtenmodellen oder Blockmodellen. Letztendlich besteht bzgl. des Informationsgehaltes bis auf die räumliche Zuordnung kein nennenswerter Unterschied. Es gibt deswegen auch wenige Probleme, Daten zwischen den Modellformen auszutauschen. Blockmodelle können Ihre Informationen auch an die Blockzentren (englisch: center points) knüpfen, um sie in einer anderen Software weiterverarbeiten zu können. Die Zuordnung ist dann noch nicht mit der Struktur eines Schichtenmodells identisch. Schichtenmodelle werden an den Grenzen der Schichten definiert, während Blockmodelle den Raum zwischen den Schichten beschreiben bzw. davon gelöst sind und sich nur näherungsweise durch das Sub-Blocking, also der Unterteilung der Normblockgröße in kleinere Einheiten, annähert. Schichtlagerstätten können aufgrund der Netzknoten bezüglich des z-Wertes genau beschrieben werden. Mit kleinen Blockhöhen bei der Blockgrößendefinition kann sich der Genauigkeit der Schichtlagerstätten angenähert werden, sofern keine variablen Blockhöhen zugelassen sind.
Geografische Informationssysteme Generell ist der Trend sehr stark, Informationen nicht in Worten oder Zahlen, sondern in einer visuell einfach zu erfassenden Form darzustellen. Das beginnt bei der Darstellung der Lagerstätte in Schnitten, der Abbauplanung in Form von Plänen und der Tagessituation in Rissen. Seit Plotter nicht mehr mit Stiften
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arbeiten, besteht zudem die Möglichkeit, Flächen vollständig farbig zu gestalten. Das wiederum ermöglicht die Darstellung thematischer Karten, die je nach ihrer Bedeutung unterschiedliche Farben erhalten. Wenn diese dann auch noch georeferenziert, d.h. maßstäblich und durch Koordinaten definiert sind, handelt es sich um ein Produkt, das dem Geographic Information System (GIS) zugeordnet wird. Ein GIS verwaltet Sachdaten, die mit Geometriedaten (Punkte, Linien, Flächen) verknüpft sind. Diese Daten werden in einer Datenbank gespeichert. Neben den genannten Vektordaten können aber auch Rasterdaten hinterlegt werden. Die am meisten verwendeten Rasterdaten sind durch Überfliegungen gewonnene Luftbilder der sich ständig ändernden Oberfläche, die eine Aktualisierung der Sachdaten und Karten erfordert. Rasterdaten sind wesentlich speicherintensiver als Vektordaten. Je nach Auflösung der Luftbilder fallen sehr große Datenmengen an. Auf der anderen Seite ist die Orientierung für den Betrachter sehr einfach (siehe Abb. 2.7-2). GIS-Systeme legen in der Regel die Sachdaten in einem proprietären Format ab. Es gibt jedoch Bestrebungen, eine einheitliche Datenbanksoftware zu verwenden, da die Sachdaten auch für andere Zwecke be-
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nutzt werden sollen und umgekehrt. Eine einheitliche Datenbank bietet die Voraussetzung für konsistente Daten und vereinfachte Datenpflege. Mit dem Abbau und der Verkippung geht eine ständige Veränderung der Tagebau-Ist-Situation einher. Rissliche und sonstige Plandarstellungen müssen häufig aktualisiert und gespeichert werden, um für verschiedene Zeitpunkte – wie zum Beispiel der Abbaustand zum Jahresende – entsprechende Pläne vorzuhalten. Dies ist zeit- und kostenintensiv. Deswegen werden auch Entwicklungen betrieben, die mit Hilfe einer leistungsfähigen Datenbank zu deutlichen Rationalisierungseffekten führen. Um die Veränderlichkeit datentechnisch abzubilden, wird in der Datenbank eine weitere Dimension eingeführt: die Zeit. Sachdaten und deren geometrische Beschreibung erhalten bei jeder Veränderung einen Zeitstempel und werden neu abgelegt. Es ist dann nicht erforderlich, einen Plan mit vielen Daten, die sich nicht verändert haben, abzulegen, sondern nur den Teil, der sich verändert hat. Es lassen sich dann Pläne jederzeit für einen beliebigen Zeitpunkt generieren, sofern die Datenspeicherung den Zeitraum umfasst.
.. Abb. 2.7-2 GIS-Arbeitsplatz, GIS-System mit Luftbild und Sachdaten (Quelle: Vattenfall AG)
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Kapitel 2.7 EDV-Einsatz in den Braunkohlenbetrieben
Betriebsdatenerfassung und Vernetzung der Systeme Um Prozesse sinnvoll steuern zu können, müssen Daten gesammelt, ausgewertet und interpretiert werden. Auf der untersten Ebene sorgen beispielsweise elektrische Verriegelungen dafür, dass ein Antrieb erst dann startet, wenn die Reißleine nicht gezogen ist und die vorgeschalteten Antriebe laufen. In der nächsten Ebene sind Prozessrechner eingebunden, die komplexere Zustände steuern können. Prozessrechner arbeiten mit Echtzeit-Betriebssystemen und sind gegenüber PCBetriebssystemen besonders gegen Ausfall gesichert. Ebenso ist die Stabilität der Programme äußerst hoch. Ergebnisse der Prozesse stehen dann nachgeschalteten Auswertungen, die nicht unbedingt in Echtzeit erfolgen müssen und interaktiv sein können, zur Verfügung. Als ein Beispiel für die Vernetzung zwischen den Systemen kann das Kohlequalitätssicherungssystem dienen, das jeder Tagebau bzw. ein Verbund von Tagebauen betreiben muss. Hier kommen Daten aus sehr großen Zeiträumen zusammen. Die ältesten Daten stammen von der Erkundung vor dem Abbau, die jüngsten aus dem Labor oder von einem Online-Überwachungssystem (Abb. 2.7-3). Entscheidend für den Erfolg eines solchen Systems ist es, den Weg der Kohle bis zum Kraftwerk zu verfolgen. Demnach muss nachgehalten werden, wann an welcher Stelle im Bunker die Kohle mit den Qualitätsdaten aus dem Lagerstättenmodell eingestapelt wurde.
Bei der Wiederaufnahme durch das Kratzergerät kann dann gezielt eine Verblendung unterschiedlicher Qualitäten vorgenommen werden, die im idealen Fall eine relativ gleichbleibende Mischqualität aufweist. Damit bekannt ist, an welcher Stelle die Kohle entnommen wurde, muss die Baggerposition bekannt sein. In der Regel begnügt man sich mit der Informationsgenauigkeit, die der Rasterauflösung des Modells entspricht, das in der Regel 25 m oder 50 m Abstand zwischen den Knoten hat. Die Entwicklung wird weiter gehen und es wird zur Regel werden, dass der Ort der Gewinnung genau bekannt sein wird, also die Bewegungen des Schaufelrades nachverfolgt werden können. Dazu werden die Bagger mit GPS-Empfängern ausgerüstet. Über weitere Geber und Berechnungen kann die exakte Position des Schaufelrades ermittelt und das Geländemodell bzw. Lagerstättenmodell laufend aktualisiert werden. Da, wo das Schaufelrad Abraum oder Kohle gewonnen hat, ist kein Material mehr. Ein Pendant hierzu wird derzeit auf der Kippenseite gestestet und später für den Regelbetrieb übernommen. Um die verkippten Massen erfassen und damit das Geländemodell online aktualisieren zu können, werden LASER-Scanner zur Abtastung der Oberfläche eingesetzt. Hierbei besteht derzeit noch das größte Problem darin, die anfallende enorme Datenmenge auf eine handhabbare Größe zu reduzieren. Über eine Online-Analyse des zu verkippenden Materials ist dann auch bekannt, welches Material verkippt wurde. Dies ist ein weiterer Schritt zur Automatisierung.
.. Abb. 2.7-3 Informationsfluss eines Kohlequalitäts-Sicherungssystems (Quelle: MIBRAG)
Walter Thiels
2.7.3
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Spezielle Software für die Bergbauindustrie
Die Braunkohlenbetriebe in Deutschland sind – historisch bedingt – einen eigenen Weg gegangen und haben vorhandene, nicht speziell für den Bergbau entwickelte Software, den eigenen Bedürfnissen angepasst und mit Zusätzen versehen. Die dort in das eigene System investierte Arbeit hat ein Niveau erreicht, dass ein Wechsel, beispielsweise zu einer von Dritten angebotenen Software für die Bergbauindustrie, nicht vorteilhaft ist. Genaugenommen trifft das nicht für alle deutschen Braunkohlenunternehmungen zu: Bei der MIBRAG wird auch Software MineScape der Fa. Mincom zur Produktionsplanung eingesetzt, eine Software, die auch von anderen Bergbauunternehmen genutzt wird. Spezielle Software für die Bergbauindustrie bedient einen begrenzten Markt, der sich auf der anderen Seite weltweit orientiert. Da in Australien der Bergbau eine sehr große Bedeutung besitzt, ist es auch nur folgerichtig, dass einige Softwareprodukte für den Bergbau in Australien entwickelt werden. Letztlich sind es rund ein Dutzend Hersteller, die den Weltmarkt bedienen. Hierzu gehören die Fa. Gemcom mit den Produkten Surpac, Gem und Minex. Weitere etablierte Firmen und Produkte sind Datamine, Vulcan, MinCom, Mintec, und Coralize. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die für die Bergbauindustrie entwickelte Software lässt sich in drei verschiedene Gruppen unterteilen, die sich durch ihre Zielsetzung unterscheiden. Die Abgrenzung zwischen den Zielsetzungen ist nicht scharf, des Öfteren greifen diese Pakete ineinander. Die erste Gruppe der Softwareprodukte bietet eine Reihe von Planungstools von der Erkundung bis zur Wiedernutzbarmachung. Zu den Funktionalitäten gehört die Unterstützung bei der systematischen Erfassung der Bohrergebnisse in einer Bohrlochdatenbank. Darauf aufbauend erfolgt die Lagerstättenmodellierung mit Hilfe der visualisierten Bohrergebnisse in 3D einschließlich Volumen- und Massenberechnung, unterteilt nach Qualitäten, wenn diese Informationen vorhanden sind. Auch der Abbau als solches, also Planungsstände zu verschiedenen Zeitpunkten, werden mit diesem Typ Software konstruiert. Es werden Konstruktionsparameter wie Böschungsneigung, Strossenhöhe und Bermenbreite beachtet. Auch Rampen werden automatisch generiert, wenn die entsprechenden Angaben zur
.. Abb. 2.7-4 Abbau- und Kippenplanung mit spezieller Planungssoftware (Quelle: Gemcom International Inc.)
Dimensionierung definiert sind. Durch diese Hilfsmittel hat sich der Zeitbedarf zur Konstruktion eines Abbaustandes enorm verkürzt. In der Folge können alternative Szenarien geplant und überprüft werden, um den Abbaufortschritt einschließlich Abraumgewinnung zu optimieren. Ohne Unterstützung durch diese Programme würde dies aus Zeit- und Kostengründen nur eingeschränkt durchgeführt werden können. Die zweite Gruppe der Softwareprodukte widmet sich speziell der Optimierung des Abbaus. Dies ist besonders effizient, wenn noch in der Planungsphase vor dem Aufschluss ein quasi virtueller Abbau vorgenommen wird. Die Optimierung kann verschiedene Zielsetzungen haben, so z. B. nach gleichmäßigen Qualitätsparametern, nach einem maximalen Ausbringen, Kosten oder weiteren Kriterien. Es werden die Rahmenparameter wie Geräteleistung, Strossenhöhen usw. vorgegeben und darauf hin eine Abbaufolge festgelegt. Die Kostenbetrachtung kann zum Beispiel auch zur Ermittlung einer Grenzteufe oder des max. A:K-Verhältnisses führen, in dem die Abbaublöcke mit Kosten versehen werden, die je nach Lage unterschiedlich sind. Es ist leicht einzusehen, dass ein Kohleblock aus größerer Teufe höhere Kosten verursacht als die Gewinnung eines oberflächennahen Blockes. Im Detail ist eine derartige Optimierung aber viel komplexer und vielschichtiger, worin jedoch die Stärke dieses Typus Software, die mit dem englischen Begriff „Optimizer“ charakterisiert wird, liegt. Des Weiteren können Freiheitsgrade betrachtet werden. Beim Einsatz kontinuierlicher Technik mit einem festen Bandsammelpunkt sind die Freiheitsgrade geringer als bei der diskontinuierlichen Technik mit Bagger und SKW- Transport (englisch: shovel/truck).
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Kapitel 2.7 EDV-Einsatz in den Braunkohlenbetrieben
Die letzte Gruppe der zur speziellen Bergbausoftware gehörenden Programme umfasst auch die Optimierung bzw. die Überprüfung der Durchführbarkeit. Der Zeithorizont beinhaltet die Kurz- und Mittelfristplanung und wird im internationalen Gebrauch als „Scheduler“ bezeichnet. Hier gehen ebenso wie bei den Optimierungsprogrammen begrenzende Parameter wie Geräteleistungen und Kapazitäten ein. Die Auflösung ist jedoch viel genauer, ebenso wie die Datengrundlage. Es werden sowohl Zeiten der Betriebsruhe für Feiertage wie auch Wartungszeiten und Schichtdauern einbezogen, sowohl auf der Tagebauwie auch auf der Abnehmerseite. In der Regel bestehen zwischen der Kraftwerksseite und dem Tagebau Vereinbarungen zur Qualität, die neben absoluten Grenzen feiner abgestufte Kriterien besitzen, die dann mit erlöswirksamen Boni und Mali belegt sind. Durch eine angepasste Steuerung der Geräte im Tagebau soll die Bilanz möglichst positiv gestaltet werden.
2.7.4
Grenzen des Softwareeinsatzes
Ohne Zweifel wird sich die Datenverarbeitung in den Braunkohlenunternehmen wie auch in anderen Industriezweigen noch weiter verbreiten, und das sowohl in die Tiefe, d.h. dass Prozesse noch detaillierter erfasst und bearbeitet werden, als auch in die Breite, indem weitere Bereiche einbezogen werden. Beides führt zu einem größeren Datenaufkommen und macht es notwendig, die stark zunehmenden Informationen sinnvoll zu verwalten. Zu viele Daten können ebenso wie ein Mangel an Daten dazu führen, dass die entscheidende Information nicht wahrgenommen wird. Ein Bereich zwischen zunehmender Breite und Tiefe der Informationsverarbeitung stellt die verstärkte Automatisierung von Prozessen dar. Die Automatisierung bietet den Vorteil einer im idealen Fall preiswerten und zuverlässigen Durchführung von Prozessen. Angefangen von den einfachen Verriegelungen von Bandsystemen über die Motorsteuerung bis hin zu mehrfach gekoppelten Arbeitsabläufen werden immer mehr manuell gesteuerte bzw. von der steuernden Person durchgeführte Tätigkeiten durch automatisierte Mechanismen ersetzt. Voraussetzung hierfür sind eine ausreichende Datenmenge sowie eine entsprechend ausgereifte Software, die je nach Fall auch in der Lage ist, sehr komplexe Sachverhalte richtig zu interpretieren. Neuere Softwaretechniken mit der sog. „Fuzzy-Logik“ erlau-
ben es auch, nicht nur „Entweder-Oder“-Situationen zu bearbeiten, sondern auch bei sogenannten unscharfen Datensituationen die richtige Reaktion bereitzustellen. In Verbindung mit der Prozess- und Regelungstechnik gibt es eine weitere neue Softwaretechnik, die mit künstlichen neuronalen Netzen arbeitet. Kennzeichnend für diese Technik ist, dass die entwickelte Anwendung in der Lage ist, Ergebnisse durch Training zu verbessern, indem sie unter anderem Schwellenwerte anpasst und Wichtunsgfaktoren verändert. Selbst eine ausgereifte Software und eine optimale Datenbasis entheben den Anwender nicht von der Verantwortung, Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und zumindest überschlägige Prüfungen vorzunehmen. Dabei geht es weniger darum, Dinge nachzurechnen, sondern zu prüfen, wie das Ergebnis zustande gekommen ist. Eine Massenberechnung mit einem dafür geeigneten Programm wird das Ergebnis auf die Tonne genau – meist sogar mit Nachkommastellen – präsentieren. Diese scheinbare Genauigkeit sagt aber nichts darüber aus, mit welcher Verlässlichkeit das Ergebnis zu betrachten ist. Also ist zu prüfen, welche Daten in die Berechnung eingegangen sind. Ein Ergebnis, dass sich nur auf einige Bohrungen stützt, hat nur eine geringe Aussagekraft. Bei der Prüfung hilft es, Software einzusetzen, mit der die Eingangsdaten visualisiert werden können. Auch Datenbankabfragen helfen, zumindest grobe Fehler, die z. B. bei der Datenerfassung gemacht wurden, herauszufinden. Immer mehr Prozesse laufen in einer „black box“ ab. Eine Optimierungssoftware verwendet komplexe Regeln, um das optimale Ergebnis zu ermitteln. Wäre dieser Prozess einfach, wäre die Software überflüssig. Es lässt sich nicht ermitteln, ob die Software tatsächlich das optimale Ergebnis bestimmt hat. Aber es lässt sich zumindest überprüfen, ob ein plausibles Ergebnis vorliegt. Verfahren der Geostatistik sind schon deswegen hilfreich, weil sie aus den vorhandenen Daten sehr viele Informationen ableiten. Die Verlässlichkeit hängt wiederum von der Datenanzahl, der Streuung und der Dichte der Stützstellen ab. Außerdem vergleichmäßigt jede Statistik. Geschätzte Qualitäten bleiben immer innerhalb der Grenzen der Urdaten. Aus diesem Grund sehen Qualitätsverteilungen in Modellen auch immer wesentlich gleichmäßiger aus, als sie in Wirklichkeit sind (Abb. 2.7-5). In der Praxis lässt sich das immer wieder nachprüfen. Mittelwerte für mehrjährige Prognosen über die zu erwartenden Qualitäten stimmen sehr gut mit den
Walter Thiels
dann angetroffenen Werten überein. Je kurzfristiger bzw. kleinräumiger eine Schätzung ist, umso mehr weicht sie dann von den Ist-Werten ab. Die Arbeit in den Braunkohlenbetrieben ist ohne Datenverarbeitung nicht denkbar. Angesichts der viel-
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fältigen und komplexen Aufgaben, die mit Software unterstützung durchgeführt werden, sind ein solides technisches Verständnis und die Bereitschaft zur Plausibilitätsprüfung von Ergebnissen unumgänglich.
.. Abb. 2.7-5 Vergleich von Modellqualität mit analysierten Stichproben (Quelle: MIBRAG)
2.8
2.8.1
Betriebliche Beispiele
Abbau mit kontinuierlichem Direktversturz am Beispiel des Tagebaues Jänschwalde
Gert Klocek 2.8.1.1 Übersicht des Lausitzer Reviers Die Lausitz ist eine Landschaft zwischen Elbe und Neiße in den beiden Ländern Brandenburg und Sachsen. Mit der Bundeshauptstadt Berlin im Norden und der Kulturstadt Dresden im Süden wird die reizvolle Heide- und Waldlandschaft von vorwiegend eiszeitlichen Sandböden geprägt. Bietet die Oberfläche keine
.. Abb. 2.8.1-1 Tagebaue im Lausitzer Revier
ergiebige Nutzung, so liegt unter ihr der eigentliche Schatz der Lausitz: die Braunkohle. Im Laufe der über 100-jährigen Geschichte entwickelte sich der Braunkohlenbergbau zum bestimmenden Industriezweig der Lausitz mit überregionaler Bedeutung. Zum Revier gehören leistungsfähige moderne Tagebaue, Kraftwerke, Veredlungsbetriebe und unternehmenseigene Bahnanlagen (s. Abb. 2.8.1-1). Gegenwärtig und in der Perspektive dient die Lausitzer Braunkohle vorrangig der Erzeugung von Strom. Darüber hinaus werden Braunkohlenbriketts, Braunkohlenstaub, Wirbelschichtkohle und Fernwärme erzeugt. Die durch die Vattenfall Europe Mining AG betriebenen Braunkohlentagebaue sichern langfristig ein jährliches Förderniveau von ca. 60 Mio. t Braun-
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
kohle. Im Jahre 2007 erreichten die gegenwärtig vier aktiven Tagebaue zusammen eine Kohleförderung von 59,5 Mio. t. Dabei entfielen auf die zwei Tagebaue Cottbus-Nord und Jänschwalde im Nordrevier insgesamt 18,5 Mio. t. Der Tagebau Welzow-Süd, im mittleren Teil des Reviers, förderte 21,5 Mio. t. Weitere 19,4 Mio. t wurden im Tagbau Nochten, im sächsischen Teil des Reviers, gefördert. Bis zum Jahr 2010 wird die Bedeutung des Energiestandortes Lausitz durch den Bau eines neuen Kraftwerkblockes im Kraftwerk Boxberg weiter zunehmen. In diesem Zusammenhang wird auch der 1999 vorübergehend stillgelegte Tagebau Reichwalde mit moderner Tagebautechnik ausgerüstet und weitergeführt. Die Vattenfall Europe Mining AG bereitet zielgerichtet weitere Tagebaufelder in der Lausitz für den Abbau von Braunkohle vor. Hierbei handelt sich in erster Linie um die langfristige Weiterführung des Tagebaues Welzow-Süd in das Feld „Teilabschnitt II“ und die Weiterführung des Tagebaues Nochten in das so genannte „Vorranggebiet Nochten“. Weitere Kohlefelder werden langfristig für die Genehmigung vorbereitet. Mit diesen Planungen ist die Zukunft des Lausitzer Braunkohlenbergbaus bis nach 2050 gesichert.
2.8.1.2 Tagebau Jänschwalde – Geologie Das Braunkohlenfeld Jänschwalde, ca. 15 km nordöstlich der Stadt Cottbus gelegen, befindet sich im Norden des Lausitzer Braunkohlenreviers. Das geomorphologische Oberflächenbild wurde durch fluviatile und glazigene Prozesse der Saale-(Drenthe)- Eiszeit und Weichsel-(Warthe)- Eiszeit geprägt. In den sechziger und siebziger Jahren erfolgten hier umfangreiche Erkundungsarbeiten, in deren Ergebnis das Vorkommen großer, nutzbarer Mengen hochwertiger Braunkohle nachgewiesen wurde. Nach umfangreichen Planungen begannen die Aufschlussarbeiten für den Tagebau Jänschwalde im Jahr 1970, die Braunkohlenförderung im Jahr 1976. Zeitgleich wurde mit der Vorbereitung für den Bau des Kraftwerkes Jänschwalde begonnen. Damit waren die Voraussetzungen für den Aufbau eines neuen Energiestandortes geschaffen. Regionalgeologisch befindet sich die Lagerstätte im Bereich der Ostbrandenburgischen Kreidesenke. Die tertiäre Schichtenfolge beginnt mit der Sedimentation von Sanden (Grundwasserleiter 8), die der Cottbus-Formation (Mächtigkeit 50m) angehören (s. Abb. 2.8.1-2). Die darüber lagernde Spremberg-Formation (Älterer Lausitzer Schuttfächer) ist ein Schicht-
komplex, bestehend aus Sanden (Grundwasserleiter 7), Tonen und Schluffen, dessen Mächtigkeit vom Süden (25 m) nach Norden (5 m) kontinuierlich abnimmt. An der Basis befindet sich das 4. Lausitzer Flöz. Mit der Ablagerung des unteren Abschnittes der Brieske-Formation (Mächtigkeit 50 m) beginnt eine neue Sedimentationsetappe, wobei nach der Zusammensetzung eine Zweiteilung in einen unteren, meist schluffigen Teil (mit dem 3. Lausitzer Flöz an der Basis) und einen oberen, meist sandigen Teil (mit dem 2. Lausitzer Flöz im Hangenden) typisch ist. Zum schluffigen Teil gehören das an der Basis vorhandene 3. Lausitzer Flöz sowie typische Schluffhorizonte und Sande (Grundwasserleiter 6.2 und 6.3). Der sandige Teil setzt sich zusammen aus einer Wechsellagerung von Schluffen und Sanden (Grundwasserleiter 5 und 6.1) sowie dem Unterbegleiterkomplex. Alle bisher beschriebenen Sedimente sind den Liegendschichten des 2. Lausitzer Flözes zu zuordnen. Das 2. Lausitzer Flöz, das Ziel des Abbaus, ist durch zwei Zwischenmittel in drei Flözbänke aufgespaltet. Die Kohlemächtigkeit beträgt durchschnittlich 12 m. Territorial begrenzt treten im Bereich der Flözbänke 2 und 3 Verschluffungszonen (so genannte Mäander) auf, in denen eine Kohlebildung nicht stattfand und die genetisch durch fossile Flussläufe entstanden sind. Entsprechend des genehmigten Abbauplanes betrugen die Vorräte an Braunkohle (2. Lausitzer Flöz) zum 01.01.2008 rund 160 Mio. t. Die Hangendschichten des 2. Lausitzer Flözes (bergmännisch Deckgebirge genannt) beginnen mit den tertiären Ablagerungen des oberen Abschnittes der Brieske-Formation (Mächtigkeit 40 m, wenn vollständig erhalten). Dabei handelt es sich um Schluffe (Hangendschluff, Oberbegleiter) und um Feinsande (Grundwasserleiter 3 und 4). Mit den in Relikten auftretenden Sedimenten (Schluffe) der Rauno-Formation (Jüngerer Lausitzer Schuttfächer) ist die tertiäre Schichtenfolge im Braunkohlenfeld Jänschwalde abgeschlossen. Der quartäre Anteil am Deckgebirge ist durch das Auftreten von Ablagerungen (Sande/Kiese, Schluffe/ Tone, Geschiebemergelhorizonte) verschiedener Eiszeiten geprägt. Die Sedimente gehören zum Baruther Urstromtal, Taubendorfer Sander und Altmoränengebiet der Hornoer Hochfläche. In Abhängigkeit von der Oberflächenmorphologie schwankt die Mächtigkeit des Deckgebirges (geologisch auch als Hangendes bezeichnet), das sich aus quartären und tertiären Sedimenten zusammensetzt,
Gert Klocek
153
.. Abb. 2.8.1-2 Lagerungsverhältnisse Tagebau Jänschwalde
zwischen 45 m (Baruther Urstromtal) und 95 m (Hornoer Hochfläche).
2.8.1.3 Hydrologie und Entwässerung Die dicht nebeneinander liegenden Braunkohlentagbaue Jänschwalde und Cottbus-Nord bilden ineinander greifende Entwässerungstrichter, die sich letztendlich in einem geschlossenen großen Beeinflussungsgebiet darstellen. Dieses Beeinflussungsgebiet liegt zum größten Teil im Bereich des Baruther Urstromtales. Das Beeinflussungsgebiet ist durch eine Vielzahl von pleistozänen Rinnen geprägt, die das Kohlefeld des Tagebaues Jänschwalde umgeben. im Norden: Taubendorfer Rinne, Kerkwitzer Rinne, im Nordwesten: Cottbus-Peitzer Ausräumung, im Westen: Roggosen-Tranitzer-Heinersbrücker Rinne, im Süden: Kathlower Rinne, im Süden bis Osten: Bohrau-Dubrauer Rinne. Durch die großräumige Kommunikation der HangendGrundwasserleiter sowie der Hangend- und Liegendgrundwasserleiter über die pleistozänen Rinnen, kann von einer hydrologischen Einheit bzw. einem Grund-
wasserstockwerk ausgegangen werden. Zur Hebung des Grundwassers aus dem Tagbaubereich sind rd. 750 Filterbrunnen in Betrieb. Die Filterbrunnen fördern bis zu 115 Mio. m Grundwasser pro Jahr aus einer Tiefe von bis zu 100 m. Das Wasser wird in den Grubenwasserreinigungsanlagen Jänschwalde und Briesnig aufbereitet. Der größte Teil des gereinigten Wassers dient als Brauchwasser im Kraftwerk Jänschwalde. Der andere Teil wird zur Stabilisierung des Wasserhaushaltes in die Flüsse Neiße und Spree geleitet bzw. als Ökowasser zur Stützung des Wasserhaushaltes in geschützten Naturräumen genutzt. Ein wesentlicher Bestandteil der Entwässerungsanlagen ist die am östlichen Tagebaurand verlaufene Dichtwand. Die Dichtwand reicht bis in eine Tiefe von 70 m und hat bei ihrer Fertigstellung im Jahre 2009 eine Länge von 11 km. Sie verhindert das Eindringen von Grundwasserströmen in den Tagbeau aus östlicher Richtung und ergänzt außerordentlich wirksam die Filterbrunnentechnologie. Damit wird das natürliche Grundwasserniveau östlich des Tagebaues aufrechterhalten.
2.8.1.4 Planerische Rahmenbedingungen Für den Braunkohletagebau Jänschwalde begannen die ersten Vorbereitungsarbeiten bereits im Jahre 1970. Der Tagebau wurde seither ununterbrochen
154
Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
betrieben, vor 1989 einerseits auf der Grundlage staatlicher Entscheidungen wie Standortentscheidungen, Standortgenehmigungen und komplexer territorialer Raumstudie und andererseits auf der Grundlage von bergrechtlichen Zulassungen (Jahresbetriebspläne). Ab dem Jahr 1990 bildeten ein Rahmenbetriebsplan und bergrechtliche Hauptbetriebspläne Grundlage des Betriebs auf der einen Seite, andererseits gilt als landesplanerisches Grundlagendokument der Braunkohlenplan. Insgesamt stellt der Tagebau seit 1970 bis zur Beendigung nach 2020 ein in sich geschlossenes Vorhaben dar. Die Besonderheit eines Braunkohletagebaues resultiert aus der Standortgebundenheit der Lagerstätte, deren Abbau zu unvermeidbaren Eingriffen in Natur, Landschaft, Siedlungs- und Infrastruktur sowie zu zeitlichen, räumlichen und sachlichen Abhängigkeiten führen. Wesentliche Rahmenbedingungen für den Tagebau Jänschwalde sind: 1. Rechtsgrundlagen und deren rechtlichen Wirk ungen – Raumordnungsgesetz/Landesplanungsgesetz des Landes Brandenburg • Ziele der Raumordnung für das Land Brandenburg festgelegt – Brandenburgisches Braunkohlengrundlagengesetz • Art 1. Gesetz zur Förderung der Braunkohle im Land Brandenburg – Bundesberggesetz • bergrechtliche Betriebspläne. 2. Energiepolitische Rahmenbedingungen – Energiekonzept des Landes Brandenburg von 1996 bis 2002 (langfristige Braunkohlenförderung 35–40 Mio. t/a) – Energiestrategie 2010 des Landes Brandenburg (langfristige Braunkohleförderung bis ca. 40 Mio. t/a).
2.8.1.5 Planungsystematik In der Planungs- und Genehmigungssystematik eines Braunkohletagebaues unterscheidet man drei Handlungsebenen: 1. Landesplanung, 2. Bergrechtliche Betriebspläne, 3. Unternehmensinterne Planungen. Die Ebene der Landesplanung wird mit dem Braunkohlenplan für einen Braunkohlentagebau beschrie-
ben. Für den Tagebau Jänschwalde gilt die „Verordnung über den Braunkohlenplan Tagebau Jänschwalde“ vom 05.12.2002. Der Rahmenbetriebsplan für den Tagebau Jänschwalde ist das grundlegende Genehmigungsdokument auf der Grundlage des Bundesberggesetzes. Darauf aufbauend werden für den Geltungszeitenraum von jeweils 2 Jahren Hauptbetriebspläne für die Betriebsführung erteilt. Die unternehmensinternen Planungen beginnen mit der Erarbeitung von langfristigen Studien für das gesamte Abbaufeld. Ziel dieser Studien sind der Nachweis der Realisierbarkeit der Tagebauführung von der Erkundung über die Technologie bis zur Wiedernutzbarmachung und die ständige Optimierung dieses Abbauprozesses. Derartige Studien werden in der Regel alle 5–7 Jahre für ein Abbaufeld oder einen bestimmten Abbauabschnitt erarbeitet. Bestandteil dieser Studien sind Ergebnisse von Variantenuntersuchungen und Untersuchungen zu technologischen Schwerpunktbereichen. Ein weiterer Schritt in der unternehmensinternen Planung sind die Mittelfristplanungen. Diese Planungen werden jedes Jahr in der Regel für einen 5 Jahreszeitraum erarbeitet. Hierbei handelt es sich um die konkrete technologische Planung der Tagebauprozesse für diese 5 Jahre, sie bildet die Grundlage für alle Fachbereiche zur Erarbeitung einer 3-Jahresplanung. Diese 3-Jahresplanung bildet den Zeitraum projektkonkret und prozesskonkret ab und ist gleichzeitig die Grundlage für die Kostenplanung des Tagebaues (s. auch Kap. 3.7.1.2).
2.8.1.6 Entwicklung des Tagebaues Jänschwalde Die Entwicklung des Tagebaues Jänschwalde begann im Jahr 1970 mit der Entwässerung der Aufschlussfigur. Bereits 1974 nahm der erste Bagger die Abraumförderung südlich der Ortslage Grötsch auf und zwei Jahre später konnte die erste Kohle gewonnen und mit Kohlezügen des zum Unternehmen gehörenden Zentralen Eisenbahnbetriebes zu den Verbrauchern transportiert werden (s. Abb. 2.8.1-3). Die Abraummassen der Aufschlussfigur wurden zwischen dem Kraftwerk Jänschwalde und dem Tagebau auf einer Außenkippe aufgehaldet. Aus dem dadurch geschaffenen Höhenzug entstand nach teilweiser Aufforstung sowie landwirtschaftlicher Rekultivierung das ökologisch wertvolle Landschaftsgebiet „Bärenbrücker Höhe“.
Gert Klocek
.. Abb. 2.8.1-3 Abbauentwicklung Tagebau Jänschwalde
155
156
Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
Abraumbewegung In den Tagebauen des Lausitzer Reviers sind die größten Bergbaumaschinen der Welt im Einsatz. Es sind Abraumförderbrücken vom Typ F 60 (s. Abb. 2.8.1-4). Diese Tagebaugeräte sind über 600 m lang und erreichen mit den dazugehörigen Baggern ein Gewicht von über 30 000 t. Im Tagebau Jänschwalde ist im Jahr 1978 eine solche Abraumförderbrücke in Betrieb genommen worden. Mit den drei angeschlossenen Eimerkettenbaggern vom Typ Es 3750 ist sie in der Lage, Abraumschichten mit einer Mächtigkeit von über 60 m in einem technologischen Arbeitsgang abzutragen und nach rd. 600 m
.. Abb. 2.8.1-4 Abraumförderbrücke Tagebau Jänschwalde
.. Abb. 2.8.1-5 Geräteinsatzschema
direkter Transportstrecke auf der Kippenseite wieder aufzuschütten. Bis zu 100 Mio. m3 Abraum können in einem Jahr gefördert werden (s. Abb. 2.8.1-5). Die Mächtigkeit des über dem Kohleflöz anstehenden Abraums hat sich mit der Verschlechterung der geologischen Bedingungen (Einfallen des Kohleflözes von Süd nach Nord) in den letzten Jahren wesentlich erhöht. Daher ist seit dem Jahr 2000 ein Vorschnittbetrieb, bestehend aus einem Schaufelradbagger, einem Gurtbandförderer und einem Absetzer, im Einsatz. Der Schaufelradbagger gewinnt den Abraum vor der Abraumförderbrücke mit einer Mächtigkeit von bis zu 28 m – und einer jährliche Leistung von ca. 20 Mio. m3.
Gert Klocek
157
Braunkohleförderung/-verteilung
Personal
Im Tagebau Jänschwalde gewinnen drei Schaufelradbagger und zwei Eimerkettenbagger die Braunkohle. Die Schaufelradbagger arbeiten im Hochschnitt, während die Eimerkettenbagger im Tiefschnitt eingesetzt sind. Die Bagger gewinnen und verladen die Braunkohle auf eine Bandanlage. Seit 1989 ist diese Bandanlage zur Förderung der Braunkohle aus dem Tagebau bis zur Verladeanlage nördlich der Tagesanlagen Jänschwalde im Einsatz. In der Verladeanlage wird die Braunkohle in Kohlezüge des unternehmenseigenen Eisenbahnbetriebes verladen und zum Kraftwerk Jänschwalde transportiert. Jährlich werden bis zu 15 Mio. t Braunkohle aus dem Tagebau gefördert und ins Kraftwerk geliefert. Ab dem Jahr 2009 ist die Versorgung des Kraftwerkes durch eine „Direktbekohlung“ vorgesehen. Dabei wird die im Grubenbetrieb gewonnene Braunkohle auf direktem Wege über eine Bandanlage bis in die unmittelbare Nähe des Kraftwerkes gefördert. In einer Umschlaganlage werden „Pendel“ (Rohkohlezüge) beladen, über die dann die Verteilung der Braunkohle auf die Kraftwerksbunker erfolgt. Durch die Direktbekohlung werden die gegenwärtig großen Transportstrecken der Braunkohle über Bandanlage und Zugbetrieb eingespart und der Einsatz von Eisenbahntransporttechnik insgesamt reduziert. Der rückwärtige Bereich des Tagebaues wird dadurch von bergbaulichen Anlagen für die weitere Nutzung freigemacht.
Die beiden Tagebaue Jänschwalde und Cottbus-Nord bilden betriebsorganisatorisch einen Tagebaubetrieb und werden von einer Betriebsführung geleitet. Zum 31.12.2007 waren 680 Mitarbeiter in dieser Betriebseinheit beschäftigt.
Förderdaten
2.8.1.7 Fördertechnik Zur Grundtechnologie eines Braunkohlentagebaues in der Lausitz gehört die Einteilung in Betriebsbereiche/Prozesse:
Vorschnittbetrieb Als Vorschnitt wird in Förderbrückentagebauen der Betriebsbereich bezeichnet, der einer Abraumförderbrücke voraus läuft. Ein Vorschnittbetrieb wird eingerichtet, wenn die mögliche Abtragsmächtigkeit der Förderbrücke geringer ist als die Mächtigkeit des Abraumes zwischen der Kohle und der Geländeoberfläche oder wenn geologische Schichten anstehen, die zur Wiedernutzbarmachung des Kippenareals benötigt werden und somit selektiv gewonnen werden sollen. Der Vorschnittbetrieb besteht aus der Gewinnungsseite mit Schaufelrad- oder Eimerkettenbaggern, der Fördereinrichtung mit Bandbetrieb und der Verkippungsseite mit Bandabsetzer.
Siehe Tabelle 2.8.1-1
.. Tabelle 2.8.1-1 Förderdaten 1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Abraumbewegung (Mio. m 3 )
70,2
98,1
95,9
100,7
98,4
113,5
121,7
124,4
132,5
Kohleförderung (Mio. t)
14,5
19,4
17,4
17,8
14,4
14,8
14,5
14,5
14,4
8,6
9,2
102,5
116,9
Abraum-Kohle-Verhältnis Wasserhebung (Mio. m 3)
4,8 : 1 71,5
5,1 : 1 72,4
5,5 : 1 81,4
5,7 : 1 96,2
6,8 : 1 96,1
7,7 : 1 89,9
8,4 : 1 95,2
158
Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
Brückenbetrieb Als Brückenbetrieb wird der Bereich des Tagebaues bezeichnet, in dem mittels einer Abraumförderbrücke Abraum gewonnen, transportiert und verkippt wird.
Grubenbetrieb Als Grube bezeichnet man den Teil eines Tagebaues (zwischen den beiden Stützen der Abraumförderbrücke), in dem mittels Schaufelrad- und Eimerkettenbagger die Kohle gewonnen, verladen und transportiert wird. Der Transport der Kohle kann sowohl im Zugals auch im Bandbetrieb erfolgen. Die Geräteausrüstung ist für einen Betrieb über die gesamte Laufzeit des Tagebaues konzipiert. Die Einsatzfähigkeit der Bagger, Gurtförderer und Absetzer wird durch eine planmäßige Instandhaltung gewährleistet. An der Abraumförderbrücke wird jährlich bzw. alle zwei Jahre eine mehrwöchige Komplexinstandsetzung durchgeführt. Die Unterbrechung der Abraumförderung für diesen Zeitraum ist Bestandteil der bergbaulichen Planungen. Im Tagebau Jänschwalde ist folgende Fördertechnik im Einsatz (s. Tabelle 2.8.1-2).
2.8.1.8 Bedarfs-, Leistungs-, Geräte-, Personalentwicklung Bedarfs-, Leistungs-, Geräte- und Personalentwicklung sind die maßgebenden Komponenten der bergtechnischen Entwicklung eines Tagebaus bzw. eines Bergbauunternehmens und eng miteinander verbunden. In ihrer Gesamtheit bestimmen sie wesentlich die Kostenentwicklung. Die Grundlage haben die genannten Komponenten in den Anforderungen an die Rohkohleförderung eines Tagebaus bzw. des Unternehmens. Der Rohkohlebedarf bestimmt unmittelbar die Menge des zu bewegenden Abraums, das vorzuhaltende Leistungsvermögen der Bergbautechnik und damit Gerätedimensionierung und Personaleinsatz. Die direkte Abhängigkeit der Kohleförderung von der Abraumgewinnung ist eine Besonderheit im Förderbrückentagebau. Weiterhin sind die Wasserhebung und der Elektroenergieverbrauch in Abhängigkeit von der Leistungsentwicklung und dem Geräteeinsatz zu beachten. Für ein Bergbauunternehmen ist aufgrund der Notwendigkeit langfristiger Planungssicherheit die
frühzeitige Erkennung von Bedarfsentwicklungen des Rohkohleabsatzes und ihre Berücksichtigung in den bergbaulichen Prozessen ein wesentlicher Faktor für den gegenwärtigen und zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg. Über 90% der in den Tagebauen der Vattenfall Europe Mining AG geförderten Rohkohle kommt in den Kraftwerken Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Boxberg der Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG zum Einsatz. Damit bestimmt die Entwicklung des Rohkohlebedarfs der Kraftwerke des Lausitzer Reviers die Anforderungen an die Rohkohleförderung der Tagebaue. Unter Berücksichtigung der prognostizierten Entwicklung der Strompreise, der Erzeugungskosten des Stroms – dabei insbesondere unter Einbeziehung der Kosten für die CO-Zertifikate – und der geplanten Verfügbarkeit der jeweiligen Kraftwerksanlagen (planmäßige Revisionsstillstände und unplanmäßige Stillstände) ermitteln die verantwortlichen Planungsstellen der Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG den Rohkohlebedarf der Kraftwerke für kurz-, mittel-, aber auch für langfristige Planungszeiträume. Für den mittelfristigen Planungszeitraum der näch sten fünf Jahre wird der Rohkohlebedarf der o. g. Kraftwerke nach Monaten untersetzt und gegenüber der Vattenfall Europe Mining AG im Frühjahr eines jeden Jahres angezeigt. Eine Präzisierung, unter Beachtung der aktuellen Marktentwicklung der Strompreise, erfolgt im Herbst desselben Jahres. Dieser Planungszyklus beginnt im Frühjahr eines jeden Jahres unter Einbeziehung eines „neuen“ 5. Jahres, während das ehemalige erste Jahr des vorhergehenden Planungszyklus das jeweils laufende Jahr bildet und aus dem neuen mittelfristigen Planungshorizont heraus fällt. An dieser Rohkohlebedarfsplanung der Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG und der Wirkung auf die Leistungs-, Geräte- und Personalentwicklung richten sich die beiden weiteren Segmente der Rohkohleförderung aus. Das sind, in der Reihenfolge ihrer Bedeutung, nach der Kraftwerkskohle die Förderung von qualitativ hochwertiger Kohle für den Veredlungsbetrieb und der Absatz der so genannten Förderkohle für überregionale Heizkraftwerke. Insgesamt werden die Mengen der drei genannten Segmente des Rohkohlebedarfs (Kraftwerks-, Veredlungs-, Förderkohle) in einem konkreten Planungsdokument, einer so genannten Rohkohleverteilungsplanung, zusammengefasst. Darin finden dann die kohlenquantitativen und -qualitativen Anforderungen der einzelnen Abnehmer (Kraftwerke nach Standorten, Veredlungsbetrieb, Heizkraftwerke) zeitpunktgerecht
Gert Klocek
159
.. Tabelle 2.8.1-2 Fördertechnik im Tagebau Jänschwalde Bezeichnung der Ausrüstung
3
Serien-Nr.
Typ
Baujahr
Leistung (m /h)
Schaufelradbagger auf Raupenfahrwerken
1557
SRs 2000
1990
6000
Bandabsetzer auf Raupenfahrwerken
1090
A2 RsB 8800
1976
8800
F 60
1978
34200
Vorschnitt
Bandanlage
2,0 m Bandbreite
Förderbrückenverband Abraumförderbrücke
34
Eimerkettenbagger auf Schienenfahrwerken
1292
Es 3750
1978
5535
Eimerkettenbagger auf Schienenfahrwerken
1294
Es 3750
1978
5535
Eimerkettenbagger auf Schienenfahrwerken
1300
Es 3750
1983
5535
Schaufelradbagger auf Raupenfahrwerken
1504
SRs 1300
1975
3500
Schaufelradbagger auf Raupenfahrwerken
1506
SRs 1300
1975
3500
Schaufelradbagger auf Raupenfahrwerken
1523
SRs 1300
1983
3500
Schaufelradbagger auf Raupenfahrwerken
344
ERs 710
1979
1400
Schaufelradbagger auf Raupenfahrwerken
343
ERs 710
1990
1400
Bandwagen auf Raupenfahrwerken
707
BRs 1400
1979
4200
Bandwagen auf Raupenfahrwerken
730
BRs 1400
1992
4200
Bandwagen auf Raupenfahrwerken
738
BRs 1400
1990
4200
Kohleförderung
Bandanlage, Kohleverladung
2,0 m Bandbreite
Depot (Asche, Gips) Absetzer auf Schienenfahrwerken
1038
As 1120
1960
1920
Absetzer auf Schienenfahrwerken
1071
As 1600
1966
2760
160
Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
(z. B. nach Monaten) Berücksichtigung. Aus dieser Planung leiten sich die weiteren Anforderungen an die Leistungs-, Geräte- und Personalentwicklung ab. Unterjährig erfolgt eine intensive Abstimmung zum Kohlebedarf zwischen der Bergbauabteilung, den Kraftwerken und anderen Abnehmern (Monats-, Wochen- und Tagesbedarf). Da, wie o. g., für ein Bergbauunternehmen auch eine ausreichende Darstellung eines langfristigen Planungshorizontes von entscheidender Bedeutung ist, wird das vorgestellte Prinzip der Kohlebedarfsplanung grundsätzlich auch für den Zeitraum der nächsten Jahrzehnte angewandt.
2.8.1.9 Bergbaufolgelandschaft, Rekultivierung (s. Abb. 2.8.1-6) Durch Wiedernutzbarmachung und Rekultivierung wird eine an den Bedürfnissen von Mensch und Natur angepasste Kulturlandschaft gestaltet. Ziel ist es, die Grundlagen für eine nachhaltige Landnutzung durch die Land-, Forst-, und Wasserwirtschaft und den Naturschutz, vorzubereiten. Entsprechend den bergtechnischen und geologischen Bedingungen ergibt sich in der Bergbaufolgelandschaft des Tagebaues Jänschwalde eine nutzungsorientierte Gebietstrennung. Der südliche Teil des ehemaligen Tagebaugebietes wird überwiegend durch landwirtschaftliche Flächen geprägt. Durch eine intensive Förderung des Bodenbildungsprozesses werden nachhaltig leistungsfähige Produktionsflächen geschaffen. Die qualitätsgerechte Umsetzung erfolgt bereits mit den künftigen Nutzern. Ein weiteres Element im mittleren Bereich der Bergbaufolgelandschaft ist das künftige Flussbett der Malxe, die das Gebiet von Südosten nach Nordwesten durchqueren wird. Damit ergibt sich ein vielfältiges Entwicklungspotential für künftige Biotopstrukturen. Der nördliche Teil des Tagebaugebietes wird durch Forstwirtschaft und Renaturierungsbereiche gekennzeichnet sein. Vielfältige Waldstrukturen, unter besonderer Berücksichtigung naturschutzfachlicher Aspekte, werden eine reichhaltige Bergbaufolgelandschaft bieten. Der künftige Klinger See im Süden und der Taubendorfer See im Norden runden die Landschaft nach dem Bergbau ab. Die vorbergbaulichen Nutzungsverhältnisse können für den Tagebau Jänschwalde wie folgt angegeben werden:
Landwirtschaft
33%
Forstwirtschaft
59%
Wasserfläche 1% sonstige Nutzung 7% Durch den Tagebau wurden ca. 2600 ha landwirtschaftliche Nutzfläche in Anspruch genommen. Diese Fläche ist Produktionsgrundlage für landwirtschaftliche Betriebe im Umfeld des Tagebaues. Zum Erhalt und der langfristigen Existenzsicherung werden im Rahmen der Wiedernutzbarmachung ca. 2000 ha geeignete Fläche für eine landwirtschaftliche Nutzung hergestellt. Auf Grund der im Deckgebirge vorhandenen geologischen Schichten ist es möglich, hochwertigere Flächen herzustellen als im vorbergbaulichen Zustand vorhanden waren. Durch den Tagebau wurden ca. 4750 ha Waldflächen in Anspruch genommen. Der Wald hat für die Bergbaufolgelandschaft eine hohe Bedeutung. Als Ausgleich für die Inanspruchnahme von zusammenhängenden Waldgebieten werden im Süden und Norden des Tagebaugebietes große, weitgehend störungsfreie Waldgebiete entwickelt (3780 ha). Als Ausgleich des bergbaulichen Eingriffs in Natur und Landschaft werden ca. 15% der Bergbaufolgelandschaft (1200 ha) als Renaturierungsgebiete hergestellt. Schwerpunkt bilden hierbei der Bereich der Rückverlegung der Malxe und in nördliche Richtung die Verbindung zum zukünftigen Taubendorfer See.
2.8.1.10 Umsiedlungen, Verlegemaßnahmen In den ersten Jahren des Tagebaubetriebes war im Vorfeld des Kohleabbaues die Inanspruchnahme der Orte Weißagk, Klein Bohrau, Klein Briesnig und eines Teiles des Ortes Grötsch notwendig. Ortsverbindungsstraßen wurden durchtrennt und die Verlegung von Gasleitungen notwendig. Dies alles wurde unter den Bedingungen des damals geltenden DDRRechts realisiert. Mit der politischen Umgestaltung der Jahre 1989/90 verschärfte sich das Spannungsfeld zwischen dem Tagebau und dem umliegenden Territorium wesentlich. Es kam zu einem Akzeptanzverlust der Braunkohlenindustrie auf Grund des
Gert Klocek
.. Abb. 2.8.1-6 Bergbaufolgelandschaft Tagebau Jänschwalde
161
162
Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
teilweisen Raubbaues an Natur und Umwelt zu Zeiten der DDR. Der jahrelange Widerstand der Gemeinde Horno gegen eine Umsiedlung ist ein Synonym für diesen Akzeptanzverlust und die neuen Bedingungen, auf die sich die Braunkohlenindustrie in der Lausitz einstellen musste. Der Prozess der Umsiedlung der Ortschaft Horno war gekennzeichnet durch mehr als 15 Jahre andauernde Auseinandersetzungen auf gerichtlichen und außergerichtlichen Ebenen. Nahezu jede Genehmigung des Tagebaues Jänschwalde wurde beklagt, eine Vielzahl von Grundabtretungsverfahren war erforderlich, der Vorschnitt wurde zweimal wegen fehlender Genehmigungen stillgelegt, bis Ende 2005 mit dem Abschluss der Umsiedlung von Horno die langfristige Entwicklung des Tagebaues gesichert werden konnte. Der größte Teil der ca. 360 Einwohner siedelte bereits bis Ende 2003 nach Eulo, einem Vorort der Kreisstadt Forst, um. Dort entstand das neue Horno. Die wichtigsten rechtlichen Argumente in den gerichtlichen Auseinandersetzungen um den Tagebau Jänschwalde sind: 1. Nachweis der energiepolitischen Notwendigkeit, 2. Nachweis des Allgemeinwohlinteresses, 3. Alternativlosigkeit des Vorhabens (intensive Alternativenprüfung in vielen Instanzen). Zu den wichtigsten weiteren Verlegemaßnahmen aus dem Abbaufeld des Tagebaues zählen: Die Verlegung eines Teiles der Bundesstraße B112 aus dem östlichen Abbaugebiet des Tagebaues. Der erste Abschnitt wurde im Zeitraum 2000 bis 2001 verlegt. Ein weiterer Abschnitt südlich von Grießen wird im Zeitraum 2013 bis 2016 realisiert. Die Verlegung der Ortsverbindungsstraße L474 zwischen Heinersbrück und der Bundesstraße B112. Als Ersatz für diese Straße wurde sie entlang der westlichen Abbaukante auf einer neuen Trasse errichtet. Rückverlegung des Flusses Malxe über das Kippengelände. Im Zuge der Abschlussverkippung wurde beginnend ab 2007 mit der Talschüttung für das spätere Flussbett der Malxe begonnen. Abschnittsweise werden mit der Absetzerschüttung die Vorraussetzungen geschaffen, dass später die Malxe wieder von Ost nach West annähernd in ihrem ursprünglichen Flussverlauf fließen kann.
Die wichtigsten Grundlagen zum Umsiedlungsprozess und für die Verlegungsmaßnahmen sind in den Zielen des Braunkohlenplanes festgelegt.
2.8.1.11 Immissionsschutz Die Gemeinden in der Nachbarschaft von Braunkohlentagebauen können durch die vom Tagebaubetrieb ausgehender Emissionen beeinflusst werden. Die auftretenden Immissionen werden durch ein mit den Behörden abgestimmtes Messnetz und den Einsatz mobiler Messstationen kontinuierlich überwacht. Die Messergebnisse sind der Aufsicht führenden Behörde halbjährlich zur Kenntnis gegeben. Die rechtlichen Grundlagen für den Immissionsschutz bilden neben den bergrechtlichen Vorschriften die Bedingungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes und die entsprechenden Ziele des Braunkohlenplanes. Durch die Vattenfall Europe Mining AG werden die notwendigen, dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen realisiert, um Vorsorge vor Umwelteinwirkungen durch Immissionen zu treffen. Die Darstellung des Istzustandes und die Genehmigung weiterer Maßnahmen erfolgt auf den Grundlagen des jeweilig gültigen Hauptbetriebsplanes bzw. eines Sonderbetriebsplanes. Voraussetzungen für die Darstellung der Maßnahmen in den Genehmigungsdokumenten sind Planungsdokumente der Vattenfall Europe Mining AG, die so genannten „Konzeptionen Immissionsschutz/ Rahmenprogramme Immissionsschutz“, die für jeden Tagebau separat erarbeitet werden. Für den Tagebau Jänschwalde wurde für den Zeitraum 2008 bis 2018 dieses Konzept im September 2007 neu bearbeitet. Wesentlicher Inhalt dieser Konzeption ist die Darstellung des erreichten Arbeitsstandes auf dem Gebiet des Immissionsschutzes, die aktuellen Prognosen und Gutachten für Lärm- und Staubbeeinflussungen und daraus abgeleiteten Maßnahmen für einen bestimmten Zeitraum. Die im Folgenden beschriebenen Schutzmaßnahmen bilden ein komplexes System des effizienten Immissionsschutzes für die Ortslagen in der Nachbarschaft des Tagebaues Jänschwalde.
Gert Klocek
163
Lärmschutz – planerische Schutzmaßnahmen
Staubschutz – planerische Schutzmaßnahmen
Schutzdämme und -wände bieten erfolgreich Schutz für die Orte Grötsch, Briesnig und Heinersbrück. Im Jahre 2007 wurde ein Schutzbauwerk einschließlich Bepflanzung am östlichen Tagebaurand vor der Ortslage Grießen errichtet. Im Bereich von Ortslagen werden bestehende Waldbestände von ca. 200 ha aufgewertet, strukturell verbessert, erhalten und gepflegt. Weiterhin wurden Schutzpflanzungen von bisher ca. 80 ha neu angelegt.
Neben den beschriebenen Maßnahmen des Lärmschutzes, die z. T. auch dem Staubschutz dienen, sind hier noch besonders zu nennen: die schnelle Wiedernutzbarmachung nach der Abschlussschüttung, Ortsdurchgrünungsmaßnahmen, Anspritzbegrünung von Böschungsflächen in Ortsnähe, zwischenzeitliche Begrünung von Arbeits- und Trennebenen (Vorschnitt, AFB Kippe), endgültige Rekultivierung von Kippen der Abraumförderbrücke (eine Besonderheit im Tagebau Jänschwalde).
Lärmschutz – technische Schutzmaßnahmen Zur Bewertung von technischen Lärmminderungsmaßnahmen, speziell bezogen auf die Förderanlagen jedes Tagebaues, dienen die Gutachten „Stand der Technik“. Im Ergebnis dieser grundsätzlichen Betrachtungen über die Vorgehensweise zur Definition und Abgrenzung des Standes der Technik werden Lärmminderungspotentiale an den Tagebauanlagen identifiziert. Für die Tagebaugroßgeräte und Anlagen werden daraus Maßnahmen abgeleitet, geplant und realisiert. Diese sind u. a. der Einsatz geräuscharmer und gekapselter Antriebe, lärmoptimierte Tragrollen an Bandförderern, Lärmschutzanlagen am Turasschacht der Eimerkettenbagger, Beschichtungen an der Eimerkette und Instandhaltungsempfehlungen.
Lärmschutz – organisatorische Maßnahmen Für die Ortslagen in der Nachbarschaft des Tagebaues werden folgende Schutzmaßnahmen praktiziert: Führung des Werksverkehrs über ein betriebseigenes Straßen- und Wegenetz außerhalb der Ortslagen, Einschränkung des Nachteinsatzes von Hilfsgeräten in Ortsnähe, Einschränkung bzw. Vermeidung von akustischer Kommando- und Warnsignalgebung an Tagebaugroßgeräten und Anlagen im Nachtzeitraum, Veränderung der technologischen Fahrweise von Tagebaugroßgeräten im Nachtzeitraum.
Staubschutz – technische Schutzmaßnahmen Im Bereich der vor den Ortslagen errichteten Schutzbauwerke ermöglicht eine entsprechende Begrünung eine zusätzliche staubbindende Wirkung. Zur Staubbindung wird ein modernes Hochdrucknebelsystem an der Ostmarkscheide installiert und betrieben.
Staubschutz – organisatorische Schutzmaßnahmen Befeuchtung von betriebseigenen Wegen und Straßen in Trockenperioden, Einsatz von Beregnungsanlagen auf Arbeitebenen des Grubenbetriebes. Sämtliche Schutzmaßnahmen basieren auf Untersuchungen zur prognostischen Entwicklung der Geräusch- und Staubimmissionen in der Nachbarschaft des Tagebaues Jänschwalde. Datentechnische Grundlagen bilden das Messnetz der Vattenfall Europe Mining AG und die Emissionsdatenbank für Anlagen und Großgeräte.
164
2.8.2
Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
Führung eines Tagebaus mit kontinuierlichem Strossentransport im Rheinischen Revier am Beispiel des Tagebaus Hambach
Lars Kulik, Oliver Röggener 2.8.2.1 Das Rheinische Revier Zu Beginn der 70er Jahre verfügte RWE Power über Tagebaue mit einer Kapazität von 100 bis 120 Mio. t jährlicher Rohkohleförderung. Die genehmigten Abbaufelder der Tagebaue Zukunft, Frimmersdorf und Fortuna-Garsdorf ließen jedoch nicht eine langfristige Aufrechterhaltung dieser jährlichen Rohkohleförderung zu, so dass ein starker Rückgang der Förderung ab Mitte der 80er Jahre nur durch Aufschluss eines neuen Tagebaus zu vermeiden war. Die Ölkrisen in den 70er Jahren bestätigten die Notwendigkeit einer Fortführung der Gewinnung des einzigen, subventionsfreien und im großen Umfang in Deutschland vorhandenen Primärenergieträgers. Die ersten Planungsüberlegungen zum Aufschluss der Lagerstätte östlich der Städte Jülich und Düren aus den 40er Jahren wurden vor diesem Hintergrund deutlich konkretisiert. Mit der Planung wurde Anfang der 70er Jahre und bereits am 22. September 1978 mit dem Aufschluss eines neuen Abbaufeldes begonnen, dem Tagebau Hambach.
2.8.2.2 Tagebau Hambach Der Tagebau Hambach bildet ein wesentliches Standbein in der langfristigen Förderausrichtung des Rheinischen Reviers mit einer jährlichen Rohkohleförderkapazität von etwa 40 bis 45 Mio. t. Das Rheinische Revier besitzt mit den drei leistungsfähigen Tagebauen Garzweiler, Hambach und Inden eine Jahresförderkapazität von etwa 100 Mio. t (Abb. 2.8.2-1). Diese drei Tagebaue bilden auch langfristig die notwendige Versorgungssicherheit für die Kraftwerke und Veredlungsbetriebe der RWE Power AG. Allein die in den Braunkohlen- und Rahmenbetriebsplänen genehmigungsrechtlich abgesicherten Kohlevorräte betragen annähernd 4 Milliarden Tonnen, was einer Versorgungsreichweite von mehreren Jahrzehnten entspricht. Die Darstellung des Abbaus mit kontinuierlichem Strossentransport erfordert eine Betrachtung aller
Einflussfaktoren auf den Tagebau und soll an Hand folgender Punkte verdeutlicht werden: Genehmigungsrechtliche und planerische Rahmenbedingungen Bergtechnik und Betriebsführung Planung Rekultivierung Umsiedlungs- und Verlegemaßnahmen Immissionsschutz
2.8.2.3 Genehmigungsrechtliche und planerische Rahmenbedingungen Für die Planung des Tagebaus Hambach, die einen Neuaufschluss auf „grüner Wiese“ darstellt, sind insbesondere nachstehende Rahmenbedingungen von Bedeutung, die kurz vorgestellt werden sollen:
Genehmigungsrechtliche und planerische Rahmenbedingungen – Genehmigungen Auf Basis der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit und der Fördermöglichkeiten im Rheinischen Revier wurde ab 1970 die Planung des Abbaugebietes Hambach forciert und 1974 die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Tagebau Hambach aufzuschließen. Der Antrag auf Verbindlichkeitserklärung für das Abbaugebiet Hambach wurde bereits im Juli 1974 gestellt und der Rahmenbetriebsplan eingereicht. In den Jahren 1973 bis 1976 befasste sich der Braunkohlenausschuss intensiv mit dem geplanten Tagebau Hambach. Im Februar 1973 beschloss dieser auf Anregung des Regierungspräsidenten – bereits im Vorfeld des Antrags auf die Verbindlichkeitserklärung – die Auswirkungen des Tagebaus Hambach im Rahmen eines ökologischen Gutachtens untersuchen zu lassen. Im November 1973 setzte der Braunkohlenausschuss einen Arbeitskreis ein, um geeignete Gutachter vorzuschlagen sowie Vorgaben für die Gutachter und ein Abbaumodell zu erarbeiten. Die unterschiedlichen Themenbereiche, wie zum Beispiel Wasser- und Landwirtschaft, Forstwesen, Klima, Vegetation, frei lebende Tiere etc. wurden in 11 Einzelgutachten bearbeitet. Ein Arbeitskreis wertete die umfangreichen Einzelgutachten aus und erarbeitete einen Katalog von Richtlinien für die Zulassungs- und Genehmigungsverfahren. Unabhängig von rechtlichen Auflagen laufen Aktivitäten, um für die Inanspruchnahme des Vorfeldes
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.. Abb. 2.8.2-1 Rheinisches Revier
andere Lebensräume, z. B. in der Rekultivierung, noch attraktiver für ausgewählte Tierarten zu gestalten. Der Petitionsausschuss des Europäischen Parlamentes stellte im Jahr 1999 fest, dass diese Untersuchungen alle Kriterien erfüllten, die an eine heutige Umweltverträglichkeitsprüfung zu stellen sind. Der Teilplan 12/1 wurde von April bis Juli 1976 zusammen mit dem erarbeiten Richtlinienkatalog offen gelegt. Über 3700 Einwendungen wurden vom Braunkohlenausschuss bearbeitet. Alle Einwender trafen die Aussage, dass sie keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Tagebau Hambach hätten, vielmehr stehe die Regelung der Auswirkungen und Folgen des Tagebaus im Vordergrund. Im Dezember 1976 wurden im Braunkohlenausschuss die Einwendungen geprüft. Als Ergebnis wurde der Plan am west- und südöstlichen Rand des Tagebaus geändert. Ein elementarer Bestandteil war die Entwicklung eines Konzeptes für die Verkippung der insgesamt 2,9 Mrd. m³ Außenkippenmassen sowie die damit verbundenen Fragen der Landschaftsgestaltung. Die zum Plan gehörenden Richtlinien wurden in einigen wesentlichen Punkten geändert bzw. ergänzt. Am 11.5.1977 unterschrieb der damalige Ministerpräsident Heinz Kühn die Verbindlichkeitserklärung für den Teilplan 12/1 – Hambach. Für den aktuellen Abbaubereich des landespla-
nerisch genehmigten Vorhabens Tagebau Hambach wurde auf Grundlage des Teilplans 12/1 ein zweiter Rahmenbetriebsplan für den Zeitraum 1996–2020 zugelassen.
Genehmigungsrechtliche und planerische Rahmenbedingungen – Abbaufeld und geologische Verhältnisse Das Abbaufeld Hambach gehört geologisch und hydrologisch zur Erftscholle. Es erstreckt sich auf einem flachen Höhenrücken, der begrenzt wird im Westen durch die Rur und im Osten durch das Erfttal. Im südwestlichen Teil liegt bei 120 m ü. NN die höchste Geländeerhebung im Abbaugebiet. Für die Feldesbegrenzung waren neben den geologischen Verhältnissen von Lagerstätte und Deckgebirge insbesondere Kriterien der Besiedlung, Infrastruktur und Landschaftsplanung im Einflussbereich des Tagebaus bestimmend. Die ideale Form der Feldesbegrenzung sollte folgenden Ansprüchen gerecht werden: Möglichst gleichmäßige A : K-Verhältnisse während der gesamten Laufzeit des Tagebaus. Großer Feldesinhalt, der möglichst mit nur einem Drehpunkt und einer Bandausführung, bei nahezu konstanter Strossenlänge, abgebaut werden kann.
166
Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
Zur Festlegung des optimalen Zuschnitts des Tagebaufeldes wurden als weitere, wesentliche Kriterien herangezogen: Tektonik, Teufenentwicklung, Flözausbildung, Kohlequalität Hydrologische Situation Feldesform, einschließlich Aufteilungs- und Erweiterungsmöglichkeiten Infrastruktur Immissionsschutz Rekultivierung Die im Abbaufeld des Tagebaus Hambach anstehende Kohle, die auch im Hinblick auf die Brikettierbarkeit qualitativ hochwertig ist, wird in Abhängigkeit von der Lagerungsteufe von folgenden wesentlichen Kennwerten bestimmt: Wassergehalt: 49–59% Aschegehalt: 2–5% Heizwert:
8000–11300 kJ/kg
Die Flöze Garzweiler und Frimmersdorf stehen, wie im geologischen Schnitt der Abb. 2.8.2-2 dargestellt, abbauwürdig an. Im östlichen Teil des Abbaufeldes ist die Braunkohle als zusammenhängendes Flöz ausgebildet. Hier erreicht das Flöz mit etwa 70 m seine maximale Gesamtmächtigkeit. Derzeit wird die Kohle zu rund 75% in den konzerneigenen Kraftwerken verstromt. Der verbleibende Teil wird in der Veredlung eingesetzt. Das Deckgebirge über dem Flöz besitzt eine Mächtigkeit von bis zu 420 m und enthält oberhalb der sandig-kiesigen und tonig-schluffigen Ablagerungen die Terrassenkiese. Die Mächtigkeit der Terrasse variiert zwischen 5 und 55 m. Den Abschluss des Deckgebirges bildet eine 0,5 bis 2 m mächtige Lössschicht. Die Deckgebirgsschichten fallen generell mit durchschnittlich 3° bis 4° nach Nordosten ein. Die geologischen Verhältnisse des Tagebaus Hambach sind gekennzeichnet von einer Vielzahl geologischer Verwerfungen, die überwiegend in NW-SO-Richtung streichen. Die Verwurfbeträge schwanken zwischen wenigen und deutlich über 50 m. Bei der Festlegung von Abbaugrenzen war für den Tagebau Hambach ein Sicherheitsabstand zwischen
.. Abb. 2.8.2-2 Abbaugebiet des Tgb. Hambach mit Schnitt – Stand Mitte 2007
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der oberen Abbaukante und benachbarten Siedlungen bzw. Wohngebieten oder Verkehrsinfrastruktur mit einer Mindestbreite von etwa 200 m, ungefähr entsprechend der halben maximalen Tagebauteufe, einzuhalten. Anhand dieser Kriterien wurde das Abbaufeld Hambach in den heute bekannten Begrenzungen zugeschnitten. Das gesamte Abbaugebiet des Tagebaus Hambach hat eine Größe von ca. 8500 ha. Der darin enthaltene, gewinnbare Kohleinhalt betrug 2,5 Mrd. t bei einer anfallenden Abraummenge von 15,4 Mrd. m³. Daraus ergibt sich ein Abraum zu Kohleverhältnis (A : K) von 6,2 : 1 (m³ : t). Die Kohle wird dabei über eine werkseigene Eisenbahn, die "Hambachbahn", zu den Abnehmern, also Kraftwerken und Veredlungsbetrieben, transportiert.
2.8.2.4 Bergtechnik und Betriebsführung – Aufschluss Der Grabenaufschluss des Tagebaus Hambach erfolgte als Bandtagebau ausschließlich mit Schaufelradbag-
.. Abb. 2.8.2-3 Aufschlussphasen des Tagebaus Hambach
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gern der Leistungsklasse von 240.000 fm³/d. Beginnend auf der Rasensohle haben sich die Schaufelradbagger durch Nutzung von Tiefstufen und Tiefschnitten zunächst bis in 200 m Tiefe hinuntergeschnitten. Es wurden schon in der Aufschlussphase Jahresleistungen von 40 bis 50 Mio. fm³ je Schaufelradbagger erreicht (Abb. 2.8.2.-3). Hierbei erwiesen sich die Strossenlängen von bis zu 5 km als erheblicher Vorteil, die bereits in der Aufschlussfigur ihre endgültige Länge besaßen und zwischen den Rückungen so lange Betriebsphasen ermöglichten, dass durch optimale Organisation die Leistungsminderung infolge des Bandrückens minimiert werden konnte. In der Aufschlussphase und beim Übergang in den Regelbetrieb sind die Strossenbänder beim Vordringen in die Tiefe – abgesehen vom Neuaufbau der Strossen – ohne Umbauten auf der schiefen Ebene (1 : 4) ständig weiter nach unten gerückt worden. Die Breite des Aufschlussgrabens wurde bestimmt durch die Festlegung im Genehmigungsverfahren, aus Immissionsschutzgründen den Abbau in einem Abstand von mindestens 300 m östlich der
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
kulturfähigen Böden durch differenzierte Scheibenanpassung auf der obersten Gewinnungssohle hat der Einsatz von 100.000er Baggern erhebliche Vorteile. Sowohl die unterschiedlichen Kapazitäten der Geräte als auch die starke Schwankungsbreite der Leistungen der 240.000er Geräte bei der Gewinnung unterschiedlicher Abraummaterialien erfordern eine sehr detaillierte Planung und Steuerung zur wirtschaftlichen Führung des Tagebaus. Im Hinblick auf einen optimalen Einsatz der Großgeräte unter dispositiven, wirtschaftlichen und leistungsorientierten Kriterien wird planerisch eine Sohlenbreite von ca. 350 m am schwenkenden Ende angestrebt. Hierbei können Anpassungen von Leistungsschwankungen durch Gerätewechsel zwischen den Sohlen oder bei langfristiger Wirkung durch Gerätetausch im Rheinischen Revier (Überlandtransporte) ausgeglichen werden.
.. Abb. 2.8.2-4 Aufschluss des Tagebaus Hambach
Abbaukante beginnen zu lassen. Aus diesem Grund musste der Abbau zunächst für ein Jahr der späteren Abbaurichtung entgegengesetzt geführt werden. Für die Lage des Aufschlusses sind nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen die Minimierung des Aufschlussabraumes und damit der frühzeitige Beginn der Kohleförderung von Bedeutung. Im Mai 1984 konnte so der Tagebau Hambach die erste Kohle fördern (Abb. 2.8.2-4). Beim Tagebau Hambach war es planerisch möglich, Aufschlussfigur, Drehpunkt und Ausfahrt an den Rand des Abbaufeldes mit der geringsten Teufe anzuordnen. Demzufolge dringt der Abbau zunehmend in größere Teufen vor, wobei das Tagebautiefste am Strossenende liegt und daher der Vorteil besteht, die gesamte Strossenlänge bis zum Drehpunkt zur Überbrückung des Höhenunterschiedes ausnutzen zu können. Im Tagebau Hambach sind heute Geräte mit einer Förderkapazität zwischen 100.000 m³ + t/d und 240.000 m³ + t/d eingesetzt. Derzeit sind fünf 240.000er, ein 200.000er und zwei 100.000er Schaufel radbagger im Einsatz. Unter den im Tagbau Hambach vorhandenen Einsatzbedingungen ist es sinnvoll, den Tagebau in dieser „gemischten“ Fahrweise, also in Kombination von 200/240.000er mit 100.000er Großgeräten zu betreiben. Insbesondere bei der selektiven Kohlegewinnung mit der Einrichtung von so genannten 2-Punkt-Betrieben oder bei der Bereitstellung von
Bergtechnik und Betriebsführung – Fördertechnik Auf der Verkippungsseite des Tagebaus Hambach sind Geräte mit Förderkapazitäten zwischen 150.000 m³ + t/d und 240.000 m³ + t/d eingesetzt. Derzeit sind fünf 240.000er und ein 150.000er Absetzer auf der Innenkippe des Tagbaus Hambach im Einsatz. Ein weiterer 240.000er Absetzer wird derzeit zur Verfüllung des Tagbaus Bergheim eingesetzt. Der Großgerätetransport dieses Absetzers zum Tagebau Hambach ist für den Sommer 2009 geplant. Der Einsatz der 240.000er Schaufelradbagger und Absetzer und der daraus resultierende Massenstrom erfordert Bandanlagentechnik des Typs B 3000 mit Gurten der Festigkeit St 4500 und Gurtbreiten von 2700 mm.
Bergtechnik und Betriebsführung – Außen-/Innenkippe Ein wesentliches Element der Bergbauplanung war die Entwicklung eines Konzeptes für die Landschafts gestaltung und für die Verkippung der mit ins gesamt 2,9 Mrd. m³ ermittelten Außenkippenmassen. Die Unterbringung der gesamten Massen auf einer Hochkippe in unmittelbarer Nähe des Tagebaus kam nicht in Frage, auch wenn das unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten die optimale Lösung gewesen wäre. Im Rahmen eines revierweiten Ansatzes der Massendisposition wurde ein Konzept entwickelt, in dem
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.. Abb. 2.8.2-5 Sophienhöhe und Innenkippenüberhöhung – Stand Mitte 2007
mit den Außenkippenmassen des Tagebaus Hambach die nach der Auskohlung der Tagebaue Fortuna-Garsdorf und Bergheim entstehenden Restlöcher verfüllt und mit den darüber hinaus anfallenden Massen eine Hochkippe unmittelbar neben dem Tagebauaufschluss angelegt wird. Im Jahr 1978 wurde mit der Verkippung dieser Hochkippe (Abb. 2.8.2.-3) begonnen und im Jahr 1990 abgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Aufschlussbeginns war die geplante Restlochverkippung noch nicht darstellbar, da die hierfür vorgesehenen Tagebaue noch im laufenden Betrieb waren und keine Fremdmassen aufnehmen konnten. Die Planung der Hochkippe, die den Namen „Sophienhöhe“ erhalten hat, berücksichtigte neben betrieblichen Belangen eine Vielzahl von landschaftsgestalterischen Aspekten. Insbesondere wurde in die Planung aufgenommen, dass für das große Waldgebiet, das durch den Abbau verloren ging, auf der „Sophienhöhe“ ein neues Erholungsgebiet geschaffen werden sollte. Ein Gebiet nordwestlich des Abbaufeldes wurde als Standort für die Hochkippe gewählt, da hier keine abbauwürdige Kohle vorhanden ist. Der gewählte Standort besitzt zudem den erheblichen Vorteil, dass die „Sophienhöhe“ unmittelbar an die Innenkippe mit einer entsprechenden Überhöhung anschließen kann. Es entsteht somit kein isoliert in der Landschaft angeschütteter Bereich, sondern eine sich östlich an das Rurtal anschließende Erhebung mit
Hochfläche. Insgesamt wurden auf der „Sophienhöhe“ ca. 1,2 Mrd. m³ Abraum verkippt (Abb. 2.8.2-5). Eine Vielzahl planerischer und gebirgsmechanischer Betrachtungen waren für den Aufbau der rund 200 m hohen Außenkippe erforderlich, um eine sichere Dauerstandfestigkeit der Böschungen zu gewährleisten und den Qualitätsansprüchen bei der Herstellung des Randböschungs- und Hochflächensystems gerecht zu werden. Die Einzelböschungen des Endböschungssystems der Sophienhöhe besitzen eine Neigung von 1 : 4 bis 1 : 2. Mittels Einschaltung von ca. 20 m breiten Bermen ergibt sich eine Generalneigung von 1 : 3,5. Ein standfester Aufbau wird durch eine im Kippenfuß 240 m breite Sicherheitsschüttung aus wasserdurchlässigem, nichtbindigem Material garantiert. Ein 30 m breiter Graben unterhalb der Sicherheitsschüttung gewährleistet eine schadlose Abführung von Wasser aus dem Inneren der Sophienhöhe. Der Abschluss der Hochschüttung der obersten Kippstrosse erfolgte mit einer 8 m mächtigen Schicht aus wasserdurchlässigem Material. Die Rekultivierungsschicht der Hochfläche wurde durch Auftrag von etwa 2 m mächtigem Lössboden aus dem Vorfeld im Sonderbetrieb erstellt. Die Randböschungen wurden mit einer Schicht aus Forstkies – einem Bodengemisch aus Löss und Kies – abgedeckt. Das Restloch des Tagebaus Fortuna-Garsdorf konnte als zweite Außenkippe genutzt werden, der in der zweiten Hälfte der acht-
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
ziger Jahre ausgekohlt war. Ab dem Jahr 1982 stand dort Kippraum zur Aufnahme von Fremdmassen zur Verfügung. Aus dem Tagebau Hambach wurden von diesem Zeitpunkt an über zwei je etwa 15 km lange Fernbandanlagen jährlich bis zu 90 Mio. m³ Abraum gefördert. Im Jahr 1998 wurde die Verkippung dieses 1,1 Mrd. m³ großen Restraumes abgeschlossen. Im Anschluss wurden die Fernbänder zum mittlerweile ausgekohlten Tagebau Bergheim verlängert, der nun mit Abraum aus dem Tagbau Hambach restlos verfüllt und bis zum Jahre 2010 vollständig, zum Teil im Sonderbetrieb, rekultiviert wird (Abb. 2.8.2-6). Ab diesem Zeitpunkt werden die Abraummassen des Tagebaus Hambach ausschließlich auf die Innenkippe verbracht. Im Jahr 1986 wurde mit der Innenverkippung im Tagebau Hambach, zeitlich überlappend mit der Außenverkippung, bereits begonnen. Nach Verfüllung des Tagebaus Bergheim werden hier 7 Absetzer eingesetzt. Die gesamte Kippenmächtigkeit beträgt bis zu 550 m. Mit der untersten Kippstrosse wird unter Nutzung von standfestem Abraum unmittelbar der Gewinnung gefolgt, um die Standsicherheit des Gesamtböschungs- und speziell des Randböschungssystems jederzeit sicherzustellen. Der Aufbau der Kippe wird geprägt durch die Verkippung der tonig-schluffigen Abraumbestandteile. Sie werden meist zusammen mit sandig-schluffigen
.. Abb. 2.8.2-6 Außenkippen und Fernbandanlage
Abraumpartien als so genannter Mischboden 2 verstürzt. Die tonig-schluffigen Schichten sind zum einen durch eine schlechte Entwässerbarkeit, zum anderen durch eine geringe Standfestigkeit gekennzeichnet. Bis zu 30% der Jahresförderung können diese Materialien umfassen. Detaillierte Kenntnisse über Menge, Qualität und Zeitpunkt des Materialanfalls sind wegen der ungleichmäßigen Verteilung des Abraums in der Lagerstätte notwendig, um einen ausgewogenen und wirtschaftlichen Betriebsprozess zu gewährleisten. Zur sicheren Führung der Innenkippe sind standfeste und nicht standfeste Materialien nach einem bestimmten Polderverfahren zu verkippen, um eine standsichere Innenkippe zu gewährleisten (Abb. 2.8.2-7). Bereits bei der Gewinnung dieser Materialart können erhebliche Probleme auftreten, die die Leistungsfähigkeit eines 240.000er Schaufelradbaggers auf ein Niveau von nur 60.000 m³/d absinken lassen können. Die Förderung solcher Materialarten führt zu weiteren Erschwernissen des Betriebsprozesses, dem unter anderem auch durch Zusammenfahren zweier Schaufelradbagger am Bandsammelpunkt auf einen Förderweg begegnet werden muss. Die zur Verkippung erforderlichen Polder werden im laufenden Betrieb mit den Absetzern erstellt. Da die Unterbringung des Abraums in Großpoldern (Abb. 2.8.2-8), die zur Zeit erfolgreich genutzt
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.. Abb. 2.8.2-7 Regelprofil
.. Abb. 2.8.2-8 Großpolderverkippung – Stand Mitte 2007
werden, langfristig aus geometrischen Gründen nicht mehr möglich sein wird, werden die Regelprofile weiterentwickelt, damit die Verkippung der schlammigen und vernässten Abraumschichten auf nahezu jeder Sohle langfristig möglich sein wird.
Bergtechnik und Betriebsführung – Hydrologie Der Abbau der tiefliegenden Flöze Garzweiler und Frimmersdorf, die zwischen mächtigen Grundwasserleitern liegen, erfordert umfassende EntwässerungsMaßnahmen. Die Planungen sind so ausgerichtet, dass
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
gerade so viel Wasser gehoben wird, wie für die sichere und betriebswirtschaftlich optimale Betriebsführung notwendig ist. Ein besonderes Kriterium bildet hierbei auch die Betrachtung und Reduzierung der ökologischen Auswirkungen. Ggf. dennoch auftretende Beeinflussungen werden durch entsprechende ErsatzwasserMaßnahmen kompensiert. Das Erftbecken, dessen Braunkohlevorkommen großräumig durch den Tagebau Hambach erschlossen wurden, wird mit den angrenzenden geologischen Räumen, südliche Rurscholle im Westen, Venloer Graben im Norden und Kölner Scholle mit dem Villerücken im Osten, als Gesamtmodell betrachtet. Für die Entwässerung werden Vertikalfilterbrunnen eingesetzt, in denen Tauchmotorpumpen mit maximalen Förderleistungen von 30m³/min installiert sind. Nach Möglichkeit werden die Brunnengalerien am Rand des Tagebaus Hambach konzentriert, um den Betrieb auf den Gewinnungssohlen so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Die Größe des Tagebaus Hambach bedingt jedoch auch entsprechende Entwässerungsmaßnahmen im Abbaufeld. Vor allem Brunnenstandorte in Mulden vor örtlichen Verwerfungen sind unvermeidbar. Hierbei wird unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten angestrebt, die Brunnen im Abbaufeld möglichst umgehend nach der Überbaggerung auf der entsprechenden Sohle wieder in Betrieb zu nehmen. Insgesamt werden aus dem Tagbau Hambach derzeit jährlich etwa 300 Mio. m³ Wasser gehoben, wobei der überwiegende Teil der Wassermenge über Rand- bzw. Vorfeldbrunnen gefördert wird. Im eigentlichen Abbaubereich werden jährlich ca. 100 Mio. m³ Wasser des Tagebaus Hambach über dortige Leitungssysteme abgeführt und beispielsweise in den Braunkohlekraftwerken genutzt.
Bergtechnik und Betriebsführung – Gebirgsmechanik Im Tagebau Hambach ist eine Vielzahl von geologischen Störungen vorhanden, die Verwurfbeträge von bis zu 50 m aufweisen können. Hierbei treten teilweise schichtparallele Trennflächen und Restwässer auf, die behindernd auf den Großgeräteeinsatz wirken. Im Jahr 1997 bildete ein größerer Wasseraustritt an einer Verwerfung mit einem Verwurfbetrag von rund 30 m eine Besonderheit. Hiermit wird erkennbar, dass der Betrieb eines solch tiefen Tagebaus unter den gebirgsmechanischen Randbedingungen eine eng abgestimmte
Fahrweise der einzelnen Gewinnungs- und Verkippungseinsätze an den unteren Sohlen erfordert. Des Weiteren sind beispielsweise in bestimmten geologischen Horizonten Entlastungsschnitte der vorlaufenden Sohle ebenso zwingend wie Hochstufeneinsätze zur Minimierung der Abtragshöhe.
Bergtechnik und Betriebsführung – Kohlequalitätssteuerung Die Braunkohle im Tagebau Hambach steht kompakt in einer Mächtigkeit von bis zu 70 m und auf einer Strossenlänge von etwa 3,5 km an. Die Qualität der Kohle ist gekennzeichnet durch hohe Heizwerte, teilweise hohe Natriumgehalte und schwankende Eisenwerte. Die Asche- und Schwefelgehalte sind mit rund 2,5% bzw. 0,25% als niedrig einzustufen. Als Kohlequalitätsparameter werden zudem der Silizium-, der Kalium- und der Aluminiumgehalt mit beachtet. Bei der Kohlequalität bleibt festzuhalten, dass sowohl beim vertikalen Schichtaufbau in kurzen Abständen als auch in der horizontalen Erstreckung diese einer großen Schwankungsbreite unterworfen ist. Die unterschiedliche Auslegung der vorhandenen Kraftwerkskessel führt zu einem bestimmten Verteilungsschlüssel für den Einsatz der Kohle aus dem Tagebau Hambach. Für jeden Kraftwerkskessel existieren festgelegte Qualitätsbänder, die zu beachten sind. Neben den genannten Qualitätsparametern, die insbesondere für den Einsatz in der Verstromung von Bedeutung sind, sind auch den vielfältigen Anforderungen der Veredlungsbetriebe Rechnung zu tragen. Von besonderer Bedeutung ist, dass der Tagebau Hambach alleiniger Versorger der Veredlungsbetriebe ist und somit Kohle nach Menge und Qualität durchgängig bereitstellen muss. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, werden Kohlesorten für die Tagebaue definiert und Bekohlungsregeln für die Kraftwerke festgelegt (Abb. 2.8.2-9). Des Weiteren erfolgt die Kohlegewinnung im Tagebau Hambach mit zwei Baggern auf unterschiedlichen Höhenniveaus, so dass bereits der Gewinnungsprozess bei hoher Auslastung der Großgeräte auf die Bedürfnisse der Abnehmer zugeschnitten werden kann.
2.8.2.5 Planung Die Abbauführung eines Tagebaus wird über verschiedene Zeiträume geplant, wobei zwischen lang-, mittel-,
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.. Abb. 2.8.2-9 Kohlequalitätssteuerung im Tagebau Hambach
.. Abb. 2.8.2-10 Planungsschritte mit integrierter Mittelfristplanung
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
und kurzfristigen Planungshorizonten unterschieden wird. Die Schritte der Planung im Tagebau sind aus Abb. 2.8.2-10 ersichtlich. In der langfristigen Planung, die sich aus einer gesamtheitlichen Analyse von Gewinnung und Nutzung der Kohle ableitet, wird die Tagebauentwicklung im Maßstab 1 : 25000 für Zeiträume von bis zu 50 Jahren im groben Raster festgelegt. Zur Massenermittlung wird hierzu das Tagebaumodell in 5-Jahres-Sektoren mit einer vorläufigen Sohleneinteilung zerlegt. Bereits hier werden die Qualitäten der Kohle und die Materialeigenschaften des Abraums mitberücksichtigt. Auf Basis des Abraum zu Kohle-Verhältnisses und der zu fördernden Kohlemenge werden Anzahl der Geräte und deren Kapazitäten so geplant, dass lang- und mittelfristig über eine entsprechende Sektor- und Sohleneinteilung die Entwicklung des Tagebaus festgelegt ist. Die mittelfristige Planung umfasst einen Zeitraum von etwa 5 Jahren und leitet sich aus der langfristigen Planung ab. Dieser Zeithorizont wird integriert zwischen den Tagebauen und der zentralen Planungsabteilung in der Zentrale Köln geplant. Hieraus folgt einerseits eine enge Verzahnung mit der Langfristplanung und andererseits eine Betrachtung der revierübergreifenden Abhängigkeiten. Auf Basis dieser Planung erfolgt die konkrete Investitionsund Budgetplanung für diesen Zeitraum, ebenso werden kritische Rahmenbedingungen zukünftiger Bagger- und Absetzereinsätze rechtzeitig erkannt. Auf Grundlage der integrierten Mittelfristplanung ist es Aufgabe des Tagebaus, die kurzfristige Geräteeinsatzplanung für einen Zeitraum bis zu zwei Jahren einer sich jeweils verändernden Absatzlage anzupassen. Die kurzfristige Planung erstellt die unmittelbaren Bagger- und Absetzer-Einsatzpläne im Maßstab 1 : 2000 und Pläne für die Infrastruktur des Tagebaus im Maßstab 1 : 1000. Im kurzfristigen Planungszeitraum können Planungsänderungen durchaus auftreten. Diese können sich beispielsweise durch veränderte Rohkohleanforderungen, temporäre Minderleistungen auf einzelnen Sohlen etc. ergeben. Reaktionsmöglichkeiten bestehen in der Anpassung der Sohlenbreite oder in der Änderung der Abtragshöhen bei einzelnen Baggern. Des Weiteren ist eine Anpassung der Massenverteilung zwischen den Sohlen und damit zwischen den dort eingesetzten Schaufelradbaggern oder der Wechsel von Geräten unterschiedlicher Leistungsklassen möglich.
2.8.2.6 Rekultivierung Eine vorbildliche Rekultivierung mit einem damit verbundenen Qualitätsmanagement ist ein unabdingbarer Baustein für die Akzeptanz des Tagebaus bei Fachbehörden und der Öffentlichkeit und leistet einen aktiven Beitrag zur Schonung der Ressource Boden. Die Rekultivierung im Rheinischen Revier und insbesondere im Tagebau Hambach umfasst zum einen die landwirtschaftliche und zum anderen die forstwirtschaftliche Wiedernutzbarmachung. Als Ausgleich für die durch den Tagebau Hambach beanspruchten, großen forstlichen Flächen des Hambacher Forstes mit rund 4000 ha sieht der Braunkohlenplan zum Tagebau Hambach die Wiederherstellung eines großen, zusammenhängenden Waldgebietes im Bereich der Sophienhöhe und der überhöhten Innenkippe vor. Zur Gestaltung der Rekultivierung enthielt der Teilplan 12/1 auf Basis der ökologischen Gutachten zahlreiche Angaben für die forstwirtschaftliche Wiedernutzbarmachung. Erklärtes Ziel ist es, einen Wald zu schaffen, der der bisher vorkommenden gebietstypischen Artengemeinschaft von Flora und Fauna einen neuen Lebensraum bietet. Die forstwirtschaftliche Rekultivierung erfolgt ausschließlich mit Gehölzen, die der natürlichen potentiellen Vegetation entsprechen. Es wurde ferner bereits sehr frühzeitig festgelegt, dass die Qualität des aufgebrachten kulturfähigen Bodenmaterials fortlaufend zu bestimmen und bei der Aufforstung zu betrachten ist. Auf Grundlage der Erfahrungen aus den vorangegangenen Rekultivierungsbereichen zeigte sich, dass sich für die jungen Wälder ein Bodengemisch aus Löss und Kies – der so genannte Forstkies – besonders gut eignet. Dieser Forstkies wurde auf der Sophienhöhe in einer Mächtigkeit von rund 4 m als Abschlussschicht aufgebracht. Beim Aufbringen des kulturfähigen Bodenmaterials wird heute gänzlich auf Planierarbeiten verzichtet, um die lockere Struktur des Bodenmaterials zu erhalten. Um den Rohhumusgehalt in diesem Bodensubstrat zu steigern und Kleinstlebewesen einzubringen, wurden Baumwurzeln aus dem Tagebauvorfeld zerkleinert und bei der Gewinnung durch den Schaufelradbagger mitgeschnitten. Im Übrigen wurden kleinflächige Bereiche mit Waldboden aus dem Hambacher Wald überdeckt. Die Landschaft der Sophienhöhe mit der Innenkippenüberhöhung bringt die forstwirtschaftliche Nutzung, den Biotop- und Artenschutz, aber auch eine ruhige Naherholung in Einklang. Bisher wurde ein Wanderwegenetz von mehr als 100 km Länge angelegt und gestaltet sowie für die Bevölkerung freigege-
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ben, wobei auf geradlinig verlaufende Wege verzichtet wurde. Es wurde bewusst eine Kommerzialisierung der Erholungsnutzung vermieden, gleichwohl sind Ruhebänke, Kinderspielplätze, Wildgehege und ein Waldlehrpfad vorhanden. Eine Gliederung der Kippen oberfläche findet durch Hügel und Mulden ebenso wie durch unterschiedlich breite Bermen statt. Zur Schaffung von Feuchtgebieten wurden abflusslose Mulden sowie erweiterte Grabensystemen angelegt. Um der natürlichen Wiederbesiedlung durch Pflanzen und Tiere freien Raum zu lassen, wurden einige Flächen nicht aufgeforstet, sondern gezielt als Sukzessionsflächen gestaltet. In diesem Zusammenhang entstand u. a. eine rund 16 ha große Fläche bestehend aus sandigen und tonigen Partien. In der heutigen Kulturlandschaft sind solche Standorte besonders wertvoll, weil sie nur noch gelegentlich anzutreffen sind. Zur Beurteilung der Entwicklungen und Erfolge der ökologischen Begleitmaßnahmen wurde und wird großer Wert auf die Begleitung durch wissenschaftliche Untersuchungen gelegt. Die gemachten Erfahrungen bei der Landschaftsgestaltung auf der Sophienhöhe wurden auf die Rekultivierung der Innenkippenüberhöhung (Abb. 2.8.2-5) übertragen. Die anspruchsvolle und wissenschaftlich begleitete Rekultivierung der Sophienhöhe und der Innenkippenüberhöhung darf zusammenfassend für sich in Anspruch nehmen, ein hochwertiger Ausgleich für die mit dem Tagebau Hambach verbundenen Eingriffe in die Natur und Landschaft zu sein. Im Braunkohlenplanverfahren wurde für die Inanspruchnahme von ca. 3800 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche festgelegt, dass auch in der Wiedernutzbarmachung des Tagebaus Hambach neben einer maximal 4000 ha großen Wasserfläche und der o. g. forstlichen Wiedernutzbarmachung rund 1000 ha landwirtschaftliche Fläche zu erstellen sind. Wegen der nur geringen Lösslagerstätte im Bereich Hambach ist der Löss hierfür im Wesentlichen aus dem Tagebau Garzweiler herbeizufördern. Erste landwirtschaftliche Rekultivierungsflächen wurden bereits Ende der 90er Jahre im Bereich der Gemeinde Niederzier erstellt. Die Anlage weiterer Flächen wird planmäßig in den nächsten Jahren erfolgen.
2.8.2.7 Umsiedlungs – und Verlegemaßnahmen Zur Führung eines Tagebaus mit kontinuierlichem Strossentransport sind insbesondere eine vorlaufende und planmäßige Durchführung der Verlegungen und
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Umsiedlungen von Bedeutung, die kurz vorgestellt werden sollen.
Umsiedlungs- und Verlegemaßnahmen – Verlegungen Zum Aufschluss des Tagebaus Hambach mussten schon kurz nach Beginn der Aufschlussarbeiten die im nordwestlichen Bereich des Tagebaus gelegenen Straßen unterbrochen werden (Abb. 2.8.2-11): B55 zwischen Stetternich und Lich-Steinstraß/Elsdorf (1) L12 von Niederzier nach Lich-Steinstraß (2) K13 von Hambach nach Lich-Steinstraß (3) Die bergbaulichen Ersatzverpflichtungen bildeten für die Straßenbaulastträger den Ausgangspunkt, ein neues Straßensystem mit dem Ziel einer Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in diesem Bereich zu schaffen. Vor diesem Hintergrund ergaben sich folgende vom Bergbau und von den Straßenbehörden anteilig zu finanzierende Straßen: neuer Bundesstraßenzug B55n von ca. 17 km Länge auf der Linie Mersch-Welldorf-ElsdorfBergheim (4) neue Landesstraße L 264 von ca. 8 km Länge von Niederzier nach Welldorf (5) neue Kreisstraße K40n von ca. 3 km Länge zwischen Niederzier und Ellen (6). Im Zuge der weiteren Entwicklung des Tagebaus nach Osten steht noch die Verlegung einer rund 9 km langen Strecke der Werkseisenbahn (Hambachbahn) bis zum Jahr 2013/14 an (7). Die Bezirksregierung Köln hat nach sorgfältiger Abwägung aller Anregungen und Bedenken den Planfeststellungsbeschluss im August 2005 erlassen. Abschließend wurden in einem Betriebsplanverfahren Bau und Betrieb der Hambachbahn in neuer Lage am Südrand des Tagebaus Hambach von der Bergbehörde zugelassen (8). Des Weiteren erfolgte die Planfeststellung im März 2007 für die Verlegung der B477 (9) bis spätestens zum Jahr 2014 in neuer Lage (10). Die bergbauliche Inanspruchnahme der Autobahn A4 erfolgt spätestens 2017 (11). Der Planfeststellungsbeschluss für die A4neu – die ebenfalls südlich der Abbaugrenze des Tagebaus Hambach verläuft (12) – wurde im Herbst 2007 erteilt. Der Baubeginn der zuvor genannten Maßnahmen als gebündeltes Verkehrsband an der südlichen Abbaugrenze des Tagebaus hat Anfang 2008 begonnen.
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 2.8.2-11 Infrastrukturprojekte
Zur Erlangung des Baurechts wurden umfangreiche Planungen mit Variantenuntersuchungen unter wirtschaftlichen, technischen und umweltfachlichen Gesichtspunkten durchgeführt. Die genehmigte Planung gewährleistet einen den besonderen Anforderungen gerecht werdenden Bau- und Betriebsablauf sowie eine hohe Versorgungssicherheit der Kraftwerke und Fabriken mit Braunkohle aus dem Tagebau Hambach.
Umsiedlungs- und Verlegemaßnahmen – Umsiedlungen Das Abbaugebiet des Tagebaus Hambach ist verhältnismäßig gering besiedelt. Im Rheinischen Braunkohlerevier lebten im Jahr des Aufschlusses (1978) etwa 418 Einwohner je km². Im Abbaufeld des Tagebaus Hambach lebten „nur“ etwa 60 Einwohner je km². Im Rahmen der bergbaulichen Inanspruchnahme des Abbaufeldes des Tagebaus Hambach müssen bzw. mussten insgesamt vier Ortschaften umgesiedelt werden. Ab 1980 wurde im Zuge der Flächeninanspruchnahme als erstes die Ortschaft Lich-Steinstraß umgesiedelt. Die Bewohner sprachen sich mehrheitlich
für einen Neuanfang im „Möhnewinkel“ am Rand der Stadt Jülich aus (Abb. 2.8.2-12). Im Mai 1980 errichtete der erste Umsiedler sein neues Einfamilienhaus. Im Jahr 1981 folgte der erste Umzug nach Neu-LichSteinstraß. Die Umsiedlung wurde sieben Jahre später abgeschlossen. Von Lich-Steinstraß wurden insgesamt rd. 1470 Bewohner umgesiedelt. 1989 begann mit der ersten Bürgerbefragung die Umsiedlung der Ortsteile Gesolei und Etzweiler der Gemeinde Elsdorf. Rund 1330 Umsiedler wohnten in diesen beiden Ortsteilen. Die meisten Umsiedler entschieden sich für den von der Gemeinde Elsdorf vorgeschlagenen Standort nördlich des Ortsteils Angelsdorf (Neu-Etzweiler). Für die Erschließung des neuen Standortes – ein etwa 20 ha großes Gebiet – erfolgte der erste Spatenstich im Juni 1994. Im August 2001 wurde die Umsiedlung offiziell abgeschlossen. Im Zuge der weiteren Entwicklung des Tagebaus Hambach stehen zur Umsiedlung die Orte Manheim und Morschenich (Beginn bergbauliche Inanspruchnahme Manheim ab dem Jahr 2022 sowie Morschenich ab dem Jahr 2024) an. Die Umsiedlungspraxis der Vergangenheit zeigt, dass Umsiedlungen sozialverträglich gestaltbar sind. Dabei stellt jede Umsiedlung für alle Beteiligten einen
Lars Kulik, Oliver Röggener
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.. Abb. 2.8.2-12 Umsiedlungsort LichSteinstraß/„Möhnewinkel”
Lernprozess dar, dessen Erkenntnisse jeweils in das Konzept der Umsiedlung integriert werden müssen. Die Erkenntnisse bilden die Basis zur ständigen Weiterentwicklung des Konzepts. Im Vordergrund steht künftig die Weiterentwicklung der städtebaulichen Qualität unter intensiver Einbindung der Bürger. Von zentraler Bedeutung ist der Ausbau und Erhalt der Akzeptanz bei den beteiligten Gemeinden und Bürgern.
2.8.2.8 Immissionsschutz Die Gewinnung von Braunkohle bringt auch Umweltbelastungen mit sich. Dazu gehören sicherlich auch die Immissionen von Staub und Lärm. Um das Thema Staub aus dem Tagebau entstehen emotionale Diskussionen, wobei sehr häufig sich die Grenzen zwischen wissenschaftlich belegten Fakten und politisch motivierten Aussagen verwischen. Die Verantwortlichen in den Tagebauen von RWE Power sind deshalb bestrebt, durch technische und organisatorische Maßnahmen die Entstehung von Staub und Lärm zu verhindern bzw. zu vermindern. Eine Vielzahl von Maßnahmen gegen Grob- und Feinstaub (Abb. 2.8.2-13) werden von Seiten RWE Power in allen Tagebauen eingesetzt. So wurde, beispielsweise für den Tagebau Hambach, obwohl er nur zu 25% zur Feinstaubbelastung im Umfeld beiträgt, ein umfassendes Maßnahmenpaket un-
ter Einbindung von zwei Hochschulen entwickelt und umgesetzt. Hierzu zählen auch technische Innovationen wie die Gurtintensivreinigung und Feinstnebelkanonen im Bereich der Förderanlagen und des Kohlebunkers. Die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen wird fortlaufend durch ein wissenschaftlich begleitetes Untersuchungsprogramm nachgewiesen. Die Untersuchungsergebnisse bilden die Basis für eine aktive Weiterentwicklung der technischen und organisatorischen Konzepte. Mit gleichem Engagement werden im Tagebau Hambach Immissionsschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit Lärm durchgeführt. So werden zur Lärmbekämpfung die Antriebe von Baggern, Absetzern und Bandanlagen geräuschedämmend gekapselt. Des Weiteren laufen die Bänder über lärmarme Tragrollen. Darüber hinaus schützen Immissionsschutzdämme und -wände die am Tagebaurand liegenden Orte vor Lärm.
2.8.2.9 Zusammenfassung und Ausblick Mit seiner erschlossenen Lagerstätte und einem noch anstehenden Kohlevorrat von rd. 1,8 Mrd. t ist der Tagebau Hambach ein wichtiger Eckpfeiler zur langfristigen Kapazitätserhaltung der Braunkohlenförerung im Rheinland.
178
Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 2.8.2-13 Immissionsschutz im Tgb. Hambach
Darüber hinaus leistet der Tagebau Hambach – gestützt auf den wettbewerbsfähigen Kraftwerkspark des Unternehmens – einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen und Deutschlands. Im Bereich der Rekultivierung wurden die unterschiedlichen Anforderungen an die forstliche Nutzung, den Biotop- und Artenschutz, aber auch die Freizeitnutzung in Einklang gebracht und gleichzeitig der ökologische Ausgleich für die bergbauliche Flächeninanspruchnahme geschaffen. Auf Basis einer engen Zusammenarbeit mit allen Beteiligten stellen sich die für die Planung, Rekultivierung und Umsiedlung Verantwortlichen – im Sinne eines ständigen Lernprozesses – den wandelnden Ansprüchen und Rahmenbedingungen. Gleiches gilt für die Maßnahmen, um die aus Lärm und Staub resultierenden Immissionen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Gerade das jüngste Thema Feinstaub hat gezeigt, dass es – gestützt auf bewährte Methoden – nötig ist, auch neue technische Wege im Immissionsschutz zu beschreiten. Am Tagebau Hambach wird deutlich, dass ein leistungsfähiger Tagebau mit mehr als 40 Mio. t Kohleund 270 Mio. m³ Abraumförderung auch im Bereich dichter Besiedlung verantwortbar und wirtschaftlich umsetzbar ist.
Literatur Floss, G.; Dr. Gärtner, D.: Einsatz von CAD-Anlagen für die Bergbauplanung im Braunkohlentagebau Garzweiler, Braunkohle, Heft 11, 1994, Seite 10ff Dr. Gärtner, D.; Guder, W.: 25 Jahre Tagebau Hambach – Von der Projektplanung zu einem leistungsstarken und umweltverträglichen Braunkohlentagebau, bergbau, Heft 9, September 2003, Seite 389ff Guder, W.; Hempel, R.-J. : SABAS, QUABUS, GeoMoS&Co, Beispiele zur Optimierung der Tagebauprozesssteuerung durch Nutzung von GPS und motorisierten Totalstationen, Wissenschaftliche Schriftenreihe im Markscheidewesen, Heft 20, Seite 163ff Hempel, R.-J.: Planung SATAMA- Baustein eines prozessorientierten Tagebaus, Seminar GPS-Anwendungen, November 1999 Hempel, R.-J.; Dr. Kulik, L: Planung und Steuerung des Tagebaus Hambach, bergbau, Heft 9, September 2003, Seite 407ff Dr. Henning, D.; Dr. Müllensiefen, K.: Herstellung von Flächen für die forstwirtschaftliche Rekultivierung, dargestellt am Beispiel der Außenkippe Sophienhöhe des Tagebaus Hambach Braunkohle 12/1990, Seite 11ff Köther, M.; Stemann, H.: Verlegung der Hambachbahn – Verkehrswegeplanung im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Umweltanforderungen, World of Mining – Surface&Underground 58 (2006) No.1, S. 41ff Krug, M.: Angewandte Planungsmethoden beim Aufschluss des Tagebaus Hambach, Braunkohle, Heft 4. April 1980, Seite 71ff Krug, M., C. Höing: Rechnergestützte Förderflussplanung im Braunkohletagebau Hambach, Braunkohle, Heft 7, 1991, Seite 2ff
Lars Kulik, Oliver Röggener
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Lögters, C.; Mayers-Beecks, E.; Oppenberg, H.: Umsiedlungen im Blickwinkel der Deutschen Braunkohlenindustrie, Braunkohle – Surface Mining 51 (1999), Heft 3, Seite 351ff Schulz, W.; Dr. Kulik, L.: Organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung eines qualitäts- und leistungsorientierten Großgeräteeinsatzes im Tagebau Hambach, Vortrag zur Sitzung des DEBRIV-Ausschusses Betriebstechnik Tagebaue, 1999
180
2.8.3
Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
Spezifische Abbaubedingungen im Mitteldeutschen Revier und deren technologische Beherrschung
Berthold Hofmann 2.8.3.1 Das Revier Das Mitteldeutsche Braunkohlenrevier umfasst das Gebiet, dessen Zentrum unmittelbar mit den Ortsnamen Leipzig, Halle und Bitterfeld verbunden ist. Die Ähnlichkeit der Braunkohlenbildung sowie deren Ablagerungsbedingungen und die sich daraus ableitenden technisch-technologischen Lösungen schließen jedoch auch die Lagerstätten südlich und westlich Magdeburgs bedingt ein. Die Ablagerung der mitteldeutschen Braunkohlen erfolgte im frühen Tertiär und war im Wesentlichen mit dem Oligozän abgeschlossen. Die industrielle Nutzung der Lagerstätten begann in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Tief- und Tagebauverfahren. Mit dem zunehmendem Bedarf an Braunkohle und der fortschreitenden Mechanisierung des Tagebaubetriebes wuchs die Anzahl der betriebenen Bergwerke in diesem Förderraum auf über zwanzig an, aus denen noch 1989 rund 110 Millionen Tonnen Rohkohle gefördert wurden. Heute wird im unmittelbaren Mitteldeutschen Revier noch aus drei Tagebauen, die teilweise einen Verbund ehemals eigenständiger Betriebsteile darstellen, Rohkohle mit einer jährlichen Förderrate von etwa 21 Millionen Tonnen gewonnen. Der Anteil der beiden Tagebaue der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG), auf denen die nachfolgenden Erfahrungen und technologischen Lösungsansätze überwiegend aufbauen, beträgt rund 20 Millionen Tonnen.
2.8.3.2 Lagerstättenbedingungen der Hauptförderstätten In den aufgeschlossenen Lagerstätten der Tagebaue Profen und Vereinigtes Schleenhain sind die bis zu 120 m mächtige Tertiärfolgen von etwa 20 m mächtigen quartären Sedimenten überlagert. Der jüngste Teil des prätertiären Untergrundes wird von Ablagerungen des Zechsteins gebildet, aus denen Anhydrit über größere Bereiche ausgewaschen wurde und nur
noch als Einsturzgebirge vorliegt. Darüber stehen in der tertiären Schichtenfolge vier Braunkohlenflöze an: Das Sächsisch-Thüringisches Unterflöz (Flöz 1), das Bornaer Hauptflöz (Flöz 23U), das Thüringer Hauptflöz (Flöz 23O) und das Böhlener Oberflöz (Flöz 4). Die Flöze werden größtenteils von Hangend- und Liegendtonen begleitet und sind in sechs, zum Teil weiter untergliederte, tertiäre Grundwasserleiter, die bis 20 m mächtig werden können, eingebettet. Lokal sind die Mittel zwischen den Flözen durch stoffliche Umlagerungen verhärtet. Das quartäre Deckgebirge beinhaltet pleistozäne sowie glaziale Schotter, Geschiebemergel und Bändertone. Sporadisch treten Schmelzwassersande auf. Löß der Weichselkaltzeit ist über große Flächen verbreitet, in Flussauen sind Auekiese und Auelehme abgelagert. Die Ablagerungsbedingungen sind exemplarisch am Normalprofil des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain dargestellt. Die Ablagerungen des Flözes 1 sind sehr stark von Auslaugungsvorgängen im Untergrund beeinflusst, die zu Kessel- und Muldenbildungen führten. Deshalb besteht das Flöz entweder aus einem zwei bis fünf Meter mächtigen, ungegliederten Flöz oder ist, bedingt durch die Auslaugungsvorgänge, in mehrere Flözbänke untergliedert. Dort erreicht es Mächtigkeiten von bis zu 50 Meter. Die Hauptflöze sind jeweils als relativ homogene Flözkörper mit Mächtigkeiten von 10 bis 25 Meter ausgebildet, die durch postgenetische Subrosionsvorgänge in Mulden abgesenkt, zum Teil durch Flusssande erodiert, durch glaziale Prozesse aufgepresst oder durch geringmächtige Mittel aufgespaltet sein können. Flöz 4 ist in den heute betriebenen Tagebauen nur sporadisch ausgebildet und wird bis fünf Meter mächtig. Die ingenieurgeologische Bewertung der Lagerungsverhältnisse weist für die durch Kessel- und Lochbildungen geprägten Lagerstätten aus, dass alle Schichten verminderter Scherfestigkeit als vorgegebene Gleitflächen zu betrachten sind. Das heißt, die bindigen Hangend- und Liegendbegleiter der Flöze zählen ebenso dazu wie die in den Kesselbereichen verbreiteten bindigen Mittel. Im Ergebnis von Bewegungsvorgängen entstandene Harnische, insbesondere unter dem Liegenden der Flöze, und quartäre Bändertone vervollständigen das Spektrum. Die Sande verschiedener Grundwasserleiterkomplexe enthalten bereichsweise Varietäten, die wegen ihrer hohen Gleichförmigkeit geringe Festigkeiten aufweisen und in steilen Hochschnittböschungen versagen können.
Berthold Hofmann
181
.. Abb. 2.8.3-1 Tagebau Vereinigtes Schleenhain, Normalprofil
Die tertiären Sande in den Deckgebirgen der Tagebaue sind im Allgemeinen als setzungsfließempfindlich einzustufen, weshalb hinsichtlich möglicher Setzungsfließgefahr besonderes Augenmerk auf die Kippen zu richten ist. Eine Vielzahl vorgegebener Gleitflächen in den freilegenden Schnitten lassen nur geringe Abtragsmächtigkeiten bei flachen Böschungswinkeln zu, vergleichsweise geringmächtige Kohleflöze begrenzen die Größe der Gewinnungsgeräte des Grubenbetriebes und nicht zuletzt erfordern räumlich eng begrenzte Kessellagen vom regulären Strossenbetrieb losgelöste technologische Konzepte zur Gewinnung ebenso wie zur Verkippung. Unter diesen vorliegenden Bedingungen bilden somit bodenmechanische und technische Grenzen das Korsett für den Tagebaubetrieb. Diese Randbedingungen bilden andererseits den Spannungsbogen, der als intelligente, technologische Lösung das Bindeglied zwischen wirtschaftlichem Tagebaubetrieb, Rohstoffbereitstellung sowie Sicherheit von Anlagen, Mensch und Umwelt, darstellt.
2.8.3.3 Gewinnungsund Förderkonzepte, Großgeräteund Mobiltechnikeinsatz Mit der Neuausrichtung der Braunkohlenindustrie im Mitteldeutschen Raum nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden die langfristig angelegten Tagebaue, in der Ausstattung mit Gewinnungs- und Fördertechnik einschließlich der Kippen- und Haldenwirtschaft, reorganisiert. Bei dieser Umrüstung bestand die grundsätzliche Möglichkeit, diese Tagebaue entsprechend der veränderten materiell-technischen Voraussetzungen technologisch neu auszurichten. Dabei wurden klassische Technologien mit Großgeräten und kontinuierlicher Förderung gleichberechtigt mit dem Einsatz mobiler Gewinnungs- und Fördereinheiten oder die Kombination beider Systeme miteinander verglichen. Für diesen Vergleich waren die Ausgangsbedingungen zur Definition der Gewinnungskonzepte als Basis für die Umrüstung in den Förderstätten annähernd
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
gleich: Zusammenschluss von drei Abbaufeldern zu einer Betriebseinheit, Kapazitätsausrichtung auf 10 bis 12 Millionen Tonnen Rohbraunkohle je Jahr, Laufzeit rund vierzig Jahre, ungünstigstes Bilanzverhältnis etwa 4 : 1, mittlere Abbauteufe rund 100 Meter. Für die Neuausrüstung mit Großgeräten sprach die Möglichkeit, neue Maschinen, die in den auslaufenden Bergwerken des Reviers nicht mehr eingesetzt wurden, weiter zu nutzen. Der Vorteil bei der Nutzung mobiler Einheiten wurde in der Beherrschung der inhomogenen Lagerungsverhältnisse gesehen. In die Entscheidung flossen neben den berg- und geotechnischen Prämissen auch meteorologische Überlegungen über die Versorgungssicherheit in den Wintermonaten oder während Niederschlagsperioden ein. Die Entscheidung fiel zu Gunsten der kontinuierlichen Maschinentechnik für die Tagebauhauptprozesse. In der Gegenwart werden in den Tagebauen Profen und Vereinigtes Schleenhain Schaufelradbagger der Tyen SRs 2000, überwiegend für den Abraumbetrieb, SRs 1300 und SRs 700 zur Kohlen- und Mittelgewinnung sowie Eimerkettenbagger ERs 1120; ERs 710 und ERs 560 als Tiefschnittgeräte zur Kohlefreilage oder -gewinnung in Mulden- bzw. Kessellagen eingesetzt. Die so gewonnenen Massen werden direkt auf das Tagebauliegende verstürzt oder mittels Gurtbandförderern Massensammelpunkten zu- und entsprechend des Mediums abgefördert. Durch Bandabsetzer A2RsB 10000 erfolgt die Abraumverkippung, während die Kohle den zentralen Kohlemisch- und -stapelplätzen zugeführt wird. Mobile Einheiten, bestehend aus Löffelbagger, Lader, SKW und Dozer, unterstützen die Hauptprozesse im Leistungsbetrieb. Mit dieser Geräteausstattung, ergänzt durch Bandwagen (BRs), die mit zwei getrennt verschwenkbaren Auslegern von 37 bzw. 50 Metern Länge ausgerüstet sind, wird den Lagerstättenverhältnissen ebenso wie den geotechnischen Anforderungen Rechnung getragen. Durch die verhältnismäßig kleinen Bagger werden Böschungen mit kontrollierbarem Stabilitätsverhalten hergestellt, Schaufelraddurchmesser zwischen sieben und elf Metern erlauben die technologisch sinnvolle Gewinnung der anstehenden Kohleflöze. Bei der Ausrüstung von Tagebauen geht man in der Literatur üblicherweise von einer möglichst deutlichen Trennung der Abraum- und Grubenbetriebe aus, wie sie in ebenen Lagerstättenteilen praktiziert wird. Dementsprechend werden die Leistungsansätze der Betriebsteile definiert und folglich die Dimensionierung von Gewinnungs- und Förderanlagen vorgenommen. Dem stehen in den stark bewegten (Rand-)
Lagerstätten des Südraumes Leipzig Bedingungen entgegen, in denen z. B. die Mächtigkeit der Überdeckung des Hauptflözes auf verhältnismäßig engem Raum in Größenordnung mehrerer zehn Metern schwankt, während das Tagebauliegende im gleichen Betrachtungsgebiet bereits nach fünfzig Metern erreicht sein kann. Unter solchen Bedingungen kann die klassische Unterteilung der Tagebaue nicht durchgehend aufrechterhalten werden. Um die Kohlegewinnung, die bereits in oberen, sehr leistungsstarken Schnitten beginnt, und die Abraumbewegung des Grubenbetriebes, die auch im auskohlenden Schnitt noch erforderlich ist, bewerkstelligen zu können, sind die Gewinnungs-, Förder- und Abnahmesysteme für Abraum und Rohstoff leistungsmäßig und in der fördertechnischen Verknüpfung entsprechend ausgelegt. Am Beispiel des Massenflusses im Abbaufeld Schleenhain des gleichnamigen, vereinigten Tagebaus, in dem jeder zufördernden Bandanlage eine Übergabemöglichkeit auf das Kohlefernband zugeordnet wurde, ist dieses Konzept eindrucksvoll belegt. Um einerseits die Leistungsschwankungen im Kohleaufkommen, die aus der ungleichmäßigen Flözverteilung in den Schnitten resultiert, abzufangen sowie andererseits eine Homogenisierung der verschiedenen Qualitäten aus den bis zu vier Flözen hereingewonnen Kohlen zu erreichen, wurden der Rohstoffgewinnung Misch- und Stapelplätze nachgeschaltet. Neben der allgemeinen Vergleichmäßigung ist es auch möglich, durch gezielte Haldenwirtschaft unterschiedliche Kohlemischungen, dem Abnehmerprofil entsprechend, zu erzielen. Mit ihrer Lagerkapazität von bis zu vierhunderttausend Tonnen stellen diese Halden auch die Versorgung für die Abnehmer unabhängig vom momentanen Kohleaufkommen sicher. Die optimale Lagerstättennutzung ist eine wesentliche Bedingung für den wirtschaftlichen Tagebaubetrieb. Um dieses Ziel zu erreichen, sind zunächst Rohstoffverluste, die aus technologischen Einschränkungen resultieren, zu begrenzen. Zusätzlich sind zur Erweiterung des Kohlevorrates heute Bereiche, die früher bereits bergbaulich durch Alttagebaue, Tiefbaue oder Kippen überprägt wurden, in die Abbaufelder integriert. Als eine Möglichkeit zur Verminderung der Abbauverluste wird der Einsatz mobiler Gewinnungs- und Fördertechnik zur Restkohleberäumung mit Erfolg praktiziert. Dabei werden für den Mobiltechnikeinsatz Bereiche ausgewählt, in der der Großgeräteeinsatz wirtschaftlich nicht vertretbar bzw. technisch nicht realisierbar ist. Dazu zählen neben geringmächtigen
Berthold Hofmann
183
.. Abb. 2.8.3-2 Tagebau Vereinigtes Schleenhain, Bandlaufschema 2007
Flözresten auch Flözteile auf stark einfallenden Flanken oder stark mit Fremdmaterial durchsetzte Flözablagerungen, wie sie als Folge des Braunkohlentiefbaus zurückbleiben. Als Beispiele für den Abraumbetrieb sollen an dieser Stelle lediglich die Gewinnung von Tertärquarziten aus dem Gewachsenen und die Beräumung von Altkippen mit hohem Festgesteinsanteil aus früherer Quarzitverkippung genannt werden. Bei den beschriebenen Einsatzfällen erfolgt die Gewinnung mit Löffelbagger oder Lader, die Förderung übernehmen, je nach Leistungsbedarf SKW bzw. Dumper. Der Rohstoff, im beschriebenen Fall gewöhnlich Kohle, wird zunächst an zentralen Stellen im Tagebau aufgehaldet, um danach über ein Großgerät oder durch semimobile Aufgabeanlagen den Förderströmen der Bandanlagen zugeführt zu werden. Abraum wird auf separaten Mobilkippen verbracht, die im einfachen Fall Rückwärtskippen auf dem Tagebauliegenden sind, aber auch als mehrscheibige SKW-Kippen betrieben wurden. In der Folge werden verschiedene Anwendungsfälle zur Lösung technologischer Details dargestellt.
2.8.3.4 Sondertechnologien mit Großgeräten Baggerung in Stufen Die in der mitteldeutschen Braunkohlenindustrie eingesetzten Großgeräte haben bezüglich ihrer bergtechnologischen Nutzbarkeit gleichermaßen Vorzüge und Beschränkungen. Der unbestrittene Vorzug der Eimerkettenschwenkbagger ist ihr Tiefschnitt, mit dem es gelingt unabhängig von Arbeitsebenen und nur begrenzt von der Länge der Eimerkette Trennebenen unterhalb des Einsatzplanums freischneiden zu können. Der Vorteil der im Hochschnitt arbeitenden Schaufelradbagger ist deren besseren Möglichkeiten die unterschiedlichen, im Gewinnungsstoß anstehenden, Materialien zu selektieren. Um die jeweiligen Vorteile für größere Abtragsmächtigkeiten als den normalen Hoch- bzw. Tiefschnitt nutzen zu können, (für Schaufelragbagger in der Literatur der (echte) Tiefschnitt mit gedrehten Schaufeln für Geräte mit langem Schaufelradausleger genannt) wird bei Schaufelradbaggern, die mit einem Verladegerät ausgerüstet sind, die Möglichkeit der Fahrbewegung auf Zwischenebenen genutzt, die entsprechend ihrer Relation zum Bandplanum als Hochbzw. Tiefstufen bezeichnet werden und deren mögliche
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
Höhendifferenz zur Hauptebene eine gerätespezifische Größe darstellt. Weisen jedoch die eingesetzten Bagger, z. B. die in den Grubenbetrieben der Tagebaue Vereinigtes Schleenhain und Profen vorhandenen Schaufelradbagger der Typklassen SRs 1300 und SRs 700 sowie alle Eimerkettenbagger, diese Vorzüge, die komfortable technologische Möglichkeiten bieten, nicht auf, werden sie für den Fall der Stufenbaggerung mit Bandwagen gekoppelt. Die möglichen Stufenhöhen sind dabei ein Ergebnis der geometrischen Übergabebedingungen von Bagger zu Bandwagen bzw. von Bandwagen zu Gurtbandförderer. Diese werden u. a. von der Wahl der Fahrspuren der beiden Einzelgeräte bestimmt. Die Erfahrungen zeigen, dass es bei Hochstufenbaggerung vorteilhaft ist, den Bandwagen auf der Hauptebene zu belassen, bei Tiefstufen dagegen Bagger und Bandwagen gemeinsam auf der Zwischenebene zu betreiben. Die so erreichten Stufenhöhen betragen für den konkreten, in Mitteldeutschland praktizierten Geräteeinsatz bis maximal fünf Meter für Hoch- und bis sieben Meter bei Tiefstufenbaggerung. Bevor die Entscheidung zur Baggerung mit Stufe fällt, werden stets die Möglichkeiten, die ein Einsatzplanum, das nach Maßgabe der zulässigen geometrischen Vorgaben für die Großgeräte, Bagger und Bandwagen, einem Schichtverlauf, z. B. dem Flözliegenden, folgen soll, für den Betrieb ohne Stufen ausgenutzt. Erst wenn das technologische Ziel damit nicht erreichbar ist, wird die Entscheidung zur Baggerung mit Stufen getroffen, da sie stets mit Mehraufwendungen verbunden ist. Im Einzelnen sind das Rampensysteme, Wende- bzw. Durchfahrts- und Aufstellflächen, wie im Folgenden an Beispielen demonstriert.
Eimerkettenbagger in Muldenund Kessellagen Gewinnung tiefliegender Muldenteile in Verbindung mit einem oder mehreren Bandwagen (Bagger-Bandwagen-Technologie) Ziel dieser Technologie ist es, eine geologische Senkenstruktur, Mulde bzw. Kessel, von einer zuvor hergestellten Band-Arbeitsebene ohne weitere Umbauten an den Förderanlagen hereinzugewinnen, wobei eine maximale Teufe erreicht werden soll. Die in den Grubenbetrieben Mitteldeutschlands eingesetzten Eimerkettenbagger erreichen Abtragsmächtigkeiten von etwa fünfzehn Meter unter Arbeitsebene. Durch den Einsatz von maximal zwei Bandwagen auf zwei Tiefstufen wird die Abtragsteufe auf bis zu dreißig Meter unterhalb der Förderebene vergrößert. Bei der Umsetzung dieser Technologie werden folgende Gewinnungsphasen abgearbeitet: An einer Strukturflanke beginnend stellt der Bagger von der Band-Ebene „X“ eine Zwischenebene mit dem Niveau „X“ – 7 m, die so genannten BandwagenZwischenebene her. Der maximale Abstand des Bandes von der Linie des Einschneidens auf der ersten tieferen Ebene durch ist durch die Gerätelänge des Baggers und der zwei Bandwagen determiniert. In dieser Phase ist der Einsatz von Bandwagen technologisch nicht erforderlich. Im Bereich der definierten Bandstellung wird die Bandwagen-Zwischenebene so hergestellt, dass Bagger und Bandwagen über Rampen an einem Strossenende, die meist im Liegendabraum angelegt sind, auf das tiefere Niveau transportiert werden können.
.. Abb. 2.8.3-3 Tagebau Profen, Bagger im Verbund mit zwei Bandwagen
Berthold Hofmann
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.. Abb. 2.8.3-4 Bagger-Bandwagen-Technologie, Ablauf schema
.. Abb. 2.8.3-5 Gegenschwenktechnologie, Ablaufschema
Von der Einschnittlinie aus wird die Bagger-Zwischenebene mit dem Niveau „X“ – 14 m hergestellt. Da sich das Band auf der Ausgangsebene mit dem Niveau x in einer konstanten Lage befindet, ist der Einsatz der beiden Bandwagen unbedingt notwendig. Zwischen dem Niveau der Bandwagen- und der Bagger-Zwischenebene sind weitere Transportrampen, vergleichbar der ersten Stufe, herzustellen. Nunmehr kann das tiefe Ausschneiden der Senkenstruktur vom unteren Niveau aus erfolgen. Der Bagger und der erste Bandwagen arbeiten auf der BaggerZwischenebene, der zweite Bandwagen auf der Bandwagen-Zwischenebene um den Niveauunterschied zwischen Bagger-Zwischenebene und Band-Ebene zu überbrücken. Wenn der Geräteverband vor der Bandanlage seine Endstellung erreicht hat, wird das System in Hochund Tiefschnitt so abgebaggert, dass im Endstadium der Geräteverband auf den Rampensystemen zum Stehen kommt. Der Bandwageneinsatz reduziert dabei bis auf Null.
Entsprechend der Ausdehnung der Senkenstrukturen ist diese Technologie auch in mehreren Durchgängen möglich. Theoretisch ist die Einbindung weiterer Bandwagen in dieses technologische System vorstellbar, wie sie jedoch in der Praxis noch nicht erprobt wurde. Bodenmechanisch sichere Restkohlegewinnung aus Senkenstrukturen (Gegenschwenktechnologie) Die Tiefschnittbaggerung an der aufsteigenden Flanke wird gewöhnlich durch geotechnischen Einschränkungen begrenzt, um Gefährdungen im Gewinnungsprozess auszuschließen. Die nachfolgend beschriebene Technologie zur Gewinnung tiefliegender Mulden- bzw. Kesselbereiche mit anschließendem Dammrückbau vermeidet die Baggerung an der aufsteigenden Flanke. Voraussetzung für die vollständige Umsetzung der Gegenschwenktechnologie ist die abgeschlossene Ge-
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
winnung im vorlaufenden (Hoch-) Schnitt, sowie ein Fördersystem, mit dem die gesamte Struktur überrückt werden kann, sowie ausreichender Vorlauf vor den Kippen. Die Gewinnung selbst erfolgt dabei in drei wesentlichen Phasen: An einer der Flanken beginnend erfolgt der Abbau in Richtung des Strukturtiefsten, z. B. einem Muldenzentrum (1). Ist es erreicht, endet dort die erste Phase der Gewinnung, und es erfolgt in der zweiten Phase das Gegenschwenken des Abbaus von der gegenüber liegenden Flanke wiederum in Richtung des Strukturtiefsten (2). Nachdem beide Flanken freigelegt sind, verbleiben der Eimerkettenbagger und das Strossenband auf einem Damm. Die dritte Phase, die Gewinnung mit Dammrückbau, beginnt am Ende des Förderers und wird in Richtung des Drehpunktes fortgeführt. Dabei ist die ständige Bandverkürzung notwendig (3). Um die Anzahl der Umbauten zu minimieren, werden Bandwagen eingesetzt. Die Anzahl richtet sich nach der Ausdehnung des Strukturbereiches. Im unmittelbaren Drehpunktbereich kann für den sicheren Betrieb des Tiefschnittgerätes ein nach bodenmechanischen Kriterien dimensionierter Teildamm erforderlich werden, dessen Gewinnung üblicherweise im Nachgang mit mobiler Technik erfolgt (vgl. Kapitel 2.8.3.5). Die Kombination der Bagger-Bandwagen- mit der Gegenschwenk-Technologie bietet die Möglichkeit der Rohstoffgewinnung mit relativ kleinen Großgeräten aus geotechnisch anspruchsvollen, tiefen Mulden- oder Kessellagen. Dabei kann der erforderliche Anteil mobiler Gewinnung und Förderung minimiert werden. Allerdings bleibt die Massenzuordnung zur klassischen oder mobilen Technologie stets eine Ein-
zelentscheidung nach Maßgabe bodenmechanischer, bergtechnischer und bergwirtschaftlicher Kriterien.
Schaufelradbagger im auskohlenden Schnitt Baggerung unterhalb des Bandeinsatzplanums Die Tiefstufenbaggerung im auskohlenden Schnitt stellt zunächst eine technologische Möglichkeit zur Auskohlung der Lagerstätte unter Reduzierung, bestenfalls Vermeidung, der Liegendabraumgewinnung dar. Ihr Vorteil liegt in der mediengenauen Trennung der zu gewinnenden, aufgespalteten Flöze. Ihre Durchführung ist jedoch an verschiedene Voraussetzungen gebunden. Grundsätzlich muss das Großgerät, wenn die Tiefstufe dem Hochschnitt in Abbaurichtung folgen soll, hinter dem Band installiert sein, und es benötigt zur Überbrückung des Höhenunterschieds einen Bandwagen. Ist ein Wechsel zwischen den beiden Schnitten vorgesehen, ist der regelmäßige Seitenwechsel um bzw. durch den Gurtbandförderer bei der Ausrüstung der Anlage ebenso wie bei der Leistungsplanung des Großgerätes zu berücksichtigen. Als weiterer die Leistung begrenzender Aspekt ist die verminderte Stoßhöhe in die Planung einzubeziehen. Die Zwischenebene unterhalb des Bandeinsatzplanums muss den Neigungsvorgaben der eingesetzten Geräte, Bagger und Bandwagen folgen. Dadurch können die gewonnenen Massen regulär über das vorhandene System abgefördert werden. Wenn vorausgesetzt wird, dass die Arbeitsebene bereits unter der Inkaufnahme von Grenzneigungen geplant und hergestellt worden war, ist eine steilere Zwischenebene zum Erreichen des Abbauzieles nicht herstellbar. Deshalb hat
.. Abb. 2.8.3-6 Tiefstufenbaggerung im auskohlenden Schnitt bei typischer geologischer Struktur, Prinzipschema
Berthold Hofmann
sich das Einschneiden entgegen dem Gefälle der Arbeitsebene bewährt (vgl. 2.8.3-6). Dabei wird die Hauptebene an einer der Strukturgrenzen in Steigrichtung bis zur maximalen Überbrückungstiefe unterschnitten und danach parallel zur Hauptebene bis an das Ende der Struktur fortgeführt. Wird die Zwischenebene von einer Tieflage der Arbeitsebene aus entwickelt, besteht die Möglichkeit in Tiefstufen in beide Richtungen zu schneiden. Die Rückkehr auf die Arbeitsebene erfolgt über einen Niveau ausgleichenden Übergangsbereich, der stets belassen werden muss. Da die Zwischenebene ebenfalls nur den Neigungsanforderungen der Großgeräte folgen kann, wird in steilen und tiefen Strukturen das Liegende oft nicht erreicht. Um Rohstoffverlust oder unangemessene Liegendabraumgewinnung zu vermeiden, wurde im Tagebau Vereinigtes Schleenhain eine Kombination mit Mobileinheiten zur Restauskohlung eingesetzt. Ein theoretisch möglicher Einsatz mehrerer Bandwagen, vergleichbar der Bagger-Bandwagen-Technologie, auf zwei Zwischenebenen wurde zur Restauskohlung mit kleinen Schaufelradbaggern noch nicht praktiziert.
Nutzbarkeit von Horizontierungseinrichtungen bei der Tiefstufenbaggerung Die Abstimmung der eingesetzten Gewinnungs- und Förderelemente aufeinander und die angetroffenen Gewinnungsverhältnisse hat fundamentalen Einfluss auf die Umsetzbarkeit geplanter Technologien. Dabei kann bereits die permanente Annäherung an Grenzstellungen in der Planungsphase Indiz für einen in der Umsetzung überkritischen bis unlösbaren Zustand sein. Um bei der Tiefstufenbaggerung, die für die Auskohlung des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain vorgesehen war, größere Flexibilität zu erreichen, wurde ein Schaufelradbagger nachträglich mit einer Horizontierung für den Oberbau ausgerüstet, die einen Betrieb mit einer Längsneigung von zehn Prozent ermöglichen sollte. Da der Bandwagen sich während der Baggerung, abweichend vom beschriebenen Tiefstufenbetrieb, auf der gegenüber der Zwischenebene schwächer geneigten Hauptebene befinden sollte, wurde auch der Verladeausleger des Baggers so umgebaut, dass eine Massenübergabe auf den Bandwagen bis zu einer Stufentiefe von sieben Metern gegenüber der Hauptarbeitsebene möglich wurde. Obwohl die vorlaufenden, bergbaulich-konstruktiven Untersuchungen die theo-
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retische Machbarkeit nachwiesen, scheiterte die Umsetzung an den geometrischen Abhängigkeiten von Grenzwinkelstellungen von Bagger und Bandwagen in der Verbindung mit bodenmechanischen Restriktionen, die bei der Annäherung des Bandwagens an die Böschungsschulter der Tiefstufe beachtet werden mussten. Damit war weder die Massenübergabe zwischen den Geräten noch der vorgesehene AbraumDirektversturz durchführbar. Der Betrieb reduzierte sich somit auf die beschriebene, klassische Tiefstufenbaggerung, die mit dem höheren Mobilbetriebsanteil verbunden war.
Direktversturzkombinationen im auskohlenden Schnitt In einer Variante zur Neuausrüstung des Tagebaues Vereinigtes Schleenhain war für den Abbau unterhalb des Bornaer Hauptflözes der Einsatz von mobiler Technik vorgesehen. Später durchgeführte Untersuchungen wiesen betriebswirtschaftliche Vorteile der kontinuierlichen Gewinnung mit Direktversturz des Abraumes und Förderung der Kohle über eine Strossenbandanlage aus. Dafür kamen zwei Schaufelradbagger mit zugeordneten Bandwagen im regulären Hochschnitt und bei Notwendigkeit auf einer Tiefstufe zum Einsatz, dem bei Bedarf eine mobile Auskohlungseinheit folgte. Aus den beiden Großgeräteschnitten wird der Abraum direkt auf das ausgekohlte Liegende verstürzt. Zunächst stellt die Direktversturzkombination „Bagger-Bandwagen“ ein Minimum an Förderweite und betriebswirtschaftlichem Aufwand zur Abraumförderung dar. Weiterhin wirkt der Ausschluss der gegenseitigen Beeinflussung, die bei Mehrbaggerbetrieb aus dem Wechsel der Bodenarten resultiert, als Vorteil gegenüber der Strossenförderung auf einer Bandanlage. Durch diese Entkopplung von Abraum- und Kohlegewinnung und -förderung erhöht sich die zeitliche Auslastung des Gewinnungssystems. Durch den unabhängigen Betrieb der beiden Gewinnungsgeräte reduziert sich die Wahrscheinlichkeit von Leistungsund Qualitätsextremen. Vor dem Regelbetrieb des Systems steht die Freilegung des Tagebauliegenden in einem Sonderbetrieb. Die sich daran anschließenden Arbeitszyklen auf der Strosse wurden in drei Schritte (vgl. Abb. 2.8.3-7) unterteilt, wobei im ersten Schritt die letzte Bandebene im regulären Hochschnitt freigemacht wird, in einem zweiten Schritt, nach dem Überrücken der freigemachten Fläche, die Tiefstufenbaggerung erfolgt, der
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 2.8.3-7 Direktversturz im auskohlenden Schnitt, Prinzipskizze
sich die Restauskohlung mit Mobiltechnik anschließt. In den Schritten eins und zwei wird Abraum auf das Liegende direkt verstürzt und Kohle über die Strossenbandanlage abgefördert. Im dritten Schritt wird die Kohle einem der Bagger oder einer mobilen Übergabeeinheit mittels SKW zugefördert oder der Abraum auf kurzem Weg auf vorhandene Kippstellen verbracht. Für den Abraumbetrieb bedeutet das, dass mit der Ver-
kippung aus Schritt eins die Gewinnungsarbeiten der nachfolgenden Schritte nicht behindert werden dürfen und auch nach dem zweiten Schritt die mobile Auskohlung noch möglich sein muss. Deshalb geht die zu Grunde gelegte Regeltechnologie davon aus, dass beim regulären Schaufelradbaggerhochschnitt der Bandwagen auf der Kippenseite der Bandanlage steht, um die maximale Reichweite des Abwurfauslegers nutzen zu
Berthold Hofmann
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können. Wird diese Konstellation im betriebsorganisatorischen Alltag nicht realisiert, verringert sich die mit dem Bandwagen überbrückte Breite des freien Liegenden, so dass in Bereichen mit hohem Abraumanteil ein Mangel an Kippraum für die Direktversturzmassen eintritt oder die Auskohlung in den nachfolgenden Schnitte erschwert bis unmöglich gemacht wird, was Kohleverlust und/oder erheblichen Mehraufwand bedeutet (vgl. Abb. 2.8.3-8). Die Erfahrung belegt, dass der Erfolg eines Direktversturzbetriebes, der in mehreren technologischen Schritten mit mehreren Gewinnungskomplexen auf engem Raum ablaufen soll, an einen hohen technologischen Organisationsaufwand und technologische Disziplin gebunden ist. Insbesondere die Kombination verschiedener Arten bergbaulicher Leistungstechnik ist mit ihren konstruktiv bedingten Abhängigkeiten und Besonderheiten im reduzierten oder zumindest veränderten Leistungsansatz des Systems zu berücksichtigen.
Verkippung tiefer Lagerstättenteile durch Bandabsetzer Als begrenzendes Maß für die Tiefschüttung an Absetzern wirkt die Länge ihrer Abwurfausleger. Für eine grobe Bemessung der Tiefschüttung kann der Wert Auslegerlänge durch drei angesetzt werden. Beim Überkippen der vorhandenen, ausgekohlten Kesselstrukturen kann dieses Grenzmaß deutlich überschritten werden oder es werden durch steil einfallende Flanken an den geologischen Strukturen die gerätetechnischen Möglichkeiten begrenzt. Für diesen Fall sind Sondertechnologien zum Absetzereinsatz anhand bodenmechanischer Vorgaben zu entwickeln. Eine Möglichkeit, die sich bei der Überkippung von Kessel- und Muldenflanken im Schwenkbetrieb bewährt hat, ist die Schüttung von kreisförmigen Außenrippen im gefährdeten Bereich. Diese, intern als Sichelrippentechnologie bezeichnete Verfahrensweise läuft für jede Einzelrippe in zwei Phasen ab: Fahrspur herstellen, Außenrippe setzen! Das Prinzip ist in Abbildung 2.8.3-9 für einen Kippdurchgang dargestellt. Es wird ausgehend von einem abgeschlossenen Kippendurchgang aus Richtung Drehpunkt kommend an einem festgelegten, sicheren Standort mit gestrecktem Absetzer durch Schwenken des Abwurfauslegers vom Muldentiefsten aus eine kreisförmige Außenrippe gegen die vorhandenen Böschungen bis zur Höhe der Arbeitsebene aufgebaut. Erforderliche Verkippungspausen
.. Abb. 2.8.3-8 Abhängigkeit des verfügbaren, freien Liegenden von der Anordnung des Bandwagens
.. Abb. 2.8.3-9 Tagebau Vereinigtes Schleenhain, Prinzip der Sichelrippenschüttung
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
zum Porenwasserdruckabbau sind technologisch z. B. durch Reservekippräume zu überbrücken. Unter dem Schutz der entstandenen Sichelrippe kann ein zweiter, sicherer Standort, der möglichst weit vom ersten entfernt sein sollte, für die nächste Rippe eingenommen werden. Die dabei entstehenden Hohlräume zwischen Außenrippe und Altkippe werden in dieser Phase belassen, um keine zusätzliche Auflast in das System einzubringen. Reicht das Vorland für die Absetzerfahrspur in die Rippentäler hinein, wird eine Minimalverfüllung so vorgenommen, dass zwar die Fahrspur aufgefüllt ist, aber trotzdem ein möglichst großer Hohlraum zur Außenrippe verbleibt. In dem nachfolgenden Durchgang wird wiederum zuerst die Außenrippe gesetzt und danach, von Standort zu Standort fortschreitend, die Fahrspur durch die vorhandenen Rippentäler aufgefüllt. Die Standorte der Absetzer sind bei dieser Technologie fest vorzugeben, um sämtliche bodenmechanische und tagebautechnische Kriterien erfüllen zu können. Die Anwendung bei der Verkippung bodenmechanisch schwieriger Zonen bewährt sich in beiden Tagebauen der MIBRAG mbH und bestätigt dieses Konzept.
2.8.3.5 Einsatzbeispiele für Mobiltechniksysteme Vorab: Mobiltechnik und Hilfsgeräte sind sich technisch ähnlich. Allerdings unterscheiden sich die Komplexe in ihrem technologischen Einsatz und ih-
rer Leistungsfähigkeit deutlich. Ein Löffelbagger, der einen LKW belädt, ein Lader, der Massen auf einen Gurtbandförderer aufgibt, ein Dozer, der einem Großgerät Massen zuschiebt, ist, jedes für sich betrachtet, ein Hilfsbetrieb. Erst aus der Verknüpfung und leistungsmäßigen Abstimmung der Module entsteht ein System, das die Bedingungen für Mobilbetrieb erfüllt. Mobiltechnikeinsatz bedeutet stets System! Mobiltechniksysteme werden in Tagebau-Hauptprozessen eingesetzt und bestehen aus mehreren Komponenten: Den Gewinnungsgeräten, Löffelbagger, Lader oder Walzenschrämlader (Surface-Miner), der Förder-, Planier und Wegebautechnik und der Übergabeeinheit auf das Bandanlagensystem. Die Dimensionierung der Systeme ist hauptsächlich an die zugeordnete Leistung, deutlich weniger als Großgerätetechnik an geometrische Begrenzungen, gebunden. In ihrem Einsatz in Tagebauen folgen diese Systeme im Wesentlichen den üblichen Regeln der Tagebauentwicklung. Geologische Verhältnisse mit den resultierenden Abbaubedingungen, Wasserzuflüsse, die eine veränderliche Tragfähigkeit des Untergrundes hervorrufen, Länge, Neigung und Zustand der Fahrwege zu Abraum oder Kohlekippe sowie der Wartungszustand der Anlagen und Fahrzeuge stellen die Hauptkriterien der Leistungsfähigkeit der Systeme dar. Bestimmte meteorologische Extremsituationen, z. B. längere Niederschlagsperioden oder Fahrwegsvereisung, können zu Einschränkungen bis hin zur Einstellung des Betriebes führen. Die daraus resultierenden großen Schwankungen in der kontinuierlichen Rohstoffbereitstellung sind in einem geplanten Leistungsbetrieb nur durch ausrei-
.. Abb. 2.8.3-10 EASI-Miner
Berthold Hofmann
chende Pufferung im Tagebau, Kapazitätsreserven in den Anlagesystemen der Großgerätetechnik oder über die Kohlehalde kompensierbar. Mobile Systeme werden mit Kraftstoffen betrieben. Wesentliche Auswahlkriterien der einzusetzenden Technik sind Kraftstoffart und -verbrauch. Beides ist in einschlägigen Katalogen der Hersteller ausgewiesen. Die Erfahrungen aus dem Einsatz in den Braunkohlentagebauen bestätigen diese Angaben. Beim Betrieb von Mobiltechnik im Braunkohlenbergbau bildet der Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz einen besonderen Aspekt. Schlechte oder begrenzte Sichtverhältnisse, Dunkelheit, Regen oder Glätte bilden neben der relativ hohen Geschwindigkeit der Arbeitsmaschinen die Risiken der mobilen Förderung. Hohe Fahrgeschwindigkeiten verursachen erhöhte Staubemissionen, die bei Braunkohlenstaub nicht nur umweltrelevant sind, denn beispielsweise kam es während des Leistungsbetriebes Restkohlegewinnung im Tagebau Profen 2005 und 2006 zu einer Reihe von Bränden, von denen einer zum Totalverlust eines Dumpers führte. Deshalb ist es unerlässlich, für den Betrieb von mobilen Systemen stets für den speziellen Einsatzfall konkrete Verhaltensrichtlinien vorzugeben, um Schäden und Unfälle zu verhindern.
Leistungsbetrieb Kohlegewinnung mit Surface-Minern In beiden Tagebauen der MIBRAG wurden, auch durch den Einfluss der amerikanischen Eigentümer, in der Vergangenheit abgegrenzte Schnittpakete im unmittelbaren Leistungsbetrieb durch Mobiltechnikein-
.. Abb. 2.8.3-11 Tagebau Vereinigtes Schleenhain, EASI-MinerEinsatz
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heiten besetzt. Dazu kamen Walzenschrämladern der Firma Huron Manufacturing Company (EASI-Miner) zum Einsatz. Die Förderung wurde mit 70-Tonnen-SKW durchgeführt und die Übergabe auf die abfördernden Bänder erfolgte fallweise mit Hopper, Flatback-Feeder oder Großgerät. Abraum wurde auf nahegelegenen, in Lage und Form definierten Kippen unter Zuhilfenahme von Dozern verstürzt. Das Abbauprinzip des Walzenschrämladers ist der streifenweise Abbau von oben nach unten, wobei die Schnitttiefe zwischen verschiedenen Fabrikaten wechselt und üblicherweise geringer als ein Meter ist. Für den Einsatz dieser quasi-kontinuierlichen Gewinnungstechnik sind möglichst ebene, ungestörte Ablagerungsbedingungen, wie sie z. B. bei geringmächtiger Ablagerung auftreten oder in großen Kesselstrukturen hergestellt werden können, die Idealbedingungen. Kann der Einfluss von begrenzenden Faktoren, Mitteleinlagerungen oder Fahr- und Einstellhandlungen, reduziert werden, erreicht der Gewinnungskomplex effektive Leistungen bis zu 2500 Tonnen je Stunde. Der erreichte Mittelwert von etwa 800 Tonnen je Stunde weist darauf hin, dass diese optimalen Bedingungen beim praktizierten Einsatz nur teilweise erreicht wurden. Ursache waren neben Medienwechseln und Fahrspielfehlern, diese quasikontinuierlich arbeitenden Geräte benötigen, eine verhältnismäßig große SKW-Flotte, auch zu kurze Abbaubereiche, obwohl betrieblich die Mindestlänge von einhundert Metern für den EASI-Miner-Einsatz festgelegt war. Während mit dieser Technik im Tagebau Vereinigtes Schleenhain der Restauskohlungsbetrieb unter dem Schaufelrad-Tiefstufen-Schnitt bestritten wurde (vgl. Punkt 2.8.3.4), war sie im Tagebau Profen zur Gewinnung eines großen, vollständig freigelegten Kessels eingesetzt. Die große Fläche wurde zur Gliederung des Gewinnungsprozesses und Absicherung eines Qualitätsmanagements in Abbaubereiche eingeteilt, in denen nach vorgegebener Reihenfolge der Abbau nach der Tiefe vonstattenging. Die Übergabe auf das Band erfolgte zunächst über einen Hopper am Rande des Kessels, dessen Kippniveau auf der Ausgangshöhe der Gewinnung angelegt worden war. Mit zunehmender Abbauteufe wurde es erforderlich, eine stationäre Ausfahrt aus dem Gewinnungsbereich anzulegen, deren Neigung mit etwa sechs Prozent geringer als das Einfallen der Kesselflanken war, womit sich neben der erforderlichen Hubarbeit auch der Fahrweg vergrößerte und die Leistung des Komplexes zurückging. Um die Wirksamkeit des mobilen Leistungsbetriebes
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
ohne deutliche Erhöhung der Zahl der SKW zu sichern, wurde für die Weiterführung des Abbaus eine Bandanlage im Kessel installiert, auf die ein FlatbackFeeder aufgab. Mit fortschreitender Teufe konnte dieses Band verlängert und die Übergabeeinheit durch gezielte Umsetzung an gewinnungsnahe Stellen platziert werden. Beim Einsatz dieser Technik ist es nicht erforderlich, im unmittelbaren Gewinnungsbereich gesonderte Straßen anzulegen, da durch den Abbau nach der Tiefe mit jedem Durchgang eine neue Ebene hergestellt wird. Um hohe Fahrgeschwindigkeiten erreichen zu können, wurde Straßenbau in stationären Bereichen und auf den geneigten Ebenen durchgeführt. Zur Sicherung des Betriebes war das Befahren der Gewinnungsbereiche und stationären Straßen für Unbeteiligte begrenzt worden, die Absicherung des Kippbetriebes am Hopper erfolgte ampelgeregelt. Zur Staubvermeidung wurden, wie auch bei allen anderen beschriebenen Beispielen, Gewinnungs- und Fahrbereiche bei Erfordernis mit Wasser benetzt.
Restkohlegewinnung Um den Umfang des Mobiltechnikeinsatzes für die Restkohlegewinnung besser illustrieren zu können, wird im Folgenden der Aufwand im Tagebau Profen beschrieben. Hier wird seit 2004 die mobile Restkohlegewinnung in den Bereichen betrieben, in denen die Auskohlung mit Tagebaugroßgeräten einen überdurchschnittlich hohen Aufwand erfordert hätte. Um Erfahrung mit kleinerer Gewinnungs- und Fördertechnik zu erhalten, wurden diese zunächst ohne konkrete Leistungszuordnung allerdings auch ohne wirksames Ergebnis eingesetzt. Nach der Definition des tatsächlichen Bedarfs, für die Jahresscheibe 2006 etwa eine Millionen Tonnen Rohkohle und rund dreihunderttausend Kubikmeter Abraum, wurde das folgende, auf diese Anforderung abgestimmte, mobile System organisiert: Bagger 70 Tonnen, Tieflöffel 4 bis 5 Kubikmeter, Effektivleistung ca. 450 m³/h (Rohkohlegewinnung), Bagger 40 Tonnen, Tieflöffel 2 bis 2,5 Kubikmeter, Effektivleistung ca. 250 m³/h (Abraumgewinnung, Hilfsprozesse), zwei Planierraupen der Größenordnung CAT D8 (Verladung an der Übergabeeinheit zum Band/ Straßenbau, Hilfsprozesse), sechs Dumper der Größenordnung Volvo A35 bis A40,
eine Übergabeeinheit für ca. 1000 Tonnen je Stunde (versetzbare Bandbeladeeinrichtung mit Schurre – Flatback-Feeder, beschickt durch Planierraupe), ein Motorgrader (Straßenbau, -instandsetzung), ein Wasserwagen (Wegebenetzung, bedarfsweise). Der Technikkomplex wurde im beschriebenen Fall in einem Zweischichtbetrieb zu je 9 Stunden betrieben. Die geplante Leistung konnte mit jährlichen Betriebszeiten der Gewinnungsgeräte von etwa 3300 Stunden erreicht werden. Die Betriebszeit der Fördertechnik und der Dozer schwankte zwischen 2000 und 3200 Betriebsstunden; der Grader war etwa die Hälfte der Betriebszeit im Einsatz. Zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit des Mobiltechnikeinsatzes wurden für den konkreten Einsatzfall die Abhängigkeiten von Abraumanteilen der einzelnen Gewinnungsbereiche von den zurückzulegenden Fahrwegen zu den Kippstellen anhand von Grenzkosten bestimmt. Im Graphen der Abb. 2.8.3-13 ist diese Trennlinie der Wirtschaftlichkeit dargestellt. Ihr unsteter Verlauf resultiert aus der Zunahme der einzusetzenden Dumper bei zunehmendem Förderweg. Das Absinken der Effektivität eines Mobilbetriebes bei großen Förderweiten wird darin ebenfalls deutlich erkennbar. Während des Einsatzes hat sich das System als leistungsfähig, verhältnismäßig zuverlässig und sehr flexibel erwiesen. Es ist jedoch kein Ersatz, sondern in der praktizierten Betriebsgröße eine wirkungsvolle Ergänzung zum Großgerätebetrieb.
.. Abb. 2.8.3-12 Restkohlegewinnung mit Tieflöffelbagger
Berthold Hofmann
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.. Abb. 2.8.3-13 Wirtschaftlichkeit eines Systems zur Restkohlegewinnung in Abhängigkeit von Fahrweg und Abraumanteil
Mobiltechnikeinsatz bei Gewinnungsarbeiten innerhalb eines Tiefbau-Bruchfeldes An der östlichen Grenze des Abbaufeldes Schleenhain befindet sich ein ehemaliger Braunkohlentiefbau, der bis zum Ende der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts als Kammer-Pfeiler-Bruchbau auf bis zu vier Sohlen im Hauptflöz des Tagebaus betrieben wurde. Neben Aus- und Vorrichtungsstrecken reichten auch Teile des Alten Mannes in den Abbau des Tagebaus. Nach dem Passieren der Abraum-Hochschnitte wurde die verbliebene Restkohle mit dem noch zum Abraumbetrieb gehörenden Eimerkettenbagger freigelegt und sollte im Regelbetrieb mit dem Großgerät des Hauptkohleschnittes, wahlweise ein SRs 1300 oder SRs 700, gewonnen werden. Die noch ausgebauten Strecken
waren größtenteils mit auszementierter Braunkohlenfilterasche versetzt. Im Bruchfeld selbst waren nur die wenigsten Strecken vor dem zu Bruch gehen vom Streckenausbaumaterial beraubt worden. Die ursprüngliche Technologie sah nun vor, die verfüllten Strecken mit dem Schaufelradbagger freizulegen und die Beräumung mittels Tieflöffelbagger und Planierraupe vorzunehmen, um danach den beräumten Bereich regulär zu überbaggern. In der Zeit, in der Stempelholz und Verfüllmaterial mit Löffelbagger und Raupe vom Stoß auf die Arbeitsebene umgesetzt und außerhalb der Fahrspuren von Bagger und Bandwagen aufgehaldet wurde, um später mittels Dumper zur Kippstelle abtransportiert zu werden, wich das Großgerät mit Bandwagen an nahegelegenen Gewinnungsstellen aus, so dass große Leistungsausfälle vermieden werden konnten.
.. Abb. 2.8.3-14 Tagebau Vereinigtes Schleenhain, freigelegtes Streckenkreuz des Braunkohlentiefbaus Breunsdorf
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
Mit weiterem Einschneiden in das Tiefbaufeld nahm die Dichte der angetroffenen Strecken zu. Dadurch erhöhte sich der Zeitbedarf des Hilfstechnikeinsatzes so, dass die Großgerätekombination immer öfter ausweichen musste. Die Großgerätetransporte nahmen dabei soviel Zeit in Anspruch, dass die erforderliche Leistung nicht mehr erreicht wurde. Deshalb wurde das Tiefbaufeld zunächst aus der aktiven Strosse des Großgerätes herausgelöst. Da allerdings im Tiefbaufeld selbst eine erhebliche Kohlemenge erwartet wurde, die zusätzlich weitere Vorräte des Unterflözes blockierte, wurde der nachfolgend beschriebene Mobiltechnikeinsatz zur Lösung des Problems organisiert: Durch Tieflöffelbagger (PC 750, PC 450) erfolgte die sohlenweise Gewinnung des anstehenden Materials in rund sechzig Meter breiten Gewinnungsstreifen in der folgenden Reihenfolge: Freilegung der Aus- und Vorrichtungsstrecken durch den Abtrag der Kohle bis auf die Firsten der jeweiligen Sohle, Beräumung der Strecken und Abtransport von Stempelholz und Versatzmaterial zur Kippe, Lösen des Materials aus dem Bruchfeld mit Zwischenlagerung des Kohle – Holzgemisches zur weiteren Selektierung außerhalb des Gewinnungsstreifens. Unvermischte bzw. ausgesiebte Kohle wurde auf kurzen Wegen direkt von der Gewinnungsstelle bzw. vom Zwischenlager aus entweder in die bereits beräumten Gewinnungsstreifen eingebaut oder den angrenzen-
den Strossen zugefördert. Die Reste aus der Absiebung wurden auf der Kippe verbracht. Im acht Monate währenden Sonderbetrieb wurden rund eine Million Tonnen Kohle umgelagert und etwa zweihundertfünfzigtausend Tonnen Streckeninhalt verbracht. In das mobile Gewinnungs- und Aufbereitungssystem waren neben den Tieflöffelbaggern bis zu drei Lader mit 4 bis 5 m³ Schaufelinhalt, sieben Dumper/LKW (30 t) und bis zu drei Vibrationsschwingsiebe (100 t/h, 50 mm Maschenweite) integriert. Durch die Begrenzung des Sonderbetriebes auf das unmittelbare Tiefbaugebiet wurde der reguläre Großgerätebetrieb nur geringfügig beeinträchtigt.
Kohleaufhaldung zur Schaffung sofort greifbarer Kohlevorräte Stark wechselnde Lagerstättenverhältnisse in Verbindung mit speziellen Anforderungen an eine Kohle-Mischqualität können zu kapazitiven oder technisch-technologischen Engpässen führen, die die Versorgungssicherheit eines Tagebaus in Frage stellen. Sicherheit bietet in solcher Situation sofort greifbare Kohle, d.h. Kohle deren kurzfristige Gewinnung und Abförderung fast ohne Abraumbewegung und ohne zusätzliche technische Maßnahmen, Bandumbauten oder Baggertransporte möglich ist. Bietet die Lagerstätte diese Möglichkeit nicht und kann auf dem Kohlemisch- und -stapelplatz die gezielte Vorratshaltung nicht betrieben werden, sind von den üblichen Wegen
.. Abb. 2.8.3-15 Tagebau Vereinigtes Schleenhain, mobile Siebeinrichtung im Tiefbaufeld Breunsdorf
Berthold Hofmann
abweichende Lösungen zu schaffen. Eine Möglichkeit ist es, Kohle zu gewinnen und im Tagebau so aufzuhalden, dass mittels einer beliebigen Übergabeeinheit der Rohstoff zur rechten Zeit und in der notwendigen Menge zur Verfügung steht. Die Herstellung von Halden zur Zwischenlagerung von Roh- und Begleitrohstoffen ist geübte Praxis bei der Umsetzung von Großgerätetechnologien. Durch die Zwischenhalde ist es möglich, Material gezielt für vom Hauptprozess abgekoppelte Fördertechnologien bereitzustellen oder eine zeitliche Verschiebung zwischen Gewinnung und regulärem Förderprozess zu erreichen. Das mögliche Volumen der Zwischenhalde bleibt meist gering, da es an die geometrischen Gegebenheiten des Gewinnungssystems gebunden ist. Auch wird bei dieser Art der Haldenwirtschaft ist stets der Zeitfonds des Gewinnungssystems, sei es durch Doppelbewegung von Massen und/oder durch zusätzliche Einstellbewegungen, belastet. Bei dem Einsatz von mobilen Gewinnungs- und Fördersystemen in der dargestellten Form ist die Errichtung von Zwischenhalden Bestandteil der technologischen Reihe. Ihre mögliche Größe ist zunächst nur an die vorhandene Aufstandsfläche und die herstellbare Höhe gebunden. Grenzwerte werden durch die Technologie, Rückgewinnung und Übergabe auf das Hauptfördersystem, sowie die maximal mögliche Lagerzeit definiert. In der bisherigen Praxis wurden Tagebaugroßgeräte, Hopper bzw. Flatback-Feeder als Übergabeeinheiten eingesetzt. Der Einsatz der Tagebaugroßgeräte zur Haldenrückgewinnung bleibt mit den beschriebenen Zeitfondsnachteilen behaftet, obwohl durch die Halde der Rohstoffanteil an der jeweiligen Gewinnungsstelle,
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bezogen auf den Zustand im Stoß, deutlich erhöht werden kann. Werden Hopper und Flatback-Feeder, Schurrensysteme mit austragenden Bändern, die quasistationär bzw. mobil die Übergabe auf die Hauptfördersysteme bewerkstelligen, in Verbindung mit der Haldenrückgewinnung eingesetzt, entsteht ein von der Gewinnungstechnologie losgelöster Puffer, der zur Egalisierung der Rohstoffmengen oder -qualitäten genutzt werden kann. Die Haldenrückgewinnung selbst erfolgt mittels Flachbaggern. Die Kapazitätsermittlung des Systems folgt den Algorithmen für Flachbaggereinsatz im Lockergestein: Je größer der Radius einer Halde, desto größer ihre Aufnahmefähigkeit. Mit zunehmendem Schiebeweg nimmt die Rückgewinnungskapazität, das eigentliche Maß der Verfügbarkeit der Halde, deutlich ab (vgl. Abb. 2.8.3-16). Die Abhängigkeit der Leistungsfähigkeit des Haldenbetriebes von der technischen Ausrüstung, ebenfalls Abb. 2.8.3-16, verdeutlicht erneut, wie wichtig die grundlegenden Planungsansätze eines Mobiltechnikbetriebes für seinen späteren Erfolg sind. Die Entscheidung zu einem Hopper- oder FlatbackFeeder-System ist im Wesentlichen von der Möglichkeit abhängig, kurze Förderwege zwischen Gewinnung und Halde zu garantieren. Ist es aufgrund der technologischen Bedingungen erforderlich, den Haldenstandort mehrmals jährlich zu verändern, muss dem Flatback-Feeder-System von vorn herein der der Vorzug gegeben werden. Findet jedoch ein konzentrierter Leistungsbetrieb längerfristig in einem eng begrenzten Gewinnungsbereich statt, kann nur anhand der Anschaffungs- und Betriebskosten eine Entscheidung herbeigeführt werden.
.. Abb. 2.8.3-16 Abhängigkeit der Halden rückgewinnungskapazität von Schiebeweite und technischer Ausstattung am Beispiel einer Planierraupe der Größenordnung D 10 (Quelle: CAT DOZSIM Calculation)
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
Gewinnung verfestigter Schichten (Tertiärquarzit) Neben den Findlingen des Pleistozän treten auch in den tertiären Schichtfolgen, betroffen sind Sande ebenso wie Tone oder Kohle, Verhärtungen durch Stoffumbildung, z. B. Verkieselung oder Calcitanlagerungen, auf. Verbreitung, Mächtigkeit und Härte dieses Materials ist nicht determiniert. Es reicht von sporadisch-steinig über geringmächtig und baggerfähig bis hin zu Bänken im Stoß, deren Gewinnung allein mit Bohren und Sprengen beherrscht wird. Während einzelne Steine und baggerfähiges Material nach Vorbereitung durch Aufreißen oder Vorbrechen mittels Hilfsgerätetechnik für Großgeräten gewinnbar wird, bleibt für den letzten Fall der Sonderbetrieb, der, wenn die Verhärtungen in oder zwischen Schnitten auftreten, in das Abbauregime des Großgerätebetriebes eingeordnet werden muss. In diesem Sonderbetrieb werden nach der Auflockerungssprengung Löffelbagger zur Gewinnung eingesetzt. Die Förderung kann nach der Zwischenschaltung eines Brechers über vorhandene Bandanlagen erfolgen. Wird kein Brechereinsatz erwogen, wie im mitteldeutschen Raum praktiziert, verbleibt ein Haufwerk mit zum Teil erheblichen Kantenlängen, dessen Transport ausschließlich durch Gefäßfördermitteln erfolgen kann. Für den Versturz der Massen werden bei Bandförderung die Absetzer genutzt. Anderenfalls werden Kippstellen nach Möglichkeit in unmittelbarer Nähe oder in Randbereichen des offenen Tagebauraumes eingerichtet, in denen der laufende Tagebaubetrieb nicht behindert wird. Allerdings sollte vor der Verkippung die vollständige Auskohlung gesichert bzw. der Schutz verbleibender Vorräte beachtet werden. In den Vorläufertagebauen des heutigen Tagebaus Profen war im so genannten Quarzitbetrieb ein Zugbetrieb eingerichtet, dessen Kippenstandorte zwar nach den Prämissen des aktiven Bergbaus festgelegt
und über einen längeren Zeitraum genutzt worden waren, die der Maßgabe der Rohstoffsicherung jedoch nur nach der augenblicklichen Situation folgten. Diese Quarzitkippen gehören derzeit wieder zum Gewinnungsbereich des Ist-Tagebaus und mussten zur Kohlefreilage erneut bewegt werden.
Quarzitkippen-Rückgewinnung Zur Erweiterung der Vorratsbasis des Tagebaus Profen wurden auch die Restvorräte zwischen dem heutigen Tagebau und seinen Vorläufern einbezogen, an die Altkippen angrenzen und die zum Teil auch von Quarzitkippen überdeckt waren. Die Wiederaufnahme dieses Kippenmaterials mit Großgeräten war wegen der oben geschilderten Eigenschaften des Haufwerks nicht möglich. Deshalb wurde ein mobiler Gewinnungs- und Förderkomplex zusammengestellt, mit dem im Tageslichtbetrieb bis drei Millionen Kubikmeter Sonderabraum jährlich bewegt werden konnten. Für die Gewinnung wurden Löffelbagger der 80-Tonnen-Klasse bzw. Lader mit 10 bis 13 Kubikmeter Ladeschaufelvolumen eingesetzt. Die Förderung erfolgte mit SKW der 90-Tonnen-Klasse und der Einbau des Materials an der Kippstelle wurde mit Planierraupen der Größenordnung D11 bewerkstelligt. Im Regelbetrieb waren stets zwei Gewinnungsstellen und zwei Kippstellen besetzt, um gegenseitige Beeinflussungen in der Förderung zu vermeiden. Bei den einem Steinbruchbetrieb vergleichbaren Verhältnissen konnten gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Tieflöffelbaggern gesammelt werden. Obwohl die Abtragstiefe durch geotechnischen Vorgaben auf etwa drei Meter beschränkt war, wurden dem Hochschnitt vergleichbare Ergebnisse bei verbesserten Ladebedingungen, Trennung von Bagger- und Ladeebene und erhöhter Betriebssicherheit durch die Vermeidung von Steinfällen erzielt.
.. Abb. 2.8.3-17 Tagebau Profen, QuarzitkippenRückgewinnung
Wolfgang Müller, Claudia Schumacher
2.8.4
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Begleitende Bereitstellung von natürlichen Sekundärrohstoffen
lenplänen ist auch das Mitgewinnen der Sande und Kiese in Form eines Bündelungsgebots geregelt.
Wolfgang Müller, Claudia Schumacher
Regionalpläne/Gebietsentwicklungspläne
2.8.4.1 Landesplanung und Raumordnung An das Land und seine Ressourcen werden unterschiedliche Ansprüche gestellt. Die zum Teil konkurrierenden Nutzungsmöglichkeiten müssen vom Gesetzgeber und den ausführenden Organen auf Grundlage verschiedener Gesetze, Programme und Pläne gegeneinander abgewogen werden. Die natürlichen Lebensgrundlagen sind dabei zu schützen. Für die sparsame und schonende Inanspruchnahme der Naturgüter ist zu sorgen.
Landesplanung Ein Ziel der Landesplanung ist die Vorsorge für raumbedeutsame Anforderungen wie die Lagerstättensicherung über die nächsten 10 Jahre hinaus. Naturgüter wie Rohstofflagerstätten sind begrenzt, standortgebunden und unvermehrbar. Sie sollen sparsam und schonend in Anspruch genommen werden, indem möglichst alle Minerale einer Lagerstätte gewonnen und verwertet werden. Dies wird als „Gebündelte Gewinnung von Bodenschätzen“ bezeichnet. Wirtschaftlich gewinnbare Bodenschätze sind durch die Regionalplanung zu sichern. Die Ausweisung von Kies- und Sandlagerstätten innerhalb der Landesplanung erfolgt nach Abwägung des Angebots und der voraussichtlichen Nachfrage in den nächsten 25 bzw. 50 Jahren, wobei die Nachfrage so weit wie möglich im Zuge der gebündelten Gewinnung durch die Förderung aus den Braunkohlentagebauen gedeckt wird. Die Ausweisungen von Rohstofflagerstätten außerhalb der Braunkohlentagebaue erfolgt in den Regionalplänen.
Braunkohlenpläne Braunkohlenpläne (siehe Kap. 4.1) sind Raumordnungspläne, mit denen der Abbau von Braunkohle in Tagebauen geregelt wird. Darin werden Bereiche für den Abbau von Braunkohle dargestellt. In Braunkoh-
In Regionalplänen werden mit dem Ziel, den Abbau von Bodenschätzen zu konzentrieren, Bereiche für die Sicherung und den Abbau oberflächennaher nichtenergetischer Bodenschätze (BSAB) sowie Reservegebiete zur Lagerstättensicherung dargestellt. Eine Inanspruchnahme von BSAB für andere Zwecke wird ausgeschlossenen, die ausgewiesenen Reservegebiete dürfen nur vorübergehend für andere Nutzungen in Anspruch genommen werden. Die BSAB sowie die Reservegebiete sollen den Bedarf an nichtenergetischen Bodenschätzen, wie z. B. Sand und Kies für jeweils 25 Jahre sichern, wobei an den tatsächlichen Bedarf angepasste Einzeländerungen jeder Zeit möglich sind, jedoch häufig durch bereits erfolgte Ausweisungen für konkurrierende Nutzungen erschwert werden.
2.8.4.2 Gebündelte Gewinnung von Sand und Kies Braunkohle wird über Tage gewonnen. Zuvor müssen über der Braunkohle anstehende Abraummassen gewonnen und an anderen Stellen verbracht werden. Der Abraum besteht unter anderem aus Sanden und Kiesen tertiären und quartären Ursprungs, die aufgrund ihrer Qualität und Kornzusammensetzung nur teilweise der Kiesindustrie zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden können. Der Abbau von Sand und Kies in Zusammenhang mit der Braunkohlengewinnung kann in drei Hauptgruppen gegliedert werden, die im Folgenden näher betrachtet werden.
Sonderbetrieb im unmittelbaren Vorfeld Der Sonderbetrieb zur Gewinnung von Rohkies im unmittelbaren Vorfeld der Braunkohlentagebaue erfolgt im zeitnahen Vorgriff zur Gewinnung mit Schaufelradbagger mittels Erdbaumaschinen auf Höhe des ursprünglichen Geländes nach Entfernung der oberen nicht verwertbaren Schichten. Der Rohkies wird mit Ladegeräten aufgenommen und auf LKW verladen.
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Kapitel 2.8 Betriebliche Beispiele
Der Ort der Entnahme muss kontinuierlich wechseln und dem Fortschritt des Tagebaus angepasst werden, um diesen nicht zu behindern. Die Wegeführung des LKW-Verkehrs muss ebenfalls kontinuierlich verändert werden.
Sonderbetrieb im Tagebau Der Sonderbetrieb zur Gewinnung von Rohkies im Tagebau mit Erdbaugeräten erfolgt aus dem Abbaustoß bzw. auf den Bermen der Braunkohlentagebaue. Der aufgenommene Rohkies wird auf LKW bzw. SLKW geladen und zu einem Rohkiesdepot transportiert oder auch direkt auf LKW der Kunden geladen. Aufgrund des steten Abbaufortschritts der Braunkohlentagebaue und der damit verbundenen häufigen Wechsel der Entnahme- und Aufgabestellen verbunden mit entsprechenden Wegebaumaßnahmen unterliegt ein Sonderbetrieb zum Teil starken Beschränkungen. Zudem fordert das zusätzliche Verkehrsaufkommen im Tagebau durch Fremdfahrzeuge erhöhte organisatorische und sicherheitstechnische Regelungen.
Gewinnung mit Großgeräten Die Gewinnung von Sand und Kies mittels Großgeräten, wie einem Schaufelradbagger, erfolgt in der Regel auf der ersten Sohle eines Tagebaus. Unterhalb des anstehenden Löß steht im Abraumstoß in der Regel quartärer Sand und Kies an. Dieser soll eine Mächtigkeit von 5 m möglichst nicht unterschreiten und eine Gesamtkubatur von mindestens 5.000 m³ aufweisen. Der Rohkies kann dann ohne Leistungsverlust von dem Großgerät selektiv gewonnen werden. Er wird mittels Bändern zum Absetzer transportiert, der ein
.. Abb. 2.8.4-1 Gewinnung mit Großgeräten
separates Rohkiesdepot nahe dem Tagebaurand anlegt. Dieses Depot soll eine gute Anbindung an das öffentliche Straßennetz aufweisen. Da keine nennenswerten Vorleistungen erbracht werden müssen und die Auswirkungen auf den Tagebauprozess bei optimierter Massendisposition gering sind, ist dies eine wirtschaftliche Methode der Gewinnung von natürlichen Sekundärrohstoffen.
2.8.4.3 Absatz von Sand und Kies Die Kiesindustrie verlangt eine definierte Kornverteilung und einen hohen Reinheitsgrad, so dass nur etwa 3 bis 5% der anstehenden Abraummassen aus den Tagebauen zur Versorgung der Sand- und Kiesindustrie genutzt werden können. Sande und Kiese, die qualitativ verwertbar und nicht innerbetrieblich im Tagebau benötigt werden, werden der Kiesindustrie zur Verfügung gestellt. Dies erfolgt über die drei im Folgenden beschriebenen Methoden.
Rohkiesabsatz Der Rohkies wird direkt am Rohkiesdepot auf LKW der Kunden geladen. Der Rohkies wird zuvor nicht weiter aufbereitet. Die Verladung erfolgt in der Regel mittels Kopflader mit eingebauter Wägeeinrichtung.
Siebanlagen in Braunkohlentagebauen Der Rohkies im Rheinland weist durchschnittlich ein Verhältnis von 60% Sand zu 40% Kies auf. Der Hauptabnehmer von Sand und Kies ist die Betonindustrie.
.. Abb. 2.8.4-2 Rohkiesabsatz in Braunkohlentagebauen
Wolfgang Müller, Claudia Schumacher
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.. Abb. 2.8.4-3 Siebanlagen in Braunkohlentagebauen
.. Abb. 2.8.4-4 Rohkiesaufbereitung in Braunkohlentagebauen
Diese fordert jedoch ein Verhältnis von 40% Sand zu 60% Kies. Um dieses Missverhältnis auszugleichen, wird der Rohkies aus dem Depot auf Siebanlagen aufgegeben, die in unmittelbarer Nähe zum Depot aufgestellt werden. Ohne Zuhilfenahme von Wasser wird der Sand abgesiebt. Der überschüssige Sand wird zeit- und ortsnah der Verkippung im Tagebau zugeführt. Die Verladung der abgesiebten Körnung auf die LKW der Kunden erfolgt wiederum durch Kopflader mit eingebauter Wägeeinrichtung. Durch den Ankauf von trocken abgesiebter Körnung aus den Braunkohlentagebauen erhöhen die Kunden unter anderem den Anteil an Körnung in ihren eigenen Kieswerken. Somit werden die Lebensdauer der Kieswerke verlängert und die außerhalb der Braunkohlentagebaue liegenden Lagerstätten optimiert. Eine Großsiebanlage kann bis zu 600.000 Tonnen Körnung per anno produzieren. Zur Zeit (Stand: August 2007) sind in den Braunkohlentagebauen des Rheinischen Reviers 4 Großsiebanlagen mit einer Gesamtleistung von ca. 2 Millionen Tonnen per anno im Einsatz.
Rohkiesaufbereitung Ein Teil des Rohkieses wird vom Depot per LKW bzw. SLKW oder Bandanlage bis zu einem Kieswerk am Rand des Tagebaus mit unmittelbarem Anschluss an das öffentliche Straßennetz transportiert. Im Kieswerk wird der Rohkies unter Zuhilfenahme von Wasser in normgerechte Produkte für die Betonund Bauindustrie klassiert. Der weitere Transport erfolgt wiederum durch die Verladung durch Kopflader auf die LKW der Kunden.
.. Abb. 2.8.4-5 Kieswerk in Braunkohlentagebauen
3
Betriebsmittel, Betriebstechnik und Betriebsorganisation im Tagebau Carsten Drebenstedt
Betriebsmittel sind die Werkzeuge, mit denen der Tagebaubetrieb realisiert wird. Dazu gehören die Anlagen und Geräte (Technik) für die Haupt-, Neben- und Hilfsprozesse sowie die zu ihrem Betrieb notwendigen Hilfsstoffe. Im Braunkohlentagebau gehören zu den Hauptprozessen die Gewinnung, das Fördern und das Verkippen/ Abgeben von Abraum bzw. Kohle. Wichtige Nebenprozesse, die den Hauptprozessen eigenständig vor- oder nachgelagert sind, sind die Vorfeldberäumung, die Entwässerung, der Kohletransport ab Tagebau und die Rekultivierung. Die Hilfsprozesse unterstützen die Durchführung der Haupt- und Nebenprozesse unmittelbar begleitend oder erschließend. Zu den die Produktion ständig begleitenden Hilfsprozessen gehören der Hilfsgeräteeinsatz, z. B. für Planier- und Rückarbeiten sowie die Instandhaltung. Die erschließenden Hilfsprozesse sind grundlegender Art und umfassen z. B. die für den Tagebaubetrieb notwendigen Grundleistungen wie Sicherung der Stromversorgung, Straßen- und Wegebau, Unterhaltung der Tagesanlagen sowie Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz. Die Neben- und Hilfsprozesse werden auch als Aus- und Vorrichtung bezeichnet. Die Auswahl der und die Anforderungen an die Betriebsmittel (Technik) sowie deren Arbeitsweise (Technologie) erfolgt auf der Grundlage der geologischen Verhältnisse unter Berücksichtigung der Investitionen und Kosten sowie der Erfüllung von gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere zum Umweltschutz. Damit verbindet das Kapitel 3 logisch das vorherige Kapitel Planungsgrundlagen mit dem nachfolgenden Kapitel mit den Schwerpunkten Umweltschutz und Rekultivierung. Auch in den deutschen Braunkohlenrevieren gibt es neben Gemeinsamkeiten auch lagerstätten- und genehmigungsspezifische Besonderheiten, etwa der Betrieb von Abraumförderbrücken in der Lausitz, die komplexen Massenverteiler im Bandbetrieb des Rheinlands oder die Beherrschung von Muldenstrukturen in Mitteldeutschland.
Allen deutschen Braunkohlenrevieren gemeinsam ist ein wesentlicher Beitrag zum effizienten Einsatz der kontinuierlichen Tagebautechnik unter teilweise sehr komplizierten Bedingungen, die international entsprechend hohe Anerkennung in der Marktführerschaft findet. Einblicke darüber vermitteln in diesem Kapitel vor allem auch erfahrene Führungspersönlichkeiten aus den Braunkohlenunternehmen. Aufgrund des relativ jungen Alters (Tertiär) sind die Braunkohlen überwiegend mit lockeren Sedimenten bedeckt und selbst direkt gewinnbar. Da die effektive Nutzung der Braunkohlen zudem deren Gewinnung in größeren Mengen bedarf, dominiert die kontinuierliche Tagebautechnik, in der Regel SchaufelradbaggerBandbetrieb, in der Braunkohlengewinnung Europas, die ca. 80% der Weltförderung ausmacht. Sie sichert eine hohe Leistungsdichte bei geringen Kosten und umweltfreundlicher Nutzung überwiegend elektrischer Energie. Deshalb wird der kontinuierlichen Tagebautechnik in diesem Kapitel besondere Beachtung gewidmet. Alternativ werden in den USA, Russland, der Mongolei und anderen Staaten auch Dragline, bei geringeren Teufen bis 40 m auch allein, zur kostengünstigen Abraumbeseitigung eingesetzt. Braunkohlen älterer Bildungen, wie sie international anzutreffen sind, können mit zunehmender Teufe mit verfestigten Sedimenten wie Sand- und Tonstein überdeckt sein, die, wie die Kohle, den zusätzlichen Einsatz von Sprengtechnik oder anderen Löseverfahren erfordern. Das Laden erfolgt dann überwiegend diskontinuierlich mit Seil-, Hydraulikbaggern oder Radlader entweder auf Kipper, seltener auf Zugbetrieb, oder über Vorbrecher auf Bandförderung. Entsprechend der Lagerstättenvielfalt und Randbedingungen gibt es vereinzelt auch andere technisch-technologische Lösungen, z. B. den Einsatz von Kettendozern oder Schneidradsaugbaggern zur Braunkohlengewinnung. Wie die Auswahl der Betriebsmittel variiert international auch die Betriebsorganisation. Während in
202
Kapitel 3 Betriebsmittel, Betriebstechnik und Betriebsorganisation im Tagebau
der überwiegenden Anzahl der Länder der Betriebsmitteleinsatz im Braunkohlenunternehmen selbst geplant und durchgeführt wird, setzen andere Länder, wie Australien, Thailand oder die Türkei, Subunternehmer (Contractor) ein.
Da sich das vorliegende Kapitel im Gesamtrahmen nur auf wesentliche Aussagen und auf Fallbeispiele in Deutschland konzentrieren kann, bietet die Literatur am Ende der Abschnitte dem interessierten Leser weiterführende Informationen.
3.1
Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb Carsten Drebenstedt
3.1.1
Übersicht
Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebau sind durch einen ununterbrochenen Ablauf der Prozesskette Gewinnung, Förderung und Verkippung gekennzeichnet. Durch dieses technische Konzept können insbesondere im Lockergestein sehr hohe Fördervolumen eines einzelnen Gerätes erreicht werden (bis 14.000 fest m³/h). Im Vergleich zum Einsatz diskontinuierlicher Systeme gleicher Leistung sind die Investitionskosten sind relativ hoch und die Betriebskosten relativ gering. Der Einsatz kontinuierlichen Abbausysteme kann deshalb besonders bei großen Projekten mit langer Nutzungsdauer (mehrere Jahrzehnte) wirtschaftlich vorteilhaft sein. Da in den Maschinen überwiegend Elektroantriebe eingesetzt werden, ist die Umweltbelastung, z. B. Emissionen am Einsatzort, relativ gering. Kontinuierlich arbeitende Abbausysteme ermöglichen einen hohen Grad an Automatisierung. Im Lockergestein kommen bei der kontinuierlichen Gewinnung überwiegend Mehrgefäßbagger wie Schaufelradbagger und Eimerkettenbagger zum Einsatz; bei der Gewinnung unter Wasser auch verschiedene Typen von Saugbaggern. Im Festgestein kann die kontinuierliche Gewinnung z. B. durch Fräsen (Continuous Surface Miner, CSM) erfolgen. Die kontinuierliche Förderung wird überwiegend mit Bandanlagen realisiert; beim Nassabbau auch durch Schwimmbandanlagen oder hydraulische Rohrleitungsförderung. Bei der kontinuierlichen Verkippung kommen vorwiegend leistungsstarke Bandverkippungsgeräte zum Einsatz, z. B. Bandwagen, Bandabsetzer oder Förderbrücken. In einem kontinuierlichen Abbausystem können für die drei Prozessschritte Gewinnung, Förderung und Verkippung jeweils getrennte Geräte eingesetzt werden. Typisch sind dafür Abbausysteme der Strossenförderung mit Mehrgefäßbaggern, Bandanlagen und Bandabsetzern. Eine zweite Einsatzvariante sind kontinuierliche Abbausysteme im Direktversturz. Dabei ist das Gewinnungsgerät direkt mit dem Verkippungsgerät gekoppelt. Beispiele sind Direktversturz kombinationen oder Abraumförderbrückenverbände,
die den Abraum direkt über den offenen Tagebau hinweg verkippen. Der kontinuierliche Direktversturz ist auch durch den Einsatz nur eines einzelnen Gerätes möglich, z. B. bei Schaufelrad- und Eimerkettenbaggern mit integrierten langen Auslegern. Tabelle 3.1-1 gibt einen Überblick über mögliche kontinuierliche Abbausysteme im Tagebau. Die kontinuierliche Gewinnung, Förderung und Verkippung können auch als Elemente in kombinierten diskontinuierlich-kontinuierlichen Abbausystemen eingesetzt werden. Typisch sind z. B. die kombinierte Förderung SKW-Band oder Zug-Band. In diesem Fall werden die Vorteile der Bandförderung, insbesondere das effektive Überwinden großer Steigungen und Entfernungen genutzt. Bei der Förderung von Festgestein kommen bei der Bandübergabe zusätzliche Brecher zum Einsatz, beim Nassabbau Trocknungssiebe. Neben dem Einsatz kontinuierlicher Abbausysteme im Tagebau werden diese auch beim Massenumschlag im Zusammenhang mit dem Bergbau aber auch außerhalb des Bergbaus eingesetzt. Typisch sind Erzund Kohlemisch- und -umschlagplätze.
3.1.2
Leistungsermittlung kontinuierlicher Abbausysteme
Bei Mehrgefäßbaggern wird das theoretische, effektive und Jahresfördervolumen unterschieden. Das theoretische Fördervolumen Qth ergibt sich aus dem Nennvolumen eines Grabgefäßes VN und der Anzahl der Entleerungen pro Minute n und wird aufgelockert angegeben, üblicherweise in m³/h: Qth = VN ċ n ċ
(3.1.2-1)
Die Anzahl der Entleerungen ist beim Schaufelradbagger abhängig von der Drehgeschwindigkeit des Schaufelrades und der Schaufelanzahl, beim Eimerkettenbagger von der Kettengeschwindigkeit vK und dem Eimerabstand aE. Das theoretische Fördervolumen eines Continuous Surface Miners (CSM) ist abhängig von der
204
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Tabelle 3.1-1 Überblick über mögliche kontinuierliche Abbausysteme im Tagebau Abbaubedingung
trocken
Gesteinsart
locker
fest
Elemente des Abbausystems Gewinnung
Förderung
Verkippung
Schaufelradbagger
Bandanlage
Bandabsetzer
Eimerkettenbagger
Direktversturzabsetzer, Förderbrücke
Eimerleiterbagger
ohne Zusatzgerät
Hydromonitor
Rohrleitung
Spülfeld
Continuous Surface Miner
Bandanlage
Bandabsetzer
Direktversturzabsetzer nass
locker
fest
Eimerkettenbagger landgestützt
Bandanlage
Bandabsetzer
Eimerkettenschwimmbagger, Saugbagger
Schwimmbandanlage
Bandausleger
Schneidkopf-, Schneidradsaugbagger
Rohrleitungstransport
Spülfeld
Walzenbreite В, der konstruktiv möglichen Schnitthöhe h und der Vortriebsgeschwindigkeit v und wird in fest bzw. gewachsenen m³/h angegeben: Qth = B ċ h ċ v
(3.1.2-2)
Das effektive Fördervolumen Qeff ergibt sich mittels Korrekturfaktor ηB aus Qth und wird üblicherweise in fest m³/h angegeben:
Qeff = Qth ċ η B
(3.1.2-3)
Der Baggereffekt ηB berücksichtigt dabei alle Einflüsse die komplex auf das Gerät einwirken und seine Leistung bestimmen. Dazu gehören insbesondere: geologische Einflüsse (u. a. Auflockerungsfaktor), technische Einflüsse, technologische Einflüsse, menschliche Einflüsse, Einfluss der Förderkette, meteorologische Einflüsse. Aufgrund der Spezifik der jeweiligen Geräte und Einsatzbedingungen kann der Baggereffekt nur durch betriebliche Untersuchungen ermittelt werden und ist nicht ohne weiteres übertragbar. Eine wesentliche Bedeutung für den Einsatz der Geräte besitzt deren Grabkraft. Ab einem bestimmten Schwellenwert ver-
ringert sich mit steigenden Grabwiderständen das effektive Fördervolumen. Tabelle 3.1-2 gibt unter Berücksichtigung der Einsatzbedingungen (Tabelle 3.1-3) eine Übersicht über in der Praxis ermittelte Werte für ηB für Schaufelradund Eimerkettenbagger, die als eine geeignete methodische Grundlage angesehen werden kann. Die Berücksichtigung der Wertungsstufen nach Tabelle 3.1-3 erfolgt durch Wichtung [44]. Auf die Ermittlung von ηB für Continuous Surface Miner wird in Kapitel 3.1.5 gesondert eingegangen. Neben der dargelegten Vorgehensweise bei der Ermittlung des effektiven Fördervolumens, führt die DIN 22 266 zusätzlich die Nennleistung QNenn (in fest m³/h) ein, die im Unterschied zu Qth das Nennvolumen des Grabgefäßes (hier INenn) um den Auflockerungsfaktor f und den Schaufelausnutzungsgrad ηe korrigiert, bevor über den im Betrieb zu ermittelnden Lastgrad ηL die effektive Leistung (Fördervolumen) ermittelt wird. Werden beide Berechnungsverfahren gegenüber gestellt, ergibt sich in etwa folgender Zusammenhang:
ηB �
η e ċη L f
(3.1.2-4)
Die Werte für f und ηe sind in der Norm vorgegeben. Der Auflockerungsfaktor wird in der Regel mit 1,3 be-
Carsten Drebenstedt
205
.. Tabelle 3.1-2 Übersicht über in der Praxis ermittelte Werte ηB [nach 44] Baggerbezeichnung
SRs 630
SRs 6300
Es 3750
ERs 710
Theoretisches Fördervolumen [locker m³/h] 1360
14000
6030
1400
Wertungsstufe
Anteil bindigen Bodens, % 0
40
100
LA*
0,935
0,795
0,59
LB **
0,875
0,740
0,53
LA
0,7
0,58
0,4
LB
0,65
0,53
0,35
LA
(1,75)
1,33
-
LB
-
1,22
-
LA
-
0,9
0,6
LB
-
0,75
0,5
* LA = normale Einsatzbedingungen ** LB = erschwerte Einsatzbedingungen
.. Tabelle 3.1-3 Übersicht zu den Einflüssen auf die Wertungsstufen Einflussfaktoren
Wertungsstufe LA
LB
Gesteinslagerung
nein/gering
erheblich
Schnittmächtigkeit
normal
gering
Wechsel der Schnittmächtigkeit
gering
erheblich
Anteil Tiefschnitt beim SRs
nein
erheblich
Anschnittverlust beim Es/ERs
gering
erheblich
Blockbreite
normal
gering
Grabkräfte
normal
erheblich
Selektive Gewinnung
nein
ja
rücksichtigt, der Schaufelausnutungsgrad mit 0,8 bzw. 0,85 für kleinere (< 100.000 fest m³/h) bzw. größere Schaufelradbagger und 1,3 bzw. 1,6 für Raupen- und gleisgebundene Eimerkettenbagger entsprechend. Das effektive Jahresfördevolumen Qa ergibt sich aus Qeff unter Berücksichtigung der Einsatzzeit des Gerätes für die reine Gewinnung tR. Dazu ist die Kalenderzeit tK um die Beträge der planmäßigen tP und unplanmäßigen Stillstandszeiten tS sowie die Geräteeinsatzzeit
ohne Gewinnungseinsatz tN zu vermindern. Das Verhältnis von tR zu tK wird als zeitlicher Auslastungsgrad ηT bezeichnet. Daraus folgt: Qa = Qeff ċ tR = Qeff ċ η T ċ tK
(3.1.2-5)
Bei kontinuierlichen Abbausystemen mit mehreren hintereinander geschalteten Geräten, ist das Gesamtsystem im Falle einer einfachen (Markowschen) Kette
206
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Tabelle 3.1-4 Anhaltswerte für χS [44] Geräte
χS
Bagger
0,1 – 0,2
Bandabsetzer
0,05 – 0,1
Bandanlage stationär
0,02
Bandanlage rückbar
0,03
nur so zuverlässig wie die Summe der Zuverlässigkeiten der Einzelgeräte [48]. Die Ausfallwahrscheinlichkeit der Geräte in der Förderkette kann über die Gerätestörkennziffer χS für jedes Gerät i berücksichtigt werden, was eine entsprechende Erfassung aus Auswertung der Zeitkomponenten voraussetzt (Tabelle 3.1-4): χSi =
tSi tR
(3.1.2-6)
Für die reine Betriebszeit eines einfachen Fördersystems ergibt sich dann: tR =
tK − tP − tN ( + � χSi )
(3.1.2-7)
Die Erfassung der Stör- und Betriebszeiten sollte innerbetrieblich organisiert werden [45]. Kontinuierliche Fördersysteme können häufig nicht nur aus einfachen, sondern komplizierten, verzweigten Fördersystemen bestehen, die zudem mit wählbarem Förderweg und/oder Speicherfunktionen ausgestattet sein können. Auch für diese Fördersysteme kann die Betriebswahrscheinlichkeit über die möglichen Betriebszustände ermittelt werden [48].
3.1.3
Schaufelradbagger
3.1.3.1 Konstruktion Schaufelradbagger gehören zu den kontinuierlichen Gewinnungsmaschinen. Sie werden weltweit insbesondere für die Gewinnung von Lockergestein eingesetzt, in einigen Fällen auch für härtere Gesteine, wie Steinkohle, Kalkstein und Kreide, teilweise in Verbindung mit Lockerungssprengungen. Das Wirkprinzip besteht darin, dass sich Schaufeln kontinuierlich um ein Schaufelrad herum bewegen, im vorderen unteren Viertelkreis die Böschung schneiden und im oberen Kreisab-
schnitt aus dem offenen Schaufelboden die Entleerung erfolgt. Schaufelradbagger können im Tagebau oder zum Schüttgutumschlag eingesetzt werden. Letztere werden als Haldenrückgewinnungsgeräte oder kombinierte Haldenschütt- und -rückgewinnungsgeräte im Kapitel 3.1.14 behandelt. Bedeutende Herstellerländer von Schaufelradbaggern sind neben Deutschland die Ukraine, Russland und die Tschechische Republik. Im Tagebaubetrieb werden Schaufelradbagger heute in der Regel in Transport-Abbausystemen mit Band anlagen und Bandabsetzern, seltener mit Zugbetrieb, eingesetzt. In Direktversturz-Abbausystemen werden Schaufelradbagger direkt mit Absetzern gekoppelt oder verstürzen das Gestein direkt über einen integrierten Ausleger (s. Kap. 3.1.9). In einem Einzelfall erfolgte der Einsatz eines Schaufelradbaggers mit einer Abraumförderbrücke. Schaufelradbagger können sich konstruktiv stark unterscheiden, insbesondere nach (Abb. 3.1-1): Schaufelradaufhängung, Abstützung des Verladeauslegers, Schaufelradvorschub, Schaufelradentleerung, Fahrwerk. In der Typenbezeichnung der Schaufelradbagger, für die der Großbuchstabe S steht, werden in den folgenden Buchstaben die Art des Fahrwerkes (z. B. R für Raupenfahrwerk; Schienenfahrwerk ohne Bezeichnung) und die Freiheitsgrade (z. B. s für schwenkbar, h für horizontierbar) angeben. Die folgenden Zahlen verweisen in der Regel auf den Nenninhalt der Schaufel (in l) und die Grabparameter. Details sind in der DIN 22 266 aufgeführt. Ein weit verbreiteter Gerätetyp ist z. B. der SRs 2000.
Schaufelradaufhängung, Abstützung Verladeausleger Entsprechend der Schaufelradaufhängung und der Abstützung des Verladeauslegers können drei grundsätzliche Konstruktionstypen von Schaufelradbaggern unterschieden werden (Tabelle 3.1-5): Kompakt-Schaufelradbagger (Abb. 3.1-2), einteilige Schaufelradbagger (C-Rahmen) (Abb. 3.1-3), zweiteilige Schaufelradbagger, bei denen der Verladeausleger separat abgestützt ist (Abb. 3.1-4). Bei Kompaktschaufelradbaggern wird die Vertikalbewegung des Schaufelradauslegers im Unterschied zu
Carsten Drebenstedt
207
.. Abb. 3.1-1 Bauelemente eines Schaufelradbaggers [nach 13] 1-Baggeroberbau mit Gegenausleger und Einrichtungen für das Heben, Senken und Verschieben des Schaufelradauslegers, 2-Schaufelradausleger mit Schaufelrad und Aufnahmegurtbandförderer, 3-Verladeausleger, 4-Schwenkwerke für Baggeroberbau und Verladeausleger, 5-Baggerunterbau mit Maschinenhaus sowie Mannschaftsräumen, 6-Fahrwerke, 7-Aufhängung des Schaufelrades, 8-Abstützung Verladeausleger
.. Tabelle 3.1-5 Konstruktionstypen von Schaufelradbaggern [12] Parameter Auslegerlänge, m Qeff , fest m3/h Gewicht, t
Kompakt-Schaufelradbagger
einteilige Schaufelradbagger C-Rahmen
zweiteilige Schaufelradbagger
6 – 25
20 – 60
40 – 80
100 – 3000
1500 – 4500
4000 – 14000
50 – 1500
100 – 5000
4000 – 13000
den anderen beiden Typen, bei denen dies durch eine Seilaufhängung geschieht, über einen unterhalb angebrachten Hydraulikzylinder realisiert. Der Verladeausleger wird ebenfalls über einen Hydraulikzylinder gehoben und gesenkt. Es kommt ein einfaches ZweiRaupenfahrwerk zum Einsatz. Kompaktschaufelradbagger verfügen gegenüber den anderen Typen über ein besseres Masse-Leistungs-Verhältnis, sind jedoch in ihrem Fördervolumen und in der Abtragsmächtigkeit begrenzt [49]. Einteilige Schaufelradbagger sind für die mittlere Leistungsklasse charakteristisch (Abb. 3.1-3). Um eine hohe Abtragsmächtigkeit zu erreichen, ist der Anlenkpunkt des Radauslegers relativ hoch angebracht, was eine große Bauhöhe bedingt (meist das 2,0 bis 2,5 fache der Höhe des Anlenkpunktes). Um gleichzeitig den zulässigen Neigungswinkel des Radbandes (meist zwischen 15–20°) nicht zu überschreiten, muss der Radausleger eine entsprechend große Länge aufweisen. Verladeausleger und Radausleger sind gegeneinander
unabhängig schwenkbar über Seile aufgehängt. In der Regel ist der einteilige Schaufelradbagger über drei Raupenfahrwerke abgestützt, die bei größeren Geräten als Doppelraupen ausgebildet sein können.
.. Abb. 3.1-2 Kompakt-Schaufelradbagger [7]
208
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
Die zweiteiligen Schaufelradbagger sind die leistungsfähigsten Schaufelradbagger mit einer Leistung bis zu 240.000 fest m3/d. Als Großgeräte sind sie für hohe Abtragsmächtigkeiten und Blockbreiten konzipiert. Charakteristisch ist die gesonderte Abstützung des Verladeauslegers, um die Masse des Hauptgerätes zu vermindern und die Gerätelast auf die Fahrwerke zu verteilen. Das Hauptgerät ist in der Regel auf 3 Raupenfahrwerken mit Doppel- oder 4fachRaupen abgestützt. Der Radausleger wird über Seile vertikal bewegt. Eine Besonderheit bei den größten Bauklassen ist, dass Rad- und Gegengewichtsausleger gleichzeitig vertikal zueinander bewegt werden (Abb. 3.1-4).
Vorschub Schaufelradbagger mit Vorschub haben den Vorteil, dass sie im Blockverhieb eine horizontale Scheibe ohne Verfahren des Gerätes gewinnen können. Außerdem ist die Spantiefe durch die konzentrischen Schneidkreise stets gleich und gewährleistet einen kontinuierlich hohen Massenstrom auch bei größeren Ausschwenkwinkeln. Die Blocktiefe wird durch den Vorschub bestimmt. Für den Vorschubmechanismus gibt es in der Praxis unterschiedliche Ausführungen, z. B. mit Verschiebemechanismus im Oberbau (Abb. 3.1-5) oder mit geteiltem Radausleger (tschechische Bauart). Wegen der komplizierteren Konstruktion, dem höheren Dienstgewicht und Wartungskosten werden Schaufelradbagger mit Vorschub nur noch selten eingesetzt.
.. Abb. 3.1-3 Einteiliger Schaufelradbagger mit С-Rahmen [7]
Konstruktion des Schaufelrades Abhängig von der Konstruktion des Schaufelrades, insbesondere durch die Anordnung der Antriebseinheit und des Radbandes, ergeben sich technische Randbedingungen für die Scheibeneinteilung bzw. böschungsseitige Schwenkwinkel (Abb. 3.1-6). Besondere Bedeutung kommt dem Freischnittwinkel zu, der den Mindestausschwenkwinkel in der untersten Scheibe definiert, um eine Kollision der Konstruktion mit der Böschung auszuschließen. Damit bestimmt der Freischnittwinkel auch die mögliche minimale Böschungsneigung. Durch Teilung der untersten Scheibe kann der Freischnittwinkel, ggf. unter Inkaufnahme von Leistungsverlusten, reduziert werden. Das Schaufelrad ist in der Regel leicht verschwenkt und verkippt zur horizontalen bzw. vertikalen Achse des Radauslegers angeordnet. Dies beeinflusst z. B. den Freischnittwinkel bzw. unterstützt die Entleerung der Schaufeln. Am Schaufelrad sind umlaufend Schaufeln befestigt, deren Nennvolumen das Fördervolumen des Schaufelradbaggers mit bestimmt. Die Schaufel ist ein gepresster oder geschweißter Stahlkörper, der von einer bestimmten Höhe an der Grabseite bis auf die Höhe Null an der rückseitigen Befestigung am Schaufelradkörper absinkt. Die Form der Schneidkante kann entweder rechteckig, trapezförmig oder kreisförmig sein. Der Schaufelrücken kann auch als Kettenmatte ausgebildet sein, um z. B. bindige Gesteine besser entleeren zu können (Abb. 3.1-7). Die Kettenmatte drückt im Ausschüttbereich des Schaufelrades durch ihre Eigenmasse das Fördergut aus der Schaufel und verhindert so das Zusetzen der Schaufel.
.. Abb. 3.1-4 Zweiteiliger Schaufelradbagger
Carsten Drebenstedt
209
.. Abb. 3.1-5 Schaufelradbagger mit Vorschub [5]
.. Abb. 3.1-6 Unterschiedliche Freischnittwinkel am Schaufelrad und Mindestscheibenhöhen, dfrei: Freischnittwinkel für die Höhe hi links (l) bzw. rechts (r)
210
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-8 Konstruktion eines Raupenbandes [5]
.. Abb. 3.1-7 Schaufel mit Kettenmatte
1-Bodenplatte, 2-Raupenkette, 3-Laufrolle, 4-Schwinge, 5-Raupenträger, 6-Antriebsrad, 7-Umlenkrad, 8-Spannvorrichtung, 9-Raupenantrieb, 10-Obere Tragrolle
1-Schaufel, 2-Schneidkanten, 3-Kettenboden
Um möglichst kleinstückiges Fördergut bereits beim Lösen zu erhalten, können zwischen den Schaufeln zusätzliche Schneidorgane, sog. Zwischenschneider, angebracht werden. Der Zwischenschneider kann kein Material aufnehmen, sondern das von ihnen gelöste Fördergut fällt in die nachfolgende Schaufel. Das Schaufelrad ist bei Tagebaugroßgeräten zellenlos ausgeführt, bei kleineren Geräten seltener mit Schaufelzellen, was die Entleerung erschwert und die Schüttungszahl begrenzt. Bei zellenlosen Schaufelrädern sind die Schaufeln an einem Ringträger angebracht, der ein zusätzliches Füllvolumen ausmacht. Die Entleerung des mit der Schaufel gewonnenen Fördergutes erfolgt in der Regel durch Gravitation. Das aus der zellenlosen Schaufel frei fallende Baggergut wird über eine Leitschurre auf das seitlich neben dem Schaufelrad befindliche Radband gelenkt und abgefördert. Bei Schaufelrädern mit geringen Durchmessern werden auch Konstruktionen mit Massenübergabe, z. B. mittels Drehteller eingesetzt [5]. Neben der Gravitationsentleerung wurden auch Schaufelradbagger mit Fliehkraftentleerung gebaut, die eine hohe Drehgeschwindigkeit des Schaufelrades bedingen [50].
Ausbildungsarten von Raupenfahrwerken der Grund bestandteil (Abb. 3.1-8). Die Anzahl der Einzelraupen hängt vom zulässigen Bodendruck ab. Während bei kleineren Geräten zwei Fahrwerke ausreichend sein können, werden bei größeren drei eingesetzt, die mit zunehmender Gerätemasse auf je zwei oder vier Raupenbänder erweitert werden. Zur Lenkung der Drei-Raupenfahrwerke werden verschiedene Prinzipien angewendet, z. B. eine lenkbare Frontraupe (die zwei anderen dahinter), zwei gegeneinander schwenkbare Seitenraupen (die dritte mittig gegenüber) oder alle drei Fahrwerke gegenüber dem Unterbau schwenkbar. Neben dem in Deutschland üblichen Raupenfahrwerk werden international auch Schreitwerke (tschechische Bauart, Abb. 3.1-9) und Gleisschreitwerke (russisch/ukrainische Bauart, Abb. 3.1-10) angewendet. Der Vorteil der Gleisschreitwerke besteht darin, dass eine ständige Überfahrt des Untergrundes wie
Fahrwerk Ein wesentliches konstruktives Merkmal der Schaufelradbagger ist das Fahrwerk. Das Raupenfahrwerk hat die größte Verbreitung gefunden. Die Bewegung des Gerätes erfolgt dabei durch Ketten, über die das Gerät auf Rollen verzogen wird. Das Raupenband ist für alle
.. Abb. 3.1-9 Schaufelradbagger KU-800 mit Hydraulikschreitwerken [28]
Carsten Drebenstedt
211
.. Abb. 3.1-10 Schaufelradbagger mit Gleisschreitwerk a) mit zwei Schreitwerken b) mit vier Schreitwerken [13]
beim Raupenfahrwerk vermieden wird. Die beidseitig am Unterbau angeordneten Schreitwerke des Baggers stehen während der Gewinnung des Blockes am Ort, während der Bagger auf den Gleisen, die sich auf den Schreitwerken befinden, verfahren wird. Dadurch werden bei der Bewegung deutlich weniger Teile bewegt. Des Weiteren ermöglichen Schreit- und Gleisschreitwerke eine hohe Manövrierfähigkeit, da das Gerät von seinem Standort aus durch Schwenken der Schreitwerke in beliebige Richtung verbracht werden kann. Auf der anderen Seite wirkt sich der Einsatz von Schreit- und Gleisschreitwerken auf die Gesamtkonstruktion insbesondere des Unterbaus aus, auf dem das Gerät während des Schreitens periodisch am Boden aufgesetzt wird. Dies kann zu erhöhter Gerätemasse und höherem Verschleiß führen. Schaufelradbagger mit Schreitwerk bedingen für einen effektiven Betrieb ein Schaufelrad mit Vorschub. Einige Schaufelradbagger verfügen über einen zum Unterbau horizontierbaren Oberbau, der es ermöglicht, größere Steigungen zu überwinden. Die Horizontiervorrichtungen führen zu höheren Gerätemassen und Kosten.
Förderstrom durch Umschlagen einer Klappe ablenken. Die Schurren sind schwenkbar, um den Winkel zwischen Verladeausleger und Beladegleis auszugleichen (Abb. 3.1-11). Bei zweigleisiger Beladung können die Verladschurren komplexer aufgebaut.
3.1.3.2 Abbautechnologie Blockverhieb Schaufelradbagger bauen in der Regel quer zur Abbaurichtung des Tagebaues liegende Streifen zwischen den Markscheiden im Parallelabbau oder Schwenkabbau ab. Die Streifen werden als Durchgang bezeichnet und in einer durch die Konstruktion des Baggers (z. B. Auslegerlänge) und die Technologie (z. B. Scheibeneinteilung) bedingten optimierten Breite mit der Zielfunktion eines hohen Fördervolumens hergestellt. Diese Arbeitsweise nennt sich Blockverhieb und ist durch eine um ca. 90° zur Abbaurichtung gedrehte Verhiebsrichtung gekennzeichnet (Abb. 3.1-12).
Band-/Zugverladung Die Übergabe des Förderstromes erfolgt vom Schaufelradbagger in der Regel über den Verladeausleger auf eine Bandanlage. Die Übergabe kann frei, mit oder ohne Aufgabewagen, oder fixiert erfolgen. Bei Übergabe auf Zugbetrieb sind bei der Beladung die Abstände zwischen den Wagen zu beachten, die bei kontinuierlichem Förderstrom überbrückt werden müssen, um unnötige Verschmutzungen und Verluste zu vermeiden. Dazu werden am Verladeausleger Verteilerschurren (Hosenschurren) angebracht, die den
.. Abb. 3.1-11 Verladeschurre am Schaufelradbagger zur Zugbeladung
212
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
Der Blockverhieb wird in der Regel vor Kopf durchgeführt. Unter bestimmten technologischen Zwängen, z. B. selektive Gewinnung, kann ein Seitenblockverhieb vorteilhaft sein, bei dem der Bagger neben der tagebauseitigen Böschung des Durchganges verfahren wird und so größere Strossenabschnitte scheibenweise abtragen kann. Beim Arbeiten vor Kopf kann der Bagger nur etappenweise, entsprechend seiner in der Regel durch die Auslegerlänge begrenzten Reichweite (Blocktiefe), vorfahren. Der Durchgang wird in den sich so bildenden Blöcken systematisch abgebaut. Technologische Besonderheiten sind das Einschneiden in den neuen Durchgang sowie das Freischneiden
von Antriebsstationen auf der Strosse und die Strossenendbaggerung. Schaufelradbagger werden vorrangig im Hochschnitt und auf gleicher Arbeitsebene wie das Fördermittel eingesetzt. Die Abtragshöhe des Schaufelradbaggers im Durchgang ist dabei konstruktiv begrenzt. Durch den zusätzlichen Einsatz des Gerätes auf einer höher und/ oder tiefer gelegenen Stufe sowie dem Einsatz im Tiefschnitt von der Tiefstufe aus, kann die Abtragsmächtigkeit erhöht werden, ohne den Standort der Bandanlage zu verändern (Abb. 3.1-13). Bis zu 100m Abtragsmächtigkeit sind auf diese Weise möglich. Zur Überbrückung der dabei entstehenden Entfernungen und Höhenunterschiede sind die Verladeanlagen entsprechend auszulegen bzw. Zusatzgeräte, z. B. Bandwagen, einzusetzen.
Spanfolge im Blockverhieb
.. Abb. 3.1-12 Blockverhieb mit Schaufelradbagger [13]
Die Gewinnung im Abbaublock erfolgt durch das horizontale Verschwenken des Schaufelrades über die Blockbreite. Jede einzelne Schaufel löst dabei einen Teil vom Gebirgsverband ab, den Span. Die Spanbreite b ergibt sich aus der Schwenkgeschwindigkeit am äußeren Schneidkreis des Schaufelrades vs geteilt durch die Schüttungszahl n. Die durch einen Schwenk entstehenden, nebeneinander liegenden Späne werden zu
.. Abb. 3.1-13 Einsatz eines Schaufelradbaggers in vier Teilbereichen; 1 – Hochschnitt von Hochstufe, 2 – Hochschnitt von Arbeitsebene Fördermittel, 3 – Hochschnitt von Tiefstufe, 4 – Tiefschnitt [7]
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213
einem Schnitt zusammengefasst. Die Lage der Schnitte zueinander kann horizontal (horizontaler oder Terrassenschnitt) oder seltener vertikal (vertikaler oder Fallschnitt) angeordnet sein (Abb. 3.1-14). Eine Kombination beider Schnitte ist ebenfalls möglich. Die Wahl der Schnittfolge ist z. B. abhängig von der Notwendigkeit der selektiven Gewinnung. Beim horizontalen Schnitt besitzt der Span eine vertikale Lage und die Spanform wird als Vertikalspan bezeichnet; beim Fallschnitt entstehen horizontale Spanformen. Der vertikale Span im Terrassenschnitt mit Bagger ohne Vorschub ist sichelförmig ausgebildet (Abb. 3.1-15). Die Spantiefe t und die Spanhöhe hs werden dabei nach geologischen, technischen und technologischen Randbedingungen festgelegt. Die Schnitttiefe ist durch die seitliche Schaufelmesserlänge begrenzt. Die optimale Scheibenhöhe beträgt ca. 0,5 bis 0,7 des Schaufelraddurchmessers (äußerer Schneidkreis Da). Bei einem Schaufelraddurchmesser von ca. zu 21 m können die Scheibenhöhen somit zwischen 10 und 14 m betragen. Mehrere Schnitte ergeben eine Scheibe, die ebenfalls horizontal oder vertikal zur folgenden liegen kann. Hohe Böschungen werden üblicherweise in mehrere Scheiben eingeteilt. Wird das Schaufelrad nach einem Schwenkvorgang (Schnitt) mehrmals in Verhiebsrichtung verfahren und die Höhenlage des Schaufelrades nicht verändert, entsteht der gebräuchliche Terrassenschnitt (Abb. 3.1-16). Beim Baggern ohne Vorschub ähnelt das horizontale Profil des Schnittes einer Sichel (Sichelschnitt), während beim Bagger mit Vorschub konzentrische Schnitte entstehen. Beim Fallschnitt wird das Schaufelrad nach dem Durchfahren eines Schnittes um das Maß der ge-
wünschten Schnitttiefe abgesenkt und in Verhiebsrichtung so weit zurückgefahren, das eine neue Kopfböschung mit dem festgelegten Neigungswinkel entsteht.
.. Abb. 3.1-14 Horizontaler a) und vertikaler Schnitt b), 1–8: Abfolge der Bewegung des Schaufelrades
.. Abb. 3.1-16 Terrassenschnitt a) Schema b) Fallbeispiel
.. Abb. 3.1-15 Parameter des vertikalen Spans bei Schau felradbaggern ohne Vorschub 1 – Schnittfläche des vorhergehenden Schwenkes; 2 – Schnittfläche des aktuellen Schwenkes, 3 – Achse Schaufelrad, 4 – Oberkante Scheibe, aSp – Spantiefe, bSp – Spanbreite, s– Versatz der Spanbreite
214
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-17 Schaufelradbagger im Tiefschnitt mit gedrehten Schaufeln [5]
Tiefschnitt Neben der Möglichkeit, das Planum geringfügig zu unterscheiden, können große Schaufelradbagger mit langen Schaufelradauslegern auch effektiv im Tiefschnitt arbeiten. Dies kann durch segmentweises Vorfahren (Pilgerschnitt) oder durch Rückwärtsfahrt bei Änderung der Drehrichtung des Schaufelrads und Drehung der Schaufeln am Schaufelrad erfolgen (Abb. 3.1-17). Werden die Schaufeln nicht gedreht, was bei geringen Tiefschnittbereichen angewendet wird, können die Schaufeln das Baggergut nicht optimal aufnehmen und es bleibt Material vor dem Schaufelrad liegen. Dies ist mit Leistungsverlusten verbunden. Bei der Bestimmung der Schnitttiefe ist entscheidend, dass die Unterseite des Radauslegers nicht die Böschung berührt.
mittel oder Rohstoff getrennt voneinander gewonnen werden müssen. Die selektive Gewinnung von horizontal gelagerten Schichten lässt sich im Terrassenschnitt, ggf. im Seitenblockverhieb, effektiv durchführen (Abb. 3.1-18). Bei steil stehenden Gesteinspartien kann der Fallschnitt für den selektiven Abbau vorteilhaft sein.
Schrägabbau Alternativ zum klassischen Blockverhieb kann der Schaufelradbagger auch im Schrägabbau eingesetzt werden (Abb. 3.1-19). Dabei bewältigt der Schaufelradbagger eine beliebige Abtragsmächtigkeit durch Verfahren auf einer geneigten Ebene von der Böschungs-
Selektive Gewinnung Im Bereich des abzubauenden Blockes kann es erforderlich werden, dass Abraumschichten, Zwischen
.. Abb. 3.1-18 Selektive Gewinnungmit hb – Abtragshöhe, ha – Aushaltehöhe
Schaufelrad
[5]
.. Abb. 3.1-19 Schrägabbau [13]
Carsten Drebenstedt
oberkante bis zur Böschungsunterkante. Die Schnitte werden leicht geneigt in Streifen mit Blockbreite von oben nach unten geführt. Die so entstehende geneigte Scheibe entspricht gleichzeitig einem Block. Die Scheiben werden auf der Strossenlänge seitlich nebeneinander angelegt. Da die Förderung ebenfalls über die Böschung erfolgt, können kurze Transportwege erreicht werden. Umgesetzt wurde der Schrägabbau mit Schaufelradbaggern noch nicht.
3.1.4
Eimerkettenbagger
Eimerkettenbagger gehören zu den kontinuierlichen Gewinnungsgeräten und werden überwiegend im Lockergestein eingesetzt, seltener auch im festeren Gestein. Das Wirkprinzip der Gewinnung besteht darin, dass Eimer, die an einer endlosen Kette befestigt sind, um einen festen Rahmen herum gezogen und im unteren Abschnitt des Rahmens, der auf der Böschung aufliegt, mit Gestein gefüllt werden. Das gewonnene Baggergut entleert sich im Baggeroberbau während der Umkehr der Lage der oben offenen Eimer am Antriebsturas (Abb. 3.1-20). Die Eimerkette besteht aus Schaken, jeweils abwechselnd einer Dick- und einer Dünn-/Nasenschake, die mit Kettenbolzen verbunden sind. Zwischen die Dünn- und Nasenschake, die zwei Dickschaken von außen verbinden, greift die Ecke des Antriebsturases
215
ein. Ist an der Dickschake ein Eimer befestigt, wird sie Eimerschake genannt. Die Anzahl der Schaken zwischen den Eimern wird als Schakung bezeichnet. Die Schakung ist geradzahlig, in der Regel 4- oder 6fach. Zum Verschleißschutz sind die Dick- und Eimerschaken zur Eimerleiter mit Schlepp- oder Schleifsohlen versehen. Generell gelten der verfahrenbedingte hohe Verschleiß am Graborgan und der hohe spezifische Energieverbrauch als nachteilig. Eimerkettenbagger werden im stationären Betrieb auch zum Schüttgutumschlag eingesetzt. Bedeutendes Herstellerland von großen Eimerkettenbaggern ist Deutschland wo auch die häufigsten Einsatzfälle, neben weiteren, insbesondere im Braunkohlenbergbau Europas, zu finden sind. Im Tagebaubetrieb werden Eimerkettenbagger in der Regel in Transport-Abbausystemen mit Bandanlagen und Bandabsetzern, seltener mit Zugbetrieb, eingesetzt. In Direktversturz-Abbausystemen kommen Eimerkettenbagger insbesondere in Zusammenarbeit mit Förderbrücken zum Einsatz (s. Kap. 3.1.10), seltener in Direktversturzkombinationen mit Bandabsetzern oder im Direktversturz über einen integrierten Abwurfausleger (Kap. 3.1.9). Eimerkettenbagger werden auch für den Rohstoffumschlag (Grabenbunker) eingesetzt, z. B. ältere, gleisgebundene, nichtschwenkbare Geräte. Eimerkettenbagger werden auch erfolgreich bei der Gewinnung unter Wasser eingesetzt. Neben der Gewinnung von Land aus, werden auch Schwimmeimerkettenbagger eingesetzt (s. Kap. 3.1.15). Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf landgestützte Eimerkettenbagger für den Trockenabbau. Zu den Eimerkettenbaggern kann auch der Eimerleiterbagger gezählt werden (s. Kap. 3.1.4.1).
3.1.4.1 Konstruktion
.. Abb. 3.1-20 Antrieb und Entleerung der Eimer a – Antrieb sturas, b – Baggereimer, c – Schüttschacht, d- Schake, e – Eimer rinne
Konstruktiv unterscheiden sich Eimerkettenbagger insbesondere nach der Art des Fahrwerkes und der Verladeanlage (Abb. 3.1-21). Von den Bauelementen des Eimerkettenbaggers kommt dem Graborgan eine zentrale Bedeutung zu. Es besteht aus mehreren, zueinander winkelverstellbaren Segmenten. Jedes Segment kann über eine Seilwinde gehoben und gesenkt werden. Um im Tiefschnitt das Rohstoffhangende und/oder -liegende sauber ausschneiden zu können, kann der untere Teil des Graborgans, das Tiefbaggerplanierstück, abgewinkelt werden. Bei erfahrenen Baggerfahrern be-
216
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-21 Schematische Darstellung eines Eimerkettenbaggers a) auf Raupenfahrwerk mit Säulenschwenkwerk [13] b) mit Gleitfahrwerk 1 – Baggergerüst, 2 – Eimerleiterausleger (in das Gerät einbezogen), 3 – Eimerrinne, 4 – Eimerleiter, 5 – Hochbaggerplanierstück, 6 – Tiefbaggerplanierstück, 7a – Verladebandausleger, 7b – Ringträger, 8a – Drehteller, 8b – Pendelseite, 9a – Gegenausleger, 9b – Festseite, 10 – Unterwagen, 11 – Säule
trägt die erreichbare Trennschärfe auch bei großen Geräten nur wenige cm. Für den Parallelschnitt im Hochschnitt kann der obere Teil des Graborgans, das Hochbaggerplanierstück, abgewinkelt werden. Die Eimerrinne dient dazu, die gefüllten Eimer mit dem Baggergut vom Verlassen der Böschung bis zum Antriebsturas zu führen. Die Eimerrinne kann leicht angehoben und abgesenkt werden. Die Typenbezeichnung der Eimerkettenbagger, für die der Großbuchstabe E steht, erfolgt gem. DIN 22 266 analog dem Schaufelradbagger (s. Kap. 3.1.3.1). Verbreitete Geräte sind z. B. der Es 3750 und ERs 710.
Fahrwerk/Verladung Bei Eimerkettenbaggern kommen hauptsächlich Raupen- und Gleisfahrwerke zum Einsatz. Eimerkettenbagger mit Gleisfahrwerk beladen das Fördermittel (Zug oder Band) in der Regel zwischen den Aufstandsgleisen (Portal) in der Baggermitte. Die Anzahl der notwendigen Laufräder für das Fahrwerk ergibt sich aus der Gerätemasse und der zulässigen Rad-/Achslast. Die Gerätelast wird über ein Stützdreieck auf die Hauptschwinge (Einpunktseite) und die beiden Schwingensysteme der Zweipunktseite verteilt. Stützkugeln zwischen dem Rahmen des Unterbaus und den Schwingen sowie zwischen den nachgeordneten Schwingen, sichern einen Ausgleich von Gleisunebenheiten. Als kleinstes Element des
Gleisfahrwerkes sind jeweils zwei Achsen/vier Räder als Baugruppe zu einer Vierradschwinge vereint, zwei Vierradschwingen zu einer Achtradschwinge usw. Auf diese Weise lässt sich das Schwingensystem über Verteilerschwingen bis zur notwendigen Größe aufbauen (Abb. 3.1-22). Auf fortschreitenden Strossen verlegte Gerätegleise müssen periodisch gerückt werden (s. Kap. 3.1.4.2). In Deutschland sind 13 gleisgestützte schwenkbare Eimerkettenbagger (Es) mit Bandbeladung zur Abraumgewinnung im Einsatz, 11 Stück Es 3150/3750 und ein Es 1120 im Zusammenwirken mit Abraumförderbrücken vom Typ F60 und F34 entsprechend sowie ein Es 3150/3750 im Abraum-Bandbetrieb (alle Lausitzer Braunkohlenrevier). Die Geräte vom Typ Es 3150/3750 besitzen eine Dienstmasse von ca. 5.000 t und ein effektives Fördervolumen von bis zu 8.000 fest m³/h, bei einem Jahresfördervolumen von ca. 40 Mio. m³. Die Geräte sind schwenkbar und bewältigen eine Abtragsmächtigkeit von jeweils ca. bis 25 m im Hoch- und Tiefschnitt, abhängig von der zulässigen Böschungsneigung und Länge des Graborgans. Die kleineren, schwenkbaren Eimerkettenbagger mit Raupenfahrwerk (ERs), meist in den Größen klassen mit 500, 710 oder 1120 l Eimerinhalt, verfügen über einen Verladeausleger zur seitlichen Zug-/ Bandbeladung und werden überwiegend zur Rohstoffgewinnung (Kohle) im Tiefschnitt mit Bandbetrieb eingesetzt. Zur Gewährleistung des unabhängigen Verschwenkens von Baggeroberbau und Verladeaus-
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.. Abb. 3.1-22 Schwingensystem eines Gleisfahrwerks beim Eimerkettenbagger E-Einpunkt(Pendel)stütze, Z-Zweipunkt(Fest)stütze, U-Unterbau, SEHauptschwinge, S1-16-Radschwinge (2 Schienen), S2-8-Radschwinge (2 Schienen)
leger, wurde überwiegend das Konstruktionsprinzip mit mehreren Schwenkwerken um eine mittige Baggersäule realisiert (Abb. 3.1-21). Das Raupenfahrwerk besteht analog Schaufelradbagger aus mehreren Raupenbändern, deren Größe und Anzahl sich aus der Gerätemasse und der zulässigen Bodenpressung ergibt und die auf zwei oder drei Fahrwerke verteilt werden.
Eimerleiterbagger Eine besondere Form des Eimerkettenbaggers ist der Eimerleiterbagger. Der Eimerleiterbagger verfügt über zwei nebeneinander liegenden Eimerleitern, um die lang gestreckte Schaufeln umlaufen und das gewonnene Baggergut auf ein Band übergeben, von dem es seitlich neben dem Gerät abgesetzt wird. Der Eimerleiterbagger verfährt während der streifenweisen Gewinnung auf einem Raupenfahrwerk und kommt bei der Gewinnung von Torf zum Einsatz [52].
3.1.4.2 Abbautechnologie Der Vorteil des Einsatzes von Eimerkettenbaggern besteht insbesondere im Tiefschnitt, da bei nicht standfestem und unregelmäßig ausgebildetem Rohstoffhangenden und -liegenden eine saubere Rohstofffreilage und verlustarme Gewinnung sicher möglich sind. Zudem wird durch den Tiefschnitt ein wesentlicher Teil der Hubarbeit übernommen. Technologisch nachteilig ist, dass eine selektive Gewinnung nur eingeschränkt möglich ist.
217
.. Abbilung 3.1-23 Schnittformen des Eimerkettenbaggers im Frontverhieb a) Parallelschnitt (Hochschnitt) b) Fächerschnitt (Tiefschnitt)
Frontverhieb Gleisgestützte schwenkbare Eimerkettenbagger arbeiten im Frontverhieb, d. h. der Bagger verfährt zur Gewinnung entlang der Strosse. Das Graborgan liegt dabei auf der Böschung auf und definiert die Spanlänge. Nach dem Erreichen des Wendepunktes wird das Graborgan durch Eigengewicht (nachlassen der Seilaufhängung) um die Spantiefe abgesenkt und wieder zurück gefahren. Damit stimmt die Verhiebsrichtung des Baggers mit der Abbaurichtung des Tagebaues überein (Frontverhieb). Die Spantiefe wird durch die seitliche Eimermesserlänge und die Spanbreite durch den Eimerabstand sowie die Ketten- und Fahrgeschwindigkeit bestimmt. Da im Tiefschnitt das Graborgan fächerförmig abgesenkt wird, entsteht als Schnittform der Fächerschnitt. Im Hochschnitt werden die Schnitte in der Regel parallel geführt und die Schnittform ist der Parallelschnitt (Abb. 3.1-23). Bei gegebener Spantiefe und Spanlänge erfolgt die Regulierung des Fördervolumens über die Fahrgeschwindigkeit. Bei regelbaren Kettengeschwindigkeiten (z. B. durch Direktantriebe) hat die Kettengeschwindigkeit ebenfalls Einfluss auf das Fördervolumen [37]. Bei Baggerung im Tiefschnitt mit Fächerschnitt treten in der Regel Anschnittverluste auf, da bei maximaler Fahrgeschwindigkeit des Gerätes und maximaler Spantiefe die Spanlänge im oberen Bereich der Böschung auf die Rückbreite begrenzt ist. Durch maximales Einschwenken der Eimerrinne bis an die Gleiskante kann die Spanlänge erhöht werden. Gleisgebundene Eimerkettenbagger werden üblicherweise zur Abraumgewinnung eingesetzt (Abb. 3.1-24a).
218
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
Rückarbeiten
Blockverhieb
Die Gleise werden gerückt, nachdem ein Block ausgebaggert ist. Die Blocktiefe entspricht in der Regel der Länge des Hoch- oder Tiefbaggerplanierstücks (6–10 m). Darüber hinaus könnte der Eimerkettenbagger soweit wie möglich einschwenken (Rinneneinlauf zum Gleisrost), um das Gleis zusätzlich um den Differenzbetrag zur Projektion auf die Gleissenkrechte an die Hochschnittböschung aufzurücken. Gewinnt der gleiche Bagger im Tiefschnitt, würde dies auch die Abschnittverluste verringern, jedoch ist zu berücksichtigen, dass dann die Böschungsunterkante des Tiefschnittes nicht mehr sauber ausgeschnitten werden kann. Für einen unterbrechungsfreien Betrieb wird die Strosse in der Regel in mindestens zwei Baggerblöcke geteilt, in einem wird abgebaut im anderen gerückt. Für die Rückarbeiten werden Rückraupen oder speziellen Rückmaschinen eingesetzt (s. Kap. 3.7.1).
Raupengestützte Eimerkettenbagger werden im Blockverhieb eingesetzt. Üblicherweise sind dies Geräte zur Kohlegewinnung im Tiefschnitt (Abb. 3.1-24b). Die nebeneinander liegenden Späne beim Blockverhieb werden wie beim Schaufelradbagger durch das Verschwenken des Graborgans hergestellt, wobei in der Regel die gesamte Böschungslänge gewonnen wird. Verfährt das Gerät nach jedem Schwenk, entsteht ein Parallelschnitt. Wird das Gerät bei geringeren Abtragsmächtigkeiten um einen größeren Betrag verfahren, z. B. um die Länge des Tiefbaggerplanierstückes oder zusätzlich der Eimerleiter, entsteht ein Fächerschnitt, wie oben beschrieben.
.. Abb. 3.1-25 Böschungsabflachung mit Eimerkettenbagger im Tiefschnitt, I,II,III – Lage der Baggerachse
.. Abb. 3.1-24 Eimerkettenbagger (a) im Front und (b) Blockverhieb
.. Abb. 3.1-26 Ausgehobene Eimerrinne für maximale Abtragsmächtigkeit und Selbstbekiesung
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219
Sonderbaggerungen
3.1.5
Continuous Surface Miner
Der Aufbau und die Arbeitsweise des Eimerkettenbaggers im Frontverhieb erlaubt es, flache Böschungen herzustellen, z. B. beim Auslauf des Tagebaus. Dazu werden die Rückbreiten immer weiter vergrößert und der Neigungswinkel systematisch angepasst (Abb. 3.1-25). Sollen höhere Abtragsmächtigkeiten realisiert werden, kann die Eimerrinne gegenüber der Arbeitsebene ausgehoben werden (Abb. 3.1-26). Die Praxis der ausgehobenen Eimerrinne kann auch zur Eigenbekiesung genutzt werden, wenn im oberen Böschungsbereich rolliges Material ansteht und herunter gezogen werden kann. Wurde vorher die Arbeitsebene unterschnitten, erfolgt die Auffüllung mit Unterstützung von Planierraupen. Die selektive Gewinnung mit Eimerkettenbagger ist eingeschränkt möglich. Abb. 3.1-27 zeigt die Gewinnung einer Schicht unterhalb der Arbeitsebene im Tiefschnitt, zum einen anteilige, mit gestreckter Eimerleiter und zum anderen komplett, mit abgewinkelter Eimerleiter. Im Hochschnitt kann das Schema entsprechend Abb. 3.1-26 angewendet werden.
Neben den Mehrgefäßbaggern kann zur kontinuierlichen Gewinnung im Tagebau der Prozess des Schneidens mit nichtschwenkbaren Walzen, z. B. Fräswalzen, erfolgreich zum Einsatz kommen. Dabei wird das Gestein mittels schnell rotierender Schneidwerkzeuge gelöst. Als Lösewerkzeug wird überwiegend eine mit Meißeln bestückte, quer zur Fahrtrichtung liegende Walze eingesetzt. Die auf der Walze rotierenden Meißel können bei entsprechender Andruckkraft auch härtere Gesteine (bis zu 100 MPa Druckfestigkeit) effektiv lösen. Da die fräsenden Gewinnungsmaschinen das Gestein in dünnen Schichten abtragen, werden sie auch als Continuous Surface Miner (CSM) bezeichnet und der Gruppe der Flachbagger zugeordnet. Das theoretische Fördervolumen der CSM wird mit bis zu 4.000 m³/h angegeben.
3.1.5.1 Konstruktion Konstruktiv unterscheiden sich die CSM durch die Anordnung, Führung und Gestaltung des Graborgans sowie durch die Art der Abgabe des Gewinnungsgutes.
Graborgan
.. Abb. 3.1-27 Selektiver Gewinnung mit Eimerkettenbagger, a) gestreckte, b) geknickte Eimerleiter
Bei verschiedenen Herstellern sind die Gewinnungswalzen unterschiedlich als Front-, Mittel- oder Heckwalze angeordnet. Weit verbreitet sind Mittelwalzenfräsen, bei denen sich die Gewinnungswalze in der Gerätemitte zwischen den Fahrwerken befindet. Der Vorteil besteht in der Nutzung des Gerätegewichtes zum optimalen Andruck der Walze (Abb. 3.1-28). Der technologische Nachteil (Schneiden von Randbereichen) der mittigen Walzenanordnung kann durch eine Frontwalze aufgehoben werden. Die Bauart mit Heckfräse wird ebenfalls eingesetzt (Abb. 3.1-29). Neben einer starren Walzenanordnung werden seltener Fräsen an höhenverstellbaren Auslegern eingesetzt. An Auslegerfräsen können neben horizontalen Walzen auch Fräsköpfe geführt werden (Abb. 3.1-30). Bei der Gestaltung des Graborgans von CSM können folgende Konzepte unterschieden werden: meißelbestückte Querwalzen, als Front-, Mittel-, oder Heckwalze, frontal oder seitlich angeordnete Fräsköpfe, Graborgan in Form von frontal angeordneten, nebeneinander liegenden Schaufelrädern.
220
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-28 CSM mit mittig angeordneter Schneidwalze [38]
.. Abb. 3.1-30 Auslegerfräse
.. Abb. 3.1-29 CSM a) mit Frontwalze b) mit Heckwalze
.. Abb. 3.1-31 CSM mit nebeneinander angeordneten Schaufeln
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Während die überwiegende Anzahl der CSM meißelbestückte Fräsen einsetzt, geht das Prinzip der nebeneinander liegenden Schaufelräder auf das Shatterwhite Wheel zurück (Abb. 3.1-31 ) [38]. Besondere Bedeutung kommt der Drehrichtung der Walze zu. Bei einigen Herstellern schneidet die Walze das Gestein von unten nach oben (Abb. 3.1-31). Vorteilhaft ist, dass die Meißel besser in sehr harte Gesteinschichten eingreifen können. Im Gegensatz dazu werden aber beim Austritt der Meißel oft große Gesteinsbrocken ausgehoben (Plattenbildung), wodurch unter Umständen die Gewinnung beeinträchtigt wird. Im Gegensatz dazu kann durch die Gewinnung von oben nach unten eine erhöhte Kraftübertragung und eine gleichmäßigere Kornverteilung erreicht werden. Die Drehrichtung hat neben der Stückigkeit Einfluss auf die Abgabe des Gewinnungsgutes.
Abgabe des Baggergutes Grundsätzlich können CSM entweder nur zum Lösen oder zum Lösen und Laden eingesetzt werden. Soll nur gelöst werden, wird das Baggergut auf dem Planum abgesetzt (sog. Schwadenlegung) und mit einem separaten Gerät verladen (geeignet sind Mittelwalzen und Heckfräsen). Beim Lösen und Laden gelangt das Baggergut auf ein im CSM integriertes Verladeband, z. B. in Ver bindung mit SKW- oder Bandförderung. So können auf Frontwalzen die Meißel von außen nach innen spiralförmig angeordnet sein und bei Eingriff von oben das gelöste Material in der Walzenmitte auf das Förderband schleudern. Bei Auslegerfräsen geschieht dies z. B. durch „Hummerscheren“, die das herabfallende Baggergut auf das Band drücken. Beim Eingriff der Walze von unten kann das Baggergut durch eine obere Leitabdeckung über Kopf auf ein Verladeband geschleudert werden. Der CSM mit nebeneinander liegenden Schaufelrädern gewinnt ebenfalls von unten. Die Schaufeln entleeren sich nach passieren des oberen Walzenpunktes. Der heb- /senk- und schwenkbare Verladeausleger ist in der Regel am Heck angeordnet.
221
Typ des Schneidwerkzeuges, Anzahl der Schneidwerkzeuge auf der Walze, Anstellwinkel der Meißel, Rotationsgeschwindigkeit der Schneidwalze, Antriebsleistung, Schnitthöhe.
Das Fördervolumen der CSM ergibt sich aus der Walzenbreite B, der Schnitthöhe h und der Fahrgeschwindigkeit v (s. Kap. 3.1.1). Die effektiv nutzbare Walzenbreite ist abhängig von der Schnittart. Beim Vollschnitt, greift die gesamte Breite der Walze ein; beim Teilschnitt, ist ein einseitiger Überstand für herabfallendes Baggergut notwendig. Beim freien Schnitt, ist ggf. beidseitig ein nicht schnittwirksamer Überstand zu beachten.
3.1.5.2 Abbautechnologie Generell können CSM zur flächenhaften Gewinnung über die gesamte oder Teile der Lagerstätte eingesetzt werden. Teile der Lagerstätte können z. B. Blöcke/ Durchgänge quer zur Abbaurichtung sein, die mit einer bestimmten Blockbreite in horizontalen Schnitten von oben nach unten (vertikaler Verhieb) gewonnen werden (Abb. 3.1-32 a). Es können auch geneigte Schnitte im Frontverhieb über die Böschungshöhe geführt werden (Schrägabbau) (Abb. 3.1-32 b). Beim flächenhaften Abbau müssen die einzelnen Schnitte systematisch nebeneinander angeordnet werden. Dabei spielen die Platzverhältnisse und das erforderliche effektive Fördervolumen die entscheidende Rolle. Das Fördervolumen wird vor allem durch die Nebenarbeitszeit für das Verfahren sowie die Leis-
Fördervolumen Die Schneidleistung eines Surface Miners wird neben der Gesteinsfestigkeit vor allem durch die folgenden Maschinenparameter beeinflusst:
.. Abb. 3.1-32 Einsatz von CSM a) in Durchgängen b) im Schrägabbau
222
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
den Scheibe selbst zu schneiden und mit dem benachbarten Block wieder mit zurück zu gewinnen. Bei der Erstellung dieser Rampen ist neben den maximal zulässigen Neigungswinkeln der Maschine zu berücksichtigen, dass ggf. beladene SKW die Steigung der Rampe (ca. 10%) überwinden müssen.
Selektive Gewinnung Charakteristisches Merkmal für den Einsatz der CSM sind die hohen Grabkräfte und vor allem die Möglichkeit einer hohen Selektivität mit geringer Aushaltemächtigkeit und hoher Trennschärfe. Die Schnitthöhe (Aushaltemächtigkeit) beträgt bis ca. 3 m und ist abhängig vom Walzendurchmesser sowie von der Führung des Graborgans. Die Schnitthöhe kann bei den meisten Fräswalzen nur weniger als die Hälfte des Walzendurchmessers betragen, da sonst die Aufhängung der Walze seitlich mit dem Gestein kollidieren würde. Die Schnitthöhe kann automatisch z. B. durch ein an die Maschine montiertes Nivelliersystem oder ein System zur Erkennung von Schichtgrenzen eingestellt werden.
.. Abb. 3.1-33 Mögliche Schnittanordnungen für den CSM [37] a) parallel mit Rückfahrt b) parallel mit Wenden in drei Zügen c) versetzt parallel mit Wenden d) kreisförmiger Schnitt
tungsverluste durch Einschneiden und Nachschneiden bestimmt (Abb. 3.1-33). Aus den Schnittanordnungen resultiert, dass in Schemen mit Kreisfahrten eine höhere reine Betriebszeit erzielt werden kann, als in Schemen mit Wenden oder gar Rückfahrten, die einen höheren Anteil Nebenarbeitszeit verursachen. Zu berücksichtigen ist, dass wenn bei Kreisfahrten, z. B. mit Mittelwalzenfräsen, bestimmte Bereiche nicht gewonnen werden können, Nacharbeiten anfallen. Ebenso ist die Abbauführung in den Wendebereichen (Ein- und Ausschneiden) zu beachten. Nach dem Abbau einer horizontalen Scheibe sind die CSM in der Lage sich die Rampe zur tiefer liegen-
.. Abb. 3.1-34 Selektive Gewinnung mit CSM, a) leicht geneigt im Blockverhieb b) stark einfallend im Flächenverhieb [9]
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223
In der Praxis kann eine Tiefentoleranz (Trennschärfe) im Bereich von ± 0,5 cm erreicht werden. Bei flözartigen Lagerstätten sind, abhängig von Neigungswinkel der Flöze, unterschiedliche Arbeitsverfahren möglich (Abb. 3.1-34).
3.1.5.3 Abbausysteme CSM können in Abbausystemen mit unterschiedlichen Fördermitteln und Verkippungsgeräten eingesetzt werden. In der Strossenförderung können CSM das Gewinnungsgut auf SKW oder Bandanlage, in der Direktförderung auf Absetzer aufgeben. Beim Abbausystem mit SKW ist der Übergang von einer kontinuierlichen Gewinnung auf eine diskontinuierliche Förderung zu beachten. Da der CSM zur Gewinnung ständig verfahren muss, ist die Verladung auf SKW günstig. Neben der Abstimmung des Förderstroms beim Truckwechsel, sind die Einhaltung des seitlichen Abstandes und der harmonisierten Fahrgeschwindigkeit für eine optimale Beladung von Bedeutung. Bei der Übergabe auf Band ist zur Verringerung der Rückarbeiten der Einsatz eines Bandwagens (s. Kap. 3.1.6) vorteilhaft, um die sich schnittweise ändernden Höhen und Entfernungen des CSM zum Band zu überbrücken (Abb. 3.1-35). Mit rückbaren Bandanlagen kann auch ein Schräg abbau realisiert werden (Abb. 3.1-36). Bei der Direktförderung wird der CSM direkt mit einem Verkippungsgerät, z. B. Absetzer verbunden. Dieses Abbausystem setzt den vertikalen Blockverhieb voraus. Zur Minimierung der Fahrbewegungen des Absetzers ist ein Bandwagen notwendig. Trotzdem muss der Absetzer ständig parallel zum CSM verfahren werden (Abb. 3.1-37).
3.1.6
Bandwagen
Bandwagen sind in der Regel einteilige, ortveränderliche Förder- und/oder Verkippungsgeräte auf denen sich ein oder zwei Bandanlagen befinden. Bandwagen werden hauptsächlich zur Überbrückung von Entfernungen und Höhenunterschieden zwischen Gewinnungsgeräten, Fördermitteln (Bandanlagen) und/oder Verkippungsgeräten eingesetzt. Dadurch können die horizontalen und vertikalen Arbeitsbereiche der Geräte vergrößert werden, was sich positiv auf eingesetzte Gerätemassen, Investitionen und Betriebskosten eines Abbausystems auswirken kann.
.. Abb. 3.1-35 Abbausystem CSM (Auslegerfräse)- Bandbetrieb im Blockverhieb
.. Abb. 3.1-36 Kontinuierlicher Schrägabbau mit CSM [7]
.. Abb. 3.1-37 Direktversturz-Abbausystem mit CSM
3.1.6.1 Konstruktion Konstruktiv unterscheiden sich Bandanlagen nach Fahrwerk sowie der Anzahl und Beweglichkeit der Bänder. Bandwagen im operativen Betrieb verfügen in der Regel über ein Raupenfahrwerk, seltener ein Schreitwerk. Stationäre oder semimobile Bandwagen stehen auf Kufen oder können mit einer Transportraupe (s. Kap. 3.1.13) bewegt werden. Befindet sich auf dem Bandwagen nur ein Förderband ist dies überwiegend starr angebracht, während bei Bandwagen mit zwei Förderbändern, einem Aufnahmeund einem Abwurfband, die Ausleger in der Regel
224
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-38 Vergrößerung des Arbeitsbereiches eines Schaufelradbaggers durch einen Bandwagen 1 – Schaufelradbagger, 2 – Bandwagen, 3 – Trichterwagen, 4 – Strossenband, Е – Ebene des Strossenbandes, Е1 – Mögliche Fahrebene des Schaufelradbaggers über E, Е2 – Mögliche Fahrebene des Bandwagens unter E, Е3 – Mögliche Fahrebene des Schaufelradbaggers unter E2, Нg – Gesamte Abbauhöhe Hg = H + H1 + H2 + H3, B – Blockbreite [5]
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heb- und senkbar sind. Beide Ausführungen können schwenkbar sein. Das Heben und Senken kann durch Seilaufhängung oder Hydraulikzylinder erfolgen. Bandwagen können beispielsweise mit Auslegern bis zu einer Länge von 80 m ausgestattet sein und bis zu 8.000 m³/h fördern.
3.1.6.2 Einsatztechnologie Einsatzbeispiele von Bandwagen zur Überbrückung von Höhenunterschieden, bzw. von Entfernungen sind in Abb. 3.1-38 dargestellt. Durch den Einsatz von Bandwagen können weiterhin Rückarbeiten von Strossenbandanlagen verringert werden, in dem erst nach mehreren Durchgängen gerückt wird (Abb. 3.1-39).
225
3.1.7
Schrägförderer/Bandbrücken
3.1.7.1 Konstruktion Schrägförderer und Bandbrücken sind in der Regel selbstfahrende Fördergeräte zur Massenüber gabe, die im Gegensatz zum Bandwagen nicht auf einem, sondern auf zwei separaten Fahrwerken abgestützt sind und damit einen starren Rahmen tragen können (Abb. 3.1-40). Die eingesetzten raupengestützten Schrägförderer überwinden Höhen von ca. 30 Metern bei einem Achsabstand der Fahrwerke von ca. 110 m und Fördervolumina bis zu 12.000 m³/h. Sie sind mit einem kurzen Aufnahme- und Abwurfband ausgestattet.
3.1.7.2 Technologie Mobile Schrägförderer werden zum Überwinden von großen Höhenunterschieden zwischen Gewinnungs-, Transport- und Verkippungsgeräten bei hohen För-
.. Abb. 3.1-39 Möglichkeit der Vergrößerung der gesamten Blockbreite Br durch die Kombination Schaufelradbagger mit Bandwagen. 1 – Schaufelradbagger, 2 – Bandwagen, 3 – Trichterwagen, 4 – Strossenband, B – Blockbreite eines Durchgangs [5]
226
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-40 Schrägförderer a) Konstruktionsskizze b) Einsatzfall
dervolumina und permanenter Ortsveränderung eingesetzt. Dadurch kann z. B. die alternative periodische Umsetzung von stationären Schrägbändern vermieden werden.
3.1.8
Bandverkippungsgeräte/Absetzer
Kontinuierlich arbeitende Verkippungs-/Absetzgeräte verwenden Elemente der kontinuierlichen Gewinnung und/oder Förderung zum Versturz/Einbau des Kippgutes. Charakteristisches Merkmal der kontinuierlichen Bandverkippungsgeräte (Absetzer) sind Bandausleger. Die Bandverkippungsgeräte können entsprechend ihrer konstruktiven Merkmale in unterschiedlichen Abbausystemen eingesetzt werden, z. B.: Bandabsetzer für Abbausysteme mit Bandförderung, Zugabsetzer für Abbausysteme mit Zugförderung oder in Verbindung mit Trucks, Direktversturzabsetzer in Direktversturz-Abbausystemen (s. Kap. 3.1.9),
Portalbrückenabsetzer in Abbausystemen mit Band förderung (s. Kap. 3.1.8.3) Kippenbandabsetzer in Abbausystemen mit Bandförderung (s. Kap. 3.1.8.4) Absetzer können sowohl im Bergbau als auch im Schüttgutumschlag (s. Kap. 3.1.14) eingesetzt werden. Die charakteristischen Merkmale eines Absetzers sind das theoretische Fördervolumen und die Auslegerlänge.
3.1.8.1 Konstruktion Konstruktiv unterscheiden sich Absetzer nach: Aufnahmeteil, Bauform, Fahrwerk.
Carsten Drebenstedt
227
.. Abb. 3.1-41 Zugabsetzer
.. Abb. 3.1-42 Bandabsetzer
Aufnahmeteil
während die Länge der Abwurfausleger ab Baggermitte bis 120 m beträgt. Bei besonders langen Abwurfauslegern bis über 200 m werden im Zusammenhang mit Direktversturzkombinationen Direktversturzabsetzer eingesetzt (s. Kap. 3.1.9). Alternativ zu den beschriebenen Absetzern mit langen Auslegern, werden auch andere Konstruktions prinzipien angewendet. So werden quer verfahrbare flache Bandbrücken über das Kippenband gestellt, die das Fördergut aufnehmen und über einen kurzen schwenkbaren Ausleger verstürzen. Nach einem anderen Prinzip erfolgt die Verkippung mittels Bandausleger direkt von einem mobilen Kippenband (Absetzerbandanlage).
In Verbindung mit Zug- oder Truckförderung besteht das Aufnahmeteil des Absetzers aus einer Eimerkette oder einem Schaufelrad, mit dem das Kippgut z. B. aus einem Kippgraben aufgenommen und auf das Förderband des Abwurfauslegers übergeben werden kann. Diese Absetzer werden als Zugabsetzer bezeichnet und stehen auf Gleisen (Abb. 3.1-41). In Verbindung mit Bandförderung werden Absetzer mit einem Aufnahmeausleger mit Förderband eingesetzt. Diese Absetzer werden als Bandabsetzer bezeichnet (Abb. 3.1-42). Das Fördergut kann auf unterschiedliche Weise vom Förderband der Bandanlage auf das Förderband des Aufnahmeauslegers des Absetzers gelangen. Neben einer einfachen direkten Übergabe an der Umlenktrommel der Bandanlage, werden Bandschleifenwagen (s. Kap. 3.1.11.5) eingesetzt, die es ermöglichen, das Fördergut an jedem Punkt entlang der Bandanlage an den Absetzer zu übergeben. Die Übergabe kann dabei frei oder, bei hohen Massenströmen, konstruktiv fixiert erfolgen. Im Tagebau Big Brown, Texas, ist ein Direktversturzabsetzer mit zwei Aufnahmeauslegern im Einsatz.
Bauformen Absetzer werden in der Regel einteilig ausgeführt. Nehmen die Geräteabmessungen stark zu, werden zweiteilige Bauweisen eingesetzt, bei denen der Aufnahme ausleger auf einem separaten Fahrwerk abgestützt ist. Die Fördervolumina der Absetzer sind den Gewinnungsgeräten angepasst und erreichen 18.000 m³/h,
Fahrwerk Absetzer werden überwiegend mit Raupenfahrwerken ausgerüstet. Analog den Schaufelradbaggern (s. Kap 3.1.3) finden sich z. B. bei tschechischen und ukrainischen Herstellern auch Schreitwerke unterschiedlicher Bauart. Die Absetzerbandanlage verfügt ebenfalls über ein Raupenfahrwerk.
3.1.8.2 Technologie Absetzer sind in der Regel schwenkbar und können daher in Hoch- und Tiefschüttung eingesetzt werden. Schwenkbare Absetzer arbeiten überwiegend in Seitenblockverkippung, d.h. der Absetzer schüttet das Kippgut seitlich zu den Fahrwerken durch Verschwenken des Abwurfauslegers ab. Nach jedem Schwenk wird der Absetzer in Versturzrichtung verfahren. Sind die
228
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
Verfahrwege kurz, entsteht eine weitestgehend glatte Kippenoberfläche. In bestimmten Fällen kann der Absetzereinsatz auch in der Kopfschüttung erfolgen, z. B. zur Herstellung eines Dammes. Einige Direktversturzabsetzer mit überlangen Abwurfauslegern sind nicht schwenkbar ausgeführt und werden nur in Hochschüttung eingesetzt. Entsprechend der Rückbreite entsteht eine Rippenkippe.
3.1.8.3 Mobiler Portalbrückenabsetzer Das Konzept des mobilen Portalbrückenabsetzers (Mobile Bridge Straddle Stacker – MBSS) stellt eine Sonderkonstruktion unter den Absetzern dar. Es wurde entwickelt, um mit einem rückbaren Band zusammen zuarbeiten und als Ersatz für traditionelle Absetzer mit langen Auslegern bzw. Einstapelgeräten eingesetzt zu werden (Abb. 3.1-43). Das Gerät steht über dem Kippenband und kann unabhängig vom Kippenband entsprechend der Spannweite in Verkippungsrichtung bewegt werden. Die schwenkbaren Abwurfbänder können dabei das Material in einem vollen 360° Schwenk verkippen. Ein entsprechend großer Abstand von den Raupenfahrwerken zur Böschungsoberkante erlaubt eine
Vorlandbreite von bis zu 65 m, was das Risiko eines Böschungsversagens verringert. Der Vorteil besteht in der deutlich geringeren Hubarbeit gegenüber den Absetzern mit langem Auslegern; nachteilig ist, dass die Hochschüttung nur mit einem zweiten Ausleger und nur in stark begrenzter Höhe möglich ist. Im Betrieb stehen zwei Betriebsmodi für den MBSS zur Verfügung – Tiefschüttung im Vorbau und flaches Aufschütten im Rückbau. Bei beiden Varianten wird das Material in der Mitte vom Kippenband über einen Schleifenwagen auf das reversible Hauptband aufgeben, und dann, je nach Betriebsmodus, im Tief- oder Hochschüttung verstürzt (Abb. 3.1-44). Bei der Tiefschüttung kann der Portalbrückenabsetzer entweder kontinuierlich mit variabler Geschwindigkeit parallel zur Kippenbandanlage verfahren werden ohne das Abwurfband zu verschwenken (Frontbetrieb) oder sich bei schwenkendem Auslegerbetrieb in einzelnen Schritten vorwärts bewegen (Blockbetrieb).
3.1.8.4 Absetzerbandanlagen – Mobile Stacking Conveyor-MSC Alternativ zu den unabhängig vom Band verfahrbaren Bandabsetzern kann auch das komplette Kippenband
.. Abb. 3.1-43 Einsatzschema mobiler Portalbrückenabsetzer [36]
.. Abb. 3.1-44 Einsatzprinzip des mobilen Portalbrückenabsetzers [nach 36]
.. Abb. 3.1-45 Absetzerbandanlage [34, 36]
Carsten Drebenstedt
auf Raupenfahrwerke montiert und das Fördergut direkt vom Kippenband über einen Ausleger in Hochoder Tiefschüttung verstürzt werden (Abb. 3.1-45). Die Länge einer solchen mobilen Absetzerbandanlage beträgt zwischen 25 und 700 m, wobei Förder volumen von 200 bis 10.000 t/h erreicht werden.
3.1.9
Direktversturzkombinationen
Die Direktversturzkombination (DVK) ist in der Regel ein kontinuierlich arbeitendes Abbausystem für den Abraum-Direktversturz im Tagebau über das freie
229
Liegende hinweg, bei dem mindestens je ein Gewinnungs- und Verkippungsgerät direkt miteinander verbunden sind. Wesentlicher Bestandteil einer Direktversturzkombination ist als Verkippungsgerät ein Bandabsetzer mit langem Ausleger (Direktversturzabsetzer), um den Tagebau von der Gewinnungs- zur Kippenseite überspannen zu können. Die Einflussfaktoren zur Ermittlung der erforderlichen Auslegerlänge sind in Abb. 3.1-46 dargestellt. Der Direktversturz kann generell nur dann eingesetzt werden, wenn die bodenphysikalischen Eigen schaften des Kippengutes und der Kippenbasis sowie
.. Abb. 3.1-46 Technische und technologische Einflussfaktoren zur Berechnung einer DVK [2]
230
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-47 Beispiele für Direktversturzkombinationen [1]
Carsten Drebenstedt
deren Neigung den sicheren Aufbau einer Innenkippe ermöglichen. In Äbhängigkeit ihrer Anwendbarkeit stellen DVK eine der ökonomisch günstigsten Tagebautechnologien dar [28, 51].
3.1.9.1 Konstruktion DVK unterscheiden sich konstruktiv nach: Art des Fahrwerkes, Art und Anzahl der angeschlossenen Bagger, Art und Anzahl der Förder- und Verkippungsgeräte. Klassische Schaufelradbagger-Absetzer DVK werden seit ca. 1955 eingesetzt und wurden im Laufe der Zeit ständig weiter entwickelt. Der erste Einsatz einer DVK erfolgte 1897 aber durch die Kombination eines gleisgestützten Eimerkettenbaggers mit einem daneben, ebenfalls auf Gleisen fahrenden Bandabsetzer (Abb. 3.1-47).
Fahrwerk Das Fahrwerk der in der DVK arbeitenden Geräte ist überwiegend das Raupenfahrwerk, seltener das Gleisfahrwerk oder Schreitwerk. Art und Anzahl der angeschlossenen Bagger, Förder- und Verkippungsgeräte Als Gewinnungsgeräte sind in DVK überwiegend Schaufelradbagger im Einsatz, seltener Eimerketten bagger, in Ausnahmefällen auch Eingefäßbagger. In der Regel arbeitet die DVK mit nur einem Gewinnungsgerät. In einem Fall ausnahmsweise auch mit zwei. Ist die direkte Kopplung eines Gewinnungsgerätes und eines Bandabsetzers für die erforderlichen Reich weiten und -höhen nicht ausreichend, können weitere Elemente zur Förderung in das Abbausystem zwischengeschaltet werden, z. B. weitere Absetzer, Bandwagen oder mobile Bandbrücken. Es gibt zahlreiche realisierte Konstruktionen von DVK (Abb. 3.1-47). Es kommen Absetzer mit schwenkbaren oder starren Abwurfauslegern und ein oder selten zwei Aufnahmebändern sowie Systeme mit zwei hintereinander geschalteten Absetzern zum Einsatz. Tabelle 3.1-6 zeigt mögliche Strukturen von Abbausystemen mit Direktversturzkombinationen.
231
3.1.9.2 Technologie Die Arbeitsweise der DVK wird durch den Schaufelradbagger bestimmt, der im Blockverhieb arbeitet. Entsprechend der Blockbreite entsteht in der Regel eine Rippenkippe, da der Abwurfausleger zur Her stellung einer glatten Kippe um die Blockbreite verlängert werden müsste, was zu hohen Kosten führt. Die Abtragsmächtigkeiten und das Fördervolumen der Direktversturzkombinationen werden ebenfalls durch die angeschlossenen Gewinnungsgeräte bestimmt und betragen beim Schaufelradbagger in der Praxis bis 40 m bzw. 40 Mio. m³/a. Durch den Einsatz mehrerer Gewinnungs-, Förder- und/ oder Verkippungsgeräte können die Abtragsmächtigkeit und das Fördervolumen weiter gesteigert werden (Abb. 3.1-48). Wesentliche technologische Unterschiede der Einsatzschemata von DVK bestehen in: der Lage der Arbeitsebene des Gewinnungsgerätes (auf dem, unter oder über dem Rohstoffh angenden bzw. teilweise darunter), der Lage der Arbeitsebene des Absetzers (auf der gleichen Arbeitsebene mit dem Gewinnungsgerät, auf einer höher/tiefer gelegenen Arbeitsebene wie das Gewinnungsgerät, auf der Bagger- oder Kippenseite) (Abb. 3.1-49). Untersuchungen haben gezeigt, dass es möglich ist, auch die Aufschlussbaggerung mit DVK durchzuführen.
3.1.10 Abraumförderbrücken Die Abraumförderbrücke (AFB) ist ein kontinuierlich arbeitendes Förder- und Verkippungsgerät auf dem das Baggergut mittels Förderbändern transportiert und verkippt werden kann. Der Einsatz von Abraum förderbrücken erfolgt in kontinuierlichen Abbausystemen mit Direktversturz. Die über 40 Förderbrücken, die seit 1924 eingesetzt wurden, darunter viele Sonderkonstruktionen, wurden fast ausschließlich in Deutschland gebaut. Heute sind noch sechs gleisgebundene Förderbrücken erfolgreich im Einsatz: vier vom Typ F 60, d.h. für 60 m Gesamtabtrag konzipiert und eine F 34 in Deutschland, beide Typen im Lausitzer Braunkohlenrevier sowie eine, die älteste aktive Förderbrücke Bergwitz (Baujahr 1932), im Tagebau Morosowski, Ukraine, die 1945 in Deutschland demontiert wurde [28] (Abb. 3.1-50). Der wesentliche Vorteil von Abraumförderbrückenverbänden ist, dass sie auf Grund der hohen Betriebskonzentration und
232
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Tabelle 3.1-6 Varianten der DVK [2] Struktur
Art der Verbindung der Geräte
Anzahl der Bagger – Absetzer
Reihenanordnung
Direkte Kopplung
1 –1
Beispiel der Gerätekombinationen
Anmerkung
2–1
Bagger mit oberem Zubringer
1– 2
2. Absetzer auf der Vorkippe
Parallel
2 (1 – 1)
Verzweigt
2–1
Absetzer mit 2 Aufnahmebändern
2–1
Zweiseitige Anordnung der Bagger
Verbindung mittels Sammelband
Einseitige Anordnung der Bagger
Schaufelradbagger
Absetzer
Eimerkettenbagger
Bandanlage
Fahrwerk der Verbindungsgeräte
Bandanlage, längsverfahrbar
geringen Förderentfernungen zu den kostengünstigsten Abbausystemen weltweit gehören.
3.1.10.1 Konstruktion Das gemeinsame Konstruktionsprinzip der noch im Einsatz befindlichen Abraumförderbrücken beruht auf
einer jeweils bagger- und kippenseitigen Abstützung der Stahlkonstruktion. Die Stahlkonstruktion (sog. Hauptträger) hat die Funktion, die Förderbänder von der Bagger- zur Kippenseite über den offenen Tagebau hinweg zu führen, um das Baggergut dort verstürzen zu können. Die Spannweite der größten Abraumförderbrücken vom Typ F 60 (Abb. 3.1-50) erreicht zwischen den
Carsten Drebenstedt
233
.. Abbildung 3.1-48 Mögliche Abtragsmächtigkeiten und Leistungen von DVK unter Verwendung von Geräten nach dem Stand der Technik [2]
.. Abb. 3.1-49 Lage der Arbeitsebene der Geräte der DVK
Stützen ca. 272 m, die um ca. +/- 12 m verändert werden kann. Die Länge des Auslegers beträgt ca. 190 m. Eine Veränderung der Stützhöhendifferenz und eine seitliche Verschwenkung der AFB sind möglich. Bei einem Konstruktionsgewicht von ca. 10.000 t kann ein effektives Fördervolumen von bis zu 36.000 m³/h gefördert werden. Das erreichbare Jahresfördervolumen des Abbausystems AFB mit drei angeschlossenen Eimerkettenbaggern von Typ Es 3150 bzw. Es 3750 liegt bei ca. 130 Mio. m³. Abraumförderbrücken unterscheiden sich in der Konstruktion vor allem durch: Art und Anzahl der angeschlossenen Bagger, Übergabe des Fördergutes, Abwurfgestaltung, Art des Fahrwerkes.
Art und Anzahl der angeschlossenen Bagger/Übergabe des Fördergutes Als Gewinnungsgeräte können an die gleisgestützte Förderbrücke bis zu drei ebenfalls gleisgebundene schwenkbare Eimerkettenbagger (s. Kap 3.1.4) angeschlossen sein, zwei, die auf der gleichen gewachsenen Hauptarbeitebene stehen über Querförderer und ein dritter, auf einer höher gelegenen Arbeitsebene über einen Zubringerförderer (Abb. 3.1-51). Seltener sind Konstruktionen mit integrierten oder angeschlossenen Schaufelradbaggern.
234
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-50 Förderbrückenkonstruktionen a) F 60 b) F34 c) Bergwitz/Morosowski
Fahrwerk Das Fahrwerk einer Förderbrücke ist typischerweise ein Gleisfahrwerk, jedoch wurden auch Konstruktionen auf Raupenfahrwerken realisiert (Abb. 3.1-52).
Abwurfgestaltung Je nach Ausführung kann das Baggergut über ein oder zwei Förderbänder übernommen und auf der Kippenseite über bis zu drei starre und/oder einen seitlich schwenkbaren Abwurf in der Kippe sicher eingebaut werden. In der Vergangenheit wurde der Abraum vom Massenverteiler aus auch über Schurren in die Vorkippe geleitet.
3.1.10.2 Einsatztechnologie Der Einsatz von Abraumförderbrücken ist wie bei den DVK an spezielle geologische Bedingungen geknüpft: geeignetes Baggergut zum Aufbau einer stabilen Innenkippe, weitestgehend söhlige Kippenaufstandsfläche, tragfähiges Liegendes der Innenkippe.
Die Lagerstätte sollte zudem weitestgehend ungestört und gut entwässerbar sein. Wegen der hohen Investitionen und der relativ langen Bauzeit sind Laufzeiten der AFB von mehreren Jahrzehnten anzustreben. Die am weitesten verbreiteten AFB mit Gleisfahrwerk und angeschlossen Eimerkettenbaggern arbeiten im Frontverhieb. Dabei kommen Parallel- und Schwenkabbau zum Einsatz. Dafür wird die Strosse in mindestens zwei Baggerabschnitte entsprechender Länge unterteilt, wobei auf der einen Länge gebaggert und auf der anderen das Gleis gerückt wird (s. Kap 3.7.1). Die Eimerkettenbagger arbeiten im Hoch- und Tiefschnitt. Während der Hochschnitt durch Einschwenken und Ablegen des Hochbaggerplanierstücks im Parallelschnitt hergestellt wird, entsteht im Tiefschnitt durch Absenken der gestreckten Eimerleiter der Fächerschnitt. Mit dem abwinkelbaren Tiefbaggerplanierstück kann die tiefer gelegene Trennfläche, z. B. zur Kohlefreilage, exakt ausgeschnitten werden (Abb. 3.1-53). Förderbrücken auf Raupenfahrwerken arbeiten in Verbindung mit Schaufelradbaggern im Blockverhieb. Nachteile der Förderbrückentechnologie sind, dass der Abraum mit den Eimerkettenbaggern kaum selektiv gewonnen und durch den starren Ausleger verkippt
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235
.. Abb. 3.1-51 Konstruktionsskizze einer Abraumförderbrücke F 60 Zubringerbrücke a) Lageplan b) Schnittdarstellung Querförderer Hauptbrücke c) Schnittdarstellung Kippenstütze mit seitlichen Austragsförderern 1 – Bagger Es 3150, 2 – Brückenquerförderer I (Nebenbrücke), 3 – Brückenquerförderer II (Nebenbrücke), 4 – Baggerquerförderer (Nebenbrücke), 5 – Brückenquerförderer I (Hauptbrücke), 6 – Brückenquerförderer II (Hauptbrücke), 7 – Baggerquerförderer (Hauptbrücke), 8 – Nebenbrücke, 9 – Nebenbrückenförderer, 10 – Schienenfahrwerk der Nebenbrücke, 11 – Hauptbrücke, 12 – baggerseitige Brückenstütze mit Rollentisch und Schienenfahrwerk, 13 – obere Hauptförderer, 14 – untere Hauptförderer, 15 – Zwischenförderer, 16 – Kippenförderer I, 17 – Kippenförderer II, 18 – Kippenförderer III, 19 – seitlicher Austragsförderer, 20 – Abwurfeinrichtung Kippe 2, 21 – Abwurfeinrichtung Kippe 3, 22 – Planierkratzer, 23 – kippenseitige Brückenstütze mit Schienenfahrwerk, 24 – Trafohaus, 25 – Kabeltrommel I, 26 – Kabeltrommel II
236
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-52 Abraumförderbrücke mit Raupenfahrwerk und angeschlossenen Schaufelradbagger in einem Diamanttagebau (Namibia) [7]
.. Abb. 3.1-53 Einsatzbeispiel Abraumförderbrücke
werden kann sowie eine Rippenkippe entsteht und das Baggergut nur sehr eingeschränkt entlang der Kippenstrosse disponiert werden kann. Eine gezielte Kippenabschlussschüttung, z. B. mit rekultivierungsfähigen Substraten oder eine Reliefvormodellierung sind kaum möglich. Deshalb werden Förderbrückenkippen in der Regel mit einer Absetzerkippe aus einem Vorschnitt überzogen, die die genannten Mängel ausgleichen kann. Da der mit höheren Kosten verbundene Vorschnitt erst bei entsprechendem Bedarf an Abtragsmächtigkeit eingesetzt wird, können Förderbrückenkippen teilweise längere Zeit offen liegen und werden zum Immissionsschutz zwischen begrünt. Nicht überkippte
Teile der Förderbrückenkippe können nur aufwändig rekultiviert werden oder bilden je nach Lage zum Grundwasserspiegel z.B. später den Seegrund. Eine weitere Besonderheit des Einsatzes von Förderbrücken ist das Entstehen von Randschläuchen, Restlöchern und Massenzusammendrängungen. Rand schläuche werden z.B. gezielt am Rand des Tagebaues offen gehalten, um die Zufahrt (Gleis, Straße, Band) zu den Strossen aufrecht zu erhalten. Restlöcher entstehen am Tagebaurand, wenn die Bagger-Strosse eingezogen (verkürzt) wird und der Kippraum auf der längeren Kippenstrosse nicht aufgefüllt werden kann. Umgekehrt, wird die Bagger-Strosse aufgeweitet (verlängert), steht auf der Kippenseite zu wenig Stros-
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senlänge/Kippraum zur Verfügung und es kann zu Massenzusammendrängungen (Kippenüberhöhungen gegenüber dem ursprünglichen Gelände) kommen. Massenzusammendrängungen entstehen auch durch das Offenhalten der Randschläuche und stellen besondere geotechnisch-technologische Herausforderungen dar. Zuletzt soll als technologische Besonderheit des Förderbrückenbetriebes die Strossenendbaggerung mit dem Freischneiden der Markscheiden und dem Nachholschnitt genannt werden. Der Bereich der Strossenendbaggerung ist konstruktiv durch den Abstand der Bagger bedingt und führt zum Einbaggerbetrieb. Während des Ausbaggerns der Markscheide schneidet der entsprechende Bagger im Viertelkreis ohne verfahren zu werden (Sichelschnittbaggerung). Der zweite Bagger ist stillgelegt und kann repariert werden. Der abstandsbedingte Einbaggerbetrieb im anschließenden Strossenendbereich wird als Nachholschnitt bezeichnet. Sowohl während der Sichelschnitt- als auch der Nachholschnittbaggerung ist auf Grund des begrenzten Verfahrweges der AFB die Massenunterbringung auf der Kippe zu beachten, insbesondere bei Strossenaufweitung. In der Vergangenheit wurden auch zwei Förderbücken auf einer Strosse eingesetzt. Zusätzlich ist in diesem Fall die Baggerung an der Trennstelle zu beachten.
3.1.11 Bandanlagen Bandanlagen sind Fördereinrichtungen, mit denen das Fördergut auf der Oberfläche eines endlos umlaufenden Förderbandes transportiert wird.
237
jeder anderen beliebigen Stelle, z. B. durch einen Abstreifer oder Bandschleifenwagen (s. Kap. 3.1.11.5) abgenommen werden. Erfolgen Auf- und Abgabe des Fördergurtes an einer Bandanlage, wird diese als kombinierte Bandanlage bezeichnet. Eine Bandanlage verfügt an beiden Enden (Kopf und Heck) über je mindestens eine Trommel, von denen mindestens eine angetrieben wird, die Antriebstrommel, die sich in der Regel in Förderrichtung, d.h. an der Kopfstation befindet. Die Kopfstation wird dann auch als Antriebsstation bezeichnet. Kann die erforderliche Zugkraft nicht über eine Antriebstrommel übertragen werden, kommen mehrere Antriebstrommeln zum Einsatz. An der Heckstation wird der Fördergurt in der Regel nur umgelenkt (Umlenkstation). Zwischen der Heck- und Kopfstation befinden sich Bandsegmente. Bandsegmente sind Stahlkonstruktionen, die in Längsrichtung der Bandanlage aufgestellt werden und zur Befestigung von quer zur Laufrichtung angebrachten Tragrollen dienen, auf denen der Fördergurt im Ober- und Untertrum abgestützt wird. Tragrollen können ein- oder mehrteilig ausgebildet sein. Eine aus mehreren (bis zu fünf) Tragrollen bestehende Einheit, die frei im Bandsegment eingehängt werden kann, wird als Girlande bezeichnet; ist jede Rolle fest gelagert handelt es sich um eine Tragrollenstation. Das Fördergut wird in der Regel im Obertrum gefördert. Der Untertrum wird nur selten beladen, z. B. im Steinkohlentiefbau, wo im Gegenstrom zur Kohle Versatzmaterial gefördert werden kann. Der Abstand der Tragrollen hängt von der Belastung des Fördergurtes ab und ist im beladenen Obertrum geringer als im unbeladenen Untertrum. Als Fördergurte, als ein wesentliches Element der Bandanlage, werden je nach Beanspruchung Textiloder Stahlseilförderbänder eingesetzt. Während die
3.1.11.1 Konstruktion Übersicht Auf der Baggerstrosse wird das Baggergut mit oder ohne Aufgabeeinrichtung auf das Baggerstrossenband aufgegeben. Das Fördergut wird bis zur Abwurftrommel transportiert, wo es aufgrund der Richtungsänderung des Fördergurtes von der Bandanlage abgegeben wird, entweder auf das nachfolgende Band oder zur Verkippung (Abb. 3.1-54). Das Fördergut wird in der Regel über Verbindungsbänder von der Bagger- zur Kippenstrosse transportiert. Vom Kippenstrossenband kann das Kippgut an
.. Abb. 3.1-54 Schematische Darstellung des Aufbaus eines Gurtbandförderers [13] 1 – Fördergurt, 2 – Abwurftrommel/Antriebstrommel (Kopfstation), 3 – Umlenktrommel (Heckstation), 4 – Bandtragrollen, 5 – Spannvorrichtung, 6 – Fördergutaufgabe, 7 – Gurtreinigungsvorrichtung
238
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-55 Antriebsstation einer 2,7 m breiten Strossenbandanlage mit Raupenfahrwerken
äußere elastische Gummischicht die Transportoberfläche bildet, befinden sich im Inneren des Fördergurtes Textileinlagen oder Stahlseile, die die Zugspannung aufnehmen. Die Anzahl der Textileinlagen oder Seile sowie deren Auslegung werden durch die Zugkräfte bestimmt. Von besonderer Wichtigkeit ist die Ausbildung der Gurtverbindung, um dessen Öffnen während des Betriebes zu vermeiden. Wird ein Band ständig verlängert, z. B. bei Strossenverlängerung, bestehen mehrere Bandverbindungen (Stöße). Der Fördergurt wird zwischen Heck- und Kopfstation mit einer Spannvorrichtung gespannt, um den nötigen Andruck auf die Antriebstrommel zur Kraftübertragung zu gewährleisten (Vermeidung von Schlupf) und den Durchhang des Fördergurtes zwischen den Tragrollen aus energetischen Gründen zu minimieren. Große Antriebstationen mit mehreren Antriebsmotoren, Trommeln und Spannvorrichtung haben den Charakter von selbständigen Großgeräten. Ortsveränderliche Antriebsstationen im Strossenbereich verfügen über ein eigenes Raupenfahrwerk oder eine Vorrichtung zum Transport mit einer separaten Transportraupe oder stehen auf Kufen, die von schweren Planierraupen gezogen werden können (Abb. 3.1-55). Neben den genannten Hauptbestandteilen einer Bandanlage, können weitere hinzukommen, z. B. Abstreifer oder Gurtwendeeinrichtungen zur Gurtreinigung oder seitliche Abdichtelemente (Schürzen) im Aufgabebereich des Baggergutes. Lenkrollen sorgen dafür, dass Bandschieflauf ausgeglichen wird. Bandanlagen sind mit umfangreicher Sicherheits- und Warnsignaltechnik ausgerüstet, um Gefahren abzuwehren.
.. Abb. 3.1-56 Aufbau eines Stahlseilfördergurtes [13]
3.1.11.2 Konstruktive Details Fördergurt Die Aufgabe des Fördergurtes ist es, das Fördergut aufzunehmen und in Längsrichtung zu transportieren. Dementsprechend muss der Fördergurt eine ausreichende Festigkeit in Längs- und Querrichtung besitzen, unempfindlich gegenüber Schlägen sowie chemischen und Witterungseinflüssen sein, ohne seine Elastizität zur Anpassung an die Muldenstruktur der Tragrollensätze zu verlieren. Daher sind fast alle Fördergurte schichtartig aufgebaut. Die Laufdecke ist aus glattem Gummi hergestellt, um die Reibung auf den Tragrollen zu minimieren. Demgegenüber kann die Tragdecke profiliert ausgeführt werden, um besonders bei steilen Förderbändern ein Rutschen des Fördergutes zu verhindern. Zusätzlich dient die Tragdecke dem Verschleiss- und Durchschlagschutz. Die Belastungen des Fördergurtes werden von der Karkasse in der Mitte aufgenommen. Die Karkasse kann durch Gewebe- und Polyamideinlagen oder Stahlseile verstärkt werden und ein- bzw. mehrlagig aufgebaut sein (Abb. 3.1-56). Die Festigkeiten und Breiten der Fördergurte sind bei den Herstellern genormt. In der Praxis werden bei der kontinuierlichen Gewinnnung im Tagebau in der Regel folgende Gurtbreiten verwendet: 800, 1000, 1200, 1400, 1600, 1800, 2000, 2500 und 3000 mm. Die Verbindung der Fördergurte erfolgt über Vulkanisation oder mechanisch. Bei der mechanischen Verbindung greifen viele Verbindungselemente in die Karkasse beider Fördergurtenden ein. Diese werden in
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.. Abb. 3.1-57 Gurtwendevorrichtungen a) zwanglos b) geführt c) gestützt [13]
.. Abb. 3.1-59 Eintrommelantrieb mit erhöhtem Umschlingungswinkel .. Abb. 3.1-58 Antriebstrommel
der Mitte formschlüssig durch einen flexiblen Bolzen zusammen gehalten. Bei der Vulkanisation werden die Einlagen nach einem Schema verzahnt, zwischen der offenen Lauf- und Tragdecke verengt und anschließend wieder von Gummi fest umschlossen (vulkanisiert).
Gurtwendeeinrichtungen Für die Verringerung des Verschleißes oder die Reinigung des Förderbandes kann es bedeutsam sein, den Fördergurt mit verschiedenen Methoden zu wenden (Abb. 3.1-57).
Trommelantriebe Aufgabe des Antriebes ist das Inbetriebsetzen des Fördergurtes und das Einhalten der geforderten Geschwindigkeit während des Bandlaufs. Am verbreitetsten ist der Trommelantrieb, der die Kräfte auf den Fördergurt mittels Reibung überträgt (Abb. 3.1-58). Die für die Kraftübertragung zwischen Trommel und Gurt erforderliche Reibungskraft wird durch die Andruckkraft mittels Spannvorrichtungen und den
Reibungswert der Trommeloberfläche durch geeigneten Materialeinsatz bestimmt. Des Weiteren kann die Kraftübertragung durch einen erhöhten Umschlingungswinkel der Antriebstrommel verbessert werden (Abb.3.1-59). Für Gurtbandförderer mit höherer Leistung kann ein Zwei- oder Dreitrommelantrieb notwendig werden (Abb. 3.1-60).
Spannvorrichtungen Für einen guten Bandlauf ist eine optimale Gurtspannung notwendig. Diese Aufgabe erfüllen Spannvorichtungen, die in zwei Gruppen eingeteilt werden können: Ausgleich der bleibenden Dehnung oder Ausgleich der bleibenden und elastischen Dehnung. Bei der ersten Gruppe verändert die Spanntrommel ihre Lage während des Bandlaufs nicht. Sie wird bei Bedarf in regelmäßigen Abständen nachgespannt, um die bleibende Dehnung auszugleichen. Bei der zweiten Gruppe werden die elastischen Dehnungen im Betrieb dynamisch ausgeglichen. Dabei können Gewichte oder Spannwinden zum Einsatz kommen.
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Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-60 Mehrtrommelantriebe
Bandtragrollen Für eine komplette Bandanlage sind eine Vielzahl von Bandtragrollen nötig. Die Tragrollen sind an Bandsegmenten (Bandgerüsten) angebracht,die nacheinander in der erforderlichen Länge, teilweise über mehrere Kilometer, aufgestellt werden. Es wird angestrebt, robuste Rollen einzusetzen, die sich durch hohe Lebensdauer, geringe Bewegungswiderstände, Wartungsfrei heit der Lager und geringe Laufgeräusche auszeichnen. In der Nähe der Bandübergaben müssen die Tragrollen zusätzlich dynamische Lasten aufnehmen und werden deshalb in engeren Abständen angebracht. Die Belastung der Tragrollen durch dynamische Lasten kann durch Aufbringen von Gummiringen vermindert werden. Da die unteren Tragrollen in der Regel mit der verunreinigten Seite des Fördergurtes in Verbind ung kommen, können in verschiedenen Abständen einzelne Gummiringe angebracht werden, um Anhaften von Fördergut zu verhindern. Bandtragrollen für hohe Fördervolumen werden mehrteilig, muldenförmig ausgebildet, womit ein höherer Füllquerschnitt erreicht werden kann. Für die Tragrollen im Untertrum ist dies nicht relevant, so dass einteilige, gerade Rollen eingesetzt werden können.
Im Vergleich zu einer starren Aufhängung der einzelnen Tragrollen, können die Rollen auch durch Kettenglieder verbunden werden. Diese sogenannte Girlandentragrollen sind frei in Richtung der Hauptachse der Bandanlage und zueinander beweglich (Abb. 3.1-61). Dadurch werden die Abstützung des Fördergurtes verbessert und dynamische Belastungen verringert.
Fördergutaufgabe Fördergutauf- und -übergaben sollen den Förderstrom auf das Förderband lenken, die richtige Lage des Fördergurtes sichern und kein Verstreuen von Fördergut zulassen. Neben der freien Aufgabe des Baggergutes z. B. mittels Schurren, kommen spezielle Vorrichtungen zwischen dem Aufgabegerät und der Bandanlage zum Einsatz. Ein Aufgabetrichter mit Abzugsband, kann z. B. den ungleichmäßigen Massenstrom des Aufgabegutes vergleichmäßigen. Bei größeren Geräten wird der Fördergurt im Bereich der Aufgabe angehoben und in den Aufgabewagen mit engerem Rollenabstand geführt. Die Aufgabewagen und -trichter sind in
Carsten Drebenstedt
.. Abb. 3.1-61 Seilverspanntes Traggerüst mit Girlandentragrollenstationen [29]
der Regel seitlich auf Schienen an der Bandanlage bzw. auf Raupenfahrwerken abgestützt oder am Verladeausleger angebracht (Abb 3.1-62).
Gurtreinigungsvorrichtung Verschmutzungen und Anbackungen von Fördergut am Förderband können zu Bandschieflauf, erhöhtem Verschleiß an den unteren Tragrollen oder sogar zu einer Brandgefahr (Kohle) führen. Daher sollte der Fördergurt, möglichst kurz hinter der Abwurftrommel, gereinigt werden. Dies kann durch Abstreifen, Vibration, Schlag, Abbröckeln, Waschen oder Abdrücken geschehen (Abb. 3.1-63).
.. Abb. 3.1-63 Reinigungselemente einer Gurtbandanlage [42]
241
.. Abb. 3.1-62 Fördergutaufgabe mit Aufgabetrichter
Der Andruck der Abstreifer an den Fördergurt muss dabei so hoch sein, dass der Gurt effektiv gereinigt wird. Andererseits erhöht zu hoher Andruck den Verschleiß von Fördergurt und Abstreifer, so dass die Abstreifersysteme federnd gelagert sind, um Beschädigungen des Fördergurtes zu verhindern.
3.1.11.3 Rücken der Gurtbandförderer Bandanlagen auf den fortschreitenden Bagger- und Kippenstrossen werden in der Regel diskontinuierlich gerückt (s. Kap. 3.3). Die Bandsegmente der rückbaren Bandanlagen stehen auf Kufen quer zur Laufrichtung des Fördergurtes und sind im Unterschied zu den stationären Bandanlagen mit einer Schiene verbunden.
242
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.1-64 Rückmaschine zum einseitigen Rücken der Förderbandanlage [13] .. Abb. 3.1-65 Einsatzbeispiel Überlandbandanlage [29]
Im Fall der Rückung der Bandanlage, umfasst ein Rückkopf das Schienenprofil und verschiebt die Bandsegmente schrittweise durch seitliches Vorbeifahren in Abbau- bzw. Verkippungsrichtung um Blockbreite, die bis zu 100 m betragen kann. Als Bandrücker werden schwere Planierraupen eingesetzt (Abb. 3.1-64). Die Rückarbeiten erfolgen in der Regel während der Planstillstände der Geräte, so dass keine zusätzlichen Stillstände notwendig sind. Entsprechend der für die Rückarbeiten zur Verfügung stehenden Zeit wird die Anzahl der Rückraupen unter Berücksichtigung der Rückleistung bestimmt. Alternativ können die Bandsegmente auch mit einem Kran umgesetzt werden, wobei der Fördergurt geöffnet werden muss. Teilweise werden Strossenband anlagen durch eine Folge von mobilen Bandbrücken, die auf Raupen- oder Radfahrwerken abgestützt sind, gebildet, die ohne Hilfsmittel verlagert werden können (s. Kap. 3.1.8).
Rückbare Bandanlagen werden auf ortveränderlichen Bagger- und Kippenstrossen eingesetzt und entsprechend als Bagger- und Kippenstrossenbandanlagen bezeichnet. Der einfachste Einsatzfall ist die Nutzung einer Bandanlage, auf die das Fördergut auf- und abgegeben wird. Werden mehrere Bandanlagen hintereinander geschaltet, handelt es sich um ein Bandfördersystem. Bandfördersysteme können einfach oder verzweigt aufgebaut sein. Bei einfachen Förderketten sind die Bandanlagen in einer Reihe angeordnet, das Funktionieren ist nur gewährleistet, wenn alle Elemente der Förderkette in Betrieb sind (Abb. 3.1-66).
3.1.11.4 Einsatztechnologie Es werden rückbare und stationäre Bandanlagen unterschieden. Stationäre Bandanlagen verbleiben in der Regel während ihrer Einsatzzeit am Standort oder werden nur in größeren Zeiträumen umgesetzt. Dies sind z. B. Verbindungsbänder zwischen den Baggerund Kippenstrossenbandanlagen bzw. Bandanlagen zum Verbraucher-/Rohstofflagerplatz. Dazu gehören auch Schrägbandanlagen, die das Fördergut auf einer Steigung aus dem Tagebau heraus fördern und lange Überlandbandanlagen (Abb. 3.1-65).
.. Abb. 3.1-66 Einfache Förderkette auf die Innenkippe [13] 1 – Schaufelradbagger, 2 – Bandwagen (Kap. 6), 3 – Kippenstrossenband, 4 – stationäre Gurtbandförderer (Verbindungsband), 5 – rückbarer Kippenbandförderer, 6 – Abwurfwagen, 7 – Abwurfband.
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In kombinierten Abbausystemen werden Bandanlagen auch mit Eingefäßbaggern, falls erforderlich über Brecher/Beschickungsanlagen, beladen (s. Kap. 3.1.13). Die horizontale und vertikale Kurvengängigkeit von konventionellen Bandanlagen ist begrenzt, jedoch stellen sie eine der kostengünstigsten Varianten dar, wenn großen Volumen- und Massenströme über weite Strecken transportiert werden müssen.
3.1.11.5 Leistungsermittlung von Bandanlagen Bei der Bemessung von Bandanlagen sind drei Aufgaben von besonderer Bedeutung: Auslegung des Fördervolumens, Bestimmung der Antriebsleistung, Bestimmung der Gurtspannung/ Auswahl der Güte des Fördergurtes. Das Fördervolumen (aufgelockert) von Bandanlagen Q ergibt sich allgemein aus dem Bandquerschnitt A und der Bandgeschwindigkeit v, üblicherweise in m³/h: Q = A ċ v .. Abb. 3.1-67 Verzweigte Förderkette mit Bandverteiler
Bei verzweigten Bandfördersystemen kann der Fördergutstrom z. B. nach technologischen oder bodenmechanischen Anforderungen von und/oder auf mehrere Geräte zusammengeführt oder aufgeteilt werden. Eine besondere Stellung nehmen dabei stationäre Bandverteiler ein (Abb. 3.1-67). Mit Bandverteilern kann das von mehreren Bandanlagen ankommende Baggergut je nach Eigenschaft auf verschiedene abfördernde Bänder übergeben werden. Dies ermöglicht einen selektiven Förderstrom und eine Wählbarkeit des Förderweges bei Störung in einer der nachgeschalteten Geräteketten. Bandanlagen werden in der Regel in Kombination mit kontinuierlich arbeitenden Großgeräten, wie Schaufelradbaggern, Eimerkettenbaggern, Bandabsetzern, Bandwagen oder Schrägförderern eingesetzt (s. Kap 3.1.3–3.1.8). Dabei kommen Bandbreiten bis 3 m und Bandgeschwindigkeiten bis 10 m/s zum Einsatz. Der Zeitausnutzungsgrad von Bandanlagen ηT beträgt etwa 60% (5200–5300 h/a) [35].
(3.1-8)
Der Bandquerschnitt setzt sich aus einem Bereich unterhalb der gestrichenen Füllung der Bandmuldung A1 und einem darüber befindlichem Querschnitt A2 zusammen (Abb. 3.1-68). Der Bandquerschnitt A ergibt sich aus der Bandbreite b1, der Gurtmuldung λ und dem Schüttwinkel des Förderguts φ. Die Berechnung der nutzbaren Bandbreite b2 ergibt sich wie folgt [DIN 22101]: wenn b1 ≤ 2000 mm, (3.1-9) dann b2 = 0,9 . b1 – 50 mm
.. Abb. 3.1-68 Leistungsberechnung für Bandanlagen
wenn b1 > 2000 mm, dann b2 = b1 – 250 mm (3.1-10)
244
Kapitel 3.1 Kontinuierliche Abbausysteme im Tagebaubetrieb
Die Auswahl der Bandbreite und Gurtmuldung ergibt sich aus dem geforderten effektiven Fördervolumen des aufgebenden Gerätes.
Dimensionierung von Bandanlagen Das Fördervolumen von Bandanlage ist gegenüber dem theoretischen Fördervolumen der Aufgabegeräte angemessen zu dimensionieren, um das kurzzeitig auftretende Spitzen des tatsächlichen Fördervolumes bewältigen zu können. Die Auslegung des theoretischen Fördervolumens der Bandanlage V˙th Band für ein Aufgabegerät erfolgt deshalb wie folgt: V˙th Band = V˙th B g ċ k g
(3.1-11)
Der Faktor kg ist ein Erfahrungswert, der je nach Einsatzbedingungen für Eimerketten- und Schaufelradbagger im Blockverhieb mit 1,0–1,3 bzw. für Eimerkettenbagger im Frontverhieb mit 1,0–1,8 angegeben wird [35]. Der jeweils kleinere Wert steht für festere Gesteine, die mit verringerten Spanparametern gebaggert werden. Geben mehrere Geräte auch eine Sammelbandanlage auf, entseht eine Vergleichmäßigung des Förderstromes, da sich die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens der Spitzenleistungen an den Geräten mit deren zunehmender Anzahl verringert. Deshalb wird in Gleichung 3.1-4 der Faktor kBa (Tabelle 3.1-7) eingeführt und es gilt:
V˙th Band = k Ba � �k g V˙th B g �
(3.1-12)
Antriebsleistung und Bewegungswiderstände Die Bestimmung der Antriebsleistung P einer Bandanlage erfolgt aus der erforderlichen Antriebskraft F multipliziert mit der Bandgeschwindigkeit v unter Berücksichtigung des Motor- und Antriebswirkungsgrades η A. P = F ċ v ċ ηA
(3.1-13)
Die Antriebskraft F muss ausreichend sein, um die Widerstände bei der Förderung zu überwinden. Nach DIN 22101 werden vier Widerstände unterschieden: FH Hauptwiderstände FN Nebenwiderstände Steigungswiderstand FSt Sonderwiderstände FS
Hauptwiderstände Die Hauptwiderstände werden durch den Bewegungswiderstand der Anlagenteile sowie die Masse des Fördergurtes und des Fördergutes bestimmt. Die Hauptwiderstände FH,i werden für jeden Teilabschnitt i, getrennt nach Ober- und Untertrum, bestimmt. FH,i = li ċ fi ċ g ċ [m�R,i + (m�G + m�L, i ) cos δ]
mit li Länge des Teilabschnittes i, f fiktiver Reibungsbeiwert, g Fallbeschleunigung (g = 9,81 m/s2), m'Ri Streckenlast infolge der drehenden Tragrollenteile, m'G Streckenlast infolge Gurt
.. Tabelle 3.1-7 Faktor kBa -für Sammelbandanlagen [35] Beladung
(3.1-14)
Anzahl der Gewinnungsgeräte 2
3
4
Sehr gleichmäßig
1,00
1,00
1,00
Begrenzt gleichmäßig
0,95
0,92
0,90
Beladung durch Eimerkettenbagger, ungleichmäßig
0,90
0,84
0,80
Beladung durch Schaufelradbagger, ungleichmäßig
0,80
0,75
0,70
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m'Li Streckenlast infolge Fördergut bei gleichmäßiger Verteilung auf der Förderstrecke, δ Neigungswinkel des Förderers (δ > 0 bei Aufwärtsförderung, δ 8 Stunden wird das Reparaturobjekt grundsätzlich an die Instandhaltung übergeben. Bei
Komplexinstandsetzungen wird die Übergabe/Übernahme durch das Baustellen-Eröffnungsprotokoll dokumentiert. Bei der Übergabe wird insbesondere auf die territorialen und prozessbezogenen Verantwortungsgrenzen, auf Gefährdungen und die erforderlichen Maßnahmen eingegangen.
Prozessbegleitende Strukturen Die Organisationsstruktur im Tagebau wird durch die Verantwortungsbereiche der Markscheiderei, des Sicherheitswesen, der Betriebskoordinierung (zentrale Managementstelle) und die Kaufmännischen Dienste innerhalb des Betriebes Tagebau ergänzt. Im erforderlichen Umfang sind hier Außendienstbereiche angelegt, die somit auf kurzem Weg ihre Fachkompetenz in die jeweilige Prozesslinie einbringen. Weitere Zugriffe sind auf Ressourcen der Fachabteilungen in der
380
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.1.7-4 Organisationsstruktur der BU Mining & Generation, Tagebaue Jänschwalde/Cottbus-Nord
.. Abb. 3.1.7-5 Organisationsstruktur der BU Mining & Generation, Instandhaltung – Außendienste
Thomas Penk
Hauptverwaltung bei Mining wie: Tagebauplanung, Geotechnik, Anlagentechnik, Grunderwerb/Liegen schaften, Bergschäden/Bauwesen, Rekultivierung/ Landschaftsgestaltung, Bergwirtschaft/Bergbaustrategie, Umweltschutz aber auch auf die Servicebereiche Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement, Personalmanagement, Finanzen, Materialwirtschaft, die Rechtsabteilung und die Kommunikation gewährleistet. Definierte Maßnahmen und Vorhaben werden in Form von Projekten umgesetzt. Das Projektmanagement für diese Investitions- und Aufwandsprojekte ist in einer Organisationsrichtlinie festgeschrieben. Hier wird bereits in der Vorbereitungsphase ein Projektleiter benannt. Ausschlaggebend für die Auswahl des Projektleiters ist seine fachliche und soziale Kompetenz. Je nach Projektumfang entscheidet der Projektleiter über die Bildung eines Projektteams. Mit der Genehmigung von Projekten durch den Aufsichtsrat wird die Benennung des Projektleiters in eine Berufung umgewandelt. Ein Projekthandbuch dient ihm als Arbeitsgrundlage.
3.7.1.4 Stab Die Stabsabteilung trägt innerhalb des Tagebaues Verantwortung für die Bereiche Bergbauplanung, Tagebausicherheit und Tagebauwirtschaft. Der Leiter Stab ist verantwortlich für die Führung des Zechenbuches im Verantwortungsbereich des Leiters Tagebau. Prozesslinienübergreifend werden im Stab die Belange der Genehmigungsplanung (Haupt- und Sonderbetriebspläne), Tagebautechnologie, Geologie, Bodenmechanik und Hydrologie/Entwässerung sowie der Projektplanung und -realisierung für den jeweiligen Tagebau in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen der Hauptverwaltung, der Markscheiderei, der Instandhaltung und den Betriebsführerbereichen verantwortlich bearbeitet.
Bergbauplanung Im Bereich Bergbauplanung erfolgt die Führung des Zechenbuches, die federführende Bearbeitung aller den Tagebau betreffenden genehmigungsrechtlichen Dokumente im Zusammenhang mit dem jeweiligen Hauptbetriebsplan und den zugehörigen Sonderbetriebsplänen, die federführende Erstellung der Dokumente zur Jahres- und Monatstechnologie sowie die
381
technologische Betreuung der einzelnen Prozesslinien und Nebenprozesse. Die Arbeit im Bereich Bergbauplanung umfasst die technologische Vorbereitung und Kontrolle aller Prozesse im Tagebau, beginnend mit der Flächenübernahme im Vorfeld von der Abteilung Rekultivierung/ Landschaftsgestaltung über die einzelnen Betriebsabteilungen Vorschnitt, Bagger- und Kippenseite, Förderbrückenbetrieb und Grube bis zum Abschluss der bergmännischen Rekultivierung und anschließender Flächenübergabe an die Abteilung Rekultivierung/ Landschaftsgestaltung . Die Vorgaben für die einzelnen Prozesslinien umfassen dabei technologie- und sicherheitsrelevante Parameter wie z. B. Verhiebs- und Bestandsentwicklung, Arbeitsebenenführung, Kippenabschlusshöhen, Sondertechnologien wie das Herstellen von Rampen und gerätebezogene Leistungsvorgaben. Grundlage für die technologische und geotechnische Kontrolle bildet die auf Basis der Luftbildauswertung erstellte markscheiderische Betriebs- und Sicherheitskontrolle sowie die Auswertung der über die systematische Datenerfassung ermittelten Betriebskennziffern.
Tagebausicherheit Im Bereich Tagebausicherheit werden in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen der Hauptverwaltung, dem Entwässerungsbetrieb, der Markscheiderei und den Betriebsführerbereichen die Belange der Geologie, Bodenmechanik und Hydrologie/Entwässerung verantwortlich bearbeitet. Im Ergebnis erfolgen prozesslinienbezogene Vorgaben zu geotechnischen Anforderungen wie Böschungswinkeln, Kippengestaltung, Bermenbreiten, Vorlandbreiten und Liegendgestaltung. Die Kontrolle zur Einhaltung der Vorgaben erfolgt in Zusammenarbeit mit der Markscheiderei. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Vorgaben zur Kohlequalität und die Dokumentierung von geologischen Störungen im Tagebau. Die Kontrolle der hydrologischen Situation des Tagebaues erfolgt auf Grundlage des Grundwasserüberwachungssystems. Daraus abgeleitet werden die Vorgaben zum Betreiben von Filterbrunnen, Wasserhaltungen und Drainagesystemen im offenen Tagebau. Zur Überwachung der geotechnischen Sicherheit im aktiven Tagebau und im rückwärtigen Bereich ist ein Tagebausicherheitsaktiv vom Leiter Tagebau berufen. Einmal monatlich werden auf der Grundlage der
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
vom Bereich Tagebausicherheit erarbeiteten Monatsanalyse die aktuelle Situation erörtert, notwendige Entscheidungen getroffen und Schwerpunktbereiche befahren. In Entwässerungsgesprächen werden zwischen Tagebau und Entwässerungsbetrieb die Informationen ausgetauscht und Abstimmungen zur gegenwärtigen geotechnischen Situation und der Entwässerungssituation sowie zum Realisierungsstand der Entwässerungsmaßnahmen geführt.
Tagebauwirtschaft Die prozesslinienbezogene Planung und Kontrolle von Projekten im Tagebau wird im Bereich Tagebauplanung in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen der Hauptverwaltung, dem Bereich Controlling, der Instandhaltung und den Betriebsführerbereichen bearbeitet. Hier erfolgt die Koordinierung der Geschäftsjahresund 3-Jahres-Programmplanung für Projekte sowie die Zusammenfassung der technischen Projektplanung. Die Primär- und Sekundärkostenplanung = Planung laufender Aufwand des Tagebaues sowie Kontrolle und Abrechnung der Kostenstellen Produktion und Aus- und Vorrichtung gehört ebenso zu den Aufgaben des Bereiches Tagebauwirtschaft wie die prozesslinienbezogene Bearbeitung und Einstellung von Bedarfsanforderungen, Materialreservierungen und Aufträgen zur Auslösung von Abrufbestellungen durch den Einkauf. Projekte, die innerhalb der Prozesslinien realisiert werden, werden durch Projektleiter und VTS (Verantwortliche Technische Stelle) der Tagebauwirtschaft betreut. Weiterhin zeichnet der Bereich Tagebauwirtschaft verantwortlich für die betriebswirtschaftliche Betreuung des Anlagenbestandes des Tagebaues und die Durchführung von Inventuren.
3.7.1.5 Produktion Grundsätzliche technologische Ausführungen Die Tagebautechnologie wird durch die Feldesform bestimmt. Vom Grundsatz her kann der Abbau im Schwenk- oder Parallelbetrieb erfolgen. Ausschlaggebend sind hierbei die technischen Parameter der ein-
zelnen Geräte und Anlagen. Die Baggerung erfolgt im Frontverhieb. Hohe Leistungen setzen die Herstellung gleichmäßiger Böschungen auf allen Arbeitsebenen voraus. Für die Förderbrücke heißt das, dass die Geräte (Bagger) auf der Hauptarbeitsebene an den Strossenenden freigeschnitten werden müssen. Auf der einen Seite kann es durch den Zubringer erfolgen. Hierbei ist die Länge des Querförderers von ausschlaggebender Bedeutung. Auf der anderen Seite wird der Freischnitt durch andere Technik realisiert. Das kann der Vorschnitt sein oder auch der Einsatz mobiler Technik ist möglich. Grundsätzlich ist die technologische Fahrweise der Förderbrücke dadurch gekennzeichnet, dass in einem Strossenbereich gebaggert wird, während im bereits ausgebaggerten Strossenbereich die Gleise gerückt werden. Die an der Förderbrücke befindlichen Bagger können sowohl im Hochschnitt als auch im Tiefschnitt betrieben werden. Die Prozessleitung legt fest, in welchem Schnitt die Bagger betrieben werden. Hierbei wird die effektivste Technologie, unter Einhaltung der geotechnischen Vorgaben, gewählt. Im Allgemeinen wird der Hochschnitt vor dem Tiefschnitt ausgebaggert. Aufgrund des Abstandes der Bagger auf der Hauptarbeitsebene (HAE) ergibt sich ein Nachholeschnittbereich (NHS), der nur durch jeweils einen Bagger abgegraben werden kann. Die Länge schwankt bei den F60-Förderbrücken je nach technischer Ausführung zwischen 250–350 m. Um die Strossenenden (Markscheide = MS) freischneiden zu können wird durch die Bagger eine Vorkopfbaggerung (Freischneiden der Gleisenden) durchgeführt. Jedes Rücken der Gleise an der MS erfordert eine Vorkopfbaggerung. Um die Tragfähigkeit des Planums für die Gleisanlagen auf den Baggerarbeitsebenen (OAE und HAE) zu gewährleisten, muss nicht tragfähiges, bindiges Material ausgeschnitten werden. Durch eine nachträgliche Bekiesung mit entsprechendem Material wird die Planumtragfähigkeit wieder hergestellt. Je nach technischer Ausführung kann das durch die Bagger selbst, durch die Förderbrücken (Zubringer) oder durch Fremdbekiesung (mobile Technik) erfolgen. Die Geotechnik gibt Bekiesungsbereich an. Stab und Prozessleitung legen die Technologie fest. Das Kippensystem muss laut Standsicherheitsnachweis in einer bestimmten Dimensionierung gestaltet werden. Die Förderbrücke schüttet ihr Planum für die Kippenarbeitsebene selbst.Mindestvorschüttungsbreite und -höhe sowie die max. Höhe der Hochkippen-
Thomas Penk
383
.. Abb. 3.7.1-6 Darstellung der Betriebsorganisation im Team F60
.. Abb. 3.7.1-7 Darstellung der Verantwortungsketten im Betriebsführerbereich Produktion
abwürfe werden seitens der Geotechnik festgelegt (Standsicherheitsnachweis). Über die an der Förderbrücke angebauten Scanner kann die Besatzung überprüfen ob die Werte eingehalten sind. Im Abstand von ca. 4 Wochen wird eine Tagebaubefliegung durchgeführt und die erhaltenen Daten für eine markscheiderische Kontrolle genutzt.
Steinerkennung Anzutreffenden Steine, auch Findlinge oder Geschiebe genannt, stellen ein sehr hohes Gefährdungspotential für die eingesetzte Fördertechnik dar. Aus diesem Grund werden die unterschiedlichsten Methoden zur Früherkennung und selektiven Gewinnung unter Beachtung der anfallenden Kosten zur Anwendung
384
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
gebracht. Grundlage für den Baggerprozess sind die Vorgaben der Geotechnik an Hand vorliegender Untersuchungsergebnisse aus Georadar, Geoelektrik und der bereits realisierten Vorfeldberäumung. Nicht baggerfähige Steine werden ausgehalten bzw. nach der Freilegung mobil geborgen oder ggf. auch gesprengt. Der Abtransport aus der Strosse wird durch den Bereich Aus- und Vorrichtung organisiert. Die Verbringungsorte sind in der Jahrestechnologie festgeschrieben. Ein Widereinsatz erfolgt bei der Böschungsstabilisierung und als Absperrelement, ein geringer Teil wird über Vertragspartner vermarktet.
Strossenverlängerungen/ Strossenverkürzungen Nach Ausbaggerung der Markscheide im Kopfböschungsbereich und dem sich ergebenden Abstand zur abgesteckten Oberkante des Abraumschnittes entscheidet der Baggerfahrer über die terminliche Einordnung der notwendigen Gleis- bzw. Bandlängenänderungen. Sich ergebende Verkürzungen/Verlängerungen werden durch die Kolonnen des Bereiches Aus- und Vorrichtungen realisiert. Das erforderliche Material wird entsprechend vorgehalten.
Vorbereitung von Reparaturplätzen Die Durchführung von Reparaturen an den Tagebaugeräten erfordert eine präzise Planung der Reparaturplätze. Der Operativingenieur Mechanik gibt die Ausmaße wie Neigungen, Spur, Stützhöhen, Stützweiten, Baggerstandorte über Querförderer oder abgekuppelt vor. Der Fachingenieur Bergbau ermittelt unter Beachtung der geotechnischen Vorgaben den Platz und stellt die Arbeitsebenenhöhen ein. Der Bereich Aus- und Vorrichtung stellt die erforderliche Gleislage her und organisiert die Platzgestaltung einschl. der erforderlichen Zuwegungen.
Abhängigkeiten zum Vorschnittbetrieb/ Brückenbetrieb/Grubenbetrieb Alle 3 Linien der Produktion sind von einander abhängig. Der Vorschnitt muss mit seinen Anlagenteilen immer soweit vom Böschungsschnitt 1 entfernt sein, dass der obere Bagger ungehindert seine Abgrabung
durchführen kann. Der minimale Abstand wird durch die Geotechnik anhand des festgelegt. Wenn zwischen Vorschnitt und Förderbrücke noch Kohle abgebaut wird, sind auch hier die gleichen Verhältnisse zu beachten. Zwischen der Unterkante Brückenschnitt 3 (BS) und der Vorschüttung Kippenarbeitsebene (KAE) befindet sich der Grubenbetrieb. Das bedeutet, dass die Kohle erst gewonnen werden kann, wenn durch die Ausbaggerung des BS 3 die Kohle freigelegt wurde und erst die Vorschüttung erfolgen kann wenn durch den Grubentiefschnitt das Liegende frei geschnitten wurde. Die Stützweite der Förderbrücke kann variieren und hängt von der technologisch notwendigen Verschwenkung ab. Die Kohle darf in der Regel bis 3 m an den BS 3 abgegraben werden. Aus den geotechnischen Vorgaben für die Böschungswinkel im BS 3 und der erforderlichen Mindestbreite der Vorschüttung KAE ergibt sich, bezogen auf die Strossenlänge, ein maximaler Bestand für die Grube. Ein minimaler Bestand für die Grube wäre erreicht, wenn die Grubenbandanlage 48 m an die Unterkante BS 3 aufgerückt ist.
Besondere Betriebsituationen Eine Informations- und Meldeordnung regelt die Informationsbeziehungen und -pflichten bei der Rettung von Personen, bei der Brandbekämpfung und Gefahrenabwehr, beim Schutz von Sachwerten oder bei der Absicherung von Objekten, bei besonderen Betriebssituationen, Vorkommnissen und Ereignissen sowie bei der Sicherung der Produktionsabläufe in besonderen Situationen. Sie gilt für alle Mitarbeiter und auch für alle tätigen Fremdfirmen. Organisationsregelungen zur Erfassung, Einstufung und Untersuchung von Bränden aber auch zur Meldung, Untersuchung und Anzeige von Unfällen ergänzen den einheitlich vorgeschriebenen Handlungsrahmen.
3.7.1.6 Aus- und Vorrichtungen Oberflächenentwässerung Neben den im Vorfeld der Tagebaue angewandten Filterbrunnenentwässerung und Dichtwandtechnik wird zur Gewährleistung eines störungsfreien Betriebes das auf den Arbeitsebenen auftretende Niederschlags- und Grundwasser über Graben- und Pumpensysteme abgeleitet. Wetterdaten und Pegelstände bilden die Grund-
Thomas Penk
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.. Abb. 3.7.1-8 Darstellung der Alarm- und Informationsabläufe
lage für die Berechnung der erforderlichen Stauräume und Ableitersysteme um eine Versickerung der Wässer möglichst zu vermeiden. Für zulässige Grundwassermächtigkeiten und Restwasserstände im Bereich der Böschungen sind Grenzwerte festgelegt. Mit Hilfe mobiler Frästechnik bzw. Hydraulikbagger werden Grabensysteme, teilweise mit Drainagen, angelegt, die die Wässer sammeln bzw. in Baugruben ableiten. Über PE-Leitungen und Söffelpumpen wird das Wasser in die Ableitersysteme der Filterbrunnenentwässerung bzw. in die Wasserhaltung transportiert. Hier werden Becken wechselseitig betrieben um die Reinigung zu gewährleisten. Das zulaufende Wasser, wird anschließend über Kreiselpumpen in die Ableitersysteme gehoben. In Sonderfällen werden Horizontalbohrungen zur Muldenentwässerung niedergebracht bzw. das Wasser mit Vakuumpumpen aus dem Boden gelöst. Aber auch die Wiederinbetriebnahme von Filterbrunnen auf den Arbeitsebenen ist in Störungszonen üblich. Die geotechnische Sicherheit im Kippenbereich und in verbleibenden Randschläuchen wird durch Filterbrunnen und Drainagesysteme gewährleistet. Die entsprechenden Aufgabenstellungen für die Oberflächenentwässerung werden den jeweiligen aktuellen Vorgaben zur Gewährleistung der geotechnischen Sicherheit und den technologischen Vorgaben entnommen. Grundlagen für die Kapazitätsplanung sind die Vorgaben aus der Geschäftsjahresplanung. Monats- und Wochentechnologien konkretisieren die Einsatzplanung. Tägliche Steigerrapporte über den Erfüllungsstand der
Vorgaben aktualisieren den Ressourceneinsatz in den folgenden Schichten. Notwendiges Personal und die erforderliche Technik ist im Bereich Aus- und Vorrichtungen angelegt, wird der jeweiligen Prozesslinie zugeordnet und ist vor Ort stationiert. Die Oberflächenentwässerung wird durchgängig über 24 Stunden an allen Kalendertagen organisiert. Leistungsanforderungen über die Grundlast hinaus werden über Vertragspartner abgedeckt. Die Verrechnung der Leistungen erfolgt innerbetrieblich auf das Produkt Kohle bzw. auf die anfordernde Prozesslinie. Arbeitsanweisungen und Organisationsrichtlinien zur Gewährleistung der geotechnischen Sicherheit sowie für den sicheren Betrieb der zum Einsatz kommenden Technik ergänzen die Betriebsorganisation im Bereich der kolonnengeführten Oberflächenentwässerung.
Gleisbau Eine stabile Gleisanlage ist eine der wesentlichen Grundlagen für den störungsfreien Ablauf des Förderbrückenbetriebes. Dazu zählt neben dem Zustand der Gleisanlage auch das qualitätsgerechte Ausführen der Rückarbeiten. Das Gleisrost der Förderbrücke besteht aus 12 Gerätegleisen, davon jeweils 5 auf den baggerseitigen Arbeitebenen (1 Gleis 3-schienig) und 2 auf der Kippenarbeitsebene. Die Schiene in der Schienenform R65 ist mittels Hammerstück auf der aufgeschweißten Nebelungsplatte der Stahlhohlschwelle befestigt. Der
386
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
Schwellenabstand beträgt 60 cm. Die Gleise 1 und 2 sowie 4 und 5 auf den baggerseitigen Arbeitsebenen sind mit Distanzhaltern verbunden. Am Gleis 2 sind außerdem Kabelzugstangen und Stationsschilder befestigt. Auf der kippenseitigen Arbeitsebene sind die beiden Gleise ebenfalls mit Distanzhaltern verbunden. Alle Gerätegleise sind mit Gleisketten zur Sicherung der Schwellenabstände ausgerüstet. Die Schienen in Längen von 25 m bis 60 m werden durch Abbrennstumpfschweißungen bzw. Laschenstöße miteinander verbunden. Schiebestöße sollen Gleisverwerfungen durch den Materialtransport verhindern. Je nach Entwicklung der Markscheide und damit verbundenen Strossenentwicklung werden die Gleisroste verkürzt bzw. verlängert. Die Gleisunterhaltung wird während des laufenden Betriebes durchgeführt. Spezielle Gleishebegeräte sowie Bohr- und Schneidgeräte kommen dabei neben der mobilen Hilfsgerätetechnik zum Einsatz. Bei entsprechender Wirtschaftlichkeit wird auch ein kompletter Austausch des Gleisrostes durchgeführt. Hierzu werden autorisierte Gleisbaufirmen beauftragt, die in den planmäßigen Stillstandzeiten der Förderbrücke abschnittsweise den Gleiswechsel durchführen. Entsprechend des Verhiebes der F60 ist die Gleisanlage in Abbaurichtung zu verrücken. Die Rückbreiten betragen zwischen 8 m und 10 m. Die Rücklänge liegt je nach Strossenlänge zwischen einem Drittel und der Hälfte der Gesamtstrossenlänge. Während der Rückarbeiten befährt die Förderbrücke den Strossenbereich der nicht gerückt wird. Somit wird ein kontinuierlicher Förderstrom gewährleistet. Zum Gleisrücken werden dieselelektrische Rückmaschinen eingesetzt. Dabei wird das Gleis in Rollenköpfe zwischen den Drehgestellen der Rückmaschine eingespannt, hydraulisch angehoben und um Spanbreiten von rund 60 cm horizontal während einer Durchfahrt verschoben. Alle mit Distanzhaltern verbundenen Gleise werden gleichzeitig gerückt, so dass bei einer Rückung auf der baggerseitigen Arbeitebene jeweils drei und auf der Kippenseite eine Rückmaschine im Einsatz ist. Die Übergänge zwischen gerückten und nicht gerückten Strossenbereichen werden in Radien entsprechend der Befahrbarkeit durch den Brückenverband ausgeführt. Während des Winterbetriebes wird das Planum zur Gewährleistung der Rückarbeiten mit Auftausalz freigehalten. Je nach Witterung kommen zusätzlich Laugen oder Solen zum Einsatz. Entsprechende Behälter und Sprüheinrichtungen sind Bestandteil der Ausrüstung des Brückenverbandes. Instandhaltungsarbeiten, Verlängerungen und Verkürzungen sowie Rückarbeiten werden auch an den Bandanlagen des Vorschnitt- und Grubenbetrie-
bes durchgeführt. Die Bandsegmente stehen ebenfalls auf Stahlholschwellen die mit einer Rückschiene verbunden sind. Die Befestigungsform ist die Gleiche wie beim Brückenrost. Die Rückarbeiten hier werden jedoch mit Rückraupen durchgeführt an deren Kranausleger der Rollenkopf zum Einspannen der Rückschiene montiert ist. Die Fahrspur der Rückraupe bestimmt das Rückmaß. Grundlagen für die Kapazitätsplanung sind die Vorgaben aus der Geschäftsjahresplanung. Monats- und Wochentechnologien konkretisieren die Einsatzplanung. Tägliche Steigerrapporte über den Erfüllungsstand der Vorgaben aktualisieren den Ressourceneinsatz in den folgenden Schichten. Notwendiges Personal und die erforderliche Technik ist im Bereich Aus- und Vorrichtungen angelegt und wird der jeweiligen Prozesslinie zugeordnet. Der Gleisbau wird arbeitstäglich organisiert und ist auf der jeweiligen Arbeitebene vor Ort stationiert. Leistungsanforderungen über die Grundlast hinaus werden über Vertragspartner abgedeckt. Die Verrechnung der Leistungen erfolgt innerbetrieblich auf die anfordernde Prozesslinie. Arbeitsanweisungen und Organisationsrichtlinien zur Gewährleistung eins sicheren Rück- und Umbaubetriebes an Gleis- und Bandanlagen sowie für den sicheren Betrieb der zum Einsatz kommenden Technik ergänzen die Betriebsorganisation im Bereich des kolonnengeführten Gleisbaues.
Hilfsgeräteeinsatz Eine effektive Betriebsführung der Förderbrückentagebaue erfordert den Einsatz mobiler und variabler Hilfsgerätetechnik der modernsten Bauart. Vom Beginn der bergmännischen Tätigkeit bis zur Rekultivierung finden sie zur Begleitung der Haupt- und Nebenprozesse ihren Einsatz. Die Entscheidung über den Erwerb oder Anmietung bestimmt dabei die betriebswirtschaftliche Bewertung. Die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen sind in die Bestimmung der Grundlast (siehe Tabelle 3.7.1.6) an Hilfsgeräten und Fahrzeugen eingeflossen. Der Bereich Aus- und Vorrichtung ist für die Sicherung der Verfügbarkeit und die Koordinierung einschl. des Abrufes von Leistungen im entsprechenden Bedarfsfall über die Grundlast hinaus verantwortlich. Um eine hohe Effizienz des Hilfsgeräteeinsatzes zu erreichen, bedarf es einer gezielten Disposition unter Beachtung der tagebauspezifischen Anforderungen. GPS und Funknetze leisten hierbei einen wesentlichen Beitrag. Dazu gehört weiterhin eine durchgängige und umfassende Auftragsabwicklung. Die Grundlast ist prozessbezogen den Linien der Pro-
Thomas Penk
duktion zugeordnet. Die Disposition innerhalb der Bereiche bei Aus- und Vorrichtung erfolgt eigenverantwortlich durch den jeweiligen Steiger. In täglichen Rapporten werden die optimierten Vorgaben aus der Wochentechnologie für den jeweils folgenden Schichtzeiträume abgestimmt. Neben der Absicherung der Grundlast in den Entwässerungs- und Gleiskolonnen erfolgt der Technikeinsatz hauptsächlich für das Herstellen des Rückplanums sowohl für die Gleisanlagen des Brückenverbandes als auch für das der Bandanlagen und die Bekiesung der Arbeitsebenen zur Gewährleistung der Standsicherheit. Die hier eingesetzte Planiertechnik ist mit GPS ausgerüstet. Weitere Kapazitäten sind in der Steineberäumung und im Kohleputzen gebunden. Transportleistungen beziehen sich im Wesentlichen auf den Mannschaftstransport, das Abtransportieren der nicht baggerfähigen Steine und Beistellleistungen bei Reparaturen an Großgeräten. Spezialtechnik kommt witterungsbedingt für die Be-
387
netzung der Arbeitsbereiche und Wegesysteme sowie für die Sicherung des Winterbetriebes aber auch für die Betankung und Umsetzung der Technik auf den jeweiligen Arbeitsebenen zum Einsatz. Grundlagen für die Kapazitätsplanung sind die Vorgaben aus der Geschäftsjahresplanung. Monats- und Wochentechnologien konkretisieren die Einsatzplanung. Tägliche Steigerrapporte über den Erfüllungsstand der Vorgaben und die Verfügbarkeit der Technik aktualisieren den Hilfsgeräteeinsatz in den folgenden Schichten. Notwendiges Personal und die entsprechende Technik ist im Bereich Aus- und Vorrichtungen angelegt und wird über eine zentrale Koordinierungsstelle disponiert. Der Hilfsgeräteeinsatz wird durchgängig über 24 Stunden an allen Kalendertagen organisiert. Leistungsanforderungen über die Grundlast hinaus werden über Vertragspartner abgedeckt. Analog der Tagebaugeräte werden auch die Leistungsdaten der Hilfsgeräte und Fahrzeuge für eine wirtschaftliche Bewertung und die
.. Tabelle 3.7.1-1 Grundlast an Hilfsgeräten und Fahrzeugen im Förderbrückentagebau
.. Abb. 3.7.1-9 Dieselrückmaschine
.. Abb. 3.7.1-10 Geländetieflader mit 2x Cat. D8
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.1-11 Rückraupe
.. Abb. 3.7.1-12 Planierraupe mit GPS
innerbetriebliche Verrechnung an die Prozesslinien erfasst. Arbeitsanweisungen und Organisationsrichtlinien zur Gewährleistung eines sicheren Betriebes der zum Einsatz kommenden Technik und deren Abhängigkeiten zu Großgeräten innerhalb ihrer Arbeitsbereiche und über einzuhaltende Sicherheitsabstände zu Böschungssystemen ergänzen die Betriebsorganisation. Über das Verhalten im innerbetrieblichen gleislosen Verkehr besteht eine Betriebsvereinbarung (Betriebsverkehrsordnung).
Störungsbeseitigung
3.7.1.7 Mechanische und Elektrische Instandhaltung Der Zwang zur hohen kontinuierlichen Auslastung der Förderanlagen im Braunkohlentagebau erfordert einen störungsarmen, kostengünstigen Betrieb bei gleichzeitiger Sicherung eines hohen Niveaus der Anlagensicherheit. Demzufolge ist die Organisation der Instandhaltungsmaßnahmen darauf ausgerichtet störungsbedingte Ausfallzeiten so gering wie möglich zu halten und planmäßige Instandhaltungsarbeiten in sehr kleinen Zeitfenstern zu realisieren. Die ständige Überwachung des Verschleißzustandes im laufenden Betrieb und eine kontinuierliche Anlageninspektion sind dabei wesentliche Bestandteile neben der Sicherung geringer Zugriffzeiten auf die erforderlichen Ersatzbauteile. Ein gemeinsames Berichtssystem von Produktion und Instandhaltung unterstützt diesen Prozess.
Die im Tagesgeschäft erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen werden über Rapportsysteme zeitnah erfasst und an den jeweiligen Außendienst Instandhaltung der Prozesslinie zugestellt, die diesen Rapportsystemen zu geschalten sind. Gelingt die Störungsbeseitigung trotz optimaler Ressourcenplanung nicht ohne Produktionsausfall werden in der Prozesslinie Entscheidungen über technologische Änderungen zur Sicherung der abgestimmten Leistungsvorgaben getroffen. Größere Schäden, die einen längeren Stillstand notwendig machen, erfordern eine Überarbeitung der Stillstands- und Produktionsplanung. In Abhängigkeit der jeweiligen Tagebausituation, in Bezug auf die Versorgung der Kraftwerke, kann eine Umverteilung der Kohlelieferung aus anderen Tagebauen, organisiert über die zentrale Managementstelle, notwendig werden.
Planmäßige Instandhaltung zur Gewährleistung der gestellten Leistungsanforderungen/ Komplexinstandsetzungen Aus den Beziehungen zwischen Produktion und Instandhaltung entwickeln sich prozesssteuernde Wechselwirkungen. Da finden wir das Ziel nach optimaler Auslastung der Anlagen und Geräte zur Sicherung der Produktionsziele unter effektiven Bedingungen und die Strategie der Sicherstellung der Personen-, Geräteund Betriebssicherheit bei optimalem Ergebnis. Um diesen Wechselwirkungen gerechter zu werden, erfolgte die Ausrichtung nach einzelnen Prozesslinien.
Thomas Penk
In den Lausitzer Tagebauen sind das der Vorschnitt, die Abraumförderbrücke und der Grubenbetrieb. Dem Team einer solchen Prozesslinie gehören Entscheidungsträger aus dem Bereich Produktion, des Stabes, der Aus- und Vorrichtung, der elektrischen und mechanischen Instandhaltung, dem kaufmännischen Bereich und dem Controlling innerhalb der Tagebaustruktur an. Entsprechend der Jahresplanung werden, bezogen auf das erforderliche Betriebsregime, notwendige Reparaturregime zugeordnet. Dabei wird in planmäßige Instandhaltung und Komplexinstandsetzung, bezogen auf die jeweilige Prozesslinie, unterschieden. Das Reparaturregime wird gezielt auf die Monatsund Wochenplanung umgesetzt. Die Einordnung von Planreparaturen (PR) erfolgt dabei in der Regel wöchentlich, wobei die Komplexinstandsetzungen (KI) jährlich oder alle zwei Jahre durchgeführt werden. Seitens der Instandhaltung wird in folgenden Grundmaßnahmen unterschieden. Wartung: Maßnahmen zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen Abnutzungsvorrates. Inspektion: Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes einer Betrachtungseinheit einschließlich der Bestimmung der Ursachen der Abnutzung und dem Ableiten der notwendigen Konsequenzen für eine künftige Nutzung. Instandsetzung: Maßnahmen zur Rückführung einer Betrachtungseinheit in den funktionsfähigen Zustand, mit Ausnahme von Verbesserungen. Verbesserung: Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen des Managements zur Steigerung der Funktionssicherheit einer Betrachtungseinheit, ohne die von ihr geforderte Funktion zu ändern. Für die Vorbereitung von Planreparaturen ist es notwendig, die Prozesse genaustens zu analysieren und Schwerpunkte zu beleuchten. Das erfolgt vor allem innerhalb des Prozessteams. Durch das Betreuungs- und Bedienpersonal sowie durch die Mitarbeiter der Instandhaltung, wie Geräteverantwortliche und Bordhandwerker vor Ort auf den Geräten werden Anlagen die den unmittelbaren Betrieb betreffen, wie Bänder, Übergabestellen und der Verschleiß kontrolliert. Durch den technischen Service werden mit entsprechenden technischen Auf-
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wand Kontrollen von Lagern, Gurten, Trommeln und Getrieben durchgeführt. Diese Überprüfungen erfolgen zum einem manuell mit entsprechender Technik und zum anderen mittels der eingebauten Diagnostik. Dabei werden u. a. über integrierte Schwingungsgeber an Getriebe- und Trommellagern Rückschlüsse bezüglich des Lagerverschleißes gezogen. Ebenso sind viele Getriebe mit Temperaturgebern versehen, die die Öl- und die Lagertemperatur messen. Die Ergebnisse fließen in die ZEDAS-Datenbanken ein, wo ebenso die Kontrollen von Umrichtern und Motoren abgelegt werden. Mit Hilfe dieser zustandbezogenen Instandhaltung erfolgt eine stetige Optimierung und kontinuierliche Verbesserung von Prozessen und Abläufen. Die Senkung der Kosten bei maximal zur Verfügung stehender Betriebszeit und Minimierung des Störgeschehens steht dabei in Vordergrund. Die Stahlbau-, Seil- und Endschalterkontrollen werden turnusmäßig – monatlich, vierteljährlich und jährlich – durch geschultes und erfahrenes Fachpersonal des technischen Services und der Prüfstelle für Tagebaugeräte durchgeführt. Nach entsprechender Auswertung der Gesamtheit der Kontrollen wird mit der Vorbereitung der notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen begonnen. In diese Vorbereitung sind neben dem Betriebsingenieuren und Arbeitsvorbereitern des Betriebsführungsbereiches durch das technische Büro und die Werkstätten einbezogen. Nachfolgend sind Einflussfaktoren genannt, die direkt auf die Instandhaltungsarbeiten wirken: Abbautechnologie (Parallel- bzw. Schenkabbau) geologische Bedingungen (schwer baggerbare Böden, Steine) Hydrologie (Wasseraustritte) Gerätefahrweise/Operativtechnologie Qualität des eingesetzten Materials/Lagerhaltung Qualität der Eigen- und Fremdleistung Ablauf der logistischen Prozesse geplante Ausnutzung von technologischen Stillständen für Störungsbeseitigung bzw. planbare Maßnahmen. Innerhalb der PR werden in der Regel betriebserhaltende Maßnahmen wie Verschleißreparaturen durchgeführt. Zu den KI werden Rekonstruktions- und Korrosionsschutzarbeiten realisiert, die eine größere Stillstandszeit beanspruchen.
390
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
Diese Arbeiten tragen in der Regel Projektcharakter mit dem Ziel den Stand der Technik zu erhalten bzw. durch innovative Maßnahmen zu verbessern sowie die Gerätesicherheit zu garantieren. Für jede einzelne PR und KI werden Ablauf-, Montage-, Konstruktions-, Baustellen-, Material-, Hilfsgeräte- und Werkstattpläne für einen optimalen Ablauf angefertigt. Bei der Planung und Durchführung von KI-Maßnahmen ist ein Baustellenplan zwingend erforderlich. Aus ihm werden Reparaturstellungen, Arbeitsschwerpunkte und der Standort der Gewerke ersichtlich. Die kostenseitige Untersetzung erfolgt in der Projektplanung. Dementsprechend wird für eine KI eine Rahmentechnologie erstellt, aus der die Schwerpunkte mit statischer Bedeutung und deren Abhängigkeiten aufgeführt sind. Durch die Prüfstelle für Tagebaugroßgeräte werden die eingereichten Unterlagen bezüglich der Einzel- und Rahmentechnologie geprüft. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Analysentätigkeit. Zur Sicherstellung der Geräteverfügbarkeit und der Kostenreduzierung der Instandhaltungsleistungen ist jährlich eine Schwachstellenanalyse durchzuführen mit dem Fokus auf die: Schwachstellenanalyse auf Basis der Störhäufigkeit Schwachstellenanalyse auf Basis der Ausfalldauer Schwachstellenanalyse auf Basis der Kosteninten sität Im Ergebnis der Auswertung sind Maßnahmen zu generieren, die eine Kosten- und Stillstandszeitsenkung zur Folge haben. Dabei stehen die Analysetools und Mitarbeiter des Controllingbereiches und der Instandhaltungskoordinierung der Instandhaltungszentrale zur Verfügung.
Die daraus resultierenden Maßnahmen finden ebenfalls bei der KI-Planung und Vorbereitung Berücksichtigung. Der erreichte Stand der anlagentechnischen Ausrüstung trägt entscheidend zu Kostenoptimierungen im Bereich der Instandhaltung und auch im Bereich der Betriebsführung bei. Weitere Strategische Ausrichtungen sind der Erhalt der fachlichen Kompetenzen, das technische Know-how, die Beherrschung der Abläufe und Qualifikationen, eine hohe Anlagenverfügbarkeit und -Zuverlässigkeit, die Dokumentation und das Wissensmanagement, die Erweiterung und Pflege der spezifischen technischen Anforderungen sowie die Führung von Projekten zu konzeptionellen Schwerpunkten. Der formulierte Grundsatz: „Die Funktionalität, Verfügbarkeit, Sicherheit und Effizienz der Anlagentechnik bilden eine entscheidende Voraussetzung, um die Produktionsziele zu erreichen“ hat zukunftsweisenden Bestand. Dabei ist ein gezieltes Entgegenwirken dem sich unter den technologischen Bedingungen ergebenden absoluten Aufwandzuwachs in Betriebsführung und Instandhaltung ebenso von strategischer Bedeutung wie die weitere Optimierung der Prozesse innerhalb der Anlagentechnik und in den Wechselwirkungen von Produktionsdurchführung und erhaltenden und innovativen Instandhaltungsmaßnahmen. Dies ergibt eine kosteneffiziente technische Sicherung der Produktionsprozesse.
Literatur Vattenfall Europe Mining AG(2006): Grundlagen der Tagebauführung im Lausitzer Revier, 1. Auflage, 416 S. Vattenfall Europe Mining AG: interne Dokumentationen
Dieter Gärtner, Ralf Hempel
3.7.2
391
Überwachung und Steuerung der Prozesse in den Braunkohletagebauen im Rheinland
Dieter Gärtner, Ralf Hempel 3.7.2.1 Einführung Die Förderung im Rheinischen Braunkohlenrevier konzentriert sich mittel- und langfristig auf die drei Tagebaue Garzweiler, Hambach und Inden. Diese Tagebaue sind für eine Gesamtkapazität von rd. 100 Mio. t Kohle ausgelegt. Davon werden etwa 90 Mio. t jährlich in 5 Kraftwerken verstromt. Die Restmenge wird in 3 Fabriken zu Veredlungsprodukten wie Briketts, Staub und Koks aufbereitet. Die beiden Tagebaue Hambach und Garzweiler versorgen gemeinsam 4 Braunkohlekraftwerke. Der Tagebau Hambach ist darüber hinaus auch noch ausschließlicher Rohkohlelieferant für die 3 Veredelungsbetriebe. Der Tagebau Inden im Westen
des Rheinischen Reviers stellt einen Inselbetrieb dar, da er ausschließlich das Kraftwerk Weisweiler über eine Bandanlage mit Braunkohle versorgt. Zur Freilegung der Braunkohle ist eine jährliche Abraumbewegung von ca. 450 bis 500 Mio. m³ erforderlich (Abb. 3.7.2-1). Eine solche Massenbewegung kann wirtschaftlich nur beherrscht werden durch den Einsatz von Schaufelradbaggern mit Tagesnennleistungen zwischen 110.000 und 240.000 m³ + t. Die Massentransporte innerhalb der Tagebaue erfolgen über bis zu 3 m breite Bandanlagensysteme. Außerhalb der Tagebaue wird die Kohle zu den Kraftwerken und Brikettfabriken durch die werkseigene Eisenbahn transportiert. Zudem werden über die Bahn maßgebliche Mengen an kulturfähigen Böden zur Oberflächengestaltung von Resträumen transportiert. Vor dem Hintergrund des grundlegenden Wandels in der Energiewirtschaft ist es umso notwendiger, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle nachhaltig sichergestellt wird. Dies kann nur geschehen, wenn die Effizienz von Anlagen und Personal unter Nutzung moderner Betriebssteuerungsinstrumente konsequent
Gesamt Abraumleistung: 436,2 Mio. m³ Kohleförderung: 99,7 Mio. t Garzweiler n ah Nord - Süd - B
143,4 Mio. m³
40,4 Mio. t KW-Kohle
FortunaGarsdorf
37,4 Mio. m³ ge la an nd ba um ra b A
180,9 Mio. m³
Bergheim
Köln ein Rh
74,5 Mio. m³ Hambach a mb Ha
Inden
ch
ba
hn
26,8 Mio. t KW-Kohle
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Ville
Betriebsfläche Ehemalige Betriebsflächen Rekultivierte Betriebsflächen Braunkohlenkraftwerke (KW)
21,4 Mio. t
Kohleveredlungsbetriebe (VB) genehmigte Abbaugrenzen
.. Abb. 3.7.2-1 Rheinisches Braunkohlenrevier – Massentransport 2007
11,1 Mio. t VB-Kohle
0
1 2
3
4
5 Km
392
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
verbessert werden. Sie sind eine wesentliche Voraussetzung für die wirtschaftliche Optimierung der Tagebauprozesse. Bei den gegebenen Umfeldbedingungen der Braunkohlegewinnung im offenen großflächigen Tagebau erfordert der Prozess in einem Tagebau eine weiter gefasste Definition als die aus der Automatisierungstechnik bekannte, nämlich die „Schaffung technischer Einrichtungen zur Vorgabe von Entscheidungskriterien für den Prozessablauf der Maschinen- und Anlagendimensionierung und deren Ausnutzung, um den Prozess kontinuierlich einem Optimum anzunähern“. So gelten für die Tagebauprozesse in den Braunkohlebetrieben des Rheinlandes folgende Zielsetzungen: die Gewährleistung der Arbeitssicherheit für alle Mitarbeiter, die qualitätsorientierte Bekohlung der Kraftwerke und Fabriken, die Sicherstellung der Belange des Umweltschutzes sowie die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit im Strommarkt. Diese können nur durch die Lösung der folgenden Kernaufgaben erreicht werden: die Steigerung der Gesamtausnutzung des Tagebausystems, die standsichere Unterbringung der zur Freilegung der Kohle notwendigen Abraummassen, die Sicherstellung der Rekultivierungsqualität im Rahmen des kontinuierlichen Wiedernutzbarmachungsprozesses, die Reduzierung des Instandhaltungsaufwandes und die Automatisierung von Abläufen.
3.7.2.2 Steuerung der Betriebsabläufe in einem Tagebau Der Betriebszweck eines Braunkohlentagebaues besteht darin, den Rohstoff der vorgegebenen Lagerstätte möglichst vollständig, zu möglichst niedrigen Kosten und unter möglichst weitgehender Schonung der Umwelt zu gewinnen. Dabei soll die Förderung zeitlich, mengenmäßig und qualitativ den Absatzmöglichkeiten entsprechen. Hierbei ist es Aufgabe der Betriebssteuerung, die betrieblichen Aktivitäten im Tagebau so aufeinander abzustimmen, dass diese Ziele möglichst weitgehend erreicht werden. Die Betriebssteuerung
umfasst also im erweiterten Sinne alle Aktivitäten in den Bereichen Betriebsplanung, Betriebsführung, betriebliche Disposition und Betriebskontrolle. Betriebssteuerung mit dem Ziel einer Gesamtoptimierung muss dabei alle betrieblichen Aktivitäten umfassen. Das System der Betriebssteuerung ist wie ein elektrischer Regelkreis zu sehen. Bereits in den 60er Jahren wurden mit dieser Systematik und den seinerzeit zur Verfügung stehenden „einfachen“ Mitteln Verbesserungen der Betriebssteuerung erreicht. Stufenweise erfolgte dann mit weiterentwickelten Werkzeugen der perfektioniertere Einsatz in allen Tagebauen. Führungsgrößen in diesem Regelkreis „Tagebau“ sind die Optimierungsziele Förderleistung, Wirtschaftlichkeit, Umweltschonung, Lagerstättenausnutzung sowie Kohlequalität und Abraumdisposition, die in der betrieblichen Praxis in detaillierten Vorgaben umgesetzt werden müssen (Abb. 3.7.2-2). Die Rangfolge der Ziele und damit auch die Strategien zur Annäherung an das Optimum ändern sich. So ist beispielsweise die Bedeutung der Umweltbeeinflussung sowohl vom Stellenwert des Umweltschutzes in der Öffentlichkeit und im jeweiligen Unternehmen als auch von der jeweiligen Region abhängig, in der sich ein Tagebau entwickelt. In der Bundesrepublik Deutschland haben diese Fragen heute in vielen Fällen Priorität vor allen anderen Überlegungen und können auch kurzfristigen Wechselzyklen unterlegen sein. Die Stellgrößen, mit denen der Betriebsablauf beeinflusst wird, sind im Wesentlichen der Einsatz der Maschinen und des Personals. Daneben wirkt eine Reihe von Störgrößen auf den Betrieb ein. Im Wesentlichen sind dies die unplanmäßigen Gerätestillstände durch Ausfälle von Anlagen, Änderungen im Kohlebedarf oder Abweichungen in der Lagerstätte gegenüber erwarteten Vorgaben bzw. Prognosen. Es ergeben sich daher zwangsläufig Differenzen zwischen den Soll- und Istwerten, die umso größer sind, je länger es dauert, bis die zurückgemeldeten Mengen, Qualitäten, Zeiten und Kosten eine Kompensation durch Veränderung der Stellgrößen oder der Führungsgrößen auslösen. Bei großer Nachfrage nach Kohle hat so zum Beispiel die sichere Bedarfsdeckung bei maximaler Kapazitätsauslastung eine hohe Priorität. Für die betrieblichen Strategien kann dies zur Folge haben, den Weg des gleichmäßigen Personaleinsatzes ausschließlich an Werktagen mit entsprechend längeren Gerätestillstandszeiten zu verlassen. Demgegenüber könnte dann eine kostenintensivere Instandhaltung an Sonn- und Feiertagen mit zunehmender Inanspruchnahme von Fremdleistung stehen.
Dieter Gärtner, Ralf Hempel
393
.. Abb. 3.7.2-2 Regelkreis Tagebau
3.7.2.3 Tagebauprozessmodell Eine wesentliche Voraussetzung zur Optimierung des Tagebauprozesses ist die Aufqualifizierung der Mitarbeiter und die Verbesserung der Anlagensysteme. Um die Arbeitsabläufe und Entscheidungen der Verantwortlichen in den Betrieben zu unterstützen, sind intelligente „Informationssysteme“ eine wesentliche Voraussetzung. Prozessoptimierung bedeutet, Entscheidungen und Abläufe noch stärker auf eine gemeinsame Zielsetzung auszurichten. Dabei müssen technische und wirtschaftliche, in teilweise sehr komplexen Abhängigkeiten stehende Zusammenhänge transparent aufbereitet und den für die Betriebssteuerung Verantwortlichen zielgerichtet, zeitnah und übersichtlich bereitgestellt werden. Die Prinzipien einer effizienten Betriebssteuerung können sinnvollerweise anhand eines Stufenmodells zur digitalen Modellierung der Tagebauprozesse verdeutlicht werden. Hierbei werden als Hauptprozesse die Gewinnung, der Transport und die Zwischenbunkerung der Kohle sowie die Abraumbewegung einschließlich Transport und Verkippung der Massen verstanden (Abb. 3.7.2-3).
Als Nebenprozesse können zusammengefasst werden die Personalsteuerung, die Instandhaltung, die Entwässerung des Tagebaus, also die voreilende Brunnen- und Oberflächenentwässerung sowie die Unterstützungsleistungen durch Hilfsgeräte. Alle Tagebauprozessbereiche bestehen grundsätzlich aus 3 Prozessebenen. Die erste Ebene ist die Planung der Prozesse bis hin zur Geräteeinsatzplanung. Als zweite Ebene gilt die Disposition, d. h. der kurzfristige Einsatz der Ressourcen. Die dritte Ebene ist die tatsächliche Prozessdurchführung, d. h. der reale Prozess mit seinen Steuerungs- und Automatisierungsfunktionen. Die Systeme zur Unterstützung der Planung und Disposition sind mit der Durchführungsebene verbunden über die digitale Abbildung der Realität in spezifischen Modellen. Diese Modelle der Ist-Situation sind gleichzeitig sowohl Basis für Simulation und Optimierungsverfahren als auch für geeignete Vorgaben zur Steuerung der Prozesse. Um den gesamten Tagebaubetrieb auf ein betriebswirtschaftliches, sicherheitliches und technisches Optimum führen zu können, ist es essenziell, dass die
394
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.2-3 Integriertes Tagebauprozessmodell
Einzelprozesse miteinander verzahnt sind. Anders ausgedrückt: Eine vertikale und horizontale Integration der Informationssysteme ist notwendig. Hierbei müssen sich die einzelnen Prozessebenen austauschen und nach den Vorgaben hinsichtlich Mengen, Qualitäten, Zeiten und Kosten entwickeln und gleichzeitig in einem Rückkopplungsprozess auf Abweichungen reagieren können. Hierzu müssen die realen Prozesse
.. Abb. 3.7.2-4 Kommunikationsinfrastruktur Tagebau
und Anlagen in möglichst wirklichkeitsnahen IT‑Modellen abgebildet werden. Ganz wesentlich sind hierbei die Controlling-Funktionen, die mit bestimmten technischen und betriebswirtschaftlichen Kennzahlen die einzelnen Prozesse absolut und relativ zueinander steuern müssen. Optimierungssoftware und Simulationen können auf dieser Basis die Entscheidungsfindung wirksam unterstützen.
Dieter Gärtner, Ralf Hempel
Eine wesentliche Voraussetzung für die integrierte Optimierung bei der Steuerung der Haupt‑ und Nebenprozesse ist der Aufbau einer leistungsfähigen Kommunikationsinfrastruktur als Schnittstellenplattform für die Prozessleittechnik und moderne Betriebsführungssysteme (Abb. 3.7.2-4). Hiermit werden sowohl ein kontinuierliches Reporting für die Betriebsführung und Diagnose als auch ein aktiver Eingriff in die Steuerungsprozesse sowie die Verbindung miteinander ermöglicht.
3.7.2.4 Hauptprozess „Produktion“ Grundsätze der Betriebssteuerung Das wesentliche Ziel der kurzfristigen Bagger- und Absetzereinsatzsteuerung besteht darin, die durch das Fördersystem und das zu baggernde sowie zu verkippende Material entstehenden systembedingten Störungen und Stillstände so gering wie möglich zu halten, die planmäßigen Instandhaltungen des Fördersystems entlang der Prozesskette so zu koordinieren, dass die rechtzeitige Bereitstellung der Kohle hinsichtlich der Anforderungen an Qualität und Menge sowie der standsichere Aufbau der Abraumkippen kostenoptimiert unter Gewährleistung der Arbeitssicherheit möglich ist, die sonstigen Prozesse bis hin zum Umweltschutz in den Gesamtprozess sinnvoll und unter wirtschaftlicher Nutzung der verfügbaren Ressourcen optimiert zu integrieren.
395
Dies kann nur durch eine gesamtheitliche Betrachtungsweise des Tagebauprozesses und mit Hilfe unterstützender Werkzeuge geschehen. Unter Berücksichtigung der häufig konkurrierenden Einflussfaktoren ist es Ziel, die Kohleförderung nach Menge und Qualität immer sicherzustellen und gleichzeitig die Geräteausnutzung bei niedrigen Kosten zu maximieren (Abb. 3.7.2-5). So sind als „externe“ Einflussfaktoren neben den politisch/gesellschaftlichen Rahmenbedingungen i. w. die Belange aus Umweltschutz und Nachbarschaft zu nennen (Abb. 3.7.2-6). Zu den wesentlichen, eher als „interne“ Einflussfaktoren zu bezeichnenden Randbedingungen zählen insbesondere die Bereiche des Kohleabsatzes sowie die Abraumgewinnung und -verkippung. Hierzu gehören, z. B. Faktoren wie die Geräteleistung, Gebirgsmechanik, Entwässerung, Abraumqualität, Geräteinstandsetzung, Bandrückungen und sonstige -umbauten, um nur einige der wesentlichen aufzuzählen.
Planung als Grundlage der Betriebssteuerung Die übergeordneten Rahmenvorgaben innerhalb des Hauptprozesses „Produktion“ setzt die Tagebauplanung. So wird die Abbauführung eines Tagebaues über verschiedene Zeiträume geplant, wobei zwischen lang-, mittel- und kurzfristigen Planungszeiträumen unterschieden wird (Abb. 3.7.2-7).
.. Abb. 3.7.2-5 Tagebau Hambach vor der Gemeinde Elsdorf
396
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.2-6 Einflussfaktoren auf den Tagebaubetrieb
.. Abb. 3.7.2-7 Stufen der integrierten Tagebauplanung
Dieter Gärtner, Ralf Hempel
397
Wesentliche Voraussetzungen für die Betriebssteuerung eines Tagebaues werden bereits in der langfristigen Planung geschaffen. Dadurch wird die Tagebauentwicklung bis zur geplanten Auskohlung im großen Raster festgelegt. Vereinfacht wird hierbei das Tagebaumodell zur Massenermittlung in 5 Jahres-Sektoren ohne Sohleneinteilung zerlegt. Bereits hierbei werden auch die Qualitäten der Kohle mitbetrachtet. Das allgemeine Ziel der mittel- und kurzfristigen Planung besteht darin, betriebliche Engpässe zu erkennen und zu versuchen, den notwendigen Dispositionsfreiraum für den laufenden Betrieb zu schaffen. Dabei wird die Planung als integraler Bestandteil des Regelkreises Tagebau gesehen (Abb. 3.7.2-8). Die mittelfristige Planung umfasst einen Zeitraum von > 5 Jahren. Hiermit ist die konkrete Investitionsund Budgetplanung für diesen Zeitraum sowie das rechtzeitige Erkennen von kritischen Rahmenbedingungen zukünftiger Bagger- und Absetzereinsätze verbunden. Auf der Grundlage des langfristigen Planungskonzeptes ist es Aufgabe des Tagebaues, die mittel- und kurzfristige Geräteeinsatzplanung einer sich jeweils verändernden Absatzlage anzupassen. Mit der Kurzfristplanung werden die geometrischen Abhängigkeiten einzelner Sohlen aufgezeigt und der Geräteeinsatz sowie die Materialströme – Kohle und Abraum – zur Auflösung kritischer Sohlenentwicklungen und zur Sicherstellung der Kohlemengen und ‑qualitätssteuerung vorgeplant. Für die beschriebenen Planungsarbeiten stehen interaktive CAD-Anlagen zur Verfügung, die es ermöglichen, Geräteeinsatzpläne in ein bis maximal zwei Tagen zu erstellen. Voraussetzung für diese digitale Tagebauplanung ist das Vorhandensein eines digitalen Risswerkes. Eine weitere Voraussetzung ist das VorlieLangfristplanung anhand Lagerstättenmodell
gen der planungsrelevanten geologischen Flächen in digitaler Form. Ein die einzelnen Geräteeinsatzpläne abgleichendes Planungsinstrument ist die zur Anwendung kommende Förderflussplanung, die heute ausschließlich rechnergestützt durchgeführt wird. Kennzeichnend für diese „Tagebauplanungsprogramm (TAPL)“ genannte Anwendung ist die Darstellung der Baggerund Absetzerblockabfolgen aller Sohlen als Zeitbalkendiagramm mit Massenangaben durchschnittlicher Förderleistung pro Monat, pro Woche und pro Tag, geplanten Geräteinstandhaltungen, Bandumbauterminen sowie wesentlichen Infrastrukturänderungen (Abb. 3.7.2-9). Aus dem TAPL gehen die zeitlich abhängigen Massenbewegungen – Kohlemenge und -qualität, Abraummenge und -arten sowie blockscharf verfügbarer Kippraum – hervor. Aus der grafischen Darstellung des TAPL wird dann unter anderem deutlich, wie sich die Tagebaugeometrie ändert, also welche Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Sohlen bestehen und welche planerischen und dispositiven Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Förderkapazitäten planmäßig aufrecht zu erhalten. Das Programm TAPL liefert grundlegende Daten, mit denen das technische Tagebaumodell (Band-, Gerüst- und Stationsbilanzen) und das geometrische Tagebaumodell (Darstellung von Planständen) rechnergestützt erstellt und fortgeschrieben werden. Die entsprechenden Zeitabschnitte sind über das Jahr, das Quartal, den Monat, die Woche oder den Tag frei wählbar. Hiermit können die Vorgaben der kurzfristigen Kohlebedarfs-/Absatzplanung und die Einflüsse aus den Leistungsschwankungen der Fördersysteme unmittelbar ausgesteuert werden.
Entwicklung mittelfristiger Tagebaustände und kurzfristige Einsatzplanung
Lagerstätten -Daten
.. Abb. 3.7.2-8 CAD-gestützte Tagebauplanung
Einsatzplan
Disposition und Einsatz der Großgeräte
akt. Angebot 3. Sohle akt. Angebot 4. Sohle
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.2-9 Tagebauplanungsprogramm (TAPL)
Dispositionsplanung Auf den sohlenorientierten Planungsvorgaben basiert die Dispositionsplanung. Dies ist ein ständig zu aktualisierender Prozess, der sämtliche Einflussfaktoren auf den täglichen Betriebsablauf zu verknüpfen hat. Neben den Anforderungen der Kraftwerke und Veredelungsbetriebe zählen hierzu unter anderem auch erforderliche Instandhaltungsmaßnahmen, Bandrückungen und die Anforderungen aus der Gebirgsmechanik sowie die zur Verfügung stehenden Ressourcen an Personal, Hilfsgeräten und Material. Zu Beginn einer jeden Woche ist es erforderlich, im Rahmen einer sogenannten Wochenvorschau mit allen am Tagebauprozess Beteiligten das bestehende Programm zu überprüfen und für die kommenden Wochen zu erweitern. Hierbei fließen neue Erkenntnisse zum Großgeräteeinsatz und zum Betrieb der Bandanlagen ebenso ein, wie auch Überlegungen zur Instandhaltung oder sonstige Anforderungen an den Tagebau. Arbeitsgrundlage ist dabei das gültige Wochenprogramm für die Aktivitäten der Produktion und der Instandhaltung. Dieses deckt genau die laufende Woche und im Rahmen einer Vorschau die kommenden vier bis fünf Wochen ab. Zur Sicherstellung des Kohlebedarfes ist eine sehr detaillierte Vorplanung der Kohlegewinnung hinsichtlich Qualität und Menge erforderlich. Hierzu ist vor dem Gewinnungsprozess der Kohlestoß über die
gesamte jeweilige Strossenlänge in qualitätsorientierte Scheiben einzuteilen. Hierauf aufbauend ist tagesscharf eine Gewinnungsabfolge im Detail über den o.g. Kurzfristzeitraum vorzunehmen, bei der sowohl Gerätereparaturen, Instandsetzungen und Umbauten von Bandanlagen zu berücksichtigen sind als auch die wechselnden Anforderungen der Abnehmer. Wochenscharf erfolgt dann eine „rollierende Vorschau“ nach Menge und Qualität für ca. drei Monate. Das Ergebnis für die Kohleförderung wird in einem sogenannten Kohlelauf dargestellt, der täglich aktualisiert wird und Angebot und Nachfrage der Bunkerentwicklung nach Menge und Qualität miteinander verknüpft. Dieses Planungsergebnis sowie der Kohlelauf als separate qualitätsorientierte Darstellung der Kohleströme dienen als zentrale Arbeitsvorbereitung für den gesamten Tagebaubetrieb. Damit verbundene Aktivitäten der Betriebseinheiten müssen fördertäglich abgestimmt und ggfs. aktualisiert werden.
Automatisierung In der Prozessebene „Durchführung“ findet man die Steuerung und Automatisierung von Großgeräten, also der Schaufelradbagger und Absetzer über die Förderbandanlagen bis hin zum Kohlebunker einschließlich der Bunkergeräte, bzw. bis zur Innen- oder Außen kippe.
Dieter Gärtner, Ralf Hempel
Neben dem Ziel, Personalkosten zu senken, soll mit der Automatisierung von Bedienfunktionen ein gleichmäßigerer reproduzierbarerer Betrieb der Betriebsanlagen erreicht werden. So sollen z. B. Überlastungen der Förderanlagen vermieden, Schäden minimiert und somit Produktionskennziffern und Betriebskosten optimiert werden. Im ersten Automatisierungsschritt hat RWE Power die Bandschleifenwagen an den Absetzern vollautomatisiert, die Beladewagen der Schaufelradbagger teilautomatisiert, Absetzer mit Funkfernsteuerungen und Videosystemen ausgerüstet sowie die schienengebundenen Bunkergeräte mit Ausnahme der dort eingesetzten Eimerkettenbagger vollautomatisiert. Im kommenden zweiten Schritt soll der Baggerprozess im Regelbetrieb automatisiert, die Beladewagen von teil- auf vollautomatisiert umgebaut und die Übergabe der Bandschleifenwagen auf die Absetzer automatisiert werden. Im dritten Schritt ist vorgesehen, den Baggerprozess in den gerätegeometrischen Betriebsstellungen und die Schüttprozesse der Absetzer voll zu automatisieren.
.. Abb. 3.7.2-10 Materialmanagement
399
3.7.2.5 Optimierung der Hauptprozesse Materialmanagement Der Einsatz von Großgeräten in einem Tagebau wird nicht nur bestimmt von den geometrischen Eigenschaften eines Schaufelradbaggers oder eines Absetzers oder von den aus den Sektorenberechnungen ermittelten Blockinhalten, sondern vor allem auch aus den Zwängen, die sich aus der Materialdisposition ergeben. So müssen nicht nur die unterschiedlichen Kohlequalitäten disponiert, sondern auch die unterschiedlichen Abraummassen zu einer standsicheren Innen- oder Außenkippe aufgebaut werden. So existiert neben dem DV-gestützten sogenannten „Kohlelauf “ in ähnlicher Weise auch eine Vorplanung für das Abraummanagement (Abb. 3.7.2-10). Unterschiedlich anstehende Materialarten sowie deren Gewinnungs- und Förderfähigkeit als auch deren spätere Standfestigkeit haben stark schwankende Leistungen der Großgeräte zur Folge. Zur Realisierung eines belastbaren Großgeräteeinsatzes mit Terminierung von Instandhaltungen sowie Bandumbauten oder Bagger- und Absetzertransporten ist sowohl eine
400
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.2-11 Standsichere Absetzerverkippung
genaue Kenntnis über das Materialangebot als auch über die hieraus resultierenden Einflüsse auf den Bagger- und Absetzerbetrieb erforderlich. Es handelt sich also um einen permanenten Prozess, möglichst ohne den Stillstand einer Förderkette, um Angebot und Nachfrage auszugleichen. So beeinflusst zum Beispiel die Angebotsseite „Abraum“ unmittelbar den Verkippungsbetrieb, da aufgrund der vorausschauenden, tagesscharfen Abraumplanung erreicht wird, dass sowohl die Anforderungen an einen qualitäts- und leistungsorientierten Betrieb sichergestellt sowie in gleicher Weise Spitzen im Ressourcenbedarf (eigene Mitarbeiter, Reparaturmaterial und Fremdfirmeneinsatz) gemindert werden (Abb. 3.7.2-11). Die Materialdisposition in einem Tagebau mit kontinuierlicher Fördertechnik im Leistungsbetrieb ist eine komplexe Aufgabenstellung mit vielfältigen Abhängigkeiten und Regeln. Wichtige Voraussetzungen für eine optimierte Materialdisposition ist die kontinuierliche Information über die anstehenden Massen und die Abnahmemöglichkeiten der Absetzer bzw. der Bunker, d.h., es müssen jederzeit genaue Kenntnisse über die
Menge, die Qualität und den Zeitpunkt der Aufnahme des Materials sowie des verfügbaren Kippraumes und des verfügbaren Bunkerbereichs vorliegen.
Materialerkennung Zur Gewährleistung einer standsicheren Kippenführung bei einer durchgängig hohen Leistungsfähigkeit des Förderprozesses ist es notwendig, die Eigenschaften der Abraummaterialien zu kennen. Detaillierte Materialeigenschaften werden üblicherweise abnahmeorientiert zu Materialarten zusammengefasst. Der Einfluss dieses Materials auf den Tagebauprozess ist erheblich. Materialeigenschaften verändern sich schon während der Gewinnung durch die Mischung der Sedimente am Stoß. Weitere Veränderungen entstehen bei der Förderung und der Verkippung. Aus technischen Gründen konnten bisher nicht alle, für die Prozesskette relevanten Materialparameter automatisiert erkannt und zeitnah bereitgestellt werden. Aus der Sicht der Betriebsführung ist dies jedoch notwendig, da somit wesentlich belastbarer vorausschauend disponiert
Dieter Gärtner, Ralf Hempel
werden kann. Auch können die Regelparameter für die Förderleistungsoptimierung präziser eingestellt werden. Für die weitergehende Automatisierung von Großgeräten ist die genaue und zeitnahe Erkennung des Materials und seiner Trennflächenerkennung eine wichtige Voraussetzung. Die Ergebnisse einer bereits durchgeführten Vorstudie über die technisch-physikalischen Möglichkeiten der Materialerkennung zeigen, dass es zwar ein breites Spektrum an Sensoriken zur Material‑ und Trennflächenerkennung gibt, hiervon aber nur wenige zum Online‑Messeinsatz am Schaufelrad geeignet sind (Abb. 3.7.2-12). Unter Beachtung der Anforderungen an die Sensorik, die ersten Ergebnisse der durchgeführten Studien und nach Auswertung bereits vergleichbar stattfindender Einsätze einzelner Sensoriken in der Praxis kommen Messverfahren wie Georadar, Reflexionsmessungen, Geoelektrik, Widerstandselektrik, induzierte Polarisation, Akustik und Bildverarbeitung in Frage. Allerdings wird nur eine Kombination von Messverfahren zu einer Multisensorik die voraussichtlich benötigte Auflösung und Genauigkeit erreichen können. Die bisherigen Ergebnisse machen zuversichtlich, dass es in den nächsten Jahren gelingen wird, prozessrelevante Materialinformationen zu erhalten, die in den bereits beschriebenen Prozessmodellen vorgehalten bzw. mitgeführt werden können. Mit einer daraus entwickelten Optimierungssoftware wird es dann gelingen, vorausschauend optimierte Varianten für den Geräteeinsatz zu generieren.
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Digitales Tagebaumodell Kohle- und Abraummanagement sind für sich komplexe, eigenständige Prozesse mit eigenen Zielvorstellungen, die jedoch aufgrund der bestehenden Abhängigkeiten interaktiv zu integrieren sind. Für beide Prozesse sind deshalb auf der Dispositionsebene besondere Steuerungsfunktionen eingerichtet. Allein mit konventionellen Methoden, wie beispielsweise der des terrestrischen Aufmaßes lässt sich dies nicht beherrschen. Eine technische Lösung hierfür bietet das digitale Modell des Gewinnungsprozesses, eine Art „Sammelstelle“ für alle (Gelände-)geometrischen Daten und für den Geräteeinsatz relevante Informationen aus der Lagerstättendatei (Abb. 3.7.2-13). Diese Informationen können webbasiert online den unterschiedlichen Produktions- und Planungsbereichen zur Verfügung gestellt werden. Ein Blick in den digitalen Tagebau zeigt u. a. die aktuelle Position der Großgeräte und Hilfsgeräte, den aktuellen Abbau- und Verkippungsfortschritt, die Position der Entwässerungsinfrastruktur sowie geologische Informationen. Die Basis für die Darstellungen der Geologie und der Massenbilanzen ist das bereits genannte digitale Lagerstättenmodell. Da die „reale“ Geologie in einigen Bereichen gegenüber den Informationen aus Lagerstättenbohrungen naturgemäß abweichen kann, werden systematisch durch terrestrische/geologische Geländeaufnahmen die Daten in das digitale Tagebaumodell eingepflegt. Man kann somit in das Gebirge „hineinsehen“ und Informationen über
.. Abb. 3.7.2-12 Materialund Trennflächenerkennung
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.2-13 Digitales Tagebaumodell
die Materialeigenschaften eines jeden Abbaublockes abrufen. Erlaubt sind wahlfreie Darstellungen im digitalen Tagebau über einen interaktiven Zugang zu den Tagebaudaten. So können Großgerätedurchfahrten zwischen Stoß- und Bandanlage gemessen werden, aber auch Entfernungen zwischen Band und aktueller Oberkante. Auf „Knopfdruck“ können ebenso Restmassenberechnungen, nach Materialarten unterteilt, durchgeführt werden. Somit wird eine modulare Planung, die auf das aktuelle Tagebaugeschehen online eingehen kann, ermöglicht, indem die Einsatzpläne unmittelbar eingepasst und in das Modell eingepflegt werden können.
Geräteführerhilfen Durch eine angepasste Kommunikationsinfrastruktur auf Basis eines Lichtwellenleiternetzes sind alle Großgeräte eingebunden. Hierdurch ist es möglich, in jedem Großgerät Steuerungshilfen über Bildschirme einzuspielen (Abb. 3.7.2-14 und Abb. 3.7.2-16). Ein solches System ist nur dann funktionstüchtig, wenn die Informationen von den Großgeräten hinsichtlich ihrer Positionierung bzw. Bewegung, konkret
also beim Schaufelradbagger die Bewegung des jeweiligen Schaufelradschnittkreises und beim Absetzer neben der Geräteposition die Positionierung und Entwicklung der Schüttkegel, vorliegen. Hierzu dienen auf den Großgeräten installierte moderne GPS- und Scanner-Systeme (Abb. 3.7.2-15). So ist es mit der satellitengestützten Baggereinsatzsteuerung möglich, die Position und die Bewegungen der Schaufelradbagger – GPS-gestützt – im Dezimeterbereich online abzubilden. Die Verarbeitung der GPS-Informationen erfolgt auf einem, auch anderen Systemen zur Verfügung stehenden, zentralen Datenserver. Somit ist also die Verbindung zwischen der Schaufelradposition und dem digitalen Gelände- oder auch Lagerstättenmodell gegeben, das somit kontinuierlich nachzuführen, d. h. auch als „automatisiertes“ Tagebauaufmaß online mitzuführen und prinzipiell über Web-Technologie jedem der für den Einsatz verantwortlichen Mitarbeiter bereitzustellen ist. Verkippungsseitig wird die Positionierung des Absetzers bzw. des Abwurfpunktes mittels GPS durch einen verlässlichen Flächenscanner am Kopf des Abwurfbandes ergänzt. Nach denselben Kriterien wie auf der Gewinnungsseite kann nunmehr auf der Kippe das kontinuierliche Aufmaß fortgeschrieben und geomet-
Dieter Gärtner, Ralf Hempel
.. Abb. 3.7.2-14 Bagger-Geräteführerhilfe
.. Abb. 3.7.2-15 Satellitengestützte Bagger- und Absetzereinsatzeinsteuerung
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404
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.2-16 Absetzer-Geräteführerhilfe
risch sowie numerisch dargestellt werden. Durch das so generierte digitale Kippenmodell wird zeitnah abgebildet, welches Material mit welcher Menge verkippt wurde und wie viel Material mit welcher Qualität noch an welchen Abnehmer entsprechend den vorgegebenen Geräteeinsatzplanungen verkippt werden kann. Mit der Entwicklung von satellitengestützten Bagger- und Absetzereinsatzsteuerungen und dem Aufbau des digitalen Tagebaumodelles wird der Kreis einer geordneten Materialdisposition im sogenannten „Materialmanagement“ geschlossen. Mit der bereits gegebenen Online-Darstellung und der Berechnung des Baggereinsatzes im Schnitt mit dem digitalisierten Lagerstättenmodell ist es möglich, zu jedem Zeitpunkt mit hinreichender Genauigkeit auszuweisen, welche Materialien in welcher Menge auf der Gewinnungsseite (für jede Sohle) anfallen. Andererseits kann ein Soll-Ist-Vergleich kippenseitig ermittelt werden mit der Aussage, welche Kippräume unter Berücksichtigung des planerischen Regelprofiles zu einem standsicheren Aufbau der Kippe zur Verfügung stehen. Dann gilt es in einem letzten Schritt durch eine Logik die ideale Verknüpfung zwischen leistender (Bagger) und empfangender Anlage (Absetzer) vorzuschlagen. Über dieses „Materialmanagement“ genannte Modul ist es aufgrund der Kenntnisse über die einzelnen Blockin-
halte, unterschieden nach den einzelnen Materialien, rechentechnisch möglich, eine ideale Förderkombination zwischen dem jeweiligen Bagger und den einzelnen Absetzern vorzuschlagen.
3.7.2.6 Nebenprozesse Als Beispiele für die Nebenprozesse sollen die Tagebauentwässerung sowie das Hilfsgeräteleitsystem angeführt werden. Für einen Tagebau ist es von existenzieller Bedeutung, den offenen Raum sicher zu entwässern, welches letztlich im Lockergestein nur mit einem hohen technischen Aufwand durch die Brunnenentwässerung und ein geordnetes Oberflächenentwässerungssystem möglich ist. Hiefür wurde, basierend auf die für alle Prozesse eingerichtete Kommunikationsinfrastruktur, ein sogenanntes wasserwirtschaftliches Informationsund Steuerungssystem, genannt „WISS“ aufgebaut (Abb. 3.7.2-17). Mit WISS können die wasserwirtschaftlichen Einrichtungen von einem Arbeitsplatz aus webbasiert überwacht und fernbedient werden. Dies sind in den Tagebauen jeweils bis zu 20 Wasserhaltungen und Druckerhöhungsanlagen sowie eine Gruben-
Dieter Gärtner, Ralf Hempel
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.. Abb. 3.7.2-17 Wasserwirtschaftliches Informations- und Steuerungssystem (WISS)
.. Abb. 3.7.2-18 Hilfsgeräteleitsystem
wasserreinigungsanlage und mehrere, entlang den Tagebaugrenzen aufgestellte Beregnungsanlagen zur Minimierung der Staubimmissionen. Ein weiterer Prozess ist der Einsatz von Hilfs- oder Sondergeräten zur Unterstützung des Großgeräteeinsatzes. Im Tagebau sind hierbei etwa 100 solcher Hilfsgeräte eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Kräne,
Rad- und Kettendozer sowie Rückraupen, Hydraulikbagger, Grader und andere Fahrzeuge. Diese Fahrzeuge sind für Hilfestellungen während des laufenden Betriebes im Gewinnungs- und Förderprozess, bei Um- und Aufbauten neuer Bandanlagen, beim Störungsmanagement, in der Entwässerung und auch bei Instandsetzungsmaßnahmen, um nur einige Anwendungen zu
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
nennen, eingesetzt. Eine solche Vielzahl von Unterstützungsleistungen erfordert zur Gewährleistung eines effizienten Einsatzes eine gute Planung und Disposition dieser Geräte in Anpassung an die Kernprozesse des laufenden Tagebaubetriebes. Dies wird realisiert durch das sogenannte Hilfsgeräteleitsystem (Abb. 3.7.2-18). Mittels GPS werden die Hilfsgeräte-Standorte online in einem Leitstand erfasst und auf so genannten Bediener-PC dargestellt. Fahrzeug- und Auftragsdaten sowie Betriebsstunden werden automatisch erfasst und können somit Aussagen über notwendige Fahrzeuginspektionen und Entscheidungsgrundlagen für den Einsatz liefern. Wesentlich hierbei ist die Darstellung der Fahrzeugdaten, Betriebszustände sowie der Fahrzeugtechnik. Von einem zentralen Leitstand aus können die Hilfsgerätebewegungen und die Daten der einzelnen Einsatzfahrzeuge beobachtet werden. Die Disposition erfolgt über Funkverkehr oder über einen Online-Transfer zu einem Bildschirm innerhalb der jeweiligen Hilfsgeräte.
3.7.2.7 Kontrollund Überwachungssysteme Voraussetzung für den optimalen Betriebsablauf sind neben einer intensiven planerischen Vorbereitung des Produktionsprozesses die schnellen und korrekten Rückmeldungen der tatsächlich erzielten Ergebnisse und der tatsächlichen betrieblichen Entwicklung. Dies bedeutet, dass die einzelnen Betriebsvorgänge einer ständigen, exakten Kontrolle und Überwachung unterzogen und die Massenbewegungen nicht nur in ihrem Volumen, sondern auch in ihrer Auswirkung auf die
Tagebaugeometrie laufend aufgenommen und ausgewertet werden müssen. Verbesserungen der Betriebsergebnisse bei vorhandenen Einrichtungen und Anlagen lassen sich nur durch genaueste Überwachungen des gesamten Betriebsablaufes und anschließender Analyse erreichen, wobei bereits eine Differenzierung nach Betriebs- und Stillstandszeiten der technischen Anlagen eine umfassende Übersicht über den Produktionsablauf des Tagebaues verschafft. Steuerung und Überwachung des Betriebsablaufes beruhen auf zahlreichen Informationsprozessen. Zentrale Einrichtung hierfür ist die Betriebsüberwachungsstelle (BÜ) (Abb. 3.7.2-19). Neben den kennzeichnenden Betriebs- und Zustandsdaten für das Fördersystem erfasst und verwertet die Betriebsüberwachungsstelle eine Vielzahl weiterer Informationen, die direkt oder mittelbar mit dem Betriebsgeschehen in Verbindung stehen. Hierbei werden im Rahmen vorgegebener Anweisungen Maßnahmen zur Störbeseitigung und Betriebsumstellung eingeleitet. Zuständige Stellen werden über wichtige Betriebsereignisse informiert. Mit Werkstätten, Nebenbetrieben und Dienststellen auch außerhalb des Tagebaues findet im Bedarfsfall ein Informationsaustausch statt. Die Erfassung, Kennzeichnung und auswertende Darstellung von Stillstandsund Leistungsdaten haben zum Ziel, Zustände und Abläufe im Fördersystem zu beschreiben. Eine weitere Aufgabenstellung besteht in der Koordination von Alarmierungsabläufen, konkret die Kommunikation mit Werkschutz, Brandschutz, Sicherheitsdienst, betriebsärztlichen Dienst und externen Notdiensten.
.. Abb. 3.7.2-19 Moderne Betriebsüberwachung
Dieter Gärtner, Ralf Hempel
Schließlich zählen zur Aufgabe der BÜ die Registrierung von Umwelteinflüssen, die Steuerung von Immissionsschutzanlagen und die Beobachtung von Messwerten auf den verschiedenen Meldetableaus, z. B. Anzeige der Betriebsbereitschaft von Anlagen, Bedarfsmeldungen von Abnehmern, Stromaufnahmen von Geräten und Bandanlagen, Fernüberwachung der Gurtvorspannung und Bandanlagen etc. Eine solche technische Einrichtung in diesem Zusammenhang sind die zur Unterstützung des Betriebsprozesses in den Betriebsüberwachungen eingeführten sogenannten „Fördermengen-Trenddaten-Anzeigen“, die für jeden Bagger und Absetzer sowohl die Verknüpfung als auch den Förderstrom nach Menge und Qualität anzeigen. Hiermit ist es möglich, sowohl kritische Ladezustände als auch nicht genutzte Leistungsreserven materialabhängig und anlagenbezogen rechtzeitig zu erkennen und in den Betriebsprozess einzugreifen. Die aktuellen jederzeit abrufbaren Betriebsinformationen können auf Datensichtgeräten oder zum jeweils aktuellen Zeitpunkt als Protokoll oder in Berichtsform ausgedruckt werden. In einem eigenen Berichtswesen werden die in bestimmten Zeiträumen (Schicht, Tag, Monat etc.) auftretenden Stillstände der einzelnen Fördersysteme sowie in den gleichen Zeiträumen geförderten Abraum- und Kohlemengen für jede leistende Anlage und für jeden Abnehmer ausgewiesen.
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Darüber hinaus werden die Stillstände nach den Ordnungskriterien Bagger, Verursacher, Stillstandsdauer und -häufigkeit dargestellt und die Lastgrade je Bagger, Absetzer und Fördersystem aufgezeigt.
3.7.2.8 Zusammenfassung und Ausblick Die stetig wachsenden Anforderungen an die Planung und Steuerung eines Braunkohlentagebaues, insbesondere der hohe Anspruch an die Kohlequalitätssteuerung und die Abraummaterialdisposition, an eine effiziente Ressourcenbewirtschaftung sowie an einen wirtschaftlichen Leistungsbetrieb haben für die einzelnen Prozessschritte und Zeithorizonte effektive und effiziente IT-gestütze Systeme entstehen lassen. Diese decken heute alle wesentlichen Aufgaben des Tagebaubetriebes von der Planung über die Steuerung und die Umsetzung bis zum Rückfluss in die Planung ab (Abb. 3.7.2-20). In Verbindung mit einem satellitengestützten Aufmaß und der gleichsam gestützten Geräteeinatzsteuerung sowohl bagger- als auch absetzerseitig wird der Bogen zur Umsetzung eines (teil-)automatisierten Tagebauprozesses geschlagen. Die automatische Ermittlung der „Qualitätsdaten“ für Kohle und Abraum soll die Aktualisierung der Dispositionsplanung für den Geräteeinsatz der Absatzplanung mit den Kraftwerken
.. Abb. 3.7.2-20 Betriebssteuerung im Tagebau der neuen Generation
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
und Veredelungsbetrieben sowohl vereinfachen als auch noch belastbarer gestalten. Langfristig ist es das Ziel, die Tagebauplanung in Richtung eines automatisierten Prozesses zu entwicklen. Ebenso bildet die direkte Kopplung mit einem verbesserten Betriebsführungssystem die Möglichkeit, den Tagebauprozess noch transparenter zu gestalten und somit weitere Potenziale zur Verbesserung des Betriebsablaufes zu erschließen. Am Ende der Optimierungskette steht gewissermaßen die Vision des weitgehend vollautomatisierten Tagebaus. Mit den eingeleiteten Maßnahmen zur weitergehenden operativen Prozessoptimierung und zur Entwicklung eines ganzheitlichen Planungs- und Betriebsführungssystems ist eine wesentliche Voraussetzung zur Sicherung der Reininvestitionsfähigkeit und langfristigen Zukunftsfähigkeit der Braunkohlengewinnung geschaffen worden.
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Lutz Kunde, Detlef Trummer
3.7.3
Kohlenqualitätsmanagement
Lutz Kunde, Detlef Trummer Ein weiterer sehr komplexer Tagebauprozess ist das Kohlenqualitätsmanagement, das durch effiziente Prozesssteuerung und eigene bedarfsorientierte Weiterentwicklung sicherstellt, dass alle kurz-, mittel- und langfristigen Veränderungen auf der Liefer-, wie auf der Abnehmerseite erkannt und berücksichtigt werden. Voraussetzung dazu ist Transparenz entlang der gesamten Liefer- bzw. Prozesskette, kontinuierliche Kontrolle und Analyse der dazugehörigen Teilprozesse sowie die zügige und zielgerichtete Anpassung des gesetzten Handlungsrahmens. Nachfolgend werden die maßgeblichen Qualitätsparameter der Rohbraunkohle beschrieben, die durch das Angebot der liefernden Tagebaue und den Bedarf der abnehmenden Kraftwerke und Fabriken determiniert sind. Detailliert werden die in der Lieferkette bestehenden Möglichkeiten zur Qualitätsbeeinflussung beschrieben. Dies schließt die Erläuterung der Betriebsplanungs- und Betriebsführungssysteme sowie die Darstellung der Systeme zur Sicherung der Qualitätsansprache mit ein. Überdies wird die Aufbau- und Ablauforganisation im Kohlenqualitätsmanagement detailliert beschrieben. Auf der Lieferkette zwischen den abgebenden Braunkohlentagebauen und den abnehmenden Braunkohlekraftwerken und -fabriken hat das Kohlemanagement höchste Priorität. Fehllieferungen, die abnehmerseitig zu Wirkungsgrad- und Effektivitätsverlusten oder, schlimmer noch, zu Produktionsausfällen (Blockstillständen) führen, verteuern die gesamte Lieferkette. Genauso treiben qualitätsbedingte Abbauverluste beim Wertmineral die tagebauseitigen Produktionskosten über das A : K-Verhältnis zum Nachteil für das Gesamtsystem.
3.7.3.1 Definition Unter Kohlenqualitätsmanagement werden die planerischen, organisatorischen und technischen Maßnahmen verstanden, die zur Sicherstellung und Optimierung einer bedarfsgerechten Belieferung der Abnehmer sowie der wirtschaftlichen Ausnutzung der in Abbau befindlichen Lagerstätte verstanden. Soweit nicht gesondert darauf hingewiesen wird, beziehen
409
sich die nachfolgenden Ausführungen auf die Situation der Tagebaue und Kraftwerke von RWE Power im Rheinischen Revier. Zwei Ziele werden demnach mit dem Kohlenqualitätsmanagement verfolgt: Die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Belieferung aller Abnehmer, so dass die Anlagen nicht nur in der zulässigen Qualitätsbandbreite, sondern möglichst im qualitativen Optimalpunkt bekohlt werden können. Die Sicherstellung der obigen Belieferung mit geringstmöglichem Aufwand in der Lieferkette bei bestmöglicher Ausnutzung der Lagerstätte. Hinsichtlich der Fristigkeit kann festgestellt werden, dass wegen des vergleichsweise geringen Produktwertes der Rohbraunkohle die Abnehmeranlagen (Kraftwerksblöcke und Fabriken) und gerade die hier betrachtete Lieferkette speziell auf die Gegebenheiten der Lagerstätte ausgelegt sind. Es ergeben sich in der Regel im Vergleich zu Lieferketten der Steinkohle sehr kurze Transportstrecken, weil Tagebaue und Abnehmer einen festen Verbund darstellen, deren Lieferketten über die Lebensdauer der Tagebaue und Abnehmeranlagen Bestand haben und überwiegend für diesen Zweck ausgelegt und speziell dimensioniert sind1. Rohbraunkohle ist demzufolge im Gegensatz zu Steinkohle auch kein Exportgut. Vor diesem Hintergrund zielt das Kohlenqualitätsmanagement auf die mittel- und vor allem kurzfristige Bedienung der Lieferkette ab. Dies geht sogar so weit, dass aus (geplanten und ungeplanten) Blockausfällen resultierende Verschiebungen im Qualitätsgefüge der zu liefernden Kohlen bei der tagebauseitigen Produktion berücksichtigt werden. beispielsweise einzelne Anlagen phasenweise mit sandreichen Kohlen beliefert werden, um durch die Sandfracht Reinigungswirkungen an den Kesselwandungen und Rohren und damit Zunahmen der Effektivitäten zu erzielen. Kundenseitige Probleme bei der Nutzung der Braunkohlenprodukte (Staub, Briketts, Wirbelschicht kohle) zu bestimmten Lagerstättenpartien in Bezug gesetzt werden, um nachfolgende Belieferungen aus diesem Bereich zu unterlassen oder zumindest mit einer Vorwarnung für die Kunden zu versehen.
1 s. dazu auch Kap. 3.4
410
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
3.7.3.2 Lieferkette Als Ausgangspunkt der Lieferkette ist die aufgeschlossene Lagerstätte mit ihren anstehenden Wertmineralinhalten (Kohlenflözen), als Endpunkt die Rohkohle einsetzende Abnehmeranlage zu betrachten. Damit gehören alle Anlagen, vom Gewinnungsgerät über Transportmittel (Bandanlagen, Zugbetrieb) bis hin zu Bunkeranlagen zur Lieferkette. Alle Prozesse werden durch entsprechende Betriebsplanungs- und Betriebsführungssysteme unterstützt. Dabei werden Mengenund Qualitätsbedarf der Abnehmer quasi gegen den Förderstrom als Planungsgröße gemeldet.
3.7.3.3 Qualitätsparameter Hinsichtlich der Qualität werden die in Abb. 3.7.3-1 ausgewiesenen Parameter von den Abnehmern als relevante Eingangsgrößen genutzt. Der Heizwert (MJ/t) dient als Maß für den mit der Rohbraunkohle gelieferten Wärmeinhalt. Die Ballastanteile Wassergehalt (gew%) und Aschegehalt (gew%, %wf) werden erfasst und verfolgt, weil sie über den in der Regel konstanten Heizwert der wasser- und aschefreien Substanz sofortigen Einfluss auf den gelieferten Wärmeinhalt der Rohbraunkohle haben. Der Wassergehalt wird auf der Lieferkette in der Regel nur wenig beeinflusst. Der Aschegehalt der Rohbraunkohle unterliegt im Flöz kleinregionalen Schwankungen und wird überdies durch gewinnungstechnische Verluste und Verdünnungen (externe Aschen) beeinflusst. Der Schwefelgehalt (gew%) ist aus immissionsschutzrechtlichen Gründen zu erfassen und zu verfolgen. Abnehmerseitig ist ein gesetzlich geforderter Abscheidegrad von 85 % sowie im Normalbetrieb ein maximaler Ausstoß von 200 mgSO2/m³ im Rauchgas sicherzustellen. Schwankungen im Schwefelgehalt führen zu deutlichen Schwankungen beim Kalkverbrauch für die Rauchgaswäsche, so dass dieser für die Optimierung der Kalklogistik und auch der nachgeschalteten Gipslogistik (Kuppelprodukt) zu prognostizieren und möglichst konstant zu halten ist. Analoge Anforderungen bestehen für die Fabriken bzw. werden kurzfristig vorgegeben. Der Siliziumgehalt (ppm) dient als Maß für den Eintrag externer Sande, den es durch selektive Gewinnung niedrig zu halten gilt. Hinsichtlich des Ascheschmelzverhaltens sind der Eisengehalt (ppm), der Kaliumgehalt (ppm), der Na-
.. Abb. 3.7.3-1 Qualitätsparameter der Rohbraunkohle
triumgehalt (ppm) und der Kalziumgehalt (ppm) direkt oder deren Oxide zu beobachten, da die Kombinationen dieser Inhaltsstoffe bei Vorhandensein bestimmter Konzentrationen die Ascheschmelztemperatur soweit erniedrigen, dass die sonst im Feuerraum staubförmig anfallenden Aschen als Schlacken aufschmelzen. Dies führt durch Anbackungen zu Kesselverunreinigungen, die den Wärmeübergang behindern und in der Folge den Kessel zusetzen. Die Brikettierfähigkeit wird über die Auswahl geeigneter Flöze und durch Vorgabe maximaler Aschegehalte (Werkzeugverschleiß) sichergestellt. Daneben wird der Gelanteil beobachtet, da dieser bei hohen Anteilen die Standfestigkeit des Briketts herab- und den Bruchbrikettanteil in der Produktion heraufsetzt, was kundenseitige Handlingnachteile bedeutet, die es zu vermeiden gilt. Beobachtet werden überdies Holz- bzw. Xylitanteile, da diese abnehmerseitig in den Brechereien zu Aushalteaufwand und Verstopfungen führen können.
Lutz Kunde, Detlef Trummer
Mit den Abnehmern sind anlagenspezifisch für diverse Einsatzkohlen Ober- und auch Untergrenzen für einzelne der obigen Qualitätsparameter oder auch für verschiedene Wertekombinationen vereinbart. Diese Anforderungen wurden zur Definition von Kohlensorten (Abb. 3.7.3-2) herangezogen, so dass neben gewinnungstechnischen und geologischen Notwendigkeiten auch Abnehmeranforderungen berücksichtigt sind2. Die Einhaltung der Kohlensortendefinitionen ist bei der bergbaulichen Gewinnung, der ersten Handlungsebene, zwingend vorgeschrieben, um ein eindeutiges Vorgehen zu stützen und für die weitere Lieferkette definierte Ausgangsparameter einzusetzen. In der so genannten zweiten Handlungsebene, die durch das Kohlenmanagement verantwortet wird, wird das Mischen der tagebauseitigen Lieferungen auf mehreren Stufen der Lieferkette ausgeführt. Dabei sind die Qualitätswerte entscheidend, die Sortenbegriffe verlieren hier ihre Bedeutung.
3.7.3.4 Angebot der Tagebaue Entstehungsgeschichtlich variieren die Heizwerte der in den Tagebauen gewonnenen Flöze erheblich. Entsprechend unterschiedlich sind auch die anderen Qualitätsmerkmale. Beispielsweise liegt der Aschegehalt im Tagebau Garzweiler mit 5% deutlich höher als im Tagebau Hambach, während dort die gewinnbaren aschearmen Partien Einsatzkohle für die Fabriken ermöglichen, die einen Aschegehalt um 2% und Schwefelgehalte von unter 0,2% aufweist. Gravierend unterschiedlich ist der Natriumgehalt, der in Hambach derzeit bei 300 bis 1200 ppm und im Tagebau Garzweiler bei nur 100 ppm liegt. Je nach vorliegender Infrastruktur befinden sich innerhalb der deutschen Braunkohlenreviere mehrere produzierende Tagebaue in einem Lieferverbund mit mehreren Abnehmern. Die revierinterne Vernetzung garantiert die Versorgungssicherheit der Abnehmer sowohl bezüglich der Menge, wie auch bezüglich der Qualität. Abb. 3.7.3-3 zeigt beispielhaft den Lieferverbund im Rheinischen Revier. Hier sind zwei liefernde Tagebaue über eine unternehmenseigene, speziell dimensionierte Schwerlastbahn mit vier Kraftwerks- und
2 An der Nord-Süd-Bahn im Rheinland sind derzeit 15 unterschiedliche Kohlensorten definiert, von denen durchschnittlich zeitgleich etwa 8–10 Sorten zu bewirtschaften sind.
411
drei Fabrikstandorten verbunden3. Bei Volllast aller Abnehmer sind über die Nord-Süd-Bahn täglich bis zu 240.000 t Rohbraunkohle mit unterschiedlichen Qualitäten zu liefern. Als Mengen- und Qualitätspuffer dienen in der Lieferkette Kohlebunker auf der Angebots- und Abnahmeseite, die die Gewinnung in den Tagebauen sowie den Verbrauch in Kraftwerken und Fabriken vom eigentlichen Transport entkoppeln. In den Tagebauen werden die flächig ausgebildeten Kohlenflöze in der Regel auf mehreren Sohlen gewonnen. Dies sichert die Lieferfähigkeit des Tagebaues bei längeren geplanten und ungeplanten Stillständen in der betriebsinternen Infrastruktur hinsichtlich der Liefermenge, hat aber, da die Flöze meist unterschiedliche Qualitätsausprägungen haben, Auswirkungen auf die Lieferqualität4. Wie im Westen des Rheinischen Reviers (Tagebau Inden, Kraftwerk Weisweiler) sind auch im Mitteldeutschen Revier die Abnehmer hier direkt einem Tagebau zugeordnet. Wie Abb. 3.7.3-4 zeigt, ist damit kein Ausgleich bezüglich der Menge und der Qualität zwischen den Tagebauen möglich. Während für den Tagebau Profen die Möglichkeit besteht, bei Bedarf einen Teil der Qualitätsschwankungen über eine Belieferung der einzelnen Abnehmer mit unterschiedlichen Kohlensorten auszugleichen, ist für den Tagebau Vereinigtes Schleenhain eine Einflussnahme nur über die technologische Fahrweise und somit nur begrenzt möglich. Umso wichtiger ist es deshalb, die Kohlenqualitäten in allen Planungsetappen zu berücksichtigen, ihre Entwicklung zu beobachten und zu analysieren, sowie auf eintretende Abweichungen vom prognostizierten Planwert konsequent zu reagieren.
3.7.3.5 Bedarf der Abnehmer Die Kraftwerke und Fabriken stellen je nach Bauart und Alter des Dampferzeugers oder auch nach Art der herzustellenden Fabrikprodukte unterschiedliche Anforderungen an die Einsatzkohle. Neben den Auslegungsparametern der Einzelanlagen haben umfangreiche Untersuchungen und Kesselversuche im laufenden Betrieb Erkenntnisse über das Betriebsverhalten der Kraftwerksblöcke bei unterschiedlichen Einsatzkoh-
3 In Kap. 3.4 ist die Schwerlastbahn näher beschrieben. 4 Tagebauseitig vorhandene Kohlenbunker gleichen diese Nachteile im Rahmen ihrer Reichweite für kurze Fristen (Schichten, Tage) aus.
412
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.3-2 Kohlensortendefinitionen (Beispiel aus dem Rheinischen Revier)
Lutz Kunde, Detlef Trummer
.. Abb. 3.7.3-3 Lieferverbund im Rheinischen Revier
.. Abb. 3.7.3-4 Lieferketten im Mitteldeutschen Revier
413
414
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.3-5 Qualitätsbeeinflussung auf der Lieferkette
lenqualitäten geliefert. Heute sind Stoffkombinationen bekannt, die bei dauerhaftem Einsatz und unter stöchiometrischer Verbrennung zu Verschmutzungen im Kesselraum führen, welche den Wärmeübergang auf die Rohrleitungen im Kessel behindern. Kohlensortendefinitionen und Bekohlungsregeln grei fen diese Erkenntnisse auf. Das Kohlenqualitätsmanagement berücksichtigt beispielsweise, dass eisen- oder alkalienreiche Kohlen nicht zeitgleich mit siliziumhaltigen Kohlen zum Einsatz kommen, da sich bei diesem Gemisch Ascheschmelzpunkte bis auf 900°C absenken und in den heißen Bereichen des Kessels zu Verschlackungen bzw. Versinterungen auf den Heizflächen führen können, die harter, zum Teil glasiger, schlecht abzureinigender Konsistenz sind. Sulfatisch oxidische Ablagerungen lockerer Konsistenz überziehen oftmals die hinteren, „kalten“ Bereiche des Dampferzeugers und können auch dort zu vermehrtem Reinigungsaufwand führen. Reinigungsbedingte Kesselausfälle sind häufig die Folge.
und über geostatistische Verfahren projiziert, so dass ein durchgängiges Modell der Lagerstätten entsteht. Während die flächige Position nur grob erfasst wird (Raster mit 32 m Kantenlänge), fließt die Höhenlage einzelner Flözbereiche (Hangendes, Liegendes, aber auch Hangendes und Liegendes einzelner Schichtungen, wie Sideritanreicherungen, Zwischenmittel, o.ä.) mit Dezimetergenauigkeit in das Modell ein. Diese Informationen bilden bei der Konstruktion eines Einsatzplanes die Basis für die enthaltenen Kohlenqualitätsinformationen.5 Nachfolgend werden die prinzipiellen Beeinflussungsmöglichkeiten in der Lieferkette dargestellt, die zur Erzeugung einer bedarfsgerechten Einsatzkohle genutzt werden können (Abb. 3.7.3-5). Dabei werden auch die zur Planung und Durchführung genutzten Betriebsplanungs- und Betriebsführungshilfsmittel vor gestellt und erläutert.
3.7.3.6 Möglichkeiten der Qualitätsbeeinflussung
Für definierte Abbaublöcke kann die vorzunehmende Scheibeneinteilung unter Berücksichtigung der Gerätegeometrie variiert werden; die mit dem Schaufelrad oder der Eimerkette durchschnittenen Flözpartien werden durch den Gewinnungsprozess entsprechend gemischt. Aus den Einsatzplänen für die einzelnen Rücklagen6 sind für Sohlen – insbesondere – mit Schaufelradbaggern entlang der Bandachse einzelne Abbaublöcke definierter Länge (im Rheinischen Re-
Durch Gewinnung, Mischung und Vergleichmäßigung auf der Lieferkette kann die angebotsseitige Qualität der Rohkohle beeinflusst werden. Ausgangspunkt aller Betrachtungen ist ein Lagerstättenmodell, das die Flöze in ihrer räumlichen Lage und ihren Inhaltsstoffen als Rasterdatenmodell abbildet. Alle aus Untersuchungsbohrungen (Kernbohrungen), Brunnenbohrungen, Schurfbeprobungen und Ortsbegehungen gewonnenen Qualitätsinformationen werden mit ihren räumlichen Daten in dieses Modell eingetragen
1. Scheibeneinteilung
5 s. dazu auch Kap. 2.2 6 s. dazu auch Kap. 3.7.2
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vier 50 m), als Voll- oder Seitenblock, zu entnehmen. Solange die Blockhöhe kleiner als die Aushaltehöhe des Baggers ist, kann die Einteilung (Anzahl und Mächtigkeit) aller Gewinnungsscheiben unter Qualitätsgesichtspunkten zur Gewinnung von Zielqualitäten variiert werden. Bei Eimerkettenbaggern ist dies auch, aber nur in eng begrenztem Maße durchführbar, weil tiefere/höhere Gewinnungsscheiben bei Tiefschnitt/ Hochschnitt immer Verdünnungen aus höheren/tieferen Gewinnungsscheiben erfahren. Zwei Strategien werden bei dieser Planung zur Erlangung der gewünschten Zielqualitäten unter Beachtung des Erhalts der Leistungsfähigkeit des Baggers verfolgt: Verdünnung: Dabei wird die Mächtigkeit einer einzelnen Baggerscheibe so maximiert, dass der in der Scheibe liegende einsatzkritische Horizont (beispielsweise ein Siderithorizont oder ein geringmächtiges Zwischenmittel) durch Mitgewinnung anderer unkritischer Flözpartien darüber und/oder darunter soweit verdünnt wird, dass die Mischqualität der zu gewinnenden Scheibe den Anforderungen bestimmter zu beliefernder Abnehmer entspricht. Aufkonzentration: Führt die obige Strategie nicht zum Ziel, bleibt nur die Aufkonzentration, d.h. die Zusammenfassung einsatzkritischer Horizonte zu einer möglichst geringmächtigen Scheibe, die immer noch von einem Abnehmer eingesetzt werden kann. Ziel ist es, die Scheibeneinteilung so zu gestalten, dass jede Baggerscheibe einer Kohlensorte entspricht, für die mit der Abnehmerseite einzuhaltende Qualitätsgrenzwerte (Ober- und Untergrenzen) vereinbart sind, bzw. für die durch Mischen dieser mit anderen die Einsatzfähigkeit hergestellt werden kann. Die Scheibeneinteilung selbst ist vor dem Hintergrund der vielfältigen Abhängigkeiten ein komplexer, mehrdimensionaler Prozess, da gleichzeitig mehrere der oben genannten Qualitätsparameter zu beachten und in Beziehung zueinander zu bringen sind. Technisch wird dieser Planungsschritt mit einer Betriebsplanungssoftware durchgeführt, die für den einzelnen Abbaublock (Vollblock oder Seitenblock) aus der Lagerstättendatenbank den Inhalt nebst Kohlenqualitätsparameter abruft und in einer Höhenauflösung von 0,5 m schematisch als Schnitt darstellt. Mit der durch Einfügen und Verändern von Scheibengrenzen variierten Scheibeneinteilung werden für jede Gewinnungsscheibe die Scheibenmächtigkeit, die Mas-
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seninhalte und die zu erwartenden Mischqualitäten der wichtigsten Qualitätsparameter und nach einem vorgegebenen Sortenalgorithmus7 die je Scheibe entstehende Kohlensorte angezeigt. Ist die Scheibeneinteilung abgeschlossen, steht je Abbaublock der Kohleinhalt nach Kohlensorten und -mengen zur Verfügung. Die Scheibeneinteilungen werden in der Regel als Vorplanungen für alle in Verhieb zu nehmende Abbaublöcke ausgeführt und bis zum Einsatz vorgehalten, da sie Grundlage für die nachfolgenden Planungsschritte sind. Im Mitteldeutschen Revier spielt die Scheibeneinteilung auf Grund der oben beschriebenen Abnehmerstruktur und der geringmächtigeren Flöze, deren Qualitäten in vertikaler Richtung geringeren Schwankungen unterliegen als im Rheinischen Revier, nur eine untergeordnete Rolle. Ausschließlich bei der Selektierung von Kohlen mit besonderen Qualitätsanforderungen – Rohkohle zur Herstellung von Braunkohlenbriketts (bis 2003) und Braunkohlenbrennstaub – ist neben der horizontalen auch die vertikale Verteilung der Qualitäten von Bedeutung. Zur Selektierung dieser Kohlen wird dabei zunächst in der Planungsphase die vertikale und horizontale Verbreitung der Kohlensorte im Modell ermittelt, die Gewinnbarkeit geprüft und die Mengen und Qualitäten bilanziert. Vor Beginn der Gewinnungsarbeiten erfolgt dann nochmals eine Begutachtung am Stoß und Absteckung der Gewinnungsbereiche. (Abb. 3.7.3-6).
2. Abbaublockreihenfolge Der zeitliche Anfall der zu gewinnenden Kohlensorten (Baggerscheiben) ergibt sich aus dem Inhalt der in Verhieb zu nehmenden Abbaublöcke und deren Reihenfolge, die bei entsprechenden räumlichen Gegebenheiten (Vorbeifahrt des Baggers) über die rein geometrische Reihenfolge hinaus variiert werden kann. Dies geht sogar so weit, dass für den Bagger leistungsmindernde Transporte auf der Sohle und auch zeitintensive Seitenwechsel zwischen Tief- und
7 Im Sortenalgorithmus ist eine Reihenfolge für die Bestimmung der Kohlensorten hinterlegt, die auf der Basis der Verwendungen (Fabrik- oder Kesselkohlen) und auf die Qualitätswerte und Qualitätswertekombinationen fußt, die so angelegt ist, dass Definitionslücken ausgeschlossen sind. In allen Systemen und auf allen Stufen der Lieferkette wir der gleiche Sortenalgorithmus eingesetzt.
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.3-6 Selektive Kohlengewinnung im Mitteldeutschen Revier
.. Abb. 3.7.3-7 Einrichtung eines Hilfsdrehpunktes zur Beherrschung erhöhter Schwefelgehalte am schwenkenden Ende
Hochschnittseite eingeplant werden, um durch Variation der so erweiterten Auswahl eine Abbaublockreihenfolge zu bestimmen, die eine gleichmäßige, zum Abnehmerbedarf passende Produktion der benötigten Kohlensorten sicherstellt, wenn dies nicht über die im Kohlenbunker bevorrateten Bunkerbestände durch strategisches Lagern gewährleistet werden kann. Die horizontale Entwicklung der Gewinnungsschnitte und damit der Festlegung der Abbaublockreihenfolge spielt im Tagebau Vereinigtes Schleenhain im Mitteldeutschen Revier eine besonders große Rolle. Wie bereits erläutert ist hier ein Tagebau nur einem Abnehmer zugeordnet. Daraus ergibt sich die Aufgabe die Abbaureihenfolge so zu gestalten, dass über den gesamten Gewinnungszeitraum dem Abnehmer möglichst konstante Kohlenqualitäten innerhalb der Vertragsparameter bereitgestellt werden müssen. Die sich daraus ergebende notwendige technologische Entwicklung (Leistungsanteile der einzelnen Gewinnungsschnitte und Gestaltung der Abbaufront) ist dabei für die gesamte Lagerstätte zu planen und entsprechend den Planungsetappen zu untersetzen. Abb. 3.7.3-7 zeigt dazu beispielhaft die im Tagebau Vereinigtes Schleenhain zur Beherrschung des überhöhten Schwefelgehaltes am Schwenkende erforderliche zeitweilige Einrichtung eines Hilfsdrehpunktes in Strossenmitte.
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3. Sohlenbeaufschlagung
4. Einstapeln Tagebaubunker
Der zeitliche Anfall der Kohle kann in einem Tagebau mit mehreren kohlefördernden Sohlen auch über die planvoll abgestimmte Beaufschlagung dieser Sohlen beeinflusst werden. Dies gilt nicht nur für die Menge, sondern auch insbesondere für die Qualitäten (Kohlensorten), die inhaltlich mit den anstehenden Flözen und den unterschiedlichen, in Verhieb befindlichen Flözpartien zwischen den Gewinnungsorten variieren. Insbesondere geplante (Bandrückungen und ‑umbauten sowie Instandhaltungen) und auch ungeplante Sohlenstillstände (Störungen an Bandanlagen oder Bagger) haben deutlichen Einfluss auf das Qualitätsangebot des Tagebaus. Sie sind so in die Betriebsplanung aufzunehmen, dass das resultierende Kohlenangebot nach Menge und Qualität im Zeitverlauf bei ausreichenden Bunkerbeständen stets zur Nachfrage der Abnehmerseite passt. Planerisch sind die Optimierungsschritte Abbaublockreihenfolge und Sohlenbeaufschlagung in den üblichen Betriebsplanungssystemen abgebildet, mit denen für jede Gewinnungssohle eine Abbaublockreihenfolge vorgegeben wird. Aus den Inhalten (Menge und Qualität) der einzelnen Blöcke errechnet das System unter Vorgabe eines spezifischen Leistungsansatzes sowie unter Beachtung kalenderzeitlicher Stillstände (beispielsweise Sonntagsruhen, geplante Instandhaltungsmaßnahmen) und unter Beachtung tagebautechnischer Stillstände, die sich aus der Abbaublockreihenfolge ergeben (beispielsweise Transporte, Seitenwechsel, Rückungen und Umbauten der Bandanlagen) die zu erwartende tageweise Produktionsmenge von jeder Sohle. Die Zusammenfassung über alle Sohlen ergibt über den Zeitverlauf die Produktionsplanung des Tagebaus. Diese Produktionsplanung wird für die Kohlenqualitätssteuerung nach Kohlesorten aufgeschlüsselt, und um den aktuell vorhandenen Bunkerbestand ergänzt. Wird diesen Zahlen dann die erwartete Abgabe an die Abnehmer gegenübergestellt, kann für die Bunkerbewirtschaftung durch tageweise Saldobildung eine Bunkerbestandsentwicklung abgeschätzt werden. Im Zeitverlauf können sortenspezifische Unter- und Überdeckungen erkannt und zu deren Vermeidung geänderte Abbaublockreihenfolgen, Sohlenbeaufschlagungen oder notwendige Stillstände terminlich so eingeplant werden, dass ein harmonischer, bedarfsgerechter Produktionsablauf resultiert.
Üblicherweise wird in der Lausitz wegen der großen Qualitätsspannweite kostengünstig aus dem Tagebau unter Umgehung des Mischbunkers direkt in Züge oder per Band zum Abnehmer transportiert. In den anderen Revieren ist die Nutzung des Kohlenbunkers zur qualitativen Vergleichmäßigung und Mischung sowie zur Entkopplung der Tagebauproduktion von der Abnehmerbelieferung über größere Entfernungen zwingend notwendig. Zu unterscheiden sind: Vergleichmäßigung: Eingehende Massenströme (Koh lenchargen)8 werden nach einem festgelegten Verfahren eingestapelt und in anderer, kleinteiliger Folge nach einem festgelegten Verfahren ausgestapelt. Die mit dem Ausstapeln ausgeführte Vermischung der Eingangschargen bewirkt eine stochastische Verminderung von extremen Qualitätswerten und führt zu einer Homogenisierung des Ausgangsstromes, die als Vergleichmäßigung bezeichnet wird. Die Streubreite der Eingangsqualitäten, die Ein- und Ausstapeltechnik und die Haldengröße determinieren den Vergleichmäßigungserfolg. Mischung: Aus einer zielgerichteten Ein- oder Ausstapelplanung resultiert ein Mischeffekt, wenn zwei oder mehrere mengen- und qualitätsmäßig definierte Kohlenströme zur Erzielung einer definierten neuen Qualität miteinander in bestimmten Verhältnissen zusammengeführt werden. Bei der Mischung wirken auch die obigen Vergleichmäßigungseffekte homogenisierend. Die von den Baggern im Zeitverlauf nacheinander gelieferten diskreten Kohlenchargen9 werden überwiegend separat, d.h. ohne Zumischungen anderer Kohlenchargen Richtung Kohlebunker geliefert und per Bandschleifenwagen (BSW) eingestapelt. Üblicherweise werden Kohlenchargen gleicher Kohlensorte in separaten, sortenspezifischen Halden im Kohlenbunker gesammelt und nicht mit anderen Kohlensorten gemischt. Die Halden werden in der Regel im Halbkegelschalenverfahren angeschüttet. Dabei wird nach Verkippung eines Startkegels der BSW mit Erreichen der Haldenhöhe sukzessive verfahren. Bei diesem Vorgehen wird der BSW während des Einstapelns
8 dies auch ohne Kenntnis der Eingangsqualitäten 9 Mengen gleicher Mischqualität und Kohlensorte
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
verschleißschonend und kostengünstig nur wenig bewegt. Andernorts gebräuchliche Einstapelverfahren, wie beispielsweise das Chevron-Prinzip, liefern einen verbesserten Vergleichmäßigungseffekt, haben aber den Nachteil, dass der BSW während des Vorganges laufend verfahren werden muss, da über die Haldenfläche immer nur kleine Rippen neben- und übereinander gekippt werden. Im Tagebau Vereinigtes Schleenhain im Mitteldeutschen Revier entschied man sich dennoch für ein solches System, da die Vorteile den genannten Nachteil deutlich überwiegen. Das hier eingesetzte System besteht aus einem BSW und 2 Kratzerketten. Insbesondere die Kratzerketten sind dabei deutlich kostengünstiger als herkömmliche Ausstapelgeräte (Schaufelradbagger oder Eimerkettenbagger). Ausschlaggebend für die Entscheidung zur Anwendung dieses Systems war jedoch der hervorragende Misch- bzw. Vergleichmäßigungseffekt. Wie in Abb. 3.7.3-8 dargestellt, werden „Pakete“ von ca. 55 kt Kohle mit der gewünschten Zielqualität eingestapelt. Dabei ist es gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt welche Kohlenqualitäten im Tagebau erzeugt werden. Von Bedeutung ist nur, dass die Durchschnittswerte der „Pakete“ zum Zeitpunkt der Fertigstellung den
Vorgaben entsprechen. Damit muss nicht sofort auf Abweichungen vom Plan (z. B. durch Ausfall eines Gewinnungspunktes) reagiert werden. Wichtig bei diesem System ist die Gleichmäßigkeit der eingestapelten Rippen, was durch eine massenabhängige Geschwindigkeitsregelung des BSW gewährleistet wird.
5. Ausstapeln Tagebaubunker Mit Schaufelradaufnahmegeräten, aber auch mit Eimerkettenbaggern wird die Kohle aus dem Tagebaubunker ausgestapelt und per Band direkt oder über Zugbeladeanlagen in Kohlenzüge gefüllt an die Abnehmer geliefert. Die Kohle wird dabei üblicherweise sortenrein gewonnen. Der sich dabei einstellende Vergleichmäßigungseffekt reduziert das Auftreten der mit einzelnen Kohlenchargen eingestapelten Qualitätsspitzen. Im Tagebau Vereinigtes Schleenhain im Mitteldeutschen Revier sind Kratzerketten eingesetzt. Die Kohle wird hier direkt per Band ins Kraftwerk geliefert, so dass eine Korrektur von Qualitätsproblemen durch nochmaliges Mischen von Zügen unterschiedlicher Kohlensorte oder -qualität im Kraftwerk ausgeschlos-
.. Abb. 3.7.3-8 Qualitätsvergleichmäßigung nach Strata – KMS Peres Tagebau Vereinigtes Schleenhain
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sen ist. Allerdings kann hier im Notfall, wie in anderen Systemen im Regelbetrieb das zur Redundanz vorgehaltene zweite Aufnahmegerät für zusätzliche Mischzwecke eingesetzt werden, indem sie zwei nebeneinander liegende, mit unterschiedlichen Kohlenqualitäten gefüllte Halden ausstapeln und diese zur Vergleichmäßigung mit jedem Spanschnitt durchfahren oder indem zeitgleich zwei Aufnahmegeräte unterschiedliche Halden ausstapeln und diese Förderströme auf einer Bandanlage oder in einer Zugbeladung zusammengeführt und gemischt werden.
6. Bunkerorganisation Zur Sicherung der Lieferfähigkeit bestehen die Tagebaubunker in der Regel aus zwei redundanten Systemen, d.h. aus zwei Bunkerschiffen mit separaten Einstapel- und Aufnahmegeräten sowie zwei Zugbeladungen, die es erlauben, zu jedem Zeitpunkt – unter Berücksichtigung geplanter Stillstände und ungeplanter Ausfälle – eine Belieferung der Abnehmer sicherzustellen. In die Bunkerschiffe werden separate Halden eingestapelt, die sich üblicherweise nach den Sortendefinitionen oder nach Qualitätsgrenzwerten aufbauen. Um für qualitativ hochwertige Kohlen (Fabrikkohlen, Brikettierkohlen, Purkohlen) eine absolut sortenreine Aufnahme zu ermöglichen, werden die Halden soweit getrennt eingelagert, dass sich bestenfalls die Böschungsunterkanten des jeweiligen Depots berühren (Fuß an Fuß). Bei in etwa gleichwertigen Kohlenqualitäten ist zur Vermeidung der bei separaten Halden entstehenden Zwickelverluste auch das Einstapeln „Schulter an Schulter“ zulässig. Hierbei wird der neue Depotkörper an die Oberkante des benachbarten geschüttet. Dieses Verfahren hat beim Ausstapeln immer Verdünnungen zur Folge, da mit dem scheibenweisen Ausstapeln nicht die Kontur der natürlichen Kohleböschung nachgeschnitten werden kann, folglich keine sortenreine Entnahme möglich ist. Die Grenze für einen Ausstapelbereich ist somit bewusst so zu wählen, dass bei einer Kohlensorte (nicht zu große) Verluste des nutzbaren Bunkervolumens und bei der anderen (unschädliche) Verdünnungen entstehen. Oftmals werden aus Redundanzgründen gleiche Kohlensorten in beiden Bunkerschiffen vorgehalten, um die Lieferfähigkeit auch über den ungeplanten Ausfall eines Bunkerschiffes bzw. Aufnahmegerätes hinweg sicher zu stellen. Diese Bunkerorganisation hat zur Folge, dass die betriebsüblichen Bunkerbestände bedingt durch Zwickelverluste nur bei 50 bis 70% des
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Bruttofüllvolumens liegt.10 Damit ist die Reichweite mit 3 bis 4 Tagen vergleichsweise klein und ein strategisches Lagern bestimmter Kohlensorten kann nur in begrenztem Umfang durchgeführt werden, da sonst die verbleibenden Lagerkapazitäten für den notwendigen Umschlag zu klein sind. In allen Tagebauen des Rheinischen Reviers können jedoch im Störfall auch die Kohlebagger aus den Kohlenbunkern vorbei direkt zur Zugbeladung bzw. zum Kraftwerk fördern. Die Tagebaue im Mitteldeutschen Revier sind mit je nur einem Haldenschiff ausgerüstet. Redundante Anlagen sind hier nur im Tagebau Vereinigtes Schleenhain vorhanden (2 Kratzerketten auf der Ausstapelseite und 2 Bandanlagen vom Stapelplatz zum Kraftwerk). Im Tagebau Profen, bzw. zusätzlich zu den redundanten Anlagen im Tagebau Vereinigtes Schleenhain ist für den Havariefall die direkte Durchförderung Tagebau – Zugbeladung, bzw. Kraftwerk unter Umgehung des Misch- und Stapelplatzes vorgesehen. Für die Bunkerbestandsführung werden generell in allen Revieren vergleichbare Betriebsführungssysteme11 eingesetzt, die die Bunkerbestände, aber auch die Ein- und Ausstapelvorgänge erfassen und verfolgen. Grundlegend für alle Systeme ist, dass alle Bestandsänderungen über eine quaderbasierte Auflösung des Bruttobunkervolumens räumlich erfasst werden. Einstapelvorgänge werden durch mathematische Modellierung und/oder durch Scannen der geänderten Haldenkontur erfasst. Zur Simulation der Ausstapelvorgänge können geeignete Bunkerbereiche im System vorgewählt und die sich hierbei einstellenden Mischqualitäten abgeschätzt werden. Bei der eigentlichen Ausstapelung werden dann die tatsächlichen Chargenwerte errechnet, wobei ebenfalls mathematische Modelle und/oder Scans der Haldenoberfläche Daten zur Bestimmung der ausgestapelten Massen herangezogen werden.
10 Im Rheinischen Revier liegt das Bruttofüllvolumen beispielsweise im Bunker Hambach bei 800.000 t, der betriebsnormale Bunkerbestand aber in der Größenordnung 400.000 t bis 550.000 t. 11 Im Rheinischen Revier: QUABUS, ein quaderbasiertes Bunkerbewirtschaftungssystem, das mit Fa. Siemens entwickelt wurde und auch zur Steuerung der in den Bunkern mannlos betriebenen Großgeräte eingesetzt wird.
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
7. Zug- bzw. Bandbetrieb zum Abnehmer Die jeweils mit einer Kohlesorte beladenen Kohlenzüge werden entweder direkt (ungeordnet) in einem Abnehmerbunker verkippt oder – wenn die Bedarfsqualitäten des Abnehmers nicht sofort erfüllt sind – nach einem vorgegebenen Kippschema (geordnet) mit Zügen anderer Kohlesorte (auch anderer Tagebaue) verkippt. Das Kippschema gibt die Reihenfolge der zu kippenden Züge so vor, dass die aus den gekippten Zügen entstehende Halde durch den Vergleichmäßigungseffekt des Umschlages im Abnehmerbunker ohne abnehmerseitige Nachteile eingesetzt werden kann. Darüber hinaus hat man bei Vorhandensein entsprechender Kapazitäten (Zugeinheiten) die Chance, durch Aussetzen der Züge die Lieferung bestimmter Kohlenqualitäten zeitlich zu verzögern. Dies kann betriebsnormal nur für vergleichsweise kleine Kohlemengen und nur für zeitlich kurze Verzögerungen (Stunden, Schichten) wirtschaftlich durchgeführt werden, bietet aber die Chance, dass mit den Kohlensortenwechseln bei den Aufnahmegeräten einhergehende zeitintensive Transportfahrten reduziert werden können. Eine derartige Steuermöglichkeit existiert im Mitteldeutschen Revier nicht. Hier besteht die Forderung, dass jede Einzellieferung (Zugeinheit bzw. 11 kt bei Bandförderung) in abnehmergerechter Qualität den Misch- und Stapelplatz verlässt. Desto größere Beachtung ist den zuvor beschriebenen Abläufen zu widmen. Für die Kohlenqualitätsverfolgung12 werden auch hier spezielle Betriebführungssysteme genutzt, die sicherstellen, dass nicht nur der Sortenbegriff, sondern auch die Mischqualitäten der Einzelzüge als Eingangsgrößen an die Bunkerbestandssysteme der Abnehmer weitergemeldet werden.
8. Bunkerbewirtschaftung Abnehmerbunker Die abnehmerseitigen Kohlenbunker (Schlitz- oder Grabenbunker) bauen kleiner und liefern den Abnehmern Reichweiten von einer Schicht bis zu zwei Tagen.
12 Im Rheinischen Revier wird das System IBUKOM ( = Integriertes bunkergestütztes Kohlenmanagement) eingesetzt, das über den Transport der Kohlenqualitätsinformation hinaus auch logische Prüfungen, wie Zulässigkeit der Zuordnung einer Kohlesorte zu einem Abnehmerbunker oder Einhaltung des gewählten Kippschemas kontrolliert und mögliche Fehler bereits bei der Disposition sichtbar macht.
Bei Verkippung mehrerer Kohlensorten sind Kippschemata für anzulegende Halden abgestimmt und vorgegeben, um sicherzustellen, dass der sich mit dem erneuten Ein- und Ausstapelprozess der Halde ergebende Vergleichmäßigungseffekt im Abnehmerbunker zu einer nahezu homogenen Einsatzkohle führt. Unterstützt wird die Vergleichmäßigung noch durch kleine kraftwerksseitige Hochbunker, die der Brecherei nachgeschaltet sind. Hier fallen das Unterkorn der Absiebung sofort und das Überkorn erst nach Durchlauf der Zerkleinerung in den Hochbunker. Auch in den größeren Abnehmerbunkern und bei Bewirtschaftung von mehreren blockspezifisch erstellten Mischungen werden Bunkerbewirtschaftungssysteme betrieben, die funktional denen der Tagebauseite entsprechen.
3.7.3.7 Betriebsführungssysteme Im Rheinland wurden die zunächst isoliert entwickelten Betriebsführungssysteme der einzelnen Tagebaue Zug um Zug zu einem Gesamtsystem integriert, um auftretende Probleme der Abnehmerseite zügig mit den gelieferten Kohlen korrelieren zu können. Kleinstes Betrachtungselement ist dabei die von einem Bagger gelieferte Kohlecharge, für die eine Zusammenfassung der Lagerstätteninhalte mit allen Qualitätsmerkmalen zur gewählten Baggerscheibe vorliegt und über eine Identifikationsnummer (ID) eindeutig ansprechbar ist. Auf allen Stufen der Lieferkette wird diese ID und ihr durch Mengenteilung oder -zusammenfassung entstandener Anteil gespeichert. Damit bietet das System die Chance, bei einer Recherche quasi gegen die Lieferrichtung zu blicken, indem auf jeder Stufe der Lieferkette eine vorliegende Mischung kurzfristig in die beteiligten Kohlenchargen sowie ihre Mengenanteile und Parameter aufgelöst werden kann. In einer zentralen Datenbank13 bleiben alle tagebauseitigen Kohlenchargen, sowie die auf jeder Stufe der Lieferkette durchgeführten Mischungen und Teilungen gespeichert.
13 Im Rheinischen Revier wurde als zentrale Datenbank das System KUKIS ( = Kraftwerks- und Kohleinformationssystem) entwickelt, dass zahlreiche Hilfen für die Analyse durchgeführter Lieferungen bietet und sämtliche durchgeführte Lieferungen an der Nord-Süd-Bahn dokumentiert.
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3.7.3.8 Technische Sicherung der Qualitätsansprache Neben der Fortschreibung der in der Lagerstättendatenbank enthaltenen Qualitätsinformationen werden zur Sicherung der Ansprache Online-Analysen und begleitende Laboranalysen der Lieferströme durchgeführt. Während im Rheinischen Revier die Sicherung am Anfang der Logistikkette durchgeführt wird, um bei Abweichungen von den in der Vorplanung auf Basis der Lagerstättendatenbank erwarteten Qualitäten eine abnehmergerechte Einsatzkohle durch Mischen entsprechend den oben beschriebenen Handlungsmöglichkeiten herstellen zu können, erfolgt im Mitteldeutschen Revier die Planung und Realisierung der Produktion ausschließlich auf der Grundlage der Real-Time-Modellierung. Eine ständige Überwachung der Vorhersagegenauigkeit der Modelldaten erfolgt durch eine Gegenüberstellung dieser mit den am Ende der Logistikkette gewonnenen Online- und Laboranalysen. Das System ermöglicht die Rückverfolgung der möglichen Problemkohlen zum Förderpunkt (Gerät, Standort, Leistungsanteil) und damit die Suche möglicher Ursachen vor Ort (Abb. 3.7.3-9). Unabhängig von der jeweiligen Herangehensweise ist eine qualitätsabhängige automatisierte Prozessregelung der Blockanlagen langfristiges Entwicklungsziel, um nicht auf Leistungsverluste durch Qualitätsänderungen reagieren zu müssen, sondern bereits im Vorgriff derartigen Entwicklungen entgegenwirken zu können.
1. Online-Analysen Tagebauseitig, aber auch abnehmerseitig sind OnlineMesssysteme zur Überwachung der Kohlenqualitätsparameter installiert. Zwei Systeme kommen im Rheinland derzeit zum Einsatz, die sich nicht in der Messtechnik, wohl aber in der Messgenauigkeit und in der Probenaufbereitung unterscheiden. Während das ältere (auslaufende) System, SOLAS, das Probenmaterial durch Ansaugen des Staubes einer definierten Fraktion in einer Bandübergabe gewann, wird beim neueren KOLA-System, das Probenmaterial durch einen Stangensizer in der Prallwand einer Übergabe als Teilstrom gewonnen und durch eine zweistufige Zerkleinerung mit weiterer Teilung für die eigentliche Analyse aufbereitet. Letzteres Verfahren hat den Vorteil, dass tatsächlich ein repräsentativer Teilstrom der geförderten Kohlen untersucht wird und nicht vom untersuchten Staub, der durch den pneumatischen
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Transport auch noch Sortier- und Gleichfälligkeitseffekte erleidet, auf die Förderkohle rückgeschlossen wird. Die eigentliche Analyse dauert ca. 60 Sekunden und erfolgt mit Hilfe einer Röntgenröhre. Hiervon emittierte Röntgenstrahlen interagieren mit den Elektronen der in der Probe enthaltenen Atome und erlauben durch Energiedifferenzbetrachtung zum einen die Feststellung der beteiligten Elemente sowie deren Konzentration in der Probe. Abb. 3.7.3-10 zeigt für verschiedene RF-Analysatoren auf, wie die Elemente (Reflektionsenergie) und Ihr Massenanteil (Impulsraten) gemessen werden. Darauf basierende mathematische Modelle erlauben Aussagen über Gesamtaschegehalt und die für die Rheinische Braunkohlen auch relevante Aussagen über die Elemente Al, Si, S, K, Ca, Ti, Mn und Fe. Natrium kann mit dieser Meßmethode nicht bestimmt werden. Bislang gebräuchliche Röntgenfluoreszenzdetektoren werden seit kurzem durch Halbleiterdetektoren ersetzt und erlauben in Verbindung mit Heliumspülungen (geringere Absorption der RF-Strahlung) anstelle der normalen Luft eine deutlich verbesserte Analysegenauigkeit. Einschränkend ist anzumerken, dass aktuell die Ergebnisse der Online-Analyse noch nicht Laborgüte erreichen, aber als Warnfunktion das Kohlenqualitätsmanagement erfolgreich unterstützen. Im Mitteldeutschen Revier wird tagebauseitig auf den Einsatz von Online-Analyse-Systemen verzichtet. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, dass die Steuerung der Produktion nur auf der Grundlage einer begrenzten Anzahl von Qualitätsparametern möglich ist. Außerdem liegt die Genauigkeit der Online-Bestimmung von zwei Hauptsteuergrößen – Wasser und Heizwert – hinter den Ergebnissen der Modellvorhersagen zurück. Abnehmerseitig ist im Kraftwerk Lippendorf ein System vom Typ SOLAS eingesetzt. Die Ergebnisse dieses Systems in Kombination mit den Vorhersagen des Kohlenqualitätsmodells und den Anzeigen der Kraftwerksleittechnik (Flammwächter und Einspritzwassermengen) ermöglichen das frühzeitige Erkennen von Problemkohlen und das Einleiten entsprechender Maßnahmen.
2. Laboranalysen Im Rheinischen Revier werden tagebauseitig bedarfsorientiert Laboranalysen für bestimmte einsatzkritische Kohlenchargen als Bandproben genommen. In den Kohlenbunkern werden durch externe Sande belastete Halden mit mehreren Bunkerproben untersucht. Auch
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.3-9 Vergleich der Modell- und Laborwerte Schwefel und Rückverfolgung der Kohleherkunft
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.. Abb. 3.7.3-10 Spektrenvergleich für Röntgenfluoreszenz-Analysatoren
abnehmerseitig werden in den Fabriken für die eigene Prozesssteuerung und zur Meldung von Produktqualitätsparametern an die Kunden Schichtmittelproben und in den Kraftwerksstandorten nach Bedarf Schichtmittelproben, Tagessammel- und einzelne Stichproben genommen. Die genormte laboranalytische Auswertung umfasst im einfachsten Falle die reine Bestimmung des Aschegehaltes, üblicherweise aber mehrere Parameter, wie den Asche-, Wasser-, Schwefel-, Natrium-, Kalium-, Eisen- und Siliziumgehalt. Sie kann aber auch je Beauftragung noch weitere Parameter umfassen. Im Mitteldeutschen Revier erfolgt für jede Liefereinheit die laboranalytische Auswertung der vertragsund abrechnungsrelevanten Parameter Asche, Heizwert, Schwefel und Wassergehalt, welche gleichzeitig die Steuergrößen im Planungs- und Gewinnungsprozess darstellen. Eine Gegenüberstellung dieser Ergebnisse und der prognostizierten Modellqualitäten findet direkt im Kohlenqualitätssicherungssystem statt.
Hier lässt sich bei auftretenden Differenzen auch die Herkunft der Kohlen zurückverfolgen (Abb. 3.7.3-9). Andere Parameter, wie Aschebildner, Schmelztemperaturen und Spurenelemente werden nur durch Dekaden- oder Monatssammelproben bewertet.
3.7.3.9 Aufbauorganisation Im Rheinischen Revier haben die Einsatzprobleme der heizwertreichen Hambachkohlen zur Jahrtausendwende zu einer stringent ausgerichteten Organisationsstruktur im Kohlenqualitätsmanagement geführt (Abb. 3.7.3-11), die in ähnlicher Form auch in den anderen Revieren existent ist. Die Prozessverantwortung ist in den operativen Einheiten (Tagebaue, Förderung, Kraftwerke und Fabriken) verankert, die untereinander informell durch betriebliche Routinen und durch Betriebsplanungsund Betriebsführungssysteme miteinander verzahnt
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Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 3.7.3-11 Aufbauorganisation Kohlenqualitätsmanagement
sind. Große Bedeutung kommt der laufenden Qualifizierung der beteiligten Mitarbeiter zu, da nur auf diesem Wege Erkenntniszugewinn und Verhaltensänderungen sicher kommuniziert werden können. In den Produktionsabteilungen der Tagebaue übernehmen betrieblich erfahrene und geschulte Aufsichten die Kohlenqualitätssicherung vor Ort. Sie setzen die vorgegebene Produktionsplanung um, überwachen den Gewinnungsprozess und greifen korrigierend ein. Kohlenqualitätsorientierte Vorplanungen werden für die weitere Verwendung um die Erkenntnisse aus der Gewinnung vor Ort ergänzt und gegebenenfalls korrigiert. Den Disponenten der Betriebsüberwachungen obliegt die vorplanungskonforme Einstapelung der von den Kohlebaggern gelieferten Kohlechargen in hierfür definierte Bunkerfelder. Überdies veranlassen sie die auf Basis einer abnehmerorientierten Vorplanung durchzuführende, mit der Kohlenleitstelle abgestimmte Ausstapelung aus den Tagebaubunkern. Die zentrale Kohlenleitstelle organisiert in Kenntnis der aktuellen Bedarfssituation (Bestände und Reichweiten der Abnehmerbunker) die qualitätsgesicherte Förderung per Zug an die abnehmenden Betriebe. Bei Betrieben mit Bandversorgung wird diese Aufgabe entsprechend
von den Betriebsüberwachungen der liefernden Tagebaue übernommen. Abnehmerseitige Bekohlungswarten melden der Kohlenleitstelle mit entsprechendem Vorlauf ihren Rohkohlebedarf. Für alle genannten Prozessstufen werden tagesübergreifende Planungen zwischen dem Kohlenqualitätsmanagement und den liefernden Tagebauen sowie den nachfragenden Abnehmern zu fest terminierten Zeiten abgestimmt und verteilt. Die wochen-, monats- und quartalsweisen Abstimmungen erfolgen in betriebsübergreifenden Koordinierungskreisen mit Verantwortlichen aus allen betroffenen Betrieben. Nach Auswertung der zurückliegenden Lieferperiode wird die Bekohlungsplanung des nächsten Planungszeitraumes abgestimmt und anschließend konsequent umgesetzt. Für Stör- und Konfliktfälle steht auf der operativen Ebene mit dem so genannten „Kohlelastverteiler“14 jederzeit eine koordinierende Stelle auf der Lieferseite zur Verfügung.
14 Der Kohlelastverteiler koordiniert das lieferseitige Kohlenqualitätsmanagement an der Nord-Süd-Bahn und ist zentraler Ansprechpartner aller Abnehmer. Die Aufgabe wurde dem Leiter Tagebau Garzweiler in Personalunion übertragen.
Lutz Kunde, Detlef Trummer
Erkenntniszugewinn und Anpassungen der abgestimmten Bekohlungsregeln werden bedarfsorientiert über eine Projektorganisation entwickelt, die sich derzeit in vier Teilprojekte „Versorgungsstrategien“, „Optimierung Dampferzeuger“, „Informations- und Betriebsführungssysteme“, „Forschung und Entwicklung“ gliedert. Ein übergeordneter Lenkungskreis entscheidet über die erarbeiteten Empfehlungen und Vorschläge und legt damit ein für die gesamte Prozesskette direktions-, sparten- und ressortübergreifendes Investitions- und Betriebsprojekteprogramm fest, das die ausgewogene Entwicklung entlang der gesamten Prozesskette sicherstellt.
3.7.3.10 Ablauforganisation Lang- und Mittelfristplanungen werden durch zentrale Fach- und tagebauseitige Stabsabteilungen erstellt. Alle Planungen vorangestellt ist die Entwicklung auf der Abnehmerseite. Hier werden mittel- und langfristig die Bedarfsentwicklungen dargestellt unter Berücksichtigung geplanter größerer Stillstände, z. B. Revisionen und Außer- bzw. Inbetriebnahme ganzer Anlagen. Die Ergebnisse dieser Bedarfsplanung werden auf die einzelnen produzierenden Tagebaue projiziert und dort in die bergmännische Planung eingearbeitet. Ausgangspunkt für die darauf aufbauende betriebliche Kohlenqualitätsplanung sind Sohlen-Einsatzpläne, die in der Regel Hoch- und/oder Tiefschnitteinsätze an den Rücklagen der betreffenden Bandanlage umfassen. Aus diesen Einsatzplänen können die Abbaublöcke entnommen werden, für die die Einsatzplanung der Produktionsabteilung EDV-gestützt und damit zeitnah die optimierte Scheibeneinteilung erstellt, da der sich durch ungeplante Blockstillstände geänderte Abnehmerbedarf bei der Vorplanung der anfallenden Kohlensorten zu berücksichtigen ist. Diese vorgeplanten Scheibeneinteilungen liegen dem Betrieb vor Gewinnung des jeweiligen Abbaublocks vor und wird dem Gruppenleiter des Großgerätes zur Umsetzung übergeben. Aus verschiedenen Gründen kann eine situative Anpassung dieser Werte vor Ort erforderlich sein, was eine korrigierende Nachbearbeitung der Vorplanung erforderlich macht. Da nicht jede Änderung der Kohlenqualitätsparameter vor Ort und offensichtlich erkennbar ist, werden im Rheinischen Revier Online-Messsysteme zur Qualitätsbestimmung und -sicherung eingesetzt. Zeigen die Messergebnisse im gleitenden Durchschnitt einer Kohlencharge signifikant andere Werte als in der Vor-
425
planung erwartet, erhält die Aufsicht durch die integrierte Warnfunktion einen entsprechenden Hinweis. Daraufhin werden die Ursachen recherchiert und ggf. Qualitätskorrekturen ausgeführt. Täglich werden zwischen den Produktionsabteilungen und dem Kohlenqualitätsmanagement die Ein- und Ausstapeldisposition für die einzelnen Tagebaubunker abgestimmt. Dabei wird ein so genannter Kohlenplan entwickelt, der mit Prioritäten versehene Ein- und Ausstapelvarianten enthält, die für das Personal der nachfolgenden Schichten im Normalbetrieb bindend sind und z. B. Kollisionsstellungen der Bunkergeräte verhindert. Den Disponenten der tagebauseitigen Betriebsüberwachungen, der Kohlenleitstelle und dem Kohlelastverteiler liegt dieser Plan vor. Der Disponent führt nach Bedarf des Tagebaues in Absprache mit der Kohlenleitstelle die Ein- und Ausstapeldisposition gemäß Vorgaben des Kohlenplans für den Bunker aus. Mindestens einmal täglich oder nach bekannt werden gravierender Änderungen (längere tagebauseitige Störungen oder Blockausfälle) wird der Kohlenlauf, d.h. die vierwöchige Vorschau über die Ein- und Ausstapeldisposition aktualisiert. Eine schichtweise aktualisierte Übersicht über die abnehmerseitigen Bunkerbestände und die im Zugbetrieb ausgeführten Transporte liefern Hinweise über die ggf. durchzuführenden Korrekturen des Zugeinsatzes in den nachfolgenden Schichten. Zweimal wöchentlich trifft sich die so genannte Task-force-Kohle, in der Vertreter der Tagebaue und Kraftwerke aus den Linien zum einen Rückschau auf die durchgeführten Lieferungen und ihren Einsatz bei den Abnehmern halten und zum andern die Bedarfe und Angebote der nächsten Tage abstimmen. Wöchentlich wird eine revierweite Abstimmung der betroffenen Abteilungen durch den Kohlelastverteiler durchgeführt. Dabei wird ebenfalls kurz Rückschau gehalten, das Angebot und der Bedarf für die nächsten drei Wochen vorgestellt und die Bekohlung (gemäß den vereinbarten Regeln) oder auch (außerhalb der aktuellen Bekohlungsregeln liegende) Einsatzversuche abgestimmt. Das Kohlenqualitätsmanagement des Rheinischen Reviers fußt auf Bekohlungsregeln, die sortenreine Kohlen oder Mischungen festschreiben, welche einzelnen Standorten oder dort auch nur einzelnen Blockgruppen zugeführt werden dürfen. Über eine Projektorganisation werden die Weiterentwicklungen des Kohlenmanagements gesteuert. Erweiterungen der schriftlich fixierten Bekohlungsregeln
426
Kapitel 3.7 Betriebliche Beispiele
werden hier durch entsprechend abgestimmte Bekohlungsversuche erarbeitet, die durch aufwändige abnehmerseitige Analyse und Messung begleitet werden müssen. Prinzipiell gliedern sich diese operativen Bekohlungsregeln in zwei Handlungsebenen: Bei der tagebauseitigen Gewinnung und Einstapelung in den Tagebaubunker, der ersten Handlungsebene, sind die Sortendefinitionen zwingend einzuhalten. Bei der Förderung, d.h. beim Ausstapeln aus dem Tagebaubunker, dem Transport und dem abnehmerseitigen Einstapeln, greifen die Vorgaben der so genannten zweiten Handlungsebene. Hierbei sind die Qualitätsparameter entscheidende Führungsgrößen. Qualitätsbeeinflussung durch: Scheibeneinteilung (Verdünnung, Aufkonzentration) Änderungen der Blockabfolge
Massenanpassung – Vollblock, Teilblock, Seitenblock Sohlenbeaufschlagung – Prioritätsänderung Mischen beim Einstapelvorgang in den Bunker durch Zusammenfahren von Kohlenströmen verschiedener Bagger vor dem Kohlenbunker Mischen beim Ausstapeln aus dem Bunker durch Aufnehmen nebeneinander liegender Halden Vergleichmäßigung durch Zusammenfahren von Teilströmen verschiedener Aufnahmegeräte auf eine abziehende Anlage Beim Einstapeln mittels Zugbetrieb durch Reihung verschiedener Qualitäten gezielter Aufbau von Mischhalden Beim Ausstapeln einer Mischhalde durch Veränderung der Spanstärke und/oder Scheibenhöhe Beeinflussung der Homogenisierung
4
Tagebau im Spannungsfeld zwischen Eingriff und Ausgleich Klaus Müllensiefen
Der Aufschluss und der Betrieb von Tagebauen greift zwangsläufig und zum Teil erheblich in den unmittelbaren Bereich des Tagebaues, aber auch in das umgebende Umfeld ein. Diese Eingriffe haben Auswirkungen insbesondere auf die dort lebenden Menschen, die Natur, die Landschaft und den Boden sowie den Wasserhaushalt. Hierbei können sowohl Oberflächengewässer als auch das die Braunkohleflöze über- und unterlagernde Gebirge beeinflusst werden, welches bei den Braunkohlentagebauen in Deutschland ausschließlich aus zum Teil wassererfüllten Lockergesteinen besteht. Aber auch die Besiedlung, deren aktuelle Zeugnisse und vorlaufende Spuren in Form von Bauund Bodendenkmälern, die Verkehrs- und Versorgungswege sowie die Nachbarschaft im Allgemeinen können vom Tagebau betroffen sein. Dies gilt umso mehr für die großdimensionierten Braunkohlentagebaue in Deutschland. Um diese erforderlichen Eingriffe in ihren Auswirkungen auszuschließen bzw. sofern dieses nicht in Gänze möglich ist zu minimieren, bedarf es aller Anstrengungen des Bergbautreibenden aber auch der Akzeptanz der Betroffenen. Diese Akzeptanz ist nur durch ein hohes Maß in der Transparenz der Planung, ein verantwortungsvolles Handeln im Betrieb sowie eine gelungene möglichst schon betriebsbegleitende, sicher jedoch abschließende Wiedernutzbarmachung der bergbaulich in Anspruch genommenen Flächen
und eine daraus hergeleitete Zufriedenheit aller Beteiligten zu erreichen. In diesem Prozess bedarf es daher einer intensiven und zeitgerechten Abstimmung zwischen den Interessen des Bergbautreibenden und den Trägern privater und öffentlicher Belange. Verbunden damit sind auch die Interessen der Beschäftigten des Unternehmens zu berücksichtigen. Bei all diesem Handeln ist es jedoch auch unabdingbar, dass die Versorgungssicherheit der Menschen mit Energie aus Braunkohle und deren wirtschaftliche Gewinnung auch langfristig gewährleistet ist. Um dieses Spannungsfeld zumindest weitestgehend aufzulösen, tragen vorlaufende und betriebsbegleitende Plan- und Genehmigungsverfahren wie z. B. Braunkohlenpläne, Betriebspläne oder Wasserrechtsverfahren bei. Danach bildet das Einhalten der genehmigungsrechtlichen Randbedingungen durch den Bergbautreibenden, die fachliche Begleitung durch die Genehmigungsbehörden in Verbindung mit dem Wissens- und Erfahrungsfortschritt aller Beteiligten im Zuge einer sich über lange Zeiträume erstreckenden Aufgabe eine gelungene Symbiose zur kontinuierlichen Weiterentwicklung eines nachhaltigen Braunkohlenbergbaus in Deutschland. Die nachfolgenden Kapitel erläutern dieses Handeln vom Grundsatz her und zeigen anhand von ausgewählten betrieblichen Beispielen geplante und/oder umgesetzte Lösungen.
4.1
Rechtsgrundlagen und Genehmigungsverfahren als Rahmen bergbaulicher Tätigkeit Reinhard Schmidt
Alle bergbaulichen Einrichtungen und Tätigkeiten, das heißt Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von mineralischen Rohstoffen und die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche, werden in der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Bundesberggesetzes geregelt. Das Gesetz stammt aus dem Jahre 1980 und hat im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die bis dahin geltenden zahlreichen Länderberggesetze abgelöst (Abb. 4.1-1). In seinen materiellen Grundlagen baut es vor allem auf dem Preußischen Allgemeinen Berggesetz (ABG) aus dem Jahre 1865 auf (Abb. 4.1-2). Zustande gekommen war es nach langwierigen Abstimmungen zwischen der Bundesregierung, den Verbänden und den Ländern, zuletzt im Vermittlungsausschuss. Durch die fortlaufende Gesetzgebung ist es immer wieder an den aktuellen Rechtsstatus der Bundesrepublik Deutschland angepasst worden. Das Gesetz berücksichtigt die besonderen Voraussetzungen und Bedingungen des Bergbaus wie die Standortgegebenheiten des Betriebes an die Lagerstätte und die dynamische Betriebsweise, die durch Wasser, Geotechnik, schädliche und explosive Gase sowie beengte Arbeitsverhältnisse spezifische Gefahren zur Folge hat. Ziel des Bundesberggesetzes ist es, den Bergbau zu ordnen und zu fördern.
4.1.1
Bergfreie und grundeigene Bodenschätze
Das Bundesberggesetz unterscheidet zwischen bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen. Bergfrei und damit nicht mit dem Grundeigentum verbunden sind die Bodenschätze, die einen besonders hohen volkswirtschaftlichen Wert aufweisen, wie Kohle, Erz, Salz, Erdöl und Erdgas. Zur Aufsuchung und Gewinnung bedarf es einer Bergbauberechtigung (Erlaubnis, Bewilligung, Bergwerkseigentum), die von der Bergbehörde vergeben wird. Daneben gibt es eine Gruppe von ehemals „strategischen“ Rohstoffen, deren Aufsuchung und Gewinnung
zwar unter Bergaufsicht erfolgt, die aber im Eigentum des Grundeigentümers stehen, sodass der Schritt der „Aneignung“ durch eine Bergbauberechtigung entfällt. Zu diesen grundeigenen Bodenschätzen gehören zum Beispiel Bauxit, Dachschiefer, Feldspat, Spezialtone und Quarze, die sich zur Herstellung von Feuerfestprodukten eignen und alle untertägig gewonnenen Bodenschätze. Der verbleibende Rest der im Tagebau gewonnenen Massen-Baurohstoffe, wie Kies, Sand oder Festgestein fällt nicht unter die Regelungen des Bundesberggesetzes. Ihre Gewinnung erfolgt auf Grund von Genehmigungen nach Baurecht, Wasserrecht oder Immissionsschutzrecht durch die in der Regel dafür zuständigen Landratsämter. Bei Erlass des Bundesberggesetzes war es nicht gelungen, den Geltungsbereich auf die Gewinnung aller mineralischen Bodenschätze zu erweitern, was am Widerstand der Steine- und Erdenindustrie gescheitert war.
4.1.2
Bergbehörden
Der Vollzug des Bundesberggesetzes erfolgt nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes durch die Länder, die ihrerseits die dafür zuständigen Behörden einsetzen. Üblicherweise waren die Bergbehörden in Deutschland seit dem Mittelalter Sonderbehörden der Länder. Ausnahmen waren die Reichsbergbehörden von 1943 bis 1945 und die Bergbehörden der DDR. Die Länder haben im Rahmen von Verwaltungsreformen innerhalb der letzten zwölf Jahre eine ganze Reihe von Oberbergämtern und Bergämtern aufgelöst und den allgemeinen Verwaltungsbehörden, zum Beispiel den Regierungspräsidien, eingegliedert, wie in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. In anderen Ländern erfolgte in dieser Zeit eine Zusammenlegung mit den Geologischen Diensten, wie in Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, sodass
430
Kapitel 4.1 Rechtsgrundlagen und Genehmigungsverfahren als Rahmen bergbaulicher Tätigkeit
.. Abb. 4.1-1 Bundesberggesetz vom 13. August 1980 – Ausschnitt aus dem Bundesgesetzblatt
Reinhard Schmidt
.. Abb. 4.1-2 Titelblatt des Allgemeinen Berggesetzes für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865
431
Kapitel 4.1 Rechtsgrundlagen und Genehmigungsverfahren als Rahmen bergbaulicher Tätigkeit
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.. Abb. 4.1-3 Schema der deutschen Bergbehörden (aus dem Jahresbericht 2007 des Sächsischen Oberbergamtes), Stand 01.06.2008
nur noch in wenigen Ländern eigene Bergbehörden existieren. Verbindende Klammer ist der Länderausschuss Bergbau beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Abb. 4.1-3). Der innere Kreis stellt die jeweils obersten Bergbehörden dar, in der Regel sind dies die Wirtschaftsministerien der Länder oder die Wirtschaftssenatoren der Stadtstaaten. Lediglich in Hessen und Thüringen wird die Aufgabe der obersten Bergbehörde von den Umweltministerien wahrgenommen. Im mittleren Kreis befinden sich die Oberbehörden, die für das ganze Land zuständig sind, außen die Bergämter, heute in der Regel Außenstellen der Oberbehörden im Rahmen eines zweistufigen Verwaltungsaufbaus. Der Zuständigkeitsbereich der Bergbehörde umfasst neben Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
den Umweltschutz und die Rohstoffsicherung. Die Verantwortung für die Sicherheit der Betriebe wurde aber weitgehend auf den Unternehmer übertragen, der sich zur Erfüllung seiner Pflichten verantwortlicher Personen bedienen kann, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen.
4.1.3
Verantwortliche Personen
Verantwortliche Personen müssen über Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperliche Eignung verfügen. Die Zuverlässigkeit wird durch ein amtliches Führungszeugnis nachgewiesen, die Fachkunde z. B. durch das Zeugnis einer Fach- oder Hochschule und die körperliche Eignung durch das Ergebnis einer Eignungsuntersu-
Reinhard Schmidt
chung. Bedient sich ein Unternehmer für die Führung des Betriebes einer verantwortlichen Person, reicht bei ihm selber der Nachweis der Zuverlässigkeit aus.
4.1.4
Betriebsplanverfahren
Alle Arbeiten zur Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung sowie zur Wiedernutzbarmachung der vom Bergbau nicht mehr benötigten Oberfläche bedürfen eines zugelassenen Betriebsplans. Der Betriebsplan ist vom Unternehmer aufzustellen und darf erst nach Zulassung durch die Bergbehörde ausgeführt werden. Das Instrument des Betriebsplanes wurde aus den Vorgängergesetzen übernommen, es ist aber selbst sehr viel älter. Im Jahre 1865 wurde die Übernahme des Betriebsplanverfahrens in das „moderne“ preußische ABG mit der folgenden amtlichen Begründung versehen: Das Betriebsplanverfahren wurde beibehalten mit der Begründung: „die bereits bestehende Einrichtung, nach welcher der Bergwerksbetrieb nur auf Grund eines von der Bergbehörde in polizeilicher Beziehung geprüften und derselben zu diesem Zwecke vor der Ausführung vorgelegten Betriebsplans geführt werden darf, ist aus überwiegenden Zweckmäßigkeitsgründen beibehalten. Da nämlich ein rationeller Betrieb nicht anders als auf Grund eines Betriebsplanes geführt werden kann, so fällt diese Verpflichtung zur vorgängigen Aufstellung des letzteren mit dem eigenen Interesse des Bergwerksbesitzers zusammen“. Aber auch die vorgängige Prüfung des Betriebsplans durch die Bergbehörde liegt im wohlverstandenen Interesse des Bergwerksbesitzers selbst, denn es ist dies das am wenigsten belästigende Mittel zur Ausübung der bergpolizeilichen Kontrolle. Dasselbe sichert den Bergwerksbesitzer namentlich vor unvorhergesehenen Eingriffen der Behörde in den Betrieb und vor den hieraus erwachsenden finanziellen Nachteilen, während die Behörde ihrerseits der lästigen Verpflichtung enthoben ist, sich durch häufig wiederholte Befahrungen zu überzeugen, dass der Betrieb nach den Vorschriften der Bergpolizei geführt wird. Es handelt sich demnach bei der Prüfung des Betriebsplans um eine Präventivmaßregel, bei welcher die Wahrung der bergpolizeilichen Rücksichten mit dem Privatinteresse des Bergwerksbesitzers Hand in Hand geht. Daraus ist zu erkennen, dass das bergrechtliche Betriebsplanverfahren sowohl ein Instrument der Ge-
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nehmigung als auch ein Instrument der Aufsicht ist, weil es einen vollständigen Einblick in den Betrieb gestattet. Von daher ist eine Trennung von Aufsicht und Genehmigung, die verschiedentlich von Umweltfachbehörden gefordert wurde, hier nicht geraten. Der Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf Zulassung des Betriebsplans, wenn die Schutzziele des Gesetzes erfüllt werden. In seinem § 52 stellt das Bundesberggesetz eine Reihe von Betriebsplanarten vor, die bestimmten Zwecken dienen.
4.1.4.1 Der Rahmenbetriebsplan Im ursprünglichen Text des Bundesberggesetzes war als Rahmenbetriebsplan zunächst lediglich der sogenannte fakultative Rahmenbetriebsplan vorgesehen, der vor oder nach der Errichtung auf Verlangen der Behörde einzureichen ist. Geregelt ist dies im § 52 Absatz 2 Nr. 1 BBergG. Die Geltungsdauer soll möglichst lange sein, das heißt, der Rahmenbetriebsplan soll möglichst frühzeitig eingereicht werden. In der Praxis ist ein maßgebliches Ziel die möglichst breite Beteiligung von Behörden und Stellen und eine entsprechende Konsensfindung. Dies dient unter anderem auch zur Entlastung des nachfolgenden Hauptbetriebsplans, der die eigentliche Gestattungsgrundlage zum Führen des Betriebes darstellt. Bei diesem kann dann die Anzahl der beteiligten Behörden und Stellen unter Umständen eingeschränkt werden.
4.1.4.2 Der obligatorische Rahmensbetriebsplan nach § 52 Absatz 2 a BBergG Dieser wurde in einer Berggesetznovelle im Jahr 1990 eingefügt. Er ist, wie der Name sagt, für bestimmte Vorhaben obligatorisch, das heißt vorgeschrieben, nämlich für solche Vorhaben, die die Umwelt auf besondere Weise in Anspruch nehmen. Die Definition für die Erheblichkeitsschwelle ist in der UVPVerordnung Bergbau in ihrer nunmehr novellierten Form festgelegt. Für Tagebaue bedeutet dies eine beanspruchte Abbaufläche von mehr als 25 ha oder in ausgewiesenen Naturschutzgebieten, Vogelschutzgebieten oder FFH-Gebieten (Flora, Fauna, Habitat), bei der Notwendigkeit einer bedeutenden, nicht nur vorübergehenden Herstellung, Beseitigung oder wesentlichen Umgestaltung eines Gewässers und seiner Ufer sowie der Notwendigkeit einer großräumigen Grund-
434
Kapitel 4.1 Rechtsgrundlagen und Genehmigungsverfahren als Rahmen bergbaulicher Tätigkeit
wasserabsenkung oder -auffüllung mit 5 Mio. m³/Jahr oder mehr. Im Jahr 2006 neu eingefügt wurde darüber hinaus die UVP-Pflicht für Tagebaue mit einer Abbaufläche von mehr als 10 ha auf Grundlage einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach dem UVP-Gesetz. Ähnliche Schwellenwerte sind auch für den Untertagebergbau oder für den Bohrlochbergbau festgelegt worden. Solche UVP-pflichtigen Vorhaben bedürfen nach § 57 a eines Planfeststellungsverfahrens, das über einige Besonderheiten verfügt. Verbunden mit dem Planfeststellungsverfahren ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung; das Verfahren selber besitzt Konzentrationswirkung, das heißt, es ersetzt auch Genehmigungen nach anderen Rechtsvorschriften, was die normale Betriebsplanzulassung nicht kann. Ersatzweise gibt es dort allerdings konzentrierende Zuständigkeiten, die zur Folge haben, dass die Bergbehörden auch im normalen Betriebsplanverfahren üblicherweise zuständig sind für wasserrechtliche Erlaubnisse, abfallrechtliche und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen. Das Planfeststellungsverfahren ist auch mit einer Öffentlichkeitsbeteiligung verbunden. Die Geltungsdauer für die Planfeststellung umfasst die Errichtung, die ganze Betriebsphase und den Abschluss. Die Zulassung kann gegebenenfalls in Stufen vorgenommen werden, der Gesetzgeber hat zur Beschleunigung des Verfahrens auch einen vorzeitigen Beginn nach § 57 b ermöglicht, der allerdings ein erhöhtes Risiko dem Antragsteller zuweist.
4.1.4.3 Der Hauptbetriebsplan Die maßgebliche Genehmigung für das Führen eines jeden Betriebs ist der Hauptbetriebsplan nach § 52 Absatz 1. Die Geltungsdauer umfasst in der Regel zwei Jahre, bei Betrieben geringen Umfangs oder geringen Gefährdungspotentials kann die Geltungsdauer auch erhöht werden. Der Hauptbetriebsplan ist die Grundlage für jeden Bergbaubetrieb.
4.1.4.4 Sonderbetriebspläne Maßnahmen, die im Hauptbetriebsplan nicht berücksichtigt wurden, weil sie aktuell notwendig werden oder in sich abgeschlossen sind, werden üblicherweise mit Sonderbetriebsplänen nach § 52 Absatz 2 Nr. 2 geregelt. Sonderbetriebspläne sind nicht befristet, son-
dern faktisch durch die Maßnahme begrenzt, zum Beispiel die Errichtung einer neuen Hauptwasserhaltung oder der Umbau eines Tagebaugroßgerätes. Der Betrieb, der diesen Errichtungsmaßnahmen folgt, wird in den darauf folgenden Hauptbetriebsplänen geregelt.
4.1.4.5 Gemeinschaftlicher Betriebsplan Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, bei Vorhaben mehrerer Betriebe einen gemeinschaftlichen Betriebsplan nach § 52 Absatz 3 vorzulegen. Dies gilt zum Beispiel für gemeinsame Grundwasserabsenkungsmaßnahmen mehrerer Tage baubetriebe, für gemeinschaftlich genutzte Kohlenmisch- und Stapelplätze und für die Wiedernutzbarmachung.
4.1.4.6 Abschlussbetriebsplan In der zeitlichen Abfolge ist der Abschlussbetriebsplan bei Auslaufen des Betriebes und für die Wiedernutzbarmachung vorzulegen. Geregelt ist er im § 53 des Bundesberggesetzes. Die Wiedernutzbarmachung ist die ordnungsgemäße Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche unter Beachtung des öffentlichen Interesses. Sie ist vom Gesetzgeber ausdrücklich in den Geltungsbereich des Bundesberggesetzes aufgenommen worden und nicht Gegenstand von Genehmigungen nach anderen Rechtsvorschriften. Der Abschlussbetriebsplan wird üblicherweise nicht befristet, er gilt vielmehr bis zum Ende der Bergaufsicht nach § 69 Abs. 2. Hiernach endet die Bergaufsicht nach Durchführung des Abschlussbetriebsplanes oder entsprechender Anordnungen der zuständigen Behörde (wenn kein Bergwerksbesitzer mehr zur Verfügung steht, der in der Lage wäre, einen Abschlussbetriebsplan vorzulegen) zu dem Zeitpunkt, in dem nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen, dass durch den Betrieb Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter, für andere Bergbaubetriebe und Lagerstätten, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden. Mit dem Abschlussbetriebsplan ist bei Untertagebetrieben und bei Bohrlochbergbau zwingend die Erstellung einer Betriebschronik verbunden, bei Tagebauen nur dann, wenn der Lagerstätte nach Feststellung der zuständigen Behörde noch eine wirtschaftliche Bedeutung für die Zukunft zukommen kann.
Reinhard Schmidt
Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift allgemein gehalten, sie ist durch die Rechtsprechung in einer Reihe von Einzelfällen konkretisiert worden. Ausgeschlossen ist jedoch nicht, dass später auftretende Bergschäden vom Unternehmer oder seinem Rechtsnachfolger reguliert werden müssen, ohne dass die Bergaufsicht wieder auflebt.
4.1.5
Genehmigungen außerhalb des Bergrechts
Aus den Ausführungen zum Betriebsplanverfahren wird klar, dass die Bergbehörden im Rahmen von Sonderzuständigkeiten auch Genehmigungsverfahren außerhalb des Bergrechts bearbeiten.
4.1.6
Wasserrecht
In § 14 Abs. 3 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) ist geregelt, dass die Bergbehörde eine Benutzung von Gewässern erlaubt, die mit einem bergrechtlichen Betriebsplan in Zusammenhang steht. Die Bergbehörde operiert in diesem Falle als untere Sonderwasserbehörde. Entscheidungen sind an das Einvernehmen der für das Wasser zuständigen Behörde zu treffen, dies sind üblicherweise Landratsämter. Die Funktion der Bergbehörde als höhere Wasserbehörde ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Dies gilt beispielsweise für wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren, die notwendig sind, wenn ein Ausbau, die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer vorgesehen ist. Dies ist der Fall, wenn in einem ausgekohlten Braunkohlentagebau nach Beendigung des Betriebes im Rahmen der Wiedernutzbarmachung ein Gewässer eingerichtet werden soll.
4.1.7
Immissionsschutzrecht
Nach § 4 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) bedürfen Errichtung und Betrieb von Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebes im besonderen Maße geeignet sind schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen einer Genehmigung. Die vierte
435
Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz (4. BImSchV) hat einen Katalog von Anlagen aufgestellt, die einer nicht förmlichen oder einer förmlichen Genehmigung bedürfen, z. B. Aufbereitungsanlagen. Für die Erteilung dieser Genehmigungen in Betrieben unter Bergaufsicht ist die Bergbehörde zuständig. Sie führt in eigener Verantwortung die Beteiligung der Fachbehörden durch. Tagebaue unter Bergaufsicht gehören nicht zu den genehmigungsbedürftigen Anlagen.
4.1.8
Abfall- und Bodenschutzrecht
Die Verwendung oder Beseitigung der Abfälle, die beim Aufsuchen, Gewinnen, Aufbereiten und Weiterverarbeiten von Bodenschätzen in den der Bergaufsicht unterstehenden Betrieben anfallen, ist vom Geltungsbereich des Abfallrechts ausgenommen und wird durch das Betriebsplanverfahren genehmigt. Dies gilt nur für Abfälle, die üblicherweise und unmittelbar beim Bergbau anfallen. Insbesondere beim Einsatz bergbaufremder Abfälle ist der abfallrechtliche Grundsatz der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zu beachten. Das Bundesbodenschutzgesetz und die Bundesbodenschutzverordnung schreiben für die Wiedernutzbarmachung von Tagebauen der Steine- und Erdenindustrie Verfüllstoffe mit bestimmten Eigenschaften vor. Braunkohlentagebaue sind vom Regelungsgegenstand der untergesetzlichen Richtlinien ausgenommen. Allerdings sind bei der Wiedernutzbarmachung die Schutzziele des Bundesbodenschutzgesetzes nach den aktuellen Kriterien zu bemessen.
4.1.9
Raumordnungsrecht
Im Raumordnungsgesetz des Bundes (ROG) und den untersetzenden Landesplanungsgesetzen gilt der Raumordnungsgrundsatz, dass für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen seien. In den Landesplanungsgesetzen müssen dafür in ausreichendem Maße Vorrangflächen und Vorbehaltsflächen für die Rohstoffgewinnung ausgewiesen werden. Bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren läuft bei Neuvorhaben normalerweise ein Raumordnungsver fahren bei der dafür zuständigen Behörde voraus.
436
Kapitel 4.1 Rechtsgrundlagen und Genehmigungsverfahren als Rahmen bergbaulicher Tätigkeit
4.1.10 Braunkohlenplanverfahren Braunkohlentagebaue sind in besonderem Maße raumbeanspruchend. Aus diesem Grunde haben sich die vom Braunkohlenbergbau betroffenen Länder neben dem Bundesberggesetz durch Raumordnungsoder Landesplanungsgesetze weitere Vorschriften geschaffen, die vorrangig Braunkohlentagebaue zum Gegenstand haben. In den Landesplanungsgesetzen und den auf ihrer Grundlage aufgestellten Plänen spielt der Braunkohlenplan eine besondere Rolle. Er ist im Gegensatz zum Betriebsplan nicht vom Unternehmer aufzustellen, sondern von einer durch das Land eingerichteten Stelle. Über den Braunkohlenplan befinden Ausschüsse, die durch Landratsämter und Fachbehörden besetzt sind. Sie stellen die Vereinbarkeit der Braunkohlenplanung mit den Zielen von Raumordnung und Landesplanung fest. Ist ein Braunkohlenplan festgestellt, sind die nachfolgenden bergrechtlichen Betriebspläne, insbesondere Rahmenbetriebspläne mit diesem in Einklang zu bringen.
4.1.11 Besonderheiten im Beitrittsgebiet In der sowjetischen Besatzungszone galten nach 1945 zunächst, wie auch in den drei westlichen Besatzungszonen, die alten Länderberggesetze fort. Die DDR hat diese aber früher als die alte Bundesrepublik durch ein einheitliches Regelwerk ersetzt, das Berggesetz der DDR vom 12.05.1969 (Abb. 4.1-4). Allein in Thüringen wurden damit acht alte Ländergesetze außer Kraft gesetzt. Auch das Berggesetz der DDR baute auf dem preußischen ABG auf; es beseitigte aber die Bergbaufreiheit der alten Gesetze durch die bereits verfassungsmäßig bestimmte Überführung von Lagerstätten und Betrieben in Volkseigentum. Es übernahm dagegen die bewährten Grundsätze des Betriebsplanverfahrens, setzte Regelungen für die Ausweisung von Bergbauschutzgebieten fest, regelte die Wiederurbarmachung, Bergschäden und Bergaufsicht und erweiterte den Geltungsbereich auch auf Speicherrechte. Zunächst waren die existierenden Bergbehörden aufgelöst und durch Technische Bergbauinspektionen (TBI) ersetzt worden. Im Jahre 1959 wurde – ausgelöst durch eine Reihe von Bergwerksunglücken – wieder eine Oberste Bergbehörde in Leipzig eingerichtet, der 1990 sechs regionale Bergbehörden unterstanden.
Mit der Wiedervereinigung erstreckte sich der Geltungsbereich des Bundesberggesetzes auch auf das Beitrittsgebiet. Die wiedererstandenen Bundesländer richteten nach und nach eigene Bergbehörden ein oder sicherten über Staatsverträge (Berlin) die Bergaufsicht durch ein Nachbarland. Der Einigungsvertrag setzte allerdings eine Reihe von Maßgaben in Kraft, die praktisch mit einer zeitweise Fortgeltung von DDR-Bergrecht verbunden waren. Unter anderem waren fast alle Bodenschätze, die in einer Anlage zu einer Verordnung der letzten DDR-Regierung aufgeführt waren, den bergfreien Bodenschätzen zuzuordnen und gehörten damit nicht zum Grundeigentum. Diese Regelung berücksichtigte die Erwartung, dass das Bauwesen der wesentliche Konjunkturmotor im Osten sein würde. Die Versorgung mit den notwendigen Baurohstoffen sollte nicht durch ungeklärte Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden behindert werden. Diese Maßgabe führte einerseits zu einer heftigen Expansion vor allem der Steine- und Erdengewinnung auf der Grundlage von Bergbauberechtigungen alten und neuen Rechts, auf der anderen Seite aber zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen politischen Fraktionen, Grundbesitzerverbänden insbesondere dem Bauernverband und dem Städte- und Gemeindetag, die bis in die obersten Gerichtsinstanzen getragen wurden. Am 15. April 1996 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen. Da der Einigungsvertrag als Willenserklärung zweier souveräner Regierungen nachträglich nicht geändert werden konnte, wurde durch dieses Gesetz die künftige Nichtanwendung der entsprechenden Maßgaben des Einigungsvertrages beschlossen. Bereits erteilte Rechte genossen aus rechtsstaatlichen Erwägungen Bestandsschutz, allerdings musste von Bergbauberechtigungen innerhalb verkürzter Fristen Gebrauch gemacht werden. Trotz dieses Gesetzes sind im Beitrittsgebiet bis heute weitaus mehr Betriebe insbesondere der Steine- und Erdenindustrie unter Bergaufsicht.
4.1.12 Weitere Vorschriften des Bundesberggesetzes 4.1.12.1 Risswerk Der Unternehmer hat nach § 63 Bundesberggesetz für jeden Gewinnungsbetrieb ein Risswerk durch einen anerkannten Markscheider anfertigen und in den nach Markscheider-Bergverordnung vom 19.12.1986
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.. Abb. 4.1-4 Titelblatt des Berggesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Mai 1969
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438
Kapitel 4.1 Rechtsgrundlagen und Genehmigungsverfahren als Rahmen bergbaulicher Tätigkeit
festgelegten Fristen nachtragen zu lassen. Ein Stück des Risswerks, das aus Grubenbild und sonstigen Unterlagen wie Rissen, Karten und Plänen besteht, ist bei der Bergbehörde einzureichen, ein anderes Stück im Betrieb aufzubewahren.
4.1.12.2 Bergverordnungen Im Bergbau gelten keine Unfallverhütungsvorschriften sondern wegen der spezifischen Bedingungen und Gefahren ein eigenes Regelwerk in Form der sogenannten Bergverordnungen. Diese werden vom Bund oder von den Ländern zu bestimmten Arbeiten oder Einrichtungen erlassen.
4.1.12.3 Zulegung, Grundabtretung, Rohstoffsicherungsklausel Ist für eine ungestörte Gewinnung von bergfreien Bodenschätzen ein Überschreiten der Feldesgrenzen erforderlich, so kann die Bergbehörde auf Antrag durch Zulegung das Recht erteilen, in einem benachbarten fremden Feld zu bauen, wenn es bergwirtschaftlich oder bergtechnisch sinnvoll und notwendig ist. Wird für bergbauliche Tätigkeiten ein Grundstück benötigt und kann dieses auf gütlichem Wege nicht erworben werden, so sieht das Bundesberggesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Grundabtretung gegen entsprechende Entschädigung vor. Mit der Rohstoffsicherungsklausel im § 48 Abs. 1 Satz 2 Bundesberggesetz versieht der Gesetzgeber den Bergbau als öffentliches Interesse beim Abwägungsgebot zu anderen öffentlichen Interessen mit einem Vorrang. Die Fachbehörden haben in Abwägungsprozessen dafür Sorge zu tragen, dass Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.
4.1.12.4 Baubeschränkungsgebiete Baubeschränkungsgebiete können durch Rechtsverordnung nach § 107 Abs. 1 BBergG auf Grundstücken festgesetzt werden, wenn diese für die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen in Anspruch genommen werden sollen, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen.
4.1.12.5 Bergschaden Wird durch den Bergbau ein Schaden an einem unbeteiligten Menschen oder einer Sache verursacht, so ist dieser Bergschaden vom Unternehmer oder seinem Rechtsnachfolger zu ersetzen. Dies gilt nicht für Beschäftigte des Betriebes oder Schäden an anderen Bergbaubetrieben. Ein Bauherr ist verpflichtet, im Einflussbereich von Rahmenbetriebsplänen vorbeugende Maßnahmen gegen Bergschäden durch Anpassung der baulichen Anlagen vorzunehmen. Die Kosten für unerhebliche Maßnahmen trägt der Bauherr; Nachteile und Aufwendungen, die diese Grenze überschreiten, hat der Unternehmer zu ersetzen. Wenn im Einwirkungsbereich eines untertägigen Bergbaubetriebes Schäden auftreten, die der Art nach Bergschäden sein können, wird vermutet, dass der Schaden durch den Bergbau eingetreten ist (Bergschadensvermutung, § 20 Abs. 1 BBergG). Dies gilt nicht bei offensichtlichen Baumängeln oder natürlich bedingten geologischen Gegebenheiten oder Einwirkungen durch Dritte. Zu erwartende Einwirkungen müssen durch Messungen auf Kosten des Unternehmers untersucht werden.
4. 2
Umsiedlung und Verlegung öffentlicher Infrastruktur Christian Lögters, Michael Hennemann, Joachim Kretschmer, Elisabeth Mayers-Beecks, Martin Köther, Hendrik Stemann, Florian Reeh
Die Gewinnung von Braunkohle im Tagebau ist hinsichtlich ihrer natürlichen und technischen Vorgaben mit umfangreichen Eingriffen in die Landschaft und den Siedlungsraum im Abbaugebiet verbunden. Die dem Tagebau vorausgehende Oberflächenberäumung erfordert dabei regelmäßig infrastrukturelle Verlegemaßnahmen und Umsiedlungen. Dabei wird unter Verlegung öffentlicher Infrastruktur die Planung, Genehmigung, Errichtung und Inbetriebnahme von Ersatzanlagen sowie der Rückbau von im Zuge des Tagebaufortschritts wegfallenden öffentlichen Anlagen außerhalb geschlossener Ortschaften bzw. Siedlungsbereiche verstanden. In den deutschen Braunkohlenrevieren sind hiervon insbesondere Verkehrswege, wie Straßen und Schienenwege betroffen. Unter dem Begriff Umsiedlung werden Maßnahmen verstanden, die dazu dienen, im Vorfeld des Tagebaus gelegene Ortschaften und Siedlungsbereiche, einschließlich der in der freien Feldflur gelegenen landwirtschaftlichen, gartenbaulichen und gewerblichen Betriebe aus dem Abbaugebiet an neue Standorte zu verlagern und für die vollständige Beräumung der Altstandorte Sorge zu tragen. Sowohl Verlegemaßnahmen, als auch Umsiedlungen stehen regelmäßig im Fokus der Öffentlichkeit. Vordergründig werden Verlegemaßnahmen dabei insbesondere unter technischen und wirtschaftlichen Aspekten als Herausforderung betrachtet. Beide Maßnahmen bedeuten jedoch für die örtlich Betroffenen in erster Linie weitreichende Veränderungen im persönlichen, kommunalen sowie regionalen Umfeld. Daher werden besonders die Umsiedlungsmaßnahmen in der Öffentlichkeit schwerpunktmäßig unter dem Aspekt der Sozialverträglichkeit und Akzeptanz im Umfeld der Braunkohlentagebaue wahrgenommen.
4.2.1
Umsiedlungen
4.2.1.1 Geschichtliche Entwicklung Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind in Deutschland in allen Braunkohlenrevieren, insbesondere im Rheinischen, Mitteldeutschen und Lausitzer Revier bergbaubedingte Umsiedlungsmaßnahmen erforderlich. Anzahl und Umfang dieser Umsiedlungen waren bis 1950 jedoch nur gering. Im Zeitabschnitt zwischen 1950 und 1990 änderte sich dies jedoch signifikant. Die mit dem industriellen Wachstum einhergehende Zunahme des Energieverbrauches führte im Rheinland zu einer Weiterentwicklung der bestehenden sowie zum Aufschluss neuer Braunkohlentagebaue. Wegen der dortigen hohen Einwohnerdichte von ca. 450 EW/km² nahm die Zahl der bergbaubedingten Umsiedlungen deutlich zu. Noch stärker wurde die Braunkohlenförderung in der ehemaligen DDR aufgrund der Bestrebungen der sozialistischen Regierung, Energieimporte im Interesse der Autarkie auf ein Minimum zu reduzieren, ausgedehnt. Verbunden mit zum Teil geringen Flözmächtigkeiten in Mitteldeutschland und der Niederlausitz gingen mit der zunehmenden Förderung eine erhöhte Flächeninanspruchnahme und damit verstärkte Umsiedlungsaktivitäten einher. Dabei ließ der gesetzliche Rahmen keine Spielräume für die Rücksichtnahme auf mögliche Betroffenheiten der im Abbaugebiet lebenden Menschen. Mit Beginn der Wiedervereinigung Deutschlands und der daraus erwachsenden Umstrukturierung des Energiesektors brach diese Entwicklung ab. Die Modernisierung des vorhandenen Kraftwerksparks sowie die Diversifizierung im Bereich der Energieträger führten zu einem deutlichen Rückgang der Braunkohlenförderung in den neuen Bundesländern. Die damit einhergehende Stundung, Umplanung bzw. Aufgabe von Abbauvorhaben im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier führte von diesem Zeitpunkt bis heute zu einem signifikant geringeren Flächenverbrauch und folglich weniger Umsiedlungen. Im Rheinland blieb
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Kapitel 4.2 Umsiedlung und Verlegung öffentlicher Infrastruktur
die Braunkohlenförderung und mit ihr der Umsiedlungsbedarf auch nach der Wiedervereinigung weitgehend konstant. Deutschlandweit sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als 370 Ortschaften, Siedlungen und Einzelanwesen mit insgesamt rund 120.000 Einwohnern umgesiedelt und zurückgebaut worden. Diese Maßnahmen fanden überwiegend im ländlichen Raum statt. Dabei wurden die folgenden drei Verfahrensweisen am häufigsten angewendet: die Einzelumsiedlung, bei der jeder Umsiedler außerhalb des Abbaugebietes selbst ein geeignetes Grundstück bzw. eine Immobilie erwirbt, anpachtet oder mietet; die Gruppenumsiedlung, bei der sich mehrere Umsiedler gruppenweise in unterschiedlichen Ortsteilen oder Regionen niederlassen; die Gemeinsame Umsiedlung als Angebot an die betroffene Bevölkerung, an einem gemeinsamen von den Bürgern mitzubestimmenden Standort ein neues Anwesen zu errichten bzw. Wohnraum anzumieten und auf diese Weise einen neuen, auf die Belange der Umsiedler ausgerichteten Ort entstehen zu lassen. Bereits in den 50er Jahren favorisierten die betroffenen Bürger im Rheinischen Braunkohlenrevier mit großer Mehrheit das Konzept der gemeinsamen Umsiedlung. Planung und Bau der jeweiligen neuen Orte sowie der einzelnen Wohnanwesen übernahm danach ein vom Bergbautreibenden beauftragtes Architekturbüro nach Bedarf, Wunsch und Möglichkeiten der Umsiedler. Ab etwa dem Jahr 1970 verlor diese Form des Naturalersatzes erkennbar an Akzeptanz. Die Umsiedler verlangten für ihr Altanwesen nunmehr eine Entschädigung in Geld, um den Neubau ihres Hauses nach eigenen Vorstellungen und unter möglichst geringen sonstigen Vorgaben umsetzen zu können. Hinzu kam der unübersehbare Wille der Betroffenen, ihr zukünftiges Wohnumfeld selbst mitgestalten zu können. Unter Einbeziehung von geeigneten Architekten und Stadtplanern sowie in Zusammenarbeit mit der betroffenen Kommune wurde im Rheinland daher ein Konzept zur Bürgermitwirkung entwickelt, das die Umsiedler an jedem wesentlichen Planungsschritt vom Entwurf bis zur Erschließung des neuen Ortes beteiligte. Diese Form der Bürgermitwirkung wurde in den Folgejahren weiterentwickelt und ist bis heute zentraler Bestandteil der Konzepte zur gemeinsamen Umsiedlung. Im Mitteldeutschen und Lausitzer Revier war es im Rahmen des sozialistischen Regierungssystems bis in
die 1980er Jahre üblich, den Betroffenen im Rahmen von Gruppenumsiedlungen Neubauwohnungen in Mehrfamilienhäusern in „Plattenbauweise“ zur Verfügung zu stellen, wobei auf individuelle Wünsche sowie die angemessene Entschädigung des Eigentums nicht eingegangen wurde. Bei der betroffenen überwiegend ländlich orientierten Bevölkerung stieß diese Wohnform auf wenig Akzeptanz. In der Mitte der 1980er Jahre wurden den Umsiedlern daher z. T. auch Eigenheime in industrieller Bauweise angeboten. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands werden die Umsiedlungen im Mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlenrevier nach dem Konzept der gemeinsamen Umsiedlung durchgeführt. Die gemeinsame Umsiedlung bildet damit bundesweit den anerkannten und zeitgemäßen Handlungsrahmen für die Durchführung von Ortsumsiedlungen.
4.2.1.2 Von der Planung zur Umsetzung Braunkohlenbergbaubedingte Umsiedlungen haben sowohl materielle, als auch immaterielle Auswirkungen auf die Dorfgemeinschaft und den Einzelnen der vom Abbau betroffenen. Sie erfolgen zu einem Zeitpunkt, den die betroffenen Bürger im Regelfall nicht selbst bestimmen können. Vielmehr ergeben sich aus der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit sowie den technischen, rechtlichen und landesplanerischen Rahmenbedingungen Vorgaben, die es nur bedingt erlauben, auf die individuelle Lebensplanung der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. Bereits mit dem Bekanntwerden der Abbaupläne beginnen für die Dorfgemeinschaft daher Belastungen, die nicht verhindert, jedoch durch geeignete Maßnahmen im Verlauf des Umsiedlungsverfahren im Sinne der Sozialverträglichkeit kompensiert oder abgeschwächt werden können. Daher muss sich das Umsiedlungsverfahren an den Besonderheiten bzw. den gesellschaftlichen Anforderungen des betroffenen Ortes orientieren und die Bürger durch gezielte, verständliche Information sowie geeignete Formen der Mitwirkung in den Planungs- und Umsiedlungsprozess einbeziehen. Nach den mit bergbaubedingten Umsiedlungen in Deutschland gesammelten Erfahrungen sind für die Sozialverträglichkeit folgende Kriterien von besonderer Bedeutung: Angebot der gemeinsamen Umsiedlung, Bürgernahe Kommunikation, Planung mit dem Bürger,
Christian Lögters, Michael Hennemann et al.
Angemessene Entschädigung, Bedarfsorientierte Unterstützung und Beratung, Chancen für die Kommunalentwicklung.
Angebot der gemeinsamen Umsiedlung Eine Dorfgemeinschaft stellt bildlich betrachtet ein Gefüge aus vielschichtigen Verbindungen und Verflechtungen der dort lebenden Bevölkerung dar. Diese zeigen sich in familiären Bindungen, Freund- und Nachbarschaften sowie Mitgliedschaften in Vereinen und Vereinigungen aus. Zu- und Abwanderung, wirtschaftlicher Strukturwandel, sich veränderndes Freizeitverhalten und andere Faktoren wirken auf die Dorfgemeinschaft ein, so dass sich das soziale Gefüge auch ohne den Einfluss der Umsiedlung nicht statisch, sondern dynamisch verhält. Dennoch führt die Umsiedlung über denn allgemeinen gesellschaftlichen Wandel hinaus in einem relativ kurzen Zeitraum zu weitreichenden Eingriffen in die Dorfgemeinschaft. Das Angebot der gemeinsamen Umsiedlung trägt dazu bei, die sich insgesamt ergebenden Belastungen zu vermindern, indem das Gemeinschaftsgefüge möglichst weitgehend erhalten wird. Kennzeichnend für dieses Konzept sind der zeitliche und ihr räumliche Aspekt. Als zeitlicher Aspekt der gemeinsamen Umsiedlung wird die Begrenzung der tatsächlichen Umsiedlungsphase auf wenige Jahre bezeichnet. Auf dieses Weise soll einerseits genügend Spielraum für die Realisierung der Umsiedlung von Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen erhalten werden, andererseits soll der Sozialzusammenhang nicht abreißen. In der Vergangenheit hat sich hier je nach Ortsgröße eine Zeitspanne von 10 Jahren, endend mit der bergbaulichen Inanspruchnahme, bewährt. Unter dem räumlichen Aspekt wird das Angebot eines gemeinsamen Umsiedlungsstandortes verstanden, an dem die sozialen Bindungen, wie Vereine, Kirchen, Nachbarschaften etc. auch räumlich wieder gelebt werden können. Da das zur Umsiedlung eines Ortes erforderliche Immobilienangebot in gewachsener Wohnstruktur im Regelfall nicht zur Verfügung steht, bedingt das Konzept der gemeinsamen Umsiedlung die Entwicklung und Erschließung eines geeigneten Neubaustandortes, an dem die betroffenen Bürger mit Hilfe ihrer Entschädigung ein neues Anwesen errichten können. Das Konzept der gemeinsamen Umsiedlung ist ein Angebot an alle Umsiedler des betroffenen Ortes, jedoch nicht bindend. Ein Teil der betroffenen Bevölke-
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rung orientiert sich daher erfahrungsgemäß anderweitig und nimmt nicht an der gemeinsamen Umsiedlung teil. Exogene Faktoren wie die Lage auf dem regionalen Immobilien- oder Arbeitsmarktmarkt können diese Entwicklung forcieren oder aber dämpfen. Der Teilnahmequote an der gemeinsamen Umsiedlung kann daher kein Gradmesser für den Erfolg oder Misserfolg einer Umsiedlungsmaßnahme sein. Die Praxis hat vielmehr gezeigt, dass es auch bei Beteiligungsquoten von zum Beispiel zwei Drittel gelingt, die alte Dorfgemeinschaft am neuen Standort im wesentlichem zu erhalten und in ihrem Sozialgefüge funktionsfähig zu gestalten. Gleichwohl erleichtert eine hohe Teilnahmequote diesen Prozess und ist daher grundsätzlich anzustreben.
Bürgernahe Kommunikation Wegen der Vielzahl der am Prozess beteiligten bzw. verantwortlichen Personen, wegen der Verfahrensdauer und der breit gestreuten Themenvielfalt, die sich von der städtebaulichen Planung bis zur Immobilienbewertung und Entschädigung erstreckt, sind Umsiedlungsverfahren überaus komplex. Die Grundvoraussetzung für eine hohe Beteiligung an der gemeinsamen Umsiedlung ist wiederum jedoch die für die betroffenen Bürger verständliche und transparente Darstellung der sich sowohl für den Einzelnen als auch für die Dorfgemeinschaft ergebenden Chancen und Risiken. Darüber hinaus sind sowohl die vorbereitende, als auch die prozessbegleitende Information der Betroffenen wichtige Voraussetzungen, um für die Erforderlichkeit der Umsiedlung Verständnis zu wecken und die möglichst aktive Teilnahme an diesem Prozess für die Bürger zu ermöglichen. Es kommt daher darauf an, dass von allen Beteiligten, also dem Bergbautreibenden, der betroffenen Kommune und den zuständigen Landesbehörden, angemessene Formen der Kommunikation und Information gefunden werden. Dazu zählen zum einen eine rechtzeitige, also an die einzelnen Verfahrensschritte angepasste, zum anderen eine auf das Informationsbedürfnis der Bürger zugeschnittene, attraktive Kommunikation, die sowohl Raum für die vertrauensvolle Erörterung der Fragen einzelner, als auch der Gemeinschaft bietet. Es hat sich bewährt, das Informationsangebot auf die verschiedenen Betroffenheiten der Bürger, z. B. in ihrer Funktion als Eigentümer, Mieter, Gewerbetreibende, Landwirte, Senioren etc. zuzuschneiden und diese Zielgruppen ihren Belangen entsprechend zu informieren.
442
Kapitel 4.2 Umsiedlung und Verlegung öffentlicher Infrastruktur
Planung mit dem Bürger Um die Akzeptanz des Umsiedlungsstandortes für die Bürger zu steigern und den Ort an deren Wünschen orientieren zu können, ist die Beteiligung der Betroffenen an der Entwicklung des neuen Ortes integraler Bestandteil des Konzeptes der gemeinsamen Umsiedlung. Sie nimmt in der frühen Phase der Umsiedlungsplanung zunächst die Interessen und Belange der Dorfgemeinschaft in den Blick. Im weiteren Fortgang wird sie jedoch stetig stärker fokussiert, so dass sich die persönliche Neubauplanung nahtlos an diesen Planungsprozess anschließen kann. Dabei ist die frühzeitige Darstellung und Erläuterung der unabänderlichen Rahmenbedingungen und Prämissen, in denen sich eine Bürgermitwirkung bewegen kann, für eine wirksame Akzeptanzförderung unabdingbar. Neben landesplanerischen und rechtlichen Vorgaben sind in diesem Zusammenhang regelmäßig Entwicklungsziele und Qualitätsstandards der betroffenen Kommune, aber auch Kostenziele berührt. Desweiteren ist von Bedeutung, dass die Bürger ihre Planungen als Grundlage für eine zielgerichtete Standortentwicklung selbst konkretisieren. Auf der Basis dieser Vorgaben erfolgt in einem ersten Schritt die gemeinsame Erarbeitung eines städte-
.. Abb. 4.2-1 Das mit den Bürgern entwickelte Neu-Garzweiler
baulichen Leitbildes. Dieses soll sich in Struktur und Qualität zwar von üblichen Wohngebietsentwicklungen abheben, es verfolgt üblicherweise jedoch nicht den Anspruch, innovative städtebauliche Musterlösungen zu entwickeln, die möglicherweise sogar Modellcharakter aufweisen. Vielmehr sollen durch die Übernahme von prägnanten Raumsituationen und typischen Gestaltungsmerkmalen des alten Ortes in den weiteren Planungsprozess Wiedererkennungswerte geschaffen werden. Desweiteren soll dieses Vorgehen die Kompromissbildung zwischen der vielfach geforderten uneingeschränkten Realisierung individueller Bauvorstellungen und dem Wunsch der Gemeinschaft nach einem harmonischen, unverwechselbaren Ortsbild erleichtern. Es hat sich daher bewährt, verschiedene Erschließungs- und Gestaltungskonzepte z. B. im Rahmen einer städtebaulichen Ideenfindung oder ähnlicher Instrumente zu sammeln, gemeinsam zu bewerten und zu optimieren. Auf diese Weise wird aus dem städtebaulichen Leitbild ein Standortentwurf entwickelt, der in der Folgezeit gemeinsam mit den Bürgern und Trägern der Planungshoheit ausgestaltet wird. Die Erfahrungen aus allen deutschen Revieren haben gezeigt, dass der neue Ort so bereits früh als Heimat und attraktiver Wohnstandort empfunden werden kann.
Christian Lögters, Michael Hennemann et al.
Angemessene Entschädigung Im Laufe einer Umsiedlung löst die Frage nach der Entschädigung bei den Eigentümern und Mietern Sorgen und Befürchtungen aus, weil diese den Erhalt ihrer Vermögenssubstanz gefährdet sehen. Die Zufriedenheit des einzelnen Bürgers bzw. der Familien hängt daher insbesondere davon ab, ob die Vermögenssubstanz auch tatsächlich erhalten bleibt. So wird die Frage nach der Höhe und Bemessung der Entschädigung für Grund und Boden, Außen- und sonstigen Anlagen von den Eigentümern bereits früh in den Prozess eingebracht. Im Regelfall geht dies mit der Forderung nach einem möglichst transparenten Umgang mit der Entschädigungssystematik einher. Bei Mietern und Pächtern stehen insbesondere die Fragen nach der zukünftigen Mietbelastung, der Gestaltung der neuen Wohnung und dem Verbleib in der vertrauten Wohngemeinschaft im Vordergrund. Eine grundsätzliche Antwort auf diese Fragen bieten die allgemeingültigen Entschädigungsregelungen des Bundesberggesetzes (§§ 84 ff). Danach bemisst sich die Entschädigung für Grund und Boden, Aufbauten, Außen- und sonstigen Anlagen, also das für das gesamte untergehende Anwesen nach dem Verkehrswert und somit dem Wert den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Dritter ohne Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse zu zahlen bereit wäre. Ergänzt wird dieser Betrag um den Ausgleich sonstiger Vermögensnachteile (z. B. Umzugskosten) zu ergänzen. Die besonderen Vermögensnachteile sind auch den Mietern zu entschädigen. Im Sinne der Sozialverträglichkeit wird das Ziel verfolgt, jedem Bürger die Teilnahme an der gemeinsamen Umsiedlung zu ermöglichen. Dies ist durch die Entschädigung des Verkehrswertes in der Regel nicht erreichbar. In allen bundesdeutschen Braunkohlerevieren werden den Umsiedlern daher verschiedene Zulagen angeboten, die auf die Finanzierbarkeit eines dem Altanwesen vergleichbaren Neubau unter zumutbarer Eigenbeteiligung ausgerichtet sind. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen im Rheinischen sowie dem Mitteldeutschen und dem Lausitzer Revier wird diese Systematik im Detail unterschiedlich ausgestaltet. So hatte die Ausweisung sogenannter „Bergbauschutzgebiete“ in der DDR zur Folge, dass an der in diesen Zonen gelegenen baulichen Substanz keine signifikanten Erhaltungsinvestitionen vorgenommen wurden. Bis heute wird in den dortigen Umsiedlungsorten im privaten, wie öffentlichen Bereich daher eine in weiten Teilen sanierungsbedürftige Altsubstanz angetroffen. Gleichzeitig war es den Betroffenen in
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diesem politischen System, aber auch nach der Wiedervereinigung durch die mit dem Strukturumbruch verbundene hohe Arbeitslosenquote im Regelfall nicht möglich, die eigene Vermögensbasis zu verbreitern. Von der Altsubstanz losgelöste Finanzierungshilfen oder verlorene Zuschüsse sind daher in beiden Revieren regelmäßig erforderlich, um den Bürgern die Teilnahme an der gemeinsamen Umsiedlung durch Neubau im Umsiedlungsstandort zu ermöglichen. Im Rheinischen Braunkohlerevier kommen diese Instrumente aufgrund der langjährig stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dagegen lediglich in Ausnahmefällen zur Anwendung.
Bedarfsorientierte Unterstützung und Beratung Zu Beginn der Planungsphase einer Umsiedlung werden in allen deutschen Revieren Soziale Anforderungsprofile für die umzusiedelnden Orte erstellt. Aufbauend auf einer differenzierten Bestandsaufnahme der soziogeographischen Struktur, ergänzt um statistische Daten, werden ortsspezifische Besonderheiten herausgearbeitet und bewertet sowie im Bedarfsfall konkrete Lösungsmöglichkeiten und Hilfsangebote entwickelt. Übereinstimmend sind in allen Revieren für folgende Bevölkerungsgruppen besondere Angebote erforderlich: Mieter: Neben den Eigentümern sind Mieter ein wichtiger Bestandsbildner der Dorfgemeinschaft und sollten daher die Möglichkeit erhalten, unabhängig von der Reinvestitionsentscheidung ihres Vermieters an der gemeinsamen Umsiedlung teilnehmen zu können. Daher gelangen hier im Regelfall mehrstufige Handlungskonzepte zur Anwendung, die von der Mietervermittlung an investitionswillige Eigentümer, über Unterstützungsmaßnahmen zur Eigentumsbildung bis hin zur Erstellung von geeignetem Mietwohnraum durch die Bergbautreibenden reichen. Gewerbetreibende: Die Umsiedlung eines Gewerbebetriebes erfordert im Regelfall einen erhöhten Beratungsbedarf. Neben der planerischen Berücksichtigung der Betriebe bei der Entwicklung des neuen Umsiedlungsstandortes sind die Risiken, aber auch die Chancen zu Optimierung, Erweiterung oder Neuausrichtung intensiv zu analysieren und in ein geeignetes Umsiedlungskonzept einzubringen. Landwirte: Insbesondere im Rheinland ist eine große Zahl von landwirtschaftlichen Betrieben von der Umsiedlung betroffen. Gleichzeitig unterliegt
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Kapitel 4.2 Umsiedlung und Verlegung öffentlicher Infrastruktur
dieser Wirtschaftszweig einem außerordentlichen Strukturwandel. Vor diesem Hintergrund ergibt sich hinsichtlich der zukünftigen Orientierung des einzelnen Betriebes auch hier ein ausgeprägter Beratungsbedarf. Darüber hinaus stehen landwirtschaftliche Flächen im Umfeld der Umsiedlungs standorte im Regelfall nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, da die neuen Orte im Bereich bestehender landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsstrukturen entstehen. Alternativ kann daher die Umsiedlung auf rekultivierte Neulandflächen einen geeigneten Lösungsansatz darstellen. Ältere Menschen: Auch ältere Menschen stehen bei einer Umsiedlung vor besonderen Fragestellungen, denen gezielte Angebote gegenüber gestellt werden sollten. Insbesondere der Sorge, aufgrund der körperlichen und finanziellen Belastung beim Neubau eines Hauses nicht an der gemeinsamen Umsiedlung teilnehmen zu können, kann mit geeigneten Lösungen wie z. B. dem Angebot von schlüsselfertigen, senioren- bzw. bedarfsgerechten Haustypen zu Festpreisen begegnet werden. Vereine/Vereinigungen/Volksgruppen: Vereine, Grup pen, Kirchengemeinden und Bürgervertretungen sind wesentliche Träger des Gemeinschaftslebens im Dorf. Die Unterstützung dieser Gemeinschaf-
ten in den Umsiedlungsorten gehört zur bewährten Umsiedlungspraxis. Insbesondere in der Hochphase der Umsiedlung ist diese zwingend erforderlich, um die Dorfgemeinschaft insgesamt zu stärken.
Chancen für die Kommunalentwicklung Grundsätzlich stellt sich den meisten deutschen Kommunen in regelmäßigen Abständen die Aufgabe, die technische und soziale Infrastrukturausstattung zu prüfen und – sofern möglich – an die tatsächlichen Erfordernisse anzupassen. Die Umsiedlung eines Ortes bietet der betroffenen Kommune die Möglichkeit, eine sinnvolle und sozialverträgliche Bereinigung ihrer Infrastruktur vorzunehmen. Durch die räumliche Verlagerung des Ortes erhält sie zudem die ungewöhnliche Möglichkeit, die Siedlungsbereiche im Gemeindegebiet zu arrondieren. Im Regelfall können diese, von wirtschaftlichen Ansätzen getriebenen Erwägungen der Kommune jedoch im Widerspruch zu den Zielen und Vorstellungen der betroffenen Bürger stehen. Konzessionen an den Bürgerwillen sind daher unvermeidbar und im Sinne der Sozialverträglichkeit zu vertreten.
.. Abb. 4.2-2 Umsiedlungsstandort Neu-Etzweiler (im Bild unten rechts), im Hintergrund der Tagebau Hambach
Christian Lögters, Michael Hennemann et al.
4.2.1.3 Der Prozess „Umsiedlung” und seine Besonderheiten Der Ablauf einer Umsiedlungsmaßnahme gliedert sich in vier wesentliche Prozessschritte. Die erste Phase wird als Standortfindung bezeichnet. Sie folgt keinem gesetzlich geregelten Verfahren, wird jedoch üblicherweise von der für Braunkohlenplanung zuständigen Behörde der einzelnen Bundesländer betrieben. Gemeinsam mit der Kommunalverwaltung sowie den betroffenen Bürgern werden in diesem Verfahrensabschnitt sogenannten „Suchräume“ ermittelt, die sich zur Besiedlung als Umsiedlungsstandort eignen. Wesentliche Kriterien orientiert sich diese Eignung an landesplanerischen Zielvorgaben (z. B. Zuordnung zu allgemeinen Siedlungsbereichen; Schonung freier, schützenswerter Landschaftsräume), an topographischen und geologischen Besonderheiten (z. B. tektonischen Störzonen, bauwerksunverträglichen Hanglagen, etc.) und weiteren flächenwirksamen Restriktionen (Wasserschutzzonen, Denkmalschutzbereiche, Rohstofflagerstätten, Immissionszonen, Schutzgebiete etc.). Aus den umsetzbaren Suchräumen wird schließlich durch Befragung der betroffenen Bürger derjenige ermittelt, der als Umsiedlungsstandort in die nachfolgenden Verfahrensschritte Standortplanung und -entwicklung eingeht. Die Planungsphase wird in den meisten Bundesländern zweigleisig betrieben. Neben dem landesplanerisch erforderlichen Braunkohleplanverfahren, das die räumliche und zeitliche Dimension einer Umsiedlung behördenverbindlich regelt, schafft die betroffene Kommune gemeinsam mit dem Bergbautreibenden unter der bereits beschriebenen intensiven Beteiligung der Bürger die erforderlichen bauleitplanerischen Voraussetzungen (Änderung des Flächennutzungsplanes, Aufstellung eines Bebauungsplanes, etc.) nach den Regelungen des Baugesetzbuches. Den Abschluss der Planungsphase bildet die tiefbautechnische Erschließung des Umsiedlungs standortes. Mit der parallel durchgeführten sogenannten Grundstücksvormerkung, in deren Verlauf jeder Umsiedler die Möglichkeit erhält, sich ein Grundstück im Umsiedlungsstandort zur Bebauung reservieren zu lassen, erfolgt schließlich der Übergang von der Planungs- in die eigentliche Umsiedlungsphase. In diesem bis zu 10 Jahre andauernden Zeitabschnitt führt der Bergbautreibende mit den betroffenen Eigentümern von Wohnanwesen, landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben die Erwerbsverhandlungen und regelt die Versorgung der Mieter. Gleichzeitig stellt der Beginn der gemeinsamen Umsiedlung den Anfang des
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Übergangs vom Alten in den neuen Ort dar. In den Folgejahren werden der neue und der alte Ort parallel existieren. Erfahrungsgemäß stellt diese Phase eine besondere Belastung für die Dorfgemeinschaft und den einzelnen dar. Im Bereich der gemeinschaftstragenden Vereine und Vereinigungen können sich Engpässe ergeben, da die einzelnen Mitglieder aufgrund ihrer Verhandlungs- und Umzugssituation weniger Zeit finden, sich für gemeinschaftliche Aktivitäten einzusetzen. Dabei sind die Aktivitäten der Vereine, Gruppen, Kirchengemeinden, Bürgervertretungen, Volksgruppen etc. ein wesentlicher Beitrag zum Erhalt der Dorfgemeinschaft. In der Umsiedlungsphase benötigen die gemeinschaftstragenden Vereine, Vereinigungen und Gemeinschaften daher sowohl materielle, als auch logistische Unterstützung zur Fortführung ihrer Arbeit. In diesem Sinne ist die Bereitstellung von geeigneten und angemessenen Gemeinbedarfseinrichtungen für die Lebensqualität und die Identitätsbildung am Umsiedlungsstandort von Bedeutung, die das Zusammenwachsen am neuen Ort sowie die Pflege der örtlichen Traditionen ermöglichen. In allen Revieren wird die Wiedererrichtung dieser sog. gemeinschaftstragenden Einrichtungen daher in besonderer Weise gefördert. Dennoch entscheiden sich nicht alle Träger öffentlicher Gebäude für eine Reinvestition im Umsiedlungsstandort. Aufgrund struktureller Anpassungsbedarfe sind hiervon in jüngster Zeit insbesondere die Sakralbauten der christlichen Kirchen betroffen. Umso wichtiger stellt sich die Übertragung heimatbildender Charakteristika aus verschiedenen Bereichen der Ortsgeschichte dar, deren räumliche Umsetzbarkeit bzw. Übernahme in den neuen Ort technisch wie wirtschaftlich lösbar ist und identitätsbildende Wirkung entfaltet. So bietet die Translozierung von Symbolen und Merkzeichen, wie z. B. von Wegekreuzen, Gedenksteinen oder Landmarken, aber auch der Erhalt von Orts- und Straßennamen aus dem Altort ein Fundament, den Heimatcharakter am Umsiedlungsstandort zumindest in Teilen erlebbar werden lassen. Ein weiteres wichtiges Orientierungsmerkmal stellt der Friedhof eines Ortes dar. Die räumlich nahe Bestattung der Verstorbenen ist insbesondere für die älteren Bevölkerungsteile von besonderer Bedeutung. Die zügige Anlage eines neuen Friedhofes im Umsiedlungsort sowie die unbürokratische Umbettung der verstorbenen Angehörigen mit der Möglichkeit der Mitnahme von Grabmalen und Friedhofsdenkmälern bildet daher einen weiteren wichtigen Baustein zum Erhalt der örtlichen Identität. Gleichzeitig ist sie ein deutlich sichtbares Zeichen für das Erstehen eines neuen
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Kapitel 4.2 Umsiedlung und Verlegung öffentlicher Infrastruktur
Ortes, das den betroffenen Umsiedlern für einen begrenzten Zeitraum das „Leben auf der Baustelle“ abverlangt. Mit verschiedenen Maßnahmen wird jedoch das Ziel verfolgt, diese Belastungen auf das minimal erforderliche Maß zu reduzieren. Insbesondere die gezielte Entwicklung des Umsiedlungsstandortes durch die Bildung von Bauabschnitten, eine angemessene Straßenbefestigung während der Bauzeit sowie ein dem Baufortschritt der anliegenden Anwesen zeitnah folgender Endausbau, die frühzeitige Anlage der Ortseingrünung und die zeitgerechte Errichtung der sozialen Infrastruktur tragen hierzu bei. Ebenso ist der Erhalt der gewohnten Mobilität und Versorgung für Bürger im ländlichen Raum, insbesondere für Senioren und Kinder, während der Phase der parallelen Existenz von Alt- und Neuort von besonderer Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die noch im Altort verbleibenden Umsiedler. Auch hier werden im Sinne der Sozialverträglichkeit Maßnahmen angeboten, die es erlauben, den ortüblichen Standard über die Zeit der Umsiedlung zu erhalten. Dies kann im Einzelnen die Einrichtung von Ersatz- und Spezialverkehren oder die Unterstützung des örtlichen Einzelhandels zur Aufrechterhaltung der Nahversorgung bedeuten. Darüber hinaus sind mit dem zunehmenden Leerstand der Wohngebäude auch Maßnahmen zum Erhalt des örtlichen Erscheinungsbildes zu treffen, um das gewünschte Ortsbild positiv erhalten. Es hat sich bewährt, erworbene Anwesen in Abhängigkeit vom Ankaufszeitpunkt durch eine Zwischennutzung bewohnt zu halten. Wo dies nicht möglich ist, werden zwischen Umsiedlervertretern, der Kommune und dem Bergbautreibenden im Regelfall Maßnahmen an Fassaden, Außenanlagen und Gärten abgestimmt, die zumindest das äußere Erscheinungsbild des Ortes weitgehend erhalten oder auch in angemessener Weise anpassen. Dem Abbaufortschritt folgend bzw. dem wachsenden Leerstand Rechnung tragend, beginnt schließlich die letzte Phase des Umsiedlungsprozesses, der vollständige Rückbau des Altortes.
4.2.2
Verlegung von Verkehrswegen
4.2.2.1 Der weite Planungsund Genehmigungsweg Durch den Abbaufortschritt eines Tagebaus können verschiedene Arten von Verkehrswegen betroffen sein, die einen wichtigen Bestandteil der öffentlichen Infrastruktur darstellen. Zum einen liegen in der Re-
gel Straßen verschiedener Kategorien im Abbauvorfeld. Sie lassen sich durch ihre jeweilige Funktion im Verkehrsnetz voneinander unterscheiden. Neben den Wirtschaftswegen und den Gemeindestraßen, die hauptsächlich eine Erschließungsfunktion erfüllen, sind hier vor allem die klassifizierten Straßen, das heißt Kreisstraßen, Landesstraßen und Bundesfernstraßen (sie umfassen Bundesstraßen und Bundesautobahnen) zu nennen. Weniger häufig sind Eisenbahnlinien betroffen, die aus rechtlicher Sicht nach bundeseigenen und nichtbundeseigenen Eisenbahnen zu unterscheiden sind. Der Vollständigkeit halber werden hier auch die Rohrfernleitungen, wie z. B. Gas- oder Produktenleitungen erwähnt, welche ebenfalls der Transportinfrastruktur zugerechnet werden, sowie Wasserstraßen, die aber in der Regel nicht durch Tagebaue betroffen sind. Die folgenden Ausführungen in diesem Kapitel beziehen sich daher vor allem auf Straßen und Eisenbahnen. Tagebau und Verkehrswege stehen durch ihre jeweilige Flächeninanspruchnahme grundsätzlich in Konkurrenz zueinander. Daher sollten vorhandene oder geplante Verkehrswege bereits in der Konzeption eines Tagebaus als zukünftige Hindernisse berücksichtigt werden, die erhebliche Kosten und zusätzliche genehmigungsrechtliche Risiken verursachen können. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Linienfindung zukünftiger Verkehrswege. Hier sind z. B. bereits im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie abbauwürdige Bodenschätze aufzuführen und bei der Linienbestimmung zu berücksichtigen. Im Rahmen der Gesamtabwägung aller Belange lässt es sich jedoch häufig nicht vermeiden, dass ein geplantes Abbaugebiet auch Verkehrswege einschließt. Die landesplanerischen Auswirkungen werden in diesen Fällen in den Braunkohlenplänen dargestellt werden. Unabhängig davon muss die rechtzeitige bergbauliche Inanspruchnahme dieser Verkehrswege in gesonderten straßen- oder eisenbahnrechtlichen Verfahren sichergestellt werden.
Öffentlich-rechtliches Verfahren In der Regel handelt es sich bei den Verkehrswegen um öffentliche Infrastruktureinrichtungen, die dem Gemeingebrauch unterliegen und entsprechend gewidmet sind. Widmung ist ein hoheitlicher Verwaltungsakt, durch den Verkehrswege die Eigenschaft eines öffentlichen Verkehrswegs erhalten. Die Widmung macht ein gesondertes Einziehungsverfahren erforderlich. Erst nach der rechtskräftigen Einziehung einer
Christian Lögters, Michael Hennemann et al.
Straße oder Eisenbahn darf der Verkehrsweg dauerhaft für den Verkehr gesperrt und anschließend zurückgebaut werden. Eine Einziehung darf nur dann erfolgen, wenn entweder das Verkehrsbedürfnis entfallen ist, oder wenn überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls dieses erfordern. Der erste Fall tritt in der Regel bei Straßen ein, die hauptsächlich eine Erschließungsfunktion im Abbauvorfeld übernommen haben. Mit der fortschreitenden Umsiedlung von Ortschaften und der Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Flächen durch den Tagebau verlieren diese Straßen ihre Verkehrsbedeutung. Sie müssen dann eingezogen werden. Bei Straßen mit einer großräumigen Verbindungsfunktion über den Bereich des geplanten Tagebaus hinaus sind in der Regel Ersatzverbindungen zu schaffen. Dies kann entweder dauerhaft über vorhandene Straßen erfolgen, die dann gegebenenfalls für den stärkeren Umleitungsverkehr ertüchtigt oder ausgebaut werden müssen oder nur vorübergehend während des Abbaubetriebes mit einer anschließenden Wiederherstellung der alten Verbindung nach Verfüllung des Tagebaus. Meistens jedoch müssen neue Ersatzstraßen – möglichst außerhalb des geplanten Abbaubereiches – errichtet werden. Nur wenn ein funktionaler Ersatz für die Verbindungsfunktion dauerhaft gewährleistet wird, ist eine Einziehung der vorhandenen Straße aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls zu erwarten. Gleiches gilt für Eisenbahnen, es sei denn, auf ihnen findet bereits kein regelmäßiger Zugverkehr mehr statt. Sofern also bedeutende klassifizierte Straßen oder Eisenbahnlinien durch einen Tagebau in Anspruch genommen werden sollen, folgt aus den genannten rechtlichen Vorgaben, dass die rechtzeitige Fertigstellung einer Ersatzverbindung Voraussetzung für den planmäßigen Fortschritt des Tagebaus sein kann. Damit kommt der rechtssicheren und zeitgerechten Genehmigung dieser Ersatztrassen eine existenzielle Bedeutung für den gesamten Tagebaubetrieb zu. Da der Bau von öffentlichen Verkehrswegen eine hoheitliche Aufgabe darstellt, müssen die Genehmigungsverfahren vom Eigentümer des jeweiligen Verkehrsweges, dem sogenannten Baulastträger, durchgeführt werden. Träger der Straßenbaulast für Bundesautobahnen und Bundesstraßen ist die Bundesrepublik Deutschland. Die Aufgaben werden durch die Bundesländer wahrgenommen (Auftragsverwaltung). Diese sind bereits in eigener Zuständigkeit verantwortlich für die Landesstraßen. Kreis- und Gemeindestraßen befinden sich in der Baulast der Kreise und Kommunen.
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Der Tagebaubetreiber sollte die Planung der Ersatzverbindungen und die entsprechenden Genehmigungsverfahren fachlich begleiten, da diese sich durch den besonderen Anlass (bergbauliche Inanspruchnahme) und die festen zeitlichen Vorgaben durch die Abbauplanung von anderen Verkehrswegeplanungen unterscheiden. Im Kapitel 4.2.2.2 Der Konsensfindungsprozess werden daher die einzelnen Verfahrensschritte für den Bau von Ersatzverbindungen dargelegt. Ziel dieser Verfahren ist jeweils die sichere und rechtzeitige Herstellung von Ersatzverbindungen, welche wiederum die zeitgerechte Einziehung der Verkehrswege im Abbaugebiet ermöglichen.
Entschädigungsregelung Parallel zur Vorbereitung einer Einziehung von Verkehrswegen muss die Frage einer Entschädigung mit dem jeweiligen Baulastträger geklärt werden, wenn es sich bei der Infrastruktur nicht um Eigentum des Bergbautreibenden handelt (vgl. Verlegung der Hambachbahn 4.2.2.3). Der Bergbautreibende ersetzt den Zeitwert des Verkehrsweges. Bei einem sofortigen oder nach Beendigung des Abbaus durchgeführten funktionalen Ersatz wird daher als Entschädigungsgrundlage die Charakteristik des in Anspruch genommenen Verkehrswegs zu Grunde gelegt. Für den Fall, dass der Baulastträger für den neuen Verkehrsweg einen besseren Ausbaustandard vorsieht als den bestehenden, trägt er dafür die Kosten. Es empfiehlt sich, in diesen Fällen einen Kostenteilungsschlüssel mithilfe eines so genannten Fiktiventwurfs zu ermitteln. Über die Entschädigung des einzuziehenden Verkehrswegs wird eine Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Baulastträger und dem Bergbautreibenden abgeschlossen.
4.2.2.2 Der Konsensfindungsprozess Grundzüge der Planung einer Ersatzverbindung Die Genehmigung zum Bau eines Verkehrsweges erfolgt in mehreren Verfahrensschritten. Zunächst findet eine Grobplanung auf der Ebene der Raumordnung statt, die im Fall des Braunkohlentagebaus durch den Braunkohlenplan abgebildet wird. Für das konkrete
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Kapitel 4.2 Umsiedlung und Verlegung öffentlicher Infrastruktur
Projekt erfolgen dann im Linienbestimmungsverfahren eine Variantenauswahl und eine Festlegung der Antragsvariante für das Planfeststellungsverfahren. Dort wird das Vorhaben mit allen Betroffenen erörtert und in der Regel mit Auflagen zugelassen. Auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses erfolgt dann die Realisierung der Maßnahme.
Braunkohlenplan Bereits auf der Stufe des Braunkohlenplans soll das zukünftige Verkehrsnetz konzeptionell festgelegt werden, um die Machbarkeit des geplanten Tagebaus auch aus verkehrlicher Sicht darzulegen. Es erfolgt zunächst eine Aussage über die Zeitpunkte, zu denen einzelne Verkehrswege in Anspruch genommen werden müssen. Mit Hilfe von Verkehrsuntersuchungen wird ermittelt, ob Ersatzverbindungen während oder nach Beendigung des Abbaus erforderlich sind. Die Umweltauswirkungen der für erforderlich gehaltenen Ersatzverbindungen fließen in die Strategische Umweltprüfung und die Umweltverträglichkeitsprüfung ein. In diesem frühen Planungsstadium können allerdings nur grobe Angaben zu den Auswirkungen wie Flächenverbrauch, Schadstoffeintrag, Lärmimmissionen und Zerschneidungswirkungen gemacht werden.
Linienbestimmungsverfahren für Straßen Die Aussagen im Braunkohlenplan erfolgen nur nachrichtlich. Sie zeigen die Ziele der Raumordnung und Landesplanung auf. Sie müssen jedoch im Falle von Ersatzstraßen durch ein nachfolgendes Linienbestimmungsverfahren nach § 16 Bundesfernstraßengesetz oder bei Landes- und Kreisstraßen nach den entsprechenden Straßen- und Wegegesetzen der Länder konkretisiert werden. Dieses Verfahren sollte zweckmäßigerweise dann beginnen, wenn eine Realisierungsabsicht für die Ersatzverbindung konkret bevorsteht. Je nach Umfang und Komplexität der Maßnahme ist für das Linienbestimmungsverfahren und das nachfolgende Planfeststellungsverfahren mit einer Dauer von ca. fünf bis mehr als zehn Jahren vor der Inanspruchnahme des Verkehrswegs zu rechnen. In einer Umweltverträglichkeitsstudie werden vor ab die Randbedingungen aus Sicht der Umwelt dar gelegt. Die summarische Darstellung der potentiellen Auswirkungen, welche die einzelnen Varianten auf die Schutzgüter haben können, ergibt die sogenannte
Raumwiderstandskarte. Diese gibt Auskunft über konfliktträchtige Bereiche und konfliktarme Korridore, die sich für den Straßenneubau anbieten.
Entwurfsplanung Im nachfolgenden internen Planungsschritt erfolgen die wesentlichen technischen Festlegungen für die linienbestimmte Trasse. Zum einen wird die genaue Lage und Höhe des Verkehrswegs geplant. Dabei soll eine ausgewogene, verkehrssichere Linienführung erreicht werden. Der Straßenquerschnitt wird so festgelegt, dass er die prognostizierten Verkehre sicher aufnehmen kann. Die Wirtschaftlichkeit muss durch eine Kostenberechnung nachgewiesen werden. Auf Grundlage der technischen Planung werden die Auswirkungen auf den Naturhaushalt und die Umwelt ermittelt und konkrete Schutzmaßnahmen festgelegt, wie z. B. landschaftspflegerische Ausgleichsmaßnahmen oder der Bau von Lärmschutzwänden. Die Entwurfsunterlagen mitsamt der Kostenberechnung werden vom Straßenbaulastträger geprüft und genehmigt. Auf dieser Grundlage werden die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren erarbeitet.
Planfeststellungsverfahren Das Planfeststellungsverfahren soll gewährleisten, dass alle öffentlichen und privaten Belange, die vom Bauvorhaben betroffen sein können, ermittelt werden. Diese Belange werden dann miteinander abgewogen. Zunächst muss der Vorhabensträger die „Feststellung des Plans“ bei der Anhörungsbehörde beantragen. In der Regel sind dafür die in der Entwurfsplanung erstellten Planunterlagen einzureichen. Diese werden beispielsweise noch um Angaben zum erforderlichen Grunderwerb oder zur wasserrechtlichen Genehmigung ergänzt. Durch die Konzentrationswirkung der Planfeststellung wird gewährleistet, dass der Vorhabensträger keine weiteren behördlichen Genehmigungen für den Bau des Verkehrswegs benötigt. Die Anhörungsbehörde veranlasst die Offenlegung der Planunterlagen in den vom Vorhaben betroffenen Kommunen. Die Träger öffentlicher Belange werden separat beteiligt. Die Anregungen und Bedenken der Betroffenen werden dann während eines Erörterungstermins mit dem Ziel einer Einigung diskutiert. Bei umfangreichen Vorhaben verbleiben jedoch erfahrungsgemäß immer Einwendungen über die sich keine
Christian Lögters, Michael Hennemann et al.
Einigung erzielen lassen. Über diese wird im Planfeststellungsbeschluss durch die zuständige Planfeststellungsbehörde entschieden. Gegen diesen Beschluss können Betroffene, die im Anhörungsverfahren eine Stellungnahme abgegeben haben, beim zuständigen Verwaltungsgericht Klage erheben. Wenn innerhalb der Rechtsmittelfrist keine Klage eingeht, ist der Beschluss bestandskräftig und somit unanfechtbar.
Ausführungsplanung und Umsetzung Vor dem Baubeginn werden die Planungen ausführungsreif gemacht. Im Einflussbereich von Bergsenkungen sollte die Gradiente überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Es erfolgt die Detailplanung der Bauwerke und der Streckenausrüstung, wie z. B. der Wegweisung bei Straßen oder der Signalisierung bei Eisenbahnen. In der Regel wird bereits in der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Eigentümer des Verkehrswegs und dem Bergbautreibenden festgelegt, wer den Bau der Ersatztrasse durchführen soll. Insbesondere bei einer engen Verknüpfung mit dem Tagebau, wie z. B. bei einem Bau auf der Kippe, kann es sinnvoll sein, dass der Bergbautreibende selbst die Bauleistungen ausschreibt und vergibt. In diesem Fall sind besonders enge Abstimmungen mit dem zukünftigen Eigentümer des Verkehrswegs zur Qualitätssicherung während der Bauzeit erforderlich.
4.2.2.3 Herausragende Verkehrsprojekte Wiederherstellung A 44 Im Rahmen des Tagebaus Garzweiler II im Rheinischen Braunkohlenrevier ist im Jahre 2006 die Autobahn A 44 zwischen den Autobahnkreuzen Jackerath und Holz auf einer Länge von ca. 8 km bergbaulich in Anspruch genommen worden. Die entsprechenden Verkehre werden zurzeit über die in etwa parallel verlaufende A 61 und die A 46 umgeleitet. Nach dem bergrechtlich zugelassenen Rahmenbetriebsplan für den Tagebau Garzweiler I/II wird ca. im Jahr 2017 die A 61 ihrerseits vom weiter fortschreitenden Tagebau in Anspruch genommen. Bis zu diesem Zeitpunkt muss die A 44 als „A 44 n“ wieder hergestellt sein. Dabei kann sie nicht vollständig in der Lage der alten Autobahn wieder errichtet werden. Aufgrund der zwischenzeitlichen Verlegung
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des Bandsammelpunktes für den Tagebau Garzweiler II ist die alte Trasse bereits belegt. Daher muss die A 44 nach Osten in den Bereich des in der Auskohlung befindlichen Tagebaus Garzweiler I (verritzter Bereich) verschoben werden. Im Bereich des Abbaufeldes des Tagebaus Garzweiler I ist die Führung der A 44 n auf einem Damm im Verkippungsbereich vorgesehen, da der Tagebau Garzweiler I bis zum erforderlichen Baubeginn der A 44 noch nicht vollständig verfüllt sein kann. Diese vorgenannten Eckpunkte ergeben sich auch aus dem landesplanerisch verbindlichen Braunkohlenplan Garzweiler II. Die Streckenlänge der A 44n beträgt 10,6 km. Zur Aufnahme der Umleitungsverkehre aus der zukünftigen Unterbrechung der A 61 ist die A 44 sechsstreifig wieder herzustellen und zudem die A 46 zwischen dem AK Wanlo und dem AK Holz von 4 Fahrstreifen auf 6 Fahrstreifen auszubauen. Die Zeitabläufe und Verpflichtungen ergeben sich aus den Braunkohlenplänen Garzweiler I und II. Im Braunkohlenplan Garzweiler II ist als Ziel formuliert: „(…) Für den tagebaubedingten Wegfall der A 61 (ca. 2017) im Bereich zwischen dem Autobahnkreuz Jackerath und dem Autobahnkreuz Wanlo dient als Ersatz die A 44 n zwischen dem Autobahnkreuz Holz und einem neu zu schaffenden Autobahndreieck auf der A 61 südlich vom Autobahnkreuz Jackerath.“ Dieses Ziel des Braunkohlenplanes ist bei raumbedeutsamen Planungen, also auch bei Straßenplanungen zu beachten (§ 3 Nr. 2 ROG in Verbindung mit § 4 (1) ROG und § 34 (4) LPlG NW). Der betreffende Straßenzug hat Vorrang vor konkurrierenden regionalplanerischen Nutzungen. In der Umweltverträglichkeitsstudie wurden vier Trassenvarianten für die A 44n untersucht und bewertet. Im Linienbestimmungsverfahren wurde im Jahr 2004 diejenige Variante ausgewählt, die sowohl unter finanziellen Gesichtspunkten als auch für die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege am vorteilhaftesten bewertet wurde. Im nun anschließenden Planfeststellungsverfahren wird besonderes Augenmerk auf einen wirksamen Immissionsschutz gelegt, da insbesondere der auszubauende Abschnitt der A 46 unmittelbar an einer Ortslage vorbeiführt. Eine weitere Herausforderung vor Baubeginn wird darin bestehen, den Aufbau des ca. 7 km langen Straßendammes im Tagebau so zu gestalten, dass im Kronenbereich die linienbestimmte neue Autobahn wie planerisch vorgesehen gebaut werden kann. Der Damm wird aufgrund der zeitlichen Tagebauentwicklung seit dem Jahre 2005 der Kippe vorlaufend errichtet. Die Damm-
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Kapitel 4.2 Umsiedlung und Verlegung öffentlicher Infrastruktur
schüttung wird mit einer entsprechenden Vorlaufzeit zum Baubeginn abgeschlossen sein, damit nach einer ausreichenden Liegezeit im Jahre 2015 mit dem Bau der A44n auf dem Damm begonnen werden kann. Die Notwendigkeit einer engen Abstimmung zwischen dem Tagebaubetreiber, der für die sorgfältige Errichtung des Untergrunds verantwortlich ist und der Straßenbauverwaltung, welche die straßenbautechnischen Anforderungen definieren muss, zeigt sich daher besonders in diesem Projekt. Die hier anzutreffenden anspruchsvollen Randbedingungen erfordern ein hohes Maß an Verständnis für die Aufgaben des jeweiligen Partners und eine große Innovationsbereitschaft. Zugleich erfordert der durch den Tagebaufortschritt fest vorgegebene Inanspruchnahmezeitpunkt der A 61 ein präzises und rechtssicheres Genehmigungsverfahren, das eine rechtzeitige Fertigstellung der Ersatzverbindung A 44n/A 46 garantiert.
Hambachbahn In dem im Rheinischen Braunkohlenrevier gelegenen Tagebau Hambach ist in den nächsten Jahren eine umfangreiche Verlegung von Verkehrswegen vorgesehen. Nachfolgend wird der enorme Planungs- und Genehmigungsaufwand exemplarisch am Beispiel der sogenannten Hambachbahn, einer werkseigenen Eisenbahnstrecke von RWE Power dargestellt: Wegen der relativ großen räumlichen Entfernung zu den
Kraftwerken und Fabriken sind die Tagebaue Garzweiler und Hambach auf einen Transport der Braunkohle durch die Eisenbahn angewiesen. Die Bahn ermöglicht zudem, verschiedene Kohlequalitäten bedarfsgerecht zu disponieren. Das Gleisnetz von RWE Power besteht hauptsächlich aus der so genannten Grubenanschlussbahn „Nord-Süd-Bahn“ und der 21,5 km langen „Hambachbahn“ zum Tagebau Hambach. Zurzeit werden auf dieser doppelgleisigen, elektrifizierten Strecke ca. 41 Mio. t Rohbraunkohle im Jahr transportiert. Ein Abraumtransport auf der Hambachbahn findet nicht statt. Mit dem Aufschluss des Tagebaus Hambach wurde auch die Hambachbahn in ihrer noch heute bestehenden Lage errichtet. Aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus wurde dabei akzeptiert, dass die Streckenführung in einem Teilabschnitt über das genehmigte Abbaufeld verläuft und eine Verlegung für die vollständige Auskohlung des Tagebaus erforderlich ist. Für den Fortgang des Tagebaus liegt ein bergbaulicher Rahmenbetriebsplan vor; der Abbau innerhalb des landesplanerisch genehmigten Abbaufeldes wird bis ca. 2045 andauern. Die vorhandene Trasse der Hambachbahn wird im Jahr 2013/14 durch den fortschreitenden Tagebau Hambach erreicht und kann somit an dieser Stelle nicht weiter genutzt werden. Insgesamt wird ein Streckenabschnitt von ca. 9 km durch den Tagebau Hambach in Anspruch genommen. Um die Versorgung der an der Nord-Süd-Bahn gelegenen Fabriken und Kraftwerke weiterhin aufrecht zu erhalten, muss die Hambachbahn bis zu dem oben
.. Abb. 4.2-3 Verlegung von Verkehrswegen im Umfeld des Tagebaus Hambach
Christian Lögters, Michael Hennemann et al.
genannten Zeitpunkt verlegt sein. Der Bau und der Betrieb der bestehenden Hambachbahn wurden im Herbst 1979 durch einen bergrechtlichen Betriebsplan genehmigt, da die Bahn als bergmännische Betriebsanlage dem Bergrecht unterlag. Seitdem das neue Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) am 27.12.1993 in Kraft getreten ist, muss jedoch für jeden Neubau oder jede wesentliche Ergänzung einer Eisenbahnanlage – einschließlich der Grubenanschlussbahnen von Bergwerksbetrieben – ein Planfeststellungsverfahren nach § 18 AEG erfolgen. Damit haben sich die verfahrensrechtlichen Randbedingungen für die Erlangung des Baurechts gegenüber dem ursprünglichen Betriebsplanverfahren deutlich erschwert. Die Planfeststellung nach AEG erfolgt in einem so genannten „einstufigen Verfahren“, das im Gegensatz zu Straßenbauvorhaben kein separates Linienbestimmungsverfahren vorsieht. Gleichwohl findet eine intensive Variantendiskussion in einem ersten Verfahrensschritt statt. Mit den ersten Untersuchungen für eine Auswahl der zukünftigen Trasse der Hambachbahn wurde bereits im Jahr 1999 begonnen, da mit einem langwierigen und komplexen Verfahrensablauf gerechnet werden musste. Grundsätzlich andere Transportmöglichkeiten, wie z. B. eine Bandanlage, mussten nach Prüfung ausgeschlossen werden, da sie deutlich höhere Investitionsund Betriebskosten verursacht hätten. Im Übrigen wäre ein zukünftiger Lösstransport zum Tagebau Hambach nicht möglich, da eine Bandanlage nur für die Förderung in eine Richtung ausgelegt ist. Ausgehend vom Kohlebunker des Tagebaus Hambach wurden zunächst drei grundsätzlich unterschiedliche Trassenführungen untersucht und unter verkehrstechnischen, bergbaulichen, wirtschaftlichen und umweltfachlichen Gesichtspunkten bewertet: Zum Einen wurde untersucht, ob eine Verlegung der Hambachbahn nördlich um den Tagebau Hambach in Betracht kommt. Eine solche Trassenführung wäre jedoch um ca. 13 km länger als eine Trassenführung südlich des Tagebaus und würde erheblich mehr Fläche beanspruchen. Dies hätte deutlich umfangreichere Bodenbewegungen und deutlich höhere Kosten zur Folge. Die Untersuchung hat des weiteren ergeben, dass die Umweltauswirkungen nachteiliger wären als bei einer Trassenführung südlich des Tagebaus. Weiterhin wurde untersucht, ob die Trasse der Hambachbahn unmittelbar über den Verkippungsbereich des Tagebaus verlegt werden kann. Eine solche Trasse auf einer bestimmten wandernden Kippstrosse über die so genannte aktive Innenkippe musste wegen der damit verbundenen hohen Anfangssetzungen und der daraus resultierenden Gefährdung
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der Sicherheit des Bahnbetriebs, der Beschäftigten sowie der Versorgungssicherheit der Kraftwerke ausgeschlossen werden. Eine alternative Trassenführung der Hambachbahn durch einen dauerhaften Taleinschnitt im Bereich der Innenkippe würde im Laufe der Zeit zu einem Taleinschnitt mit einer Tiefe von über 180 m führen der aus massendispositiven Gründen mit der weiteren planmäßigen Betriebsführung, Oberflächengestaltung und Wiedernutzbarmachung unvereinbar wäre. Eine Trassenführung südlich des Tagebaus Hambach ist hingegen umsetzbar und bereits seit längerem in den Gebietsentwicklungsplänen enthalten. Der Kohlebunker des Tagebaus Hambach wird bei dieser Trassenführung in südlicher Richtung verlassen. Anschließend führt die Trasse in eine Parallellage mit der DB-Strecke Köln-Aachen, entlang der Sicherheitslinie. Wegen der Steigungsverhältnisse und der Vielzahl zu kreuzender Verkehrswege befindet sich
.. Abb. 4.2-4 Ausbau des Autobahnkreuzes und Neubau der Anschlussstelle Wanlo an der A 61 im Vorfeld des Tagebaus Garzweiler
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Kapitel 4.2 Umsiedlung und Verlegung öffentlicher Infrastruktur
die Trasse in einer Einschnittslage. Der verbleibende Raum zwischen dem Bahneinschnitt und der Abbaugrenze steht notwendigen Betriebseinrichtungen des Tagebaus, wie z. B. Brunnengalerien und Wegeverbindungen zur Verfügung. Südlich der neuen Hambachbahn-Trasse werden sich zukünftig mit der ebenfalls aus dem Abbaugebiet Hambach verlegten Autobahn A 4 sowie mit der DBStrecke Köln-Aachen zwei weitere Verkehrswege in Parallellage anschließen. Damit wird eine Trassenführung südlich des Tagebaus der Forderung nach einer möglichst engen Bündelung von Verkehrswegen gerecht. Für den östlich anschließenden, besonders schützenswerten Waldbereich „Steinheide“ wurden genauere Variantenuntersuchungen durchgeführt. Hier spielten vor allem die hohen gesetzlichen Umweltanforderungen eine große Rolle, da die Steinheide, insbesondere wegen der alten Eichen-Hainbuchen-Wälder, von der EU-Kommission als sogenanntes Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) ausgewiesen wurde. Fünf verschiedene Varianten in der Steinheide wurden untersucht und bewertet. Als Ergebnis dieser Untersuchung musste schließlich als einzige FFH-verträgliche Variante eine weitgehende Umfahrung des Waldbestandes vorgesehen werden. Im Norden der Steinheide schließt die geplante, ca. 15 km lange Trassenführung wieder an die vorhandene Hambachbahn an. Diese Variante wurde wegen der besten Umweltverträglichkeit und dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis in das Planfeststellungsverfahren eingebracht. Die Planfeststellungsunterlagen wurden der Bezirksregierung Köln als Anhörungsbehörde im Oktober 2002 übergeben. Zeitgleich zur Offenlage wurden mehrere Informationstermine durchgeführt, um die Maßnahme zu erläutern und offene Fragen zu beantworten. Alle weiteren Anregungen und Bedenken wurden bis zum Sommer 2003 bearbeitet, so dass der Erörterungstermin im Dezember 2004 mit behördlichen und privaten Einwendern stattfinden konnte. Neben der Umweltverträglichkeit der geplanten Hambachbahn wurden im Erörterungstermin eine befürchtete Feinstaubzusatzbelastung, die durch den Kohletransport in offenen Waggons entstehen könnte, intensiv diskutiert. Um dieser Fragestellung nachzugehen, wurde ein bundesweit bisher einmaliges Gutachten in Auftrag gegeben. Der Gutachter konnte dennoch feststellen, dass sich die maximal zu erwartende Zusatzbelastung an der nächstgelegenen Bebauung selbst bei vorsichtigsten Annahmen sogar unterhalb der Nachweisgrenze befinden wird.
Die Bezirksregierung Köln, die in diesem Fall auch die Genehmigungsbehörde war, hat nach Abwägung aller Anregungen und Bedenken den Planfeststellungsbeschluss im August 2005 erlassen. Zur Erlangung des Baurechts wurde in diesem komplexen Verfahren eine umfangreiche Planung mit Variantenuntersuchungen unter wirtschaftlichen, technischen und umweltfachlichen Gesichtspunkten durchgeführt. Die genehmigte Planung gewährleistet einen den besonderen Anforderungen gerecht werdenden Bau- und Betriebsablauf sowie eine hohe Versorgungssicherheit der Kraftwerke und Fabriken mit Braunkohle aus dem Tagebau Hambach.
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4.3
Nachbarschaftsschutz und Braunkohlenbergbau Michael Kirchner, Rolf Petri, Peter Asenbaum, Dieter Jung
4.3.1
Einleitung
Bei nahezu allen zivilisatorischen Prozessen werden Emissionen in Form von Materie und Energie freigesetzt. Wirken diese Emissionen auf Menschen, Tiere, Pflanzen, den weiteren Naturhaushalt oder auf Kulturund Sachgüter ein, werden sie als Immissionen bezeichnet. Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, sind als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen. Es gehört zum umweltpolitischen, sozialen und rechtlichen Grundkonsens aller modernen Industriegesellschaften, derartige Folgen von Immissionen nach Möglichkeit zu verhindern oder auf ein vertretbares Mindestmaß zu reduzieren. In der Bundesrepublik Deutschland besteht seit 1974 mit dem Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) ein eigenständiges Immissionsschutzrecht. Dieses Rechtswerk ist seitdem durch Aktualisierung und durch Ausbau eines untergesetzlichen Regelwerkes immer wieder den neuesten Erfordernissen angepasst worden. Zentraler Rechtsbegriff des Gesetzes für den Verursacher von Emissionen ist die Anlage. Das Gesetz sieht besondere Genehmigungspflichten für bestimmte, in der 4. Verordnung zur Durchführung des BImSchG (4. BImSchV) aufgeführte Anlagen vor. Untertägige Anlagen des Bergwesens sowie Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen Anlagen bedürfen keiner Genehmigung; der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung den besonderen Verhältnissen des Bergbaus, insbesondere der Ortsgebundenheit an die Lagerstätte sowie der dynamischen Betriebsentwicklung, Rechnung getragen. Allerdings unterliegt auch der Bergbau den allgemeinen Pflichten, wie sie nach dem BImSchG für Betreiber von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen festgelegt sind. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass 1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und 3. die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. Die Zuständigkeit für die Durchführung des BundesImmissionsschutzgesetzes und der auf das Gesetz gestützten Rechtsverordnungen obliegt für Betriebe, die der Bergaufsicht nach dem Bundesberggesetz unterliegen, der Bergbehörde. Die rechtliche Umsetzung der Betreiberpflichten für nicht-genehmigungsbedürftige Anlagen erfolgt für den Braunkohlebergbau im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren in Anwendung der §§ 55 Abs. 1 und 48 Abs. 2 des Bundesberggesetzes. Die rechtliche Ausgestaltung dieses Verfahrens wird in Kapitel 4.1 ausführlich dargestellt und sollte an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Der vom Bundes-Immissionsschutzgesetz geforderte Stand der Technik ist für den Bergbau in den einzelnen Bundesländern in Richtlinien zum Betriebsplanverfahren festgelegt. Diese stellen bindende Verwaltungsanweisungen an die zulassenden Bergbehörden dar und legen fest, welche Anforderungen hinsichtlich des Immissions- und Nachbarschaftsschutzes bei der Prüfung und Zulassung von Betriebsplänen zu stellen sind. In diesen Richtlinien wird letztlich auf die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) und die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) verwiesen, welche von sich aus keine Gültigkeit im Bergbau besitzen, die aber bei der Ermittlung und Beurteilung der entsprechenden Immissionen zum Anhalt zu nehmen sind. Gerade für die Unternehmen und Betriebe der Braunkohleindustrie ist es sinnvoll und bedeutsam, sich diesen Anforderungen zu stellen und einen beständigen, wirkungsvollen Immissionsschutz zu betreiben und weiter zu entwickeln. Als klare Vorteile einer solchen Haltung sind anzuführen 1. die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten, 2. die Schonung der Umwelt, 3. die Vermeidung von Haftungs- oder Entschädigungsleistungen,
454
Kapitel 4.3 Nachbarschaftsschutz und Braunkohlenbergbau
4. die Förderung einer guten Nachbarschaft zu den Anwohnern im Bergbaurevier und letztlich 5. die Stärkung der gesellschaftlichen und politischen Akzeptanz eines Unternehmens oder gar des gesamten Wirtschaftszweiges.
4.3.2
Grundsätzliches
Im betrieblichen Alltag werden die Begriffe Emission und Immission häufig synonym gebraucht. Dies hat seine Ursache in der Sichtweise des Betriebspraktikers, der Immissionsschutz in seinem Verantwortungsbereich nur so betreiben kann, dass die dortigen Emissionen vermieden oder beschränkt werden. Zum besseren Verständnis werden im Folgenden die wichtigsten Begriffe des Immissionsschutzrechtes nach den Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes definiert. Emissionen im Sinne des BImSchG sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen; unter Luftverunreinigungen sind dabei Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, namentlich durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe, zu verstehen. Transmission beschreibt die Wegsamkeit für Schadstoffe vom Emissionsort bis zur Einwirkstelle. Immissionen sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kulturund sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Gerausche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen. Immissionsschutz ist der durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) gewährte Schutz gegen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Naschteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg im Betrieb erprobt worden sind. Anlagen sind Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, Maschinen, Geräte, sonstige ortveränderliche technische Einrichtungen und Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können. Für die betriebliche Praxis im Braunkohletagebau sind von den Emissionen die Geräusche sowie bestimmte Luftverunreinigungen, namentlich durch Staub, von Bedeutung; hierzu werden in den nächsten Unterkapiteln noch detaillierte Ausführungen gemacht. Einen Sonderfall stellen nach den Erfahrungen im Rheinischen Braunkohlerevier die Belästigungen durch Licht, wie sie bei temporären Betrieben wie z. B. Bohrungen in Siedlungsnähe auftreten können, dar. Für alle anderen Arten von Emissionen werden im Folgenden keine weiteren Betrachtungen gemacht; treten solche Phänomene auf, bedürfen sie einer genauen Betrachtung im Einzelfall und einer individuellen Lösung.
4.3.3
Lärmschutz in Tagebauen
4.3.3.1 Einleitung Die Braunkohlengewinnung konzentrierte sich seit Anfang der 60er Jahre auf die Förderung aus wenigen Großtagebauen mit einer umfangreichen flächenmäßigen Ausdehnung, die neben größerer Wirtschaftlichkeit auch im Hinblick auf die Umweltbelastung neue Maßstäbe setzte. Das besondere Charakteristikum eines Tagebaus in Bezug auf seine Geräuschimmission ist die sich mit fortschreitendem Abbau ändernde örtliche Lage und zum Teil auch die Anzahl und Ausdehnung der im Einsatz befindlichen Schallquellen. Zu unterscheiden ist zwischen kurzzeitigen Ortsänderungen bei den Großgeräten und der sich nur in größeren Zeitabständen verändernden Lage und Anordnung von Bandanlagen. Dabei schwenkt der Tage-
Michael Kirchner, Rolf Petri, Peter Asenbaum, Dieter Jung
bau als große Flächenschallquelle in der Nachbarschaft dicht besiedelter Gebiete vorbei. Entsprechend ändern sich dort auch die Schallimmissionen. Bei der Gewinnung von Braunkohle in Großtagebauen kommt deshalb einem Teilbereich des Immissionsschutzes, dem Schutz vor Lärm, eine besondere Bedeutung zu. Zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen müssen, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist, Schutzmaßnahmen getroffen werden. Hierbei tritt neben den Fragen der Technik im Wesentlichen die wirkungsbezogene Fragestellung in den Vordergrund.
4.3.3.2 Rechtliche Rahmenbedingungen Bundesberggesetz (BBergG) Nach § 51 BBergG dürfen bergbauliche Gewinnungsbetriebe nur aufgrund von Betriebsplänen, die vom Unternehmer aufgestellt und von der Bergbehörde zugelassen worden sind, errichtet, geführt und eingestellt werden. Diese Betriebspläne sind zuzulassen, wenn sie die in § 48 Abs. 2 und § 55 BBergG beschriebenen Anforderungen erfüllen. In diesem Zusammenhang bildet der § 48 Abs. 2 BBergG die Grundlage für eine umfassende Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der Bergbehörde zur Wahrung überwiegend öffentlicher Interessen, zu denen auch der Immissionsschutz gehört. Damit ist der § 48 Abs. 2 BBergG eine die Befugnisse der Bergbehörde im Betriebsplanzulassungsverfahren erweiternde Norm, die als Ergänzung zu § 55 BBergG zu verstehen ist. Hier werden die fachgesetzlichen Vorschriften als gesetzlich normierte öffentliche Belange im Betriebsplanverfahren umgesetzt.
Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) Die Grundlage für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung von Tagebauen bildet das BImSchG. Hiernach zählen Braunkohletagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen Anlagen gemäß § 4 Abs. 2 BImSchG zu den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne des Gesetzes. Dennoch obliegen dem Tagebaubetreiber auch hier Pflichten, die in § 22 BImSchG geregelt und in Kapitel 4.3.1 näher beschrieben sind.
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Insbesondere wird hierbei dem Stand der Technik eine besondere Bedeutung beigemessen. Stand der Technik zur Lärmminderung im Sinne der technischen Anleitung Lärm (TA-Lärm) ist der auf die Lärmminderung bezogene Stand der Technik nach § 3 Abs. 6 BImSchG. Danach beschreibt er den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemeinen hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Im Weiteren beschreibt der Gesetzgeber in § 23 BImSchG Anforderungen an die Einrichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen. Oberbegrifflich können die Anforderungen des BImSchG in drei Werttypen unterschieden werden: 1. Schädliche Umwelteinwirkungen können in wir kungsbezogene Werte konkretisiert (z. B. Immissionsrichtwerte der TA-Lärm), 2. Stand der Technik kann in technikbezogene Werte präzisiert werden (z. B. bestimmte Emissionsgrenzwerte). 3. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme bei Vorbelastung durch eine bereits vorhandene Immissionssituation kann in Situationswerten ausgedrückt werden (z. B. Mittelwerte bei sich gegenseitig störenden Nutzungen oder dem Vorhandensein anderer Quellen, wie Verkehrsstraßen oder Gewerbebetrieben). Diesen Grundsätzen ist bei den Anforderungen an den erforderlichen Lärmschutz im Betriebsplanverfahren Rechnung zu tragen.
Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) Die TA-Lärm ist von der Bundesregierung als sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz am 28.08.1998 veröffentlicht und am 01.11.1998 in Kraft getreten. Als Allgemeine Verwaltungsvorschrift wendet sich die TA-Lärm an die zur Durchführung des BImSchG zuständigen Behörden. Sie dient der Konkretisierung des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ durch
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Kapitel 4.3 Nachbarschaftsschutz und Braunkohlenbergbau
Geräuschimmissionen und lenkt die Ermessensausübung bei der Sachverhaltsaufklärung und der Anwendung von Eingriffsermächtigungen mit Ermessensspielraum. Des Weiteren entfaltet sie eine primäre Bindungswirkung gegenüber den zuständigen Verwaltungsbehörden und gilt für genehmigungsbedürftige und nicht genehmigungsbedürftige Anlagen gleichermaßen, jedoch nicht für Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen Anlagen. Diese Ausnahme betrifft ausschließlich Tagebaue, die dem Bergrecht unterliegen und beruht im Wesentlichen auf Gesichtspunkten der besonderen Standortgebundenheit.
Bergbehördliche Vorschriften Da die TA-Lärm für Braunkohletagebaue nicht gilt, ist für die Ermittlung, Prüfung und Beurteilung von Geräuschimmissionen in den Betriebsplanzulassungen die Festschreibung bergbehördlicher Richtlinien zum Schutz der Nachbarschaft und der Allgemeinheit vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Immissionen aus Tagebauen erforderlich. In Nordrhein-Westfalen sind das z. B. die „Richtlinien der Bezirksregierung Arnsberg, Abteilung Bergbau und Energie in NRW zum Schutz der Nachbarschaft und der Allgemeinheit vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Immissionen aus Tagebauen“ vom 18.09.2003. Sie sind bei der Zulassung von bergrechtlichen Betriebsplänen anzuwenden und legen Geltungsbereich, Grundsatz und Schutzziel fest. Die festzulegenden Maßnahmen zur Beschränkung der Umwelteinwirkungen sind Einzelfallentscheidungen und müssen nicht nur zur Erreichung der angestrebten Ziele geeignet sein, sondern gleichzeitig stets dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Hinsichtlich der Ermittlung und Beurteilung von Geräuschimmissionen wird auf die TA-Lärm verwiesen, die als antizipierte Sachverständigenaussage sinngemäß Anwendung findet.
4.3.3.3 Betriebsplanverfahren Allgemeine Erläuterungen Für die Prüfung und Beurteilung immissionsschutzrechtlicher Belange sind der Bergbehörde Betriebs-
pläne einzureichen. Bei den Betriebsplänen wird unterschieden zwischen Rahmen-, Haupt- und Sonderbetriebsplänen. Sowohl bei den Betriebsplänen auf weite Sicht (Rahmenbetriebspläne) als auch bei den Haupt- und Sonderbetriebsplänen sind detaillierte Auskünfte und Unterlagen über den Immissionsschutz für den jeweiligen Zulassungszeitraum u. a. durch überprüfbare Angaben zu den zu erwartenden Lärmimmissionen zu geben und schalltechnische Gutachten beizufügen sowie Angaben zu den erforderlichen Minderungsmaßnahmen zu machen. Allgemeingültige Richtlinien gibt es hierbei nicht.
Auskünfte und Unterlagen zum Immissionsschutz Mit Vorlage des Rahmenbetriebsplans für einen Tagebaubetrieb sind bereits in einem frühen Stadium Untersuchungen über die zu erwartenden Geräuschimmissionen in den betroffenen Randlagen der angrenzenden Wohnbebauung durchzuführen. Die Untersuchungen erfolgen dabei für verschiedene Tagebaustände, die repräsentativ den geplanten Abbaufortschritt über den gesamten Abbauzeitraum widerspiegeln. In den nachfolgenden Hauptbetriebsplänen werden dann konkret Berechnungen für einen Abbauzeitraum von zwei bis vier Jahre durchgeführt und entsprechend dargestellt. Hierbei werden auf der Grundlage eines digitalen Geländemodells, das den zu untersuchenden Tagebaustand wiedergibt und in das alle relevanten Schallquellen, wie Großgeräte, Antriebsstationen und Bandstrecken mit ihren spezifisch akustischen Kenngrößen eingetragen sind, Lärmprognosen mit einem anerkannten DV-Programm berechnet. Weil es aber für die Auswahl der Standorte der Großgeräte keine allgemeingültigen Kriterien gibt, wird bei der Festlegung der Standorte eine Verteilung gewählt, die sich am Massenschwerpunkt des Abbaufeldes orientiert. Sondersituationen, wie der Einsatz einzelner Großgeräte in unmittelbarer Nähe von Wohnbebauung, werden separat untersucht. Den einzelnen Geräuschquellen des Tagebaus werden entsprechend ihrer Lage mittlere Höhen über dem Planum zugeordnet. Die den Berechnungsverfahren zugrunde zu legenden Vorschriften und Normen ergeben sich aus den Vorgaben der TA-Lärm. Die Immissionsberechnun-
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gen erfolgen dabei als detaillierte Prognose, wobei das detaillierte Prognoseverfahren den Erkenntnissen der internationalen Normung Rechnung trägt und bezüglich der Schallausbreitungsrechnungen auf die im September 1997 erschienende deutsche Übersetzung der ISO 9613-2 Bezug nimmt. Die Berechnung erfolgt in Oktaven von 63 Hz bis 8 kHz und gibt Auskunft über die zu erwartenden Geräuschimmissionen an den maßgeblichen Immissionsaufpunkten. Besondere Berücksichtigung finden hierbei die Regelungen über seltene Ereignisse, tieffrequente Geräusche und von betrieblich bedingten Verkehrsgeräuschen auf öffentlichen Straßen. Im Betriebsplanverfahren werden weiterhin Un terlagen und Angaben zu den vom Unternehmer im zurückliegenden Genehmigungszeitraum durchge führten und zukünftig geplanten Immissionsschutzmaßnahmen vorgelegt. Ferner sind der Bergbehörde aufgrund der Mitteilungspflicht gemäß § 52 a BImSchG die Ergebnisse der im Rahmen der Eigenüberwachung durchgeführten Geräuschmessungen einmal jährlich vorzulegen. Damit entsteht durch die Auskünfte und Unterlagen zum Immissionsschutz ein Gesamtbild über die insgesamt realisierten Schallschutzmaßnahmen, deren Auswirkungen auf die Nachbarschaft und ein Vergleich mit den in der Prognose ermittelten Immissionswerten.
Maßnahmen zur Geräuschminderung Die Maßnahmen zur Reduktion von Lärm aus technischen Anlagen ergeben sich aus technischen und auch planerischen Möglichkeiten. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen primären, aktiven und sekundären, passiven sowie planerischen als auch organisatorischen Schallschutzmaßnahmen. Während primäre Maßnahmen die Schallentstehung (Emission) vermindern und an der Schallquelle eingesetzt werden, beeinflussen sekundäre Maßnahmen die Schallausbreitung (Immission). Sie werden sowohl am Immissionsort als auch auf dem Transmissionsweg zwischen Quelle und Immissionsort eingesetzt. Daneben können die planerischen und organisatorischen Maßnahmen einen zum Teil wesentlichen Einfluss auf das Betriebsgeschehen nehmen.
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Planerische Maßnahmen Der Schutz vor Geräuschen beginnt bereits im Planungsstadium von Tagebauanlagen. Hierbei werden lärmintensive Emissionsquellen wie beispielsweise Kohlebunker, Bandsammelpunkte und Betriebsanlagen so angeordnet, dass sie sich möglichst nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Ortschaften befinden. Weitere planerische Maßnahmen sind: Absenken der obersten Strosse, um mit Geräten und Bandanlagen die abschirmende Wirkung der Böschung zu nutzen, Vorziehen einer Hochschüttung auf der Kippenseite, die als Wall für den Absetzer in seiner jeweiligen Bandlage fungiert, Errichtung und Bepflanzung von Immissionsschutzdämmen entlang der Abbaugrenze vor Ortslagen, Errichtung von Lärmschutzwänden, Einsatz geräuscharmer Antriebe/Getriebe.
Technische Maßnahmen Bei den technischen Maßnahmen für Tagebauanlagen wird der Geräuschminderung an der Schallquelle durch eine konstruktionsakustische günstige Bauweise der Vorrang gegeben. Weiterhin erfolgt eine Reduzierung der Schallabstrahlung durch den Einsatz von Schalldämpfern, Schallschutzhauben oder Schallschutzkapseln, ausgewuchtete Bandrollen mit abgedrehten und geglätteten Oberflächen sowie geräuscharmen Rollenlagern, stoßfreie und glatte Gurtstöße, eine reduzierte Anzahl von Girlanden in Bandgerüsten, Einsatz verschleißfester Trommelbeläge, Ausrichtung der Bandstrecken zur Verhinderung von Gurtschieflauf, Bedüsungseinrichtungen zur Bandrollen-Selbstreinigung, Einsatz von Prallmatten in Materialübergaben, Schlupfminimierung beim Anfahren von Bandanlagen, Schmierung der Raupenfahrwerke von Großgeräten, Optimierung des Einsatzes von Sicherheitshupen in Bandstrecken.
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Kapitel 4.3 Nachbarschaftsschutz und Braunkohlenbergbau
.. Abb. 4.3-1 Schaufelradvollkapselung bei einem Tagebaugroßgerät
.. Abb. 4.3-2 Antriebseinheit mit gekapseltem Getriebe
Beim Zugbetrieb ergeben sich folgende Maßnahmen: Einsatz von geschweißten Schienenstößen, schräg geschnittene Isolierstöße der Gleise und bewegliche Herzstücke in den Weichen, E-Loks mit schwingisoliertem Aufbau der Kompressoren und Fahrlüftermotoren, Abraum- und Kohlewagen mit schallgedämpften Radscheiben, Gummidichtungen an den Klappen, hydraulisch schließenden Ladeklappen, Schalldämpfern an den Luftaustrittsöffnungen und Ausschäumen der Hohlräume der Ladeklappen, straffe Wagenverbindungen, Umstellung von akustischen auf optische Signalgebung bzw. vollelektronische Ablaufsteuerung. Bei dem Betrieb von Bohranlagen finden folgende Maßnahmen Berücksichtigung: Einsatz von gekapselten Kompressoren und Notstromaggregaten,
Verwendung von lärmoptimierten Werkzeugen, wie z. B. schallgedämpfte Schlagschrauber, Kunststoffhämmer, Einsatz von mobilen Lärmschutzwänden. Die aufgeführten Schallschutzmaßnahmen erzielen natürlich nur dann ihre volle Wirkung, wenn deren Funktionsweise regelmäßig überprüft und die vorgeschriebenen Wartungsinterwalle eingehalten werden.
Organisatorische Maßnahmen Neben den planerischen und technischen Möglichkeiten zur Lärmminderung nehmen die organisatorischen Maßnahmen ebenfalls einen breiten Raum ein. Die organisatorischen Maßnahmen haben besonders zur Nachtzeit ihre Bedeutung, wenn der Umgebungslärm naturgemäß deutlich abnimmt.
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.. Abb. 4.3-3 Errichtung einer mobilen Schallschutzwand bei Brunenbohrungen
Hierzu zählen beispielsweise: Reduzierung des Einsatzes von Erdbaugeräten, Einschränkung der Transportfahrten mit Tiefladern oder LKWs auf die unbedingt betriebsnotwendigen Zeiten, Minimierung der Fahr- und Transportzeiten von Großgeräten, Beschränkung der akustischen Signale an Baggern und Absetzern auf ein vertretbares, für die betriebliche Sicherheit notwendiges Maß, Beschränkung der Betriebszeiten. Voraussetzung für die Wirksamkeit der organisatorischen Maßnahmen ist eine umfassende Aufklärung der Mitarbeiter. Durch gezielte Unterweisungen wird die Belegschaft hierfür sensibilisiert.
4.3.3.4 Betriebsplanzulassung und behördliche Überwachung Betriebsplanzulassung Die immissionsschutzrechtliche Prüfung im Rahmen der öffentlichrechtlichen Zulassung einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage erfolgt nach den Vorgaben der TA-Lärm. In Nr. 4 der TA-Lärm „Allgemeine Grundsätze für die Prüfung nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen“ sind die Prüfkriterien eingehend beschrieben. Anzuwenden ist für die Behörde die unter Nr. 4.2 der TA-Lärm festgelegte vereinfachte Regelfallprüfung. Danach ist sicherzustellen, dass die Geräuschim-
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missionen im Einwirkungsbereich der zu beurteilenden Anlage die maßgeblichen Immissionsrichtwerte der für den Gebietscharakter des Wohngebietes festgelegten Werte nicht überschreiten, ggf. sind Auflagen zu erteilen. Einwirkungsbereich einer Anlage ist der Bereich, in dem die von einer Anlage ausgehenden Geräusche einen Beurteilungspegel verursachen, der weniger als 10 dB(A) unter dem für dieses Gebiet maßgebenden Immissionsrichtwert liegt oder Geräuschspitzen verursachen, die den für die Beurteilung maßgebenden Immissionsrichtwert erreichen. Die für eine Beurteilung der Immissionssituation zu erstellende, detaillierte Prognose muss plausibel, nachvollziehbar und Angaben zur Qualität enthalten. Wesentliche Merkmale sind u. a.: emissionsrelevante Konstruktionsmerkmale Schallleistungspegel Betriebszeiten Abschirmung und Abstand Eine Berücksichtigung der Vorbelastung durch Immissionen weiterer Anlagen ist dabei nur dann erforderlich, soweit aufgrund konkreter Anhaltspunkte absehbar ist, dass die zu beurteilende Anlage relevant zu einer Überschreitung der entsprechenden Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 der TA-Lärm beitragen wird. Liegen Überschreitungen der Richtwerte vor oder sind diese zu erwarten, hat die Behörde Auflagen zu erteilen um die zu erwartenden Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Der dazu gebotene Maßnahmenkatalog reicht von der Auflage, weitere organisatorische Maßnahmen im Betriebsablauf vorzunehmen, der Einhaltung größerer Schutzabstände zu benachbarten Wohnhäusern, dem Ausnutzen natürlicher oder künstlicher Hindernisse, der Auswahl des Aufstellungsortes von Anlagen und kann bis zur zeitlichen Beschränkung des Betriebes gehen. Jeder Tagebau unterliegt hierbei wegen seiner Besonderheit der Einzelfallprüfung. Ist wegen der im Einzelfall vorliegenden besonderen Umstände eine Sonderfallprüfung durchzuführen, müssen alle die Zumutbarkeit beeinflussenden konkreten Gegebenheiten im Sinne einer Güterabwägung in Betracht gezogen und bewertet werden. Für die Bewertung sind neben objektivierbaren Faktoren, wie Lautstärke, Dauer der Einwirkung auch subjektiv-individuelle Faktoren, wie z. B. Art der Tätigkeit von Bedeutung.
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Kapitel 4.3 Nachbarschaftsschutz und Braunkohlenbergbau
Erst nach Abwägung aller Faktoren ist auch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit über den Antrag aus akustischer Sicht zu entscheiden.
Behördliche Überwachung Die zuständigen Behörden haben gemäß § 52 BImSchG die Durchführung des Gesetzes und die auf das Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zu überwachen. Konkrete Vorgaben, wie diese Überwachung zu erfolgen hat, sind nicht festgelegt worden. Zur Überwachung der aus den Großtagebauen im Rheinland resultierenden Lärmimmissionen wurde durch die Bergbehörde beispielsweise ein Lärmkataster mit über 200 Messpunkten eingerichtet, an denen entsprechend dem Abbau- und Verkippungsschwer-
.. Abb. 4.3-4 Innenansicht der mobilen Schallmessstation für den Einsatz bei Langzeitmessungen
punkt in unregelmäßigen Zeiträumen Stichprobenund auch Langzeitmessungen durchgeführt werden. Aufgrund der dichten Besiedlung ist hierbei diese Vielzahl der Messpunkte in unmittelbarer Nachbarschaft der Großtagebaue erforderlich. Um im Betriebsplanverfahren eine umfassende Prüfung und Beurteilung des Lärmimmissionsschutzes und eine sachgerechte Abwägung vornehmen zu können, ermittelt die Bergbehörde in den randnahen Ortschaften mindestens zwei Jahre vor dem Herannahen eines Tagebaus die vorhandene Lärmsituation. Hierbei kommen Langzeitmessungen in Betracht, die mit einer mobilen und automatisch arbeitenden Schallmessstation durchgeführt werden. Die Messstation dient der kontinuierlichen Überwachung, Erfassung, Aufzeichnung und Analyse des Schalldruckpegels und der Ermittlung der spektralen Struktur der spezifischen Geräuschimmissionen am Messort. Zusätzlich werden die meteorologischen Größen, wie Windrichtung, -geschwindigkeit, Temperatur, relative Feuchte und Regenereignissen ermittelt. Durch ein spezielles Softwareprogramm erfolgt eine Analyse der Geräuschimmissionen. Berechnet und angezeigt werden die Tagesganglinie des Pegelverlaufs, die Pegelstatistik sowie der Überschreitungsund Langzeitmittelungspegel. Weiterhin können eine Trennung von Geräuschquellen und eine automatische Kurzauswertung erfolgen. Bewährt hat sich der Einsatz der mobilen Messstationen auch bei Lärmbeschwerden aus der Bevölkerung, da die störauffälligen Geräusche zum Teil intermittierend sind und sich mit Stichprobenmessungen nicht immer erfassen lassen. Insgesamt gesehen hat sich die von der Bergbehörde seit vielen Jahren praktizierte Verfahrensweise bewährt. Sie garantiert sowohl den erforderlichen
.. Abb. 4.3-5 Beispiel der Tagesganglinie eines Pegelverlaufs in Tagebaunähe
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Schutz der Nachbarschaft und der Allgemeinheit vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Tagebaugeräusche und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen Anlagen. Sie trägt ebenso zur Rechtssicherheit und Einheitlichkeit im Verwaltungsvollzug bei.
4.3.4
Staubimmissionen
4.3.4.1 Einleitung, Grundlagen, Definitionen und Messverfahren Einleitung Bürgerbeschwerden über Belästigungen durch Staub sind in Regionen mit Tagebaubetrieben nicht ungewöhnlich. Hier verursachen bei trockener Witterung und unter Einfluss des Windes insbesondere die freiliegenden Flächen, die Materialgewinnung im Tagebau und der Transport die bergbaubedingten Immissionen. Bei den Belästigungen handelt es sich um den sichtbaren Grobstaub, der sich beispielsweise im Außenbereich der benachbarten Anwesen auf Gartenmöbel und Fensterbänke sowie Autos niederschlägt. In jüngster Zeit ist die Aufmerksamkeit auch auf den unsichtbaren Feinstaub gelenkt worden. Durch Messungen wurde belegt, dass auch Tagebaue einen zum Teil nicht unerheblichen Anteil an der Gebietsbelastung beitragen. Eine zu hohe Feinstaubbelastung kann zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen. Das Thema Feinstaub hat deshalb eine besondere Bedeutung. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an den Verhältnissen im Rheinischen Braunkohlenrevier. Die dort gesammelten Erfahrungen können im Wesentlichen auch auf andere Reviere übertragen werden.
Grundlagen und Definitionen Staub ist ein Bestandteil der Luft. Unter Staub versteht man allgemein die in der Atmosphäre verteilten festen Teilchen. Die Staubpartikel in der Luft haben keine einheitliche Ursache und keine einheitliche chemische Zusammensetzung. Stäube entstehen u. a. bei Verbrennungs- und Produktionsprozessen in einzelnen Industriebereichen oder beim Umschlag von Schüttgütern. Daneben gibt es noch indirekte anthropogene Quellen, wie beispielsweise Staubaufwirbelungen durch Kraftfahrzeugverkehr und Baustellen, durch die Forst- und Landwirtschaft oder durch partikelbildende Gasreaktionen. Auch natürliche biogene Quellen wie die Vegetation,
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beispielsweise durch Blütenpollen, und die Böden tragen zur Staubbelastung bei. Die in der Luft vorhandenen Staubpartikel weisen eine sehr breit gefächerte Korngrößenverteilung auf. Die Bandbreite der Teilchengröße reicht von kleinsten Teilchen, die nur aus wenigen Molekülen bestehen, bis hin zu Teilchen von über 100 µm Durchmesser. In der gröberen Staubfraktion haben mineralische Bestandteile, beispielweise Erdkrustenmaterial, einen wesentlichen Anteil, während im Feinstaub überwiegend chemische Bestandeile ursächlich für deren Wirkung insbesondere auf die menschliche Gesundheit sind. Bei den luftverunreinigenden Feststoffen wird zwischen dem Feinstaub (Synonym: Schwebstaub, PM10, Particulate Matter 25% Glüh-
.. Abb. 4.6-6 Setzung eines humosen Bodens infolge Absenkung des freien Grundwasserspiegels
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Kapitel 4.6 Bodenbewegungen und Bergschadensregulierung
verlust) weisen ein labiles, faserig-schwammiges Gefüge mit sehr hohem wassergefüllten Porenraum auf. Werden diese kritischen Böden entwässert, ändert sich das Gefüge, so dass die Großporen nachfolgend zusammengedrückt werden. Dieser Vorgang führt zu hohen Setzungsraten in der Anfangsphase der Entwässerung z. B. bei Torfen von bis zu mehreren Dezimetern, je nach Mächtigkeit und Konsistenz des Bodens, mit abnehmenden Setzungsgeschwindigkeiten in den darauf folgenden Jahren (Abb. 4.6-6). Die Auesetzung gliedert sich zeitlich in drei Phasen: Phase I. Physikalischer Setzungsanteil infolge des fehlenden Auftriebs. Die spezifische Dauer ist abhängig vom zeitlichen Ablauf der Absenkung des freien Grundwasserspiegels, Überlagerung und Mächtigkeit der humosen Schicht, Phase II. Überlagerungsphase, in der der physikalische Setzungsanteil durch den Volumenverlust infolge des chemisch-mikrobiellen Torfverzehrs überlagert wird und Phase III. Chemisch-mikrobieller Setzungsanteil; über mehrere Jahrzehnte andauernder Torfverzehr. Nach dem Abklingen der physikalisch bedingten Setzung verbleiben die Setzungsanteile des Torfverzehrs. Nach der Grundwasserabsenkung dringt Luftsauerstoff in die humose Substanz ein und somit kommt es zu einer Oxydation – chemischer Abbau – bzw. zu einer mikrobiellen Umwandlung und damit zu einem Volumenverlust durch Mineralisierung der humosen Böden. Infolge dessen treten lang anhaltende Bodensenkungen in der Größenordnung bis zu 5 mm/a auf, in Ausnahmefällen auch darüber, und zwar in Abhängigkeit von humosem Durchsetzungsgrad, Lagerungsdichte und Teufe.
Die auebedingten Bodensetzungen können wegen der Wechsellagerung der oberflächennahen Bodenschichten auf kurzer Entfernung völlig unterschiedlich ablaufen, so dass Schäden an baulichen Anlagen, die in bzw. über humosen Böden gegründet sind, auftreten können. Abhängig von den Bodenverhältnissen können die Auesetzungen kleinräumig die sümpfungsbedingte Schollensetzung deutlich überlagern (Abb. 4.6-7). Das Bodenprofil am Punkt A weist sandig, kiesige Schichten mit 2 m mächtigem stark humosem Schluffboden auf. Dieser humose Boden fehlt beim Punkt B, der daher ausschließlich die Schollensetzung von 135 mm erfährt, die aufgrund der Sümpfungen in den tiefen Grundwasserstockwerken entstehen. Beim Punkt A dagegen wird die Schollensetzung überlagert durch die Auesetzung von 340 mm infolge der Absenkung des freien Grundwasserspiegels. Enthalten die entwässerten oberflächennahen Bodenschichten keine organischen Durchsetzungen, sind Bodenbewegungen ausschließlich infolge der gleichförmigen Schollensetzung zu verzeichnen.
4.6.1.5 Hebungen infolge Grundwasserwiederanstiegs Ende der 60er Jahre wurde westlich vom jetzigen Tagebau Inden der Tagebau Zukunft-West aufgeschlossen, der Anfang der 80er Jahre sein Tiefstes erreichte und in den 90ern wiederverkippt war. Das Sümpfungsmaximum war 1975/76 erreicht. Die Druckentspannungen gingen von dem Zeitpunkt an kontinuierlich in
.. Abb. 4.6-7 Überlagerung der Schollensetzung durch Auesetzung
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Druckaufbau verhaltener vor sich. Ein entsprechendes Bild zeigen die Senkungs- bzw. die Hebungsgeschwindigkeiten an der Geländeoberfläche. Andere Messpunkte in der Umgebung bestätigen dieses Bewegungsverhalten. Auch in diesem Gebiet verlaufen die Bodenhebungen gleichförmig und unschädlich für Bauwerke.
4.6.2
.. Abb. 4.6-8 Bodensenkungen/‑hebungen infolge Grund wasserabsenkung/‑anstieg
Druckanstiege in den Liegendleitern und teilweise in den Hangendleitern über. Eine Folge des Grundwasserwiederanstiegs sind seit zwei Jahrzehnten Bodenhebungen im Umfeld des ehemaligen Abbaugebietes. Die Abb. 4.6-8 veranschaulicht die Bodenbewegungssituation in dieser Region am Beispiel eines Messpunktes. Die maximalen Bodensenkungen belaufen sich auf 724 mm, die sich anschließenden Bodenhebungen bis 2005 auf 261 mm. Dies entspricht einer reversiblen Hebungsrate bis heute von ca. 36%. Ein Ausklingen der Bodenhebungen ist nicht zu erkennen. Allerdings sind die Ausgangsgrundwasserstände auch noch nicht erreicht. Der über 50 Jahre andauernde Bodenbewegungsvorgang veranschaulicht die Abfolge von Bodensenkungen und -hebungen unter den spezifischen hydrogeologischen Gegebenheiten der Rurscholle. Während die Druckentspannungen sich tendenziell schnell entwickeln, geht der Grundwasserwiederanstieg bzw.
Bergschadensregulierung
Die Regulierung von Bergschäden ergibt sich aus §114 ff BBergG und revierspezifischen Besonderheiten. Allerdings gilt im übertägigen Braunkohlenbergbau nicht die Bergschadensvermutung gemäß §120 BBergG. Während im untertägigen Bergbau im Einwirkungsbereich des Bergbaubetriebes der Bergschaden als Regelfall auftritt, kommt es im Einflussbereich der Grundwasserabsenkung nur in Ausnahmefällen ‑wie in den vorherigen Abschnitten beschrieben‑ zu Bergschäden. Der Tagebaubetrieb verursacht keine schädlichen Bodenbewegungen, sondern nur infolge der Grundwassersümpfungen treten Bodenbewegungen auf, die großflächig, gleichmäßig und im Regelfall für bauliche Anlagen unschädlich ablaufen. Im Rheinland hat RWE Power dem Land NRW und der Bezirksregierung Köln gegenüber die sog. Good-Will-Erklärung „Bergschadensregulierung im Rheinischen Braunkohlenrevier“ abgegeben [5], um den Betroffenen nicht vermeintlich schlechter als im untertägigen Bergbau zu stellen und um eine wirkungsvolle und zügige Regulierung auftretender Bergschäden herbeizuführen. Mit deren Handhabung hat man für die Betroffenen eine rasche und wirkungsvolle Hilfe geschaffen. Im Lausitzer Revier besteht im Gegensatz zum Rheinland keine Vereinbarung mit öffentlichen Stellen. Die Vorgehensweise zur Regulierung von Bergschäden bei Vattenfall Europe Minig AG entspricht jedoch der Systematik von RWE Power. Mit der Good-Will-Erklärung, letztmalig fortgeschrieben in 1994, hat RWE Power sich verpflichtet, jeder Schadensmeldung im Sümpfungseinflussgebiet nachzugehen und einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Zunächst wird der Schadensfall markscheiderisch geprüft anhand geologischer, hydrologischer und markscheiderischer Unterlagen. Das Ergebnis mündet in eine markscheiderische Stellungnahme mit dem Grad der Bergschadenswahrscheinlichkeit und ist die Grundlage für die bautechnische Prüfung vor Ort. Hier wird eine detaillierte Schadensaufnahme (Gebäudedaten, Konstruktionsmerkmale, Schadensgeschichte)
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Kapitel 4.6 Bodenbewegungen und Bergschadensregulierung
und eine fotografische Schadensdokumentation durchgeführt. Das Ergebnis der Prüfung mit entsprechenden Erläuterungen wird den Betroffenen schriftlich mitgeteilt. Die Untersuchungsmaßnahmen sind für den Betroffenen kostenlos, auch dann, wenn sich nach Abschluß der Prüfung herausstellen sollte, dass kein Bergschaden vorliegt. Vattenfall Europe Mining AG praktiziert diese Bearbeitung in gleicher Weise. Liegt ein Bergschaden vor, leistet das Bergbauunternehmen vollen Schadenersatz. Der Geschädigte hat dabei gem. BGB §§249 ff. die Wahl zwischen Beseitigung des Schadens (Naturalleistung) oder einer Entschädigung in Bargeld (Barersatz). Ist ein Bergschaden nicht ausgeschlossen bzw. liegt ein Bergschaden mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit vor, so werden bereits im weiteren Untersuchungszeitraum zu Lasten RWE Power im Rahmen der sog. „Schnellen Hilfe“ bei privaten Wohnhäusern Instandsetzungsarbeiten durchgeführt, um Beeinträchtigungen der Bewohnbarkeit zu beseitigen. Die Untersuchungsmaßnahmen bleiben auch dann kostenlos, wenn sich nach Abschluss der Prüfung herausstellen sollte, dass kein Bergschaden vorliegt.
.. Abb. 4.6-9 Funktionsschema der Dichtwand
4.6.3
Bergschadensvorsorge durch „Dichtwandverfahren“
Zur Vermeidung bzw. Reduzierung von Bergschäden hat Vattenfall Europe Mining AG eine Technik entwickelt, um die räumliche Ausdehnung der bergbaulichen Grundwasserabsenkung zu reduzieren (Abb. 4.6-9). Mit dem so genannten „Dichtwandverfahren“ werden durchgängige Abdichtungen im Erdreich mit einer Tiefe von bis zu 100 m realisierbar. Ein Einfluss der Grundwasserabsenkung auf den umliegenden Grundwasserspiegel wird damit verhindert. Durch ein an einem Führungs- und Lufthebeförderpfahl geführtes Abbauwerkzeug, welches das Gebirge durch besonders angeordnete Schneidelemente löst, entsteht ein 1 m breiter Erdschlitz. Das gelöste Gebirgsmaterial wird zum Saugmund des Führungspfahles geleitet und von dort zu Tage gefördert. Über eine Verspülleitung wird eine Stützsuspension, die aus einer Tonspülung mit einer Dichte von 1,1 bis 1,2 × 10³ kg/m3 besteht, zusammen mit dem Gebirgsmaterial im hinteren Teil des offenen Erdschlitzes eingespült. Dieser Teil des aufgefahrenen Schlitzes wird durch Absperrelemente in Verspülräume aufgeteilt, die durch Sedimentation aus der Stützsuspension in unterschiedlicher Höhe verfüllt werden (Abb. 4.6-10).
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.. Abb. 4.6-10 Schnittansicht der Schlitzwandtechnologie
Das Wirkprinzip des kontinuierlichen VattenfallSchlitzfräsverfahrens besteht darin, dass beidseitig an den Innenwänden des Erdschlitzes eine Filterkruste entsteht und damit der Abdicht-Effekt erreicht wird.
4.6.4
Sanierung von Bergschadensobjekten
4.6.4.1 Fallbeispiel Aue Sind bauliche Anlagen über oder in den setzungsempfindlichen Aueböden gegründet, können Setzungsschäden auftreten. Wird dem Bergbauunternehmen ein Schadensfall gemeldet, werden Schadensausmaß, Gründung und Baugrundverhältnisse festgestellt und das Bewegungsverhalten durch gezielte geodätische Messbeobachtung analysiert. Abhängig von dem Schadensausmaß und der noch zu erwartenden Setzungsdifferenzen werden u. U. Nachgründungen bzw. Unterfangungen erforderlich. Die Art der Unterfangungstechnik richtet sich nach den jeweiligen spezifischen Verhältnissen (Baukonstruktion/Fundamentierung/Bodenverhältnisse). Dabei kommen fallweise abschnittsweise Tieferführen der Fundamente, Block-
fundamente, Brunnenringgründung, Stahlbetonpfähle auf Mantelreibung (Bohr- und Verpresspfähle) und auf Spitzendruck (Segmentpresspfähle und sog. Raketenpfähle) sowie Injektionsverfahren zur Bodenverfestigung zur Anwendung [6]. Hier hat es in den letzten Jahren umfangreiche Untersuchungen mit Fachinstituten gegeben, um die Regulierungsverfahren zu optimieren. Insbesondere die Entwicklung der Pfähle auf Spitzendruck führt u. a. zu erheblichen Kosteneinsparungen [7]. Beispielhaft wird die bautechnische Regulierung an einem Einfamilienhaus erläutert (Abb. 4.6-11). Es handelt sich hierbei um ein Objekt in einer Flussaue, in der humos durchsetzte, setzungsempfindliche Böden anstehen, die durch bergbauliche Sümpfungsmaßnahmen entwässert sind. Die Bodenuntersuchungen ergaben eine Wechsellagerung von Bodenschichten mit Schluff/humosem Schluff/Torf/Schluff mit einer Gesamtmächtigkeit von 4‑5 m unter der Gründungssohle. Das Gebäude zeigte zuletzt eine maßgebende Schieflage von > 20 mm/m mit einer kontinuierlichen Zunahme. Da sich erfahrungsgemäß der Torfverzehr über Jahrzehnte hinzieht, ein GW-Anstieg nicht zu erwarten ist und damit weitere Setzungsunterschiede auftre-
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Kapitel 4.6 Bodenbewegungen und Bergschadensregulierung
4.6.4.2 Fallbeispiel Tektonik
.. Abb. 4.6-11 Unterfangung eines Einfamilienhauses
ten werden, wurde eine nachträgliche Tiefgründung vorgenommen, um die weitere Entwicklung der Gebäudeschiefstellung zu stoppen und eine weitergehende Gebäudeschädigung durch Setzungsschäden von vornherein zu vermeiden. In diesem Fall war es vorteilhaft, dass das Gebäude auf einer auskragenden ca. 30 cm starken Stahlbeton-Bodenplatte stand. So konnte unter Verwendung dieser Platte eine relativ kostengünstige Variante der Unterfangung in Form von Stahlrohrsegmentpresspfählen mit verbreitertem Pfahlkopf gegen Durchstanzen durch die Bodenplatte vorgenommen werden. Die Sicherung sah den Einbau von 18 Pfählen mit einem Durchmesser von 250 mm und 5 Pfählen von 160 mm unter der Kellersohle rasterartig an Lastschwerpunkten vor. Die Pfähle durchstoßen mit einer Länge von ca. 4‑5 m die setzungsempfindlichen Bodenschichten und wurden bis in den tragfähigen Kiessandhorizont geführt. Mittels hydraulischer Hubpressen wurde die zum Unterfangungszeitpunkt bereits bestehende Gebäudeschiefstellung von ca. 30 cm ausgeglichen. Die wesentlichen Vorteile in diesem Fall sind kurze Bauzeiten, geringe Belästigung der Bewohner und Verbleib des Kellerbodens, keine Ausschachtungen für die Unterfangung und die Hebung über die Pfahlköpfe. Im Vergleich zur herkömmlichen abschnittsweisen Unterfangung ergab sich ein Kostenvorteil von ca. 30%.
Wie oben beschrieben, können unter besonderen Bedingungen Bewegungsunterschiede an tektonischen Störungen auftreten. Werden bauliche Anlagen von einer derartigen bewegungsaktiven Störung gekreuzt, kommt es zu Setzungsschäden. Abhängig von der Lage der Störung bezogen auf das Schadensobjekt und von den baukonstruktiven Merkmalen des Gebäudes sowie von der Bewegungsaktivität der Störung finden unterschiedliche Regulierungstechniken ihren Einsatz (Massivfundamente mit Spiralfedern oder hydraulische Pressen bzw. Auskragungen) [6]. Am Beispiel eines Kirchengebäudes, das von einem bewegungsaktiven Sprung gekreuzt wird, wird eine bautechnische Regulierung erläutert [8]. Die Bewegungsaktivität des Sprunges verursacht an der Erdoberfläche einen scharfkantigen Absatz, der zunehmend zu Schäden an der Kirche führte. Anhand des Schadensbildes konnte in Verbindung mit den Messungsergebnissen die Lage der Störung präzise festgelegt werden. Bis zum Sicherungszeitpunkt hatte sich ein Absatz von 50 mm aufgebaut mit entsprechenden starken Schäden (Abb. 4.6-12). Die Störungslinie tritt in die Apsis fast mittig ein, durchzieht den Chor und kreuzt das rechte Seitenschiff und den Vorraum des Haupteinganges diagonal. Der Glockenturm ist nicht betroffen. Demnach liegt etwa ein Drittel der Kirche auf der abgehenden Seite des Sprunges. Aufgrund der zukünftigen großräumigen hydrologischen Entwicklung für die Tagebaue ist davon auszugehen, dass die Bewegungsaktivität der Störung auch in den nächsten Jahrzehnten anhalten wird. Zudem standen kirchenseitig umfangreiche Sanierungsarbeiten sowie die Erneuerung der Heizungsanlage an, die die Herausnahme des Fußbodens erforderte. Es war daher zum dauerhaften Erhalt des Kirchenbauwerks erforderlich, eine Sicherung zu planen, die die zu erwartenden schädlichen Bodenbewegungen unterhalb der Gründungsebene zu kompensieren und damit die Gebäudeschäden zu stoppen vermag. Zweckmäßigerweise wurden die von kirchlicher Seite geplanten Baumaßnahmen optimal in das Gesamtsanierungskonzept eingebunden. Da die Störung während der Planungsphase noch exakter erfasst werden konnte und deren Lage relativ günstig die Kirche kreuzt, konnte das Regulierungskonzept unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten optimiert und das Kirchenbauwerk nur mit einer Teilsicherung versehen werden.
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.. Abb. 4.6-12 Setzungsdifferenzen im Bereich des Kirchengebäudes
.. Abb. 4.6-13 Sicherungssystem Stahlbetonbalkenrost mit Federkörper auf Einzelfundamenten
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Kapitel 4.6 Bodenbewegungen und Bergschadensregulierung
Das Sicherungssystem sieht zwei wesentliche Funktionselemente vor (Abb. 4.6-13) 1. Stahlbetonbalkenrost mit dazwischen gespannter freitragender Stahlbetonplatte als Kirchenboden zur horizontalen und vertikalen Aussteifung der Kirchenkonstruktion im Gründungsbereich und darunter 2. Federkörper als Hubelemente auf neuen Einzel fundamenten, um die Setzungen der Kirche im Störungsbereich auszugleichen. Hierfür wurde die Kirche nachträglich teilweise unterkellert und mit dem Stahlbetonbalkenrost unterfangen. Unterhalb des Balkenrostes wurden 20 Einzelfundamente angeordnet. Fünf davon wurden als Festpunkte vorgesehen, 15 im Bereich der Störzone dienen als Hubpunkte und wurden mit je 1 Federkörper ausgestattet. Diese gleichen mit Auslenkungen der Federn die unterschiedlichen Setzungen entlang der Störung selbsttätig (= aktiv) aus. Die Überwachung und gelegentliche Nachstellung der Hubelemente erfolgt in dem neu geschaffenen Kellerraum. Die Tragwerksplanung für die Sicherung wurde von einem darauf spezialisierten Ingenieurbüro durchgeführt. Die gesamte Maßnahme vom Räumen der Kirche bis zur Rückgabe an die Kirchengemeinde einschließlich Renovierung dauerte gut ein Jahr. Mit der eingebauten FederkörperSicherungskonstruktion, die die bis heute und auch zukünftig fortschreitenden Setzungsdifferenzen aktiv vom aufgehenden Kirchengebäude fernhält, ist der dauerhafte Erhalt des störungsbetroffenen Kirchenbauwerks sichergestellt.
4.6.4.3 Ein Fallbeispiel bei glazogenen Wechsellagerungen in der Lausitz Durch eine mögliche bergbauliche Beeinflussung kommt es im Gründungsbereich von Gebäuden zu Setzungsdifferenzen. Um den Vorgang dieser Setzungen einzudämmen bzw. zu verhindern, kommen verschiedene Möglichkeiten einer Gründungssanierung zur Anwendung. Je nachdem wie der Baugrund unter der Gründung vorhanden ist, werden z. B. bei lockeren Lagerungen so genannte Zerrbalken eingesetzt (Abb. 4.6-14). Die Zerrbalken sind Stahlbetonbalken, die um ein Gebäude gelegt werden, um einen gleichmäßigen Lastabtrag in das Erdreich zu sichern. Dazu muss als erster Schritt die Gesamtbelastung des Gebäudes ermittelt und über ein Tragwerksmodell die möglichen auftretenden Zugkräfte, die auf den Zerrbalken wirken, berechnet werden. Mit den Zugkräften, in Verbindung des Lasteintrages in den Baugrund, wird der Zerrbalken dimensioniert. Für die Herstellung des Zerrbalkens werden als erste Schritte unter den bestehenden Fundamenten Rückbiegeanschlüsse einbetoniert, die im Weiteren eine Verbindung zwischen bestehenden Fundamenten und den Zerrbalken sichern werden. Die Rückbiegeanschlüsse müssen eine kraftschlüssige Verbindung zum bestehenden Fundament aufweisen, um die Lasten ordnungsgemäß abzuleiten. Die zu betonierenden Abschnitte sind in Bereiche von ca. 85 cm herzustellen, um eine gefahrlose Unterfangung des Bauwerks zu
.. Abb. 4.6-14 Gründungssanierung mittels Zerrbalken
Werner Schaefer, Joachim Kretschmer, Markus Heitkemper
sichern. Dabei ist insbesondere die DIN 4123 bei dem Baugrubenaushub und den Unterfangungen zu beachten. Nach kompletter Herstellung der Unterfangungsbereiche werden die Rückbiegeanschlüsse aufgebogen und die Bewehrung des Zerrbalkens eingebaut. Besonderes Augenmerk ist auf die Ausbildung der Eckbereiche und der Bewehrungsstöße zu legen. Der Zerrbalken wird mit einen oberseitigen Gefälle von mindestens 2% hergestellt und abschließend bis mind. 15 cm an der Außenwand hoch führend abgedichtet. Die Abdichtung ist zum Schutz des Mauerwerks am Übergang zwischen Zerrbalken und Mauerwerk herzustellen.
503
In Flussniederungsgebieten können partiell infolge der Entwässerung humoser Bodenschichten unterschiedliche, schädigende Bewegungen auftreten. Beispielhaft wurden Sicherungsmaßnahmen im Rheinland und in der Lausitz dargestellt. Die Regulierung der Bergschäden erfolgt gemäß BBergG. Die Handhabung der sog. „Good-Will-Erklärung” bietet den Betroffenen im Rheinland eine rasche und wirkungsvolle Hilfe. Die Vorgehenssystematik entspricht auch der bei Vattenfall.
Literatur [1]
4.6.5
Zusammenfassung
Im Rheinischen Braunkohlenrevier treten aufgrund der großräumigen Grundwasserabsenkung Bodenbewegungen an der Erdoberfläche auf. Entsprechend dem Sümpfungseinfluss verlaufen die Bodenbewegungen sehr gleichmäßig mit einem Senkungsmaximum von ca. 4 m im Raum Bergheim – Elsdorf und sind im Regelfall unschädlich für bauliche Anlagen. Schädliche Bodenbewegungen können nur bei geologischen Besonderheiten – tektonische Verwerfungen und in Flussniederungsgebieten – entstehen. An bewegungsaktiven hydrologisch wirksamen Störungen kommt es an der Erdoberfläche zu einem eng begrenzten stufenförmigen Absatz mit einer vertikalen und horizontalen Bewegungskomponente im Verhältnis i. d. R. bis zu 1 : 2/3. Im Lausitzer Revier findet man keine schadensverursachende Tektonik.
[2] [3] [4] [5]
[6] [7]
[8] [9]
Ziegler, M u. a.: Prognose sümfungsbedingter Bodenbewegungen im Rheinischen Braunkohlerevier. Geotechnik 30 (2007) Nr. 1 Rathsmann, W.: Bodenbewegung als Folge von Grundwasserentzug im Rheinischen Braunkohlerevier. Braunkohle 38 (1986) Schaefer, W.: Bergschadenkunde [Kratsch, H.), 4. Auflage (2005), Anhang 25 Schaefer, W.: Bodenbewegungen und Bergschäden im Rheinischen Braunkohlenbergbau, 42. DMV-Tagung, Cottbus 1999 Schaefer, W.: Bodenbewegungen im rheinischen Braunkohlenbergbau – Beobachtungen nach Wiederanstieg des Grundwassers. 7. Geokinematischer Tag, Freiberg (2006) RWE Power (früher: Rheinbraun AG): Bergschadensregelung im Rheinischen Braunkohlerevier vom 16.05.1984. RWE Power (früher: Rheinbraun AG): Sanierungstechniken bei der Bergschadensregulierung im Rheinischen Braunkohlerevier. Unveröffentlicht (1997) Köther, M u. a.: Zum Tragverhalten verschiedener Pfahlsysteme mit kleinem Durchmesser. Baugrundtagung (1996), Berlin RWE Power (früher: Rheinbraun AG): Bergschadenssicherung der kath. Pfarrkirche St. Margareta in Mönchengladbach-Hockstein, (1997)
4.7
Grundlagen der Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung, Landund Forstwirtschaft, Naturschutz, Wasserwirtschaft, Erholung und Gewerbe Klaus Freytag
4.7.1
Die gesetzliche Pflicht zur Wiedernutzbarmachung
Die Gewinnung oberflächennaher Rohstoffe im Tagebau ist mit intensiven Eingriffen in die Landschaft verbunden. Eine ordnungsgemäße Landschaftsgestaltung im Anschluss an die Rohstoffgewinnung ist dem Bergbautreibenden seit jeher auferlegt. Grundzüge moderner Wiedernutzbarmachungs-/Rekultivierungs vorschriften sind bereits im Allgemeinen Berggesetz für die preußischen Staaten aus dem Jahre 1865 zu finden. Die allgemein gesetzlichen Vorschriften wurden z. B. durch Verordnungen der zuständigen Oberbergämter, wie im Rheinischen Braunkohlerevier weiter konkretisiert. So fordert eine Bergpolizeiverordnung des Oberbergamtes Bonn aus dem Jahre 1929: „Abraummassen müssen so in die ausgekohlten Tagebaue eingebracht werden, dass möglichst große land- und forstwirtschaftlich nutzbare Flächen entstehen.“ Das Bundesberggesetz (BBergG) vom 13. August 1980 bildet aktuell die gesetzliche Grundlage für alle Aktivitäten des Bergbauunternehmers, so auch für die Wiedernutzbarmachung. Im § 4 des BBergG wird der Begriff „Wiedernutzbarmachung“ wie folgt definiert: „Wiedernutzbarmachung ist die ordnungsgemäße Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche unter Beachtung des öffentlichen Interesses.“ Die Wiedernutzbarmachung bedeutet nicht unbedingt die Wiederherstellung des vor Beginn der Bergbauinanspruchnahme bestehenden Zustandes der Erdoberfläche, sondern vielmehr diejenigen Maßnahmen, die für die Zeit nach dem Abbau eine sinnvolle Nutzung gewährleisten. Die Wiedernutzbarmachung ist dabei nicht ausschließlich auf die Einstellungsphase des Bergwerksbetriebes beschränkt, sondern begleitet den Tagebaubetrieb über seinen gesamten Lebenszyklus. Bereits bei der Planung und Durchführung des Abbaus sind Vorkehrungen mit dem Ziel zu treffen, dass die vom Bergbau in Anspruch genommenen Flächen wieder
nutzbar gemacht werden können. Der im Gesetz benutzte Begriff der „ordnungsgemäßen Gestaltung“ ist dahingehend auszulegen, dass mit der Wiedernutzbarmachung die Gewährleistung der Sicherheit (Standsicherheit von Böschungen usw.) gegeben ist. Die Formulierung „unter Beachtung des öffentlichen Interesses“ ist derart zu verstehen, dass die Maßnahmen der Wiedernutzbarmachung insbesondere mit den landesplanerischen und kommunalen Planungen in Einklang stehen.
4.7.2
Landesplanung
Die Gewinnung von Braunkohle im Tagebau hat eine flächenhafte Dimension, die es erfordert, sich mit diesem Industriezweig gesondert in einem landesplanerischen Verfahren auseinanderzusetzen. Das gesonderte Instrument zur Festlegung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung ist die Braunkohlenplanung. Die Braunkohlenplanung ist von ihrer Funktion her der Regionalplanung zuzuordnen (Bestand der Regionalplanung) oder entspricht bei einer Zuordnung zur Landesplanung wie im Land Brandenburg zumindest dieser Planungsebene (vgl. § 12 des Gesetzes zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung (RegBkPlG) vom 12. Dezember 2002). Besonderheiten der Braunkohlenplanung bestehen in ihrer Bindung an energiepolitische Vorgaben des jeweiligen Landes sowie in ihren Schnittstellen zum Bergrecht zur Absicherung eines Einklangs zwischen Raumordnungsplänen und bergrechtlichen Betriebsplänen bei der Wiedernutzbarmachung insbesondere zu den Abschlussbetriebsplänen.
4.7.2.1 Wiedernutzbarmachung und Rekultivierung im Braunkohleplan Die Braunkohleplanung als sogenannte Inselplanung im vom Braunkohlenbergbau beeinflussten Gebiet
506
Kapitel 4.7 Grundlagen der Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung
steuert Maßnahmen der Umsiedlung, Verlegung von Straßen und Wegen. Insbesondere gibt der Braunkohlenplan die grobe Struktur der Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft vor. Der von der Landesplanung unter Beteiligung des Braunkohlenausschusses erarbeitete Braunkohleplan wird so im Land Brandenburg als Rechtsverordnung der Landesregierung erlassen. Damit sind dem Bergwerksunternehmer die Ziele der Landesplanung nach Beendigung des bergbaulichen Gewinnungsprozesses im Bergbaugebiet bekannt. Der Bergwerksunternehmer wird diese in dem weiteren nunmehr fachgesetzlichen Genehmigungsverfahren, so dem bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, berücksichtigen. Das Braunkohleplanverfahren lässt sich grob in die Stufen Vorbereitung, Erarbeitung und Aufstellung sowie Beschlussfassung und Bekanntmachung gliedern. Bei der Vorbereitung des Braunkohleplans hat der Bergwerksunternehmer alle Angaben zur Beurteilung der sozialen und ökologischen Verträglichkeit zusammenzutragen. Mit der Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. EG Nr. L 197 S. 30) haben die inhaltlichen Anforderungen denen der Strategischen Umweltprüfung zu genügen. Durch die Landesplanungsbehörde werden die vom Bergbautreibenden vorgebrachten Unterlagen einem breiten Anhörungsverfahren mit Behördenund Öffentlichkeitsbeteiligung unterzogen. In dieses Beteiligungsverfahren ist qualifiziert der Braunkohleausschuss eingebunden. Die Landesplanungsbehörde erarbeitet im Weiteren die Aufstellung des Braunkohlenplanes, der im Wesentlichen im Braunkohleausschuss diskutiert wird. In der letzten Verfahrensetappe erfolgen auf Grundlage des Entwurfs die Beschlussfassung durch die Landesregierung und der Erlass des Braunkohlenplans als Rechtsverordnung der Landesregierung.
4.7.2.2 Wiedernutzbarmachung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren Die langfristige Planung des bergbaulichen Vorhabens beschreibt der Bergwerksunternehmer im bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan. Dieser wird durch die zuständige Behörde je nach rechtlicher Ausgangslage im Rahmen eines nichtförmlichen Verwaltungsverfahrens
(fakultativer Rahmenbetriebsplan) oder, soweit der Tagebau aufgrund des Überschreitens umweltrelevanter Schwellenwerte einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, was im Braunkohlenbergbau in der Regel der Fall ist, im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren (obligatorischer Rahmenbetriebsplan) zugelassen. Im bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan untersetzt der Bergwerksunternehmer insbesondere zeitlich die Maßnahmen der bergbaulichen Wiedernutzbarmachung. Die Gestaltungstiefe und deren Beschreibung sind hierbei noch nicht in Detailschärfe, da die Maßnahmen u. a. weit in der Zukunft liegen können. In den für den laufenden Betrieb erforderlichen bergrechtlichen Hauptbetriebsplänen beschreibt der Bergwerksunternehmer die konkreteren vorsorgenden Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung. Für den Tagebaubetrieb bedeutet dies u. a. die Art und Weise der Verkippung (Umgang mit Abraum), die ggf. gesonderte Gewinnung von kulturfreundlichen Substraten (Anlegung von Lösdepots) sowie dem Grunde nach der allgemeinen Landschaftsprofilierung der Bergbaufolgelandschaft. Den bergrechtlichen Abschlussbetriebsplan legt der Unternehmer dann vor, wenn Betriebe oder Betriebsteile eingestellt werden und die Flächen einer anderen als der bergbaulichen Nutzung zugeführt werden soll. Im Sinne einer frühzeitigen Verzahnung von Hauptund Abschlussbetriebsplan hat es sich in der Praxis bewährt, auch für „in Betrieb befindliche Bergwerksbereiche“ diese mit einem Abschlussbetriebsplan zu überziehen. Die vorsorgende Wiedernutzbarmachung des Hauptbetriebsplanes geht dann nahtlos in die endgültige Oberflächengestaltung und damit Wiedernutzbarmachung über. Der bergrechtliche Abschlussbetriebsplan konkretisiert verbindlich die Wiedernutzbarmachungsziele des Braunkohleplans bzw. des bergrechtlichen Rahmenbetriebsplans.
4.7.3
Arten der Wiedernutzbarmachung
Bis in die 90er Jahre prägten die forstliche und die landwirtschaftliche Wiedernutzbarmachung die Berg baufolgelandschaft in den Braunkohlerevieren Deutschlands. Mit der Zunahme naturschutzfachlicher Ansprüche in der Bergbaufolgelandschaft werden in den Braunkohlerevieren seit Mitte der 90er Jahre auch zunehmend Sonderflächen für den Arten- und Biotopschutz in der Bergbaufolgelandschaft angelegt. Hier fließen auch die Anforderungen des europäischen Naturschutzrechts, insbesondere der Flora-Fauna-Habi-
Klaus Freytag
.. Abb. 4.7-1 Braunkohlenplan Tagebau Jänschwalde
507
508
Kapitel 4.7 Grundlagen der Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung
tat-Richtlinie bzw. der Vogelschutzrichtlinie ein, wenn beispielsweise die Unterschutzstellung von Gebieten der Bergbaufolgelandschaft in Rahmen des Netzes Natura 2000 erfolgt. Die fachlichen Bestimmungen zur Wiedernutzbarmachung werden von den zuständigen Behörden der Länder in sogenannten Richtlinien oder Handlungsempfehlungen gefasst. So beschreibt die Wiedernutzbarmachungsrichtlinie des Landesamtes für Bergbau, Geologie und Rohstoffe Brandenburg (LBGR), welche in enger Abstimmung zwischen Bergwerksunternehmer, Umwelt- und Bergverwaltung erarbeitet wurde, die Art und Weise der Wiedernutzbarmachung für den forstlichen, landwirtschaftlichen und den Bereich des Biotop- und Artenschutzes. Aufbauend auf den revierspezifischen vorhandenen Bodensubstraten wird deren technische Eignung für die Inkulturnahme aufgezeigt .
.. Abb. 4.7-2 Forstliche Rekultivierung im Tagebau WelzowSüd
.. Abb. 4.7-3 Rekultivierung im Tagebau Cottbus-Nord – Milleniumshain
Im Bereich der Wiedernutzbarmachung für den Biotop- und Artenschutz fordert die Richtlinie eine möglichst zügige Vernetzung der neuen Landschaft mit der im Umfeld vorhandenen intakten Biotopgemeinschaft. Über Biotopverbundsysteme, Sonderflächen, Integrationsmaßnahmen in Forst- und Landwirtschaft werden Ansätze aufgezeigt, wie der Einbindungsprozess der Neulandschaft positiv gestaltet werden kann. Auf Grund der Weitflächigkeit im Lausitzer Braunkohlerevier wird auf die Möglichkeit großräumiger Sukzessionen in der Bergbaufolgelandschaft als eine mögliche Maßnahme der Wiedernutzbarmachung hingewiesen. Neben den eigenständigen bergrechtlichen Standards und Normen ist der bergrechtliche Abschlussbetriebsplan Transporteur weiterer fachgesetzlicher Anforderungen. So werden durch bergrechtliche Öffnungsklauseln die fachspezifischen Anforderungen des Wasserrechtes, des Bodenschutzrechtes, der Waldgesetze und vieler weiterer Anforderungen in die Wiedernutzbarmachungsanforderungen transportiert. Im Falle des Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) bedeutet dies spezielle Anforderungen an das Auf- und Einbringen von Materialien in oder auf Böden, z. B. Bodenhilfsstoffe im Rahmen der bergbaulichen Wiedernutzbarmachung. Auch die aus dem Bodenschutz und dessen untergesetzlichen Regelwerke speziellen Anforderungen auf die Bodenbewirtschaftung sind im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren verpflichtend. Einen weiteren bedeutsamen Platz in der ordnungsgemäßen Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft nehmen die Regelungen des Bundes und der Landeswassergesetze ein. Das infolge der Rohstoffentnahme entstandene Massendefizit im Abbaubereich führt in
.. Abb. 4.7-4 Sukzession im Bereich Tagebau Welzow-Süd
Klaus Freytag
509
Wasserrecht
Bodenschutzrecht
Landesplanungsrecht
Abfallrecht
Abschlussbetriebsplan
Forstrecht
Immissionsschutzrecht
Naturschutzrecht
Baurecht
der Regel zur Anlage von Gewässern, für die entsprechende Gewässerausbauverfahren zu führen sind. Daneben hat das sichere und dem Nutzungsziel entsprechende qualifizierte Ableiten von Oberflächenwässern z. B. im landwirtschaftlichen Bereich große Bedeutung für das ordnungsgemäße Herstellen der Bergbaufolgelandschaft. Die Um- bzw. Rückverlegung von Vorflutern ist ebenfalls ein herausforderndes Projekt im Rahmen der Wiedernutzbarmachung und Rekultivierung der Bergbaufolgelandschaft.
.. Abb. 4.7-5 Abschlussbetriebsplan – berührte Rechtsgebiete
Neben der im Umweltkontext stehenden Wiedernutzbarmachung hat auch die technische Wiedernutzbarmachung im Rahmen der Wiederherstellung in Anspruch genommener Infrastruktur bis hin zu den vorbereitenden Maßnahmen der Nutzung der Bergbaufolgelandschaft für Siedlung und Gewerbe eine gewisse Bedeutung. Hierbei stehen vor allem Baugrund sichernde Maßnahmen zur Vorbereitung entsprechender Folgenutzung im Zentrum der Wiedernutzbarmachung.
4.8
4.8.1
Betriebliche Beispiele
Landwirtschaftliche Rekultivierung am Beispiel des Tagebaus Garzweiler
Michael Eyll-Vetter, Werner Sihorsch 4.8.1.1 Landinanspruchnahme und Wiedernutzbarmachung im rheinischen Braunkohlerevier Die niederrheinische Bucht, von der das rheinische Braunkohlerevier ein wesentlicher Bestandteil ist, ist seit Jahrhunderten überwiegend landwirtschaftlich geprägt. So nimmt von dem fast 30.000 ha, die im Laufe von 2 Jahrhunderten bisher durch die Bergbaubetriebe in Anspruch genommen worden sind, die Landwirtschaft mit rund zwei Dritteln den größten Anteil ein
(Abb. 4.8.1.-1). Etwa ein Viertel der ursprünglichen Fläche war mit Wald bedeckt, während rund 7% für sonstige Zwecke genutzt wurden, im Wesentlichen Siedlungsfläche und Verkehrswege. Jährlich werden mit den Tagebauen rund 300 ha bergbaulich in Anspruch genommen und etwa in gleicher Größenordung Fläche wiederhergestellt. Die Betriebsfläche beträgt aktuell rund 9000 ha, davon sind rund 400 ha vorübergehend aufgeforstet worden.
4.8.1.2 Verteilung der Bodennutzungsarten Mit insgesamt 20.800 ha wurden mehr als zwei Drittel der von Bergbau in Anspruch genommenen Fläche bisher wiedernutzbar gemacht. Davon hat die Landwirtschaft mit über 50% den größten Anteil; fast 10.900ha landwirtschaftliche Nutzfläche wurden bisher hergestellt (Abb. 4.8.1-2).
Landinanspruchnahme Stand: 31.12.2006 (Angaben in ha) Sonstiges Forstwirtschaftliche Nutzung
7870
2112 19614
Landwirtschaftliche Nutzung
.. Abb. 4.8.1-1 Landinanspruchnahme Rheinischer Braunkohlenbergbau
Wiedernutzbarmachung Stand: 31.12.2006 (Angaben in ha) Betriebsfläche 8960 1959
Sonstiges
10768
Landwirtschaftliche Nutzung
7909
Forstwirtschaftliche Nutzung
.. Abb. 4.8.1-2 Wiedernutzbarmachung Rheinischer Braunkohlenbergbau
512
Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
Die Verteilung ist zwischen den einzelnen Revierbereichen sehr unterschiedlich. Während im Vorfeld des Tagebaus Hambach überwiegend Wälder angetroffen werden und damit auch der Schwerpunkt in der Wiedernutzbarmachung auf der Forstwirtschaft liegt, sind die Abbauvorfelder in den Tagebauen Inden im Westen und Garzweiler im Norden des Reviers aufgrund der fruchtbaren Lössböden überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Auch der in den 50er Jahren aufgeschlossene und inzwischen vollständig rekultivierte Tagebau Fortuna-Garsdorf war zu 86% landwirtschaftlich geprägt. In der Wiedernutzbarmachung ist, da der Waldanteil im Zuge der Rekultivierung hier mehr als verdreifacht wurde, die Landwirtschaft mit 76% an der Gesamtfläche beteiligt.
4.8.1.3 Lösslagerstätte als Voraussetzung für nachhaltige Wiedernutzbarmachung Für die Eignung eines Bodenmaterials zur Wiedernutzbarmachung sind vielfältige Kriterien maßgeblich. So sind die Korngrößenverteilung, das Porenvolumen, der Tonanteil und die Art der Tonminerale ebenso wie der Kalk- und Nährstoffgehalt ausschlaggebend [1]. Die oberhalb und zwischen den Kohleflözen anstehenden tertiären Lockergesteinschichten sind für die Wiedernutzbarmachung nicht geeignet, da sie aus nährstoffarmen, sorptionsschwachen Quarzsanden bestehen und außerdem oft Pyrit beinhalten. Für die forstliche Wiedernutzbarmachung können quartäre Kiese und Sande in Mischung mit Löss als Forstkies eingesetzt werden. Dagegen stellt die landwirtschaftliche Wiedernutzbarmachung noch höhere Anforderungen an die Bodenqualität. Hier ist der in der niederrheinischen Bucht weit verbreitete Löss Basis für eine hochwertige Wiedernutzbarmachung (Abb. 4.8.1-3). Insbesondere die im Vorfeld des Tagebaus Garzweiler anstehenden Lössschichten haben eine für landwirtschaftliche Nutzung sehr gut geeignete Qualität. Demzufolge verfügen 95% der Böden im Vorfeld des Tagebaus Garzweiler über ein sehr hohes Ertragspotenzial mit Bodenzahlen zwischen 65 und 90.
4.8.1.4 Landesplanerische Vorgaben Im Genehmigungsverfahren Garzweiler II hat der Bergbaubetreibende die Bodenverhältnisse im Abbaugebiet detailliert dargelegt. Aufgrund der Bedeutung, die die
.. Abb. 4.8.1-3 Löss in der Wiedernutzbarmachung, Aufschluss im Tagebau Garzweiler
Landwirtschaft in der Region auf Basis der hochwertigen Böden hat, wurde im landesplanerischen Braunkohleplanverfahren die bodenschonende Verwertung des Lösses durch Zielfestsetzung geregelt [2]. Danach ist der Löss beim Abbau gesondert zu gewinnen und in der Wiedernutzbarmachung so einzusetzen, dass die land- und forstwirtschaftliche Kulturfähigkeit der neuen Böden in möglichst kurzer Zeit wieder erreicht wird. Die Verwendung von reinem Löss hat aufgrund der mächtigen Lagerstätte Vorrang vor der Verwendung von Forstkies auch für forstliche Flächen. Insbesondere in Böschungen ist jedoch durch Mischung mit sandigem und kiesigem Material eine Erhöhung der Standsicherheit anzustreben. Für die landwirtschaftliche Wiedernutzbarmachung soll Löss ohne Beimengung von Sand und Kies verwendet werden. Im Braunkohlenplan wurde ferner festgelegt, dass der zur Wiedernutzbarmachung geeignete Löss zu bilanzieren ist. Es besteht das Ziel, Lössüberschüsse und Lössmängel zwischen den Tagebauen auszugleichen. Dies bedeutet in der Praxis, dass Löss aus dem Tagebau Garzweiler in die Tagebaue Fortuna, Bergheim, Frechen und Hambach gefördert wurde bzw. wird, um auch dort landwirtschaftliche Flächen herzustellen (Abb. 4.8.1-4). Darüber hinaus wurde geregelt, dass Löss und Lösslehm zusammen hereingewonnen und gemischt als
Michael Eyll-Vetter, Werner Sihorsch
513
.. Abb. 4.8.1-4 Lössauftrag im Sonderbetrieb (Trockenauftrag)
kulturfähiges Material verwendet werden sollen. Entgegen der früher üblichen Lössverspülung soll der Auftrag in der Regel trocken erfolgen (Abb. 4.8.1-4). Bodenverdichtungen sind zu vermeiden. Durch den mit dem Tagebau verbundenen Umlagerungsprozess ver dünnen sich Humusgehalt, Nährstoffreserven, Samenvorrat und Bodenfauna des Oberbodens. Dies hat Einfluss auf die Bodenwerte und die Voraussetzungen als Lebensraum für Tiere und Pflanzen im Boden und auf der Bodenoberfläche. Ziel der Zwischenbewirtschaftung ist, die Bodenwerte wieder auf das Niveau wie vor der bergbaulichen Inanspruchnahme zu bringen. Bereits der Braunkohlenplan als landesplanerische Regelung gibt vor, dass die Lössschicht im Tagebau Garzweiler in gesetztem Zustand mindestens 2 Meter mächtig sein soll. Hiermit sollen und können insbesondere in den landwirtschaftlich genutzten Bereichen die durch den Löss geprägten Eigenschaften des Bodens – insbesondere Wasserspeicherfähigkeit und Durchwurzelungsfähigkeit – in kurzer Zeit weitestgehend wieder hergestellt werden. Neben der ordnungsgemäßen Lössverwendung regelt der Braunkohlenplan die künftige Gliederung der Landschaft in Anlehnung an die vorbergbaulichen Gegebenheiten (Abb. 4.8.1-5). Danach sind von den 4.800 ha Gesamtfläche im Feld Garzweiler II 1.745 ha als landwirtschaftliche Fläche vorgesehen. Damit nimmt die Landwirtschaft den größten Anteil der Landfläche ein. Dies spiegelt die in der niederrheini-
schen Bucht gegebenen sehr guten Voraussetzungen für ertragreiche Landwirtschaft wider. Ferner ist im Braunkohlenplan Garzweiler II gefordert, die landwirtschaftlichen Nutzflächen unter Wahrung des Bördencharakters landschaftsgerecht zu gestalten. Hierzu sollen Wege- und Gewässerführung in der neuen Landschaft die Gegebenheiten der niederrheinischen Börde unter Berücksichtigung einer ausreichenden Durchgrünung berücksichtigen. Eine Konkretisierung der landesplanerischen Ziele des Braunkohlenplans erfolgt in den sich anschließenden bergrechtlichen Verfahren.
4.8.1.5 Bergrechtliche Konkretisierung Mit der Bergbauplanung, die der Bergbehörde mit dem Rahmenbetriebsplanantrag 1987 bzw. 1995 zur Zulassung vorgelegt wurde, wurde auf die Schaffung möglichst großer landwirtschaftlicher Flächen abgezielt (Abb. 4.8.1-6). Hierzu wurde unter Berücksichtigung der wasserwirtschaftlichen Belange insbesondere bezüglich der Vorflut die Oberfläche so niedrig wie möglich gehalten [3]. Die Bergbehörde hat im Zulassungsverfahren die Übereinstimmung mit den Zielen des Braunkohlenplanes geprüft und bestätigt. Die Strukturierung der landwirtschaftlichen Fläche durch Wirtschaftswege, lineare und punktuelle Anpflanzungen sowie die Anlagen zur Oberflächenentwässerung
514
Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 4.8.1-5 Braunkohlenplan Garzweiler II, zeichnerische Darstellung
wurde über Nebenbestimmung aufgegeben. Um die für die Landwirtschaft zur Verfügung stehende Fläche zu maximieren, hat die Bergbehörde in der Zulassung weiter geregelt, dass nicht mehr benötigte Betriebsflächen unverzüglich durch das Aufbringen von Bodensubstraten wieder nutzbar zu machen sind. Mit der Rahmenbetriebsplanzulassung wurde gefordert, Lössverluste zu minimieren, schädliche Bodenveränderungen zu vermeiden und die Bodenfunktionen möglichst zu erhalten. Aufgrund der mächtigen Lösslagerstätte besteht im Tagebau Garzweiler die Besonderheit, dass mehr Löss als für eine richtlinienkonforme Rekultivierung erforderlich im Abbauvorfeld ansteht. Um sicherzustellen, dass dieses Material für einen später ggf. entstehenden Bedarf verfügbar bleibt, ist ein oberflächennaher Einbau in so genannten Lössdepots geregelt. So wird in bis zu 20 Meter Mächtigkeit Löss für künftige Generationen langfristig gesichert, ohne die landwirtschaftliche Nutzung zu beeinträchtigen.
Eine weitere Konkretisierung erfolgte im Abschlussbetriebsplan, der für die Oberflächengestaltung im Tagebau Garzweiler bereits bis zum Jahr 2025 zugelassen wurde. In diesem Betriebsplan wird gegenüber dem Rahmenbetriebsplan deutlich konkretisiert dargestellt, wie die Landschaft gestaltet wird (Abb. 4.8.1-7). Dies beinhaltet die Festlegung der Generalneigung und der Gefälle- und Höhenverhältnisse von Einzelflächen, die Aufteilung der Flächenanteile auf die Bodennutzungsarten und die Strukturierung der Landschaft durch Grünzüge, die in einer ersten Stufe bereits vor der späteren Flurbereinigung erfolgt. Außerdem wurde im Abschlussbetriebsplan dargelegt, dass auf allen Flächen nach späterem Grundwasserwiederanstieg mit mindestens 5 m ein ausreichender Grundwasserflurabstand entsteht, der Voraussetzung für die Beendigung der Bergaufsicht ist. Über Nebenbestimmungen wurden die Anforderungen an die Zusammensetzung des Bodenmaterials für unterschiedliche Standorte festgeschrieben [4].
Michael Eyll-Vetter, Werner Sihorsch
515
.. Abb. 4.8.1-6 Rahmenbetriebsplan Garzweiler I/II, Wiedernutzbarmachung
4.8.1.6 Planerische Rahmenbedingungen und struktureller Wandel in der Landwirtschaft Die mit dem Braunkohlenplan sowie Rahmen- und Abschlussbetriebsplan vorgegebenen Planungsgrundlagen werden im Zuge der Wiedernutzbarmachung durch den Bergbautreibenden realisiert; sie bestimmen die Struktur der rekultivierten Feldflur. Bereits in einem jungen Stadium der neuen Landwirtschaft werden Hauptwirtschaftswege sowie der überwiegende Teil der Entwässerungsgräben und Gewässer angelegt, Feldgehölze und Heckenzüge erstellt. Damit werden die Gewanne in ihrer Größe weitgehend definiert, während die einzelnen Ackerschläge in Länge und Breite erst im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens als Teilflächen der Gewanne ausgewiesen werden. Durchgeführt von den Ämtern für Agrarordnung dienen die Flurbereinigungsverfahren im rheinischen Braunkohlerevier neben der Bodenneuordnung auch
der Landrückgabe und damit dem Abschluss der bergbaubedingten Landinanspruchnahme [5]. Im Kreise der Träger öffentlicher Belange wirken u. a. Flurbereinigungsbehörde und die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Fachbehörde bereits in den landesplanerischen und bergrechtlichen Genehmigungsverfahren mit. Hierdurch wird ein konsistenter Planungsprozess sichergestellt, in dem die dominierende Ausgangsnutzung der Landschaft vor dem Tagebaugeschehen Leitbildcharakter für neue Landschaft danach gewinnt [6]. Erbrechtlich bedingte Realteilung seit Jahrhunderten führte neben der Flurzersplitterung zu meist in hohem Maße pachtlandabhängigen Betrieben mit Pachtanteilen bis über fünfzig Prozent. Die durchschnittliche Betriebsgröße eines Landwirtschaftsbetriebes im rheinischen Braunkohlerevier liegt zwischen siebzig und achtzig Hektar. Nur wenige Betriebe liegen weit über einer Größe von hundert Hektar und sind voll arrondiert. Seit Jahrzehnten unterliegt die
516
Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 4.8.1-7 Abschlussbetriebsplan Garzweiler I/II, 2001–2025
Landwirtschaft einem massiven Strukturwandel, der sich aufgrund ihrer ökonomischen Rahmenbedingungen in jüngster Zeit noch beschleunigt hat. Abwanderung von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft, ihre zunehmenende Technisierung, höherer Kapitaleinsatz und der wissenschaftlich-technische Fortschritt führten zur Verringerung der Zahl landwirtschaftlicher Betriebe bei gleichzeitigem Wachstum der verbleibenden Betriebe. Aufgrund der fruchtbaren Böden der Kölner Bucht wurden die Landwirtschaftsbetriebe ganz überwiegend im Ackerbau spezialisiert. Landwirtschaftliche Rekultivierung muss daher nicht nur den gewandelten Nutzungsansprüchen bei nachhaltiger Ertragsfähigkeit Rechnung tragen, sondern die arbeitswirtschaftlichen Vorteile durch Arrondierung erschließen. Daneben gilt es, neben der Nutzungsfunktion der rekultivierten Feldflur Lebensraum- und Erholungsfunktion zu integrieren.
4.8.1.7 Bodenschonende Wiedernutzbarmachung Bodenschutz hat in der Wiedernutzbarmachung landwirtschaftlicher Flächen einen hohen Stellenwert, um nachhaltig nutzbares Neuland zu erhalten. Hierauf zielen die in Nordrhein-Westfalen geltenden Richtlinien der Bergbehörde für die landwirtschaftliche Wiedernutzbarmachung ab [7]. Konkrete technische und organisatorische Vorgaben werden zur Bodenansprache und -auswahl auf der Gewinnungsseite festgelegt. Außerdem werden zur Herstellung der Rohkippe, Aufbringung der Lössschicht und Bearbeitung des jungen Bodens konkrete Anforderungen definiert. Die bergbehördlichen Richtlinien gelten für alle in der Wiedernutzbarmachung tätigen Mitarbeiter und sind Richtschnur ihres Handelns. Dies beginnt auf der Gewinnungsseite des Tagebaus mit der Löss-
Michael Eyll-Vetter, Werner Sihorsch
ansprache (Abb. 4.8.1-8). Die am Schaufelradbagger verantwortlichen Mitarbeiter entscheiden darüber, ob sich aufgrund der angetroffenen Qualität und Beschaffenheit der Löss für eine landwirtschaftliche Wiedernutzbarmachung eignet oder nicht. Vernässte Stellen sind dabei ebenso zu verwerfen wie Verunreinigungen beispielsweise aufgrund von Kieseinlagerungen. Der Schaufelradbagger erlaubt eine bodenschonende Hereingewinnung des Lösses: Eine Überfahrung des Lösses wird durch den Hochschnitteinsatz von der ersten Sohle aus vermieden; die selektive Arbeitsweise des Baggers sichert die Bereitstellung qualitativ hochwertigen Lösses ohne unerwünschte Beimengungen. Der über Bandanlagen geführte Transport des Lösses ge-
517
nügt ebenfalls den Bodenschutzkriterien; Zwischenlagerung und mehrfaches Umlagern sind auf Ausnahmefälle begrenzt. Während der Bandförderung ggf. vernässte Lösspartien werden am Absetzer ausgehalten und nicht zur Oberflächengestaltung eingesetzt. Der Auftrag des Lössbodens auf die an die Oberflächenneigung angepasste Rohkippe aus gut wasserdurchlässigem Abraummaterial erfolgt – zumeist GPS-kontrolliert – maßgenau mit möglichst geringer Rippenhöhe. (Abb. 4.8.1-9) Hierfür werden Leistungsreduzierungen der Gewinnungsgeräte bewusst in Kauf genommen. Der Nachbearbeitungsaufwand und damit die Gefahr einer unerwünschten Verdichtung des jungen Bodens wird hierdurch minimiert [8, 9].
.. Abb. 4.8.1-8 Lössgewinnung im Tagebau
.. Abb. 4.8.1-9 Lössauftrag in der landwirtschaft lichen Wiedernutzbarmachung
518
Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
4.8.1.8 Schulung und Motivation der Mitarbeiter Grundvoraussetzung für eine dauerhaft hochwertige Ausführung der Rekultivierungstätigkeit ist, dass die in den Betrieben und Fachabteilungen Verantwortlichen gut ausgebildet und motiviert sind. Dies gilt gleichermaßen für neue wie für erfahrene Mitarbeiter. Regelmäßige und bedarfsweise durchgeführte Schulungen haben zum Ziel, Grundlagen der bodenschonenden Rekultivierung zu vermitteln sowie das Bewusstsein zu erhalten, dass mit der Wiedernutzbarmachung eine Landschaft für die Ewigkeit geschaffen wird. Dauerhaft muss der neu entstehende Boden die Existenzgrundlage für die hier tätigen Landwirte und damit zur Grundversorgung der Bevölkerung bilden. Angesichts der in der Region seit jeher bestehenden günstigen Standortvoraussetzungen für die Landwirtschaft ist dies im Rheinischen Revier von noch größerer Bedeutung als auf ärmeren Böden. Schwerpunkte in den Schulungen sind die einfache, praxisbezogene Ermittlung der anstehenden Lössqualität, die weitgehende Vermeidung von Bodenverdichtungen, der gleichmäßige Bodenauftrag mit dem Absetzer entsprechend der endgültigen Neigung sowie der sparsame Umgang mit dem Bodenschatz Löss. In den letzten Jahren konnte das Bewusstsein dafür verstärkt werden, dass qualitativ geeigneter Löss in der Wiedernutzbarmachung einzusetzen oder in Depots zwischenzulagern, nicht aber ohne Zweckbestimmung zu verstürzen ist.
.. Abb. 4.8.1-10 Zwischenbewirtschaftung
Pflanze sorgt für eine vertikale Durchporung des Bodens und als Leguminose für eine Stickstoffanreicherung. Ihr Aufwuchs verbleibt zur Humusanreicherung in gemulchter Form überwiegend auf der Fläche. Nach drei Jahren wird der Luzernebestand umgebrochen. Die folgende Marktfruchtphase beginnt mit dem Anbau von Winterweizen, dem in den Folgejahren andere Wintergetreidearten folgen. Geerntet werden nur die Körner, Stroh bleibt wiederum zur organischen Düngung auf der Fläche. Das Wintergetreide dient auch als Bioindikator, um rekultivierungsbedingte Schadstellen aufzuspüren. Diese können nach der jeweiligen Ernte beseitigt werden. Nach Abschluss der Zwischenbewirtschaftung kann die rekultivierte Ackerfläche der regionaltypischen Landnutzung unterzogen werden.
4.8.1.9 Zwischenbewirtschaftung
4.8.1.10 Monitoring/Erfolgskontrolle
Die Zwischenbewirtschaftung (Abb. 4.8.1-10) bezeichnet eine vom Landwirtschaftsbetrieb der Bergbautreibenden durchgeführte Vorgehensweise zwischen bergbaulicher Wiedernutzbarmachung und Landrückgabe. Die auf sieben Jahre angelegte Zwischenbewirtschaftung dient vor allem der Inkulturnahme des Auftragsbodens und zur Vorbereitung auf die Folgebewirtschaftung nach der Landrückgabe. Wirtschaftliche Überlegungen treten dabei in den Hintergrund. Begleitend zu den landwirtschaftlichen Tätigkeiten sorgen umfassende agrarökologische Begleitmaßnahmen zur Aktivierung der Lebensraumfunktionen der rekultivierten Feldflur für wild lebende Tiere und Pflanzen. Die Zwischenbewirtschaftung beginnt mit einer dreijährigen Pionierpflanzenphase, in der Luzerne als mehrjährige Pflanze angebaut wird. Die tiefwurzelnde
Die Qualität der Wiedernutzbarmachung in den Tagebauen im Rheinland ist – ausgelöst durch die Erfahrungen der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, in denen es zu teilweise erheblichen Akzeptanzverlusten für die Wiedernutzbarmachung in der Landwirtschaft kam – einem mehrstufigen Monitoring unterzogen. Zunächst wird in den Betrieben von den nach Bundesberggesetz bestellten verantwortlichen Personen die ordnungsgemäße Wiedernutzbarmachung überwacht. In jedem Tagebau ist darüber hinaus ein Rekultivierungsbeauftragter bestellt und gegenüber den Behörden und der Landwirtschaftskammer gemeldet. Er kontrolliert die Einhaltung der Rekultivierungsvorgaben und ist an der Nahtstelle zwischen der Betriebsmannschaft, den Zentralabteilungen und der Landwirtschaft tätig. Durch den koordinierenden Revierrekultivierungsbe-
Michael Eyll-Vetter, Werner Sihorsch
auftragten werden regelmäßig Kontroll- und Abstimmungsbefahrungen organisiert. Dabei werden zweimal jährlich alle neu erstellten landwirtschaftlichen Flächen von Vertretern der Tagebaue, der Landwirtschaftsabteilung, der Wasserwirtschaft, der Geotechnik und der Tagebau- und Landschaftsplanung befahren. Ggf. entstandene Mängel beispielsweise aufgrund von Planierarbeiten bei ungünstiger Witterung werden durch diese mehrstufige interne Kontrolle frühzeitig erkannt und abgestellt. Die nächste Stufe der Qualitätsüberwachung schließt die Bergbehörden mit ein. Jährlich werden die im Vorjahr erstellten Flächen photogrammetisch erfasst. Die Luftaufnahmen werden von Bodenkundlern ausgewertet und auf Schadstellen wie Verdichtungen untersucht (Abb. 4.8.1-11). Zusammen mit umfangreichem Kartenmaterial einschließlich einer Dokumentation der tatsächlichen Lössauftragsstärke werden diese Auswertungen der Bergbehörde zugestellt, so dass diese in der Lage ist, die Qualität der neu hergestellten Flächen zu bewerten. Nach Abschluss der siebenjährigen Zwischenbewirtschaftung und vor Übergabe der Flächen an die Landwirtschaft endet in der Regel die Bergaufsicht. Hierzu werden die Flächen gemeinsam mit der Bergbehörde erneut befahren. Dabei wird die ordnungsgemäße Erfüllung des Abschlussbetriebsplans festgestellt. Ggf. noch offene Punkte werden dokumentiert und kurzfristig erledigt. Die Verantwortung des Bergbautreibenden endet damit jedoch noch nicht vollständig. Nach der siebenjährigen Zwischenbewirtschaftung bzw. nach der Landrückgabe besteht eine zehnjährige Gewährleistung bezüglich jeglicher Rekultivierungsmängel. Diese wird um weitere acht Jahre Gewährleistung bezüglich entstehender Mulden für eine umfassende Absicherung der neuen Eigen-
.. Abb. 4.8.1-11 Luftbildauswertung auf Schadstellen
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tümer und Bewirtschafter von rekultivierten Ackerflächen verlängert. Insgesamt bleibt der Bergbautreibende nach der Verkippung damit für 25 Jahre in der Verantwortung für die Rekultivierungsqualität.
4.8.1.11 Flächenverwertung (z. B. Landtausch und -rückgabe sowie Landverkauf ) Bedingt durch mit Eigentümern und Besitzern vereinbarten Überlassungsvereinbarungen zum Abbau der Kohle im Tagebau und daraus resultierenden Rückgabeverpflichtungen für die nur vorübergehend überlassenen Grundstücke dominiert bei der Flächenverwertung rekultivierter Äcker die Landrückgabe im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens. Der Landverkauf an nicht vom Bergbau betroffene Erwerber findet nur in wenigen Ausnahmefällen gemäß der dafür allgemein gültigen Rahmenbedingungen des Grundstückverkehrs statt. Die Landrückgabe kann im Lagebereich der zuvor beanspruchten Flächen erfolgen. Zwischen Inanspruchnahme und Rückgabe können viele Jahre liegen. Während der Zwischenzeit erfolgt ein Ausgleich durch Gestellung von Ersatzflächen oder monetär durch die Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Eine spezielle Variante der Landrückgabe bildet der Landtausch, bei dem zeitgleich, ggf. sogar bereits vor der Inanspruchnahme, die Ersatzflächenausweisung bereits rekultivierter Äcker erfolgt. Damit kann in besonderer Form zu einer störungsfreien Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe beigetragen werden. Bemessungsgrundlage für die Landrückgabe bzw. den Landtausch bildet der Wert der in Anspruch genommenen Fläche gemessen an ihrer Ertragsmesszahl (EMZ). Diese wird im Rahmen der Einheitsbewertung von der Finanzbehörde ermittelt und bildet die Grundlage einer wertgleichen Landrückgabe. Fällt neben landwirtschaftlichen Nutzflächen auch die Hofstelle eines Landwirtschaftsbetriebes in ein Abbaugebiet, muss zu deren Umsiedlung auch die Standortsuche und Erschließung einer neuen Hofstelle erfolgen. Standorte werden häufig in Randbereichen von Ortslagen oder in speziell für die Landwirtschaft eingerichteten Weilern gefunden, teilweise in der rekultivierten Feldflur. In der Regel ergibt sich neben der Arrondierung der Nutzflächen durch die Lage der neuen Hofstelle eine erhebliche Verbesserung der inneren Verkehrslage landwirtschaftlicher Gesamtbetriebe. Neben einer Verwertung als Eigentum für selbst wirtschaftende Landwirte erfolgt eine beträchtliche Flächenübertragung
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
an Eigentümer, die nicht selbst wirtschaften, sondern gegenüber den Landwirten als Verpächter auftreten. Für die unternehmerische Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe werden solche Pachtflächen auch von den Bergbautreibenden vorgehalten. Die Ausstattungsmodalitäten sind in Absprachen mit den Rheinischen Landwirtschaftsverband e.V. als berufsständische Vertretung der Landwirtschaft dargelegt. Öffentliche Transparenz der Flächenverwertung, die durch die Arrondierungsmöglichkeiten erzielbaren arbeitswirtschaftlichen Vorteile und die Potentiale zur Entwicklung für die Landwirtschaft schaffen die notwendige Akzeptanz für die mit dem Tagebau einhergehenden agrarwirtschaftlichen Eingriffe.
4.8.1.12 Konfliktlösungen zwischen landwirtschaftlicher Bodennutzung, Erholung und Freizeit sowie als Lebensraum für Tiere und Pflanzen Konfliktpotential für die einzelnen Bodennutzungen tritt bereits im Zuge der Planungen und dem Festlegen der Flächenanteile hervor. Die Interessen werden in den gestuften Genehmigungsverfahren, insbesondere im Rahmen des Abschlussbetriebsplanverfahrens ausgeglichen [10, 11]. Die Umsetzung dieses Planes führt zu abwechslungsreichen Feldfluren (Abb. 4.8.1-12). Landwirtschaftlich sind die Randzonen von Feldern entlang von Gewässern und Grünzügen anzusehen. Arbeitswirtschaftlich kommt man der Landwirtschaft durch paralleles Ausrichten der Feldränder entgegen,
.. Abb. 4.8.1-12 Feldflur im Tagebau Garzweiler
da unrentierliche, arbeitsintensive Zwickelflächen vermieden werden. Da eine generell rechtwinklige Landschaftseinteilung ohnehin nicht erreicht werden kann, können gerade diese Zwickelanteile durch geschicktes Ausrichten der Wirtschaftswege außerhalb der Ackerflächen in ein landschaftspflegerisches Begleitkonzept eingebunden werden, um die Lebensraumfunktion der neuen Landschaft zu stärken. Feldraine entlang von Wegen, Gräben und Gewässern bedürfen der Wahrung bestehender Grenzlinien und eines differenzierten Pflegekonzeptes. Hierzu sind Bereitschaft und Verständnis der Landwirte als Anlieger erforderlich. Bewährt haben sich Gemeinschaftsprogramme von Landwirtschaft und Naturschutz [12]. Der Acker als Produktionsfläche bildet selbst wertvollen Lebensraum, beispielsweise für Feldhase und Feldhühner. Im Zuge der landwirtschaftlichen Arbeitsausführung ist Rücksicht auf die Fauna erforderlich. Hierzu geben die Maßgaben der „Guten fachli chen Praxis“ wie einschlägige Rechtsbestimmungen Anhalt. Bemerkenswerte Effekte ergeben sich in der Wiedernutzbarmachung aus der Arrondierung, die größere Ackerschläge bzw. Gewanne erzeugt. Selbst in einer stark von Naherholungssuchenden und Freizeitsportlern angenommenen Landschaft verbleiben so ausreichende Ruhezonen für wild lebende Tiere fern der Wege. Die Wegenutzung in der Feldflur für den landwirtschaftlichen Güterverkehr, durch den Wanderer, durch Reiter oder beispielsweise für sportliche Aktivitäten (Radsport, Skating etc.) birgt beträchtliches Konflikt- und Gefahrenpotential. Sinnvoll erweist sich eine umfassende Vorsorge bereits im Planungsstadium. Durch die Art der Wegebefestigung, die Ausrichtung
Michael Eyll-Vetter, Werner Sihorsch
des Wirtschaftswegenetzes, das Vorsehen von Reitmöglichkeiten etwa in Verbindung mit verbreiterten Feldrainen lassen sich die Nutzungskonflikte zumindest abmildern. Neben auf gegenseitiges Verständnis abzielenden Planungen kann auf ordnungsrechtliche Maßnahmen kaum verzichtet werden. Nur klare Verhältnisse schützen vor drohenden Übergriffen.
4.8.1.13 Fazit und Ausblick Zukunftsweisende Rekultivierungskonzepte erfordern fortdauernde Entwicklung. Dies beginnt bei der Planung der neuen Landschaft und erstreckt sich über die betriebliche Umsetzung im Tagebau bis hin zur Bewirtschaftung durch den Schirrhof. Dabei ist es oberstes Ziel, mit der Wiedernutzbarmachung eine nachhaltig nutzbare neue Landschaft zu schaffen, die den vielfältigen Ansprüchen der unterschiedlichen Interessengruppen in der Region gerecht wird. Die dauerhafte Erfüllung dieser Anforderungen ist ein wesentlicher Baustein zum Erhalt der Akzeptanz des Braunkohlenbergbaus. Der Wandel der Landwirtschaft in ihren Betriebsstrukturen und ihrer Bodennutzungsform wird von den frühen Planungen bis zur späteren Verfahrenstechnik in der Agrarproduktion treibende Kraft bleiben. Neueste Herausforderungen stellen sich durch die Ambitionen, Landwirte auch zu Energiewirten zu machen. Damit kommen neue Kulturpflanzen zum Anbau, die nicht nur spezifische Ansprüche an rekultivierte Böden stellen, sondern aufgrund neuer Ernte- und Logistikkonzepte auch an die Erschließung der Feldflur. Diese Aufgaben werden von RWE Power gemeinsam mit der örtlichen Landwirtschaft aktiv bearbeitet.
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Quellenverzeichnis [1]
Von der Hocht, F.: (1990) Im Rheinischen Braunkohlenrevier anstehendes, für die Rekultivierung nutzbares Bodenmaterial – Braunkohle Tagebautechnik Oktober 1990: 11–15 [2] Braunkohlenplan Garzweiler II, Genehmigung des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen am 31.03.1995 [3] Rahmenbetriebsplan Garzweiler I/II vom 05.10.1987 mit Änderungen und Ergänzungen vom 31.08.1995 für den Zeitraum 2001–2045, zugelassen am 22.12.1997 [4] Abschlussbetriebsplan Tagebau Garzweiler I/II für die Oberflächengestaltung und Wiedernutzbarmachung 2001–2025 vom 31.08.2000, zugelassen am 13.08.2002 [5] Herbst, A.: (2005) Shaping the future – Opportunities attaching to real property, resettlement, mining damage and recultivatio Zukunft gestalten – Chancen von Liegenschaften, Umsiedlungen, Bergschäden und Rekultivierung – World of Mining 57 No. 6: 390–400 [6] Kulik, Dr. L.: (2005) Sustainability in opencast mines of the Rheinish lignite mining area – Planning from start to finish Nachhaltigkeit in Tagebauen des Rheinischen Reviers – Planung von Anfang bis Ende – World of Mining 57 No. 5: 314–326 [7] Rekultivierungsrichtlinien [8] Beißner, H.: (1995) Landschaftsgestaltung und Rekultivierung als integrierter Bestandteil des Produktionsbetriebes – Surface Mining 48 (1996) Nr. 1: 61–72 [9] Koenigs, W. & Eyll-Vetter, M:. (2006) Rehabilitation in continuous opencast lignite mining as a contributation toward soil protection – ISCSM Aachen (Imperial Sovereign Court of the State of Montana) 2006: 311–314 [10] Kulik, Dr. L., Eyll-Vetter, M. & Eysel, P. (2005) Rhenish change – World Coal October 2005: 19–26 [11] Kulik, Dr. L., M. & Eysel, P.: (2006) Rhenish lignite – World Coal, Oktober 2006 [12] Lögters, Dr. C. & Dworschak, U:. (2003) Recultivation of opencast mines – Perspectives for the people living in the Rhineland Tagebau-Rekultivierung – Perspektive für die Menschen im Rheinland – World of Mining 56 (2004) No.2: 126–135
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4.8.2
Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
Die forstliche Rekultivierung der überhöhten Innenkippe des Tagebau Hambach
Norbert Möhlenbruch 4.8.2.1 Entwicklung von Rekultivierungstechniken im Rheinischen Revier – kurzer geschichtlicher Abriss Den Rekultivierungsbestimmungen im Allgemeinen Bergrecht gingen im Rheinland bereits Kurfürstliche Anordnungen voraus, die die Wiederherstellung von nutzbaren Böden zum Ziel hatten. Für den Brühler Raum ist daher bereits 1784 nachgewiesen, dass aufgelassene Braunkohlengruben mit Erlenstangen zu besetzen sind, damit in den Zeiten großer Holzknappheit möglichst rasch wieder Reserven aufgebaut werden. Diesen alten Wiedernutzbarmachungsbestimmungen liegt der Gedanke zugrunde, dass die freigelegten Böden unterschiedlicher Qualität möglichst rasch wieder mit Vegetation ausgestattet werden und so Nutzung möglich wird. Gedanken des Natur- und Landschaftsschutzes sind in der Tat erst sehr viel jüngerer Art, besonders intensiviert nach dem zweiten Weltkrieg und von zunehmender Bedeutung, weil land- und forstwirtschaftliche Böden in ihrem Nährstoffpotenzial immer stärker angereichert wurden und Flora und Fauna die oft notwendigen ärmeren Substrate verloren. Die Rekultivatoren Ende des 20. und diesen Jahrhunderts erkannten schnell die Chance, in Teilbereichen vom Normalprofil der heutigen Böden abweichende Formen durch die Bergbautechnik besonders herauszustellen und damit einen enormen Fundus für die Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt zu schaffen. Der Start forstlicher Rekultivierungsbemühungen geht insbesondere auf Heuson und Copien zurück, die mit einem gesamtökologischen Ansatz Pflanztechnik, bodenkundliches Wissen mit biologischem und forstlichem Wissen vereinigten und sowohl für Braunkohlenbergbauten als auch für Landschaftsveränderungen des Tiefbaus Formen der Rekultivierung in der Lausitz und im übrigen ostdeutschen Raum entwickelten. In der Regel stellte sich dabei die Aufgabe, das vorhandene geologische Material durch Melioration nutzbar zu machen. Erst das Braunkohlegesetz aus dem Jahr 1950 schuf im rheinischen Raum die Voraussetzungen, hochwertige Oberböden zu schützen und diese für die Landnutzung und biologische Ent-
wicklung wieder einzusetzen. In Arbeiten von Wittich, Heide, Hochhäuser, Dilla, Zöttl und Möhlenbruch wird die stete Verfeinerung des bodenkundlichen Ansatzes bei der Rekultivierungstechnik dargelegt. Wie in der Landwirtschaft wurde zunehmend auch in der Forstwirtschaft allergrößter Wert auf die Ausstattung der Oberböden in der Rekultivierung der Braunkohlentagebaue gelegt und damit letztlich die Grundlage für produktive und leistungsfähige Standorte im Sinne von Forstwirtschaft und Ökologie geschaffen.
4.8.2.2 Herleitung der Rekultivierungsziele aus den Vorgaben der in Anspruch genommenen Landschaft Der 88 km² große genehmigte Braunkohlenabbau Hambach befindet sich in der niederrheinischen Bucht mit ausgesprochen atlantischer Klimaprägung. Es herrschen knapp 10° Jahresmitteltemperatur und Niederschläge um 700 mm vor, die Vegetationsperiode beträgt 260 Tage; nur 15 Frosttage im Januar unterstreichen das besonders milde Klima. Die potenzielle natürliche Vegetation des Bereiches besteht aus Maiglöckchen-Stieleichen-Hainbuchenwald, der in der Regel auf mittel-basenhaltigen Pseudogleyen und gering-mächtigen Lößlehmen über Hauptterrasse vorkommt. Die kulturelle Überprägung der Wälder hat ein Großteil der Laubholzbestockung aus Stieleiche, Hainbuche und Linde zurückgedrängt, so dass heute auf einem Drittel der Waldfläche Fichten stocken. Außerhalb der Waldflächen entstanden noch Anfang des letzten Jahrhunderts durch Rodungsmaßnahmen zunehmend Ackerbauflächen, die aufgrund der günstigen Witterung und der vorhandenen Lößlehmdecken vorrangig mit Getreide- und Zuckerrübenanbau ausgestaltet sind. In neuerer Zeit tritt in gewissem Umfang der Anbau nachwachsender Rohstoffe mit Mais und Raps hinzu. In den Verfahren zur Ausgestaltung der Rekultivierung spielt die Diskussion immer wieder eine Rolle, inwieweit eine alte Landschaftsprägung auch in die Rekultivierung hineingetragen werden kann oder muss. Nachhaltige Forschung zu den Böden und zur Entwicklung der Vegetation auf der Sophienhöhe zeigt allerdings deutlich, dass die Chance einer Standortveränderung das Gesicht der Rekultivierung prägen muss. Die im Vorfeld großteilig vorherrschenden Pseudogleye tragen in der Regel einen Eichen-Hainbuchen-
Norbert Möhlenbruch
wald, der für die Ausgestaltung der neuen Böden nur in geringem Umfang als Leitbild dienen kann. Hierzu liefert das ökologische Gutachten zum Braunkohlenplan Hambach entsprechende Vorgaben. Der Versuch, Pseudogleye künstlich herzustellen, wurde intensiv diskutiert und verworfen. Im Gegenteil sollen die aus dem Vorfeld kommenden seltenen Buchenwaldformen, nämlich der Perlgras- und der Flattergras-Buchenwald, in der Rekultivierung größeren Lebensraum bekommen. Dies unterstützen auch die Planungen des Naturschutzes für Nordrhein-Westfalen, die die Buchenwälder im Fokus sehen. Bedeutsam für die Vorgaben der Rekultivierung im Braunkohlenplan Hambach – und damit auch in den
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nachfolgenden Rahmen- und Abschlussbetriebsplänen – ist der Schwerpunkt eines großen, geschlossenen Waldgebietes, das fast 50% der Abbaufläche eingenommen hat und mit der Bezeichnung „Bürgewälder“ nicht nur geschichtliche Bedeutung zeigt, sondern auch eine ausgesprochen hohe ökologische Wertigkeit. Diese ergibt sich aus den in den Altwäldern vorkommenden Relikten wärmeliebender Arten, deren Übersiedlung in die neuen Wälder aufgrund der Boden- und Reliefgestaltung allerdings keine Schwierigkeiten bereiten sollte. Sehr frühzeitig wurden hierzu Artenschutzmaßnahmen durch die Verbringung von Altwaldoberböden eingeleitet, die ihre Wirksamkeit bewiesen haben. Als natürliche potenzielle Vegetation
.. Abb. 4.8.2-1 Die überhöhte Innenkippe des Tgb. Hambach im Abschlussbetriepsplan
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
der überhöhten Innenkippe sind die armen Buchenwälder in der Flattergrasausprägung und zuweilen auch Birken-Eichenwälder anzunehmen. Überall dort, wo die Lößanteile angehoben werden, ist auch mit Perlgras-Buchenwäldern zu rechnen. Als Ersatzgesellschaften können trockene Heiden und Magerrasen auf den ärmeren Varianten, Wiesen und Frischweiden auf den lößreichen Varianten angenommen werden.
4.8.2.3 Oberflächengestaltung im Absetzerbetrieb Die überhöhte Innenkippe des Tagebaus Hambach hat direkten Anschluss an die zunächst notwendigerweise aufgeschüttete Außenkippe mit dem Namen Sophienhöhe. Eine Milliarde Kubikmeter Abraum mit anschließender Aufforstung bilden den nordwestlichen Abschluss des Tagebaugebietes. Die Sophienhöhe nimmt in ihrer Aufbauform noch die Gestalt bisheriger Außenkippen an, d.h., mit Absetzern werden jeweils 30–60 m hohe Scheiben aufgesetzt, die ein gleichmäßiges Böschungs-/Bermensystem bedingen und für die Gesamtgestaltungsform wenig Spielraum lassen. Die jeweiligen Böschungsneigungen der oberen Bereiche sind mit 1 : 2 bis 1 : 3 vorgegeben, während die unterste Böschung mit der Notwendigkeit, einen Angleich in das umliegende Gelände zu erreichen, auch geringere Neigungen aufweist. Das Bermensystem ist mit jeweiligem Wirtschaftsweg und Entwässerungsgraben böschungsseitig gestaltet, die Neigung der einzelnen Bermen weist auf die Böschung hin, so dass Oberflächenwasser keine Chance für ein Überströmen der einzelnen Böschungsteile findet. Landschaftsgestalterische Verbesserungen im Vergleich zu älteren Außenkippen sind aber die leicht hügelig gestaltete Oberfläche, die ebenfalls der forstlichen Rekultivierung zugewiesen wurde, und die Einfügung von zwei größeren Einbuchtungen in den Böschungs systemen. Diese geben die Form einer gewissen Talung vor, konnten aber in der direkten Aufsicht als solche nicht gestalterisch wirken. Das Böschungssystem wurde mit umfangreicher Planierarbeit hergestellt, wobei die noch näher zu erläuternden bodenkundlichen Forschungen der 80er bis in die Mitte 90er Jahre mit ihrem Hinweis auf die Eigenverfestigung von Löß-Kies-Gemischen zu einem intensiven Lockerungsverfahren in Querrichtung der Hänge führte. Dies erforderte aus Sicherheitsgründen spezielle technische Voraussetzungen der einzelnen Böschungsraupen und auch die exakte
Einhaltung der einzelnen Böschungsneigungen. Aus forstwirtschaftlicher Sicht sind dennoch wuchsfreudige Standorte entstanden, während die Bermenbereiche und einige ebene Bereiche die befürchteten Verfestigungen nicht ausschließen konnten. In Zusammenhang mit zahlreichen Sonderbiotopen wie Kleingewässer und Freiflächen bot dieser neue Lebensraum allerdings vielfältige Möglichkeiten für besondere Tier- und Pflanzenarten. Die überhöhte Innenkippe, die im Osten an die Sophienhöhe anschließt, sollte aber neueren Rekultivierungsideen und auch einer vermehrten Naturnähe der Rekultivierung entgegenkommen. Hierzu war es notwendig, das geschlossene Böschungsbermensystem aufzulösen und eine sich aus dem Umfeld heraus ungleichmäßig erhebende Böschungsform zu entwickeln. Darüber hinaus hatte die Weiterentwicklung der forstlichen Rekultivierungsrichtlinien der Bergbehörde eine Vermeidung von Planierungsarbeiten festgelegt. Da im Tagebau Hambach die leistungsstärksten Geräte des rheinischen Bergbaus eingesetzt sind, bedeutete diese Vorgabe eine enorme Herausforderung an die Bewältigung von Planung und Absetzereinsatz. Nicht ohne Brisanz blieb die Frage, ob eine vermehrte Erosion einsetzen würde, insbesondere weil die Lößanteile auch in den Böschungsbereichen angehoben wurden und Planierarbeiten unterblieben. Die planierungsfreie Verkippung startete auf der Hochfläche der Sophienhöhe im Sonderbetrieb. Mit Kompaktbagger und -absetzer wurden die Lösse des Kippenvorfeldes gesondert gefördert und in geringer Höhe abgesetzt. Ein Verfahren, das später auch in der landwirtschaftlichen Rekultivierung der Tagebaue Fortuna und Bergheim sehr erfolgreich eingesetzt wurde. Schließlich wurden auch auf 1 : 2,2 geneigten Böschungen Forstkiese in Rippen verkippt, deren Verlauf in Streichrichtung der Böschung liegt. Rippenkamm und -sohle dürfen im Höhenunterschied nicht mehr als 1 m betragen. Trockene Materialien und normale Auslage des Absetzers können diese Unterschiede bis unter 50 cm minimieren. Der Lastgrad des Gewinnungsgerätes ist dabei auf 60% der Normalleistung zu verringern. Bei den gegebenen klimatischen Voraussetzungen war allerdings erkennbar, dass die Vermeidung von Verdichtungen durch Hilfsgeräteeinsatz die Wasseraufnahmefähigkeit der jungen Rekultivierungsmaterialien so erhöhte, dass oberflächlicher Abfluss nicht mehr feststellbar war. Im Gegensatz zur Sophienhöhe, wo in Einzelmaßnahmen immer wieder Erosionsbeseitigung vorgenommen wurde, Zulauf der vorhande-
Norbert Möhlenbruch
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.. Abb. 4.8.2-2 Planierungsfreie Verkippung
nen Gräben mit Sanden feststellbar war und teilweise auch aufwendiger Verbau betrieben werden musste, zeigte sich die planierungsfreie Verkippung der überhöhten Innenkippe als ein rekultivierungstechnischer Fortschritt für die dort vorgegebenen Niederschlagsverhältnisse. Die überhöhte Innenkippe des Tagebaus Hambach ist auch ein gutes Beispiel für die Abhängigkeit von Verkippungs- und Abbaugeschehen, das wegen der
Überhöhung zur Überwindung von 500 Höhenmetern führt und damit eine ausgefeilte Tagebaugeometrie erfordert. Zur Vermeidung von Leistungsminderungen ist auch der Rekultivierungsabsetzer im normalen Abraumbetrieb so eingesetzt, dass er seine Möglichkeiten von Hoch- und Tiefschüttung nutzen kann. Dies bedeutet bei der planerischen Vorgabe von einzelnen Geländeerhöhungen an der Oberfläche ein Ausreizen der Hochschüttung. Wenn diese planierungsfrei
.. Tabelle 4.8.2-1 Trockenraumdichten von jungen Forstböden nach Neumann
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
geschehen soll, lassen sich bei den Übergängen der einzelnen Verkippungsstreifen Überhöhungen nicht ganz vermieden. Da die Forstwirtschaft heute auch für die Waldbautechnik eine naturnahe Nutzung fordert, können diese Situationen ausgenutzt werden, in diese ungleichmäßigen Linien Rückewege hineinzulegen und damit für einen Ausgleich zu sorgen. Der Rückegassenabstand darf aber zur Vermeidung von Produktionsfläche nicht zu eng gefasst werden. In Hambach wurde daher für bestimmte Bereiche der Einsatz von Raupenbaggern vorgesehen, die mit entsprechender Auslegermöglichkeit durch Zug des Tief- bzw. Schlammlöffels Vertiefungen und Erhöhungen ausgleichen konnten, insgesamt aber auf einer Fahrlinie Verdichtungen vermieden. Solche Einsätze müssen aber aus Kostengründen Ausnahmen bleiben, ebenso soll aus ökologischer Sicht der gesamte Hilfsgeräteeinsatz minimiert werden. Rückewege werden über die gesamte Fläche parallel in einem Abstand von 25–30 Metern gezogen. Sie dienen der zukünftigen Vorbringung des Holzes und können auch für kleinere Maschineneinsätze zum Antransport genutzt werden. Die Produktionsfläche vermindern sie nicht, da ihr Wurzelraum von den seitlich wachsenden Waldbäumen genutzt werden kann. Sie werden mit einer Krautmischung eingesät und dienen so als grüne Bänder, die den Verbiss der umliegenden Gehölze minimieren helfen. Die oben bereits zitierte besondere Tagebaugeometrie führt allerdings auch zu flächigen Starkrippenstrukturen, die eine normale forstliche Bewirtschaftung erschweren. Um diese zu mindern, wurde ein Verfahren gefunden, das durch Zug einer Gliederkette mittels zweier Raupen auf den vorgesehenen Rückelinien ein Angleichen der Oberfläche ohne negativen Einfluss auf den Dichtegrad der Böden ermöglicht. Untersuchungen von Neumann belegen dies für die überhöhte Innenkippe Hambach eindrucksvoll.
4.8.2.4 Böden und Exposition als Schaltstelle ökologischer Entwicklungen Die Gestaltung der Böden als Grenzschicht zwischen Ausgangsgestein, Vegetationsdecke und Atmosphäre steht im Mittelpunkt der Rekultivierungstätigkeit. Ökonomische und ökologische Gründe sprechen dafür, dass die Abbautätigkeit im ersten Schritt immer der Gewinnung der Rekultivierungsmaterialien gewidmet ist. Ökonomische Gründe deswegen, weil auf-
grund der großflächigen Tagebautätigkeit Entfernung und Zeit entscheidende Kostengründe darstellen; ökologische Gründe erfordern die Wiederherstellung von gebietstypischen Böden. Anders als bei Abgrabungen oder Tiefbauarbeiten werden im Bergbau nur im Ausnahmefall Materialien hinzugefahren. Eine direkte Bodenverlagerung oder -Transplantation kommt allerdings nicht infrage. Böden sind gleichsam von pflanzlichem und tierischem Leben erfüllte Schichten, die in Zusammenwirkung von chemischen Prozessen unter Bildung von Poren höchst komplizierte Systeme darstellen, bei denen eine großflächige Verlagerung kaum Erfolg verspricht und die Kosten einer zu großen Wahrscheinlichkeit des Fehlschlags unterliegen. Für die Gestaltung der überhöhten Innenkippe im Tagebau Hambach kommen insbesondere die im Vorfeld lagernden Parabraunerden und Pseudogleye aus den unterschiedlich mächtigen Lößüberdeckungen, aber auch der darunter liegende Rheinschotter infrage. Die Tertiäre sowohl in ihrer sandigen als auch tonigen Ausprägung werden für die Gestaltung der forstlichen Standorte nicht herangezogen. Sie sind aber teilweise zur Ausgestaltung von Mulden oder Trockenbiotopen sinnvoll einsetzbar, was durch Untersuchungen der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz langjährig begleitet und belegt wurde. Die Verkippung der Rekultivierungsmaterialien unterliegt einer Bergbaurichtlinie, die die Lößanteile für Ebenen und Böschungen festlegt. Für die überhöhte Innenkippe wurde durch spezielle Abstimmungen mit den Naturschutz- und Forstbehörden die Abweichung durchgesetzt, dass bei den geringen Lößmächtigkeiten im Vorfeld mit Löß angereicherte Forstkiese nur dann gebaggert werden können, wenn die Auftragsmächtigkeit auf 3 m reduziert werden kann. Nach Richtlinie ist das Forstkiesgemisch im Mittel in einer 4 m mächtigen Schicht aufzutragen. Kommen reine Lösse zur Verwendung, ist ein Auftrag von 2 m möglich. Können quartäre Kiesmaterialien und Lösse getrennt aufgetragen werden, würde auch eine ein Meter mächtige Lößschicht als Abschluss für die Entstehung reicher Waldstandorte ausreichen. Die Beteiligung der kiesigen Materialien an den Forststandorten ist einerseits bedeutsam, weil durch Zusammentragung unterschiedlichster silikatreicher Gesteine für Waldböden eine langfristige Gewähr der Nährstofflieferung gegeben wird. Auch wenn man bedenkt, dass durch Düngung oder ungewollten Eintrag von Stickstoff und Stäuben die Atmosphäre immer mehr zur Nährstofflieferung beiträgt, ist die langfristige Sicherung des Nährstoffpotenzials für eine Waldentwicklung von großer Bedeutung. Nachhaltigkeit
Norbert Möhlenbruch
drückt sich gerade in dieser nachschaffenden Ernährungsgrundlage aus. Die Beimengung der Lösse ist unerlässlich, um die Speicherung von Regenwasser in der Vegetationsperiode ausreichend zu gestalten, wobei hierzu eine ein Meter mächtige Lößschicht in den vorhandenen Klimaten ausreichen würde. Gleichzeitig wird durch die Lößbeimengung die Resorptionsfähigkeit der Böden – d. h. die Anlagerung von freigesetzten Nährstoffen – hergestellt und schließlich auch die Ernährung selbst über die Tonmineralien unterstützt. Im Gewinnungsprozess immer wieder auftauchende Tonknollen sind willkommene Beimengungen, wenn sie in den Forstkiesen nicht zu flächigen Schichten entwickelt werden. Tonknollen werden in sandigen Böden vom Feinwurzelsystem bevorzugt umspannt. Die Ausgestaltung der Forstkiese in den hängigen Bereichen ist auf einen Lößanteil im Forstkies von 25–30% ausgelegt. In den ebenen Bereichen überwiegen höhere Lößanteile, die die Ausgangsbodensituation des vorlagernden Hambacher Forstes widerspiegeln sollen. Während die Nährstoffsituation der so beschriebenen Böden in der Regel völlig ausreicht und lediglich lokale Hubschrauberdüngungen in einem Wuchsalter zwischen 7 und 15 Jahren erforderlich machen, sind die bodenphysikalischen Gegebenheiten eines Rekultivierungsbodens von Ausschlag gebender Bedeutung für die Vegetationsentwicklung. Löß-Kies-Gemische neigen von Natur aus zur Dichtlagerung, was im Extremfall bei der Einmischung von etwa 15% Löß sogar erdbetonähnliche Zustände annehmen kann. Als äußerst schädlich hat sich jedes Befahren der Roh-
.. Abb. 4.8.2-3 Anlage von Rückewegen und Abschleppen im Kettenverfahren
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materialien erwiesen. Deshalb sind für den gesamten Rekultivierungsbereich bis auf die Einrichtung der Rückewegegassen ein Befahren der Flächen im Entwicklungsalter sowie eine Planierung der Einzelbereiche untersagt. Die besonderen Herausforderungen des Absetzerbetriebs wurden hierzu bereits erläutert. Neben dem Boden selbst spielt die Exposition der Fläche eine nicht zu unterschätzende Rolle. So sind alle südwärts gerichteten Böschungen bei den gegebenen Materialien vegetationskundlich den Traubeneichenwäldern zuzuordnen, während mit zunehmender Nordexposition und damit Zunahme des Beschattungsund Feuchteanteils Buchenwälder vorherrschend sind. In allen Zwischen- und Übergangsbereichen sind die Stieleichen-Hainbuchen-Waldformen als standortgemäß anzusehen und werden bei der zukünftigen Waldenticklung größere Anteile einnehmen. Ebenso werden die lößreichen Varianten eher Buchenwaldformen einnehmen als die kiesreichen, bei denen Traubenund Stieleiche Wuchsvorteile zeigen können. Tonige Varianten werden sich mit einem Aspen-Birken-Wald selbst begrünen, während die reinen Sande vorrangig für die Entwicklung von offenen Standorten vorgesehen sind, allerdings einer entsprechenden Kulturpflege unterliegen.
4.8.2.5 Bodenvorbereitung Anders als bei Böden mit einer Meliorationsnotwendigkeit oder der Herstellung landwirtschaftlicher Flächen und abgesehen von den beschriebenen Glättungsarbeiten bei zu hohen Rippenkämmen ist eine direkte Bodenvorbereitung für die forstliche Rekultivierung nicht notwendig. Auch für die überhöhte Innenkippe Hambach erwies es sich als äußerst bedeutsam, die Vorbereitungen der Baggerung entsprechender Rekultivierungsschichten sowohl von der Planung als auch von der Schulung des einzusetzenden Personals her intensiv zu betreiben. Mit dem Baggerschnitt wird letztlich über den Wert des forstlichen Standortes entschieden. Die Erfolgskontrolle für die Geräteführer wird dadurch erleichtert, dass je Hektar Rekultivierungsfläche im laufenden Betrieb bei der Verkippung 2–6 Bodenproben genommen und hinsichtlich der Kornverteilung untersucht werden. So ist im schnellen Rückschluss eine Korrektur des Baggereinsatzes möglich, denn bei der Schichtansprache am Stoß laufen immer wieder die lößhaltigen Materialien über die Kiese ab und erschweren so eine exakte Mischungsansprache.
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
.. Tabelle 4.8.2-2 Häufigste Werte für Lagerungsdichte, Porenvolumen und Porenziffer der Böden ³
dB [g/cm ]
PV [%]
PZ (oder Є)
Sandböden
1,67–1,19
37–55
0,58–1,22
Lehmböden
1,96–1,19
26–55
0,25–1,22
Schluffböden
1,53–1,19
42–55
0,72–1,22
Tonböden
1,32–0,92
50–65
1,00–1,85
Organ. Böden
0,48–0,12
60–90
1,50–9,00
Zur Bodenvorbereitung gehört auch die Wahl des richtigen Gewinnungszeitpunktes. Nasse Materialien bewirken in der Verkippung immer wieder Verdichtungen, die sich erst in sehr langen Zeiträumen auflösen lassen. Zudem erhöhen sich mit Zunahme der Feuchtigkeit des zu schneidenden Materials die Gefahr der Rippenbildung und damit die Kostenerhöhung für entsprechende Abschleppmaßnahmen. Jeweils vor den Pflanzzeitpunkten in Herbst und Frühjahr stimmen Verkippungspersonal und Pflanzer die Maßnahmen für die Einzelflächenbepflanzung ab. Die jeweilige Standortansprache vor Ort führt zur Entwicklung eines Kulturplanes. Bei der Bepflanzungs planung sind zur Bodenentwicklung auch Einsaatmaßnahmen vorzunehmen. Hier hat es sich gegenüber flächigen Aussaaten als richtig erwiesen, lediglich zwischen den Pflanzreihen, die einen Abstand von 2 m einnehmen sollten, streifenweise Einsaaten mit bodenbildungsfördernden Kräutern vorzunehmen. Geeignet
.. Abb. 4.8.2-4 Krauteinsaaten fördern die jungen Forstpflanzen
sind Dauerlupine, Waldstaudenroggen, Weißklee, Furchenkohl, Sonnenblume und in geringer Beimengung Phacelia. Keineswegs darf die Einsaat zu stark erfolgen, weil dann die Wasserkonkurrenz zu den noch sehr schwach bewurzelten Jungbäumen und Sträuchern wächst. Andererseits hilft die Bedeckung mit Krautvegetation beim Aufbau eines gemäßigten und angepassten Bodenklimas, was letztlich wiederum der Einwanderung von Tierarten dienlich ist. Neben den direkten Einsaatmaßnahmen ist bei sorgfältiger Aufnahme von Oberböden aus dem Wald durchaus eine stärkere Auskeimung von bodenbürtigen Pflanzen zu beobachten.
4.8.2.6 Start der Biotopentwicklung Die Biotopentwicklung kann auf vielfältige Weise unterstützt werden, wobei aber große Unterschiede zwischen Wald und Offenbiotop zu sehen sind. Zur Beschleunigung der Waldentwicklung, die in der Regel die potenzielle Vegetation der umliegenden Wälder berücksichtigt, hat es sich als außerordentlich hilfreich erwiesen, aus den Vorfeldern humose Böden aufzunehmen und diese linienförmig entlang der Wege in die Waldbereiche hineinzuverbringen. Intensive Untersuchungen der Bundesanstalt für Naturschutz haben ergeben, dass es möglich ist, über 50% des Arten- und Genspektrums der in Anspruch zu nehmenden Wälder in die Rekultivierungsflächen hineinzubringen. Dies ist bei Waldinseln sicherlich auch eine Förderung der gebietstypischen Pflanzenstämme. Die Ausbringung von Humus und Ah-Bodenhorizont ist mit kleinen Baggerauslegern, besser aber noch mit Schleudergeräten seitlich in Bestände möglich. Lokale Verpflanzungen, z. B. von Maiglöckchen, Buschwindröschen, Perlgräsern oder Immergrün, zeigen Erfolge, wenn man
Norbert Möhlenbruch
diese nach Entwicklung eines Bestandesinnenklimas ausbringt. Die Auswanderung von den so geschaffenen Initialzellen garantiert auch bei großen Abständen zu Waldflächen eine rasche Entwicklung von Waldflora. Ähnlich gute Ergebnisse durch Bodenimpfung sind auch bei Gewässern erzielbar. Die Umsetzung von Teich- und Tümpelböden aus Abbaugebieten ermöglicht eine regional angepasste Verbringung von Pflanzen und Tieren aus dem Stand heraus. Die Etablierung der Pflanzenbestände folgt dann selbsttätig gemäß den verschiedenen Wasserständen, weshalb Flachwasserzonen bei allen neu angelegten Gewässern bedeutsam sind. Bei den Offenflächen, sei es nun die Anlage von breiten Grabenstreifen oder Kleingewässern, insbesondere aber bei größeren Wiesenbereichen ist eine Einsaat mit Mischungen notwendig, die auf die Trophie der Standorte eingestellt sind. Im Rheinland hat sich allerdings auch die sog. Heuaussaat bewährt: Aus kartierten Hochstaudenfluren und Wiesenbereichen wird samenträchtiges Material mit normalem landwirtschaftlichen Gerät geerntet und über Ballen auf die Rohbodenflächen aufgerollt. Die ausfallenden Samen besiedeln rasch die Flächen. Schließlich gibt es zahlreiche Kleinstmaßnahmen, deren Berücksichtigung mit der Steigerung der Artenvielfalt belohnt wird, die andererseits die Gesamtkosten der Rekultivierung nur wenig erhöhen. Belassen von kleinen Geländemulden als Tümpel mit temporärer Wasserbespannung, die Umsiedlung von Ameisenbauten und das Verbringen von Teichboden aus den Vorfeldern, die Nachzucht von heimischen Baum- und Straucharten, das Aufstellen von Tothölzern, das Aufhängen von Nistkästen und Bruthöhlen, das Aufhäufeln von Lesesteinen und Auslegen von Findlingen, die Errichtung von Betonrohrhöhlen, das gezielte Pflanzen seltener Baumarten.
4.8.2.7 Erschließung mit Wegen und Gewässern Ein funktionsfähiges Wirtschaftswegesystem ist die Voraussetzung für die Sicherung und Unterhaltung der jungen Verkippungsflächen, den Start einer forstlichen Bewirtschaftung und die Entwicklung von Erholungsnutzung bis zum touristischen Ausbau. Während bis in die 90er Jahre noch ein Wirtschaftswegenetzsystem mit 70 laufenden Metern je Hektar ausgebaut wurde, hat man mit der Zunahme der Ausgleichsverpflichtung für den Eingriff durch den Tage-
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bau und der damit verbundenen Forderung, größere Ruhezonen für die Entwicklung der Natur einzurichten, den Ausbau auf 45 lfd. m/ha verringert. Dies ist aus forstwirtschaftlicher Sicht zu unterstützen, weil mit der Verpflichtung zur naturnahen Waldbautechnik ein Ausbau mit Rückewegen schon von Anfang an die Erschließung der Bestände vorsieht. So werden die eigentlichen forstlichen Maßnahmen auch zukünftig von diesen Linien aus erfolgen, während das Wegesystem selbst lediglich zum An- und Abtransport des Holzes, evtl. auch für eine Seitenlagerung genutzt werden soll. Hierfür wäre ein Ausbau mit 30 lfd. m/ha letztlich ausreichend. Der Ausbau dieser Wege geschieht in einer Breite von 3–5 m, wobei in der Regel der 3 m breite Wirtschaftsweg mit jeweils 50 cm Seitenstreifen als ausreichend anzunehmen ist. Maßgeblich für die Ausbauart ist die Notwendigkeit, mindestens 30 t Last bei jeder Witterung aufnehmen zu können. Im Rheinland erwies sich der sand-wasser-gebundene Ausbau mit den vorhandenen Rheinschottern als ausreichend, insbesondere dann, wenn ein rundes Regelprofil eingehalten wird, das den Abfluss von schädlichem Niederschlagswasser nach beiden Seiten des Weges ermöglicht. Da die planierungsfreie Verkippung ein unregelmäßiges Profil der Waldflächen auch im Kleinrelief vorsieht, ist es von Vorteil, dass sich der Wegekörper leicht über die anschließenden Aufforstungsflächen heraushebt. So kann störender Begleitwuchs in der Pflege abgeschält und Wassereinstau in den Wegekörper vermieden werden. Es erwies sich als richtig, neben den Wirtschaftswegen auch gesonderte Wanderwege einzuplanen. Die Wirtschaftswege dürfen wegen der Transportlasten keine steilen Neigungen aufweisen, während zur raschen Erschließung des Gebietes von Wanderpark plätzen der Aufstieg in die Böschungsbereiche durch Wanderwege erleichtert wird. Die Anlage von Wandertreppen, wie sie auf der Außenkippe vorgesehen waren, erfolgte für die Innenkippen nicht mehr, weil sich der Unterhaltungsaufwand und auch die Gefahr für die Wanderer in den Winterzeiten als überaus hoch erwiesen haben, so dass mittlerweile auch ältere Treppenanlagen wieder zurückgebaut werden. Die Attraktivität für die Bewanderung derartiger Wege lässt sich erhöhen, indem an bestimmten Punkten in den Böschungsbereichen durch Unterlassung von Bepflanzung Ausblicke geschaffen werden, die Wege geschwungene Züge aufweisen und Hochpunkte bewusst angeschnitten werden, um den Einblick in die Rekulitivierungslandschaft zu erhöhen.
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
Kleingewässer sind auch aus wasserwirtschaftlicher Sicht sinnvoll, da sie als kleinere Rückhaltungen die Spitzen des Wasserabflusses brechen und damit einem geregelten und ungefährlichen Abfluss dienen. Solche Bereiche können unproblematisch mit Ton ausgekleidet werden, so dass sie Wassertiefen von über 1 m erreichen und damit auch eine ganzjährige Wasserbespannung garantieren.
4.8.2.8 Rekultivierung als Wirtschafts-, Biotop- und Erholungsraum
.. Abb. 4.8.2-5 Inselweiher als Zwischenstau für Oberflächenwässer
Begleitend zu den Wegen werden die Entwässerungsgräben angelegt, die im Bereich Hambach weniger auf die 700 mm Niederschläge Gesamtbelastung über das Jahr ausgerichtet sind, sondern Starkregenereignisse auffangen müssen. Gerade diese zeigten sich in der Vergangenheit als bedeutsam, weil die Lockermaterialien der Braunkohletagebaue zunächst erhöhte Erosionsgefahren aufzeigen, solange eine schützende Vegetationsdecke fehlt. Die Wege- und Entwässerungssituation in der forstlichen Rekultivierung wird genutzt, breite Saumstreifen für die Entwicklung von Krautfluren zu belassen und gleichzeitig buchtige Waldränder zu den großen Aufforstungsblöcken zu entwickeln. Hierzu wird die Richtlinie über den naturgemäßen Ausbau von Kleingewässern herangezogen. Die Gräben zeigen im Regelausbau weniger Spitz- oder Trapezprofile, sondern werden mit Muldenlöffeln landschaftsgerecht geformt. Dabei ist es aus Naturschützersicht ausgesprochen wichtig, immer wieder kleinere Verbreiterungen der Gräben ohne forstliche Bepflanzung vorzusehen. Dies sind die Initialpunkte für die Entwicklung der in der forstlichen Rekultivierung meist reichhaltig auftretenden Amphibienfauna. So können in Muldenlagen der Offenlandbereiche bei entsprechendem Relief Kleingewässer angelegt werden, die u. U. nicht ganzjährig Wasserstände aufweisen, aber dennoch für die Amphibienentwicklung höchst wichtige Strukturen bieten. Als Hinweis für diese Bedeutung im rheinischen Raum mag gelten, dass das größte Vorkommen an Kreuz- und Wechselkröten in den Kleingewässern der forstlichen Rekultivierung zu finden ist.
Der Braunkohlenbergbau entnimmt aufgrund der großflächigen Inanspruchnahme den Wirtschaftsräumen land- und forstwirtschaftliche Flächen. Da sich der rheinische Braunkohlenbergbau vorrangig in den Lößbörden befindet, überwiegen landwirtschaftliche Flächen. Umso größer ist die Bedeutung der Waldflächen insbesondere im Hambacher Bereich für die Biotop- und Erholungsfunktion. Andererseits existiert zwischen Rhein und Rur eine florierende Laubholzsägeindustrie mit teilweiser Spezialisierung auf Parkettherstellung. Moderne Nadelholzsägebetriebe befinden sich in der Eifel und im nahen RheinlandPfalz. Die Holznachfrage aus Belgien und den Niederlanden ist traditionell groß und reicht auch in den rheinischen Raum hinein. Die Rekultivierung hat also die Wirtschaftsinteressen sowohl des Raumes als auch der die Flächen nachfragenden Folgebetriebe zu berücksichtigen, was sich insbesondere im Aufbau der Standorte und der Waldformen niederschlägt. Untersuchungen von Stratmann
.. Abb. 4.8.2-6 Mischwälder mit Pappelschirm
Norbert Möhlenbruch
und Jacoby unterstreichen den herausragenden Wuchs der Rotbuche. Hohe Wertzuwächse sind in den Edellaubholzbeimengungen von Wildkirsche und Ahorn belegt, Roteiche und Douglasie erzielen auf den kiesigen Varianten überdurchschnittliche Zuwächse. Sofern Verdichtungen bei der Herstellung der Böden vermieden werden können, zeigen die Rohböden des Rheinischen Braunkohlenreviers gegenüber vergleichbaren Altwäldern große Vorteile bezüglich der Nährstoffversorgung und Wasserhaltefähigkeit. Sieht man von dem Nachteil einer unausgeglichenen Altersklassenverteilung in Rekultivierungsbetrieben ab, sind die betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen für eine nachhaltige Forstwirtschaft günstig. Die Holzartenverteilung ergibt: 30% Rotbuche, 30% Stiel- und Traubeneiche, 20% Edellaubholz, 10% Nadelhölzer. Der Anbau mit Nadelhölzern wie Douglasie, Lärche, Tanne und Kiefer ist in Hambach auf maximal 10% beschränkt, um den Vorgaben des Naturschutzes entgegenzukommen. Im Gegensatz zur Landwirtschaft ist die Flächenbilanz für die Forstwirtschaft ausgeglichen. Für die Zukunft sehen die bisher genehmigten Tagebaue eine Anreicherung der Waldflächen um 1900 ha vor. Wenn
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die Ausgleichsdiskussion für den Tagebaueingriff am Grad der exakten Wiederherstellung der in Anspruch genommenen Landschaft gemessen wird, muss man zwangsläufig zunächst zu einem unbefriedigenden Ergebnis kommen, da die Entwicklung eines Lebensraumes längere Zeit in Anspruch nimmt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Entwicklung eines Wald-Ökosystems, das zunächst typische Bewohner jüngerer Phasen beheimatet und erst im Alter eine Erweiterung des Artenspektrums erfahren kann. Greifvögel benötigen zur Anlage von Horsten ältere Bäume, borkeabhängige Insekten können erst nach Entwicklung einer solchen in neue Lebensräume einwandern. Bei der Entwicklung der Rekultivierungsziele wird allerdings immer mehr berücksichtigt, dass neue Landschaften Ansprüche einer gesamten Region erfüllen sollen. So ist es allgemein zu einer Kernfrage des Artenschutzes geworden, dass die Böden eine immer reichere Ausstattung erhalten, wobei Pflanzen und Tiere, die diesen Nährstoffreichtum meiden, bedroht sind. Die Rekultivierung von Braunkohletagebauen hat also die herausragende Möglichkeit, durch Vorgaben in der Trophie, Exposition und Wasserversorgung von neuen Böden Chancen für die Entwicklung von
.. Tabelle 4.8.2-3 Diversität bei Vogelarten in Rekultivierungs- und Altwäldern
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
nährstoffarmen Lebensräumen zu eröffnen. Gleichzeitig hat der Naturschutz erkannt, dass die Anlage von kleinen und großen Gewässern, die durch Materialverlagerung und Massendefizite entstehen können, herausragende Ansatzpunkte zur Anlegung von Gewässer- und Feuchtbiotopen gibt. So sind die Rekultivierungsseen des Rheinlandes zu bedeutsamen Rastbiotopen von durchziehenden Wintergästen geworden. Einige Bereiche zeigen die Etablierung von Fauna, die in den letzten Jahren als bedroht oder regional ausgestorben galt. Die überhöhte Innenkippe des Tagebaus Hambach berücksichtigt diese Vorgaben und kombiniert die Verpflichtung zur Neuschaffung großer Waldlebensräume, die im Vorfeld verloren gingen, mit einer Einflechtung von Offenlandbiotopen in einer Größenordnung von 7,5% der Gesamtfläche. Letztere dienen ausschließlich dem Biotop- und Artenschutz. So ist für die Waldflächen anzunehmen, dass diese bezüglich der Biodiversität einen ähnlichen Verlauf nehmen wie die bisherigen forstlichen Rekultivierungen. Möhlenbruch und Dworschak haben dargestellt, dass mit Bezug auf die Avifauna bereits nach 40 Jahren eine gleiche Diversität hergestellt werden kann, wie sie in vergleichbaren Altwäldern angetroffen wird. Die Sonderflächen, die dem Biotop- und Artenschutz gewidmet sind, bestehen aus Wiesen und Sukzessionsflächen, ebenso werden wechselfeuchte Standorte und Regenwasserrückhaltungen angelegt. Soweit sachlich und räumlich sinnvoll, sind die Sonderflächen im Sinne eines Biotopverbundes miteinander verbunden. Die Böden in diesen Bereichen sind besonders auszuwählen und deutlich gegenüber den Böden der benachbarten Waldstandorte zu differenzieren. Im Bereich von wechselfeuchten Standorten sind neben der Wahl der geeigneten Materialien auch Bodenverdichtungen zur Erreichung des Zieles vorzusehen. Der Übergang dieser Flächen zu den eigentlichen Waldbereichen ist jeweils mit einem Waldmantel in einer Tiefe von bis zu 20 m zu gestalten. Gleichfalls sind die Entwässerungslinien entlang der Wege als offene Staudenbereiche vorgesehen und im Waldmantel Strauch- und Heckenzonen anzulegen. Als Beispiel für die Gestaltung von Artenschutzflächen mag die 50 ha große Mulde der überhöhten Innenkippe gelten, deren Gestaltung von Dworschak (2003) wie nachfolgend aufgeführt konzipiert wurde.
4.8.2.9 Entwicklungs- und Pflegekonzept für die Freiflächen auf der überhöhten Innenkippe des Tgb. Hambach Zieltypen der Vegetation In erster Linie geht es um die Gestaltung von offenen Landschaftselementen, wie sie in der Region als Kulturlandschaft vorkommen: Wiesen, Weiden, Heiden und Staudenfluren. Ziel ist die Entwicklung eines „Wiesentälchens“ mit abwechslungsreichen Standorteigenschaften und ausgeprägten Säumen zu den umgebenden Forstflächen.
Charakterisierung der Standorteigenschaften Mit dem Lößlehm und den Kiesen und Sanden lässt sich von den Bodenarten das breite Standortspektrum von trockenen (nutzbare Feldkapazität unter 10%) bis hin zu frischen und feuchten (nutzbare Feldkapazität über 20%) Standorten überdecken. Da die Böden im Vorfeld des Tagebaus Hambach überwiegend pseudovergleyt sind und der Lößlehm entkalkt ist, liegen die pH-Werte der Ausgangssubstrate um 5 (gemessen in H2O). Als potenziell natürliche Vegetation auf derartigen Standorten unter den klimatischen Bedingungen der Niederrheinischen Bucht (Niederschlag um 650 mm/a; ≈9°C durchschnittliche Jahrestemperatur) kommen ärmere Buchenwälder vom Typ des MilioFagetum und des Periclymeno-Fagetum auf den Lößlehmstandorten bis hin zu Birken-Eichenwälder (Betulo-Quercetum) auf reinen Sand- und Kiesböden in Frage. Bei Auftrag von carbonathaltigem Lößmaterial wird die Amplitude bis zu den reichen Buchenwäldern des Melico-Fagetum erweitert. Als Ersatzgesellschaften auf derartigen Standorten sind trockene Heiden und Magerrasen einerseits und Frischwiesen und -weiden andererseits denkbar.
Erfahrungen aus der Rekultivierung Beobachtungen in der Rekultivierung zeigen, dass sich auf Substraten mit bindigem Anteil bei natürlicher Sukzession fast ausnahmslos artenarme LandreitgrasBestände (Calamagrostis epigejos) entwickeln. Hier tritt
Norbert Möhlenbruch
Löwenzahn (Taraxacum officinalis) und auf tonigen Böden Huflattich (Tussilage farfara) hinzu. Begleiter sind häufiger Johanniskraut (Hypericum perforamtum, H. maculatum), Karotte (Daucus carota) und AckerSchachtelhalm (Equisetum arvense). Bleiben diese sich selbst überlassen, bilden sich lockere vergraste Vorwälder aus Salweide (Salix caprea) und Birke (Betula pendula). Verhindert man den Gehölzaufwuchs (z. B. durch Mulchen), bleiben diese Bestände – wohl durch die Konkurrenzkraft des Landreitgrases – ausgesprochen stabil; auf der Sophienhöhe gibt es solche Grasbestände, in denen in den zurückliegenden zehn Jahre keine Veränderungen beobachtet werden konnten. Auf reinem quartärem Kies und Sand ist die Sukzession extrem langsam, wie die jetzt zehnjährigen Flächen auf dem Plateau der Sophienhöhe (östlich des Höller Horns) zeigen. Hier hat sich auf den geschützteren, östlich orientierten Flanken der Kipprippen zunächst eine Moosbedeckung gebildet, während die sonnenexponierten Südwestflanken nahezu vegetationslos blieben. Erst vor etwa fünf Jahren hat das Silbergras (Corynephorus canescens) – ausgehend von einer kleinen Ansaatfläche auf Tertiärsand – diese Bereiche erobert; mittlerweile sind auch vereinzelt Gehölze aufgekommen. Die Fläche erinnert ein wenig an Sandrasen-Gesellschaften; hier kommt beispielsweise auch die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) vor. Ausgesprochen gut sind die Erfahrungen mit der Ansaat krautreicher Wiesenmischungen. Dabei ist darauf zu achten, dass kein oder nur ein sehr geringer
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Leguminosenanteil eingemischt wird; außerdem hat sich der weitgehende Verzicht auf Untergräser bewährt. Da der Futterwert und der Masseertrag dieser ungedüngten Bestände allerdings sehr gering sind, ist es schwierig eine nachhaltige Bewirtschaftung durch Nutzung der Flächen sicherzustellen. Bisher ist es gelungen, durch Schafbeweidung die Flächen mit sehr gutem Erfolg zu pflegen.
Entwicklung und Pflege der einzelnen standörtlichen Einheiten Sande und skelettreiche Sande In südlicher und südwestlicher Exposition Entwicklungspotenzial: Diese Flächen können weitgehend der natürlichen Wiederbesiedlung überlassen bleiben – auch ohne weitere Maßnahmen werden sie nur sehr langsam verbuschen. Hier sollen sich weitgehend ohne menschliche Eingriffe Bestände vom Charakter der bodensauren Sandrasen (Corynephoretalia) und Heiden entwickeln. Herstellung: Natürliche Sukzession. Eventuell initiale Ausbringung von Pflanzen der Sandrasen: z. B. Silbergras, Bergsandglöckchen (Jasione montana), kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella); punktuell kann auch Heide (Calluna vulgaris) gepflanzt werden. Pflege: Nach fünf Jahren Kontrolle des Gehölzaufwuchses; eventuell manuelle Entfernung; Beweidung mit Schafen.
In geschützterer Lage (Waldrand; eben bis schwach nördlich geneigt)
.. Abb. 4.8.2-7 Waldbodenverbringung entlang der Wege
Entwicklungspotenzial: In geschützterer Lage als bei den vorgenannten Standorten ist hier bereits mit einer rascheren natürlichen Sukzession in Richtung Wald zu rechnen. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, soll hier – wie auch bei den folgenden Standorttypen – eine Einsaat erfolgen. Auf diesen Standorten soll eine Vegetation vom Typ der trockenen Magerweiden (Festuco-Cynosuretum) und Ödlandrasen basenarmer Standorte angestrebt werden.
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
Herstellung: Ansaat Pflege: Ab dem zweiten Jahr Beweidung; Gehölzentfernung in drei- bis fünfjährigem Turnus
Lehmige Substrate (kalkarm), eben und schwach geneigt
Tonige Schluffe und Tone in der Muldensohle Entwicklungspotenzial: Bildung von feuchten Staudenfluren, Röhrichten und natürliche Sukzession zu Birken-Weiden-Zitterpappel-Beständen. Wechselfeu chte Mulden sind Laichgewässer für Kreuz- und Wechselkröte.
Entwicklungspotenzial: Dies sind Standorte, auf denen sich einerseits Frischwiesen und andererseits Weidelgrasweiden entwickeln lassen. Auf den jungen Standorten sind aber in diesen Mischböden (Forstkies) die Nährstoffgehalte (N, P) sehr gering. So bietet sich hier die Chance, magere Vegetation dieses Typs aufzubauen. Aus pragmatischen Gründen sollten auch diese Flächen beweidet werden: damit entsprechen die Standorte am ehesten frischen Magerweiden auf basenarmen Standorten.
Herstellung: natürliche Sukzession. Eventuell Pflanzung von Initialen aus dem Vorfeld
Herstellung: Ansaat
Vorbereitung der Flächen
Pflege: Im ersten Herbst mulchen bzw. häckseln, anschließend Beweidung. Alle zwei bis drei Jahre Kontrolle des Gehölzaufwuchses, bei Bedarf mulchen.
Entgegen der Prozedere in der übrigen forstwirtschaftlichen Rekultivierung müssen die Flächen planiert werden. Als Kulturbiotope muss es möglich sein, die Flächen für spezielle Pflegemaßnahmen zu befahren. Selbst die sandig-kiesigen Bereiche in geneigter Lage sollten planiert werden, damit für die Beweidung mit Schafen ein Zaun (z. B. Elektronetze) aufgestellt werden kann. Hier reicht eventuell auch, in entsprechenden Abständen Trassen (nur eine Raupenbreite) zu planieren, auf denen später die Zäune aufgestellt werden können. Allerdings kann es auch hier notwendig werden, nach einigen Jahren die Gehölze zu entfernen – dann wäre es aus Kostengründen sicherlich sinnvoll, auch diese Flächen maschinell zu pflegen.
Lehm- und Schluffböden in ebener Lage Entwicklungspotenzial: Hier lassen sich Bestände vom Charakter der Frischwiesen (Arrhenatherion) bis hin zu feuchten Frischwiesen und Staudenfluren entwickeln. Letzteres Potenzial sollte vor allem in Geländemulden entsprechend gefördert werden. Herstellung: Ansaat. In Mulden evtl. Ausbringung von Waldboden zur Entwicklung von Staudenbeständen; hier auch Ansaat spezieller Arten (z. B. Filipendula ulmaria) und Pflanzung von Initialen aus dem Vorfeld. Pflege: Wenn möglich Mahd, alternativ Beweidung. Staudenfluren aussparen und im zwei- bis dreijährigen Turnus mähen bzw. mulchen.
Pflege: Natürliche Sukzession, auf Teilflächen Mulchen der Staudensäume im drei- bis fünfjährigem Turnus.
4.8.2.10 Allgemeine Pflege und Entwicklungshinweise
Gehölzentwicklung Vor allem Besenginster (Sarothamnus scoparius) wird sich – abhängig vom Diasporenreservoir des übertragenen Bodens – rasch entwickeln. Diese Entwicklung muss insgesamt beobachtet werden. Im Zweifel muss Ginster frühzeitig manuell entfernt werden. Einzelne Ginsterbüsche in den geneigten Bereichen auf sandig-kiesigem Material sollten aber bewusst erhalten bleiben. Bei entsprechender Einsaat und anschließender Pflege (wie oben vorgeschlagen) dürften andere
Norbert Möhlenbruch
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Kontrolle; die verschiedenen Samen können entsprechend ihrer Größe den Gräsern beigemischt werden – wertvolles, extrem feinsamiges Saatgut wird getrennt ausgebracht.
Mahd, Beweidung, Mulchen
.. Abb. 4.8.2-8 Tothölzer als Stützen der Neubesiedlung
Gehölze kein Problem bereiten. Alle weniger stark geneigten Flächen können bei aufkommender Gehölzentwicklung im mehrjährigen Turnus im Herbst gemulcht werden.
Ansaat Die Ansaat kann bei geeigneter Witterung (feucht genug) sowohl im Frühjahr als auch im Spätsommer durchgeführt werden. Nach der Erfahrung ist eine Aussaatstärke von 3 g/m² ausreichend. Der Leguminosenanteil sollte 1% keinesfalls überschreiten: Kronwicke (Coronilla varia) darf auf keinen Fall, Weißklee (Trifolium repens) und Wiesenklee (Trifolium pratense und die verschiedenen Zuchtformen) sollten höchstens in geringen Mengen gesät werden. Die Ansaat erfolgt am besten breitwürfig von Hand; landwirtschaftliche Drillmaschinen sind ungeeignet, auch die Verwendung von Zyklonen hat sich nicht bewährt. Eine ungleichmäßige Saat ist kein Nachteil! Das Saatgut der Kräuter wird getrennt bestellt: bessere
Die Herstellung von offenen Wiesenbereichen erfordert auf jeden Fall eine nachhaltige Pflege, denn ansonsten entsteht ein Wald. Allgemein wird davon ausgegangen, dass Wiesen und Weiden ausgelagert werden, die Nährstoffe also durch Biomasseentzug entfernt werden müssten. Das trifft auf die Rekultivierungsstandorte nicht zu: die verkippten Böden haben nahezu keinen Humus und damit fehlen ihnen die Nährstoffe von Haus aus. Zur Entwicklung eines gesunden Bodens kann es im Gegenteil sogar sinnvoll sein, in den ersten Jahren die Biomasse auf der Fläche zu belassen; unter diesen Bedingungen empfiehlt sich, die Bestände einmal im Jahr – im Spätsommer oder Herbst – zu häckseln bzw. zu mulchen. Mindestens während der ersten zehn Jahre führt das nicht zu einer unerwünschten Nährstoffanreicherung. Für eine nachhaltige Pflege von Wiesen muss allerdings letztlich eine regelmäßige Mahd mit Abtransport des Mähguts etabliert werden. Aus Gründen der Nachhaltigkeit und der Kosten ist dies aber nur sinnvoll, wenn sich eine geeignete Nutzung für das Heu sicherstellen lässt – die Entsorgung kann nicht die richtige Lösung sein! Inwieweit sich eine sinnvolle Nutzung für das anfallende Heu finden wird, kann jetzt nicht abgeschätzt werden: wenn man derzeit auf die Heupreise in der Eifel blickt, erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass eine Nachfrage nach Heugewinnung aus dem Umfeld entstehen wird. Wo Mahd nicht sinnvoll ist, bleibt als zweite Möglichkeit die Beweidung; das hat einen Einfluss auf das Artengefüge. Unsere Erfahrungen zeigen aber, dass durch Schafbeweidung ein durchaus befriedigender Pflegezustand erreicht werden kann. Auch eine Beweidung durch Mutterkuhhaltung oder mit Damwild kann eine Alternative sein. Da die Flächen nicht mit Stickstoff gedüngt werden, sind diese Weiden vom Arteninventar und Habitus auch viel eher mit Wiesen zu vergleichen als mit den intensiven Weidelgras-Weißklee-Weiden des Umlandes. Unter diesen Umständen kann es sinnvoll sein, die Bestände von Zeit zu Zeit auch maschinell zu pflegen: am besten durch Häckseln im Herbst; um die Gehölze wirkungsvoller zu schädigen, kann dies im Einzelfall
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
Im Gegensatz zu Strukturen alter Landschaften kann die Entzerrung der einzelnen Landschaftsnutzungen wie Erholung und Biotopschutz sehr viel konkreter geplant und umgesetzt werden. Eine Besonderheit der überhöhten Innenkippe wird eine Aussichtsplattform einnehmen, die von der Sophienhöhe aus, einen bisher nicht möglichen weiten Ausblick in die gesamte rheinische Tiefebene und die nahe gelegene Eifel erlaubt.
Exkurs in forstliche Rekultivierungs methoden bei anderen Standort voraussetzungen .. Abb. 4.8.2-9 Blühende Trockenrasenflächen
auch im Frühjahr sinnvoll sein. So kann Gehölzaufwuchs nachhaltig zurückgedrängt werden; gleichzeitig verfilzen die Bestände nicht, was den Krautigen – vor allem den Rosettenpflanzen – zu Gute kommt. Dieses Management ist aber abhängig von den jeweiligen standörtlichen Besonderheiten und kann daher nicht im Vorhinein festgelegt werden. Die Akzeptanz von Braunkohletagebauen hängt für die direkt betroffene Bevölkerung auch davon ab, wie die neue Landschaft zugänglich gemacht wird. Das Interesse der Bevölkerung an der Erwanderung und dem Erleben neu geschaffener Flächen ist ausgesprochen hoch. Für die Außenkippe des Tagebaus Hambach geben Wochenendzählungen mit über 3.000 Besuchern ein beredtes Zeugnis. Die Attraktivität der neuen Flächen hat ihren Ausgangspunkt in ihrer Neuartigkeit, der besonderen Vegetation und Fauna, der Zunahme an Erlebniselementen wie Wasserflächen, der Schaffung von Aussichtspunkten und damit Ausblicken nicht gewohnter Art in die Landschaft mit dem Kennenlernen von Technik. Die neue Landschaft wird auch speziellen Erholungsarten wie Radfahren, Mountainbiking, Joggen, Paragliding, Funken und Fotografieren gerecht. Die Nachfrage nach geführten Wanderungen steigt in ihrer Bedeutung und gibt den Anrainergemeinden die Möglichkeit, den regionalen Tourismus zu fördern. Hierfür sind markierte Wanderwege, ausreichende Wanderparkplätze, die Ausgabe von Wanderkarten, gezielte Informationen an besonderen Punkten und die Aufstellung weniger, aber markanter Schutzhütten zu planen und von ihrer Anlage her in der Weiterführung mit entsprechenden Vereinigungen und Kommunen zu vereinbaren.
Für die überhöhte Innenkippe des Tagebaus Hambach stehen Böden und Materialien aus den vorgelagerten Altwäldern und den landwirtschaftlichen Bereichen im Osten des Tagebaus zur Verfügung. Verwendung finden die auflagernden Lösse und in Mischung die darunter befindlichen Rheinschotter. Lediglich für die Sonderstandorte werden Sande und Tone ohne Mischung verkippt. Da aber auch diese Bodenmaterialien unter den Klimabedingungen des Rheinlandes einer Waldsukzession unterliegen, kann man sich durchaus vorstellen, auch hier forstliche Rekultivierungsziele zu definieren. Untersuchungen hierzu von Wolf weisen nach, dass je nach Material bei den Tonen zunächst Aspen-, Weiden- und Birken-Vorwälder entstehen, allerdings mit sehr langer Ausprägung von Calamagrostis-Grasfluren. Bei den reinen Kiesen erfolgt nach Birkenvorwäldern die Einwanderung von Eichen durch Hähersaat, sofern Altwälder in erreichbarer Nähe sind. Hierbei ist interessant, dass bereits nach 30 Jahren eine deutliche Anreicherung mit Eichen stattfindet, so dass am Ende dieser Sukzession auf Sanden und Kiesen trockene Eichen-Birken-Wälder entstehen. Abweichend von der forstlichen Rekultivierung als Tagebauabschluss gelten die vorübergehenden Aufforstungen. Hier herrschen tertiäre Materialien aus Sand, Ton und Kohle vor, die meist schwache pflanzenverfügbare Wasserhaushalte zeigen und einen pflanzenfeindlichen Chemismus aufweisen. Trotz dieser widrigen Voraussetzungen können Erlenpflanzungen für eine solide Vegetationsdecke sorgen. Nach Kalkungen können Erlenzeitwälder entstehen. Äußerst hilfreich sind auch Abdeckungen mit grobem Kompost. Verbunden mit Klee-/Graseinsaaten können Erosion- und Staubschutzwälder etabliert werden, die zumindest für einige Jahrzehnte ihrer zugewiesenen Funktion nachkommen.
Norbert Möhlenbruch
Literatur: Copien: Über die Nutzbarmachung der Abraumkippen auf Braunkohlenwerken. Zeitschrift für Forst- und Jagdwissen, 1942 Dilla, L.; Möhlenbruch, N. : Die Bedeutung von Forstkies und die Entwicklung von Waldböden bei der forstlichen Rekultivierung. In W. Pflug (Hrsg.): Braunkohlentagebau und Rekultivierung. Springer-Verlag. 1998, S. 248–255 Dworschak, U.: Neues Land wird besiedelt. In E.U. von Weizsäcker (Hrsg.): Mensch, Umwelt, Wirtschaft. Heidelberg; Berlin; Oxford: Spektrum Akademischer Verlag. 1995, S. 182–185 Henning, D.; K. Müllensiefen: Herstellung von Flächen für die forst wirtschaftliche Rekultivierung, dargestellt am Beispiel der Außenkippe Sophienhöhe des Braunkohlentagebaus Hambach. Braunkohle. 1990, 12: 11–18 Heuson, R.: Die Kultivierung roher Mineralböden. Siebeneicher, Berlin. 1947; S. 102 Hochhäuser, H.: Forstliche Rekultivierung bei Rheinbraun. Die geologische Zusammensetzung des Kippenmaterials und dessen Berücksichtigung bei der forstlichen Rekultivierung. Schriftenreihe, 1965 Jacoby, H.: Wachstum, Wurzelbildung und Nährstoffversorgung von Buchenkulturen auf Standorten mit verschiedenen Bodenarten im Braunkohlenrevier. Dissertation 1968 Möhlenbruch, N.; U. Schölmerich: Landschaft nach der Auskohlung. In E. U. von Weizsäcker (Hrsg.): Mensch, Umwelt, Wirtchaft. Hei-
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4.8.3
Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
Herstellung eines Fließgewässers am Beispiel des Flusses Inde im Tagebau Inden
Arthur Oster 4.8.3.1 Einleitung Gründe für die Verlegung der Inde Der Tagebau Inden der RWE Power AG im Westen des Rheinischen Braunkohlenreviers erstreckt sich derzeit über eine Abbaufläche von etwa 14 km2 und beinhaltet noch 485 Mt Kohle bei einer Abraumüberdeckung von 1,4 Mrd. m3. Die Tagebauteufe beträgt am Nordrand, südlich von Jülich-Kirchberg, maximal 190 m und am Ortsrand, westlich von Schophoven, bis zu 230 m. Die im Tagebau gewonnene Braunkohle dient ausschließlich der Versorgung des Kraftwerks Weisweiler, das bei einer Leistung von 2.300 MW jährlich eine Kohlemenge von bis zu 22 Mt benötigt. Unter der Voraus-
.. Abb. 4.8.3-1 Überblick über den Tagebau Inden
setzung eines gleich bleibenden Kohleeinsatzes ist die Versorgung des Kraftwerkes Weisweiler damit bis zum Jahr 2030 sichergestellt. Der Abbau des Tagebaus erfolgt im Schwenkbetrieb in östlicher und später in südlicher Richtung (Abb. 4.8.3-1). Das Abbaufeld Inden wurde auf einer Länge von etwa 4,5 km von dem Fluss Inde durchzogen (Abb. 4.8.3-2). Wegen der Tagebauentwicklung musste die Inde in den Jahren 2005 bis 2007 bergbaulich in Anspruch genommen werden. Bevor das Indebett durch den Tagebau durchschnitten werden konnte, musste als Ersatz, auf Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses, ein neues Flussbett zur Führung des Gewässers fertig gestellt sein. Im Rahmen der Oberflächengestaltung der Innenkippe des Tagebaus wurde ein Flussbett für die „neue“ Inde auf einer Länge von 12 km angelegt. Der überwiegende Teil der „neuen“ Inde mit einer Länge von rund 10 km liegt innerhalb des Tagebaufeldes. Außerhalb befinden sich die beiden Anschlussabschnitte bei Inden-Lamersdorf und Jülich-Kirchberg, die eine Länge von rund 2 km aufweisen.
Arthur Oster
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.. Abb. 4.8.3-2 Die begradigte Inde im Vorfeld des Tagebaues Inden
Genehmigungsrechtliche Aspekte der Indeverlegung Die Braunkohlenpläne legen gemäß § 24 Abs. 1 des Landesplanungsgesetzes auf der Grundlage des Landesentwicklungsprogrammes und der Landesentwicklungspläne sowie in Abstimmung mit den Gebietsentwicklungsplänen die Ziele der Raumordnung und Landesplanung im Braunkohlenplangebiet fest. So enthält auch der Braunkohlenplan Inden, räumlicher Teilabschnitt 1, der bereits 1984 genehmigt wurde, Aussagen über den Raum für die zu verlegende Inde sowie die notwendige technische und ökologische Ausgestaltung der neuen Indeflur. Ein Raumordnungsverfahren war daher nicht notwendig. Die Abbaugrenzen des Tagebaus, die voraussichtlichen Abbautermine sowie die Oberflächengestaltung und Wiedernutzbarmachung werden im bergrechtlichen Rahmen- und Abschlussbetriebsplanverfahren dargestellt. Diese Darstellung weist auch den Raum für die zu verlegende Inde aus. Nach den Bestimmungen des § 31 Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes ist für die Gewässerverlegung ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden, das den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) entspricht. Mit Beschluss vom 10.09.1998 wurde das Vorhaben planfestgestellt. Die Umweltverträglichkeit der Verlegung der Inde wurde dabei als Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens geprüft. Eine Veträglichkeitsprüfung nach den Bestimmungen der europäischen FloraFauna-Habitat-Richtlinie war nicht erforderlich, da weder Gebiete zur Erhaltung natürlicher Lebensräume sowie wildlebender Tiere oder Pflanzen noch
Gebiete wildlebender Vogelarten tangiert wurden. Da die Gewässerverlegung aufgrund der Gewinnung von Bodenschätzen in einem der Bergaufsicht unterstehenden Betrieb erfolgte, lag die Zuständigkeit für das Planfeststellungsverfahren bei der Bezirksregierung Arnsberg, Abteilung Bergbau und Energie in Nordrhein-Westfalen.
4.8.3.2 Anforderungen bei der Gestaltung des neuen Flussbettes Lage und Relief der neuen Indeflur Die Inde entspringt im Hohen Venn in Belgien und mündet nach rd. 44 km bei Jülich-Kirchberg in die Rur. Die Abflussmengen der Inde schwanken stark mit zum Teil hohen Abflussspitzen. So beträgt die Mittelwasserführung an der Mündung üblicherweise rd. vier m3/s, wohingegen der größte Hochwasserabfluss in den vergangenen dreißig Jahren mit 83 m3/s gemessen wurde. Das 100-jährige Hochwasser wurde aufgrund einer Historienanalyse bei der Auslegung der „neuen“ Inde mit 111 m3/s festgesetzt. Im 359 km2 großen Einzugsgebiet der Inde leben heute rd. 150000 Menschen. In den ehemaligen, vergleichsweise begradigten Zustand wurde die Inde aufgrund einer zunehmenden Bevölkerungsdichte sowie im Zuge der Industrialisierung des 20. Jahrhunderts versetzt, welche eine verstärkte Nutzung der Wasserkraft mit sich brachte. Vollständig ausgebaut wurde die Inde bis Mitte des letzten Jahrhunderts mit Sohl- und Böschungsbefestigungen sowie Eindeichungen. Aufgrund dieser anthropogenen
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
Einflüsse fehlte der Inde das ursprüngliche Erscheinungsbild einer Auenlandschaft (Abb. 4.8.3-3). Das dem gegenüber naturnahe Konzept für die Gestaltung der „neuen“ Inde ist unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte an das historische Erscheinungsbild der Inde angelehnt (Abb. 4.8.3-4). Auf Grundlage von historischen Dokumenten, unter anderem den Kartierungen von Tranchot (1806/1807) und den Preußischen Landesaufnahmen (1893), wurde ein Leitbild ermittelt, welches charakteristisch für einen Tieflandfluss ist. Dieses ist gekennzeichnet durch einen flachen Hauptlauf mit gewundener, mäandrierender Linienführung in einem breiten Niederungstal. Das auf Grundlage des Leitbildes erarbeitete Gestaltungskonzept sieht für die „neue“ Inde eine Landschaft mit Mittelwasserbett vor, welches von flach geneigten Auenflächen umfasst wird (Abb. 4.8.3-5). An die Auenflächen schließen sich aufzuforstende Böschungsbereiche mit einer Höhe von durchschnittlich rund 5 m an, die einen landschaftsgerechten Anschluss an das Umgebungsgelände sicherstellen. Das flach einfallende Höhenprofil der Aue ermöglicht das Entstehen eines abwechslungsreichen Lebensraumes. Die Herstellung einer entsprechenden Topographie der Indeaue gewährleistet, dass weite Bereiche mehr als 30 Tage im Jahr überflutet werden und sich eine natürliche Weichholzaue entwickeln kann. Höher gelegene Bereiche mit 5 bis 30 Überflutungstagen im Jahr ermöglichen die Ausbildung einer Hartholzaue. Flutmulden, Altarmansätze, Kolke, Buchten, Buhnen, Störsteine, Grobschotterflächen, Totholzelemente und Röhrichtzonen tragen zusätzlich zur abwechslungsreichen und ökologisch wertvollen Gestaltung der Indeaue bei. Das Gestaltungskonzept orientierte sich somit unter anderem an der Herstellung zahlreicher und vielfältiger Lebensraumelemente für Flora und Fauna und an den Anforderungen des Biotop- und Artenschutzes. Darüber hinaus lädt die „neue“ Inde im Sinne einer ruhigen Naherholung zu Wanderungen entlang der hierfür hergerichteten Wege ein.
.. Abb. 4.8.3-3 Die in den 60er Jahren begradigte Indeflur
Wasserbauliche Anforderungen an die neue Indeflur und landschaftsökologische Aspekte Die Gewinnung der Braunkohle mit Großgeräten im Tagebau erfordert zur Gewährleistung eines sicheren Abbaus das Absenken des Grundwasserspiegels bis unter das Kohleflöz. Auf Grund des damit einhergehenden großen Flurabstandes des Grundwassers im
.. Abb. 4.8.3-4 Der begradigte und ursprüngliche Verlauf der Inde
Arthur Oster
.. Abb. 4.8.3-5 Die „neue“ Indeflur mit auentypischem Erscheinungsbild
Bereich der „neuen“ Inde, musste diese durch Einbringung einer mineralischen Abdichtung aus Löss bzw. Mischboden abgedichtet werden. In Abb. 4.8.3-6 wird das Regelprofil der Indeflur innerhalb des Tagebaufeldes schematisch dargestellt. Das Unterplanum als Basis für die darauf aufbauende Abdichtung besteht aus einer mindestens 5 m Meter mächtigen Schicht aus kiesig-sandigem Material. Darauf folgt eine 1,5 m mächtige Schicht aus bergfeuchtem Löss bzw. Mischboden zur Abdichtung der Indeflur. Die Abdichtung wurde zur Tagebauseite bis zur Höhe des 100-jährigen Hochwassers hochgezogen und verläuft parallel zur Geländeoberfläche. Sie verhindert das Trockenfallen des Flusses und die Durchströmung des Tagebauböschungssystems und gewährleistet einen dauerfeuchten Zustand der darüber liegenden Subs tratschicht als Voraussetzung für eine naturnahe Aue. Auf die Abdichtung wurde mit einer Mächtigkeit von
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drei Metern Auesubstrat aufgetragen, eine Mischung aus Löss und Kies. Das hinsichtlich der Korngrößenverteilung breitbandige Auesubstrat musste einen Kiesanteil von ca. 20% und einen Feinkornanteil von mindestens 20% aufweisen, um seiner Funktion als kulturfähiges Material sowie als Erosionsschutz für die Abdichtungsschicht gerecht zu werden. Der Feinkornanteil ermöglicht in Bereichen ohne nennenswerte Strömung einen optimalen Pflanzenwuchs. Dagegen bildet sich im Mittelwasserbett eine stabile Deckschicht aus mittel- bis grobkörnigen Kies. Auf Grund andersartiger Rahmenbedingungen ergaben sich Unterschiede im Aufbau des Regelprofils zwischen im Tagebaufeld gelegenen Inde-Abschnitten und denjenigen, die außerhalb des Tagebaufeldes liegen. Innerhalb des Tagebaufeldes konnte das Regelprofil im Absetzerbetrieb und mit Erdbaugeräten auf verkipptem Gelände erstellt werden, da auf Grund der bergbaulichen Inanspruchnahme das ursprüngliche topographische Relief nicht mehr vorhanden war (Abb. 4.8.3-8). Demgegenüber war in Abschnitten außerhalb des Tagebaufeldes lediglich ein Sonderbetrieb mit Erdbaugeräten möglich, in dessen Rahmen Geländeeinschnitte erstellt und als Auenlandschaft ausgebaut wurden (Abb. 4.8.3-7). Abweichend von dem in Abb. 4.8.3-6 dargestellten Regelprofil wurde das gewachsene Gebirge als Unterplanum genutzt. Hierfür wurde die Standsicherheit des Unterplanums im Rahmen der Qualitätssicherung überprüft und wo erforderlich, durch das Einbringen von kiesigem Material erhöht. In Zonen mit relevanten tektonischen Unstetigkeiten wurden flächig Geotextile eingebaut, die die Abdichtungsschicht vor Dehnungsbeanspruchung schützen. Auf das
.. Abb. 4.8.3-6 Das Regelprofil der Indeflur
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 4.8.3-7 Die „neue“ Inde zwischen Rekultivierung und Tagebaukippe
.. Abb. 4.8.3-8 Geländeeinschnitt in Höhe Inden-Lamersdorf mit teilweise sichtbaren Geotextilien
Unterplanum wurde als Abdichtungsschicht in der Regel Löss mit einer Mächtigkeit von 0,8 m aufgebracht, wenn der natürlich anstehende Ton nicht als Abdichtungsschicht genutzt werden konnte. Das Einhalten der Anforderungen an die Abdichtung hinsichtlich Homogenität, Feinkornanteil, Dichte und Durchlässigkeit wurde in allen Abschnitten trotz unterschiedlicher Einbauweise gewährleistet. Hierfür war ein zweistufiges Qualitätssicherungsprogramm verantwortlich, welches folgende Kontrollinstanzen aufwies: a. Eigenüberwachung b. Fremdüberwachung
.. Abb. 4.8.3-9 Sohlgleiten am Indeanschluss bei Kirchberg
Anschließend wurden die abgedichteten Flächen durch die Bergbehörde endabgenommen und erst danach für das Auftragen des Auesubstrates freigegeben. Nach der Herstellung der Indeaue wurde das Hauptgerinne (Mittelwasserbett) entsprechend den planerischen Vorgaben ausgebildet. In sechs Gewässerabschnitten, in denen eine für das Auesubstrat kritische Sohlschubspannung möglich war, wurden zur Vermeidung fortschreitender Erosionen der Sohle bei Mittel- und Sommerhochwasserabfluss Steinschüttungen auf einer Länge von insgesamt 250 m aufgetragen. Dies war insbesondere im Bereich der Sohlgleiten notwendig (Abb. 4.8.3-9). Darüber hinaus wurden zur Vermeidung fortschreitender Erosionen des Mittelwasserbettes an einigen besonderen Böschungsabschnitten geeignete ingenieurbiologische Maßnahmen durchgeführt. Als ingenieurbiologische Maßnahmen kamen dabei in Abhängigkeit vom Strömungsangriff z. B. Böschungsrasen, Gehölzpflanzungen und Faschinen zur Anwen-
dung. Da sich im Bereich der Brückenbauwerke aufgrund der lokalen Einengung des Fließquerschnitts die Sohlschubspannung erhöhte, wurden auch dort Steinschüttungen eingebracht oder geeignete ingenieurbiologische Maßnahmen vorgesehen. Für die landschaftsökologische Ausgestaltung der Indeflur wurde eine Vielzahl von Maßnahmen durchgeführt, die dem ökologischen, naturnahen Anspruch an die Gestaltung der neuen Inde gerecht werden: Im Bereich des Mittelwasserbettes wurde ein Material eingebracht, welches ein ausreichendes Potential zur Besiedlung der im aquatischen Bereich lebenden Pflanzen und Tiere bietet. Im Bereich des Mittelwasserbettes wurden Kolke angelegt, die für die Tierwelt wichtige Lebens- und Fortpflanzungsräume innerhalb des Gewässers darstellen.
Arthur Oster
Im Bereich der Talsohle (außerhalb des Mittelwasserbettes) wurden unterschiedlich große und tiefe Mulden geschaffen, die je nach Lage häufig oder weniger häufig überspült werden. Die Talsohle wurde durch unterschiedlich starke Aufschüttungen modelliert, um den Pflanzen und Tieren hierdurch ein abwechslungsreiches Angebot an Lebensräumen zur Verfügung zu stellen. Im Uferbereich und in der Talsohle wurden grob strukturierte Kies- und Steinhaufen angelegt, die als Lebensraum für Tiere dienen, die nicht unmittelbar vom Wasser abhängig sind. Teile der Gewässeraue wurden als extensive Weideflächen ausgebildet. Zur Vermeidung der Erwärmung des Flusses wurden weite Abschnitte der Ufer bepflanzt. Als Unterschlupf für Tiere und Pflanzen und zur Wasserreinigung wurden auf größeren Flächen gezielt Röhrichtzonen angepflanzt. Im Rahmen der Pflanzungen wurden nur landschaftsgerechte, standortgerechte Arten verwendet. Die Pflanzenauswahl wurde auf die unterschiedliche Zonierung (Hart- und Weichholzaue) innerhalb der Aue abgestimmt. Des Weiteren wurden ein Abzweigebauwerk, Sohlgleiten und Sandfänge erstellt. Die Sandfänge haben hinsichtlich ihrer Funktion temporären Charakter und ermöglichen das Absetzen und Sammeln des Auesubstrat-Feinkornanteils. Innerhalb der neuen Indeaue sind nur wenige Wanderwege angelegt, um der Fauna eine ungestörte und natürliche Entwicklung zu ermöglichen. Für die erholungssuchende Bevölkerung steht außerhalb der Indeaue ein ausreichend großes Wegenetz zur natur-
.. Abb. 4.8.3-10 Brückenbauwerk für Spaziergänger im Indetal
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nahen, ruhigen Erholung zur Verfügung. Insgesamt wurden acht Brücken über die neue Inde gebaut, um den verschiedenen infrastrukturellen Ansprüchen wie zum Beispiel Verkehr oder Landwirtschaft gerecht zu werden. Sämtliche Brücken sind hinsichtlich der lichten Weite derart ausgelegt, dass sie eine ökologische Durchgängigkeit erlauben und somit die Gewässerfunktion als Lebensraum verbindendes Element nicht einschränken (Abb. 4.8.3-10).
4.8.3.3 Durchführung der Indeverlegung Bergmännische Planung Der Tagebau Inden entwickelte sich bis zum Jahre 2005 im Schwenkbetrieb um den vorhanden Drehpunkt, 3 km nördlich des Kraftwerks Weisweiler (Abb. 4.8.3-11). Die Verkippung mit den Absetzern folgte der Auskohlung unmittelbar. Die Verkippung des Auegebietes erfolgte dementsprechend in dem Zeitraum von 1996 bis 2004. Die Abschnitte außerhalb des Tagebaugeländes sowie die Brückenbauwerke, die Sohlgleiten und das Abzweigebauwerk für den Mühlenteich bei Kirchberg wurden in den Jahren 2002 bis 2004 hergestellt. Die Flutung der Inde in den neuen Strömungsraum erfolgte im Herbst 2005. Zur Übersicht sind die Bauabschnitte in Abb. 4.8.3‑11 dargestellt. Die Gestaltung des Reliefs um die Indeflur herum wurde wesentlich bestimmt durch die nach Osten vorgegebenen Randhöhen, die aus Gründen des Hochwasserschutzes erforderlich sind. Dabei wurde berücksichtigt, dass die angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen hochwasserfrei angelegt werden und auch nach Grundwasseranstieg nicht vernässen dürfen. Der westlich der Indeflur gelegene Hang mit forstlicher Bepflanzung ist im wesentlichen durch den böschungsfreien Anschluss an das unverritzte Gelände bei Fronhoven/Neulohn und die durch die landwirtschaftliche Wiedernutzbarmachung vorgegebener Flächenneigung von etwa 1:67 bestimmt. Für die Modellierung der Unterfläche kippte der eingesetzte Absetzer das Gelände auf die planerisch vorgegebenen Höhen an. Auf das Unterplanum erfolgte der Auftrag der 1,5 m mächtigen Abdichtungsschicht. Der mineralische Mischboden, dessen bindige Bestandteile mehr als 40% betragen mussten, wurde vom Schaufelradbagger der oberen Sohle als Löss/Kies-Gemisch oder von den Schaufelradbaggern der unteren Sohlen als Ton/Schluff/Sand-Gemisch gewonnen und über die Bandanlagen zum Absetzer transportiert und
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 4.8.3-11 Bauzeitenplan der Erstellung der „neuen“ Inde
verkippt. Weiterhin wurde als Abdichtungsmaterial auch Löss verwandt. Auf die fertig gestellte Abdichtungsschicht und auf die seitliche Böschung der Indeflur sowie die forstlichen Hangbereiche wurde anschließend ein Forstkiesgemisch aufgetragen, das auf der oberen Abbausohle durch den dort eingesetzten Bagger in einem vorgegebenen Mischungsverhältnis gewonnen und ebenfalls über Bandanlagen bis zum Absetzer transportiert wurde.
Markscheiderische Herausforderungen Die gesamte Länge der „neuen“ Inde beträgt etwa 12 km. Dies führt bei einer Höhendifferenz von 16,8 m und unter Berücksichtigung eines Höhenzwangspunktes für den Anschluss an die Einleitstelle bei Kirchberg zu einem durchschnittlichen Längsgefälle von 1,1‰. Um dieses geringe Gefälle sicherzustellen, waren beim Bau des Flussbettes strenge markscheiderische Vorgaben einzuhalten. Insbesondere bei der Herstellung des Unterplanums, als Aufstandsfläche für die mineralische Dichtungsschicht, waren die zu erwartenden Restsetzungen der Kippe und des Kippenuntergrundes zu berücksichtigen. Gerade die Bildung von Staumulden in Folge von ungleichmäßigen Bodensetzungen und den damit einhergehen Verzögerungen des Abflusses des Wassers wurden mit einer genauen Vorausberechnung der Setzungen vermieden. Unter der Berücksichtigung aller räumlichen und zeitlichen Einflussgrößen wurde die Vollsetzung der Kippe ab dem Zeitpunkt der Dichtungserstellung entlang eines Längsschnittes durch die geplante Indeflur prognostiziert. Bei einer Kippenmächtigkeit von bis zu 160 m ergaben sich maximale Vollsetzungsbeträge von bis zu 2,2 m.
Die geforderte Stärke der Dichtungsschicht war vor dem Aufbringen des Sohlsubstrates markscheiderisch aufzumessen. Hierbei wurde nach Vorgabe der beteiligten Behörden ein Raster vom 50 m × 50 m gewählt. Eine Aufbringung des Sohlsubstrates wurde erst zugelassen, wenn die Werte aus der Vermessung der Dichtungsschicht mit den Sollwerten übereinstimmten und bestätigt wurden. Neben den Setzungsprognosen und deren Überwachung waren über die üblicherweise im Tagebau Inden durchgeführten vermessungstechnischen Arbeiten hinaus folgende markscheiderische Arbeiten erforderlich: Überprüfen der Oberfläche der Abdichtungsschicht nach dem Planieren hinsichtlich der Höhenlage und Mächtigkeit sowie anschließende Freigabe zum Abwalzen Abstecken der Startlinie für den Vibrationswalzenzug im Zuge der Verdichtung der Abdichtungsschicht Permanentes Aufmaß der Walzbahnen Aufmaß der Oberfläche der Abdichtung und Soll-/ Ist-Vergleich der geforderten Mächtigkeit mit anschließender Freigabe zum Aufbringen des Auesubstrates Absteckung der Oberfläche der Indeflur und des Mittelwasserbettes Kontrollaufmaß der Oberfläche der Indeflur
Technische Umsetzungen der Planung durch Großgeräte- und Hilfsgeräteeinsatz Die Baumaßnahmen im Rahmen der Indeverlegung begannen 1996 unter ständiger geotechnischer Begleitung und dauerten bis Ende 2004. In diesem Zeitraum wurde die Indeflur abschnittsweise innerhalb und au-
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ßerhalb des Tagebaufeldes erstellt, zahlreiche Sonderbauwerke realisiert sowie Einsaaten und Gehölzpflanzungen durchgeführt. Grund für die vergleichsweise lange Bauphase war der Abbau im Schwenkbetrieb. Zudem konnte die mineralische Abdichtung lediglich in Monaten mit geeigneter Witterung und vergleichsweise geringen Niederschlagsmengen erstellt werden, da der hierfür erforderliche Löss lediglich bei Wassergehalten von unter 20% eingebaut werden konnte. Um dieses Zeitfenster zu verlängern, wurde der Wassergehalt des Lösses im Vorfeld durch den Anbau von Winterweizen abgesenkt. Die biologische Entwässerung bewirkte Entwässerungsgrade von bis zu 3%. Darüber hinaus wurden zwischenzeitlich kleine Lössdepots angelegt, die zum Schutz gegen Vernässung vollständig mit Folie abgedeckt wurden. Die Erstellung der rund 10 km langen Indeflur innerhalb des Tagebaufeldes erfolgte gemäß Regelprofil, wofür die erforderlichen Materialien auf der Gewinnungsseite mit dem Schaufelradbagger abgebaut und über Bandanlagen zum Absetzer gefördert wurden. Auf Grund der hohen Anforderungen an das zu verkippende Material und an den Einbau waren um-
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fangreiche gewinnungsseitige Materialbeprobungen im Vorfeld und auf den Strossen sowie eine entsprechende Materialdisposition erforderlich. Das jeweils benötigte Material wurde vom Absetzer im Strossenblockbetrieb, grundsätzlich in Hochschüttung, auf die planerisch vorgegebenen Höhen angekippt und im Anschluss, abhängig von der Materialfunktion (Planum, Abdichtung oder kulturfähiges Material/Erosionsschutz), mit Erdbaugeräten bearbeitet (Abb. 4.8.3-12 u. Abb. 4.8.3-13). Hierbei wurde das Planieren von Planum- und Abdichtungsmaterial von Planierraupen durchgeführt, die mit GPS-Steuerungshilfen auf Grundlage digitaler Geländemodelle ausgerüstet waren, um dadurch das komplizierte Inde-Relief effizient profilieren zu können (Abb. 4.8.3-14). Im Anschluss an das Planieren wurde das Abdichtungsmaterial mit einem schweren Vibrationswalzenzug verdichtet, der mit einem System zur flächendeckenden, dynamischen Verdichtungskontrolle (FDVK) ausgerüstet war. Dieses System ermöglicht eine qualitativ hochwertige und kostenoptimale Realisierung und Kontrolle der Anforderungen an die Abdichtung bezüglich der Wasserdurchlässigkeit.
.. Abb. 4.8.3-12 Prinzip der Strossenblockverkippung bei der Erstellung des Indebettes
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 4.8.3-13 Verkippung des Indeunterplanums im Strossenblockbetrieb
.. Abb. 4.8.3-14 GPS-gestütztes Planieren der Abdichtungsschicht
Demgegenüber wurde das kulturfähige Auesubstrat in der Regel nicht planiert, um wachstumshemmende Bodenverdichtungen auszuschließen.
angelegt wurden, entweder vermörtelt oder als wassergebundene Tragschicht angelegt. Diese Wege wurden bei trockener Witterung zur Verhinderung von Staubemissionen bewässert. Der Raum der zu verlegenden Inde im Anschlussbereich Kirchberg ist als natürliche Untereinheit der Jülicher Börde dem unteren Indetal zuzuordnen. Charakteristisches Merkmal dieses Tals ist die asymme trische Ausprägung beider Talseiten. Die östliche Talseite fällt sehr flach ab, wohingegen das westliche Ufer durch eine ausgeprägte Terassenkante in der Form eines Hügelzugs auffällt, der von der Indeaue aus rasch um 25 m bis 30 m ansteigt. Vom südlichen bis südöstlichen Rand der Ortschaft Kirchberg steigt dieser, teilweise durch schützenswerten Baumbestand geprägte Hügelzug bis zum Tagebaufeld an und trennt die Ortschaft vom Endböschungsbereich des Tagebaus ab. Im Süden von Kirchberg musste im Zuge der Herstellung der neuen Inde der den Tagebau und Kirchberg abtrennende Hügelzug durchschnitten und als Indeflur bis zur Einleitstelle modelliert werden (Abb. 4.8.3-15 u. Abb. 4.8.3-16). Die Herstellung des Indeeinschnitts wurde zeitlich in zwei Abschnitte untergliedert. Die Erstellung des eigentlichen Einschnittes mit einer Länge von 600 m durch den Hügelzug des Indetals erfolgte zwischen September 2002 und Februar 2003. Die endgültige Fertigstellung der verbleibenden 700 m erfolgte im Frühjahr 2004, da vor diesem Zeitpunkt die verbindende Landstraße L 241 zwischen den Ortschaften Kirchberg und Inden-Altdorf noch nicht bergbaulich in Anspruch genommen werden konnte. Bei der Herstellung des Einschnitts wurden ca. 0,8 Mio. m3 Massen bewegt.
Durchführung des Indebaus im Sonderbetrieb Die aufsummiert rund zwei Kilometer langen Abschnitte außerhalb des Tagebaufeldes sowie der Bereich südlich der Tagesanlagen wurden im Fremdunternehmer-Sonderbetrieb mit konventionellen Erdbaugeräten erstellt. Die Erstellung erfolgte im Zeitraum von Ende 2002 bis Anfang 2005 und beinhaltete die Arbeitsschritte Rodung, Erstellen des Geländeeinschnittes, Einbau von Abdichtungsmaterial und Auesubstrat, Realisierung der Sonderbauwerke sowie Einsaat und Bepflanzung. Im Rahmen dieser Arbeitsschritte erfolgte ein Massenumschlag von rd. 1,8 Mio. m3 Bodenabtrag, rd. 0,14 Mio. m3 Abdichtungsmaterial und rd. 0,51 Mio. m3 Auesubstrat. Um die mit diesem Massenumschlag verbundenen Staub- und Lärmemissionen möglichst gering zu halten, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen. Die transportintensiven Baumaßnahmen wurden, soweit möglich und entgegen der üblichen Vorgehensweise, in den Herbst- und Wintermonaten durchgeführt. Anteile des Bodenabtrages, die als Abdichtungsmaterial wieder verwendbar waren, wurden selektiv gewonnen und zwischendeponiert, um dadurch den Staub und Lärm verursachenden Transportaufwand zu minimieren. Darüber hinaus wurde die Deckschicht viel befahrener Transportstrecken, die im Rahmen des Indebaus
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.. Abb. 4.8.3-16 Blick auf das Indetal mit Durchschneidung des Hügelzuges
.. Abb. 4.8.3-15 Von der „neuen“ Inde durchschnittener Hügelzug bei Kirchberg
Auch die komplette Herstellung des Indeeinschnitts im Bereich der Ortschaft Kirchberg erfolgte im Fremdunternehmerbetrieb. Entsprechend des herzustellenden Indeprofils erfolgte zunächst die Vorbereitung der Indetrasse. Hierzu wurde der gesamte Bewuchs (Aufwuchs, Sträucher, Bäume) einschließlich des Wurzelwerkes teils maschinell, teils manuell gerodet. In einem nächsten Schritt wurde das Rohprofil des Indeeinschnitts aus dem unverritzten Gebirge heraus entwickelt. Im Rahmen eines „Shovel and Truck-
Betriebes“ erfolgte die Gewinnung der verschiedenen Bodenarten selektiv nach Bodenklassen innerhalb des anzulegenden Indeeinschnittes. Der von Tieflöffelbaggern gewonnene Aushub wurde auf Dumper verladen und zu der der jeweiligen Bodenklasse entsprechenden Kippstelle gefördert (Abb. 4.8.3-17 u. Abb. 4.8.3-18). Die Tagesleistung betrug ca. 10.000 m3. Für den für die spätere Abdichtung geeigneten Löss und Oberboden wurde in unmittelbarer Nähe des Indeeinschnitts ein Depot errichtet, um die Transportwege beim Ausbau sowie beim späteren Einbau des Materials in der
.. Abb. 4.8.3-17 Beladen eines Dumpers im Indetal
.. Abb. 4.8.3-18 Ausbau von Boden im „Shovel and Truck“ Teilstrossenbetrieb
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 4.8.3-19 Geotextile vor dem Einbau in die Böschung
Indeaue kurz zu halten. Da der Löss aufgrund seiner spezifischen Verdichtungseigenschaften beim Einbau als Abdichtungsschicht im Indebett einen Grenzwassergehalt von etwa 20% nicht überschreiten durfte, wurde der Depotkörper als Dachprofil mit einem Gefälle von 1:3 abgewalzt und zusätzlich mit Planen versiegelt, um das Eindringen von Niederschlagswasser und die daraus resultierende Durchfeuchtung des Depots zu vermeiden. Die nicht wieder verwertbaren Bodenarten (Sande, Kiese, Tone) wurden über ein eigens für den Schwerverkehr mit Zement befestigtes Wegesystem zu einer ausgewiesenen Kippstelle im Tagebau transportiert, wo sie abgekippt und mittels Planierraupen in den Kippenkörper einplaniert wurden. Zur Sicherung einer geordneten Ableitung des anfallenden Oberflächenwassers und zur Minimierung bzw. Verhinderung von Erosionsschäden im neuen Indeprofil wurden Abfangmulden, Rauhbettrinnen und Faschinen im Einschnittbereich angelegt. Zur Stabilisierung der Böschung erfolgt teilweise der Einbau von Geotextilien. (Abb. 4.8.3-19)
4.8.3.4 Forstliche Rekultivierung und naturnahe Ausgestaltung der Indeflur Bepflanzung der Indeflur Das neue Bett der Inde wurde aufgrund der zeitlichen und räumlichen Differenzierungen in insgesamt 14 Bauabschnitte mit Einzellängen zwischen 0,3 km und
2,7 km errichtet. Nach Fertigstellung der einzelnen Bauabschnitte wurden diese in der darauf folgenden Bepflanzungsperiode zügig bepflanzt und unmittelbar mit Sümpfungswasser eingestaut, um bereits frühzeitig eine Wassersättigung des Bodens zu erreichen und somit geeignete Wachstumsbedingungen für eine spätere Entwicklung der Indeaue zu ermöglichen. Über 400.000 Bäume und Sträucher wurden derart gepflanzt, dass sich ein ökologisch ausgeglichenes Verhältnis von Auewald, Gebüsch, Waldsäumen und Einzelbäumen einstellen konnte. In Bereichen, die vom Hochwasser häufig überspült werden, wachsen Weiden und Erlen. Hier bilden sich die Weichholzauen. In Bereichen, die selten oder überhaupt nicht überspült werden, bilden sich die Hartholzauen. Typische Vertreter dieser Kategorie sind die Eichen und Eschen. Offene Brachflächen, Wiesen und Weiden sind typische Bilder in den Auelandschaften. In der rekultivierten Indeaue wurden 45 Hektar Wildkrautflächen und zehn Hektar extensiv bewirtschaftete Wiesen angelegt. Um die Ansiedlung von Greifvögeln zu fördern, wurde eine Vielzahl von Totholzstämmen aufgerichtet, die entlang der Aue stehen.
Flutung der Inde Die eigentliche Flutung der „neuen“ Inde erfolgte auf Grundlage eines Gewässerumschlusskonzeptes in drei Phasen mit zunehmenden Abflussmengen. Hierfür wurde an der flussaufwärts gelegenen Anschlussstelle Inden-Lamersdorf ein Kombinationsbauwerk aus Spundwandprofilen und einer Trägerbohlenwand errichtet, das den ursprünglichen Hochwasserdamm an dieser Stelle ersetzte (Abb. 4.8.3-20). Das Anheben einzelner Elemente der Trägerbohlenwand ermöglichte eine Steuerung der Wassermenge (Abb. 4.8.3-21). Gleichzeitig wurde an der Anschlussstelle Kirchberg ein Durchbruch zur vorhandenen Inde geschaffen, um einen ungehinderten Abfluss zu gewährleisten. Gemäß Umschlusskonzept wurde seit Mitte April 2005 in einer ersten Phase die Abflussmenge derart gesteuert, dass zwischen 0,3 m3/s bei Niedrigwasserabfluss und 11,8 m3/s für den Fall eines möglichen Jahrhunderthochwassers durchgeleitet werden konnten. In der zweiten Phase, die Mitte Mai 2005 begann, wurden die Abflussmengen weiter stufenweise gesteigert, wodurch für den Fall eines möglichen Jahrhunderthochwassers bis zu 23,2 m3/s durchgeleitet werden konnten.
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.. Abb. 4.8.3-20 Regulierte Flutung der Inde in Höhe von Inden-Lamersdorf
.. Abb. 4.8.3-21 Stauwerk aus Spundwandprofilen und Trägerbohlenwand
Durch diese Vorgehensweise wurde das aquatische Leben behutsam auf die geänderte Wasserqualität und Strömungssituation umgestellt und eine sukzessive Bildung des Sohlendeckwerks durch Ausspülen der Feinkornanteile ermöglicht. Die in der zweiten Phase eingesteuerten Abflussmengen führten bereits zu ersten Überflutungen des Auenbereichs und bewirkten das Entstehen von einer Vielzahl von Feuchtbiotopen. In der dritten Phase wurde eine Aufteilung der Abflussmenge zwischen vorhandener und „neuer“ Inde von etwa 1:1 vorgenommen, bevor im September 2005 der vollständige und damit endgültige Umschluss erfolgte (Abb. 4.8.3-22).
Entwicklung der Flora und Fauna
.. Abb. 4.8.3-22 Blick auf den Indeeinschnitt bei Jülich-Kirchberg mit anfänglichem Pflanzenwachstum kurz nach der Flutung
Die offizielle Einweihung und Flutung der Inde erfolgte am 2. September 2005. Von diesem Zeitpunkt an durchströmte die Inde vollständig ihr neues Bett. Schon vor der offiziellen Einweihung wurden Teilbereiche des Flussbettes, das 2003 zu 80% fertig gestellt war, geflutet. Hierdurch konnten sich Biotope bilden, in denen sich schon vor der eigentlichen Flutung ausgeprägte Lebensräume für verschiedenste Tier- und Pflanzenarten entwickelten (Abb. 4.8.3-23). Um eine lückenlose Dokumentation über die Entwicklung der Vegetation und der Fauna im neuen Flussverlauf zu erhalten, wurden bereits im frühen
.. Abb. 4.8.3-23 Feuchtbiotope in der Indeaue
550
Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
Stadium umfangreiche ökologische Untersuchungen von RWE Power in Auftrag gegeben. Ein unabhängiges Team von Ökologen untersuchte die Entwicklung der Rekultivierung in den Jahren 2003, 2005 und 2006. Für jedes Jahr wurden Untersuchungen im frühen und späten Frühjahr sowie im Sommer ausgewählt. Um ein möglichst umfassendes Bild von der Besiedlung der neuen Inde zu bekommen, untersuchte man das Altland sowie den rekultivierten Bereich. Die Bestandsaufnahmen erstreckten sich auf die Vegetation sowie einige repräsentative Tiergruppen der Fauna. Hier lag das Hauptaugenmerk der Untersuchung auf Tagfaltern, Heuschrecken, Libellen, Schnecken, Muscheln und Vögeln. Die Ergebnisse des Expertenteams bestätigten den hohen Entwicklungsgrad der Rekultivierung des neu geschaffenen Naturraumes. Die Besiedlung durch zahlreiche Tier- und Pflanzenarten hat frühzeitig begonnen und hält nach Aussagen der Experten mit hoher Dynamik an. Bemerkenswert ist, dass die neuen rekultivierten Bereiche der Inde eine höhere Artenvielfalt aufweisen als die untersuchte ehemalige Indeaue. Besonders auch gefährdete und seltene Arten haben das Rekultivierungsgebiet schnell in Anspruch genommen. Generell ist mit einer anhaltenden Besiedlung der Rekultivierungsflächen zu rechnen, die in den Folgejahren durch weniger mobile Arten, wie z. B. die Mollusken, ergänzt wird. Bei der Beherbergung von gefährdeten oder vom Aussterben bedrohten Tierarten in der neuen Indeaue konnten erstaunliche Ergebnisse verzeichnet werden. Hierbei kann man als Maßstab die Gefährdungseinstufung nach der Roten Liste (RL NRW) verwenden. Bezüglich der Untersuchung der neuen Indeaue auf gefährdete Tier- und Pflanzenarten sind nach Aussage
des Expertenteams alle Bereiche als hoch wertvoll anzusehen. Auf den Probeflächen wurde die Ansiedlung von bis zu 24 gefährdeten Tierarten nachgewiesen. Auch bei der Vegetation wurden in Bezug auf die Ansiedlung von seltenen und gefährdeten Pflanzenarten Erfolge erreicht. Gerade weil man hier von einer primären Sukzession spricht, also einer völligen Neuansiedlung von Pflanzenarten, war die Artenvielfalt der Vegetation gegenüber dem Altland an den meisten Betrachtungsflächen erstaunlicherweise größer. Durchschnittlich lag die Artenvielfalt in den Betrachtungsflächen bei ca. 30 verschiedenen Pflanzenarten. Besonders im Bereich der Ufervegetation konnten sich durch die unterschiedlichen Flusswasserstände Pflanzen mit wechselfeuchten Standortansprüchen behaupten (Abb. 4.8.3-24). Gerade weil man dem Fluss die Möglichkeit der natürlichen Entwicklung im Auegebiet lässt und sich das Flussbett dabei kontinuierlich umbildet und ständig neue Vegetationsbedingungen schafft, wird eine wesentliche Voraussetzung für die zukünftige Entwicklung einer großen Artenvielfalt gewährleistet. Die Bildung von dichten Weidengebüschen im Uferbereich zeigt an, dass in den Auenbereichen mit einer zunehmenden Bewaldung zu rechnen ist und somit auch hier ein Faktor für eine spätere Umbildung der Fauna gesehen werden kann. Gerade spätere naturnahe Auenwälder werden die heutigen offenlandtypischen Pionierarten zurückdrängen, jedoch auch wieder andere Arten anziehen. Als faunistische Besonderheit ist hervorzuheben, dass an einigen Stellen der rekultivierten Inde die Ansiedlung des Bibers anhand von Fraßspuren an Bäumen im Auenbereich nachgewiesen werden konnte (Abb. 4.8.3-25).
.. Abb. 4.8.3-24 Indeaue mit fortschreitender Rekultivierung
.. Abb. 4.8.3-25 Fraßspuren eines Bibers
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.. Abb. 4.8.3-26 Blauflügelige Ödlandschrecke
Diese vor einigen Jahren in NRW noch ausgestorbene Tierart wurde Anfang der 1980er Jahre durch die Forstbehörden in der Eifel ausgesetzt und breitet sich seitdem über die Rur und ihre Nebenflüsse kontinuierlich aus. An einer Stelle hat der Biber auch schon einen zumindest zeitweise genutzten Bau angelegt. Bei der Gruppe der Schmetterlinge sind nur geringe Veränderungen zu erwarten. Diese Tierart bleibt von den Veränderungen der Wasserzonen unberührt. Sie findet in den begrünten Uferzonen ideale Lebensbedingungen. Bei den Heuschrecken wird nach Aussage des Expertenteams eine Veränderung der Artenzusammensetzung auftreten. Besonders die typischen Pionierbesiedler wie die blauflügelige Ödlandschrecke (Abb. 4.8.3-26) oder der Braune Grashüpfer werden in Zukunft verschwinden oder sich auch an den sich ständig verändernden Uferzonen oder Sandbänken neue Lebensräume suchen. Die größten Veränderungen der Artenzusammensetzungen sind bei Tierarten mit einer hohen Bindung an Wasser möglich. Besonders Amphibien und Libellen brauchen Stillgewässer wie Totarme oder Tümpel, um zu überleben. Da das Indebett sehr breit und mit flachen Ufern angelegt wurde, werden sich auch in
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Zukunft durch kleinere Überflutungen Stillgewässer bilden, wodurch ständig neue Lebensräume für Amphibien und Libellen geschaffen werden. Aufgrund der vorliegenden positiven Ergebnisse der ersten Jahre nach Rekultivierung und der beträchtlichen Ansiedlung eines vielfältigen Artenspektrums, das man als sehr hochwertig ansehen kann, lässt sich auch für die Zukunft eine weitere positive Entwicklung voraussagen. Mit der Herstellung der neuen Inde im Zuge der Wiedernutzbarmachung von Braunkohletagebauen ist im Rheinischen Braunkohlerevier eine Symbiose gelungen, die eine natürliche Weiterentwicklung von Flora und Fauna sicherstellt. Die neue Inde wird als grünes Band in der Jülicher Börde ein prägendes Element des Landschaftsbildes sein und den in dieser Region lebenden Menschen einen Ort der Ruhe und der naturverbundenen Erholung bieten.
Literatur: Albrecht, C.; Dworschak, U. et al: J.: Tiere und Pflanzen in der Rekultivierung – 40 Jahre Freilandforschung im Rheinischen Braunkohlenrevier: Acta Biologica Benrodis, Supplementband 10 (2005) Boehm, B.; Wendeler, J.: Die Verlegung der Inde im Rheinischen Braunkohlenrevier: WaWi, 7-8 / 2005, Seiten 8–13 Gärtner, D.; Schlösser, T.: Die Verlegung der Inde zwischen IndenLamersdorf und Jülich-Kirchberg – Ein Projekt für das nächste Jahrtausend: Surface Mining VOL: 51 (1999) Nr. 2, Seiten 181–189 Gärtner, D.; Durchholz, R.: Tagebau Inden – der „Inselbetrieb“ im Rheinischen Braunkohlenrevier: Surface Mining VOL: 50 (1998) Nr. 2, Seiten 145–153 Kölner Büro für Faunistik: Zur ökologischen Entwicklung des im Rahmen der Indeverlegung angelegten neuen Indeabschnitts – Untersuchungsjahre 2003–2006 Lüttecke, K.; Schwerger, R.: Markscheiderische Aufgaben bei der Indeverlegung – Anforderungen und Realisierung: Surface Mining VOL: 51 (1999) Nr. 2, Seiten 191–196 Oster, A.: Bergbau, Zeitschrift für Rohstoffgewinnung, Energie, Umwelt: Die Verlegung der Inde – bergbauliche Gestaltung einer Flussauenlandschaft; Heft 8 / 2005 Oster, A.: Tagebau Inden – Erstellung eines Geländeeinschnittes im Rahmen einer Flussverlegung: Surface Mining VOL: 55 (2003) Nr. 4, Seiten 348–355
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4.8.4
Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
Bergbaufolgelandschaft Tagebau Cottbus-Nord
Birgit Schroeckh 4.8.4.1 Tagebau Cottbus-Nord Der Tagebau Cottbus-Nord befindet sich im Land Brandenburg größtenteils auf dem Gebiet der kreisfreien Stadt Cottbus und im Landkreis Spree-Neiße. Er ist von der Größe und der Leistungsfähigkeit der kleinste Braunkohlentagebau im Lausitzer Revier. Durch das günstige Abraum zu Kohle-Verhältnis, die vorhandene Geräteausrüstung sowie die Nähe zum Kraftwerk ist der Tagebau sehr kostengünstig. Gemeinsam mit dem Tagebau Jänschwalde und dem Tagebau Welzow-Süd versorgt der Tagebau CottbusNord das Kraftwerk Jänschwalde. Das Kraftwerk, mit einer installierten Leistung von 3000 MW, hat einen Rohkohlebedarf von 25 bis 27 Mio. t Rohbraunkohle pro Jahr. Etwa ein Viertel des Bedarfes wird durch den Tagebau Cottbus-Nord abgedeckt.
Geologie Das Braunkohlenfeld Cottbus-Nord liegt am südöstlichen Rand des Baruther Urstromtales, dessen rollige Sedimente den Hauptteil der quartären Schichtenfolge bilden. Im Norden, Osten und Süden wird das Kohlenfeld von pleistozänen Rinnensystemen begrenzt. Die westliche Begrenzung bildet eine fiktive Linie zur Stadt Cottbus. Das Deckgebirge über dem Flöz hat eine Mächtigkeit von ca. 40 m (20 m Quartär, 20 Tertiär). Das Tertiär wird unterschieden in den rolligen Hangendteil mit den Haupthangendgrundwasserleitern und dem direkt über dem 2. Miozänen Flözhorizont liegenden Hangendschluffkomplex. Der zu gewinnende 2. Flözhorizont ist im Kohlefeld in 3 Flözbänken verbreitet, die durch schluffig sandige Mittel getrennt sind. Die erste und zweite Flözbank erreichen abbauwürdige Mächtigkeiten von jeweils ca. 4–5 m. Die dritte Flözbank ist nur teilweise gewinnbar.
Geschichte Die Geschichte der Erkundung der Braunkohlenvorräte im Raum Cottbus beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts. Die ersten zugänglichen Unterlagen weisen
aus dem Jahr 1910 Dokumente der „Vereinigten Cottbuser Braunkohlengruben“ aus (Situations- und Profilrisse). Weitere interessante Unterlagen aus dem Jahr 1918 zeigen „Betriebs-Berichte der Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation“ für die Consolidierten Cottbuser Braunkohlengruben sowie Gutachten von Prof. Keilhack aus dem Jahr 1911 über die Kohlefelder dieser Braunkohlengruben. Seit 1958 erfolgten die ersten systematischen Erkundungen der Braunkohlenlagerstätte Cottbus-Nord durch ca. 1870 Bohrungen. Weitere Erkundungsetappen folgten im Zeitraum 1970–78 mit ca. 2200 Bohrungen und eine Detailerkundung von 1984–1995 mit ca. 850 Bohrungen. Im Anschluss wurden speziell die gestörten Lagerstättenbereiche „Lieskower Rinne“, „Weiße Berge“ und das Störungsgebiet „Am Hammerstrom“ mit weiteren ca. 670 Bohrungen erkundet. Mit dieser Erkundungsgeschichte gehört der Tgb. Cottbus-Nord zu dem am besten erkundeten Kohlefeld der Vattenfall Europe Mining AG. Der Beginn des bergmännischen Aufschlusses ist im Jahr 1975 mit den ersten Entwässerungsmaßnahmen des Deckgebirges erfolgt. Die Aufschlussbaggerung begann im Juli 1978 mit einem Eimerkettenbagger ERs 500. Am 8. April 1981 konnte die erste Rohkohle aus dem Tagebau gefördert werden. Weitere wichtige Entwicklungsetappen waren: 1983 Inbetriebnahme der ersten Abraumförderbrücke F 34-27 1985 Inbetriebnahme der zweiten Abraumförderbrücke F 34-22 Die Grundausrüstung des Tagebaues bestand aus 2 Abraumförderbrücken für die Abraumbeseitigung und 3 Eimerkettenbagger ERs 500 und 3 Schaufelradbagger SRs 315 für die Kohlegewinnung. Damit wurden in den folgenden Jahren bis zu 54 Mio. m³ Abraum bewegt und bis zu 12,9 Mio. t Kohle pro Jahr gefördert. Diese Ausrüstung bestand ausschließlich aus rekonstruierten Altgeräten aus anderen Tagebauen. Mit der politischen Wende in Ostdeutschland im Jahre 1989 wurden auch für den Tagebau CottbusNord die Rahmenbedingungen neu festgelegt. Durch die Entscheidung das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde als Hauptabnehmer der Kohle aus dem Tgb. Cottbus-Nord langfristig weiter zu betreiben, zu mo-
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dernisieren und mit effizienter Umweltschutztechnik auszurüsten, war auch die Entscheidung zum langfristigen Weiterbetrieb des Tagebaues gefallen. Zielstellung der nächsten Jahre war es, die Tagebautechnologie und die eingesetzte Technik den neuen Anforderungen anzupassen.
Geräteausrüstung Dieser Anpassungsprozess führte zu Außerbetriebnahme der Abraumförderbrücke F 22 im Jahre 1991 (Sprengung 1995) und zur Optimierung des Großgeräteeinsatzes für die Kohlegewinnung. 1992 und 1994 wurden die in der Grube vorhandenen 2 Schaufelradbagger SRs 315 durch 2 SRs 700 ersetzt, 2 ERs 500 wurden 1993 und 1995 modernisiert. Der Tagebau kommt auf Grund der günstigen Ablagerung des Flözes und des Deckgebirges in der Abraumgewinnung nur mit der Förderbrücke zur Kohlefreilage aus. Die Ausrüstung des Tagbaues besteht aus folgenden Geräten: eine Abraumförderbrücke F 34 mit 2 Eimerkettenbaggern Es 1120 2 Schaufelradbagger SRs 700
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2 Eimerkettenbagger ERs 500 2 Bandwagen BRs 1200 Die Kohle wird im Zugbetrieb direkt aus der Grube bis zum Kraftwerk transportiert.
Abbauentwicklung Die Abbauentwicklung erfolgt ausgehend von der Aufschlussfigur im Uhrzeigersinn (s. Abb. 4.8.4-1). Es mussten für den Abbau der Kohle 4 Ortschaften dem Tagebau weichen. Zwei weitere Orte werden zum Teil in Anspruch genommen. Für den Tagebau wurde eine Bahnstrecke umverlegt. Das Kohlefeld Cottbus-Nord ist zu 70% ausgekohlt. Geplant ist in den nächsten Jahren eine durchschnittliche jährliche Förderung von ca. 5–6 Mio. t. Der Tagebau wird ca. 2015 planmäßig seine Endstellung erreicht haben. Im Jahr 1996 wurde der Vorschnittbetrieb im Tagebau eingestellt, der weitere Abbau erfolgt ausschließlich mit der Abraumförderbrücke. Der bis 1996 geschüttete Bereich der Innenkippe mit einer Flächenausdehnung von ca. 600 ha wird im weitesten Sinn das spätere Ostufer des künftigen Sees bilden.
.. Abb. 4.8.4-1 Abbauentwicklung Tagebau Cottbus-Nord
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
Die Gesamtabbaufläche des Tagebaues beträgt ca. 2600 ha, davon sind bereits ca. 450 ha rekultiviert (Stand 2007) und für die Nachnutzung vorbereitet.
4.8.4.2 Genehmigungen als Voraussetzung für die Bergbaufolgelandschaft Das Aufschließen, Führen und Beenden eines Braunkohlentagebaues erfordert eine Vielzahl von Genehmigungen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den landesplanerischen und bergrechtlichen Genehmigungen sowie den darüber hinaus noch erforderlichen Genehmigungen nach weiteren Fachgesetzen.
Landesplanerische Genehmigungen Im Land Brandenburg ist die Braunkohlenplanung ein Teil der Landesplanung. Durch die Landesplanungsabteilung des Landes Brandenburg wird ein Braunkohlenplan erarbeitet. Dieser Plan wird in einer öffentlichen Beteiligung erörtert, abgewogen und von der Landesregierung per Rechtsverordnung erlassen. Braunkohlenpläne legen Grundsätze und Ziele der Raumordnung fest. Der Braunkohlenplan legt Grundsätze und Ziele der Raumordnung fest, soweit diese für die Braunkohlenplanung erforderlich sind. Es werden die Rahmenbedingungen nachfolgender Planungen festgelegt, die den Kohleabbau ermöglichen und die sozialen und ökologischen Belange im erforderlichen Maße berücksichtigen. Ein wesentlicher Bestandteil des Braunkohlenplanes sind Ziele und Grundsätze für die Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft. Für den Tagebau Cottbus-Nord gibt die Landesplanung mit dem in letzter Fassung am 18.07.2006 für verbindlich erklärten Braunkohlenplan die Gestaltung eines Sees über nahezu den gesamten Gewinnungsbereich des Tagebaues vor (s. Abb. 4.8.4-2).
Betriebsgenehmigungen Die gesetzliche Grundlage zur Betriebserlaubnis für den Tagebau liefert das Bundesberggesetz. Es sind zum Betreiben der Tagebaue genehmigte Betriebspläne erforderlich. Die bergrechtlichen Betriebspläne sind mit den Zielen des Braunkohlenplanes in Einklang zu bringen, insbesondere hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung
und der Wiedernutzbarmachung als Voraussetzung für die Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft.
Rahmenbetriebsplan Die Bergbehörde, im Land Brandenburg ist es das Landesamt für Bergbau Geologie und Rohstoffe, hatte für den Tagebau Cottbus-Nord 1994 einen Rahmenbetriebsplan und 1996 eine Abänderung zum Rahmenbetriebsplan als Präzisierung zugelassen. Er regelt unter anderem: Übereinstimmung der Abbaugrenzen mit dem Braunkohlenplan, Allgemeine Angaben zum beabsichtigten Vorhaben, Grundsätzliche Übersicht zur Tagebauführung, Voraussichtlicher zeitlicher Ablauf, Grundsätzliche wasserwirtschaftliche Maßnahmen, Grundzüge der Wiedernutzbarmachung und Oberflächengestaltung.
Hauptbetriebsplan Für die Führung des Betriebes werden Hauptbetriebspläne in der Regel für 2 Jahre aufgestellt. Sie beinhalten: Konkrete Abbauführung in diesen 2 Jahren, Standsicherheit der Böschungen, Einhaltung der Immissionsrichtwerte, Öffentliche Sicherheit, Darstellung der Wiedernutzbarmachung,
Abschlussbetriebsplan Zur Einstellung des Betriebes ist ein Abschlussbetriebsplan aufzustellen. Für das gesamte Abbaugebiet des Tagebaues Cottbus-Nord ist dieser Betriebsplan zur Zulassung eingereicht (Stand 2007). Wesentliche Inhalte sind: die technische Durchführung und Dauer der Betriebseinstellung, die Herstellung des Gewässerbettes für den späteren Cottbuser See, sichere Gestaltung aller Tagebauendböschungen, Herstellung der öffentlichen Sicherheit, Wiedernutzbarmachung der bergbaulich genutzten Rand- und Kippenflächen.
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Wasserrechtliche Verfahren zur Herstellung eines Gewässers Für die Herstellung des Gewässers ist ein Wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren gemäß § 31 des Wasserhaushaltsgesetzes erforderlich. In diesem Verfahren werden die Voraussetzungen und Erfordernisse für die Herstellung eines Gewässers betrachtet und festgelegt, unter anderem: Wasserwirtschaftliche Aspekte des Gewässerausbaus, Grundwasserwiederanstieg, Flutungsziele, Zuleiter, Ableiter für den künftigen See, Wasserwirtschaftliche Nutzung des Sees. Für den Tagebau Cottbus-Nord ist es vorgesehen dieses Verfahren im Jahr 2009 zu beginnen und 2013 abzuschließen.
4.8.4.3 Herstellung der Bergbaufolgelandschaft Nach der Rohstoffgewinnung im Tagebau CottbusNord verbleibt ein Massendefizit. Es entstehen technologisch bedingte Randschläuche. Das Höhenniveau der im Zentrum entstehenden Förderbrückenkippe ist tiefer als die Geländehöhe vor der Kohlegewinnung. Die Herstellung eines Gewässers ist somit eine effiziente Alternative für die Rekultivierung dieses Tagebaues. Der Braunkohlenplan sieht dies in seinem maßgeblichen raumordnerischen Ziele für die Wiedernutzbarmachung des Tagebaues vor. Mit einer Größe von ca. 1900 ha wird die Landschaft durch diesen zukünftigen See zwischen den Städten Cottbus, Peitz und Forst entscheidend geprägt werden. Entsprechend dieser landesplanerischen Vorgabe sind für den künftigen Restsee die Voraussetzungen für eine Mehrfachnutzbarkeit unter Berücksichtigung wasser wirtschaftlicher, fischereilicher, naturschutzfachlicher und touristischer Aspekte zu schaffen. Für die Flächennutzung sowie für die Nutzung der Uferbereiche gibt die Landesplanung im Braunkohlenplan die Grundsätze zur Gestaltung vor. Das Ostufer, angrenzend an die Endstellung des Vorschnittkippenbetriebes, wird durch reich strukturierte Insel- und Flachwasserbereiche geprägt sein. Das Potential für die Entwicklung naturschutzrelevanter Bereiche ist dort am höchsten. Der Bildung von Renaturierungs- und Sukzessionsflächen wird hier der Vorzug gewährt.
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Flächen, die der Erholungsnutzung dienen, sollen im Bereich der gewachsenen Böschungsbereiche und im räumlichen Zusammenhang mit vorhandenen Siedlungen eingeordnet werden. Östlich des Drehbereiches des Tagebaues befindet sich die Ausfahrrampe für die Kohlezüge. Es ist vorgegeben diese Kohlebahnausfahrt nahezu vollständig geländegleich zu schließen. In einem gutachterlichen Verfahren wurden schon 1998 die Notwendigkeit und die Auswirkungen einer speicherwirtschaftlichen Nutzung des künftigen Sees auf Natur und Landschaft, die spätere Erholungsnutzung sowie die Grundwasserflurabstände im Umfeld geprüft. Die Untersuchung war zu diesem frühen Zeitpunkt notwendig, da für die Gestaltung der Restseeböschungen im Rahmen der Braunkohlensanierung die entsprechenden Vorgaben gemacht werden mussten. Insgesamt wurden 3 Grundvarianten mit Staulamellen von 1,4 m, 2,4 m und 1,7 m begutachtet. Unter Abwägung aller Aspekte wurde der Variante mit einer späteren Wasserhöhe für den künftigen See von + 61,8 bis + 63,5 m NHN für die Bergbausanierung der Vorzug gegeben. Die auf die Staulamelle von 1,7 m ausgerichtete Sanierung gewährleistet einen ausreichenden Handlungsspielraum für die innerhalb des Wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahrens noch erforderlichen Untersuchungen und Prüfungen. Damit war die wesentliche Basis für die Definition der Sicherungs- und Gestaltungsarbeiten geschaffen. Die bergmännischen Arbeiten zur Herstellung des Gewässerbettes werden danach ausgerichtet. (s. Abb. 4.8.4-3)
Gewachsene Böschungen Bodenmechanische Berechnungen sowie ein wellenhydraulisches Gutachten bilden weitere Grundlagen zur Ermittlung der Parameter für die Abflachung der Böschungen: Neigung 1 : 15 – im Wellenschlagbereich, – 2 m unterhalb des Minimalwasserstandes bis – 1 m oberhalb des Maximalwasserstandes Neigung 1 : 4 – ab 1 m oberhalb des Maximalwasserstandes bis – zur Geländeoberfläche. Auf einer Länge von ca. 13 km werden diese Erdarbeiten erforderlich. Die Oberkante der Abgrabung wird hierbei bis zu 70 m nach außen verschoben. In Einzelbereichen, in denen das Vorland für diese Abfla-
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Kapitel 4.8 Betriebliche Beispiele
.. Abb. 4.8.4-2 Bergbaufolgelandschaft Tagebau Cottbus-Nord
chung nicht vorhanden ist, sind Verbaumaßnahmen erforderlich. Die so gestalteten Böschungen können für spätere Strandbereiche gefahrlos genutzt werden. Die Arbeiten zur Böschungsabflachung können teilweise schon vor Beendigung des Gewinnungsbetriebes begonnen werden. Die Außerbetriebnahme von Filterbrunnen in den Randbereichen ist in Abhängigkeit von der Tagebausicherheit möglich.
Brückenkippe Durch die Fahrweise der Förderbrücke entsteht im ausgekohlten Teil des Tagebaues eine Innenkippe. Die Oberfläche der Förderbrückenkippe stellt den späteren Seeboden dar. Damit ein „gesundes und funktionierendes“ Gewässer entsteht, ist mindestens eine Wassertiefe von 2 m bei Niedrigstau zu gewährleisten.
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.. Abb. 4.8.4–3 Restraumgestaltung Tagebau Cottbus-Nord
Entsprechend dem prognostizierten Mindestwasserstand von + 61,8 m NHN ist die Höhe des Seebodens bis maximal + 59,8 m NHN zulässig. Die bisher geschütteten Bereiche sowie die noch geplanten Abbaubereiche weisen sowohl höhere als auch niedrigere Bereiche aus. In den höher geschütteten Bereichen ist der Kippenboden in Mächtigkeiten von 1 – 7 m abzutragen. Die entsprechende Massenberechnung ergab einen erforderlichen Massenabtrag von ca. 23 Mio. m³. Der größte Teil des Bodens wird zur Verfüllung der Kohlebahnausfahrt verwendet.
Gekippte Böschungen und Insellagen Ausgenommen von dem vorher beschriebenen Massenabtrag sind die Kippenböschungen und geplanten Insellagen im Ostbereich. Diese Böschungen sind gegen Setzungsfließrutschungen zu sichern. Die gleichförmigen Sande im Abraum der Lausitzer Tagebaue neigen nach der Verkippung infolge lockerer Lagerung bei Wassersättigung zur spontanen Verflüssigung. Die spontane Verflüssigung wird durch ein Initial (z. B. Erschütterung) ausgelöst, das zum Gefügezusammenbruch, Porenwasserdruckanstieg und Festigkeitsverlust im wassergesättigten Kippenboden
führt. In Kippenböschungen können so plötzliche und ohne vorherige äußere Anzeichen weit in das Hinterland reichende Setzungsfließrutschungen ablaufen. Diese Gefahr wird durch Verdichten des Kippenbodens infolge Scherung und damit Verringerung des Porenanteils beseitigt. Die Sicherung der Böschungen und des unberührt bleibenden gekippten Hinterlandes erfolgt durch einen als Stützkörper wirkenden erdstatisch berechneten „versteckten Damm“. Dieser Damm reicht in der Regel bis zum gewachsenen Liegenden, hier im Tagebau Cottbus-Nord bis in Tiefen von bis zu 45 m. Die im Dammkörper und in Teilen der Böschung erforderliche Verdichtung kann durch Sprengen, Rütteln oder mit der Fallplatte erreicht werden: Sprengverdichtung eignet sich besonders bei Kippenböden und -böschungen mit einem geringen Feinkornanteil (